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German Pages [503]
Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski (Tübingen) · Mark S. Smith (New York) Hermann Spieckermann (Göttingen)
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Christoph Berner
Die Exoduserzählung Das literarische Werden einer Ursprungslegende Israels
Mohr Siebeck
Christoph Berner, geboren 1976; Studium der evangelischen Theologie sowie judaistische und altorientalistische Studien; 2006 Promotion; 2010 Habilitation im Fach Altes Testament; derzeit Assistent an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen.
e-ISBN PDF 978-3-16-151114-1 ISBN 978-3-16-150542-3 ISSN 0940-4155 (Forschungen zum Alten Testament) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. d-nb.de abrufbar. © 2010 Mohr Siebeck Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.
Meiner Frau
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 von der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Habilitationsschrift angenommen und für den Druck geringfügig überarbeitet. Mein herzlicher Dank gilt zuallererst Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Spieckermann, der mich als seinen Assistenten nicht nur auf vielfältige Weise gefördert, sondern mir auch den nötigen Freiraum gewährt hat, der es allererst möglich machte, die vorliegende Arbeit zu schreiben. Er hat ihr Entstehen stets mit Interesse und konstruktiver Kritik begleitet und auch das Erstgutachten erstellt. Herzlich danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Reinhard G. Kratz, der das Zweitgutachten übernommen hat. Er hat mich auf meinem akademischen Weg von der Judaistik ins Alte Testament immer unterstützt und mit seinem fachlichen Urteil seinen Teil zur Gestaltwerdung der Arbeit beigetragen. Mein Dank gilt schließlich auch Herrn Prof. Dr. Christoph Levin, der das Drittgutachten erstellt und manche hilfreiche Anregung zur Gestaltung der Druckfassung gegeben hat. Ich danke den Herausgebern Prof. Dr. Bernd Janowski, Prof. Dr. Mark S. Smith und Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Spieckermann für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe FAT und dem Verlag Mohr Siebeck, besonders Herrn Dr. Henning Ziebritzki und Herrn Matthias Spitzner, für die vorbildliche verlegerische Betreuung. Zum erfolgreichen Abschluß der vorliegenden Arbeit haben auch einige Personen einen entscheidenden Beitrag geleistet, die bisher nicht erwähnt wurden. Dies gilt einmal für meine Eltern sowie ferner für meine Schwiegermutter, deren Einsatz als Betreuer ihres Enkels Frederik eine große Hilfe war. Es gilt sodann für Frau Dr. Anja Klein und Frau Judith Krawelitzki, die sich als Korrekturleserinnen verdient gemacht haben. Ihnen allen sei herzlich gedankt. Ganz herzlich danken möchte ich schließlich auch meiner Frau, Dr. des. Birke Siggelkow-Berner, einmal für ihren Beitrag zum Korrekturprozeß, vor allem aber dafür, daß sie mir während der gesamten Habilitationsphase jenen familiären Rückhalt gegeben hat, ohne den ein erfolgreicher Abschluß des Verfahrens nicht möglich gewesen wäre. Ihr sei die vorliegende Arbeit gewidmet. Göttingen, im Juli 2010
Christoph Berner
Inhaltsverzeichnis Kapitel I: Einleitung.................................................................................... 1 1. Forschungsgeschichtliche Positionierung und Ziel der Studie ..................... 1 2. Zur Anlage der Studie................................................................................... 8
Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung (Ex 1) ........................ 10 1. Die Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus in der Priesterschrift.................................................................................... 11 2. Das vorpriesterschriftliche Scharnier zwischen Gen 50 und Ex 1 ............. 17 Exkurs: Wo spielt das Finale der Josephsgeschichte? .............................. 18 3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50 .......................................... 27 4. Ergebnis ...................................................................................................... 44
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4) .............. 49 1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt (Ex 2) ....................... 49 1.1. Der biographische Rahmen (Ex 2,1-22; 4,18-20*) ............................. 49 1.2. JHWH wird der Unterdrückung seines Volkes gewahr (Ex 2,23-25) ........................................................................................ 62 1.3. Ergebnis .............................................................................................. 65 2. Die Offenbarung am brennenden Dornbusch (Ex 3) .................................. 67 2.1. Der vorpriesterschriftliche Grundbestand der Dornbuschszene und die Genese von Ex 3,1-12 ............................................................ 68 2.2. Die Frage nach dem Gottesnamen (Ex 3,13-15)................................. 86 2.3. Mose und die Ältesten (Ex 3,16-20) ................................................... 88 2.4. Das Plünderungsmotiv (Ex 3,21f.) ..................................................... 99 2.5. Ergebnis ............................................................................................ 103 3. Der Aufbruch Moses vom Gottesberg und das erste Zusammentreffen mit den Israeliten (Ex 4) .............................................. 106 3.1. Die Beglaubigung Moses und Aarons vor den Israeliten (Ex 4,1-17.27-31*) ............................................................................ 106 3.2. Der Aufbruch Moses aus Midian (Ex 4,18-20) ................................ 122 Exkurs: Zum Namen von Moses Schwiegervater.............................. 124
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Inhaltsverzeichnis
3.3. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 4,21-23) .............. 127 3.4. Das Attentat auf Moses Erstgeborenen (Ex 4,24-26) ....................... 129 3.5. Ergebnis ............................................................................................ 133
Kapitel IV: Der erste Auftritt vor dem Pharao und die Verschärfung der Fron (Ex 5,1-6,1) ................................................... 137 1. Analyse ..................................................................................................... 137 2. Ergebnis .................................................................................................... 151
Kapitel V: Die Kundgabe des Gottesnamens und die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7)..... 153 1. Analyse ..................................................................................................... 154 2. Ergebnis .................................................................................................... 166
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10) ................................... 168 1. Der erste Teil des Plagenzyklus (Ex 7,8-9,12) ......................................... 169 1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f. ...................... 169 1.2. Der priesterschriftliche Wunderwettstreit in Ex 7,8-9,12; 11,10...... 182 1.3. Zur nachpriesterschriftlichen Entwicklung in Ex 7f. ........................ 194 1.4. Die Viehpest (Ex 9,1-7) .................................................................... 202 Exkurs: Die Entwicklung des Motivs von der Verschonung der Israeliten ........................................................................................... 203 1.5. Ergebnis ............................................................................................ 209 2. Der zweite Teil des Plagenzyklus (Ex 9,13-10,29) und die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11,1-10) ...................... 215 2.1. Die Hagelplage (Ex 9,13-35) ............................................................ 215 2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20) ............................................... 229 2.3. Die Finsternisplage (Ex 10,21-29) und die Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe (Ex 10,7-11; 12,31f.) ............... 242 2.4. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11) ...................... 250 2.5. Ergebnis ............................................................................................ 261
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt und die Bestimmungen zum Passa-Mazzotfest und zum Erstgeburtsopfer (Ex 12,1-13,16) ......................................................................................... 267 1. Die Erzählung von der Tötung der Erstgeburt und vom Aufbruch der Israeliten (Ex 12,29-41) ...................................................................... 267
Inhaltsverzeichnis
XI
2. Die vornehmlich halachischen Partien in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16 ...................................................................................................... 276 2.1. Die priesterschriftliche Passaordnung in Ex 12,1-13.28 und ihr Verhältnis zur Instruierung der Ältesten Israels (Ex 12,21-27) ........ 278 2.2. Die Mazzotordnung in Ex 13,3-6* als Grundbestand des dtr geprägten Abschnitts Ex 13,1-16 .......................................... 293 Exkurs: Die Entwicklung der Passa- und Mazzotbestimmungen in Ex 23,15; 34,18 und Dtn 16,1-8.16 .............................................. 301 2.3. Die Vorschriften zur Opferung der Erstgeburt (Ex 13,1f.11-16) und die Entstehung der Katechesen in Ex 12,26f.; 13,8f.................. 313 2.4. Die Genese der priesterschriftlichen Mazzotordnung in Ex 12,14-20 und die hiermit verbundenen Bearbeitungen in Ex 12,1-13*; 12,24; 13,3b.7.10 .................................................... 320 2.5. Die Zulassungsordnung in Ex 12,43-51 und die Vigilie in Ex 12,42 ............................................................... 331 3. Ergebnis ............................................................................................... 335
Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21).............. 343 1. Der vorpriesterschriftliche Grundbestand ................................................ 343 2. Die priesterschriftliche Fassung der Meerwundererzählung .................... 353 3. Die weitere Wachstumsgeschichte von Ex 13,17-14,31 .......................... 365 3.1. Route und Marschordnung der Israeliten (Ex 13,17-19; 14,2b.3.8b.9aĮb) ............................................................................... 366 3.2. Der Modus der göttlichen Führung (Ex 13,21f.; 14,19a.20aȕȖ.24aȖ) ........................................................................... 371 3.3. Die Zusammensetzung der ägyptischen Streitmacht (Ex 14,7.9aȕȖ.17bȕ.18b.23aȕȖ.25a.26bȕ ) ....................................... 375 3.4. Vom Murren zum Glauben (Ex 14,11f.13b.31)................................ 382 4. Dank und Lobpreis (Ex 15,1-21) .............................................................. 389 5. Ergebnis .................................................................................................... 400
Kapitel IX: Jitro (Ex 18) ........................................................................ 406 1. Analyse ..................................................................................................... 406 2. Ergebnis .................................................................................................... 426
Kapitel X: Das literarische Werden der Exoduserzählung ........... 430 1. Die vorpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte.................................... 430
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Inhaltsverzeichnis
2. Die priesterschriftliche Bearbeitungsphase (PG) ...................................... 435 3. Die nachpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte ................................. 438 4. Ausblick .................................................................................................... 448 Literaturverzeichnis ...................................................................................... 453 Stellenregister ............................................................................................... 469 Autorenregister ............................................................................................. 487
Kapitel I
Einleitung 1. Forschungsgeschichtliche Positionierung und Ziel der Studie Die Erzählung vom Auszug der Israeliten aus Ägypten bildet nicht allein „den Kristallisationskern der gesamten großen Pentateucherzählung“1, sondern das narrative Herzstück des Hexateuch. Sie vermittelt zwischen Väterzeit (Gen) und Volksgeschichte, definiert den Ausgangspunkt für Gesetzesgabe und Wüstenwanderung (Ex-Num) und steht damit von vornherein auch im Hintergrund der im Rückblick auf diese Ereignisse erfolgenden Offenbarung des ‚zweiten Gesetzes‘ im Lande Moab (Dtn). Sie findet sodann ihre sachgemäße Fortsetzung mit der Landnahme der Israeliten (Jos) und ist schließlich in Gestalt teils offener, teils verdeckter Anspielungen auch an vielen Stellen in den Büchern Ri-2 Kön präsent. Es liegt auf der Hand, daß die Entstehung der Exoduserzählung von entscheidender Bedeutung für die Literaturgeschichte des Hexateuch sowie im weiteren Sinne auch des Enneateuch ist, wobei sich die methodischen Vorzeichen, unter denen die alttestamentliche Wissenschaft die besagten Entstehungsprozesse in den Blick nimmt, in den letzten vier Jahrzehnten dramatisch gewandelt haben. Das methodische Paradigma der Neueren Urkundenhypothese, die in ihrer von WELLHAUSEN und NOTH geprägten Gestalt eine Aufteilung des Tetrateuch in die Quellenschriften Jahwist (J), Elohist (E) und Priesterschrift (P) postulierte, hat sich als unhaltbar erwiesen:2 Konnten schon VOLZ und RUDOLPH zeigen, daß sich die für E veranschlagten Textanteile aufgrund fehlender literarischer und inhaltlicher Kohärenz nicht zu einem eigenständigen Quellenfaden zusammenfügen lassen,3 so sind in der jüngeNOTH, Überlieferungsgeschichte, 54. Eine gute Übersicht über die hier nicht im Detail zu rekapitulierende Forschungsgeschichte bietet HOUTMAN, Pentateuch. Vgl. ferner BLENKINSOPP, Pentateuch, 1-30; DE PURY/RÖMER, Pentateuque, 9-80. 3 Vgl. VOLZ/RUDOLPH, Elohist; RUDOLPH, Elohist. Die Existenz des Elohisten hat auch die gleichnamige Studie von GRAUPNER nicht wahrscheinlicher machen können. Es ist daher irritierend, wenn BADEN, J, E, jüngst mit großem Aufwand den Nachweis zu führen sucht, 1 2
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Kapitel I: Einleitung
ren Vergangenheit vermehrt Stimmen laut geworden, die auch die Existenz eines Erzväter und Exodus umfassenden Jahwisten in Abrede stellen und die erste Verbindung der ehemals selbständigen Ursprungslegenden Israels auf die Priesterschrift zurückführen.4 Konsensfähig ist in der gegenwärtigen Pentateuchkritik allein die Unterscheidung zwischen Priesterschrift und nichtpriesterschriftlichem Text geblieben. Dabei setzt sich freilich vermehrt die Erkenntnis durch, daß beträchtliche Teile der letztgenannten Partien nicht vor-, sondern vielmehr nachpriesterschriftlich sind, also im Horizont der redaktionellen Verbindung von P mit dem vorpriesterschriftlichen Textbestand liegen. Für die Exoduserzählung wurde dies auf überzeugende Weise von GERTZ gezeigt, der allerdings den nachpriesterschriftlichen Textbestand fast durchgängig auf die „Endredaktion des Pentateuch“ zurückführt, die seines Erachtens für die redaktionelle Verbindung zwischen priesterschriftlichem und vorpriesterschriftlichem Text verantwortlich ist.5 Problematisch ist dabei, daß GERTZ den Anspruch erhebt, allein aufgrund der Analyse von Ex 1-15 Aussagen über eine Redaktion treffen zu können, die sich über den gesamten Pentateuch erstreckt haben soll. Derart weitreichende Konsequenzen werden von der aufs Ganze gesehen vergleichsweise schmalen Textbasis schwerlich getragen, so daß zunächst allenfalls von einer Endredaktion der Exoduserzählung die Rede sein dürfte.6 Genau betrachtet steht das disparate nachpriesterschriftliche Textmaterial freilich selbst diesem Schluß im Wege. Dies deutet sich in gewisser Weise auch bei GERTZ an, insofern dieser noch mit einigen wenigen „nachendredaktionellen Ergänzungen“ rechnet und damit eine Kategorie einführt, die von vornherein in Spannung zur Idee der Endredaktion steht, mit der die literarischen Entwicklungen offenkundig noch zu keinem Ende gekommen sind.7 Das eigentliche Problem besteht nun aber darin, daß man, um im Bild zu bleiben, mit weit mehr ‚nachendredaktionellen‘ Ergändaß die Quellen J, E und P erst von der Endredaktion zu einem Dokument verschmolzen wurden und es vorher zu keiner separaten Verbindung von J und E kam. Letzteres ist zutreffend gesehen, bedarf allerdings keines gesonderten Nachweises, sondern resultiert schlicht aus der Nichtexistenz der Quelle E. 4 Vgl. BLUM, Connection, 89-106; DERS., Verbindung, 119-156; GERTZ, Transition, 7387; K. SCHMID, Josephsgeschichte, 83-118; DERS., Yahwist, 29-50. Zur Verteidigung des Jahwisten vgl. jüngst LEVIN, Yahwist [2006], 131-141; DERS., Yahwist [2007], 209-230. 5 Vgl. GERTZ, Tradition. 6 Vgl. WITTE, Urgeschichte, 325-331, der eine Jahwist und Priesterschrift verbindende Endredaktion der Urgeschichte (RUG) ausmacht, aber eine befriedigende Antwort auf die sich unweigerlich ergebende Frage schuldig bleibt, in welchem Verhältnis diese Redaktion zu den nachpriesterschriftlichen Entwicklungen in Gen 12ff. steht. 7 Daß die Kategorie der ‚Endredaktion‘ in Anbetracht der divergierenden Textüberlieferungen des Pentateuch nicht glücklicher wird, versteht sich von selbst.
1. Forschungsgeschichtliche Positionierung und Ziel der Studie
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zungen rechnen müßte, als GERTZ dies tut. Ein qualifiziertes Verständnis von Endredaktion läßt doch erwarten, daß sich der Redaktor um einen Ausgleich des kompilierten Quellenmaterials bemüht, was aber eben nur bei einem verschwindend geringen Bruchteil der von GERTZ für die Endredaktion veranschlagten Texte der Fall ist.8 Der bei weitem überwiegende Teil trägt nicht zur Verbindung der Priesterschrift mit dem vorpriesterschriftlichen Text bei, sondern baut bereits auf dieser Verbindung auf und setzt auf ihrer Grundlage eine Vielzahl neuer Akzente. Als vielleicht schärfster Kritiker eines einseitigen und nicht hinreichend qualifizierten Konzeptes einer Endredaktion des Pentateuch9 ist OTTO hervorgetreten,10 der ausgehend von der Redaktionsgeschichte des Dtn eine nachpriesterschriftliche Hexateuch- von einer jüngeren Pentateuchredaktion unterscheidet.11 Dabei denkt er konkret an redaktionelle Schulen, die nebeneinander existiert und die im 4. Jh. parallel umlaufenden Exemplare des Hexateuch und des Pentateuch weiter beeinflußt hätten.12 Das imposante Gesamtmodell, das OTTO auch rechtsgeschichtlich zu substantiieren und mit Entwicklungen im nachexilischen Priestertum zu korrelieren weiß, krankt allerdings ebenfalls entschieden daran, daß es die Redaktionsgeschichte der narrativen Passagen in unzulässiger Weise vereinfacht. So kann OTTO eine literarisch hochkomplexe und spannungsreiche Texteinheit wie Ex 3,1-4,17 für die Pentateuchredaktion veranschlagen,13 was mit einer Vielzahl von Querbezügen untermauert wird, die Bestandteil derselben Redaktion seien. Dieses für den Leser im Einzelfall selten nachvollziehbare Beweisverfahren immunisiert sich letztlich gegen eine kritische Überprüfung, denn die Existenz der Pentateuch- wie auch der Hexateuchredaktion wird nicht jeweils auf der Grundlage der Texte belegt, sondern steht vielmehr von vornherein als Deutungsparadigma fest. Zwar hat die grundsätzliche Annahme, der Pentateuch habe sich aus einem älteren Hexateuch entwickelt, in der Sache einiges für sich, doch Vgl. LEVIN, Source Criticism, 51, mit Blick auf den Meerwunderbericht in Ex 14. Hier ist neben Theorien der Endredaktion des Pentateuch als Erstedition (so u.a. WHYBRAY, Making, 232-235; HOUTMAN, Pentateuch, 431f.; BADEN, J, E, 305-313) etwa auch die von H.-C. SCHMITT, Arbeitsbuch, 242-246; DERS., Privilegrecht, 157-171; DERS., Redaktion, 220-237; DERS., Suche, 255-276, vertretene These einer ‚spätdeuteronomistischen Pentateuchredaktion‘ zu nennen. Auch NIHAN, Priestly Torah, 608-619, greift zu kurz, wenn er die Ergänzung des Heiligkeitsgesetzes in Lev 17-26 maßgeblich mit der Gestaltwerdung des Pentateuch verbindet. 10 Vgl. besonders OTTO, Deuteronomium [2000], 263-266 (mit Anm. 86.89). Ferner auch K. SCHMID, Erzväter, 301; DERS., Pentateuchredaktor, 183f.; LEVIN, Das Alte Testament, 8185; BLUM, Endgestalt, 209f.; DERS., Verbindung, 137. 11 Zur Zusammenfassung der These vgl. OTTO, Deuteronomium [2000], 234-273. 12 Vgl. OTTO, Deuteronomium [2000], 244.262f. 13 Vgl. OTTO, Pentateuchredaktion, 101-111. 8 9
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Kapitel I: Einleitung
läßt sich dieser Prozeß problemlos als das schrittweise Herauswachsen des Pentateuch aus der hexateuchischen Großerzählung beschreiben.14 Die Tätigkeit umfänglicher nachpriesterschriftlicher Redaktionen braucht es hierzu nicht, so daß OTTOs Hexateuch- und Pentateuchredaktion ebenso wie die zuletzt von seinem Schüler ACHENBACH eingeführte mehrphasige „theokratische Bearbeitung“15 kaum per se Geltung beanspruchen können. Insofern sie aber gleichsam die Schubladen vorgeben, in die es das nachpriesterschriftliche Textmaterial zu verteilen gilt, ergeben sich ähnliche Zwänge wie im Rahmen der Urkundenhypothese, wo man glaubte, das gesamte Textmaterial den vermeintlich vorhandenen Quellen zuweisen zu können. Daß dieses Verfahren nicht vollständig aufgeht, sehen auch OTTO und ACHENBACH, doch ist ihre mit Blick auf widerständige Textpartien wiederholt bemühte Erklärung, eine der Redaktionen habe an der betreffenden Stelle älteres Textmaterial eingeflochten,16 demselben methodischen Zirkel verfallen. So sehr OTTO darin beizupflichten ist, daß man die Redaktionsgeschichte des Pentateuch nicht ohne das Dtn schreiben kann, gilt doch gleichzeitig festzuhalten, daß man sie genauso wenig unter Absehung von der Entstehung jener Tetrateuchtexte schreiben kann, auf die das Dtn Bezug nimmt.17 Auf der Grundlage der vorangehenden Erwägungen läßt sich als erste These formulieren, daß der nachpriesterschriftliche Textbestand im Hexateuch literarisch bei weitem zu vielschichtig ist, um adäquat durch die Annahme einer oder mehrerer großer Redaktionen erklärt werden zu können. Die literarische Entwicklung ist offenbar weitaus kleinschrittiger verlaufen, wobei eine die Priesterschrift mit dem vorpriesterschriftlichen Text verbindende Redaktion in diesem Prozeß lediglich ein Schritt unter vielen wäre. Freilich ist selbst dieser Schritt alles andere als sicher, denn er hängt an der Voraussetzung, daß es sich bei P ursprünglich um eine selbständige Quelle handelte. Diese Annahme, der gegenwärtig immer noch die Mehrzahl der Exegeten folgt,18 ist bekanntermaßen nicht unwidersprochen ge-
14 So mit KRATZ, Komposition, 224f., gegen BLUM, Pentateuch, 375-404, und RÖMER/BRETTLER, Deuteronomy 34, 408-419. 15 Vgl. ACHENBACH, Vollendung; DERS., Pentateuch, 225-253. 16 So etwa OTTO, Pentateuchredaktion, 80 (mit Blick auf Ex 24,9-11); ACHENBACH, Ich bin, 87 (mit Blick auf Ex 3,14b). 17 Vgl. grundlegend KRATZ, Ort, 101-120. 18 Vgl. u.a. LOHFINK, Priesterschrift, 196f.; SMEND, Entstehung, 52-54; KOHATA, Jahwist, 1-14; KOCH, P – kein Redaktor!, 446-467; KAISER, Grundriß I, 59; L. SCHMIDT, Studien [1993], 34; W.H. SCHMIDT, Einführung, 97f.; POLA, Priesterschrift, 29-31; GERTZ, Tradition, 96f.; DERS., Grundinformation, 241f.; KRATZ, Komposition, 247; OTTO, Deuteronomium [2000], 262-264; H.-C. SCHMITT, Arbeitsbuch, 193f.; NIHAN, Priestly Torah, 379-382; K. SCHMID, Literaturgeschichte, 146f.; WEIMAR, Studien, 19-26 (mit weiterer Literatur);
1. Forschungsgeschichtliche Positionierung und Ziel der Studie
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blieben, wobei im Schatten WELLHAUSENs gern vergessen wird, daß GRAF zuvor nicht nur Argumente für eine Spätdatierung der Priesterschrift zusammengetragen, sondern auch auf ihre literarische Unselbständigkeit verwiesen hatte. So notierte er, daß „die s. g. Grundschrift des Pentateuchs nicht die Grundlage der Erzählung desselben ausmacht, sondern aus später dem ‚jahwistischen‘ Werke hinzugekommenen Zusätzen besteht“19. Als profiliertester Erbe GRAFs ist in der jüngeren Vergangenheit BLUM hervorgetreten, der im Anschluß an seinen Lehrer RENDTORFF die literarische Selbständigkeit der Priesterschrift in Abrede gestellt und ein Modell entwickelt hat, in dem P weder als Quelle noch als Redaktion zu stehen kommt. Vielmehr handele es sich um eine „Kompositionsschicht“ (KP), die eine vorgefundene deuteronomistische Komposition (KD) überformt und dabei auch priesterliches Traditionsgut eingeflochten habe.20 Nach einer später von BLUM vorgenommenen Präzisierung sei der Prozeß konkret so abgelaufen, daß die priesterschriftlichen Texte zunächst als eine Sammlung von Einzelblättern konzipiert und erst auf dieser Grundlage in den vorpriesterschriftlichen Text eingearbeitet wurden.21 Die grundlegende Stärke des BLUMschen Kompositionsmodells besteht darin, daß es konsequent den engen thematischen und literarischen Bezügen Rechnung trägt, die das priesterschriftliche Material zu seinem nichtpriesterschriftlichen Kontext aufweist und die sich nicht immer befriedigend mit der Annahme erklären lassen, P sei in Kenntnis dieser Texte verfaßt worden.22 Zu kritisieren ist freilich, daß BLUM innerhalb der von ihm angenommenen Kompositionsschichten auf die notwendigen literarhistorischen Differenzierungen verzichtet. Erst für die Nachgeschichte von KP rechnet er mit kleinräumigen redaktionellen Bearbeitungen,23 wie sie in der alttestamentlichen Literaturgeschichte aber eben keine späte Ausnahme, sondern vielmehr die Regel sind. Dies jedenfalls haben KRATZ und LEVIN mit ihren einschlägigen Arbeiten wahrscheinlich machen können, die vom methodischen Paradigma der
ZENGER, Einleitung, 159-161; LEVIN, Source Criticism, 47-51. Zur jüngsten Diskussion vgl. auch die Beiträge in SHECTMAN/BADEN, Strata. 19 GRAF, Grundschrift, 474. Zu vergleichbaren Positionen in der älteren Forschung vgl. die Übersicht bei LOHFINK, Priesterschrift, 197, Anm. 28. 20 Vgl. BLUM, Studien, 229-285; RENDTORFF, Problem, 112-142. Für die literarische Unselbständigkeit von P plädieren ferner u.a. CROSS, Myth, 293-325; VERVENNE, ‘P’ Tradition, 67-90 (mit weiterer Literatur); VAN SETERS, Life, passim; LEMMELIJN, ‚Priestly‘ layer, 481511; SKA, Remarques, 95-125. 21 Vgl. BLUM, Feuersäule, 152. 22 So stellvertretend für viele L. SCHMIDT, Studien [1993], 7. 23 Vgl. grundlegend BLUM, Studien, 361-382. Ferner DERS., Connection 96-106; DERS., Endgestalt, 214-217.
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Kapitel I: Einleitung
Ergänzungshypothese dominiert werden.24 Die alttestamentliche Literaturgeschichte gilt hier in wesentlichen Teilen als Geschichte sukzessiver Fortschreibungen, die sich hermeneutisch als fortwährende literarische Selbstauslegung der werdenden Schrift einholen lassen. Aus dem Rahmen dieses Modells fällt im Bereich des Pentateuch allein die Priesterschrift, die von KRATZ und LEVIN in ihrem literarischen Grundbestand (PG) nach wie vor als eigenständige Quelle angesehen wird. In der Konsequenz ergibt sich hieraus eine recht komplizierte Stratigraphie des priesterschriftlichen Materials, denn KRATZ und LEVIN rechnen ferner mit Zusätzen zu der noch selbständigen Priesterschrift (PS) sowie mit umfangreichen Erweiterungen, die bereits deren redaktionelle Verbindung mit dem nichtpriesterschriftlichen Text voraussetzen. Werden damit große Teile des späteren priesterschriftlichen Materials im Rahmen einer Ergänzungshypothese interpretiert, so wirft dies mit Nachdruck die Frage auf, ob sich der Befund im Fall der PG und PS zugewiesenen Partien wirklich so kategorisch unterscheidet, daß hier an der Annahme literarischer Selbständigkeit festzuhalten ist. Insofern eine quellenhafte Priestergrundschrift mit der weitgehenden Abkehr vom Paradigma der Urkundenhypothese wie ein erratischer Block in einem Meer aus Fortschreibungen zu stehen kommt, stellt sich auch die grundsätzliche Frage nach der Plausibilität einer Kompilation paralleler Quellenfäden mit neuer Schärfe. Der Vorgang, der lange Zeit als fundamentale Redaktionstechnik unhinterfragt Geltung beanspruchen konnte, erweist sich nun als „exceptional in the highest degree. It probably took place only once in the whole history of the Old Testament literature.“25 Erst die Exzeptionalität des Vorgangs führt das Hypothetische der mit ihm verbundenen Vorannahmen in ganzer Klarheit vor Augen: So ist vorausgesetzt, daß sich ein Bündel zusammengehöriger Passagen abheben und in einen direkten literarischen Zusammenhang bringen läßt, in dem sich ein besserer Sinn ergibt als im vorliegenden, vermeintlich sekundären Kontext der betreffenden Stücke. Sodann ist zu erklären, warum die hypothetische Quelle wieder zerschlagen, und mit welcher redaktionellen Intention sie in der vorfindlichen Weise Stück für Stück in einen fremden Textzusammen24 Vgl. vor allem die für den hier behandelten Textbereich zentralen Monographien: KRATZ, Komposition; LEVIN, Jahwist; ferner KRATZ, Art. Redaktionsgeschichte/Redaktionskritik, 367-378. 25 LEVIN, Source Criticism, 42. In diesem Zusammenhang ist auch ein Blick über den Tellerrand der alttestamentlichen Literaturgeschichte auf die Gemeinderegeln aus Qumran erhellend. Auch hier, wo das literarische Wachstum nicht durch gelehrte Rekonstruktion zu erheben, sondern in Gestalt verschiedener Handschriften materialiter greifbar ist (vgl. zur Entwicklung der QS-Texte METSO, Development), stößt man lediglich auf dieselben schrittweisen Wachstumsprozesse, die sich im Alten Testament allerorten abzeichnen und sich in dessen Textgeschichte nahtlos fortsetzen. Vgl. grundlegend KRATZ, Innerbiblische Exegese, 37-69. Kritisch dagegen jüngst KRÜGER, Anmerkungen, 47-66.
1. Forschungsgeschichtliche Positionierung und Ziel der Studie
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hang eingearbeitet wurde. Der Verweis auf eine persische Reichsautorisation der Tora, zu deren Zweck man ein Kompromißdokument kompiliert habe, kann zum Verständnis der Details dieses Redaktionsprozesses nichts beitragen, sondern erhellt lediglich einen potentiellen, freilich zu Recht umstrittenen historischen Bezugsrahmen.26 Eine Diskussion über die Beweggründe des Kompilators sollte sich freilich von vornherein erübrigen, wenn einerseits die hypothetische Quelle nicht lückenlos rekonstruierbar ist und andererseits die vermeintlichen Quellenfragmente in ihrem gegenwärtigen Kontext ein sinnvolles Verständnis ermöglichen. Sollte sich erweisen, daß im Fall der Priesterschrift beides gilt, so wäre, dies ist die zweite These, auch hier auf einen Umweg über die Urkundenhypothese zu verzichten und neben dem nichtpriesterschriftlichen auch der priesterschriftliche Text ganz im Rahmen einer Ergänzungshypothese zu erklären. Dies hätte die vollkommene Abkehr vom Paradigma der Urkundenhypothese zur Folge, womit automatisch auch alle Spielarten von Endredaktionsthesen ihre letzte Begründung verlören. Daß sie sich am nachpriesterschriftlichen Text ohnehin nicht verifizieren lassen und damit als Schlüssel zum Verständnis seiner Entstehung ausfallen, wurde oben bereits bemerkt. In Anbetracht des strittigen Quellencharakters von PG wird man mit Blick auf den älteren Textbestand ergänzen müssen, daß auch das hier etablierte, ähnlich schematische Erklärungsmodell nicht mehr vorbehaltlos Geltung beanspruchen kann: Daß sich das vorpriesterschriftliche und das priesterschriftliche Material (PG+S) auf zwei ehemals separate Dokumente zurückführen läßt, ist alles andere als ausgemacht. Was aufs Ganze gesehen bleibt, ist ein Text, dessen Vielstimmigkeit nicht mehr mit der Tätigkeit einiger weniger Autoren, Redaktoren oder Schulen erklärt werden kann und muß, sondern der in eben dieser Vielstimmigkeit vor allem als das Resultat eines kleinschrittig verlaufenden Fortschreibungsprozesses wahrgenommen werden darf. Das Wachstum des Textes, so eine dritte These, folgt im wesentlichen den in ihm selbst angelegten Dynamiken und läßt sich als ein fortwährender Prozeß ‚midraschartiger‘ Selbstauslegung beschreiben.27 Der alttestamentlichen Wissenschaft ist damit zuallererst aufgegeben, diese Wachstumsdynamiken nachZur These einer persischen Reichsautorisation der Tora vgl. etwa FREI, Zentralgewalt, 5-113; DERS., Reichsautorisation, 1-35; BLUM, Studien, 345-360; KRATZ, Translatio, 246255; ALBERTZ, Religionsgeschichte II, 497-504; KNAUF, Audiatur, 122f.; CRÜSEMANN, Pentateuque, 339-360; BADEN, J, E, 309-311. Kritisch dagegen RÜTERSWÖRDEN, Reichsautorisation, 47-61; OTTO, Pentateuchredaktion, 68-70; RÖMER, Présentation, xxxix; H.-C. SCHMITT, Arbeitsbuch, 243; LEVIN, Source Criticism, 59, Anm. 13. Eine vermittelnde Position findet sich bei K. SCHMID, Reichsautorisation, 494-506. Zur jüngeren Diskussion vgl. vor allem die Beiträge in KNOPPERS/LEVINSON, Pentateuch. 27 Vgl. grundlegend SEELIGMANN, Voraussetzungen, 150-181, sowie ferner die Beiträge in KRATZ u.a., Schriftauslegung. 26
Kapitel I: Einleitung
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zuvollziehen und auf ihrer Grundlage die Entstehungsgeschichte des Textes nachzuzeichnen. Dies erfordert im Fall einer jeden literarkritisch erhobenen Einheit ein genaues Beachten ihrer in der Vergangenheit oft sträflich vernachlässigten Kontexte sowie weiterer Intertexte, bei denen es sich jeweils sowohl um mögliche Hintergründe als auch um jüngere Bildungen handeln kann. Eine redaktionsgeschichtliche Auswertung der intertextuellen Bezüge liefert nicht nur durch die Bestimmung von Einzeltextrelationen das Gerüst, auf dem eine alttestamentliche Literaturgeschichte künftig aufbauen muß, sie ermöglicht auch allererst ein vertieftes Verständnis der einzelnen Aussagen. Indem sie ihren Ort in der Wachstumsgeschichte erhellt, legt sie von späteren Bearbeitungen verdeckte Sinnzusammenhänge frei und vermag so auf ihre Weise zu zeigen, „daß kein Wort ohne Sinn und Absicht ist.“28 Die folgende Untersuchung versucht auf der Grundlage der umrissenen methodischen Leitlinien, die Entstehung der Exoduserzählung nachzuzeichnen und die dabei wirksamen redaktionsgeschichtlichen Dynamiken zu bestimmen. Vorausgesetzt wird dabei lediglich die grundlegende Unterscheidung zwischen priesterschriftlichem und nichtpriesterschriftlichem Text, wobei all jene Partien, die nach der Einarbeitung der klassisch PG zugewiesenen Stücke entstanden sind, als nachpriesterschriftlich bezeichnet werden. Obwohl mit der Exoduserzählung das narrative Herzstück des Hexateuch zum Gegenstand der Untersuchung erhoben wurde, ergibt sich aus den vorangehenden Ausführungen von selbst, daß diese keine abschließenden Ergebnisse zur Genese des Hexateuch oder des Pentateuch liefern kann. Was sie in diesem Zusammenhang zu liefern hofft, ist einerseits den Beleg für die Angemessenheit des zugrundeliegenden methodischen Paradigmas sowie andererseits einen kleinen, wenngleich grundlegenden Baustein in der komplexen Redaktionsgeschichte der genannten Großkorpora. Die Studie lädt dazu ein, diesen Baustein durch vergleichbar angelegte Untersuchungen künftig um weitere zu ergänzen, um so Schritt für Schritt zu einem besseren Verständnis der Einzeltexte sowie der übergreifenden redaktionsgeschichtlichen Vorgänge vorzudringen.
2. Zur Anlage der Studie Die Studie ist als fortlaufende redaktionsgeschichtliche Analyse der Exoduserzählung (Ex 1-15) angelegt, wobei neben den besagten Kapiteln auch das Jitro-Kapitel Ex 18 behandelt wird, da es engste literarische Verflechtungen mit Ex 3f. aufweist. Die Gliederung folgt dem bibelkundlichen 28
JACOB, Buch Exodus, 173.
2. Zur Anlage der Studie
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Aufriß des Textes, wobei eine möglichst feine Unterteilung in weitere Unterkapitel dem Leser eine schnelle Orientierung ermöglichen soll. Jeder Abschnitt ist so konzipiert, daß er für sich lesbar ist, und wird durch ein System von Querverweisen mit weiteren Abschnitten vernetzt, in denen sich nähere Informationen zu den vorausgesetzten redaktionsgeschichtlichen Entwicklungen finden. Am Ende eines jeden Unterkapitels steht ein Ergebnisteil, der die redaktionelle Genese der behandelten Texteinheit prägnant nachzeichnet und von einer Schichtungstabelle gefolgt wird, die das Resultat zur besseren Orientierung graphisch veranschaulicht. Hier wird jeder Vers(-komplex) aufgeführt, inhaltlich knapp umrissen, und durch eine seiner Schichtung entsprechende Einrückung von älteren (weiter links) und jüngeren (weiter rechts) Schichten abgegrenzt. Jede Schicht ist ferner durch eine Zählung mit römischen Ziffern leicht zu identifizieren. Dabei sei, um Mißverständnissen vorzubeugen, ausdrücklich hervorgehoben, daß die Zählung jeweils nur innerhalb des betreffenden Teilkapitels Geltung hat. Schicht I in Kap. II ist also nicht mit Schicht I in Kap. III identisch. Läßt sich der Ort eines bestimmten Zusatzes innerhalb des Wachstumsmodells nicht mit Sicherheit bestimmen, so wird er in Relation zu der jüngsten Schicht positioniert, die er voraussetzt. Handelt es sich dabei beispielsweise um Schicht V, so wird der betreffende Zusatz als V+ gezählt. Wird er überdies von einer späteren Schicht eindeutig vorausgesetzt, so wird sein hierdurch eingegrenztes redaktionsgeschichtliches Spektrum in eckigen Klammern hinter der Zählung notiert: Ein mit ‚V+[V-X]‘ gekennzeichneter Zusatz etwa ist irgendwo zwischen den Schichten V und X angesiedelt. In wenigen Fällen kann es vorkommen, daß ein nicht eindeutig positionierbarer Zusatz einen weiteren Einzelzusatz nach sich gezogen hat, welch letzterer im Fall des oben gewählten Beispiels als V++ gekennzeichnet würde. Läßt sich nicht entscheiden, ob ein einzelner Zusatz Teil einer bestimmten Schicht oder aber erst auf deren Grundlage in den Text gekommen ist, so wird das ‚Plus‘ in runde Klammern gesetzt: V(+). Steht die Schichtzuweisung dagegen unter grundlegendem Vorbehalt, so steht in der Klammer ein Fragezeichen: V(?). In den Schichtungstabellen werden zudem vier Kürzel verwendet, um kontextübergreifende literarische Zusammenhänge anzuzeigen. Sie seien anhand von hypothetischen (!) Beispielen abschließend erläutert: 1,1 ... (ĸ Gen 1,1): Ex 1,1 speist sich aus Gen 1,1. 1,1 ... (ĺ Gen 1,1): Ex 1,1 hat Gen 1,1 aus sich herausgesetzt. 1,1 ... (= Gen 1,1): Der Verfasser ist an beiden Stellen identisch. 1,1 ... (ŀ Gen 1,1): Ex 1,1 schloß ursprünglich direkt an Gen 1,1 an.
Kapitel II
Volkwerdung und Unterdrückung (Ex 1) In seiner vorliegenden Gestalt gliedert sich Ex 1 grob in zwei Teile, deren erster das Anwachsen der Jakobsippe zu einem großen Volk vermeldet (1,1-7), worauf aufbauend der zweite von der Drangsal berichtet, die dieses Volk unter dem neuen Pharao zu erleiden hat, ‚der Joseph nicht kannte‘ (1,8-22). Sieht man von den priesterschriftlichen Versen 1,13f. ab, so sind die in jenem zweiten Teil beschriebenen Maßnahmen der Ägypter durchgängig als Reaktionen auf die Mehrung der Israeliten gekennzeichnet, deren bedrohliche Anzahl der neue Pharao in 1,8-10 eigens betont. Die Bedrückung durch Fronvögte (1,11f.) kann die Mehrung der Israeliten ebenso wenig stoppen wie der Plan, die männlichen Neugeborenen von den Hebammen töten zu lassen (1,15-21), so daß schließlich der Pharao in 1,22 seinem Volk befiehlt, jeden männlichen Neugeborenen der Israeliten in den Nil zu werfen. Ex 1,15-22 bereiten unübersehbar auf die in 2,1ff. berichtete Aussetzung des Mose vor, sind dabei aber zwingend auf die Rede des neuen Pharao in 1,8-10* angewiesen, die das Problem exponiert, auf das 1,15-22 reagieren. Das aber bedeutet, daß 1,15-22 über 1,8-10* bereits die Josephsgeschichte (Gen 37-50*) als literarischen Vorkontext voraussetzen, mithin also als Teil eines redaktionellen Scharniers anzusprechen sind, das die Exoduserzählung nachträglich an die Erzvätererzählung anschließt. Ebenso wie Ex 1,15-22 fällt auch die Notiz zur Einsetzung der Fronvögte in 1,11f. für den Grundbestand der Exoduserzählung aus, denn sie ist ohne den Vorkontext in 1,8-10* ebenfalls nicht lebensfähig.1 Damit kann grundsätzlich festgehalten werden, daß nichts in Ex 1,8-12.15-22 älter sein kann als das redaktionelle Scharnier zwischen Erzvätern und Exodus. Dasselbe gilt anerkanntermaßen auch für die verbleibenden, vornehmlich priesterschriftlichen Passagen in 1,1-7.13f., die selbstredend die 1 Gegen GERTZ, Tradition, 381, der Ex 1,11f. für den vorpriesterschriftlichen Grundbestand der Exoduserzählung veranschlagt und daher mit einer verlorenen Exposition rechnen muß. Diese Annahme ist ebenso unbegründet wie unnötig, denn 1,11f. schließen nahtlos an 1,9f. an. Das in 1,11f. nicht näher spezifizierte singularische Objekt der Unterdrückung ist mit dem zuvor erwähnten Volk identisch, und auch die Tatsache, daß 1,11f. nicht von einem andauernden Zustand, sondern vielmehr vom Beginn der Unterdrückung berichten, impliziert, daß exakt die in 1,8-10 greifbare Epochenwende vorausgesetzt ist.
1. Die Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus in der Priesterschrift
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PG zugehörigen Partien der Genesis voraussetzen.2 Ex 1 ist damit in all seinen Bestandteilen als ein redaktionelles Scharnierkapitel zwischen Erzvätern und Exodus erwiesen, was im Umkehrschluß bedeutet, daß die Exoduserzählung, wie neuerdings des öfteren festgestellt, ursprünglich mit Ex 2,1 einsetzte.3 Mit dieser Einschätzung geht allerdings nicht selten die Annahme einher, daß die redaktionelle Verbindung von Erzvätern und Exodus erstmalig von der Priesterschrift hergestellt wurde, was die Einstufung der Rede des Pharao in 1,8-10 als eines nachpriesterschriftlichen Zusatzes nach sich zieht. Da die besagte Rede in 1,11f.15-22 sachlich vorausgesetzt ist, müßten allerdings konsequenterweise auch jene Verse als nachpriesterschriftlich gelten. Wäre in diesem Fall der literarische Kern des Scharniers zwischen Erzvätern und Exodus in 1,(1-6.)7.13f. P zu suchen, so steht dem als Grundalternative die Annahme eines vorpriesterschriftlichen Scharniers in 1,8-12.15-22* gegenüber, welches an eine der beiden Notizen zum Tod Josephs (Gen 50,26*; Ex 1,6*) angeschlossen hätte. Beide Optionen sind im folgenden zu überprüfen.
1. Die Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus in der Priesterschrift Im priesterschriftlichen wie im nichtpriesterschriftlichen Text ist die Josephsgeschichte oder ein ihr entsprechendes Erzählstück das notwendige Verbindungsglied zwischen Erzvätern und Exodus. Dabei fällt allerdings sofort auf, daß sich P innerhalb von Gen 37-50 lediglich einige wenige Notizen zuweisen lassen (37,1f.; 41,46a; 46,6f.; 47,27f.; 49,1a.29-33; 50,12f.22), die zudem fast ausschließlich auf den zweiten Teil der Erzählung entfallen (Gen 46-50), der dem Ägyptenaufenthalt der Israeliten gewidmet ist. Da sich nun aber die priesterschriftliche Prägung von Gen 37,1f. schwer in Abrede stellen läßt,4 ergibt sich der eigentümliche Befund, daß von P zwar eine programmatische Einleitung zur Josephsgeschichte, aber eben keine Josephsgeschichte erhalten ist. Zwischen 37,1f. und 46,6f. verlieren sich abgesehen von der chronologischen Notiz in 41,46a (häufig PS) alle Spuren einer priesterschriftlichen Erzählung, und keiner der Versuche, den Bericht über die Übersiedlung der Jakobsippe nach Ägypten 2
Vorpriesterschriftlich kann innerhalb von Ex 1,1-7.13f. allein die Todesnotiz Josephs in 1,6* sein (s. im folgenden), die evidenterweise ebenfalls die Josephsgeschichte voraussetzt. 3 S.u., III. 1. 4 Vgl. etwa L. SCHMIDT, Studien [1986], 142; LEVIN, Jahwist, 262f.271; KRATZ, Komposition, 243; WEIMAR, Gen 37, 488-490. Gegen DE PURY, Cycle, 82; RÖMER, Narration, 23, Anm. 32, die Ex 37,2 P absprechen.
Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung
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(46,6f.) direkt an einen wie auch immer gearteten Grundbestand von 37,1f. anzuschließen, produziert einen akzeptablen Text.5 Zwischen 37,1f.* und 46,6 klafft eine syntaktische wie erzählerische Lücke, die man entweder durch die unbeweisbare Hilfsannahme von Textverlust6 oder aber viel ungezwungener dadurch erklären kann, daß die priesterschriftlichen Anteile in Gen 37-50 Teil einer unselbständigen Bearbeitung der vorpriesterschriftlichen Josephsgeschichte sind.7 Gen 46,6 P jedenfalls schließt inhaltlich wie syntaktisch einwandfrei an 46,5b an und erweitert die dortige Notiz zu den Aufbruchsvorbereitungen der Jakobsippe (¢© ²¢ ¥±²¢) zunächst um Angaben zu den mitgeführten Besitztümern (46,6aĮ: ¦¢©°§ ³ °¢), bevor 46,6aȕb.7 abschließend vermelden, wer alles nach Ägypten kam. Die Prämisse einer selbständigen priesterschriftlichen Josephs- oder Eisodosgeschichte führt nun aber nicht nur dazu, daß eine Passage wie Gen 46,6f. gegen den Textbefund für quellenhaft erklärt wird, sondern zwingt zudem zu der bizarren Folgeannahme, daß es sich bei den wenigen priesterschriftlichen Notizen, die ausdrücklich die Person Josephs erwähnen, ganz oder zum Teil um spätere Zusätze handeln muß, da sich die erforderlichen Textanschlüsse im priesterschriftlichen Text selbst nicht herstellen lassen. Daß sich damit an der Quellenhaftigkeit einer priesterschriftlichen Josephsgeschichte letztlich nur auf Kosten der Person Josephs festhalten läßt, verdeutlicht mit letzter Schärfe, in welche methodischen Aporien die Zwänge der Urkundenhypothese führen können.8 Dagegen findet sich im Rahmen einer Ergänzungshypothese eine einfache Erklärung dafür, daß sich der priesterschriftliche Beitrag zur Rolle Josephs faktisch auf chronologische Notizen beschränkt: Die besagten Notizen bilden nicht das Gerüst einer selbständigen Erzählung, sondern dienen der Strukturierung Als syntaktisch wie inhaltlich unplausibel erweist sich die von K. SCHMID, Yahwist, 45f., geäußerte Annahme, Gen 46,6 (‚Und sie nahmen ihr Vieh und ihren Besitz...‘) habe einmal unmittelbar an die Toledotnotiz zu Beginn von 37,2 (‚Dies sind die Toledot Jakobs‘) angeschlossen, so daß P vom Eisodos der Israeliten berichtet hätte, ohne Joseph zu erwähnen (zur Kritik an dieser Position vgl. auch VAN SETERS, Report, 147f.). Dagegen ergibt sich ein zumindest syntaktisch akzeptablerer Übergang, wenn man mit KRATZ, Komposition, 243, die Notiz zur Übersiedlung (46,6f.) an 37,1.2aĮb anschließt. Was die Notiz, Joseph habe die von den Brüdern verbreiteten üblen Gerüchte über das Land seinem Vater Jakob hinterbracht (37,2b), in der Sache mit dem Aufbruch der Jakobsippe nach Ägypten zu tun hat, bleibt allerdings dunkel. 6 So etwa WELLHAUSEN, Composition, 50; RUPPERT, Josephserzählung, 31; WEIMAR, Aufbau, 195; DERS., Erwägungen, 352; DERS., Gen 37, 489; L. SCHMIDT, Studien [1986], 142-144; LEVIN, Jahwist, 271; POLA, Priesterschrift, 282, Anm. 233; BOECKER, Josefsgeschichte, 15f. 7 So schon GRAF, Grundschrift, 472. Ebenso REDFORD, Study, 14-16; BLUM, Studien, 434, LUX, Geschichte, 151; VAN SETERS, Report, 147-150; EBACH, Gen 37-50, 493f. 8 Auf den methodischen Zirkel verweist schon RENDTORFF, Problem, 113-115. 5
1. Die Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus in der Priesterschrift
13
des vorgefundenen Erzählbestandes. Neben der Angabe des Alters Josephs zu Beginn seiner Karriere am ägyptischen Hof (Gen 41,46a)9 finden sich zwei weitere Angaben in 37,2aĮ; 50,22b, die die priesterschriftliche Bearbeitung der Josephsgeschichte planvoll rahmen: Während erstere den Hirtendienst des Siebzehnjährigen beschreibt,10 gibt letztere die Lebenszeit Josephs mit 110 Jahren an. Daß dieser stirbt, ist offenkundig vorausgesetzt, wird aber nicht eigens erwähnt, was erneut dafür spricht, daß P literarisch unselbständig ist: Gen 50,22b wurde einer älteren Todesnotiz vorgeschaltet; ob es sich dabei um Gen 50,26* oder Ex 1,6* handelte, wird noch zu klären sein.11 Für den Einschreibungscharakter von Gen 50,22b spricht schließlich auch die Anbindung des Halbverses an den Vorkontext. Im Rahmen einer selbständigen Priesterschrift hätte die Notiz zu Josephs Lebensalter (Gen 50,22b) direkt an den Bericht über die Bestattung Jakobs in Kanaan (50,12f.) anschließen müssen, was selbst mit dem vorangehenden Hinweis auf den Ägyptenaufenthalt Josephs und des Hauses seines Vaters (50,22a) einen äußerst abrupten Übergang ergibt. Dagegen schließt 50,22 glatt an die Versöhnungsszene in 50,15-21* an, die im vorpriesterschriftlichen Text auf die Rückkehrnotiz in 50,14* folgte12 und den Höhepunkt der Josephsgeschichte markierte. Der priesterliche Bearbeiter berichtet deshalb nicht von der Rückkehr des israelitischen Begräbniszuges, weil er bereits 9
Auch Gen 41,46a läßt sich zwanglos als priesterschriftlicher Zusatz zur vorangehenden vorpriesterschriftlichen Erzählung erklären. Damit ist auch die Annahme obsolet, die Wiederaufnahme von 41,45b in 41,46b sei endredaktionell (so LEVIN, Jahwist, 285). Der Halbvers ist vielmehr ursprünglicher Bestandteil des literarisch einheitlichen priesterschriftlichen Nachtrags Gen 41,46, der von vornherein als Abschluß der in 41,1-45* vorangehenden Szene verfaßt wurde. 10 Mit der motivischen Einführung des Hirtendienstes Josephs und seiner Brüder bereitet Ex 37,2aĮ P direkt auf die in 37,3 einsetzende Erzählung vor, die wahrscheinlich unmittelbar anschloß. Die Einschränkung des Kreises der Brüder auf die Söhne der Mägde Silpa und Bilha (37,2aȕ) ist klar als Nachtrag zu erkennen, und auch die enigmatische Aussage, Joseph habe ‚ihr‘ verleumderisches Reden («± ¦³) ihrem Vater hinterbracht (37,2b), gehört kaum zum ältesten Bestand der priesterschriftlichen Bearbeitung. Das Motiv bleibt innerhalb der Josephsgeschichte ohne jeglichen Nachhall und macht allein als makrokontextueller Verweis auf die Kundschaftererzählung Sinn, wo das Lexem seine einzigen weiteren Belege innerhalb des Enneateuch hat (Num 13,32; 14,36.37; vgl. KRATZ, Komposition, 243). Führt dort die verleumderische Rede der Kundschafter über das Land zur Verzögerung der Landnahme, so scheint der in Gen 37,2b tätige Ergänzer zeigen zu wollen, daß eine analoge Ursache auch am Anfang der Ereignisse steht, die schließlich die Ansiedlung in Ägypten zur Folge haben, daß also gewissermaßen das verleumderische Reden der Brüder zum zeitweiligen Landverlust führt. Dabei wird es allerdings kaum pauschal um alle Brüder, sondern vielmehr um die in 37,2aȕ erwähnten Söhne der Mägde gehen, so daß 37,2aȕb für dieselbe Fortschreibungsstufe zu veranschlagen sind. 11 S.u., II. 2. 12 Vgl. den entsprechenden Exkurs unter II. 2.
Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung
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einen entsprechenden Bericht in 50,14* vorfand, den er nur um die Erwähnung der Brüder erweitern mußte (¢ ). Die so geschaffene Rückkehrnotiz (¢ ¬ª¢ ²¢) diente ihm daraufhin als Vorlage für 50,22a (¢³¢¦¢±¯§¬ª¢²¢), wo er mit entsprechenden Worten den weiteren Ägyptenaufenthalt (²¢ statt ²) bis zum Lebensende Josephs (50,22b) ins Auge faßte. Die Veranschlagung der priesterschriftlichen Anteile innerhalb von Gen 37-50 für eine Bearbeitungsschicht13 hat einschneidende Folgen für die Frage nach der Beurteilung der priesterschriftlichen Verknüpfung zwischen Erzvätern und Exodus. Während als unbestritten gelten muß, daß die Integration der beiden Großerzählungen in einen theologischen Gesamtentwurf integraler Bestandteil der priesterschriftlichen Konzeption ist, kann gleichzeitig nicht mehr davon ausgegangen werden, daß diese Integration im Rahmen einer priesterschriftlichen Quelle erfolgte. Der priesterschriftliche Übergang zwischen Erzvätern und Exodus ist auf den vorpriesterschriftlichen Text der Josephsgeschichte angewiesen, was in der Frage der literarhistorischen Beurteilung des redaktionellen Scharniers in Gen 50; Ex 1 lediglich zwei Optionen übrigläßt. Entweder der priesterliche Bearbeiter fand bereits ein älteres Scharnier vor, oder aber er stellte die Verbindung zwischen Väter- und Exoduserzählung selbst her, indem er vom Ende der vorpriesterschriftlichen Josephsgeschichte (Gen 50,21) zum Beginn der Exoduserzählung in Ex 2,1 überleitete. Damit ist der Rahmen für die literarhistorische Beurteilung der priesterschriftlichen Anteile in Ex 1 abgesteckt, die es nun näher zu betrachten gilt. Seit der Untersuchung NÖLDEKEs herrscht ein breiter Forschungskonsens in der Bestimmung der priesterschriftlichen Anteile von Ex 1, die in der Liste der Jakobsöhne (1,1-5), der Mehrungsnotiz (1,7) und den knappen Ausführungen zur Zwangsarbeit der Israeliten (Ex 1,13f.) gefunden werden.14 Dabei hat sich in der gegenwärtigen Forschung vermehrt die Erkenntnis durchgesetzt, daß die Liste in 1,1-5 zwar in der Tradition von P steht, aber eine jüngere Wiederholung der frühestens priesterschriftlichen Liste in Gen 35,22b-26 darstellt und mithin für PG ausscheidet.15 Zieht man
13
Auch die priesterschriftlichen Angaben zur Ansiedlung und Mehrung der Israeliten in Gen 47,27f. lassen sich problemlos als Erweiterung der älteren Siedlungsnotiz in 47,11 interpretieren, und nichts anderes gilt für den letzten Willen Jakobs in 49,1a.29-33, der das vorpriesterschriftliche Vermächtnis des Erzvaters aus 47,29-31 erweitert. Sollte ursprünglich allein Joseph den Vater bestatten, so nimmt P nun alle Söhne in die Pflicht und ergänzt den passenden Ausführungsbericht (50,12f.) im direkten Anschluß an die ältere Totenklage Josephs in 50,7a.10b. 14 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 35. 15 Vgl. LEVIN, Jahwist, 315; GERTZ, Tradition, 354-357; KRATZ, Komposition, 243. Anders etwa WEIMAR, Untersuchungen, 39, sowie jüngst BLUM, Verbindung, 149f. (mit
1. Die Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus in der Priesterschrift
15
die Verse ab, verbleiben als priesterschriftlicher Anteil von Ex 1 allein 1,7.13f., wobei 1,7 direkt an die Notiz zu den 110 Lebensjahren Josephs in Gen 50,22b angeschlossen haben müßte. Der so entstehende Textübergang (‚Und die Lebenszeit Josephs betrug 110 Jahre [Gen 50,22b] und die Israeliten mehrten sich ... [Ex 1,7]‘) ist allerdings deutlich schlechter als der zuvor zwischen der Einwanderung der siebzigköpfigen Jakobsippe (1,5) und der Mehrungsnotiz in 1,7 bestehende, was freilich nicht für die Ursprünglichkeit der Liste in 1,1-5 spricht, sondern vielmehr erste Zweifel an der Veranschlagung von 1,7 für PG weckt. Die Zweifel mehren sich, wenn man sieht, daß 1,7 eine Dublette zur Mehrungsnotiz in Gen 47,27 darstellt und ferner die dort verwendeten Begriffe (± und ±) um weitere ergänzt.16 Dabei ist besonders der zweite Teil von Ex 1,7a instruktiv (§ § §¯«¢ ±¢), der terminologisch exakt mit den nichtpriesterschriftlichen Mehrungsaussagen in 1,9.20 übereinstimmt,17 was sich nur im Sinne einer literarischen Abhängigkeit interpretieren läßt. Hat man hieraus wiederholt auf eine Abhängigkeit der Verse Ex 1,9.20 von 1,7 und damit auf ihre nachpriesterschriftliche Herkunft schließen wollen,18 so spricht der Textbefund viel eher für die umgekehrte Erklärung: Daß von den vier in 1,7 verwendeten Begriffen nur zwei in 1,9.20 begegnen, erklärt sich am einfachsten so, daß der Verfasser von 1,7 mit Blick auf 1,9.20 eine gesteigerte Wiederholung der P G zugehörigen Mehrungsnotiz aus Gen 47,27 schuf und dabei die Terminologie seiner Quelltexte kombinierte.19 Für diese Richtung des literarischen Gefälles spricht Anm. 146), nach denen Ex 1,1-5 integraler Bestandteil der Priesterschrift sind; ähnlich RÖMER, Narration, 23, Anm. 32. 16 Die wiederholt unternommenen Versuche, mit Mitteln der Literarkritik einen älteren Grundbestand von Ex 1,7 zu rekonstruieren (vgl. WELLHAUSEN, Composition, 68f.; WEIMAR, Untersuchungen, 25-36; VAN SETERS, Life, 19-21), entbehren jeglicher Grundlage. Die Synthese von priesterschriftlicher und nichtpriesterschriftlicher Terminologie in Ex 1,7 erklärt sich schlicht daraus, daß der Vers „die Vereinigung der beiden Quellen voraus[setzt]“ (LEVIN, Jahwist, 315). 17 Vgl. BLUM, Tradition, 148, sowie ausführlich WEIMAR, Untersuchungen, 25-36. 18 So H.-C. SCHMITT, Josephsgeschichte [1997], 393; K. SCHMID, Erzväter, 71; GERTZ, Tradition, 365. 19 Vgl. LEVIN, Jahwist, 315; KRATZ, Komposition, 243; CARR, What Is Required, 173. Gegen W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 11f.; L. SCHMIDT, Studien [1993], 257.264; GERTZ, Tradition, 352-357, die Ex 1,7 für PG veranschlagen. Als ursprünglicher Bestandteil von KP gilt der Vers auch BLUM, Verbindung, 148, der dabei gleichwohl betont, daß jener mit Blick auf den älteren Folgeabschnitt in 1,9ff. verfaßt worden sei, den KP überforme oder integriere. Dabei verweist BLUM zu Recht auf „eine kaum beachtete Schwierigkeit für die gängige »Priesterschrift«-Hypothese: Das in der Aussage von V. 7b implizierte Bedrohungspotential aus der Perspektive der Ägypter (»das Land wurde voll von ihnen« [...])“, findet in dem postulierten P-Faden (1,7*.13f.) kein Echo.“ Die Lücke schließt allein der nichtpriesterschriftliche Text in 1,8-12*.
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Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung
ferner, daß die Betonung, Israel habe sich ‚aufs äußerste‘ gemehrt (1,7: § § §¯«¢) gegenüber der Rede von einer ‚starken‘ Mehrung (1,20: § §¯«¢) eine nochmalige Steigerung darstellt. Ex 1,7 gehört damit weder zu PG, noch bildet der Vers die Vorlage der nichtpriesterschriftlichen Mehrungsaussagen in 1,9.20, sondern es handelt sich bei 1,7 um einen nachpriesterschriftlichen Vers, der dem von den beiden Mehrungsnotizen in 1,9.20 getragenen Erzählzusammenhang eine superlativische Aussage über die außerordentliche Mehrung der Israeliten vorwegschickt. Mit dem Wegfall von Ex 1,7 wird der priesterschriftliche Faden in Ex 1 auf einen Minimalbestand in 1,13f. ausgedünnt. Die Verse beschreiben, wie die Israeliten von den Ägyptern zu Zwangsarbeiten eingesetzt werden, und müssen, setzt man einen ungebrochenen priesterschriftlichen Erzählstrang voraus, direkt an die Notiz zu den 110 Lebensjahren Josephs angeschlossen werden (Gen 50,22b). Der Textübergang ist syntaktisch möglich, fällt allerdings inhaltlich äußerst dürftig aus, denn ein sachlicher Zusammenhang zwischen Josephs Alter und der Versklavung der Israeliten ist schlechterdings nicht erkennbar. Während nun Ex 1,13f. bei der Annahme einer literarisch selbständigen Priesterschrift zumindest eine inhaltlich stimmige Fortsetzung im Notschrei der versklavten Israeliten (2,23-25) finden würden, ist mit der Veranschlagung der priesterschriftlichen Anteile für eine Ergänzungsschicht, wie sie aufgrund obiger Analyse des priesterschriftlichen Materials in der Josephsgeschichte unumgänglich ist, auch dieser Textzusammenhang hinfällig. Sollte daher der Grundbestand des redaktionellen Scharniers in Gen 50; Ex 1 auf einen priesterlichen Bearbeiter zurückgehen, so müßte dieser Gen 50,22; Ex 1,13f. verfaßt haben, um Ex 2,1ff. an Gen 50,21 anzuschließen. Wie unplausibel diese Annahme ist, liegt auf der Hand, denn der Übergang zwischen 1,14 und 2,1 ist noch schlechter als der Anschluß von 1,13 an Gen 50,22. Die oben erwogene Möglichkeit, ein priesterlicher Bearbeiter hätte erstmals die redaktionelle Verbindung zwischen Josephsgeschichte und Exoduserzählung hergestellt, scheitert daher eindeutig an den literarischen Verhältnissen in Ex 1. Wenn aber dieser erste priesterliche Bearbeiter von Gen; Ex (P G) die Verbindung zwischen beiden literarischen Größen nicht selbst herstellte, so bleibt allein die Möglichkeit, daß er sie bereits vorfand. Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß der älteste priesterschriftliche Anteil innerhalb von Ex 1 mit der Beschreibung der Fronarbeiten vorliegt (1,13f.), die redaktionell in ein vorpriesterschriftliches Scharnier eingearbeitet wurde. Dies legt im übrigen bereits ein unbefangener Blick auf die Kontextualisierung der beiden Verse nahe, denn jenseits der Zwänge der Urkundenhypothese wirken 1,13f. wie eine kontextbezogene Einschreibung, die das Motiv der Fronlasten (³¥ª) aus 1,11f. aufgreift,
2. Das vorpriesterschriftliche Scharnier zwischen Gen 50 und Ex 1
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es steigert und näher spezifiziert:20 Die Ägypter zwingen die Israeliten nun mit Gewalt (£±) zur Arbeit (1,13) und machen ihnen das Leben mit Arbeit an Lehm und Ziegeln und auf dem Feld bitter (1,14a). Umgekehrt fällt auf, daß die auf die Tötung der neugeborenen Knaben zielende Hebammenperikope (1,15-22) nach 1,13f. eigentümlich in der Luft hängt. Das Problem, das hier im Hintergrund steht, ist die Mehrung der Israeliten, die trotz Fronlasten weiter andauert und die Ägypter in Grauen versetzt (1,12). Exakt hierauf reagieren 1,15-22, was den Schluß nahelegt, daß 1,13f. nachträglich einen ursprünglichen Textzusammenhang zwischen 1,12 und 1,15 getrennt haben. Von den beiden in 1,11f. vorgegebenen Motiven (Mehrung und Unterdrückung) griff der priesterliche Ergänzer allein letzteres21 auf und zerschnitt damit den motivischen Faden, der 1,8-12.15-22* zuvor zusammenhielt.22
2. Das vorpriesterschriftliche Scharnier zwischen Gen 50 und Ex 1 Die Untersuchung der priesterschriftlichen Anteile in Gen 50; Ex 1 hat gezeigt, daß die Annahme zu verabschieden ist, die literarische Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus sei von P hergestellt worden. Wie in der Josephsgeschichte erweisen sich die priesterschriftlichen Stücke auch in Ex 1 als literarisch unselbständig, setzen also die Existenz eines vorpriesterschriftlichen Scharniers voraus. Dieses ist in Gen 50,26*/Ex 1,6*; 1,812.15-22* zu suchen und leitete vom Tod Josephs über das Auftreten eines neuen Pharao und dessen Plan, alle neugeborenen Knaben der Israeliten zu töten, gezielt zur Aussetzungsgeschichte des Mose über (2,1ff.). Anfang und Ende des Scharniers (Tod Josephs / Tötungsbefehl) sind so perfekt auf eine literarische Verknüpfung mit dem Ende der Josephsgeschichte (Gen 50,21) bzw. mit dem Anfang der Exoduserzählung (Ex 2,1) abgestimmt,
Vgl. BLUM, Studien, 240; HOUTMAN, Exodus I, 249. Die klimaktische Anlage der Passage notiert auch W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 15, der gleichwohl Ex 1,11f. und 1,13f. im Horizont der Neueren Urkundenhypothese als Dubletten ansieht. Ebenso GERTZ, Tradition, 353f. 21 Daß sich Ex 1,13f. in Ermangelung der Mehrungsthematik wie ein Fremdkörper in Ex 1 ausnehmen, blieb in der Folgezeit nicht unbemerkt. 2QExoda 1 5-6 bezeugen den Versuch, das Defizit dadurch zu beheben, daß man die in 1,12 vorangehende Mehrungsaussage im Anschluß an 1,14 noch einmal (sinngemäß) wiederholt. 22 Dagegen ist man im Rahmen der Urkundenhypothese mit dem wenig wahrscheinlichen Befund konfrontiert, daß die sonst so auf Ausgleich bedachte Endredaktion das vermeintliche P-Fragment hinter Ex 1,11f. stellte und damit ohne Not den Anschluß zur Hebammenperikope zerstörte, obwohl sich dies leicht dadurch hätte vermeiden lassen, daß man 1,13f. vor 1,11f. schaltete. 20
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daß kein Zweifel daran bestehen kann, daß hier das ursprüngliche Verbindungsstück zwischen Erzvätern und Exodus greifbar wird. Bei der Rekonstruktion des Scharniers ist neben der Frage nach seinem Grundbestand in der Schilderung der verschiedenen, vom Pharao gegen die Mehrung der Israeliten ergriffenen Maßnahmen (Ex 1,8-12.15-22) vor allem von Bedeutung, welche der beiden Notizen zum Tod Josephs (Gen 50,26; Ex 1,6) in 1,8 vorausgesetzt ist, wo vom Auftreten des neuen Pharao die Rede ist, der Joseph nicht kannte (±²¦¢±¯§¥«² £¥§¦°¢ ¬ª¢³«¢¥).Bevor dies diskutiert werden kann, gilt es jedoch, noch ein letztes Argument zu entkräften, das in der jüngeren Vergangenheit gegen die Existenz eines vorpriesterschriftlichen Scharniers ins Feld geführt wurde: Ein derartiges Scharnier sei deshalb nicht möglich, weil die vorpriesterschriftliche Josephsgeschichte nicht in Ägypten, sondern in Kanaan geendet habe, für eine Fortsetzung durch die Exoduserzählung also überhaupt nicht anschlußfähig gewesen sei. Exkurs: Wo spielt das Finale der Josephsgeschichte? Die Möglichkeit eines vorpriesterschriftlichen Scharniers steht und fällt mit der redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Gen 50,14: Nur wenn der Vers seinerseits vorpriesterschriftlich ist, bleibt ein derartiges Scharnier eine Option, denn da sich die Reise, welche Joseph bzw. die Söhne Jakobs zur Bestattung des Vaters nach Kanaan unternehmen (47,29-31; 50,1-13*), nicht aus dem Grundbestand der Josephserzählung herauslösen läßt, müssen die Stammväter Israels wieder nach Ägypten zurückkehren, damit der Übergang zu den Exodusereignissen gewährleistet ist. Von einer Rückkehr ist aber allein in Gen 50,14 die Rede. Die redaktionsgeschichtliche Einordnung von Gen 50,14 ist nun aber gegenwärtig in der Forschung höchst umstritten: So schließt SCHMID aus dem „sachlich uneben[en]“ Übergang zwischen 50,14 und 50,15 – die Erkenntnis der Brüder, daß ihr Vater verstorben ist, kommt nach ihrer Teilnahme an dessen Beerdigung verspätet – auf „die literarische Sekundarität der Rückkehr nach Ägypten 50,14“, was sich für ihn mit der Annahme verbindet, daß die Abschlußszene Gen 50,15-21 ursprünglich in Kanaan spielte.23 Diese Schlußfolgerung teilt auch GERTZ, der allerdings mit Recht darauf hinweist, daß sich die gegenwärtige Position von Gen 50,14 nur schwer mit der Annahme eines redaktionellen Zusatzes verträgt. Hätte ein Redaktor nachträglich die Rückkehr der Söhne Jakobs berichten wollen, so wäre es ihm ein leichtes gewesen, dies im Anschluß an 50,21 zu tun und so die kontextuellen Spannung mit 50,15 zu vermeiden. Die Stellung von Gen 50,14(a) erkläre sich nur dadurch, daß der Vers quellenhaft sei, weshalb GERTZ ihn der priesterschriftlichen Begräbnisnotiz 50,12f. zuschlägt.24 GERTZ hat hier durchaus Richtiges gesehen, verbessert aber letztlich nur ein Modell, das bereits in seinen Grundvoraussetzungen problematisch ist. So scheint S CHMID sein Hauptargument für die Ausscheidung von 50,14 aus der Beobachtung zu gewinnen, daß K. SCHMID, Josephsgeschichte, 104; vgl. DERS., Erzväter, 59f. Vgl. GERTZ, Transition, 78; ebenso bereits DIETRICH, Josephserzählung, 44, Anm. 118. Anders etwa CARR, What is Required, 168, und LEVIN, Link, 134f., die mit Recht darauf verweisen, daß Gen 50,14a in Spannung zu 50,12f. P steht. 23 24
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nur hier vom Eisodos der Söhne Jakobs die Rede ist – die Spannungen zwischen 50,14 und 50,15 werden erst als Hilfsargument („Hinzu kommt [...]“) in den Blick genommen. 25 Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß für SCHMID von Anfang an feststeht, was allererst zu erweisen wäre: Die Josephsgeschichte endete in Kanaan. Dieser These ungünstig ist jedoch nicht nur die ihr zugrundeliegende methodische Problematik, sondern auch und vor allem die konkreten textlichen Verhältnisse. So ist zwar zutreffend beobachtet, daß Gen 50,15aĮ (¦¢³§¢¤¬ª¢¢ ±¢) nach der Rückkehrnotiz 50,14 verspätet kommt, das sachliche Problem ist aber durch die Ausscheidung von 50,14 keineswegs beseitigt, denn die Erkenntnis der Brüder, daß Jakob gestorben ist, ist auch nach deren Teilnahme an der vorangehenden Begräbniszeremonie (50,8a.9-11) erzählerisch unplausibel. Mit anderen Worten: Ob die Brüder den Tod ihres Vaters in Kanaan oder in Ägypten bemerken, sie bemerken ihn auf jeden Fall zu spät! Der von SCHMID rekonstruierte vorpriesterschriftliche Grundbestand in „50,*1-8a.911.15-21“26 scheitert aber nicht nur an der nach wie vor bestehenden inhaltlichen Spannung zwischen 50,11.15, sondern auch daran, daß der Text zahlreiche Fortschreibungsspuren aufweist. Die umständlichen Begräbnisvorbereitungen, der kein Ende nehmende Prozessionszug und die Häufung unterschiedlicher Trauerperioden, in 50,11b sogar mit einer Ortsätiologie verknüpft, deuten auf einen komplizierten Enstehungsprozeß von Gen 50,1-11 hin, für dessen Rekonstruktion sich Gen 50,10 als Ausgangspunkt anbietet. Während in 50,10a eine Gruppe die Totenklage (ª§) hält, trauert in 50,10b ein namentlich nicht genanntes Subjekt sieben Tage um seinen Vater (¦¢§¢ ³«² ¥ ¢¥ ²«¢). Daß hier nur Joseph gemeint sein kann, ist ebenso deutlich wie die Tatsache, daß dieser Bezug durch die Einschreibung des Leichenzuges in 50,7b-10a zerstört wurde. Gen 50,10b kann ursprünglich nur an 50,7a angeschlossen haben, und das bedeutet, daß es zunächst allein Joseph war, der den – exklusiv an ihn gerichteten! – letzten Willen seines Vaters (47,29-31) erfüllte, indem er sich nach dessen Tod (50,1) aufmachte (50,7a), die Totenklage hielt (50,10a) und nach der Beerdigung Jakobs nach Ägypten zurückkehrte (50,14*).27 Wenn ursprünglich nur Joseph an Jakobs Sterbebett saß und den Vater in Kanaan beerdigte, so löst sich auch die Spannung zwischen 50,14 und 50,15: Die Brüder bemerken in der Tat erst, daß Jakob tot ist, als Joseph bereits nach Ägypten zurückgekehrt ist!
Vgl. K. SCHMID, Josephsgeschichte, 103f. K. SCHMID, Josephsgeschichte, 105. 27 Ebenso KEBEKUS, Joseferzählung, 217-221; LEVIN, Jahwist, 307. In Gen 50,14 ist mithin nicht V. 14b, sondern die Aufzählung des Begräbniszuges in V. 14a (¥¤ ¢ ¢³±°¥³¦¢¥«) sekundär. Die von K. SCHMID, Josephsgeschichte, 104, und GERTZ, Transition, 77, vertretene Ansicht, in Gen 50,14b liege eine nachträgliche Glosse vor, welche die chronologische Spannung zwischen V.14a und 15 zu glätten versuche, leuchtet schon deshalb nicht ein, weil völlig unklar bleibt, wie genau die Betonung des erfolgten Begräbnisses die Schwierigkeit, daß die Brüder den Tod erst jetzt bemerken, lösen soll. Scheidet man Gen 50,14b als Nachtrag aus, ergibt sich zudem das gravierende Problem, daß der Text zwar ausführlich von allerlei Klagezeremonien berichtet, aber das Begräbnis Jakobs (±°), das nach 47,29-31; 50,7a alleiniges Ziel des ganzen Ausflugs ist, unerwähnt läßt! Von der Beerdigung Jakobs ist sonst nur noch in 50,12f. P die Rede, und genau hier wird der Grund liegen, daß 50,14b in g fehlt: Der Vers wurde nach der vorangehenden priesterschriftlichen Begräbnisnotiz schlicht für überflüssig gehalten und getilgt. Ähnlich KEBEKUS, a.a.O., 221, Anm. 27. 25 26
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Hier spielt folglich auch die anschließende Versöhnungsszene (50,15-21),28 mit der die Josephsgeschichte nach Gen 45 ihren zweiten erzählerischen Höhepunkt erreicht: „Die berühmte, theologisch bedeutsame Abschlußszene [...] schlägt einen Bogen zurück nach 37,4: Während die Brüder zu Anfang mit Joseph kein friedliches Wort mehr redeten, redet Josef am Ende tröstliche und gute Worte zu seinen Brüdern.“29 Zwar wird man mit LEVIN davon ausgehen müssen, daß die Szene literarisch uneinheitlich ist, doch gibt es gute Gründe für die Annahme, daß zumindest ihr minimaler Grundbestand 30 als ursprüngliche Fortsetzung von Gen 50,14 angesehen werden kann. So scheint ein entsprechender Abschluß einerseits aufgrund der Erzähldynamik gefordert zu sein – darauf deutet bereits die angesprochene Großinklusion zwischen 37,4 und 50,21b –,31 und andererseits ist es in Anbetracht der Tatsache, daß Gen 50,15 (nur!) an die Grundschicht in 50,7a.10b.14* spannungsfrei anschließt, auch im Sinne der Methodenökonomie ratsam anzunehmen, daß dieser Anschluß ursprünglich ist und daß die im vorliegenden Text bestehenden Spannungen erst durch die Erweiterung des Leichenzuges um die Brüder (50,8) hervorgerufen wurden.32
Wenn sich das Finale der Josephsgeschichte, die Versöhnung zwischen Joseph und seinen Brüdern (Gen 50,15-21*), in Ägypten ereignet, so steht damit der Existenz eines vorpriesterschriftlichen Scharniers zwischen Gen 50 und Ex 1 grundsätzlich nichts im Wege. Daß das besagte Scharnier mit einer Notiz zum Tode Josephs eingesetzt haben muß, wurde bereits erwähnt, wobei nun zu klären ist, ob es sich dabei um Gen 50,26 oder Ex 1,6 handelt. In ihrer vorliegenden Gestalt scheiden beide Verse freilich für den vorpriesterschriftlichen Text aus: Gen 50,26a notiert, daß Joseph im Alter von 110 Jahren das Zeitliche segnet (¦¢©²±²«§¨¬ª¢³§¢), und setzt dabei die entsprechende Angabe aus 50,22 P voraus, während Ex 1,6 neben Joseph auch dessen Brüder und die gesamte Generation sterben läßt (³§¢ ± ¥¤ ¢ ¥¤ ¬ª¢), was sich nur so erklärt, daß hier bereits die nachpriesterschriftliche Liste aus 1,1-5 im Blick ist.33 In beiden Versen kann demnach nur ein einfaches ¬ª¢³§¢ für einen vorpriesterschriftlichen Grundbestand veranschlagt werden, was allerdings auch vollkommen ausreicht, um mit Ex 1,8 einen stringenten Textzusammenhang zu erhalten,34 28 Daß Gen 50,15-21 nur in Ägypten und nicht, wie K. SCHMID, Josephsgeschichte, 104, meint, in Kanaan gespielt haben kann, ergibt sich bereits aus der Erzähllogik. So setzen die Furcht der Brüder (50,15), ihre Unterwerfung (50,18) und Josephs abschließende freundliche Worte (50,21b) eindeutig die Machtposition voraus, die Joseph in Ägypten erreicht hat. In Kanaan macht die ganze Szene dagegen überhaupt keinen Sinn. 29 KRATZ, Komposition, 284. 30 Nach LEVIN, Jahwist, 310, Gen 50,15.18aĮ*ȕb.19-20abĮ.21b. 31 Vgl. K. SCHMID, Josephsgeschichte, 101; gegen LEVIN, Jahwist, 298f.310. 32 Gegen LEVIN, Jahwist, 308-310, der die Grundschicht der Versöhnungsszene RS zuweist, den Trauerzug hingegen bereits JS. 33 Vgl. GERTZ, Tradition, 362. 34 So auch LEVIN, Jahwist, 313 (vgl. DERS., Link, 135), der den Übergang in Gen 50,26aĮ; Ex 1,8 findet, wohingegen CARR, What is Required, 175, eine vorpriesterschriftliche Verbindung zwischen Ex 1,6aĮ1.8 annimmt. Im Grundsatz ebenso KRATZ, Komposition, 287, der
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der der auf ihr textliches Minimum reduzierten klassischen jahwistischen Klammer entspricht:35 ‚Und Joseph starb, und es trat ein neuer König die Herrschaft über Ägypten an, der Joseph nicht kannte.‘ Eine Entscheidung der Frage, ob sich die vorpriesterschriftliche Notiz zum Tode Josephs in Gen 50,26 oder Ex 1,6 verbirgt, läßt sich nur im Rahmen einer redaktionsgeschichtlichen Analyse von Gen 50,22 - Ex 1,6 treffen. Dabei wird man voraussetzen können, daß Gen 50,26; Ex 1,6 weder gleich ursprünglich sind36 noch jemals direkt aneinander angeschlossen haben. Vor diesem Hintergrund kommt aber der Liste in Ex 1,15 eine entscheidende Bedeutung zu, denn sie trennt Gen 50,26; Ex 1,6 voneinander, weshalb eine der beiden Notizen frühestens mit dieser Liste in den Text gekommen sein kann und mithin nachpriesterschriftlich ist. Die Unwahrscheinlichkeit eines direkten Textübergangs ist nun aber auch mit Blick auf Gen 50,22; 50,26 geltend zu machen, denn Gen 50,26a (‚Und Joseph starb mit 110 Jahren‘) ist direkt nach der priesterschriftlichen Angabe in 50,22b (‚Und die Lebenszeit Josephs betrug 110 Jahre‘) unnötig redundant.37 Sollte daher in Gen 50,26aĮ (¬ª¢ ³§¢) die ursprüngliche, vorpriesterschriftliche Todesnotiz Josephs vorliegen, so wäre davon auszugehen, daß die aus 50,22b P übernommene Altersangabe erst nachträglich in 50,26aȕ ergänzt wurde, und zwar nachdem zumindest 50,23 oder 50,24 zwischen die beiden Verse getreten war. Es ist aber überhaupt nicht erkennbar, was einen späteren Bearbeiter dazu veranlaßt haben sollte, die von 50,22b her unstrittige Lebensdauer Josephs in 50,26aȕ nachzutragen, zumal ja auch in Ex 1,6 niemand am Fehlen der entsprechenden Angabe Anstoß nahm. Da sich Gen 50,26aȕ als Nachtrag schlechterdings nicht plausibilisieren läßt, ist davon auszugehen, daß 50,26a literarisch aus einem Guß und damit zugleich notwendig jünger als 50,22 P ist. Deuten die bisherigen Beobachtungen stark darauf hin, daß in Gen 50,26a ein literarisch einheitlicher, nachpriesterschriftlicher Vers vorliegt, so heißt dies im Umkehrschluß, daß die vorpriesterschriftliche Todesnotiz allerdings „die Auswahl von 1,6 oder Gen 50,26aĮ ins Belieben“ stellt. Dagegen veranschlagt DIETRICH, Josephserzählung, 47, sowohl Gen 50,26 als auch Ex 1,6 für das vorpriesterschriftliche Scharnier, kann aber das direkte Aufeinanderstoßen der beiden Todesnotizen nur unzureichend als literarische Wiederaufnahme erklären. 35 Zur jahwistischen Klammer (Ex 1,6.8) vgl. VRIEZEN, Exodusstudien, 334f. (mit einem Überblick über die ältere Forschung); H.-C. SCHMITT, Josephsgeschichte [1980], 126f.; W.H. SCHMIDT, BK.AT I/1, 31f. 36 Anders BLUM, Verbindung, 150f., der beide Notizen einer Gen 50,24-26; Ex 1,5b.6.8 umfassenden Bearbeitung zuschreibt. 37 Gegen BLUM, Studien, 364, Anm. 14, und GERTZ, Transition, 79, die Gen 50,26a für den Abschluß der priesterschriftlichen Todesnotiz halten. Daß der Vers auch aus allgemeinen redaktionskritischen Erwägungen nicht für P in Frage kommt, wird mittlerweile auch von BLUM so beurteilt (Verbindung, 149-151).
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Josephs in Ex 1,6aĮ1 (¬ª¢ ³§¢) zu suchen ist. Zwar ist auch diese Notiz von nachpriesterschriftlichen Passagen gerahmt, die Art ihrer kontextuellen Einbettung spricht aber dafür, daß diese Rahmung literarisch sekundär ist. Im Unterschied zu Gen 50,26a, der sich problemlos als Schlußpunkt der in 50,24f. vorangehenden Vermächtnisrede Josephs lesen läßt, kommt die betonte Erwähnung des Todes Josephs (Ex 1,6aĮ1) nach Ex 1,1-5a überraschend, denn in der betreffenden Aufzählung geht es gemäß der Überschrift in 1,1abĮ um die Namen derjenigen, die mit Jakob nach Ägypten übersiedelten (°«¢ ³ §¢±¯§ ¦¢ ¥±²¢ ¢© ³§² ¥). Der Tod Josephs, der in 1,5b recht unbeholfen durch die Bemerkung vorbereitet wird, Joseph sei bei der Ankunft seiner Brüder bereits in Ägypten gewesen (¦¢±¯§¢¬ª¢), erfüllt aber seinerseits nur eine Überleitungsfunktion, denn im weiteren Verlauf von 1,6 geht es plötzlich wieder um die in 1,2-5a Aufgezählten, deren Dahinscheiden nun ebenfalls vermeldet wird (±¥¤¢ ¥¤). Der eigentümliche Umweg, den die Darstellung in Ex 1,1-6 über das Schicksal Josephs nimmt, erklärt sich am einfachsten so, daß die Informationen zu Josephs Brüdern nachträglich um eine vorgefundene Notiz zum Tode Josephs (1,6aĮ1) arrangiert wurden, die die Aufzählung der elf Namen in 1,2-4 zu einer Zwölferliste komplettierte. Dieses redaktionsgeschichtliche Modell ist deutlich plausibler als die einzige Alternative, wonach die Liste hinter der Todesnotiz in 50,26aĮ eingeschrieben worden wäre, die derselbe Ergänzer dann in 1,6 wiederholt haben müßte. In diesem Fall träte nicht nur die skizzierte Aporie auf, daß sich 50,26aȕ nicht als Nachtrag erklären läßt, sondern es wäre zudem mit dem redaktionstechnisch unwahrscheinlichen Befund zu rechnen, daß eine Liste, in der es um die rückblickende Aufzählung der Namen derjenigen geht, die zu Josephs Lebzeiten nach Ägypten kamen, nach einer Todesnotiz Josephs ergänzt worden wäre. Deutlich naheliegender ist es, daß die Liste vor der Todesnotiz in Ex 1,6aĮ1 eingestellt wurde, oder noch genauer: Sie wurde in den direkten Textzusammenhang zwischen Gen 50,22 P und Ex 1,6aĮ1 eingeschrieben, denn die Auflistung der Namen in 1,2-4 ist nichts anderes als eine nachträgliche Explikation des in 50,22a erwähnten ¢ ³¢ Josephs. Der literarische Gesamtbefund spricht damit eindeutig dafür, daß die ursprüngliche Notiz zum Tode Josephs und damit der Anfangspunkt des vorpriesterschriftlichen Scharniers zwischen Erzvätern und Exodus in Ex 1,6aĮ1 vorliegt. Integraler Bestandteil des Scharniers ist die alles weitere anstoßende Beobachtung des in 1,8 eingeführten Pharao, das Volk der Israeliten sei zahlreicher und mächtiger als das der Ägypter (1,9b: ±¥±²¢¢©¦«© ©§§¦¯«), eine Aussage, die wie dargelegt nicht jünger, sondern älter als die Mehrungsnotiz in 1,7 ist. Dies bedeutet, daß der Leser ursprünglich
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von der Mehrung der Israeliten erstmalig aus dem Mund des neuen Pharao erfuhr (1,9), ein für alttestamentliche Erzählgewohnheiten keineswegs ungewöhnliches Phänomen,38 das in diesem konkreten Fall zudem äußerst geschickt realisiert ist: Durch 1,6aĮ1.8.9 ergibt sich ein erzählerisch gelungener Übergang,39 insofern der Gedankengang bruchlos vom Tod Josephs zum Auftreten des neuen Pharao verläuft, der Joseph nicht mehr kannte. Dieser zeigt mit seiner ersten Rede nicht nur, daß die Privilegien, die Israel unter Joseph genießen konnte, der Vergangenheit angehören, sondern führt damit auch ganz nebenbei in die Situation ein, die in Ex 2ff. vorausgesetzt ist und ihn selbst zu seinen konkreten Schritten veranlaßt:40 Israel ist zu einem großen Volk geworden. „Man könnte sich sachlich und stilisitisch keine bessere Überleitung am Anfang der Exodusgeschichte denken als diese, in der in einem Satz Vergangenheit und neue Situation zusammen dargestellt werden.“41 Mit dem Hinweis auf Israels zahlenmäßige Überlegenheit (Ex 1,9)42 ist das Problem benannt, auf das die in 1,11f.15-22 berichteten Gegenmaßnahmen reagieren. Diese werden in 1,10* dadurch vorbereitet, daß der Pharao ankündigt, man wolle klug gegen das israelitische Volk vorgehen, damit sich dieses nicht noch weiter mehre (±¢ ¨ ¥ §¤ ³© ).43 Die den KRATZ, Komposition, 287, verweist mit Recht auf die Parallelen in Gen 26,16 und Num 22,3f.6. Vgl. CARR, What Is Required, 172. 39 Ähnlich jüngst CARR, What is Required, 175. 40 Der elegante erzählerische Übergang von Ex 1,6aĮ1 zu 1,8.9, der über das Motiv der exzeptionellen Stellung Josephs auf den Exodus hinleitet, ist auf eine Mehrungsnotiz in 1,7 nicht nur nicht angewiesen, sondern wird durch diese empfindlich gestört. Während Ex 1,9 die Mehrung der Israeliten implizit in die Zeit vor dem Tod Josephs und dem Auftreten des neuen Pharao verweist (vgl. Gen 47,27 P), macht Ex 1,7 die mit den beiden letztgenannten Ereignissen angezeigte Epochenwende zunichte. 41 VRIEZEN, Exodusstudien, 346. 42 Eine Verbindung der Adjektive± und ¦¯« ist alttestamentlich in verschiedenen Kontexten bezeugt: So kann das Dtn die Israel überlegenen Landesbewohner (¦¢!) entsprechend bezeichnen (Dtn 7,1; 9,24) oder die Mehrung Israels unter die Formel ¦¯«¥¢¥¦²¢ ± fassen (Dtn 26,5b; von Ex 1,9 literarisch abhängig). Die beiden Adjektive (nebst ihren verbalen Korrelaten) können aber auch – zumeist im parallelismus membrorum – verwendet werden, um große Mengen unterschiedlichster Art zu beschreiben: Num 32,1 (Viehbesitz); Ps 35,18 (Versammlung); Ps 38,20; 69,5; 135,10; Mi 4,3; Sach 8,22 (Feinde); Ps 40,6 (Wunder); Spr 7,26 (Opfer der Unzucht); Jes 8,7 (Wasser); Jes 31,3 (Streitkräfte); Jes 53,12 (Würdenträger); Jer 5,6; 30,14f.; Am 5,12 (Sünden); Joel 2,11 (göttliche Streitmacht). Von einem großen und zahlreichen Volk (¦«) ist neben Ex 1,9 nur noch in Joel 2,2 die Rede. In Anbetracht der breit gestreuten Belege scheint es wenig sinnvoll, die in Ex 1,9 bezeugte Begriffsverbindung aus einem bestimmten (etwa dem dtr) Traditionsraum abzuleiten. Gegen VAN SETERS, Life, 20f. 43 Die Tatsache, daß die in Ex 1,10a bezeugte Verwendung von ¦¤ im Hitpaǥel (‚mit Klugheit handeln‘) sonst nur noch in Koh 7,16 begegnet und das Verb ¦¤ im Enneateuch nur noch in Dtn 32,29; 1 Kön 5,11 belegt ist, bietet kein hinreichendes Argument dafür, einen 38
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weiteren Verlauf des Verses bestimmende Erwägung des Pharao, die Israeliten könnten sich im Kriegsfall mit den Feinden Ägyptens verbünden, ist dagegen kaum ursprünglich. Der Nebengedanke ist mit ¢¤¢ ungelenk angeschlossen und „verdirbt die klare Erwägung V.9b-10bĮ(bis ±¢), die sich allein auf das Motiv der Mehrung stützt.“44 Den Nachtragscharakter der Passage verrät schließlich auch die abschließende Formulierung, die Israeliten könnten gegen die Ägypter kämpfen und ‚aus dem Land heraufziehen‘ (1,10bȕ: ®±¨§¥«©¦ ¥©). Der Pharao nimmt hier unpassenderweise eine Landnahmeperspektive ein, wie sie im unmittelbaren Kontext ihren genuinen Ort in Gen 50,24 hat. Der nachpriesterschriftliche Vers ist bereits vorausgesetzt. Die Ankündigung, einer weiteren Mehrung der Israeliten zu wehren (Ex 1,10*), wird in 1,11f.15-22 auf zwei unterschiedliche Weisen umgesetzt. Während Ex 1,11f. den erfolglosen Versuch schildern, die Israeliten durch Fronarbeiten (³¥ª) zu dezimieren, berichten 1,15-21 von dem nicht minder erfolgsträchtigen Unterfangen, die neugeborenen Knaben von den Hebammen töten zu lassen, woraufhin in 1,22 ein entsprechender Tötungsbefehl an alle Ägypter ergeht. Daß das Motiv der Kindstötung im Verhältnis zu dem der Fronarbeiten ursprünglich sein muß, erhellt aus einer Vielzahl von Gründen: So bereitet allein der Tötungsbefehl in 1,22 auf die Aussetzungsgeschichte in 2,1ff. vor, ist also schon von daher als integraler Bestandteil des literarischen Scharniers in Ex 1 erwiesen. Hinzu kommt, daß ein Versuch, die Neugeborenen zu eliminieren, unmittelbar als geeignete Umsetzung des in 1,10* artikulierten Vorhabens einleuchtet, eine weitere Mehrung der Israeliten zu verhindern. Diesen Zweck erfüllt ihre Verpflichtung zu Zwangsarbeiten allenfalls indirekt, die Maßnahme ist aber nicht nur weniger erfolgversprechend, sondern zudem in der Sache unausgewogen, denn es liegt streng genommen nicht in der Logik entsprechender Wirtschaftsstrukturen, die Zwangsarbeiter gezielt zu dezimieren.45 Ex 1,11f. sind als Reaktion auf das in 1,9f.* angezeigte Problem in jeder Hinsicht weniger geeignet als die in 1,15-22 geschilderten Maßnahmen, was eindeutig dafür spricht, daß die beiden Verse ein jüngerer Nachtrag sind. Vor ihrer Einschreibung schloß 1,15 direkt an 1,10* an, und die Ankündigung des Pharao, gegen die Mehrung der Israeliten vorzugehen,
vorpriesterschriftlichen Ursprung von Ex 1,10* in Abrede zu stellen. Daß die Formulierung bewußt einen Kontrast zur Weisheit Josephs herstellen will (Gen 41,33.39), ist mit GERTZ, Tradition, 368, als Möglichkeit zu erwägen, zumal sich eine derartige Bedeutungsintention glatt in das Profil des vorpriesterschriftlichen Scharniers einfügen würde. Die Erwägung steht dabei selbstredend unter dem Vorbehalt, daß die besagten Genesisverse ebenfalls vorpriesterschriftlich sind. 44 LEVIN, Jahwist, 314. 45 So bereits GRESSMANN, Mose, 3.
2. Das vorpriesterschriftliche Scharnier zwischen Gen 50 und Ex 1
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fand ihre sachgemäße Fortsetzung in der Hebammenperikope (Ex 1,1521.22).46 Die Szene in Ex 1,15-22 zerfällt in zwei, ihrem Umfang nach sehr ungleiche Teile (1,15-21.22), in denen es jeweils um den Versuch des Pharao geht, die neugeborenen Knaben der Israeliten töten zu lassen. Dabei muß der an das Volk gerichtete Befehl, die Kinder in den Nil zu werfen (1,22), notwendig zum Grundbestand gerechnet werden, denn allein hier wird auf die Aussetzungsgeschichte des Mose vorbereitet: Daß die Mutter ihr Kind erst nach drei Monaten aussetzt, als sie es nicht mehr verbergen kann (2,2f.), impliziert eindeutig eine Bedrohungssituation, die über den Moment der Geburt hinausgeht. Damit scheidet die Möglichkeit aus, daß der Auftrag an die Hebammen, die Knaben bei der Geburt zu töten (1,16), literarisch älter ist als der allgemeine Tötungsbefehl in 1,22.47 Ex 1,15-21 sind von vornherein auf 1,22 angelegt, insofern sie dem abschließenden Befehl einen gescheiterten Versuch vorwegschicken, die neugeborenen Knaben auf anderem Wege beseitigen zu lassen. Die Frage kann daher nur lauten, ob dieser in 1,15-21 beschriebene Umweg über die Hebammen ursprünglicher Bestandteil des literarischen Scharniers war oder nachträglich ergänzt wurde. Das wohl stärkste Argument für die Zugehörigkeit der Hebammen (Ex 1,15-21) zum literarischen Grundbestand des vorpriesterschriftlichen Scharniers ergibt sich daraus, daß in 1,22 die Tötung eines jeden neugeborenen Knaben angeordnet wird (¤¢¥²³±¢¥¢¨¥¤), wobei nur von 1,15-21 her klar ist, daß es hierbei konkret um die hebräischen Kinder geht.48 Das Argument wiegt jedoch nicht so schwer, wie es zunächst den Anschein hat, denn auch mit dem direkten Vor- und Folgekontext in 1,9f.*; 2,1f. wird hinreichend klar, daß es in 1,22 um eine Maßnahme gegen die Söhne der Israeliten geht, die konkret den in 2,2 geborenen Sohn der namenlosen Levitin betrifft (¨¥³; vgl. 1,22: ¥¢¨¥¤). Während das Ziel des Tötungsbefehls kontextbedingt in beiden Fällen eindeutig ist – und in beiden Fällen erklärungsbedürftig bleibt, warum der Verfasser von 46 Dabei wird seit langem bemerkt, daß sich der Tötungsbefehl eigentlich gegen die neugeborenen Mädchen richten müßte, um eine erfolgreiche Dezimierung der Israeliten zu gewährleisten, „denn zur Not genügen zur Fortpflanzung wenige Männer, wenn nur genug Frauen da sind“ (JACOB, Buch Exodus, 16). Diese inhaltliche Unausgewogenheit bestätigt nachdrücklich den konstruierten Charakter des Erzählzuges, der nie eine andere Funktion erfüllte, als auf die Aussetzung des Mose hinzuleiten. 47 Ebenso GERTZ, Tradition, 373f. Gegen LEVIN, Jahwist, 317-321, der Ex 2,1 direkt auf 1,16b folgen läßt (JR). 48 Verschiedene Textzeugen, darunter g und b, haben den Tötungsbefehl in Ex 1,22 nachträglich in dieser Hinsicht spezifiziert; vgl. W.H. SCHMIDT, BK II/1, 7. In 4QGen-Exoda 19 I,4, der einzigen qumranischen Belegstelle für Ex 1,22, ist der entscheidende Passus nicht mehr erhalten.
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1,22 so mehrdeutig formulierte, daß theoretisch auch die Söhne der Ägypter betroffen sein können!49 –, spricht eine terminologische Spannung gegen die Ursprünglichkeit von 1,15-21. Während nämlich der Pharao in 1,9 betont vom ¥±²¢ ¢© ¦« spricht, ist in Ex 1,15-21 durchweg von Hebräern die Rede, was Zweifel an der Zugehörigkeit zu derselben literarischen Schicht aufwirft.50 Da 1,9 zum Grundbestand des Scharniers gehört haben muß, können allein 1,15-21 als Zusatz angesehen werden,51 und in der Tat schließt der Tötungsbefehl in 1,22 sprachlich wie inhaltlich nahtlos an 1,8-10* an.52 Daß an beiden Stellen das ägyptische Volk (¦«) als Adressat im Blick ist, untermauert die Verbindung zusätzlich. Für den Zusatzcharakter der Hebammenperikope (Ex 1,15-21) spricht schließlich auch die Tatsache, daß sich die Passage im Rahmen des Scharniers als inhaltlich überschüssig erweist: Im Gegensatz zu 1,22 tragen die Verse nichts zur Erklärung der Aussetzung des Mose bei, sie lassen sich aber auch nicht funktional auf eine Vorbereitung des allgemeinen Tötungsbefehls reduzieren. Das Motiv der Gottesfurcht sowie die besondere Rolle der Frauen lassen ein thematisches Eigeninteresse erkennen, das die kontextbedingte Funktion der Passage transzendiert. Zudem berühren sich die Verse sowohl sprachlich als auch inhaltlich eng mit der in 2,4.710aĮ greifbaren Fortschreibungsschicht, die für das Aufwachsen des Säuglings bei einer hebräischen Amme Sorge trägt. Da die besagte Schicht jünger ist als die die Aussetzungsgeschichte an den Tötungsbefehl rückbindenden Zusätze zu 2,2f.6,53 ist ein weiteres Argument dafür gewonnen, daß die verwandte Hebammenperikope erst nachträglich in das Scharnier zwischen Erzvätern und Exodus eingeschrieben wurde. Für den ältesten Bestand dieses Scharniers, das im vorpriesterschriftlichen Text von Gen 50,21 zu Ex 2,1 überleitete, verbleiben damit Ex 1,6aĮ*(nur ¬ª¢ ³§¢).810bĮ*(bis ±¢).22.
49
So explizit die klassische jüdische Auslegung (vgl. Rashi ad loc.; JACOB, Buch Exodus,
18f.). Bereits WELLHAUSEN, Composition, 69, unterscheidet Ex 1,8-10.22 (J) von 1,15-21 (E). Vgl. NOTH, ATD 5, 12f.; W.H. SCHMIDT, BK II/1, 22. 51 So auch GRESSMANN, Mose, 2f.; K. SCHMID, Erzväter, 72. 52 Daß in 1,8 vom ¦¢±¯§£¥§, in 1,22 aber der «± die Rede ist, stellt kein literarkritisch verwertbares Indiz dar. Der Unterschied ist vielmehr sachlich bedingt: In 1,8 geht es grundsätzlich um das Auftreten eines neuen ägyptischen Königs, wohingegen 1,22 einen Befehl desselben unter Verwendung der Amtsbezeichnung «± einführt. 53 S.u., III. 1.1. 50
3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50
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3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50 Die älteste Erweiterung des vorpriesterschriftlichen Grundbestandes von Ex 1 ist in der Hebammenperikope 1,15-21* greifbar, die dem allgemeinen Tötungsbefehl (1,22) einen gescheiterten Versuch vorwegschickt, die männlichen Nachkommen der Israeliten zu eliminieren. „Nach V. 15-21 wollte der König von Ägypten die weitere Vermehrung Israels dadurch verhindert wissen, daß die neugeborenen israelitischen Knaben sogleich bei ihrer Geburt unauffällig durch die Hebammen auf eine nicht angegebene Weise totgemacht wurden.“54 Zur Umsetzung eines derartigen Planes bedarf es in Anbetracht der in 1,9 beschriebenen Größe des israelitischen Volkes sicherlich mehr als der beiden Frauen Schifra und Pua, die in 1,15b erwähnt werden (« ³¢©² ¦² ±² ³ ¦² ±²), doch ist die Namensnennung nicht ursprünglich,55 und mit den Namen verschwindet auch der unrealistische Erzählzug, daß zwei Hebammen ein ganzes Volk betreuen. Ursprünglich wandte sich der Pharao an die zahlenmäßig nicht näher spezifizierte Gruppe der ‚Hebammen der Hebräerinnen‘ (1,15a: ³¢±« ³¥¢§¥ ¦¢±¯§ £¥§ ±§¢), womit naheliegenderweise sämtliche Hebammen gemeint sein dürften. Unklar und in der Auslegungsgeschichte viel diskutiert ist freilich, ob es sich bei den Hebammen um Ägypterinnen oder Hebräerinnen handelt. j jedenfalls favorisiert eindeutig die zweite Alternative, denn 1,15aȕ (³ è¢ § ¥ ³å ± « ) ist so vokalisiert, daß es sich bei letzterem Begriff um ein Adjektiv, bei den Hebammen also um Hebräerinnen handeln muß.56 Diese mittelalterliche Deutung muß freilich nicht den ursprünglichen Sinn des Textes treffen, denn die Wortfolge läßt sich unvokalisiert auch als Constructus-Verbindung interpretieren. In diesem Fall ginge es um ‚die Hebammen der Hebräerinnen‘, womit sowohl hebräische Frauen im Sinne von j als auch ägyptische Hebammen gemeint sein könnten, die für die Hebräerinnen zuständig waren. Letzteres allerdings erscheint in der Sache wenig naheliegend, denn der Text würde so ohne ein Wort der Erklärung unterstellen, es sei reguläre Praxis der Hebräerinnen gewesen, auf ägyptische Geburtshelferinnen zurückzugreifen. Nun könnte man erwidern, es sei ebenfalls nicht sonderlich wahrscheinlich, daß der Pharao mit hebräischen Hebammen verkehrt, doch ist es gerade dieser Erzählzug, der den Ausschlag für die hebräische Volkszugehörig54
NOTH, ATD 5, 12. Daß Ex 1,15b nachgetragen wurde, zeigt die sekundäre Wiederaufnahme des ±§¢ aus 1,15a zu Beginn von 1,16a, mittels derer der Nachtrag eingepaßt wird. Vgl. LEVIN, Jahwist, 320. 56 Vgl. W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 4. 55
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Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung
keit der Hebammen gibt. Die Aufforderung des Pharao an die Hebammen, die Kinder zu töten (1,15f.*), bildet nämlich unübersehbar das Kontraststück zu 2,9, wo seine Tochter die hebräische Amme auffordert, das Kind für sie zu stillen. Die thematischen und terminologischen Bezüge zwischen 1,15-21 und 2,4.7-10aĮ, die bisweilen zur Veranschlagung der beiden Texte für E geführt haben,57 sind im Rahmen einer Ergänzungshypothese als literarisch eng miteinander verknüpfte Einschreibungen zu beurteilen. Da 1,15-21 ihr Profil vornehmlich als Kontrastparallele zu 2,4.7-10aĮ entfalten, sind die Hebammen literarisch sicherlich nicht älter als die hebräische Amme, sondern mit dieser gleich ursprünglich oder jünger58 und somit wie diese auf jeden Fall Hebräerinnen.59 Der Befehl, die neugeborenen Knaben direkt nach der Geburt zu töten (Ex 1,15f.*),60 wird von den hebräischen Hebammen aus Gottesfurcht nicht befolgt (1,17: £¥§¨¢¥±±²¤²«¥¦¢¥³³¥¢§¨±¢³ ¦¢¥¢ ³ ¨¢¢ ³ ¦¢±¯§), woraufhin der Pharao von diesen Rechenschaft für ihr Verhalten fordert (1,18). Trotz einer gewissen Redundanz muß das neuerliche Gespräch zwischen Pharao und Hebammen zum Grundbestand gehört haben, denn für einen erzählerisch glatten Übergang zum allgemeinen Tötungsbefehl in 1,22 mußte zunächst das Scheitern des in 1,16 exponierten Planes gegenüber dem Pharao begründet werden. Dies ging naturgemäß nicht durch den Verweis auf die eigene Gottesfrucht, sondern nur durch ein ‚Sachargument‘, wie es die Hebammen in 1,19 vorbringen. Die hebräischen Frauen seien im Gegensatz zu den ägyptischen61 so vital (© ³¢ ¢¤ ³¢±« ³¢±¯§ ¦¢²©¤ ¥ ¢¤),62 daß sie die Kinder zur Welt 57 So jüngst wieder GERHARDS, Aussetzungsgeschichte, 103-105. Anders GRAUPNER, Elohist, 39-56, der allein einen elohistischen Kern der Hebammenperikope annimmt. 58 S. im folgenden. 59 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 15; CASSUTO, Commentary, 12-16. Anders etwa W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 42; HOUTMAN, Exodus I, 252. 60 In der Bedeutung dunkel ist Ex 1,16aȕ (¦¢© ¥« ¨³¢±), der nach 1,16aĮ (³ ¨¤¥¢ ³¢±«) die Tätigkeit der Hebammen beim Geburtsvorgang näher umreißt. Denkt man beim Dual ¦¢© Ò in Anlehnung an Jer 18,3 (Doppelscheibe des Töpfers) an einen Gebärstuhl (so bereits nO; vgl. CASSUTO, Commentary, 14), so bleibt unverständlich, warum die Hebammen auf dieses Instrument blicken sollen. Vom Kontext her zu erwarten wäre die Aufforderung, das Geschlecht der Neugeborenen zu beobachten, um dann die Knaben zu töten (1,16b). Eine derartige Deutung von 1,16aȕ, die verschiedentlich Fürsprecher gefunden hat (vgl. etwa JACOB, Buch Exodus, 15-17; NOTH, ATD 5, 9), läßt sich allerdings nicht lexematisch untermauern. Zur Diskussion vgl. W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 5f. 61 Aus der Tatsache, daß die Hebammen über die Gebärgewohnheiten der Ägypterinnen informiert sind, wird man kaum ein Argument für ihre ägyptische Volkszugehörigkeit ableiten dürfen (gegen HOUTMAN, Exodus I, 252). Der Vergleich erfüllt die literarische Funktion, dem Pharao die Unterlegenheit der ägyptischen Frauen zu demonstrieren. 62 Daß in Ex 1,19bĮ ein begründender Verweis auf die Vitalität der Hebräerinnen vorliegt, ist kontextuell eindeutig, obwohl das Adjektiv ¢ (‚lebenskräftig‘) sonst nicht belegt ist; vgl.
3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50
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brächten, bevor die Hebamme bei ihnen einträfe (³¥¢§ ¨¥ ³ ¦±¡ ¥¢). Wiewohl als Vorwand der gottesfürchtigen Hebammen erkennbar, schwingt in dieser Begründung doch zugleich unübersehbar ein Überlegenheitsgefühl des Erzählers mit: Daß nicht die beeindruckende Gebärfähigkeit der Hebräerinnen, sondern der aus Gottesfurcht geborene Ungehorsam der Hebräerinnen den Plan des Pharao scheitern ließ, ändert nichts daran, daß die in 1,19 geltend gemachte Unterlegenheit der Ägypterinnen als Tatsache verstanden werden will. Als Tatsache nimmt offenbar auch der Pharao das in Ex 1,19 vorgebrachte Argument hin, denn anstelle einer kritischen Replik ergeht in 1,22 der (literarisch ältere) Tötungsbefehl an alle Ägypter, mit dem der in 1,16f. exponierte Plan faktisch ad acta gelegt ist. Das Schlußwort der Hebammenszene und damit zugleich die Überleitung zum älteren Folgekontext formuliert der Verfasser in 1,20: Gott tut den Hebammen zum Dank für ihr Verhalten Gutes (³¥¢§¥ ¦¢¥ ¡¢¢), und das Volk vermehrt sich ungehindert weiter (§ §¯«¢ ¦« ±¢), worauf der Pharao dann mit dem allgemeinen Tötungsbefehl in 1,22 reagiert. Daß Gott den Hebammen aufgrund ihrer Gottesfurcht ‚Häuser‘ verschafft (1,21: ³³¥¢§±¢¢¤¢¢ ¦¢³ ¦¥ ²«¢¦¢¥), ist dagegen „ein späterer Versuch, die sehr allgemeine Aussage vom ‚Gutestun‘ an den Hebammen noch etwas bestimmter zu substanziieren.“63 Das ‚Gute‘ aus 1,20a wird in 1,21 nachträglich im Licht der Mehrungsaussage aus 1,20b expliziert,64 so daß nun davon die
JACOB, Buch Exodus, 17; NOTH, ATD 5, 12f.; CASSUTO, Commentary, 15. Die alternativ vertretene Ableitung von å bringt denselben Gedanken in polemischer Verzerrung zum Ausdruck: „They are just like animals“ (HOUTMAN, Exodus I, 256). Eine derartige Beschreibung der Hebräerinnen ist allerdings nur im Munde ägyptischer Hebammen vorstellbar, weshalb die neutrale Ableitung von ¢ eindeutig vorzuziehen ist. Gegen die Alternative spricht schließlich auch, daß bei einem Vergleich der Hebräerinnen mit Tieren „³¢ ¤ zu erwarten [wäre]“ (W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 6). 63 NOTH, ATD 5, 13. 64 Dagegen hält GERTZ, Tradition, 373, Ex 1,20b.21a für Nachträge innerhalb der als sonst literarisch einheitlich beurteilten Hebammenperikope. Daß 1,20a.21b einen guten Testzusammenhang ergeben, ist zwar unbestreitbar richtig, es ist aber vollkommen unplausibel, daß ein späterer Ergänzer diesen Zusammenhang durch eine Mehrungsaussage (1,20b) zunächst getrennt habe, um ihn dann durch 1,21a wieder herzustellen. Wäre die Mehrungsaussage nachgetragen, so wäre dies aller Wahrscheinlichkeit nach hinter 1,20a.21b erfolgt. Es will aber im übrigen gar nicht einleuchten, warum die Mehrungsaussage sekundär sein soll, denn im Zentrum der Hebammenperikope steht das Thema Mehrung. Die Ausscheidung von 1,20b.21a ist literarkritisch nicht begründbar, sondern erfolgt allein, weil GERTZ die Hebammenperikope für den vorpriesterschriftlichen Text veranschlagt und daher den im Gefolge der vermeintlich nachpriesterschriftlichen Mehrungsaussagen in 1,9 stehenden Halbvers 1,20b zum Zusatz erklären muß.
