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German Pages 288 [289] Year 2021
»Wenn die Norskes uns schon nicht lieben, …« Das Tagebuch des Dienststellenleiters Heinrich Christen im besetzten Norwegen 1941–1943
Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte Herausgegeben von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg Quellen, Band 5 Redaktion: Stefan Mörchen
»Wenn
die Norskes uns schon nicht lieben, ...«
Das Tagebuch des Dienststellenleiters Heinrich Christen im besetzten Norwegen 1941–1943
Herausgegeben von Dorothee Wierling
Die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH ) ist seit 1997 eine Stiftung bürgerlichen Rechts, die von der Freien und Hansestadt Hamburg getragen wird.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© Wallstein Verlag, Göttingen 2021 www.wallstein-verlag.de Vom Verlag gesetzt aus der Adobe Garamond Titelfoto: Heinrich Christen an seinem Schreibtisch in der Dienststelle Bergen. Familie Christen, privat. Seiten aus Heinrich Christens Tagebuch. ISBN (Print) 978-3-8353-5050-2 ISBN (E-Book, pdf ) 978-3-8353-4735-9
Inhalt
Dorothee Wierling Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dorothee Wierling Heinrich Christen. Ein Tagebuch und ein Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Simon Gogl Die regionalen Dienststellen im Reichskommissariat Norwegen. Aufbau und Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Heinrich Christen Tagebuch vom 10. März 1941 bis 17. Januar 1943 . . . . . . . . . . . . . . 57
Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Maria Fritsche Alkohol und (Besatzungs-)Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Bjarte Bruland Die SS-Offiziere Gerhard Flesch und Heinrich Christen. Zwei Vertreter desselben Besatzungsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Kurzbiografien der Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281
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Einleitung Als ich Ende 2017, kurz vor der Abgabe meines Buchmanuskripts zur Geschichte des Kaffeehandels in Hamburg,1 noch einmal einen Interviewpartner besuchte, dessen Vater, Heinrich Christen, eine wichtige Rolle im Hamburger Kaffeehandel der Nachkriegszeit gespielt hatte, empfing mich der Sohn und jetzige Senior der Firma, Jörn-Hinrich Christen, aufgeregt: Gerade hatte er von einem entfernten Verwandten erfahren, dass sein Vater, der während des Zweiten Weltkriegs in der Besatzungsverwaltung in Norwegen tätig gewesen war, in dieser Zeit ein Tagebuch geführt hatte, das 2009 in norwegischer Übersetzung erschienen war.2 Von der Existenz dieses Tagebuchs, geschweige denn von dessen Veröffentlichung, hatte der Sohn nichts gewusst; jetzt lag ihm nur eine Kopie des Schutzumschlags und der Einleitung vor, und er hätte das Buch selbst auch nicht lesen können, da er kein Norwegisch konnte. Auch ich war von der Nachricht überrascht; zwar wusste ich aus Archivquellen, dass Heinrich Christen in Norwegen »Gebietskommissar« gewesen war, also eine relativ hohe Position in der zivilen Besatzungsverwaltung bekleidet hatte, aber eine genauere Untersuchung hatte ich nie geplant. Die Besatzungstätigkeit anderer Kaffeehändler bei der wirtschaftlichen Ausbeutung der Ukraine schien mir wichtiger, als mich auf die Spur von Christen in Norwegen zu begeben. Wie viele Historiker/innen ohne einschlägige Spezialkenntnisse hielt ich die deutsche Besatzung in Norwegen für wenig spektakulär und überwiegend milde, vor allem im Vergleich zu derjenigen in Osteuropa und der Sowjetunion. Die Existenz eines anscheinend umfänglichen Tagebuchs änderte die Lage jedoch: Hier bot sich die seltene Möglichkeit, aus der subjektiven Perspektive eines Hamburger Kaffeehändlers die Erfahrung als Besatzer und die Deutung der Besatzung zu rekonstruieren und damit auch die Vorgeschichte des bemerkenswerten Nachkriegserfolgs der Branche weiter zu erhellen. Zwar war es zu spät, um diese Erkenntnisse noch in das Buch zum Hamburger Kaffeehandel einfließen zu lassen. Aber mein detektivisches Interesse war geweckt: Ich versprach Jörn-Hinrich Christen, das Original zu finden, und bekundete mein Interesse an einer deutschen Edition. Die Vorgeschichte der norwegischen Veröffentlichung beginnt mit Odd Aspheim, einem nach dem Krieg geborenen norwegischen Historiker, der sein ganzes Erwachsenenleben der leidenschaftlichen Suche nach norwegischen Kollaborateuren während der deutschen Besatzung und deren Taten gewid1 Dorothee Wierling, Mit Rohkaffee handeln. Hamburger Kaffeeimporteure im 20. Jahrhundert, Hamburg 2018. 2 Okkupantens Dagbok. Heinrich Christens dagbok fra Bergen og Trondheim 1941-1943, Oslo 2009.
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met hat.3 Ohne bezahlte Stellung hat er alle verfügbaren Archive durchforstet und Massen an Material gefunden, immer auf der Suche nach mehr, ohne selbst etwas dazu zu schreiben. Irgendwann ist er dabei im Reichsarchiv in Oslo auf den Namen Heinrich Christen gestoßen, hat dessen Spuren nach Hamburg verfolgt und mit Christens Kindern Kontakt aufgenommen. Während Jörn-Hinrich Christen sich an diesen anscheinend nur oberflächlichen Kontakt nicht mehr erinnern kann und auch auf Aspheims Fragen keine Antwort gehabt hätte, wurde dieser bei Heinrich Christens Tochter Margit fündig. Er verbrachte einen langen Nachmittag bei ihr zuhause, in dessen Verlauf sie ihm das Originaltagebuch, von dessen Existenz er erst dort erfuhr, übergab.4 Aspheim nahm mit dem Historiker und Politikwissenschaftler Stein Ugelvik Larsen Kontakt auf, der den Quellenwert des Dokuments sofort erkannte und die Edition vorbereitete.5 Aspheim und Larsen kontaktierten dazu den jüngeren Sohn Heinrich Christens, Holger Christen, und dessen Frau Irmela, die – ohne Kenntnis des Originals – der norwegischen Edition zustimmten und weitere Quellen, etwa aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft Christens, sowie mehrere Fotografien beisteuerten. Mit dem Hamburger Firmennachfolger Jörn-Hinrich Christen gab es offenbar keinen Kontakt mehr, was dessen Überraschung über die Existenz des Buches erklärt. Die Tagebuchedition wurde in Norwegen mit großem Interesse aufgenommen, stellte sie doch ein rares Zeugnis aus der Sicht eines deutschen Zivilbesatzers dar. Von der deutschen Forschung wurde das Buch jedoch anscheinend nicht zur Kenntnis genommen.6 Die deutsche Besatzung in Norwegen ist in der bundesrepublikanischen Forschung zum Zweiten Weltkrieg eher ein Randthema. Dennoch kann der Forschungsstand hier nicht ausführlich dargestellt werden. Er konzentriert sich auf drei Schwerpunkte: einmal die Besetzung Norwegens im Frühjahr 1940, die überwiegend unter militärgeschichtlichen Gesichtspunkten behandelt wird, was neben dem militärischen Ablauf auch die Frage einschließt, welche strategische Bedeutung dem besetzten Norwegen in Bezug auf Großbritannien und später 3 Ein Olav Aspheim wurde 1948 als norwegischer SS-Offizier und Kollaborateur in Oslo hingerichtet. Es könnte sich hier um einen Verwandten (allerdings nicht den Vater) von Odd Aspheim handeln. 4 Der beschriebene Verlauf beruht auf einem persönlichen Gespräch mit Aspheim sowie auf Informationen von Stein U. Larsen, dem Herausgeber der norwegischen Edition des Tagebuchs. 5 Stein Ugelvik Larsen ist Professor an der Universität Bergen und Spezialist für die Geschichte des europäischen Faschismus sowie die deutsche Besatzung Norwegens. Seine mehrbändige Edition der Norwegen-Berichte des SD ist ein wichtiges Standardwerk. Stein U. Larsen/Beatrice Sandberg/Volker Dahm (Hrsg.), Meldungen aus Norwegen 1940-1945. Die Geheimen Lageberichte des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Norwegen. 3 Bde., München 2008. 6 Das schließe ich aus der Tatsache, dass der Titel in keiner mir bekannten Veröffentlichung zur deutschen Besatzungspolitik in Norwegen zitiert oder auch nur erwähnt wird.
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auch auf die Sowjetunion zukam.7 Der zweite Aspekt betrifft die militärischen Strukturen der Besatzung sowie das »Reichskommissariat für die besetzten Gebiete Norwegens« mit Sitz in Oslo unter Führung von Josef Terboven, das vor allem den wirtschaftlichen Nutzen der Besatzung und insbesondere die Ausbeutung kriegswichtiger Rohstoffe für die Rüstungsindustrie des »Dritten Reichs« sicherzustellen hatte. Letzteres war auch der Hauptgrund für die erheblichen Investitionen in die norwegische Infrastruktur unter der deutschen Besatzung.8 Drittens schließlich hat sich das Interesse in den letzten Jahren stark dem Phänomen der deutsch-norwegischen Besatzungskinder zugewandt und damit auch den zahlreichen erotischen Beziehungen zwischen Besatzern und Besetzten sowie der Diskriminierung, welche nach Kriegsende nicht nur die norwegischen Mütter, sondern auch deren Kinder zu spüren bekamen.9 Anders als in Deutschland ist die Besatzungsgeschichte in der norwegischen Forschung ein zentrales Thema, das aber bis weit in die 1990er Jahre hinein fast vollständig vom Narrativ eines entschiedenen norwegischen Widerstands gegen die deutsche Besatzung geprägt war.10 Deshalb standen weniger die Deutschen als vielmehr die Norweger im Mittelpunkt des Interesses, wobei sich das Schwergewicht allmählich von der heroischen Nationalerzählung des Widerstandes zu einer komplexeren Geschichte gewandelt hat, die auch die norwegische politische Kollaboration in Betracht zieht.11 Eine jüngere Generation von norwegischen bzw. in Norwegen tätigen Historiker/innen widmet sich seit einiger Zeit zunehmend dem Alltag im besetzten Norwegen und damit auch den Besatzungsbeziehungen jenseits des Gegensatzes von Widerstand oder Kollaboration, also gesellschaftlichen Feldern der Kooperation, insbesondere im ökonomischen Bereich. Das enge Zusammenleben, bei dem hohen Anteil der Besatzer an der Gesamtbevölkerung – zehn Prozent – unvermeidlich, war von verwickelten Aushandlungsprozessen im sozialen Miteinander bestimmt.12 7 Robert Bohn u. a. (Hrsg.), Neutralität und totalitäre Aggression. Nordeuropa und die Großmächte im Zweiten Weltkrieg, Wiesbaden 1991. 8 Robert Bohn, Das Reichskommissariat Norwegen. Nationalsozialistische Neuordnung und Kriegswirtschaft, München 2000; Simon Gogl, Laying the Foundations of Occupation. Organisation Todt and the German Construction Industry in Occupied Norway, Berlin/München/Boston 2020; Alan Milward, The Fascist Economy in Norway, Oxford 1972; Hans-Otto Frøland u. a. (Hrsg.), Industrial Collaboration in Nazi-occupied Europe, Norway in Context, Basingstoke 2016. 9 Ebba von Drolshagen, Nicht ungeschoren davonkommen, Hamburg 1998; dies., Wehrmachtskinder, München 2005. 10 Magne Skodvin (Hrsg.), Norge i krig. Fremmedåk og frihetskamp 1940-1945. 8 Bde., Oslo 1991. 11 Sigurd Sørli, Sonnenrad und Hakenkreuz. Norweger in der Waffen-SS 1941-1945, Paderborn 2019; Bjarte Bruland, Holocaust in Norwegen. Registrierung, Deportation, Vernichtung, Göttingen 2019 (Übersetzung der norwegischen Ausgabe von 2017). 12 Maria Fritsche, Spaces of Encounter. Relations between the Occupier and the Occupied in Norway during the Second World War, in: Social History 45 (2020), 3, S. 360383.
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Das Tagebuch von Heinrich Christen wurde mir von Stein U. Larsen übergeben und wird nach Abschluss der Arbeit am Buch an den ältesten Sohn Heinrich Christens, Jörn-Hinrich Christen, zurückgegeben. Leider ist etwa ein Viertel des Originals nicht mehr auffindbar, sodass für diese Seiten nur Kopien zur Verfügung stehen; die auch dort vorhandenen wenigen Lücken konnten mithilfe einer weiteren, vollständigen Kopie des Tagebuchs ergänzt werden, welche Stein Larsen dem Archiv des Osloer Hjemmefrontmuseums übergeben hatte,13 sodass wir den vollständigen Tagebuchtext zur Verfügung haben. Dieser bricht allerdings Ende Januar 1943 jäh ab. Alles spricht dafür, dass ein weiteres Heft existiert(e), das Odd Aspheim nie erhielt und das vielleicht schon in der Familie verloren gegangen ist. Dankenswerterweise hat die Tochter der Christen-Tochter Margit großzügig weitere Quellen mit mir geteilt, darunter einige der wenigen überlieferten Briefe von Heinrich Christen an seine Frau im Februar 1943. Ebenso überließ mir die Familie, neben einigen Fotos, auch die Zusammenstellung von Texten und Gedichten, die Heinrich Christen während seiner Ausbildung bei der Waffen-SS, während seines Fronteinsatzes und in sowjetischer Kriegsgefangenschaft verfasst hatte; diese Texte sind von Heinrich Christens Schwiegertochter Irmela (Ehefrau des jüngeren Sohnes Holger) Christen abgetippt und von ihrem damals 19 Jahre alten Sohn Oliver 1986 liebevoll illustriert worden – als Geburtstagsgeschenk für Heinrich Christens Witwe Gerda. Das Tagebuch, das Heinrich Christen zwischen März 1941 und Januar 1943 als Dienststellenleiter zuerst in Bergen, dann in Trondheim führte, bedarf der Kontextualisierung nicht nur, weil deutsche Leser/innen in der Regel keine detaillierten Vorkenntnisse über die Besatzung Norwegens haben. Der Zufall wollte es, dass ich kurz nach meinem Entschluss, das Tagebuch zu edieren, einen Workshop zur neueren Forschung auf diesem Feld als Gast besuchen und einige in diesem Feld aktive Forscher/innen treffen und für das Projekt interessieren konnte.14 Daraus ist eine kleine Arbeitsgruppe entstanden, die unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten die Tagebuchquelle in größere Zusammenhänge einordnet oder einzelne Aspekte, die im Tagebuch eine Rolle spielen, vertieft behandelt. Dem Tagebuchtext vorangestellt ist meine biografische Skizze, die sich mit den Voraussetzungen Heinrich Christens für seine Tätigkeit in Norwegen ebenso befasst wie mit der Nachkriegszeit, in der Christen – wie so viele – scheinbar umstandslos wieder dort anfing, wo er 1939 aufgehört hatte: in seinem Fall also im Hamburger Kaffeehandel. Simon Gogl befasst sich im darauffolgenden Beitrag mit der »Dienststelle« als politischem und sozialem Mikrokosmos, also jener Institution, welche die Besatzungspolitik vor Ort und im direkten Kontakt mit den Besetzten ausführte, aber teilweise auch aushandelte bzw. unterlief. Beide Beiträge sollen eine Grundlage für das Verständnis des Tagebuchs in seiner biografischen Tiefe und institutionellen Einbettung schaffen. 13 Norges hjemmefrontmuseum, NHM-92, Heinrich Christen. 14 The Occupation Regime. Ambitions and Responses, 7.-9.3.2018, Nordeuropa-Institut, HU Berlin.
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In einem dritten, auf das edierte Tagebuch folgenden Kommentar erhellt Maria Fritsche, ausgehend von der zentralen Stellung, welche der Alkoholkonsum in Christens Aufzeichnungen einnimmt, die Besatzungsgesellschaft sowohl in den voneinander getrennten Bereichen deutscher und norwegischer Sozialwelten als auch in Bezug auf die wechselseitigen Wahrnehmungen, Aushandlungsprozesse und Ungleichheitsstrukturen. Zuletzt untersucht Bjarte Bruland systematisch die Leerstellen des Tagebuchs, d. h. den repressiven und gewalttätigen Charakter der Besatzung, der von Christen meist nur in Andeutungen und kurzen Kommentaren notiert, im Falle der Repressionen gegen die Juden in Norwegen sogar vollständig ausgeblendet wird. Es ist nicht unser Anspruch, die hier edierte Quelle erschöpfend auszuwerten. Vielmehr wollen wir sie durch unsere Kommentare lesbarer machen und hoffen, dass dies einen Beitrag leisten kann zum besseren Verständnis der Besatzungserfahrung nicht nur in Norwegen und nicht nur für die Besetzten, sondern auch die Besatzer – und damit für die Geschichte der Bundesrepublik, in welche diese nach dem Krieg zurückkehrten. Diese Edition wäre nicht möglich gewesen ohne die großzügige Bereitschaft der Familie Christen, mir das Tagebuch und ergänzende Quellen für eine wissenschaftlich kommentierte Edition zu überlassen. Kein Familienmitglied – außer der Ehefrau Gerda und der Tochter Margit – hatte anscheinend Kenntnis von der Existenz des Tagebuchs vor dessen norwegischer Übersetzung; viele wussten bis vor Kurzem nichts davon. Wir haben es offenbar mit einer mehrfach gespaltenen Überlieferung zu tun, bei der das Tagebuch, in dem Christen sich selbst als Nationalsozialist und Besatzer in Norwegen darstellt, quasi »ausgebürgert« wurde, während andere Quellen wie Briefe, Fotos und Gedichte auf die verschiedenen Familienzweige, die wenig Kontakt miteinander hatten, verteilt waren. Ich habe der Familie das Tagebuch zur Lektüre überlassen, bevor ich mit der Editionsarbeit begann, aber es schien mir eine Scheu vor dem Text zu bestehen, ein Zögern, dieses private und für die Familie brisante Dokument zu lesen. Dass ich für die Edition dennoch vielfältige Unterstützung von den Nachkommen erfuhr, erfüllt mich mit großem Respekt und tiefer Dankbarkeit, denn ich vermute, dass diese plötzliche Entdeckung eines prekären Selbstzeugnisses nicht spurlos an der Familie vorbeigeht. Mein besonderer Dank gilt, neben dem ältesten Sohn Jörn-Hinrich Christen, der mir zuerst von dem Tagebuch erzählte, einem der Enkel Heinrich Christens, Oliver Christen, der mit mir in einem zeitweise intensiven Telefon- und E-Mail-Kontakt stand, in dem wir die Auswirkungen des neu entdeckten Tagebuchs auf die zweite und dritte Generation der Familie erörtert haben. Er hat mir gestattet, einige seiner Gedanken hier wiederzugeben. Für die Familie als Ganze kann und will er nicht sprechen.
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Der Großvater starb, als Oliver Christen fünf Jahre alt war. Seine Familie war von Hamburg nach Berlin gezogen, sodass er ihn nur selten sah, ihn aber als 11
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beeindruckenden und freundlichen Mann erinnert, der es offensichtlich genoss, mit seinen Enkelkindern zusammen zu sein. Nach dem Tod Heinrich Christens trafen sich die Familien seiner Kinder nur noch selten, sodass Oliver Christens Bild vom Großvater vor allem durch seine Eltern und seine Großmutter geprägt wurde. Für das größere Kind wurde das Bild des freundlichen Großvaters durch das des bedeutenden Hamburger Kaffeehändlers ergänzt, der als Spätheimkehrer lange in sowjetischer Kriegsgefangenschaft gewesen war. »Es wurde immer wieder die Geschichte vom russisch-jüdischen Lagerkommandanten erzählt, der Gefangene am Morgen antreten ließ, um willkürlich einzelne Gefangene auszuwählen, die ihr eigenes Grab schaufeln mussten, um dann erschossen zu werden. Weiterhin wurde erzählt, dass mein Großvater im Krieg einen hohen zivilen Posten in Norwegen hatte, und mein Großvater mütterlicherseits betonte immer wieder seine bedeutende Position. Er sei ein Idealist gewesen, der über die Unfähigkeit und Unaufrichtigkeit seiner Nazi-Bekannten geschimpft habe und dem die Kriegsgefangenschaft seinen Idealismus ausgetrieben habe.«15 Geschichten über seine »schöngeistige Seite« und seine zum Teil engen Nachkriegsfreundschaften mit jüdischen Bekannten ergänzten das positive Bild. In der Familie galt er als liebevoller Ehemann, über ihn als Vater hingegen schwiegen die Söhne Jörn-Hinrich und Holger weitgehend, während das Verhältnis zur Tochter Margit anscheinend sehr gut war. Als Oliver Christen mit 19 Jahren zum ersten Mal die Texte des Großvaters las, die für den Geburtstag seiner Großmutter zusammengestellt worden waren (s. o.), wurde seine Haltung gegenüber dem Großvater ambivalenter. Einerseits angezogen von dessen »Pathos und Idealismus«, stieß ihn zugleich die »Verherrlichung von Stärke und Willenskraft« ab. Seine Fragen an die Großmutter stießen aber auf »Abwehr und Vermeidung«. In der Folge versank die Familiengeschichte wieder in allgemeinem Schweigen. Als 2008 Stein U. Larsen mit Oliver Christens Mutter Kontakt aufnahm und ihr mitteilte, dass ein Tagebuch aufgetaucht sei und in Norwegen veröffentlicht werde, steuerte diese zwar Fotos bei und beantwortete einige von Steins Fragen, aber die deutsche Vorlage kannte sie nicht; die im Folgejahr erschienene norwegische Fassung konnte niemand in der Familie lesen. Mein Kontakt mit Oliver Christen war für diesen Anlass, im Herbst 2020 ein Videotreffen der Enkelgeneration zu organisieren. Die Aussicht auf die Veröffentlichung des Tagebuchs in einem deutschen Verlag wurde von seinen Cousins und Cousinen »sehr kritisch und misstrauisch aufgenommen«. Fragen richteten sich vor allem darauf, wie das Tagebuch seinerzeit in die Hände des norwegi15 Dieses und alle weiteren Zitate stammen aus den schriftlichen Antworten, die Oliver Christen mir per E-Mail geschickt hat. Die in der Familie kolportierte Geschichte vom »jüdischen Lagekommandanten« konnte in keiner Weise verifiziert werden. Vielmehr scheint es sich um eine für Rückkehrer aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft typische Deck-Erinnerung bzw. Legende zu handeln, die in der Familie kolportiert wurde. Ich danke Andreas Hilger vom Deutschen Historischen Institut Moskau für seine schnelle und fundierte Klärung dieser Frage.
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schen Forschers gekommen war. Da die Tochter Margit den Vater sehr geliebt hatte, konnte man sich nicht vorstellen, dass sie es selbst herausgegeben hatte. Für Oliver Christen war es »das erste Treffen mit meinen Cousins und Cousinen, an dem über die Vergangenheit unseres Großvaters gesprochen wurde«. Für ihn selbst war es »sehr klärend«, das Tagebuch zu lesen. Viele seiner Vermutungen ließen sich jetzt konkret belegen, zumal viele Gegenstände, die Christen im Tagebuch erwähnt, bis heute im Familienbesitz sind. »Das Narrativ vom ›guten Nazi‹ verlor seine letzte Patina.« Auch verstand er jetzt besser »die Spaltungen und Brüche innerhalb der Familie, die Atmosphäre des Schweigens und das Vermeiden, wirklich hinzuschauen«. Oliver Christen konnte und wollte nicht für die ganze Familie sprechen. Besonders in der Enkelgeneration ist die Furcht, durch die Veröffentlichung selbst ins Gerede zu kommen, groß. Ich bin indes sicher, dass dies nicht geschehen wird. Zum einen gibt es keine Vererbung von Schuld. Zum anderen repräsentiert Heinrich Christen keine kleine Minderheit, sondern er ist ein typischer Vertreter seiner Generation: der Aufbaugeneration der Bundesrepublik.
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Heinrich Christen Ein Tagebuch und ein Leben Voraussetzungen Heinrich Christen wurde 1909 in Hummelsbüttel geboren, einem schleswig-holsteinischen Dorf von einigen hundert Einwohnern, das 1937 als Teil des Amtsbezirks Poppenbüttel »Groß-Hamburg« zugeschlagen wurde. Sein Großvater ClausHinrich Christen hatte 1829 dort »einen stattlichen Hof« erworben und war zu einem erfolgreichen Butterhändler aufgestiegen. Dessen Sohn Heinrich folgte ihm im Geschäft und errichtete 1893 im Dorf ein repräsentatives Wohnhaus »im Stil der Renaissance, in Anlehnung an die holsteinischen Herrensitze, die er auf seinen Fahrten als Butterhändler kennengelernt hatte«. An das Wohnhaus schloss sich ein Wirtschaftsgebäude an, in dem die Butter hergestellt wurde. Damit demonstrierte die Familie ihre herausgehobene Stellung im Dorf, das zu diesem Zeitpunkt noch überwiegend aus strohgedeckten Fachwerkhäusern bestand. Ein undatiertes, vor dem Ersten Weltkrieg aufgenommenes Foto zeigt das Gebäude mit den häuslichen Dienstboten davor; die beiden Dienstmädchen tragen weiße Schürzen – Statussymbol eines bürgerlichen Haushalts. 1909, im Geburtsjahr seines einzigen Sohnes Heinrich Christen, wurde der Vater »Gemeindevorsteher«, also Bürgermeister im Ort.1 Doch der Eindruck, den die Chronik von Hummelsbüttel vom gutbürgerlichen Status der Familie vermittelt, täuscht: Denn der Sohn war ein »Brautkind«, also vor der Eheschließung gezeugt und damit »unehelich«, solange der Vater ihn nicht als ehelich anerkannte.2 Dies geschah im Fall von Heinrich Christen erst, als er 13 Jahre alt war. Aus einem Brief, den der Sohn dem Vater 1932 schrieb, geht hervor, dass er hierfür zunächst diesen verantwortlich machte, später aber annahm, dass dies auf Wunsch der Mutter nicht früher erfolgt war. Er selbst war sich als Kind seines prekären Status in der Familie und im Dorf schmerzhaft bewusst. »Als ich nach Eurer ersten Affaire geboren wurde, habt Ihr mich Pflegeeltern überlassen … . Zur Schule wurde ich von Mamis Freundin, Tante Clara gebracht, wobei mir als uneheliches [sic] Kind die höhere Schule vorerst verwehrt war.«3 Die Geschichte, die Heinrich Christen seinem Sohn Jörn-Hinrich erzählte, dass er nämlich das Angebot seines Vaters an ihn, Jura zu studieren, ausgeschlagen habe,
1 Heiner Steinfath (Hrsg.), Hummelsbüttel. Ein Jahrhundert 1880-1980. Leben am Rande der Großstadt, o. O., o. J., alle Zitate ebd., S. 131 f. 2 Vgl. die entsprechenden Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch des Kaiserreichs, §§ 1589-1592. 3 Zitiert nach Brief vom 6.10.1932. Mein Dank gilt Irmela und Oliver Christen für eine Kopie des Briefes.
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erscheint vor diesem Hintergrund fragwürdig.4 Heinrich Christen machte den Realschulabschluss, vermutlich im Nachbarort Fuhlsbüttel, wo es seit 1924 eine Oberrealschule gab, und ging im Anschluss nach Hamburg, wo er eine kaufmännische Lehre absolvierte und 1930 – 21-jährig – eine eigene Kaffeemaklerfirma gründete.5 Das schleswig-holsteinische Milieu, vor allem der ländliche Raum, in dem Christen aufgewachsen war, hatte eine frühe Basis für die konservativ-völkischen und gegen die Weimarer Republik eingestellten Bewegungen gebildet. Auch die NSDAP feierte hier ihre frühesten und besten Wahlergebnisse. 1932 erhielt sie in einzelnen Wahlkreisen der Region über 70 Prozent der Stimmen.6 Wir können annehmen, dass auch der junge Heinrich Christen davon geprägt war. Spätestens mit 16 Jahren war er jedenfalls dem Jungnationalen Bund beigetreten, einer völkisch-rechtsextremen Abspaltung der Bündischen Jugend.7 Im Gedicht »Zukunftsträume« formulierte der 17-Jährige im September 1926 seinen biografischen Entwurf des Aufbruchs in die Welt ganz im Geiste deutschen Sendungsbewusstseins: »[…] Ich möcht’ die ganze Welt durchwandern; Ich seh’ mich unter fremden Völkerscharen; Ich möchte zieh’n von einem Land zum andern, Um aller Völker Sitten zu erfahren.Ich will als Deutscher in der Fremde leben, Zu werben für das schöne Vaterland; Für Ruhm und Anerkennung Deutschlands streben; Den deutschen Namen machen wohlbekannt.Auch all die großen Männer uns’rer Tage Sind Menschen nur mit menschlichem Verstand, Darum gewagt, nur niemals feig und zage, Frischauf gewagt und ziehe raus ins fremde Land. […]«8 4 Mündliche Mitteilung seines Sohnes Jörn-Hinrich Christen. 5 Laut Auskunft des Sohnes, Jörn-Hinrich Christen, machte er seine Ausbildung vermutlich bei dem Rohkaffeehändler Fr. Rakow. 6 Rudolf Heberle, Landbevölkerung und Nationalsozialismus. Eine soziologische Untersuchung der politischen Willensbildung in Schleswig-Holstein 1918-1932, Stuttgart 1963. 7 Vgl. Tagebucheintrag Heinrich Christens (im Folgenden: Tagebuch) vom 4.5.1941, als er eine Wanderung in Bergens Umgebung erwähnt: »So bin ich zuletzt vor 15 Jahren gewandert im Jungnationalen Bund – lang ist’s her!« Vgl. Michael H. Kater, Bürgerliche Jugendbewegung und Hitlerjugend in Deutschland 1926-1939, in: Archiv für Sozialgeschichte 17 (1977), S. 127-174. 8 Das Gedicht findet sich in einer Abschrift von Gedichten und Texten Heinrich Christens, die seine Schwiegertochter Irmela Christen (Ehefrau des jüngsten Sohnes Holger) 1987 für die Witwe des Schwiegervaters, Gerda Christen, als Geburtstagsgeschenk anfertigte.
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Am 1. Dezember 1930 trat Heinrich Christen in die NSDAP ein. Die Tatsache, dass dies im Jahr der Firmengründung geschah, verweist auf die enge Verbindung seiner persönlichen, politischen, ökonomischen und sozialen Ziele. Als selbstständiger Kaffeemakler gehörte er dem exklusiven »Verein der am Caffeehandel betheiligten Firmen« an, der alle internen und externen Beziehungen des Hamburger Kaffeehandels regelte. Als Vermittler der Ware war er darauf angewiesen, sich das Vertrauen und Wohlwollen der Importeure zu sichern, indem er gute Qualitäten verschiedener Provenienz anbot. Dazu musste er, mitten in der Weltwirtschaftskrise, auch entsprechende Kontakte in den Produktionsländern aufbauen. Wie aus dem oben zitierten Brief an den Vater hervorgeht, hatte er von diesem keinerlei finanzielle Unterstützung erhalten, war sogar von seiner Mutter noch aufgefordert worden, seine einzige Angestellte, Fräulein Prinz, zu entlassen, um stattdessen seine Schwester Erna in der Firma anzustellen, was er entschieden verweigerte.9 An diesen schwierigen Anfang erinnerte er, als Fräulein Prinz im Oktober 1941 unerwartet verstarb. Sie habe »den Aufstieg meiner Firma aus wahrlich kleinsten Anfängen mitgemacht«. Zum Zeitpunkt ihrer Einstellung im April 1931 habe er »ja noch selbst nichts« gehabt und ihr deshalb nur ein geringes Gehalt zahlen können, das sie aber dankbar angenommen habe. »Wir haben uns so richtig durchgebissen.«10 Die Hamburger Kaffeehändler zählten seit dem 19. Jahrhundert zur Elite der Stadt. Hamburger Herkunft, möglichst aus alter Familie, ein großbürgerlicher Habitus, Wohlstand ohne Protzen und anglophile Weltoffenheit waren bis zum Ersten Weltkrieg ihre unbestrittenen Attribute gewesen. Als nach Kriegsende der Kaffeehandel in Hamburg allmählich wieder anlief, versuchten zahlreiche jüngere Quereinsteiger – in den Augen der etablierten Kaufmannsgilde sowohl geografische als auch soziale Außenseiter – in der Branche Fuß zu fassen.11 Sie hatten es nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial schwer. Denn die etablierten Hamburger Importeure misstrauten den Auswärtigen und verachteten die Aufsteiger. Heinrich Christen war talentiert und ehrgeizig, vermutlich verfügte er auch über einige geschäftliche Verbindungen aus den Anfängen seiner Arbeit bei Rakow, aber seine Zeit kam erst mit der Etablierung der NS-Herrschaft, an der er sich auf der lokalen Ebene in bescheidenem Ausmaß beteiligte. So agitierte er innerhalb des Kaffee-Vereins aggressiv für dessen »freiwillige« Gleichschaltung. Im Zuge des »organischen Aufbaus der Wirtschaft« ernannten seine Parteifreunde ihn 1936 zum »Obmann« für das Kaffeemaklergewerbe. In dieser Position bestand er in anmaßendem Ton auf seinem Recht, direkt – ohne Information oder gar Einschaltung des Kaffee-Vereins – Absprachen mit der Behörde für Wirtschaft und der Handelskammer Hamburg zu treffen, Institu9 Brief, 6.10.1932, S. 1 f. 10 Tagebuch, 26.10.1941. 11 Dorothee Wierling, Mit Rohkaffee handeln. Hamburger Kaffeeimporteure im 20. Jahrhundert, Hamburg 2018; allerdings stammten auch die ökonomisch erfolgreichsten Rohkaffeeimporteure der Nachkriegszeit, Bernhard Rothfos und Hanns R. Neumann, aus dieser Gruppe.
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tionen, die zu diesem Zeitpunkt fest in der Hand der NSDAP waren.12 Seine Reisen in den »Ursprung«, also die Kaffee produzierenden Länder, verband er mit Reden vor den jeweiligen NS-Auslandsorganisationen.13 Bald wurde Carlo Otte, Hamburgs »Gauwirtschaftsberater«, auf den jungen und eifrigen Nazi im Kaffeehandel aufmerksam und machte Christen 1936 zum (ehrenamtlichen) »Gauhauptstellenleiter« seiner Propaganda-Abteilung.14 Mit Kriegsausbruch kam der transatlantische Handel zum Erliegen, und Christen, seit 1934 verheiratet und mittlerweile Vater von zwei Kindern, brauchte dringend ein neues Einkommen.15 Viele Kaffeehändler stiegen auf andere Waren um, dienten sich dem NS-Staat an oder ergriffen die Gelegenheit, ihre kaufmännische Expertise für die Vermarktung der den besetzten Gebieten entzogenen Güter oder die Leitung beschlagnahmter Handelsfirmen zur Verfügung zu stellen. Christen bot sich nach dem deutschen Überfall auf Norwegen und der Einrichtung eines »Reichskommissariat für die besetzten norwegischen Gebiete« dank seiner Hamburger Seilschaften eine attraktive Gelegenheit: Der zum Reichkommissar Norwegens ernannte Josef Terboven aus Essen war mit dem Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann befreundet, der ihm Carlo Otte als Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft in Oslo empfahl. Dieser wiederum brachte Heinrich Christen als Abteilungsleiter für Volkswirtschaft im Gebietskommissariat (später Dienststelle) Bergen ins Gespräch. Christen war gerade 31 Jahre alt geworden, als er im April 1940 seine Stelle dort antrat.16 Mitte Februar 1941 wurde er dann selbst mit der Leitung der Dienststelle betraut17 und begann Anfang März, Tagebuch zu schreiben. Er sah sich offensichtlich an einem bedeutenden Punkt in seinem Leben und in der Geschichte angekommen, den er schriftlich festhalten wollte, denn »die, die nach uns kommen, haben ein Recht darauf, Alles zu erfahren, Alles zu lesen und zu wissen, um stolz zu sein auf ihre Väter, ihre Ahnen […] Wir […], die wir heute noch jung, noch tatenfroh sind, wir wissen, dass wir Zeugen der größten Epoche 12 Ebd., S. 152. 13 So beklagt er sich bei einem Vertreter der »A. O.« (NS-Auslandsorganisation), »dass […] sie es bis heute nicht für nötig befunden hätte, mir für meinen ehrenamtlichen Rednereinsatz in Mittel- und Südamerika zu danken«. Tagebuch, 23.3.1941. 14 Reichsarchiv Oslo (RA ), Reichskommissariat Eg/L0010, unpag. (Personalakte Christen); Carlo (eigentlich Karolus) Otte (1908-1980) war maßgeblich für die »Arisierungen« in Hamburg zuständig, die sich im Falle des Kaffeehandels schon 1937 vollzogen, weil Devisenanträge der 15 jüdischen Firmen nicht mehr genehmigt wurden. Daraufhin kam es zu Verkäufen an »arische« Mitarbeiter oder Geschäftspartner. In seiner Funktion als Gauwirtschaftsberater behielt Otte sich die Genehmigung der Kaufverträge vor. Schienen ihm diese zu vorteilhaft für den jüdischen Verkäufer, verweigerte Otte diese Genehmigung und bestand auf einem niedrigeren Kaufpreis. Die Diskrepanz ließ er gelegentlich der NSDAP als Spende zukommen. Wierling, Rohkaffee, S. 167 ff. 15 Jörn-Hinrich Christen kam im August 1936 zur Welt, Margit im November 1937. 16 Christens Geburtstag war der 18. März. 17 Im Februar wurde er zunächst »vertretungsweise […] mit der Leitung (der Dienststelle) betraut«. Reichskommissar an Christen 17.2.41; RA /Reichskommissariat Eg/L0010, unpag. (Personalakte Christen).
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der deutschen Geschichte sind, […] Gestalter der großen Zukunft unseres Vaterlandes.«18 Trotz dieser pathetischen Begründung thematisierte Christen in seinem Tagebuch überwiegend den trivialen Alltag seiner Existenz in Norwegen, die Ambivalenz seiner Position zwischen Macht und Abhängigkeit und die Versuche, seiner Tätigkeit einen verlässlichen Sinn im Kampf um die »große Zukunft« zu geben. Im Folgenden benutze ich das Tagebuch als Quelle für eine biografische Studie Heinrich Christens. Dabei konzentriere ich mich auf vier Themen, auf die sich auch der Schreiber immer wieder bezieht: sein Ich-Ideal eines guten Besatzers, seine vielfältigen Statusprobleme, seine Position zwischen der Hamburger Familie und seinem Leben in Norwegen und schließlich seine zwiespältige Haltung zur Besatzungsgewalt.
Der »gute« Besatzer Gleich zu Beginn der Besetzung Norwegens hatte man zwei »Gebietskommissariate« in Bergen und Trondheim, den nach Oslo größten Städten des Landes, eingerichtet. Bald wurden diese durch »Dienststellen« in allen norwegischen Provinzen ersetzt. Die »Dienststellenleiter« handelten nur nach den Anweisungen des Reichskommissars, als dessen Vertreter vor Ort sie fungierten.19 Christen aber benutzte gelegentlich, meist selbstironisch, den alten Titel des »Gebietskommissars« und versuchte so, seine abhängige Stellung aufzuwerten. Für ihn, der in Bergen ca. 30 Angestellte hatte, in Hamburg hingegen nur eine einzige, war die Dienststellenleitung nicht nur eine Herausforderung, sondern bedeutete einen erheblichen Statusgewinn – egal, wie abhängig von der Zentrale er eigentlich war. Gern betonte er im Tagebuch seine Erfolge bei der Organisierung der Arbeitsteilung und Arbeitsabläufe in der Dienststelle. So begann er gleich nach der Übernahme der Leiterposition in Bergen mit dem »Ausbau« und Umbau« der Dienststelle und klagte, »8 Monate lang« seien unter dem alten Dienststellenleiter »die primitivsten Dinge vernachlässigt worden«. Gleichzeitig sorgte er sofort für »eine neue und anständige Unterkunftsregelung sowie die Einführung von weißen Arbeitskitteln für die Mädchen. Beides wurde sehr begrüßt.«20 Noch energischer verhielt er sich später bei der Übernahme der Dienststelle Trondheim, die mit 60 Angestellten doppelt so groß war wie die in Bergen, die er aber als einen »Saustall« bezeichnete: »Die Männer sind verlottert[,] aber qualitativ gut, die Führung der Dienststelle aber war unter aller Kritik.«21 Schon drei Tage später hatte er die Dienststelle »›erobert‹. […] Ich kann zu meiner 18 Tagebuch, 10.3.1941. 19 Zur Organisationsstruktur des Reichskommissariats und Christens Rolle, Aufgaben und Tätigkeiten als Dienststellenleiter vgl. den Aufsatz von Simon Gogl in diesem Band. 20 Tagebuch, 14.3.1941. 21 Tagebuch, 6.6.1942.
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Freude feststellen, dass Männlein und Weiblein schon jetzt in ›Reih und Glied mitmarschieren‹.«22 In seinem Führungsstil verband er Kontrolle mit »Kameradschaftlichkeit«; unter Letzterer verstand er sowohl eine gewisse Kollegialität am Arbeitsplatz als auch Großzügigkeit im sozialen Umgang, etwa bei Festen und Einladungen oder gemeinsamen Ausflügen. So sorgte er dafür, dass im Dienststellengebäude Bergen ein »Kasino« für seine Belegschaft eingerichtet wurde; davor hatte er »[j] eden Freitag von 20 bis 24 Uhr […] mein Haus für die Angehörigen der Dienststelle zur Verfügung gestellt, um ihnen einmal in der Woche die Möglichkeit zu einem gemütlichen außerdienstlichen Zusammensein zu geben«.23 Geburtstage, Erntedankfest und Weihnachten boten Gelegenheiten für Dienststellenfeiern, an denen anscheinend auch die norwegischen Mitarbeiter teilnahmen; im Frühjahr 1942 fuhr er mit einer Gruppe von 24 Personen zum Skifahren in eine Hütte bei Bergen. Schließlich achtete er auf die Einhaltung grundlegender Arbeitsrechte und unterstützte sozialpolitische Ansprüche – erwartete aber im Gegenzug, dass ihm seine Mitarbeiter den nötigen Respekt und angemessene Dankbarkeit entgegenbrachten. Um diese Grundhaltung der Anerkennung zu schaffen bzw. zu sichern, zeigte er aber gelegentlich äußerst autoritäre und sogar sadistische Züge, wenn er sich Mitarbeiter »vorknöpfte«, ihnen »gewaltig ins Gewissen« redete, sie »gehörig anpfiff«, sie »in Schwung brachte« und »nicht locker« zu lassen bereit war, »bis der ganze Laden restlos in ›Form‹ ist«.24 Selbst bei leitenden Angestellten, mit denen er sogar befreundet war, hielt er sich nicht zurück. Als der aus dem Reichskommissariat kommende Regierungsinspektor Ludat, der bei Christen in dessen Privathaus wohnte, ihn in einer Personalsache schriftlich kritisierte, schlug er zurück: »Im Beisein von RR Dr. Roenfeld als Zeugen habe ich den Mann dann derartig fertig gemacht, wie noch nie zuvor einen Menschen. Wie ein Irrer verließ er den Raum. Aus meinem Wohnhaus hatte ich ihn dazu auch noch herausgeworfen.«25 Während Christen die Dienststelle in Trondheim »eroberte«, bemerkte er befriedigt, dass sich an seiner früheren Arbeitsstätte in Bergen das Chaos breitmachte: »die Dienststelle versackt langsam und in dem Ausmaß, in welchem mein Nachfolger glaubt, die Arbeit seinen Mitarbeitern überlassen zu können.«26 In Trondheim verkündete er seinen Angestellten gleich zu Beginn, »dass ich nun einmal den Fehler hätte, meine Nase in Alles [sic] hineinzustecken, dass ich dennoch aber nicht gewillt sei, diesen Fehler in T. abzulegen. Im Gegenteil beanspruchte ich die eindeutige Führungsgewalt.«27 Sein Führungsanspruch bezog sich freilich nicht nur auf die Dienststelle als Behörde, und seine Ziele erschöpften sich nicht darin, diese in »eine geschlos22 23 24 25 26 27
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Tagebuch, 9.6.1942. Tagebuch, 9.8.1941. Tagebuch, 25.6.1942. Tagebuch, 1.3.1942. Tagebuch, 12.8.1942. Tagebuch, 9.6.1942.
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sene, arbeitsfähige und -freudige Einheit« zu formen.28 Bergen und Trondheim waren Zentren eines riesigen Einzugsgebiets. Stolz berichtete er, dass allein die Luftlinie der Küste im Einzugsbereich der Dienststelle Trondheim 800 km lang sei. Ging es ihm in der Dienststelle um Effizienz, so wollte er im Umgang mit den norwegischen Bewohnern seines jeweiligen »Hoheitsgebiets« oder »Königreichs«, wie er es gelegentlich halbironisch formulierte,29 sein umfassenderes Ideal eines guten Besatzers verwirklichen. Dieses Ideal verband Härte und Klarheit in der Sache mit Respekt und Gerechtigkeit gegenüber den Besetzten und ihren »legitimen«, d. h. von ihm anerkannten Wünschen. Die meisten Norweger, so wusste Christen, standen den Deutschen kritisch gegenüber, und in gewisser Weise achtete er sie dafür. Seiner Meinung nach speiste sich diese Ablehnung aus zwei Faktoren: zum einen aus dem mangelnden Rückhalt der Nasjonal Samling, der norwegischen Nazipartei, in der Bevölkerung. Ihm war klar, dass deren Machtanspruch sich vor allem auf die Präsenz der Deutschen in Norwegen stützte. Ihre Vertreter hielt er überwiegend für unfähig und zugleich anmaßend und er bemühte sich, ihnen seine Verachtung bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu zeigen. Zum anderen ärgerte er sich immer wieder über die deutsche Besatzungspolitik selbst, wie sie im Reichskommissariat in Oslo konzipiert wurde und vor Ort umgesetzt werden musste. Für ihn aber waren die Norweger ein Volk, das aufgrund seines »völkischen« Wesens (den Begriff »arisch« benutzte er nicht) den Deutschen eigentlich gleichgestellt war. Zwar ging er wie selbstverständlich davon aus, dass Norwegen dem Großdeutschen Reich einverleibt werden würde, aber auch davon, dass die Norweger in diesem Reich des Friedens und des Wohlstands »völkische« Gleichbehandlung genießen würden. Deshalb glaubte er zunächst, durch gute Propaganda, also Überzeugung, wirken zu können. Solange dieser Überzeugungsprozess aber nicht erfolgreich abgeschlossen war, hielt er die Präsenz der Deutschen in Norwegen und die Einschränkung der Rechte der Besetzten für legitim und notwendig. Er war darüber hinaus überzeugt: »Dies Volk kommt früher oder später automatisch zu uns, aber es will freiwillig kommen und nicht zwangsweise ›gezogen‹ werden.«30 Gleichzeitig, und im Widerspruch zu seiner Anerkennung der »völkischen« Gleichrangigkeit der Besetzten, war er diesen gegenüber mit einer persönlichen Macht ausgestattet, die ihn ebenso erstaunte, wie er sie genoss. Er bestellte die älteren Bergenser Herren vom Stadtrat oder von der lokalen Presse ein, um ihnen seine Anweisungen, oft im Befehlston, zu verkünden. Wenn sie dann schweigend zuhörten und gingen, wunderte er sich: »[E]rst jetzt in diesem Kriegs- und Auslandseinsatz merkt man, welch gewaltiges politisches Rüstzeug sich meine Generation in den vergangenen Jahren angeeignet hat, während diese norweg. 28 Tagebuch, 11.12.1942; so beschrieb Christen seinen Führungserfolg in Trondheim sechs Monate nach Übernahme der Dienststelle anlässlich der behördlichen Weihnachtsfeier. 29 Tagebuch, 28.9.1941. 30 Tagebuch, 6.4.1941.
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Menschen trotz ihres meist höheren Lebensalters sich wie die politischen Kinder benehmen.«31 Die Infantilisierung der Norweger war für Christen ein zentrales Element, um den Gegensatz zwischen deren »völkischer« Gleichheit und ihrer realen Unterwerfung unter den Willen der Besatzer miteinander in Einklang zu bringen; indem er sie als unbedarfte Kinder definierte, die er als erfahrener Deutscher erst in den Erwachsenenstatus hineinerziehen müsse, erklärte er ihre Unterlegenheit nicht als »rassisch« begründet, sondern als Unterschied in der erreichten Kulturhöhe. Insofern unterschied sich diese Haltung von dem kolonialistischen Diskurs, bei dem »der Afrikaner« durch seine »rassischen« Defizite wesensmäßig Kind war, das der dauernden Beherrschung bedurfte. Dass es aber allein die krude Besatzungs-Macht war, die den ihm vertrauten Mechanismus, dass die Alten den Jungen befehlen, außer Kraft setzte, gestand er sich nicht ein. Sowohl in seiner Jugend als auch unter den Hamburger Kaffeehändlern hatten immer die Alten das Sagen gehabt.32 Nationalsozialismus und Krieg boten ihm nun Gelegenheiten, dieses patriarchale Muster umzukehren. Ein weiterer Aspekt prägte Christens komplexes Verhältnis zu den Norwegern: Er glaubte, in ihnen jenen Typus des bäuerlichen Menschen zu erkennen, der ihn an seine eigene Herkunft gemahnte. Wenn er die Norweger mit Sympathie als »freiheitsliebend« beschrieb – »genau so stur und dickschädelich [wie unser Dithmarscher Bauer]. ›Freiheit‹ ist für sie der zündende Funke. ›Lieber tot als Sklave‹ heißt es bei diesem Bauern aus Schleswig Holstein«33 –, dann sprach er indirekt darüber, wie er selbst sein wollte.34 Wenn er verstand, dass sie auf ihrem »Recht« beharrten, wenn er ihre Liebe zur Heimat, ihre Bodenständigkeit und ihren Stolz erwähnte, dann immer wieder mit Bezug auf den norddeutschen Bauerntypus, dem er sich selbst zugehörig fühlte, und zwar in Abgrenzung von den Eliten – einer Abgrenzung, die sowohl das Hamburger Großbürgermilieu als auch die Zentrale des Reichskommissariats mit ihren abgehobenen Spitzenbürokraten betraf. Mehr als einmal kam es neben deutsch-norwegischen Sympathiebezeugungen auch zu konkreten Bündnissen, etwa bei der Durchsetzung der 31 Tagebuch, 11.3.1941. 32 Das mag auch den Jugendkult in der Bündischen Jugend (»Jugend führt Jugend«) für ihn attraktiv gemacht haben. Zur biografischen Bedeutung der Jugendbewegung für die »Jahrhundertgeneration« vgl. Thomas Kohut, Eine deutsche Generation und ihre Suche nach Gemeinschaft. Erlebte Geschichte des 20. Jahrhunderts, Gießen 2017; zur Stigmatisierung von »Jugend« um 1900 Stefan Zweig: Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers, Frankfurt a. M. 1952/1982. Unter den Hamburger Kaffeehändlern herrschte bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts eine ausgesprochen patriarchalisch begründete Hierarchie, zumal die Senioren in der Regel bis ins hohe Alter, ja bis zum Lebensende ihre Firma persönlich leiteten. 33 Tagebuch, 28.9.1941. 34 Allerdings entsprach der respektvolle Umgang auch den offiziellen Verhaltensregeln und deren Begründung für die Mitglieder der Besatzungstruppen in Norwegen; vgl. »Richtlinien für das Verhalten im persönlichen Verkehr mit der norwegischen Bevölkerung« des OKW vom April 1940, abgedruckt in Dorothee Schmitz-Köster, Der Krieg meines Vaters. Als deutscher Soldat in Norwegen, Berlin 2004, S. 63.
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lokalen Pläne für den Wiederaufbau des zerstörten Stadtteils Nordnes in Bergen35 oder bei Christens Verweigerung der rückwirkenden Gehaltskürzung für die norwegischen Angestellten seiner Dienststelle.36 Es handelte sich dabei nicht nur um propagandistische Gesten. Er bediente sich der widerspenstigen Norweger gerne, um sich selbst gegenüber der Osloer Zentrale, dem Reichskommissariat, zu behaupten und es, im Bündnis mit der Bevölkerung, denen »da oben« zu zeigen. Das hinderte ihn freilich nicht, seinerseits die Position der Macht gegenüber denjenigen einzunehmen, die sich ihm persönlich widersetzten. Zwischen Auftrumpfen und Verbrüdern schwankend, zwischen dem Druck, die zentralen Anweisungen durchzuführen und seinen Versuchen einer sozial verträglicheren Werbung um die Gunst der Norweger, stellte sich die Realisierung seines Ideals des guten Besatzers von Beginn an als unmöglich heraus.
Uniform, Titel, Bildung: Statusprobleme Allerdings beruhte Christens Macht nicht nur auf der ihm vom Reichskommissar übertragenen Autorität, sondern auch auf den vor Ort präsenten, bewaffneten Instanzen: der Wehrmacht mit ihren drei Truppenteilen Heer, Marine und Luftwaffe, in Bergen zusammen ca. 20.000 Mann; der Gestapo und der Sicherheitspolizei (Sipo), die beide der SS unterstanden. Diese stützten unter Androhung und Anwendung von Gewalt die zivile Besatzungsherrschaft und bestraften – mit Freiheitsentzug und auch mit dem Tode – individuelle und kollektive Widerstandshandlungen.37 In Bergen waren Christens Dienststelle und die Sipo im selben Gebäude untergebracht, das an einem zentralen Platz der Stadt, in unmittelbarer Nähe zum Stadttheater sowie in fußläufiger Entfernung vom Bahnhof, lag. Der Zugang zur Gestapo befand sich allerdings in einer Seitenstraße. Die Gestapozellen, in die Verhaftete zuerst gebracht und wo sie auch gefoltert wurden, lagen aber in der 4. Etage direkt über den Räumen der Dienststelle.38
35 Tagebuch, 5.6.1941 ff. 36 Tagebuch, 9.9.1941. 37 Vgl. dazu Stein Ugelvik Larsen/Beatrice Sandberg/Volker Dahm (Hrsg.), Meldungen aus Norwegen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Norwegen. 3 Bde., München 2008. Verhaftungen und Urteile von widerständigen Norwegern wurden hier routinemäßig für alle Dienststellen aufgeführt. 38 Helge Kaurin Nilsen, ein Vertreter der Initiative für ein Gestapomuseum in Bergen, erläuterte bei einer Führung durch das Gebäude, dass einige Gefangene sich aus einem der Fenster dieser Etage stürzten. Inwieweit Christen hiervon Zeuge wurde, ist unklar; ebenso bleibt offen, ob im Haus darüber gesprochen wurde, obwohl das naheliegt. Dass er nichts davon erfuhr, scheint jedenfalls unwahrscheinlich. Vgl. auch https://www.deutschlandfunk.de/norwegen-widerstand-gegen-den-nazi-terror.922. de.html?dram:article_id=449632; und den Beitrag von Bjarte Bruland in diesem Band.
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Die enge Verbindung von zivilem und militärischem bzw. polizeilichem Besatzungsregime stellte für Christen auch ein sehr persönliches Problem dar, weil fast alle außer ihm selbst irgendeine Uniform trugen. Als er etwa am »Heldengedenktag« im März 1941 gebeten wurde, mit dem Admiral und General die Front abzuschreiten, »lehne ich dankend ab, nicht aus Schüchternheit, sondern weil ich mir in Zivil dabei etwas ›komisch‹ vorkomme«.39 Vielleicht war das ein Grund für seine freiwillige Meldung zur Waffen-SS, die ihn im Mai 1941 im – ihn allerdings enttäuschenden – Rang eines SS-Hauptsturmführers aufnahm. »Vielleicht kann ich ja bezüglich der Uniformanschaffung einen Heimaturlaub erhalten??«, fragte er sich sofort und hoffte auf baldige Beförderung, um die »Differenz [zur höheren Stellung eines Dienststellenleiters, D.W.] zu überbrücken«.40 Zu beidem kam es nicht, dennoch konnte sich Christen zur Gedenkfeier am 9. November 1941 auch in Uniform zeigen.41 Allerdings empfand er seinen niedrigen Rang bis zuletzt als kränkend. Als er in Trondheim erste Bekanntschaften machte und von Gerhard Flesch, der schon in Bergen der Chef der Sipo gewesen und noch vor ihm nach Trondheim versetzt worden war, als Hauptsturmführer vorgestellt wurde, empfand er dies als gezielten Affront: »Geärgert hat mich, dass man mich sowohl bei der Tischordnung, wie auch bei dem anschließenden Zusammensein bewusst als »Hauptsturmführer« behandelte. Ich kann mir schon denken, dass mein alter Freund Flesch dahintersteht. Wenn man künftig nicht gewillt ist, mich als Vertreter des RK zu respektieren, werde ich bei derartigen Einladungen absagen.«42 Er hielt dies für »Versuche meiner ehemaligen Kameraden aus Bergen (SP), mich von vornherein als ›kleinen Mann‹ abzudrängen«. Schon für seine Antrittsbesuche bei den militärischen Führern der Dienststelle hatte er deshalb »alle Besuche in Zivil ausgeführt, der Hauptsturmführer passt nicht so recht«.43 Aber das war nicht sein einziges Statusproblem. Schon kurz nach seiner Ernennung zum Dienststellenleiter in Bergen erfuhr er von »Bedenken« in Oslo, ob jemand außerhalb der höheren Beamtenlaufbahn überhaupt Dienststellenleiter sein könne. Tatsächlich waren die Offiziere, Abteilungsleiter, Dienststellenkollegen und leitenden Mitarbeiter des Reichskommissariats fast ausnahmslos entweder Männer mit Abitur, einem Studium, Angehörige des Höheren Diensts, oder sie hatten einen Diplom-, Doktor-, Professoren- oder gar Adelstitel. Christen machte sich – offensiv – lustig darüber, »dass ein Nichtbeamter – o wenn sie wüssten, dass ich nicht einmal akademisch vorgebildet bin oder 39 Tagebuch, 16.3.1941. Die Marine in Bergen unterstand General von Schrader, das Heer General Tittel. Auch zwei Wochen später anlässlich der Beerdigung eines hohen deutschen Offiziers, der bei einem Skiunfall ums Leben gekommen war, fand Christen: »Mein Zivil wirkte wieder etwas ›komisch‹« – jedenfalls auf ihn selbst (30. März 1941). 40 Tagebuch, 9.5.1941. 41 Da er anscheinend davon ausging, dass er seine Uniform nur im »Reich« erhalten könne, wird dies in seinem Sommerurlaub 1941 geschehen sein. 42 Tagebuch, 2.7.1942. Zu Flesch vgl. den Beitrag von Bjarte Bruland in diesem Band. 43 Tagebuch, 13.6.1942.
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nicht mal das Abitur habe – diese Dienststelle bisher besser und zweckmäßiger geführt hat als seine p. p. ›Verwaltungsbeamten-Vorgänger‹«.44 Tatsächlich leitete er beide Dienststellen zur vollsten Zufriedenheit des Reichskommissars, was der ihm mehrfach indirekt über seine Mitarbeiter ausrichten ließ.45 Christen sah sich durch die »augenblickliche Beurteilung durch den Reichskommissar« gestärkt – aber eben nur »augenblicklich«.46 Jeder Besuch des Reichskommissars in seiner Dienststelle setzte Christen unter erneuten Druck – solange, bis ihm im Anschluss wieder mitgeteilt wurde, »dass der RK […] restlos befriedigt gewesen ist«.47 Je sicherer sich Christen in seiner Position fühlte, desto offensiver ging er vor. Selbstbewusst schickte er die neue Geschäftsordnung für die Dienststelle Trondheim an die Osloer Zentrale und war stolz zu hören, dass man sie dort vorbildlich fand und den anderen Dienststellen zur Nachahmung empfahl: »Wenn auch nicht viel, aber dennoch eine Anerkennung und ausgerechnet von patentierten Verwaltungsbeamten für einen pp. Kaufmann.«48 Christen kokettierte damit, den Typus »schlichter Männer aus dem Volke«49 zu verkörpern, dessen Angriffe die leitenden Beamten bei den zentralen Dienstleiterbesprechungen in Oslo fürchteten. Diese Phantasie diente wohl auch der Kompensation für die Niederlagen, die er ständig einstecken musste, wenn er Telegramme nach Oslo schickte, die unbeantwortet blieben, Urlaubsanträge stellte, die nicht genehmigt wurden, und rücksichtslos von heute auf morgen nach Oslo bestellt wurde, wo man dann die anberaumte Sitzung doch wieder verschob. Christen wurde als guter Dienststellenleiter anerkannt – doch zugleich wie ein Befehlsempfänger behandelt. Trotz seiner demonstrativen Verachtung für Titel – die sich in der gelegentlich ironischen Verwendung des »p. p.« ausdrückte – sonnte sich Christen doch gern im Glanz der hochrangigen Personen, mit denen er in Norwegen Umgang hatte. So erwähnte er mit größter Sorgfalt in seinem Tagebuch alle militärischen und zivilen Würdenträger mit vollem Namen und in der Reihenfolge ihres Ranges, wenn er aufzählte, mit wem er den Abend verbracht hatte. Das betraf auch prominente Besucher aus Kunst und Wissenschaft, für die Norwegen, wo sie im Rahmen der Wehrmachtsbetreuung oder kultureller Propagandaveranstaltungen auftraten, ein beliebtes Ziel darstellte. Christen, der sich an seinen Dienststellen auch persönlich um das Arbeitsfeld »Propaganda« kümmerte, kam auf diese Weise mit viel Prominenz, aber auch mit einer ihm eigentlich fernstehenden sozialen Klasse eines Bildungsbürgertums zusammen. Gern lud er die Gäste in seine jeweilige – immer repräsentative – Dienstwohnung ein, sorgte sich aber, ob 44 Tagebuch, 17.3.1941. p. p. (von lateinisch perge, perge: fahre fort, fahre fort) wird oft benutzt zur Abkürzung von Namen und Titeln, hier mit deutlich verächtlichem Unterton. 45 Z. B. schon kurz nach der Übernahme der Position, Tagebuch, 8.3.1941. 46 Tagebuch, 17.3.1941. 47 Tagebuch, 2.8.1941. 48 Tagebuch, 8.11.1942. 49 Tagebuch, 12.1.1942.
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er bei Tischgesprächen über Musik, Literatur oder Geschichte mithalten könne. Schließlich hatte er »mit Ach und Krach nur mein sogenanntes ›Einjähriges‹ gemacht«.50 Aber auch dieses Problem löste er durch offensives Vorgehen: Zwar gab er sich bei solchen Gelegenheiten bescheiden, nutzte diese aber zur eigenen Weiterbildung. So zeigte er sich, als er einmal einen »kleinen, musikverständigen Kreis« zu sich eingeladen hatte, »dankbar, mein Wissen etwas bereichern zu können, was auf dem Gebiet der Musik nun leider auch dringend nötig ist«.51 Christen genoss die Nähe zur Prominenz, wurde sicherer und entwickelte sich zu einem charmanten und großzügigen Gastgeber.
Norwegen – Hamburg – Norwegen Als Christen im März 1941 sein Tagebuch begann, eröffnete er es mit einer poetischen Beschreibung eines Spaziergangs in der frühlingshaften Umgebung Bergens: »Nun sitze ich wieder in meinem Arbeitszimmer. […] Vor mir ein Gläschen Grand Marnier Cordon Rouge (ein vorzügliches Tröpfchen) und in der linken Hand eine echte Habana und höre halb und schreibe halb. Aus meinem Telefunken ertönt das ›Wunschkonzert‹52 … Daheim […] Gerade in diesem Augenblick ertönt es ›komm zurück‹! Und ich weiß zur selben Zeit werden die Gedanken meines Frauchens hinauf zu mir nach Bergen wandern ›Ich warte auf dich‹.«53 Seit Christen Hamburg im April 1940 in Richtung Norwegen verlassen hatte, war er nur einmal wieder zu Hause gewesen – die Hin- und Rückfahrt konnten jeweils bis zu drei Tagen betragen, sodass der eigentliche Aufenthalt bei seiner Familie in Hamburg auch später oft nur eine Woche betrug. Ein solcher Urlaub wurde ihm in der Regel zweimal jährlich, im Sommer und zu Weihnachten, gewährt. Bitten um Sonderurlaub wegen dringender Angelegenheiten wurden ihm abgeschlagen, und auch die regulären Urlaube mussten unter Umständen vorzeitig abgebrochen werden. Auch waren sie nicht immer erholsam, z. B. wenn ständige Besuche ihm das Alleinsein mit seiner Frau unmöglich machten 50 Ebd. Das »Einjährige« entsprach der sogenannten »Mittleren Reife«, also dem Abschluss nach der 10. Klasse an einer Realschule oder Oberrealschule. Der Begriff des »Einjährigen« bezieht sich darauf, dass in Preußen seit 1832 Jungen, die den Realschulabschluss hatten, der sie zur mittleren Beamtenlaufbahn berechtigte, nur noch ein Jahr Militärdienst leisten mussten. 51 Tagebuch, 12.4.1942. 52 Das Sendeformat des »Wunschkonzerts«, bei dem Musikwünsche mit persönlichen Grüßen an bestimmte Empfänger verbunden wurden, war die populärste Radiosendung für die in ganz Europa stationierten und kämpfenden Wehrmachtssoldaten. Das »Wunschkonzert« erfreute sich auch in Nachkriegsdeutschland noch großer Beliebtheit. 53 Tagebuch, 10.3.1941. Die ersten Seiten sind zum großen Teil unleserlich.
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oder wenn das Hotel, in das man sich zurückzog, unfreundlich und hellhörig war. Die Erfahrung zeigte, dass es gut war, einen Teil der Zeit mit den Kindern, einen anderen allein als Paar zu verbringen, im Sommer nach St. Peter-Ording zu fahren und nur am »Neujahrsabend«, also Silvester, eine große Gesellschaft zu geben.54 Seine Hamburger Kaffeehändlerkollegen kontaktierte Christen während seiner Heimaturlaube kaum.55 Hamburg, das war für ihn vor allem der »Winterhuderquai 13«, die Doppelhaushälfte in Backstein mit Garten und Terrasse, das Wohnzimmer, in dem »die ererbte Eichentruhe« stand; die Kinder, deren Aufwachsen er verpasste, und sein junges und schönes »Frauchen«. Er stellte sich seine Kinder vor, »wie sie in ihrem Spielzimmer am Winterhuderquai wieder den üblichen Krach machen«56 oder wie sie ihm frühmorgens zum Geburtstag gratulierten. Im Frühling waren seine Gedanken »bei den Zäunen, Sträuchern und Blümchen am Winterhuderquai«. Während einer Reise durch das Territorium der Bergenser Dienststelle kaufte er einen geschnitzten »Prachtstuhl« und eine »schöne gewebte Decke«, die zur »ererbten Eichentruhe im Wohnzimmer« passten.57 Zur Sehnsucht kam die Angst: Würden die Kinder ihn überhaupt erkennen, wenn er im Abstand von einem halben Jahr eine Woche in Hamburg sein konnte? Immer wieder bat Christen seine Frau um neue Fotografien der Kinder und darum, ausführlicher von ihnen zu erzählen. Und angesichts der Entfremdungen und Ehekrisen seiner Mitarbeiter und Kollegen, die allerdings selbst oft eine norwegische Freundin hatten,58 was Christen verständnisvoll kommentierte, aber weder billigte noch selbst praktizierte, fragte auch er sich besorgt: Würde seine Frau ihm treu bleiben? Was sollte er davon halten, dass sie Besuch gemeinsamer Freunde empfing und sich mit ihnen »geistreich« unterhielt, »während die Auslassungen an mich meist etwas oberflächlich sind«?59 Seit dem Sommer 1942 überwog aber die Sorge über die Bombardierungen Hamburgs und die Trauer darüber, dass Gerda Christen mit den Kindern bei Hamburger Freunden untergekommen war und sein Haus vermietet wurde. Ob dies aus finanziellen Gründen geschah, wird nicht thematisiert. Auch in Bergen und später in Trondheim richtete sich Christen vor Ort ein wohnliches Zuhause ein, als Ersatz für das ferne Heim und zugleich als Beweis für seinen gehobenen Status vor Ort: Dazu gehörten sein Büro in der jeweiligen Dienststelle und seine Dienstwohnungen; letztere waren, nachdem er in Bergen sieben Monate in temporären Unterkünften und verschiedenen Hotels verbracht, dann als Dienststellenleiter aber seine erste großzügige Dienstwohnung gefunden hatte, anscheinend von großbürgerlichem Zuschnitt, der es ihm 54 Tagebuch, 3.1.1942. 55 Den Sandtorkai, vor dem Krieg das Zentrum des Hamburger Kaffeehandels, besuchte er nur einmal, Tagebuch, 31.5.1942. 56 Tagebuch, 10.3.1941, 18.3.1941 und 1942 (sein Geburtstag!). 57 Tagebuch, 28.9.1941. 58 So das »Drama meines Kameraden Ludat«, Tagebuch, 16.7.1941. 59 Tagebuch, 9.5.1941.
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erlaubte, als privater Gastgeber zu repräsentieren. Vor allem in Bergen war er Teil eines geselligen Kreises, der sich zusammensetzte aus dem hier stationierten Spitzenpersonal der Wehrmacht und SS sowie den zahlreichen Gästen, die sich aus der Zentrale in Oslo und der politischen Klasse im »Reich« einfanden. Christen nahm die Einschätzungen und exklusiven Informationen der militärischen Befehlshaber und Vertrauten des »Führers« gierig auf – und wähnte sich als Eingeweihter in die Hintergründe überraschender Führerentscheidungen und die Machenschaften der Feinde. Seine Erkenntnisse aus solchen Unterhaltungen schrieb er zum Teil ausführlich nieder und nährte damit eine Zeitlang seinen Optimismus bezüglich des sicheren Sieges und der Raffinesse Hitlers, der seine Feinde und sein Volk immer wieder mit unerwarteten Schachzügen überraschte.60 Diese Vertraulichkeiten beruhten oft auf Prahlerei, aber es gab auch Indiskretionen bis hin zum Geheimnisverrat, wenn etwa geheimdienstliche Pläne erörtert wurden oder offen über die Position deutscher Kriegsschiffe vor der norwegischen Küste gesprochen wurde. Da sich alle Vertreter der Besatzungsmacht regelmäßig gemeinsam betranken, überrascht der Kontrollverlust im Hinblick auf solche Geheimnisse allerdings nicht.61 Hinzu kam, dass man »unter sich« war. Die – zu Recht – als distanziert bis feindselig wahrgenommene norwegische Umwelt schweißte die deutsche Männergesellschaft der Besatzer zusätzlich zusammen. Besatzerinnen gehörten nicht dazu; und nur ausgewählte Norwegerinnen und Norweger wurden gelegentlich zugelassen – darunter die Freundinnen einiger Besatzer, die aber zu fortgeschrittener Stunde meist mit diesen »verschwanden«.62 Christen machte anscheinend keinen Versuch, diese Welt mit derjenigen der Familie zusammenzuführen.63 Frau und Kinder haben ihn niemals besucht. Im Tagebuch deutet nichts darauf hin, dass er dies wünschte oder zu realisieren versuchte. Damit folgte er dem Muster zumindest der Besatzungspolitik in Norwegen, bei der in der Regel weder die Angehörigen der Wehrmacht und der SS noch der zivilen Besatzung ihre Ehefrauen bzw. Familien bei sich hatten. Seiner Frau bekannte er in einem Brief, dass sofort, wenn der Urlauberzug nach Norwegen den Hamburger Hauptbahnhof verlassen habe, die schöne Erinnerung an die familiäre Intimität von der Erfahrung der gemeinsamen Rückreise 60 Z. B. Tagebuch, 8.2.1942. 61 Vgl. zur Bedeutung des Alkohols für die deutsch-norwegische Besatzungsgesellschaft den Aufsatz von Maria Fritsche in diesem Band. 62 Tagebuch, 24.7.1941. Selten lud Christen seine deutschen Mitarbeiterinnen ein – als »Damen meiner Dienststelle« z. B. zu einem Hauskonzert mit Luftwaffe und Marine in Trondheim (Tagebuch, 19.7.1942); männliche Norweger lud er meist aus konkretem Anlass zu sich in sein Haus, um Fragen der Kooperation mit den Deutschen bzw. der Norweger untereinander zu klären oder in Konflikten zu vermitteln. Vgl. hierzu den Beitrag von Simon Gogl in diesem Band. 63 Mehr Aufschluss könnten darüber die Briefe zwischen Heinrich und Gerda Christen geben, die ich aber für den Zeitraum des Tagebuchs nicht zur Verfügung hatte.
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und Gedanken an die Dienststelle überlagert werde und dass es vor allem die arbeitsfreien Sonntage seien, an denen seine Gedanken zum Hamburger Heim wanderten.64 Aber als sich schon kurz nach seiner Ernennung zum Dienststellenleiter in Bergen eine Möglichkeit für eine neue Stellung bot, in der er von Berlin aus den gesamten Norwegenhandel koordiniert hätte, reagierte er erleichtert, als sich die Sache zerschlug. »Carlo Otte hatte schon nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten und wollte mich für den Fall des Wechsels als Leiter der neuen Verbindungsstelle Nord, über die der gesamte Handelsverkehr mit Norwegen geleitet werden soll, vorschlagen. Eine auch nicht uninteressante Aufgabe, jedoch nicht annähernd so befriedigend wie meine jetzige Position.«65 Die Vermutung liegt nahe, dass die »Befriedigung« vor allem in der scheinbar unabhängigen Machterfahrung als »Gebietskommissar« eines »Hoheitsgebiets« lag. Im Grunde wollte er dort bleiben, wo er war: unter den Männern, die er bewunderte und an deren Anerkennung ihm etwas lag; und in einer behaglichen Position, die er zugleich als seinen »Kriegsdienst« deuten konnte.
Besatzungs-Gewalt Als Christen Mitte Mai 1942 Bergen verließ, um seine neue Stelle in Trondheim anzutreten, dauerten die Abschiedsfeierlichkeiten insgesamt drei Tage. Sie waren angefüllt mit Abschiedsbesuchen, -essen und -empfängen, Kameradschaftsabenden, Reden, Geschenkübergaben, einem Abschiedsinterview, dem Konzert einer Militärkapelle und einer »erheblichen Menschenmenge« auf dem Bahnhof. Christen war überwältigt. Er sah darin: »de[n] letzte[n] Beweis, dass ich anständig und kameradschaftlich in Bergen gearbeitet habe«. Was bedeutete es für ihn, unter den Bedingungen der Besatzung »anständig und kameradschaftlich« gewesen zu sein? Messen konnte er das nur am Grad seiner Beliebtheit, der sich in den ausgiebigen Abschiedsritualen und -gaben ausdrückte. Denn nun, wo er Bergen verließ, gab es keinen Grund mehr, sich bei ihm einzuschmeicheln. So konnte er sich zu Recht darüber freuen, dass man ihn feierte als Zeichen dafür, dass er – nicht nur in seinen Augen – in Bergen erfolgreich gewesen war, sogar aus der Perspektive einiger, von ihm nicht spezifizierter »norw[egischer] Freunde«.66 Von der Bergenser Bevölkerung insgesamt verabschiedete er sich in einem Interview, in dem er eine äußerst positive Bilanz seiner Arbeit als Dienststellenleiter zog und dabei die deutsche Besatzungspolitik generell als eine Art Entwicklungshilfe für das unterentwickelte Norwegen darstellte. Im ersten Schritt beschrieb er seine politischen Ziele: das durch »Blut und Rasse« verbündete Norwegen zu einem souveränen Teil der kameradschaftlich verbundenen europäischen Gemeinschaft zu machen und es an der Verteidigung der 64 Brief, 21.1.1943, Familienarchiv Christen. 65 Tagebuch, 30.3.1941. 66 Tagebuch, 17.5.1942.
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europäischen Grenzen zu beteiligen; ökonomisch habe er das Ziel verfolgt, die norwegische Produktion zu steigern und den Lebensstandard in Norwegen so hoch wie möglich zu halten. Die zweite Hälfte des Interviews war ganz praktischen Zukunftsversprechen gewidmet: Norwegens herausragender Rolle in der europäischen Nachkriegswirtschaft; der Entwicklung seiner Fischereiwirtschaft und Luftfahrtindustrie, in Bergen selbst vor allem aber dem Ausbau der Werften. Der staatsmännische Text, der eher einem nationalen politischen Führer als einem regionalen Dienststellenleiter des Besatzungsregimes angemessen war, begann und endete mit Christens Bekenntnis seiner Liebe zu Bergen, die ihn an seine Heimatstadt Hamburg erinnere.67 Beliebtheit und Liebe bedingten einander in einer Art Tauschgeschäft; Christen blendete im Interview, wie auch im Tagebuch und in seinem Selbstbild, die dunklen, repressiven und gewalttätigen Seiten der deutschen Besatzungsherrschaft, die auch er verkörperte, aus. Die Aktionen des norwegischen Widerstands schrieb er gerne – und oft zutreffend – den Engländern zu, obwohl laufend harte Strafen gegen Norweger ausgesprochen und auch Todesstrafen verhängt, aber nicht immer exekutiert wurden. Christen war damit persönlich nicht befasst und erwähnte sie nur gelegentlich im Tagebuch – allerdings gleich am 1. März 1941 im Zusammenhang mit einem Essen im Hotel Norge, das »zu Ehren des 3. Senats des Reichskriegsgerichts [stattfand], der gerade 10 Todesurteile und diverse Freiheitsstrafen gefällt hatte«.68 Er vermied es, Wissen und Sorgen der Norweger über Repressionen zur Kenntnis zu nehmen oder emotional an sich heranzulassen, wie im Fall des Museumsdirektors von Bergen, dessen Schwager wegen Spionage im Gefängnis saß.69 Ins Ende seiner Bergenser Zeit fiel noch die »Bestrafung« des Dorfes Telavåg (bei Bergen), nachdem dort zwei SS-Männer von Widerstandskämpfern getötet worden waren, die sie verhaften wollten. Das Dorf wurde niedergebrannt, 268 Männer wurden festgenommen und nach Sachsenhausen deportiert.70 Diesen Vorfall konnte Christen schon deshalb nicht ignorieren, weil er mit der Organisation des feierlichen Begräbnisses der »SS-Kämpfer« in Bergen betraut war, zu dem der Reichskommissar aus Oslo anreiste. Die Nachricht von der Zerstörung des Dorfes und der Massenverhaftung kommentierte er im Tagebuch knapp: »Ein hartes Geschick, aber doch wohl das einzige Mittel, um die Küstenbewohner vor weiteren Dummheiten zu bewahren. Es ist nun einmal so, wenn es die Einsicht nicht tut, muss es die Angst machen.«71 Sein demonstrativ herzloser Kommentar verwendete das Bild der Norweger als Kinder in spezifischer Weise: Sie hatten »Dummheiten« gemacht und mussten durch 67 Auf Norwegisch in der wichtigsten Tageszeitung Bergens, Bergens Tidende, vom 15.5.1942. 68 Tagebuch, 10.3.1941. 69 Tagebuch, 26.10.1941. 70 Marko Martin, Wie die SS ein Dorf ausradierte, in: Spiegel online, 21.7.2005, https:// www.spiegel.de/panorama/deutsche-besatzung-norwegens-wie-die-ss-ein-dorf-ausradier te-a-361972.html [20.7.2021]. 71 Tagebuch, 2.5.1942.
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»Angst« davon abgehalten werden, mangelte es ihnen doch an »Einsicht«, also der Reife Erwachsener, um sich selbst vor den damit verbundenen Gefahren zu schützen. Christens Versetzung nach Trondheim fiel in eine Zeit, in der der norwegische Widerstand immer militanter vorging. Als in der zweiten Jahreshälfte 1942 in der Region mehrere erfolgreiche Sabotageakte durchgeführt worden waren, entschied der Reichskommissar Anfang Oktober, dass ein Exempel statuiert werden müsse. Er ließ den Ausnahmezustand über Trondheim verhängen, mehrere »Widerstandsnester« ausheben und insgesamt 14 Verdächtige standrechtlich erschießen. Unerwartet geriet Christen nun selbst ins Zentrum der Aktion. Vermutlich auf Befehl des Reichskommissars, der dazu extra anreiste, sollte er zehn angesehene Trondheimer Bürger für eine Geiselerschießung am 6. Oktober auswählen. Christen delegierte dies an den (norwegischen) NSFührer des Bezirks, »von dem ich eine Liste […] – und zwar aus der JössingerIntelligenz – verlange«.72 Doch die Entscheidung über die Auswahl musste er im Rahmen eines »Tribunals« mit fällen. Das war ihm »das Unangenehmste« seit seiner Ankunft in Norwegen, denn ihm war völlig bewusst, dass es sich bei den Opfern um unbeteiligte Männer handelte, »die ohne Gericht und Schuldurteil ins Jenseits befördert werden. Mir klingen noch die Worte des RK in den Ohren: Haben Sie bei X etwas einzuwenden?«73 Die Antworten, die er darauf gab, machten ihn nicht nur zum Retter, sondern zugleich zum Mittäter. Er nannte zwei Namen, wohl wissend, dass diese durch andere ersetzt würden. Die Nachricht über die bevorstehenden Hinrichtungen, die auf dem zentralen Marktplatz von Trondheim in unmittelbarer Nähe der Dienststelle durch den Reichskommissar verkündet wurde, löste in der Stadt herzzerreißende Szenen aus, die »nichts für schwache Nerven« waren, wie Christen etwas hilflos bemerkte. Er selbst, wider Willen Herr über Leben und Tod, war spürbar erschüttert und kämpfte um Haltung. Aber schon wenige Tage später fand er sie beim Aufschreiben: »Ist diese Maßnahme nun brutal? Gewiss, sie ist es, und doch muss ich dem RK recht geben, wenn er behauptet, dass man dem Gegner die Intelligenzschicht wegnehmen muss«. Es gelte: »›wer nicht hören will, muss fühlen‹, und das ›Fühlen‹ ist in Kriegszeiten nun einmal auch kriegsmäßig hart.« In der Sprache des Vernichtungskrieges und des Kinderzimmers gab er sich ungerührt.74 Sechs Wochen nach den Erschießungen wechselte Christen ohne Vorankündigung oder Begründung im Tagebuch seinen Wohnsitz. »Am Freitag fand endlich der Umzug ins neue Domizil – Hovringen – statt«, hieß es am 22. No72 Als »Jössinger« wurden die Teile der norwegischen Bevölkerung bezeichnet, die der Besatzung kritisch gegenüberstanden, und zwar nach der Bucht Jössingen, in der die Briten 1940 ein deutsches Marineboot beschossen hatten, um die darauf festgehaltenen britischen Kriegsgefangenen zu befreien. 73 Tagebuch, 11.10.1942. 74 Vgl. in diesem Band den Aufsatz von Bjarte Bruland über den Oktober 1942 in Trondheim im Kontext der Besatzungspolitik und aus der Sicht der Norweger.
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vember, dem Tag danach. Das Wort »endlich« verweist darauf, dass es sich um ein Ereignis mit längerem Vorlauf handelte, auf das er ungeduldig gewartet hatte. Umso erstaunlicher, dass die Information völlig überraschend und erst nach Vollzug im Nebensatz gegeben wird: »Hovringen macht äußerlich den Eindruck eines Waldschlosses. Rotgestrichene Holzwände, darüber Grasdächer – altnorweg. Bauweise. Innen jedoch modernst eingerichtet. Die große Halle, zugleich Wohnraum ist englisch/ schottischer Stil, das Speisezimmer französisch. Typisch norwegisch, d. h. individualistisch ist auch die Unterbringung der Einwohner. Im Haupthause ist nur ein Schlafzimmer, in dem die ›Alten‹ wohnten, die Kinder wohnten in einem ebenfalls modernst eingerichteten Nebenhaus, das allerdings durch Überdachung mit dem Haupthaus verbunden ist, der Gärtner wohnt neben und über der Garage – ebenfalls Einzelhaus. Ich glaube, ich habe mit diesem Hause einen guten Fang gemacht.« Christens Beschreibung des »Waldschlosses« als ein geschmackvolles Luxusanwesen ist im Präsens gehalten, nur die Eltern und die Kinder »wohnten«, während der Gärtner noch immer »wohnt« und Christen das Haus anscheinend mit der gesamten Ausstattung und dem Personal übernommen hat. Aber von wem? Das Haus, heute ein Rehabilitationszentrum für Drogensüchtige, war 1939 von dem Trondheimer Industriellen Lorentz Cappellen-Smith gebaut worden. Der Sohn eines Norwegers und einer Britin war seit 1912 der hochangesehene Geschäftsführer der Trondheimer Familienfirma E. A. Smith, die mit Eisenwaren und Baumaterial handelte – und zugleich schwedischer Konsul. Wie die Webseite der Firma bestätigt, gehörte er zu denjenigen, die auf der Liste der zu erschießenden Geiseln standen. Christen schreibt über ihn in seinem Tagebuch: »Einer, dessen Tod morgens beschlossen wurde, lebt auch noch. Er war gerade auf der Reise von Oslo nach Trondheim. Nur diesem – lächerlichen – Umstand verdankt er sein Leben.«75 Das schöne Haus, das er 1939 an der Küste gebaut und eingerichtet hatte, wurde aber dennoch beschlagnahmt. Christen zog ein. Im »Waldschloss« ließ er sich vor dem Kamin und mit neu erworbenem Hund in jenem Wohnraum fotografieren, dessen Gestaltung er als »englisch/ schottisch« charakterisiert hatte: So verkörperte er ganz den entspannten britischen gentleman, das Ideal der anglophilen Hamburger Kaufleute. War er nun am Ziel seiner Wünsche?
75 Tagebuch, 11.10.1942. Lorentz Smith-Cappellen (1912-1967) kehrte nicht nach Trondheim zurück und tauchte unter. 1944 wurde er verhaftet und in das bei Oslo gelegene Konzentrationslager Grini gebracht, wo er das Kriegsende erlebte. https://www.smith. no/om-oss/historie/.
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Vom fernen Krieg an die Front Wenige Tage, nachdem Christen vom Weihnachtsurlaub 1942/43 in seine Trondheimer Dienststelle zurückkehrte, am 17. Januar 1943, bricht das Tagebuch ab. Der letzte Eintrag, ganz unten auf der Seite fast aus der Schreibmaschine gerutscht, lautet: »Alles ist aufgearbeitet, und ich stehe wieder mitten drin in der täglichen Problematik.« Da jede Ankündigung oder Begründung dafür fehlen, das Tagebuch zu beenden, müssen wir annehmen, dass ein weiteres Heft verloren gegangen ist.76 Am 2. Oktober 1943 veröffentlichte die Trondheimer Zeitung ein Abschiedsinterview mit Christen, der sich freiwillig an die Front gemeldet hatte. Anhand der spärlichen Quellen für die im überlieferten Tagebuch nicht mehr behandelte Zeit kann die Frage, was in der Zwischenzeit passiert sein könnte, nur vorläufig beantwortet werden. Der achtseitige Monatsbericht, den Christen am 20. Januar 1943 an den Reichskommissar schickte, spricht von Christens Erfolg und Entschlossenheit bei der Führung der Dienststelle Trondheim.77 Aber aus dem letzten Tagebucheintrag und aus den Briefen an seine Frau seit seiner Rückkehr nach Norwegen bis zum letzten überlieferten Brief vom 14. Februar aus Oslo spricht seine Beunruhigung über die Kriegslage und die schlechte Haltung in der »Heimat«. Schon im Frühsommer 1942 hatte er sich, nach der Rückkehr aus seinem Urlaub, über die »blöden Meckereien der Etappe ›Heimat‹ geärgert. […] Und dabei geht es der Heimat noch so gut.« Christen beschwor – positiv – den totalen Krieg. Man müsse »an dem Russen lernen […] Genauso wird es bei uns sein, denn es ist nun einmal ein weltanschaulicher Kampf«, wer »kapituliert oder versagt« werde »hart und entschlossen von uns selbst umgelegt«. Es gebe »nur zwei Alternativen, entweder totaler Sieg oder Untergang Europas incl. unserer Feinde«. Der Krieg spitzte sich für ihn auf den Kampf zweier gleich starker, sogar einander ähnlicher Ideologien zu: »Sowohl der Bolschewismus, wie auch der Nationalsozialismus drängten nach Expansion, nach Totalität.«78 Christen hatte immer lebhaft Anteil genommen am Kriegsgeschehen, sich dabei um eine realistische Einschätzung des Gegners und der Siegchancen bemüht, sich aber auch jeden Gedanken an eine mögliche Niederlage verboten. Wollte er, der als »weißer Jahrgang« über keinerlei militärische Erfahrung verfügte,79 nun doch noch an der Front Kriegsdienst leisten? 76 Vgl. die Einleitung zu diesem Band. 77 Christen schickte einen Durchschlag des Berichts nach Hause, weshalb dieser im Familienarchiv vorhanden ist. 78 Tagebuch, 6.6.1942. 79 Die Wehrpflicht war 1935 wieder eingeführt worden, als Christen 26 Jahre alt und bereits verheiratet war. Der erste Jahrgang, der einberufen wurde, war der von 1914; Ältere wurden zu Kurzlehrgängen einberufen, doch auch das scheint bei Christen nicht der Fall gewesen zu sein, jedenfalls erwähnte er es nicht und machte anscheinend 1942 in Trondheim in einem zweiwöchigen Lehrgang als »Schütze Christen« seine ersten Erfahrungen mit dem Militär.
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Im Dezember 1943 jedenfalls kam Christen – nach mehrmonatigem Hamburg-Aufenthalt – in Hallein bei Salzburg an, wo die 6. SS-Division Nord, der er seit seinem Eintritt in die Waffen-SS angehörte, eine Ausbildungskaserne für zukünftige Gebirgsjäger errichtet hatte, die mitten in der kleinen Stadt lag, direkt gegenüber der Papierfabrik, dem größten Betrieb des Orts außerhalb der SS-Kaserne. Hier wurden Angehörige der Division (SS-Gebirgsjäger Ausbildungs- und Ersatzbataillon) auf den Kampf gegen die sowjetische Armee an der Nordfront ausgebildet und zusätzlich sogenannte Führerkurse angeboten.80 Dem Bataillon gehörten bis Kriegsende zwischen 1000 und 2000 Männer an. Neben der Ausbildung überwachten die Angehörigen auch die KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter im Ort und wurden gelegentlich auch auf dem nahegelegenen Obersalzberg eingesetzt.81 Die SS hatte gleich nach der Etablierung der Kaserne beim Konzentrationslager Dachau die Errichtung eines Außenlagers in Hallein beantragt, dessen Häftlinge zwar nicht auf dem Gelände der Kaserne untergebracht waren, aber ausschließlich für die SS arbeiteten, sowohl auf den militärischen Übungsgeländen in Halleins Umgebung als auch auf dem Kasernengelände selbst.82 Die Häftlinge – zwischen 30 und 90 Jahre alt – lebten in sechs Baracken in einem Steinbruch an der Zufahrtsstraße nach Hallein. Wie viel KZ-Insassen, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene insgesamt in Hallein für die SS arbeiteten und wie viele von ihnen dabei ihr Leben verloren, ist nicht genau bekannt.83 Im Winter 1943/44 erhielt Heinrich Christen Besuch von seiner Familie. Man fuhr gemeinsam in das nahegelegene Salzburg. Ein Foto zeigt Christen mit seinem damals acht Jahre alten Sohn Jörn-Hinrich vor der schneebedeckten Kulisse der Burg. Am 24. Juni 1944, dem Vorabend seiner Abkommandierung an die finnische Front, schrieb Christen seine »Gedanken vor der Abreise« auf. Der Text spricht zunächst von der Einsamkeit der letzten Monate, die er mit sehr viel jüngeren »Kameraden« und Vorgesetzten verbracht hatte, Menschen, die auch ihrem sozialen Status und ihrer Bildung nach weit unter ihm standen; von der Einsamkeit, die er nur durch Briefe lindern konnte; von der Enttäuschung über die Qualität der militärischen Ausbildung und die moralischen Defizite der ungehobelten SS-Leute: »Man erspare mir Einzelheiten über alle Mißzustände [sic] Verfehlungen und Verbrechen, die ich täglich miterleben musste.«84 Er habe Norwegen verlassen »mit der Einstellung: ›Man muss in dieser großen und 80 Hans Spreicer, Im herzlichen Einvernehmen mit der Bevölkerung …? Die Waffen-SS in Hallein. Eine Spurensuche in der Geschichte Halleins und seiner Umgebung, aus den Jahren 1943-1946, o. O. (Selbstverlag) 2004. 81 Ebd., S. 24, 28 f. 82 Wolfgang Wintersteller, KZ Dachau – Aussenlager Hallein, o. O., o. J. 83 Ehemalige Häftlinge haben ausgesagt, dass manche SS-Männer Häftlinge, angeblich auf der Flucht, erschossen, weil sie dafür Sonderurlaub erhielten. Ebd., S. 9 f. 84 Heinrich Christen, Gedanken vor der Abreise. Transkript gesammelter Texte, S. 3-12, hier S. 3, Privatarchiv Familie Christen. Das Transkript wurde von Christens Enkel Oliver Christen (Sohn Holger Christens) angefertigt. Das Original lag mir nicht vor.
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schwersten Zeit Soldat und an der Front gewesen sein, um auch später ‚mitreden‘ zu können‹. Es war so eine Art moralisches Alibi für mich.« Aber seine Hoffnung, nach scharfer Rekrutenausbildung und kurzem Fronteinsatz »so in 12 bis 14 Monaten Offizier« zu werden, war enttäuscht worden. Zunächst hatte er zwei Monate in Hamburg auf die Einberufung warten müssen. Von den sieben Monaten in Hallein seien nur drei der Ausbildung gewidmet gewesen, vier Monate dem »Arbeitsdienst«, wobei er die Hälfte der Arbeitsdienstmonate »bei den Meinen«, also in Hamburg bei seiner Familie, verbracht habe. Er habe seine »freiwillige Meldung zur SS buchstäblich verflucht« und sich »mit aller Macht zurückgesehnt nach meiner alten Aufgabe in Norwegen«. Christen hatte sich also anscheinend aus Überzeugung an die Front gemeldet, wohl wissend um die militärische Situation. Er hatte sich in dieser kritischen Lage persönlich – aber auch demonstrativ – bewähren und dadurch ein »Alibi« verschaffen wollen, um sich für spätere Aufgaben zu legitimieren, wobei sowohl der Charakter des »Später« als auch der Inhalt des »Mitredens« unklar bleiben. Leider hatte er einen Fehler gemacht. Die »weltfremde Seite« seiner Ideale sei nun zerstört: »Aber die Ideale müssen bleiben!«85 Dennoch fuhr er »ohne Illusion« an die Front. Über Danzig erreichte Christen Mitte Juli 1944 Karelien.86 Am 19. September kam es zu einem separaten Waffenstillstand zwischen Finnland und der Sowjetunion, der die Finnen neben Gebietsabtretungen verpflichtete, die deutschen Truppen aus Finnland zu entfernen. Letztere willigten in den Rückzug ein, dennoch kam es in der Stadt Tornio87, unmittelbar an der Grenze zu Schweden, zu einer militärischen Auseinandersetzung, in deren Verlauf Christen am 8. Oktober leicht verwundet und dann in Kemi der Sowjetarmee als Gefangener übergeben wurde.88 Sein Krieg war nach zwölf Wochen aus.
Nachkrieg: der »Kaffeechrist« Zunächst kam Christen in das Kriegsgefangenenlager Swirstroj, 240 km nordöstlich von Leningrad. Die Bedingungen in diesem kleinen Lager scheinen – nach Berichten anderer Gefangener an das Rote Kreuz – relativ günstig gewesen zu sein: Es befanden sich dort nie mehr als 3500 Gefangene; diese mussten körperlich schwer arbeiten, bei Übererfüllung der Arbeitsnorm gab es Zusatzlebensmittel, wovon die Hälfte der Gefangenen Gebrauch machte. Das Lager verfügte über ein Hospital mit acht deutschen und drei russischen Ärzten, daneben auch über eine Bibliothek sowie eine Theater- und Musikgruppe und es gab Gele85 Ebd., alle Zitate S. 11. 86 Wo er sich genau befand, ist unklar. Die einzigen Hinweise in seinen Gedichten, »Verlei« und »Kuckucksberg«, konnten nicht identifiziert werden. 87 Vgl. den Wikipedia-Artikel unter https://en.wikipedia.org/wiki/Battle_of_Tornio [20.7.2021]. 88 Laut Akten des Suchdienstes des Roten Kreuzes, schriftliche Auskunft vom 18.12.2019. Kemi ist eine finnische Hafenstadt am Bottnischen Meerbusen.
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genheit zum Besuch von Gottesdiensten.89 Christen schrieb Gedichte, die von seiner Sehnsucht nach Hause, der harten Arbeit, dem Hunger und der persönlichen und kollektiven Selbstbehauptung handelten. Im April 1946 erhielt er zum ersten Mal Post von seiner Frau und erfuhr, dass die Familie überlebt hatte und das Haus unbeschädigt war. Aber nach seiner Verlegung in ein zweites und dann ein drittes Lager verschlechterten die Bedingungen sich für ihn dramatisch;90 allerdings brach der Kontakt mit der Familie in Hamburg nie ab, bis Christen im Dezember 1949 im »Heimkehrerlager« Gronenfelde bei Frankfurt an der Oder und am 8. Januar 1950 wieder in Hamburg eintraf. Zwei Monate später wurde er 41 Jahre alt. »War dann aber gleich voll von Elan und hat sich um – in ganz kurzer Zeit um die Firmengeschicke gekümmert. Und den Wiederaufbau gemacht«, so sein ältester Sohn Jörn-Hinrich Christen im Interview über die Rückkehr des Vaters. Konflikte habe es zwischen dem damals 14-Jährigen und seinem Vater nicht gegeben, denn »vom Vater hab ich eigentlich nicht viel erlebt und könnte jetzt also auch nichts berichten aus der Zeit«.91 Schon 1951 machte Christen seine erste Auslandsreise nach Lateinamerika und verschickte seit 1953 einen monatlichen Rundbrief unter dem Namen »Kaffee-Christ« (!) an seine alten und neuen Kunden. Selbstbewusst versprach er ihnen, »Exporteure ausfindig zu machen, die nicht nur mit Deutschland Geschäfte machen wollen, sondern auch in der Lage sind, den deutschen Ansprüchen voll zu entsprechen«.92 1955 wurde er zum Vorsitzenden des Kaffeemakler-Vereins gewählt und verwies bei dieser Gelegenheit stolz darauf, dass er diese Funktion ja »schon vor dem Krieg« innegehabt habe.93 In anderen Worten: Christen tat alles, um scheinbar nahtlos an die Vorkriegszeit anzuknüpfen und Kontinuität vorzutäuschen. 1959 allerdings, als ruinöse Konkurrenz den Kaffeehandel bedrohte, definierte Christen das »Erwerbsleben« als »[d]as Schlachtfeld des täglichen Kampfs ums Dasein«.94 Und auch in anderer Weise bezog er sich auf den Krieg, als 1957 die Familie ihre erste private Urlaubsreise ins Ausland machte – nach Norwegen. »Und da hat er uns also – zumindest Oslo und Bergen gezeigt. […] Ich glaube aber nicht, wir sind nicht bis Trondheim raufgekommen. Das war vielleicht zeitmäßig nicht drin.«95 Am 10. Jahrestag seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft schrieb Christen ein Gedicht an seine Frau, das mit den Zeilen endete: »Was wir erreicht, was wir geschafft, was damals nur schien märchenhaft / so woll’n wir in Besinnlichkeit, dem Schicksal danken, gerade heut.«96 Für ihn war die Geschichte vorbei – und gut ausgegangen. 89 90 91 92 93 94 95 96
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Ebd., Lagerspiegel Swirstroj. Ebd.; Leningrad-Stadt und Wolosowo, 80 km nördlich von Narva. Interview Jörn-Hinrich Christen (29.9.2009), Transkript, S. 3 f. Kaffee-Christ, 25.10.1956, S. 1 f., Firmenarchiv Heinrich Christen. Nämlich als von den Nazis eingesetzter »Obmann«, s. o. Kaffee-Christ, 20.10.1959, S. 2, Firmenarchiv Heinrich Christen. Interview Jörn-Hinrich Christen, Transkript, S. 4. 1.1.1960, Privatarchiv Familie Christen.
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Heinrich Christen als Fallgeschichte Was lässt sich mit dieser Geschichte anfangen? Eine Biografie verweist auf das Individuum, das von verschiedenen sozialen Faktoren und historischen Bedingungen bestimmt wird, die miteinander verflochten sind und zu persönlichen Erfahrungen führen, auf deren Grundlage dieser Mensch in seiner Welt handelt und diese, wie sich selbst, deutet: Solche Faktoren sind z. B. generationelle Lage, soziale Schichtposition, historische Gelegenheitsstrukturen, dominante Ideologien oder zeitgenössische Normalitätsvorstellungen. Jede einzelne Bedingung ist schon in sich komplex, und umso mehr gilt das für ihre verflochtene Gleichzeitigkeit. Allein auf der Makroebene kann man ihre Auswirkungen auf die historischen Subjekte nicht ausloten. Die biografische Studie dient deshalb nicht nur der Veranschaulichung, sondern sie ist auch eine Tiefenbohrung in die mentalen Strukturen einer Gesellschaft, auf welche die einzelne Biografie immer verweist, eben weil sie in ihr möglich wurde. Heinrich Christen gehört jenen Jahrgängen an, die, zwischen 1900 und 1910 geboren, zum jungen, aggressiven Kern der nationalsozialistischen Bewegung und ihrer Führer gehörten und getrieben waren von der Idee der Überlegenheit und des Sieges. Damit repräsentiert er die kleinbürgerliche Variante derer, die Michael Wildt (in seiner Studie über das Reichssicherheitshauptamt) als »Die Generation des Unbedingten« charakterisiert hat.97 Er stammte aus einem sozialen Milieu, das ihn zum Aufstieg drängte, in einer Zeit des Umbruchs, der dies begünstigte. Von der Elite, in der er Anerkennung suchte, blieb er indessen ausgeschlossen. Hier versprach die Aufsteigerbewegung des Nationalsozialismus Chancen, welche der Krieg zusätzlich beschleunigte: Christen schien – im Jahre 1943 – der Verwirklichung seines biografischen Entwurfs ganz nahe. Das führt zu irritierender Lektüre, etwa wenn Christen mehrfach Hinrichtungen und Kriegsverbrechen nicht nur in einem klaren Bekenntnis rechtfertigt, sondern ihrer Erwähnung auch, fast zwanghaft, in scharfen Schnitten Schilderungen von Vergnügen wie »Festessen« oder einen »scharfen Skat« unmittelbar folgen lässt.98 Hinzu kommt offensichtliches Beschweigen, in Christens Fall z. B. bei der Verhaftung und Deportation der Juden in Trondheim im Herbst 1942. Christens »Fall« gibt uns konkrete Einblicke in das Funktionieren der Besatzung und in das Selbstverständnis der Besatzer – und zwar im Bereich der Zivilverwaltung, über deren Akteure und Nutznießer wir weit weniger wissen als über die militärischen und polizeilichen Besatzungsorgane. Aber seine Geschichte weist über 1945 hinaus. Im deutschen Geschichtsbewusstsein repräsentiert die Bundesrepublik meist das Andere des Nationalsozialismus, weswegen die Erkenntnisse über personelle Kontinuitäten noch immer überwiegend im Modus des Skandals diskutiert werden. Tatsächlich geht es aber um das, was 97 Michael Wildt, Die Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2002. 98 Tagebuch, 11.10.1942.
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Lutz Niethammer provokativ »die Kontinuität des Volkes« genannt hat, darum, dass bis auf die Toten und Exilierten alle noch da waren oder zurückkamen und dass Nachkriegsdeutschland, insbesondere in seinem westlichen Teil, von diesem Personal aufgebaut worden ist. Zu diesem Umstand gibt es einen umfangreichen Forschungsstand, als Gesellschaft machen wir uns seine komplexe Bedeutung für unsere Gründungsgeschichte in all ihren Konsequenzen jedoch nicht klar. Die Abtrennung des Nationalsozialismus von einer scheinbar neuen Gegenwart (Ulrich Herbert spricht von der »Entwirklichung« des Nationalsozialismus99) begann ja sehr früh. In ihrem 1950 (also dem Jahr von Christens Rückkehr) erschienenen Essay »Ein Besuch in Deutschland« hat Hannah Arendt die Deutschen eindrucksvoll beschrieben: Unverbindlich und allgemein redeten sie vom Unglück des Krieges; es herrschte ein völliger Mangel an Empathie, nicht nur für die Opfer, sondern auch gegenüber den eigenen Landsleuten. Das Schweigen über die eigene Schuld wurde überdeckt von einer manischen Geschäftigkeit, mit der die Verbrechen wie die Niederlage scheinbar ungeschehen gemacht wurden.100 Der Fall Christen gibt uns einen Einblick in die individuellen Mechanismen, die hinter dieser allgemeinen Attitüde wirkten. Sein Ich-Ideal als Führer aus dem Volk war mit der Niederlage obsolet geworden. Im Juni 1946 – also in sowjetischer Kriegsgefangenschaft – schrieb er sogar ein Gedicht, in dem er, den »Führer« mit keinem Wort erwähnend, das Kollektivsubjekt »deutsches Volk« direkt ansprach, auch von dessen »eig’ner Schuld« schrieb, aber in der letzten Strophe seinen Glauben an die »Kraft« dieses Volkes und an seine anscheinend unbeschadete »Ehre« betonte und versprach, »dass unermüdlich zähe Arbeit Verlorenes« zurückbringen werde.101 Mit dieser Haltung kam er 1950 zurück nach Deutschland und machte sich tatsächlich sofort an die »Arbeit«. Von den Verbrechen, deren Zeuge er geworden und in die er sich hatte hineinziehen lassen, schwieg er ebenso wie von seiner Selbsttäuschung und der totalen Niederlage. Aber dieses Schweigen beruhte auf einer unausgesprochenen Vereinbarung zwischen den Zeitgenossen. Christen war nicht der einzige Kaffeehändler, der aus einem besetzten Land oder einer Internierung zurückkehrte, um danach sofort wieder ins Kaffeegeschäft einzusteigen. Ein Großteil der deutschen Nachkriegsgesellschaft handelte nach diesem Muster des gedankenlosen »Anpackens«. Wenn Heinrich Christen das auch als Fortsetzung des dramatischen »Kampfs ums Dasein« verstand,102 liegt es nahe, das nicht allein als Bemerkung zum Konkurrenzkampf in einer übersetzten Branche, sondern in einem weiteren Sinn zu lesen: nämlich 99 Ulrich Herbert, NS-Eliten in der Bundesrepublik. Beharrung, Anpassung, Konversion, in: Norbert Kartmann (Hrsg.), NS-Vergangenheit ehemaliger hessischer Landtagsabgeordneter. Dokumentation der Fachtagung, 14. und 15. März 2013 im Hessischen Landtag, Wiesbaden 2014, S. 87-98, hier S. 92. 100 Hannah Arendt, The Aftermath of Nazi Rule. Report from Germany, in: Commentary 10 (1950), S. 342-353 (auf Deutsch erschienen als: Besuch in Deutschland). 101 Privatarchiv Familie Christen. 102 S. o. Fußnote 94.
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als Nachkriegsvariante der nationalsozialistischen Ideologie, dass »Dasein« an sich »Kampf« bedeutete: miteinander, gegeneinander, um Wohlstand, Einfluss und Anerkennung. So sehr Christen als ein Repräsentant dieser Gesellschaft und Zeit gelten kann, so sehr gilt umgekehrt, dass gesellschaftliche Prozesse auch deshalb so wirkmächtig sind, weil sie von den Akteuren so persönlich genommen werden.
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Die regionalen Dienststellen im Reichskommissariat Norwegen Aufbau und Organisation »In einem Land wie Holland, das man in wenigen Stunden in der Diagonale mit dem Auto durchfahren könne,« so zitierte der Chef der Hauptabteilung Verwaltung des Reichskommissariats Norwegen, Hans-Reinhard Koch, seinen Vorgesetzten Josef Terboven nach Kriegsende, »würde er keine Außenstellen eingerichtet haben, sondern nur von der Zentrale aus verwalten.«1 Doch als die deutschen Truppen im Frühjahr 1940 Norwegen besetzten, sahen sie sich mit ganz anderen Entfernungen konfrontiert. Kommunikation und Transport waren eine Herausforderung in einem Land, das auf einer Länge von ungefähr 1700 Kilometern von Gebirgen und Fjorden geprägt ist. Die nördlichen zwei Drittel Norwegens waren 1940 nicht mit der Eisenbahn zu erreichen. Viele Straßen waren weder zweispurig befahrbar noch winterfest. Lediglich zwei Flughäfen standen für den zivilen Luftverkehr zur Verfügung, Sola bei Stavanger und Fornebu in Oslo. Unter diesen Bedingungen waren die Verwaltung, Kontrolle und Verteidigung des Landes eine ständige logistische Herausforderung für die deutschen Besatzer.2 Es war somit schnell offensichtlich, dass sich das Reichskommissariat in Oslo auf regionale Außenstellen stützen musste, wollte man die beiden zentralen Ziele der Okkupation verwirklichen: zum einen die wirtschaftliche Ausbeutung Norwegens als Teil eines europäischen, auf das Deutsche Reich ausgerichteten »Großraumes«; und zum anderen die politische wie militärische Absicherung eines strategisch wichtigen Flottenstützpunktes für die Kämpfe im Nordatlantik. Es ist nicht immer leicht nachzuvollziehen, worin die Aufgaben und die tagtägliche Arbeit der Mitarbeiter/innen in den Dienststellen konkret bestand. Bei manchen Dienststellen ist nicht einmal klar, wie lange und in welcher Form sie überhaupt existierten. Die Quellenlage ist schwierig, denn nur von wenigen Dienststellen liegen Überlieferungen vor. Auch 75 Jahre nach Kriegsende ist noch keine Studie erschienen, die das Funktionieren des zivilen deutschen Besatzungsapparates in den Regionen systematisch in den Blick genommen hätte.3 1 Archiv des Instituts für Zeitgeschichte München (IfZ), ZS 1689, Resumée von HansReinhard Koch, Tätigkeitsbericht der Hauptabteilung Verwaltung des Reichskommissariats, Akershus, 11.12.1945, fol. 20. 2 Christen schildert in seinem Tagebuch immer wieder die Mühen, die schon eine Dienstreise von Bergen nach Oslo bedeutete: Tagebuch, 24.6.1941, 12.1.1942 und 27.4.1942. 3 Die nach wie vor maßgebliche Studie von Bohn widmet den Dienststellen einige Seiten: Robert Bohn, Reichskommissariat Norwegen. »Nationalsozialistische Neuordnung« und Kriegswirtschaft, München 2000.
