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German Pages 102 [103] Year 2019
Volkswirtschaftliche Schriften Band 570
Wirtschaftspolitisches Umdenken in der globalen Welt Von
Claus Köhler
Duncker & Humblot · Berlin
CLAUS KÖHLER
Wirtschaftspolitisches Umdenken in der globalen Welt
Volkswirtschaftliche Schriften Begründet von Prof. Dr. Dr. h. c. J. Broermann †
Band 570
Wirtschaftspolitisches Umdenken in der globalen Welt Von
Claus Köhler
Duncker & Humblot · Berlin
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Zur Erinnerung an
Ingeborg Köhler-Rieckenberg
Vorwort Im 21. Jahrhundert hat sich gegenüber vergangenen Jahrzehnten Grundsätzliches verändert. Das allumfassende Informationssystem, mit dem Internet im Mittelpunkt, sowie die modernen Verkehrssysteme zu Lande und in der Luft ermöglichen es der Wirtschaft weltweit tätig zu sein. Die weltweiten Märkte erfordern ein hohes Maß an Freizügigkeit. Aber das lässt sich schwer verwirklichen, denn auch in Zukunft gibt es Nationalstaaten mit politischen Grenzen und eigenen Interessen. So bleibt die Freizügigkeit im weltweiten Wirtschaftsverkehr eine Herausforderung. Das moderne Informationssystem hat aber auch zu weltweiter Transparenz geführt. Man wird sich der Unterschiede in den Lebensstandards bewusst. Armut und Hunger als Folge hoher Arbeitslosigkeit führen zur Migration. Ihre Ursachen bekämpfen bedeutet, dem Ziel Vollbeschäftigung ein hohes Gewicht beizumessen. Eine Konsequenz ist, dass Zentralbanken, so wie seit Jahrzehnten in den USA, zwei Ziele anstreben müssen, Vollbeschäftigung und Preisstabilität. In einer globalen Wirtschaft wächst das Welthandelsvolumen und damit nimmt der Bedarf an Devisen zu. In den vergangenen Jahrzehnten ist er durch ein Land und deren Währung, die USA und den US-Dollar, gedeckt worden. Das hat sich als unzweckmäßig erwiesen. So steht die globale Welt vor dem Problem, die Devisenversorgung der Weltwirtschaft neu zu organisieren. Die vielen Länder mit eigenen Währungen haben zur Konsequenz, dass nach wie vor, neben den Warenpreisen, weitere Preise eine Rolle spielen, die Wechselkurse. Starke Kursschwankungen im globalen Wirtschaftsverkehr wirken teilweise wettbewerbsverzerrend. Man muss sich daher darum bemühen, die Wechselkursentwicklungen handelsneutral verlaufen zu lassen. Für Analyse und Therapie dieser Probleme bedarf es Orientierungspunkte. Für die Analyse, um die wirtschaftliche Entwicklung zu erfassen, zu ordnen und unter globalen Bedingungen zu durchleuchten, ist Orientierungspunkt das Produktionspotenzial. Für die Therapie ist es zweckmäßig, sich an Wirtschaftswissenschaftler zu erinnern, die für die zu behandelnden Probleme der allgemeinen Wirtschaftspolitik, der monetären Politik und der Wechselkursprobleme Orientierungen gegeben haben. Für die konjunkturellen Probleme war das Oskar Morgenstern mit seinem Buch „Wirtschaftsprognose, eine Untersuchung ihrer Voraussetzungen und Möglichkeiten“, Wien 1928. Dieser international erfahrene Wissenschaftler machte deutlich, dass man sich mit dem gewählten Thema gründlich theore-
8 Vorwort
tisch auseinandersetzen muss und alle damit zusammenhängenden Aspekte von Wirkung und Anwendung zu prüfen hat. Nachdem Morgenstern mit seinem Thema so verfahren ist, kommt er zum Schluss: „Dieses richtige Verhalten ist: sich auf möglichst vollständige, möglichst rasche und möglichst weit zu verbreitende Information über die gegenwärtige Wirtschaftslage zu beschränken und alle Interpretation auf das Minimum technischer Notwendigkeiten hinabzudrücken.“1 Dieser Schluss kann als Morgensternsches Gesetz bezeichnet werden. Wesentlich ist eine laufende, theoretisch fundierte, quantitative Analyse durchzuführen. Der zeitliche Abstand dieser Analysen wird von der Verfügbarkeit über statistisches Material bestimmt, sollte aber nicht über ein Vierteljahr hinausgehen. In dieser Arbeit werden Schaubilder benutzt, deren Zeitabstände, aus Darstellungsgründen, ein Jahr betragen. Aber diese Schaubilder können auch mit Vierteljahresdaten erstellt werden. Im monetären Bereich gab vor allem ein schwedischer Wissenschaftler Hinweise auf ein sinnvolles Vorgehen, Knut Wicksell mit seinem Buch „Geldzins und Güterpreise, eine Studie über die den Tauschwert des Geldes bestimmenden Ursachen“, Jena 1898. Er definierte ein Gleichgewicht im monetären Bereich, den natürlichen Zins. „Jene Rate des Darlehnszinses, bei welcher dieser sich gegenüber den Güterpreisen durchaus neutral verhält und sie weder zu erhöhen noch zu erniedrigen die Tendenz hat, kann nun keine andere sein, … als der jeweilige Stand des natürlichen Kaptalzinses.“2 Wicksell machte klar, dass man einen Maßstab, wie hier das Produktionspotenzial, für die wirtschaftspolitischen Ziele benötigt, an dem man die tatsächliche monetäre Entwicklung messen und an denen man sich orientieren kann. Zur Lösung von Devisenmarktproblemen war mir ein anderer schwedischer Wissenschaftler vorbildhaft: Gustav Cassel. Nach dem ersten Weltkrieg frug man, ob man zu den Vorkriegsparitäten der Wechselkurse zurückkehren könne. Während des Krieges waren die Preise in den einzelnen Ländern unterschiedlich gestiegen. Cassel äußerte sich zu diesem Problem in einem Gutachten an den Völkerbund, dem „Memorandum on the world’s monetary problems“. Es war vorbildlich, dass ein Wissenschaftler in dieser Form auf eine aktuelle wirtschaftliche Frage antwortete. „Wenn zwei Valuten Inflation erlitten haben, ist der normale Wechselkurs gleich dem alten Kurs multipliziert mit dem Quotienten zwischen dem Grade der Inflation in dem einen und dem anderen Lande. … Aber der Kurs, der auf die hier angegebene Weise berechnet wurde, muss als die neue Parität zwischen den Valuten angesehen werden. Diese Parität kann Kaufkraftparität genannt werden, da sie 1 Morgenstern, 2 Wicksell,
Oskar, Wirtschaftsprognose, Wien 1928, S. 122. Knut, Geldzins und Güterpreise, Jena 1898, S. 93.
Vorwort9
durch die Quotienten zwischen der Kaufkraft der verschiedenen Valuten bestimmt wird.“3 Auch gegenwärtig hilft die Kaufkraftparitätentheorie, das Problem handelsneutraler und kapitalverkehrsneutraler Wechselkurse zu lösen. Ich habe diese Arbeit meiner 2015 verstorbenen Frau, Ingeborg KöhlerRieckenberg, gewidmet. Sie war Wirtschaftswissenschaftlerin am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.4 Unser beider Interesse galt neben den wirtschaftlichen Problemen der modernen Grafik und der Kunst Afrikas und Asiens.5 Bad Soden, im November 2018
3 Cassel,
Claus Köhler
Gustav, Das Geldproblem der Welt, München 1921, S. 30 f. DIW trauert um seine langjährige Mitarbeiterin Dr. Ingeborg Köhler-Rieckenberg“, DIW Wochenbericht Nr. 27.2015, S. 649. 5 „Ingeborg Köhler-Rieckenberg 1914–2015“, von der Heydt-Museum Wuppertal, Jahresbericht 2015, S. 110. 4 „Das
Inhaltsverzeichnis A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Drei wichtige wirtschaftliche Ausgangsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Produktionspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das reale Bruttoinlandsprodukt BIPr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das nominale Bruttoinlandsprodukt BIPn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eine Wirtschaft ohne Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Preisveränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eine Wirtschaft mit Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wirtschaftspolitische Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Quantifizierung wirtschaftspolitischer Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Ziel Vollbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Produktionslücke und Arbeitslosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hunger, Armut und Migration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Ziel Preisstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 15 16 16 17 17 17 18 20 22 22 22 25 26 27
B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele . . . . . . . . . . I. Märkte erfordern wirtschaftliche Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Drei Epochen, die landwirtschaftliche, die industrielle und digitale . . 2. Die Welthandelsorganisation WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Integrationsräume statt vollständiger Freizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 4. Integrationsbemühungen der USA und Chinas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vollbeschäftigung und Preisstabilität in der digitalen Epoche . . . . . . . . . 1. Unvermeidliche Zielverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuerung beider Ziele durch die Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unabhängigkeit der Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 30 33 35 36 40 40 41 44
C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Instrumente der monetären Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zinspolitik und Liquiditätspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Zinspolitik (Leitzinsen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Liquiditätspolitik (Mindestreserven) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Liquiditätspolitik (Offenmarktgeschäfte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Liquiditätspolitik (Sondermaßnahmen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Liquiditätspolitik (Markteinflüsse) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Die Liquiditätspolitik der Europäischen Zentralbank . . . . . . . . . . . . . .
46 46 46 47 52 53 56 58 59
12 Inhaltsverzeichnis II. Strategische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Weg zu den Zielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Weg zur Vollbeschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Weg zur Preisstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62 62 63 66
D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen . . . . . . . I. Voraussetzungen und tatsächlicher Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedingungen einer störungsfreien finanziellen Abwicklung . . . . . . . . 2. Die finanzielle Abwicklung in der landwirtschaftlichen Epoche . . . . . 3. Die finanzielle Abwicklung in der industriellen Epoche . . . . . . . . . . . II. Die Devisenversorgung der Weltwirtschaft in der digitalen Epoche . . . . . 1. Die finanzielle Abwicklung in der digitalen Epoche . . . . . . . . . . . . . . 2. Störungsfreie Informationsübertragungen im Zahlungsverkehr . . . . . .
68 68 68 69 71 74 74 80
E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen . . . . . . . . . . I. Wirkungen von Wechselkursänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wechselkursschwankungen und der Waren- und Dienstleistungs verkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wechselkursschwankungen und der Kapitalverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zunehmende Bedeutung der Wechselkurse u. Wechselkurs manipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Handelsneutralität und Kapitalverkehrsneutralität der Wechselkurse . . . . 1. Der Blick die G20 und des IWF auf die Wechselkurse . . . . . . . . . . . . 2. Das Saldenproblem in der globalen Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mehr Stabilität der Wechselkurse – Handelsneutralität . . . . . . . . . . . . 4. Weniger Störungen – Kapitalverkehrsneutralität . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83 83 83 85 87 91 91 93 95 98
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis Abbildung 1: Wirtschaft ohne Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Abbildung 2: Wirtschaft mit Fehlentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Abbildung 3: Das Preisstabilitätsziel und die Preissteigerungsraten (EWU)/ The price stability objective and the inflation rates (EMU) . . . . . 21 Abbildung 4: Arbeitslosenquoten/Unemployment rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Abbildung 5: Veränderungen der Konsumgüterpreise/Changes of consumer prices . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Abbildung 6: Technik und Wirtschaft – die historische Dimension . . . . . . . . . . 31 Abbildung 7: Integrationsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Abbildung 8: Leitzinsen und Tagesgeld in der EWU/Prme rates and overnight deposits in EMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Abbildung 9: Die Zinsstruktur am Geldmarkt der EWU/The interest rate structure on the money market of the EMU . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Abbildung 10: Liquiditätspolitik der Europäischen Zentralbank/ Liquitity policy operations of the European Central Bank . . . . . . 60 Abbildung 11: Potentielles u. tatsächliches WtWachstum und Arbeitslosigkeit in der EWU/Potential and actual economic growth and unemployment in EMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Abbildung 12: Arbeitslosenquoten in Abhängigkeit vom Tagesgeld 2001–2017 EWU/Unemployment rates depending on overnight deposits 2000–2017 EMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Abbildung 13: Wirtschaftswachstum (BIPn) und Elastizitäten in der EWU/ Economic growth (GDPn) and elasticities in EMU . . . . . . . . . . . 67 Abbildung 14: Veränderungen des Welthandelsvolumen in %/ Changes in world trade vulume % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 Abbildung 15: Tatsächliche Wechselkurse des US-Dollar zum Euro/ Actual exchange rates of the US-Dollar to Euro . . . . . . . . . . . . . . 83 Abbildung 16: Veränderungen der Währungsreserven der G20-Länder von 2008–2016 in %/Changes in foreign exchange reserves of the G20 countries from 2008–2016 in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Abbildung 17: Tatsächliche und handelsneutrale Wechselkurse des EURO ab 1999/Actual and commercially neutral exchange rates of the EURO from 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
14
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Tabelle 1:
Die Welthandelsrunden der Welthandelsorganisation WTO . . . . . 33
Tabelle 2:
Freihandelsbemühungen der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37
Tabelle 3:
Freihandelsbemühungen Chinas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
Tabelle 4:
Leitzinsen (Tenderergebnisse) und Marktzinsen (Tagesgeld) in der EWU in % p. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
Tabelle 5:
Liquiditätsbedarf und -versorgung in der EWU . . . . . . . . . . . . . . . 61
Tabelle 6:
Länder die die IO tragen und gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
Tabelle 7:
Devisenversorgung durch die USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
Tabelle 8:
Devisenversorgung durch eine internationale Organisation . . . . . . 79
Tabelle 9:
Zahlungsbilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Tabelle 10:
Leistungsbilanzen 2017 (in Mrd. US-Dollar) . . . . . . . . . . . . . . . . 94
Tabelle 11:
Das Arbitragegleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen I. Drei wichtige wirtschaftliche Ausgangsgrößen 1. Das Produktionspotenzial Das Produktionspotenzial ist eine wirtschaftliche Größe, an der sich die Wirtschaftspolitik orientieren soll. Sie ist eine fiktive Größe. Sie zeigt welches Produkt an Waren und Dienstleistungen eine Volkwirtschaft in einer Periode produzieren könnte. Das Produktionspotenzial als Summe aller zu erarbeitenden Güter und Dienstleistungen, wird von den arbeitsbereiten Menschen und den vorhandenen Anlagen erstellt. Die arbeitsbereiten Menschen sind das Arbeitspotenzial einer Volkswirtschaft (Produktionsfaktor Arbeit). Das sind die Erwerbstätigen, also die tatsächlich Beschäftigten, zuzüglich der Arbeitslosen. Die vorhandenen Anlagen (Produktionsfaktor Kapital) umfassen die Maschinen und Geräte in den Unternehmen, die Infrastrukturen, wie Straßen Eisenbahnstrecken und Flughäfen sowie die Verkehrsmittel, wie Kraftfahrzeuge, Züge und Flugzeuge. Auch die damit zusammenhängenden organisatorischen Maßnahmen zählen dazu. Analysen des Produktionspotenzials erfordern es eigentlich, neben dem Arbeitspotenzial auch die vorhandenen Anlagen und ihre Veränderungen, die Investitionen, zu erfassen. Während statistische Daten zum Arbeitspotenzial kurzzeitig bereitstehen, ist das bei den Anlagen nicht der Fall. Wenn überhaupt, dann werden sie meist nur in größeren Abstanden (z. B. jährlich) erfasst. Außerdem vergeht im Allgemeinen ein erheblicher Zeitraum zwischen der Erfassung und der Veröffentlichung der Daten. Man muss einen Ausweg finden. An die Stelle der vorhandenen Anlagen wird die Arbeitsproduktivität gesetzt. Sie ist das Gesamtprodukt von Gütern und Dienstleistungen je arbeitsbereiten Menschen. In der Arbeitsproduktivität drückt sich der gegenwärtige technische Standard einer Volkswirtschaft aus. Das Produktionspotenzial Y* wird somit definiert mit dem Produkt aus Arbeitspotenzial A* und der Arbeitsproduktivität π. Der Einfluss der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital schlägt sich in der Arbeitsproduktivität nieder. Y* = A* π
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A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen
2. Das reale Bruttoinlandsprodukt BIPr Die zweite wichtige wirtschaftliche Größe ist das reale Bruttoinlandsprodukt. Das reale Bruttoinlandsprodukt ist die Summe aller Güter und Dienstleistungen, die mit den Erwerbstätigen und den vorhandenen Anlagen in einer Periode tatsächlich produziert werden. Statt der statistisch schwer erfassbaren Anlagen wird auch hier die Arbeitsproduktivität benutzt. Das reale Bruttoinlandsprodukt Yr ist somit das Produkt aus Erwerbstätigen A und der Arbeitsproduktivität π. Yr = A π
Das Produktionspotenzial beantwortet die Frage, wieviel in einer Volkswirtschaft in einer Periode produziert werden könnte. Das reale Bruttoinlandsprodukt zeigt, wieviel in einer Volkswirtschaft in einer Periode produziert wurde. Es enthält also nicht die Produktion, die Arbeitslose erstellen könnten, wenn sie einen Arbeitsplatz gefunden hätten. Das Bruttoinlandsprodukt enthält die Summe aller produzierten Güter und Dienstleistungen in einer Periode, die im Inland erstellt wurden. Bestandteil des Bruttoinlandsprodukts sind auch die Abschreibungen. Werden sie weggelassen, so erhält man das Nettoinlandsprodukt. Gelegentlich wird gefragt, was Inländer an Waren und Dienstleistungen produziert haben, und zwar unabhängig davon, ob das im Inland oder im Ausland geschehen ist. Man erhält dann eine Größe, die Auskunft gibt, welches Einkommen Inländer in einer Periode im Inland und Ausland erzielt haben. Diese Größe wird Nationaleinkommen genannt. 3. Das nominale Bruttoinlandsprodukt BIPn Die dritte wichtige wirtschaftliche Größe ist das nominale Bruttoinlandsprodukt. Es entspricht in seiner Zusammensetzung dem realen Bruttoinlandsprodukt. Beide Größen unterscheiden sich in den zugrunde gelegten Werten. Das reale Bruttoinlandsprodukt benutzt Werte einer Basisperiode, die in der Vergangenheit liegen. Basis können auch die Werte der jeweiligen Vorperiode sein. Das nominale Bruttoinlandsprodukt wird dagegen mit Gegenwartswerten, d. h. mit Marktwerten, errechnet. Überwiegend liegen die Gegenwartswerte üben den Basiswerten. Das nominale Bruttoinlandsprodukt Yn übersteigt daher normalerweise das reale Bruttoinlandsprodukt Yr. Yn = Yr π + (Marktwerte – Basiswerte)
II. Fehlentwicklungen17
4. Eine Wirtschaft ohne Fehlentwicklungen Eine ideale wirtschaftliche Lage wäre gegeben, wenn alle drei wichtigen wirtschaftlichen Größen, das Produktionspotenzial, das reale Bruttoinlandsprodukt und das nominale Bruttoinlandsprodukt, denselben Umfang hätten. In der nachfolgenden schematischen Darstellung ist das angenommen. Wenn das reale Bruttoinlandsprodukt dem Produktionspotenzial entspricht, dann haben alle arbeitsbereiten Menschen einen Arbeitsplatz gefunden. Es gibt keine Arbeitslosen. Wenn das nominale Bruttoinlandsprodukt summengleich ist dem realen Bruttoinlandsprodukt, dann entsprechen die Werte, die auf einer Basisperiode beruhen und die im realen Bruttoinlandsprodukt verwendet werden, den Marktwerten, das sind die Marktpreise, die dem nominalen Bruttoinlandsprodukt zugrunde liegen. Wertdifferenzen, d. h. Preisveränderungen, liegen also nicht vor. Bei einer solchen Konstellation weist eine Volkswirtschaft also keine Fehlentwicklungen auf. Das wäre in der Tat eine ideale Welt. Aber sie lässt sich nicht verwirklichen. Fehlentwicklungen sind unvermeidbar. Produktionspotenzial Y*
Reales BIP Yr
Nominales BIP Yn
Abbildung 1: Wirtschaft ohne Fehlentwicklungen
II. Fehlentwicklungen 1. Arbeitslosigkeit In der tatsächlichen Welt besteht stets zwischen Produktionspotenzial und BIPr eine Differenz. Das BIPr liegt unter dem Produktionspotenzial, d. h. die tatsächliche Produktion liegt unter der möglichen. Diese Differenz zeigt eine Unterauslastung der Kapazitäten an. Sie bedeutet, dass nicht alle arbeitsbe-
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A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen
reiten Menschen im Durchschnitt eines Jahres einen Arbeitsplatz gefunden haben. Es gibt mehrere Gründe für diese Arbeitslosigkeit. Einmal ist das die saisonale Arbeitslosigkeit. Sie ist witterungsbedingt. Menschen, die im Winter in Skigebieten in einem Restaurant arbeiten, verlieren im Sommer ihren Arbeitsplatz. Das gilt auch für Menschen die im Sommer am Meer arbeiten und im Winter dort ihren Arbeitsplatz verlieren. Im Winter werden häufig auch Hoch- und Tiefbauarbeiten eingestellt. Eine solche saisonale Arbeitslosigkeit ist nicht zu vermeiden. Auch die friktionale Arbeitslosigkeit muss hingenommen werden. Sie entsteht, wenn Menschen ihren Arbeitsplatz wechseln und dazwischen eine Zeit ohne einen Arbeitsplatz liegt. Die strukturelle Arbeitslosigkeit muss nicht hingenommen werden. Sie ist gegeben, wenn das Wissensniveau des Angebots mit dem der Nachfrage nicht übereinstimmt. Um diese Arbeitslosigkeit zu beseitigen bedarf es eines längeren Zeitraums, denn vorhandene arbeitsbereite Arbeitskräfte müssen ausgebildet oder umgeschult werden. Ebenfalls nicht hinnehmbar ist die konjunkturelle Arbeitslosigkeit. Sie entsteht wenn die aktuelle Nachfrage die vorhandenen Kapazitäten nicht mehr auslasten. Es droht die Gefahr einer sich selbst beschleunigenden Abwärtsentwicklung der wirtschaftlichen Nachfrage, da die vorangegangene Unterauslastung der Kapazitäten zu einer weiteren Verringerung der Investitionen beitragen kann. Die monetäre Politik mit ihrer Zinspolitik und die Finanzpolitik mit ihrer Ausgaben- und Einlagenpolitik müssen im Rahmen ihrer gesamten Haushaltspolitik gegensteuern. Gelänge es die Mobilität der Arbeitskräfte zu erhöhen, ließe sich ein Teil der saisonalen Arbeitslosigkeit beseitigen. Menschen, die in Skigebieten wohnen und im Winter dort arbeiten, müssten im Sommer ans Meer umziehen um in dortigen Urlaubsgebieten tätig zu sein. Auch die In der Wirklichkeit bestehende friktionale Arbeitslosigkeit ließe sich etwas verringern, wenn es gelänge durch höhere Mobilität die Zeiträume eines Arbeitsplatzwechsels zu verkürzen. Das kann man aber weder erwarten, noch fordern. Die Mobilität der Arbeitskräfte ist nun einmal eigeschränkt. 2. Preisveränderungen Auch zwischen dem BIPn und dem BIPr besteht eine Differenz. Sie ist erwünscht, d. h. man strebt keine Differenz von Null an, also absolute Preisstabilität. Erwünscht ist eine Differenz, bei der das BIPn über dem BIPr liegt. Der Durchschnittswert über Null muss sicherstellen, dass die Differenz
II. Fehlentwicklungen19
(Preissteigerungsrate) nicht negativ wird. Dadurch würden nämlich Erwartungen weiter sinkender Preise ausgelöst. Das bewirkt, dass Unternehmen und private Haushalte vorgesehene Investitionen und Konsumausgaben verschieben. Man erwartet dann, die Käufe später billiger tätigen zu können. Ausfallende Aufträge und verringerte Produktion führen in einen wirtschaftlichen Abschwung. Andererseits muss darauf geachtet werden, dass die Auftriebskräfte, also die Nachfrage gegenüber den Kapazitäten, nicht zu stark werden. Das führt zu einem Anstieg der Marktwerte des BIPn gegenüber dem Basiswert des BIPr und damit zu Preissteigerungen. Die Arbeitsproduktivität, ein Bestandteil der Gesamtproduktion, hat einen Einfluss auf die Preise. Steigt die Arbeitsproduktivität, nimmt also die Produktion je Beschäftigten zu, dann entlastet das die Unternehmen, weil ihre Kosten je produzierter Einheit sinken. Aber dem stehen im Allgemeinen Forderungen nach höheren Löhnen der arbeitsbereiten Menschen gegenüber. Steigende Löhne belasten die Unternehmen. Die Kosten je produzierter Einheit steigen. Aus diesen Zusammenhängen scheint sich ein Lösungsweg zu ergeben, der Preissteigerungen vermeidbar macht: Die Sozialpartner sollten bei ihrer Lohnfindung darauf achten, dass die Lohnerhöhung grundsätzlich mit der Produktivitätssteigerung übereinstimmt. Dann würde der Belastung durch Lohnerhöhung eine weitgehend entsprechende Entlastung durch die Produktivitätssteigerung gegenüberstehen. Der Wettbewerb sorgt dafür, dass Preisveränderungen unterbleiben. Dieser Lösungsweg zur Preisstabilität scheitert daran, dass in den einzelnen Bereichen der Wirtschaft die Produktivitätsfortschritte unterschiedlich sind, während Lohnsteigerungen in einzelnen Bereichen sich wenig unterscheiden. Angenommen die Lohnsteigerungen in einer Volkswirtschaft betragen 3 % und die durchschnittliche Produktivitätszunahme liegt ebenfalls bei 3 %. Der gesamtwirtschaftlichen Belastung durch Lohnsteigerung entspricht eine gleich hohe Entlastung durch die Produktivitätszunahme. Das Bild ändert sich, wenn Volkswirtschaften Bereiche haben, deren Produktivitätsfortschritte unterschiedlich sind. In einem Industriebereich (Computerindustrie) beträgt der Produktivitätsfortschritt 6 % und in einem Dienstleistungsbereich (Friseur) 0 %. Bei Lohnsteigerungen von 3 % muss der Friseur seine Preise um 3 % erhöhen, der Computerhersteller könnte sie um 3 % senken. Aber es bestehen Preisrigiditäten. Er wird die Preise senken, aber vielleicht nur um 1 % oder 2 %. Das Ergebnis ist eine allgemeine Preiserhöhung. Sie ist unvermeidlich. Wenn hier von Preisstabilität gesprochen wird, ist immer Preisniveaustabilität gemeint. Niemand denkt daran einzelne Preise zu stabilisieren. Ihre Bewegungen entscheiden über den Umfang der Produktion und der Investitionen. Das soll nicht geändert werden. Aber der Begriff Preisniveaustabilität ist heute durch den Begriff Preisstabilität ersetzt worden.
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A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen
3. Eine Wirtschaft mit Fehlentwicklungen In der tatsächlichen Welt entspricht das BIPr nicht dem Produktionspotenzial. Infolge saisonaler und friktionaler, also unvermeidlicher Arbeitslosigkeit, kann das BIPr nie das Produktionspotenzial erreichen. Die Differenz ist die Produktionslücke. Misst man sie in v. H. des Produktionspotentials, erhält man den Auslastungsgrad des Produktionspotenzials. Man strebt an, dass die Marktwerte (Markpreise), die dem BIPn zugrunde liegen, die Basiswerte, auf denen das BIPr beruht, übersteigen. Wäre das nicht so und die Marktwerte würden die Basiswerte unterschreiten, entstünden Erwartungen sinkender Preise. Solche Preissenkungserwartungen führen zu Auftragsrückgängen, daraus folgend zu Produktionseinbußen, d. h. zu einer restriktiven wirtschaftlichen Entwicklung. Die Differenz zwischen höherem BIPn und geringerem BIPn markiert die unvermeidlichen Preissteigerungen, die Konjunkturabschwünge vermeiden sollen. Produktionspotenzial Y*
Reales BIP Yr Prod. Lücke (ArbLosigkeit)
Nominales BIP Yn Preise (Deflator)
Abbildung 2: Wirtschaft mit Fehlentwicklungen
Gelegentlich wird ein enger Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Preisen angenommen. Es wird der Eindruck erweckt, dass Preisstabilität immer eine bestimmte Arbeitslosenquote erfordert. Das bezeichnet man als die natürliche Arbeitslosigkeit: „The natural rate of unemployment is the unemployment rate over the longer term that is consistent with low and stable inflation. It comprises both the ‚frictional‘ unemployment of people who are temporarily between jobs or searching as they have reentered the labor force and the more ‚structural‘ unemployment of people whose skills or physical location are not a good match for the jobs available.“6 6 Chairman Jerome H. Powel, Monetary Policy at a Time of Uncertainty and tight Labor Markts, Sintra, Portugal, June 20, 2018.
II. Fehlentwicklungen21
Ein solch enger Zusammenhang ist nicht gegeben. Man kann nicht einer bestimmten Situation am Arbeitsmarkt eine bestimmte Preissteigerungsrate zurechnen. Diese Feststellung gilt auch für die Aussage der Phillipskurve.7 Dort wird, in modifizierter Form, der Zusammenhang zwischen Arbeitslosenquoten und Preissteigerungsraten dargestellt. Diese Kurve vermittelt die Tendenz, dass einer niedrigen Arbeitslosenquote eine hohe Preissteigerungsrate entspricht. Wäre das die Wahrheit, dann könnte man jede Wirtschaftspolitik aufgeben, die gleichzeitig, Vollbeschäftigung und Preisstabilität anstrebt. Aber die Wirklichkeit mit ihren vielen Einflüssen, macht es unmöglich, den Zusammenhang zweier Größen auf den Verlauf einer Kurve zurückzuführen. Die Phillipskurve zeigt ein empirisch ermitteltes Bild, das aber nicht die komplexen Zusammenhänge erkennen lässt. So ist die Phillipskurve nur measurement without theory. Die Differenz zwischen BIPn und BIPr bildet die Preise aller im BIP enthaltenen Güter und Dienstleistungen ab. Preise werden gewöhnlich als Index dargestellt, hier also als Quotient von BIPn/BIPr. Man bezeichnet ihn als 3,5 3,0 2,5 2,0
1,5 1,0 0,5 0,0
Cl.K.
2006
2007
2008
Deflator
2009
2010
2011
2012
2013
Verbraucherpreise (HVPI)
2014
2015
2016
2017
Preisstabilitätsziel
Source: Eurostat
Abbildung 3: Das Preisstabilitätsziel und die Preissteigerungsraten (EWU)/ The price stability objective and the inflation rates (EMU) 7 Bofinger, Peter/Reischle, Julian/Schächter, Andrea, Geldpolitik – Ziele, Institutio nen, Strategien und Instrumente, München 1996, S. 22 ff.