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Rede ist, Gott habe den Hebammen bleibende Nachkommenschaft (¦¢³)65 geschenkt. Wahrscheinlich auf derselben literarischen Ebene liegt die Ergänzung der beiden Namen in 1,15b.16aĮ(nur ±§¢), die die Ahnmütter der ‚Hebammendynastien‘ als ±² (‚Schönheit‘) und « (‚Mädchen‘ / ‚Glanz‘)66 bekannt macht. „Daß es zwei waren, folgt einfach aus dem Plural.“67 Während sich die Nachträge zur Hebammenperikope aufgrund fehlender Berührungspunkte mit den übrigen Partien der Exoduserzählung einer präzisen redaktionsgeschichtlichen Verortung entziehen, wurde für die Grundschicht bereits auf die literarischen Berührungspunkte mit der in Ex 2,4.7-10aĮ greifbaren Fortschreibung der Aussetzungserzählung hingewiesen. Hier wie dort sind hebräische Frauen mit einem Auftrag aus dem Pharaonenhaus konfrontiert, der das Geschick hebräischer Kinder betrifft und zu dem sie sich jeweils zum Wohl dieser Kinder positionieren. Während die Mutter Moses dem Wunsch der Pharaonentochter gemäß das Kind stillt und dafür Lohn verheißen bekommt (2,9), widersetzen sich die hebräischen Hebammen aus Gottesfurcht dem Befehl des Pharao und werden dafür mit göttlichen Wohltaten bedacht (1,17.20a).68 Wird dabei mit dem Erzählschema in Ex 2 das konkrete Ziel verfolgt, die ägyptischen Einflüsse auf Mose zu minimieren, so tragen 1,15-20* nichts zum Fortgang der Handlung bei, sondern gewinnen ihren einzigen Sinn als Kontrastparallele zu Ex 2. Sie sind daher aller Wahrscheinlichkeit nach jünger und spiegeln den Versuch, den in der vorgefundenen Exoduserzählung angelegten Gegensatz zwischen dem Pharao (Ex 1) und seiner Tochter (Ex 2) weiter zu profilieren. Während der Ergänzer der Hebammenperikope (Ex 1,15-21*) das in 1,22 vorgegebene Mittel zur Dezimierung der Hebräer unverändert übernahm, spielt die Kindstötung in 1,11f. keine Rolle. Der Abschnitt, dessen Grundbestand zwischen 1,10*.15a eingeschrieben wurde, schildert ebenfalls eine am Ende erfolglose Maßnahme gegen die in 1,9 beklagte Mehrung des Volkes, die nun allerdings darin besteht, daß die Ägypter Fronvögte über die Israeliten setzen, um sie mit Fronarbeiten zu bedrücken (1,11a: ¦³¥ª ³©« ¨«§¥ ¦¢ª§ ¢±² ¢¥« §¢²¢). Über die Art der Fronarbeiten verlautete ursprünglich nichts, denn die entsprechende Notiz in 1,11b erweist sich als späterer Einschub, der den engen thematischen JACOB, Buch Exodus, 18, verweist als Hintergrund für diese Deutung mit Recht auf die Parallelen in 1 Sam 25,28; 2 Sam 7,11; 1 Kön 2,24. Vgl. HOUTMAN, Exodus I, 260; LEVIN, Jahwist, 320. 66 Zur Diskussion um die Etymologie der beiden Namen vgl. HOUTMAN, Exodus I, 91; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 42. 67 LEVIN, Jahwist, 320. 68 Einen möglichen Hintergrund des Motivs bildet die Formulierung in Gen 50,20 (¦¢¥ ¡¥² ). 65
3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50
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Zusammenhang zwischen 1,11a.12a stört (Stichwort ©«).69 Der Bericht über die Bedrückung der Israeliten (1,11a) findet seine organische Fortsetzung in 1,12a, wo das Scheitern des Planes vermeldet wird: Je mehr die Ägypter das Volk bedrücken, desto stärker vermehrt es sich (©«¢ ±²¤ ®±¢ ¨¤ ±¢ ¨¤ ³).70 Daß die Ägypter daraufhin Grauen vor den Israeliten empfinden (1,12b: ¥±²¢¢©¢©§¯°¢), beschließt den Abschnitt und bereitet auf den älteren Folgekontext vor (1,15-22*), wo der Pharao nun nach dem Scheitern des Versuchs, die Israeliten durch Fronarbeiten zu dezimieren, zu drastischeren Mitteln greift. Die redaktionsgeschichtliche Einordnung von Ex 1,11f. weckt begründete Zweifel an der immer noch weit verbreiteten Auffassung, der Frondienst der Israeliten gehöre zu den überlieferungsgeschichtlichen wie literarischen Fundamenten der Exodustradition. Während sich über vermeintliche überlieferungsgeschichtliche Hintergründe immer trefflich spekulieren, aber naturgemäß nichts Genaues sagen läßt, zeigt der literarische Befund, daß vom Frondienst der Israeliten erstmals ausdücklich in dem vorpriesterschriftlichen Zusatz Ex 1,11a.12 die Rede war.71 Art und Details der Fronarbeit bleiben dabei völlig im Dunkeln, zumal das Motiv ganz dem Leitthema der Mehrung unterstellt ist, die es als weitere Maßnahme steuern soll. Auch terminologisch haben 1,11a.12 innerhalb der Exoduserzählung erstaunlich geringen Nachhall gefunden. Die Fronvögte (¢±² ¦¢ª§) begegnen nur in 1,11a, und von den im selben Halbvers erwähnten Fronarbeiten (³¥ª) ist – im gesamten AT! – nur noch in 2,11; 5,4f.; 6,6f. die Rede, Stellen, die durchweg von 1,11a abhängig und bis auf 2,11 priesterschriftlich oder jünger sind. Auch die 1,11a.12a prägende Rede von einer Bedrückung (©«) ist im weiteren Verlauf der Exoduserzählung ohne exakte Parallele, berührt sich aber kaum zufällig mit den Stellen, die das Elend (¢©«) der Israeliten in Ägypten thematisieren (3,7.17; 4,31). Da deren älteste (3,7a) zum literarischen Grundbestand der Exoduserzählung gehört, liegt der Schluß nahe, daß der in 1,11a.12 tätige Ergänzer die unspezifische Rede vom Elend der Israeliten aufnahm und im Sinne einer Bedrückung durch Frondienste explizierte. Nun ist nicht zu übersehen, daß keine erzählerische Notwendigkeit für die Einführung einer weiteren und zudem noch recht ungeeigneten Maßnahme gegen die Mehrung der Israeliten bestand, was dafür spricht, daß Vgl. REDFORD, Exodus I 11, 414f.; LEVIN, Jahwist, 314. Das Scheitern des Vorhabens der Ägypter, die Mehrung der Israeliten durch Fronlasten zu unterbinden, wird dadurch unterstrichen, daß Ex 1,12aȕ (®±¢ ¨¤ ±¢ ¨¤) das ±¢ ¨ (1,10bĮ*) im Munde des Pharao konterkariert. Vgl. JACOB, Buch Exodus, 12. 71 Für die vorpriesterschriftliche Veranschlagung der Verse spricht eindeutig, daß Ex 1,13f. P das Thema Fronarbeit weiterentwickeln und daß Ex 6,6f. P die Kernbegriffe aus 1,11f.* (³¥ª) und 1,13f. («) miteinander verbinden, den literarischen Zusammenhang in 1,11-14 also offenkundig voraussetzen. 69 70
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Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung
das Motiv der Fronarbeit in Ex 1,11a.12 über den literarischen Horizont von Ex 1 hinausweist. Als Anknüpfungspunkt im vorpriesterschriftlichen Text verbleibt allein der Nachtrag in 2,11aȕ, der Mose zum Zeugen der Fronarbeiten seiner Volksgenossen werden läßt (¦³¥ª ±¢). Da 2,11aȕ auf die Exposition in 1,11a.12 angewiesen ist, die ihrerseits ohne 2,11aȕ in ihrer erzählerischen Substanz ins Leere läuft, ist davon auszugehen, daß es sich um Ergänzungen von ein und derselben Hand handelt. Das Ziel des hier tätigen Ergänzers erschließt sich vor dem Hintergrund des Quelltextes 3,7a, wo davon die Rede ist, JHWH habe das Elend der Israeliten gesehen (¢§«¢©«³¢³¢±±). Der Verfasser von 1,11a.12; 2,11aȕ faßt das Elend neu als Bedrückung durch Fronarbeiten und definiert auf diese Weise einen konkreten situativen Rahmen für das erste Zusammentreffen zwischen Mose und seinen Volksgenossen. Wie in 3,7a die Befreiungsgeschichte des Exodus mit der Feststellung JHWHs einsetzt, er habe das Elend seines Volkes gesehen, beginnt nun auch die gemeinsame Geschichte des nachmaligen Anführers Mose und der Israeliten damit, daß dieser die elenden Lebensbedingungen der Fronarbeiter sieht. Erfüllen Ex 1,11a.12 damit die primäre Funktion, auf den Zusatz in 2,11aȕ vorzubereiten, über den 2,11 mit 3,7 mit parallelisiert wird, so rückt dies auch die thematische Verknüpfung des Frondienstes mit der Mehrungsthematik in ein anderes Licht. Die Verbindung zwischen beiden Motiven ist primär dem Inhalt von Ex 1 geschuldet, der zu diesem Zeitpunkt ganz von der Frage der Mehrung dominiert war (1,6aĮ1.8-10*.15-22*). Da sich die in 2,11 vorausgesetzte Situation nur in Ex 1 vorbereiten ließ, blieb dem Ergänzer keine andere Wahl, als den Frondienst der Israeliten der Mehrungsthematik unterzuordnen und ihn als eine erste Maßnahme zur Dezimierung des Volkes zu stilisieren. Diese Maßnahme bleibt freilich im Gegensatz zu dem folgenden Versuch mit den Hebammen (1,15-21*.22) auch nach ihrem Scheitern in Kraft (2,11aȕ), was den inhaltlichen Überschuß des Frondienstes gegenüber der den älteren Textzusammenhang (1,6aĮ1.8-10*.15-22*) prägenden Mehrungsthematik neuerlich unterstreicht. Aus dem Rahmen fallen Ex 1,11a.12 schließlich auch deshalb, weil sie den zweiten Teil der in 1,9.20 vorgegebenen Mehrungsformel (¦¯«) durch das Verbum ®± ersetzen (1,12aȕ). Offenbar sah sich der Verfasser nicht mehr an die terminologischen Vorgaben gebunden.72 Ein Indiz zur weiteren Präzisierung der redaktionsgeschichtlichen Einordnung von Ex 1,11a.12; 2,11aȕ könnte der Vergleich mit 3,9 liefern. Der Vers gehört in den literarischen Horizont der vorpriesterschriftlichen Plagen und schließt mit der in Anlehnung an 3,7a formulierten Aussage, 72 Die Wurzel ®± verweist in den Zusammenhang der Mehrungsaussagen der Jakobsgeschichte (Gen 28,14; 30,30.43), zu der hier möglicherweise eine intertextuelle Verknüpfung hergestellt werden soll; vgl. JACOB, Buch Exodus, 12.
3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50
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JHWH habe gesehen, wie die Israeliten von den Ägyptern unterjocht werden (3,9b: ¦³¦¢¯ ¥¦¢±¯§±²® ¥³¢³¢±¦). Da das Leitwort ® ¥ nicht zur spezifischen Fachterminologie gehört, die im AT zur Bezeichnung von Fronarbeiten verwendet wird, könnte in 3,9b analog zu Ex 22,20; 23,9 schlicht an die Schikanierung einer sozial randständigen Gruppe von Fremdlingen gedacht sein, ohne daß dabei bereits deren Einsatz als Zwangsarbeiter im Blick gewesen sein muß. Da letzterer Schritt explizit erstmals in 1,11a.12; 2,11aȕ vollzogen wird und die hier eingeführte Terminologie in 3,9 keinerlei Spuren hinterlassen hat, scheint es naheliegend, daß der Verfasser von 3,9 mit dem Motiv der Fronarbeiten in der in 1,11a.12; 2,11aȕ explizierten Gestalt noch nicht vertraut war. Die besagten Verse wären umgekehrt jünger als der Grundbestand der vorpriesterschriftlichen Plagen und gehörten damit zu den jüngsten vorpriesterschriftlichen Stücken überhaupt. Redaktionsgeschichtlich nicht unplausibel ist dieses Modell auch insofern, als P gerade an den Gedanken der Zwangsarbeit anknüpft und diesen neu unter den Begriff « faßt (1,13). Zu beantworten bleibt noch, wann der in Ex 1,11a eingeführte Gedanke der Fronarbeiten durch 1,11b dahingehend expliziert wurde, daß die Israeliten für den Pharao die Vorratsstädte Pitom und Ramses errichteten (¨¢ ªª§«± ³ ¦³ ³ «±¥ ³©¤ª§ ¢±«). Der Halbvers, der die Hauptlast aller Bemühungen um eine Datierung des Ägyptenaufenthalts der Israeliten tragen muß,73 besitzt bereits aufgrund seines Zusatzcharakters innerhalb eines gegenüber der ältesten Exoduserzählung seinerseits sekundären Scharnierkapitels einen äußerst zweifelhaften Quellenwert. Zwar kann nie kategorisch ausgeschlossen werden, daß in einem späten Zusatz historisch zuverlässige Informationen über eine frühere Epoche transportiert werden, es bedarf aber starker Argumente, um dies plausibel zu machen. Im Fall von Ex 1,11b hat sich das wohl stärkste Argument, der Ortsname Ramses sei nach der Ramessidenzeit nicht mehr gebräuchlich gewesen,74 als unzutreffend erwiesen. Vielmehr kann gelten, daß „[t]he transcription ª ª§ « ± is an indication not only of the date of the rise of the gloss (sc. Ex 1,11b), but also of the date of the rise of tradition: not earlier than the late seventh century. With this agrees the fact that from the Saite period well on into Roman times there was a flourishing city called Pithom in the north-eastern delta, while there is no evidence that, prior to the Saites, a city of that name existed there.“75 Man wird folglich den möglichen historischen Bezugsrahmen für die in Ex 1,11b überlieferten Informationen erheblich später ansetzen müssen, als Vgl. etwa H. SCHMID, Mose, 15f. Vgl. W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 38. 75 REDFORD, Exodus I 11, 416. Vgl. auch KNAUF, Midian, 104f.; LEMCHE, Vorgeschichte, 63-65. 73 74
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dies klassisch geschah, immer vorausgesetzt natürlich, daß die Notiz überhaupt einen realen Kern hat und nicht einfach schriftgelehrter Spekulation entspringt. Letzteres jedenfalls scheint grundsätzlich keinesfalls ausgeschlossen, nicht zuletzt deshalb, weil die Charakterisierung Pitoms und Ramses’ als Vorratsstädte (³©¤ª§ ¢±«) eine auffällige Parallele in 1 Kön 9,19 findet, wo ebensolche Vorratsstädte zu Beginn einer Aufzählung der Baumaßnahmen Salomos erwähnt werden. Die Tatsache, daß die Begriffsverbindung im Rahmen des Enneateuch lediglich an diesen beiden Stellen begegnet, an denen es zudem jeweils um Baumaßnahmen geht, die von Fronarbeitern durchgeführt werden, spricht stark für eine literarische Abhängigkeit. Zwar läßt sich nicht mehr behaupten, daß ein salomonischer Jahwist „die Situation Israels in Ägypten in der Sprache seiner Gegenwart gezeichnet“ habe,76 doch ändert dies nichts an der Möglichkeit, daß in Ex 1,11b der Versuch vorliegen könnte, die in 1,11a beschriebene Fronarbeit in Analogie zur salomonischen Fron erzählerisch auszumalen.77 Bei genauerer Betrachtung zeigt sich freilich, daß die Annahme, Ex 1,11b sei von 1 Kön 9,19 abhängig, eher unwahrscheinlich ist, denn es bliebe unklar, warum ein Bearbeiter aus der Liste der salomonischen Bauprojekte ausgerechnet die Vorratsstädte ausgewählt und diese dann mit den Namen Pithom und Ramses verknüpft haben sollte. Insgesamt wahrscheinlicher ist die umgekehrte Bestimmung des literarischen Gefälles. Die Erwähnung der Vorratsstädte in 1 Kön 9,19 spiegelt den späten Versuch, die pharaonischen Züge, die das Salomobild zunächst eher zufällig herausgebildet hatte, durch die intertextuelle Verknüpfung mit Ex 1,11b, weiter zu vertiefen: Wie einst der Pharao, ließ auch Salomo Vorratsstädte von seinen Fronarbeitern errichten.78 Da sich der literarhistorische Ort von 1 Kön 9,19 im Rahmen der Entstehung des DtrG freilich kaum präzise bestimmen läßt, gewinnt man auch von dieser Seite keinen präzisen terminus ante quem, der bei einer Datierung des Quelltextes Ex 1,11b weiterhelfen würde. 76
W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 39. Grundsätzlich ebenso K. SCHMID, Erzväter, 140, der jedoch im Anschluß an VAN SETERS, Life, 24, ALBERTZ, Religionsgeschichte I, 217f. und CRÜSEMANN, Widerstand, 175178, darauf abhebt, die Aussage habe eine salomokritische Tendenz. Die immer wieder notierten Parallelen zwischen Ex 1-5 und 1 Kön 9-12 erweisen sich allerdings bei näherem Hinsehen als weitaus weniger spezifisch, als dies bei den genannten Autoren den Anschein hat (vgl. grundlegend BERNER, Egyptian Bondage.). Vor allem erfolgt der Vergleich ohne die in beiden Abschnitten notwendigen redaktionsgeschichtlichen Differenzierungen. Die immer wieder notierte Parallele zwischen Mose und Jerobeam etwa ist in Reinform erst in einem Plus der Septuaginta gegeben, die Jerobeams Flucht nach Ägypten nachträglich in Anlehnung an die Hadad-Perikope (1 Kön 11,14-25) ausgestaltet (hierzu TALSHIR, Alternative Story, 206-208). 78 Vgl. BERNER, Egyptian Bondage. 77
3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50
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Obgleich die Notiz zur Errichtung der Vorratsstädte (Ex 1,11b) nach dem bisher Gesagten theoretisch noch auf eine vorpriesterschriftliche Entwicklungsphase der Exoduserzählung entfallen könnte, scheint doch insgesamt eine spätere Datierung naheliegender. So handelt es sich bei den übrigen konkreten Angaben zu den Frondiensten der Israeliten eindeutig um nachpriesterschriftliche Zusätze,79 und es sollte nicht übersehen werden, daß sich die Erwähnungen von Vorratsstädten (³©¤ª§ ¢±«) im chronistischen Schrifttum ballen.80 All dies deutet darauf hin, daß es sich bei Ex 1,11b um einen verhältnismäßig jungen Zusatz handeln dürfte,81 was den Halbvers um viele Jahrhunderte von der Ramessidenzeit abrückt, über die er nach der Einschätzung mancher Aufschluß gibt. Die Erwähnung Pitoms und Ramses‘ in 1,11bȕ verrät daher nichts über den Ägyptenaufenthalt der Israeliten, sondern gibt allenfalls Aufschluß über Vorstellungen und Erfahrungen des werdenden Judentums, die vielleicht Rückschlüsse auf die Verhältnisse der ägyptischen Diaspora zulassen.82 Den Abschluß der vorpriesterschriftlichen Wachstumsgeschichte von Ex 1 markiert damit aller Wahrscheinlichkeit nach die Fronnotiz in 1,11a.12, wohingegen 1,11b die Ergänzung der priesterschriftlichen Verse 1,13f. P bereits voraussetzen dürfte. Wie schon unter II. 1. dargelegt, handelt es sich bei den beiden letztgenannten Versen um eine kontextbezogene Einschreibung, die das Motiv der Fronarbeit aus 1,11a.12 aufgreift und gesteigert weiterführt. Das Grauen, das die Ägypter im Angesicht der unverminderten Mehrung der Israeliten empfinden (1,12), führt nun nicht mehr dazu, daß der Pharao versucht, des Problems durch einen Kindermord Herr zu werden (1,15-22), sondern hat eine Verschärfung der Fronlasten zur Folge: Nun zwingen die Ägypter die Israeliten mit roher Gewalt zur Arbeit (1,13: £± ¥±²¢ ¢© ³ ¦¢±¯§ «¢), ein Vorgehen, das nach Lev 25,43.46.53 „bei der Behandlung von (Schuld-)Sklaven verboten“ ist.83 Ex 1,14aĮ schließt an 1,13 syntaktisch wie inhaltlich glatt 79
Vgl. die folgenden Ausführungen zu Ex 1,13f. sowie das Kapitel zur Verschärfung der Fron (IV.). 80 2 Chr 8,4.6; 16,4; 17,12; 32,28. Abgesehen von den beiden enneateuchischen Belegen in Ex 1,11b; 1 Kön 9,19 ist die Begriffsverbindung alttestamentlich sonst nicht mehr bezeugt. 81 Gegen OTTO, Mose, 59-61, der vor dem Hintergrund einer Inschrift Asarhaddons, die ein von Fronarbeitern errichtetes Lagerhaus bei Ninive erwähnt, folgert, Ex 1,11 bezeuge die subversive Auseinandersetzung mit der neuassyrischen Hegemonialmacht im 7. Jh. v. Chr. Die sachliche Parallele besteht in der Tat, kann aber nicht gegen die literarischen Verhältnisse im Alten Testament eine entsprechende Frühdatierung begünden. 82 Vor dem Hintergrund möglicher Diasporaerfahrungen verdient vor allem das Zeugnis der Septuaginta Beachtung, in der die Liste der Städte um On (Heliopolis) erweitert wurde. Daß der Text von Ex 1,11b noch spät im Fluß war, ist ein weiteres Indiz für eine späte Datierung des Halbverses. 83 W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 41. Der Begriff £± begegnet neben Ex 1,13f. nur noch in den besagten Erlaßbestimmungen zum Jobeljahr (Lev 25,43.46.53) und in Ez 34,4, wo er
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an und schildert, wie die Ägypter den Israeliten das Leben mit schwerer Arbeit an Lehm und Ziegeln bitter machen (²° « ¦¢¢ ³ ±±§¢ ¦¢©¥±§ ). Gründe, den Viertelvers in seiner Substanz P abzusprechen, bestehen nicht,84 zumal 6,9 P ausdrücklich auf die ‚schwere Arbeit‘ (« ²°) der Israeliten rekurriert.85 Daß es sich um Arbeit an Lehm und Ziegeln (¦¢©¥ ±§ ) handelt, spielt dabei allerdings weder in 6,9 noch an irgendeiner anderen Stelle der Exoduserzählung eine Rolle, was für die bereits von NÖLDEKE geäußerte Vermutung spricht, die Begriffe seien nachgetragen.86 Hierauf deutet auch die stilistische Beobachtung, daß Ex 1,14aĮ ohne die nähere Spezifikation der schweren Arbeit in einem exakten parallelismus membrorum mit 1,13 zu stehen kommt. Handelt es sich bei der Erwähnung von Lehm und Ziegeln in Ex 1,14aĮ um einen Zusatz, so gilt dasselbe notwendig auch für die Erwähnung der Feldarbeiten (² « ¥¤) in 1,14aȕ, die die Aufzählung der von den Israeliten verrichteten Dienste fortsetzt. Mit den konkreten Angaben in 1,14a fällt aber auch 1,14b als Nachtrag heraus, der allein die Funktion erfüllt, die besagte Aufzählung an 1,13 zurückzubinden: Es handelt sich um all jene Arbeiten, die die Ägypter mit Gewalt durch die Israeliten verrichten ließen (£±¦«±²¦³«¥¤³). Für den Grundbestand der priesterschriftlichen Beschreibung des Frondienstes verbleibt damit neben Ex 1,13 allein 1,14aĮ*(ohne ¦¢©¥±§ ).87 Wenn nun die konkreten Angaben zu den Fronarbeiten der Israeliten in Ex 1,14 nachgetragen wurden, so stellt sich natürlich die Frage, was den Zusatz motiviert hat. Dabei erweist sich die Annahme, Lehm (±§ ) und Ziegel (¦¢©¥) seien in 1,14aĮ nachträglich mit Blick auf die Erzählung von der Verschärfung der Fron (Ex 5) eingetragen worden, als wenig überzeugend, denn das Lexem ±§ ist dort nicht belegt.88 Deutlich naheliegender ist, daß das Motiv der Ziegelherstellung in 1,14aĮ bereits vorgefunden und in Ex 5 weiter ausgestaltet wurde. Als wahrscheinlichster Hinterjeweils mit der Wurzel ± (‚herrschen‘) konstruiert ist. Die Art der Belegstellen spricht für ein priesterliches Sprachmilieu. 84 Gegen LEVIN, Jahwist, 315, der Ex 1,14 komplett als innerpriesterschriftlichen Nachtrag ansieht. 85 Auch die Vorstellung des bitter gemachten Lebens findet in Gen 26,35 eine priesterschriftliche Entsprechung; vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 36. 86 Vgl. NÖLDEKE, Untersuchungen, 36. 87 Anders W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 16, der zwar in der Bestimmung der Nachträge in Ex 1,14a zustimmt, in 1,14b aber im Anschluß an NOTH, ATD 5, 9, allein das einleitende ³ ¦³«¥¤ als Zusatz ansieht. Der verbleibende Bestand von 1,14 ist allerdings wenig sinnvoll. 88 NÖLDEKE, Untersuchungen, 36, zieht daher in Erwägung, allein die Erwähnung der Ziegeln könnte aus Ex 5 nachgetragen sein, doch ist eine literarkritische Scheidung innerhalb der Begriffsverbindung ¦¢©¥ ±§ nicht begründbar, und es bliebe in diesem Fall zudem offen, worauf sich die Erwähnung der Lehmarbeiten konkret bezieht.
3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50
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grund des in 1,14aĮ angelegten Motivs kommt dabei Gen 11,3 in Betracht, wo die Verbindung von ±§ und ¦¢©¥ ihre einzige alttestamentliche Parallele hat.89 Die im Licht von Gen 11,3 erfolgte Konkretisierung der in Ex 1,14aĮ* erwähnten Arbeit als Arbeit an Lehm und Ziegeln wurde dadurch befördert, daß die Erwägungen des Pharao, die in Ex 1,10* die einzelnen Maßnahmen der Unterdrückung anstoßen (±¢ ¨ ¥ §¤ ³© ), im Wortlaut auffällig an die Planungen des Turmbaus erinnern (Gen 11,3aĮ: ¦¢©¥ ©¥© ; 11,4: ®±¥¤ ¢© ¥« ®§© ¨ ¥§±¢«©¥ ©© ).90 Durch die intertextuelle Verknüpfung zwischen Gen 11 und Ex 1 gewinnen die Fronarbeiten der Israeliten eine geschichtstheologische Tiefendimension, insofern sie nun als Zwangsmaßnahme einer ägyptischen Unterdrückernation erscheinen, deren Hybris derjenigen der Turmbaugeneration in nichts nachsteht. Nicht vor dem Hintergrund von Gen 11,3 erklärbar und damit nochmals jünger ist die Angabe in Ex 1,14aȕ, die die Dienste der Israeliten auch auf ‚alle Arbeit auf dem Feld‘ (²«¥¤) ausdehnt. Von derartigen Arbeiten ist sonst explizit nirgends die Rede,91 es existiert allerdings eine deutliche terminologische Querverbindung zur Hagelplage, wo in 9,21b die Diener (¢«) der ägyptischen Hofbeamten auf dem Feld (²) erwähnt werden. War bei diesen Dienern ursprünglich an Ägypter gedacht, so scheint der in 1,14aȕ tätige Ergänzer die Aussage im Licht von 1,13.14aĮ (Leitwort «) so verstanden zu haben, daß es sich um Israeliten handelte, was ihn dazu veranlaßte, in 1,14aȕ Feldarbeit in die Aufzählung der Frondienste aufzunehmen. Vermutlich von derselben Hand stammt auch 1,14b, der das ² « ¥¤ generalisierend aufnimmt und die Aufzählung aus 1,14a an 1,13 zurückbindet.92 Auf den für Ex 1,13.14aĮ* verantwortlichen priesterlichen Ergänzer (PG) geht innerhalb des literarischen Scharniers zwischen Josephsgeschichte und Exoduserzählung nur noch Gen 50,22 zurück. Der Vers vermerkt im Anschluß an das Ende der Versöhnungsszene (50,21), daß Joseph mit der Sippe seines Vaters in Ägypten ansässig blieb (¬ª¢ ²¢ ¢ ³¢ ¦¢±¯§) und 110 Jahre erreichte (¦¢©² ±²« § ¬ª¢ ¢ ¢), 89 Die Parallele notiert auch UEHLINGER, Weltreich, 361, Anm. 89, der allerdings das literarische Gefälle umgekehrt bestimmt. 90 Mit der Gottesrede in Gen 11,7 (¦³² ¦² ¥© ±© ) weist Gen 11 gleich drei wörtliche Reden auf, in denen eine direkte Verknüpfung von mit einer Kohortativform erfolgt. Eine solche Verknüpfung ist alttestamentlich sonst nur noch in Ex 1,10 bezeugt. 91 Allein in Dtn 11,10 ist sonst noch von landwirtschaftlichen Tätigkeiten der Israeliten in Ägypten die Rede, doch geht es hier mit keinem Wort um Zwangsarbeiten und die Terminologie ist grundverschieden; vgl. W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 16. 92 Wie in Ez 14,22bȕ liegt auch in Ex 1,14b eine Apposition vor, die sich auf ein vorangehendes, mit Präposition konstruiertes Substantiv bezieht und durch ³ syntaktisch eingebunden ist; vgl. JOÜON/MURAOKA, Grammar, 416f.
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womit er gezielt auf die sich in Ex 1,6aĮ1 direkt anschließende, vorpriesterschriftliche Todesnotiz (¬ª¢ ³§¢) vorbereitet. Die Erwähnung des väterlichen ‚Hauses‘ Josephs (50,22aȕ) bot den Anlaß für einen späteren Ergänzer, in 1,1-4 die Namen der mit Jakob nach Ägypten eingewanderten Söhne nachzutragen (1,1abĮ: ³ §¢±¯§ ¦¢ ¥±²¢ ¢© ³§² ¥ °«¢).93 Zur Verbindung der Namensliste mit dem älteren Folgekontext verfaßte der Ergänzer die Notiz in 1,5b (¦¢±¯§ ¢ ¬ª¢), die der Sache nach Gen 50,22aĮ (¦¢±¯§ ¬ª¢ ²¢) aufnimmt94 und so thematisch den Bogen zu der vorpriesterschriftlichen Todesnotiz Josephs in 1,6aĮ1 schlägt, in die der Ergänzer nun auch die zuvor genannten Brüder einbezog (1,6aĮ: ¢ ¥¤ ¬ª¢ ³§¢).95 Daß auch ‚jenes ganze Geschlecht‘ das Zeitliche segnete (1,6aȕ: ± ¥¤), setzt die Erwähnungen des Anhangs der Jakobsöhne in 1,1bȕ.5a voraus, an deren Ursprünglichkeit allerdings begründete Zweifel bestehen. Während die Notiz, ein jeder sei mit seinem ‚Haus‘ (= Anhang) gekommen (1,1bȕ: ³¢ ²¢), hinter der Überschrift in 1,1abĮ deutlich nachklappt, sprengt die Zahlenangabe in 1,5a (²©¦¢«²°«¢£±¢¢¯¢²©¥¤¢¢) den engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Ende der Namensliste (1,4) und der Erwähnung Josephs (1,5b). Sowohl 1,1bȕ als auch 1,5a sind spätere Zusätze,96 mit denen auch die Erwähnung der ‚ganzen Generation‘ in 1,6aȕ als Nachtrag herausfällt. Die Ergänzung der Jakobsöhne in Ex 1,1abĮ.2-4.5b.6aĮ2 markiert einen ersten Schritt zum heutigen Prolog des Exodusbuches, wobei nach wie vor der bereits im vorpriesterschriftlichen Scharnier angelegte Gedanke einer Epochenwende zwischen der Zeit Josephs (1,6) und dem neuen, nach Josephs Tod auftretenden Pharao prägend ist (1,8). Diese Epochenwende wird durch die Einschreibung von 1,7 nachträglich zerdehnt, denn nun wird der entscheidende Schritt der Volkwerdung aus der Vergangenheit (Gen 47,27b; 50,20b; Ex 1,9) in die Zeit nach dem Tod der Jakobssöhne verlegt. Das sachliche Widerlager der superlativischen Mehrungsaussage in 1,7, die wie unter II. 1. dargelegt Formulierungen aus Gen 47,27; Ex 1,9.20 zusammenzieht und an das priesterschriftliche Mehrungsvokabular der Urgeschichte angleicht,97 bildet die von derselben Hand nachgetragene 93 Quelltext ist die Zwölferliste in Gen 35,22b-26. Dagegen liegt in 46,8-27 ein jüngeres Seitenstück zur Liste in Ex 1 vor, das aber seinerseits in Gestalt späterer Zusätze auf diese eingewirkt hat; s. im folgenden. Zur Bestimmung der grundsätzlichen Abhängigkeitsverhältnisse vgl. LEVIN, Jahwist, 305. 94 So bereits LEVIN, Jahwist, 315. 95 Ebenso CARR, What is Required, 174. 96 Vgl. LEVIN, Jahwist, 315. Daß der ursprüngliche Anschluß von Ex 1,5b an 1,4 durch die Ergänzung der Gruppengröße in 1,5a getrennt wurde, wurde in g durch die Versetzung von 1,5b vor 1,5a wieder rückgängig gemacht. 97 Die in Ex 1,7a verwendete Wurzel ®±² (‚wimmeln‘) begegnet zuvor nur in Gen 1,20.21; 7,21; 8,17; 9,7, die durchweg P zugehören. Letzteres gilt ebenfalls für den mit dem
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Angabe in 1,5a, die Anzahl der von Jakob Abstammenden habe sich auf 70 Seelen (²© ¦¢«²) belaufen. Die Spannung, in der diese Angabe prinzipiell zu der Liste der elf Jakobsöhne in 1,2-4 steht, hat der Ergänzer dadurch vermieden, daß er in 1,1bȕ notierte, jeder der Söhne sei mit seinem familiären Anhang (³¢) gekommen. Im Verbund mit der vorgefundenen Namensliste schildern die Nachträge in 1,1bȕ.5a.7, wie aus einer kleinen Einwanderergruppe ein überaus zahlreiches Volk wurde, und konstituieren damit den Prolog zum Exodusbuch.98 Obwohl Ex 1,6aȕ wie gesehen auf die Nachträge in 1,1bȕ.5a angewiesen ist, da der Viertelvers mit einem Personenkreis rechnet, der den der zwölf Jakobsöhne überschreitet, ist zunächst nicht recht erkennbar, wer genau unter ‚diese ganze Generation‘ fällt. Die Annahme, es handele sich um die in 1,5a erwähnten 70 Nachfahren Jakobs,99 scheidet aus mehreren Gründen aus: Da es in 1,5a um die Blutlinie Jakobs (°«¢ £±¢ ¢¯¢) geht, können sich hinter den 70 Seelen abgesehen von den zwölf Jakobsöhnen nur deren direkte Nachkommen verbergen, die aber naturgemäß nicht mehr zur Generation ihrer Eltern zählen. Hinzu kommt, daß, sollte 1,6 auf den Tod der 70 Jakob-Abkömmlinge zielen, niemand mehr übrig wäre, aus dem sich in 1,7 noch ein israelitisches Volk entwickeln könnte. Verortet man 1,6aȕ auf derselben literarischen Ebene wie 1,1bȕ.5a, so kann es bei dem ± nur um Personen gehen, die ebenso zum ‚Haus‘ wie zur Generation der zwölf Jakobsöhne zählen. Kurz gesagt: Es kann sich nur um deren Frauen und evtl. weiteren gleichaltrigen Anhang handeln, all jene also, die Teil eines ‚Hauses‘ sind (vgl. 1 Sam 27,3), aber nicht direkt von Jakob abstammen. Die äußerst komplizierte genealogische Situation, die im Hintergrund der Zusätze zu Ex 1,1-7 zu stehen scheint, wird in der ausführlichen Einwandererliste Gen 46,8-27 in extenso diskutiert. Der späte nachpriesterschriftliche Text listet in aller Ausführlichkeit die Namen der nach Ägypten eingewanderten Israeliten auf, und zwar sowohl die der Kinder als auch die der Enkel Jakobs. Dabei geht es offensichtlich darum, den Nachweis zu führen, daß es sich um eine Gesamtzahl von 70 Seelen handelte (46,27), was zunächst dafür zu sprechen scheint, daß hier der Versuch unternommen wurde, die in Ex 1,5a vorgefundene Zahlenangabe nachträglich zu Mehrungsgedanken verbundenen Auftrag, die Erde zu füllen (Gen 1,28; 9,1), der in Ex 1,7b auf das Territorium Ägyptens übertragen wurde. 98 Die sich in der Endgestalt von Ex 1,1-7.8ff. überlagernden Aspekte der Volkwerdung und Epochenwende treten in der unterschiedlichen Einteilung des Textes in synagogale Lesezyklen hervor: Während der palästinische Lesezyklus Ex 1,1 als Beginn eines neuen Abschnitts vorsieht und damit die in Ex 1,1-7 beschriebene Volkwerdung als Prolog zur Exoduserzählung zieht, beginnt im babylonischen Lesezyklus ein neuer Abschnitt erst in Ex 1,8, wodurch das Auftreten des neuen Pharao besonders akzentuiert wird. 99 So etwa JACOB, Buch Exodus, 6.
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explizieren.100 Genau besehen stellt sich das Verhältnis jedoch umgekehrt dar, denn die in 1,5a belegte Formulierung findet sich in einem Zusatz zu Gen 46,26, der die Bemühung widerspiegelt, ein Mißverständnis der Zahlenangaben auszuschließen: Heißt es in 46,26 ursprünglich, die Anzahl all derjenigen, die mit Jakob nach Ägypten kamen, habe sich auf 66 belaufen (²²¦¢²²§¢±¯§ °«¢¥ ²© ¥¤),101 so stellt der Ergänzer in einer Apposition klar, daß es sich hierbei nur um die leiblichen Nachkommen Jakobs handelt, die Frauen der Söhne also nicht mitgezählt sind (¤±¢¢¯¢ °«¢¢©¢²©¥§).102 Der in Ex 1,5a tätige Ergänzer griff eben diese Formulierung auf und übertrug sie in die Liste der Jakobsöhne in Ex 1,103 zumal die Rede von den leiblichen Nachkommen Jakobs den Vorteil hatte, auf die erst im Anschluß erfolgende Erwähnung Josephs (1,5b) hin transparent zu sein.104 Daß allein vor dem Hintergrund des Quelltextes Gen 46,26 deutlich wird, was der Auszug aus Jakobs Lenden mit dem Einzug nach Ägypten zu tun hat, unterstreicht erneut die Richtung des literarischen Gefälles.105 Insofern der Verfasser von Ex 1,5a die Formulierung aus Gen 46,26 übernahm, die ausdrücklich den Zweck verfolgt, die Frauen der Jakobsöhne aus der Zählung derer auszuschließen, die nach Ägypten einwanderten, ist ein wesentliches Argument für die zuvor für 1,6aȕ (± ¥¤ ) erwogene Deutung gewonnen. Ließ bereits die innere Logik von Ex 1 nur den Schluß zu, daß hier das Sterben solcher Personen reflektiert wird, die zur Generation der Jakobsöhne zählen, ohne zu Jakobs leiblichen Nachkommen zu gehören, so läßt sich vor dem Hintergrund von Gen 46,26 die Identität der besagten Gruppe auf die Frauen der Söhne eingrenzen. Ex 1,1bȕ.5a.6aȕ.7 erweisen sich somit als Teil derselben Bearbeitung, die unter Rekurs auf Gen 46 eine finale Synthese der beiden zentralen Themen von Ex 1 schafft: Der Gedanke der Epochenwende zwischen der Zeit So BLUM, Verbindung, 150, Anm. 146. Zu addieren sind Jakob selbst sowie Joseph und dessen beiden Söhne (Gen 46,27). Das Verhältnis dieser Abschlußrechnung zu den in sich widersprüchlichen Zahlenangaben in der offenkundig gewachsenen Liste 46,8-25 muß hier auf sich beruhen bleiben. Zur forschungsgeschichtlichen Diskussion vgl. jüngst ADDINALL, Genesis xlvi 8-27, 289-300. 102 Die ersten beiden Worte zu Beginn von Gen 46,26b (²© ¥¤) nehmen das erläuterte Lemma auf und sind Teil des Zusatzes. 103 Dasselbe literarische Gefälle nehmen auch NOTH, ATD 5, 10; WEIMAR, Untersuchungen, 39; LEVIN, Jahwist, 315, an. 104 Im Gegensatz dazu hätte eine Wiederaufnahme der in 1,1abĮ verwendeten Formulierung (‚die mit Jakob nach Ägypten kamen‘) Joseph explizit ausgeschlossen. 105 Die Sekundärverwendung der Formulierung aus Gen 46,26 in Kombination mit der Gesamtzahl 70 bringt es mit sich, daß der Verfasser von Ex 1,5a die peinlich genaue Rechnung aus Gen 46 sprengt. Werden dort einschließlich Jakobs 70 Einwanderer gezählt, so veranschlagt Ex 1,5a dieselbe Zahl allein für die Nachkommen Jakobs. Zusammen mit dem Patriarchen (1,1abĮ!) sind also genau genommen 71 Personen nach Ägypten gekommen. 100 101
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Josephs und der Zeit des Exodus (1.6.8) wird genealogisch eingeholt und in den Horizont der Mehrungsthematik gestellt, insofern nun zunächst die gesamte Generation der Jakobsöhne das Zeitliche segnet, bevor sich aus deren Nachkommen das Volk der Israeliten entwickelt, das den Schikanen des neuen Pharao ausgesetzt ist. Damit ist ein klarer chronologischer Einschnitt zwischen Erzvätern und Exodus markiert, der bereits die Büchertrennung zwischen Gen und Ex antizipiert.106 Wurde die ursprüngliche Todesnotiz Josephs in Ex 1,6aĮ1 im Zuge der Genese von 1,1-7 immer stärker kollektiviert, so erfolgt in Gen 50,24-26 in gewisser Weise als Gegenbewegung eine Reindividualisierung des Todes Josephs, die ihrerseits zur Büchertrennung beiträgt. Der Grundbestand der Verse findet sich in 50,24.26a107 und setzt zumindest die Ergänzung der Jakobsöhne in Ex 1,1-6* voraus, da sich sonst eine direkte Kollision der beiden Todesnotizen in Gen 50,26b (¦¢©² ±²« § ¨ ¬ª¢ ³§¢) und Ex 1,6aĮ1 (¬ª¢³§¢) ergeben hätte.108 Der Verfasser des damit zweifelsfrei als nachpriesterschriftlich erwiesenen Zusatzes109 legt dem scheidenden Joseph in Gen 50,24 eine Ankündigung von Exodus und Landnahme in den Mit der Rede von ‚dieser ganzen Generation‘ ( ± ¥¤) wird dabei in Ex 1,6bȕ vielleicht sogar ein später Einfluß des literarischen Scharniers zwischen Josua und Richter greifbar (vgl. Ri 2,10), das sich seinerseits ursprünglich aus den Scharnierversen Ex 1,6*.8 entwickelt hatte. Zum Verhältnis zwischen den beiden Scharnieren vgl. grundlegend LEVIN, Jahwist, 313, Anm. 1; RAKE, Juda, 136. Anders W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 10, VAN SETERS, Life, 16-19, sowie BLUM, Connection, 104 (vgl. DERS., Studien, 102f.), der Ex 1,6.8 nach dem Vorbild von Ri 2,8.10 gestaltet sieht: „Exod 1 imitates Judg 2 by changing the perfect word coupling of the parrallel ‚all that generation‘ and ‚another generation‘ of Judg 2:10 into the asymmetric contrast consisting of the phrases ‚all that generation‘ and ‚another king‘ of Exod 1.“ Dieses Argument verfängt nicht, weil es den textgenetischen Aspekt unberücksichtigt läßt: Die ursprüngliche Todesnotiz Ri 2,8 (vgl. Jos 24,29) nimmt noch keinen Bezug auf das Scharnier in Ex 1,6*.8, das erst vom jüngeren Vers Ri 2,10 theologisiert und systematisierend zusammengezogen wird. Das von B LUM zu Recht betonte „perfect word coupling“ in Ri 2,10 steht nicht am Anfang, sondern am Ende dieser Entwicklung. 107 Zum Nachtragscharakter von Gen 50,25.26b vgl. LEVIN, Jahwist, 316; ähnlich WEIMAR, Meerwundererzählung, 116, Anm. 18; BLUM, Studien, 364; K. SCHMID, Erzväter, 231. Anders SEEBASS, Zeit, 89, Anm. 46; H.-C. SCHMITT, Josephsgeschichte (1980), 79; KEBEKUS, Joseferzählung, 225-227, denen Gen 50,24 als jüngerer Zusatz gilt. Für die literarische Einheitlichkeit von Gen 50,24-26 optieren u.a. LOHFINK, Landverheißung, 23, Anm. 43; VAN SETERS, Life, 20; H.-C. SCHMITT, Josephsgeschichte [1997], 393; GERTZ, Tradition, 361f.; BLUM, Verbindung, 151. 108 Aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht vorausgesetzt ist dagegen der zweistufige Nachtrag zu den genealogischen Implikationen von Josephs Lebensalter (Gen 50,23). Die beiden Angaben, deren ältere in 50,23a vorliegt, spiegeln späte schriftgelehrte Bemühungen, die noch nicht im Horizont desjenigen lagen, der in 50,24 die letzten Worte Josephs an die Notiz zu dessen Alter (50,22b) anschloß, um dann durch die Sterbenotiz in 50,26a wieder den Bogen zu 50,22b zurückzuschlagen. Zu Gen 50,23 vgl. grundlegend LEVIN, Jahwist, 316. 109 Gegen VAN SETERS, Life, 20; CARR, What is Required, 169-172. 106
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Mund, die in Anlehnung an Gen 48,21 formuliert wurde:110 Wendet sich dort Israel an seinen Lieblingssohn Joseph, um ihn im Wissen um seinen baldigen Tod (³§ ¢¤© ©) darüber in Kenntnis zu setzen, daß Gott mit den Israeliten sein (¦¤§« ¦¢¥ ¢) und sie schließlich in das Land der Väter zurückführen werde (¦¤¢³ ®± ¥ ¦¤³ ¢²), so richtet Joseph in 50,24a in nämlicher Weise das Wort an die an seinem Sterbebett versammelten Brüder (³§¢¤©¢ ¥¬ª¢±§¢) und übermittelt ihnen in 50,24b eine in der Sache vergleichbare Botschaft: Gott werde sich gewiß der Israeliten annehmen (¦¤³ °¢ ° ¦¢¥) und diese in das Land hinaufführen, das er der Vätertrias zugeschworen hat (®±¨§¦¤³¥« °«¢¥° ¯¢¥¦±¥«²©±²®±¥³).111 Der Wortlaut der Ankündigung in Gen 50,24b wird nun meist damit erklärt, daß der Verfasser in Anlehnung an Ex 3,16f.* formuliere,112 doch stellt sich das Abhängigkeitsverhältnis exakt umgekehrt dar. Hierfür spricht schon ganz grundsätzlich, daß Gen 50,24b nicht auf eine Weitergabe an die Ältesten der Israeliten angelegt ist, wohingegen der exakte Inhalt der Botschaft, die Mose nach Ex 3,16f.* den Ältesten übermitteln soll, von der Dornbuschszene in 3,1-12 her nicht gedeckt ist, sondern sich erst vor dem Hintergrund von Gen 50,24b erschließt. Der Verfasser von Ex 3,16f. greift das Motiv der göttlichen Zuwendung (°) auf und weitet es im Licht von 3,7-9 auf die Unterdrückung der Israeliten (3,16b: ¢³° ° ¦¢±¯§ ¦¤¥ ¢²« ³ ¦¤³), wobei er die Erwähnung Abrahams, Isaaks und Jakobs in die Bezeichnung JHWHs als ‚Gott eurer Väter‘ einfließen ließ, die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht aus dem Vorkontext in Ex 3 ableitbar war. Für die literarische Priorität von Gen 50,24 spricht schließlich auch, daß der Gedanke, JHWH werde sich der Israeliten annehmen (°), seinen genuinen Ort am Ende der Josephsgeschichte hat. Durch die betonte Voranstellung des Subjekts in 50,24b werden der sterbende Joseph und Gott gezielt zueinander in ein heilsgeschichtliches Verhältnis gesetzt: War bisher Joseph der im göttlichen Plan vorgesehene Garant für das Wohl der Familie als Keimzelle Israels (50,20bȕ.21a), so geht diese Funktion nun auf Gott selbst über, der sich seines Volkes annehmen und es schließlich aus Ägypten herausführen wird. In den Zusammenhang zwischen der Voraussage Josephs (50,24) und seinem Tod (50,26a) eingeschrieben ist in 50,25 eine Erweiterung der Vgl. KESSLER, Querverweise, 176f. Mit KÖCKERT, Vätergott, 322, Anm. 74, ist dabei auf die Parallele zu verweisen, die die Heraufführungsaussage in Gen 31,13 findet. Die Wortfolge ³®±¨§ ist alttestamentlich nur hier und in Gen 50,24 bezeugt. 112 Vgl. LEVIN, Jahwist, 315; GERTZ, Tradition, 361; BLUM, Connection, 96. Eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt hierbei die unzutreffende Annahme, Ex 3,16f.* seien Teil eines vorpriesterschriftlichen Textstratums. 110 111
3. Die Genese von Ex 1 im Horizont von Gen 50
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Rede, die im expliziten Rückgriff auf 50,24bĮ das Schicksal des Verstorbenen bedenkt: Joseph läßt die an seinem Sterbebett Anwesenden schwören, daß diese seine Gebeine beim Exodus mitführen werden. Modell stand der Bericht von der Überführung des Leichnams Jakobs,113 dem sich das Schwurmotiv (47,31) ebenso wie die in 50,26b von nochmals späterer Hand erwähnte Einbalsamierung des Leichnams verdankt (vgl. 50,2-3a).114 Dies ist nun umso notwendiger, da Joseph im Gegensatz zu seinem Vater erst nach vielen Jahren seine letzte Ruhe in der (für ihn neuen) Heimat finden wird. Die in Gen 50,25 etablierte Linie läuft über Ex 13,19 und erreicht ihr Ziel in Jos 24,32, ist also auf einen Exodus wie Landnahme umspannenden Hexateuchrahmen angelegt,115 den sie durch die Verklammerung der Scharnierkapitel Gen 50; Ex 1 und Jos 24; Ri 2 zugleich auf eine enneateuchische Perspektive weitet.116 Es ist in Anbetracht dieses literarischen Horizontes nur sachgemäß, daß Joseph in 50,25 nicht mehr seine in 50,24 adressierten Brüder, sondern die plötzlich anwesenden Israeliten (¥±²¢¢©) schwören läßt, für die Überführung seiner sterblichen Überreste zu sorgen. Die Brüder werden ebenso wenig wie Joseph selbst Ägypten lebendig verlassen (Ex 1,6). Mit der Klärung des redaktionsgeschichtlichen Ortes von Gen 50,24-26 ist nur noch die in 1,10b (ab ¢) nachgetragene Befürchtung des Pharao zu diskutieren, die Israeliten könnten mit Waffengewalt den Weg ins Land erstreiten, die sich in ihrer Landnahmeperspektive auffällig mit den letzten Worten Josephs berührt. Den Weg zur Bestimmung des literarhistorischen Ortes der im Kontext von Ex 1 eigentümlich deplazierten Rede weist der nachpriesterschriftliche Abschnitt Ex 13,17-19, wo sich die Überführung der Gebeine Josephs (13,19) nachträglich an eine Aussage zum Rüstungszustand der Israeliten auf ihrem Weg ins Land (13,18b) angelagert hat.117 Wie sogleich zu zeigen ist, geht der Zusatz zu 1,10b auf den Verfasser von 13,18b zurück, woraus sich im Umkehrschluß ergibt, daß die in Gen 50,25 113
Vgl. WESTERMANN, BK.AT I/3, 236. Für den Nachtragscharakter der Notiz zur Präparierung und Einsargung des Leichnams (Gen 50,26b) spricht, daß weder Ex 13,19 noch Jos 24,32 hierauf Bezug nehmen und der Sarg Josephs sonst nur noch in einer späten Erweiterung von Jos 24,33 begegnet, die allein g kennt. Vgl. PORZIG, Lade, 4-7, der zudem eine Transparenz des Josephssarges auf die Lade wahrscheinlich machen kann. 115 In Anbetracht der nachpriesterschriftlichen Herkunft dieser Notizen spricht nichts dafür, mit SEEBASS, Genesis III, 219, in den Gebeinen Josephs ein altes Traditionselement zu sehen und das Grab des ägyptischen Mantikers bei Sichem zur Keimzelle der Josephsgeschichte zu erklären. 116 Vgl. K. SCHMID, Erzväter, 232f., der sogar eine perspektivische Weitung auf das gesamte corpus propheticum annimmt: Die Gebeine Josephs wiesen voraus auf die Vision des Knochenfeldes in Ez 37. 117 Hierzu und zum Folgenden vgl. die Ausführungen unter VIII. 3.1. 114
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Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung
angeregte Überführung der sterblichen Überreste Josephs bei der Erweiterung von 1,10b noch nicht existierte. Ex 13,18b ist Teil einer sonst noch vor allem in Zusätzen zum Meerwunderbericht greifbaren Bearbeitungsschicht, die der in 13,17 geäußerten Befürchtung JHWHs entgegentritt, die Israeliten würden bei einer militärischen Konfrontation mit den Philistern (§ ¥§ ¦³±) ihr Heil in der Flucht suchen und nach Ägypten zurückkehren (¦¢±¯§²). Während der Bearbeiter diese Befürchtung in 14,2*.3.8b.9aĮb dadurch zu widerlegen sucht, daß er die Israeliten auf JHWHs Geheiß umkehren und die direkte Konfrontation mit den Ägyptern suchen läßt, dient ihm die Erweiterung von 1,10b dazu, eine entsprechende Gegenperspektive bereits betont am Anfang der Exoduserzählung zu verankern. Die Befürchtung des Pharao, daß die Israeliten im Kriegsfall (§ ¥§©±°³¢¤¢) zu den Feinden der Ägypter stoßen (©¢©² ¥« ¦ ¬ª©), gegen die Ägypter kämpfen und aus dem Land heraufziehen würden (®±¨§¥«©¦ ¥©), wurde gezielt formuliert, um die Befürchtung JHWHs, mit der in 13,17 ursprünglich nur die Wahl der unnötig langen Landnahmeroute erklärt werden sollte, im vorhinein aus dem Mund desjenigen zu entkräften, der fortan stetig seiner vollständigen militärischen Niederlage in Ex 14 entgegen geführt wird.118
4. Ergebnis Die vorangehenden Ausführungen haben ergeben, daß es sich bei den priesterschriftlichen Textanteilen in der Josephsgeschichte (Gen 37-50) wie in Ex 1 um literarisch unselbständige Einschreibungen handelt, die auf einen bestehenden vorpriesterschriftlichen Textbestand angelegt sind. Damit erweist sich zugleich die in der gegenwärtigen Forschung wiederholt vertretene Auffassung als irrig, ein ‚Abschied vom Jahwisten‘ ziehe notwendig die Folgeannahme nach sich, daß erst die Priesterschrift eine Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus herstellte. Der priesterschriftliche Text in Gen 37 - Ex 1 vermag diese Funktion nicht zu erfüllen, denn er ist selbst nicht ohne das vorpriesterschriftliche Scharnier lebensfähig, das die beiden 118 Zu der skizzierten Erweiterung von 1,10b mag auch beigetragen haben, daß die Größe des israelitischen Volkes in Ex 1,9 mit den Begriffen ± und ¦¯« beschrieben wird, die eine Parallele in jenen spätdtr Partien findet, in denen JHWH die Vertreibung der Landesbewohner ankündigt, die als ‚größer/zahlreicher und mächtiger‘ als die Israeliten bezeichnet werden (Dtn 4,38: £§§¦¢§¯«¦¢¥ [vgl. 9,1; 11,23; Jos 23,9]; Dtn 7,1: £§§¦¢§¯«¦¢±; vgl. ferner Dtn 20,1). Damit war von Anfang an eine Transparenz auf die Landnahmekriege gegeben, die in der diskutierten Erweiterung von Ex 1,10b nur noch expliziert werden mußte. Daß das Bild dabei auf den Kopf gestellt wird, insofern nun Israel als zahlenmäßig und militärisch überlegen gilt, entspricht exakt der Tendenz der umrissenen Bearbeitungsschicht.
4. Ergebnis
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Großerzählungen erstmals in eine geschichtliche Sequenz brachte, der P dann einen ersten offenbarungstheologischen Überbau verleiht. Das besagte Scharnier findet sich in Ex 1,6aĮ1.8.9.10*.22 und verbindet das Ende der Josephsgeschichte (Gen 50,21) mit dem Beginn der Exoduserzählung (Ex 2,1). Dies geschieht durch das Auftreten eines neuen Pharao, der den verstorbenen Joseph nicht mehr kennt und die als bedrohlich empfundene Mehrung der Israeliten dadurch zu unterbinden sucht, daß er anordnet, deren neugeborene Söhne in den Nil zu werfen. Die genannten Scharnierverse bilden den literarischen Grundbestand von Ex 1 (I). Eine erste Erweiterung (II) wird mit der Hebammenperikope greifbar, die dem Tötungsbefehl des Pharao einen erfolglosen Versuch vorwegschickt, die neugeborenen Hebräer direkt nach der Geburt zu beseitigen. Der Abschnitt, der in seinem ursprünglichen Bestand Ex 1,15a.16*.17-20 umfaßte, gibt sich als jüngeres Seitenstück zur Beauftragung der hebräischen Amme in 2,4.7-10aĮ zu erkennen und will den Kontrast zwischen dem Pharao und seiner Tochter schärfer herausbringen. Ein späterer, nicht näher einzuordnender Bearbeiter hob in 1,15b.16*.21 auf die Entstehung der ‚Dynastien‘ Schifras und Puas ab (II+). Eine letzte vorpriesterschriftliche Entwicklungsstufe wird schließlich in 1,11a.12 greifbar (III). Der Ergänzer expliziert erstmals, daß die Israeliten in Ägypten mit Fronlasten (³¥ª) bedrückt werden, und definiert damit den situativen Rahmen für das erste Zusammentreffen Moses mit seinen Volksgenossen, wo er das Motiv ebenfalls integrierte (2,11aȕ). Dagegen handelt es sich bei der Erwähnung Pitoms und Ramses in 1,11b um einen späteren Zusatz (III+), der bereits auf eine nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase entfallen dürfte. Die vorpriesterschriftliche Erwähnung einer Bedrückung der Israeliten mit Fronlasten (1,11a.12) wurde zunächst um die priesterschriftliche Notiz in 1,13.14aĮ* erweitert, die den Aspekt der harten Arbeit («) ergänzt und damit in 1,11-14* exakt die Doppelaussage herstellt, auf die der priesterliche Bearbeiter in 6,6 wieder Bezug nimmt. Teil der unter das klassische Siglum PG zu fassenden Bearbeitungsschicht (IV) ist nur noch Gen 50,22, der in den Zusammenhang zwischen Gen 50,21 und Ex 1,6aĮ1 eingeschaltet wurde und notiert, daß Joseph nach der Bestattung seines Vaters und der Versöhnung mit den Brüdern mitsamt der Sippe des Vaters in Ägypten blieb und 110 Jahre erreichte. Die priesterschriftliche Fronnotiz in Ex 1,13f.* hat in der Folgezeit zwei Erweiterungen erfahren, die sich im Horizont von Ex 1 nicht exakt positionieren lassen. Zunächst trug ein Bearbeiter im Licht von Gen 11,3 am Ende von Ex 1,14aĮ nach, daß es sich um Arbeiten an Lehm und Ziegeln handelte (IV+), eine Information, die dann von späterer Hand in der Erzählung von der Verschärfung der Fron aufgenommen wurde (5,5-13*). Die zweite Erweiterung umfaßt 1,14aȕb (IV++) und hält fest, daß die Israeliten
Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung
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auch zu Feldarbeiten herangezogen wurden, was der Ergänzer aus der Hagelplage (9,21) erschlossen hatte. Ein Fixpunkt in der relativen Chronologie von Ex 1 wird erst wieder mit den Namensliste in 1,1abĮ.2-4.5b.6aĮ2 greifbar (V), die im Anschluß an 50,22 P die Zusammensetzung der dort erwähnten Jakobsippe durch die Aufzählung der elf mit Jakob eingewanderten Brüder Josephs expliziert und sie sogleich mit diesem das Zeitliche segnen läßt. Der Verfasser von Gen 50,24.26a (VI) setzt die Liste bereits voraus und schaltet dem werdenden Prolog des Exodusbuches eine Vermächtnisrede des sterbenden Joseph vor, in der dieser ankündigt, JHWH werde nach seinem Tod die Fürsorge für die Israeliten übernehmen. Die Ankündigung wird in 3,16f.*; 4,31b von späterer Hand aufgenommen. Trägt man den redaktionsgeschichtlichen Verhältnissen im weiteren Verlauf der Exoduserzählung Rechnung, so wird man die Überarbeitung der Einwandererliste in Ex 1,1bȕ.5a.6aȕ.7 für die nächste Entwicklungsstufe von Ex 1 veranschlagen können (VII). Die genannten Zusätze setzen schon eine weit entwickelte Gestalt von Gen 46,8-27 voraus und erinnern der Sache nach an die spätpriesterschriftliche Genealogie in Ex 6,13-30, was auf einen vergleichbaren redaktionsgeschichtlichen Horizont schließen läßt. Einen ähnlichen Geist atmen auch die gewachsenen Reflexionen über die genealogischen Implikationen des Lebensalters Josephs in Gen 50,23, für deren präzise redaktionsgeschichtliche Verortung allerdings klare Kriterien fehlen. Sicher ist lediglich, daß sie gegenüber Gen 50,22 P sekundär sind und zudem erst nachträglich in den Zusammenhang zwischen 50,22 und 50,24 (VI) getreten sein werden. Folglich wird Gen 50,23a als VI+ und 50,23b als VI++ notiert. Einen Schlüssel zur Rekonstruktion der weiteren redaktionsgeschichtlichen Entwicklung bietet der im Verhältnis zu den bisher diskutierten Schichten nochmals jünger einzuordnende Abschnitt Ex 13,17-19,119 dessen Wachstumsgeschichte sich mit jener von Gen 50; Ex 1 korrelieren läßt. So findet sich in 13,18b ein Zusatz, der im Unterschied zu 13,17.18a betont, daß die Israeliten den militärischen Konflikt mit den Landesbewohnern nicht zu scheuen brauchten. Von derselben Hand stammt neben einer Reihe von Zusätzen zum Meerwunderbericht auch die den Großteil von 1,10b dominierende Befürchtung des Pharao, die Israeliten könnten den Weg aus Ägypten mit militärischer Gewalt erzwingen. Da nun 13,18b älter ist als die in 13,19 erwähnte Mitführung der Gebeine Josephs, ergibt sich im Umkehrschluß, daß auch der Zusatz zu 1,10b älter sein muß (VIII) als Gen 50,25, wo die Überführung der sterblichen Überreste Josephs vorbereitet wird (IX). Die in Gen 50,26b berichtete Einbalsamierung und Einsargung Josephs hat sich dagegen als nochmals späterer Zusatz erwiesen (IX+). 119
Vgl. die Ausführungen unter VIII. 3.1.
4. Ergebnis
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Übersicht: Die Genese des literarischen Scharniers in Gen 50,22 - Ex 1,22 Gen 50,21b: Ende der vorpriesterschriftlichen Josephsgeschichte Gen 50,22: Joseph und die Sippe Jakobs siedeln in Ägypten. Joseph erreicht 110 Jahre. (P)
IV
Gen 50,23a: Genealogische Implikationen des Lebensalters Josephs I
VI+
Gen 50,23b: Genealogische Implikationen des Lebensalters Josephs II
VI++
Gen 50,24: Joseph kündigt Exodus und Landnahme an. (ĸ Gen 48,21 / ĺ Ex 3,16f.; 4,31b)
VI
IX
VI
Gen 50,25: Die Gebeine Josephs (= Ex 13,19; Jos 24,32)
Gen 50,26a: Joseph stirbt im Alter von 110 Jahren. Gen 50,26b: Joseph wird einbalsamiert und eingesargt (ĺ Jos 24,33 g)
IX+
V
Ex 1,1abĮ.2-4: Die Namen der mit Jakob nach Ägypten Gekommenen (ĸ Gen 35,22b-26) Ex 1,1bȕ.5a: Die Größe der Jakobsippe (ĸ Gen 46,26f.)
VII
I
Ex 1,6aĮ1: Tod Josephs V
1,5b.6aĮ2: Tod der Brüder Josephs VII
1,6aȕ: Tod der ganzen Generation der Brüder
VII
Ex 1,7: Volkwerdung
I
Ex 1,8: Auftreten des neuen Pharao
I
Ex 1,9.10(bis ±¢¨): Die bedrohliche Mehrung der Israeliten Ex 1,10b(ab ¢¤¢): Die militärische Bedrohung durch Israel (= Ex 13,18b; 14,2*.3.8b.9aĮb; 15,14-16)
VIII
III
1,11a.12: Unterdrückung durch Fronvögte (= Ex 2,11aȕ) 1,11b: Bau der Vorratsstädte Pitom und Ramses (ĺ 1 Kön 9,19)
III+
IV
Ex 1,13.14aĮ*(ohne ¦¢©¥±§ ): Fronarbeit (P) Ex 1,14aĮ(nur ¦¢©¥±§ ): Lehm und Ziegel (ĸ Gen 11,3 / ĺ Ex 5,5-13*)
IV+
IV++
Ex 1,14aȕb: Feldarbeit (ĸ Ex 9,21)
Kapitel II: Volkwerdung und Unterdrückung
48 II
Ex 1,15a.16*(ohne ±§¢).17-20: Hebammenperikope (ĸ Ex 2,4.710aĮ) II+
I
Ex 1,15b.16(nur ±§¢).21: Die ‚Dynastien‘ Schifras und Puas
Ex 1,22: Der Tötungsbefehl (= Ex 2,2b.3[bis ©¢¯].6[ab ¥¢³])
Ex 2,1-10*: Beginn der vorpriesterschriftlichen Exoduserzählung
Kapitel III
Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4) 1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt (Ex 2) 1.1. Der biographische Rahmen (Ex 2,1-22; 4,18-20*) In den vergangenen Jahren hat sich verstärkt die Erkenntnis durchgesetzt, daß die vorpriesterschriftliche Exoduserzählung mit der Geburtsgeschichte Moses in Ex 2,1-10 einsetzte.1 Wie verschiedentlich festgestellt wurde der Text nach dem Vorbild der Sargonlegende gestaltet:2 Hier wie dort wird das Kind in einem Korb auf dem Wasser ausgesetzt und auf wundersame Weise errettet, hier wie dort wird aus dem so vor dem Tode Bewahrten nachmals ein großer Held der Volksgeschichte. Die Parallelen reichen aber noch weiter: In beiden Fällen haben die Kinder einen vergleichbaren Hintergrund, der zugleich Rückschlüsse auf den Grund ihrer Aussetzung zuläßt: Sargon gilt als der Sohn einer zur Kinderlosigkeit verpflichteten entu-Priesterin, im Falle Moses scheint es an der „dubiosen Ehe eines Mannes aus dem Hause Levi mit ‚der Tochter Levis‘“3 zu liegen, wobei mit g ursprünglich einfach an eine Levitin zu denken ist.4 Allerdings erscheint fraglich, ob man in Ex 2,1 überhaupt von einer rechtmäßigen Eheschließung sprechen muß, denn die Feststellung, ein Levit sei hingegangen und habe sich eine Levitin genommen ( °¢¢¥³¢§²¢£¥¢ ¢¥ ³ >³@), läßt sich auch so deuten, daß Mose „ein uneheliches Kind
1 Vgl. u.a. LEVIN, Jahwist, 318; KRATZ, Komposition, 288; CARR, Genesis, 293f.; K. SCHMID, Erzväter, 152-157 (mit einem Überblick über die älterer Forschung). 2 Vgl. u.a. NOTH, ATD 5, 15f.; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 57; WILLI-PLEIN, Ort, 116; LEVIN, Jahwist, 319; COHEN, Origins, 6-10; LEMCHE, Vorgeschichte, 57; GERTZ, Tradition, 375; KRATZ, Komposition, 288; OTTO, Mose, 49-59; GERHARDS, Aussetzungsgeschichte, 211240. Kritisch etwa GRESSMANN, Mose, 10, nach dessen Ansicht ein Zusammenhang zwischen der Geburtsgeschichte des Mose und der des Sargon von Akkad „nicht zu beweisen und auch nicht wahrscheinlich“ ist. 3 KRATZ, Komposition, 288. 4 Daß es sich um die leibliche Tochter Levis handelt (Ex 2,1 j), setzt den Hintergrund von Ex 6,20 voraus.
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Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
einer gewaltsamen Vereinigung“5 war. Dies vorausgesetzt nennt Ex 2,1 mit der Herkunft Moses zugleich den Grund seiner Aussetzung und taugt damit bestens als Einleitung der mosaischen Geburtserzählung, die zugleich den Beginn der vorpriesterschriftlichen Exoduserzählung markiert. Die ursprüngliche Fortsetzung der mit Ex 2,1 eingeleiteten Erzählung findet sich in 2,2a.3aĮ2ȕb: Die Frau wird schwanger, bringt einen Sohn zur Welt (¨ ¥³ ² ±³) und setzt ihn ohne Umschweife in einem verpichten Kästchen im Nilschilf aus (³ ±§ ±§ ³ § ³³ ¥ °³ ±¢ ³² ¥« ¬ª ¦²³ ¥¢ ³ ¦²³). Der Befehl des Pharao, alle männlichen Nachkommen der Israeliten zu töten (1,22), und mit ihm das in Ex 1,6*.8f.10*.22 greifbare redaktionelle Scharnier zwischen Josephsgeschichte und Exoduserzählung sind noch nicht vorausgesetzt.6 Das im Tötungsbefehl Ex 1,22 angelegte, neue Motiv für die Aussetzung des Mose hat erst in den Nachträgen Ex 2,2b.3aĮ1 Niederschlag gefunden, die direkt auf den Verfasser der Scharnierverse zurückzuführen sind: Nun versucht die Mutter, als sie bemerkt, daß das Kind lebensfähig ist (¡¢¤³±³ ),7 zunächst alles, um das Neugeborene vor den Häschern zu verbergen (¦¢ ±¢²¥²©¯³), und setzt es erst, als dies nicht mehr möglich ist (¥ ©¢¯«¥¤¢), im Schilf aus. Während der Tötungsbefehl Ex 1,22 einerseits die Möglichkeit eröffnete, die Zwangslage der Mutter zu reflektieren und somit die Aussetzung des Kindes zu rechtfertigen (Ex 2,2b.3aĮ1), kollidierte das Motiv andererseits mit der Aufnahme Moses durch die Tochter des Pharao, die nun direkt gegen den Befehl ihres Vaters verstoßen mußte. Zwar kam die Ironie der Situation dem Ergänzer entgegen, doch bedurfte davon unbenommen das Verhalten der Pharaonentochter gleichzeitig einer erzählerisch plausiblen Erklärung. Diese gab der Ergänzer, indem er die ursprüngliche knappe Notiz von der Auffindung des Kindes in Ex 2,6* (±³ ³³) um eine rührselige Beschreibung des weinenden Säuglings erweiterte (¥¢³ ¤±«© ©), dessen Anblick das Mitleid der Ägypterin weckt (¢¥«¥§ ³
5 K. SCHMID, Erzväter, 155, der darauf hinweist, daß Ex 2,1 nicht den terminus technicus für die Eheschließung (²¥ °¥), sondern einfaches °¥ verwendet. Ebenso OTTO, Mose, 49f. 6 Vgl. LEVIN, Jahwist, 317f.; K. SCHMID, Erzväter, 155. Gegen GERTZ, Tradition, 375. 7 Zu dieser Deutung vgl. NOTH, ATD 5, 15. Anders K. SCHMID, Erzväter, 155f., der hier einen Hinweis auf die Schönheit des Kindes findet, von der geblendet die Mutter zunächst davon abgesehen hätte, dieses auszusetzen. Damit geht die Annahme einher, die Aussage sei ursprünglicher Bestandteil der Erzählung und sei folglich noch nicht im Horizont des Tötungsbefehls in 1,22 formuliert. Dies ist freilich insofern unwahrscheinlich, als der erfolglose Versuch der Mutter, das Kind zu verbergen, ohne den Vorkontext in 1,22 ein blindes Motiv darstellen würde, das dann rein zufällig für 1,22 anschlußfähig gewesen wäre.
1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt
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¦¢±« ¢¥¢§ ±§³).8 Im Grundbestand der Ezählung spielten solche Details keine Rolle. Hier wurde nach 2,3 lediglich berichtet, wie die Pharaonentochter zum Baden an den Nil kommt (2,5aĮ: ¥«® ±¥«±³±³ ±¢), das Kästchen mit dem Säugling im Schilf findet (2,5bĮ: ³ ±³ ¬ª £³ ³), es öffnet (2,6aĮ*: ±³ ³³) und Mose als Sohn annimmt (2,10aȕ: ¨¥ ¥ ¢¢). Auch von der Anwesenheit der Mägde (2,5aȕbȕ) war noch keine Rede.9 Die Erzählung endet in Ex 2,10b mit der Benennung des Kindes und einer hebräischen Etymologie seines ägyptischen Namens10 (§² ±°³ ³¢²§¦¢§¨§¢¤±§³²§), die philologisch sicherlich dürftig ausfällt: ‚Mose‘ ist nicht, wie im Horizont der vorangehenden Geschichte zu erwarten, ‚der Herausgezogene‘, sondern ‚der Herausziehende‘. Mit Blick auf den Fortgang der Handlung gewinnt diese vordergründig mißglückte Etymologie aber durchaus einen positiven Sinn, der intendiert sein dürfte: Bereits bei seiner Benennung wird das aus dem Wasser gezogene Kind als die Rettergestalt markiert, die einst das Volk aus Ägypten ‚herausziehen‘ wird.11 Daß dies durch den Mund der Pharaonentochter geschieht, entbehrt nicht einer gewissen Ironie und spiegelt gleichzeitig die Ambivalenz der Mosegestalt. Geboren von einer Levitin und benannt von der Tochter des Pharao, erhält Mose gleichsam eine doppelte Identität, auf deren Begründung der Abschnitt Ex 2,1-10* durch die Aufspaltung der gattungsgeschichtlich zusammengehörigen Sequenz von Schwangerschaft, Geburt und Namensgebung (2,2a.10b) gezielt hinarbeitet. Während hier einerseits überlieferungsgeschichtliche Reminiszenzen über einen ägyptischen Hintergrund der Mosegestalt verarbeitet zu werden scheinen, wird andererseits beim Leser die zentrale Frage wachgerufen, wie sich ‚Mose, der Ägypter‘ zum Geschick seiner hebräischen Brüder verhalten wird. Die Antwort folgt in 2,11ff. auf dem Fuße.
8 Vgl. GERTZ, Tradition, 375; KRATZ, Komposition, 289, Anm. 73. Ebenso LEVIN, Jahwist, 318: „Der Beginn [sc. des Nachtrags] wird durch das störende Nebeneinander von Verbalsuffix und separatem Objekt angezeigt.“ b und g haben hier nachträglich geglättet. 9 Die Notiz in Ex 2,5aȕ, nach der sich die Mägde der Pharaonentochter am Ufer des Nils befinden (±¢ ¢ ¥« ³¤¥ ¢³±«©), gehört nicht zum Grundbestand der Erzählung, denn einerseits wird in 2,3b das Nilufer als ±¢ ³² bezeichnet und andererseits spielen die Mägde im weiteren Verlauf der Handlung keine Rolle mehr. Daß die in 2,5bȕ berichtete Entsendung der Leibmagd ( °³³§³ ¥²³) nachgetragen wurde, ergibt sich daraus, daß es sich im Horizont des Viertelverses bei der in 2,6 agierenden Person streng genommen um die besagte Leibmagd und nicht um die Tochter des Pharao handeln müßte. Zur Einordnung der Zusätze s. im folgenden. 10 Zu möglichen Ableitungen des ägyptischen Namens vgl. GÖRG, Mose, 19-28 (mit forschungsgeschichtlicher Diskussion). 11 Vgl. ausführlich GERHARDS, Aussetzungsgeschichte, 136-148.
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
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Moses Verbindung zum ägyptischen Hof ist erst in späteren Zeiten zum Problem geworden, als sich eine derartige Vergangenheit nicht mehr mit der gewachsenen Bedeutung der Mosegestalt vertragen wollte und Moses Aufenthalt im Haus des mordlüsternden Aodptivgroßvaters aus 1,22 Fragen aufwarf. Zwar ließ sich seine Adoption durch die Pharaonentochter nicht mehr rückgängig machen, doch konnte man immerhin die Konsequenzen des Ereignisses so weit wie möglich herunterspielen. Zu diesem Zweck wurde in 2,4 aus heiterem Himmel eine ältere Schwester Moses eingeführt (¥ ²«¢ § «¥ ° ±§ ³ ¯³³),12 die in 2,7 anregt, das Findelkind von einer hebräischen Amme (³¢±«¨§³°©¢§²) aufziehen zu lassen. Die Frau, die in 2,8f. den Auftrag gegen eine Entlohung übertragen bekommt, ist niemand anderes als die Mutter Moses selbst, in deren Obhut das Kind nun zunächst aufwächst, um erst nach seiner Entwöhnung der Phraonentochter übergeben zu werden (2,10aĮ: ¥¢¥¢ «±³¥³). Der in Ex 2,4.7-10aĮ tätige Ergänzer widerspricht somit „der Vorstellung, Mose habe eine ägyptische Kinderstube gehabt und das Ägyptertum mit der Muttermilch eingesogen.“13 Gleichzeitig werden die Konsequenzen der Aussetzung auf ein Minimum reduziert: Kaum von ihr getrennt, befindet sich Mose wieder bei seiner Mutter. Die Ergänzung der Schwester setzt bereits die Endgestalt von Ex 2,6 voraus, denn der Gesprächsgang in 2,7-9a kann schwerlich an 2,6aĮ1 angeschlossen haben.14 Mit der Erweiterung der Szene um 2,4.7-10aĮ hängt schließlich auch die in 2,5bȕ berichtete Entsendung einer Leibmagd zusammen ( °³ ³§ ³ ¥²³). Wenn die Schwester des Mose in 2,4 ‚von ferne‘ (° ±§) zusieht und sich in 2,7 direkt an die Pharaonentochter 12
Der Nachtragscharakter des Verses und der von ihm vorbereiteten Passage in Ex 2,710aĮ ist evident. Die Existenz einer älteren Schwester ist im Horizont von 2,1f. ausgeschlossen, und die Angabe, Mose sei erst nach einer Zeit des Heranwachsens (¥¢¥¢) der Pharaonentochter übergeben worden (2,10aĮ), steht in klarem Widerspruch zu 2,11aĮ, wonach sich eben dieses Heranwachsen (²§¥¢) eindeutig am ägyptischen Hof ereignet. Hinzu kommt, daß 2,7-10aĮ den organischen Zusammenhang zwischen Auffindung (2,6*), Adoption und Namensgabe (2,10aȕb) zerstören, was zur Folge hat, daß Mose erst als Herangewachsener den Namen erhält, der an seine Errettung als Säugling erinnern soll. Vgl. grundlegend WELLHAUSEN, Composition, 69; GRESSMANN, Mose, 1, Anm. 1. Ebenso LEVIN, Jahwist, 320; GERTZ, Tradition, 376; OTTO, Mose, 51. 13 LEVIN, Jahwist, 320; vgl. GERTZ, Tradition, 376; GERHARDS, Aussetzungsgeschichte, 48. 14 Erst von der Erwähnung der hebräischen Volkszugehörigkeit des Findelkindes (Ex 2,6b) her wird verständlich, warum die Schwester in 2,7 die Beauftragung einer hebräischen Amme anregt. Dabei entfällt die Erweiterung der Aussetzungsgeschichte um 2,4.7-10aĮ nach wie vor auf eine vorpriesterschriftliche Entwicklungsstufe, denn der Einschub hat seinerseits die Hebammenperikope in 1,15-20* aus sich herausgesetzt. Letztere wurde unter II. 3. als eine erste Erweiterung des literarischen Scharniers in Ex 1 bestimmt, die von den priesterschriftlichen Aussagen in 1,13f.* noch nichts wußte.
1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt
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wendet, so ist einerseits eine räumliche Nähe zwischen den beiden Frauen vorausgesetzt, die andererseits eine Distanz zum Ort der Auffindung impliziert. Mit der Entsendung der Leibmagd wird exakt diese Distanz überbrückt, insofern das Findelkind nun an den Ort geholt wird, an dem sich das in 2,7 einsetzende Gespräch zuträgt. Dies spricht dafür, daß 2,5bȕ auf den Verfasser von 2,4.7-10aĮ zurückgeht,15 und dasselbe wird man schließlich auch für 2,5aȕ geltend machen dürfen, der eine Gruppe von Mägden als Begleiterinnen der Pharaonentochter einführt (2,5aȕ: ¢³±«© ±¢¢¥«³¤¥) und damit erzählerisch auf die Entsendung der Leibmagd in 2,5bȕ vorbereitet. Zwar könnte die situative Plausibilisierung in 2,5aȕ gegenüber 2,5bȕ auch sekundär erfolgt sein, doch ist diese Annahme alles andere als notwendig. Daß 2,5aȕ von mehreren Mägden (³±«©) spricht, während in 2,5bȕ von einer Leibmagd (§) die Rede ist, ist jedenfalls literarkritisch ohne Belang, denn da 2,5aȕ in jedem Fall als Vorbereitung von 2,5bȕ verfaßt wurde, bleibt die terminologische Abweichung auch dann erklärungsbedürftig, wenn diese Vorbereitung literarisch sekundär sein sollte. Der Gedanke ist vermutlich schlicht, daß aus der Gruppe der Mägde die eine Leibmagd entsandt wird. Der Grundbestand von Ex 2,1-10 fand seine direkte Fortsetzung in 2,11aĮb.12: Bereits herangewachsen geht Mose heraus zu seinen Brüdern (¢ ¥ ¯¢ ²§ ¥¢ ¦ ¦¢§¢ ¢¢) und wird zum Zeugen, wie einer von ihnen von einem Ägypter erschlagen wird (²¢ ¤§ ¢±¯§ ²¢ ±¢ ¢ §¢±«). Die naheliegende Schlußfolgerung, das Ereignis habe sich bei den Fronarbeiten der Israeliten zugetragen, wird vom Text nicht gedeckt. Erst ein Späterer hat den Gedanken in 2,11aȕ eingetragen (¦³¥ª±¢).16 Die Reaktion Moses auf den Übergriff erfolgt unmittelbar: Als er sieht, daß niemand zugegen ist, erschlägt er den Ägypter und verscharrt die Leiche im Sand (2,12: ¥ ©§¡¢¢±¯§³£¢²¢¨¢¢¤±¢¤¤¨¢).17 Die in 2,1-10* aufgebaute Spannung ist also nur von kurzer Dauer, denn bereits bei seinem ersten Kontakt mit den Volksgenossen gerät Mose in eine Situation, die ihm eine eindeutige Entscheidung zwischen Ägyptern und Hebräern abverlangt. Mit der Tötung des Ägypters fällt diese Entscheidung überdeutlich aus, und alle Zeichen stehen bereits jetzt auf Exodus. Was schließlich in Ex 14,5 das Volk als Ganzes betreffen wird, findet Ebenso GERHARDS, Aussetzungsgeschichte, 48f.70, der die Verse allerdings für quellenhaft (elohistisch) hält. 16 Der Zusatzcharakter erhellt aus dem zweimaligen ±¢ in Ex 2,11. Ex 2,11aȕ (±¢ ¦³¥ª) generalisiert nachträglich das ‚Sehen‘ in 2,11b (¢ §¢±«²¢¤§¢±¯§²¢±¢). Mose muß zunächst zum Zeugen der Fronarbeiten seiner Volksgenossen werden, bevor er zum Zeugen des Verbrechens werden kann. Zum Hintergrund des mit 1,11a.12 verknüpften Zusatzes vgl. die Ausführungen unter II. 3. 17 Mose richtet also den Totschläger gemäß Ex 21,12 hin; vgl. LEVIN, Jahwist, 323. 15
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
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in 2,15abĮȕ1 bereits seine Vorabbildung:18 Als der Pharao von ‚dieser Angelegenheit‘ – gemeint ist die Ermordung des Ägypters – hört und Mose nach dem Leben trachtet (²§ ³ ±¥ ²°¢ ± ³ «± «§²¢), flieht dieser und läßt sich in Midian nieder (®±²¢«±¢©§ ²§ ±¢ ¨¢§). In den ursprünglich zwischen Ex 2,12.15a bestehenden Textzusammenhang wurde mit 2,13f. nachträglich ein Abschnitt eingeschrieben,19 der den Konflikt zwischen Mose und Ägypten zum Anlaß für einen Konflikt Moses mit den eigenen Volksgenossen nimmt. Als Mose am kommenden Tag eine Auseinandersetzung zwischen zwei Hebräern beobachtet und den Schuldigen nach Maßgabe von Dtn 25,1 zur Rede stellt (2,13: ¦¢ ¯¢ £«± ¤³ §¥ «²±¥ ±§¢ ¦¢¯© ¦¢±« ¦¢²© ¢©² © ¢©²), wird er von diesem scharf angegangen: ‚Wer hat dich zum Herrscher und Richter über uns gemacht?‘ (2,14aĮ: ©¢¥« ¡² ±² ²¢¥ £§² ¢§ ±§¢). Dies ist im Horizont von Ex 2 eigentlich eine berechtigte Frage, deren Legitimität für den Ergänzer gleichwohl nicht zu gelten scheint, denn er läßt den Fragenden auf eine Weise fortfahren, die Moses Einschreiten vom Vortag böswillig verzeichnet und damit auch die vorangehende Frage disqualifiziert: Ob Mose vorhabe, nach dem Ägypter nun auch ihn zu ermorden? (2,14aȕ: ¢±¯§³³±±²¤±§³¢©±¥). Mit dieser rhetorischen Frage will der Getadelte Mose einerseits demonstrieren, daß er faktisch keine Handhabe hat, seinen Anspruch durchzusetzen, unter den eigenen Volksgenossen für Recht und Ordnung zu sorgen. Er müßte den Unruhestifter schon töten, was per se keine Option sein kann. Insofern nun der Totschlag des Ägypters als Mord zur Sprache gebracht wird, erhält die Frage andererseits einen kaum überhörbaren drohenden Unterton, der auch von Mose wahrgenommen wird: Der Vorfall mit dem Ägypter ist bekannt geworden und droht Mose zum Fallstrick zu werden (2,14b: ±«©¨¤±§¢²§±¢¢). Dabei ist es bezeichnenderweise nicht das Wissen der Ägypter, sondern der Hebräer, von dem die Bedrohung für Mose ausgeht. Dem Pharao kommt die Tötung des Ägypters erst in 2,15a zu Ohren, was im Horizont von 2,13f. klingt, als seien Informationen aus hebräischen Kreisen geflossen. Kurzum: Ex 2,13f. lassen sich nicht hinreichend als der Versuch erklären, die Notwendigkeit der in 2,15 berichteten Flucht zu untermauern. Vielmehr geht es dem Ergänzer darum zu zeigen, daß Mose, kaum hat er für seine eigenen Volksgenossen gegen die Ägypter Partei ergriffen, von jenen sogleich zurückgewiesen, ja unterschwellig bedroht wird.
Vgl. KRATZ, Komposition, 289. Zum Nachtragscharakter von Ex 2,13f. vgl. LEVIN, Jahwist, 324f.; KRATZ, Komposition, 289, Anm. 74. 18 19
1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt
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Die Konfliktsituation erinnert auffällig an die Murrerzählungen des Numeribuches, in denen das Aufbegehren gegen Mose (und Aaron) verbunden mit der Unterstellung, diese trachteten dem Volk nach dem Leben, zum festen Inventar zählt. Ihre deutlichste Parallele findet die in 2,14aĮ formulierte Frage des Hebräers (©¢¥« ¡Ú ±Û Ú¢¥ £§Û ¢§) im Aufbegehren Datans und Abirams gegen Moses Führungsamt (Num 16,13b: ¢¤ ±±³Û³ ¦ ©¢¥« ±±³Û³). Dabei lassen die terminologischen Parallelen – die Verbindung der Begriffe ±Û bzw. ±±Û mit Mose ist alttestamentlich auf Ex 2,14; Num 16,13 beschränkt – auf eine literarische Abhängigkeit schließen, deren Gefälle von Num 16 nach Ex 2 verlaufen sein wird. Der in 2,13f. tätige Ergänzer griff das Aufbegehren Datans und Abirams gegen Moses Führungsamt auf (Num 16,13b) und ließ neben ihm in Ex 2,14aĮ auch noch das mosaische Richteramt attackieren, für das ihm vielleicht 15,25 Pate stand (Gabe von ¡Ú§° ).20 Durch die Kombination dieser in nachpriesterschriftlichen Texten beheimateten Motive und ihre Rückspiegelung in die Zeit vor dem Auszug soll demonstriert werden, daß Mose von Anfang an als Anführer und Richter auftrat und als solcher den unverdienten Anfeindungen seiner Volksgenossen ausgesetzt war.21 Der Erzählzug ist dabei nicht als isolierte Einschreibung zu betrachten, sondern fungiert als Negativfolie zu 4,1-8*.30b.31a, wo derselbe Bearbeiter schildert, wie Mose unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Midian dank der von ihm gewirkten Zeichen den Glauben des Volkes weckt.22 All diese Fragen waren dem ältesten Textbestand noch vollkommen fremd, auf dessen Ebene die Flucht Moses nach Midian (Ex 2,15bĮȕ1) wie dargelegt allein durch die Tötung des Ägypters motiviert war (2,12). Mit seiner Ankunft daselbst ist der geographische Rahmen für die in Ex 2,164,19 berichteten Ereignisse abgesteckt, die sich vor Moses Rückkehr nach Ägypten (4,20a) zutragen. Der Abschnitt weist zwei Hauptlinien auf, deren eine von Moses verwandtschaftlichen Beziehungen zu der Familie des Priesters von Midian handelt (2,16-22; 4,20a), während die andere die theologisch zentrale Offenbarungsszene am brennenden Dornbusch (3,14,17) zum Thema hat. Da Ex 3,1 als Exposition der Dornbuschszene explizit auf die in 2,16-22 berichtete Hochzeit zwischen Mose und der Tochter des Priesters von Midian Bezug nimmt und 4,18 zum Abschluß der Szene erneut auf den Familienkontext zurücklenkt, scheint das Verhältnis zwischen beiden Linien ausgemacht: Die Gottesoffenbarung setzt 20
Die Szene in Ex 18,13-26, die vor dem Hintergrund von 15,25 Moses richterlicher Tätigkeit breite Beachtung schenkt, ist jünger als 4,19, dessen Verfasser bereits auf 2,13f. Bezug nimmt (s.u., III. 3.2. und IX.). Sie fällt folglich als Hintergrund von 2,13f. aus. 21 Ähnlich LEVIN, Jahwist, 324f., der allerdings nicht auf die notierten Bezüge zu Ex 15; Num 16 eingeht und Ex 2,13f. als nachjahwistische Ergänzung einordnet. 22 Vgl. die Ausführungen unter III. 3.1.
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Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
einen älteren Erzählzusammenhang, der nur von Moses midianitischen Familienbanden zu berichten wußte, überlieferungsgeschichtlich, wenn nicht literarisch voraus. Gegen die Möglichkeit, der Verfasser der Exoduserzählung habe aus mündlicher Überlieferung über Moses familiäre Verbindung mit dem Priester von Midian einen literarischen Rahmen für die Dornbuschszene geschaffen, spricht allerdings entschieden, daß der ‚Familienteil‘ Ex 2,16-22; 4,20a innere Spannungen aufweist, die bereits auf ein literarisches Wachstum hindeuten. So berichtet Ex 4,20a, Mose sei mit seiner Frau und seinen Söhnen nach Ägypten zurückgekehrt, während in 2,16-22 nur von einem Sohn (Gerschom) die Rede ist, der wie die Frau (Zippora) zudem auch noch namentlich bekannt ist. Ex 2,16-22; 4,20a liegen nicht auf derselben literarischen Ebene. Im Gegensatz zu der die Rückkehr des Mose nach Ägypten vermeldenden Notiz 4,20a kann 2,16-22 nicht zum Grundbestand des Berichts von Moses Midianaufenthalt gehört haben. Dies zeigt eindeutig das die Brunnenszene vorbereitende Scharnierstück Ex 2,15bȕ2 (¥«²¢ ±), welches die in der Sache vorausgesetzte Notiz zu Moses Niederlassung in Midian (2,15bȕ1: ¨¢§ ®± ²¢) strukturell nachahmt und damit eine äußerst unschöne Dublette schafft. Da 2,15bȕ2 aufgrund der einleitenden Erwähnung des Brunnens für das Verständnis von 2,16-22 unverzichtbar ist, scheidet die Möglichkeit aus, den Versteil als erläuternden Nachtrag zu interpretieren.23 Die gesamte Brunnenszene (2,15bȕ2.16-22) wurde in einem Zug ergänzt.24 Mit der Brunnenszene verliert der Midianaufenthalt Moses entscheidend an Substanz. Was potentiell verbleibt, ist einzig die erzählerisch nicht vorbereitete Notiz Ex 4,20a, wonach Mose in Begleitung von Frau und Söhnen nach Ägypten zurückkehrt. All dies ist denjenigen nicht günstig, die in 2,15; 4,20 den erzählerischen Rahmen des Midiankapitels einer in 2,1 beginnenden Mosebiographie sehen, der die Dornbuschszene noch 23 Gegen WEIMAR, Berufung, 19-21, Anm. 9. Auch GERTZ, Tradition, 377f. (mit Anm. 127) findet in Ex 2,15bȕ2 die ursprüngliche Einleitung der Brunnenszene, hält diese aber für „eine ehemals selbständige Erzählung“. Dies ist selbst dann nicht wahrscheinlich, wenn man die von GERTZ in Anlehnung an AEJMELAEUS, What Can We Know, 80, erwogene Emendierung von 2,15bȕ2 zugrunde legt (‚und er kam ins Land Midian und setzte sich an einen Brunnen‘ – ±¥«²¢¨¢§®±¥¢; vgl. g [m]). Auch hier liegt kaum der Anfang einer selbständigen Erzählung vor, was man schon allein daran erkennt, daß der Name des Protagonisten nicht genannt ist. Hinzu kommt, daß der von g (und m) gebotene Text eher auf einen nachträglichen Glättungsversuch der von j bezeugten Dublette zurückgehen dürfte. 24 Vgl. LEVIN, Jahwist, 323; KRATZ, Komposition, 293. Ähnlich KNAUF, Midian, 126f., der allerdings in der eigentlichen Brunnenszene bereits die Erweiterung eines vermeintlichen Grundbestandes des Abschnitts in Ex 2,16a.21a findet. Die Isolierung der beiden Halbverse ist dabei literarkritisch ebenso unbegründbar wie der von ihnen konstituierte Erzählzusammenhang defizitär.
1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt
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fremd gewesen sei.25 Von einer solchen Biographie verlieren sich nach Ex 4,20a nicht nur alle Spuren – man muß also mit einer verlorenen Fortsetzung rechnen26 –, sie verfügt ohne die Brunnenszene auch nur über ein äußerst dürftiges Midiankapitel. Als Beleg für die Existenz einer solchen Mosebiographie wird allerdings immer wieder auf einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen Ex 2,23aĮ; 4,19 verwiesen, zwei Verse, die einstmals Moses Midianaufenthalt ganz ohne die Beauftragung am brennenden Dornbusch (Ex 3) beendet hätten. Dies leuchtet auf den ersten Blick auch durchaus ein: So wird in Ex 2,23aĮ zunächst festgestellt, daß der Mose nach dem Leben trachtende Pharao (2,15a) verstorben sei, woran 4,19 anscheinend gut mit der Aufforderung JHWHs anschließt, Mose solle nach Ägypten zurückkehren, da für ihn nun keine Gefahr mehr bestehe. Für den ursprünglichen Zusammenhang zwischen beiden Versen wird ferner geltend gemacht, daß g direkt vor 4,19 noch einmal wortwörtlich wiederholt, was bereits in 2,23aĮ steht. Dies deute auf eine in den anderen Textzeugen getilgte Wiederaufnahme von 2,23aĮ hin, die auf den Ergänzer von Ex 3* zurückgehe. Dieser habe durch die Wiederholung von 2,23aĮ vor 4,19 den von ihm getrennten Textzusammenhang zwischen beiden Versen nachträglich wieder herstellen wollen.27 Die Annahme, in Ex 2,23aĮ; 4,19 liege das ursprüngliche Scharnier zwischen 2,15.(16-22); 4,20a vor, erweist sich allerdings bei näherem Hinsehen aus mehreren Gründen als problematisch:28 So fällt etwa auf, daß in 2,15a vom «± die Rede ist, 2,23aĮ aber den Tod des ¦¢±¯§ £¥§ vermeldet, was bei der Annahme derselben Verfasserschaft zumindest auffällig ist. Doch auch der vordergründig glatte inhaltliche Zusammenhang zwischen 2,23aĮ und 4,19 stellt sich als schwierig heraus: Warum heißt es in 4,19 plötzlich, all diejenigen, die Mose nach dem Leben trachteten (¥¤ £²©³¦¢²°§¦¢²©), seien gestorben, wenn 2,23aĮ nur den Tod des Pharao vermeldet? Ex 4,19 hat offenbar einen weiteren Horizont und scheint nicht nur den Konflikt mit dem Pharao, sondern auch den in 2,13f. sekundär hinzugefügten Streit Moses mit seinen Landsleuten im Blick zu haben. Damit aber noch nicht genug: Warum wird in 4,19 ausdrücklich erwähnt, daß sich JHWH in Midian an Mose wendet? Schließlich hat dieser das Gebiet in Ex 2,15bȕ1.16-23aĮ nie verlassen. Nach Moses ausführlichem Abstecher in Ex 3f. würde nicht nur das geographische 25 Vgl. etwa BLUM, Studien, 20-22; Ders., Connection, 91-96; LEVIN, Jahwist, 322-333; K. SCHMID, Erzväter, 188-190; GERTZ, Tradition, 346f. 26 So bei LEVIN, Jahwist, 329; GERTZ, Tradition, 347. 27 Vgl. BLUM, Studien, 20; DERS., Connection, 93; ähnlich WELLHAUSEN, Composition, 71; RUDOLPH, Elohist, 6f.; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 31f., Anm. 103; K. SCHMID, Erzväter, 189; GERTZ, Tradition, 255f. 28 Zur Kritik vgl. auch CHILDS, OTL, 51.
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Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
Detail größeren Sinn machen, auch die gesamte Gottesrede fügt sich nach der Berufung viel harmonischer ein, denn ohne die Szene am brennenden Dornbusch träte JHWH in der gesamten Exoduserzählung erstmals in 4,19 auf! In Anbetracht der notierten Spannungen im Detail wird man festhalten müssen, daß die Gottesrede in Ex 4,19 zwar eindeutig auf den Tod des Pharao in 2,23aĮ Bezug nimmt, aber kaum die organische Fortsetzung der Todesnotiz bildet. Auch die von g bezeugte Wiederaufnahme von 2,23aĮ vor 4,19 liefert kein eindeutiges Argument für einen ursprünglichen Textzusammenhang zwischen beiden Versen, denn es kann sich genauso gut um eine sekundäre Entwicklung handeln, die den direkten Zusammenhang zwischen beiden Versen allererst herstellt. Dies ist sogar deutlich plausibler als die Annahme, daß eine ursprüngliche Wiederholung von 2,23aĮ vor 4,19 in allen anderen Texttraditionen einmütig getilgt wurde. Grundlegende Zweifel an der These, die Berufung des Mose sei erst sekundär in den zwischen 2,23aĮ; 4,19 bestehenden Zusammenhang eingeschrieben worden, weckt im übrigen bereits die Beobachtung, daß der Tod des Pharao (2,23aĮ) in überhaupt keinem Zusammenhang mit der Szene am brennenden Dornbusch steht und kaum als deren erzählerische Exposition taugt. In Anbetracht der Tatsache, daß Ex 3,1 nahtlos die Linie von 2,16-22 fortsetzt, erscheint es vollkommen unsinnig, daß der Ergänzer der Dornbuschszene diese nicht einfach an 2,22 angeschlossen, sondern zunächst einen zwischen 2,23aĮ und 4,19 bestehenden Textzusammenhang zerstört haben soll, um diesen durch die Wiederholung von 2,23aĮ vor 4,19 sogleich wiederherzustellen. So arbeitet kein Redaktor. Eine sinnvolle Funktion erfüllt Ex 2,23aĮ allein in seinem jetzigen Kontext als erzählerische Überleitung zur priesterschriftlichen Fronnotiz 2,23aȕ-25. Über den Tod des Pharao wird die Aufmerksamkeit des Lesers zurück auf die Verhältnisse in Ägypten gelenkt, auf die JHWH in Ex 3f. durch die Berufung des Mose und die Ankündigung des Exodus reagieren wird. Dies legt den Schluß nahe, daß in 2,23aĮ kein altes Element einer Mosebiographie, sondern ein redaktioneller Scharniervers vorliegt,29 der von vornherein mit Blick auf 2,23aȕ-25 P verfaßt wurde und sich im Rahmen der hier vertretenen Ergänzungshypothese als Teil dieses priesterschriftlichen Folgeabschnitts erweist. Wie noch zu zeigen ist,30 fungiert 29 Vgl. WEIMAR, Berufung, 24, Anm. 14. W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 89, versucht beides zu kombinieren, indem er annimmt, der ursprünglich vor Ex 4,19 stehende Teilvers 2,23aĮ sei von der Pentateuchredaktion an seinen heutigen Ort versetzt und als Einleitung des priesterschriftlichen Abschnitts 2,23aȕ-25 verwendet worden. Die Zusatzannahme einer Umstellung der Textsequenz macht das Modell jedoch äußerst fraglich. Dem Modell von SCHMIDT scheint sich gleichwohl auch OTTO, Pentateuchredaktion, 107, anzuschließen. 30 S.u., III. 1.2.
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dabei als gedanklicher Anknüpfungspunkt nicht der persönliche Konflikt Moses aus 2,15, sondern die Bedrückung Israels durch den ‚neuen‘ Pharao, der Joseph nicht mehr kannte (1,8-14*). Markiert dessen Auftreten in Ex 1 den Beginn der Unterdrückung, so weckt sein Ableben Hoffnung auf eine Wende, die sich in Ex 3f. ankündigt. Die Flucht Moses vor dem ihm nach dem Leben trachtenden Pharao (2,15) kommt dagegen erst mit 4,19 in den Blick, dessen Ergänzer den Tod des Pharao in 2,23aĮ bereits vorfand und in den weiteren Horizont von 2,11-15 stellte (¦¢²°§ ¦¢²© ¥¤ ³§ ¢¤ £²© ³). Der Vers setzt den Zusammenhang zwischen Moses Rückkehr nach Midian (4,18) und seinem Aufbruch nach Ägypten (4,20) voraus und läßt noch in Midian (¨¢§) den vermißten göttlichen Auftrag an Mose ergehen, nach Ägypten zurückzukehren.31 Erweisen sich sowohl die Brunnenszene Ex 2,15bȕ2-22 als auch die Bezugnahmen auf den Tod des Pharao in 2,23aĮ; 4,19 im Rahmen der Darstellung von Moses Aufenthalt in Midian als Zusätze, so verbleiben allein die Rahmenverse 2,15bȕ1; 4,20a. Daß diese nicht direkt aneinander angeschlossen haben können, liegt auf der Hand, denn der Aufbruch Moses und seine Rückkehr nach Ägypten (4,20a) kämen nach 2,15bȕ1 völlig unvorbereitet – vom plötzlichen Vorhandensein von Frau und Kindern ganz zu schweigen. Zwischen Moses Ankunft in Midian und seiner Rückkehr nach Ägypten muß sich etwas ereignet haben, das dem in 2,15a angestoßenen Midianaufenthalt einen Sinn jenseits des Episodenhaften verleiht, zumindest aber begründet, warum dieser Aufenthalt in 4,20a wieder endet. Die skizzierte Leerstelle füllt allein die Dornbuschszene, die in einem noch zu umreißenden Umfang Bestandteil der ursprünglichen Exoduserzählung gewesen sein muß. Gegen diese Annahme scheint allerdings zu sprechen, daß die Exposition der Dornbuschszene in Ex 3,1 deutliche Querverbindungen zu dem als Nachtrag bestimmten Abschnitt 2,16-22 aufweist, wo nicht nur ebenfalls das Motiv des Kleinviehs (¨¯) begegnet, sondern überdies das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Mose und dem Priester von Midian angebahnt wird, das 3,1a voraussetzt, wenn Mose die Herde ‚seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian‘ hütet (±³¢¨¯³«±¢²§ ¨¢§ ¨¤ ©³ ). Nun ist nicht zu übersehen, daß die Titulatur des Schwiegervaters – ebenso wie die Lokalisierung des Offenbarungsortes in 3,1b – überfüllt ist, was auf redaktionelle Arbeit schließen läßt. Von 2,16-22 her gedeckt ist allein die Identität des Schwiegervaters mit dem Priester von Midian, nicht jedoch der Name Jitro, der folglich bereits des öfteren als
Zum Nachtragscharakter von Ex 2,23aĮ; 4,19 vgl. VAN SETERS, Life, 66f.; KRATZ, Komposition, 293. 31
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Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
Zusatz zu Ex 3,1a angesehen wurde.32 Fällt Ex 2,16-22 als Hintergrund aus, so wird man dasselbe auch für den Schwiegervater geltend machen müssen, denn die verwandtschaftliche Beziehung zwischen Mose und dem Priester von Midian bliebe ohne die Heirat mit Zippora (2,21) bloßes Postulat.33 Scheidet man ©³ ±³¢ aus, so ist der verbleibende Bestand von Ex 3,1 auch ohne das Zwischenstück 2,16-22 problemlos als direkte Fortsetzung von 2,15bĮȕ1 (¨¢§ ®± ²¢ «± ¢©§ ²§ ±¢ – ‚Da floh Mose vor dem Pharao und ließ sich im Lande Midian nieder.‘) und Einleitung der Dornbuschszene vorstellbar: ‚Und Mose hütete das Kleinvieh des Priesters von Midian‘ (¨¢§¨¤¨¯³«±¢²§). Das Motiv ist ähnlich wie der Konflikt in 2,11-15* ein reines literarisches Konstrukt, das dazu dient, Mose an den Ort der Offenbarung zu bringen. Einen überlieferungsgeschichtlichen Kern wird man allein im Wissen um eine irgendwie geartete Verbindung zwischen der Gestalt des Mose und Midian vermuten dürfen, die noch zu dessen ägyptischer Kinderstube (2,1-10*) hinzukommt. Literarisch konkret greifbar wird dieses Wissen erstmals in der fiktiven Gestalt des Priesters von Midian, dessen Entwicklung zum immer noch anonymen Schwiegervater des Mose in 2,16-22 bereits das Werk Späterer ist, die Moses Midianaufenthalt literarisch ausgestalten. Auf die weitere Entwicklung der Gestalt des Schwiegervaters einschließlich seiner diversen Namen wird noch gesondert einzugehen sein.34 Wenn in der Einleitung der Dornbuschszene Ex 3,1* ursprünglich nur vom Priester von Midian die Rede war, so ist ausgeschlossen, daß Mose nach der Offenbarung zunächst zu seinem Schwiegervater Jeter/Jitro zurückkehrt (4,18), um sich mit dessen Segen auf den Weg nach Ägypten zu machen (4,20a). Der Abstecher zum Schwiegervater wurde erst nachträglich in den älteren Erzählzusammenhang eingeschaltet, in dem Mose vom Ort der Offenbarung aufbricht (4,18aĮ1: ²§ £¥¢) und auf direktem Weg nach Ägypten zurückkehrt (4,20aȕ: ¦¢±¯§¯±²¢). Schließt man 4,20aȕ direkt an 4,18aĮ1 an, so ist man mit einem Schlag auch des leidigen Problems ledig, daß Mose in 4,20aĮ plötzlich Frau und Kinder besitzt. Die Angabe, die von 2,21 (Zippora und Gerschom) nur zum Teil, ohne die Szene in 2,16-22 hingegen überhaupt nicht gedeckt ist, muß trotz ihres inhaltlichen Überschusses von all jenen, die die Dornbuschszene (3,1-4,18) als Zusatz ansehen, notwendig zum Grundbestand der Rückkehrnotiz in 4,20a gerechnet werden, denn das Subjekt Mose wird nur in 4,20aĮ er32 Vgl. NOTH, Überlieferungsgeschichte, 201; WEIMAR, Berufung, 25; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 111. 33 Der Name Zippora, der nur noch in 4,25; 18,2 begegnet, muß in 2,21 ursprünglich sein, da er eine der sieben Töchter bezeichnet. 34 Vgl. die Ausführungen unter III. 3.2. und IX.
1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt
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wähnt. Die einzige Alternative liegt in der hier vertretenen Annahme eines ursprünglichen Textzusammenhangs in 4,18aĮ1.20aȕ, in den dann nachträglich die der Rückkehr (²¢) nach Ägypten vorgeschaltete Rückkehr (²¢) zum Schwiegervater nebst des von diesem sanktionierten Aufbruchs mit Frau und Kindern eingeschrieben wurde (4,18aĮ2ȕb.20aĮ). 4,19 ist wie gesehen ein nochmals späterer Zusatz.35 Wenn in Ex 4,18aĮ2ȕb.20aĮ im Gegensatz zu 3,1* nicht mehr vom Priester von Midian, sondern ausschließlich von Jeter/Jitro, dem Schwiegervater des Mose, die Rede ist, so unterstreicht dies einerseits, daß die Aussagen auf unterschiedlichen literarischen Ebenen angesiedelt sind, und führt andererseits zu der notwendigen Schlußfolgerung, daß der in 4,18Į2ȕb.20aĮ tätige Ergänzer die Heirat zwischen Mose und der Priestertochter Zippora und damit die Szene in 2,15bȕ2-22 bereits voraussetzt. Der Ergänzer dieser Szene füllt die erzählerische Lücke zwischen 2,15bȕ1; 3,1*, indem er den Aufenthalt Moses in Midian als Aufenthalt beim Priester von Midian gestaltet und diesen in ein verwandtschaftliches Verhältnis zu Mose setzt. Die summarische Aufenthaltsnotiz 2,15bȕ1 (¨¢§®±²¢) wird in 2,15bȕ2 aufgegriffen und punktuell zugespitzt: Direkt nach seiner Flucht (2,15a) setzt sich Mose an den Brunnen (±¥«²¢), an dem sich die folgenden Ereignisse zutragen werden, die dazu führen, daß Mose schließlich einwilligt, beim Priester von Midian zu bleiben (2,21a: ¥¢ ²¢ ³ ³²¥ ²§). Ex 2,15bȕ2.21a bilden eine Inklusio, die das Stichwort ²¢ aus 2,15bȕ1 aufnimmt und nachträglich expliziert, wie genau es zum Aufenthalt Moses in Midian kam und wie sich dieser konkret gestaltete. Die Geburt Gerschoms rückt den Aufenthalt abschließend ins rechte Licht: Mose ist Fremdling im fremden Land (2,22bȕȖ: ¢±¤©®±¢³¢¢±). Die zur Anbahnung des familiären Kontaktes zwischen Mose und dem Priester von Midian gewählte Brunnenszene speist sich unbestreitbar aus einem Allerweltsmotiv, was allerdings nicht den Blick auf ihre planvolle Gestaltung verstellen darf. In äußerst konzentrierter Weise stellt der Verfasser das Einschreiten Moses für die von den Hirten bedrängten Töchter des Priesters als Rettungsakt dar, der die nachmalige Errettung der Israeliten durch JHWH typologisch vorabbildet. Wenn es in 2,17bĮ heißt, Mose habe die Töchter errettet (¨«²¢²§¦°¢), so erinnert dies kaum zufällig an das Ende des vorpriesterschriftlichen Meerwunderberichts (14,30a: ¦¢±¯§ ¢§ ¥±²¢ ³ ¦¢ ¢ «²¢), in dessen Rahmen die Verbalwurzel «²¢ innerhalb der Exoduserzählung ihren einzigen weiteren Beleg hat.36 Wie Mose die aggressiven Hirten los wird, wird nicht berichtet, Vgl. näherhin die Ausführungen unter III. 3.2. Darüber hinaus begegnet nur noch einmal das Nomen «²¢ (Ex 14,13). Der Vers liegt auf derselben literarischen Ebene wie die Rettungsaussage in 14,30a, mit der er einen Rahmen um den vorpriesterschriftlichen Meerwunderbericht bildet. S.u., VIII. 1. 35 36
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Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
vielmehr geht es allein darum zu zeigen, daß er am Brunnen in Midian eine Rettungstat vollbringt, die der Tat JHWHs am Meer strukturell entspricht. Auch die Worte, mit denen die Töchter ihrem Vater von den Ereignissen am Brunnen berichten, sind mit Bedacht gewählt: Wenn es in 2,19a heißt, ein ägyptischer Mann habe die Töchter aus der Hand der Hirten befreit (¦¢«±¢§©¥¢¯¢±¯§²¢), so wird hiermit in ironischer Brechung auf die Worte JHWHs in 3,8aĮ angespielt, er sei herabgestiegen, um das Volk aus der Hand der Ägypter zu befreien (¦¢±¯§¢§¥¢¯¥±).37 Der Verfasser der Brunnenszene greift also in 2,17.19 gezielt die beiden zentralen Rettungsaussagen auf, die die vorpriesterschriftliche Exoduserzählung in 3,8aĮ; 14,30a rahmen, um in ihren Worten das Handeln Moses zur Darstellung zu bringen. Es ergibt sich von selbst, daß die Heirat zwischen Mose und Zippora (Ex 2,21) dem Ergänzer bekannt gewesen sein muß, der in 4,18aĮ2ȕb.20aĮ den Abstecher Moses zu seinem Schwiegervater einschaltete. Daß er diesen Jeter/Jitro nennt und ferner von der Existenz mehrerer Söhne ausgeht, widerrät aber eindeutig der Annahme, hier dieselbe Hand am Werk zu sehen, die auch die Brunnenszene 2,15bȕ2-22 schuf. Ex 4,18aĮ2ȕb.20aĮ ist ein jüngerer Nachtrag, der sich als Teil einer bereits weit fortgeschrittenen nachpriesterschriftlichen Wachstumsgeschichte erweisen wird.38 Die Brunnenszene (2,15bȕ2-22*) muß dagegen noch vorpriesterschriftlich sein, denn sie überbrückt wie gesehen direkt zwischen 2,15bȕ1 und 3,1*. Die zusammenhängende Schilderung von Moses Midianaufenthalt in 2,15-22*; 3,1-4,20* wurde erst nachträglich durch den Blick auf die Ereignisse in Ägypten und die Reaktion JHWHs (2,23-25 P) unterbrochen. 1.2. JHWH wird der Unterdrückung seines Volkes gewahr (Ex 2,23-25) Wie bereits dargelegt, wird der einvernehmlich für P veranschlagte Abschnitt Ex 2,23aȕ-25 durch die historisierende Notiz in 2,23aĮ kontextualisiert, derzufolge der Pharao während des langen Aufenthalts Moses in Midian (¦ ¦¢± ¦¢§¢ ¢¢) das Zeitliche segnet (¦¢±¯§ £¥§ ³§¢). Die Notiz kombiniert Formulierungen aus 2,11 (¦¦¢§¢¢¢)39 und 1,6 (³§¢ ¬ª¢) und evoziert damit den erzählerischen Zusammenhang zwischen den Anfängen der Unterdrückung unter dem neuen Pharao (1,8) und den Jahren, die der junge Mose an dessen Hof zubrachte.40 War mit dem Tod Josephs und dem Auftreten des Pharao der Unterdrückung jene Ereigniskette angestoßen worden, die Mose nach seiner Solidaritätsbekundung für 37 Die Verbindung von ¥¯© und ¢§ findet sich in der gesamten Exoduserzählung nur an diesen beiden Stellen. 38 S.u., III. 3.2. 39 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 39f. 40 Vgl. W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 95.
1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt
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die eigenen Volksgenossen zur Flucht nach Midian zwang, so lenkt 2,23aĮ von diesem Kapitel der Mosebiographie (2,11-22*) wieder zurück zur Geschichte des Volkes. Die Bedeutung, die das Ableben des Pharao für die Person des Mose hatte, sollte wie gesehen erst ein Späterer notieren (4,19), denn ursprünglich geht es bei diesem Ereignis ganz um eine Zäsur in der Unterdrückungsgeschichte der Israeliten. Die Regierungszeit des besagten Pharao steht für eine Epoche, in der Israel vollständig seinen ägyptischen Unterdrückern ausgeliefert ist (1,8-2,23aĮ*), bevor sich JHWH des Volkes annimmt und es schließlich aus der Knechtschaft führt. Exakt jener heilsgeschichtliche Übergang wird in 2,23aĮ vorbereitet und in 2,23aȕ-25 expliziert. Da beide Passagen sachlich wie literarisch aufeinander angewiesen sind, bleibt bei der hier vertretenen Veranschlagung der priesterschriftlichen Textanteile für eine Ergänzugsschicht einzig die Option, Ex 2,23-25 als literarisch einheitliche Schöpfung des priesterlichen Bearbeiters zu betrachten, die gezielt zwischen 2,22 und 3,1* eingeschaltet wurde.41 Im Unterschied dazu wurde und wird von Vertretern des Quellencharakters von P betont, daß sich in Ex 1,13f.; 2,23aȕ-25; 6,2ff. eine bruchlose Textsequenz rekonstruieren läßt, was meist als sicherer Beleg für die literarische Selbständigkeit der priesterschriftlichen Exoduserzählung gilt.42 Nun steht die priesterschriftliche Verfasserschaft der besagten Stücke ebenso unbestreitbar fest wie die Tatsache, daß sie in einem ausdrücklichen Verweiszusammenhang zueinander stehen, nur läßt dies eben nicht automatisch den Schluß zu, daß es sich hierbei um einen direkten literarischen Zusammenhang handelt. Da niemand in Abrede stellt, daß eine vermeintliche Endredaktion die priesterschriftlichen Stücke in sinnvoller Weise in den nichtpriesterschriftlichen Text integriert hat, fragt sich, warum man denselben Schritt eigentlich nicht auch ihrem Verfasser zutrauen sollte. Daß man ihn dem Verfasser zutrauen muß, zeigt sich, wenn man die einzelnen Stücke in ihrem nichtpriesterschriftlichen Kontext betrachtet, denn sowohl 1,13f. als auch 6,2ff. erweisen sich ohne diesen als nicht lebensfähig.43 Damit stehen automatisch auch 2,23-25 als literarisch unselbständige Einschreibung fest, wobei sich im folgenden zeigen wird, daß diese Einschätzung nicht allein auf dem Ausschlußkriterium beruht, sondern sich auch durch Textbeobachtungen untermauern läßt. 41 Ebenso VAN SETERS, Life, 66f. Ähnlich BLUM, Studien, 240, der aber in Ex 2,23aĮ ein P vorgegebenes Element findet. 42 Vgl. grundlegend NÖLDEKE, Untersuchungen, 36f.; WELLHAUSEN, Composition, 61f.; ferner in neueren Zeit WEIMAR, Untersuchungen, 246-249 (mit der Annahme eines den Versen zugrundeliegenden vorpriesterschriftlichen Erzählzusammenhangs); W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 270-272; LEVIN, Jahwist, 315; KRATZ, Komposition, 244. 43 Vgl. die Ausführungen unter II. 1. und V.
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Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
Nachdem in Ex 2,23aĮ der Blick des Lesers zurück auf die Ereignisse in Ägypten gelenkt wurde, fassen 2,23aȕb das Leiden der Israeliten ins Auge, die unter der Arbeit stöhnen und schreien (°«¢«¨§¥±²¢¢© ©¢) und deren noch ungerichteter Hilfeschrei zu Gott aufsteigt (¥¦³«²¥«³ «¨§¦¢¥). Ex 2,24 schließt hieran nahtlos mit der Aussage an, Gott habe ihr Wehklagen gehört (¦³°©³¦¢¥«§²¢) und seines Bundes mit der Vätertrias gedacht (°«¢³° ¯¢³¦±³³¢±³¦¢¥±¤¢), womit der sachliche Anknüpfungspunkt für die JHWH-Rede in 6,2ff. gegeben ist, die in 6,3-5 im genauen Wortlaut auf 2,24 zurückgreift. In Anbetracht der engen kompositionellen Verknüpfung zwischen 2,24 und 6,2ff. sticht umso mehr ins Auge, daß selbst bei der Annahme einer selbständigen Priesterschrift kein direkter literarischer Übergang zwischen 2,24 und 6,2 bestanden haben kann, da zum priesterschriftlichen Textbestand in Ex 2 von vornherein auch 2,25 gehört haben muß. Dies ergibt sich eindeutig aus dem wiederholt beobachteten Sachverhalt, daß in 2,23aȕ-25 vier Ausdrücke für das Klagen der Israeliten verwendet werden, denen vier Aussagen über die Reaktion Gottes entsprechen, von denen die letzten beiden auf 2,25 entfallen. Ist damit 2,25 unter kompositionellen Gesichtspunkten als integraler Bestandteil des priesterschriftlichen Abschnitts zu betrachten, so ergibt sich der erklärungsbedürftige Befund, daß der Verfasser eben nicht mit 2,24, sondern mit einer Aussage schloß, auf die er in 6,2ff. keinerlei Bezug nimmt. Daß Gott die Israeliten gesehen (2,25a: ¥±²¢ ¢© ³ ¦¢¥ ±¢) und deren Situation mitfühlend zur Kenntnis genommen habe (2,25b: ¦¢¥ «¢),44 bleibt in Ex 6,2ff. ohne expliziten Nachhall.45 Das notierte Problem wird gerne dadurch zu lösen versucht, daß man in Ex 2,25b der Lesart der Septuaginta folgt und statt des von j bezeugten Qal « å (‚er nahm zur Kenntnis‘) ein Nifǥal « â å (‚er gab sich zu erkennen‘) für ursprünglich hält, das direkt auf die Selbstkundgabe JHWHs in 6,2f. («¢ Hifǥil) vorbereitet habe.46 Für eine derartige Emendierung gibt es allerdings keinerlei Grund,47 denn es leuchtet kaum ein, warum ein Späte44 Zu dieser Übersetzung von Ex 2,25b vgl. BLUM, Studien, 240, Anm. 43 (mit Hinweis auf eine analoge Konstruktion in Gen 35,22a), sowie JACOB, Buch Exodus, 39; CASSUTO, Commentary, 29; HOUTMAN, Exodus I, 331. 45 Zwar begegnen die Wurzeln ± und «¢ auch zu Beginn der priesterschriftlichen Offenbarungsszene in Ex 6,3, sie werden hier aber völlig anders verwendet, denn es geht nicht darum, daß JHWH die Situation der Israeliten wahr- (± Qal) und daran empathisch Anteil nimmt («¢ Qal), sondern vielmehr um JHWHs Erscheinungen (± Nifǥal) vor den Vätern und das diesen mitgeteilte Offenbarungswissen («¢ Nifǥal). Zu Versuchen, 2,25 zu einer 6,3 entsprechenden Offenbarungsaussage zu emendieren, s. im folgenden. 46 Vgl. ausführlich W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 77-79, sowie NOTH, ATD 5, 17; FOHRER, Überlieferung, 50; L. SCHMIDT, Studien [1993], 5; GERTZ, Tradition, 239 (mit Anm. 26). 47 Vgl. WEIMAR, Untersuchungen, 56-58, sowie BLUM, Studien, 240, Anm. 43.