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Schon daran wird die überragende Bedeutung von Heinrich Christens Tagebuch deutlich. Christen leitete zeitweise die beiden wichtigsten Außenstellen des Reichskommissariats. Zwischen 1941 und 1943 war er einer der prominentesten Vertreter der deutschen Verwaltung außerhalb der Hauptstadt Oslo. Seine Aufzeichnungen ergänzen das bruchstückhafte Bild, das wir von Aufgaben und Organisation der Dienststellen haben. Vielmehr noch aber geben sie Aufschluss über den sozialen »Mikrokosmos Dienststelle«, über den Besatzungsalltag, den sich Historikerinnen und Historiker durch Sitzungsprotokolle, Erlasse und Geschäftsverteilungspläne nur schwer erschließen können. Im Sommer 1940 waren zunächst in Bergen und Trondheim zwei Gebietskommissare eingesetzt worden. Als sich dann schließlich im Herbst 1940 die endgültige Struktur und Stellung des Reichskommissariats herausgebildet hatten, wurden diese Gebietskommissariate aufgelöst und in mehrere Dienststellen umgewandelt.4 Im März 1941 bestanden Dienststellen bzw. ihnen untergeordnete Außenstellen in Kristiansand, Stavanger, Haugesund, Bergen, Trondheim, Harstad, Narvik, Tromsø, Alta, Hammerfest und Kirkenes.5 Hier residierten nun sogenannte Dienststellenleiter. Diese Änderung in der Nomenklatur scheint von Reichskommissar Terboven durchaus bewusst vorgenommen worden zu sein. Neben ihm sollte es keinen anderen Kommissar im Lande geben.6 Das freilich hielt einen Dienststellenleiter wie Heinrich Christen nicht davon ab, sich als »Herrscher« über sein »Königreich« Bergen zu bezeichnen.7 Die regionalen Dienststellen sollten vor Ort als Vermittlungsinstanz zwischen der Wehrmacht und den norwegischen Behörden fungieren. Ein Vermerk aus der Hauptabteilung Verwaltung des Reichskommissariats vom Dezember 1941 formulierte es sogar so, dass »die Aufgabe der zivilen deutschen Verwaltung […] in erster Linie darin [besteht], die militärischen Erfordernisse bei der norwegischen Verwaltung durchzusetzen«.8 Daher orientierte sich der Zuständigkeitsbereich der Dienststellen auch an den Grenzen der norwegischen Regie4 Reichsarchiv Oslo (RA), RAFA-2174/Eba-L0001, mappe 1, Anordnung Terbovens über die Bezeichnung der Dienststellen und Geschäftsbereich vom 19.10.1940. 5 Ebd., Organisatorische Übersicht der Hauptabteilung Verwaltung vom 12.3.1941. In Ålesund und Lillehammer wurden die Aufgaben der Dienststelle von den Kommandeuren der Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei und des SD übernommen. Die Dienststelle Lillehammer ist nach Auskunft von Rudolf Weber-Lortsch, ab Juni 1943 Leiter der Zentralabteilung der Hauptabteilung Verwaltung, nie vollständig ausgebaut worden: RA, Landssvikarkiv, Oslo Politikammer B 3061 (Verfahren gegen Carlo Otte), Aussage Rudolf Weber-Lortsch vom 4.12.1945, S. 13. Ein Dokument aus der Hauptabteilung Verwaltung vom Dezember 1941 erwähnt eine noch zu errichtende Dienststelle in Kongsberg, außerdem, dass die Dienststellen in Hammerfest und Alta aufgelöst werden sollen. Keine dieser Dienststellen scheint von größerer Bedeutung gewesen zu sein: RA, RAFA-2174/ Eba-L0001, mappe 1, Vermerk vom 1.12.1941. Auch ist etwas unklar, welche Bedeutung die Dienststellen Harstad und Haugesund tatsächlich besaßen. 6 Bohn, Reichskommissariat Norwegen, S. 66. 7 Tagebuch, 26.4. und 28.9.1941. 8 RA, RAFA-2174/Eba-L0001, mappe 1, Vermerk aus der Hauptabteilung Volkswirtschaft vom 1.12.1941.
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rungsbezirke (fylker). Diese Beschreibung steht in einem gewissen Widerspruch zu der Tatsache, dass die Dienststellen an sich kein Weisungsrecht gegenüber der norwegischen Verwaltung hatten. Sie erhielten ihre Anweisungen aus Oslo und sollten lediglich Reichskommissar Terbovens Augen und Ohren sowie bei Bedarf der verlängerte Arm Oslos in den Regionen sein.9 Tatsächlich bestand ein großer Teil ihrer Arbeit darin, Erhebungen zur landwirtschaftlichen und industriellen Produktion durchzuführen und monatliche Berichte nach Oslo zu senden. Dennoch dürfen der Handlungsspielraum und die Verantwortung der Dienststellenleiter keinesfalls unterschätzt werden – wie Bjarte Brulands Beitrag in diesem Band eindrucksvoll zeigt. Die obligatorischen Verweise auf den begrenzten Einfluss der Dienststellen und den »allmächtigen« Terboven, die sich in den Verhören deutscher Beamter nach Kriegsende finden, sollten stets kritisch hinterfragt werden. Das Abschieben von Verantwortung auf den Reichskommissar, der sich »praktischerweise« in den letzten Kriegstagen das Leben genommen hatte, war immer auch Verteidigungsstrategie. Der Aufbau der Dienststellen folgte im Prinzip dem des Reichskommissariats in Oslo mit seinen Hauptabteilungen für Verwaltung, Volkswirtschaft, Volksaufklärung und Propaganda sowie, ab 1942, Technik. Eine Abteilung Verwaltung bearbeitete die inneren Angelegenheiten der Dienststelle. Die Abteilung für Volksaufklärung und Propaganda sollte durch Pressearbeit, Propagandaaktionen und kulturelle Veranstaltungen die Verbindungen zwischen Norweger/ innen und Deutschen stärken und die Bevölkerung vor Ort für die Sache der Besatzungsmacht gewinnen. Wenngleich Widerstand mit aller Härte bestraft wurde, so war es doch das erklärte Ziel, die »arischen« Brüder und Schwestern im Laufe der Zeit von den nationalsozialistischen Vorstellungen zu überzeugen. Eine Wirtschaftsabteilung war für lokale Wirtschafts- und Versorgungsfragen zuständig. Als Hitler im Frühjahr 1942 den Befehl gab, die norwegische Küste zu einer uneinnehmbaren Festung auszubauen und die Mobilität der Wehrmacht durch den Ausbau von Bahnstrecken und Straßen zu erhöhen, wurde die paramilitärische Baueinheit des Dritten Reichs, die Organisation Todt (OT), nach Norwegen entsandt.10 Im Zuge dessen wurde die ursprünglich der Hauptabteilung Volkswirtschaft untergeordnete Abteilung Technik im April 1942 zu einer eigenen Hauptabteilung erhoben. Sie und der Apparat der OT wurden sowohl in Oslo als auch in den Dienststellen von denselben Fachleuten in Personalunion geführt. Welchen Status und Umfang die jeweiligen Abteilungen innerhalb der Dienststellen hatten, hing stark von den lokalen Erfordernissen ab und war ständigen Veränderungen unterworfen. Nicht immer waren alle Abteilungen vorhanden. Manche Dienststellen, gerade im hohen Norden, fungierten lediglich als Kontaktpunkte in der Nähe wichtiger Industriestandorte oder militärischer 9 IfZ, ZS 1689, Tätigkeitsbericht Hans-Reinhard Koch, fol. 20. 10 Simon Gogl, Laying the Foundations of Occupation. Organisation Todt and the German Construction Industry in Occupied Norway, Berlin/Boston 2020.
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Bauvorhaben und verfügten daher beispielsweise über keine eigenen Propagandaabteilungen. Welche Machtbefugnisse die Beamten und Angestellten in den Dienststellen hatten, scheint weniger klar gewesen zu sein, als es manche Nachkriegsdarstellung suggeriert. Jedenfalls bittet Heinrich Christen bei Antritt seiner Position als Dienststellenleiter im Januar 1941 mehrfach die Hauptabteilung Volkswirtschaft in Oslo, »nach fast 9 monatiger Existenz von Aussenstellen des Reichskommissars einmal nach innen und aussen klar die Befugnisse, Rechte und Pflichten der jetzigen Dienststellen festzulegen«.11 Sichtlich verstimmt berichtet Christen, dass ihm der ordfører (Bürgermeister) der Stadt Bergen mitgeteilt habe, dass eine Dienststelle grundsätzlich keine Weisungsbefugnis gegenüber norwegischen Behörden habe. Derlei Unklarheiten scheinen auch beinahe ein Jahr später noch bestanden zu haben, als Christen im Vorfeld einer Dienststellenleitertagung darum bat, eine Diskussion über »die grundsätzliche Struktur der Dienststellen« und über »die Mitwirkung der Dienststellen bei Ein- und Absetzung von norw. Beamten unter besonderer Berücksichtigung der NS-Personalpolitik« auf die Tagesordnung zu setzen.12 Mehrere Dienststellenleiter wünschten auch eine Klärung des Verhältnisses zu den Wirtschaftsstellen der Wehrmacht, die sich unter Verweis auf die Kriegslage allzu oft nicht an getroffene Vereinbarungen gebunden sahen. Gegen Ende von Christens Zeit in Trondheim kam es offenbar zu einem Machtkampf mit dem dortigen Wehrwirtschaftsoffizier, als Christen versuchte, die Kontrolle über das lokale Wirtschaftsgeschehen an sich zu ziehen. Auch zu diesem späten Zeitpunkt also, im Herbst 1942, scheinen die Kompetenzen zwischen Militär und Reichskommissariat auf diesem Gebiet immer noch nicht eindeutig geklärt gewesen zu sein. Christen gibt sich hier übrigens recht selbstbewusst und erinnert daran, dass er schon in Bergen einmal einen Wehrwirtschaftsoffizier »abgeschossen« habe.13 Auch zwischen den Dienststellen und in ihrem Innern kam es immer wieder zu Reibereien und Machtkämpfen. So versuchten beispielsweise sowohl Heinrich Christen in Bergen als auch der Leiter der Dienststelle Kristiansand aus wirtschaftlichen Überlegungen, die Dienststelle Stavanger zu absorbieren.14 Schon einige Monate zuvor hatte Kristiansand erfolglos versucht, die Zuständigkeit für die fylke Telemark zu erlangen.15 Die bewusst nicht immer eindeutig abgegrenzten Machtbereiche ermöglichten es ambitionierten Dienststellenleitern, sich hervorzutun. Terboven war an diesem
11 RA, RAFA-2174/Eba-L0001, mappe 1, Schreiben Christen an Hauptabteilung Volkswirtschaft des RK vom 29.1.1941. 12 Ebd., Telegramm Christen an den Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete, z. Hd. von Herrn Regierungspräsident Koch, vom 4.12.1941. 13 Tagebuch, 4.10.1942. 14 RA, RAFA-2174/Eba-L0001, mappe 1, Vermerk aus der Hauptabteilung Volkswirtschaft betreffend Abgrenzung der Dienststellenbereiche vom 24.10.1941, S. 7 f. 15 Ebd., Schreiben des Leiters der Dienststelle Kristiansand, Wenger, an die Hauptabteilung Verwaltung vom 27.1.1941.
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»freien Spiel der Kräfte«, das er als wesentliche Triebkraft in einem dynamischen und schlagkräftigen Besatzungsapparat verstand, durchaus gelegen.16 Der wohl detaillierteste Bericht über die Tätigkeiten einer Dienststelle ist vom ehemaligen Dienststellenleiter in Narvik, Herbert Freiherr v. Stackelberg, 1945 während seiner Haft in der Festung Akershus in Oslo angefertigt worden.17 Laut diesem lag das Hauptaugenmerk der Abteilung Verwaltung in Narvik darauf, den Kontakt zu norwegischen Behörden zu halten und insbesondere bei Konflikten mit der Wehrmacht vermittelnd einzugreifen. Anscheinend waren es vor allem die andauernden Inanspruchnahmen von Grundstücken und Gebäuden durch die Wehrmacht für taktische, militärische und Quartierzwecke, die auf norwegischer Seite für Unmut sorgten. Innerhalb der Dienststellen waren es aber die lokalen Wirtschaftsabteilungen, die in Narvik und andernorts die überragende Rolle spielten. Bisweilen waren den Dienststellen spezielle Beauftragte oder Sachverständige beigeordnet, wenn die deutschen Interessen in der Region dies notwendig machten. In Narvik beispielsweise, wo der Fischfang und der Bergbau von großer Bedeutung waren, wurden diese Wirtschaftszweige von eigenen Sachverständigen betreut. Die Ausbeutung der norwegischen Gruben diente der deutschen Rüstungswirtschaft. Unter anderem wurden hier Molybdän und Schwefelkies gefördert. Mit norwegischem Fisch wiederum sollte die Versorgung der deutschen Bevölkerung verbessert werden. In Bodø wurde dafür eine Fabrik errichtet, in der Fisch filetiert und tiefgefroren wurde. Die Dienststelle sollte den Überblick über Produktionsmengen behalten und auch Arbeitskräfte vermitteln. In den Anlagen der A/S Frostfilet in Bodø bestand die Belegschaft vornehmlich aus sowjetischen Zwangsarbeiterinnen. Neben weiteren Aspekten hebt der Bericht v. Stackelbergs vor allem den Beitrag der Dienststellen zur Versorgung der norwegischen Zivilbevölkerung hervor, ebenso wie die im Allgemeinen sachbezogene und einvernehmliche Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Besetzten. Auch hier sollte nicht vergessen werden, dass deutsche Verantwortliche nach dem Krieg natürlich allen Grund hatten, solche Aspekte herauszustreichen. Außerdem begegneten sich die Angehörigen der Dienststellen und die einheimische Verwaltung nie auf Augenhöhe, sondern vor dem Hintergrund einer latenten Drohkulisse aus Militär und Sicherheitsapparat. Es bestand ein deutlicher Widerspruch zwischen dem Besatzungsalltag und dem beschönigenden Bild, das der Bericht von der Arbeit der Dienststelle entwirft. Ganz falsch ist die Betonung der Vermittlerrolle aber dennoch nicht. Tatsächlich war von den Leitern und Mitarbeiter/innen der Dienststellen diplomatisches Geschick gefordert. Die deutsche Besatzung war auf das mehr oder weniger reibungslose Funktionieren der norwegischen Verwaltung angewiesen. 16 Bohn, Reichskommissariat Norwegen, S. 57-60, 66. 17 RA, Landssvikarkiv, Oslo Politikammer B 3061 (Verfahren gegen Carlo Otte), Aussage Herbert Freiherr v. Stackelberg vom 21.11.1945. Vor seinem Einsatz in Narvik hatte v. Stackelberg in Trondheim unter Christen gearbeitet.
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Das ergab sich schon allein aus der dünnen Personaldecke der deutschen Zivilverwaltung, wie sie für alle Länder des besetzten Nord- und Westeuropa beobachtet worden ist. In der Phase seiner größten Ausdehnung arbeiteten rund 700 Männer und Frauen in der Behörde des Reichskommissariats in Oslo und in den Dienststellen im Lande.18 Diese im Verhältnis zur Größe des Landes bemerkenswert niedrige Zahl schloss auch Norweger/innen mit ein, die etwa als Schreibkräfte oder Fahrer arbeiteten oder in den Presse- und Propagandastellen tätig waren. Anlässlich einer Inspektion der Bergenser Dienststelle durch den Reichskommissar wurde gar kommentiert, Christen beschäftige »eigentlich viel zu viele Norweger«.19 So wurden die Dienststellen in der täglichen Arbeit sowie bei Kasino- und Kegelabenden zu Orten des Austauschs zwischen Einheimischen und Besatzern. Die Dienststelle Narvik, die für ein Gebiet von ungefähr 20.000 Quadratkilometern zuständig war, verfügte über etwa 20 Mitarbeiter/innen zuzüglich Fahrern und Kasinopersonal.20 Der Personalbestand der Dienststelle Bergen umfasste im Februar 1941 28 Personen.21 Heinrich Christen berichtet von den Problemen, genügend Personal für seine Dienststelle zu finden,22 während im Herbst 1941 die Idee zur Errichtung einer eigenen Dienststelle im nordnorwegischen Bodø »wegen der bestehenden Personalschwierigkeiten« verworfen werden musste.23 Manche Dienststellen bestanden gar nur aus einem Leiter und ein bis zwei Schreibkräften. Die Dienststellen verloren zudem regelmäßig fähige und mit den lokalen Gegebenheiten vertraute Kräfte durch Versetzungen oder Einberufungen. Aus dieser knappen Skizze ergibt sich gewissermaßen das Aufgaben- und Anforderungsprofil eines Dienststellenleiters wie Heinrich Christen. Mit begrenzten Ressourcen sollte er sicherstellen, dass sich die norwegische Bevölkerung ruhig verhielt und ihren wirtschaftlichen Beitrag zur deutschen Kriegsführung leistete – sei es nun aus Furcht vor Repressalien oder aus Opportunismus, aus einer wirtschaftlichen Zwangslage oder weil man an der gewaltigen Nachfrage der Besatzungsmacht verdienen wollte. Oft bemühte sich Christen auch, lokale norwegische Interessen gegenüber der Wehrmacht zu verteidigen. Nicht etwa, weil er mit den langfristigen Zielen der Besatzung nicht einverstanden gewesen wäre. Vielmehr fürchtete er – eine Furcht, die die Wirtschafts- und Finanz18 Bohn, Reichskommissariat Norwegen, S. 69; Stein Ugelvik Larsen, Etterord, in: ders. (Hrsg.), Okkupantens dagbok. Heinrich Christens dagbok fra Bergen og Trondheim 1941-1943, Oslo 2009, S. 202-234, hier S. 206. 19 Tagebuch, 27.7.1941. 20 RA, Landssvikarkiv, Oslo Politikammer B 3061 (Verfahren gegen Carlo Otte), Aussage Herbert Freiherr v. Stackelberg vom 21.11.1945, S. 12. 21 RA, RAFA-2174/Eba-L0001, mappe 1, Abschrift eines Berichts der Dienststelle Bergen vom 8.2.1941, gesendet von der Hauptabteilung Volkswirtschaft an die Hauptabteilung Verwaltung des RK am 21.2.1941. 22 Tagebuch, 18.6.1942 und 12.8.1942. 23 RA, RAFA-2174/Eba-L0001, mappe 1, Vermerk aus der Hauptabteilung Volkswirtschaft betreffend Abgrenzung der Dienststellenbereiche vom 24.10.1941, S. 4.
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fachleute im Reichskommissariat insgesamt umtrieb –, dass die Wehrmacht im Begriff war, die Kuh zu schlachten, die man noch melken wollte. Die Führungskräfte in den Dienststellen mussten also vor allem geschickte Diplomaten und Moderatoren in einer komplizierten politischen Landschaft sein. Im Folgenden wird dieser Beitrag anhand von Heinrich Christens Tagebuch untersuchen, wie der Hamburger Kaffeehändler sich im »Mikrokosmos Dienststelle« bewegte, um zwei der zentralen Ziele der Besatzung zu verwirklichen: die wirtschaftliche Ausbeutung Norwegens und die Sicherung der nationalsozialistischen Herrschaft im Lande.
Wirtschaftliche Ausbeutung In den fünf Jahren unter deutscher Besatzung erlebte Norwegen eine beispiellose Umstellung seiner Wirtschaft, die sich nun an den Anforderungen und Zielen der Besatzer zu orientieren hatte.24 Zunächst bedeuteten natürlich die Anwesenheit von weit über 300.000 Besatzungssoldaten und deren Versorgung eine große Belastung für ein Land, das zum Zeitpunkt der Besetzung nur ungefähr drei Millionen Einwohner hatte. Die Dienststellen sollten dafür sorgen, dass die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt war und die lokale Wirtschaftstätigkeit auch in Krisensituationen weiterlief. Sie hatten Einfluss auf die regionale Versorgung und die Rationierungsmaßnahmen, beispielsweise bei der Zuteilung von Kohle und Fisch. Als während des Angriffs auf die Sowjetunion im Sommer 1941 Bergen und Umgebung kurzzeitig zur militärischen Sperrzone erklärt wurden, fiel Christen die Aufgabe zu, die Lebensmittelversorgung und Güterproduktion in dieser Zone aufrechtzuerhalten. Hier reüssierte Christen als der patriarchale Organisator, denn während die Stadtväter angeblich »auch diesmal völlig ratlos« waren, konnte Christen ihnen erzählen, »was schon während ihrer Sonntagsruhe für sie und das Wohl der ihnen anvertrauten Bevölkerung geschehen sei«.25 In solchen Situationen fungierten die Dienststellen als Vermittler und Ansprechpartner für die norwegischen Amtsträger. Auch sonst ging es häufig darum, Lösungen zu finden, wenn die Wehrmacht beispielsweise Gebäude und Grundstücke für ihre Vorhaben beschlagnahmte. In Bergen erhielt Christen Besuch von einer norwegischen Abordnung, als die Wehrmacht im Stadtteil Laksevåg Grundstücke der Bergenske Dampskibsselskab und der Bergen Mekaniske Verksted in Anspruch nahm.26 Das Reichskommissariat war durchaus an einem möglichst ungestörten Weiterlaufen der norwegischen Wirtschaft und einer guten Versorgung der Bevölkerung interessiert, denn letztlich war dies auch im deutschen Interesse. Somit traten die Dienststellenleiter oft als Fürsprecher 24 Harald Espeli, Economic Consequences of the German Occupation of Norway, 19401945, in: Scandinavian Journal of History 38 (2013), 4, S. 502-524. 25 Tagebuch, 23.6.1941. 26 Tagebuch, 3.3.1941.
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norwegischer Belange auf und befanden – oder wähnten – sich in einer Position irgendwo zwischen Besatzer und Landesvater, wie sich an Heinrich Christen leicht beobachten lässt. Der Aufsteiger Christen war erkennbar geschmeichelt davon, kraft seiner Position mit der Bergenser upper class auf Augenhöhe verkehren zu können. Wichtige norwegische Persönlichkeiten gingen in seiner Dienstwohnung und seinem Büro ein und aus. Von den Aufwartungen der Norweger/ innen bei seinem Abschied aus Bergen war er geradezu gerührt.27 Wenn er es für nötig hielt, war Christen aber durchaus bereit, auch eine härtere Linie in der Wirtschaftspolitik zu verfolgen. So ging es im bereits erwähnten Schreiben an die Hauptabteilung Volkswirtschaft vom 29. Januar 1941 konkret um die Klärung der Frage, ob er die Machtbefugnis habe, Bergenser Unternehmen zu Lieferungen an die Wehrmacht zu zwingen.28 Im Februar 1941 hatte er offenbar einem lokalen Wirtschaftsvertreter gar mit Verhaftung gedroht, wohl um sich in der Frühphase seiner Amtszeit in Bergen Respekt zu verschaffen.29 Auf lange Sicht sollte Norwegen Teil eines europäischen »Großraums« werden, in dem sich die nationalen Ökonomien der besetzten Gebiete am deutschen Zentrum ausrichten und ihm zuarbeiten sollten. Übergeordnetes strategisches Ziel war die Schaffung eines Wirtschaftsraums, der weitgehend autark und im Kriegsfall nicht mehr durch eine Blockade des überseeischen Handels verwundbar war. Norwegen war für das Reich besonders wegen seiner Roherze und Halbfabrikate interessant, da diese in der deutschen Rüstungsproduktion Verwendung fanden. Bedeutend waren vor allem Eisenerz, Schwefelkies, Kupfer, Nickel, Zink und Molybdän. Ein Standortvorteil Norwegens lag darüber hinaus im Vorhandensein von günstiger Energie in Form enormer Wasserkraftreserven, die zum Beispiel für die besonders energieintensive Stickstoffproduktion (Düngemittel) genutzt wurden. Die Aussicht auf günstige Energie bildete auch die Grundlage für die Pläne von Reichsluftfahrtminister Hermann Göring zu einem massiven Ausbau der Aluminiumproduktion zugunsten der deutschen Luftrüstung, denn auch die Herstellung von Aluminium war sehr energieaufwendig.30 Für eine Stadt wie Bergen etwa bedeuteten die deutschen Großraumpläne die Vision von der Ansiedlung energieintensiver, auf den deutschen Bedarf hin ausgerichteter Industrien, während der Handel (gemeint war wohl vor allem der mit Großbritannien) nicht weiter gefördert werden sollte.31
27 Tagebucheinträge aus der ersten Maihälfte 1942. 28 RA, RAFA-2174/Eba-L0001, mappe 1, Schreiben Christen an Hauptabteilung Volkswirtschaft des RK vom 29.1.1941. 29 Tagebuch, 1.3.1941. 30 Fritz Petrick, Der »Leichtmetallausbau Norwegen« 1940-1945. Eine Studie zur deutschen Expansions- und Okkupationspolitik in Nordeuropa, Frankfurt a. M. 1992; Bohn, Reichskommissariat Norwegen; Hans Otto Frøland/Mats Ingulstad/Jonas Scherner (Hrsg.), Industrial Collaboration in Nazi-Occupied Europe. Norway in Context, London 2016. 31 Bergen stellt sich um, in: Deutsche Zeitung in Norwegen, 25.6.1942, S. 5.
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In diesem Zusammenhang lag die Aufgabe der Dienststellen primär darin, die lokalen Produktionszahlen zu erfassen und auf Versorgungsschwierigkeiten oder andere Probleme hinzuweisen. Die Erkenntnisse wurden in monatlichen Berichten nach Oslo übermittelt, wo sie ausgewertet wurden und den Hauptabteilungen als Arbeitsgrundlage dienten. Bisweilen informierte Christen sich auch persönlich bei wichtigen Unternehmen oder am Ort großer industrieller Bauvorhaben. Auf einer mehrtägigen Reise durch Westnorwegen besuchte er im September 1941 das geplante Aluminiumwerk der deutschgeführten A/S Nordag in Årdalstangen und die dazugehörigen Anlagen zur Produktion der notwendigen Wasserkraft in Årdal und am Tyin-See. Auch die Reise mit dem Reichskommissar durch Nordnorwegen im Juli 1942 diente der Besichtigung wichtiger Industrien und Bauprojekte, darunter die Anlagen der A/S Frostfilet in Bodø. Dort sah Christen mit eigenen Augen die Arbeitsbedingungen der »800 Ukrainer«, die hier im nördlichsten Abschnitt seines Trondheimer Herrschaftsbereichs Zwangsarbeit leisten mussten. Es scheint beinahe so, als hätte diese Konfrontation mit der Realität des Zwangsarbeitereinsatzes Christen Unbehagen bereitet. Er kommentiert das Gesehene knapp (»Für kein Geld möchte ich dort arbeiten«), bevor er sich wieder Beschreibungen der majestätischen Landschaft Nordnorwegens widmet.32 Ebenfalls in seiner Trondheimer Zeit besuchte er im Oktober 1942 Løkken Verk, wo in der größten derartigen Grube Nordeuropas Schwefelkies gefördert wurde, aus dem im nahegelegenen Thamshavn Schwefel und das rüstungswichtige Kupfer gewonnen wurden. Diese Fahrten blieben aber vereinzelte Stippvisiten. Aufgrund der Größe des Landes und der begrenzten personellen Ressourcen waren die Dienststellen des Reichskommissariats weit davon entfernt, eine engmaschige Wirtschaftskontrolle einführen zu können. Sowohl norwegischen wie auch deutschen Unternehmen blieb vor Ort reichlich Handlungsspielraum, um zwischen eigenen langfristigen Interessen und den Anforderungen der Besatzungsbehörden zu manövrieren. Christens Tagebuch vermittelt den Eindruck, als wäre die Berichtsarbeit des Dienststellenleiters angesichts der zahlreichen Festessen, Empfänge und Konzertabende manchmal etwas in den Hintergrund geraten.33 Das Bauen wurde schnell zum dominierenden Wirtschaftszweig im besetzten Norwegen. Die Vorhaben zur Erhöhung der wirtschaftlichen Kapazitäten machten hohe Investitionen der Besatzer in Verkehrswege und Anlagen notwendig. In den ersten zwei Jahren der Besatzung wurden 474 Kilometer Straßen neu gebaut, zahlreiche weitere zweispurig ausgebaut und 106 Brücken wiederhergestellt. In Kristiansund wurde Wohnraum und in Narvik der Hafen wiedererrichtet, welche bei den Kämpfen im Jahr 1940 zerstört worden waren. Für die Küstenbefestigung mit Bunkern, Geschützen und Luftabwehrständen wurden enorme Mengen Beton gegossen und Fels gesprengt. Für die Mannschaften der Anlagen errichtete man 767 Baracken, 605 feste Holzhäuser und elf Barackenlager. Bei32 Tagebuch, 14.7.1942. 33 Tagebuch, 7.10.1941.
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nahe 2.000 Baracken wurden für die SS, Marine, Polizei und andere Institutionen errichtet.34 Ab dem Frühjahr 1942 führte das sogenannte »Wiking-Programm« mit seinen riesigen militärischen Bauprojekten zu einer weiteren Ausdehnung des Bausektors. Die OT wurde beauftragt, entlang der Küste einen Riegel aus Bunkern und Gefechtsstellungen zu errichten, der sozusagen als nördlicher Arm des Atlantikwalls die »Festung Norwegen« gegen eine alliierte Invasion absichern sollte. Flughäfen und Straßen wurden ausgebaut. Um die deutschen Truppen an der Murmanskfront versorgen zu können, wurde das utopische Projekt einer 1.200 Kilometer langen Eisenbahnlinie durch Nordnorwegen vorangetrieben. In Bergen und Trondheim wurden große U-Boot-Bunker errichtet. Mit diesen beiden Stützpunkten wollte die deutsche Marine verhindern, im Falle einer Blockade in der Nordsee eingeschlossen zu werden.35 Besonders Trondheim kam in den deutschen Plänen eine wichtige Rolle als nördlichste Großstadt des deutschen Machtbereichs zu. Dazu sollte die Stadt stark ausgebaut werden. In seinem Abschiedsinterview am Ende seiner Trondheimer Zeit entwarf Christen in diesem Zusammenhang eine rosige Zukunftsvision der Stadt, in der die Schiffs-, die Werft- und die Fischverarbeitungsindustrie tragende Säulen des Wirtschaftslebens sein sollten.36 Nach dem Eintreffen der OT wurden die Technikabteilungen der Dienststellen im September 1942 mit den Bauleitungen der OT verschmolzen. Der Leiter der »OT-Einsatzgruppe Wiking« in Oslo, Willi Henne, und der Kopf der OT in Berlin, Rüstungsminister Albert Speer, verfügten über direkten Zugang zu Hitler. Die Wehrmacht war es wiederum, die die Bauten »bestellte« und die notwendigen Baumaterialien zur Verfügung stellte. Die Bauten wurden von ungefähr 500 deutschen und zahlreichen kleineren norwegischen Bauunternehmen ausgeführt. Zehntausende Zwangsarbeiter, unter denen sowjetische Kriegsgefangene die größte Gruppe bildeten, wurden zu diesem Zweck nach Norwegen gebracht. Finanziert wurden die Vorhaben zum einen Teil aus dem deutschen Kriegshaushalt, zum anderen aus Mitteln, welche die norwegische Nationalbank den deutschen Besatzern zur Verfügung stellen musste. Man kann also durchaus sagen, dass mit dem Auftreten der OT im Frühjahr 1942 ein Machtverlust des Reichskommissariats auf diesem wichtigen Sektor einherging. Interessanterweise scheint dies Heinrich Christen in Trondheim nicht so empfunden zu haben. Mit Willi Henne komme er glänzend aus, und durch die Verbindung mit der OT sei nun (wenn auch nur auf dem Papier) die wichtigste Oberbauleitung der OT in Norwegen seiner Dienststelle angegliedert: »Sachlich bedeutet das zweifellos eine erhebliche Verbesserung – vor Allem 34 RA, RAFA-2174/Ef-L0002, mappe 9, Angaben bzw. Entwurf für den Führerbericht betr. Leistungen der Hauptabteilung Technik im zweiten Jahr seit Bestehen des Reichskommissariats, 3.2. und 9.2.1942. 35 Zu den deutschen Bauprojekten im besetzten Norwegen siehe: Gogl, Laying the Foundations. 36 Dienststellenleiter Christen forlater Trondheim og drar til fronten, in: Adressavisen, 2.10.1943.
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in der in Kriegszeiten nun mal notwendigen Stoßkraft.«37 Die Dienststellen waren in viele praktische Fragen rund um den Baueinsatz involviert, wie die Versorgung der Bauarbeiter, Urlauberheimfahrten oder die Bereitstellung von Lastwagen und Schiffsraum. Einen wirklich entscheidenden Einfluss auf das Baugeschehen erlangte das Reichskommissariat aber nicht mehr. So oblag dem RK und seinen Dienststellen eigentlich die Überwachung von Baupreisen und Bauarbeiterlöhnen. Um die norwegischen Finanzen nicht vollends aus dem Gleichgewicht zu bringen, waren auch deutsche Stellen wie Wehrmacht und OT diesen Preisregulierungen des Reichskommissariats unterworfen. Unter Verweis auf die Notwendigkeiten des Krieges reizte indes speziell die Wehrmacht die zulässigen Preissätze maximal aus oder ignorierte sie ganz. Schon im Februar 1942, kurz nachdem das Reichskommissariat neue Richtlinien zur Kostenbegrenzung im Bausektor erlassen hatte, führte dies zu der kuriosen Situation, dass die Abteilung Technik der Dienststelle Bergen in Oslo anfragte, ob man norwegischen Bauunternehmen höhere Preissätze zahlen dürfe. Andernfalls habe man im Kampf um Unternehmen und Arbeitskraft schlicht keine Chance gegen die spendierfreudige Wehrmacht.38
Herrschaftssicherung und Propaganda Der zweite große Aufgabenbereich der Dienststellen im Reichskommissariat Norwegen lag auf der politischen und propagandistischen Ebene. Während der Besatzung stand die Herrschaftssicherung, das Aufrechterhalten von Ruhe und Ordnung, im Zentrum des deutschen Interesses. Solange die lokale norwegische Politik und Verwaltung geräuschlos weiterarbeiteten, wollte man sich mit Eingriffen in politische und personelle Detailfragen zurückhalten. Die Dienststellenleiter befanden sich in einem ständigen Dialog mit den norwegischen Repräsentanten wie dem ordfører (Bürgermeister), den lensmenn, die polizeiliche Aufgaben in den Bezirken übernahmen, oder den als fylkesmenn bezeichneten regionalen Regierungspräsidenten. Heinrich Christens Tagebuch ist voll von Berichten über diese Treffen, die sowohl im offiziellen als auch im privaten Rahmen stattfanden. Hier war der Diplomat Christen gefragt, der die Stimmung auf norwegischer Seite zu sondieren, ebenso oft aber auch Entscheidungen des Reichskommissariats in Oslo und der Wehrmacht zu erklären hatte. Gradmesser für den Erfolg seiner diplomatischen Bemühungen scheint für Christen nicht selten die Menge des an einem Abend konsumierten Alkohols gewesen zu sein.39 Die wohl größte politische Herausforderung lag für Christen darin, den Machtanspruch der nach deutschem Vorbild aufgebauten nationalsozialisti37 Tagebuch, 27.9.1942. 38 RA, RAFA-2174, Ef-L0001, mappe 7, Schreiben Thote, Oberbauleitung West in Bergen, an die Abteilung Technik des RK in Oslo vom 7.2.1942. 39 Vgl. den Beitrag von Maria Fritsche in diesem Band.
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schen Nasjonal Samling (NS) unter Vidkun Quisling auf lokaler Ebene zu moderieren. Trotz aller ideologischen Nähe galt die NS im deutschen Besatzungsapparat weithin als eine Gruppe politischer Amateure ohne Rückhalt in der Bevölkerung, die den deutschen Zielen eher im Weg stand. Heinrich Christen war hier keine Ausnahme. Im Frühjahr und Sommer 1941 drohte der Streit um die Besetzung des Bergenser Stadtrats zu eskalieren. Der konservative ordfører Asbjørn Stensaker, zu dem Christen ein sehr gutes Verhältnis pflegte, drohte angesichts der selbstbewussten NS-Forderungen nach Sitzen im Stadtrat mit seinem Rücktritt. In den Folgemonaten stärkte Christen seinem »Freund«40 Stensaker mehrfach den Rücken. Erst im März 1942, nachdem Vidkun Quisling zum Ministerpräsidenten ernannt worden war, räumte Stensaker das Amt des ordfører in Bergen für den NS-Mann Alf Johannesen. Christen macht in seinem Tagebuch keinen Hehl aus seiner Haltung gegenüber den NS-Politikern. Wegen einer Partei, die im April 1942 in Bergen über eine Mitgliederbasis von nur einem Prozent der Bevölkerung verfügte,41 habe man sich alle Sympathien in der norwegischen Bevölkerung verscherzt. Was Christen besonders zuzusetzen schien, war, dass er NS-Politiker nicht in gleicher Weise »absetzen und einsperren« könne wie die sogenannten Jøssinger, also jene Norweger/innen, die auf der Seite der Alliierten standen.42 Die Ernennung des Nationalsozialisten Quisling zum Ministerpräsidenten erlebte Christen als Beschneidung seiner Macht, da man der norwegischen Regierung nun nichts mehr befehlen könne, sondern sie vielmehr hofieren müsse.43 Ähnlich kritisch äußerte sich Christen auch zur deutschen Besatzungspolitik und den strategischen Entscheidungen des Reichskommissariats in Oslo. Immer wieder sah er seine Bemühungen um die Stimmung in der norwegischen Bevölkerung durch die deutsche »Holzhammerpolitik« torpediert. Den Leitern der Osloer Hauptabteilungen Volkswirtschaft bzw. Volksaufklärung und Propaganda, Carlo Otte und Georg Wilhelm Müller, attestierte er eine »primitive[] Unbekümmertheit« und einen »völligen Mangel an Psychologie«. Anlass war der Konflikt um die Bebauung der Halbinsel Nordnes in der Bergenser Innenstadt, wo ein alliierter Luftangriff im Juni 1940 beträchtliche Zerstörungen angerichtet hatte. Frustriert wandten sich die Norweger an Christen, da Oslo sich jegliche Entscheidungen über die zukünftige Gestaltung des Stadtteils vorbehielt: »Wir sind scheinbar schon so weit, dass die Norweger nicht einmal mehr einen öffentlichen Lokus ohne unsere ›vorherige Zustimmung‹ bauen dürfen. Und dann erwarten diese Herren ›freundschaftliche Gefühle‹ auf Seiten der Norweger.«44 Christen schien eher eine Besatzungspolitik wie in Dänemark vorzuschweben, 40 So bezeichnet Christen Stensaker im Tagebucheintrag vom 4.10.1941. 41 RA, RAFA-2174/Eba-L0043, mappe 1, Stichpunkte aus dem Lagebericht der Dienststelle Bergen für den Monat April 1942, vorzulegen dem Herrn Reichskommissar, 20.5.1942. 42 Tagebuch, 27.11.1941. 43 Tagebuch, 5.2.1942. 44 Tagebuch, 5.6.1941.
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wo in weit größerem Maße hinter den Kulissen gearbeitet und der politische Einfluss primär über die deutsche Botschaft in Kopenhagen ausgeübt wurde. In seinem Tagebuch findet Christen oftmals verblüffend offene Worte. Im Juli 1941 beklagte er, »dass wir in den Ländern, die wir besetzt halten[,] vorher so viele pol. Dummheiten gemacht haben, sodass die Welt zwischen bolschewistischer und nazistischer Knechtschaft, oder G.P.U. und Gestapo wenig Unterschied macht. Es sind nicht immer die schlechtesten Menschen, die uns nicht mehr glauben, vor allem dann nicht, wenn wir von der Freiheit der Völker reden.«45 Den im September 1941 in Oslo verhängten Ausnahmezustand mit seinen Verhaftungen und Hinrichtungen kommentierte Christen zurückhaltend. Auch wenn die Norweger/innen die Besatzer nun wenigstens fürchten würden, so wären doch auch die langen und teuren propagandistischen Bemühungen zunichte gemacht.46 Während seiner ganzen Zeit in Norwegen gab sich Christen keinen Illusionen darüber hin, dass der größte Teil der norwegischen Bevölkerung der deutschen Besatzung und den deutschen Kriegszielen ablehnend gegenüberstand. Es erscheint also gerechtfertigt, Heinrich Christen als einen besatzungspolitischen Realisten und Pragmatiker zu bezeichnen. Solange die Zusammenarbeit Resultate erbrachte, die nicht mit deutschen Interessen kollidierten, war es Christen erklärtermaßen gleichgültig, ob ein norwegischer Politiker nun NSMitglied war oder die deutschen Besatzer verachtete. Die Folge war, dass sich der »Mikrokosmos Dienststelle« zu einem Ort entwickelte, an dem es zu einem bisweilen überraschend offenen politischen Austausch zwischen Norweger/ innen und Deutschen kommen konnte. Mehrfach erwähnt Christen die ihm gegenüber unverblümt vorgetragene Kritik an der deutschen Besatzungspolitik, an der Nasjonal Samling oder an deutschen Vorstellungen zum künftigen Verhältnis zwischen Norwegen und dem Deutschen Reich.47 All dies sollte aber keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass der Dienststellenleiter Heinrich Christen fest auf dem Boden der nationalsozialistischen Ideologie stand. Bei aller Pragmatik gingen die deutschen Besatzer hart gegen jeden Widerstand vor, ganz zu schweigen von ihrem kompromisslosen Vorgehen gegen die Norwegerinnen und Norweger, die sie als jüdisch definierten. Im Tagebuch finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass Heinrich Christen je an Adolf Hitler, den Grundsätzen der nationalsozialistischen Ideologie oder auch der deutschen »Berechtigung« zum Überfall auf seine Nachbarn gezweifelt hätte. Christens teils harsche Kritik blieb immer eine Kritik am »Wie«, nicht am »Ob«. Die breite Bevölkerung sollte von Nutzen und »Natürlichkeit« einer engen Allianz mit dem Deutschen Reich überzeugt werden. Die Dienststellen kon45 Tagebuch, 3.7.1941. 46 Tagebuch, 9.9.1941. 47 So zum Beispiel vom fylkesmann von Sogn og Fjordane, Seip, und vom Chefredakteur der Bergens Tidende, Fastings (Tagebuch, 5.6.1941).
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trollierten zu diesem Zweck Rundfunk, Presse und Kinos oder organisierten Ausstellungen und Theaterabende. Auch hierbei waren sie auf die Mitarbeit des norwegischen Personals angewiesen.48 Zeitungsartikel und Propagandamaßnahmen wie die »V-Aktion« vom Juli 1941 waren lange primär gegen Großbritannien gerichtet.49 Wie die Deutschen feststellen mussten, war der Versuch, die Stimmungslage in diesem Sinne zu beeinflussen, gerade in den offenen, Übersee zugewandten Handelsstädten wie Bergen und Trondheim ein schwieriges Unterfangen. Zu eng waren die wirtschaftlichen und oft auch persönlichen Verbindungen nach Großbritannien. Interessant sind in diesem Kontext allerdings weniger Christens Tagebucheinträge über Konzert- und Theaterabende, an denen er vor allem das gesellige Zusammensein mit prominenten Künstlerinnen und Künstlern schätzte, oder jene über Hird-Aufmärsche, die eine gute Propaganda abgaben. Vielmehr ist es das Unausgesprochene in Christens Aufzeichnungen. Mit keinem Wort erwähnt Christen die Propagandaschaukästen, die seine Dienststelle in der Stadt aufstellen ließ. Texte und Bildmaterial wurden den Dienststellen dazu von der Hauptabteilung Volksaufklärung und Propaganda in Oslo zugesandt. In den auf Deutsch und Norwegisch verfassten Texten wurde nicht nur die deutschnorwegische Bruderschaft betont oder über aktuelle Kriegsereignisse berichtet. Das Material, das auch über Heinrich Christens Tisch ging, enthielt auch krasse antijüdische und antisowjetische Propaganda, in der von »Untermenschen«, »Tieren« und »jüdischen Brunnenvergiftern« geschrieben wurde.50 Ebenso wenig findet sich in Christens Tagebuch, das sich (jedenfalls im überlieferten Teil) nur auf die Zeit bis Januar 1943 erstreckt, jene Rede, die er am 8. März 1943 im Saal des Hotel Britannia in Trondheim hielt. Nur wenige Wochen nach Joseph Goebbels’ berüchtigter Rede im Berliner Sportpalast beschwor Christen hier die Gefahren, die vom Bolschewismus bzw. den unter »jüdischem Einfluss« stehenden, »plutokratischen« Staaten Großbritannien und USA ausgehen würden. Europa kämpfe um seine Existenz als Kulturkontinent. Die Überfälle Hitler-Deutschlands auf seine westlichen Nachbarländer und auf die Sowjetunion beschrieb Christen als Präventivkriege, bevor er an seine norwegischen und deutschen Zuhörer gerichtet anfügte: »Die gegenwärtige politische und militärische Lage ist derart, dass wir alles dafür tun müssen, um diesen Krieg so schnell und so radikal wie möglich zu Ende zu bringen, alle Kräfte müssen mobilisiert werden. Dies ist das totale Erwachen dieses Kontinents.« Schließlich beendete Christen seine Rede mit einem »Aufruf zum totalen Einsatz, bis der Sieg 48 Tagebuch, 16.7.1941. 49 Vgl. hierzu auch Christens Zeitungsinterview zum Ende seiner Zeit in Trondheim, dessen politische Teile vor allem gegen Großbritannien gerichtet waren: Dienststellenleiter Christen forlater Trondheim og drar til fronten, in: Adressavisen, 2.10.1943. Zu Christens V-Aktion vgl. auch: Maria Fritsche, Spaces of Encounter. Relations between the Occupier and the Occupied in Norway during the Second World War, in: Social History 45 (2020), 3, S. 360-383, hier S. 373. 50 RA, RAFA-2174/Ed-L0100, mappe 1.
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errungen ist«.51 In diesen Worten zeigt sich der radikale und politische Heinrich Christen, der im Tagebuch manchmal hinter den humorigen Schilderungen ausgedehnter Trinkgelage im Wehrmachtkasino zu verschwinden droht. Es ist dieser Heinrich Christen, der Norwegen ein halbes Jahr später verlassen sollte, um in den Reihen der SS gegen die Sowjetunion ins Feld zu ziehen.
51 Die Rede findet sich in norwegischer Sprache veröffentlicht in: Nord-Trøndelag & Inntrøndelagen, 13.3.1943 (eigene Rückübersetzung ins Deutsche, S. G.).
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Heinrich Christen Tagebuch vom 10. März 1941 bis 17. Januar 1943
Editorische Vorbemerkung Das Tagebuch, das hier erstmals in der deutschen Originalfassung veröffentlicht wird, umfasst 184 lose, gelochte Blätter im DIN -A5-Format, die beidseitig beschrieben wurden, zu einem Drittel handschriftlich, ansonsten vom Autor selbst einzeilig auf einer Reiseschreibmaschine getippt, die er aber wohl nicht immer zur Hand hatte. Dass die Blätter in Blöcken oder Heften beschafft wurden, darauf verweist die Paginierung, die auf der Seite 65 mit 1 neu beginnt, wobei die alte Paginierung eine Zeitlang parallel weitergeführt wird – entweder vom Autor selbst oder der Person, die das Tagebuch nach dem Krieg verwahrte. Die ersten Blätter sind stark beschädigt, weshalb es bei deren Transkription anfangs kleine Lücken gibt, die durch Auslassungszeichen in eckigen Klammern kenntlich gemacht sind. Von diesen unleserlichen Stellen abgesehen wird das Tagebuch hier vollständig wiedergegeben. Gelegentliche handschriftliche Ergänzungen des Autors zu den maschinengeschriebenen Abschnitten sind im Transkript kursiv dargestellt. Das Tagebuch von Heinrich Christen stammt aus den frühen 1940er Jahren. Bei der Edition des Textes geht es nicht nur um die Inhalte des Geschriebenen, sondern auch um seine Form. Denn Christens Schreibweise (d. h. Ausdruck und Orthografie) enthalten ebenfalls Informationen, die bei der Edition nicht verloren gehen sollten. Deshalb bedarf es einer kurzen Erläuterung über die Entscheidungen, die der Bearbeitung des Textes zugrunde lagen. Norwegische Orts- und Personennamen sind von Christen meistens »eingedeutscht« worden. Wo seine Schreibweise von der norwegischen abweicht, wird diese bei der ersten Nennung des Namens in eckigen Klammern angefügt. Nach einiger Zeit erwarb Christen eine norwegische Schreibmaschine und benutzte fortan für norwegische Orts- und Personennamen oft die korrekte Schreibweise. Diese Maschine verfügte weder über Umlautzeichen noch über den Buchstaben »ß«. Allerdings benutzte Christen auch in seinen handschriftlichen Eintragungen niemals das »lange«, sondern nur das Doppel-»s«. Das ist im Transkript durchgehend korrigiert worden. In Orthografie und Interpunktion wurde nur sehr behutsam eingegriffen. Die historischen Rechtschreibregelungen (beruhend auf der deutschen Rechtschreibreform von 1903) weichen von heutigen Regeln insbesondere im Hinblick auf die Groß- und Kleinschreibung sowie die Zusammen- und Getrenntschreibung ab. Auch lassen sie gelegentlich Mehrfachregelungen zu. Die sich daraus ergebenden zahlreichen Abweichungen gegenüber der heutigen Schreibweise in Christens Tagebuch wurden nicht korrigiert, um den historischen Charakter der Quelle zu belassen. Hinzu kommen bestimmte sprachliche Eigenarten des Autors, die teilweise norddeutsch-hamburgisch sind (z. B. »denn« statt »dann«), sowie abweichende Schreibweisen, die offensichtlich bewusst und wiederholt verwendet werden, weil der Autor die korrekte Form entweder nicht kennt (z. B. durchgängig »Bismark«) oder aus anderen Gründen eine eigene 59
»erfindet« (z. B. »Uboot«). Auch diese Abweichungen wurden als relevant für das Verständnis des Textes belassen. Nur in Ausnahmefällen wird explizit auf sie aufmerksam gemacht. Dagegen wurden offensichtliche Flüchtigkeits- oder Tippfehler kommentarlos korrigiert. Auch die Interpunktion wurde weitgehend beibehalten, Änderungen (in eckigen Klammern) nur dort vorgenommen, wo dies im Interesse der Lesbarkeit notwendig schien. Die Fußnoten bieten nur die wichtigsten Erläuterungen zu Personen, Orten und Ereignissen. Auf Hinweise zur Sekundärliteratur wurde weitgehend verzichtet, sie finden sich in den kommentierenden Aufsätzen, die das Tagebuch »einrahmen«. Dorothee Wierling
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Tagebuch [1]
Bergen, den 10. 3. 1941
Die Sonne lacht heute vom Himmel, wie es eigentlich garnicht zu Bergen passt. Der Frühling meldet sich an. Gestern […] sogar schon […] ein Falter, doch er wird sich kaum lange seines Daseins gefreut haben, denn die Nächte sind noch erheblich kalt. Aber irgendwie liegt es doch in der Luft, das Grünen und Blühen, die Wälder (?) […] das ewige We […] der Natur. Noch liegt […] der Schnee, aber […] genug […] laufen. […] [1r] [Rückseite] am schönsten. So schien es mir, als ich heute Mittag am Solstrand zu den Hardanger Bergen [Hardangervidda] hinüber sah. Nun sitze ich wieder in meinem Arbeitszimmer. Es ist wirklich so nett, dass die Bezeichnung »Arbeitszimmer« […] Vor mir ein Gläschen Grand Marnier Cordon Rouge (ein vorzügliches Tröpfchen) und in der linken Hand eine echte Habana und höre halb und schreibe halb. Aus meinem Telefunken ertönt das »Wunschkonzert« … Daheim […] [2] Gerade in diesem Augenblick ertönt es »komm zurück«! Und ich weiß zur selben Zeit werden die Gedanken meines Frauchens hinauf zu mir nach Bergen wandern »Ich warte auf dich« […] Solange bis dieser Kampf mit dem Sieg unseres Vaterlandes geendet hat, muss ich die mir gestellte Aufgabe erfüllen, immer eingedenk der Tatsache, dass […]. Fast 10 Monate bin ich nun schon in diesem wunderschönen Land. Bald, am 25. 4., sind es 12 Monate, dass ich bei Oslo auf dem Flugplatz [2r] Fornebu landete. Noch tobten die Kämpfe um Oslo. Wie skeptisch, ja pessimistisch war General Falkenhorst1 in der ersten Besprechung, und dann vollzog sich das Wunder, das sicher größte Steigerung in Narvik fand.2 Jeden Morgen hörten und sahen wir die Transportmaschinen, die nach Narvik flogen um Verstärkung, Lebensmittel und Munition der tapferen Truppe um General Dietl zu bringen. Doch inzwischen wurde ich nach Bergen geschickt. Wie ungern verließ ich den Storting [Stortinget]3 und unser kleines Häuschen »Himmelkoje«, in welchem Carlo Otte4,
1 Paul Nikolaus von Falkenhorst, 1885-1968, Oberbefehlshaber der Wehrmacht im besetzten Norwegen. 2 Die Schlacht um Narvik vom Juni 1940 gilt als entscheidend für das Ende des militärischen Widerstandes gegen die Besetzung Norwegens. Narvik, eine kleine Stadt nördlich des Polarkreises, war sowohl aus militärischen wie aus ökonomischen Gründen von strategischer Bedeutung für die deutschen Besatzer. 3 Der Storting ist das norwegische Parlament. Gemeint ist hier das gleichnamige Parlamentsgebäude in Oslo. 4 Karolus (Carlo) Otte (1908-1980) war der einflussreiche Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft im Reichskommissariat (RK). Er stammte aus Hamburg, wo er zuletzt »Wirtschaftssenator« war, nachdem er zuvor als Gauwirtschaftsberater die »Arisierung« der Hamburger Wirtschaft organisiert hatte. Otte war ein Förderer von Christen, der ihm den Posten in Bergen verdankte.
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[1] bergen, den 10. 3. 1941
Elimar de Vries5 und ich unser spärliches Privatleben führten. Am 15. 5. 41 [sic; gemeint ist 1940] flogen [3] wir nach Stavanger. Am 16. abends gingen wir mit 4 Mann an Bord der M I, dem berühmten Minensucher vom Ritterkreuzträger Kaleu Bartels.6 Eine wundervolle Fahrt in der hellen Nacht und doch waren wir froh, wieder herunter zu sein, als wir hörten, dass wir treu und brav über ein Minenfeld »gerutscht« waren und hinter uns auch der Munitionsdampfer »Clara«. Dann begann »unsere« Arbeit! Schon einmal hatte ich einen Dienstapparat mit aufgebaut. […] und verstaubt war der Storting in Oslo, als wir hineinzogen. Da musste erst einmal die Handarbeit beginnen[,] Ärmel hoch und dann Pulte geschoben. Tische [3r] gerückt, Akten sortiert und schließlich war die Form gefunden. Dann ging es an den Inhalt! Es war also fast schon gewohnte Arbeit, die nun auch in Bergen verrichtet werden musste. Fast 11 Monate sind seitdem verflossen – für wahr eine sehr interessante Zeit. Da war der 10. Juni, als engl. Bomber die Altstadt Nordnes7 in Brand warfen. 200 Häuser mussten daran glauben. Oslo war längst Etappe geworden, aber Bergen ist eigentlich bis heute noch Front. Nun bin ich seit gut 2 Monaten Leiter der Dienststelle Bergen – und wenn ich an all’ das zurückdenke, was sich [4] in der verflossenen Zeit ereignete – interessantes, schönes, schlechtes, aufregendes, – so bereue ich doch, nicht alles zu Papier gebracht zu haben. Zu schnell vergisst doch der Mensch alles, und die, die nach uns kommen, haben ein Recht darauf, Alles zu erfahren[,] Alles zu lesen und zu wissen, um stolz zu sein auf ihre Väter, ihre Ahnen, die einstmals mithalfen[,] das großdeutsche Reich zu bauen, um ihrerseits zu spüren und zu ahnen, welche Verpflichtung sie in die kommenden Jahrhunderte mit hineintragen. Wir jedenfalls, die wir heute noch jung, noch [4r] tatenfroh sind, wir wissen, dass wir Zeugen der größten Epoche der deutschen Geschichte sind, ja, dass wir Mithelfer und Gestalter der großen Zukunft unseres Vaterlandes sein dürfen. Aus diesem Grunde will ich alter Faulpelz in Bezug auf das Schreiben von jetzt ab die täglichen Ereignisse hier in diesem Büchlein verzeichnen. Ich widme diese Zeilen meinen Kindern JörnHinrich (Häsi) und Margit (Peterle), für die der Vati nur noch ein fernes Phantom irgendwo in Norwegen ist. Als ordnungsliebender Verwaltungsmann rekapituliere ich nun vom 1. März 1940 [sic; gemeint ist 1941]. HC hristen [5]
5 Elimar de Vries war Leiter der Allgemeinen Abteilung der Hauptabteilung Wirtschaft im RK. 6 Kapitänleutnant Hans Bartels (1910-1945) war zu diesem Zeitpunkt Kommandeur des Minensuchboots M1. Am 27. Mai 1940 wurde Bartels Kommandeur des Küstensicherungsverbands Norwegische Westküste beim Stab des Admirals Norwegische Westküste und in Bergen stationiert. 7 Nordnes, auf einer gleichnamigen Halbinsel im Stadtzentrum gelegen, ist der älteste Stadtteil von Bergen.
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2. märz 1941
1. März 1941 Heute und morgen findet der große Hird-Aufmarsch statt.8 Um 11.00 Uhr trifft der Adju[tant] des Reichskommissars Major Massmann ein. 12.00 Major Massmann ist gerade noch rechtzeitig in meinem Dienstgebäude eingetroffen, um an der Besprechung mit dem Politimester Peterssen [Pederssen]9, Polizeichef Lange und dem Hauptmann Vogel, Kommandeur der deutschen Polizei teilzunehmen. Die Sicherungsmaßnahmen für den Hirdaufmarsch am Sonnabend werden durchgesprochen. 19.00 Einladung zum Abendessen bei General Tittel10. [5r] Das Essen fand statt zu Ehren des 3. Senats des Reichskriegsgerichts, der gerade 10 Todesurteile und diverse Freiheitsstrafen gefällt hatte. Um ½ 11 verabschiede ich mich, um mit Massmann und den diversen norw. Polizeioff. noch im Hotel Norge11 zu feiern. --- Eine sehr nette Nacht! Der Bergenser Politimester Peterssen benimmt sich ziemlich vorbei. Im Bristol, das wir nachts um ½ 3 noch aufsuchen[,] tagt noch der »Fischmehl« Verein. Der Rechtsanwalt dieser ehrenwerten Gesellschaft sagt mir: »Ich hasse Sie als Deutschen, und ich freue mich, dass mein Sohn [6] gegen Sie kämpft.» Auf meine freundliche Antwort[,] »ich hätte noch nie ein so nettes Kompliment erhalten«, behauptet er ganz verstört, dass ich ihm persönlich sehr sympathisch bin. Der Direktor des Norges Sildesalgslag12 Herr Kaarbö [Kårbø] ladet mich sogar zum Essen am nächsten Tag ein, trotzdem ich ihm einige Tage vorher angedroht hatte, ihn einzusperren, wenn er sich nicht an meine Weisungen hielte. Um 6 Uhr früh kam ich endlich ins Bett. 2. März 1941 10.30 Ich muss leider aufstehen, denn Staatsrat [6r] Lunde13 will um 11.00 Uhr bei mir in der Dienststelle einen Besuch machen. 11.15 Staatsrat Lunde kommt mit Herrn Sielen vom RK. Lunde ist ein sehr intelligenter Mann – Type Goebbels. Er hat auch das gleiche Metier – Kultur und Pro-
8 Der Hird [Hirden] war die paramilitärische Organisation der norwegischen Nasjonal Samling (vgl. Fußnote 14) und der SA vergleichbar. Vgl. https://www.bergenbyarkiv. no/bergenbyleksikon/arkiv714317264 [5.4.2021]. 9 »Polizeimeister« der norwegischen Polizei. 10 Herrmann Tittel (1888-1959) war Kommandeur der 69. Infanterie-Division, die als Besatzungstruppe in Bergen stationiert war. 11 Hotel Norge Bergen, erstes Hotel am Platze, in unmittelbarer Nähe der Dienststelle. 12 Norwegischer Fischhandelsverband. 13 Gulbrand Lunde, Staatsrat und später Minister für Propaganda und Kultur in der Quisling-Regierung. Er starb am 26. Oktober 1942 bei einem Autounfall.
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3. märz 1941
paganda. Es ist der zweite norweg. Staatsrat, der mir einen Höflichkeitsbesuch abstattet. 12.00 Der Aufmarsch der Hird auf dem Festplatz hat begonnen. Die Parole der Bergenser, »aus der Stadt herauszugehen[«], ist nicht ganz befolgt worden. Der Bergenser ist doch zu neugierig – er muss dabei sein. Aufmarsch [7] tadellos. Man wird so lebhaft an die ersten Aufmärsche in der Kampfzeit erinnert. Dies ist der 1. Aufmarsch der jungen Nasjonal Samling.14 Ca 1100 Mann marschieren – und dies Ereignis dürfte ungefähr dem 1. SA Aufmarsch in Nürnberg entsprechen. Hoffnungslos erscheint das Bestreben dieser Bewegung. Noch nicht einmal 10 der Bevölkerung steht hinter ihnen. Und doch tragen sie Norwegens Zukunft. Es wird allerdings ein sehr harter, dornenreicher Weg sein, den sie zurücklegen müssen. Noch ist ihr Ziel stark verschwommen. Sie scharen sich um Quisling, dem Landesverrat von Seiten seiner [7r] Gegner vorgeworfen wird. Quisling spielt ein »vabanque« Spiel! Er gleicht einem deutschen Offizier, der gegen einen Befehl ein Unternehmen durchführt. Gelingt es, bekommt er das EK1, misslingt es, kommt er vor das Kriegsgericht. In diesem Fall hängt das Gelingen allerdings allein vom deutschen Sieg ab. Erst dann ist er der Mann, der alles voraussah – bis dahin muss er sich Verräter schimpfen lassen. Es ist etwas Kindliches um dieses Auftreten der Hird. Ein Volk, dass Jahrhunderte keinen Krieg gekannt hatte, ja, das der Prototype des Individualismus ist, versucht sich in »soldatischer Haltung«. Für [8] unsere deutschen Augen ist das Schauspiel etwas kläglich – für norwegische Verhältnisse bedeutet es sehr viel. Der Chef der Hird [Hirden], Saether [Sæther]15[,] spricht über Norwegens Freiheit, über die Einfügung Norges in das großgermanische Reich. Abends in der Kundgebung im Konzertpalast spricht Staatsrat Lunde. Norwegens Freiheit ist der Grundton aller Reden, und man ist versucht, eine Definition des Wortes »Freiheit« zu geben. Eines steht jedenfalls fest, diese Freiheit sieht anders aus, als die meisten Norweger es sich vorstellen. Alles verläuft ruhig und [8r] N. S. und die Hird können mit dem Tag zufrieden sein. Um 22.00 fahren die Sonderzüge nach Oslo und Drammen wieder ab. 3. März 1941 9.00 Uhr. Es erscheint eine Deputation der Stadt Bergen und der Provinz Hordaland, Regierungspräsident Lindebrekke [Lindebrække], Oberbürgermeister Stensaker, Kämmerer Olsen16 und diverse Herren von der Bergenske Dampskipsel14 Die Nasjonal Samling (Nationale Sammlung, gegründet 1933) war die norwegische faschistische Partei, der Vidkun Quisling (1887-1945) als »Fører« (Führer) vorstand. Wenn Christen von »N. S.« schreibt, ist die Nasjonal Samling gemeint. 15 Orvar Kristoffer Sæther (1904-1991). 16 Die Provinz Hordaland gehörte zur Dienststelle Bergen. Gjert Lindebrække (18791960) war der dort zuständige »Fylkesmann« [Fylkesmannen] (Landrat, auch Gebietsrat), was Christen als Regierungspräsident übersetzt, aber eine von der deutschen
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5. märz 1941
skap17 [Det Bergenske Dampskibsselskab]. Die deutsche Marine hat ein großes Areal in Laksevaag [Laksevåg] in »Anspruch« genommen, welches die Grundstücke von der Bergenske und der Laksevaag Werft umfasst. Wie mir schon vorher [9] bekannt, soll hier eine große Reparaturwerkstatt für U-Boote entstehen. Ich vertröste die Herren und verspreche, mich für einen anderen Platz für das Marine Bauvorhaben einzusetzen. Es ist allerdings wenig Aussicht, da die schon vorhandenen Maschinen mitgebraucht werden sollen. 20.00 Ich halte vor dem Offizierskorps der Luftwaffe einen Vortrag über das deutschnorweg. Verhältnis. Vortrag wird mit Beifall aufgenommen. 4. März 1941 13.30 Auf Wunsch des Landesführers Prof. Dr. Wust von [9r] der Berliner Universität habe ich diesen und den Prof. Helland-Hansen zum Mittagessen eingeladen. Prof. Helland-Hansen ist der z. Zt. berühmteste Meeres-Forscher der Welt. Es gelingt mir, Prof. Helland-Hansen für eine deutsch-norweg. Zusammenarbeit zu gewinnen.18 20.00 Uhr Nach einem großen Durcheinander steigt der Kameradschaftsabend mit der Besatzung des Torpedobootes Zack. Die Truppe »Eisbrecher« versagt vollkommen. Anschließend »Nacht-Cocktail« auf der »Westwärts«19. Kaleu Bartels schwelgt in Beethoven. Um 3.00 Uhr schließlich Aufbruch. – Alles in Allem eine [mickrige?] Angelegenheit. [10] 5. März 1941 13.30 Uhr Essen mit Konsul Halvorsen. Dieser gute Norweger entpuppt sich mehr und mehr als ein guter und begeisterter Deutschlandfreund.20
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satzung abhängige Verwaltungsposition darstellte. Ähnlich handelt es sich bei Asbjørn Stensaker (1885-1959) nicht wirklich um den Oberbürgermeister von Bergen, sondern um den »Ordfører« (Bürgermeister), der ebenfalls im Sinne der deutschen Besatzung zu handeln hatte. Stensaker, Mitglied der Konservativen Partei, war seit 1935 Bürgermeister von Bergen gewesen und wurde unter der Besatzung in dieser Funktion zunächst bestätigt. Bergenser Dampfschiffreederei. Prof. Bjørn Helland-Hansen (1877-1957). Eigentlich das norwegische Segelschulschiff »Statsraad Lehmkuhl«, das von der Kriegsmarine requiriert, als Depot- und Wohnschiff verwendet und in »Westwärts« umbenannt wurde. Thorvald Halvorsen (1877-1950) war einer der wichtigsten Reeder in Bergen, der auch schon vor der Besatzung ausgezeichnete Beziehungen zu NS-Deutschland unterhielt.
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9. märz 1941
6. März 1941 9.30 Uhr Besprechung mit Regierungspräsident Lindebrekke. Der Oberbürgermeister Stensaker will zurücktreten, weil N. S. die gesamten Vertreter in der Stadtverordneten-Versammlung stellen will. Ich erkläre L., dass die Forderung von N. S. übertrieben ist. Es wäre wohl richtig, dass N. S. die gute Majorität bekämen, darüber hinaus aber sollen jene Männer [10r] diesem Gremium erhalten bleiben[,] die über eine langjährige kommunale Erfahrung verfügen. Im Übrigen gäbe es keinen Rücktritt oder dergleichen mehr. Jeder hätte auf seinem Posten auszuhalten. 20.30 Hauptmann Olaf berichtet mir unter »streng geheim«, die Engländer wären heute Morgen auf den Lofoten gelandet. Morgen früh sollen Aufklärer und nachmittags Stukas eingesetzt werden. 7. März 1941 Korv. Kapt. Schrumpf verspricht mir 2 Packen Bücher, die ich für eine bliothek der Dienststelle haben möchte.
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8. März 1941 Es treffen die zwei Packen Bücher ein, die mit ca 100 Büchern die Basis für eine Bücherei der Dienststelle abgeben. Die Pg. Marrelberg [?] und Dr. Lofreier haben mir große Mengen von Büchern versprochen, die hoffentlich auch ankommen werden. Herr Major Wassermann lässt über Frl. Zeininger21 bestellen, dass der Reichskommissar mit der Arbeit der Dienststelle Bergen sehr zufrieden ist, und beabsichtigt, Ende Mai oder Anfang [11r] April Bergen zu besuchen. 21.00 Hauptmann Sonsalla22 hat Langeweile! Essen mit ihm im Norge. 9. März 1941 14.30 Abschiedskaffeetrinken! Herr Reg. Insp. Ludat verlässt Bergen, um in Oslo einen neuen Einsatz zu finden. 2 Flaschen Cognac und 2 Flaschen Liqueur werden restlos geleert. Ludat erhält zur Erinnerung ein Album mit Bildern vom Westlandet. Der Abschied wird ihm sichtlich schwer. 17.00 Uhr Besichtigung eines Hauses Kalvedalsveien 47a. [12] Das Haus hat 9 Zimmer[,] ist glänzend geeignet für die verlangten Zwecke. Ich vereinbare den Einzug 21 »Frl.« Liane Zeininger war Sachbearbeiterin in der Dienststelle Bergen. 22 Fliegerhorstkommandant in Bergen.
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11. märz 1941
zum 1. April 1941. Damit hätte ich meine vierte Unterkunft in Bergen gewählt. Anfangs wohnte ich 4 Wochen im Hotel Norge, dann 4 Monate in Fjösanger [Fjøsanger] auf Cecilienhaug (Christensen), dann 3 ½ Monate in Krakeness [Kråkenes] – und jetzt schon 6 Wochen wieder im Norge.
10. März 1941 10.00 Es klingelt das Telephon. Hptm. Sonsalla meldet, dass in einer Stunde ein Fieseler Storch23 in Nesstun [Nesttun] [12r] landen wird. Ich sage zu, zwei seiner Kameraden mit zum Landeplatz zu nehmen. 13.00 Ich fahre seit 3 Monaten zum ersten Mal wieder zum Solstrand. Die Sonne brennt fabelhaft[.] 16.00 Das Wunschkonzert lässt die Gedanken wieder heimwärts wandern. Ich denke an meinen Jungen, an das kleine Mädchen und stelle mir vor, wie sie in ihrem Spielzimmer am Winterhuderquai wieder den üblichen Krach machen, unbekümmert ob der Kriegszeit! Heute soll ein neuer [13] Mitarbeiter angekommen sein, Herr Studien-Assessor Hamann. Hoffentlich ein guter Kamerad! 11. März 1941 Eigentlich ist heute erst der 10. März, denn der Bericht zum 9. gehörte zum 8. 3. und der vom 10. zum 9. 3. Da aber am 10. 3. außer dem Besuch des Herrn Kölln aus Oslo nichts Sonderliches passierte[,] soll hier wirklich der Verlauf des 11. 3. berichtet werden. 12.00 Der Oberbürgermeister erscheint. Es bestehen Differenzen zwischen ihm und der N. S. bezüglich der Besetzung des Stadtrates. N. S. will alle 29 Sitze mit eigenen Mitgliedern be- [13r] setzen, während der Oberbürgermeister und der Regierungspräsident Lindebrekke der N. S. nur 14 Sitze zubilligen wollen. Ich schlage vor, die Gesamtzahl auf 42 zu erhöhen und 28 N. S. und 14 vom Oberbürgermeister zu benennende Personen zu nehmen. Ich glaube, der Oberbürgerm. wird diesen Kompromiss schlucken und N. S. – muss ihn schlucken, denn von ihren Männern hat keiner kommunale Erfahrung. So wird ihr ja Gelegenheit gegeben, diese zu erwerben, um dann später selbst die Führung zu übernehmen. Ich komme mir immer etwas »komisch« vor, wenn ich mich mit meinen z. Zt. noch 31 Jahren als »lebenserfahrener Schiedsrichter« und Mittler betätigen muss. [14] Aber erst jetzt in diesem Kriegs- und Auslandseinsatz 23 Fieseler Fi 156, wegen seiner hohen »Beine« Fieseler Storch genannt, war ein einmotoriges Kleinflugzeug, das von den Fieseler-Werken in Kassel hergestellt wurde.
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13. märz 1941
merkt man, welch gewaltiges politisches Rüstzeug sich meine Generation in den vergangenen Jahren angeeignet hat, während diese norweg. Menschen trotz ihres meist höheren Lebensalters sich wie die politischen Kinder benehmen. 12. März 41 Hurra, ich habe Post aus der Heimat. Frauchen, Frl. Prinz, Rathje, Rothfos und C. C. F. Meyer24 haben geschrieben. Halt, auch Mutz Wedekind [?], sie gratuliert schon zum 18. In meinem Gärtchen in Hamburg blühte am 4. 3. schon ein Krokos [sic], bestaunt und geliebt von dem Rest [14r] derer von Christen. Wie schade, dass nun auch das zweite Jahr des Blühens und Grünens in meinem Garten ohne mich vorübergehen wird. In »schwachen« Minuten stelle ich mir schon mal vor: unsere sonnenumglühte Veranda, blühende Forsythien, Tulpen, Narzissen, Krokosse, auf dem mit Marmelblümchen durchsäten Rasen spielen meine zwei Rangen. Wie gesagt, …. in schwachen Minuten! --11.30 Der Reichskommissar Terboven25 ruft an und erkundigt sich nach der Planung für den Heldengedenktag am 16. 3. Ich berichte ihm, dass bei der Kranzniederlegung zuerst die Vertreter der 3 Wehrmachtsteile einen [15] Kranz niederlegen, dann ich in seiner Vertretung, dann der Standortälteste, der Kommandeur SD & SP26 etc. Im weiteren Gespräch stimmt der RK meiner Auffassung über die zukünftige Besetzung des Stadtrates zu. 13. März 1941 9.15 Hauptsturmführer Dr. Schäfer, der bekannte Leiter diverser Tibetexpeditionen[,] ist eingetroffen.27 Er spricht um 17.00 in meinem Vortragssaal vor Wehrmacht, Polizei, SD und den Angehörigen meiner Dienststelle. 24 Frl. Prinz war seine Angestellte in der Hamburger Firma, Heinrich Rathje war ein Hamburger Kaffeemakler, der über eine »Arisierung« die Firma Königsberger übernommen hatte, Bernhard Rothfos war Kaffee-Importeur und von den Nationalsozialisten eingesetzter »Führer« des dem Namen nach noch immer existierenden »Vereins der am Kaffeehandel beteiligten Firmen« in Hamburg. C. C. Fritz Meyer kam ebenfalls aus dem Kaffeehandel, saß als NSDAP-Mitglied seit 1931 in der Hamburgischen Bürgerschaft und war von 1933 bis 1936 Gauwirtschaftsberater von Hamburg. 1941 war er Staatsrat in der Hamburgischen NS-Regierung. 25 Josef Terboven (1898-1945). Als sogenannter Reichskommissar höchste Autorität in der Besatzung Norwegens. 26 Kommandiert wurden der Sicherheitsdienst (SD) der SS und die Sicherheitspolizei in Bergen zwischen April 1940 und Oktober 1941 von Sturmbannführer Gerhard Flesch. 27 Ernst Schäfer (1910-1992) war Mitglied der SS und des »Freundeskreises Reichsführer SS«. 1943 gründete er das »Sven Hedin-Reichsinstitut für Innerasien und Expeditionen« in München. Für seine Experimente nutzte er auch Skelette von KZ-Häftlingen. Während der Nürnberger Prozesse trat er als Zeuge auf.
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15. märz 41
12.00 Fliegeralarm – lange nicht mehr dagewesen – wird auch bald wieder ab- [15r] geblasen. Ltnt. Dr. Baumeister kommt und bittet mich im Auftrag des Generals zu einem Vortrag vor dem Offizierskorps des Generals & des Admirals – nur kleinerer Kreis – ca 30 Mann. 14.00 Mittagessen mit Dr. Schäfer, Stubaf Flesch28, Lt. Dr. Baumeister (1c29 der Division) und dem Vertreter des Stadtkommandanten. 17.00 Vortrag Dr. Schäfer über die letzte Tibetexpedition 1938/39 mit wundervollen Farbaufnahmen. Anschließend Abendessen im Norge. Schäfer weiß sehr viel Interessantes über die japanisch-chinesischen Differenzen und sieht im Thailand (Siam) Erfolg im Konflikt mit Indochina einen neuen [16] Sieg der Achse, da nunmehr japanische Truppen das Durchzugsrecht durch Thailand besitzen und demgemäß Singapore vom Lande aus angreifen können. 14. März 41 Endlich mal wieder etwas Ruhe, um diktieren zu können und die Organisation der Dienststelle weiter ausbauen zu können. 8 Monate lang sind die primitivsten Dinge vernachlässigt worden. Heute habe ich nun wieder zwei Erlasse herausgegeben, eine neue und anständige Unterkunftsregelung sowie die Einführung von weißen Arbeitskitteln für die Mädchen. Beides wurde sehr begrüßt. [16r] 15. März 41 Heute zieht das Polizei Bataillon aus dem Dienstgebäude aus. Ich stifte den Männern noch 6 Tonnen Bier, die ich immer noch stehen habe. Nunmehr kann ich auch meine Wirtschaftsabteilung auf mein Stockwerk herunternehmen. Damit ist dann auch äußerlich der Umbau der Dienststelle abgeschlossen. Von Hillegaart30 höre ich, dass gestern der 5000 to Dampfer »Thoma« u. a. mit 10.000 to Salzheringen 2 Stunden von Bergen entfernt torpediert worden ist. Vorgestern erst ist ein 8000 to an meiner nördl. »Landesgrenze« torpediert 28 Sturmbannführer Gerhard Flesch (1909-1948) war 1940/1941 der Chef der Sicherheitspolizei und des SD in Bergen. Im Herbst 1941 wurde er nach Trondheim versetzt, wo Christen ihn wiedertraf. Nach dem Krieg wurde Flesch in Norwegen wegen des Befehls zur Ermordung von drei jüdischen KZ-Häftlingen zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet. Vgl. zu Flesch den Beitrag von Bjarte Bruland in diesem Band. 29 Das Kürzel 1c stand in der Wehrmacht für den Dritten Generalstabsoffizier. 30 Es könnte sich um den Wirtschaftswissenschaftler und späteren Diplomaten Dr. Heinz Hillegaart (1911-1975) handeln, der 1975 in Stockholm von der »Roten Armee Fraktion« bei der Besetzung der westdeutschen Botschaft erschossen wurde. Dieser Hillegaart schrieb 1942 eine Abhandlung über »Die Struktur und Bedeutung der Heringsfischerei«. In seinem Wikipedia-Eintrag heißt es lediglich, er sei »1940 und 1941 in Kriegsdiensten« gewesen.
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17. märz 41
worden. Die Tommies werden doch höllisch aktiv – und die Norskes freuen sich!!! – [17] 16. März 41 8.00 Assessor Busch ruft aus Odda an. Für einen Samstag sitze ich eigentlich viel zu früh beim Kaffeetrinken. 8.50 Der General, Admiral sowie sämtl. höheren Offiziere sind auf dem Friedhof vor den Gräbern deutscher Gefallener versammelt. Ich lege hinter den Vertretern der 3 Wehrmachtsteile im Auftrag des R. K. einen Kranz nieder. Anschließend großer Aufmarsch von Truppen sämtlicher Wehrmachtsteile auf dem Festplatz vor dem Michelsen Denkmal. Der Standortälteste Kapt. Strasser (Seekommandant[)] möchte, dass ich mit dem Admiral & General die Front abschreite. Ich lehne dankend ab, nicht aus Schüchternheit, sondern [17r] weil ich mir in Zivil dabei etwas »komisch« vorkomme. Nach der Feierlichkeit findet eine Parade statt. Alles in Allem eine ausgezeichnete Propaganda für uns, die den Norskes in Anbetracht ihrer derzeitigen Stimmung gut tun wird. 17. März 41 Die Presse bringt ganz groß Aufnahmen und Berichte vom gestrigen Heldengedenktag. Es erscheint ein Pg. Beier von der A. O.31 Die Wehrmacht bringt zusammen mit der A. O. am Sonnabend eine große Veranstaltung heraus, die über sämtliche deutschen Sender gehen soll. [18] Von Ludat erhalte ich aus Oslo einen Brief, in dem er mir vertraulich mitteilt, dass die ehrenwerten Herren Verwaltungsbeamten sich z. Zt. in Oslo den Kopf darüber zerbrechen, ob ein Nichtbeamter – damit bin ich gemeint – eine Dienststelle leiten darf und kann. In diesem Zusammenhang sei auch erörtert worden[,] mich evt. nach Berlin als Leiter der Wirtschaftsabteilung bei der Verbindungsstelle abzukommandieren. Diese Herren haben wirklich Sorgen. Einen Anlass haben sie allerdings, nämlich die etwas peinliche Feststellung, dass ein Nichtbeamter – o wenn sie wüssten, dass ich nicht einmal akademisch vorgebildet bin oder [18r] nicht mal das Abitur habe – diese Dienststelle bisher besser und zweckmäßiger geführt hat als seine p. p. »Verwaltungsbeamten-Vorgänger[«]. Dass Krieg ist, scheint völlig Nebensache zu sein, die Hauptsache ist, dass die §§ und zigtausend Dienstvorschriften genau eingehalten werden. Und sowas läuft noch frei herum und wird vom Volk bezahlt! – Glücklicherweise kenne ich meine augenblickliche Beurteilung durch den Reichskommissar, und das genügt mir. Abends sitze ich noch mit Assessor Busch aus Oslo zusammen, der sehr interessant über das Durcheinander in Oslo berichtet. [19] 31 Auslandsorganisation der NSDAP.
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18. März 41 Der erste Geburtstag, den ich fern der Heimat verbringe, dabei war es jedoch nicht der schlechteste. Ich habe viel Freude an diesem Tag erlebt. Morgens bekam ich erstens einen wundervollen Blumenstrauß, schenkte mir meine Gefolgschaft eine große Silberplatte mit netter Widmung. Ich habe mich hierzu um so mehr gefreut, als ich darin den Beweis sehe, dass es mir in den verg. 2 Monaten gelungen ist[,] den vorher etwas wirren Haufen zu einer anständigen Kameradschaft zusammenzuschweißen. Bei der am Nachmittag stattgefundenen Kaffeetafel kam das auch mit Worten des Kanzlers Müller und einem Lied der Norweger innerhalb [19r] meiner Gefolgschaft sehr nett zum weiteren Ausdruck. Anschließend an das Kaffeetrinken erschienen noch unerwartet Stubaf Flesch mit Adju[tant] Charly und Hptm. Sonsalla zum Gratulieren. Sie brachten einen alten Zinnteller (1675), ein Tischfeuerzeug und ein Lederalbum mit Photos mit. Diese überraschende Entwicklung des Tages brachte mich doch über das allzuviele Denken an die Heimat mit Frau und Kinderchen hinweg. Und doch[,] wie oft hab’ ich mir den Ablauf daheim am Winterhuderquai vorgestellt, angefangen mit Häsi & Peterle – wie sie morgens bedächtig in das Schlafzimmer hereinkommen. Lotti32 hat ihnen [20] nochmals eingeschärft, was sie sagen sollen. In den Händen halten sie Blümchen. Und dann plappern die kleinen Mäulchen ihre Sprüchlein herunter, um im selben Augenblick zu überlegen, wo sie nun wieder Unfug anrichten können oder sich auf und in die Betten zu stürzen. Ob Gerda sich wohl vorstellen kann, wie schwer es wird, die Kinder entbehren zu müssen, nicht dabei sein zu können in dieser Zeit der raschen Entwicklung? Und dann das Kaffeetrinken mit Frauchen, das Bestaunen der Geschenke; den Besuch am Nachmittag, den Freundeskreis am Abend! An solchen Tagen spürt man doch besonders deutlich [20r] diese durch den Krieg bedingte Trennung. Alles erscheint so rosig und schön, was daheim war und ist und es wächst die Sehnsucht nach den Lieben in Hamburg. Bitter ist es dann, wenn man weiß – auf Urlaub geht’s noch lange nicht. Ich werde jedenfalls noch etwas warten mit der Mitteilung, dass vorerst jeder Urlaub, d. h. auch zu Ostern gesperrt ist. Die Enttäuschung würde für Gerda zu groß sein. Und ich fühle, dass diese Hoffnung auf mein Kommen ihr eine sehr notwendige Kraft gibt. Sie erscheint mir z. Zt. etwas reichlich durcheinander. Ihre Briefe drücken so viel Unbefriedigung aus. Auch die Päckchen heute Morgen haben [21] mich nicht ganz zufrieden gestellt. Kein Brief dazu – nichts von den Kinderchen. Sie muss doch eigentlich fühlen, wie sehr ich auf jede Äußerung dieser beiden Kleinen warte und doch habe ich seit Anfang Januar nichts darüber gehört.
32 Bei Lotti handelt es sich um das Hausmädchen.
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23. märz 41
19. März 41 Es erscheinen Kapt. Strasser, Standortältester & Seekommandant, Kapt. Dietrich i. A. des Admirals[,] um zu gratulieren. Auch der Ritterkreuzträger Kaleu Bartels ruft an und gratuliert. Dieser Geburtstag hat sich anscheinend herumgesprochen. Thote33 ruft aus Oslo an und gratuliert. Nur die guten Hamburger [21r] Freunde in Oslo denken nicht daran. Und dann bringt die Post das langerwartete Schreiben von Frauchen, das bis auf: »die Kinder lassen herzlich grüßen« sehr lieb ist. Auch der gute, alte Jürgen34 schreibt – revolutionär, wie immer. 23. März 41 Gestern war wieder ein aufregender Tag. Um 15.00 Große Wehrmachtsveranstaltung im Konzertpalast in Zusammenarbeit mit der A. O. unter dem Motto: »Blutsfeier der Heimat«. Ich hatte eine pers. Einladung von General Tittel erhalten. In meiner Dienststelle sucht mich P. G. Krüger, ein alter Bekannter der A. O. [22] auf. P. G. Krüger, jetzt stellv. Leiter des Propagandaamtes Ausland, ist mir von meiner Tätigkeit als Redner der A. O. bekannt. Ich sage ihm, dass ich eigentlich schlecht auf die A. O. zu sprechen bin, da sie es bis heute nicht für nötig befunden hätte, mir für meinen ehrenamtlichen Rednereinsatz in Mittel und Südamerika zu danken. Er bedauert das und berichtet, dass ich noch kürzlich namentlich in einem Bericht an Minister Goebbels erwähnt wurde. – Auch ein Trost! Ob ich am 1. Mai in Schweden sprechen will? Das wird wohl kaum möglich sein! Abends 20.00 stieg dann mein großer Empfang im Gesellschaftssaal meiner [22r] Dienststelle. Es erschienen u. a. Admiral von Schrader, General Tittel, Oberst Graf Stolberg,35 Oberstleutnant von Rodbertus, Kap. Strasser, Kapt. Dietrich, Kapt. Roth., Kapt. Ltnt. Major Krüger, Hauptmann Sonsalla, Hauptmann Drescher[,] Hptm. Vogel, Hptm. Dr. Lochte[,] Kaleu Bartels etc. Es gab kalte Platte, Bier und einen 1stündigen Vortrag von mir über die pol. & wirtschaftl. Situation Norwegens. Der Vortrag fand gute Anerkennung. Ich glaube mit diesem Abend die Stellung meiner Dienststelle bei der Wehrmacht stark befestigt zu haben. Admiral Schrader dankt zum Schluss in sehr netten Worten. Und heute finde ich endlich wieder Zeit zum Schreiben. [23]
33 Dipl. Ing. Thote war Leiter der Abteilung Technik und Verkehr an der Dienststelle Bergen. 34 Der Briefschreiber konnte nicht identifiziert werden. 35 Admiral Otto von Schrader (1888-1945), Kommandierender Admiral der norwegischen Westküste. Schrader wurde 1945 in Bergen wegen Kriegsverbrechen verhaftet – er hatte die Erschießung einer norwegisch-britischen Torpedobootbesatzung angeordnet – und beging in der Haft Selbstmord; Christoph Graf zu Stolberg-Stolberg (1988-1968).
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30. März 41 Am 24. 3. reiste ich mit dem Nachtzug nach Oslo, zum 1. Male seit meinem neuen Amtsantritt. Kapt. Aust von der Bergenser K. M. D. [Kriegsmarinedienststelle] – ein Hamburger Landsmann – fährt mit. Noch vor der Abfahrt erreichte mich ein Brieflein von Frauchen, der mich sehr glücklich macht, steht doch etwas von Häsi und Peterle drin. In Oslo am 25. 3. steht Ludat, R. I. [Regierungsinspektor], am Bahnhof. Der arme Junge fühlt sich in Oslo so unglücklich und hofft, dass es mir gelingt, ihn wieder nach Bergen zurück zu holen. Er hat tatsächlich Glück, es gelingt mir, und er kann gleich nach Ostern seine »alte« Zahlstelle in Bergen wiederbekommen. Für L. ist das schier ein [23r] Wunder, denn bei »Beamten« soll so etwas sonst nicht möglich sein. Na, vielleicht hole ich noch den Oberinsp. für ihn heraus. Wie leicht kann man doch Menschen glücklich machen, wenn man nur etwas auf ihr Seelenleben eingeht. In Oslo höre ich nun auch, was gewisse hohe Herren mit mir oder besser mit Bergen vorhatten. 3 Anwärter für die Leitung der Dienststelle waren dem RK vorgeschlagen worden[,] ein Landrat Puhl, ein RR Poll und ein Stubaf X. Bei allen drei hat der RK vermerkt: »Christen bleibt«. Nun werde ich wohl für mindestens 2 bis 3 Monate Ruhe haben, bis dann [24] wieder ein ganz Schlauer neue Vorschläge herausbringt. Carlo Otte hatte schon nach neuen Möglichkeiten Ausschau gehalten und wollte mich für den Fall des Wechsels als Leiter der neuen Verbindungsstelle Nord, über die der gesamte Handelsverkehr mit Norwegen geleitet werden soll, vorschlagen. Eine auch nicht uninteressante Aufgabe, jedoch nicht annähernd so befriedigend wie meine jetzige Position. Otte scheint direkt stolz darauf zu sein, dass er dem RK mich seinerzeit vorgeschlagen hatte und dass der RK nunmehr sehr zufrieden mit mir ist. Er gibt sogar ein Mittagessen im Grand Hotel für mich, [24r] an dem der Hauptabteilungsleiter Landrat Dr. Schmidt (übrigens ein typischer Weihnachtsmann), ORR Dr. Baudisch, Walter Pieper36 und Elimar de Vries teilnehmen. Der Betrieb beim Reichskommissariat macht allerdings keinen besonders guten Eindruck. Von Kriegseinsatz ist nicht viel zu merken. Die meisten scheinen diesen Einsatz als Erholung, ja sogar als Abenteuer anzusehen. Um Gottes willen nur nicht mehr arbeiten, als unbedingt notwendig und dann – die Mädchen! – Sie regieren mittels ihrer mehr oder weniger vorhandenen, dafür aber umso ausreichender zur Verfügung gestellten Reize. [25] Gruppenführer Redieß, höherer SS und Polizeiführer ist offiziell zum Stellvertreter des RK bestellt.37 Er freut sich sichtlich, als ich ihm berichte, dass in Bergen ein so gutes Verhältnis zur Wehrmacht besteht.
36 Oberregierungsrat Dr. Roman Baudisch (1905-1979) war Leiter der Abteilung Binnenwirtschaft in der Hauptabteilung Volkswirtschaft des RK; Walter Pieper konnte nicht identifiziert werden. 37 Wilhelm Redieß (1900-1945) war SS-Obergruppenführer sowie Höherer SS- und Polizeiführer in Oslo. Er beging am 8. Mai 1945 Selbstmord.
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30. märz 41
Ich freue mich doch, dass ich am 27. 3. Oslo mit dem Nachtzug wieder verlassen kann. Ich glaube[,] in Bergen weht eine klarere und saubere Luft. Carlo Otte war morgens nach Berlin geflogen und will abends schon in Hamburg sein. Darum beneide ich ihn allerdings gewaltig. Wann werde ich wieder am Winterhuderquai sein? Otte wird im Reichskommissariat als der starke [25r] Mann angesehen. Er hat ein eigenartiges[,] aber gutes Erfolgssystem. Erkennt er etwas als richtig an, paukt er es notfalls auch brutal durch. Nach wie vor unerfreulich wirkt neben ihm der typ. Streber Elimar de Vries, der so ziemlich der schlechteste Kamerad sein dürfte. Von eigenen Ideen keine Spur, dabei jedoch sehr fleißig – auch in der Auswertung fremder Initiative. Da man ihn nicht so leicht durchschaut, er zum anderen auch immer der »ergebene Untergebene« ist, wird er schon seine angestrebte Karriere machen. Im Zuge treffe ich wieder Kapt. Aust. Er berichtet, dass der ehemalige Bergenser [26] Wehrwirtschaftsoffizier Major von Viehahn von Berlin aus erheblich stänkert und auf jeden Fall wieder nach Bergen (oder zu den Bergenser Frauen) zurück will! Eine Sumpfblüte, die der sold. Rock vorübergehend zum Blühen gebracht hat! Im Abendzug fahren auch der Generaloberst von Falkenhorst mit, sowie General Feige von der Gruppe XXI.38 Wie ich in Bergen erfahre, sind sie zur Beerdigung des Ritterkreuzträgers Major Kleine, der beim Skilauf tödlich verunglückte, gekommen. Ich muss ebenfalls an der großangelegten Trauerfeier teilnehmen. Ein ganzes Bataillon mit [26r] Musikzug vorweg, dann von 6 Rappen gezogen die Lafette mit dem Sarg. Dahinter Generaloberst von Falkenhorst, General Feige, General Tittel, Admiral Schrader (ich war von General Tittel den Herren vorgestellt worden)[,] der Ritterkreuzträger Kaleu Bartels, Oberst von Beeren39 und ich (mein Zivil wirkte wieder etwas »komisch«). Hinter uns folgte das gesamte Offizierskorps der 69. Division des Admirals Westküste und der Luftwaffe. Zum Schluss je eine Kompanie Heer, Marine und Luftwaffe. Ein imposanter Trauerzug, der sich durch die Straßen Bergens zum Friedhof bewegte. Unerfreulich war jedoch das Benehmen der Norweger. [27] Hände in den Hosentaschen, Hut im Nacken, so standen sie am Straßenrand, auch als der Sarg vorüberkam. Man kann es ihnen leider nicht mal übelnehmen, dass sie nicht den Hut ziehen oder die Hände aus den geliebten Taschen ziehen[,] denn sie kennen dies für alle Kulturstaaten sonst selbstverständliche Verhalten nicht. Auf dem Friedhof passiert eine unangenehme Panne. Mein Kranz war verwechselt worden, und so musste ich ohne Kranz auskommen. Zum Schluss stellte sich dann heraus, dass die Luftwaffe meinen Kranz niedergelegt hatte, der ihre blieb zum Schluss übrig! Peinlich! Anschließend Kaffeetrinken auf der »Westwärts«. [27r]
38 Hans Feige (1880-1953), General der Infanterie im XXI. Armeekorps, Norwegen. 39 Karl von Beeren (1890-1961) war Kommandeur des Infanterieregiments 193, das an dem Überfall auf Dänemark und Norwegen unter dem Decknamen »Unternehmen Weserübung« beteiligt gewesen war.
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6. april 1941
Am Freitagmorgen erhielt ich eine Einberufung zur Untersuchung bei der SS in Oslo – die Napfkuchen hätten das Schreiben ja auch etwas früher abschicken können, so muss ich also Dienstag nochmals nach Oslo! Heute, d. 30. 3. habe ich bei Hauptmann Sonsalla meine W 35er40 eingeschossen. Und nun sitze ich wieder wie schon traditionell in meinem Amtszimmer und höre das Wunschkonzert. Nächsten Sonntag hoffe ich jedoch, diese Heimatklänge schon in meinem neuen Heim hören zu können. Donnerstag soll ich einziehen können. [28] 6. April 1941 Wieder liegt eine arbeitsreiche Woche hinter mir. Am Montag, d. 31. 3. fuhr ich mit dem Nachtzug nach Oslo. Der Wehrwirtschaftsoffizier, Hauptmann Dr. Lochte, der ebenfalls mit nach Oslo fuhr, berichtete mir empört über das Wirken des Major von Viehahn in Berlin. Die Untersuchung in Oslo am Dienstag d. 1. April bei der Waffen SS ergab, dass ich restlos gesund bin, lediglich etwas schwaches Sehvermögen links. Die Rückfahrt musste ich am Mittwoch mit dem Tagzug antreten, da die Nachtzüge bis auf weiteres alle ausfallen. [28r] Am Donnerstag d. 3. 4. 41 hatte ich alle 5 Polizeipräsidenten meiner zwei Provinzen geladen. Es war nicht uninteressant, mit ihnen offen die pol. Lage und die Stimmung des norweg. Volkes zu erörtern. Weder in Friedenszeiten, noch seit dem 9. 4. 4141 war die feindselige Stimmung gegen Deutschland so groß wie gerade derzeit. Die Norweger behaupten, es sei lediglich unsere Einsetzung von Quisling und N. S. im September vorigen Jahres, was sich heute so schlecht auswirke.42 Ich glaube, das stimmt nicht, wobei man jedoch feststellen muss, dass unsere Propaganda bisher nicht sehr glücklich gewesen ist. Noch im [29] Oktober 40 war die Stellungnahme des norweg. Volkes pro oder contra Staatsräte und NS völlig offen. Dann kamen 1. das griechische Fiasko Italiens, 2. Englands geschickte Propaganda mit Bezug auf die »verpasste Landung«43, 40 Wehrmachtspistole. 41 Offensichtlich gemeint ist der 9.4.1940, an dem das »Unternehmen Weserübung« begann. 42 Vidkun Quisling (1887-1945), Gründer und Führer der Nasjonal Samling. Er hatte unmittelbar nach der Invasion eine Regierung unter seiner Führung ausgerufen, wurde aber von dem Reichskommissar wieder abgesetzt. Obwohl Quisling erst im Februar 1942 vom RK zum »Ministerpräsidenten« Norwegen ernannt wurde, erfuhren er und seine Nasjonal Samling schon im September 1940 eine erhebliche Aufwertung, als alle politischen Parteien außer der N. S. verboten und aus deren Reihen die Posten der »Kommissarischen Staatsräte« der norwegischen »Regierung« besetzt wurden. 43 Im Herbst 1940 verbreitete der britische Geheimdienst MI6 im Rahmen seiner »Schwarzen Propaganda« (Fehl-)Informationen über Tausende an der britischen Küste angeschwemmte verbrannte Leichen deutscher Soldaten, die bei dem Versuch, an der englischen Küste zu landen, getötet worden seien. Tatsächlich hatte die Wehrmacht die Invasion Englands für den Herbst 1940 unter dem Decknamen »Operation Seelöwe«
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12. april 1941
3. die USA Einmischung[,] 4. die Svolvaerlandung [Svolværraidet, auch »Operasjon Claymore«] aus England44 und schließlich die ital. Niederlagen in Afrika. Wir haben die Auswirkungen dieser Ereignisse nicht nur nicht auffangen können, sondern wir operierten selbst auch noch ungeschickt. Organisationsfimmel und eine gewisse Überheblichkeit sind häufig genug mit uns durchgegangen. Dazu kommt der Mangel an [29r] »internationalem Horizont«. Schon aus unserer Heimat sollten wir wissen, dass z. B. der Norddeutsche – nehmen wir mal den Friesen oder den Dithmarscher, die dem Norweger sehr wesensverwandt sind – sich nichts gewaltsam aufzwingen lassen. Der »kleine Mann aus Posewinckel« aber, er steckt seine Nase in jede Sache; er will dem Norweger vorschreiben, wie er arbeiten, bauen, lernen und denken soll, wobei er ihm bis zum Überdruss erzählt, wie schlecht er es eigentlich früher gehabt hat und wie gut es ihm nun künftig unter deutscher Führung gehen wird. Alles muss schnellstens gemacht werden und dann wundert er sich, wenn der [30] Norweger ihm nicht vor Freude um den Hals fällt, sondern »meckert« und sabotiert. Diese kleinen hinterwäldlerischen Geister begreifen nicht, dass es ja garnicht darauf ankommt, ob der Norweger heute oder morgen, in diesem Jahr oder etwa erst in 5 Jahren auf das großgermanische Reich ausgerichtet wird. Warum diesen Gärungsprozess in Norwegen sich nicht ruhig[,] aber dafür natürlich ablaufen lassen? Erstens bauen wir unser Reich ja für Jahrhunderte und zweitens werden wir militärisch nie ganz aus diesem Land herausgehen. Eine Gefahr besteht also nicht. Mit unserer Hast erreichen wir nur, dass der Widerstand [30r] und damit auch unser Energieverlust immer größer wird. Es triumphiert der deutsche »Belehrer«. Wenn der Norweger aber verständlicherweise nicht mitmacht, dann ist das »Sabotage«. Dies Volk kommt früher oder später automatisch zu uns, aber es will freiwillig kommen und nicht zwangsweise »gezogen« werden. Am Sonnabend d. 5. 4. 41 findet abends 19.00 in meinen Festräumen ein Kameradschaftsabend der Flieger statt. Sehr netter Verlauf. Admiral von Schrader war bis 11.00 ebenfalls zu Gast. Die zahlreich anwesenden norweg. Mädchen beweisen[,] dass es doch Möglichkeiten der Verständigung gibt!!! – [31] 12. April 1941 Nun wohne ich schon über 1 Woche in meinem neuen Haus Kalvedalsveien 47a. Es ist fast eine Ironie, dass es dem größten Bergenser Kaffeemann – Friele – ge-
geplant, wegen der für das kommende Jahr beabsichtigten Invasion der Sowjetunion aber verschoben bzw. bis auf Weiteres aufgegeben. Vgl. James Hayward, Burn the Sea. Flame Warfare, Black Propaganda and the Nazi Plan to Invade England, Stroud 2016. 44 Svolvær ist eine Stadt auf der norwegischen Inselgruppe der Lofoten, die als Zentrum der norwegischen Fischfangindustrie für die deutschen Besatzer von großer Bedeutung waren. Dort gewonnenes Fischöl wurde zum Schmiermittel Glycerin verarbeitet, das für Flugzeugmotoren verwendet wurde. In der »Operation Claimore« zerstörte die englische Kriegsmarine alle Schiffe und Produktionsanlagen.
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hört.45 So nach und nach »bevölkert« es sich nun auch. Seit gestern ist auch die »norske pike« da46, die natürlich kein Wort deutsch spricht. Außerdem wohnen bisher nur zwei weitere weibliche Geschöpfe im Haus; ab 1. Mai kommt dann noch ein Männlein. Wieder flackert der Kamin lustig wie einst in Fjösanger oder Krakenes. Es ist halt nichts mit dem Hotelleben, abgesehen davon[,] dass man es auch kaum bezahlen kann. Am 9. April jährte sich der [31r] Tag der Besetzung dieses Landes. Von den geplanten Demonstrationen war nicht viel zu bemerken – trotz aller Rundfunkpropaganda Londons. Morgens 8.50 legte ich im Auftrage des Reichskommissars einen Kranz an den Gräbern der Gefallenen nieder. Es sind jetzt schon 133 Gräber. Wieder hallten die Ehrensalven der Wehrmachtsabordnungen über den Friedhof, und nach dem Admiral, dem General und Major Wille (Flugwaffe) legte ich den diesmal besonders prachtvollen Kranz nieder. Sämtliche 133 Gräber hatte ich tags vorher mit Tulpen und Narzissen schmücken lassen. Um 11.00 war ich zur Besichtigung einer Ausstellung [32] von künstlerischen Arbeiten der Marinesoldaten auf einer bei Bergenshus [Bergenhus festning] verankerten Kock geladen. Abends folgte ich einer Einladung des Generals zum Essen mit anschließendem Kameradschaftsabend der Stabskompanie. Um 11.00 erfolgte ein schon lange nicht mehr erlebter Fliegeralarm. Also hatte der Tommy doch jedenfalls etwas von seinen Versprechungen gehalten. Doch es war nichts weiter zu sehen und zu hören. Nachts um 1.00 ein neuer Alarm. Jedoch wieder nichts weiter Aufregendes. Erst am nächsten Morgen, d. 10. 4. 41, erfahre ich, dass das Aluminiumwerk in Höyanger [Høyanger] bombar- [32r] diert wurde. Ca 8 Bomben, die leider mitten ins Werk trafen und dasselbe für einige Zeit lahmlegen. Es waren sicherlich wieder norweg. Piloten, denn Höyanger im Sognefjord ist sehr schwer anzufliegen. Ab 10. bis 14. incl. habe ich meine Dienststelle offiziell geschlossen. Einem Teil meiner Leute habe ich eine Bootsfahrt nach dem Sogn und Nordfjord ermöglicht. Ich selbst muss allerdings täglich einmal nach dem Rechten sehen. Gestern, am 11. 4. 41 war ich abends zum Abschiedsabend für den Stubaf Puchta47 eingeladen. Sehr langweilige Angelegenheit. [33]
45 Herman Friele (1877-1961). Die Firma Friele war sowohl Norwegens größter Rohkaffee-Importeur als auch, seit 1937, der wichtigste Großröster des Landes. 46 Eigentlich »piken«, norwegisch für Mädchen, also das Dienstmädchen. 47 Adolf Puchta (1908-?) war SS-Obersturmbannführer und 1940/1941 Mitarbeiter beim Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Bergen. Nach 1945 war er in der Organisation Gehlen tätig für die Gegenspionage in Bayern und Hessen, aus der er nach Verdacht auf sowjetische Kontakte 1953 ausschied. Danach arbeitete er als Referent für das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in einer Außenstelle von München, ab 1960 als Oberregierungsrat beim Landesverfassungsschutz in Niedersachsen.
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20. april 41
13. April 41 Wieder gießt es vom Himmel, so recht dazu angetan, um an Hamburg zurückzudenken. Was nützen einem die Berge[,] die Fjorde, wenn das Herz doch daheim ist. 20. April 41 Führers Geburtstag. Gestern rief Landrat Dr. Schmidt48 an, ich möchte heute um 12 Uhr in Oslo sein, um das Kriegsverdienstkreuz 2. Kl. überreicht zu bekommen. Glücklicherweise fährt z. Zt. kein Nachtzug mehr. So wird das Kreuz nun am Montag mit der Post eintreffen. In der vergangenen Woche habe ich nun seit Monaten [33r] zum ersten Mal Gelegenheit gehabt, Bücher zu lesen. Gestern habe ich »Herrscher über Traum und Leben« von Erna Grautoff49 beendet. Wirklich ein fabelhaftes Buch. Kein Mensch wird hier »vollkommen« gezeichnet. Ja, sogar Bacon, dem Shakespeare zürnt man zum Schluss, weil er sich nicht mannhaft verteidigt hat. Eines scheint mir vordringlich, die Menschen mit ihren Vorzügen und Schwächen vergehen, werden verbraucht, aber eines bleibt über Allem, der Staat. So wurde England groß, das Land, dem wir Kampf angesagt haben auf Sein oder Nichtsein. Und als Weisheit – in diesem Fall der Bücher letzter Schluss – der Mensch [34] ist ein gefährlich Tier, man hüte sich vor ihm. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Man soll sich niemals allzu sehr in romantischen Träumen verlieren, das Leben ist immer nur Kampf. Die Augen offen behalten und trotz des so notwendigen Optimismus immer Gefahr wittern. Vorgestern am 18. 4. 41 wurde nun die Kapitulation der yugoslavischen [sic] Armee bekanntgegeben. 12 Tage hat dieser Kampf gedauert. Der militärisch stärkste Staat des Balkans wurde in dieser unglaublich kurzen Zeit niedergerungen. Exit Yugoslavia. Jeder wird sich nun ein Stück herausschneiden aus diesem [34r] künstlichen Staatsgebilde. Zum Schluss bleibt ein kleines unscheinbares Serbien übrig. So wird jeder Größenwahn bestraft. Wieviel Tage wird es noch dauern[,] bis Griechenland besetzt ist. Der deutsche Heeresbericht meldete gestern, dass auf dem Olymp die deutsche Kriegsflagge weht. Es scheint, dass man mehr mit der Dummheit als mit der Klugheit in der Welt rechnen muss. London hat inzwischen seinen schwersten Angriff erlebt. Es muss wohl so sein, mit dem Sterben der alten Anschauungen stirbt auch das Äußerliche, das alte Bild. Es ist wie eine Tragik um diese gigantischste aller europäischen Auseinandersetzungen. [35] Die Tragik des 20. Jahrhunderts. Zwei Völker, die eigentlich zusammengehen sollten, als Träger und Stütze der Kultur und Macht Europas zerfleischen sich zum Nutzen Amerikas und – und letzten Endes auch Asiens. Und doch werden 48 Der Titel »Landrat« bezieht sich vermutlich auf Schmidts zivilen Rang in Deutschland. 49 Das Buch mit dem Untertitel »Ein Roman aus dem elisabethanischen England« erschien 1940 bei Rowohlt.