22
A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen
Deflator. Vielfach benutzt man statt des Deflators den Index der Konsum güterpreise. Er zeigt also nur einen Ausschnitt aus dem Deflator. Ein wichtiger Unterschied ist, dass der Deflator nur vierteljährlich, der Konsumgüter index aber monatlich vorliegt.
III. Wirtschaftspolitische Ziele 1. Die Quantifizierung wirtschaftspolitischer Ziele Wirtschaftspolitische Ziele in den meisten Staaten der Welt sind Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Es genügt nicht, sie nur verbal zu umschreiben. Sie müssen quantitativ definiert werden. Nur dann wird sich die Wirtschaftspolitik entsprechend verhalten. Es wird dann möglich die Gründe für Erfolg oder Misserfolg wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu ergründen. Die damit verbundene Transparenz macht es auch der Wirtschaftspolitik leichter, ihr Vorgehen verständlich zu machen. Die Wirtschaftspolitik orientiert ihre quantitativen Ziele an den unvermeidlichen Fehlentwicklungen dieser Zielgrößen. Sie können erreicht, sollten aber nicht überschritten werden. Es kommt immer wieder vor, dass die tatsächlichen Größen von den angestrebten Zielgrößen stärker abweichen. Die Zielgrößen bleiben auch dann bestehen. Um die Vorteile der Quantifizierung, Erfolgsmessung und Transparenz zu wahren, müssen in diesen Fällen quantitative Zwischenziele formuliert werden, die die Wirtschaft auf ihr endgültiges Ziel führt. 2. Das Ziel Vollbeschäftigung Das Ziel Vollbeschäftigung ist weitgehend identisch mit der optimalen Kapazitätsauslastung der Wirtschaft, also einer optimalen Liquiditätslücke. Das ist eine Relation zwischen realem BIP und dem Produktionspotenzial. Jedoch gemessen wird das Ziel Vollbeschäftigung mit den in der Produk tionslücke enthaltenen Arbeitslosen, und zwar relativ zum Arbeitspotenzial. Das Ziel Vollbeschäftigung wird also ausgedrückt mit einer Arbeitslosenquote, die man für unvermeidbar hält. Das Problem der Quantifizierung dieser unvermeidlichen Arbeitslosenquote ist bisher nicht gelöst. In dieser Arbeit wird von einem Vollbeschäftigungsziel, nämlich einer Arbeitslosenquote von 3 %, ausgegangen. Arbeitslosigkeit kann saisonale, friktionale, konjunkturelle und strukturelle Ursachen haben. Die beiden zuletzt genannten Arten sind nicht unvermeidlich. Sie können, zumindest mittelfristig beseitigt werden. Für die unvermeidliche saisonale Arbeitslosigkeit setzen wir eine durchschnittliche Rate von 2 % an und für die unvermeidliche friktionale eine von 1 %.
III. Wirtschaftspolitische Ziele23
Dieses Ergebnis soll mit der Handhabung des Vollbeschäftigungsziels in den drei wichtigen Volkswirtschaften verglichen werden. In der EWU ist die Zentralbank einseitig auf Preisstabilität festgelegt. Die öffentlichen Haushaltsdefizite und die Schuldenstände der 19 Mitgliedsstaaten der EWU sind nur angemessen, wenn sie bestimmte Referenzwerte für Defizite und Schuldenstände nicht überschreiten.8 Außerdem wurden weitere Regeln für öffentliche Haushalte erlassen, die verlangen, dass die Haushalte eher ausgeglichen sein sollen.9 In diesen Finanzregeln wurde auch vereinbart: „Ein aktives Feinsteuern durch ein Euro-Land sollte nur bei Einhaltung der Haushaltsziele zulässig sein.“ (a. a. O., S. 30). Maßnahmen, Arbeitslosigkeit zu beseitigen, sind damit mit der Finanzpolitik, ebenso wie mit der monetären Politik, grundsätzlich ausgeschlossen. In den USA ist die Zentralbank, das Federal Reserve System, gesetzlich verpflichtet, Vollbeschäftigung zu verwirklichen10. Eine eindeutige quantitative Zielsetzung allerdings fehlt. Vielmehr vergleicht das FED die tatsäch liche Arbeitslosenquote mit dem langfristigen Durchschnitt dieser Quoten und zieht daraus ihr Schlüsse. Als im Juni 2018 die Arbeitslosenquote in den USA 3,8 % betrug, bemerkte der Präsident des FED: „At 3,8 percent, the unemployment rate is below most estimates of its long-run level, which are now clustered in the mid-4s. Many other labor market indicators also suggest an economy near full employment.“11
Daraus kann man schließen, dass das Federal Reserve System Vollbeschäftigung bei einer Arbeitslosenquote von 3 % oder 3,5 % erfüllt sieht. In China ist es Aufgabe der Chinesischen Volksbank (People’s Bank of China) die Währung stabil zu halten und das Wirtschaftswachstum zu fördern.12 China hat keine quantitativen Ziele für Vollbeschäftigung formuliert. Aber seit vielen Jahren veröffentlicht China Arbeitslosenquoten, die um 4 % schwanken. Aus dieser faktischen Entwicklung kann geschlossen werden, dass China ein Vollbeschäftigungsziel mit einer Arbeitslosenquote von 4 % anstrebt. 8 Vertrag
über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV, Art. 126. europäischen Fiskalregeln sehen vor, dass die Mitgliedstaaten einen strukturell annähern ausgeglichenen Haushalt aufweisen.“ Deutsche Bundesbank: Zur Ausgestaltung und Umsetzung de europäischen Fiskalregeln, Monatsbericht Juni 2017, S. 32. 10 Federal Reserve Act, Section 2 A. Monetary Policy Objectives. 11 Chairman Jerome H. Powel, Monetary Policy at a Time of Uncertainty and tight Labor Markets, Sintra, Portugal, 20. Juni 2018. 12 The People’s Bank of China, Objective of the Monetary Policy, The objective of the monetary policy is to maintain the stability of the value of the currency and thereby promote economic growth. 9 „Die
24
A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen
13,0
12,0
12,0
11,0 10,0 9,0
10,2 9,0
9,1
9,6
8,0 7,0 6,0 5,0 4,0
4,4
4,3
4,0 3,1
3,9
3,0
3
2,0 1,0 0,0
2000 01
02
03
04
05
06
USA
07
08
EWU
09
10 China
11
12
13
14
Ziel
15
16
17 Cl. K.
Source: IMF
Abbildung 4: Arbeitslosenquoten/Unemployment rates
In Deutschland wurde erstmals 1967 eine quantitative Zielgröße für Vollbeschäftigung genannt. Sie wurde mit einer Arbeitslosenquote von 0,8 % gleichgesetzt. Dazu äußerte sich 2018 der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: „Die Definition des Sachverständigenrates aus dem Jahre 1967, nach der Vollbeschäftigung dann erreicht ist, wenn die Arbeitslosenquote höchstens 0,8 % beträgt, dürfte jedenfalls nicht mehr zeitgemäß sein (JG 1967 Ziffer 248). Es dürfte jedoch schwerfallen, zu diesem Zweck sinnvoll eine andere maximale Arbeitslosenquote zu benennen, die geeignet wäre, Vollbeschäftigung eindeutig zu definieren.“13 Allerdings tat er es in seinem Gutachten 2011/12. „Aber eine Arbeitslosenquote von 7,1 v. H. [das war die damalige tatsächliche Quote] liegt nicht unerheblich über ihrem Vollbeschäftigungswert von 4 v.H.“.14 In der Wahlkampagne zum Deutschen Bundestag 2017 hat nur eine Partei, das Parteienbündnis CDU/CSU, sich ein quantitatives Vollbeschäftigungsziel gesetzt. Im Juni 2017 betrug die Arbeitslosenquote in Deutschland 5,5 %. In ihrem Regierungsprogramm 2017–2021 schrieben die beiden Parteien: „Wir 13 Jahresgutachten 14 Jahresgutachten
des SVR 2017/2018, Ziff. 737. des SVR 2011/2012, Ziff. 448.
III. Wirtschaftspolitische Ziele25
wollen bis spätestens 2025 Vollbeschäftigung für ganz Deutschland. In West und Ost, in Nord und Süd. Wir werden die Zahl der Arbeitslosen nochmals halbieren.“15 Damit betrachten diese beiden Parteien eine Arbeitslosenquote von 2,75 % als Vollbeschäftigungsziel. 3. Produktionslücke und Arbeitslosigkeit Die wirtschaftspolitischen Ziele, so auch das Vollbeschäftigungsziel, werden aus den drei wichtigen wirtschaftlichen Ausgangsgrößen, Produktions potenzial, BIPr und BIPn, abgeleitet. Die Arbeitslosigkeit ist explizit in den drei Größen nicht vorhanden. Implizit ist sie in der Differenz zwischen BIPr Yr und Produktionspotenzial Y*, der Produktionslücke L, enthalten. L = Yr – Y*
Das BIPr wird mit den Erwerbstätigen A und der Arbeitsproduktivität π dargestellt und das Produktionspotenzial mit dem Arbeitspotenzial A* und der Arbeitsproduktivität π. L = A π – A* π und L = (A – A*) π
Das Arbeitspotenzial A*, die arbeitsbereiten Menschen einer Volkswirtschaft, ist die Summe von Erwerbstätigen A und den Arbeitslosen AL. Diese Definitionen machen deutlich, dass die Produktionslücke, die Unterauslastung der Produktionskapazität, dem Produkt aus Arbeitslosen und der Arbeitsproduktivität entspricht. L = (A – A + AL) π und L = AL π und somit AL = L / π
Die anfangs formulierte Produktionslücke zeigt, welcher Wert an Produktion und Dienstleistungen nicht verwirklicht wurde. Die davon abgeleitete Definition der Arbeitslosen macht deutlich, was noch hätte produziert werden können, wenn diese Arbeitslosen ebenfalls im Produktionsprozess gestanden hätten. Die Zahl der Arbeitslosen entspricht damit dem Quotienten aus Liquiditätslücke und Arbeitsproduktivität. Das zu quantifizierende Ziel ist eine Arbeitslosenquote ALQ, bei der die Zahl der Arbeitslosen AL am Arbeitspotenzial A* gemessen wird. ALQ = AL / A* 15 CDU/CSU Für ein Deutschland, indem wir gut und gerne leben. Regierungsprogramm 2017–2021, S. 10.
26
A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen
4. Hunger, Armut und Migration Schon immer bestanden zwischen den Volkswirtschaften, z. B. Afrikas und Europas, erhebliche Unterschiede im Lebensstandard. Schon immer gab es in Teilen der Welt die Probleme von Hunger und Armut. Mit Entwicklungshilfen versuchten entwickelte Länder den wenig entwickelten entgegenzuwirken. Mit dem Eintritt in die digitale Epoche hat das moderne Informationssystem dazu geführt, das sich die Menschen in armen Gebieten ihrer Lage, im Verhältnis zu reichen Ländern, bewusst werden. Damit wird die globale Welt mit einem weiteren Problem herausgefordert, der Migration. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Hunger und Armut eng mit der Höhe der Arbeitslosigkeit zusammenhängen. Neu ist, dass die Kenntnis über die hohen Differenzen in den Lebensstandards der Menschen in der digitalen Epoche in alle Winkel des Erdballs getragen wird. Menschen verlassen Gebiete mit hoher Arbeitslosigkeit und geringen Entwicklungschancen und begeben sich in Gebiete mit höherem Lebensstandard und besseren Entwicklungsmöglichkeiten. In entwickelten Ländern versucht man sich dagegen zu wehren. Das ist verständlich, weil kurzfristig sich auch keine anderen Maßnahmen bereitstehen. Einreiseverbote und Unterbindungen von Fluchtwegen helfen auf Dauer nicht. Vielmehr müssen die hohen Arbeitslosenquoten armer Länder verringert werden. Diese Probleme sind der entscheidende Grund weshalb dem Ziel Vollbeschäftigung eine hohe Priorität eingeräumt wird. Auf dem Weg vorankommen, Hunger, Armut und Migration zu verringern, wird man nur, wenn die Länder mit hohen Arbeitslosenquoten, Jahr für Jahr Zielgrößen festlegen, die niedriger sind als zuvor und realistischer Weise erreicht werden können. Nur allgemeine Bekundungen zur Vollbeschäftigung reichen nicht mehr aus. Man muss mit der Quantifizierung die diesen Ländern gewährte Entwicklungshilfe verbinden und ihre zielgerichtete Verwendung überwachen. Beispielsweise wies Südafrika 2017 eine Arbeitslosenquote von 27,7 % auf. Zwar lautet das Vollbeschäftigungsziel 3 %, aber das liegt in sehr weiter Ferne. So wäre zunächst ein Ziel unter 27 %, also z. B. 25 %, anzustreben. Entsprechende Investitionspläne sind aufzustellen. Die Finanzierungspläne, die die zu erwartende Entwicklungshilfe einschließt, sind anzupassen. Sobald das Zwischenziel erreicht ist, kann ein neues niedrigeres formuliert und die dazu gehörende Wirtschaftspolitik durchgeführt werden. Auf diese Weise die Arbeitslosigkeit in armen Volkswirtschaften zu verringern, bedeutet Hunger und Armut schrittweise zu beseitigen. Verringerte Arbeitslosigkeit bedeutet aber auch, dass die Menschen in diesen Ländern spüren, wie sich die wirtschaftlichen Aktivitäten beleben. Damit steigt die Hoffnung, einen höheren Lebensstandard auch im eigenen Land zu erreichen.
III. Wirtschaftspolitische Ziele27
Für die Jugend in diesen Ländern steigen damit die Chancen, Arbeit im eigenen Land zu finden. Zwang oder Wunsch zu emigrieren werden zurückgehen. Der Abbau der Arbeitslosigkeit in den armen Ländern ist wohl der hoffnungsvollste Weg, die Ströme der Migration zu stoppen. 5. Das Ziel Preisstabilität Ein weiteres wichtiges wirtschaftspolitisches Ziel, neben Vollbeschäftigung, ist Preisstabilität. Fast alles was wir tun wird in Werten, meist in Einheiten der nationalen Währung, ausgedrückt. Dies gilt für die Produktion, den Konsum, die Investitionen und die Einkommen. Jeder, der ein Einkommen erhält, kann über seine Verwendung, ob er es konsumiert, investiert oder spart, frei entscheiden. Eines aber will man sichergestellt wissen: Man will, vor allem bei festem Einkommen, in der nächsten Periode für die Güter und Dienstleistungen die man erwirbt nicht mehr zahlen müssen als vorher. Ihre Werte, d. h. Preise sollten nicht steigen, sonst bekäme man für sein Einkommen weniger Güter. Die Ersparnisse, die man zurückgelegt hat, verlören an Wert. Das Ziel Preisstabilität will diese negativen Folgen von Wertsteigerungen ohne Einkommenszunahme vermeiden. Es ist in den einzelnen Ländern in der Welt anerkannt und wird angestrebt. Es scheint problemlos zu sein das Ziel Preisstabilität zu quantifizieren. Wenn das Preisniveau sich nicht ändern soll, so lautet das Ziel für Preisstabilität 0 %. Aber keines der vielen Länder, das ein Ziel Preisstabilität quantifiziert hat, strebt 0 % an. Solche Zielgrößen sind immer Durchschnitte. Bei einem Ziel von 0 % würden im Laufe der Periode die Veränderungsraten gelegentlich negativ und gelegentlich positiv sein. Solche negativen Veränderungen können Erwartungen weiter sinkender Preise auslösen und positive Veränderungen Erwartungen weiter steigender Preise. Was eine Zentralbank fürchtet, sind Erwartungen sinkender Preise, denn dann halten sich Investoren und Konsumenten mit ihrer Nachfrage zurück. Die wirtschaftliche Entwicklung flaut ab. Wie die Zeit nach der Weltfinanzkrise 2009 gezeigt hat, haben die Zentralbanken durch starke Zinssenkungen und durch umfangreiche Zuführungen liquider Mittel versucht, das Blatt zu wenden, aber die Wirtschaft nahm die Angebote der Zentralbanken nur sehr zögerlich an. Im umgekehrten Fall, wenn Preissteigerungen zu Erwartungen weiter steigender Preise und damit höherer Nachfrage führen, hat eine Zentralbank nicht viel Mühe, den preissteigernden Gefahren zu begegnen. Sie wird die Zinsen erhöhen und die Liquiditätszufuhr drosseln. Dann fehlen der Wirtschaft die Mittel, ihren Erwartungen entsprechend, zu handeln. Um der Gefahr sinkender Preise und der sich daraus ergebenden Erwartungen weiterer Preissenkungen zu begegnen, haben alle Zentralbanken, die ein
28
A. Wirtschaftspolitik unter globalen Bedingungen
Preisziel verfolgen, eine positive Preissteigerungsrate festgelegt, die sie mit Preisstabilität gleichsetzen. Heute beträgt die Zielgröße für das Ziel Preisstabilität allgemein 2 %. Die Europäische Zentralbank ist etwas genauer. Sie setzt Preisstabilität gleich mit einer Rate von „mittelfristig unter, aber nahe 2 %“. Mit dieser Definition sagt sie, dass Preisstabilität mittelfristig erreicht werden muss. Sie will auf kurzfristige Preisschwankungen nicht reagieren. Bei dem Begriff „unter, aber nahe“ wurde „unter“ nicht definiert. Ursprünglich sollte das offen bleiben. Die spätere Ergänzung „aber nahe“ macht deutlich, dass man keine Situation schaffen will, die zu Erwartungen sinkender Preise, mit der Konsequenz nachlassender wirtschaftlicher Aktivitäten, führt. Auch hier gilt, dass ein Land mit einer sehr hohen Preissteigerungsrate das Ziel 2 % beibehält. Es setzt jedoch von Jahr zu Jahr Zwischenziele, mit denen es sich schrittweise dem Ziel Preisstabilität nähert. Allgemein begründet wurde diese Größe von 2 % nicht. Man kann argumentieren, dass eine solche Rate zustande kommt, selbst wenn in einer Volkswirtschaft die Lohnsteigerungen der Produktivitätsentwicklung entsprechen. Das liegt an den unterschiedlichen Produktivitätssteigerungen in den einzelnen Bereichen. In den überdurchschnittlich zunehmenden Bereichen (Informationstechnologie) werden die Preise gesenkt, aber nicht im Umfang des Produktivitätsüberschusses (Preisrigiditäten). Bereiche ohne Produktivitätszuwachs (Dienstleistungen) müssen dagegen die Lohnerhöhungen voll in den Preisen weitergeben. Das Ergebnis sind Preissteigerungen. Issing verweist auch noch auf Messfehler bei der Berechnung der Preis indizes hin, die eine positive Zielgröße für Preisstabilität rechtfertigen. „Es kommt hinzu, dass Messfehler bei der Ermittlung eines Index nicht zu vermeiden sind. Das liegt nicht zuletzt an der Schwierigkeit, Qualitätsveränderungen der im Index enthaltenen Güter richtig zu erfassen. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass die Verzerrung bei der Ermittlung des Index (‚Measurement bias‘) eine überhöhte Preissteigerungsrate ergibt, die ‚wahre‘ Inflationsrate also niedriger anzusetzen wäre.“16
Man muss die Preise und ihre Veränderungen messen. Im Konzept der potenzialorientieren Wirtschaftspolitik ergeben sich die Preise als Differenz zwischen dem BIPn und dem BIPr. Sie sind der Deflator. Der Deflator enthält also die Preise aller im BIP enthaltenen Waren und Dienstleistungen. Gemessen werden können die Preisveränderungen einmal ausgehend von einer Basis, z. B. dem Jahr 2010. In diesem Basisjahr werden BIPn und BIPr gleichgesetzt. Die Differenz der beiden Veränderungen in den folgenden Jahren ist der Preisindex des Bruttoinlandsprodukts des BIP. Das ist der De16 Issing,
Otmar, Der Euro – Geburt, Erfolg, Zukunft, München 2008, S. 90 f.
III. Wirtschaftspolitische Ziele29 6,0 5,0
4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 –1,0
2000 01
02
03
04
05
USA
06
07
08
EWU
09
10
China
11
12
13
14
Ziel
15
16
17 Cl. K.
Source: IMF
Abbildung 5: Veränderungen der Konsumgüterpreise/ Changes of consumer prices
flator. Man kann den Deflator zum anderen auch ermitteln, indem man jeweils die Vorperiode zur Basis nimmt. Häufig wird nicht der Deflator als Zielgröße für das Ziel Preisstabilität verwendet, sondern ein Ausschnitt aus dem im BIP enthaltenen Güter und Dienstleistungen, die Konsumgüterpreise. Der Deflator steht mit dem BIP, d. h. vierteljährlich und relativ lange nach dem Quartalsende, bereit. Die Konsumgüterpreise dagegen sind Monat für Monat und bald nach Monatsende verfügbar. In der EWU verliefen die Preissteigerungsraten stets nahe der Ziellinie von 2 %. Grundsätzlich war das auch in den USA der Fall, wenn es dort auch größere Abweichungen gab. In China, das sich wohl auch an dem 2 %-Ziel ausrichten will, kam es allerdings zu erheblichen Schwankungen der Preise. Nach der Weltfinanzkrise 2009 gingen die Preise in allen drei Ländern stärker zurück. Obwohl sich die Zentralbanken gegen diese Entwicklung stemmten, begann sich erst ab 2017 die Preisentwicklung wieder zu normalisieren.
B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele I. Märkte erfordern wirtschaftliche Freizügigkeit 1. Drei Epochen, die landwirtschaftliche, die industrielle und digitale Man muss sich bewusst sein, dass mit den modernen Informations- und Verkehrssystemen die Weltwirtschaft in eine neue Epoche eintritt. Was Unternehmen an Waren und Dienstleistungen anbieten und was somit den Lebensstandard der Menschen darstellt, wird von der Technik bestimmt. Je ausgefeilter diese Technik ist, umso vielfältiger sind die Produkte, die sie hervorbringt. Die Vielfalt und die Mengen hergestellter Produkte verlangen aber auch immer größere Märkte. Es galt schon immer ein ungeschriebenes Gesetz: Angebot und Nachfrage auf diesen Märkten werden störungsfrei, also freizügig, abgewickelt. Im 21. Jahrhundert stößt die Wirtschaft an Grenzen. Die Wirtschaft operiert auf weltweiten Märkten; aber Angebot und Nachfrage können keinesfalls störungsfrei abgewickelt werden. Diese Zusammenhänge sollen in einer kurzen historischen Darstellung verdeutlicht werden. In der landwirtschaftlichen Epoche des 16. und 17. Jahrhunderts stellte die Technik. Pflüge, Sensen, Hämmer, Nähnadeln und von Pferden oder Kühen gezogene Wagen zur Verfügung. Das erleichterte es den Landwirten ihre Produkte anzubauen, zu ernten und zum Markt zu bringen. Die Hämmer und Hobel gestatteten es Betten und Schränke zu bauen und die Nähnadeln waren die Basis um Kleidungen herzustellen. Die Wirtschaft bestand also aus Landwirtschaft und Kleingewerbe. Die Märkte in dieser landwirtschaftlichen Epoche umfassten die Wohngebiete. Verkauf und Erwerb landwirtschaftlicher Produkte und von Erzeugnissen des Kleingewerbes konnten frei abgewickelt werden. Es gab keine Hindernisse. Gelegentlich kam es vor, dass Produkte des eigenen Marktes in benachbarte Märkte verkauft wurden. Auch bezog man Waren von dort. Für die Landesherren war das eine Gelegenheit Einkünfte zu erzielen. Wurden Waren in andere Gebiete verkauft oder von dort bezogen, wurde an den Grenzen des Fürstentums, der Grafschaft oder der freien Stadt Abgaben erhoben. Man nannte sie Zölle; es gab also Ausfuhrzölle und Einfuhrzölle. Allerdings merkte man sehr bald, dass Ausfuhrzölle keine Vorteile
I. Märkte erfordern wirtschaftliche Freizügigkeit31
Die landwirtschaftliche Epoche (16. und 17. Jh.) mit regionalem Handel Technik: Pflug, Sense, Hacke, Hammer, Hobel, Nähnadel, Wagen Wirtschaft: Landwirtschaft und Kleingewerbe Märkte: Wohngebiete Sonst.: Abgaben (Zölle)
Die industrielle Epoche (18. und 19. Jh.) mit internationalem Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr Technik: Dampfmaschine, mechanischer Webstuhl, Elektrizität, Auto Computer und Automation Wirtschaft: Industrie mit Massenproduktion Märkte: Nationalstaaten (Fr, UK, Sp vorhanden, It 1861 u. Dt 1871 geschaffen) Sonst.: Zölle, Wechselkurse
Die digitale Epoche (20. und 21. Jh.) mit globalem Wirtschaftsaustausch Technik:
Informationssysteme (Internet), moderner Verkehr, künstliche Intelligenz Wirtschaft: Industrie und Dienstleistungen Märkte: weltweit Sonst.: Zölle, Wechselkurse, Nationale Grenzen Abbildung 6: Technik und Wirtschaft – die historische Dimension
brachten. Konnten infolge der Belastung durch Ausfuhrzölle weniger Waren ausgeführt werden, dann gingen im eigenen Gebiet Produktion und Beschäftigung zurück. Also verschwanden die Ausfuhrzölle. Einfuhrzölle blieben bis heute erhalten. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es eine gewaltige technische Entwicklung, die die Wirtschaft revolutionierte, mit erheblichen sozialen Folgen. Es wurde die Dampfmaschine erfunden, der mechanische Webstuhl und die Elektrizität und in einer späteren Phase dieser industriellen Entwicklung, das war bereits im 20. Jahrhundert, der Computer, der zur Automatisierung von Produktionsprozessen führte. Nicht mehr der Landwirt und Kleingewerbetreibende bestimmte das wirtschaftliche Geschehen, sondern große Betriebe, Industriebetriebe, in denen mit den neuen Techniken Massenprodukte hergestellt wurden. Der Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtproduktion nahm ab. Diese industrielle Entwicklung mit ihrer Massenproduktion erfordert größere Märkte als sie in der landwirtschaftlichen Epoche notwendig waren.
32
B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele
Eine Reihe von Ländern besaß Märkte mit der notwendigen Größe. Das waren Frankreich, Großbritannien und Spanien, die auch noch umfangreiche Kolonien besaßen. Anders verhielt es sich mit den in Kleinstaaten zersplitterten Italien und Deutschland. Die wirtschaftlichen Verhältnisse zwangen größere Märkte zu schaffen. Wer dabei die Vorherrschaft bekam, wurde leider in kriegerischen Auseinandersetzungen ermittelt In Italien im Rahmen des Risorgimentos und in Deutschland durch die Kriege zwischen Preußen und Österreich. Aber 1861 wurde das Königreich Italien und 1871 das Kaiserreich Deutschland geschaffen, beide mit einer Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie einer Währung und einer Zentralbank. Die dadurch entstandenen größeren Märkte, waren der industriellen Entwicklung dieser Zeit angemessen. Auch hier galt das ungeschriebene Gesetz, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten innerhalb dieser Nationalstaaten ohne Hindernisse, also freizügig abgewickelt werden konnten. In dieser industriellen Epoche, in der die Produktion und der Absatz von Produkten stark zunahmen, wuchs auch der grenzüberschreitende Handel. Zölle spielten nach wie vor eine Rolle, auch wenn eine von den Vereinten Nationen gegründete Institution, die Welthandelsorganisation WTO, versuchte, Zölle weltweit zu verringern. Grenzüberschreitende wirtschaftliche Transaktionen müssen bezahlt werden. Da jedes Land eine eigene Währung besaß, mussten diese Währungen getauscht werden. Deren Austauschverhältnisse, die Wechselkurse, beeinflussen den Wirtschaftsaustausch. Sie rückten in das Blickfeld. Das 20. und 21. Jahrhundert erlebte einen neuen Schub technischer Erfindungen. Es begann die digitale Epoche. In ihr entwickelten sich viele Informationssysteme. Im Mittelpunkt steht das Internet. Zusammen mit den in dieser Zeit entwickelten hochmodernen und leistungsfähigen Verkehrssystemen zu Lande und in der Luft schrumpfte die Welt. Aus den vielen Nationalstaaten wurde wirtschaftlich ein globales Dorf. Dieser Zusammenhang zwischen Technik und wirtschaftlicher Entwicklung lässt zwei Konsequenzen erkennen. Man kann aus einer Epoche nicht aussteigen. Weder die Maschinenstürmer in der Epoche der Industrialisierung haben das vermocht, noch Forderungen nach Ausstieg aus der Globalisierung in der digitalen Epoche werden erhört. Der Grund ist, dass man technische Erfindungen nicht mehr aus der Welt schaffen kann. Die zweite Konsequenz ist, es wird immer weiter Wirtschaftswachstum geben. Die Entwicklung neuer Techniken weckt Bedürfnisse nach Waren, die dann produziert werden. Die Wirtschaft erfüllt diese Bedürfnisse und das bedeutet Wirtschaftswachstum. Das ist ein anhaltender Prozess. Man war gewohnt, dass auf den Märkten das ungeschriebene Gesetz gilt, Transaktionen auf einem Markt freizügig ohne Hindernisse abzuwickeln. In
I. Märkte erfordern wirtschaftliche Freizügigkeit33
der digitalen Epoche aber ist das nicht mehr der Fall. Auf dem globalen Markt müssen Unternehmen Zölle und administrative Handelshemmnisse überwinden, sich mit unterschiedlichen nationalen Steuersystemen auseinandersetzen und sich mit unterschiedlichen Währungen befassen. Diese dem weltweiten Wirtschaftsverkehr nicht förderliche Situation wird, angesichts dominierender nationaler Interessen, auch in den nächsten Jahren, vermutlich Jahrzehnten, so bleiben. Damit richtet sich der Blick auf jene internationale Institution, die für einen reibungslose und freizügigen wirtschaftsverkehr in der Welt verantwortlich ist, die Welthandelsorganisation. 2. Die Welthandelsorganisation WTO Schon sehr frühzeitig, bald nach dem zweiten Weltkrieg, war man bestrebt, den internationalen Wirtschaftsaustausch nach festen Regeln abzuwickeln. So entstanden drei Abkommen, das GATT (General Agreement on Tariffs and Trade), das GATS (General Agreement on Trade in Services) und das TRIPS (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights). Die Welthandelsorganisation, die World Trade Organisation WTO, wurde 1995 gegründet. Ihr gehören über 160 Länder an, darunter alle größeren Volkswirtschaften. Schon bald, mit dem Abschluss des GATT-Abkommens, wurde damit begonnen, die Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedsländern zu verringern und zu beseitigen. Das hat entscheidend dazu beigetragen, den internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr zu liberalisieren. Tabelle 1 Die Welthandelsrunden der Welthandelsorganisation WTO Nr. Runde
Dauer
Ergebnisse
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
1947 1949 1950–1951 1955–1956 1960–1961 1964–1967 1973–1979 1986–1994 2001–(2016)
Zollsenkungen (GATT-Abkommen) Zollsenkungen Zollsenkungen Zollsenkungen Zollsenkungen Zollsenkung, Anti-Dumping Zollsenkungen, nicht-tarifäre Handelshemmnisse Dienstleistungen (GATS-Abk.) Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abk.) Welthandelsorganisation WTO in Kraft Zollsenkungen v. Nahrungsmitteln i. Industrieländ. Zollsenkungen v. Industriegütern i. Entwicklungsl.
