Welches war die älteste Religion Israels [Reprint 2019 ed.] 9783111705583, 9783111316307


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German Pages 39 [44] Year 1927

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Table of contents :
Einleitung
I. Der Stammgott. Jahwe
II. Polytheismus. Polydämonismus
III. Dynamismus
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Welches war die älteste Religion Israels [Reprint 2019 ed.]
 9783111705583, 9783111316307

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W E L C H E S D I E

Ä L T E S T E

W A R R E L I G I O N

I S R A E L S ?

VON

G E O R G PROFESSOR

IN

19

BEER HEIDELBERG

2 7

VERLAG VON ALFRED TOPELMANN / G I E S S E N

V O R T R A G G E H A L T E N AM 20. J U L I 1927 I N D E R V E R S A M M L U N G B A D I S C H E N PR E D I G E R - V E R E I N S Z U

DES

KARLSRUHE

Mit der ältesten Religion Israels ist die Religion des vormosaischen Israel1) gemeint. Früher sagte man dafür: „Die Religion der Patriarchen". Jedoch vermeidet man besser diesen Namen. Denn dabei sind wir an die steifen Heiligengestalten zu denken gewöhnt, zu denen die beweglicheren Sagenfiguren der älteren Überlieferung sich bei dem jüngsten Erzähler der Genesis versteinert haben. Die Frage: Welches war die älteste Religion Israels, scheint nach der Bibel selbst überflüssig. Denn steht da nicht an der Wiege der Menschheit der Urmonotheismus, den nur Israel bewahrt, Mose erneuert und alle Welt dereinst zu ihrem Heil durch Israels Vermittlung wieder annehmen wird? Nun legt aber sowohl die Genesis, die uns von den Vorfahren Israels berichtet, als auch die eigentliche Geschichte Israels wider einen uranfänglichen Monotheismus Zeugnis ab. Ja auch das Werk Moses, des vorgeblichen Erneuerers der echten Religion, ist mit Bestandteilen behaftet, die mit unseren Gedanken über einen reinen Monotheismus sich nicht reimen. In der Genesis werden uns Geschichten über Gott berichtet — wie z. B. das Lustwandeln im Paradiese 2 ), das eigenhändige Zuriegeln der Archentür hinter Noah 8 ), das ') Für wen feststeht, daß die G e s c h i c h t e Israels erst mit den drei Volkskönigen, frühestens mit Mose beginnt ( W e l l h a u s e n , Israelitisch-Jüdische Religion, Kultur der Gegenwart Teil I, Abteilung IV, 1906 S. 7), wird lieber „vorgeschichtlichen" statt „vormosaischen Israel" sagen. ') I Mos. 3, 8. - >) I Mos. 7, 16.

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Gastmahl bei Abraham in Hebron 1 ), oder das Unterliegen beim Ringkampf mit Jakob am Jabbok 2 ) — die wenig zu dem allmächtigen Gründer und Herrn der Welt von Genesis 1 passen. Nicht minder sind die Vorstellungen des ältesten Israel über die sittlichen Eigenschaften Gottes zum Teil noch recht niedriger Art. Gott nimmt Partei für seine Günstlinge, schützt sie selbst in heikler Lage. So den Abraham in Ägypten 8 ), oder den Jakob gegen Laban 4 ). Hernach befiehlt er den Israeliten die Ägypter beim Exodus auszuplündern6). Dem Abraham mutet er das Opfer des eigenen Sohnes zu 8 ). Auch in der Annahme, daß die Ahnen Israels nur e i n e n Gott kannten, müssen wir irre werden. Denn das feindliche Machtwesen, das dem Jakob bei der Rückkehr aus der Fremde entgegentritt7), ist gewiß ein anderer Gott als der Gott von Bethel, der den Jakob auf der Flucht vor Esau allerorten zu schützen und ihn glücklich wieder nach der Heimat zurückzubringen verspricht8). Haben doch nach dem einen Erzähler im Hexateuch — es ist der Elohist ( = E) — die Israeliten in ihren Ursitzen einst fremden Göttern gedient 9 ), und vergräbt Jakob bei der Heimkehr aus dem Osten die ausländischen Götzen, welche die Seinen bei sich führten, unter der Eiche bei Sichern 10 ). Die Verfasser der geschichtlichen und profetischen Bücher des Alten Testaments, tadeln bis in das erste Jahrhundert nach dem babylonischen Exil ihre Volksgenossen wiederholt und auf das heftigste wegen ihres Götzen') I Mos. 18, 8. ') I Mos. 32, 25 ff. •) I Mos. 12, 10 ff. 4 ) I Mos. 2 9 - 3 1 . 6 ) II Mos. 3, 21 f. Vgl. D i l l m a n n z. St. u. zu II Mos. 12, 36. •) I Mos. 22, 2. 0 I Mos. 32, 25 ff. 8 ) I Mos. 28, 15. •) Jos. 24, 2, 14, 23. , 0 ) I Mos. 35, 4.

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dienstes'). Zwar betrachten sie den Kult Israels als einen Abfall von der längst offenbarten wahren Religion. Aber mehr als einmal betonen sie die angeborene und unausrottbare Widerspenstigkeit Israels gegen alle Gebote Gottes und beweisen damit, daß der Monotheismus, wenn er auch prinzipiell in Israel eingewurzelt war und von den geistigen Führern leidenschaftlich gepflegt und gefördert wurde, doch nur mühsam und im Kampfe mit den zäh sich erhaltenden niederen Religionsformen der Massen sich behauptete, bis er schließlich zum Siege gelangte. Man kann über die Geschichtlichkeit Moses verschieden denken. Wollte uns aber heutzutage jemand das Werk Moses als die Verkündigung des reinen Monotheismus anpreisen, so würden wir ihm kein Gehör schenken können. Denn selbst bei dem Zehngebot, das manche moderne Forscher aus der den Namen „Mose" tragenden umfangreichen Gesetzgebung in den Büchern Exodus bis Deuteronomium gern als letztes geschichtliches Dokument retten möchten 2 ), ist in dem Spitzensatz: „Ich bin Jahwe dein Gott." „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben" s ), noch ') z. B. II Mos. 15,22 ff. 32,1 ff. IVMos. 11,1 ff. 20,12.21.1 ff. 25,1 ff. (V Mos. 4, 19. 13, 8. 17, 3). Jos. 24, lff. Rieht. 2, 12ff. 3, 7ff. 6, 9f. 10,6. I Kön. 11, l f f . 15,13. 16, 29ff. II Kön. 17, 24ff. 23, 1 ff. Jes. 2, 8. 17, 10 £. 57, 8 f. 65, 3 ff. Jer. 1, 16. 2, 5 f. 28. 7, 18. 8, 2. 44, 17. Hes. 8, l f f . 13, 17ff. Hos. 2, 14f. 9, lOff. Mich. 1, 7. Zeph. l , 4 f f . ') Es ist jetzt vielfach Mode - z. B. bei K i t t e l , Geschichte des Volkes Israel I 5. 6 1923, S. 383 ff. Gr e s s m a n n , Mose und seine Zeit 1913, S. 475 ff. H. S c h m i d t , Mose und der Dekalog, Gunkel-Festschrift, 1923, S. 78 ff. S e l l i n , Geschichte des israelitisch-jüdischen Volkes I 1924, S. 79 ff. — in der Dekalogfrage hinter Wellhausen zu Ewald, Geschichte des Volkes Israel' II S. 224ff. zurückzukehren. Vgl. dagegen B u d d e , Geschichte der althebräischen Literatur * 1909, S.100. S t e u e r n a g e l , Einleitung i. A. T. 1912, S. 260f. B e e r , Mose und sein Werk 1912, S. 30f. B . D u h m , Israels Propheten 1916, S. 29ff. N o w a c k , Der erste Dekalog, Baudissin-Festschrift 1918, S. 381 ff. H ö l s c h e r , Geschichte der israelitischen und jüdischen Religion 1922, S. 129 f. M e i n h o l d , Einführung i. d. A.T.* 1926, S.102f. ') II Mos. 20, 2 f.

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das Vorhandensein anderer Götter vorausgesetzt. Zeigt doch allein schon der Eigenname „Jahwe" an, daß dieser Jahwe ihm ähnliche oder gleiche Wesen neben sich hat ')• D a s fühlten auch die Juden heraus, als sie bewußte Monotheisten geworden waren, und vertauschten daher den Sondernamen Jahwe, den sie nicht mehr aussprechen wollten, mit dem allgemeinen A d o n a j „der Herr". Von solchen Überlegungen aus können wir der Frage nach dem ursprünglichen Gottesglauben Israels bereits besser nahetreten. Er l ä ß t s i c h k u r z a l s ein d u r c h d e n K u l t e i n e s O b e r - oder G r o ß g o t t e s — bei den israelitischen S ü d s t ä m m e n b z w . ihren V o r g e b i l d e n i s t es J a h w e — g e m i l d e r t e r P o l y t h e i s m u s b e z e i c h n e n , h i n t e r dem noch ältere niedere R e l i g i o n s f o r m e n d u r c h s c h i m mern. Z u diesen niederen Religionsformen, zu denen wir uns aus ihrer Vermischung mit den späteren höheren Religionsformen zurücktasten, hat das erwachende religiöse Leben Israels sich seinen allerfrühesten Ausdruck geschaffen. Dem Theismus und Dämonismus, dem Götter- und Geisterglauben geht der Dynamismus voran. D a s ist die Anschauung, daß in der Klein- und Großwelt wunderbare Kräfte und Mächte walten. Die dynamistische Religionsform wirkt in den enwickelteren jüngeren Gebilden unaufhörlich weiter 8 ). Mit diesen Hauptsätzen das Ergebnis der folgenden Ausführungen vorwegnehmend, will ich nun den Beweis dafür versuchen. l ) B u d d e , Altisraelitische Religion* 1912, S.8. G u n k e l , Jahwe, in Religion in Geschichte und Gegenwart III 232 f. ') Den Namen „dynamistisch" wähle ich im Anschluß an B e r t h o l e t , Das Dynamistische im A. T. 1927. Die Sache stand mir längst vorher fest, s. B e e r , Steinverehrung bei den Israeliten 1921, S. 10ff. Vgl. auch H ö l s c h e r , Geschichte der israelit. und jüd. Religion 1922, § 5, wozu der obige Vortrag Bertholet's eine Art Kommentar bildet.