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23. april 1941
sie eines Tages zusammenfinden, Deutschland als Repräsentant des europäischen Kontinents und England als Europas Vorposten in der Welt. Aber viel wird Europa dann schon verloren gegangen sein. Die jetzige Ehe mit Italien ist unnatürlich, nur Einer kann in Europa und vor Allem auf dem Kontinent vorherrschend sein, Deutschland. Daher [35r] wird Italien immer nur den dritten Platz halten können. 23. April 1941 Am Montag d. 21. 4. kam das Kriegsverdienstkreuz 2. Kl. an. Ich freue mich doch sehr dazu, denn wenn man’s richtig bedenkt, ist für mich, der ich bisher Civil im Krieg trage, das einzige sichtbare Zeichen oder Dokument, dass ich meine Pflicht in dieser großen Zeit getan habe. Ob ich wohl noch 1. Klasse schaffen werde? – Am Dienstag d. 22. trifft Oberstarbeitsführer Müller-Brandenburg ein50, der abends auf der Feier der Bergenser Ortsgruppe der Partei die [36] Festpredigt halten soll. Ich bin vor dem Kriege als Redner der A. O. häufig irgendwo in Europa auf seine Spuren gestoßen. Ein sehr lebendiger und gut unterrichteter Mann. Er berichtet eine Menge Einzelheiten aus der derzeitigen pol. Situation – immer mit dem Unterton, wenn das deutsche Volk einmal erfährt, in welchem Ausmaß und bei welchen Gelegenheiten der »Bluff für Deutschland gesiegt hat, setzt es sich nochmal auf den Hintern.« Das Verhältnis zu Russland soll wieder prima sein, nachdem die Russen doch stark eingeschnappt, allerdings ebenso stark erschüttert über die deutschen Erfolge gewesen [36r] sind. Unserer »Bitte« um die Bereinigung des japanisch-russischen Verhältnis[ses] wurde durch den Aufmarsch von 6 Armeen an der Ostgrenze der »versehentliche« Nachdruck gegeben. Das Ergebnis in Form der bekannten Vereinbarung soll dann auch selbst für die Japaner so überraschend günstig gewesen sein, dass es in Japan nach seinem ersten Bekanntwerden nicht geglaubt wurde. Und dabei rollen Tag für Tag die Züge mit Weizen, Öl etc. nach Deutschland. Russland erfüllt den Wirtschaftsvertrag bis auf das I-Tüpfelchen, ja es hat sogar conzediert, dass wir in Anbetracht unserer »Kriegsanstrengungen« bis 1942 Aufschub für unsere [37] Gegenleistungen erhalten. Mehr kann man wirklich vom ehem. kommunistischen Gegner [nicht] verlangen. Interessant war auch, dass in Holland und Belgien fast die gleichen Erfahrungen gemacht werden wie in Norwegen. Die unerwartete Milde und Großzügigkeit der Deutschen hat die Holländer z. B. nicht zu Freunden gemacht. Nein, sie wurden täglich frecher. Genau wie in Norwegen. Die Belgier seien nicht ganz so schlimm. König Leopold zeige eine tadellose Haltung und sei der Schlüssel zur belg. Seele. 50 Es handelt sich bei Hermann Müller-Brandenburg (1885-1955) um den »Leiter der Abteilung für auswärtige Angelegenheiten beim Reichsarbeitsführer« und Herausgeber des »Jahrbuchs des Reichsarbeitsdienstes«.
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23. april 1941
Wir schweiften ab auf S. M. Wilhelm II. Die Größe des Führers, aber auch seine ganze Überlegenheit zeigt [37r] sich darin, dass er W. die Rückkehr nach Deutschland angeboten hatte. W. lehnte ab, gab in seinem Telegramm aber seine rückhaltlose Bewunderung für den Führer zum Ausdruck. Welch eine menschliche Tragik um diese so begabte Person, die restlos fehlte und versagte. Der Führer gebraucht die Anrede S. M. Ja, die Hohenzollern!? – Prinz Oscar – angeblich der intelligenteste [–] verlor in diesem Krieg seine beiden Söhne für das Vaterland. Und doch ist es uns heute nur wie das Rückblättern in einem alten Prunkbuch – ohne Bedeutung für die Gegenwart und die Zukunft – das Hohenzollernhaus! – [38] Natürlich bewegt uns auch die Frage der Grenzziehung, ja des Friedens im Allgemeinen. Es scheint doch, als wenn Holland und Belgien ihre Souveränität wieder erhalten, allerdings mit der Einschränkung, dass sie sich unter deutschen Schutz stellen, was gleichbedeutend mit der Tatsache ist, dass wir an allen geeigneten Stellen milit. Stützpunkte erhalten. Einig waren wir uns darüber, dass es Wahnsinn wäre, in diesem Jahrzehnt noch die Ukrainefrage anzuschneiden, zumal dieser Raum ohnehin keine Siedlungsmöglichkeit mehr bietet. Herr Himmler [38r] wird sich schon umstellen müssen in dieser Frage. Besonders erfreut waren wir darüber, dass wir Beide übereinstimmten, dass der von uns proklamierte tausendjährige Friede nur dann gewährleistet sei, wenn alle Völker ökonomisch zufriedengestellt würden, abgesehen von der völkischen Freiheit. Hier hilft allerdings nur der Glaube an den Führer, denn unsere deutschen Wirtschaftsgenossen möchten am liebsten in krass imperialistischkapitalistischer Weise Alles einheimsen. Aber glauben wir an den Führer und an das Primat der Politik. An die Adria wollen [39] wir angeblich nicht. Da das neugebildete Kroatien mit Dalmatien und Bosnien jedoch deutscher Schutzstaat werden [soll], spielt das eigentlich keine Rolle. Müller-Brandenburgs Urteil über die Italiener ebenso schlecht wie meins: Pack! Der Abend verlief nett. Der General war erschienen. Ende 3.30 im Hotel Norge mit der Feststellung, man müsse danach trachten, dass die Produktion von Whisky erhalten bleibt. Der Ritterkreuzträger Kaleu Bartels erzählt mir, dass Prien tot sei51. Sein Boot sei beim letzten großen Angriff auf engl. Geleitzüge [39r] versenkt. Um den Engländer noch zu täuschen, ist Prien vor einigen Tagen zum Korvettenkapt. ernannt worden und die Stadt Graz erhielt den Auftrag ihn öffentlich mit seiner Mannschaft einzuladen. Aber – ein Held starb für Deutschland. Die Ubootwaffe hat zwei weitere schwere Verluste. Das zweit- und drittgrößte Ass, Kaleu Kretschmer und Schepke, befinden sich in engl. Gefangenschaft. Schade für die 51 Günther Prien (1908-1941) war ein militärisch erfolgreicher, 1939 mit dem Ritterkreuz ausgezeichneter U-Bootkommandant, dessen Ruf als mutiger Draufgänger schon zu Lebzeiten und bis Ende der 1950er Jahre in Literatur, Rundfunk und Film popularisiert wurde.
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27. april 1941
Ubootwaffe. Trotzdem sind die bisher bekanntgewordenen Versenkungszahlen eine ungeheure Leistung, wenn man weiß – und Gott sei Dank weiß man es nicht –, dass bis vor [40] kurzer Zeit ganze 8 bis 9 Boote am Feind waren, acht bis neun Boote, um es noch mal in Buchstaben zu wiederholen. Und immer noch nicht beginnt der große U-Bootkrieg. Atempause für England. Heute am 23. 4. 41 hatte ich eine kleine Enttäuschung. Ich muss eine Stenotypistin von meiner Abteilung Technik & Verkehr einsperren lassen. Grund: Unterschlagung von ca. 100.000 Kr. in Gemeinschaft mit ihrem Verlobten, der von der Marine zu dieser Abteilung abkommandiert war. Es handelt sich »glücklicherweise« um Marinegelder, sodass [40r] meine Dienststelle nicht belastet wird.52 26. April 1941 Gestern, am 25. 4. vor einem Jahr kam ich nach Oslo. Wer hätte gedacht, dass ich 12 Monate in diesem Lande bleiben würde, ja, auch jetzt ist das Ende noch nicht abzusehen. Ebensowenig habe ich mir allerdings träumen lassen, als ich damals auf dem Flugplatz Staaken in die Maschine des Führers Immelmann III stieg, dass ich eines Tages »Herrscher« über die zweitgrößte Stadt dieses Landes und weiter zwei seiner Provinzen sein würde. Wann wird das »Ende« sein? Ich [41] werde mir erst einmal den 31. 12. dieses Jahres als letzten Termin setzen. Gestern hatte der Admiral von Schrader zum Frühstück anlässlich des Abschieds seines Chefs des Stabes, Kapt. z. S. Schomburgh53 geladen. Heute war ich beim General im kleinsten Kreis anlässlich des Besuches des Generalleutnants Feuerstein (Gebirgsjäger Division) zum Essen geladen. Das Verhältnis zum General wird von Tag zu [Tag] besser. Heute lieh er mir sein militär-geograph. Werk über seinen Divisionsbereich. General Feuerstein ist Tirol[er] und von einer selten gesehenen Natürlichkeit und Freundlichkeit. [41r] 27. April 1941 Wieder strahlt heute die Sonne vom Himmel herunter. Da müssen die Beine mal etwas gestreckt werden. Mit Froeken Erbarth54 wandere ich 3 Stunden zum Floien [Fløyen]55 und fast zum Rundemann [Rundemanen] hinauf. Dieses Frl. Erbarth ist ein ganz intelligentes Mädel. Es ist wirklich bedauerlich, dass sie ein so unmöglich lautes Benehmen hat – und das bei ihrer betont breiten Hamburger Sprache. 52 Während der Besatzung entsprachen 100 Norwegische Kronen 60 Reichsmark. 53 Oskar Schomburg (1897-?). 54 Christen benutzt meist die Bezeichnung »Fröken« (schwedisch: Fräulein) für seine Hamburger Mitarbeiterin Erbarth. 55 Der Fløyen, auch Fløyberg genannt, ist ein beliebtes Ausflugsziel mit Aussicht über die Stadt und Umgebung.
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4. mai 1941
30. April 1941 Heute kommt Ludat als Dauergast zu mir in die Dienstwohnung. Hoffentlich ist ihm meine seinerzeitige Unterstützung & Hilfe nicht zu Kopf gestiegen. [42] Ich habe schon wieder die Befürchtung, mit meiner Gutmütigkeit zu weit gegangen zu sein. R. J. Seiler, der nun für ihn nach Oslo zurückgehen muss, hat sich eigentlich überraschend gut gemacht. Der Ruf der Faulheit[,] der ihm vorausging, hat sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, er ist außerordentlich rührig gewesen. Wieder einmal hat sich gezeigt, dass es nur darauf ankommt, den Mann »richtig« anzusetzen. So ist es bei Kanzler Müller56 gewesen, so war es auch bei Seiler. 1. Mai 1942 Heute ist »halbfrei«. Ich [42r] habe meinen Leuten eine Autofahrt nach dem Solstrand ermöglicht. Kanzler Müller und ich bleiben in Bergen, um uns für den Besuch des Reichskommissars vorzubereiten – bei dem herrlichen Wetter ein schwerer Verzicht. Um 20.00 erfahre ich, dass der für Sonnabend angesagte Besuch wieder abgesagt ist. Auch gut! 4. Mai 1941 Ein anstrengender Marsch liegt hinter mir. Ca 800 m sind wir hochgeklettert und dann über die Stein- und Schwefelfelder hinweg in meist schönstem Sonnenschein. Ich komme mir bei solchen Wanderungen [43] in meinem Aufzug – bunte Strümpfe, blaue Knickerbocker und blauer Anorak – so garnicht »gebietskommissarlich« vor. So bin ich zuletzt vor 15 Jahren gewandert im Jungnationalen Bund – lang ist’s her!57 Braun bin ich nun allmählich geworden wie selten zuvor. Das Radio meldet, dass der Reichstag heute zusammentritt. Und dann um 18 Uhr spricht der Führer über den glorreichen Abschluss des Krieges in Yugoslavien und Griechenland. Eine stolze Aufzählung! Worauf hofft Mr. Churchill eigentlich noch. Angesichts derartig gewaltiger Niederlagen muss doch der zu- [43r] versichtlichste Mann mal schwach werden. Das Spiel ist endgültig verloren. Auch die Yankees können nichts mehr retten. Ich habe Gelegenheit hier oben in Norwegen mal etwas von dem zu spüren, von dem der Führer sagt »Wir 56 Müller war vom Außenministerium abgeordnet und Christens Stellvertreter an der Dienststelle Bergen. 57 Der Jungnationale Bund (Junabu), 1921 als Abspaltung vom Deutschnationalen Jugendbund (DNJ) gegründet, war Teil der Bündischen Jugend. 1924 spaltete sich vom Junabu die – kleinere – Deutsche Jungenschaft ab, deren Mitglieder später zum Teil Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten, während der Rest- Junabu sich mit dem Großdeutschen Jugendbund zur Freischar junger Nation formierte. Dort wird Christen Mitglied gewesen sein. »Vor 15 Jahren«, also 1926, war er 17 Jahre alt.
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4. mai 1941
haben Alles, aber auch Alles einkalkuliert.« Batterien über Batterien werden hier neu gebaut. Neue Flugplätze entstehen und die Divisionen, die nach Finnland gehen, sind in diesem Land auch nicht gegen Russland eingesetzt, wie England es im Rundfunk behauptet, sondern gegen einen evt. Angriff von – Amerika. Die einzige Chance, die Amerika überhaupt hätte, wäre der Einfall in Norwegen. [44] Doch auch dafür ist es schon lange zu spät. Vorgestern besuchte mich der Oberbürgermeister. Es war gerade Dr. Koren Wiberg58, der bekannte Forscher der Geschichte der Bergenser Hansezeit[,] bei mir, der mir einen alten Hamburger Farbstich (Jakobikirche) als Geschenk mitgebracht hatte. Wir tranken daraufhin alle einen Martell Cognac. Nachdem Koren Wiberg gegangen war[,] dedizierte ich dem Oberbürgermeister eine Flasche Cognac, da er durchblicken ließ, dass er trotz seiner Stellung »so etwas« nicht bekam. Hier sieht man wieder, wie leicht man Menschen gewinnen kann. Ich be- [44r] schloss daraufhin, am nächsten Tag Dr. Koren Wiberg einen Besuch zu machen und ihm ebenfalls noch eine »Flaske[«] Cognac mitzunehmen. Eine so große Freude des guten Mannes hatte ich nun doch nicht erwartet. Ich werde dieses billige[,] aber probate Mittel in Zukunft etwas häufiger anwenden. Er zeigte mir dann das hanseatische Museum und die Schötstuen [Schøtstuene]59. Über das hanseatische Museum kann man geteilter Meinung sein, trotzdem sogar Wilhelm II. davon begeistert war. Wilhelm II. soll sich damals hinter das Glasfensterchen gesetzt haben, das den großen Vorraum vom Chefkontor abtrennte. [45] Mit Eulenburg exerzierte er dann den Hansekaufmann im Verhandeln mit einem norweg. Fischer. Es ist interessant, auch hier wieder diese etwas krankhaft theatralische Seite unseres letzten Kaisers bestätigt zu sehen. Wesentlich netter sind die Schötstuen, die neben der alten deutschen MariaKirche wieder aufgebaut wurden. Hier ist wirklich eine politisch und kulturell interessante Sache erhalten geblieben. Alles deutsch natürlich, und ich beabsichtige nunmehr, den Großen Empfang anlässlich des Besuchs des Reichskommissars in diesen Räumen zu geben. Die Erlaubnis habe ich inzwischen von Koren Wiberg [45r] und dem Oberbürgermeister erhalten. So etwas findet der RK in ganz Norwegen nicht wieder. Der Platz eignet sich auch besonders für eine Festpredigt, in welcher die notwendige deutsch-norwegische Zusammenarbeit betont wird. Ich habe noch ein »Attentat« auf den RK vor. Ich werde ihn in die Haakonshalle [Håkonshallen]60 führen und ihm klar machen, dass diese Halle die »Garnisonskirche Norwegens« ist. Hier sind die ersten norweg. Könige gekrönt worden und hier müsste auch eigentlich das neue Norwegen der Zukunft seinen Start nehmen. Hoffentlich gelingt es mir. Übernächste Woche will der RK nun kommen. 58 Johann Christian Koren-Wiberg (1870-1945). 59 Deutsch: Schötstuben, Hansische Versammlungsräume. 60 Benannt nach König Håkon IV. Håkonsson (1204-1263), der sie im 13. Jahrhundert als königliche Residenz und Festsaal (nicht als Kirche) erbauen ließ.
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8. mai 1941 [46] Bemerkenswert erscheint mir auch die Auseinandersetzung zwischen dem Irak und England. Wir dürften da erheblich die Hand im Spiel haben. Wird dies der Anfang eines allgemeinen arabischen Aufstandes gegen England sein? Die Grenze zwischen Irak und Afganistan [sic] wird sicherlich eines Tages mal unsere Interessengrenze sein, Wird Russland mal Afghanistan überscheuchen61, um einen Ausgang in den indischen [sic] Ozean zu bekommen? Es wäre eigentlich natürlich! – Die nächsten Tage werden uns sicherlich zeigen, ob hinter dem Streit Irak-England unsere Politik und vor Allem Strategie steht. Es wäre zu schön! [46r]
8. Mai 1941 Hoher Besuch hat sich heute angesagt, und zwar der Gauleiter von Köln-Aachen Grohe, Regierungspräsident Vogelsang,62 Assessor Dr. Tewaag Adjutant vom RK und Pg. Ohlung, Gaupropagandaleiter von Köln-Aachen. Um 9 Uhr fahre ich mit einem Schnellboot nach Herdla, wo der Besuch gegen ½ 11 mit einer Ju 52 erwartet wird. Und dann folgte eine Pechsträhne comme il faut. 1. kam die Ju erst um 12. 2. Das schnelle Boot hatte inzwischen Maschinenschaden, sodass wir auf einem müden Kahn genau 2 Stunden bis Bergen fuhren. 3. waren zu um 2 Uhr der Admiral, der General Oberst von Beeren und der Stubaf [47] Flesch von mir zum Essen geladen. Wir kamen selbst um ½ 3. 4. Um ½ 5 kam die Absage für das mir inzwischen von Flesch zur Verfügung gestellte Boot. 5. Der Admiral stellt mir sein Schnellboot zur Verfügung, startbereit 17.15 Uhr. Es war startbereit um 18.40 Uhr. 6. Inzwischen wollte ich meine Gäste zum Floien herauf fahren. Auf halber Höhe versagt die Kupplung. Um meinem 2. Wagen, der vor mir heraufgefahren sein sollte, Bescheid zur eiligen Rückfahrt zu geben, habe ich das zweifelhafte Vergnügen, per pedes weiter zu stürmen. Schweißtriefend oben angekommen stelle ich fest, dass der Wagen gar- [47r] nicht da ist. Also zurück. Ich rolle dann rückwärts meinen PKW den Berg herunter. Unten angekommen halte ich einen Lastwagen an. Grohe kommt vorne zum Chaufför, Regierungspräsident Vogelsang, Assessor Dr. Tewaag und ich klettern hinten drauf. – fürwahr eine würdige Fracht und Fahrt. 7. Wir fahren nun also doch noch nach Herdla. Dort angekommen, erklärt der Pilot, nicht mehr starten zu können. Einfach wundervoll!!! Zurück nach Bergen!!! ---Gelungen ist an diesem Tag nur das Essen gewesen, das ich in meinem Haus gab. Gut nur, dass es diesmal der RK nicht selber war. [48]
61 Veralteter Begriff: scheuchend über einen Raum jagen. 62 Josef Grohé (1902-1987); Franz Vogelsang (1899-1979), Regierungspräsident von Aachen.
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11. mai 1941
9. Mai 41 Ich habe heute so richtig einen psychischen Katzenjammer. So viel Pech habe ich noch nie gehabt, und was mich am meisten ärgert, ich habe niemanden, den ich mit Recht anfauchen kann. Es war ja eigentlich nur die Tücke des Objekts.Der Ausgang gestern war noch ganz versöhnlich. Ich lud die etwas »geknickten Gemüter« zu mir ins Haus. Ein gutes Abendessen, einige Cognacs und Aquavits, Bier und Whisky beim brennenden Kamin taten das Ihre zum Ausgleich. Aber heute morgen, da ging’s wieder los. Ich hatte meinen Wecker auf ½ 7 gestellt, mir der Sicher- [48r] heit halber einen zweiten Wecker geliehen und ebenfalls entsprechend gestellt. Es begann damit, dass ich ein Klopfen an die Tür höre. Herein spaziert Charly, der Gannef63 und Allerweltskerl. Ich höre seine Worte: »Flesch schickt mich, um zu sehen, wie Dir der Autounfall bekommen ist!« Autounfall?? – Und dann endlich beginnt mein Gehirn wieder richtig zu arbeiten. Charly ist entsetzt, als ich meinen Wecker nehme und ihn vollendet an die Wand knalle. Mittags höre ich von meinem Mitarbeiter Dr. Nising, mit dem ich mich um 7.15 verabredet hatte, dass er mein Nichterscheinen zur Abfahrt der [49] Gäste mit einem Autounfall entschuldigt hatte. Alle Achtung vor der Geistesgegenwart. Überhaupt ein Pfundskerl[,] dieser Nising. »Die Vier aus Oslo« hatten naturgemäß keine Zahnbürste, kein Rasierzeug – kurzum Nichts für eine Übernachtung. Nising schaffte Alles noch abends um ½ 10 Uhr [herbei]. Ob ich dabei nun meine zwei Pyjamas, die ich bei dieser Gelegenheit ausgeliehen hatte, wiederbekomme, ist fraglich. Erstmal sind sie mit nach Oslo genommen worden. Ja, heute ist mit mir nicht viel anzustellen, was wohl auch verständlich ist. Da hilft nur gründlich ausschlafen, was ich nun mehr auch tun werde. [49r] 11. Mai 1941 Heute ist es Nichts mit einer Kletterei in die Berge. Nach langer Zeit mal wieder Regen. Doch das ist auch dringend notwendig. Es ist eigenartig, aber Mensch und Natur brauchen den Regen und die letzten Wochen bezeichnen sie ernstlich als »schlecht Wetterperiode«. Doch jetzt ist es schon wirklich herrlich draußen. Alle Bäume haben schon Grün. In den Gärten ist eine Blumenpracht. Ja, das Leben wird wieder angenehmer. Mit etwas wehmütigen Gefühlen bin ich heute durch meinen Garten gegangen. Meine Gedanken waren dabei in Hamburg, bei den Zäunen, Sträuchern und Blümchen am Winterhuderquai. Auch [50] dieses Jahr bekomme ich Nichts davon zu sehen. Ich muss Gerda mal schreiben, dass sie mir einige Photos zuschickt, auf denen ich sehen kann, ob die Ligusterhecke schon wieder gewachsen ist, ob die Steingewächse schon blühen? Seltsam, je mehr ich meine Gedanken auf die Heimat konzentriere, je mehr ärgere ich 63 Jiddisch: Dieb, Gauner.
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15. mai 41
mich! Liegt das daran, dass ich »urlaubsreif« bin? Und dabei ist nun ein Urlaub ja auch nicht gerade eine Erholung. Ich ärgere mich, dass ich keine Bildchen von Häsi und Peterle erhalte, ärgere mich, dass Frauchen von geistreichen Unterhaltungen mit unseren Hausfreunden schreibt, während die [50r] Auslassungen an mich meist etwas oberflächlich sind. Ja[,] ich bin geneigt zu glauben, diese guten »Freunde« kommen mehr meiner guten Weine und der bei und von uns bekannten Gastfreundschaft wegen. Aber sicher ist das Alles übertrieben. Also doch Urlaub, aber wann? Gestern erhielt ich aus Oslo telephonisch die Mitteilung, dass ich ab heute zum SS Hauptsturmführer ernannt bin. Lang genug hat’s damit ja eigentlich gedauert. Vielleicht kann ich ja bezüglich der Uniformanschaffung einen Heimaturlaub erhalten?? Es ist allerdings noch eine gewisse Differenz zu überbrücken, jene zwischen der [51] Stellung eines Dienststellenleiters und eines Hauptsturmführers. Na, vielleicht geht es mit der Beförderung ja schnell! Gestern abend war ich bei Prof. Holfelder eingeladen. Er ist ein berühmter Röntgenspezialist für Tuberkulose und Krebs.64 Soeben höre ich im Nachrichtendienst, dass Hamburg wieder schwer angegriffen ist. Ich habe doch bei solchen Meldungen Angst, dass Gerda und den Kindern mal etwas passieren könnte. Soll ich sie nach Süddeutschland schicken oder nicht? Von Lothar65 habe ich gerade heute einen Brief erhalten, in dem er nochmals dafür plaidiert! Sollten die Amerikaner in den Krieg [51r] eintreten, wäre es wohl bestimmt notwendig, da dann die Yankeeflieger von der Flugbasis England aus mitangreifen, wenn, ja wenn …. Und da kann man dann wieder viel zusammenkombinieren. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass wir solange warten, bis die amerikanischen Flieger in England sind. Sollte etwa die bekannte Konzentration unserer Truppen an der russischen Grenze nur eine Täuschung sein für eine bevorstehende Landung in England? Da z. Zt. hieran keiner mehr denkt, wäre jedenfalls gerade die Überraschung gelungen. – [52] 15. Mai 41 Das wichtigste Ereignis der letzten Tage dürfte zweifellos die Affaire Hess sein. Montag, d. 12. 5. abds. 8 Uhr kam die erste Meldung über den Rundfunk. Noch heute ist Alles für uns ein großes Fragezeichen. Es sträubt sich einfach der Verstand gegen die Auffassung, dass Hess ohne Wissen des Führers lediglich auf Grund einer Wahnidee nach England geflogen ist. Ganz ausgeschlossen ist jedenfalls, dass er ein Verräter ist und es sich nur um eine Flucht handelt. Allzu sehr ist man doch geneigt, anzunehmen, es handele sich um eine verabredete Aktion, den Engländern noch einmal klar zu machen, dass eine Fort- [52r] setzung dieses Krieges nur bedeutet, dass das Empire seinen »Ausverkauf« an Ame64 Hans Holfelder (1891-1944) war SS-Mitglied und beteiligte sich an Planungen zu Massenmorden im besetzten Polen. 65 Lothar war der Bruder seiner Frau und Soldat bei der Luftwaffe.
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21. mai 1941
rika fortsetzen wird, ohne seinem Schicksal entrinnen zu können. Geht diese Manipulation gut aus, ist Hess der Held, geht sie schlecht aus, ist er das Opfer. Allerdings sprechen die meisten Tatsachen dagegen. Z. Zt. steht jedenfalls Eines leider fest, dass der von den Engländern in die Mottenkiste versenkte »General Revolution«, der am Anfang des Krieges eine so große Rolle spielte, jetzt wieder hervorgeholt wird und zum Feldmarschall befördert wurde – Churchill’s Aussage: »Der Apfel ist schon wurmstichig« spricht dafür.66 [53] Die an Hoffnung armen Engländer haben jedenfalls wieder einen Strohhalm erhalten, an den sie sich ausgiebig klammern werden. Andererseits spricht für eine gute Auslegung die Tatsache, dass sogar Churchill sich mit Hess unterhalten will und dass Amerikas Präsident Roosevelt seine große programmatische Rede verschoben hat. Dafür spricht auch letzten Endes die Vernunft, nur war in diesem Krieg davon leider am wenigsten zu spüren. Handelt es sich tatsächlich um ein eigenmächtiges Vorgehen, dann allerdings kann man nur sagen: »der arme Führer, auch das bleibt ihm nicht erspart.« [53r] Gestern, am 14. 5. 41 war Prof. Dr. Hofmann hier, der Erfinder des Bunas67. Sein Vortrag war außerordentlich interessant, führte er doch selbst den Laien ein in die Wunderwelt der Chemie. Dieser für seine 75 Jahre außerordentlich rüstige Mann zeigte schon in seiner Bescheidenheit seine historische Größe. Soeben erfahre ich, dass S. M. der RK seinen Besuch auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Mit Sorgen denke ich dabei an meinen für Anfang Juni geplanten Urlaub. Es würde nicht ganz leicht sein, die arme Gerda weiter zu vertrösten. [54] 21. Mai 1941 Heute ist ein so wundervolles Sommerwetter, dass es direkt unheilvoll auf die Gefühle wirkt. Mehr oder weniger ist nun Alles rein. Unzählige Blumen blühen, und die Menschen laufen hell und leicht gekleidet umher. Wer soll da nicht schwach werden und an das Zuhause denken? Man kann sich so gar nicht vorstellen, dass eigentlich Krieg ist. Gut nur, dass die Arbeit immer noch reichlich ist. Fast ununterbrochen strömt die Besucherzahl. Aus Oslo habe ich eine wahre Invasion. Die riechen dort scheinbar, dass es hier schön ist. Nur mir machen sie viel Arbeit. Als ich vorgestern (19. 5.) [54r] mit Osloer Gästen zum Floyen fuhr, sah ich plötzlich das Hamburger Original Arnold Risch.68 Ich lud ihn mit seinen zwei Partnern zu gestern ins Bristol. Auch Kaleu Werner, Kaleu Schultz und Major Scheel folgten meiner Einladung. Da die Letztgenannten auch Hamburger sind, wurde es ein vergnügter Hamburger Nachmittag. Der Risch ist der Type 66 Der Bezug des Zitats ist unklar. Von Churchill ist ein »wrotten apple«-Zitat nur überliefert mit Bezug auf Reginald Dyer, den Kommandeur der britischen Kolonialtruppen, die 1919 das Massaker vom Amritsar zu verantworten hatten. 67 Chemische Verbindung von Bunatien und Natrium zur Herstellung von Synthesekautschuk. 68 Ein auf plattdeutsch vortragender Künstler (1890-1979) aus Hamburg.
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25. mai 1941
eines großen, gutmütigen Jungen. Rezitation von Gorch Fock69 »mit nix sind se anföngen, mit rein gar nix« war glänzend. Er versprach, zu meinem Kameradschaftsabend am 30. 5. mit seinen Partnern zu erscheinen. [55] 25. Mai 1941 Ich habe mir eine gebrauchte »Groma« Reiseschreibmaschine zugelegt. Eigentlich sollte man ja Tagebücher nur handgeschrieben führen. Und doch wird es später sicherlich angenehmer sein, diese Schrift zu lesen als meine manchmal etwas »schwierige« Handschrift. Heute sind wir mal wieder durch »zündende« Sondermeldungen erfreut worden. Erst die Landung deutscher Fallschirmtruppen auf Kreta, dann die Versenkung des 42000 to großen Schlachtkreuzers »Hood« durch die deutsche »BISMARK« [sic]. Beide Meldungen müssen nach den vorgestrigen großen Erfolgsmeldungen über die Mittelmeeroperationen und die Versenkung von über 100000 to Handelstonnage im Atlantik bei den Engländern doch eine große Schockwirkung auslösen. Ich habe selten einen kläglicheren Nachrichtendienst gehört, als den von London heute Nachmittag. Die Versenkung ihres stolzesten Schiffes brachten sie ohne weiteren Kommentar, lediglich mit der Aufzählung ihrer angeblich noch vorhandenen Tonnage. Die Niederlage von Kreta wird wie schon im Griechenlandfeldzug dadurch [55r] erträglich zu machen versucht, dass man phantastische Verlustmeldungen der Deutschen bringt und – voraussagt. Die »BISMARK« ist übrigens vor einigen Nächten hier an Bergen vorbeigekommen. Trotz ungewöhnlich schlechten Wetters hatten wir dauernd abends und nachts Fliegerbesuch mit dazugehörender erheblicher Knallerei. Wunderbar war das Schauspiel der Leuchtspurmunition. In Richtung auf die Nordsee zu wurden etliche Leuchtschirme geworfen. Das ließ schon vermuten, dass Schiffe gesucht wurden. Gestern Abend gab mir der Hauptmann Bruhn der Flak auf Herdla eine Schilderung über das »Vorbeifahren« der Bismark. Zuerst kamen um die Felsenspitze herum drei Zerstörer, und dann – sagte er – schob sich ein riesiges graues Massiv um die Ecke. Wir sperrten nur die Mäuler auf. Als dann die ganze majestätische Gestalt der »BISMARK« sichtbar wurde, erfasste uns eine fast sinnlose Begeisterung. Hinter der »Bismark« folgte die »PRINZ EUGEN«. So zogen diese Schlachtschiffe aus, um einzugreifen in die »Schlacht um [56] den Atlantik«. Nun sind »BISMARK«, »GNEISENAU«, »SCHARNHORST«, »PRINZ EUGEN« und »ADMIRAL SCHEER« im Atlantik, und es wird wohl kaum sehr lange dauern, bis neue große Erfolgsmeldungen eintreffen, denn zumindest den erstgenannten drei Schiffen haben die Engländer nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Derweil übt Hess die Rolle eines »Spaltpilzes« in England. Seine Erklärungen, er sei nach wie vor ein hundertprozentiger Anhänger Hitlers, und er sei nur gekommen, die Engländer im Interesse Europas und seiner gemeinsa69 Gorch Fock, eigentlich Johann Wilhelm Kinau (1880-1916), (plattdeutscher) Schriftsteller, nach dem 1933 und 1959 zwei deutsche Segel(schul)schiffe benannt wurden.
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27. mai 41
men Belange nochmals zu [v]erwarnen, da sonst seine Vernichtung unausbleiblich sei, haben die diesbezügliche englische Propaganda bumerangartig wirken lassen. Da weiterhin Frankreich entschlossen zu sein scheint, einem engl. amerik. Angriff auf seine afrik. Besitzungen mit Gewalt entgegenzutreten, dürfte die derzeitige pol. Situation ungewöhnlich glänzend für uns sein. Ich glaube nicht mehr an einen Eintritt der Yankees in den Krieg, und sicherlich werden in den nächsten Monaten – ohne dass wir wohl allzuviel davon hören werden – erhebliche Friedensfühler ausgestreckt werden. [56r] Vielleicht stehen uns auf diesem Sektor unerwartete große Überraschungen bevor. Militärisch jedenfalls werden wir in der nächsten Zeit eine gereifte Frucht nach der anderen einheimsen können. Syrien, Suez und der Irak, vielleicht auch der Iran werden häufiger genannt werden. Wie ich höre, soll der Führer nach wie vor der Meinung sein, dass eine England Invasion nicht mehr nötig wäre. Es scheint fast, als wenn er mal wieder Recht behalten soll. Auch in Norwegen scheinen mir Überraschungen bevorzustehen. Wenn die Regierung Quisling gestartet werden soll, muss das jedenfalls bald geschehen, da er die natürliche Besserung der wirtschaftlichen Lage, die der Sommer mit sich bringt, unbedingt für sein ansonsten nicht allzu großes Prestige benötigt. Der nächste Termin wäre erst in genau einem Jahr. Man munkelt auch schon etwas von einem »Bevollmächtigten von Weizsäcker« bei einer evtl. norweg. Regierung. Ich würde es naturgemäß lebhaft begrüßen[,] wenn diese Entwicklung eintreten würde. Privat bin ich zur Zeit leider weniger zufrieden. Mein sehnlicher Wunsch, in den nächsten Tagen auf Urlaub gehen zu können [57] wird sich wieder einmal nicht erfüllen und derweilen wird daheim mein kleines Frauchen stark enttäuscht sein. Ausgerechnet jetzt wird mein Vertreter Kanzler Müller vom A. A.70 mit sofortiger Wirkung abberufen. Dazu hängt immer noch der Besuch des R. K. in der Luft. Die Wut könnte man bekommen vor Neid, wenn man sich vor Augen hält, dass Carlo Otte, de Vries und die Hamburger Mädchen nächste Woche ihren Urlaub antreten können. Das sind nun einmal leider die Begleiterscheinung einer Position, wie ich sie angestrebt und erhalten habe. Aber so 6 Monate ununterbrochen von Hause fort ist doch etwas hart. 27. Mai 41 Soeben bringt der Rundfunk die Meldung vom Untergang der glorreichen »Bismark«. Torpedos engl. Torpedoflugzeuge hatten sie manövrierunfähig gemacht. Gegen die Übermacht von drei [57r] engl. Schlachtschiffen & schweren Kreuzern hat sie sich dann noch gehalten, bis die letzte Granate verschossen war. Ich glaube, jeder Deutsche wird heute irgendwie niedergeschlagen sein. Deutschlands stolzestes und größtes Schiff ist nicht mehr. Das wiegt leider mehr als die Versenkung der »Hood«. Offen bleibt nur noch, wo waren unsere 70 Auswärtiges Amt.
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Flugzeuge? Und zweitens, ist wenigstens die »Prinz Eugen« durchgebrochen zur französischen Küste? Eine Genugtuung bleibt wenigstens, wieder haben unsere U-Boote fast 80 000 tons versenkt. [58] 2. Juni 1941 Pfingsten in Bergen, das hätte ich mir am Anfang des Jahres nicht träumen lassen. Allmählich wird das Problem des Urlaubs etwas bitter. Und dabei bemüht sich die Natur, Einem das Leben so schön wie möglich zu machen. Alles grünt und blüht jetzt. Der Flieder, der Goldregen, die Obstbäume. Alles steht in herrlichster Pracht, und die Sonne brennt wie im Hochsommer. Pfingstsonnabend hatte ich meiner Mannschaft frei gegeben, die dann ausflog in alle Himmelsrichtungen. Am Freitag (30. 5.) hatten wir Kameradschaftsabend, der tadellos gelang. Die Wehrmacht hatte mir eine prima Musikkapelle zur Verfügung gestellt, und dann war Arnold Risch da mit seinen beiden Kollegen, Lucie von Uhlenborn und Herr Lehmann. Insbesondere Lucie von Uhlenborn mit ihren fast akrobatischen Akkordeonleistungen begeisterte meine Männer und Frauen. Eine kleine Scherzdichtung von mir »Opus Nr. 2«, die wieder nach »in Anspruch genommener« Musik einzeln oder in Chören gesungen werden musste, erhöhte die Stimmung. Angeblich viel zu früh, um 1.30 Uhr fand der schöne Abend sein Ende. Am Sonnabend arbeitete ich [58r] meine unerledigten Sachen auf und »machte etwas in Trübsal«. Gestern am Sonntag stieg ich mit Ludat und Froeken Erbarth auf den Ullriken [Ulriken], was doch eine ziemliche Kletterei ist. Und heute … bin ich soeben zurückgekehrt von einer wundervollen Autofahrt nach dem Hardanger. Hinter Ojstese [Øystese] lagerten wir uns am Fjord und … badeten sogar. Etwas kalt[,] aber schön. Die Fahrt zurück war etwas schwierig. Der Steinschlag hatte mir meine Öldruckbremse beschädigt, sodass die Bremse nicht funktionierte (Die Handbremse tat das leider schon lange nicht mehr) So ganz ohne Bremse auf dieser ohnehin enorm schweren Strecke war ein schwieriges Unterfangen, aber es ging gut. Nun ist also Pfingsten vorbei, Alles in Allem doch besser[,] als ich vorher dachte. 3. Juni 1941 General Tittel bat mich heute zu sich und eröffnete mir die neuesten Maßnahmen, Evakuierung von Ulvik und Gravdal und Schaffung von Sperrgebieten. An den ersteren beiden Orten sollen in den nächsten Monaten Landungsübungen stattfinden. Also doch Invasion. Jedenfalls werden sich unzählige [59] Schwierigkeiten dabei herausstellen, denn die Menschen müssen nun woanders untergebracht werden. In den Sperrgebieten müssen die Verkehrs- und Ernährungsbelange sichergestellt werden. Gut, dass ich in diesen Tagen doch noch nicht auf Urlaub bin. Eines allerdings ist bei dieser Sache wieder ungeheuer ärgerlich. Alle diese milit. Maßnahmen sind mit dem RK abgestimmt worden und ich habe von dort bis heute noch keine Information. Im Storting muss augenblicklich eine 90
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große Schlamperei herrschen. Nichts kommt mehr von dort durch, und was wirklich hierherkommt, ist Mist. Na, mein heutiges »Brand«-telegramm nach Oslo an den RK persönlich wird dort etwas Unruhe schaffen, wobei ich gerne das Risiko laufe, mich unbeliebt zu machen. Es sind in den letzten Wochen zu viele ärgerliche Unterlassungssünden passiert. Das Einzige, was flott geht, ist das Einsperren. 5. Juni 41 Heute hatte ich eine interessante Unterhaltung mit dem Regierungspräsidenten Seip von Sogn og Fjordane. Der Ortskommandant [59r] von Leikanger hatte noch in seinem letzten Bericht geschrieben, dass Seip die Seele des Widerstandes gegen die Deutschen und NS ist.71 Mein erster Eindruck von Seip, den ich im vorigen Jahr gewann, hat sich auch nach dieser Unterhaltung nicht verändert, sondern sogar verstärkt. Ein grader, offener Mann, der viel zu klug ist, Dummheiten zu machen, der allerdings ein großer Gegner von Nasjonal Samling ist. Er versprach mir nochmals vollste Loyalität und Mitarbeit, weil er einsieht, dass Opposition oder etwa Sabotage sich nur verstärkt zu Ungunsten seiner Mitbürger auswirken würde. Seip sagte im Lauf der Unterhaltung: Ihr Deutsche seid gute Soldaten[,] aber schlechte Propagandisten. Er meinte weiter: wir können verstehen, dass Ihre Wehrmacht hier ist, das ist wohl notwendig im Kampf gegen England, aber wir können nicht verstehen und werden es auch niemals, dass Sie sich in unsere innernorwegischen Belange in so krasser Weise einmischen. Sie haben bisher nur Eines damit erreicht, dass sogar die ehemaligen Deutschfreunde jetzt zu Gegnern Deutschlands geworden sind. Er sagte damit [60] mit anderen Worten dasselbe, was mir tagsvorher der Chefredakteur Fastings von Bergens Tidende72 und viele Andere schon früher gesagt hatten. Leider hat er recht, wenn auch nicht soweit, wie er glaubt. Denn einmischen müssen wir uns nun mal. Aber die Methode, die wir anwenden, ist falsch. Je weniger die Öffentlichkeit von unserer »Einmischung« erfährt, umso besser ist es. Im vorigen Jahr haben wir uns noch an diesen Grundsatz wenigstens etwas gehalten. Jetzt aber treiben wir »Holzhammerpolitik« und treten dauernd ins Fettnäpfchen. Neidisch können wir wieder über die Nordsee sehen und feststellen, dass »Hinter den Kulissen arbeiten« dort besser verstanden wird.73 Aber in Oslo scheinen Otte und Müller74 mit ihrer primitiven Unbekümmertheit und 71 Hans Seip (1881-1945) wurde allerdings noch im Jahr 1941 abgesetzt (vgl. 28. September 1941). 72 Kåre Fasting (1907-1983) leitete die »Tidende« (norwegisch: Zeitung, Journal), die wichtigste Tageszeitung in Bergen. 73 Diese Bemerkung bezieht sich wahrscheinlich auf die Niederlande, wo die Politik der Wehrmacht sowie des Reichskommissars Arthur Seyß-Inquart (1892-1946) als relativ zurückhaltend galt. 74 Georg-Wilhelm Müller (1909-1989) war Leiter der Hauptabteilung für Volksaufklärung und Propaganda im RK.
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ihrem völligen Mangel an Psychologie zurzeit tonangebend zu sein. Bei solcher Einstellung nützt das beste Können nichts. Wenn »unsere Arbeit« so weiter geht, haben wir in kurzer Zeit die schönsten Sabotageaktionen und überall verstärkten passiven Widerstand. Und das Alles unter der Devise »jede Arbeit ausrichten nach Dringlich- [60r] keitsstufen in Bezug auf den Sieg über England[»]. Da kommt vorgestern der Bauchef von Bergen, Herr Madsen zu mir und zeigt mir einen Brief, den er direkt von der Abteilung Technik und Verkehr Oslo erhalten hat. In ihm verlangt der pp. Baurat Luther, dass das Preisgericht für die Entwürfe für den Neubau des im vorigen Juni abgebrannten Nordnes sein Urteil erst nach Zustimmung des pp. Herrn Luther abgeben darf. Wir sind scheinbar schon so weit, dass die Norweger nicht einmal mehr einen öffentlichen Lokus ohne unsere »vorherige Zustimmung« mehr bauen dürfen. Und dann erwarten diese Herren »freundschaftliche Gefühle« auf Seiten der Norweger. Wenn diese dann ausbleiben, ist man empört und »sperrt ein«. Es ist eine Schande, wenn man täglich mit ansehen muss, wie die große Idee und Leistung des Führers von solch schulmeisterlichen Kümmerlingen immer wieder beeinträchtigt wird. Nun bin ich allerdings gespannt, wie meine diesbezüglichen nicht ausgesprochen »weichen« Vorstellungen beim RK wirken werden. Ich sehe mich schon nach Oslo zitiert, es sei denn, der schon sagenhafte Besuch des RK verwirklicht sich doch noch. Und trotzdem freue ich mich schon auf die Auseinandersetzung. [61] 6. Juni 41 Mit Korv. Kapitän Aust (von Bieling Gebr. Hamburg) hatte ich vor einigen Tagen eine nette Unterhaltung. Ich besuchte ihn abends in seinem wundervollen Haus (von Westfahl Larsen75). Er berichtete von Hess, dass dessen Flucht zu unangenehmen außenpolitischen Folgerungen geführt hätte. Japan, Italien hätten sofort in Berlin angefragt, was dieser Fall zu bedeuten hätte. Frankreich hätte seine versprochenen »Vorbereitungen« in Syrien und Marokko zwei Tage unterbrochen. Das beleuchtet nochmal die große Dummheit dieses Phantasten. Im OKM [Oberkommando Marine] sollen erhebliche Spannungen bestehen. Der Untergang der »BISMARK« wird Raeder76 zur Last gelegt (der übrigens in den nächsten Tagen hier eintreffen soll.) Das Uboot programm [sic] ist immer noch nicht erfüllt, und – was am unangenehmsten sei – die Torpedos seien schlecht und es gäbe viele Versager. Aust war an jenem Abend so eine richtige Unke und rechnete noch mit wenigsten 2 bis 3 Jahren Krieg. Er schien einen besonders schlechten Tag zu haben, oder die Hamburger Luft war ihm während seines Urlaubs nicht Recht bekommen. [61r] 75 Hans Westfal-Larsen (1872-1936) war der Gründer von Norwegens größter Reederei. Die Reederei erlitt während des Zweiten Weltkriegs erhebliche Verluste. Wie die Deutschen in den Besitz der Villa kamen oder ob sie sie nur gemietet hatten, geht aus dem Kontext nicht hervor. 76 Erich Raeder (1876-1960), Oberbefehlshaber der Reichs- und Kriegsmarine.
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8. juni 1941
Gestern wäre fast ein großes Unglück passiert, gottseidank ist es nur ein kleines geworden. Mein Leiter der Abtlg. Technik und Verkehr hat einen schweren Bauchschuss bekommen und ist sofort nach seiner Einlieferung ins MarineKrankenhaus (Florida77) operiert worden. Siebenmal der Darm durchschlagen und einmal die Blase. Die Operation ist gut verlaufen[,] doch die Krise kommt erst nach dem dritten Tag, und man muss evtl. mit Bauchfellentzündung rechnen. Er fuhr mit zwei Kameraden an Herdla vorbei, als ein hinter ihnen fahrendes Küstenwachboot angeblich Stoppsignale mit der Leuchtpistole schoss. Da die drei das Signal nicht kannten und der Kapitän naturgemäß nach vorne sah, folgte ein scharfer Schuss, der den armen Dipl. Ing. Thote so unglücklich traf. Wenn Alles gut geht, so muss er doch mit ca 2 Monaten Krankenhaus Aufenthalt rechnen. Wenn es wenigstens noch eine engl. Kugel gewesen wäre …………. [62] 8. Juni 1941 Der Tag begann mit einem herrlichen Feuerwerk. Um 1 Uhr nachts erschienen zwei englische Flieger und warfen Bomben. Von allen Höhen schoss die Flak mit Leuchtspurmunition. Nur von Nestun schoss schwere Flak. Die Engländer werden bald merken, dass Bergen selbst keine schwere Flak mehr hat. Klar zeichneten sich beide Flugzeuge am unwahrscheinlich hellen Himmel ab. Der Flakbeschuss lag an sich prima, und beide Flugzeuge werden erhebliche Andenken mit nach Hause gebracht haben. 1 Todesopfer und 12 Verletzte sind zu beklagen. Zwei Häuser sind eingestürzt. Als die Flieger um ½ 3 wieder abzogen[,] kam schon die erste Morgenröte. Es ist etwas Eigenartiges um die hellen Sommernächte Norwegens. Letzten Donnerstag lernte ich Generalmajor Klein vom Luftfahrtministerium kennen, der in Bergen die Niederlassung der NORDAG78 leiten soll. Er bringt zwei modernste Wassermaschinen und einen Fieseler Storch mit und versprach, auch mir die Maschinen für Flüge in meinem weiten Bereich zur Verfügung zu stellen. Jedenfalls sieht man da wieder, was »Hermann«79 macht, ist großzügig und gelingt deshalb auch. [62r] GEDANKEN SÜDWÄRTS …. (für Gerda)
Glutrot versinkt der Sonnenball, Silbern und golden schimmert das Meer. Schärfer zeichnet sich ab wie ein Wall Der steinigen Schären zahlloses Heer. 77 Florida ist ein Teil des Bezirks Nygård im Zentrum von Bergen. 78 Die deutsche Nordische Aluminium Aktiengesellschaft, kurz NORDAG, wurde Ende 1940 mit Kapital des Ministeriums für Reichsluftfahrt in Berlin gegründet. Im Mai 1941 wurde die norwegische Tochtergesellschaft A/S NORDAG gegründet, um die Aluminiumproduktion für die Flugzeugproduktion der Luftwaffe voranzutreiben. 79 Gemeint ist Hermann Göring.
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15. juni 1941
Wieder geht vorüber ein Tag Voll Arbeit und Mühen, entsprechend der Pflicht Dem Gesetz, das verlangt ohn’ jede Klag’ Von Jedem zu leisten auf Vieles Verzicht. Verzicht auch auf Dich Du tapfere Frau, Auf Euch Ihr Kinder, die Ihr noch nicht wisst, Was Krieg bedeutet, und dass er rauh Und in manchen Stunden auch bitter ist. Ich seh’ in Gedanken das liebe Bild, Die Trennung erst gab mir den richtigen Wert, Im Zimmer tollen die Beiden wild, Und vergeblich die Mutti nach Ruhe begehrt. Ich gehe im Geiste von Raum zu Raum, Ich seh’ jedes Stück, es ist so bekannt, Ich spüre die Zeit, die Entfernung kaum, Und doch sitz’ ich hier in fremdem Land. Doch einmal, einmal, da kommt der Tag, Dann find’ ich wieder das alte Glück, Wenn siegverkündend der Glocke Schlag Zugleich mir läutet den Weg zurück. Bergen, den 7. Juni 1942
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15. Juni 1941 Seit Tagen schon gießt und nieselt es abwechselnd. Die sommerliche Wärme ist einer unangenehmen Kälte gewichen, sodass der Kamin in meiner Wohnung stark in Tätigkeit getreten ist. In der Woche ist das Wetter kein Problem, aber sonntags ist [es] doch überaus langweilig, im Hause zu sitzen, und draußen tröpfelt es gleichmäßig. Jedenfalls habe ich heute wieder denkbar schlechte Laune. Vielleicht treibt sie der gute Tropfen Grand Marnier Cordon Rouge fort und die gute Lucky Strike, die ich leider wieder mal am laufenden Band konsumiere. Vielleicht beruht die so miese Stimmung auch darauf, dass ich erstens viel Ärger in der vergang. Woche gehabt habe, und zweitens schon zu sehr an daheim denke. Beides geht sogar ineinander über, denn Dr. Hagemann80 gab mir vor einigen Tagen telephonisch durch, dass der früher zugesagte Regierungs-Assessor nun doch nicht kommt. Damit ist die Vertreterfrage wieder offen und – was
80 Oberregierungsrat Ernst Hagemann (1899-1978).
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17. juni 41
noch unangenehmer ist – der mir für den Kanzler Müller geschickte und sehr gute Dr. Nising soll Ende Juni wieder zur Wehrmacht zurück. Ärger hat’s vor Allem wieder mit Oslo gegeben, das schon wieder mal völlig vergessen zu haben scheint, dass es auch noch Dienststellen an anderen Plätzen des Landes gibt. Nicht mal Fernschreiben an den RK persönlich nützen etwas. So habe ich bis heute auf meine Reklamation vom 3. 6. an den RK bezüglich Orientierung über die mit der Wehrmacht abgesprochenen Evakuierungen noch nichts gehört, trotzdem diese Maßnahmen verständlicherweise mein dauerndes Eingreifen sowie meine Hilfestellung erfordern. So war ich denn am vergangenen Montag bei Oberstleutnant Völker in Gravdal, wo ca 200 Personen eva- [63r] kuiert werden. Am Donnerstag war ich drüben auf Askoy [Askøy] in Florvåg, wo ca 800 Personen evakuiert werden. Am kommenden Dienstag muss ich nach Ulvik, wo es sich um die größte Evakuierung handelt (einige tausend Pers.). Die ganze Angelegenheit läuft unter GKdosk81. Es sollen Landungsübungen mit neuen geheimzuhaltenden Waffen geübt werden. Alles ist furchtbar eilig, und die Invasion in England scheint nun doch wohl akut zu werden. Jedenfalls ist wieder Leben in die hiesigen Truppen gekommen. Jeden Tag stellen abkommandierte Offiziere mir ihre Nachfolger vor. Naturgemäß sind auch die Engländer wieder etwas rührig geworden, wenn sie auch in den letzten Tagen auf Grund des überaus schlechten Wetters nicht einfliegen konnten. Eigenartig spukt es immer noch mit Russland. Große Stäbe sind für jeden Eventualfall zusammengestellt. Schon am 11. sollten unsere Truppen angeblich in die Ukraine einrücken. Man erzählt, dass Russland uns die Ukraine für 99 Jahre verpachtet hat und uns gleichzeitig einen Streifen 50 km breit durch Georgien für Kriegsdauer für Durchmarschzwecke zur Verfügung gestellt hat. Qui vivra verra. Da der wundeste Punkt der deutschen Kriegsführung zweifellos die Ernährung Europas ist, kann man sich diese Entwicklung schon vorstellen. Mir leuchtet nur nicht ein, warum die Besetzung der Ukraine dabei notwendig ist. Es müsste doch genügen, wenn Russland die verlangten Mengen Getreide auf dem üblichen Handelswege – evt. vorschussweise zur Verfügung stellt. Wir sollen übrigens Konzessionen in Bezug auf das jetzige Generalgouvernement gemacht haben. Also abwarten. [64] 17. Juni 41 Gestern am 16. 6. 41 war ich mit Stubaf Flesch, Dr. Nising etc. in Ulvik u. Osa. In Ulvik durfte ich dann nicht an Land, was auch überflüssig war, weil außer einigen landw. und Handwerksbetrieben dort nichts Wichtiges vorhanden war. Es war gerade eine Landeübung angesetzt. Mit kl. Booten und Sturmbooten, in denen die Soldaten mehr lagen als standen, ging es auf die Küste los. Vorne auf den Booten stand eine Pak82. Diese Übungen sollen in den nächsten Tagen in 81 Gemeint ist GKdoS, kurz für Geheime Kommandosache. 82 Panzerabwehrkanone.
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22. 6. 41
großem Ausmaße vonstattengehen mit künstlichem Nebel und Flammenwerfer. Osa ist landschaftlich ein herrlicher Platz, muss aber für die [64r] dort seienden Siemensmänner wie das Ende der Welt wirken. 20. 6. 41 Eine Überraschung heute Morgen. Der gesamte Fernsprech- und Telegraphenverkehr ist in meinen beiden Provinzen gesperrt. Gerüchte schwirren heute in der Stadt, Krieg mit Russland, die Engländer vor Bergen, Krieg mit Amerika, Generalstreik in Oslo etc. Die Unterbindung des Telefonverkehrs trifft die Norweger mit ihrer Geschwätzigkeit hart. Aber die Maßnahme wird notwendig sein, um den engl. Spionagedienst schachmatt zu setzen. Die »Bismark« soll von Bergen aus an England verraten worden sein. [65 (1)]83 21. 6. 41 Große Aufregung bei allen Dienststellen. Mittags eröffnet mir der General, dass Bergen und Umgebung zum Sperrgebiet erklärt wird, ebenfalls die ganze westl. Hardanger-Gegend. Der diesbez. Befehl der Wehrmachtbefehlshaber sieht in diesen Fällen die Mitwirkung des RK vor, nur weiß der hiesige Vertreter, d. h. meine Wenigkeit, natürlich nichts davon. Das gibt jedenfalls eine riesige Arbeit, denn die Ernährung und die kriegswichtige Produktion im Sperrgebiet[,] aber auch die Versorgung der außerhalb des Sperrbezirkes liegenden Räume von Bergen müssen unbedingt sichergestellt werden. [65r] Bis nachts um ½ 1 haben wir heute gearbeitet. Noch abends um 11 konnte ich dem General eine genaue Aufstellung der eintretenden wirtschaftl. Schwierigkeiten mit etlichen Vorschlägen einreichen. Insbesondere die Grenzziehung muss stark verändert werden. 22. 6. 41 Deutschland marschiert gegen Russland! Dieser Gedanke beherrscht die ganze, trotz des Sonntags nicht unerhebliche Tagesarbeit. Also doch! Zwar kann ich mir immer noch nicht vorstellen, dass Russland uns angreifen wollte. Vielleicht [66 (2)] später mal, wenn ein Augenblick eintreten sollte, in dem Deutschland ermüdet sein sollte. Bisher haben die Russen jedenfalls gezittert vor der Aussicht eines Kampfes mit D. So haben sie restlos den Vertrag bisher erfüllt. Um die Getreidelieferungen sicherzustellen, haben sie sogar erhebliche Mengen aus den Beständen und Reserven der Roten Armee geliefert. Dagegen hatten wir unsere Gegenlieferungen immer wieder herausgezögert. Ich sehe nur zwei Gründe für unser weltgeschichtliches Eingreifen. 1.) Adolf Hitler schreibt 83 Hier beginnt eine neue Seitenzählung, die eine Weile parallel zur alten Zählung geführt wird, bis diese von der neuen abgelöst wird.
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23. juni 1941
in »mein Kampf« [sic] als pol. Testament, dass Deutschland niemals [66r] eine zweite große Militärmacht auf dem Kontinent dulden dürfe. Schon die Anzeichen der Bildung einer solchen verpflichten D. zu einem sofortigen Präventivkrieg. Zweitens, wir brauchen mehr Getreide, als Russland aufgrund seines kollektivistischen Wirtschaftssystems liefern kann. Wir müssen deshalb die Produktion in eigene Regie nehmen. Nun ist der Krieg jedenfalls da, und hoffentlich können wir ihn so rechtzeitig zu Ende bringen, dass es noch in diesem Jahr direkt gegen England geht. Bis nachts 12.30 Uhr haben wir heute im Büro gesessen. Meinen unteren großen Saal habe ich der Polizei zur Verfügung gestellt für die zahlreichen Arrestanten, die heute Abend eingebracht werden. Es war eigentlich Unsinn, die Sperrmaßnahmen ausgerechnet am Sonnabend Abend zu verhängen, nachdem tausende Bergenser am Vormittag ins Wochenende gefahren waren. Der General hat im Übrigen die von mir gewünschten Grenzen acceptiert. Auch auf meine Vorschläge zur Sicherstellung des lebensnotwendigen Verkehrs ist er eingegangen. Damit habe ich jedenfalls erstmal die Ernährung und den Fortlauf der wichtigsten Produktionen sichergestellt. Den Rest werde ich den p. p. Stadtvätern überlassen, die sicherlich wenig begeistert sein werden. Mein heute verfasster Aufruf an die Bergenser Bevölkerung wird morgen in der Presse erscheinen. Man rechnet mit englischen Aktionen an der Westküste. Ich glaube, die [67 (3)] Engländer werden sich allerdings wieder zu lange besinnen. Das gilt auch für den Amerikaner. Für beide bedeutet dieser Augenblick eine nie wiederkehrende Chance– bestimmt werden sie sie verpassen. 23. Juni 1941 Die pp. Stadtväter sind da, wie meist auch diesmal völlig ratlos. Sie atmeten erleichtert auf, als ich ihnen erzählte, was schon während ihrer Sonntagsruhe für sie und das Wohl der ihnen anvertrauten Bevölkerung geschehen sei. Es berührt mich immer wieder eigenartig, wenn diese betagten Männer vor Einem sitzen und in für uns fast primitiven Angelegenheiten so gar keine »eigene Erleuchtung« haben. Mein Vorschlag, nunmehr für alle im Sperrgebiet liegenden Verwaltungsorgane der Stadt Bergen, der Kommune Laksevaag [Laksevåg] und Teile der Lehnsbezirke Hamre und Fana einen gemeinsamen Ausschuss zu bilden, der sich sofort mit der neuen Lage und ihrer Meisterung befassen soll, wurde dankbar begrüßt. Wenn man den Norwegern etwas von Ausschüssen oder Moten84 erzählt, sind sie immer sofort dabei. Das liegt ihnen und ihren parlamentarischen Gepflogenheiten. Bisher habe ich allerdings die Erfahrung gemacht, dass wohl eine Menge Papier, aber recht wenig Tatsachen – und wenn, dann zu spät – dabei herauskommen. Heute ist wieder Massenverkehr auf der Dienststelle. Wenn man nicht mehr weiter weiß, kommt man zu den sonst
84 Møte, norwegisch: Sitzungen.
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24. juni 1941
so gehassten Tyskes85. Noch immer hat Oslo keinen Ton von sich gegeben. So etwas kann man nur mit dem weniger freundlichen Wort Saustall bezeichnen. Als ich schließlich Gruppenführer Redieß telefonisch erreiche, höre [67r] ich wenigstens, dass vom Storting auch nichts zu erwarten ist, und ich erhalte die gewünschte Vollmacht, nunmehr nach eigenem Gutdünken verfahren zu können. Wehe aber, wenn ich nun etwas Falsches mache, dann wachen die Osloer Schlafmützen sehr schnell auf, um sich mit Behagen und sogen. Beamteneifer in die Kritik zu stürzen. Bergen schwirrt voller Gerüchte. Die geliebten Engländer stehen vor der Küste. Amerika hat den Krieg erklärt usw. Aber abends ab 9 Uhr sind die Straßen leer, wie es befohlen ist. Heute Abend sieht es direkt so aus, als wenn wirklich etwas los ist. Ununterbrochen ziehen Truppen, Pferdegespanne und Lastwagen durch die Stadt. Bergen staunt, wenn auch nur verstohlen[,] durch die Gardinen, denn aus den Fenstern hinauslehnen darf man sich auch nicht. Doch der Engländer kommt nicht. 24. Juni 1941 Die Telefonsperre wird heute wieder aufgehoben. Allerdings war diese Maßnahme wohl auch die einschneidendste, ist sie doch geeignet, das Geschäftsleben restlos stillzulegen. Oslo ruft an. Ich soll am Freitag zu einer wichtigen Besprechung nach dort kommen. Ich versuche, mich zu drücken, denn da die Nachtzüge immer noch nicht fahren, bedeutet das allein zwei volle Tage Eisenbahnfahrt. Es nützt nichts, ich muss. Churchill hat gesprochen und die Bolschewiken als neue Bundesgenossen offiziell begrüßt. Das scheint doch auch bei den Norwegern einen schlechten Eindruck gemacht zu haben. [68 (4)] Konsul Halvorsen besucht mich und lässt seiner Empörung freien Lauf. Und doch reagiert die norweg. Bevölkerung auf die Auseinandersetzung nicht so, wie eigentlich zu erwarten war. Allen ist bekannt, das Russland schon immer Aspirationen auf Nordnorwegen gehabt hat. Jeder weiß, dass wenn Deutschland verliert, dieser Teil des Landes für immer verloren ist, aber der Hass gegen Deutschland sitzt zu tief. Man will bewusst die Lage nicht so sehen. Schon machen sich Stimmen bemerkbar wie, Deutschland läuft sich fest in Russland wie seinerzeit Napoleon, und nun wird England ganz bestimmt siegen. Da ich mich auch über die Passivität der Presse ärgere, die seit dem 22. keinen eigenen Leitartikel gebracht hat, hatte ich heute sämtliche Chefredakteure geladen, denen ich dann eine teilweise recht aggressive Rede hielt. Das bisherige Verhalten dieses feigen und spießbürgerlichen Packs wurde ihnen kräftig um die Ohren geschlagen, wenn auch natürlich die Form und Et[i]quette gewahrt wurden. Jedenfalls haben diese Männer selten so viele Wahrheiten auf einmal über sich ergehen lassen müssen, und – was das Wichtigste ist, sie versprachen, zeitgemäße 85 Norwegisch: Deutsche.
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29. juni 1941
eigene Artikel zu bringen. Diese Männer werden allerdings die Größe der Zeit niemals begreifen, dazu sind sie zu bürgerlich und liberalistisch verkalkt. Man wird so lebhaft an gewisse Bürgertypen in unserer Kampfzeit erinnert, die – um einmal gehässig zu sein – wahrscheinlich heute würdevolle und verdiente Parteigenossen sind. Heute noch ….. Am niedlichsten war meine Unterhaltung mit dem Chefredakteur vom »christlichen« Dagen.86 Der arme Kerl drehte und wand sich unter meinem Spott, mit dem ich ihn dazu vor seinen Kollegen überschüttete. [68r] 29. Juni 1941 Oslo liegt hinter mir. Warum ich die lange Reise dorthin machen musste, ist mir allerdings bisher schleierhaft. Nachdem ich mich nun seit gut 4 Wochen mit Evakuierungen, Sperrgebieten etc. erfolgreich herumgeschlagen habe, hat man in Oslo glücklich auch Anschluss gefunden. Ich bekam nun also nachträglich die Verhaltungsmaßregeln unter dem höchsten Siegel der Verschwiegenheit und Wichtigkeit für Fälle, die ich meist längst erledigt hatte. Ich gestehe allerdings gerne, dass ich fast etwas Angst hatte vor dem Empfang im Reichskommissariat, hatte ich doch eigentlich in den letzten Wochen viel zu freche Briefe geschrieben. Das Gegenteil trat ein, wie ein rohes Ei wurde ich behandelt. Carlo Otte erzählte mir sogar am Abend, dass Terboven häufig gesagt hätte, er wünsche, dass er für die Leitung seiner Dienststellen mehr solche Leute wie Christen hätte. Mehr kann man nun beim besten Willen nicht verlangen. Hatte man mir neulich den früher versprochenen Regierungsassessor für die Verwaltungsgeschäfte noch abgeschlagen, so versprach mir Reg. Präsident Dr. Koch diesmal sogar einen Regierungsrat für meine Dienststelle, der schon in ca 14 Tagen seinen Dienst antreten soll. Leicht unerfreulich war wieder die kameradschaftliche Seite meines Besuches in Oslo. Während sich Carlo noch etwas Mühe gab, und anscheinend auch sichtlich stolz ist, dass der von ihm vorgeschlagene Christen so »gut eingeschlagen« hat, hätte [ich] den Streber de Vries wieder stundenlang verprügeln können. Ich weiß wirklich nicht, wie Carlo mit diesem Leisetreter auskommen kann. Er verschwand plötzlich nach dem Abendbrot mit »seinem« Mädchen und ward nicht mehr gesehen, trotzdem er nach wie vor im Haus blieb. Na, der soll mir mal nach Bergen kommen, der kriegt mich überhaupt nicht zu sehen. [69 (5)] Typisch auch sein Verhalten in der Angelegenheit der Bergenser Nordnes Bauplanung. Vor einer Woche bedauerte er lebhaft am Telefon meinen scharfen Brief an Terboven, da derselbe sich eindeutig für eine Einflussnahme in das norweg. Bauwesen festgelegt hätte. Bevor Prof. Speer die Pläne nicht gesehen hätte, dürfe das Ergebnis des Preisausschreibens nicht veröffentlicht werden. Es passte ihm gar nicht, als ich ihm erklärte, das weder er, noch die Abteilung Technik noch Herr Prof. Speer für die pol. Haltung der Norweger im Raum Bergen 86 Deutsch: Der Tag.
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verantwortlich wären, sondern ich, und dass ich deshalb auch nur das täte, was ich für richtig hielte. In der Sitzung bei Landrat Dr. Heinrich paukte ich dann meinen Standpunkt restlos durch. Da ich auch in Oslo erfuhr, dass das A. O.K. 87 die Gegend um den Wasserflughafen in Bergen evakuieren wolle, machte ich noch einen Besuch bei dem mir bekannten IA vom Luftgaukommando Norwegen, Oberstleutnant Giese88, mit dem ich mich sehr interessant unterhielt. Jedenfalls freue ich mich, dass ich wieder in Bergen bin. Die Fahrt war wieder abscheulich – 14 Stunden hin und fast 16 Stunden zurück. Der Schmutz liegt zentimeterdick auf Haut und Anzug, dazu 25 Grad im Schatten. Also nichts wie Badewanne. Und nun löst heute endlich eine Sondermeldung die andere ab. Donnerwetter, was hatten sich doch die Russen inzwischen an Waffenmengen zugelegt. In Oslo hatte man davon gesprochen, dass der Führer 6 Wochen für den Feldzug im Osten rechne, dass er jedoch an keine Revolution glaube. Wenn das so weiter geht, dann hat er wieder Recht, und das Unvorstellbare wird wieder Wirklichkeit. [69r] 2. Juli 41 Die Regenzeit hat begonnen. Es ist erheblich kalt geworden. Und doch gehen wir heute wieder zum Sport. Schon zum vierten Mal arbeiten wir uns Mittwochs körperlich ordentlich aus. Wenn man so, wie ich, gut 10 Jahre auf diesem Gebiet nichts getan hat, tut das besonders gut, und die morschen Knochen werden wieder gelenkig. 3. Juli 41 Netter Abend im Kasino von Prof. Dr. Holfelder, zusammen mit Stubaf. Flesch und Dr. Nising. Ein neuer Plan wird besprochen, und zwar einen der vom Secret Service erbeuteten Sender wieder arbeiten zu lassen, und zwar getarnt als London calling. Etwas teuflisch das Spiel, aber interessant.89 Über Russland hört man leider nach wie vor sehr wenig. Aber es müssen ungeheure Verluste für die Bolschewiken sein. Man bedenke, allein fast 6000 Panzer, das ist schon jetzt mehr, als die Franzosen überhaupt besaßen. Erfreulich ist, dass Europa nun tatsächlich etwas mehr aufwacht. Freiwillige aus fast allen Ländern des Kontinents wollen mit gegen die Bolschewiken kämpfen. Schade nur, dass wir in den Ländern, die wir besetzt halten[,] vorher so viele pol. Dummheiten gemacht haben, sodass die Welt zwischen bolschewistischer und nazistischer Knechtschaft, oder G. P.U. und Gestapo wenig Unterschied macht. 87 Armeeoberkommando. 88 Herbert Giese (1899-1978). »Ia« bezeichnete in der Wehrmacht den Ersten Generalstabsoffizier. 89 Nach Auskunft von Bjarte Bruland ein streng geheimes Unternehmen, das keinesfalls in geselligem Rahmen hätte ausgeplaudert werden dürfen.
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Es sind nicht immer die schlechtesten Menschen, die uns nicht mehr glauben, vor allem dann nicht, wenn wir von der Freiheit der Völker reden. Sie vergleichen stets mit der Ära Napoleons. Es wird noch lange dauern, bis wir diese aufgekommenen Irrtümer wieder beseitigt haben. [70 (6)] 9. Juli 41 Gestern war der Berliner Rundfunkchor hier, ca 50 frische Jungen und Mädels, die ein ausgezeichnetes Können zeigten. Ich hatte als Gastgeber das gesamte Offizierskorps und noch fast 1000 Soldaten eingeladen. Der Abend war ein voller Erfolg. Mit dem Leiter des Chors, Steffen, dem Stadtkommandanten, Oberst Hossfeld,90 Stubaf. Flesch und Dr. Nising war ich dann noch bis Mitternacht im Hotel Bristol zusammen. Heute habe ich mit meinem Baurat Handt die 60 Entwürfe für den NordnesWettbewerb angesehen. Wenn ich auch davon eigentlich nichts verstehe, so glaube ich doch, dass die Preise richtig verteilt worden sind. Der Anlass dieser Besichtigung war ein Fernschreiben von der Osloer Abteilung Technik und Verkehr, dass ich die Veröffentlichung des Ergebnisses noch bis zum 20. ds. Mts. hinauszögern sollte, weil die pp. Herren Luther und Steffen erst noch nach Drontheim91 wollten, bevor sie sich die Arbeiten in Bergen ansehen würden. Die Herren Bauräte werden sich wundern, wenn sie in Drontheim in der Zeitung lesen, dass das Ergebnis trotzdem veröffentlich worden ist, denn ich denke gar nicht daran, mir wegen dieser pol. Kindsköpfe und bevormundenden Schulmeister die mühsam aufrechterhaltene Loyalität der Bergenser zu verscherzen. Jedenfalls gibt es einen schönen Krach, auf den ich mich schon freue. Demnächst würde sonst noch die Aufstellung eines öffentlichen WCs von der Genehmigung in Berlin abhängig sein. Und dann reden diese Idioten von der Freiheit und Gleichberechtigung insbesondere der nordischen Völker. [70r] 16. Juli 1941 Ich bin mal ziemlich durcheinandergeraten. In diesen Tagen wollte ich nun auf Urlaub. Ich glaube, erstens habe ich ein Recht darauf, da ich nun schon über 6 Monate nicht mehr in der Heimat war, zweitens kann ich es nun auch verantworten, da alles ordnungsgemäß im Büro läuft, und die Herren in Oslo alle schon in Urlaub waren, ohne dass sie es meistens zwar verantworten konnten, und drittens, weil ich es in Bezug auf die Nerven dringend nötig habe, denn ich rege mich meist zu meinem eigenen nachträglichen Bedauern schon bei jeder Kleinigkeit ungeheuer auf. Auf meine heutige telephonische Anfrage bei Landrat Dr. Heinrich, ob ich Ende der Woche ein Flugzeug benutzen kann, hörte ich 90 Walther Hossfeld (1891-1964). 91 Zeitgenössisch übliche, heute veraltete deutsche Bezeichnung für Trondheim; Christen benutzt beide Schreibweisen.
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zu meinem Entsetzen, dass es mit meinem Urlaub wohl nichts würde. Ein Sonderkurier sei gerade nach Bergen unterwegs, und alles Weitere würde ich wohl aus dem mir zu übergebenden Schreiben erfahren. Gestern bekam ich inoffiziell eine ähnliche Hiobsbotschaft. Mein Leiter für die Abtlg. Dr Nising, der sich z. Zt. auf Urlaub befindet, soll angeblich nach Kirkeness [Kirkenes] versetzt werden. Das würde bedeuten, dass ich die Volksaufklärung und Propaganda selbst übernehmen müsste. Gerade seit gestern bin ich nun die Verwaltungsabteilung los, da der versprochene Regierungsrat Dr. Roenfeld glücklich übergekommen ist. Bevor dieser sich allerdings eingearbeitet hat, wird trotzdem noch viel Zeit vergehen. Die Leitung der Abtlg. Volkswirtschaft behalte ich so wie so schon, nun steht evtl. die Übernahme des Sektors Volksaufklärung und Propaganda vor mir, der mit der Betreuung des Presse[-], Theater[-], Kino[-,] Rundfunk[-] und Ausstellungswesens sehr umfangreich ist, zumal die verbleibenden Mitarbeiter dieser Abteilung – fast alles Norskes – mehr oder weniger ungeeignet sind. Ganz gleich aber, wie morgen der Kurierbrief aussieht, ich muss [71 (7)] und ich werde »auf Urlaub« gehen, notfalls für zwei Tage. Eine glückliche Beruhigung habe ich allerdings seit heute Mittag. Mein Frauchen schrieb mir einen so netten Brief, der vorerst alle Sorgen bezüglich des guten Bestandes unserer Ehe fortwischte. Das war allerdings auch sehr nötig, da ich nun fast täglich von in die Brüche gegangenen Ehen höre. Ich hatte vor einiger Zeit ihr etwas sorgenvoll das Drama meines Kameraden Ludat mitgeteilt, dem von seiner Frau geschrieben wurde, dass sie von einem anderen Mann ein Kind erwarte, dass dieser »die große Liebe« sei, und dass sie daher die Trennung wünsche. Ich hatte es übernommen, für ihn die Korrespondenz mit seinem Schwiegervater zu eröffnen. Fast täglich höre ich immer wieder von ähnlichen Tragödien vor Allem bei Soldaten, die länger nicht in der Heimat waren. Leider gibt es welche, die Frau und Kind nun schon seit 1 ½ Jahren nicht mehr gesehen haben. Was nützt letzten Endes diesen armen Menschen ihr ganzer Einsatz für das Vaterland, wenn ihre Zukunft, ihr bisschen Glück dabei restlos verloren gehen. Leider ist auch ein guter Teil der deutschen Frauen moralisch schon so zermürbt, dass die Fälle sich mehr und mehr häufen. Wer etwas Lebenserfahrung hat, wird gewiss kein Moralpriester sein, aber verwerflich bleibt es bestimmt, wenn eine Frau, die Kinder und Heim hat und somit bis auf den Mann die gewohnte Umwelt[,] »fremd geht«. Wenn wir Männer auch grundsätzlich geneigt sind, für uns andere Maßstäbe zu nehmen, so wird selbst eine Frau zugeben müssen, dass wir mehr oder weniger zurzeit als Junggesellen unser Dasein fristen. Bei uns liegt der ruhende Pol nur in der Gewissheit, dass daheim Frau, Kind und Heim warten auf den Mann und auf den Vater. [71r] Seit gestern haben wir nun eine neue Bürozeit von 7.30 Uhr bis 15.30 Uhr durchgehend. Theoretisch bedeutet das zwar, dass man nun den Nachmittag frei hat. Zumindest für mich und meine engeren Mitarbeiter ist dadurch die Arbeitszeit erheblich verlängert worden, da wir auch nachmittags und Abends noch eingespannt sind. Mit gewisser Wehmut denke ich an die Zeiten zurück, wo der Kaffeemakler Heinrich Christen sich um 9.30 Uhr in sein Kontor begab. 102
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Trotzdem allerdings ist der jetzige frühe Beginn sehr vorteilhaft. An dem Sprichwort – Morgenstunde hat Gold im Munde – ist zumindest soviel Wahrheit, dass die Arbeitsleistung eines Vormittags eine sehr viel größere ist. Vor sechs Wochen hatte ich schon [von] mir aus die Arbeitszeit vorverlegt, und zwar auf Beginn 8 Uhr. Als wir um 9 Uhr anfingen, begann der Besucherandrang schon um ½ 10. Jetzt habe ich gut 2 Stunden Zeit, um die Post durchzusehen, zu besprechen und zu verteilen. Wenn man dazu bedenkt, dass die Uhren während des Kriegs ohnehin 1 Stunde vorgestellt sind, bedeutet das, dass wir eigentlich um ½ 7 Uhr unsere Arbeit beginnen, was wohl für jeden von uns früher unvorstellbar gewesen ist. Man sieht aber, Alles ist letzten Endes Einbildung und Gewohnheit. Gestern besuchten mich Dr. Blankenagel und Landwirtschaftsrat Svennsson.92 Blankenagel berichtete darüber, dass in Oslo zwischen dem Reichskommissariat und der Wehrmacht wieder mal erhebliche Differenzen bestehen. Die Möglichkeit einer Kriegsverwaltung ist wieder stark gegeben, wenn das auch wohl für Norwegen und die Norweger sich sehr ungünstig auswirken würde. Ob nun Kriegs- oder Zivilverwaltung, entscheidend werden immer die Menschen sein, die sie machen. [72 (8)] Am verg. Sonnabend (13. 7.) war ein großes Reitturnier der 69. Division. Für ein Jagdspringen hatte ich einen Ehrenpreis gestiftet – die Copie meines alten Stichs von Bergen –, den ich dann in feierlichster Form überreichen musste. Es ist doch immer wieder ein eigenartiges Gefühl[,] so »first man« zu sein. Jedenfalls will auch das eingehend gelernt sein. Ansonsten war ich allerdings froh, als das Turnier vorbei war, denn die Sonne schien unwahrscheinlich heiß. Abends war großer Empfang im Offizierskasino. Der General schien Wert darauf zu legen, mir gegenüber vor den Augen der Konkurrenz (Admiral) besonders die Freundschaft herauszukehren. Die Position eines »lachenden Dritten« hat doch Annehmlichkeiten. Es war schon drei Uhr morgens, als der gutgelungene Abend vorbei war. 19. Juli 1941 Gestern kam der Befehl durch, die engl. V Propaganda aufzugreifen bzw. aufzufangen. Das V soll nunmehr als deutsches Zeichen von uns überall angebracht werden. London hatte für die gestrige und die kommende Nacht den Höhepunkt seiner V Aktion angesetzt. Nun nehmen wir den Herren den Wind aus den Segeln. Etwas lächeln muss ich allerdings, wenn ich daran denke, dass ich gerade vor einigen Tagen den Chefredakteur der größten Tageszeitung zu mir bestellt hatte und demselben großmütig erklärte, dass man mit dem Anpinseln von V an die Häuserwände, in V-Form geknickten Streichhölzern und ähnlichen »Kindereien« den Krieg nicht gewinnen könne. Die letzten Entgleisungen der Bergen Tidende mit der bewussten Einschmuggelung [72r] des V Zeichens in 92 Dr. Karl Blankenagel, Mitarbeiter des Bereichs Landwirtschaft in der Hauptabteilung Volkswirtschaft im RK. Über Svennsson konnten keine weiteren Informationen gefunden werden.
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Artikel und Annoncen wären einer so seriösen Zeitung nicht würdig. Nun muss ich sehen, wie ich mich aus der »Tinte« ziehe. Jedenfalls hatte ich für gestern Nacht eine 35 Mann starke Kolonne organisiert, die mit Farbtöpfen und Pinseln ausgerüstet, überall ein V anbrachte. Wie ich heute feststellen muss, allerdings auch häufig an Stellen, die nicht gerade dafür geeignet sind, wie Kirchentüren, Firmenschilder etc. Niedlich dabei war folgende kleine Episode. Mein Herr Wauer93 hatte auch drei Norweger (NS) mitgebracht, die früher eintrafen als er selbst. Da sie sich in die Dienststelle begaben und sich nicht deutsch verständigen konnten, ließ ein anderer Mitarbeiter sie kurzerhand von meiner Wache verhaften. Als sie schließlich in voller »Aktion« waren, d. h. fleißig V s und Hakenkreuze malten, wurden sie ein zweites Mal verhaftet, diesmal von der norweg. Polizei. Als sich dieses Malheur schließlich aufklärte, und sie wieder eifrig bei der Arbeit waren, trafen sie mit einem SS Mann zusammen, der sie mit Hilfe zweier Kameraden vorsichtshalber erstmal verprügelte. Die SS Männer wussten noch nichts von »unserer« V Aktion. Dennoch machten unsere Norweger weiter. Ja, ja, dies Völkchen ist schon stur, diesmal sogar in deutschgünstigem Sinne. 23. Juli 41 4 Wochen dauert nun schon der russische Krieg, der russische Widerstand scheint doch stärker zu sein, als gehofft. Wohl ein jeder wird erstaunt gewesen sein über die ungeheuren Mengen an Kriegsmaterial, über das die Russen verfügen, und das wir schon vernichtet haben. Gestern Abend war ich beim Seekommandanten eingeladen. Einige Berliner Künstler produzierten sich gesanglich und auf dem Piano. [73 (9)] 25. Juli 41 Heute traf mein neuer Propaganda-Mann ein, der Reichspropaganda-Amtsleiter Huxhagen94. Ich glaube, er scheint eine gute Kraft zu sein. Er war allerdings auch dringend nötig, denn die deutsche V Aktion erfordert doch viel Zeit und Mühe. Ich hatte inzwischen große Transparente und Plakate anbringen lassen. V Stempel waren von mir angeschafft und an die anderen deutschen Dienststellen verteilt. Auch die Luftwaffe hatte ich eingespannt. Drei in V Formation fliegende Jäger warfen 1 Million in Bergens Blechdruckerei gestanzte V Papierschnitzel ab. Und London schimpft …. Diesmal ist ihnen wirklich der Wind aus den Segeln genommen worden. Nur dürfen wir nicht übertreiben und solch einen Blödsinn verzapfen wie Herr Fritsche im Rundfunk, der weismachen will, dass der Engländer uns die V Propaganda gestohlen hat, wo doch jedes Kind in den besetzten Gebieten weiß, dass die Engländer schon etliche Monate mit Erfolg 93 Wauer wird später als Ortsgruppenleiter (der NSDAP) bezeichnet, vgl. 10. April 1942. 94 Herbert Huxhagen (1899-1967[?]) war zuvor Landesstellenleiter des Reichspropagandaamtes in Hannover gewesen.
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sich hierin betätigten, und das[s] uns dies Wirken unserer britischen Vettern allmählich sehr unangenehm wurde. 27. Juli 41 Der Reichskommissar kommt morgen …. Diese Neuigkeit erfahre ich vom Adjutanten des Generals, – komisch. Aber diesmal scheint es zu stimmen, wenn auch der Anlass ein etwas lächerlicher ist. In der letzten Nacht hat es in Gravdal95 einige Zusammenstöße zwischen Norwegern und deutschen Soldaten gegeben, wobei drei Soldaten Messerstiche bekommen haben. In Espeland weiter sind auf einer Tanzveranstaltung die Internationale und die Königshymne gesungen worden, worauf von der Wehrmacht 180 Norweger festgenommen wurden. Der erstgenannte Anlass hatte schon ca 200 Nor- [73r] weger »eingebracht«. Daraufhin hatte die Division Meldungen ans AOK nach Oslo gegeben[,] in denen so etwas wie »Aufruhr in Bergen«[,] Sabotage etc. vorkamen. Ca 400 Norskes sind nun heute in meinem großen Saal untergebracht und Kriegsgerichtsräte sind außerordentlich geschäftig. Es scheint mir allerdings, dass es sich wiedermal um ein sogenanntes Horneberger Schießen handelt. Jedenfalls war ich den ganzen Nachmittag auf der Dienststelle, um den Betrieb »vorzubereiten«. Schade um den Sonntag, ich hätte bei dieser Hitze viel lieber gebadet. 29. Juli 1941 Das Ereignis ist »überstanden«. Versehentlich ist nicht einmal etwas schiefgegangen. Als der Sonderzug um 10.10 Uhr einlief, war »Alles« versammelt, d. h. der Admiral[,] der General mit ihren Stäben, der Kommandeur der Sicherheitspolizei, der Schutzpolizei und meine Wenigkeit mit den Männern der Dienststelle. Vor dem Bahnhof war eine Ehrenkompanie der Schutzpolizei angetreten, ebenfalls ein Musikzug des Heeres. Pressephotographen huschten herum, kurz, es war ein erheblicher Betrieb. Bei der Begrüßung wäre fast eine Panne passiert. Der Admiral schien den Ehrgeiz zu haben, den RK als Erster zu begrüßen. Glücklich konnte ich ihm noch zuvorkommen, was allerdings sehr notwendig war, weil der RK auf solche Etiquettefragen sehr großen Wert legt. Nach Abschreiten der Ehrenkompanie ging’s zum Hotel Bristol, wo ich für 25 Männer ein Frühstück hatte richten lassen. Mit dem RK waren Gruppenführer Redieß, Brigadeführer Wegner, Hauptabteilungsleiter Schmidt und Oberlnt. Beek96 erschienen. [74 (10)] 95 Es handelt sich um jenes Gravdal bei Bergen, das Anfang Juni zum militärischen Sperrgebiet erklärt und teilweise evakuiert worden war (vgl. 3. Juni 1941). 96 Paul Wegener (bei Christen durchgängig Wegner) (1908-1993), Leiter des nach ihm benannten »Einsatzstabes«, dessen Aufgabe es war, die Politik der Nasjonal Samling im Sinne der Besatzungsmacht anzuleiten. Der Titel »Brigadeführer« bezieht sich auf seinen Rang in der SA, den er seit 1937 bekleidete. Allerdings war er 1940 von der SA in
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An das Frühstück reihte sich eine längere Unterredung mit dem General über die den eigentlichen Anlass des Besuchs bildenden Vorgänge an. Dann »siedelten wir« in meine Dienststelle über, wo der »Tanz« der Vorträge begann. Auch der neue Fylkesmann97, der Politimester und der Oberbürgermeister wurden vorgeladen. Dann folgte die Besichtigung der Dienststelle, wobei festgestellt wurde, dass ich eigentlich viel zu viel[e] Norweger beschäftige. Anschließend wurde das vom SD sichergestellte Sabotagematerial der Norweger und des Secret Service besichtigt, wobei Stubaf. Flesch einen kurzen Vortrag hielt. Der netteste Teil des Besuches war zweifellos die Fahrt mit dem Boot nach dem Solstrand. Bei dem wunderschönen Wetter war die dreistündige Fahrt durch die Schären direkt eine Erholung. An Bord waren nur der RK, der Gruppenführer, Brigadeführer Wegner, Hauptabteilungsleiter Schmidt, Oberlnt. Beek, Stubaf. Flesch und ich. In Solstrand besichtigten wir die Villa Mowinkel [Moldegaard]. Dieser schöne Besitz liegt wohl am schönsten Punkt Norwegens. Aus dem herrlichen Park heraus sieht man die weite Wasserfläche und weiter auf den Folgefonngletscher [Folgefonna isbre], dessen weiße Fläche den Blick magnetisch anzieht. Der RK beschloss, diesen Besitz, der einem geflüchteten Bergenser Reeder gehört[,] für eine nationalpolitische Erziehungsanstalt zu verwenden.98 Der Gruppenführer wird dieserhalb in ca 14 Tagen noch einmal kommen, um mit mir die weiteren Maßnahmen zu besprechen. Da die Anstalt mir unterstehen wird und der Ort auch nur knapp ¾ Stunde Autofahrt von Bergen entfernt ist, erscheint mir die Angelegenheit sehr begrüßenswert. [74r] Auf der Rückfahrt nach Bergen wurde noch das Konzentrationslager Ulven besichtigt, das z. Zt. etwa 140 Häftlinge hat.99 In Bergen folgte die Besichtigung der Baracken der Schutzpolizei. Der RK, der Gruppenführer, Brigadeführer Wegner und ich machten dann noch Anstandsbesuche beim Admiral und beim General. Der General hatte für Terboven noch einen Fernspruch des Führers, die in der vorherigen Nacht verhafteten ca 400 Norweger nach Deutschland zu bringen. Das AOK hatte diese an sich lächerliche Sache an das Führerhauptquartier weitergegeben. – So wird aus einer Mücke ein Elephant –. Der RK war wenig begeistert, und es scheint, als wenn der General etwas Propaganda für sich machen wollte, was ihm allerdings restlos vorbeigelungen ist. Von 21 bis 23 Uhr wurde dann noch in »Kameradschaftsabend« gemacht, wobei ich zwischen dem RK und dem Gruppenführer zu sitzen kam. Ich hatte dabei Gelegenheit, meine die SS gewechselt, wo er 1942 den Rang eines »Gruppenführers« erhielt. Zu Schmidt konnten keine weiteren Angaben gefunden werden. 97 Atne, vgl. 28. September 1941. 98 Johan Ludwig Mowinckel (1870-1943) war ein norwegischer Reeder und liberaler Politiker, mehrmals Bürgermeister von Bergen, Mitglied des Parlaments und dreimal Ministerpräsident von Norwegen. 99 Das »Polizeihaftlager« Ulven wurde am 1. Juni 1940 30 km südlich von Bergen von der deutschen Sicherheitspolizei eingerichtet. Es unterstand dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Bergen, bis Herbst 1941 SS-Sturmbannführer Gerhard Flesch.
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zahlreichen Wünsche und Sorgen gut anzubringen. Schon auf der Bootsfahrt war mir dies ganz ordentlich gelungen, sodass ich von dem Besuch restlos zufrieden bin. Auch der RK war mit seinem Besuch, wenigstens soweit es meine Dienststelle betraf, zufrieden, --- und ich habe bis zum nächsten Besuch erstmal wieder eine lange Pause. Um 23.10 rollte der Sonderzug mit seiner kostbaren Fracht wieder ab, worauf die trauernden Hinterbliebenen sich erst einmal erheblich die Nase begossen. Dazu gehörte ich auch. Ich hatte im Laufe des Tages auch mehrfach Gelegenheit, mich eingehend mit dem Gruppenführer und dem Brigadeführer Wegner zu unterhalten. Doppelt genäht hält besser. Auch meinen Urlaub konnte ich vorbringen mit dem Ergebnis, dass ich nach dem erneuten Besuch des Gruppenführers (14 Tage) wohl endlich fahren kann. [75 (11)] 2. August 1941 Der Besuch des Reichskommissars ist abgeklungen. De Vries rief heute an und meldete, dass der RK […] restlos befriedigt gewesen ist. Heute kamen auch die neuen einschneidenden Verordnungen heraus, 1. die gesetzliche Grundlage für den Ausnahmezustand, 2. die Ablieferungspflicht für die Rundfunkapparate in ganz Westnorwegen und einem Teil von Nordnorwegen. Mit Engelszungen hatte ich am Montag auf den RK eingeredet, um ihm das Rundfunkverbot schmackhaft zu machen. Bis zum Schluss hatte er sich gewehrt. Nun hat er die Verordnung doch herausgebracht. Wenn er auch im Augenblick nicht gerne etwas zugeben mag, so verdaut er das Gesagte doch anscheinend ausgiebig. Heute besuchte mich auch der neue Gauleiter von NS, Herr Astrup, – anscheinend ein sehr ordentlicher Mann.100 Er erzählte mir[,] dass gestern der Finanzraodmann und der 3. Raodmann101 der Stadt Bergen von Staatsrat Hagelin102 abgesetzt seien. Wie Oslo (Landrat Dr. Heinrich) mir auf Befragen mitteilt[,] hat Hagelin diesen »Streich« mal wieder ohne Wissen des Reichskommissariates gemacht. Jedenfalls werde ich erheblich gegen diesen völlig irrsinnigen Eingriff schießen. Noch am Montag hatte ich mit dem RK vereinbart, dass vorerst keine Personalveränderungen vorgenommen werden sollten. Nun setzt diese »Brauseflasche« von Hagelin diese beiden Bürgermeister Knall auf Fall ab. Der Finanzbürgermeister hat noch nicht einmal seinen Etat durchgebracht. Als Begründung für meinen Vorschlag dem RK gegenüber, keine Veränderungen vorerst vornehmen zu lassen, hatte ich angegeben, dass neue Eingriffe sofort das Rücktrittsgesuch des Ober- [75r] bürgermeisters zur Folge hätte, den wir jedoch im deutschen Interesse auf keinen Fall gehen lassen können. Leider habe ich Recht gehabt. Der Ordfører hat sein Abschiedsgesuch eingereicht. Auch an100 Christian Astrup (1909-1983) war von 1941 bis 1944 N. S.-Funktionär und »Regierungspräsident« für Bergen und die Provinz Hordaland, die ebenfalls zur Dienststelle Bergen gehörte. 101 Eigentlich Rådmann bzw. Finansrådmann (deutsch: Ratsmann). 102 Albert Viljam Hagelin (1881-1946) war Staatsrat für das Innenressort und später Innenminister in der Regierung Quisling.
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dere leitende Herren spielen mit der gleichen Idee. Und dann wundern sich die Leute, dass NS so unbeliebt ist. Wenn Hagelin so weiter macht, dürfte es bald aus sein mit seiner Staatsratsherrlichkeit. 4. August 41 Wieder ist hoher Besuch eingetroffen. Reg. Pr. Ministerialrat Friedrich und Amtsrat Theurich vom Reichsrechnungshof. Im Interesse vom Reg. Rat Dr. Hagemann – dem Finanzminister in Oslo – habe ich mich der Herren besonders pfleglich angenommen. Meine Kasse war selbstverständlich in Ordnung. Das Mittagessen nahmen wir in meinem Hause ein. Der Friedrich aß wie ein Scheunendrescher. Na, jedenfalls waren beide Herren sehr begeistert von Bergen. Morgen früh trifft nun wieder hoher Besuch ein, der Polizeipräsident von Essen, Oberführer Koreng103, und der Gauwirtschaftsberater von Essen, Pg. Hoffmann. 7. August 1941 Hoffentlich werde ich nun einige Zeit mit sogenannten hohen Besuchen verschont. Außer den schon genannten Herren war am 3. 8. auch noch der Leiter der Gruppe Preisbildung und Preisüberwachung in Oslo, Oberlandesgerichtsrat Dr. Bendiek eingetroffen. Das Erste, was die beiden Gäste des RK hier taten, war Pelze kaufen. Den ganzen ersten Tag habe ich nur Fremdenführer gespielt. Abend[s] hatte ich zu mir ins Haus eingeladen, wo dann erhebliche Mengen Alkohol vertilgt wurden. Zum Schluss ha- [76 (12)] be ich sämtliche Herren quasi »ins Bett« bringen müssen. Oberführer Korreng berichtete sehr interessant über Westdeutschland. Düsseldorf hatte bisher 185 Angriffe, jedoch nur 138 Tote. Krupp hat bisher einen einzigen Treffer in ein belangloses Gebäude erhalten. Pg. Hoffmann berichte[te] von der letzten Gauwirtschaftsberatersitzung in Paris und fand dabei sehr abfallende [sic] Worte für Dr. Wolff.104 Sein flegelhaftes Benehmen sei überall auf Widerspruch gestoßen, was ich mir allerdings auch vorstellen kann. Nun bin ich froh, dass alle glücklich wieder abgefahren sind. 9. 8. 1941 Gestern Abend hatte ich meinen ersten »Kasino«-Abend im Haus. Jeden Freitag von 20 bis 24 Uhr habe ich mein Haus für die Angehörigen der Dienststelle zur Verfügung gestellt, um ihnen einmal in der Woche die Möglichkeit zu einem gemütlichen außerdienstlichen Zusammensein zu geben. Der Abend verlief sehr nett.
103 Es handelt sich um SS-Brigadeführer Korreng. 104 Wolff war nach dem Weggang von Carlo Otte Gauwirtschaftsberater in Hamburg.
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11. 8. 1941 Heute gießt es wieder vom »Himmelhoch«. Fein, dass ich gestern noch einmal draußen am Solstrand war. Ich habe noch einmal eingehend den Besitz vom geflohenen Schiffsreeder Mowinkel besichtigt. Man kann schon verstehen, dass diese Herren nicht sehr begeistert sind über die Errungenschaften, die wir ihnen bringen. Sie haben wirklich wie die kleinen Könige gelebt. Ich muss immer an die Villen und Besitzungen unserer Hamburger Kaufleute in [76r] Blankenese und am Harvestehuderweg denken. Vielleicht kommt ja Alles einmal wieder, wenn die von uns angestrebte Prosperität Europas Wirklichkeit geworden ist. Mit dem Oberbürgermeister Stensaker habe ich wieder eingehend verhandelt. Ich habe ihm offen erklärt, dass ich in seiner Lage ebenso gehandelt hätte. Er dürfe aber nicht vergessen, dass es über den berechtigten persönlichen Ärger hinaus noch eine höhere Verpflichtung gebe, eine Verpflichtung der norwegischen Bevölkerung und der Stadt Bergen gegenüber. Er sieht das schon ein, aber seine Verärgerung ist verständlicherweise groß. Wie ich heute aus Oslo erfahre, wird sein Abschiedsgesuch auch nicht angenommen. [77 (13)] 14. 8. 41 Gestern Abend hatte ich den General Tittel, den Reg. Präs. Harnoll105, den NS Gauleiter Astrup, den Oberbürgermeister Stensaker und den Polizeipräsidenten Vogelin zum Essen in meinem Haus geladen. Es war ein sehr lebhafter Abend und meine Absicht, die auf Grund der Absetzung der beiden Bürgermeister von Bergen entstandene erhebliche Spannung zu mildern, ist voll erreicht. Darüber hinaus brachten die Norweger das Gespräch immer wieder auf die Zukunft ihres Landes. Für alle, ob NS oder nicht, ist die spätere Wiederräumung dieses Landes eine Vorbedingung im Verhältnis zu den [77r] Deutschen. Dabei zeigen sie absolut Verständnis für die Notwendigkeit einer gemeinsamen Wirtschaftsstruktur und Verteidigung Norwegens Europas mit den sich daraus etwa für Norwegen ergebenden Konsequenzen. Der gerne politisierende General hat allerdings manche bestimmt nicht zutreffende Ansichten. Heute Abend habe ich den hier zu Besuch weilenden Obersturmbannführer Yacht vom Stab Heißmeyer106 sowie die Herren Kaleu Bartels, Prof. Holfelder, Standartenführer Holtorf (Bengsberg b. Köln) ebenfalls zum Essen eingeladen. [78 (14)] Morgen geht’s nun endlich auf Urlaub. General Klein von der Nordag hat mir seine Arado Sport zum Flug nach Oslo zur Verfügung gestellt. Übermorgen kann ich dann weiter nach Berlin fliegen, sodass ich Sonnabend Abend in Hamburg bin. Die liebe Gerda wird wohl ebenso erstaunt wie erfreut sein. Nun sind 105 Ketil Gjerløv Fleischer Harnoll (1909-1974). 106 Vermutlich August Heißmeyer, SS-Obergruppenführer und General der Waffen-SS und Polizei, Höherer SS- und Polizeiführer sowie von 1935 bis 1939 Chef des SSHauptamtes. Yacht und Holtorf konnten nicht weiter zugeordnet werden.
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es schon über 8 Monate her, dass ich zuletzt in der Heimat war. Eine unheimlich lange Zeit, wenn man sie vor sich hat. Jetzt beim Rückblick erscheinen sie doch schnell vergangen. Auf Urlaub! Hurra [78r] 18. 8. 41 Erstens kommt es, zweitens anders, drittens als man denkt. Nun sitze ich immer noch in Oslo und soll !!! heute Nachmittag endlich nach Berlin fliegen. Am Freitag um 11.00 erhob sich also die kleine schneidige Araro Wassermaschine zum Flug nach Oslo. Mir brummte noch etwas der Kopf von der vornächtlichen Sauferei. Es war etwas reichlich gewesen, was der Keller an Getränken wieder hergeben musste. Zuerst ging’s nach Stavanger, dann an der Küste bis kurz hinter Egersund und dann querein Richtung Oslo. 3 Geleitzüge von 7 bis [79 (15)] 7-8 Pötten sahen wir. Man muss nur immer wieder den Kopf schütteln, dass England die Schiffe so unbehelligt fahren lässt, denn die Bewachung besteht nur aus je zwei umgebauten kleinen Fischdampfern, die vielleicht 12 Meilen Fahrt machen. In Oslo schließlich angekommen, erfahre ich, dass das Flugzeug erst am Montag fliegt. Das hätten mir die Weihnachtsmänner auch schon gestern Abend nach Bergen durchrufen können. Nachmittags war ich mit Walter Pieper zu Carlo Otte und de Vries eingeladen, die die große Villa von Karl [79r] Schönning (Wilhelmsen)107 bezogen hatten. Carlo musste abends zum RK, während Elimar sich wieder – wie üblich – vorbeibenahm und mit ihm Frl. Zucker. Gestern schließlich folgte ich einer Einladung von Walter Pieper[,] der noch einen Herrn Freydag aus Hamburg gebeten hatte. Ein netter Abend. Heute sollte das Flugzeug um 11.00 fliegen. Dann um 14.00. Jetzt warte ich auf eine neue Zeit und mache mich schon darauf gefasst, dass es überhaupt erst morgen früh losgeht. Also Geduld. [80 (16)] 5. 9. 41 Nun liegt der Urlaub hinter mir und mit ihm eine Fülle von Glück und schönen Erlebnissen. Heute um 10.45 trennte ich mich von meinem Frauchen auf dem Tempelhofer Feld, und vor mir liegen nun wieder 3 ½ Monate Einsatz in Bergen. – 3 ½ Monate allerdings, wenn alles gut geht. Ich denke zurück an den Dienstagmorgen (19. 8.), als mich Gerda um 6.45 vom Hauptbahnhof abholte. Ich sehe die erstaunten Augen der beiden Kinder, als sie mich einige Tage später in St. Peter erblickten. Ich sehe noch einmal mein [80r] entzückendes Heim, all die schönen Sachen, die wir so im Laufe der Jahre zusammengetragen hatten. Wie hatten sich Häsi und Peterle herausgemacht. Mein angeblich so nervöses Frauchen war gar nicht so nervös, sondern lieb wie in alten Zeiten. Nun liegt das alles wieder hinter mir wie ein schöner aber kurzer Traum. Ich kehre diesmal 107 Hierzu konnten keine Angaben ermittelt werden.
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gar nicht so gern nach Bergen zurück. Vielleicht liegt das daran, dass die Zeit, wann ich endgültig nach Hamburg zurückkehren kann, noch so unbestimmt ist, vielleicht auch daran, dass der kommende [81 (17)] Winter für die Lieben in Hamburg doch sehr schwer werden wird. Als ersten Bergenser hatte ich heute im Grand den Konsul Halvorsen getroffen. Carlo und Elimar machen z. Zt. – wie geplant – ihre Spezial Ausbildung durch, um daraufhin 4 Wochen an die Front zu gehen um möglichst als General mit dem Ritterkreuz stolz und erhaben vor die staunende Mitwelt hintreten zu können. Eigenartige Auffassung vom bisherigen Kriegseinsatz ! Morgen geht’s nach Bergen. [81r] 9. 9. 41 Nun sitze ich wieder drei Tage in Bergen. Meine Sorgen, dass während meiner Abwesenheit irgendetwas Ungünstiges passieren könnte, haben sich glücklicherweise nicht erfüllt. Sachlich lief Alles gut. Die wichtigsten Sachen häufen sich allerdings auf meinem Schreibtisch. Nur personell hat es einige Streitigkeiten gegeben, die ich nunmehr »ausgebügelt« habe, indem ich die pp. Schreibdamen angefaucht und dann umgesetzt habe. Gestern habe ich einen Besuch beim General gemacht, der inzwischen zum Generalleutnant befördert wurde. [82 (18)] 13. 9. 41 In Oslo ist wieder große Aufregung. Gestern Morgen um 5.00 wurde der Ausnahmezustand verhängt. Gestern Abend wurden die ersten Verurteilungen und Erschießungen bekanntgegeben.108 Hoffentlich kommt Oslo nicht auf die Idee, auch für meinen Bereich den Ausnahmezustand zu fordern. Ich brauche ihn wirklich nicht. Etwas Gutes hat ja diese Entwicklung. Wenn die Norskes uns schon nicht lieben, so sollen sie uns wenigstens fürchten. Das Letztere ist z. Zt. nun der Fall, womit allerdings gleichzeitig eine Pleite [82r] unserer bisherigen pol. Arbeit aufgezeigt wird. Wozu die Millionen Mark und die riesigen Propagandastäbe. Ein Ausnahmezustand dürfte so ziemlich das Negativste sein, was man erreichen konnte. Ob das den betreffenden Herren klar wird? Ich glaube kaum! – Man könnte manchmal verzweifeln, wenn man sieht, wie bei den unscheinbarsten Angelegenheiten so große und plumpe Fehler gemacht [werden]. So erhalte ich z. B. vor einigen Tagen ein Schreiben der Hauptabteilung Verwal108 Im Zuge des Schlags gegen die Gewerkschaftsbewegung wurden in Oslo zwei Gewerkschaftsfunktionäre standrechtlich erschossen, ein Maler wurde zu lebenslanger Zuchthaushaft, drei Arbeiter zu 15-10 Jahren Zuchthaus verurteilt. Insgesamt waren bei der antigewerkschaftlichen Aktion 120 Personen verhaftet worden. Vgl. Stein Ugelvik Larsen u. a. (Hrsg.), Meldungen aus Norwegen. Die geheimen Lageberichte des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Norwegen, Teilband I, München 2008, S. 413 f.
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tung, in dem angekündigt wird, [83 (19)] dass die Gehälter der norweg. Angestellten rückwirkend ab 1. Juni um ca 20 gekürzt werden. Nun haben meine sämtlichen norweg. Angestellten ordnungsgemäß Verträge, in dem eine Kündigung zum ersten eines Monats vorgesehen ist. Ich lasse in Oslo also telephon. anfragen, und erhalte die Auskunft[,] dass man aus »Billigkeitsgründen« den Erlass erst ab 1. 9. wirksam werden lassen will. Ich habe heute daraufhin Oslo schriftl. mitgeteilt, dass ich für diesen Monat noch die bisherigen Gehälter ausgezahlt habe. Ich hätte jedoch alle Verträge zum [83r] 1. 10. gekündigt, sodass ab nächsten Monat die Neuregelung in Kraft treten könne. Auf die Antwort bin ich gespannt. Diese Idioten sollten inzwischen auch schon gemerkt haben, dass dem Norweger nichts so heilig ist, wie das Recht. Nein, immer muss »diktiert« werden, wobei es sich in diesem Fall um völlig belanglose Summen handelt. Am Donnerstag war Korv. Kapt. Werner bei mir in der Privatwohnung. Der gute Werner ist ein urgemütlicher Kerl. Er fährt übermorgen auf Urlaub nach Hamburg. [84 (20)] 15. 9. 41 Das war wieder eine gelungene Sache gestern mit der Einweihung der Straßenstrecke Eide Kvanndal.109 Ich hatte den Auftrag, zusammen mit dem aus Oslo herüberkommenden Staatsrat Hustad110 (Verkehrsminister) die Einweihung vorzunehmen. Um 8.00 morgens setzte sich unsere Wagenkolonne von der Dienststelle aus in Marsch. Die Angehörigen der Behörde hatte ich in einem Autobus mitgenommen. Dann 2 Stunden Fahrt nach Nordheimsund [Norheimsund], wo ich ein Frühstück gab. Dann weiter entlang am Hardanger Fjord bei schönstem Wetter 1 ½ Stunden bis Eide. [84r] Ich sprach zum ersten Mal in meinem Leben vor dem Mikrophon für eine Rundfunkübertragung. Anschließend wurde meine Rede in Norwegisch wiederholt. Alles in Allem ein schönes Erlebnis. Nachts 12 Uhr langten wir wieder in Bergen an. 17. 9. 41 Man kommt aus dem Feiern garnicht heraus. Heute Abend will Frl. Erbardt ihren Geburtstag feiern, und gestern Abend habe ich unser neues Kasino und die dazu gehörende Kegelbahn eingeweiht. Nun haben auch meine Leute endlich eine [85 (21)] Stätte, die ihnen gehört.
109 Es handelt sich um eine 9 Kilometer lange Strecke ca. 50 Kilometer östlich von Bergen, entlang dem letzten Teil des Harvangerfjords. Nördlich davon befand sich das KL Ulvik. Einige Bilder von der Eröffnung finden sich unter https://digitaltmuseum. org/list/xk6u?sv=details [5.4.2021]. 110 Tormod Kristoffer Hustad (1889-1973).