1. Genf Annecy Torquay 2. Genf Dillon Kennedy Tokio Uruguay Doha
34
B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele
Das Vorgehen der WTO war sehr erfolgreich. Sie berief Welthandelsrunden ein. Dort wurde über Zollsenkungen und die Beseitigung anderer Handelshemmnisse sowie über Möglichkeiten, den Freihandel zu fördern, verhandelt. Nach einer solchen Runde und ihren Ergebnissen folgte eine Pause. Sie wurde von der WTO genutzt, um mit den Mitgliedsländern eine weitere Runde vorzubereiten. Auf diese Weise kam es zu neun Welthandelsrunden. Ergebnisse müssen einstimmig gefasst werden. Die nationalen Interessen machten es von Runde zu Runde schwieriger zu Ergebnissen zu gelangen. So nahm die Dauer der Runden zu. Auch die Vorbereitungen der jeweils nächsten Runde beanspruchten mehr Zeit. Die Abstände der Runden vergrößerten sich. Außerdem wurden über Zollsenkungen hinausgehende Handelserleichterungen angestrebt. Das erleichtert es nicht, zu Ergebnissen zu gelangen. Die 9. Runde begann 2001. Es geht um Freiheit im Handel zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Hier sind die Gegensätze besonders groß. Nach fünfzehn Jahren ging man davon aus, dass man sich nicht einigen könne. Die WTO führte allgemein akzeptierte Maßnahmen ein, um den Freihandel auszudehnen. Eine der wichtigsten Maßnahmen ist die Meistbegünstigungsklausel. Wenn ein Mitgliedsstaat einem anderen Mitgliedstaat Handelserleichterungen einräumt, ist es verpflichtet, diese Erleichterungen auch den anderen Mitgliedstaaten zu gewähren. Auf diese Weise erreicht man, dass sich Handelserleichterungen auf alle Mitgliedsstaaten erstrecken. Bedeutsam ist auch, dass die WTO bei Handelsstreitigkeiten als Schlichtungsorgan fungiert. Die Schiedssprüche der WTO schaffen ein Regelwerk, das einen rechtsverbindlichen Charakter erhält. Die Regeln, denen die Mitgliedsländer folgen, sind durch Verhandlungen entstanden: sie werden durch die Schiedssprüche der WTO erhärtet. Die neunte Verhandlungsrunde ist de facto ohne Ergebnis beendet. Die Auseinandersetzungen im internationalen Handel, so zwischen China, Europa und den USA, haben zugenommen. Das ist eine schwierige Situation für die WTO. Sie ist überzeugt, dass sie ihre Arbeit mit dem regelbasierten Handelssystem durch Kooperation fortsetzen kann. „If we are to avoid … a further escalation in tensions, we must seek to further enhance global cooperation. I believe that the multilateral trading system can continue to be a force for good in the world. … But we can take nothing for granted.“17
17 Director-General Roberto Azevedo, World Trade Organisation, Annual Report 2018, Opening Massage.
I. Märkte erfordern wirtschaftliche Freizügigkeit35
3. Integrationsräume statt vollständiger Freizügigkeit In der digitalen Epoche wünscht sich die Wirtschaft, dass auf den globalen Märkten die bestehenden Hindernisse deutlich verringert werden. Über die WTO, die weltweit anerkannte Regeln anstrebt, kommt dieser Prozess kaum voran. So sucht man nach Auswegen. Man geht den Weg, Teillösungen zu verwirklichen, in dem man Integrationsräume schafft. Ein Integrationsraum ist ein Zusammenschluss mehrerer, meist zusammenhängender Länder. Diese Länder beseitigen in ihrem gemeinsamen Raum möglichst viele Handelshemmnisse. Man schafft auf diese Weise im Integrationsraum Bedingungen, wie man sie sich für die globale Welt wünscht. Man unterscheidet drei Arten von Integrationsraumen. In einer Freihandelszone sind Zölle auf Einfuhren aus Mitgliedstaaten abgeschafft. Auch alle administrativen Handelshemmnisse sind im Handel zwischen den Mitgliedsländern beseitigt. Auf allen anderen Gebieten besitzen die Mitgliedsländer ihre nationale Hoheit. Allerdings kommt es in einer Freihandelszone häufig zu Verschiebungen der Handelsströme. Mitgliedsländer mit einem hohen Außenzoll werden ihre Einfuhren über Länder mit einem niedrigen Außenzoll abwickeln. Da sie dann die Einfuhrgüter zollfrei in das eigene Land transportieren können, zahlen sie für die Einfuhren nicht den hohen Zoll des eigenen Landes, sondern den niedrigen des Landes, über das sie die Waren einführen. 1. Freihandelszone Beseitigung aller Zölle und Handelshemnisse Beibehaltung eines eigenen Außenzolls Eigene Wirtschafts- und Finanzpolitik Eigene Währung und monetäre Politik 2. Zollunion Beseitigung aller Zölle und Handelshemnisse Gemeinsamer Außenzoll Eigene Wirtschafts- und Finanzpolitik Eigene Währung und monetäre Politik 3. Wirtschafts- und Währungsunion Beseitigung aller Zölle und Handelshemnisse Gemeinsamer Außenzoll Gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik Gemeinsame Währung und monetäre Politik Abbildung 7: Integrationsräume
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B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele
Die zweite Form eines Integrationsraumes ist eine Zollunion. Sie ist immer auch eine Freihandelszone, es gibt also innerhalb der Zollunion keine Zölle und keine administrativen Hindernisse. Außerdem haben sich die Mitgliedsländer darauf geeinigt, ihre individuellen Außenzölle abzuschaffen und durch einen gemeinsamen Außenzoll zu ersetzen. Damit entfallen die Verschiebungen von Warenströmen in Freihandelszonen, die infolge unterschiedlicher Außenzölle der Mitgliedsländer auftreten. Die dritte Form eines Integrationsraumes ist die Wirtschafts- und Währungsunion. Sie ist stets auch eine Zollunion. Also auch diese Form kennt im Innern keine Zölle und keine administrativen Hindernisse und besitzt einen gemeinsamen Außenzoll. Hinzu kommt eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie eine gemeinsame Währung und monetäre Politik. Wirtschafts- und Währungsunion gehören zusammen, weil das eine ohne das andere auf Dauer nicht existieren kann. In der Europäischen Union hat man eine Währungsunion mit einer Währung, dem Euro, und einer gemeinsamen monetären Politik durch die Europäische Zentralbank geschaffen, aber die gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik bisher nicht verwirklicht. Hier liegt für die EWU eine Gefahr. Es liegt auf der Hand, dass eine Währung mit gemeinsamer monetärer Politik auf Dauer nicht aufrechterhalten werden kann, wenn 19 Mitgliedsländer ihre unterschiedlichen nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken beibehalten. Integrationsräume sind nicht das, was die WTO anstrebt. Die Handelserleichterungen, die die WTO schafft gelten für alle Länder. Sie sind multilateral. Handelserleichterungen, die in einem Integrationsraum vereinbart werden, gelten nur für die Mitgliedstaaten, sind also plurilateral und damit nicht WTO-kompatibel. Es gibt auch Handelsvereinbarungen, die zwei Länder unter sich abschließen. Das sind bilaterale Verträge, die abseits der WTO geschlossen werden. 4. Integrationsbemühungen der USA und Chinas Um Integrationsräume bemüht haben sich vor allem die beiden führenden Volkswirtschaften, die USA und China. Die USA haben schon sehr frühzeitig, Ende vorigen Jahrhunderts, erkannt, dass es nicht gelingen wird, wie es die digitale Epoche eigentlich verlangt, die globale Freizügigkeit zu verwirklichen. Sie verfolgten daher zwei sehr ambitiöse Projekte. Einmal die Gründung einer Freihandelszone von den USA, entlang den Ländern am Pazifik bis nach Asien und Australien. Zweitens eine Freihandelszone, die den ganzen amerikanischen Kontinent umfassen sollte, von Alaska bis Feuerland. Vorgesehener Träger der pazifisch-asiatischen Freihandelszone war die 1989 gegründete Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft, Asia-Pacific
I. Märkte erfordern wirtschaftliche Freizügigkeit37
Economic Cooperation APEC. Ihr gehörten bald 21 Länder an. In dieser Gemeinschaft werden nicht nur handelspolitische Fragen, sondern auch allgemein politische Probleme behandelt. Mehrere amerikanische Präsidenten haben sich bemüht aus dieser Gemeinschaft eine Freihandelszone zu bilden. Die Widerstände aber konnten lange Zeit nicht überwunden werden. Ein Grund war, dass mit China und Russland zwei Länder der AEPC angehören, die selbst Integrationsräume aufbauen wollen. Erst im Jahre 2016 gelang es Präsident Obama mit zwölf der 21 Mitgliedstaaten der APEC eine Freihandelszone zu errichten. Sie erhielt den Namen Transpazifische Partnerschaft, Trans-Pacific Partnership TPP. Die APEC mit ihren 21 Mitgliedsländern besteht weiterhin. Leider existierte die Freihandelszone TPP nicht sehr lange. Im Januar 2017, wenige Tage nach der Amtseinführung von Präsident Trump, der sich als Gegner von Freihandelsabkommen bezeichnet hatte, traten die USA aus dem TPP aus. Das war ein schweTabelle 2 Freihandelsbemühungen der USA APEC
TPP
CPTPP
Alask-Feuerl
USA Kanada Mexiko Chile Peru Sigapur Japan Australien Neuseel. Brunei Malaysia Vietnam Russland China Hongkong Chin.Taipei Südkorea Indonesien Philippinen Thailand Papua-Neug
USA Kanada Mexiko Chile Peru Singapur Japan Australien Neuseel. Brunei Malaysia Vietnam
Kanada Mexiko Chile Peru Singapur Japan Australien Neuseel. Brunei Malaysia Vietnam
NAFTA USA Kanada Mexiko DR-CAFTA Dom.Rep. Guatemala El Salvador Honduras Nicaragua Costa Rica
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B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele Tabelle 3 Freihandelsbemühungen Chinas RCEP
Neue Seidenstraße
ASEAN Brunei Indonesien Kambodscha Laos Malaysia Myanmar Philippinen Singapur Thailand Vietnam … +6 Australien China Indien Japan Südkorea Neuseeland
von China nach … Land Russland – Nordeuropa – Europa Kasachstan – Europa – Afrika Iran – Türkei – Europa – Afrika ZentrAs. – Naher Osten – Europa. – Afrika Pakistan – Afrika – Südamerika See Südostasien – Südasien – Afrika Südostasien – Südasien – Afrika Rotes Meer – Adria – Europa Passage durch die Arktis
rer Rückschlag für die Freizügigkeit des internationalen Wirtschaftsverkehrs. Japan ergriff daraufhin die Initiative. Es überzeugte die verbliebenen Mitglieder des TPP, dass auch der Handel der Verbliebenen in einer Freihandelszone abgewickelt werden sollte. Außerdem wollte Japan das Feld auch nicht China überlassen. So gelang es, dass die elf verbliebenen Mitglieder des TPP ein neues Freihandelsabkommen schlossen, die Umfassende Progressive Transpazifische Partnerschaft, Comprehensive Progressive Trans-Pacific Partnership CPTPP. Auch die Verwirklichung der gesamtamerikanischen Freihandelszone von Alaska bis Feuerland litt unter Widerständen, vor allem aus Mittel- und Südamerika. Von Alaska bis Mexiko besteht bereits eine Freihandelszone, die Nordamerikanische Freihandelszone NAFTA, die jetzt den Namen USMCA trägt (USA-Mexiko-Canada-Agreement). Noch vor Präsident Trump wurde eine anschließende Freihandelszone geschaffen, Dominikanische Republik – Zentralamerikanisches Freihandelsabkommen DR-CAFTA. Sie reicht bis Costa Rica, also bis an die Nordgrenze Panamas. Präsident Trump hat die Freihandelspläne in Amerika aufgegeben.
I. Märkte erfordern wirtschaftliche Freizügigkeit39
Auch China verfolgt zwei ambitiöse Integrationsprojekte. Das eine ist eine riesige asiatische Freihandelszone. Mit dem anderen Projekt will sich China durch mehrere Freihandelsrouten zu Lande und zur See Zugang zu den verschiedenen Erdteilen verschaffen. Das eine Integrationsprojekt Chinas ist die Freihandelszone Regionale Umfassende Wirtschaftliche Partnerschaft, Regional Comprehensive Economic Partnership RCEP. Sie besteht aus 16 Staaten. Davon bilden bereits zehn Staaten, die sogannten ASEAN-Staaten, eine Freihandelszone, die AFTA Asean Free Trade Area. Die ASEAN-Staaten bilden den Verband Südostasiatischer Nationen, Association of Souheast Asean Nations ASEAN. Zu diesen zehn ASEAN-Staaten kommen noch sechs andere Volkswirtschaften, nämlich China, Indien, Japan, Australien, Neuseeland und Südkorea. Sie bilden zusammen das RCEP. Die sechs Staaten sind untereinander und mit den ASEAN-Staaten bilateral durch Freihandelsabkommen verbunden. Das japanische Forschungsinstitut für Wirtschaft, Handel und Industrie berechnet einen Währungskorb, der 16 Währungen enthält. Es sind die Währungen der Mitgliedsstaaten des RCEP. Das Institut bezeichnet diesen Währungskorb als Asiatische Währungseinheit, Asian Monetary Unit ACU. Es fügt hinzu, dass die ACU der europäischen ECU entspricht.18 Diese wurde geschaffen, um marktgerechte Umtauschrelationen für den Umtausch nationaler Währungen in den Euro zu erhalten. Das zweite umfangreiche Projekt Chinas ist die „Neue Seidenstraße“ (One Belt, one Road – ein Band, eine Straße). China schafft auf verschiedenen Routen wirtschaftliche Verbindungen in alle Erdteile. Den rund 70 Anliegerstaaten, die an diesen Routen liegen, hilft China gewünschte Strukturinvestitionen und andere Anlagen zu finanzieren. China schafft sich damit schnelle, von Hemmnissen weitgehend befreite Wege nach Europa, Afrika und Südamerika.
18 RIETI, Research Institute of Economy, Trade and Industry, AMU and AMU Deviation Indicators: „These should contribute to coordinated exchange rate policies in East Asia, thereby enhancing the monetary authorities’ surveillance capabilities. We calculate the AMU as weighted average of East Asian currencies according to the method used to calculate the European Currency Unit (ECU) adopted by EU countries under the European Monetary System (EMS) prior to the introduction of the euro.“
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B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele
II. Vollbeschäftigung und Preisstabilität in der digitalen Epoche 1. Unvermeidliche Zielverschiebung Vollbeschäftigung und Preisstabilität sind Ziele, die sich in den Gesetzen der meisten Länder finden. In der industriellen Epoche lagen die Bemühungen vor allem in der Sicherung der Preisstabilität. Es waren meist die Nachwirkungen von Kriegen, die zum Zerfall einer Währung führten. Die zum Teil übermäßig hohen Preissteigerungen vernichteten Ersparnisse der Privaten und Reserven der Unternehmen. Elend war die Folge. Es ist verständlich, dass in dieser Periode allein das Ziel Preisstabilität quantitativ definiert wurde. Es gab in dieser industriellen Epoche auch Arbeitslosigkeit. Auch sie war einmal das Ergebnis der kriegerischen Auseinandersetzungen und zum anderen spielten konjunkturelle Schwankungen der wirtschaftlichen Aktivitäten eine Rolle. Aber dieser Arbeitslosigkeit maß man kein großes Gewicht bei. Man betrachtete seine Ursachen als vorübergehend und vertraute auf die Marktkräfte. In einer vom Wettbewerb getragenen Marktwirtschaft würde sich eine von Rückschlägen betroffene Wirtschaft wieder erholen und neue Arbeitsplätze schaffen. Eine Quantifizierung des Ziels Vollbeschäftigung wurde daher für nicht notwendig erachtet. Dieses Bild hat sich in der digitalen Epoche, mit seinen vielen Informa tionsmöglichkeiten geändert. Man wurde der großen Unterschiede im Lebensstandard zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern gewahr. Man erkannte auch, dass es die fehlenden Arbeitsmöglichkeiten sind, die in diesen Ländern zu Armut und Hunger führen. Da diese Transparenz dazu führt, dass Menschen ihre Heimat verlassen, um in reicheren Ländern Arbeit zu finden, kommt der Verringerung der Arbeitslosigkeit in armen Ländern, also dem Ziel Vollbeschäftigung, eine prioritäre Bedeutung zu. Dieser Situation sind sich ja nicht nur ein Gebiet oder ein Land bewusst, sondern ganze Erdteile. Wenn man stärkere Migrationsströme vermeiden will, muss man die Arbeitslosigkeit vor Ort reduzieren und damit die Chancen der Menschen auf Arbeitsplätze erhöhen. Man darf aber das Ziel Preisstabilität nicht vernachlässigen. Preissteigerungen führen nun einmal zu Verlusten bei Ersparnissen und Reserven und können dadurch ebenso wie Arbeitslosigkeit zu Armut führen. Preissteigerungen müssen daher wie bisher wirtschaftspolitisch bekämpft werden. Die Wirtschaftspolitik hat nach wie vor die Aufgabe, wie es in den Gesetzen formuliert ist, für Vollbeschäftigung und Preisstabilität zu sorgen. In der digitalen Epoche ist es notwendig, dass beide Ziele quantitativ definiert wer-
II. Vollbeschäftigung und Preisstabilität in der digitalen Epoche 41
den und entsprechend anzustreben sind. So lautet die Aufgabe der Wirtschaftspolitik: Sie hat für Vollbeschäftigung zu sorgen, d. h. für eine Arbeitslosenquote von maximal 3 %. Außerdem muss sie Preisstabilität sichern, d. h. die Preissteigerungsraten, die Deflatoren oder die Konsumentenpreise, dürfen 2 % nicht übersteigen. 2. Steuerung beider Ziele durch die Zentralbanken Es ergibt sich die Frage, welche Institution für die Verwirklichung des Ziels Vollbeschäftigung verantwortlich sein soll. Das Ziel Preisstabilität ist weltweit den Zentralbanken übertragen worden. Das Ziel Vollbeschäftigung könnten auch die öffentlichen Haushalte übernehmen. Der Staat könnte durch Steuerung öffentlicher Ausgaben, vor allem der Investitionsausgaben, die konjunkturelle Lage und damit die Beschäftigung, beeinflussen. Allerdings lassen die öffentlichen Haushalte erkennen, mit wie viel anderen Aufgaben, als für Vollbeschäftigung zu sorgen, sie belastet sind.19 Selbst wenn der Gesetzgeber dem Staat für konjunkturelle Zwecke einen gewissen Spielraum einräumt, sind die finanziellen Möglichkeiten für eine konjunkturelle Steuerung begrenzt. Es entstünde auch ein erheblicher Abstimmungsbedarf zwischen den zwei Institutionen. Das ändert aber nichts daran, dass auch der Staat durch Straffung oder Streckung seiner Ausgaben und Einnahmen die konjunkturelle Lage in der Volkswirtschaft berücksichtigen sollte. Da die staatlichen Instrumente nur sehr eingeschränkt eingesetzt werden können, um die wirtschaftliche Entwicklung zu steuern, ist es zweckmäßig, auch die Aufgabe Vollbeschäftigung, mit einer Arbeitslosenquote von maximal 3 %, den Zentralbanken zu übertragen. Dafür spricht auch, dass nicht nur Preisstabilität, sondern auch Vollbeschäftigung mit den monetären Instrumenten der Zentralbanken, in deren Mittelkunkt der Zins steht, erreicht werden kann. Außerdem sind die Instrumente der Zentralbanken geeignet sehr rasch auf wirtschaftliche Schocks zu reagieren. Das ist in einer globalen Welt, mit plötzlichen Änderungen, wertvoll. Man sollte Zentralbanken nur mit Aufgaben belasten, die mit Hilfe der Zinsen und ihrer Veränderungen gesteueret werden können. Andere Aufgaben gehören in andere Hände. Das gilt z. B. für die Bankenaufsicht. Für sie sind spezielle Institutionen zuständig. Da die Zentralbanken von den Banken Datenmaterial erhalten, die auch für die Bankenaufsicht wichtig sind, sollte eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen bestehen. Die Zentralbanken können auch aufbereitetes Material den Bankenaufsichtsbehörden 19 Ausgaben des Bundes nach Aufgabenbereichen, in: Vorläufiger Abschluss des Bundeshaushalts 2017, Monatsbericht des BMF Januar 2018, S. 46.
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B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele
übergeben. Diese entscheiden über eventuell notwendige Maßnahmen. Die Zentranlbanken sollten sich voll ihrer monetären Politik widmen. Zentralbanken, die sich zwei wirtschatspolitischen Zielen gegeübersehen, müssn sich auf zwei Szenarien vorbereiten. Einmal auf die gleichlaufende Entwicklung von Beschäftigung und Preisen und zum anderen auf die entgegenlaufende Entwicklung beider Größen. Wenn im ersten Fall die Beschäftigung zunimmt und die Preise steigen, bewegen sich beide Größen von den Zielen weg. Die monetäre Politik muss eingreifen. Sie wird die Zinsen erhöhen.Mit dieser Maßnahme dämpft sie den Anstieg der Beschäftigung und gleichzeitig die Preissteigerungen. Auch im umgekehrten Fall, wenn die Beschäftigung abnimmt und die Preise zurückgehen, kann die Zentralbank mit zunehmender Entfernung von den Zielen durch Zinssenkungen entgegenwirken. Es ist festzustellen, entwickeln sich Beschäftigung und Preise in dieselbe Richtung, dann stellt das eine Zentralbank nicht vor besondere Pro bleme. Sie kann durch Zinserhöhungen oder Zinssenkungen beide Größen wieder ihren Zielen annähern. Anders ist das, wenn die Beschäftigung zunimmt, aber die Preise sinken oder umgekehrt wenn die Beschäftigung sinkt, aber die Preise steigen. Diese letzte Sitation wird mit dem Begriff Stagflation gekennzeichnet, als eine wirtschaftliche Stagnation bei gleichzeitigem Preisantieg. Nun entsteht ein Konflikt. Soll die Zentrakbank die Zinsen senken, um der Stagnation zu begegnen oder soll sie sie erhöhen, um die Preissteigerungen zu bekämpfen? Wenn man Vollbeschäftigung und Preisstabilität als gleichwertige Ziele ansieht, darf es eine solche Entscheidung nicht geben. Das war offenbar auch die Ansicht in der amerikanischen Zentralbank, die als einzige wichtige Zentrakbank gesetzlich auf Vollbeschäftigung und Preisstabilität festgelegt ist.20 Der Gesetzestext weist auf interessante Zusammenhänge hin. Das Wachstum der Geld- und Kreditaggregate soll langfristig auf einem Niveau gehalten werden, das dem Prodduktionspotenzial antspricht. Dadurch soll die Prodution erhöht werden, um die wirtschaftspolitischen Ziele zu erreichen. Das amerikanische Federal Reserve Sytem FED hat im Laufe der Jahrzehnte eine entsprechende Strategie entwickelt, die sie erfolgreich angewendet hat. Sie führte, um das Problem zu lösen, ein neues monetäres Instrument ein: die Forward Guidance. Das Ziel der FED ist es, mit diesem Instrument die Erwartungen der Bevölkerung und der Unternehmen 20 Federal Reserve Act, Section 2A. Monetary policy objectives: „The Board of Governors of the Federal Reserve System and the Federal Open Market Committee shall maintain long run growth of the monetary and credit aggregates commensurate with the economy’s long run potential to increase production, so as to promote effectively the goals of maximum employment, stable prices, and moderate long-term interest rates.“
II. Vollbeschäftigung und Preisstabilität in der digitalen Epoche 43
zu verankern, dass die Zentralbank immer das Preisziel von 2 % anstreben und verwirklichen wird. Wenn ihr diese Verankerung gelingt, ist ihr die Sorge um Preisstabilität weitgehend genommen. Denn wenn sich die Preise vom 2 %-Ziel entfernen, werden, wegen der verankerten Erwartungen, Marktkräfte einsetzen, die zur Preisstabilität zurückführen. Die Fed kann sich dann stärker auf das Ziel Vollbeschäftigung konzentrieren. Die Präsidentin des Federal Reserve System, Janet L. Yellen hat diese Strategie folgendermaßen beschrieben: „Gut verankerte Preiserwartungen, verbessern stark die Fähigkeit einer Zentralbank zwei seiner Ziele, nämlich Preisstabilität und Vollbeschäftigung, zu verfolgen. Weil vorübergehende Einflüsse bei Preisveränderungen der Einfuhrpreise oder andere vorübergehende Ereignisse keinen anhaltenden Einfluss auf die Erwartungen haben, haben sie auch nur einen vorübergehenden Effekt auf die Preise. Das Ergebnis, die Zentralbank kann, bei der Festlegung ihrer monetären Politik, über solche Preisschwankungen ‚hinwegsehen‘, damit es sich auf die Rückkehr zur Vollbeschäftigung, ohne Preisstabilität zu gefährden, konzentrieren kann. In der Tat, das Federal Reserve hat genau das getan bei der Festlegung ihrer monetären Politik in der letzten Dekade oder darüber hinaus.“21
Auch der Nachfolger von Frau Yellen, Jerome H. Powel vertritt die Meinung, dass eine verankerte Preiserwartung – von 2 % – es wahrscheinlich macht, die Preisentwicklung unter Kontrolle zu halten.22 Die amerikanische Zentralbank verfolgt ein quantitatives Ziel für Preisstabilität von 2 %. Für das Ziel Vollbeschäftigung wurde allerdings kein quantitatives Ziel festgelegt. Die FED orientiert sich gewöhnlich am langfristigen Durchschnitt der Arbeitslosenquote und kommentiert dann die aktuelle Rate. Als die Arbeitslosenquote in den USA 3,8 % betrug, bemerkte der Präsident (a. a. O.):
21 Yellen, Janet L., Inflation Dynamics and Monetary Policy, Printer Version – Board of Governors of the Federal Reserve System, September 24, 2015, S. 4: „… that the presence of well-anchored inflation expectations greatly enhances a central bank’s ability to pursue both of its objectives – namely, price stability and full employment. Because temporary shifts in the rate of change of import prices or other transitory shocks have no permanent influence on expectations, they have only a transitory effect on inflation. As a result, the central bank can ‚look through‘ such short-run inflationary disturbances in setting monetary policy, allowing it to focus on returning the economy to full employment without placing price stability at risk. Indeed, the Federal Reserve has done just that in setting monetary policy over the past decade or more.“ 22 Powell, Jerome H., Monetary Policy at a Time of Uncertainty and tight Labor Markets, Sintra, Portugal, June 20, 2018: „We should also remember that where inflation expectations are well anchored, it is likely because central banks have kept inflation under control.“
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B. Freizügigkeit und Steuerung der wirtschaftspolitischen Ziele
„At 3,8 percent, the unemployment rate is below most estimates of its long-run level, which are now clustered in the mid-4s. Many other labor market indicators also suggest an economy near full employment.“
Man kann also davon ausgehen, dass die USA Vollbeschäftigung bei einer Arbeitslosenquote von 3 % bis 3,5 % als verwirklicht ansehen. Diese Erfahrungen, die die amerikanische Zentralbank mit der Verfolgung von zwei wirtschaftspolitischen Zielen gemcht hat, können von den Zentralbanken in der globalen Welt, die ebenfalls sich zwei Zielen gegenübersehen, berücksichtigt werden. 3. Unabhängigkeit der Zentralbanken Für den Erfolg einer Zentralbank entscheidend ist ihre Unabhängigkeit von politischen Einflussen. Die monetäre Politk muss gewöhlich kurzfristig und sehr schnell auf störende Einflüsse reagieren, wenn z. B. unvorhersehbare Markteinflüsse, wie Devisentransaktionen, die liquiden Mittel und damit die Geldmarktzinsen verändern. Auch plötzliche Abwertungen einer Währung können Unternehmen dieser Länder Schwierigkeiten bereiten, die sich in ausländischen Währungen verschuldet haben. Darauf müssen Zentralbanken kurzfristig reagieren. Die Hauptrefinanzierungsgeschäfte der Europäischen Zentralbank und das ist bei anderen Zentralbanken ähnlich, haben eine Laufzeit von jeweils einer Woche. Da verbietet es sich, vor diesen Maßnahmen Zustimmung von Regierungen oder Parlamenten einzuholen. Dann muss allerdings auch gewährleistet sein, dass die selbst handelden Zentralbanker, „aus dem Kreis der in Währungs- und Bankfragen anerkannten und erfahrenen Persönlichkeiten“23 bestehen. Was man unter Unabhängigkeit zu verstehen hat, ist im Vertrag über die Areitsweise der Euopäischen Union Art. 130 beschrieben: „Bei der Wahrnehmung der ihnen durch die Verträge und die Satzung der ESZB und der EZB übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen verpflichten sich, diesen Grundatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Bechlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.“24
23 Vertrag 24 Vertrag
über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV, Art. 283, Abs. 2. über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV, Art. 130.