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I. Der Stammgott. Jahwe. Die Religion ist nicht unabhängig von der Rasse ihrer Träger. Nicht ohne Grund redet man von semitischer und indogermanischer Religion. Auch Beruf, Geschlecht und Organisation haben Einfluß. Man unterscheidet zwischen der Religion von Nomaden, Bauern und Städtern; Profeten, Priestern und Laien; Männern und Frauen; Familie, Stamm und Volk. Schließlich gibt es aber über die rassischen, sozialen und sonstigen Einschläge hinaus auch viele, allen Religionen gemeinsame Grundzüge. Die Vorfahren des historischen Volkes Israel gehören zu den semitischen Hirtenstämmen, die in verschiedenen Etappen zwischen 1800—1250 von der Wüste im Osten und Süden her das palästinische Kulturland umschwärmen und sich schließlich darin festsetzenx). Sie bilden Teile der großen Chabirubewegung gegen Kanaan, aus deren Geschichte wir bekanntlich einen wertvollen Ausschnitt in den Amarnabriefen ca. 1400 kennen lernen. Eine älteste Einwanderung scheint an dem Namen Jakob, eine jüngste an Israel zu haften. Ca. 1230 rühmt sich der Pharao Merneptah das im mittleren Palästina angesiedelte „Israel" besiegt zu haben. Ein im Südgebiet sitzender, bezw. dorthin von Norden her verschlagener Bruchteil der Israelstämme wird durch Nahrungsnöte nach Ägypten getrieben, um unter Mose und Josua ins Land der Väter zurückzufluten. Das älteste Israel ist nicht rasserein. Das ist nicht unwesentlich für seine Religion. Als Stammutter der Josefsöhne nennt die Überlieferung die Tochter des ägyptischen Priesters von On 2 ). In Kanaan hat Israel sich mit den Völkern und Völkersplittern vermischt, die es bei der ') Vgl. K i t t e l , Geschichte des Volkes Israel I 5.6 § 13 und 14. S e l l i n , Geschichte des israelitisch-jüdischen Volkes I § 1 und 2. Ich rechne zu den Vorfahren Israels auch Gruppen der Hyksos; daher die Zahlen „1800"-1250. ') I Mos. 41, 50.

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Einwanderung vorfand. Bedeutsam wurde hier das (Konnubium mit den sicher nicht semitischen Chetitern, das den Israeliten den bekannten Judentyp eingetragen hat 1 ), wie wir ihn u. a. bereits an den israelitischen Tributrahlern auf dem schwarzen Obelisken Salmanassar III zur Zeit Jehu's 842 v. Chr. und etwa 100 Jahre früher auf der Siegesliste Scheschonk's beobachten können 2 ). Es ist ein buntes Pantheon, das wir für die Zeit des Eindringens und Seßhaftwerdens israelitischer Stämme in Kanaan durch die Ausgrabungen und Funde kennen lernen. Semitische, ägyptische, chetitische und indogermanisch-arische Gottheiten sind darin vereinigt3). Auch der Gott Jahwe ist darunter, wenn er wirklich den einen Bestandteil in dem Personennamen A c h i - j a w i bildet 4 ). Einzelne Namen — z. B. Dagon, Gad, Nebo, Rimmon und Chur (=Horus?) — sind in der biblischen Überlieferung bewahrt. Im Großen und Ganzen sind die Götter, denen Göttinnen 6 ) zur Seite stehen, die Eigner und Herren des Landes, die Urheber und Förderer der Fruchtbarkeit der Felder, Herden und Menschen, die Gründer und Schützer der Kultur, der Ordnung und Sitte, die Wächter und Rächer des Eides, die Führer und Entscheider im Krieg. Der Unterwelt steht eine besondere Gottheit vor. Die Götter Kanaans sind also damals nicht mehr bloße Natur-, sondern bereits auch ethische Wesen. Über dem synkretistischen Götterkreis erhebt sich da und dort ein „Herr der Götter" 6 ). In dem merkwürdigen Genesis-Kapitel 14 ist für die Zeit Abrahams ein 'el e l j o n in Jerusalem vorausgesetzt7). l ) Vgl. Beer, Die Bedeutung des Ariertums für die israelitischjüdische Kultur 1922, S. 4. ') Vgl. G u t h e , Kurzes Bibelwörterbuch 1903 S.292f. 629. •) Vgl. K i t t e l a. a. O. § 17 und besonders § 19. B e r t h o l e t , Kulturgeschichte Israels 1919, S. 42 ff. — 4) Vgl. S e l l i n a. a. O., S. 52. *) P i l z , Die weiblichen Gottheiten Kanaans, Zeitschr. d. Deutschen Pal. Ver. 1924, S. 129—168. - 6) Vgl. K i t t e l a. a. O., S. 171 f. ') I Mos. 14, 18 ff. Vgl. auch IV Mos. 24, 16.

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Nun kann man zwar nicht beweisen, daß die israelitischen Eindringlinge sich dem Dienst aller dieser Götter ergeben haben, obwohl ihnen durch die Völkermischung und durch die Artverwandtschaft der eignen und der kanaanitischen Götter die Anpassung erleichtert war. Vermuten läßt sich aber folgendes: Wo die Zuwanderer den Vorsaßen sich unterwerfen mußten, werden sie froh gewesen sein, als Knechte den Kult ihrer Herren mitmachen zu dürfen. W o es zwischen der alten und neuen Bevölkerung zu einem politisch und wirtschaftlich leidlichen Nebeneinander kam, wird dieses durch die Verehrung eines Bundesgottes, wie wir ihn etwa in Sichern zur Zeit Abimelechs kennen, gestützt worden sein1). W o endlich die Israeliten die Oberhand gewannen, werden sie die Eigenkulte fortgesetzt haben, die sie aus der Steppe oder dem Randgebiet zwischen ö d - und Fruchtland mitbrachten, falls sie es nicht vorzogen, sich dem bewährten Schutz der bisherigen Landesgötter anzuvertrauen2). Cuius regis, ejus religio. Nach dem ältesten Sagenerzähler der Genesis, dem sogenannten Jahwisten, haben die Ahnen Israels schon vor ihrem Einzug in Kanaan dem ihnen von Urzeiten 8 ) her bekannten Gott J a h w e gedient und seinen Kult nach Kanaan verpflanzt. Jahwe ist es, der dem Abraham befiehlt, seine Heimat im Osten zu verlassen und nach Kanaan zu übersiedeln. Hier baut Abraham dem Jahwe die ersten Altäre bei Sichern und zwischen Bethel und Ha-Aj und ruft den Namen Jahwes aus4)- Das besagt nichts anderes als: Abraham führt in Kanaan den mitgebrachten Jahwedienst ein. Darnach ist also beim Jahwisten Abraham der Anfänger des Jahweglaubens und der erste Jahwemissionar auf palästinischem Boden. Die neue Lehre erbt sich dann bei den Nachfahren des Patriarchen fort. ') *) ") *)

Rieht. 9, 4. Vgl. G u t h e , Geschichte des Volkes Israel »1914, S. 67 ff. I Mos. 4, 26. I Mos. 12, 7. 8.

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Nun laßen aber bekanntlich E und P, die beiden Konkurrenten J's im Hexateuch, den Jahwenamen erst durch Mose den Israeliten verkündet werden '). Seit wann also haben die Israeliten den Jahwe verehrt? Für die Richtigkeit der Angaben von E und P scheint ein Doppeltes zu sprechen. Zwar fehlt Jahwe, wie es scheint, nicht ganz in dem Pantheon der Kanaanäer für die Zeiten, in denen wir Israeliten in Kanaan voraussetzen dürfen. Sicher aber spielt der Name keine besondere Rolle. Auch ist der Träger des Namens Achi-jawi ein Kanaanäer 2 ). Sodann kommen, bis auf den erst von P überlieferten Namen der Mutter Mose's J o - c h e b e d 3 ) , mit Jahwe zusammengesetzte Eigennamen vor Mose in der israelitischen Überlieferung nicht vor. Erst Jo-sua, der Führer israelitischer Scharen in der Generation nach Mose, trägt einen jahwehaltigen Namen. O b in dem Namen Jehuda, wie vermutet, Jahu, d.i. die andere Form von Jahwe vorliegt, ist fraglich 4 ). Trotzdem kann ich die zu Gunsten der gänzlichen Unbekanntschaft des ältesten Israel mit Jahwe vorgebrachten Argumente nicht für unwiderleglich halten. Nach allem, was wir aus dem Alten Testament über Jahwe erfahren, ist er eine südwestsemitische, am SinaiHoreb und in Kadesch beheimatete Gottheit gewesen 6 ). Mit ') E: II Mos. 3, P: II Mos. 6. Zur Textscheidung s. H o l z i n g e r in K a u t z s c h - B e r t h o l e t , Die heil. Schrift d. A. T. 4 1922. K i t t e l , a. a. O. I 5.6, S.322f. E i s s f e l d t , Hexateuch-Synopse 1922, S. 111* ff. B e e r , Kurze Übersicht üb. d. Inhalt d. A. T. liehen Schriften 1926, S. 17. ') S e l l i n , Geschichte des israelitisch-jüdischen Volkes, S. 52. ') II Mos. 6,20. IV Mos. 26,59. *Abd-alläh hieß der Vater Mohammeds, des Verkünders der „AI läh"-Religion. 4 ) H . S c h n e i d e r , Zwei Aufsätze zur Religionsgeschichte Vorderasiens, Leipziger Semitistische Studien V, 1 1909, S. 16. P r o c k s c h zu I Mos. 29, 35 möchte Jehuda zusammengesetzt sein lassen aus jah + wadä = Jahwe führt, was nach S ö d e r b l o m , Das Werden des Gottesglaubens 1 1926, S. 277 „nicht unwahrscheinlich" ist. *) Über das Vorkommen, bzw. Nichtvorkommen des Namens Jahwe außerhalb Israels s. K i t t e l a. a. O. I 5.6, s. 452ff. S e l l i n a. a. O. I, S. 52.

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Recht ferner hält man ihn für einen Gott der Keniter oder Midianiter 1 ), in deren Gebiet der Sinai und Kadesch zu suchen sind. Sind doch die Keniter als Anhänger Jahwes dadurch erwiesen, daß sie noch in geschichtlicher Zeit „und zwar wahrscheinlich auf der Stirn, eine Stammmarke getragen haben, das sogenannte Kainszeichen, das ihre Zugehörigheit zum Jahwekult" bekundete 2 ). Der Bedeutung von Sinai und Kadesch entspricht, daß Jahwe kein Klein-, sondern ein Großgott gewesen ist. Dann ist aber ganz undenkbar, daß unter den südisraelitischen Stämmen kein einziger in den Zeiten vor Mose etwas von dem benachbarten Jahwe gewußt haben sollte 1 Im Gegenteil 1 So wie Mose wird noch mancher andere Israelit zum Sinai oder nach Kadesch gekommen sein. Ja, wir werden uns insbesondere Kadesch als eine mit Jahrmärkten verbundene berühmte zentrale Wallfahrtsstätte zu denken haben, wo israelitische und verwandte Stämme bei den Jahresfesten sich ihr Stelldichein gaben und dort u. a. ihre kleinen und großen Fehden unter der Autorität Jahwes, des Gottes einer Amphiktionie schlichteten 3 ). Ist aber Jahwe schon vor Mose ein Großgott gewesen, dann verstehen wir sein Nichtvorkommen oder seine Seltenheit in israelitischen Personennamen. Für den einzelnen Israeliten spielen die Kleingötter die Hauptrolle. Ihnen vertraut er sein Leben und Schicksal an. Der Großgott hat Wichtigeres zu tun, als sich um den Einzelnen zu kümmern. Noch geht ja der Stammgenosse ganz im Stamm auf. Und wer weiß, ob nicht in manchen der mit El zusammengesetzten israelitischen Stammnamen der vormosaischen Zeit sich unter dem El eben „Jahwe" verbirgt? ') S t a d e , Biblische Theologie des A. T. 1905, S. 42f. B u d d e , Altisraelitische Religion '1912, S. 10f. B e e r , Mose und sein Werk 1912, S. 32ff. G r e s s m a n n , Mose und seine Zeit 1913, S. 434ff. S e l l i n a. a. O. I, S. 86. ') S t a d e a. a. O., S. 42. *) S t a d e , a. a. O., S. 33 f. E. M e y e r , Die Israeliten und ihre Nachbarstämme 1906, S. 80 f. B e e r , Mose, S. 31 ff.