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28. sept. 1941
22. 9. 41 Das war gestern fast eine aufregende Sache mit der ersten Bootsfahrt. Um 1 Uhr kreuzt Wauer ganz groß mit dem hübschen weißen Boot auf dem See vor meinem Haus auf. Noch in der Hafenbucht habe ich das Fahren schon gelernt. Bei der ersten Minensperre spuckt der Motor einige Male, und dann will er nicht mehr. Wauer, der mir eingangs der Fahrt ausdrücklich erklärt hat, dass genügend Benzin im Tank vorhanden ist, muss nun zu meiner »Freude« feststellen, dass dem nicht so ist. Glücklicherweise kommt bald ein töff-töff Fischkutter, der uns zur Shell-Station im Schlepp mitnimmt. Wauer hat sich schon wieder »erholt« und gibt groß mit seiner »Schießkunst« an. Er hat eine Flinte mitgenommen, mit der [er] Enten zu schießen hofft. Plötzlich sehe ich auch Enten. Ich halte mit dem Boot darauf zu. Nimrod Wauer steht wie eine antike Statue mit dem Gewehr im Anschlag. Es knallt, und Wauer meint, wirklich getroffen zu haben. Eine sei bestimmt angeschossen und müsse gleich wieder auftauchen. Ich kreuze verzweifelt an der angegebenen Stelle herum, aber nichts taucht wieder auf. Also weiter. Diese Schärenwelt ist allerdings wundervoll, allerdings auch erheblich gefährlich. Gerade will ich das Boot wieder auf halbe Fahrt bringen, als wir ein Schrammgeräusch und dann einen Stoß verspüren. Ich war nett und kunstgerecht über eine nicht sichtbare Klippe gerutscht. Gottseidank war nur das Ruder festgeklemmt und – wie sich später herausstellte [–] der Propeller etwas verbogen. Gut zwei Stunden haben Wauer und ich uns dann – bis zum Bauch [85r] im Wasser stehend – bemüht, das Boot wieder flott zu bekommen. Jedoch ohne Erfolg. Wir rutschten mit dem Mut der Verzweiflung dauernd mit unseren nackten Füssen auf Seeigeln, Seesternen und glitschigen Polypen herum, aber Alles nützte nichts. Mit dem Knoten in der Flagge trieben wir dann noch eine halbe Stunde, bis wieder ein 4 Meilen Express-Kahn uns freundlichst in Schlepp nahm. Mit dieser Affengeschwindigkeit kamen wir dann ziemlich geknickt wieder im Hafen Bergen an. Ja, das war die sogenannte »Jungfernfahrt«. Glücklicherweise habe ich das Boot noch nicht getauft, sodass der Name sich noch nicht zu schämen braucht. Dipl. Thote quält mich heute, ich soll mit ihm nach dem Sogn- und Nordfjord. Diese Fahrt wär eigentlich längst notwendig gewesen, aber bisher glaubte ich immer, mir die Zeit dazu nicht nehmen zu können. Ich habe also zugesagt. 28. Sept. 1941 Heute Nachmittag sind wir wieder zurückgekommen von der wundervollen Reise in den Nordteil meines »Königreiches«. Sie wird immer zu meinen schönsten Erlebnissen gehören. Es ist immer wieder traurig, feststellen zu müssen, dass einem die Worte fehlen, wenn man etwas Schönes, Großes, Gigantisches und Interessantes auf dem Papier festhalten will. Über 1500 km trug uns mein RK 42 und fast 400 km trug uns das Fährboot. Ich wünsche nichts sehnlicher, als später einmal mit meinem Frauchen die gleiche Fahrt machen zu können. 113
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Man spricht so viel in Deutschland von unserer Alpenstraße. Sie ist wohl breiter und besser gepflastert als die norweg. Straßen, aber in Kühnheit der Anlage [86 (22)] können sie sich mit den norweg. in keiner Weise messen. Unbegreiflich ist manchmal die Verwegenheit der Linienführung. Unfassbar ist es dem Autofahrer, wenn er vor sich einen steilen Berghang sieht und man ihm sagt, dass er da mit seinem Wagen hinauf soll. Aber es geht immer. Ich denke hier besonders an die 42 Serpentinen, die einen Hang hinunter nach Årdal (Sogn) führen. Aber nun zur Fahrt selbst. Am 1. Tag (23. 9.) fuhren wir über Nordheimsund zum Hardanger Fjord. In Kvandal bestiegen wir die Fähre nach Kinsarvik. Kurz hinter diesem Ort kaufte ich einen sogenannt. Prachtstuhl, Birke geschnitzt, Sitz und Rückenlehne beschlagen mit Goldleder (gepunztes Büffelleder) zu 280 Kr. Er wird einmal am Winterhuderquai in Hamburg stehen neben der ererbten Eichentruhe. Schon gleich hinter Eidfjord kommen wir hinein in die Bergwelt der Hardanger Vidda. Gewaltig stößt der Vöringfoss [Vøringsfossen] bei Fossli herab (ca 165 m). Dann geht[’]s über die Hardanger Vidda, die den Eindruck einer öden leblosen Steppe macht. Von weitem können wir eine Rentierherde weiden sehen. Kalt leuchtet links der Hardanger Jökulen [Hardangerjøkulen] (Gletscher). Bei Haugastöl [Haugastøl] kommen wir wieder an die Bergens Bahn, die wir bis Gol begleiten. Dann führt die Straße in Richtung Nordwest. Es ist schon dunkle Nacht, als wir unseren ersten Rastplatz erreichen – Maristua. Entzückend liegt dieses Touristhotel. Früh am Morgen rollte mein RK 42 wieder in Richtung Tyin. Der Tyin-See liegt noch vollständig im Nebel. Weiter geht[’]s nach Aardal [Årdal], wo die Nordag eine gewaltige Anlage baut. Die Wasser des Tyin Sees werden durch eine 50 km lange Leitung nach Aardal geleitet, wo sie mittels Turbinen in elektr. Kraft [86r] umgewandelt werden. Das Kraftwerk soll dann ein Aluminium Aufbereitungswerk speisen. Das Projekt selbst ist schon 1911 in Angriff genommen worden. Hier sollte ein Stickstoffwerk entstehen. Fast 50 Millionen Kronen waren schon verbaut, als im Kriege 14-18 Deutschland das neue Stickstoff Gewinnungsverfahren entwickelte. Damit war diese großzügige Anlage schon im Aufbaustadium überflüssig geworden. Noch quirlt der Nebel, plötzlich sehen wir tief unter uns Aardal oder richtiger Farnes. 42 kühne Serpentinen führen den 700 m hohen Abhang hinab zum Ort, wo ein emsiges Treiben und Planen und Treiben herrscht. Ob. Ing. Kröll von der Nordag begrüßt uns sehr freundlich. Wir fahren über den Aardalsvann [Årdalsvannet] nach Aardalsstangen [Årdalstangen], wo einmal die Fabrik stehen soll. Im letzteren Ort wohnt der Lehnsman[n] (Landrat), den ich mir bestellt hatte. Für die Rückfahrt nach Årdal steht kein Bootsfahrer zur Verfügung. Welch ein Glück, dass ich gerade einen Sonntag vorher Bootsfahren gelernt hatte. Wie ein alter Fachmann fahre ich dann das schwere Rennboot (24 Meilen) und lege kunstgerecht wieder in Aardal an. Wir kriechen nocheinmal in die Stollen, dann müssen wir die 42 Serpentinen wieder hinauf. Vorbei geht es wieder an Maristua. Bei Borlaug allerdings biegen wir nach Westen ab und fahren nach Laerdal [Lærdal]. 114
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Vorbei geht es an Orten mit selten heimischen Namen wie Husum, Toenjum, usw.[:] um bedeutet Heim im altnorwegischen. Ob unsere friesischen Orte gleichen oder ähnlichen Namens vielleicht auf Normannensiedlungen zurückgehen? In Laerdal setzen wir über den Sognfjord [Sognefjord] mit der Fähre und erreichen Kaupanger. Nur ein kurzes Stück können wir fahren, dann müssen wir wieder über einen Arm nach Sogndal. Schon wieder ist es erheblich dunkel geworden, als wir Leikanger erreichen. [87 (23)] In Leikanger empfängt mich der Fylkesmann Atne111 im Hotel. Atne ist der Nachfolger des gegen meinen Willen abgesetzten Seip und ein großer Harlekin. Von einem Regierungspräsidenten hat er nur den Titel. Na, jedenfalls sind wir sein Gast für den Abend, die Nacht und den Morgen. Auch der Ortskommandant Hauptmann Wiemer meldet sich bei mir, und letzten Endes verbringen wir noch einen netten Abend mit Hilfe des von mir mitgebrachten Whisky und meiner Zigarren. Wieder geht es früh weiter am anderen Morgen (25. 9. 41). In Hermannswerk [Hermansverk] wird noch einmal getankt und dann Richtung Nordosten. Leider liegt vorerst noch Nebel auf dem Wasser. Höher und höher geht es hinauf. Herrliche Aus- und Anblicke eröffnen sich unseren begeisterten Augen. Längst hat der Baumwuchs aufgehört. Steine, nichts als Steine, Wasser und Eis. Ja herrliches leuchtendes Eis, ewiger Gletscher. Schnell einige Aufnahmen, ein staunender Blick in diese gigantische Welt aus Stein und Eis, und weiter führt uns der Wagen. Es geht wieder etwas herunter. Man kann sich garnicht vorstellen, in wieviel Farben das Birkenlaub leuchten kann. Überall liegt es goldgelb und goldbraun in den Tälern und an den Abhängen. Schließlich sind wir in Lom, wo das Mittagessen bestellt ist. Fuhren wir bisher nordost, läuft der Weg jetzt wieder nordwest nach Grotli und dann schließlich in vielen Kurven und Serpentinen hinab nach dem Geirangerfjord [Geirangerfjorden] – Meråk [Meråker]. Hier legten in Friedenszeiten unsere Luxusschiffe, die auf Nordlandfahrt waren, an. Bilder der »Reliance« und der »Monte Sarmiento« sind in den Schaufenstern. Doch gar bald müssen wir uns wieder trennen von diesem schönen Fleckchen Erde. Die Sonne ist schon wieder verschwunden [87r] und als wir in Grotli ankommen strahlen die Sterne. Aber es strahlt noch etwas mehr. Wie riesige Scheinwerferstrahlen zucken am Horizont die Lichtbündel des Nordlichts auf. Dieses Nordlicht ist wohl das schönste Schauspiel, was der Himmel zu bieten vermag. Das Grotli-Touristhotel ist leider schon geschlossen. Wir müssen daher weiter. In Videseter finden wir schließlich Unterkunft. Es gibt eine Butter und ein Brot, wie ich sie lange nicht mehr genossen habe. Es ist empfindlich kalt. Vor ca 4 Wochen lag in dieser Gegend der Schnee schon über 1 m hoch, sodass er mit dem Schneepflug auf den Straßen geräumt werden musste. Um 9 Uhr am 26. 9. rollen wir dann wieder talwärts. Vorbei führt die Straße an Seen, auf denen teilweise der Nebel noch lastet, an Bergen, die Schneespitzen tragen. Stryn ist erreicht. Wir bewundern die geschmackvollen Wehrmachts111
Vidar Atne (1894-1962).
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lager »Friesenlager« und »Niedersachsenlager«, und dann sind wir am Sognfjord [gemeint: Nordfjord], von dem immer behauptet wird, dass er noch wilder sein soll, als der Sognfjord, (was m. E. nicht stimmt). Durch saftige Täler führt die Straße. Links und rechts stehen schmucke Bauernhäuser, die Wohlhabenheit der Eigentümer verraten. Nordfjordeid ist erreicht. Hier übernehmen wir noch die Assistentin des Wegebauingeniörs. Der Letztere hatte uns von Maristua an begleitet. Ich statte auch dem Lehnsmann einen Besuch ab, – ein kultivierter, kluger Mann. Mit besagtem [sic] Assistentin komme ich in ein pol. Gespräch. Wieder zeigt sich, wie schon bei Unterhaltungen mit dem Wegebauingeniör Thorp, dass diese Menschen sich völlig verrannt haben in eine längst überholte Idee. Sie hassen Quisling und nennen ihn einen Verräter. Und doch ist dieser Menschenschlag ein sehr in- [88 (24)] teressanter. Er gleicht unserem Dithmarscher Bauer, ist sogar genau so stur und dickschädelich. »Freiheit« ist für sie der zündende Funke. »Lieber tot als Sklave« heißt es bei diesem Bauern aus Schleswig Holstein. Der Mensch aus Sogn und Fjordane [Sogn og Fjordane] sagt, wir brauchen die Freiheit zum Leben. Wenn man sie uns nicht gibt, kämpfen wir. Wenn wir sehen, dass der Kampf nichts nützt, so wandern wir aus. Das taten unsere Vorfahren, die Normannen, so besiedelten wir Island nach dem Jahre 1000, so gingen wir nach Amerika noch vor 100 Jahren, so werden wir auswandern, so bald uns die Möglichkeit dazu gegeben wird. Doch schon jetzt gehen unsere jungen Männer fast jede Nacht nach England. Leider stimmt das Letztere, ca 100 junge Männer aus dieser Provinz gehen monatlich nach England, in dem Wahn, hier die Freiheit zu finden. Es ist schade um die kernigen Menschen und noch bedauerlicher ist im Augenblick, dass ich nicht norwegisch spreche. Es würde sich lohnen, hier aufzuklären. Hier nützt nur Aufklärung und langsame ehrliche Überzeugung, wobei ich mit Bedauern an die derzeitigen Methoden der Gewalt und des Niederknüppelns durch die von uns gestützte N. S. denke. Ich glaube jedenfalls diesen jungen Representanten [sic] der Menschen um den Nordfjord zum weiteren Nachdenken angeregt, wenn nicht sogar etwas überzeugt zu haben. Doch, weiter fahren wir nach Maurstadt [Maurstad] am Nordfjord. Hier nimmt uns ein Boot auf und bringt uns zu einer Insel, auf der eine Baustelle meiner Oberbauleitung West ist. Noch sind die Geschütze nur aus Holz, aber bald wird auch hier der stählerne Schutz sichergestellt sein. Ein schönes Schauspiel bietet sich uns noch. In der Kiellinie eines Mutterschiffes fahren drei U-Boote langsam an uns vorüber. Fürwahr, ein stolzer Anblick. [88r] Boot und Auto bringen uns zurück nach Nordfjordeid, wo wir Mittag einnehmen. Bei Visnes verlassen wir die schon bekannte Straße und biegen ab nach Loen, wo wir zu übernachten gedenken. Doch das Touristhotel an diesem Ort ist auch schon geschlossen, und so müssen wir wieder weiter über Innvik nach Utvik, wo wir übernachten. Am Sonnabend, den 27. 9. früh trägt uns das Auto wieder bergaufwärts. Wir wollen wieder hinüber nach dem Sognfjord.Die Fahrt geht über Breim, Joelster, Mo, Vik nach Ulvestad. In Yoelster [Jølster] besuche ich noch den Lehnsmann. Diese Gegend pflegt im Besonderen die Heimarbeit und ich erstehe eine schöne 116
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gewebte Decke, die einmal auf meiner Eichentruhe in Hamburg liegen soll. Kurz vor Ulvestad müssen wir noch einmal in gewaltigen Serpentinen herunter ins Tal. Von hier bringt uns ein Fährboot nach dem berühmten Balestrand. Zwar ist der Betrieb in diesem bekannten Hotel schon stillgelegt, aber der Ort selbst macht nach wie vor einen überwältigenden Eindruck. Wieder nimmt uns das Fährboot auf, und gut 4 Stunden fahren wir auf dem Sognefjord nach Gudvangen, wo mein RK 42 wieder seinen Dienst antreten muss. Beängstigend steil führt der Weg hinaus nach Stalheim, dem berühmten Touristhotel. Leider ist inzwischen schon wieder die Nacht hereingebrochen und mit den Scheinwerfern unseres RK 42 suchen wir uns unseren Weg nach Voss. Hier übernachten wir in dem Bewusstsein, ein herrliches Erlebnis gehabt zu haben. Von hier ab befahren wir altbekanntes Gelände. Heute Morgen verließen wir Voss. Über Eide, Kvandal, Nordheimsund ging es zurück nach Bergen. Warm schien die Sonne und ließ uns noch einmal die ganze Herrlichkeit der westnorweg. Landschaft erstehen. [89 (25)] So ging eine Reise zu Ende, die zu den schönsten gehört, die ich bisher gemacht habe, – formell gesprochen --- eine Dienstreise im Bereich meines Hoheitsgebietes. 29. 9. 41 Heute kommt der Erlass des RK über Führung von Dienstwimpeln. Demgemäß habe ich den dreieckigen Wimpel eines Regierungspräsidenten zu führen. Er wird sich sicherlich gut machen an meinem neuen Wagen RK 58, einem Buick 8, den ich von Oslo vor einigen Tagen zur Verfügung gestellt bekommen habe. 4. 10. 41 Die letzten 3 Tage standen unter dem Zeichen »Kulenkampff«. Am Mittwochmorgen (1. 10.) trafen sie ein, d. h. Prof. Kulenkampff112, sein Frauchen, Hanna Barbara und der Pianist Puchelt. Als ich ihnen im Hotel Bristol einen Besuch machen will, lag »er« gerade in der Badewanne. Huxhagen bekam den Auftrag, sich der Gäste [89r] etwas anzunehmen. Ich musste um 13.00 Uhr zur Eröffnung der Halogaland [Hålogaland]-Ausstellung113 in der Börse. Um 15.00 Uhr gibt die Kommune Bergen ein Festessen auf dem Floyen, an dem ich als einziger Deutscher teilnehme. Der Teufel reizte mich, bei Tisch eine Rede zu halten, die bei den N. S. Mitgliedern großen Beifall, bei den Gegnern jedoch erhebliches Nachdenken hervorrief. Meinem Freund, dem Oberbürgermeister Stensaker, fiel die Antwort sichtlich schwer. Spontan erhob sich anschließend der Osloer
112 Alwin Georg Kulenkampff (1898-1848) war Professor an der Musikhochschule in Berlin (Violine). Er war in dritter Ehe mit Hanna B. Hoffmann (geb. 1917) verheiratet. 113 Hålogaland ist der mittelalterliche Name der nördlichen Westküste Norwegens.
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Gast, Christian Achner [?], Mitglied des höchsten Gerichtshof[s]114, und dankte mir bewegt für meine Antwort. [90 (26)] Abends hatte ich Kulenkampffs bei mir zu Gast. Auch Achner hatte ich geladen. Es wurde ein entzückender Abend. Besonders die reizende Hanna Barbara geb. Hoffmann aus Lübeck, sprudelte lebhaft. Man konnte nicht umhin zu bemerken, dass die beiden erst gut ¾ Jahr verheiratet sind. Er ist ein typisch urgemütlicher Norddeutscher (Bremen), so wurde es buchstäblich ein vergnügtes hanseatisches Treffen. Das Gespräch kam auch auf Furtwängler, der sich ganz vom Dirigieren zurückziehen will, um sich nur noch dem Komponieren zu widmen. [90r] Aus K. war keine Stellungnahme herauszubekommen. Sie allerdings verriet[,] dass man in seriösen Künstlerkreisen nicht viel von Furtwänglers neuer Passion hält. Ich hatte ja anfangs die leichte Befürchtung, mangels eigener Kenntnisse auf dem Musiksektor würde die Unterhaltung etwas schwierig werden, das Gegenteil war glücklicherweise der Fall. Am 2. 10. konzertierte K. dann zusammen mit dem »Harmonien« Orchester unter Harald Heide. Es war ein wundervolles Erlebnis. Zuerst gab es Schuberts Unvollendete, dann Beethovens Violinkonzert, zum [91 (27)] Schluss die Leonoren Ouvertüre. Wer auch nur etwas Verständnis für Musik hat, musste mitgerissen werden. Den letzten Tag hatte ich mir reserviert für Kulenkampffs. Zuerst fuhr ich sie auf den Floyen. Bei dem herrlichen Sonnenschein gab es wieder eine herrliche Aussicht. Frau Kulenkampff war besonders begeistert, erzählte sie mir doch, dass sie auf ihren Reisen nie dazu kommen, etwas von Stadt oder Landschaft zu sehen. Immer nur proben und nochmal proben. Dann ging es zu Kaleu Bartels raus, der freundlicherweise (wie immer) ein Schnellboot [91r] zur Verfügung stellte, mit dem wir dann 2 Stunden durch die Fjorde brausten. Ein weiteres S-Boot begleitete uns. So ein S-Boot mit seinen 75.00 PS ist schon etwas imponierendes [sic]. Man fliegt förmlich über das Wasser. Lärm und Zugwind sind allerdings erheblich. Abends fand dann das Solokonzert im Festsaal meiner Dienststelle vor gut 500 von mir geladenen Gästen statt. Wieder ein großes Erlebnis. Anschließend gab ich im Hotel Bristol ein Festessen für 50 Personen. Auch dieser Abend verlief glänzend. Man wird durch solche gesellschaftlichen und künst- [92 (28)] lerischen Ereignisse direkt wieder »aufgemöbelt«. Heute Morgen – nach knapp drei Stunden Schlaf – verabschiedete ich diese sympath. Gäste wieder auf dem Bahnhof. 7. 10. 41 Letzten Sonntag, am 5. 10. war ich bei Bartels eingeladen. Stolz brauste mein Boot in die Bucht des K. S. V. [Küstensicherungsverband], wo Bartels mich empfing und mir das von ihm geschaffene Offiziersheim zeigte. Wenn Bartels 114 Alle Richter des Höchsten Gerichts in Norwegen legten im Dezember 1940 ihre Ämter nieder. Bei Achner muss es sich um einen vom Reichskommissariat eingesetzten Richter handeln, also ein Mitglied der Nasjonal Samling.
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nicht aktiver Marine-Off. wäre[,] könnte er Architekt werden. Sonntagabend und heute habe ich dann meinen Monatsbericht fertig gestellt. [92r] Heute kam auch mein neuer Dienstwagen, ein Buick 8 an. Eigentlich gebe ich meinen Kapitän RK 42 ja sehr ungern fort, habe ich ihn doch von Anfang an in Bergen gefahren und so manches »Abenteuer« damit bestanden. Von Oslo kamen heute Gauamtsleiter Grebe und Dr. Funke zu Besuch. Ich werde sie zu morgen Abend einladen. 10. 10. 41 Vorgestern Abend zwei Festlichkeiten, gestern eine und heute Kasino-Abend, es wird direkt etwas viel. Am 8. war ich erst beim Abschiedsabend von Stubaf Flesch, der nach Drontheim versetzt ist. [93 (29)] Anschließend hatte ich Grebe und Dr. Funke zu mir geladen. Gestern gab Flesch einen zweiten Abschiedsabend zusammen mit N. S. Von Frauchen habe ich heute die Nachricht erhalten, dass sie nach München evakuieren will. Mir ist das ziemlich »an die Nieren« gegangen, trotzdem ich einsehe, dass es wohl das Beste ist, zumal die Lotti, das Hausmädchen, schon zum 1. 10. aufgehört hat. Ich habe eigentlich 4 feste Pole in meinem Leben gehabt. Der erste war meine Firma, die ich mir aufgebaut habe in fast 11 Jahren, der 2. war Gerda meine liebe Frau[,] der 3. waren die beiden Kleinen Margit [93r] und Jörn-Hinrich, und der 4. endlich mein Haus. Der erste wurde durch den Krieg zerschlagen, nun soll der letzte, wenn auch nur vorübergehend, ausgeschaltet werden, das ist etwas bitter. Ich hänge an diesem Haus, ist es doch das Symbol meiner vielleicht bäuerlichen Sehnsucht nach eigenem Grund und Boden. Aber schließlich ist Krieg, nur wenn ich mir vorstelle, Weihnachten in einer mir unbekannten, fremden Etagenwohnung feiern zu müssen, finde ich das doch etwas grausam. Vielleicht ist diese Einstellung etwas sentimental, aber für mich sind diese Dinge nun einmal wichtig. [94 (39)] 11. 10. 41 Für Huxhagen und Hand[t] habe ich Kriegsverdienstkreuze erhalten. Um allen Angehörigen und auch den »Betroffenen« den Wert dieser Auszeichnung etwas klarer zu machen, habe ich die Verleihung vor der versammelten Mannschaft mit einer kleinen Rede vorgenommen. Heute Abend ist Erntedankfest im Festsaal meiner Dienststelle. 13. 10. 41 Das Erntedankfest war mies. Der Saal halb gefüllt. Der Redner drittklassig, dafür umso eitler. Ich muss mich selbst um den Laden kümmern. [94r]
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15. 10. 41 Gestern Mittag hatte ich eine interessante Unterhaltung. Der aus England mit einem Gummiboot geflohene Norweger Björneby115 hatte am 13. vor N. S. gesprochen. Ich hatte ihn zusammen mit dem N. S. Gauleiter Astrup ins Bristol eingeladen. B. ist ein frischer junger Bursche. Ich habe ihn gebeten, nächste Woche vor den Soldaten in Bergen zu sprechen. Zum Essen hatte ich Kapt. Hohnhorst116 und Kapt. Werner eingeladen. Abends hatte ich Konsul Halvorsen und Oberbürgermeister Stensaker bei mir zu Gast. Ich glaube[,] meine Absicht, den guten Stensaker ein [95 (31)] Stückchen voran zu bringen auf dem Weg der Zusammenarbeit mit N. S.[,] ist gelungen. N. S. will Stensaker absolut absetzen. Ich habe jedoch dem Gauleiter Astrup erklärt, dass er und Innenminister Hagelin sich auf den Kopf stellen könnten, aber Stensaker würde mindestens bis ult. Dezember bleiben. Ich würde darüber [hinaus] auch nie dulden, dass er »gegangen wird«, sondern Stensaker würde dann von sich aus seinen Abschied suchen, wenn meine Versuche, ihn doch noch auf die richtige Linie zu bringen, scheitern würden. Es war ein sehr »lebhafter« Abend. [95r] Um 2 Uhr konnte Halvorsen nicht mehr auf den Füßen stehen und auch St. zeigte leichte Schlagseite. Leichtsinniger Weise habe ich beide dann noch nach Hause gefahren. 19. 10. 41117 Heute geht es mir schon wieder besser, aber gestern bin ich tatsächlich den ganzen Tag im Bett geblieben. Meine Nase träufelt mit den Regentropfen um die Wette. Auch meine Mandeln werden wieder »frech«. Wenn die Nase mich nicht daran hindern würde, hätte ich direkt Zeit, um auszuschlafen. Bisher hilft weder Alkohol noch heiß baden. [96 (32)] 21. 10. 41 118
Minister Rust soll heute in Bergen eintreffen. Alle maßgebenden Männer sind schon aufgeregt. Müssen wir am Bahnhof sein oder nicht, das ist die Frage. »Man« beschließt, am Bahnhof zu sein. Das werden wieder einige lebhafte Tage, zumal auch noch die Eröffnung der deutschen Fachbuchausstellung dazu kommt. 3 mal habe ich schon persönlich das Programm umgebaut. Ich muss das leider selbst machen, da ich mich in dieser Beziehung auf den guten Huxhagen nicht verlassen kann. Er ist es zu sehr gewohnt, 70 Männer um sich zu haben,
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Johan Vilhelm »Willy« Midelfart Bjørneby. Ludolf von Hohnhorst (1899-1978), Stabschef des Admirals Norwegische Westküste. Im Original: »19.11.«, ein offensichtlicher Schreibfehler. Bernhard Rust, seit 1934 Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.
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die seine [96r] »gelassen ausgesprochenen Worte« sofort in die Tat umsetzen. In Bergen hat er diese 70 Männer nicht, und das vergisst er leider allzu häufig. 26. 10. 41 Einige wilde Tage liegen hinter mir. Donnerwetter, hat dieser Rust eine Vitalität. Noch einige Tage im gleichen Tempo, und er hätte mich wohl »schwach« gemacht. Aber ich will chronologisch berichten. Es ist der 2[1]. 10. 41 abends um 11.45.119 Man streitet sich noch um die mutmaßliche Verspätung des Osloer Zuges. Bisher sind auf dem Bahnhof nur Oberstleutnant Hass- [97 (33)] lauer, Stubaf Blomberg, Dr. Sengler120, meine Männer und ich. Der Bahnhofsoff. gibt ungeduldig zum 10. Mal die Auskunft, der Zug würde genau 11.10 Uhr eintreffen. Da faucht er überraschend in die Halle. Wir toben am Zug entlang. Nichts. Wieder zurück zum Ausgang, wo eine Ehrenkompanie der Schutzpolizei steht. Wieder nichts. Wir also im Trab wieder am Zug entlang. Irgendeiner hat etwas von Sonderwagen am Ende des Zuges erzählt. Plötzlich habe ich den Minister mit seinen Männern im Dunkeln entdeckt. Noch einige Schritte, und ich deklamiere, rhetorisch [97r] vollendet: Herr Minister, ich habe die Ehre, Sie in Bergen willkommen heißen zu dürfen. Das erste, was ich dann spürte, war eine Mischung von H2O mit Alkohol gemischt, dann hörte ich die Worte: »Wieso, wer sind Sie denn?« Nachdem ich mich überraschend schnell gesammelt hatte, klärte ich den pp. Herrn Erziehungsminister auf, gleichzeitig auch darüber, dass er, bzw. sein Zug unvorhergesehen früh eingelaufen sei. Dann begann glücklicherweise »mein« Programm zu rollen. Blitzlicht!!! Die erste Aufnahme war gemacht. Inzwischen waren auch der General und der Chef des Stabes des [98 (34)] Admirals eingelaufen. Eine leicht komische Begrüßung und dann stand der erschrockene pp. Minister plötzlich vor einem blankgezogenen Degen. Der Offizier der Schu-Po meldete. Zuerst kam wieder: »unsere Fahne wehet uns voran« und dann die »Herrenworte« »Heil Hitler Kameraden« mit Echo » Rhatatatatatar ….« Wer nun geglaubt hatte, Herr Rust würde sagen, »Meine Herren, ich danke für den Empfang, Sie werden verstehen, dass ich müde bin«, hatte sich schwer geirrt. Dazu gehörte ich leider auch. Wohl hatte ich noch eine kalte Platte mit Tee und Bier bestellt, aber so gegen 1 Uhr hatte ich mich im Bett [98r] gesehen. Noch beim Essen verlangte der pp. Minister Cognac, den ich gehorsamst holen ließ. Wir saßen noch um 1 Uhr. Ich musste noch 2 Fl. Whisky holen lassen. Es wurde 3 Uhr, 4 Uhr. Ich musste nochmal Cognac organisieren. Es wurde 5 Uhr. Der Herr Minister sprach, deklamierte, lallte, schimpfte, lachte. Es wurde 6 Uhr. Schließlich geruhte der pp. Herr Minister die Nachtgemächer aufzusuchen. Betrübt und erstaunt schlichen wir Übrigen dann ebenfalls nach Hause. 119 Im Original »2.10.41«, ein Schreibfehler. Außerdem ist hier wohl 10.45 Uhr gemeint. Sonst stimmen die Zeitabläufe in der folgenden Erzählung nicht. 120 Mitarbeiter im Arbeitssstab Wegener, vgl. 29. Juli 1941.
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Genau 2 Stunden dauerte die Nachtruhe – es wartete ja das »Programm«. Am 22. war als Erstes vor- [99 (35)] gesehen, Anstandsbesuche bei den Kommandeuren der 3 Wehrmachtsteile zu machen. Um ½ 10 war ich im Hotel, [um] den Herrn Minister abzuholen. Der Herr Minister schlief. Um ½ 11 kam die erfreuliche Meldung, »Der Herr Minister rasiert sich[«]. Um 11 Uhr erschien seine Hoheit huldvollst. Inzwischen hatte ich den Besuch bei der Luftwaffe schon abgesagt. Auf einen ähnlichen Versuch meinerseits bei der Marine reagierte dieselbe sauer. Also mussten wir. Zuerst Marine, dann General Ortner vom Heer. Beide Male gelang es mir[,] unter Einleitung durch vernehmliches Räuspern, den Besuch schnell zu beenden. Der Herr Minister war darüber [99r] so begeistert, dass er dem Chauffeur Volkslieder vorsang. Wir fuhren dann zum Floyen und dann zum Glaamann [wohl gemeint: Blåmanen] herauf wo der Herr Reichsminister majestätisch die Front der Batteriebesatzung abschritt. Da die Sonne wieder mal prachtvoll schien, war der Ausblick allerdings phantastisch schön. Danach gings in wilder Fahrt wieder herunter in die Stadt, wo um 1 Uhr im Bristol die Honoratioren der Stadt und der Wehrmacht warteten, um gemäß meiner Einladung mit uns zu speisen. Auf meine »wohlgeformte Tischrede« vergaß der Herr Erziehungsminister leider zu antworten. Aber ansonsten verlief alles harmonisch. (Es war genügend Alkohol da.) [100 (36)] Um 16 Uhr fuhr RM Rust ab, um sich mit meinem Boot nach Troldhaugen und dann mit dem Wagen weiter nach der Fantoft Kirche121 zu begeben. Ich konnte nicht mitfahren, weil ich um 17 Uhr eine Versammlung leiten musste, in welcher der Norweger Bjoernby vor 1200 Soldaten und Zivilisten über seine Flucht aus England sprach. Die Versammlung nahm einen glänzenden Verlauf und manch ein Landsmann wird wieder einmal sehr nachdenklich und stolz nach Hause gegangen sein. Abends hatte ich Rust bei mir im Hause zu Gast. Weiter eingeladen waren, Ministerialrat Dr. Huhnhäuser, Schulrat Pudelo und Dr. Funke mit Sekretärin aus Oslo. Stubaf Blomberg und Herr Henschen, Huxhagen. Dr. Roenfeld, sowie die Damen Winkler (Sekretärin von Rust), Zeininger und Erbarth von meiner Dienststelle. Verlauf des Abends wiederum ausgezeichnet. Huhnhäuser bat mich immer händeringend, seinem Minister nicht so viel einzuschenken, was ich allerdings schon von selbst nicht tat, da ein sich vorbeinehmender Minister nicht gerade sehr repräsentativ wirkt. Ich vergaß noch einen Gast, den Norweger Bjoerneby. Mit ihm trank S. H. der Herr Minister auf Du und Du. Anscheinend ist das eine neue Art, die europäische Solidarität zu dokumentieren. Ich bin zwar noch nicht ganz so weit, um das gebührend zu verstehen. Auch die anderen Gäste neigten mehr zu der wohl primitiven[,] aber sehr naheliegenden Auffassung, dass die Auswirkungen des Alkohols nicht immer vorauszusehen sind. Morgens um 4 wurde »mehr«stimmig das deutsche Volkslied vergewaltigt. Um 6 Uhr nahm das »grausame« Spiel ein harmonisches Ende. Am »nächsten Morgen«, d. h. drei Stunden später[,] stand 121 Im 19. Jahrhundert im Stadtteil Fantoft nachgebaute Stabkirche aus dem 13. Jahrhundert.
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ich schon wieder in der Vorhalle des Hotels Bristol. Ich hatte mir für diesen Tag als Höhepunkt der Besichtigungen vorbehalten. [100r] Für die runde Summe von 1200 Kr. hatte ich das hanseatische Museum und die Schoetstuben wieder einrichten lassen. (Das gesamte Inventar war mit meiner Zustimmung vor einigen Monaten schon in Kisten verpackt in die Gewölbe von Bergens Museum gebracht worden.) Als wir nun um 10 Uhr im Hanseatischen Museum anlangten, war der Direktor Koren-Wiberg nicht zu sehen. Ein Angestellter sagte mir, dass K. W. im Archiv wäre, wo ich ihn denn auch antraf. Er war völlig verstört und erklärte, nicht mitmachen zu können, da »seine Frau einen schweren Herzanfall« bekommen hätte. Der Grund war, dass im Morgenavisen die Meldung von der Erschießung zweier Norweger in Bergen wegen Spionage stand.122 Da der Schwager von K. W. ebenfalls wegen Spionage eingesperrt ist, sah die Frau ihren Bruder von den bösen Deutschen ebenfalls schon erschossen. Und Koren-Wiberg, der ein herzensguter Mann ist, aber lediglich die Meinung seiner Frau hat, war nun ebenfalls völlig »herunter«. Auf mein Zureden erklärte er sich glücklicherweise bereit, dem Minister jedenfalls guten Tag zu sagen. Wie ich mir schon dachte, ging mit dem guten Wiberg sein hanseatisches Gefühl durch, und schließlich zeigte er uns doch persönlich sein Museum und die Schoetstuben. In den Schoetstuben hatte ich den großen Kamin heizen lassen. Auf den alten Holzstühlen standen Krüge mit gutem Bier und Schnäpse, und wenn ich nicht dauernd gedrängt hätte, wäre wohl eine weitere Verbrüderungsszene dabei herausgekommen. Nun sind allerdings die Schoetstuben wohl auch eine der schönsten Erinnerungsstätten der alten Hansezeit. Also der Abschied war sehr schwer und fand auch erst statt, nachdem einige passende Männerlieder verklungen waren. Nun ging es heraus zu Bartels. [101 (37)] Am Wohnschiff »Westwärts« wurden wir vom Chef des Stabes des Admirals der norw. Westküste empfangen. Nach Besichtigung des Schiffes, des Offizierskasinos und Abschreiten der zum Appell aufgestellten Mannschaften aller in der Bucht liegenden Schiffe wurden wir auf einem Schnellboot verfrachtet. Die Fahrt ging nach dem Solstrand, wo ich für ein anständiges Mittagessen gesorgt hatte. Dann wurde der Besitz von Mowinckel besichtigt und endgültig beschlossen, hier eine nationalpolitische Erziehungsanstalt erstehen zu lassen. Um 7.30 standen Bergens »deutsche« Honoratioren wieder auf dem nun schon sooooo bekannten Bergenser Bahnhof. Um 7.50 Uhr abends am 23. 10[.] war der denkwürdige Augenblick der Abfahrt S. H. des pp. Herrn Ministers, der Gottseidank restlos begeistert war von dem zweitätigen Besuch in Bergen. Wir waren genauso restlos begeistert, dass dieser »Kelch an uns vorüber gegangen war«. Wenn ich nun geglaubt hatte, dass ich nun endlich die wohlverdiente Ruhe bekommen würde, hatte ich mich getäuscht. Mein Thote bat so lange, bis ich 122 Die »Morgenavisen« war eine Bergenser Tageszeitung. Bei den Hingerichteten handelte sich um Ivar Dues und und Karsten Wang, die am 5.10.1941 zum Tode verurteilt worden waren (Hinweis Bjarte Bruland).
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mit ihm zum Kasino ging, um die nach Kirkenes und Tromsoe [Tromsø] versetzten Kaiser und Weber »abzufeiern«. Am Freitag, den 24. war natürlich Hochbetrieb in der Dienststelle. Einen schweren Schock erhielt ich durch das Telegramm von meinem Frauchen, das mein Fräulein Prinz plötzlich verstorben sei. Menschlich und sachlich ist das ein großer Verlust für mich. 10 ½ Jahr war das Mädchen bei mir und hatte den Aufstieg meiner Firma aus wahrlich kleinsten Anfängen mitgemacht. Sie war der Treuesten Eine. [101r] Ich erinnere noch lebhaft, als der gute Belke mir im April 1931 die Prinz buchstäblich »aufhalste«. Ich hatte ja noch selbst nichts. Doch die Zeiten waren so, dass sie selbst über die RM 60.--, die ich ihr monatlich gab, voll begeistert war. Wir haben uns so richtig durchgebissen. Als ich dann heiratete und schließlich Kinder bekam, hing sie mit einer seltenen Verehrung an meiner Familie. Was sie an Schönheit zu wenig hatte, hatte sie dafür an Treue fast zu viel. Das war auch der Grund, warum ich sie trotz des Krieges nicht gehen ließ und ihr die Betreuung der von mir für meine Kollegen aufgezogenen Sozialfonds übertrug. Auch diese Arbeit führte sie restlos zufriedenstellend durch. Nun hat irgendein mir noch unbekanntes Geschick sie aus dem Leben genommen. Gestern, am 25. ging der »Trubel« weiter. Um 12 Uhr hatte ich die deutsche Fachbuchausstellung zu eröffnen. Ich habe auch diese Gelegenheit benutzt, um auf die Norweger »einzureden«. Alle Spitzen der Wehrmacht, der norweg. Verwaltung waren anwesend. Mein 1stündiger Vortrag wurde mit stenographiert und erscheint am Montag in der gesamten Presse als Auflage. Trotzdem ich nun wirklich keine Zeit hatte, ihn vorzubereiten, glaube ich, dass er gut gelungen ist. Heute Vormittag habe ich ihn noch einmal für die Presse überarbeitet. Zu um 14 Uhr hatte ich die Herren der Kommune Bergen und der Fachorganisationen zu einem Essen im Hotel Bristol eingeladen. Irgend etwas von dieser »friedlichen« Einwirkung muss ja mal hängen bleiben. Ich habe jedenfalls den Eindruck, dass ich wieder ein gutes Stück vorangekommen bin. Ich glaube, meine Beharrlichkeit ist besser, als die Osloer Sprunghaftigkeit und Holzhammerpolitik. [102 (38)] [Im Original als S. 103] Heute Abend kommt mir das noch einmal in den Sinn, was Rust vom Führer erzählte, und was seinen Besuch für mich doch wertvoll machte. Er erzählte von der eigentlichen Geburtsstunde der Weltmacht Großdeutschland. Dem Engländer und Franzosen war der Aufrüstungswille des Führers nicht verborgen geblieben. Um diesen Beiden nicht die Möglichkeit zu geben, mit Hilfe des Völkerbundes kollektiv gegen Deutschland vorzugehen, musste Deutschland diesen verlassen. Nun bestand aber die Gefahr, dass bei bekanntwerden [sic] des Austritts, zumindest die Franzosen marschieren würden, um durch einen kurzen Präventivkrieg die Absichten des Führers zu vereiteln. Der Versailler Vertrag und die Gesetze des Völkerbundes gaben ihnen die moralische Rechtfertigung dazu. Zuerst gelang es nun dem Führer, bis zur Überreichung des Memorandums die Absicht des Austritts restlos geheim zu halten. Dann sollen seine weiteren Gedankengänge ungefähr die Folgenden gewesen sein. »Ich kenne doch diese 124
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Herren Demokraten, sie handeln nicht gern, sie reden lieber. Ich werde sie in ihren Urgefühlen bestärken, indem ich ihnen Gelegenheit zum Reden und damit zum Warten gebe.« Im Augenblick der Überreichung des Memorandums verkündete daher der deutsche Rundfunk, dass der Führer am selben Tag um 18 Uhr über alle Sender reden werde. Damit waren vorerst einmal 6 Stunden gewonnen, denn der Engländer oder Franzose konnte nun mit gutem Gewissen erst einmal die Rede »abwarten«, um dann »gegebenenfalls« zu handeln. Diese 6 Stunden genügten aber dem Führer nicht. Er beschloss daher, dem Gegner ein neues Argument zum Abwarten hinzuwerfen und verkündete am Schluss der 1 ½ [102r] [stündigen] Rede, dass er den deutschen Reichstag auflöse. Das war aus innerpol. Gründen absolut nicht notwendig, aber der Feind war dankbar für diese angebliche Dummheit des Führers. Wie vom Führer vorausgesehen, sagte er sich. In der kommenden Reichstagswahl fällt der Führer sowieso durch, warum sollen wir uns heute aufregen. Es kam, wie wir wissen, anders. Weiter behauptet der Führer, dass seine schwerste Stunde jene gewesen sei, als auf seinen Befehl deutsche Truppen das Rheinland besetzten. Der Draht spielte in ungeheurem Ausmaße nach Berchtesgaden und später nach München, und der Führer kannte an jenem Tag nur eine Frage, »marschieren sie?« Sie, d. h. die Franzosen, marschierten nicht. Aber der engl. Botschafter Philips123 erschien beim Führer und überbrachte die Forderung Englands, als symbolische Geste (man spürt Mr. Eden) von jedem Regiment sofort 1 Bataillon wieder über die Grenze zurückzuziehen und zu versprechen, niemals weitere Truppen ins Rheinland einrücken zu lassen. Der Führer soll außerordentlich schroff gewesen sein und geantwortet haben, »Ich denke garnicht daran. Aber mir ist bekannt, dass die Franzosen große Truppenkonzentrationen an der Grenze vornehmen. Wenn das nicht sofort aufhört, werde ich weitere bereitstehende 6 Divisionen ins Rheinland einmarschieren lasen. Ich bitte Sie, das Ihrer Regierung auszurichten.« Göring, der ebenfalls anwesend war, soll dann noch hinzugefügt haben, »Herr Botschafter, wenn durch die Unvernunft Ihrer oder der französischen Regierung ein Krieg entstehen sollte, schmeiße ich Ihnen sofort mit meiner Luftwaffe Ihre Städte zusammen.« Dieses war der erste Streich im genialen »Bluff«- [103 (39)] [im Original S. 102] spiel des Führers. Erstens waren gar keine weiteren 6 Divisionen mehr da und zweitens gab es die imposante Luftwaffe meist nur auf dem Papier. Nur wenige von den derzeit Lebenden wissen um dies gigantische, gewagte Spiel des Führers, von dem wir heute sagen können, dass er es glänzend gewonnen hat. Staunend wird eines Tages die Nachwelt all dies[e] Dinge erfahren und wohl erst dann richtig die Größe dieses einmaligen Menschen ermessen können. Ab 1933 wurde versucht, der Welt mit allen geeigneten Mitteln klar zu machen, das wir eigentlich viel stärker wären, als allgemein angenommen. Die paar Kanonen wurden von einer Stadt zur anderen geschleppt, es waren immer dieselben paar Kanonen. Genauso war es mit den Flugzeugen. Heute flogen sie als Geschwader Richthofen, morgen als Geschwader Immelmann, übermorgen 123 Gemeint ist der damalige britische Botschafter Sir Eric Phipps.
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als Geschwader Boelke usw. Es waren immer dieselben Flugzeuge. Fieberhaft wurde inzwischen gearbeitet. Das Kriegspotential wuchs und damit auch die Frechheit des Bluffs. Das Neue aber zeigten wir nicht mehr. Die Reihenfolge der »Heim ins Reich Aktionen« war vom Führer schon 1933 bestimmt. Österreich würde sich nicht wehren, und die Feinde dieses Staates wegen keinen Krieg anfangen, war seine Meinung. Schwieriger war es mit der Tschechoslowakei. Die Einmischung der Engländer höchst unangenehm. Nach München soll mit den Ungarn verabredet worden sein, dass diese einen Krieg mit den Tschechen provozieren sollten, in welchen dann Deutschland eingreifen sollte so quasi als Polizei und Friedensstifter. Die Halunken von Ungarn sollen jedoch versagt haben. (Der Führer hasst die Ungarn[.]) [103r] Erst die Kanonen und Mg.s von Skoda machten den Polenkrieg möglich. Und so entwickelte sich dann das große Ringen, in dem wir noch drin stehen. Es wäre allerdings falsch, anzunehmen, der Führer hätte nur mit Bluff gearbeitet. Wohl nie hat ein Feldherr sich so an nüchterne Tatsachen und Berechnungen gehalten als gerade der Führer. Typisch dafür ist sein Munitionsprogramm. Wir haben heute so viele [sic] Munition, dass 50.000 Schuss für einen Gegner kommen. Schon 1931 hatte der Führer in seinem Vertrautenkreis auf die Frage geantwortet, wie er sich eigentlich die Arbeitsbeschaffung vorstelle, »allein durch Aufrüstung, meine Herren.« Seine alleinige Idee war auch die Motorisierung des Heeres. Noch Blomberg war dagegen und bat wiederholt Männer um den Führer, dass diese sich doch bei dem Führer für eine stärkere Verwendung des Pferdes einsetzen sollten. Auch die Tragödien im deutschen Offizierskorps sind der Welt meist noch völlig unbekannt. Schon bei Österreich streikte die Wehrmachtsführung, sie konnte dem Führer in seinen Gedankengängen nicht folgen. Nach Beendigung der Aktion mussten denn auch eine Anzahl von Generälen ihren Abschied nehmen. Im September 1939 hatte der Führer nur eine Hilfe, das war Hermann Göring. Noch am 10. Mai 1940 war es für die gesamte Generalität eine eherne Tatsache, dass sich das deutsche Heer an der Maginotlinie verbluten würde. Es muss ungeheuer schwer für diese alten Berufssoldaten gewesen sein, auf ihrem ureigensten Gebiet die Führerschaft ja Genialität eines ehemaligen Gefreiten anzuerkennen. Ein einziger Zeitgenosse hat übrigens mit ähnlichem Bluff gearbeitet. [104 (40)] Stalin hat es verstanden, seine ungeheure Aufrüstung völlig vor der Welt geheim zu halten. Kein Ausländer sah die Fabriken und Produkte, und alles, was irgendwas etwas erzählen könnte, wurde sofort »liquidiert«. Der Bluff ging so weit, dass die russischen Truppen, die 1939 sich mit den deutschen Truppen in Polen trafen, miserabel ausgerüstet waren. Man sah Offiziere, die statt des Lederkoppels dicke Stricke um den Bauch trugen. Erst als Stalin merkte, dass Hitler gegen Russland »aufmarschierte«, zeigte er »etwas«. Die im Juli 1941 [vermutlich gemeint: 1940] in Russland weilende deutsche Wirtschaftskommission bekam Einblick in die Waffenfabriken Russlands, und erzählte über das Gesehene mit schlotternden Knien in Berlin. Stalin nahm an, dass diese Berichte Hitler vom Angriff zurückschrecken ließen, und er dadurch Zeit gewann. Es 126
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kam anders. Die Überlegenheit des Führers erkennt man auch aus der Tatsache, dass er für den Krieg gegen Russland die deutsche Panzerwaffe völlig umstellte. Mit den Typen, die in Frankreich noch siegreich eingesetzt wurden, wäre in Russland nicht viel zu machen gewesen. Schon beim Frankreichfeldzug hatte man höheren Orts leichte Bedenken. In Norwegen war uns die neue englische Panzerbüchse mit Chrom-Nickelstahlgeschossen in die Hände gefallen. Wie wir leider feststellen mussten, durchschlugen diese Geschosse unsere Panzer glatt. Glücklicherweise hatte der Engländer kaum Gelegenheit, seine Panzerbüchse anzuwenden. Erst auf Grund dieser Tatsache, wurde die doppelte Panzerung mit Luftraum zwischen zwei Panzerplatten eingeführt. Allerdings sollen wir gegen die russischen 52 tonnen [sic] Tanks [104r] bisher auch keine richtige Abwehr haben. Nur die 8,8 cm Flak kann diese Panzer außer Gefecht setzen. Was aber wohl am Interessantesten ist. Unsere neuesten Waffen sollen in Russland noch nicht eingesetzt worden sein. Sie sind nur für den direkten England Feldzug vorgesehen. Wohl der Armeeführung, die sich noch so etwas erlauben kann. Auch weniger Angenehmes erfuhr ich. Der Russe ist durch den Bolschewismus eine Bestie geworden. All die grauenhaften von Dwinger124 in »zwischen Rot und Weiß« geschilderten Tatsachen geschehen auch heute. Herausgeschnittene Zungen, ausgestochene Augen usw. Man verheimlicht uns diese Tatsachen, weil man erstens die deutsche Frau in der Heimat nicht noch mehr beunruhigen will und zweitens die Welt doch nur an abgegriffene Propaganda glauben wird. Nun etwas ganz anderes. Rust steht auf dem Standpunkt, dass Karl der Große der Bedeutendere im Gegensatz zu Wittekind gewesen ist. Er sagt das Karl der Große die Sachsen im Interesse des Reiches in dem Augenblick bekämpfen, und, wie es heißt, »schlachten« musste, als er merkte, dass sie sich gegen die Einheit des Reiches auflehnten und sich – um es modern auszudrücken – partikularistisch benahmen. Rust steht hier in großem Gegensatz zu Himmler u. der SS, die in Karl dem Großen den Sachsenschlächter sahen. Es wird interessant sein, wie sich dieser Meinungsstreit entwickeln wird. Ich neige mehr zu der Auffassung der SS. Die SS sieht in diesem Falle das Volk, Rust sieht das Reich. Ich glaube, das Volk ist mehr als das Reich. Ich berühre da etwas, was auch den Nationalsozialismus vom Faschismus unterscheidet. Aber warten wir ab. [105 (41)] 28. 10. 1941 Ich bin stark betrübt, der RK hat mein Urlaubsgesuch abgelehnt. Ich nehme zwar an, dass der töffelige125 Freiherr von der Goltz, mein ehrenwerter Herr Kollege in Drontheim, dem RK die Angelegenheit nicht richtig vorgetragen hat. Ich habe also sofort noch einmal ein Fernschreiben an den RK über die Dienst124 Edwin Erich Dwinger war ein deutsch-russischer Schriftsteller, der sein Buch »Zwischen Weiß und Rot« 1930 im Diederichs Verlag veröffentlichte. Es beruht überwiegend auf seinen Tagebüchern in russischer Kriegsgefangenschaft im Ersten Weltkrieg. 125 Niederdeutsch für tölpelhaft, ungeschickt.
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stelle Tromsoe aufgesetzt und gleichzeitig auch noch einen Brief geschrieben. Ich muss ja wenigstens über 3 bis 4 Tage nach Hause, denn Frl. Prinz verwaltete, außer mir allein zeichnungsberechtigt[,] diverse gemeinnützige Fonds, über die nun mehr kein Mensch mehr Bescheid weiß. Auch mein Frauchen weiß über meine eigenen Finanztransaktionen nichts. Ich muss das jetzt Alles in Ordnung bringen […] was dazu das Gute ist – ich kann [es auch?] verantworten, für einige Tage die Dienststelle zu verlassen. Wenn der RK zugestimmt hätte, wäre ich heute Abend schon in Hamburg gewesen – caracho, es ist, um auf die Palme zu klettern …....... Gestern Abend hatte ich den Stubaf Blomberg bei mir zu [Gast und?] ebenfalls den Untersturmführer Thomas. Ich glaube, wir haben mit Blomberg einen guten Handel gemacht. Der Umgang mit Flesch war eigentlich nur Theater. Jeder trachtete danach, sich keine Blöße zu geben, aber von Herzlichkeit war keine Spur. Flesch war ein eitler Fratz. Interessant ist auch Blombergs Bemerkung über Charly Probst. Ein Gauner comme il faut ….. Nun ist plötzlich über Nacht der Winter gekommen. Es ist kalt und schneit. Eigentlich viel zu früh. Der zweite Winter in Bergen, hoffentlich der letzte. Wie schnell verfliegt doch die Zeit, man könnte direkt traurig werden. [105r] 1. November 1941 Ich bin heute etwas stark gehässig. Aber nichts im Leben ist wohl unangenehmer zu ertragen, als Enttäuschungen. Heute habe ich die Antwort des RK auf mein Fernschreiben nach Tromsoe erhalten. Wieder eine Ablehnung. Ich kann auch nach noch so langer Überlegung keinen plausiblen Grund dafür erkennen. Glücklicherweise siegt doch wieder die Vernunft, denn am liebsten wäre ich geneigt, dem RK einen saugroben Brief zu schreiben. Aber lieber garnicht mehr daran denken. Im Moment ärgert mich Alles. Meine Gefolgschaft, meine Hausbewohner, etc. Mein Horoskop hat wohl doch Recht, wenn es mir für diese Zeit Aufregung, Ärger und Nervenanspannung voraussagt. Schön, auch das muss und wird vorübergehen. Tröste ich mich mit dem Satz, »musst nicht schimpfen, musst denken, ’s ist Krieg.« ….. Wenn’s auch schwer fällt. Allzu gern wäre ich gerade gestern Abend bei meinem Frauchen in Hamburg gewesen. Genau vor 10 Jahren haben wir uns kennengelernt ……… glückliche 10 Jahre. So hatte ich wenigstens gestern den von Frauchen eingeschickten Kuchen zu futtern. Ein schmackhafter[,] aber sonst völlig ungenügender Ersatz. Am verg. Donnerstag, den 30. war ich abends beim Chef des Stabes des Admirals eingeladen. Es wurde erheblich gelacht, vor Allem über die witzigen Geschichten des ebenfalls eingeladenen I A der Division, Major Vorwerck. Es war sehr nett, nur hatte ich eine geschwollene Mandel, was weniger nett war. [106 (42)]
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12. November 41 Nun habe ich mich damit abgefunden, dass es mit einem kurzen Heimaturlaub doch nichts mehr wird. Schließlich ist das auch nicht so tragisch, weil die Sonderfonds doch nicht mehr viel Geld zur Verteilung haben, und ich zu Weihnachten, d. h. in 5 Wochen[,] ohnehin nach Hamburg komme. Vor einigen Tagen waren RR Dr. von Grüneck & Dr. Lütta Hass hier.126 Abgesehen von der Erledigung an dienstlichen Obliegenheiten feierten wir eine verdammt vergnügte Nacht. Gut dass ich jedenfalls auf dem alkoholischen Sektor noch gut versorgt bin. Meine »Mit-Hausbewohner[«] werden allerdings wohl weniger über meine Abendbesucher erfreut sein. [106r] Gestern waren auch Oberlandesforstmeister Stalmann und Herr Werner in Bergen und abends ebenfalls bei mir zu Gast. Es ging sehr »manierlich« zu (der Herr Oberlandesforstmeister ist halt etwas reichlich würdevoll). Der Krieg macht mir in den letzten Tagen etwas Sorge. Man hört nichts mehr Positives, sondern nur noch von schlechtem Wetter und zähem russischen Widerstand. Wann wird man uns mit Fanfarenklängen wieder erzählen: »nun sei aber wirklich der letzte russische Widerstand gebrochen und der Ostkrieg endgültig siegreich beendet?! –« Es scheint doch letztlich etwas reichlich Propaganda gewesen zu sein. [107 (43)] 13. 11. 41 Ich war heute direkt niedergeschlagen, als ich plötzlich entdeckte, dass Margit oder mein süßes kleines Peterle schon vor vielen Tagen Geburtstag gehabt hatte, ohne dass der böse Vati daran rechtzeitig gedacht hatte.127 Also schnell ein paar Püppchen gekauft und mit Feldpost heimgeschickt. Nun ist mein Töchterchen schon 4 Jahre alt, und es ist wirklich jammerschade, dass ich diese Entwicklungsperiode nicht miterleben kann. Wenn dieser Krieg beendet ist, dann gehen Häsi und Peterle sicher schon brav zur Schule und Vati muss sich beeilen, wieder als richtiger Vati angesehen zu werden. Hier versäume ich leider etwas, was ich nie [107r] wieder einholen kann. Hoffentlich erlebe ich wenigstens diese Zeit noch einmal bei weiteren Kindern!!! 19. 11. 41 Gestern abend hatte ich Stubaf Blomberg und Kreisleiter Dr. Sengler (E[insatz]Stab Wegner) zu mir ins Haus geladen. Blomberg hatte mir am Montag erzählt, dass der Fylkesforer [Fylkesfører] Astrup schon einen neuen Kandidaten für den Posten des Ortsförers benannt hätte, und dass so mehr oder weniger beabsichtigt sei, mich vor vollendete Tatsachen zu stellen. Ich entwickelte Beiden meine Ansichten und erklärte, dass so lange ich in Bergen Vertreter des RK sei[,] aus126 Zu beiden Personen waren nähere Informationen nicht zu finden. 127 Margit wurde am 2. November 1937 geboren.
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schließlich die Politik [108 (44)] getrieben würde, die ich für richtig halte, und die ich verantworten könnte. Ich würde jedes Experiment von N. S. ablehnen und Dinge nur gutheißen, die für mich die Garantie der unbedingten Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung hätten. Heute erschien nun Herr Astrup (Gauleiter) bei mir und akzeptierte, wenn auch sichtlich nicht gerne[,] meinen Vorschlag, den neuen Kandidaten, einen mir bis dato unbekannten Bergenser Kaufmann Irgens vorerst als Vice-Ordförer einzusetzen und nach Ablauf von 3-4 Monaten in freundschaftlicher Weise seine Auswechslung vorzunehmen. Dieser Vorschlag wäre m. E. [108r] auch für N. S. das Beste, da nunmehr die Möglichkeit gegeben sei, zu prüfen und zu kontrollieren, bevor man ihn endgültig auf den Oberbürgermeisterposten setzt. Ich bemerkte im Besonderen, dass mich die bisherige Personalpolitik von NS so stark enttäuscht hätte, dass ich diesmal obengenannte Garantien haben müsste. Das gleiche Problem sei schon im Sommer dieses Jahres akut gewesen, und ich hätte mich geweigert[,] den mir damals als Kandidaten vom N. S.[,] Herrn Stördal [Størdal][,] als Ordsförer einsetzen zu lassen. Ich hätte damals fast denselben Vorschlag der »Bewährungsfrist« gemacht. Daraufhin sei Stördal [109 (45)] als Stellvertreter eingesetzt. Heute aber erklärte mir N. S., dieser Mann sei als Ordförer ganz unmöglich. Ähnliche Erfahrungen hätte ich leider auch bei der Absetzung des Finanzbürgermeisters gemacht, für den bis heute noch kein brauchbarer Ersatz da sei. Auch bei der Besetzung der Stadtverordneten hätte ich meine Bedenken geäußert und inzwischen Recht bekommen. 21. 11. 41 Otto Wolff ruft aus Oslo an. Der Gauleiter Rudi Pahl, Lottes, Herrmann Okrass und Otto sind wieder einmal in Oslo eingetroffen.128 Wie ich erfahre, ist auch de Vries wieder zurück. [109r] Typisch für de Vries ist wieder, dass er ernstlich davor warnt, dass ich ohne besondere Genehmigung des RK nach Oslo komme. 27. 11. 41 Gestern war wieder ein »überreicher« Tag. Vormittags erscheint Dr. Sengler bei mir und teilt mir mit, dass der Gauleiter Astrup sich die Angelegenheit Stensaker anders überlegt hat. Er bestehe darauf, dass St. endgültig am 1. 12. abtritt[,] damit der gewisse Herr Irgens dann zum Ordförer ernannt werden kann. Im Übrigen hätte Astrup gedroht, dass er zurücktreten wolle, wenn ich ablehnen würde. Nachdem ich dann erst [110 (46)] bei Dr Sengler mich »abreagiert« 128 Es handelt sich um ein Hamburger Netzwerk: Otto Wolff (1907-1991) war der Nachfolger Carlo Ottes auf dem Posten des Gauwirtschaftsberaters; bei dem »Gauleiter« Rudi Pahl handelt es sich wohl um Rudolf Pahl (1897-1964), den Ortsgruppenführer von (Hamburg-)Finkenwerder; Herrmann Okraß (1905-1972) war seit 1934 Chefredakteur des »Hamburger Tageblatts«; Lottes konnte nicht identifiziert werden.
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28. nov. 41
hatte, ließ ich den Fylkesforer Astrup & den Fylkesmann Harnoll sofort zu mir bitten und habe beide buchstäblich »fertig gemacht«. Beide haben mit aalglatter Liebenswürdigkeit einige Wahrheiten verpasst bekommen, an die sie lange zurückdenken werden. Astrup, der ein kleiner Fanatiker ist[,] wurde abwechselnd bleich und rot. Sie würden doch auch der Meinung sein, dass sie genauso schnell aus Norwegen herausflögen wie wir[,] wenn der Krieg für Deutschland verloren ginge. Dann müssten sie aber schon zulassen, dass wir eine Politik [110r] verfolgten, die in erster Linie auf den Sieg ausgerichtet sei. Da könnten wir schon garnicht einige wilde Personalexperimente machen, zumal ich genügend schlechte Erfahrungen mit Bergens Kommune schon gemacht hätte. Übrigens wären Drohungen oder Ultimaten im Verkehr mit uns wohl kaum angepasst [sic], erstens weil sie nichts an unserer Einstellung und Linie zu ändern vermögen, zweitens aber auch, weil sie schon aus moralischen Gründen kaum gerechtfertigt wären. Es dürfte N. S. erinnerlich sein, dass wir Deutschen ihretwegen uns die Sympathien der Mehrheit des [111 (47)] norw. Volkes verscherzt hätten. Ich entwickelte dann nochmal die Gründe meines letzten Vorschlages, von dem ich nicht abzugehen gedächte. Als nun beide Männer, wenn auch sicherlich nicht begeistert[,] zustimmten, ließ ich sofort den Ordsforer Stensaker hinzubitten. Wie ich erwartet hatte[,] stimmte dieser ebenfalls meinem Vorschlag zu, sodass, wenn der N. S. nicht wieder querschießt, diese leidige Angelegenheit doch noch zufriedenstellend geregelt wurde. Von einer höheren Warte aus gesehen, ist das Traurige, dass wir Deutschen uns mit dem N. S. Experiment zwischen [111r] zwei Stühle gesetzt haben. Die Sympathien der Majorität des Volkes haben wir uns mit dem 25. 9. 41 [gemeint: 1940]129 verscherzt. Die von uns in den Sattel gehobenen »Freunde« beginnen zu meutern und der deutsche Michel ist wieder einmal der Dumme. Einen sogenannten »Jössinger«130 könnte ich sofort absetzen und einsperren, wenn er nicht parierte, unsere N. S. Freunde können nur »gebeten« werden. Bisher habe ich jedenfalls mit meiner Politik in Bergen Recht behalten. Solange mindestens der Krieg dauert, ist mir jeder Norweger, der deutschfreundlich ist, genehm, ganz gleich, ob N. S. oder Anti-N. S. 112 (48)] 28. Nov. 41 Ich sitze jetzt in der Off. Messe von M1. Das Schiff hat gerade Stadlandet passiert und fährt in Richtung Aalesund [Ålesund]. Zwar hat der Wind etwas nachgelassen (heute Nacht Windstärke 9)[,] aber gerade hier bei Stadlandet ist eine 129 Datum der Anerkennung der Nasjonal Samling als einziger legaler politischer Partei in Norwegen. 130 Im Jössingfjord wurde am 16.2.1940 ein deutsches Militärschiff von einem britischen Marinefahrzeug geentert, um darauf befindliche britische Kriegsgefangene zu befreien. Dieser Zwischenfall diente als Vorwand für die deutsche Besetzung Norwegens. Danach bezeichnete »Jøssing« (Jössinger) Norweger, die gegen die deutsche Besatzung eingestellt waren.
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28. nov. 41
erhebliche Dünung. In ca 20 Minuten werden wir die gefährliche Ecke passiert haben (U-Boote & Treibminen). Es ging etwas »plötzlich« mit dieser Fahrt. Gestern Abend ruft Kaleu Bartels an und fragt, ob ich mit nach Drontheim will. M1 liefe nachts 1 Uhr aus. Aber natürlich, war meine Antwort ,,denn ich hatte schon lange die Absicht[,] meine Kollegen in Dront- [112r] heim einmal zu besuchen. Ich fühle mich »sauwohl« und werde lebhaft erinnert an die seinerzeitige »Schaukelei« mit der »Orinoco« durch den Kanal.131 Ich glaube, dass die Fahrt gerade bei diesem Wetter bestimmt ebenso schön ist als bei blauem Himmel. Schon das sturmgepeitschte Meer ist immer wieder ein faszinierender Anblick. Gestern, am 27. 11. 41 war ein aufregender Tag. Morgens empfing ich die Journalisten der maßgeblichen deutschen Zeitungen und hielt diesen u. a. einen Vortrag über die wirtschaftl. und pol. Lage in meinem Gebiet. Mittags gab ich dann ein Essen, zu dem ich [113 (49)] auch norweg. Journalisten geladen hatte. Abends war ich vom Admiral von Schrader zu einem Essen anlässlich des Besuchs von Generaladmiral Böhm132 in Bergen geladen. Böhm macht einen vorzüglichen Eindruck und es ist höchst bedauerlich, das Terboven und Böhm sich nicht vertragen. Böhm erzählte, wie der Führer ihm im Frühjahr vom bevorstehenden Russenfeldzug erzählt hätte. Der Führer hätte gesagt[:] »Wenn wir gegen Russland marschieren, kann England nach logischem Ermessen nicht zusehen. Es muss ebenfalls angreifen und zwar kann es das nur in Norwegen. Das Gute ist [113r] nun«, meinte er, »dass die Logik immer nur bei dem sein könne, der das Gesetz des Handelns diktiere, und das sind wir jedoch.« Böhm erzählte dann noch, wie er immer wieder auf Landungsversuche der Engländer nördlich des Polarkreises gewartet hätte. Ich brach früh auf, weil ich ja um 1 Uhr schon auf der M1 sein wollte. Es war interessant zu beobachten, dass die jüngeren Offiziere fast ausschließlich das Thema: »Wie sieht der Friede nach dem Siege Deutschlands aus?« diskutierten. Wenn ich auch die Erörterung eines derartigen Themas für höchst überflüssig und gefährlich [114 (50)] halte, so ist doch bedeutsam, für wie selbstverständlich der Sieg angesehen wird. Der Spannung Terboven – Böhm geht eine Spannung Terboven – Raeder133 voraus. Während Terboven gegen das Quisling-Experiment war, hat Raeder – sicherlich ohne jede Berechtigung [–] dafür gearbeitet. Für Quisling sind eigentlich Rosenberg und Raeder verantwortlich, abgesehen von den bekannten Dankbarkeitsgefühlen des Führers.
131 Die Orinoco fuhr seit Ende der 1920er Jahre auf der Strecke nach Mittelamerika. 132 Hermann Boehm (1884-1972) war Kommandierender Admiral in Norwegen und damit die höchste militärische Autorität. 133 Erich Raeder, vgl. Fußnote 76.
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2. 12. 41
29. 11. [1941] Heute Nacht haben wir in Molde gelegen. Zwar rollt die Dünung stark[,] aber das Wetter hat sich [114r] aufgeklärt. Herrlich die schneebedeckten Berge an beiden Seiten. Um 6 Uhr werden wir in Drontheim einlaufen. 2. 12. 41 Wieder zieht M1 durch die Schären, diesmal gen Bergen. Es waren zwei erlebnisreiche Tage in Drontheim. Groß war meine Freude, als mein Kollege von der Goltz mir am Telefon mitteilte, dass um 19.00 am Sonnabend Maria Müller134 im Konzerthaus singen würde mit anschließendem Empfang bei ihm. Zu beiden Veranstaltungen waren Kaleu Bartels und ich eingeladen. [115 (51)] Die Müller enttäuschte mich etwas beim Konzert. Etwas reichlich viel Pose und in den hohen Lagen einen etwas metallenen Klang. Gut war Wagners Dich, teure Halle[,] grüß ich wieder. Glänzend Puccinis Tosca. Nur der Schönheit weiht ich mein Leben. Erstaunt war ich über die angenehme Musik Pfitzners, von dem »Ist der Himmel so blau« & »Sonst ….«. Entzückend war die heimliche Aufforderung. Wesentlich mehr gefiel mir die Müller beim Empfang. Sie sang hier die Butterfly Arie einfach wundervoll. Wenn sie nicht gerade als Wagnersängerin bekannt wäre, [115r] würde man sie als Pucccini Interpretin bezeichnen können. Reichlich komisch war ihr Gatte, ein Dr. X (?)[,] der kaum mehr als Prinzgemahl sein dürfte. Der Empfang selbst hatte den üblichen glanzvollen Rahmen, wobei zum Schluss sich die [sic] ebenfalls schon übliche Besäufnis einstellte. Ich hatte Gelegenheit zu einer Reihe netter Gespräche, so u. a. mit Admiral Siemens und General Woitasch.135 Insbesondere der Letztere interessierte mich sehr, weil ein Teil seiner Division am Nordfjord steckt, d. h. in meinem Bereich. Da er in [unleserlich] stationiert ist, hatte ich bisher nie Gelegenheit zu einer Rücksprache. [116 (52)] Die Dienststelle Drontheim ist wesentlich größer als meine, was in erster Linie an der stark besetzten Oberbauleitung Nord-West liegt. Ca 60 Mann wohnen in einem allerdings wenig netten Haus, dem ehem. Königsschloss.136 Der Bereich selbst scheint weniger gut zu sein als meiner. R.R von der Goltz macht seine Sache wohl ganz gut. Nur beim Trinken muss er sich vorsehen, weil er dann reichlich kindisch und unseriös wird.
134 Opernsängerin (1898-1958), sang u. a. in New York, Berlin, Salzburg (überwiegend Wagner) und trat 1944 zum letzten Mal bei den Bayreuther Festspielen auf. 135 Leopold Bruno Paul Siemens (1889-1979), zu diesem Zeitpunkt 2. Admiral der Flotte auf dem Flottentender Hela; Generalleutnant Kurt Woytasch, 181. Infanteriedivision. 136 Es handelt sich um die örtliche Residenz des norwegischen Königs bei Besuchen in Trondheim. Ob die Angehörigen der Dienststelle dort tatsächlich »wohnen« oder nur ihre Arbeitsplätze hatten, ist unklar.
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sonntag, den 14. dezember 41
Drontheim kann sich mit Bergen nicht annähernd messen. Es macht einen recht schmutzigen und ungepflegten Eindruck – das norweg. Lodz. Das einzig Schöne ist der [116r] Dom, wenn auch noch viel Zeit bis zur Vollendung vergehen wird. »Umgebung« scheint D. mehr zu haben als B. Heute Morgen 0.00 Uhr sind wir nun wieder ausgelaufen. Von der Goltz, Flesch und ein Kapt. Ballerstedt (Lübeck) fahren mit. Die ersteren bis Aalesund, der Letztere bis Bergen. 13.30 Aalesund ist erreicht, eine kleine Fischerstadt von ca 3000 Seelen, nett gelegen unterhalb eines großen Felsen[s]. 19.00 Maloi [Måløy] kommt in Sicht. Wir nehmen Hummer an Bord für’s Abendessen. [53] Wir erhalten gleichzeitig alle Nachricht, dass bei Floro [Florø]137 der 6000 to Dampfer Jantje Fritzen aus Emden [sic]. Bis dahin wollen wir die Hummer verspeisen und Skat spielen. 21.30 Uhr. Die »Jantje Fritzen[«] wird gemeldet. Der große Dampfer ist unerklärlicherweise genau auf einem mit einem dicken Leuchtturm versehenen Felsen gelaufen. Ladung Koks. Die M1 schiebt und zurrt am Heck erst auf der einen, dann auf der andern Seite. Schließlich bewegt sich der dicke Pott. Noch einmal volle Kraft voraus – 18 Meilen – ein Ruck, der Bug senkt sich, das [53r] Heck hebt sich gleichzeitig und schon wackelt der Pott wieder frei im Wasser. Allerdings liegt der Bug bedenklich tief im Wasser und wird wohl noch tiefer gehen, denn nun kann ja noch mehr Waser einlaufen. Wir müssen die gute Jantje rückwärts nach Askvoll einschleppen. Es ist zwar erst 11.45[,] aber mit 5 Uhr Ankunft in Bergen wird es wohl nichts. Das Experiment ist geglückt[,] die »Jantje Fritzen« liegt nun in Askvoll, und wir laufen am nächsten Mittag glücklich wieder in Bergen ein. Die ganze Reise hat zwar etwas länger gedauert, als vorgesehen, aber ich bin doch froh, diesen kleinen »Ausflug« unternommen zu haben. Eine Menge Arbeit wird zwar wieder auf mich warten, insbesondere der leidige Monatsbericht, aber jede »Luftveränderung« stärkt auch die Lebens- und Arbeitskräfte. [54] Sonntag, den 14. Dezember 41 Jeder denkt nur noch an Weihnachten und an den Urlaub in der Heimat. Gestern Abend haben wir »unser« Weihnachtsfest gehabt. Es war ein himmelweiter Unterschied gegen das vorige Jahr. Die unteren Räume waren festlich und nett geschmückt, und der Gabentisch für Jeden konnte sich sehen lassen. Man sieht bei solchen Gelegenheiten, dass, wenn man mit etwas Liebe an die Dinge herangeht, auch etwas dabei herauskommt. Unsere norweg. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen incl. Reinmachefrauen haben wieder reichlich gestaunt. So etwas kannten sie nicht in ihrem Land, gibt [es] ihnen jedoch so ein kleines Beispiel von deutscher Volksgemeinschaft. Die angesetzte Ananasbowle war prima, und ich selbst war zum Schluss auch etwas »weinseelig«. Nun gilt es, noch Alles so 137 Florø, zwischen Bergen und Ålesund gelegen.
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sonnabend, den 3. januar 1942
aufzuarbeiten und vorzubereiten, dass der Urlaub mit ruhigem Gewissen angetreten werden kann. Donnerstag, den 18. Dezember In Oslo angelangt. Um 17 Uhr fuhr gestern der Urlauberzug mit uns von Bergen. Die Nachtfahrt ohne Schlaf war nicht gerade ein Vergnügen, aber die Freude, endlich wieder heimzukommen, half über Alles hinweg. Wie immer bei solchen Gelegenheiten verdient das Gepäck wieder den bezeichnenden Namen »Bleikoffer«. Um 17 Uhr geht es weiter mit dem großen Urlauberzug durch Schweden in die Heimat. Am Montag den 15. waren auch unsere Weihnachtspakete vom RK angekommen. Auch hier war die Freude groß, als sich herausstellte, dass sie Kaffee, Schokolade, Kakao, Butter etc. enthielten. [54r] Sonntag, den 21. Dezember 1941 Glücklich daheim. Ich fühle mich zwar noch etwas als »Gast«, aber das wird sich schon schnell geben. Nur der, der auch nur zweimal im Jahr Frau, Kinder und Heim sehen darf, kann ermessen, was so ein Urlaub bedeutet – und dazu noch Weihnachten. Noch bin ich etwas erholungsbedürftig. Die Fahrt war doch ziemlich anstrengend. Im Nachtzug durch Schweden hatten wir das Abteil »umgebaut«[,] sodass 6 Menschen – wie marinierte Heringe verpackt – ausgestreckt liegen konnten mit dem meist allerdings vergeblichen Versuch zum Schlaf. Für einen »Gebietskommissar« ist das wohl kaum eine standesgemäße Unterbringung, aber es ist ja Krieg, und die Hauptsache war, so schnell wie möglich nach Hause zu kommen. Jetzt, wo die Freude erfüllt ist, kommen erst die Strapazen so recht als »Nachwehen« zum Bewusstsein. Ich hatte übrigens viel Glück. Ich verließ als einer der ersten die schwedische Fähre in Trelleborg, und kam dadurch noch mit dem Zug mit, der eben und eben in Stralsund den Anschlusszug nach Hamburg […] erreichte. Die Meisten konnten erst am nächsten Tag die Weiterfahrt antreten. So kam ich dann glücklich noch am Freitagabend in Hamburg an. Sonnabend, den 3. Januar 1942 Vorbei ist der kurze Urlaub, schon morgen früh geht es wieder zurück nach Bergen. Am Neujahrsabend ruft Dr. Wolff an und gibt mir einen Fernspruch durch »sofort nach Bergen zurückkehren, Dienststellenleitertagung bis nach dem 20. Jan. verschoben«. Das bedeutete, dass ich nun zwei Tage »früher« zurückfahren muss. [55] Ich bin naturgemäß wenig davon erbaut, aber Dienst ist Dienst. Ein Telefongespräch mit Oslo gestern gab mir die Aufklärung. Die am 28. im Wehrmachtsbericht gemeldete Aktion der Engländer hatte sich nicht nur bei den Lofoten, 135
sonnabend, den 3. januar 1942
sondern sogar in erster Linie in einem Teil meines Bereichs – in Måloy – abgespielt. M. war von schweren Seestreitkräften angegriffen, die den Ort zerstörten und einige deutsche Schiffe versenkten. Schon, als im Wehrmachtsbericht von dem heldenhaft untergegangenen Vorpostenboot Fön138 die Rede war, hatte ich noch erzählt, dass die »Fön« zum KSV Bergen gehört, und dass ich sie während meiner Drontheimreise ausgerechnet in Måloy gesehen hatte. Viel zu schnell ist dieser Urlaub wieder vorüber gegangen. Man hatte sich gerade so eben wieder an »Alles« gewöhnt. Wieder allerdings war auch dieser Urlaub eigentlich nur eine Strapaze. Diesmal war es sogar besonders schlimm, und ich bin geneigt, erheblich auf die liebe Verwandtschaft und Bekanntschaft zu schimpfen. Tag für Tag war sie da, und glaubte, mir einen besonders großen Gefallen damit zu tun, wenn sie möglichst lange blieb. Und ich, ich möchte doch eigentlich garnichts weiter, als mich mit meinem Frauchen und meinen Kindern zu beschäftigen. Menschen, liebe und garstige, interessante und langweilige[,] habe ich in Norwegen jeden Tag um mich – von morgens bis abends. Und immer muss ich da den Herrn Gebietskommissar oder zumindest den Chef spielen, von morgens bis Abends eine Maske tragen, immer je nach Bedarf grinsen, lächeln, ernst sein, repräsentieren usw. [55r] Wie häufig wandern dann die Gedanken nach Hamburg, und ich freue mich, endlich mal diese Maske wieder abstreifen zu können, um wieder ganz »schlichter Mensch aus dem Volke« zu sein, um mein geliebtes Frauchen in den Arm nehmen zu können, oder mit den beiden kleinen Strolchen zu spielen. Doch ist es denn wirklich so weit[,] dann kommen sie wie ein Verhängnis an, all die lieben Verwandten und Bekannten. Gewiss tue ich ihnen unrecht jetzt, denn sie können ja nicht wissen, was i c h möchte und – brauche. Doch das wird beim nächsten Urlaub anders, Hamburg bekommt mich überhaupt nicht zu sehen, und »wir vier« suchen uns ein stilles Plätzchen, wo wir nur uns gehören. Halt, eine Ausnahme muss ich machen – Altjahrsabend. Wie schon im vorigen Jahr war diese Feier im Freundeskreis und im eigenen Hause eine wirklich nette Abwechslung. Ein Jahr ist nun wieder zu Ende, der Urlaub ist vorbei, und wieder geht es an die Arbeit nach Norwegen – wer weiß, wie lange noch? Ich glaube, wir Alle gehen diesmal etwas nachdenklicher an unsere Kriegswirkungsstätte zurück. Wie lange wird dieser unsinnige Krieg noch dauern? Wie gewaltig ist gerade im Dezember das Kriegsgeschehen verändert worden. Japan trat in den Krieg ein, und hatte bisher geradezu phantastische Erfolge gegen die größenwahnsinnigen Yankees und die schon reichlich gezausten Engländer. Deutschland und Italien erklärten darauf ebenfalls Amerika den Krieg. Ein Rattenschwanz von mittelamerikanischen Räuberstaaten trat dann ebenfalls in den Krieg ein. Der Ausdruck Weltkrieg für das Ringen 14-18 ist nicht mehr zutreffend. Dies ist die größte kriegerische [56] Auseinandersetzung, die die Welt je erlebt hat. Deutschland hat jetzt über 2 Jahre Krieg und doch, wie gut geht es noch dem 138 Eigentlich: Föhn. Christen verwendet im Folgenden mal die korrekte, mal die falsche Schreibweise.
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montag, den 12. januar 42 [im original: 41]
Einzelnen, wie reichlich war noch die Ernährung gerade zum Weihnachtsfest. Gewiss, man meckert, aber der Deutsche hat immer gemeckert und wird es auch stets weiter tun. Wenn [es] darauf an kommt, steht er doch zusammen wie ein Mann. Interessant ist auch, zu konstatieren, worüber gemeckert wird. Nicht etwa darüber, dass jemand Hunger leidet oder friert, nein, sondern darüber, dass Einige zu viel haben. Gewiss kein unbedingt erfreulicher Zustand, aber doch irgendwie wieder positiv. Naturgemäß ist die Ostfront Hauptgesprächsthema. Man glaubt, zum ersten Male den Führer bei einer Fehlspekulation erwischt zu haben. In der Tat ist ja auch ein erstaunlicher Gegensatz zwischen den Siegesfanfaren, und den Reden des Führers ausgangs des Sommers und der jetzigen milit. Situation an der Ostfront. Der Rücktritt von von Brauchitsch und die etwas reichlich späte Wollsachensammlung, sowie der Verlust von Rostow und Gelände an der Nordfront und Mittelfront, haben selbstverständlich zu weiteren negativen Diskussionen Anlass gegeben. Doch sollte sich der Führer wirklich so gewaltig geirrt haben? Ich glaube es nicht. Vielmehr sehe ich eine direkte Verbindung zwischen unserem »Siegesgeschrei«, der trotz Schlamm und Schlechtwetter weiter vorangetragenen Offensive und dem Kriegseintritt Japans. Wäre Japan auch schon jetzt in den Krieg getreten, wenn wir gemeldet hätten, dass die russische Kampfkraft doch noch nicht erschöpft sei? Japan hat eine offene[,] sehr unangenehme Flanke – Sibirien, Wladiwostok ….. [56r] Das Kriegskabinett Tojo139 kam buchstäblich im letzten Augenblick und der Kriegseintritt Japans gerade noch rechtzeitig ….. Vielleicht wird man uns in einigen Jahren einmal Aufklärung geben können, über die eigentlichen Zusammenhänge. Dann werden wir auch erfahren, warum Brauchitsch erst im Dezember »ging« und nicht vielleicht schon früher?140 Mit etwas gesundem Menschenverstand jedenfalls kann man sich vorstellen, dass wir im Winter defensiv werden mussten, ja eigentlich nicht nur des Winters wegen, sondern überhaupt nach einer so langen Periode des Angriffs. Das Material muss ja einmal erneuert werden, neue Vorräte müssen in der Etappe angestapelt werden. Felsenfest ist jedenfalls Eines, dass die neue Offensive im Frühjahr oder Sommer – es ist völlig belanglos – wann sie beginnt – der UdSSR den Todesstoß versetzen wird. Montag, den 12. Januar 42 [im Original: 41] Gott sei Dank, endlich mal wieder etwas Ruhe und ein eigenes Bett. Das war buchstäblich eine Hetze. Also, am Sonntag den 4. 1. 9.10 Uhr rollte der D Zug mit mir aus dem Hamburger Hauptbahnhof. Der gute Jürgen hatte sich auch noch zum Abschied eingefunden. Auf der Fähre nach Schweden entdeckte ich 139 General Tojo Hideki war seit 1940 japanischer Kriegsminister gewesen und übernahm im Oktober 1941 zusätzlich das Amt des Premierministers. 140 Walther von Brauchitsch (1881-1948), seit 1938 Oberbefehlshaber des Heeres, war am 19. Dezember 1941 von Hitler wegen der Rückschläge an der Ostfront entlassen worden.
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auch meine Kollegen,141 den SS-Standartenführer Noatzke und RR Dr. Grosch. (Narvik und Kirkeness) Auch RR Dr. von Brünneck142 fuhr mit zurück. Durch Zufall gelangte ich in Trelleborg noch in den Besitz eines Schlafabteils, sodass ich wenigstens etwas schlafen konnte. In Malmö »untersuchten« wir noch eingehend den Bahnhof und heimsten erhebliche Mengen Süßigkeiten und Zigaretten ein. Gut dass ich noch einige Schwedenkronen hatte. Es ist direkt wie ein Märchen, mal wieder einen Verkaufsstand zu sehen, bei dem man »Alles« kaufen kann, und bei dem die Menschen nicht Schlange stehen. Am Montag Mittag trafen wir in Oslo ein. Mein sofortiger Versuch, mit Landrat Dr. Heinrich in Verbindung zu kommen, wie verabredet, scheiterte daran, dass dieser zum »Skilaufen« (?) war. Als ich ihn schließlich abends am Telefon erreichte, war es mir schon sehr schwer, nicht erheblich ausfällig zu werden. »Ja gut, dass Sie da sind. Fahren Sie man nach Bergen und versuchen Sie, die Schiffahrt wieder in Ordnung zu bringen.« Deswegen musste ich also meinen Urlaub vorzeitig abbrechen, abgesehen davon, dass die Schiffahrt schon längst wieder lief. Wieder mal ein Glanztyp eines Verwaltungsbeamten, dieser Heinrich, oder besser »Heini«. Die Dienststellenleitertagung war nun also verschoben worden. Wie mit ORR Dr. Schiedermeyer sagte, sei vor Mitte Februar nicht damit zu rechnen. Ich fuhr also nicht gerade begeistert am Dienstag früh nach Bergen, wo ich nach Mitternacht und einer endlos langweiligen Fahrt wieder ankam. Wenn ich nun annahm, das sich wenigstens für den verbleibenden Teil der Nacht noch gut schlafen würde[,] hatte ich mich schwer geirrt. Um 4 Uhr morgens kam der Tommy. 14 Tage hatte ich in Hamburg vergebens auf Flieger-Angriffe gewartet. Hier wurde ich in der ersten Nacht damit beehrt. Wieder das übliche schöne Schauspiel. Schneid hatten die Kerle. In 50 m Höhe brausten die Maschinen über den Hafen und die Stadt und schalteten so die schwere Flak aus. Die verbleibende 2 cm143 konnte ihnen nichts anhaben. [57r] 2 Tote und 6 Verwundete in der Civilbevölkerung war das Ergebnis und – eine abgeschossene Maschine. Wie ich Mittwoch vormittag erfuhr, war in der gleichen Nacht Florø von 2 Zerstörern angegriffen worden. Außer Verwundeten gab es jedoch nur Gebäudeschaden. Frisch gebadet, wenn auch nicht ausgeschlafen[,] erschien ich um 11 Uhr in der Dienststelle. Meine norweg. Mädchen hatten mir einen schönen Blumenstrauß hingestellt. Da, um 12 Uhr – Oslo – Fernleitung. »Hier Dr. Heinrich, Der RK hat die Dienststellenleitertagung für den nächsten Tag um ½ 10 Uhr angesetzt, sofort nach Oslo zurück kommen.« Schimpfen ist nur ein schwacher Ausdruck für meine Gefühlsaufwallung, aber was nützt das. Also wieder Koffer packen, einen Platz um 17 Uhr Militärurlauberzug bestellen, und auf in den Kampf. Von meinem Wauer erfuhr ich noch, dass er mit Ungewitter die Tage nach dem Überfall auf Måloy fast Tag und Nacht unterwegs gewesen war, um fast 100 Schiffbrüchige einzukleiden und unterzubringen. Tags zuvor hatte er 141 Gemeint sind die anderen Dienststellenleiter. 142 Leiter der Abt. Fischwirtschaft in der Hauptabteilung Volkswirtschaft. 143 Ein Geschosskaliber; hier für die leichte Flak, die dieses Kaliber verschoss.
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14 Tote beerdigt, die den vorhergehenden Sonnabend noch identifiziert werden mussten. Ich unterrichte mich noch über die Einzelheiten der ganzen Aktion und um 17 Uhr saß ich wieder im Zug, wenn ich auch das Gefühl hatte, es wird mit dem Anfang am nächsten Tag doch nichts. Im Zug fuhr ich mit den 6 Kapitänen der bei Måløy versenkten deutschen Handelsdampfer. Sie sind voll des Lobes über die norweg. Bevölkerung. Sie hat den letzten Anzug und die letzte Unterwäsche geopfert, um den Verwundeten und Schiffbrüchigen zu helfen. Die Bettwäsche wurde teilweise zerschnitten, um Wunden zu verbinden. [58] Der deutsche Gefechtsbericht meldet über die Kampfhandlungen wie folgt: 9.00 Uhr Marinesignalstation auf der Insel Kuhlen [Kulen] meldet: 7 Zerstörer kreuzen vor Måløy. 9.35: Uhr: B 23 meldet Flugzeuggeräusch. 9.38: Batterie Kuhlen gibt Fliegeralarm. 9.40: B 23 meldet 10 Bomber über Måløy. 9.55 wirft ein Flugzeug acht große Leuchtschirmbomben über dem Stützpunkt a und Insel Kuhlen ab. Gleichzeitig Bombenangriff mit schwerstem Kaliber auf Batterie Kuhlen. Brandflüssigkeit auf Ortschaft Måløy, die im südlichen Teil brennt. Wenig später starkes Artilleriefeuer mit Zerstörerbreitseite auf Batterie Kuhlen. 3. Zug der 11./IR 742, der zufällig in der Nähe des Stützpunktes a Geländeübung macht und außer Mg scharfe Munition (120 Gewehrmunition je Mann) bei sich führte, wird von einem engl. Stoßtrupp der bei Vaage [Våge] gelandet ist, angegriffen.. Zur selben Zeit legen 2 Sturmboote bei Holevik [Holvika] an, um längs der Dorfstraße vorzugehen. 10.00 Uhr 3. Zug nimmt den Kampf auf, die restliche Truppe wird alarmiert. Major von Schroeder und Oberleutnant Brahmer Chef des 11./IR 742 fallen. Der Hafenkapitän fasst eilig von der Straße her 6 Marinesoldaten und drei Infanteristen zusammen und übernimmt den Schutz der Kaianlagen und [58r] der Läger. Die vorderen Lagergebäude werden so lange verteidigt, bis der Gegner auf nächste Entfernung heran ist und Flammenwerfer einsetzt. Immer wieder dem Gegner Verluste zufügend, muss Schritt für Schritt von einer Anlage zur anderen zurückgegangen werden. Der Engländer schießt 3 weiße Leuchtkugeln. Darauf eröffnen 2 vor dem Ort kreuzende Zerstörer aus allen Bord- und Flakwaffen das Feuer auf die kämpfende Infanterie. Währenddessen sind drei weitere gepanzerte Sturmboote, die mit 2 cm Flak ausgerüstet sind, und etwa je 20 Mann Besatzung haben, an der Südküste von Vagsøy [Vågsøy] an Land gegangen. Die Batterie Kuhlen liegt unter stärkstem Feuer und brennt überall. Die eigene Abwehr fiel nach Abgabe weniger Schüsse aus. 139
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Der 3. Zug wird von einem engl. Störtrupp, mit Flammenwerfern und Maschinenwaffen ausgerüstet, in der Flanke bedroht. Er weicht aus und bezieht neue Stellung höher im Gebirge. Auch der Engländer erwidert mit der gleichen Maßnahme unter fortwährenden kurzen Feuerkämpfen. Der deutsche Zug erreicht als erster den Grat und führt von da aus Gegenstöße durch. [59] Vor Rauteberg [Raudeberg] wird ein Geleitzug von den Zerstörern versenkt. Das kleine Vorpostenboot »Donner« nimmt den Kampf aus nächster Nähe auf und geht unter. 13.00 Uhr. Versuch weiterer engl. Sturmboote an der Ostküste Vagsøy (nördl. Måløy) zu landen, werden durch MG Feuer abgewiesen, dabei wurde ein Sturmboot mit 10 Mann versenkt. 13.05 HKA 950 (Halsør) schießt einen Bomber ab. 16.00 Rückzugsbewegungen der abgesetzten feindlichen Truppenteile (Tarnung durch Einnebeln). Nach Einschiffung drehen die Zerstörer durch den Vaagsfjord [Vågsfjorden] ab. ---------Während die 5 Zerstörer im inneren Fjord lagen oder kreuzten, standen die 2 Kreuzer (ca 9000 to.) vor dem Fjord und nahmen die Nordfjordbatterie der M. A. unter Feuer. (Anm.: übrigens von meiner Oberbauleitung West gebaut und noch im September von mir besucht.) Vorher erfolgte auch hier ein Bombenfliegerangriff, der jedoch kaum Schaden verursachte. Auch hier wurde von den Maschinen Brandflüssigkeit geworfen, durch die die Geschütze hell beleuchtet und die Bedienung geblendet wurde. Die Batterie besteht z. Zt. aus 2 russischen 13 cm Geschützen, verschossen wird französische Munition. (Anmerkg.: Es fehlt nur noch, deutsche Geschützbedienung auf norweg. Boden …) Das erste Geschütz fiel sofort aus, das zweite Geschütz aus der gleichen Ursache nach etwa 14 Schuss. [59r] Angeblich hatte die Batterie einen Treffer auf einem Kreuzer erzielt. Der Gegner legte wenigstens 75 Schuss auf die Batterie, wovon auffallend viel Blindgänger warten. Verluste 1 Toter, zwei Leichtverwundete. Es heißt in dem Bericht weiter: Die Landung war in der Dunkelheit unerkannt an mehreren Punkten geglückt. Sie muss offenbar an den Punkten Vaage und Holevik vor Beginn des Fliegerangriffs erfolgt sein. Von den Zerstörern wurden gepanzerte Sturmboote, deren Stirnwand mit Schießscharten versehen sind, abgesetzt. Sie waren etwa mit 10 bis 20 Mann besetzt. Ein Stoßtrupp umfasste 2 bis 3 Boote. An stationärer Bestückung war ein 2 cm Flak oder ein SMG144 vorhanden. Die Angehörigen des Stoßtrupps waren mit Maschinenwaffen und Brandflüssigkeit ausgerüstet. Dazu sind bei einigen Trupps Flammenwerfer beobachtet worden. Die Landung der
144 Schweres Maschinengewehr.
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Landungsboote erfolgte an freier Küste. Landung und Landkampf von See her mit allen Bordwaffen wirkungsvoll unterstützt. Das Unternehmen ist bis ins Kleinste gut vorbereitet und skizzenmäßig festgelegt gewesen. Die gleiche Skizze, die die Führer des Landungsunternehmens hatten, besaßen auch die mitfliegenden Bombenflieger. Die Beuteskizze kann nur von Ortskundigen Leuten (Englandfahrern) hergestellt sein. Auch die örtliche Führung des Unternehmens muss durch Norweger erfolgt sein. Nach Aussagen eines norweg. Lotsen sollen auch norw. Zerstörer beteiligt gewesen sein. [60] Eigene Verluste: 1. Infanterie? Tote …… 2 Off. 9 Mann Verwundete 1 " 3 " Vermisst – 16 " 2. Artillerie Tote – 11 " Verwundete – – Vermisst 1 Off. 34 " 3. Marine Tote 1 " 6 " Verwundete 1 " 1 " Vermisst 3 " 39 " (davon wahrscheinlich 2 Offiziere und 35 Mann der beiden Vorpostenboote Fön und Donner tot.) 4. Handelsmarine Tote 9 Mann Verwundete 9 " Vermisst 14 " Gefangen 6 " 5. Versenkte Handelstonnage: ca 18.000 BRT. --------------------------Ich habe den Originalbericht deshalb aufgeschrieben, weil dieser Überfall genau nach den uns drei Tage vorher in die Hände gefallenen »Landungsvorschriften« der Engländer durchgeführt ist, und weil anzunehmen ist, dass die zu erwartenden nächsten Aktionen genau nach dem selben Muster vollzogen werden. Die »Föhn« habe ich noch Anfang Dezember im Hafen von Måløy gesehen. Da ihr Kommandant, ein gewisser Lnt. Lohr mit dem Hamburger Kaffeeröster Lohr verwandt ist und wir uns daher recht gut kannten, hatte ich noch am 17. Dez. für die Mannschaft eine besondere Wehrbetreuung durchgeführt. ---Gefallen für Führer und Reich. ---- [60r] Oslo nach 16stündiger Fahrt erreicht. Hinein erst einmal ins Hotel. Auf meinen Telefonanruf erhalte ich die erwartete Auskunft: Dienststellenleitertagung verschoben auf Freitag: Also hinein ins Bett. Am Freitag, den 9. 1. 42 beginnt also die Tagung. Im Stortingsaal hält der RK die Begrüßungsrede. Wir sollen uns noch auf einen langen Aufenthalt in Norwegen gefasst machen. Norwegen soll eine einzige Festung werden. Anschließend findet die Tagung der Hauptabteilung Verwaltung statt. Sie reizt 141
montag, den 12. januar 42 [im original: 41]
mich besonders, hörte ich doch in Hamburg von Carlo Otte, dass man mir die »Ehre« antun wollte, mich nach Drontheim zu versetzen, wozu ich aus verständlichen Gründen überhaupt keine Lust habe. Carlo berichtete weiter an sich sehr schmeichelhaftes von mir. Der RK hätte behauptet, das nur Hagemeister und ich unseren Aufgaben gewachsen seien. Der gute von der Goltz sei ein großer Versager, und ich solle nunmehr die etwas verwahrloste[,] aber größte Dienststelle Drontheim übernehmen. In Oslo erfuhr ich dazu noch »hinten herum«, dass alle anderen Dienststellenleiter abgesetzt werden sollten, und dass Landräte aus Deutschland ihren Platz übernehmen würden. Dann wäre ich in dem gesamten Stall mal wieder der einzige »Nichtakademiker«. Himmel, wenn die Kerle wüssten, dass ich mit Ach und Krach nur mein sogenanntes »Einjähriges« gemacht habe ….. Abgesehen davon, dass ich mich an Landrat Dr. Heinrich wegen seines lächerlichen Verhaltens in meiner Urlaubsangelegenheit durch eine scharfe, allerdings auch berechtigte Kritik an seiner Arbeit rächte, verlief die Sitzung recht ordentlich. Sichtlich hatten die Männer Angst vor Angriffen [»]schlichter Männer aus dem Volke«. – [61] Um 14 Uhr gab Reg.Präs. Dr. Koch ein Essen im Hotel, wobei allgemein auffiel, dass ich den Ehrenplatz rechts neben Koch und zwischen ORR Dr. Schiedermeyer hatte. Reg.Assessor Hag[e]meister saß links neben Koch. »Nachtigall ick hör dir laufen« ……. Nachmittags folgte die Hauptabteilung Volksaufklärung und Propaganda. Die Sitzung verlief sehr harmonisch. Zu 20 Uhr waren wir vom RK nach Skaugum eingeladen. Die übliche Sauferei. Der RK scheint es darauf abgesehen zu haben, festzustellen, wer trotz Alkohol Haltung behält. Mein Magen verträgt nun leider oder glücklicherweise recht viel davon. Der RK war überaus freundlich. Der Urlaubszwischenfall scheint vergessen worden zu sein, oder …. Er fühlte sich im Unrecht. Um 4 Uhr morgens am Sonnabend langte ich »leicht vergnügt« wieder im Grand Hotel an. Am Sonntag früh – (viel zu früh) [–] folgte die Sitzung der Hauptabteilung Volkswirtschaft. Weder Carlo Otte als Hauptabteilungsleiter noch ein einziger Abteilungsleiter stellten sich der Kritiklüsternen [sic] Meute von Dienststellenleitern. Die armen volkswirtschaftlichen Referenten hatten demgemäß darunter stark zu leiden. Abends zu 20 Uhr war ich vom norw. Pressedirektor Beggerud145 zum Essen im Hotel Bristol eingeladen. Der Aufforderung von de Vries, am Sonntag um 11 Uhr zu dem »versehentlich« auch eingetroffenen Carlo Otte zu kommen, kam ich nicht nach, sondern fuhr am Sonntag früh um 9 Uhr endlich wieder nach Bergen zurück. [61r]
145 Anders Beggerud (1894-1957), später auch Minister für Kultur und Propaganda.
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sonntag, den 18. januar 1942
Donnerstag, den 15. Januar 1942 So langsam bekomme ich meinen Laden wieder in Schwung. Die Weihnachtsferien waren Einigen doch etwas reichlich in die Knochen gefahren. Alles war empört, als ich konstant morgens um 8 Uhr erschien, aber schließlich lenkte man ein und erschien ebenfalls um 8. Heute allerdings hatte man sich doch verrechnet. Gestern Abend hatte ich die Männer der Dienststelle zur Besprechung abends in meine Wohnung gebeten. Der »nebenbei« gereichte Alkohol hatte Einige erheblich schwer erschüttert. Um 8 war ich der einzige Mann, der anwesend war. Mancher ist leider den ganzen Tag nicht arbeitsfähig gewesen. Aber ich bekomme den Laden schon wieder auf Touren. »Bergen voran«, so hieß es im vergangenen Jahr, und so wird es auch im nächsten Jahr heißen, wenn, ja wenn … ich nicht nach Drontheim versetzt werde. Dann muss eben Drontheim erste Dienststelle werden. Aber erstmal machen wir in Bergen noch etwas »Leben«. Ich habe Auftrag zum Ausbau des Kasinos erteilt. Am 29. kommt der Cellist Prof. Hoelscher.146 Ende März kommt das deutsche Theater aus Oslo für 8 Tage. Das gibt wieder Abwechslung und Ansporn. Auch Reg.Präs. Dr. Koch hat sich für die nächste Zeit angesagt. Er will Reg. Prä[s]. Kantstein, der z. Zt. in Dänemark angesetzt [sic] ist, mitbringen.147 An dem von Carlo Otte angesagten Besuch zweifle ich immer noch. Er wollte schon häufiger mal kommen, nur wurde nie etwas daraus. Das Kompliment, dass er deswegen noch nicht nach Bergen gekommen sei, weil er die Überzeugung hätte, hier klappe alles tadellos, dürfte etwas übertrieben oder gesucht sein. Sollte er wirklich kommen, umso besser. Vielleicht sieht er dann ein, dass ich gerne in Bergen bleiben möchte. [62] Sonntag, den 18. Januar 1942 Alle Knochen tuen mir im Augenblick weh. Ich bin »leichtsinnigerweise« heute nachmittag auf den Floyen gepilgert, aber ich brauchte etwas frische Luft. Bis heute morgen 4 Uhr habe ich »Korrektur gelesen«. Mein Monatsbericht musste endlich heraus. Da meine Sekretärin noch nicht vom Urlaub zurück ist, mussten zwei andere Weiblein den 37 Seiten langen Bericht schreiben. Doch dann merkt man erst, was eine gute Sekretärin wert ist. Der größte Unsinn wird heruntergeschrieben. »Denken« scheint Glücksache zu sein, na, und Glück hat nun eben nicht jeder. Ich bin also zwei Stunden über Schnee und Eis gewandelt, und jetzt tun mir die Beine weh. Da hilft nur ein »Cordial Medoc[«] und eine gute Brasil.
146 Ludwig Hoelscher, (1907-1996). Sein Name findet sich auch auf der 1944 von Goebbels zusammengestellten »Gottbegnadetenliste«, einem Verzeichnis »unverzichtbarer« Künstler, die vom Fronteinsatz befreit waren. 147 Hans-Reinhard Koch (1902-1997), Leiter der Hauptabteilung Verwaltung im Reichskommissariat. Beim Zweitgenannten handelt es sich vermutlich um Paul-Ernst Kanstein, Reichsbevollmächtigter im besetzten Dänemark für die dänische Zivilverwaltung.
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donnerstag, den 22. januar 1942
Letzten Freitag war ich im »Graf von Luxemburg«. Ich muss doch wohl noch norwegisch lernen, um von solchen Sachen etwas zu »haben«. Betrübt bin ich nur darüber, dass ich von Frauchen erst ein einziges Lebenszeichen erhalten habe. Wenn nicht bald etwas ankommt, schimpft wieder die ganze Behörde über mich, weil ich dann angeblich so »scharf« bin. Es ist immer dasselbe »cherchez la femme«. …….. Übermorgen will ich nun endlich nach Måløy fahren, um festzustellen, ob es möglich ist, besondere Anerkennung in Form von Geschenken denjenigen zukommen zu lassen, die sich besonders für Deutsche eingesetzt haben. Sicherlich werden die meisten Angst haben, sich mit der Annahme von Anerkennungen als deutschfreundlich zu identifizieren. Na, wir werden sehen. [62r] Donnerstag, den 22. Januar 1942 Heute Mittag bin ich wieder zurückgekommen von der Måløy Reise. Man ist doch immer wieder froh, in der eigenen Wohnung zu sein, und vor Allem, wieder in die Badewanne steigen zu können. Am Dienstag, morgens 7 Uhr[,] sollte die »Polarlys« vom Quai ablegen. Um 10 Uhr sind Wauer und ich erst einmal wieder an Land, und in die Dienststelle zurückgegangen. Es wurden immer noch neue Heringskisten eingeladen. Um 12.30 endlich legte der Dampfer ab. Es war eine wundervolle Fahrt durch die Schären. Man muss solche Fahrten einmal gemacht haben, um Norwegen zu kennen. Nachts Punkt 12 Uhr langten wir in Måløy an. Der Hafenkapitän Ltnt. Sebelin (früher Käptn von der Louise Leonhard) kam an Bord und genehmigte [sich] mit uns noch einen Whisky Soda. Erwärmende Getränke hatte ich vorsorglicherweise mit genommen. Dieses »Genehmigen« dauerte bis ½ 3 Uhr und aus dem Einen wurden üblicherweise mehrere. Da der Dampfer leider um 9 Uhr am anderen Morgen schon wieder auslaufen wollte, mussten wir um 8, d. h. reichlich früh aufstehen. Mit uns kam an Land »unser Gepäck«, bestehend aus 50 Flaschen Branntwein, 36 Flaschen Bier, 2 Flaschen Cognac und 2 Koffern. Schon auf dem Weg zum Hafenkapitän, wo ich mein Domizil aufschlagen wollte, trafen wir den Fylkesmann Atne, der mich mit dem gewohnten Redeschwall begrüßte. Wie ich nebenbei feststellen konnte, waren die Verwüstungen gar nicht so schlimm. Die südliche Hälfte des Ortes hatte einige »Lücken« und Trümmer. Dann begannen die Verhandlungen mit dem Fylkesmann, dem Lehnsmann und den Ordførern von Måløy und Raudeberg. Wie schon erwartet, wurde eine »Einzel«-Anerkennungsaktion allgemein abgelehnt. Umso mehr wollte man etwas »kollektiv« herausholen. [63] Allerdings hatten sich einige Einwohner bei der Betreuung der Verwundeten usw auch fabelhaft benommen. Es gelang mir, die Geister mit Hilfe des mitgebrachten Cognacs etwas zu lockern. Nur der arme Lehnsmann, der in Uniform anwesend war und naturgemäß Argusaugen machte, durfte nicht mittrinken. Volle drei Stunden dauerte das Palaver. Kaum waren die Herren verschwunden, als die von mir zum Mittagessen eingeladenen Offiz. erschienen, d. h. der 144
sonntag, den 25. januar 1942
Ortskommandant und der Bataillonskommandeur. Das Essen war wieder sehr »anstrengend«. Aber man muss ja etwas gegen die Kälte tun. … Um 16 Uhr packte uns Selbelin in seinen Packard alias Opel Super Six, und fuhr uns durch die Gefilde seines Reiches. Hier hatten also 3 Wochen zuvor die Engländer gehaust. Traurig war eigentlich nur der Anblick der schwach aus dem Wasser ragenden »Bäuche« der versenkten deutschen Handelsdampfer, sowie des auch im Wehrmachtsbericht genannten Vorpostenboots »Föhn«. Abends 19 Uhr schon nahm uns die [»]Sankt Spittuhn« wieder mit. Wir wollten gerade zu Bett – – – nach den Anstrengungen des Tages kein Wunder – – – als wir merkten, wie der Dampfer im Fjord drehte. Der doch immerhin mindestens 1500 to große Pott drehte tatsächlich im schmalen Fjord und ein Stück zurück. Nach einem angeregten Morsegespräch mit der Nordfjordbatterie drehte der Dampfer nochmals und wir fuhren wieder den alten Kurs. Gerade hatten wir gedacht, es ist wieder etwas »los« bei Floro leider, oder doch wohl besser – gottseidank war dem nicht so. Der Dampfer hatte nur die Morsezeichen der Batterie zuerst nicht verstanden. In Floro blieb das Schiff bis morgens 5 Uhr liegen, was unserem Schlaf wiederum eher dienlich war. Dann gings weiter – wieder durch die Schärenwelt. [63r] Man kann schon verstehen, dass die Schiffe früher nicht durch die Schären fuhren. Stellenweise ist die Durchfahrt so eng – wie oberhalb des Sognfjords –[,] dass der Dampfer vielleicht je 2 m nach beiden Seiten Spielraum hat. Ich nahm ein richtiges Luftbad, indem ich wie ein Gejagter dauernd auf dem Schiff hin und her pilgerte. Nun hoffe ich allerdings, für längere Zeit erst einmal in Bergen bleiben zu können. Heute ist eigentlich ein ganz besonderer Tag, wenn auch nur für mich, denn ein Brief von dem kleinen Frauchen enthielt »sehr wichtige« Nachrichten. Wenn Alles gut geht, liest vielleicht noch einmal ein dritter Erdenbürger, hervorgegangen aus der Verbindung Denker-Christen, diese Zeilen. Ich kann »so etwas« eigentlich in seiner Bedeutung noch garnicht erfassen, aber ich glaube, ich bin furchtbar glücklich und stolz. – – – Sonntag, den 25. Januar 1942 Heute bin ich bei schönem Sonnenschein und erstaunlicher Kälte zum Floyen hinauf gewandert. Ich ging allein so für mich hin ….. Dieses »Alleingehen[«] hat immer einen Fehler oder – – – Vorteil. Man denkt erheblich nach. ….... Na, ehrlich gestanden, ich musste auch ein klein wenig »auslüften«. Am Freitag (den 23. 1. 42) feierten wir abends im Kasino 6 (sechs) Geburtstage. Essen und Trinken waren frei (Folge der Weihnachtsgabe des RK)[.] Es war ein »großer« Abend, d. h. im Kegeln kam ich auf 68, womit ich an der Spitze aller Säufer des Abends stand. Es war ja auch Pech, das gerade 6 Angestellte der Dienststelle Geburtstag gehabt hatten. [64] Am Sonnabend, also gestern, erschien dann Herr Beggerud, seines Amtes bestallter Direktor des staatlichen Presseamtes. Um ihm seine Aufgabe der » 145
sonntag, den 1. februar 1942
schaltung« der Bergenser Presse etwas zu erleichtern, hatte ich die Redakteure der Bergenser Presse zu einem Essen eingeladen. Wider Erwarten erschienen sie auch, wie mir allerdings z. Zt. scheint – nur aus Protest gegen NS. Sachlich gesehen, war der Tag ein Fiasko. Zwar erklärt mir Beggerud, dass die sogen. Gleichschaltung fabelhaft vonstatten gegangen wäre. Alles wäre in Ordnung, alle bisherigen Redakteure machten »mit«. Wie ich zu meinem persönlichen Bedauern – nach dem Essen – dann erfuhr, war »dem« nun gerade nicht so. Vielmehr erklärten mir a l l e bisherigen Redakteure, dass sie zurücktreten wollten. Ich kann diese Männer verstehen. Sie haben einem Ideal nach gejagt, das inzwischen vergangen ist. Sie haben es allerdings noch nicht bemerkt. Aber alle Achtung vor der Haltung. Wenn ich auch noch nicht weiß, wie die Verhandlungen abgelaufen sind, so habe ich doch das Gefühl, dass der pp. stattliche [sic] Herr Pressedirektor sich wieder einmal denkbar ungeschickt benommen hat. ……….. Der gute Redakteur F a s t i n g von Bergens Tidende hielt mich so lange auf, das ich tatsächlich zu spät zu der Geburtstagsfeier von L u d a t kam. Der gute Ludat hatte zwar am 1. Januar schon Geburtstag, aber die Feier war erst für den 24. angesetzt. Ein Jeder wird verstehen, dass ich heute nicht »so ganz da bin«. Da ist das Einzige, was hilft, … ich ging allein so für mich hin …… doch auch das ist gebucht als das, was es ist, eine E p i s o d e. [64r] Sonntag, den 1. Februar 1942 Eine nicht uninteressante Woche ist vorüber. Historisch gesehen, war es vielleicht die Woche der E n t s c h e i d u n g. Heute ist Quisling zum Ministerpräsidenten ernannt worden.148 Es wird sicherlich noch vielerlei Auslegungen bedürfen, um den Sinn dieses Tages festhalten zu können für die Zukunft. – – – Wie voraus gesehen, gab es den »Krach« mit der Presse. Die Schriftleiter der drei maßgebenden Zeitungen legten ihre Ämter nieder, und die Verleger beschlossen, das Erscheinen der Zeitungen einzustellen. Die ganze Woche habe ich nun die Verhandlungen pflegen müssen, nachdem ich mir allerdings von Oslo habe ausdrücklich bestätigen lassen, dass ich nunmehr ganz allein mich mit diesen Dingen zu befassen habe. Auch hier eigentlich wieder die alte Erfahrung, die so überschlauen Herren von NS machen Blödsinn, und wir müssen die Folgen ausbaden. Am Mittwoch, d. 28. 1. 42, kamen mit dem Abendzug der Cellist Professor Hoelscher mit Frau und dem Pianisten von Lerchenfeld an. Am Donnerstag spielten sie morgens im Ortslazarett, nachmittags vor ca 1000 Soldaten und abends vor von mir geladenen Gästen im Festsaal meiner Dienststelle. Hoelscher ist ein überaus sympathischer und temperamentvoller Mann ohne geringste 148 Damit war formal eine norwegische Regierung eingerichtet worden, die allerdings vollkommen abhängig vom Reichskommissariat war. Die bestehenden »Staatsräte«, die bestimmte Regierungsaufgaben »verwaltet« hatten, wurden nun – zumindest der Bezeichnung nach – zu Ministern aufgewertet.