1. Von Moses Geburt bis zu seinem Midianaufenthalt
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rer an der Formulierung der Septuaginta Anstoß genommen haben sollte, schließlich ist diese auch als Überleitung zu der Offenbarungsszene sinnvoll, die sich in Ex 3 unmittelbar anschließt.48 Man wird genau umgekehrt davon ausgehen müssen, daß der Übersetzer der Septuaginta an der von j bezeugten lectio difficilior Anstoß nahm und 2,25b mit Blick auf Ex 3 als Offenbarungsaussage wiedergab. Die Annahme eines ursprünglichen Textübergangs in 2,25; 6,2 gewinnt daher auch durch textkritische Operationen nicht an Wahrscheinlichkeit. Faßt man dagegen Ex 2,23-25 als priesterliche Einschreibung in den Textzusammenhang zwischen 2,22 und 3,1*, so findet sich eine recht einfache Erklärung dafür, daß der Abschlußvers 2,25 im Unterschied zu 2,23f. an der priesterschriftlichen Offenbarungsszene in 6,2ff. vorbeiläuft: Der Vers hat die vorpriesterschriftliche Dornbuschszene im Blick, in der gleich zweimal davon die Rede ist, JHWH habe das Elend (¢©«) bzw. die Bedrückung (® ¥) der Israeliten gesehen (±; 3,7.9). Ex 2,25a antizipiert das Motiv mit der Feststellung, Gott habe die (Situation der) Israeliten gesehen (¥±²¢ ¢© ³ ¦¢¥ ±¢), woraufhin über die Feststellung der göttlichen Anteilnahme (2,25b) zur Dornbuschszene übergeleitet wird, in der JHWH selbst dieser Anteilnahme ersten Ausdruck verleiht. Bereitet der priesterliche Verfasser auf diese Weise mit 2,25 auf 3,1-12* vor, so eröffnet er zuvor in 2,23f. einen expliziten Verweiszusammenhang zur Offenbarungsszene in 6,2ff. Dies geschieht nicht allein durch die bereits notierten wörtlichen Entsprechungen zwischen 2,24 und 6,3-5, sondern gleichzeitig auch durch die gezielte Vermeidung des für das Schreien der Israeliten in 3,7.9 verwendeten Vokabulars (°«¯°«¯), dem in 2,23f. vier deutlich weniger gebräuchliche Begriffe gegenübergestellt werden. Auf diese Weise wird von Anfang an signalisiert, daß sich die vollgültige Erhörung (2,24) noch nicht in Ex 3, sondern erst mit der Bundeszusage JHWHs in 6,2ff. ereignet. Ex 2,23-25 erweisen sich somit als geschickt für ihren literarischen Kontext gestaltete Texteinheit, deren Verfasser die Dornbuschszene über 2,25 in eine zweistufige Offenbarungsgeschichte integriert, deren Ziel in 6,2ff. von vornherein durch 2,23f. vorgezeichnet ist.49 1.3. Ergebnis Der knappe Bericht über die Geburt und Aussetzung des Mose sowie seine Auffindung und Adoption durch die Pharaonentochter (Ex 2,1.2a.3*. 5aĮbĮ.6aĮ*.10aȕb) gehört nicht nur zum ältesten Bestand von Ex 2, sondern bildet zudem den ursprünglichen Auftakt zur Exoduserzählung, Gegen GERTZ, Tradition, 239, Anm. 26. Erst wenn man die priesterschriftlichen Verse in der dargestellten Weise als Teil eines makrokontextuellen Verweiszusammenhangs versteht, verlieren sie ihre bei der Annahme eines durchlaufenden Quellenfadens letztlich unerklärliche Redundanz. 48 49
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
66
der die in Ex 1 geschilderten Ereignisse zunächst noch fremd waren. Als Teil derselben Schicht (I) erweist sich die Notiz, Mose habe einen Ägypter erschlagen (2,11aĮb.12) und deshalb nach Midian fliehen müssen (2,15abĮȕ1): Während seiner Hirtentätigkeit für den Priester von Midian offenbart sich ihm dann JHWH (3,1-10*),50 woraufhin Mose auf direktem Weg nach Ägypten zurückkehrt (4,18aĮ*.20aȕ). Eine erste Erweiterung (II) wird mit der Brunnenszene in 2,15bȕ2.16-22 greifbar, deren Verfasser den nach wie vor namenlosen Priester von Midian zum Schwiegervater des Mose erklärt und die entsprechende Information auch in 3,1 ergänzt. Noch ist keine Vertrautheit mit dem vorpriesterschriftlichen Scharnier zwischen Gen und Ex zu erkennen, dessen Verfasser die Konsequenzen des von ihm erdachten Tötungsbefehls (1,22) in 2,2b sowie durch Erweiterung von 2,3.6 bedacht hat (III). Bereits im Horizont des vorpriesterschriftlichen Scharniers bewegt sich dagegen die umfängliche Erweiterung in 2,4.5aȕbȕ.7-10aĮ (IV), die Mose gleich nach seiner Auffindung in die Arme seiner Mutter zurückführt, ihn im Kreis seiner Volksgenossen aufwachsen läßt und damit den Aufenthalt Moses am Hof des Pharao, der den Tötungsbefehl erließ, auf ein Minimum reduziert. In der Tendenz nicht unähnlich ist der in Ex 1,11a.12 vorbereitete und damit im Verhältnis nochmals jüngere Zusatz in 2,11aȕ (V),51 der den gerade herangewachsenen Mose unmittelbar nach dem Verlassen des ägyptischen Hofes mit den Fronlasten seiner Volksgenossen konfrontiert. Der Zusatz markiert den Abschluß der vorpriesterschriftlichen Entwicklungsphase von Ex 2. In einem nächsten Schritt wurde der Abschnitt Ex 2,23-25 P ergänzt (VI), der einen Bogen zur priesterschriftlichen Offenbarungsszene in 6,2ff. schlägt, dabei aber die in Ex 3 unmittelbar anschließende Dornbuschszene perspektivisch als eine erste Offenbarungsstufe integriert. Bereits auf eine weit fortgeschrittene nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase entfällt dagegen die Szene in 2,13f. (VII), die sich motivisch aus den Murrgeschichten speist und Mose schon bei der ersten Begegnung den Anfeindungen seiner Volksgenossen aussetzt. Nochmals jünger ist nur die Ergänzung des Namens Reguel in 2,18, die der in Ex 18,13-26* etablierten intertextuellen Verknüpfung mit Num 10f. Rechnung trägt52 und diese über den aus Num 10,29 abgeleiteten Namen in die Zeit von Moses erstem Midianaufenthalt zurückspiegelt.
Vgl. die Ausführungen unter III. 2.1. Ex 1,11.12a wurden erst nachträglich der Hebammenperiode (1,15-20*) vorangestellt, die sich ihrerseits als jüngeres Seitenstück zu der um 2,4.5aȕbȕ.7-10aĮ erweiterten Aussetzungsgeschichte erweist. Folglich muß auch 2,11aȕ jünger sein als die letztgenannten Verse. Vgl. die Ausführungen unter II. 3. 52 Vgl. den Exkurs unter III. 3.2. sowie die Ausführungen zur Genese von Ex 18 unter IX. 50 51
2. Die Offenbarung am brennenden Dornbusch (Ex 3)
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Übersicht: Die literarische Entwicklung der Mosebiographie in Ex 2-4 I
2,1.2a: Ein Levit ‚nimmt‘ sich eine Levitin, die einen Sohn gebiert. 2,2b.3*(bis ©¢¯): Die Mutter versucht, das Kind zu verbergen (= Ex 1,22)
III
I
2,3*(ab °³): Aussetzung des Kindes in einem Kasten am Ufer des Nils IV
I
I
2,4: Einführung der Schwester
2,5aĮbĮ: Die Tochter des Pharao findet den Kasten. IV
2,5aȕ: Einführung der Dienerinnen
IV
2,5bȕ: Entsendung der Leibmagd
2,6aĮ*(ohne ¥¢³): Die Tochter des Pharao erblickt das Kind. III
2,6*(ab ¥¢³): Das Mitleid der Pharaonentochter IV
2,7-10aĮ: Die Mutter als Amme
I
2,10aȕb: Adoption und Namensgebung
I
2,11aĮb.12: Mose erschlägt einen Ägypter. V
2,11aȕ: Die Fronarbeiten der Hebräer (= Ex 1,11a,12) VII
I
2,13f.: Mose schlichtet unter seinen Landsleuten.
2,15abĮȕ1: Mose flieht nach Midian. II
2,15bȕ2: Einführung der Brunnenszene
II
2,16-18*(ohne ¥«±).19-22: Brunnenszene; Mose heiratet Zippora; Geburt Gerschoms VIII
2,18(nur ¥«±): Angleichung an Num 10,29
2,23-25 (P): JHWH wird der Unterdrückung seines Volkes gewahr.
VI
I
3,1a*(ohne ©³ ±³¢): Auftakt zur Dornbuschszene II
3,1a*(nur ©³ ): Der Priester von Midian als Moses Schwiegervater
I
3,1b-10*: Grundbestand der Dornbuschszene
I
4,18aĮ*(nur ²§£¥¢).20aȕ: Mose bricht vom Offenbarungsort auf und kehrt nach Ägypten zurück. (ŀ Ex 12,37a)
Zusätze in 3,11-4,17
2. Die Offenbarung am brennenden Dornbusch (Ex 3) Galt denen, die den ältesten Bestand der Exoduserzählung in einer Mosebiographie mit direktem Textübergang von Ex 2,23aĮ nach 4,19 fanden, die Berufung des Mose lange Zeit wie selbstverständlich als vorpriesterschriftlicher Zusatz, so sind in der jüngsten Vergangenheit Stimmen laut
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
68
geworden, die die gesamte Szene als sekundäre Vorabbildung von Ex 6 und damit als nachpriesterschriftlich einordnen.53 Vorausgesetzt ist dabei „die substantielle literarische Einheit von Ex 3,1–4,18“54, für die es allerdings, wie zuletzt wieder die Analyse von GERTZ gezeigt hat,55 keine überzeugenden Argumente gibt. Daß sich in der Endgestalt von Ex 3f. eine Vielzahl nachpriesterschriftlicher Passagen findet, ist sicherlich richtig. Die Beobachtung rechtfertigt es jedoch keinesfalls, die Kapitel insgesamt ohne eine detaillierte redaktionskritische Analyse für nachpriesterschriftlich zu erklären. Übersehen werden schließlich auch die weiteren Konsequenzen dieses Schritts, denn mit der Berufungsszene in Ex 3f. fällt auch das einzige verbindende Element zwischen Mose und dem Exodus. Was in Ex 2; 5-14 verbleibt, sind allenfalls Fragmente, die sich jedoch nicht mehr zu einer vorpriesterschriftlichen Exoduserzählung zusammenfügen.56 Wer den literarischen Grundbestand von Ex 3,1-4,18 für nachpriesterschriftlich hält, müßte konsequenterweise auch annehmen, daß die älteste Exoduserzählung aus der Feder von P stammt! 2.1. Der vorpriesterschriftliche Grundbestand der Dornbuschszene und die Genese von Ex 3,1-12 Als Ansatzpunkt einer redaktionskritischen Entwirrung der Dornbuschszene bietet sich die Ankündigung des Exodus in 3,7-9 an, ohne die allen Nebenlinien der Boden entzogen wäre. Sie muß folglich zumindest in Teilen zum Grundbestand der Dornbuschszene gehören, wobei sich Ex 3,7a.8aĮ als ihr literarischer Kern herauskristallisieren:57 JHWH erklärt, er habe das Elend seines Volkes in Ägypten gesehen (3,7a: ± ¢ ±§¢ ¦¢±¯§ ±² ¢§« ¢©« ³ ¢³¢±)58 und sei herabgestiegen, um es aus der Vgl. OTTO, Pentateuchredaktion, 109-111; K. SCHMID, Erzväter, 186-209; ACHENBACH, Ich bin, 84. Kritisch dagegen u.a. BLUM, Verbindung, 124-127; DOZEMAN, Commission, 107-129; LEVIN, Link, 133.137-141. 54 K. SCHMID, Erzväter, 191. Vgl. FISCHER, Jahwe, 201f.; BLUM, Studien, 22-28; OTTO, Pentateuchredaktion, 108f.; KEGLER, Berufung, 162-185. 55 Vgl. GERTZ, Tradition, 254-327. 56 Die zuletzt wieder von K. SCHMID, Erzväter, 189, vertretene Behauptung, Ex 5 sei älter als der literarische Vorkontext in Ex 3f. und damit ohne diesen denkbar, wurde bereits von GERTZ, Tradition, 335-345, als unzutreffend erwiesen. Die Ausführungen unter IV. bestätigen dieses Bild. 57 Ebenso KRATZ, Komposition, 289, Anm. 77. Ähnlich GERTZ, Tradition, 281-305; LEVIN, Jahwist, 326-329. 58 Für die von GERTZ, Tradition, 289, im Anschluß an WEIMAR, Berufung, 40, vetretene Auffassung, der Relativsatz am Ende von Ex 3,7a (¦¢±¯§ ±²) gehe erst auf eine nachträgliche Angleichung an 3,9b zurück, gibt es keinen zwingenden Grund. Der Satz erweist sich vielmehr als integraler Bestandteil des ursprünglichen Textes, denn er definiert, daß es sich bei JHWHs Volk um die in 2,11* erwähnten Volksgenossen des Mose handelt. 53
2. Die Offenbarung am brennenden Dornbusch (Ex 3)
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Hand der Ägypter zu befreien und in ein gutes und weites Land heraufzuführen (3,8aĮ: ¡®±¥®±¨§³¥«¥¦¢±¯§¢§¥¢¯¥± ±).59 Befreiung und Heraufführung sind komplementäre Handlungen, die sich nicht voneinander trennen lassen, eine hexateuchische Perspektive ist also bereits in der ersten und ältesten JHWH-Rede der Exoduserzählung angelegt! Daß diese Rede mit der in 3,7a.8aĮ ergangenen Ankündigung des Exodus endete und Mose auf direktem Weg nach Ägypten zurückkehrte (4,18aĮ1.20aȕ), ist freilich schwer vorstellbar, denn es bliebe vollkommen ungeklärt, welche Funktion Mose in JHWHs Befreiungsplan zukommt und was JHWH bezweckt, wenn er sich am brennenden Dornbusch an diesen wendet. Mit anderen Worten: Man erwartet irgendeine Form von Beauftragung, die Mose seinen Platz in den folgenden Ereigniszusammenhängen zuweist und die Funktion der Dornbuschszene im Erzählganzen plausibilisert. In Frage kommen hierfür allein die Auftragssequenzen in 3,10-12.16f.60 Eine Entscheidung fällt nicht leicht, denn für beide Passagen lassen sich Argumente beibringen, die für eine Einordnung als spätere Zusätze sprechen. So zielt die Entsendung Moses zum Pharao (3,10a: £¥ ³« «± ¥ £ ¥²) auf den ältesten Kern des Plagenzyklus, der aber nicht mehr zum Grundbestand der Exoduserzählung gehört, weshalb Ex 3,10 in seiner vorliegenden Form als ursprüngliche Fortsetzung der Ankündigung in 3,7a.8aĮ ausscheidet.61 Nicht besser liegen die Dinge in 3,16f. Die Beauftragung Moses, die Ältesten zu versammeln und ihnen von der Gotteserscheinung sowie dem Plan JHWHs zu berichten, die Israeliten aus dem Elend Ägyptens (¦¢±¯§ ¢©«§) zu führen, schließt zwar motivisch an 3,1-8* an. Sie weist aber mit der literarkritisch nicht zu tilgenden Rede vom ‚Gott der Väter‘ (3,16) sowie mit den Beschreibungen des Landes (3,17), von denen eine als Zielangabe der Heraufführungsaussage ebenfalls unverzichtbar ist, Elemente auf, die von 3,7a.8aĮ her nicht gedeckt sind. Daß es sich in 3,16f. um einen späteren Zusatz handelt,62 wird vollends klar, wenn man sieht, daß der Auftrag, die Ältesten zu versammeln ohne
59
Die näheren Beschreibungen des Landes in Ex 3,8aȕb gehören bereits in die nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase der Exoduserzählung und werden unter III. 2.3. im Zusammenhang mit ihren Sachparallelen in 3,16 behandelt. 60 Mit Einschränkungen gilt dies auch für Ex 3,21f., wo Anweisungen zur Beraubung der Ägypter gegeben werden, deren Übermittlung durch Mose hier zwar nicht explizit angeordnet wird, in 12,35a aber vorausgesetzt ist (²§±¤²«¥±²¢¢©). Wie unter III. 2.4. gezeigt werden wird, fallen die Verse aber definitiv für den Grundbestand der Exoduserzählung aus. 61 S. im folgenden. 62 Zum Nachtragscharakter der Verse vgl. KRATZ, Komposition, 289, Anm. 77; H.-C. SCHMITT, Die „Ältesten“, 59-61.
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
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den Ausführungsbericht in 4,29.31b ins Leere läuft.63 Der literarische Horizont der Ältesten ist ein nachpriesterschriftlicher.64 Während Ex 3,16-18 aus den genannten Gründen für den Grundbestand der Exoduserzählung ausfallen, bedarf die Beauftragung des Mose in 3,10 noch einer näheren Betrachtung. Daß sie in ihrer vorliegenden Form ebenfalls nicht ursprünglich ist, sondern in den literarischen Horizont des Plagenzyklus gehört, wurde bereits dargelegt, doch fällt auf, daß sich der Vers nicht glatt in seinen direkten literarischen Kontext einfügt, was der Annahme widerrät, Ex 3,9-12aĮ als Ergänzung von ein und derselben Hand zu beurteilen.65 Der doppelte Neueinsatz mit ³« in 3,9.10 ist ebenso störend wie das im Horizont des nichtpriesterschriftlichen Textes singuläre Nebeneinander von ¢§« und ¥±²¢¢© in 3,10b auffällig.66 In der Rede von ‚meinem Volk, den Israeliten‘ kombiniert der Halbvers den Sprachgebrauch aus 3,7a (¢§«) und 3,9.11 (¥±²¢¢©) und verknüpft auf diese Weise die ältere Gottesrede in 3,7f.* mit ihrer Erweiterung in 3,9-12*. Daß diese Verknüpfung nur in 3,10b und nicht auch in 3,9.11 stattfindet, hat eine einfache redaktionsgeschichtliche Erklärung: Die Erwähnung der Israeliten in 3,10b wurde nachgetragen, und zwar von derselben Hand, auf die auch 3,9.11 zurückgehen. Die Verse erweisen sich als sekundäre Rahmung um 3,10*, in den auch die in 3,11 aufgenommene Sendung zum Pharao (3,10aȕ: «±¥£ ¥²) erst nachträglich eingeschaltet wurde. Zieht man sie ab, so verbleibt in 3,10aĮb* die an Mose gerichtete Aufforderung, zu gehen und das Volk aus Ägypten zu führen (¢§« ³ ¯ ¤¥ ³« ¦¢±¯§§).67 Sie schließt nahtlos an 3,7a.8aĮ an, weist Mose seinen Platz in dem dort exponierten Plan zu und bereitet gleichzeitig auf seinen in 4,18aĮ1 (²§£¥¢) berichteten Aufbruch vor. Ist damit der Grundbestand der Offenbarungsszene in Ex 3,7a.8aĮ. 10aĮb* sowie ihre Verknüpfung mit dem Folgekontext (4,18aĮ1.20aȕ) rekonstruiert, so verbleibt noch die Frage nach dem ursprünglichen Bestand der erzählerischen Exposition in Ex 3,1-6. Unverzichtbarer Bestandteil Gegen LEVIN, Jahwist, 326-329, der die Aufträge in 3,16-18* für den jahwistischen Bestand der Exoduserzählung veranschlagt, den entsprechenden Ausführungsbericht in 4,27ff. aber für jünger hält. Dagegen geht GERTZ, Tradition, 346f., der 3,16-17* zum Grundbestand der vorpriesterschriftlichen Exoduserzählung rechnet, von einem verlorenen Ausführungsbericht aus. 64 S.u., III. 2.3. 65 Gegen GERTZ, Tradition, 281-305. 66 Von ‚meinem Volk, den Israeliten‘ spricht JHWH alttestamentlich sonst nur noch in Ex 7,4 P, wo bereits auf die Endgestalt von 3,10 Bezug genommen wird. Vorausgesetzt ist an beiden Stellen die Rede des Pharao über die bedrohliche Größe des ‚Volks der Israeliten‘ (¦« ¥±²¢ ¢©) aus 1,9, die als Teil des vorpriesterschriftlichen Scharniers dem Prolog zu den vorpriesterschriftlichen Plagen in 3,9-12aĮ* literarisch vorausgeht. S. im folgenden. 67 Strukturell analog formulieren Ri 11,6; 2 Kön 10,16. 63
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derselben ist die Fortsetzung von 3,1a*(ohne ©³ ±³¢) in 3,1b, wo von der Ankunft Moses am Ort der Offenbarung die Rede ist: ‚Und er trieb das Kleinvieh über die Wüste hinaus und kam an den Gottesberg, den Horeb‘ (± ¦¢¥±¥¢±§± ¨¯³©¢). Über die Tatsache, daß die Ortsangabe literarisch gewachsen ist, herrscht in der Forschung weitgehend Einigkeit.68 Dabei wird meist angenommen, ± sei eine nachgetragene Apposition, die den ursprünglich namenlosen Gottesberg im Sinne der dtr Tradition mit dem Horeb identifizieren wolle.69 Allerdings läßt sich der Befund auch genau anders herum deuten: Scheidet man ¦¢¥ ±¥ aus, so verbleibt in 3,1bȕ die knappe Notiz, Mose sei ‚ins Ödland‘ gekommen (± ¢).70 Eine Entscheidung des Falls ist naturgemäß nicht ohne Berücksichtigung der Dornbuschszene in 3,2-5 möglich, auf die 3,1b vorbereitet. Bevor daher geklärt werden kann, ob der Dornbusch ursprünglich im Ödland oder auf dem Gottesberg stand und welche Schlüsse ferner aus der auffälligen Nähe seiner Bezeichnung als ©ª zum ähnlich lautenden Sinai zu ziehen sind,71 soll zunächst gefragt werden, was der Text in seinem Grundbestand über den brennenden Dornbusch berichtete. Obwohl sich der innerhalb von Ex 3,1-6 zu verzeichnende Wechsel der Gottesbezeichnungen nicht mehr als das Ergebnis einer Kombination aus den Quellenfäden J und E72 begründen läßt, verlangt das Phänomen nach wie vor nach einer Erklärung. Der harte Übergang zwischen 3,4a (JHWH) und 3,4b (Elohim) etwa ist und bleibt ein literarischer Bruch, der sich nicht durch die besondere Raffinesse eines Autors erklären läßt,73 sondern eine befriedigende Lösung allein in der Diachronie – und das heißt konkret: im Rahmen einer Ergänzungshypothese – findet. Bei näherem Hinsehen zeigt sich, daß die in 3,4 notierte Spannung bei weitem nicht die einzige ist. Die einleitende Bemerkung, der Engel JHWHs sei inmitten des Dornbusches in Vgl. exemplarisch GERTZ, Tradition, 263-266 (mit weiterer Literatur). Anders etwa WEIMAR, Berufung, 31-33, der Ex 3,1bȕ für eine einheitliche redaktionelle Bildung hält, dabei aber übersieht, daß 3,1bĮ ohne den folgenden Viertelvers ins Leere läuft. Daß Mose die Herde ‚über die Wüste hinaustrieb‘, ist ohne eine Information darüber, wo er sie denn hintrieb, als Einleitung von 3,2-5 nicht verständlich. 69 Vgl. NOTH, ATD 5, 20; H. SCHMID, Mose, 27-29; PERLITT, Sinai, 309; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 136f.; GERTZ, Tradition, 263-266. 70 Vgl. LEVIN, Dekalog, 190f.; DERS., Jahwist, 331; KRATZ, Komposition, 131, Anm. 33, 289, Anm. 76. Zur Interpretation von ± als ‚Ödland‘ vgl. auch PERLITT, Sinai, 315-318, der mit dem Begriff allerdings von vornherein den Gottesberg bezeichnet sieht. 71 Den Bezug notieren etwa GRESSMANN, Mose, 24.31; BEER, HAT I/3, 27; NOTH, ATD 5, 26f.; H. SCHMID, Mose, 30. Kritisch dagegen HOUTMAN, Exodus I, 339. 72 So klassisch WELLHAUSEN, Composition, 70; vgl. NOTH, ATD 5, 25-27; H. SCHMID, Mose, 27-38; WEIMAR, Berufung, 31-40; KOHATA, Jahwist, 16-19; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 106-123. 73 Gegen BLUM, Studien, 22-28 (ähnlich DERS., Verbindung, 138); VAN SETERS, Life, 3641, denen Ex 3,1-6 als literarisch einheitlich gelten. 68
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einer Feuerflamme erschienen (3,2a: £³§ ² ³¥ ¢¥ ¢ £¥§ ±¢ ©ª), findet im folgenden nicht nur keinen expliziten Nachhall, sondern entzieht dem Vorhaben des Mose, sich das unerklärliche Schauspiel näher anzusehen (3,3), umgekehrt sogar den Boden, denn mit 3,2a sind alle Fragen im voraus beantwortet. Genau dies ist auch ein Ziel des hier tätigen Ergänzers, der der ihm anstößigen Vorstellung einer Erscheinung der Gottheit ‚mitten im Dornbusch‘ (3,4b: ©ª£³§) wehren wollte und daher den Engel programmatisch am selben Ort plazierte.74 Notwendiger Bestandteil und eigentlicher Auftakt der Dornbuschszene ist Ex 3,2b, der einst direkt an 3,1b* anschloß: Am Gottesberg oder in der Ödnis angekommen, bemerkt Mose – im Horizont von 3,2a wäre streng genommen der zuletzt genannte Engel Subjekt! – einen Dornbusch,75 der brennt, aber nicht vom Feuer verzehrt wird (©ª²±«©ª©±¢ ¥¤©©¢). Hieran schließt 3,3a nahtlos an: Mose will (vom Weg) weichen, um ‚diese große Erscheinung‘ zu betrachten (³±©±ª²§±§¢ ¥ ±§), eine Ankündigung, über die der Erzähler elegant den Wechsel zur Perspektive JHWHs in 3,4a vollzieht (‚und JHWH sah, daß er [vom Weg] wich, um zu sehen‘ – ³±¥±ª¢¤¢±¢). Die exakte Übereinstimmung zwischen den beiden Halbversen läßt keinen Zweifel daran aufkommen, daß sie von derselben Hand konzipiert wurden. Die Verse bilden die ursprüngliche Fortsetzung von 3,2b und schildern, wie JHWH über den brennenden Dornbusch die Aufmerksamkeit des Mose auf sich zieht und so den ersten Kontakt zu ihm herstellt.76 Daß Mose sehen will, warum der Dornbusch nicht verbrennt (3,3b: ©ª±«¢¥«§), hat erst ein Späterer hervorgehoben, dem die ursprüngliche Motivation, das Spektakel zu betrachten (3,3a), wohl zu unspezifisch war.77 Der Ergänzer verrät sich, weil er trotz seines Bemühens, die Schilderung des brennenden DornZum Nachtragscharakter von Ex 3,2a vgl. FUSS, Pentateuchredaktion, 26; WEIMAR, Berufung, 33f.; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 112; GERTZ, Tradition, 267; KRATZ, Komposition, 289, Anm. 76; H.-C. SCHMITT, Redaktion, 234f. Letzterer will in Anbetracht des Nebeneinanders von ² ³¥ und ©ª £³§ noch innerhalb des Halbverses literarkritisch differenzieren, wofür es aber keine zwingenden Gründe gibt. Die doppelte Angabe zu den Erscheinungsmodalitäten des Engels erklärt sich daraus, daß der Nachtrag das Feuermotiv aus 3,2b (² ±«) und die Gottesrede aus 3,4b (©ª £³§ ¢ ¢¥ ±°¢) aufgreift und im Rahmen einer das Folgende deutenden Überschrift zusammenzieht. 75 Zur Verwendung des Artikels bei der ersten Erwähnung des Dornbuschs vgl. JOÜON/MURAOKA, Grammar, 479. „Der Artikel ©ª ist das erste Mal der der Gattung = ein, dann = der genannte“ (JACOB, Buch Exodus, 44). 76 Die alternative Annahme, Ex 3,4b habe einmal direkt an 3,2b angeschlossen, scheidet im Rahmen einer Ergänzungshypothese aus. Wenn sich Elohim in 3,4b aus dem Dornbusch an Mose wendet, so setzt dies ja voraus, daß dieser sich bereits in unmittelbarer Nähe befindet. Warum ein Späterer in 3,3a.4a die Notwendigkeit gesehen haben sollte zu erklären, wie diese Nähe zustande kam, bliebe enigmatisch. 77 Ebenso erwägungsweise GERTZ, Tradition, 268, Anm. 160. 74
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buschs aus 3,2b aufzugreifen, die falsche Verbform gewählt hat. Im Horizont von 3,2b gelesen, will Mose in 3,3b nicht in Erfahrung bringen, warum der Dornbusch nicht verbrennt (¥¤), sondern warum er nicht brennt (±«)!78 Wenn der Verfasser in Ex 3,4a JHWH bemerken läßt, daß sich Mose dem Dornbusch nähert, so ist damit das Entscheidende nicht gesagt, sondern erst vorbereitet. Die Aussage ist erkennbar auf die Fortsetzung in einer Gottesrede angelegt, wobei 3,4b hierfür wie gesehen ausfällt. Dasselbe gilt für 3,6a, einen Halbvers, der u.a. aufgrund der Erwähnung der Vätertrias nicht zum Grundbestand der Exoduserzählung gehört haben kann. Wie noch näher zu zeigen ist, gehen 3,4b.6a auf denselben Bearbeiter zurück, der die Dornbuschszene nachträglich an Gen 46,2f. anzugleichen suchte. Als ursprüngliche Fortsetzung von 3,4a verbleibt somit im Rahmen der Dornbuschszene allein Ex 3,5, der auch inhaltlich sinnvoll anschließt. Mit dem in 3,5a geäußerten Verbot (¦¥ ±°³ ¥ ±§¢) nimmt JHWH deutlich darauf Bezug, daß Mose auf dem Weg zum brennenden Dornbusch ist (3,3a.4a) und untersagt ihm näherzukommen. Ex 3,5b scheint hieran auf den ersten Blick gut anzuschließen und die Begründung nachzuliefern: Der Ort ist heiliger Boden. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß der inhaltliche Zusammenhang zwischen beiden Versteilen mitnichten glatt ist. Der begründende Hinweis auf die Heiligkeit des Bodens in 3,5bȕȖ setzt nämlich voraus, daß Mose diesen bereits betreten hat ( ²° ³§ ¢¥« §« ³ ±² ¦°§ ¢¤), was sich bestens zur Aufforderung in 3,5bĮ fügt, die Sandalen auszuziehen (£¢¥± ¥«§ £¢¥«© ¥²), das Verbot aus 3,5a aber faktisch unterläuft. In Ex 3,5a.b ist nachträglich zusammengewachsen, was von Hause aus nicht zusammengehört.79 Daß in Ex 3,5a.b ein gewachsener Zusammenhang vorliegt, wird vollends klar, wenn man die Reaktion Moses in 3,6b in die Betrachtung einbezieht, die von 3,5 her textpragmatisch gefordert ist. Unabhängig davon, was JHWH in 3,5 ursprünglich angeordnet hat, muß sich Mose dazu in irgendeiner Weise verhalten haben. Daß er nun aber nicht dem in 3,5b Gebotenen nachkommt und seine Sandalen auszieht, sondern aus Furcht vor dem Anblick der Gottheit sein Angesicht verbirgt (¢¤ ¢© ²§ ±³ª¢ ¦¢¥ ¥ ¡¢§ ±¢), spricht kaum dafür, 3,5b.6b auf derselben literarischen Ebene anzusiedeln. Deutlich mehr Sinn macht das in 3,6b geschilderte Verhalten des Mose als Reaktion auf das Verbot in 3,5a, denn das Verbergen des Angesichts impliziert ein unmittelbares Innehalten. Die Anordnung JHWHs in 3,5a und die in 3,6b geschilderte Reaktion Moses Vgl. LEVIN, Jahwist, 327. Harmonisierende Deutungen nach dem Muster, Ex 3,3b fasse „nur die Doppelaussage von 2b in einer zusammen“ (W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 156), können diesen Befund nicht befriedigend erklären. 79 Ebenso WEIMAR, Berufung, 38. 78
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folgten ursprünglich direkt aufeinander.80 Diesen Zusammenhang hat der in 3,5b tätige Ergänzer unterbrochen, der im Vorgriff auf 3,6b bereits voraussetzt, daß Mose nicht näher kommt und nun nachträglich Verhaltensanweisungen für ‚die Stätte, an der du stehst‘ (§« ³ ±² ¦°§ ¢¥«) ergehen läßt. Die Heiligkeit der Gotteserscheinung strahlt nach seiner Ansicht auch auf die Umgebung des Dornbuschs aus (²°³§), was eine entsprechende Geste der Ehrfurcht erforderlich macht.81 Die vorangehenden Ausführungen haben ergeben, daß Ex 3,5a.6b einst direkt an 3,3a.4a anschlossen. Daß dieser Anschluß auch ursprünglich ist, die besagten Verse also zum Grundbestand der Offenbarungsszene am brennenden Dornbusch zu rechnen sind, ergibt sich daraus, daß einerseits die Redeeröffnung in 3,7aĮ (¢ ±§¢) aufgrund der Wiederholung des Subjekts schlecht als direkte Fortsetzung von 3,4a (³±¥ ±ª ¢¤ ¢±¢) vorstellbar ist und andererseits mit der in 3,3a.4a geschilderten Bewegung Moses zum Dornbusch ein Erzählbogen aufgebaut wird, der sich gegenüber 3,7ff. eindeutig als überschüssig erweist und seine erforderliche Weiterführung in 3,5a.6b kaum erst nachträglich erfahren hat.82 Wenn JHWH nach 3,4a sieht, daß sich Mose dem Dornbusch nähert, so läßt dies erwarten, daß er zunächst auf diesen Sachverhalt Bezug nimmt und nicht sofort mit der Tür ins Haus fällt, indem er erklärt, er habe das Elend der Israeliten 80 Vgl. WEIMAR, Berufung, 39f. Das mögliche Gegenargument, 3,6b (¦¢¥) könne nicht an 3,4a.5b (¢) angeschlossen haben, greift nicht. Der Begriffswechsel „liegt in einer Aspektverschiedenheit begründet, wonach Mose eben fürchtet, die ihm sich kundtuende Gottheit zu schauen“ (a.a.O., 40). Ebenso GERTZ, Tradition, 269. Gegen W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 123. Auch der Hinweis, der Textzusammenhang zwischen 3,5.6b sei defizient, weil die in 3,6b geschilderte Reaktion Moses letztlich auf die in 3,6a übermittelte „Information, dass ein »Gott« mit ihm spricht“, angewiesen sei (BLUM, Verbindung, 138), vermag nicht zu überzeugen. Mose und dem Leser ist der Sachverhalt nach 3,4a.5a vollkommen klar. 81 Die Rede vom ‚heiligen Boden‘ in Ex 3,5b wird von OTTO, Pentateuchredaktion, 107, mit der – wie die folgende Darstellung zeigen wird – nachträglichen Lokalisierung der Dornbuschszene am Gottesberg in Verbindung gebracht (3,1). Allerdings ist Heiligkeit keine Kategorie, die das Alte Testament sonst mit dem Gottesberg in der Wüste – sei er nun als Sinai oder Horeb bezeichnet – verbindet, sondern sie kommt, streng von der Präsenz Gottes her gedacht, nur dem Zion zu (vgl. Ps 2,6; 3,6; 15,1; 43,3; 48,2; 87,1; 99,9; Jes 11,9; 56,7; 57,13; 65,11.25; 66,20; Ez 20,40; 28,14; Dan 9,16.20; Joel 2,1; 4,17; Ob 1,16; Zeph 3,11). Lediglich Ex 19,23bȕ berichtet von der Anordnung, eine Grenze um den Sinai zu ziehen und ihn zu heiligen (³²° ± ³ ¥), doch steht diese Einrichtung einer Tabuzone kaum im Hintergrund von Ex 3,5b. Trotz der negativen textlichen Evidenz bleibt es allerdings in Ermangelung plausibler Alternativen am wahrscheinlichsten, die Heiligsprechung des Ortes in 3,5b redaktionsgeschichtlich mit der Lokalisierung der Szene am Gottesberg zu verbinden (zumal dann, wenn dieser mit OSWALD, Israel, 247-254, als traditionsgeschichtlicher Ableger des Zion betrachtet wird). Die Vorstellung, daß sich Mose, obwohl er dem Dornbusch nicht näherkommt, dennoch auf heiligem Boden befindet, erklärt sich am einfachsten dann, wenn der Dornbusch plötzlich einen Ort am bzw. auf dem Gottesberg markiert. 82 Gegen KRATZ, Komposition, 289 (mit Anm. 76), der 3,7a an 3,4a anschließt.
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gesehen. Obwohl die Erzählung vom brennenden Dornbusch (Ex 3,1*.2b. 3a.4a.5a.6b) folglich eine in sich geschlossene Einheit bildet, war sie dennoch nie selbständig, sondern wurde von vornherein als Exposition zu der in 3,7ff. folgenden Offenbarungsszene verfaßt. Trotz motivischer Parallelen zu einem Text wie Gen 28,11-17, deren deutlichste freilich auf den Nachtrag Ex 3,5a entfällt, sind die Verse als Ätiologie eines Kultortes fehlgedeutet.83 Sie berichten schlicht, wie der erste Kontakt zwischen JHWH und Mose zustande kam. Zu fragen bleibt noch, wo besagter Kontakt zustande kam. Wie bereits dargelegt, kommen dafür nach Ex 3,1bȕ mit dem Gottesberg (¦¢¥ ±) und dem Ödland (± ) zwei Orte in Frage, die gemäß 3,1bĮ irgendwo ‚jenseits der Wüste‘ (±§ ± ) zu suchen sind. Zwingende inhaltliche Gründe für die Verbindung der ursprünglichen Dornbuschszene mit dem nachmals zentralen Gottesberg hat die Analyse nicht zutage gefördert, im Gegenteil: Ex 3,2b-6* schildern mit dem brennenden Dornbusch ein Wüstenphänomen, das auf einen Gottesberg als Hintergrund weder angewiesen ist noch an irgend einer Stelle der Sinaiperikope einen erkennbaren Nachhall gefunden hat. Zwar spielt auch in den dortigen Theophanieschilderungen Feuer eine zentrale Rolle, doch ist es immer der Berg selbst, der von ihm ergriffen wird (Ex 19,18; 24,17; vgl. Dtn 4,11; 5,23; 9,15). Von einem Dornbusch verlautet nichts. Das skizzierte Schweigen der Sinaiperikope mag man als ersten Indikator dafür werten, daß die Verbindung zwischen Gottesberg und brennendem Dornbusch in Ex 3,1bȕ erst sekundär hergestellt wurde. Weitaus entscheidender noch sind allerdings die Beobachtungen, die man am Text von Ex 3 selbst machen kann. So fällt auf, daß beide Elemente eigentümlich unverbunden nebeneinanderstehen. Mose kommt ‚an den Gottesberg‘ (3,1bȕ: ¦¢¥±¥¢) und erblickt den Dornbusch (3,2b: ©ª³±¢), ohne daß expliziert würde, in welchem räumlichen Verhältnis beides zueinander steht. Daß sich der Busch auf dem Berg befindet und Mose zu ihm aufsteigt, wird jedenfalls gerade nicht gesagt, und würde es gesagt, so bedürfte es des Busches nicht mehr, der auf dem Gottesberg streng genommen nichts verloren hat. Wäre hingegen der Dornbusch als irgendwo am Fuße des Berges befindlich zu denken, so würde damit der Gottesberg als Offenbarungsort faktisch überflüssig. Kurz gesagt: Mit Gottesberg und Dornbusch stehen in Ex 3,1-6 zwei Offenbarungsorte unausgeglichen nebeneinander, von denen nur einer ursprünglich sein kann. Es handelt sich dabei eindeutig um den fest in der Erzählung verankerten Dornbusch, der folglich nicht in der Nähe des (von 3,12 abgesehen in Ex 3 83 Gegen LEVIN, Jahwist, 329f., der in 3,1*.2b.4b-5 die vorjahwistische „Ätiologie eines Kultplatzes, der von Mose entdeckt worden sein soll“, findet. Ähnlich zuvor GRESSMANN, Mose, 30f.; H. SCHMID, Mose, 32.
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nicht mehr erwähnten) Gottesberges, sondern im Ödland jenseits der Wüste zu suchen ist (3,1b*: ± ¢±§± ¨¯³©¢). Erst ein Späterer stellte eine Verbindung zwischen dem Dornbusch (©ª) und der ähnlich lautenden Wüste Sinai (¢©¢ª±§) her und verlegte kurzerhand den Dornbusch an den durch Ex 19,2.3a in der nämlichen Wüste verorteten Gottesberg. Indem er in 3,1bȕ die Ortsangabe ¦¢¥ ± ¥ einschaltete, rückte er das ursprüngliche ± zunächst ins Abseits, aus dem heraus es eine nicht zu erwartende Wiederkehr als der Horeb der dtr Tradition feiern sollte.84 Die nachträgliche Verlegung der Dornbuschszene an den Gottesberg (Ex 3,1bȕ) steht in einem organischen Zusammenhang mit der Ankündigung JHWHs, die Israeliten würden nach dem Auszug an eben jenem Ort Gottesdienst feiern (3,12b: ¥«¦¢¥³ ¨«³ ¦¢±¯§§ ¦«³ £¢¯ ±). Das Ereignis wird in 3,12aȕȖ als Beglaubigungszeichen für die göttliche Sendung des Mose eingeführt (£¢³ ¥² ¢¤© ¢¤ ³ £¥ ), bei der es im Kontext nur um die Sendung zum Pharao gehen kann. Ex 3,10aȕ («± ¥ £ ¥²) ist also bereits vorausgesetzt. Ebenfalls vorausgesetzt sind der in 3,11 geäußerte Zweifel des Berufenen (‚Wer bin ich, daß ich zum Pharao gehe und die Israeliten aus Ägypten herausführe?‘ – ±§¢ ¦¢±¯§§¥±²¢¢©³¢¯¢¤«±¥£¥¢¤¢¤©¢§¦¢¥¥²§) und die diesen Zweifel sogleich entkräftende Mitseinszusage (3,12aĮ ¢¤±§¢ £§« ¢), mit der 3,12aȕȖb die Redeeinleitung teilen. Allerdings ist der Textzusammenhang in 3,12 kaum ursprünglich, denn nach der Mitseinszusage ist die Ankündigung eines zusätzlichen Zeichens nicht nur unnötig, sondern vor allem das Eintreffen des Zeichens nach dem Auszug läßt dieses kaum geeignet erscheinen, die Zweifel des Mose vor seinem ersten Auftritt am ägyptischen Hof zu entkräften. Das in 3,12aȕȖb angekündigte Zeichen und damit auch die Erwähnung des Gottesberges ist gegenüber der Mitseinszusage in 3,12aĮ sekundär.85 Um den literarhistorischen Horizont Vgl. grundlegend LEVIN, Dekalog, 190f., der jedoch nicht auf die Verbindung zwischen dem Dornbusch (©ª) und der Wüste Sinai (¢©¢ª ±§) eingeht, die zur Übertragung des Gottesberges nach Ex 3 Anlaß bot. Ohne diese Verbindung handelte es sich in der Tat um „erstaunlich viele Zufälle“ (GERTZ, Tradition, 264, Anm. 141), mit ihr hingegen erklärt sich die Bezeichnung des Gottesberges als Horeb ungezwungener, als wenn man mit PERLITT, Sinai, 318-322, annimmt, der Begriff Horeb (‚Ödland‘) sei gezielt als Ersatz für die als problematisch empfundene Bezeichnung des Gottesberges als Sinai geschaffen worden, um dann in nachexilischer Zeit (P) wieder von ihr verdrängt zu werden. Daß es sich bei der dtr Horebterminologie um eine Neudeutung der kombinierten Ortsangabe aus Ex 3,1b handelt, betont auch KRATZ, Komposition, 131 (mit Anm. 33). Wie die Angabe gelesen wurde, zeigt ihre sekundäre Wiedergabe in 1 Kön 19,8 (± ¦¢¥± – ‚der Gottesberg Horeb‘). 85 Ebenso RUDOLPH, Elohist, 8f.; WEIMAR, Berufung, 45f.; LEVIN, Jahwist, 331; GERTZ, Tradition, 292-294. Anders etwa BLUM, Verbindung, 138f. Mit dem nachgetragenene Zeichenmotiv (Ex 3,12aȕȖb) verliert die knappe literarische Einheit in 3,9-12aĮ ein Element, das immer wieder für ihre gattungsgeschichtliche Zuweisung zu dem von RICHTER, Beru84
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der Erweiterung zu bestimmen, ist daher zunächst die ältere Bearbeitung der Berufungsszene in 3,10aȕ.11.12aĮ näher zu betrachten. Wurde Mose im Grundbestand der vorpriesterschriftlichen Dornbuschszene von JHWH lediglich dazu beauftragt, die Israeliten aus Ägypten zu führen (Ex 3,10aĮb*: ¦¢±¯§§ ¢§« ³ ¯ ¤¥ ³«), so wird der Herausführung in 3,10aȕ nachträglich eine Sendung zum Pharao vorgeschaltet («± ¥ £ ¥²), die den ersten Auftritt Moses am ägyptischen Hof begründet (5,1f.*).86 Ex 3,10aȕ; 5,1f.* sind Teil derselben Bearbeitungsschicht, zu der in Ex 3 ferner die bereits umrissene Fortsetzung der erweiterten Berufungsszene in 3,11.12aĮ sowie deren sekundäre Einleitung in 3,9 gehören.87 Durch den betonten Neueinsatz mit ³« (3,9aĮ) wird die Moseberufung (3,9-12aĮ) als Untereinheit innerhalb der Offenbarungsszene abgegrenzt und, nachdem 3,8aĮ schon bis auf die Landnahme vorausgeblickt hatte, durch 3,9aȕ wieder in der gegenwärtig noch andauernden Misere der Israeliten verankert. Dies geschieht durch die chiastische Aufnahme der die Gottesrede in 3,7abĮ1 eröffnenden Doppelaussage, JHWH habe das Elend der Israeliten gesehen (¦¢±¯§±² ¢§«¢©«³ ¢³¢± ±) und ihr Schreien gehört (¢³«§² ¦³°«¯ ³). Ex 3,9a greift zunächst das letztgenannte Motiv auf (¢¥ ¥±²¢ ¢© ³°«¯ © ³«), woraufhin 3,9b mit der Aussage schließt, JHWH habe ferner die Unterdrückung
fungsberichte, herausgearbeiteten Berufungsformular in Anschlag gebracht wurde und wird (vgl. ausführlich W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 123-130, der im Anschluß an NOTH, ATD 5, 29, annimmt, ein ursprüngliches Zeichen, das der im Horizont der Berufung 3,9-12aĮ erwarteten Funktion besser entsprochen hätte als das in 3,12aȕb angekündigte, sei verloren gegangen). Dies spricht nun nicht gegen die hier vorgestellte Literarkritik, sondern stellt umgekehrt entsprechende formgeschichtliche Bemühungen grundsätzlich in Frage. Die Tatsache, daß die Elemente des Berufungsformulars in den zentralen Belegtexten Ex 3f.; Ri 6; 1 Sam 9f.; Jer 1 nicht nur verschieden ausgeprägt sind, sondern zudem auf jeweils unterschiedlichen redaktionellen Ebenen begegnen, erweist dieses Formular als gattungsgeschichtliches Phantom. Die Texte füllen kein ihnen vorgegebenes Berufungsformular, sondern haben sich in wechselseitiger literarischer Beeinflussung so entwickelt, daß sich bestimmte Motivabfolgen parallel verfestigt haben. Zu einer möglichen Beeinflussung von Ex 3 durch Jer 1 vgl. die folgende Anmerkung. 86 Mose bekommt mit dieser Abordnung zum ägyptischen Hof erstmals in der Entwicklung der Exoduserzählung dezidiert prophetische Züge verliehen; vgl. grundlegend H.-C. SCHMITT, Tradition, 206-211 (mit weiterer Literatur). Daß dabei in Ex 3,9-12aĮ* bereits ein literarischer Einfluß aus Jer 1 zu verzeichnen ist, läßt sich in Anbetracht der recht unspezifischen Parallelen kaum belegen. Sicher greifbar wird eine literarische Beeinflussung der Berufungstexte des Exodusbuches durch Jer 1 erstmals in Ex 7,1f. P und sodann in dem nachpriesterschriftlichen Passus 4,10-17*; s.u., III. 3.1. und V. 87 Hinzu kommt wie dargelegt noch die Erweiterung der ursprünglichen Herausführungsaussage (Ex 3,10b) um die als Apposition nachgeschaltete Erwähnung der ¥±²¢¢©, die an den Sprachgebrauch aus 3,9.11 angleicht.
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gesehen, welche die Israeliten von Seiten der Ägypter zu erleiden hätten (¦³¦¢¯ ¥¦¢±¯§±²® ¥³¢³¢±¦).88 Während die Aussage in Ex 3,9b deutlich um eine Konkretisierung der unspezifischen Rede vom Elend der Israeliten (3,7a) bemüht ist, fördert ein Vergleich der beiden komplementären Erwähnungen des Geschreis der Israeliten (3,7bĮ1.9a) kein entwicklungsgeschichtliches Gefälle zutage. Das Motiv wurde in Ex 3 von dem Bearbeiter eingeführt, der die Szene in 3,912aĮ schuf, denn es läßt sich hier anders als in 3,7 nicht literarkritisch herauslösen. Da die Parallele in 3,7bĮ1 inhaltlich nicht weiterführt, sondern lediglich in Analogie zu 3,9 den Aspekt des Hörens ergänzt, liegt der Schluß nahe, daß hier ein Zusatz von derselben Hand vorliegt, der – noch ohne die Erwähnung der Antreiber und der von den Israeliten erlittenen Schmerzen (3,7bĮ2ȕ)89 – eigens zur chiastischen Verzahnung der beiden Ankündigungen ergänzt wurde. Was aber ist der Grund dafür, daß der Bearbeiter die Motive der Unterdrückung (® ¥) und des Geschreis (°«¯) der Israeliten einführte? Während ersteres im Horizont der Exoduserzählung terminologisch singulär und damit nicht linear ableitbar ist, findet die Aussage JHWHs, das Geschrei der Israeliten sei zu ihm vorgedrungen (),90 eine klare Entsprechung in Ex 2,23.24a P (¥ ¦³«² ¥«³ °«¢ ¦³°© ³ ¦¢¥ «§²¢ « ¨§ ¦¢¥). Dies scheint auf den ersten Blick dafür zu sprechen, daß 2,23.24a in 3,9a vorausgesetzt sind,91 was eine nachpriesterschriftliche Einordnung der Bearbeitungsschicht nach sich zöge, der sich die vorliegende Gestalt der Berufungsszene in 3,9-12aĮ verdankt. Eine derartige literarhistorische Einordnung der besagten Bearbeitungsschicht hält jedoch einer kritischen Überprüfung aus verschiedenen Gründen nicht stand.92 So fällt etwa auf, daß sich die Erwähnungen des Geschreis (°«¯) in Ex 3,7bĮ*.9a zwar in der Sache, nicht aber im Wortlaut mit 2,23.24a berühren, obwohl dort gleich drei semantisch verwandte Zur chiastischen Struktur vgl. GERTZ, Tradition, 283. Ex 3,7bĮ2ȕ ist mit LEVIN, Jahwist, 330, als in sich einheitlicher Nachtrag zu beurteilen. Der Ergänzer nimmt auf die in 5,14 geschilderte Situation Bezug und schließt aus den Prügeln, welche dort die israelitischen Aufseher kassieren, auf die ‚Schmerzen‘ (¢¤§) des ganzen Volkes – eine Begriffswahl, die prophetischen Einfluß verrät (vgl. Jes 53,3f.; Jer 30,15; 45,3; 51,8). Indem er JHWH die Schmerzen seines Volkes zur Kenntnis nehmen läßt («¢), ergänzt der Bearbeiter zudem das in 3,7 noch fehlende Element aus der in 2,24f. vorgegebenen Verbaltrias («¢±«§²), womit er die JHWH-Rede in 3,7ff. noch enger mit 2,23-25 P verklammert. 90 Ähnlich formulieren Gen 18,21; 1 Sam 9,16, die aber als direkter Hintergrund von Ex 3,9 ausscheiden und mit WEIMAR, Berufung, 154, in die literarische Nachgeschichte des Exodusverses zu verweisen sind. 91 So etwa JACOB, Buch Exodus, 51-53; CASSUTO, Commentary, 33; FISCHER, Exodus 115, 152; OTTO, Pentateuchredaktion, 107. 92 Vgl. grundlegend auch GERTZ, Tradition, 286f. 88 89
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Begriffe zur Auswahl stehen (°©«²°«).93 Daß der Verfasser der Aussagen in 3,7bĮ*.9a, hätte er wirklich auf die in 2,23.24a exponierte Situation Bezug nehmen wollen, keinen der drei Begriffe übernommen, sondern stattdessen einen vierten eingeführt hätte, erscheint wenig plausibel. Die Möglichkeit einer Abhängigkeit der besagten Aussagen von der priesterschriftlichen Notiz 2,23.24a scheidet nun aber vollständig aus, wenn man die literarischen Verhältnisse der Exoduserzählung insgesamt berücksichtigt. So bereiten 3,9-12aĮ wie gesehen auf den ersten Auftritt Moses am ägyptischen Hof vor (5,1f.*), der sich in der folgenden Analyse eindeutig als Teil einer vorpriesterschriftlichen Wachstumsstufe erweisen wird,94 was mutatis mutandis auch für die Berufungsszene in 3,9-12aĮ zu gelten hat. Hinzu kommt als Weiteres, daß auf die Mitseinszusage aus 3,12aĮ explizit in Jos 1,5bĮ Bezug genommen wird, was bei einer nachpriesterschriftlichen Verortung ernste Probleme in der relativen Chronologie von Jos 1 zur Folge hätte, da nun bereits der Grundbestand des Kapitels jünger als P sein müßte.95 Stellt man in Rechnung, daß die Berufungsszene in Ex 3,9-12aĮ ohne den Hintergrund von 2,23.24a als Vorverweis auf 5,1f.* konzipiert wurde, so bietet sich eine alternative Deutung für den Verweis auf das Geschrei der Israeliten in 3,7bĮ*.9a an. Das an beiden Stellen verwendete Lexem °«¯ begegnet im Rahmen der Exoduserzählung nur noch in 11,6a; 12,30aȕ, wo es das Zetergeschrei zum Ausdruck bringt, das die Ägypter als Reaktion auf die Tötung der Erstgeburt anstimmen. Zwar fällt 11,6a für den vorpriesterschriftlichen Text aus,96 doch gilt dies nicht für den Plagenbericht in 12,30aȕ. Letzterer ist als ursprüngliche Fortsetzung von 12,29a Teil derselben vorpriesterschriftlichen Bearbeitung, der nicht nur die vorliegende Gestalt von 3,9-12aĮ sowie der Auftritt Moses in 5,1f.* zuzuweisen sind, sondern auf deren Ebene zudem ein direkter Textübergang zwischen 5,2 und 12,29a bestand.97 Um die Szene in 5,1f.* als Mittelachse angeordnet, tritt so eine chiastisch strukturierte Handlungssequenz zutage, an deren Anfang und Ende das Leitwort °«¯ steht. Ausgangspunkt ist das Geschrei der Israeliten, das JHWH zunächst dazu veranlaßt, Mose als Unterhändler zum Pharao zu senden, dessen brüske Reaktion dann aber ohne Umschweife den verheerenden Schlag gegen die Erstgeborenen nach sich zieht, so daß am Ende in ganz Ägypten Zetergeschrei herrscht. 4Q411 3-4 4 liest in Ex 2,23 nicht wie j und b °«¢ sondern °«¯¢, was sich als nachträgliche Anpassung an den Sprachgebrauch in Ex 3,7.9 erklärt. 94 Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.1. 95 Vgl. GERTZ, Tradition, 292. 96 S.u., VI. 2.4. 97 Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.1. 93
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Während nun das Geschrei der Israeliten eine deutliche Folge darin hat, daß zuletzt die Ägypter ein Zetergeschrei über ihre toten Erstgeborenen anstimmen, bleibt seine genaue Ursache bei einer isolierten Betrachtung von Ex 3,7bĮ*.9a unklar. Im Licht von 2,23 P ist man es gewohnt, automatisch den Sklavendienst zu assoziieren, doch scheidet diese Möglichkeit aus, da die hier diskutierte Bearbeitungsschicht wie gesehen vorpriesterschriftlich ist. Vorausgesetzt ist wahrscheinlich nicht einmal die Einführung der Fronlasten (³¥ª) in 1,11a, so daß über die konkrete Situation der Israeliten neben dem älteren Hinweis auf ihr Elend (¢©«) in 3,7a allein die von derselben Hand stammende Erwähnung der Unterdrückung (® ¥) in 3,9b bleibt. Auch das letztgenannte Lexem ist im AT nicht idiomatisch für den Bereich der Sklaverei, sondern bezeichnet in der Regel entweder militärische Drangsal98 oder aber die Unterdrückung sozial randständiger Elemente wie des ± (Ex 22,20a; 23,9a). Daß erstere Bedeutungsdimension nicht im Horizont von 3,9 liegt, bedarf keiner Begründung, wohingegen sich letztere auffallend gut in das herausgearbeitete Profil der Bearbeitungsschicht fügt. Diese zielt wie gesehen auf die Tötung der Erstgeburt, mit der JHWH auf die Verweigerungshaltung des Pharao in einer Weise reagiert, die dessen Plan, die neugeborenen Knaben der Israeliten zu töten (1,22), auf furchtbare Weise in sein Gegenteil verkehrt. Berücksichtigt man den Hintergrund des Tötungsbefehles in 1,22, so legt sich der Schluß nahe, daß in 3,9b exakt diese Maßnahme im Blick ist. Sie ruft das Geschrei der Israeliten hervor,99 mit dem das Verhängnis der ägyptischen Erstgeborenen seinen Lauf nimmt. Ist damit der literarhistorische Ort der Berufungsszene in Ex 3,9-12aĮ im Rahmen der vorpriesterschriftlichen Exoduserzählung bestimmt, so gilt es nun nach dem Hintergrund des Beglaubigungszeichens zu fragen, das sich in 3,12aȕȖb nachträglich an die Mitseinszusage in 3,12aĮ angelagert hat. Die göttliche Sendung des Mose soll sich nun erweisen, wenn die Israeliten der Gottheit nach der Herausführung ‚auf diesem Berg‘ dienen ( ± ¥« ¦¢¥ ³ ¨«³ ¦¢±¯§§ ¦« ³ £¢¯). Gemeint ist wie gesehen der Gottesberg (¦¢¥±), an den derselbe Ergänzer in 3,1b die Dornbuschszene verlegt hatte und zu dem zurückzukehren er Mose nun als Höhepunkt der Berufungsszene ankündigt. Die Berufung des Mose wird so 98
Vgl. die enneateuchischen Belege in Ri 1,34; 2,18; 4,3; 10,12; 2 Kön 13,4.22. Im Horizont der auf den Fremden bezogenen Schutzbestimmungen des Bundesbuches erscheint die Feststellung JHWHs, er habe das Schreien der Israeliten gehört (Ex 3,7.9), nochmals in einem anderen Licht (vgl. SPIECKERMANN, Stimme, 89). Mit ihr erfüllt sich die Ankündigung aus 22,22b, JHWH werde das Schreien des Unterdrückten hören (°«¯¢°«¯¦¢¤ ³°«¯«§²«§²¢¥). Es legt sich nahe, daß sowohl das Schreien der Israeliten als auch die in 3,9b eingeführte Unterdrückungsterminolgie (® ¥) ihre Quelle im Bundesbuch haben. Gegen OTTO, Wandel, 59; SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Bundesbuch, 352-357, die eine Beeinflussung von 22,20a; 23,9 durch 3,9b annehmen. 99
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von Anfang an auf den Punkt in der in 3,7f.* umrissenen hexateuchischen Marschroute ausgerichtet, an dem Mose als Gesetzesmittler in Erscheinung tritt, eine biographische Zäsur, die zugleich einen engen heilsgeschichtlichen Konnex zwischen Exodus und Sinai, der Herausführung des Volkes (¦« ³ £¢¯) und dem gemeinsamen Gottesdienst auf dem Berg markiert, bei dem nur an die Ereignisse in Ex 24 gedacht sein kann.100 Ihren genauen Zielpunkt scheint die Ankündigung aus Ex 3,12b auf den ersten Blick in 24,9-11 zu finden,101 wofür sich einige sachliche und terminologische Übereinstimmungen anführen lassen. Während nämlich die Opferzeremonie in 24,4-8 am Fuße des Berges (24,4: ±³ ³) angesiedelt ist, berühren sich der im Anschluß berichtete und die Ereignisse zu einem neuen Höhepunkt führende Aufstieg (¥«) einer ausgewählten Gruppe (24,9) und die dortige Mahlgemeinschaft im Angesicht der Gottheit (24,11b: ³²¢ ¥¤¢ ¦¢¥ ³ ¢) recht eng mit der Ankündigung aus 3,12b, man werde der Gottheit auf dem Berg dienen. Andererseits läßt sich trotz der notierten Übereinstimmungen nicht leugnen, daß die Beschreibung des exklusiven „himmlischen Sinaigipfels“102 in 24,9-11 eben nicht das einlöst, was die Ankündigung des kollektiven Gottesdienstes in 3,12b erwarten läßt. Vor allem aber leuchtet nicht ein, inwiefern die Mahlszene in 24,9-11 als das in 3,12aȕȖb angekündigte Beglaubigungszeichen für die Berufung des Mose dienen soll, denn dieser nimmt zwar am Mahl teil, spielt aber keine herausgehobene Rolle. Ganz anders verhält es sich in 24,4-8, wo Mose die Worte JHWHs niederschreibt, das Volk darauf verpflichtet und den so geschlossenen Bund mit dem Blut der zuvor dargebrachten Opfer besiegelt. Das Ziel von Ex 3,12aȕȖb ist trotz der notierten Unschärfe in der Lokalisierung des Gottesdienstes nicht in 24,9-11, sondern in 24,4-8 zu suchen. Hierfür spricht auch ein Zeugnis der frühen Rezeptionsgeschichte, denn in 4Q158 4 schließt Ex 24,4 direkt an 3,12 an. Um eine Bestätigung für den Zusammenhang zwischen Ex 3,12aȕȖb und 24,4-8 zu finden, muß man dabei nicht einmal bis in die qumranische Rezeptionsgeschichte des Exodusbuches gehen. Bereits die nachpriesterschriftliche Entwicklung des Plagenzyklus gibt ein beredtes Zeugnis, denn 100 Anders RUDOLPH, Elohist, 9; FLOSS, Jahwe dienen, 227; WEIMAR, Berufung, 343f., denen Ex 19,3b-8 als Zielpunkt der Zeichenankündigung aus 3,12aȕb gilt. Ähnlich GERTZ, Tradition, 293.301-303, nach dessen Ansicht Ex 24,1-11 nur vermittelt über den ebenfalls der Endredaktion zugewiesenen Passus 19,3b-8 in den Blick kommen. Dabei wird übersehen, daß in 19,3b-8 nirgends vom Gottesdienst Israels die Rede ist, sondern dem Volk ein priesterlicher Status verheißen wird. Ein Bezug zwischen Ex 3,12b und 19,3b-8 ist nur dann gegeben, wenn man von dem jüngeren Zusatz 3,4a (par. 19,3b) her liest, er besteht also auf der Ebene des ‚Endtextes‘, nicht jedoch einer vermeintlichen ‚Endredaktion‘. Zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung von 3,4a s. im folgenden. 101 Vgl. BLUM, Studien, 53. 102 ZENGER, Israel, 153.
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die in 10,7-11.24-26; 12,31f. eingetragenen Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe und das zu Opferzwecken benötigte Vieh erweisen sich als nachträgliche Ausgestaltung des in 3,12aȕȖb etablierten Verweiszusammenhangs zum sinaitischen ‚Gottesdienst‘ in 24,4-8.103 Dies wirft die Frage auf, ob 3,12aȕȖb ebenfalls schon als nachpriesterschriftliche Bildung anzusprechen ist und in welchem Verhältnis der Zusatz zu den Auszugsforderungen der vorpriesterschriftlichen Plagen steht, in denen das Motiv des JHWH-Dienstes («) zum festen Inventar gehört (7,16.26; 8,16). Obschon der Bundesschluß in 24,4-8 die Verbindung von Dekalog und Bundesbuch voraussetzt und damit ein fortgeschrittenes Entwicklungsstadium der Sinaiperikope spiegelt, kann nach wie vor davon ausgegangen werden, daß dieses Stadium in einer vorpriesterschriftlichen Wachstumsphase erreicht wurde,104 was eine entsprechende literarhistorische Einordnung auch für 3,12aȕȖb offen hält. Von entscheidender Bedeutung sind daher die vorpriesterschriftlichen Auszugsforderungen in 7,16.26; 8,16, denn sollten diese auf die Ankündigung des Gottesdienstes in 3,12b Bezug nehmen, so wäre damit eindeutig erwiesen, daß die betreffende Ankündigung ebenfalls vorpriesterschriftlich ist. Für eine Abhängigkeit der Forderungen des Auszugs zum JHWH-Dienst (Ex 7,16.26; 8,16) von der Ankündigung des Gottesdienstes in 3,12b spricht ganz grundsätzlich, daß allein von 3,12b her klar wird, worauf die Forderungen konkret zielen. Dies bleibt bei der Annahme, mit dem Auszug zum JHWH-Dienst werde ein Gegenbild zum ägyptischen Sklavendienst etabliert,105 letztlich in der Schwebe, wobei diese Annahme für die vorpriesterschriftlichen Plagen ohnehin ausscheidet, da vom Sklavendienst («) erstmals in 1,13f.; 2,23 P die Rede ist.106 Ihre notwendige Konkretisierung erfahren die Auszugsforderungen der vorpriesterschriftlichen Plagen nur durch den in 3,12b hergestellten Bezug zur Sinaiperikope, der dem in 7,16.26; 8,16 angeschlagenen Motiv des JHWH-Dienstes («) ohnehin inhärent ist. Das Motiv kann nur eine gesetzliche oder eine kultische Dimension haben, womit im ersten Fall das Eindringen das Gesetzes in die Sinaiperikope, im zweiten Fall aber eben die Szene in 24,4-8 im Blick sein Vgl. die Ausführungen unter VI. 2.3. Vgl. PERLITT, Bundestheologie, 190-203; LEVIN, Dekalog, 174-189; KRATZ, Dekalog, 231-238; OSWALD, Israel, 256-262; AURELIUS, Zukunft, 141-168. Zur Sache auch jüngst KÖCKERT, Zehn Gebote, 38-44. Gegen OTTO, Pentateuchredaktion, 79, der Ex 24,4-8 auf den Pentateuchredaktor zurückführt. 105 So im Anschluß an eine Beobachtung von FOHRER, Überlieferung, 122, vertreten von FLOSS, Jahwe dienen, 230-235. 106 Man wird folglich auch in der Apposition ¦¢« ³¢§ in den Dekalogspräambeln (Ex 20,2; Dtn 5,6) einen nachpriesterschriftlichen Zusatz vermuten müssen. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht nicht unerheblich, daß die Präambel in Jos 24,17aȕ g* ohne die besagte Apposition rezipiert wird. 103 104
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muß, auf die auch 3,12b abzielt. Setzen die Auszugsforderungen der vorpriesterschriftlichen Plagen damit bereits für sich betrachtet ein Entwicklungsstadium der Sinaiperikope voraus, wie es als Hintergrund von 3,12b erkennbar wurde, so spricht dies umso mehr dafür, daß die präzise Definition des Gottesdienstes in 3,12b nicht erst sekundär erfolgte, sondern in 7,16.26; 8,16 bereits in verkürzter Weise aufgegriffen wird. Ob dies von derselben Hand geschah, die die Sinaibezüge in 3,1bȕ(¦¢¥ ±).12aȕȖb als Rahmen um die Dornbuschszene legte, wird noch zu klären sein.107 Vorerst mag als Ergebnis genügen, daß die erste Verknüpfung der Dornbuschszene mit der Sinaiperikope noch in einer vorpriesterschriftlichen Wachstumsphase erfolgte.108 Im weiteren Verlauf der Analyse wird sich zeigen, daß die in Ex 3,12aȕȖb etablierte Verknüpfung des Beglaubigungszeichens mit dem Gottesdienst am Sinai eine Reihe nachpriesterschriftlicher Fortschreibungen angestoßen hat, die jedes der beiden Teilmotive für sich weiter ausgestalten.109 Die betreffenden redaktionellen Prozesse verlaufen allerdings durchweg jenseits der Moseberufung in 3,1-12, in deren weiterer Entwicklung der Bezug zur Sinaiperikope nur noch in 3,4b.6a eine gewisse Rolle spielt. Die Verse, die in der Vergangenheit oft als Bestandteile des elohistischen Erzählfadens in einen direkten literarischen Zusammenhang gebracht wurden, wofür man gern auch ihre vermeintlich ebenfalls elohistischen Parallelen in Gen 22,11; 46,2f. ins Feld führte,110 haben sich inzwischen als nachpriesterschriftliche Einschreibungen erwiesen, die mit den besagten, ihrerseits nachpriesterschriftlich einzuordnenden Genesisstellen in einem literarischen Abhängigkeitsverhältnis stehen.111 Der Vergleich zwischen Ex 3,4b.6a und Gen 46,2f. zeigt, daß das literarische Gefälle eindeutig zur Dornbuschszene hin verläuft. Hierauf deutet einerseits die nur als sekundär zu wertende Aufsprengung des in Gen 46,2f. bezeugten Textzusammenhangs und die Arrangierung seiner beiden Teile als Rahmen um den in 3,5 vorgegebenen Redekern, andererseits der inhaltliche Gesichtspunkt, daß die Rede vom ‚Gott deines Vaters‘ (¢¥ £¢) ihren ursprünglichen Ort kaum in Ex 3,6a, sondern in Gen 46,3 hat.112 Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.1. Gegen GERTZ, Tradition, 347, der die literarische Verbindung der Dornbuschszene mit der Sinaiperikope auf die Endredaktion zurückführt. 109 Vgl. besonders die Ausführungen zu den Auszugsverhandlungen in Ex 10 (VI. 2.3.) sowie zu der in 4,1-9 berichteten Ausstattung Moses mit Beglaubigungszeichen, die die Legitimität seiner Sendung gegenüber den Israeliten erweisen sollen (III. 3.1.). 110 Vgl. exemplarisch WEIMAR, Berufung, 36-39, sowie jüngst GRAUPNER, Elohist, 18-39. 111 Vgl. GERTZ, Tradition, 270-277. 112 Ebenso GERTZ, Tradition, 278-280, der allerdings beide Passagen der Endredaktion zuschreibt. 107 108
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Die Sperrigkeit der Rede vom ‚Gott deines Vaters‘ ist im Kontext der Moseberufung unübersehbar und hat u.a. b dazu veranlaßt, zu dem zu erwartenden ‚Gott deiner Väter‘ (£¢³¢¥) zu emendieren. Genau diese Sperrigkeit ist aber vom Ergänzer intendiert, der darauf zielt, die Moseberufung durch Ex 3,6a in Beziehung zu einer Linie zu setzen, die in Gen 26,24; 28,13; 46,3 angelegt ist und die unterschiedlichen Episoden der Vätergeschichte über das Leitwort £¢ ¢¥ zu einer Verheißungsgeschichte verknüpft.113 Mit der Selbstvorstellung JHWHs in Ex 3,6aĮ (±§¢ £¢¢¥¢¤©) wird dieses Leitwort aufgenommen und durch die in 3,6aȕ folgende Apposition (°«¢¢¥° ¯¢¢¥¦±¢¥) sogleich im Sinne der in Gen 26,24; 28,13; 46,3 vorgegebenen Linie expliziert:114 Der Gott des Vaters des Mose ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Die hier eingeführte und von derselben Hand auch in Ex 3,15.16aȕ*; 4,5 verankerte Gottesbezeichnung115 steht am Ende einer in Ex 3 rekonstruierbaren Entwicklung, in deren Verlauf JHWH, angestoßen von Gen 50,24, zunächst in Ex 3,16aĮ und sodann in 3,13 als Gott der Väter vorgestellt wurde.116 Der Verfasser von Ex 3,6a profiliert diese in der Gottesbezeichung angelegte Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus weiter, indem er die Dornbuschszene als Fortsetzung einer die Vätererzählung in Gen 26,24; 28,13; 46,3 durchziehenden Sequenz göttlicher Offenbarungen markiert. Dabei 113 Vgl. GERTZ, Tradition, 278-280, im Anschluß an KÖCKERT, Vätergott, 321-323. Anders BLUM, Verbindung, 139f., der einen Bezug zwischen Ex 3,6a und Gen 46,3 in Abrede stellt und in der Gottesbezeichnung £¢¢¥ allein eine Kennzeichnung JHWHs als „persönlicher Gott Moses“ ausgesagt sieht. Dies ist in Anbetracht der klaren intertextuellen Bezüge zwischen Ex 3,4b.6a und Gen 46,2f. wenig wahrscheinlich. 114 In Anbetracht der Tatsache, daß Ex 3,6aĮ über die Erwähnung des ‚Gottes deines Vaters‘ gezielt auf die genannten Bezugstexte in der Genesis anspielt, gibt es keinen Grund dafür, die explizierende Apposition in 3,6aȕ als jüngeren Zusatz auszuscheiden. Gegen RÖMER, Väter, 553, Anm. 401. 115 Die Rede vom ‚Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs‘ ist alttestamentlich auf die genannten Belegstellen in Ex 3f. beschränkt. Als Parallele kommen nur noch die späten Belege in 1 Kön 18,36; 1 Chr 29,18; 2 Chr 30,6 in Betracht, die aber anstelle von Jakob Israel erwähnen. 116 Vgl. die Ausführungen unter II. 3., III. 2.2. und III. 2.3. Der redaktionsgeschichtliche Ort, der der in Ex 3,4b.6a.15.16aȕ*; 4,5 greifbaren Bearbeitungsschicht innerhalb der Exoduserzählung als ganzer zukommt, läßt sich durch die folgenden Beobachtungen recht genau bestimmen: So setzt 3,15 die Deutung des ‚Ich werde sein‘ als Gottesnamen voraus (3,14b), während 4,5 auf den literarischen Bezugsrahmen der Beglaubigungszeichen (4,1-8*.31a) angewiesen ist. Eine Vertrautheit mit der im Verhältnis zum Glaubensmotiv jüngeren Erzählung von der Verschärfung der Fron (5,6-13*.22f.; 6,1) läßt sich dagegen nicht aufzeigen, während die in 15,2f. nachweisbaren Bezugnahmen auf 3,4b.15 umgekehrt belegen, daß der Bearbeiter, der das Meerlied (15,1-19*) u.a. als Gegenstück zur Klage des Mose in 5,22f. einschaltete, bereits mit der besagten Bearbeitungsschicht vertraut gewesen sein muß (s.u., VIII. 4.). Die Bearbeitungsschicht gehört somit ins direkte redaktionsgeschichtliche Umfeld der Erzählung von der Verschärfung der Fron.
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hat er, um die Verknüpfung mit Gen 46 anzuzeigen, die Redeeröffnung in Ex 3,4b geschaffen (±§¢ ²§ ²§ ±§¢ ©ª £³§ ¦¢¥ ¢¥ ±°¢ ¢©©), die strukturell (Anrede durch ¦¢¥ mit zweimaliger Namensnennung, Antwort mit ¢©©) Gen 46,2 nachahmt (³±§ ¥±²¢¥ ¦¢¥ ±§¢ ¢©©±§¢°«¢°«¢±§¢¥¢¥).117 Während das primäre Interesse des in Ex 3,4b.6a tätigen Ergänzers sicherlich in der Verknüpfung der Dornbuschszene mit Gen 46,2f. liegt, ist nicht zu übersehen, daß über das durch Gen 46,2 nicht gedeckte Motiv der Anrufung (±°) aus dem Dornbusch (Ex 3,4b) auch ein Verweiszusammenhang zu den in Ex 19,3b; 24,16; Lev 1,1 auf formal identische Weise eröffneten Offenbarungsreden etabliert wird.118 In der um Ex 3,4b.6a erweiterten Dornbuschszene kommt mithin nicht nur die über Gen 26,24; 28,13; 46,3 laufende Linie zu einem Ziel, sondern das in 3,7ff. Folgende wird zugleich als Auftakt einer Reihe von Offenbarungen gekennzeichnet, die Moses und Israels weiteren Weg maßgeblich prägen werden. Ex 3,4b weist aber nicht nur auf die Redeeröffnungen in 19,3b; 24,16; Lev 1,1 voraus, sondern findet zudem eine auffällige Paralle in Gen 22,11, wo der Engel JHWHs (¢ £¥§) Abraham vom Himmel aus anruft (±°), ihn dabei ebenfalls zweimal beim Namen nennt und die Antwort ¢©© erhält. Ob der Verfasser von 3,4b neben den bereits diskuierten Bezugstexten auch Gen 22,11 im Blick hatte, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, die genaue Funktion des potentiellen intertextuellen Verweises jedenfalls bliebe im Dunkeln. Allerdings kann als wahrscheinlich gelten, daß die Parallele zwischen Gen 22,11 und Ex 3,4b ihren Teil dazu beigetragen hat, daß ein weiterer Ergänzer schließlich in 3,2a den ¢£¥§ in einer Feuerflamme ‚mitten aus dem Dornbusch‘ (©ª£³§) erscheinen ließ und damit die in 3,4b vom selben Ort aus ergehenden Anrufung Moses ganz im Sinne von Gen 22,11 in den Mund des Boten verlegte.
117 Durch die Parallelisierung der Einleitungsszenen in Gen 46,2f.; Ex 3,4-6 wird auch die strukturelle Übereinstimmung der jeweils folgenden Ankündigung unterstrichen: Hatte Ex 3,8 (‚ich bin herabgestiegen (¢³±¢), um es [sc. das Volk] zu erretten und es heraufzuführen (³¥«¥) in ein gutes und weites Land‘) einst maßgeblich die Formulierung in Gen 46,4a (‚ich werde mit dir herabziehen (±) nach Ägypten und dich auch wieder heraufführen (£¥«)‘) inspiriert (zu den Parallelen KÖCKERT, Vätergott, 322), so setzt sich der Prozeß der wechselseitigen Beeinflussung mit den sich aus Gen 46,2f. speisenden Nachträgen in Ex 3,4b.6a in umgekehrter Richtung fort. Vgl. grundlegend GERTZ, Tradition, 278, der zudem auf die Parallele zwischen dem £§«±¢¤© in Gen 46,4 und der Mitseinszusage in Ex 3,12 (£§« ¢ ¢¤) verweist, die zentrale Übereinstimmung in der jeweiligen Aussage zum Herabziehen/-steigen JHWHs (±¢) aber nicht eigens hervorhebt. 118 Vgl. WEIMAR, Berufung, 146-149; GERTZ, Tradition, 280f. Nur an den genannten Stellen ist davon die Rede, daß JHWH/Elohim Mose von einem bestimmten Ort aus (¨§) anruft (±°).
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2.2. Die Frage nach dem Gottesnamen (Ex 3,13-15) Die priesterschriftliche Offenbarungsszene in Ex 6 hat nachträglich in vielfältiger Weise auf Ex 3f. eingewirkt und dabei auch in 3,13-15 ihre Spuren hinterlassen, wo das zentrale Motiv der Namenskundgabe aus 6,2f. aufgegriffen wird. Ausgangspunkt ist die Frage des Mose, was er anworten solle, wenn die Israeliten als Reaktion auf die Erklärung, der Gott ihrer Väter habe Mose zu ihnen gesandt, den Namen dieses Gottes wissen wollen (3,13). Das Problem ist offensichtlich konstruiert, denn von einer Sendung Moses zu den Israeliten (¥ ¥²) ist zuvor ausdrücklich nirgends die Rede. Der Verfasser hat die Sendungsaussage aus 3,10aȕ («±¥£ ¥²) aufgegriffen und sie im Sinne des Mose in 3,12aȕȖb verheißenen Beglaubigungszeichens (£¢³ ¥² ¢¤© ±² ³ £¥ ) reformuliert (¦¤¢¥ ¢© ¥²). Dabei wird aus der Sendung zum Pharao (3,10aȕ) eine Sendung zu den Israeliten, deren Vollzug im Vorgriff auf 3,16-18 ausgemalt wird: Das anvisierte Auftreten Moses vor den Israeliten (3,13aĮȕ: ¢©¥¢¤©© ¦¥ ¢³±§ ¥±²¢) entspricht dem Auftreten Moses und der Ältesten vor dem Pharao (3,18b: ¢¥¦³±§¦¢±¯§£¥§¥¥±²¢¢©°³³; vgl. 5,1a*), während der Inhalt der zu übermittelnden Botschaft (3,13aȖ: ¢¥ ¦¤¢¥ ¢© ¥² ¦¤¢³) aus 3,16aĮ übernommen wurde (¦¤¢³ ¢¥ ¢ ¢¥±©).119 Das Tetragramm hat der Verfasser dabei wohlweislich unterdrückt, denn um den noch unbekannten Namen Gottes geht es ja gerade. Auf die Frage nach dem Gottesnamen (Ex 3,13) reagiert JHWH in 3,14a mit der berühmten Wendung ¢±²¢ (‚ich werde sein, der ich sein werde‘), die, soviel ist bei allen Unklarheiten deutlich, nicht die zu erwartende Namenskundgabe beinhaltet. Erst der aufgrund des neuerlichen Redeansatzes als Nachtrag erkennbare Halbvers 3,14b hat das ¢ aus 3,14a als Gottesnamen interpretiert und damit eine definitive Antwort auf die Frage des Mose und die in ihr eingebettete Frage der Israeliten aus 3,13 gegeben: ‚Und er sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: »Ich werde sein« hat mich zu euch gesandt‘ (¢© ¥² ¢ ¥±²¢ ¢©¥ ±§³ ¤ ±§¢ ¦¤¢¥).120 Der ursprüngliche Sinn von 3,14a war freilich ein anderer. 119 Nach GERTZ, Tradition, 294, wird mit dem Verweis auf die Offenbarung des Vätergottes in Ex 3,13 zudem auf 3,6a Bezug genommen, wo sich JHWH dem Mose als ‚Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs‘ vorstellt. Daß diese Einschätzung nicht zutrifft, zeigt sich eindeutig daran, daß der Verfasser von 3,6a die entsprechende Gottesbezeichnung u.a. auch in 3,15 eingetragen hat, ein Vers, der sich gegenüber dem Grundbestand der Szene in 3,13.14a als jüngerer Zusatz erweist (s. im folgenden). Dem Verfasser von 3,13 lag nicht mehr vor als die allgemeine Bezeichnung JHWHs als Gott der Väter (3,16aĮ), welche auch nach GERTZ, a.a.O., 299, unabhängig von 3,6a entstanden ist. 120 Daß Ex 3,13-15 nicht einheitlich sind, sondern einen dreifach geschichteten Nachtrag bilden, ist in Anbetracht der dreimaligen Einleitung der Gottesrede (3,14a: ¦¢¥ ±§¢; 3,14b: ±§¢; 3,15a: ¦¢¥«±§¢) evident. Mit LEVIN, Jahwist, 331f., ist die Wachstumsgeschichte vom inhaltlich sperrigen Grundbestand (3,13.14a) über zwei Nachinterpretationen
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JHWH entzieht sich einer Antwort, und zwar nicht nur auf die potentielle Frage der Israeliten, sondern auf die Frage des Mose! Die Möglichkeit, die Antwort in der Weise von 3,14b zu differenzieren und Mose aufzutragen, was er den Israeliten im Falle des Falles antworten soll, nutzt der Verfasser von 3,14a gerade nicht. Wenn daher das ¢±²¢ den Zweck haben sollte, die Unverfügbarkeit JHWHs zu betonen,121 so geschähe dies zuvorderst gegenüber Mose, und die Frage der Israeliten nach dem Gottesnamen erwiese sich gleichsam als vorgeschoben. Nimmt man die Frage-Antwort-Struktur in 3,13.14a ernst, so scheint eine andere Deutung vorzuziehen: Auffälligerweise findet sich nämlich im priesterschriftlichen Botenauftrag Ex 6,6 exakt das, was man als Antwort auf die Frage in 3,13 (‚wenn ich zu den Israeliten [¥±²¢ ¢©] komme ... und sie mich nach seinem Namen fragen, was soll ich ihnen sagen [±§§ ¦¢¥]?‘) erwarten würde: ‚Daher sage zu den Israeliten: Ich bin JHWH‘ (¢¢©¥±²¢¢©¥±§¨¤¥). Man wird daher mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß das im AT singuläre ¢ ±² ¢ in 3,14a ursprünglich schlicht als Vorverweis auf Ex 6 gelesen werden sollte,122 die in 3,13 von Mose gestellte Frage also bewußt unbeantwortet blieb, weil sie erst in Ex 6 beantwortet werden sollte. Daß Mose die Frage in Ex 3 überhaupt in den Mund gelegt wurde, dürfte seinen Grund darin haben, daß dem Ergänzer exakt das nun von 3,13.14a; 6,6 angezeigte offenbarungstheologische Gefälle aufgefallen war: Zwar verwendet Mose ab 3,16 das Tetragramm im Gespräch mit den Ältesten oder dem Pharao, gegenüber den Israeliten geschieht dies aber erstmals in 6,6(.9a), und zwar nach ausdrücklicher Aufforderung durch JHWH. Um diesem eigentümlichen Befund einen Sinn abzugewinnen, konstruierte der Ergänzer in Ex 3,13 eine Frage, die das Problem ansprach, und verwies den Leser über 3,14a auf 6,6. Dabei wird man davon ausgehen müssen, daß die Passagen in Ex 4, die bei den Israeliten eine Kenntnis des Gottesnamens voraussetzen (4,1 sowie 4,31b im Horizont von 4,31a), dem Verfasser von 3,13.14a noch nicht bekannt waren.
in 3,14b.15 zu verfolgen, deren letztere als die von 3,16 her zu erwartende sich gerade als am jüngsten erweist. Wäre 3,15 (ohne «) gegenüber 3,14 ursprünglich (so etwa NOTH, ATD 5, 30), so bliebe der Sinn von 3,14 als nachträglicher Problematisierung im Dunkeln. Anders GERTZ, Tradition, 296-298, der für die literarische Einheitlichkeit des Abschnitts plädiert, den mehrfachen Redeeinsatz aber nicht hinreichend erklären kann. 121 So etwa W.H. SCHMIDT, Jahwename, 133; GERTZ, Tradition, 298; ACHENBACH, Ich bin, 86. Anders LEVIN, Jahwist, 331, der in Ex 3,14a nach 3,12aĮ (£§«¢¢¤) eine neuerliche Mitseinszusage findet. Zur hier nicht zu rekapitulierenden Diskussion über Ex 3,14a vgl. HOUTMAN, Exodus I, 95f., sowie jüngst ACHENBACH, Ich bin, 81-88 (mit weiterer Literatur). 122 Daß in der Formulierung dieses Vorverweises (¢) der Name ¢ andeutungsweise anklingt, steht hierzu nicht im Widerspruch.
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Wie bereits dargelegt, wurde erst in Ex 3,14b das ¢ ±² ¢ aus 3,14a gegen seinen ursprünglichen Sinn als Gottesname interpretiert, bevor in einem letzten Schritt der Verfasser von 3,15 JHWH nochmals ansetzen (« ±§¢) und die Namensdebatte durch Kombination aller in Ex 3 gebräuchlichen Epitheta beenden läßt: ‚So sollst du den Israeliten sagen: JHWH, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Dies ist mein Name in Ewigkeit, und dies ist mein Andenken von Geschlecht zu Geschlecht.‘ Nun ist das Tetragramm an die Stelle des ¢ aus 3,14b getreten, und die Sequenz ¦¤¢³ ¢¥ ¢ bereitet auf die Formulierung vor, mit der sich Mose in 3,16 an die Ältesten wenden wird. Der Verfasser von 3,15 ist auch für die Ergänzung der Vätertrias in 3,16aȕ sowie den entsprechend formulierten Vers Ex 4,5 verantwortlich123 und mit der Person identisch, die in 3,4b.6a die Bezeichnung JHWHs als ‚Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs‘ einführte. 2.3. Mose und die Ältesten (Ex 3,16-20) Die Szene in Ex 3,16-20 läßt sich in zwei Teile gliedern, deren erster die Unterrichtung der Ältesten über die Auszugspläne ankündigt (3,16-18a), worauf in 3,18b-20 ein zweiter Teil aufbaut, der die Entsendung Moses und der Ältesten zum Pharao thematisiert. Ziel der gemeinsamen Delegation ist die Forderung des Auszugs zu einem Opferfest in der Wüste, ein Motiv, das seinen Ursprung in den Spätschichten des Plagenzyklus hat.124 Damit fallen Ex 3,18b-20 für den vorpriesterschriftlichen Bestand der Exoduserzählung aus. Nichts anderes gilt für die Anordnung einer Instruierung der Ältesten in 3,16-18a, die ohne ihren Auführungsbericht in 4,27-31* ins Leere läuft. Die Botschaft, die Mose den Ältesten nach 3,16bĮ übermitteln soll (¦¤³ ¢³° °), wird in 4,31bĮ wörtlich wiederholt (° ¢¤ «§²¢ ¥±²¢ ¢© ³ ¢) und es schließt sich ein Akt der Anbetung an (4,31bȕ: ³²¢ °¢), der deutlich als die gehorsame Reaktion erkennbar ist, die in 3,18a angekündigt wird. Dies spricht eindeutig dafür, daß Ex 3,16-18a; 4,31b Teil derselben Bearbeitungsschicht sind, die – so wird sogleich zu zeigen sein – in 3,16b.17a Formulierungen aus Gen 50,24; Ex 13,5.11 aufgreift und sich schon deshalb eindeutig als nachpriesterschriftlich erweist.125 Der Versuch, die Instruierung der Ältesten für den vorpriesterschriftlichen Grundbestand der Exoduserzählung zu retten, ist damit von Vgl. LEVIN, Jahwist, 332. Ferner GERTZ, Tradition, 295.312, der die besagten Erwähnungen der Vätertrias der Endredaktion zuschreibt. 124 S. im folgenden. 125 Man beachte auch die Parallelen der in Ex 4,31b beschriebenen Reaktion der Ältesten zu den ebenfalls nachpriesterschriftlichen Versen Ex 12,27; 34,8; Num 22,31. Zum redaktionsgeschichtlichen Verhältnis zwischen Ex 4,31b und 12,27 s.u., VII. 2.3. 123
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vornherein zum Scheitern verurteilt. Daß ein entsprechender Versuch auch unter Absehung von den erwähnten Quelltexten noch teuer erkauft ist, zeigt sich daran, daß er die literarkritisch nicht begründbare Ausscheidung der u.a. mit Blick auf 6,9b P formulierten Aussagen in 3,18a; 4,31b fordert. Dies hat zur Folge, daß der in 3,16f.* verbleibende Auftrag seinen Ausführungsbericht verliert, und zwingt zu der Zusatzannahme, ein entsprechender vorpriesterschriftlicher Bericht sei redaktionell unterdrückt worden.126 Keine der skizzierten Aporien tritt auf, wenn man die Sendung Moses zu den Ältesten als nachpriesterschriftliche Ergänzung begreift, wofür im übrigen die Erwähnung der Ältesten selbst spricht. Von den Ältesten Israels (¥±²¢¢©°) ist im Rahmen der Exoduserzählung sonst nur noch in dem ebenfalls nachpriesterschriftlichen Vers 12,21 die Rede, und es ist davon auszugehen, daß hier wie an den meisten übrigen alttestamentlichen Belegstellen keine Institution aus grauer Vorzeit, sondern konkret Verhältnisse der nachexilischen Zeit im Blick sind.127 Zurückgespiegelt in die Vorgeschichte Israels werden die Ältesten im nachpriesterschriftlichen Tetrateuch als Repräsentaten des Volkes zwischen Mose und den Israeliten angesiedelt (Num 11), wobei sie auch als positives Gegenüber zum murrenden oder sündigen Volk gezeichnet werden können. Dies wird besonders in Ex 24,1.9-11 deutlich,128 wo mit der Partizipation der Ältesten an Gottesschau und Mahlgemeinschaft ein positiver Gegenentwurf zum Abfall der Israeliten in 32,6 etabliert wurde. Der letztgenannte Aspekt spielt auch in Ex 3,16-18a eine gewisse Rolle, denn die programmatische Ankündigung JHWHs, die Ältesten würden auf Moses Stimme hören (3,18a: £¥°¥ «§²), bildet einen Kontrast zur gegenteiligen Reaktion der Israeliten in 6,9b, die Mose aufgrund ihrer schweren Arbeit kein Gehör schenken (²§¥«§²¥). Scheitert Mose in Ex 6 beim Versuch, das Volk von der Exodusbotschaft zu überzeugen, so zeigen 3,16-18a; 4,27-31*, daß es ihm noch vor dem ersten Auftritt beim Pharao gelingt, die Repräsentanten des Volkes auf seine Seite zu bringen. Allerdings ist in 3,18a nicht allein die Reaktion der Israeliten (6,9b), sondern auch und vor allem die geringschätzige Erwiderung im Blick, mit der der Pharao auf Moses Auszugsforderung reagiert (5,2aȕ: ¢§ ¥°«§²±²¢). Indem die Ältesten auf Moses Stimme hören, heben sie sich also nicht nur positiv vom Verhalten ihrer Volksgenossen (6,9b), sondern auch von der Weigerung des Pharao ab, auf JHWHs Stimme zu hören. Letzterer Bezug ist dabei vor allem deshalb bedeutsam, weil er den So bei GERTZ, Tradition, 299-305. Vgl. H.-C. SCHMITT, Die „Ältesten“, 57-72. Dagegen vermutete BUCHHOLZ, Die Ältesten Israels, 103-105, noch frühexilische Realitäten. 128 Vgl. ferner Ex 17,5f.; Num 11; 16,25. 126 127
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direkten Nahkontext betrifft – der erste Auftritt Moses vor dem Pharao folgt in 5,1f.* unmittelbar auf die Instruierung der Ältesten (4,29-31*). Die enge Verknüpfung zwischen dem Gehorsam der Ältesten und dem Ungehorsam des Pharao, die wie gesehen sowohl sprachlich als auch kontextuell besteht, ist von entscheidender Bedeutung für die Beurteilung des literarhistorischen Verhältnisses zwischen Ex 3,16-18a und der in 3,18b folgenden Entsendung Moses und der Ältesten zum Pharao. Der 3,18b korrespondierende Ausführungsbericht findet sich in 5,3f.*, schließt also unmittelbar an die in 3,18a anvisierte, schroffe Absage des Pharao (5,2) an. Da die Kontrastierung des rollengerechten Ungehorsams des Pharao mit dem nicht minder rollengrechten Gehorsam der Ältesten in der Sache nicht mehr als eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringt, ist die in 3,18a angelegte Verknüpfung mit 5,2 isoliert betrachtet wenig sinnvoll. Deutlich sinnvoller wird die Aussage in 3,18a, wenn sie von vornherein den Zweck erfüllte, mit 5,2 den Anknüpfungspunkt für den Auftritt Moses und der Ältesten (5,3f.) zu markieren, also bereits ursprünglich auf den in 3,18b vorbereiteten Handlungsfaden angelegt war. Daß die in Ex 3,18 miteinander verbundenen Motivkomplexe von Haus aus zusammen gehören, bestätigt sich beim Blick auf die planvolle Anlage der hier zusammenlaufenden Kompositionsfäden: Führt nach 3,16-18a die Instruierung der Ältesten über JHWHs Absichten zu deren Gehorsam (4,29-31*), so hat umgekehrt der in 5,2 artikulierte Ungehorsam des Pharao zur Folge, daß dieser, gemäß seiner Behauptung, JHWH nicht zu kennen, in 5,3f.* über die wahren Absichten JHWHs getäuscht wird. Die in 5,2 vorgefundene Erwiderung des Pharao bildet das gedankliche Scharnier, um das der Bearbeiter die beiden gegensätzlichen Kausalketten, verklammert durch die Personengruppe der Ältesten, angeordnet hat. Dies spricht für die substantielle literarische Einheit von Ex 3,16-18, was, wie später noch zu zeigen ist, auch für die Fortsetzung in 3,19f. gilt. Der Auftrag zur Versammlung der Ältesten (3,16) folgte dabei einst direkt auf die ältere Berufungsszene in 3,1-12* und wurde erst später durch die Reflexionen über den JHWH-Namen von seinem Vorkontext getrennt.129 Der Bericht, den Mose den Ältesten gemäß Ex 3,16f. übermitteln soll, erweist sich als eine relecture zentraler Inhalte aus 3,7-9* im Licht von Gen 50,24.130 Der Hintergrund des Genesisverses ist schon in Ex 3,16aĮ greifbar, wo die Gottesoffenbarung am brenndenden Dornbusch rückblickend als Erscheinung ‚JHWHs, des Gottes eurer Väter‘ eingeholt wird 129 Dies erhellt daraus, daß Mose in 3,13a von einer Sendung zu den Israeliten spricht, die durch 3,9-12 nicht gedeckt ist, sondern aus der Sendung zu den Ältesten (3,16) abgeleitet wurde. S.o., III. 2.2. 130 Zur Bestimmung des literarhistorischen Verhältnisses zwischen Gen 50,24 und Ex 3,16 vgl. grundlegend die Ausführungen unter II. 3.
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(¢¥ ±© ¦¤¢³ ¢¥ ¢). Die Bezeichnung JHWHs als ‚Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs‘ (3,6a) war dem Verfasser dabei noch nicht bekannt, wie sich eindeutig am Zusatzcharakter der nämlichen Phrase in 3,16aȕ zeigt, die das zum Inhalt der Offenbarung überleitende ±§¥ am Ende des Viertelverse von seinem ursprünglichen Anknüpfungspunkt in 3,16aĮ trennt.131 Die Gottesbezeichung zielt auf eine weitere Profilierung der unspezifischen Rede vom ‚Gott eurer Väter‘ und wurde in 3,6a.16aȕ von derselben Hand nachgetragen, von der auch die programmatischen Aussagen zur Identität JHWHs in 3,15 und 4,5 stammen. Die in Ex 3,16a* eingeleitete Wiedergabe der Mose zuteil gewordenen Gottesoffenbarung folgt in 3,16b.17 und ist, insofern hier eine Aussage der göttlichen Zuwendung mit einer Ankündigung der Landgabe kombiniert wird, strukturell eng an die Vorgaben aus 3,7f.* angelehnt. Sprachlich wird freilich dezidiert ein Bezug zu den letzten Worten Josephs hergestellt, der in Gen 50,24 den an seinem Sterbebett versammelten Brüdern die Zuwendung Gottes angekündigt hatte (¦¤³°¢°¦¢¥). Der Verfasser von Ex 3,16b liest die Erfüllung dieser Zusage in die Dornbuschszene hinein (¦¤³ ¢³° °) und weitet sie in diesem Zuge auf das Geschick der geknechteten Israeliten (¦¢±¯§ ¦¤¥ ¢²« ³), womit er gezielt die Aussage einholt, JHWH habe das Elend seines Volkes gesehen, die in 3,7a die Ankündigung von Exodus und Landgabe eröffnet. Im Unterschied zu 3,7a ist nun aber nicht mehr ein plötzliches Aufmerksamwerden, sondern vielmehr ein mit Josephs Tod einsetzender Zeitraum der aufmerksamen Begleitung angedeutet, der die Phase der Volkwerdung und den Beginn der Unterdrückung einschließt. Exakt dieser Aspekt wird auch durch das 3,17 einleitende ±§ unterstrichen, das die Mose am brennenden Dornbusch offenbarte und im folgende rekapitulierte Rettungsankündigung als Selbstzitat innerhalb der referierten Gottesrede einführt und sie damit als deklarativen Willensakt von der vorangehenden Phase des aufmerksamen Beobachtens abgrenzt.132 Während Ex 3,7f.* sachlich zwischen der Errettung aus der Hand der Ägypter und der Heraufführung in ein gutes und weites Land unterscheidet, hat der Verfasser von 3,17a den Rettungsaspekt in die Herauffüh-
Vgl. NOTH, ATD 5, 17; GERTZ, Tradition, 295. Eine Notwendigkeit, die Form in Anlehnung an 3,16a (±§¥) in ein ±§¢ zu emendieren (so statt vieler RICHTER, Berufungsberichte, 64, Anm. 35), besteht also gerade nicht. Ebensowenig ist das ±§ als literarische Wiederaufnahme des ±§¥ zu werten, und zwar unabhängig davon, ob man den vermeintlichen Zusatz mit LEVIN, Jahwist, 330, in Ex 3,16b oder mit WEIMAR, Berufung, 49f., in 3,17 findet. Die Doppelaussage in Ex 3,16b.17* ist in Anbetracht ihrer strukturellen Übereinstimmung mit den Quelltexten in Gen 50,24; Ex 3,7f.* als ursprünglich zu beurteilen. Vgl. GERTZ, Tradition, 299. 131 132
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rungsaussage integriert:133 ‚Ich will euch aus dem Elend Ägyptens heraufführen (¦¢±¯§¢©«§¦¤³¥«) in das Land der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hewiter und Jebusiter‘ (¢± ¢±§ ¢³ ¢©«©¤ ®± ¥ ¢ª¢ ¢ ).134 Die oft vertretene Annahme, mit der zitierten Liste der Landesbewohner liege ein im Verhältnis zur Beschreibung des von Milch und Honig (über-)fließenden Landes in 3,17b jüngerer Zusatz vor,135 beruht vor allem auf der unrichtigen Annahme, 3,16f.* sei Teil des vorpriesterschriftlichen Textbestandes, dem man eine Verwendung späten dtr Formelgutes verständlicherweise nicht zumuten will. Erkennt man dagegen, daß die Passage von Anfang an in eine nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase gehört, so spricht alles dafür, daß der Nachtrag in der nachklappenden Angabe zur Fruchtbarkeit des Landes zu suchen ist (3,17b: ¥ ²¥ ³®±). Die Phrase wurde hier wie analog auch in 13,5aȕ von späterer Hand an eine Aufzählung der Landesbewohner angeschlossen,136 wobei die entsprechende Aufzählung in 13,5aĮ dem Verfasser von 3,17a bereits bekannt gewesen sein wird: Wie im folgenden zu zeigen ist, sind sowohl das Auftreten der Ältesten als auch der Vorwand des Schlachtfestes in der Wüste von den dtr geprägten Festätiologien in Ex 12f. beeinflußt, als deren Bestandteil sich auch 13,5aĮ erweist.137 Nachdem JHWH in Ex 3,16f.* dargelegt hat, welche Botschaft Mose den Ältesten übermitteln soll, kündigt er in 3,18a noch knapp die Reaktion 133
Auch hier wird der Einfluß aus Gen 50,24 greifbar, wo die Prophezeiung der göttlichen Zuwendung unmittelbar von der Ankündigung der Landgabe gefolgt wird. Wie schon zu Ex 3,16bȕ beobachtet, hat der Verfasser auch in 3,17a die Aussage aus Gen 50,24 um den Aspekt der Unterdrückung aus Ex 3,7 erweitert. 134 Wahrscheinlich von derselben Hand wurde die Liste der Landesbewohner auch in Ex 3,8b nachgetragen. Daß der Ergänzer hier anders formulierte als in 3,17a (¦°§¥ statt ¥ ®±), dürfte schlicht daran liegen, daß er nach 3,8aĮ ein weiteres ®±¥ vermeiden wollte. 135 Vgl. RUDOLPH, Elohist, 9; LEVIN, Jahwist, 331; GERTZ, Tradition, 299. 136 Die Beschreibung des Landes als von Milch und Honig (über-)fließend klappt an fast all ihren Belegstellen im Hexateuch nach und steht damit grundsätzlich unter dem Verdacht, ein spätes Interpretament zu sein (vgl. Dtn 6,3; 11,9; 26,9.15; 27,3; 31,20 [hierzu PLÖGER, Untersuchungen, 90]; ferner Ex 33,3; Lev 20,24; Jos 5,6). Sie begegnet selbst in der Kundschaftergeschichte, wo man der Sache nach am ehesten ihren ursprünglichen Ort vermuten würde, nur in Zusätzen zu Num 13,27; 14,8 und ist lediglich in Num 16,13f. fest verankert, die freilich bereits mit Blick auf die Endgestalt der beiden zuvor genannten Verse verfaßt wurden. Das Eindringen der Formel in die Exoduserzählung (Ex 3,8aȕ.17b; 13,5aȕ) steht wahrscheinlich im Zusammenhang mit den wachsenden Querverbindungen zur Kundschaftergeschichte, die durch die Ergänzung des Glaubensmotivs in Ex 14 initiiert wurden (s.u., VIII. 3.4.). Dabei ist davon auszugehen, daß an allen drei Stellen derselbe Bearbeiter tätig war, wobei die Einschreibung von 3,8aȕ vor – und nicht wie sonst nach – der Liste der Landesbewohner in 3,8b dadurch motiviert sein wird, daß der Bearbeiter den Viertelvers als eine nähere Spezifizierung des ‚guten und weiten Landes‘ aus 3,8aĮ verstanden wissen wollte. 137 S. im folgenden. Zur Entstehung der Festordnungen vgl. die Ausführungen unter VII. 2.2. und VII. 2.3.
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derselben an und formuliert damit wie dargelegt das Ziel ihrer Instruierung: Sie werden im Unterschied zu den Israeliten (6,9b) und zum Pharao (5,2) auf die Stimme des Mose hören (£¥°¥ «§²). Die Ankündigung findet ihre Einlösung im Bericht über die Versammlung der Ältesten durch Mose (4,29*: ¥±²¢¢©°¥¤³¬ª¢²§£¥¢), den der Verfasser direkt an die ältere Rückkehrnotiz in 4,18aĮ1.20aȕ anschloß. Von einer Beteiligung Aarons kann dabei im Horizont des Auftrags in 3,16aĮ ursprünglich keine Rede gewesen sein. Die Erwähnung Aarons in 4,29 (¨±) geht ebenso wie die pluralische Verbform ª¢ auf einen späteren Bearbeiter zurück,138 der auch in 5,1-4 seine Spuren hinterlassen hat.139 Gegenüber 4,29* sekundär ist schließlich auch die Fortsetzung in 4,30.31a: Daß Aaron nach der Versammlung der Ältesten die Worte des Mose übermittelt (4,30a), ist von 3,16-18a* her ebenso wenig gedeckt wie die nach 4,30b vor dem unvermittelt anwesenden Volk gewirkten Beglaubigungszeichen und dessen anschließender Glaube (4,31a). Ex 4,30.31a liegen im Horizont von 4,1-17 und sind erst nachträglich in den Zusammenhang zwischen 4,29*.31b eingeschrieben worden.140 Ursprünglich geschah nach der Versammlung der Ältesten (4,29*) das, was man nach 3,16-18a* erwarten konnte: Als die Ältesten hören, daß sich JHWH der Israeliten angenommen (4,31bĮ1: ¢© ³ ¢ ° ¢¤ «§²¢ ¥±²¢;141 vgl. 3,16bĮ: ¦¤³ ¢³° °) und ihr Elend gesehen hat (4,31bĮ2: ¦¢©« ³ ± ¢¤; vgl. 3,7aȕ: ¦¢±¯§ ±² ¢§«¢©« ³ ¢³¢± ±), werfen sie sich anbetend nieder (4,31bȕ: ³²¢°¢). Ex 4,31b ist nichts anderes als eine die Zusagen JHWHs aus 3,7.16 integrierende Explikation der Ankündigung, die Ältesten würden auf Moses Stimme hören (3,18a: £¥°¥ «§²). Damit ist das in 3,18a formulierte Ziel erreicht und ein positives Gegenstück zur Reaktion der Israeliten (6,9b), vor allem aber zur Reaktion des Pharao etabliert, die in 5,1f.* unmittelbar anschloß. Hatte der Bearbeiter in Ex 4,29*.31b gemäß der Ankündigung aus 3,18a demonstriert, wie Offenbarungswissen zum Gehorsam der Ältesten führt, so schließt er in 5,3f.* das gedankliche Gegenstück an, indem er den ungehorsamen Pharao (5,2) von Mose und den Ältesten getäuscht werden läßt. 138 Vgl. RUDOLPH, Elohist, 9; WEIMAR, Berufung, 80; KOHATA, Jahwist, 84, Anm. 327; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 237. Anders GERTZ, Tradition, 334; LEVIN, Jahwist, 333; VAN SETERS, Life, 68f., denen 4,27-31 als literarisch einheitlich gelten. Zur Redaktionsgeschichte der Verse vgl. die Ausführungen unter III. 3.1. 139 Auf nachträgliche Überarbeitung läßt sich vielleicht auch die im Vergleich zu Ex 3,16aĮ überschüssige Rede von ‚allen Ältesten der Israeliten‘ (¥±²¢¢©¢©°¥¤) in 4,29bȕ zurückführen. 140 Vgl. die Ausführungen unter III. 3.1. 141 Die Tatsache, daß die Israeliten in Ex 4,31bĮ1 als Objekt der göttlichen Zuwendung ausdrücklich genannt werden, unterstreicht neuerlich, daß die Adressaten der Ankündigung nicht das Volk, sondern die Ältesten sind.
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Die gemeinsame Delegation ist in einem entsprechenden JHWH-Befehl zu Beginn von 3,18b verankert (¦³±§ ¦¢±¯§ £¥§ ¥ ¥±²¢ ¢©° ³ ³ ¢¥), wobei sich der Verfasser in der Wortwahl eng an 5,1a* angelehnt hat («± ¥ ±§¢ ²§ ± ), um die vorgefundene Schilderung des Auftritts des Mose auf die Ältesten auszuweiten. Daß er diese Erweiterung allein durch den Auftrag in 3,18b vorgenommen und den Ausführungsbericht in 5,1* nicht an die veränderte Perspektive angepaßt haben sollte, ist allerdings äußerst unwahrscheinlich, zumal 5,3abĮ die Mose und den Ältesten in 3,18b aufgetragene Botschaft im Wortlaut wiederholt, was ebenfalls eine vorangehende Explikation der Subjekte im Sinne von 3,18b erwarten läßt. Es ist daher davon auszugehen, daß der in 3,18b tätige Ergänzer den vorgefundenen Textbestand von Ex 5,1 um eine Erwähnung der Ältesten erweiterte (±§¢¥±²¢¢©°²§± ), die dann von einem weiteren Bearbeiter wieder getilgt wurde, der wie in 5,4 nicht die Ältesten, sondern Aaron an Moses Seite wissen wollte.142 Die von den Ältesten gemeinsam mit Mose zu überbringende Botschaft ist strukturell stark an Ex 3,16f. angelehnt, inhaltlich hingegen grundverschieden: Aus der Mose widerfahrenen Erscheinung des Vätergottes JHWH (3,16aĮ: ¢¥±©¦¤¢³¢¥¢), ist in 3,18bĮ eine Begegnung der gesamten Delegation mit JHWH, dem Gott der Hebräer, geworden (©¢¥«±°©¦¢¢±«¢¥¢). Die Botschaft wurde gezielt für heidnische Ohren ‚übersetzt‘. Mag nun 3,18bĮ noch den Sinn von 3,16aĮ treffen, so unterscheidet sich 3,18bȕ fundamental von dem, was der Leser in 3,16b.17* erfahren hat: Kein Wort von JHWHs Beschluß, die Israeliten aus dem Elend Ägyptens heraufzuführen, sondern vielmehr die Ankündigung, man wolle drei Tagesreisen weit in die Wüste ziehen, um JHWH zu opfern (©¢¥¢¥ ©±§¦¢§¢³²¥²£±©¤¥©³«). Der gezielt geschaffene Kontrast zur Ankündigung in 3,16f.* läßt nur einen Schluß zu: Der Pharao soll über die wahren Absichten JHWHs getäuscht werden, und zwar auf Anordnung JHWHs selbst!143 Für den Leser, der in Ex 3,16f.* – nach 3,7f.* zum zweiten Mal – über JHWHs eigentlichen Plan informiert wurde, kann und soll kein Zweifel daran bestehen, daß das Opfer in der Wüste (3,18b) ein reiner Vorwand ist. Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 72; RUDOLPH, Elohist, 15; FOHRER, Überlieferung, 56. Alternativ ließe sich mit WEIMAR, Berufung, 82; LEVIN, Jahwist, 333, in Erwägung ziehen, daß in Ex 5,1 wie in 5,4 beide Namen (¨±²§) sekundär sind. Da Ex 5,1* einst direkt an 4,29*.31b angeschlossen hat, wäre eine explizite Nennung des von 3,18b her eindeutig mit Mose und den Ältesten zu identifizierenden Subjekts theoretisch entbehrlich gewesen und der Ergänzer hätte allein die ursprünglich im Singular gehaltenen Verbformen in den Plural überführt. Dies setzt allerdings voraus, daß der vorpriesterschriftliche Verfasser von 5,1f.* den ersten Auftritt Moses vor dem Pharao an die Rückkehrnotiz in 4,20aȕ angeschlossen hätte, ohne Mose als Subjekt zu nennen. 143 Vgl. LEVIN, Jahwist, 328. 142
2. Die Offenbarung am brennenden Dornbusch (Ex 3)
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Hier liegt kein Reflex auf eine alte Wallfahrtsfesttradition,144 sondern eine rein fiktionale Bildung vor, die, als Vorwand erdacht, gerade nicht auf eine erzählerische Fortsetzung in Ex 15ff. angewiesen ist, ja eine solche überhaupt nicht brauchen kann.145 Was man in Ex 15 findet, ist daher nicht die Einlösung der Ankündigung aus 3,18b, sondern vielmehr einer ihrer Quelltexte: Die dreitägige Reise in die Wüste wurde aus 15,22 abgeleitet, wo die Israeiten nach ihrem Aufbruch vom Schilfmeer drei Tage durch die Wüste wandern (±§ ¦¢§¢ ³²¥² ¤¥¢).146 Das Motiv, das hier lediglich der Vorbereitung auf das in 15,23-25a geschilderte Wasserwunder dient, bot sich für den in 3,18b ersonnenen Vorwand geradezu an, denn ein dreitägiger Marsch in die Wüste brächte genügend Boden zwischen die Israeliten und die Ägypter, um eine Flucht zu ermöglichen. Erweisen sich mithin die drei Tagesreisen als Rückübertragung der ersten Wegetappe der Israeliten nach dem Meerwunder (15,22b) in eine vor dem Pharao vorzubringende Auszugsforderung, so speist sich das Motiv des Schlachtopfers (3,18bȖ: ©¢¥ ¢¥ ©) aus den in Ex 10 geführten Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe: Das dortige Motiv eines Festes (10,9: ), das den Auszug des ganzen Volkes nebst des für Schlacht- und Brandopfer (10,25: ³¥« ¦¢ ) erforderlichen Viehs notwendig macht, wurde in 3,18b dahingehend modifiziert, daß nun von einem Schlachtopfer in der Wüste die Rede ist.147 Daß neben Mose die Ältesten bemüht werden, um die Entlassung zu dieser kultischen Begehung zu fordern, hat seinen Hintergrund in 12,21-23, wo sie für die Schlachtung des Passalammes verantwortlich erklärt werden. Durch die Kombination der Opferthematik mit dem Motiv der drei Tagesreisen entsteht in 3,18b ein stimmiges Gesamtbild, das dem Pharao eine vermeintliche kultische Praxis der Hebräer vorgaukeln soll, um ihn über die wahren Beweggründe der Israeliten zu täuschen. Daß dies nicht gelingt, der Vorwand also nicht einmal insoweit Realität wird, daß die Israeliten nach drei Tagesmärschen 144 So etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 76f.; H. SCHMID, Mose, 39-43; HERRMANN, Aufenthalt, 69f.; LAAF, Pascha, 119-122; FLOSS, Jahwe dienen, 201-213; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 251-253. 145 Gegen LEVIN, Jahwist, 330, nach dessen Ansicht der Jahwist stillschweigend vorausgesetzt habe, der Pharao habe den Vorwand des Opferfestes akzeptiert. 146 Nur in Ex 15,22 sowie in der hiervon abhängigen Rekapitulation des Itinerars in Num 33,8 findet der in Ex 3,18; 5,3; 8,23 erwähnte Dreitagesmarsch in die Wüste eine Parallele, er ist also als „eine übliche grobe Zeitangabe“ (W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 181) unterbestimmt. Die Parallele zwischen Ex 3,18; 15,22 notiert auch JOHNSTONE, Sea, 251, zieht aber vermutungsweise die umgekehrte Richtung des Gefälles in Betracht. 147 Von nochmals späterer Hand wurde in Ex 5,1bȖ eine Synthese zwischen den beiden Verhandlungsgegenständen hergestellt. Indem Mose hier den Auszug zu einem Fest in der Wüste fordert (±§¢¥ ¢), klingen bereits bei seinem ersten Auftritt vor dem Pharao jene beiden Themen an, die das Auszugsbegehren im folgenden näher qualifizieren.