II. Vollbeschäftigung und Preisstabilität in der digitalen Epoche 45
Wenn man diese Unabhängigkeit in Anspruch nimmt, muss man aber Parlament, Regierung und Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen informieren. Man sollte wissen, dass eine Zentralbank nur bei der Wahrnehmung der ihr übertragenen ‚monetären‘ Befugnisse unabhängig ist. Werden ihr nicht monetäre Befugnisse übertragen, handelt eine Zentralbank abhängig von Regierung und Parlament. Bei der EZB ist das der Fall, als man ihr Aufgaben der Bankenaufsicht übertrug. Man muss die Gebiete, in denen eine Zentralbank unabhängig handelt von denen, in denen sie abhängig ist, klar voneinander trennen. Wenn man Gebiete in dennen man abhängig ist, aber auch für sie Unabhängigkeit beansprucht, riskiert man, dass die Unabhängigkeit in Frage gestellt wird. Wenn jemand in ein Entscheidungsgremium einer Zentralbank berufen wird, z. B. für acht Jahre, sollte es die Möglichkeit einer Verlängerung geben. Er sollte bis zu seinem altersbedingten Ausscheiden, diese Position ausüben. Danach sollten hauptamtliche Tätigkeiten nicht mehr erlaubt werden. Die Unabhängigkeit der Entscheidungsträger von Zentralbanken wäre damit gewahrt.
C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche I. Instrumente der monetären Politik 1. Zinspolitik und Liquiditätspolitik Im Mittelpunkt der monetären Politik stehen die Zinssätze. Sie bestimmen Angebot an und Nachfrage nach Krediten. Auch das Angebot an und die Nachfage nach Einlagen bei Banken hängt von den Zinsen ab. Die Kredite und der davon abhängige Umfang der Einlagen sind eine Baisis für das zu produzierende nominale BIP. Seine Differenz zum realen BIP ergibt das Preisniveau und das reale BIP im Verhältnis zum Produktionspotenzial, die Produktionslücke, enthält die Zahl der Arbeitslosen. Zentralbanken haben in der digitalen Epoche die Aufgabe die Produktionslücke zwischen BIPr und Produktionspotenzial nicht zu gross werden zu lassen, also die Arbeitslosenquote nicht über 3 % steigen zu lassen und die Diffenz zwischen BIPn und BIPr bei 2 % zu stabilisieren. Um die drei Größen Produktionspotenzial, reales BIP und nominales BIP einander anzunähern, stehen den Zentralbanken ein Reihe von Instrumenten zur Verfügung, mit denen sie die Zinssätze beeinflussen können. Den Zinssatz, den eine Zentralbank in einer gegebenen Situation für notwenig ansieht, muss sie den Marktteilnehmern mitteilen. Das geschieht, indem die Zentralbank einen Leitzins festlegt. Aber eine Zentralbank weiß auch, dass sich die Banken nicht unbedingt an den Wünschen der Zentralbank, dem Leitins, orientieren. Für die Banken sind die Geldmarktzinsen, also die Zinsen im Geldverkehr zwischen den Banken, entscheidend. Daran orientieren sie die Zinsen, die sie für Kredite verlangen oder für Einlagen gewähren. Eine Zentralbank muss also ihren Zinswunsch nicht nur in Form eines Leitzinses mitteilen, sondern ihn auch am Geldmarkt, und zwar am Markt für Tagesgeld, durchsetzen. Hierfür steht ihr ein anderes Instrument zur Verfügung, die Liquiditätspolitik. Mit Hilfe der Zinspolitik und der Liquiditätspolitik ist eine Zentralbank in der Lage den für notwendig erachteten Leitzins und den damit verbundenen Tagesgeldsatz am Geldmarkt zu verwirklichen. Es war in der Vergangenheit üblich, mit Hilfe der Liquiditätspolitik den Tagesgeld so zu steuern, dass er dem Leitins entsprach. Diese Entsprechung ist nicht immer zweckmäßig, wenn es notwendig wird, die Zinssätze rasch zu
I. Instrumente der monetären Politik47
ändern. Dann kann es sinnvoll sein, auch um eine gewisse Kontinuität zu wahren, nicht den Leitzins zu verändern, sondern durch mehr oder weniger Liquiditätszuführung zu den Banken den für Kreditinstitute wichtigen Tagesgeldsatz zu senken oder zu erhöhen. Ein Beispiel für diese elastische Zinspolitik ist die monetäre Politik der Europäischen Zentralbank EZB nach der Weltfinanzkrise (siehe Tabelle 4, S. 57). Auf dem Höhepunkt der Krise im Jahre 2009 hatte die EZB ihren Leitzins von 4 % (2007) auf 1 % gesenkt. Tiefer wollte sie nicht gehen, denn man erwartete eigentich bald eine konjunkturelle Erholung. So senkte sie durch ihre Liquiditätszufuhr den Tagesgeldsatz unter 0,5 %, ließ aber den Leitzins bei 1 %. Dann gab es 2011 Zeichen, dass sich die Konjunktur belegen würde. Die EZB reagierte sofort mit dem Tagesgeldsatz, den sie fast auf 1 % erhöhte. Statt einer Belebung gab es 2012 und 2013 einen konjunkturellen Rückschlag, bei dem das reale BIP zurückging. Nun senkte die EZB den Tagesgeldsatz weiter und verringerte auch den Leitzins Schritt für Schritt. Im Jahre 2016 setzte sie ihn auf 0 %. Tiefer, also in den negativen Bereich, sollte eine Zentralbank ihren Leitzins nicht senken. Sie kann aber auch dann, bei weiter anhaltender konjunktureller Schwäche, dank ihrer Liquiditätspolitik, die Zinssäte beeinflussen. Durch hohe Liquiditätszuflüsse zu den Banken hat die EZB im Jahre 2017 den Tagesgeldsatz auf –0,35 % herabgesetzt. Offenbar nehmen die Unsicherheiten in der Weltwirtschaft zu, was natürlich auch im monetären Bereich spürbar wird. Es wird dann immer wieder notwendig werden den Tagesgeldsatz unabhängiger vom Leitzins zu steuern. In der digitalen Epoche wird damit die Liquiditätspolitik bedeutsamer als die Leitzinspolitik. 2. Die Zinspolitik (Leitzinsen) Die Leitzinsen werden von der Zentralbank festgelegt. Sie signalisiert damit den Banken und der Öffentlichkeit welches Zinsniveau sie angesichts der gegebenen wirtschaftlichen Entwicklung für angemessen hält. Der Leitzins folgt im Allgemeinen der konjunkturellen Entwicklung. Die Zentralbank setzt ihn herab, wenn die Konjunktur schwach zu werden droht oder schwach ist. Sie erhöht ihn, wenn ein konjunktureller Aufschwung bevorsteht oder die Wachstumsraten sich beschleunigen. Über diese Orientierungsfunktion hinaus ist der Leitzins auch der Zinssatz, den die Kreditinstitute an die Zentralbank zahlen müssen, wenn sie liquide Mittel von der Zentralbank in Anspruch nehmen. Der Leitzins, den Banken für eine Mittelaufnahme zahlen müssen, hilft, das Informationssignal des Leitzinses mit dem Geldmarkt, und zwar mit dem Tagesgeldsatz, zu verbinden.
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C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche
Eine Zentralbank ist an einer kontinuierlichen Entwicklung der Zinsen interessiert. Dazu gehört, dass sie die Tagesgeldsätze grundsätzlich so steuert, dass sie mit dem Leitzins weitgehend übereinstimmen. Diese Kontinuität aber lässt sich nicht immer aufrechterhalten. Meist unvorhersehbare Einflüsse auf Nachfrage und Angebot am Geldmarkt führen zu erheblichen Schwankungen des Tagesgeldsatzes. Um solche Zinsschwankungen zu begrenzen, setzen Zentralbanken Obergrenzen und Untergrenzen fest. Eine Obergrenze könnte definiert werden mit einem Satz von +0,50 % oberhalb des Leitzinses. Die Untergrenze würde man dann mit einem Satz von –0,50 % unterhalb vom Leitzins festlegen. Erreicht ein Tagesgeldsatz die Obergrenze, dann befriedigt die Zentralbank die noch nicht vom Markt ausgeglichene Nachfrage mit Mitteln der Zentralbank. Wenn umgekehrt der Tagesgeldsatz sinkt und die Untergrenze erreicht, erklärt sich die Zentralbank bereit, das noch verbliebene Angebot als Einlage zu übernehmen. Solche Situationen ergeben sich gelegentlich, wenn z. B im späteren Verlauf des Tages ein Unternehmen noch einen größeren Betrag benötigt, den seine Bank, wie üblich, am Geldmarkt mobilisieren will. Wenn zu fortgeschrittener Stunde einige Marktteilnehmer nicht mehr zur Verfügung stehen, fällt es schwer den Betrag am Geldmarkt aufzunehmen. Die Tagesgeldsätze 6,00 5,00 4,00
4,00 3,00
3,00 2,00
2,00
1,00
1,00 1,00
0,25 0,00 –0,35 –0,40
0,00 –1,00
2000 01
02
Leitzins
03
04
05
06
07
Einlagenfazilität
08
09
10
11
12
13
14
Finanzierungsfazilität
Source: ECB
Abbildung 8: Leitzinsen und Tagesgeld in der EWU/ Prime rates and overnight deposits in EMU
15
16
17
Cl. K.
Tagesgeld
I. Instrumente der monetären Politik49 5
4
3
2
1
0
–1
Cl.K.
2000 01
02
Tagesgeld
03
04
05
06
07
Dreimonatsgeld
08
09
10
11
12
Sechsmonatsgeld
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14
15
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17
Zwölfmonatsgeld
Source: Eurostat
Abbildung 9: Die Zinsstruktur am Geldmarkt der EWU/ The interest rate structure on the money market of the EMU
steigen an. Im umgekehrten Fall, wenn ein Unternehmen zu später Stunde noch einen größeren Betrag bei seiner Bank einzahlt, der von der Bank am Geldmarkt angelegt werden soll, sinkt der Tagesgeldsatz. Die Obergrenze und Untergrenze steht den Kreditinstituten stets offen. Normalerweise aber werden sie kaum in Anspruch genommen, da der Tagesgeldsatz sich nur wenig um den Leitzins bewegt. In der EWU wird die Obergrenze der Tagesgeldentwicklung mit Finanzierungsfazilität bezeichnet und die Untergrenze wird Einlagenfazilität genannt. Die abrupte Entwicklung aller Zinssätze im Jahre 2009 ist das Ergebnis der Weltfinanzkrise. Die konjunkturelle Schwäche, die fortdauernden Preissteigerungen unter der Zielgröße von 2 % und die hohen Arbeitslosenquoten führen zur Senkung des Leitzinses bis auf 0 %. Die Europäische Zentralbank EZB hat den Tagesgeldsatz noch darunter gedrückt. Kreditinstitute orientieren sich in ihrem Kredit- und Einlagengeschäft immer an den Marktzinsen des Geldmarktes. Der Tagesgeldsatz ist dort der wichtigste Satz. Er wird von der Zentralbank gesteuert. Banken aber orientieren sich bei ihren Kredit- und Einlagengeschäften, je nach der Art der Geschäfte, auch am Monatsgeld, dem Dreimonatsgeld, dem Sechsmonatsgeld
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C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche
oder dem Zwölfmonatsgeld. Die Banken orientieren sich nicht nur für die eigenen Zinsfestsetzungen, sondern refinanzieren sich auch am Geldmarkt mit entsprechenden Laufzeiten. Das bedeutet aber nicht, dass sich eine Zentralbank auch um die einzelnen Laufzeitkategorien am Geldmarkt sorgen muss. Es genügt, dass sie den Tagesgeldsatz angemessen steuert. Zwischen den einzelnen Laufzeitkategorien besteht nämlich weitgehend Konstanz. Tagesgeld ist der niedrigste Geldmarktzins, gefolgt vom Monatsgeld, Dreimonatsgeld. Sechsmonatsgeld und Zwölfmonatsgeld. Andere Verläufe gehören zu den Ausnahmen. Je nach vorhandenen Erwartungen können sich die Zinsabstände zwischen den einzelnen Laufzeitkategorien ändern. Eine Zentralbank kann sich also ganz darauf konzentrieren, den Tagesgeldsatz angemessen zu steuern. Es wäre eine erhebliche Erleichterung für die monetäre Politik, wenn man einen Leitzins ermitteln könnte, bei dessen Verwirklichung eine Wirtschaft ohne die beiden Fehlentwicklungen Arbeitslosigkeit und Preissteigerungen verwirklicht wäre. Man denkt dann an das Konzept des natürlichen Zinses, das Knud Wicksell entwickelt hat. Dieser Zins käme nach Angebot und Nachfrage zustande, „falls man sich überhaupt keiner Geldtransaktionen bediente, sondern die Realkapitalien in natura dargeliehen würden“.25 Es ist schwierig, wenn man die Wicksell’sche Definition des natürlichen Zinses zugrunde legt, zu einem für die monetäre Politik praktikablen Ergebnis zu kommen. Wicksell hat sich auch den Fragen des Geldzinses, z. B. des Tagesgeldes, zugewendet. Er kam dabei zu dem Ergebnis: „Zu jeder Zeit und in jeder Lage der volkswirtschaftlichen Verhältnisse wird es eine Höhe der durchschnittlichen Rate des Geldzinses geben, bei welcher das allgemeine Niveau der Warenpreise keine Tendenz mehr hat, sich aufwärts oder abwärts zu bewegen. Wir nennen diese die normale Zinsrate,“ und dann fügt er hinzu, „ihr Betrag wird von dem gleichzeitigen Stande des natürlichen Kapitalzinses bestimmt und muss mit diesem steigen oder fallen.“26 Wicksell hat seine Arbeit 1898 veröffentlicht. Seitdem spielt das Konzept des natürlichen Zinses auf der Suche nach einem angemessenen Zins für die monetäre Politik eine Rolle. Auch in jüngerer Zeit kommt Axel A. Weber zu dem Ergebnis: „However, the degree to which this theoretical concept can be transferred in the sphere of practical monetary policy is, in yet, uncertain.“27
25 Wicksell,
Knut, Geldzins und Güterpreise, Jena 1898, S. 93. Knut, Geldzins und Güterpreise. Jena 1898, S. 111. 27 Weber, Axel A., The role of interest rates in theory and practice – How useful is the concept of the natural real rate of the interest for monetary policy?, Cambridge (UK), March 9, 2006, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln Nr. 12, 16. März 2006, S. 7 ff. 26 Wicksell,
I. Instrumente der monetären Politik51
Auch die amerikanische Zentralbank hat sich zum Problem des natürlichen Zinses geäußert. Der ehemalige Präsident Greenspan schrieb an den Vorsitzenden des gemeinsamen Wirtschaftsausschusses von Repräsentantenhaus und Senat: „Es sei angesichts der großen Unsicherheit nicht klug, die Geldpolitik vom Verhalten eines einzigen Indikators wie dem neutralen Zins abhängig zu machen. Die Fed sei besser beraten, sich für die Zinsentscheidungen ein umfassendes Bild von der Lage der Wirtschaft und deren Aussichten zu machen.“28
Wenn es schon nicht möglich ist, einen Zinssatz zu bestimmen, der zu einer Situation ohne Fehlentwicklungen führt, könnte man doch versuchen, ausgehend von einem gegebenen Zinssatz (Leitzins) zu ermitteln, wie dieser Zinssatzverändert werden sollte, um die Fehlentwicklungen zu minimieren. Ein solcher Ansatz liegt bei einer potenzialorientierten Wirtschaftspolitik nahe. Sie liegt nahe bei einer Zentralbank, der amerikanischen FED, die sowohl für Vollbeschäftigung und für Preisstabilität verantwortlich ist. So war es schon in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, dass ein amerikanischer Volkswirt, John B. Taylor, diesen Gedanken verfolgte. Die Fehlentwicklung Preissteigerung, mit einer Zielgröße von 2 %, wird gemessen als Differenz zwischen BIPn und BIPr und der Fehlentwicklung Arbeitslosigkeit liegt die Produk tionslücke, also der Differenz zwischen BIPr und dem Produktionspotenzial, zugrunde. Taylor hat diese beiden Differenzen, natürlich gewichtet, benutzt, um mit seiner Regel der Zentralbank Anhaltspunkte für ihr Handeln zu geben. Es ist einsichtig, dass der Umfang der beiden Differenzen das Handeln einer Zentralbank bestimmt. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich weder die amerikanische Zentralbank noch eine andere wichtige Zentralbank, an die Taylor-Regel gehalten haben. Otmar Issing nennt Gründe, warum die Taylor-Regel für die EZB nicht in Frage kam. „Dagegen sprachen zum einen allgemeine Einwände, wie das mögliche Auftreten unterschiedlicher Schocks, die unterschiedliche Reaktionen der Geldpolitik verlangen, wie sie die Taylor-Regel nicht vorsieht. Zum anderen ist die Anforderung an die notwendigen Informationen zur Anwendung der Regel außergewöhnlich hoch anzusetzen (nicht beobachtbare Größen wie Outputlücke, gleichgewichtiger Realzins). Außerdem konnte die EZB Informationen über eine Vielzahl von Variablen wie Geldmengen- und Kreditaggregate, Wechselkurse etc. bei der Entscheidungsfindung nicht unberücksichtigt lassen.“29 Damit wird auf ein ganz allgemeines Problem aufmerksam gemacht. Wirtschaftliche Entwicklungen werden ständig von einer Vielzahl von wirtschaft28 Federal Reserve auf der Suche nach dem neutralen Leitzins, FAZ, Frankfurt a. M. vom 10. Januar 2006, in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln Nr. 2, 11, Januar 2006. 29 Issing, Otmar, Der Euro – Geburt – Erfolg – Zukunft, München 2008, S. 78 f.
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C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche
lichen und außenwirtschaftlichen Vorgängen beeinflusst. Auf sie muss die Wirtschaftspolitik reagieren, um ihre Ziele zu erreichen. So wenden Zentralbanken Offenmarktoperationen an, die nur eine Laufzeit von einer Woche haben. Damit kann die Zentralbank auf verschiedenartige Schocks schnell reagieren. Theoretisch entwickelte Regeln sind geeignet, Zusammenhänge aufzuzeigen. Sie als Handlungsanweisung zu benutzen versagt, denn sie stehen immer unter der ceteris paribus-Bedingung. Diese Bedingung aber ist in der Wirklichkeit nicht gegeben. 3. Die Liquiditätspolitik (Mindestreserven) Zentralbanken stehen bei der Steuerung liquider Mittel vor einem Pro blem. Es kann geschehen, dass sie nicht rechtzeitig eingreifen können, weil der Umfang liquider Mittel bei den Kreditinstituten zu groß ist. Wenn das Wirtschaftswachstum sehr stark ist und dadurch der Arbeitsmarkt überhitzt zu werden droht sowie die Preisstabilität gefährdet ist, wird die Zentralbank bremsende Maßnahmen ergreifen. Sie wird bei der nächsten Offenmarktoperation weniger liquide Mittel zuzuteilen als bisher. Das hat aber keine Wirkung, wenn die Banken über ausreichende liquide Mittel verfügen. Die Banken sind in einem solchen Fall unabhängig von zusätzlichen Mitteln der Zentralbank. Eine solche finanzielle Unabhängigkeit von der Mittelbereitstellung der Zentralbank muss vermieden werden, wenn eine Zentralbank eine der wirtschaftlichen Lage angemessene monetäre Politik verwirklichen soll. Es muss daher eine Situation geschaffen werden, in der die Banken stets von den Zentralbankgeldzuteilungen der Zentralbank abhängig sind. Das monetäre Instrument, das dies sicherstellt, ist die Mindestreservepflicht, die die Banken erfüllen müssen. Mit der Mindestreservepolitik wird die erforderliche ständige Abhängigkeit der Banken von den Mittelzuteilungen der Zentralbank geschaffen. Die Mindestreservepflicht schafft den Zentralbankgeldbedarf, den die Banken zu decken haben. Die Zentralbanken können auf der Basis gesetzlicher Verfügungen festlegen, dass die Kreditinstitute auf Konten der Zentralbank Mindestreserven zu halten haben. Diese Mittel werden von den Zentralbanken häufig verzinst, dürfen aber für Kreditausleihungen der Banken oder andere Geschäfte nicht verwendet werden. Festgelegt von den Zentralbanken wird auch die Basis von der die Mindestreserve berechnet wird. Das können Einlagen, Bankschuldverschreibungen und andere Positionen auf der Passivseite der Bilanz sein. Möglich ist auch, dass als Basis Positionen der Aktivseite der Bilanz, so z. B. das Kreditvolumen, gewählt werden. Es wird auch entschieden, ob die Banken ihre Mindestreserveverpflichtung am Ende einer Periode oder im
I. Instrumente der monetären Politik53
Durchschnitt einer Periode einzuhalten haben. Man setzt auch Sanktionen fest, wenn es zu Unterschreitungen der festgelegten Mindestreserven kommen sollte. Schließlich setzen die Zentralbanken den Mindestreservesatz fest. Das ist der Prozentsatz, gemessen an der festgelegten Basis. Der so ermittelte Betrag muss als Mindestreserve von den Banken bei der Zentralbank gehalten werden. Ihren ursprünglichen Charakter als liquide Reserve, die es den Banken ermöglichen sollte, jederzeit zahlungsfähig zu sein, hat die Mindestreserve verloren. Um dieses Problem sorgt sich die Bankenaufsicht. Das schließt aber nicht aus, dass Zentralbanken, wenn es die wirtschaftliche Situation erfordert, auch ihre Mindestreservesäte erhöhen oder senken können, um dem Geldmarkt liquide Mittel zu entziehen oder zuzuführen. Die Europäische Zentralbank wendet normalerweise einen Mindestreservesatz von 2 % an. Als nach der Weltfinanzkrise 2009 sich eine rezessive Entwicklung ankündigte, halbierte sie diesen Reservesatz. Die dadurch freiwerdenden Mindestreserven konnten die Banken für zusätzliche Mittelbereitstellungen verwenden. Solche Mindestreservesatzänderungen, um den Umfang liquider Mittel am Geldmarkt zu verändern, gehören zu den Ausnahmen. 4. Die Liquiditätspolitik (Offenmarktgeschäfte) Eine Zentralbank steuert die Tagesgeldsätze und damit die anderen Geldmarktsätze entsprechend der Zinsstruktur, mit ihren Offenmarktgeschäften. Mit ihnen führt sie den Banken liquide Mittel in Form von Zentralbankgeld zu. Die unterschiedlichen wirtschaftlichen und politischen Ereignisse, die schnell aufeinandertreffenden monetären Vorgänge und die vielen internationalen Transaktionen, so an den Devisenmärkten, machen immer wieder ein rasches Handeln der Zentralbanken erforderlich. Das monetäre Instrument, das diese Notwendigkeit berücksichtigt, ist das Hauptrefinanzierungsgeschäft. Die ständige Handlungsfähigkeit der Zentralbank wird vor allem dadurch gesichert, dass die Dauer der Geschäfte mit denen den Banken Zentralbankgeld bereitstellt wird, kurzfristig ist. Im Allgemeinen beträgt die Laufzeit eine Woche. So kann die Zentralbank die Liquiditätsversorgung der Banken in kurzen Abständen der jeweiligen Situation anpassen. Man sollte annehmen, Zentralbanken würden den Kreditinstituten Kredite mit einer kurzen Laufzeit einräumen. Aber es ist üblich und der EZB vorgeschrieben, ausreichende Sicherheiten zu verlangen.30 Das Stellen und die Rückübertragung 30 Satzung des ESZB, Protokoll (Nr. 12) zum Vertag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, Art. 18,1: Die EZB kann „Kreditgeschäfte mit Kreditinstituten und anderen Marktteilnehmern abschließen, wobei für die Darlehen ausreichende Sicherheiten zu stellen sind“.
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C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche
von Sicherheiten verlangt Zeit. So hat man einen anderen Weg der kurzfristigen Mittelbereitstellung gewählt, Offenmarktoperationen. Bei Offenmarktgeschäften kauft eine Zentralbank von Banken, im Umfang der zu gewährenden liquiden Mittel, Wertpapiere und schließt gleichzeitig eine, in einer Woche wirksam werdende Rückkaufsvereinbarung ab. Der Bank fließen liquide Mittel zu und diese Mittelbereitstellung ist durch den Kauf der Wertpapiere gesichert. In der Differenz zwischen den Kauf- und den Rückkaufsbedingungen kommt der Zins zum Ausdruck, der der Zentralbank zufließt. Eine Zentralbank weiß, welches Volumen sie jeweils an den Offenmarktterminen den Banken zuteilen will. Zugeteilt werden die Mittel den Banken mit einem Tenderverfahren. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit, Zinstender genannt, ist, dass die Zentralbank das Volumen bekanntgibt, das sie zuzuteilen beabsichtigt. Sie fordert die Banken auf, ihrerseits Gebote abzugeben. Sie müssen einen Betrag bekanntgeben, den sie von der Zentralbank erwerben wollen und dazu den Zins nennen, den sie bereit sind für diese Mittelaufnahme zu zahlen. Die Zentralbank legt aber stets einen Mindestbietungssatz fest. Das ist der Zinssatz, zu dem sie überhaupt erst bereit ist, Mittel zuzuteilen. Den Zinssatz den eine Bank nennt, muss sie auch – so z. B. in der EWU – auf den zugeteilten Betrag an die Zentralbank zahlen (amerikanisches Verfahren). Denkbar ist auch, dass auf den zugeteilten Betrag nur der Mindestbietungssatz zu zahlen ist (holländisches Verfahren). Der Mindestbietungssatz ist bedeutsam. Er zeigt den Banken die monetäre Linie an, die die Zentralbank verfolgt. Die Gebote der Banken liegen beim Zinstender also beim Mindestbietungssatz und darüber. Die andere Möglichkeit, Mengentender genannt, ist, dass die Zentralbank einen Zinssatz (Festzins) festlegt, zu dem sie bereit ist, Zentralbankgeld bereitzustellen. Die Banken nennen dann jeweils Beträge, die sie zum Festzins aufzunehmen bereit sind. Beim Mengentender ist es der Festzins, der die monetäre Linie der Zentralbank kennzeichnet. Das Zuteilungsvolumen muss schließlich dem von der Zentralbank vorgesehenem Umfang zuzuteilender liquiden Mitteln entsprechen. Daher misst man das beabsichtigte Zuteilungsvolumen an der Summe aller Angebote der Banken. Man erhält dann eine Zuteilungsquote. Mit ihr werden die Angebote jeder Bank multipliziert. Die Angebote der Banken werden also repartiert. Solche Tender werden in 24 Stunden abgewickelt. Es kommt im monetären Bereich immer wieder vor, dass plötziche Einflüsse, so spekulative Devisentransaktionen, den Umfang liquider Mittel beeinflussen und damit Veränderungen bei den Geldmarktzinsen herorrufen. Dann kann es zweckmäßig sein, dass die Zentralbank darauf sofort reagiert. Das geschieht ebenfalls mit der Offenmarktpolitik. Die Zentralbank führt dann einen Schnelltender durch.
I. Instrumente der monetären Politik55
Er unterscheidet sich von den üblichen Tendern nur dadurch, dass er in 90 Minuten durchgeführt wird. Daher beteiliegen sich an dem Verfahren auch nur wenige, meist große Banken. Die Laufzeit ist kurz. Sie reicht von einem Tag bis zu mehreren Tagen. Das Tenderverfahren kann auch angewendet werden, um dem Geldmarkt liquide Mittel zu entziehen. Die Zentralbank nimmt zu diesem Zweck Ter mineinlagen, meist Festgeld, von den Banken entgegen, sogenannte Einlagentender. Sie nennt den Zins, zu dem sie bereit ist, die Termineinlagen zu übernehmen. Hier werden die Angebote der Banken mit niedrigerem als den von der Zentralbank genannten Zins akzeptiert. Angebote zum Zinssatz, den die Zentralbank genannt hat, werden im Verhältnis von vorgesehen Betrag, die die Zentralbank zu übernehmen wünscht, zum Gesamtbetrag des Angebots repartiert. Einlagentender können auch als Schnelltender durchgeführt werden. Mit Offenmarktoperationen stellen Zentralbanken den Kreditinstituten Zentralbankgeld für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung. Das geschieht durch den Kauf von Wertpapieren mit gleichzeitiger Rückkaufsvereinbarung. In der globalen Welt mit steigendem Welthandelsvolumen spielt der Austausch nationaler Währungen eine zunehmende Rolle. Es kann vorkommen, dass es einem Land vorübergehend an US-Dollar mangelt. Die Offenmarktpolitik kann das Problem beheben. Das dafür einzusetzende In strument ist die Devisenswap-Politik. Wenn z. B. die EZB einer anderen Zentralbank drei Monate mit einem Betrag in US-Dollar helfen will, dann verkauft die EZB der zu helfenden Zentralbank einen Dollarbetrag. Zugrunde gelegt wird der Kassakurs USD/ EUR. Zum gleichen Zeitpunkt kauft die EZB von der zu helfenden Zentralbank einen gleich hohen Dollarbetrag zurück. Basis ist hier der DreimonatsTerminkurs USD/EUR. Da die Differenz zwischen Terminkurs und Kassakurs, der Swapsatz, die Höhe des Zinses bestimmt, wird dieser Satz von den beiden Kontrahenten festgelegt, Auch bei der Devisenswap-Politik wird ein Kauf mit einem Rückkauf verbunden. Die Hauptrefinanzierungsgeschäfte werden mit kurzen Laufzeiten, häufig nur eine Woche, abgeschlossen. Das bedeutet, dass die gesamten liquiden Mittel der Banken zu einem Stichtag aus dem Markt genommen werden, um sofort wieder den Banken in demselben Volumen oder einem etwas erhöhten oder verringerten Volumen zugeführt zu werden. Das ist grundsätzlich notwendig, damit die Zentralbank auf die vielen Einflüsse, die am Geldmarkt spürbar sind, jederzeit wirksam gegensteuern kann. Allerdings ist zu fragen, ob es für die Zentralbank notwendig ist, den gesamten Bestand an liquiden Mitteln kurzfristig umzuschichten, um jederzeit bereit zu sein, Störungen am Geldmarkt zu begegnen. Zentralbanken schichten aber kurzfristig meist nur
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C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche
80 bis 90 % des Bestandes an liquiden Mitteln um. Das ermöglicht es den Zentralbanken, Offenmarktgeschäfte mit längeren Laufzeiten anzubieten. Man bezeichnet sie als längerfristige Refinanzierungsgeschäfte. In normalen Zeiten hat z. B. die EZB jeden Monat Geschäfte mit einer Laufzeit von einem Monat und von drei Monaten angeboten. Sie hat es in der Hand, den Anteil den diese längerfristigen Geschäfte an den gesamten Offenmarktgeschäften haben, zu bestimmen, indem sie die Angebote und Zuteilungen dieser Geschäfte entsprechend steuert. 5. Die Liquiditätspolitik (Sondermaßnahmen) Es gibt Situationen, in denen die den Zentralbanken zur Verfügung stehenden Instrumente der Offenmarktpolitik nicht ausreichen, die wirtschaftspolitischen Ziele Vollbeschäftigung und Preisstabilität zu erreichen. Das war der Fall als im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts die Weltwirtschaft von einer Finanzkrise und anschließenden konjunkturellen Rezessionen betroffen wurde. Die Krise ging Mitte 2007 von den USA aus. Als 2008 eine große amerikanische Bank in Folge der Immobilienprobleme Insolvenz anmeldete, breitete sich die Krise rasch über die Welt aus. Europa erfasste sie 2009. Wenn die Wirtschaft restriktiven Einflüssen unterliegt und dadurch die Arbeitslosigkeit steigt und die Preissteigerungsraten sinken, dann lautet das Konzept der Zentralbanken, Zinssätze senken. Das ist weltweit geschehen. Wichtige Zentralbanken senkten ihre Leitzinsen auf 0 %; einige, so z. B. die Schweizer Nationalbank, setzten sogar negative Leitzinsen fest. Doch eine deutliche Reaktion auf diese Zinssenkungen blieb aus. Erwartungen, dass dadurch die Kreditgewährung an die Wirtschaft zunehmen und das Brutto inlandsprodukt steigen wird, so dass die Arbeitslosigkeit zurückgeht und die Preise anziehen, wurden enttäuscht. Die meisten Zentralbanken verfolgten ein Preisstabilitätsziel von 2 %. Die tatsächlichen Preissteigerungsraten aber blieben zumindest in den der Krise folgenden Jahren unter diesem Satz. Diese starken Senkungen der Leitzinsen bis auf 0 % und der Zinssätze für Obergrenzen und Untergrenzen für die Tagesgeldsätze, wobei die Untergrenzen in den negativen Zinsbereich gesenkt wurden, kann man nicht mehr als gewöhnliche monetäre Politik bezeichnen. Sie müssen als Sondermaßnahmen angesehen werden, die einer außergewöhnlichen Situation, nämlich einer Weltfinanzkrise mit negativen konjunkturellen Auswirkungen, geschuldet sind. Auch in diesen außergewöhnlichen Zeiten blieb, wie die folgende Aufstellung für 2017 zeigt, der negative Tagesgeldsatz oberhalb der Einlagen fazilität. Zentralbanken können in einer solchen Situation noch weitergehende Maßnahmen treffen. Sie können Mengentender mit Vollzuteilung durchführen.