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Starallüren, seine Frau ist Hamburgerin, fast etwas primitiv, dennoch im Wesen und Auftreten sehr nett. Von Lerchenfeld – alter österreichischer Adel – macht einen etwas reichlich verkalkten Eindruck mit »vergeistigter« Tünche. Nach dem Konzert im Festsaal der Dienststelle gab ich noch einen Empfang im gerade fertiggestellten [65] Kasino der Dienststelle. Norweger hatte ich diesmal hierzu nicht geladen, sodass nur die Spitzen der Wehrmacht und sonstigen deutschen Dienststellen anwesend waren. Es wurde, wie glücklicherweise bisher immer, auch diesmal ein sehr netter und gemütlicher Abend, der sich für mich allerdings bis zum anderen Morgen gegen ½ 5 Uhr hinzog. Hoelschers mussten leider an diesem Morgen (Freitag) schon mit dem 8 Uhr Zug wieder nach Oslo zurückfahren. Der Alkohol hatte doch wohl etwas stark gewirkt, denn ich war leider der einzige, der zur Abfahrt auf dem Bahnhof erschien. Außer dem Besuch von Prof. Hoelscher brachte der Tag noch eine andere Freude. Der Rundfunk brachte die Sondermeldung, dass Benghasi wieder von uns genommen wurde. Es ist eigenartig, so unbedeutend, wie ansich Benghasi ist, so gewaltig ist die psychologische Wirkung dieser Meldung. Rommel hat die große Offensive der Engländer, die nach franz. Tunis vorstoßen wollten, nicht nur aufgehalten, sondern wider Erwarten die Gegenoffensive eingeleitet. Wir sind ja – ehrlich gestanden – etwas bescheiden geworden mit unseren Ansprüchen. Die letzten Monate haben doch erheblich an den Nerven gezehrt. Wenn auch der Kopf verstand, das Herz ließ sich nicht so schnell auf Defensive umstellen. Rommel ist z. Zt. wohl der populärste General des Krieges – auch von der anderen Seite gesehen. Er ist nun zum Generaloberst ernannt worden. Ob er die Engländer, deren Stärke man auf 750.000 Mann schätzt (3 mal so viel wie wir) wohl wieder aus der Cyrenaika149 herauswerfen wird? [65r] Freitag Abend begingen wir die Einweihung der neuen Kasino-Räumlichkeiten. Der SD und die Sicherheitspolizei stellen naturgemäß das größere Kontingent. Ich ermahne alle Leutchen in meiner Festpredigt zur kameradschaftlichen Haltung und glaube wohl, dass wir dieselbe so oder so »durchpauken« werden. Gestern (Sonnabend, den 31. 1.) war wieder »was los«. Der Oberbürgermeister Stensaker hatte den Admiral, Kap. Werner und mich zum Essen in sein Haus geladen. Es wurde ein sehr netter Abend[,] wenn auch Frau Stensaker leider kein Deutsch spricht, und die Unterhaltung mit ihr in englisch geführt werden musste. (Sie ist in USA aufgewachsen). Für einen kurzen Augenblick glitt die Unterhaltung ins politische ab, und schon zeigten sich die großen Meinungsverschiedenheiten. Doch dieser »tote Punkt« wurde schnell überwunden. Und heute ist nun Quisling feierlich mit einem Staatsakt auf Akershus150 bei Oslo zum Ministerpräsidenten ernannt worden. Erst sprach Terboven und richtete bei dieser Gelegenheit einen außerordentlich scharfen[,] aber geschickten Angriff
149 Auch Kyrenaika, eine Region in Ostlibyen, deren wichtigste Stadt Bengasi ist. 150 Mittelalterliche Festung, die sowohl als Ort für Staatsfeierlichkeiten als auch aus Gefängnis und Hinrichtungsstätte genutzt wurde.
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gegen den Erzbischof Berggrav151, dann »übernahm« Quisling die Ministerpräsidentschaft. Ich kann mich allerdings nicht des Gefühls erwehren, als wenn hier etwas reichlich Theater gespielt wird. Wenn wir, d h das Reichskommissariat wirklich verschwinden sollte[n], macht Quisling mit seinen Männern in spätestens drei Monaten restlos pleite. Na, wir wollen mal abwarten, was in den nächsten Tagen herauskommt – sicherlich – wie schon gesagt, T h e a t e r. [66] Donnerstag, den 5. Februar 42 Ich habe Recht gehabt, das RK bleibt, und es hat sich eigentlich verdammt wenig geändert. Aber das »Theater« war in jeder Beziehung großartig, Fackelzug, Empfänge, Pressetamtam, usw. In Bergen war für gestern eine große NS Versammlung im Konzertpalast angesetzt. Die Spitzen der Wehrmacht, meine Leute und ich waren großartig geladen. Um 18 Uhr ruft der Gauleiter Astrup an, er wäre mittags aus Oslo zurückgekommen. Ich beeile mich, ihm meinen Dank für die Einladung zum heutigen Abend zu sagen. Er antwortet, dass er auch erst heute Mittag von den Einladungen an die Deutschen erfahren habe, womit er eigentlich garnicht einverstanden sei. (?) Nun bäte er mich, doch auch vor der Versammlung zu sprechen ……… Na, der Saal war mit Ach und Krach zu dreiviertel gefüllt (ca 900 Personen), und ich hatte dann das Vergnügen, auch etwas zu dem »Theater« beizutragen, von wegen der 1. Februar Geschichtswende für Norwegen, Freiheit, Friede, Glück und was es sonst noch an schönen Phrasen gibt. Natürlich tosender Beifall. – Wie einfältig sind doch die Menschen. Mir scheint allerdings, dass unser Leben nicht gerade leichter geworden ist. Bisher konnte ich jeden aufkommenden Unsinn im Keim durch meinen Befehl unterbinden. Jetzt muss ich die souveräne norweg. Regierung »formell« honorieren, muss demgemäß die »Entwicklung« jeden Unsinns abwarten, um, wenn das Kind ins Wasser gefallen ist, es doch wieder selbst und allein herausziehen zu müssen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, was Astrup mir gestern Abend noch sagte. Ja, er wolle [66r] jetzt das alte Schloss Gamlehaugen bei Bergen beschlagnahmen, um dort dann »würdig repräsentieren« zu können. Es bestätigt sich, wovor ich seit Monaten immer schon gewarnt habe: NS denkt garnicht daran, die Parteibasis zu verbreitern und Jeder stürzt sich mehr denn je auf die gut bezahlten Beamtenposten entsprechend der Auffassung, in Norwegen könne immer nur mit der Gewalt regiert werden. Also Diktatur einer noch nicht mal leistungsfähigen Minderheit, und dafür – haben wir Deutsche uns am 25. Septemb. 40 die Sympathien von gut 80 des norweg. Volkes verscherzt. ?.?.?. 151
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Eivind Berggrav (1884-1959) war eine zentrale Figur im kirchlichen (lutherischen) Widerstand gegen die Besatzung. Ein maßgeblich von ihm verfasster Hirtenbrief der lutherischen Bischöfe hatte im Februar 1941 zum zivilen Ungehorsam aufgerufen. Am 24. Februar 1942 legte er sein Amt nieder. 90 Prozent der Pfarrer erklärten daraufhin ebenfalls ihren Rücktritt als Staatsbeamte. Am 9. April 1942 wurde Berggrav von der Gestapo verhaftet und in ein Konzentrationslager gesperrt, später unter Hausarrest gestellt, aus dem heraus er aber weiter politisch aktiv blieb.
donnerstag, den 12. februar 1942
Sonntag, den 8. Februar 42 Gestern hatte ich die Damen der Dienststelle bei mir zum Kaffee geladen. Bis auf Frl. Erbarth, die sich konstant vorbei benimmt, habe ich eigentlich recht nette Mädchen auf der Dienststelle. Freitag abend habe ich im Rahmen des Kasino Abends zwei Damenmannschaften der Dienststelle gegeneinander kegeln lassen, wobei die norweg. Damen die Deutschen schlugen. Es machte Allen einen Heidenspaß. Interessant war gestern und Freitag auch[,] was Hauptsturmführer Berlin mir erzählte. Er war mit Brigadeführer Wegner im Führerhauptquartier gewesen. Der Führer denkt noch gar nicht daran, formell mit Norwegen Frieden zu schließen[,] und will jegliche diesbezüglichen Verhandlungen bis Kriegsende mit »Völkerbundsgepflogenheiten« hinauszögern. Im Übrigen munkelte man im Führerhauptquartier etwas von einer bevorstehenden Liquidation der Schweiz (was allerdings stark zu begrüßen wäre[)]. [67] »Bezeichnend« – wenn auch leider traurig, war auch das, was er über die internen Verhältnisse bei der NS Führung erzählte. Da stehen »Gruppe Hagelin« gegen »Gruppe Lunde«. Wer zuletzt bei dem »Forer« war, hat recht. Der ehem. Hird-Stabschef Saeter intrigierte gegen den Polizeiminister Jonas Lie und beanspruchte den Polizeiministerposten für sich (à la Himmler) und bediente sich dabei »komischer« Methoden (à la Röhm)[.] Für 300.000 Kr. war er großzügig bereit, weitere 1000 Mann Hird für die Ostfront frei zu geben. Vor einigen Tagen ist dieser würdige und vor Idealismus geradezu strotzende Herr Führer des norw. Lehrerverbandes geworden. Das wird bestimmt schief gehen. Donnerstag, den 12. Februar 1942 Seit Dienstag Morgen liege ich »auf der Nase«, d. h. ich habe eine sehr hartnäckige Erkältung, die auch auf den Oberkiefer geschlagen ist. Na, wird schon wieder vorüber gehen. Am Montag, d. 9. 2. war noch Major Vorwerk, der IA der Division bei mir zu Gast. Bis fast ½ 3 Uhr morgens – bei Kerzenschein, da ja das elektr. Licht um 12 Uhr verschwindet – plauderten wir. Vorwerk steckt voller Schnurren, die er in allen möglichen Mundarten vortragen kann. Er erzählte mir auch zwei niedliche Geschichtchen aus Bergen (wahr). Im Zuge der sogenannten V-Propaganda, war von uns der Satz geprägt worden Tyskland seirer på alle fronter. (Deutschland siegt an allen Fronten.) Einige Norweger ärgerten sich zu dieser Zeit nun über eine Landsmännin, die mit einem [67r] deutschen Offizier »ging«. Eines Morgens ist an der Haustür der Betreffenden ein richtiges seidenes Höslein geheftet, und zwar so, dass die Beinchen ein V bilden. In diesem V war ein Zettel angebracht, mit der Aufschrift: »Tyskland seirer på alle fronter«. Während der sogenannten »Sperrzeit« in Bergen, über die ich auch in diesem Tagebuch genügend berichtet habe, ließ der General an einem Tage aus »Propagandagründen« stundenlang Truppen durch die Stadt ziehen. Es waren natürlich immer dieselben Leutchen und Fahrzeuge, die dieses »Schauspiel« 149
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geben mussten. Die Division gab sich allerdings der Hoffnung hin, dass das von der Bevölkerung nicht bemerkt würde. Wieder rasseln also die Wagen über die Torvalmenning152[,] mehr oder weniger stramm marschieren die Männer, da ruft ein Norweger einem etwas müde dahinschleichenden »Krieger« zu: »nur Mut, junger Mann, bald kommt die letzte Runde«. – Am längsten unterhalten wir uns naturgemäß über die Ostfront. Der erste Stichtag für die Offensive ist der 15. Mai. Je nach dem Wetter wird es also um diese Zeit wieder »los gehen[«] und zwar vom äußersten Norden bis zum Asow[s]chen Meer gleichzeitig. Man hofft, dass die überaus gewaltige Winteroffensive der Russen diese dann so geschwächt hat, dass wir etwas leichteres Spiel haben. Die Russen haben anscheinend in diesem Winter Alles auf eine Karte gesetzt, wobei man doch wohl anerkennen muss, dass der Angriffsgeist und Materialeinsatz weit über Erwarten groß gewesen sind. [68] Mittwoch, den 18. Februar 1942 Eine gute Woche […] dauert meine Erkältung schon. Erkältung ist allerdings ein nicht ganz passender Ausdruck, denn inzwischen hat der Arzt eine richtige Kieferentzündung festgestellt. Ich habe eine gelinde Wut im Bauch. Seit Tagen liegt draußen der schönste Schnee. Drei Nachmittage habe ich schon meinen Leuten zum Ski-laufen freigegeben, und ich »wärme nach wie vor mit allen Mitteln meine Backe«. Heute sollte ich nun eigentlich ein »Familienfest« begehen. 8 Jahre bin ich heute verheiratet. Die liebe Gerda sitzt derweilen in Grünwald bei München und beschäftigt sich sicher mit den gleichen Gedanken. Wieviel Schönes haben wir in diesen Jahren verlebt [sic], von denen ich allerdings fast schon 2 abziehen muss, nämlich die Zeit, die ich schon in Norwegen bin. Hoffentlich lässt uns das Schicksal diesen Krieg gut überstehen, die nächsten 8 Jahre werden dann bestimmt so glücklich, wie die Verflossenen. Sonntag, den 22. Februar 1942 Es wird allmählich langweilig, immer im Hause bleiben zu müssen. Vor einigen Tagen waren Generaloberst von Falkenhorst hier und General Tittel. Beide wollten mich besuchen, glücklicherweise verzichteten sie schließlich darauf. Als »kranker Mann« fühle ich mich immer etwas unsicher bei derartigen »Aktionen«. [68r] Sonntag, den 1. März 1942 Freitag und Sonnabend war ich nun schon je 2 Stunden in den »heiligen Hallen« meines Büros. Viel Ärger hatte ich in den letzten Tagen. Die drei Herren 152 Torvalmenning, breite Allee im Zentrum Bergens.
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der Wirtschaftsabteilung hatten mir eine Eingabe gemacht, dass sie nicht mehr mit Frl. Erbarth zusammenarbeiten wollten, da diese sich nicht »benehmen« könne und nicht nur ihnen gegenüber[,] sondern auch gegenüber Besuchern direkt unverschämt geworden sei. Ich kann mir das leider sehr lebhaft vorstellen, denn auch mir ist noch nie eine Frau mit so schlechtem »Benimm« vor die Augen gekommen. Absolut verwahrloste Kinderstube, denn sie ist sich ihrer Frechheiten meist absolut nicht bewusst. Was nun bei dieser Angelegenheit am Unangenehmsten war, dass sich ausgerechnet Herr Ludat bemüßigt fühlte, mich schärfstens zu attaquieren und für Frl. Erbarth eine Lanze zu brechen. Der Ton seines an mich gerichteten Briefes war so, dass ich ihn als »amtlich« bekommen betrachten musste. Im Beisein von RR Dr. Roenfeld als Zeugen habe ich den Mann dann derartig fertig gemacht, wie noch nie zuvor einen Menschen. Wie ein Irrer verließ er den Raum. Aus meinem Wohnhaus hatte ich ihn dazu auch noch herausgeworfen. Gestern haben wir die Angelegenheit dann doch gütlich beigelegt. Es stellte sich heraus, das der Ludat seit Tagen tatsächlich nicht ganz bei Sinnen war. Die Sache mit seiner Frau hat ihn ziemlich »fertig« gemacht. Der zweite Fall läuft noch. Der bei der Oberbauleitung beschäftigten Frl. Lindner (41 Jahre) wurde von mehreren Herren vorgeworfen, sich abträglich über den Führer geäußert zu haben und zwar mehrere Male. Leider scheint das zu stimmen, und ich habe die Gestapo beauftragt die Angelegenheit zu untersuchen. [69] Am Freitag, den 27. 2. war ich von General Ortner zu einem Essen in kleinem Kreis mit dem für 2 Tage hier zu Besuch weilenden Generalfeldmarschall von List153 eingeladen. Trotz meines Gesundheitszustandes ließ ich mir diesmal diese Gelegenheit nicht entgehen. Es wurde auch ein sehr interessanter Abend. List macht einen außerordentlich sympathischen Eindruck. Er erzählte von seinem Balkanfeldzug. Wieder einmal hörte man die These »Frechheit siegt«. Mit nur 1 ½ Divisionen sei er mitten in das yugoslavische Heer hineingestoßen und hätte es in zwei Teile getrennt. Die Jugoslaven wären überhaupt nicht dazu gekommen, Angriffspläne zu schmieden oder etwa Angriffsoperationen zu machen. Das Heft sei ihnen schon vom ersten Tag an restlos aus der Hand genommen worden. Ruhe sei allerdings in diesem Land noch heute nicht. Größere Teile des Heeres sei[en] damals in die Wälder versprengt worden und führen noch heute einen Bandenkrieg. Es sei auch garnicht möglich, das Land durchzukämmen. Der Serbe liefe allerdings Gefahr, ziemlich ausgerottet zu werden, da auch von unserer Seite 153
Wilhelm List (1888-1971), bei Christen auch an anderer Stelle »von List«. Oberbefehlshaber verschiedener Armeen und Wehrmachtsbefehlshaber von Territorien vor allem in Südosteuropa. List wurde nach dem Krieg im sogenannten »Geiselprozess« in Nürnberg zu lebenslanger Haft verurteilt. Noch in seinem Schlusswort wies er die Verantwortung von sich mit den Worten: »Die Schuld verbleibt bei denjenigen, die diesen Kampf von Anbeginn grausam und hinterhältig auf Balkan-Art geführt haben«. Ein Gnadengesuch für ihn wurde 1951 abgelehnt, 1952 wurde er jedoch wegen Krankheit aus der Haft entlassen. Anfang 1942 befand List sich auf Inspektionsreise durch Norwegen, um die Abwehrbereitschaft im Falle eines britischen Angriffs zu erkunden.
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nicht gerade mit Glacé-Handschuhen vorgegangen würde. Fabelhaft hätten sich die Griechen geschlagen, und der Durchbruch durch die Metaxas Linie154 sei sehr schwer gewesen. Heute sehe es in Griechenland nun sehr schlecht aus. Man könne erleben, dass neben und vor Einem die Menschen auf der Straße wegen Hunger und Erschöpfung umfallen und sterben. Die Deutschen seien zuerst außerordentlich freundlich aufgenommen worden. Jetzt sei man wütend auf sie, weil sie das Land den Italienern ausgeliefert hätten, die man hasst. [69r] Heute Morgen meldete mir der Adjutant des Viceadmirals von Schrader, dass sein Chef vom Führer zum Admiral befördert worden sei. Ich machte daraufhin einen Höflichkeitsbesuch, über den sich von Schrader sichtlich freute. Mittwoch, den 4. März 1942 Ich bin immer noch nicht ganz geheilt. Ich glaube, ich muss mal eine Röntgenaufnahme machen lassen, vielleicht ist doch eine Zahnwurzel nicht ganz in Ordnung. Allmählich hat sich meine Krankheit auch bei den Bergensern herumgesprochen, und ich erhielt inzwischen drei wundervolle Blumensträuße. Ich habe mich dazu sehr gefreut, weil ich daraus schließe, dass ich mich doch nicht ganz unbeliebt in diesem Städtchen gemacht habe. Mein Huxhagen meldete mir, dass nächste Woche die Kammersängerin Erna B e r g e r nach Bergen auf Einladung des RK kommen wird.155 Das gibt wieder eine große »Sache« mit Gala-Vorstellung, Empfang, Essen usw. Das ist nun mal die erfreuliche Beigabe meines jetzigen Daseins, dass ich viele bekannte und berühmte Menschen kennen lernen darf, mit denen ich in Friedenszeiten doch nie in Kontakt gekommen wäre. Inzwischen wartet hier »jeder« auf die englische Invasion, und zwar jeder auf seine Art. Wie neulich noch von Falkenhorst und von List berichteten, soll der Führer immer wieder sagen. [sic] Wenn er Churchill wäre, gäbe es nur Eines[:] »auf nach Norwegen«. [70] 14. März 1942 »Das« Ereignis der letzten Tage war der Besuch von Erna Berger und ihrem Gatten. Am Mittwoch d. 11. traf sie ein. Als ich ihr im Hotel Bristol einen Besuch machte, war ich – ehrlich gestanden – enttäuscht. Nichts von imposantem Eindruck oder »schöner« Frau. 154 Der rechtsgerichtete griechische Diktator Ioannis Metaxas hatte sich gegen den Druck der italienischen und auch der deutschen Regierung gewehrt, die militärische Stützpunkte in seinem Land errichten wollten, und eine Besetzung Griechenlands mit militärischen Mitteln verhindert. Nach seinem Tod im Januar 1941 war diese aber nicht mehr abzuwenden. Die Wehrmacht fiel im April 1941 in Jugoslawien ein und besetzte auch Griechenland. 155 Erna Berger, Sopranistin (1900-1990), von Joseph Goebbels in die »Gottbegnadetenliste« von 1944 aufgenommen als herausragende deutsche Sängerin.
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14. märz 1942
Klein, dunkle Ränder unter den Augen in einem Durchschnittsgesicht. Die Unterhaltung führte der Gatte Herr Viull. Wie gesagt, enttäuscht. Als ich sie am Donnerstag Abend auf der Bühne des Theaters wieder sah, war das eine ganz andere Frau. Ein geschmackvolles Pariser Kleid ließ das kleine Persönchen fast groß erscheinen. Das Gesicht konnte fast als schön bezeichnet werden. Haltung jugendlich und graziös, und dann eine Stimme – einfach wundervoll. Die Liedergruppen von Brahms und Wolff, die sie zuerst vortrug, zündeten noch nicht so recht beim Publikum, das allerdings in erhebliche Wallung geriet, als Arien von Mozart, Donizetti und Verdi an die Reihe kamen. Offiziell schloss das Programm mit dem Lied [»]Die schwedische Nachtigall«, welches sie für Ilse Werner in dem gleichnamigen Film gesungen hatte. Als Zugabe gab es noch ein norweg. Lied und die Arie aus La Traviata. Der Abend kann als restlos gelungen bezeichnet werden. Ich bereue es nicht, anstatt den Festsaal meiner Dienststelle diesmal das große Theater genommen zu haben. Der Rahmen war weit festlicher als sonst. Zu Beginn der Vorstellung hatte ich meine Gäste »geziemend« begrüßt, zum Schluss gab es für die Künstlerin Mengen von Blumensträußen. Anschließend an das Konzert gab ich einen Empfang im Kasino meiner Dienststelle, zu dem ich die Spitzen der Wehr- [70r] macht, von Nasjonal Samling, der norweg. Behörden und der deutsch-norweg. Gesellschaft eingeladen hatte, alles in allem ca 50 Personen. Die geglückte Zusammenstellung der Gäste und nicht zuletzt die Zusammenstellung der »Alkoholika« schufen bald eine »Pfundsstimmung«. Trotzdem ich für diesen Abend den elektr. Strom bis 1 Uhr hatte verlängern lassen, blieben einige bei spärlichster Kerzenbeleuchtung noch so lange, bis auch der »letzte Tropfen« seiner Bestimmung zugeführt worden war. Am Freitag Mittag hatte der Stadtkommandant, Ritterkreuzträger Oberstleutnant Schüler zum Essen im Offizierskasino geladen. Hierbei erfuhr ich von Berger, dass nach dem Kriege 14/18 ihre Eltern mit ihr nach Paraguay ausgewandert waren. Sie waren ehem. Kolonialdeutsche aus Ostafrika. Nach ¾ Jahren Waldroden seien sie jedoch wieder nach Deutschland zurückgekehrt, weil es unmöglich war, drüben voranzukommen. Nachmittags sang sie dann vor der Wehrmacht im Konzertpalast (ca 1300 Personen) und abends war sie mit ihrem Mann, dem Pianisten Krug (der vor ca ½ Jahr noch bei meiner Dienststelle als Rundfunkreferent war) dem General Ortner, seinem IA Oberstleutnant Bachmeier, dem Piratenhäuptling Kaleu Bartels und meinem Huxhagen bei mir zu Gast. Ich hatte für mein Heim wundervollen Blumenschmuck besorgen lassen. Das Hotel Norge sorgte für ein prima Essen, und ich sorgte für Getränke. Bei diesen Voraussetzungen und dem Temperament der Künstlerin musste der Abend einen guten Verlauf nehmen. Um 5 Uhr morgens ging die Berger heim, um 6 Uhr der General, das sagt ziemlich Alles. Ab 11 Uhr hatten wir schon bei [71] Kerzenschein gesessen. Ich habe selten eine so nette Hausgesellschaft gegeben oder mitgemacht. Um 1 Uhr bekamen wir noch »Schlafe mein Prinzchen, schlaf ein« zu hören, ohne dass wir das allerdings wörtlich nahmen. Es ist immer wieder erstaunlich, festzustellen, dass die wahrhaft großen Künstler so völlig frei sind von Eitelkeit, Überheblichkeit oder falscher Vornehmheit. Das 153
dienstag 17. märz 1942
war schon bei Kulenkampff, bei Hoelscher und bei der Maria Müller festzustellen. Jene eben erwähnten menschlichen Schwächen treten dafür besonders bei Durchschnittskräften auf, von denen wir durch KDF geradezu überschwemmt werden.156 Am Sonnabend, um 12.30 Uhr hatte ich einen kleinen Kreis noch zum Abschiedsessen im Hotel Bristol geladen. Anschließend fuhren wir zum Soldatenfriedhof heraus, um dort die Fülle von Blumen am Gedenkstein niederzulegen, die Erna Berger während ihres Aufenthalts in Bergen erhalten hatte. Um 14 Uhr fuhren die Gäste mit dem Wehrmachtszug schließlich wieder ab, ohne nicht [sic] vorher fest versprochen zu haben, im Sommer wiederzukommen. Dienstag 17. März 1942 Am Sonntag war ich beim General Ortner zum Kaffee und Abendessen eingeladen. Anwesend waren noch Oberstleutnant Bachmeier, der sich immer wohler in Bergen fühlt, der Chef des Stabes des Admirals Kapt. von Hohnhorst, der ewige lustige Werner (Korv.Kapt) und einige Damen (Frau Backe usw.) Auch dieses Zusammen- [71r] sein verlief außerordentlich nett. Diese ehem. österreichischen Offiziere (General und Bachmeier) haben doch einen ganz besonderen Charme. Man hat nie den Eindruck, dass sie ihrer Würde keine Konzessionen geben dürfen, was doch meist bei »preußischen« Offizieren der Fall ist. 8 leere Flaschen Sekt, 2 leere Flaschen Liqueur zeugten von dem gesunden Durst der Anwesenden und der Gastfreundschaft des Generals. Dieser scheint mich besonders in sein Herz geschlossen zu haben, denn er holte mich persönlich um 16 Uhr von meiner Wohnung ab, und hatte sich Bachmeier gegenüber geäußert, dass er sich besonders gefreut hätte, mit mir in einen guten Kontakt zu kommen. Mir soll das nur Recht sein, erstens, weil Ortner ein wirklich sympathischer und interessanter Mann ist, und zweitens, weil immer noch die Möglichkeit besteht, dass ich einmal zu seinem Stabe treten muss. Dieser letzteren Möglichkeit galt heute meine dienstliche Besprechung mit dem General. Für den Fall des engl. Angriffs auf die Westküste Norwegens, geht das gesamte Hoheitsrecht auf ihn über, und ich muss mit einigen Herren meiner Dienststelle in seinen Stab. Die Herren Engländer werden diese Möglichkeit zwar wohl kaum Wirklichkeit werden lassen, jedenfalls aber habe ich die sich ergebenden Vorarbeiten und aufgaben heute mit Ortner eingehend durchgesprochen. Zu dem schon von mir aufgestellten »Mob«plan157 für meine Dienststelle treten nun noch die genau auszuarbeitenden Pläne für obigen Fall. So etwas ist wieder mal etwas Neues für mich, und für Neues bin ich immer zu haben gewesen. [72] 156 Eigentlich KdF, kurz für »Kraft durch Freude«. Die NS-Freizeit- und Reiseorganisation wurde während des Krieges auch in die Wehrmachtsbetreuung eingebunden, was Christen in seinem Tagebuch nicht erwähnt. 157 Mobilisierungsplan.
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19. März 1942 Der erste Teil meines Geburtstages ist nun vorüber-»gerauscht«. Zum zweiten Male habe ich nun meinen Geburtstag fern der Heimat und der Lieben verbracht. Trotz all dem vielen Schönen dieses Tages in Bergen, wäre ich tausend Mal lieber daheim gewesen. Da wären morgens ganz früh Häsi und Peterle ganz scheu und schüchtern ins Schlafzimmer gekommen, hätten ihr Sprüchlein aufgesagt, Vati einen Blumenstrauß und ein Küsschen gegeben, um dann – befreit von »Pflichten« – sich toll in die Betten zu stürzen. Aber warum weiter das Bild ausmalen? Das war Alles einmal, und wenn ich wieder in der Heimat bin und Frieden ist, dann sind die Beiden schon so groß, dass der Ablauf der »Gratulationscour« viel »vernünftiger« wird. Es ist jammerschade, aber es ist nun einmal Krieg. In diesem Jahre ist es sogar besonders mies. Nicht einmal die Feldpost und damit das Brieflein von Frauchen ist übergekommen. Und doch warte ich hierauf ganz besonders, denn naturgemäß sind meine Gedanken gerade jetzt noch häufiger bei meinem Liebling als früher. Aber Geduld …… Es ist fast so, als wollte mir das Schicksal in Anbetracht des Ausbleibens der Grüße der Lieben daheim diesen Tag besonders nett gestalten. Auf Befehl meiner Gefolgschaft durfte ich erst um ½ 11 Uhr in der Dienststelle erscheinen. Kaum angelangt, gab’s vor der Dienststelle einen »Mordskrach«. Die ca 35 Mann starke Divisionskapelle war angerückt und brachte mir ein Geburtstagsständchen. Das war nun wieder eine Situation, die ich bisher noch nicht erlebt hatte, und der ich etwas hilflos gegenüberstand. Na, nach dem dritten [72r] Stück stellte ich mich unten ein, bedankte mich und lud die ganze Gesellschaft zu einem »Morgenschopppen« in mein Kasino ein. Inzwischen hatten sich in meinem Zimmer die Angehörigen der Dienststelle versammelt – gott wie feierlich –. Mein Vertreter, Reg. Rat Dr. Roenfeld hielt eine Ansprache, die die Anderen überhaupt nicht verstanden dank ihrer Lautstärke, und ich entnahm ihr auch nur ziemlich wenig. Ich erhielt dann einen Blumenstrauß und ein in Leder gebundenes Photoalbum mit einer netten goldgedruckten Widmung. Reichlich hilflos, wie ich war, blieb mir nichts andres übrig, als die ganze Mannschaft ebenfalls ins Kasino zu einem Glas Sherry einzuladen. Draußen vor dem Haus spielte immer noch kräftig die Kapelle. Dann überraschte mich der Territorialsbefehlshaber General Ortner mit seinem IA, Oberstleutnant Bachmeier, die zur Gratulation erschienen. Blumen kamen, u. A. ein Bäumchen von Admiral von Schrader mit einem netten Begleitschreiben. Auch ein Telegramm vom Reichskommissar Terboven langte an. Ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Als ich schließlich im Kasino erschien, war dort schon ein erhebliches Leben und Treiben. Die Musikkapelle hatte sich auf der Kegelbahn »etabliert«, und meine Leute warteten sehnlichst auf die Trinkerlaubnis. Aber auch hier unten in den Kellergewölben blieb ich von weiteren Gästen nicht verschont. Zuerst erschien Oberst Graumitz, der Höchstkommandierende der Luftwaffe,158 dann Stubaf 158 Wahrscheinlich ist Fritz Graumnitz gemeint, zuvor Gruppenkommandeur eines Kampfgeschwaders bzw. einer Kampffliegerschule.
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22. märz 1942 (sonntag)
Blomberg, der Kommandeur der Sicherheitspolizei, Kaleut. Müller-Greif von der KMD usw. Um ca ½ 3 Uhr konnte ich mich schließlich drücken. Die Alkoholbilanz dieser improvisierten Feier war ca 150 Flaschen Bier, 20 Flaschen Aquavit, und drei Flaschen Sherry. Die Musikkapelle spielte derweilen kräf- [73] tig, was bei 35 Mann und den Kellergewölben immerhin einen ziemlichen Krach verursachte. Nach dem Motto »Nur Lumpen sind bescheiden«, brachte [man] mir dann durch die Blume bei, dass die Angehörigen der Dienststelle gerne den Nachmittag frei hätten. Was blieb mir da anderes übrig? – – – – Abends hatte ich dann einen kleinen Kreis zu mir ins Haus geladen. Man war doch ziemlich abgekämpft, und so ging es diesmal relativ ruhig zu. Zwischendurch klingelte nur dauernd das Telefon. Der Admiral, der am selben Tag Geburtstag hatte, gab abends einen Empfang und wer noch nicht von meinem Geburtstag erfahren hatte, wurde nunmehr unterrichtet. Zuerst rief der Admiral selbst an. Das Maß seiner Stimmung war daraus zu erkennen, das er mir erzählte, man spiele gerade bei ihm »Li-Li Marlen«, und dann kam eine endlose Kette von Offizieren. Alles in Allem ein Riesen Tam Tam. Und doch habe ich mich dazu gewaltig gefreut, sehe ich doch darin einen Beweis, dass ich eine gute Zusammenarbeit mit all diesen Männern gehabt habe, und dass ich selbst doch nicht gerade unbeliebt bin. Im vorigen Jahr noch hatte die Wehrmacht von mir garnicht Notiz genommen, ich war ja auch erst knapp 2 ½ Monate im Amt. So verlief der Geburtstag außerordentlich nett. Die eigentliche Feier mit den Angehörigen der Dienststelle soll allerdings nun erst am Sonnabend stattfinden, sodass wir praktisch aus dem Feiern nicht herauskommen. Peinlich war übrigens die Frage des Generals, wie alt ich denn nun geworden sei. Ich konnte ihn glücklicherweise ablenken, denn meine glücklich erlangten 33 Jahre würden ihm kaum imponiert haben. [73r] 22. März 1942 (Sonntag) Heute Morgen wurde ich im Schlaf gestört durch einen Telefonanruf der Feldgendarmerie. Diese hätten einen bei mir angestellten Norweger festgenommen, der angeblich in betrunkenem Zustand zwei deutsche Marineoffiziere in der verg. Nacht angerempelt hätte. Ob man ihn wieder laufen lassen könne? Es handelte sich um den Fahrer von Dipl. Ing Thote, bei dem ich wirklich mit ehrlichem Gewissen behaupten konnte, dass er keiner Fliege ein Leid tun würde, und dass es sich bestimmt um ein Missverständnis handelt. Eine halbe Stunde später klingelte wieder das Telefon. Ein Norweger meldet sich in gutem deutsch[,] aber sichtlich aufgeregt: Ja, seine Braut, Frøken Dahl, sei noch nicht nach Hause gekommen, sie sei doch am Sonnabend Abend zur Feier der Dienststelle gegangen. – – – – – Das waren also die sichtbaren [»] Nachwehen« unsere[r] offiziellen Geburtstagsfeier. Allerdings haben wir noch nie eine so nette Stimmung gehabt, wie gerade gestern Abend. Das lag in erster Linie an der aus 4 Mann bestehenden Musikkapelle, die uns am laufenden Band schunkeln und singen ließ. Als ich kurz nach 12 nach Hause fuhr, war allerdings von sogenannter [sic] Besäufnis nichts zu merken. Sollte sich nach 156
mittwoch 8. april 1942
meinem Fortgang noch Alkohol angefunden haben? Unsere Norskes können ja nun wirklich nichts vertragen. Jedenfalls ist mein Geburtstag nun endgültig beendet – es wurde auch Zeit. – – – Am Freitag (20. 3.) hatte der neue Polizeipräsident von Bergen/ namens Berg159 um 18 Uhr zum Essen eingeladen. Es war eine ziemlich langweilige Angelegenheit, bei welcher ich die übliche Festpredigt halten musste – Platte, Loyalität, Zusammenarbeit, Vernunft und – vielleicht Freundschaft. Ich glaube, ich könnte das schon im Schlaf herunterleiern. [74] Karfreitag 3. April 1942 Eigentlich habe ich schon seit drei Tagen Osterurlaub. Meine Leutchen sind schon am Dienstagmittag nach Stalheim160 gefahren, alle schwer bepackt mit Lebensmittel[n] und Skier. Aber ich werde noch heute Abend nachfahren, denn etwas möchte ich die »letzte« Gelegenheit zum Skilaufen doch noch nutzen. Mittwoch Abend war ich bei Admiral Braune eingeladen, der sein 35 jähriges Dienstjubiläum feierte. Admiral von Schrader, General Ortner und weitere 5 Offiziere der Stäbe waren noch anwesend. Ich komme mir bei solchen Gelegenheiten doch immer etwas reichlich jung vor. Gut, dass die Herren nicht wissen, dass ich noch nicht einmal so alt bin, wie Braune schon Dienstjahre hinter sich hat. Gestern (2. 4.) gab es wieder eine Einladung. Diesmal war die Luftwaffe dran. Wie immer schoss sie den Vogel ab. Prima Essen, anständige Getränke und sogar Barbetrieb, so etwas nennt man noch Krieg. – – – Mittwoch 8. April 1942 Ich freue mich doch, fast 4 Tage »blau« gemacht zu haben. Schon die Autofahrt am Karfreitag nachmittag war wundervoll – wenn auch etwas schwierig. Doch mein guter Buick 8 schaffte auch die verschneitesten Hänge. So viel Schnee hat die Westküste Norwegens schon seit Jahrzehnten nicht gesehen – und dazu um diese Zeit. Es ist ja ein ziemlicher Umweg, um nach Stalheim zu kommen. Es geht über Trengereid, Norheimsund am Hardanger entlang, [74r] Ulvik, Voss. Um 11 Uhr langte ich schließlich in Stalheim an bei hellem Mondschein und 10 Grad Kälte. Es war eine wundervolle Fahrt, diese Schneeflächen, vereisten Wasserfälle und glitzernden Berge. Stalheim ist wirklich ein Ski-paradies [sic] und ohnehin landschaftlich einer der schönsten Plätze Westnorwegens. Übrigens habe ich das Hotel vor einiger Zeit beschlagnahmt, um es als Mütterheim einzurichten.161 Da es das zweite Mal in diesem Jahr war, dass ich auf Brettern 159 Bjarne Berg kam aus Drammen (Information Bjarte Bruland). 160 Kleiner Ferien- und Wintersportort ca. 150 Kilometer nordöstlich von Bergen. 161 Es handelt sich um das einzige, einem Foto aus den 1930er Jahren nach zu urteilen relativ große Hotel am Ort. Vermutlich hat die Gruppe dort auch gewohnt. Vgl. https://en.stalheim.com/stalheims-history [29.3.2021].
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sonntag 12. april 1942
stand, ging es anfangs noch etwas schwierig. Zum Schluss aber habe ich die schönsten und schwierigsten Skitouren mitgemacht. Es ist ein herrliches Gefühl, nachdem man gut drei Stunden mühselig angestiegen ist, dann in knapp einer Stunde mal langsam, mal schnell wieder abfahren zu können. Erst hierbei lernt man richtig laufen. Auch hier könnte man sagen[,] wenn man muss – – geht Alles. Nur die Knochen tun doch erheblich weh. Sie sind so etwas nicht mehr gewohnt. Abends saß die ganze Mannschaft stets am Kamin – total 24 Leutchen. Am letzten Tag schlug das Wetter um, und es begann schließlich heftig zu regnen. Also buchstäblich den letzten Anschluss erwischt. Dementsprechend schwierig war die Rückfahrt. Es war mehr oder weniger eine Eis- und Wasserfahrt – nicht immer ganz ungefährlich. Erstaunlich, was ein Tag Regen anrichten kann. Die großen Wasserfälle waren aufgebrochen, und es rauschte mächtig talwärts. Die Straße am Hardanger hatte überhaupt keinen Schnee mehr, dafür um so mehr Wasserlachen. In Bergen war der Schnee auch schon ganz verschwunden. In meinem Garten, der vor 5 Tagen noch 20 cm hoch verschneit war, guckten die ersten Schneeglöckchenspitzen heraus. Es muss also doch Frühling werden. Heute lacht die Sonne schon wieder, aber die Luft ist wie ein warmer, revolutionierender Fön [sic]. [75] Freitag 10. April 1942 Gestern war der Jahrestag der Besetzung dieses Landes. Alles blieb ruhig. 2 Jahre Norwegen, wer hätte das anfangs gedacht? Ehrlich gestanden, die Situation ist um Vieles schlechter geworden. Damals beschäftigten wir uns mit Invasionsgedanken in England. Unser kindlich optimistisches Gemüt sah uns im Herbst des Jahres 40 schon drüben auf der Insel. Die norweg. Bevölkerung war freundlich und loyal. Und heute? Fieberhaft arbeiten wir an der Befestigung der norweg. Küste, denn wir warten auf – – – eine Invasion der Engländer und Amerikaner. Die Bevölkerung ist ablehnend und offensichtlich widerspenstig. Gewiss, allzu tragisch darf man diesen Wechsel nun doch nicht nehmen, denn letzten Endes wirft uns keine Macht dieser Erde wieder aus Norwegen raus, es sei denn, wir gingen freiwillig. Ich hatte mich über den Standortältesten (Kapt. Strasser – ein Trottel) geärgert. Wie schon zum Heldengedenktag, so waren auch diesmal außer mir die weiteren Repräsentanten des RK nicht zur Gefallenenehrung eingeladen. Ich setzte daher als Vertreter des RK eine eigene Feier an den Gräbern der Gefallenen an. Im Beisein von Stubaf Blomberg und Hauptmann Vogel, sowie Ortsgruppenleiter Wauer, legte ich den Kranz des RK nieder. Ein Zug Schutzpolizei stand derweilen unter Gewehr. Es geht auch so. Sonntag 12. April 1942 Heute lacht uns wieder die Sonne. Allerdings bin ich reichlich spät aufgestanden, aber meine letzten Gäste sind auch erst um 4 Uhr [75r] morgens 158
sonnabend 18. april 1942
gangen. Prof. Mantel (Pianist)162 gab gestern ein Konzert in meinem Festsaal. Ein weltfremder[,] aber außerordentlich sympathischer Mann, dessen Klavierspiel virtuos genannt werden kann. Er spielte vor allem Grieg[,] Chopin und Schumann. Seine Grieg-Auslegung war etwas eigenwillig. Nach Meinung der Norweger spielte er ihn mit zu viel Temperament, so u. a. Frühlingsanfang. Man kann allerdings Mantel auch verstehen, wenn er z. B. bei Frühlingsanfang sagt, dass der Frühlingsanfang in Norwegen doch eine so wuchtige und auch schnelle Angelegenheit ist, dass diese Umstände unbedingt musikalisch interpretiert werden müssen. Er empfindet eben diesen Wechsel der Natur als Deutscher und bringt ihn musikalisch entsprechend zum Ausdruck. Begeistert war ich jedoch über Chopin. Wohl alle waren begeistert. Nicht nur, dass er das gewiss schwierige Spiel meisterhaft beherrschte, nein, er versuchte auch hier einen eigenen Ausdruck hineinzulegen. Warum, erzählte er uns später beim Empfang in meinem Hause. Er sieht in Chopin nicht nur Salonmusik. Er wehrt sich sogar sehr energisch gegen diese Bezeichnung, und nach seinem Spiel konnte man ihm recht geben. Ich hatte einen kleinen musikverständigen Kreis geladen u. a. den General Ortner, Oberstleutnant Kramer, Oberfeldarzt Dr. Schneider, Hauptmann Hotina und mein Fräulein Heldal. Der Abend verlief außerordentlich interessant. Es entstanden sogar heftige Diskussionen. Kein Wunder, wenn die Themen Genie, Rasse usw. lauten. Bei solchen Gelegenheiten bin ich immer dankbar, mein Wissen etwas bereichern zu können, was auf dem Gebiet der Musik nun leider auch dringend nötig ist. [76] Sonnabend 18. April 1942 Diese Woche verlief ausnahmsweise ruhig. Man hat sich allerdings schon so an tägliche Aufregungen und Spannungen gewöhnt, dass sich »ruhige Wochen« fast langweilig auswirken. Und doch sind sie notwendig, denn Aufregung und Spannungen kosten nun einmal Nervenkraft – und die ist erheblich kostbar. Am 15. war ich zu der ersten Veranstaltung der deutsch-norweg. Gesellschaft eingeladen. Es wurde wider Erwarten ein ganz netter Abend. Mein Studienrat Dr. Christiansen hielt einen Vortrag über die deutsch norwegischen Beziehungen in der Vergangenheit. Umrahmt wurde die kleine Veranstaltung von den musikalischen Vorträgen des Duos Ehepaar Heuser163, zwei sehr sympathische Leutchen, die über beachtliches Können verfügen.
162 Georg Mantel, Professor für Klavier und Komposition an der Musikhochschule Karlsruhe. 163 Willy und Meta Heuser, Violine und Klavier.
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donnerstag 22. april 1942
Donnerstag 22. April 1942 Zu Beginn dieses Blattes lese ich noch eine Epistel über »ruhige Zeit«. Das hat sich plötzlich wieder erheblich geändert. Doch der Reihenfolge nach. Am Sonntag machte ich meine erste diesjährige Bootsfahrt. Der Kronprinz besitzt auf einer kleinen Insel (Solstråleøy) in der Nähe des Eingangs zum Hardangerfjord ein Sommerhäuschen. Der Besuch ergab, dass es allerdings für eine Inanspruchnahme für Erholungszwecke nicht in Frage kommt. Es ist ein völlig unmodernes und ungemütliches Haus. Auf anderen benachbarten Inselchen fanden wir allerdings entzückende Sommerhäuschen von reichen Bergen- [76r] sern. Sämtliche Insel[n] sind dicht bewaldet, und ich kann mir schon vorstellen, dass man hier ohne weitere Wünsche einen Sommer verbringen kann. Auf einer weiteren Insel entdeckten wir ein modernst eingerichtetes Hotel »Stord«, welches dem Bergenser Schiffreeder Wallem gehört. Hier möchte ich später einmal mit meiner Familie meine Ferien verbringen. Die Fahrt war wundervoll. Die Sonne brannte nur so. 6 Enten mussten »leider« daran glauben, die Wauer mit Meisterschuss erledigte, und die in meinen Kochpott wandern werden. Der 20. April (Führersgeburtstag) brachte eine Überraschung, leider aber nicht die Erwartete. Vormittags rief RR Dr. Hagemann an und teilte mir mit, dass ich mit Wirkung vom 1. Juni ab die Dienststelle Drontheim übernehmen soll. Ich betrachtete dieses Geburtstagsgeschenk mit etwas gemischten Gefühlen. Wohl ist D. die größere Dienststelle, vielleicht sogar die wichtigere[,] aber Bergen bleibt Bergen. Meine Dienststelle hier ist – ich darfs wohl sagen – jetzt ein »Musterstübchen« geworden, und in Drontheim muss alles erst wieder aufgebaut werden. Aber es ist nun einmal Krieg. Vielleicht ist dieser Wechsel auch gut. Es gibt wieder neue Arbeit, neue Erfahrungen und neuen – – – Ärger. Ich bemühe mich etwas krampfhaft, diesen Wechsel als das zu nehmen, was er eigentlich sein soll, eine Auszeichnung. Trotzdem hätte ich mir gerne eine andere Auszeichnung gewünscht. Ich werde nun morgen einmal nach Oslo fahren, um Näheres zu erfahren. Zu ändern wird allerdings wohl kaum mehr etwas sein. Abends am 20. brachte die Ortsgruppe der N. S.D.A. P. in meinem Festsaal eine Feier, auf [77] welcher, wenn auch leider kümmerlich, der Gaupropagandaleiter des Gaues Brandenburg sprach. Zum Abschluss des Tages und zwecks »Verdauung der Überraschung« habe ich zwei Flaschen Sekt das Leben ausgehaucht. Gestern, am 21. war zweijähriges Bestehen des Reichskommissariates. Ich erhielt den Auftrag[,] dienstfrei zu geben und abends eine Feier zu veranstalten. Morgens machte ich mit meinen Leutchen auf dem Floyen einen Frühschoppen. Nachmittags hatte ich das Ehepaar Heuser bei mir zum Kaffeetrinken, und abends fand die befohlene Feier in meinem Festsaal statt. Ich hatte die Kameraden der Sicherheitspolizei und des SD, sowie diejenigen der Schutzpolizei eingeladen, alles in allem gut 200 Gäste. Es wurde ein sehr netter Abend. Zwei Jahre RK – – – in drei Tagen sind es auch für mich 2 Jahre. – – –wie lange wird das Reichskommissariat noch bestehen, und wie lange werde ich 160
montag 27. april 1942
ihm noch angehören? Eines kann ich wohl sagen, ich habe noch nie so viel gelernt, wie in dieser Zeit. Auch mit meinem Werdegang kann ich zufrieden sein. Ich kam als wirtschaftlicher Mitarbeiter, bin nun seit fast 16 Monaten der beste Dienststellen Leiter und bekomme nun die größte. Und doch liegt etwas Unbefriedigtes in der Arbeit. Wohl haben wir wirtschaftlich viel, sehr viel geleistet, aber politisch? Meine frühere Auslandspraxis hat mir viel geholfen,164 von Anfang an eine klare politische Linie einzuhalten, die ich häufig genug in diesen Tagebuchblättern erläutert habe. Aber was nützt mir das, wenn Oslo immer einen anderen [77r] Weg geht? Ich stehe immer noch auf dem Standpunkt, dass wir in Bezug auf die innerpolitische Ordnung dieses Landes hätten anders verfahren müssen. Wir wären vielleicht heute dem Ziel näher gewesen, aber ein Zurück gibt es heute nicht mehr. Nicht nur, dass wir uns das Leben schwerer als notwendig gemacht haben, nein[,] auch Quisling und NS haben wir die Arbeit erschwert. Es ist aber immer wieder dieselbe Feststellung. Wir glauben, Alles organisieren zu können[,] und vergessen dabei, dass jedes Organisieren, das einer natürlichen, organischen Entwicklung zu weit vorausläuft, diese natürliche Entwicklung letzten Endes hemmt. Und – künstliches Organisieren ist garnichts, natürliches Werden alles. Die Kunst des Politikers besteht nicht zuletzt darin, die Voraussetzungen des Werdens und Wachsens zu ergründen, um mit den gewonnenen Erkenntnissen den Entwicklungsprozess wie ein Arzt auf ein gewünschtes Ziel hin zu beschleunigen. Um bei dem Beispiel des Arztes zu bleiben, jede zu große Dosis Medizin, jede Pille, die nicht die Konzeption des Körpers genau berücksichtigt, wirkt als Rückschlag, ja trägt die Gefahr des tödlichen Ausgangs in sich. Wir sind noch lange nicht ein politisch »reifes« Volk. Vielleicht gehört auch dazu ein organisches, d. h. ein zeitbedingtes Wachsen und Werden. Montag 27. April 1942 Nun liegt die Osloreise hinter mir und damit eine erhebliche physische Anstrengung. Am Donnerstag (23. April) mittags 13.50 fuhr ich mit Ungewitter ab. Ankunft Oslo 24. acht Uhr. [78] Es wird höchste Zeit, dass wieder Schlafwagen eingestellt werden. So 18 Stunden auf der Bank sitzen ist wirklich kein Vergnügen. Im Hotel Bristol badete ich erst einmal. Wenn man berücksichtigt, dass der Zug über 500 Tunnels durchfährt, kann man sich den Schmutz vorstellen, mit dem man beehrt wird. Dann ging ich zum Storting. Im Vorzimmer von Koch und Otte fand ich meine Konkurrenz, nämlich von der Goltz aus Drontheim vor. Er war ebenfalls nach Oslo gekommen, um über seine »Absetzung« zu verhandeln. Er wollte auf jeden Fall in D. bleiben. Ich versprach wirklich gerne, ihm hierbei zu helfen. Doch seine Unterhaltung mit Koch verlief – wie nicht anders zu erwarten – ergebnislos. Anschließend eröffnete mir Koch dann, dass der RK endgültig diesen Wechsel verfügt hätte, und dass ich schon zum 15. Mai 164 Christen bezieht sich hier wohl auf seine Reisen nach Lateinamerika, wo er geschäftliche Interessen mit Auftritten für die NS-Auslandsorganisation verbunden hatte.
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montag 27. april 1942
die neue Dienststelle zu übernehmen hätte. Nach Bergen käme der Kreisleiter aus Essen, Pg. Hütgens.165 Ich könne jedoch ab 15. erst einmal meine Heimatferien nehmen, worauf ich allerdings aus besonderen Gründen auch großen Wert legte. Hütgens sollte schon am 6. oder 7. nach Bergen kommen, um dann von mir eingearbeitet zu werden. Außer meiner Sekretärin dürfe ich jedoch keine Kräfte mit nach D. nehmen. Der RK hätte die Absicht meiner Versetzung schon vor einem halben Jahr gehabt – – – Mittags aß ich mit meinem nunmehr endgültig abgesetzten Kollegen von der Goltz im Bristol. Er kann ja wirklich toll angeben, der gute Junge. Wenn es nach seinen Worten ginge, würde ich direkt ein Paradies übernehmen, wobei besagter paradiesischer Zustand natürlich ausschließlich ihm zu verdanken sei. Ich bin allerdings über die Zustände anders unterrichtet – leider – sonst [78r] würde ich nicht mit so viel Vorbehalten nach D. gehen. Abends hatte Carlo Otte eingeladen, und zwar die noch verbliebenden Männer, die vor zwei Jahren im ersten nach Oslo fliegenden Flugzeug waren, wie Baudisch, Berghold, Sattler, Ahlbrecht, de Vries und Edye.166 Es wurde ein netter Abend mit viel Whisky und Cognac. Um 5 Uhr morgens langte ich wieder im Hotel Bristol an. Mittags am Sonnabend musste ich die Rückfahrt wieder antreten, denn in Bergen war inzwischen die Kammmersängerin Emmi Leisner167 eingetroffen und zu Sonntag Abend hatte ich ihretwegen Gäste in mein Haus geladen. Wieder die schmutzige und langweilige Fahrt. Um 9.30 Uhr am Sonntag (26. 4. 42) langte ich in Bergen an. Zuerst wieder in die Badewanne. Dann kommt eine unangenehme Überraschung. Mein Huxhagen meldet mir telephonisch, dass an diesem Morgen um 7 Uhr zwei Kameraden von der Sicherheitspolizei, Hauptsturmführer Berns und Untersturmführer Bertram[,] von norweg. Secret Service Männern erschossen worden seien.168 In der Absicht, auf einer Insel vor Bergen Englandfahrer festzunehmen, waren sie auf ausgebildete Secret Service Männer gestoßen, denen es gelang[,] Berns und Bertrams nach mörderischem Kampf zu erschießen [und] einen dritten SP Führer schwer zu verletzen. Erst dem hinzukommenden 4. und letzten SP Mann gelang es gottseidank, den einen Gegner zu töten und den andern kampfunfähig 165 Peter Hütgens (1891-1945) war seit 1937 NSDAP-Kreisleiter in Essen. 166 Dr. Roman Baudisch (1905-1979), vgl. Fußnote 36; Oberregierungsrat Gerhard Berghold (Reichswirtschaftsministerium), ab Frühjahr 1943 Leiter der Abt. Außenwirtschaft in der Hauptabteilung Volkswirtschaft; Rudolf Sattler, ehemaliger Reichsbankdirektor und Beauftragter des RK bei der Norges Bank; August Ahlbrecht, Leiter der Abt. Ausfuhrwirtschaft und Bergbau der Hauptabteilung Volkswirtschaft bis 1943; John Alfred Edye (1883-1966) Hamburger Schiffsmakler und Reeder, als Schifffahrtssachverständiger beim RK (vgl. Helge Paulsen, Reichskommissar vs. Wehrmachtbefehlshaber, in: Robert Bohn u. a. (Hrsg.), Neutralität und totalitäre Aggression. Nordeuropa und die Großmächte im Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 1991, S. 149-168, bes. S. 153). 167 Emmi Leisner (1885-1858), Opern- und Konzertsängerin, Altstimme. 168 Es handelte sich um Angehörige der Special Operations Executive (SOE), eine britische Spezialeinheit, die auf subversive Aktionen hinter den feindlichen Linien in verschiedenen besetzten Ländern spezialisiert war.
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montag 27. april 1942
zu schießen. – – – An Schlaf war aber auch aus einem anderen Grunde nicht mehr zu denken. Das Radio meldete, dass der Reichstag einberufen war und der Führer noch nachmittags sprechen würde. Die Rede des Führers war mir unverständlich. Ich kann keinen Grund zu solch einer Rede entdecken.169 [79] Das Ermächtigungsgesetz allein konnte eigentlich kein Grund sein, denn praktisch besaß Hitler bereits alle gewünschten Vollmachten. Was steckt dahinter? – – – Um 20 Uhr fand dann das Konzert mit Emmi Leisner im Festsaal meiner Dienststelle statt. Es wurde wieder ein großes Erlebnis. Diese Frau ist wahrhaft eine »königliche Frau« sowohl in ihrer Kunst als auch in ihrer Haltung. Eine geniale Leistung ist es schon, sich über die vielen Jahrzehnte hinweg immer leistungsstark zu halten, denn Emmi Leisner ist – sage und schreibe – schon 62 Jahre alt. (Offiziell wird ihr Alter mit 54 Jahren angegeben). Sie wirkt aber tatsächlich wie Ende 40. Ihre Stimme war fast zu voll für meinen Saal. Das Publikum war hingerissen. Begleitet wurde sie von Generalmusikdirektor Prof. Volkmann (Duisburg)[,] einem feinsinnigen, sympathischen Menschen. Anschließend an das Konzert hatte ich Emmi Leisner, Prof. Volkmann, sowie den neuen Oberbürgermeister von Bergen Johanessen mit seiner Frau, den Vorsitzenden der deutsch-norweg. Gesellschaft Haugh mit Frau und einen Wiener Künstler namens Sieg zu mir geladen. Ich hatte wirklich nicht geahnt, dass dieser »Abend« erst am nächsten Morgen um 7 Uhr enden würde. Emmi Leisner ging schon – oder wohl besser gesagt – erst – um 1 Uhr 15. Mit ihr Prof. Volkmann, aber – – – er kam wieder, und dann folgten einige verdammt nette Stunden. Volkmann taute richtig auf und spielte einige entzückende Klavierstücke aus seiner Studentenzeit, so »Jou-jou, liebe kleine Jou-jou«. Auch Herr Sieg trug noch Einiges vor, und so [79r] war das Zusammensein – trotz der vorgerückten Stunde – immer stilvoll und immer interessant. Heute Mittag brachte ich die beiden Gäste zum Bahnhof, nachdem wir vorher noch im Bristol gefrühstückt hatten. Emmi Leisner erklärte mir, dass Bergen wieder einmal der Höhepunkt ihres Norwegenaufenthaltes gewesen sei. Es wird mir wahrlich schwerfallen, dieses nun fast selbstverständlich gewordene Lob auf Drontheim zu verlagern. Na, abwarten. Garnicht begreifen konnte Emmi Leisner ihren sympathischen Begleiter. Der liebe Volkmann schnurrte wie ein Kater und war vergnügt wie ein Kind. Es macht doch etwas aus, einmal richtig Mensch sein zu können, und nicht nur immer Generalmusikdirektor und Professor. – – – 169 Die Rede Hitlers im Reichstag ging einem entsprechenden Reichstagsbeschluss voran, wonach der »Führer« ermächtigt wurde, persönlich und ohne Einschaltung von Zwischeninstanzen seinen Willen z. B. im Bereich der Justiz durchzusetzen (RGBl. 1942 I, S. 247). Christens Einwand, Hitler verfüge ja schon über diese Möglichkeit, ist angemessen. In seiner einstündigen Rede widmete Hitler dieser Frage allerdings nur wenige Sätze und verbreitete sich ansonsten über die allgemeine Kriegslage. Vgl. Lothar Gruchmann: »Generalangriff gegen die Justiz«? Der Reichstagsbeschluss vom 26. April 1942 und seine Bedeutung für die Maßregelung der deutschen Richter durch Hitler, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 51 (2003), H. 4, S. 509-520.
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mittwoch 29. april 1942
Anschließend habe ich Stubaf Blomberg einen Kondolenzbesuch abgestattet. Der arme Kerl tat mir leid, er war erheblich mitgenommen. Berns war sein bester Mann und Bertram war ein alter Freund. Mit 4 Mann waren sie aufgebrochen. Berns und Bertram überraschten die beiden Norweger planmäßig in ihren Betten. Beide wurden herausgezerrt und in Pyjama bzw. Nachthemd an die Wand gestellt mit erhobenen Händen. Dann untersuchte Bertram das Bett. Ein kurzer Augenblick, den Berns ebenfalls für einen Blick zu den Betten verwandte, brachte das Unheil. Wer hätte annehmen können, dass diese Beiden in ihrer Nachtbekleidung noch hätten gefährlich werden können? Blitzschnell griffen die Beiden unter das Hemd und schossen ….. Beide trugen auf der Brust einen Gurt mit 4 Pistolen, Kal. 6,35. Bertram erhielt einen Kopfschuss und war sofort tot. [80] Berns erhielt aus nächster Nähe mehrere Lungenschüsse. Er muss sich wie ein Löwe dennoch gewehrt haben. Sein Körper wies gut 20 Einschüsse auf. Auf die Schießerei hin stürzte der 3. SP Mann herauf, erhielt jedoch gleich einen Schulterschuss, der seinen rechten Arm lähmte. Dann kam der 4. Mann. Er erschoss den einen, und verletzte den anderen lebensgefährlich. Wie hart das Gefecht war, geht daraus hervor, dass der eine Norweger noch im Todeszucken fast schoss. Zwei Kameraden mussten ihr Leben für Deutschland hingeben. Insbesondere Berns geht mir nahe, denn ich habe seit fast 2 Jahren eng mit ihm zusammengearbeitet. Doch ihr Sterben war nicht umsonst. Es scheint, als wenn nunmehr die gesamte Secret Service Centrale für Norwegen gefunden worden ist. Bis heute haben wir 300 Kisten Munition und Eierhandgranaten, drei Kurzwellensender, den neuesten Code, Sprengstoff, Brandbomben, Maschinenpistolen, Gift in Ampullen usw. gefunden. Aber auch Pläne über beabsichtigte Sabotageakte, über Anlaufpunkte für engl. U Boote, Abwurfplätze für engl. Flieger usw. – – – Ich nahm Stubaf Blomberg die Vorarbeiten für die Beerdigung ab. Sie soll am Mittwoch stattfinden. Mittwoch 29. April 1942 Wie ich schon erwartet hatte, kommt der RM [gemeint: RK] zur Beerdigung. Dieselbe findet nunmehr in ganz großem Rahmen am Donnerstag statt. Mein Festsaal ist zur Totenhalle geworden. Die Beisetzung wird ein Ereignis werden. [80r] Gestern Mittag frühstückte ich mit Halvorsen. Er bedauert es sichtlich, dass ich von Bergen fortgehe. Abends hatte ich Kommandant und Offiziere vom M1 bei mir zu Gast. Es wurde reichlich viel Whisky konsumiert.
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Sonnabend 2. Mai 1942 Die Beerdigung der beiden SS Führer wurde zu einem ganz großen Ereignis. Morgens um ½ 10 traf der RK mit Standartenführer Fehlis170, Reg. Präsident Koch, Senator Otte usw. ein. General Ortner war mit auf dem Bahnsteig. Um 10 Uhr begann die Trauerfeier in meinem Festsaal, der zu einer wundervollen Totenhalle umgewandelt war. Erschienen war[en] u. a. General Feuerstein171, General Ortner, Admiral von Schrader, Admiral Braune und alle maßgebenden Offiziere des Standortes Bergen. Fehlis hielt die Gedächtnisrede. Nach Beendigung der Feier wurden die Särge auf Lafetten gehoben. Der Trauerzug durch Bergen zum Friedhof Solheim war erhebend. Vorne Musik, dann eine Kompanie der Schutzpolizei, dann eine Kompagnie des Heeres, die Kranzträger, die beiden Lafetten, dahinter die Trauergäste mit dem RK an der Spitze, zum Schluss Abordnungen der norw. Polizei und der Hird. Die Beisetzung war schlicht und kurz. Nach der Beisetzung ging es zurück zur Dienststelle, wo Stubaf Blomberg den Gästen einen Teil der erbeuteten Waffen und Munition zeigte. Wohl jeder war den beiden toten Männern dankbar, dass diese Waffen nicht gegen uns los [81] gegangen sind. Durch eine Ungeschicktheit von R. Pr. Dr. Koch kamen er und ich um die Gelegenheit, mit nach Tellevaag [Telavåg] zum Tatort herauszufahren. Koch solle nachmittags die Dienststelle inspizieren, und so mussten wir beide zurückbleiben. Für die Fahrt nach Tellevaag hatte ich vom Admiral ein Schnellboot zur Verfügung gestellt bekommen. Schade. Mein Laden war natürlich rechtzeitig »unterrichtet«, sodass die Inspektion tadellos verlief. Um 18 Uhr traf sich die ganze Gesellschaft im Salonwagen des RK wieder. In Tellevaag waren inzwischen 5 Häuser gesprengt worden und die gesamte Einwohnerschaft währenddessen festgenommen und auf Vorpostenboote abgeführt. Die restlichen Häuser werden in den nächsten Tagen abgebrannt. Ein hartes Geschick, aber doch wohl das einzige Mittel, um die Küstenbewohner vor weiteren Dummheiten zu bewahren. Es ist nun einmal so, wenn es die Einsicht nicht tut, muss es die Angst machen.172 Um 20.10 Uhr rollte der Sonderzug wieder ab. Ruhe wird es allerdings vor meinem Urlaub kaum mehr geben. Morgen kommen OR Thiele und drei seiner Mitarbeiter.173 Ebenfalls die ersten »Vorläufer« 170 Heinrich Fehlis (1906-1945), Befehlshaber der Sicherheitspolizei (BdS) und des Sicherheitsdienstes in Norwegen, SS-Obersturmbannführer. Fehlis beging nach einem gescheiterten Fluchtversuch bei Kriegsende am 11. Mai 1945 Selbstmord. 171 Valentin Feurstein (1885-1970), General der Gebirgstruppe. 172 Vgl. den ausführlichen Bericht aus Bergen über die Vorgänge selbst und die Reaktion in der regionalen Bevölkerung in: Larsen u. a. (Hrsg.), Meldungen, Teilband II, S. 646 f. sowie 662 f. Die verhafteten Männer des Dorfes (268) wurden nach Sachsenhausen verbracht, ca. 60 von ihnen starben dort oder an den Folgen der Haft. 173 Es ist unklar, in welcher Funktion Thiele und sein Stab Christen diesen Besuch abstatteten. Thiele war ab Juni 1942 Leiter der Abteilung Preisbildung und Preisüberwachung in der Hauptabteilung Volkswirtschaft des RK.
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montag, den 11. mai 1942
des Deutschen Theaters aus Oslo, das am 7. seine Premiere gibt. Total kommen hierzu 153 Leutchen. Am 6. kommt mein pp. Nachfolger. Auch Otte hat sich für Ende nächster Woche für drei Tage angesagt. Inzwischen muss ich »abwickeln« und »Kofferpacken«. Das letztere ist nicht ganz leicht, denn so in zwei Jahren hat sich allerhand angesammelt. Na, Bartels hat sich angeboten, Kisten und Koffer mit einem Vorpostenboot nach Drontheim zu nehmen. [81r] Mittwoch, den 6. Mai 1942 Endlich ist das deutsche Theater aus Oslo eingetroffen. Huxhagen läuft wie ein Strandläufer herum und möchte am liebsten 100 Mann Bedienung für das Theaterensemble engagieren. Der Intendant Zindler, der mir einen Besuch heute machte, ist übrigens ein Hamburger, der vor seinem Berliner Engagement die Hamburger Staatsoper leitete. Er berichtete von den Schwierigkeiten seiner Aufgabe. Interessant war seine Aussage, dass ihm eines Tages der RK verboten hatte, Generaladmiral Böhm zu den Premieren einzuladen. Erst der Wink mit Goebbels konnte diese »kameradschaftliche Geste« wieder rückgängig machen. Sonnabend, den 9. Mai 1942 Mein Nachfolger ist noch nicht eingetroffen und hat auch noch nichts von sich hören lassen. Am Donnerstag (7. 5.) war Premiere mit »Zigeunerbaron«. Keine besondere Leistung, aber in Anbetracht der besonderen Umstände doch zu begrüßen. Die Landser werden ihre helle Freude an diesem teils sehr drastischen Stück haben. Anschließend an die Aufführung, zu der ich – wie üblich – den Standort Bergen geladen hatte, gab ich einen kleinen Empfang in meinem Kasino. Es wurde wieder eine sehr lustige und feuchtfröhliche Angelegenheit. Erst um 4 Uhr kam ich zur Ruhe. Am Freitag folgte eine weitere Premiere mit »Unter der Laterne«. Ganz ansprechender Tingel Tangel – wieder etwas für den Landser. Nicht unerwähnt möchte ich den Abend, oder eigentlich nur die drei Stunden bei dem [82] Admiral Westküste, von Schrader lassen. Nach der Premiere am Donnerstag, die schon um 15 Uhr stattfand[,] war ich zu um 20 Uhr zu Admiral von Schrader eingeladen, trotzdem ich schon kurz nach 11 Uhr den Empfang für das Theaterensemble hatte (nach der 2. Vorstellung). Es gab Hummer, Sekt und Whisky. Schrader hielt eine Festpredigt, und zwar auf Admiral Braune, Kapt. z. S. Strasser und … mich, da wir alle drei in den nächsten Tagen von Bergen scheiden müssen. Ich habe mich zu dieser Geste sehr gefreut. Montag, den 11. Mai 1942 Ich will schnell noch einige Zeilen schreiben, denn nachher kommt mein heute Morgen eingetroffener Nachfolger zu mir ins Haus. Sonntag abend rief Oslo an 166
sonntag, den 17. mai 1942
und meldete, dass Kreisleiter Hüttgens [sic] am Montag früh eintreffen würde – spät genug …. Der erste Eindruck ist nicht allzu günstig. Das typische Rauhbein mit Kulturtünche. Er wird es jedenfalls nicht sehr leicht haben, zumindest nicht bei der durch mich etwas verwöhnten Wehrmacht. Am Sonntag (10. 5.) gab die deutsch-norw. Gesellschaft auf dem Floyen ein Essen für das deutsche Theater Ensemble. Am Sonnabend Abend hatte ich Intendant Zindler mit seiner Frau, den Konsul Halvorsen und die Schauspielerin Gabriele Krasser bei mir zu Gast. Es wurde ein sehr netter Abend, wohl der letzte, den ich in meiner Dienstwohnung in Bergen gegeben habe. Halvorsen hatte noch drei Flaschen Rheinwein, Fürst Metternich’scher 1934, mitgebracht – ein wundervolles Tröpfchen. [82r] Sonntag, den 17. Mai 1942 Hamburg hat sein Frühlingskleid angelegt, ein herrlicher Anblick, den ich schon seit drei Jahren nicht mehr gehabt habe. Also ich bin tatsächlich in Hamburg gelandet, und – – Bergen ist tot, es lebe Drontheim. Aber ich will der Reihenfolge nach berichten. Die letzten Tage in Bergen waren wohl ein Höhepunkt für mich in Bergen. Der Dienstag (12. 5. 42) war mit Abschiedsbesuchen ausgefüllt. Vormittags Wehrmacht und norweg. Behörden. Nachmittags hatte ich erst eine Mittagessen Einladung von Herrn und Frau Bache, wo auch Konsul Halvorsen wieder anwesend war. Zum Kaffee war ich bei Frau Friele eingeladen. Zum 5 Uhr Tee bei Frau Starck.174 Um 23 Uhr begann mein Kameradschaftsabend für das gesamte Personal des deutschen Theaters in meinem großen Festsaal. Meiner Forderung nach »konzentrierter Fröhlichkeit« in Anbetracht des späten Anfangs, wurde reichlich nachgekommen, fast zu reichlich. Am Mittwoch hatte ich das Bergenser Offizierskorps zum Abschied-mittagsessen ins Hotel Bristol eingeladen. Admiral von Schrader hielt eine nette Ansprache. Sturmbannführer Blomberg (Komm. der Sicherheitspol. und des SD) sorgte für einen lustigen Zwischenfall. Er erhob sich und sagte, es sei nun wohl genug über den Dienststellenleiter Christen gesagt worden. Er vermisse jedoch etwas über den Antiquitätenhändler Christen. Er wolle das nachholen und mir als Zeichen der guten kameradschaftlichen Zusammenarbeit ein besonderes Geschenk überreichen. Unter dem steigenden Gelächter der Anwesenden wickelte er dann einen alten norweg. Holzkrug und eine alte japanische Vase aus, die er 174 Frau Friele war die Vermieterin, Ehefrau des Kaffeehändlers Friele. Das Ehepaar Bache und Frau Starck konnten nicht zugeordnet werden, jedoch findet sich in den Akten des Reichskommissariats (Eg/L 0010) die Beschwerde von Wolfgang Ungewitter, der in der Abteilung Volkswirtschaft der Bergenser Dienststelle tätig war, über seine (deutsche) Nachbarin, eine Frau Stark. Er wirft ihr vor, sich um 5 Uhr morgens bei ihm über die nächtliche Lärmbelästigung lautstark beschwert und dabei den Hausmeister und auch die norwegischen Mieter im Haus gegen ihn mobilisiert zu haben. In welcher Funktion sich Frau Star(c)k in Bergen aufhielt, ist unklar.
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sonntag, den 17. mai 1942
mir dann feierlich überreichte. Zu um ½ 6 Uhr hatte sich die Presse angemeldet, um ein Abschiedsinterview zu bekommen. [83] Um 19.30 gab mir meine Gefolgschaft eine Abschiedsfeier. Männlein und Weiblein hatten sich erheblich angestrengt. Zuerst ein prima Essen in meinen Kasinoräumem mit Festpredigt von St. Rat Dr. Christiansen (Mein Vertreter Reg. Rat Dr. Roenfeld kniff wieder einmal). Dr. Christiansen überreichte mir als Abschiedsgeschenk einen silbernen Zigarrenkasten, auf dessen Innenseite die Unterschriften sämtlicher Dienststellenangehörigen eingraviert war[en]. Von den Reinmachefrauen, die man unverständlicherweise an diesem Geschenk nicht partizipieren ließ, erhielt ich einen Messingaschbecher. Dann gings hinunter in unsere alte Trinkstube wo wir noch einige sehr vergnügte Stunden verlebten. Der Donnerstag (14. 5.) war für Kofferpacken vorgesehen. Man kann es ruhig aussprechen, und zwar mit einem Zitat von Kinau175 (Besorgen), »mit nix sind se anfungn, mit rein gornix, nu hebbt se allns.[«] 4 Koffer und 5 Kisten musste ich packen. Nachmittags machte ich noch einen Besuch bei Stensaker im Krankenhaus, der sich sichtlich freute. General Ortner, der mir durch den Hauptmann Peters am Nachmittag noch ein Abschiedsgeschenk der 69. Division überreichen ließ176 (ein geschnitzter Holzteller mit Widmung) hatte mir großzügigerweise seinen Salonsonderwagen zur Verfügung gestellt, der an den Sonderzug des Deutschen Theaters angehängt wurde. Als ich nun nachts um 1 Uhr auf dem Bahnhof erschien, traute ich meinen Augen kaum. Auf dem Bahnsteig eine erhebliche –Menschenmenge und … die Divisionskapelle. Und dann stellten sich fast alle bekannten Offiziere des Standortes, meine norw. Freunde (Oberbürgermeister mit Frau, Gauleiter [83r] Astrup etc.) und die Angehörigen meiner Dienststelle ein. Oberst Adlhoch177 hielt noch eine kleine Ansprache und ich …. war sprachlos. Die Kapelle schmetterte derweilen einen Marsch nach dem andern in die Nacht. Der Pressephotograph knipste, es war einfach toll, und ich war eigentlich froh, als sich um ½ 2 der Zug in Bewegung setzte. Es war doch zuviel »Angabe«, wenn sie mir – ehrlich gestanden – auch gefiel. Für mich war dieses ganze »Theater« der letzte Beweis, dass ich anständig und kameradschaftlich in Bergen gearbeitet habe. Auf dem Tisch im Salon lag noch ein Paket, das der Ritterkreuzträger und Pirat Bartels hingelegt hatte. Als ich es aufmachte, sah ich zuerst nur Papierschnitzel, doch dann kam noch ein Paket zum Vorschein, Als ich es schließlich auch ausgewickelt hatte, kam ein … Tampen178 zum Vorschein, kräftig in Öl
175 Zu Kinau (alias Gorch Fock) vgl. Fußnote 69. 176 Ortner war der Kommandant der 69. (Waffen-SS-)Division, der Christen mit seinem Eintritt in die SS angehörte. 177 Xaver Adlhoch (1893-1968), Kommandeur des 236. Infanterie-Regiments der 69. Infanterie-Division. 178 Auch Tamp, Ende einer Leine, in der seemännischen Umgangssprache auch ein ca. 80 Zentimeter langes Ende, mit dem der Bootsmann die Männer zur Arbeit »anhielt«.
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sonntag, den 17. mai 1942
getaucht. Zum Schluss ein Zettel mit »als letzten Gruß aus der Tigerhölle«.179 Ich habe herzlich gelacht und mich … gefreut. In Oslo erfuhr ich dann, dass man noch einen großen Streich mit mir vorgehabt hatte, der schließlich und glücklicherweise durch einen Fehler des Bahnhofsoffiziers nicht zur Ausführung kam. Wieder war Bartels der spiritus rector. Er hatte mit einigen Offizieren den Bahnhofsoffizier beschwatzt, meinen Salonwagen abhängen zu lassen, sodass der Zug ohne mich davon fuhr. Nach einer halben Stunde sollte der Zug dann wieder zurückkommen und mich doch noch abholen. Man stelle sich einmal den Erfolg vor. Es wird zur Abfahrt gepfiffen, die Kapelle spielt »Muss ich denn …«, ich mache die letzte heroische Anstrengung, indem ich am offenen Fenster mit erhobener Hand und betont ernstem Gesicht stehend zum letzten Mal Grüße, und ……. der Wagen bleibt stehen. Nicht auszudenken – das Gelächter. [84] In Oslo angekommen, begann dann wieder eine Toberei. Der bei Elimar de Vries bestellte und zugesagte Wagen war nicht da. So stand ich dann mit meinem Gepäck hilflos auf dem Bahnsteig und der Anschlusszug nach Schweden ging in 1 ½ Stunden, und … ich hatte noch kein Visum. Na, schließlich klappte alles doch noch. Das Visum sollte mir zwar erst am nächsten Morgen gegeben werden, aber schließlich hatte der gute Schwede ein Einsehen. Gar schnell war ich wieder »schlichter Mensch aus dem Volke« geworden. War ich bis Oslo im Salonwagen gefahren, so saß ich von Oslo bis Halden, d. h. über 4 Stunden erst einmal auf einem Koffer hinter der WC Tür. Der Zug war gerammelt voll, und ich konnte ja wirklich erst im letzten Augenblick kommen. Durch Schweden, Trelleborg[,] Sassnitz auf der Fähre, Sassnitz, Hamburg, wo ich schließlich gestern Abend gegen 10 Uhr ankam. Nun sitze ich bei einer Freundin meiner Frau, die uns »Wohnungslose« freundlich aufgenommen hat. Ein nicht sehr angenehmes Gefühl, ein Haus zu besitzen, nicht hereinzukönnen, weil es vermietet ist und bei Fremden kampieren zu müssen. Aber Hamburg ist schon jetzt im vielfältigen Blumenschmuck, und ich freue mich, wieder einmal in der Heimat zu sein. Morgen früh geht es mit Frauchen erst einmal nach Hahnenklee, wo wir einige Tage verbringen wollen, nächste Woche dann zu den Kinderchen, die in St. Peter an der Nordsee weilen. Etwas viel Reiserei für einen Urlaub, aber ich bin das Eisenbahnfahren nun schon genügend gewohnt. Was sind für norw. Verhältnisse schon 6 oder 7 Stunden Fahrt. Nicht mehr, als früher eine Hochbahnfahrt nach dem Baumwall … [84r]
179 In Anlehnung an die Kriegsbuchserie »Tiger der Fjorde« (seit 1940) hatte Bartels seinen Booten den inoffiziellen Namen »Tigerverband« gegeben und stiftete für sie die Ehrennadel des Tigerverbandes als eigene Auszeichnung. 1941 veröffentlichte er selbst in dieser Jugendbuchreihe den Erlebnisbericht »Tigerflagge heiß vor! Kapitänleutnant Hans Bartels erzählt«. Der Text wurde 2018 im militaristischen »Klarwelt-Verlag« neu aufgelegt.
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sonntag, den 31. mai 1942
Sonnabend, den 23. Mai 1942 Heute sind 1 Woche Ferien zu Ende. Gerda und ich sind nach dem Harz geflüchtet, um einmal allein zu sein. Am Montag 12 Uhr fuhren wir nach Hahnenklee, wo wir im Hotel Hannover unterkamen. Gemütlich ist das nun allerdings auch nicht. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass man überall nur »geduldet« ist. Aber warum sollte der Krieg sich hier nicht auch bemerkbar gemacht haben. Bedauerlich ist diesmal allerdings, dass Petrus es nicht allzu gut mit uns meint. Heute z. B. sind wir bis auf die Haut nass geworden. Direkt scheußlich ist das Hotelzimmer – wie nicht anders zu erwarten, völlig unpersönlich und primitiv; dazu kann man aus den Nachbarzimmern sogar Flüstern noch hören, was denn auch leider umgekehrt zutreffen wird. Morgen ist nun Pfingsten, und Pfingstmontag geht es schon wieder heim nach Hamburg. Sonntag, den 31. Mai 1942 Nun liegt auch der Besuch in St. Peter bei unseren Kindern hinter uns. Himmel, man könnte schwach werden, wenn man sich vorstellt, dass man die süßen beiden Kleinen nun wieder solange nicht sieht. Sie wachsen heran, ohne dass man an dieser schönen Zeit der Entwicklung teilhaben kann. Es sind inzwischen zwei Prachtexemplare geworden. Und gefuttert haben die Beiden, einfach unheimlich. Man konnte ernstlich Angst haben, ob der kleine Bauch nicht bald platzt, bzw. ob der Magen diese Mengen in bunter Reihenfolge auch wirklich vertragen kann. Materiell merken die Beiden glücklicherweise vom Krieg noch nicht allzu viel. Am Dienstag, d. 26. besuchte ich noch mein Kontor am Sandthorquai. Wie fremd wirken doch [85] die verweisten [sic] Räume. Werden sie jemals das alte Leben wieder sehen? Der gute Belke, der inzwischen Mitinhaber von Luttrop & Co. geworden ist, hat sich laufend rührend um die noch verbliebenen kümmerlichen Angelegenheiten gekümmert, d. h. im Wesentlichen für die Bezahlung der Rechnungen gesorgt. Auch dem Gau habe ich einen Besuch abgestattet. Wolff ist ein ganz großer Mann geworden mit einem Einkommen von mindestens 60.000 RM im Jahr. Kolossale Karriere. Leider vermaterialisiert er immer mehr. Schade. Meine Kippers180 sind im Hause mit Begeisterung aufgenommen worden. Ja, und dann die Fahrt nach St. Peter-. Etwas viel Eisenbahnfahrt eigentlich für Urlaubszeiten. Wenn ich nach einer so langen Trennung meine Kleinen wiedersehe, muss ich immer an die Rückkehr von Amerika im Dezember 1938 denken, wo Häsi auf dem Arm von Opa ganz vorn an der Quaispitze winkte, als der Ozeanriese »Cordillera« die Elbe heraufkam und bedächtig am Quai anlegte. Und das waren nur etwas über drei Monate Trennung. Im Hotel Stadt Hamburg war es schon etwas netter als im »Stadt Hannover« in Hahnenklee. Diese Tage 180 Geräucherte Heringe.
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sonnabend, den 6. juni 1942
waren doch der Höhepunkt meines Urlaubs. Wieder einmal die ganze Familie zusammen. Sonnabend, den 6. Juni 1942 »Es war einmal«, könnte man melancholisch singen, nämlich einmal der Urlaub und zum anderen Bergen. Zwei Tage sitze ich nun schon in Drontheim und versuche vergeblich, mich zu akklimatisieren. Ja, der Urlaub. Jedesmal, wenn diese Tage in der Heimat vorüber sind, könnte man stundenlang philosophieren …….. [85r] Drei Tage Bahnfahrt hin, drei Tage zurück, und dazwischen 14 Tage Heimat. Einen grundsätzlichen Fehler hat ja die Trennung. In praxi sieht doch alles etwas anders aus, als man sich vorher vorgestellt hat, oder – besser – als man es sich vorher »geträumt« hat. Der Hang zum idealisieren in Trennungszeiten hat viel gutes, aber auch Nachteiliges für sich. Wenig schön ist z. B. am Anfang schon die Bekanntschaft mit all den blöden Meckereien der Etappe »Heimat«. Es ist jammerschade, dass es immer noch so viele Menschen gibt die von dem großen Zeitgeschehen nicht eine blasse Ahnung haben, und denen nur eines heilig ist – ihr Bauch. Noch heute könnte ich mich ärgern, wenn ich an all die Leute denke, die nur ein Fühlen und denken haben, wie komme i c h bestens durch – – und draußen sterben tausende den Heldentod für Deutschland, stehen Millionen an den Fronten im harten Einsatz. Kümmerliche Epigonen. Und dabei geht es der Heimat noch so gut. Jeder wird satt, alles läuft noch gut gekleidet umher, keiner friert. Da hört man immer wieder das Gerede von Inflation. Himmel ist das blöd. Wenn diese Idioten schon nichts von der deutschen Währungspolitik verstehen, sollten sie sich wenigstens über die letzte Konsequenz des totalen Krieges im Klaren sein. Glauben denn diese Narren etwa, das sie im Falle des Verlustes des Krieges ihre pp. »Sachwerte« retten könnten? – Siegen wir, ist das sogenannte Problem der Inflation ohnehin gelöst, verlieren wir, verbleibt dem Einzelnen weder Geld noch irgendwelches Gut. Man hätte doch eigentlich an dem Russen lernen sollen. Genau so wird es bei uns sein, denn es ist nun einmal ein weltanschaulicher Kampf. Jedes Haus wird ein Bunker, [86] jeder Fuß Boden zäh verteidigt, und … jeder hart und entschlossen von uns selbst umgelegt, der kapituliert oder versagt. Es gibt nur zwei Alternativen, entweder totaler Sieg oder Untergang Europas incl. unserer Feinde, denn gekämpft wird bis zum letzten Atemzug und Mann. Und welches an diesem Krieg beteiligte Volk hätte unter den derzeitigen Umständen mehr Veranlassung, an den Sieg zu glauben, als das deutsche? – Ja, Urlaub, man könnte viel darüber schreiben. Eines hat mir gefehlt diesmal – mein Haus. So immer bei anderen Leuten hospitieren, ist wirklich kein erfreuliches Gefühl. Da hat man sein eigenes, ja fast möchte ich sagen, geliebtes Haus und – – – drinnen wohnen fremde Leute. Es war eine eigenartige Situation, als ich am letzten Sonntag in meinem eigenen Haus einen Besuch machte. Unser guter Perser, Herr Bousheri hat es zwar prima gehütet, aber er bleibt doch ein »Eindringling«[,] wenn auch mit unserer Zustimmung. Es freut mich schon 171
dienstag, den 9. juni 1942
jetzt, dass im Herbst Frauchen und die Kinder wieder einziehen, wieder »Besitz ergreifen« von dem[,] was uns gehört, und was wir in früheren Jahren gemeinsam aufgebaut haben. Am Montag (1. 6.) 9 Uhr verliess ich Hamburg wieder. Butzl181 stand auf dem Bahnhof und winkte, bis der Zug verschwand. Im Zug traf ich Frl. Zeininger, die von Köln kam, das in der vorletzten Nacht den weitaus schwersten engl. Angriff auf eine deutsche Stadt ausgehalten hatte. Das alte Köln gehört für ewig der Vergangenheit an. In Sassnitz traf ich Herrn Haugh, den Vorsitzenden der deutsch-norweg. Gesellschaft in Bergen, der auch nach Norwegen zurück wollte. Ein guter Umtrunk an Bord der [86r] Schwedenfähre verkürzte uns die Überfahrt nach Trelleborg. Glücklicherweise erwischte ich noch ein Schlafabteil, aber die Fahrt dauerte endlos lange. Am 2. gegen 15 Uhr trafen wir in Oslo ein, jedenfalls zu spät, um noch den Anschlusszug nach Drontheim zu bekommen. In Oslo war ich nachmittags und abends Gast bei Carlo Otte, der nun auch endgültig noch für längere Zeit in Norwegen verbleiben muss. Am 3., 15.40 Uhr ging es weiter nach – – –Trondheim mit all den Koffern und Kisten. Am 4. um 8.05 Uhr kam der Zug hier oben an. Am Bahnhof waren Forstmeister Köhler und Reg. Insp. Klaassen182, die uns erst einmal nach Leangen – meiner neuen Dienstwohnung – herausbrachten. Schnell gebadet und rasiert, gefrühstückt und um 12 Uhr wieder in die Stadt in die Dienststelle Stiftsgaarden. Köhler stellte mir meine neuen Mitarbeiter vor. Mein bisheriges Urteil ist, die Dienststelle von der räumlichen Seite aus gesehen – ist ein Saustall, die Männer sind verlottert[,] aber qualitativ gut, die Führung der Dienststelle aber war unter aller Kritik. Na, es wird schon anders werden. Es war sehr gut, dass ich Drontheim schon kannte, und dass ich es mir eigentlich so schlecht vorgestellt hatte, dass ich keine Enttäuschung erleben konnte. Was die Dienstwohnung belangt[,] bin ich sogar angenehm überrascht. Es ist ein großes, geräumiges, nett eingerichtetes Haus, das nach einigen Umstellungen des Mobiliars schon sehr wohnlich sein wird. Geradezu unwahrscheinlich gut ist die Verpflegung, gehört das Haus doch zu einem Gutshof, der wiederum dem Inhaber des großen Hotels Britannia gehört. Also – privat – wenn man es so nennen darf, werde ich es wohl besser haben als in Bergen. Wenigstens ein Trost, wenn auch ein schwacher – bisher. [87] Dienstag, den 9. Juni 1942 Ich habe die Dienststelle eigentlich überraschend schnell »erobert«. Von der Goltz hatte sich während seines ganzen halbjährigen Aufenthalts in Trondheim nicht durchsetzen können. Ich kann zu meiner Freude feststellen, dass Männlein und Weiblein schon jetzt in »Reih und Glied mitmarschieren.« Etwas unbeque181 Kosename für seine Frau Gerda. 182 Beide waren Mitarbeiter der Dienststelle Trondheim. Laut dem von Christen entworfenen Geschäftsverteilungsplan war Köhler der Leiter Abteilung II (Volkswirtschaft) D (Forst- und Holzwirtschaft). Klaassen war Leiter des Zentralbüros. Vgl. Bericht Christen an Terboven, 8. Juli 1942 (Reichskommissariat Eba L0006/0002/IZO 18).
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dienstag, den 9. juni 1942
mer ist es ja für sie, als früher. Sehr unangenehm ist es ihnen vor Allem, dass der Dienst jetzt pünktlich um 7.30 Uhr anfängt. So etwas hat es nie gegeben – auch nicht bei Eltzholz183, der erst immer gegen Mittag in die Dienststelle kam, genauso von der Goltz, den die Dienststelle nur jeden Mittag zwei Stunden zu Gesicht bekam. Bestimmen tat der Reg. Insp. Klaassen, der die Führung der untergeordneten Mitarbeiter ganz an sich gerissen hatte, während die Abteilungsleiter bzw. Referenten sich – abgesehen von ihrer eigenen Arbeit – sich [sic] überhaupt um nichts kümmerten. Die Verwaltungsarbeit war vollkommen verludert, die Wirtschaftsarbeit im höchsten Maße kümmerlich. Von einer einheitlichen Führung der Dienststelle gar keine Spur. Man kann nur mit dem Kopf schütteln, wenn man erfährt, wie sich mein Vorgänger benommen hat. Kurz und gut, die RK Dienststelle Trondheim spielte eine völlig untergeordnete Rolle in dieser Stadt. Die Wehrmacht machte, was sie wollte, und die Norweger kümmerten sich ebenso wenig um die »Vertretung des RK«. Es wird ein gutes Stück Arbeit kosten, diesen Saustall wieder auszurichten und in Schwung zu bringen. Das Dienststellengebäude war ebenfalls vollkommen verludert und verdreckt. Die Angestellten saßen meist in den Gängen, da die Raumverteilung mehr als blöd war. Die drei Reinmachefrauen machten scheinbar mehr in Tratsch als [87r] die Räume rein. Die Fenster wurden nur bei »hohen Besuchen« geputzt. In dieser negativen Kritik könnte ich noch seitenweise fortfahren. Weder Geschäftsverteilungsplan, Geschäftsordnung, noch Dienstschilder, nicht einmal Dienstflaggen waren vorhanden. Usw. usw. Na[,] das wird anders, und zwar recht schnell. Den neuen Raumverteilungsplan habe ich schon fertig. Das Haus wird innen renoviert, der eine Flügel erhält Zentralheizung, einige große Räume werden zweckmäßig aufgeteilt, und die Männer so gesetzt, wie es in Anbetracht ihrer Arbeitsgebiete zweckdienlich erscheint. Es ist ja nicht ganz leicht, in dem völlig ausverkauften Drontheim noch etwas aufzutreiben, aber so oder so werde ich die Dinge, die für die Renovierung und Ausstattung notwendig sind, schon beschaffen. Man hat ja schließlich in zwei Jahren Norwegenaufenthalt viel gelernt, und wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Mein neuer Geschäftsverteilungsplan ist in seinen Grundzügen auch schon fertig. Ich habe die Männer – ehrlich gestanden – erheblich übergefahren. Aber es war notwendig, sonst hätte ich vor lauter Prestigeschwierigkeiten überhaupt nichts erreicht. Jeder nannte sich ja »Abteilungsleiter«. Jetzt habe ich alles in 4 Gruppen eingeteilt und damit gleichzeitig »Gruppenleiter« geschaffen – also den Einen befördert und den Anderen nicht weh getan. Am schwersten fällt den Leutchen allerdings das Aufstehen, mir allerdings auch. Aber in den nächsten drei Monaten werde ich regelmäßig um 7.30 Uhr erscheinen, denn auf die Dauer und durchschlagend hilft immer nur das gute Beispiel. Im übrigen halte ich es bei meinem in Bergen ausprobierten Rezept – »nicht schimpfen, nur pflaumen« und zwar in Richtung Ehre. [88]
183 Der Vorgänger seines Vorgängers von der Goltz. Weitere Angaben ließen sich nicht ermitteln.
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sonnabend, den 13. juni 1942
Am Montag morgen habe ich den ersten Gefolgschaftsappell abgehalten und kurz meine Auffassung von der mir gestellten Aufgabe und der Art, wie ich sie durchzuführen gedenke[,] erläutert. In Anbetracht der vorgefundenen unkameradschaftlichen Verhältnisse habe ich auch keinen Zweifel darüber gelassen, dass ich gegen jede Unkameradschaftlichkeit schärfstens vorgehen werde. Ich habe ja so meine diesbezüglichen Erfahrungen aus Bergen und werde hier von Anfang an erheblich aufpassen. Am Montag nachmittag fand dann die erste Referentenbesprechung statt – eine bis dahin unbekannte Angelegenheit. Auch hier habe ich den Männern klaren Wein eingeschenkt, erstens von meiner bisherigen Meinung über die Dienststelle, und zweitens von meinen Absichten. Ich erklärte u. A., dass ich nun einmal den Fehler hätte, meine Nase in Alles hineinzustecken, dass ich dennoch aber nicht gewillt sei, diesen Fehler in T. abzulegen. Im Gegenteil beanspruchte ich die eindeutige Führungsgewalt und hätte nun einmal den Ehrgeiz, aus diesem bisherigen Saustall die erste Dienststelle des RK zu machen. Erfreulich ist dabei, dass ich restlos auf vollstes Verständnis gestoßen bin. Ich glaube fast, etwas von meinem Ehrgeiz auf die Männer übertragen zu haben. Mit sofortiger Wirkung habe ich auch das Tagespostsystem eingeführt. Auch der Posteingang geht jetzt ausschließlich über mich, sodass ich durch Posteingang und Tagespost laufend über alle Angelegenheiten und die Art ihrer Erledigung unterrichtet bin. Den Reg. Ass. Dr. Freiherr von Stackelberg habe ich von der Leitung der Wirtschaftsabteilung entbunden und [88r] ihm die Verwaltungsabteilung gegeben. Er scheint übrigens ein außerordentlich intelligenter Mann zu sein und sticht damit wohltuend von der Schlafmütze RR Dr. Roenfeld in Bergen ab. Schade, dass er schlecht hört und auch einen kleinen Sprachfehler hat. Gestern (Montag, den 8. 6.) habe ich den ersten Fylkesmann aus meinem Bereich kennengelernt, und zwar Per von Hirsch184 vom Nordland Fylke. Von dem Nordland Fylke habe ich allerdings nur die südliche Hälfte, während die nördliche Hälfte zur Dienststelle Narvik gehört. Mein Bereich ist übrigens erheblich groß – 3 ½ Provinzen, die Stadt Trondheim und eine Anzahl kleinerer Städte, wie Alesund, Molde, Christiansund, Namsos, Bodø usw. Ich habe die Qkm und Einwohnerzahlen noch nicht ausgerechnet, aber ungefähr ist mein jetziger Bereich doppelt so groß wie mein bisheriger, und die Einwohnerzahl ist fast doppelt so hoch. Allein die Luftlinie meiner »Küstenlänge« beträgt über 800 km, eine ganz niedliche Entfernung. Sonnabend, den 13. Juni 1942 Die »Hast« geht weiter. 22 Antrittsbesuche liegen hinter mir, u. a. bei General der Kavallerie Brandt – Höheres Kommando XXXIII, General Schmidt, Kommandeur der 181. Inf. Division185, Admiral Siemens – Admiral Nordküste, 184 Per Einarssøn von Hirsch (1902-1987). 185 Georg Brandt (1876-1945); Kurt Schmidt (1891-1945), Generalleutnant, Kommandant der Besatzungstruppen im Raum Trondheim.
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sonnabend, den 13. juni 1942
Admiral Eichel – KMW186 usw. Bisher habe ich alle Besuche in Zivil ausgeführt, der Hauptsturmführer passt nicht so recht …. Am Mittwoch den 10. war ich beim Fylkesthing [Fylkestinget] (Provinziallandtag) von Nord-Trøndelag in Måre [Mære]. Den Fylkesmann Eggen kann- [89] te ich schon von meinem kurzen Dezemberbesuch in Trondheim.187 Er ist ein tüchtiger und auch sehr sympathischer Mann. Der Gauleiter Martens scheint dagegen ein Weihnachtsmann zu sein. Anwesend waren auch der Minister Lippestad188 mit seiner Frau, einer geborenen Schwedin. Lippestad hatte ich schon in Bergen kennen gelernt, er ist einer der angenehmsten Vertreter der Quisling-Regierung. Während der dreistündigen Autofahrt nach Måre hatte ich Gelegenheit, etwas von der Landschaft zu sehen, die unserer Schleswigholsteiner Gegend etwas ähnelt – natürlich die Berge abgerechnet. Auch der Menschenschlag hat Ähnlichkeit mit unseren norddeutschen Bauern. Es gab prima zu Essen, ein unendlich langes norweg. Palaver und zum Schluss Volkstänze im Saal. Um 1 Uhr traten wir die Rückfahrt an, und zwar mit 5 Mann in dem kleinen Mercedes V 170. U. a. fuhr der Bischof Lothe189 mit, ein außerordentlich netter Mann. Kurz nach 4 Uhr war ich im Haus. Dennoch stand ich um ½ 7 Uhr wieder auf und zwar aus dem gehässigen Grund, meine beiden Hausgenossen Sauerteig und Harlos190 etwas zu beschämen. Beide waren am Tag vorher erst um ½ 2 Uhr nach Hause gekommen. Am anderen Morgen lag auf dem Frühstückstisch ein Zettel, dass sie in Anbetracht ihres »späten« Nachhausekommens etwas später aufstehen würden. Am Freitag hatte ich meine ersten Gäste in Leangen. Minister Lippestad und Frau, Fylkesmann Grundtvig und Frau, Fylkesmann Eggen und Fylkesfører Martens aus Steinkjer (Nordtroendelag).191 Alle waren auf der Durchreise nach Oslo. Heute Nachmittag hatte ich »Bergenser« zu Besuch. Mein ehem. Fischreferent Lohmann war auf der Durchreise nach Tromsoe, wo er meinen eben- [89r] falls ehem. Fischreferenten Dr. Kühne ablösen sollte. Da er gerade vom Urlaub aus der Heimat gekommen war, konnte er allerdings nicht viel berichten. Dr. Roenfeld hatte behauptet, mit dem »Neuen« könne er besser zusammenarbeiten als mit mir, was ich sehr wohl glaube, da dem guten Hütgens wohl nicht aufgefallen ist, was für ein Taps und Schlafmütze der Roenfeld ist. Ludat sei zum Militär
186 187 188 189
Vizeadmiral Eduard Eichel (1880-1956). KMW steht für Kriegsmarinewerft. Torbjoern Eggen (1906-1984). Johan Andreas Lippestad (1902-1961), Sozialminister in der Quisling-Regierung. Einar Lothe war Dompropst in Trondheim. Er kooperierte mit den Besatzern, indem er – gegen den Einspruch der Kirche – Ordinationen für diesen genehme Bischöfe vornahm; vgl. Larsen, Meldungen, Teilband II, S. 682-684. 190 »Gauhauptstellenleiter« Sauerteig war Leiter der Abt. Volksaufklärung und Propaganda der Dienststelle Trondheim; Harlos war Leiter der Abt. Ernährung und Landwirtschaft. Vgl. Geschäftsverteilungsplan Trondheim, a. a. O. 191 Steinkjer ist das Verwaltungszentrum der Provinz Trøndelag, die zur Dienststelle Trondheim gehörte.
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dienstag, den 16. juni 1942
einberufen, was für mich allerdings eine große Genugtuung ist. Dieser Waschlappen war für mich die größte menschliche Enttäuschung in Bergen. Dienstag, den 16. Juni 1942 Am Sonntag den 14. hatte ich wieder hohen Besuch. Eine finnische Delegation war auf der Durchreise in Drontheim. Sie war im Flugzeug am Sonntagmorgen nach Bodø geflogen, um dort die Frostfilet192 zu besuchen. Abends hatte ich sie zusammen mit General Brandt, Oberst Jank193, Oberstleutnant Kutzer und Major Surand nach Leangen eingeladen. Es sind schon Pfundsburschen, diese Finnen. Nach wie vor finden »Gegenbesuche« statt – oder auch Antrittsbesuche bei mir. Man merkt, dass Trondheim ein großer Militärstandort ist. Heute war General Schmidt bei mir und Admiral Thiele, der Chef des Stabes beim Chef der Flotte. Beim Chef der Flotte, Admiral Schniewind194 soll ich Mittwoch meinen Besuch machen – hoffentlich an Bord der Tirpitz, die ich schon mehrere Male von Leangen aus im Fjord kreuzen sehen konnte. Sie ist übrigens raffiniert getarnt. Bug und Heck sind schneeweiß gestrichen. Der weitere Anstrich ist so, dass dieses riesige Schiff von Weitem viel kleiner aussieht. [90] Gestern hatte ich wieder Besuch. Was Besuche anbelangt, scheint Trondheim ein richtiges Bienenhaus zu sein. RR Dr. Hagemann, der »Finanzminister« des RK und Landesgruppenleiter Spannaus von der AO waren hier und nachmittags auch draußen in Leangen. Der Besuch von Hagemann war sehr »einbringlich«. Die Kosten für Renovierung und Ausbau der Dienststelle wurden bewilligt, ebenfalls ein Motorboot – notfalls aus Schweden. Abends nahm ich am Ortsgruppenabend im Deutschen Haus teil. Es war sehr dürftig. Mein RR. Dr. von Stackelberg hielt einen Vortrag über das Baltentum. Er ist Balte aus der Gegend von Riga. Im Saal kein Bild, keine Fahne. Der Ortsgruppenleiter noch mieser als es mein Wauer in Bergen schon war. Auch um diesen Laden werde ich mich künftig kümmern.
192 Die Frostfilet war 1939 als ein Zusammenschluss der norddeutschen »Nordsee – Deutsche Hochseefischerei AG« und Trondheimer Fischverarbeitungsfirmen gegründet worden, wobei die »Nordsee« den größten Anteil an der Gesellschaft hielt. Die Besatzung Norwegens führte dazu, dass die Trondheimer Eigner ihren Einfluss verloren und die Frostfilet faktisch dem Reichskommissariat unterstellt wurde. Die heutige Restaurantkette »Nordsee« ist aus dem deutschen Unternehmen hervorgegangen und heute mit ihm identisch. 193 Karl Jank (1897-1975), Chef des Generalstabes des Höheren Kommandos z. b. V. XXXIII und Befehlshaber Mittelnorwegen. 194 Otto Schniewind (1887-1964), Flottenkommandant Norwegen.