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Denn El = Gott ist auch die allgemeine Bezeichnung des Stammgottes, der zumeist noch einen Sondernamen führt 1 )! Schon oft mögen vor Mose israelitische Karawanen oder Einzelpersonen am Sinai und bei Kadesch gerastet und dem hier hausenden Jahwe ihre Reverenz gezollt haben, ohne daß sie etwas Besonderes erlebten: Nur dem e i n e n Mann, Mose, war beschieden, daß ihm Jahwe hier erschien und ihm einen Auftrag gab. Denn die Götter haben ihre Lieblinge, denen sie sich offenbaren 2 ), und wem Jahwe gnädig sein will, dem ist er gnädig S )1 Dieser Jahwe, der sich dem Mose offenbart 1 ), ist nach J identisch mit dem „Gott der Vater", wie auch E 6 ) und P 6 ), ein jeder in seiner Weise zugibt. Er ist als der Gott einer Koalition von Chabirustämmen zu denken, deren Einbruch in verschiedenen Vorstößen nach Kanaan sich in der biblischen Sage von der Wanderung der Patriarchen nach Kanaan widerspiegeln mag. Ohne eine eidliche Verpflichtung gegenüber dem Kriegsgott, der zugleich der Bundesgott ist, ist das Vorrücken der Chabiruleute gegen Kanaan gar nicht vorstellbar. Hier ist Raum für einen Obergott „Jahwe". Vergleicht man nun, um die Probe auf die Richtigkeit der Angaben von J zu machen, den Jahwe, der dem Mose erscheint, mit dem Jahwe der Genesis in den von J stammenden Geschichten, so scheinen es allerdings wiederum zwei verschiedene Götter zu sein: Hier der Gott vom Glutberge Sinai, ein leidenschaftlich auffahrendes, zorniges Wesen — dort ein Gott matt und mild wie die Patriarchen selbstl N u r gelegentlich blitzen die dämonischen Züge des ') B a u d i s s i n , Der gerechte Gott in altsemitischer Religion, Harnack-Festschrift 1921, S. 9. l ) Glückskinder schauen den Himmel offen: I Mos. 28. ') II Mos. 33, 19. 4 ) II Mos. 3, 16. 6 ) II Mos. 3, 15. •) II Mos. 6, 21.

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Jahwe der Mosesage durch. So in den am Schluß der Paradiesesmär von Jahwe als Wächter eingesetzten Drachen und in dem Flammenschwert*); bei dem Sintflutgericht 2 ); ferner in der Erzählung von dem als rauchender Ofen und als Feuerfackel zwischen den blutigen Opferstücken durchfahrenden Jahwe bei dem Abrahamsbund 8 ); oder in der nächtlichen Vernichtung von Sodom durch Feuer und Schwefel 4 ) und in der Geschichte vom Kampfe Jakobs mit dem Unhold bis Morgengrauen 6 ). Dennoch ist es der gleiche Jahwe: In der Mosesage ist es der unheimliche unverfälschte Wüstengott Jahwe, in der Genesis ist es derselbe Jahwe, nur hat er in der Luft des Kulturlandes, bis auf die erwähnten Ausnahmefälle, viel von der Frische, Rauheit, Reizbarkeit und Schreckhaftigkeit des ehemaligen Steppengottes eingebüßt. Die Milderung in dem Wesen Jahwes kann nicht erst in den Jahrhunderten nach Mose erfolgt sein, als Israel es für sein Ideal hielt, beim Weinstock und unter dem Feigenbaum ruhig zu leben 6 ). Die pazifistische Tönung der Patriarchengeschichten, die auch über dem Bilde Jahwes liegt, haftet den Texten vielmehr wahrscheinlichst schon bei den ersten Ausgestaltungen an. Hier hat eben die Erschlaffung, die in dem Wesen Israels und seiner Gottheit seit der ersten Ansiedlung im Kulturland eintrat, auf die Patriarchengestalten abgefärbt. Die Zeiten von der Invasion der Scharen unter Josua in Kanaan bis zu der Ära David — Salomos, an die das Werk des älteren Jahwisten ( = J ' ) heranreicht'), waren viel zu sehr mit Krieg ') I Mos. 3, 24. *) I Mos. 6, 7. 7, 23. ') I Mos. 15, 17. *) I Mos. 19, 24 ff. ») I Mos. 32, 25 ff. •) I Kön. 5, 5. 7 ) B e e r , Kurze Ubersicht über den Inhalt der A. T. liehen Schriften 1926, S. 1 f.

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und Unruhe erfüllt, als daß sie erstmalig das Patriarchenidyll hätten entstehen lassen können. Wiederum weisen die Geschichten in Josua bis Samuel eine viel lebhaftere Gottesvorstellung auf als die Patriarchenerzählungen. Hier wirkt der Jahwe der Mosezeit ein. Nicht der sanfte und weiche Jahwe der Patriarchen, sondern der rauhe und ungestüme Jahwe des Mose hat schließlich die äußere und innere Geschichte Israels bestimmt. Wie und wann näher das vormosaische Israel und Jahwe sich gefunden haben, hüllt sich für uns in Dunkel — nur zu begreiflich, wenn wir wissen, was Jahwe ursprünglich war, und was er nicht war 1 ). Um mit dem Letzteren zu beginnen: Dem Israel der älteren und mittleren Königszeit galt Jahwe als der Gott des Fruchtlandes. Jahwe selbst hat die Menschen den Ackerbau gelehrt 2 ). Auch ist er der Schöpfer der ganzen Welt und ihrer Kultur. Ackerbau- und Kulturgott ist Jahwe erst in Kanaan geworden, indem er die Eigenschaften der hier verehrten Feld- und Stadtgötter in sich aufsog. Denn was ging den Jahwe vom Wüstenberg Felderpflege und Stadtkultur an 3 ) ? Deshalb haben auch die den Kenitern4) stammverwandten Rechabiter, die Vertreter eines urwüchsigen Jahweglaubens, das Wohnen in Häusern und den Weingenuß verworfen 6 ). Speziell haben die in Kanaan verbreiteten und von den Israeliten angeeigneten östlichen Ursprungsmythen dem Herrn Jahwe das Aufrücken zum Kulturgott erleichtert6). Wie andere antike Religionen ist auch die Religion Altisraels eine Diesseitsreligion gewesen. Gewiß hat man ') Vgl. S t a d e , Bibl.Theologie d. A . T. 1905, S. 48ff. G u n k e l , Gottesbegriff i. A. T., Religion in Geschichte und Gegenwart II 1910, Sp. 1532-38. ») Jes. 28, 26. ') B u d d e , Altisrael. Religion » 1912, S. 23. 4 ) I Chron.2, 55; doch s. den Kommentar v. R o t h s t e i n - H ä n e l 1927 z. St. - ') Jer. 35, 6 ff. •) W e l l h a u s e n , Israelitisch-Jüdische Religion 1906, S. 19.

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schon früh Jahwe zum Herrn der Unterwelt gemacht. Deuteronomium 33 l ) und Arnos 9 2 ) sind älteste Zeugnisse dafür. Aber im allgemeinen gilt: Jahwe ist der Gott der Lebenden, nicht der Toten, der Oberwelt, nicht der Unterwelt 8). Grab und Scheöl trennen Israel und seinen Jahwe. In der Unterwelt, wer preist dich, Herr? So lautet noch das Bekenntnis des Psalmisten4) — um wieviel mehr hatte Jahwe für das älteste Israel keine Beziehungen zur Scheoll Hier hausen andere Mächte, in deren Gewalt erst der Verstorbene kommt. Als Gott eines Stammes schützt Jahwe das Zelt, die Insassen und die Herden, hilft er den Seinen im Krieg und sorgt für Ordnung und Recht im Frieden. Als Stammgott gehört Jahwe in die Reihe der sozialen und ethischen Gottheiten. Nun hat aber Jahwe von jeher auch Beziehungen zu der Natur und ihren Kräften gehabt. Darum heißt er der Jahwe Zebaöt. Feuer, Sturm und Meeresflut sind seine Diener und Erscheinungsformen. In der Gewalt über die Natur beruht das Ansehen Jahwes im Stamm, bezw. im Stammkartell. Grade durch die Herrschaft über die schreckhaften Erscheinungen in der Natur wie Blitz, Erdbeben und Meereswallen kommt Schwung und Wucht in das Verhältnis Jahwes zu seinen Anhängern. Wehe, wer seinen Zorn reizt! Unberechenbar wie der Wetterstrahl aus heiterem Himmel kann sein Grimm auflodern 1 Aber auch das Irrationelle hat seine Ratio. Wohl dem, der im Schutz dieses starken, Furcht und Grauen verbreitenden Gottes steht, er ist sicherst geborgen 1 Die Naturseite ist das ältere an Jahwes Wesen. Möchten doch überhaupt die ethischen Götter erst aus den Naturgöttern herausgewachsen sein 6 ). Dann ist aber auch ') ') •) 4 ) ')

V Mos. 33, 13. Am 9, 2. Beer, Der biblische Hades. Holtzmann-Festschrift 1902, S. 7. Ps. 6, 6. B a u d i s s i n , Adonis und Esmun 1911, S. 39ff.