I. Instrumente der monetären Politik57 Tabelle 4 Leitzinsen (Tenderergebnisse) und Marktzinsen (Tagesgeld) in der EWU in % p. a. Ende
Leitzins
Ober-/UnterGrenze
Tagesgeldsatz
Ende
Leitzins
Ober-/UnterGrenze
Tagesgeldsatz
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
4,75 3,25 2,75 2,00 2,00 2,25 3,50 4,00 2,50 1,00
5,75/3,75 4,25/2,25 3,75/1,75 3,00/1,00 3,00/1,00 3,25/1,25 4,50/2,50 5,00/3,00 3,00/2,00 1,75/0,25
4,12 4,39 3,29 2,32 2,05 2,09 2,83 3,87 3,87 0,71
2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
1,00 1,00 0,75 0,25 0,05 0,05 0,00 0,00 0,00
1,75/0,25 1,75/0,25 1,50/0,00 0,75/0,00 0,30/–0,20 0,30/–0,30 0,25/–0,40 0,25/–0,40 0,25/–0,40
0,44 0,87 0,23 0,09 0,09 –0,11 –0,32 –0,35 –0,36
Quellen: EZB, Eurostat
Bei einem Mengentender legt die Zentralbank einen Zins fest. Das ist grundsätzlich der Leitzins. Banken können dann Gebote abgeben, welche Beträge sie zu diesem Zins aufzunehmen bereit sind. Bei einem Tender mit Vollzuteilung erhalten die Banken den von ihnen gewünschten Betrag. Damit will eine Zentralbank erreichen, dass Kreditinstitute alle Kreditwünsche ihrer Kunden befriedigen können. Man hofft, damit die wirtschaftliche Entwicklung beleben zu können. Sobald der Leitzins 0 % erreicht und die Mengentender mit Vollzuteilung ausgeschrieben werden, kommt es zu einer recht ungewöhnlichen Situation. Banken können jeden von ihnen gewünschten Betrag an Zentralbankgeld bei der Zentralbank abrufen und brauchen keinen Zins dafür zu zahlen. Die Initiative Zentralbankgeld von der Zentralbank abzurufen, um Kredite auszuleihen, liegt bei den Banken. Das hielt man nicht für ausreichend. Man wollte es nicht mehr allein den Banken überlassen, von den reich lichen Angeboten an liquiden Mitteln Gebrauch zu machen und Kredite zu gewähren. So wurden weitere Maßnahmen ergriffen. Die Zentralbank, in diesem Fall die EZB, vergab Refinanzierungsmittel an Banken zu günstigen Bedingungen, wenn diese Kredite an Unternehmen und private Haushalte bereitstellten. Diese Mittel wurden den Banken z. B. von der EZB im Rahmen von Programmen „Gezielter längerfristiger Operationen“ bereitgestellt.31 31 European Central Bank, Targeted longer-term refinancing operations (TLTROs), Copyright 2017.
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Ihre Laufzeit betrug bis zu vier Jahren. Die Zinsen, die die Banken für diese Mittel zu zahlen hatten „can be as low as the interest rate on the deposit facility.“ Eines dieser TLTRO-Programme wurde 2014 und ein anderes 2016 durchgeführt. Zu diesen Zeitpunkten lag die Einlagenfazilität im negativen Bereich. Diese quantitative Lockerung führte den Banken erhebliche Beträge an Zentralbankgeld zu. Das war mehr als die Banken für ihre Mittelbereitstellungen einsetzten oder einsetzen wollten. So entstanden bei den Kreditinstituten hohe Überschüsse an liquiden Mitteln. Da diese Mittel vom Geldmarkt nicht aufgenommen wurden, landeten sie in der Einlagenfazilität. Mittel fließen in die Einlagefazilität der Zentralbank, weil sie die Zinsuntergrenze bildet, die die Zentralbank gezogen hat. Käufe öffentlicher Anleihen im Rahmen der quantitativen Lockerung stießen, so in Europa, auch auf Kritik. Man vermutet, dass mit diesen Transak tionen öffentliche Haushalte finanziert werden. Eine solche Finanzierung öffentlicher Haushalte ist einer Zentralbank untersagt. So heißt es im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union AEUV, Art. 123, Abs, 1: Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten im ESZB für die Öffentlich Hand „sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken“. Vermutungen einer Haushalsfinanzierung durch das Instrument einer quantitativen Lockerung treffen nicht zu. Es geht immer nur um die Schaffung von Sicherheiten bei der Bereitstellung liquider Mittel durch die Zentralbank. Der einfachste Weg Sicherheiten bereitzustellen, das hat sich schon bei der Offenmarktpolitik gezeigt, ist der Kauf von Wertpapieren. Einen solchen Kauf über den Kapitalmarkt, also nicht unmittelbar von öffent lichen Emittenten, lässt das Gesetz (Vertrag AEUV, Art. 123, Abs. 1) zu. 6. Die Liquiditätspolitik (Markteinflüsse) Zentralbanken müssen die Geldmarktsätze steuern. Ihnen stehen dafür die Instrumente der Zinspolitik und der Liquiditätspolitik zur Verfügung. Allerdings sehen sie sich dabei einem Problem gegenüber, den Markteinflüssen. Dabei handelt e sich um Transaktionen, die den Umfang liquider Mittel der Banken beeinflussen, auf die die Zentralbanken allerdings keinen Einfluss haben. Zu diesen Marktfaktoren gehören vor allem der Bargeldumlauf, Transaktionen der Öffentlichen Haushalte und Devisentransaktionen. Unternehmen und private Haushalte benötigen gelegentlich Bargeld. Sie fordern das bei ihrer Bank an. Banken aber können kein Bargeld schaffen. Das ist der Zentralbank vorbehalten. So muss die Bank das Bargeld bei der Zentralbank anfordern und dann ihren Kunden übergeben. Natürlich wird das
I. Instrumente der monetären Politik59
Konto der Bank bei der Zentralbank mit diesen Bargeldbeträgen belastet. Damit nimmt die Liquidität der Bank ab. Im umgekehrten Fall, wenn z. B. Unternehmen ihre Bargeldeinnahmen bei der Bank einzahlen, dann gibt die Bank das Bargeld an die Zentralbank weiter. Diese erkennt das Konto der Bank bei ihr. Die Liquidität der Bank nimmt zu. Das Ergebnis lautet also: Jede Zunahme des Bargeldumlaufs verringert die Liquidität der Banken und jede Abnahme des Bargeldumlaufs erhöht sie. Es gibt vorhersehbare Saisonverläufe bei der Veränderung des Bargeldumlaufs, z. B. um den Monatsultimo oder zu den Festtagen, aber es gibt auch unvorhergesehene Veränderungen. Es gehört zu den Aufgaben einer Zentralbank diesen Markteinfluss möglichst zutreffend zu schätzen. Ein weiterer wichtiger Markteinfluss sind die Transaktionen öffentlicher Haushalte. Die öffentliche Hand unterhält, anders als Unternehmen und private Haushalte, Konten bei der Zentralbank. Wenn von diesen Konten Beträge abgebucht werden, fließt Zentralbankgeld zu den Banken. Die Liquidität der Banken erhöht sich. Umgekehrt fließt Zentralbankgeld von den Banken zur Zentralbank, wenn die Beträge auf den Konten öffentlicher Haushalte zunehmen. Auch hier gibt es regelmäßige Transaktionen, wenn z. B. entsprechend den Haushaltsplänen Beträge von den Konten abfließen oder zu den Steuerterminen zufließen. Auch hier sind sorgfältige Schätzungen zu den wöchentlichen Offenmarktterminen erforderlich. Der Staat tätigt auch gelegentlich Devisentransaktionen. Benötigt er Devisen, dann beschafft er sie sich bei der Zentralbank. Sein Konto wird belastet. Erhält er Devisen, dann übergibt er sie der Zentralbank. Das Konto des Staates wird erkannt. Also auch Devisentransaktionen öffentlicher Haushalte verändern die liquiden Mittel der Banken und müssen zu den Offenmarkt terminen erfasst werden. Es ist notwendig, dass eine Zentralbank die Markteinflüsse Bargeldumlauf, Transaktionen der öffentlichen Haushalte und Devisenbewegungen zu den Offenmarktterminen ermittelt oder möglichst zutreffend schätzt. Nur dann wird es ihr gelingen Zentralbankgeldzuteilungen vorzunehmen, die ihren Vorstellungen über den zu verwirklichenden Tagesgeldsatz entsprechen. 7. Die Liquiditätspolitik der Europäischen Zentralbank Die Europäische Zentralbank hat frühzeitig die Gefahren, die sich aus der Finanzkrise in den USA Mitte 2007 auch für Europa ergaben, erkannt und sofort Maßnahmen ergriffen. In den Jahren bis 2007 konnte die Liquidität der Banken ohne größere Probleme gesteuert werden. Die Banken gaben Kredite und das Bruttoinlandsprodukt, das BIP, nahm zu. Auf die mit der Kreditgewährung erhöhten
Mrd. € /Bill. €
60 1100 1000 900 800 700 600 500 400 300 200 100 0 –100 –200 –300 –400 –500 –600
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Marktfaktoren / Non monetary policy factors
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Liqiditätspolitische Transaktionen / Liquidity policy operations Liquiditätsversorgung insgesamt / Liquidity supply altogether
Cl.K.
Liquiditätsbedarf (MR-Soll) / Required reserves
Source: ECB
Abbildung 10: Liquiditätspolitik der Europäischen Zentralbank/ Liquitity policy operations of the European Central Bank
Einlagen verlangte die EZB eine Mindestreserve, jedenfalls auf Verbindlichkeiten von bis zu zwei Jahren, von 2 %. Diese Mindestreserve muss von den Banken in Form von Zentralbankgeld bei der EZB gehalten werden. Sie bildet den Zentralbankgeldbedarf der Periode. In normalen Zeiten wird er durch Offenmarktgeschäfte der Zentralbank, also die Liquiditätsversorgung, gedeckt. Dabei mussten die Marktfaktoren berücksichtigt werden. Sie wurden mit den liquiditätspolitischen Transaktionen der Offenmarktoperationen ausgeglichen. Dieses Bild änderte sich mit der Weltfinanzkrise. Die EZB hat flexibel auf die unterschiedlichen Einflüsse reagiert. Sie schuf Liquiditätsüberschüsse, aber korrigierte sie, wenn sie das für angemessen ansah. Erst ab 2014, als bis dahin trotz vieler liquiditätsfördernder Maßnahmen die wirtschaftliche Entwicklung sich nicht deutlich belebte, setzte sie massiv Sondermaßnahmen ein. In der Zeit, in der sich die Weltfinanzkrise und die folgende Konjunkturabschwächung bemerkbar machten, hat sich die Struktur der Liquiditätsbereitstellung grundlegend geändert. Die tabellarische Übersicht lässt das er-
I. Instrumente der monetären Politik61 Tabelle 5 Liquiditätsbedarf und -versorgung in der EWU
Marktfaktoren Liquiditätsbereitstellung HptRefinanzGeschäfte Längerfr. RefGeschäfte Sondermaßnahmen Liquiditätsversorgung Liquiditätsbedarf Über-/Unterversorgung
2004
2017
–1,5 2,5 (1,9) (0,6) (0,0) 1,0 1,0 0,0
–9,0 25,2 (0,0) (6,2) (19.0) 16,2 1,0 15,2
kennen. In ihr wurde der Liquiditätsbedarf, der dem Mindestreserve-Soll entspricht, gleich 100 gesetzt und mit dem 1-fachen dargestellt. Vor der Weltfinanzkrise, hier als Beispiel das Jahr 2004, ergab sich folgendes Bild: Die Markteinflüsse entzogen den Banken liquide Mittel im Umfang des 1,5fachen des Liquiditätsbedarfs. Die Zentralbank musste also die Banken mit liquiden Mitteln im Umfang des 2,5fachen versorgen. Der größte Teil davon, das war das 1,9fache, wurde über Hauptrefinanzierungsgeschäfte beschafft, der Rest, das 0,6fache waren längerfristige Refinanzierungsgeschäfte. Sondermaßnahmen gab es keine. In der Zeit nach der Weltfinanzkrise, hier als Beispiel das Jahr 2017, entzogen Markteinflüsse den Banken Zentralbankgeld in Höhe des 9,0fachen des Liquiditätsbedarfs. Die Zentralbank hätte also das 10,0fache des Liquiditätsbedarfs an Zentralbank den Banken bereitstellen müssen, um den Liquiditätsbedarf zu decken. Angesichts hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Preissteigerungsraten, stellte die Zentralbank aber das 25,2fache bereit. Das geschah zum überwiegenden Teil über Sondermaßnahmen 19,0fache und zu einem kleineren Teil über längerfristige Offenmarktgeschäfte, 6,2fache. Hauptrefinanzierungsgeschäfte wurden kaum noch in Anspruch genommen, 0,0fache. Wenn sich die Preissteigerungsraten mittelfristig dem Ziel von 2 % nähern und die Wirtschaft sich belebt, so dass die Arbeitslosenquote weiter zurückgeht, wird die Zentralbank die Sondermaßnahmen beenden. Den erreichten hohen Bestand an Wertpapieren wird sie zunächst unverändert lassen. Das bedeutet, dass sie fällig werdende Papiere durch entsprechende Wertpapierkäufe ersetzt. Sobald auch das unterbleibt, sinken die Wertpapierbestände und in diesem Umfang verringert sich die Liquidität der Banken. Die Zen tralbank kann auch, wenn sich die Wirtschaft stärker belebt, Wertpapiere verkaufen. Auf diesen Wegen nähern sich die Liquiditätsversorgung und ihre
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C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche
Komponenten wieder den normalen Verhältnissen an, wie sie vor der Welt finanzkrise bestanden.
II. Strategische Überlegungen 1. Der Weg zu den Zielen Die Wirtschaftspolitik hat in der digitalen Epoche vor allem zwei Hauptziele zu verwirklichen, Vollbeschäftigung und Preisstabilität. Die Hauptverantwortung dafür liegt bei der Zentralbank. In einer potenzialorientierten Wirtschaftspolitik muss, um Arbeitslosigkeit möglichst gering zu halten, das reale BIP an das Produktionspotenzial herangeführt werden. Auch der Abstand des nominalen BIP zum realen BIP ist gering zu halten, um Preisstabilität zu sichern. Der monetären Politik stehen, wie schon in der Vergangenheit, Steuerungselemente zur Verfügung. Das wichtigste sind die Zinsen. Um eine möglichst genaue, den wirtschaftlichen Problemen angemessene Zinspolitik vornehmen zu können, verfügen die Zentralbanken auch über verschiedene liquiditäts politische Instrumente. Mit dieser Zinspolitik beeinflusst die Zentralbank die monetären Aggregate und auf diesem Wege auch das nominale und das reale BIP. An diesen Zusammenhängen hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert Das gilt für den Übergang zur Globalisierung ebenso wie für wirtschaftliche Hausse- oder Schwächeperioden, so z. B. die Schwächeperiode in und nach der Weltfinanzkrise. Was sich dabei ändert, ist das Tempo der Reaktionen der Wirtschaft auf Maßnahmen der Zentralbank, nicht aber der Zusammenhang selbst. Eine Zentralbank trägt die Hauptverantwortung, um die wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. Das bedeutet aber, dass auch andere Institutionen Verantwortung tragen. Ihr Handeln sollte einer wirtschaftlichen Situation, soweit das im Rahmen deren Zielsetzungen möglich ist, angemessen sein. Das gilt einmal für den Staat, die öffentlichen Hände. In einer Schwächeperiode sollten sie ihre Investitionsausgaben erhöhen und in einer Hausse die Auftragsvergabe strecken. Starre Haushaltsregeln sind einem solchen antizyklischem Verhalten nicht angemessen. Sie sind oft kontrazielgerichtet. Verantwortung tragen auch die Sozialpartner. Für sie ist die Arbeitsproduktivität, insbesondere für die Einkommensfindung, eine wichtige Größe. Die Veränderung der Arbeitsproduktivität bestimmt aber auch wesentlich das Wirtschaftswachstum, dessen Tempo über Erreichen oder Nichterreichen wirtschaftspolitische Ziele entscheidet. Sozialpartner sollten bei ihrer Einkommenspolitik daher diese Zusammenhänge im Auge behalten.
II. Strategische Überlegungen63
2. Der Weg zur Vollbeschäftigung In der potenzialorientierten Wirtschaftspolitik wird die Höhe der Arbeitslosigkeit bestimmt vom Umfang der Produktionslücke, also der Differenz zwischen realem BIP und dem Produktionspotenzial. Dem Ziel Vollbeschäftigung, einer Arbeitslosenquote von maximal 3 %, nähert man sich, wenn es gelingt die Produktionslücke kleiner werden zu lassen. Das ist durch Wirtschaftswachstum möglich. Das Produktionspotenzial Y* ist definiert mit dem Produkt aus Arbeitspotenzial A* und Arbeitsproduktivität π, die den gegebenen technischen Standard wiederspiegelt. Das tatsächlich produzierte reale BIP Yr wird von den Beschäftigten A und der Arbeitsproduktivität π bestimmt. Y*= A* π und Y = A π
Stellt man das Produktionspotenzial, das mit dem Arbeitspotenzial (Beschäftigte plus Arbeitslose) definiert ist, dem realen BIP gegenüber, so entspricht dieser Quotient eins plus der Arbeitslosenquote ALQ. Y*/Y = (A + AL)/A = 1 + ALQ
Um eine Antwort auf die Frage zu erhalten was zu geschehen hat, um sich dem Ziel Vollbeschäftigung zu nähern, kommt es nicht auf die Bestandsgrößen an, sondern auf ihre Veränderungsraten w. wY* – wY = w(1 + ALQ)
In einer potenzialorientierten Wirtschaftspolitik wird angestrebt, die Produktionslücke zu verkleinern. Dann muss das reale BIP schneller zunehmen als das Produktionspotenzial. wY* < wY = –w(1 – ALQ)
In diesem Fall nimmt eins plus der Arbeitslosenquote ab. Die Arbeitslosigkeit sinkt. Um die Arbeitslosigkeit zu verringern muss die monetäre Politik, unterstützt von der Finanzpolitik und dem Verhalten der Sozialpartner, versuchen, die Wachstumsrate des BIP über die des Produktionspotenzials zu halten. Gelingt das nicht und die Zuwachsrate des BIP sinkt unter die des Produk tionspotenzials, nimmt die Arbeitslosigkeit zu.
C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche 2,2
22
1,7
17
1,2
12
0,7
7
0,2
2
-0,3
-3
-0,8
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-1,3
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-18
-2,3
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Veränd. d. Arbeitslosen / Changes of unemployed in % p.a. Angem./ nicht angem. WtWachstum / suit./ unsuit.ec.growth
Veränd. d. ArbL./ Changes of unemployed i. % p.a.
VerändR. BIPr- ProdPot. / Growth rates of GDPr - PotOutput
64
-23
Cl,K.
Source: Eurostat
Abbildung 11: Potentielles u. tatsächliches WtWachstum und Arbeitslosigkeit in der EWU/Potential and actual economic growth and unemployment in EMU
Die Kurve zeigt die Differenz der Veränderungsrate des realen BIP abzüglich der Veränderungsrate des Produktionspotenzials. Das Wirtschaftswachstum ist angemessen, wenn die Wachstumsrate des BIP die des Produktionspotenzials übersteigt und damit im positiven Bereich liegt. Dann nimmt die Arbeitslosigkeit ab. Liegt die Kurve im negativen Bereich, ist das Wirtschaftswachstum nicht angemessen. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. In der EWU war vor der Weltfinanzkrise das Wirtschaftswachstum angemessen. In der Weltfinanzkrise und der nachfolgenden konjunkturellen Abschwächung sank die Kurve in den negativen Bereich und die Arbeitslosigkeit stieg. Erst ab 2014 änderte sich das Bild. Das Wirtschaftswachstum erhöhte sich wieder etwas schneller und überstieg die Zuwachsrate des Produktionspotenzials. So ging die Arbeitslosigkeit von Jahr zu Jahr wieder zurück. Die Europäische Zentralbank hat in allen diesen Jahren ihre Zinspolitik eingesetzt, um die wirtschaftliche Entwicklung zu steuern. In den Jahren von 2000 bis 2008 – die neun Punkte auf der rechten Seite der Grafik „Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit vom Tagesgeld“ –, also vor der Weltfinanzkrise, senkte sie zunächst die Geldmarktsätze von 4 ½ % auf 2 %, erhöhte sie aber wieder, als die Konjunktur stärker anzog. Die Arbeitslosigkeit reagierte zeit-
II. Strategische Überlegungen65
13,0 12,0 11,0 10,0 9,0 8,0 7,0 6,0 -1,00
R² = 0,6432 0,00
1,00
ArbL-Quote / UnemplR
2,00
3,00
4,00
5,00
Poly. (ArbL-Quote / UnemplR)
Source: Eurostat
Abbildung 12: Arbeitslosenquoten in Abhängigkeit vom Tagesgeld 2001–2017 EWU/Unemployment rates depending on overnight deposits 2000–2017 EMU
verzögert. In diesem Zeitraum konnte die Arbeitslosenquote von 9 % auf 7 ½ % verringert werden. In und nach der Weltfinanzkrise von 2009 bis 2017 senkte die EZB die Tagesgeldsätze stark – die neun Punkte auf der linken Seite der Grafik – und zwar auf 1 % und darunter. Zeitverzögert, auf die vorangegangenen Zinssteigerungen, stieg die Arbeitslosenquote auf 12 %. Erst als die Tagesgeldsätze von der EZB in den negativen Bereich gedrückt wurden, ging sie auf 9 % zurück. Der dargestellte Zusammenhang zwischen Tagesgeld und Arbeitslosenquoten, die starken Zinsänderungen und die verzögerten Wirkungen auf die Arbeitslosenquoten haben zu einem inversen Trend geführt. Das Bestimmtheitsmaß, das Auskunft gibt, wie eng der Zusammenhang ist, beträgt 0.64. Ein enger Zusammenhang läge bei 1,0 oder leicht darunter. Aber das Ergebnis ist durchaus befriedigend. Es entspricht den Erwartungen, dass zwischen zwei wirtschaftlichen Größen, wie Tagesgeldsatz und Arbeitslosenquote, nie ein ganz enger Zusammenhang besteht. Beide Größen werden von vielen unterschiedlichen Einflüssen verändert, die es verhindern, dass eindeutige Ergebnisse erzielt werden.
66
C. Die monetäre Politik in der digitalen Epoche
3. Der Weg zur Preisstabilität Bei der Steuerung des nominalen BIP muss der Transmissionsverlauf beachtet werden, der von der Zinsveränderung zum nominalen BIP und damit zur Zielgröße der Preisstabilität führt. Er verläuft von den Zinsveränderungen über Veränderungen der monetären Aggregate zum BIP. Es wurde immer wieder diskutiert, welches monetäre Aggregat man diesem Transmissionsprozess zugrunde legen soll. Eine Rolle spielte dabei die Geldmenge. Man ging so weit, eine direkte kausale Beziehung zwischen der Geldmenge und dem Preisniveau anzunehmen. Obwohl man unterschiedliche Differenzierungen verschiedener denkbarer Geldmengendefinitionen vornahm, führte das zu keinen brauchbaren Ergebnissen. Die kausale Beziehung zwischen Geldmengen und Preisen bestand nicht. Auch Versuche Geldmengen als Zwischenziele zu definieren, änderte daran nichts. Man muss sich wohl an das Morgensternsche Gesetz erinnern, sich auf möglichst vollständige, möglichst rasche und möglichst weit zu verbreitende Information über die gegenwärtige Wirtschaftslage zu beschränken. Was man feststellen kann ist, dass die Kreditinstitute der Wirtschaft auf vielfältige Weise Mittel bereitstellen, mit denen sie den Wirtschaftsprozess finanzieren, was schließlich zum nominalen BIP führt. Zur Wirtschaft zählen in diesem Zusammenhang die Unternehmen sowie die privaten und öffentlichen Haushalte mit allen ihren Tätigkeiten in der globalen Welt. Die Mittel, die die Banken der Wirtschaft bereitstellen, umfassen nicht nur die gewährten Kredite, sondern auch die übernommenen Wertpapiere, Aktien und Beteiligungen sowie sonstige Vermögenswerte. Für diese umfassende Finanzierungsgröße ist der Begriff der Mittelbereitstellung zutreffend. Allerdings soll auch für diese Größe der gebräuchliche Begriff Kredit verwendet werden. Der Transmissionsprozess verläuft mithin von der Veränderung des Zinssatzes, also des Tagesgeldsatzes zu den Krediten. Es ist interessant festzustellen, wie die Kredite auf Zinsveränderungen reagieren. Eine Größe die das anzeigt, ist der Elastizitätskoeffizient ε der Veränderung der Kredite wK bezüglich der Veränderung der Zinsen wi: €wK, wi Auch der Einfluss den Veränderungen der Kredite auf das nominale BIP und somit letztlich auf die Preise haben, lässt sich durch einen Elastizitätskoeffizienten darstellen. Er bildet die Veränderung des nominalen BIP wYn bezüglich der Veränderung der Kredite wK ab: €wYn, wK
II. Strategische Überlegungen67
8,00 6,00
4,00 2,00 0,00 -2,00 -4,00 -6,00
Cl.K.
2000 01
02
03
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Elastizitäten Kredite bezügl. Tagesgeld
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Elastizitäten BIPn bezügl. Kredite
Veränderungen BIPn
Abbildung 13: Wirtschaftswachstum (BIPn) und Elastizitäten in der EWU/ Economic growth (GDPn) and elasticities in EMU
So kann der Transmissionsprozess, ausgehend von den Zinsveränderungen über die Veränderungen der Kredite bis zum nominalen BIP, mit Hilfe der Elastizitäten dargestellt werden. wYn = wi €wK, wi €wYn, wK
Das nominale BIP ist definiert mit dem Produkt von Veränderung des Zinses (Tagesgeld), der Kreditelastizität des Zinses und der BIP-Elastizität der Kredite. Nach einer schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung in der EWU stieg ab 2003 das BIPn wieder an. Bis 2004 hatte die EZB die Tagesgeldsätze noch vermindert; 2005 erhöhte die EZB die Zinssätze wieder leicht. Da die Kreditgewährung der Banken noch kräftig zunahm, kam es zu dem Ausreißer bei der Kreditelastizität. Er ist der Ausdruck einer Wende in der Kreditpolitik der EZB. Als im Höhepunkt der Weltfinanzkrise 2009 das BIPn um 3,6 % zurückging, nahm auch die Kreditgewährung ab. Da sie bis nahe Null sank, erhöhte sich die BIP-Elastizität stark. Im Jahre 2017 verminderte sich die Kreditgewährung bei sich erholendem BIPn. Dadurch kam es zu der Verringerung der BIP-Elastizität.
D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen I. Voraussetzungen und tatsächlicher Ablauf 1. Bedingungen einer störungsfreien finanziellen Abwicklung Waren und Dienstleistungen werden zunehmend grenzüberschreitend gehandelt. Das soll möglichst problemlos geschehen. Zölle und administrative Hemmnisse sind zu minimieren. Mit diesem grenzüberschreitenden Warenverkehr eng verbunden sind grenzüberschreitende Investitionen sowie Käufe und Verkäufe von Vermögenswerten außerhalb der eigenen Volkswirtschaft. Um auch diese Transaktionen problemlos abzuwickeln zu können, wird z. B. gefordert, Steuervermeidungen grenzüberschreitend tätiger Unternehmen, infolge des bestehenden Steuergefälles, zu vermeiden. Neben allen diesen zu lösenden Problemen wird eine Frage immer bedeutsamer: Wie kann die finanzielle Abwicklung aller dieser grenzüberschreitender Transaktionen störungsfrei gestaltet werden? Eine störungsfreie Abwicklung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs ist nur gewährleistet, wenn eine „Institution“ die notwendige Organisation übernimmt. Dabei sind zumindest vier Bedingungen zu beachten, die erfüllt sein müssen: 1. Bedingung: Volle Konvertibilität. Die „Institution“ muss sicherstellen, dass die Währungen der einzelnen Länder mit den von der „Institution“ emittierten Devisen jederzeit ausgetauscht werden können. Die Währungen der einzelnen Länder müssen mit den Devisen voll konvertibel sein. Die „Institution“ muss also auch dafür sorgen, dass Devisenmärkte bestehen, die einen solchen Austausch von nationalen Währungen und Devisen ermöglichen. 2. Bedingung: Ausreichende Versorgung der Weltwirtschaft mit Devisen. Ein grenzüberschreitender weltweiter Wirtschaftsverkehr verlangt, dass ausreichend Devisen zur Verfügung stehen, um den mit dem Wirtschaftsverkehr verbundenen Zahlungsverkehr problemlos abzuwickeln. Die „Institution“ muss bemüht sein, der Weltwirtschaft in einem angemessenen Umfang Devisen bereitzustellen. Da der grenzüberschreitende Wirt schaftsverkehr ständig zunimmt, müssen auch ständig Devisen zusätzlich bereitgestellt werden.