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Donnerstag, den 18. Juni 1942 Gestern habe ich meinen Besuch bei Admiral Schniewind gemacht – übrigens ein Prachtkerl. Leider fand der Besuch nicht auf der Tirpitz[,] sondern auf dem Flottentender195 Hela statt. Es war mein erster Besuch in Uniform in Trondheim. In Zivil auf einem Kriegsschiff mit »Seite pfeiffen«196 und sonstigen »Zeremonien« ist doch etwas Unmögliches. Abends war ich bei Flesch, dem Kommandør [sic] der Sicherheitspolizei und des SD, eingeladen. Es gab mal eine andere und nicht unsympathische Reihenfolge des abendlichen Geschehens. Zuerst wurden die Gäste in die »Sauna« gebeten, wo wir 15 Minuten lang weidlich schwitzten, allerdings von kalter Dusche unterbrochen. Dann gab es ein pfundiges Essen und hinterher hätte man am liebsten …. geschlafen. [90r] Anwesend war auch der gute Hauptmann Sonsalla, den ich noch aus Bergen her kannte, wo er den Seefliegerhorst leitete. Wider Erwarten dehnte sich dieser »Ausflug« erheblich lange aus, denn als ich Sonsalla so gegen 12 Uhr von Flesch mitnahm, um ihn in Lade wieder abzuliefern, eröffnete er mir, dass er seit einigen Minuten Geburtstag hätte. Als ich, am Ziel angekommen, mich noch weigerte, eine Flasche Geburtstagssekt zu trinken, öffnete sich die Tür und Oberst Mundt197 – der Luftwaffengewaltige von Trondheim – erschien (sichtlich in guter Stimmung). Da blieb nichts weiter übrig – also hinein. Im Kasino saßen noch drei Offiziere, darunter der Oberstleutnant Handrick – ehem. Olympiasieger im Fünfkampf und von Spanien an gerechnet schon 4 mal von den Feinden totgesagt.198 Diese Männer hatten zu Ehren von Handrick, der sich auf der Durchreise nach Finnland befand, schon erhebliche Mengen Sekt konsumiert. Nun wurde also der Geburtstag gefeiert …….. Ich hatte vor einigen Tagen Carlo Otte geschrieben, dass ich von Stackelberg aus der Wirtschaft herausgenommen hätte und dringend einen Wirtschaftsreferenten gebrauche. Heute erhielt ich von de Vries eine dumme Antwort. Bergen brauche angeblich vordringlich einen Wirtschaftsmann, was jedoch absolut nicht zutrifft, und – überhaupt – es sei z. Zt. sehr schwer, Männer zu bekommen. Na, ich habe Otte einen saftigen Brief geschrieben und gleichzeitig ein unzweideutiges Fernschreiben geschickt. Ich war einmal so dumm, Alles selbst zu machen, während andere Leute, vor Allem in Oslo – einen guten Tag leben, doch dafür bevorzugt dann äußere Anerkennungen erhalten. Ich habe jede Verantwortung für die Wirtschaftsarbeit [91] abgelehnt, wenn ich keinen diesbezüglichen Sachbearbeiter erhalte. Der Wirtschaftsoffizier des Wehrwirt195 Reparatur-, Bergungs- und Wartungsschiff. 196 »Seite pfeifen« ist eine Ehrenerweisung bei den Seestreitkräften verschiedener Nationen. Für Offiziere und hochrangige Gäste, die an Bord kommen oder das Schiff verlassen, wird mit der Bootsmannsmaatenpfeife »Seite« gepfiffen. 197 Werner Mundt (1890-1957), Kommando Flughafenbereich Trondheim. 198 Gotthard Handrick (1908-1978) gewann bei den Olympischen Spielen 1936 die Goldmedaille im Fünfkampf, ging zur Luftwaffe und nahm mit der »Legion Condor« am Spanischen Bürgerkrieg teil. Seit Mai 1942 war er in Norwegen stationiert.
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donnerstag, den 25. juni 1942
schaftsstabes z. B. hat 10 Mann für seine Arbeiten, die an und für sich nur einen kleinen Teil der mir übertragenen Wirtschaftsaufgaben ausmachen, und ich soll nicht einmal einen einzigen Hilfsmann erhalten. Kommt nicht in Frage – und wenn ich bis zum Vortrag bei Terboven gehe. Sonnabend, den 20. 6. 1942 Gestern hat General Brandt seinen Gegen- und gleichzeitig Abschiedsbesuch bei mir gemacht. Er ist seines Alters (64 Jahre) wegen vom Führer in die Heimat beordert worden, was sicherlich etwas bitter für ihn sein mag. Ich glaube, mit ihm wäre ich schon zurechtgekommen. Gestern Abend war ich beim Polizeipräsidenten Lange eingeladen.199 Anwesend waren noch der Bischof Lothe und Fylkesmann Grundtvik mit seiner Frau, auch Kreisleiter Schmidt.200 Montag, den 22. 6. 1942 Am Sonntag Vormittag musste ich in die Dienststelle. Admiral Schniewind hatte seinen Gegenbesuch angesagt. Mit diesem ausgezeichneten Offizier werde ich wohl guten Kontakt behalten können. Der Sonntag stand im Zeichen des Falls von Tobruk und des großen Sieges von Rommel.201 Vor Begeisterung habe ich sofort eine Pulle Champus aus dem Keller geholt. Diese Sondermeldung ist wohl die schönste seit dem verg. Jahre. Endlich haben die arroganten Engländer [91r] wieder direkt einen aufs Dach bekommen, und zwar gleich kräftig. Heute Nachmittag machte auch Oberst Rosenfeldt, der Kommandeur der Flak[,] seinen Gegenbesuch bei mir. Bisher kann ich wohl mit Recht hoffen, mit allen Offizieren des Standortes einen guten Kontakt halten zu können. Immer wieder klingt in der Unterhaltung durch, dass von der Goltz nicht sehr beliebt war. Er hat sich allerdings auch sträflich vorbei benommen, vor allem, wenn er zu reichlich dem Alkohol zugesprochen hatte. Donnerstag, den 25. Juni 1942 Heute hatte ich einen »seelischen« Reinmachetag, d. h. ich habe mir einige Männlein und Weiblein meiner Dienststelle vorgeknüpft und ihnen gewaltig ins Gewissen geredet. Den Fahrer Hähnel habe ich gehörig angepfiffen, weil er 199 Christopher A. H. Lange (1894-1989) war seit November 1941 Chef der norwegischen Polizei in Trondheim, die im Herbst 1942 die Verhaftung und Deportation der Trondheimer Juden ausführte. 200 NSDAP-Kreisleiter in Trondheim. 201 Am 21. Juni 1942 hatten die Briten in der von ihnen gehaltene Festung Tobruk in Libyen vor dem deutschen Afrika-Korps unter Generaloberst Erwin Rommel und seinen italienischen Verbündeten kapituliert.
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sonntag, den 28. juni 1942
um 8 Uhr noch im Bett lag anstatt um ½ 8 im Dienst zu sein. Frl. Ernst bekam einen pol. Vortrag zu hören. Sie hatte sich einer Norwegerin gegenüber abfällig über Zustände in der Heimat geäußert. Der faule norw. Hausmeister Aas [Ås] wurde auch in Schwung gebracht. Ich darf nicht locker lassen, bis der ganze Laden restlos in »Form« ist. Der gute Reg. und Baurat Handt schwitzt auch schon Blut. Seine etwas pedantische Art ist so garnicht geeignet für das Tempo, das ich verlange. Als ich erfuhr, dass der Garagenneubau im Hof meiner Dienststelle schon 1 Jahr dauerte, habe ich von Flesch 15 KZ Leute ausgebeten und ihm mit zwei Wachleuten auf den Hals gehetzt.202 Wenn ich nähmlich [sic] nicht »dahinter« sitze, dauert die Renovierung des Hauses z. B. [92] auch wenigstens 6 Monate. Heute habe ich mir auch die Teppiche bzw. Läufer für mein neues Dienstzimmer »organisiert«. Am Dienstag d. 23. kam Hagemann zurück von seinem Besuch in Narvik, Tromsoe und Kirkenes. Er fuhr abends weiter nach Oslo und zwar mit meinem Wagen und Fahrer. Der Fahrer wird von Oslo den versprochenen neuen Wagen mitbringen. Sonntag, den 28. Juni 1942 Nach langer Zeit scheint heute einmal wieder die Sonne wohltuend vom Himmel, allerdings zieht jetzt gerade ein Gewitter herauf, hier oben übrigens eine außerordentlich seltene Naturerscheinung. Doch bin ich garnicht so erfreut, denn schon seit 14 Tagen habe ich wieder keine Post von Frauchen. Es muss diesmal die Post sein, die Schuld an der Verzögerung hat, denn die liebe Gerda hat ja kürzlich erst anlässlich des Urlaubs erst wieder gehört, wie sehr ich auf ihre Grüße warte. So im Wochengedränge merkt man das garnicht so, dass da keine Heimatpost ist. Ich lebe ja fast in einer Arbeitsspannung, die alle privaten Gedanken ausschließt. Aber, wenn der Sonntag mit seinen Ruhestunden kommt, werden die Gedanken und die Erinnerung umso lebendiger. Am Freitag habe ich meinen Gegenbesuch beim neuen Befehlshaber Mittelnorwegen (Höheres Kommando XXXIII) Generalleutnant Engelbrecht203 gemacht. Er besuchte mich am Dienstag. Engelbrecht habe ich übrigens schon im Dezember 40 kennengelernt. Damals war ich im Gefolge Terbovens, der zusammen mit Karl Kaufmann dem E. [92r] in Lillehammer einen Besuch abstattete. E. ist ein sehr energischer und leicht eitler Mann, mit dem ich jedoch sicherlich gut auskommen werde. Meine umfassenden Vorschläge für Einspannung des Heeres für meine Arbeit hat er im Wesentlichen acceptiert. Am Freitag, den 26. 6. war ich von Admiral Schniewind auf der »Tirpitz« eingeladen, ein Besuch, auf den ich mich besonders gefreut hatte. Anwesend waren
202 Die Gefangenen könnten aus dem KZ Falstad oder dem Gefängnis Vollan bei Trondheim gekommen sein (Hinweis von Bjarte Bruland). 203 Erwin Engelbrecht (1891-1964).
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sonntag, den 5. juni [gemeint: juli] 1942
noch Admiral Thiele, Admiral Siemens und Oberstleutnant Busch204 von der Luftwaffe. Es gab ein vorzügliches Abendessen. Das Schiff ist wirklich imposant. Es »frisst« mal so eben so 60 Tonnen Öl im Liegen, 90 Tonnen bei Übungsfahrten im Fjord und 140 Tonnen während gefechtsbereiter Fahrt. Die Maschinenkraft kann bis auf 195.000 PS gesteigert werden, phantastisch, wenn man bedenkt, dass ganz Drontheim und Umgebung mit nur 38.000 PS auskommen. Gestern Abend hatte ich »meine« Männer zu einem Herrenabend nach Leangen eingeladen. Es wurde ein netter und vergnügter Abend. Sicherlich, weil man beim ersten Mal noch einen guten Eindruck machen wollte, besoff sich keiner und um 2 Uhr brach die Gesellschaft wieder auf. Inzwischen ist auch mein Fahrer mit dem neuen Mercedes von Oslo eingetroffen. Ein schöner Wagen mit Lederpolstern, Radio usw. Jedenfalls habe ich einen guten Tausch gemacht. Wenn ich diesen Wagen behalten könnte, würde ich sogar auf meinen geliebten Adler verzichten. [93] Donnerstag, den 2. Juli 1942 Am Dienstag, den 30. Juni war ich bei Oberstleutnant Strehlow (Schutzpolizei) eingeladen. Weiter geladen waren Oberst Jank vom Höheren Kommando, Stubaf Flesch und Polizeipräsident Lange. Das Niveau war nicht gerade überragend. Geärgert hat mich, dass man mich sowohl bei der Tischordnung wie auch bei dem anschließenden Zusammensein bewusst als »Hauptsturmführer« behandelte. Ich kann mir schon denken, dass mein alter Freund Flesch dahintersteht. Wenn man künftig nicht gewillt ist, mich als Vertreter des RK zu respektieren, werde ich bei derartigen Einladungen absagen. Die Versuche meiner ehem. Kameraden aus Bergen (SP)[,] mich von vorneherein als »kleinen Mann« abzudrängen, müssen jedenfalls im Keime erstickt werden. Gestern war Hillegaart hier- der plutokratische Drückberger [sic] mit dem EK II. Wie schon seinerzeit in Bergen beobachtet, ist er ohne die Begleitung durch sein Frauchen ganz vernünftig. Die Stimmung gestern war getragen von der Sondermeldung über den Fall Sewastopols.205 Es muss ein mörderisches Ringen gewesen sein. Gleichzeitig gab das OKW bekannt, dass die große Sommeroffensive begonnen hat. Endlich – – – Sonntag, den 5. Juni [gemeint: Juli] 1942 Am Donnerstag Abend war ich vom Fylkesfoerer zum Vortrag von Lunde und zum anschließenden Essen im Fylkehaus eingeladen. Minister Lunde sprach ziemlich kümmerlich. Er schimpfte buchstäblich auf die amerikanischen und
204 Herrmann Busch (1902-?). 205 Größte Stadt und sowjetische Festung auf der Krim, die nach langer, für beide Seiten verlustreicher Belagerung von der Wehrmacht eingenommen wurde.
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freitag, den 10. juli 1942
englischen Einflüsse in Norwegen. Norge müsse wieder restlos norwegisch werden, man müsse sich auf die alte gute norwegische Kultur besinnen. [93r] Jeder sogenannte Jössinger würde ihm darauf geantwortet haben, »warum kopiert ihr denn hundertprozentig das deutsche Parteiregime?« Bei dem darauffolgenden Abendessen lernte ich auch den Minister Prytz206 kennen, der früher Fylkesmann von Sør-Trøndelag gewesen war. Ein müder alter Mann, aber man sagt, seine Frau sei die treibende Kraft – wie eigentlich immer in Norwegen – . Ich habe ihn nun zu heute Abend nach Leangen eingeladen. Am Sonnabend war ich zur Eröffnung des Kameradschaftsheimes Vikhammer eingeladen. Das Heim ist von meiner Oberbauleitung Nord-West gebaut und dürfte eines der schönsten und gelungensten Heime dieser Art sein. Leider vergaß der pp. Dienststellenangehörige Oberbauleiter Fickert, mich als Vertreter des RK zu begrüßen. Wenn Formen auch bestimmt nicht das Entscheidende im Kriege sind, so ist es doch immer wieder notwendig, sie schon allein der Wehrmacht gegenüber einzuhalten, die ihrerseits peinlichst darauf bedacht ist. Heute Morgen schneite ein »Kaffeegast« bei mir herein, der gute Seltmann aus Hamburg. Er rief schon gestern an und glaubte, dass ich ihn für den Abend einladen würde. Trotzdem ich nichts besonderes vorhatte, bestellte ich ihn erst für heute Morgen, um seine Aufgeblasenheit etwas zu dämpfen. Na, er gab heute trotzdem an, wie zehn nackte Wilde – der gute Zahlmeister beim AOK. Montag, den 6. Juli 1942 Der gestrige Abend mit Minister Prytz, dem Ordfoerer Bergan, Frau Prytz und einigen Herren meiner Dienststelle verlief sehr nett. Das Gerede stimmte. Frau Prytz hat die Hosen an. [94] Freitag, den 10. Juli 1942 Tolle Aufregung diese Woche. Der RK hat sich angesagt zusammen mit Gauleiter Kaufmann, dem neuen Reichskommissar für die Seeschiffahrt207[,] und einem Schwanz von ca 15 Begleitern. Ca 6 mal ist das Programm schon geändert worden, und wenn die Männer erst da sind, gibt es bestimmt doch ein ganz anderes Programm. Ein Glück, dass mein Saal bzw. mein Dienstzimmer fertig geworden ist, sodass die Sitzungen jedenfalls in einem anständigen Rahmen abgehalten werden können. 18 Leute können um meinen Konferenztisch herumsitzen. Ich muss noch lächeln, wenn ich überlege, wie ich mir Alles zusammenorganisiert habe. Die Hauptsache aber ist, dass der Raum nun vernünftig aussieht. 206 Anton Frederik Winter Jakhelln Prytz (1878-1945), nicht zu verwechseln mit seinem gleichnamigen Vater, war Finanzminister der Quisling-Regierung. 207 Die Ernennung des Hamburger Gauleiters Kaufmann zum »Reichskommissar für die Seeschifffahrt« war am 30. Mai 1942 erfolgt. Kaufmann war damit zuständig für den gesamten zivilen Seetransport des Deutschen Reiches in Absprache mit dem OKW und den zuständigen Reichsministerien, insbesondere Görings »Vierjahresplan«.
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Mittwoch, den 15. Juli 1942 Also am Sonnabend, den 11. 7. 8.20 Uhr waren sie glücklich da, nämlich der RK, Gauleiter Kaufmann, Carlo Otte, Hauptabteilungsleiter Henne, ORR Schiedermaier, Stubaf Kaller, Abtlg.leiter Johlitz, Abteilungsleiter Grebe, Kapt. Kähler, Kapt. Schultz, Tegeler, Heinz Horn, und Hastufführer Raubenheimer.208 Vom Bahnhof ging die Fahrt in meine Dienststelle, wo ich als Erster das Vergnügen hatte, einen Vortrag über den Aufbau der Dienststelle und die aktuellen pol., wirtschaftl. und kulturellen Probleme des Dienstbereiches zu halten. Er gelang mir anscheinend gut. Alle meine in diesem Zusammenhang gebrachten Vorschläge wurden angenommen. Anschließend sprach Stubaf Flesch über seine Arbeit und zum Schluss Kreisleiter Dr. Schmidt über NS. Dann kamen der Hafenkapitän Müller und ein Kaleut von der KMW, die Bericht über die Hafensituation erstatteten. [94r] Daraufhin wurde der Hafen besichtigt. Der RK schimpfte weidlich über das angeblich schlechte Boot. Allerdings hätte der Primelpott von Reg. und Baurat Handt auch ein besseres Gefäß besorgen können. In Trondheim hatte sich der Besuch des RK herumgesprochen. In dichter Menge standen die Menschen vor meiner Dienststelle und vor dem Hotel Britannia, wohin ich zu um 14 Uhr die norweg. Staats- und Parteispitzen geladen hatte. Den Fylkemann Eggen hatte ich rechts vom RK gesetzt. Fylkemann Grundvig [sic] saß links von mir, mir gegenüber Gauleiter Kaufmann, neben ihm Fylkefører Rodstad und Ordfører Bergan. Zwischendurch kam Charly Probst und meldete, dass Minister Lunde auch im Hotel Britannia eingetroffen war. Auf meine Frage an den RK, ob ich Minister Lunde mit hinzuziehen sollte, erwiderte er, das er keinen Wert darauf legt, er hätte ihm erst vor einigen Tagen sagen lassen, dass er höchst erstaunt darüber sei, das Lunde die Dienstreise zusammen mit seiner Frau gemacht hatte. Um 16.00 Uhr fuhren wir raus nach Vikhammer zur Besichtigung des gerade vor einer Woche eingeweihten Kameradschaftsheimes der KMW. Wieder begrüßte uns der dicke Eichel, der uns schon morgens durch die Anlagen seiner KMW geführt hatte. Im Kaminraum hielt Hauptmann Haupt einen Vortrag über den Luftschutz Trondheims.
208 Willy Henne, Leiter der Hauptabteilung Technik beim RK, Generalbevollmächtigter für das Bauwesen; Rudolf Schiedermair, Leiter der Abteilung Verwaltung und Recht in der Hauptabteilung Volkswirtschaft; Oberregierungsrat und Sturmbannführer Keller (nicht: Kaller) war seit April 1941 Abteilungsleiter beim Befehlshaber der Sicherheitspolizei (BdS) in Oslo; Fritz Johlitz, Leiter der Abteilung Arbeit und Sozialwesen in der Hauptabteilung Volkswirtschaft; Friedrich Grebe, Abteilungsleiter in der Hauptabteilung Volksaufklärung und Propaganda; Otto Kähler (1894-1964) war zu diesem Zeitpunkt Marineverbindungsoffizier zum Reichskommissar für die Seeschifffahrt, also zu Karl Kaufmann; Hauptsturmbannführer Karl-Heinz Raubenheimer (1909-?), Führer für Weltanschauliche Erziehung (WE) und später Abteilungsleiter bei der Höheren SS und Polizeiführung (HSSPF) Nord; Heinz Horn konnte nicht zugeordnet werden.
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mittwoch, den 15. juli 1942
Um 20 Uhr hatte ich zu einem Essen ins Fjellsaeter Hotel [Fjellsæter Hotell] geladen. Außer dem RK und seinem Gefolge erschienen noch, Admiral Siemens, Admiral Eichel, General Engelbrecht, General Schmidt, Oberst Mundt, Oberst Jank, Oberstleutnant Dziobek, Oberstleutnant Busch, Kapt. Magnus, usw. Leider empfahl sich der RK schon um 11.30 Uhr wieder (um dann im Sonderzug Skat zu spielen und sich erheblich innerlich anzufeuchten[)]. [95] Ich brachte zwar den RK wieder zum Sonderzug, musste als Gastgeber aber wieder zurück zu Fjellsaeter Hotel, wo ich dann noch bis genau 4 Uhr morgens aushalten musste. Dennoch waren diese Stunden nicht ganz uninteressant. Es stimmt schon, dass man im Suff die Menschen kennen lernt. General Engelbrecht hatte sich schon gleich nach dem Fortgang von Terboven erheblich mit Admiral Siemens angelegt. Da Siemens ihn in eleganter Weise abfahren liess, suchte er weitere Opfer und fand eines leider in Henne, den er anscheinend vom Westen und vom Bau des Westwalles her kannte. Angeblich hatte Henne hier sich mal etwas zuschulden kommen lassen in Verbindung mit einem Führerbefehl. Diese sogenannte Tatsache wollte er nun benutzen, um Henne hundsgemein zu erpressen, der sich nun seinerseits reichlich ungeschickt benahm. Der Engelbrecht ist ein eitler Fratz, bei dem ich mich gewaltig vorsehen muss. Seine Attacken bei mir scheiterten hundertprozentig, da ich trotz manchen Tropfen Alkohols restlich nüchtern blieb und demgemäss geschickt parierte. Ja, Ja, so ein Abend kann sehr lehrreich sein. Um 4 Uhr machte ich gewaltsam Schluss, denn um 8 Uhr musste ich mich wieder zur Weiterfahrt im Sonderzug beim RK melden. Im Sonderzug war Katerstimmung. Die Männer hatten erheblich gesoffen. So langten wir schließlich gegen Mittag in Namsos an. Namsos liegt wunderschön am breiten Fjordarm, von hohen Bergen umgeben. Das alte Namsos ist allerdings restlos zerstört. Trotz inzwischen vergangener zwei Jahre liegen die Trümmerhaufen noch genauso wie am Anfang. [95r] Nach der Besichtigung der Quaianlagen schleppte uns der Ortskommandant noch zu seiner Behausung, wo wir Kaffee tranken. Dann ging die Fahrt weiter nach Mosjøen, wo der Zug für die Nacht blieb. Leider veranlassten mich Kapt. Schultz und Herr Brinkmann, noch bis wieder 4.30 morgens aufzubleiben. Schultz erzählte mir dabei vertraulich, dass sich Gauleiter Kaufmann bzw. die Männer um ihn geäußert hätten, ihnen gefiele mein Benehmen nicht, es sei allzu leger. Mir sei wohl mein Aufstieg etwas in den Kopf gestiegen. Vielleicht haben diese Leute ja recht. Ich verspüre allerdings dennoch keine Lust[,] »Parteikriecher« zu werden. Dass ich mich nicht vorbei benehme, weiß ich. Darüber hinaus aber geht das Maß meines Selbstbewusstseins Keinen etwas an, auch nicht den pp. Gauleiter Kaufmann. Wenn ihm das nicht passt, ich bin gottseidank nicht auf ihn angewiesen. Komisch, dass diese Menschen[,] die früher auch genau nichts gewesen sind, erst dann zufrieden sind, wenn man sie anbetet, wobei sie unter diesen Umständen dann bereit sind, dem Einzelnen gnädig Forderungen angedeihen zu lassen. Aber immerhin, ganz interessant für mich, wenn man über die Leistung nicht mehr meckern kann, tut man es über derartige Nebensächlichkeiten. 183
mittwoch, den 15. juli 1942
Um 8.00 Uhr (13. 7.) saßen wir wieder um den Kaffeetisch. Anschließend besichtigten wir das kleine Städtchen und seine Hafenanlagen. Nach zwei Stunden Fahrt trafen wir in Mo (i. Rana) [Mo i Rana] ein, wo die Bahnstrecke aufhält. Fast wäre hier ein Unglück passiert. Der General Dr. Franeck war nicht am Zug, sondern ließ uns durch einen Major sagen, dass er auf uns wartet, um und zum Kaffee zu laden. Der RK hatte jedoch vorher abgelehnt, aus dem Zug zu steigen. [96] Ich klärte den Major schnell auf und fuhr mit ihm zum General, der – zwar nicht gerade sehr begeistert – von mir zum Zug gelotst wurde. Weniger angenehm für mich war, dass der RK auf die Vorstellungen des Generals sich doch entschloss, der Einladung des Generals Folge zu leisten. Von Mo aus ging die Reise mit PKW der Wehrmacht weiter. In 4 PKW verstaut rollte die Karawane also weiter. Nach ca 60 km wurde der Polarkreis erreicht. Alles aussteigen – Polartaufe. Die Zeremonie war einfach[,] aber »nachdrücklich«. Die Täuflinge – außer dem RK, Otte und dem Gauleiter Kaufmann, der sich schamhaft ausschloss – gehörten wir alle dazu, mussten sich zuerst eine Predigt vom Grebe anhören, die mit dem drastischen[,] aber authentischen Zitat von Martin Luther schloss. »Aus einem müden Arsch kommt kein fröhlicher Furz«. Daraufhin mussten wir einzeln vortreten, uns bücken und erhielten freundlichst einen mit dem Koppel vor den Allerwertesten. Dann gabs ein Sherryglas mit lauwarmem Aquavit. Die Wehrmachtsfahrer freuten sich königlich über diese eigenartige »Feierlichkeit«. Abends um 9 Uhr langten wir in der nördlichsten Stadt meines Bereiches in Bodø an. Wer trotz meines Befehls nicht im Grand Hotel war, war Kreisleiter Kittner. Er hatte geglaubt, wir kämen erst um 10 Uhr an. Folglich hatte ich einige »aufregende Stunden«. Um 11 Uhr verdrückte sich der RK allerdings wieder, (– um Skat zu spielen) (Die Volksgemeinschaft ist doch wirklich eine sehr schöne Einrichtung)[.] Ich erhielt den Auftrag, mich den geladenen Gästen zu widmen, die sich glücklicherweise dann auch bald verdrückten. [96r] Ich habe dann allerdings noch ein schönes Erlebnis gehabt – die Mitternachtsonne. Um 12.15 Uhr fuhren wir zur Touristhütte auf einen Berg und hatten von dort das Schauspiel der Mitternachtsonne. Da stand der große feuerrote Sonnenball über der scharf gezackten Kette der Lofoteninseln, das heißt, er stand eigentlich nicht, sondern lief sichtbar am Horizont und parallel zu ihm über den schwarzen Spitzen der Lofotenberge entlang. Wundervoll. Wer weiß, ob ich das jemals wieder sehen kann. (Andere Leute spielten derweil Skat.) Am nächsten Morgen (14. 7.) war als erstes die Besichtigung der Frostfilet A/S angesetzt. Für kein Geld möchte ich dort arbeiten. 800 Ukrainer sind hier untergebracht. Als wir um ca 10 Uhr wieder am Hotel anlangten, konnten meine Augen die Freude – nun erlöst zu sein – kaum verbergen. Mein Kollege aus Narvik, Standartenführer Noatzke war eingetroffen und übernahm die weitere Verantwortung, und ich flog um 11.40 Uhr zurück nach Trondheim. Im Flugzeug traf ich noch Admiral Schniewind mit seinen Männern, die aus Narvik kamen, wo die Tirpitz noch lag. Es war ein herrlicher Flug. Wohl 15 Minuten flogen wir 184
mittwoch, den 2[0]. juli 1942
über den größten Gletscher Norwegens, den Swartisen [Svartisen]. Ein packendes Bild, die riesigen und teilweise auch rissigen Eismassen, die zackigen Stein[s] pitzen im hellen Sonnenschein. Um 15 Uhr war ich wieder in Trondheim, womit für mich der RK Besuch glücklich überstanden war. 19. Juli 1942 Gestern, am 18. 7. hatte ich zu einem Hauskonzert mit dem Duo Willy und Meta Heuser geladen. Als Gäste erschienen außer 5 Damen meiner Dienststelle ausschließlich Marine und Luftwaffe. Es wurde ein [97] netter Abend. Besonders die Marine war hell begeistert, und zwar 1. über die gebotene erstklassige Musik und 2. über die deutschen Damen. Ich glaube allerdings, dass man als 3. noch den guten Whisky hinzufügen müsste. Morgens um 4 Uhr verschwanden die letzten Gäste – ausschließlich Luftwaffe – teilweise etwas reichlich voll. Ich muss dabei an die Worte von Brinkmann denken. Die Marine hat Charme, das Heer ist steif, und die Luftwaffe hat überhaupt kein Benehmen. Mittwoch, den 2[0]. Juli 1942 Schnell noch einige Zeilen, nachher kommen Wiechmann209 und Klaassen zum Skat, was bedeutet, dass ich alte Skatratte zum ersten Male in 2 ½ Jahren Norwegen Aufenthalt richtig Skat spiele. Am Sonntag (19. 7.) kam zum Mittagessen Hauptmann Harders, der auch den Musikabend vorher mitgemacht hatte. Es stellte sich heraus, dass Harders – übrigens ein sehr sympathischer Mann – der ehem. Lehrer von Hans Schulke war und die gesamten Bergedorfer Verhältnisse naturgemäß sehr gut kannte, u. a. auch Ria und die Familie Groth. Na, wir machten eine Aufnahme, um später den Hans damit zu überraschen. Abend[s] gingen wir zum Konzert von Heusers vor der Wehrmacht, das im großen Saal des deutschen Hauses stattfand. Anschließend an das Konzert lud uns General Schmidt noch zu einem Glas Bier in seinem Kasino ein. Gestern gelang es mir, mit Gerda in Hamburg zu telephonieren. Es ist doch ein eigenartiges Gefühl, so über die vielen hundert km hinweg und nach so langer Zeit, wieder einmal die [97r] Stimme des Frauchens zu hören. Ich stellte mir so richtig dabei vor, wie Gerda erst das Radio abstellte, sich dann in die linke Ecke des roten Sofas setzte, um von dort aus nun das Gespräch zu führen. Schade nur, dass die Unterhaltung naturgemäß etwas reichlich sachlich geführt werden muss. Doch glaube ich, dass so einige gesprochene Worte mehr und nachhaltigeren Eindruck hinterlassen, als der schönste Brief.
209 Leiter der Abt. Arbeit und Sozialwesen in der Dienststelle Trondheim (vgl. Geschäftsverteilungsplan für Trondheim, a. a. O.).
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montag, den 27. juli 1942
Freitag, den 24. Juli 1942 Heute muss ich früh in die Klappe, denn ich bin erst um ½ 5 Uhr heute morgen von Dombaas [Dombås] zurückgekehrt, wohin ich vom General Fischer eingeladen war. Fischer hatte die Fylkemänner eingeladen, worüber ich allerdings nicht sehr erbaut gewesen bin. Schon von Bergen aus war ich Sturm gelaufen gegen diese Vereinbarung des RK mit dem WBN [Wehrmachtbefehlshaber Norwegen], dass die Territorialabschnittsbefehlshaber direkt mit den höchsten staatlichen Verwaltungsleuten verkehren dürfen. Diese Vereinbarung wurde in einer »schwachen« Stunde des RK getroffen und macht uns draußen als Vertretern des RK das Leben noch schwerer als schon ohnehin. Ich hatte mir lange überlegt, ob ich überhaupt der Einladung Folge leisten sollte. Ich glaube, ich habe es richtig gemacht, dass ich nicht zur Besprechung selbst, aber zum anschließenden Essen erschien. Der Abend war an und für sich sehr nett. Um 1 Uhr fuhr ich zurück, d. h. mein Fahrer war »Fahrgast«. In knapp drei Stunden schaffte ich die Heimfahrt – trotz des unangenehmen Zwielichts, der aufgeweichten Wege und des teilweise dichten Nebels im Gebirge. Es war richtig eine kleine Rennfahrt, ungemein beruhigend für die Nerven. Im Skat mit Wiechmann und Klaassen gewann ich übrigens über 6 Kronen. Meine diesbezüglichen früher oft bewährten »Talente« scheinen also doch noch nicht ganz eingeschlafen zu sein. Montag, den 27. Juli 1942 Ein völlig verregnetes Wochenende liegt hinter uns. Am Sonnabend morgen schien die Sonne noch so herrlich. Nachmittags aber strömte der Regen in Bächen vom Himmel. Am Sonntag war es nicht viel besser. Und dabei haben wir gutes Wetter so notwendig, weil uns die Ernte sonst ziemlich verkommt. Petrus liegt immer noch kontra. Am Sonntag morgen holte ich um 8.05 die Sekretärin des RK vom Zug ab, die dem RK entgegengefahren war. Noch auf der Fahrt zum Bahnhof machte ich mir Sorgen, was ich ihr in den zwei Tagen bis zum Eintreffen des RK von seiner Nordlandreise bieten sollte. Erheblich überrascht war ich allerdings, als sie mir eröffnete, dass der RK noch am Sonntag selbst, und zwar gegen 4.30 Uhr eintreffen sollte. Die Reisescheiche hatten natürlich wieder vergessen, mir etwas über die frühere Rückkehr mitzuteilen. Um genau 15.00 Uhr kam ein Telefonanruf vom Zug – Eintreffen 16.20 mit einer langen Liste von Wünschen. Na, es klappte gottseidank. Ich meldete mich im Zug, der 1 ½ Stunden Aufenthalt hatte. Die Stimmung war etwas gereizt im Zug. Carlo Otte erzählte mir, dass meine Kollegen samt und sonders Pech gehabt hätten mit der Organisation. Einerseits ja ganz angenehm für mich, anderseits aber wieder ein Beweis, dass der Reisemarschall Schiedermair wieder versagt hatte, denn man kann uns Dienst- [98r] stellenleiter nun wirklich nicht verantwortlich machen für die dauernden Änderungen des Programms. Aber auch hier ist es so, ge[h]t alles gut, ist es das Verdienst der Osloer Herren, geht etwas vorbei, ist es natürlich die Schuld der Dienststellenleiter. 186
sonntag, den 2. august 1942
Ich bin heute etwas beunruhigt, das Radio meldete Großangriff der RAF gegen Hamburg und 37 Bomber abgeschossen. Hoffentlich ist am Winterhuderquai nichts passiert. Freitag, den 31. Juli 1942 Heute kam ein Brief von Frauchen, das trotz des Angriffs alles gesund und munter geblieben war. Und doch ist meine Beunruhigung noch gewachsen, denn in der Nacht vom 28. zum 29. gab es wieder einen Großangriff auf Hamburg. Diesmal wurden sogar 45 engl. Bomber abgeschossen, und der Wehrmachtsbericht meldete, dass besonders große Schäden im Eppendorfer Krankenhaus angerichtet wurden. Das ist nun leider nicht sehr weit von unserem Haus. Ich habe doch noch heute Morgen an Ernst Schrewe210 ein Fernschreiben aufgegeben mit [der] Bitte, mir Nachricht über den Winterhuderquai zukommen zu lassen. Am Mittwoch, den 29. war ich Gast in Tiklestad211 bei dem Treffen der norwegischen Regierung anlässlich des Todestages von Olav des Heiligen, der am 29. Juli von den Trønder Bauern hier erschlagen wurde. Ministerpräsident Quisling war mit sämtlichen Ministern erschienen. Morgens sprach Lunde in Verdalsøra vor der aufmarschierten Hird und nachmittags Quisling an der Kampfstätte in Tiklestad vor einer erstaunlich großen Zuschauerzahl. [99] Mittags gab es ein großes Essen in Mare, wo ich schon einmal zum Fylkething von Nordtrøndelag war. Der Verlauf des Tages war recht zufriedenstellend. Gestern Abend war ich zum Essen von Admiral Siemens eingeladen. Wir waren nur 8 Personen, darunter Admiral Feil, der ehem. Kommandant der »Gneisenau« und die Kommandanten der »Lützow« und der »Köln«. Schluss 12 Uhr. Sonntag, den 2. August 1942 Es regnet zwar heute (noch) nicht, aber von Sonne ist auch nichts zu sehen. Meine Unruhe hat sich gelegt, nachdem gestern Morgen von Schrewe die Nachricht eingetroffen ist, dass am Winterhuderquai Alles in Ordnung ist und auch für eine Brandwache bei Angriffen gesorgt ist. So hat Gerda wenigstens künftig die Gewissheit, dass jemand auf das Haus aufpasst, wenn Brandbomben fallen sollten. Drücken wir den Daumen, dass auch künftig Alles gut geht. Die Engländer scheinen wieder eine Dauerluftoffensive zu machen. Soeben meldet der Rundfunk, dass gestern Düsseldorf angegriffen wurde und glücklicherweise jedenfalls wieder 30 Bomber abgeschossen wurden. Die Verluste sollen bei diesen Angriffen rund 40 der eingesetzten Flugzeuge betragen. Wenn das stimmt, dürften die Tommies diese Offensive nicht lange durchhalten. Aber wehe, wenn 210 Konnte nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Vermutlich ein Nachbar oder Bekannter, der während der Abwesenheit der Familie ein Auge auf das Haus hatte. Es könnte sich dabei um Dr. Ernst Schrewe handeln, der Direktor der Hamburger Volkshochschule und NSDAP -Mitglied war. 211 Gemeint ist Stiklestad. Dort wurde Olav der Heilige 1030 getötet.
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sonntag, 9. august 1942
wir im Osten einmal fertig sind. Wir werden ihnen diese Angriffe auf die Zivilbevölkerung, deren sie sich noch zynisch rühmen, doppelt und dreifach heimzahlen. Und im Osten reiht sich ein Erfolg an den Anderen z. Zt. Schon lässt sich erkennen, dass der Kaukasus für die Russen verloren ist. [99r] Freitag, den 7. August Am vergangenen Sonntag (2. 8.) erschienen de Vries und Walter Pieper in Trondheim. Sie verbrachten den Nachmittag und den Abend in Leangen. Ihre Reise war allerdings trotz »amtlicher Tarnung« nur ein Sommerausflug. Sie flogen bis Hammerfest weiter und kamen heute Morgen zurück. Zurück von Hammerfest kam auch heute ein »alter Bekannter«[,] P. Wölpert, mit dem ich im Winter 38 in dem heißen Baranquilla212 zusammengesessen habe. Die Welt ist doch klein. Er ist inzwischen zum stellvertr. Gauobmann der Daf213 der AO aufgerückt und besuchte in dieser Eigenschaft Norwegen. Am Dienstag wollte ich eigentlich nach Ålesund fahren, um das dortige Ausrüstungslager der amerik. Polarforscherin Boyd zu besichtigen und möglichst viel nach Tr.heim zu »entführen«.214 Da bekam ich Dienstag vormittag von Oslo noch den Auftrag, Mittwoch früh eintreffende 450 Häftlinge aus dem KZlager Grini auf einen Dampfer zu verfrachten und nach Nordreisa fahren zu lassen.215 Um die Sicherheit zu haben, dass diese Angelegenheit auch klappt, blieb ich vorsichtshalber in T. Ich schickte Klaassen und Fr. Siering nach Ålesund, die nunmehr auch heute Morgen zurück kamen mit 50 Kisten. Das gibt ein Auspacken und Aussortieren in den nächsten Tagen. Sonntag, 9. August 1942 Endlich ist Sommer geworden. Die Sonne brennt nur so vom Himmel herunter[.] Es wurde auch höchste Zeit, denn sonst wäre ein erheblicher Teil der Ernte verloren gewesen. Na, und wir haben auch mal etwas Sonne nötig, von wegen, hab Sonne im Herzen. [100] Gestern Abend (8. 8. 42) gab die Flakgruppe Mittelnorwegen – Oberst Rosenfeld – ein Konzert im Deutschen Haus. Die Männer hatten sich viel 212 Barranquilla ist eine Hafenstadt im Norden Kolumbiens. 213 Eigentlich: DAF, für Deutsche Arbeitsfront. 214 Louise Arner Boyd leitete Ende der 1920er Jahre eine Expedition zur Suche nach dem verschollenen norwegischen Polarforscher Roald Amundsen. Sie fand ihn nicht, erhielt aber nach dem Abbruch der Aktion den Sankt-Olav-Orden von der norwegischen Regierung. 215 Grini war ein Konzentrationslager südwestlich von Oslo. Nordreisa ist eine kleine Gemeinde in Nordnorwegen an der Grenze zu Finnland. Die Anfrage kam von Karl Kaufmann und Carlo Otte. Unter den Gefangenen im Transport waren alle in Grini inhaftierten Juden sowie Juden aus dem bei Trondheim gelegenen KZ Falstag. Vermutlich sollten sie bei Straßenarbeiten eingesetzt werden; vgl. den Beitrag von Bjarte Bruland in diesem Band.
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sonntag, den 16. august 1942
vorgenommen, – 2 Stücke von Beethoven und eines von Grieg –, und es gelang ihnen ganz ordentlich. Natürlich ist ein großes Symphonieorchester etwas ganz anderes. Mittwoch, den 12. August 1942 Am Montag hatte ich Besuch aus Bergen. Papa Scholz216, der nunmehr 73jährige[,] war auf der Durchreise nach Bodø. Es ist für mich naturgemäß immer wieder interessant, etwas von Bergen zu hören. Anscheinend geht Bergen doch den Weg, den ich vorausgesagt habe, d. h. die Dienststelle versackt langsam und in dem Ausmaße, in welchem mein Nachfolger glaubt, die Arbeit seinen Mitarbeitern überlassen zu können. Ich bin allerdings gehässig genug, schadenfroh dabei feststellen zu können, dass sich dadurch mein Ziel, Trondheim zur ersten und leistungskräftigsten Dienststelle zu machen, leichter erreichen lässt, wenn es nicht schon jetzt erreicht ist? – Jedenfalls höre ich immer wieder aus Oslo, – und gerade auch erst gestern wieder von Dr. Kautz217 – dass man mit Trondheim »rechnet«. Hoffentlich schickt mir Otte bald den Wirtschaftsmann. Keiner fehlt so dringend wie gerade er. Sonntag, den 16. August 1942 Einige außerordentlich interessante Tage liegen hinter mir. Das deutsche Schauspiel- [100r] haus Berlin mit Gründgens, Knuth, Lennartz usw. war hier. Am Donnerstag (13. 8.) fand eine Aufführung von »Das Konzert« von Hermann Bahr218 statt. Ich habe seit Jahr und Tag nicht so gelacht und wohl auch noch nie eine so vollendete Schauspielaufführung gesehen. Über Gründgens ist eigentlich garnichts zu sagen – einfach großartig. Wundervoll, wie er in Wort, Geste, Bewegung und Mimik das Publikum zu fangen verstand. Aber auch unsere beiden ehem. Hamburger, Gustav Knuth und Elisabeth Lennartz, spielten ausgezeichnet. Dass die Beiden verheiratet waren, erfuhr ich erst auf dem anschließend an die Aufführung von Oberst Mundt gegebenen Empfang im Deutschen Haus. Ich fasste bei dieser Gelegenheit dieselbe beim Schopf und lud Gründgens mit einem Teil seines Ensembles zum Mittagessen am Freitag nach Leangen ein. So erschienen also Gründgens, Knuth, Elisabeth Lennartz, Charlotte Witthauer, Lotte Betke219 und einige Herren von meiner Dienststelle am Freitag 12 Uhr bei mir, auch Oberst Mundt stellte sich ein. Es gab drei köstliche Stun216 Über diese Person und Christens Beziehung zu ihr ist nichts bekannt. 217 Kann nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Ein Erich A. Kautz veröffentlichte 1934 eine 128 Seiten starke Schrift: Das Standortproblem der Seehäfen (= Jens Jessen, (Hrsg.): Probleme der Weltwirtschaft. Schriften des Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel, Bd. 58), vermutlich seine Dissertation. 218 Hermann Bahr (1863-1934), österreichischer Schriftsteller und Dramatiker. 219 Elisabeth Lennartz (1902-2001), Charlotte Witthauer (1915-1980), Lotte Betke (19052008).
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sonntag, den 16. august 1942
den, die interessantesten in dieser Beziehung, die ich je gehabt habe. Sämtliche Vorbehalte gegen Gründgens gehen flöten, wenn man mit ihm zusammen ist. Er sprudelt nur so von Geist, Witz, Charme und Liebenswürdigkeit. Wenn er erzählt, geschieht das mit einer solchen Lebendigkeit, dass Jeder ihm bis aufs Äußerste gespannt zuhört. Wir kamen aus dem Lachen kaum heraus. So erzählte er von der unfreiwilligen Komik des Augenblicks, und berichtete, dass er gerade, der ja nun wirklich nicht »auf den Mund gefallen« ist[,] häufig in Situationen hereingeraten ist, die mit dem besten Willen nicht zu meistern waren. Am Tage, als das Panzerschiff »Deutschland« im Spanienkrieg vor Ibiza von den Roten gebombt wurde[,] [101] fand in Weimar eine Festaufführung der Oper statt, bei der auch Göring anwesend war. Die Leistung war kümmerlich. Schließlich traten 4 dicke »Jüdinnen« als Tänzerinnen auf.220 Da stand Gründgens auf und bewegte sich langsam nach rückwärts, um zu verschwinden. Am Ende der Loge prallte er auf einen Menschen auf. Es war Hermann Göring, der ebenfalls anscheinend genug hatte. G. entschuldigte sich. In der Annahme, dass Hermanns finstere Miene auf die schlechte Aufführung zurückzuführen sei, bemerkte G.[:] »Es ist wirklich zum Kotzen,« worauf Hermann ihm erzählte, dass er gerade die Meldung über den Ibiza-Zwischenfall erhalten hätte. Im selben Augenblick eilt ein großer SS Mann herbei, baut sich vor Gründgens auf und sagt, »Herr Staatsrat möchte ans Telefon kommen – ein Gespräch aus Wien (das damals noch »Ausland« war)«[.] Am Telefon stellte sich heraus, das eine Schauspielerin aus Wien versehentlich mit G. verbunden war. Das Gespräch war für den Sekretär von G. in Berlin bestimmt. Wieder das dumme Gefühl, wenn Göring fragt, was für ein wichtiges Gespräch es denn gewesen sei, eine so belanglose Auskunft geben zu müssen. Das erwartete trat dann auch prompt ein. Göring soll übrigens furchtbar »donnern« können, wenn er ärgerlich ist. In diesem Zusammenhang eine weitere Anekdote. Es war vor der Geburt der kleinen Karin, als Göring noch seinen Löwen besaß. Ein Polizeipräsident war versehentlich ohne die Zustimmung von G. ernannt worden und machte nichtsahnend den Fehler[,] sich in seiner neuen Würde bei G. zu melden. Als er Männchen gebaut hatte, donnerte Göring los, was für den auf einem Schrank [101r] sitzenden Löwen das Signal war, herunterzustürzen, den armen Polizeipräsidenten bei der Hose zu packen und dieselbe buchstäblich herunterzureißen. Schließlich war dieser ja nicht gerade angenehme Umstand dennoch sein Glück, denn Hermanns Wut hatte sich in Anbetracht der komischen Situation restlos gelegt. Eine andere Episode, die Gründgens vortrug, behandelte das große Treffen aller »Kulturschaffenden« in Berlin mit Goebbels im Jahre 1934. Zum Schluss 220 Am 29. Mai 1937, dem Datum der irrtümlichen Bombardierung der »Deutschland«, wurde in Weimar allerdings das Theaterstück von August Christian Riekel (18971967) »Gustav Kilian Manufakturwaren en gros und en détail, gegründet 1821 Obere Gasse 19« aufgeführt. Über das Stück war nichts zu erfahren. Möglicherweise hat sich Gründgens hier falsch erinnert, wie ja auch in Bezug auf die folgende Episode (s. nächste Fußnote).
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mittwoch, den 19. august 1942
der Kundgebung wurden die Nationalhymnen gesungen. Das Deutschlandlied ging noch, aber das Horst-Wessel-Lied konnte keiner. Jeder tat aber vollendet so als ob … Es war eine verdammt komische Situation, sagte Gründgens. »Hinter mir stand Werner Finck, gerade seit 14 Tagen aus dem KZ entlassen.221 Neben mir stand Emil Jannings, der trotz seiner Körperfülle – oder vielleicht auch wegen – über nur schwache physische Kräfte verfügt. Er ließ in Folge dessen immer wieder den rechten Arm absinken, um ihn schließlich dann mit der linken Hand zu stützen. Gründgens konnte in Anbetracht dieser komischen Umstände das Lachen nicht verbeißen, was ihm die Missbilligung von Goebbels eintrug, bei dem er sich dann später unter Schilderung der Situation entschuldigte. Es waren drei köstliche Stunden, die die müden Geister erheblich auffrischten. Auch Knuth erzählte einige ergötzliche Zwischenfälle seines Lebens. Er liebt Hamburg über alles und ist seinerzeit mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Berlin gegangen. Das Verstehen mit seiner Eheliebsten, der Lennartz, scheint einfach großartig zu sein. [102] Mittwoch, den 19. August 1942 Am vergangenen Montag hatte ich wieder interessanten Besuch. Dr. Maiwald, der Leiter der deutschen großen Ausstellungen, war in amtlichem Auftrag hier. Maiwald ist der Type eines internationalen Globetrotters, der wohl jeden Winkel dieser Erde kennt. Er war bei Ausbruch dieses Krieges noch in den USA. Seine Meinung ist, daß nichts in [den] USA unpopulärer ist als der Krieg. Er bestätigte, dass die USA bewusst in den Krieg gesteuert sind, weil Roosevelt einen Ausweg aus der Pleite seines New Deals suchte. Der Krieg hätte mit der Vertretung von idealistischen oder weltanschaulichen Tendenzen genau nichts zu tun, er stände lediglich unter der Parole des »Business«. Aus diesem Grunde sei auch die erstaunliche Entwicklung zu verzeichnen, dass Roosevelt sich für die Betreuung der Kriegswirtschaft ausgerechnet die Männer geholt hätte[,] die er früher bekämpft hätte, nämlich die upper ten der Geschäftswelt. Die Sache würde solange gutgehen, wie es noch Staaten in Mittel[-] und Südamerika gäbe, die man »erobern« könne. Dann würde die große Krise kommen – hoffentlich. Maiwald war anlässlich der Eröffnung der großen Sowjet-Ausstellung in Oslo nach Norwegen gekommen. Terboven hätte diese Ausstellung in Berlin gesehen und sie »original« für Oslo bestellt. M. bemängelte bei dieser Gelegenheit die Tendenz dieser Ausstellung, die zu negativ sei. Man sehe nur Elend und Unzulänglichkeiten[,] wo doch jeder Russlandkämpfer selbst gesehen hätte, dass es neben diesem Elend auch Leistungen gebe, die fast phänomenal seien, so z. B. die großen Kornsilos, die Industriewerke etc. In der Tat liegt hier ein logischer Kurzschluss. Immer wieder hört man in den Wehrmachtsberichten [102r] von den phantastischen Materialzahlen, von den tausenden von Panzern und Flug221 Da der Kabarettist Werner Finck im Jahre 1935 für kurze Zeit im KZ Esterwegen interniert war, kann es sich nur um ein Treffen in diesem Jahr gehandelt haben.
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sonntag, den 23. august 1942
zeugen und Kanonen, die die Russen einsetzen, trotz der gewaltigen Vernichtungsschlachten, die sie über sich ergehen lassen mussten. Oder es heißt, »in dem Städtchen X mit 100 tausend Einwohnern gab es das Rüstungswerk, oder Traktorenwerk Y mit 15 oder 20.000 Arbeitern[«]. Es ist schon ungeheuer, was die Russen auf dem industriellen, aber auch auf dem landwirtschaftlichen Gebiet geleistet haben. Dagegen sind wir teilweise erst Anfänger. Warum genügt es nicht, dem deutschen Volke klarzumachen, »wie«, d. h. unter welchen Umständen diese Leistungen erzielt wurden. Denn hier liegt die ganze negative Leistung, d. h. Sklavenarbeit, wie man sie nur slawischen Völkern zumuten kann. Wie ich schon früher in meinen Tagebuchblättern ausführte, geht dieser Krieg mit Russland in erster Linie um die alleinige Herrschaft in Europa mit allen imperialistischen Begleiterscheinungen. Einer kann nur in Europa herrschen, und sowohl der Bolschewismus wie auch der Nationalsozialismus drängten nach Expansion, nach Totalität. Wer will behaupten, dass der Bolschewismus nicht für die slavische [sic] Dulderseele gerade die richtige Weltanschauung war? Jedenfalls sind die Leistungen gewaltig, die im Zeichen der Kollektive vollbracht wurden. Es klingt ja etwas ketzerisch, so etwas zu behaupten, aber es ist keineswegs intellektuellistisches Geschwätz. Das hat nichts damit zu tun, dass der Bolschewismus für uns der Untergang in jeder Beziehung wäre, das unterstreicht lediglich die Härte der Auseinandersetzung und die Notwendigkeit des Entscheids – entweder – oder –. Unter diesem Gesichtspunkt ist es geradezu noch erstaunlich, dass der Krieg von Seiten des verlierenden Russlands nicht noch [103] unhumaner, noch grausamer und verzweifelter geführt wird. Aber er ist ja noch nicht zu Ende ……… Jedenfalls ist es die erste kriegerische Auseinandersetzung der letzten Jahrhunderte, die mit erschreckender[,] aber klarer Konsequenz – Du oder ich – geführt wird, wie allerdings alle Kriege des uns bekannten Altertums. Alles liegt letzten Endes in dem Worte »Vernichtungskrieg« drin. Das bedeutet aber auch, dass der Krieg im Osten nie zu Ende geht. Es wird immer Krieg bleiben, Kolonialkrieg. Buchstäblich wird es für die späteren Geschlechter à la Goethe heißen, was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen. »Wacht im Osten«. – Fraglich ist heute nur noch, wo der deutsche »Limes« stehen wird. Sonntag, den 23. August 1942 Es regnet wieder. Wann regnet es eigentlich in diesem Jahre nicht? So einen Sommer habe ich noch nicht erlebt. Traurig ist diese Tatsache in erster Linie in Bezug auf die Ernte, die diesmal buchstäblich verfault. Am letzten Donnerstag war ich zu einem kleinen Abendessen mit Generaloberst von Falkenhorst geladen. Komisch, dieser Falkenhorst hat so gar nichts vom »Feldherr«, so nichts Imponierendes wie z. B. List an sich.222 Er wirkt auch in der Unterhaltung fast »rückständig«. Jedesmal erzählt er von seiner zweistündigen Unterhaltung mit dem Führer, wo ihm dieser Norwegens Verteidigung an 222 Wilhelm List, s. oben Fußnote 153.
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sonntag, 30. august 1942
das Herz gelegt hat. Er scheint von dieser Unterhaltung direkt zu zehren – etwas ärmlich …… [103r] Wir brauchen keine Angst zu haben, dass uns die »Generäle« eines Tages über den Kopf wachsen – sie verstehen ihr Handwerk gut, – sie haben es tausendfach bewiesen, aber höher als die Führung einer bewaffneten Mannschaft ist letzten Endes die Führung des Volkes. Die Partei ist Alles, die Wehrmacht nur Teil, nur Mittel. Das Interessante dieses Donnerstages war die Meldung des Invasionsversuches der Engländer an der französischen Küste bei Dieppe. Abends kam die imposante Sondermeldung. »Kein Feind mehr auf dem franz. Boden«, über 1.500 Gefangene, 28 Panzer abgeschossen, usw.[«] Diese Schlappe der Alliierten wiegt mehr als 500.000 Gefangene an der Ostfront. Heute morgen war ich auf der Dienststelle. Intendant Marek aus Oslo war auf der Durchreise[.] Er versprach mir die Abstellung eines Sendestellenleiters für Trondheim und einer Ansagerin. So allmählich bekomme ich meinen Laden nun zusammen. Sonntag, 30. August 1942 Am Donnerstag gelang es mir, wieder einmal kurz mit Hamburg zu telephonieren. Ein Gruß für Häsis Geburtstag. 6 Jahre wird der liebe Kerl, die Hälfte seiner Geburtstage hat Vati nicht mitmachen können. Das einzige, was ich ihm schicken konnte, war ein Lederränzel, den ich aus einer Ledertasche anfertigen ließ. Es ist wieder dieselbe Zeit wie im Krieg 14-18. Man freut sich königlich über die kleinsten Gebrauchsgegenstände, über die man in Friedenszeiten hinweggesehen hat. Vom erzieherischen Standpunkt aus ist das allerdings zu begrüßen. [104] Irgendwie bin ich nach solchen kurzen – dazu noch im »Amtston« geführten – Telefongesprächen kindlich erfreut. Abends um 20.30 Uhr – ich war gerade bei Stubaf Flesch zum Abendessen – wurde vom Höheren Kommando Alarmstufe 2 ausgelöst. Engl. Flottenstreitkräfte waren in Richtung Norwegen ausgelaufen. Nach meinem Mob.plan bedeutet A 2[,] dass eine ganze Menge Dinge erledigt werden müssen. Also hin zur Dienststelle, wo sich nach und nach die sämtlichen Angehörigen einfanden. Reg. Inspk. SS Untersturmführer Klaassen meldete sich etwas theatralisch im Stahlhelm. Da die englische Flotte doch nicht vor 48 Stunden in der Gegend Trondheim erscheinen konnte, schickte ich zuerst die Damen, und um 12 Uhr auch die Herren wieder nach Hause und setzte Dienstanfang für den nächsten Tag auf 7 Uhr fest. Das stimmte zwar nicht mit dem Mob[.]plan der Dienststelle überein, demzufolge, [sic] wir Akten sortieren mussten und die Nacht auf der Dienststelle verbringen sollten. Es war aber zweckmäßig, und am nächsten Tag wurde die Alarmstufe auch wieder aufgehoben. Am Freitag, den 28. hatte ich Gäste, Kaleu Bartels, der mit M2 auf Besuch in Trondheim war, und den ich schon am Donnerstag bei Flesch begrüßt hatte, Flesch und ein U-Bootskapitän Köhler. Bis in die späte Nacht hinein wurde 193
sonntag, den 20. september 1942
losophiert. Bartels erzählte dabei auch interessante Einzelheiten, die er vom ital. Attaché beim OKW – den er auf seinem Boot mit sich führte, erfahren hatte. Die Italiener seien nicht mehr in der Lage, ausreichenden Geleitschutz für den Rommel-Nachschub zu stellen, [104r] da sie fast keine Zerstörer und Torpedoboote mehr hätten. So seien in der vorigen Woche von einem Geleitzug nach Tripolis 52.000 tons von den Engländern heraustorpediert worden. Man sieht, also auch die Tommies können ganz gut ihre U-Boote gebrauchen. Innerhalb der nächsten 14 Tage erwarte man übrigens eine Offensive Rommels. Allgemein erwarte man übrigens den Gaskrieg. Am Sonnabend war ich wieder bei Flesch geladen. Flesch, Bartels und ich nahmen gemeinsam ein Saunabad – etwas köstlich Erfrischendes. Sonntag, den 6. September 1942 Anfang der Woche hatte ich Besuch aus Bergen. Frøken Reehorst besuchte mich mit einer Freundin auf der Durchreise nach Norden. Am Donnerstag, den 3. weilte mein »Kollege« Hagmeister aus Tromsoe in Trondheim. Es ist erstaunlich, wie H. es nun schon über 2 Jahre im hohen Norden aushalten kann und noch immer nicht Wechselgelüste hat. Am Freitag war ich zur Eröffnung der »Hausausstellung« geladen. Abends gab es einen Empfang im Hotel Britannia, der insofern verunglückte, als dass der größte Teil der Gesellschaft zum Schluss tanzte – an der Spitze der verkalkte Stadtkommandant Oberstleutnant Dziobek. Etwas reichlich würdelos in der heutigen Zeit. Vor Allem unsere lieben Norweger lieben derartige Entgleisungen. Von dem großen und ernsten Geschehen der Zeit haben sie allgemein noch keinen Hauch verspürt. [105] Sonntag, den 13. September 1942 Eine relativ ruhige Woche ging vorüber. Am Donnerstag den 10. hatte ich den Fylkesfører mit seinen Männern in Leangen als Gäste. Leider hatte ich auch Flesch geladen, der einen SS Oberführer mitbrachte und den Abend reichlich verkorxte. Der Flesch bekommt hin und wieder so richtige kindliche Anwandlungen, wo er jedes Aufkommen einer vernünftigen Unterhaltung mit restlos unangebrachten Bemerkungen unterbindet. Mir lag daran, etwas engeren Kontakt mit NS zu bekommen, um den vom deutschen Standpunkt etwas »müden Laden« künftig mehr zu beeinflussen. Sonntag, den 20. September 1942 Ein Ereignis steht in dieser Woche an der Spitze – ein höchst »persönliches«. Eigentlich früher, als erwartet, traf aus Hamburg die Nachricht ein, dass sich die Familie um einen prächtigen Jungen – Holger – vermehrt hätte. Besonders freue ich mich, dass es diesmal wieder ein Junge ist. Man kann davon garnicht 194
sonntag, den 27. september 1942
genug haben. Hoffentlich ist Alles gut abgelaufen und die liebe Gerda wieder wohlauf. Das arme Mädchen muss sich allerdings nun um drei hungrige Mäuler kümmern, was zusammen mit der Betreuung des großen Hauses nicht ganz leicht sein wird. Wann werde ich den Kleinen nun sehen? Irgendwie braucht der Mensch die bildliche Vorstellung, um den letzten Kontakt zu bekommen. So bin ich mir um die große Veränderung noch garnicht so richtig im Klaren. Noch kann ich hier allerdings nicht fort, denn seit Montag bin ich auch – – Soldat, und zwar für die kolossale Zeit von 14 Tagen. Auf Grund des Führerbefehls, dass bei englischen Landungsversuchen auch die Zivilisten [105r] zur Verteidigung herangezogen werden müssen, und keiner zurückgehen darf, sind in Trondheim Kurse für kurzfristige Ausbildungen ins Leben gerufen worden. 14 Tage nachmittags 4 Stunden also muss ich nun Schütze Christen spielen, was mir übrigens viel Spaß macht. Etwas komisch ist es zwar für meine Herren Vorgesetzten, die alle wissen, dass ich vormittags der Herr »Gebietskommissar« bin. In dieser kurzen Zeit sollen wir nun Alles »verpasst« bekommen, was so ein Schütze wissen und können muss. Es ist also schon notwendig richtig aufzupassen. Wieder einmal wird schlagend bewiesen, dass Kleider Leute machen. Besonders fesch sehen wir in unseren Monturen alle nicht aus. Glücklicherweise sind wir jedenfalls restlos »eingekleidet«. »Schütze Christen, was geht Sie die andere Gruppe an? Dreimal um den Hof laufen« ist mir auch schon passiert. Man darf eben nicht neugieriger sein, als amtlich vorgeschrieben. Heute Morgen haben wir das erste Mal scharf geschossen, nachdem uns »das norweg. Gewehr besteht aus …….« eisern eingehämmert wurde und wir stundenlang »Zielübungen« gemacht hatten. So etwas allerdings zwei Jahre machen, wäre nicht meine Sache – wenn’s auch wohl sein muss im allgemeinen. Der Dienst beginnt mit Putzen, d. h. die abends schmutzigen und meist nassen Kleider und Stiefel müssen erheblich bearbeitet werden, er endigt wieder mit Putzen, nämlich Gewehrputzen, was bei den alten, meist verrosteten norwegischen Knarren doch vergeblich ist. Sonntag, den 27. September 1942 Heute ist die »Soldatenzeit« nun glücklich beendet. Man muss schon sagen, dass die [106] Männer doch Erhebliches in uns hineingetrichtert haben. Ob Alle das behalten haben, was über das Gewehr, das LMG, das SMG,223 die Handgranate vorgetragen wurde? Der Wettergott war ja nicht allzu freundlich, und wir haben häufig genug in Pfützen gelegen. Das Gute ist, dass uns dieser Kurs auf die Ausbildungszeit angerechnet und in den Wehrpass eingetragen wird. Heute Abend steigt nun ein Kameradschaftsabend als Abschluss. Dienstlich haben mir die Ausbildungsstunden allerdings erheblich gefehlt – denn die Arbeit muss ja nun einmal doch gemacht werden. Dazu kam erheblich Besuch – vor Allem Jagdgäste abends in Leangen. Auch meine alten Bergenser 223 Leichtes bzw. schweres Maschinengewehr.
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Bekannten General Ortner und Admiral von Schrader waren hier. Ortner hat Jagdglück gehabt und einen guten Elchochsen und eine Kolle224 geschossen. Von Schrader tobt noch im Revier herum. Es ist wirklich schade, dass z. B. von Schrader nicht in Trondheim stationiert ist. Es wäre sicherlich etwas frischer Wind in die hiesigen Wehrmachtskreise gekommen. Der Admiral Siemens ist ein netter Gesellschafter, bei dem man aber nie weiß, woran man ist. Ihm steckt das Diplomatenleben (Marineattaché in London) noch viel zu sehr in den Knochen. Hoffentlich trägt der Siemens es mir nicht mal nach, dass von Schrader seine Einladung ausschlug, um abends zu mir nach Leangen zu kommen. Auch Hauptabteilungsleiter Henne war in Trondheim und u. A. abends in Leangen. Nachdem Henne bei seinem ersten Besuch in T. (mit dem RK) gemerkt hat, dass ich mich noch lange [106r] nicht überfahren lasse, kommen wir glänzend miteinander aus. Wir besprachen eingehend die geplante Umorganisation meiner Abteilung Technik, in deren Verfolg leider mein Reg. und Baurat Handt ausscheiden muss. Handt war einer der anständigsten Kerle in meiner Dienststelle, nur hatte er einen Fehler. Er ist allzu sehr Beamter mit »Zeit« – unheimlich viel Zeit. Ich habe manchesmal geschimpft, dass nichts vorankommt. Jetzt übernimmt Dipl. Ing. Fickert in Personalunion mit der OT-Oberbauleitung Nordwest die Leitung der Abteilung Technik, als ständige Vertreter werden die Bauräte Oswald und Köhler eingesetzt. Sachlich bedeutet das zweifellos eine erhebliche Verbesserung – vor Allem in der in Kriegszeiten nun mal notwendigen Stoßkraft. Wenn nun alles klappt, fliege ich am Freitag den 2. nach Schwerin. Am 5. oder 6. fliegt die Maschine wieder zurück, also eine glänzende Gelegenheit – ohne, dass ich lange von Trondheim fortbleiben muss. Es ist nämlich in letzter Zeit wieder etwas »mulmig« geworden. Es begann damit, dass im Glomfjord Aluminiumwerk 10 uniformierte Engländer das E-Werk und die Turbinenleitungen in die Luft sprengten. In Majavatn kam es vor einigen Tagen dann zu einem Feuergefecht mit einer norwegischen in Diensten des Secret Service225 stehenden Widerstandsgruppe, bei welcher Gelegenheit umfangreiche Waffenlager entdeckt wurden. Die weiteren Untersuchungen ergaben, dass überall im Bereich Widerstandsgruppen organisiert sind, die einerseits von Schweden, andrerseits mit Ubooten vom Atlantik her versorgt werden. Eine ebenfalls aufgestöberte Widerstandsgruppe erschoss einen Lehnsmann mit seinem Gehilfen. In Majavatn sind bis [107] heute 62 Personen festgenommen worden, in Molde bisher 32 Personen. Die Engländer sind also mal wieder sehr aktiv, und leider gibt es genügend norweg. Idioten, die sich als Handlanger zur Verfügung stellen.
224 Elchkuh (Hinweis Bjarte Bruland). 225 Gemeint ist die SOE (vgl. Fußnote 168).
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sonntag, den 11. oktober 1942
Sonntag, den 4. Oktober 1942 Soeben hat Hermann Göring über den Rundfunk gesprochen. Es ist immer wieder erfrischend[,] den Hermann in seiner ungekünstelten Art reden zu hören. Es war ja auch erfreulich zu hören, dass der Ernährungsengpass ein für allemal überwunden ist. Am Donnerstag, den 1. Oktober war Major Dr. Lochte in Leangen. Die Kompetenzschwierigkeiten mit dem hiesigen Wehrwirtschaftsoffizier, Kapt. Weygand[,] werden immer unangenehmer. Ich kann es ihm ja nachfühlen, dass es nicht leicht ist, auf Arbeiten zu verzichten, die man bisher gut und laufend durchgeführt hat, aber die Wirtschaft ist nun einmal Angelegenheit des RK. Da ich für diese Wirtschaft in meinem Bereich verantwortlich gemacht worden bin, muss ich [mich] auch um sie kümmern. Wenn Weygand glaubt, er könne sich mit Erfolg wehren, hat er sich schwer geirrt. Gerade er müsste erinnern, dass ich in Bergen schon einmal einen Wehrwirtschaftsoffizier »abgeschossen« habe (Er war damals Mitarbeiter beim Wewio). Bedauerlich ist nur, dass Oslo es nicht fertig bringt, eine klare Abgrenzung mit dem Wehrwirtschaftsstab herbeizuführen. Insofern war es gut, dass Lochte, der z. Zt. Chef des Stabes des We-wi-stabes in Oslo ist, und mit dem ich recht gut bekannt bin, zusammen mit Weygand meine Gäste waren. Wenn auch nicht viel, so konnten doch einige Dinge geklärt werden. [107r] Gestern Abend waren Ministerialdirigent Clauss[,] Reg. Rat Dr. Brüneck, OR. Dr. Meseck und Dr. Kühne bei mir in Leangen.226 Claussen [sic] ist die rechte Hand von Staatssekretär Backe227 und ein außerordentlich sympathischer Mann. Er erzählte, dass beabsichtigt war, die Fettrationen noch weiter zu senken, dass aber die unerwartet gute Ernte den Notstand wieder etwas gelindert hat. Die Ernte in Deutschland ist allgemein als glänzend anzusprechen, in Kartoffeln gäbe es sogar eine Rekordernte. Dazu kämen in steigendem Maße die Erzeugnisse der Ukraine, sodass nach menschlichem Ermessen die Ernährungsfrage für alle Zeiten gelöst sei. Ab nächsten Sommer könne es nur noch aufwärts gehen. Damit dürfte eine der größten Sorgen von den Schultern des Führers genommen sein. Die englische Blockade ist endgültig zusammen gebrochen. Mit meinem Flug ist es noch nichts geworden. Ich stehe noch »auf Abruf«. Sonntag, den 11. Oktober 1942 Es ist erheblich »lebhafter« geworden, als vorauszusehen und, – – gut ist, d. h. eine der arbeitsreichsten Wochen liegt hinter mir, aber auch eine der unangenehmsten, aber der Reihenfolge nach. … 226 Zu von Brünneck s. Fußnote 142; Gerhard Meseck, Referent im Reichsernährungsministerium; zu Dr. Kühne s. den Eintrag vom 13. Juni 1942. 227 Herbert F. W. Backe (1896-1947), Staatssekretär im Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft, später dessen kommissarischer Leiter (Vertretung Walther Darré). Backe nahm sich 1947 das Leben.
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sonntag, den 11. oktober 1942
Montag, den 5. 10. Stubaf Flesch ruft durch, dass in der letzten Nacht das Kompressorenwerk Fossdalengrube [Fosdalens Bergverk] in Malm gesprengt worden ist. Für 13 Uhr habe ich meinen Wagen fertigmachen lassen, um nach Malm zu fahren, da ruft um 12.30 der RK von Skaugum an und lässt sich berichten. Er sagt, dass er in Anbetracht der [108] vielen Sabotageakte und der Widerstandsbewegung die Verhängung des Ausnahmezustandes für meinen Bereich erwäge. Ich soll nicht nach Malm fahren. Um 16.00 riefe er wieder an. 16.10 Uhr – Anruf des RK. Ab Dienstag früh 5 Uhr Ausnahmezustand für Nordtroendelag, die Stadt Drontheim, das Herred228 Grane vom Fylke Nordland und einige Herreds des Fylke Sør-Troendelag. Eintreffen des RK mit Sonderzug in Trondheim um 11 Uhr morgens. Möglichst große Aufmachung der Ankunft. – – – – Das bedeutet buchstäblich einige schlaflose Nächte. Schnell einen Besuch bei General Engelbrecht, der unterrichtet wird. Meiner Bitte, mit einigen Herren seines Stabes morgen am Bahnhof zu sein, und um Stellung eines Musikkorps wird entsprochen. Dann Oberst Strehlow vom Polizeiregiment229. Stellung einer Ehrenkompanie und von Schutzwachen. Dann Fylkesfoerer Rogstad, von dem ich eine Liste von 10 Geiseln – und zwar aus der Jössinger-Intelligenz – verlange. Gleichzeitig teile ich ihm mit, dass er ab morgen 5 Uhr außerordentliche Vollmachten für das Gebiet des Ausnahmezustandes erhalte. Die »Toberei« hält an. Nachts um 3 Uhr erhält die Presse Instruktionen. Die Journalisten müssen unter Bewachung ihre Leitartikel schreiben. Inzwischen haben ebenfalls unter Bewachung die Drucker die roten Plakate, die den Ausnahmezustand verkünden, herstellen müssen. Dauernd ruft Oslo an, neue Instruktionen, neue Arbeit. Währenddessen rollt der Sonderzug mit dem RK, SS Obergruppenführer und General der Polizei Redieß, Hauptabteilungsleiter Otte, Hauptabteilungsleiter Müller, General Hoeger230 usw. auf Trondheim. Noch ahnt Trondheim nicht die kommenden unangenehmen Tage. [108r] Dienstag, den 6. 10. Als ich zur Dienststelle fahre, stehen die Menschen vor den roten Plakaten. Noch die letzten Anordnungen in der Dienststelle. Um 10.30 geht’s zum Bahnhof, vor dem sich schnell eine große Menschenmenge sammelt. 10.45 Eintreffen des Sonderzuges. Begrüßung, Abschreiten der Ehrenkompanie, und weiter zur Dienststelle. Ich muss über das bisher Veranlasste Bericht erstatten. Der RK, Redieß, Flesch und ich bilden buchstäblich ein Tribunal. Der RK befiehlt die Erschießung der 10 namhaft gemachten Geiseln. Damit nimmt das Drama seinen Anfang. Inzwischen sind einige Polizeibataillone im Anmarsch nach Trondheim. Wehrmacht, norw. Polizei und Hird werden eingesetzt, Rundfunkansprachen und Presseartikel vorbereitet. Es ist eine wahre Hetzjagd. Alles muss schließlich improvisiert werden. Um 18 Uhr verkündet der Rundfunk die 228 Norwegisch: Gemeinde. 229 Walter Strehlow (1892-1944). Karriere in der Schutzpolizei, Einsatz beim Befehlshaber der Ordnungspolizei im besetzten Polen. Seit September 1941 Kommandeur des Polizeiregiments Norwegen mit Sitz in Trondheim, gleichzeitig Eintritt in SS. 230 Hoeger konnte nicht identifiziert werden.
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sonntag, den 11. oktober 1942
Erschießung der 10 Geiseln – ohne, dass allerdings bis zu diesem Zeitpunkt tatsächlich einer erschossen worden war. (Die Erschießung fand erst in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages statt.[)] Diese Geiselerschießungen sind [das] weitaus unangenehmste an der ganzen Situation, handelt es sich doch um Männer, die ohne Gericht und Schuldurteil ins Jenseits befördert werden. Mir klingen noch die Fragen des RK in den Ohren, [»]haben Sie bei X etwas einzuwenden?« Ich wusste ja, dass eben 10 Personen erschossen werden sollten. So habe ich nur bei zweien Bedenken erhoben, die nun heute noch leben und von dem tödlichen Verhängnis, das über sie [sic] schwebte, nichts wissen. Einer, dessen Tod morgens beschlossen wurde, lebt auch noch. Er war gerade auf der Reise von Oslo nach Trondheim.231 Nur diesem – lächerlichen – Umstand verdankt er sein Leben. Ist diese Maßnahme nun brutal? Gewiss, sie ist es, und doch muss [109] ich dem RK recht geben, wenn er behauptet, dass man dem Gegner die Intelligenzschicht wegnehmen muss, und dass, wenn Vernunft und Einsicht nicht vorhanden ist, zumindest Angst da sein muss. Was haben wir nicht alles mit Worten und Taten versucht, die Norweger zu einer zumindest loyalen Haltung zu bringen. Da bleibt eben nur das alte deutsche Sprichwort[,] »wer nicht hören will, muss fühlen«, und das »Fühlen« ist in Kriegszeiten nun einmal auch »kriegsmäßig« hart. Der Ausgang des Tages war allerdings nicht so »heroisch«. Der RK, Otte und ich spielten einen scharfen Skat, bei dem ich genau 30 Kronen verlor. Am Mittwoch, den 7. Okt. tagte dann zum ersten Mal das Standgericht, für das ich meinen Reg. Insp. Untersturmführer Klaassen abstellen musste. 14 Todesurteile wurden ausgesprochen und noch abends vollzogen. Zu um 16 Uhr waren die deutschen und norweg. Polizeitruppen auf dem Olav Tryvassonplatz232 aufmarschiert. Der RK hielt eine Ansprache und schritt anschließend die Front ab. Ein imposantes Schauspiel – in der Front zwei Kradkompanien, die ununterbrochen 48 Stunden von Südnorwegen nach Trondheim unterwegs gewesen waren. Abends war großer Empfang beim Kommandierenden General Engelbrecht im Hotel Britannia. Der RK verdrückte sich um 12 Uhr. Auf Wunsch von Engelbrecht musste ich noch bis 4 Uhr morgens dableiben. Nachts patroullierten Polizei und Wehrmacht in den unheimlich leeren Straßen. An jeder Ecke wurde mein Wagen angehalten. Ab 20 Uhr mussten die Straßen von Passanten und Fahrzeugen geräumt sein. [109r] Donnerstag, den 8. 10. 42. Dauernd Besprechungen mit dem Fylkesfører über die Absetzungen von Jössingern in öffentlichen Ämtern und den Aufsichtsräten und Vorständen von großen Wirtschaftsunternehmungen. Um 13 Uhr Mittagessen mit RK und Gefolgschaft im Erholungsheim der Polizei-Skihütte. Nachmittags Kaffeetrinken mit General Engelbrecht und Gefolge im Sonder231 Es handelte sich um Lorentz Capellen-Smith (1890-1967), seit 1912 Geschäftsführer der Trondheimer Familienfirma E. A. Smith, die mit Eisenwaren und Baumaterial handelte. 232 Gemeint ist der Torvet, der Hauptplatz im Zentrum Trondheims, auf dem die Statue Olav Tryggvasons steht.
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montag, den 12. oktober 1942
zug. Um 18 Uhr über den Rundfunk Verkündung von weiteren 10 Todesurteilen des Standgerichtes. Mein Abteilungsleiter Sauerteig, der sich unter die vor den auf den Plätzen angebrachten Lautsprechern versammelte Menschenmenge gemischt hatte, berichtete, dass die Norweger geweint, gebetet und sich gegenseitig umschlungen hätten. Nichts für schwache Nerven. Um 19.30 Abfahrt des RK nach Oslo. Für die gesamte weitere Durchführung wurde ich verantwortlich gemacht. So geht die Hast nun weiter. Glücklicherweise ist es zu weiteren Todesurteilen nicht gekommen, was die restlos durcheinandergebrachte Bevölkerung etwas zu beruhigen scheint. Für heute Abend habe ich sämtliche Mädchen zur Dienststelle bestellt. Wir hatten 700 Haussuchungen angeordnet, wobei Alkohol, Tabakwaren und Hamsterwaren aller Art beschlagnahmt werden sollten.233 Heute nachmittag kommen nun die Listen zurück, und ich muss leider jede einzelne Beschlagnahme persönlich bestimmen. Meine Mädel müssen also sofort 700 Beschlagnahmeverfügungen ausschreiben. Dass heute Sonntag ist, kann man wirklich nicht feststellen. Die bei mir zusammenlaufenden Meldungen der Wehrmacht, der Polizei und der Norweger sind seit gestern schon so inhaltslos, dass ich die Aufhebung des Ausnahmezustandes vorgeschlagen habe. Wenn nicht noch [110] heute Nacht wesentliche Dinge passieren, heben wir mit morgen früh den Ausnahmezustand auf. Montag, den 12. Oktober 1942 Der Spuk ist vorbei, wenn auch die Beschlagnahmeaktion noch einige Tage dauern wird. Die Norweger atmen sichtlich auf. Das Leben nimmt wieder seinen gewohnten Lauf. Ob wir nun Ruhe haben werden? Psychologisch ist dies ganze Geschehen außerordentlich interessant. Schließlich war Alles ein risikovolles Experiment. Klar steht, dass wir Deutschen auf 34 Erschießungen anders reagiert hätten. Wir hätten dem Gegner nun das Leben erst recht sauer gemacht. Der Norweger reagiert anders. Er beugt sich der Macht. Unverständlich ist mir allerdings die Haltung der NS Kreise und des NS Führers. Letzten Endes haben wir doch seine Landsleute erschossen, ja, er hat uns sogar die Namen der Geiseln persönlich genannt. Ich will ihn nicht verdammen. Im Sinne der Erkenntnis der großen europäischen Zukunft und der Notwendigkeit, diese Zukunft unter a l l e n Umständen durch einen Sieg sicher zu stellen, ist er sogar moralisch gerechtfertigt. Aber wurde er von dieser Erkenntnis getragen? – – 233 Zur Sicht der Sicherheitspolizei auf die Ereignisse und die Reaktion der Bevölkerung vgl. Larsen, Meldungen, Teilband II, S. 840-842, 845-846, 874-876, 882, 893 (Protest im Theater Trondheim) sowie S. 909 über die langfristigen Folgen auch außerhalb von Trondheim; S. 915 über Proteste innerhalb des N. S. (Forderung nach Ablösung Rogstads). Zur norwegischen Perspektive auf die Ereignisse vgl. den Beitrag von Bjarte Bruland in diesem Band.
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sonntag, den 18. oktober 1942
Donnerstag, den 15. Oktober 1942 Gestern Abend waren der Generalarbeitsführer Bormann und der norwegische Hierl, der General Frøhlich-Hansen [Frølich Hanssen], meine Gäste234. General Frøhlich-Hansen ist ein sehr sympathischer, leider erheblicher [sic], alter Herr. Solche norwegischen Führer und das Land wäre in Ordnung. Sonntag, den 18. Oktober 1942 Etwas wild und reichlich unsolide waren die letzten Tage – und schuld daran war Rosita Serrano.235 Am Freitag, den 16. kam sie an, zusammen mit ihrer Zofe und ihrem Begleiter, dem Pianisten Matthes. Mittags erfahre ich, dass der Matthes sich geäußert hätte, dass die Rosita schlechter Laune sei und außer den Konzerten für niemand[en] zu sprechen sei. Sie würde auch sofort nach dem letzten Konzert ins Bett gehen. In berechtigter Angst um das Gelingen meines für Sonnabend angesetzten Empfanges beschloss ich, ihr einen Besuch im Hotel zu machen. Als Beistand nahm ich Ackermann – den Cubaner – mit und etwas Kaffee und Liqueur. Um 5.30 Uhr klopfte ich also an die Tür des Hotelzimmers, öffnete sie und sah Rosita – – – – – im Bett. Als guterzogener Mann schloss ich die Tür sofort wieder, und dann wurden wir nach einigen Minuten hineingelassen. Es wurde eine große Enttäuschung, aber nach der angenehmen Seite. Rosita stimmte sofort allen vorsichtig vorgebrachten Vorschlägen zu. Als ich sie fragte, ob wir nicht zu Abend speisen wollten, sagte sie ja. Ich hatte gefragt in der Annahme, dass man wohl gegen 7 Uhr speisen könne, da ja um 8 Uhr das erste Konzert anfing. Ein dummes Gesicht machte ich, als sie auf meine Frage nach der Zeit 11 Uhr sagte. Wir »speisten« also bis 2 Uhr nachts im Palmengarten des Hotel[s] Britannia, wo sie auch wohnte. Am Sonnabend 20 Uhr stieg dann das »Festkonzert« mit der Anwesenheit aller »Potentaten« Trondheims. Anschließend, d. h. um 10.30 stieg der große – mein erster – Empfang im Hotel Britannia. Ca 70 Gäste hatte ich geladen, darunter General Engelbrecht, General Sensfuss236, Admiral Siemens, Admiral Eichel. [111]
234 Herbert Bormann (1893-?): »Generalarbeitsführer« war der dritthöchste Rang im Reichsarbeitsdienst; Konstantin Hierl war der deutsche Reichsarbeitsführer; Carl Frølich Hanssen (1883-1960). 235 Rosita Serrano (1914-1997) war eine chilenische Sängerin und Schauspielerin, die vor allem im Deutschland der dreißiger und vierziger Jahre Erfolge feierte. Sie war 1936 nach Berlin gezogen und begann, in deutscher Sprache zu singen. 1943 wurde sie wegen Spionage angeklagt, vermutlich aber, weil sie jüdische Flüchtlinge unterstützt hatte. Sie war gerade in Schweden auf Konzertreise und kehrte erst in der Nachkriegszeit nach Deutschland zurück. Angaben zu ihrem Begleiter konnten nicht gefunden werden. 236 Generalleutnant Franz Sensfuß (1891-1976), Festungs-Pionier-Kommandeur XVI, stationiert in Trondheim.
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donnerstag, den 22. oktober 1942
Es wurde nett, aber auch anstrengend. Im Hotel Britannia dauerte es bis 4.30, dann ging es bei Dipl. Ingen. Fickert weiter, und um 7.30 heute in der Frühe langte ich schließlich in meinem Bett an. Heute Abend nach dem Konzert habe ich Rosita nun zu mir nach Leangen eingeladen. Wie spät es dann wohl wird? Donnerstag, den 22. Oktober 1942 Donnerwetter, ist das bisher eine »lebhafte« Woche. So etwas kann den stärksten Menschen schwach machen. Am Sonntag war es noch sehr nett. Wir waren total ca 10 Personen. Rosita rundete den bisher von ihr gewonnenen sympathischen Eindruck gut ab. Sie war geradezu erstaunlich natürlich. Auch ihr Begleiter, der Matthes, ist ein sehr angenehmer Mensch, nur etwas weich. Er ist der Komponist der letzten Zahra Leander Lieder und spielte auch die neuesten Lieder, die erst in den neuen Filmen erscheinen werden, auf dem Klavier vor. Rosita musste noch einmal ihr reizendes Lied »el conductor, chin, chin« zum Besten geben. Dann erschienen plötzlich 2 Uboot-Offiziere und wollten Rosita »kapern«. Sie hatte versprochen, noch in einem Kreis von Ubootleuten im Hotel Britannia vorzusprechen. Na, so um 3 Uhr nachts brachen wir dann auf zum Hotel Britannia. Gut, dass wir mitgegangen waren[,] denn diese Sache wurde leider eine Pleite. Ein anwesender Luftwaffenfeldwebel benahm sich vorbei, und Rosita war mit Recht böse. Dennoch war es gut 6 Uhr, als ich schließlich wieder in Leangen anlangte. Am Montag Abend hatte ich gleich zwei [»]Ver- [111r] anstaltungen«, nachdem ich mittags mit Rosita noch einmal im Britannia gegessen hatte und ihr anschließend den Dom gezeigt hatte. Um 7 Uhr hatte ich meinen ehem. Bergenser Mitarbeiter Dipl. Ing. Thote nach Leangen geladen, um dann gegen ½ 10 Uhr mit ihm zu einer Abschiedsfeier für meine beiden Drontheimer Mitarbeiter, Reg. u. Baurat Handt und Gauhauptstellenleiter Sauerteig im Deutschen Hause zu fahren. Glücklicherweise wurde dieser Krieg schon um 1 Uhr beendet. Am Dienstag, den 20. Oktober fuhr ich um 10 Uhr nach Orkla und Loekken [Orkla og Løkken], um den Orkla Grubenbetrieb zu besichtigen. Die Orklagrube ist die grösste Schwefelkiesgrube Nordeuropas und produziert monatlich z. Zt. fast 50.000 Tonnen Schwefelkies (was allein ca 6000 to. Cu237 ausmacht.) In Loekken empfing uns der Direktor Kiar und zeigte uns die gesamten Anlagen. Wir fuhren unter Tag bis auf 413 m Tiefe, um das Brechen des Steins zu sehen. Dann besichtigten wir die Werkssiedlung Bjørnli, die als Musterbeispiel gelten kann. Überhaupt kann der gesamte gut und recht als nationalsozialistischer Musterbetrieb angesehen werden, wobei interessant ist, dass Betriebsführung und Gefolgschaft von Nasjonal Samling nichts wissen wollen. Zum Schluss fuhren wir noch nach Thamshavn, wo das große Verarbeitungswerk liegt. Hier wird der bis zu 42 Cu enthaltende Kupferstein gewonnen und der Schwefel. Die Rückfahrt konnte gerade noch so rechtzeitig angetreten werden, dass ich zu 237 Cu ist das chemische Symbol für Kupfer (lat. cuprum).
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sonntag, den 25. oktober
um 7 Uhr einer Einladung auf die im Trondheimer Hafen liegende »Ulanga« folgen konnte. Leider war ich jedoch so müde, dass ich schon um 11 Uhr »streiken« musste. Gestern (Mittwoch) ging das »Feiern« weiter. Das neuerstellte Kasino der Dienststelle [112] wurde eingeweiht. Zugleich war es die offizielle Abschiedsfeier für Handt und Sauerteig, denen ich je als Andenken an ihre Trondheimer Wirksamkeit einen silbernen Leuchter mit Eingravierung überreichte. So um ½ 3 Uhr war auch diese Feier beendet, die übrigens außerordentlich nett verlief. Welch ein Gegensatz zu den Kameradschaftsabenden meiner alten Dienststelle Bergen. In Bergen musste ich den »maître de plaisir« stets allein abgeben. Hier hatte sich besonders der Bibliothekar Pfeiffer ausgezeichnet mit einem scharfpointierten Sketsch [sic], der die Person von Harlos erheblich verunglimpfte. Dann waren es vor Allem die Mädchen, die »ihren Geist« zu Papier gebracht hatten. Anwesend waren auch Dr. Blankenagel und Herr Degener238 aus Oslo, die sicher einen guten Eindruck von der Haltung der Dienststelle gewannen. Heute Abend kommt der RK von seiner Finnlandreise zurück. Ich soll mich bei ihm im Sonderzug melden. Sonntag, den 25. Oktober Die Hast geht weiter. Am Donnerstag meldete ich mich befehlsgemäß im Sonderzug des RK. Mein »Programm« konnte ich allerdings nicht durchführen. Der RK wollte nur etwas über die Auswirkungen des Ausnahmezustandes hören. Im Zug war auch Aulikki Rautawaara239, die ich bei dieser Gelegenheit kennen lernte. Angenehm berührt bei dieser Gelegenheit hat mich die Haltung des RK. St[u]baf Flesch ging vor mir in den Wagen und meldete sich. Der RK beachtete ihn garnicht, wartete meine Meldung ab und gab mir die Hand. [112r] Erst dann begrüßte er den etwas piquierten Flesch. Insofern hat überhaupt der RK Besuch in Trondheim fast Wunder gewirkt. Die dauernde Herausstellung meiner Person als Vertreter des RK hat meine Stellung bei der Schutzpolizei und der Wehrmacht sehr gestärkt. Am Freitag Abend war ich bei dem Oberbürgermeister Bergan eingeladen240. Ebenfalls anwesend waren Admiral Siemens, Admiral Eichel, Oberstabsarzt Dr. Hoff und der »unvermeidliche« Stadtkommandant Oberstleutnant Dziobek. Es gab ein vorzügliches Essen, ansonsten wurde es der übliche »inhaltlose« und konventionelle Abend. Siemens berichtete über seine persönlichen Enttäuschungen bei Berührung mit dem Stab Speer usw. Wehe uns, wenn alle Admiräle so sind wie dieser, wobei ich noch bemerken möchte, dass der RK mir 238 Zu Blankenagel vgl. den Eintrag vom 19. Juli 1941 und Fußnote 92; Degener konnte nicht zugeordnet werden. 239 Terttu Aulikki Rautawaara (1906-1990), finnische Opernsängerin. 240 Olav Bergan (1890-1970), Bankdirektor und norwegischer Bürgermeister von Trondheim 1941-1943.
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sonntag den 1. november 1942
den persönlichen Umgang mit Siemens verboten hat, oder besser gesagt, den »inoffiziellen« Umgang. Gestern Abend gab es ein Konzert der Flakgruppe Mittelnorwegen im Deutschen Haus. Die Männer zeigten ein sehr nettes Programm. Heute ist nun der Dichter Hans Friedrich Blunck in Trondheim und wird nachher bei mir zum Kaffee erscheinen.241 Mittwoch, den 28. Oktober 1942 Am Sonntag, den 25. besuchte mich der Dichter und ehem. Präsident der »Dichterakademie« Hans Friedrich Blunck (Reichsschrifttumskammer)[.] Abends fand eine Veranstaltung im Studentersamfundet242 statt, wo er aus seinen Werken las. Blunck ist zumindest ein sehr selbstbewusster Mann, aber un- [113] zweifelhaft mit Qualitäten behaftet. Es war interessant, sich mit ihm über die moderne Geschichtsauffassung zu unterhalten. Er stellt vor Allem das deutsche Geschlecht der Schleswig-Holsteiner auf dem T[h]ron Dänemarks in den Vordergrund und zieht daraus die Folgen, dass Dänemark, Norwegen und Schweden durch die Glücksburger eigentlich schon immer zum »Reich« gehörten. Ich habe nun wenig übrig für Dichter, die »aus eigenen Werken« lesen. Ich finde, es gibt dann immer eine gewisse Desillusion. Anschließend an die Veranstaltung waren wir dann Gast bei Herrn Holst, dem Vorsitzenden der deutschnorwegischen Gesellschaft. Am Montag gab ich noch ein Mittagessen für Blunck im Hotel Britannia und brachte ihn zum Bahnhof. Ich soll ihn mal auf seinem Gut in Holstein besuchen. Am Dienstag hatte ich den Kapitän der »Ulanga«, Schauffel eingeladen. Schauffel, Wiechmann u. ich droschen einen gewaltigen Skat, was immerhin eine nette Abwechslung im gesellschaftlichen Geschehen der vergangenen Wochen bedeutet. Sonntag den 1. November 1942 So allmählich verebbt die aufregende Zeit. Die »Hast[«] hat ja einiges für sich, aber irgendwie leidet die normale Arbeit doch darunter. Überhaupt fällt mir auf, dass ich in letzter Zeit eigentlich immer nur von den »außerordentlichen« Ereignissen berichtet habe und recht wenig von der Arbeit, die gottseidank dennoch alltäglich geleistet wurde. Der Unterschied ist nur der, dass [113r] man »gut ausgeschlafen« erheblich mehr Initiative entwickeln kann, als wenn man 241 Hans Friedrich Blunck (1888-1961), völkischer Schriftsteller mit dem Schwerpunkt niederdeutscher Literatur und von 1933 bis 1935 erster Präsident der Reichsschrifttumskammer. 242 Norwegens größter Studentenverband, gegründet 1910 für die Studenten des Norwegischen Instituts für Technologie (heute Norwegische Universität für Wissenschaft und Technik).
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freitag, den 6. november 1942
»gesündigt« hat. Im letzteren Fall ist man letzten Endes zufrieden, wenn die laufende Arbeit auch erledigt wird. Am Freitagabend war ich nach langer Zeit mal wieder im Kino. »Der große König« hat mir ausgezeichnet gefallen, stellt er doch irgendwie eine Parallele zur heutigen Zeit dar.243 Quintessenz: es kommt nicht auf den Einzelnen, sondern auf das Volk an. Als ich aus dem Kino kam, stand schon ein SS Mann meiner SS Vermittelung bei meinem Wagen und teilte mir mit, dass ich sofort zum Kommandeur der Sicherheitspolizei kommen möge. Also hin. Stubaf Flesch unterrichtete mich dann über die neuen beabsichtigten Verhaftungen. U. a. waren einige Grubeningenieure dabei. Während des Ausnahmezustandes war eine Meldung des Rektors der Trondheimer technischen Hochschule eingegangen, dass eine Zeichnung der KMW bei Studenten gefunden worden war. In Verfolgung dieser Angelegenheit war nun eine Organisation aufgedeckt worden, die sich im Auftrag des Secret Service mit Wirtschaftsspionage befasste.244 Dienstag, den 3. November [1942] Gestern und heute bin ich je zu einem Hund gekommen. Gestern kaufte ich »SENTA«[,] einen bildhübschen Elchhund – weiße Brust, weiße Pfoten. Gestern brachte man mir ein braunes kleines Bündelchen, das sich possierlich auf der Erde bewegte, eine »Sie«, deutscher Boxer, prima Stammbaum. Ich kaufte sie gleichfalls und nannte sie »Sonja«. Neben viel Freude werde ich allerdings auch wohl noch viel Ärger haben – von wegen Stubenreinheit. Niedlich, wie die Beiden zusammenspielen. Freitag, den 6. November 1942 Am Mittwoch kam Minister Lippestad wieder durch Drondheim. Abends war er bei mir in Leangen zu Gast. M. E. ist Lippestad der sympathischste von allen derzeitigen norweg. Ministern. Am liebsten hätte er mir meine Sonja ausgespannt. Er ist ein großer Hundeliebhaber. Gestern Abend besuchte mich ein alter Hamburger Bekannter, Heinrich Gerbode. Er kam schon zurück von Bodø, wo er an einer Baugesellschaft beteiligt ist, die sein Sohn führt. Fast zur Mitternacht stellt sich dann auch noch Noatzke in Leangen ein, um hier zu übernachten.245 Er geht für einige Zeit nach Deutschland auf Erholungsurlaub. Für diese Zeit habe ich leider meinen Reg. Rat Dr. Freih. von Stackelberg nach Narvik abgeben müssen. Hoffentlich wird das kein »Dauerverlust«. – Jedenfalls ist es bisher ja immer so gewesen. Gerade 243 Ein früher »Durchhaltefilm« aus dem März 1942 von Veit Harlan über Friedrich den Großen und tapferes Soldatentum. 244 Die sogenannte TXU-Gruppe. Die verhafteten Studenten wurden in die Konzentrationslager Falstad und Sachsenhausen überführt, wo sie teilweise schwer gefoltert wurden (Hinweis Bjarte Bruland). 245 Der Dienststellenleiter in Narvik, vgl. den Eintrag vom 15.7.1942.
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mittwoch, den 11. november 1942
dann, wenn man der überheblichen Meinung war, »jetzt läuft alles richtig«, dann kam irgendein dummer Personalwechsel. Sonntag, den 8. November 1942 So etwas, wie heute, könnte man einen historischen Tag nennen. Die Amerikaner und Engländer sind in Marokko und Algier gelandet, die Franzosen zeigen bisher noch Widerstand, allerdings etwas undurchsichtlich [sic]. Der Führer hat gesprochen. Das bisher unbesetzte Frankreich wird besetzt. Die Ereignisse überstürzen sich wieder einmal. Leider ist allerdings die ursprüngliche Initiative bei den Gegnern. Da die 8. engl. Armee unser Afrikakorps seit Tagen unangenehm vor sich her treibt, ist die Situation verdammt kritisch geworden. [114r] Am Freitag Abend war ich bei Hillegaarts eingeladen. Diese Plutokraten – comme il faut – haben anscheinend wieder irgendwelche faulen Absichten. Also Vorsicht. Gestern erhielt ich ein Fernschreiben, dass die von mir herausgebrachte Geschäftsordnung vorbildlich sei und den anderen Dienststellen zur Einführung empfohlen wurde. Wenn auch nicht viel[,] aber dennoch eine Anerkennung und ausgerechnet von patentierten Verwaltungsbeamten für einen pp. Kaufmann. Mittwoch, den 11. November 1942 Die Ereignisse in Afrika überstürzen sich weiter. Wenn man unsrerseits auch noch nicht viel zugibt, so kann man doch schon jetzt feststellen, 1. es ist etwas faul mit der französischen Haltung. 2. wir sind erheblich in Bedrängnis gekommen, auch wenn General von Arnim in Tunis gelandet sind [sic]. Allerdings, warum sind die schlauen Tommies und Yankees nicht gleich in Tunis gelandet? Es wäre bestimmt nicht schwerer gewesen, als die Landung in den Häfen von Algier und Marocco. Jedenfalls, die Situation ist trotz aller Schönfärbereien scheußlich. Fast wäre unsere »TIRPITZ« in die Luft gegangen. Am 9. unterrichte Hstuff. [sic] Romeick246 mich über ein geplantes Attentat der Engländer auf die Tirpitz. Die Haare könnten mir noch jetzt buchstäblich zu Berge stehe über den Leichtsinn unserer pp. kaiserlichen Marine. Aber, der Reihenfolge nach. Läuft da doch ein harmlos aussehender Kutter durch den Trondheim Fjord, [115] ein deutsches Überwachungsfahrzeug geht auf Rufweite heran und fragt an ….. man höre und staune ….. »haben Sie Eier gegen Tabak zu tauschen?[«] »Har ikke«, kam zurück, und damit passierte der »harmlose Fischkutter«. Es handelte sich jedoch um eine geschickte Tarnung. Dieser harmlose Pott hatte zwei Spezialtorpedos, je einen äußerlich am Rumpf angebracht. Diese Torpedos waren sogenannte 2 Mann-Torpedos, das letzte Produkt monatelanger und verlustreicher Versuche 246 Hauptsturmführer Hellmuth Romeick konnte nicht näher zugeordnet werden.
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dienstag, den 17. november 1942
einer engl. Torpedoschule in der Nähe von Portsmouth. Von 85 Schülern waren 40 inzwischen ins Jenseits gegangen, berichtete der von der Sicherheitspolizei gefangen genommene Mister Stephens. Das waren die Opfer, bis das besagte Torpedo einsatzfertig war. Aber auch hier, mit des Geschickes Mächten …. Glücklich hatte man den Fjord Flaschenhals bis Trondheim passiert, ja man war sogar an Trondheim vorbei, da man ja »keine Eier zum Tauschen« an Bord hatte, doch dann kam ein Sturm auf – wie so häufig hier, unerwartet und heftig – und dabei verlor das Boot beide Torpedos, weil die Halter außenbords brachen. Pech .. Die zwölfköpfige Mannschaft versenkte daraufhin ihren Kahn – leider jedoch nicht tief genug, sodass ein norweg. Fischer seinen Lehnsmann darauf aufmerksam machte, der wiederum die Sicherheitspolizei instruierte. Zwischenzeitig waren die 12 Männer in 2 Gruppen in Richtung schwedische Grenze gewandert. Eine Gruppe wurde von norweg. Grenzpolizei gestellt. Die Gruppe wurde auseinandergetrieben, Mister Stephens wurde allein abgesplittert, lief weiter, bis er zu einer Hütte kam, die er – da es inzwischen dunkel geworden war – zur Übernachtung benutzte. Morgens findet ihn da eine andere norwegische Streife, [115r] die ihn bei dieser Gelegenheit leicht anschießt und dann mitnimmt. Durch diese Zufälle kam das Attentat auf die Tirpitz heraus, zumal Stephens aus einem glücklich geweckten Ehrgeiz heraus nun haargenau erzählte, was und wie alles geplant war. Bis zu 40 Meter konnten die Burschen mit ihrem Torpedo tauchen. »Ihre Torpedonetze gehen nur 15 m tief«[,] sagte er, was auch tatsächlich stimmt. Aber nicht einmal zu tauchen brauchte er, nein, es gäbe zwei Lücken in den Netzen. Und nun beschrieb er genau die vermeintlichen Lücken. Leider … hatte er Recht. Bei den Torpedos handelte es sich um zweiteilige Sprengkörper. Den eigentlichen Sprengkörper konnte man mittels Magneten an der Schiffswand befestigen; mit dem sogenannten Fahrgestell konnte man dann wieder zurückfahren. Inzwischen arbeitete der eingestellte Zeitzünder und zwar auf genau 50 Minuten. Es will mir gar nicht aus dem Kopf »haben Sie Eier gegen Tabak zu tauschen?« – arme Marine. Sonntag, den 15. November 1942 Heute morgen kam ich um 5 Uhr nach Haus. Ich war bei Eggen in Steinkjer eingeladen gewesen. Eigentlich sollte ich dort bleiben über Nacht. Aber ich durchschaue den Eggen noch immer nicht. Bisher macht er jedenfalls einen minder deutschfreundlichen Eindruck. Anwesend waren auch noch General Engelbrecht, Fylkesforer Rogstad usw. Irgendwie hat Eggen vor mir etwas Angst. Jedenfalls hat er schon lange gemerkt, dass ich kein von der Goltz bin, den er in die Tasche stecken konnte. [116] Dienstag, den 17. November 1942 Erst jetzt beim Schreiben der Zahl 17 fällt mir ein, dass mein Schwesterlein Erna ja heute Geburtstag hat, und … ich habe nicht einmal rechtzeitig geschrieben. 207
sonntag, den 22. november 1942
Gestern Abend habe ich einen großen Kameradschaftsabend mit Nasjonal Samling im Hotel Britannia durchgeführt. Anwesend war auch Minister Fuglesang247, der zufällig in Trondheim weilte. Ich sprach über das deutsch-norweg. Verhältnis. Der Abend hat sicherlich zur Unterstützung der Arbeit von Nasjonal Samling erheblich beigetragen. Sonntag, den 22. November 1942 Die vergangenen Tage standen im Zeichen von Willy Strienz248, der mit seiner herrlichen Stimme Deutsche und Norweger begeisterte. Am Dienstag, den 17. 11. hatte ich mich im Auftrage von Terboven morgens um 8.05 auf dem Bahnhof zur Begrüßung von Generaloberst Stumpf249 einzufinden. Am Mittwoch vormittag machte Stumpf mir einen Höflichkeitsbesuch. Stumpf, dem man dienstlich geradezu eiserne Härte zusagt, ist – wider Erwarten – einer der liebenswürdigsten Menschen. Er nahm meine Einladung zum Besuch des Strienzabends an und besuchte bei dieser Gelegenheit auch Strienz in der Garderobe. Ich musste doch unwillkürlich lächeln. Strienz, der auf der Bühne im wahrsten Sinne des Wortes »angiebt«, war im Gespräch mit Stumpf direkt kindlich unbeholfen. Was doch große Namen ausmachen. [116r] Am Donnerstag, den 19. Nov. hatte ich Strienz und Frau nach Leangen eingeladen. Minister Fuglesang, der zufällig in Trondheim weilte, kam auch, und es wurde ein netter Abend, der letzte übrigens in Leangen, denn am Freitag fand endlich der Umzug ins neue Domizil – Hovringen [Høvringen gård] – statt.250 Hovringen macht äußerlich den Eindruck eines Waldschlosses. Rotgestrichene Holzwände, darüber Grasdächer – altnorweg. Bauweise. Innen jedoch modernst eingerichtet. Die große Halle, zugleich Wohnraum ist englisch/ schottischer Stil, das Speisezimmer französisch. Typisch norwegisch, d. h. individualistisch ist auch die Unterbringung der Einwohner. Im Haupthause ist nur ein Schlafzimmer, in dem die »Alten[«] wohnten, die Kinder wohnten in einem ebenfalls modernst eingerichteten Nebenhause, das allerdings durch Überdachung mit dem Haupthaus verbunden ist, der Gärtner wohnt neben und über der Garage – ebenfalls Einzelhaus. Ich glaube, ich habe mit diesem Hause einen guten Fang gemacht. 247 Rolf Jørgen Fuglesang (1909-1988), Propagandaminister der Quisling-Regierung. 248 Wilhelm Strienz (1900-1987), populärer Opernsänger (Bass). Strienz sang häufig im »Wunschkonzert für die Wehrmacht« und wurde 1944 in die »Gottbegnadetenliste« aufgenommen (vgl. Fußnote 146). 249 Hans-Jürgen Stumpff (1889-1968), Befehlshaber der Luftflotte, in Norwegen stationiert, um Angriffe auf England vorzubereiten. 250 Das »Waldschloss« in Høvringen gård war 1939 von Lorentz Capellen-Smith für sich und seine Familie gebaut worden, der Anfang Oktober auf der Geiselliste in Trondheim gestanden hatte, jedoch überlebte, weil er auf Reisen war und nicht zurückkehrte. Offenbar wurde aber dennoch sein Besitz beschlagnahmt, darunter das Haus, in das Christen nun einzog.
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dienstag, den 7. dezember 42
Am Sonnabend, den 21. 11. war ich beim Seekommandanten Kapt. z. See Rose eingeladen. Der Abend war recht langweilig, wie auch nicht anders zu er[w]arten. Rose erzählte zum soundsovielten Male seine U-Bootgeschichten aus dem Weltkrieg. Admiral Siemens raspelte Süßholz mit den anwesenden alten Damen, und Flesch und ich pflaumten mit Olav dem Ordfoerer. [117] Montag, den 23. Novemb. 42 Gestern Abend waren Strienz und Frau noch einmal bei mir – diesmal in Hovringen. Strienz hat einen fabelhaften Erfolg bei der Wehrmacht gehabt. Er weiß, genau die richtige schwache Seite der Landser zu treffen. Am meisten Freude hat ihm das von mir auf dem Schlachtschiff »Tirpitz« arrangierte Konzert gemacht. Montag, den 30. November 42 Sonnabend hatte General Schmidt von der 702 I. D.251 eingeladen. Diese Wehrmachtsscheiche haben immer das beneidenswerte Glück, ausgezeichnete Köche zu haben, sodass es wirklich erstklassige[s] Essen gibt. Ich bin da mit meine norwe. Piken leider weit zurück und muss stets versuchen, mit den Getränken wieder gut zu machen, was an gutem Essen fehlt. Einen sehr gemütlichen Abend gab es am Sonntag, den 29. 11. bei mir in Hovringen. Kap. z. S. Topp, Kommandant der Tirpitz war bei mir mit K. Kapt. Weber und O. St. A. Vandrez252 zu Besuch. Auch Plutokraten-Hillegaarts hatte ich eingeladen. Topp ist ein charmanter Plauderer, und da es dazu einen prima Whisky Soda gab, wurde der Abend sehr lebhaft. Heute weilte der RK kurz in Trondheim. Er ließ sich über die derzeitige polit. Lage in Trondheim Vortrag halten. Mit ihm fuhr die finnische Nachtigall Aulikki Raitawaarta wieder, eine charmante Frau. [117r] Dienstag, den 7. Dezember 42 Die letzte Woche vor dem Urlaub ist angebrochen, doch von Vorurlaubsstimmung ist noch wenig zu spüren. Die »Maschine« läuft noch auf vollen Touren. Am verg. Sonnabend traf mit dem 8.05 Zug Ministerpräsident Quisling mit Begleitung in Trondheim ein, um sich hier zwei Tage »offiziell« aufzuhalten. Von diesen zwei Tagen ist er allerdings einen halben Tag bei mir gewesen. Rechnet man noch die diversen »offiziellen« Essen dazu, so ist der »Inhalt« seines Staatsbesuches doch recht dürftig. Am Sonnabend zu ½ 3 Uhr hatte ich Quisling mit einigen Ministern, sowie die Generäle Engelbrecht und Schmidt zum 251 Infanteriedivision. 252 Robert Weber (1905-1944), zu diesem Zeitpunkt Korvettenkapitän und 1. Artillerieoffizier der Tirpitz, später deren Kommandant. Am 12. November 1944 wurde die »Tirpitz« schwer getroffen und kenterte. Weber konnte das Schiff nicht rechtzeitig verlassen. Vandrez konnte nicht zugeordnet werden.