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Jahwe von Haus aus ein Naturgott. Als Gott vom Berge Sinai ist er eine Gewitter-, bzw. eine Feuer- oder Vulkangottheit 1 ). Darauf deutet der lodernde Berg in derTheophanieschilderung bei der Gesetzespromulgation2), sowie vielleicht das Verhältnis Jahwes zu den Kenitern. Die Keniter sind, worauf der Name weisen dürfte, ein Schmiedestamms) und führen den Hammer, mit dem die Keniterin Jael den feindlichen Feldherrn erschlägt4). Der Hammer dürfte aber zugleich das Abzeichen Jahwes, des Feuer- und Vulkangottes und des Schutzpatrones der Schmiede sein. Alles Naturhafte wächst geheimnisvoll; unvermerkt und plötzlich ist es da. Wann und wie der Naturgott Jahwe und die Keniter, bezw. die Israeliten sich zusammenfanden, bleibt uns daher dunkel. Vermuten läßt sich, wenn wir bei Israel stehen bleiben, daß Jahwe am frühsten bei Geschlechtern und Sippen Eingang fand, die hernach den Stamm Juda bildeten. Ist doch gerade der historische Stamm Juda am zähsten dem Jahweglauben treu geblieben, und ging von Juda unter dem Panier Jahwes die Bildung der jüdischen Gemeinde aus 5 ). Vielleicht spielten für die Bekanntschaft Jahwes mit den zum Stamm Juda sich später zusammenschließenden Volksteilen die Keniter eine Mittler*) So nach dem Vorgang B. Greene's, B e k e ' s und G u n k e l ' s bes. E . M e y e r , Die Israeliten u. ihre Nachbarstämme, S. 69 ff. Gr e s s m a n n , MoseS. 416 ff. S e l l i n , Gesch. des israelit.-jüd. Volkes, S.63f. ') II Mos. 19, 16 ff. ') V g l . D i 11 m a n n , G u n k e l und Pr o c k s c h zu I Mos. 4,20-22. ') Rieht. 4,21. Natürlich gibt es einen makkebet ( H a m m e r ) in jedem Zelt für das Einschlagen der Pflöcke, und gehört das Hantieren mit dem Hammer zu den Obliegenheiten des Weibes beim Zeltaufschlagen (vgl. N o w a c k zu Rieht. 4,21). Immerhin bleibt aber beachtlich, daß Ja'el, die den Hammer so trefflich zu schwingen versteht, gerade das Weib des Keniters, d. h. des Schmiedes, Cheber ist. Womit erschlug übrigens Kain den Abel I Mos. 4,8? Nach Jubil. 4, 31 geschah es mit einem Stein. ') Von hier aus gewinnt die S. 10 erwähnte, aber abgelehnte Ableitung von Jehuda aus J a h u -f- w a d a an Zutrauen.

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rolle; amalgamierte sich schließlich doch der Hauptzweig der Keniter mit dem Stamm J u d a 1 ) . Für den Jahwisten, der zum Stamm J u d a gehörte, ist ganz selbstverständlich, daß Jahwe seit unvordenklicher Zeit den Israeliten genau bekannt war 8 ) — er wird recht darin haben, nur muß Israel auf einen Bruchteil beschränkt werden. Andere israelitische Stämme — das werden besonders die Rahelkinder sein — mögen fester erstmalig durch Mose mit Jahwe verbunden worden sein 8 ). Diesen Traditionen folgt E und P. Daß Mose, als er stammverwandte Brüder aus Ägypten befreite, zu ihnen als Bote eines bisher ihnen ganz fremden Gottes kam, ist für mich schwer glaubhaft. Das älteste geschichtliche Zeugnis für den Zusammenschluß der Leaund Rahelstämme auf Grund des Bekenntnisses zu dem Kriegsgott Jahwe ist das Deboralied 4 ). Voraufgegangen sein mag eine Einigung zwischen „Lea" und „Rahel" unter Josua 5 ). Josua wiederholt nur im Kulturland, was Mose in der Steppe angebahnt hatte 6 ). Fortan ist Jahwe die Seele und das Schicksal des Volkes Israel. Aber dieser Jahwe ist bereits mit dem werdenden Israel, den Geschicken einzelner israelitischer Sippen und Stämme verknüpft. Ohne einen Gott wie Jahwe, der die Einheit und das Symbol für die höchsten Lebensbelange des Stammes bildet, würde die Religion der seit etwa 1800 v.Chr., stoßweise in Kanaan einrückenden und seßhaft werdenden Israeliten unter der Religion der Kanaaniter gestanden haben, die, wie wir hörten, zur Zeit der Chabirueinfälle ein monarchisch zugespitzter Polytheismus war, bezw. auf dem Wege dazu ») Rieht. 1, 16 I Sam. 15, 6. 27, 10. 30, 29. ') I Mos. 4, 26. ») So auch B. D u h m , Israels Propheten 1916, S. 34. 4 ) Rieht. 5, 2-5. 9. 11. 13. 23. 31. s ) Jos. 24, Iff. Vgl. dazu G u t h e , Geschichte des Volkes Israel '1914, S. 65 £ und S e l l i n , Seit welcher Zeit verehrten die nordisraelitischen Stämme Jahwe? P. Haupt - Festschrift II 1926, S. 124-134, bes. S. 126-128. •) II Mos. 24, 1 ff. 2

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sich befand 1 ). Ohne einen Gott wie Jahwe würden jene israelitischen Gruppen ganz im Kanaanäertum aufgegangen sein.

II. Polytheismus.

Polydämonismus.

Als ehemaliges Naturwesen hat Jahwe seine Nebenbuhler gehabt 2 ). Noch beherrscht er ja nicht von Anfang an die Gesamtnatur. Und als er Herr über Himmel und Erde geworden war, da hatte er, wie ein Herrscher in einem Großstaat, seine Unterkönige und Statthalter. Mannigfaltig, wie die Naturdinge, sind auch die darin waltenden und von dem Antiken verehrten Götter. Besonders haftet das Göttliche an allem Imponierenden, nicht Alltäglichen und Ungewöhnlichen in der Natur 3 ). Für das vorgeschichtliche Israel in seiner ältesten Phase waren es vor allem solche Wesen, die für den Nomaden und Halbnomaden eine größte Bedeutung haben. Dem die baumlose, sonnendurchglühte Sandöde durchstreifenden Wüstensohn ist vor allem ein schattenspendender, zur Rast einladender Baum, ein durstlöschender Quell ein Wunder, etwas Göttliches. Er nennt dieses Göttliche E l 4 ) . Das bezeichnet, ehe es allgemein für „Gott" gebraucht wurde, zunächst wohl einen bestimmten, nämlich einen Baumgott cf. die Baumnamen ' e l a und a l l a 6 ) . Im Kulturland haben die Ahnen Israels die Baum- und Quellenkulte fortgesetzt, bzw. die dort bereits vorhandenen übernommen. So macht Abraham Halt bei der Orakeleiche von Sichern, und hier erscheint ihm Jahwe 8 ). Später einmal besuchen den Pa') s. S. 8. ') Vgl. B u d d e , Altisraelit. Religion' S. 21ff. ») S m i t h - S t ü b e , Religion der Semiten' 1899, S. 102ff. S t a d e , Bibl. Theologie des A . T . § 49 £f. *) Vgl. II Mos. 15, 27. 16, 1: E l i m (Götter) Name für einen Lagerort der Israeliten mit 12 Quellen und 70 Palmen. 5 ) B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun S. 433. •) I Mos. 12, 7.

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triarchen die Überirdischen bei der Eiche von Hebron 1 ). Wie in der Steppe, so haben die Israeliten auch im Fruchtgebiet bei Brunnen Rechtsorakel eingeholt und unter feierlichen Eidschwüren Verträge geschlossen. Bedeutet doch B e r s a b a „Sieben-" oder „Schwurbrunnen" 2 ). Gern halten die Götter in bäum- und wasserreichen Gegenden sich auf. So ist das Paradies in der Genesis als eine wundervolle Oase gedacht. Darin wohnt Jahwe. Er hat dort aber einen bösen Mitbewohner, den Schlangengott, der freilich nach dem jetzigen Text eine simple Schlange sein soll 3 ). Aber diese Schlange kriecht noch nicht wie gewöhnliche Schlangen auf dem Bauche — das tut sie erst, seitdem sie ein grauenvoller Fluch getroffen hat 4 ) —; auch kann sie reden wie ein Mensch. Jüdische und christliche Theologie ist daher von jeher auf der richtigen Fährte gewesen, wenn sie in der Paradiesesschlange, dem listigsten Wesen auf Erden, eine der Metamorphosen des urewigen Widerpartes des guten Gottes gesehen hat. Vielleicht spielt in diesen Teil der Paradiesesgeschichte altpersischer Religionseinfluß herein 8 ). Auch die Wüste ist der Wohnsitz von Geistern, teils guten, teils bösen. Beim Ginsterbusch in der Wüste südlich von Bersaba erscheint dem verzweifelnden und todhungrigen Elia ein Engel und labt ihn mit Speise und Trank 6 ). Im übrigen aber sind es mehr böse Geister, von denen die Wüste bevölkert ist. Einer der verrufensten ist 'Azazel, dem nach dem gewiß uralte Züge bewahrenden Ritual von P alljährlich ein tierisches Abwehropfer dargebracht werden muß 7 ). Gleich anderen antiken Völkern hat auch Altisrael in Steinen und Bergen wegen gewisser ') I Mos. 18, 4 ") I Mos. 21, 28 ff. ' ) I Mos. 3,1. *) I Mos. 3,14. 5 ) Derselbe bat nicht erst seit dem Exil, sondern weit früher begonnen. ") I Kön. 19, 5 ff. ') III Mos. 16, 8f. 21 ff. 2*

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wunderbarer Eigenschaften Geister- und Götterwohnungen erblickt. A m bekanntesten ist Jahwe, der El vom Sinai oder Horeb. Jakob, der sich in Bethel zum Kopfkissen einen Stein wählt und darauf schläft, hat hier eine Vision ')• Wie später dem Elia erscheint dem Mose in einer der Höhlen des Wüstenberges ein Gott 2 ). Unten auf dem Meeresgrund lagert ein gespenstischer Drache, Tehöm genannt 8 ). Letzteres Beispiel zeigt, daß es nach der Vorstellung des ältesten Israel auch weibliche Geister gibt. Denn Tehom ist weiblich 4 ). Für den Glauben an weibliche Geister spricht auch Zebaot, wohl ursprünglich ein selbständiger Gottesbegriff. Ein solches weibliches Wesen ist ferner Scheol, die Königin des Schattenreiches. Auch Scheöl wird nur weiblich und wie ein Eigenname stets ohne Artikel gebraucht. Scheol zur Seite stehen allerhand Plagegeister, Krankheiten und Seuchen, die ihre Herrin in ihrem menschenmordenden Amt unterstützen 6 ). Gleichzeitig gilt freilich Scheol, — die Allmutter Erde — als die Gebärerin aller Lebewesen und Pflanzen"). Noch die ägyptischen Juden zur Zeit der ersten Perserkönige verehrten neben Jahwe eine Göttin 'Anat 7 ). Die Fruchtbarkeit der Felder hängt von besonderen Geistern ab. Mit diesen Erdgeistern muß man sich gut stellen. Ihre Gunst gewinnt man durch allerlei Gaben. Beim Ernten zollt man ihnen einen Erstlingstribut von der Frucht. Auch muß man eine letzte Getreideecke stehen lassen 8 ), oder darf ö l - und Wein') I Mos. 28,11 ff. «) I Kön. 19,9£f. - II Mos. 33, 21ff. ») I Mos. 7,11. 8,2. 49,25. V Mos. 33,13. Am. 7,4; vgl. 9,3. 4 ) Ausgenommen Jon. 2, 6. Hab. 3,10. Ps. 42, 8. Hiob 28,14. ') Hos. 13,14. 4 ) I Mos. 1, 11. 24. 2,7. 3,19. Hiob 1,21. Ps.90,3. 139,15. 146,4. Pred.12,7. Jes.-Sir.40,1. Weish.Sal. 15, 8; s B a u d i s s i n , Adonis S.20f. ') S a c h a u , Aramäische Papyrus u. Ostraka. 1911. Tafel20. Kol.7,6. Tai. 32, 3. 8 ) III Mos. 19,9. Vgl. B e e r , Zeitschr. d. a. t.lichen Wissenschaft 1911, S. 152.