I. Voraussetzungen und tatsächlicher Ablauf69
3. Bedingung: Schaffung verzinslicher Anlagen für Devisenreserven. Länder, die grenzüberschreitend Transaktionen abwickeln, werden bemüht sein, einen gewissen Bestand an Devisen zu halten. Er soll helfen einen plötzlich entstehenden Devisenbedarf zu decken. Solche Devisenreserven hält man nicht unverzinst auf einem Konto, sondern sucht nach verzinslichen Anlagen. Daraus ergibt sich die weitere Notwendigkeit für die „Institu tion“ solche verzinslichen Anlagen zu schaffen. Üblicherweise bevorzugt man Anleihen. Es gehört also zu den Aufgaben der „Institution“ solche verzinslichen, in Devisen denominierte Anleihen zu schaffen. 4. Bedingung: Ein leistungsfähiger Kapitalmarkt. Ermöglicht man es Ländern Devisenreserven zu halten, dann muss man es diesen Ländern auch ermöglichen, wenn sie einen Devisenbedarf haben, entsprechende Devisen-Anleihen am Kapitalmarkt zu verkaufen. Länder denen Devisen zufließen, sollten diese Beträge jederzeit in Devisen-Anleihen anlegen können. Die „Institution“ muss dafür sorgen, dass ein aufnahme- und abgabefähiger, also ein leistungsfähiger Kapitalmarkt, vorhanden ist. 2. Die finanzielle Abwicklung in der landwirtschaftlichen Epoche In der landwirtschaftlichen Epoche bedurfte es keiner „Institution“. Alle vier Regeln wurden auch ohne sie eingehalten. Geld, mit dem in dieser Epoche überwiegend inländische und grenzüberschreitende Warentransaktionen bezahlt wurden, waren Münzen. Geld bestand also aus Metall. Das vorherrschende Münzmetall war Silber. „Bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts hinein trat das Gold in der europäischen Kulturentwicklung durchaus hinter dem Silber zurück und wurde auch immer nur ausnahmsweise und vorübergehend als Münzmetall verwendet. … 1816 führte England als erster Staat die Goldwährung ein.“32 In der landwirtschaftlichen Epoche ist die erste Bedingung, volle Konvertibilität, gegeben. Dank der Basierung der Münzen auf Silber oder Gold, können die Münzen zu jeder Zeit getauscht werden. Notwendig ist nur zu wissen, wie die einzelnen Münzarten der Länder nach Gewicht und Edelmetallgehalt (Feingehalt) – nach Schrot und Korn – definiert sind. Damit waren auch die notwendigen Devisenmärkte, d. h. Münzmärkte, vorhanden. Man gab die eigenen Münzen einer Bank und erhielt wertgleich die gewünschten Münzen eines anderen Landes. Auch die zweite Regel, für ausreichend Devisen, also Münzen, zu sorgen, bildete keine Schwierigkeiten. Silber als Münzmetall stand reichlich zur Verfügung. Die Landesherren konnten Silber er32 Friedensburg, Ferdinand, Gold, die metallischen Rohstoffe 3. Heft, 2. Auflage, Stuttgart 1953, S. 47.
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D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen
werben und daraus Münzen prägen lassen. Die dritte Bedingung, verzinsliche Anlagen für die Devisenreserven zu schaffen, und die vierte Bedingung, einen leistungsfähigen Kaitalmarkt aufzubauen, entfallen in dieser Epoche. Reserven für unvorhersehbare Risiken sind immer nur Münzen. Sie werden nicht verzinst. Es scheint, als seien alle Bedingungen in der landwirtschaftlichen Epoche, in der Münzen das Hauptzahlungsmittel sind, leicht zu erfüllen. Einfach aber verlief der Prozess der Zahlungsabwicklung während der landwirtschaft lichen Epoche nicht. Jeder Landesherr legte einen Münzfuß, auch Fuß genannt, fest. Münzen enthielten nur selten das reine Metall. Meist war den Silbermünzen, um sie zu härten, Kupfer beigemischt. Das Gewicht dieser Legierung (Schrötling) war höher als das Gewicht des zugrundeliegenden Metalls. Mit dem Münzfuß wird der Anteil des reinen Metalls an der Münze festgelegt. Nun gab es viele Landesherren und entsprechend viele Münzfüße. Allerdings bildeten sich Münzfüße heraus, die auch von anderen Landesherren benutzt wurden. Was sich im 17. Jahrhundert abspielte, schildert dieser Bericht: „Ubrigens ist noch anzumercken, daß, nach dem sogenannten Zinnischen Fuß, welchen Müntz-Fuß Chur-Sachsen, Chur-Brandenburg und Braunschweig, in einem Kloster bey dem Flecken Zinne oder Zune, nicht weit von Jüterbock, 4. Meilen von Wittenberg, den 17. August. 1667. in einer Müntz-Conferentz aufgerichtet, die Marck feines Silbers, so man vorhero zu 9. Thaler, 2. Groschen ausgemüntzet, auf 10. Thaler, 12, Gr. höhet worden. Eben zur selbigen Zeit sind der Fränckische, Bayrische und Schwäbische Creyß gleichfalls zusammen in Conferentz getreten, und haben, mit Kayserlicher Confirmation, im Monat August und im Septembr. 1667. zu Regenspurg ein Conclusium deshalben verfertigt. Dieser Zinnische Fuß ist bis 1690. im Gange blieben, da ihm zu Leipzig den 16. Januar. der so genannte Leipziger-Fuß substituieret, und die Marck seines Silbers in der Müntze auf 12. Thaler auszumüntzen gesetzt worden, weil man nemlich dazumal schon zwey Drittel-Stücke von Anno 1688. und 1689. gefunden, die nicht auf dem Zinnischen Fuß gestanden, sondern kaum dem hernach aufgerichteten Leipiger-Fuß gleichhaltig gewesen, auch nachgehends im Wechsel-Cours niemals höher gestiegen sind.“33
So ganz einfach waren die Währungsverhältnisse in der landwirtschaft lichen Epoche nicht zu verstehen. Es gab nicht nur die vielen Münzfüße und die diversen Abkommen, die zwischen Landesherren geschlossen wurden, die die monetären Märkte der damaligen Zeit wenig transparent machten. Es entstanden oft Probleme, wenn die Münzfüße geändert wurden. Dann wurde meist verfügt, dass aus einer 33 von Beust, Joachim, Entwurf von der Müntz-Gerechtigkeit im Heil. RömischTeutschen Reich, Lepzig, 1745, S. 180 f.
I. Voraussetzungen und tatsächlicher Ablauf71
Gewichtseinheit mehr Münzen auszuprägen sind als vorher. Diese de facto Abwertung traf die Bürger, weil sich die Preise im Land, wegen verteuerter Einfuhren, erhöhten. Aber es gab neben den Landesherren auch Andere, die dieses Geschäft betrieben. Sie fälschten Münzen. Aus einer Gewichtseinheit Silber prägten sie mehr Münzen aus, als es nach dem Münzfuß des Landesherrn gestattet war. Das konnte und hat zu erheblichen Problemen geführt: „… durch überhand genommene Boßheit gewinnsüchtiger Wucherer, der ReichsThaler auf 10. fl. und der Ducaten auf 18. fl. gestiegen, woraus denn nichts anderes erfolgen können, als daß der Preiß aller Waaren unbeschreiblich erhöht worden, Handel und Wandel im Reich darnieder gelegen, und dem Elend der armen Unterthanen fast nicht abzuhelfen gewesen; deswegn auch die drey correspondierende Creysse im Jahr 1623. zu Augspurg sich versammelt, und den Schluß gefasset, daß der Reichs-Thaler auf 1 ½. fl. reducirt werden sollte.“34
Das ist eine bemerkenswerte gemeinsame wirtschaftspolitische Maßnahme von drei Kreisen. Sie bekämpfen starke Preissteigerungen mit einer Aufwertung des von allen akzeptierten Reichs-Thalers. In der landwirtschaftlichen Epoche zeichneten sich wichtige Änderungen im monetären Bereich ab. Je weiter die wirtschaftliche Entwicklung fortschritt und je intensiver man grenzüberschreitend handelte, desto mehr sammelten sich bei Landwirten und Gewerbetreibenden Reserven in Form von Münzen an. Bald suchte man nach sicheren Anlagen. Man fand sie bei Banken. Sie übernahmen die Münzen und stellten darüber Quittungen (Noten) aus. Die Banken, die das Recht erhielten, Münzen anzunehmen, nannte man Noten- oder Zettelbanken. Die Zahlungsabwicklung wurde für die Wirtschaft leichter. Wenn ein Gewerbetreibender eine Rechnung zu bezahlen hatte, konnte er der Bank seines Geschäftspartners seine Quittungen einreichen. Die Bank gab ihm oder dem Geschäftspartner die benötigten Münzen. Münzen brauchten nicht mehr transportiert zu werden. Bargeld war entstanden. 3. Die finanzielle Abwicklung in der industriellen Epoche In der industriellen Epoche spielt Bargeld eine wichtige Rolle. Das gilt vor allem für Käufe privater Haushalte. In den Geschäften der übrigen Wirtschaft machte das Bargeld dem Buchgeld Platz. Zahlungen wurden über die Konten der Beteiligten abgewickelt. Metalle im Zahlungsverkehr wurden bedeutungslos. Anfangs hat man die Banknoten, das Bargeld, noch durch Metalle gedeckt, aber davon sah man schließlich ab. Man wollte sich nicht von Ländern abhängig machen, die über große Gold- oder Silbervorkommen verfügen. 34 von Beust, Joachim, Entwurf von der Müntz-Gerechtigkeit im Heil. RömischTeutschen Reich, Lepzig, 1745, S. 183.
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D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen
In der landwirtschaftlichen Epoche war ein weitgehend störungsfreier grenzüberschreitender Zahlungsverkehr möglich, weil durch die Festlegung von Münzfüßen die Werte der Münzen sich ermitteln ließen und somit auch leicht getauscht werden konnten. In der industriellen Epoche, mit dem Bargeld als Papiergeld und dem Buchgeld, war das nicht mehr möglich. Es bestand aber weiterhin der Wunsch, die jetzt metalllosen Währungen jederzeit für Zahlungen im internationalen Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr verwenden zu können. Ein Ersatz musste geschaffen werden. Kein Land hielt es für notwendig nach einer allgemeinen, internationalen Lösung zu suchen. Man war zufrieden, dass es Währungen gab, die man zu jeder Zeit kaufen oder verkaufen und über die man gewünschte Währungen erwerben konnte. Damit übernahmen nationale Währungen die Rolle der „Institution“, die dafür zu sorgen hat, dass die vier Bedingungen für einen störungsfreien grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr eigehalten werden. Zunächst übernahm Großbritannien mit dem Pfund Sterling, als größte Kolonialmacht, diese Aufgabe. Nach dem zweiten Weltkrieg jedoch wuchs der amerikanische Dollar in die Rolle des Vermittlers zwischen den nationalen Währungen. Der US-Dollar wurde zur führenden Weltwährung und die USA nicht zuletzt dadurch zur führenden Wirtschaftsmacht in der Welt. Die USA konnten diese Stellung aber nur beibehalten, wenn sie die vier Bedingungen für einen reibungslosen internationalen Zahlungsverkehr erfüllten. Bedingung 1: Volle Konvertibilität. Die USA haben Devisenmärkte geschaffen, auf denen die Währungen aller Länder auf der Welt gekauft und verkauft werden. Die Transaktionen werden ohne Hemmnisse, also freizügig abgewickelt. Die Banken in den USA haben Voraussetzungen geschaffen, jeden gewünschten Betrag einer Währung zu kaufen oder zu verkaufen. Wenn immer ein Unternehmen in der Welt eine Währung benötigt, dann kann es sich diese über den US-Dollar in New York beschaffen. Bedingung 2: Ausreichende Versorgung der Weltwirtschaft mit Devisen. Wenn die USA die „Institution“ ist, die verantwortlich dafür ist, dass die Welt mit Devisen versorgt wird, dann müssen die USA die Welt mit USDollar versorgen. Wenn ein einzelnes Land diese Aufgabe wahrnimmt, gibt es nur einen Weg, sie zu erfüllen: die USA müssen in ihrer Handelsbilanz (Leistungsbilanz) ein Defizit aufweisen. Die USA bezahlen ihre Handelsbilanzdefizite mit US-Dollar. Damit strömen Devisen (US-Dollar) in die Weltwirtschaft. Das muss grundsätzlich Jahr für Jahr geschehen, denn Jahr für Jahr nimmt das Welthandelsvolumen zu und damit steigt der Bedarf an Devisen, also an US-Dollar. Bedingung 3: Schaffung verzinslicher Anlagen für Devisenreserven. Die USA haben für Länder, die ihre Dollarreserven verzinslich anlegen wollen, Möglichkeiten geschaffen. Nachgefragt werden sichere Anlagen, d. h. vor-
I. Voraussetzungen und tatsächlicher Ablauf73
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Cl.K.
Abbildung 14: Veränderungen des Welthandelsvolumen in %/ Changes in world trade vulume %
nehmlich Staatsanleihen. Das bedeutet, der Staatshaushalt der USA muss entsprechend Anleihen emittieren. Dadurch entstehen Haushaltsdefizite. Man spricht vom doppelten Defizit der USA. Einmal das Handelsbilanzdefizit, um die Weltwirtschaft mit US-Dollar zu versorgen und zum anderen das Haushaltsdefizit, um verzinsliche Anlagen für Devisenreserven zu schaffen. Bedingung 4: Ein leistungsfähiger Kapitalmarkt. Auch das haben die USA verwirklicht. Dieser Markt ist in der Lage, zu jedem Zeitpunkt jeden Betrag an Dollarpapieren zu übernehmen oder abzugeben. Wenn bei einem Land ein Devisenbedarf auftritt, kann es durch Verkauf von US-Papieren, diesen Bedarf decken. Umgekehrt bei einem Zufluss von US-Dollar ist es möglich, dass das Land in entsprechendem Umfang am Kaitalmarkt Dollar-Papiere kauft. Es gehört zu den eindrucksvollen Leistungen der USA, dass sie die Verantwortung für die stillschweigende Einhaltung dieser vier Regeln über 70 Jahre übernommen hat. Dadurch konnten die grenzüberschreitenden finanziellen Transaktionen in der industriellen Epoche weitgehend störungsfrei abgewickelt werden. Die Weltwirtschaft wurde mit US-Dollar (Devisen) versorgt, für Devisenreserven wurden Anlagemöglichkeiten geschaffen und ein leistungsfähiger Kapitalmarkt sorgte für die notwenige stete Aufnahmeund Abgabefähigkeit dieses Marktes.
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D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen
Dieses System einer reibungslosen finanziellen Abwicklung in der indus triellen Epoche, das auf einer nationalen Währung, dem US-Dollar, beruht, steht auf einem tragenden Fundament. Es ist das gegenseitige Vertrauen aller Beteiligten in die Weltwährung US-Dollar und damit in die USA.
II. Die Devisenversorgung der Weltwirtschaft in der digitalen Epoche 1. Die finanzielle Abwicklung in der digitalen Epoche In der digitalen Welt stehen sich zwei Tatsachen gegenüber. Auf der wirtschaftlichen Seite haben, dank des Informationssystems mit dem Internet im Mittelpunkt, Unternehmen nationale Grenzen überwunden. Auf der politischen Seite gibt es nach wie vor eine Vielzahl von nationalen Volkswirtschaften, von politischen Grenzen umgeben, mit eigenen Wirtschafts- und Finanzpolitiken sowie eigenen Währungen und eigenen monetären Politiken. Das wirft eine Reihe von Problemen auf, die neben den Fragen der störungsfreien Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungen zu lösen sind. Dazu gehört z. B. wie man Steuervermeidungen von Unternehmen, angesichts der bestehenden Steuergefälle zwischen den Ländern, unterbinden kann. Um solche Probleme muss sich die internationale Gemeinschaft, z. B. im Rahmen der G20-Länder, kümmern. Bei den Fragen der finanziellen Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungen könnte man davon ausgehen, dass man das System aus der industriellen Epoche, mit einer Währung, dem US-Dollar, auch in der digitalen Epoche beibehält. Aber die Basis dieses auf dem USDollar basierenden Systems hat Risse bekommen. Diese Risse offenbarten die Macht, die einem Lande zuwächst, wenn deren Währung zur Weltwährung geworden ist und das Land, die USA, zum „Initiator“ des Weltwährungssystems. Im Jahre 2016 schlossen fünf Staaten, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und die USA ein Abkommen mit dem Iran. Es soll vermeiden, dass der Iran zur weiteren Atommacht wird. Es ist nicht unbedingt außergewöhnlich, wenn ein Unterzeichner das Abkommen, aus welchen Gründen auch immer, verlässt. Die übrigen Partner waren gewillt, das Abkommen aufrechtzuerhalten und in seinem Sinne zu handeln. Es ist auch nicht außergewöhnlich, wenn das ausscheidende Land, aus welchen Gründen auch immer, Sanktionen gegen den Iran erlässt. Dazu gehört z. B. das Verbot iranisches Erdöl im Iran zu kaufen. Natürlich müssen amerikanische Unternehmen diese Sanktionen beachten. Außergewöhnlich allerdings ist, dass die USA verfügten, die verhängten Sanktionen gelten auch für ausländische Unternehmen. Sollten sich diese ausländischen Unternehmen nicht an die Sanktionen
II. Die Devisenversorgung der Weltwirtschaft in der digitalen Epoche 75
halten, würden sie von finanziellen Geschäften in dem Land mit der Weltwährung ausgeschlossen. Die betroffenen Länder, ihre Banken und anderen Unternehmen wurden sich bewusst, dass sie, unabhängig von rechtlichen Fragen, dem Verlangen der USA folgen müssen. Weltweit tätige Unternehmen sind auf die Devisenund Kapitalmärkte der USA angewiesen. Sie können es sich nicht leisten von ihnen ausgeschlossen zu werden. Obwohl die verbliebenen Unterzeichner des Atomabkommens gewillt sind, es aufrecht zu erhalten, muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich immer mehr Banken und andere Unternehmen aus Geschäften mit dem Iran zurückziehen. Auch bei anderen Geschäften, die den Interessen der USA offenbar nicht entsprechen, z. B. der geplanten Erdgasleitung Nordstream 2 zwischen Russland und Europa, wird mit Sanktionen unter Einbeziehung ausländischer Unternehmen, gedroht. Die Weltwirtschaft steht in der digitalen Epoche vor einem Problem. Die ungestörte finanzielle Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen kann nicht mehr in einem System gelöst werden, in dem eine nationale Währung, die die Weltwährung bildet, im Mittelpunkt dieses Systems steht. Die politische Macht, die diesem Land zuwächst, kann die ungestörte finanzielle Abwicklung gefährden. Da das im Finanzsystem deutlich geworden ist, bedarf es in der digitalen Epoche auch bei der weltweiten finanziellen Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen eines Umdenkens. Es bieten sich zwei Möglichkeiten an, das gegenwärtige monopolistische System mit einer nationalen Währung, zu ersetzen. Einmal könnte das ein pluralistisches System sein, mit mehreren nationalen Währungen. Zum anderen könnte eine internationale Institution die Aufgabe übernehmen, für eine möglichst störungsfreie finanzielle Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen zu sorgen. In jedem Fall muss gewährleistet werden, dass die beteiligten Länder oder die dafür ausgewählte Institution die vier Bedingungen für eine störungsfreie Abwicklung einhalten. Zu einem System der störungsfreien Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen, das von mehreren Ländern geprägt sein soll, ergeben sich erhebliche Probleme. Das wird deutlich, wenn man ein solches System an den Bedingungen für eine störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen misst. Die Währungen der an diesem System beteiligten Länder müssten voll konvertibel sein. Es ist vorstellbar, dass diese Bedingung erfüllt werden kann. Schwieriger wird, wie in einem solchen pluralistischen System, die Welt mit Devisen versorgt werden kann. Eigentlich müsste jedes an diesem System beteiligte Land, wie im monopolistischen System, ein Handelsbilanzdefizit aufweisen. Man müsste sich über die Höhe des Gesamtdefizits einigen und es auf die teilnehmenden Länder aufteilen. Selbst wenn diese Länder ausreichend Anleihen emittieren, um für Devisenreserven ver-
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D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen
zinsliche Anlagen zu schaffen, ergibt sich das Problem der Gleichrangigkeit dieser Anleihen. Ist sie nicht gegeben, kommt es zu Verzerrungen an den Kapitalmärkten. Man muss dieses System nicht weiter vertiefen. Es ist deutlich geworden, dass ein pluralistisches System, wie es gelegentlich gefordert wird, nicht geeignet ist, das auf einer Währung beruhende monopolistische System zu ersetzen. Außerdem kommt hinzu, dass es schwerfällt, geeignete Kandidaten für ein pluralistisches System zu finden. Geht man von den fünf Währungen aus, die als führende Weltwährungen bezeichnet werden und sich im Währungskorb, den Sonderziehungsrechten SZR des Internationalen Währungsfonds befinden, kommt man zu keinem positiveren Ergebnis für das pluralistische System. Diese fünf Währungen sind der US-Dollar, der Euro, der Chinesische Yuan, der Japanische Yen und das Britische Pfund Sterling. Die amerikanische Währung erfüllt alle Bedingungen für einen störungsfreien finanziellen Ablauf grenzüberschreitender Transaktionen. Stellt man die anderen Kandidaten den USA gegenüber, dann ist kaum anzunehmen, dass dadurch die monopolistische Stellung der USA wesentlich eingeschränkt würde. China hat in seinem Devisenhandel keine volle Konvertibilität. Die so wichtige Voraussetzung, den Devisenverkehr freizügig abzuwickeln, ist nicht geben. Somit besteht auch kein freier Devisenmarkt. Die EWU mit dem Euro, der zweitwichtigsten Währung nach dem USDollar, hat im Devisenverkehr volle Konvertibilität verwirklicht. Man könnte den Devisenhandel auf alle Währungen in der Welt ausweiten. Das wäre bei den leistungsstarken europäischen Banken in internationalen Geschäften kein Problem. Aber die EU hat die Chance verpasst, eine größere Rolle im grenzüberschreitenden monetären Wirtschaftsverkehr zu spielen. Sie hat versäumt, die im EU-Vertrag vorgesehene Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen und nur die Währungsunion verwirklicht. Ohne einen öffentlichen EWU-Haushalt kann sie keine Euroanleihen emittieren, in die man Devisenreserven anlegen könnte. Wenn keine Euro-Anleihen emittiert werden können, entfällt auch die Bedingung eines leistungsfähigen europäischen Kapitalmarktes. Japan hat nicht nur volle Konvertibilität auf seinen Devisenmärkten geschaffen, sondern erfüllt auch weitgehend die übrigen Bedingungen für eine störungsfreie Abwicklung der grenzüberschreitenden monetären Transaktionen. Japans Problem ist seine Stellung zu China. Auf der einen Seite bemüht sich Japan die Freizügigkeit im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr zu fördern und zu sichern. So hat es Japan erreicht, nach dem Austritt der USA aus dem Freihandelsabkommen Trans-Pazifische Partnerschaft TPP die verbliebenen elf Staaten in einem Freihandelsabkommen Comprehensive Pro-
II. Die Devisenversorgung der Weltwirtschaft in der digitalen Epoche 77
gressiveTrans Pacific Partnership CPTPP zusammenzuhalten. Andererseits ist Japan der von China gegründeten Freihandelszone Comprehensive Regional Economic Partnership CREP beigetreten. Japan hat einen Währungskorb mit den 16 Währungen des CPTPP geschaffen. Es bezeichnet diesen Währungskorb mit ACU Asean Currency Unit und betont, dass die ACU dem ehemaligen europäischen ECU entspricht. Dieser wurde geschaffen, um marktbestimmte Umtauschkurse der einzelnen Währungen der vorgesehenen Mitgliedsländer im EWU, für den Euro zu ermitteln. Die Chancen, ein pluralistisches Währungssystem in der digitalen Epoche zu errichten sind offenbar gering. Wenn man ein monopolistisches Währungssystem überwinden will, dann bleibt nur die Lösung über eine internationale Organisation. Zweckmäßig ist es, wenn man für die störungsfreie Abwicklung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs eine neue, von den nach dem zweiten Weltkrieg geschaffenen Strukturen unabhängige und von einzelnen Ländern unabhängige, neue Organisation schafft. Eine solche internationale Organisation IO muss von einigen wichtigen Ländern getragen werden. Deren Aufgabe besteht darin, sie so zu gestalten, dass sie den vier Bedingungen für die Abwicklung eines störungsfreien grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs gerecht wird. Die Aufstellung enthält sieben Länder, die sich um die IO bemühen sollen. Zur Auswahl standen 13 Länder. Das sind die Länder mit einer Bevölkerung von jeweils über 100 Mio. Menschen. Aus dieser Gruppe wurden die Länder mit den höchsten Lebensstandards im Jahre 2017, den höchsten nominalen BIP pro Kopf, ausgewählt. Die Aufstellung enthält den Namen der jeweiligen Währung und den drei Buchstaben umfassenden Währungscode, den die Internationale Standard Organisation ISO, die Organisation für Normung, festgelegt hat. Tabelle 6 Länder die die IO tragen und gestalten Land USA EWU Japan Russland Brasilien Mexiko China
BIP proK i. $
Währung
ISO-Code
59501 44950 38440 10608 9895 9304 8643
Dollar Euro Yen Rubel Real Mexik. Peso Yuan
USD EUR JPY RUB BRL MXN CNY
78
D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen
Die erste Bedingung, die mit Hilfe der IO erfüllt werden muss, lautet, den Devisenhandel freizügig abzuwickeln und damit die volle Konvertibilität mit allen Währungen der Welt zu sichern. Das könnte weiterhin in New York geschehen. Da eine Diversifizierung wünschenswert ist, könnte der Devisenhandel auch auf mehrere Standorte verteilt werden. Sichergestellt werden muss von der IO, dass jede Währung ihren Standort findet. Das dürfte bei den vielen leistungsfähigen Kreditinstituten in den gestaltenden Ländern, nicht schwerfallen. Im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr sollte nicht eine nationale Währung dominieren. Das bedeutet, der Devisenhandel, sollte sich, wenn er nicht direkt abgewickelt werden kann, über eine von der IO geschaffene Währungseinheit vollziehen. Diese Währungseinheit, wäre der Wert eines Währungskorbes, in dem sich die Währungen der sieben, die IO gestaltenden Länder befinden. Diese Währung der IO könnte man mit Global Currency GC bezeichnen. Vorbild ist die Währungseinheit des IWF. Sie verwaltet einen Währungskorb mit fünf Währungen, der sich Sonderziehungsrecht SZR (Special Drawing Right SDR) nennt.35 Die zweite Bedingung lautet, die Weltwirtschaft ausreichend mit Devisen zu versorgen. Das soll aber nicht mehr durch Handelsbilanzdefizite eines einzelnen Landes geschehen, sondern über eine Internationale Organisation IO. Sie muss auf dem Wege der Refinanzierung den Zentralbanken der Welt die benötigten Devisen in Form der globalen Währung GC bereitstellen. Um den gesamten Devisenbetrag auf die einzelnen Zentralbanken aufzuteilen, muss ein Schlüssel formuliert werden. Er kann aus dem Mittelwert des Anteils der Bevölkerung des Landes an der Weltbevölkerung und des Anteils des nationalen BIP am Welt-BIP bestehen. Das entspräche dem Schlüssel, den die EU bei der Aufteilung des Eigenkaptals der Europäischen Zentralbank auf die Mitgliedsländer der EU anwendet. Die IO würde die ermittelten Beträge den einzelnen Zentralbanken auf dem Wege von Offenmarktgeschäften zukommen lassen. Die gekauften Anleihen müssten eine Mindestbonität aufweisen. Die bisherige Devisenversorgung der Weltwirtschaft mit dem US-Dollar und die skizzierte Devisenversorgung mit einer globalen Währungseinheit werden in schematischen Darstellungen wiedergegeben. Es wird angenommen, dass der Weltwirtschaft Devisen in Höhe von 10 US-Dollar bzw. 10 Globalen Währungseinheiten GC zugeführt werden sollen.
35 Wert des Sonderziehungsrechts, in: Deutsche Bundesbank, Devisenkursstatistik, Statistisches Beiheft 5 zum Monatsbericht, S. 53 f.