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freitag, den 11. dezember 42
Mittagessen nach Høvringen geladen. Quisling war wider Erwarten sehr lebhaft, wozu allerdings gleich am Anfang meine »Hexe« das ihrige beigetragen hatte. Sie hatte ihn erheblich am Hosenbein gezogen, was die ersten »offiziellen« Momente ausgezeichnet überbrückte. Um ½ 7 Uhr aßen wir dann noch gemeinsam bei mir Abendbrot, um anschliessend zu einem norweg. Kulturabend in das Studentersamfundet zu fahren. Am Sonntag sollte ein Vorbeimarsch der Hird auf dem Torvet253 stattfinden. Wegen Fliegeralarms (?) fiel dieser Programmpunkt dann »glücklich« aus, und um 13 Uhr fanden wir uns dann alle wieder beim Fylkesmann Grundtvik zum Mittagessen ein. Abends sprach Quisling dann im Verdenstheater [Verdensteatret] im Rahmen einer Kundgebung von Nasjonal Samling. Wie eingangs gesagt, Alles in Allem eine etwas dürftige Angelegenheit. Am Montag früh verabschiedeten wir dann die Herren wieder auf dem Trondheimer Bahnhof, wobei ca 30 Jungmädchen mindestens 70 norweg. Pimpfe glatt »an die Wand« brüllten. [118] Freitag, den 11. Dezember 42 Morgen ist es nun geschafft, Urlaub und Heimat winken. Drei bewegte Tage liegen hinter mir. Urlaubsvertretung organisieren, Dienstgeschäfte abschließen, und dann abends noch regelmäßig Gäste. Am Dienstag, den 8. hatte ich anlässlich des Besuches von Dr. Paris (RK Oslo) den Flottenarzt Dr. Siebert, sowie die ebenfalls in Drontheim zufällig weilenden Herren Hagmeister und Kittner eingeladen. Am Mittwoch besuchten mich drei Schnellbootskommandanten, unter ihnen der mir von seiner IWO Tätigkeit auf der M I bekannte Graf Bentheim.254 Gestern fand dann endlich unsere Weihnachtsfeier im Kasino statt. Ich hatte wieder erheblich »angeschafft«, sodass jeder »gutbeladen« nach Hause gehen konnte. Damit ist dieses Dienstjahr in Drontheim nun beendet. Es ging in diesen 6 Monaten in Drontheim eigentlich besser, als anfangs erwartet. Die Dienststelle ist heute eine geschlossene, arbeitsfähige und – freudige Einheit. Ich bin ja nun auch schon fast ein »alter Fuchs« in Norwegen geworden. Bedauerlich ist nur, dass man mir meinen Abteilungsleiter Verwaltung RR Dr. Freih. von Stackelberg genommen hat. Ich glaube jedenfalls nicht, dass ich ihn je wieder in Trondheim wieder sehe, es sei denn als Gast. Auch die Abteilung Technik leidet noch etwas an Personalverschiebungen. Man will jetzt – analog der Osloer Regelung – den Leiter der O. T.255 Einsatzgruppe Mittelnorwegen zum Leiter- in Personalunion – meiner Abtl. Technik machen. [118r] Die milit. Lage am Ende [des] Jahres ist wieder etwas schlechter geworden. Der Russe ist nach wie vor die große Sphinx und hat seit gut 2 Monaten wieder eine Offensive gestartet, mit der wir kaum fertig zu werden scheinen. Ob wir 253 Zentraler Platz (auch Marktplatz) in Trondheim. 254 Konnte nicht zugeordnet werden. IWO bezeichnet den Ersten Wachoffizier. 255 Organisation Todt.
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12. januar 1943 dienstag
die Stalingradspitze halten können, ist doch noch sehr zweifelhaft. Geradezu kümmerlich ist allerdings nach wie vor der Kriegseinsatz der »Demokratien«. Sie haben in diesem Jahr fast nichts geleistet, wenn es ihnen auch gelang, Rommel erheblich nach Westen zurückzutreiben. Hierfür kann man allerdings den Rommel nicht verantwortlich machen, wenn man weiß[,] wie hund[s]miserabel bisher unsere »Bundesgenossen«, die Italiener versagten. Man könnte immer wieder vor Wut platzen, wenn man etwas über die »Leistungen« dieses ebenso impotenten wie arroganten Volkes hört. Was wird nun 1943 bringen? – [119] 12. Januar 1943 Dienstag Nun bin ich wieder einen Tag an meiner alten Wirkungsstätte. Wie häufig werde ich wohl den Weg nach Norwegen herauf noch machen? Man ertappt sich schon häufig bei dem Gedanken, dass es so ganz normal ist, und dass man ewig wieder hier herauf müsste. Irgendwie wird uns, die wir hier im Kriege eingesetzt sind, das Land nie wieder los lassen, und [ich] stelle mir häufig in Gedanken vor, wenn man später als Besuchsreisender wieder nach Oslo, Bergen oder Drontheim kommt. Wieviel lebendige Erinnerungen werden doch jetzt geboren. Ehrlich gestanden, bin ich diesmal nicht allzu gern auf die Reise gegangen. Es war doch zu schön, diesmal im Urlaub. Man sagt so häufig, im täglichen Zusammenleben stellt man sich zwangsläufig ganz aufeinander ein. Man könnte diesmal ebenso sagen, durch die Trennung stellt man sich noch mehr aufeinander ein. Jedenfalls verlief dieser Urlaub so harmonisch wie noch nie. Lag das an dem kleinen Holger, den ich zum ersten Male sah? Oder an meinem Frauchen, dass so hübsch und jung wie selten aussah? Oder war es auf beiden Seiten die Absicht, die kurze Zeit so schön wie möglich zu gestalten in der Erkenntnis, wer weiss, was uns die Zukunft noch bringt. So habe ich diesmal besonders das Gefühl einer unendlichen Liebe zu meinem Frauchen mitgenommen und ein Bild der Harmonie, das mir die nächsten Monate bestimmt erleichtern wird. Gut 4 Tage bin ich unterwegs gewesen. Am Donnerstag, den 7. morgens 8 Uhr rollte der Zug aus dem Hamburger Hauptbahnhof. Schon im Zuge fanden sich die ersten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ein, sodass wir bald eine Reisegesellschaft von 6 Mann waren. Abends 20 Uhr langten [119r] wir in Kopenhagen an. Dieses Kopenhagen ist heute noch buchstäblich eine Offenbarung. Wie ein Märchen aus längst vergangenen Zeiten kommt Einem diese Stadt vor. Unglaublich, man geht in ein Geschäft und kauft – ohne Marken. Man geht in ein Restaurant, schaut aus deutscher Erinnerung verängstigt auf den Kellner. Dieser aber faucht nicht, nein[,] er kommt sofort mit einer ungewohnten Höflichkeit. Man bestellt à la carte. Wann das wohl bei uns wieder einmal so sein wird? Sicherlich wird man später, wenn man diese Zeilen wieder liest, darüber lachen. Aber gerade deswegen soll es hier festgehalten werden. Einen ganzen Tag hatten wir in Kopenhagen Zeit. Am 8. um 18.40 fuhren wir nach Helsingør weiter, wo wir uns auf die Fähre begeben wollte[n]. Sie fuhr jedoch leider nicht – wegen Luftalarms. Also hieß es, in Helsingør zu bleiben. 211
donnerstag, den 14. januar 1943
Keiner von uns hatte noch dänische Kronen. Also musste der deutsche Wahlkonsul bemüht werden, der dann jedem 10 Kr. pumpte. Nächsten Morgen um 7. 30 ging es dann schließlich weiter. Im Zug von Helsingborg nach Oslo, wo wir um 22 Uhr anlangten, wurde ein heftiger Skat gekloppt, bei dem der gute Dr. Thomsen erheblich übergefahren wurde [sic]. In Oslo waren Zimmer im Grand Hotel reserviert worden. Am nächsten Morgen begann dann der Schlussakt der Reise um 7.40 Uhr mit der Fahrt nach Trondheim. Gut 20 Stunden dauerte die Reise. Das erste, was ich erfuhr, war, dass meine »Hexe« gestohlen war. Ein Marineangehöriger hatte sie einfach mit in die Stadt genommen. Auf das kleine Wesen hatte ich mich richtig gefreut. Na, ich werde alle Hebel in Bewegung setzen, um sie zurück zu erhalten. So viel Unsinn, wie sie auch anrichtete, sie fehlt jetzt richtig. [120] Donnerstag, den 14. Januar 1943 Es ist Alles relativ gutgegangen in der Zeit meiner Abwesenheit. Wessel, Ackermann und Pfeiffer haben sich ganz wacker gehalten, wenn auch die ersteren Beiden mit der Betriebsamkeit des Letzteren nicht immer ganz einverstanden waren. Ich wühle jetzt naturgemäß in Akten und Vorgängen, aber der Berg wird schon sichtbar kleiner, und bald werde ich Alles aufgearbeitet haben. Am Dienstag, den 12. hatte ich meine Referenten zu einem Herrenabend nach Høvringen geladen, um in diesem Rahmen gleich wieder den notwendigen »Steam« in die Mannschaft zu bringen. Gestern Abend war ich zu einem Vortragsabend von Oberst Mundt vom Kommando Flughafenbereich Trondheim eingeladen. Ein Wetterflieger von Vernaes [Værnes]256 zeigte einen – teilweise Farben – Film über seine Flüge nach Island, Spitzbergen und Nowaja-Semlja.257 Es waren recht interessante Bilder und ebenso interessante Schilderungen. Was mir bisher unangenehm aufgefallen ist, ist die schlechte pol. Haltung eines Teils des Offizierskorps. Gewiss, es ist kein Geheimnis mehr, dass unsere 6. Armee abgeschnitten ist, dass Stalingrad im Zuge der russischen Offensive heute restlos eingeschlossen ist. Die nationalsozialistische Haltung vor Allem des Reserve-Offizierskorps ist schon immer nicht sehr erfreulich gewesen. Es sind ja meist die selben Kreise der »Reaktion«, die wir im Kampf um die Macht so restlos an die Wand gedrückt haben. Jetzt glauben sie sich durch ihre Wehrmachtsangehörigkeit völlig immun und reden wieder ihren alten Quatsch, ohne zu merken, dass er nicht besser und auch nicht richtiger geworden ist, als vor 1933. An der Spitze steht die Marine, d. h. die [120r] sogenannte »Land«Marine. Es juckt Einem richtig in den Fingern, diesen verkalkten, dafür aber [um]so arroganteren »kaiserlichen« Herren mal so richtig wieder die Meinung sagen zu können. Na, auch dieser Zeitpunkt kommt wieder. Ich werde jeden256 Værnes ist der Name des Flughafens in Trondheim. 257 Sibirische Insel im Nordpolarmeer.
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sonntag, den 17. januar 1943
falls keine defaitistische Äußerung – und kommt sie auch vom General oder Admiral – unbeantwortet hinnehmen. Diese Scheichs haben anscheinend restlos vergessen, dass sie erst durch unseren Kampf, durch unsere jahrelange Arbeit an der Erneuerung des deutschen Volkes überhaupt wieder etwas geworden sind. Davor liefen sie stümperhaft als »Handelsreisende« oder Buchhalter herum. Sonntag, den 17. Januar 1943 Ich war eben zwei Stunden unterwegs und habe zum ersten Male in diesem Winter wieder meine Ski untergeschnallt. Nachher kommt mein von Stackelberg zu Besuch. Ich will daher noch schnell einige Zeilen zu Papier bringen. Am Freitag haben wir den Dipl. Fickert258 »heraus« gefeiert. Er geht nach Narvik, um dort die Leitung eines neuen Einsatzes zu übernehmen. Gestern habe ich zum ersten Male in meinem Leben einen Menschen fristlos entlassen. Im November wurde mir als Hilfsangestellter ein gewisser Rath geschickt, der sich in der Weihnachtszeit schon schwer vorbeibenommen hatte. Inzwischen hat sich herausgestellt, dass er ein Musterbeispiel eines Hochstaplers ist. Eine Woche sitze ich nun schon auf dem »alten« Platz wieder. Es ist fast, als wäre ich garnicht fortgewesen. Alles ist aufgearbeitet, und ich stehe wieder mitten drin in der täglichen Problematik.
258 Leiter der Abteilung »Technik« in der Dienststelle (Nachfolger Handt).
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Abb. 1: Heinrich Christens NSDAP -Ausweis, ausgestellt 1930.
Abb. 2: Kranzniederlegung in Bergen am »Heldengedenktag« 15. März 1941. Heinrich Christen »in Zivil« mit Hitlergruß. Der »Heldengedenktag« hatte im Nationalsozialismus den »Volkstrauertag« der Weimarer Republik abgelöst. Hatte dieser noch der Toten des Ersten Weltkriegs gedacht, wurde der Termin nun auf den Tag der Wiedereinführung der Wehrpflicht im Jahr 1935, den 16. März, verlegt.
Abb. 3: Schiffsausflug am 14. September 1941 zur Eröffnung eines Straßenabschnitts im Hinterland. Von links nach rechts: Oberst Adlhoch, der norwegische »Staatsrat« Tormod Hustad im Gespräch mit Heinrich Christen, neben diesem Kapitän von Lichtenfeld.
Abb. 4: Christen mit einem unbekannten SS -Offizier auf einer Freitreppe vor dem Gebäude der Dienststelle in Bergen.
Abb. 5: Gerhard Flesch, Chef der Sicherheitspolizei und SS -Offizier in Bergen und später in Trondheim.
Abb. 6: Familienfotos vom Sommerurlaub Heinrich Christens 1942 zeigen ihn mit seinem Sohn Jörn-Hinrich (Häsi) und seiner Tochter Margit (Peterle), beide Kinder auch mit dem Dienstmädchen Lotti; darüber das Einschulungsfoto von Jörn-Hinrich, links oben Gerda Christen mit dem jüngsten Sohn Holger.
Abb. 7: Heinrich Christen an seinem Schreibtisch im Stadtschloss Trondheim. Das Schloss hatte dem norwegischen Königspaar bei Besuchen in Trondheim als Wohnort gedient. Die Einrichtung im Chippendale-Stil wurde übernommen, wirkt aber weniger bequem als die in der Dienststelle Bergen. Im Hintergrund erkennt man ein Radiogerät auf dem Beistelltischchen.
Abb. 8: Heinrich Christen hinter Reichskommissar Josef Terboven und dem Hamburger Gauleiter und Reichskommissar für die Seeschiffahrt Karl Kaufmann während der Reise durch die nördlichen Provinzen Norwegens im Sommer 1942. Christen begleitete die beiden und ihre Entourage bis zur Nordgrenze seiner eigenen Dienststelle, die sich bis über den Polarkreis ausdehnte.
Abb. 9: Hauskonzert und Empfang mit dem Sängerpaar Meta und Willy Heuser, den Spitzen der militärischen Verbände in Trondheim und fünf (deutschen) Damen der Dienststelle. Christen posiert mit seinen Gästen vor seiner Dienstvilla im Stadtteil Leangen.
Abb. 10: Heinrich Christen begrüßt die Schauspieler Gustav Gründgens und Gustav Knuth. Sie waren Teil einer Theatergruppe, die in Trondheim ein Gastspiel gab, und folgten einer Abendeinladung als seine privaten Gäste.
Abb. 11: Am 6. Oktober 1942 holte Heinrich Christen den Reichskommissar Josef Terboven in Trondheim vom Bahnhof ab. Dieser war in einem Sonderzug angereist, um die Strafaktionen gegen die widerständigen Norweger zu befehligen und in der Stadt die Erschießung von zehn Geiseln persönlich zu verkünden. Vom Bahnhof begab man sich unmittelbar zum »Tribunal«, um die Liste der Geiseln zu beschließen. Von links nach rechts: der Höhere SS - und Polizeiführer Nord Wilhelm Redieß, Reichskommissar Josef Terboven, Generalleutnant Erwin Engelbrecht, Dienststellenleiter Heinrich Christen.
Abb. 12: Heinrich Christen mit der Ehefrau des Opernsängers Wilhelm Strienz im Trondheimer »Waldschlösschen« vor dem Kamin des Wohnzimmers. Vermutlich hat Herr Strienz das Foto gemacht; die beiden waren die ersten Gäste, die Christen in »seinem« neuen Domizil empfing. Der Besitzer, Lorentz Capellen-Smith, konnte wenige Wochen zuvor der Erschießung als Geisel entgehen, sein Haus war beschlagnahmt worden.
Abb. 13: Das Foto zeigt die gediegene, aber doch vergleichsweise bescheidene Einrichtung des Wohnzimmers im Hamburger Haus am Winterhuder Quai. Das Ehepaar Christen posiert 1944 in gepflegter Gemütlichkeit, vermutlich bei einem Heimaturlaub während Christens Ausbildung zum Gebirgsjäger bei der Waffen-SS in Hallein.
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Abb. 14: Heinrich Christen mit seinem ältesten Sohn Jörn-Hinrich auf Skiern bei einem Besuch der Familie in Hallein. Das Foto stammt von einem Ausflug, den die Familie ins nahegelegene Salzburg gemacht hat.
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Abb. 15: Familienfoto 1950. Von links nach rechts in einem Café: Heinrich Christen, Gerda Christen, Jörn-Hinrich Christen; Holger Christen ist aufgestanden, wohl um noch aufs Bild zu kommen. Die Tochter Margit und ihr Vater lächeln sich an. Im Hintergrund ein Werbeplakat.
Abb. 16: Passbild Heinrich Christens, undatiert, vermutlich aus den späten 1960er Jahren.
Maria Fritsche
Alkohol und (Besatzungs-)Macht Trotz der kriegsbedingten Verknappung des Alkoholangebotes wurden während des Zweiten Weltkrieges in Europa beträchtliche Mengen an Alkohol produziert und konsumiert. In Norwegen wie auch in den anderen von NS-Deutschland besetzten Ländern entwickelte sich Alkohol – neben Zigaretten1 – rasch zu einem kostbaren und begehrten Tauschobjekt, für das fast alles zu bekommen war. Gab es keinen Alkohol, wurde nach Ersatz gesucht. Regelmäßig publizierten die Tageszeitungen Meldungen von Vergiftungen und Todesfällen durch Genuss von alkoholhaltigen Substanzen. Zwar sank laut offizieller Statistik während des Krieges der Alkoholkonsum in der norwegischen Bevölkerung – und mit ihr die Kriminalitätsrate. Die deutschen Machthaber hingegen verzeichneten einen enormen Alkoholverbrauch. Ob Wehrmacht, deutsche Zivilarbeiter oder Angestellte der zivilen Besatzungsverwaltung: Sie alle tranken regelmäßig und viel. Das Tagebuch des Dienststellenleiters Heinrich Christen ist somit auch ein eindrucksvolles Dokument der Trinkgewohnheiten der deutschen Besatzer. Mit Begriffen wie ein »sehr ›lebhafter‹ Abend«2, »wilde Tage«3 und »das grausame Spiel«4 umschrieb er Trinkgelage, die oft bis fünf oder sechs Uhr in der Früh dauerten. Besonders häufig »genehmigte« sich Christen ein Glas in Gesellschaft von Wehrmachtoffizieren: »Dieses ›Genehmigen‹ dauerte bis ½ 3 Uhr und aus dem Einen wurden üblicherweise mehrere.«5 Auf Dienstreisen oder wenn Gäste kamen wurde schon am Vormittag der Cognac hervorgeholt.6 Der hohe Alkoholkonsum in der NSDAP wie auch in der Wehrmacht und der SS stand in merkwürdigem Gegensatz zu dem von der NS-Regierung proklamierten Kampf gegen Alkoholmissbrauch. Bereits am 14. Juli 1933 erließ Hitler das »Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses«, mit dem unter anderem die Unfruchtbarmachung von Personen, die an »schwerem Alkoholismus« litten, legalisiert wurde. Im medizinischen Diskurs der NS-Zeit wurde Alkoholismus als Symptom eines zugrundeliegenden erbbiologischen Defektes eingestuft. Alkoholiker galten demzufolge als erblich belastet und »rassisch minderwertig«. Lediglich bei einer Minderheit von Alkoholikern gestanden die NS-Mediziner soziale Einflüsse, wie langjährige Arbeitslosigkeit oder das Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen, als mögliche Ursachen der Alkoholsucht 1 Nicole Petrick-Felber, Kriegswichtiger Genuss. Tabak und Kaffee im »Dritten Reich«, Göttingen 2015. 2 Tagebuch, 15.10.1941. 3 Tagebuch, 26.10.1941. 4 Ebd. 5 Tagebuch, 18.1.1942. 6 Tagebuch, 18.1.1942.
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zu.7 Notorische Trinker sollten mit Androhung schwerer Strafen zur Abstinenz erzogen oder durch Sterilisierung und Einweisung in ein KZ unschädlich gemacht werden. Während die nationalsozialistische Führung also auf der einen Seite dem Alkoholismus (und den Alkoholikern) den Kampf ansagte, galt ihr auf der anderen Seite der Genuss von Alkohol als Beleg von Männlichkeit und als legitimes Bedürfnis, das es zu stillen galt. Eine ausreichende Versorgung mit Alkohol (und anderen Genussmitteln wie Zigaretten und Kaffee) schien zwingend geboten, um die Massen bei der Stange zu halten. Mehr noch: Im Krieg setzte die NSFührung Alkohol bewusst als Belohnung und Aufputschmittel ein, um den Männern den Kriegseinsatz und nicht zuletzt die Ausführung von Kriegsverbrechen zu ›erleichtern‹.8 Und auch die NS-Eliten selbst gaben sich gerne dem Tranke hin.9 Tagebücher, Feldpostbriefe, Gerichtsakten oder auch die geheimen Lageberichte der Sicherheitspolizei und des SD vermitteln den Eindruck, dass das ›Sichbetrinken‹ ein fester Bestandteil des deutschen Besatzungsalltags war. Gewiss ließen sich die Soldaten oder Angehörige der Besatzungsadministration nicht jeden Tag volllaufen, doch es gab genügend Anlässe, um in geselliger Runde ein paar Gläser Bier und Schnaps zu leeren – und oft auch mehr. Der enorme Alkoholverbrauch lässt sich mit nationalen Trinkgewohnheiten allein nicht erklären. Fraglich ist auch, ob die nationalsozialistische Bewegung eine besondere Affinität zum Alkohol aufwies, wie etwa der ehemalige Wirtschaftsminister Hjalmar Schacht im Nürnberger Prozess behauptete, der damit auch seine Distanz zum Nationalsozialismus zu unterstreichen suchte, der ihm als kultiviertem und gebildetem Bankier angeblich fremd war.10 Alkohol war Ausdruck der Macht der Besatzer, an der prinzipiell jeder Deutsche in den besetzten Gebieten Anteil hatte, wie ich im Folgenden zeigen werde. Die von den Besatzern konsumierten Alkoholmengen reflektierten auch in Norwegen die machtpolitische Umwälzung, welche die Gesellschaft mit der Invasion der Wehrmacht am 9. April 1940 erfuhr. Ein Vertreter des Reichskommissars legte am 19. September 1940 den norwegischen Ministerien für 7 Hermann Fahrenkrug, Alcohol and the State in Nazi Germany, 1933-1945, in: Susanna Barrows/Robin Room (Hrsg.), Drinking. Behavior and Belief in Modern History, Berkeley 1991, S. 315-343, hier S. 319. 8 Edward B. Westermann, Stone-Cold Killers or Drunk with Murder? Alcohol and Atrocity during the Holocaust, in: Holocaust and Genocide Studies 30 (2016), 1, S. 1-19, hier S. 4 f., 9-11; Jochen Oppermann, Im Rausch der Jahrhunderte. Alkohol macht Geschichte, Wiesbaden 2018, S. 243 f., 252-255. 9 Don Kladstrup/Petie Kladstrup, Wine and War. The French, the Nazis, and the Battle for France’s Greatest Treasure, New York 2001, S. 58. 10 Schacht bezeichnete die Trunksucht als »Hauptbestandteil der Nazi-Ideologie«. Zitiert nach Peter Steinkamp, Zur Devianz-Problematik in der Wehrmacht. Alkohol- und Rauschmittelmissbrauch bei der Truppe, Dissertation Universität Freiburg 2008, S. 1. Vgl. auch Kim Christian Priemel, The Betrayal. The Nuremberg Trials and German Divergence, Oxford 2016, S. 136.
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Landwirtschaft und Versorgung eine Liste an Forderungen vor. Neben enormen Mengen an Sauerkraut, Würsten, Speck, Margarine, Kaffee und Schokolade verlangte die Wehrmacht auch die Lieferung von einer Million Liter Branntwein pro Jahr. Darüber hinaus sollte die staatliche norwegische Alkoholmonopolgesellschaft einen Teil des auf 3,7 Millionen Liter geschätzten jährlichen Weinbedarfs der Truppen zur Verfügung zu stellen, wobei das Reichskommissariat versprach, die abgenommenen Mengen durch neue Importe zu ersetzen.11 Anders als in Gebieten, in denen Weinbau betrieben oder, wie in Polen, dank reichlicher Verfügbarkeit von Kartoffeln oder Obst auch während des Krieges viel illegal gebrannt wurde, entwickelte sich in Norwegen Alkohol rasch zum knappen Gut, auch weil das Schwarzbrennen von Aquavit – dem skandinavischen Nationalgetränk – durch die Beschlagnahmung und Rationierung von Kartoffeln und Getreide erschwert wurde.12 Selbst für Norweger, die über ausreichend finanzielle Mittel verfügten, war es aufgrund der Rationierung schwierig, an Alkoholika, insbesondere hochwertigere Importware, zu kommen. Nur unter diesen Bedingungen konnte sich Alkohol zum Symbol und Instrument von Herrschaft entwickeln. Im Krieg fungierten alkoholische Getränke nicht nur als Mittel der Entspannung, um die Angst vor einem Einsatz zu bekämpfen oder den langweiligen Besatzungsalltag erträglich zu gestalten. Sie dienten den Besatzern auch als Instrument, um den »Kooperationswillen« der Bevölkerung zu fördern und gleichzeitig die eigene Machtposition zu demonstrieren bzw. auszubauen. In diesem Beitrag möchte ich anhand der Verteilung und des Konsums von Alkohol die Machthierarchien und Verteilungskämpfe innerhalb der norwegischen Besatzungsgesellschaft freilegen und die politischen, soziokulturellen und geschlechtsspezifischen Funktionen des Alkoholkonsums im Kontext der Besatzung näher beleuchten. Zunächst gehe ich in den beiden folgenden Abschnitten der Frage nach, wie sich die Besatzung auf die Versorgung mit Alkohol auswirkte und wie die norwegische Bevölkerung auf die Verknappung des Alkoholangebotes reagierte. Im Anschluss daran analysiere ich anhand von Heinrich Christens Tagebuch die soziokulturellen Funktionen des Alkohols innerhalb der Besatzungsinstitutionen, insbesondere mit Blick auf seine Verbindung mit Macht und Männlichkeit.
11 Forsyningsdepartement, Møte i Rikskommissariatet den 19. september 1940. Riksarkiv (RA ), S-1317 Forsyningsdepartement 1. Rasjoneringskontor/D Saksarkiv/0001 Rasjonering til tyskerne. 12 Bernt Tungodden, Krigsår i kystbygder. Frå Bergen til Solund 1940-45, Isdalstø 1995, S. 203.
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Angebot und Nachfrage – Trinken unter nationalsozialistischer Herrschaft Mit dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf Norwegen am 9. April 1940 stellten die meisten Filialen der staatlichen Monopolgesellschaft A/S Vinmonopolet, welche die Produktion und Distribution von alkoholischen Getränken kontrollierte, ihren Verkauf an Privatpersonen ein.13 Während die Kämpfe in Nord- und Mittelnorwegen anhielten, normalisierte sich das Leben in der Hauptstadt überraschend schnell. Das zeigte sich am Vergnügungsleben: Bereits eine Woche nach dem deutschen Überfall waren in Oslo beliebte Lokale wie das Humlen, das Parkkafe sowie das Café des Hotel Continental wieder »gut besucht«. In der amerikanischen Bar des populären Restaurants Casino drängten sich am 18. April norwegische und deutsche Gäste, die Tanzfläche war gepackt voll. Der Ausschankkontrolleur, der den Ansturm dokumentierte, glaubte sogar, einen Anstieg an Lokalbesuchen zu beobachten, weil die Norweger und Norwegerinnen ihren Alkoholbedarf aufgrund des mittlerweile verhängten Verkaufsverbotes in Gaststätten decken mussten.14 Dennoch führte der Überfall der deutschen Wehrmacht auf nationaler Ebene zu einem Einbruch des Alkoholkonsums. Das lag zum einen an der vorübergehenden Schließung der Verkaufsstellen, zum anderen an der breiten Verunsicherung, die der deutsche Angriff ausgelöst hatte. Obwohl die Vinmonopol-Filialen im Juli 1940 wieder geöffnet waren, verkauften sie fast 150.000 Liter weniger heimisch produzierte Spirituosen an Privatpersonen als im Juli des Vorjahres, als noch 644.612 Liter über den Verkaufstisch gegangen waren.15 Mit der Stabilisierung der politischen Lage ab Herbst stieg allerdings die Nachfrage wieder, nicht zuletzt aufgrund der verstärkten Kaufkraft, denn viele Norweger und Norwegerinnen hatten mittlerweile gut bezahlte Jobs bei der Wehrmacht angenommen. Allerdings konnte die staatliche Monopolgesellschaft die Nachfrage nur in beschränktem Ausmaß decken. Ein internes Memo vom 17. März 1941 vermerkte, dass es seit dem 9. April 1940 kaum mehr Alkoholeinfuhren aus dem Ausland gegeben habe und man auf die Lagerbestände zurückgreifen musste. Im Juni 1940 waren in den drei größten Städten Oslo, Bergen und Trondheim noch beispielsweise über 1,8 Millionen Liter Wein, vor allem aus Frankreich, vorrätig, weiter 2,2 Millionen Liter Portwein, Madeira, Wermut und Ähnliches, fast 703.000 Liter Whisky und 216.000 Liter französischer Cognac.16 Zwar versuchte das Vinmonopol ab Herbst 1940 den Wegfall der Importe aus Großbritannien, Frankreich, Spanien und Portugal durch Lieferungen aus 13 Siehe z. B. Bericht der Vinmonopolabteilung in Bergen, 30.4.1940, RA , S-6166 Vinmonopolet AS/D/L 0160/0003. 14 Rapport fra sjenkeinspektören over inspeksjoner i april måned 1940, 8. mai 1940, ebd. 15 Omsetning og solgte varemengder juli 1940, 9.8.1940, RA , S-6166 Vinmonopolet AS/D/L 0412/0004. 16 Beholdning per 1. juni 1940 og salg i 1939. Oslo, Bergen og Trondheim, RA , S-6166 Vinmonopolet AS/D/L 0160/0003.
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Deutschland und Italien wettzumachen, doch reichten die Mengen nicht aus, um die Nachfrage zu decken,17 zumal auch die heimische Produktion niedrig war: Im Jahr 1941 konnten die Destillieranlagen in vier Monaten nur 1,1 Millionen Liter hundertprozentigen Alkohol produzieren.18 Doch war dies kaum genug, um den Bedarf des industriellen und medizinischen Sektors, des Gastgewerbes und des norwegischen Privatkonsums zu decken. Allein für letzteren wurde eine Mindestmenge von 5,4 Millionen Liter Wein und Branntwein pro Jahr veranschlagt.19 Die Verknappung des Alkoholangebotes hatte im Wesentlichen drei Ursachen: erstens den Abbruch der traditionellen Handelsbeziehungen und den weitgehenden Wegfall von Alkoholimporten aus dem Ausland; zweitens den wachsenden Mangel an Rohstoffen, insbesondere von Kartoffeln und Zucker, der die heimische Alkoholproduktion erschwerte; und drittens eine deutlich gestiegene Nachfrage durch die hohe Zahl an Wehrmachtssoldaten, die in Norwegen stationiert waren und teilweise mitverpflegt werden mussten: Eine Million Liter Wein und Spirituosen waren im Jahr 1941 für die Besatzungsmacht reserviert.20 Zudem forderten die deutschen Besatzer besondere finanzielle Vergünstigungen, die über die generelle Zollbefreiung für Wehrmachtseinfuhren hinausgingen. Alkohollieferungen an Repräsentanten des Reichskommissariats und alle deutschen Generäle und Admirale waren von sämtlichen staatlichen Abgaben befreit, und auch die Wehrmacht sollte 300.000 Liter Wein oder Branntwein jährlich »frei von Zoll und Monopolabgaben« erhalten. Da Zoll und Steuern bereits am Anfang des Krieges mehr als 50 Prozent des Verkaufspreises ausmachten, bedeuteten allein die Lieferungen an die Wehrmacht einen Verlust von 2,5 Millionen Kronen für den norwegischen Staat.21 Ohnehin wurden die Kosten der Besatzung und Verwaltung weitgehend dem norwegischen Staat aufgebürdet. Über ein eigens eingerichtetes Sonderkonto (»Wehrmachtskonto«) bei der norwegischen Zentralbank finanzierten die deutschen Besatzer die Ausgaben für Verpflegung und Unterkunft, den Ausbau der Infrastruktur und der militärischen Verteidigungsanlagen sowie den Wehrsold der Soldaten und die Löhne für norwegische Beschäftigte.22 Der enorme Geldverbrauch der Wehrmacht führte zu ernsthaften Friktionen mit dem Reichskommissariat, das einen wirtschaftlichen Kollaps und damit den Verlust jeglichen Rückhalts in der norwegischen Bevölkerung fürchtete. Nach einer Konferenz im November 1941 wurde die Wehrmacht dazu verpflichtet, 17 Beretning av AS/Vinmonopolets overskudd for 1941, 17.3.1941, RA , S-6166 Vinmonopolet AS/D/L 0412/0004. 18 Schreiben des Vinmonopol an das Finansdepartement, 4.4.1941, ebd. 19 Basierend auf einer monatlichen Maximalzuteilung von einem Liter Branntwein oder zwei Litern Wein pro Erwachsenem. Beretning av AS/Vinmonopolets overskudd for 1941, 17.3.1941, ebd. 20 Ebd. 21 Schreiben Finans- og Tolldepartement, 9.10.1940, ebd. 22 Robert Bohn, Reichskommissariat Norwegen. »Nationalsozialistische Neuordnung« und Kriegswirtschaft, München 2000, S. 306-309.
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ihren Bedarf in Norwegen vorrangig über Nachschub aus dem Reich zu decken. Neben Ausgaben für Sold und Löhne sollten nur noch notwendige, durch das Reichskommissariat eigens bewilligte Einkäufe über das Sonderkonto finanziert werden – eine Abmachung, gegen die nicht nur die Wehrmacht, sondern auch einzelne Dienststellen des Reichskommissariats immer wieder verstießen.23 Der norwegische Staat finanzierte also sowohl den Privatkonsum von Wehrmachtssoldaten, wenn diese außerhalb des Dienstes mit ihrem Wehrsold in norwegischen Gaststätten ein Bier kauften, als auch jene Alkoholkontingente, die die Wehrmacht und die deutsche Besatzungsverwaltung direkt von norwegischen Brauereien oder über die staatliche Monopolgesellschaft bezogen. Mit immer neuen Abgaben und Preiserhöhungen versuchten die norwegischen Behörden, die Verluste wettzumachen und gleichzeitig die Nachfrage nach Alkohol einzudämmen. Bereits im Mai 1940 mussten Kunden einen »Krisenzuschlag« von zwei Kronen für eine Flasche Branntwein bzw. von einer Krone für eine Flasche Wein berappen.24 Im Mai 1942 wurde ein 30-prozentiger »Kriegszuschlag« eingeführt, der im Oktober 1943 auf 40 Prozent erhöht wurde. Diese Abgaben waren zusätzlich zu den 10 Prozent Umsatzsteuer und 25 Prozent Branntweinsteuer für Spirituosen sowie den Zollgebühren für Importwaren zu entrichten.25 Zudem wurden die Getränke immer teurer verkauft. Im Jahr 1942 erhöhte die staatliche Monopolgesellschaft die Preise für einige norwegische Spirituosen wie Gin, Brandy Special und Old Brandy gleich zweimal.26 Zwar spülten die beträchtlichen Steuer- und Preiserhöhungen Geld in die Staatskasse, doch die Nachfrage nach Alkohol vermochte sie nicht zu dämpfen. Am 1. Januar 1941 führten die norwegischen Behörden eine Rationierungsordnung ein, die jedem norwegischen Erwachsenen über 21 Jahren eine Flasche Branntwein oder zwei Flaschen Wein pro Monat zugestand. Ab 1. März 1942 wurde diese Ration durch die Verlängerung der Zuteilungsperiode halbiert.27 Trotz oder wegen der strengen Reglementierung bildeten sich regelmäßig lange Schlangen vor den Verkaufsstellen, sehr zum Ärger der norwegischen Behörden, denn die Menschenmengen illustrierten die Unfähigkeit der norwegischen Kollaborationsregierung, die Grundversorgung der Bevölkerung zu sichern. Nachdem Versuche mit unterschiedlichen Ausgabeordnungen wenig geholfen 23 Bohn, Reichskommissariat Norwegen, S. 315-318. Vgl. Mitteilung des Reichskommissariats betreffend der Anforderung von Spirituosen bei den Aussenstellen, weitervermittelt an A/S Vinmonopolet Trondheim, 31.1.1944, RA , RAFA-2200 – Documents Section, V/L0056, S. 317. 24 A/S Vinmonopolet an Abt. Bergen, 7.5.1940, RA , S-6166 Vinmonopolet AS/D/ L 0160/0003. 25 Olav Hamran/Christine Myrvang, Fiin gammel. Vinmonopolet 75 år, Oslo 1998, S. 214. A/S Vinmonopolet an Reichskommissar, 22.1.1944, RA , S-6166 Vinmonopolet AS/D/L 0413/0001. 26 A/S Vinmonopolet an Reichskommissar, 22.1.1944, RA , S-6166 Vinmonopolet AS/D/ L 0413/0001. 27 Rasjonens størrelse for forskjellige matvarer 1939-1942, RA , S-1317 Forsyningsdepartement 1. Rasjoneringskontor/D/L0539 Rasjonering.
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hatten, begann die Polizei mit Verboten gegen das Schlangestehen außerhalb der Öffnungszeiten und sogar mit Verhaftungen gegen die Menschenansammlungen vor den Vinmonopol-Filialen vorzugehen – ohne großen Erfolg.28 Gleichzeitig bemühten sich norwegische Behörden, die heimische Alkoholproduktion anzukurbeln, indem sie nach Ersatz für Kartoffeln – dem Grundstoff für Aquavit – suchten. Im Mai 1941 erließ die Regierung eine Verordnung, die es ermöglichte, Sulfitsprit – ein Nebenprodukt der Zelluloseerzeugung – zukünftig auch für die Trinkalkoholherstellung zu verwenden. Bislang nur für die Erzeugung von medizinischem und technischem Alkohol zugelassen, wurde Sulfitsprit im Verlauf des Krieges zur Basis fast der gesamten norwegischen Spirituosenproduktion. Der Alkoholausstoß erhöhte sich damit deutlich:29 Für 1943 wurde bereits mit einer Produktion von 4,5 Millionen reinem Sprit gerechnet, aus dem 9,6 Millionen Liter 40-prozentiger Branntwein hergestellt werden konnten.30 Der Produktionsanstieg hatte zur Folge, dass die staatliche Monopolgesellschaft ab März 1943 die Zuteilung wieder auf eine Flasche heimischen Branntweins pro Monat erhöhen konnte.31 Die durch die deutsche Besatzung ausgelöste Verknappung des Angebots führte zu einer deutlichen Änderung der Konsum- und Trinkgewohnheiten in der norwegischen Bevölkerung. Mit dem weitgehenden Wegfall von Weinimporten und dem Einbruch der Bierproduktion wurde vor allem die verfügbare Menge niedrigprozentiger alkoholischer Getränke drastisch reduziert. Schon mit Kriegsbeginn 1939 mussten norwegische Brauereien aufgrund von Importbeschränkungen den Malzverbrauch stark einschränken, sodass gängige Biersorten wie Märzen oder Pilsener Bier immer schwieriger zu produzieren waren. Ab Juli 1941 wurde nur mehr Leichtbier mit einem Alkoholgehalt von etwa 2,5 Prozent hergestellt.32 Demgegenüber stieg im Laufe des Krieges der Verbrauch härterer alkoholischer Getränke, nicht zuletzt wegen der vermehrten Sulfitspritproduktion. Das Gros der Bevölkerung trank also aufgrund der Rationierung und des verminderten Angebots an Bier und Wein seltener und dadurch auch insgesamt weniger. Gleichzeitig wurde mehr Hochprozentiges, oft von minderer Qualität, getrunken, wie folgende Beispiele zeigen.
28 Hamran/Myrvang, Fiin gammel, S. 206-210. 29 Hamran/Myrvang, Fiin gammel, S. 196-198; Ragnar Hauge, Alkoholpolitikken i Norge, Oslo 1986, S. 49. 30 Produksjon og rektifikasjon av sprit samt fremstilling av norsk drikkebrennevin i 1943, 9. April 1943, RA , S-6166 Vinmonopolet AS/D/L 0413/0001. Zum Vergleich: Für die sechs Monate von September 1941 bis Februar 1942 waren lediglich 960.000 Liter Sprit in Aussicht gestellt worden. Beregning av statens inntekter av sprit, brennevin og vin, 28.8.1941, ebd. 31 Doppelte Weinration, in: Deutsche Zeitung in Norwegen, 24.2.1943, S. 5. 32 Hauge, Alkoholpolitikken, S. 49 f.
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Auswirkungen der Alkoholverknappung Die Rationierung konnte, wie die langen Warteschlangen vor den VinmonopolFilialen deutlich machten, die Alkoholknappheit nur unzureichend verwalten. Viele empfanden die Zuteilungen als unzureichend oder taten sich schwer, mit ihnen zu haushalten. In Sognefjord starb 1942 ein Mann und zwei andere erkrankten schwer, nachdem sie die soeben aus dem Vinmonopolet abgeholten Alkoholrationen in einem Zug ausgetrunken hatten.33 Der Mangel befeuerte die Suche nach kreativen Lösungen. Da das Selbstbrauen oder Schwarzbrennen durch die Rationierung von Hefe, Zucker und Kartoffeln immer schwieriger wurde, experimentierten viele mit alkoholhaltigen Substanzen, die nicht für den menschlichen Genuss bestimmt und teilweise sogar giftig waren: Vergällter Alkohol war das Mittel erster Wahl, um sich zu berauschen. Seeleute brachen Schiffskompasse auf, um den darin enthaltenen denaturierten Ethylalkohol zu trinken.34 Lösungsmittel wie Spiritus, Frostschutzmittel oder auch medizinische Alkohole wurden mit Zucker und Wasser verrührt oder mit Fruchtsaft vermischt als »Liköre« getrunken. Unter Schlagzeilen wie »Totgetrunken« oder »Neuer Sprit-Todesfall« druckte die Deutsche Zeitung in Norwegen im regelmäßigen Abstand kurze Notizen über (in der Regel männliche) Norweger, die nach dem Genuss von vergälltem Alkohol gestorben waren.35 Aber auch die Besatzer experimentierten mit alkoholhaltigen Substanzen. Am 10. August 1942 starben in Trondheim zwei deutsche Soldaten, nachdem sie zwei Tage zuvor bei einem Skatabend zusammen mit anderen Kameraden einen selbstgebrauten »Likör« getrunken hatten. Der Alkohol, den ihnen ein Soldat als 98-prozentigen Alkohol aus der Brennerei seines Vaters verkauft hatte, war in Wirklichkeit Spiritus. Der Verkäufer wurde als »Volksschädling« zum Tode verurteilt und erschossen.36 Noch mehr Opfer forderten die häufigen »Holzsprit«-Unfälle, die im Laufe des Krieges zunahmen, weil auch vergällter Alkohol immer schwerer zu bekommen war. Holzsprit, eigentlich Methylalkohol oder Methanol, wird in der Industrie als Lösungs- und Putzmittel verwendet und kommt in gereinigter Form auch in der Pharma- und Kosmetikindustrie zum Einsatz. Methylalkohol entsteht zu Beginn des Destillierens von Obst oder Holz und kann in größeren Dosen genossen zur Erblindung und sogar zum Tod führen.37 Am 10. Dezember 1941 meldete die Deutsche Zeitung vier Todesfälle in Oslo, die alle mit Holzsprit in Verbindung gebracht wurden. Sieben Männer starben 33 Deutsche Zeitung in Norwegen, 4.2.1943, S. 5. 34 Siehe beispielsweise Urteil des Gerichts des Admirals der norwegischen Polarküste gegen Gustav J., 9.5.1942, Staatsarchiv Hamburg (StaHH ), 242-1 II, Abl. 17; Sprit aus dem Kompass, in: Deutsche Zeitung in Norwegen, 9.1.1942. 35 Deutsche Zeitung in Norwegen, 9. und 18.1.1942. 36 Steinkamp, Zur Devianz-Problematik, S. 328-332. 37 Leo Mohr/Rudolf Staehlin, Handbuch der Inneren Medizin. Grenzgebiete – Vergiftungen – Generalregister. Bd. 6, Berlin 1919, S. 647 f.
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Ende April 1942 in Bodø und Hamar an Methanolvergiftungen, darunter einige Seeleute, die beim Verladen eine aus einem lecken Fass auslaufende klare Flüssigkeit getrunken hatten. Am 12. Februar 1943 stand ein Mann wegen Mordes vor einem norwegischen Gericht, weil vier Männer nach Genuss eines von ihm mitgebrachten Getränkes gestorben waren. Der Angeklagte selbst war erblindet.38 In einem kleinen Ort in Telemark erkrankten Mitte März 1943 gleich 40 Arbeiter, nachdem sie Holzsprit getrunken hatten. Neun von ihnen starben, einige erblindeten.39 Nur zehn Tage später meldete die Deutsche Zeitung eine »Weitere Holzsprittragödie«, diesmal in der Finnmark, bei der zwei Männer starben und einige in Lebensgefahr schwebten. Die Betroffenen hatten die methanolhaltigen Flüssigkeiten meist unter der Hand erworben oder aus Lagerhäusern entwendet, im Glauben, dass es sich dabei um trinkbaren Alkohol handele. Mit der Verknappung des Angebotes entwickelte sich Alkohol zu einer begehrten Luxusware, die teuer weiterverkauft oder gegen andere knappe Güter eingetauscht werden konnte. Sogar Personen, die bislang nicht oder kaum Alkohol getrunken hatten, beanspruchten nun die ihnen zustehende Zuteilung.40 »Einmal im Monat fuhren die Leute in die Stadt, wo man einen halben Tag Schlange stand, um eine Flasche Branntwein zu 7 Kronen zu kaufen. Eine Woche später wurde dieselbe Flasche für 100 Kronen auf der Tempe Trabrennbahn verkauft«, erinnerte sich ein Norweger aus dem mittelnorwegischen NordTrøndelag.41 Ein eifriger Tauschhandel entwickelte sich zwischen der norwegischen Zivilbevölkerung und den deutschen Soldaten, die privilegierten Zugang zu Alkohol genossen. Für die Soldaten waren insbesondere Bauern beliebte Handelspartner. Ein Zeitzeuge aus Lillehammer erinnerte sich, dass die Soldaten Wein, Branntwein, Zigaretten und Tabak mitbrachten, die sie gegen Fleisch, Eier, Kleidungsstücke und Lederwaren eintauschten.42 Auch in den Akten der Wehrmachtgerichte ist der Tauschhandel zwischen Zivilisten und Soldaten ein dominantes Thema. Norweger, die in Wehrmachtkantinen oder in Häfen Wehrmachtsangehörige nach Alkohol fragten, gehörten zum Besatzungsalltag.43 Auch wenn der Weiterverkauf von Alkohol an Norweger eigentlich verboten war, so wurde er in der Regel toleriert oder nur sehr milde bestraft. So musste ein Schiffsingenieur eine Geldstrafe von 200 Reichsmark bezahlen, weil er eine
38 Deutsche Zeitung in Norwegen, 12.2.1943, S. 5. 39 Holzsprittragödie, in: Deutsche Zeitung in Norwegen, 16.3.1943; Erblindung durch Holzsprit, in: Deutsche Zeitung in Norwegen, 20.3.1943. 40 Tungodden, Krigsår i kystbygder, S. 203. 41 Norsk folkemuseum Oslo, Norsk etnologisk gransking (NEG) 129/24993. 42 NEG 129/25134. 43 Urteil des Gerichts des Kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau Norwegen, Oslo, gegen Gunnar G., 25.2.1942; Urteil des Gerichts des Admirals der norwegischen Westküste Bergen gegen Ole H., 6.2.1941; beide StaHH , 242-1 II, Abl. 17.
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Flasche Brennspiritus an zwei Norweger verkauft hatte.44 Anders verhielt es sich, wenn der Alkohol aus Wehrmachtbeständen stammte: Ein Heeresgericht verhängte sechsmonatige Gefängnisstrafen gegen drei Soldaten, die wiederholt Rum aus den Vorräten der Truppe abgezapft und diesen bei einem »norwegischen Gewährsmann« gegen Pullover und Silberfuchspelze eingetauscht hatten.45
Alkohol als Herrschaftsinstrument Im Gegensatz zur einheimischen Bevölkerung mangelte es den deutschen Besatzern trotz der kriegsbedingten Warenknappheit nicht allzu sehr an Alkohol. Die nationalsozialistische Elite und die Wehrmachtsführung konnten dank ihres Raubzuges in Frankreich ihrer Vorliebe für edle Weine und ausgesuchte Cognacs ausgiebig frönen. Aber auch der gewöhnliche Soldat erhielt regelmäßige Alkoholzuteilungen, an der Ost- oder Eismeerfront mitunter sogar doppelte Ration.46 Wie Christens Tagebucheinträge dokumentieren, waren die Dienststellen des Reichskommissariats in Norwegen reichlich mit Alkohol und Rauchwaren versorgt: »Mir brummte noch etwas der Kopf von der vornächtlichen Sauferei. Es war etwas reichlich gewesen, was der Keller an Getränken wieder hergeben musste«,47 schrieb er etwa am 18. August 1941. Nach einer »verdammt vergnügten Nacht« mit zwei Kollegen notierte er am 12. November 1941: »Gut, dass ich jedenfalls auf dem alkoholischen Sektor noch gut versorgt bin.« Und auch im dritten Besatzungsjahr konnte Christen immer noch aus dem Vollen schöpfen. Anlässlich des Besuchs der Künstlerin Erna Berger gab er im März 1942 in Bergen mehrere Festessen und Empfänge, für die er beträchtliche Mengen an alkoholischen Getränken bereitstellte.48 Zwei Monate später lud er das gesamte Personal des Deutschen Theaters in seinen Festsaal und sorgte mit reichlich Alkoholika für »konzentrierte Fröhlichkeit«.49 Während sich die allgemeine Versorgungslage kontinuierlich verschlechterte, genossen die zivile deutsche Besatzungsverwaltung und die Wehrmacht weiterhin privilegierten Zugang zu Alkohol. Mehr noch: Im Februar 1942 informierte das Reichskommissariat seine Dienststellen, dass alle Angestellten sowie die Mitglieder der Sicherheitspolizei und des SD monatlich eine Flasche Branntwein oder zwei Flaschen Wein zusätzlich zur regulären Zuteilung erhalten konnten,
44 Strafverfügung des Gerichts des Admirals der Norwegischen Nordküste, 16.2.1942, Bundesarchiv-Militärarchiv (BArch-MA Freiburg), PERS 15/71405. 45 Urteil des Gerichts der 214. Infanterie-Division, 19.1.1942, BArch-MA, PERS 15/166553. 46 Oppermann, Im Rausch der Jahrhunderte, S. 241-243. 47 Tagebuch, 18.8.1941. 48 Tagebuch, 4.3.1942. 49 Tagebuch, 17.5.1942.
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also insgesamt zwei Flaschen Branntwein oder vier Flaschen Wein im Monat.50 Fast gleichzeitig senkte die norwegische Regierung die Alkoholzuteilungen für die norwegische Bevölkerung um die Hälfte, sodass die Mitglieder der deutschen Besatzungsverwaltung das Vierfache der norwegischen Quote bezogen. Zusätzlich hatten die einzelnen Dienststellen Anspruch auf eine nicht unbeträchtliche Menge abgabebefreiter Spirituosen »für Repräsentationszwecke«. So garantierte der Befehlshaber der Sipo/SD seiner Dienststelle in Trondheim eine von Zoll und Abgaben befreite monatliche Quote von 30 Flaschen Spirituosen.51 Wie viel an Christens neuer Dienststelle in Trondheim getrunken wurde, illustrieren die Lieferscheine der örtlichen Vinmonopol-Filiale. Am 2. September 1943 wurden 153 Flaschen Spirituosen geliefert, darunter neben norwegischen Sorten wie Brandy Special (20 Flaschen) oder Gamle Reserve (10 Flaschen) auch kostbare ausländische Ware wie drei Flaschen Cointreau, 20 Flaschen Armagnac Monopole oder fünf Flaschen Cognac der Marke Camus Château du Plessis. Am Ende desselben Monats lieferte das Vinmonopol erneut insgesamt 95 Flaschen Branntwein verschiedener Marken an die Dienststelle, gefolgt von 79 Flaschen aus- und inländischer Spirituosen am 1. Oktober.52 Bei diesen Lieferungen handelte es sich offenbar um die den Angestellten zustehenden Zuteilungen zum regulären Verkaufspreis, während die abgabenbefreite Quote »für Repräsentationszwecke« separat geliefert wurde. Die Rechnungen dokumentieren zum einen den enormen Alkoholverbrauch der deutschen Besatzungsadministration, zum anderen verdeutlichen sie die Macht der Besatzer. Anders als die norwegische Bevölkerung, die sich stundenlang für ihre Ration anstellen musste und möglicherweise mit leeren Händen nach Hause ging, erhielten die Vertreter der deutschen Besatzungsmacht ihre Quote zuverlässig an ihren Arbeitsplatz geliefert. Zudem genossen sie sogar noch im Jahre 1944 privilegierten Zugang zu ausländischer Markenware, die dem Gros der norwegischen Bevölkerung versagt blieb.53 Dasselbe galt im Übrigen auch für die nicht minder begehrten Tabakwaren.54 Im Kontext der durch die Besatzung ausgelösten Verknappung wurde Alkohol zum Symbol der Macht Großdeutschlands und seiner Repräsentanten. Für den Dienststellenleiter Christen war der privilegierte Zugang zu teurer Importware Beleg seines beruflichen Erfolgs und gleichzeitig Bestätigung, dass er die 50 Reichskommissar für die besetzten norwegischen Gebiete an Dienststelle Drontheim, 25.2.1942, RA , RAFA-2200 Documents Section V/L0056, S. 304. 51 Telegramm, Befehlshaber der Sipo/SD in Oslo an Kdr. der Sipo und des SD in Drontheim, 21.11.1922, RA , RAFA-2200 Documents Section V/L0056, S. 312. 52 Rechnungen A/S Vinmonopolet Trondheim an Reichskommissariat Trondheim, 2.9., 29.9., 30.9. und 1.10.1942, RA , RAFA-2174 Reichskommissariat E/Eg/L0007/0001. 53 Kommandeur der Sipo/SD Drontheim, Bestellung auf Branntweinsonderzuteilung für die Monate Juni/Juli 1944, 21.6.1944, RA , RAFA-2200 Documents Section V/L0056, S. 314 f. 54 Lieferschein, Conrad Langaards Tobakkfabriker an Dienststelle des Reichskommissars Trondheim, 23.8.1943, RA , RAFA-2174 Reichskommissariat E/Eg/L0007/0001.
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richtige Seite gewählt hatte. Dies kommt in seinem Tagebuch zum Ausdruck, etwa wenn er sich ab und zu eine »Pulle Champus«55 gönnte, um einen militärischen Sieg der Wehrmacht oder seine Versetzung zu feiern,56 oder wenn er sich für einen strapaziösen Arbeitstag oder eine lange Bergwanderung mit einem »›Cordial Medoc‹ und einer guten Brasil« belohnte.57 Die Alkoholvorräte der Dienststelle dienten Christen aber auch dazu, seine Machtposition, insbesondere gegenüber Norwegern, herauszustellen. Zu den Empfängen und Abendessen, die er veranstaltete, lud er immer wieder Repräsentanten der norwegischen Verwaltung und Wirtschaft oder Mitglieder der norwegischen Nazipartei Nasjonal Samling. Mit den großzügig bereitgestellten Zigarren und alkoholischen Getränken wollte er nicht nur das Wohlwollen der Gäste gewinnen, sondern sie auch beeindrucken, wie der Tagebucheintrag vom 4. Mai 1941 illustriert: »Nachdem Koren Wiberg [der Leiter des Hanseatischen Museums und der Kunsthandwerkschule in Bergen] gegangen war, dedizierte ich dem Oberbürgermeister eine Flasche Cognac, da er durchblicken ließ, dass er trotz seiner Stellung ›so etwas‹ nicht bekam. Hier sieht man wieder, wie leicht man Menschen gewinnen kann. Ich beschloss daraufhin, am nächsten Tag Dr. Koren Wiberg einen Besuch zu machen und ihm ebenfalls noch eine ›Flaske‹ Cognac mitzunehmen. Eine so große Freude des guten Mannes hatte ich nun doch nicht erwartet. Ich werde dieses billige, aber probate Mittel in Zukunft etwas häufiger anwenden.« In Christens Bericht kommt sein Stolz über seine Position und seine geschickte Diplomatie zum Ausdruck. Für ihn als Leiter der Dienststelle Bergen war der französische Cognac tatsächlich ein »billiges Mittel«, um sich die Gunst seiner Kooperationspartner zu sichern. Gleichzeitig offenbaren die Zeilen aber auch, wie der norwegische Oberbürgermeister seinen privilegierten Zugang zum Dienststellenleiter Christen nutzte, um diesem mit Hinweis auf die eigene Machtlosigkeit zu schmeicheln – und dadurch an den begehrten Cognac zu gelangen. Wie eng für Christen Alkohol mit Macht verbunden war, zeigt seine Beschreibung einer Dienstreise in den Norden seines »Königreiches«. In Leikanger wurde er vom Fylkesmann Vidar Atne empfangen, den er augenscheinlich nicht mochte und abschätzig als »großen Harlekin« bezeichnete. Die Tatsache, dass er bei ihm nächtigen musste, bereitete ihm offensichtliches Unbehagen, wohl auch, weil er als Gast des Fylkesmann seine Machtposition nicht voll ausspielen konnte. Wider Erwarten wurde es aber laut Tagebuch doch noch ein »netter Abend«, und zwar »mit Hilfe des von mir mitgebrachten Whiskys und meiner
55 Tagebuch, 22.6.1942. 56 Tagebuch, 22.4.1942. 57 Tagebuch, 18.1.1942.
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Zigarren«, notierte Christen mit Genugtuung.58 Dieser Hinweis auf seinen Beitrag zum stimmungsvollen Abend illustriert Christens starkes Bedürfnis, gerade gegenüber Norwegern seine Überlegenheit durch die Ausgabe von Alkohol und Tabak auszuspielen. Es war aber nicht nur die Führungsebene der Besatzungsmacht, die sich mit dem »Spendieren« begehrter Getränke die Gewogenheit der Bevölkerung sichern und gleichzeitig ihre Macht demonstrieren wollte. Auch einfache Soldaten teilten ihre Alkoholrationen mit norwegischen Bekannten oder luden zufällige norwegische Lokalbesucher zum Mitrinken ein. Wer als aufrechter Jössinger, also als norwegischer Patriot, gelten wollte, lehnte solche Einladungen aus Gründen der nationalen Selbstbehauptung ab. Doch viele Norweger und Norwegerinnen mochten im gemeinsamen Trinken und Rauchen mit dem »Feind« keinen politischen Akt sehen, sondern ergriffen gerne die Gelegenheit, das rare Gut zu kosten. Wer die Einladung zum Mittrinken annahm, betrat eine Grauzone und machte sich der Verbrüderung mit dem Feind verdächtig. Allerdings legitimierte der Alkohol auch Interaktionen zwischen den Feinden. Es war durchaus üblich, dass deutsche Soldaten ihre Quartiergeber einluden, mit ihnen gemeinsam ihren Geburtstag oder auch nur die wöchentliche Zuteilung der Alkoholration zu feiern. Umgekehrt luden Norweger manchmal deutsche Soldaten zum Mittrinken ein, vor allem zu Weihnachten und Silvester, wenn manch einer Mitleid mit dem einsamen Besatzungssoldaten hatte, der weit weg von seiner Familie war.59 Für viele Besatzungssoldaten war der Alkohol vor allem ein Mittel, um Kontakte zu den Einheimischen zu knüpfen oder ihre gute Absicht zu demonstrieren. Das Gegenüber konnte eine solche Einladung aber auch als Machtdemonstration auffassen und empfindlich darauf reagieren: Am Abend des 3. April 1941 saßen vier 17-jährige Norweger zusammen mit ihren Freundinnen in einem Café in Risør, wo sie Kaffee und Milch tranken. Irgendwann brachte die Kellnerin der Gruppe acht Gläser Bier, die einige Wehrmachtssoldaten, die in der Nähe saßen, spendiert hatten. Die jungen Norweger wollten sich aber nicht einladen lassen und verlangten, dass die Kellnerin die unwillkommene deutsche Spende mitnehme, was diese jedoch verweigerte. Daraufhin nahm eine der jungen Frauen die gefüllten Biergläser und stellte sie auf die Tische der Deutschen. Die Soldaten mussten dies als Affront empfunden haben, zumal die norwegische Gruppe laut lachte und sich lebhaft gebärdete, sodass der Gastwirt sie schlussendlich des Lokals verwies. Als dann einer der norwegischen Burschen einem aus dem Lokal tretenden Soldaten etwas in gebrochenem Deutsch zurief, eskalierte die Situation. Der Soldat, vom Verhalten der Norweger bereits irritiert, vermutete eine Beleidigung und verprügelte ihn und dessen Freund, der ihm zu Hilfe kommen wollte.60 Der Versuch der Norweger, den Besatzungs58 Tagebuch, 28.9.1941. 59 Dorothee Schmitz-Köster, Der Krieg meines Vaters. Als deutscher Soldat in Norwegen, Berlin 2004, S. 140. Vgl. auch BArch-MA, PERS 15/139519. 60 Rapport til hr. politimesteren i Risør, avgitt av politikonstabel Jac. Syrdal, 4.4.1941, RA , S-1329 Statspolitiet, Hovedkontoret Osloavdelingen D/Dca/L002 jnr. 378-512.
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soldaten aufzuzeigen, dass ihre Macht nicht absolut war, war mit der Zurückweisung ihrer Spende aufgegangen. Eine solche Reaktion hatte Christen von seinen norwegischen Gästen nicht zu erwarten, da diese entweder ideologisch gleichgesinnt oder von seinem Wohlwollen abhängig waren. Christen nutzte seine Alkoholvorräte aber auch, um innerhalb des deutschen Zirkels für »Pfundsstimmung« zu sorgen und damit seinen Status als lokaler Vertreter des Reichskommissars zu unterstreichen. So notierte er, dass der Erfolg des Empfanges, den er für die Sängerin Erna Berger in Bergen organisiert hatte, vor allem seiner »geglückte[n] Zusammenstellung der Gäste und nicht zuletzt d[er] Zusammenstellung der ›Alkoholika‹« zu verdanken sei.61 Die fröhliche Stimmung des beschwipsten Publikums diente Christen als Beweis, dass er seine Funktion als Dienststellenleiter und Gastgeber hervorragend ausfüllte. Allerdings stand der Leiter der Dienststelle des Reichskommissars in steter Konkurrenz zu anderen Besatzungsinstitutionen, insbesondere der Wehrmacht, die ebenfalls über beträchtliche Mengen an Alkohol verfügte und ihm diesbezüglich Paroli bot. Am 17. März 1942 notierte Christen, dass er zwei Tage zuvor zusammen mit drei Offizieren und »einigen Damen« bei General Ortner zum Abendessen geladen war. »8 leere Flaschen Sekt, 2 leere Flaschen Liqueur zeugten von dem gesunden Durst der Anwesenden und der Gastfreundschaft des Generals«, bemerkte er anerkennend. Mit Neid blickte er auf die Luftwaffe: »Wie immer schoss sie den Vogel ab. Prima Essen, anständige Getränke und sogar Barbetrieb, so etwas nennt man noch Krieg.«62 Zwischen der Wehrmachtsführung und den Dienststellen des Reichskommissars entwickelte sich eine Art kameradschaftlicher Wettstreit um die Frage, wer die besseren Mahlzeiten und Getränke präsentieren konnte. An seinem neuen Dienstort in Trondheim musste Christen enttäuscht feststellen, dass seine norwegischen »Piken« (Mädchen) weit weniger gut kochten als die Köche der Generäle vor Ort, die »wirklich erstklassiges Essen« servierten. »Ich […] muss stets versuchen, mit den Getränken wieder gut zu machen, was an gutem Essen fehlt«,63 resümierte er resigniert. Der Satz drückt Christens Verunsicherung aus, die ihn als sozialen Aufsteiger stets begleitete: Wenn er als Vertreter des Reichskommissars nicht in der Lage war, seinen Gästen gutes Essen und hochwertige Getränke zu servieren, so untergrub dies sein Ansehen und machte ihn angreifbar. Als junger Zivilist unter lauter hochrangigen Uniformierten empfand er sich ohnehin immer in einer schwächeren Position. Sein Ansuchen um die Aufnahme in die SS kann, wie Dorothee Wierling argumentiert, auch als Versuch gesehen werden, seine Männlichkeit und damit seine Machtposition zu stärken. Der Genuss und das Ausschenken von Alkohol dienten demselben Ziel. Dass er in seinem Tagebuch nur importierte Alkoholika namentlich auflistet, obwohl seine Dienststelle auch große Mengen billigere 61 Tagebuch, 4.3.1942. 62 Tagebuch, 3.4.1942. 63 Tagebuch, 30.11.1942.
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norwegische Spirituosen wie Gammel Reserve oder Dobbeltrenset brennevin bezog, ist dabei nicht zufällig. Mit der scheinbar beiläufigen Erwähnung von Whisky, Champagner und französischem Cognac unterstrich er seinen Status als Repräsentant des Reichskommissars, für den Luxusware zum Alltag gehörte.
Alkohol und Männlichkeit Macht und Männlichkeit sind eng verknüpft. R. W. Connells Theorie der hegemonialen Männlichkeit geht davon aus, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer in die hierarchisch organisierte patriarchale Geschlechterordnung eingezwängt sind, an deren Spitze ein dominantes Männlichkeitsideal steht.64 Je näher ein Mann diesem Idealtypus von Männlichkeit kommt, desto höher ist sein Status. Männlichkeit ist demnach kein natürlicher Zustand, sondern ein Prozess der kontinuierlichen Einübung von Verhaltensweisen, mit denen Männlichkeit demonstriert und verinnerlicht wird. Zu den Praktiken, über die Männlichkeit hergestellt wird, gehört zumindest in den westlichen Gesellschaften auch das Trinken von alkoholischen Getränken. Der Alkoholkonsum ist dabei bestimmten gesellschaftlichen Regeln unterworfen: Über die Frage, wer was wie viel und in welchem Kontext trinkt, definieren sich der Status und das Ansehen der Trinkenden. Die deutschen Besatzer tranken in der Regel in Männergruppen. Das lag zunächst daran, dass die Wehrmacht, SS, Polizei und – mit Abstrichen – auch die zivile Besatzungsadministration männlich geprägte Institutionen waren. Die Männer arbeiteten und wohnten auf engem Raum zusammen und tranken auch gemeinsam: auf der Stube, die sie miteinander teilten, in der Kantine, im Soldatenheim oder in der Offiziersmesse. Den Luxus einer Privatsphäre genossen in der Regel nur Personen in leitenden Positionen. Das Trinken in diesen homosozialen Gruppen war aber nicht nur dem organisatorischen Kontext geschuldet, sondern hatte auch spezifische soziale Funktionen. Es stärkte die Gruppenidentität und diente der Bestätigung und Einschreibung der Normen und Wertvorstellungen der jeweiligen Institution.65 In den männlichen Verbänden des Militärs, der SS und des Reichskommissariats war Alkoholkonsum nicht nur erlaubt und dank des privilegierten Zugangs möglich, sondern auch ein Muss. Mit den gemeinsamen Besäufnissen versicherten sich die Männer ihrer eigenen Männlichkeit und der ihrer Kameraden. Ungeachtet der Tatsache, dass Adolf Hitler selbst Abstinenzler war, erregte ein Mann, der keinen Alkohol trank, Misstrauen. Wer als ›richtiger Mann‹ gelten wollte, musste gerne und viel trinken. Vor allem aber musste der ideale Mann viel ›vertragen‹, also trotz Trunkenheit die Kontrolle über sich bewahren und (scheinbar) rational denken und handeln können. 64 Robert W. Connell, Masculinities, Cambridge 1996, S. 76-81. 65 Vgl. etwa Westman, Stone-Cold Killers, S. 5.
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Das gemeinsame Trinken fungierte also als Test der Männlichkeit und wurde auch als solcher verstanden, wie Christens Kommentar zu einem Herrenabend beim Reichskommissar zeigt, zu dem die Abteilungsleiter geladen wurden: »Zu 20 Uhr waren wir vom RK nach Skaugum eingeladen. Die übliche Sauferei. Der RK scheint es darauf abgesehen zu haben, festzustellen, wer trotz Alkohol Haltung behält. Mein Magen verträgt nun leider oder glücklicherweise recht viel davon.«66 Haltung zu wahren bedeutete, auch im berauschten Zustand eine gewisse Kontrolle zu behalten. Wer beim Trinken mithalten und sich an den damit verbundenen Ritualen beteiligen konnte, ohne sich lächerlich zu machen, bewies seine Männlichkeit. Allerdings erforderte diese Selbstkontrolle mitunter enorme Disziplin, Willenskraft und Durchhaltevermögen – Tugenden, die das hegemoniale Ideal der »harten« Männlichkeit auszeichneten. Dieses Männlichkeitsideal, das sich im Laufe des 19. Jahrhunderts als Standard von Männlichkeit durchsetzen konnte und im Nationalsozialismus radikalisiert wurde, betrachtete Kontrollverlust als gefährlich, weil dadurch Gefühle die Vorherrschaft übernahmen und die Betreffenden nicht mehr steuerbar waren.67 Christens Tagebuch dokumentiert, dass Frauen nur zu speziellen Anlässen, etwa bei internen »Kameradschaftsabenden« der Dienststelle oder bei Empfängen zu Ehren von durchreisenden Künstlern oder Künstlerinnen, eingeladen waren. Die weibliche Präsenz diente der ›Aufhübschung‹ feierlicher Abendessen, sollte aber auch sicherstellen, dass sich die Männer diszipliniert verhielten und nicht gegen die Grenzen des guten Geschmacks verstießen. So blieb eine Abendgesellschaft, zu der Christen im April 1942 zu Ehren der Sängerin Emmi Leisner einige deutsche und norwegische Gäste mit Ehefrauen eingeladen hatte, »trotz der vorgerückten Stunde immer stilvoll und immer interessant«.68 Deutlich weniger »stilvoll« ging es wohl bei den internen Feiern der Dienststelle zu, an denen auch weibliche Angestellte teilnahmen. Allerdings handelte es sich bei diesen nicht um »Damen«, sondern um Arbeitskolleginnen bzw. weibliche Untergebene. Bei solchen Anlässen konnte sich Christen offensichtlich entspannen. Während er sich bei Trinkgelagen mit Männern stets bemühen musste, die Kontrolle zu behalten, um sich keine Blöße zu geben, konnte er sich im Kreis seiner Untergebenen erlauben, »weinselig« zu werden, weil sein Status als Chef unbestritten war.69 Christen präsentierte sich in seinem Tagebuch als Mann, der dem dominanten Männlichkeitsideal sehr nahekam, weil er auch bei großen Besäufnissen stets Herr der Lage blieb. So vermerkte er nach einem Trinkgelage mit seinen männlichen Angestellten mit Genugtuung: »Gestern Abend hatte ich die Männer der Dienststelle zur Besprechung in meine Wohnung gebeten. Der ›nebenbei‹ gereichte Alkohol hatte Einige erheblich schwer erschüttert. Um 8 war ich 66 Tagebuch, 12.1.1942. 67 Vgl. etwa Klaus Theweleit, Männerphantasien. Bd. 1: Frauen, Fluten, Körper, Geschichte, Frankfurt a. M. 1977. 68 Tagebuch, 27.4.1942. 69 Tagebuch, 14.12.1941.
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der einzige Mann, der anwesend war. Mancher ist leider den ganzen Tag nicht arbeitsfähig gewesen.«70 Zwei Wochen später notierte er anlässlich des Besuchs eines Künstlerpaares in Bergen, dass er nach einem »sehr netten und gemütlichen Abend« […] leider der einzige [war], der zur Abfahrt auf dem Bahnhof erschien«, um die Gäste zu verabschieden.71 In beiden Beispielen unterstreicht Christen, dass er ungeachtet der zuvor konsumierten Alkoholmengen körperlich und geistig voll einsatzfähig war und seine Pflichten erfüllte – ganz im Unterschied zu den anderen Männern. Mit der Selbstcharakterisierung als jemand, der beim gemeinschaftlichen Trinken mithalten, aber dank ausreichender Disziplin und Durchhaltevermögen der Wirkung des Alkohols Einhalt gebieten kann, bekräftigte Christen seine Befähigung zum Mann und Führer. Zur Bestätigung seiner Männlichkeit gehörte auch, dass er sich von Männern distanzierte, die sich unter Alkoholeinwirkung gehen ließen, wobei er sich je nach Status der Geschlechtsgenossen belustigt bis kritisch über diese äußert. Mit Nachsicht kommentierte er den Zustand des Bergenser Oberbürgermeisters Stensaker und des Konsuls Halvorsen, mit denen er einen geselligen Abend verbrachte: »Um 2 Uhr konnte Halvorsen nicht mehr auf den Füssen stehen und auch St. zeigte leichte Schlagseite. Leichtsinnigerweise habe ich beide dann noch nach Hause gefahren.« Christens Zeilen verraten zwar, dass auch er angetrunken war. Jedoch richtet er die Aufmerksamkeit auf den körperlichen Zustand seiner norwegischen Trinkgenossen und grenzt sich von ihnen ab, indem er betonte, dass er – symbolisch wie im Wortsinn – das Steuer in der Hand behielt. Weniger gnädig fielen seine Bewertungen deutscher Führungspersonen aus, die unter Alkoholeinfluss die Kontrolle verloren. So kommentierte er das Verhalten des Reichserziehungsministers Rust, der im Oktober 1941 Bergen besuchte, als »nicht gerade sehr repräsentativ«. Zum Missvergnügen von Christen, der eigentlich früher ins Bett gehen wollte, wollte sich der Minister gleich am Abend seiner Anreise betrinken: »Ich musste noch 2 Fl. Whisky holen lassen. Es wurde 3 Uhr, 4 Uhr. Ich musste nochmal Cognac organisieren. Es wurde 5 Uhr. Der Herr Minister sprach, deklamierte, lallte, schimpfte, lachte. Es wurde 6 Uhr.«72 Die Tatsache, dass der Minister bei der Begrüßung nicht wusste, wer Christen eigentlich war, und ihn dann zum Laufburschen degradierte, mag Christen irritiert und seine Charakterisierung des Ministers beeinflusst haben. Seine Schilderung des Abends verrät, dass Rust sich in den frühen Morgenstunden nicht mehr unter Kontrolle hatte und sich vor Publikum eine Blöße gab. In Christens Augen beschädigte Rust damit nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern auch das des »Dritten Reichs«, das er als Minister repräsentierte. Auch über R. von der Goltz, Christens Vorgänger in Trondheim, äußerte dieser sich kritisch. Christen meinte, dass von der Goltz »seine Sache wohl ganz gut« mache, fügte aber missbilligend hinzu, dass er »reichlich kindisch und 70 Tagebuch, 15.1.1942. 71 Tagebuch, 1.2.1942. 72 Tagebuch, 26.10.1941.
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unseriös wird«, wenn er trinke.73 Sowohl Rust als auch von der Goltz hatten sichtlich Probleme, unter Alkoholeinfluss die Kontrolle zu behalten, und verloren dadurch den Respekt innerhalb ihrer Gruppe. Es war also nicht die Quantität des konsumierten Alkohols, die problematisch war, sondern das Verhalten des Betrunkenen. Wer sich im Rausch zu Gefühlsausbrüchen hinreißen ließ, seine Motorik nicht mehr kontrollieren konnte, ausfällig oder aggressiv wurde, verhielt sich nicht nur unmännlich, sondern gefährdete auch das Ansehen der Truppe bzw. des nationalsozialistischen Deutschlands.
Alkohol als Bedrohung der Machtordnung Dennoch war die Toleranzschwelle in Bezug auf Alkoholkonsum in der Wehrmacht im Allgemeinen und in der Kriegsmarine im Besonderen hoch.74 Wie sehr das Sichbetrinken für die Offiziere wie für die Mannschaften zum Besatzungsalltag gehörte, illustrieren die Verfahrensakten der in Norwegen stationierten Wehrmachtgerichte. Obwohl die Militärrichter teilweise mit großer Härte gegen Vergehen von Wehrmachtsangehörigen vorgingen, zeigten sie oft erstaunliche Milde gegenüber Straftätern, die zum Tatzeitpunkt stark betrunken waren. Zwar mahnte der Oberbefehlshaber des Heeres wiederholt, dass »bei der Ahndung von Vergehen, die unter Alkoholeinfluss begangen worden sind, […] stets der strengste Maßstab anzulegen« sei,75 doch kamen sowohl Kommandeure als auch Gerichte diesen Forderungen nur bedingt nach. Die meisten Vergehen, bei denen beträchtliche Mengen Alkohol im Spiel waren, wurden disziplinarisch erledigt. Gerichtliche Anklage wurde häufig erst dann erhoben, wenn sich die berauschten Täter »wehrkraftzersetzend« geäußert, Vorgesetzte verbal oder physisch angegriffen oder in Anwesenheit von Zivilpersonen randaliert hatten. Ein 19-jähriger betrunkener Marinesoldat, der in Ålesund eine Norwegerin, die sich geweigert hatte, mit ihm das Kino zu betreten, grob anpackte, an den Haaren riss und die Treppe hinunterzustürzen versuchte, erhielt lediglich eine dreiwöchige Arreststrafe.76 Ein Wehrmachtssoldat, der schwer betrunken einem norwegischen Schaffner bei der Fahrkartenkontrolle einen Faustschlag versetzt hatte, kam mit einer Strafe von sechs Wochen verschärften Arrests davon.77 Deutlich strenger zeigte sich dasselbe Gericht gegenüber dem 28-jährigen Marineartilleristen Alfons G., der sich bei einer Sauftour durch Trondheimer 73 Tagebuch, 2.12.1941. 74 Vgl. auch Steinkamp, Zur Devianz-Problematik, S. 39-42. 75 Geheimbefehl »Betr. Alkoholmissbrauch«, Oberbefehlshaber des Heeres Generalfeldmarschall Walter von Brauchitsch, 6. Juni 1941, zitiert nach Steinkamp, Zur DevianzProblematik, S. 8. 76 Urteil des Gerichts des Admirals der Norwegischen Nordküste, 4.10.1943, BArch-MA, PERS 15/196089. 77 Urteil des Gerichts des Admirals der Norwegischen Nordküste, 10.10.1944, BArch-MA, PERS 15/196075.
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Lokale mit einigen Norwegern verbrüdert hatte und dann »in völlig betrunkenem Zustande, eingehakt mit zwei gleichfalls völlig betrunkenen norwegischen Zivilisten« über die Kongensgate torkelte. Ein Oberleutnant wurde auf den Menschenauflauf rund um G. aufmerksam und befahl ihm, sofort in sein Quartier zurückzukehren. G. weigerte sich und widersetzte sich mit Fußtritten dem Oberleutnant und zwei weiteren Soldaten, die ihn festzunehmen versuchten, beschimpfte sie dabei als »junge Schnösel« und meinte: »Mehr wie erschießen können Sie mich nicht. Machen Sie meine Frau und meine Kinder nur unglücklich.« Das Gericht verurteilte ihn wegen Schädigung des Ansehens der Wehrmacht zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis, abzubüßen in einer Wehrmachtstrafgefangenabteilung. Begründet wurde das harte Urteil mit Verweis auf die norwegische Bevölkerung: »Die Norweger können aus Anlass eines derart beschämenden Vorganges zur Meinung kommen, dass die deutschen Soldaten moralisch minderwertig sind, und dass […] die Vorgesetzten den Soldaten gegenüber nicht über eine ausreichende Autorität verfügten.«78 Wie Peter Steinkamp in seiner Studie zum Alkoholmissbrauch in der Wehrmacht aufzeigt, war sich die Wehrmachtführung der Gefahren des Alkoholkonsums wohl bewusst. Offiziere, die als »notorische Trinker« galten oder sich alkoholbedingter Entgleisungen schuldig gemacht hatten, konnten entlassen oder degradiert werden, wobei der Alkoholkonsum mitunter lediglich einen Vorwand bot, um einen missliebigen Kollegen loszuwerden.79 Bei Offizieren galten besonders das gemeinsame Trinken mit Mannschaftssoldaten oder der Alkoholkonsum an »unpassenden Örtlichkeiten« in den besetzten Gebieten als schwerwiegender Fehltritt.80 Alkohol war gefährlich, weil er das militärische Prinzip der Unterordnung in Frage stellte. Sowohl Soldaten, die ermutigt durch Alkoholgenuss aufbegehrten und Befehle verweigerten, als auch Offiziere, die sich im Rausch gehen ließen und dadurch den Respekt der Untergebenen verloren, gefährdeten das militärische Ordnungssystem und damit den Machtanspruch des Militärs. Alkoholmissbrauch brachte nicht nur die Hierarchie zwischen Vorgesetzten und Untergebenen ins Wanken; auch die Machtasymmetrie zwischen Besatzern und Besetzten geriet unter Alkoholeinfluss in Bewegung, wie der von Christen geschilderte Besuch des Reichserziehungsministers Rust illustriert. Rust, der häufig betrunken war und sich dann »wenig repräsentativ« benahm, verbrüderte sich bei seinem Besuch in Bergen mit dem norwegischen Nationalsozialisten Willy Bjørneby. Dass »der Herr Minister«, wie Christen ihn ironisch titulierte, Bjørneby nach einigen Gläsern das »Du« antrug, ging Christen eindeutig zu weit und er distanzierte sich von dieser »neue[n] Art, die europäische Solidarität 78 Urteil des Gerichts des Admirals der Norwegischen Nordküste, 2.1.1941, BArch-MA, PERS 15/67864. G. wurde später in das Bewährungsbataillon 500 an die Ostfront transferiert, wo er 1942 starb. 79 Steinkamp, Zur Devianz-Problematik, S. 15. 80 Ebd., S. 22-27.
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zu dokumentieren«.81 Auch wenn die Verbrüderung in diesem Fall harmlos war, weil sie unter ideologisch Gleichgesinnten stattfand, so trug der vertrauliche Umgang mit dem Feind doch immer die Gefahr eines Machtverlustes in sich. Beim gemeinsamen Trinken wurden Geheimnisse ausgeplaudert und Informationen weitergegeben, die nicht nur das Ansehen der deutschen Besatzer beschädigten, sondern sie angreifbar machten. Alkohol war also zugleich Gefahr und Herausforderung, denn er verlangte vom Trinkenden ein hohes Maß an Kontrolle. Welche Folgen hatte derjenige zu gewärtigen, der die Herausforderung nicht bestand? Alkoholexzesse, bei denen Wehrmachts- und SS-Angehörige Wohnungen zertrümmerten, Frauen vergewaltigten oder Häftlinge erschossen, vermochten den Status der Täter innerhalb des Systems kaum nachhaltig zu schädigen, solange die Gewalt sich gegen Personen richtete, die außerhalb der »Volksgemeinschaft« standen.82 So klagte die Baufirma A/S Nordag bei der Organisation Todt über die »sehr mangelhafte Arbeitsleistung« der ihr zugewiesenen polnischen Zwangsarbeiter. Die Verantwortung trug der Firma zufolge der OT-Truppführer, denn »er erscheine oft in völlig betrunkenem Zustande auf der Baustelle, bedrohe die Polen mit der Schusswaffe und belästige das weibliche Küchenpersonal«.83 Als gefährlich und ahndenswert betrachtete die NS- und Wehrmachtführung solche »Entgleisungen« allerdings nur dann, wenn sie, wie oben gezeigt, den inneren Zusammenhalt oder das System selbst bedrohten. Eine solche Bedrohung stellte aus Sicht der Führung – und im dominanten Denken der Zeit – die Homosexualität dar, die seit 1871 mit der Einführung des § 175 im Strafgesetzbuch auch strafrechtlich verfolgt werden konnte. Die Nationalsozialisten verschärften die Verfolgung von Homosexuellen, indem sie 1935 die Strafen für den als »Unzucht zwischen Männern« definierten Tatbestand deutlich erhöhten. Neben einer Zuchthausstrafe drohte Homosexuellen nun auch die Einweisung in ein Konzentrationslager.84 In den wehrmachtgerichtlichen Anklagen wegen homosexueller Handlungen spielt Alkohol als enthemmender Faktor eine zentrale Rolle. Schon 1938 hatte der Oberbefehlshaber des Heeres mit Blick auf homosexuelle Handlungen von Offizieren vor Alkohol als angeblichem Auslöser von Homosexualität gewarnt: »Jeder muss sich darüber im klaren sein, dass dieser Seuche mit aller Schärfe des Gesetzes entgegengetreten wird. Meist ist Alkoholmissbrauch der Beginn derartiger Verfehlungen. […] Der Offizier muss wissen, was er an Alkohol vertragen kann. Er muss stets Herr seiner Sinne bleiben und seine Worte und 81 Tagebuch, 26.10.1941. 82 Steinkamp, Zur Devianz-Problematik, S. 38-40; Westermann, Stone-Cold Killers, S. 5, 12. 83 Schreiben der Organisation Todt, Einsatzgruppe Wiking, an Einsatz Mittelnorwegen Drontheim, 23.3.1944, RA , RAFA-2188 Organisation Todt E1d/L0015/001. 84 Vgl. Günter Grau (Hrsg.), Homosexualität in der NS-Zeit. Dokumente einer Diskriminierung und Verfolgung, Frankfurt a. M. 1993.
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Handlungen klar beurteilen können. Es ist ein Zeichen mangelnder Selbstdisziplin, wenn ein Offizier durch zu starken Alkoholgenuss sich dieser für einen Offizier unbedingt notwendigen Klarheit beraubt.«85 Der Oberbefehlshaber präsentierte hier homosexuelle Handlungen als Resultat eines (momentanen) Verlusts an Selbstkontrolle und nicht als Neigung, stellte also die heterosexuelle Orientierung der angesprochenen Offiziere nicht grundsätzlich in Frage. Die wegen homosexueller Betätigung angezeigten Wehrmachtsangehörigen verteidigten sich in der Regel damit, dass sie betrunken gewesen seien. Sie könnten sich an nichts erinnern oder seien derart berauscht gewesen, dass sie außerstande gewesen seien, ihre Handlungen zu kontrollieren.86 Ob es sich um bloße Schutzbehauptungen handelte oder sich die Beschuldigten tatsächlich aufgrund der enthemmenden Wirkung des Alkohols zu homosexuellen Handlungen hinreißen ließen, ist hier nebensächlich. Bedeutsam ist vielmehr, dass sowohl die militärische Führung als auch die Wehrmachtrichter übermäßigen Alkoholkonsum als Entschuldigung für den ›unmännlichen‹ Kontrollverlust häufig akzeptierten. Das zeigt auch ein Geheimbefehl des Oberkommandos des Heeres vom 1. April 1941 zum Anstieg der »Vergehen der widernatürlichen Unzucht, bei denen die Täter, sonst gute und brauchbare Soldaten, meist unter dem Einfluss von Alkohol standen«.87 Konnten die Beschuldigten glaubhaft nachweisen, dass sie berauscht gewesen waren und aus reiner »Sexualnot« gehandelt hatten, aber keinesfalls homosexuelle Neigungen verspürten, so zeigten sich die Richter in der Regel milde.88 Stuften die Gerichte die Beschuldigten hingegen als homosexuell ein, so war Alkoholeinfluss kein Milderungsgrund, sondern lediglich ein weiterer Beweis für deren mangelhafte Männlichkeit.89 Sie mussten mit der ganzen Härte des Gesetzes rechnen. Obwohl die NS- und Wehrmachtführung Alkohol aufgrund seiner enthemmenden Wirkung als reale Gefahr für die Kampfkraft der Truppe und das Ansehen NS-Deutschlands betrachteten, wurde insgesamt wenig unternommen, um den Alkoholkonsum einzudämmen. Das lag wohl daran, dass von
85 Oberbefehlshaber des Heeres, 18.12.1938, zitiert nach Steinkamp, Zur Devianz-Problematik, S. 303. 86 Vgl. etwa BArch-MA, PERS 15/9392 und PERS 15/9383. 87 Zitiert nach Steinkamp, Zur Devianz-Problematik, S. 304. Die Heeresführung versuchte den Anstieg homosexueller Handlungen mit fehlenden Möglichkeiten des heterosexuellen Geschlechtsverkehrs zu erklären und mit der Einrichtung von Bordellen Abhilfe zu schaffen. Vgl. etwa Regina Mühlhäuser, Eroberungen. Sexuelle Gewalttaten und intime Beziehungen deutscher Soldaten in der Sowjetunion 1941-1945, Hamburg 2010, S. 214-239. 88 BArch-MA, PERS 15/9392 und PERS 15/9383. Vgl. auch Kerstin Theis, Wehrmachtjustiz an der »Heimatfront«. Die Militärgerichte des Ersatzheeres im Zweiten Weltkrieg, Berlin 2015, S. 275. 89 BArch-MA, PERS 15/174490. Vgl. Theis, Wehrmachtjustiz, S. 249.
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der Führungsebene bis zu den untersten Rängen alle eifrig dem Alkohol zusprachen und den Zugang dazu als etabliertes Recht betrachteten.
Schluss Wie gezeigt wurde, setzten die deutschen Machthaber in Norwegen Alkohol bewusst ein, um ihre Machtposition zu demonstrieren – sowohl gegenüber der Bevölkerung des besetzten Gebietes als auch innerhalb der eigenen Organisation. Das Tagebuch des Dienststellenleiters Heinrich Christen offenbart nicht nur den enormen Alkoholverbrauch der deutschen Besatzer, sondern illustriert auch die wichtigen soziokulturellen Funktionen, die Alkohol in diesem Kontext erfüllte. Für Christen waren der Besitz und Konsum von kostbaren alkoholischen Getränken sichtbarer Beweis seines sozialen Aufstiegs und seiner Machtposition. Dass er aber nicht nur Zugang zu, sondern auch Kontrolle über den Alkohol hatte, bestätigte seine Männlichkeit. Die Untersuchung der Rolle des Alkohols unter deutscher Besatzung verdeutlicht jedoch auch dessen Gefahrenpotential für das System. Der übermäßige Alkoholkonsum führte häufig zu Kontrollverlust und in weiterer Folge zu Verstößen gegen die bestehende gesetzliche, militärische und moralische Ordnung. Von Disziplinlosigkeit und Befehlsverweigerung über verbale Entgleisungen bis hin zu physischen Attacken und sexueller Gewalt reicht das Spektrum der Handlungen, welche die gefährliche Wirkung des Alkohols vor Augen führten, aber auch die Schwächen der Männer offenlegten. In der nationalsozialistischen Gesellschaft, in der absolute Gefühlskontrolle, eiserne Disziplin und Härte gegen sich selbst und andere als ultimativer Beweis von Männlichkeit galten, war der temporäre Verlust dieser Eigenschaften gleichbedeutend mit einem Statusverlust. Der Funktion von Alkohol als Herrschaftsinstrument in der vom Mangel geprägten Besatzungsgesellschaft waren also Grenzen gesetzt. Unkontrollierter Alkoholgenuss machte die Herrschenden angreifbar, etwa wenn sich diese im Rausch eine Blöße gaben oder Informationen ausplauderten, die als geheim galten. Die Wehrmacht- und NS-Führung wusste um die potentielle Gefährlichkeit des Alkohols, doch ging sie in der Regel nur gegen Personen vor, die unter Alkoholeinfluss die innere Ordnung oder den Machtanspruch der Führung in Frage stellten. Männer, die sich am unteren Ende der Hierarchie befanden, waren indes viel häufiger Disziplinierungsmaßnahmen ausgesetzt als Personen mit einem höheren Status und Dienstrang. Letztere mussten, wie Christens Tagebuch zeigt, selten mit ernsthaften Konsequenzen rechnen, auch wenn alkoholbedingte Entgleisungen ihre Männlichkeit in den Augen ihrer peer group durchaus beschädigen konnten.
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Die SS-Offiziere Gerhard Flesch und Heinrich Christen Zwei Vertreter desselben Besatzungsregimes Einleitung Das Tagebuch Heinrich Christens – in Norwegen unter dem Titel Okkupantens Dagbok (Tagebuch eines Besatzers) herausgegeben – gewährt seltene Einblicke in den Alltag der nationalsozialistischen Besatzung aus der Sicht eines ihrer führenden Vertreter. Kaum Erwähnung finden darin allerdings die repressiven Dimensionen der nationalsozialistischen Herrschaft in Norwegen und deren Wahrnehmung durch die einheimische Bevölkerung. Eine wichtige Rolle in Christens Tagebuch spielt der SS-Offizier und Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes (SD), Gerhard Flesch. Beide waren in einer frühen Phase des Krieges zunächst in Bergen tätig; beide wurden im Laufe des Jahres 1942 nach Trondheim versetzt. Christens Aufzeichnungen sind voller anekdotischer Berichte über rauschende Feste, Propagandaveranstaltungen, Besuche bekannter Persönlichkeiten und Künstler sowie exzessiven Alkoholgenuss. Sie vermitteln den Eindruck eines eher »harmlosen« Besatzungsalltages. Obwohl Gerhard Flesch in einer Reihe dieser Anekdoten auftaucht, bleibt seine Rolle als Vertreter der Besatzungsmacht in Christens Aufzeichnungen undurchsichtig. Christen wiederum wird zwar in einigen wenigen Quellen der Nachkriegszeit, insbesondere aus Bergen, erwähnt, im Zusammenhang mit den hier von der Besatzungsmacht verübten Verbrechen fällt sein Name jedoch nicht – ganz im Gegenteil zu dem Gerhard Fleschs. Auch wenn Flesch nach Kriegsende zu einem in Norwegen weithin bekannten Vertreter der »bösen« Besatzungsmacht avancierte, ist seine Wahrnehmung in vielerlei Hinsicht geprägt vom nationalen Diskursrahmen der Nachkriegszeit. Von wenigen Ausnahmen abgesehen weiß man über deutsche Täter weniger als über norwegische Kollaborateure.1 Bekannter als Flesch ist in Norwegen der Anführer der sogenannten Rinnan-Bande, Henry Oliver Rinnan, der sich während des Krieges als Denunziant, Provokateur und Folterknecht für die Besatzungsmacht in Trondheim betätigte. In einem der aufsehenerregendsten Prozesse der norwegischen Nachkriegszeit wurde Rinnan in Trondheim zum Tode verurteilt und am 1. Februar 1947 hingerichtet. Flesch wurde am 28. Februar 1948 hingerichtet. Auch sein Prozess hatte große Beachtung gefunden, wenn auch nicht in demselben Maße wie der Prozess gegen Rinnan und dessen Bande.
1 Eine solche Ausnahme stellt Siegfried Fehmer dar, bekannt als »der gefährlichste Feind des Widerstands«. Vgl. Steinar Brauteset, Gestapo-offiseren Fehmer. Milorgs farligste fiende, Oslo 1986.
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Das Hauptaugenmerk im Prozess gegen Flesch galt seinerzeit einem Ereignis, das sich im Oktober 1942 zugetragen hatte, zu einem Zeitpunkt also, als sowohl Heinrich Christen wie auch Gerhard Flesch verantwortungsvolle Positionen innerhalb des lokalen Besatzungsregimes in Trondheim innehatten. Am 6. Oktober 1942 war Reichskommissar Josef Terboven mit seinem »Sonderzug« dort eingetroffen und hatte als Reaktion auf die große Zahl an Sabotage- und Widerstandsakten im Trøndelag und Nordland den Ausnahmezustand verhängt. Mit diesem Schritt verfolgte die Besatzungsmacht seinerzeit verschiedene Ziele: Zum einen beabsichtigte der Reichskommissar einen vernichtenden Schlag gegen die regionale Widerstandsbewegung, zum anderen wollte er mit seinem Vorgehen vor Ort zugleich ein landesweites Exempel statuieren. Doch das war noch nicht alles. Ging es der Besatzungsmacht vorgeblich allein um die Zerschlagung des norwegischen Widerstandes, so wurden im Zuge des Ausnahmezustandes in Trondheim und im Trøndelag im Oktober 1942 zugleich alle jüdischen Männer und männlichen Jugendlichen über 14 Jahren mit Unterstützung der norwegischen Polizei verhaftet und in das Konzentrationslager Falstad verbracht. Ihr Eigentum wurde vom deutschen Sicherheitsdienst beschlagnahmt. Die meisten jüdischen Frauen und Kinder wurden in Trondheim unter Hausarrest gestellt. Diese Ereignisse markieren den Beginn der »Endlösung« in Norwegen. Keine drei Wochen später wurden bereits im ganzen Land systematisch und gezielt Männer jüdischen Glaubens verhaftet. Schon im Prozess gegen Flesch war das Schicksal der Trondheimer Juden weitgehend unbeachtet geblieben. Im Mittelpunkt standen seinerzeit Fleschs brutale Methoden bei der Bekämpfung des norwegischen Widerstandes. Obwohl beides, wie zu zeigen sein wird, eng miteinander verknüpft war, wird das Vorgehen gegen die Juden in Trondheim bis in die Gegenwart hinein kaum im Zusammenhang mit dem Trondheimer Ausnahmezustand vom Oktober 1942 diskutiert. Im Folgenden wird nach einem kurzen Abschnitt zu Fleschs Herkunft und Werdegang seine Tätigkeit in Bergen und Trondheim rekonstruiert. Dabei treten die vielen Berührungspunkte zwischen Flesch und Christen zutage und es wird deutlich, welche Ereignisse und Aspekte der Besatzungsherrschaft letzterer in seinem Tagebuch ausblendet.
Gerhard Flesch: Seine Karriere bis 1940 Gerhard (Friedrich Ernst) Flesch kam 1909 in Posen als Sohn eines Beamten zur Welt. Flesch selbst berichtet, dass seine Familie »aufgrund des verlorenen Krieges und der Abtretung der Provinz Posen« nach Berlin umziehen musste.2 Posen gehörte fortan zu Polen, und Fleschs Geburtsstadt erhielt den Namen Poznan. In Berlin fand der Vater eine Anstellung im preußischen Finanzministerium. Ger2 Bundesarchiv (BArch) Berlin, SSO-213, Flesch, Gerhard. Lebenslauf vom 30.8.1938. Dienstlaufbahn, undatiert.
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hard bestand sein Abitur im Jahr 1929 und nahm ein Studium der Rechts- und Staatswissenschaften auf. Er trat dem Berliner Universitätskorps bei, wechselte im Zuge seines Studiums aber nach Magdeburg. Seinen beruflichen Werdegang begann Flesch im Sicherheitsapparat des nationalsozialistischen Staates. Nur wenige Wochen nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, am 8. April 1933, bestand Flesch das erste Staatsexamen, eine Voraussetzung für die spätere Aufnahme in den höheren Staatsdienst. Am 20. April – also am »Geburtstag des Führers« – trat er der NSDAP bei und schloss sich der Berliner Ortsgruppe Hohenschönhausen an. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt betätigte sich Flesch offenbar aktiv im Kampf gegen »Gegner« des Nationalsozialismus. In seinem für seine Vorgesetzten im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) bestimmten Lebenslauf gab er an, bereits als »V-Mann« des SD geführt worden zu sein. Im August 1933 wurde er, 24 Jahre alt, SD-Anwärter. Seine Karriere folgte nun im Großen und Ganzen Stationen, wie sie Michael Wildt als kennzeichnend für die »Generation des Unbedingten«3 ausgemacht hat: Besuch der SD-Schule in Grunewald im Jahr 1935, Berufung zum Leiter der Außenstelle Meißen im gleichen Jahr. Im Oktober 1936 bestand Flesch die »große Staatsprüfung« und hatte sich damit für verantwortungsvollere Tätigkeiten in der Stapoleitstelle Berlin qualifiziert. Bald darauf avancierte er zum stellvertretenden Leiter der Stapoleitstelle Frankfurt an der Oder, nicht weit von seiner Heimatstadt Posen. Bei Ausbruch des Krieges bekleidete Flesch den Rang eines Hauptsturmführers (Hauptmann).4 Während seiner Tätigkeit für den Sicherheitsdienst in Berlin sammelte Flesch vermutlich erste Erfahrungen mit der »Arisierung« jüdischen Eigentums. Er selbst äußerte sich dazu nach Kriegsende in der Haft im Zusammenhang mit norwegischen Ermittlungen betont allgemein: »Ich hatte früher im Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin in Beschlagnahmesachen gearbeitet und kenne von dorther die sogenannten Treuhandgesellschaften. Es sind dies Gesellschaften, meistens Aktiengesellschaften mit Beteiligung der öffentlichen Hand, die sich zur Aufgabe gestellt haben, fremde Vermögensmassen zu verwalten. Es sind dies nicht etwa nur ausschliesslich Vermögensmassen aus öffentlichrechtlichen [sic] Beschlagnahmen, sondern Mündelgelder, hinterlegte Vermögenswerte, Nachlasssachen und so fort.«5 Fleschs Aussage liefert zwar keinerlei Information darüber, um welche Art von »Beschlagnahmesachen« und »fremde Vermögensmassen« es sich hier handelte 3 Michael Wildt, Generation des Unbedingten. Das Führungskorps der Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 2003. 4 BArch, SSO-213, Flesch, Gerhard. Lebenslauf vom 30.8.1938. Dienstlaufbahn, undatiert. 5 Riksarkivet (RA), L-sak Trondheim 730-731 D, schriftliche Erklärung von Flesch, »Komplex Landgraff«, vom 18.8.1945. Landgraff, der sich während der Besatzung als Kollaborateur betätigte, war seinerzeit von Flesch zum Generaltreuhänder der Vermögen ernannt worden, die Flesch beschlagnahmte, nachdem dieser im Oktober 1941 zum Kommandeur der Sicherheitspolizei in Trondheim aufgestiegen war.
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bzw. wer diese »Vermögenswerte« hinterlegt hatte. Vieles spricht jedoch dafür, dass Flesch seinerzeit an der »Arisierung« von jüdischem Eigentum, möglicherweise auch an der Beschlagnahmung von Vermögenswerten politischer Gegner des Regimes beteiligt war. Während des Überfalls auf Polen im September 1939 diente Flesch zunächst in der Einsatzgruppe VI unter dem Befehl von SS-Oberführer Erich Naumann.6 Als Chef des Einsatzkommandos 14 kehrte er schließlich »heim« nach Posen. Die sogenannten Einsatzgruppen werden vor allem mit dem Feldzug gegen die Sowjetunion, der am 22. Juni 1941 begann, in Verbindung gebracht, aber ihr Ursprung geht auf den Überfall auf Polen zurück. Mehr als 10.000 Zivilisten wurden im Verlauf des Feldzuges (bis zum 6. Oktober 1939) ermordet. Hinzu kommen mindestens weitere 16.000 Zivilisten, die allein bis Ende Oktober 1939 den nationalsozialistischen Eroberern zum Opfer fielen. In den Gegenden Polens, die nach dem siegreichen Feldzug wieder dem Deutschen Reich angegliedert wurden, darunter das Wartheland mit der Stadt Posen, kamen bis zum Ende des Jahres 1939 insgesamt 60.000 Menschen ums Leben.7 Bereits im Oktober 1939 erhielt Flesch seine Beförderung zum Sturmbannführer. Nach dem Ende der Kampfhandlungen betätigte er sich in Polen unter anderem als Richter an einem SS-Kriegsgericht. Ein überliefertes Dokument belegt, dass er am 21. Oktober 1939 einer Verhandlung in Lissa vorstand. Hier waren 53 Personen angeklagt, von denen 20 zum Tode verurteilt wurden, darunter ein Professor, ein Anwalt und ein Geschäftsmann, die der »Hetzereien gegen das Deutschtum« bezichtigt wurden. Später zog das Kriegsgericht in andere Städte des dem Reich neu einverleibten Gebietes weiter. Im gesamten »Warthegau« wurden polnische Bürger nach kurzen Verfahren hingerichtet.8 Ob seine Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse, das Flesch 1940 erhielt, in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als SS-Richter erfolgte, ist unklar. Nach dem Polenfeldzug wurde Flesch an die Grenzpolizeischule in Pretzsch an der Elbe abgeordnet, wo er einen Lehrgang für Angehörige des Sicherheitsdienstes besuchte, die im Zuge des geplanten Angriffes auf Frankreich und die Benelux-Länder zum Einsatz kommen sollten. In Pretzsch sollte bereits die Aufteilung der Lehrgangsteilnehmer in entsprechende Einsatzgruppen vorgenommen werden, aber im März 1940 erfuhr Heinrich Himmler, dass eine (mit ihrer 6 Erich Naumann (1905-1951) trat 1929 der NSDAP und 1935 der SS bei (nach Angaben Fleschs). 1938 war er Leiter des SD-Hauptamtes, zwischen November 1941 und April 1943 Kommandeur der Einsatzgruppe B (Weißrussland). Von September 1943 bis Juli 1944 war er Leiter der Sicherheitspolizei in den Niederlanden. Im Zuge des »Einsatzgruppen-Prozesses« von 1947/48 wurde er zum Tode verurteilt und 1951 hingerichtet. Vgl. Ernst Klee, Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Augsburg 2004, S. 429. 7 Jürgen Matthäus/Jochen Böhler/Klaus-Michael Mallmann, War, Pacification, and Mass Murder, 1939. The Einsatzgruppen in Poland, Lanham 2014. E-Book, Introduction (ohne Seitenangabe). 8 Ebd., Kapitel »Establishing long-term rule«.
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Rolle beim Überfall auf Polen vergleichbare) Verwendung von Einsatzgruppen in Westeuropa nicht in Frage kam.9 Im darauffolgenden Monat beauftragte Hitler ihn jedoch, in Norwegen einen Höheren SS- und Polizeiführer (HSSPF) einzusetzen, nachdem die norwegische Regierung einen Friedensschluss zu deutschen Bedingungen ausgeschlagen hatte. Der HSSPF sollte in enger Abstimmung mit dem neuberufenen Reichskommissar und vormalige Gauleiter von Essen, Josef Terboven, tätig werden. Am 21. April wurden die Lehrgangsteilnehmer aus Pretzsch völlig überraschend aufgefordert, sich für einen Einsatz bereitzuhalten. Nach einem kurzen Vorbereitungskurs, der ihnen die Verhältnisse vor Ort näherbringen sollte, wurden sie nach Norwegen verschifft. Im Vorfeld hatte Heydrich die Parole ausgegeben, dass Norwegen kein mit Polen vergleichbares Feindesland sei; vielmehr befände sich das Land unter deutschem Schutz. Jegliche Maßnahmen sollten mit »Intelligenz und Taktgefühl« durchgeführt, Hinrichtungen, Morde oder ethnische Säuberungen hingegen vermieden werden.10 Unter den für den Einsatz in Norwegen ausgewählten Lehrgangsteilnehmern befand sich auch Sturmbannführer Gerhard Flesch, der zum Kommandeur des Einsatzkommandos 4 in Bergen ernannt wurde.
Bergen Aus den vorliegenden Organigrammen und Übersichten geht hervor, dass sich das Einsatzkommando 4 aus seinem Kommandeur Flesch und weiteren 32 Mann zusammensetzte. Unmittelbar nach dem Abschluss der letzten Kriegshandlungen in Südnorwegen kam Flesch Anfang Mai 1940 nach Bergen. Am 6. Mai nahm Flesch an einer Besprechung im Büro des Bürgermeisters Asbjørn Stensaker teil, zu der außerdem der deutsche Generalkonsul Ernst von Küchler, Polizeimeister August Pedersen und der Chef der örtlichen Kriminalpolizei, Eystein Frigaard, sowie ein Korvettenkapitän Roth11 und ein Rittmeister von Stockhausen erschienen waren. Auf deutscher Seite diente das Treffen einem doppelten Zweck. Der erste betraf die Zusammenarbeit von deutschen Sicherheitsorganen und lokalen Polizeikräften. Diese wurden aufgefordert, einen Beamten zu benennen, der als 9 Robert Gerwarth, Hitler’s Hangman. The Life of Heydrich, New Haven 2011, S. 173. Gerwarth erklärt das folgendermaßen: »The excessive violence of Heydrich’s Einsatzgruppen and the Selbstschutz during the Polish campaign was at the heart of the army’s refusal to accept any SS involvement during the military assault on Western Europe. Heydrich noted in an uncharacteristically understated letter to Kurt Daluege that regarding ›fundamental issues pertaining to the combating of enemies of the state‹ an ›entirely different opinion‹ prevailed among the ›senior commanders of the army‹ from that held within the RSHA.« 10 Ebd., S. 175. 11 Roth war Leiter des militärischen Nachrichtendienstes (Abwehr) in Bergen. Norges hjemmefrontmuseum (NHM), 8 Fb 0007, mappe 6, Kopie eines Auszugs eines Berichts über die deutschen Nachrichtendienste im Juni 1942 vom 20.6.1942.