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gärten nicht ganz abernten und nicht alle Früchte von den Obstbäumen nehmen, sonst wird der Geist böse und entweicht, und das Feld verdorrt, oder der Baum geht ein. Die uralte Feier des Sabbat und Neumondes ist ohne den Glauben an besondere Gestirngötter nicht gut denkbar 1 ). Beim ersten Austrieb im Frühling feite man die Herden durch ein Opfer an den Mondgott und stellte ihre Mehrung unter seinen Schutz. Das möchte der Ursprung des Passaopfers sein 2 ). Traut man doch allenthalben dem Mond Einfluß auf das Geschlechtsleben zu 8 ). Noch in dem Schöpfungsbericht von P blickt in dem, ihnen freilich hier von Elohim übertragenen Herrscheramt der Gestirne etwas von ihrer ehemaligen Vergötterung hindurch 4 ). Besonders in der Zeit Manasses blühte, vornehmlich in der Hauptstadt Jerusalem, der Gestirnkult 5 ). Damals war er durch die politische Lage, die Abhängigkeit von Mesopotamien, dem klassischen Lande des Gestirndienstes empfohlen. Nach dem Beispiel der Siegerstaaten richteten sich schon in der Antike die besiegten Länder. Gestirnkult ist aber von jeher in Kanaan in Schwang gewesen. Das beweisen u. a. Ortsnamen wie Bet-Schemesch, 'En-Schemesch, Har-Cheres und Timnat-Cheres. Spielt doch in Timnat-Cheres ein Teil der Abenteuer des Sonnenhelden Simson sich ab, und ist Bet= Schemesch benachbart der Heimat des Recken 6 ). Bei Jericho, der Mondstadt 7 ), wo der Mondgott sein Absteigequartier hat, erscheint dem Josua ein Mann mit gezücktem Schwert

l

) Beer, Der Mischnatractat „Sabbat". Ausgewählte Mischnatractate, hrsgb. v. Fiebig. 1908 S. 11 ff. *) B e e r , Pesachim. Die Mischna hrsgb. v. Beer u. Holtzmann 1912 S. 12. 14. *) Bau di s s i n , Mond bei den Hebräern. Realencyklop. f. protest. Theol. u. Kirche ' XIII, S. 341 ff. ') I Mos. 1,16. 18. •) II Kön. 23,4. 5. 11. 12. «) Rieht. 14,1. 2. 5. ') K i t t e l , Gesch. d. Volkes Israel I*—• S. 183.

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und stellt sich als Führer des Kriegsheeres Jahwes vor 1 ). Ursprünglich ist es wohl der Mondgott selbst, der hier das Aussehen eines Kriegers angenommen hat 2 ). Demselben Josua ist in der Schlacht bei Gibeon das bekannte Gebet in den Mund gelegt: „Sonne stehe still zu Gibeon und Mond im Tale Ajjalon" 8 ). Sonnenrosse und Sonnenwagen kennt wie die griechische auch die hebräische Mythologie 4 ). Im feurigen Wagen mit feurigen Rossen bespannt — so erzählt die Heroenmär — ist einst Elia gen Himmel gefahren 6 ). Zu den Sternen versetzt, ist er nun einer der Mitstreiter der himmlischen Heerscharen geworden 6 ). Noch bei Daniel werden die frommen Märtyrer zu den Sternen entrückt 7 ). In mehreren Geschichten der Genesis ist Jahwe der Himmelsherr 8 ). Einer der Himmelsgötter hat ihm hier weichen müssen. In Bethel schaut Jakob, wie Engel auf der bis zum Himmel reichenden Leiter auf- und niedersteigen — offenbar sind sie hier noch ohne Flügel gedacht — und den Verkehr mit dem Himmelsgott vermitteln 9 ). Den Knecht Abrahams geleitet auf der Brautsuche für den Herrensohn ein Bote des Gottes des Himmels und der Erde 1 0 ) und bringt ihn an das gewünschte Ziel. Ganze Scharen von Engeln begegnen dem Jakob, als er aus der Fremde heimkehrt, bei Machanajim u ) . Daß die l)

') 1926, S. ') ') ') «) ') •) 9) 10 ) ")

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Jos. 5, 13 f. H. D u h m , Der Verkehr Gottes mit den Menschen im A. T. 8. Jos. 10, 12. II Kön. 6, 17. 23, 11. II Kön. 2, 11. „Zebaöt". - Matth. 26, 53. Dan. 12, 3. z. B. I Mos. 11, 1 - 9 . 19, 24. 28, 1 0 - 1 2 . I Mos. 28, 12. I Mos. 24, 7. I Mos. 32, 3.

Israeliten einst auch an Halbgötter glaubten, lehrt das kleine Fragment Gen. 6,1—4. Die vielen Geschichten von den Gräbern der Patriarchen lassen sich gar nicht anders verstehen, als daß es sich hier um Kultplätze für die Ahnen, die Nothelfer der Nachfahren handelt *). So kann David sein Fernbleiben von der Hoftafel Sauls damit entschuldigen, daß er sich an der Geschlechtsfeier am Neumond beteiligen müsse 2 ). Noch heut lebt in Palästina der Ahnenkult unter der Hülle des Monotheismus gleich sehr bei Juden, Christen und Moslemen als ein Überlebsel aus der Urzeit fort 8 ). Nicht bloß konnten nach dem Tode berühmte Personen vergottet werden — dem Saul zaubert die Hexe von Endor den Totengeist Samuels herbei 4 ) — sondern schon bei Lebzeiten. So der Stamm- und der Heerführer, der Zauberer, der Priester, später der Profet und der König. Den David verglichen schon die Zeitgenossen mit dem Engel Jahwes 6 ). Mit der Gesichtsmaske versehen, stellt Mose vermutlich den präsenten Gott dar 8 ). Auch gewisse Tiere konnten als höhere Wesen gedacht werden. Es sei nur erinnert an die Stiergötter von Dan und Bethel, die Symbole oder Verkörperungen des 0 Grab der Sara I Mos. 23; Abrahams I Mos. 25, 1 - 1 0 ; Deboras 3 5 , 8 ; Raheis 35, 1 6 - 1 9 (vgl. Jer 31,15); Isaaks 35,29; Jakobs 49, 29—33. Man besucht die Ahnengräber für Orakelzwecke Jes. 63, 16. Jer. 31,15. Jes. Sir.46,11 f. Im Arabischen ist w e l i , Plural a u l i j a (neuarab. ü l i j a ) der Heilige bzw. auch sein Grab. Mit Recht stellt S e l l i n , Gesch. d. israel. jüd. Volkes I 30f. den a. t.lichen Gräberkult in Parallele zur Verehrung der Weli's im heutigen Palästina. Vgl. auch B u d d e , Altisrael. Religion» S. 35f. ') I Sam. 20, 6. ') C u r t i s s , Ursemitische Religion 1903 S. 81 ff. *) I Sam. 28, 13 f. ") I Sam. 29, 9. II Sam. 14,17. 19, 28. „Leuchte Israels" 21, 17. „Stern aus Jakob" IV Mos. 24, 17, vgl. B e e r , Saul, David, Salomo1906 S. 45. •) II Mos. 3 4 , 2 9 - 3 5 . Vgl. G r e s s m a n n , Mose S. 251.

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Wettergottes J ). Sie sind nicht erst eine Neuerung Jerobeams, wie die ihm feindliche Überlieferung es darstellt, sondern wahrscheinlich eine Rückkehr zu der älteren, durch den Jahwekult beim Jerusalemer Tempel verdrängten und überholten kultischen Praxis. Als Begründer des Schlangenidols beim Jerusalemer Tempel gilt Mose 8 ). Es handelt sich dabei um einen nach dem Grundsatz similia similibus gegen den Schlangenbiss feienden Schlangengott. Als ursprüngliche Tiergötternamen, die dann als Stammnamen gebraucht wurden, werden vielfach Namen wie Lea = Kuh, Rahel = Mutterschaf u. a. angesehen s ). Das Wohl des Zeltes oder des Hauses untersteht den Haus-, Ehe- und Familiengöttern. Grund und Boden des zu erbauenden Hauses werden durch ein Opfer an den genius loci geschützt 4 ). W i e es scheint, wurde bei der Jahreswende im Frühling das Zelt, bzw. das Haus durch ein blutiges Abwehropfer gegen den Seuchengott—maschchit genannt — gefeit 5 ). Heilig ist der Hauseingang; besonders die Schwelle. Hier halten die Schwellengeister Wache 6 ). Später behütet Jahwe den Ausgang und den Eingang 7 ). Beim Türpfosten — den noch heute nicht bloß bei den orthodoxen Juden die bekannte Kapsel mit Toraabschnitten als Schutzmittel ziert — befinden sich die Penaten, Terafim benannt. Dort wird auch die feierliche Ohrdurchpfriemung des zu ewiger Hörigkeit sich verpflichtenden Sklaven vollzogen 8 ). Als priapischer Hausgott wird der Jeftach, der Eröffner des Mutterschoßes zu denken sein, der sich hinter ') I Kön. 12, 25 ff. *) II Kön. 18, 4 - IV Mos. 21, 9. *) Vgl. H ö l s c h e r , Gesch.d israelitischen u.jüdischen Religion § 9 „Totemismus". 4 ) I Kön. 16, 34. •) II Mos. 12, 23. Vgl. B e e r , Pesachim S. 18. •) II Mos. 12, 7. 21,6. V M o s . 6 , 9 . 11,20. ISam.5,5. II Kön. 12,10. Zeph. 1, 9. 0 Ps. 121, 8. ") II Mos. 21, 6.