II. Die Devisenversorgung der Weltwirtschaft in der digitalen Epoche 79 Tabelle 7 Devisenversorgung durch die USA USA Leistungsbilanz Ausfuhr Einfuhr Saldo
Übrige Welt Kapitalbilanz
10 $ 20 $ –10 $
Einnahmen Ausgaben Saldo
Leistungsbilanz
10 $ 20 $ –10 $
Ausfuhr Einfuhr Saldo
20 $ 10 $ 10 $
Kapitalbilanz Einnahmen Ausgaben Saldo
20 $ 10 $ 10 $
Die Ausfuhr und die Einfuhr der USA weisen ein Leistungsbilanzdefizit von 10 $ auf. Diese Transaktionen spiegeln sich in der Kapitalbilanz der USA. Sie verzeichnet Deviseneinnahmen von 10 $, die aus der Bezahlung der übrigen Welt für die in den USA erworbenen Güter und Dienstleistungen herrühren. Umgekehrt müssen die USA 20 $ ausgeben, um ihre Einfuhren aus der übrigen Welt zu bezahlen. Der Saldo in der Leistungsbilanz von –10 und ihr Spiegelbild in der Kapitalbilanz ist jener Betrag an Devisen (USDollar), der der Weltwirtschaft zugeführt werden soll. In dem System der Devisenversorgung mit einer nationalen Währung ist also immer ein Leistungsbilanzdefizit des Landes erforderlich, das der Weltwirtschaft Devisen, ihre nationale Währung, zuführt. In dieser Darstellung weist die übrige Welt das umgekehrte Bild auf. Leistungsbilanz und Kapitalbilanz schließen mit Überschüssen ab. Sie zeigen, dass der übrigen Welt Devisen zugeflossen sind. Als Alternative zum System der monolistischen Devisenversorgung wurde ein System der Devisenversorgung über eine internationale Institution skizziert, das von einer internationalen Organisation IO und den Mitgliedsländern dieser Organisation getragen und gestaltet wird. Dieses System kommt einer pluralistischen Lösung nahe. Tabelle 8 Devisenversorgung durch eine internationale Organisation IO
Übrige Welt
Bereitstellung an Zbk
Leistungsbilanz
Kapitalbilanz
Einnahmen
–
Ausfuhr
–
Einnahmen
10 GC
Ausgaben
10 GC
Einfuhr
10 GC
Ausgaben
–
Saldo
–10 GC
Saldo
–10 GC
Saldo
10 GC
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D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen
Die IO müsste den Zentralbanken der Welt die erforderlichen 10 GC mit Offenmarktgeschäften, auf der Basis eines festgelegten Schlüssels, bereitstellen. Die übrige Welt erhält dadurch Einnahmen von 10 GC, die sie für Einfuhren verwenden kann. Nur ein solches System schützt vor den Gefahren an Macht, die einem Staat zuwachsen, dessen Währung die Devisenversorgung der Welt übernommen hat. Die dritte Bedingung für eine störungsfreie Abwicklung des grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehrs verlangt, dass die Länder ihre Devisen reserven in GC verzinslich anlegen können. Auch das kann von der IO organisiert werden. Sie würde gekaufte Wertpapiere der sieben, die IO gestaltenden Länder, in Wertpapierpakete zusammenfassen. Sie wären mit den gekauften Länderanleihen gesichert und würden durch sie verzinst. Die IO würde auf der Basis dieser Pakete GC denominierte Anleihen (asset-backed securities) anbieten. Die vierte Bedingung, einen leistungsfähigen Kapitalmarkt in GC zu schaffen, dürfte keine größeren Probleme verursachen. Mit Hilfe der großen Banken der sieben die IO gestaltenden Länder, ließe sich ein weltweiter liquider Handel mit GC-Anleihen organisieren. 2. Störungsfreie Informationsübertragungen im Zahlungsverkehr Ursprünglich haben Unternehmen die im internationalen Handels-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr tätig waren, ihren Zahlungsverkehr über Kreditinstitute abgewickelt. So hat eine Bank in irgendeinem Land in der Welt das Konto eines Kunden belastet, der Waren eingeführt hatte. Die Bank sandte die Unterlagen per Post an die Bank des Partners ihres Kunden, die den Betrag gutschrieb. Das ist ein recht umständliches Verfahren. Wenn sich diese Vorgänge mit steigendem Handelsvolumen vervielfachten, behindert das den freien Warenaustausch. So gründeten schon 1973 in Belgien Kreditinstitute eine Genossenschaft, die Society for Worlwide Interbank Financial Telekommunication SWIFT, der heute über 10000 Finanzinstitute weltweit angeschlossen sind. Sie unterliegt EU-Recht. Die Genossenschaft hat sichere Telekommunikationsnetze eingerichtet, d. h. die übermittelten Informationen sind vertraulich. SWIFT führt keine Konten. Das geschieht immer nur bei den Kreditinstituten. Es übermittelt nur die für Verbuchungen notwendigen Informationen. Viele In stitutionen, so die großen Banken, sind durch Leitungen direkt mit dem Telekommunikationsnetz verbunden. Damit schrumpft die Zeit, die man benötigt, um Zahlungen weltweit abzuwickeln, auf ein Minimum. Das war ein beachtlicher Erfolg. Mittlerweile ist der weltweite Zahlungsverkehr ohne SWIFT kaum möglich.
II. Die Devisenversorgung der Weltwirtschaft in der digitalen Epoche 81
Über 30 Jahre war SWIFT nur ein technisches Hilfsmittel, um den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zu erleichtern. Das änderte sich nach den Terroranschlägen im September 2001 in den USA. SWIFT übermittelte den amerikanischen Geheimdiensten Daten über Finanztransaktionen. Unter welchen Umständen das geschah, ist nicht bekannt. Es wurde auch berichtet, dass bestimmte Transaktionen an das US-Finanzministerium übermittelt wurden. SWIFT schloss ein Operation Center in den USA und eröffnete ein neues in der Schweiz. Das kann als Abwehrmaßnahme der Genossenschaft interpretiert werden. Auch die Europäische Union hat zur Politisierung des weltweiten Zahlungssystems beigetragen. Im Vorfeld des Atomabkommens mit dem Iran wandte man sich gegen Aktivitäten dieses Landes auf atomarem Gebiet. Die EU verhängte 2012 Sanktionen gegen den Iran. Im SWIFT wurde der Nachrichtentransfer mit iranischen Banken blockiert. Ein solcher Eingriff in das Überweisungssystem trifft den gesamten grenzüberschreitenden Handelsverkehr dieses Landes. Im Jahre 2016, mit der Unterzeichnung des Atomabkommens, wurde die Blockierung aufgehoben. Mit der Maßnahme der EU wurde eine Tür aufgestoßen, die besser hätte geschlossen bleiben sollen. Das alles spielte sich im Übergang zur digitalen Epoche ab. In dieser Phase sich entwickelnder Informationssysteme wurden Techniken entwickelt, die Telekommunikationsnetze, wie das SWIFT-Netz, transparenter erscheinen lassen. Politische Begehrlichkeiten sind dann nicht ausgeschlossen. Die so wichtige Neutralität des Informationsnetzes für grenzüberschreitende Zahlungen und die Entwicklung der dafür notwenigen Techniken, sind eine He rausforderung in der dritten, der digitalen Epoche. Verletzungen der Neutralität eines solchen Netzes haben Konsequenzen. China ist sich bewusst, dass es in einer globalen Wirtschaft eines Telekommunikationsnetzes, wie SWIFT, bedarf. So gründete die chinesische Zentralbank das Cross-Border Inter-Bank Payments System CIPS.36 Es wird auch China Interbank Payment System genannt Das CIPS hat auf allen Erdteilen wichtige Banken an sich gebunden.37 Damit errichtet China ein internationa36 The People’s Bank of China, Provisional Business Rules on Cross-border Interbank Payment System, September 2015, Chapter 1 General Provisions, Art. 1: In order to regulate the business operation of Cross-border Interbank Payment System (hereinafter referred to as „CIPS“), to prevent payment risks, to specify requirements on the participants, and to protect the legitimate rights and interests of the CIPS operator and the participants, the People’s Bank of China has formulated Provisional Business Rules on Cross-border Interbank Payment System (hereinafter referred to as „the Rules“) in accordance with the Law of the People’s Republic of China on the People’s Bank of China and other related rules. 37 Feng Gao, Chief Country Officer der Deutschen Bank in China: Deutsche Bank ist CIPS-Teilnehmer, in: Fintechnews Switzerland, October 8, 2015: „Wir sind stolz
82
D. Störungsfreie Abwicklung grenzüberschreitender Transaktionen
les Zahlungssystem, basierend auf dem Yuan, das grundsätzlich von SWIFT unabhängig ist. Es hat mit dem SWIFT ein Memorandum of Understanding vereinbart. CIPS beabsichtigt für die Übertragungen der Informationen denselben Industriestandard für die Syntax zu nutzen wie SWIFT. Die Neutralität des SWIFT, d. h. sie von politischen Einflüssen frei zu halten, ist für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr bedeutsam. Um sie zukunftssicherer zu machen, sollte sie nicht mehr in der Rechtsform einer Genossenschaft geführt werden. Die vielen, als Genossen agierenden Banken, verfolgen oft eigene Interessen. Zweckmäßiger wäre es, sie in die Hände einer internationalen Organisation, z. B. der skizzierten IO, zu legen. Angesichts der in der globalen Welt aufgetretenen Probleme, nicht zuletzt infolge der Betonung nationalen Denkens der führenden Wirtschaftsmacht – Amerika first – bedarf es in der digitalen Epoche einer Neuorientierung im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Die skizzierten Möglichkeiten zielen auf ein einheitliches Vorgehen der Länder ab, um die Freizügigkeit des Wirtschaftsaustausches soweit wie möglich zu sichern und wirtschaftliche Störungen in der globalen Welt zu minimieren.
darauf, eine der wenigen ausländischen Banken zu sein, die für die Teilnahme am CIPS ausgewählt wurde. Das neue Abwicklungssystem ist eine wichtige zusätzliche Finanzmarktinfrastruktur der Währung. Wir freuen uns darauf, mit der chinesischen Zentralbank und unseren Kunden zusammenzuarbeiten, um den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr in Renmimbi zu unterstützen.“
E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen I. Wirkungen von Wechselkursänderungen 1. Wechselkursschwankungen und der Waren- und Dienstleistungsverkehr Die Welt gliedert sich in rd. 190 Länder und die überwiegende Zahl davon besitzt eine eigene Währung. Waren- und Dienstleistungsleistungen die von diesen Ländern in anderen Ländern gekauft oder in andere Länder verkauft werden, müssen finanziell abgewickelt werden. Das verlangt, dass die beteiligten Länder an den Devisenmärkten Devisen kaufen oder verkaufen. Der zu zahlende Preis ist der Wechselkurs. Er misst, welchen Wert eine Einheit 1,5
1,4708
1,4
US-Dollar
1,3 1,2 1,1
1,1297
1 0,9 0,8956 0,8
2000 01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
15
16
Tatsächlicher Wechselkurs
Sources: Eurostat
Abbildung 15: Tatsächliche Wechselkurse des US-Dollar zum Euro/ Actual exchange rates of the US-Dollar to Euro
17 Cl.K.
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E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen
der heimischen Währung, z. B. 1 Euro, ausgedrückt in einer fremden Währung, z. B. dem US-Dollar, hat. Es kommt immer wieder vor, dass sich diese Wechselkurse, je nach Angebot und Nachfrage, verändern. Solche Änderungen der Wechselkurse beeinflussen den grenzüberschreitenden Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr. Man hat sich bemüht, das Währungssystem stabiler zu gestalten. Meist scheitert das an den Eigeninteressen der Länder. Sie sehen nämlich eine Möglichkeit ihre Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Wirtschaftsverkehr dadurch zu verbessern, dass sie durch Interventionen an ihrem Devisenmarkt, durch Käufe oder Verkäufe von Devisen, die dortigen Wechselkurse beeinflussen Das Thema Wechselkursänderungen bleibt auch in der digitalen Epoche eine Herausforderung. Das Schaubild zeigt die Entwicklung des Wechselkurses des US-Dollar für einen Euro am Devisenmarkt in Frankfurt a. M. von 2000 bis 2017. Im Jahre 2001 musste ein Amerikaner für 1 € in Frankfurt a. M. nur 0,90 $ zahlen. Danach stieg der Wechselkurs des US-Dollar, auch als Dollarkurs bezeichnet, stetig an und erreichte 2008 1,47 $. Das bedeutete der Euro war wertvoller geworden, er hatte aufgewertet. Dann wandelte sich das Blatt. Im Jahre 2017 brauchte ein Amerikaner nur noch 1,13 $ für einen Euro aufzuwenden. Da der Euro nun zu einem niedrigeren Preis als 2008 zu erwerben war, hatte der Euro in der Periode bis 2017 abgewertet. Solche Aufwertungen und Abwertungen beeinflussen den grenzüberschreitenden Warenverkehr. Angenommen ein Europäisches Unternehmen produziert eine Ware, die es in Europa zu 1.000 € verkauft. Es benötigt diese 1.000 €, um seine Kosten zu decken und einen angemessenen Gewinn zu erzielen. Nun will es seine Waren auch in den USA verkaufen. Es ergibt sich die Frage, welchen Verkaufspreis das Unternehmen in den USA verlangen muss. Im Jahre 2001 bei einem Wechselkurs von 0,90 $ konnte das Unternehmen den Preis für seine Ware auf 900 $ festlegen. Wurde die Ware in den USA gekauft, so erhielt das Unternehmen für die 900 $ am Frankfurter Devisenmarkt 1.000 €. Das Geschäft war erfolgreich abgeschlossen. Im Jahre 2008, bei einem Wechselkurs von 1,47 $ konnte das Unternehmen seine Ware nicht mehr in den USA für 900 $ anbieten, denn dann hätte es dafür nur 612 € erhalten. Vielmehr musste es in den USA den Preis seiner Ware auf 1.470 $ erhöhen, um die benötigten 1.000 € zu erhalten. Es liegt auf der Hand, dass in einer solchen Aufwertungsphase mit steigenden Angebotspreisen weniger Amerikaner bereit sind, die Ware zu erwerben. Die Absatzchancen für Ausfuhren nehmen ab. Das änderte sich in der Folgezeit. Der Euro wertete ab und im Jahre 2017 betrug der Dollarkurs 1,13 $. Nun konnte das Unternehmen seinen Angebotspreis in den USA wieder senken, nämlich auf 1.130 $. Mehr Amerikaner werden die Ware erwerben.
I. Wirkungen von Wechselkursänderungen85
Das Ergebnis lautet, die Aufwertung einer Währung hemmt die Ausfuhr dieses Landes, weil das Ausland für den Erwerb der Waren des abwertenden Landes mehr als bisher aufwenden muss. Die Waren werden für das Ausland teurer. Die Abwertung der Währung eines Landes, fördert die Ausfuhr dieses Landes. Ausländer erhalten für ihre Währungen mehr Einheiten der Währung des abwertenden Landes, dessen Waren das Ausland daher günstiger erwerben kann. Angenommen das Europäische Unternehmen muss für seine Produktion Öl einführen, und zwar für 1.000 $. Am Devisenmarkt in Frankfurt am Main musste es 2001, bei einem Dollarkurs von 0,90 $, um 1 $ zu erwerben 1/0,90, d. h. 1,11€ aufwenden. Da das Unternehmen 1.000 $ benötigt, muss es für die Öleinfuhr 1.111 € bezahlen. Danach folgt eine Phase der EuroAufwertung bis auf 1,47 $ im Jahre 2008. Nunmehr musste das Unternehmen für die 1000 $ teure Öleinfuhr nur noch einen Betrag von 1/1,47 x 1000, also 680 € aufbringen. Nach der Phase der Euro-Abwertung bis zum Jahre 2017 sank der Dollarkurs auf 1,13 $. Jetzt musste das Unternehmen wieder mehr, nämlich 1/1,13 x 1.000, das sind 885 € für das Öl aufwenden. Das Ergebnis lautet: Die Aufwertung einer Währung verbilligt die Wareneinfuhr in das Aufwertungsland, wodurch sie gefördert wird. Eine Abwertung dagegen bremst die Einfuhr, sie verteuert sich. Diese Auf- und Abwertungen wirken sich auch auf die Preisniveaus der betroffenen Länder aus. Auch die grenzüberschreitenden Inanspruchnahmen von Dienstleistungen werden von Wechselkursveränderungen berührt. Wenn eine Währung aufwertet, dann erhalten Interessenten, die z. B. Tourismusleistungen nachfragen, für ihre Währung höhere Beträge in fremder Währung. Für Reisen in das Ausland muss in heimischer Währung weniger aufgewendet werden. Sie werden günstiger. Bei einer Abwertung tritt der umgekehrte Effekt ein. Will man ausländische Dienstleistungen in Anspruch nehmen, die man in fremder Währung zu bezahlen hat, dann werden in diesem Fall höhere Beträge in heimischer Währung fällig als vorher. Man wird diese Dienstleistungen weniger nachfragen. Das Ergebnis lautet: Eine Aufwertung der heimischen Währung verbilligt die Inanspruchnahme ausländischer Dienstleistungen. Eine Abwertung der eigenen Währung verteuert sie. 2. Wechselkursschwankungen und der Kapitalverkehr Wechselkursveränderungen spielen für grenzüberschreitende Kapitaltransaktionen keine Rolle, wenn sie in der eigenen Währung oder in fremder Währung mit sehr kurzen Laufzeiten abgeschlossen werden. Hier können sich Unternehmen durch Termingeschäfte absichern. Sie können Devisen
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E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen
kaufen und per Ende des Geschäftstermins zum heute gültigen Terminkurs verkaufen. Das Risiko gegen Wechselkursänderungen bis zum Ende des Geschäfts ist damit beseitigt. Das eigentliche Problem liegt bei den Kapitalmarktgeschäften, die in Fremdwährungen abgeschlossen werden, aber nicht kursgesichert sind. Angenommen ein europäisches Unternehmen hat im Jahre 2001 in den USA einen Kredit in Höhe von 1.000 $ mit einer Laufzeit von 7 Jahren aufgenommen, weil die Zinsen für diesen Kredit günstig waren. Der Wechselkurs des US-Dollar für 1 € betrug damals 0,91 $ (zugrunde liegen wieder die Daten im obigen Schaubild). Das Unternehmen erhielt für die 1.000 $ am Frankfurter Devisenmarkt 1.111 €. Nach 7 Jahren muss das Unternehmen seinen Kredit von 1000 $ zurückzahlen. Der Euro hat zwischenzeitlich aufgewertet. Der Dollarkurs beträgt am Frankfurter Devisenmarkt 1,47 $ für 1 €. Um 1 $ am Devisenmarkt in Frankfurt a. M. zu kaufen, muss das Unternehmer 1/1,47 = 0,68 € und für 1.000 $ nur 680 € aufwenden. Das Geschäft hat sich für das Unternehmen gelohnt. Das Ergebnis lautet: Wenn ein Unternehmen einen Fremdwährungskredit aufnimmt und am Ende der Laufzeit die Währung des Gläubigerlandes, hier der USA, abgewertet hat, erzielt der Schuldner einen Vorteil. Angenommen das Unternehmen nimmt 2008 erneut einen US-Dollarkredit auf, dieses Mal für neun Jahre. Jetzt erhält das Unternehmen bei dem Wechselkurs von 1,47 $ einen Gegenwert von 680 €. Nach neun Jahren, im Jahre 2017, hat der Dollar in Frankfurt auf 1,13 $ abgewertet. Entsprechend hat die Schuldnerwährung aufgewertet. Das Unternehmen muss in Frankfurt a. M. für 1 $ jetzt 1/1,13 = 0,885 € und für 1.000 $, die es schuldet, 885 € zahlen. Das war kein gutes Geschäft, denn das Unternehmen muss in Euro einen Betrag zurückzahlen, der um 30 % den Betrag übersteigt, den es zum Beginn der Kreditperiode erhielt. Das Ergebnis lautet: Wenn ein Unternehmen einen Fremdwährungskredit aufnimmt und am Ende der Laufzeit die Währung des Gläubigerlandes, hier der USA, aufgewertet hat, erleidet der Schuldner einen Verlust. Dieser Fall beschäftigt häufig die Märkte. Es sind vor allem weniger entwickelte Länder mit relativ hohen Zinsen, die Wirtschaftswachstum anstreben, um ihre Volkswirtschaften zu entwickeln und die Arbeitslosigkeit zu vermindern. Sie sehen in Mittelaufnahmen in Länder mit niedrigen Zinsen, meist in den USA und in der EWU, Chancen diese Ziele schneller zu erreichen. Aber oft werten die Währungen der Schuldnerländer ab und die Währungen der Gläubigerländer, der US-Dollar oder der Euro, auf. Dann geraten ganze Ländergruppen in Bedrängnis. Besonders schwierig wird es, wenn die Währung eines Landes, das sich solchermaßen verschuldet hat, in kurzer Zeit erheblich abwertet oder anders ausgedrückt die Gläubigerwährungen sich
I. Wirkungen von Wechselkursänderungen87
gegenüber der Währung des Schuldnerlandes in kurzer Zeit erheblich aufgewertet haben. Ein Beispiel ist die Türkei. Ein Unternehmen, dass im August 2017 bei Banken in der EWU Euro-Kredite mit einer Laufzeit von einem Jahr in Höhe von 100 € auf genommen hatte, erhielt damals entsprechend den Wechselkursen 4.164 TL. Diesen Betrag konnte das Unternehmen für ihre Zwecke verwenden. Ein Jahr später mussten die 1.000 € zurückgezahlt werden. Die Lira hatte stark abgewertet und im August 2018 waren für die Tilgung 6.849 TL fällig. Dieser Betrag liegt um 64 % über dem, der sich bei der Mittelaufnahme ergeben hatte. Eine solche Zunahme der Schulden innerhalb Jahresfrist, kann kaum ein Unternehmen verkraften. Insolvenzen sind unvermeidlich. Aber das zieht weitere Kreise. Man fragt, welche Banken die Kredite gegen haben und ob sie durch die Kreditausfälle gefährdet sind. Im Kapitalverkehr werden nicht nur Mittel in Fremdwährung aufgenommen, sondern auch angelegt, z. B. in Fremdwährungsanleihen. Wenn ein Europäer eine US-Dollaranleihe kauft, dann ist ihr Wert in Euro, vom Wechselkurs des US-Dollar zum Euro abhängig. Wertet der Euro auf, d. h. der USDollar ab, dann verringert sich der Wert der Anleihe in der heimischen Währung Euro. Im Falle einer Abwertung des Euro tritt der entgegengesetzte Effekt auf. Der Wert der amerikanischen Anleihe nimmt in Euro zu. 3. Zunehmende Bedeutung der Wechselkurse u. Wechselkursmanipulationen Es ist nicht überraschend, dass in der digitalen Epoche mit ihrem Informations- und Verkehrssystemen, der grenzüberschreitende Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr weltumspannend zunimmt. Überraschend ist, dass die nationalen Wirtschaftspolitiken und die internationale Wirtschaftspolitik darauf kaum vorbereitet sind. Mit dem weltumspannenden Wirtschaftsaustausch steigt die Zahl der Einflüsse auf die Wechselkurse. Damit dürften auch ihre Schwankungen zunehmen, was ihre Einflüsse auf das nationale und grenzüberschreitende Wirtschaftsgeschehen verstärkt. Zunächst stellt sich die Frage, welche Einflüsse auf die Wechselkurse und damit auf ihre Schwankungen einwirken. Man steht dann einer Vielzahl möglicher Einflüsse gegenüber. Einmal sind das alle Vorgänge, die sich in den Zahlungsbilanzen der Länder niederschlagen, also die laufenden Leistungs- und Kapitaltransaktionen. Darüber hinaus lösen Veränderungen im Wirtschaftswachstum der Länder Erwartungen in der Wirtschaft aus, mehr oder weniger Waren- und Dienstleistungstransaktionen grenzüberschreitend durchzuführen. Vorbereitungen von mehr oder weniger Leistungstransaktionen schlagen sich auch in der Kapitalbilanz nieder. Solche Vorbereitungen,
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E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen
die zusätzliche Devisenkäufe oder -verkäufe auslösen, werden vor allem von Kreditinstituten durchgeführt, die die Wirtschaft begleiten. Häufig werden als Maßstab für die Lage an den Devisenmärkten die Handelsbilanzen, die Handels- und Dienstleistungsbilanzen, oder die Leistungsbilanzen benutzt. Sie geben einen guten Überblick über vollzogene Transaktionen. In einer global ständig aktiven Wirtschaft reicht das nicht aus, Lage und Veränderungen an den Devisenmärkten einzuschätzen. Es kommt hinzu, dass außerökonomische Faktoren bedeutsamer werden. Wahlen, politische Programme und politische Auseinandersetzungen lösen im betroffenen Land Erwartungen über wirtschaftliche Veränderungen aus, damit aber auch Erwartungen, dass sich grenzüberschreitende Transaktionen verändern. Ähnliche Wirkungen haben Prognosen, die über die binnenwirtschaftliche und die außenwirtschaftliche Entwicklung erstellt werden. Bei der Vielzahl der Währungen und dem wachsenden weltumspannenden Wirtschaftsverkehr werden Wechselkurse aufmerksam betrachtet. Sind die Wechselkursänderungen das Ergebnis von Angebot und Nachfrage oder werden sie durch Interventionen an den Devisenmärkten manipuliert? Währungsmanipulation dient dem Vorteil des manipulierenden Staates. Indem der Staat an seinem Devisenmarkt ausländische Währungen kauft und den Gegenwert in heimischer Währung abgibt, wertet seine Währung ab. Das erleichtert die Ausfuhr. Wenn allein Angebot und Nachfrage die Devisenkurse bestimmen, dann bleiben die Devisenbestände der Länder unverändert. Länder, die ihre Devisenbestände verringern, tun das aus vielfältigen Gründen. Der Verkauf von Devisen am Devisenmarkt und die Entgegennahme der heimischen Währung werten tendenziell die heimische Währung auf. Das fördert die Einfuhr und behindert die Ausfuhr. Solche Devisenabgaben verschaffen dem intervenierenden Land im grenzüberschreitenden Handelsverkehr keine Wettbewerbsvorteile bei seinem Auslandsabsatz. Um die Fakten zu klären, enthält das Schaubild die Veränderungen der Währungsreserven der Länder der sogenannten Gruppe der G20 in der Zeit von 2008 bis 2016. Die G20-Länder sind die wichtigsten Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer in der Welt. Es ist festzustellen, alle Länder haben an ihren nationalen Devisenmärkten interveniert. Von den 20 Ländern haben 16 Länder Devisen gekauft und damit ihre Devisenbestände erhöht. Vier Länder haben Devisen verkauft, so dass ihre Bestände abgenommen haben. Auf den ersten Blick sieht es so aus, dass die Mehrzahl der Länder Devisen erworben hat, also ihre Währungskurse manipuliert hat, um ihre Wettbewerbsposition zu verbessern. Denn mit den Devisenkäufen wertet die jeweilige Währung ab und Ausfuhren werden erleichtert und Einfuhren gebremst.
I. Wirkungen von Wechselkursänderungen89
G7-Staaten USA Japan Deutschland Verein. Königreich Frankreich Italien Kanada BRICS-Staaten China -9,1 Indien Brasilien Russland -11,5 Südafrika Übrige G20-Staaten EWU Südkorea Australien Mexiko Indonesien Türkei Saudi Arabien -26,8 Argentinien -15,3 -40
-20
18,1
46,5
34,3 29,2
142,0
42,7
88,4 40,2
88,3
39,0
43,2
84,4
62,9
86,8
125,6
42,8
0
20
40
60
80
100
120
140
160 Cl.K.
Source: IMF
Abbildung 16: Veränderungen der Währungsreserven der G20-Länder von 2008–2016 in %/Changes in foreign exchange reserves of the G20 countries from 2008–2016 in %
Man ist sich aber bewusst, dass, wenn viele Länder so handeln, sich die Waren und Dienstleistungen mit den Wechselkursänderungen zwar verteuern oder verbilligen, sich jedoch an den Wettbewerbspositionen kaum etwas ändert. Es ist zu beobachten, dass viele Länder in jüngerer Zeit bemüht sind ihre Devisenreserven zu erhöhen. Der entscheidende Grund dafür sind die, mit der Zunahme der grenzüberschreitenden Wirtschaftstransaktionen in der globalen Welt, steigenden Risiken. Dagegen will man vorsorgen. Das ist verständlich und hat mit Währungsmanipulation nichts zu tun. Wie das Schaubild zeigt, haben zwei Länder ihre Devisenbestände in besonders starkem Umfang erhöht. In der Zeit von 2008 bis 2016 stiegen die Devisenreserven in Großbritannien um 142,0 % und in Indonesien um 125,6 %. Großbritannien hat 2016 seinen Austritt aus der EU für März 2019 erklärt. Darauf wertete das britische Pfund Sterling ab, weil in der Weltwirtschaft die Ansicht vorherrschte, dass dieser Austritt der britischen Wirtschaft schaden würde. Man war in Großbritannien bestrebt, die Abwertungen des Pfundes in Grenzen zu halten. Das bedeutete, die Bank von England musste fremde Währungen am Londoner Devisenmarkt verkaufen. Das war auch notwendig, als die Bank von England den Wechselkurs des Pfund Sterling am Frankfur-
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E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen
ter Devisenmarkt stabilisierte. Nach diesen Erfahrungen war ungewiss, wie die Weltwirtschaft das Pfund nach dem Austrittaus aus der EU bewerten würde. Großbritannien wollte daher zum Austrittstermin über einen hohen Bestand an Devisenreserven verfügen. Es war schon eine bemerkenswerte Leistung Großbritanniens, trotz der Devisenabgaben, um der Abwertung des Pfundes zu begegnen, hohe Devisenreserven aufzubauen. Das Ziel aller dieser Maßnahmen war, in der Phase des Austritts Großbritannien aus der EU, die Stabilität seiner Währung, ausgedrückt im Wechselkurs, einigermaßen zu wahren. Auch das ist keine Währungsmanipulation. Viele Länder hielten es in der industrielen Epoche für nicht erforderlich, hohe Devisenbestände zu halten. Das änderte sich in der digitalen Epoche. Die Globalisierung des Wirtschaftsverkehrs und die damit verbundenen höheren Risiken zwangen alle diese Länder ihre Devisenreserven aufzustocken. Dazu gehört auch Indonesien. Dieses große Land besaß 2008 nur Devisenreserven von 51,6 Mrd. $. Sie wurden bis 2016 auf 116,4 Mrd. $ erhöht und das sind 125,6 %. Auch hier steht der Risikoaspekt im Vordergrund. Dem Land kann man nicht vorwerfen, seine Währung zu manipulieren, um Wettbewerbsvorteile im grenzüberschreitenden Handelsverkehr zu erreichen. Ein weiteres extremes Beispiel betrifft ein Land außerhalb der G20, die Schweiz. Das Land hat im Laufe weniger Jahre fremde Währungen im Wert von vielen hundert Milliarden US-Dollar gekauft. Auch das war keine Währungsmanipulation, um sich Wettbewerbsvorteile im globalen Wirtschaftsverkehr zu sichern. Diese Käufe dienten dem Schutz vor Aufwertungen des Schweizer Franken, die die Wirtschaft destabilisierten. Sie hatten also eine Schutzfunktion. Die Schweiz gilt als „sicherer Hafen“. Das bedeutet, wenn auf der Welt Probleme, welcher Art auch immer, auftreten dann ziehen sich häufig Unternehmen aus betroffenen Währungen zurück und suchen sichere Häfen auf. So strömen Milliardenbeträge an Fremdwährungen in die Schweiz. Der Schweizer Franken wertet auf. Die Ausfuhren der Schweiz werden zurückgedrängt und die Einfuhren nehmen zu. Das geht nicht grenzenlos. Irgendwann hat die Schweizer Nationalbank Grenzlinien gezogen, z. B. einen Wechselkurs zum Euro festgelegt, der nicht überschritten werden durfte. Strömten nun weitere Fremdwährungen ins Land, dann wurde das Angebot nicht mehr über den Devisenmarkt abgewickelt, sondern von der Schweizer Nationalbank übernommen. Damit hat die Schweiz ihre Wechselkurse am Zürcher Devisenmarkt stabilisiert und ihre Wirtschaft vor weiteren negativen Effekten einer Aufwertung des Franken bewahrt. Von den G20-Ländern haben vier Länder, China, Russland, Argentinien und Saudi Arabien, ihre Devisenreserven abgebaut. China weist einen Rückgang von 9,1 % aus. Der betrifft allerdings nur die Jahre 2015 und 2016. Für die Jahre davor stehen dem IWF keine Daten zur Verfügung. Für die gesamte
II. Handelsneutralität und Kapitalverkehrsneutralität der Wechselkurse 91
Zeit dürfte der Rückgang stärker gewesen sein. China setzt seine Devisenreserven vor allem für Kreditgewährungen, meist im Zusammenhang mit dem Projekt der neuen Seidenstraße, ein. Russland unterliegt Sanktionen der USA. Es beschloss sich vom US-Dollar zu trennen. Da sich Alternativen nicht boten, hat Russland mit seinen Dollarreserven Gold gekauft. Argentinien benötigt wegen schlechter Wirtschaftslage Devisen und hat seine Reserven zur Bezahlung von Einfuhren verwendet. Die Angaben für Saudi-Arabien betreffen die Jahre 2014 bis 2016. Angaben für 2008 bis 2013 stehen nicht zur Verfügung. Die digitale Epoche stellt die Welt vor erhebliche Herausforderungen bei der finanziellen Abwicklung finanzieller grenzüberschreitender globaler Transaktionen und dazu gehören auch Wechselkursprobleme. Immer wieder wird der Verdacht geäußert, dass Währungen manipuliert worden seien. Die Beispiele zeigen, dass nicht jeder Kauf von Devisen mit Währungsmanipulation gleichgesetzt werden kann. Aber das Problem von Währungsmanipulation bleibt aktuell. Man muss sich bewusst bleiben, Währungsmanipulation ist gegeben, wenn ein Land gezielt seine Währung abwertet, um sich dadurch Wettbewerbsvorteile im grenzüberschreitenden globalen Wirtschaftsverkehr zu verschaffen.