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Verbindungsmann fungieren sollte; gleichzeitig wünschte Flesch eine telefonische Direktverbindung ins Hauptquartier der örtlichen Polizei. Zum zweiten forderten die Vertreter der Besatzungsmacht, dass die Verhältnisse in der Stadt schnellstmöglich wieder »normalisiert« werden sollten. Damit war insbesondere das öffentliche Freizeit- und Vergnügungsleben gemeint, unter anderem sollten Musikvorführungen in Restaurants und Cafés wieder zugelassen werden.12 Nur vier Tage später jedoch meldete sich Flesch bei der lokalen Kriminalpolizei und verlangte, dass sie – »auf diskrete Art und Weise« – die Radiogeräte aller jüdischen Bürger beschlagnahmen sollte. Der Chef der Kriminalpolizei entgegnete, dass es dazu keinerlei Anlass gäbe, und äußerte Bedenken, ob eine solche Maßnahme mit dem geltenden Gesetz vereinbar sei. Sein Einwand fand freilich kein Gehör, wie es in einem Bericht über die Bergenser Polizei während der Besatzungszeit heißt: »Flesch wollte sie haben.«13 Die örtliche Polizei entschloss sich dazu, alle jüdischen Einwohner aufzusuchen, um ihnen ihr Vorgehen zu erklären und »um auszuloten, ob sie die Apparate übernehmen dürften«. Den Berichten zufolge widersetzte sich kein jüdischer Bürger diesem Anliegen, sodass Flesch am 18. Mai den Erhalt von acht Radiogeräten quittieren konnte.14 Die Beschlagnahmung der Radiogeräte ging auf eine Anweisung aus dem Hauptquartier in Oslo zurück und betraf alle Landesteile, die sich zu diesem Zeitpunkt bereits unter deutscher Kontrolle befanden (der Krieg in Nordnorwegen dauerte noch bis zum 10. Juni 1940 an).15 Dies war der erste antisemitische Übergriff der Besatzungsmacht, ausgeführt von der norwegischen Polizei. In Norwegen sollte die antisemitische Politik der Besatzungsmacht vorsichtig anlaufen, wie nicht zuletzt die Vorgabe illustriert, die Radiogeräte jüdischer Mitbürger auf »diskrete Art und Weise« einzuziehen. Es wurden keine antijüdischen Gesetze erlassen, und auch wenn eine Reihe jüdischer Unternehmen, etwa in Kristiansand und Moss, ins Visier der Besatzungsmacht geriet, blieb es bei vereinzelten Maßnahmen. Dennoch gestaltete sich die antisemitische Politik der Besatzungsmacht nur bedingt »diskret«, wie etwa deren Drang belegt, unentwegt all diejenigen in Listen zu erfassen, die nicht in die neue norwegische Wirklichkeit passten. Darunter fielen natürlich auch Juden. In Bergen gab es nur wenige jüdische Familien; insgesamt handelte es sich vermutlich um kaum mehr als 50 Personen. Gleichwohl wurden ihre geschäftlichen Aktivitäten streng kontrolliert, nicht zuletzt um zu verhindern, dass Repräsentanten der Besatzungsmacht (gleich welchen Ranges und welcher organisatorischen Zugehörigkeit) bei ihnen 12 Von diesem Treffen berichtet eine Reihe von Quellen, u. a. Asbjørn Stensaker, Det hendte i Bergen 9. april 1940-28. mars 1942, Bergen 1946, S. 58 f.; Sverre Rødder, Bergen politi under okkupasjonen, Bergen 1974, S. 26 f. Aus der letztgenannten Quelle geht hervor, dass man in den Reihen der Polizeikräfte Bergens am 5. Mai, also einen Tag vor dem Treffen, zum ersten Mal von der Anwesenheit des Sicherheitsdienstes erfuhr. 13 Ebd., S. 29. 14 Ebd., S. 28 f. 15 Dazu mehr bei Bjarte Bruland, Holocaust in Norwegen. Registrierung, Deportation, Vernichtung, Göttingen 2019, S. 97-104.
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einkauften. Bereits im Juni 1940 kursierte eine von der Stadtkommandantur der Wehrmacht in Bergen erstellte Übersicht über »jüdische und deutschfeindliche Betriebe«.16 Nicht nur Flesch und der Sicherheitsdienst interessierten sich also für die norwegischen Juden. Quellenberichte, insbesondere von Personen, die seinerzeit von Flesch verhaftet wurden, bescheinigen diesem jedoch einen ausgeprägten Antisemitismus. Bereits im Juni 1940 hatte Flesch angeordnet, auf einem ehemaligen Exerzierplatz der norwegischen Armee in Os außerhalb von Bergen ein Polizeihäftlingslager zu errichten.17 Das Polizeihäftlingslager Ulven (»Wolf«) war das erste seiner Art in Norwegen. Zu Beginn rekrutierten sich der Kommandant und die Wachmannschaften aus den Reihen der deutschen Ordnungspolizei. Entgegen Befunden aus der neueren Forschung zur Geschichte der Ordnungspolizei schildern zeitgenössische Berichte das Regiment innerhalb des Lagers als vergleichsweise milde und verweisen darauf, dass es sich bei den Wärtern nur um »gewöhnliche Polizisten« gehandelt habe. Auf Fleschs Initiative hin radikalisierte sich das Lagerregime indes. Im Zuge seiner Inspektionen wurden besonders die wenigen jüdischen Häftlinge des Lagers drangsaliert und schikaniert. Ein jüdischer Häftling erlitt infolge einer solchen Inspektion einen Nervenzusammenbruch. Paradoxerweise rettete ihm dieser Zusammenbruch jedoch vermutlich das Leben, denn er wurde in eine psychiatrische Klinik überführt und nach einiger Zeit von dort wieder in die Freiheit entlassen.18 Zusätzlich zum Lager Ulven übernahm der Sicherheitsdienst sehr bald einen Teil des Bergenser Kreisgefängnisses für seine Häftlinge. Aus einem Bericht über die Anfänge der Besatzungszeit geht hervor, dass der Sicherheitsdienst (d. h. die Gestapo) vor Ort zunächst eher zurückhaltend agierte. Häufig widmete er sich reinen Bagatelldelikten, etwa wenn norwegische Zivilisten deutsche Soldaten »provozierten«, indem sie hinter ihrem Rücken ausspuckten. In der Regel wurden diese Personen ins Hauptquartier der Gestapo gebracht, dort verprügelt und nach kurzer Haft wieder in die Freiheit entlassen.19
16 Eine dieser zahlreichen Listen, »Geschafte [sic] die vermieden werden müssen«, ist abgedruckt in Finn R. Jørstad, Eidenbom og de andre. Tekstilhandelen i Norge 19002000, Bergen 2000, S. 29. 17 Michael Stokke/Kjartan Rødland, Helter, svikere og mordere. Espeland fangeleir, Bergen 2011, S. 30. 18 RA, S-1725 Da 1, eske 454 Öreryd, Vernehmung von Dankert Thuland und Roald Jacobsen, Öreryd, Sverige, vom 5.3.1942, S. 9. Zum Polizeihäftlingslager Ulven findet sich wenig, siehe aber den kurzen Artikel über das Lager im lokalhistorischen Kontext von Øystein Søfteland, Ulven som fangeleir i krigstida, in: Osingen 1995, Os 1995. 19 NHM, 8 Fb 0007, mappe 6, Bericht für den Vorsitzenden der »E«-Abteilung (Nachrichtendienste) des Verteidigungsministeriums in London von Dunkert Thuland, undatiert. Bei Thuland handelte es sich um den Polizeibeamten, der infolge der Besprechung vom 6.5.1940 als Verbindungsmann zwischen der deutschen und der norwegischen Polizei in Bergen eingesetzt worden war. Er wurde schließlich inhaftiert, zunächst ins Lager Ulven und später ins Lager Grini überführt, wo ihm im März 1942 die Flucht
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Vergleichsweise früh wurde es in Bergen und im gesamten Vestlandet jedoch ernst. Zahllose junge Männer wagten die Flucht über die Nordsee, um sich von England aus am Kampf gegen die nationalsozialistische Besatzungsherrschaft zu beteiligen. Schon im Jahre 1940 hatten sich viele mit Fischkuttern zu den Shetland-Inseln abgesetzt, ab 1941 erfolgte eine regelrechte Koordinierung dieser Fluchten durch den norwegischen Widerstand.20 Offenbar gelang es der Abwehr noch früher als dem Sicherheitsdienst, die im Aufbau befindliche illegale Widerstandsorganisation zu infiltrieren, aber auch diesem blieben diese Aktivitäten nicht lange verborgen. Frühzeitig hatten sowohl Abwehr wie Gestapo damit begonnen, Agenten unter der norwegischen Bevölkerung, »V-Männer« genannt (auch Flesch war bis 1933 ein »V-Mann« gewesen, wie er in seinem Lebenslauf vermerkt hatte), anzuwerben. Im Laufe des Jahres 1941 verstärkten sich der Widerstand gegen die Besatzungsmacht und damit zugleich der Terror der Gestapo. Trotzdem hat Flesch in der norwegischen Literatur über die Besatzungszeit in Bergen bislang wenig Beachtung gefunden. Umso präsenter ist er indes in Christens Aufzeichnungen, vor allem im Zusammenhang mit abendlichen Feiern. Christen erwähnt in seinen Aufzeichnungen jedoch auch die Landeübungen, die im Juni 1941 in der Nähe des Dorfes Ulvik in Hardanger durchgeführt wurden. Zu diesem Zweck war die gesamte Bevölkerung – mehrere tausend Menschen – zeitweilig evakuiert worden. Er schreibt, dass er sich in Begleitung von Flesch in die Gegend begeben habe, und spekuliert im Zusammenhang mit seiner Inspektion über eine bevorstehende Invasion Großbritanniens. Tatsächlich handelte es sich bei diesen Übungen unter dem Codenamen »Albion« jedoch um ein strategisches Ablenkungsmanöver im Zusammenhang mit dem unmittelbar bevorstehenden Überfall auf die Sowjetunion.21 In der Bevölkerung von Ulvik sorgten sie freilich für Angst und Unsicherheit darüber, wann sie wieder in ihre Häuser zurückkehren dürfe. Die Erlaubnis dazu erhielt sie schließlich im August desselben Jahres. Am 3. Juli 1941 berichtet Christen in seinem Tagebuch von einem »nette[n] Abend«, bei dem auch Flesch zugegen war. Gegenüber den anderen Gästen brüstete dieser sich im Laufe des Abends mit einem erbeuteten Sender des »Secret Service«, mit dessen Hilfe er nun Desinformationen unter den britischen Sicherheitsbehörden zu streuen beabsichtige. Dass Reichskommissar Terboven persönlich im Juli zu einem Besuch in Bergen erschien, war für Christen in erster Linie Anlass zu neuerlichen Feiern. In seinen Aufzeichnungen nennt Christen als Grund für Terbovens Besuch die gelang. Angehörige der norwegischen Exil-Regierung veranlassten seine Überführung nach London. 20 Vgl. dazu Ragnar Ulstein, Englandsfarten, Bd. 2: Søkelys mot Bergen, Oslo 1967; Arnfinn Haga, Da Stein-organisasjonen ble sprengt, Oslo 1987; Kristian Ottosen, Theta Theta. Et blad fra motstandskampens historie, Oslo 1983. 21 Die Evakuierung von Ulvik war ein Ablenkungsmanöver für den Angriff im Osten, in: Arbeiderbladet, 25.4.1951. Die Ereignisse werden in Christens Tagebuch im Eintrag vom 17. Juni 1941 erwähnt. Eine ausführliche Darstellung der Evakuierungen findet sich bei Torbjørn Dyrvik, Ulvik under okkupasjonen, Ulvik 1995, S. 12-20.
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Inspektion des Konzentrationslagers Ulven, auf die Identität oder die Herkunft der dort festgehaltenen »etwa 140 Gefangenen« geht er jedoch nicht ein. Einer dieser Gefangenen erinnert sich hingegen gut an den Besuch Terbovens, der mit seinem Gefolge (darunter auch Flesch) am 28. Juli das Lager inspizierte. Demnach sei Terboven offenbar in erster Linie am großen Schweinestall des Lagers interessiert gewesen, wie der Gefangene später zu Protokoll gab: »Die Deutschen ergötzten sich in erster Linie an den großen Mengen guten Fleisches. Das Lager selbst, die Baracken und Gefangenen, wurden hingegen nicht weiter inspiziert.«22 Christen erwähnt in seinen Aufzeichnungen nicht, dass sich sein Büro, ebenso wie das Fleschs, in Bergens modernstem Funktionsgebäude, Veiten 3, befand. Im Gebäude hatte der Sicherheitsdienst Zellen einrichten lassen, um seine Gefangenen vor Ort verhören zu können. Folter und Misshandlungen der Häftlinge nahmen hier seit 1941 beständig zu. In den späteren Jahren der Besatzungszeit kam es immer wieder vor, dass sich Häftlinge in ihrer Verzweiflung aus den Fenstern der obersten Etagen stürzten. Christen erwähnt diese Vorfälle in seinen Aufzeichnungen nicht, auch wenn sie ihm unmöglich entgangen sein können. Zur exzessiven Anwendung von Folter kam es insbesondere nach der »Telavåg-Affäre«. Ende April 1942 waren zwei Gestapo-Beamte bei einem Schusswechsel mit zwei norwegischen Agenten der Special Operations Executive (SOE) getötet worden. Zur Vergeltung hatte die Besatzungsmacht das Küstendorf Telavåg in der Nähe Bergens niedergebrannt. Alle männlichen Einwohner des Dorfes wurden in Konzentrationslager nach Deutschland verschleppt, als besonders verdächtig geltende Einwohner brachte man allerdings zunächst in die Veiten 3, wo sie vom Sicherheitsdienst »verhört« wurden. 1968 berichtete Martha Telle, die die beiden norwegischen Agenten seinerzeit in ihrem Haus in Telavåg versteckt hatte, in einem vielbeachteten Fernsehinterview von den Folterungen, in deren Folge sie in eine psychiatrische Klinik eingeliefert werden musste.23 Christens Tagebuch enthält eine dramatische Schilderung des Feuergefechts und einen ausführlichen Bericht über die Beerdigung der beiden Polizisten, zu der auch der Reichskommissar anreiste (Einträge vom 27. und 29. April sowie vom 2. Mai 1942). Die Zerstörung Telavågs und die Verschleppung der Einwohner kommentiert Christen knapp – »Ein hartes Geschick, aber doch wohl das einzige Mittel, um die Küstenbewohner vor weiteren Dummheiten zu bewahren« –, über die Verhöre und Folterungen schweigt er sich aus. Flesch hatte Bergen ein halbes Jahr zuvor, im Oktober 1941, verlassen. In Christens Tagebuch werden in diesem Zusammenhang zwei Abschiedsfeiern zu seinen Ehren erwähnt (Eintrag vom 10. Oktober 1941). Am 28. Oktober notiert Christen, dass er bereits mit dem neuen Kommandeur der Sicherheitspolizei, 22 RA, S-1725 Da 1, eske 454 (Öreryd), Vernehmung von Dankert Thuland und Roald Jacobsen, Öreryd, Sverige, vom 5.3.1942, S. 4. 23 Norsk Rikskringkasting (NRK), 29.12.1968. Dokumentation Telavåg, angefertigt vom Historiker Ragnar Ulstein.
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Sturmbannführer Hans Wilhelm Blomberg, zu Mittag gegessen habe. Christen sah Flesch nicht ungern ziehen. Sein Verhältnis zu ihm war von Ambivalenz bestimmt gewesen: Er schwankte zwischen Bewunderung, Konkurrenz (um die Gunst des Reichskommissars) und Abneigung. Diese Ambivalenz stellte sich sofort wieder ein, als Christen später ebenfalls nach Trondheim versetzt wurde.
Fleschs Versetzung nach Trondheim In der zweiten Hälfte des Jahres 1941 wurde eine Umgruppierung innerhalb der Leitungsebenen des Sicherheitsdienstes in Norwegen vorgenommen. Sie erfolgte als Reaktion auf eine Inspektionsreise Reinhard Heydrichs, der sich vom 3. bis zum 6. September 1941 in Oslo aufgehalten und sein Missfallen über das bisherige Vorgehen des SD in Norwegen zum Ausdruck gebracht hatte. Widerstandsaktivitäten hatten überall im besetzten Europa zugenommen, und nach dem Überfall auf die Sowjetunion wurden auch in Norwegen die Repressionsmaßnahmen beträchtlich verschärft.24 Nur zwei Tage nach Heydrichs Abreise verhängte Reichskommissar Terboven aufgrund des sogenannten Milchstreiks in Oslo den Ausnahmezustand. Einheimische Arbeiter hatten hier ihren Unmut über die Reduzierung ihrer Milchrationen auf die Straße getragen. Daraufhin waren 28 Personen standrechtlich verurteilt worden, zwei von ihnen, Viggo Hansteen und Rolf Wickstrøm, zum Tode. Bei beiden handelte es sich um aktive Gewerkschaftsführer.25 Standrecht und Todesstrafen bezweckten die Einschüchterung der Bevölkerung, Terror sollte den Widerstand ersticken. Allerdings schienen nicht alle Vertreter des Besatzungsregimes in Norwegen von diesem Kalkül überzeugt. Ein Tagebucheintrag Christens vom 13. September 1941, in dem er den Ausnahmezustand in missbilligender Weise erwähnt, macht deutlich, dass es unter den deutschen Besatzern auch solche gab, die der Ansicht waren, dass repressive Übergriffe den eigenen Absichten und Interessen zuwiderliefen. In der »Führer-Konferenz« vom 22. Januar 1942 hatte Hitler seiner Überzeugung Ausdruck verliehen, dass Norwegen »das Schicksalsgebiet in diesem Kriege« sei. Hitler bezog sich damit in erster Linie auf die aktuelle Entwicklung: Im Juni 1941 hatte Hitler-Deutschland die Sowjetunion überfallen, im November war der Vormarsch der Wehrmacht jedoch bereits zum Stehen gekommen. Entgegen den Erwartungen war der Krieg im Osten also nicht mit einem kurzen Feldzug entschieden worden, sondern drohte sich vielmehr zu einer langwierigen Angelegenheit auszuweiten. Derweil rechnete Hitler fest mit einem Angriff der Alliierten auf Norwegen, am wahrscheinlichsten schien ihm eine Invasion in 24 Vgl. dazu Sverre Kjeldstadli, Hjemmestyrkene. Hovedtrekk av den militære motstanden under okkupasjonen, Oslo 1959, S. 121-127. 25 Zu »Milchstreik«, Ausnahmezustand und Standrecht in Oslo im September 1941 vgl. Berit Nøkleby, Skutt bli den. Tysk dødsstraff i Norge 1940-1945, Oslo 1996, S. 54-57.
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Mittelnorwegen.26 Diese strategische Einschätzung sollte die Arbeit des Sicherheitsdienstes in Trondheim nachhaltig beeinflussen. Ob Flesch aufgrund dieser Einschätzung nach Trondheim versetzt wurde, ist nicht bekannt, wohl aber, dass der dortige Sicherheitsdienst zuvor mit erheblichen internen Problemen zu kämpfen gehabt hatte. Von Alkoholmissbrauch war die Rede und von einem »ausschweifendem Nachtleben« seiner Mitarbeiter, aber auch von Korruption im Zusammenhang mit dem Vorgehen gegen Trondheims Juden. Dies hatte zur Ablösung des früheren Kommandeurs, Sturmbannführer Hermann Ling, und der meisten seiner Mitarbeiter geführt; einer von ihnen hatte daraufhin Selbstmord begangen.27 Trondheim war die drittgrößte Stadt Norwegens und gleichzeitig die Stadt mit dem zweithöchsten Anteil jüdischer Einwohner im Land. Fast 70 Prozent aller norwegischen Juden – deren Zahl insgesamt auf ca. 2000 geschätzt wird – lebten im Jahre 1940 in Oslo. In Trondheim lebten bei Ausbruch des Krieges knapp 200 Juden. Die Stadt verfügte über eine eigene jüdisch-orthodoxe Gemeinde, die 1905 gegründet worden war (die Synagoge befand – und befindet – sich gleich neben Norwegens einziger Kathedrale, dem Nidaros-Dom). Die Mehrzahl ihrer Gemeindemitglieder war im örtlichen Textilhandel tätig. Die nicht zu übersehende Präsenz des jüdischen Textilhandels in Trondheim stellte eine landesweite Besonderheit dar. Zwar dominierten die Juden auch in der norwegischen Hauptstadt diese Branche, dort verteilten sich ihre Geschäfte aber über die gesamte Stadt, die zudem erheblich größer war als Trondheim. Wie bereits erwähnt, hatten sich Fleschs antisemitische Überzeugungen schon während seiner Tätigkeit in Bergen bemerkbar gemacht. Dennoch ist es wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass die Juden nicht nur im nationalsozialistischen Weltbild eine besondere Rolle einnahmen, sondern auch im Selbstverständnis des Sicherheitsdienstes: Die »Juden« galten in seinen Reihen als eigentliche Urheber des Widerstandes gegen Deutschland und »die arische Rasse«. Aufgrund des ihnen unterstellten geheimen Kampfes um die Weltherrschaft kam ihnen im verschwörungsgeprägten Weltbild des Sicherheitsdienstes die Position des zentralen Feindes zu. Aber auch lokale antisemitische Ressentiments beeinflussten die Politik der Besatzungsmacht. Inwiefern Trondheim hier eine herausgehobene Rolle spielte, ist schwierig zu beurteilen. Die Sorge des einheimischen Kaufmannsstands wegen der ökonomischen Konkurrenz zugezogener Juden artikulierte sich in norwegischen Handelsstädten bereits seit dem Beginn des Jahrhunderts – und bis 1940 – auch in einem gewissen Antisemitismus, wie etwa die unveröffentlichten Memoiren eines Kaufmannssohnes und Offiziers aus Trondheim vermitteln. Dieser war zu Beginn des Jahrhunderts in eine wohlhabende Trondheimer 26 Kjeldstadli, Hjemmestyrkene, S. 128-137. 27 Vgl. dazu Bruland, Holocaust in Norwegen, S. 61-67. Ling wurde in die Ukraine versetzt und stieg später zum Kommandeur des Einsatzkommando 5 auf. Danach war er u. a. in der berüchtigten SS-Sondereinheit Dirlewanger tätig. Er kam vermutlich während eines Luftangriffs im Februar 1945 ums Leben.
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Familie hineingeboren worden. Geringschätzige Anschauungen über Juden waren weit verbreitet in diesem Milieu und verknüpften sich im Besonderen mit der ökonomischen Konkurrenz, die von ihnen ausging. Man erachtete die Juden als nicht »gut« genug, ihre stereotyp unterstellte geschäftliche Unterstützung durch »Stammesverwandte« aus dem Ausland als illegitim. Insgesamt vermittelt der Bericht eine ambivalente Haltung gegenüber der »Judenfrage«: Den Aufzeichnungen des Kaufmannssohnes zufolge lag sie in den 1930er Jahre »auf Eis«, grundsätzlich würden sich antisemitische Ressentiments in der norwegischen Bevölkerung aber deutlich vom rassistisch geprägten Antisemitismus der Nationalsozialisten unterscheiden, denn die »Judenfrage« sei, so der Verfasser, kein »mystisches Rassenproblem«.28 Derart standesbetonte antisemitische Überzeugungen waren in vielen norwegischen Handelsstädten anzutreffen, in denen ein Kaufmannsstand mit lang zurückreichenden lokalen Traditionen jedwede Konkurrenz fürchtete, nicht nur die der Juden. Aber den Juden wurde zusätzlich ihr »internationales« Gepräge vorgehalten. Dieses Misstrauen bedeutete im Umkehrschluss allerdings nicht, dass die Nationalsozialisten sich automatisch einer größeren Zustimmung erfreuen konnten. Frühzeitig hatte die Besatzungsmacht in Trondheim die örtliche Synagoge requiriert. Die jüdischen Einwohner hatten sich bereits vor Fleschs Ankunft einem wachsenden Druck ausgesetzt gesehen, der weit über die »gewöhnliche Politik« gegenüber norwegischen Juden in den ersten Kriegsjahren hinausging. Fleschs Ankunft in Trondheim sollte diesen Druck noch erheblich verstärken, die antijüdische Repression erfuhr nun eine gewaltsame Radikalisierung. Intern wurde in den Reihen des Sicherheitsdienstes erst im Sommer 1943 offen von einer »Aktion gegen das Judentum« gesprochen.29 Wie bereits in Bergen trieb Flesch auch in Trondheim schon kurz nach seiner Ankunft in der Stadt die Beschlagnahmung jüdischer Geschäfte und jüdischen Eigentums voran. Diese Kampagne erfolgte für die Betroffenen offenkundig aus heiterem Himmel, war jedoch gut vorbereitet. Ein späterer Bericht dokumentiert eine relativ systematische Aufstellung aller Juden in Fleschs Tätigkeitsgebiet, die den Beschlagnahmungen zugrunde lag.30 Sämtliche Geschäfte jüdischer Eigentümer in der Stadt wurden in zwei Schritten beschlagnahmt: ein Teil im Oktober/November 1941, der Rest im Februar 1942. Wie oben am Rande erwähnt, betraute Fleschs Stab den von ihm eingesetzten norwegischen »Generaltreuhänder« Reidar Dunker Landgraff mit den Requirierungen. Obwohl Landgraff einer der größten Kollaborateure in der 28 NHM, 8/F-8c-0003, MP13 f., Erinnerungen aus meiner Offizierszeit 1919-1945 von K. O. Klingenberg. Siebtes Heft, S. 625-633. 29 NHM, FO II 11.4, audit report Befehlshaber der Sicherheitspolizei, Abt. II C II, 8 July 1943. 30 Die Angaben gehen hervor aus einem späteren Revisionsbericht über Fleschs Requirierungen in seinem Zuständigkeitsbereich. Vgl. dazu Bruland, Holocaust in Norwegen, S. 594 f.
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norwegischen Kriegsgeschichte war, ist wenig über ihn bekannt. Schon frühzeitig, lange vor Fleschs Ankunft in Trondheim, hatte er für den Sicherheitsdienst zu arbeiten begonnen und im Oktober 1940 die Erfassung und Auflösung von Freimaurerlogen und politischen Parteien übernommen. Aber erst Flesch wertete Landgraff mit dem neuen Titel auf und erteilte ihm die Vollmacht, ein eigenes Verwaltungsbüro einzurichten, von dem aus die geplanten Beschlagnahmeaktionen durchgeführt wurden.31 Auf diese Weise trat Flesch selbst nicht in Erscheinung, weder im Zusammenhang mit der Beschlagnahmung jüdischen Eigentums noch bei der Verhaftung jüdischer Einwohner. Er stellte lediglich eine »Beschlagnahmeverfügung« aus, aus der hervorging, dass das betreffende Vermögen beschlagnahmt und diese Beschlagnahmung rechtlich nicht anfechtbar sei und jedwede Zuwiderhandlung vom Sicherheitsdienst geahndet werde.32 Eine weitere Verfügung übertrug die Verwaltung des betreffenden Vermögens dem »Generaltreuhänder Landgraff«.33 Eine Reihe jüdischer Geschäftsinhaber wurde auf der Grundlage von konstruierten Beschuldigungen – in der Regel wurde ihnen »Unterschlagung« vorgeworfen – inhaftiert. Nach der Verhaftung und der Beschlagnahmung wurde für gewöhnlich ein Schild im Schaufenster des betreffenden Betriebes platziert: »Jetzt unter arischer Verwaltung«. Tatsächlich wurden die jüdischen Betriebe in der Stadt nicht grundsätzlich geschlossen. Vielmehr errichtete Flesch auf ihrer Grundlage sein eigenes »Geschäftsimperium«. Die Geschäftsführung wurde rationalisiert und zentral koordiniert, 16 Betriebe wurden aufgelöst und ihre Warenlager in jene Unternehmen überführt, die weiterbetrieben wurden (zunächst elf an der Zahl). Der Verkauf ging weiter, jetzt allerdings unter der Leitung des Verwaltungsbüros, das im Laufe der Zeit auf 20 Mitarbeiter anwuchs. Der jährliche Umsatz der beschlagnahmten Firmen belief sich auf über 10 Millionen Kronen – zu damaliger Zeit ein Vermögen. Die Betriebe belieferten sowohl »gewöhnliche« Kunden aus der einheimischen Bevölkerung wie auch deutsche Kunden, die mit einer speziellen Genehmigung sogar Waren erwerben konnten, welche von den Rationierungsverordnungen ausgenommen waren.34 Fleschs Aktionen gegen die Juden fanden ihren düsteren Höhepunkt im Frühjahr 1942. Neben der Verhaftung zahlreicher jüdischer Männer im Zusammenhang mit der Beschlagnahmung ihrer Geschäfte wurde zusätzlich das SS- und Polizeigericht Nord aktiv. Fünf jüdische Männer wurden zusammen mit einem nichtjüdischen, aber angeblich kommunistischen Wachtmeister an31 RA, L-sak 730-731 D Trondheim, Verhör von Reidar Dunker Landgraff, Trondheim, 27.7.1945. 32 Jüdisches Museum Oslo (JMO), beslagsmappe Leopold Levin. Beschlagnahmeverfügung für Herman Levin, vom 19.10.1942. Diese Verfügung wurde während des Ausnahmezustandes in Trondheim ausgestellt, ist aber identisch mit zuvor erlassenen Verfügungen. 33 JMO, beslagsmappe Leopold Levin. Zusatz zur Beschlagnahmeverfügung für Herman Levin vom 19.10.1942. 34 Vgl. dazu Bruland, Holocaust in Norwegen, S. 147-166.
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geklagt, »feindliche Propaganda« aus Großbritannien verbreitet zu haben. Sechs Todesurteile wurden verhängt, fünf davon am 7. März 1942 vollstreckt (da es sich bei dem sechsten Angeklagten um einen schwedischen Staatsbürger handelte, wurde dieser später an sein Heimatland ausgeliefert).35 Das Urteil passt nicht so recht zur üblichen Rechtspraxis der Besatzungsmacht und schon gar nicht zur Tätigkeit der SS-Gerichte, die für solche »Verbrechen« gewöhnlich keine Todesstrafen aussprachen.36 Dieser Prozess sagt deshalb weniger über die Tätigkeit der SS-Gerichte in Norwegen im Allgemeinen aus als über antisemitische Überzeugungen in den Reihen der Besatzungsmacht und speziell ihrer lokalen Repräsentanten. Flesch war mit der Tätigkeit der SSGerichte aus seiner Zeit in Polen vertraut. Für ihn stellten sie in erster Linie ein politisches Instrument im Dienste seiner eigenen Pläne dar. Die Todesurteile, die in der Tagespresse veröffentlicht wurden, lösten einen Schock unter der jüdischen Bevölkerung aus, nicht nur in Trondheim, sondern überall im Land. Flesch verband mit ihnen zwei Ziele: Zum einen wollte er die kleine jüdische Gemeinde Trondheims terrorisieren, zum anderen aber zugleich auch ein Signal an den norwegischen Widerstand senden – jede seiner Aktionen würde mit brutaler Gewalt geahndet werden. Dass es ausgerechnet Juden waren, an denen ein Exempel statuiert wurde, war zwar im deutsch besetzten Europa nichts Ungewöhnliches, unterschied sich aber deutlich vom Vorgehen der Besatzungsmacht im übrigen Norwegen. Noch bevor Christen nach Trondheim kam, sah sich die lokale jüdische Bevölkerung hier bereits vollständig in die Ecke gedrängt. Ihr war ihre Einkommensgrundlage genommen, viele Gemeindemitglieder waren hingerichtet worden, andere waren aus dem Land geflohen, denn wer blieb, dem drohte die Deportation. Deportationen von Juden setzten im übrigen Westeuropa ungefähr zu dem Zeitpunkt ein, als Heinrich Christen im Juni 1942 sein Amt in Trondheim antrat.
35 Ebd., S. 158-161. 36 Vgl. etwa Hans Petter Graver, Dommernes krig. Den tyske okkupasjonen 1940-1945 og den norske rettsstaten, Oslo 2015, S., 130 f. Graver hat Schwierigkeiten, die Tätigkeit des SS-Gerichts in Trondheim mit den gewöhnlichen Aktivitäten der SS-Gerichte im übrigen Land übereinzubringen, aber er erkennt die politische Funktion dieser Gerichte. Dass Flesch selbst bereits über Erfahrungen als SS-Richter verfügte, wird von ihm nicht kommentiert, ist aber in Norwegen auch wenig bekannt. Flesch fungierte zudem nicht als Vorsitzender, sondern als einfacher Richter.
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Der hektische Sommer 1942 Bald darauf ist auch Flesch in Christens Aufzeichnungen wieder präsent: Schon für den 18. Juni notiert er eine Einladung in den Osloveien 23, wo Flesch sich in einer beschlagnahmten Villa niedergelassen hatte.37 Gemeinsam mit anderen Gästen suchten sie, sehr zu Christens Vergnügen, eine Sauna auf. Der Kontakt war nun wieder hergestellt. Schon für den 25. Juni findet sich im Tagebuch ein Eintrag, wonach er sich von Flesch »15 KZ Leute ausgebeten« habe, um den Bau seiner Amtsgarage voranzubringen – für Christen anscheinend ein ganz normaler Vorgang. Vermutlich handelte es sich um Insassen des deutschen Gefängnisses Vollan. Eine aus diesem Gefängnis überlieferte Episode wirft ein bezeichnendes Licht auf Flesch. Unter den Insassen befand sich seinerzeit auch ein US -amerikanischer Häftling namens Harrison Post, der von der deutschen Invasion in Trondheim überrascht und schließlich verhaftet worden war. Im Dachgeschoss des Gefängnisses Vollan waren politische Häftlinge untergebracht, die darauf warteten, in andere Haftanstalten oder Lager (mehrheitlich in Deutschland) verlegt zu werden. Flesch zwang Post im Zuge einer seiner Inspektionen, ihn ins Dachgeschoss zu begleiten, wo er sich selbst – ein hochgewachsener, blonder »Arier« – neben Post – von kleinem Wuchs und dunkelhäutig – vor den Gefangenen präsentierte, um ihnen die angebliche Überlegenheit der arischen Rasse zu »demonstrieren«. Solche Demütigungen einzelner Häftlinge waren bei Fleschs Überprüfungen der lokalen Haftanstalten und Lager an der Tagesordnung.38 Zudem waren diese Inspektionen nicht selten von gewalttätigen Übergriffen begleitet, die – wie wir sehen werden – bisweilen auch tödlich endeten. Christens Tagebuch enthält erwartungsgemäß keinerlei Aufzeichnungen über derartige Vorgänge. Auch der Fortgang der Arbeiten an seiner Garage findet keinerlei Erwähnung mehr. Im Juli erschien der Reichskommissar zu einem Besuch in der Stadt, für Christen immer eine anstrengende Angelegenheit. In Begleitung Terbovens befand sich auch der Gauleiter von Hamburg, Karl Kaufmann. Kaufmann bekleidete seit Kurzem zusätzlich das Amt des Reichskommissars für die Deutsche Seeschiffahrt (REIKOSEE), das offiziell dazu geschaffen worden war, Deutschlands begrenzte maritime Transportkapazitäten zu koordinieren und zu optimieren. Der Vertreter des REIKOSEE in Norwegen war Carlo Otte – wie Kaufmann aus Hamburg und als Leiter der Hauptabteilung Volkswirtschaft im Reichskommissariat einer der engsten Mitarbeiter Terbovens. Kaufmann wiederum war tief verstrickt in die Deportation der Hamburger Juden. Die Initiative dazu war von ihm selbst ausgegangen und seinerzeit damit begrün37 Jon Reitan, Gerhard Flesch – Reichskommissar Terbovens mann i Trondheim, in: Trondhjemske samlinger (2000), S. 75-84, hier 77. Dieser Artikel über Flesch, der dort als »Terbovens Mann« präsentiert wird, illustriert, bis zu welchem Grad Heinrich Christen (und andere Dienststellenleiter) in Norwegen zu vergessenen Besatzern geworden sind. 38 Kaare Viken, Mer enn 1000 dager. Blant fanger og voktere i Vollan kretsfengsel 19421945, Oslo 1984, S. 156.
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det worden, dass die Stadt aufgrund der vorangegangenen Bombardierung im Herbst 1941 »Ersatzwohnungen« für ihre arischen Einwohner benötigte.39 Der Besuch des Reichskommissars im Juli 1942 erfolgte vor dem Hintergrund umfassender deutscher Pläne für das besetzte Mittel- und Nordnorwegen. Trondheim sollte zu einer Großbasis der Kriegsmarine ausgebaut sowie das Straßenund Schienennetz im Norden erweitert werden, um alle im Land vorhandenen Ressourcen zu Deutschlands optimalem Vorteil nutzen zu können. Strategisch wichtige Punkte waren überdies zu befestigen, um etwaige britische Vorstöße abzuschrecken. Am 10. Juli 1942 erwähnt Christen erstmals den bevorstehenden Besuch des Reichskommissars und des REIKOSEEs in seinem Tagebuch. Überwiegend handeln seine Aufzeichnungen von der eigenen Nervosität und Unsicherheit darüber, ob es seiner Dienststelle gelingen wird, Terboven einen würdigen Empfang zu bereiten. Im weiteren Verlauf kommentiert Christen persönliche Auseinandersetzungen unter den Besatzern, auch Terbovens Hang zu Glücksspiel und Alkohol werden erwähnt. Zu den unangenehmeren Aspekten des Besuchs zählte für Christen die Inspektion der Firma A/S Frostfilet in Bodø, wo ukrainische Zwangsarbeiterinnen beschäftigt wurden. Obwohl Christen die Präsenz von Zwangsarbeitern, auch in Trondheim, bekannt war und er selbst, wie erwähnt, nichts dabei fand, sie auch für sich arbeiten zu lassen, hinterließ die »Inspektion« der Fischfabrik bei ihm einen unangenehmen Eindruck, über den er zwar nicht sprach, den er aber seinem Tagebuch anvertraute (Eintrag vom 15. Juli 1942). Die brutale Politik der deutschen Besatzungsmacht gegenüber den Zwangsarbeitern aus Osteuropa war allgegenwärtig. An dem Tag, als Christen seinen Tagebucheintrag über Frostfilet anfertigte, wurde das Arbeitslager Beisfjord bei Narvik wegen eines Typhusausbruchs unter Quarantäne gestellt. Dort waren 900 jugoslawische Zwangsarbeiter inhaftiert. In der Nacht vom 17. auf den 18. Juli erschossen die Wachmannschaften sieben kranke Häftlinge und verscharrten sie in einem Massengrab. Das Lager selbst sollte dem Erdboden gleichgemacht werden. Diejenigen Gefangenen, die zu schwach waren, um die Baracken zu verlassen, wurden bei lebendigem Leibe verbrannt; insgesamt kamen auf diese Weise 278 Häftlinge ums Leben.40 Zu den Straßenbauarbeiten in Nordnorwegen wurden nicht nur jugoslawische Zwangsarbeiter oder sowjetische Kriegsgefangene herangezogen, sondern mit der Zeit auch vermehrt Häftlinge aus norwegischen Konzentrationslagern. So erfolgte am 5. August ein Transport von 350 Häftlinge aus dem Lager Grini bei Oslo, die per Güterzug nach Trondheim gebracht wurden. Unter ihnen befanden sich auch 23 jüdische Lagerinsassen, das Gros der in Grini inhaftierten norwegischen Juden. 39 Frank Bajohr, Gauleiter in Hamburg. Zur Person und Tätigkeit Karl Kaufmanns, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 43 (1995), 2, S. 290-292. 40 70th anniversary for the arrival of Yugoslav prisoners to Norway during World War II (editorische Anmerkung der Forscherin und Projektleiterin Gorana Ognjenovič), Jasenovac 2012, S. 20.
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Auf den ersten Blick tangierten derartige Vorgänge die Amtsgeschäfte des Dienststellenleiters nicht. Christen notierte am 7. August 1942 jedoch in seinem Tagebuch, dass er von einer geplanten Reise nach Ålesund absehen müsse, weil er kurzfristig den Weitertransport von 450 KZ-Häftlingen per Frachtschiff nach Nordnorwegen organisieren solle. Der Befehl komme direkt aus Oslo. Tatsächlich oblag die Verantwortung für diesen Transport, der mithilfe des Frachters Bodø bewerkstelligt werden sollte, dem REIKOSEE und seinem Vertreter für Norwegen, Otte. Bevor das Schiff Trondheim schließlich verließ, waren noch zahlreiche Gefangene aus dem Lager Falstad an Bord gebracht worden, darunter auch zwölf Juden. Einer von ihnen war Hirsch Komissar (in deutschen Akten stets Hirsch Kommissar geschrieben), von dem noch die Rede sein wird. Die Gefangenen sollten Schnee-Schutzschirme auf der Reichsstraße in Kvænangen bauen, einer wichtigen Nachschublinie für die deutschen Gebirgsjäger, welche an der Lista-Front bei Murmansk kämpften. Diese Truppen mit Nachschub zu versorgen, stellte eine enorme logistische Herausforderung für die Besatzungsmacht dar. Für die Arbeit an den Schnee-Schutzschirmen waren norwegische Gefangene vorgesehen, die Juden unter ihnen wurden unter primitivsten Umständen im Lager Badderen untergebracht.41 Christens kurzer Tagebucheintrag zum Gefangenentransport illustriert, auf welche Weise an der Spitze der Befehlskette getroffene Befehle auch relativ nachrangige Bürokraten wie Christen selbst betrafen. Die Aktivitäten der Besatzungsmacht im Norden des Landes gingen auf eine Abmachung zwischen Rüstungsminister Albert Speer und SS-Chef Heinrich Himmler zurück, die im April 1942 in Hitlers Hauptquartier getroffen worden war. Der Ausbau des Straßen- und Schienennetzes in Nordnorwegen war in diesem Zusammenhang als »lebensnotwendig« bezeichnet worden. Speer hatte Himmler um Arbeitskräfte gebeten, die er auch erhielt, und zwar u. a. in Person der bereits erwähnten jugoslawischen Häftlinge und der norwegischen politischen Gefangenen – sowie der Juden.42 Während sich Christen mit Flesch und dem gemeinsamen Freund, dem Kapitänleutnant Bartels, in der Sauna traf (vgl. dazu den Tagebucheintrag vom 30. August) und den angenehmeren Seiten des Besatzungsalltages frönte, eskalierte die Situation in Mittelnorwegen. Die Aktivitäten der lokalen Widerstandsbewegung hatten beträchtlich zugenommen. Mit Unterstützung der Briten hatte sich in der Gegend um Majavatn (in Nordland) eine bewaffnete Organisation gebildet, und es waren Waffenlager angelegt worden.43 Sabotageakte gegen Bergbaubetriebe in Mittelnorwegen folgten. Christen erwähnt einen 41 Odd Nansen, Fra dag til dag, Bd. 2, Oslo 1946, S. 5-36. 42 BArch, SSO-160 Dolp, Hermann, Schreiben von SS-Reichsführer Heinrich Himmler an SS-Oberst-Gruppenführer Daluege, 27. April 1942, über eine Unterredung von Himmler, Speer und Hitler im Führerhauptquartier, bei der es um die Infrastrukturarbeiten in Nordnorwegen ging. 43 Dazu ist viel publiziert worden; vgl. u. a. Leif B. Lillegaard, Majavatn-tragedien, Oslo 1964.
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Anschlag auf die Grube Fosdalen am 5. Oktober 1942 in seinem Tagebuch.44 Dort hat es den Anschein, als sei dieser Anschlag ausschlaggebend für die Verhängung des Ausnahmezustandes in Trondheim gewesen (vgl. dazu den Eintrag vom 11. Oktober). Reichskommissar Terboven hingegen deutete die Aufdeckung konspirativer Strukturen im Nordland (die im September erfolgt war) und die Sabotageaktivitäten im Trøndelag und im Nordland als Vorbereitungen zu einer unmittelbar bevorstehenden Invasion Norwegens.45 Aus seiner Perspektive wurden die beschriebenen Repressionen im Trøndelag in erster Linie deshalb veranlasst, um diese (vermeintlichen) Invasionspläne zu durchkreuzen.46 Der Ausnahmezustand in Trondheim und Umgebung galt vom 6. bis zum 12. Oktober 1942. Am selben Tag, an dem er wieder aufgehoben wurde, unterschrieb Terboven eine neue Verordnung – die »Verordnung zum Schutze der besetzten norwegischen Gebiete« –, in der jeder mit der Todesstrafe bedroht wurde, der auf »ungesetzliche« Weise das Land zu verlassen suchte, Kriegsgefangene, Flüchtlinge oder »Saboteure« unterstützte (und sei es nur in Form von Nahrung) oder ihnen Schutz bot.47 Am 18. Oktober 1942 erließ Hitler den »Kommando-Befehl«, auf dessen Grundlage gefangene Angehörige alliierter Kommandotrupps sowie Saboteure dem deutschen Sicherheitsdienst zu überstellen waren. Der Oberkommandierende der Wehrmacht in Norwegen, Generaloberst Nikolaus von Falkenhorst, unterrichtete am 24. Oktober 1942 alle Dienststellen von diesem Befehl, zwei Tage bevor im ganzen Land damit begonnen wurde, jüdische Männer zu verhaften.48
Ausnahmezustand Christens langer Tagebucheintrag vom 11. Oktober 1942, in dem er die Ereignisse der zurückliegenden Tage Revue passieren lässt, stellt eine der interessantesten Passagen seiner gesamten Aufzeichnungen dar. Dieser Eintrag erfolgte einen Tag 44 Vgl. auch T. Amdahl (red.), Fosdalen bergverk 1906-1956. Gruvedriften i malm gjennom 50 år, Malm, S. 113 f. 45 Vgl. Christens Eintrag vom 30. August 1942, in dem er notiert, wie er während eines festlichen Gelages mit Flesch plötzlich den Bescheid erhielt, dass eine höhere Alarmstufe gelte, weil sich eine englische Flotte über die Nordsee der norwegischen Küste nähere. 46 Kjeldstadli, Hjemmestyrkene, S. 166 f. 47 Veröffentlicht am 26. Oktober 1942 im Verordnungsblatt für die besetzten Norwegischen Gebiete, Nr. 7, 1942. 48 Kjeldstadli, Hjemmestyrkene, S. 169. Vgl. dazu auch Trial of Generaloberst Nikolaus von Falkenhorst, Volume XI, Law Reports of Trials of War Criminals, London 1949, S. 18-30. Falkenhorst ordnete am 19. Juli 1944 zudem an, dass alle sowjetischen Kriegsgefangenen jüdischen Glaubens dem Sicherheitsdienst zu übergeben seien. Wenige Tage darauf wurden diese Gefangenen, die aus besonderen Gründen so lange überlebt hatten (etwa weil sie als Ärzte o. ä. tätig gewesen waren), an den Sicherheitsdienst ausgeliefert.
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vor der Aufhebung des Ausnahmezustandes. Für den Tag danach – den 12. Oktober – notiert er große Erleichterung, obwohl er auch davon schreibt, dass die Beschlagnahmeaktionen noch ein paar Tage andauern würden. Welche Funktion erfüllte Christen in diesen hektischen Tagen des Ausnahmezustandes? Was wusste er, und woran war er beteiligt? Seinem Tagebuch ist zu entnehmen, dass es ausgerechnet Flesch war, der ihn am Montag, dem 5. Oktober, anrief, um ihn von dem Sabotageanschlag auf die Grube Fosdalen zu unterrichten. Im weiteren Verlauf des Tages wurde er dann auch noch von Reichskommissar Terboven persönlich kontaktiert, der ihn auf den neuesten Stand der Vorbereitungen brachte. Der Ausnahmezustand sollte am Dienstag, dem 6. Oktober, um 5:00 Uhr beginnen. »Das bedeutet buchstäblich einige schlaflose Nächte«, schreibt Christen. Reichskommissar Terboven kam an diesem Tag mit seinem Sonderzug um 11:00 Uhr vormittags in Trondheim an. Am Nachmittag wandte er sich an die Mannschaften und äußerte sich dabei auch zur »Rassenfrage«: »Ich betrachte die Norweger nicht als Polacken und auch nicht als asiatische Bolschewisten. Sich mit solch minderwertigen Rasseelementen zusammenzutun, um mit ihnen Arm in Arm gegen Deutschland zu kämpfen, ist der Exilanten-Klique in London vorbehalten.«49 Christen sah sich mit einem Mal ins Zentrum der Ereignisse versetzt. Und natürlich war auch Flesch dabei. Beide wirkten gemeinsam mit Terboven und dem HSSPF in Norwegen, Wilhelm Redieß, in einem »Tribunal« (so Christens eigene Wortwahl) mit, welches zehn »Sühneopfer« bestimmen sollte (mit diesem Begriff wurden all diejenigen bezeichnet, die als Vergeltung für Sabotage- und Widerstandshandlungen stellvertretend bestraft wurden). In der norwegischen Literatur wird häufig Flesch und dem Bezirksleiter der Nasjonal Samlings im Trøndelag, Henrik Rogstad, die Verantwortung für die Auswahl der Hinzurichtenden zugeschrieben.50 Folgt man Christens Tagebuch, zeigt sich hingegen, dass eine weitere Person in diesem Zusammenhang eine Schlüsselposition einnahm, die sonst nie genannt wird, nämlich der Dienststellenleiter Christen selbst. Er war es, der NS-Bezirksleiter Henrik Rogstad anwies, eine Liste von zehn Geiseln zu erstellen, nachdem er Terboven am Bahnhof empfangen hatte. Dort war selbstverständlich auch Flesch zugegen gewesen.51 In der Literatur wird davon ausgegangen, dass Rogstad im Verlauf des Tages dazustieß, als sich die Mitglieder des »Tribunals« im Stiftsgut versammelten, wo Terboven Quartier bezogen hatte. In Christens Tagebuch ist von Rogstads Anwesenheit bei diesem Treffen keine Rede, möglicherweise ein Hinweis darauf, dass dieser im eigentlichen Entscheidungsprozess nur eine untergeordnete Rolle spielte. In dem internen Bericht darüber, wie die Auswahl der zehn »Sühneopfer« erfolgte, wird wie-
49 Aftenposten, 7. Oktober 1942, S. 1. 50 Vgl. etwa Kjeldstadli, Hjemmestyrkene, S. 167. 51 Vgl. etwa Erik Lykke (Hrsg.), 43 nordmenn henrettet i Falstadskogen, Trondheim 1995, S. 12.
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derum Christens Name nicht erwähnt.52 Seine Tagebuchaufzeichnungen belegen indes, dass er hieran sehr wohl beteiligt war. Lediglich gegen zwei Namen auf der Liste werden von ihm Einwände erhoben. Um wen es sich dabei handelte, notiert er nicht. Wäre Christen am Tag der Befreiung noch im Land gewesen, hätte sich Henrik Rogstad an diesem Tag nicht auf Gut Skallum das Leben genommen und hätten die Angehörigen der norwegischen Polizei, die seitdem in Sachen Landesverrat ermittelten, Zugang zu Christens Tagebuch gehabt, ist davon auszugehen, dass auch Christen für die Hinrichtung der zehn »Sühneopfer« im Oktober 1942 zur Rechenschaft gezogen worden wäre. Aber so kam es nicht. Christens Name geriet nach Kriegsende weitgehend in Vergessenheit, denn die Aussage einer Zeugin blieb unbeachtet: Christens norwegische Sekretärin, Helene Ås, bezeugte im Zuge eines Prozesses gegen Rogstads Nachfolger als NS-Bezirksleiter, dass sie Rogstad am 6. Oktober 1942 gemeinsam mit Christen gesehen habe.53 Diese Aussage deckt sich vollkommen mit Christens eigenen Aufzeichnungen. Es war also nicht Rogstad – der im Zusammenhang mit dem Ausnahmezustand von Terboven erweiterte Befugnisse erhalten hatte54 –, der die Auswahl der »Sühneopfer« traf. Bei ihnen handelte es sich um Personen des lokalen öffentlichen Lebens, die allesamt unter Verdacht standen, den Widerstand gegen die »neue Ordnung«, sprich das Besatzungsregime, zu unterstützen. Zwar ist davon auszugehen, dass Rogstad zehn mögliche »Sühneopfer« vorschlug, die endgültige Auswahl wurde jedoch vom »Tribunal« um Flesch und Christen getroffen. Wie aber kam Rogstad zu den zehn Personen, die seiner Meinung nach hingerichtet werden sollten? Es ist anzunehmen, dass sich Rogstad bei seiner Aufstellung an die »jøssinglister« hielt. Diese Listen waren infolge einer parteiinternen Anordnung, die am 16. Januar 1942 an alle Bezirksleiter der Nasjonal Samling ergangen war, im ganzen Land erstellt worden. Ihr Zweck bestand in der Erfassung aller Personen (Männer und Frauen) über 16 Jahren, die »sich in ihrem Auftreten und ihren Aussagen als überzeugte jøssinger und/oder als Marxisten zu erkennen« gaben. Die in diesen Listen erfassten Personen waren, so hieß es weiter, nach »dem Grad ihrer Gefährlichkeit und der feindlichen Einstellung« aufzuführen.55 »Jøssinger« war ein Begriff, den die Nasjonal Samling im 52 In der Biografie über Terboven von Berit Nøkleby heißt es: »In einer gemeinsamen Unterredung zwischen Terboven, Rediess, Fehlis, dem Sipo-Kommandeur in Trondheim, Gerhard Flesch, Rogstad und anderen wurden die Opfer bestimmt.« Berit Nøkleby, Josef Terboven – Hitlers mann i Norge, Oslo 1992, S. 223 f. 53 Nidaros, 28.11.1947: »Die Befreiung kam, als der neue Bezirksleiter noch im Zug nach Trondheim saß.« Der Prozess galt dem Bezirkswirtschaftsleiter der Nasjonal Samling Birger Marcussen, der 1945 zu Rogstads Nachfolger in Trondheim ernannt worden war. 54 Arbeidets Rett, Røros, 9.10.1942: Bekanntmachung des SS-Obergruppenführers und Generals der Polizei Rediess, Punkt 1: »Mit sofortiger Wirkung übertrage ich dem Bezirksleiter Rogstad für die Dauer des Ausnahmezustandes die uneingeschränkte Befehlsgewalt über die norwegische Bevölkerung in diesen Gebieten.« 55 Magne Skodvin, Samtid og historie. Utvalde artiklar og avhandlingar, Oslo 1975, S. 153 f.
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Frühjahr 1941 geprägt hatte, um damit all diejenigen zu bezeichnen, die sich der deutschen Besatzungsmacht und ihrem Marionettenregime entgegenstellten.56 Ein Name auf der Liste stammte jedoch nicht von Rogstad: Hirsch Komissar war ein 55-jähriger, in Russland geborener Kaufmann, der während des Ersten Weltkrieges nach Norwegen gekommen war. Er war verheiratet und hatte drei Kinder. Im Januar 1942 war er verhaftet und von der Gestapo zum Verhör ins Misjonshotel in Trondheim bestellt worden. Anschließend wurde er ins Gefängnis Vollan und schließlich ins Lager Falstad überführt. Komissar war auf vielerlei Weise »anders«. Schon sein Nachname musste in den Ohren der Nazis eine sonderbare Anmutung haben. Zudem war er sprachgewandt, Zionist und vor Ausbruch des Krieges politisch aktiv gewesen. Seine Frau, die im Spätherbst 1942 von Oslo nach Schweden geflüchtet war, behauptete dort, ihr Mann sei deshalb verhaftet worden, weil Landgraff in ihm einen ökonomischen Konkurrenten sah. Landgraff war es auch, der die Hausdurchsuchung bei Komissar durchgeführt hatte. In seiner Begleitung befand sich ein Gestapo-Beamter, der im Zuge der Durchsuchung auf ein Foto stieß, das Komissars Sohn Jacob mit Freunden zeigte, unter ihnen auch eine junge Frau. Sollte er sich mit »arischen Frauen« einlassen, wurde ihm ausgerichtet, würde er kastriert und nach Deutschland deportiert werden.57 Hirsch Komissar war, wie erwähnt, im August 1942 mit zahlreichen anderen jüdischen Häftlingen aus den Lagern Grini und Falstad nach Kvænangen in Nordnorwegen gebracht worden, um dort Zwangsarbeit im Straßenbau zu verrichten. Ende September wurde er, und nur er, als »Sühneopfer« ausgesucht und nach Trondheim zurückgeschickt. Am 25. September registriert das Gefängnis Vollan seine neuerliche Einlieferung. Er war ausgewählt worden, aber wozu? Am 6. Oktober wurde er zu einem der zehn »Sühneopfer« bestimmt. Fleschs engster Mitarbeiter, der lokale Gestapo-Chef Hollack, hatte die Dossiers von Komissar sowie eines weiteren Kandidaten, dem Ingenieur Hans Konrad Ekornes, bei sich, als er zur Besprechung im Trondheimer Stiftsgut erschien.58 Christen erwähnt Komissar in seinen Aufzeichnungen nicht eigens, und auch andere Quellen gehen auf ihn nicht weiter ein. Der Grund dafür, dass ausgerechnet sein Name auf die Liste der »Sühneopfer« geriet – dazu noch als viertgenannter und obendrein mit dem Vermerk »Jude« –, wurde im Nachkriegsnorwegen nicht 56 Seinen Ursprung hatte der Begriff in der sogenannten Altmark-Affäre von 1940. Die Royal Navy hatte seinerzeit das im Jøssingfjord in Rogaland kreuzende deutsche Tank- und Versorgungsschiff Altmark aufgebracht, um an Bord befindliche britische Kriegsgefangene zu befreien. Vgl. Hans Fredrik Dahl u. a. (Hrsg.), Norsk krigsleksikon 1940-45, Oslo 1995, S. 204 f. Diese Arbeit geht davon aus, dass die Liste im Jahre 1943 verändert worden sei und, »soweit bekannt ist, niemals zur Anwendung kam« (Eintrag »jøssinglister«). Es ist durchaus denkbar, dass es sich so verhielt, die Auswahl der »Sühneopfer« während des Ausnahmezustands in Trondheim legt jedoch nahe, dass sie durchaus zur Anwendung kam. 57 Bruland, Holocaust in Norwegen, S. 158 f. 58 Ebd., S. 270-277.
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diskutiert, denn der Vorgang passte nicht in die lange dominante Erzählung, wonach die Verfolgung und Beihilfe zur Ermordung der norwegischen Juden während der Besatzung nur eine untergeordnete Rolle gespielt hätten. Auch die weiteren Vorgänge in Trondheim während des Ausnahmezustands belegen, wie überaus fragwürdig diese Sicht ist. Der am 6. Oktober in Kraft getretene Ausnahmezustand umfasste eine nächtliche Ausgangssperre von 8:00 Uhr abends bis 5:00 Uhr morgens, während der die Verhaftung der jüdischen Männer erfolgte. Am 7. Oktober wurden 29 jüdische Männer verhaftet, der jüngste, Abraham Klein, war gerade einmal 16, der älteste von ihnen, Abraham Philipsohn, 77 Jahre alt. Frauen und Kinder wurden in drei Wohnungen im Zentrum der Stadt »konzentriert«. Insgesamt wurden auf diese Weise 70 Trondheimer Juden »gesichert«.59 Am 8. Oktober wurden die verhafteten Männer zusammen mit 50 nichtjüdischen Geiseln in einem größeren Zugtransport ins Lager Falstad überführt. Der Marsch vom Bahnhof zum Lager musste unter dem Gebrüll der deutschen Wachmannschaften »im Laufschritt« zurückgelegt werden. Ob diese Gefangenen bereits als potentielle »Sühneopfer« betrachtet wurden, ist im Nachhinein schwer zu beurteilen. Bei den nichtjüdischen Geiseln handelte es sich um Personen, die des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus und die »neue Ordnung« im Land verdächtigt wurden. Im Lager Falstad wurden jüdische und nichtjüdische Häftlinge streng voneinander getrennt untergebracht. In der Turnhalle des Lagers, wo die Neuankömmlinge zunächst registriert wurden, durften sich die »arischen« Gefangenen setzen, die Juden mussten stehenbleiben.60 Die Haftbedingungen im Lager Falstad waren derart grausam, dass diejenigen jüdischen Häftlinge, die später nach Auschwitz verschleppt wurden, ihre Deportation aber überlebten und nach Kriegsende nach Trondheim zurückkehrten, aussagten, dass es nirgendwo so schlimm wie dort gewesen sei. Julius Paltiel, einer dieser Überlebenden, berichtete in seinen Erinnerungen, dass die Häftlinge vom Schreckensregime des Ausnahmezustandes stark eingeschüchtert gewesen seien. Sämtliche Gefangenen, Juden wie Nichtjuden gleichermaßen, hätten sich während der Inhaftierung in Falstad fortwährend gefragt, »wer der Nächste sein wird«.61 Am 13. November wurden drei ältere jüdische Häftlinge nach einer Inspektion Fleschs ermordet. Diesen, von der Arbeit im Lager körperlich überforderten Männer war es gestattet worden, sich während der Arbeitszeit kurzzeitig auf einer Liege auszuruhen (die Liege erhielt daraufhin den Namen »Judenliege«). Flesch soll sich Zeugenaussagen zufolge während seiner Inspektion an einen der Kommandeure des Lagers gewandt und ihm gesagt haben: »Aber Sie lassen doch keine kranken Juden liegen. Draussen ein Grab graben und alles ist in 59 Ebd., S. 275. 60 Ebd., S. 273. 61 Vera Komissar, På tross av alt. Julius Paltiel – norsk jøde i Auschwitz, Oslo 1995, S. 23.
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Ordnung.« Bei den drei Ermordeten handelte es sich um den 65-jährigen Kalman Glick, den 60-jährigen Moritz Abrahamsen und den 55-jährigen Herman Schidorsky.62 In Falstad machte Flesch auch wiederholt vom Standrecht Gebrauch. Insgesamt 23 Männer aus den Gemeinden Grane und Vevelstad wurden auf diese Weise zum Tode verurteilt und hingerichtet. Hinzuzuzählen wäre zudem eine weitere Person, die der Spionage verdächtigt und am 8. Oktober hingerichtet wurde. Alles in allem wurden im Verlauf des Ausnahmezustandes also 34 Männer umgebracht, die drei im November ermordeten jüdischen Häftlinge nicht mit eingerechnet. Dass sich die deutschen Repressionen im Oktober 1942 vorzugsweise gegen die norwegischen Juden richteten, ist schwer mit einer Geschichte der Besatzungszeit übereinzubringen, in der die Juden vorgeblich keine besondere Rolle spielten. Schon von den Besatzern waren die im Zuge des Ausnahmezustandes erfolgten Übergriffe seinerzeit nicht als speziell gegen Juden gerichtete Maßnahmen deklariert worden. Im Bericht des HSSPF Redieß an Heinrich Himmler ist nur davon die Rede, dass im Zuge des Ausnahmezustandes Geiseln genommen wurden, nicht aber davon, dass im gleichen Zuge sämtliche jüdischen Männer inhaftiert wurden und dass es sich bei einem der zehn »Sühneopfer« um einen Juden handelte. Auch in den Berichten des Sicherheitsdienstes, die regelmäßig aus Oslo an das Reichssicherheitshauptamt in Berlin gingen, war keine Rede davon, dass sich die deutschen Repressionen bevorzugt gegen Juden gerichtet hätten. Und Christen selbst erwähnt Juden oder antisemitische Aktionen nicht ein einziges Mal in seinem Tagebuch. Zwar wurde das »Sühneopfer« Komissar in den SD-Berichten namentlich erwähnt, allerdings nur, weil er nicht zu den »prominenten« Gegnern der Nationalsozialisten und ihres Besatzungsregimes zählte. Es wird davon berichtet, dass 50 Personen als Geiseln genommen wurden, aber nicht, dass sämtliche männlichen jüdischen Einwohner Trondheims verhaftet wurden und ihr Besitz beschlagnahmt wurde. Am bemerkenswertesten an den Berichten des Sicherheitsdienstes über den Ausnahmezustand ist noch die vorsichtig formulierte Kritik am Krisenmanagement des Reichskommissars. Die norwegische Bevölkerung sei schockiert, hieß es. Aber die Verhängung des Ausnahmezustands habe auch zu großer Verbitterung unter den Einwohnern Trondheims geführt. Zwischen den Zeilen wird deutlich, dass Terbovens Vorgehen in den Augen des Sicherheitsdienstes den Widerstand eher befeuert habe, als ihn zu schwächen.63 In Christens Aufzeichnungen dominiert ein Gefühl der Erleichterung darüber, dass der »Spuk« vorüber sei. Er konnte sich nun wieder seinen gesellschaftlichen Vergnügungen widmen, neue Gäste aus Großdeutschland wurden 62 Law Reports of Trials of War Criminals. Selected and prepared by the United Nations War Crimes Commission. Volume VI, London 1948, S. 111. 63 Stein Ugelvik Larsen/Beatrice Sandberg/Volker Dahm (Hrsg.), Meldungen aus Norwegen 1940-1945. Die geheimen Lageberichte des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD in Norwegen. Bd. 2, München 2008, S. 840-843.
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erwartet. Aber auch aus Christens Perspektive war der Ausnahmezustand ein »risikovolles Experiment« gewesen. Erleichtert, aber auch verwundert konstatierte er am 12. Oktober 1942: »Der Norweger […] beugt sich der Macht.«
Nach dem Ausnahmezustand Am 25. Oktober 1942 kehrte Terboven von einer »Inspektionsreise« in den Norden, die er in Begleitung der finnischen Sängerin Aulikki Rautawaara unternommen hatte, nach Trondheim zurück. Erneut zeigt sich im Tagebuch Christens ambivalentes Verhältnis zu Flesch: Christen genießt das Wohlwollen des Reichskommissars, der ihn bei der Begrüßung demonstrativ heraushebt, und glaubt seine Position im lokalen Machtgefüge gefestigt. Gleichwohl wird er am 1. November von Flesch regelrecht herbeikommandiert, um von diesem über weitere geplante Verhaftungen und Aktionen informiert zu werden. Gegenüber Flesch gerät er hier zur Nebenfigur. Dass am 25. November 82 Juden per Zug in den Süden des Landes verbracht wurden, wird von Christen in seinen Aufzeichnungen nicht erwähnt, obwohl dieser Transport seinerzeit überall in der Stadt diskutiert wurde. Enge Verwandte und Freunde waren am Bahnhof erschienen, um sich von den Gefangenen zu verabschieden. Die nichtjüdische Ehefrau eines Gefangenen, Kristmar Levin, beschrieb später, wie schockiert sie gewesen sei, als sie ihren Mann am Bahnhof wiedersah. Der Aufenthalt im Lager Falstad hatte ihn sichtbar gezeichnet.64 Der Transport erreichte Oslo erst am späten Abend des 26. November. Am selben Tag hatte der Frachter Donau die Hauptstadt mit 529 jüdischen Gefangenen an Bord verlassen. Die Trondheimer Juden wurden zunächst im Gefängnis Bredtveit untergebracht und am 25. Februar 1943 schließlich mit dem Frachter Gotenland deportiert. Die 158 an Bord befindlichen Juden wurden zunächst nach Berlin gebracht und im Zuge der letzten großen Deportationswelle nach Auschwitz verschleppt. Die meisten von ihnen wurden unmittelbar nach ihrer Ankunft dort am 3. März 1943 in die Gaskammern geschickt und ermordet. Aber viele der Frauen hatten vorab noch Briefpapier erhalten, um eine Nachricht an Freunde und Verwandte in Norwegen zu verfassen. Sie seien gut angekommen, wurde ihnen zu schreiben befohlen. Hierbei handelte es sich um die »Briefaktion«, die von Eichmann ins Leben gerufen worden war, um überall im besetzten Europa aufkommende Gerüchte zu zerstreuen, dass sämtliche Deportierte getötet würden.65 Flesch war bis zum Ende des Krieges in Trondheim tätig. Neben seinem außergewöhnlich harten Vorgehen gegenüber den einheimischen Juden tat er 64 Bruland, Holocaust in Norwegen, S. 351 f. Nichtjüdische Frauen aus sogenannten »Mischehen« blieben zunächst von Haft verschont. Ab Januar 1943 wurden diejenigen verhaftet, die keine Kinder hatten. 65 Bruland, Holocaust in Norwegen, S. 730-740.
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sich dort auch als Organisator der sogenannten Rinnan-Bande hervor. Dies trug erheblich dazu bei, dass seine eigentliche Rolle in Trondheim nach dem Krieg verkannt wurde. Flesch hatte Rinnan unter anderem versprochen, ihn nach Kriegsende zum Gestapo-Chef von ganz Nordnorwegen zu machen. Der von Rinnan und seiner Bande verübte Terror avancierte nach Kriegsende zum alles beherrschenden Thema der lokalen Aufarbeitung, denn Rinnan repräsentierte das Schreckensregime der Besatzungszeit auf eine ebenso faszinierende wie verstörende Art und Weise. Die Anklageschrift gegen Flesch enthält freilich eine Reihe von Mord- und Foltervorwürfen. Erster Anklagepunkt war die erwähnte Ermordung dreier Juden im Lager Falstad am 13. November 1942. Flesch wurde von diesem Anklagepunkt jedoch freigesprochen, weil das Gericht der Ansicht war, dass seine Verantwortlichkeit nicht zweifelsfrei zu belegen sei. Hinsichtlich der Trondheimer Juden galt hingegen als erwiesen, dass Flesch im November 1942 angeordnet hatte, jüdische Gefangene im Lager auszupeitschen. Hinzu kam eine Reihe weiterer Anklagepunkte: Im März 1944 hatte Flesch z. B. die Erhängung von neun russischen Kriegsgefangenen angeordnet, 15 weitere waren im August und September desselben Jahres auf seinen Befehl gehängt worden. Flesch war an diesen Tatvorgängen unmittelbar beteiligt gewesen. Ganz bewusst hatte er auch seine Mannschaften in derartige Taten miteinbezogen. So befahl er seinen Leuten zu einem späteren Zeitpunkt, eine Reihe bereits verhafteter Widerstandskämpfer zu ermorden. Angeblich waren diese Männer auf der Flucht erschossen worden. Hinzu kam eine ganze Reihe überlieferter Folterbefehle. Am 2. Dezember 1946 verurteilte ihn das Berufungsgericht Frostating schließlich zum Tode. Flesch appellierte daraufhin an den Obersten Gerichtshof Norwegens, der das Urteil bestätigte.66 Auch ein Begnadigungsgesuch beim König blieb erfolglos und wurde am 20. Februar 1948 abgewiesen. Sieben Tage später, am 27. Februar 1948, wurde Flesch auf der Festung Kristiansen in Trondheim hingerichtet.67
Fazit Bei Gerhard Flesch und Heinrich Christen handelt es sich um zwei Repräsentanten des deutschen Besatzungsregimes, die durchaus divergierende Auffassungen darüber vertraten, wie dieses Regime gestaltet werden sollte. Beide einte allerdings ein spezifischer Ehrgeiz, der Wunsch nach einer bedeutenden Stellung im neuen Deutschland. Flesch hatte sich in den 1930er Jahren eine radikale und elitäre, »unbedingte« Überzeugung angeeignet, welche sich durch ihre Brutalität auszeichnete und im Verlauf des Krieges in Terror, Mord und Völkermord kul66 Das Urteil gegen Flesch ist abgedruckt in Law Reports of Trials of War Criminals. Selected and prepared by the United Nations War Crimes Commission. Volume VI, London 1948, S. 111-120. 67 Vgl. Flesch henrettet, in: Arbeider-Avisa, 1.3.1948, S. 1.
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minierte. Christen wiederum war ein Vertreter des Parteifunktionärs Terboven. Im Kontext des örtlichen Besatzungsregimes sind seine Rolle und Bedeutung, aber auch sein politischer Einfluss freilich weit schwieriger zu bestimmen. Flesch und Christen gemeinsam waren jedoch ihre nationalsozialistische Überzeugung und der Glaube an die Vormachtstellung des Deutschen Reiches in Europa. Auch wenn sich beide immer wieder und in den unterschiedlichsten Zusammenhängen über den Weg liefen, bildet der Ausnahmezustand in Trondheim im Oktober 1942 den Schlüssel zum Verständnis ihrer Bedeutung im Rahmen des lokalen Besatzungsregimes. Beide nahmen hier wichtige Funktionen ein, aber während Flesch von jeher als Hauptverantwortlicher galt, erschließt sich Christens Rolle erst im Nachhinein über seine eigenen Aufzeichnungen. Der Ausnahmezustand in Trondheim bedeutete das Ende für das kleine, aber vitale jüdische Milieu der Stadt. Flesch hatte mit der Erfassung der jüdischen Einwohner fast unmittelbar nach seiner Ankunft in Trondheim im Oktober 1941 begonnen. Im Zuge des Ausnahmezustandes wurden diese Personen sämtlich in »Sicherungsverwahrung« genommen. Nur wenige Wochen später setzte ein entsprechendes Vorgehen im übrigen Land ein. Die repressiven Maßnahmen der Besatzungsmacht waren stets von einer Propaganda flankiert, die die Juden zur Wurzel allen Übels erklärte. Es ist jedoch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Verschwörungstheorien, die in diesem Zusammenhang verbreitet wurden, in den Augen überzeugter Nationalsozialisten wie Flesch keine bloßen Theorien waren; vielmehr waren sie davon überzeugt, dass die Juden das Zentrum des Widerstandes auch in Norwegen bildeten. Christen widmete sich nach dem Ende des Ausnahmezustandes wieder seinen bürokratischen Aufgaben und seinen oft angenehmen Repräsentationspflichten, bevor er – vermutlich schon im Frühjahr 1943 – beschloss, sich freiwillig zum Fronteinsatz zu melden, und Trondheim im Herbst verließ. Von den norwegischen Justizbehörden wurde er daraufhin schlicht »vergessen«. Wer sich jedoch an ihn erinnerte, war Asbjørn Stensaker, der bis 1942 in Bergen das Amt des Bürgermeisters bekleidet hatte. In einem Zeitungsinterview, das anlässlich seines 70. Geburtstages im Jahre 1955 mit ihm geführt wurde, berichtete Stensaker von den ersten Jahren der Besatzung und seinen Versuchen, allzu scharfe Übergriffe der Besatzer zu verhindern. Die Person, bei der er stets ein offenes Ohr gefunden habe, so Stensaker, sei der Gebietskommissar Christen gewesen, und dieser sei auch immer bereit gewesen, im Zweifelsfall gegen Anmaßungen von Seiten der Nasjonal Samling einzuschreiten. Stensaker vergaß auch nicht zu erwähnen, dass sich Christen mittlerweile als Kaffeegroßhändler betätigte,68 ganz so, als habe er auf diese Weise zum Ausdruck bringen wollen, dass ein solcher Mensch unmöglich schlecht sein könne. Aus dem Norwegischen von Tilman Siebeneichner 68 Bergensordføreren i okkupasjonsårene. Rektor Asbjørn Stensaker 70 år, in: Nationen, 26.4.1955.
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Abkürzungsverzeichnis A/S A.A. A.O. AOK
B Flak Gestapo GPU HKA
Hptm. HSSPF IA (B, C) ID IR IWO
Kaleu KdF KMD KMW KSV M.A. MG NS OKW ORR OT
Pg. RAF
Reg.Pr. REIKOSEE
R.I. RK RR
Schu-Po Sipo S. H. S. M. SOE SP SS
Stubaf to Wewio z. S.
Aksjeselskap (Aktiengesellschaft) Auswärtiges Amt Auslandsorganisation (der NSDAP ) Armeeoberkommando Batterie Fliegerabwehrkanone Geheime Staatspolizei Gossudarstwennoje polititscheskoje uprawlenije, sowjetische Geheimpolizei (1922-1934) Heeres-Küsten-Artillerie Hauptmann Höherer SS - und Polizeiführer Erster (Zweiter, Dritter) Generalstabsoffizier Infanteriedivision Infanterieregiment Erster Wachoffizier Kapitänleutnant Kraft durch Freude Kriegsmarinedienststelle Kriegsmarinewerft Küstensicherungsverband Marine-Artillerie Maschinengewehr Nasjonal Samling Oberkommando der Wehrmacht Oberregierungsrat Organisation Todt Parteigenosse (NSDAP ) Royal Airforce Regierungspräsident Reichskommissar für die Seeschifffahrt Regierungsinspektor Reichskommissar, Reichskommissariat Regierungsrat Schutzpolizei Sicherheitspolizei Seine Hoheit Seine Majestät Special Operations Executive Sicherheitspolizei Schutzstaffel Sturmbannführer Tonne Wehrwirtschaftsoffizier, auch Wehrwirtschaftsorganisation zur See
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Bildnachweis Abb. 1: Bundesarchiv: Christen BArch R 9361-VIII KARTEI 5110467 Abb. 2: Fotosammlung Stein Thowsen. Trotz intensiver Bemühungen ist es uns nicht gelungen, den Rechteinhaber für dieses Bild ausfindig zu machen. Sollte sich dieser melden, kommen wir unseren Verpflichtungen gern nach. Abb. 3: Privatbesitz Familie Christen Abb. 4: Privatbesitz Familie Christen Abb. 5: Justismuseet Trondheim, NRM.03645 Abb. 6: Privatbesitz Familie Christen Abb. 7: Privatbesitz Familie Christen Abb. 8: Fotoalbum »Mit dem Reichskommissar nach Nordnorwegen und Finnland 10. bis 27. Juli 1942«, S. 17, Bild-Nr. RAFA-3309 U71_0026, Reichsarchiv Norwegen, Oslo, (Bildarchiv, U/L0071) Abb. 9: Privatbesitz Familie Christen Abb. 10: Privatbesitz Familie Christen Abb. 11: Norges Hjemmefrontmuseum, Oslo, NHM-073001 Abb. 12: Privatbesitz Familie Christen Abb. 13: Privatbesitz Familie Christen Abb. 14: Privatbesitz Familie Christen Abb. 15: Privatbesitz Familie Christen Abb. 16: Privatbesitz Familie Christen
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Kurzbiografien der Autorinnen und Autoren Dr. Bjarte Bruland, geb. 1969, Historiker, 2019 vom Norwegischen Parlament zum statsstipendiat (staatlich bestelltem Wissenschaftler) ernannt. Ausgewählte Publikationen: Holocaust i Norge. Registrering, deportasjon og tilintetgjørelse, Oslo 2017 (auf Deutsch veröffentlicht als: Holocaust in Norwegen. Registrierung, Deportation, Vernichtung in Germany, Göttingen 2019); Øyenvitner. Rapport etter norske jøders hjemkomst fra konsentrasjonsleirene, Lysaker 2012; Hjemkomst, in: Ottar Samuelsen (Hrsg.), Frihet. Frigjøringen 1945-sett i dag, 2020. Maria Fritsche, PhD, geb. 1969, Universitätsprofessorin am Institutt for modern samfunnshistorie, Norwegian University of Science and Technology. Jüngste Publikationen: Spaces of Encounter. Relations between the Occupier and the Occupied in Norway during the Second World War, in: Social History 45 (2020), 3, S. 360-383; Umkämpfte Räume. Konflikte zwischen Besatzern und Besetzten im Zweiten Weltkrieg, in: L’Homme. Europäische Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft 30 (2019), 2, S. 119-125; The American Marshall Plan Film Campaign and the Europeans. A Captivated Audience? London/New York 2018. Simon Gogl, PhD, geb. 1986, Historiker, Senior Advisor am Norwegian Centre for Research Data. Ausgewählte Publikationen: Laying the Foundations of Occupation. Organisation Todt and the German Construction Industry in Occupied Norway, Berlin/Boston 2020; The German Construction Industry and Industrial Self-Responsibility in Occupied Europe, 1939-45, in: Scandinavian Economic History Review (im Erscheinen); Profittsøken uten kontroll? De tyske byggebedriftene under Einsatzgruppe Wiking, in: Historisk tidsskrift 97 (2018), 3, S. 224-239. Dorothee Wierling, geb. 1950, bis 2015 Stellvertretende Direktorin der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg (FZH) und Professorin an der Universität Hamburg. Auswahl aus jüngsten Veröffentlichungen: Scham und Lebenswille. Zwangssterilisation und »Euthanasie« in autobiografischen Erzählungen, in: Margret Hamm (Hrsg.), Ausgegrenzt – warum? Berlin 2017, S. 55-115; Memory« and its Discontents, in: Roger Frie (Hrsg.), History Flows through Us, London 2018, S. 31-45; Mit Rohkaffee handeln. Hamburger Kaffeeimporteure im 20. Jahrhundert, Hamburg 2018.
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Dank Neben der erweiterten Familie Christen verdankt die nun in deutscher Sprache vorliegende Edition viel der Energie und den Vorarbeiten, die in Norwegen in das 2009 veröffentlichte Buch investiert wurden, weshalb ich Odd Aspheim und Stein Ugelvik Larsen großen Dank schulde. Für die deutsche Herausgabe des Tagebuchs bedurfte es allerdings anderer Einführungen und Kontextualisierungen, sodass ich mich entschloss, das Projekt als eine wissenschaftlich kommentierte Quellenedition anzugehen, welche den Protagonisten zudem in die deutsche Vor- und Nachkriegsgeschichte einordnet. Dem Historischen Kolleg München, insbesondere seinem Geschäftsführer Dr. Karl-Ulrich Gelberg, danke ich für die Möglichkeit, als Honorary Fellow des Winters 2019/2020 in der Kaulbach-Villa an der Edition arbeiten und im Februar 2020 dort erste Ergebnisse vorstellen zu können. Dank der großzügigen Förderung durch die E.ON -Stiftung konnte ich vor dem Aufenthalt in München eine zweiwöchige Forschungsreise nach Norwegen unternehmen und Mitte März 2020 am Kolleg ein Autor/innentreffen durchführen. Meinen Mitautor/innen Bjarte Bruland, Maria Fritsche und Simon Gogl danke ich für eine sehr intensive, inspirierende und freundschaftliche Zusammenarbeit, bei der sie ihre Expertise freigebig mit mir teilten; für ihre Gastfreundschaft in Oslo und Bergen, ihr persönliches Engagement und ihre Bereitschaft, das Projekt auch unter den Bedingungen der Corona-Pandemie zu einem pünktlichen und guten Ende zu bringen. Ich bin sehr dankbar, dass die Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg die Edition in ihrer Buchreihe »Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte« publiziert. Stefan Mörchen hat das Manuskript mit großer Umsicht lektoriert. Auch dem Wallstein Verlag und namentlich Hajo Gevers danke ich für die gute Zusammenarbeit und Betreuung des Bandes. Tilman Siebeneichner hat den Beitrag von Bjarte Bruland ins Deutsche übersetzt und sichergestellt, dass bei norwegischen Orts- und Personennamen die korrekte Schreibweise benutzt wird. Berlin, im Juli 2021 Dorothee Wierling
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Register Kursive Seitenzahlen verweisen auf Erwähnungen ausschließlich in den Fußnoten.
Personen Abrahamsen, Moritz 273 Achner, Christian 118 Ackermann, Herr 201, 212 Adlhoch, Xaver 168, 217 Ahlbrecht, August 162 Amundsen, Roald 188 Arendt, Hannah 38 Arnim, General von 206 Ås, Helene 270 Aspheim, Odd 7f., 10 Aspheim, Olav 8 Astrup, Christian 107, 109, 120, 129-131, 148, 168 Atne, Vidar 115, 144, 240 Aust, Korvettenkapitän 73f., 92 Backe, Herbert F. W. 197 Bahr, Hermann 189 Bartels, Hans 62, 65, 72, 74, 80, 109, 118, 123, 132f., 153, 166, 168f., 193f., 267 Baudisch, Roman 73, 162 Beeren, Karl von 74, 84 Beethoven, Ludwig van 65, 118, 189 Beggerud, Anders 142, 145f. Bendiek, Oberlandesgerichtsrat 108 Berg, Bjarne 157 Bergan, Olav 181f., 203 Berger, Erna 152-154, 238, 242 Berggrav, Eivind 148 Berghold, Gerhard 162 Betke, Lotte 189 Bjørneby, Johan Vilhelm (Willy) Midelfart (auch Bjoernby, Björneby) 120, 122, 247 Blankenagel, Dr. Karl 103, 203 Blomberg, Hans Wilhelm 121f., 126, 128f., 156, 158, 164f., 167, 260 Blunck, Hans Friedrich 204 Boehm (auch Böhm), Herrmann 132, 166 Bonaparte, Napoleon 98, 101 Bormann, Herbert 201 Boyd, Louise Arner 188 Brandt, Georg 174, 176, 178 Brauchitsch, Walther von 137, 246
Braune, Admiral 157, 165f. Brünneck, Dr. von, Regierungsrat 138, 197 Bruland, Bjarte 11, 23, 43, 100, 123, 157, 179, 196, 205, 251 Busch, Herrmann 70, 180, 183 Capellen-Smith, Lorentz 32 Chopin, Frédéric 159 Christen, Claus-Hinrich 15 Christen, Erna 17, 207 Christen, Gerda 10,11, 16, 27, 28, 71, 85-87, 93, 109f., 119, 150, 170, 172, 179, 185, 187, 195, 219, 228 Christen, Heinrich (Vater) 7f., 15 Christen, Heinrich (Tagebuchschreiber) 7f., 10-13, 15-19, 28, 34, 37f., 42, 44, 46-48, 50-55, 59, 102, 215-217, 219-221, 223-225, 227-229, 231, 250-252, 264, 275 Christen, Holger 8, 10, 12, 16, 34, 194, 211, 219, 228 Christen, Irmela 8, 10, 15f. Christen, Jörn-Hinrich 7f, 10-12, 15, 16, 18, 34, 36, 62, 71, 73, 86, 110, 119, 129, 155, 170, 193, 219, 227f. Christen, Margit 8, 10-13, 62, 71, 73, 86, 110, 119, 129, 155, 219, 228 Christen, Oliver 10-13, 15, 34 Churchill, Winston 82, 87, 98, 152 Connell, Robert W. 243 Darré, Walther 197 Dietl, Eduard 61 Dues, Ivar 123 Dwinger, Edwin Erich 127 Dyer, Reginald 87 Dziobek, Stadtkommandant Trondheim 183, 194, 203 Eden, Anthony 125 Edye, John Alfred 162 Eggen, Torbjoern 175, 182, 207 Eichel, Eduard 175, 182f., 201, 203 Eichmann, Adolf 274
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register Ekornes, Hans Konrad 271 Engelbrecht, Erwin 179, 183, 199, 201, 207, 209, 224 Erbarth (auch Erbart), Mitarbeiterin Dienststelle Bergen 81, 90, 122, 149, 151 Falkenhorst, Paul Nikolaus von 61, 74, 150, 152, 192, 268 Fasting, Kåre 91 Fehlis, Heinrich 165, 270 Feige, Hans 74 Feurstein (Feuerstein), Valentin 81, 165 Fickert, Diplom-Ingenieur 181, 196, 202, 213 Finck, Werner 191 Flesch, Gerhard 24, 68, 69, 71, 84f., 95, 100f., 106, 119, 128, 134, 177, 179f., 182, 193f., 198, 203, 205, 209, 218, 251-265, 267, 268, 269-276 Franeck, Friedrich 184 Friedrich, Regierungspräsident und Ministerialrat 108 Friele, Herman 76, 77, 167 Frigaard, Eystein 255 Fritsche, Maria 11 Frølich Hanssen (auch: Hansen), Carl 201 Fuglesang, Rolf Jørgen 208 Furtwängler, Wilhelm 118 Giese, Herbert 100 Glick, Kalman 273 Goebbels, Joseph 54, 63, 72, 143, 152, 166, 190f. Goethe, Johann Wolfgang von 192 Gogl, Simon 10 Goltz, Regierungsrat Freiherr von der 127, 133f., 142, 161f., 172f., 178, 207, 245f. Göring, Hermann 48, 93, 125f., 181, 190, 197 Graumnitz, Fritz 155 Grieg, Edvard 159, 189 Gründgens, Gustav 189-191, 223 Hagelin, Albert Viljam 107f., 120, 149 Hagemann, Ernst 94, 108, 160, 176, 179 Hagmeister (auch Hagemeister), Dienststellenleiter Tromsø 142, 194, 210 Håkon IV. 83 Halvorsen, Thorvald 65, 98, 111, 120, 164, 167, 245 Handrick, Gotthard 177 Handt, Dienststelle Trondheim 101, 179, 182, 196, 202f., 213 Hansteen, Viggo 260 Harlan, Veit 205 Harlos, Mitarbeiter Dienststelle Trondheim 175, 203
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Harnoll, Ketil Gjerløv Fleischer 109, 131 Heide, Harald 118 Heißmeyer, August 109 Helland-Hansen, Bjørn 65 Henne, Willy (auch Willi) 50, 182f., 196 Herbert, Ulrich 38 Hess, Rudolf 86-88, 92 Heuser, Meta 159f., 185, 222 Heuser, Willy 159f., 185, 222 Heydrich, Reinhard 255, 260 Hideki, Tojo 137 Hierl, Konstantin 201 Hillegaart, Heinz 69, 180, 206, 209 Himmler, Heinrich 80, 127, 149, 254, 267, 273 Hirsch, Per von Einarssøn 174, 267, 271 Hitler, Adolf 28, 43, 50, 53, 88, 96, 126, 137, 163, 229, 243, 253, 255, 260, 267f. Hoelscher, Ludwig 143, 146f., 154 Hofmann, Prof. Dr. Fritz 87 Hohnhorst, Ludolf von 120, 154 Holfelder, Prof. Dr. Hans 86, 100, 109 Hollack, Walter 271 Hossfeld, Walther 101 Hustad, Tormod Kristoffer 112, 217 Hütgens, Peter 162, 175 Huxhagen, Herbert 104, 117, 119f., 122, 152f., 162, 166 Jank, Karl 176, 180, 183 Jannings, Emil 191 Johannesen, Alf 52 Johlitz, Fritz 182 Kårbø, Mons A. 63 Kähler, Otto 182 Kanstein, Paul-Ernst 143 Karl der Große 127 Kaufmann, Karl 18, 25, 179, 181-184, 188, 206, 221, 265, 266 Kautz, Erich A. 189 Keller, Sipo Oslo 182 Kinau, Johann Wilhelm (Gorch Fock) 88, 168 Klaassen, Dienststelle Trondheim 172f., 185f., 188, 193, 199 Klein, Abraham 272 Knuth, Gustav 189, 191, 223 Koch, Hans-Reinhard 41, 99, 142f., 161, 165 Köhler, Dienststelle Trondheim 172, 193, 196 Koren-Wiberg, Christian 83, 123, 240 Korreng, August (auch: Koreng) 108 Küchler, Ernst von 255 Kühne, Dienststelle Trondheim 175, 197 Kulenkampff, Alwin Georg 117f., 154 Landgraff, Reidar Dunker 253, 262f., 271
personen Lange, Christopher A. H. 63, 178, 180 Larsen, Stein Ugelvik 8, 10, 12 Leisner, Emmi 162f., 244 Lennartz, Elisabeth 189, 191, 223 Leopold III 79 Lerchenfeld-Köfering, Emmeran Graf von und zu 146f. Levin, Kristmar 274 Lie, Jonas 149 Lindebrække (auch Lindebrekke), Gjert 64, 66f. Ling, Hermann 261 Lippestad, Johan Andreas 175, 205 List, Wilhelm 151f., 192 Lochte, Wehrwirtschaftsoffizier Trondheim 72, 75, 197 Lothe, Einar 175, 178 Ludat, Dienststelle Bergen 20, 27, 66, 70, 73, 82, 90, 102, 146, 151, 175 Lunde, Gulbrand 63f., 149, 180, 182, 187 Luther, Dienststelle Bergen 92, 101 Luther, Martin 184 Mantel, Georg 159 Meseck, Gerhard 197 Meyer, C. C. Fritz 68 Mowinckel, Johan Ludwig 106, 123 Müller, Georg Wilhelm, Reichskommissariat 52, 91, 95, 198 Müller, Maria 133, 154 Müller, Christens Stellvertreter in Bergen 71, 82, 89 Müller-Brandenburg, Hermann 79f. Mundt, Werner 177, 183, 189, 212 Naumann, Erich 254 Neumann, Hanns R. 17 Niethammer, Lutz 38 Nising, Dr., Dienststelle Bergen 85, 95, 100-102 Noatzke, Dienststellenleiter Narvik 138, 184, 205 Okraß, Herrmann 130 Olav der Heilige 187 Ortner, Bruno 122, 151, 153-155, 157, 159, 165, 168, 195, 242 Otte, Karolus (Carlo) 18, 29, 52, 61, 73f., 89, 91, 99, 108, 110, 130, 142f., 161f., 165f., 172, 177, 182, 184, 186, 188, 189, 198f., 265, 267 Pahl, Rudolf (Rudi) 130 Paltiel, Julius 272 Pederssen (auch: Pedersen), August 63, 255 Pfeiffer, Dienststelle Trondheim 203, 212
Pfitzner, Hans 133 Phipps, Eric (im Text: Philips) 125 Philipsohn, Abraham 272 Pieper, Walter 73, 110, 188 Post, Harrison 265 Prien, Günther 80 Prinz, Mitarbeiterin Firma Hamburg 17, 68, 124, 128 Probst, Charly 128, 182 Prytz, Anton Frederik Winther Jakhelln 181 Puccini, Giacomo 133 Puchelt, Gerhard 117 Puchta, Adolf 77 Quisling, Vidkun 52, 64, 75, 89, 107, 116, 132, 146-148, 161, 187, 209f. Raeder, Erich 92, 132 Rathje, Heinrich 68 Raubenheimer, Karl-Heinz 182 Rautawaara, Terttu Aulikki 203, 274 Redieß, Wilhelm 73, 98, 105, 198, 224, 269, 273 Rinnan, Henry Oliver 251, 275 Risch, Arnold 87, 90 Roenfeld, Christens Stellvertreter Dienststelle Bergen 20, 102, 122, 151, 155, 168, 174f. Rogstad, Henrik 198, 200, 207, 269-271 Röhm, Ernst 149 Rommel, Erwin 147, 178, 194, 211 Roosevelt, Franklin D. 87, 191 Rosenfeldt, Kommandeur Flak Mittelnorwegen 178, 188 Rothfos, Bernhard 17, 68 Rust, Bernhard 120-122, 124, 127, 245-247 Sæther, Orvar Kristoffer 64 Sattler, Rudolf 162 Sauerteig, Mitarbeiter Dienststelle Trondheim 175, 200, 202f. Schacht, Hjalmar 230 Schäfer, Ernst 68f. Schidorsky, Herman 273 Schiedermair (auch Schiedermaier, Schiedermeyer), Rudolf 138, 142, 182, 186 Schmidt, Hauptabteilungsleiter RK Oslo 73, 78, 105f., 178, 182 Schmidt, Kurt (General) 174, 176, 183, 185, 209 Schniewind, Otto 176-179, 184 Schomburg, Oskar 81 Schrader, Otto von 24, 72, 74, 76, 81, 132, 152, 155, 157, 165-167, 196 Schubert, Franz 118 Schultz, Kapitänleutnant 87, 182f.
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register Schumann, Robert 159 Seip, Hans 53, 91, 115 Sensfuß, Franz 201 Serrano, Rosita 201 Seyß-Inquart, Arthur 91 Siemens, Leopold Bruno Paul 133, 174, 180, 183, 187, 196, 201, 203f., 209 Sonsalla, Hauptmann in Bergen 66f., 71f., 75, 177 Speer, Albert 50, 99, 203, 267 Stackelberg, Herbert Freiherr von 45, 174, 176f., 205, 210, 213 Stalin, Josef 126 Steinkamp, Peter 230, 247 Stensaker, Asbjørn 52, 64, 65, 66, 109, 117, 120, 130, 147, 168, 245, 255, 256, 276 Stockhausen, Wilhelm-Hunold von 255 Stolberg-Stolberg, Christoph Graf zu 72 Strasser, Walther 70, 72, 158, 166 Strehlow, Walter 180, 198 Strienz, Wilhelm 208f., 225 Stumpff, Hans-Jürgen (im Text: Stumpf ) 208 Telle, Martha 259 Terboven, Josef 9, 18, 41-44, 68, 99, 106, 132, 147, 155, 178f., 183, 191, 208, 221, 224, 252, 255, 258-260, 265f., 268-270, 273f., 276 Tewaag, Dr., RK Oslo 84 Thiele, August (Admiral) 176, 180 Thiele, Reichskommissariat Oslo 165 Thote, Dienststelle Trondheim 72, 93, 113, 123, 156, 202 Tittel, Herrmann 24, 63, 72, 74, 90, 109, 150
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Uhlenborn, Lucie von 90 Vandrez, Oberstaatsanwalt 209 Viehahn, Max von 74f. Vogel, Hauptmann in Bergen 63, 72, 158 Vogelin, Polizeipräsident Bergen 109 Vogelsang, Franz 84 Vries, Elimar de 62, 73f., 89, 99, 107, 110, 130, 142, 162, 169, 177, 188 Wallem, Schiffsreeder in Bergen 160 Wang, Karsten 123 Wauer, Mitarbeiter Dienststelle Bergen 104, 113, 138, 144, 158, 160, 176 Weber, Robert 124, 209 Weizsäcker, von 89 Wegener (auch Wegner), Paul 105-107, 121, 129, 149 Werner, Korvettenkapitän Bergen 87, 112, 120, 129, 147, 154 Werner, Ilse 153 Westfal-Larsen, Hans 92 Wickstrøm, Rolf 260 Wiechmann, Mitarbeiter Dienststelle Trondheim 185f., 204 Wierling, Dorothee 242 Wilhelm II. 80, 83 Witthauer, Charlotte 189 Woytasch, Kurt 133 Wolff, Otto 108, 130, 135, 153, 170 Zeininger, Liane 66, 122, 172 Zindler, Rudolf 166f.
Orte Aachen 84 Akershus (Festung in Oslo) 45, 147 Aalesund (auch Alesund) [Ålesund] 42, 131, 134, 174, 188, 246, 267 Algier 206 Alta 42 Amritsar 87 Aardal [Årdal] 49, 114 Ardalsstangen [Årdalstangen] 49, 114 Ardalsvann [Årdalsvannet] 114 Askoy [Askøy] 95 Askvoll 134 Auschwitz 272, 274 Badderen 267 Bærum (KZ Grini) 32, 188, 257, 266, 271 Balestrand 117 Baranquilla 188 Beisfjord 266 Bengasi 147 Bengsberg 109 Bergen 8, 10, 16, 18-21, 23f., 26-30, 36, 41, 42, 44, 46-48, 50-52, 54, 61-67, 68, 69, 72, 73f., 77, 82, 84, 88, 90-94, 96-115, 117, 119.121, 123f., 128f., 131-136, 138, 142f., 145f., 148f., 150, 152, 154f., 157f., 160, 162-168, 171-177, 180, 183, 186, 189, 194, 197, 203, 211, 232, 238, 240, 242, 245, 247, 251f., 255-259, 261f., 276 Berlin 11, 29, 50, 54, 65, 70, 74f., 92, 93, 101, 109f., 117, 126, 133, 149, 166, 189-191, 201, 252f., 273f. Glaamann [Blåmanen] 122 Bodø 45f., 49, 174, 176, 184, 189, 205, 237, 266f. Borlaug 114 Bredtveit (Gefängnis) 274 Breim 116 Bremen 118 Bristol 63, 87, 101, 105, 117f., 120, 122-124, 142, 152, 154, 161-163, 167 Cyrenaika/Kyrenaika 147 Dachau 34 Danzig 35 Dieppe 193 Dithmarschen 22, 76, 116 Drammen 64, 157 Drondheim [Trondheim] 10, 19-21, 24f., 27, 28, 29, 31-33, 36f., 42, 44, 45, 49f., 54, 69, 101, 133, 172-177, 178f., 182, 184f., 188f.,
193-196, 198f., 200, 201, 203-210, 212, 232, 236, 239, 242, 245f., 251f., 253, 260-269, 270, 271-276 Duisburg 163 Düsseldorf 108, 187 Ekne (KZ Falstad) 179, 205, 252, 267, 271-275 Egersund 110 Eide 112, 117 Eidfjord 114 Emden 134 Espeland 105 Essen 18, 108, 162 Esterwegen (KZ) 191 Falstag (KZ) 188 Fana 97 Fantoft 122 Finnmark 237 Fjösanger [Fjøsanger] 67, 77 Florvåg 95 Florida (Teil des Bezirks Nygård in Bergen) 93 Floro [Florø] 134, 138, 145 Floyen 87, 117f., 122, 143, 145, 160, 167 Fornebu (Flugplatz) 41, 61 Fossli 114 Frankfurt an der Oder („Heimkehrerlager“ Gronenfelde) 36, 253 Geirangerfjord [Geirangerfjorden] 115 Glaamann [Blåmanen] 122 Glomfjord 196 Gol 114 Grane 198, 273 Gravdal 90, 95, 105 Graz 80 Grotli 115 Gudvangen 117 Hahnenklee 169f. Halden 169 Hallein 34f., 226f. Halogaland [Hålogaland] 117 Hamar 237 Hamburg 7f., 10-12, 15-19, 22, 26-30, 32, 34-36, 47, 61, 67f., 71-74, 78, 81, 83, 85-87, 89, 92, 108, 109-112, 114, 117, 128f., 130, 135-138, 141f., 147, 162, 166f., 169f., 172, 181, 185, 187, 189, 191, 193f., 205, 211, 221, 226, 265, 266 Hammerfest 42, 188
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register Hamre 97 Hardanger 61, 90, 96, 112, 114, 157f., 258 Hardanger Fjord/Hardangerfjord 112, 114, 160 Hardanger Jökulen [Hardangerjøkulen] 114 Hardanger Bergen [Hardangervidda] 61, 114 Harstad 42 Haugastöl [Haugastøl] 114 Haugesund 42 Helsingør 211 Herdla 84, 88, 93 Holevik [Holvika] 139f. Hordaland (Provinz) 64, 107 Hovringen [Høvringen gård] 31f., 208-210, 212 Höyanger [Høyanger] 77 Husum 115 Ibiza 190 Innvik 116 Joelster (auch Yoelster) [Jølster] 116 Jøssingfjord 131, 271 Kaupanger 115 Kemi 35 Kinsarvik 114 Kirkeness [Kirkenes] 42, 102, 124, 138, 179 Köln 84, 109, 172 Kongsberg 42 Kopenhagen 53, 211 Krakeness [Kråkenes] 67, 77 Kreta 88 Kristiansand 42, 44, 49, 256 Kuhlen [Kulen] (Insel) 139 Kvænangen 267, 271 Kvanndal 112 Laerdal [Lærdal] 114f., Laksevaag [Laksevåg] (Stadtteil von Bergen) 47, 65, 97 Leangen 172, 175f., 180f., 188f., 194-197, 202, 205, 208, 222 Leikanger 91, 115, 240 Leningrad 35 Lillehammer 42, 179, 237 Lodz 134 Loen 116 Lofoten 66, 76, 135, 184 Løkken Verk 49, 202 Lom 115 London 77f., 88, 100, 103f., 196, 257f., 269 Lübeck 118, 134 Magdeburg 253 Majavatn 196, 267
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Malm 198 Malmö 138 Maloy/Måloy 136, 138 Måre [Mære] 175, 187 Maristua 114, 116 Marokko 92, 206 Maurstadt [Maurstad] 116 Meißen 253 Meråk [Meråker] 115 Mo i Rana 184 Molde 133, 174, 196 Mosjøen 183 Moss 256 München 68, 77, 119, 125f., 150 Murmansk 50, 267 Namsos 174, 183 Narvik 42, 45, 49, 61, 138, 174, 179, 184, 205, 213, 266 Nesstun [Nesttun] 67 New York City 133 Nordfjord 77, 113, 116, 133 Nordfjordeid 116 Nordheimsund [Norheimsund] 112, 114, 117, 157 Nordnes (Stadtteil von Bergen) 23, 52, 62, 92, 99, 101 Nordreisa 188 Nordtroendelag/Nordtrøndelag 175, 187, 198, 237 Nowaja-Semlja 212 Nürnberg 64, 68, 151, 230 Nygård 93 Obersalzberg 34 Odda 70 Ojstese [Øystese] 90 Oranienburg (KZ Sachsenhausen) 30, 165, 205 Orkla und Loekken [Orkla og Løkken] 202 Os 257 Osa 95f. Oslo 8-10, 18f., 21, 23-25, 28, 30, 32f., 41-46, 49-54, 61f., 64, 66f., 70, 72-75, 78, 81f., 8587, 91f., 95f., 98-101, 103, 105, 107-112, 117, 119, 121f., 124, 130, 135, 138, 141-143, 146-148, 160-162, 166, 169, 172, 175, 177, 179f., 182, 188f., 191, 193, 197-200, 203, 210-212, 232, 236, 256, 260f., 266f., 271, 273f. Paris 108, 153 Pretzsch an der Elbe 254f. Rauteberg [Raudeberg] 140, 144 Riga 176 Risør 241
orte Rogaland 271 Salzburg 34, 133, 227 Sassnitz 169, 172 Schleswig-Holstein 15f., 22, 116, 175, 204 Schwerin 196 Sewastopol 180 Shetland-Inseln 258 Singapur 69 Skaugum 142, 198, 244 Sogn und Fjordane [Sogn og Fjordane] 53, 91, 114, 116 Sogndal 115 Sognfjord [Sognefjord] 77, 113, 115-117, 145, 236 Solheim 165 Solstråleøy 160 Solstrand 61, 67, 82, 106, 109, 123 Sør-Trøndelag 181 Spitzbergen 212 St. Peter-Ording 27 Stadlandet 131 Stalheim 117, 157 Stavanger 41f., 44, 62, 110 Steinkjer 175, 207 Stiftsgaarden 172 Stiklestad 187 Stockholm 69 Stralsund 135 Stryn 115 Suez 89 Svolvær 76 Swartisen [Svartisen] 185 Swirstroj 35
Telemark 44, 237 Thamshavn 49, 202 Tobruk 178 Toenjum 115 Tornio 35 Trelleborg 135, 138, 169, 172 Trengereid 157 Tripolis 194 Troldhaugen 122 Tromsoe [Tromsø] 42, 124, 128, 175, 179, 194 Trøndelag 175, 252, 268f. Tunis 147, 206 Tyin (See) 49, 114 Ullriken [Ulriken] (Berg) 90 Ulven 106, 257, 259 Ulvestad 116f. Ulvik 90, 95, 157, 258 Ungarn 126 Utvik 116 Vaage [Våge] 139f. Vaagsfjord [Vågsfjorden] 140 Vagsøy 139f. Verdalsøra 187 Vestlandet 258 Vevelstad 273 Videseter 115 Vik 116 Vikhammer 181f. Vöringfoss [Vøringsfossen] (Wasserfall) 114 Voss 117, 157 Wladiwostok 137
Tellevaag [Telavåg] 30, 165, 259
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Organisationen und Firmen A/S Frostfilet 45, 49, 176, 184, 266 A/S Nordag 49, 93, 109, 114, 248 A/S Vinmonopolet 232, 233 f., 236, 239 Auslandsorganisation (AO) der NSDAP 18, 70, 72, 79, 176, 188 Auswärtiges Amt (AA) 89 Bergen Mekaniske Verksted 47 Bergenske Dampskibsselskab 47, 64 f., Bieling Gebrüder 92 Bündische Jugend 16, 22, 82 Deutsche Jungenschaft 82 Deutschnationale Jugendbund 82 Firma E. A. Smith (Trondheim) 32, 199 Firma Fr. Rakow (Kaffeemakler) 16, 17 Firma Heinrich Christen GmbH 7, 17, 22, 119, 124 Firma Königsberger 68 Fjellsaeter Hotel [Fjellsæter Hotell] 183 Fossdalengrube [Fosdalens Bergverk] 198 Frostating (Gericht) 275 fylker (Regierungsbezirke) 43 f., 198 fylkesmenn (regionale Regierungspräsidenten) 51, 53, 64, 106, 115, 131, 144, 174 f., 178, 181 f., 186, 210, 240
Nasjonal Samling 21, 52 f., 63, 64, 75, 91, 104, 105, 107-109, 118, 130, 131, 146, 148 f., 153, 161, 182, 194, 200, 202, 208, 210, 240, 269 f., 276 Nordsee – Deutsche Hochseefischerei AG 176 NSDAP 16-18, 68, 70, 104, 162, 178, 187, 215, 229, 253 f. Oberkommando des Heeres (OKH) 249 ordfører (Bürgermeister) 44, 51 f., 65, 107, 130, 144, 181 f., 209 Organisation Todt (OT) 9, 43, 210, 248 Royal Air Force (RAF) 187 Reichskommissariat für die besetzten Gebiete Norwegens (RK) 9, 18, 20-24, 41-44, 46 f., 49-52, 61, 73 f., 99, 103, 107, 118, 143, 146, 148, 160, 167, 176, 231, 233 f., 238, 243, 265 Reichssicherheitshauptamt (RSHA) 253, 273 SA 63, 64, 105 SD 8, 23, 42, 68, 69, 77, 106, 111, 147, 160,
Gestapo 23, 53, 100, 148, 151, 251, 257-259, 271, 275 Großdeutsche Jugendbund 82
167, 177, 230, 238 f., 251-254, 256, 257-263, 268, 273 Sicherheitspolizei 23, 42, 68 f., 77, 105, 106, 147, 156, 160, 162, 165, 177, 182, 200, 205, 207, 218, 230, 238, 253 f., 259 SS 8, 10, 23 f., 28, 30, 34 f., 50, 55, 68, 73, 75, 77, 86, 104, 106, 109, 127, 165, 168, 182, 190, 193 f., 198, 205, 226, 229, 242 f., 254 f., 263 Storting (Parlament) 61 f., 90, 98, 161
Hanse 83, 123 Hird 54, 63 f., 149, 165, 187, 198, 210 Hitlerjugend 16
Verein der am Caffeehandel betheiligten Firmen 17 Völkerbund 124
Jøssinger/Jössinger 31, 52, 131, 181, 198 f., 241, 270 Jungnationaler Bund 16, 82
Wehrmacht 23, 28, 42-48, 50 f., 55, 61, 68, 69, 70, 72 f., 75, 90 f., 95, 100, 103, 105, 122, 124, 147 f., 152 f., 156, 167, 173, 180, 184 f., 193, 198-200, 203, 209, 229-234, 238, 240, 242 f., 246-248, 250, 257, 260, 268
Kriminalpolizei 255 f.
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