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dem Namen des Richters Jeftach birgt 1 ). Heilig ist der Herd und das Feuer darauf. Dem Hausgott wirft noch heute die arabische Frau von dem Brotkuchen, den sie backen will, das erste Stückchen Teig ins Feuer. Sicher glaubt sie dabei dem Großgott Allah keinen Abbruch zu tun 2 ). Gad, der auch als Stammname vorkommt, und „Glück" bedeutet, galt als der Gott des glücklichen Zufalles. Die Haus- und Familiengötter sind Jahwes Konkurrenten nicht bloß als Natur-, sondern vor allem als ethische Wesen: bewachen sie doch die Ordnung und Sitte der Familie 3 ). Ja der Ahnenkult möchte die Brücke zu der Ethisierung der übrigen Götter bilden. Die Alten, die bei Lebzeiten die Wächter des Herkommens und des Brauches sind, behalten nach ihrem Tode, zu Göttern erhoben, ihr Wächteramt weiter, das aber bei der Verwandtschaft der Götter untereinander auf andere, besonders stärkere Götter übergehen kann und grade an ihnen nun die kräftigste Stütze findet. Ebenso wird die Vorstellung, daß die Götter die Väter der Familie, des Stammes und zuletzt des Volkes sind, von der natürlichen Erzeugerschaft der nach dem Tode vergotteten Eltern ihren Ausgang haben. Es ist also eine Schar schier unzählbarer göttlicher Wesen, die nach der Vorstellung des ältesten Israel Erde, Himmel und Unterwelt bevölkern und in das Menschenleben freundlich und feindlich eingreifen. Gewiß ist in allen alten religiösen Texten des Alten Testaments, oder mindestens in den meisten die Suprematie eines Obergottes irgendwie gewahrt. Einzelne Gottwesen, wie z. B. die Engel, gelten als Manifestationen des Großgottes, etwa Jahwes. Hier und da mögen spätre Redaktionen in monotheistischem Interesse in die Texte eingegriffen und allzu krasse und krause Polytheismen daraus entfernt, oder übermalt haben. ') So H. D u h m , Der Verkehr Gottes mit den Menschen im A. T. 1926 S. 29. ') D u h m , ebenda S. 29. ') Über Ahnenkult s. H ö l s c h e r a. a. O. § 12.

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Im ganzen aber dürfte das in den jetzigen Erzählungen noch erkennbare, in den Schöpfungsgeschichten z. B. bereits von G o e t h e 1 ) durchschaute, Durcheinander von Polytheismus und Monotheismus, das stärkere Hervortreten bald der einen, bald der anderen Gottesvorstellung, den Texten von Anfang an angehaftet haben. Wohl sind später durch das erneute Vordringen des Jahweglaubens in den Zeiten nach Mose die alten und die inzwischen neu hinzugekommenen polytheistischen Bestandteile der Religion Israels etwas zurückgedrängt worden, und ist schließlich die Alleinverehrung Jahwes die offizielle Religion des nachexilischen Judentums gewesen. Gleichwohl bilden die polytheistischen Elemente den Urgrund der allmählich sich überhöhenden alttestamentlichen Religion und lassen sich unschwer sogar noch in der Religion der heutigen Palästinenser, z. B. in dem Gräber- und Heiligenkult und im Amulettglauben wiedererkennen. Fragt man nach den Haupteigenschaften der Geister und Götter, so ergibt sich die Antwort am besten durch einen Vergleich mit dem, was die Antike über den Menschen aussagt s ). Die Götter sind all das, was der Mensch ist, im Superlativ. Sie sind nicht mit der Schranke und Schwere des irdischen Daseins behaftet. Sie leben ewig, der Mensch aber stirbt, nicht einmal sein Name besteht fort. Die Götter leben nicht bloß in alle Ewigkeit, sondern sind von Ewigkeit her. Nach dem Ursprung der Götter zu fragen, kommt dem Antiken nicht bei. Trotz ihrer Unsterblichkeit teilen aber wieder die Götter mit den Menschen das Be') West-östlicher Divan: in E r s c h a f f e n u n d B e l e b e n . „Die Elohim zur Nas' hinein Den besten Geist ihm bliesen." ') Vgl. G u n k e l , Gottesbegriff im A. T. Religion in Geschichte u. Gegenwart II Sp. 1530ff. B a u d i s s i n , Adonis u. Esmun 1911, S. 495 ff. H . D u h m , Verkehr Gottes mit den Menschen im A. T. 1926 § 3.

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dürfnis nach Nahrung'). Die bei Abraham gastenden Übermenschlichen bringen einen Riesenappetit mit. Zur Stärkung der drei Gäste schlachtet Abraham ein junges Rind und bäckt Sara aus 37 Liter Mehl Kuchen 2 ). Die Trinkportionen sind nicht näher angegeben. W o das Opfer als Speise der Gottheit angesehen wird, hat der Antike geglaubt, daß die Götter nach Menschenart essen und trinken und hat weiter angenommen, daß er selbst den Göttern Kraft zuführen müsse, um sie am Leben zu erhalten. In der Paradiesesgeschichte blickt der Gedanke durch, daß die Götter ihre Unsterblichkeit dem Genuß von den Früchten des Lebensbaumes verdanken 3 ). Die Götter sind stärker, klüger und besser als die Menschen. Von Jakob erzählt zwar die Sage, daß er einst einen Gott niederrang 4 )- Aber im übrigen weiß der Mensch von vornherein, daß wenn er einem Gott gegenüber treten wollte, er immer den Kürzeren ziehen würde. Die physische Überlegenheit der Götter kommt am besten darin zum Ausdruck, daß der Mensch zu Tode erschrickt, wenn er ihnen begegnet 6 ). Daher der häufige Beschwichtigungszuruf der Götter: Fürchte dich nicht! Eifersüchtig wachen die Götter darüber, daß der Mensch die ihm gesetzte Schranke nicht überschreite. So zerstreute Jahwe die Menschen, als sie in titanenhaftem Trotz einst einen bis zum Himmel ragenden Turm zu bauen begannen 6 ). U n geachtet starker Vermenschlichung bewahrt die Gottheit beim Verhör der ersten Menschen ihr Mehrwissen und sagt ihnen auf den Kopf drauf den ganzen Sachverhalt, den sie nur versteckt andeuten 7 ). Ohne weiteres kennt und ruft *) Vgl. W e n d e l , Das Opfer in der altisraelitischen Religion 1927 S. 32-56. *) I Mos. 18, 6 f. «) I Mos. 3, 22. 4 ) I Mos. 32, 25 ff. ') So gleich in der Paradiesesgeschichte I Mos. 3, 10. ') I Mos. 11,1-9. ') I Mos. 3,11 ff.

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der Engel die Hagar bei Namen; er weiß ihre Lebensgeschichte und sagt ihr voraus, daß sie einen Sohn gebären werde, der die der Mutter angetane Schmach rächen wird 1 ). Andrerseits fehlt wiederum der Gottheit noch viel an Unbeschränktheit. Jahwe muß erst vom Himmel herunterfahren, um genau zu sehen, was die Menschen in Babel treiben 2 ). Ein andres Mal muß er sich in Sodom selbst überzeugen, ob die Bewohner so schlimme Leute sind, wie ihm berichtet worden ist 3 ). Wohl sind die Götter nicht frei von Laune, sie sind eben Machtwesen, den Menschen für ihr Tun nicht verantwortlich. Trotzdem binden sie sich selbst an feste Normen. W o Menschen macht- oder willenlos sind, dem Unrecht zu steuern, greifen die Götter ausgleichend ein. Jahwe hilft den in Ägypten versklavten Israeliten gegen ihre fremden Ausbeuter 4 ). Er wacht über dem unschuldig vergossenen Blut Abels s ); er straft den Onan wegen seiner Lieblosigkeit gegen den kinderlos verstorbenen Bruder 6 ); er rächt den von Saul an den Gibeoniten begangenen Eidbruch 7 ). Schon nimmt sich Jahwe einer fremden Magd, der Hagar, in selbstverschuldeter Not an 8 ). Sind die Götter auch noch nicht rein ethische Wesen, so besitzen sie doch ethische Eigenschaften. Bereits vor Mose hat die Religion Israels den Standpunkt der bloßen Naturreligion zu verlassen begonnen 9 ). Die Überlegenheit der Götter erklärte sich schon das antike Israel daraus, daß die Götter aus r u ' a ch „Geist" ») I Mos. 16,7 ff. ') I Mos. 11,7. •) I Mos. 18, 21. 4 ) II Mos. 3, 7 ff. •) I Mos. 4, 9 ff. •) I Mos. 38,10. 0 II Sam. 21,1. ») I Mos. 16 u. 21. *) Baudissin, Der gerechte Gott 1921 S. 20.

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bestehen, der Mensch aber b a s a r „Fleisch" ist 1 )- Nur in seiner Seele ist eine Zeitlang ein Teilchen Götterstoff mit dem Körper vereint. Vielleicht bedeutet auch der viel erklärte Namen „Jahwe" — seine semitische Herkunft vorausgesetzt, was vorab das Wahrscheinlichste ist — nichts anderes als der „Haucher" d. h. das Wesen, das Hauch, oder Geist ist 2 ). Jahwe = Geist ist dann ebensoviel wie „Gott" — um so leichter war darum die Übertragung der Eigenschaften anderer Götter auf „Jahwe". Als Geister sind nun aber die Götter weit davon entfernt, körperlose Wesen zu sein. Im Gegenteill Sieht man ab von den tiergestaltigen, bzw. den halb mensch-, halb tierartigen Göttern, z. B. den Keruben und Sarafen, so werden die Götter in Menschengestalt gedacht. Aber die Gestalt ist nicht an irdische Raumgrenzen gebunden, auch kann sie wechseln. Der Israelit hat männliche und weibliche Gottheiten gekannt3). Beschreibungen weiblicher Gottheiten fehlen im Alten Testament bis auf die dürftigen Angaben über Scheol 4 ). Im allgemeinen herrscht der männliche Typ vor. Seinen Jahwe hat Israel sich immer als Mann vorgestellt und zwar in der Vollkraft der Jahre. Erst im Danielbuch heißt er der „Alte der Tage" 5 ). J e nach Umständen und Bedarf nimmt Jahwe verschiedene Gestalten an. Am häufigsten erscheint er als reckenhafter Krieger 6 ). Als vornehmen Landmann, in der Kühle des Tages sich im Garten ergehend, zeigt ihn die Paradiesesgeschichte7). Als Wan») Jes. 31, 3. s ) So B. D u h m , Israels Propheten 1916 S. 34. ') Siehe S. 20. 4 ) Jes. 5, 14 ist Scheöl als ein Ungeheuer mit einem Riesenrachen gedacht. ') Dan. 7, 9. 13. 22. •) Vgl. G r e s s m a n n , Der Ursprung der israelitisch-jüdischen Eschatologie 1905 § 10. ') I Mos. 3,8.