II. Handelsneutralität und Kapitalverkehrsneutralität der Wechselkurse 1. Der Blick die G20 und des IWF auf die Wechselkurse Wechselkurse zu stabilisieren heißt, stärkere Wechselkursschwankungen, zu vermeiden. Solche stärkeren Wechselkursschwankungen hat es immer gegeben. Sie beeinflussen nicht nur die Ausfuhr, die Einfuhr und die Kapitaltransaktionen, sondern sie beeinträchtigen auch die Wettbewerbsverhältnisse der am grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr beteiligten Länder. Wechselkurse zu stabilisieren bedeutet nicht, wieder feste Wechselkurse einzuführen. Die Suche gilt Wegen, die wettbewerbsverzerrenden Situationen, wie sie als Folge von Wechselkursveränderungen auftreten, zu vermeiden. Zu dem Problem geäußert haben sich die G20-Länder. Das von den Mitgliedsländern Jahr für Jahr geforderte Verhalten lautet: „We reiterate our commitment to move more rapidly towart more market-determined exchange rate systems and … avoid persistant exchange rate misalign ments.“38
38 Antalya
Action Plan, G20, Turkey 2015, S. 11.
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E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen
Dieser einzelwirtschaftliche Ansatz will wohl nur erreichen, dass die Länder nicht an den Devisenmärkten intervenieren, sondern die Wechselkurse dem Gesetz von Angebot und Nachfrage überlassen. Es gibt neben dieser allgemein gehaltenen Regel, keine weiteren Verhaltensmaßnahmen, die es ermöglichen würden, einzelne stärkere Wechselkursschwankungen auf ihre Ursachen hin zu überprüfen. Die immer wieder wiederholten Apelle der G20 haben auch stärkere Wechselkursschwankungen nicht, auch nicht teilweise, vermieden. Der Internationale Währungsfonds IWF verfolgt einen gesamtwirtschaft lichen Ansatz. Stärkere Wechselkursschwankungen sind für ihn vor allem das Ergebnis hoher Handelsbilanzsalden. Sein Augenmerk richtet sich auf diese Ursache von Wechselkursschwankungen und daher auf die Frage, wie man hohe Handelsbilanzsalden vermeiden kann. Ausgangspunkt ist die gesamtwirtschaftliche Gleichung: Das Bruttoinlandsprodukt BIP Y ist gleich dem gesamten Konsum C, den Investitionen I und dem Außenbeitrag (X-M), das ist die Differenz zwischen den Ausfuhren X und den Einfuhren M. Y = C + I + (X-M)
Somit entspricht der Außenbeitrag dem Umfang der Gesamtproduktion, dem BIP, abzüglich des Verbrauchs und der Investitionen. (X-M) = Y – C – I
Je mehr ein Land produziert und je weniger es konsumiert oder investiert, umso höher ist der Außenbeitrag, also der Ausfuhrüberschuss. Dann muss man mit einer Aufwertung der Währung dieses Landes, d. h. mit Wechselkursänderungen, rechnen. Aus diesem Zusammenhang ergibt sich die Therapie. Ein Land mit einem hohen Außenbeitrag und damit der Gefahr stärkerer Wechselkursschwankungen, muss die Löhne anheben, und damit den Verbrauch erhöhen. Es sollte auch mehr investieren, notfalls durch zusätzliche öffentliche Investitionen. Da im obigen Ausdruck die Differenz BIP abzüglich Konsum Y-C der Ersparnis S in der Volkwirtschaft entspricht, kann man auch diagnostizieren: Der Außenbeitrag (X.M) entspricht der Differenz von Ersparnissen S und Investitionen I. (X-M) = S – I
Je mehr in einer Volkswirtschaft gespart und je weniger investiert wird, umso höher ist der Außenbeitrag und umso größer ist die Gefahr stärkerer Wechselkursbewegungen.
II. Handelsneutralität und Kapitalverkehrsneutralität der Wechselkurse 93
Diese gesamtwirtschaftliche Betrachtung verliert nicht ihre Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Politik, einen Handelsbilanzüberschuss nicht zu groß werden zu lassen oder ein Handelsbilanzdefizit auszugleichen. Um die Wirtschaft vor wettbewerbsverzerrenden Wechselkursschwankungen zu bewahren, ist auch dieser Ansatz nicht geeignet. 2. Das Saldenproblem in der globalen Welt Salden im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr spielen nach wie vor eine wichtige Rolle, wenn es um Fragen der Stärke oder Schwäche einer Währung und damit um Wechselkursschwankungen geht. Diese Salden sind in der Zahlungsbilanz enthalten. Tabelle 9 Zahlungsbilanz Leistungsbilanz
Kapitalbilanz
Warenhandel Dienstleistungen Primäreinkommen Sekundäreinkommen
Direktinvestionen Wertpapieranlagen Übriger Kapitalverkehr Währungsreserven
Wichtigster, weil dominierender Teilsaldo, ist der Saldo von Warenausfuhr und Wareneinfuhr, also des Warenhandels. Häufig benutzt man den Saldo des Waren- und Dienstleistungsverkehrs, wobei der Dienstleistungsverkehr eine untergeordnete Rolle spielt. Oft werden noch hinzugezählt der Saldo des Primäreinkommens, das sind die zwischen dem Inland und dem Ausland fließenden Erwerbs- und Vermögenseinkommen, und des Sekundäreinkommens, das sind laufende Übertragungen, wie z. B. Ausgaben für Entwicklungshilfe. Der sich aus diesen Teilbilanzen ergebende Saldo ist der Leistungsbilanzsaldo. Auch die Kapitalbewegungen beeinflussen die Wechselkurse. Unternehmen investieren im Ausland oder ausländische Unternehmen im Inland. Man kauft und verkauft grenzüberschreitend Wertpapiere und stellt auf anderen Wegen Mittel bereit. Auch innerhalb der Kapitalbilanz werden Transaktionen abgewickelt, wenn ausländische Wertpapiere gekauft und mit Devisen bezahlt werden. Allerdings sind die Kapitaltransaktionen insgesamt immer nur das Spiegelbild der Leistungstransaktionen. Daher ist der Saldo der Zahlungsbilanz, als Differenz des Saldos von Leistungs- und Kaitalbilanz, immer gleich Null.
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E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen
Man sollte sich bewusst sein, dass in einer globalen Welt mit einem weltumspannenden Wirtschaftsverkehr alle diese heute vorhandenen Salden eigentlich bedeutungslos sind, weil sie gar nicht existieren. Stellt man eine globale Zahlungsbilanz auf, dann erkennt man, dass jede Bilanz und Unterbilanz immer zwei Seiten, eine positive und eine negative hat. Einer Ausfuhr in der globalen Welt entspricht immer eine Einfuhr. Es gibt keine positive oder negative Handelsbilanz. Einem Kauf von Wertpapieren entspricht immer ein Verkauf dieser Papiere. So gibt es keinen Überschuss oder Defizit der Bilanz der Wertpapieranlagen. Salden entstehen immer nur, wenn man in und durch die globale Welt Grenzen zieht. Wenn man z. B. die globale Welt willkürlich in zwei Hälften teilt, dann kann es sein, dass die eine Hälfte einen Ausfuhrüberschuss von 100 Mrd. $ erzielt hat. Dann muss die andere Hälfte einen Einfuhrüberschuss von 100 Mrd. $ aufweisen. Der Saldo der Handelsbilanz in der globalen Welt ist also immer Null. Grenzen hat man vielfach auf dem Erdball gezogen. Die vielen Nationalstaaten haben an ihren Gebieten solche Grenzen. Erst dadurch können alle diese Länder für ihre Gebiete Leistungs- und Kapitalbilanzen aufstellen. Tabelle 10 Leistungsbilanzen 2017 (in Mrd. US-Dollar) Land
Betrag
USA
–449,1
EWU
442,5
China
164,9
Übr. Welt
–158,3
In der Übersicht „Leistungsbilanzen 2017“ ist das für drei Länder geschehen, für die USA, die EWU und China. Die USA hatten 2017 ein hohes Leistungsbilanzdefizit. In dieser Höhe wurde die Weltwirtschaft mit USDollar versorgt. Die EWU und China wiesen dagegen Überschüsse auf. Die drei Länder zusammen erzielten einen Leistungsbilanzüberschuss von 158,3 Mrd. $. Das bedeutet, dass alle anderen Länder auf der Welt ein Leistungsbilanzdefizit von 158,3 Mrd. $ aufwiesen. Der Weltwirtschaft werden auch weiterhin, wahrscheinlich auf unabsehbare Zeit, Nationalstaaten und damit Grenzen erhalten bleiben. Die Wirtschaft sieht sich damit auch weiterhin mit Leistungsbilanzsalden und Kapitalbilanzsalden konfrontiert. Es kommt hinzu, dass viele dieser Nationalstaa-
II. Handelsneutralität und Kapitalverkehrsneutralität der Wechselkurse 95
ten eine eigene Währung besitzen. Da diese Währungen getauscht werden müssen, entsteht ein weiteres Problem, nämlich das der Wechselkurse. Salden der Leistungsbilanzen und der Kapitalbilanzen beeinflussen die Wechselkurse. So ergibt sich die Frage, wie man die daraus resultierenden Schwankungen der Wechselkurse minimieren kann. 3. Mehr Stabilität der Wechselkurse – Handelsneutralität Die Wechselkurse beeinflussen den Waren-und Dienstleistungsaustausch nicht, sind also handelsneutral, wenn sie sich entsprechend den Kaufkraftparitäten fortbewegen. Angenommen am Devisenmarkt in Frankfurt a. M. beträgt der Wechselkurs des US-Dollar 2 $/1 €. Wenn nun in den USA die Preise um 5 % steigen und in Europa um 2 %, dann verschiebt sich die Kaufkraftparität von 2/1 auf 2,05/1,02, d. h. auf 2,01 $/1 €. Würde der Wechselkurs der Kaufkraftentwicklung folgen, hätten die europäischen Unternehmen keine Nachteile der Euro-Aufwertung zu befürchten. Sie würden ihre Angebotspreise, entsprechend den Preissteigerungen in den USA, um 5 %, anheben. Wenn der erzielte Ertrag in US-Dollar (+ 5 %) in den um 5 %–2 % aufgewerteten Euro getauscht wird, dann ergibt sich ein Ertrag in Euro von +2 %. Diesen Ertrag zum ursprünglichen Preis der Ware in Euro hinzugerechnet, ergibt den Preis den das Unternehmen auch in Europa erzielt hätte. Die auf Kaufkraftparitäten beruhenden Wechselkursänderungen sind handelsneutral. Sie führen also nicht zu Wettbewerbsverzerrungen. Vor vielen Jahren, als man von absolut festen Wechselkursen zu flexiblen Wechselkursen überging, war man häufig der Auffassung, die Wechselkursentwicklung würde stabiler verlaufen. Wie sich die Preise verändern, ist von Monat zu Monat bekannt. Folglich, so schloss man, würden sich auch die Wechselkurse entlang den Kaufkraftparitäten stabil entwickeln. Man übersah, dass es neben den Kaufkraftparitäten, die auf die Wechselkurse einwirkten, auch noch Zinsparitäten gibt, die ebenfalls die Wechselkursentwicklung beeinflussen. Wenn in den USA die Preise stärker steigen als in Europa, dann wird die Zentralbank in den USA ihre Zinsen stärker erhöhen als in Europa. Dann fließen Mittel aus Europa in die USA. Im Land mit dem höheren Zinsen wertet die Währung auf, im Land mit den niedrigen Zinsen dagegen ab. Nun ergibt sich, vor allem für die handelnden Banken, eine Situation, in der sie sich unter Ungewissheit entscheiden müssen. Wenn in den USA die Preise schneller als in Europa steigen und die Zinsen in den USA stärker erhöht werden als in Europa, wie werden sich die Wechselkurse entwickeln? Folgt man der Kaufkraftparitätentheorie, dann heißt das, der US-Dollar muss abwerten, weil in den USA die Preise stärker steigen als in Europa. Folgt
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E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen
man der Zinsparitätentheorie, dann heißt das, der US-Dollar muss aufwerten, weil in den USA die Zinsen stärker steigen als in Europa. So stehen Banken vor einem Dilemma. Sollen sie der Kaufkraftparitätentheorie oder der Zins praitätentheorie folgen? Letztlich muss jedes Kreditinstitut selbst entscheiden, wie es vorgehen soll. Es ist diese Ungewissheit die im System flexibler Wechselkurse nicht zu einem stabileren Verlauf der Wechselkurse beigetragen hat. In der digitalen Epoche soll ein Wechselkurssystem geschaffen werden, das zu einer stabileren Entwicklung der Kurse beiträgt, d. h. handelsneutral ist und damit Wettbewerbsverzerrungen durch Kursveränderungen vermeidet. Ein solches System muss auf der Kaufkraftparitätentheorie basieren. Man darf es nur nicht sich selbst überlassen. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre müssen, zumindest einige wichtige Länder, an ihren Devisenmarkten intervenieren. Sie müssen dafür sorgen, dass sich die Wechselkurse entsprechend den Kaufkraftparitäten verändern. Wichtige Länder sind die sieben Länder, deren Währungen in der internationalen Organisation IO, zusammengefasst sind. Wenn diese Länder, die einen hohen Anteil am grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr in der Welt haben, dafür sorgen, dass an ihren Devisenmärkten die Wechselkurse den Kaufkraftparitäten folgen, dann gibt es keine Wettbewerbsverzerrungen. Handelsneutralität der Wechselkurse ist gegeben. Mit der Regel, dass sieben wichtige Volkwirtschaften durch Interventionen an den Devisenmärkten ihrer Länder dafür sorgen, dass die Wechselkurse den Kaufkraftparitäten folgen, erhält man nicht nur mehr Wechselkursstabilität an den Devisenmärkten der sieben Länder, sondern an allen Devisenmärkten. Dafür sorgt die Devisenkursarbitrage. Die Wechselkurse am Devisenmarkt eines Landes definieren die Devisenkurse an allen Devisenmärkten. Tabelle 11 Das Arbitragegleichgewicht Euro US-Dollar Chin. Yuan Jap.Yen Pfund Sterl.
Frankfurt
New York
Peking
Tokio
London
– 2,00 5,00 10,00 0,50
0,50 – 2,50 5,00 0,25
0,20 0,40 – 2,00 0,10
0,10 0,20 0,50 – 0,05
2,00 4,00 10,00 20,00 –
II. Handelsneutralität und Kapitalverkehrsneutralität der Wechselkurse 97
In der schematischen Zusammenstellung sind die Wechselkurse in Frankfurt a. M. für verschiedene Währungen angenommen (Spalte Frankfurt). Damit sind die Wechselkurse auch an allen anderen Devisenplätzen definiert. Sie errechnen sich aus den reziproken Werten, der Euro in New York 1 €/2 $ = 0,50 €/1 $. Andere Wechselkurse errechnet man auf der Basis der Frankfurter Kurse über die Usancekurse, auch Cross-rates genannt. Der Wechselkurs des Yuan in Tokio lässt sich über die Wechselkurse in Frankfurt für den Yuan 5 ¥/1 € und den Yen 10 Y/1 € = 5 ¥/10 Y ermitteln. Der Usancekurs ergibt einen Wechselkurs des Yuan für einen Yen von 0,50 ¥. Es herrscht ein vollkommenes Arbitragegleichgewicht. Wird dieses Gleichgewicht gestört, indem z. B. in Frankfurt der Dollarkurs auf 2,50 $ steigt, man aber in New York 1 € noch für 2 $ erwerben kann, werden viele Teilnehmer am Devisenmarkt, die Gewinnmöglichkeiten nutzen. In New York erhält man für 2 $ einen Euro, den man in Frankfurt in 2,50 $ tauscht. In New York werden also zunehmend US-Dollar angeboten. Der US-Dollar wertet ab, der Euro auf. Man muss in New York, um in den Besitz eines Euro zu gelangen mehr zahlen als bisher. Der Wechselkurs des Euro in New York sinkt unter 0,5 € für 1 $. Wenn er 0,4 € erreicht, hört der Kauf von Euro mit US-Dollar auf. Das neue Arbitragegleichgewicht 2,50 $ für 1 € in Frankfurt und 0,4 € für 1 $ in New York ist erreicht. In der Praxis sind sehr viele Mitarbeiter von Kreditinstituten, sogenannte Arbitrageure, damit beschäftigt Abweichungen vom Arbitragegleichgewichten auszumachen und durch gewinnbringende Transaktionen auszugleichen. Solche Abweichungen werden genutzt, wenn sie in der vierten oder fünften Stelle eines Wechselkurses auftreten. Dadurch ist stets ein Arbitragegleichgewicht an den Devisenmärkten gegeben. Wenn wichtige Volkswirtschaften für eine kaukraftabhängige Entwicklung der Wechselkurse sorgen, dann wird auf dem Wege der Arbitrage auch die Entwicklung an den Devisenmärkten anderer Länder etwas stabiler verlaufen. Im folgenden Schaubild ist dargestellt, wie die Wechselkurse des USDollar in Frankfurt a. M. verlaufen wären, wenn sie den Kaufkraftparitäten entsprochen hätten. In den meisten Jahren von 1999 bis 2017 waren die Steigerungsraten der Konsumgüterpreise in den USA etwas höher als in Europa. So ergab sich ein leicht zunehmender Aufwertungstrend des Euro. Im Jahre 2017 betrug der auf Kaufkraftparitäten beruhende Wechselkurs 1,15 $ und der tatsächliche Wechselkurs 1,13 $. Hätte man die Wechselkurse entsprechend den Veränderungen der Kaufkraftparitäten gesteuert, wäre der Wirtschaft die wettbewerbsverzerrenden Aufwertungen der Jahre 2001 bis 2008 und die übermäßigen Abwertungen von 2008 bis 2017 erspart geblieben.
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E. Wechselkursveränderungen ohne Wettbewerbsverzerrungen
1,5
1,4708
1,4
US-Dollar
1,3 1,2 1,1
1,1503
1,1358 1,0851
1,1297
1 0,9 0,8956 0,8
2000 01
02
03
04
05
06
07
Tatsächlicher Wechselkurs
08
09
10
11
12
13
14
15
Auf KKP beruhender Wechselkurs
16
17 Cl.K.
Abbildung 17: Tatsächliche und handelsneutrale Wechselkurse des EURO ab 1999/ Actual and commercially neutral exchange rates of the EURO from 1999
4. Weniger Störungen – Kapitalverkehrsneutralität In einer global agierenden Wirtschaft spielen Kapitaltransaktionen eine wichtige Rolle. Sie haben einen erheblichen Einfluss auf die Wechselkurse. Kapitalströme, die die Wechselkurse beeinflussen, werden durch Zinsdifferenzen ausgelöst. Relativ hohe Zinsen ziehen Fremdkapital an. Das führt zu einer Aufwertung der Währung des Hochzinslandes. Bei niedrigen Zinsen strömen Mittel in Länder mit höheren Zinsen. Das bewirkt, dass die Währung im Land mit niedrigen Zinsen abwertet. Maßnahmen um diese Einflüsse zu minimieren bedarf es nicht, wenn die Wechselkurse handelsneutral, also entsprechend den Kaufkraftparitäten, verlaufen. Bei Handelsneutralität folgen die Wechselkurse den jeweiligen Differenzen der Preissteigerungsraten. Zentralbanken, deren eines Ziel Preisstabilität ist, richten ihre Zinspolitik an der Höhe der jeweiligen Preissteigerungsraten aus. Einem Land mit einer hohen Preissteigerungsrate entspricht ein hoher Zins und einem Land mit einer niedrigen Preissteigerungsrate ein niedriger Zins. Grundsätzlich kann man feststellen, einer Preisdifferenz entspricht eine, auf einem etwas höheren Niveau liegende Zinsdifferenz.
II. Handelsneutralität und Kapitalverkehrsneutralität der Wechselkurse 99
Wechselkurse, die handelsneutral verlaufen, weil sie den Kaufkraftpari täten folgen, sind auch kaptalverkehrsneutral. Der Preisdifferenz entspricht dann eine etwa gleich große Zinsdifferenz. In diesem Fall ist es gleichgültig, ob Mittel im Land mit den niedrigen Zinsen oder im Land mit den höheren Zinsen angelegt werden. Wenn in Europa die Preise um 2 % steigen und in den USA um 5 %, dann wertet der Euro um 3 % auf. In Europa hat die Zentralbank die Geldmarktzinsen auf einem Niveau von 4 % festgelegt und die Zentralbank in den USA auf 7 %. Die Zinsdifferenz entspricht also der Kaufkraftparität. Angenommen ein Europäer legt sein Geld nicht zu 4 % in Europa an, sondern zu 7 % in den USA. Er erhält also in US-Dollar einen um 3 % höheren Zins als in Europa. Wenn er den Zinsertrag in US-Dollar jedoch am Devisenmarkt in Euro tauscht, geht ihm infolge der Aufwertung des Euro der Mehrerlös in USDollar wieder verloren. In Euro hat seine Anlage in den USA, auch nur 4 % erbracht. So kann man zusammenfassen: Wechselkurse lassen sich stabilisieren und dadurch wettbewerbsverzerrende Schwankungen vermeiden, wenn wichtige Volkswirtschaften dafür sorgen, dass an ihren Devisenmärkten die Kurse handelsneutral, also auf Kaufkraftparitäten basierend, verlaufen. In einem solchen Fall entspricht der Preisdifferenz zwischen den beteiligten Ländern eine weitgehend gleich hohe Differenz der Zinssätze. Zinsinduzierte Kapitaltransaktionen werden dadurch minimiert. Der handelsneutrale Wechselkurs ist somit auch kapitalverkehrsneutral.
Stichwortverzeichnis Abwertung 71, 84 ff., 98 ACU 39, 77 APEC 36 f. Arbeitslosenquote 22 ff., 44, 63, 65 Arbeitslosigkeit 15 f., 18, 25 ff., 40, 46, 63 f. – natürliche 20 Arbeitspotenzial 15, 25 Arbeitsproduktivität 15 f., 19, 25, 69 Arbitragegleichgewicht 96 f. Arbitrageure 97 ASEAN 39 Asset-backed securities 80 Atomabkommen 74 f., 81 Aufwertung 71, 84 ff. Auslastungsgrad des Produktions potenzials 20 Außenbeitrag 92 Bankenaufsicht 41 f., 45, 53 Bargeld 58 f., 71 f. Bestimmtheitsmaß 65 Buchgeld 71 f. Ceteris paribus – Bedingung 52 Chinesische Volksbank 23 CIPS 81 f. CPTPP 38, 77 Cross-rates 97 Deflator 21 f., 28 f. Devisen 7, 68, 72, 78 ff. Devisenanleihen 69, 72 f. Devisenkursarbitrage 96 f. Devisenreserven 69, 72 Devisenswap-Politik 55 Devisentransaktionen 59
Devisenversorgung 68 f., 72, 78 Digitale Epoche 26, 32 f., 40 ff. Doppeltes Defizit der USA 73 Einlagenfazilität 49, 58 Einlagentender 55 Entwicklungschancen 26 f. Entwicklungshilfe 26 Epochen 26, 31 ff. – Ausstieg 32 – digitale 26, 32 f., 40 ff. – industrielle 31 f., 40, 71 ff. – landwirtschaftliche 30 f., 69 f. Ersparnisse 27, 92 EWU 21 Federal Reserve System 23, 42 – monetäre Strategie 42 ff. Finanzierung öffentlicher Haushalte 58 Finanzierungsfazilität 49 Finanzregeln 23 Forward Guidance 42 Freihandel 34 Freihandelszone 35 Freizügigkeit 7, 30, 32 ff., 76, 82 G20 91 f. GATT/GATS 33 GC-Anleihen 80 Geldmarktzinsen 46 ff. Geldmenge 66 Global Currency 78 ff. Globales Dorf 32 Grenzen 94 Handelsbilanz 72, 88, 92 f. Handelsneutralität 7, 95 f., 98 ff.
Stichwortverzeichnis101 Handelsverträge 36 Handlungsanweisung 52 Hauptrefinanzierungsgeschäfte 44, 53, 55, 61 Haushaltsdefizit 73 Haushaltsregeln 62
Mindestreservesatz 53 Mittelbereitstellung 66 Mobilität 18 Morgensternsches Gesetz 8, 66 Münzen 69 ff. Münzfüße 70 f.
Industrielle Epoche 31 f., 40, 71 ff. Informationssystem 7, 26, 32, 34 Inlandsprodukt 16 f., 20, 63 Integrationsräume 35 ff. Internet 7, 74 Interventionen 84, 88 IWF 92 f.
NAFTA 38 Nationaleinkommen 16 Natürliche Arbeitslosigkeit 20 f. Natürlicher Zins 8, 50 f. Neue Seidenstraße 38 f. Neutralität des Informationsnetzes 81 f. Normale Zinsrate 50 Notenbanken 71
Kaiserreich Deutschland 32 Kapitalmarkt 69, 73, 80 Kapitaltransaktionen 98 Kapitalverkehrsneutralität 95, 99 Kaufkraftparität 8 f., 95 ff. Königreich Italien 32 Konsumgüterpreise 21 f., 29 Konvertibilität 68 f., 72, 78 f. Kredite 66 f. Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte 56, 61 Landwirtschaftliche Epoche 30 f., 69 ff. Lebensstandard 26, 40 Leistungsbilanz 93 f. Leitzins 46 ff. Liquiditätspolitik 46 ff., 59 ff. Märkte 30 ff. Marktfaktoren 58 f. Massenproduktion 31 Meistbegünstigungsklausel 34 Mengentender 54 – mit Vollzuteilung 56 f. Messfehler 28 Migration 7, 26 f. Mindestbietungssatz 54 Mindestreserve 52 f., 60 Mindestreservebasis 52
Obergrenze 48 f. Öffentliche Haushalte 41, 58 f., 76 Offenmarktgeschäfte 78 Offenmarktpolitik 53 ff., 78 Orientierungsfunktion 47 Papiergeld 72 Phillipskurve 21 Preisdifferenz 98 f. Preiserwartungen 27 f. Preisrigiditäten 19, 28 Preisstabilität 7, 18 ff., 27 f., 40 ff., 66 f. Preissteigerungen 19 f., 71 – unvermeidliche 20 Produktionsfaktor Arbeit und Kapital 15 Produktionslücke 20, 25, 46, 63 Produktionspotenzial 7, 15 ff., 42, 63 f. Quantifizierung der Ziele 22 ff., 40 f. – Preisstabilität 27 ff. – Vollbeschäftigung 22 ff. RCEP 38 f. Reaktionstempo 62 Refinanzierung der Zentralbanken 78 Regierungsprogramm CDU/CSU 24 Repartierung 34 f.
102 Stichwortverzeichnis Sachverständigenrat 24 Sanktionen 74 f. Schnelltender 54 f. Schutzfunktion 90 Sicherheiten 53 f., 58 Sondermaßnahmen 56, 61 Sonderziehungsrecht 78 Sozialpartner 62 f. Stagflation 42 Swapsatz 55 SWIFT 80 ff. Tagesgeldsatz 46 ff., 64 ff. Taylor-Regel 51 Tenderverfahren 54 f. Termingeschäfte 85 f. TLTRO 57 f. TPP 37 f., 76 Transmissionsprozess 66 f. TRIPS 33 Unabhängigkeit 44 f. Ungewissheit 95 f. Untergrenze 48 f. Usancekurse 97 US-Dollar 7, 72 ff. USMCA 38 Vollbeschäftigung 7, 22 ff., 40 ff., 62 ff. Währungskorb 39 Währungsmanipulation 88 ff. Währungsreserven 88 f. Wechselkurse 7 f., 32, 83 ff., 95 ff.
Wechselkursschwankungen 87 f., 91 ff. Weltfinanzkrise 27, 29, 49, 56, 47 Welthandelsorganisation 32 ff. – WTO-kompatibel 36 Welthandelsrunden 33 f. Welthandelsvolumen 7, 72 f. Weltwährungssystem 75 ff. – auf Basis intern. Organisation 77 ff. – monopolistisches 75 ff. – pluralistisches 75 ff. Wettbewerbsverzerrung 7, 91, 93, 95 ff. Wirtschafts- und Währungsunion 36 Wirtschaftswachstum 32, 63 f. – angemessenes/nicht angemessenes 84 Zahlungsbilanz 93 f. – globale 94 Zentralbanken 7, 41 ff. Zettelbanken 71 Zielgröße Preisstabilität 27 ff., 40 ff. – EZB 28 Zielgröße Vollbeschäftigung 22, 40 f., 43 Zinsdifferenz 98 f. Zinsparitäten 95 f. Zinspolitik 42, 46 ff., 64 f. Zinsstruktur 49 f., 53 Zinstender 54 Zölle 30 f. Zollsenkungen 33 f. Zollunion 36 Zwischenziele 22, 26, 28