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die Flucht ergreifen, steht freilich von vornherein fest: Der Pharao läßt sich weder täuschen noch erweichen, sondern wird stetigen Schrittes seiner finalen Niederlage gegen JHWH entgegen geführt. Die Botschaft, die Mose und die Ältesten nach Ex 3,18b dem König von Ägypten übermitteln sollen, wird nach ihrer Ankunft daselbst im genauen Wortlaut überbracht (5,3abĮ): ‚Der Gott der Hebräer ist uns begegnet.148 So wollen wir nun drei Tagesreisen weit in die Wüste ziehen und JHWH, unserem Gott, Schlachtopfer darbringen‘ (©¢¥« ±°© ¦¢±« ¢¥ ±§¢ ©¢¥¢¥ ©±§¦¢§¢³²¥²£±©¤¥©).149 Die Dringlichkeit des vermeintlich geforderten Wüstenopfers schärft 5,3bȕ ein, wonach JHWH die Israeliten bei Vernachlässigung der Opferpflicht mit Pest und Schwert zu schlagen droht (± ±©«¢¨). Die Begründung ist zwar durch 3,18b nicht vorbereitet, fügt sich aber bestens in die Gesamttendenz der Bearbeitungsschicht ein, insofern sie den Pharao im Unklaren über JHWHs wahre Motive läßt.150 JHWH wird dem Pharao als potentielle Bedrohung für die Israeliten verkauft, womit der Pharao selbst aus der Rolle des tyrannischen Herrschers in die des potentiellen Retters schlüpft, die erklärtermaßen JHWH zukommt (3,16f.*). Dieser bizarre Rollentausch treibt den in 3,18b inszenierten Vorwand des Opferfestes auf die Spitze und steht, insofern er dem Pharao schmeicheln soll, dem Leser in seiner ganzen beißenden Ironie vor Augen.151 Die befürchteten Schläge werden am Ende nur die Ägypter treffen. Trotz des ausgeklügelten Täuschungsmanövers in Ex 5,3 gibt der Pharao nicht nach: ‚Da sagte der König von Ägypten zu ihnen: Wozu, Mose und Aaron, bringt ihr das Volk von seinen Arbeiten ab? Geht hin zu euren Fronarbeiten!‘ (5,4: ³«¢±³¨±²§§¥¦¢±¯§£¥§¦¢¥±§¢ ¦¤¢³¥ª¥ ¤¥ ¢²«§§ ¦«). Die abrupte Anrede Moses und Aarons in Daß in Ex 5,3 im Unterschied zu 3,18 der Nifǥal von ±° und nicht von ±° verwendet wird, ist als literarkritisch relevantes Indiz überbewertet; gegen WEIMAR, Berufung, 52f. Ursprünglich dürfte in 3,18 das von gewichtigen Textzeugen wie b und g (ferner o) gestützte ±°© sein, während sich das ±°© in j durch einen Schreiberirrtum erklären läßt (aberratio oculi aufgrund der folgenden Formen ¤¥©³«). 149 Daß im Unterschied zu 3,18b nur vom ‚Gott der Hebräer‘ die Rede ist, der Gottesname JHWH aber nicht fällt, hat damit zu tun, daß die Vorstellung JHWHs bereits in 5,1f.* Thema ist. Die Abweichung zwischen 3,18b; 5,3 bestätigt damit, daß der Verfasser der Verse den Auftritt Moses vor dem Pharao in 5,1f.* bereits vorfand und als Exposition der von ihm durch 5,3f. erweiterten Szene übernahm. Vgl. GERTZ, Tradition, 338. 150 Die Möglichkeit, die in Ex 5,3bȕ gegebene Begründung in derselben Prägnanz auch im Redeauftrag aus 3,18b zu verankern, bestand genau genommen überhaupt nicht, denn dies hätte das Mißverständnis zur Folge gehabt, daß JHWH wirklich beabsichtige, sein Volk mit Pest oder Schwert zu schlagen. 151 In ihrer Tendenz ganz ähnlich ist auch die von derselben Hand stammende Begründung in Ex 8,22, man könne JHWH nicht im Land opfern, da dies den Ägyptern ein Greuel sei; s.u., VI. 1.3. 148
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5,4aȕ, deren Zusatzcharakter unbestritten ist,152 liefert einen weiteren Beweis dafür, daß es sich bei der vom Pharao angeredeten Gruppe ursprünglich nur um Mose und die Ältesten gehandelt haben kann, die dem Auftrag aus 3,18b folgend in 5,3 ihr Anliegen vorgebracht hatten. Mit der Aufforderung, zu den Fronarbeiten zurückzukehren (5,4*), findet der in 3,18a exponierte Erzählfaden sein vorläufiges Ende, um erst in 8,4b wieder aufgenommen werden.153 Daß der Verfasser die von ihm geschaffene Erweiterung des ersten Auftritts vor dem Pharao in 5,4b mit dem Terminus ³¥ª beschließt, ist dabei kein Zufall, sondern dient der Verknüpfung mit der älteren priesterschriftlichen Offenbarungsszene in 6,2ff., die unmittelbar an 5,4b anschloß. Mit der Rückkehr zu den Fronarbeiten werden die Israeliten exakt in die Situation versetzt, aus der ihnen JHWH in 6,6f. Befreiung verheißt. Die Verschärfung der Fron, von der in Ex 5,5-6,1 berichtet wird, lag dagegen noch nicht im Horizont des Ergänzers, der in 3,18b; 5,3f.* das Motiv des JHWH-Opfers in der Wüste einführte. Das in sich nochmals geschichtete Erzählstück nimmt in 5,8.17 explizit auf das Motiv Bezug, setzt dieses also voraus, führt es aber unter gänzlich anderen Vorzeichen weiter, denn nun geht es plötzlich um schwerwiegende Konsequenzen, die das Volk aufgrund des vom Pharao durchschauten Vorwands treffen. Diese Entwicklung der Dinge deutet sich weder in 3,18b noch in dem sogleich zu behandelnden Vorausblick in 3,19f. an und hat auch in der Fortsetzung der Verhandlungen über den Aufbruch zum Opferfest (8,4b.21b-24a) keinerlei Spuren hinterlassen. Die Erzählung von der Verschärfung der Fron ist folglich jünger als die bisher in 3,16-18*; 4,29*.31b; 5,1*.3f.* ausgemachte Bearbeitungsschicht.154 Darauf deutet neben den notierten inhaltlichen Akzentverschiebungen auch der betonte Neueinsatz mit ¦¢ (5,6)155 sowie – wichtiger noch – die Tatsache hin, daß in 3,18b; 5,4 konsequent vom ¦¢±¯§ £¥§ die Rede ist, während ab 5,5 nur noch der ‚Pharao‘ agiert.156
152 Vgl. RUDOLPH, Elohist, 15; NOTH, ATD 5, 34; FOHRER, Überlieferung, 56; FUSS, Pentateuchredaktion, 105; WEIMAR, Berufung, 83f. LEVIN, Jahwist, 330; GERTZ, Tradition, 343. 153 Zwischen Ex 5,4*; 8,4b dürfte lediglich das am Ende von Ex 7,16a eingestreute ±§ auf dieselbe Hand zurückgehen. Es taucht die vorangehende Forderung eines Auszugs zum JHWH-Dienst (¢©«¢) nachträglich in das Licht des in 3,18b; 5,3 etablierten Auszugsvorwandes. 154 Gegen GERTZ, Tradition, 336-345, der Ex 5,3-6,1 geschlossen der Endredaktion zuweist. 155 Zur Deutung dieses Neueinsatzes als Nachtragsindiz vgl. WEIMAR/ZENGER, Exodus, 29, Anm. 8. 156 Zur Verschärfung der Fron vgl. die Ausführungen unter IV.
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Der Ex 3,18b; 5,4 prägende Sprachgebrauch (¦¢±¯§ £¥§) ist in Ex 3-5 sonst nur noch in der Ankündigung JHWHs in 3,19 bezeugt, was stark dafür spricht, daß der Vers auf dieselbe Hand zurückgeht. Dies legt sich auch inhaltlich nahe, denn 3,19 erklärt im Vorgriff auf den weiteren Erzählverlauf, daß das Scheitern der nach Ex 8 im Sande verlaufenden Verhandlungen über das JHWH-Opfer in der Wüste dem göttlichen Plan entspricht. Hatte JHWH in 3,18b den am ägyptischen Hof vorzubringenden Vorwand formuliert (‚so wollen wir nun gehen...‘ – © ¤¥© ³«), so erklärt er nun, wie dessen Erfolgsaussichten einzuschätzen sind: ‚Ich aber weiß, daß euch der König von Ägypten nicht gehen lassen wird‘ (3,19a: £¥¥¦¢±¯§£¥§¦¤³¨³¢¥¢¤¢³«¢¢©). Diese Voraussage entspricht der abschlägigen Antwort in 5,4b (‚geht zu euren Fronarbeiten‘ – ¦³¥ª¥¤¥) und zieht nach dem Vorbild von Ex 7,4 P eine Ankündigung der Plagen nach sich, mit denen JHWH die Ägypter schlagen wird (3,20a: ³¢³ ¥² ±° ²« ±² ¢³¥© ¥¤ ¦¢±¯§ ³ ¢³¢¤ ¢¢),157 um den Pharao schließlich dazu zu zwingen, der Auszugsforderung nachzugeben (3,20b: ¦¤³ ¥²¢¨¤¢± ).158 Während Ex 3,19a.20 einen sinnvollen und geschlossenen Gedankengang bilden, erweist sich die Formulierung in 3,19b als schwierig. Daß der Pharao unter dem Druck der starken Hand JHWHs nicht nachgeben wird (° ¢¥), steht in eigentümlicher Spannung zur Prophezeiung in 3,20, wonach es ja gerade die von JHWHs Hand ausgehenden Schläge sind (¦¢±¯§ ³ ¢³¢¤ ¢¢ ³ ¢³ ¥²), die schließlich den Auszug erzwingen (¦¤³ ¥²¢ ¨¤ ¢± ). Zu erwarten wäre als Überleitung zwischen 3,19a und 3,20 ein ‚sondern nur durch eine starke Hand‘, wie der Text auch von g (DU@MÉLG ) und o (nisi) verstanden wurde.159 Dabei handelt es sich freilich 157 Die Bezeichnung der Plagen als von JHWH inmitten Ägyptens (±°) vollbrachter (²«) Wundertaten (³¥©) ist in der Exoduserzählung singulär. Die Formulierung verweist in die Sprachwelt der Psalmen (Ps 40,6; 72,18; 77,15; 78,4.12; 86,10; 88,11; 98,1; 105,5; 111,4; 136,4; vgl. Ex 15,11) und findet in den erzählenden Partien des Alten Testaments neben Ex 34,10 ihre engste Parallele in der Ankündigung Josuas, JHWH werde am kommenden Tag inmitten der Israeliten Wundertaten vollbringen (Jos 3,5b: ¦¤±° ¢ ²«¢ ± § ³¥©). 158 Indem der Verfasser in Ex 3,20b nicht davon spricht, der Pharao werde die Israeliten zu ihrem vermeintlichen Opfer gehen lassen (£¥), sondern mit dem Vorausblick auf die Entsendung ( ¥²) den positiven Ausgang der Auszugsverhandlungen in 12,31f. in den Blick nimmt, läßt er von vornherein erkennen, daß er den Vorwand des Opferfests nicht bis zum Ende des Plagenzyklus erzählerisch durchzuführen gedenkt. Dies wäre allerdings auch gar nicht mögich gewesen, denn das Ende des Plagenzyklus war bereits durch die anders akzentuierten Auszugsverhandlungen in Ex 10 besetzt, deren Verfasser den Pharao in 12,31f. erstmals die in 3,20b vorausgesetzte Auszugserlaubnis erteilen ließ. Vgl. die Ausführungen unter VI. 2.3. 159 Zur forschungsgeschichtlichen Diskussion um die Semantik der Aussage vgl. die Zusammenfassung bei HOUTMAN, Exodus I, 377-379.
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um die lectio facilior, die von j und b her nicht gedeckt ist, denn hier steht nicht ¥ ¦, sondern ¥, was bei genauer Betrachtung sogar einen guten Sinn macht: Ex 3,19b sagt ja nicht, daß der Auszug nicht erzwungen werden kann, sondern unterstreicht lediglich, daß der Pharao auch mit Gewalt nicht dazu gebracht werden wird, den Israeliten das erwünschte Opfer in der Wüste zu gestatten (3,19a). Der Halbvers fügt sich somit durchaus sinnvoll als verstärkendes Element in das Aussagegefälle zwischen 3,19a und 3,20 ein, was allerdings nichts daran ändert, daß er gegenüber seinem Kontext überschüssig bleibt. Das Motiv von JHWHs starker Hand hat seinen genuinen Ort in der jüngeren Ankündigung in 6,1, was den Schluß nahelegt, daß es erst von deren Verfasser in 3,19b eingetragen wurde, um die beiden Ankündigungen des erzwungenen Auszugs thematisch miteinander zu verknüpfen.160 2.4. Das Plünderungsmotiv (Ex 3,21f.) An die Voraussage des am Ende von JHWH erzwungenen Auszugs (Ex 3,20) schließt sich in 3,21f. nahtlos die Ankündigung einer mit JHWHs Hilfe gelingenden Ausplünderung der Ägypter an. Die literarhistorische Einordnung des Abschnitts ist äußerst umstritten. So zählen ihn manche zum Grundbestand der Exoduserzählung,161 während andere von einem späten Zusatz ausgehen.162 Für ersteres könnte sprechen, daß sich der Auftrag, die Ägypter um silbernen und goldenen Schmuck sowie Kleidung (¢¥¤ ³¥§² ¢¥¤¬ª¤)163 zu erleichtern, als konkrete Maßnahme deuten läßt, das in 3,7a beklagte Elend des Volkes zu beheben. Auch terminologisch passen 3,21f. gut zu der Gottesrede in 3,7a.8aĮ, insofern im Motiv der Beraubung (¥¯© Piǥel) die Ankündigung der Befreiung (¥¯© Hifǥil) aus 3,8aĮ anklingt, und es ist schließlich nicht zu übersehen, daß die ursprüngliche Wahrnehmung des Auszugs als Flucht (14,5a) nach dem in 12,35f. berichteten Vollzug der Beraubung bestens ins Bild paßt. Dagegen verweisen die Vertreter einer Spätdatierung des Plünderungsmotivs vor allem darauf, daß die in 11,2.3a bezeugte Wiederholung der Anordnungen aus 3,21f. auf einen nachpriesterschriftlichen Zusatz entfällt, weshalb ein entsprechender literarhistorischer Horizont auch für 3,21f.; 12,35f. zu veranschlagen sei. Dabei wird der Textbefund freilich in unzulässiger Weise vereinfacht, denn zwischen 3,21f.; 11,2.3a bestehen charakteristische Unterschiede, die Vgl. die Ausführungen unter IV. Vgl. KNAUF, Midian, 131f.; LEVIN, Jahwist, 329; GERTZ, Tradition, 304; KRATZ, Komposition, 293. 162 Vgl. OTTO, Pentateuchredaktion, 107; L. SCHMIDT, Genesis XV, 263f.; H.-C. SCHMITT, Die „Ältesten“, 59; WEIMAR, Berufung, 55-59. 163 Als Parallele ist mit COATS, Despoiling, 452, auf die Beutelisten in Jos 22,8; 1 Kön 10,25 zu verweisen. 160 161
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darauf hindeuten, daß zwischen den beiden Passagen redaktionsgeschichtlich zu differenzieren ist. Welche der beiden Anordnungen der Beraubung ursprünglich ist, kann nur ein Vergleich mit dem Ausführungsbericht in Ex 12,35f. zeigen, der in Anbetracht des einleitenden Rekurses auf einen von Mose übermittelten Auftrag (12,35a: ²§ ±¤ ²« ¥±²¢ ¢©) eine der beiden JHWH-Reden (3,21f.; 11,2.3a) zwingend voraussetzt.164 Eine große Nähe zwischen der JHWH-Rede in 3,21f. und dem Ausführungsbericht in 12,35f. besteht darin, daß in 12,36b wörtlich (¦¢±¯§ ³ ¥¯©¢) vom Vollzug der in Ex 3,22bȕ angeordneten Beraubung (¦¢±¯§³¦³¥¯©) berichtet wird, wohingegen in 11,2.3a von einer Beraubung der Ägypter (¥¯© Piǥel) explizit nicht die Rede ist. Auch in der Angabe der entwendeten Güter (¢¥¤¬ª¤¢¥¤ ³¥§²) entspricht der Ausführungsbericht in 12,35aȕ exakt dem Wortlaut aus 3,22aȕ, während in 11,2 lediglich von goldenen und silbernen Gefäßen die Rede ist und die Kleider (³¥§²) unerwähnt bleiben. Schon dies spricht für eine literarische Priorität von 3,21f., wobei das Bild dadurch komplexer wird, daß der Auftrag in 11,2.3a strukurell besser zu 12,35f. paßt, insofern 11,2 explizit seine Übermittlung an die Israeliten anordnet (¢© © ± ¥²¢¦«) und damit direkt auf 12,35 vorzubereiten scheint (¥±²¢¢© ¥²¢²§±¤²«). Eine entsprechende Anordnung fehlt in 3,21f. Trotz der zuletzt genannten Übereinstimmung zwischen Ex 11,2 und 12,35 überwiegen insgesamt jedoch bei weitem die Argumente für die literarische Priorität von 3,21f. So wird allein hier klar, daß es um eine Beraubung der Ägypter geht, während der Auftrag in 11,2b, ein jeder solle von seinem Nachbarn silberne und goldene Schmuckstücke borgen (¥²¢ ¢¥¤ ¬ª¤ ¢¥¤ ³«± ³§ ² «± ³§ ²¢) die Identität besagter Nachbarn in der Schwebe läßt.165 Daß es sich um Ägypter handelt, ist ohne den Hintergrund von 3,21f. nicht verständlich. Hinzu kommt, daß 11,3a im Gegensatz zu 3,21a nicht ankündigt, JHWH werde dem Volk in den Augen der Ägypter Gunst verleihen, sondern dies bereits für die gegenwärtige Situation konstatiert (¦« ¢©¢« ¦« ¨ ³ ¢ ¨³¢).166 Dies greift der identischen Aussage in 12,36a vor und macht sie faktisch obsolet,167 und genau dies ist gewollt: Ex 11,2.3a reagieren auf das Problem, daß es bei einer Vertreibung der Israeliten aus Ägypten, wie sie 11,1b im Horizont von 6,1 ankündigt, schlechterdings unvorstellbar ist, daß sich diese noch in aller Ruhe von den Ägyptern Schmuck borgen (12,35f.), und datieren die Dies übersieht BLUM, Studien, 38, der im Anschluß an KESSLER, Querverweise, 212, in Erwägung zieht, die Ankündigungen in Ex 3,21f.; 11,2f. könnten gegenüber 12,35f. sekundär sein. 165 Gegen KNAUF, Midian, 129f., der das literarische Gefälle umgekehrt bestimmt. 166 b (¢³³©) hat die Spannung zu Ex 12,36f. nachträglich geglättet. 167 Vgl. LEVIN, Jahwist, 338. 164
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Beraubung vor. 11,3a deutet als elliptische Abschlußaussage im Horizont von 3,21f.; 12,35f. an, daß sich das Ereignis bereits vor der Tötung der ägyptischen Erstgeborenen zugetragen hat. Mit der Erkenntnis, daß Ex 11,2.3a jünger sind als die ursprünglichen Belege des Plünderungsmotivs in 3,21f.; 12,35f., ist zugleich das pauschale Argument hinfällig, das Motiv insgesamt habe – wie nachweislich 11,2.3a – erst in einem nachpriesterschriftlichen Entwicklungsstadium Eingang in die Exoduserzählung gefunden.168 Dies läßt freilich nicht den Umkehrschluß zu, das Motiv sei fest im vorpriesterschriftlichen Grundbestand verankert gewesen, sondern beweist lediglich, daß es dem Ergänzer von 11,2.3a bereits bekannt war. Da dieser die Exoduserzählung nach der hier vorgelegten Analyse bereits in einem weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadium vorfand, bleibt nach wie vor auch viel Raum für eine nachpriesterschriftliche Einordnung der Belege in 3,21f.; 12,35f. Die Frage nach dem literarhistorischen Horizont des Plünderungsmotivs verlangt damit weiter nach einer Antwort, für die neben den sprachlichen Eigenarten der Belegstellen vor allem deren Verankerung in ihrem literarischen Kontext zu berücksichtigen ist. Wie eingangs notiert, schließt Ex 3,21 nahtlos an die in 3,20 vorangehende Ankündigung der Entlassung nach der Tötung der Erstgeburt an, deren syntaktische Konstruktion im perfectum consecutivum (3,20aĮ: ¦¢±¯§ ³ ¢³¢¤ ¢¢ ³ ¢³ ¥²) in 3,21a unverändert weitergeführt wird (¦¢±¯§ ¢©¢« ¦« ¨ ³ ¢³³©). Da Ex 3,21f. in Ermangelung einer eigenen Redeeinleitung von vornherein als Fortsetzung einer JHWH-Rede konzipiert worden sein müssen, legt sich der Schluß nahe, daß der Vers, an den sie im Vorkontext am besten anschließen, auch ihr ursprünglicher Anknüpfungspunkt war, das Plünderungsmotiv also nachträglich hinter 3,20 eingeschrieben wurde.169 Dafür spricht auch, daß 3,21f. den engen Zusammenhang zwischen der JHWH-Rede in 3,16-20 und der hierauf bezogenen Erwiderung des Mose in 4,1 trennen, die von der Ankündigung der Beraubung der Ägypter noch nichts zu wissen scheint. Während das Plünderungsmotiv in diesem Modell als nachpriesterschriftliche Fortschreibung plausibel gemacht werden kann, wäre bei einer Veranschlagung von 3,21f. für den vorpriesterschriftlichen Grundbestand des Kapitels mit dem unwahrscheinlichen Phänomen zu rechnen, daß die Verse einst direkt Gegen OTTO, Pentateuchredaktion, 107, der im Anschluß an WEIMAR, Berufung, 5559, alle Belege für das Plünderungsmotiv für den Pentateuchredaktor veranschlagt. Dieses auch von L. SCHMIDT, Genesis XV, 263f.; H.-C. SCHMITT, Die „Ältesten“, 59, vertretene Pauschalurteil wird dem differenzierten Textbefund nicht gerecht. 169 Auch terminologisch schließt Ex 3,21 direkt an den Vorkontext in 3,19f. an, insofern die Ankündigung, die Israeliten würden am Ende nicht mit leeren Händen gehen (3,21b: £¥), den Faden aus 3,19 weiterspinnt, wo es heißt, der Pharao werde das Volk zunächst nicht gehen lassen (£¥¥¦¢±¯§£¥§¦¤³¨³¢¥; vgl. 3,18b). 168
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an 3,10* angeschlossen hätten, um dann im weiteren Verlauf der Textgenese bis an ihre gegenwärtige Position hinter 3,20 verdrängt worden zu sein, an der sie sich syntaktisch viel besser einfügen als an ihrem vermeintlich ursprünglichen Ort.170 Spricht damit der redaktionsgeschichtliche Befund in Ex 3 deutlich für eine Einordnung des in 3,21f. verankerten Plünderungsmotivs als nachpriesterschriftlicher Ergänzung, so läßt sich dies noch durch die folgende terminologische Beobachtung untermauern. Die eigentümliche Rede von ‚diesem Volk‘ ( ¦«) ist im vorpriesterschriftlichen Bestand der Exoduserzählung sonst nirgends belegt, tritt aber geballt im Kontext der in priesterschriftlicher Tradition stehenden Murrgeschichten auf.171 Exakt in diesen thematischen Kontext gehören auch die einzigen weiteren Belege der Begriffsverbindung im Rahmen der Exoduserzählung. Sie entfallen auf die Klage, mit der Mose in 5,22f. auf die Verschärfung der Fron reagiert, indem er JHWH dessen übles Handeln an ‚diesem Volk‘ vorwirft (5,22bĮ: ¦«¥ ³«±§¥ ¢©; vgl. 5,23aȕ) und ihm vorhält, seine in 3,8 gegebene Rettungszusage nicht eingehalten zu haben (5,23b: ³³¥¯¥¥¯ £§«). In Ex 5,22f. bündeln sich somit zwei zentrale Begriffsfelder aus Ex 3,21f. ( ¦« / ¥¯©), was eindeutig für eine literarische Abhängigkeit spricht. Da das Plünderungsmotiv nicht im Horizont von 5,22f. liegt, kann das Gefälle nur von dort nach 3,21f. verlaufen sein. Der in 3,21f. tätige Ergänzer greift der Anklage vor, JHWH habe ‚dieses Volk‘ nicht gerettet (¥¯© Hifǥil), indem er gleichsam kompensierend ankündigt, JHWH werde ‚dieses Volk‘ in die Lage versetzen, die Ägypter auszuplündern (¥¯© Piǥel; vgl. 2 Chr 20,25).172 Das Plünderungsmotiv ist nicht Teil einer alten Erzählung von der Flucht der Israeliten,173 sondern das Ergebnis später theologischer Reflexion.
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Der Übergang zwischen der an Mose gerichteten Aufforderung, das Volk aus Ägypten zu führen (Ex 3,10b*: ¦¢±¯§§¢§«³¯) und der Ankündigung in 3,21 ist weder inhaltlich noch syntaktisch besonders glatt. Hinzu kommt, daß im Verlauf der Genese von Ex 3 mit zwei weiteren unglücklichen Textübergängen zu rechnen wäre (3,12aĮ.21f.; 3,12b.21f.), bevor das Plünderungsmotiv seinen heutigen Ort hinter 3,20 gefunden hätte. 171 Vgl. Ex 17,4; 32,9.21.31; Num 11,11-14 (Ex 18,18.23); Num 14,11.13-16.19. 172 Hinzu kommt, wie CASSUTO, Commentary, 44, und DAUBE, Exodus Pattern, 55-61, zutreffend gezeigt haben, der rechtliche Hintergrund aus Dtn 15,13, wonach ein Sklave nicht mit leeren Händen zu entlassen ist (¦°¢±© ¥²³¥). Ex 3,21bȕ spielt mit der Ankündigung, die Israeliten müßten nicht mit leeren Händen davonziehen (¦°¢±¤¥³¥), gezielt auf dieses Gebot an und signalisiert so, daß sich die Israeliten durch die Ausplünderung der Ägypter die Mitgift ergaunern, die ihnen als entlassenen Sklaven zusteht. 173 Gegen OTTO, Erwägungen, 10, der hier im Anschluß an COATS, Despoiling, 450-457, und mit KNAUF, Midian, 129-135, „das Fragment einer selbständigen Exodusüberlieferung“ findet.
2. Die Offenbarung am brennenden Dornbusch (Ex 3)
103
2.5. Ergebnis Am Anfang der Entwicklung von Ex 3 steht eine knappe Berufungserzählung in 3,1-10* (I), die im vorpriesterschriftlichen Grundbestand der Exoduserzählung unmittelbar an 2,15* anschloß: Mose treibt die Herde des Priesters von Midian ins Ödland und wird eines brennenden Dornbuschs ansichtig, aus dem ihn JHWH anruft (3,1*.2b.3a.4a.5a.6b). Es folgen in 3,7a.8aĮ.10* die Ankündigung von Exodus und Landgabe sowie die Einsetzung des Mose zum Anführer des Auszugs der Israeliten, woraufhin dieser in 4,18aĮ1.20aȕ ursprünglich auf direktem Weg nach Ägypten zurückkehrt. Wohl der älteste Zusatz (II) wird mit einer Erweiterung von 3,1 greifbar, die den noch immer namenlosen Priester von Midian im Licht der in 2,15bȕ2-22* nachgetragenen Szene zu Moses Schwiegervater erklärt. Ein vermutlich ebenfalls alter, aber nicht genau einzuordnender Nachtrag zur Dornbuschszene (I+) liegt sodann mit 3,3b vor, der Moses Motivation, das Schauspiel zu besehen, näher spezifiziert. Die nächste vorpriesterschriftliche Wachstumsstufe (III) wird in 3,7bĮ1.9.10aĮb*.11.12aĮ greifbar, wo Moses Berufung um eine Abordnung zum Pharao erweitert wird, deren Scheitern einst direkt die Tötung der Erstgeburt zur Folge hatte (5,1f.*; 12,29a). Die so erweiterte Berufungsszene bot einem letzten vorpriesterschriftlichen Ergänzer (IV) die Gelegenheit, in 3,12aȕb den Dienst am Gottesberg (24,4-8) als Beglaubigungszeichen für die mosaische Sendung einzuführen und damit einen Bogen zur Sinaiperikope zu schlagen. Von derselben Hand stammt die in 3,1 vorgenommene Verlegung des Dornbusches an den Gottesberg sowie wahrscheinlich die Heiligsprechung des Ortes in 3,5b. Den Beginn der nachpriesterschriftlichen Wachstumsphase markiert die Szene in Ex 3,16*.17a.18.19a.20 (V),174 die auf einen ersten Auftritt Moses und der Ältesten vor dem Pharao zielt, wo diese den Auszug zu einem Schlachtopfer in der Wüste fordern sollen (5,3f.*). Die Bearbeitungsschicht setzt sich in 8,4b.21b-24a fort und hat bereits die Auszugsverhandlungen in Ex 10 zum Hintergrund, deren erfolgreiches Ende (12,31f.) in 3,20 vorausgesetzt ist. Mit der positiven Reaktion der Ältesten auf die Exodusbotschaft (4,29*.31b) ist ein erster Kontrast zum Ungehorsam der Israeliten in 6,9 P etabliert, der am Anfang einer Reihe vor allem in Ex 4 greifbarer redaktioneller Prozesse steht, die das Verhältnis der Dornbuschzene zum priesterschriftlichen Abschnitt 6,2-7,7* profilieren. Dies ist auch in 3,13.14a (VI) der Fall, deren Verfasser auf die Beobachtung reagiert, daß Mose den JHWH-Namen nach 3,16aĮ; 4,31b gegenüber den Ältesten 174
Von derselben Hand stammt auch die Ex 3,17a entsprechende Liste der Landesbewohner in 3,8b. Die Bezeichnungen des Landes als von Milch und Honig (über-)fließend (3,8aȕ.17b) gehen dagegen wie die entsprechende Notiz 13,5aȕ auf eine nochmals spätere Hand zurück (V+).
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
104
Israels verwendet, während er erst in 6,6 beauftragt wird, ihn dem Volk kundzutun. Ex 3,13.14a versuchen ursprünglich nicht mehr, als dieses auffällige offenbarungstheologische Gefälle durch einen Vorverweis auf 6,6 zu überbrücken. Erst ein Späterer verstand die Aussage aus 3,14a als Gottesnamen und schrieb die entsprechende Deutung in 3,14b fest (VII), bevor ein weiterer Bearbeiter in 3,15 den Schlußpunkt in der Debatte um Namen und Identität der Gottheit setzt, indem er sich diese als JHWH, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, vorstellen läßt. Auf dieselbe Hand (VIII) gehen neben 3,15 auch 3,4b.6a.16aȕ; 4,5 zurück, wobei der in 3,4b angezeigte Querbezug zu Gen 22,11 entscheidend dazu beitrug, daß nach dem Vorbild des Genesistextes schließlich auch in Ex 3,2a der Engel JHWHs als Offenbarungsmittler eingeschaltet wurde (VIII+) Ein wichtiger Fixpunkt für die Rekonstruktion der weiteren redaktionsgeschichtlichen Entwicklung ist mit Ex 3,19b (IX) gegeben, dessen Verfasser mit der Person identisch ist, die in 5,6-13*.22f.; 6,1 die Erzählung von der Verschärfung der Fron ergänzte. Da das Plünderungsmotiv in 3,21f. als Reaktion auf die Klage des Mose in 5,21f. entwickelt wurde, muß es jünger sein als 3,19b, was zur Einordnung von 3,21f. als Schicht X führt. Nochmals jünger ist der Zusatz in 3,7bĮ2ȕ, dessen Verfasser bereits auf die um 5,14-21 erweiterte Gestalt der Erzählung von der Verschärfung der Fron blickt und JHWH im Vorhinein auf die Schmerzen seines drangsalierten Volkes aufmerksam werden läßt (XI). Legt man die relative Chronologie in Ex 4f. zugrunde, wo sich der mit Ex 18 verbundene Abstecher Moses zu seinem Schwiegervater als jünger erweist als die um die Person Aarons kreisenden Bearbeitungen (darunter u.a. 5,14-21), so ist davon auszugehen, daß mit der Erwähnung Jitros in 3,1 eine letzte Entwicklungstufe des Kapitels greifbar wird (XII). Übersicht: Die Genese von Ex 3 I
3,1(ohne ©³ ±³¢ und ¦¢¥±¥): Mose treibt die Herde des Priesters von Midian ins Ödland. (ŀ Ex 2,15bȕ1) II
3,1a(nur ©³ ): Identifikation des Priesters von Midian mit Moses Schwiegervater (= Ex 2,15bȕ2-22*) 3,1a(nur ±³¢): Der Name von Moses Schwiegervater (= Ex 4,18aĮ2-b.20aĮ; 18,1-27*)
XII
3,1bȕ(nur ¦¢¥±¥): Verlegung der Dornbuschszene an den Gottesberg
IV
I
3,2b.3a: Mose wird des brennenden Dornbuschs ansichtig und macht sich auf den Weg, das Phänomen zu besehen. I+
3,3b: Explikation von Ex 3,3a
2. Die Offenbarung am brennenden Dornbusch (Ex 3) VIII+ I
3,2a: Engelserscheinung (ĸ Gen 22,11)
3,4a.5a: JHWH untersagt Mose, sich weiter zu nähern. 3,4b.6a: JHWH offenbart sich als ‚der Gott deines Vaters‘. (ĸ Gen 46,2f.)
VIII
IV
3,5b: Heiligsprechung des Ortes
I
3,6b: Mose verbirgt aus Ehrfurcht sein Angesicht.
I
3,7a.8aĮ: JHWH kündigt die Befreiung seines Volkes und seine Heraufführung in ein ‚gutes und weites Land‘ an. III
3,7bĮ1: JHWH hat das Geschrei der Israeliten gehört. 3,7bĮ2ȕ: Die Antreiber und die Schmerzen des Volkes (ĸ Ex 5,14)
XI
3,8aȕ: Das Land, in dem Milch und Honig fließen (= Ex 13,5aȕ)
V+
V
3,8b: Liste der Landesbewohner
3,9: JHWH hat das Geschrei der Israeliten gehört und ihre Unterdrückung gesehen.
III
I
3,10aĮb(ohne ¥±²¢¢©): Beauftragung des Mose (ŀ Ex 4,18aĮ1.20aȕ) 3,10aȕb(nur ¥±²¢¢©).11.12aĮ: Sendung zum Pharao; Weigerung; Mitseinszusage
III
3,12aȕȖb: Das Zeichen der Sendung: Dienst am Gottesberg (ĸ Ex 24,4-8)
IV
3,13.14a: Die potentielle Frage der Israeliten nach dem Gottesnamen; Verweis auf Ex 6,6
VI
VII
3,14b: Deutung von Ex 3,14a als Gottesname VIII
V
3,15: Abschluß der Namensdebatte
3,16aĮȕ(nur ±§¥)b.17a.18.19a.20: Sendung zu den Ältesten und Beauftragung zum gemeinsamen Auftritt vor dem Pharao 3,16aȕ(nur °«¢° ¯¢¦±¢¥): Ergänzung der Vätertrias
VIII
3,17b: Das Land, in dem Milch und Honig fließen (= Ex 13,5aȕ)
V+
IX
3,19b: Die starke Hand JHWHs (= Ex 6,1) X
3,21f.: Auftrag zur Beraubung der Ägypter (= Ex 12,35f. // ĺ 11,1b-3a)
105
106
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
3. Der Aufbruch Moses vom Gottesberg und das erste Zusammentreffen mit den Israeliten (Ex 4) 3.1. Die Beglaubigung Moses und Aarons vor den Israeliten (Ex 4,1-17.27-31*) Ex 4,1-17 gliedern sich in zwei Teile, deren erster (4,1-9) von der Ausstattung Moses mit Beglaubigungszeichen handelt, während der zweite (4,10-17) von der Einsetzung Aarons zu Moses Sprachrohr berichtet. Beide Motive haben ihren Hintergrund im priesterschriftlichen Plagenzyklus und wurden in Ex 4 auf eine innerisraelitische Konfliktsituation übertragen.175 Das Problem exponiert Ex 4,1, wo Mose die ältere Zusage aus 3,18a (£¥°¥«§²) aufgreift und in Zweifel zieht: ‚Was, wenn sie mir nicht glauben und nicht auf meine Stimme hören?‘ (¢¥°«§²¢¥¢¥©¢§¢¥¨). Hatte 3,18a mit der in 4,31b berichteten Reaktion der Ältesten ein positives Gegengewicht zu den abweisenden Reaktionen des Pharao (5,2: ¥°«§²±²¢¢§) und der Israeliten (6,9b: ²§¥«§²¥) gesetzt, so erfolgt in 4,1 zunächst eine neuerliche Problematisierung, deren Funktion von 4,31a her klar wird. Hier findet der gedankliche Bogen, der in 4,1 über die neu eingeführte Kategorie des Glaubens (¨§) eröffnet wurde, sein Ziel darin, daß das ganze Volk glaubt (¦« ¨§¢).176 Vorausgesetzt ist der Glauben des Volkes an JHWH und Mose, der in 14,31b als positives Gegenbild zum Unglauben der Israeliten bei der Landnahme (Num 14,11; Dtn 1,32; 9,23) eingeführt wurde und nun in Ex 4 exklusiv auf Mose bezogen wird.177 Dabei zeigt sich, daß sowohl das in Ex 4,1 exponierte Problem als auch seine Lösung durch Beglaubigungszeichen im Anschluß an die einschlägigen Murrbelege entwickelt wurden: Die Formulierung in 4,1 (©¢§¢¥¨ 175
Daß Ex 4,1-17 die Priesterschrift voraussetzen, wurde überzeugend von WEIMAR, Berufung, 349-357; OTTO, Pentateuchredaktion, 101-106; K. SCHMID, Erzväter, 203-206; GERTZ, Tradition, 312-327, gezeigt. Ebenso jüngst BLUM, Verbindung, 127-130, der zuvor nur die Aaron-Passagen (4,13-16.27-30) als nachpriesterschriftlich eingestuft hatte (DERS., Studien, 27f.). Für eine vorpriesterschriftliche Einordnung von Ex 4,1-17 plädieren etwa KOHATA, Jahwist, 85-91; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 195-197; VAN SETERS, Life, 53-55. 176 Dabei wird von Ex 4,31a her deutlich, daß Mose in 4,1 ebenfalls das Volk und nicht, wie der Bezug zu 3,18a suggerieren könnte, die Ältesten vor Augen haben muß. Dieses potentielle Mißverständnis wird ohnehin weitgehend dadurch gemildert, daß der in 4,1ff. tätige Ergänzer zwar thematisch den Gedanken aus 3,18a aufgreift, literarisch aber natürlich an die Gesamtszene in 3,16-20 anknüpft, auf die 4,1 direkt folgte. Das Objekt der in 3,20b angekündigten Entlassung (¦¤³ ¥²¢) und damit auch das Subjekt des potentiellen Unglaubens in 4,1 ist das ganze Volk. 177 Zur Entwicklung des Glaubensmotivs in der Exoduserzählung vgl. die Ausführungen unter VIII. 3.4.
3. Der Aufbruch Moses vom Gottesberg (Ex 4)
107
¢¥° «§²¢ ¥ ¢¥) speist sich aus Dtn 9,23 (¦³«§² ¥ ¥ ¦³©§ ¥ ¥°),178 wohingegen die Behebung des Unglaubens durch Zeichen (³³) die Klage JHWHs darüber kontrastiert, daß ihm das Volk trotz all der von ihm gewirkten Zeichen nicht glaubt (Num 14,11b: ¥¤¢©¢§¢¥©« ±° ¢³¢²« ±² ³³). Das intertextuelle Beziehungsgeflecht zwischen Ex 14,31b und Num 14,11; Dtn 9,23 war mithin von entscheidender Bedeutung dafür, daß das Glaubensmotiv vom Ende des Meerwunderberichts an den Beginn der Exoduserzählung übertragen wurde. Hier waren mit dem Kontrast zwischen dem Gehorsam der Ältesten in Ex 3,18a und dem Ungehorsam des Pharao in 5,2 (Stichwort ¥° «§²) sowie mit dem in 3,12aȕb verheißenen Zeichen (³) für die Berufung des Mose zwei ursprünglich nicht miteinander verbundene Motivkomplexe verankert, die für das Glaubensmotiv anschlußfähig waren und durch seine Ergänzung in Ex 4 erstmals im Rahmen der Exoduserzählung eine Verbindung eingingen. Der Ergänzer zieht das zuvor verheißene Zeichen (‚Dienst am Gottesberg‘) in Gestalt der Beglaubigungszeichen vor und stellt durch deren Erfolg sicher, daß das gesamte Volk Moses Botschaft Glauben schenkt (4,31a). Im Kontrast zur Situation in 6,9 wird so ein erstes Zusammentreffen zwischen Mose und den Israeliten konstruiert, das ganz im Licht des Glaubens steht und damit bereits die Situation unmittelbar nach dem Meerwunder antizipiert.179 Obwohl es auch in Ex 4,10-17 letztlich um die Stiftung eines positiven Verhältnisses zwischen Mose (hier nebst Aaron) und dem Volk geht, kann die Szene nicht auf derselben literarischen Ebene angesiedelt sein wie die Beglaubigungszeichen in 4,1-9. Dies zeigt ein Blick auf den Szenenschluß in 4,29-31. In den vorgefundenen Ausführungsbericht (4,29*.31b) zur Auftragssequenz aus 3,16-20* wurde in 4,30 eine zweiteilige Aussage eingeschaltet, die zunächst Aarons Auftreten als Sprachrohr des Mose (4,30a; vgl. 4,10-17) und sodann den Vollzug der Beglaubigungszeichen (4,30b; Die Verbindung von ¥ ¨§ und ¥° «§² begegnet alttestamentlich nur in Ex 4,1-9; Dtn 9,23. 179 Im Glauben des Volkes (Ex 4,31a) löst sich auch die Spannung aus 2,13f., wo Mose beim Versuch, einen Streit zwischen seinen Landsleuten zu schlichten, hart von dem Schuldigen angegangen wird, der seine Autorität nicht anerkennen will. Es liegt nahe, daß die Szene in 2,13f. von vornherein als Kontrastparallele zu 4,31a konzipiert wurde und mithin von derselben Hand stammt. Der Bearbeiter ließ der Flucht des Mose nach Midian (2,15) einen Konflikt mit den eigenen Landsleuten vorangehen und implementierte mit diesem Motiv zugleich einen plausiblen erzählerischen Hintergrund für die Zweifel, die Mose in 4,1 im Vorausblick auf seine Rückkehr äußert und die sich nach seiner Rückkehr dank der Zeichen schließlich als gegenstandslos erweisen (4,30b.31a). Da in 2,14 auf die Rebellion Datans und Abirams Bezug genommen wird (Num 16,13; s.o., III. 1.1.), wird man als Hintergrund des in Ex 4 eingeführten Motivs der Beglaubigungszeichen auch auf Num 16,28-30 verweisen können, wo Mose den exzeptionellen Untergang der Rebellen als Beweis seiner göttlichen Sendung ankündigt. 178
108
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
vgl. 4,1-9) vermeldet und damit auf den Glauben des Volkes (4,31a) vorbereitet. Da nun 4,30a Aaron explizit nennt, während 4,30b ein namentlich nicht erwähntes Subjekt voraussetzt, suggeriert der Text in seiner vorliegenden Gestalt, daß Aaron auch die Beglaubigungszeichen wirkt. Dies steht in eklatantem Widerspruch zu 4,1-9, wonach diese Aufgabe ja gerade Mose zukommt, und läßt nur den Schluß zu, daß 4,30a nachträglich in den Textzusammenhang zwischen 4,29*.30b eingeschrieben wurde.180 Zieht man den Halbvers ab, so ergibt sich ein glatter Zusammenhang, insofern nun Mose zunächst die Ältesten versammelt (4,29*: >¥¤@³¬ª¢²§£¥¢ ¥±²¢ >¢©@ ¢©°), um sodann die Beglaubigungszeichen vor dem Volk zu wirken (4,30b: ¦«¢©¢«¥³³²«¢). Der Glaube des Volkes (4,31a: ¨§¢ ¦«) rundet die Szene ab und rückt die ursprüngliche Reaktion der Ältesten (4,31b) als Reaktion der Israeliten in den Blick,181 die nun, ist erst einmal ihr Glaube geweckt (vgl. 4,1aĮ), auch Moses Botschaft annehmen (vgl. 4,1aȕ). Aus der Analyse von Ex 4,29-31 ergibt sich zweierlei: Erstens ist mit dem Nachtragscharakter von 4,30a die literarische Priorität der Beglaubigungszeichen (4,1-9) gegenüber der in 4,10-17 geschilderten Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose erwiesen, und zweitens müssen in Anbetracht der Tatsache, daß 4,30b vom Vollzug mehrerer Zeichen spricht (³³²«¢), mindestens zwei der drei in 4,1-9 erwähnten Beglaubigungszeichen ursprünglich sein.182 Es handelt sich um die ersten beiden, was sich daraus ergibt, daß das dritte „die Schlußfolgerung, die aus den ersten beiden Wundern gezogen wird, in Zweifel zieht.“183 Erklärt JHWH in 4,8, die Israeliten würden, wenn nicht dem ersten, so doch mit Sicherheit dem letzten (!) Zeichen Glauben schenken (¥°¥«§²¢¥£¥©¢§¢¥¦¢ ¨± ³¥°¥©¢§¨²±³), so rechnet 4,9 plötzlich mit dem Fall, daß beide Zeichen nicht zu überzeugen vermögen (4,9aĮ: ©¢§¢¥¦¢ £¥°¥ ¨«§²¢ ¥ ¥ ³³ ¢©²¥ ¦) und kündigt ein drittes an. Der Nachtragscharakter des Verses wird durch seinen von 4,8 abweichenden Sprachgebrauch184 sowie durch die Tatsache untermauert, daß sich das dritte Zeichen in seiner Art deutlich von den beiden vorangehenden 180
Vgl. NOTH, ATD 5, 36. Die Vorschaltung von Ex 4,30b.31a hat zur Folge, daß die ursprünglich direkt an die Versammlung der Ältesten (4,29*) anschließende Reaktion derselben (4,31b) im Erzählablauf verspätet kommt, denn nun glaubt das Volk (4,31a), bevor es in 4,31b von JHWHs Befreiungsplan erfährt (¢ ° ¢¤ «§Ú¢). Die Spannung wurde in 4,31b g geglättet, wo von der Freude über den Befreiungsplan die Rede ist ( §Û¢ statt «§Ú¢). 182 Dies übersieht LEVIN, Jahwist, 331f., der nur das erste Zeichen in Ex 4,1-4 zum Grundbestand der Szene rechnet. 183 LEVIN, Jahwist, 332. 184 In Ex 4,8 ist die Person des Mose Objekt des Glaubens, während das Hören auf die Stimme der Zeichen bezogen ist. In 4,9 verhält es sich genau umgekehrt. 181
3. Der Aufbruch Moses vom Gottesberg (Ex 4)
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unterscheidet. Die in 4,9 angeordnete Verwandlung des Nilwassers in Blut läßt sich von Mose nicht mehr am Gottesberg erproben und ist zudem auf Dauer angelegt – das für die ersten beiden Zeichen charakteristische Element der Rückverwandlung fehlt. Besagtes Element spielt auch im Erweiswunder Aarons vor dem Pharao (Ex 7,8-13) noch keine Rolle, das dem Verfasser als Vorlage für das entsprechende Legitimationszeichen des Mose in 4,2-4 diente.185 In beiden Fällen wird auf JHWHs Geheiß ein Stab (¡§) zu Boden geworfen (£¥² Hifǥil) und verwandelt sich in eine Schlange (4,3: ² ©; 7,9f.12: ¨¢©³), wobei die abweichende Begrifflichkeit ihren sachlichen Grund darin haben wird, daß der motivisch eng mit dem Wasser verknüpfte ¨¢©³ in der Wüstenregion des Gottesberges nichts verloren hatte und daher durch den hier beheimateten ² © ersetzt wurde.186 Bei der Gestaltung des knappen Abschnitts in 4,2-4 erweist sich der Verfasser als geschickter Erzähler: Er führt den Stab in 4,2 elegant über die Frage JHWHs ein, was Mose in seiner Hand halte (£¢ § ¢ ¢¥ ±§¢), an dessen Antwort (±§¢ ¡§)187 er nahtlos die Aufforderung anschließt, den besagten Stab zu Boden zu werfen (4,3aĮ: ¯±¤¢¥²±§¢). Im Unterschied zu Ex 7,9 ist hier nicht von vornherein klar, welche Folgen die Aktion hat, und der Verfasser beweist erneut sein erzählerisches Geschick, indem er Mose, der die gebotene Aktion gutgläubig ausführt (4,3aȕ: ² ©¥¢¢¯±¤¢¥²¢), beim Anblick der Schlange zunächst die Flucht ergreifen läßt (4,3b: ¢©§²§ª©¢). Hieran schließt in Ex 4,4a der Auftrag zur Rückverwandlung an, der deshalb bemerkenswert ist, weil er vorsieht, daß Mose die Schlange am Schwanz ergreifen soll (¢±§¢ © £¢ ¥²²§¥), womit er sich der Gefahr aussetzt, von ihr gebissen zu werden. Der Verfasser ließ hier offenbar Praktiken von Schlangenbeschwörern in die Darstellung einfließen,188 um die Imposanz des Beglaubigungszeichens zu steigern. Ex 4,4b notiert abschließend, daß Mose dem Auftrag gemäß seine Hand ausstreckt und die Schlange ergreift, die sich daraufhin wieder in einen Stab verwandelt (¢¢ ° ¢ ¢ ¥²¢ ¤ ¡§¥). Während das Motiv der Rückverwandlung unbestreitbar zur Untermauerung der Autorität des Wundertäters Mose beiträgt, ist es doch auch der Erzähllogik geschuldet. Da zwischen der Kundgabe der Beglaubigungszeichen auf dem Gottesberg und ihrem Vollzug vor den Israeliten ein zeitlicher Abstand besteht, muß die Schlange wieder in einen Stab zu-
Vgl. grundlegend GERTZ, Tradition, 312-314. Vgl. GERTZ, Tradition, 314. 187 Die Frage ist dabei in Ex 4,2 j so vokalisiert (ã §), daß die Antwort ( ä §) bereits in ihr anklingt. 188 Vgl. HOUTMAN, Exodus I, 391f. 185 186
110
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
rückverwandelt werden, damit Mose nach seiner Rückkehr nach Ägypten das Zeichen wiederholen kann. Dasselbe gilt auch für das in Ex 4,6f. geschilderte zweite Zeichen. Es betrifft die Hand des Mose und schließt damit thematisch direkt an 4,4 an, wo Mose die Schlange wie dargelegt mit seiner Hand ergreift und in den Stab zurückverwandelt. Erneut wird Mose von JHWH zu einer Aktion aufgefordert, die er ohne ein Wissen um ihre Konsequenzen ausführt: Auf JHWHs Geheiß (4,6aĮ: £°¢ £¢©«¥¢±§¢) steckt Mose die Hand in seinen Gewandbausch (4,6aȕ: °¢ ¢¢), und als er sie wieder hervorzieht, ist sie ‚von Aussatz überschneit‘ (4,6b: ³«±¯§¢©¯¢ ¥²¤).189 In denselben Worten beschreibt Num 12,10aȕ den Aussatz Miriams (¥²¤ ³«±¯§ ¦¢±§ ©),190 der hier allerdings die ganze Person betrifft. Offenbar hat der Ergänzer versucht, die beiden Beglaubigungszeichen in Ex 4,2-7* gezielt in Anlehnung an Stoffe zu gestalten, die mit den beiden Geschwistern des Mose191 verbunden waren. Während er in 4,2-4 einfach das Stabwunder Aarons (7,8-13) auf Mose übertug, schuf er in 4,6f. aus dem Motiv des Aussatzes Miriams (Num 12) ein zweites Beglaubigungszeichen.192 Dessen Eindrücklichkeit resultiert daraus, daß der Aussatz an Moses Hand durch die von JHWH angeordnete Wiederholung der Geste aus 4,6 ebenso schnell verschwindet, wie er auftrat (4,7: ±§¢ ±²¤²©°¢ §¯¢°¢ ¥¢²¢£°¢ ¥£¢² ).193 Die beiden Zeichen in Ex 4,2-4.6f. bilden eine geschlossene Einheit, die durch die Problemanzeige in 4,1 und die ihr korrespondierende Zusage in 4,8 gerahmt wird. Der doppelte Zweifel des Mose, die Israeliten könnten ihm nicht glauben und nicht auf seine Stimme hören (4,1aȕȖ: ©¢§¢¥¨ ¢¥° «§²¢ ¥ ¢¥), wird in 4,8 aufgenommen und zum Teil auf das erste Zeichen übertragen, so daß dem zweiten Zeichen mit Blick auf 4,31a die entscheidende Funktion zukommt, den Glauben der Israeliten zu wecken: ‚Und wenn sie dir nicht glauben und nicht auf die Stimme des ersten Zeichens hören, so werden sie der Stimme des letzten Zeichens glauben‘ g unterdrückt die Erwähnung des Aussatzes, so daß das Aussehen von Moses verwandelter Hand hier allein durch ihren Vergleich mit Schnee qualifiziert ist. Im Hintergrund dieser Textmodifikation steht vermutlich das von Manetho überlieferte Gerücht, bei den Vorfahren der in Ägypten lebenden Juden habe es sich um eine Gruppe von Aussätzigen gehandelt. Derartigen antijüdischen Ressentiments wollte man keinen Nährboden geben. 190 Vgl. ferner 2 Kön 5,27b (¥²¤«±¯§¢©¥§¯¢). 191 Als Bruder des Mose wird Aaron erstmals von P eingeführt (Ex 7,1). Dagegen wird die Prophetin Miriam erstmals in einem nachpriesterschriftlichen Zusatz zur Einleitung des Miriamliedes (15,20) als Aarons Schwester identifiziert. Beides ist in Ex 4,1-9* vorausgesetzt. 192 Zu dieser Richtung des literarischen Gefälles vgl. auch SEEBASS, BK.AT IV/2, 66. 193 Dagegen ordnet JHWH für Miriam in Übereinstimmung mit den Vorschriften der priesterlichen Aussatztora (Lev 13) eine siebentägige Absonderung an (Num 12,14f.). 189
3. Der Aufbruch Moses vom Gottesberg (Ex 4)
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(¨± ³¥°¥©¢§¨²±³¥°¥«§²¢¥£¥©¢§¢¥¦¢). Mose und das erste Zeichen binden gleichsam den in 4,1 befürchteten Unglauben und Ungehorsam des Volkes, damit das zweite Zeichen zum Glauben führt. Der in 4,1-4.6-8 exponierte Erzählfaden findet wie gesehen sein Ziel in 4,30b.31a, wo Mose die Zeichen vor den Augen des Volkes wiederholt (¦« ¢©¢«¥ ³³ ³ ²«¢) und so dessen Glauben an die von JHWH legitimierte Autorität der von Mose übermittelten Botschaft weckt (¦«¨§¢; vgl. 4,1). Während Ex 4,8 in der dargestellten Weise planvoll auf 4,1 bezogen ist und beide Zeichen in der Rückschau in ein harmonisches Gesamtkonzept integriert, handelt es sich in 4,5 um einen Nachtrag. Der Vers liefert eine Deutung des ersten Zeichens, die 4,8 vorgreift, und weist zudem gegenüber 4,1 eine Akzentverschiebung auf, insofern es nun nicht mehr um den Glauben des Volkes an Mose (¢¥©¢§¢), sondern um den Glauben an die in 4,1b bestrittene Gotteserscheinung, genauer um den Glauben an die Identität des sich offenbarenden Gottes geht. Wird dem Volk in 4,1 die Bestreitung einer Erscheinung JHWHs in den Mund gelegt (£¢¥ ±© ¥ ¢),194 so dient das erste Zeichen dem Ergänzer von 4,5 dazu, den Glauben daran zu wecken, daß niemand anderes als JHWH, der Gott der Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs dem Mose erschien (¢¤ ©¢§¢ ¨«§¥ °«¢ ¢¥ ° ¯¢ ¢¥ ¦± ¢¥ ¦³ ¢¥ ¢ £¢¥ ±©). Der in 4,5 tätige Ergänzer zeigt sich auch für die entsprechenden Zusätze in 3,4b.6a.15.16aȕ* verantwortlich.195 Das in Ex 4,1-9 dominante Motiv des Glaubens wird in 4,10-17 explizit nicht mehr angesprochen. Bei den Versen handelt es sich wie dargelegt um eine nachträgliche Erweiterung, die die Angleichung von Ex 4 an den priesterschriftlichen Plagenprolog in 6,2-7,13* im wesentlichen komplettiert. Hatten 4,1-9* bereits das den priesterschriftlichen Wunderwettstreit einleitende Erweiswunder Aarons (7,8-13) auf Mose übertragen und zu einem der beiden Beglaubigungszeichen vor den Israeliten modifiziert, so trägt der in 4,10ff. tätige Ergänzer den Gedanken nach, daß sich Mose wie später bei seinen Auftritten vor dem Pharao (7,1f.) auch bei der Begegnung mit den eigenen Volksgenossen seines Bruders Aaron als Sprachrohr bediente.196 Um den Erzählzug im Text zu verankern, ließ der Ergänzer Mose in 4,10 – nach 3,11 zum zweiten Mal – gegen seine Berufung Einspruch erheben, wobei der von Mose in 6,12 P vorgebrachte Einwand Die Argumentationsstruktur von 4,1 erinnert auffällig an 3,13, was in g* zur weiteren Angleichung der beiden Verse durch Ergänzung von 3,13bȕ hinter 4,1 geführt hat. 195 Vgl. hierzu vor allem die Ausführungen unter III. 2.1. 196 Zur Richtung des literarischen Gefälles vgl. grundlegend VALENTIN, Aaron, 101-107; GERTZ, Tradition, 315-321. Gegen KOHATA, Jahwist, 85-91; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 195-197. 194
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motivisch Pate stand. Wie dort geht es auch in 4,10 um Moses mangelnde Überzeugungskraft, nur wird das Motiv entscheidend modifiziert. Während in 6,9-12 die Unfähigkeit, die Israeliten von seiner Botschaft zu überzeugen, bei Mose den begründeten Verdacht aufkommen läßt, er werde auch beim Pharao auf taube Ohren stoßen, wird in 4,10 statt eines Autoritätsdefizits eine Sprachbehinderung geltend gemacht: ‚Bitte, mein Herr, ich bin kein Mann der Worte (¢¤© ¦¢± ²¢ ¥ ¢© ¢), weder früher, noch seit du zu deinem Knecht redest (§¦¦²¥²§¦¥§³§¦ £«¥£±),197 denn schwerfällig ist mein Mund und schwerfällig meine Zunge (¢¤©¨²¥¤¤¢¤).‘ Der in Ex 4,10 gegenüber 6,9-12 vollzogene Motivwechsel hat einen Grund darin, daß Mose vor seiner Rückkehr nach Ägypten ebensowenig mit einem Scheitern vor den Israeliten argumentieren wie er vor dem Hintergrund der ihm in 4,1-9* verliehenen Beglaubigungszeichen auf ein potentielles Autoritätsdefizit hinweisen kann. Das Ausweichen auf eine Ersatzbegründung ist daher einerseits der Erzähllogik geschuldet, doch erklärt dies andererseits noch nicht ihre konkrete Form. Das Argument ist aus der Berufung Jeremias entlehnt, der in Jer 1,6 darauf verweist, daß er nicht zu sprechen wisse (± ¢³«¢ ¥ ©), da er zu jung sei (±«© ¢¤ ¢¤©).198 Da es mit der Jugend des achtzigjährigen Mose (Ex 7,7) nicht mehr allzu weit her war, wurde das Motiv in 4,10 dahingehend modifiziert, daß das rhetorische Defizit (¢¤©¦¢±²¢¥) nun über Moses vermeintliche Schwerzüngigkeit begründet wird.199 Daß ein derartiger Makel ausgerechnet für den Mann geltend gemacht wird, dem im Pentateuch bei weitem die meisten Redeanteile zukommen, verleiht der Szene allerdings von Anfang an einen grotesken Zug. Hierzu trägt auch der betont unterwürfige Ton bei, der in einem eklatanten Mißverhältnis zu der Unverschämtheit steht, die die Erwiderungen des Mose in der Sache kennzeichnet. Dies ist nicht erst in 4,13 der Fall, sondern streng genommen bereits in 4,10, wo JHWH durch die Blume zu verstehen gegeben wird, er könne doch nicht etwa glauben, sein Reden mit Mose habe etwas an dessen seit jeher bestehender Schwerzüngigkeit geändert. Derselbe grotesk-ironische Zug setzt sich im folgenden fort und ist offenbar vom Verfasser gewollt, der in 4,10ff. mit dem Ziel der Einsetzung Aarons geradezu eine Anti-Berufung des Überpropheten Mose (Dtn 34,10) 197 Die Bezeichnung Moses als Knecht JHWHs findet sich in der Exoduserzählung nur noch in der Glaubensaussage am Ende des Meerwunders (Ex 14,31b), die dem Verfasser von 4,10 nach der obigen Analyse bereits vertraut war. 198 Zur Abhängigkeit der Szene in Ex 4,10ff. von Jer 1 vgl. grundlegend LEVIN, Verheißung, 149-152; VAN SETERS, Life, 58-60; GERTZ, Tradition, 318-320. 199 Die Befürchtung, die Israeliten könnten nicht auf Moses Stimme hören (Ex 4,1) tritt so in ein unerwartet neues Licht.
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inszeniert hat. Eine Kritik an der Mosegestalt wird man daraus freilich nicht ablesen dürfen, vielmehr einen kreativen und in Teilen grenzwertig ironischen Umgang mit den literarischen Vorlagen, zu denen neben den relevanten Passagen in Ex 3; 6f. und Jer 1 (par. Dtn 18,18)200 auch die Klage des Mose in 5,22f. und die Berufung Gideons in Ri 6 zu zählen sind. Aus Ri 6 stammt die Einleitung des doppelten Einwands mit ¢©¢ (Ex 4,10.13; vgl. Ri 6,13.15), die bereits bei der Adaption des jeremianischen Einwands in 4,10 an die Stelle des vergleichbaren Ausrufs ¢ ¢© (Jer 1,6aĮ) gesetzt wurde. Dabei gewinnt die zweifache Gegenrede des Mose ihr inhaltliches Profil aus Ex 5,22f., wo sowohl das (jeremianische) Thema des Sprechens (±) als auch das der Sendung ( ¥²) ihren im Vergleich zu Ex 4,10.13 genuinen Ort haben.201 Wendet sich Mose in 5,22 an JHWH, indem er ihn als ¢© (!) anspricht und beklagt, seit er in JHWHs Namen zum Pharao gesprochen habe, habe dieser das Volk nur um so übler behandelt (5,23a: ¦«¥«±£§²±¥«±¥¢³§), so konstatiert derselbe Mose in 4,10 in parodistischer Verzerrung, es sei um seine Schwerzüngigkeit auch nicht besser bestellt, seit JHWH mit ihm gesprochen habe (£«¥£±§¦).202 JHWH reagiert in Ex 4,11* auf den ersten von Mose vorgebrachten Einwand mit einer rhetorischen Frage:203 ‚Wer hat dem Menschen einen Mund gegeben, bin nicht ich es, JHWH?‘ (¢¢¤© ¥¦¥¦²¢§). Indem er die physischen Anlagen, die menschliche Kommunikation allererst ermöglichen, exklusiv auf JHWH zurückführt, schafft der Verfasser die argumentative Grundlage für die neuerliche Entsendung Moses in 4,12a (£¥³«), die nun in Anlehnung an die Mitseinszusage aus 3,12aĮ (¢¢¤ £§«) durch die Verheißung JHWHs bekräftigt wird, er werde mit dem Mund des Mose sein (4,12bĮ: £¢¦«¢¢¤©)204 und Mose darin unterweisen, was er sagen solle (4,12bȕ: ±³ ±² £¢³¢±). Ex 4,12b kündigt damit im gleichen Maße die Befähigung des Mose zum Sprechen wie seine Instruierung über die vorzubringenden Worte an, womit der Einwand des Mose wirksam entkräftet ist. Aus dem Rahmen dieses ganz auf die Sprach200 Zum Verlauf des literarischen Gefälles von Jer 1 nach Dtn 18,18 vgl. grundlegend LEVIN, Verheißung, 150, Anm. 10. 201 Auf den intertextuellen Bezug zwischen Ex 4,10.13 und 5,22f. verweist auch JACOB, Buch Exodus, 133. 202 Die Verbindung von § und ± findet sich im gesamten Pentateuch nur an diesen beiden Stellen. 203 Die Frage steht in der Tradition der Disputationsworte des Hiob- und Deuterojesajabuches Vgl. die Argumentationsstruktur der Gottesrede in Hi 38 insgesamt, besonders aber 38,5 (ferner 34,13); ebenso auch Jes 40,12.13.26; 45,21. Zu den Parallelen vgl. grundlegend VALENTIN, Aaron, 104f.; GERTZ, Tradition, 318. 204 Vgl. ferner die Mitseinszusage in Jer 1,8b (£¥¯¥¢©£³¢¤), die freilich als Hintergrund von Ex 4,12b weit weniger spezifisch ist als Ex 3,12aĮ.
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fähigkeit des Mose fokussierten Argumentationsgangs fällt die in 4,11a* vorgenommene Erweiterung durch zwei weitere rhetorische Fragen heraus. Deren erste (‚oder wer macht stumm oder taub?‘ – ²± ¦¥¦²¢¢§) nimmt zwar noch auf das zentrale Thema einer Beeinträchtigung des Sprachvermögens Bezug, verhandelt aber in ihrem zweiten Teil (Taubheit) bereits ein Phänomen, das im Kontext keinerlei Rolle spielt. Dasselbe gilt für die folgende Frage (‚[oder wer macht] sehend oder blind?‘ – ° ±«). Beide Fragen wurden mit großer Wahrscheinlichkeit erst später ergänzt, um auf die vollständige Abhängigkeit menschlicher Wahrnehmung und Kommunikationsfähigkeit von JHWH hinzuweisen.205 Obwohl mit der Zusage JHWHs (Ex 4,12b) der Einwand des Mose, nicht als Sprecher zu taugen, hinfällig geworden war, reagiert dieser in 4,13 überraschenderweise erneut mit einer Weigerung: ‚Bitte, mein Herr, sende doch, durch wen auch immer du senden willst‘ (© ¥²¢©¢±§¢ ¥²³ ¢). Obwohl die elliptische Aussage streng genommen die Übermittlung der Botschaft und nicht die Entsendung des Boten im Auge hat, trifft doch auch die landläufige Übersetzung ‚sende doch, wen auch immer du senden willst‘ ihren Sinn. Der sachliche Kern der Aussage – dies zeigt nicht zuletzt die zornige Reaktion JHWHs in 4,14 – besteht in beiden Fällen darin, daß sich Mose seiner Berufung zu entziehen und die Botenrolle auf eine andere Person abzuwälzen sucht. Über die Motivation für diese nach 4,12 schlechterdings unverständliche Reaktion des Mose hat es in der Auslegungsgeschichte unzählige Spekulationen gegeben, von denen keine restlos überzeugen konnte.206 Dies liegt daran, daß der Grund für die erneute Weigerung kein psychologischer, sondern ein literarischer ist. Im Hintergrund steht wie gesehen die Kombination des zweifachen Einwands Gideons (Ri 6,13.15: ¢© ¢) mit der Klage des Mose aus Ex 5,22f., wobei in Ex 4,13 Moses Zweifel an seiner Sendung (5,22bȕ: §¥ ¢©³ ¥²) aufgegriffen und erneut parodistisch verfremdet wurden. Der zweite Einwand des Mose (Ex 4,13) hat zur Folge, daß zu Beginn von 4,14a zum ersten und einzigen Mal im Alten Testament der Zorn JHWHs gegen Mose entbrennt (²§ ¢ ¬ ± ¢), was freilich nur von kurzer Dauer ist und ohne gravierende Folgen bleibt. Auf den nach der zweiten Weigerung unvermeidlichen Zornesausbruch folgt nicht eine wie auch immer geartete Strafe, sondern ein pragmatischer Lösungsvorschlag JHWHs, der in 4,14a erstmals das Ziel anvisiert, das der Abschnitt seit
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Auf den Nachtragscharakter der beiden letzten rhetorischen Fragen in Ex 4,11 deutet neben den notierten inhaltlichen Argumenten auch die von der ersten Frage abweichende Syntax sowie der eigentümliche Anschluß mit (‚oder‘) hin. 206 Einen Überblick bieten JACOB, Buch Exodus, 84f.; HOUTMAN, Exodus I, 413f.
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4,10 im Blick hat: ‚Ist da nicht dein Bruder Aaron, der Levit207 (¨±¥ ¢¥£¢ )? Ich weiß, daß er zu sprechen versteht (±¢±¢¤¢³«¢).‘ Damit ist die Einsetzung Aarons zum Sprachrohr Moses vor den Israeliten angedeutet, wie sie in 4,15f. erfolgt und einst direkt an 4,14a anschloß. Der Hinweis, Aaron befinde sich auf dem Weg zu Mose und freue sich auf ein herzliches Wiedersehen (4,14b: ¥ §² £± £³±°¥ ¯¢ © ¦), unterbricht den inhaltlichen Zusammenhang zwischen 4,14a.15 und ist auch aufgrund seiner Einleitung mit ¦ als nachgetragener Nebengedanke erkennbar. Mit Ex 4,14b fällt auch 4,27 als Zusatz aus der ursprünglichen Aaronbearbeitung von Ex 4 heraus. Der Ergänzer ist in beiden Fällen derselbe, und er stellt durch den an Aaron gerichteten JHWH-Befehl in 4,27 sicher, daß sich dieser auch wirklich, wie in 4,14b angekündigt, auf den Weg macht und mit Mose am Gottesberg zusammentrifft (£¥¨±¥¢±§¢ ¥°²¢¦¢¥±²¢£¥¢±§²§³±°¥). Ziel des Ergänzers ist es, die in 4,28 berichtete Unterweisung Aarons von ihrem ursprünglichen Ort in Ägypten an den Offenbarungsort aus Ex 3,1-4,17 zu verlegen.208 Anders als der heutige Text suggeriert, schloß 4,27 einmal direkt an 4,18aĮ1.20aȕ an und bog die dort berichtete Rückkehr Moses nach Ägypten gleichsam zu einer Rückkehrabsicht um, die, kaum ins Werk gesetzt, noch am Gottesberg mit dem Zusammentreffen der Brüder endet, bevor dann beide gemeinsam von hier aus vermittelt über den älteren Folgekontext (4,29a) den Weg zu den Israeliten antreten. Der ursprüngliche Textübergang zwischen 4,18aĮ1.20aȕ und 4,27 zeigt sich auch daran, daß in 4,14b wie in 4,27a nicht davon die Rede ist, Aaron solle zum Aufenthaltsort des Mose kommen, sondern ihm entgegengehen, was eine gegenläufige Bewegung der Brüder und damit den Aufbruch des Mose voraussetzt. Wenn sich unter diesen Bedingungen noch am Gottesberg ein Zusammentreffen der beiden ereignet (4,27b), so ist dies sinnvoll nur möglich, wenn ein unmittelbarer erzählerischer Zusammenhang zwischen 4,18aĮ1.20aȕ und 4,27 bestand. Der Abstecher zu Jitro (Ex 4,18aĮ2-20aĮ), die Mitnahme des Gottesstabes (4,20b) und der gesamte Ereigniszusammenhang in 4,21-23.24-26 setzen bereits die Aufweichung der alten Rückkehrnotiz 4,20aȕ durch das Zusammentreffen der beiden Brüder am Gottesberg voraus. Sie sind damit jünger als die in 4,14b.27 greifbare Schicht, die sich nachträglich an den Zur Bezeichnung Aarons als ¢¥ vgl. den Exkurs bei GERTZ, Tradition, 321-327, der u.a. mit Verweis auf den nachpriesterschriftlichen Einschub in Dtn 10,8f. zeigen kann, daß die in Ex 4,14a vorgenommene Verbindung Aarons mit dem clerus minor der Leviten zwar nicht der Konzeption von P entspricht, deshalb aber keineswegs vorpriesterschriftlich ist. Gegen KOHATA, Jahwist, 90f.; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 203f.; VAN SETERS, Life, 54f. 208 Vgl. grundlegend WELLHAUSEN, Composition, 71. 207
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Bericht von der Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose vor den Israeliten angelagert hat (4,10-16*.28a.30a). Die Umständlichkeit, in der dieser Bericht in 4,15f. die Rollenverteilung zwischen Mose und Aaron beschreibt, resultiert nun daraus, daß hier Vorstellungen aus Ex 7,1f. und Jer 1,9 miteinander kombiniert wurden. Gründe für literarkritische Operationen gibt es nicht.209 Im Anschluß an die Feststellung des Redevermögens Aarons am Ende von 4,14a (±¢±) wird in 4,15a die in 7,2 P vorgegebene Botenkette aktiviert: Mose soll gemäß 7,2a zu Aaron sprechen (4,15aĮ: ¢¥³±), was in 4,15aȕ dahingehend ausgemalt wird, daß er die Worte in Aarons Mund legen soll (¢ ¦¢± ³ ³§²). Die Vorstellung hat ihren Hintergrund eindeutig in Jer 1,9bȕ (par. Dtn 18,18bĮ), wo die Offenbarung der JHWH-Worte an Jeremia mit derselben Metapher beschrieben wird (£¢ ¢± ¢³³© ©),210 und wurde lediglich terminologisch an die in 4,11 gewählte Formulierung angeglichen (¦¢² statt ¨³©). An die erste Erwähnung von Aarons Mund schließt sich in Ex 4,15b sogleich eine Mitseinszusage JHWHs an, die den Wortlaut aus 4,12b aufnimmt und an die veränderte Situation anpasst. Kündigte JHWH dort noch an, mit Moses Mund zu sein und ihn darin zu unterweisen, was dieser sagen solle (±³±²£¢³±£¢¦«¢¢¤©), so ist nun in 4,15b davon die Rede, JHWH wolle mit Moses und Aarons Mund sein (¦« ¢ ¢¤© ¢¦«£¢) und die beiden darin unterweisen, was sie tun sollen (¢³¢± ¨²«³±²³¦¤³).211 Letzteres wird daraufhin in 4,16a dahingehend expliziert, daß Aaron für Mose zum Volk sprechen soll (¥ £¥ ± ¦«).212 Damit ist die in 7,2 mit Blick auf den Plagenzyklus eingeführte Botenkette vollständig auf die innerisraelitische Situation übertragen, die seit 4,1 im Blick ist, und der Verfasser schließt den Prozeß ab, indem er in 4,16b ein Fazit formuliert, das den priesterschriftlichen Mottovers aus 7,1 aufgreift. Vom Vorkontext durch ein betontes ¢ (‚und es wird sein: ...‘) abgegrenzt, heißt es in 4,16b, Aaron werde Moses Mund sein (£¥¢¢ ¥), und Mose werde Aarons Gott sein (¦¢¥¥ ¥ ¢³ ³). Im Unterschied zu 7,1, wo Mose und Aaron im Verhältnis zum Pharao als ein Gott und sein Prophet (¢©) positioniert werden, definiert das Bild in 209
Zwar läßt sich Ex 4,16 theoretisch direkt an 4,15a anschließen, die in 4,15b stehende Mitseinszusage ist aber kaum nachgetragen, da ihr exaktes Pendant in 4,12b zum Grundbestand gehören muß. 210 Vgl. LEVIN, Verheißung, 149-152; VAN SETERS, Life, 60; GERTZ, Tradition, 319. 211 Die Formulierung in Ex 4,15b erinnert an Aussagen zur priesterlichen Weisung (±¢) in Lev 10,11; Dtn 17,10f.; 24,8; 2 Kön 12,3 (vgl. Ri 13,8). Zu weisheitlichen Parallelen vgl. W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 201. 212 Daß in Ex 4,15 die Unterweisung JHWHs im Gegensatz zu 4,12 auf das Tun (²«) und nicht auf das Reden (±) bezogen ist, hat also damit zu tun, daß die Tätigkeit Aarons erst in 4,16a umrissen wird. Dagegen war die Tätigkeit Moses in 4,12 klar definiert.
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4,16b das Verhältnis zwischen Mose und Aaron. Der Perspektivwechsel ist der in 4,15aȕ eingetragenen Vorstellung der Wortoffenbarung geschuldet, die Mose im Vergleich zur Vorlage in Jer 1,9 an die Stelle Gottes treten ließ und Aaron zu seinem prophetischen Mund machte.213 Den Bericht über die Unterweisung Aarons schloß der Ergänzer direkt an die Rückkehrnotiz in Ex 4,20a an: Mose teilt Aaron alle Worte JHWHs mit, ‚der ihn gesandt hatte‘ (4,28a: ±² ¢ ¢± ¥¤ ³ ¨±¥ ²§ ¢ ¥²), womit zugleich betont wird, daß die Bestellung Aarons zum Sprachrohr des Mose nichts an dessen Status als Gesandter JHWHs ändert. Um die Übermittlung der Worte an die Israeliten erzählerisch vorzubereiten, modifizierte der Ergänzer daraufhin die in 4,29* vorgefundene Notiz zur Versammlung der Ältesten, indem er Aaron neben Mose stellte (²§ £¥¢ ¥±²¢ >¢©@ ¢©° >¥¤@ ³ ª¢ ¨±). Damit war der Boden für die Übermittlung der Worte JHWHs bereitet, von der der Ergänzer abschließend in 4,30a berichtet: Aaron wiederholt alle Worte, die JHWH zu Mose gesagt hatte (²§¥¢±±²¦¢±¥¤³¨±±¢), womit die Israeliten bzw. die sie vertretenden Ältesten erstmals über den kompletten Inhalt des in Ex 3 exponierten Befreiungsplanes in Kenntnis gesetzt werden. In Ex 4,30a ist das Ziel der Bearbeitungsschicht erreicht, der neben 4,10.11a*(bis ¦¥).12-14a.15f. auch die Überarbeitung von 4,29 zugewiesen werden konnte.214 Während Ex 4,10-16* allein auf die Einsetzung Aarons zum Sprecher zielen, ergibt sich aufgrund der Einschaltung des korrespondierenden Ausführungsberichts in 4,30a (¨±±¢) der Eindruck, daß es sich bei dem namenlosen Subjekt, das in 4,30b die Beglaubigungszeichen vor den Israeliten wirkt, ebenfalls um Aaron und nicht wie ursprünglich gedacht um Mose handelt. Exakt dieses Verständnis, das eine synchrone Lektüre von 4,30 nahelegt, wurde von späterer Hand in 4,28b festgeschrieben, denn die dortige Aussage, Mose habe seinem Bruder auch alle Zeichen mitgeteilt, die ihm von JHWH aufgetragen wurden (¯±²³³¥¤³), läßt sich sinnvoll nur so verstehen, daß es hier um die Übertragung der Zeichen in den Zuständigkeitsbereich Aarons geht. Daß 4,28b gegenüber der urprünglichen Übermittlung der Worte JHWHs in 4,28a sekundär ist, geht dabei nicht nur aus dem inhaltlichen Überschuß des Halbverses gegenüber der in 4,10-16* ausführlich exponierten Botenkette hervor, sondern wird auch dadurch bestätigt, daß zwischen beiden Vershälften semantische wie syn213
Dabei hat die Bezeichnung des Propheten als ‚Mund‘ () ebenfalls einen Hintergrund im Jeremiabuch (Jer 9,11; 15,19; vgl. Jes 1,20; 40,5). Vgl. hierzu auch GERTZ, Tradition, 319. 214 Möglicherweise zeichnet sich der Bearbeiter auch für die Erweiterung des vermutlich ursprünglichen ¥±²¢¢©°³ zu ¥±²¢¢©¢©°¥¤³ verantwortlich, durch die die Perspektive so weit wie möglich an die in 4,31a vorgegebene Reaktion des ganzen Volkes angeglichen wurde.
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taktische Verschiebungen zu verzeichnen sind. Während die in 4,28aȕ erwähnten Worte JHWHs in einem organischen Zusammenhang zur einleitenden Verbform (¢) stehen, ist die Aussage, Mose habe Aaron auch die Zeichen ‚gesagt‘, recht unglücklich. Auch der Parallelismus zwischen den beiden Objekten der verbalen Übermittlung erweist sich als gebrochen, denn die sie jeweils spezifizierenden Relativsätze haben unterschiedliche Bezugsobjekte.215 Indem der Ergänzer von Ex 4,28b Aaron nachträglich auch für die Beglaubigungszeichen vor den Israeliten verantwortlich machte, stellte er exakt die Situation her, die der priesterschriftliche Plagenprolog in 7,1-13 für das Aufreten Moses und Aarons vor dem Pharao definiert hatte. Hier wie dort ist Aaron alleiniger Akteur. Eine explizite erzählerische Verknüpfung zwischen dem Auftritt Moses und Aarons vor den Israeliten (Ex 4) und am ägyptischen Hof (Ex 7,8ff.), zwischen den innerisraelitischen Beglaubigungszeichen und den ägyptischen Plagen erfolgt hier freilich nicht. Der Schritt war einem späteren Bearbeiter vorbehalten, der den Stab des Mose als erzählerisches Scharnier zwischen Ex 4 und dem Plagenzyklus einführte, dabei gegen 4,28b nicht mehr Aaron, sondern Mose für sämtliche Zeichen vor den Israeliten und dem Pharao verantwortlich erklärte und mit diesem Bild die Vorlage für Dtn 34,11f. lieferte.216 Die Stimme des Bearbeiters ist erstmals in 4,17 vernehmbar, wo Mose von JHWH dazu aufgefordert wird, ‚diesen Stab‘ mitzunehmen, um mit ihm die besagten Zeichen zu wirken (³²«³±²£¢ °³¡§³ ³³).217 Die Verbindung des Stabes mit einer Mehrzahl von Zeichen zeigt eindeutig, daß hier nicht ausschließlich die Beglaubigungszeichen aus Ex 4,1-9 im Blick sein können, denn lediglich bei deren erstem spielt
215 Der Relativsatz in Ex 4,28a bezieht sich auf Mose, der in 4,28b hingegen auf die Zeichen. 216 Dtn 34,11f. sind mit STOELLGER, Deuteronomim 34, 47f., als jüngster Zusatz zum Abschlußkapitel des Dtn zu bestimmen. Der Verfasser der Verse greift auf die im folgenden zu umreißende Stabbearbeitung aus Ex 4-17 zurück und qualifiziert die Unvergleichlichkeit des Propheten Mose (Dtn 34,10) durch den Verweis auf die Wunder, die dieser vor den Ägyptern und den Israeliten vollbrachte. Es handelt sich um den Versuch, die Einzigartigkeit der Mosegestalt festzuschreiben, indem etwas für sie reklamiert wird, das ihr Aaron und Josua, die zu diesem Zeitpunkt auch längst zu Schwergewichten der alttestamentlichen Überlieferung herangewachsen waren, nicht streitig machen konnten. 217 Der nachklappende Befehl ist auf die Auftragskette in 4,15f. als Vorkontext angewiesen, setzt also die Einsetzung Aarons zum Sprecher voraus. Ein Anschluß von Ex 4,17 an 4,19* wäre dagegen syntaktisch weitaus unglücklicher. Zudem bliebe unerklärlich, warum 4,17, nimmt man eine nachträgliche Einschreibung von 4,10-16* an, durch diese von seinem Vorkontext abgetrennt worden sein sollte. Wenn 4,10-16* jünger wären als 4,1-9.17*, so wären sie sicherlich hinter 4,17 eingeschrieben worden.
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der Stab eine Rolle!218 Vielmehr eröffnet Ex 4,17 einen Erzählbogen, der über 4,30b bis in den Plagenzyklus und, wie später zu zeigen ist, noch darüber hinaus reicht. Die Befolgung des Auftrags zur Mitnahme des Stabes (Ex 4,17: ³ £¢ °³¡§) hat der Bearbeiter in 4,20b vermerkt (¡§³²§ °¢ ¢ ¦¢¥), wobei er durch die Bezeichnung ‚Gottesstab‘ die besondere Dignität des Wunderartefakts hervorhebt.219 Freilich wird die Mitnahme des Stabes nach dem Abstecher Moses zu seinem Schwiegervater (4,18), der neuerlichen JHWH-Rede in 4,19 und dem Bericht von der Rückkehr Moses und seiner Familie nach Ägypten (4,20a) eindeutig zu spät vermeldet. Daß der Bearbeiter 4,20b nicht einfach zwischen 4,17 und 4,18 schaltete, findet eine einfache Erklärung darin, daß er den gesamten Abstecher Moses nach Midian noch nicht vorfand. Auf der betreffenden Textstufe schloß das Zusammentreffen der Brüder am Gottesberg (4,27) direkt an die alte Rückkehrnotiz in 4,18aĮ1.20aȕ an und hob diese gleichsam auf, so daß in 4,20b die Mitnahme des Stabes noch rechtzeitig berichtet wurde, da auch 4,27 noch einen Aufenthalt am Berg der Offenbarung voraussetzt. Die nächste Erwähnung des besagten Stabes entfällt bereits auf den Anfang des Plagenzyklus. Ganz im Stil von 4,17a wird Mose in 7,15b erneut aufgefordert, den Stab in seine Hand zu nehmen, der hier ausdrücklich als jener Stab gekennzeichnet wird, der sich in eine Schlange verwandelt hat (£¢ °³ ² ©¥ £© ±² ¡§ ³). Damit liegt ein eindeutiger Rückbezug auf das erste Beglaubigungszeichen (4,2-4) vor, das folglich mit dem ersten der in 4,17 angekündigten Stabwunder identisch ist. Das zweite Stabwunder hat der Ergänzer in die vorgefundene Schilderung der Nilpest eingearbeitet, die er von einem mit Aarons Unterstützung ausgeführten Schlag JHWHs zu einem Schlag des Mose umgestaltete.220 Die notwendigen Modifikationen, um den in Ex 7,15b eingeführten Stab zum Zuge kommen zu lassen, nahm der Bearbeiter in 7,17b.20aĮ vor. Kündigte in 7,17b* ursprünglich JHWH selbst an, das Wasser im Nil zu schlagen (±¢ ±² ¦¢§¤§ ¢¤© ©), so wurde der besagte Schlag nun zu einem Schlag mit Moses Stab, die JHWH-Rede zu einer Moserede: ‚Siehe, ich schlage mit dem Stab in meiner Hand auf (¥« ¢¢ ±² ¡§) Vgl. NOTH, ATD 5, 33; VAN SETERS, Life, 51. Ersterer hält den Vers für ein elohistisches Fragment, letzterer weist ihn P zu. 219 Die Bezeichnung trägt der Tatsache Rechnung, daß der Stab durch die beiden JHWHReden in Ex 4,2.17 in die Erzählung eingeführt wird. Sie bringt aber vor allem die Unterordnung Aarons zum Ausdruck, der über kein entsprechendes Wunderartefakt wie Mose verfügt (vgl. Num 17), sondern diesem nach Ex 4,16 wie ein Prophet der Gottheit (¦¢¥!) gegenübersteht. Moses Ausstattung mit dem Gottesstab ist also auch vor dem Hintergrund dieses Bildes zu beurteilen. 220 Vgl. grundlegend NOTH, ATD 5, 55f.; L. SCHMIDT, Beobachtungen [1993], 8; GERTZ, Tradition, 98-100. 218
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das Wasser im Nil.‘ In derselben Weise wurde auch der Plagenbericht in 7,20aĮ* an die veränderte Perpektive angepaßt. Durch die Vorschaltung eines knappen Verbalsatzes (¡§¦±¢ – ‚und er erhob den Stab‘)221 wird das Subjekt des im folgenden geschilderten Schlages (±² ¦¢§ ³ £¢ ±¢) als menschlicher Wundertäter gekennzeichnet, bei dem es sich im Horizont der Stabnotizen in 7,15b.17b nur um Mose handeln kann.222 Von derselben Hand, die in 7,15b.17b.20aĮ den Stab des Mose einführte, stammt auch die Angabe in 7,20aȕȖ, wonach Mose den Schlag vor den Augen des Pharao und seiner Hofbeamten (¢« ¢©¢«¥ «± ¢©¢«¥) vollzieht. Das Motiv der Augenzeugenschaft spielt auch in 4,30b eine zentrale Rolle, wo vom Vollzug der Beglaubigungszeichen vor den Augen des Volkes (¦« ¢©¢«¥) die Rede ist. Da der Ergänzer des Stabmotivs in 4,17 eine Reihe von Stabwundern (³³) ankündigte, bei denen er wie gesehen die Verwandlung des Stabes in eine Schlange und die von ihm modifizierte Version der Nilpest im Blick hatte, ist es nur folgerichtig, daß er der Nilpest analog zu den in 4,30b vorgefundenen israelitischen Augenzeugen ein ägyptisches Publikum bescherte. Wie bereits angedeutet, geht der in Ex 4,17 angelegte Erzählbogen über den Plagenzyklus hinaus. In seinen Rahmen fällt auch die priesterschriftlich überarbeitete Version des Meerwunderberichts, bei der es sich der Bearbeiter ebenfalls nicht nehmen ließ, Moses Stab zum Zuge kommen zu lassen. Ordnete JHWH in 14,16a ursprünglich an, Mose solle seine Hand über das Meer ausstrecken (¦¢ ¥« £¢ ³ ¡© ³), so wird dies nun dahingehend modifiziert, daß Mose den Stab erheben und seine Hand über das Meer ausstrecken soll (¦¢ ¥« £¢ ³ ¡© £¡§ ³ ¦± ³). Durch den neuerlichen Gebrauch der bereits in 7,20 verwendeten Formulierung (¦± Hifǥil) wird ein enger Verweiszusammenhang zwischen Nilpest und Meerwunder als jenen beiden Ereignissen etabliert, bei denen der Stab des Mose einen wunderhaften Einfluß auf ein Gewässer ausübt.223 Damit entsteht ein thematischer Rahmen, der die Befreiungsgeschichte im engeren Sinn (Ex 7-14) umspannt. Für den Verfasser der ‚Stabbearbeitung‘ in Ex 47 ist dieser Rahmen aber keineswegs von alleinigem Interesse, denn ihm ist besonders daran gelegen zu zeigen, daß sich die Reihe der mosaischen Stabwunder auch nach dem Auszug fortsetzt. 221
Die Verbform ist auch in 4QGen-Exoda 34-35 9 bezeugt. Warum dies nicht explizit gesagt wird, bleibt unerklärlich. Vielleicht erschien es dem Ergänzer in Anbetracht des zu Beginn von Ex 7,20 direkt vorangehenden Hinweises auf das befehlskonforme Verhalten Moses und Aarons (¢ ¯ ±²¤ ¨± ²§ ¨¤ ²«¢) entbehrlich. 223 Das Fehlen der Wassermotivik dürfte ein wesentlicher Grund dafür sein, daß der Verfasser der Stabbearbeitung die Hagel- und Heuschreckenplage aussparte. Die Erwähnungen des Stabes in Ex 9,23; 10,13 spiegeln eine nochmals jüngere Entwicklung. Vgl. hierzu die Diskussion unter VI. 2.1. 222
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Dieses Interesse des Verfassers geht eindeutig aus Ex 17,5b hervor, wo er den Stab des Mose nachträglich in die Erzählung vom Wasserwunder in Rephidim eingetragen hat. In der aus 4,17; 7,15b bekannten Weise wird Mose auch hier von JHWH aufgefordert, den Stab in seine Hand zu nehmen, wobei wie in 7,15b auf einen vergangenen Einsatz des Stabes zurückgeblickt wird (17,5b: £¢ °±¢³³¢¤±²£¡§). Dabei handelt es sich aber nicht um die Teilung des Meeres (Ex 14), sondern ausdrücklich um den Schlag gegen den Nil, womit der Bearbeiter exakt auf die von ihm modifizierte Version der Nilpest Bezug nimmt. Das durch das Schlagen (¤©) des Felsen bewirkte Wasserwunder in Ex 17 wird so ausdrücklich mit dem Schlag gegen den Nil verknüpft, wo dieselbe Wurzel Verwendung findet. Die Erweiterung des Wasserwunders zu einem weiteren Stabwunder läßt erwarten, daß wie in 4,30b; 7,20aȕȖ auch hier keine Augenzeugen fehlen dürfen. Die Rolle entfällt diesmal auf die Ältesten Israels, da das murrende Volk als ganzes kaum in Betracht kam. Der Ergänzer des Stabmotivs erweiterte daher die vorgefundene JHWH-Rede in 17,5aȕ zunächst um die Aufforderung, einige von den Ältesten mitzunehmen (¢©°§£³ ° ¥±²¢), bevor er wie gesehen in 17,5b die Mitnahme des Stabes anordnen ließ. Daß Mose den Felsen mit seinem Stab schlägt, mußte in der vorgefundenen Ausführungsnotiz (17,6bĮ: ²§ ¨¤ ²«¢), die jede erdenkliche Modifikation des Versuchsaufbaus dankbar mitgetragen hätte, nicht eigens vermerkt werden. Zu ergänzen war lediglich, daß sich das Ereignis vor den Augen der Ältesten Israels zutrug (17,6bȕ: ¥±²¢¢©°¢©¢«¥). Mit den skizzierten Erweiterungen in Ex 17,5f. war die letzte cis-sinaitische Wunderhandlung des Mose in die Sequenz von Stabwundern integriert, die in 4,17 ihren programmatischen Anfang nahm. Nicht eine Wunderhandlung im eigentlichen Sinne, aber dennoch in der Sache deutlich verwandt, schließt sich in 17,8-13 die Erzählung von der Amalekiterschlacht an, in der Moses erhobene Hände den Sieg Josuas garantieren. Auch hier ließ es sich der Ergänzer nicht nehmen, den Stab unterzubringen, den er Mose in 17,9bȕ in die Hand gab (¢¢ ¦¢¥ ¡§).224 Mit seiner Bezeichnung als ‚Gottesstab‘ schließt sich der Kreis zu 4,20b, wo das nämliche Wunderartefakt seine einzige weitere Belegstelle im Alten Testament hat. Ex 4,20b; 17,9bȕ stecken den Rahmen der umrissenen Sequenz mosaischer Stabwunder ab, die in Ex 4 auf dem Gottesberg ihren Anfang nimmt und in Ex 17, gleichsam am Fuße desselben, ihr Ziel erreicht. Die in 3,12b vorgezeichnete Rückkehr des Gesandten JHWHs an den Ort der Offenbarung wird durch die Stabnotizen mit Blick auf den Wundertäter nachvollzogen.
224
Für Augenzeugen mußte bei der Amalekiterschlacht nicht eigens gesorgt werden – sie waren durch die Anwesenheit Aarons und Hurs garantiert.
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Die Umgestaltung der Nilpest zu einem Stabwunder des Mose und ihre Integration in die von Ex 4,17 ins Auge gefaßte Sequenz mosaischer ‚Zeichen‘ (³³) findet in gewisser Weise ihr Gegenstück im dritten Beglaubigungszeichen, das in 4,9 nachgetragen wurde. Wurde die Plage durch die Erweiterungen in 7,15b.17b.20aĮ zu einem Wunder, so wird dieses in 4,9 aus dem Plagenzyklus extrapoliert und in die Situation vor dem ersten Zusammentreffen mit dem Pharao transferiert. Nun soll Mose für den Fall, daß die Israeliten den ersten beiden Zeichen keinen Glauben schenken (4,9aĮ), Wasser aus dem Nil nehmen und es auf den trockenen Boden gießen (4,9aȕ: ²¢³¤²±¢¢§¢§§ ³ °¥), wo es sich in Blut verwandeln wird (4,9b: ³²¢ ¦¥ ¢ ±¢ ¨§ °³ ±² ¦¢§ ¢).225 Ex 4,9 baut auf der durch die ‚Stabbearbeitung‘ hergestellten Verknüpfung zwischen Beglaubigungszeichen (Ex 4) und Plagen (Ex 7) auf und verstärkt die Bande zwischen beiden Kapiteln durch die Angleichung der Erzählsequenzen.226 Mit der Verwandlung des Stabes in eine Schlange (4,2-4) und des Nilwassers in Blut (4,9) werden nun in 4,30b vor den Israeliten exakt jene beiden Wunder präsentiert, mit denen der Plagenzyklus in 7,8-24 seinen Anfang nimmt. Dabei klingt im erzählerisch bedingten Ausschütten des Wassers auf dem Trockenen (²¢)227 zugleich ein zentraler Begriff aus dem Meerwunderbericht an (14,16.22.29; 15,19),228 so daß in 4,9 in gewisser Weise bereits die gesamte Ereignissequenz aus Ex 7-14 antizipiert ist.229 3.2. Der Aufbruch Moses aus Midian (Ex 4,18-20) Wie unter III. 1.1. dargelegt, schloß im vorpriesterschriftlichen Grundbestand der Exoduserzählung Ex 4,20aȕ direkt an 4,18aĮ1 an und Mose kehrte ohne Umschweife vom Ort der Offenbarung nach Ägypten zurück (¦¢±¯§¯±²¢²§£¥¢). In diesen Zusammenhang wurde von späterer Hand eine weitere Wegetappe eingeschaltet, die Mose zunächst zu seinem Schwiegervater führt (4,18aĮ2: ©³ ±³¢ ¥ ²¢). Es handelt sich dabei entgegen der landläufigen Auffassung um eine verhältnismäßig späte Ent225 Das in Ex 4,9bĮ betont vorangestellte ¢, in 4,9bȕ gefolgt von einem zweiten, eigentlich überflüssigen ¢, hat vermutlich die Formulierung aus 4,16b zum Hintergrund. 226 Daß der Vers jünger ist als die besagte Bearbeitung, ergibt sich daraus, daß er einerseits die Umakzentuierung der Nilpest zu einem Wunderzeichen kennt, andererseits aber vom zentralen Stabmotiv keinen Gebrauch mehr macht. 227 Daß das Blutwunder in Ex 4,9 auf dem Land vollzogen wird, hat einerseits damit zu tun, daß die Versammlung der Israeliten nicht am Nil stattfindet, und gewährleistet andererseits, daß nicht bereits vor den in Ex 7 beschriebenen Ereignissen alles Wasser in Blut verwandelt ist. 228 Der Begriff ist, von Gen 1,9f. abgesehen, im Pentateuch sonst nicht mehr belegt. 229 Ähnlich OTTO, Pentateuchredaktion, 104, sowie vermutungsweise GERTZ, Tradition, 315, Anm. 381.
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wicklung, denn der nachpriesterschriftliche Ergänzer des Brüdertreffens am Gottesberg (4,27) fand den Abstecher zu Jitro ebenso wenig vor wie der nochmals jüngere Bearbeiter, dem sich die Erwähnung des Gottesstabes in 4,20b verdankt. Vielmehr stehen sowohl die von der ‚Stabbearbeitung‘ hergestellte Klammer zwischen den beiden Gottesbergszenen in Ex 3f.; 19ff. als auch das Zusammentreffen der beiden Brüder am ¦¢¥ ± im Hintergrund des Abstechers, den Mose zu seinem Schwiegervater Jitro unternimmt. Die Szene wurde von vornherein mit Blick auf den großen Auftritt Jitros in Ex 18,1-27* verfaßt, der dort seinen Schwiegersohn Mose unmittelbar vor dem Beginn der Sinaioffenbarung aufsucht, um die Größe des Exodusgottes zu bekennen. Gleichsam spiegelsymmetrisch hierzu kommt der in 4,18 beschriebene Besuch bei Jitro zu stehen, den Mose direkt nach der Dornbuschoffenbarung am Gottesberg unternimmt. Geht man von dem dargestellten Bezug zu Ex 18 aus, so erklärt sich mit einem Schlag auch, warum Mose seinem Schwiegervater in 4,18a nichts vom Exodus berichtet, sondern vielmehr erklärt, er wolle zu seinen Brüdern in Ägypten zurückkehren (¦¢±¯§±²¢ ¥²©¤¥±§¢) und sehen, ob diese noch am Leben seien (¦¢¢ ¦« ±). Mose hält deshalb mit seinem Offenbarungswissen hinter dem Berg, weil es nach 18,1* die Kunde von der Befreiung der Israeliten ist, die bis nach Midian vordringt und Jitro derart beeindruckt, daß er Mose aufsucht und zum Bekenner der Größe JHWHs wird.230 Jitros Rolle in Ex 4 beschränkt sich zunächst darauf, daß er Mose den Reisesegen gibt (4,18b: ²§¥±³¢±§¢ ¦¥²¥£¥), wobei im Stichwort ¦¥² bereits das herzliche Wiedersehen der beiden anklingt (18,7).231 Einmal bei seinem Schwiegervater angekommen, bot sich für Mose schließlich auch die Gelegenheit, den Rückweg nach Ägypten in Begleitung seiner Familie anzutreten, die er nach 2,21f. in Midian besaß. Folglich vermerkte der für den Abstecher verantwortliche Bearbeiter noch in 4,20aĮ, Mose habe seine Frau und seine Söhne genommen (¢©³³²³²§ °¢) und sie auf einem Esel reiten lassen (±§ ¥«¦¤±¢), womit er nahtlos zu der älteren Rückkehrnotiz in 4,20aȕ überleitete. Daß Mose über mehr Söhne als den in 2,22 erwähnten Gerschom verfügt, wurde einfach daraus erschlossen, daß er nach 7,7 P erst mit 80 Jahren vor dem Pharao stand, nachdem er als gerade Herangewachsener aus Ägypten geflohen war (2,11.15). Der Bearbeiter bescherte Mose in 4,20aĮ den für einen solch langen Midianaufenthalt angemessenen Kin-
230
So schon KNAUF, Midian, 156, der die betreffenden Texte allerdings für jahwistisch
hält. 231 Da die personenbezogene Verwendung des Lexems ¦¥² im Exodusbuch auf die beiden genannten Stellen beschränkt ist, wird der Bezug kaum zufällig sein. Der einzige weitere Beleg findet sich bezeichnenderweise in Ex 18,23 im Kontext von Jitros Justizreform.
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dersegen. Anzahl und Namen der Söhne zu nennen, war freilich erst einem Späteren vorbehalten (Ex 18,3f.).232 In den Zusammenhang zwischen Ex 4,18 und 4,20 wurde mit 4,19 ein Vers eingeschrieben, der Moses Aufbruch aus Midian nachträglich auf einen direkten JHWH-Befehl zurückführt (4,19a: ¨¢§²§¥¢±§¢ ¦¢±¯§²£¥). Der Bearbeiter behebt das Defizit, daß Mose in 4,20 eigenmächtig aus Midian aufbricht, während JHWH direkt im Anschluß nichts der Initiative Aarons überläßt, sondern selbst dafür Sorge trägt, daß das Treffen der Brüder am Gottesberg zustande kommt (4,27). In 4,19 beläßt es JHWH allerdings nicht bei einer einfachen Anordnung, sondern fügt noch begründend hinzu, alle Männer, die Mose nach dem Leben getrachtet hätten, seien inzwischen gestorben (4,19b: ³ ¦¢²°§ ¦¢²© ¥¤ ³§ ¢¤ £²©).233 Die Aussage nimmt kontrastierend auf die direkt vorangehende Erklärung Moses Bezug, er wolle sehen, ob seine Brüder noch lebten (4,18: ¦¢¢ ¦«), woran sich plastisch zeigt, daß hier weniger Moses Konflikt mit dem in 2,23aĮ verstorbenen Pharao als vielmehr seine Auseinandersetzung mit den eigenen Landsleuten aus 2,13f. im Blick ist. Da 2,13f. in den Bezugsrahmen der Murrgeschichten des Numeribuches verweisen, fühlt man sich bei der Eröffnung der Rückkehrmöglichkeit in 4,19b geradezu an das Verscheiden der sündigen Wüstengeneration erinnert, das nach Dtn 2,14.16 den Weg für die Landnahme ebnet. Exkurs: Zum Namen von Moses Schwiegervater In den bisherigen Erwägungen zur literarischen Genese der familiären Verhältnisse zwischen Mose und dem Priester von Midian wurde noch nicht auf die unterschiedlichen Namen des Schwiegervaters eingegangen, der in Ex 3,1; 4,18 Jitro bzw. Jeter, in 2,18 hingegen Reguel heißt.234 Auch dieses Problem, das in der Vergangenheit zu ausschweifenden überlieferungsgeschichtlichen Spekulationen Anlaß gegeben hat, läßt sich allein auf literarischer Ebene lösen. Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, daß der Priester von Midian, bevor er überhaupt zum Schwiegervater des Mose wurde, namenlos war (Ex 3,1*). Die familiäre Verbindung stellt wie unter III. 1.1. dargelegt erstmals der Ergänzer der Brunnenszene her, wobei sich der eigentümliche Befund ergibt, daß der Name von Moses nachmaligem Schwiegervater in Ex 2,16-22 nur einmal und zudem noch ganz am Rande erwähnt wird (2,18a: ¨¢ ¥«± ¥ ©³). Da die Person in 2,16 nur als ¨¢§ ¨¤ eingeführt wird und in 2,21 schlicht von ‚dem Mann‘ (²¢) die Rede ist, legt sich der
232 S.u., IX. Dagegen kann die schon von WELLHAUSEN, Composition, 71 (vgl. BLUM, Zippora, 52, Anm. 36), vertretene Auffassung, die Mehrzahl der Söhne in 4,20 gehe auf eine nachträgliche Angleichung an Ex 18 zurück, nicht überzeugen, weil sie unerklärt läßt, warum Mose in Ex 18 zu einem zweiten namentlich bekannten Sohn kam. 233 Die Formulierung „ist der jeremianischen Tradition entlehnt“ (LEVIN, Jahwist, 331). 234 Einen Überblick über die Problemlage bieten WEIMAR, Berufung, 26-31; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 85-87; SEEBASS, BK.AT IV/2, 15f.
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Schluß nahe, daß der Priester von Midian in Ex 2 ursprünglich namenlos war und der in in 2,18a erwähnte Name Reguel (¥«±) nachgetragen wurde.235 Die Ursprünge der Reguel/Hobab-Linie liegen nicht in Ex 2,18, sondern in Num 10,29, wo von ²§¨³ ¢©¢§¥«±¨ die Rede ist. Dies geht daraus hervor, daß ein verwandtschaftliches Verhältnis zwischen Mose und seinem Schwiegervater bzw. Schwager Hobab zwar durch die Apposition ²§¨³ angezeigt ist (10,29), im weiteren Verlauf des Abschnitts 10,29-32 aber keine erkennbare Rolle spielt. Besagte Apposition klappt umgekehrt erkennbar nach und erweist sich mithin als Zusatz. Ursprünglich berichtete der Text allein von der Rekrutierung eines ortskundigen Führers mit Namen ¨ ¥«±. Über die midianitische Volkszugehörigkeit (¢©¢§) besagter Person stellte ein Späterer die Verbindung zum Schwiegervater des Mose her, den er in Reguel, dem Vater Hobabs verkörpert sah. Das Ergebnis dieser kombinatorischen Bemühungen ist die Ergänzung des Namens ¥«± in Ex 2,18,236 die ihrerseits den Nachtrag der Apposition ¨³ ²§ in Num 10,29 anstieß, die eigentlich Reguel meinte, sich aber syntaktisch auch auf Hobab beziehen ließ. Genau dieses Mißverständnis von Num 10,29 liegt der Erwähnung des Keniters Hobab, des Schwiegervaters des Mose (²§ ¨³ ), in Ri 4,11 (vgl. Ri 1,16) zugrunde.237 Der relativ schwach bezeugten und diffusen Reguel/Hobab-Namenslinie (Ex 2,18; Num 10,29; Ri 4,11) steht in Ex 3,1; 4,18; 18,1-12 eine deutlich besser bezeugte und zudem fast eindeutige Namenslinie gegenüber, die Moses Schwiegervater als Jitro kennt. Die einzige Fluktuation findet sich in 4,18, wo Mose zu seinem Schwiegervater Jeter zurückkehrt (4,18a: ©³ ±³¢ ¥ ²¢) und diesem seine Rückkehrabsicht nach Ägypten mitteilt, um dann von Jitro den Reisesegen zu erhalten (4,18b: ²§¥ ±³¢ ±§¢). Eine überzeugende diachrone Erklärung für den ungewöhnlichen Namenswechsel findet sich nicht,238 denn Moses Ankündigung in 4,18a erfordert die Reaktion seines Schwiegervaters in 4,18b und die Ausscheidung eines der beiden Eigennamen ist willkürklich und begründet vor allem nicht, was einen späteren Bearbeiter dazu veranlaßt haben sollte, eine abweichende Namensform nachzutragen.239 Liegen die beiden Eigennamen in 4,18 damit aller Wahrscheinlichkeit nach auf derselben literarischen Ebene, so findet sich die
Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 69f.; BAENTSCH, HK I/2, 14; NOTH, ATD 5, 25; WEIMAR, Berufung, 21, Anm. 9; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 85f. 236 Ähnlich NOTH, Überlieferungsgeschichte, 201, der allerdings die Verbindung Hobabs mit Moses Schwiegervater in Num 10,29 für ursprünglich hält und den Namen „aus kenitischer Tradition“ ableiten will. Vgl. BAENTSCH, HK I/2, 14; SEEBASS, BK.AT IV/2, 15. 237 Zu einer möglichen Verhältnisbestimmung der Aussagen in Ri 1,16; 4,11 vgl. RAKE, Juda, 82, Anm. 278. 238 Auch die von W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 208, gebotene Erklärung, im AT finde sich „des öfteren derselbe Name in verschiedenen Spielarten“, bleibt unbefriedigend. 239 Auch die Annahme, daß in Ex 4,18a ursprünglich gar nicht von der Rückkehr ‚zu Jeter, dem Schwiegervater des Mose‘, sondern ‚zur Zeltleine bzw. zum Zelt (± ³¢) des (noch anonymen!) Schwiegervaters‘ die Rede war, und sich die Namensform Jitro folglich erst sekundär aus diesem nur noch in Hi 4,21 bezeugten Lexem entwickelt hat, kann nicht überzeugen. Sie bietet zwar eine auf den ersten Blick ansprechende Erklärung für den sonst unableitbaren Namen des Schwiegervaters, zwingt aber zur Ausscheidung des Eigennamens in Ex 4,18b und vermag vor allem nicht positiv zu begründen, warum der betreffende Bearbeiter, wenn er ± ³¢ in 4,18a als Namen (miß-)verstand, diesen nicht einfach übernahm. Ein entsprechendes Mißverständnis scheint bereits NOTH, Überlieferungsgeschichte, 201, vermutet zu haben, der den Punkt allerdings nicht näher ausführt. 235
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naheliegendste Erklärung für die sonst nicht bezeugte Kurzform ±³¢ in 4,18a darin, daß der Name nur hier mit einer Präposition (¥) konstruiert wird, die Abweichung also lautlich begründet ist. Die Möglichkeit, daß die Abweichung erst spät im Laufe der Textüberlieferung zustande kam und sich die Namensformen in 4,18 ursprünglich wie etwa von b, g, m und o bezeugt glichen, wird man dabei ausschließen können, denn 4Q365 7 II,2, spricht bei der Wiedergabe von Ex 18,14 von ‚Jeter, dem Schwiegervater des Mose‘ (²§¨³ ±³¢),240 setzt also die in 4,18a j bezeugte Namensform voraus. Da es sich bei dem in Ex 4,18 geschilderten Abstecher Moses zu seinem Schwiegervater wie dargelegt um einen verhältnismäßig späten nachpriesterschriftlichen Einschub handelt, ergibt sich eine entsprechende literarhistorische Einordnung auch für die Verknüpfung des Namens Jitro mit dem Schwiegervater des Mose. Während die Gründe für die Wahl exakt dieses Namens das Geheimnis des Bearbeiters bleiben,241 der ihn erstmals in 3,1; 4,18 einführte, um ihn in 18,1-27* wieder aufzugreifen, liegt die textpragmatische Funktion der Einführung Jitros auf der Hand: Der Name des Schwiegervaters trägt entscheidend zur Stiftung des intertextuellen Verweiszusammenhangs zwischen der Dornbuschszene und Ex 18 bei,242 der für die literarische Genese des letztgenannten Kapitels von Anfang an konstitutiv ist. Das geradezu penetrante Beharren von Ex 18,2-6 auf der Identität Jitros mit dem Schwiegervater des Mose (²§¨³ ±³¢) deutet im übrigen nicht gerade darauf hin, daß der Name jedem Kind in Jehud bekannt war, was die These seiner nachpriesterschriftlichen Erfindung zusätzlich stützt. Wenn Jitros literarische Geburt den primären Zweck hatte, dem Schwiegervater des Mose einen prägnanten Namen zu geben, über den sich seine beiden Auftritte in Ex 3f.; 18 miteinander vernetzen ließen, so deutet dies darauf hin, daß der betreffende Ergänzer den Namen Reguel in 2,18 noch nicht vorfand, denn sonst hätte er diesen einfach übernehmen können. Für die Möglichkeit, die Ergänzung des Namens in 2,18 der ersten Erwähnung Jitros literarhistorisch nachzuordnen, spricht nicht zuletzt auch die Entwicklung von Ex 18, denn die in 18,13-26* verhältnismäßig spät ergänzte Justizreform verweist mit Num 11 auf einen Quelltext, in dessen unmittelbarer Nähe auch der Name Reguel seinen Ursprung hat. Wie dargelegt stellte der in 2,18 tätige Ergänzer eine Verbindung zwischen dem Midianiter ¥«±¨ aus Num 10,29 und dem midianitischen Schwiegervater her, indem er Reguel, den Vater Hobabs, mit dem Schwiegervater des Mose gleichsetzte. Durch die Ergänzung des Namens in 2,18 wird damit exakt jener Textzusammenhang akzentuiert, der sich für die Justizreform in 18,13-26* als prägend erweist, wo der Name Jitro bezeichnenderweise nicht mehr fällt. Der Gesamtbefund spricht damit recht deutlich dafür, daß die Erwähnung Reguels in 2,18 jünger ist als die ab 3,1 folgenden Jitrobelege. Der Bearbeiter, der den Namen in die Mosebiographie einschaltete, fand dabei in Ex 2,18 den buchstäblich letzten Platz. Allein hier, vor dem nun zur Apposition degradierten ¨¢, ließ sich der Name integrieren, wollte man ohne gravierendere Eingriffe in den Text gleichwohl unmißverständlich deutlich machen, daß der in Num 10,29 erwähnte Reguel mit dem nachmaligen Schwiegervater des Mose identisch ist.243
Die biblischen Textzeugen lesen an der betreffenden Stelle durchgängig ²§¨³ und lassen den Eigennamen aus. 241 Auch die Etymologie des Namens hilft hier nicht weiter, denn ‚Jetro‘ führt nach KNAUF, Midian, 91, wie etwa auch ‚Reguel‘ „in den Bereich der alt- und gemeinwestsemitischen Namengebung.“ 242 Vgl. die Ausführungen unter IX. 243 Der Prieser von Midian tritt innerhalb von Ex 2,16-22 in vier Versen in Erscheinung: Ex 2,16.18.20.21. Hätte man den Namen in 2,16 (³©«²¨¢§¨¤¥) einschalten wollen, so 240
3. Der Aufbruch Moses vom Gottesberg (Ex 4)
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3.3. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 4,21-23) Der programmatische Vorausblick auf den Plagenzyklus und die Tötung der Erstgeburt (Ex 4,21-23) gehört zu den jüngsten Zusätzen zur Exoduserzählung. Der literarisch einheitliche Abschnitt setzt die in 4,1-9 berichtete Ausstattung Moses mit Wunderzeichen voraus, die nun entgegen ihrer ursprünglichen Funktion nicht mehr mit den vor den Israeliten zu wirkenden Erweiswundern (4,30b), sondern mit den ägyptischen Plagen identifiziert werden. Damit wird konsequent die in 4,17.20b angelegte Linie weitergeführt, wo das Stabmotiv wie gesehen als Brücke zwischen den innerisraelitischen Erweiswundern und der Nilpest eingeführt wurde, die nun als Wundertat des Mose gilt (7,15b.17*.20*). Mit 4,17.20b ist in Ex 4,21-23 nach der obigen Analyse notwendig auch die Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose vorausgesetzt (4,10-16), was sich durch die folgende Beobachtung bestätigt: Wenn JHWH in 4,21aĮ auf die Rückkehr Moses nach Ägypten vorausblickt (§¢±¯§ ²¥ £³¤¥ ²§ ¥ ¢ ±§¢), so setzt dies voraus, daß sich Mose zu diesem Zeitpunkt noch am Ort der Offenbarung befindet. Damit entsteht eine deutliche Spannung zur direkt vorangehenden, vorpriesterschriftlichen Rückkehrnotiz (4,20aȕ), was sich allein so erklärt, daß der Ergänzer in 4,21aĮ bereits die nachträgliche Verlegung des Zusammentreffens zwischen Mose und Aaron an den Gottesberg (4,14b.27) im Blick hat. Vorausgesetzt ist überdies der nochmals jüngere Aufbruchsbefehl aus 4,19 (¦¢±¯§ ² £¥), auf den JHWH in 4,21 wörtlich Bezug nimmt (§¢±¯§²¥£³¤¥). Die Aufforderung JHWHs, Mose solle bei seiner Rückkehr nach Ägypten zusehen, alle in seine Hand gegebenen Erweiswunder vor dem Pharao zu vollbringen (4,21aȕȖ: «±¢©¥¦³¢²«£¢¢³§²±²¦¢³§¥¤±), schlägt einen Bogen zwischen der in 4,1-20 vorangehenden Szene und der priesterschriftlichen Abschlußnotiz in 11,10. War in 4,17 noch davon die Rede, Mose werde mit seinem Stab ‚die Zeichen‘ (³³ ³) vollbringen, so nimmt die in 4,21aȕȖ gewählte Formulierung gezielt auf 11,10a Bezug, wo es heißt, Mose und Aaron hätten ‚all diese Erweiswunder vor dem Pharao vollbracht‘ («± ¢©¥ ¥ ¦¢³§ ¥¤ ³ ²« ¨± ²§). Ex 4,21a überführt diese Aussage in eine programmatische Ankündigung, die sämtliche bis Ex 11 folgenden Plagen als exklusive Wundertaten Moses verstanden wissen will, zu denen dieser zuvor von JHWH ermächtigt wurde. Dabei hat der Verfasser in der Ermächtigungsaussage geschickt wäre dies nur vor der ‚Berufsbezeichnung‘ möglich gewesen, die folglich von der Präposition hätte getrennt werden müssen (¨¢§¨¤¥«±¥). In 2,20 wäre es zwar ein Leichtes gewesen, den Namen dem einleitenden ±§¢ nachzuschalten (¥«±±§¢), doch hätte dies die Identität des Subjekts im Unklaren gelassen – Reguel wäre schlicht vom Himmel gefallen. Dasselbe Problem hätte sich ergeben, hätte man ¥«± als Apposition hinter ²¢³ in 2,21 ergänzt. Es blieb folglich allein 2,18.