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derer kehrt er bei Abraham in Hebron ein 1 ). Ganz für sich steht die Sodomgeschichte, wo die Götter schönen Jünglingen gleichen 8 ). Wie stark menschlich Jahwe gedacht ist, lehrt der Umstand, daß allenthalben im Alten Testament von seinen Augen, seiner Nase, seinen Ohren, seiner Hand, seinem Rücken usw. geredet wird. Immer ist er bekleidet vorgestellt. Trotzdem fehlt im Alten Testament eine zusammenfassende, haarscharfe Beschreibung Jahwes. Warum? Gewiß zum Teil wegen mangelnden Könnens der Erzähler. Der Israelit ist kein Künstler wie der Grieche. Der jüdische Bildhauer oder Maler ist erst eine Erscheinung des modernen, besonders des Assimilationsjudentums. Zum anderen, und zwar zum größeren Teil, geschieht es wegen mangelnden Wollens: aus Furcht und aus Ehrfurcht! Denn das Bild ist für den Orientalen der treue Doppelgänger des Abgebildeten. Wer weiß, wie die Gottheit gesinnt ist? Hast du ihr Bild in der Nähe, so kann es dir leicht zum Schaden gereichen! Haben wir doch auch das Sprichwort: Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, sonst kommt er! Das Bild zaubert den Abgebildeten herbei. In die Angst vor dem Götterbild spielt das Furchtmotiv der semitischen Religion mitherein, worüber gleich nachher. Rohe Anfänge von Götterbildern mögen freilich im ältesten Israel vorhanden gewesen sein. Man denke etwa an Amulette, Schlangenstab, Terafim u. ä. 3 ). Wie die Menschen haben auch die Götter gewöhnlich einen Sondernamen, den sie freilich oft nur widerwillig kundgeben, den aber anzurufen, Recht und Pflicht ihrer Anhänger ist. Auch dem Mose hat, sogar noch nach der Schilderung des Elohisten, Jahwe nur halb widerwillig seinen Rufnamen verraten 4 ). Wie dem Bild haftet auch dem Namen ein Zauber an. Der Name ist die klangliche ') ") ') 4)

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I Mos. 18, 2 f. I Mos. 19, 5. Vgl. I Mos. 35,4. II Mos. 32, 4. II Mos. 3, 14.

Verdoppelung des Gerufenen, er zwingt den Gerufenen herbei. U n d um diesem Zwang zu entgehen, verschmäht oft die Gottheit — gleich dem Unhold, der mit Jakob ringt *) — ihren Namen zu nennen. W o ein fester Verkehr zwischen der Gottheit und ihren Verehrern besteht, ist der Rufname der Gottheit das Siegel dafür. So führt der Gott, der bei dem Brunnen in der Wüste, wo er der Hagar erschienen ist, den Namen 'el r ° ' i 2 ) ; oder so heißt der Gott von Bersaba 'el o l ä m 8 ) , der von Bethel 'el b e t e l 4 ) , oder schwört Jakob bei dem Gott p a c h a d j i s c h a k 5 ) . Durch den bestimmten Namen unterscheiden sich die Götter von den niederen Geistern, oder den Dämonen, mit denen sie doch nicht bloß artverwandt, sondern ursprünglich identisch sind. Sucht man einen Generalbegriff, der die Überlegenheit der Geister und Götter über die Menschen umschreibt und das enthält, was sie eben zu Geistern und Göttern macht, so ist es das Wort k a d ö s c h , was wir gewöhnlich mit „heilig", vielleicht besser mit „erhaben" übersetzen 6 ). Die Grundbedeutung ist umstritten und schwankt zwischen „glänzend" und „abgesondert" 7 ). Mag das Eine, oder das Andere richtiger sein: Kadösch ist das unheimliche Etwas in den den Menschen umgebenden Dingen, das wie eine bannende Macht auf seine Sinne wirkt. Diese Kraft geht von allem aus, was einen gewaltigen Eindruck hervorruft, Furcht erweckt. Der Furcht gesellt sich früh das Vertrauen bei, mag es sich zunächst auch nur in dem unmittelbaren Drang des sich Unterwerfenmüssens des Schwachen unter ') I Mos. 32, 30. ') I Mos. 16, 13. ') I Mos. 21, 33. 4 ) I Mos. 31, 13. *) I Mos. 31,42. 53. *) G u t h e in K a u t z s c h - B e r t h o l e t , Die Heilige Schrift des A. T . 4 I S. 599. ') S m e n d , Alttestamentliche Theologie' 1899 § 17. S t a d e , Biblische Theol. des A. T. § 34. 49.

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den Stärkeren äußern. Das Alles umfaßt das Wort „kadosch": es ist das, was den Menschen mit Schauern erfüllt, ihn abstößt und doch gleichzeitig wieder unwiderstehlich anzieht. "Wie sehr das Heilige ursprünglich als eine gefährliche, ja todbringende Macht gedacht wurde, lehren u. a. die Berichte über die heilige Lade, obwohl sie aus der Zeit stammen, als der Jahweglaube unter dem Einfluß der Mosestiftung sich bereits kräftiger durchzusetzen begonnen hatte 1 ). Als Ussa bei der Heimholung der Lade aus dem Philisterlande mit der Hand sie berührte, loderte Jahwes Zorn auf und schlug ihn, daß er starb 2 ). Einigen Leuten in BetSchemesch, wo die Lade zuvor Halt gemacht hatte, trug schon das neugierige Betrachten des unheimlichen Schreins den sofortigen Tod ein 3 ). Selbst David empfand vor ihr Grauen und wagte erst sie nach dem Zion zu bringen, als Jahwe das Haus Obeds, wo sie probeweise auf ihre Gefährlichkeit untergestellt war, gesegnet hatte 4 ). Das Heilige wirkt hier, modern geredet, wie ein elektrischer Strom, der sich durch Berührung entladet, ja auch ohne unmittelbaren Kontakt, Fernstehende treffen kann. Das Wort „Heilig" hat hier noch einen ganz materiellen Inhalt, es ist das Fluidum, das in seinen Trägern pulst, es ist die göttliche Potenz 6 ). Die Ethisierung des Begriffs, wenn auch von Anfang nicht ganz von ihm ausgeschlossen, ist wesentlich erst durch die Profeten erfolgt, worauf ich hier nicht näher einzugehen brauche. ') •) ») 4) •)

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I Sam. 4—6. II Sam.6. II Sam. 6, 7. I Sam. 6, 19; s. W e l l h a u s e n u. N o w a c k z. St. II Sam. 6, 11 ff. S m e n d a. a. O. S. 147.

III. Dynamismus. Geschichten wie die über die Lade lassen uns eine ältere Religionsstufe erkennen, die vor der Verehrung eigentlicher Götter liegt. Das ist die Eingangs erwähnte dynamistische Religionsstufe1). Es gab einmal eine Periode, wo der Mensch das Heilige, das Zauberische, das Schreckliche, das Wunderbare Kräften oder Mächten zuschrieb, die den Dingen innewohnen, ja von ihnen selbst nicht verschieden sind, Was irgendwie die Phantasie des Antiken erregte, galt ihm als ein Gefäß, Raum, Behälter oder Speicher heiliger, wunderbarer Kräfte und Mächte. Der geheimnisvolle Stein ist an sich ein Gegenstand des Schreckens und Staunens. Scheint doch in dem Stein ein inneres Leben vorhanden. In die Höhe geworfen, kehrt er wieder zurück. Der Schlag auf den Stein entlockt ihm einen Schall, oder läßt Feuer aus ihm hervorsprühen *). So ist auch die heilige Lade an sich ein unheimlicher Kraftbehälter. Daß J a h w e s Grimm aus ihr hervorzischt, ist erst etwas Sekundäres. Solche heilige, zauberische Kräfte besitzt der Mensch vor allem in sich selbst 8 ). Z. B. in seinem Auge — wer kennt nicht die Macht des bösen Blicks im Orient?; in seinem Blut — in ihm sitzt das Leben; in seinem Wort — es enthält die Mächte des Segens und Fluches. Heilig ist der Phallus — das beweist u. a. der Schwur bei ihm 4 ). Unheimliche Kraftwirkungen gehen von der Leiche aus — daraus erklärt sich ein gut Teil der Trauerriten, die die Macht des Todes zu bannen bezwecken6). In Kleider und Geräte können die Kräfte

') ') *) ') 3

S. 6. s. B e e r , Steinverehrung bei d. Israeliten 1921 S. 8ff. s. B e r t h o l e t , Das Dynamistische im A. T. 1926 S. 10. 13 f. 17. I Mos. 24,2. 47,29. B e r t h o l e t a. a. O. S. 21 ff.

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hervorragender Menschen übergehen. Elia zaubert mit dem Mantel 1 ), Elisa und Mose mit dem Stabe 2 ). Der gemeinsame Name für alle solche Kräfte und Mächte ist 'el. Die bekannte alttestamentliche Redewendung: j e s c h l e ' e l j a d i bedeutet: es steht in der Macht meiner Faust®). 'El ist bekanntlich nun aber zugleich auch die Bezeichnung für „Gott". Das ist nicht wunderbar. Gott ist die persönlich gewordene Kraft oder Macht 4 ). Die Götter sind Machtwesen. Damit tritt die dynamistische Weltanschauung in die spezifisch religiöse ein. Als der Mensch von der Natur sich zu unterscheiden begann, als Persönlichkeit sich fühlte, die Seele in sich entdeckte, da hat er auch den Dingen, die er vorher mit Kräften und Mächten ausstattete, eine Seele geliehen, seine Seele in die Dinge hineingetragen. Die Beseelung der Naturgegenstände ist ein Fortschritt gegenüber ihrer Auffassung als Machtzentren. Mit dem uranfänglichen Monotheismus Israels 6 ) ist es nichts — aber in dem k a d ö s c h - B e g r i f f , dem sich auch auch die dynamistische Religionsstufe eingliedert, mag man ein über und hinter den Geistern und Göttern und ihren Vorgängern, den kraftgeladenen Dingen schwebendes Höheres, ein allgemeines Etwas erblicken, vergleichbar etwa dem unpersönlichen O r e n d a 8 ) , oder dem freilich schon mehr persönlich gedachten M a n a 7 ) . In der Religion der israelitischen Stämme vor Mose, die wir u.a. aus den Patriarchengeschichten der Genesis kennen lernen, ist diese Urperiode des Heiligen ( k a d ö s c h ) überwunden, in eine höhere Religionsform aufgenommen; in Reststücken und umgedeutet ') I Kön. 19,19. II Kön. 2, 8. (14). ») II Kön. 4,29 - II Mos. 4, lff. 17, 8 ff. ») I Mos. 31, 29. Mich. 2,1. Prov. 3, 27; verneint V Mos. 28,32. Neh. 5, 5. *) B e r t h o l e t a. a. O. S. 44. - ') Vgl. S. 3. *) S ö d e r b l o m - S t ü b e , Das Werden des Gottesglaubens 1 1926 S. 44. ') S ö d e r b l o m a. a. O. S. 83.

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durch den Einfluß des Polytheismus und des beginnenden Monotheismus lebt sie ununterbrochen weiter. Die Götter wirken gern im Dunklen, von den Irdischen unbelauscht. Jahwe läßt den ersten Menschen in tiefen Schlaf sinken, als er aus der Rippe des Mannes die Frau schafft1). Das Strafgericht über Sodom vollzieht sich bei Nacht 2 ). Der Unhold kämpft mit Jakob bis Sonnenaufgang 3 ). In der nächtlichen Herberge überfällt Jahwe den Mose 4 ). Hier schauen wir einen der Wege, die zur Vermenschlichung, oder besser noch zur Verpersönlichung der Götter führten. Die auch im Traume tätige und schöpferische Phantasie ist dabei im Spiele. Weiter mag dann zur Ausschmückung der Göttergestalten die Helden- und Heilbringermär beigetragen haben 6). Wir hörten ja schon von der Bedeutung des Ahnen- und Heroenkultus für die Geschichte des Gottesglaubens 6 ). Je mehr das Heilige als die dem Menschen wohltätige, sein Leben fördernde und erhaltende Kraft geschätzt und begehrt wurde, desto mehr wurde die andere Seite des Heiligen, das dem Menschen Schädliche und Tödliche verabscheut und gemieden. Dadurch wurde eine Scheidung der Geister in gute und böse vollzogen. Die guten Geister stiegen nun zu Göttern auf, die bösen aber sanken zu Dämonen herab. Allen Göttern jedoch, besonders dem Gott Jahwe hat immer — letzterem auch in den Zeiten nach Mose — etwas Dämonisches weiter angehaftet 7 ). Es ist das Herrische, Leidenschaftliche, Unberechenbare. Jahwe ist ein 'El k a n n ä l 8 ) . ') I Mos. 2,21. - *) I Mos. 19,15. ') I Mos. 32, 27. 32. — *) II Mos. 4, 24. «) H ö l s c h e r , Gesch. d. isr. u. jüd. Religion 1922 S. 43. •) S. 25. Ö V o l z , Das Dämonische in Jahwe 1924, S. 39. S ö d e r b l o m a. a. O. S. 275. 8 ) II Mos. 20, 5. 34, 14. VMos. 4, 24. 5, 9. 6, 15. - 'El kanno Jos. 24,19. Nah. 1, 2.

3*

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Das führt uns zum Schluß auf einen Hauptunterschied zwischen den semitischen und den indogermanischen Göttern. Den Semiten trennt von seinen Göttern eine breite Kluft, die er trotz der Glut und Leidenschaft seines Empfindens nie überspringt. Der weniger realistische, aber gemütsreichere und phantasiebegabtere Indogermane sucht den Abstand zwischen Gott und Mensch durch Gefühl und Intuition aufzuheben und ein innigeres Verhältnis anzubahnen 1 ). Daher haben wir auf hebräischem Gebiet die vielen Bezeichnungen für das „Herr" sein der Götter: 'el = Macht, ba'al u n d ' a d o n = Herr, melek = König 2 ). Zwar fehlt es im Alten Testament nicht an Personennamen, die die Verwandtschaft zwischen Gott und Mensch ausdrücken; so gibt es z. B. mit 'ab „Vater", 'ach „Bruder" a m und d ö d „Verwandter" zusammengesetzte theophore Namen. Aber diese Namen wurzeln „in den religiösen Vorstellungen des Nomadenlebens der alten Semiten" s ) und gehören ursprünglich den Ahnen-, Familien- und Hauskulten, den Vorstufen der Stammes- und Volkskulte an. Im übrigen braucht man sich für das Alte Testament nur zu erinnern, daß der Verehrer der Gottheit hier vorzugsweise als der Knecht ebed gilt,und daß der Kult eine ' a b o d a ein Gottes„dienst" ist, so wird man die allgemeine Richtigkeit der obigen Charakteristik der semitischen Religion zugeben. Es mag sein, daß klimatische, soziale und politische Verhältnisse den Unterschied zwischen semitischer und indogermanischer Religion schärfer ausgebildet haben — im wesentlichen wird er in der verschiedenen Charakteranlage der Semiten und ') H. D u h m , Verkehr Gottes mit den Menschen im A. T. 1926 S. 99. •) S t a d e , Bibl. Theol. des A.T. § 27. ') N o t h , Gemeinsemitische Erscheinungen in der israelitischen Namengebung, Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 1927, 1—45, S. 45. — Zu dem gleichen Resultat war auch schon S t a d e a. a. O. S. 39f. gelangt.

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Indogermanen begründet sein. Die semitischen Religionen sind überwiegend theokratisch, die indogermanischen anthropokratisch l ). Deshalb fehlt auch in der echten semitischen Religion die Mystik. Der Dichter des gottinnigsten biblischen Psalms preist als sein höchstes Glück die N ä h e der Gottheit 2 ) — nicht aber das völlige Einswerden mit ihrl Der Sufismus d. h. die Mystik ist im Islam — das ist d e r semitischen Religion, die am meisten die Distanz zwischen Gott und Mensch innehält — ein fremdes Gewächs 1 Die größten Mystiker des Islam ein Al-Gazäli, Dscheläl ed-dìn er-rümi und Chàfiz waren keine Araber s ). Für die echten Araber gilt der klassische Satz des Koran : A l l ä h u l a m j a l i d w a l a m j ü l a d : „Allah hat nicht gezeugt und ist nicht gezeugt" 4 ). Gott und Mensch bleiben getrennt. Das Christentum ist die Versöhnung zwischen theokratischer und anthropokratischer Religion 6 ) — dadurch ist es auch für die Indogermanen annehmbar geworden. Darum hat der Islam bei den Persern und Indern nur in der Form einer Verbindung mit der Mystik sich eingebürgert. Durch den vermenschlichenden Einschlag aber ist das Christentum — mit Ausnahme der semitischen Äthiopier — dem Semiten etwas Fremdes, und daher ist ihm das Judentum und sein Ableger, der Islam, ansprechender. Die Erweichung des Herrischen an Jahwe und den anderen Göttern Israels in den Zeiten vor Mose mag durch kulturelle und rassische Mischung und auch durch die sozialen Verhältnisse Kanaans begünstigt gewesen sein. Dem religiös interessierten Laien von heute, er sei Jude oder Christ, wird nicht selten geschehen, daß er vom Alten ') C. P. T i e l e , Einleit. i. d. Religionswissensch. I 1899 S. 133f. ') Ps. 73,28. B e e r , Bedeutung des Ariertums für die israelit.jüd. Kultur 1922 S. 12. Vgl. auch B a e c k , Ursprung u. Anfänge der jüdischen Mystik, Entwicklungstufen der jüdischen Religion 1927 S. 97. „Es findet [in der jüd. Mystik] keine Gleichsetzung von Gott u. Welt statt." •) Al-Gazäli-J-llll. Dscheläl ed-dîn er-rümi +1273.Châfiz+1389. *) Sûre 112, 3. - ') Rom. 1,16.

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Testament, besonders von den Teilen, die die Religion des ältesten Israel betreffen, nicht mehr völlig befriedigt wird. Er lebt in einer anderen religiösen Atmosphäre. Als Theologen sollen wir dem Laien solche Gedanken und Gefühle nicht einfach ausreden wollen. Wir haben aber die Pflicht, ihn zu belehren, daß auch Religion und Sittlichkeit dem Gesetz des Wachsens und Werdens unterstehen. Das Höchste ist nicht von Anfang an da. Was Paulus sagt: „Da ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind" 1 )» gilt auch für das Kindesalter der religiösen Menschheit. Das ist aber ungefähr der religiöse Zustand des ältesten Israel, obwohl es ihm bereits zu entwachsen beginnt. Wer Freude an Kindern hat, wird gern auch mit dem primitiven Religionszeitalter der Völker sich beschäftigen. Die Religionsgeschichte Israels ist die uns von allen vorchristlichen Völkern am besten bekannte. Und wer mit ihr etwas vertraut ist, der erkennt auch bald, daß in ihrer Entwicklung Sinn und Vernunft, Zweck und Ziel ist. Er wird dann aber auch imstande sein, die ersten Anfänge der Religion Israels mit der Fortsetzung und dem Endergebnis in Verbindung zu setzen. Furcht ist nach den alttestamentlichen Spruchdichtern der Anfang der Religion 2 ). Tatsächlich ist die Furcht für das Entstehen der Gottesvorstellung im ältesten Israel der stärkste Antrieb gewesen 8 ). Dies religiöse Urempfinden ist aber etwas allgemein Menschliches. Wiederholt es sich doch noch heute bei dem Kinde, das vor allen möglichen Gegenständen erschrickt. Es stellt sich bei dem Erwachsenen ein, der von etwas Neuem, ihn Überraschendem zur staunenden Bewunderung hingerissen wird. Es überkommt den ernsten Forscher, dem versenkt in die Tiefen seiner Wissenschaft sich plötzlich die Geheimnisse ungeahnter Wahrheiten entschleiern.

') I Kor. 13,11. - ') Prov. 1, 7. 9,10. -

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') I Mos. 20, 11 (E).

Furcht ist nach den gleichen Spruch Verfassern aber nicht nur der Anfang, sondern auch das Ziel der Religion. „So du die Weisheit suchest wie Silber . . . alsdann wirst du die Furcht des Herrn vernehmen und Gottes Erkenntnis finden1)." Ahnlich ist für den Psalmisten die Frucht des Glaubens an die göttliche Gnade die Furcht vor Gott: „Denn bei dir ist Vergebung, auf daß man dich fürchte 2 )." Religion ist Pietät, oder nach einem bekannten alttestamentlichen Profeten wort 8 ): „Demut vor Gott", höchstes sittliches Verantwortlichkeitsgefühl. Wer davon durchdrungen ist, der ist nach dem alttestamentlichen Weisheitslehrer im Einklang mit dem im Weltall waltenden göttlichen Naturgesetz 4 ). W o der Furchtgedanke in einer Religion ganz erstorben ist, da ist es auch zu Ende mit dem Glauben an eine höchste Macht, auf die man sich verlassen kann und bei der man sich geborgen weiß. Darum rät Paulus den Philippern: „Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern 5 )." Selbst auf der höchsten Religionsstufe schwingt das Furchtmotiv mit. „Wir sollen Gott fürchten und lieben." Nur ist nun die Furcht durch das ihr früh sich beigesellende Vertrauen zur Ehrfurcht vor dem Heiligen gesteigert und verklärt. Nur so bleibt Gott für uns Gott. Religion ist Abhängigkeits- und Geborgenheitsgefühl — 8 ) das kann uns schon die älteste Religion Israels lehren. ') Prov. 2, 4 f. *) Ps. 130,4. Vgl. B e r t h o l e t in Kautzsch-Bertholet, Die Heilige Schrift des A. T. 4 II 1923 z. St. «) Mich. 6, 8. - 4 ) Prov. 8, 22. 24. ') Phil. 2,12. •) W o b b e r m i n , Schleiermacher u. Ritsehl 1927 S. 17.

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Einzelwörterbücher zum Alten Testament 1. Geneil«, bearbeitet von Prof. B a u m g ä r t e l . 1926 — 1.20 Mk. 2. Jesaja, bearbeitet von Prof. H e m p e l . 1924 — 1.50 Mk. 3. Jeremla, bearbeitet von Prof. R u d o l p h . 1926 — 2 Mk. 4. Psalmen, bearbeitet von Prof. H e r r m a n n . 1924 — 1.40 Mk. 5. Dodekapropheton, bearbeitet von N. F r i e s . In Vorbereitung.

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