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Formulierungen aus den direkt vorangehenden Versen kombiniert, indem er die Ausstattung Moses mit dem Wunderartefakt des Stabes (4,17.20b: Stichwort ¢) im Sinne der Befähigung Aarons zum Sprecher (4,15aȕ: ¢¦¢±³³§²) reformulierte, so daß nun von den Wundern die Rede ist, die Mose von JHWH in die Hand gelegt wurden (¢³§² ±² ¦¢³§ £¢). Die priesterschriftliche Abschlußnotiz zum Plagenzyklus (Ex 11,10) hat auch für 4,21b Pate gestanden, wo der Beauftragung Moses die Ankündigung auf dem Fuße folgt, die Plagen würden den Pharao nicht zum Einlenken bringen, da JHWH selbst dessen Herz verstockt (³ ° ¢© ¦«³ ¥²¢¥¥; vgl. 11,10b: ¢©³ ¥²¥«±¥³¢° ¢ ¯±§ ¥±²¢). Während der Leser durch 11,10 erst im Nachhinein erfuhr, daß die Erfolglosigkeit der Plagen dem Willen JHWHs entspricht, wird dieser Gedanke in 4,21 betont an den Anfang der Ereigniskette gestellt, so daß die Programmatik des Plagenzyklus von Anfang an klar zutage tritt. Der in 11,10 angelegten Zäsur entsprechend läuft alles von Anfang an auf die Tötung der Erstgeburt heraus, die in 4,22f. in den Blick genommen wird: Nachdem Mose, wie von JHWH vor(her)gesehen, als Wundertäter gescheitert ist, soll er dem Pharao den letzten Schlag ankündigen, der nun von JHWH selbst ausgeführt wird und den Auszug erzwingt. Der Verfasser von 4,21-23 führt so die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (11,4-8) erstmals explizit auf eine Anordnung JHWHs zurück und korrigiert gleichzeitig die krumme Ereignisfolge aus Kap. 11, wo die besagte Ankündigung textgenetisch bedingt vor dem summarischen Rückblick auf das Scheitern der Plagen (11,10) zu stehen gekommen war.244 In 4,22f. findet sie ihren der Ereignissequenz angemessenen Platz hinter dem 11,10 entsprechenden Vorausblick in 4,21. Während sich der Verfasser in Ex 4,21 auch sprachlich eng an seiner Vorlage in 11,10 orientierte, hat er den Auftrag, die Tötung der Erstgeburt anzukündigen (4,22f.), im Vergleich zu dem in 11,4-8 vorgefundenen Ausführungsbericht deutlich modifiziert. Der Schlag richtet sich nicht mehr unterschiedslos gegen die menschliche und tierische Erstgeburt (so 11,5), sondern zielt exklusiv auf den erstgeborenen Sohn des Pharao (4,23b: £±¤ £© ³ ± ¢¤© ©). Den Grund für diese Zuspitzung bildet die in 4,22bȕ explizierte Vorstellung, Israel sei JHWHs erstgeborener Sohn (¥±²¢ ¢±¤ ¢©). Wenn sich der Pharao weigert, der Forderung JHWHs nachzukommen und Israel ziehen zu lassen (4,23a: ¥²£¢¥±§ ¥²¥ ¨§³ ¢©«¢ ¢© ³), so trifft ihn mit der Tötung seines eigenen Erstgeborenen (4,23b) die passende Sanktion. Die in 4,22f. etablierte Perspektive hat die ätiologische Begründung der Erstgeburtsopfer aus 13,15 zum Hintergrund. Von hier stammt sowohl die sonst nicht bezeugte Rede 244
Vgl. die Ausfürhungen unter VI. 2.4.
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von einer ‚Ermordung‘ (±) des Erstgeborenen (4,23b; 13,15aĮ) als auch die Fokussierung auf den erstgeborenen Sohn, die aus der Bestimmung abgeleitet wurde, alle männliche Erstgeburt zu opfern (13,15bĮ: ¢©¨¤¥« ¦¢±¤¦ ±±¡¥¤¢¥ ), den erstgeborenen Sohn aber durch ein tierisches Opfer auszulösen (13,15bȕ: ¢© ±¤ ¥¤). Dabei wird mit der Bezeichnung Israels als ¢±¤ ¢© eine theologische Spitzenaussage zum Verhältnis zwischen JHWH und seinem Volk getroffen, die inneralttestamentlich ihre einzige sprechende Parallele in Jer 31,9b findet (¢³¢¢ ¢¤ ¢±¤ ¦¢± ¥ ¥±²¢¥; vgl. Jer 2,3). Wirkungsgeschichtlich bedeutsam wurde das Motiv erst in späterer Zeit.245 3.4. Das Attentat auf Moses Erstgeborenen (Ex 4,24-26) An den summarischen Ausblick auf Plagen und Tötung der Erstgeburt (Ex 4,21-23) schließt sich in 4,24-26 ein Abschnitt an, der in der Auslegungsgeschichte zu unzähligen Spekulationen Anlaß gegeben hat.246 Das archaisch anmutende Stück über einen Anschlag JHWHs, der dadurch abgewendet wird, daß Zippora ihren Sohn beschneidet, ist allerdings wie die meisten vergleichbaren Passagen nicht besonders alt, sondern eine späte midraschartige Bildung.247 Sie setzt die Ankündigung JHWHs, den erstgeborenen Sohn des Pharao zu töten (4,23), bereits voraus und schließt hieran einen Mordanschlag auf den Sohn des Mose an.248 Die Annahme, der Anschlag sei gegen Mose selbst gerichtet,249 ist dagegen ein bereits von m explizierter, zählebiger Irrtum, der durch die literarkritische oder überlieferungsgeschichtliche Isolierung des Passus250 von seinem direkten Vorkontext befördert wurde, welche viele der Rätsel, die die Passage den Interpreten bis heute aufgibt, allererst hervorgebracht hat. So ist man ohne 245
Vgl. die Belege in Sir 36,17; Jub 2,20; 19,29; PsSal 18,4; 4 Esra 6,58. Vgl. den forschungsgeschichtlichen Überblick bei HOUTMAN, Exodus I, 439-447. 247 Dies vermutet bereits LEVIN, Jahwist, 332, geht aber unzutreffend davon aus, der Abschnitt behandle die Beschneidung des Mose. 248 So bereits MORGENSTERN, Bloody Husband, 66-70. Ferner KOSMALA, Bloody Husband, 22, wobei allerdings vorausgesetzt ist, daß mit Ex 4,24-26 ein älteres Traditionsstück vorliegt. Vgl. BELTZ, Marginalie, 209-211, der das Attentat ebenfalls auf den Mosesohn bezieht, allerdings unzutreffend von einem Textanschluß an 4,20a ausgeht und für 4,25 die wenig überzeugende Erklärung anführt, Zippora berühre „mit dem Präputium die Pudenda des Kultbildes oder des Gottes“ (a.a.O., 210). 249 So durchgängig in den folgenden Kommentaren: JACOB, Buch Exodus, 99-103; NOTH, ATD 5, 35f.; CASSUTO, Commentary, 58-61; CHILDS, OTL 103; HOUTMAN, Exodus I, 432449; W.H. SCHMIDT, BK.AT, 218-234; FISCHER/MARKL, NSK.AT 2, 76-78. Vgl. ferner WELLHAUSEN, Prolegomena, 338; H. SCHMID, Mose, 31f.; WEIMAR, Berufung, 284-290; KNAUF, Midian, 151; BLUM, Zippora, 41-54; RICHTER, Blutbräutigam, 433-441; EMBRY, Endangerment, 177-196. 250 Vgl. etwa die Spekulationen über den Sagencharakter des Stücks bei GRESSMANN, Mose, 56-61; NOTH, ATD 5, 35f.; W.H. SCHMIDT, BK.AT, 218-234. 246
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den Vorkontext in 4,21-23 zu der eigentümlichen Annahme gezwungen, ein völlig unmotivierter Anschlag JHWHs gegen den namentlich in 4,2426 nirgends erwähnten Mose werde auf unerklärliche Weise durch die Beschneidung des Sohnes abgewendet. Damit nicht genug, müßte man ferner damit rechnen, daß in 4,21-23 nachträglich eine Passage zwischen 4,20 und 4,24 eingeschrieben wurde, die mit der Tötung des erstgeborenen Sohnes des Pharao ein Motiv einführte, dessen unbestreitbare thematische Nähe zu dem in 4,24-26 folgenden Abschnitt rein zufällig wäre.251 Daß sich die Dinge genau umgekehrt verhalten, Ex 4,24-26 also die jüngere Fortsetzung von 4,21-23 ist, liegt schon in Anbetracht der notierten Aporien auf der Hand und läßt sich durch die folgenden Beobachtungen zusätzlich stützen. So setzt die Verortung der Ereignisse ‚auf dem Weg, in der Herberge‘ (4,24aĮ: ¨¥§ £± ¢¢) voraus, daß sich Mose mit seiner Familie noch auf dem Rückweg nach Ägypten befindet, was nur dann verständlich ist, wenn der Abschnitt nicht auf die Vermeldung der Rückkehr in 4,20aȕ, sondern auf 4,21-23 folgte, wo mit dem Vorausblick auf die Rückkehr (4,21) die Ankunft in Ägypten wieder in die Zukunft verlegt wird. Daß 4,21-23 als Hintergrund von 4,24-26 unentbehrlich sind, zeigt sich auch daran, daß die Notiz, Zippora habe ‚ihren Sohn‘ (©) beschnitten (4,25), im Horizont von 4,20aĮ mißverständlich ist, denn dort wird berichtet, Mose habe sich in Begleitung mehrerer Söhne (¢©) auf den Rückweg gemacht. Die unspezifische Rede vom Sohn Zipporas (4,25) erklärt sich allein dann, wenn mit 4,23 klar war, daß es sich dabei um den Erstgeborenen aus ihrer Verbindung mit Mose handelt. Thematischer Anknüpfungspunkt für die Einschreibung des JHWH-Attentats war die in 4,23 vorausgehende Ankündigung der Tötung des erstgeborenen Sohnes. Ursprünglich als von Mose an den Pharao zu übermittelnde Botschaft JHWHs konzipiert, interpretierte der Verfasser von 4,2426 die Drohung als an Mose selbst adressiert: ‚Siehe, ich töte deinen erstgeborenen Sohn‘ (£±¤£© ³ ±¢¤© ©). Die so verstandene Drohung ließ er in 4,24 sogleich Realität werden, indem er notierte, daß JHWH ‚ihm‘, also dem zuvor genannten Sohn, auf dem Rückweg entgegentrat, um ihn zu töten (³¢§ ²°¢ ¢ ²¢ ¨¥§ £± ¢¢).252 Da das Attentat
251 Das Problem läßt sich nicht dadurch lösen, daß man Ex 4,21-23 zum Zeugen „einer bestimmten Auslegung unseres Abschnitts [sc. von 4,24-26]“ erklärt (BLUM, Zippora, 54, Anm. 40; ähnlich DERS., Verbindung, 134, Anm. 69), denn die Verse zielen ausdrücklich nicht auf 4,24-26, sondern auf die Tötung der Erstgeburt in Ex 12. Die unbestreitbare thematische Nähe zwischen 4,21-23 und 4,24-26 ist textgenetisch nur so zu plausibilisieren, daß letzterer Abschnitt ersterem nachgeschaltet wurde. 252 Die Formulierung in Ex 4,24bĮ ist aus dem in Ex 4,27 geschilderten Zusammentreffen mit Aaron entlehnt (¦¢¥±²¢). Ferner berührt sich 4,24bȕ mit 2,15aȕ (±¥²°¢ ²§ ³) und 4,19b (£²© ³ ¦¢²°§ ¦¢²© ¥¤ ³§ ¢¤), doch läßt dies eben nicht den
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durch die Beschneidung des Sohnes abgewendet wird (4,25f.), kann die Motivation JHWHs, den Sohn zu attackieren, nur darin liegen, daß dieser unbeschnitten ist. Die einzige vergleichbare Problemkonstellation findet sich in Jos 5,2-9, wo Josua die Söhne der Israeliten beschneidet, die während der Wüstenwanderung geboren und unbeschnitten geblieben waren (5,5.7). Dabei sind die beiden Texte so eng miteinander verknüpft, daß von einer literarischen Abhängigkeit auszugehen ist: Hier wie dort findet die Beschneidung in einer Übergangssituation statt (Ex 4,24-26: Rückkehr nach Ägypten; Jos 5,2-9: Eintritt ins Land), wobei jeweils die alttestamentlich sonst nicht belegte Verwendung von steinernen Werkzeugen berichtet wird (Jos 5,2f.: ¦¢±¯³± ; Ex 4,25: ±¯).253 Das literarische Gefälle verläuft eindeutig von Jos 5,2-9 zu Ex 4,24-26,254 denn das Beschneidungsmotiv erfüllt in den Vorbereitungen zur Seßhaftwerdung eine sinnvolle Funktion, die gegenüber seiner konstruierten Verbindung mit dem Mosesohn sicherlich ursprünglich ist. Seine Übertragung nach Ex 4 verdankt sich dem schriftgelehrten Bemühen um typologische Angleichungen zwischen Exodus- und Landnahmeerzählung. Waren mit dem Passa (Jos 5,10-12; vgl. Ex 12) und dem Auftreten des Himmlischen Heerführers (Jos 5,13-15; vgl. Ex 3) bereits zwei zentrale Motivkomplexe der Exoduserzählung nach Jos 5 übertragen worden, so verläuft der Prozeß beim Beschneidungsmotiv in die umgekehrte Richtung. Der Verfasser von Ex 4,24-26 nutzte die ihm durch 4,23 gebotene Möglichkeit, um einen Angriff JHWHs auf den Erstgeborenen des Mose zu konstruieren, in dem sich das Beschneidungsmotiv erzählerisch verankern ließ. Kann in Jos 5,2-9 noch nach dem Jordandurchzug das Versäumnis nachgeholt werden, daß man die Söhne auf dem Weg nicht beschnitten hatte (5,7bȕ: £± ¦³¥§ ¥¢¤; vgl. 5,4.5), so wird die Situation in Ex 4,24 dahingehend verschärft, daß sich das Attentat JHWHs noch auf dem Weg (£± ¢¢) ereignet,255 ein weiterer Aufschub der Beschneidung also nicht möglich war.256 Es ist daher nur folgerichtig, daß Zippora in 4,25aĮ die Beschneidung ihres Sohnes mit einem scharfen Stein (±¯) vornimmt,
Schluß zu, daß sich das Attentat auf Mose bezieht. Zu den notierten Querbezügen vgl. JACOB, Buch Exodus, 101. 253 Vgl. zu den Parallelen BLUM, Beschneidung, 310. 254 Vgl. EISSFELDT, Hexateuch-Synopse, 31f. 255 Die Bezüge notiert auch CASSUTO, Commentary, 59. 256 Mit der näheren Verortung des Attentats ‚in der Herberge‘ (¨¥§) dürfte dabei bereits gezielt auf die Beschneidungsthematik (¥§) angespielt werden; vgl. GRESSMANN, Mose, 58, Anm. 4, unter Verweis auf einen brieflichen Hinweis GUNKELs.
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denn in der gebotenenen Eile war für die in Jos 5,2f. gebotene Anfertigung steinerner Messer (¦¢±¯³± ) natürlich keine Zeit.257 Das in Ex 4,24-26 eingeschriebene Erzählstück kommt damit als eine späte schriftgelehrte Konstruktion in den Blick, die primär dem Bestreben um die Etablierung makrokontextueller Symmetrien geschuldet ist.258 Daß im Unterschied zu Jos 5 die halachische Dimension keine Rolle spielt, zeigt sich etwa auch daran, daß der Frage nach der Beschneidung von Moses zweitem Sohn bzw. weiteren Söhnen, geschweige denn der Frage nach der Beschneidung Moses selbst, nicht weiter nachgegangen wird. Der Verfasser bewegt sich ganz im Horizont seiner inhaltlichen Vorgabe aus Ex 4,23, die eine Bedrohung nur für den Erstgeborenen geltend macht, weshalb auch nur der Erstgeborene des Mose von JHWH attackiert und durch die Beschneidung gerettet wird. Dabei führt Zippora nicht allein die Beschneidung durch (4,25aĮ: © ³¥±« ³ ³±¤³ ±¯ ±¯ °³), sondern vollzieht zudem einen apotropäischen Schutzritus, indem sie mit der abgeschnittenen Vorhaut die Füße ihres Sohnes berührt (4,25aȕ: ¢¥±¥ «³). Was ungemein archaisch wirkt und in der Tat eine lange Vorgeschichte in entsprechenden Riten haben könnte, ist literarhistorisch von der Blutapplikation an den Eingangsbereichen der Häuser der Israeliten inspiriert (Ex 12,22),259 die diese als Schutzräume markiert und den Tod der israelitischen Erstgeborenen ebenso verhindert wie der in 4,25aȕ geschilderte Ritus den Tod von Moses erstgeborenem Sohn. Bevor Ex 4,26a knapp notiert, daß JHWH von dem beschnittenen Mosesohn abläßt (©§§ ¬±¢), ergreift Zippora in 4,25b das Wort und spricht diesen als ihren ¦¢§¨³ an (¢¥³¦¢§¨³ ¢¤±§³). Es ist unbestreitbar, daß die Formulierung auf die Beschneidung anspielt und erzähltechnisch eine Besiegelung des zuvor beschriebenen Ritus markiert.260 Ihr
257 Im Vergleich mit Jos 5 erweisen sich die immer wieder hervorgehobenen Parallelen von Ex 4,24-26 zum Jakobskampf am Jabbok (Gen 32,23-33) als weit unspezifischer. Sie beschränken sich auf das Motiv eines Angriffs auf dem Weg, der in Gen 32 seine ursprüngliche erzählerische Funktion in der Vorbereitung einer Etymologie des Jakobsnamens hat. Nichts davon spielt beim Attentat auf Moses Sohn eine Rolle. 258 Dasselbe ließe sich etwa für die Erzählung über die Amalekiterschlacht (Ex 17,8ff.) geltend machen, die, wie ich an anderer Stelle zu zeigen hoffe, vor allem als Gegenstück zu Num 20 verfaßt wurde. 259 In beiden Fällen (Ex 4,25; 12,22) wird der schützende Ritus mit «© Hifǥil umschrieben. Zu diesem bereits von Ibn Esra (ad loc.) notierten Bezug vgl. WEIMAR, Berufung, 288f.; BLUM, Zippora, 52f.; FISCHER/MARKL, NSK.AT 2, 77. 260 Dies wird zu Recht von WEIMAR, Berufung, 288f.; BLUM, Zippora, 44f., betont, und kommt auch in g klar zum Ausdruck, wo der Übersetzer den ihm vermutlich unverständlichen Aussagezusammenhang in 4,25 so wiedergegeben hat, daß Zippora vor dem in 4,24 eingeführten Engel mit den Worten niederfällt ‚Hier ist das Blut der Beschneidung meines Kindes‘. In 4,26b wird dann dieselbe Formulierung noch einmal zitiert und explizit als Grund
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genauer Sinngehalt bleibt freilich im Dunkeln, denn die geläufige Übersetzung ‚Blutbräutigam‘ ist bezogen auf den Sohn Zipporas nicht minder unbefriedigend als bezogen auf Mose, welch letzterer nach mehreren Ehejahren kaum mehr adäquat als Bräutigam bezeichnet werden konnte.261 Auffälligerweise war die Rede vom ¦¢§ ¨³ auch dem Verfasser (oder einem späteren Ergänzer) erklärungsbedürftig, der den Ausdruck in 4,26b erläutert, indem er ihn explizit mit der Beschneidung in Verbindung bringt.262 Dabei darf nicht übersehen werden, daß der Halbvers keine allgemeine ätiologische Erklärung gibt (‚damals sagte man‘ – ±§), sondern ganz im Rahmen der Erzählung bleibt, indem er das Verhalten Zipporas erläutert:263 ‚Damals sagte sie ¦¢§¨³ wegen der Beschneidung‘ (±§ ³¥§¥ ¦¢§ ¨³ ).264 Daß in Ex 4,26b die Wortwahl einer Midianiterin erläutert wird, ist dabei alles andere als unerheblich, denn ۊatana bedeutet im Arabischen ‚beschneiden‘! Es ist daher ernsthaft zu erwägen, daß der Erzähler in 4,25 schlicht midianitisches Lokalkolorit verwendete und Zippora das Attentat in der Sprache ihrer Landsleute abwehren ließ: „A bloodcircumcised art thou with regard to me“265. 3.5. Ergebnis Der literarische Grundbestand von Ex 4 findet sich in der knappen vorpriesterschriftlichen Notiz in 4,18aĮ1.20aȕ (I), die einst direkt an den Grundbestand der Dornbuschszene in 3,1-10* anschloß und vermeldete, wie Mose auf direktem Weg nach nach Ägypten zurückkehrte. Alles weitere gehört dagegen bereits in eine fortgeschrittene nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase der Exoduserzählung. Am Anfang steht die Instruierung der Ältesten in 4,29*.31b (II), deren Verfasser sich auch für die hiermit verfür die Verschonung des Sohnes genannt (CHN SHÉDHODM); vgl. KOSMALA, Bloody Husband, 27f. Zum Verhältnis zwischen j und g vgl. grundlegend W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 217. 261 Auch die etwa von BLUM, Zippora, 45-49, erwogene Alternative, ¦¢§¨³ als „Blutsverschwägerter“ zu übersetzen, kann nicht überzeugen, denn „der Gebrauch von ¦¢§¦“ ist, wie von BLUM, a.a.O., 47f., selbst eingeräumt, „für die Bezeichnung der »Blutsverwandtschaft« gerade nicht idiomatisch.“ 262 Ob in Ex 4,26b ein jüngerer Zusatz vorliegt (vgl. etwa WEIMAR, Berufung, 78f.), läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Der Halbvers klappt zwar nach, bildet aber andererseits mit 4,21a einen Rahmen um das Erzählstück, insofern im abschließenden ³¥§¥ die Ortsangabe ¨¥§¥ am Ende von 4,21a anklingt (vgl. BLUM, Zippora, 43, Anm. 11). Dies läßt sich als Indiz für die Ursprünglichkeit von 4,26b werten. 263 Ebenso BLUM, Zippora, 51, im Anschluß an CHILDS, OTL, 100f. Anders etwa COATS, FOTL IIa, 45f., der Ex 4,24-26 wie schon WELLHAUSEN, Prolegomena, 338f., als Ätiologie der Beschneidung mißdeutet. 264 Zur Wiedergabe des hapax legomenon ³¥§ als Abstraktplural mit der Bedeutung ‚Beschneidung‘ vgl. BLUM, Zippora, 50, Anm. 33. 265 KOSMALA, Bloody Husband, 27. Zum arabischen Hintergrund des Ausdrucks vgl. auch KNAUF, Midian, 151.
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bundenen Passagen 3,16-20*; 5,3f.* verantwortlich zeichnet. In einem nächsten Schritt (III) lagerten sich hieran die beiden Beglaubigungszeichen in 4,1-4.6-8 an, die Mose vor den Augen des Volkes wirkt (4,30b), um so im Vorgriff auf 14,31b dessen Glauben zu wecken (4,31a). Daß der Gegenstand dieses Glaubens die Identität des Vätergottes ist, wurde in 4,5 erst von einer späteren Hand ergänzt, die ihre Spuren auch in 3,4b.6a.15.16aȕ hinterlassen hat (IV). Die Entwicklung von Ex 4 nahm ihren Fortgang in 4,10.11*.13.14a.15f. (V), wo Aaron nach dem Vorbild von Ex 7,1f. zum Sprecher des Mose vor den Israeliten eingesetzt wird. Von derselben Hand stammt der Ausführungsbericht in 4,28a.30a sowie die Anpassung von 4,29 an die um Aaron erweiterte Perspektive. In der Ausweitung der rhetorischen Frage aus 4,11a* (ab ¢§) wird ein nicht näher kontextualisierbarer Nachtrag greifbar (V+). Die redaktionelle Hauptlinie setzt sich in Ex 4,28b fort (VI), wo Aaron nun explizit auch mit der Ausführung der Beglaubigungszeichen betraut wird, für die er sich durch die Vorschaltung von 4,30a vor 4,30b streng genommen ohnehin schon verantwortlich zeichnete. Aaron erhält damit ausdrücklich auch gegenüber den Israeliten jene Doppelrolle als Sprecher und Wundertäter, die er nach der älteren priesterschriftlichen Darstellung in 7,1-13* vor dem Pharao einnahm. Es war daher nur konsequent, wenn die Instruierung Aarons über die betreffenden Worte und Zeichen in einem nächsten Schritt (VII) mit dem Gottesberg direkt an den Ort verlegt wurde, an dem sie Mose offenbart wurden (4,14b.27). Sind die Schichten V-VII durch eine sukzessive Aufwertung der Aarongestalt gekennzeichnet,266 so setzt mit der ‚Stabbearbeitung‘ in 4,17.20b (VIII) eine Gegenbewegung ein, die erneut Mose ins Zentrum rückt. Der hier tätige Bearbeiter, dessen Spuren sich im weiteren Textverlauf bis Ex 17 verfolgen lassen, reklamiert die Zeichen wieder exklusiv für Mose und kreiert eine Sequenz mosaischer Stabwunder, welche zwischen den beiden Aufenthalten am Gottesberg (Ex 3f.; 19ff.) überbrückt. Im Horizont der ‚Stabbearbeitung‘ liegt auch die Ergänzung des dritten Begaubigungszeichens in 4,9 (VIII+), welches sich aus der Nilpest speist und damit noch engere Bande zwischen den Beglaubigungszeichen und der ersten Plage knüpft, in der der Stab des Mose zum Einsatz kommt (7,15b.17b.20a). Das Zusammentreffen der Brüder am Gottesberg (VII) und die von der ‚Stabbearbeitung‘ (VIII) eingeführte Verbindung zwischen den beiden Aufenthalten an diesem Ort bilden ihrerseits den Hintergrund für einen späteren Bearbeiter, der in Ex 18,1-27* dem Schwiegervater des Mose zu seinem großen Auftritt am Fuße des Sinai verhilft. Um dieses Zusammentreffen zwischen Jitro und Mose zu antizipieren, schaltete er in 4,18aĮ2b.20aĮ einen Abstecher des Schwiegersohns zu seinem Schwiegervater ein 266
Ähnlich bereits GRESSMANN, Mose, 50.
3. Der Aufbruch Moses vom Gottesberg (Ex 4)
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(IX), von dem aus sich Mose nun gemäß des älteren Folgekontextes (4,20aȕ) auf den Rückweg nach Ägypten macht. In diese erweiterte Rückkehrnotiz wurde von nochmals späterer Hand die knappe JHWH-Rede in 4,19 eingeschaltet (X), die Moses Aufbruch auf eine göttliche Anordnung zurückführt. Auf diese Anordnung wird in 4,21-23 ausdrücklich Bezug genommen, was die hier bezeugte JHWH-Rede als nochmals jüngere Einschreibung erweist (XI). Die Verse etablieren im Horizont der ‚Stabbearbeitung‘ eine programmatische Perspektive auf den Plagenzyklus und die Tötung der Erstgeburt, mit deren Ankündigung Mose hier bereits betraut wird. Die in 4,23b verwendete Formulierung ‚Siehe, so töte ich deinen erstgeborenen Sohn‘ bot dabei einem letzten Ergänzer den Anknüpfungspunkt für die Hinzufügung der Szene in 4,24-26 (XII). Er bezog die Aussage auf Mose selbst und schuf mit dem Attentat JHWHs auf Moses Erstgeborenen und der Abwendung des Angriffs durch dessen Beschneidung ein makrokontextuelles Gegenstück zur Beschneidungsszene in Jos 5,2-9. Übersicht: Die Genese von Ex 4 III
4,1-4: Moses erstes Beglaubigungszeichen IV
III
4,5: Der Glaube an den Gott der Väter (= Ex 3,4b.6a.15.16aȕ)
4,6-8: Moses zweites Beglaubigungszeichen VIII+ V
4,9: Moses drittes Zeichen
4,10.11a(bis ¦¥)b.13.14a.15.16: Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose V+
4,11a(ab ¢§): JHWH und die menschliche Wahrnehmung 4,14b: Ankündigung des Zusammentreffens beim Gottesberg
VII
VIII I
4,17: Aufforderung zur Mitnahme des Stabes
4,18aĮ1: Mose bricht vom Dornbusch auf. 4,18aĮ2-b: Moses Abstecher zu Jitro (= Ex 18,1-27*)
IX
X
IX I
4,19: JHWH ordnet die Rückkehr nach Ägypten an. (ĸ Ex 2,13f.)
4,20aĮ: Mose bricht mit seiner Familie auf.
4,20aȕ: Mose kehrt nach Ägypten zurück. VIII
4,20b: Mose nimmt den Stab mit. 4,21-23: Beauftragung zur Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (ĸ Ex 11,4-8)
XI
4,24-26: Das Attentat auf Moses Erstgeborenen (ĸ Jos 5,2-9)
XII
Kapitel III: Mose zwischen Ägypten und Midian (Ex 2-4)
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VII V
4,28a: Mose übermittelt JHWHs Worte an Aaron. VI
II
4,28b: Mose übermittelt Aaron auch die Zeichen.
4,29*(ohne Aaron): Mose versammelt die Ältesten. (= Ex 3,16-20*; 5,3f.*)
III II
4,27: Mose und Aaron treffen sich beim Gottesberg.
V
4,29*: Ergänzung Aarons
V
4,30a: Aaron instruiert die Israeliten.
4,30b.31a: Moses Zeichen wecken den Glauben der Israeliten.
4,31b: Die Reaktion der Ältesten
Kapitel IV
Der erste Auftritt vor dem Pharao und die Verschärfung der Fron (Ex 5,1-6,1) 1. Analyse Während Ex 5 in der Vergangenheit verschiedentlich als ältester Kern der Exoduserzählung bezeichnet werden konnte,1 haben jüngere Analysen gezeigt, daß das Kapitel in Gänze für deren literarischen Grundbestand ausfällt.2 Die Wachstumsgeschichte von Ex 5 beginnt mit dem Auftritt Moses vor dem Pharao in 5,1f.*, der einst direkt an 4,20aȕ anschloß und seine Fortsetzung zunächst mit der Tötung der Erstgeburt (12,29a) und in einem weiteren Schritt mit den vorpriesterschriftlichen Plagen in 7,14ff. fand.3 Bereits nachpriesterschriftlich ist die Erweiterung um den von Mose und den Ältesten vorgebrachten Vorwand, zu einem Opferfest in der Wüste aufbrechen zu wollen (5,3f.*).4 Sie ist Teil der Bearbeitungsschicht, die in 3,16-20* ihren Auftakt hat und in 8,4b.21b-24a ihre Fortsetzung findet. Mit der abschlägigen Reaktion des Pharao und der Aufforderung, zu den Fronarbeiten zurückzukehren (Ex 5,4*), fand dieser Auftritt der israelitischen Emissäre am ägyptischen Hof seinen Abschluß, wobei über das Stichwort ³¥ª auf die priesterschriftliche Offenbarungsszene vorbereitet wurde, die in 6,2ff. unmittelbar anschloß. Das in 5,5-6,1 breit ausgemalte Motiv einer Verschärfung der Fron wurde dagegen erst nachträglich in den Textzusammenhang zwischen 5,4* und 6,2 eingestellt.5
1 So etwa NOTH, ATD 5, 40f.; WEIMAR/ZENGER, Exodus, 27-36. Vgl. SMEND, Jahwekrieg, 90-92; FLOSS, Jahwe dienen, 201-213; ALBERTZ, Religionsgeschichte I, 71f. 2 Vgl. LEVIN, Jahwist, 330-333; GERTZ, Tradition, 335-345. 3 Vgl. die Ausführungen unter III. 2.1. und VI. 1.1. 4 Der Vorwand ist auch in Ex 5,1bȖ vorausgesetzt, wird hier allerdings mit dem Motiv des Wallfahrtsfestes ( ) aus den Auszugsverhandlungen in Ex 10 zu der Aussage zusammengezogen, man wolle für JHWH in der Wüste ein Fest feiern (±§ ¢¥ ¢). Der in 5,1bȖ tätige Ergänzer versucht auf diese Weise, die unterschiedlich akzentuierten Auszugsverhandlungen am Anfang und am Ende des Plagenzyklus nachträglich in ein homogenes Gesamtkonzept zu integrieren und dieses bereits beim ersten Auftritt vor dem Pharao programmatisch zur Sprache zu bringen. 5 Vgl. die Ausführungen unter III. 2.3.
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Kapitel IV: Die Verschärfung der Fron (Ex 5,1-6,1)
In Ex 5,5 greift der nun im Unterschied zu 5,4 durchgängig nicht mehr als ¦¢±¯§ £¥§ sondern als «± bezeichnete Herrscher über Ägypten das Stichwort ³¥ª aus 5,4 noch einmal auf, um das Ersuchen neuerlich, diesmal mit dem Hinweis auf die große Anzahl des ®± ¦« abzuweisen. Den Israeliten ist nicht weniger, sondern mehr zuzumuten, weshalb der Pharao in 5,6-9 sogleich die Verschärfung der Fronlasten anordnet.6 Die Anordnung ist an die ägyptischen Antreiber (¦¢²©) und die israelitischen Aufseher (¦¢±¡²) gerichtet, die in 5,6.10 eigentümlich beziehungslos nebeneinander stehen und sich in 5,10 anscheinend unisono an das Volk wenden. Das Nebeneinander beider Personengruppen ist nicht ursprünglich, was sich eindeutig daran zeigt, daß die Aufseher erst in 5,14 eingeführt und in Beziehung zu den plötzlich als «± ¢²© bezeichneten Antreibern gesetzt werden, die im folgenden ihrerseits keine Rolle mehr spielen. Antreiber und Aufseher standen, anders als 5,6.10 suggerieren, ursprünglich nicht nebeneinander, sondern lösten einander ab, erstere hatten ihren Platz in 5,6-13, letztere hierauf aufbauend in 5,14-20. Daß sich im Nacheinander der beiden Personengruppen auch eine literarische Entwicklung spiegelt, die um die Aufseher gestrickte Szene Ex 5,14-20 sich also erst sekundär an einen älteren Bestand in 5,6-13 anlagerte, wird man bereits in Anbetracht des Zusatzcharakters der in 5,6.10 belegten Erwähnungen der Aufseher folgern dürfen.7 Vollends klar wird der Sachverhalt, wenn man neben den terminologischen Abweichungen8 zwischen den beiden weitgehend parallel gestalteten Szenen auch den Übergang in 5,13.14 in die Betrachtung einbezieht. Schließt 5,13b mit der Aufforderung an die Israeliten, das tägliche Soll ihrer Arbeit wie früher zu erfüllen (¨³ ³¢ ±²¤ §¢ ¦¢ ± ¦¢²«§ ¥¤), so setzt 5,14 damit ein, daß die Aufseher geschlagen werden, weil man ihnen vorwirft, das vorgeschriebene Soll an Ziegeln nicht erfüllt zu haben (¦³¢¥¤ ¥ «§ ¦¢¦¥§³¦¦²¥²¥§³¤¨¥¥¦¤° ). Zwischen beiden Aussagen klafft eine erzählerische Lücke, denn von einem Scheitern der Israeliten wird nicht berichtet. Es ist in 5,14 vielmehr vorausgesetzt und wird im Rück6 Im Horizont der direkt vorangehenden, älteren Erklärung des Pharao, er kenne JHWH nicht (Ex 5,2), ergibt sich dabei eine gezielte Steigerung zu Ex 1,6-12*: Führt dort die Unkenntnis des neuen Pharao über die Person Josephs dazu, daß er die Israeliten fronpflichtig macht, so ist es in 5,2-9* die pharaonische Unkenntnis JHWHs, die zur Verschärfung der Fron führt. 7 Vgl. BAENTSCH, HK I/2, 39. Gegen WEIMAR/ZENGER, Exodus, 28f., Anm. 8, die die Erwähnungen der Aufseher für einen vorjahwistischen (!) Bestand der Exoduserzählung veranschlagen. 8 Vgl. etwa abgesehen von der bereits erwähnten singulären Begriffsverbindung «±¢²© in Ex 5,14 die Unterschiede zwischen den Bezeichnungen des zu erfüllenden Solls in 5,8 (¦¢©¥ ³©¤³§) und 5,18b (¦¢©¥ ¨¤³) sowie zwischen den Arbeitsvorgaben in 5,11b (¨¢ ¢¤ ±¦¤³«§«±©) und 5,19b (§¢¦¢±¦¤¢©¥§«±³¥).
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blick auf 5,13 einfach konstatiert. Dieser Befund ist in der sonst auf jedes Detail bedachten Darstellung derartig auffällig, daß die Annahme gemeinsamer Verfasserschaft zu verabschieden ist. Mit Ex 5,14 setzt ein späterer Ergänzer neu ein, der die zuvor geschilderte Situation weiter verschärft, indem er die Israeliten an den neuen Arbeitsauflagen scheitern läßt. Zielpunkt des in 5,14-21 greifbaren Nachtrags ist die Klage der Aufseher vor Mose und Aaron (5,20f.), der die besagten Aufseher allererst ihre literarische Existenz verdanken. Sie treten an die Stelle der ägyptischen Antreiber aus 5,6-13, die als Vertreter des Volkes gegenüber Mose und Aaron naturgemäß nicht zu gebrauchen waren. Daß von dem in 5,20f. scharf kritisierten Führungsduo in 5,22f. nur Mose reagiert, und zwar ohne mit einem Wort auf die von den Aufsehern vorgebrachte Beschwerde einzugehen, mag als letzter Beleg für den Nachtragscharakter von 5,14-21 genügen.9 In der ursprünglichen Erzählung von der Verschärfung der Fron (5,6-13*) war noch nichts vom Auftreten Aarons bekannt und Moses Klage über die miserable Situation des Volkes (5,22f.) schloß paßgenau und vollkommen sachgemäß an die Schilderung eben dieser Situation in 5,12f. an. Auf das Profil dieser Erzählung und ihre makrontextuelle Einbettung ist nun näher einzugehen. Erzählerischer Ausgangspunkt ist in Ex 5,6* eine noch ‚an diesem Tag‘ ( ¦¢), also in direktem zeitlichem Zusammenhang mit dem ersten Auftreten Moses und der Ältesten (5,3f.*) ergehende Anordnung des Pharao, die Fronlasten zu erhöhen.10 Die mit der Durchsetzung der Anordnung betrauten Antreiber der Israeliten (¦« ¦¢²©) begegnen außerhalb von Ex 5 nur noch an einer weiteren Stelle der Exoduserzählung, und zwar in einem Zusatz zu Ex 3,7b (ab ¢²© ¢©§), der aller Voraussicht nach bereits mit Blick auf Ex 5,6ff. verfaßt wurde.11 Die Antreiber sind das geistige Kind des Verfassers von 5,6-13*.22f., der sich erstmals den genaueren Modalitäten der israelitischen Fronarbeit zuwandte und um der Plausibilität der Darstellung willen eine Instanz schuf, die zwischen dem Pharao und den Israeliten vermittelte. Nicht neu erdacht, sondern aus dem älteren Bestand der Exoduserzählung abgeleitet ist das Motiv der Ziegel (¦¢©¥), das in der erweiterten priesterschriftlichen Fronnotiz Ex 1,14aĮ seinen Ursprung hat, nach der die Ägypter das Leben der Israeliten ‚durch schwere Arbeit an Lehm und Ziegeln‘ (¦¢©¥ ±§ ²° «) bitter machten. Um die Arbeit noch bitterer zu machen, ließ der Ergänzer den Pharao nun in 5,7 anordnen, die Israeliten sollten nicht mehr wie zuvor üblich mit Häcksel – also Schnittstroh – zur Fertigung der Ziegel ausgestattet werden, sondern sich das Stroh selbst sammeln (5,7b: ²²°¤¥¢¦ Ähnlich WEIMAR, Berufung, 124, Anm. 96. Zu Ex 5,5 s. im folgenden. 11 Vgl. grundlegend GERTZ, Tradition, 284, sowie die Ausführungen unter III. 2.1. 9
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¨³¦¥), ohne daß ihnen von dem bisher üblichen Soll an Ziegeln (³©¤³§ ¦¢©¥) etwas nachzulassen sei (5,8a). Die in Ex 5,8b für diese Maßnahme gegebene Begründung greift auf die Auszugsforderung aus 5,3b zurück, die der Pharao nun als ausdrücklichen Beleg für die Faulheit der Israeliten zitiert: ‚Denn sie sind faul, deshalb schreien sie: Wir wollen gehen und unserem Gott opfern!‘ (¥«¦¦¢±©¢¤ ©¢¥¥ © ¤¥© ±§¥ ¦¢°«¯ ¦ ¨¤). Daß es sich bei diesem Vorhaben um einen Vorwand handelt, wird nun in 5,9 explizit zur Sprache gebracht: Die Arbeit soll schwer auf den Leuten lasten, auf daß sie damit zu schaffen haben und nicht auf lügnerische Worte achten (5,9b: ±°²¢± «²¢¥). Mit dieser Reflexion über den Strafzweck endet die Rede des Pharao an die Antreiber,12 und was in 5,10f.* folgt, ist die getreuliche Übermittlung der Anordnungen an die Israeliten, die ihnen nach 5,12 ohne Murren Folge leisten. Das Volk zerstreut sich in ganz Ägypten, um Stoppeln für Häcksel zu sammeln (¨³¥ ²° ²²°¥ ¦¢±¯§ ®± ¥¤ ¦« ®¢), ist also bei der Umsetzung der Anordnung aus 5,7bȕ (¨³ ¦¥ ²²°) gemäß der Worte der Antreiber (5,11a: ¯§³ ±²§ ¨³ ¦¤¥ ° ¤¥ ¦³) darauf angewiesen, sich das benötigte Material mühsam von abgeernteten Feldern zusammenzusuchen. Das Drängen der Antreiber, das vorgegebene Soll auch weiterhin zu erfüllen (5,13), führt abschließend den Druck der Fronlasten plastisch vor Augen und markiert den Höhe- und gleichzeitig den Endpunkt der Szene, auf die einst die in 5,22 geschilderte Reaktion des Mose direkt folgte. Ex 5,22a berichtet, wie Mose zu JHWH ‚zurückkehrt‘ und sich an die Gottheit wendet (±§¢ ¢ ¥ ²§ ²¢). Daß man die Rückkehr dabei durchaus wörtlich zu nehmen hat, zeigt die identische Formulierung in Ex 32,31a, die Moses Wiederaufstieg auf den Gottesberg beschreibt.13 Wie wiederholt gesehen, zielen Ex 5,22-6,1 darauf, die priesterschriftliche Berufungsszene Ex 6,2ff. als Erneuerung der in Ex 3 ergangenen und durch die Verschärfung der Fron gefährdeten Verheißung JHWHs zu
12 Ex 5,9 ist als inhaltlicher Höhepunkt nicht aus der Rede des Pharao (5,6-9) wegzudenken, läßt sich allerdings auch nicht als ursprüngliche Fortsetzung von 5,4 verstehen, der erst nachträglich die Anordnungen in 5,6-8 vorangestellt wurden. Gegen diese von LEVIN, Jahwist, 330, erwogene Möglichkeit spricht, daß 5,4b mit der an die israelitischen Emissäre gerichteten Aufforderung schließt, zu ihren Fronarbeiten zurückzukehren (¦¤¢³¥ª¥ ¤¥), während in 5,9 von der Arbeit ‚der Leute‘ (¦¢²©) die Rede ist. Bei der Annahme eines ursprünglichen literarischen Zusammenhangs zwischen 5,4.9 wären die Angesprochenen in einem Moment selbst Fronpflichtige, um im nächsten außerhalb dieser Gruppe zu stehen. Nur im Horizont der Redeeröffnung in 5,6 ist die Perspektive von 5,9 mit 5,4 kompatibel, insofern nun in beiden Fällen alle Israeliten als fronpflichtig gelten. 13 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 133.
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zeichnen.14 Dies geschieht freilich nicht dadurch, daß über das ²¢ in 5,22a auf subtile Weise „eine abermalige Hinwendung Moses zu Jahwe“ angedeutet wird,15 sondern ganz konkret durch die Parallelisierung der Offenbarungsorte. Der Erzähler führt Mose in Ex 5,22a an den Ort der Gottesoffenbarung aus Ex 3 zurück, an dem er auch die von P in Ägypten verortete Berufungsszene 6,2ff. lokalisiert wissen will. Beide Szenen werden freilich nicht allein lokal, sondern auch inhaltlich miteinander vernetzt. Dies geschieht über Moses Klage (5,22b.23), die JHWHs Zusagen aus Ex 3 mit der faktischen Situation der Israeliten kontrastiert und so auf die neuerliche Verheißung in Ex 6 vorbereitet. Ex 5,22b.23 erweisen sich als planvoll komponierter Abschnitt, der in 5,22b mit einer zweifachen Anklage JHWHs einsetzt, die in 5,23 chiastisch aufgenommen und expliziert wird.16 Mose nimmt kein Blatt vor den Mund, sondern wirft JHWH vor, übel an dem Volk gehandelt zu haben (5,22bĮ: ¦«¥ ³«± §¥),17 und zweifelt an seiner Sendung (5,22bȕ: §¥ ¢©³ ¥²). Die verheerende Bilanz, die er in 5,23a zu ziehen weiß, gibt ihm anscheinend recht: Seit er zum Pharao gekommen sei, um in JHWHs Namen zu sprechen,18 habe dieser übel an dem Volk gehandelt (¢³§ ¦«¥ «± £§² ±¥). Daß der nämliche Vorwurf in 5,22bĮ JHWH gemacht werden konnte, erklärt sich von der finalen Anklage in 5,23b her: ‚Und wahrlich, du hast dein Volk nicht errettet‘ (£§« ³ ³¥¯ ¥ ¥¯). Insofern JHWH im Gegensatz zu seiner Ankündigung aus 3,8 (¥¢¯¥± ¦¢±¯§¢§) nicht rettend eingegriffen hat, kann die Verschärfung der Fron, wiewohl vom Pharao verhängt, in letzter Konsequenz als das Werk JHWHs angesprochen werden, der die üble Behandlung der Israeliten zuließ. Steht nun aber JHWH nicht zum Wort seiner Verheißung, so muß 14 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 174; GERTZ, Tradition, 345, die diese Funktion allerdings dem als einheitlich betrachteten Abschnitt 5,3-6,1 als ganzem zuweisen. 15 GERTZ, Tradition, 343, im Anschluß an DILLMANN, KEH, 52. Ebenso HOUTMAN, Exodus I, 497. Daß diese Deutung unzutreffend ist, notiert bereits JACOB, Buch Exodus, 133: „¥ ¥² verlangt unbedingt, daß irgendwohin wieder zurückgegangen, also ein mehr oder weniger langer Weg gemacht worden ist“. 16 Gegen WEIMAR, Berufung, 124, Anm. 96, der in Ex 5,22b „zwei konkurrierende vorwurfsvolle Fragen“ findet und deshalb innerhalb von 5,22f. literarkritisch differenzieren will. Zur Kritik an dieser Position, die den planvollen Aufbau des Verspaares ignoriert, vgl. bereits AURELIUS, Fürbitter, 163, Anm. 146. 17 Eine mit §¥ eingeleitete Klage Moses über JHWHs übles («±) Handeln an seinem Volk findet sich abgesehen von Ex 5,22 nur noch in der Fürbittenszene Ex 32,11-13, was AURELIUS, Fürbitter, 163, folgern läßt, daß Ex 5,22f. „wohl in gewissem Anschluß an diese Fürbitte formuliert“ worden sei. Dasselbe literarische Gefälle sei auch für die wörtliche Parallele zwischen 5,22a; 32,31a anzunehmen (a.a.O., 162). Zu ergänzen ist mit GERTZ, Tradition, 341-343, daß Moses Frage in 5,22bĮ (¦«¥³«±§¥¢©) sprachlich eng an Num 11,11 (£¢«¥³«±§¥) angelehnt ist. 18 Bezugspunkt ist das ¢±§¤ in Ex 5,1; vgl. JACOB, Buch Exodus, 134.
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auch das Auftreten seines Gesandten vergebens bleiben, ein Gedanke, den der Verfasser plastisch illustriert, indem er das Thema von JHWHs Zusage in 5,22bĮ.23b als tragenden Rahmen um das in 5,22bȕ.23a behandelte Thema der Sendung des Mose legte. In seiner Antwort (Ex 6,1) legt JHWH nicht die Gründe seiner von Mose beklagten Untätigkeit (5,22bĮ.23b) dar, sondern reagiert, indem er sein tatkräftiges Einschreiten gegen den Pharao verheißt. Dieser Israels Geschick während einer Phase göttlicher Inaktivität bestimmende Akteur (5,23a) wird nun zum Objekt von JHWHs Handeln degradiert: ‚Nun sollst du sehen, was ich dem Pharao tun werde, denn durch eine starke Hand gezwungen wird er sie ziehen lassen, ja durch eine starke Hand gezwungen wird er sie sogar vertreiben‘ (° ¢ ¢¤ «±¥ ²« ±² ±³ ³« ¯±§ ¦²±¢ ° ¢ ¦ ¥²¢). Im Hintergrund steht die ältere Ankündigung aus 3,20, die in 6,1 dadurch überboten wird, daß nun nicht mehr allein von der Entlassung, sondern von der Vertreibung der Israeliten die Rede ist.19 Das klimaktische Verhältnis zwischen 3,20; 6,1 läßt keinen Zweifel daran, daß das Nebeneinander von Entlassung (6,1bĮ) und Vertreibung (6,1bȕȖ) in 6,1 ursprünglich ist.20 Anders verhält es sich in Ex 11,1, wo das Vertreibungsmotiv in 11,1b erst nachträglich hinter die ursprüngliche Ankündigung der Entlassung (11,1a) gestellt wurde. Es ist Teil eines Abschnitts, der den Gedanken der Vertreibung mit dem Erzählzug einer Ausplünderung der Ägypter durch die Israeliten zu vereinbaren sucht (11,1b-3a).21 Die Ursprünge des Vertreibungsmotivs liegen in 6,1.22 Der in Ex 6,1 formulierte Gedanke einer Erzwingung des Auszugs durch JHWHs ‚starke Hand‘23 (° ¢) hat seinen Hintergrund in den Zum inhaltlichen Verhältnis zwischen Ex 3,20; 6,1 vgl. GERTZ, Tradition, 340, der allerdings beide Aussagen der Endredaktion zuweist. 20 Gegen NOTH, ATD 5, 41. Für die literarische Einheitlichkeit von Ex 6,1 spricht auch, daß die zur Verklammerung mit dem priesterschriftlichen Folgekontext unentbehrliche Ortsangabe ¯±§ nur einmal, und zwar am Versende steht (6,1bȖ). Sie bezieht sich sowohl auf die Entlassungs- als auch auf die Vertreibungsaussage. 21 S.u., VI. 2.4. 22 Im Hintergrund steht das Drängen der Ägypter auf den Auszug der Israeliten (Ex 12,33), das nun von 6,1 her als Vertreibung durch den Pharao verstanden werden soll (man beachte auch die Vertreibung der israelitischen Emissäre in 10,11, die der Bearbeiter ebenfalls vorfand). Das Vertreibungsmotiv wurde ausgehend von 6,1 nicht nur in 11,1b-3a, sondern auch in 12,39bĮ eingetragen, wo es die Ätiologie des Mazzotfestes erzählerisch untermauert (s.u., VII. 2.2.). 23 Daß es in Ex 6,1b nicht um die gewaltsame Vertreibung der Israeliten durch die starke Hand des Pharao gehen kann, ergibt sich eindeutig aus der Ankündigung JHWHs in 6,1a (‚was ich dem Pharao tun werde‘), die bei diesem Verständnis von 6,1b ins Leere liefe. Der JHWH-Bezug der Aussage wird auch durch ihren Hintergrund in den dtr Exodusformeln bestätigt (s. im folgenden). Zu dieser Interpretation vgl. grundlegend HOUTMAN, Exodus I, 499f. Gegen JACOB, Buch Exodus, 135; NOTH, ATD 5, 41. 19
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Exodusformeln des Dtn, wo die Formulierung allein oder in Kombination mit JHWHs ‚ausgestrecktem Arm‘ (¢¡© «±) begegnet.24 Letzteres Element ist im Exodusbuch lediglich an einer einzigen Stelle belegt, und zwar im direkten Kontext von Ex 6,1. Es handelt sich um einen Zusatz zur priesterschriftlichen Offenbarungsszene, der die ursprüngliche Ankündigung einer Erlösung durch große Gerichte (6,6b*: ¦¢¡² ¦¤³ ¢³¥ ¦¢¥) nachträglich um das Motiv des ausgestreckten Arms erweitert (¦¢¥ ¦¢¡² ¢¡© «± ¦¤³ ¢³¥). Die Aufsprengung der dtr Doppelformel auf Ex 6,1.6 ist kaum zufällig, sondern wird als ein gezieltes gestalterisches Mittel des Verfassers von 5,6-13*.22f.; 6,1 zu werten sein, der so eine thematische Klammer zwischen der Erwiderung JHWHs in 6,1 und der in 6,2 einsetzenden Gottesrede25 schuf.26 Letztere erscheint nun als erster Schritt zur Umsetzung der Ankündigung aus 6,1, insofern JHWH seine Zusagen aus Ex 3 erneuert und damit die in 5,22f. vermißte Basis für eine zweite Sendung des Mose schafft (6,6.11).27 Dabei gewährleistet das Motiv der Fronverschärfung, daß die beiden zentralen Offenbarungskapitel Ex 3; 6 nicht einfach nebeneinander stehen, sondern in eine klimaktische Handlungssequenz integriert werden, in der die priesterschriftliche Offenbarungsszene in 6,2ff. als Reaktion JHWHs auf eine Bedrückung stilisiert wird, die gegenüber der der Dornbuschszene vorangehenden (1,11-14; 2,23-25) deutlich gesteigert ist. Während die Vernetzung des in Ex 5,6-13*.22f.; 6,1 eingeschriebenen Erzählstücks mit den Offenbarungsszenen in Ex 3; 6 offen zutage tritt, ist das Verhältnis zu den Partien in Ex 4 zunächst weniger klar. Explizite terminologische Verbindungen bestehen lediglich zwischen der Klage des Mose in 5,22f. und der auf die Einsetzung Aarons zielenden Szene in 4,1016, wobei allerdings letzterer Text von 5,22f. abhängig ist und nicht umgekehrt. Dies zeigt sich bereits daran, daß die Motive der Sendung und des Redens in 4,10.13 in parodistischer Verfremdung begegnen, und bestätigt 24
Vgl. Dtn 6,21; 7,8; 9,26 (° ¢) sowie Dtn 4,34; 5,15; 26,8 (¢¡©«±° ¢). Zur Diskussion dieser sowie verwandter Belege vgl. KREUZER, Mächtigkeitsformel, 188-207, sowie ferner GROSS, Herausführungsformel, 425-453; RENDTORFF, Herausführungsformel, 501-527. 25 Vgl. GERTZ, Tradition, 344. Von derselben Hand stammt auch die Erwähnung der starken Hand in Ex 3,19b (° ¢¥), mit der auf die Aktualisierung der Ankündigung aus 3,20 verwiesen wird, die in 6,1 erfolgt. Man beachte auch die Parallele in 13,9, wo die Phrase ein weiteres Mal belegt ist. 26 Die Klammer zwischen Ex 6,1.6 wurde in g und m zerstört, wo man am zweifachen ¢ ° in 6,1 Anstoß nahm und die zweite Erwähnung der ‚starken Hand‘ durch den zu erwartenden ‚ausgestreckten Arm‘ (¢¡©«±) ersetzte. 27 Der Verklammerung mit dem priesterschriftlichen Offenbarungskapitel dient auch die in Ex 6,1 erfolgte Verknüpfung der Entlassungs- bzw. Vertreibungsaussage mit der Ortsangabe ¯±§. Sie zielt auf die priesterschriftlichen Entlassungsaussagen in 6,11; 7,2 (³ ¥²>¢@ ¯±§¥±²¢¢©; vgl. 11,10).
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sich durch die Beobachtung, daß die Klage in 5,22f. ausschließlich an Passagen aus Ex 3 orientiert ist.28 Dem Verfasser der Klage war die groteske Infragestellung der Moseberufung (4,10-13) ebensowenig bekannt wie die hieraus resultierende Einsetzung Aarons (4,14-16). Damit bleibt die Frage, ob der Verfasser von 5,6-13*.22f.; 6,1 bereits mit dem durch die Zeichen in 4,1-8*.30b geweckten Glauben des Volkes (4,31a) vertraut war, eben jenem Erzählzug, der sich nachträglich an die Beaufragung der Ältesten in 3,16-20; 4,29*.31b angelagert hat, welch letztere auch dem in 5,6-6,1* tätigen Ergänzer definitiv vorlag.29 Die Schwierigkeit besteht nun darin, daß zwar sowohl 4,1-8*.30b.31a als auch 5,6-6,1* auf den besagten Ältesten-Passagen aufbauen, diese aber mit je eigenem Interesse rezipieren, ohne dabei ausdrückliche Querverbindungen zueinander zu etablieren. Während das Glaubensmotiv mit seinem älteren Gegenstück in 14,31b einen thematischen Rahmen um die Exoduserzählung bildet, wurde die Verschärfung der Fron wie gesehen als Brückentext zwischen Ex 3 und Ex 6 konzipiert. Wiewohl in Ex 5,6-6,1* explizite Bezugnahmen auf den Glauben des Volkes (4,31a) fehlen, spricht der Textbefund insgesamt doch deutlich dafür, daß das Motiv vorausgesetzt ist. Es ist nämlich nicht zu übersehen, daß die Verschärfung der Fron erzählerisch plausibilisiert, warum die Israeliten, die in 4,31a zunächst glauben (¦«¨§¢), in 6,9b erneut ungläubig auf die Botschaft des Mose reagieren («§ ± ±¯°§ ²§ ¥ «§² ¥ ²°):30 Die ‚harte Arbeit‘, die in 6,9b abschließend als Grund für den Ungehorsam des Volkes genannt wird, ist nun nicht mehr die in 1,14 erwähnte, die ja auch für das glaubende Volk in 4,31a noch ungebrochene Realität war, sondern im Horizont von 5,9a mit den verschärften Fronlasten zu identifizieren (¦¢²©¥««¤³). Durch die veränderte Situation wird verständlich, warum die Israeliten, die im Unterschied zum Leser nicht von JHWHs Strategiewechsel (6,1) unterrichtet sind, der wiederholten Rettungsankündigung in 6,6-9 nicht mehr glauben wollen. Wenn das Motiv der Fronverschärfung de facto die Spannung zwischen den Reaktionen des Volkes in Ex 4,31a; 6,9b auflöst, so ist es höchst wahrscheinlich, daß der Ergänzer von 5,6-6,1* diese Spannung bereits vorfand, also mit dem Glauben des Volkes in 4,31a vertraut war. Andernfalls wäre anzunehmen, daß zunächst nur aus Gründen der erzählerischen Dramatisierung von einer Verschärfung der Fron berichtet worden wäre, wobei das Motiv dann rein zufällig paßgenau zur Verfügung gestanden hätte, um die Vgl. die Ausführungen unter III. 3.1. Dies zeigen die expliziten Bezugnahmen auf Ex 3,18b.20; 5,3 in 5,8; 6,1. 30 Eine den Ungehorsam der Israeliten (Ex 6,9) im Horizont der Glaubensaussage in 4,31 plausibilisierende Funktion mißt auch GERTZ, Tradition, 344, dem Motiv der Fronverschärfung zu, weist allerdings 4,27-31 wie 5,3-6,1 der Endredaktion zu. 28 29
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durch die nachträgliche Einschreibung des Glaubensmotivs hervorgerufene Spannung zu 6,9b sofort wieder zu beheben. Dies ist wenig wahrscheinlich, was im übrigen auch für die Folgeannahme gilt, ein Ergänzer habe das Glaubensmotiv nachträglich vor die Verschärfung der Fron geschaltet. In diesem Fall hätte er nämlich den tragikomischen Effekt in Kauf genommen, daß die Israeliten in 4,31 von der Exodusbotschaft überzeugt werden, um dann durch den Ereignisverlauf in 5,6ff. sofort aufs brutalste in dieser Überzeugung erschüttert zu werden. Es spricht somit alles dafür, daß das Glaubensmotiv älter ist als die Verschärfung der Fron. Es liegt bereits im Horizont der Klage des Mose (5,22f.) und der Erwiderung JHWHs (6,1), mittels derer folglich nicht nur die beiden Offenbarungsszenen in Ex 3; 6, sondern auch die jeweilige Reaktion des Volkes in eine klimaktische Ereignissequenz integriert wurden. Nehmen die Israeliten die Verschärfung der Fron in Ex 5,12 zunächst noch völlig klaglos hin, so hat eine spätere Hand in 5,14-21 die Erzählung nachträglich an die priesterschriftlichen Murrgeschichten angepaßt. Bereits die Einführung der israelitischen Aufseher (¥±²¢¢©¢±¡²) in 5,1431 zielt wie gesehen darauf, Repräsentanten des Volkes zu benennen, die schließlich in 5,20f. anklagend vor Mose und Aaron treten können. Daß hier neben Mose auch Aaron für die Verschärfung der Fron verantwortlich gemacht werden kann, setzt seine Anwesenheit während der Auszugsverhandlungen voraus, die in 5,1-4 die Ereignisse ins Rollen brachten. Der Verfasser von 5,14-21 zeigt sich folglich auch für die Endgestalt des ersten Auftritts vor dem Pharao verantwortlich, bei dem er durch die Überarbeitung von 5,1aĮ und die recht gewaltsame Einschaltung der Anrede ²§ ¨± in 5,4 Aaron an die Stelle der Ältesten treten ließ. Dieser Auftritt Aarons vor dem Pharao ist dabei von 4,10-16 her nicht gedeckt, denn die Verse begründen allein das Sprecheramt Aarons vor den Israeliten. Der für die Endgestalt von Ex 5 verantwortliche Bearbeiter setzt diese Entwicklung offenkundig bereits voraus und entwickelt das Motiv dahingehend weiter, daß Aaron nun, seiner späteren Rolle im Plagenzyklus entsprechend, bereits beim ersten Zusammentreffen mit dem Pharao zugegen ist. Diese Anwesenheit Aarons in Ex 5,1-4 ist allerdings kein Selbstzweck, sondern dient primär der Vorbereitung auf die Murrszene in 5,20f. Daß die hier gegen das Führungsduo erhobenen Vorwürfe ungerechtfertigt sind, ist 31 Die Erwähnungen der Aufseher in Ex 5,6 (¢±¡²³) und 5,10 (¢±¡²) sind gegenüber 5,14 aller Wahrscheinlichkeit nach nochmals sekundär, denn es erscheint schwer vorstellbar, daß dieselbe Person, die die Aufseher in 5,14 erzählerisch einführte, sie schon vorher zweimal erwähnt haben sollte. Die beiden Zusätze sind vielmehr als der Versuch zu beurteilen, den Adressatenkreis der ersten Rede des Pharao (5,6-10) um die Protagonisten aus 5,14-20 zu erweitern, die, standen sie in 5,15-20 vor dem Pharao, auch beim vorherigen Mal zugegegen gewesen sein mußten.
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im Horizont einer Murrgeschichte zu erwarten, wird aber interessanterweise nicht wie sonst üblich durch eine Reaktion seitens der Angeklagten oder JHWHs festgestellt. Die ältere Klage des Mose (5,22f.) könnte vielmehr geradezu den Eindruck erwecken, als seien die Aufseher der Israeliten im Recht und als leite Mose lediglich den Vorwurf auf JHWH um. Daß dem nicht so ist, zeigt der Verfasser, indem er das Verhalten der Aufseher gleich zu Beginn ins Unrecht setzt. Von den Ägyptern zur Strafe für die Nichterfüllung des geforderten Solls geschlagen (5,14), treten die Aufseher vor den Pharao und schreien zu ihm, warum er so mit seinen Knechten verfahre (5,15: §¥ ±§¥ «± ¥ °«¯¢ ¥±²¢ ¢© ¢±¡² ¢ £¢«¥¤²«³). Was zunächst wie eine vollkommen natürliche Reaktion wirkt, erweist sich im Horizont der Exoduserzählung als Ausdruck theologischer Verirrung. Nirgendwo sonst schreien die Israeliten zum Pharao, vielmehr ist ihr Schreien das Medium, in dem sich ihre Unterdrückung vor JHWH Ausdruck verschafft.32 Die Aufseher verkennen diesen fundamentalen Zusammenhang, wenn sie in 5,15 von der Person Rettung erwarten, die nur schlimmere Unterdrückung verheißt. Was der Pharao in 5,8b im polemischen Rückblick auf die Auszugsforderung aus 5,3 konstatiert hatte (‚deshalb schreien sie‘ – ¦¢°«¯¦¨¤¥«), wird in 5,15 Realität. Dieselbe Verirrung der Aufseher verschafft sich nun auch in ihrer unterwürfigen Selbstbezeichnung als £¢« Ausdruck (5,15f.), mit der die Aufseher mitnichten nur den Ton höfischer Etikette treffen, sondern im Horizont von 5,9 faktisch ihr Sklavendasein anerkennen.33 Im Hintergrund ist die Grundalternative zwischen Sklavendienst und Gottesdienst zu sehen, die in den Auszugsverhandlungen des Plagenzyklus zum Tragen kommt34 und von den Aufsehern in 5,15f. gleichsam proleptisch zugunsten des status quo entschieden wird. Daß diese Deutung zutrifft, zeigt Ex 14,12, wo Mose in Anspielung auf die Ereignisse in 5,14-20 von den murrenden Israeliten daran erinnert wird, daß diese den Dienst in Ägypten dem Exodus vorzogen (©§§ ¥ ±§¥ ¦¢±¯§ £¢¥ ©± ±² ± ¥ ¦¢±¯§³«©). Was mit der Selbstbezeichnung der Aufseher als Knechte des Pharao begann, findet seinen Höhepunkt am Ende von 5,16, wo die Israeliten als Volk des Pharao bezeichnet werden. Die schwierige Wendung £§« ³¡ wird man am ehesten mit g im Sinne von ‚und du versündigst dich an deinem Volk‘, nämlich den unter den verschärften Fron-
32
Vgl. Ex 2,23f.; 3,7.9; 6,5; 14,10. Daß die Wortwahl der Aufseher in Ex 5,15f. besondere Implikationen hat, bemerkt auch JACOB, Buch Exodus, 131, greift aber zu kurz, wenn er hier „einen Beweis ihrer kläglichen und entwürdigenden Stellung“ findet. 34 Vgl. Ex 7,16.26; 8,20; 9,1.13; 10,3.7f.11.24.26; 12,31. 33
1. Analyse
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lasten leidenden Israeliten, interpretieren müssen.35 Damit wird ein scharfer Kontrast zur Klage des Mose vor JHWH aufgebaut (5,22), die in ihrem Ton nicht minder harsch ausfällt (‚Warum handelst du so übel an diesem Volk?‘), aber an die richtige Adresse gerichtet ist. Das Leiden Israels vermag allein JHWH zu lindern. Die Aufseher, die mit ihrer abschließenden Klage in Ex 5,16 wohl ein Sündenbekenntnis des Pharao nach dem Muster von 9,27.34; 10,16 hervorzurufen hofften, werden in 5,17 sogleich eines besseren belehrt. Der Pharao wiederholt den schon in 5,8b gegenüber den ägyptischen Antreibern geäußerten Vorwurf, die Israeliten seien faul und beabsichtigten deshalb, zu einem Opferfest aufzubrechen. Indem der Erzähler letzteres Motiv noch einmal aufgreift, schafft er einen gezielten Kontrast zwischen dem Thema des Gottesdienstes und der in 5,18aĮ anschließenden Aufforderung, zu den Fronarbeiten zurückzukehren («¤¥³«), die in 10,8.24; 12,31 eine wörtliche Entsprechung mit diametral entgegegengesetzter Sinnrichtung findet (¢³«¤¥ – ‚Geht hin und dient JHWH!‘). Der Pharao behandelt die Aufseher der Israeliten so, wie es die von ihnen in 5,15f. gewählte Selbstbezeichnung erwarten läßt, und weist sie harsch in ihre Schranken. Der in unterwürfigem Ton vorgebrachten Klage über die Arbeitsbedingungen (5,16a: ‚Kein Häcksel wird deinen Knechten gegeben, und Ziegel, sagen sie uns, sollt ihr machen‘ – ¦¢©¥ £¢«¥ ¨³© ¨¢ ¨³ ²« ©¥ ¦¢±§) stellt er mit unverminderter Härte den Befehl entgegen, unter denselben Bedingungen weiterzuarbeiten (¦¢©¥¨¤³¦¤¥¨³©¢¥¨³ ©³³). Der Wunsch der Aufseher nach einer Fortsetzung der Fronarbeit unter den Bedingungen, die vor dem Erlaß aus 5,6-9 galten, trifft erwartungsgemäß auf taube Ohren. Die abschlägige Antwort des Pharao bringt die Aufseher auf den Boden der Tatsachen zurück und sie müssen einsehen, was Mose in ähnlichen Worten vor JHWH brachte: Es steht übel um die Israeliten (5,19a: ±¢ «± ¦³ ¥±²¢ ¢© ¢±¡²; vgl. 5,23a: ¦«¥ «±). Die Schuld geben sie freilich nicht dem Pharao, sondern Mose und Aaron, denen sie auf dem Rückweg begegnen (5,20). Wie in 5,23a wird auch in 5,21 ein kausaler Zusammenhang zwischen den zu Beginn von Ex 5 vor dem Pharao vorgebrachten Forderungen und der Verschärfung der Fron hergestellt, nur ist diesmal nicht Mose allein, sondern neben ihm auch Aaron als Emissär vor dem Pharao gedacht. Erst jetzt bringen die Aufseher JHWH ins Spiel, den sie zum Richter über Mose und Aaron anrufen (5,21a: ¢±¢¦¥±§¢ ¡²¢¦¤¢¥«), denn diese hätten ‚unseren Geruch in den Augen des Pharao und seiner Diener stinkend gemacht, um ihnen ein Schwert in die Hand zu geben, damit sie uns töten‘ (5,21b: ¢©¢««±¢©¢«© ¢±³¦³²±² 35
Vgl. NOTH, ATD 5, 35; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 243. Für eine Übersicht der sonst in der Forschung vertretenen Deutungen vgl. HOUTMAN, Exodus I, 476-478.
148
Kapitel IV: Die Verschärfung der Fron (Ex 5,1-6,1)
©±¥¦¢± ³³¥¢«). Was den Israeliten nach 5,3 als vermeintlicher Doppelschlag von Seiten JHWHs drohte (± ±©«¢), ist nun in seinem zweiten Teil (± ) zu einer anscheinend realen Bedrohung durch die Ägypter geworden.36 Der drastisch formulierte Vorwurf der Aufseher in 5,21 gehört zum festen Inventar der Murrerzählungen37 und erweist sich wie immer als böswillige Unterstellung. Dies ist in Ex 5 überdeutlich, denn von einer lebensbedrohlichen Situation kann nach 5,14-20 trotz der Schläge gegen die Aufseher keine Rede sein. Es ist also kalkulierte Übertreibung, wenn Mose und Aaron in 5,21 bezichtigt werden, die Israeliten mit Absicht in Lebensgefahr gebracht zu haben. Freilich ist es nicht dieser Vorwurf an sich, sondern vielmehr die Anrufung JHWHs als Richter, die der Szene ihre eigentliche theologische Spitze verleiht. Hatten die Aufseher mit ihrem Appell an den Pharao diesen faktisch an die Stelle JHWHs gesetzt, so erreicht ihre infame Verirrung den Höhepunkt damit, daß sie JHWH, in dessen Namen Mose und Aaron in 5,1f. vor den Pharao traten, als Teil der Opposition gegen die Anführer wähnen. JHWH, dessen Beziehung zu seinem Volk in der rettenden Zuwendung gründet, wird hier faktisch als Garant des status quo vereinnahmt, aus dem Gott des Exodus ist im Mund der Aufseher ein Gott der ägyptischen Fron geworden. Diese in 5,21 aufgebaute Spannung erfährt in der älteren Fortsetzung des Textes ihre Auflösung dadurch, daß JHWH in 6,1 sein Einschreiten gegen den Pharao erklärt. Er läßt sich nicht in die Rolle drängen, die die durch ihren Kleinglauben irregeleiteten Aufseher ihm zudachten, sondern steht zu seinem in Ex 3 gegebenen Wort. Ein Leben der Israeliten mit JHWH kann es unter ägyptischen Fronlasten nicht geben. Fronlasten sind auch das zentrale Thema von Ex 5,5, ein Vers, auf den bisher nur am Rande eingegangen wurde. Der Vers bildet wie gesehen eine jüngere Fortsetzung von 5,4, an den er strukturell wie inhaltlich eng angelehnt ist. Ein entscheidender Unterschied besteht nun darin, daß die in 5,5 Angeredeten im Unterschied zu 5,4 außerhalb der Gruppe der Fronpflichtigen stehen. Dies könnte auf einen Adressatenwechsel hindeuten, wie er in 5,4 durch die nachträgliche Anrede Moses und Aarons vollzogen wurde,38 und somit dafür sprechen, daß 5,5 Teil der Bearbeitungsschicht ist, die Aaron in Kap. 5 einführt (5,1f.*.4*.14-20). Zwingend ist dies freilich nicht, denn die Ausklammerung der Adressaten aus der Gruppe der Fronpflichtigen könnte auch einfach innere Gründe haben, und in diesem Fall wären in 5,5 nach wie vor Mose und die Ältesten (5,1*.3f.*) angesprochen. Eine literarhistorische Beurteilung von Ex 5,5 muß von daher maßgeblich Den Bezug notiert auch JACOB, Buch Exodus, 133. Vgl. Ex 14,11; 16,3; 17,3; Num 14,2f.; 21,5. 38 Vgl. WEIMAR, Berufung, 84. 36 37
1. Analyse
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aufgrund der inhaltlichen Berührungen des Verses mit seinem unmittelbaren Folgekontext 5,6-13.14-20 vorgenommen werden, ohne den der 5,4 weitgehend parallelisierende Neueinsatz ins Leere läuft. Die Verschärfung der Fron umreißt – in welchem Umfang auch immer – den inhaltlichen und damit auch den literarischen Horizont des Verses. Als Ausgangspunkt der Interpretation von Ex 5,5 mag die Feststellung dienen, daß es sich bei dem in 5,5aȕ erwähnten ®± ¦« ungeachtet der weiteren Bedeutungsimplikationen der Begriffsverbindung um Israeliten handeln muß. Dies ergibt sich eindeutig aufgrund der Fortsetzung der Aussage in 5,5b, wo der Pharao die vor ihm stehenden Boten bezichtigt, ‚sie‘ (¦³) – also das zuvor genannte ®±¦« – von den Fronarbeiten abzubringen. Beide Begriffe begegnen erneut in 5,12a (¦¢±¯§ ®± ¥¤ ¦« ®¢), was sich so deuten ließe, daß 5,5 mit 5,12 einen Rahmen um die Anordnungen zur Verschärfung der Fron und ihre Übermittlung an die Israeliten in 5,6-11 bilden soll, also dem Verfasser von 5,6-13* zuzuweisen wäre. Allerdings ist nicht zu übersehen, daß der Bericht über die zwecks Auflesens von Strohstoppeln erfolgende Zerstreuung des Volkes (¦«) im ganzen Land (®±) Ägypten (5,12) sachlich kaum auf derselben Ebene liegt wie die aus den beiden Begriffen zusammengesetzte Verbindung ¦« ®± in 5,5. Einen positiven Sinn gewinnt diese Begriffsverbindung als weitere Reaktion des Pharao auf die in 5,1 von Mose und Aaron überbrachte Forderung JHWHs, ‚mein Volk‘ (¢§«) ziehen zu lassen. Mit der Bezeichnung der Israeliten als ‚Volk des Landes‘ setzt der Pharao dem seinen eigenen Anspruch auf die Israeliten entgegen, deren Mehrung jetzt anders als in 1,10 nicht mehr als Bedrohung (±¢¨), sondern vielmehr als zu begrüßender Umstand gilt, handelt es sich doch um billige Arbeitskräfte.39 Die Israeliten, mit denen sich in 1,7 das Land zu füllen begann (¥§³ ¦³®±), zählen für den Pharao als ®±¦« längst zum Inventar.40 Liest man den Ausruf des Pharao ‚Siehe, viel ist nun das Volk des Landes‘ (®± ¦« ³« ¦¢± ¨) in Ex 5,5 als polemische Reaktion auf JHWHs Anspruch in 5,1 und damit geradezu als Beanspruchung der Mehrungsverheißungen für den ägyptischen Sklavenmarkt, so fügt sich diese Deutung bestens zum oben freigelegten Sinngehalt von 5,16. Wenn die israelitischen Aufseher dem Pharao dort vorwerfen, an den Israeliten als seinem Volk zu sündigen (£§« ³¡ ), so haben sie letztlich den in 5,5 erhobenen Anspruch akzeptiert. Daß sich 5,5 homogen in das AussagenÄhnlich JACOB, Buch Exodus, 125. Die dargelegte Deutung der Wendung ®± ¦« in Ex 5,5 wird indirekt auch von b gestützt, wo die offenbar als problematisch empfundene Bezeichnung der Israeliten als ‚Volk des Landes‘ durch die Ergänzung eines ¨§ dahingehend modifiziert wurde, daß die Israeliten komparativisch vom ägyptischen Landesvolk abgegrenzt erscheinen: ‚Siehe, sie sind nun zahlreicher als das Volk des Landes!‘ (®±¦«§³«¦¢±¨). 39 40
150
Kapitel IV: Die Verschärfung der Fron (Ex 5,1-6,1)
geflecht zwischen 5,1.16 einfügt, ja die Verirrung der Aufseher nachgerade begründet, spricht für seine Zugehörigkeit zu der in 5,1f.*.4*.14-20 greifbaren Bearbeitungsschicht. Hierauf deutet auch die in 5,5b gewählte Formulierung hin, wonach Mose und Aaron beabsichtigen, die zahlreich gewordenen Israeliten mit ihren Fronarbeiten aufhören zu lassen (¦³² ¦³¥ª§ ¦³).41 In der Wurzel ³², die hier zum ersten Mal seit der Urgeschichte Verwendung findet, klingt kaum zufällig der Sabbat an. Die Aussage weist hierin einen thematischen Berührungspunkt mit der in 5,1 angeschlagenen Festthematik ( ) auf, und doch erschließt sich ihr tieferer Sinn erst vor dem Hintergrund des in 5,5a vom Pharao erhobenen Anspruches auf das Volk, das als ®± ¦« keinen Anspruch auf Sabbatruhe geltend machen kann. Damit nicht genug: Die in Ex 5,5b gewählte Formulierung ¦³¦³² ¦³¥ª§ parallelisiert unübersehbar die Aussagen zur Ruhe Gottes am siebten Tag der Schöpfung (Gen 2,2: ³¤¥§ ¥¤§ ¢«¢² ¦¢ ³²¢; vgl. 2,3: ³¤¥§¥¤§³²). Indem sich der Pharao in 5,5 faktisch an die Stelle JHWHs setzt, den er nach 5,2 nicht kennen will, untersagt er den Israeliten die in der allwöchentlichen Sabbatruhe zum Ausdruck kommende imitatio dei. Im Hintergrund der durch 5,5 eingezogenen Sabbatthematik steht die in 5,13bĮ vorgefundene Aufforderung an die Israeliten, ihre Arbeiten zu vollenden (¦¤¢²«§ ¥¤) und die Tagesleistung an jedem Tag zu bringen (§¢¦¢±). Sie berührte sich einerseits mit der Aussage zur Vollendung der Schöpfung in Gen 2,2 (²« ±² ³¤¥§ ¢«¢² ¦¢ ¦¢¥ ¥¤¢) und fand andererseits eine exakte Entsprechung in Ex 16,4 (¦¢ ± ¡°¥ §¢), ließ sich also mit zwei zentralen Sabbattexten vernetzen. Wie ursprünglich auch in Ex 16, zieht eine Aussage über die tägliche Tätigkeit der Israeliten (16,21) die Sabbatfrage nach sich,42 nur wird das Motiv in Ex 5 anders dienstbar gemacht: Kontextbedingt geht es nicht um die Möglichkeit der Sabbatobservanz, sondern um ihre Verunmöglichung durch den JHWHs Platz beanspruchenden Pharao.
BAHAR, And Pharaoh Said, 8, will Ex 5,5 dahingehend verstehen, „dass der Pharao meint, er habe so viele Menschen für seine Arbeit, sodass es ihm nichts ausmacht, wenn er das Volk der Israeliten verliere.“ Wie gesehen ist das Gegenteil der Fall. Um seine Deutung zu begründen, muß BAHAR annehmen, daß 5,5a auf 5,3b antworte und 5,5b hinter 5,4a zu lesen sei. Letzteres mag eine „well known method of interpretation in the medieval commentators“ (a.a.O., 8, Anm. 12) sein, trägt deshalb aber noch lange nicht zur Erhellung des ursprünglichen Sinngehalts von 5,5 bei. 42 Vgl. grundlegend LEVIN, Jahwist, 352-355. 41
2. Ergebnis
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2. Ergebnis Den Anfang der Entwicklung von Ex 5 markiert der erfolglose Auftritt des Mose vor dem Pharao in 5,1f.* (I), der im vorpriesterschriftlichen Textbestand der Exoduserzählung direkt an die Rückkehrnotiz 4,20aȕ anschloß und in 12,29a von der Tötung der Erstgeburt gefolgt wurde. Die Szene in 5,1f.* bildet das literarische Nadelöhr, durch das alle späteren Bearbeitungen geleitet werden mußten, was mit erheblichen Überarbeitungen einherging. In einem ersten, bereits nachpriesterschriftlich einzuordnenden Schritt (II) wurden Mose die Ältesten zur Seite gestellt, die in Verlängerung der in 3,16-20*; 4,29*.31b angelegten Linie den Auszug zu einem Schlachtopfer in der Wüste fordern und damit scheitern (5,3f.*). In Ex 5,1bȕ wurde diese Forderung von späterer Hand mit den in Ex 10 geführten Verhandlungen über einen Auszug zu einem Opferfest verknüpft (II+), was die unterschiedlichen Verhandlungsthemen, die den Plagenzyklus durchziehen, von Anfang an als Einheit in den Blick rücken soll. Im Horizont der in 4,1-9*.30b.31a eingetragenen Glaubensthematik erweiterte ein Bearbeiter (III) die in 5,1-4* vorgefundene Szene um eine Erzählung von der Verschärfung der Fron (5,6-13*), die er in 5,22f.; 6,1 durch die Klage Moses und die neuerliche Zusage JHWHs beschloß, welche nahtlos zur priesterschriftlichen Offenbarungsszene in 6,2ff. überleitet. Das Erzählstück plausibilisiert, wie es nach dem Glauben der Israeliten (4,31a) zu ihrer ungläubigen Reaktion in 6,9 kommen konnte, wobei das Volk die Verschärfung der Fron in Ex 5 selbst zunächst noch klaglos hinnahm. Erst ein Späterer gestaltete die Erzählung in 5,5.14-21 nach dem Vorbild der priesterschriftlichen Murrgeschichten um, wobei er im Horizont der inzwischen in Ex 4 eingeschriebenen Aaronpassagen die Figur des Aaron auch in 5,1.4 integrierte (IV). Die als Ankläger Moses und Aarons eingeführten israelitischen Aufseher wurden in einem letzten Schritt in 5,6.10 mit dem älteren Erzählbestand verklammert (V). Übersicht: Die literarische Entwicklung von Ex 5 I
5,1a*(ohne Aaron)bĮ: Moses erster Auftritt vor dem Pharao (ŀ Ex 4,20aȕ) II
5,1a*: Mose und die Ältesten vor dem Pharao IV
5,1a*: Ergänzung Aarons
5,1bȕ: Vorausblick auf die Auszugsverhandlungen (ĸ Ex 5,3f.; 8,4b.21b-24a; 10,8-11.24-26; 12,31f.)
II+
I
5,2: Zurückweisung der Auszugsforderung durch den Pharao (ŀ Ex 12,29a) II
5,3.4(ohne ¨±²§): Mose und die Ältesten scheitern mit ihrem Auszugsvorwand
Kapitel IV: Die Verschärfung der Fron (Ex 5,1-6,1)
152 IV
5,4(nur ¨±²§): Umadressierung der pharaonischen Replik
5,5: Die Israeliten als Volk des Landes / Sabbatbezug (ĸ Gen 2,2f.)
IV
5,6*(ohne ¢±¡²³).7-9.10*(ohne ¢±¡²).11-13: Die Verschärfung der Fron
III
V IV
5,6(nur ¢±¡²³).10(nur ¢±¡²): Ergänzung der Aufseher
5,14-21: Das Murren der israelitischen Aufseher
5,22f.; 6,1: Mose kehrt zum Gottesberg zurück und klagt JHWH an. Der kündigt sein Eingreifen an.
III
Kapitel V
Die Kundgabe des Gottesnamens und die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7) Es kann als Forschungskonsens gelten, daß in Ex 6,2-7,13 ein fast durchgängig priesterschriftlicher Abschnitt vorliegt, innerhalb dessen sich die Stammesliste in 6,13-30 als jüngerer Zusatz erweist. Der verbleibende Textbestand setzt in Ex 6,2-8 programmatisch mit einer Gottesrede ein, die das offenbarungstheologische Konzept der Priesterschrift profiliert und auf dieser Grundlage die Zusage aus Ex 3 erneuert. Mit der Übermittlung dieser Botschaft an die Israeliten (6,9) ist ein erster Einschnitt erreicht. Ex 6,10 beginnt mit einer weiteren Gottesrede, in der Mose zum Pharao gesandt wird, um den Auszug zu fordern (6,11). Das hier angeschlagene Thema findet im folgenden eine recht komplizierte Durchführung: Mose zieht seinen Erfolg beim Pharao in Zweifel (6,12), da nicht einmal die Israeliten auf ihn gehört hätten (6,9b). Hierauf reagiert JHWH in 7,1 mit der Spitzenaussage, er habe Mose dem Pharao zum Gott gesetzt, und Aaron sei Moses Prophet, der am ägyptischen Hof die ihm durch Mose übermittelten Forderungen JHWHs vorbringen solle (7,2). Damit schließt sich der Kreis zu 6,11, denn die Forderung, um die es konkret geht, ist hier wie dort die des Auszugs, wie beide Verse an ihrem Ende in nahezu identischem Wortlaut feststellen. Mit der Übertragung der Auszugsforderung in den Mund Aarons findet die durch den Einwand Moses (6,12) angestoßene Linie ihr Ziel. Der priesterschriftliche Handlungsfaden setzt sich in Ex 7,4 mit der direkt auf 7,1f. Bezug nehmenden Ankündigung JHWHs fort, der Pharao werde der doppelten israelitischen Gesandtschaft kein Gehör schenken. JHWH selbst werde deshalb den Auszug mit Gewalt erzwingen und so für die rechte Gotteserkenntnis der Ägypter sorgen (7,5). Nach diesem Vorausblick in die Zukunft, der die Gesandtschaft Moses und Aarons von vornherein zur Erfolglosigkeit verdammt, lenkt 7,6 wieder zurück zur Auftragssequenz aus 7,1f. und vermerkt deren Befolgung durch Mose und Aaron. Ex 7,7 knüpft hieran sinnvoll mit der Angabe des Lebensalters Moses und Aarons zum Zeitpunkt ihres Auftretens als israelitische Verhandlungsführer an und führt die priesterschriftlichen Erwägungen zur Rolle, die den beiden Genannten in den Auszugsverhandlungen zukommt, zu einem ersten Abschluß. Hierauf aufbauend ordnet JHWH in 7,8f. an,
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Kapitel V: Die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7)
Mose und Aaron sollten sich, wenn vom Pharao gewünscht, durch ein von Aaron zu wirkendes Erweiswunder (³§) legitimieren. Ex 7,9-13 berichten vom ersten von insgesamt fünf derartigen Erweiswundern, die auf Ex 7-9 verteilt sind und den priesterschriftlichen ‚Plagenzyklus‘ konstituieren. Hiermit in Verbindung steht schließlich auch der Rückblick in Ex 11,10, der auf die Erfolglosigkeit der von Mose und Aaron gewirkten Wundertaten abhebt und damit in modifizierter Weise das Eintreten der Voraussage JHWHs (7,4) konstatiert.
1. Analyse Der voranstehende Durchgang durch den priesterschriftlichen Text hat eine komplexe Handlungssequenz zutage gefördert, die ab Ex 6,9b unweigerlich auf die Auszugsverhandlungen und damit auf den Plagenzyklus zuläuft. Dabei fällt grundsätzlich auf, daß der in 6,9b artikulierte Zweifel der Israeliten erzählerisch nur insofern eine Rolle spielt, als er Mose ein Argument dafür liefert, seine Eignung als Gesandter zum Pharao in Zweifel zu ziehen (6,12b). Das Motiv wurde offenkundig primär zu dem Zweck konstruiert, einen Grund für die Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose zu liefern (7,1f.). Auffällig ist ferner, daß in 6,11; 7,2 explizit vorausgesetzt ist, Mose bzw. Aaron würden vor dem Pharao den Auszug der Israeliten fordern und damit scheitern (7,4), obwohl im priesterschriftlichen Bestand von Ex 7-9 nirgendwo Auszugsforderungen gestellt werden. Berichtet wird lediglich, daß Mose und Aaron den Pharao mit ihren Erweiswundern nicht überzeugen können und damit zum Scheitern des Auszugsbegehrens beitragen (11,10). Wenn nun P das Motiv der Auszugsforderung einerseits voraussetzt und durch Erweiswunder zu stützen sucht, andererseits aber nirgends selbst davon berichtet, wie diese Forderung dem Pharao übermittelt wird, wird man folgern müssen, daß die Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose (Ex 7,1f.) ebenso wie der diesen Faden weiterspinnende Bericht über das erste Erweiswunder (7,8-13) bereits mit Blick auf die ältesten nichtpriesterschriftlichen Plagen formuliert wurde, in denen die Auszugsforderung ihren festen Platz hat.1 Der Einwand, „daß auch der vorliegende Textzusammenhang von 7,8-11,10 keinen mit dem Befehl in 7,2 korrespondierenden Redeauftritt Aarons schildert“2, übersieht, daß in den Plagen, die der Ergänzer der priesterschriftlichen Anteile in Ex 7f. vorfand, 1 Vgl. WILSON, Hardening, 29-36; BLUM, Studien, 255; VAN SETERS, Life, 105; SKA, Indépendance, 401. Anders etwa GERTZ, Tradition, 84-87. 2 GERTZ, Tradition, 85.
1. Analyse
155
auch von einem Redeauftritt Moses keine Rede ist. Erwähnt wird jeweils nur der Redeauftrag, wohingegen die Ausführung desselben stillschweigend voraussetzt ist. Dem so strukturierten Plagenzyklus stellt P in 7,1f. eine neue Leseperspektive voran, nach der es Aaron ist, der die Mose aufgegebene Botschaft an den Pharao übermittelt. Daß dies auch geschieht, wird in 7,6f. schlicht postuliert und muß erzählerisch ebensowenig ausgeführt werden wie die Redeauftritte des Mose im vorgefundenen Textbestand. Wurde nun die Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose mit Blick auf Ex 7,14ff. in den vorpriesterschriftlichen Text eingeschrieben, so muß dasselbe für die priesterschriftliche Moseberufung (6,2-8) gelten, die als Vorkontext vorausgesetzt und in 6,9-12 aufs Engste mit der in 7,1-7 verhandelten Aaronthematik verzahnt ist.3 Klammert man die Fortsetzung mit dem Erweiswunder in 7,8-13 zunächst einmal aus, so bedeutet dies, daß 6,2-7,7* zwischen 5,2; 7,14 eingeschrieben wurden. Die priesterschriftliche Moseberufung schloß also mit 6,2 direkt an die programmatische Erklärung des Pharao an, er kenne JHWH nicht und werde die Israeliten folglich auch nicht ziehen lassen (5,2b: ³¦¢³¢³«¢¥ ¥² ¥ ¥±²¢). Die thematische Verbindung dieser Aussage zu der in 6,2f. folgenden Offenbarung des JHWH-Namens ist unübersehbar, und auch inhaltlich hat der Übergang einen guten Sinn, denn Name und Wesen des Gottes, der in Ex 3,7-12* die Rettung seines Volkes ankündigte, sind diesem Volk nach wie vor unbekannt.4 Genau dieses erzählerische Defizit behebt die Offenbarungsszene in 6,2-9, die das Stichwort aus dem Mund des Pharao aufgreift und in 6,7b ausdrücklich darauf abzielt, daß die Israeliten JHWH als ihren Gott erkennen sollen (¢ ¢© ¢¤ ¦³«¢ ¦¤¢¥).5 Dem korrespondiert die Voraussage der auch bei den Ägyptern 3
Daß ohne die vorpriesterschriftlichen Passagen in Ex 2f. eine erzählerische Einführung für die in 6,2 innerhalb der priesterschriftlichen Darstellung erstmals auftretende Mosegestalt fehlt, läßt sich mit GRAF, Grundschrift, 472f.; RENDTORFF, Problem, 130; CROSS, Myth, 317f.; BLUM, Studien, 241; SKA, Indépendance, 398-400, als weiteres Indiz für die literarische Unselbständigkeit der Priesterschrift werten. Absolut zwingend ist dies freilich nicht, da sich mit KRATZ, Komposition, 244.247 einwenden ließe, eine bekannte erzählerische Hauptfigur müsse nicht eigens eingeführt werden. Daß eine priesterschriftliche Einführung des Mose von der Endredaktion zugunsten des nichtpriesterschriftlichen Textes ausgelassen wurde (so GERTZ, Tradition, 250f.), ist eine unbeweisbare Hilfsannahme, die nichts zur Lösung des Problems beiträgt. 4 Selbst Mose verwendet in Ex 5,1* gegenüber dem Pharao den JHWH-Namen, ohne ihn in 3,1-12* explizit von der Gottheit offenbart bekommen zu haben. 5 Vgl. SKA, Remarques, 97-107, nach dessen Ansicht der priesterschriftliche Abschnitt in Ex 6,2ff. ebenfalls auf 5,2 reagiert. SKA nimmt allerdings keinen direkten Textanschluß von 6,2 an 5,2 an, sondern argumentiert vor allem formgeschichtlich, insofern er Ex 6,2-8 als „oracle de résponse“ auf die Problematik aus Kap. 5 hingeordnet sieht. Diese am ±§¨¤¥ in 6,6 aufgehängte Gattungsbestimmung ist allerdings insofern problematisch, als 6,6 im Gegen-
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Kapitel V: Die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7)
zu erzielenden JHWH-Erkenntnis in 7,5aĮ (¢¢©¢¤¦¢±¯§«¢), mit der der priesterschriftliche Verfasser auf das in 5,2 angeschlagene und in 7,1417 weiter ausgeführte Thema zurücklenkt. Die programmatische Positionierung der beiden Erkenntnisaussagen in Ex 6,7b; 7,5aĮ deutet auf eine planvolle Gestaltung des Abschnitts 6,27,7* für den in 5,2; 7,14ff. vorgefundenen Kontext. Dies wird auch dadurch unterstrichen, daß die Erkenntnisaussagen jeweils auf eine Ankündigung der Herausführung durch ‚große Gerichte‘ (¦¢¥ ¦¢¡²) folgen (6,6; 7,4), die, wie noch zu zeigen ist, auf die Tötung der Erstgeburt zielt. Hierzu in eigentümlichem Kontrast steht der in 7,8-13 exponierte priesterschriftliche ‚Plagenzyklus‘, der aus einer Aufzählung der „Zeichen und Machtbeweise [besteht], in denen Jahve und Pharao durch ihre Vertreter concurrieren“6. Von diesem Wunderwettstreit ist in 7,1-7* nichts zu erahnen, und man fragt sich, warum Aaron hier erst umständlich als Sprecher eingeführt wird und 7,4 auf das ungehörte Verhallen der durch ihn übermittelten Worte abhebt, wenn er ab 7,8 explizit nur als Wundertäter auftritt und 11,10 schließlich resümiert, der Pharao habe die Israeliten trotz all der Wunder nicht ziehen lassen, weil JHWH sein Herz verstockt hatte.7 Daß dieses Nebeneinander zweier Aaronbilder ursprünglich sein soll, ist schwer vorstellbar, was den Schluß nahelegt, daß die massive Abschlußnotiz in 7,6f. auch einen redaktionsgeschichtlichen Einschnitt markiert. Mit der Ernennung Aarons zum Sprachrohr des Mose endete der älteste Beitrag der Priesterschrift zum Plagenzyklus. Die Wandlung Aarons zum Wundertäter und mit ihr der gesamte Wunderwettstreit spiegeln eine spätere Entwicklung.8 Anknüpfungspunkt für den priesterlichen Bearbeiter ist wie dargelegt die Infragestellung JHWHs durch den Pharao (Ex 5,2), die ein Gelingen des in 3,10 untrennbar mit der Sendung des Mose verbundenen Befreiungsplanes gleich zu Beginn massiv in Frage stellt. Ex 6,2-8 reagieren hierauf, indem sie die Bundestreue JHWHs ins Spiel bringen und vor diesem Hintergrund die Rettungszusage aus Ex 3 erneuern. Was der Erzähsatz zu den als Parallele herangezogenen ezechielischen Disputationsworten nicht unmittelbar an die Gegenposition in 5,2 anschließt; vgl. LUST, Exodus 6,2-8, 213f., sowie GERTZ, Tradition, 241f. 6 WELLHAUSEN, Composition, 62. 7 Ex 7,4 weiß bezeichnenderweise von einer Verstockung noch nichts zu berichten. 8 Auch KRATZ, Komposition, 245, beurteilt die priesterschriftlichen ‚Plagen‘ als Zusatz (PS), zu dem er aber auch die Einsetzung Aarons rechnet. Sein Argument ist vor allem die für P untypische Breite der Darstellung sowie die Konkurrenz der ‚Plagen‘ zum Meerwunderbericht. Dies wurde und wird in der Tat von Vertretern der Urkundenhypothese zu wenig berücksichtigt. Hier gilt die Zugehörigkeit des Wunderwettstreits zu PG meist als ausgemachte Sache, die keiner näheren Begründung mehr bedarf. Vgl. etwa WELLHAUSEN, Composition, 62f.; LEVIN, Jahwist, 333-336; GERTZ, Tradition, 79-97.
1. Analyse
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ler bereits in 2,24 als Motivation der ersten Offenbarungsszene notierte, ist in 6,5 zum Offenbarungsgegenstand geworden: JHWH hat das Schreien der unter den Fronlasten leidenden Israeliten gehört (³ ¢³«§² ¢© ¦ ¦³¦¢«§¦¢±¯§±²¥±²¢¢©³°©) und seines Bundes gedacht (±¤ ¢³¢± ³). Der Vers steht nicht nur formal, sondern auch sachlich im Zentrum der JHWH-Rede in 6,2-8, denn er setzt die Väterzeit (6,3f.) in ein bundestheologisch begründetes Verhältnis zu den künftigen Exodusereignissen. Erzväter und Exodus werden hier erstmals explizit in einem heilsgeschichtlichen Kontinuum verortet, was im Umkehrschluß natürlich nicht bedeutet, es habe keine vorpriesterschriftliche Verbindung zwischen beiden Epochen geben können. Ihre literarische Verbindung ist wie unter II. 1. dargelegt bereits vorausgesetzt und wird von P bundestheologisch profiliert. Der heilsgeschichtlichen Kontinuität zwischen Erzvätern und Exodus ist eine offenbarungstheologische Dynamik zueigen, insofern P mit einer sukzessiven Selbsterschließung JHWHs rechnet. Den Vätern ist er als ‚El Shadday‘ erschienen, ohne seinen wahren Namen zu offenbaren (Ex 6,3: ¦¥ ¢³«© ¥ ¢ ¢§² ¢² ¥ °«¢ ¥ ° ¯¢ ¥ ¦± ¥ ±).9 Die Kenntnis des JHWH-Namens ist den Israeliten der Auszugsgeneration vorbehalten (6,2.6aĮ), was seinen tieferen Grund darin hat, daß der Name als Ausdruck des Wesens der Gottheit für P untrennbar mit dem Exodus verbunden ist.10 Dies bringt der Verfasser programmatisch in 6,7b zum Ausdruck, wonach die Israeliten erkennen sollen, ‚daß ich JHWH, euer Gott bin, der euch unter den Fronlasten der Ägypter herausführt‘ (¢¤¦³«¢ ¦¢±¯§³¥ª³ ³§¦¤³¢¯§¦¤¢¥¢¢©). Eine Erkenntnis JHWHs als des aus der ägyptischen Knechtschaft Herausführenden kann es vor dem Exodus naturgemäß ebensowenig geben wie ein Bundesverhältnis zwischen dem so charakterisierten JHWH und den Israeliten. Die Annahme der Israeliten zu JHWHs Volk und damit die Inkraftsetzung des mit den Vätern aufgerichteten Bundes ereignet sich vielmehr im Vollzug der Herausführung (6,6.7a) als Akt der performativen Wesenskundgabe der Gottheit.11 Mit der kultischen Einwohnung JHWHs inmitten seines Volkes (29,45f.) findet der heilgeschichtliche Bogen sein Ziel.12 Die Erkenntnisaussage in Ex 6,7b steht im Zentrum einer geschickt komponierten Texteinheit, die durch den Redeauftrag (¥±²¢¢©¥±§¨¤¥) 9
Vgl. Gen 17,1; 35,9; 48,3. Zu den zwischen Gen 17 und Ex 6 bestehenden Querverbindungen vgl. ausführlich WEIMAR, Untersuchungen, 237-245; ferner KÖCKERT, Leben, 34f., sowie jüngst ACHENBACH, Ich bin, 73-80. 10 Im Hintergrund stehen die Dekalogpräambeln Ex 20,2; Dtn 5,6. 11 Bereits WEIMAR, Meerwundererzählung, 186, Anm. 59, notiert, „daß eben durch die Herausführung aus dem Frondienst Ägyptens Jahwe nicht nur sein eigentliches Wesen offenbart, sondern dadurch zugleich zum Gott Israels wird.“ Vgl. SMEND, Auszug, 30f. 12 Vgl. etwa KÖCKERT, Leben, 35f.
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Kapitel V: Die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7)
in 6,6 vom Vorkontext abgesetzt ist und durch ein zweifaches ¢ ¢© gerahmt wird (6,6.8). Hatte sich JHWH in 6,2 dem Mose auf die nämliche Weise vorgestellt, so wird dieser nun in 6,6 beauftragt, JHWH den Israeliten als den Gott des Exodus vorzustellen: ‚Ich bin JHWH, und ich werde euch unter den Fronlasten der Ägypter herausführen (¢³¯ ¢ ¢© ¦¢±¯§ ³¥ª ³ ³§ ¦¤³), euch erretten von ihren Arbeiten (¦¤³ ¢³¥¯ ¦³«§) und euch erlösen mit ausgestrecktem Arm und großen Gerichten‘ (¦¢¥ ¦¢¡² ¢¡© «± ¦¤³ ¢³¥). Die Ankündigung kombiniert in ihren ersten beiden Teilen gezielt die Bezeichnungen des Frondienstes aus 1,11 (³¥ª) und 1,13 P («), setzt also den redaktionell gewachsenen Textzusammenhang in 1,11f.13f.* voraus, was eindeutig für die Veranschlagung der priesterschriftlichen Offenbarungsszene für eine Bearbeitungsschicht spricht.13 Innerhalb von Ex 6,6 nachträglich zugesetzt ist lediglich die Erwähnung des ausgestreckten Armes (¢¡©«±). Sie fehlt in der 6,6 korrespondierenden Ankündigung der Herausführung in 7,4 und spiegelt nicht priesterschriftlichen, sondern dtr Sprachgebrauch. Die Wendung ist Bestandteil der in Dtn 4,34; 5,15; 26,8; 2 Kön 17,36 bezeugten Doppelformel ‚mit starker Hand und ausgestrecktem Arm‘ («±° ¢ ¢¡©), deren erster Teil sich bezeichnenderweise in Ex 6,1 findet. Ihr zweiter Teil wurde nachträglich in 6,6 eingeschaltet, um 6,1 mit dem älteren Folgekontext zu einer einzigen JHWH-Rede zu verklammern.14 Anlaß für die Annahme weiterer Zusätze besteht in Ex 6,6 nicht. Wenn 6,6aȕ (¦³«§ ¦¤³ ¢³¥¯) die Rettungsankündigung aus 3,8 (± ¦¢±¯§ ¢§ ¥¢¯¥) durch Kombination mit dem priesterschriftlichen Leitwort « reformuliert, so spricht dies nicht für den Zusatzcharakter des Verses, sondern bestätigt vielmehr erneut, daß der priesterschriftliche Text von vornherein als Aktualisierung der vorpriesterschriftlichen Moseberu-
13 Vgl. grundlegend BLUM, Studien, 233; SKA, Remarques, 102f. Da sich die Erwähnung der Fronlasten in Ex 6,6 nicht literarkritisch ausscheiden läßt, ist man bei der Annahme einer ursprünglich selbständigen Priesterschrift mit dem unerklärlichen Phänomen konfrontiert, daß der in 6,6 von P programmatisch an den Anfang gestellte Begriff ³¥ª im priesterschriftlichen Vorkontext nirgends eingeführt wird, wohingegen das folgende Lexem « in 1,13f.; 2,23-25 P breit bezeugt ist. Die Textarchitektur von 6,6 wird allein vor dem Hintergrund des priesterschriftlich überarbeiteten Abschnitts 1,11-14* plausibel und läßt sich nicht befriedigend damit erklären, P habe den vorpriesterschriftlichen Bericht als Vorlage benutzt (so L. SCHMIDT, Studien [1993], 6f.). Aus der vorpriesterschriftlichen Moseberufung entlehnt wurde schließlich auch die Ankündigung der Errettung (¥¯©), die ihren Hintergrund in 3,8 hat; ähnlich auch BLUM, Studien, 233, der allerdings besonders auf 5,23 als Quelltext verweist. Nach obiger Analyse (V. 2.) scheidet der besagte Vers allerdings für den vorpriesterschriftlichen Text aus. 14 Vgl. KOHATA, Jahwist, 28f.; OTTO, Petateuchredaktion, 109, Anm. 209; GERTZ, Tradition, 243. Für den Zusatzcharakter des ausgestreckten Armes spricht sich vermutungsweise auch KRATZ, Komposition, 245, Anm. 26, aus.
1. Analyse
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fung konzipiert wurde.15 Ohnehin läßt sich die 6,6-8 eigentümliche Sprachfarbe, die manche Entsprechungen zu Ez aufweist,16 nicht als Argument dafür verwenden, die Verse P abzusprechen.17 Ex 6,5 ist ebenso auf eine Fortsetzung angewiesen, die die zukünftigen Konsequenzen von JHWHs Aufmerksamwerden umreißt, wie die Übermittlung der Worte JHWHs an die Israeliten (6,9a) auf den Redeauftrag in 6,6 und die zweifelnde Reaktion der Israeliten (6,9b) auf die Ankündigung der Errettung in 6,6f. Daß schließlich auch der Blick auf die Landnahme in 6,8 ursprünglich ist, ergibt sich einerseits daraus, daß das den Vers abschließende ¢¢© mit der identischen Selbstvorstellung in 6,2.6 einen Rahmen um 6,2.6-8 bildet, der für die kompositionelle Geschlossenheit der Verse spricht. Andererseits ist eine Aussage zur Landnahme auch von 6,4 her zu erwarten, wo die Landgabe als integraler Bestandteil des mit den Vätern aufgerichteten Bundes in den Blick kommt. Das Inkrafttreten dieses Bundes im Exodus setzt voraus, daß die Israeliten das Land in Besitz nehmen.18 Die Übermittlung der Ankündigung JHWHs, die Israeliten aus der Knechtschaft zu befreien (6,9a), nehmen diese unter dem direkten Eindruck der Fronlasten mit Unglauben auf (6,9b: ±±¯°§²§¥«§²¥ ²° «§). Ihre Reaktion erinnert an den Zweifel Abrahams in Gen 17,17, doch ist der erzählerische Stellenwert des Motivs in den beiden priesterschriftlichen Programmtexten grundverschieden. Geht JHWH in Gen 17 auf den Zweifel Abrahams mit einer neuerlichen Zusage ein, so hat der Erzähler in Ex 6 kein Interesse daran, die Israeliten zu überzeugen.19
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Mit Einflüssen der vorpriesterschriftlichen Exoduserzählung auf P rechnet auch GERTZ, Tradition, 248-250, sieht hierin aber keinen Anlaß dazu, vom Quellencharakter von P abzurücken. Vgl. WEIMAR, Untersuchungen, 124; LUST, Exodus 6,2-8, 216. 16 Vgl. hierzu grundlegend LUST, Exodus 6,2-8, 209-224; ferner GERTZ, Tradition, 245250. Eine direkte literarische Abhängigkeit der Verse Ex 6,6-8 von Ezechieltexten wird man allerdings in Anbetracht der immer deutlicheren Spätdatierung des Ezechielbuches skeptisch sehen müssen. Eher ist an eine Zugehörigkeit zum selben priesterlichen Sprachmilieu zu denken. 17 So bereits BAENTSCH, HK I, 47. Vgl. OTTO, Forschungen, 10, Anm. 45, der Ex 6,6-8 auf den ‚Pentateuchredaktor‘ zurückführt. Zur Kritik an dieser und vergleichbaren Positionen vgl. ausführlich GERTZ, Tradition, 244-250. 18 Gegen KOHATA, Jahwist, 29-34, die Ex 6,8 als dtr geprägten Nachtrag ausscheidet, der mit dem priesterschriftlichen Landverständnis unkompatibel sei. Dagegen hat bereits RÖMER, Väter, 546f., Anm. 356, zutreffend geltend gemacht, daß die in 6,8 vorgenommene Aktualisierung der Landgabe an die Väter notwendig ist. Vgl. GERTZ, Tradition, 247f. Grundsätzliche Erwägungen zur Rolle des Landes in der Priesterschrift bietet KÖCKERT, Land, 147-159. 19 Dies ist zu diesem Zeitpunkt streng genommen überhaupt noch nicht möglich, denn nach Ex 6,6f. wird JHWH erst durch seine Rettungstat zum Bundespartner Israels und als solcher erkennbar. Die Zweifel der unter den Fronlasten leidenden Israeliten sind also nicht
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Kapitel V: Die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7)
Ihr Unglauben dient vor allem dem Zweck, Mose ein Argument dafür zu liefern, seine Eignung als Gesandter JHWHs in Zweifel zu ziehen: Wenn schon die Israeliten nicht auf ihn hören, wie dann erst der Pharao? (6,12bĮȕ: «±¢©«§²¢£¢¢¥«§²¢¥¥±²¢¢©¨). Der Auftritt Moses vor den Israeliten und deren abweisende Reaktion (6,9) sind damit von vornherein auf die Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose angelegt (7,1f.). Die in Ex 3,7-12* vorgefundene Sequenz von Rettungsankündigung (3,7f.; vgl. 6,5-8) und Sendung (3,10; vgl. 6,10f.) wird so durch die in 6,9 zwischengeschaltete Übermittlung der Botschaft an die Israeliten zunächst unterbrochen, um dann in modifizierter Weise weitergeführt zu werden: Wie in 3,11 zweifelt Mose auch in 6,12 an seiner Eignung, nur reagiert JHWH hierauf nicht mit einer Beistandszusage (3,12aĮ), sondern stellt Mose seinen Bruder Aaron zur Seite. 7,2 bekräftigt den Redeauftrag aus 6,11 unter den so veränderten Vorzeichen. Der Vergleich der beiden Berufungsszenen zeigt erneut, daß sich der priesterliche Verfasser eng an seine Vorlage in Ex 3 anlehnt, um die dortigen Zusagen JHWHs zu aktualisieren, gleichzeitig aber auch das dort entworfene Mosebild in einem entscheidenden Punkt zu modifizieren. Während 3,12aĮ die prophetische Sendung des Mose zum Pharao bekräftigt, überträgt P in 7,1 dieses Amt an Aaron, wohingegen Mose gleichsam eine Apotheose erfährt: ‚Siehe, ich habe dich dem Pharao zum Gott gesetzt, und dein Bruder Aaron soll dein Prophet sein‘ (¨± «±¥ ¦¢¥ £¢³³© ± £¢©¢¢£¢ ). Dabei macht die Explikation der Aussage in 7,2 deutlich, daß es dem Verfasser keinesfalls um die ‚Entprophetisierung‘ des Mose, sondern vielmehr um die Etablierung einer prophetischen Botenkette geht, in der Mose die Worte JHWHs empfängt und an Aaron weitergibt (³ £¯ ±² ¥¤ ³ ±³), damit dieser dann die Auszugsforderung vor dem Pharao vorbringt (¯±§ ¥±²¢ ¢© ³ ¥² «± ¥ ±¢ £¢ ¨±). Dabei orientiert sich der Verfasser in der Wortwahl deutlich an der Berufung des Jeremia, die sowohl in 7,1 (vgl. Jer 1,5b: £¢³³© ¦¢¥ ¢©) als auch in 7,2 anklingt (vgl. Jer 1,7bȕ: ±³£¯±²¥¤³).20 Mit der die Sendung Moses aus Ex 3,10-12aĮ modifizierenden Einsetzung Aarons in 7,1f. kommt der priesterschriftliche Programmtext in Ex 6,2ff. an sein Ziel. Er stellt sich gegenüber seiner Vorlage in Ex 3 nicht als Dublette, sondern als Weiterführung dar, die das Motiv der namentlichen Selbstkundgabe JHWHs gegenüber den Israeliten einführt und Aaron an die Seite des Mose stellt. Daß der Ergänzer die Offenbarungsszene nicht
nur verständlich, sondern auch offenbarungstheologisch sachgemäß. Ähnlich ACHENBACH, Ich bin, 80. 20 Vgl. W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 324. Anders GERTZ, Tradition, 320, Anm. 399.
1. Analyse
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im Anschluß an Kap. 3, sondern zwischen 5,2; 7,14 einschaltete,21 hat seinen Grund darin, daß er hier den perfekten Ort fand, um sowohl den offenbarungstheologisch zentralen Aspekt der Selbstkundgabe JHWHs als auch die Rolle Aarons zu verhandeln. Wie dargelegt bot ihm die Frage des Pharao in 5,2 (¢¢§) das Stichwort für die Offenbarung des Namens und die Einführung des heilsgeschichtlich begründeten Bundesverhältnisses,22 während er mit der Einsetzung Aarons die Leseperspektive für die vorpriesterschriftlichen Plagen in 7,14ff. fixierte, in denen nun Aaron als Sprecher vor dem Pharao zu denken ist. Mag man Ex 6,2ff. auf den ersten Blick für eine Erstoffenbarung halten, so zeigen die kontextuelle Einbettung des Abschnitts in den nichtpriesterschriftlichen Text ebenso wie seine strukturellen und terminologischen Bezüge zur Moseberufung in Ex 3, daß dieser Eindruck trügt. Ex 6,2ff. bauen auf Ex 3 auf, ein Sachverhalt, der auch durch die programmatische Positionierung der priesterschriftlichen Verse 2,23-25 vor der Dornbuschszene unterstrichen wird, die die Offenbarung in Ex 3 von vornherein auf ihre Fortsetzung in Ex 6 hin transparent machen wollen.23 Wie bereits eingangs dargelegt, folgte auf die Einsetzung Aarons (Ex 7,1f.) noch ein knapper Vorausblick auf die Erfolglosigkeit der israelitischen Gesandtschaft und die Erzwingung des Auszuges: Der Pharao werde nicht auf Mose und Aaron hören (7,4aĮ: «± ¦¤¥ «§²¢ ¥), so daß JHWH seine Hand an Ägypten legen werde (7,4aȕ: ¦¢±¯§ ¢¢ ³ ¢³³©), um die Israeliten ‚durch große Gerichte‘ herauszuführen (7,4b: ³¢³¯ ¦¢¥ ¦¢¡² ¦¢±¯§ ®±§ ¥±²¢ ¢© ¢§« ³ ¢³¯).24 Worum es sich bei den ‚großen Gerichten‘ handelt, läßt sich klären, wenn man die in 7,4 umrissene Ereignissequenz ins Verhältnis zur Darstellung in 7,14-12,41* 21 Mit einem direkten Textübergang zwischen Ex 5,2 und 6,2 muß man im übrigen auch dann rechnen, wenn man an der Quellenhaftigkeit von P festhält und die Verbindung mit dem nichtpriesterschriftlichen Text auf einen Redaktor zurückführt. Wie unter IV. gezeigt, handelt es sich bei der Erzählung von der Verschärfung der Fron in 5,3-6,1 nicht um ein endredaktionelles Bindeglied, sondern um einen mehrfach gewachsenen Text, dessen Grundbestand in 5,3f.* bereits in eine weit fortgeschrittene nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase der Exoduserzählung gehört. Gegen GERTZ, Tradition, 347f. 22 Da der zentrale Aspekt von Ex 6,2-8 in der Übermittlung der Offenbarung an die Israeliten besteht (6,6-8), war die Möglichkeit, die priesterschriftliche Offenbarungsrede direkt an den vorgefundenen Bestand der Dornbuschszene (3,1-12*) anzuschließen, ohnehin nicht gegeben. Ex 3,9-12 zielen auf den unmittelbaren Auftritt Moses vor dem Pharao, der sich vermittelt über die Rückkehrnotiz in 4,18aĮ1.20aȕ direkt in 5,1f.* anschloß. Ein Auftritt vor den Israeliten ließ sich nur nach diesen Ereignissen einschalten. 23 Vgl. die Ausführungen unter III. 1.2. 24 Mit der Rede von ‚meinem Volk, den Israeliten‘ (¥±²¢¢©¢§«) greift der priesterliche Bearbeiter gezielt das Vokabular aus 3,10 auf. Der Ausdruck ist alttestamentlich sonst nicht mehr bezeugt, sondern klingt nur noch in der Rede des Pharao aus 1,9 an (¥±²¢¢©¦«), die ihrerseits im Hintergrund von 3,10 steht.
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Kapitel V: Die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7)
setzt, die hier antizipiert wird. Da mit der Weigerung des Pharao (7,4aĮ) eindeutig auf das Resultat der vorpriesterschriftlichen Plagen in 7,14-8,28* Bezug genommen wird, scheidet die Möglichkeit, die ‚großen Gerichte‘ mit den Plagen zu identifizieren, von vornherein aus.25 Es handelt sich vielmehr um ein Ereignis, mit dem JHWH erfolgreich den Auszug seiner Heerscharen (7,4b: ¦¢±¯§ ®±§ ¢³¯ ³ ¢³¯) erzwingt, eine Formulierung, die unübersehbar auf die von derselben Hand verfaßte Auszugsnotiz in 12,41bȕ anspielt (¦¢±¯§®±§¢³¯¥¤¯¢). Die in 6,6; 7,4 angekündigten ‚großen Gerichte‘ JHWHs sind folglich zwischen Plagen und Auszug angesiedelt, und beziehen sich damit eindeutig auf die Tötung der Erstgeburt.26 Als irrtümlich erweist sich dagegen die Annahme, Ex 6,6; 7,4 bezögen sich auf das Meerwunder,27 die bisweilen auch dadurch befördert wird, daß man die beiden Ankündigungen ‚großer Gerichte‘ von 7,5 her deutet,28 obwohl der Vers genau betrachtet gar nicht auf das Meerwunder zielt und vor allem zu wesentlichen Teilen nachgetragen wurde. An die Erkenntnisaussage in 7,5aĮ, in der die Ankündigung aus 7,4 ihr theologisches Ziel findet (¢ ¢© ¢¤ ¦¢±¯§ «¢), hat sich nämlich in 7,5aȕb nachträglich eine neuerliche Spezifikation des Erkenntnisgrundes angelagert, die gegenüber 7,4 deutliche Akzentverschiebungen aufweist: Hatte JHWH in 7,4 angekündigt, seine Hand an () Ägypten zu legen (¨³©), so ist in 7,5aȕ davon die Rede, er werde seine Hand über (¥«) Ägypten ausstrecken (¡©). Die Formulierung zielt nicht mehr auf die Tötung der Erstgeburt, sondern nimmt den Plagenzyklus in den Blick, wo das Motiv der über Ägypten ausgestreckten Hand vom Ergänzer des priesterschriftlichen Wunderwettstreits eingeführt (7,19; 8,1f.13) und von späteren Bearbeitern in 9,22; 10,12.21f. aufgenommen wurde.29 Gegen HOUTMAN, Exodus I, 503. Ebenso vermutungsweise KRATZ, Komposition, 245, Anm. 26. Für die Identifizierung der ‚großen Gerichte‘ mit der Tötung der Erstgeburt wird ferner geltend gemacht (vgl. etwa R. SCHMITT, Exodus, 20, Anm. 29; GERTZ, Tradition, 33, Anm. 14), daß der in Ex 6,6; 7,4 verwendete Begriff ¦¢¡² noch einmal in 12,12b wiederkehrt, wo JHWH neben der Tötung der ägyptischen Erstgeborenen auch Strafgerichte an den Göttern des Landes ankündigt. Der Befund ist allerdings von geringem Belang, da es sich in 12,12b um einen jüngeren Zusatz handelt. S.u., VII. 2.1. 27 So etwa SKA, Plaies, 27-30; WEIMAR, Meerwundererzählung, 204, Anm. 109. Da das Motiv einer Umkehr der bereits aus Ägypten ausgezogenen Israeliten erst nachträglich in die priesterschriftliche Exposition der Meerwundererzählung (Ex 14,1-4) eingetragen wurde (s.u., VIII. 2. und VIII. 3.1.), ist auch das Argument hinfällig, das Meerwunder sei Teil der Herausführung und liege daher ebenfalls im Horizont der Ankündigung aus 7,4. 28 Vgl. etwa L. SCHMIDT, Studien, 29. 29 Das Motiv hat seinen Ursprung in der priesterschriftlich überarbeiteten Fassung der Meerwundererzählung, wo Mose durch das Ausstrecken seiner Hand die Teilung der Wasser herbeiführt (Ex 14,16.21) und wieder rückgängig macht (14,26f.). Daß die Ankündigung in 25 26
1. Analyse
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Nun handelt es sich allerdings an allen genannten Stellen um die Hand Moses oder Aarons, weshalb kaum davon auszugehen ist, daß die Ankündigung in Ex 7,5aȕb auf derselben redaktionellen Ebene angesiedelt ist. Es handelt sich um einen jüngeren nachpriesterschriftlichen Zusatz, der sich in seiner Tendenz deutlich mit dem noch zu diskutierenden Vers 7,3 berührt, insofern an beiden Stellen die Plagen exklusiv für JHWH beansprucht werden. Ex 7,3.5aȕb bilden mit 11,9 einen Rahmen um den Plagenzyklus, dessen theologische Programmatik nun ausdrücklich so definiert wird, daß alle Plagen als göttliche Machtdemonstrationen gelten, die auf die JHWH-Erkenntnis der Ägypter zielen: ‚Und die Ägypter sollen erkennen, daß ich JHWH bin, wenn ich meine Hand über Ägypten ausstrecke und die Israeliten aus ihrer Mitte herausführe‘ (7,5: ¢¢©¢¤¦¢±¯§«¢ ¦¤³§ ¥±²¢ ¢© ³ ¢³¯ ¦¢±¯§ ¥« ¢¢ ³ ¢³¡©). Ist die Erkenntnisaussage nach ihrer Erweiterung um 7,5aȕb auf Plagen und Tötung der Erstgeburt gleichermaßen bezogen, so lief die ursprüngliche Ankündigung ‚großer Gerichte‘ (7,4.5aĮ) wie dargelegt am eigentlichen Plagenzyklus vorbei und fand ihr Ziel in Ex 12. Wie später beim Meerwunder30 berichtet P allerdings auch hier nicht selbst davon, daß sich bei den Ägyptern die angekündigte Gotteserkenntnis einstellt. Die besagte Ankündigung aus 7,5aĮ ist vielmehr auf den vorpriesterschriftlichen Text angelegt, der in 12,29a die Vollstreckung der Gerichte vermeldet und in 12,33* von der panischen Reaktion der Ägypter kündet, in der sich im Licht von 7,5aĮ die Erkenntnis JHWHs Ausdruck verschafft. Wie zuvor notiert, ist gegenüber dem Grundbestand der priesterschriftlichen JHWH-Rede in Ex 7,1f.4.5aĮ nicht nur die Ausweitung der Erkenntnisaussage auf die Plagen (7,5aȕb), sondern auch die hiermit verbundene Ankündigung in 7,3 sekundär, JHWH wolle das Herz des Pharao verhärten («± ¥ ³ ²° ¢©), um so seine Zeichen und Wunder in Ägypten zu vermehren (¦¢±¯§ ®± ¢³§ ³ ¢³³ ³ ¢³¢±). Der Vers greift mit dem Lexem ³§ den Kernbegriff des priesterschriftlichen Wunderwettstreits auf, spricht daneben aber auch von Zeichen (³), was im priesterschriftlichen Text ebenso ohne Parallele ist wie die Konstruktion der Verstockungsaussage mit ²° im Hifǥil.31 Es handelt sich um einen nach-
Ex 7,5aȕb auf das Meerwunder zielt, ist allerdings auszuschließen, da die umrissene Ereignisfolge (Ausstrecken der Hand über Ägypten [nicht über das Meer!] – Herausführung) eindeutig dafür spricht, daß hier wie schon in 7,4 lediglich der Erzählzusammenhang bis zur Auszugsnotiz 12,40f. im Blick ist. 30 Vgl. die Ausführungen unter VIII. 2. 31 Vgl. Ez 3,7; Spr 28,14. Eine terminologisch vergleichbare Aussage findet sich innerhalb der Exoduserzählung nur noch in Ex 13,15, wo es allerdings um die Selbstverstockung des Pharao geht (© ¥²¥«±²°¢¤¢¢).
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Kapitel V: Die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7)
priesterschriftlichen Zusatz32 von derselben Hand, die in 11,9 einen entsprechenden Hinweis auf die Vermehrung der Wunder JHWHs vor dem priesterschriftlichen Abschlußvers in 11,10 plazierte und in 7,5aȕb die Plagen zum Instrument der JHWH-Erkenntnis stilisierte. Da in 11,10 dezidiert von der Verstockung (° ) des Pharao durch JHWH gesprochen wird, ist der Versuch, die Ankündigung in 7,3 für P zu retten, durchaus verständlich. Das Fehlen einer derartigen Voraussage wäre in der Tat eigentümlich, doch spricht dies eben nicht für die Ursprünglichkeit von 7,3, sondern bestätigt neuerlich den Zusatzcharakter des priesterschriftlichen Wunderwettstreits. Mit der auf 7,1f. bezogenen Ausführungsnotiz in 7,6 und den Angaben zum Lebensalter der Brüder in 7,7 fand die älteste priesterschriftliche Bearbeitung von Ex 7 ihren Abschluß. Wie in Ex 12,40f. war P auch mit Blick auf Aaron und Mose ursprünglich allein an Fragen der Chronologie, nicht aber der Genealogie interessiert (7,7). Die genealogischen Ausführungen in 6,14-25, die im wesentlichen Fragen der priesterlichen Dynastie levitischen Ursprungs behandeln, sind nebst ihres erzählerischen Rahmens in 6,13.26-30 seit langem als Zusatz erkannt.33 Den Weg zu einer präzisen literarhistorischen Verortung des zumeist als PS verbuchten Stückes34 weist der Vergleich der Wiederholung von Moses Weigerung in 6,30 mit der Vorlage in 6,12. Das in 6,12bĮȕ vorgetragene Argument, der Pharao werde nicht auf Mose hören, da schon die Israeliten nicht auf ihn gehört hätten, ist streng nach dem Muster der rabbinischen Auslegungsregel Qal wa-Chomer aufgebaut. Es wurde in 6,9-11 erzählerisch gekonnt vorbereitet und weist eine innere Geschlossenheit auf, die Hilfsargumente weder erfordert noch duldet. Genau ein solches Hilfargument liefert nun aber der in 6,12bȖ nachklappende Hinweis des Mose auf seine unbeschnittenen Lippen (¦¢³²¥±«¢©). Was in 6,12 klar als Zusatz erkennbar ist, gehört dagegen in der in 6,30b gebotenen Neufassung des Arguments zum Grundbestand, denn hier begründet Mose den Zweifel an seiner Eignung exklusiv mit dem Hinweis auf seine unbeschnittenen Lippen («± ¢¥ «§²¢ £¢ ¦¢³² ¥±« ¢© ¨). 32 Vgl. GERTZ, Tradition, 155. Gegen KOHATA, Jahwist, 329f., Anm. 111, die die Verstockungsaussage in Ex 7,3a für P veranschlagt, allerdings ebenso wenig wie W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 326, erklären kann, warum hier nicht wie sonst die Wurzel ° Verwendung findet. 33 Daß die Liste in Ex 6,14-28 ein sekundärer Zusatz ist, wird bereits 1781 von EICHHORN, Einleitung II, 419, Anm. u) vermutet: „Oder sollte der ganze Abschnitt zu den späteren Interpolationen der Mosaischen Bücher gehören?“ Vgl. VATER, Commentar II, 17f.; WELLHAUSEN, Composition, 62; SMEND, Erzählung, 125, sowie in jüngerer Vergangenheit NOTH, ATD 5, 42f.; FOHRER, Überlieferung, 49; KOHATA, Jahwist, 50; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 296; GERTZ, Tradition, 251; KRATZ, Komposition, 244. 34 Vgl. GERTZ, Tradition, 251f.; L. SCHMIDT, Studien [1993], 82, Anm. 142; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/1, 297.
1. Analyse
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Der Ergänzer des genealogischen Einschubs in 6,13-30 hat damit die Endgestalt von 6,12 bereits im Blick. Bei allen Unklarheiten im Detail kann als sicher gelten, daß das alttestamentlich exklusiv in Ex 6,12bȖ.30 bezeugte Motiv der unbeschnittenen Lippen auf ein ‚rhetorisches‘ Defizit hinweist.35 Ein solches Defizit wird von Mose auch in 4,10b geltend gemacht (¢¤© ¨²¥ ¤ ¤ ¢¤) und bereitet dort ebenfalls auf die Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose vor (4,11-17). Das Motiv hat in diesem jüngeren Seitentext zu Ex 6,2-12*; 7,1-7* seinen Ursprung,36 denn in Ex 4 kann Mose anders als in 6,9-12* noch nicht mit der Erfahrung eines Autoritätsdefizits argumentieren, weshalb er auf seine Schwerzüngigkeit verweisen muß, um Aaron zur Seite gestellt zu bekommen. Der Interpolator der Liste in 6,13-30 setzt dieses Motiv und damit auch die Ergänzung der Aaron-Passagen in Ex 4 voraus und hat die unbeschnittenen Lippen des Mose aller Voraussicht nach auch in 6,12bȖ mit Blick auf 6,30 ergänzt. Die Abhängigkeit von Ex 4 zeigt sich schließlich auch daran, daß in 6,13 von einer Sendung Moses und Aarons zu den Israeliten und zum Pharao die Rede ist (¢© ¥ ¦¯¢ ¦¢±¯§£¥§«±¥¥±²¢). Eine Sendung der Brüder zu den Israeliten ist von Ex 6f.* her nicht gedeckt, sondern hat die Endgestalt von Ex 4,28-31 zum Hintergrund.37 Bereits die Analyse der Rahmenverse 6,13.30 zeigt also, daß es sich bei der hierdurch gerahmten Liste um einen außerordentlich späten Zusatz handelt, der in der klassischen Nomenklatur nicht als PS, sondern als RS zu greifen wäre.38 Der Abschnitt gehört in den Horizont einer späten priesterschriftlichen Bearbeitungsphase der Exoduserzählung, die ihre Spuren vor allem in Ex 12f. hinterlassen hat.39
35
Vgl. NOTH, ATD 5, 44f. S.o., III. 3.1. 37 Die Vorstellung begegnet noch in dem späten dtr Vers 1 Sam 12,8, der die skizzierten Entwicklungen in der Exoduserzählung bereits voraussetzt. 38 Damit ist allerdings keineswegs gesagt, daß der Abschnitt literarisch einheitlich ist. Bereits der Neueinsatz in Ex 6,16 nach den knappen Ausführungen zu Rubeniten und Simeoniten in 6,14f. deutet auf literarisches Wachstum hin, wobei es sich bei den thematisch nur locker in ihren Kontext integrierten Angaben in 6,14f. um Nachträge handeln wird. Die Frage nach weiteren Bearbeitungen des genealogischen Materials kann im Rahmen dieser Arbeit auf sich beruhen bleiben. 39 Man beachte besonders die Parallelen zu der Zulassungsordnung zum Passa (Ex 12,4351*), die wie die Liste in 6,13-30 durch eine literarische Wiederaufnahme des älteren Erzählbestandes kontextualisiert ist und mit 6,26 die sonst nicht bezeugte Rede von einer Herausführung der Israliten ¦³¯ ¥« teilt (12,51). Zu den späten priesterlichen Bearbeitungen in Ex 12f. vgl. die Ausführungen unter VII. 2.4. und VII. 2.5. 36
Kapitel V: Die priesterschriftliche Berufung Moses und Aarons (Ex 6,2-7,7)
166
2. Ergebnis Als Grundbestand des im Kern priesterschriftlichen Abschnitts Ex 6,2-7,7 haben sich die Verse 6,2-5.6*.7-12bȕ; 7,1f.4.5aĮ.6f. herauskristallisiert (I). Sie wurden in den bestehenden Textzusammenhang zwischen 5,2 und 7,14 eingeschrieben, nehmen das ‚Wer ist JHWH?‘ aus dem Mund des Pharao zum Anlaß für eine Offenbarung, die um die Identität eben dieses Gottes kreist, und leiten mit der Einsetzung Aarons in sein Sprecheramt zu den vorpriesterschriftlichen Plagen über, wo nun Aaron als Überbringer der Auszugsforderungen zu denken ist. Schicht II (7,3.5aȕb) ist bereits bedeutend jünger, denn der hier tätige Ergänzer setzt sowohl die Überformung des Plagenzyklus zum priesterschriftlichen Wunderwettstreit (7,8-9,12*) als auch die Ergänzung der nachpriesterschriftlichen Hagel- und Heuschreckenplage in 9,13-10,20* voraus. Ex 7,3.5aȕb bilden mit dem von derselben Hand verfaßten Zusatz in 11,9 einen Rahmen um den Plagenzyklus, den sie programmatisch als eine Sequenz von Zeichen und Wundern JHWHs fassen. Ein nochmals späterer Bearbeiter ergänzte in Ex 6,6b den ‚ausgestreckten Arm‘ JHWHs (III) und verklammerte die priesterschriftliche Offenbarungsszene auf diese Weise mit 6,1, wo er den ersten Teil der dtr Auszugsformel (die ‚starke Hand‘) implementierte. Durch die Aufspaltung der Formel auf 6,1.6 wird die JHWH-Rede in 6,2ff. als Explikation der Ankündigung eines machtvollen Einschreitens erkennbar, mit der JHWH in 6,1 auf die Verschärfung der Fron (5,6-13*) und die Klage des Mose (5,22f.) reagiert. Ist der erwähnte Zusatz zu 6,6b als Bestandteil der in 5,613*.22f.; 6,1 greifbaren Bearbeitung anzusprechen, so handelt es sich bei der genealogischen Liste in 6,12bȖ.13-30* um eine nochmals spätere Einschreibung (IV), welche die Aaronpassagen in Ex 4 voraussetzt, die jünger sind als der Grundbestand der Erzählung von der Verschärfung der Fron (5,6-13*.22f.; 6,1). Übersicht: Die literarische Entwicklung von Ex 6,2-7,7 I
6,2-8*(ohne ¢¡©«± in 6,6b): JHWH offenbart sich Mose und trägt diesem auf, die Israeliten über den Inhalt der Offenbarung zu unterrichten. (ŀ Ex 5,2) III
I
6,6b(nur ¢¡©«±): Verklammerung mit Ex 6,1
6,9-12bȕ: Mose vermag die Israeliten nicht zu überzeugen und zweifelt daher am Erfolg seiner Gesandtschaft zum Pharao. 6,12bȖ.13-30*: Zur Abstammung Moses und Aarons (ĸ Ex 4,10-17.28-31)
IV
2. Ergebnis I
7,1f.: JHWH stellt Mose als Reaktion auf dessen Zweifel seinen Bruder Aaron als Sprachrohr zur Seite und erneuert die Sendung zum Pharao. II
I
7,4.5aĮ: JHWH kündigt die Erfolglosigkeit der Auszugsforderung und die Tötung der Erstgeburt an. II
I
7,3: Ankündigung der Verstockung des Pharao zur Vermehrung der Zeichen und Wunder JHWHs (= Ex 11,9)
7,5aȕb: JHWH-Erkenntnis der Ägypter durch die Plagen (= Ex 11,9)
7,6f.: Ausführungsnotiz. Zum Alter Moses und Aarons. (ŀ Ex 7,14)
167
Kapitel VI
Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10) Der Bericht über die ägyptischen Plagen ist ein hochkomplexes literarisches Gebilde,1 welches das Resultat eines verwickelten Entstehungsprozesses darstellt.2 Als in der heutigen Forschung weitgehend konsensfähig kann die Beobachtung gelten, daß sich im ersten Teil des Zyklus (Ex 7,89,12) ein priesterschriftliches und ein nichtpriesterschriftliches Schema unterscheiden lassen. Die im zweiten Teil des Zyklus (9,13-10,29) folgenden Plagen weisen dagegen Elemente beider Schemata auf, was im Rahmen der Urkundenhypothese zu den unterschiedlichsten Zuweisungen geführt hat, von denen keine restlos überzeugen konnte.3 Erklären läßt sich der Befund nur durch die Annahme, daß es sich bei den betreffenden Plagen bereits um nachpriesterschriftliche Zusätze handelt.4 Wie sich im folgenden zeigen wird, läßt sich die Genese des gesamten Plagenzyklus einschließlich seiner priesterschriftlichen Anteile im Rahmen einer Ergänzungshypothese darstellen.5 Es handelt sich um sukzessive Fortschrei1 Zur Beurteilung der Plagen als literarische Schöpfungen vgl. bereits E. MEYER, Israeliten, 31, sowie jüngst etwa GERTZ, Tradition, 186. Für die u.a. von NOTH, ATD 5, 53, und FOHRER, Überlieferung, 75, vertretene Auffassung, die Plagen stammten aus lebendiger mündlicher Überlieferung, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. 2 Damit soll in keiner Weise bestritten werden, daß eine synchrone Lektüre des vorliegenden Textes bestimmte übergreifende Strukturen zutage fördert, die auf einen planvollen Aufbau des Plagenzyklus hindeuten (vgl. JACOB, Buch Exodus, 174-187; KEGLER, Komposition, 60-70; KELLENBERGER, Verstockung, 16-177). Hieraus läßt sich aber eben nicht auf den gestalterischen Willen eines Verfassers schließen, sondern der Fall beweist vielmehr, daß selbst noch so kleinschrittige Redaktionsprozesse alles andere als willkürlich verlaufen, sondern immer den kontextbedingten Gesetzmäßigkeiten Rechnung tragen. 3 Während NOTH, ATD 5, 52f., noch meinte, in den drei Plagen einen fragmentarischen priesterschriftlichen Erzählfaden rekonstruieren zu können, haben KOHATA, Jahwist, 99f., und L. SCHMIDT, Beobachtungen, 23-50, die priesterschriftlich gefärbten Stücke als endredaktionelle Erweiterungen eines nichtpriesterschriftlichen Grundstocks zu erklären versucht. GERTZ, Tradition, 132-152, hat hingegen überzeugend gezeigt, daß besagte Plagen nicht einmal einen derartigen Grundstock aufweisen, sondern im ganzen redaktionelle Bildungen sind. 4 Vgl. LEVIN, Jahwist, 337; GERTZ, Tradition, 186f. 5 Zur literarischen Unselbständigkeit der priesterschriftlichen ‚Plagen‘ vgl. VAN SETERS, Plagues, 31-39; BLUM, Studien, 242-256. Anders mit der Mehrheitsmeinung u.a. L. SCHMIDT, Beobachtungen, 77-84; DERS., Studien [1993], 10-19; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 352-356; H.-C. SCHMITT, Tradition, 204, Anm. 41; GERTZ, Tradition, 84-97.
1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f.
169
bungen, die auf einem schmalen vorpriesterschriftlichen Grundbestand in Ex 7f. aufbauen. Die folgende redaktionsgeschichtliche Analyse versucht, diese Fortschreibungsprozesse nachzuzeichnen, wobei sich ihre elementare Gliederung aus der zweiteiligen Gestalt des Plagenzyklus ergibt.
1. Der erste Teil des Plagenzyklus (Ex 7,8-9,12) 1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f. Die Existenz eines vorpriesterschriftlichen Plagenzyklus war bereits bei der Behandlung des priesterschriftlichen Abschnitts Ex 6,2-7,7* wahrscheinlich gemacht worden, insofern sich zeigen ließ, daß die Einsetzung Aarons als Sprachrohr des Mose auf die Redeaufträge in den vorpriesterschriftlichen Plagen angewiesen ist. Nun gilt es die Gegenprobe zu machen und zu zeigen, daß der als literarischer Rahmen für die Einschreibung von 6,2-7,7* angenommene Textübergang zwischen 5,2 und 7,14 im vorpriesterschriftlichen Text bestand. Ex 7,14-18* sind unbestreitbar auf die nichtpriesterschriftliche Darstellung der Nilpest angelegt und gleichzeitig auf einen Anknüpfungspunkt im Vorkontext angewiesen, denn sowohl in 7,14 als auch in 7,16 wird explizit darauf Bezug genommen, daß sich der Pharao bereits einmal geweigert habe, die Israeliten ziehen zu lassen. Es muß folglich zuvor einen ersten Auftritt des Mose am ägyptischen Hof gegeben haben, wofür neben 5,1f. nur noch das erste priesterschriftliche Erweiswunder in 7,8-13 in Frage kommt. In der Tat läßt sich die Aussage, der Pharao habe bisher nicht hören wollen (7,16b: ¤ « ³«§² ¥ ©), sowohl auf 5,2aĮ (¥° «§² ±² ¢ ¢§) als auch auf 7,13aȕ («§² ¥ ¦¢¥) sinnvoll beziehen. Damit erschöpfen sich aber bereits die Übereinstimmungen zwischen Ex 7,14-18 und 7,13, denn sowohl der Hinweis auf die Weigerung des Pharao, das Volk ziehen zu lassen (7,14b: ¦« ¥²¥¨§), als auch das in 7,17aȕȖ angeschlagene Thema der Erkenntnis JHWHs (¢© ¢¤ «³ ³ ¢) berühren sich ausschließlich mit 5,2, und dies aufs engste: Beide Aussagen nehmen exakt auf die Erklärung des Pharao in 5,2b Bezug, er kenne JHWH nicht und werde die Israeliten folglich auch nicht ziehen lassen ( ¥² ¥ ¥±²¢ ³ ¢ ³ ¢³«¢ ¥). Wenn nun die Plagenexposition in 7,14-18 vollständig und im Wortlaut auf die Problemlage aus 5,2 rekurriert, so läßt dies nur den Schluß zu, daß 5,2 und nicht 7,13 den Anknüpfungspunkt der ersten nichtpriesterschriftlichen Plage in 7,14ff. bildet. Dies wiederum spricht stark für einen ursprünglichen Textübergang zwischen 5,2 und 7,14, der nachträglich durch priesterschriftliches und jüngeres Material in 5,3-7,13 getrennt wurde, selbst also vorpriesterschrift-
170
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
lich ist.6 Man wird daher daran festhalten müssen, daß die nichtpriesterschriftlichen Plagen in Ex 7f. in ihrem Grundbestand älter sind als der priesterschriftliche Wunderwettstreit.7 Hierfür spricht im übrigen auch, daß man im umgekehrten Fall zu der wenig wahrscheinlichen Annahme gezwungen ist, ein Bearbeiter hätte die Verwandlung aller ägyptischen Gewässer in Blut (P) nachträglich durch eine Nilpest unterboten, die erst von nochmals späterer Hand um das Blutmotiv erweitert worden wäre.8 Nach dem bisher Gesagten war der vorpriesterschriftliche Erzählfaden so konstruiert, daß Mose direkt nach seiner Rückkehr nach Ägypten (Ex 4,20aȕ) dem Sendungsauftrag aus 3,10-12aĮ nachkam und ein erstes Mal vor dem Pharao auftrat (5,1).9 Nun ist freilich unübersehbar, daß Ex 5,1 in seiner vorliegenden Gestalt für den vorpriesterschriftlichen Text ausfällt. Daß neben Mose auch Aaron vor dem Pharao auftritt (5,1a: ²§± ±§¢ ¨±), ist von Ex 3 her nicht gedeckt, sondern setzt die nachpriesterschriftliche Ergänzung Aarons in Ex 4 voraus. Da die Sendung Moses und der Ältesten (3,18b) ebenfalls nachpriesterschriftlich ist, kann in 5,1a ursprünglich auch nicht von einer Begleitung Moses durch die Ältesten die Rede gewesen sein,10 sondern Mose muß dem Auftrag aus 3,10 entsprechend allein vor den Pharao getreten sein, wie er es ja auch in den ab 7,14 folgenden vorpriesterschriftlichen Plagen tut.11 Als Grundbestand von 5,1a verbleibt damit die Aussage, Mose sei nach seiner Rückkehr (4,20aȕ) vor den Pharao getreten und habe zu ihm gesprochen (¥ ±§¢ ²§ ± «±). Mit späteren Überarbeitungen ist nun auch in Ex 5,1b zu rechnen, denn die dortige Ankündigung, Israel wolle in der Wüste ein Fest zu Ehren JHWHs feiern (5,1bȖ: ±§ ¢¥ ¢), steht in Spannung zu den vorpriesterschriftlichen Auszugsforderungen in 7,16.26; 8,16, in denen es durchgängig heißt, man wolle JHWH dienen (¢©«¢; vgl. 9,1.13; 10,3).12 Die Formulierung in 5,1bȖ setzt sowohl die Verhandlungen über die Auszugsgröße (Ex 10,9: Stichwort ) als auch den Vorwand eines in der Wüste zu feiernden Opferfestes (Ex 5,3: Stichwort ±§) voraus,13 wobei es sich jeweils um nachpriesterschriftliche Motivkomplexe handelt.14 Indem 5,1bȖ Vgl. LEVIN, Jahwist, 336; GERTZ, Tradition, 104-106. Anders KRATZ, Komposition, 297, der mit der Möglichkeit rechnet, die nichtpriesterschriftlichen Plagen könnten allesamt jünger als P sein. 8 Zum Zusatzcharakter des Blutmotivs s. im folgenden. 9 Zum ursprünglichen Textanschluß von 5,1* an 4,20a vgl. LEVIN, Jahwist, 330. 10 So etwa WELLHAUSEN, Composition, 72. 11 Vgl. GERTZ, Tradition, 336. 12 Daß es sich dabei nicht einfach um ein und dieselbe Sache handelt, stellt auch FLOSS, Jahwe dienen, 181-183.230, heraus. 13 So schon FUSS, Pentateuchredaktion, 101. 14 Vgl. die Ausführungen unter III. 2.3. und VI. 2.3. 6 7
1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f.
171
diese Motivkomplexe miteinander kombiniert, werden die unterschiedlichen Verhandlungen über die Auzugsmodalitäten bereits beim ersten Auftritt Moses vor dem Pharao als integraler Bestandteil des Plagenzyklus zur Sprache gebracht. Da Mose nicht in 3,10, sondern erstmals in 7,16 erfährt, daß er den Auszug zum JHWH-Dienst fordern soll, ist davon auszugehen, daß eine 5,1bȖ entsprechende Aussage im vorpriesterschriftlichen Grundbestand der ersten Auszugsforderung vollständig fehlte und Mose hier einfach im Namen JHWHs die Entlassung der Israeliten forderte (5,1bĮȕ: ¢§« ³ ¥² ¥±²¢ ¢¥ ¢ ±§ ¤). Mehr ist in 3,10 nicht angelegt und auf mehr nimmt auch der Pharao in Ex 5,2 nicht Bezug. Es ist nun allerdings höchst eigentümlich, daß das Leitmotiv des JHWH-Dienstes, das den Plagenzyklus in Ex 7,14-11,10 wie ein roter Faden durchzieht, in der erzählerischen Exposition (3,10-12aĮ; 5,1f.*) überhaupt nicht vorbereitet wird. Die naheliegende Konsequenz ist, daß der erzählerische Neueinsatz in 7,14 auch als literarischer Neueinsatz zu bewerten ist, die vorpriesterschriftlichen Plagen in 7,14-8,28* also erst nachträglich als Antwort auf die Weigerung des Pharao (5,2) geschaffen wurden, das Volk zu entlassen. Ursprünglich folgte auf 5,2 direkt die Tötung der Erstgeburt (12,29-33*), die gegenüber den Plagen in 7,148,28* ebenso charakteristische Unterschiede aufweist wie die Exposition in 3,10-12aĮ; 5,1f.*. Die vorpriesterschriftlichen Plagen in Ex 7f., die ohne diese Exposition und das Finale in 12,29-33* nicht lebensfähig sind, erweisen sich mithin bereits als Weiterentwicklung eines Erzählstrangs, der lediglich aus einem Auftritt Moses vor dem Pharao und einem verheerenden Schlag JHWHs bestand.15 Dieser literarische Nukleus des späteren Plagenzyklus speist sich vollständig aus Ex 1: Der Verfasser greift das Nichtwissen des neuen Pharao um die Person Josephs (1,8) sowie den gegen die israelitischen Knaben gerichteten Tötungsbefehl (1,22) auf und stilisiert die Motive zu einem Konflikt zwischen dem Pharao und JHWH: Der Pharao, der vorgibt, JHWH nicht zu kennen (5,2),16 lernt diesen nun auf die denkbar brutalste Weise kennen,17 insofern nun nicht nur die männliche, sondern alle Erstgeburt Ägyptens getötet wird. In den ursprünglichen Textzusammenhang zwischen Ex 5,2 und 12,29a wurden in 7,14-8,28* drei vorpriesterschriftliche Plagen eingestellt, die der Tötung der Erstgeburt zu einem klimaktischen Vorspann verhelfen. Die Zurückweisung der Auszugsforderung in Ex 5,2 wird nun von JHWH in 7,14 mit der Feststellung aufgenommen, das Herz des Pharao sei ‚schwer‘ 15 Ähnlich schon FOHRER, Überlieferung, 72f., der allerdings überlieferungsgeschichtlich argumentiert. 16 Das negative Pharaobild aus Ex 5,2 hatte eine Nachgeschichte in Jes 45,3.13, wo Kyros gezielt als positives Gegenbild aufgebaut wird; vgl. KRATZ, Kyros, 104.107. 17 Den Bezug zwischen Ex 1,8 und 5,2 betont auch JACOB, Buch Exodus, 7.
172
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
(«± ¥ ¤), er weigere sich, das Volk ziehen zu lassen (³ ¥²¥ ¨§ ¦«). Damit wird die für die vorpriesterschriftlichen Plagen charakteristische Verstockungsterminologie (¤; vgl. 8,11.28) betont an den Anfang des Plagenzyklus gestellt. Es folgt in 7,15a die Aufforderung, Mose solle den Pharao des Morgens am Ufer des Niles aufsuchen (±° «± ¥ £¥ ¦¢³²¥«³±°¥³¯©§¢§¯¢©). Wo sich einst die Errettung des Mose zutrug (2,1-10), beginnen nun die Strafschläge gegen die Ägypter, deren ersten Mose in 7,16-18 ankündigen soll. Daß er dazu auch ‚den Stab, der sich in eine Schlange verwandelt hat‘ (² ©¥ £© ±² ¡§), mitnehmen soll (7,15b), ist ein späterer Zusatz, der auf den Ergänzer der entsprechenden Notizen in 4,17.20b zurückgeht und damit bereits nachpriesterschriftlich ist.18 In den vorpriesterschriftlichen Plagen tritt Mose nicht als Wundertäter, sondern ausschließlich als Bote JHWHs auf. Als solcher soll er in 7,16 mit Verweis auf seine göttliche Sendung (¦¢±« ¢¥ ¢ £¢¥¢© ¥²) den Pharao erneut mit der Auszugsforderung sowie mit seiner bisherigen Weigerung konfrontieren, derselben nachzugeben (7,16b: © ¤ « ³«§² ¥). Dabei wird in 7,16aȕȖ* der Auszug erstmals gegenüber dem Pharao begründet: Die Israeliten sollen JHWH dienen (¢§« ³ ¥² ¢©«¢). Die am Ende von Ex 7,16aȖ vorgenommene Lokalisierung des JHWHDienstes ‚in der Wüste‘ (±§) wurde dagegen wie die entsprechende Angabe in 5,1bȖ nachgetragen, um die erste Auszugsforderung des Plagenzyklus an das nachpriesterschriftliche Motiv des Wüstenopfers anzugleichen (3,18; 5,3).19 Den vorpriesterschriftlichen Plagen war ein derartiger Vorwand noch fremd, wie sich nicht zuletzt an den weiteren Auszugsforderungen in 7,26; 8,16 zeigt, die den Ort des JHWH-Dienstes unbestimmt lassen. Dies läßt freilich nicht den Schluß zu, es gehe hier ganz grundsätzlich um den fundamentalen Gegensatz zwischen ägyptischem Frondienst und befreitem Gottesdienst, ohne daß letzterer mit einem konkreten Ereignis verknüpft wäre.20 Wie unter III. 2.1. wahrscheinlich gemacht werden konnte, wurden die vorpriesterschriftlichen Auszugsforderungen bereits im Horizont von 3,12aȕȖb formuliert, wo der Dienst am Gottesberg (24,4-8) als das Ereignis eingeführt wird, mit dem die Sendung des Mose ihr Ziel und ihre Beglaubigung findet. Die vorpriesterschriftlichen Plagen machen sich dieses Motiv zu eigen, weichen aber in ihrer thematischen Ausrichtung zu deutlich von 3,12aȕȖb ab, um als Werk desselben Bearbeiters zu gelten. Sie wurden von einem Späteren ergänzt, S.o., III .3.1. Vgl. FLOSS, Jahwe dienen, 189. Daß dabei auch die nähere Bezeichnung JHWHs als ‚Gott der Hebräer‘ (¦¢±«¢¥) erst im Zuge dieser nachträglichen Angleichung an Ex 3,18; 5,3 in den Text gelangt sei, erscheint mir nicht zwingend. 20 Gegen FLOSS, Jahwe dienen, 230-235. 18 19
1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f.
173
dessen primäres Interesse nicht mehr biographischen und heilsgeschichtlichen Bögen galt, sondern dem daran gelegen war, die Machtdemonstrationen JHWHs zu vermehren, um so ein weiteres Gegengewicht gegen die überhebliche Reaktion des Pharao zu setzen, die dieser in 5,2 auf die erste Forderung des Auszugs folgen ließ. Mit Blick auf die in 7,16b rekapitulierte Weigerung des Pharao, die Israeliten ziehen zu lassen, wird diesem nun in Ex 7,17f. eine Plage angekündigt, die auf die Erkenntnis JHWHs zielt (7,17aȕȖ: ¢©¢¤«³³ ¢). So wird dem in 5,2 vorgebrachten Argument der Boden entzogen, der Pharao kenne JHWH nicht und müsse folglich auch nicht auf seine Stimme hören. Die Plage besteht darin, daß JHWH das Wasser des Nils schlägt und in Blut verwandelt (7,17b*: ¤©±¢±²¦¢§¤§¢¤©© ¦¥), woraufhin die Fische sterben und den Nil stinkend machen (7,18a: ±¢ ² ³§³ ±¢ ±² ). Daß JHWH diesen Schlag gegen die Lebensader Ägyptens ‚mit dem Stab in seiner Hand‘ vollzieht, ist indes schwer vorstellbar und auch in der Endgestalt von 7,17b nicht gemeint. Durch die Einschaltung der entsprechenden Wendung (¥« ¢¢ ±² ¡§) wird die Ausführung des Schlages vielmehr in die Hand eines menschlichen Wundertäters übertragen, bei dem man im Horizont des Zusatzes in 7,15b an Mose zu denken hat.21 Auch der nach Abzug des Stabes verbleibende Bestand von 7,17b.18a ist literarisch nicht einheitlich, denn mit der Verwandlung des Wassers in Blut und seiner Verpestung durch die Fischkadaver stehen zwei Motive nebeneinander, die von Hause aus nichts miteinander zu tun haben. Ursprünglich war allein davon die Rede, daß der Schlag JHWHs ein Fischsterben hervorruft.22 Daß dies vermittelt über die Verwandlung des Nilwassers in Blut geschieht (¦¥ ¤©), wurde hier wie im Plagenbericht (7,21b) erst von späterer Hand ergänzt. Die Nachträge gehören in den literarischen Horizont einer priesterlichen Bearbeitung
21 Vgl. RUDOLPH, Elohist, 19; NOTH, ATD 5, 55f.; W.H., SCHMIDT, BK.AT II/2, 379f.; H.-C. SCHMITT, Tradition, 213; GERTZ, Tradition, 98-105. Anders LEVIN, Jahwist, 336, der V. 17a für sekundär hält und in der Nilpest somit ein ursprünglich von Mose vollbrachtes „Zeichenwunder“ nach dem Vorbild von Ex 4,1-4 findet. Dagegen spricht bereits, daß 4,1-4 ebensowenig vorpriesterschriftlich ist wie der Stab in Moses Hand (s.o., III. 3.1.). Auch die Ausscheidung der Erkenntnisaussage in 17,7a (so etwa auch H.-C. SCHMITT, Tradition, 213) erscheint willkürlich, da LEVIN ihren expliziten Anknüpfungspunkt in 5,2 für ursprünglich hält. Mit der Erkenntnis, daß die Nilpest erst nachträglich mit dem Stab des Mose verbunden wurde, entfällt auch die Notwendigkeit, die mit einem „Zeichenwunder“ nicht unbedingt zu vereinbarenden Schadensmeldungen in 7,18 als Nachtrag auszuscheiden (ebd.). Ein reines „Zeichenwunder“ ist die Nilpest zu keinem Zeitpunkt gewesen. 22 Vgl. NOTH, ATD 5, 55-57; KOHATA, Jahwist, 93f.; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 4-10; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 379-382; GERTZ, Tradition, 98-113. Anders VAN SETERS, Life, 77, der auch das Blutmotiv für ursprünglich hält.
174
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
der Nilpest, die das blutige Schutzzeichen aus Ex 12,12a als Warnzeichen an den Beginn des Plagenzyklus stellte.23 Das Eintreten der Plage hat nach Ex 7,18b zur Folge, daß sich die Ägypter ‚abmühen‘, Wasser aus dem Nil zu trinken (³³²¥ ¦¢±¯§ ¥© ±¢ ¨§ ¦¢§), womit am ehesten gemeint ist, daß ihnen das Trinken des verpesteten Wassers nur mit Mühe möglich ist: „The Egyptians will do their utmost to overcome their loathing [...] and drink the water“.24 Daß sie es nicht trinken können (¥¤¢), wird im Unterschied zum Plagenbericht (7,21aȕȖ.24) bezeichnenderweise gerade nicht gesagt, was dafür spricht, daß die Aussagen nicht auf derselben literarischen Ebene angesiedelt sind. Da kaum einleuchtet, warum ein Bearbeiter in 7,18b die in 7,21aȕȖ.24 vorgefundenen Aussagen nachträglich unterboten haben sollte, wird man das literarische Gefälle umgekehrt bestimmen müssen: Ursprünglicher Bestandteil der vorpriesterschriftlichen Darstellung der Nilpest ist allein die Ankündigung in 7,18b, die auf den Ekel abhebt, der die Ägypter angesichts des von Fischkadavern verpesteten Nilwassers ergreift. Erst von späterer Hand wurde dieser Ankündigung ein dieselbe verschärfendes Pendant im Plagenbericht zur Seite gestellt, wo nun davon die Rede ist, ganz Ägypten hätte in Anbetracht der Unmöglichkeit, das Nilwasser zu trinken (7,21aȕȖ: ±¢¨§ ¦¢§ ³³²¥ ¦¢±¯§ ¥¤¢ ¥; 7,24b: ±¢¢§¢§§ ³³²¥ ¥¤¢ ¥ ¢¤), in der Umgebung des Nils nach Trinkwasser gegraben (7,24a: ¦¢±¯§¥¤± ¢ ³³²¥¦¢§±¢³¢ª). Wenn sich das zuvor lediglich stinkende Nilwasser plötzlich als untrinkbar erweist und die Ägypter zu den beschriebenen Notmaßnahmen schreiten müssen, so deutet dies darauf hin, daß der in Ex 7,21aȕȖ.24 tätige Ergänzer mehr als das ursprüngliche Fischsterben im Blick hat: Die Untrinkbarkeit des Nilwassers resultiert aus seiner in 7,17fin.21b berichteten Verwandlung in Blut, die aller Voraussicht nach auf denselben priesterlichen Ergänzer zurückgeht, der in 7,21aȕȖ.24 die Konsequenzen des Ereignisses bedenkt.25 Dies gilt schließlich auch für 7,25, der bereits mit Blick auf die nächste Plage verfaßt wurde. Der Vers vermeldet anders als häufig angenommen nicht das Ende der Nilpest, sondern datiert die folgenden Ereignisse sieben volle Tage nach dem Zeitpunkt, an dem JHWH den Nil schlug (±¢ ³ ¢ ³¤ ¢± ¦¢§¢ ³«² ¥§¢).26 Einen Sinn gewinnt die siebentägige Frist am ehesten vor dem Hintergrund priesterVgl. die Ausführungen unter VI. 1.2. HOUTMAN, Exodus II, 34. 25 Gegen GERTZ, Tradition, 112; LEVIN, Jahwist, 336, die in Ex 7,24 einen noch vorpriesterschriftlichen Zusatz zur Nilpest finden, dessen Motivation aber nicht hinreichend erklären können. 26 So mit JACOB, Buch Exodus, 263, gegen BAENTSCH, HK I/2, 62; NOTH, ATD 5, 56; CASSUTO, Commentary, 100; GERTZ, Tradition, 112. 23 24
1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f.
175
licher Reinheitskonzeptionen, nämlich als Zeitraum der Unreinheit, die durch die Verwandlung des Wassers in Blut eingetreten war. Da der Vers nichts von einer Beteiligung Aarons und der ägyptischen Wahrsagepriester erkennen läßt, sondern den Beginn der Frist mit dem Schlag JHWHs gegen den Nil synchronisiert, ist davon auszugehen, daß 7,25 nicht auf den Verfasser des Wunderwettstreits, sondern auf den älteren priesterlichen Bearbeiter zurückgeht, der in 7,17fin.21aȕȖb.24 erstmals das Blutmotiv mit der Nilpest verknüpfte.27 Im vorpriesterschriftlichen Grundbestand der Nilpest war von alledem ebensowenig die Rede wie von einer Übermittlung der Botschaft aus Ex 7,16-18* an den Pharao – sie wird wie auch sonst in den vorpriesterschriftlichen Plagen stillschweigend vorausgesetzt. Der Plagenbericht in 7,20f. schloß direkt an 7,18 an. Zieht man die priesterschriftlichen Rahmenteile sowie weitere Zusätze ab, so läßt sich ein Bestand freilegen, der sich im Wortlaut mit der Ankündigung aus 7,17b*.18 deckt:28 JHWH schlägt das Wasser des Nils (7,20aĮ*: ±¢±²¦¢§³£¢; vgl. 7,17b*), und wie in 7,18a angekündigt sterben daraufhin die Fische, und der Nil stinkt (7,21aĮ: ±¢ ²¢ ³§ ±¢ ±² ). Zwar fällt auf, daß zu Beginn des Ausführungsberichts in 7,20aĮ* das Subjekt nicht explizit genannt wird, dies ist jedoch insofern unproblematisch, als es sich im Horizont von 7,17b* (ohne den nachgetragenen Stab) nur um JHWH handeln kann. Die von GERTZ vorgenommene Zuweisung sämtlicher nichtpriesterschriftlicher Anteile von 7,20 an die ‚Endredaktion‘ macht die Sache nicht besser, denn das Subjekt bleibt nach wie vor in der Schwebe. Der Schritt ist nicht nur unnötig, sondern auch in seinen Konsequenzen unplausibel, denn er zwingt dazu, für die erste Hälfte der Ankündigung aus 7,17f.* einen verlorenen Ausführungsbericht anzunehmen, obwohl dieser in 7,20* im exakten Wortlaut rekonstruierbar ist.29 An die Notiz zur Untrinkbarkeit des Nilwassers (Ex 7,21aĮ) schloß in 7,23 direkt die Reaktion des Pharao an, der den Schauplatz verläßt, in sein Haus zurückkehrt (³¢ ¥ ¢ «± ¨¢) und sich auch dieses nicht zu Herzen nimmt‘ (³¥¦¥³²¥). Der Vers bestätigt neuerlich die Einbettung der Nilpest in eine mit 5,1f.* beginnende ‚Verstockungsgeschichte‘ und weist mit dem Rückzug des Pharao in sein Haus bereits auf den Ort hin, an dem ihn die nächste Plage ereilen wird (7,26ff.). Wie die Nilpest Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.2. Ex 7,25 gilt meist als Teil des vorpriesterschriftlichen Grundbestandes der Nilpest (KOHATA, Jahwist, 126; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 382; GERTZ, Tradition, 112), wobei der Sinn der siebentägigen Frist ohne Erklärung bleibt und zudem übersehen wird, daß Reflexionen über das zeitliche Verhältnis der einzelnen Plagen zueinander sonst durchgängig fehlen. 28 Vgl. mit unterschiedlichen Abgrenzungen im Detail NOTH, ATD 5, 46; KOHATA, Jahwist, 94; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 4; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 382. 29 Vgl. GERTZ, Tradition, 102 (mit Anm. 97). 27
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
(Ex 7,15-17*) und später die Ungezieferplage (8,16) beginnt auch die Froschplage mit der an Mose gerichteten Aufforderung, vor den Pharao zu treten und den Auszug der Israeliten zum JHWH-Dienst zu fordern (7,26: ¢©«¢¢§«³ ¥²¢±§¤¢¥³±§«±¥²§¥¢±§¢). Im Unterschied zur Exposition der vorpriesterschriftlichen Plagen in 7,17f.*, die den ersten Schlag als Reaktion auf die bisher verweigerte Anerkennung JHWHs durch den Pharao einführte, werden die Plagen ab jetzt als Strafschläge für den Fall angekündigt, daß sich der Pharao weigert, der Auszugsforderung nachzugeben (7,27a: ¥²¥ ³ ¨§ ¦; vgl. 8,17). So droht JHWH in 7,27b an, das ganze Gebiet mit Fröschen zu schlagen (¦¢«±¯£¥¥¤³¬©¢¤©©), was in 7,28a näher expliziert wird: Der Nil soll von Fröschen wimmeln (¦¢«±¯±¢®±²), die dann in das Haus des Pharao heraufkommen (£³¢ ¥«) und bis in sein Schlafgemach und auf sein Bett vordringen (£³¡§ ¥« £¤²§ ± ). Die zweite Plage zeichnet somit exakt den Weg des Pharao vom Nil in sein Haus nach (7,23a: ³¢ ¥ ¢ «± ¨¢) und verhindert, daß sich dieser dem Unheil weiter entziehen kann.30 Während Ex 7,28a den Weg der Frösche bis in die Privatgemächer des Pharao schildert, nimmt 7,28bĮ einen abrupten Perspektivwechsel vor und läßt von der Froschplage auch das Haus der Hofbeamten und das Volk betroffen sein (£§« £¢« ³¢), bevor 7,28bȕ mit der Ankündigung schließt, daß sich die Frösche selbst in den Backöfen und Backtrögen des Pharao finden werden (£¢³±²§ £¢±©³). Die abschließende Erwähnung eines Details des pharaonischen Hausstandes (Ex 7,28bĮ) gehört sachlich in den Zusammenhang von 7,28a und wirkt nach der Weitung der Perspektive auf Hofbeamte und Volk (7,28bĮ) deplaziert. Dies spricht ebenso für den Zusatzcharakter von 7,28bĮ31 wie die grundsätzliche Beobachtung, daß die Hofbeamten des Pharao in den vorpriesterschriftlichen Plagen keine aktive Rolle spielen. Sie sind erzählerisch in der Hagel- und Heuschreckenplage verwurzelt, und es liegt nahe, daß ihre Erwähnungen in Ex 7f. samt und sonders auf späte redaktionelle Bemühungen zurückgehen, die einzelnen Plagen erzählerisch aneinander anzugleichen. Die Annahme wird sich bei der Analyse der beiden nachpriesterschriftlichen Fürbittenszenen in Ex 8 bestätigen, in deren Rahmen das in 7,28bĮ bezeugte Nebeneinander von Hofbeamten und Volk gleich mehrmals begegnet (8,7.17.25. 27).32 Nun ist allerdings auch der nach Abzug von Ex 7,28bĮ verbleibende Übergang vom Bett des Pharao (7,28a) zu seinen Backöfen und Backtrögen (7,28bȕ) inhaltlich nicht ganz glatt: Schilderte 7,28a in bildhafter WeiVgl. KOHATA, Jahwist, 152. Vgl. KOHATA, Jahwist, 153; LEVIN, Jahwist, 337. 32 Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.3. 30 31
1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f.
177
se, wie die Frösche immer weiter in den Privatbereich des Pharao vordringen, so lenkt 7,28bȕ den Strom der Frösche in gewisser Weise in die Küche um. Da zudem die Backöfen und Backtröge im folgenden keine Rolle mehr spielen, wird man am ehesten einen Zusatz annehmen müssen. Dieser erinnert in seinem Wesen auffällig an den Nachtrag in 7,19bȕ, wonach sich das Blut auch in Holz und Stein befindet. Dies spricht für die Tätigkeit ein und desselben Ergänzers, der, da er das von P eingeführte Blutmotiv voraussetzt, bereits in einer nachpriesterschriftlichen Entwicklungsphase tätig war. Sinn der Plazierung der Frösche in den Backgeräten ist es, nach dem Trinkwasser auch die Nahrungsmittelproduktion der Ägypter zu beeinträchtigen, wobei möglicherweise daran gedacht ist, daß die Geräte durch die in ihnen verendenden Frösche (8,9b) dauerhaft unbrauchbar werden.33 Gegenüber dem Grundbestand der Plagenankündigung in 7,27.28a erweist sich schließlich auch 7,29 als sekundär. Der Vers rekapituliert noch einmal in anderer Reihenfolge die nach 7,28abĮ von der Froschplage betroffenen Personengruppen, spitzt die Situation aber insofern zu, als nun durchweg von einem Befallenwerden der Menschen die Rede ist. Auf diese Weise bereitet 7,29 auf die in 8,4-9a nachgetragene Fürbittenszene vor.34 Im Unterschied zur Darstellung der Nilpest, bei der auf die ausführliche Plagenankündigung (Ex 7,17f.*) ein dieser genau korrespondierender Bericht über das Eintreten der Plage folgt (7,20f.*), scheint bei der Froschplage ein Ausführungsbericht vollständig zu fehlen. Der Befund wird meist damit erklärt, daß ein entsprechender Bericht durch sein priesterschriftliches Pendant in 8,1-3 verdrängt wurde,35 was freilich ein im gesamten Plagenzyklus singulärer Fall wäre. Nun weist der besagte priesterschriftliche Abschnitt die Eigentümlichkeit auf, daß der Auftrag, die Frösche über Ägypten heraufzuführen (8,1b: ¦¢±¯§ ®± ¥« ¦¢«±¯ ³ ¥«) nur von den ägyptischen Wahrsagepriestern exakt ausgeführt wird (8,3b: ¥«¢ ¦¢±¯§®±¥«¦¢«±¯³). Dagegen wird im Anschluß an den Stabgestus Aarons (8,2a) berichtet, der Frosch sei heraufgestiegen und habe Ägypten bedeckt (8,2b: ¦¢±¯§ ®± ³ ª¤³ «±¯ ¥«³). Daß ausgerechnet die Aaron betreffende Ausführungsnotiz vom Auftrag JHWHs abweicht, erklärt sich mit einem Schlag, wenn man sieht, daß in 8,2b der vorpriesterschriftliche Plagenbericht vorliegt, um den herum P die Szene in 8,1-3 ge33
Vgl. Lev 11,35, wonach ein Ofen, der mit Aas in Kontakt kam, niedergerissen werden
muß. 34
Vgl. KOHATA, Jahwist, 153f.; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 84f.; GERTZ, Tradition,
120f. Vgl. NOTH, ATD 5, 57; KOHATA, Jahwist, 152; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 391; GERTZ, Tradition, 123. Anders etwa LEVIN, Jahwist, 337, nach dessen Ansicht ein Ausführungsbericht komplett fehlte: „Die Reaktion des Pharao setzt die Ausführung stillschweigend voraus.“ 35
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
staltete.36 Weder das Heraufsteigen der Frösche noch die Angabe, sie hätten Ägypten bedeckt, ist durch den JHWH-Befehl in 8,1b motiviert, vielmehr steht in beiden Fällen die Ankündigung aus 7,27.28a im Hintergrund. Aus ihr speist sich sowohl die Verbform (¥« Qal anstatt wie in 8,1b.3b ¥« Hifǥil) als auch die Vorstellung einer flächendeckenden Plage.37 Der Bericht vom Ende der Froschplage (Ex 8,9b-11) ist eng mit der in 8,4-9a vorangehenden Fürbittenszene verwoben, die den Eindruck erwecken will, JHWH habe auf Moses Interzessionen hin die Frösche beseitigt. Daß dieser Zusammenhang nicht ursprünglich ist, zeigt der Vergleich der Ankündigung, die Frösche zu beseitigen (8,7: ±ª; vgl. 8,4), mit den Angaben aus 8,9b.10, wonach die Frösche sterben (³§) und stinkende Leichenhaufen zurücklassen. Im Gegensatz zu der in 8,16-28 folgenden Ungezieferplage, die in 8,27, wie zuvor in 8,25 angekündigt, beseitigt wird (±ª), wurde der Tod der Frösche erst nachträglich im Sinne einer Erhörung der Fürbitte umgedeutet. Ursprünglich geht es hier nur zum Teil um eine Entlastung, denn das Sterben der in die Häuser, Höfe und Felder vorgedrungenen Frösche (8,9b: ³²¨§ ³±¯ ¨§ ¦¢³¨§ ¦¢«±¯³§¢) sowie das Auftürmen ihrer Kadaver (8,10a: ¦¢±§ ¦¢±§ ¦³ ±¯¢) bedeutet zwar einerseits eine Befreiung der Wohnbereiche, hat aber andererseits zur Folge, daß nun nach dem Nil (7,21) auch das Land durch Verwesungsgestank verpestet wird (8,10b: ®±²³). Der Erzähler steigert so auf geschickte Weise den Gesamtschaden der Plagen und verschafft dem Pharao mit der Entfernung der Frösche aus den Wohnbereichen zugleich Erleichterung, denn ihm bleibt ein letzter Rückzugsraum. Als er sieht, daß besagte Erleichterung eingetreten ist, verhärtet er folglich weiterhin sein Herz (8,11aĮ: ¥³¤ ±³¢¢¤«±±¢). An das Ende der Froschplage in Ex 8,11aĮ schloß im vorpriesterschriftlichen Plagenzyklus nahtlos der Auftakt zur Ungezieferplage in 8,16 an. Wie vor der ersten Plage (7,15) wird Mose erneut aufgefordert, den Pharao gegen Morgen am Wasser aufzusuchen (8,16a: ¦¤² ²§ ¥ ¢ ±§¢ 36 Ebenso VAN SETERS, Life, 107. Auch KOHATA, Jahwist, 95, beobachtet die Übereinstimmungen von Ex 8,2b mit der ‚jahwistischen‘ Plagenankündigung, sträubt sich aber, den Halbvers J zuzuschlagen, da P auf ihn angewiesen sei. Der Fall zeigt exemplarisch, wie die Zwänge der Urkundenhypothese verhindern können, aus korrekten Beobachtungen die naheliegenden Schlüsse zu ziehen. 37 Daß in Ex 8,2b plötzlich im kollektiven Singular («±¯) von den zuvor durchweg im Plural erwähnten Fröschen die Rede ist, bleibt eigentümlich, spricht aber in keiner Weise gegen eine vorpriesterschriftliche Einordnung des Halbverses (man beachte den kollektiven Singular in 7,18.21). Die Spannung besteht schließlich auch im Verhältnis zu den priesterschriftlichen Aussagen in 8,1b.3b, wo sie sich in Anbetracht der Tatsache, daß hier JHWHs Auftrag und der Aaron zugeordnete Ausführungsbericht auseinanderfallen, viel stärker auswirkt.
1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f.
179
§¢§¯¢©«±¢©¥¯¢³±°). Daß sich hier ein Kreis schließt, ist evident, allerdings verwundert, daß er sich am Wasser schließt, der Pharao also offensichtlich den Weg durch das stinkende Land zum stinkenden Nil antritt. Man wird daher fragen müssen, ob die Verortung des Treffens am Wasser in 8,16aȕ nicht von einem übereifrigen Ergänzer nachgetragen wurde, der die situative Übereinstimmung mit 7,15 weiter zu verstärken suchte, indem er neben dem Zeitpunkt auch den Ort parallelisierte, und damit ungewollt in Widerspruch zur vorangehenden Beschränkung der Rückzugsräume auf das Haus des Pharao trat. Die Nachtragsthese wird dadurch gestützt, daß 8,16aȕ anders als die korrespondierende Aussage in 7,15aĮ nachklappt, der Nil im Gegensatz zu 7,15aȕ in 8,16 unerwähnt bleibt und kein organischer Bezug zwischen einer Lokalisierung am Wasser und der folgenden Plage erkennbar ist.38 Diese zielt vielmehr wie schon die Froschplage im wesentlichen auf die Wohnbereiche, was ebenfalls dafür spricht, daß Mose in 8,16aĮ ursprünglich aufgefordert wurde, den Pharao in seinem Haus aufzusuchen. Auch die Botschaft, die Mose dem Pharao überbringen soll, gleicht in Inhalt und Struktur der zu Beginn der Froschplage übermittelten. Wie in 7,26 fordert Mose auch in 8,16b in JHWHs Namen den Auszug der Israeliten zum Gottesdienst (¢©«¢¢§« ¥²¢±§¤¢¥³±§) und droht in 8,17a für den Fall der Weigerung einen Strafschlag an (vgl. 7,27.28a), dessen Ausweitung auf die Hofbeamten und das Volk (£§«£¢«) wie in 7,28bĮ nachgetragen ist. Sekundär ist ferner die Erwähnung der Häuser des Pharao (£¢³), die den in 8,17b genannten Häusern der Ägypter vorgreift und im Widerspruch zum Plagenbericht in 8,20 steht, wonach das Ungeziefer in das Haus des Pharao vordringt.39 Für die Ursprünglichkeit des rekonstrukierten Grundbestandes von 8,17a spricht auch der ausgewogene Parallelismus der Plagenankündigung, der noch durch ein Wortspiel mit der Wurzel ¥² unterstrichen wird:40 ‚Denn wenn du das Volk nicht entläßt (¦« ³ ¥²§ £©¢ ¦ ¢¤), siehe, dann entlasse ich über dich das Ungeziefer‘ (±« ³ £ ¢¥²§ ¢©©). Daß die Häuser der Ägypter voller Ungeziefer sein werden (8,17bĮ: ±« ³ ¦¢±¯§ ¢³ ¥§), ist Konkretisierung und Generalisierung zugleich, wobei allerdings in 8,20aȕ* lediglich davon berichtet wird, daß gewaltiges Ungeziefer in das Haus des
38 Letzteres notiert auch LEVIN, Jahwist, 337, der den Befund allerdings dahingehend deutet, daß die Ungezieferplage jünger ist als die Nilpest. 39 Ebenso HOLZINGER, KHC 2, 25; STEINGRIMSSON, Zeichen, 88; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 16, Anm. 80; GERTZ, Tradition, 124. 40 Vgl. hierzu JACOB, Buch Exodus, 179; CASSUTO, Commentary, 107.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Pharao kam («±³¢¤±«¢).41 Von einem Befall weiterer Häuser ist nirgends explizit die Rede. Der inhaltliche Überschuß der Ankündigung in Ex 8,17bĮ gegenüber dem Plagenbericht könnte darauf hindeuten, daß der Viertelvers nebst der in 8,17bȕ folgenden Angabe, auch die Erde unter den zuvor genannten Häusern sei voller Ungeziefer gewesen (¢¥«¦±²§¦), nachgetragen wurde.42 In der Tat läßt sich 8,20aȕ* direkt an 8,17a* anschließen, es ist also ein Text rekonstruierbar, in dem die Ungezieferplage exklusiv das Haus des Pharao betrifft. Dann müßte freilich auch die Notiz in 8,20b sekundär sein, wonach in ganz Ägypten das Land von Ungeziefer verheert wurde (±« ¢©§ ®± ³ ²³ ¦¢±¯§ ®± ¥¤). Dies wäre allerdings im Rahmen der vorpriesterschriftlichen Plagen singulär, denn der von ihnen angerichtete Schaden hat durchweg Ausmaße, die über den Wohnbereich des Pharao hinausreichen. Auch daß sich in der Verheerung des Landes die Klimax stinkender Nil (7,21) – stinkendes Land (8,10) fortsetzt, spricht für die Ursprünglichkeit von 8,20b. Da die Art der Verheerung nur von 8,17bĮ her deutlich wird, liegt es nahe, daß beide Aussagen zum Grundbestand der Ungezieferplage gehören, in 8,20b also vorausgesetzt ist, daß das Ungeziefer die Häuser befällt. Daß auch der Erdboden befallen wird (8,17bȕ), wirkt dagegen nicht zuletzt wegen des nachklappenden Anschlusses mit ¦ wie ein die Plagenfolgen verschärfender Nachtrag, der seinem Charakter nach an die Zusätze in 7,19bȕ.28bȕ erinnert und auf denselben Bearbeiter zurückgehen wird.43 In der viel diskutierten Frage, um was genau es sich bei dem Ungeziefer handelt, ist allerdings auch von 8,17bȕ her keine abschließende Klarheit zu gewinnen.44 Die zwischen der Ankündigung in Ex 8,17* und dem Plagenbericht in 8,20* stehenden Angaben zur Aussonderung Gosens (8,18), Unterscheidung zwischen Ägyptern und Israeliten (8,19a) und Terminierung der plötzlich als ‚Zeichen‘ verstandenen Plage (8,19b) erweisen sich durchgängig als jüngere Zusätze, die Fragen gewidmet sind, welche erst in den nachpriesterschriftlichen Schichten des Plagenzyklus virulent wurden.45 Ursprünglich schloß der Plagenbericht wie in den ältesten Plagenschilde41 Das am Ende von 8,20aȕ erwähnte Haus der Diener (¢«³¢) setzt die Erwähnung der Diener in 8,17a voraus und ist wie diese nachgetragen. Der Zusatzcharakter der Angabe zeigt sich auch daran, daß sie anders als das vorangehende «±³¢ nicht als Lokativ konstruiert ist. 42 So LEVIN, Jahwist, 337. 43 Wähend Ex 8,17bȕ motivisch in der im unmittelbaren Vorkontext berichteten Verwandlung des Staubes in Mücken (8,12f.* P) wurzelt, hat sich der Verfasser bei der Formulierung des Relativsatzes an die Ortsangabe aus 8,18aĮ (¢¥«§«¢§«±²¨²®±) angelehnt. 44 Zur Diskussion vgl. JACOB, Buch Exodus, 270f.; HOUTMAN, Exodus I, 139. 45 Ebenso GERTZ, Tradition, 185-188. Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.3., VI. 1.4. und VI. 2.
1.1. Zum vorpriesterschriftlichen Textbestand von Ex 7f.
181
rungen üblich direkt an die Ankündigung an, und zwar ohne die einleitende Bemerkung, JHWH habe es ‚so gemacht‘ (8,20aĮ: ¨¤ ¢ ²«¢). Die Formulierung ist in den vorpriesterschriftlichen Plagenberichten ohne Entsprechung46 und als vermittelnde Aussage zwischen der Ankündigung in 8,17* und dem in 8,20aȕb* folgenden Plagenbericht überflüssig. Daß JHWH es ‚so machte‘, wird gesagt, um die Erfüllung der in 8,18f. eingeschobenen Sonderbestimmungen zu postulieren, 8,20aĮ setzt also den Grundbestand dieses Zusatzes bereits voraus. Ursprünglich folgte der Plagenbericht in 8,20aȕb* unmittelbar auf 8,17b und mündete direkt in die Verstockungsnotiz 8,28, die im heutigen Text durch die Fürbittensequenz in 8,21-27 von ihrem Vorkontext getrennt wird. Mit der Feststellung, daß der Pharao sein Herz auch dieses Mal verhärtete (³ ¦« ¦ ¥ ³ «± ¤¢) und das Volk nicht ziehen ließ (¦«³ ¥²¥), endet in Ex 8,28 nicht nur die Ungezieferplage, sondern es ist auch eine entscheidende Zäsur innerhalb des in 7,14ff. eröffneten Erzählbogens markiert. Hatte sich der Pharao nach der Nilpest noch in sein Haus zurückziehen können (7,23), so waren ihm die Frösche bereits dorthin nachgekommen und hatten seine Privatgemächer bis zu ihrem Ableben in Beschlag genommen (7,28a; 8,9a). Die Ungezieferplage sieht keine derartige Erleichterung (8,11aĮ: ±) mehr vor, sondern nimmt dem Pharao seinen Rückzugsraum auf Dauer (8,20*). Wenn dieser auch jetzt hart bleibt (8,28), so ist damit die bisherige Verhandlungsstrategie gescheitert und der Einsatz weiterer Plagen als Druckmittel gegen den Pharao ohne Aussicht. Alles läuft nun auf den nächtlichen Schlag JHWHs gegen die ägyptische Erstgeburt hinaus (12,29a),47 mit dem der Tod in die Häuser aller Ägypter Einzug hält (12,30aȕb). Dabei ist in 8,28 bereits angelegt, daß es nicht der Pharao, sondern die Ägypter sein werden, die die Israeliten unter dem Eindruck dieser Ereignisse schließlich zum Auszug drängen (12,33*). Der inhaltliche Bogen in 7,14-8,28*, der mit der Verpestung des Nils seinen Anfang nimmt, bereitet in der dargestellten Weise auf die ältere Schilderung der Tötung der Erstgeburt vor (12,29-33*), die direkt an 8,28 anschloß. Der Schlag JHWHs gegen die Erstgeborenen wird so zum Höhepunkt eines vorpriesterschriftlichen Zyklus von vier Plagen, deren erste,
46 Sie findet ihre nächste Parallele im Rahmen der nachpriesterschriftlichen Fürbittenszenen (Ex 8,9a.27). Der letztgenannte Vers wird sich unter VI. 1.3. als Teil derselben Bearbeitungsschicht erweisen. 47 Daß die Ungezieferplage ursprünglich der letzte Schlag vor der nächtlichen Tötung der Erstgeburt war, spiegelt sich in gewisser Weise auch im Plagenstichwort ± «, das sich auch als ± « (‚Abend‘) lesen ließe. Ob diese Doppeldeutigkeit intendiert war, ist freilich nicht sicher. In der Auslegungsgeschichte ist sie bei Rashbam wirksam geworden, der das Ungeziefer mit den in Jer 5,6; Zeph 3,3 erwähnten ‚Abendwölfen‘ identifiziert; vgl. JACOB, Buch Exodus, 271.
182
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
der Schlag JHWHs gegen den Nil, das ältere Finale in 12,29-33* bereits antizipiert (Stichwort ¤©). 1.2. Der priesterschriftliche Wunderwettstreit in Ex 7,8-9,12; 11,10 Wie unter V. dargelegt, schloß die priesterschriftliche Bearbeitung von Ex 6f. ursprünglich mit der Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose (7,17*) und schrieb damit fest, daß in den folgenden vorpriesterschriftlichen Plagen nicht wie bisher Mose, sondern Aaron als Überbringer der Auszugsforderung zu denken ist. Die Einsetzung Aarons zum Wundertäter und damit die priesterschriftliche Überarbeitung des Plagenzyklus spiegeln bereits ein späteres Stadium der Textgenese, in dem nun neben die Konzeption der Plagen als Strafschläge das Motiv „der Zeichen und Machtbeweise [tritt], in denen Jahve und Pharao durch ihre Vertreter concurrieren“48. Der priesterliche Verfasser dieses Wunderwettstreits spricht dann auch nicht von ‚Plagen‘ oder ‚Schlägen‘, sondern von ‚Erweiswundern‘ (¦¢³§), ein Begriff, den er in 7,9; 11,10 gezielt am Anfang und Ende seiner Darstellung von fünf entsprechenden Wundern plaziert hat.49 Die Darstellung setzt in Ex 7,8 mit einer an Mose und Aaron adressierten JHWH-Rede ein, in der JHWH ankündigt, der Pharao werde von Mose und Aaron fordern, sich durch ein Wunder auszuweisen (7,9a: ¦¤¥±¢¢¤ ³§ ¦¤¥ ©³ «±). Daß sich JHWH neben Mose auch direkt an Aaron (¨±¥) wendet, widerspricht freilich der ursprünglichen priesterschriftlichen Konzeption und wurde nachgetragen.50 Gemäß der in 7,1f. etablierWELLHAUSEN, Composition, 62; vgl. L. SCHMIDT, Studien [1993], 15f.; H.-C. SCHMITT, Tradition, 203. Als nächste inneralttestamentliche Parallele kommt der Wettkampf zwischen Elia und den Baalspriestern (1 Kön 18,21-39) in Betracht; vgl. FOHRER, Überlieferung, 60. Seinen Hintergrund dürfte der priesterschriftliche Wunderwettstreit allerdings kaum in dem jüngeren Passus aus 1 Kön 18, sondern in Gen 41 haben, wo sich Joseph im Unterschied zu den ägyptischen Wahrsagepriestern als kundig erweist, die Träume des Pharao zu deuten (auf Gen 41,8.24 entfallen die einzigen weiteren Belege für das Lexem ¦¡± im gesamten Enneateuch). Für die Annahme BLUMs, Studien, 251, hinter dem priesterschriftlichen Wunderwettstreit stehe eine darüber hinausgehende Überlieferung, gibt es dagegen keine zwingenden Belege. 49 Einen fünfgliedrigen Aufbau des priesterschriftlichen Wunderwettstreits rekonstruiert bereits WELLHAUSEN, Composition, 62; vgl. L. SCHMIDT, Studien [1993], 10; GERTZ, Tradition, 82; KRATZ, Komposition, 244f. Anders etwa BLUM, Studien, 246, der im Anschluß an NOTH, ATD 5, 53, auch Teile der Hagel- (Ex 9,22.23*.35), Heuschrecken- (Ex 10,12.13f.*.20) und Finsternisplage (Ex 10,21-23.27) P zuweist, die sich im folgenden als nachpriesterschriftlich erweisen werden. S.u., VI. 2. 50 Daß die JHWH-Rede ursprünglich nur an Mose gerichtet war, zeigt auch Ex 7,9b, wo es plötzlich heißt ‚dann sollst du zu Aaron sagen‘ (¨±¥³±§), eine Aussage, die nur dann Sinn macht, wenn zuvor allein Mose Adressat der Gottesrede war. Daß Aaron, der in 7,9a neben Mose bereits als Adressat des Pharao gedacht ist, in 7,8 auch zum Adressaten JHWHs gemacht wird, entspricht der summarischen Perspektive aus 6,13. 48
1.2. Der priesterschriftliche Wunderwettstreit in Ex 7,8-9,12; 11,10
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ten Botenkette soll Mose auch in 7,9b die Worte JHWHs an Aaron übermitteln (¨±¥³±§), nur handelt es sich nicht mehr um eine Botschaft für den Pharao, sondern um Anordnungen zum ersten Erweiswunder, die Verwandlung des Stabes in eine Schlange (¢¢«±¢©¥£¥²£¡§³ ° ¨¢©³¥).51 Von der Ausführung des Auftrags aus 7,9b berichtet der Erzähler in 7,10a: Mose und Aaron treten vor den Pharao (¥ ¨± ²§ ¢ «±)52 und handeln exakt nach JHWHs Befehl (¢ ¯ ±²¤ ¨¤ ²«¢). Dies wird in 7,10b* in wörtlichem Rückgriff auf 7,9b noch einmal expliziert:53 Aaron wirft den Stab vor dem Pharao zu Boden, und dieser verwandelt sich in eine Schlange (¨¢©³¥ ¢¢ «± ¢©¥ ¡§ ³ ¨± £¥²¢). Daß dabei auch die Hofbeamten des Pharao anwesend sind (¢«¢©¥), ist eine Vorstellung, die weder von 7,9b her gedeckt ist, noch einen Nachhall im weiteren Verlauf der priesterschriftlichen Darstellung findet. Es handelt sich um einen Nachtrag, der die Szene an Ex 7,20aȕȖ (¢©¢«¥ «± ¢©¢«¥ ¢«) angleicht.54 Im priesterschriftlichen Bericht spielen nicht die Hofbeamten (¦¢«) des Pharao, sondern die ägyptischen Wahrsagepriester (¦¢§¡± ) eine tragende Rolle, die in 7,11 erstmals auftreten. Nachdem sich Aarons Stab in eine Schlange verwandelt hat, wird auch der Pharao tätig, indem er die Weisen und Zauberer rufen läßt (7,11a: ¦¢²¤§¥ ¦¢§¤ ¥ «± ¦ ±°¢), ‚und auch sie, die Wahrsagepriester Ägyptens, taten es so mit ihren Zauberkünsten‘ (7,11b: ¨¤ ¦¢¡¥ ¦¢±¯§ ¢§¡± ¦ ¦ ²«¢). Ein jeder wirft seinen Stab zu Boden, der sich daraufhin in eine Schlange verwandelt (7,12a: ¦¢©³¥ ¢¢ ¡§ ²¢ ¤¢¥²¢). Die Schilderung der Wiederholung des Wunders durch die ägyptischen Wahrsagepriester in 7,11b.12a wurde strukturell parallel zur Darstellung in 7,10aȕȖb* gestaltet, wodurch die entscheidenden Unterschiede um so klarer zutage treten: Dem Handeln (²«) Moses und Aarons auf JHWHs Geheiß (¢¯±²¤) wird das Handeln der Wahrsagepriester ‚mit ihren Zauberkünsten‘ (¦¢¡¥) kontrastierend 51 Das Erweiswunder wurde gegen L. SCHMIDT, Studien [1993], 15, in Ex 4,2-4 erst nachträglich von Aaron auf Mose übertragen, wobei auch der Stab in die Hand des Mose überging (s.o., III. 3.1.). 52 Damit wird die in Ex 6,11 («± ¥ ± ) angelegte Linie im Horizont des Wunderwettstreits aufgenommen und ausgeführt. 53 Daß der Pharao das Erweiszeichen einfordert, wird in Ex 7,10 nicht mehr expliziert, ist aber vor dem Hintergrund von 7,9 als gegeben vorausgesetzt. 54 Dagegen hält GERTZ, Tradition, 96, die Ausführungsnotiz in Ex 7,10b komplett für sekundär, da sie nach 7,10aȕȖ (¢ ¯ ±²¤ ¨¤ ²«¢) überflüssig sei und das priesterschriftliche Schema sprenge. Dasselbe gilt freilich auch für 7,12a nach 7,11b, was GERTZ gleichwohl nicht an der Ursprünglichkeit von 7,12a zweifeln läßt. Die Redundanz des Abschnitts läßt keine literarkritischen Schlüsse zu, sondern spiegelt die Strategie des Verfassers, die Protagonisten des Wunderwettstreits einander gleich zu Beginn kontrastierend gegenüberzustellen. S. im folgenden.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
gegenübergestellt. Obwohl sie das Wunder Aarons exakt wiederholen können, handeln sie unter vollkommen anderen Voraussetzungen. Die folgende Auseinandersetzung wird so gleich zu Beginn auf ihre theologische Tiefendimension transparent, denn mit Aaron und den Wahrsagepriestern stehen sich der Bevollmächtigte JHWHs und die Magie Ägyptens gegenüber.55 Exakt diese Tiefendimension will der Verfasser auch durch die in Ex 7,11 gewählte Konstruktion unterstrichen wissen. Indem er den Pharao nicht einfach die ¦¢§¡± holen läßt, sondern in 7,11a zunächst feststellt, auch (¦) der Pharao habe seine Weisen und Zauberer rufen lassen, die er dann in 7,11b mit den im folgenden durchweg handelnden ¦¢§¡± identifiziert, stellt er gezielt eine Parallele zwischen dem Handeln JHWHs und des Pharao her: In der Zweizahl der vom Pharao Gerufenen spiegelt sich die Beauftragung Moses und Aarons, wodurch der folgende Wunderwettstreit auf einen Konflikt zwischen dem Pharao und JHWH transparent wird. Daß die ägyptischen Wahrsagepriester wie in Gen 41,8.24 am Ende kläglich scheitern werden, ist dabei natürlich als erzählerische Notwendigkeit von Beginn an vorgegeben, doch besteht der Clou der priesterschriftlichen Darstellung gerade darin, daß ihre Unterlegenheit erst im Laufe der Zeit deutlich wird. Zu diesem zentralen Erzählzug paßt nun überhaupt nicht, daß der Stab Aarons nach Ex 7,12b die Stäbe der Wahrsagepriester verschlingt (¦³¡§ ³ ¨± ¡§ «¥¢). Die Angabe wurde von späterer Hand nachgetragen, um die Niederlage der ägyptischen Vertreter von Beginn an zu zementieren, womit der Ergänzer freilich den Spannungsbogen der priesterschriftlichen Darstellung empfindlich störte.56 Die Einsicht in den Nachtragscharakter von Ex 7,12b hat entscheidende Konsequenzen für das Verständnis der in 7,13 geschilderten Reaktion des Pharao: Sein Herz ist nicht deshalb verstockt (7,13aĮ: «±¥° ¢), weil er die Überlegenheit Aarons (7,12b) ignoriert, sondern weil im Gegenteil von einer derartigen Überlegenheit noch nichts zu erkennen ist – die Wahrsagepriester können mithalten. Die Verstockung hat zur Folge, daß der Pharao, wie in 7,4aĮ von JHWH angekündigt, nicht auf Mose und Aaron hört (7,13aȕb: ¢ ± ±²¤ ¦¥ «§² ¥), was man streng genommen so verstehen muß, daß er sie ihr eigentliches Anliegen noch gar nicht zu Gehör bringen läßt. Dies geschieht erstmals in der vorpriesterschriftlichen Darstellung der Nilpest (7,14ff.), die der priesterliche Bearbeiter durch die Vgl. WEIMAR, „Nicht konnten“, 105f. Ex 7,12b ist möglicherweise Teil der u.a. in 7,19bȕ.28bȕ; 8,13aȖb*.14b.17bȕ greifbaren nachpriesterschriftlichen Bearbeitung, die die Auswirkungen der einzelnen Plagen steigert. Denkbar wäre freilich auch ein Einzelnachtrag, der sich aus Num 17 speist und die Überlegenheit des Aaronstabes gegenüber den ägyptischen Wahrsagepriestern zur Geltung bringen will. 55 56
1.2. Der priesterschriftliche Wunderwettstreit in Ex 7,8-9,12; 11,10
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Verstockungsnotiz in 7,13 unter ein neues Vorzeichen stellt: Die in 7,14 von JHWH konstatierte ‚Herzensschwere‘ des Pharao («± ¥ ¤) kommt nun als Beschreibung seiner Reaktion auf das erste Erweiswunder in den Blick und wird auf diese Weise neu plausibilisiert. Der priesterschriftliche Wunderwettstreit setzt sich im Rahmen der Nilpest fort, die der Ergänzer zu einem weiteren Erweiswunder umgearbeitet hat. Wie im Meerwunderbericht legt sich die priesterschriftliche Bearbeitung als Rahmen um die vorpriesterschriftlichen Textanteile und integriert diese als Teil des Ausführungsberichtes.57 Den Auftakt bildet die JHWHRede in 7,19, in der Aaron über Mose beauftragt wird, seinen Stab über die Gewässer Ägyptens auszustrecken (¦¢±¯§ ¢§¢§ ¥« £¢ ¡© £¡§ °) und diese so in Blut zu verwandeln (¦¢¢). Die zwischengeschaltete Aufzählung aller erdenklichen Gewässerarten (¥«¦¢§¥«¦¢±¢¥«¦³±©¥« ¦¢§¢§ °§ ¥¤) unterstreicht, daß im Unterschied zur älteren Darstellung nicht allein der Nil betroffen ist: In ganz Ägypten wird Blut sein (7,19bĮ: ¦¢±¯§®±¥¤¦¢). Daß das Blut sogar in Bäume und Steine vordringt (7,19bȕ: ¦¢© ¦¢¯«), wurde erst von einem Späteren ergänzt. Die nachklappende Angabe findet im Ausführungsbericht 7,21b keinen Nachhall und liegt nicht im Horizont des auf die Gewässer Ägyptens bezogenen Stabgestus. Der Ergänzer radikalisiert die vorangehende Ankündigung,58 das Blut werde in ganz Ägypten sein, indem er es auch abseits der stehenden und fließenden Gewässer auftreten läßt.59 Auf die JHWH-Rede in Ex 7,19abĮ folgte ursprünglich direkt die Ausführungsnotiz in 7,20aĮ*, die in der für P typischen Weise von der Befolgung des Aufgetragenen berichtet (¢¯±²¤¨±²§¨¤²«¢). Dabei expliziert der priesterliche Bearbeiter durch die abschließende Erwähnung JHWHs zugleich das handelnde Subjekt für den vorgefundenen Plagenbericht, der mit dem Schlag gegen den Nil unmittelbar anschloß (³£¢ ±¢ ±² ¦¢§). Die ältere Darstellung der Nilpest (7,20*.21a) wird auf diese Weise planvoll in das priesterschriftliche Schema integriert, denn sie zeigt auf, wie die Verwandlung der Gewässer in Blut (7,19a: ¦¢¢) konkret vonstatten geht. Es handelt sich um einen vom Nil ausgehenden Prozeß, für den Aaron gleichsam das Zeichen gibt, und der in 7,21b zu dem zuvor angekündigten Ergebnis führt, daß ‚das Blut‘ in ganz Ägypten ist (¦¢±¯§ ®± ¥¤ ¦ ¢¢). Daß hier im Gegensatz zur Ankündigung in 57
Derselbe Befund wird im Rahmen der Urkundenhypothese klassisch so gedeutet, daß die Endredaktion die nichtpriesterschriftlichen Plagen in den strukturgebenden Bericht von P eingearbeitet habe; vgl. etwa GERTZ, Tradition, 84. 58 Ex 7,19bȕ berührt sich in der Tendenz aufs Engste mit den Zusätzen in 7,28bȕ; 8,13aȖb*.14b.17bȕ und wird als Teil derselben Bearbeitung anzusprechen sein; s.u., VI. 1.3. 59 Gedacht ist wohl an „die Baumsäfte und die aus den Felsen [...] entspringenden Quellen“ (NOTH, ATD 5, 55). Gegen JACOB, Buch Exodus, 261, der harmonisierend von „hölzernen oder steinernen Behältern und Gefäßen“ spricht.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
7,19bĮ determiniert von dem Blut die Rede ist, läßt sich gerade als Bezugnahme auf die zuvor erwähnte Verwandlung des Nilwassers in Blut (7,20b) plausibel machen, ein Phänomen, das nun auf alle Gewässer Ägyptens ausgedehnt wird.60 Da die Verwandlung des Nilwassers in Blut (Ex 7,17b[nur ¤© ¦¥].20b) nicht zum vorpriesterschriftlichen Grundbestand der ersten Plage gehört, fragt sich allerdings, ob das Motiv überhaupt älter ist als die priesterschriftliche Bearbeitung in 7,20aĮ*.21b oder aber als Teil derselben gelten muß. Ein vorpriesterschriftlicher Ursprung des Motivs ist jedenfalls äußerst unwahrscheinlich, da es seinen naheliegenden Hintergrund im blutigen Schutzzeichen für die Israeliten findet (Ex 12,12f.* P), das sich in 7,17fin.20b zu einem Warnzeichen für die Ägypter gewandelt hat und als solches betont am Anfang des Plagenzyklus ergeht. Da die älteste priesterschriftliche Bearbeitung in 6,2-7,7* dem Plagenzyklus einen ausdrücklichen Vorverweis auf die Gotteserkenntnis vorschaltet, die sich bei den Ägyptern nach der Tötung der Erstgeburt einstellen wird,61 könnte der über die Ergänzung des Blutmotivs in 7,17fin.20b hergestellte Verweiszusammenhang zu Ex 12 bereits auf der Ebene dieser Bearbeitung liegen oder aber von späterer Hand mit Blick auf diese gestaltet sein. Auch in letzterem Fall wird es sich dabei noch nicht um den Verfasser des priesterschriftlichen Wunderwettstreits handeln, da das Blutmotiv kaum gleichzeitig als Warnzeichen JHWHs und Gegenstand des besagten Wettstreits eingeführt wurde. Daß der Verfasser des Wunderwettstreits die durch den Schlag JHWHs hervorgerufene Verwandlung des Nilwassers in Blut bereits vorfand,62 legt sich in gewisser Weise auch von Ex 7,25 her nahe. Der Vers läßt nach dem Schlag JHWHs gegen den Nil eine Frist von sieben Tagen verstreichen (±¢ ³ ¢ ³¤ ¢± ¦¢§¢ ³«² ¥§¢), die ihren Hintergrund in priesterlichen Reinheitsvorstellungen findet und damit die Verwandlung des Wassers in Blut bereits im Blick hat.63 Rezipiert wird damit exakt der um das Blutmotiv in 7,17fin.20b erweiterte Grundbestand der Nilpest 60 Hält man die priesterschriftliche Version der ‚Blutplage‘ dagegen für literarisch eigenständig, so bleibt die notierte Abweichung zwischen Ex 7,19bĮ und 7,21b letztlich ohne befriedigende Erklärung. 61 Vgl. die Ausführungen unter V. 62 So grundsätzlich auch L. SCHMIDT, Beobachtungen, 80, der allerdings im Rahmen der Neueren Urkundenhypothese operiert und die Verwandlung des Nilwassers in Blut auf den Jehowisten zurückführt. 63 Vgl. etwa Lev 15,19, wonach eine menstruierende Frau sieben Tage lang unrein ist. Eine siebentägige Unreinheit wird nach Num 19,11.14.16 auch durch den Kontakt mit einem Leichnam hervorgerufen. Da es jedoch ausdrücklich um einen menschlichen Leichnam geht, läßt sich hieraus keine positive Evidenz für einen Zusammenhang der in Ex 7,25 eingeführten Frist mit den Fischkadavern gewinnen.
1.2. Der priesterschriftliche Wunderwettstreit in Ex 7,8-9,12; 11,10
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(Schlag JHWHs – Verwandlung des Nilwassers in Blut), was dafür spricht, daß 7,25 als Abschluß eben jener Bearbeitung konzipiert wurde. Als Teil derselben sind schließlich auch 7,21aȕȖ.24 anzusprechen, wo die Untrinkbarkeit des zuvor schwer genießbaren Wassers (7,18b) konstatiert und davon berichtet wird, daß die Ägypter gezwungen sind, in der Umgebung des Nils nach Trinkwasser zu graben (7,24a). Daß sich alle Gewässer Ägyptens in Blut verwandelt haben, ist hier dagegen ebenso wenig im Blick wie in 7,25 eine Beteiligung Aaron und der ägyptischen Wahrsagepriester an den Ereignissen. Beide Erzählzüge spiegeln eine weitere Stufe der Textgenese, auf der das Blutmotiv auf alle Gewässer Ägyptens übertragen wird und sich vom Warnzeichen zum Gegenstand des Wunderwettstreits entwickelt. Dessen weiterer Verlauf sei nun wieder in den Blick genommen. Nachdem Aaron unter Mitwirkung JHWHs die ägyptischen Gewässer in Blut verwandelt hat, tun es ihm die Wahrsagepriester des Pharao gleich (Ex 7,22a: ¦¢¡¥ ¦¢±¯§ ¢§¡± ¨¤ ²«¢). Wie schon beim ersten Erweiswunder verhärtet sich daraufhin das Herz des Pharao, und er schenkt dem Ersuchen Moses und Aarons kein Gehör (7,22b: «§² ¥ «± ¥ ° ¢ ¢±±²¤¦¢¥), womit erneut begründend auf die sich anschließende ältere Verstockungsnotiz vorbereitet wird (7,23; vgl. 7,14). Im Horizont von 7,22 kehrt der Pharao in 7,23 nicht mehr in sein Haus zurück, weil ihn die Folgen der Plage unbeeindruckt lassen, sondern weil seine Wahrsagepriester erneut in der Lage sind, das Erweiswunder Aarons zu wiederholen. Daß sie damit ihren eigenen Landsleuten schaden, scheint den Erzähler ebensowenig gestört zu haben wie die Tatsache, daß zur erneuten Verwandlung des Wassers eigentlich zunächst eine Rückverwandlung des Blutes nötig wäre, von der nirgends die Rede ist. Das Erzählschema des Stabwunders (7,8-13) erweist sich bei seiner Übertragung auf die Plagenberichte als widerständig, was sich auch bei der Froschplage zeigt, in deren priesterschriftlicher Fassung dieselben erzählerischen Unstimmigkeiten auftreten. Wie bei der Überarbeitung der Nilpest hat der priesterliche Ergänzer auch bei der Froschplage eine JHWH-Rede hinter der vorgefundenen Plagenankündigung plaziert und den vorpriesterschriftlichen Plagenbericht in den eigenen Ausführungsbericht integriert. Den Auftakt bildet erneut die durch Mose an Aaron zu übermittelnde Aufforderung, die Hand mit dem Stab über die bereits aus Ex 7,19a bekannten Gewässer auszustrecken (8,1a: ¦¢§ ¥« ¦¢±¢ ¥« ³±© ¥« £¡§ £¢ ³ ¡©), um diesmal Frösche über Ägypten heraufzuführen (¦¢±¯§®±¥«¦¢«±¯³¥«). Obwohl Aaron den Anweisungen exakt nachkommt (8,2a: ¥«¢³¨±¡¢ ¦¢±¯§ ¢§¢§), gelingt es ihm nur ungefähr, das angekündigte Ergebnis zu erzielen: Der Frosch steigt herauf und bedeckt Ägypten (8,2b:«±¯¥«³
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
¦¢±¯§®±³ª¤³). Die auffällige Abweichung erklärt sich, wie unter VI. 1.1. dargelegt, daraus, daß in 8,2b der vorpriesterschriftliche Plagenbericht vorliegt, der durch die Einschaltung von 8,1.2a erst nachträglich in einen Zusammenhang mit der Aktion Aarons gebracht wurde. Im Unterschied dazu konnte der priesterliche Verfasser bei der Wiederholung der Aktion durch die Wahrsagepriester frei formulieren (8,3), was zur Folge hat, daß diese mit ihren Zauberkünsten exakt das in 8,1b angekündigte Ergebnis erzielen und die Frösche über Ägypten heraufführen (³ ¥«¢ ¦¢±¯§®±¥«¦¢«±¯). Der Textbefund spricht eindeutig für die Zuweisung der priesterschriftlichen Textanteile zu einer Ergänzungsschicht.64 Nicht anders liegen die Dinge in Ex 8,11, wo die vorpriesterschriftliche Verstockungsnotiz einen priesterschriftlichen Appendix aufweist (8,11aȖb: ¢ ± ±²¤ ¦¥ «§² ¥). Das Fehlen des in 7,13aĮ.22b; 8,15bĮ1 durchgängig bezeugten ersten Teils der priesterschriftlichen Verstockungsfomel («±¥° ¢) wird meist damit erklärt, die Endredaktion habe ihn bei der Verbindung der Quellenschriften zugunsten des nichtpriesterschriftlichen Textes unterdrückt,65 was freilich ein singulärer Vorgang wäre. Weitaus naheliegender ist, daß es den vermißten Teil der Verstockungsnotiz nie gab, sondern der in 8,11aĮȕ vorgefundene Textbestand einfach ergänzt wurde. Die Konstruktion der Froschplage, die ihren Höhepunkt nicht mit dem Kommen der Frösche, sondern mit dem Sterben derselben und dem Auftürmen ihrer Kadaver zu stinkenden Haufen erreicht (8,9b.10), ließ dem priesterlichen Bearbeiter schlechterdings keinen Raum für eine vollständige Verstockungsnotiz. Sie wäre nach 8,3 verfrüht gekommen und ließ sich aufgrund der engen erzählerischen Anbindung von 8,11aĮȕ an 8,10b auch nicht wie in 7,13.22 der älteren Verstockungsnotiz deutend vorschalten. Letztere konnte lediglich durch ihre Erweiterung um 8,11aȖb in ein priesterschriftliches Licht getaucht werden. Während der priesterliche Bearbeiter die Darstellung der Nilpest und der Froschplage in der dargestellten Weise überarbeitete, ließ er die Ungezieferplage in Ex 8,16-28* unangetastet und schaltete ihr in 8,12-15 eine Passage vor, in der Mücken an die Stelle des Ungeziefers getreten sind. Diese Dublette zwischen Mücken- und Ungezieferplage wurde zuletzt wieder von GERTZ als starkes Argument dafür angeführt, daß in Ex 7f. zwei ursprünglich eigenständige Plagenzyklen redaktionell miteinander verbunden wurden.66 Während der Redaktor bei der Nilpest und der Froschplage die beiden Versionen miteinander hätte verknüpfen können, sei er gezwungen gewesen, Mücken und Ungeziefer nebeneinander zu stelVgl. hierzu und zum Folgenden grundsätzlich VAN SETERS, Life, 107. Vgl.; NOTH, ATD 5, 57; KOHATA, Jahwist, 225; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 10; LEVIN, Jahwist, 336; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 387f.; GERTZ, Tradition, 87. 66 Vgl. GERTZ, Tradition, 84f. 64 65
1.2. Der priesterschriftliche Wunderwettstreit in Ex 7,8-9,12; 11,10
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len, da diese unterschiedliche Plagenstichworte aufwiesen. Diese für sich genommen schlüssige Interpretation des Befundes in Ex 8,12-28 ist nun allerdings kaum dazu geeignet, die Quellenhaftigkeit der beiden Erzählschemata in 7,14-8,11 zu begründen, wo der Befund wie gesehen deutlich für die literarische Unselbständigkeit der priesterschriftlichen Anteile spricht. Dies wiegt eindeutig schwerer als das Nebeneinander von Mücken und Ungeziefer, denn der Textbefund in 8,12-28 ist ebenfalls problemlos im Rahmen einer reinen Ergänzungshypothese zu erklären, wohingegen die Urkundenhypothese als Deutungsmodell für 7,14-8,11 ausfällt. Erklärungsbedürftig bleibt freilich, warum der priesterliche Bearbeiter bei Ungeziefer und Mücken von seinem bisherigen Vorgehen abwich.67 Hierfür läßt sich eine Reihe möglicher Motive in Anschlag bringen. So wäre denkbar, daß der Verfasser mit dem Plagenstichwort ¦©¤ (‚Mücken‘) besondere Ziele verfolgte oder das eigentümliche ±« (‚Ungeziefer‘) aus bestimmten Gründen vermied – beweisbar ist beides natürlich nicht. Schon wahrscheinlicher ist die Annahme, daß er versuchte, eine signifikante Gesamtzahl von ‚Plagen‘ zu erreichen, denn mit der noch folgenden priesterschriftlichen Geschwürplage (9,8-12), der Tötung der Erstgeburt und dem Stabwunder kommt man auf insgesamt sieben verschieden geartete Machterweise.68 Da allerdings auch die Annahme derartiger Motive spekulativ bleibt, kommt als wahrscheinlichster Grund für die Vorschaltung der Mücken die Darstellung der Ungezieferplage selbst in Betracht. Der drastische Plagenbericht (8,20*), der das Ungeziefer in das Haus des Pharao eindringen und ganz Ägypten verheeren läßt, bot sich für eine Wiederholung durch die Wahrsagepriester einfach nicht an. Diese wären am Ort des Geschehens selbst vom Ungeziefer betroffen gewesen, so daß bereits ihr Versuch, die Plage zu wiederholen, erzählerisch unplausibel gewesen wäre. Der Zeitpunkt, an dem die Folgen der Plage den Auftritt der Wahrsagepriester gänzlich unmöglich machen, war aber im Aufriß des priesterschriftlichen Wunderwettstreits erst für später vorgesehen (9,11), da die Zauberer Aaron zunächst in fairem Wettkampf unterliegen mußten. Exakt für diese Niederlage wurde die Szene in Ex 8,12-15* konstruiert, der bezeichnenderweise die Züge einer Plage noch fehlen. Sie setzt in 8,12aĮ in bekannter Weise mit der Aktivierung der Auftragskette durch JHWH ein, der erneut den Einsatz des Stabes anordnet (8,12aȕ: ³ ¡© £¡§), mit dem Aaron nun den Staub der Erde schlagen (8,12aȖ: ±«³£ 67
Ein ähnlicher Erklärungsbedarf besteht im übrigen auch im Rahmen der Urkundenhypothese, denn es bleibt ebenfalls unklar, warum der Verfasser von P, der sich bei der Nilpest und der Froschplage aufs engste an seiner literarischen Vorlage orientierte, das Ungeziefer plötzlich durch Mücken ersetzt haben sollte. 68 Ähnlich L. SCHMIDT, Beobachtungen, 46, mit Blick auf die Finsternisplage, die ergänzt sei, um auf die Gesamtzahl zehn zu kommen.
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®±) und diesen in ganz Ägypten zu Mücken verwandeln soll (8,12b: ¢ ¦¢±¯§ ®± ¥¤ ¦©¤¥). Ex 8,13aĮ berichtet von der präzisen Befolgung der Anordnungen (®±±«³£¢¡§¢³¨±¡¢ >¨¤²«¢@),69 woraufhin in 8,13aȕȖ festgehalten wird, die Mücken seien an Mensch und Vieh gewesen (§ ¦ ¦©¤ ¢³). Dies ist von 8,12 her nicht gedeckt,70 vielmehr wäre eine Aussage zur Verwandlung des Staubes in ganz Ägypten zu erwarten, wie sie in 8,13b folgt (®± ¥¤ ¦¢©¤ ¢ ®± ±« ¥¤ ¦¢±¯§). Letzterer Halbvers weicht nun aber darin von der Ankündigung in 8,12 ab, daß er von ‚allem Staub‘ spricht, und er ist ferner auch syntaktisch aufgrund der betonten Voranstellung des Subjekts die im Vergleich zu 8,13aȕ deutlich unwahrscheinlichere Fortsetzung des in 8,13aĮ beschriebenen Stabgestus. Der spannungsreiche Befund, daß einerseits der Textübergang in Ex 8,13aĮȕ gegenüber dem in 8,13aĮb vorzuziehen ist, inhaltlich aber als Fortsetzung von 8,13aȕ nicht eine Angabe zu Mensch und Vieh (8,13aȖ), sondern zur Ausbreitung der Mücken in ganz Ägypten zu erwarten wäre (8,13b), erklärt sich dadurch, daß der Grundbestand des Plagenberichts über beide Versteile verteilt ist.71 Er findet sich in 8,13aȕb* und berichtet in Übereinstimmung mit 8,12b, daß die Mücken in ganz Ägypten waren (¦¢±¯§®±¥¤¦©¤¢³). Ein Bearbeiter trennte den Textzusammenhang, indem er 8,13aȖ hinzufügte und so in 8,13aȕȖ eine Aussage über den Mückenbefall von Mensch und Vieh schuf,72 wie er sie in identischer Weise in 8,14b einschaltete (§¦¦©¤¢³).73 Vom selben BearAller Voraussicht nach nicht ursprünglich ist die Vollzugsbestätigung (¨¤ ²«¢) zu Beginn von Ex 8,13aĮ j; vgl. NOTH, ATD 5, 47; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 97, Anm. 4. Sie fehlt in g und geht nach LEMMELIJN, Plague, 165f., auf das Versehen eines Schreibers zurück, der die gleichlautende Vollzugsbestätigung zu Beginn von 8,14 (¨¤ ²«¢) aufgrund des identischen Endes von 8,12.13 (¦¢±¯§ ®± ¥¤) irrtümlich an den Anfang von 8,13 kopierte. 70 g hat die Ankündigung in Ex 8,12b nachträglich an den Plagenbericht in 8,13 angeglichen; vgl. SANDERSON, Exodus Scroll, 67; LEMMELIJN, Plague, 164f. 71 Gegen KOHATA, Jahwist, 97, der Ex 8,12-15 als „einheitlich priesterschriftlich“ gelten. 72 Der Zusatz wird auf den auch in Ex 7,19bȕ.28bȕ; 8,17bȕ tätigen Bearbeiter zurückzuführen sein. Seinen sachlichen Hintergrund bildet die Schädigung von Mensch und Vieh durch die Beulenpest (9,9f.), wo das Motiv ursprünglich ist. Durch seine Übertragung nach 8,13f. wird darauf abgehoben, daß das Unvermögen der Wahrsagepriester, Staub in Mücken zu verwandeln (8,14a), wie in 9,11 aus dem Plagencharakter dieses zuvor von Aaron gewirkten Schauwunders resultiert. Damit wird freilich die Klimax des priesterschriftlichen Wunderwettstreits empfindlich gestört, denn in 8,14a.15a sollen ursprünglich lediglich die unterlegenen Fähigkeiten der ägyptischen Kontrahenten Aarons demonstriert werden. S. im folgenden. 73 Die von STEINGRIMSSON, Zeichen, 81f., vertretene Ausscheidung von Ex 8,13aȕȖ.14b hat demgegenüber den Nachteil, daß 8,13b wie gesehen nicht der Ankündigung in 8,12b entspricht. Ebenfalls nicht überzeugen kann das von GERTZ, Tradition, 80, Anm. 17, favorisierte 69
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beiter (oder von nochmals späterer Hand?) stammt der Anfang von 8,13b (¦¢©¤¢®±±«¥¤), mittels dessen der ursprünglich in 8,13aȕb* bestehende Aussagezusammenhang sinngemäß wiederhergestellt wurde, indem nun – freilich verspätet – wieder die Verwandlung des Staubes in Mücken vermerkt wird. Nachdem Aaron erfolgreich das Erweiswunder vollzogen hat, schicken sich die ägyptischen Wahrsagepriester auch in Ex 8,14a an, es ihm gleichzutun (¦¢©¤ ³ ¢¯¥ ¦¢¡¥ ¦¢§¡± ¨¤ ²«¢), erweisen sich diesmal aber als unfähig (¥¤¢¥). Endlich triumphiert der Gesandte JHWHs über die Magie Ägyptens,74 und es sind die Wahrsagepriester selbst, die diesen Triumph in 8,15a gegenüber dem Pharao in Worte fassen: ‚Dieser ist der Finger Gottes‘ ( ¦¢¥ «¯). Der Pharao freilich bleibt auch von der Erkenntnis seiner Kombattanten unbeeindruckt und reagiert wie zuvor mit verhärtetem Herzen (8,15b: ¢ ± ±²¤ ¦¥ «§² ¥ «± ¥ ° ¢). Es ist daher nur folgerichtig, daß der Wunderwettstreit in eine letzte Phase eintritt, mit der die Klimax zum Ziel kommt. Bei der Beulenpest (9,8-12) wandelt sich das Erweiswunder zur Plage,75 die bereits ein Antreten der Wahrsagepriester verhindert (9,11) und offenbar auch den Pharao beeindruckt. Bezeichnenderweise ist in 9,12aĮ nicht mehr wie zuvor vom Hartbleiben des pharaonischen Herzens die Rede («± ¥ ° ¢), sondern davon, daß JHWH das Herz des Pharao verhärtet («±¥³¢° ¢).76 Dies impliziert, daß der Pharao seine Niederlage eingesehen hat – sie einzugestehen war freilich vor der Tötung der Erstgeburt, auf die seit 7,4 alles hinausläuft, unmöglich. Indem er die Beulenpest (Ex 9,8-12) direkt hinter der Ungezieferplage (8,16-28*) einschaltete, schuf der priesterliche Bearbeiter eine Abschlußgröße für den vorangehenden Zyklus der Plagen, der nun durch die beiden priesterschriftlichen Passagen in 7,8-13; 9,8-12 gerahmt wird. Die Rahmung und damit der planvolle Gesamtaufbau wird dadurch unterstrichen, daß in beiden Fällen die Anordnung ergeht, vor dem Pharao ein Wunder zu wirken (7,9: «± ¢©¥; 9,8; «± ¢©¢«¥).77 Nach 9,8a sollen Mose und Modell, wonach es sich in 8,13b.14b um Nachträge handelt, da der in 8,13aȕȖ verbleibende Plagenbericht von der Ankündigung in 8,12b in entscheidenden Punkten abweicht. 74 Unzutreffend L. SCHMIDT, Studien [1993], 102, Anm. 86, der das Scheitern der Wahrsagpriester schon hier darauf zurückführt, daß sie von der Plage gezeichnet sind. 75 Gegen L. SCHMIDT, Studien [1993], 16, der zu einseitig den durchgängigen Charakter der fünf ‚Plagen‘ als „Schauwunder“ hervorhebt und so die Klimax des Textes unterschlägt. 76 Vgl. hierzu H.-C. SCHMITT, Tradition, 203-205. Zu den ezechielischen Parallelen der priesterschriftlichen Verstockungsterminologie vgl. SKA, Sortie, 198-205; SCHMITT, a.a.O., 205. 77 Hinzu kommt auf der Ebene des vorliegenden Textes, daß die JHWH-Reden in 7,8; 9,8 an Mose und Aaron gleichermaßen adressiert sind, was freilich nach der obigen Analyse in 7,8 ursprünglich nicht der Fall war.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Aaron eine Hand voll Ofenruß nehmen (¨²¤ ¢ ¦¤¢© ¥§ ¦¤¥ °), doch soll nur Mose den Ruß gen Himmel schleudern (9,8b: ²§ °± «± ¢©¢«¥ §¢§²). Mit der Übertragung der Rolle des Wundertäters von Aaron auf Mose weicht die Beulenpest in einem zentralen Punkt von allen vorangehenden priesterschriftlichen Erweiswundern ab, doch läßt sich diese Abweichung keineswegs als literarkritisches Indiz werten.78 Der Rollenwechsel am Ende des Wunderwettstreits ist vielmehr in der priesterschriftlichen Konzeption selbst begründet, denn er ergibt sich, wie sogleich zu zeigen ist, zwingend aus der finalen Niederlage der Wahrsagepriester. Hinzu kommt, daß der besagte Rollenwechsel auch auf den älteren priesterschriftlichen Meerwunderbericht vorbereitet, in dem Mose das Zeichen zur Teilung der Wasser gibt (14,21.27). Auf die Anordnung in Ex 9,8 folgt in 9,9 eine ausführliche Beschreibung der Folgen, die die Aktion des Mose zeitigen wird: Der gen Himmel geschleuderte Ofenruß wird über ganz Ägypten zu Staub werden (¢ ¦¢±¯§ ®± ¥¤ ¥« °¥), aus dem dann in ganz Ägypten an Mensch und Vieh Geschwüre mit aufplatzenden Blasen entstehen (¥« ¦ ¥« ¢ ¦¢±¯§ ®± ¥¤ ³«« ± ¨¢ ²¥ §). Daß im Ausführungsbericht, dessen erster Teil die exakte Befolgung der Anweisungen aus 9,8 vermeldet (9,10a: §¢§²²§³°±¢«±¢©¥§«¢¨²¤ ¢³ °¢),79 von der Verwandlung in Staub keine Rede ist, sondern sogleich vom Auftreten der Geschwüre berichtet wird (9,10b: ¦ ³«« ± ¨¢ ² ¢¢ §), ließe sich als Indiz dafür werten, daß die Angabe in 9,9a nachgetragen wurde. Zwingend ist dies allerdings nicht, da erst 9,9a erklärt, wie aus einer Handvoll Ofenruß Geschwüre in ganz Ägypten werden. Das FehSo jüngst WEIMAR, Nicht konnten, 103-114, der Ex 9,8-12 RP zuschreibt. Das von j, b und 4QpaleoExodm V,10 bezeugte Verb §«¢ fehlt in g, was SANDERSON, Exodus Scroll, 105f., und LEMMELIJN, Plague, 172f., an einen Zusatz denken läßt. Zwar gibt Ex 9,10a auch ohne §«¢ Sinn (‚und sie nahmen den Ofenruß vor dem Pharao, und Mose schleuderte ihn gen Himmel‘ statt ‚und sie nahmen den Ofenruß, traten vor den Pharao, und Mose schleuderte ihn gen Himmel‘), allerdings entsteht nun eine deutliche Spannung zur JHWH-Rede in 9,8, wo der Vollzug des Wunders ‚vor den Augen des Pharao‘ («± ¢©¢«¥) angeordnet wird und nicht der Befehl ergeht, ‚vor dem Pharao‘ (¢©¥ «±) Ofenruß aufzuheben. Die sachlichen und sprachlichen Differenzen, die sich bei einer Ausscheidung des §«¢ zwischen Auftrag (9,8) und Ausführung (9,10) ergeben, wecken beträchtliche Zweifel am vermeintlichen Zusatzcharakter der Verbform. Zählt man sie hingegen zum ursprünglichen Textbestand, so treten keinerlei sachliche Differenzen auf, und auch die abweichende Formulierung findet eine einfache Erklärung darin, daß der Verfasser Auftrag und Ausführungsbericht einander chiastisch zugeordnet hat: Der Befehl, das Wunder ‚vor den Augen des Pharao‘ zu wirken, wird dadurch umgesetzt, daß Mose und Aaron entsprechende Vorkehrungen treffen und ‚vor den Pharao‘ treten, in dessen Gegenwart sich alles weitere zuträgt. Es ist daher an der Ursprünglichkeit der Verbform festzuhalten, wofür nicht zuletzt auch ihr enger kompositioneller Bezug zu 9,11 spricht, auf den noch näher einzugehen ist. Zur Beurteilung der von g bezeugten Lesart als sekundär vgl. WEVERS, Notes, 129. 78 79
1.2. Der priesterschriftliche Wunderwettstreit in Ex 7,8-9,12; 11,10
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len einer 9,9a entsprechenden Notiz im Ausführungsbericht ist vermutlich schlicht der erzählerischen Ökonomie geschuldet. Traten Mose und Aaron in Ex 9,10 vor den Pharao («± ¢©¥ §«¢), so sind im Gegensatz dazu die mit Geschwüren geschlagenen Wahrsagepriester zu einem Auftritt vor Mose nicht mehr in der Lage (9,11a: ¥¤¢ ¥ ¨¢ ²¢©§²§ ¢©¥§«¥ ¦¢§¡± ).80 Ihr Scheitern hat gegenüber der Niederlage gegen Aaron (8,14a: ¥¤¢ ¥) nochmals eine Steigerung erfahren, wobei die Unmöglichkeit eines Auftritts der Wahrsagepriester vor Mose systembedingt von vornherein feststand: Sie stehen in der priesterschriftlichen Konzeption auf einer Stufe mit Aaron und sind damit wie dieser unter Mose angesiedelt.81 Ex 9,11b begründet abschließend das Unvermögen der Wahrsagepriester damit, daß die Geschwüre an ihnen wie an allen übrigen Ägyptern ausgebrochen waren (¥¤ ¦§¡± ¨¢ ² ¢ ¢¤ ¦¢±¯§). Damit kommt noch einmal die globale Dimension der Beulenpest zur Sprache, die gemäß 9,9f. mit Mensch und Vieh all jene befallen hat, die nach 12,12aȕ.29 von der Tötung der Erstgeburt betroffen sind. Nun war allerdings der Gedanke, daß auch die Erstgeburt des Viehs dem nächtlichen Schlag JHWHs zum Opfer fällt, selbst der ursprünglichen priesterschriftlichen Bearbeitung von Ex 12 noch fremd, was den Schluß nahelegt, daß er überhaupt erst vom Verfasser des literarisch jüngeren Wunderwettstreits in 12,12aȕ.29b eingetragen wurde.82 Er schuf so einen expliziten Verweiszusammenhang zwischen der Beulenpest als Abschlußgröße des priesterschriftlichen Wunderwettstreits und der Tötung der Erstgeburt, die in Ex 12 direkt anschloß. Zwischen der Beulenpest und dem Auftakt zu den Passabestimmungen in Ex 12,1 stand ursprünglich nur noch der summarische Rückblick auf die von Mose und Aaron vor dem Pharao gewirkten Erweiswunder (¦¢³§) in 11,10.83 Wie in 9,12 hebt der priesterliche Verfasser auch hier darauf ab, daß JHWH selbst das Herz des Pharao verhärtete (11,10bĮ: ³ ¢ ° ¢ «± ¥), so daß dieser die Israeliten nicht ziehen ließ (11,10bȕ: ¥² ¥ ¯±§ ¥±²¢ ¢© ³). Das Motiv einer von JHWH aktiv betriebenen Ver80
Zum Verhältnis der beiden Aussagen zueinander vgl. auch WEIMAR, Nicht konnten,
100. Vgl. H.-C. SCHMITT, Tradition, 205. Vgl. die Ausführungen unter VII. 1. und VII. 2.1. 83 Zur Existenz eines ursprünglichen priesterschriftlichen Textübergangs in Ex 9,12; 11,10 vgl. RUDOLPH, Elohist, 18; LEVIN, Jahwist, 336; GERTZ, Tradition, 94f.; KRATZ, Komposition, 245. Ähnlich L. SCHMIDT, Studien [1993], 17, der allerdings auch Ex 11,9 auf derselben literarischen Ebene angesiedelt sieht. Hierzu sowie zu der mit unterschiedlicher Akzentsetzung von KOHATA, Jahwist, 124f.; BLUM, Studien, 254f.; WEIMAR, Nicht konnten, 109, Anm. 54, vertretenen Auffassung, Ex 11,9f. seien von vornherein auch mit Blick auf die nichtpriesterschriftlichen Plagen in Ex 9,13-11,8 verfaßt worden, vgl. die Ausführungen unter VI. 2.4. 81 82
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
stockung weist bereits auf die priesterschriftliche Version des Meerwunderberichts voraus (14,4.8a.17). Dagegen steht im Hintergrund von 11,10b die entsprechende Ankündigung aus 7,4,84 die der Ergänzer bereits vorfand und deren Eintreffen er nun unter den veränderten Vorzeichen des Wunderwettstreits festschreibt. Mose und Aaron scheitern nun nicht mehr als Unterhändler, sondern als Wundertäter, und zwar einzig und allein deshalb, weil dies von JHWH so vorgesehen ist. Was nun geschehen wird, ist ebenfalls seit Ex 6,6; 7,4f. bekannt: JHWH selbst wird den Auszug seines Volkes durch ‚große Gerichte‘ (¦¢¥ ¦¢¡²) erzwingen, ein Versprechen, das in Ex 12,12f.29 mit der Tötung der Erstgeburt eingelöst wird, deren priesterschriftlich überformte Gestalt bei der Ergänzung des Wunderwettstreits bereits existierte. 1.3. Zur nachpriesterschriftlichen Entwicklung in Ex 7f. Zu den substantiellen nachpriesterschriftlichen Erweiterungen der Froschund der Ungezieferplage in Ex 8 zählen die beiden Szenen in 8,4-9.2127.85 Sie übertragen mit den Verhandlungen über die Auszugsmodalitäten und der Fürbitte des Mose zwei zentrale Motivkomplexe aus Ex 9f. an den Anfang des Plagenzyklus,86 wobei auffällt, daß die Verhandlungen im Unterschied zu Ex 10 nicht für sich stehen, sondern in das Ersuchen des Pharao um Fürbitte integriert sind. Dabei ist die Gewichtung der beiden Motivkomplexe vollkommen unterschiedlich: Spielt im Rahmen der Froschplage die Frage nach einem Auszug zum JHWH-Opfer nur ganz am Rande eine Rolle (8,4b), so nimmt sie in der Ungezieferplage breiten Raum ein (8,21b-24a.25b). Im Gegensatz dazu fristet die in 8,4a.5-9a detailliert behandelte Fürbittenthematik in der Ungezieferplage fast schon ein Randdasein. Das knappe Ersuchen des Pharao um Fürbitte (¢« ±¢³«) folgt dabei in 8,24b so unvermittelt auf die Auszugsverhandlungen in 8,21b-24a, daß die Verbindung der beiden Elemente kaum ursprünglich ist.87 Da der Abschluß des Verhandlungskomplexes in 8,25b die das Fürbittenmotiv aus 8,24b aufgreifende Moserede in 8,25a zwingend voraussetzt, ist das literarhistorische Verhältnis eindeutig: Der Verhandlungsteil Ex 8,21b-24a.25b wurde nachträglich um einen textlichen Nukleus in 8,24b.25a angeordnet, Vgl. L. SCHMIDT, Studien [1993], 17. Sie stehen im Zentrum der folgenden Darstellung, die freilich auch eine Anzahl weiterer nachpriesterschriftlicher Zusätze berührt. Für eine systematische Übersicht vgl. den Ergebnisteil unter VI. 1.5. 86 Zu den Ursprüngen der beiden Motivkomplexe vgl. die Ausführungen unter VI. 2. 87 Vgl. FLOSS, Jahwe dienen, 210; SCHARBERT, NEB.AT 24, 39. Gegen NOTH, ATD 5, 59; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 402; GERTZ, Tradition, 127f., die – mit unterschiedlichen redaktionsgeschichtlichen Prämissen – die literarische Einheitlichkeit von Ex 8,21-24 vertreten. 84 85
1.3. Zur nachpriesterschriftlichen Entwicklung in Ex 7f.
195
ist also jünger als das Fürbittenmotiv. Entsprechendes gilt folglich auch für den auf die Verhandlungen vorbereitenden Halbvers 8,4b. Die nach Abzug der Verhandlungselemente verbleibenden Fürbittenszenen (Ex 8,4a.5-9a; 8,21*[bis ±§¢].24b.25a.26.27) sind zwar grob parallel strukturiert, weisen aber im Detail deutliche Unterschiede auf. Besonders auffällig ist, daß der Pharao lediglich in 8,5-7 die Möglichkeit eingeräumt bekommt, den Zeitpunkt des Plagenendes zu bestimmen. Seine Entscheidung für den kommenden Tag (8,6: ± §¥) scheint dagegen in 8,25a einfach übernommen zu werden, denn hier kündigt Mose lediglich an, die Plage werde zum entsprechenden Zeitpunkt enden (± §±«±ª). Die Abhängigkeit der zweiten Fürbittenszene von Ex 8,5-7 hat gewichtige redaktionsgeschichtliche Konsequenzen, denn die besagten Verse erweisen sich innerhalb der dortigen Fürbittenszene als Zusatz. Dies läßt in gewisser Weise bereits die eigentümliche Spannung vermuten, in der ein Aufschub des Plagenendes durch den Pharao zu dessen dringlichem Appell aus 8,4a steht. Die Vermutung findet ihre Bestätigung in den unterschiedlichen Angaben zur Ausbreitung der Frösche. Während nämlich der Pharao in 8,4a darum ersucht, die Frösche sollten von ihm und von seinem Volk (¢©§§ ¢§«§) entfernt werden, kündigt Mose in 8,5a an, sie vom Pharao und aus seinen Häusern (£¢³§ £§§; vgl. 8,7aȕ) zu entfernen. Diese Abweichung von der erzählerischen Exposition der Fürbittenszene spricht eindeutig dafür, daß 8,5-7 nachgetragen wurden. Damit erweist sich auch die zweite Fürbittenszene gegenüber dem Grundbestand der ersten als sekundär. Der nach Abzug von Ex 8,5-7 verbleibende Bestand der ersten Fürbittenszene in Kap. 8 weist deutliche Übereinstimmungen mit den entsprechenden Passagen in der Hagel- und Heuschreckenplage auf. Wie dort läßt der Pharao unter dem Eindruck der Plage Mose und Aaron rufen und ersucht bei ihnen um Fürbitte (8,4aĮ: ±¢³«±§¢¨±¥²§¥«±±°¢ ¢ ¥; vgl. 9,27.28aĮ; 10,16.17a), was jeweils mit der ausdrücklichen Bitte um Beendigung der Plage verbunden ist (8,4aȕ: ¢©§§ ¦¢«±¯±ª¢ ¢§«§; vgl. 9,28aȕ; 10,17b). Wie in der Heuschreckenplage kommt Mose auch in 8,8a ohne Umschweife dem Ersuchen des Pharao nach, indem er diesen verläßt («±¦«§¨±²§¯¢; vgl. 10,18a: «±¦«§¯¢) und Fürbitte leistet (8,8bĮ). Dabei fällt allerdings auf, daß im Unterschied zu 10,18b nicht der in den Fürbittenszenen des Plagenzyklus gebräuchliche terminus technicus ±³« Hifǥil verwendet wird, sondern davon die Rede ist, Mose habe zu JHWH ‚geschrien‘ (¢ ¥ ²§ °«¯¢). Dies verwundert besonders, da die Fürbittenthematik auch in 8,4a mit ±³« Hifǥil eingeführt wird, und verlangt nach einer Erklärung. Die skizzierte Abweichung zwischen Ex 8,4a.8bĮ läßt sich nicht diachron plausibel machen, denn die Aufforderung zur Fürbitte (8,4a) läuft ohne 8,8bĮ ins Leere, und die Annahme, das dortige Schreien Moses zu
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
JHWH sei bereits auf einer früheren Wachstumsstufe ergänzt worden, ist nicht hinreichend begründbar. Ex 8,4a.8bĮ liegen auf derselben literarischen Ebene. Der Grund für die terminologische Abweichung wird in einer Singularität der Froschplage zu suchen sein, die bereits in ihrem vorpriesterschriftlichen Grundbestand vom Verschwinden der Frösche berichtete. Mit dem Sterben der in die unmittelbaren Lebensbereiche der Ägypter vorgedrungenen Frösche und der Aufhäufung ihrer Kadaver zu stinkenden Haufen (8,9b.10) war dem Ergänzer das Resultat der Fürbitte bereits vorgegeben. Da er den Pharao in 8,4a kaum um die Verpestung seines Landes mit Froschkadavern bitten lassen konnte, formulierte er hier das erwartungsgemäße Ersuchen um eine Entfernung der Frösche. Damit entstand notwendig eine Spannung zum vorgefundenen Ende der Froschplage, welcher der Ergänzer dadurch Herr zu werden suchte, daß er in 8,8b die Formulierung aus 8,4a bewußt umging. Indem er in 8,8b die allgemeine Aussage wählte, Mose habe wegen der Frösche zu JHWH geschrien (°«¯¢ ¦¢«±¯ ± ¥« ¢ ¥ ²§), stellte er den Ausgang der Ereignisse JHWH anheim und vermied so den Eindruck, Mose habe das Anliegen des Pharao vorgetragen, aber kein Gehör gefunden. Gleichzeitig wird durch den Relativsatz am Ende von Ex 8,8b (¦²±² «±¥) noch einmal betont, daß es sich bei den Fröschen um eine Plage handelt, die JHWH für den Pharao ‚gesetzt‘ hatte.88 Dies drohte aufgrund der Integration des ursprünglichen Plagenberichts (8,2b) in den priesterschriftlichen Wunderwettstreit (8,1-3) trotz der programmatischen Ankündigung in 7,27f.* aus dem Blick zu geraten. Bezeichnenderweise hat der Ergänzer, der die Fürbittenszene in die Froschplage integrierte, außer in 8,4a.8 nur noch durch eine Erweiterung besagter vorpriesterschriftlicher Plagenankündigung Spuren hinterlassen. Von ihm stammt der Grundbestand von 7,29*, wonach die Frösche am Pharao und an seinem Volk heraufkriechen werden (¦¢«±¯¥«¢£§«¤), also exakt dorthin, von wo sie der Pharao in 8,4a wieder entfernt haben will (¢©§§ ¦¢«±¯ ±ª¢ ¢§«§).89 Die Bearbeitungsschicht, durch die die Fürbittenthematik in den vorderen Teil des Plagenzyklus Einzug erhielt, beschränkt sich folglich auf 7,29*; 8,4a.8. Im Hintergrund steht die Fürbittenszene der Heuschreckenplage (10,16-20), dem nachpriesterschriftlichen Seitenstück der Froschplage im zweiten Teil des Plagenzyklus. Endet dort die Invasion der Heuschrecken nach Moses Interzessionen (10,19f.), so stellt der Ergänzer von Gegen JACOB, Buch Exodus, 265, der Ex 8,8b auf die Ankündigung Moses aus 8,6f. bezieht („wegen des Wortes über die Frösche, das er dem Pharao gesetzt hatte“). Dabei wird die – freilich jüngere – Parallele in 10,2 übersehen, wo von den Zeichen die Rede ist, die JHWH unter den Ägyptern ‚gesetzt‘ hat (¦¢³§²±²¢³³). 89 Ähnlich GERTZ, Tradition, 123, der allerdings Ex 7,29 für einheitlich hält und auch die Erwähnung des Volkes in 7,28 (£§«) auf derselben Wachstumsstufe ansiedelt. 88
1.3. Zur nachpriesterschriftlichen Entwicklung in Ex 7f.
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7,29*; 8,4a.8 sicher, daß das in 8,9b.10 berichtete Ende der Froschinvasion ebenfalls erst auf Moses Fürbitte hin zustande kommt.90 Über diese strukturellen Angleichung der Frosch- an die Heuschreckenplage gelangte das Fürbittenmotiv nach Ex 8, wo es eine weitere Entwicklung nehmen sollte, von der seine Quelltexte in Ex 9f. noch nichts erahnen lassen. Kam Mose im Grundbestand der in die Froschplage eingeschriebenen Fürbittenszene dem Ersuchen des Pharao noch unmittelbar nach (Ex 8,4a.8), so erhält die Szene durch den Dialogteil in 8,5-7 die Züge eines Schauwunders. Im Hintergrund stehen die Terminierungen der Hagel- und Heuschreckenplage (9,18; 10,4), die in 8,5-7 vom Ausbruch der Plage auf das Ende derselben übertragen wurden. Nun wird dem Pharao freigestellt, selbst zu bestimmen, wann Mose durch seine Fürbitte ein Ende der Plage erreichen soll (8,5a), wodurch JHWH die Gelegenheit gegeben wird zu demonstrieren, daß er die Plage nicht nur termingerecht beginnen lassen, sondern ebenso zum angekündigten Zeitpunkt wieder beenden kann. Die theologische Quintessenz des Ganzen wird in 8,6bȕȖ zum Ausdruck gebracht, wonach der Pharao die Einzigartigkeit JHWHs erkennen soll (¨«§¥ ©¢¥¢¤¨¢¢¤«³). Der Hintergrund der Erkenntnisaussage findet sich in der Fürbittenszene der Hagelplage (9,29bȕȖ: ®±¢¥¢¤«³¨«§¥), in deren Rahmen auch die Terminierung des Plagenendes bereits angelegt war, insofern Mose die Fürbitte hier in einen expliziten zeitlichen Zusammenhang zum Verlassen der Stadt bringt (Ex 9,29aȕ: ±¢«³¢³¯¤). Mit der Inszenierung des Endes der Froschplage als Machterweis JHWHs hängt auch die zweimalige detaillierte Voraussage der Beseitigung der Frösche zusammen (Ex 8,5aȕȖb.7), deren exaktes Eintreffen durch die knappe Notiz festgeschrieben wird, JHWH habe nach dem Wort des Mose gehandelt (8,9a: ²§±¤¢²«¢). Damit ist ausdrücklich auch gesagt, daß die Beseitigung der Frösche nach den von Mose akzeptierten Terminvorstellungen des Pharao (8,6abĮ: £±¤ ±§¢ ± §¥ ±§¢) am folgenden Tag eintrat. Diese Beseitigung stellt sich der Bearbeiter nach 8,5aȕȖ konkret als Entfernung der Frösche vom Pharao und aus dessen Häusern vor (£¢³§ £§§ ¦¢«±¯ ³¢±¤¥; vgl. 8,7aĮ: £¢³§ £§§ ¦¢«±¯ ±ª), womit erstmals der Gedanke expliziert wird, daß der Pharao über eine Mehrzahl von Häusern verfügt.91 Ist somit die Fürbitte exklusiv auf eine Entlastung des Pharao abgestellt, so ergibt sich ein deutlicher Widerspruch zur 90 Das Sündenbekenntnis des Pharao (Ex 10,16b) hat der Bearbeiter bewußt nicht übernommen, da die Vorwegnahme dieses Höhepunktes des Plagenzyklus die Klimax desselben zerstört hätte. 91 Von derselben Hand wird auch die Ergänzung der Häuser in der Ankündigung der Ungezieferplage stammen, durch die die Auswirkungen dieser Plage mit den in Ex 8,5aȖ.7aĮ für die Froschplage vorausgesetzten zur Deckung gebracht wurden (8,17a*: £ ¢¥²§ ¢©© ±«³£¢³).
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Ankündigung Moses aus 8,5aĮ, neben dem Pharao auch dessen Hofbeamte und sein Volk in die Fürbitte einzubeziehen (£§«¥ £¢«¥ £¥ ±¢³«). Beide Personengruppen wurden hier wie auch in 8,7aȕ (£§«§£¢«§) erst nachträglich ergänzt.92 Den Verdacht des Nachtrags erweckt schließlich auch die in 8,5b.7b identisch bezeugte Ankündigung, die Frösche würden nur im Nil übrigbleiben (©±²³ ±¢ °±). Sie klappt in beiden Fällen syntaktisch nach und führt einen Nebengedanken ein, der für die zuvor thematisierte Entlastung des Pharao ohne Bedeutung ist. Das Motiv hat seinen genuinen Ort am Ende der Fürbittenszene in der Ungezieferplage (8,27b) und wurde von hieraus nachträglich in die Froschplage eingetragen. Im Unterschied zur gewachsenen Fürbittenszene in der Froschplage (Ex 8,4-9a), die auf das Froschsterben in 8,9b hin konstruiert wurde, um es auf JHWHs Wirken zurückzuführen, wurde ein Ende der Ungezieferplage erstmalig im Rahmen des in 8,21*.24b-27 ergänzten Fürbittenteils thematisiert. Der Einschub setzt wie bereits dargelegt die in 8,5-7*.9a nachträglich eingeführte Terminierung der Fürbitte voraus, weicht aber im Detail zu stark von den besagten Versen ab, um als Ergänzung von derselben Hand gelten zu können. Dies zeigt etwa die Ankündigung des Plagenendes, die im Unterschied zu 8,5a.7a nicht mehr als direkte Anrede an den Pharao gestaltet ist (£§§), sondern von diesem in der dritten Person spricht (8,25a: «±§). Die Fürbittenszene in Ex 8,21*.24b-27* ist somit jünger als ihre um 8,5-7*.9a erweiterte Vorlage in der Froschplage. Die Fürbittenszene der Ungezieferplage beginnt wie in Ex 8,4a damit, daß der Pharao Mose und Aaron zu sich rufen läßt (8,21*: ¥«±±°¢ ±§¢ ¨±¥ ²§)93 und um Fürbitte ersucht (8,24b: ¢« ±¢³«). Daß diese an JHWH zu richten ist und auf eine Beendigung der Plage zielt, wird nicht eigens erwähnt, sondern ist einfach vorausgesetzt. Erst Mose macht beides explizit, indem er in 8,25a auf das Ersuchen des Pharao mit der Ankündigung reagiert, den Pharao zu verlassen (£§«§ ¯¢ ¢¤© ©) und bei JHWH Fürbitte zu leisten (¢¥¢³±³«), so daß das Ungeziefer am kommenden Tag vom Pharao, seinen Dienern und seinem Volk weichen wird (± § §«§ ¢«§ «±§ ±« ±ª).94 Der Termin, den der 92
Derselbe Bearbeiter hat auch in Ex 7,28bĮ; 8,17a*.20aȕ*; 9,14aȕ seine Spuren hinterlassen. Die Nachträge speisen sich aus 8,25.27, wo die Hofbeamten des Pharao erstmals im Rahmen von Ex 8 erwähnt wurden. S. im folgenden. 93 Auffällig ist, daß die Erwähnung Aarons nicht wie die des Mose mit der Präposition ¥, sondern mit ¥ in die Aussage eingebunden ist. Dies erlaubt freilich nicht die Annahme eines Nachtrags, da die Zweizahl der vom Pharao adressierten Personen durch den pluralischen Imperativ in 8,24b verbürgt ist. Das Ersuchen um Fürbitte ist hier wie auch sonst an Mose und Aaron gerichtet, obgleich immer allein Mose als Fürbitter tätig wird. 94 Daß der Pharao in Ex 8,24b um Fürbitte für seine Person ersucht (¢« ±¢³«) und Mose in 8,25a die Entfernung des Ungeziefers vom Pharao, seinen Hofbeamten und seinem
1.3. Zur nachpriesterschriftlichen Entwicklung in Ex 7f.
199
Pharao in 8,6a für das Ende der Froschplage bestimmt hatte, wurde einfach übernommen, womit die Fürbittenszene der Ungezieferplage von vornherein die Züge eines Schauwunders trägt. Entsprechende Züge wurden in 8,19b.20aĮ auch dem Plagenbericht verliehen, insofern hier das Eintreten der Plage für den kommenden Tag angekündigt ( ³ ¢¢ ± §¥) und sogleich ein entsprechender Vollzug vermeldet wird (¨¤ ¢ ²«¢).95 Der Ergänzer setzt die entsprechenden Terminierungen der Hagel- und Heuschreckenplage (9,18; 10,4) sowie das Verständnis letzterer Plage als Zeichen (10,1) voraus, lehnt sich aber sprachlich erkennbar an die Terminierung der Fürbitte in 8,6a an (± §¥). Dies deutet darauf hin, daß sowohl die Terminierung der Plage in 8,19b.20aĮ als auch die terminierte Fürbittenszene in 8,21*.24b-27* von derselben Hand ergänzt wurden. Der bereits notierte Schauwundercharakter der Fürbittenszene in Ex 8,21*.24b-27* wird durch die genaue Übereinstimmung des Ausführungsberichts (8,26f.*) mit der Ankündigung aus 8,25a* unterstrichen: Wie vorausgesagt verläßt Mose den Pharao (8,26a: «±¦«§²§¯¢) und leistet bei JHWH Fürbitte (8,26b: ¢ ¥ ±³«¢), woraufhin JHWH nach dem Wort des Mose handelt (8,27aĮ: ²§ ±¤ ¢ ²«¢) und das Ungeziefer vom Pharao, seinen Hofbeamten und seinem Volk verschwindet (8,27aȕȖ: §«§ ¢«§ «±§ ±« ±ª¢). Daß dies wie angekündigt am folgenden Tag geschieht, ist durch die Formulierung in 8,27aĮ verbürgt, die wie in 8,9a die exakte Befolgung des Mosewortes durch JHWH festschreibt. Die Konzentration des Verfassers auf den Schauwundercharakter des Plagenendes bringt es mit sich, daß für erzählerische Details wenig Raum bleibt. Wie genau die Entfernung des Ungeziefers vonstatten geht, wird im Unterschied zur Frosch- oder Heuschreckenplage (8,9b; 10,19a) nicht näher thematisiert, sondern die Darstellung schließt mit der nüchternen Notiz, Volk ankündigt, muß nicht heißen, daß die Erwähnung der Hofbeamten und des Volkes nachgetragen wurde. Beide Aussagen liegen einerseits auf unterschiedlichen Ebenen (Fürbitte vs. Auswirkungen der Plage), und es könnte andererseits gerade der Darstellungsabsicht des Verfassers entsprechen, daß Mose im Unterschied zum Pharao auch an dessen Untertanen denkt. Ein Indiz für die Ursprünglichkeit von Hofbeamten und Volk in 8,25a sowie in der korrespondierenden Ausführungsnotiz 8,27a ist auch, daß die Wendung hier im Gegensatz zu ihren übrigen Belegen (7,28; 8,5.7.17; 9,14) nicht mit einer Kopula, sondern asyndetisch angeschlossen ist. Da Hofbeamte und Volk in 7,28; 8,5.7.17; 9,14 jeweils eindeutig sekundär sind, wäre im Fall einer Zuweisung der Belege in 8,25a.27a zu demselben Bearbeiter mit einer unterschiedlichen Vorgehensweise desselben zu rechnen. Wahrscheinlicher ist es, daß Hofbeamte und Volk in 8,25a.27a ursprünglich sind und von hieraus an den übrigen Belegstellen eingetragen wurden. Dies vorausgesetzt, wäre gleichfalls erwiesen, daß der für die Fürbittenszene in der Ungezieferplage verantwortliche Ergänzer bereits mit den Verhandlungsszenen in Ex 10 vertraut war, wo die Hofbeamten ihren ursprünglichen Ort haben. 95 Zur literarhistorischen Einordnung der Verschonungsaussagen in Ex 8,18.19a, die nochmals jünger als die Terminierung der Plage (8,19b) sind, vgl. den betreffenden Exkurs unter VI. 1.4.
200
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
daß das Ungeziefer wie später in 10,19b die Heuschrecken restlos verschwand (8,27b: ±²©¥). Das Motiv wurde in 8,5b.7b entweder von derselben Hand oder einem späteren Bearbeiter sinngemäß auf die Froschplage übertragen. War mit der restlosen Entfernung von Ungeziefer und Heuschrecken die Situation vor Plagenbeginn wiederhergestellt, so gilt dasselbe, wenn die Frösche nur im Nil übrigbleiben (©±²³ ±¢ °±), denn sie befinden sich nun nur noch dort, von wo aus sie ihre Invasion des Landes starteten (7,28*). Wie in Ex 9f. zielten auch die beiden in Ex 8 ergänzten Fürbittenszenen ursprünglich allein auf das Plagenende, das hier wie gesehen sukzessiv die Züge eines Schauwunders verliehen bekam. Daß der Pharao sein Ersuchen um Fürbitte mit einem Zugeständnis verbindet, ergab sich erst durch eine letzte Bearbeitung der Szenen, die ihre Spuren in 8,4b.21b*-24a.25b hinterlassen hat. Die Verse setzen die in 3,18b; 5,3 angelegte Linie fort und gehen auf denselben Bearbeiter zurück, der hier die Auszugsforderung mit dem Vorwand verband, man wolle einen Dreitagesmarsch in die Wüste antreten, um JHWH zu opfern. War dieses Ansinnen in Ex 5 noch gescheitert, so läßt der Bearbeiter den Pharao in 8,4b unter dem Eindruck der Froschplage zunächst nachgeben und für den Fall einer Beendigung der Plage einen Auszug zum JHWH-Opfer in Aussicht stellen (¦«³ ¥² ¢¥ ¢). Daß er am Ende wortbrüchig werden wird, ist durch die ursprüngliche Verstockungsnotiz in 8,11 vorgegeben und verlangt nach einer Fortsetzung der Verhandlungen, wie sie von derselben Hand zwischen der Redeeröffnung in 8,21b*(±§¢) und dem Ersuchen um Fürbitte (8,24b) eingeschrieben wurde. Die Verhandlungen beginnen in Ex 8,21b* mit der Aufforderung des Pharao, die Israeliten sollten ihrem Gott im Land opfern (¦¤¢¥¥ ¤¥ ®±). Dabei fällt auf, daß dieses Zugeständnis weniger weit geht als die zuvor in 8,4b erteilte Auszugserlaubnis, was rückwirkend deren Ernsthaftigkeit in Frage stellt. Der Duktus des Textes legt nahe, daß der Pharao Mose zunächst einfach nach dem Mund redet, um die Frösche loszuwerden (8,4b), und erst während der Ungezieferplage zu echten Zugeständnissen bereit ist, die freilich weit von der Forderung Moses entfernt sind. Dieser erwidert dann auch sogleich, daß ein Opfer im Land nicht in Frage komme (8,22aĮ: ¨¤³²«¥¨¤©¥²§±§¢), denn was man JHWH opfere, sei den Ägyptern ein Greuel (8,22aȕȖ: ©¢¥¢¥ ©¦¢±¯§³«³¢¤). Vollzöge man den Opferritus vor den Augen der Ägypter, so liefe man Gefahr, von diesen gesteinigt zu werden (8,22b: ¥ ¦¢©¢«¥ ¦¢±¯§ ³«³ ³ © ¨ ©¥°ª¢), weshalb es unausweichlich sei, dem Auftrag JHWHs gemäß einen Dreitagesmarsch in die Wüste anzutreten und das Opfer dort darzubringen (8,23: ©¢¥±§¢±²¤©¢¥¢¥© ±§£¥©¦¢§¢³²¥²£±).
1.3. Zur nachpriesterschriftlichen Entwicklung in Ex 7f.
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Das von Mose in Ex 8,22f. vorgebrachte Argument liefert im Verbund mit 5,3 eine wasserdichte Begründung für das JHWH-Opfer in der Wüste. War in 5,3 bereits deutlich geworden, daß das Opfer unumgänglich ist, da JHWH die Israeliten sonst mit Pest und Schwert schlagen würde, so schließt die nach 8,22 von Seiten der Ägypter drohende Steinigung eine Erfüllung der Opferpflicht im Land aus. Die Israeliten sehen sich also mit einer massiven Drohkulisse konfrontiert, die sie förmlich dazu zwingt, den Dreitagesmarsch in die Wüste anzutreten – jedenfalls soll dies dem Pharao suggeriert werden. In Wahrheit handelt es sich natürlich um einen reinen Vorwand, der die Ägypter über die wahren Absichten der Israeliten täuschen soll. Die in 8,22 gegebene Begründung, die durchaus authentische Erfahrungen einer jüdischen Diaspora in Ägypten spiegeln könnte,96 erhält daher auf der Erzählebene eine ironische Brechung, denn an der Schwelle zum Auszug besteht für die Israeliten natürlich weder ein ernsthaftes Interesse an den religiösen Gefühlen der Ägypter noch eine begründete Sorge vor religiös motivierten Pogromen. Während Ex 8,22 auf der Sachebene die Zwänge und Gefährdungen einer religiösen Minorität zum Ausdruck bringt, wird der Vers durch seine erzählerische Funktionalisierung als Auszugsvorwand gerade auf die Überlegenheit der Israeliten zur Zeit des Mose transparent. Mit der in Ex 8,22f. vorgetragenen Greueltheorie erringt Mose einen beachtlichen Teilerfolg, denn der Pharao ist nun im Unterschied zu 8,21 bereit, den Auszug in die Wüste zu gestatten (8,24aĮ: ¢¤© «± ±§¢ ±§ ¦¤¢¥ ¢¥ ¦³ ¦¤³ ¥²), und bittet sich lediglich aus, die Israeliten möchten nicht allzu weit ziehen (8,24aȕ: °¢ ±³ ¥ ° ± °± ³¤¥¥), was konkret nur heißen kann, daß sie die drei Tagesreisen nicht ausschöpfen sollen. Mit der zum älteren Textbestand gehörigen Ankündigung, Fürbitte leisten zu wollen (8,25a), nimmt Mose das Angebot faktisch an, wobei der Ergänzer der Verhandlungsszene hierauf in 8,25b die ausdrückliche Warnung folgen läßt, der Pharao möge nicht damit fortfahren, sein Wort zu brechen und den Auszug zu verweigern (¥³ «± ¬ª¢ ¥ °± ¢¥ ¥ ¦« ³ ¥² ¢³¥¥). Daß auch diese mahnende Erinnerung an den Bruch der in 8,4b gegebenen Zusage folgenlos bleiben muß, ist vom Ende der Ungezieferplage her natürlich vorgegeben (8,28b: ³ ¥² ¥ ¦«). Nach der zu erwartenden Fortsetzung der Verhandlungen über einen Auszug zum JHWH-Opfer in der Wüste sucht man im Anschluß an die Ungezieferplage vergeblich. Die Erklärung dafür, daß sie in Ex 8 einfach im Sande verlaufen, ist schlicht, daß das Ende des Plagenzyklus, an dem sich naturgemäß ein Durchbruch hätte ereignen müssen, bereits durch die 96
Vgl. auch Gen 43,32; 46,34, wo ebenfalls die Greuelthematik bemüht wird, um die Absonderung der Proto-Israeliten von den Ägyptern zu begründen.
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dreigliedrige Verhandlungsszene in Ex 10-12 besetzt war. Der Vorwand, einen Dreitagesmarsch in die Wüste anzutreten, um JHWH zu opfern, wurde aus der dort verhandelten Festthematik entwickelt und an den Beginn des Plagenzyklus gestellt. In dieser Position bleibt er im Unterschied zu den in Ex 10-12 geführten Verhandlungen selbst ohne Folgen für den Erzählfortschritt, rückt diese allerdings in ein anderes Licht, insofern sie nun wie eine Fortsetzung des Täuschungsmanövers wirken. Den Anschluß zum älteren Verhandlungsteil hat der Bearbeiter durch die Formulierung in 8,23bȕ97 sowie ferner durch einen Nachtrag zur Fürbittenszene der Hagelplage (9,28b) hergestellt, wo der Pharao ankündigt, das Volk zu entlassen, so daß es nicht länger bleiben müsse (§«¥¨ª³¥¦¤³ ¥²). Damit wird offenkundig auf die mahnenden Worte Moses Bezug genommen, der Pharao solle nicht länger sein Wort brechen und die Entlassung der Israeliten verweigern (8,25b: ¥¦«³ ¥²¢³¥¥¥³«±¬ª¢¥°± ¢¥). Mit der Zusage des Pharao in 9,28b führt der Ergänzer des Auszugsvorwandes die Linie der in Ex 5 begonnenen Verhandlungen bis in die Hagelplage. Der Wortbruch ist auch hier vorgegeben (9,35) und beendet den ersten Verhandlungsblock, an den sich die in der Heuschreckenplage beginnenden Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe anschließen (10,7ff.), die in 12,31f. zum Durchbruch kommen. 1.4. Die Viehpest (Ex 9,1-7) Mit Ausnahme der priesterschriftlichen Beulenpest in Ex 9,8-12 finden sich in in Ex 9f. ausschließlich nichtpriesterschriftliche Textanteile, wobei es sich bei der Hagel-, Heuschrecken- und Finsternisplage (9,13-10,28) bereits um nachpriesterschriftliche Bildungen handelt.98 Dasselbe gilt auch für die Viehpest in 9,1-7, die allerdings meist als noch vorpriesterschriftlicher Zusatz zum Plagenzyklus angesehen wird.99 Grund für diese Einordnung ist die Beobachtung, daß die Viehpest einerseits erkennbare Parallelen mit den vorangehenden vorpriesterschriftlichen Plagen aufweist, andererseits aber in einigen charakteristischen Punkten von ihnen abweicht: So spricht Mose nun von JHWH in der dritten Person und tritt nicht mehr als bevollmächtigter Bote im göttlichen Ich auf, der Redebefehl in 9,1 ist mit ± und nicht wie sonst mit ±§ formuliert (7,16.26; 8,16) und anstelle eines Berichts über das Eintreten der Plage (7,20aĮ*; 8,2b.20aȕb*) heißt es in 9,6aĮ lediglich, JHWH habe ‚diese Sache gemacht‘ (±³¢²«¢ ). Daß letztere Formulierung ausschließlich Parallelen in den nachprie97 Wie schon L. SCHMIDT, Beobachtungen, 66, bemerkt hat, werden durch die Verwendung des Imperfekts in Ex 8,23bȕ (©¢¥±§¢±²¤) die älteren Auszugsverhandlungen in Ex 10 antizipiert. 98 Vgl. die Ausführungen unter VI. 2. 99 Vgl. LEVIN, Jahwist, 337; GERTZ, Tradition, 130f. Anders etwa KOHATA, Jahwist, 99.
1.4. Die Viehpest (Ex 9,1-7)
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sterschriftlichen Teilen des Plagenzyklus hat (8,9a.20aĮ.27aĮ), läßt bereits ernsthafte Zweifel an einer vorpriesterschriftlichen Entstehung der Viehpest aufkommen. Hinzu kommt, daß die Formulierung wie in 8,20aĮ den Zweck erfüllt, das termingerechte Eintreten der Plage sowie die Verschonung der Israeliten zu vermelden (9,4f.; vgl. 8,18f.). Beide Motive sind erst nachpriesterschriftlich belegt und lassen sich nur mit Gewalt als Zusätze aus der Viehpest ausscheiden,100 die folglich ebenfalls als nachpriesterschriftliche Bildung zu gelten hat. Den Weg zu einer präzisen literarhistorischen Verortung der Viehpest im Rahmen der nachpriesterschriftlichen Entwicklung des Plagenzyklus weist einerseits das Motiv einer Ankündigung der Plage für den nächsten Tag: Wie sich in der Analyse der einschlägigen Passagen zeigt, hat es seinen organischen Platz in der Hagel- und Heuschreckenplage (9,18; 10,4) und wurde von hieraus nachträglich auf die Ungezieferplage übertragen (8,19b), der es den Charakter eines Schauwunders verleiht.101 Dieselbe Funktion kommt dem Motiv im Rahmen der Viehpest zu, was den Schluß nahelegt, daß sie die Hagel- und Heuschreckenplage bereits voraussetzt. Eine Bestätigung dieser Annahme und zugleich eine nochmals präzisere Bestimmung des literarhistorischen Ortes der Viehpest ermöglicht eine Untersuchung des Verschonungsmotivs, dem der folgende Exkurs gewidmet ist. Exkurs: Die Entwicklung des Motivs von der Verschonung der Israeliten Daß die Israeliten von den Auswirkungen der Plagen verschont werden, ist ein Gedanke, der im Plagenzyklus nur vereinzelt artikuliert wird. Es handelt sich um durchgängig nachpriesterschriftliche Ergänzungen, die die Bewahrung der israelitischen Häuser durch den von P eingeführten Blutritus zum Hintergrund haben (Ex 12,12f.; vgl. 12,21-23) und das Motiv nachträglich in die Situation vor der Tötung der Erstgeburt übertragen. Die Belegstellen lassen sich grob in zwei Kategorien unterteilen, deren erste eine Ausnahmesituation im Lande Gosen (8,18; 9,26) bzw. an den Wohnsitzen der Israeliten (10,23b) voraussetzt, während die zweite hervorhebt, daß JHWH einen Unterschied zwischen Israeliten und Ägyptern macht (8,19a; 9,4; 11,7b).102 Beide Konzepte sind zwar kompatibel, aber eben nicht identisch, was auf eine redaktionsgeschichtliche Entwicklung schließen läßt.
100 Gegen LEVIN, Jahwist, 337, der lediglich Ex 9,1-3.6aȕ.7b für den Grundbestand der Viehpest veranschlagt. Dies hat die unwahrscheinliche Folge, daß in 9,3 eine schwere Viehpest angekündigt wird, ohne daß die Auswirkungen expliziert werden, wohingegen 9,6aȕ nur von den Auswirkungen, nicht aber vom Eintreten der Plage berichtet. Die notwendige Ankündigung der Auswirkungen ist in 9,4 untrennbar mit dem Verschonungsmotiv verwoben, das damit als integraler Bestandteil des Textes erwiesen ist; vgl. GERTZ, Tradition, 125.129-132. 101 Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.3., VI. 2.1. und VI. 2.2. 102 Einen engen Zusammenhang zwischen Ex 8,18; 9,4; 11,7 betont auch H.-C. SCHMITT, Josephsgeschichte (1980), 122, Anm. 131.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Den Schlüssel zur Rekonstruktion dieser Entwicklung liefern Ex 8,18.19a, wo beide Konzepte redaktionell miteinander verbunden wurden: Heißt es in 8,18a, JHWH werde das Land Gosen als Aufenthaltsort der Israeliten vor dem Ungeziefer verschonen (¢³¢¥ ±«¦²³¢¢³¥¥¢¥«§«¢§«±²¨²®±³¦¢), so hat ein späterer Ergänzer in 8,19a den Gedanken dahingehend expliziert, daß JHWH eine Unterscheidung zwischen Israeliten und Ägyptern vornimmt (£§« ¨¢ ¢§« ¨¢ ³¥ ¢³§²).103 Das Unterscheidungsmotiv (¥ Hifǥil mit ¨¢) hat sich aus dem Motiv der Verschonung Gosens (¥ Hifǥil) entwickelt.104 Dabei stellt sich die Wachstumsgeschichte von Ex 8,18f. genau genommen so dar, daß die in 8,19b nachklappende Terminierung des ‚Zeichens‘ auf den folgenden Tag ( ³ ¢¢ ± §¥) den ältesten Bestand der Erweiterung bildet. Sie schloß einst direkt an die Plagenankündigung in 8,16 an und verlieh der Ungezieferplage in Anlehnung an Hagel- und Heuschreckenplage die Züge eines Schauwunders.105 Die in 8,19b vorgenommene Datierung war dem Ergänzer von 8,18 bereits bekannt, denn die Ankündigung JHWHs, an diesem Tag das Land Gosen zu verschonen, greift ihr vor und läuft ohne sie ins Leere. Geht man von der sich in Ex 8,18.19a abzeichnenden Entwicklung aus, so fallen mit 8,19a auch die übrigen Belege für das Unterscheidungsmotiv (9,4; 11,7) einer im Verhältnis zum Motiv der Verschonung Gosens (8,18) jüngeren Entwicklungsstufe zu. 106 Es verbleiben die Verschonungsaussagen in 9,26; 10,23b, von denen erstere auffällige Parallelen mit 8,18 aufweist: An beiden Stellen wird das Land Gosen (¨²®±) als Wohnsitz der Israeliten erwähnt, und es wird in ähnlicher Weise konstatiert, daß die Plage dort nicht eintritt (8,18aȕ: ±« ¦² ³¢ ¢³¥¥; 9,26b: ± ¢ ¥). Die Übereinstimmungen zwischen 8,18; 9,26 sprechen dafür, daß beide Verse auf denselben Bearbeiter zurückgehen. Dieser verankerte in 8,18 die Ausnahmesituation in Gosen in der Ankündigung der Ungezieferplage und explizierte zugleich die theologische Programmatik des Motivs, indem er auf die Erkenntnis der Macht JHWHs ‚inmitten des Landes‘ abhob (8,18b:¨«§¥
Der Text wurde im Anschluß an g emendiert; vgl. NOTH, ATD 5, 47; KOHATA, Jahwist, 97. Dabei ist mit W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 345, Anm. 19, und GERTZ, Tradition, 126, Anm. 186, in j durchaus mit der Möglichkeit einer intentionalen Änderung von ³¥ (Unterschied) zu ³ (Befreiung) zu rechnen. Ziel könnte etwa die Vermeidung der vermeintlichen Dublette mit der vorangehenden Verschonungsaussage in 8,18 sein, wobei auch ein Einfluß der in 9,15f. greifbaren Bestrebungen denkbar wäre, den Verdacht göttlicher Ohnmacht von JHWH abzuwenden (vgl. Jes 50,2). 104 Der einzige weitere alttestamentliche Beleg für das Unterscheidungsmotiv findet sich in Ex 33,16b, wo Mose das Mitziehen JHWHs zum Kriterium dafür erklärt, ‚daß ich und dein Volk uns von allen Völkern der Erde unterscheiden‘ (¥ Nifǥal mit ¨§). Die Aussage setzt die im folgenden umrissene Entwicklung aller Wahrscheinlichkeit nach bereits voraus. 105 Der Ergänzer von Ex 8,19b setzt sowohl die Ankündigung von Hagel und Heuschrecken für den folgenden Tag (± §: 9,18; 10,4) als auch die in der Exposition der Heuschreckenplage erstmals verwendete Zeichenterminologie (³: 10,1; vgl. 7,3; 10,2) voraus. Es handelt sich aller Wahrscheinlichkeit nach um dieselbe Hand, die die terminierte Fürbitte aus der Froschplage in die Ungezieferplage übertrug; s.o., VI. 1.3. 106 Vgl. KOHATA, Jahwist, 97f., sowie vermutungsweise GERTZ, Tradition, 126, die beide jedoch unzutreffenderweise Ex 8,19b auf derselben Ebene ansiedeln wie 8,19a; hierzu im folgenden. Die Möglichkeit, daß in 8,18 der gegenüber 8,19a jüngere Nachtrag vorliegt, besteht nicht, da das Unterscheidungsmotiv ohne die vorangehende Ankündigung der Verschonung Israels unverständlich bliebe. 103
1.4. Die Viehpest (Ex 9,1-7)
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®±±°¢¢©¢¤«³).107 Er implementierte dasselbe Motiv im Bericht über das Eintreten der Hagelplage (9,26) und löste, indem er Gosen vom Hagel verschont bleiben ließ, zugleich das Problem, daß in 9,19-21 lediglich die Ägypter gewarnt werden, Mensch und Tier der ahnungslosen Israeliten dem Hagelschlag also eigentlich schutzlos ausgeliefert sind. Das Motiv der Verschonung Gosens (Ex 8,18; 9,26) setzt mit der Ansiedlung der Israeliten in dieser ägyptischen Region eine Realität voraus, die erst nachpriesterschriftlich in die Josephsgeschichte Einzug fand. 108 Sie scheint auch in Ex 8,18; 9,26 keineswegs selbstverständlich zu sein, schließlich wird in beiden Versen ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich die Israeliten in Gosen aufhalten. Vor dem Hintergrund der Josephsgeschichte erklärt sich auch, warum der Bearbeiter nicht auch bei der Heuschreckenplage eine Ausnahmesituation in Gosen postulierte: Die Israeliten, die nach Gen 45,10; 46,34; 47,1.4.6; 50,8 als Viehhirten in Gosen ansässig sind, waren vom Ernteschaden durch die Heuschrecken nicht betroffen.109 Im Gegensatz zu Ex 8,18; 9,26 gehen die jüngeren Belege in 8,19a; 9,4; 11,7 auf die Situation im Lande Gosen nicht mehr ein, sondern betonen grundsätzlich, daß JHWH einen Unterschied zwischen Ägyptern und Israeliten macht. Das Motiv scheint die Situation einer mit der ägyptischen Bevölkerung vermischten jüdischen Diaspora zu spiegeln, und es fügt sich von daher bestens ins Bild, daß es gerade in Sap 11,2-16; 16,1-19,21 eine deutliche Nachgeschichte fand.110 Im Rahmen der drei Belege des Unterscheidungsmotivs bildet 9,4 einen Sonderfall, insofern es hier im Unterschied zu 8,19a; 11,7 nicht allgemein um das Gegenüber von Ägypten und Israel, sondern dezidiert um die jeweiligen Viehbestände geht. Vor dem Hintergrund von 11,7, wo das Vieh neben den Menschen erwähnt wird und folglich mit im Horizont des Unterscheidungsmotivs liegt, wird die Zuspitzung des Motivs auf das Vieh als Vertiefung eines Teilaspekts erkennbar, was den Schluß nahelegt, daß 9,4 entweder auf derselben literarischen Ebene wie 11,7 angesiedelt oder aber nochmals jünger ist. Erstere Option erweist sich allerdings als äußerst unplausibel, denn sie zwingt zu der unwahrscheinlichen Annahme, daß ein und dieselbe Person in 9,4.6 zunächst die restlose Vernichtung der ägyptischen Viehbestände berichtete, um dann im Kontrast zur Tötung der Erstgeburt des ägyptischen Viehs (11,5) von der Verschonung der israelitischen Herden zu handeln (11,7). Ex 9,4 und mit ihm die
107 Die Verschonung Gosens wird so zu einem weiteren Machterweis JHWHs, womit sich die in den Fürbittenszenen des Kapitels angelegte Steigerung des Schauwundercharakters der Plagen fortsetzt. Gleichzeitig verrät die Formulierung in 8,18b, daß 8,18 bereits im Licht der programmatischen Ankündigung JHWHs aus 3,20a verfaßt wurde, er werde all seine verheerenden Wundertaten inmitten des Landes wirken. Die Verschonung Gosens bewahrt die Israeliten vor den Folgen der Ungezieferplage und liefert damit einen besonderen Beweis für die Macht JHWHs inmitten des Landes. 108 Man beachte das Nachklappen der Angabe in Gen 47,27a P (¦¢±¯§ ®± ¥±²¢ ²¢ ¨²®±). 109 Auch im Rahmen der Froschplage war es müßig, von der Verschonung der Israeliten zu handeln, weil nach 7,29; 8,4 nur Ägypter von ihr betroffen waren. 110 Die genannten Passagen entfalten eine detaillierte Gegenüberstellung von Plagen und Wüstenwundern als einander korrespondierender Gottestaten gegen die Ägypter und für Israel.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
gesamte Viehpest spiegeln folglich eine jüngere Weiterentwicklung der in 11,7 bezeugten Gestalt des Unterscheidungsmotivs. 111 Wird in Ex 8,18 die Verschonung Gosens (¥ Hifǥil) zum Erkenntnisgrund für die Macht JHWHs inmitten Ägyptens, so hat der Verfasser von 11,7 diese Argumentationsstruktur dahingehend modifiziert, daß nun die Unterscheidung zwischen Ägyptern und Israeliten selbst zum Erkenntnisgegenstand erhoben ist: Insofern in der Nacht der Tötung der ägyptischen Erstgeborenen nicht einmal ein Hund gegen die Israeliten aufmucken wird (§ « ²¢§¥©²¥ ¥¤®± ¢ ¥¥±²¢¢© ¥¤¥), wird erkennbar, daß JHWH einen Unterschied zwischen Ägyptern und Israeliten macht (¦¢±¯§¨¢¢¥¢±²¨«³¨«§¥ ¥±²¢ ¨¢). Derselbe Gedanke wird sinngemäß auch in 8,19a zum Ausdruck gebracht (£§«¨¢¢§«¨¢³¥¢³§²), was den Schluß nahelegt, daß der Verfasser von 11,7 das aus 8,18 entwickelte Unterscheidungsmotiv auch hier verankerte.112 Von derselben Hand dürfte schließlich auch die Verschonung der israelitischen Wohnbereiche vor der dreitägigen Finsternis stammen (10,23b: ¦³²§±¢¥±²¢¢©¥¤¥). Der Halbvers ist wie 11,7a formuliert,113 transzendiert wie 8,19a; 11,7 die Vorstellung einer Ansiedlung Israels in Gosen und paßt zudem exakt in den redaktionsgeschichtlichen Horizont von 11,7, denn er wurde wie dieser in das Finale der Auszugsverhandlungen (10,21-11,8*) eingeschrieben.114
Die skizzierte Entwicklung des Unterscheidungsmotivs hat zur Folge, daß es sich bei der Viehpest in Ex 9,1-7 um die jüngste Plage überhaupt handeln muß,115 denn sie setzt mit 11,7 den literarischen Kontext der Finsternisplage und der darin eigebetteten Verhandlungen über die Auszugsgröße bereits voraus. Die Viehpest ist kein Zusatz zum vorpriesterschriftlichen Plagenzyklus, als der sie immer eigentümlich blaß blieb, sondern
111 Gegen GERTZ, Tradition, 129-132, der zutreffend sieht, daß das Unterscheidungsmotiv zum Grundbestand der Viehpest gehört, diese aber für vorpriesterschriftlich hält, was gleich zu mehreren unwahrscheinlichen Konsequenzen führt. Nicht nur wäre das Motiv in seiner elaboriertesten Gestalt am ältesten, es wäre zudem in der Folgezeit ohne jeglichen Nachhall geblieben, um erst in den ‚nachendredaktionellen‘ Ergänzungen Ex 8,18f.; 11,7 wieder aufgenommen zu werden. 112 Die Unterschiede zwischen Ex 8,19a und 11,7 sind kontextbedingt: So trägt die Formulierung in 11,7b (Unterscheidung zwischen [A] Ägypten und [B] Israel) der Argumentationsstruktur in 11,5-7a ([A] Tötung der ägyptischen und [B] Verschonung der israelitischen Erstgeburt) Rechnung, wohingegen 8,19a (Unterscheidung zwischen ‚[B] meinem und [A] deinem Volk‘) die in 8,17 angezeigte Zäsur aufnimmt (Verschonung Gosens, in dem ‚mein Volk‘ ansässig ist). Um 8,19a von der Verschonungsaussage in 8,18 abzusetzen, hat der Ergänzer anstelle der dort verwendeten Verbform (¢³¢¥) eine substantivische Konstruktion gewählt (³¥¢³§²). 113 Vgl. Ex 10,23b (±¢¥±²¢¢©¥¤¥) mit 11,7a (©²¥¥¤®± ¢¥¥±²¢¢©¥¤¥). Die Formulierungen sind sonst im Plagenzyklus ohne Parallele. 114 Die gegenüber Ex 10,22 sekundäre Verschärfung der Plage in 10,23a fand der Ergänzer von 10,23b dabei noch nicht vor; s.u., VI. 2.3. 115 Auch H.-C. SCHMITT, Tradition, 214, Anm. 91, hält die Viehpest „fast vollständig für ein Werk der Endredaktion“, veranschlagt aber V. 1f. für einen älteren Grundbestand.
1.4. Die Viehpest (Ex 9,1-7)
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eine späte, literarisch einheitliche Bildung,116 die eigens zur Explikation des Unterscheidungsmotivs konstruiert wurde. Mit dieser redaktionsgeschichtlichen Einordnung der Viehpest erklären sich zudem auf einen Schlag sowohl ein gravierendes inhaltliches Problem als auch eine redaktionsgeschichtliche Eigentümlichkeit. Bei ersterem handelt es sich um den schon häufig beobachteten Widerspruch,117 daß in 9,18-25 (und 11,7; 12,12aȕ!) ägyptisches Vieh zu Schaden kommt, obwohl in 9,6 bereits das ganze Vieh der Ägypter (¦¢±¯§©°§¥¤) vernichtet wurde, wohingegen die besagte Eigentümlichkeit darin besteht, daß die Viehpest im Unterschied zu den vorangehenden vorpriesterschriftlichen Plagen nicht durch Fürbitten- oder Verhandlungsszenen erweitert wurde. Beides hat ganz einfach damit zu tun, daß es die Viehpest bei der Ergänzung von 9,18-25; 11,7; 12,12aȕ und bei den einschlägigen Erweiterungen von Ex 8 noch nicht gab.118 Zur Explikation des in Ex 8,19a; 11,7 vorgefundenen Unterscheidungsmotivs schuf der Verfasser von Ex 9,1-7 mit der Tötung aller ägyptischen Viehbestände eine radikalisierte Vorwegnahme eines Teilaspekts der Tötung der Erstgeburt.119 Der Ort der Einschaltung ist mit Bedacht gewählt, denn die Viehpest schließt nahtlos an die Ungezieferplage in 8,16-28 an, indem sie auf die schwere Ungezieferplage (8,20: ¤ ±«) einen äußerst schweren Pestschlag gegen das Vieh (9,3: §¤±) folgen läßt. In der Klimax der Plagenstichwörter deutet sich bereits die klimaktische Weiterführung des in 8,19a angelegten Unterscheidungsmotivs an. Dabei bestätigt auch die sprachliche Gestaltung der Viehpest, daß ihr Verfasser den Plagenzyklus bereits in einem weit entwickelten Stadium vorfand, denn in 9,1-7 verbinden sich Einflüsse aus den verschiedensten literarischen Strata desselben. So ist die Aufforderung JHWHs, Mose solle zum Pharao gehen Zur literarischen Einheitlichkeit von Ex 9,1-7 vgl. RUDOLPH, Elohist, 19; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 20; GERTZ, Tradition, 129-132. 117 Vgl. etwa FOHRER, Überlieferung, 73; H.-C. SCHMITT, Josephsgeschichte [1980], 123. Der von KOHATA, Jahwist, 117, vorgelegte Lösungsvorschlag, wonach der Hagelschaden ursprünglich die wilden Tiere des Feldes betraf und erst durch die Ergänzung von 9,19-21 auf das Vieh der Ägypter beschränkt wurde, kann nicht überzeugen, da nicht vom ²³¢ die Rede ist und der Singular § im status absolutus immer domestizierte Tiere bezeichnet. Dies ist auch in 9,22.25 der Fall, die sich nicht aus dem Grundbestand der Hagelplage herauslösen lassen. 118 Wäre die Viehpest bei der priesterschriftlichen Überarbeitung der Tötung der Erstgeburt und der Ergänzung der Hagelplage bereits Teil des Textes gewesen, so wäre kaum erklärlich, warum die Ergänzer die heute bestehende Spannung in Kauf nahmen, hätten sie doch leicht das Vieh verschonen können. Daß es umgekehrt auch im vorliegenden ‚Endtext‘ des Plagenzyklus keine Glossierungen gibt, die den Widerspruch zwischen beiden Plagen zu lösen versuchen, liefert ein weiteres Argument für die Einordnung der Viehpest als eines späten Zusatzes. 119 Vgl. grundlegend JACOB, Buch Exodus, 179. 116
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
(9,1a: «±¥²§¥¢±§¢), exakt wie in 7,16a; 10,1a formuliert, wohingegen der hieran anschließende Redeauftrag (¢¥ ³±) von sämtlichen nichtpriesterschriftlichen Plagen darin abweicht, daß er mit ± statt mit ±§ formuliert ist. Die nächste Parallele hierzu findet sich in 6,11 P («±¥±). Die nach Ex 9,1b von Mose vorzubringende Auszugsforderung (±§¤ ¢©«¢ ¢§« ³ ¥² ¦¢±« ¢¥ ¢) stimmt dagegen wieder exakt mit nichtpriesterschriftlichem Sprachgebrauch überein (9,13b), was auch für die Formulierungen in 9,2 gilt, die den Fall einer Weigerung in den Blick nehmen und damit zur Strafandrohung in 9,3 überleiten. Ex 9,2a (¨§¦¢¤ ¥²¥³) ist eng an die Exposition zur Heuschrecken- (10,4a: ¨§¦¢¤ ¢§« ³ ¥²¥ ³)120 und Froschplage (7,27a: ¥²¥ ³ ¨§ ¦) angelehnt, wohingegen sich 9,2b (¦°¢ §£«) aus der Ankündigung der Hagelplage zu speisen scheint (9,17: ¦ ¥²¢³¥¥¢§«¥¥³ª§£«). Die Einleitung der in 9,3 folgenden Strafandrohung mit © ist ebenfalls typisch für die nichtpriesterschriftlichen Plagen, gänzlich untypisch ist jedoch, daß das, was in 9,1 als JHWH-Rede eingeführt wurde, hier als Rede über JHWH fortgesetzt wird: Statt des zu erwartenden ‚siehe, so werde ich ...‘ (7,17.27; 8,17; 9,18; 10,4), heißt es in 9,3aĮ, die Hand JHWHs werde über das Vieh des Pharao auf dem Feld kommen (±² £©°§ ¢ ¢ ¢ © ²). Durch den Umschlag der Perspektive erhält die gesamte Plagenankündigung den Charakter eines Referats, das in 9,6 nahtlos in den Plagenbericht übergeht. Offenbar war dem Verfasser daran gelegen, auf diese Weise das exakte Eintreten der Ankündigung zu unterstreichen, was dem Charakter der Viehpest als eines eigens zur Explikation des Unterscheidungsmotives konstruierten Schauwunders entspricht. An die Erwähnung des Viehs schließt sich in Ex 9,3aȕ eine detaillierte Aufzählung der betroffenen Tiere an (¨¯ ±° ¦¢¥§ ¦¢±§ ¦¢ªª), die nicht entbehrlich ist,121 sondern das beim Namen nennt, was in 9,6 summarisch unter dem Oberbegriff ¦¢±¯§ ©°§ ¥¤ zusammengefaßt wird. Ex 9,3b expliziert abschließend, daß es sich bei dem in 9,3aĮ angekündigten Schlag JHWHs um eine äußerst schwere Pest handelt (§¤±),122 bevor 9,4 das inhaltlich zentrale Unterscheidungsmotiv einführt: JHWH wird zwischen dem Vieh der Israeliten und der Ägypter unterscheiden (¦¢±¯§ ©°§ ¨¢ ¥±²¢ ©°§ ¨¢ ¢ ¥), so daß vom Viehbesitz der Israeliten nicht ein einziges Tier stirbt ( ¥±²¢ ¢©¥ ¥¤§ ³§¢ ¥). Im Die Parallele notiert auch LEVIN, Jahwist, 338, deutet sie aber umgekehrt als das Ergebnis einer Rezeption der Viehpest durch den Verfasser der Heuschreckenplage. 121 Gegen L. SCHMIDT, Beobachtungen, 20, der in Ex 9,3aȕ einen Nachtrag vermutet. 122 Im Hintergrund steht die entsprechende Kennzeichnung der Hagel- und Heuschreckenplage in Ex 9,18.24; 10,14 sowie ferner als kontrastierende Parallele die Notiz, die Israeliten seien mit äußerst ‚schwerem‘ Viehbesitz (§¤©°§) aus Ägypten ausgezogen (12,38). 120
1.5. Ergebnis
209
Stil des Referats fährt der Verfasser in 9,5 mit der Angabe fort, daß JHWH den folgenden Tag für den Vollzug ‚dieser Angelegenheit‘ bestimmt habe123 (®± ±¢ ²«¢ ± § ±§¥ «§ ¢¦²¢),124 woran der Plagenbericht in 9,6aĮ mit denselben Worten anschließt: JHWH vollzieht die besagte Angelegenheit zum angekündigten Zeitpunkt (³ ¢ ²«¢ ³± §§±), woraufhin gemäß der Voraussage aus 9,5 alles Vieh der Ägypter stirbt (9,6aȕ: ¦¢±¯§ ©°§ ¥¤ ³§¢), während die israelitischen Viehbestände komplett verschont bleiben (9,6b: ³§ ¥ ¥±²¢ ¢© ©°§§ ). Im Zeichen des Unterscheidungsmotivs steht aber nicht allein der Plagenbericht in Ex 9,6, sondern auch die sich anschließende Verstockungsnotiz, mit der die Viehpest in 9,7 endet. Im Unterschied zu allen übrigen Plagen reagiert der Pharao hier nicht auf die Konsequenzen des Schlags für sich und sein Volk, sondern auf die restlose Verschonung der israelitischen Viehbestände, derer er sich durch die Sendung von Boten in 9,7a eigens vergewissert ( « ¥±²¢ ©°§§ ³§ ¥ © «± ¥²¢).125 Als er gewahr wird, daß vom Vieh der Israeliten nicht ein einziges gestorben ist, bleibt sein Herz hart und er verweigert den Auszug (9,7b: «± ¥ ¤¢ ¦«³ ¥²¥; vgl. 7,14; 8,28; 9,34), womit die Viehpest den in Anbetracht ihrer Position im Plagenzyklus erwartungsgemäßen Ausgang nimmt. 1.5. Ergebnis Der Plagenzyklus ist von Beginn an nichts anderes als die nachträgliche Ausgestaltung des thematischen Zusammenhangs zwischen Moses erstem erfolglosen Auftritt vor dem Pharao (Ex 5,1f.*) und der einstmals direkt anschließenden Reaktion JHWHs, der die ägyptischen Erstgeborenen tötet (12,29a), woraufhin die in Panik versetzten Ägypter das Volk zum Auszug drängen (12,30aȕb.33*). In den Zusammenhang zwischen 5,2 und 12,29a wurde zunächst eine Sequenz von drei vorpriesterschriftlichen Plagen eingeschrieben (I), die eine fortschreitende Verheerung Ägyptens zum Ausdruck bringen: Wird zunächst das Nilwasser durch Fischkadaver verpestet (7,14.15a.16f.*18.20*.21aĮ.23), so verpesten in einem zweiten Schritt die 123 Im relativ unverbundenen Nebeneinander von Unterscheidungsmotiv und Bestimmung des Plagentermins spiegelt sich die Vorlage in Ex 8,19. 124 Auffälligerweise wird die mit der Charakteristik des Schauwunders verbundene Bestimmung des Plagentermins durch den Begriff «§ ausgedrückt (9,5), der sonst im Kontext der Plagen keine Verwendung findet. Auch diese sprachliche Eigentümlichkeit läßt sich als Indiz für die hier vertretene Einordnung der Viehpest interpretieren. 125 Die Sendung von Boten impliziert in keiner Weise, daß der Verfasser der Viehpest signalisieren will, die Israeliten siedelten in Gosen; gegen H.-C. SCHMITT, Josephsgeschichte [1980], 122, Anm. 131; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 20. Das Motiv bringt für sich genommen nicht mehr als den selbstverständlichen Sachverhalt zum Ausdruck, daß sich das israelitische Vieh nicht im Palast des Pharao befand. Ähnlich GERTZ, Tradition, 125, Anm. 180.
210
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
verendeten Frösche auch das Land (7,26-28a; 8,2b.9b.10.11aĮȕ), bevor das Ungeziefer bis in das Haus des Pharao vordringt (8,16aĮb.17*.20*.28) und diesem damit auf Dauer jenen Rückzugsraum nimmt, in dem er vor den Folgen der ersten beiden Plagen noch die Augen verschließen konnte. Die schrittweise Ausweitung der Plagen auf die Wohnbereiche antizipiert, daß in 12,29a.30aȕb kein Haus vor der Tötung der Erstgeburt verschont bleiben wird. Den nächsten Beitrag zur Genese des Plagenzyklus leistete bereits ein priesterlicher Bearbeiter (II), 126 der die P-Stücke in Ex 6,2-7,7*; 12,113*.28 vorfand und das blutige Schutzzeichen an den Häusern der Israeliten als Warnzeichen für die Ägypter zu Beginn der Plagen verankerte, indem er eine Verwandlung des Nilwassers in Blut postulierte (7,17fin.20b.21aȕȖ.24.25). Die so erweiterte Darstellung der Nilpest bildet die Grundlage für den Ergänzer des priesterschriftlichen Wunderwettstreits (III), der das Blutmotiv in 7,19abĮ.20aĮ*.21b.22 auf alle ägyptischen Gewässer ausweitet. Teil derselben Schicht, die die Niederlage der ägyptischen Wahrsagepriester gegen die Gesandten JHWHs im Rahmen von fünf Schauwundern zelebriert, sind auch das einleitende Stabwunder (7,8*.9.10*.11-12a.13),127 Zusätze zur Froschplage (8,1-2a.3.11aȖb), die Mücken-‚Plage‘ (8,12.13*.14a.15), die Beulenpest (9,8-12) sowie die resümierende Abschlußnotiz in 11,10, die direkt an 9,12 anschloß und zur älteren Darstellung der Tötung der Erstgeburt in 12,1ff.* überleitete. Die Entwicklung des Plagenzyklus setzte sich nach seiner priesterschriftlichen Überarbeitung zunächst in Ex 9f. fort, wo mit Hagel- und Heuschreckenplage auch das Fürbittenmotiv in die Exoduserzählung Einzug hielt. Die Fürbittenszene der Heuschreckenplage (10,16-20) bildete den Anstoß für den in 7,29*; 8,4a.8 tätigen Ergänzer (IV), der das Motiv auch in der Froschplage verankerte, die das Gegenstück zur Heuschreckenplage im ersten Teil des Zyklus bildet. Die Fürbittenszene der Froschplage wurde in einem nächsten Schritt (V) in 8,5a*.6.7aĮ.9a sowie durch Anpassung von 8,17a dahingehend erweitert, daß Mose dem Pharao freistellt, den Termin für die Fürbitte zu bestimmen, wodurch der Aspekt des Schauwunders erstmals explizit auf das Plagenende übertragen wurde. Ein weiterer Ergänzer (VI) trägt vor diesem Hintergrund eine terminierte Fürbittenszene in die Ungezieferplage ein (8,21*.24b.25a.26.27), nachdem er zuvor in 8,19b.20aĮ auch den Ausbruchstermin der Plage bestimmt hatte. 126
Älter könnte allenfalls der redaktionsgeschichtlich nicht näher einzuordnende Zusatz in Ex 8,16aȕ sein (I+), der die Exposition der Ungezieferplage an die der Nilpest angleicht. 127 Die JHWH-Rede in Ex 7,8 wurde von späterer Hand auch an Aaron adressiert (III+) und damit an die Perspektive aus 6,13 angeglichen. Gemessen an den redaktionellen Verhältnissen in Ex 4-6 wird man den Nachtrag in der Nähe der Stabbearbeitung (Schicht XIII) verorten müssen.
1.5. Ergebnis
211
Von derselben Hand könnten ferner die 8,27b entsprechenden Notizen zum Verschwinden der Frösche (8,5b.7b) stammen. Da der Bearbeiter in 8,25a.27a auch die Hofbeamten in die Fürbitte einschließt, muß er bereits mit den Auszugsverhandlungen in Ex 10 vertreut sein, wo diese als Berater des Pharao ihren ursprünglichen Ort haben. Die in 8,25a.27a exponierte Trias Pharao – Hofbeamte – Volk hat in 7,28bĮ; 8,5a*.7aȕ.17a*.20aȕ*; 9,14aȕ eine Reihe von Zusätzen angestoßen (VII), die den älteren Textbestand an eben diese Personenkonstellation angleichen. Daß auch die Ergänzung ‚aller Hofbeamter‘ in 7,29 Teil derselben Bearbeitungsschicht ist, läßt sich aufgrund der abweichenden Terminologie nicht wahrscheinlich machen. Es handelt sich um einen jüngeren Zusatz, der aufgrund seiner Parallele in 10,6a Teil von Schicht XII sein könnte (s. im folgenden), aber keineswegs sein muß. Die sukzessive in die Frosch- und Ungezieferplage eingeschriebenen Fürbittenszenen bildeteten die Grundlage für die in Ex 7,16fin; 8,4b.21*.2224a.25b ergänzte Fortsetzung der Verhandlungen über den Auszug zu einem Schlachtopfer in der Wüste (VIII). Die Schicht, die in 3,16-20*; 5,3f.* ihren Anfang nimmt und in 9,28b ausmündet, erweist sich als jüngere Weiterentwicklung der Auszugsverhandlungen aus Ex 10, die nun am Beginn des Plagenzyklus ein Gegenstück erhalten, das um einen reinen Vorwand kreist. Die programmatische Ankündigung JHWHs, Ägypten mit all seinen Wundern zu schlagen, die er inmitten des Landes wirken werde (3,20a), bildet den Hintergrund von 8,18 (IX), dessen Verfasser die Lage der Israeliten bedenkt und die Verschonung ihres Siedlungsgebietes (Gosen) als besonderen Beweis für die Macht JHWHs inmitten des Landes einführt. Ein Späterer will dies in 8,19a (X) theologisch so verstanden wissen, daß JHWH einen Unterschied zwischen Israel und den Ägyptern macht, und führt damit ein Motiv ein, das in Gestalt der Viehpest (9,1-7) seine breite Ausgestaltung erfährt (XI). Berücksichtigt man die redaktionsgeschichtlichen Entwicklungen in der zweiten Hälfte des Plagenzyklus, so wird in Ex 9,15f.; 10,2.6a eine Schicht greifbar, welche die Viehpest bereits voraussetzt und auf die Frage reagiert, warum JHWH nicht bereits hier ein Ende mit dem Pharao gemacht hat. Der Ergänzer begegnet dem Verdacht göttlicher Machtlosigkeit, indem er den Charakter der Plagen als Machtdemonstrationen JHWHs einschärft und dabei in 10,2aĮ die singuläre Vorstellung bemüht, JHWH habe die Ägypter mit den Plagen bewußt schikaniert (¥¥« Hitpa’el). Eben jene Vorstellung bildet den plausibelsten inhaltlichen und damit redaktionellen Horizont einer Reihe von Notizen, die den ersten Teil des Plagenzyklus durchziehen und durchgängig auf eine Verschärfung der Schadenswirkung abzielen (7,19bȕ.28bȕ; 8,13aȖb*.14b.17bȕ) und so als Schicht XII veranschlagt werden. Teil derselben Schicht ist eventuell auch die Notiz, daß
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
212
Aarons Stab die Stäbe der Wahrsagepriester verschlingt (7,12b), bei der es sich allerdings auch um einen anders motivierten Einzelzusatz handeln kann. Definitiv nicht mit 7,12b verbunden ist die Umarbeitung der Nilpest zu einem Stabwunder des Mose (7,15b.17*.20aĮ*ȕȖ), die, berücksichtigt man den redaktionellen Horizont derselben Schicht in 4,17.20b, für einen nochmals späteren Bearbeiter zu veranschlagen ist (XIII). Die Angleichung von 7,10 an die Augenzeugen aus 7,20a setzt diese Bearbeitung bereits voraus (XIV). Übersicht: Die Entwicklung des ersten Teils des Plagenzyklus (Ex 7,8-9,12) 7,8(ohne).9.10*(ohne ¢«¢©¥).11-12a.13: Aaron verwandelt seinen Stab in eine Schlange; die Wahrsagepriester tun es ihm gleich.
III
7,8(nur ¨±¥): Adressierung der JHWH-Rede an Mose und Aaron (ĸ Ex 6,13)
III+
7,10*(nur ¢«¢©¥): Angleichung an die Augenzeugen aus Ex 7,20a
XIV
7,12b: Aarons Stab verschlingt die Stäbe der Wahrsagepriester.
XII(?)
I
7,14.15a: Aufforderung an Mose, den Pharao am Nil aufzusuchen (ŀ Ex 5,2) 7,15b: Der Stab des Mose (= Ex 4,17.20b)
XIII
I
7,16*(ohne ±§).17*(ohne ¥«¢¢±²¡§ und ¦¥¤©).18: Ankündigung der Nilpest II
7,17(nur ¦¥¤©): Verwandlung des Nilwassers in Blut 7,16a(nur ±§): Angleichung an den Auszugsvorwand aus Ex 3,16-20*; 5,3f.*
VIII
7,17(nur ¢¢±²¡§ ¥«): Umarbeitung zu einem Stabwunder des Mose
XIII
III
7,19abĮ: Beauftragung zur Verwandlung aller Wasser Ägyptens in Blut 7,19bȕ: Blut auch in Holz und Stein
XII
III I
7,20aĮ*(bis ¢): Ausführungsbericht
7,20aĮ*(ab £¢).21aĮ: JHWH schlägt den Nil.
1.5. Ergebnis
213 7,20aĮ(nur ¡§¦±¢) ȕȖ: Das Stabwunder des Mose und die ägyptischen Augenzeugen
XIII
I
I
II
7,20b: Verwandlung des Nilwassers in Blut
II
7,21aȕȖ: Die Untrinkbarkeit des Nilwassers III
7,21b: Blut in ganz Ägypten
III
7,22: Die Wahrsagepriester tun es Aaron gleich; Verstockungsnotiz
7,23: Der Pharao kehrt unbeeindruckt in sein Haus zurück. II
7,24: Die Ägypter graben nach Wasser.
II
7,25: Die siebentägige Frist
7,26-28a: Auftrag zur Ankündigung der Froschplage 7,28bĮ: Weitung der Perspektive auf die Hofbeamten und das ägyptische Volk (ĸ Ex 8,25a.27a)
VII
7,28bȕ: Frösche auch in Backöfen und Backtrögen
XII
IV
7,29*(ohne £¢«¥¤): Vorbereitung der Fürbittenszene 7,29*(nur £¢«¥¤): Weitung der Perspektive auf die Hofbeamten
XII(?)
8,1-2a: Beauftragung zur Heraufführung der Frösche und Ausführungsbericht
III
I
8,2b: Bericht vom Eintreten der Froschplage III
8,3: Die Wahrsagepriester tun es Aaron gleich. 8,4a: Der Pharao ersucht um Fürbitte, um ein Ende der Plage zu erreichen.
IV
8,4b: Verhandlungen über den Auszugsvorwand (= Ex 3,16-20*; 5,3f.*)
VIII
V
8,5a*(ohne £§«¥£¢«¥).6.7aĮ: Dem Pharao wird freigestellt, einen Termin für das Plagenende zu bestimmen. 8,5a*(nur £§«¥£¢«¥).7aȕ: Weitung der Perspektive auf die Hofbeamten und das ägyptische Volk (ĸ Ex 8,25a.27a)
VII
8,5b.7b: Nur im Nil bleiben Frösche übrig. (=/ĸ Ex 8,27b)
VI(+)
8,8: Mose kommt dem Ersuchen des Pharao nach und schreit zu JHWH.
IV
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
214 V
8,9a: JHWH befolgt den Versuchsaufbau.
I
8,9b.10: Die Frösche sterben und ihre Kadaver werden zu stinkenden Haufen aufgetürmt.
I
8,11aĮȕ: Der Pharao bleibt ob der eingetretenen Erleichterung hart. III
8,11aȖb: Verstockungsnotiz
III
8,12.13aĮ(g)ȕb*(nur ¦¢±¯§®±¥¤).14a.15: Mücken 8,13aȖb(bis ¦¢©¤).14b: Mücken an Mensch und Vieh
XII
I
8,16aĮb.17a(ohne £¢³£§«£¢«)bĮ: Auftrag zur Ankündigung der Ungezieferplage I+
8,16aȕ: Situative Angleichung an Ex 7,15a V
8,17a(nur £¢³): Angleichung an Ex 8,5aȖ.7aĮ 8,17a*(nur £§«£¢«): Weitung der Perspektive auf die Hofbeamten und das ägyptische Volk (ĸ Ex 8,25a.27a)
VII
8,17bȕ: Das Ungeziefer befällt auch den Untergrund der Häuser.
XII
8,18: Die Ausnahmesituation in Gosen (= Ex 9,26)
IX
X
VI I
8,19a: JHWH unterscheidet zwischen Israel und Ägypten. (= Ex 10,23b; 11,7)
8,19b.20aĮ: Terminierung der Ungezieferplage
8,20aȕ*(ohne ¢«³¢)b: Bericht vom Eintreten der Ungezieferplage 8,20aȕ*(nur ¢«³¢): Die Häuser der Hofbeamten (ĸ Ex 8,25a.27a)
VII
VI
8,21*(bis ±§¢): Der Pharao läßt Mose und Aaron rufen. 8,21b*(ab ¤¥).22-24a.25b: Verhandlungen über den Auszugsvorwand (= Ex 3,16-20*; 5,3f.*)
VIII
VI
8,24b: Der Pharao ersucht um Fürbitte.
8,25a.26.27: JHWH beendet die Plage nach Moses Fürbitte.
VI
I
8,28: Der Pharao bleibt auch diesmal hart. (ŀ Ex 12,29a) 9,1-7: Die Viehpest als Explikation des Unterscheidungsmotivs
XI
9,8-12: Die Beulenpest: Vollständige Niederlage der Wahrsagepriester (ŀ Ex 11,10)
III
2.1. Die Hagelplage (Ex 9,13-35)
215
2. Der zweite Teil des Plagenzyklus (Ex 9,13-10,29) und die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11,1-10) 2.1. Die Hagelplage (Ex 9,13-35) Während die Viehpest erst in einem sehr späten Stadium der Textentwicklung vor die den priesterschriftlichen Wunderwettstreit abschließende Beulenpest in Ex 9,8-12 getreten ist, handelt es sich bei den drei in Ex 9,17-10,28 folgenden Plagen (Hagel, Heuschrecken und Finsternis) um ältere nachpriesterschriftliche Bildungen. Ihnen geht in 9,13-16 ein Abschnitt voraus, der mit der neuerlichen Entsendung Moses (9,13) und der programmatischen Ankündigung JHWHs einsetzt, nun alle seine Plagen über den Pharao bringen zu wollen (9,14aĮ: ¥¤³ ¥²¢©³¦«¢¤ £¥ ¥ ¢³§). Sinnvoll ist diese Ankündigung freilich nur, wenn im Anschluß auch vom Eintreten mehrerer Plagen berichtet wird, wie dies in 9,17ff. der Fall ist. Es legt sich also nahe, daß 9,14aĮ mit Blick auf die nachpriesterschriftlichen Plagen in Ex 9f. fomuliert wurde und damit selbst Teil der nachpriesterschriftlichen Entwicklungsgeschichte des Plagenzyklus ist.128 Für diese literarhistorische Einordnung spricht auch die Verwendung des im Plagenzyklus singulären Begriffs §, der im Pentateuch sonst nur in den priesterschriftlichen Strata des Numeribuches belegt ist.129 Während sich Ex 9,13f. in der dargestellten Weise sinnvoll als Ankündigung der folgenden nachpriesterschriftlichen Plagen verstehen lassen, sind alle Versuche, die Verse für den vorpriesterschriftlichen Bestand des Plagenzyklus zu veranschlagen, mit schwerwiegenden Problemen behaftet. Daß JHWH in 9,14 die Sendung aller seiner „(bisherigen) Plagen“ ankündige, kann nicht überzeugen, da ein entsprechender Ausführungsbericht fehlt und die Tötung der Erstgeburt, die im vorpriesterschriftlichen Text folgte, in keinem Bezug zu 9,14 steht.130 Dasselbe gilt für den Versuch, 9,13f. als Vorbereitung der Ankündigung der Tötung der Erstgeburt in 10,28f.; 11,4-8 zu lesen. In diesem Fall bliebe die Ankündigung aller Plagen JHWHs ebenfalls uneingelöst und erfüllte einzig die erzählerische Funktion, Mose vor den Pharao zu bringen, um auf das finale Zerwürfnis in 10,28f.; 11,4-8 vorzubereiten. Hierbei bleibt nicht nur der Sinngehalt Vgl. grundlegend L. SCHMIDT, Beobachtungen, 25f. Num 14,37; 17,13.14.15; 25,8.9.18.19; 31,16. Auch die Belegstellen für die Verbalwurzel ¬© innerhalb der Exoduserzählung entfallen auf P (Ex 12,13) und jüngere literarische Strata (12,23.27). 130 Gegen LEVIN, Jahwist, 337-339, der einen ursprünglichen Textzusammenhang in Ex 9,13f.(15f.); 11,8 annimmt und die Tötung der Erstgeburt gegenüber der „in 9,14 angekündigte[n] Summe aller Plagen“ für sekundär hält. 128 129
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
der Ankündigung in 9,14 völlig unterbestimmt, sondern man muß zudem zu der Hilfsannahme greifen, zwischen 9,14 und 10,28 sei eine knappe Notiz ausgefallen, die Moses Auftreten vor dem Pharao vermerkt habe.131 Das Gezwungene dieser Rekonstruktion liegt auf der Hand. Sie erfüllt einzig den Zweck, den notwendigen erzählerischen Anknüpfungspunkt für die Szene in 10,28f.; 11,4-8 zu definieren, die allerdings ebensowenig vorpriesterschriftlich ist wie 9,13f.132 Der erzählerische Neueinsatz in Ex 9,13f. setzt von Anfang an den Abschluß des priesterschriftlichen Wunderwettstreits in 9,12 voraus und bereitet auf die nachpriesterschriftlichen Plagen in 9,17ff. vor.133 Da diese, wie die folgende Analyse zeigen wird, ebenfalls nicht aus einem Guß, sondern ausgehend von einem Grundbestand in der Hagelplage gewachsen sind, kann allerdings auch die Ankündigung mehrerer Plagen in 9,14aĮ nicht ursprünglich sein. Sie setzt bereits die Ergänzung der Heuschreckenplage voraus, was sich auch daran zeigt, daß mit der Sendung der Schläge JHWHs ins Herz des Pharao (£¥ ¥) die für die Heuschreckenplage charakteristische Fokussierung auf das pharaonische Seelenleben (10,1*) aufgegriffen wird. Diese literarhistorische Einordnung wird auch durch die Erkenntnisaussage in 9,14b bestätigt, die ursprünglich direkt an 9,14aĮ anschloß.134 Die Ankündigung, der Pharao solle die Unvergleichlichkeit JHWHs auf der ganzen Erde erkennen (®± ¥¤ ¢©§¤ ¨¢ ¢¤ «³ ¨«§¥), kombiniert 9,29bȕȖ (®± ¢¥ ¢¤ «³ ¨«§¥) mit 8,6bȕȖ (¨¢ ¢¤ «³ ¨«§¥ ©¢¥ ¢¤)135 und setzt mit letzterer Aussage die Endgestalt der in die Froschplage eingeschriebenen Fürbittenszene voraus, die bereits in ihrem Grundbestand jünger ist als ihre Parallele in der Heuschreckenplage. Im Hintergrund von Ex 9,14aĮb stehen die Rahmenverse in 7,3.5aȕb; 11,9, die sich an die priesterschriftlichen Aussagen in 7,4.5aĮ; 11,10 angelagert haben und die Plagen summarisch als Zeichen (³) und Wunder JHWHs (³§) in den Blick nehmen. Der Verfasser von 9,14aĮb grenzt dieses Verständnis auf den ersten Teil des Plagenzyklus, den Wunderwettstreit in 7,8-9,12*, ein und stellt den zweiten Teil programmatisch unter das Vorzeichen der Plagen JHWHs. Durch die Rede von ‚all meinen Plagen‘ (¢³§¥¤) wird dabei eine neue Leitperspektive etabliert, die korrigierend auf die folgenden Erwähnungen ‚meiner Zeichen‘ (10,1: ¢³³) und Vgl. GERTZ, Tradition, 178f. S.u., VI. 2.3. 133 Auch daß sich das ³ ¦« in Ex 9,14 mit dem die vorpriesterschriftliche Ungezieferplage in 8,28 beschließenden ³ ¦« ¦ berührt, ist gegen GERTZ, Tradition, 131, kein in irgendeiner Weise zwingendes Argument für einen vorpriesterschriftlichen Textübergang in Ex 8,28; 9,13f. 134 Die Ausweitung der Schläge auf die Hofbeamten und das Volk des Pharao (Ex 9,14aȕ) fällt inhaltlich wie syntaktisch heraus. Zum Hintergrund des Zusatzes s. im folgenden. 135 Vgl. L. SCHMIDT, Beobachtungen, 84; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 417f. 131 132
2.1. Die Hagelplage (Ex 9,13-35)
217
‚all dieser Wunder‘ (11,10: ¥ ¦¢³§ ¥¤) Bezug nimmt und ein verengtes Verständnis der folgenden Plagen als Schauwunder im Vorhinein ausschließt. Dabei bleibt der Ergänzer mit der exklusiven Ausrichtung der Schläge auf das Herz des Pharao zunächst noch ganz im Rahmen der inhaltlichen Profilierung der Heuschreckenplage (10,1*). Erst ein Späterer weitet die Perspektive in 9,14aȕ auf die Hofbeamten und das Volk (£¢« £§«), wobei es sich um denselben Bearbeiter handelt, der sich für die entsprechenden Zusätze in 7,28bĮ; 8,5a*.7aȕ.17a*.20aȕ* verantwortlich zeichnet.136 Vorausgesetzt ist die Erwähnung der Hofbeamten im Fürbittenteil der Ungezieferplage (8,25a.27a), dessen Verfasser bereits mit den Auszugsverhandlungen in Ex 10 vertraut ist, in deren Rahmen die Hofbeamten ihren ersten Auftritt haben. Ex 9,14aȕ gehört folglich ebenfalls in die Nachgeschichte der besagten Verhandlungen, denen der Abschnitt VI. 2.3. gewidmet ist. Nochmals jünger als die um Hofbeamte und Volk erweiterte Ankündigung in Ex 9,14 sind die in 9,15f. folgenden Reflexionen darüber, warum JHWH, dessen Macht nach 9,14b unvergleichlich ist, nicht einfach ein schnelles Ende mit dem Pharao macht, sondern noch zwei weitere Plagen folgen läßt, bevor er den Pharao endlich mit der Tötung der Erstgeburt zum Einlenken bringt (12,31f.). Dies darf nicht als Beweis für JHWHs Machtlosigkeit verstanden werden,137 denn schon längst hätte er den Pharao und sein Volk mit der Pest schlagen und vom Erdboden vertilgen können (9,15: ®±¨§ ¤³±£§«³£³£¢¢³¢³ ¥²³«¢¤). Daß JHWH den Pharao dennoch erhalten hat, dient einzig dem Zweck, diesem seine Macht zu demonstrieren (9,16a: £¢³§« ³ ±« ¦¥ ¢ ¤ ³ £³± ±«), damit JHWHs Name im ganzen Land, wenn nicht sogar auf der ganzen Erde verkündet werde (9,16b: ¥¤ ¢§² ±ª ¨«§¥ ®±).138 Die Aussage findet ihr Gegenstück in 10,2, wo derselbe Bearbeiter auf die Verkündigung (±ª) von JHWHs Großtaten bei den Kindern und Kindeskindern der Israeliten abhebt. Einen ersten deutlichen Hinweis auf den literarischen Horizont von Ex 9,15f. liefert die Tatsache, daß der Ergänzer offenkundig bereits mit der Viehpest (9,1-7) vertraut ist, die in 9,15 als Drohkulisse eines gegen die Ägypter selbst gerichteten Pestschlages anklingt.139 Vorausgesetzt ist da136 Da Ex 9,14aĮ den zweiten Teil des Plagenzyklus als ganzen in den Blick nimmt, beansprucht auch die in 9,14aȕ hergestellte Ausweitung der Plagen auf Hofbeamte und Volk einen entsprechenden Geltungsbereich. Dies erklärt das Fehlen entsprechender Notizen im Rahmen der Heuschreckenplage (und der Tötung der Erstgeburt). 137 Zum Ohnmachtsverdacht vgl. auch die Sachparallelen in Ex 32,12; Num 14,16; Dtn 9,28. 138 Der Wechsel der Konjunktion in Ex 9,16 (¨«§¥±«) ist durch den Subjektwechsel in 9,16b bedingt und literarkritisch irrelevant. 139 Vgl. L. SCHMIDT, Beobachtungen, 26.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
mit die letzte Stufe in der Entwicklung des Unterscheidungsmotivs, dessen Anfänge (8,18; 9,26) in der Reflexion über die ältere Ankündigung JHWHs gründen, seine Hand über Ägypten auszustrecken und die Ägypter mit seinen inmitten des Landes vollbrachten Wundern zu schlagen (3,20: ¢³¢¤¢¢³¢³ ¥²). Eben diese Ankündigung wird auch in 9,15 aufgenommen (£¢¢³¢³ ¥²³«¢¤),140 doch bildet sie kaum den alleinigen Hintergrund des hier zurückgewiesenen Verdachts der göttlichen Ohnmacht, denn daß der Pharao die Israeliten erst nach dem letzten Schlag entlassen werde (3,20b), blieb auch im Horizont der Androhung weiterer Plagen (9,14) eine theologisch unproblematische Voraussage. Der in 9,15f. zurückgewiesen Ohnmachtsverdacht ergab sich erst im Licht der 3,20 erneuernden Ankündigung in 6,1, Mose solle nun sehen, was JHWH alles mit dem Pharao tun werde, um den Auszug zu erzwingen. Die den zweiten Teil des Plagenzyklus eröffnende Ansage, JHWH werde dieses Mal alle seine Plagen senden (9,14), wurde damit in gewisser Weise obsolet, ja das neuerliche ‚nun aber‘ atmete geradezu eine gewisse Hilflosigkeit, und exakt dieser Wahrnehmung tritt der Verfasser von 9,15f. entgegen, indem er klarstellt, daß JHWH die ganze über Zeit souveräner Herr der Lage ist. Mit 6,1 ist der Abschluß der Erzählung von der Verschärfung der Fron (5,6-13*.22f.) vorausgesetzt, was 9,15f. in ein weit fortgeschrittenes nachpriesterschriftliches Entwicklungsstadium der Exoduserzählung verweist. Für den Gundbestand von Ex 9,13-16 verbleibt nach den bisherigen Ausführungen allein die neuerliche Sendung Moses zum Pharao in 9,13, die auf den Verfasser der Hagelplage (9,17ff.) zurückgeht.141 Dieser signalisiert die Fortsetzung der Plagen, indem er auf den Anfang der Ungezieferplage rekurriert und wie dort an Mose die Aufforderung ergehen läßt, am Morgen vor den Pharao zu treten (9,13a: ±°¦¤²²§¥¢±§¢ «±¢©¥¯¢³; vgl. 8,16aĮ). Die dort vorzubringende Auszugsforderung gleicht in der Sache ebenfalls der aus 8,16b, ist aber dadurch erweitert, daß JHWH als ‚Gott der Hebräer‘ vorgestellt wird (9,13b: ±§¤¢¥³±§ ¢©«¢ ¢§« ³ ¥² ¦¢±« ¢¥ ¢). Damit wird gezielt auf die Selbstvorstellung JHWHs am Anfang des Plagenzyklus Bezug genommen (7,16), der nun nach dem Ende des Wunderwettstreits in 9,12 mit der Hagelplage seine nachpriesterschriftliche Fortsetzung findet. Die komplexe Endgestalt der Hagelplage in Ex 9,13.17-35 ist das Ergebnis eines verwickelten Entstehungsprozesses, der auf einem verhältnismäßig schmalen Grundbestand aufbaute. Ausgangspunkt ist die ursprüng140 Die Aussagesequenz ‚Hand ausstrecken‘ (¢ ¥²) und ‚schlagen‘ (¤©) begegnet innerhalb der Exoduserzählung nur an diesen beiden Stellen (Ex 3,20; 9,15). 141 Vgl. NOTH, ATD 5, 62; KOHATA, Jahwist, 119; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 25; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 417f., die allerdings von einem vorpriesterschriftlichen Textzusammenhang ausgehen.
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lich direkt an 9,13 anschließende Feststellung JHWHs, der Pharao überhebe sich noch immer gegen das Volk, indem er es nicht ziehen lasse (9,17: ¦ ¥² ¢³¥¥ ¢§« ¥¥³ª§ £«). Dieser im Plagenzyklus singuläre142 Tadel des Pharao geht in 9,18 in die Ankündigung JHWHs über, am folgenden Tag um dieselbe Zeit einen äußerst schweren Hagel fallen zu lassen (¢©© §¤±± §³«¤±¢¡§§), wie es seinesgleichen in Ägypten nicht gegeben habe, seit die ägyptische Nation gegründet wurde (§¤ ¢ ¥ ±² ³««ª¦¢¨§¥¦¢±¯§). Der Hinweis auf die analogielose Schwere des Hagelschlages in der ägyptischen Geschichte wird mit anderen Worten noch einmal im Ausführungsbericht wiederholt (9,24b), wonach es etwas derartiges in Ägypten nicht gegeben habe, seit dieses zum Volk wurde (¢¥³¢§¦¢±¯§®±¥¤§¤¢¥±²). Daß der Verfasser zweimal dezidiert auf die Anfänge Ägyptens Bezug nimmt, ist keineswegs zufällig, sondern dient der Einordnung der Hagelplage in ein übergreifendes Geschichtskontinuum: Die Ursprünge Ägyptens werden in Gen 10,6(.20) verhandelt, und zwar direkt im Anschluß an den Bericht von der Sintflut (10,1: ¥§ ± ). Mit der Feststellung, die Hagelplage sei ein in der Geschichte Ägyptens analogieloses Phänomen, lenkt der Verfasser die Aufmerksamkeit gezielt auf die direkte Vorgeschichte, wo sich mit der Sintflut das globale Ereignis findet, als dessen punktuelle Wiederholung der Hagelschlag verstanden werden will. Daß dem so ist, zeigt nicht allein der Rückverweis auf die postdiluvischen Ursprünge Ägyptens (Ex 9,18b.24b), sondern auch die Verwendung von zentralem ‚Sintflutvokabular‘: Sowohl die in 9,23b aufgegriffene Ankündigung aus 9,18a, JHWH werde Hagel ‚regnen lassen‘ (±¡§ Hifǥil), als auch die verheerenden Auswirkungen des Hagelschlages auf Mensch und Vieh (9,25aȕ: § « ¦§; vgl. 9,22b*) sind direkt aus dem Sintflutbericht entlehnt – erstere aus Gen 7,4, letztere aus Gen 6,7; 7,23.143 Die Sintflutmotivik hat ferner einen deutlichen Niederschlag in 9,19 gefunden, wo Mose den Pharao warnt, sein unter freiem Himmel (²) befindliches Hab und Gut in Sicherheit (³¢) bringen. Wie einst die Arche vor der Sintflut, so sollen nun die ägyptischen Häuser vor dem Hagel schützen. Rechnet man 9,19 zum literarischen Grundbestand der Hagelplage, woran in Anbetracht der Sintflutbezüge kein Zweifel herrschen kann,144 so erklärt sich auch der Sinn der in 9,18 vorangehenden Zeitangabe, der Hagel werde Die Wurzel ¥¥ª im Hitpolel begegnet sonst nur noch in Sir 40,28. Vgl. LEVIN, Jahwist, 338. 144 Anders LEVIN, Jahwist, 338, der in Ex 9,19 – fälschlich als „V. 25“ bezeichnet – einen Zusatz vermutet, der dann in 9,20f. nachträglich weiter ausgestaltet worden sei. Daß 9,19 mit ³« einen gedanklichen Neueinsatz markiert, läßt sich indes nicht per se als literarkritisches Indiz werten. Eine Ausscheidung des thematisch fest im Grundbestand der Hagelplage verwurzelten Verses ist künstlich. 142 143
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
am folgenden Tag um dieselbe Zeit (± § ³«¤) fallen. Anders als etwa in 9,5 geht es hier nicht darum, der Plage Züge eines Schauwunders zu verleihen, sondern es wird ein Zeitfenster für den Pharao geschaffen, in dem er der Warnung aus 9,19 nachkommen kann. Erneut steht Gen 7,4 im Hintergrund, wobei die eine Woche, die dort Noah eingeräumt wird, um alle Tiere in der Arche zu versammeln, in Ex 9,18f. auf einen einzigen Tag zusammengeschmolzen ist. Mehr ist allerdings auch nicht nötig, um Mensch und Vieh in den Gebäuden in Sicherheit zu bringen. Wie sich der Pharao selbst zu der in Ex 9,19 ergangenen Warnung verhält, erfährt man nicht, vielmehr schildern 9,20f. recht abrupt die Reaktion seiner Hofbeamten, die zweifach ausfällt: Diejenigen unter den Hofbeamten des Pharao, die das Wort JHWHs fürchten (¢«§ ¢ ± ³ ±¢ «±), leisten nach 9,20 der Warnung Folge und bringen ihr Vieh und ihre Knechte in Sicherheit (©°§³¢«³ª¢©). ‚Wer sich aber das Wort JHWHs nicht zu Herzen nimmt‘ (9,21a: ¢±¥¥¦²¥±²), läßt die ihm zugehörigen Menschen und Tiere auf dem Feld (9,21b: ³ «¢ ² ©°§ ³ ¢«).145 Wenn in 9,19 der Pharao gewarnt wird, seinen Besitz in Sicherheit zu bringen, während in 9,20f. einige Hofbeamte der Warnung mit Blick auf ihren Besitz nachkommen, und wenn zusätzlich die Verbringung in die schützenden Häuser einmal mit « Hifǥil (9,19), ein anderes Mal mit ª© Hifǥil beschrieben wird (9,20), so spricht schon dieser zweifache Befund recht deutlich für den Zusatzcharakter der in 9,20f. geschilderten Reaktion.146 Eine letzte Bestätigung hierfür liefert die Beobachtung, daß das im Zentrum von 9,20f. stehende Motiv der Gottesfurcht
In Ex 9,20f. g werden die auf dem Feld befindlichen Diener nicht erwähnt, und es ist lediglich vom Schicksal des Viehs die Rede. LEMMELIJN, Plague, 174, hält die von g gebotene Lesart im Anschluß an SANDERSON, Exodus Scroll, 103, für ursprünglicher und findet in der nicht nur von j und b, sondern auch von 4QpaleoExodm V,32 bezeugten Erwähnung der Diener eine nachträgliche Anpassung an 9,19, wo das Nebeneinander von Mensch und Vieh seinen festen Platz hat. Problematisch an diesem Modell ist, daß es zu der Annahme zwingt, der Verfasser von 9,20f. hätte ursprünglich nur einen Teil der Warnung aus 9,19 berücksichtigt und das Schicksal der auf dem Feld befindlichen Menschen bewußt in der Schwebe gelassen. Auch scheint die Tatsache, daß die hebräischen Textzeugen in 9,20f. die Diener vor dem Vieh erwähnen (©°§ ³ ¢« ³) und damit die Warnung aus 9,19a chiastisch aufnehmen, mehr für die planvolle Formulierung der beiden Verse denn für späte redaktionelle Ausgleichsbemühungen zu sprechen. Mit WEVERS, Notes, 134, ist daher eher davon auszugehen, daß in g die sekundäre Lesart vorliegt. Das Fehlen der Diener dürfte am ehesten daraus resultieren, daß der Übersetzer mit der in 9,20f. vorgefundenen Personenkonstellation – den Dienern der Diener des Pharao – nichts anzufangen wußte. 146 Vgl. LEVIN, Jahwist, 338. Dagegen gelten Ex 9,19-21 in der Forschung zumeist als einheitlich, wobei diskutiert wird, ob die Verse zum Grundbestand der Hagelplage gehören (so etwa W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 422f.; GERTZ, Tradition, 152) oder nachgetragen wurden (so etwa BAENTSCH, HK I/2, 75; BEER, HAT I/3, 53-55; KOHATA, Jahwist, 115-117). 145
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der Hofbeamten enge literarische Bande mit 9,30 und 10,7 aufweist,147 zwei Versen, die eindeutig jünger sind als der Grundbestand der Hagelplage. Die gottesfürchtige Reaktion einiger der Hofbeamten (9,20f.) steht im Hintergrund der Klage des Mose über die noch immer mangelnde Gottesfurcht des Pharao und der Gesamtheit seiner Hofbeamten (9,30), welch letztere schließlich in 10,7 zur Vernunft kommen, wenn sie den Pharao geschlossen zum Nachgeben auffordern. Die Verse sind aller Voraussicht nach Teil derselben Bearbeitungsschicht. Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, daß die Ankündigung des Hagelschlages ursprünglich Ex 9,13.17-19 umfaßte. Wie der Pharao auf die Warnung in 9,19 reagierte, wird nicht berichtet, was vermutlich schlicht implizieren soll, daß er überhaupt nicht darauf reagierte. An 9,19 schloß ursprünglich vielmehr direkt der Ausführungsbericht in 9,22-25 an, der das durch die priesterschriftliche Überformung der vorangehenden Plagen und des Meerwunderberichts hergestellte Zusammenwirken zwischen dem menschlichen Wundertäter und der Gottheit kopiert.148 Die Aufforderung JHWHs in 9,22, Mose solle seine Hand gen Himmel strecken (¡© ¦¢§² ¥« £¢ ³), damit Hagel in ganz Ägypten auf Mensch und Vieh sei (§ ¥« ¦ ¥« ¦¢±¯§ ®± ¥¤ ± ¢¢), umreißt exakt den Rahmen der in 9,23-25 geschilderten Ereignissequenz: Mose streckt seinen Stab gen Himmel (9,23a1: ¦¢§²¥«¡§³²§¡¢), und der Hagel schlägt in ganz Ägypten alles, was auf dem Feld ist, vom Mensch bis zum Vieh (9,25a: §«¦§²±²¥¤³¦¢±¯§®±¥¤±£¢). In diesen Rahmen hat der Verfasser planvoll einen Bericht darüber integriert, wie zustande kommt, was Mose in 9,22a lediglich als das Ergebnis seiner Aktion vorausgesagt wird (±¢¢): Seiner Ankündigung aus 9,18a gemäß 147 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 280, sowie mit Blick auf den Zusammenhang zwischen Ex 9,20f.; 10,7 auch GERTZ, Tradition, 151. 148 Vgl. hierzu GERTZ, Tradition, 132-138. Dagegen findet L. SCHMIDT, Beobachtungen, 23-25, im Anschluß an KOHATA, Jahwist, 99-101, in Ex 9,22.23aĮ1.25 eine endredaktionelle Bearbeitung des älteren Plagenberichts, der in 9,23aĮ2-24 erhalten sei. Diese Abgrenzung, die sich theoretisch auch im Rahmen des hier vertretenen Redaktionsmodells darstellen ließe, ist allerdings in Anbetracht des Gesamtbefundes auszuschließen. Wie im folgenden näher zu zeigen ist, handelt es sich in 9,22b.25bĮ um Zusätze, die auf den Ergänzer der Heuschreckenplage zurückgehen, wo wie in 9,22-25* berichtet wird, daß Mose und JHWH die Plage gemeinsam heraufführen (10,12-15*). Da 9,22b.25bĮ den entsprechenden Erzählzug in der Hagelplage als literarischen Anknüpfungspunkt voraussetzen, muß dieser älter sein als der Grundbestand der Heuschreckenplage, die Möglichkeit, an beiden Stellen mit einer Überarbeitung von derselben Hand zu rechnen, scheidet also aus. Dies bestätigt im Umkehrschluß die Ursprünglichkeit der Szene in 10,12-15* und legt analog für die hier rezipierten Stücke 9,22a.23aĮ1.25a nahe, daß diese zum Grundbestand der Hagelplage gehören. Zwar ließen sie sich theoretisch für einen Zusatz zur Hagelplage veranschlagen, der älter ist als die Heuschreckenplage, doch hätte dies nur eine unnötige Verkomplizierung des Redaktionsmodells zur Folge. Auch der Hagelschlag erfolgte von Anfang an auf das Zeichen des Mose.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
läßt JHWH Hagel über Ägypten regnen (9,23b: ®± ¥« ± ¢ ±¡§¢ ¦¢±¯§),149 ein aufgrund seiner äußersten Schwere in der ägyptischen Geschichte analogieloser Schlag (9,24*: §¤¢¥±²§¤±¢¢ ¢¥³¢§¦¢±¯§®±¥¤; vgl. 9,18b). Die einzige Spannung innerhalb des Ausführungsberichtes besteht darin, daß Mose in Ex 9,22aĮ aufgefordert wird, seine Hand auszustrecken, in 9,23a1 faktisch aber seinen Stab ausstreckt. Diese Spannung läßt sich allerdings hier ebensowenig literarkritisch beheben wie später in 10,12f., ein Sachverhalt, durch den sich die genannten Passagen kategorisch von der oben abgehobenen Stabbearbeitung (4,17.20b; 7,15b.17b.20a; 14,16; 17,5.6bȕ.9bȕ) unterscheiden,150 deren Beitrag an allen genannten Stellen durch offensichtliche Nachträge leicht auszumachen ist. Im Gegensatz dazu scheinen die Erwähnungen des Stabes in 9,23; 10,13 ursprünglich zu sein, was allerdings deshalb problematisch ist, weil die beiden Verse zum Grundbestand der Hagel- und Heuschreckenplage gehören und damit auf jeden Fall älter sind als die Stabbearbeitung. Somit hätte Mose seinen Stab in 9,23; 10,13 bereits zweimal eingesetzt, bevor er ihn in 4,17.20b schließlich von JHWH ausgehändigt bekam. Die Schwierigkeit ließe sich zum Teil durch die Annahme umgehen, daß 9,23; 10,13 den Stab Aarons aus der Nilpest und Froschplage kommentarlos in die Hand des Bruders wandern lassen, doch bietet sich möglicherweise eine weitaus einfachere Erklärung. Auffälligerweise ist nämlich der Stab an all jenen Stellen, an denen er sich literarkritisch eindeutig als Zusatz erweist, in seiner textlichen Bezeugung vollkommen unstrittig. Dagegen weist ausgerechnet die Textüberlieferung von Ex 9,23; 10,13 deutliche Fluktuationen auf, insofern g Mose in 9,23 nicht den Stab, sondern wie in 9,22 von JHWH befohlen die Hand ausstrecken läßt. Derselbe Befund wiederholt sich in 10,13, wo b und zwei Septuagintahandschriften (19.130) berichten, Mose hätte – erneut in voller Übereinstimmung mit dem göttlichen Auftrag aus 10,12 – seine Hand ausgestreckt. Nun mag man den textkritischen Befund so interpretieren, daß die notierten Varianten auf nachträgliche Angleichungen der von j repräsentierten Ausführungsberichte (Stab) an die jeweils vorangehenden JHWH-Reden (Hand) zurückgehen, doch fragt sich, warum dies je149 Anders GERTZ, Tradition, 137f., der Ex 9,23b gegenüber 9,23aĮ für sekundär hält und annimmt, 9,23b stamme von derselben Hand, die in 9,23aȕ das Feuer ergänzte und die Darstellung daraufhin wieder „zu ihrem eigentlichen Gegenstand, dem von Jahwe gebrachten Hagel“ zurückgelenkt habe. Bereits die Annahme, die der Ankündigung aus 9,18a wörtlich entsprechende Ausführungsnotiz 9,23b sei erst nachträglich in den Text gekommen, hat wenig für sich. Überhaupt nicht einleuchten will aber, warum ausgerechnet der Ergänzer des Feuermotivs 9,23b verfaßt haben sollte, ohne daß eine inhaltliche oder syntaktische Notwendigkeit für ihn bestand. 150 Vgl. die Ausführungen unter VI. 3.1.
2.1. Die Hagelplage (Ex 9,13-35)
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weils nur partiell und nicht auch in der umgekehrten Weise einer Verankerung des Stabes in den Auftragssequenzen geschah. Nimmt man hinzu, daß eine Ersetzung des Stabes durch die Hand diametral den späten redaktionellen Entwicklungen entgegenliefe, die das Bestreben zeigen, die Wundertaten des Mose durch das besagte Artefakt zu kanalisieren, so fragt sich, ob die textlichen Fluktuationen in 9,23; 10,13 nicht viel eher als Fortsetzung dieser Entwicklungen zu betrachten sind, wobei j eben nicht am Anfang, sondern vielmehr am Ende stände. Die (in der Mehrheit der MSS) von g bezeugte Textfassung, die den Stab allein in Ex 10,13 erwähnt, läßt sich jedenfalls leicht als ein Zwischenstadium erklären, in dem der Stab aus dem Meerwunderbericht (14,16) in die Heuschreckenplage übertragen wurde, die die Ereignisse am Schilfmeer strukturell vorabbildet. Für diese Entwicklungslinie spricht auch der Übersetzungsbefund, denn in der Vorlage von 10,13 g hieß es offenbar nicht wie in j, Mose habe seinen Stab ausgestreckt (¡©), sondern vielmehr wie in 7,20; 14,16 er habe ihn erhoben (¦± Hifǥil).151 Werden somit in 10,13 g die von der Stabbearbeitung eingeführten Formulierungen nachträglich in die Heuschreckenplage übertragen, so läßt das den Schluß zu, daß die besagte Bearbeitung in Ex 9f. ursprünglich keine Spuren hinterließ, sondern den Stab lediglich bei den Wunderhandlungen Moses einführte, die einen direkten Wasserbezug haben (Nilpest / Meerwunder / Wasser aus dem Felsen). Die Verfasser der Hagel- und Heuschreckenplage werden daher wahrscheinlich in 9,23; 10,13 zunächst davon berichtet haben, daß Mose dem Auftrag entsprechend seine Hand erhob, eine Ereignissequenz, die sie in 14,16*.21 P vorfanden und die auch der nochmals jüngere Ergänzer der Finsternisplage in 10,21f. unverändert kopierte. Daß in 10,21f. im Unterschied zu 9,23; 10,13 der Stab auch in den späteren Phasen der Textüberlieferung nicht nachgetragen wurde, erklärt sich durch die singuläre Gestalt der Finsternisplage, der im ersten Teil des Plagenzyklus ein Gegenstück fehlt, das eine solche Parallelbildung angestoßen hätte. Während die erzählerische Exposition zur Hagelplage in Ex 9,17-19 auch in ihrer von j bezeugten Gestalt ursprünglich ist, wurde der umrissene Grundbestand des Plagenberichts in Ex 9,22-25* in der Folgezeit verschiedentlich erweitert. Sekundär ist bereits die Ausdehnung des Hagelschadens auf ‚alles Kraut des Feldes‘ (9,25bĮ: ±¤²²«¥¤³), die inhaltlich über die in 9,17-21 exponierte Sintflutmotivik hinausweist und auch literarisch nachklappt, insofern sie die Reihe der Geschädigten aus Ex 9,25a nicht einfach fortsetzt, sondern das Verb noch einmal wiederholt. War ursprünglich mit dem Begriff ² schlicht das Draußen im An allen drei genannten Stellen übersetzt g mit DUO@H QV, wohingegen ¡© immer durch DUJSDH MV wiedergegeben wird; vgl. WEVERS, Notes, 152. 151
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Gegenüber zum Drinnen der Mensch und Vieh schützenden Häuser bezeichnet, so hebt der in 9,25bĮ tätige Ergänzer auf die landwirtschaftlichen Schäden ab, die durch den Hagelschlag auf den Feldern verursacht wurden. Von derselben Hand stammt auch die 9,25bĮ korrespondierende Passage in der Plagenankündigung (9,22b*: ¦¢±¯§ ®± ² ²« ¥¤ ¥«). Die Nachträge gehören wie die nochmals jüngere Erwähnung einer Vernichtung der Bäume (9,25bȕ: ±² ² ®« ³) in den Zusammenhang der Heuschreckenplage.152 Neben dem Kreis der Geschädigten hat auch die Beschreibung des Hagelschlags das Interesse der Ergänzer auf sich gezogen. War ursprünglich in Ex 9,23b gemäß der Ankündigung aus 9,18a nur davon die Rede, daß JHWH Hagel über Ägypten regnen ließ (¦¢±¯§®±¥«±¢±¡§¢), so wurde das Ereignis von späterer Hand als Gewitter stilisiert: ‚JHWH ließ es donnern und hageln, und Feuer fuhr zur Erde herab‘ (9,23aĮ2ȕ: ¨³©¢ ¯± ² £¥³ ± ³¥°).153 Die Darstellung findet ihre engste Parallele in der Gewitterschilderung in Ps 18,14 (² ¢¥ ± ¥° ¨³¢ ¨¢¥«), von der ausgehend es sich zusätzlich nahelegt, das zur Erde fahrende Feuer als Blitze zu deuten. Diese Interpretation von Ex 9,23aȕ bedurfte keiner weiteren Erläuterung und erfährt eine solche genau genommen auch nicht, denn die einzige weitere Erwähnung des Feuers innerhalb der Hagelplage setzt einen anderen Akzent. Sie findet sich direkt im Anschluß in 9,24a und sprengt recht gewaltsam die ursprüngliche Wortverbindung ±¢¢. War ursprünglich in 9,24 davon die Rede, der Hagel sei sehr schwer gewesen, so heißt es nun, es sei Hagel gewesen, und Feuer sei in dem Hagel hin und her gezuckt (9,24a: ± £³ ³ °¥³§ ² ± ¢¢). Die Vorstellung des hin und her zuckenden Feuers findet ihre einzige alttestamentliche Parallele in der Theophanieschilderung Ez 1,4, wo sie ihren organischen Ort hat. Das Motiv wurde nachträglich nach Ex 9,24a übertragen, und zwar von einem Bearbeiter, der das in 9,23aȕ beschriebene Wetterphänomen im Licht der ezechielischen Theophanie verstanden wissen wollte. Von den in Ex 9,23aĮ2ȕ beschriebenen Gewitterphänomenen werden allein Hagel und Donner im folgenden wieder erwähnt.154 Das Motiv spielt eine zentrale Rolle in der Fürbittenszene 9,27-29.33f.*, die auf 9,23aĮ2ȕ als Bezugspunkt angewiesen ist und folglich ebenfalls nicht zum Grundbestand der Hagelplage gehören kann. Da 9,23aĮ2ȕ ohne die Fürbittenszene isoliert steht, wird das Gewittermotiv von vornherein als deren erzähleVgl. hierzu die Ausführungen unter VI. 2.2. Zum Zusatzcharakter des Feuers vgl. GERTZ, Tradition, 137f.; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 85. 154 Man könnte aus diesem Befund schließen, daß die Erwähnung der Blitze in Ex 9,23aȕ gegenüber Donner und Hagel (9,23aĮ2) nochmals sekundär ist, doch erscheint diese Annahme nicht zwingend. 152 153
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rischer Anknüpfungspunkt konzipiert worden und folglich auf dieselbe Hand zurückzuführen sein. Was ursprünglich als punktueller Hagelschlag gedacht war, dessen Ende in der Bilanzierung des Schadens (9,25a) impliziert ist, wird nun zu einem andauernden Gewittersturm, der den Pharao ängstigt und dazu veranlaßt, Mose und Aaron rufen zu lassen (9,27aĮ: ¨±¥ ²§¥ ±°¢ «± ¥²¢). Was folgt, ist ein Sündenbekenntnis (9,27aȕb) sowie, hiermit syntaktisch nicht verbunden, das für den weiteren Handlungsverlauf unverzichtbare Ersuchen um Fürbitte (9,28). Die asyndetische Verknüpfung zwischen 9,27.28 ist ein erstes Indiz dafür, daß das Sündenbekenntnis – anders als in 10,17f. (±¢³« ¢³¡ ) – nachgetragen wurde. Dies bestätigt sich, wenn man 9,34 in die Betrachtung einbezieht, wo das Motiv der Sünde seinen einzigen weiteren Beleg innerhalb der Hagelplage hat. Wie noch zu zeigen ist, ist 9,34 jünger als die ihrerseits nicht zum Grundbestand der Hagelplage gehörige Fürbittenszene, was dafür spricht, das Sündenmotiv insgesamt einer nochmals späteren Bearbeitung zuzuweisen. Zum Grundbestand der Fürbittenszene zählt neben Ex 9,27aĮ nur noch die Redeeröffnung in 9,27aȕ1 (¦¥±§¢). Hieran schloß direkt das Ersuchen um Fürbitte an (9,28aĮ: ¢¥±¢³«),155 damit JHWH ein Ende mit den Gottesstimmen und dem Hagel mache (9,28aȕ: ¦¢¥ ³¥° ³¢§ ± ±). Die Zusage, die Israeliten daraufhin ziehen zu lassen (9,28b), setzt diesen Gedanken nahtlos fort, ist aber gleichwohl nicht ursprünglich. Sie liegt auf einer Ebene mit den während der Ungezieferplage geführten Verhandlungen (Ex 8,21b-24a.25b: Stichwort ¬ª¢), die der Verfasser der Fürbittenszene in Ex 9 noch nicht vorfand.156 Daß Ex 9,28b als Fortsetzung des Ersuchens um Fürbitte entbehrlich ist, zeigt überdies 10,17f., wo eine entsprechende Zusage fehlt. Wie hier hat die Abwendung der Plage auch in 9,27f.* nichts mit irgendwie gearteten Verhandlungen über die Modalitä-
155 Daß das Ersuchen gleichermaßen an Mose und Aaron gerichtet ist, im folgenden aber allein Mose Fürbitte leistet, ist ein Phänomen, das sämtliche Fürbittenszenen der Exoduserzählung betrifft. Da es sich bei den besagten Szenen durchweg um nachpriesterschriftliche Bildungen handelt, ist freilich von der häufig vertretenen, wiewohl literarkritisch nicht begründbaren Annahme Abstand zu nehmen, die Aaronbezüge seien durchweg nachgetragen; gegen WELLHAUSEN, Composition, 68; VALENTIN, Aaron, 41-44; KOHATA, Jahwist, 108f.; H.-C. SCHMITT, Tradition, 207, Anm. 52. Der Pharao richtet sein Ersuchen um Fürbitte verständlicherweise an die beiden Unterhändler, die nach P gemeinsam am ägyptischen Hof auftraten, wobei es in der Tradition der Murrgeschichten ebenso verständlich ist, daß allein Mose als „Fürbitter Israels“ (AURELIUS) bei JHWH um ein Ende der Plagen ersucht. 156 Die Verhandlungen in Ex 8 sind jünger als ihr Gegenstück in Ex 10, welch letzteres auf einen Bearbeiter zurückgeht, der bereits die Heuschreckenplage vorfand, die sich erst aus der um die Fürbittenszene erweiterten Hagelplage entwickeln sollte. Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.3., VI .2.2. und VI. 2.3.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
ten des Auszugs zu tun. Vielmehr geht es an beiden Stellen in unterschiedlicher Weise um die Konfrontation des Pharao mit der Macht JHWHs. Die theologische Funktion der Fürbitte in Ex 9 wird von Mose in 9,29bȕȖ auf den Punkt gebracht: Der Pharao soll erkennen, daß JHWH der Herr über das Land, ja über die ganze Erde ist (®±¢¥¢¤«³¨«§¥).157 Den Erkenntnisgrund umreißt der Verfasser in 9,29abĮ mit einem detaillierten Vorausblick auf Moses Tätigkeit als Fürbitter, dem die Ausführungsnotiz in 9,33abĮ korrespondiert: Mose verläßt die Stadt (9,33aĮ: ¯¢ ±¢«³«±¦«§²§; vgl. 9,29aȕ) und breitet seine Hände zu JHWH aus (9,33aȕ: ¢ ¥ ¢¤ ²±¢; vgl. 9,29aȖ), woraufhin Donner und Hagel aufhören (9,33bĮ: ± ³¥° ¥ ¢; vgl. 9,29bĮ). Die einzige kleinere Spannung besteht darin, daß in 9,29aȕ das Verlassen der Stadt angekündigt wird (±¢«³¢¯¯¤), wohingegen in 9,33aĮ davon die Rede ist, daß Mose ‚vom Pharao aus‘ die Stadt verläßt. Die sperrige Formulierung kombiniert den aus 9,29aȕ vorgegebenen Wortlaut mit der in den übrigen Fürbittenszenen durchgängig bezeugten Angabe, wonach Mose vom Pharao hinausgeht (8,8.26; 10,18), wobei sich der Befund so erklärt, daß das «± ¦«§ nachträglich in Angleichung an den sonst gängigen Sprachgebrauch in 9,33aĮ eingetragen wurde. Die Stadt (±¢«) findet als Gegenüber zum dem Hagel schutzlos ausgelieferten ‚Draußen‘ (²) ihren organischen Platz in der Hagelplage, und es ist auch erzählerisch plausibel, daß Mose zum Beenden des Hagelwetters den urbanen Schutzraum wieder verlassen muß.158 Während 9,33bĮ mit dem Ende von Hagel und Donner genau das vermerken, was zu erwarten war, kommt die in 9,33bȕ folgende Information, daß auch kein Regen mehr zur Erde fällt (¯± £³© ¥ ±³§), vollkommen überraschend, denn von Regen war zuvor nirgends die Rede. Es handelt sich um einen Nachtrag, der in gewisser Weise den Platz des in 9,23aȕ zur Erde herabfahrenden Feuers einnimmt – warum, wird noch zu klären sein. Damit ist zugleich der Nachtragscharakter von 9,34 erwiesen, der die Endgestalt von 9,33b bereits voraussetzt und die Aufzählung der drei Wetterphänomene in umgekehrter Reihenfolge wiederholt – mit dem Regen an erster Stelle.159 Die Hagelplage in ihrer um den Grundbestand der Fürbittenszene erweiterten Gestalt endete wie zuvor mit der in priesterschriftlicher Diktion gehaltenen Verstockungsnotiz in 9,35a: Das Herz des Pharao bleibt hart, und er läßt die Israeliten nicht ziehen («±¥° ¢ ¥±²¢ ¢© ³ ¥² ¥). Daß dieses Ergebnis ganz wie von JHWH durch Mose angekündigt eintrat (9,35b: ²§¢¢±±²¤), wurde erst von 157
Zur Deutung der an Ps 24,1 erinnernden Erkenntnisaussage sowie zu weiteren alttestamentlichen Parallelstellen vgl. JACOB, Buch Exodus, 283. 158 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 283. 159 Vgl. LEVIN, Jahwist, 337f.; GERTZ, Tradition, 144f.
2.1. Die Hagelplage (Ex 9,13-35)
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einem Späteren notiert, der die Verstockungsnotiz an die Ankündigung aus 9,30 anpaßte.160 In ihrem ursprünglichen Bestand (9,35a) folgte die Notiz einst direkt auf 9,25a und schilderte die trotzige Reaktion des Pharao, der nicht auf die Warnung aus 9,19 hören wollte und nun den Schaden hat. In den Horizont der Fürbittenszene gestellt (9,29bȕȖ: ®±¢¥¢¤«³¨«§¥), wandelt sich die Notiz in einem zweiten Schritt zu einer Aussage über die Verschlossenheit des pharaonischen Erkenntnisorgans. Erst in einem dritten Schritt ist vor die Verstockungsaussage in Ex 9,35a mit 9,34 ein Vers getreten, der den Zustand des pharaonischen Herzens sündentheologisch einholt: ‚Da sündigte der Pharao weiter und verhärtete sein Herz‘ (¥¤¢¡ ¥¬ª¢). Das Motiv der fortdauernden Sünde setzt als Hintergrund das Sündenbekenntnis voraus, das in 9,27aȕ2b dem Ersuchen des Pharao um Fürbitte vorgeschaltet wurde (¦« ¢³¡ ¦¢«²± ¢§« ¢© °¢¯ ¢). Die beiden Aussagen liegen auf derselben inhaltlichen wie literarischen Ebene und sind als Teil einer sündentheologischen Bearbeitung anzusprechen, die sich in 10,17f. fortsetzt. Der Bearbeiter hebt darauf ab, daß der Pharao, sobald die Fürbitte des Mose Erfolg zeigt, wieder in alte Gewohnheiten und damit hinter sein Bekenntnis aus 9,27 zurückfällt, dessen Ernsthaftigkeit auf diese Weise zugleich in Zweifel gezogen wird. Der Rückfall ereignet sich, als der Pharao sieht, daß Regen, Hagel und Donner aufhören (9,34a: ± ±¡§ ¥ ¢¤ «± ±¢ ³¥°), die Erweiterung von 9,33 um den Aspekt des Regens (9,33bȕ) ist also wie bereits erwähnt vorausgesetzt. Der Sinn dieser Erweiterung um den Regenaspekt liegt nun kaum in der Ergänzung eines vermißten meteorologischen Teilaspektes, der zudem neben dem Hagel der Sache nach überhaupt nichts verloren hat.161 Vielmehr geht es um die Stiftung eines intertextuellen Verweiszusammenhangs zu 1 Sam 12,17f., wo das Motiv eine auffällige Parallele findet. Hier sendet JHWH auf Samuels Ersuchen einen Gewitterregen (±¡§³¥°), um die Israeliten von der Verirrtheit ihres Verlangens nach einem König zu überzeugen – mit Erfolg.162 Exakt das Gegenteil ist in Ex 9 der Fall, wo der ägyptische König aufgrund der für ihn positiven Folgen des göttlichen Machterweises weiter sündigt. Durch die Erweiterung des Wetterphänomens um den Regen wird das Verhalten des Pharao gezielt mit dem der Israeliten in 1 Sam 12,17f. kontrastiert und so zusätzlich profiliert. Dies 160 Ebenso GERTZ, Tradition, 145. Für den Nachtragscharakter von Ex 9,35b spricht nicht zuletzt auch das Fehlen einer entsprechenden Notiz am Ende der nachpriesterschriftlichen Heuschrecken- und Finsternisplage (10,20.27). 161 Für das in Ex 9,33.34 bezeugte Nebeneinander von Regen (±¡§) und Hagel (±) gibt es bezeichnenderweise keine weiteren alttestamentlichen Parallelen. 162 Abgesehen von 1 Sam 12 begegnen Regen (±¡§) und Donner (³¥°) nur noch in den als Parallele zu Ex 9 unspezifischen Gewitterdarstellungen in Hi 28,26; Jer 10,13; 51,16.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
fügt sich bestens zu den Aussagen über die Sünde des Pharao, so daß man davon ausgehen kann, daß deren Verfasser die Erwähnung des Regens in 9,33bȕ nicht etwa vorfand, sondern selbst einschaltete, um dann in 9,34a betont auf sie Bezug zu nehmen. Lassen sich nach den bisherigen Ausführungen in Ex 9 die Verse 9,27a*(ab ¢³¡ ).33bȕ.34*(bis ¥) auf den Ergänzer des Sündenmotivs zurückführen, so gilt dies nicht für die zweite Hälfte von 9,34b ( ¢«), die die Hofbeamten des Pharao in die Verstockungsaussage einbezieht. Die Erweiterung klappt sprachlich wie inhaltlich nach und wurde wie analog in 10,1 (¢« ¥ ³) erst nachträglich ergänzt. Dies geschah von derselben Hand, die in 9,30 Mose aus seinem Wissen kein Hehl machen ließ, daß der Pharao und seine Hofbeamten sich noch nicht vor JHWH fürchten (¦¢¥ ¢ ¢©§ ¨±¢³ ¦±¡ ¢¤ ¢³«¢ £¢« ³).163 Der Vers hat die Aussage aus 9,20f. zum Hintergrund, wonach ein Teil der Hofbeamten das Wort JHWHs fürchtet und daher seinen Besitz in Sicherheit bringt, und bilanziert, daß sich die Gottesfurcht auch nach dem Hagelschlag noch nicht vollständig am ägyptischen Hof durchgesetzt hat. Über das ‚noch nicht‘ wird aber nicht nur die gegenwärtige Situation eingeholt, sondern auch die weitere Entwicklung antizipiert, denn in 10,7 sind es ausnahmslos alle Hofbeamten, die aus Furcht vor JHWH und Angst um Ägypten den Pharao zum Einlenken drängen, in 10,24 erkennt der Pharao bereits selbst den Ernst der Lage, und in 12,31f. gibt er schließlich unter dem Eindruck der allgemeinen Panik nach und gestattet den Auszug. In Anbetracht der engen konzeptionellen Verschränkungen zwischen den genannten Passagen ist davon auszugehen, daß sie durchweg auf den Bearbeiter zurückgehen, der in Ex 10 die Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe einschaltete.164 Dies gilt schließlich auch für 9,35b, der die ältere Verstockungsaussage an die Voraussage Moses aus 9,30 zurückbindet.165 Vgl. grundlegend GERTZ, Tradition, 143-146. Zu dieser Bearbeitung vgl. die Ausführungen unter VI. 2.3. 165 Anders GERTZ, Tradition, 141-152, der in Anlehnung an Beobachtungen von BAENTSCH, HK I/2, 75; KOHATA, Jahwist, 116, auf Spannungen zwischen der vergleichsweise positiven Beurteilung der Hofbeamten in Ex 9,20f.; 10,7 und den Aussagen in 9,30.34.35b; 10,1 hinweist, die die Hofbeamten auf eine Stufe mit dem Pharao stellen. GERTZ folgert hieraus, die letztgenannten Aussagen seien Teil einer ‚nachendredaktionellen‘ Bearbeitung, die das von der ‚Endredaktion‘ gezeichnete positive Bild der Hofbeamten korrigiere, doch ist dieser Schluß keineswegs zwingend. So wird übersehen, daß sich 9,30 in der dargestellten Weise gut als Scharnier zwischen 9,20f.; 10,7 einfügt und auf gar keinen Fall gegen 10,7 gerichtet ist, sondern vielmehr auf den dort geschilderten Zustand vorausweist. Zudem wird man die Aussage, der Pharao und seine Hofbeamten fürchteten sich noch nicht vor JHWH (9,30), nach der ehrfürchtigen Befolgung der Warnung JHWHs durch einige Hofbeamte (9,20f.) nicht als Widerspruch interpretieren dürfen. Die unterschiedliche Konstruktion des Furchtmotivs resultiert schließlich jeweils aus dem älteren Kontext: So knüpft der Bearbeiter 163 164
2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20)
229
Möglicherweise nochmals jünger als die u.a. in Ex 9,20f.30.34b(nur ¢«).35b; 10,1(nur ¢« ¥ ³) greifbare Bearbeitungsschicht sind die in ihrem heutigen Kontext völlig deplazierten Detailangaben über die Arten des vom Hagelschaden in Mitleidenschaft gezogenen Getreides (9,31f.): ‚Der Flachs und die Gerste wurden zerschlagen, denn die Gerste stand gerade in Ähren und der Flachs in Blüte (¢¤ ³¤© ±«² ³² ¥«³²¢±«²). Aber der Weizen und der Emmer wurden nicht zerschlagen, denn sie reifen später‘ (© ³¥¢ ¢¤ ¤© ¥ ³§ª¤ ¡ ). „Die Glosse bezieht sich auf 9,25 und ist an falscher Stelle in den Text geraten. Sie [...] stützt sich auf die Voraussetzung, daß der Auszug im Nisan stattgefunden habe.“166 Ex 9,31f. setzen somit neben der erst vom Verfasser der Heuschreckenplage vorgenommene Ausweitung des Hagelschadens auf das Feldgetreide (9,25bĮ) auf jeden Fall auch die mit der Mazzotätiologie in 13,4 eingetragene Angabe des Auszugsmonats (¢!), wenn nicht bereits die spätpriesterschriftlichen Tagesangaben in Ex 12 voraus. Die Möglichkeit, 9,31f. könne einmal direkt an 9,25 angeschlossen haben,167 besteht dagegen nicht, denn bereits die dortige Erwähnung der landwirtschaftlichen Schäden hängt mit der Heuschreckenplage zusammen, die ihrerseits nicht ohne die erweiterte Fürbittenszene in 9,27-29.33-35 denkbar ist. Hierauf ist im folgenden näher einzugehen. 2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20) Daß die benachbarten Darstellungen der Hagel- und Heuschreckenplage große Gemeinsamkeiten aufweisen, wurde verschiedentlich bemerkt:168 In beiden Fällen führen Mose und JHWH die Plage gemeinsam herbei, woraufhin Mose auf das Ersuchen des Pharao bei JHWH Fürbitte leistet und so die Plage wieder beendet. Aus den skizzierten Parallelen auf gemeinsame Verfasserschaft zu schließen, wäre freilich verfrüht. Die Heuschreckenplage ist ein jüngeres Seitenstück zur Hagelplage, das der als Seitenstück zur Nilpest konstruierten Schilderung des Unwetters einen Schlag zur Seite stellt, der inhaltlich der Froschplage ähnelt. Mit Hagel und Heuschrecken wiederholt sich so in gewisser Weise die Sequenz der ersten beiden Plagen.169 Die hier vertretene literarhistorische Verhältnisbestimmung zwischen Hagel- und Heuschreckenplage gründet auf der in 9,20f. an die in 9,19 vorgefundene Warnung an und bezieht das Motiv folglich auf JHWHs Worte. Sein eigentliches Ziel ist dagegen die Angst der Ägypter vor der Macht JHWHs (9,30), die er in 12,33 als Resultat der Tötung der Erstgeburt beschrieben fand. 166 EERDMANS, Studien III, 27. Vgl. NOTH, ATD 5, 63; GERTZ, Tradition, 151. 167 So LEVIN, Jahwist, 338. 168 Vgl. etwa JACOB, Buch Exodus, 236; KOHATA, Jahwist, 99-115; L. SCHMIDT, Beobachtungen, 23-45. 169 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 182.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Beobachtung, daß letztere in ihrer Exposition (Ex 10,1) auf 9,34* Bezug nimmt und damit einen Vers voraussetzt, der der Hagelplage nach obiger Analyse erst im Laufe ihrer Entwicklung zugewachsen ist. Die Erklärung JHWHs, er habe das Herz des Pharao verhärtet (10,1: ¥³¢³¤), ist in ihrer Formulierung im Plagenzyklus singulär und erst durch ihren Bezugspunkt in 9,34 (¥¤¢) plausibel, insofern sie die dort vom Pharao berichtete Selbstverstockung auf JHWH zurückführt.170 Liest man die Heuschreckenplage als Fortsetzung von Ex 9,34, so erklärt sich auch eine immer wieder notierte Abweichung von den vorangehenden Plagen: Die Aufforderung zum Pharao zu gehen (10,1a: ¥ «±) wird nämlich nicht wie sonst durch einen Redeauftrag, sondern durch die Begründung flankiert, JHWH habe das Herz des Pharao verhärtet, um ‚diese meine Zeichen in seiner Mitte zu setzen‘ (10,1bȕ:¢³²¨«§¥ ±° ¥ ¢³³). Anders als etwa in 8,18 geht es hier nicht um die Mitte des Landes, sondern dezidiert um das Innere des Pharao,171 womit die in 9,27.34 angelegte ‚Sündenlinie‘ aufgenommen und fortgesetzt wird.172 Sie findet ihr Ziel in 10,17f., wo der Pharao ein letztes Mal seine Sünden bekennt und um Fürbitte ersucht. Daß das Sündenbekenntnis hier im Gegensatz zur Hagelplage fest im Grundbestand der Fürbittenszene verankert ist, liefert einen weiteren Beleg dafür, daß mit der Heuschreckenplage das literarisch jüngere Stück vorliegt. Ihr Verhältnis zu den Sündenstücken in Kap. 9 bedarf freilich noch einer letzten Präzisierung. Betrachtet man nämlich 9,34 genau, so zeigt sich, daß die Aussage über das fortdauernde Sündigen des Pharao nicht nur als Rückschritt gegenüber seinem Bekenntnis in 9,27 verstanden werden will, sondern darüber hinaus einen klaren Zukunftsbezug hat. Der Vers scheint von vornherein als Brückenstück zwischen den beiden Bekenntnisszenen 9,27; 10,17 konzipiert worden zu sein, was im Umkehrschluß bedeutet, daß der Verfasser der Heuschreckenplage das Sündenmotiv in Ex 9 nicht vorfand, sondern selbst einführte. Der Verfasser der Heuschreckenplage legte mit den Verstockungsaussagen in Ex 9,34*; 10,1 einen planvollen Rahmen um die ältere ° -Notiz in 9,35, die er unter das Vorzeichen der sündigen Selbstverstockung stellte und in 10,1 von hieraus auf das Wirken JHWHs transparent machte. Wie Gegen GERTZ, Tradition, 132-163, der Hagel- und Heuschreckenplage der Endredaktion zuweist, in Ex 9,34 aber einen nachendredaktionellen Zusatz findet, was zur Folge hat, daß die Endredaktion in 9,35a eine Verstockungsaussage mit ° Qal konstruiert hätte, um dann im direkten Anschluß mit ¤ Hifǥil auf sie Bezug zu nehmen. 171 Das Nebeneinander von Herz und Innerem verweist auf Gebetssprache (Ps 36,2; 39,4; 51,12; 55,5; 64,7; 109,22). 172 Makrokontextuell ist die Ankündigung JHWHs in Ex 10,1bȕ (¥ ¢³³ ¢³² ¨«§¥ ±°) auf die Reaktion des Pharao auf die Nilpest bezogen (7,23b: ³¥¦¥³²¥), ein weiterer Beleg dafür, daß die Sequenz von Nilpest und Froschplage durch Hagel und Heuschrecken kopiert wird. 170
2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20)
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die Hagelplage in 9,35 wird auch die Heuschreckenplage mit einer ° Aussage schließen, in der nun freilich der Perspektive von 10,1 gemäß die Verstockung als Werk JHWHs gefaßt ist (10,20: ¥«±¥³¢° ¢ ¥±²¢ ¢© ³ ¥²). Der Text bezeugt somit ein komplexes theologisches Handlungskonzept, in dem das Verhalten des Pharao als durchweg von JHWH determiniert gilt, ohne daß damit die Frage obsolet würde, ob der Pharao seine Sünde er- und bekennt. Gegenüber der ganz auf den Pharao zugespitzten Bestimmung des Plagenzwecks in Ex 10,1 schlägt 10,2 einen vollkommen anderen Ton an, denn nun geht es im Stil der dtr. Kindesbelehrung173 um die Gotteserkenntnis der Israeliten, die diese aus den Zeichen gewinnen sollen, die JHWH auf die Ägypter gelegt hat (¦ ¢³§² ±² ¢³³ ³). Der Vers nimmt die in die Mitte des Pharao gesetzten Zeichen aus 10,1bȕ zum Ausgangspunkt einer kollektivierenden Neuinterpretation und ist, insofern er am Ende in leicht abweichender Weise wieder auf die besagten Zeichen zurückkommt, als Zusatz anzusprechen.174 Er bildet das sachliche Gegenstück zu 9,15f., wo derselbe Bearbeiter betont, daß die Plagen die Verkündigung des JHWH-Namens auf der ganzen Erde zum Ziel haben (9,16b: ®±¥¤¢§²±ª¨«§¥). Dieser universellen Perspektive korrespondiert in 10,2 die Verkündigung von JHWHs Taten unter den israelitischen Nachkommen (£© ¨ £© ¢© ±ª³ ¨«§¥),175 wobei die in 10,2aȕ erwähnten Zeichen genau genommen von nachrangigem Interesse sind. Tonangebend ist vielmehr der zuvor herausgestellte Plagenaspekt, der in 10,2aĮ eine singuläre Zuspitzung erfährt. Der Verfasser begnügt sich nicht mehr mit dem geläufigen Plagenvokabular, sondern spricht davon, JHWH habe den Ägyptern ‚übel mitgespielt‘, ja ‚seinen Mutwillen mit ihnen getrieben‘ (³ ¦¢±¯§ ¢³¥¥«³ ±²).176 War der Bearbeiter bereits in 9,15f. dem Verdacht entgegen getreten, die nicht enden wollenden Plagen spiegelten JHWHs Ohnmacht, so zielt er mit der in 10,2 entfalteten Plagenprogrammatik auf die ultimative Widerlegung. Wohl von derselben Hand stammt eine Reihe von Zusätzen, die die Auswirkungen der Plagen teilweise ins Groteske steigern.177 173
Im Hintergrund stehen die Katechesen in Ex 12,26.27a; 13,8.14-16. Vgl. LEVIN, Jahwist, 338. Anders etwa GERTZ, Tradition, 157, dem Ex 10,1f. als literarisch einheitlich gelten. In b wurde die JHWH-Rede in 10,2 nachträglich um die Worte erweitert, die Mose und Aaron in 10,3-5 am ägyptischen Hof vorbringen. Dieselbe erweiterte Textfassung scheint auch in 4QpaleoExodm VI,27-29 bezeugt zu sein. 175 Zur inneralttestamentlichen Nachgeschichte des Verkündigungsauftrags aus Ex 10,2 vgl. Joel 1,2-4; hierzu etwa H.-C. SCHMITT, Die „Ältesten“, 69. 176 Zur Bedeutung von ¥¥« im Hitpa’el vgl. die Belege in Num 22,29; Ri 19,25; 1 Sam 6,6; 31,4, wobei besonders die Parallele in 1 Sam 6,6 von Bedeutung ist, wo eine Ex 10,2 entsprechende Beschreibung der Plagen vorliegt. 177 Ex 7,19bȕ.28bȕ; 8,13aȖb*.14b.17bȕ; 10,12bȕ.21b.23a. 174
232
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Die in den jüngeren nachpriesterschriftlichen Zusätzen Ex 9,15f.; 10,2 verhandelten Probleme spielten im Grundbestand der Heuschreckenplage noch keine Rolle, in dem 10,3 direkt an 10,1 anschloß:178 Mose und Aaron treten vor den Pharao, konfrontieren diesen mit seiner andauernden Verweigerungshaltung (10,3aȕ: ¢©§ ³©«¥ ³©§ ¢³§ «)179 und fordern den Auszug. Es folgt ohne Umschweife die Androhung der Heuschreckenplage (10,4), die in Anlehnung an die Froschplage formuliert wurde: ‚Wenn du dich aber weigerst, mein Volk ziehen zu lassen (10,4a: ³ ¨§ ¦ ¢¤ ¢§« ³ ¥²¥; vgl. 7,27a: ¥²¥ ³ ¨§ ¦), werde ich morgen Heuschrecken in dein Gebiet bringen (10,4b: £¥ ± ± § ¢§ ¢©©; vgl. 7,27b: ¦¢«±¯ £¥ ¥¤ ³ ¬© ¢¤© ©). Daß die Heuschrecken für den kommenden Tag angekündigt werden, ähnelt der Ankündigung des Hagelschlages in 9,19, hat aber einen anderen Grund. Hier geht es nicht darum, den Ägyptern eine Frist einzuräumen, um sich oder die Ernte vor den Heuschrecken in Sicherheit zu bringen, sondern die Terminangabe hat ihren Hintergrund im Meerwunderbericht, an den sich der Verfasser bei der Darstellung der Heraufführung der Heuschreckenplage (10,12-14) eng angelehnt hat. Wie bei der Austrocknung des Meeres in Ex 14,21 dauert es auch in 10,13 einen Tag, bis JHWH mit Windkraft die Heuschrecken herbeigebracht hat, was dem Pharao in 10,4 im voraus mitgeteilt wird. Nach der Ankündigung der Heuschreckenplage wendet sich Mose in Ex 10,5 ihren Konsequenzen zu: Die Heuschrecken werden das ‚Auge der Erde‘ bedecken (10,5aĮ: ®± ¨¢« ³ ª¤) und den letzten Rest davon verzehren, was der Hagel den Ägyptern übrig gelassen hat (10,5bĮ: ¥¤ ±¨§¦¤¥³±²©¡¥±³¢³). Daß mit dem ‚Auge der Erde‘ nur die Erdoberfläche gemeint sein kann, ergibt sich bereits aus dem Bild des Heuschreckenschwarmes. Die Logik der Metapher – sie bezeichnet, was von der Erde sichtbar ist180 – wird in 10,5aȕ expliziert (®±³³±¥¥¤¢¥). Der Viertelvers unterbricht den engen Zusammenhang zwischen dem schwarmhaften Auftreten der Heuschrecken (10,5aĮ) und dem von ihnen 178
Bei den meisten der klassischen Urkundenhypothese verpflichteten Exegeten hat es sich durchgesetzt, die dtr. Elemente in Ex 10,1b.2 aus der als jahwistisch geltenden Heuschreckenplage auszuscheiden und 10,3 direkt an 10,1a anzuschließen; vgl. etwa KOHATA, Jahwist, 126; W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 418-421; ferner FLOSS, Jahwe dienen, 191; WEIMAR, Berufung, 273, Anm. 273 (beide mit der Annahme, der für J typische Redeauftrag sei zu Beginn von 10,3 verdrängt worden). Daß es für derartige literarkritische Operationen in Ex 10,1 (und 10,3) keinen hinreichenden Grund gibt, wurde überzeugend von GERTZ, Tradition, 157-159, gezeigt. 179 Daß es hier nicht wie sonst um die Weigerung des Pharao geht, den Auszug zu gestatten, sondern vielmehr zunächst um seine Weigerung, sich vor JHWH zu unterwerfen, fügt sich bestens zu der bereits in Ex 10,1 beobachteten Fokussierung der Heuschreckenplage auf das JHWH-Verhältnis des Pharao. 180 Vgl. HALAT 774.
2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20)
233
angerichteten Schaden (10,5bĮ) und ist als erläuternder Nachtrag anzusprechen. Ebenfalls nicht ursprünglich ist 10,5bȕȖ, der das Verb aus 10,5bĮ wiederholt und die Schadenswirkung nachträglich auf die Bäume des Feldes ausdehnt (² ¨§¦¤¥ §¯®«¥¤³¥¤).181 Der Zusatz ist deshalb bemerkenswert, da sich der vorangehende summarische Verweis auf alles Übriggebliebene im Horizont von Ex 9,25b durchaus auch auf Bäume beziehen könnte. Daß die Ausdehnung des Schadens auf die Bäume eigens vermerkt werden muß, spricht also gerade für das Gegenteil. Es legt sich die Vermutung nahe, daß das Motiv einer Schädigung der Bäume insgesamt einen späten Zusatz zu Hagel- und Heuschreckenplage darstellt. Dazu im folgenden mehr. Nach der Voraussage des von den Heuschrecken zu erwartenden Ernteschadens (Ex 10,5aĮbĮ) beendet Mose seine Rede in Ex 10,6aĮ1 mit der Ankündigung, die Heuschrecken würden die Häuser der Ägypter füllen (¦¢±¯§ ¥¤ ¢³ £¢« ¥¤ ¢³ £¢³ ¥§). Der Nachtragscharakter des Motivs erhellt sowohl aus dem Numeruswechsel als auch aus der Tatsache, daß die Ankündigung im weiteren Verlauf der Darstellung keinerlei Nachhall findet. Der Zusatz findet seine einzige Parallele in der zum vorpriesterschriftlichen Bestand des Plagenzyklus zu zählenden Notiz in 8,17bĮ, wonach das Ungeziefer die Häuser der Ägypter füllt (³ ¦¢±¯§ ¢³ ¥§ ±«), ist also von hier inspiriert. Vorausgesetzt ist überdies die Endgestalt von 8,17a, aus der sowohl das Motiv einer Mehrzahl pharaonischer Häuser als auch die Trias Pharao – Hofbeamte – Volk übernommen, dabei aber so kombiniert wurden, daß die deutlichen Wachstumsspuren des Quelltextes 8,17a nicht mehr sichtbar sind. Da die vorliegende Gestalt von 8,17a auf die komplette Entwicklung der Fürbittenszenen in Ex 8 zurückblickt,182 entfällt der 8,17 aufnehmende Zusatz in 10,6aĮ1 bereits auf eine weit fortgeschrittene nachpriesterschriftliche Wachstumsphase des Plagenzyklus. Dasselbe gilt für die sich in Ex 10,6aĮ2ȕ anschließende Feststellung, die Väter und Vorväter hätten etwas derartiges noch nicht gesehen (±¥±² ¦¢«§¥«¦³¢¦¢§£¢³³£¢³ ).183 Sie setzt die Aussage über die Invasion der ägyptischen Häuser in 10,6aĮ1 sprachlich wie inhaltlich nahtlos fort und spielt ferner mit der ägyptischen Vorfahrenkette (£¢³ ³ £¢³) eindeutig auf die Belehrung der israelitischen Nachkommen (£© ¨ £©) in 10,2 an, die sie kontrastierend aufnimmt. Die beiden Aussagen legen sich als Rahmen um den Prolog der Heuschreckenplage, was auf die planvolle Tätigkeit desselben Bearbeiters hindeutet. Da zwingende Gründe fehlen, innerhalb von 10,6a literarkritisch zu differenzieren, wird man folgern dürfen, daß das Vordringen der Heuschrecken in Vgl. GERTZ, Tradition, 153, Anm. 291. Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.3. 183 Ebenso GERTZ, Tradition, 162f. 181 182
234
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
die ägyptischen Wohnbereiche gezielt konzipiert wurde, um der Plage eine in der bisherigen ägyptischen Geschichte analogielose Spitze zu verleihen, eine Steigerung, die sich bestens zur Plagenprogrammatik aus 10,2 fügt. Für die literarische Einheitlichkeit von 10,6a spricht schließlich auch, daß nicht nur die Invasion der ägyptischen Häuser, sondern auch der Hinweis auf Analogielosigkeit des Ereignisses in der ägyptischen Geschichte auf einen Hintergrund in 8,17 verweist. Die eigentümliche Aussage, etwas derartiges sei noch nicht beobachtet worden, seit sich die Ägypter auf dem Erdboden (§ ¥«) befinden, spielt nämlich offenbar mit der Tatsache, daß das Ungeziefer auch den Erdboden unter den Häusern befällt (8,17bȕ: ¢¥« ¦ ±² § ¦). Das Lexem § ist im Plagenzyklus nur an diesen beiden Stellen bezeugt.184 Bereits im Grundbestand der Heuschreckenplage schließt die erste Szene mit der knappen Angabe, daß Mose den Pharao verläßt (Ex 10,6b: ¨¢ «±¦«§¯¢). Die Notiz ist in Anlehnung an die Reaktion des Pharao auf das Fischsterben formuliert (7,23a: ³¢ ¥ ¢ «± ¨¢), deren Fortsetzung (7,23b: ³¥¦¥³²¥) bereits als Hintergrund der Ankündigung in 10,1bȕ (±° ¥ ¢³³ ¢³² ¨«§¥) ausgemacht wurde. Nicht nur der intertextuelle Bezug zu Ex 7,23, sondern auch der Aufbau der vorangehenden Plagen läßt erwarten, daß JHWHs Zeichen unmittelbar auf den Abgang Moses folgten, denn in Ex 7-9 schließt der Bericht über das Eintreten der Plage jeweils direkt an die Plagenankündigung an, wobei die Nichterfüllung der Auszugsforderung durchgängig stillschweigend vorausgesetzt wird. Dies ist auch in 10,6b der Fall, doch folgt nun nicht wie üblich der Plagenbericht, sondern eine umfängliche Verhandlungsszene (10,7-11), die erzählerisch darüber eingebunden ist, daß Mose und Aaron auf Veranlassung der Hofbeamten zunächst zurückgeholt werden, damit man sie nach dem Scheitern der Verhandlungen wieder hinausstößt (10,11b). Die Szene treibt die Handlung gegenüber 10,6b nicht voran, sondern führt ein Nebenmotiv ein, das im weiteren Verlauf der Heuschreckenplage keinerlei Rolle mehr spielt, sich allerdings als das Herzstück der Finsternisplage (10,21-29) erweisen wird. Ex 10,7-11.21-29 sind Teil einer Bearbeitungsschicht, die jünger ist als der Grundbestand der Heuschreckenplage. Der in Ex 10,6b berichtete Abgang Moses fand ursprünglich seine erwartungsgemäße Fortsetzung im Plagenbericht 10,12-15*. Der Verfasser kopiert das Zusammenwirken Moses und JHWHs bei der Hagelplage (9,22-24), lehnt sich aber darüber hinaus deutlich an den Meerwunderbericht an. Ausgangspunkt ist die Aufforderung, Mose solle seine Hand über Ägypten ausstrecken, damit die Heuschrecken über Ägypten heraufkommen (10,12: ¦¢±¯§®±¥«¥«¢±¦¢±¯§®±¥«£¢¡©; vgl. 9,22a; 184
Dabei erweist sich Ex 8,17bȕ streng genommen als verschärfender Zusatz von derselben Hand, auf die u.a. auch 10,2.6a zurückgehen; s.o., VI. 1.3. und VI. 2.1.
2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20)
235
14,16). Der einzige Unterschied zur Hagelplage besteht darin, daß der Gestus nicht auf den Ursprung des Schlages (9,22a: ¦¢§² ¥«), sondern auf sein Ziel hinweist. Davon abgesehen sind die beiden Auftragssequenzen exakt parallel konstruiert, was erwarten läßt, daß analog zu 9,22b auch in 10,12b eine Angabe zur Schadenswirkung der Plage folgt. Sie findet sich in 10,12bĮ, wonach den Heuschrecken ‚alles Kraut des Landes‘ zum Opfer fallen soll (®±²«¥¤ ³¥¤¢). Hierbei handelt es sich also um die in 10,5bĮ nicht näher spezifizierten Überbleibsel vom Hagelschlag, ein Sachverhalt der in 10,12bȕ noch einmal expliziert wird (±¢²±²¥¤³ ±). Daß diese Explikation nicht wie in 10,15a als Relativsatz, sondern als Apposition formuliert ist, weckt freilich Zweifel an ihrer Ursprünglichkeit.185 Offenkundig wurde hier nachträglich eine über das Kraut des Feldes hinausgehende Bestimmung der vom Hagel verschonten Pflanzen vorgenommen, die sich, folgt man dem Verständnis von g und b, auf die in 10,5bȕȖ ergänzten Bäume beziehen könnte. Hierzu später mehr. Dem Auftrag, seine Hand über Ägypten auszustrecken, kommt Mose wie in der Hagelplage dadurch nach, daß er seinen Stab ausstreckt (Ex 10,13aĮ1: ¦¢±¯§®±¥«¡§³²§¡¢; vgl. 9,23aĮ1),186 wobei der Stab wie in 9,23 nicht ursprünglich sein wird, sondern auf eine nachträgliche Ersetzung der in b erwähnten Hand zurückgeht.187 Hieran schließt sich in 10,13aĮ2ȕb eine ausführliche Darstellung des Eingreifens JHWHs an, die strukturell der knappen Notiz aus 9,23aĮ2 (± ³¥° ¨³© ¢) entspricht, diese aber durch Material aus dem Meerwunderbericht erweitert: JHWH treibt den ganzen Tag und die ganze Nacht einen Ostwind ins Land (10,13aĮ2ȕ: ¥¢¥ ¥¤ ¦¢ ¥¤ ®± ¦¢° ± © ¢), und dieser trägt am Morgen die Heuschrecken herbei (10,13b: ¦¢° ± ¢ ±° ± ³ ²©). Der Wind und das tageszeitliche Schema wurden aus Ex 14,21.24.27 übernommen. Gemäß der Ankündigung aus 10,12aȕ kommen die Heuschrecken über Ägypten herauf (10,14aĮ: ®± ¥¤ ¥« ± ¥«¢ ¦¢±¯§) und lassen sich daraufhin im ganzen Gebiet Ägyptens nieder 185
Die Zweifel werden noch dadurch verstärkt, daß Ex 10,12bȕ die Verschonung durch den Hagel nicht wie in 10,15aȕ durch ein ±±¢³±², sondern durch ein ±±¢²±² zum Ausdruck bringt. 186 Während in Ex 10,13 j und b in Übereinstimmung mit dem Auftrag aus 10,12 davon die Rede ist, daß Mose den Stab über Ägypten ausstreckt, ist der Gestus in 10,13 g gen Himmel gerichtet, obwohl JHWH auch in 10,12 g anordnet, Mose solle seine Hand über Ägypten ausstrecken. Das in g bezeugte Auseinanderklaffen von Auftrag und Ausführungsbericht verursacht einen schwerwiegenden inhaltlichen Bruch, der schwerlich auf die Absicht des Verfassers zurückgeführt werden kann. Die von g bezeugte Lesart ist daher gegen LEMMELIJN, Plague, 185f., als sekundär zu beurteilen und spiegelt am ehesten den Versuch einer nachträglichen Anpassung des Stabgestus an 9,23; 10,21f., wenngleich WEVERS, Notes, 152, dieser Erklärung skeptisch gegenübersteht. 187 Vgl. die ausführliche Argumentation unter VI. 2.1.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
(10,14aȕ: ¦¢±¯§ ¥ ¥¤ ©¢), es wiederholt sich also in gewisser Weise die Invasion des Landes durch die Frösche (8,2).188 Damit ist bereits zum Teil eingetreten, was dem Pharao eingangs angedroht wurde (10,4b), und man kann erwarten, daß sich auch der Rest der Drohung erfüllt, wonach die Heuschrecken die Erdoberfläche bedecken und das dem Hagel entgangene Gewächs vollständig vernichten werden (10,5aĮbĮ). Hiervon berichtet Ex 10,15, der allerdings von seinem sachlichen Anknüpfungspunkt in 10,14a durch den parenthetisch eingeschobenen Hinweis auf die analogielose Schwere der Heuschreckenplage in Vergangenheit und Zukunft getrennt wird (10,14b: §¤±¨¤¢¥¢©¥§¤ ¨¤¢¢¥¢± ). Die Aussage ist eindeutig als Überbietung der Hinweise auf die außerordentliche Schwere des Hagelschlags formuliert, der nach 9,18.24b nur in der ägyptischen Vergangenheit nicht seinesgleichen findet (¦¢±¯§ >®± ¥¤@ §¤ ¢ ¥ ±² § ¤). Da diese Aussagen dem Verfasser der Heuschreckenplage bereits bekannt waren, ist es nicht unwahrscheinlich, daß er die Notiz in 10,14b selbst einstreute, um das Verhältnis zur Hagelplage zu bestimmen. Daß es sich bei der sachlich verwandten Angabe in 10,6a nach obiger Analyse um einen Nachtrag handelt, ist kein Gegenargument, denn die Aussagen in 10,6a.14b liegen anders als 9,18.24b nicht auf derselben Ebene: Während 10,14b auf eine Überbietung der letztgenannten Stellen aus Kap. 9 abzielt, spielt 10,6a mit dem Motiv der Kinderbelehrung aus 10,2, indem hier den israelitischen Nachkommen die ägyptischen Vorväter gegenübergestellt werden. Sind Ex 10,6a.14b folglich zu unterschiedlich, um auf denselben Verfasser zurückzugehen, so spricht umgekehrt auch nichts dagegen, die die Linie aus 9,18.24b fortsetzende Angabe in 10,14b für den Grundbestand der Heuschreckenplage zu veranschlagen. Nach dem parenthetisch eingeflochtenen Hinweis auf die Schwere der Heuschreckenplage nimmt Ex 10,15 wieder den nach 10,14a verlassenen Erzählfaden auf. Wie in 10,5aĮ angekündigt, bedecken die Heuschrecken die Erdoberfläche (10,15aĮ1: ®±¥¤¨¢«³ª¤¢), wobei die anschließende Angabe, die Erde habe sich verfinstert (10,15aĮ2: ®± £² ³),189 wie 188 Daß Ex 10,14a vor dem Hintergrund von 8,2 formuliert wurde, ist unübersehbar. Vgl. 10,14aĮ (¦¢±¯§ ®± ¥¤ ¥« ± ¥«¢) mit 8,2bĮ («±¯ ¥«³) und 10,14aȕ (¥ ¥¤ ©¢ ¦¢±¯§) mit 8,2bȕ (¦¢±¯§®±³ª¤³). 189 Im Unterschied zu Ex 10,15aĮ2 j und b ist in g und 4QExodC III,18 nicht davon die Rede, die Erde habe sich verfinstert (®±£² ³), sondern es heißt, sie sei verheert worden (®± ³ ²³). Die Variante läßt sich trotz des ähnlichen Konsonantenbestandes der beiden Verben nicht als Schreiberirrtum abtun, sondern ist inhaltlich motiviert. So verknüpfen j und b die Heuschreckenplage mit der Finsternisplage, während g und 4QExodC III,18 eine Verbindung zur Ungezieferplage herstellen, wo in 8,20 in denselben Worten von der Verheerung des Landes die Rede ist (±«¢©§®±³ ²³). Für die Priorität des von j und b gebotenen Textes spricht die Parallele in der Plagenankündigung, wo sich in 10,5aȕ
2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20)
237
ihr Pendant in 10,5aȕ als Zusatz zu betrachten ist.190 Ursprünglich schloß an 10,15aĮ1 direkt der 10,5aȕ korrespondierende Bericht über die Vernichtung der vom Hagel verschonten Überbleibsel (¨§ ¦¤¥ ³±²© ¡¥ ±³¢ ±) an, die nun mit 10,12bĮ (®± ²« ¥¤) näher identifiziert werden: ‚Und sie fraßen alles Kraut des Landes, das der Hagel übrig gelassen hatte‘ (10,15aĮ*ȕ: ±±¢³±²®±²«¥¤³¥¤¢). Wie aus der Hagelplage bekannt, wurden auch hier die beiden Ankündigungen der Plage im Bericht von ihrem Eintreten zu einem homogenen Ganzen verschmolzen. Die in 10,15aĮ nach dem Kraut des Landes erwähnten ‚Früchte der Bäume‘ (®«¢±¥¤³) werden dagegen vom Grundbestand der Ankündigungen in 10,5.12* her nicht gedeckt und sind als Zusatz zu bewerten. Dasselbe ist folglich auch für die Erwähnung der Bäume in 10,15b in Anschlag zu bringen, was zur Konsequenz hat, daß mit den Bäumen auch das ihnen syntaktisch beigeordnete Kraut als Nachtrag herausfällt (²« ®« ²). Der Nachtragscharakter des Krautes in 10,15b mag in Anbetracht der Tatsache, daß das Kraut in 10,12bĮ.15aĮ als integraler Bestandteil der Heuschreckenplage erwiesen wurde, zunächst verwundern. Bei näherem Hinsehen zeigt sich freilich, daß in 10,15b im Gegensatz zu den beiden vorangehenden Belegstellen nicht vom ‚Kraut des Landes‘ (®± ²«), sondern vom ‚Kraut des Feldes‘ (²²«) die Rede ist. Hier sind offenbar unterschiedliche Dinge im Blick, was für eine redaktionsgeschichtliche Differenzierung im vorgestellten Sinne spricht. Erkennt man den Zusatzcharakter des Feldkrautes (² ²«) in Ex 10,15b, so fügen sich die verbleibenden Erwähnungen, die vom Kraut des Landes (®±²«) sprechen, mit einem Schlag in ein homogenes Gesamtkonzept. Ausgangspunkt ist die Ankündigung in 10,5bĮ, die Heuschrecken würden alles fressen, was vom Hagel übriggeblieben ist (Stichwort ±³¢). ebenfalls eine Aussage zur Sichtbarkeit des Landes an die bildhafte Beschreibung des Heuschreckenschwarmes (10,5aĮ // 10,15aĮ1) angelagert hat, die in 10,15aĮ2 motivisch aufgenommen wird (vgl. die folgende Anmerkung). Die von g und 4QExodc III,18 gebotene Variante nimmt dagegen mit Blick auf den direkten Folgekontext die Schadenswirkung des Heuschreckenschwarmes in den Blick und setzt so den Prozeß der Angleichungen an die Ungezieferplage fort, der bereits mit dem textlich stabil bezeugten Nachtrag von 10,6a (par. 8,17) seinen Auftakt nahm. Zum diskutierten textkritischen Problem vgl. grundlegend LEMMELIJN, Plague, 186f., der allerdings selbst zu keiner Entscheidung kommt. 190 Die Nachträge in Ex 10,5aȕ und 10,15aĮ2 liegen freilich nicht auf derselben literarischen Ebene. Während 10,5aȕ einfach die in 10,5aĮ verwendete Metapher, die Heuschrecken würden ‚das Auge der Erde bedecken‘ (®±¨¢«³ª¤), damit erläutert, daß von der Erde nichts mehr zu sehen ist (®± ³ ³±¥ ¥¤¢ ¥), setzt 10,15aĮ2 mit der Verfinsterung der Erde (®±£² ³) einen neuen inhaltlichen Akzent. Das Bild ist nun nicht mehr das eines die Erdoberfläche bedeckenden, sondern vielmehr das eines fliegenden Heuschreckenschwarms, dessen Schatten die Erde verdunkelt. Das Deutungsgefälle und damit die literarhistorische Entwicklung verläuft eindeutig von 10,5aȕ zu 10,15aĮ2, wobei letzterer Zusatz auf den Verfasser der Finsternisplage zurückgehen wird; s.u., VI. 2.3.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Sie findet ihre Einlösung wie gesehen darin, daß ‚alles Kraut des Landes, das der Hagel übrig gelassen hat‘ (10,15aĮ*ȕ: ±¢³ ±² ®± ²« ¥¤ ±), verzehrt wird, womit die Pflanzen gemeint sind, die nicht der Vernichtung ‚allen Krautes des Feldes‘ (²²«¥¤) durch den Hagelschlag zum Opfer fielen (9,22b*.25bĮ). Hagel und Heuschrecken bilden eine klimaktisch aufgebaute Ereignissequenz, die in zwei Stufen die vollkommene Zerstörung der pflanzlichen Nahrungsgrundlagen beschreibt, so daß am Ende in ganz Ägypten keinerlei Grün übrig bleibt (10,15b*: ¥¤±³©¥ ¦¢±¯§ ®± ¥¤ °±¢). Da der Hagelschlag ursprünglich nur gegen die draußen (²) befindlichen Lebewesen gerichtet war und ihm eine Schädigung des Feldgetreides in 9,22b*.25bĮ erst nachträglich zugeschrieben wurde, legt sich der Schluß nahe, daß die beiden besagten Nachträge vom Verfasser der Heuschreckenplage selbst stammen, der hier den erzählerischen Anknüpfungspunkt für seine Darstellung definierte. Die Alternative, er könne die Ausdehnung des Hagelschadens auf das ‚Kraut des Feldes‘ bereits vorgefunden haben, ist zwar nicht kategorisch auszuschließen, aber insgesamt doch wenig wahrscheinlich, denn der Erzählzug spielt innerhalb der Hagelplage keine Rolle und erhält erst durch seine Fortsetzung in Ex 10 eine Funktion. Im Begriff ²« klingt deutlich der priesterschriftliche Schöpfungsbericht an, in dem das Kraut als zentrale Lebensgrundlage für Mensch und Tier definiert wird (Gen 1,29f.). In seiner Bedeutung für den Menschen vergleichbar sind nach Gen 1,29 nur die früchtetragenden Bäume, und exakt hierin dürfte der Grund liegen, daß die Bäume auch in die Hagelund Heuschreckenplage Einzug fanden: Dem Ergänzer ging es um die restlose Vernichtung der pflanzlichen Lebensgrundlagen. Um dies zum Ausdruck zu bringen, erweiterte er Ex 10,15aĮ um den Verweis auf alle Früchte der Bäume (®«¢±¥¤³) und präzisierte die in 10,15b* vorgefundene Aussage dahingehend, daß ‚an den Bäumen und am Kraut des Feldes‘ (²²«®«) nichts Grünes übrigblieb. Dabei schuf er, indem er das Kraut des Feldes erwähnte, eine Spannung zum Grundbestand der Heuschreckenplage, in dem es ja gerade das Kraut des Landes ist, das von den Heuschrecken verzehrt wird. Sachlich nicht einwandfrei ist ebenfalls der durch die Zusätze geschaffene Aussagezusammenhang, wonach das Verzehren der Früchte zur Folge hat, daß nichts Grünes an den Bäumen verbleibt. Das Grün (°±¢) steht alttestamentlich sonst nie in Verbindung mit Bäumen, sondern bezeichnet immer Gras oder Feldfrüchte,191 was ja auch in Ex 10,15b der Fall war, bevor der Halbvers durch die Ergänzung der Bäume zur Ausnahme von dieser Regel wurde. Eine Verbindung mit der Ergänzung der Bäume legt sich zunächst auch für die als Apposition nachgestellte Präzisierung in Ex 10,12bȕ nahe, 191
Vgl. Gen 1,30; 9,3; Num 22,4; 2 Kön 19,26; Ps 37,2; Jes 15,6; 37,27.
2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20)
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wonach die Heuschrecken alles das verzehren, was der Hagel übrigließ (³ ± ±¢² ±² ¥¤). Die von 10,15aĮ her zu erwartende Erwähnung von Bäumen und Früchten fehlt nun aber auffälligerweise in j und wird nur von g und b geboten, was man als nachträgliche Glättung der von j bezeugten lectio difficilior wird interpretieren müssen. Daß Bäume und Früchte ursprünglich gerade nicht erwähnt wurden, verlangt daher nach einer Erklärung. Entweder 10,12bȕ wußte noch überhaupt nichts von den Bäumen und wollte die Ankündigung aus 10,5bĮ möglichst global, und das heißt über das in 10,12bĮ erwähnte ®± ²« hinaus verstanden wissen, oder aber der Viertelvers setzt voraus, daß nicht nur die Früchte der Bäume verzehrt wurden. Eine derartige Sichtweise, die offenbar noch einmal von den Zusätzen zu Ex 10,15 zu unterscheiden ist, wird in 10,5bȕȖ greifbar, wonach die Heuschrecken neben dem zuvor erwähnten Kraut des Landes auch alle Bäume fressen, ‚die euch auf dem Feld wachsen‘ (®«¥¤³¥¤ ²¨§¦¤¥ §¯).192 Daß eigens auf das Wachsen der Bäume abgehoben wird, erklärt sich nur so, daß es hier nicht um die schon immer auf dem Feld befindlichen Bäume, sondern analog zu Gen 2,9 um die gerade hervorsprießenden geht. Die Aussage hängt mit dem Nachtrag in Ex 9,25bȕ zusammen, wonach der Hagel alle Bäume des Feldes zerbrach (®« ¥¤ ³ ±² ²), und hebt darauf ab, daß die Heuschrecken auch die hiernach frisch wieder emporsprießenden Baumschößlinge vernichteten. Wie hätten sie auch ausgewachsene Bäume fressen sollen? Die Aussagen zu den Bäumen entfallen folglich auf zwei Gruppen, deren eine die Vernichtung der frisch nachwachsenden Schößlinge behandelt (Ex 9,25bȕ; 10,5bȕȖ), während die andere voraussetzt, daß die Früchte der Bäume verzehrt werden, es also offenbar noch Bäume in einer Größe gibt, die in der Lage sind, Früchte zu tragen (10,15*). Zwischen beiden Konzepten steht die eigentümlich blasse Aussage in 10,12bȕ. Das Nebeneinander der drei Aussagenkomplexe erklärt sich am einfachsten als das Ergebnis eines dreistufigen Wachstumsprozesses. Den Anfang bildet 10,12bȕ, dessen ‚Baumschweigen‘ die plausibelste Erklärung darin findet, daß der Vers noch nichts von irgendwelchen Bäumen wußte, sondern allein an einer Ausweitung des Schadens über das Kraut des Landes hinaus interessiert war.193 Hierauf baut der in 10,15 tätige Ergänzer auf, der im Anschluß an Gen 1,29 expliziert, daß neben dem Kraut auch die fruchtIn Ex 10,5bȕ b und 4QpaleoExodm VII,2 ist dagegen davon die Rede, die Heuschrecken würden ‚alles Kraut des Landes und alle Früchte der Bäume fressen, die euch auf dem Feld wachsen‘ (²¨§¦¤¥ §¯®«¢±¥¤³®±²«¥¤³¥¤). Die Variante spiegelt den Versuch, die Ankündigung nachträglich an die übrigen Aussagen zur Schadenswirkung der Heuschrecken anzupassen. 193 Ex 10,12bĮ fügt sich in seiner Tendenz gut in den Reigen der vergleichbaren Notizen in 7,19bȕ.28bȕ; 8,13aȖb*.14b.17bȕ; 10,21b.23a und ist wahrscheinlich auf denselben Bearbeiter zurückzuführen. 192
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
tragenden Bäume zu Schaden kommen. Die eigentümliche Aussage, kein Grün sei an den Bäumen geblieben, die sich durch seinen Eingriff in 10,15b ergab, bildet schließlich den Hintergrund für den dritten Bearbeiter. Er verstand die Aussage dergestalt, daß es sich um die grünenden Schößlinge handeln mußte, ließ deshalb zunächst die Bäume durch den Hagel zerschlagen (9,25bȕ), um dann in 10,5bȕȖ die nachwachsenden Schößlinge von den Heuschrecken vertilgen zu lassen. Dies macht die Vernichtung komplett, beseitigt aber mit den Bäumen gleichzeitig die Voraussetzung für ein sinnvolles Verständnis von 10,15aĮ, denn ohne Bäume kann es auch keine Früchte geben. Dem Grundbestand der Heuschreckenplage waren derartige Fragen noch fremd, denn er berichtete wie dargelegt in Ex 10,15* allein davon, daß mit dem Kraut des Landes alles Grün aus Ägypten verschwindet. Der Pharao reagiert auf diesen drastischen Schlag, indem er in Überbietung seiner Reaktion auf die Hagelplage eilends Mose und Aaron rufen läßt (10,16a: ¨±¥ ²§¥ ±°¥ «± ±§¢) und bekennt, er habe sich an JHWH versündigt (10,16b*: ¦¤¢¥¢¥¢³¡ ±§¢).194 Das Sündenbekenntnis mündet in 10,17a in die Bitte, die Sünde nur noch einmal zu vergeben (¦«£¢³¡ ©²³«)195 und Fürbitte bei JHWH zu leisten (±¢³« ¦¤¢¥¢¥), auf daß JHWH nur ‚diesen Tod‘ vom Pharao abwende (±ª¢ ³§ ³ °± ¢¥«§). Dieses Sündenbekenntnis wird im Unterschied zur Hagelplage (9,34a) in keiner Weise problematisiert und soll folglich als ernsthaft verstanden werden. Hierfür spricht auch die Reaktion des Mose, der in 10,18 ohne Umschweife dem Ersuchen Folge leistet und durch seine Fürbitte ein Ende der Plage bewirkt (10,19). Mit dem Sündenbekenntnis des Pharao schließt sich der Kreis zur Exposition der Heuschreckenplage, die in Fortsetzung der in Ex 9,27.34 etablierten ‚Sündenlinie‘ dezidiert das pharaonische Erkenntnisvermögen in den Blick nahm. Die für das Innere des Pharao angekündigten Zeichen (10,1b) haben in 10,16f. offenbar die erhoffte Wirkung gezeitigt, denn der Pharao erkennt nicht nur seine Sünde, sondern bezeichnet JHWH gegenüber Mose und Aaron auch erstmals als ‚euren Gott‘ (¦¤¢¥ ¢). Das zweifache ¦¤¢¥¢ im Munde des Pharao entfaltet seine wahre Dimension freilich erst, wenn man es im Horizont der schroffen Absage liest, die 194 Die Angabe, die Sünde sei auch gegen Mose und Aaron (¦¤¥) gerichtet gewesen, trägt bereits der Ergänzung der gescheiterten Verhandlungen in Ex 10,7-11 Rechnung. Zur Sache vgl. JACOB, Buch Exodus, 290 („¦¤¥, das ist die schnöde Behandlung von V. 11“). 195 Im Gegensatz zu j (²) bezeugen alle übrigen gewichtigen Textzeugen (b, g, o, m, 4QExodc III,20) den Plural ², der sich syntaktisch besser zu der folgenden Pluralform fügt. Dies läßt sich im Sinne einer sekundären Glättung der von j bezeugten lectio difficilior bewerten, wobei auch die umgekehrte Entwicklung denkbar ist. j wäre in diesem Fall als dogmatisch motivierte Variante zu beurteilen, die die pharaonische Bitte um Sündenvergebung direkt an JHWH gerichtet wissen will.
2.2. Die Heuschreckenplage (Ex 10,1-20)
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der Pharao in 5,2 der allerersten Auszugsforderung erteilt: ‚Wer ist JHWH, daß ich auf seine Stimme hören und die Israeliten ziehen lassen sollte? Ich kenne JWHH nicht und werde auch die Israeliten nicht ziehen lassen!‘ In 10,16f. hat der Pharao JHWH endlich kennengelernt, und daß er die Israeliten nicht ziehen läßt, hat einzig seinen Grund darin, daß JHWH aktiv die Verhärtung des pharaonischen Herzens betreibt (10,20: ³¢° ¢ ¥±²¢¢©³ ¥²¥«±¥). Einige abschließende Bemerkungen verdient noch die Gestaltung der Fürbittenszene in Ex 10,18f. Der Verfasser kopiert das Schema aus 9,33, in dem JHWH auf Moses Fürbitte hin die Plage beendet, setzt aber eigene Akzente. Anstelle einer Schilderung der mosaischen Gestik wird in 10,18b nur knapp vermerkt, daß Mose bei JHWH Fürbitte geleistet habe (¥±³«¢ ¢), woran sich in 10,19 eine ausführliche Darstellung der Art und Weise anschließt, in der JHWH die Heuschrecken beseitigte.196 Derartiges ist in der Hagelplage ohne Parallele, was freilich primär sachbedingte Gründe hat, denn ein Hagelgewitter bietet keine Möglichkeiten für eine spektakuläre Beseitigung – es kann nur aufhören. Dagegen nutzte der Verfasser der Heuschreckenplage die Möglichkeit, die Heuschrecken auf dieselbe Weise zu beseitigen, wie sie gekommen waren: Er läßt JHWH die Heuschrecken durch einen starken Meerwind davontragen und ins Schilfmeer werfen (10,19a: ¬ª§¢«°³¢±³²¢§° ¦¢ ±¢£¢), womit ihnen das Schicksal zuteil wird, das in Ex 14 die ägyptische Streitmacht ereilen wird.197 Wird diese nach 14,28b restlos vom Meer verschlungen (¥ «¦±²©), so berichtet 10,19b in entsprechender Weise, daß nicht eine einzige Heuschrecke im gesamten Gebiet Ägyptens verblieb (±²©¥ ¦¢±¯§¥¥¤ ±).198 Die in 10,4 angekündigte und in 10,14 eingetretene Invasion des ¦¢±¯§¥ ist damit beendet.
196 Ohne Parallele bleibt ferner das Motiv einer vorherigen Ankündigung der Fürbitte und ihrer Konsequenzen durch Mose (Ex 9,31). Der Verfasser der Heuschreckenplage weicht schließlich auch hierin von der Hagelplage ab, daß er Mose nicht die Stadt verlassen, sondern ihn im Anschluß an 10,6b («±¦«§¯¢¨¢) vom Pharao hinausgehen läßt (10,18a: ¯¢ «±¦«§). Damit ist der Sprachgebrauch etabliert, der sich in den jüngeren Fürbittenszenen in Kap. 8 durchsetzen wird und der auch in 9,33 nachträglich eingetragen wurde. 197 Daß mit dem Schilfmeer nur das Gewässer aus Ex 14 gemeint sein kann, ist in Anbetracht der bereits für 10,12-15 festgestellten Orientierung am Meerwunderbericht, nicht zu bezweifeln. Zur literarhistorischen Verortung der ältesten Erwähnung des Schilfmeeres in 15,22 vgl. die Ausführungen unter VIII. 1. 198 Die Formulierung aus Ex 10,19b diente später dem Verfasser von 8,27b als Vorlage für die Beschreibung der restlosen Beseitigung des Ungeziefers ( ±²©¥). S.o., VI. 1.3.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
2.3. Die Finsternisplage (Ex 10,21-29) und die Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe (Ex 10,7-11; 12,31f.) An die Heuschreckenplage schließt sich in Ex 10,21-29 die Schilderung einer dreitägigen Finsternis an, die kaum noch als Plage im eigentlichen Sinn des Wortes bezeichnet werden kann, denn im Gegensatz zu den vorangehenden, immer verheerender werdenden Schlägen richtet die Finsternis keinerlei Schaden an.199 Die Finsternis stellt auch nicht wie die Plagen zuvor ein Instrument der Züchtigung dar, mit dem JHWH auf die Zurückweisung der Auszugsforderung durch den Pharao reagiert, vielmehr tritt sie ein, ohne daß überhaupt eine derartige Forderung gestellt wurde. Alleiniges Ziel der Finsternis ist es, einen Anlaß für die in 10,24-26 folgenden Verhandlungen zu geben, die ihrerseits nur die Fortsetzung der Verhandlungsszene in 10,7-11 bilden. Die ‚Finsternisplage‘ steht nicht in sich, sondern bildet den Mittelteil einer Bearbeitung der Heuschreckenplage und der Tötung der Erstgeburt, auf deren Ebene erstmals der Idee Ausdruck verliehen wurde, daß man nicht nur den Auszug zum JHWHDienst fordern, sondern auch über seine Modalitäten verhandeln konnte. Angestoßen werden die Verhandlungen in Ex 10,7 von den Hofbeamten des Pharao, die offenbar den Ernst der Lage erkannt haben. Sie wenden sich direkt nach dem Abgang des Mose (10,6b) an den Pharao und fragen mit schwer überhörbarem Unterton, wie lange ‚dieser da‘ den Ägyptern denn noch zum Fallstrick sein solle (10,7aĮ: ²°§¥ ©¥ ¢¢ ¢³§ «). Damit nehmen sie direkt auf die Frage des Mose Bezug, wie lange (¢³§«) der Pharao noch die Unterwerfung unter JHWH verweigern wolle (10,3a), und fordern hierauf wie Mose in 10,3b vom Pharao den einen Schritt, in dem die Unterwerfung manifest wird: ‚Laß die Leute gehen, damit sie JHWH, ihrem Gott, dienen‘ (10,7aȕȖ: ¢ ³ «¢ ¦¢²© ³ ¥² ¦¢¥). Zu Befürwortern des Auszugs werden die Hofbeamten des Pharao freilich nicht so sehr aus Gottesfurcht als vielmehr aus Furcht vor den von seiten JHWHs drohenden Konsequenzen, die dem Pharao ihres Erachtens bisher nicht hinreichend klar sind: ‚Hast du denn noch nicht erkannt, daß Ägypten verloren ist?‘ (10,7b: ¦¢±¯§ ¢¤ «³ ¦±¡). Der Untergang () Ägyptens ist nur aufzuhalten, wenn der Pharao den Auszug zum Gottesdienst («) gestattet. Es ist davon auszugehen, daß in diesem Wissen der Hofbeamten gerade die Furcht vor JHWH zum Ausdruck kommen soll, die Mose in 9,30 noch beim Pharao und seinen Hofbeamten vermißte, daß also beide Verse von derselben Hand stammen.200 Von Ex 9,30 her 199
Zur Sonderstellung der Finsternisplage innerhalb des Plagenzyklus vgl. GERTZ, Tradition, 163-166. 200 S.o., VI. 2.1. Von einem ‚noch nicht‘ (¦±¡) der Furcht vor JHWH bzw. Erkenntnis ist in der gesamten Exoduserzählung nur in Ex 9,30; 10,7 die Rede.
2.3. Finsternisplage (Ex 10,21-29) und Verhandlungen (Ex 10,7-11; 12,31f.)
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gelesen wird in 10,7 umso deutlicher, daß die Höflinge dem Pharao erneut einen Schritt voraus sind.201 Das Einschreiten der Hofbeamten hat zur Folge, daß man Mose und Aaron wieder vor den Pharao holt (Ex 10,8aĮ: ¥¨±³²§³²¢ «±), der daraufhin dem dringlichen Rat aus 10,7 entspricht und den Auzug zum Gottesdienst gestattet (10,8aȕȖ: ¢³«¤¥¦¢¥±§¢ ¦¤¢¥), allerdings noch wissen will, wer sich denn von den Israeliten auf den Weg mache (10,8b: ¦¢¤¥¢§¢§). Damit ist das Thema angeschlagen, um das sich die Verhandlungen in ihrem weiteren Verlauf ausschließlich drehen: Es geht um die Größe der Gruppe, die Ägypten verlassen darf, um JHWH zu dienen. Bereits die Antwort des Mose in 10,9 macht freilich klar, daß die Frage nicht verhandelbar ist. Man wolle mit Alt und Jung gehen (£¥©©¢©°©¢±«©), mit Söhnen und Töchtern, Schafen und Rindern (£¥© ©±° ©©¯ ©¢³© ©¢©), schließlich ziehe man zu einem Fest JHWHs (©¥ ¢¢ ¢¤). Was genau es mit diesem Fest auf sich hat, wird noch gesondert zu fragen sein. Auf die Ankündigung Moses, man wolle sich geschlossen mit Mensch und Vieh auf den Weg machen, weiß der Pharao nur mit einem höhnischen Kommentar zu reagieren (Ex 10,10a): ‚So gewiß sei JHWH mit euch, wie ich euch und eure Schwachen ziehen lasse!‘ ( ¥² ±²¤ ¦¤§«¢¨¤ ¢¢ ¦¤¡ ³ ¦¤³). Zum Auszug einer so dimensionierten Gruppe wird es keinen pharaonischen Segen geben, denn der Pharao argwöhnt einen bösen Hintersinn (10,10b: ¦¤¢© © «± ¢¤ ±). Wer will ihm garantieren, daß sich die Israeliten, wenn sie erst einmal geschlossen aufgebrochen sind, nicht einfach aus dem Staub machen? Um dies zu verhindern (¨¤¥), verfügt er in 10,11aĮ, nur die wehrfähigen Männer sollten sich auf den Weg zum Dienst JHWHs machen (¢³«¦¢±©¤¥), was faktisch ein Mitziehen all jener in 10,9 von Mose genannten und in 10,10 unter den Sammelbegriff ¬¡ gefaßten Personengruppen ausschließt. Nun fällt freilich auf, daß der Pharao mit keinem Wort auf das Vieh eingeht und mit den ¦¢± einer Gruppe den Aufbruch gestattet, die exakt zwischen den in Ex 10,9aȕ erwähnten ¦¢±«© und ¦¢©° zu stehen kommt. Kurz: Die Fortsetzung der Aufzählung mit Söhnen und Töchtern, Schafen und Rindern (10,9bĮ) scheint in 10,10a.11aĮ nicht zwingend vorausgesetzt zu sein, was den Verdacht eines Nachtrags erweckt, der weitere Nahrung dadurch erhält, daß die besagte Fortsetzung das Verb £¥© nach 10,9aȕ noch einmal wiederholt. Die Frage einer möglichen literarhistorischen Differenzierung innerhalb der in Ex 10,9 erwähnten Teile der Auszugsgruppe läßt sich nur unter Berücksichtigung des weiteren literarischen Kontextes beantworten, denn Schafe (¨¯) und Rinder (±°) kommen ebenso wie die wehrfähigen Män201
Vgl. die von derselben Hand geschaffene Szene in Ex 9,20f. sowie bereits die Erkenntnis der Wahrsagepriester in 8,15 (P).
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
ner (¦¢±) und der als ¬¡ bezeichnete Anhang (10,10a.11aĮ) noch einmal in 12,37b.38b vor, wo der Auszug eben jener Gruppen vermerkt wird. Die sprachlichen und sachlichen Bezüge zwischen beiden Passagen sind so eng, daß man von einer direkten literarischen Beziehung ausgehen muß, wobei die Annahme identischer Verfasserschaft in Anbetracht der jeweils anderen Akzentsetzung auszuschließen ist. Ex 12,37b.38b sind ganz auf die Größe der Auszugsgruppe (600.000 wehrfähige Männer ohne Anhang) und den reichen Viehbesitz der Israeliten fokussiert, wobei die Erwähnung des Anhangs allein als numerischer Multiplikator fungiert und die in 10,9bȕ.24-26 vorgesehene Verwendung des Viehs zu Opferzwecken keine Rolle spielt. Während nun Ex 12,37b.38b offenkundig nicht als Abschluß der in 10,8-11 beginnenden Verhandlungen über die Gruppengröße verfaßt wurden, sondern sachlich wie literarisch in sich stehen, sind eben jene Verhandlungen nur schwer ohne eine abschließende Angabe dazu vorstellbar, daß sich auch wirklich all jene auf den Weg machten, denen die Erlaubnis zu geben sich der Pharao schrittweise durchrang. Das literarhistorische Verhältnis zwischen den in 10,8-11 erzählerisch exponierten Verhandlungen und den Angaben zur Größe der Auszugsgruppe in 12,37b.38b stellt sich folglich so dar, daß die Verhandlungen mit Blick auf diese Angaben in die Exoduserzählung integriert wurden.202 Unter dieser Voraussetzung nun ist entschieden von einer literarkritischen Ausscheidung des Viehs in 10,9bĮ Abstand zu nehmen. Einmal ganz davon abgesehen, daß schwerlich einleuchten will, warum ein Ergänzer von der in 12,37b.38b vorgefundenen Doppelaussage in 10,7-11* nur den ersten Teil behandelt haben sollte, besteht vor allem das Problem, daß der in 12,37b vorausgesetzte Aufbruch von ¦¢± und ¬¡ in 10,10f. nur zur Hälfte vorbereitet wird. Ein Mitziehen des Anhangs (¬¡) gestattet der Pharao erst in der zweiten Verhandlungsszene (10,24), in deren Zentrum die Frage nach dem Vieh steht. Damit ist erwiesen, daß die Erwähnung des Viehs in 10,9bĮ nicht nachgetragen sein kann, denn nur hier stellt Mose die entsprechende Forderung, die in 10,2426; 12,32 als Verhandlungsgegenstand vorausgesetzt ist. Das im Vorgriff auf 12,37b.38b formulierte Nebeneinander von Mensch und Vieh ist in 10,9 ebenso ursprünglich203 wie die drei Etappen der Verhandlungen, die Gegen GERTZ, Tradition, 207, Anm. 77, der das literarhistorische Verhältnis umgekehrt bestimmt. Zu beachten ist überdies der Hintergrund in Gen 47,1aĮ, wo der Aufbruch einer ähnlich dimensionierten Gruppe nach Ägypten geschildert wird. 203 Um einen Nachtrag könnte es sich allerdings bei den zu Beginn von Ex 10,9bĮ erwähnten Söhnen und Töchtern (©³© ©¢©) handeln. Sie sprengen den exakten parallelismus membrorum zwischen den beiden Teilforderungen des Mose, werden im folgenden nicht mehr erwähnt und sind auch von 12,37b.38b her nicht gedeckt. Quelle des potentiellen Nachtrags könnte Dtn 16,14 sein, wo die Festfreude zuvorderst mit Söhnen und Töchtern in 202
2.3. Finsternisplage (Ex 10,21-29) und Verhandlungen (Ex 10,7-11; 12,31f.)
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Moses maximale Forderung schrittweise mit der in 12,37b.38b formulierten Realität zur Deckung bringen.204 In Ex 10,11aĮ ist man hiervon noch weit entfernt, denn der Pharao gestattet wie dargelegt nur den Aufbruch der wehrfähigen Männer, womit zwar den Bestimmungen zu den drei jährlichen Wallfahrtsfesten (Ex 23,17; Dtn 16,16) entsprochen wäre, aber lediglich die erste Hälfte der Auszugsnotiz in 12,37b (¦¢± ¢¥± ¬¥ ³§ ²²¤) abgedeckt ist. Er begründet dies in 10,11aȕ damit, daß es sich hierbei schließlich um das Ansinnen Moses und Aarons gehandelt habe (¦¢²°§¦³³¢¤), eine Aussage, die nur verständlich wird, wenn man die in 10,3b formulierte Auszugsforderung (¢©«¢¢§« ¥²) im Horizont des dringlichen Ratschlags der Diener liest, ‚diese Leute‘ ziehen zu lassen (10,7aȕȖ: ³ «¢ ¦¢²© ³ ¥² ¦¢¥¢). Der Pharao ergreift die Gelegenheit beim Schopf und erklärt die Leute (¦¢²©) zu Männern (¦¢±),205 womit er den Israeliten ein Ansinnen unterstellt, das diese, wie er selbst nur zu gut weiß, nie hatten. Die scheinheilige Begründung soll einen letzten Beweis für die Dreistigkeit des Pharao liefern, bevor Mose und Aaron in 10,11b vor dem Angesicht des Pharao vertrieben werden («± ¢© ³§ ¦³ ²±¢). Das vollständige Zerwürfnis in 10,28f. klingt hier bereits an (Stichwort «±¢©). Die Verhandlungen setzen sich in Ex 10,24 anläßlich einer dreitägigen Finsternis fort, von deren Eintreten in 10,21-23 die Rede ist. Der Plagenbericht ahmt strukturell das Darstellungsschema der beiden vorangehenden Plagen (Hagel und Heuschrecken) nach, reduziert dieses aber auf seine wesentlichen Elemente. Wie in 9,22 (vgl. 10,12) soll Mose auf JHWHs Geheiß seine Hand zum Himmel ausstrecken (10,21aĮ: ¢±§¢ ¦¢§²¥«£¢¡©²§¥), damit nun eine Finsternis über Ägypten komme (10,21aȕ: ¦¢±¯§ ®± ¥« £² ¢¢).206 Mose führt den Auftrag ohne Umschweife aus (10,22a: ¦¢§²¥«¢ ³ ²§ ¡¢),207 und eine tiefschwarze Finsternis kommt für drei Tage über ganz Ägypten (10,22b: ¥£² ¢¢ ¦¢§¢ ³²¥² ¦¢±¯§ ®± ¥¤). Die Frage nach JHWHs Beteiligung an den Ereignissen wird im Unterschied zur Hagel- und Heuschreckenplage nicht mehr gestellt, was auch daran liegt, daß die Finsternis primär Mittel zum Zweck ist, um den Pharao dazu zu bringen, die in 10,7-11 zunächst geVerbindung gebracht wird. Das Begriffscluster ³¨ ist abgesehen von Ex 10,9 alttestamentlich nur hier bezeugt. 204 Vgl. Zur Zusammengehörigkeit der Verhandlungsszenen vgl. auch GERTZ, Tradition, 163 (mit weiterer Literatur). 205 Vgl. CASSUTO, Commentary, 126. Anders JACOB, Buch Exodus, 238, der bereits in der Rede der Diener nur Männer bezeichnet sieht. 206 Zu Ex 10,21b s. im folgenden. 207 Im Unterschied zur Hagel- und Heuschreckenplage (Ex 9,23; 10,13) ist die textliche Bezeugung der Hand in 10,22 stabil (vgl. auch 4QpaleoExodm VII,29). Eine nachträgliche Ersetzung durch den Stab fand nicht statt. Vgl. die ausführliche Argumentation unter VI. 2.1.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
scheiterten Verhandlungen wieder aufzunehmen. Die dreitägige Finsternis ist lediglich das Ausrufezeichen, das die erzählerische Motivation für den Verhandlungsteil bildet, auf dem das eigentliche Interesse des Verfassers liegt (10,24-29). Wie genau sich die Wiederaufnahme der Verhandlungen in Ex 10,24 zeitlich zum Eintritt der dreitätgigen Finsternis verhält, ist allerdings nicht ganz klar. Meist wird angenommen, der Pharao habe Mose nach dem Ende der Finsternis rufen lassen, doch wird dies in 10,24 explizit nicht gesagt, sondern ist aus 10,23a erschlossen, demzufolge die Mobilität während der drei Tage vollständig zum Erliegen kam (²¢§°¥¢ ³²¢±¥ ¦¢§¢ ³²¥² ¢³ ³§). Daß diese Aussage „wegen ihrer Allgemeinheit mit Sicherheit auch für die Sendboten des Pharaos [gilt],“208 wird man nicht bestreiten können, es bestehen allerdings Zweifel an ihrer Ursprünglichkeit, denn die unnötige Wiederholung der Zeitangabe ¦¢§¢ ³²¥² aus 10,22b läßt bei 10,23a an eine nachträgliche Verschärfung denken.209 Daß der Verfasser gleich zweimal auf die dreitätige Dauer der Finsternis hingewiesen, aber ausgerechnet den Verhandlungsbeginn in 10,24 zeitlich in der Schwebe gelassen haben sollte, will nicht recht einleuchten.210 Scheidet man hingegen 10,23a nebst dem sich ebenfalls als Nachtrag erweisenden 10,23b211 aus, so ergibt sich die naheliegende Konsequenz, daß die Verhandlungen in den Zeitraum der dreitägigen Finsternis fallen. Das ist nicht nur erzählerisch plausibel, sondern spiegelt auch eine planvolle Gesamtanlage der drei Verhandlungsteile: Deren erster kommt in 10,7-11 vor der Heuschreckenplage zu stehen, der zweite während der dreitägigen Finsternis (10,24-28), und das vollständige Einlenken des Pharao ereignet sich im Anschluß an die Tötung der Erstgeburt (12,32a). Bereits des öfteren wurde darauf hingewiesen, daß die Finsternisplage einen erzählerischen Anknüpfungspunkt in der direkt vorangehenden Plagenschilderung hat, wo es heißt, die Erde hätte sich durch die Heuschrecken verfinstert (Ex 10,15aĮ2: ®±£² ³).212 Die Finsternisplage ist demgegenüber deutlich als Steigerung zu erkennen, doch wird man hieraus
208
GERTZ, Tradition, 165. Ebenso CASSUTO, Commentary, 130; HOUTMAN, Exodus II,
124. 209 So auch LEVIN, Jahwist, 338. Anders GERTZ, Tradition, 163-166, dem Ex 10,21-27 als literarisch einheitliche Schöpfung der Endredaktion gelten. 210 Ein einfaches ¢«¢±¦¢¢¢ wäre zu Beginn von Ex 10,24 ein Leichtes gewesen. 211 Die Postulierung einer Ausnahmesituation an den Wohnsitzen der Israeliten (Ex 10,23b) liegt auf derselben literarischen Ebene wie 11,7 und ist damit jünger als der Grundbestand der Auszugsverhandlungen. Vgl. den Exkurs zur Entwicklung des Verschonungsmotivs unter VI. 1.4. 212 Zur Diskussion der von g und 4QExodC III,18 bezeugten Variante (®±³ ²³) vgl. die Ausführungen unter VI. 2.2.
2.3. Finsternisplage (Ex 10,21-29) und Verhandlungen (Ex 10,7-11; 12,31f.)
247
nicht auf eine literarhistorisch jüngere Bildung schließen dürfen.213 Ex 10,15aĮ2 liefert wie zuvor 10,5aȕ eine nachträgliche Explikation der in beiden Versen vorangehenden Angabe, die Heuschrecken hätten ‚das Auge der Erde bedeckt‘, erweist sich aber als jüngere Weiterentwicklung, die die in 10,5aȕ gegebene Erklärung (‚man kann die Erdoberfläche nicht sehen‘) mit dem Bild eines fliegenden und damit die Sonne verfinsternden Heuschreckenschwarmes ausmalt.214 Da diese Motivik erst im Zusammenhang mit der Finsternisplage eine positive Funktion erhält, liegt es nahe, daß die Notiz in 10,15aĮ2 auf den Verfasser der Finsternisplage zurückgeht,215 der das aus 10,5aȕ entwickelte Finsternismotiv in der Heuschreckenplage verankerte und damit die beiden Plagen miteinander verklammerte, in denen die Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe ihren Anfang nehmen. Die Auswirkungen der dreitägigen Finsternis wurden von einem nochmals späteren Bearbeiter weiter ausgemalt,216 von dem neben 10,23a auch die enigmatische Notiz in 10,21b217 stammen könnte.218 Unter dem Eindruck der Finsternis läßt der Pharao Mose rufen und gestattet wie schon in 10,8a den Aufbruch zum Gottesdienst (10,24a: ±°¢ ¢ ³ « ¤¥ ±§¢ ²§ ¥ «±). Die Bedingungen folgen in 10,24b und sind geschickt so formuliert, daß die einzige Einschränkung (10,24bĮ) verklausuliert zwischen zwei Zusagen (10,24abȕ) zu stehen kommt: Nur Schafe und Rinder sollen zurückbleiben (¯¢ ¦¤±° ¦¤©¯ °±), doch darf nun auch der menschliche Anhang mit aufbrechen (¦¤§«£¥¢¦¤¡¦), was faktisch der in 12,37b geschilderten Sachlage entspricht. Dies stellt in der Tat einen Fortschritt gegenüber der ersten Verhandlungsszene dar, in der 213 So etwa L. SCHMIDT, Beobachtungen, 47, und im Anschluß an diesen W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 438. 214 Daß der Finsternis darüber hinaus ein tieferer Sinn beigemessen wurde, etwa als „räumlich [...] und zeitlich [...] begrenzte Wiederholung der Gen 1,2 geschilderten Finsternis“ (W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 438), ist weder eine notwendige noch eine hinreichend beweisbare Annahme. Zu weiteren in der Forschungsgeschichte diskutierten Deutungen vgl. die Übersicht bei HOUTMAN, Exodus II, 121f. 215 So auch GERTZ, Tradition, 163f.395, der die betreffenden Passagen allerdings ohne die hier vertretenen literarhistorischen Differenzierungen auf die Endredaktion zurückführt. 216 Erneut wird man an den Bearbeiter denken dürfen, der im Licht von Ex 9,15f.; 10,2 an verschiedenen Stellen die Auswirkungen der Plagen verschärfte (7,19bȕ.28bȕ; 8,13aȖb*.14b. 17bȕ; 10,12bȕ). 217 Zu möglichen Übersetzungen von Ex 10,21b (£² ²§¢) vgl. die Diskussion bei JACOB, Buch Exodus, 291f. („und wesenhaft sei es Finsternis“); HOUTMAN, Exodus II, 122f. („a darkness so thick that one can only grope one’s way around“). Als alttestamentliche Parallelen kommen am ehesten Dtn 28,29; Hi 12,25 in Betracht. 218 Man beachte allerdings, daß Ex 10,21b in 4QpaleoExodm VII,29 fehlt. Grund hierfür dürfte am ehesten ein Schreiberirrtum (Parablepsis) sein (LEMMELIJN, Plague, 187, im Anschluß an SANDERSON, Exodus Scroll, 147f.), wenngleich man auch die Möglichkeit nicht kategorisch ausschließen kann, daß der Schreiber den Halbvers noch nicht vorfand.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
der Pharao ein Mitziehen des Anhangs (¬¡) noch untersagt hatte (10,10f.), doch ist der Forderung des Mose aus 10,9 immer noch nicht zur Gänze entsprochen, denn in der Frage des Viehs (12,38b) herrscht nach wie vor Uneinigkeit. Hatte der Pharao auf das Ansinnen Moses in 10,10f. mit größter Arroganz reagiert, so ist nun in 10,25 Mose ein spöttischer Kommentar vorbehalten: ‚Wirst etwa du uns Schlacht- und Brandopfer in die Hand geben, daß wir sie JHWH unserem Gott darbringen?‘ (¨³³ ³ ¦ ©¢¥¢¥©¢²«³¥«¦¢ ©¢).219 Das ist kaum der Fall, weshalb es schon die eigenen Viehbestände sein müssen. Mit der rhetorischen Frage in Ex 10,25 wird wieder das Thema der Festbegehung ( ) angeschlagen, das Mose bereits zu Beginn der Verhandlungen ins Spiel gebracht hatte (10,9). Es steht auch im Zentrum von 10,26 und begründet die Notwendigkeit der restlosen Mitnahme des eigenen Viehbesitzes ‚bis auf die letzte Klaue‘ (10,26aĮ:±²³¥©§«£¥¢©©°§¦ ª±). Vom eigenen Vieh müsse man nehmen, um JHWH zu dienen (10,26aȕȖ: ©¢¥¢³«¥ °©©§§¢¤), doch wisse man nicht, womit man JHWH dienen solle, bis man ‚dorthin‘ komme (10,26b: «©¥© © §² © « ¢ ³ «© §). Es ist also nicht möglich, einen Teil des Viehs zurückzulassen, da gerade dieser für das Opfer erforderlich sein könnte. Ex 10,25f. begründen somit lückenlos die vollständige Mitnahme des israelitischen Viehbesitzes und lassen dem Pharao keinerlei Spielraum, um sich der Forderung argumentativ zu entziehen. Seine Unnachgiebigkeit wird in 10,27 konsequenterweise nicht aus den Verhandlungen begründet, sondern auf die Verstockung durch JHWH zurückgeführt: Wie in 10,20a verhärtet JHWH das Herz des Pharao (10,27a: «± ¥ ³ ¢ ° ¢), so daß dieser die Israeliten nicht ziehen lassen will (10,27b: ¦ ¥²¥¥). Die im Plagenzyklus singuläre Formulierung der Verstockungsaussage mit verweist in dtr Milieu und findet ihre deutlichste Parallele in Dtn 2,30, wo Sihons Weigerung ( ¥), die Israeliten sein Territorium durchqueren zu lassen, ebenfalls auf JHWHs Wirken zurückgeführt wird. Zielt der gottgewirkte Unwillen Sihons auf dessen militärische Niederlage, so dient das Motiv im Rahmen der in Ex 10 geführten Verhandlungen der Über219 Zur Übersetzung von Ex 10,25 als rhetorischer Frage vgl. NOTH, ATD 5, 50; JACOB, Buch Exodus, 292f.. Dagegen verstehen FUSS, Pentateuchredaktion 251; FLOSS, Jahwe dienen, 223f.; HOUTMAN, Exodus II, 125-127, den Vers mit den meisten Übersetzungen als Forderung des Mose, wofür besonders die syntaktische Verknüpfung von 10,25 (¨³³³¦ ³¥«¦¢ ©¢) mit dem Folgevers (©§«£¥¢©©°§¦) geltend gemacht wird. Die sich ergebende zweiteilige Forderung (‚sowohl du wirst uns mit Opfern versorgen, als auch unser Vieh wird mitziehen‘) ist aber im Rahmen der Auszugsverhandlungen ebenso singulär wie unplausibel, denn beim Einlenken des Pharao (12,31f.) hat der vermeintliche erste Teil keinen Niederschlag gefunden. Es führt also nichts an der Übersetzung von 10,25 als rhetorischer Frage vorbei, der bei einer Auffassung des ¦ als emphatischer Partikel (JACOB, a.a.O., 293) auch grammatikalisch nichts im Weg steht.
2.3. Finsternisplage (Ex 10,21-29) und Verhandlungen (Ex 10,7-11; 12,31f.)
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leitung zur Tötung der Erstgeburt, die den Pharao davon überzeugen wird, der Maximalforderung Moses aus 10,9 ohne Einschränkungen nachzugeben und auch das Vieh mit den Israeliten ziehen zu lassen (12,32a). Wenn in Ex 10,27b davon die Rede ist, daß der Pharao die Israeliten nicht ziehen lassen will (¦ ¥²¥ ¥), so werden hiermit die vorangehenden Weigerungen ( ¥² ¥) aufgenommen und zu einem Abschluß geführt, der eine Fortsetzung der Plagensequenz in der bisherigen Weise ausschließt. Die Zäsur wird durch 10,28 unterstrichen, wo der Pharao seiner in 10,27 konstatierten Verweigerungshaltung einen letzten Ausdruck dadurch verleiht, daß er Mose zum Gehen auffordert (¢¥«§ £¥) und ihm eine Rückkehr unter Androhung des Todes untersagt (³±¬ª³¥£¥±§² ³§³ ¢© £³± ¦¢ ¢¤ ¢©). Die zustimmende Reaktion des Mose in 10,29 (£¢© ³± « ¬ª ¥ ³± ¨¤) zementiert das finale Zerwürfnis, das sich bereits am Ende der ersten Verhandlungsszene (10,11b) in der Vertreibung Moses und Aarons «± ¢© ³§ angedeutet hatte. Die Klimax zwischen den beiden Abschlußaussagen in 10,11b.28f. sowie ihre terminologische Verknüpfung über das Angesicht (¦¢©) des Pharao sprechen für eine planvolle Gestaltung durch den Ergänzer der Verhandlungsblöcke in 10,711.21-29*. Dagegen scheitert die immer wieder vertretene Annahme, in 10,28f. liege ein älterer Übergang zur Tötung der Erstgeburt vor, bereits daran, daß die Szene die Anwesenheit des Mose beim Pharao voraussetzt, was allein durch 10,21-27* erzählerisch gedeckt ist. Mose befindet sich am Ende keiner der vorangehenden Plagenschilderungen in der Nähe des Pharao. Wie unter VI. 2.4. näher zu zeigen ist, geht auch die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt in Ex 11,4-8* auf den Verfasser von 10,7-11.21-29* zurück, der hier die aus seiner Feder geflossene Erlaubnis des Auszugs mit Mensch und Vieh (12,31.32a) antizipiert. Auf diese Weise ist der in 10,9* von Mose vorgebrachten Forderung zur Gänze entsprochen und die ältere Notiz zur Größe der Auszugsgruppe (12,37b.38b) mit einem Einlenken des Pharao verknüpft, durch das seine Niederlage nochmals eine neue Dimension gewinnt. Damit ist freilich nur ein Aspekt der Bearbeitungsschicht benannt, denn die Verhandlungen zielen nicht allein darauf, das Einverständnis des Pharao für den Auszug jeder Teilgruppe zu erwirken, sondern haben mit dem Motiv des Opferfestes (10,9bȕ.25f.) einen deutlichen Überschuß, der über den Moment des Auszugs (12,37b.38b) hinausweist. Ziel ist wie bereits in den Auzugsforderungen der vorpriesterschriftlichen Plagen der Gottesdienst am Sinai (3,12b; 24,4-8), auf den Mose in 10,26b mit der Aussage anspielt, man wisse nicht, womit man JHWH dienen («) solle, bis man ‚dorthin‘ (§²) komme. Obgleich der Pharao hier über den genauen Ort des Gottesdienstes im Unklaren gelassen wird und in 10,10b einen bösen Hintersinn argwöhnt, bleibt das Motiv des Opferfestes als
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Vorwand fehlbestimmt. Erst ein Späterer sollte es zu einem reinen Täuschungsmanöver weiterentwickeln, indem er Mose und die Ältesten den Wunsch äußern läßt, einen Dreitagesmarsch in die Wüste anzutreten, um dort JHWH ein Opfer darzubringen (3,18b; 5,3). Derlei Spitzfindigkeiten sind dem Ergänzer der Auszugsverhandlungen in Ex 10,7-11.21-29*; 12,31f. noch fremd, dem es einzig darum geht, einen Zusammenhang zwischen den Angaben zur Größe der Auszugsgruppe (12,37b.38b) und dem Motiv des JHWH-Dienstes herzustellen. Indem er den besagten Dienst in 10,9bȕ als Wallfahrtsfest JHWHs (¢ ) einführt,220 begründet er einerseits den Aufbruch aller Israeliten, während er andererseits die Mitnahme des Viehs mit den anstehenden Schlacht- und Brandopfern (10,25: ³¥« ¦¢ ) zu erklären weiß. Im Blick sind exakt jene Opfer, die in 24,5 von den Israeliten dargebracht werden (³¥« ¥«¢ ¢¥¦¢§¥²¦¢ ¢).221 Das Motiv des Opferfestes erweist sich damit als reine schriftgelehrte Bildung, was allen überlieferungsgeschichtlichen Spekulationen von vornherein den Boden entzieht. 2.4. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11) Ex 11 gliedert sich in drei Teile (11,1-3.4-8.9f.), von denen die ersten beiden ausdrücklich auf die Tötung der Erstgeburt vorausblicken, während der letzte in 11,10 mit einem Rückblick auf die Erfolglosigkeit der zuvor von Mose und Aaron gewirkten Zeichen schließt. Da Ex 11,1-3.4-8 ebenso auf den Vorkontext des Plagenzyklus angewiesen sind wie 11,10 auf die Fortsetzung mit den priesterschriftlichen Passabestimmungen in 12,1ff., ist evident, daß Kap. 11 in keinem seiner Bestandteile je etwas anderes war als ein erzählerisches Scharnier zwischen Ex 7-10 und Ex 12.222 In seiner vorliegenden Gestalt ist das Kapitel freilich nicht einheitlich, sondern das Ergebnis eines längeren Entstehungsprozesses. Klammert man den priesterschriftlichen Abschlußvers Ex 11,10 sowie die im Hinblick auf ihn formulierte Aussage in 11,9 zunächst einmal aus, so verbleiben eine JHWHRede in 11,1-3 und eine Moserede in 11,4-8, die allerdings in keinem organischen Zusammenhang zueinander stehen. Ex 11,1-3 übermitteln nicht etwa den göttlichen Auftrag zu der in 11,4-8 folgenden Ankündigung der Tötung der Erstgeburt vor dem Pharao, sondern sind an die Israeliten Das Lexem begegnet im Rahmen der Exoduserzählung nur noch in den Bestimmungen zum Mazzotfest (12,14; 13,6), wobei der zuletztgenannte Vers dem Verfasser von 10,9 bereits vorgelegen haben könnte; s.u., VII. 2.2. 221 Die beiden Opferarten werden im Horizont der vorderen Sinaiperikope abgesehen von Ex 24,5 nur noch in 18,12 erwähnt, wo sie von Jitro dargebracht werden. Der Vers scheidet allerdings als Anknüpfungspunkt von 10,25 aus, da er mit den literarisch jüngeren Bearbeitungen in Ex 3f. zusammenhängt. Vgl. die Ausführungen unter IX. 222 Vgl. LEMMELIJN, Setting, 446. 220
2.4. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11)
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gerichtet, denen hier durch Mose Anweisungen zuteil werden, die das Ausplündern der Ägypter ermöglichen. Umgekehrt haben Ex 11,1-3 keinerlei Spuren in 11,4-8 hinterlassen, trennen aber die dortige Moserede vor dem Pharao von ihrem Vorkontext in 10,28f., der die in 11,4-8 vorausgesetzte Redesituation begründet.223 Damit ist deutlich, daß es sich in 11,1-3 um einen jüngeren Einschub handeln muß.224 Der nach der Ausscheidung von Ex 11,1-3 in 10,28f.; 11,4-8 verbleibende Textzusammenhang muß nun freilich nicht ursprünglich sein. Dagegen spricht vor allem, daß 11,4aĮ (²§ ±§¢) unnötigerweise die Redeeinleitung aus 10,29 wiederholt und daß der wutentbrannte Abgang des Mose in 11,8b (¬ ¢± «± ¦«§ ²§ ¯¢) nach der Erklärung desselben, er werde dem Pharao nicht mehr unter die Augen kommen (10,29b), zunächst verspätet wirkt. Da sich das erstgenannte Gegenargument leicht entkräften läßt – 11,4aĮ könnte mit 11,1-3 nachgetragen sein, um den unterbrochenen Erzählfaden wieder aufzunehmen –, verdient vor allen Dingen das letztgenannte nähere Betrachtung. Dabei erweist sich die oft vertretene Einschätzung, es handele sich in 10,28f.; 11,8b um eine erzählerische Dublette,225 als irrtümlich. Ganz im Gegenteil wäre die Ankündigung des Mose, dem Pharao nicht mehr unter die Augen zu kommen (10,29), ohne die Abtrittsnotiz in 11,8b erzählerisch defizitär, und dies umso mehr, da die gesamte Verhandlungssequenz in Ex 10 durch Notizen zu Moses Abtritt bzw. Rauswurf strukturiert ist (10,6b.11b). Ex 11,8b ist das dritte Glied in dieser Kette und fügt sich perfekt in den klimaktischen Aufbau der Szene, insofern Moses rauchender Zorn die passende Reaktion auf das in 10,28f. vom Pharao initiierte Zerwürfnis darstellt. Nimmt man den organischen Zusammenhang ernst, in dem Ex 11,8b zum Scheitern der Verhandlungen in 10,28f. steht, so ist davon auszugehen, daß die Aussagen auf derselben literarischen Ebene liegen. Für die Moserede in 11,4-8a hat dies die Konsequenz, daß der Abschnitt entweder gleichursprünglich ist oder aber einen Einschub in den ehemals direkten Textzusammenhang zwischen 10,28f.; 11,8b darstellt. Damit handelt es sich bei der Ankündigung der Tötung der Erstgeburt in 11,4-8a auf jeden Fall um einen späten Zusatz zum Plagenzyklus, ein Ergebnis, das der landläufigen Auffassung, die Verse seien integraler Bestandteil des vorpriesterschriftlichen Erzählbestandes, diametral entgegensteht. Diese Auffassung 223
Vgl. etwa W.H. SCHMIDT, BK.AT II/2, 458f. Die verschiedentlich vertretene Auffassung, den literarischen Kern von Ex 11,4-8 bilde eine ursprünglich vor den Israeliten gehaltene Rede, die erst nachträglich zu einer Rede vor dem Pharao umgearbeitet worden sei, hat den Kontext klar gegen sich und setzt voraus, daß eine entsprechende Redeeinleitung verloren ging. Gegen NOTH, ATD 5, 73; LAAF, Pascha-Feier, 7f.; WEIMAR/ZENGER, Exodus, 25.37; OTTO, Erwägungen, 12f.; KOHATA, Jahwist, 122-124. 224 Vgl. grundlegend GERTZ, Tradition, 170-180. 225 So etwa LEVIN, Jahwist, 339.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
erweist sich nun schon deshalb als höchst problematisch, weil sie auf die Rekonstruktion eines Textzusammenhangs angewiesen ist, der weder lückenlos erhalten, noch erzählerisch plausibel ist. Da die Moserede in 11,4-8 ohne 10,28f. nicht lebensfähig ist, jene Verse aber ihrerseits ohne die Verhandlungsszene in 10,21-27 in der Luft hängen, ist man gezwungen, das Zerwürfnis in 10,28f. an 9,13f. anzuschließen, wobei zwischen 9,14 und 10,28 eine knappe Notiz ausgefallen sein müßte, die Moses Auftreten vor dem Pharao vermerkte.226 So hätte Mose dem Pharao gemäß 9,14 zunächst angekündigt, JHWH werde dieses Mal alle seine Schläge in sein Herz senden, woraufhin dieser mit dem endgültigen Abbruch der Gespräche reagiert hätte (10,28f.), was dann in 11,4-8 die Voraussage der Tötung der Erstgeburt ausgelöst hätte. Das Gezwungene dieser Rekonstruktion erhellt nicht zuletzt daraus, daß die Ankündigung in 9,14 folgenlos bleibt, was im Rahmen des Plagenzyklus singulär wäre. Die Reduktion des Verses auf einen bloßen Anlaß zum Zerwürfnis in 10,28f. wird kaum seinem Sinnpotential gerecht, das in der direkten Ausrichtung der Schläge auf das Herz des Pharao einen engen Zusammenhang mit der in 10,1 greifbaren Sinnlinie erkennen läßt. Ex 9,14 hat als programmatische Ankündigung die folgenden Plagen im Blick und fällt für den vorpriesterschriftlichen Textzusammenhang ebenso aus227 wie das Zerwürfnis in 10,28f.; 11,8b, das von vornherein als Abschluß der Verhandlungssequenz in Kap. 10 konzipiert wurde. Die Annahme, am Ende der vorpriesterschriftlichen Plagen habe ein derartiger Bruch stehen müssen, hat ohnehin wenig für sich, denn hier kommt es weder zu irgendwelchen Verhandlungen, noch spielt die Begegnung zwischen Mose und dem Pharao eine zentrale Rolle in den Darstellungen, die vom Auftrag, die Plage anzukündigen, direkt in den Plagenbericht übergehen und mit einer Notiz zur Verstockung des Pharao schließen. Aus diesem dem vorpriesterschriftlichen Plagenzyklus eigentümlichen Schema, das einen Bericht vom Auftritt des Mose vor dem Pharao vermissen läßt, fällt die Tötung der Erstgeburt auf jeden Fall heraus. Begreift man Ex 11,4-8 als Nachtrag, so wäre der letzte Schlag ohne Ankündigung eingetroffen,228 zählt man die Verse hingegen zum Grundbestand, so würde hier erstmals ausdrücklich von der Übermittlung der Plagenankündigung berichtet. Beides wäre im Rahmen der vorpriesterschriftlichen Plagen singulär, was einen in der Frage der literarhistorischen Einordnung von 11,4-8 natürlich nicht weiter bringt. Nun wurde mit den Problemen, die sich mit der Rekonstruktion eines vorpriesterschriftlichen Textzusammenhangs in 9,13f.; 10,28f.; 11,4-8 stellen, bereits ein gewichtiges Argument Vgl. GERTZ, Tradition, 178f. Vgl. die ausführliche Argumentation unter VI. 2.1. 228 So schon MCCARTHY, Plagues, 148. 226 227
2.4. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11)
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gegen die Ursprünglichkeit der Moserede in 11,4-8 angeführt. Wie abschließend zu zeigen ist, können auch ihre in 11,4b-6a vorhandenen Übereinstimmungen mit dem vorpriesterschriftlichen Bericht über die Tötung der Erstgeburt in 12,29f. eine gemeinsame Verfasserschaft nicht begründen. Zwar bestehen wörtliche Übereinstimmungen zwischen beiden Passagen, doch sind gleichzeitig charakteristische Unterschiede unübersehbar, die nach einer Erklärung verlangen. Bereits der Vergleich der Ankündigung in Ex 11,4b.5 mit dem ihm korrespondierenden Teil des Plagenberichts in 12,29 fördert auffällige Unterschiede zutage. Dabei springt zuallererst die Ersetzung der Erstgeburt des Gefangenen (12,29aȕȖ: ± ³¢ ±² ¢² ±¤ «) durch die der Magd (11,5aȕ: ¦¢ ±± ±² ²±¤«) ins Auge, die jedoch literarkritisch nicht überzubewerten ist, da hier auch ein Fall gestalterischer Freiheit vorliegen könnte. Weitaus signifikanter ist die Tatsache, daß es in 11,4b.5aĮ1 heißt, JHWH werde gegen Mitternacht (¥¢¥ ³¯ ¤) inmitten Ägyptens ausziehen (¦¢±¯§ £³ ¯¢ ¢©), woraufhin alle Erstgeburt Ägyptens sterben werde (¦¢±¯§ ®± ±¤ ¥¤ ³§), während in 12,29aĮ1-2 berichtet wird, JHWH habe um Mitternacht (¥¢¥ ¢¯ ¢¢) alle Erstgeburt Ägyptens geschlagen (¦¢±¯§ ®± ±¤ ¥¤ ¤ ¢).229 Der eigentümliche Befund, daß die Ankündigung einerseits die präzise Zeitangabe aus 12,29 durch das vage ‚gegen Mitternacht‘ ersetzt, andererseits aber den Schlag JHWHs erzählerisch ausmalt, erklärt sich auf Anhieb, wenn man erkennt, daß in Ex 11,4f. neben 12,29 auch der priesterschriftliche Text 12,12aĮ im Blick ist. Die dortige Ankündigung JHWHs, Ägypten ‚in dieser Nacht‘ zu durchschreiten (¥¢¥¦¢±¯§®±¢³±«), ist die Schablone, nach der der Verfasser von 11,4f. den Bericht aus 12,29 rekonfiguriert. So wird aus der exakten Zeitangabe ¥¢¥ ¢¯ ein ¥¢¥ ³¯ ¤ und aus einem unspezifischen Schlag eine Bewegung JHWHs durch Ägypten mit tödlichen Folgen.230 Diese Bewegung JHWHs unterscheidet sich nun allerdings darin von der in Ex 12,12a angekündigten, daß in 11,4b nicht vom Durchschreiten Ägyptens, sondern vom Hinausziehen (¯¢) JHWHs in die Mitte Ägyptens (¦¢±¯§ £³) die Rede ist. Die eigentümliche Formulierung spielt offensichtlich mit Exodusvokabular, wobei der Befund seine Brisanz dadurch erhält, daß der Pharao in 12,31 die Israeliten mit den identischen Worten 229 Von den tödlichen Folgen dieses Schlages ist erst in Ex 12,30b die Rede, der in der Ankündigung in Kap. 11 keine Entsprechung findet. 230 Daß die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt in Ex 11,4b.5 im Vorgriff auf die priesterschriftliche Voraussage des Ereignisses in Ex 12 formuliert ist, geht im übrigen auch daraus hervor, daß ihre Einleitung als JHWH-Rede (11,4aȕ: ¢±§¤) im Unterschied zu den vorpriesterschriftlichen Belegstellen in 7,16f.26; 8,16 nicht in einen entsprechenden Redeauftrag eingebettet ist. Die in 12,1 beginnende JHWH-Rede ist vorausgesetzt.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
zum Auszug auffordert (¢§«£³§¯§°). Die Parallele ist kaum zufällig, sondern deutet darauf hin, daß die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt in 11,4b gezielt auf das Einlenken des Pharao anspielt, zu dem eben jener finale Schlag führt. Weil JHWH in die Mitte Ägyptens hinauszieht und die Erstgeborenen tötet, gestattet der Pharao den Israeliten in 12,31, aus der Mitte seines Volkes auszuziehen. Dieses intertextuelle Beziehungsgeflecht zwischen 11,4b und 12,31 bildet zudem strukturell die programmatische Ankündigung in 7,5aȕb nach, JHWH werde seine Hand über die Ägypter ausstrecken (Tötung der Erstgeburt) und die Israeliten aus ihrer Mitte herausführen. Bezeichnenderweise findet die Verbindung des Lexems ¯¢ mit der Ortsangabe £³§ in 7,5b ihre einzige weitere Belegstelle im Hexateuch.231 Die notierten Bezüge der Ankündigung in Ex 11,4f. zu den in ihrer vorliegenden Gestalt nachpriesterschriftlichen Versen 7,5; 12,12a sowie zu der nachpriesterschriftlichen Auszugserlaubnis in 12,31 bestätigen die Einschätzung, daß besagte Ankündigung nicht zum Grundbestand der Plagenzyklus gehört. Daß 11,4b auf 12,31 Bezug nimmt, paßt dagegen exakt zur redaktionsgeschichtlichen Positionierung des Abschnitts 11,4-8a im Horizont des in 10,28f.; 11,8b greifbaren Abbruchs der Verhandlungen, deren Verfasser sich auch für die uneingeschränkte Auszugserlaubnis in 12,31.32a verantwortlich zeigt. Der durch 11,4b etablierte intertextuelle Vorverweis auf 12,31 markiert damit exakt den Punkt im Folgekontext, an dem die Verhandlungen mit der uneingeschränkten Auszugserlaubnis des Pharao doch noch ein erfolgreiches Ende finden, und fügt sich auf diese Weise nahtlos in die Erzählintention der Bearbeitung ein, die in Ex 10-12 die Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe integrierte. Dies deutet darauf hin, daß die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt als Teil eben dieser Bearbeitung anzusprechen ist. Nimmt man einen ursprünglichen Textzusammenhang zwischen Ex 10,28f.; 11,4-8* an, so ergibt sich allerdings der erklärungsbedürftige Befund, daß 11,4b wie die Verhandlungen insgesamt auf die letzte Begegnung mit dem Pharao abzielen (12,31.32a), eine solche aber nach der Erklärung des Mose, dem Pharao nicht mehr unter die Augen kommen zu wollen (10,29), eigentlich ausgeschlossen erscheint. Da 10,28f. nach obiger Analyse für den Grundbestand des Plagenzyklus ausfallen und den Vorkontext in 10,21-27* voraussetzen, besteht das skizzierte Problem natürlich auch ohne 11,4-8*. Es besteht genau genommen selbst dann, wenn man annimmt, 10,21-27 seien dem Zerwürfnis in 10,28f. erst nachträglich vorgeschaltet worden, denn die beiden letztgenannten Verse erweisen sich in jedem Fall als widerständiges Element innerhalb der dreigeteilten Ver231
In eindeutigem Zusammenhang mit dem Exodus ist die Begriffsverbindung noch in 1 Kön 8,51; Ps 136,11 belegt.
2.4. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11)
255
handlungssequenz, die erst in 12,32a ihr Ziel findet. Die Schwierigkeit löst sich freilich mit einem Schlag, wenn man von der Möglichkeit Gebrauch macht, die negierte Imperfektform in 10,29 nicht als feste Voraussage, sondern als Willenskundgebung des Mose zu interpretieren:232 ‚Ganz wie du sagst (³± ¨¤); ich habe nicht vor, dir noch länger vor die Augen kommen!‘ (£¢©³±«¬ª¥).233 So verstanden, schließt der Vers nicht aus, daß es ein weiteres Zusammentreffen mit dem Pharao geben wird, sondern nur, daß dieses auf Moses Betreiben zustande kommt. Legt man die vorgestellte Interpretation von Ex 10,29 zugrunde, so steht der Vers nicht in Spannung zu 12,31.32a, sondern kommt im Gegenteil neben 11,4b als weiterer intertextueller Vorverweis auf die dort erteilte Auszugserlaubnis in den Blick. In der Ankündigung des Mose, nicht mehr vor den Pharao kommen zu wollen (10,29), klingt gerade das Wissen darum mit, daß es in 12,31 der Pharao selbst ist, der Mose nebst Aaron ein letztes Mal zu sich rufen läßt, um den Auszug zu gestatten. Somit deutet 10,29 keinen Widerspruch im Verhalten des Mose an, sondern hebt gerade auf das eklatante Mißverhältnis ab, in dem das herrische Gebaren des Pharao in 10,28 zu seiner vollkommenen Demütigung in 12,31.32a steht. Er wird sehen, was er von seiner gegen Mose ausgesprochenen Todesdrohung hat, die ohne Folgen verhallt und sich gerade als böses Omen für das eigene Volk erweist. Hier klingt an, was Mose in 11,4-8 ankündigt und was schließlich in 12,29 auf furchtbare Weise eintreten wird: die Tötung der ägyptischen Erstgeborenen. Der Szenenschluß in Ex 10,28f.; 11,4-8* erweist sich nach den bisherigen Ausführungen als geschickt auf den Folgekontext in Ex 12 angelegte Komposition, die auf den scharfen Kontrast zwischen dem Wissen des Mose und der Verheerung stiftenden Macht JHWHs auf der einen und der pharaonischen Ignoranz und Ohnmacht auf der anderen Seite abhebt. Teil desselben Aussagennexus bildet auch die Ankündigung in 11,8a, mit der die Moserede schließt: Nach der Tötung der Erstgeburt würden alle Hofbeamten des Pharao zu Mose herabkommen (¢¥¥£¢«¥¤±¢), sich vor ihm niederwerfen (¢¥ ³²) und ihn anflehen, mit den Israeliten auszuziehen (£¢¥±±²¦«¥¤³¯) – ‚und danach werde ich ausziehen‘ (¯¨¤¢± ). Hierbei geht es offensichtlich nicht um die Voraussage der in Ex 12 eintretenden Ereignisse, denn das in 11,8a Angekündigte bleibt dort ohne Entsprechung. Ziel ist es vielmehr, die Ansage des Pharao aus 10,28 beim Wort zu nehmen und ihm die Konsequenzen vor Augen zu führen, die seine Verweigerungshaltung hätte. Nicht er, sondern seine Hofbeamten würden sich Mose zu Füßen werfen und um den Auszug bitten, womit sie sich erneut gegenüber dem Pharao als überlegen erwiesen. 232 233
Hierzu BERGSTRÄSSER, Grammatik II, 35f. Ebenso CASSUTO, Commentary, 131.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Entsprechend ihrem Vorsprung an Einsicht, der die Verhandlungen in 10,7 überhaupt ins Rollen bringt, wird in 11,8a ein hypothetischer Gehorsamsvorsprung der Hofbeamten postuliert, durch den die Ereignisse auch dann zum vorgesehenen Ziel kämen, wenn der Pharao seiner Haltung aus 10,28 treu bliebe und als Gesprächspartner ausfiele. Hierzu wird es bekanntermaßen nicht kommen. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Pharao und seinen Hofbeamten zieht sich wie ein roter Faden durch die Bearbeitungsschicht, die die Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe einführte. Das Thema klingt erstmals in Ex 9,30 an, wo sich der ägyptische Herrscher und seine Höflinge noch auf Augenhöhe befinden, und rahmt in 10,7; 11,8a die zunächst ergebnislos endenden Verhandlungen. Mit dem Vorausblick auf das mögliche Handeln der ¦¢« endet in 11,8a die letzte Rede des Mose vor dem Pharao, hinter der 11,8b einen eindrucksvollen Schlußpunkt setzt: Der zornige Abgang des Mose besiegelt nach der Ankündigung des ultimativen Schlages (11,4-8a*) das Zerwürfnis aus 10,28f., wobei besagte Ankündigung einst nahtlos die Replik des Mose in 10,29 fortsetzte. Die neuerliche Redeeinleitung in 11,4aĮ (²§ ±§¢) ist nach 10,29 unnötig und dient der Wiederaufnahme des durch 11,1-3 unterbrochenen Erzählfadens. Zum literarischen Grundbestand der Moserede in Ex 11,4-8 gehören nach den bisherigen Ausführungen die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt in 11,4aȕb.5 sowie die Voraussage in 11,8a. Dabei paßt die eingangs notierte Ersetzung der nach 12,29aȕȖ getöteten Erstgeburt des Gefangenen durch die der Magd (11,5aȕ) recht gut zu der Fokussierung des Bearbeiters auf den ägyptischen Hof, die in der Gegenüberstellung des Pharao und seiner Hofbeamten zutage tritt. Nun fällt beim Blick auf die Kette der Geschädigten ferner auf, daß die Ex 12,12aȕ P234 Rechnung tragende Ausweitung des Schlages auf die Erstgeburt des Viehs in 11,5b j ebenso nachklappt wie in 12,29b (§ ±¤ ¥¤). Interessanterweise bieten aber mit b und g zwei gewichtige Textzeugen eine alternative Lesart zu 11,5b (§¥¤±¤«), in der sich die Konstruktion aus 11,5a (±¤§ ±¤«) fortsetzt. Wiewohl es sich hierbei um die glattere Lesart handelt, spricht doch für ihre Priorität, daß es schwer vorstellbar erscheint, ein Bearbeiter hätte nachträglich die Syntax der Ankündigung in 11,5 verbessert, die im korrespondierenden Ausführungsbericht 12,29 hingegen unverändert gelassen. Eher wird man annehmen müssen, daß j 11,5b nachträglich wieder an 12,29b anpaßte. Die in j bezeugte Übereinstimmung von 11,5b mit 12,29b spricht mithin weniger für eine sekundäre Angleichung zweier vorpriesterschriftlicher Verse (11,5a; 12,29a) an P235 als vielmehr für späte 234 Ex 12,12aȕ erweist sich als Zusatz aus der Feder des für den priesterschriftlichen Wunderwettstreit verantwortlichen Bearbeiters; vgl. die Ausführungen unter VII. 2.1. 235 So etwa KOHATA, Jahwist, 118.
2.4. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11)
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Harmonisierunsbemühungen in einem gewachsenen Textzusammenhang.236 An die Aufzählung der Geschädigten (Ex 11,5) schließt sich in 11,6 eine Beschreibung der Reaktion der Ägypter an, die auf 12,30aȕ zielt. Das dort berichtete große Geschrei (¦¢±¯§¥°«¯ ¢³) wird hier auf ganz Ägypten ausgedehnt (¦¢±¯§®±¥¤¥°«¯³¢) und nach dem Vorbild von 10,14b als in der Vergangenheit unüberboten und in der Zukunft unüberbietbar dargestellt (¬ª³¥§¤³¢©¥§¤±²). Erkennt man, daß die Ankündigung in 11,4-8* nachpriesterschriftlich ist, so entfällt auch die Notwendigkeit, diese literarkritisch unverdächtige Aussage zur Einmaligkeit des Geschreis als Nachtrag auszuscheiden. Der Verfasser orientierte sich bei der in 11,6b gewählten Formulierung an 10,14b und verortete die Tötung der Erstgeburt ebenso in einem ‚historischen‘ Bezugsrahmen, wie dies zuvor mit Blick auf die Hagel- und Heuschreckenplage geschehen war. Des Nachtrags verdächtig ist nicht 11,6, sondern vielmehr 11,7, denn der Vers führt mit der Verschonung der Israeliten einen Nebengedanken ein, der den organischen Zusammenhang zwischen dem überaus großen Geschrei der Ägypter (11,6) und der Reaktion der Hofbeamten (11,8a) unterbricht. Man wird daher nicht erst 11,7b, der durch den abrupten Personenwechsel ohnehin aus der Moserede herausfällt,237 sondern den gesamten Vers als Zusatz ansprechen müssen, der die Verschonung der israelitischen Erstgeburt als Beweis dafür anführt, daß JHWH einen Unterschied zwischen Ägypten und Israel macht238 (11,7bȕȖ: ¨¢¢¥¢±² ¥±²¢¨¢¦¢±¯§).239 236 Selbst wenn sich Ex 11,5b j als ursprünglich erwiese, wäre damit natürlich noch kein vorpriesterschriftlicher Ursprung von 11,5a belegt, denn der Verfasser von 11,5 hätte die gewachsene Syntax aus 12,29 schlicht nachahmen können. 237 Im Unterschied zum Vorkontext ist in Ex 11,7b von JHWH nicht mehr in der ersten, sondern in der dritten Person die Rede. Zudem wird in j eine Gruppe angesprochen (¨«§¥ ¨«³), wohingegen mit g und b in der an den Pharao adressierten Rede eigentlich ein ¨«§¥ «³ zu erwarten wäre. Letztere Beobachtung ist literarkritisch allerdings nicht überzubewerten, da j wie schon in 11,5b erneut die sekundäre Lesart bezeugen könnte (nachträgliche Ausweitung der Erkenntnisaussage auf die Ägypter). 238 Das Unterscheidungsmotiv wurde von derselben Hand auch in Ex 10,23b ergänzt; vgl. den Exkurs unter VI. 1.4. 239 Dagegen nimmt GERTZ, Tradition, 178, an, die vorpriesterschriftliche Ankündigung der Tötung der Erstgeburt habe mit der Voraussage in Ex 11,7aĮ geendet, gegen die Israeliten werde nicht ein Hund seine Zunge spitzen (©²¥¥¤®± ¢¥¥±²¢¢©¥¤¥). Das Motiv, das in ähnlicher Weise nur noch in Jos 10,21 begegnet, steht jedoch im vorpriesterschriftlichen Darstellungszusammenhang vollkommen isoliert und findet im Bericht von der Tötung der Erstgeburt in 12,29 keinen Nachhall. Vorausgesetzt ist vielmehr der von P in 12,1-13* eingeführte Schutzritus, der in der Verschonungsaussage 11,7 hyperbolisch aufgenommen und mit der Unterscheidungsthematik verbunden wird. Eine Isolierung von 11,7aĮ vom Folgekontext ist künstlich.
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Zum Grundbestand der letzten Moserede vor dem Pharao gehören somit Ex 11,4aȕb.5f.8. Älter ist in Ex 11 abgesehen von der priesterschriftlichen Abschlußnotiz in 11,10 allein die dieser nachträglich vorgeschaltete JHWH-Rede in 11,9. Der Vers greift das Leitwort ³§ aus 11,10 auf und erklärt die Unnachgiebigkeit des Pharao (11,9aȕ: «±¦¤¢¥«§²¢¥) als Mittel zum Zweck, damit der Wunder JHWHs in Ägypten noch mehr werden (¦¢±¯§®± ¢³§³±¨«§¥). Das Motiv ist lediglich ein weiteres Mal bezeugt, und zwar in der programmatischen Ankündigung in 7,3, JHWH werde das Herz des Pharao schwer machen, um so seine Zeichen und Wunder in Ägypten zu vermehren (³ ¢³¢± «± ¥ ³ ²° ¢© ¦¢±¯§ ®± ¢³§ ³ ¢³³). Die sprachlichen und inhaltlichen Gemeinsamkeiten zwischen 7,3; 11,9 sowie die gezielte Einschaltung der Verse in die priesterschriftlichen Rahmenstücke des Plagenzyklus lassen keinen Zweifel daran, daß hier ein und derselbe Bearbeiter am Werk war.240 Dieser formuliert in 7,3 eine Leitperspektive, die den priesterschriftlichen Gedanken des Erweiswunders aufgreift und mit Blick auf die folgenden Plagen radikalisiert. Alles, was bis 11,10 folgt, dient einzig dem Erweis der Wundermächtigkeit JHWHs, wovon mit 7,4 P kategorisch die Tötung der Erstgeburt zu unterscheiden ist, durch die JHWH den Auszug erzwingt. Der konkrete Umfang des in Ex 7,3 anvisierten Plagenzyklus erschließt sich aus der Rede von JHWHs Zeichen und Wundern (¢³§³ ¢³³³). Während letzterer Begriff dem priesterschriftlichen Wunderwettstreit entstammt (7,9; 11,10), hat ersterer seinen Ursprung in der Heuschreckenplage (10,1). Der Verfasser von 7,3 kombiniert gezielt die Leitworte aus dem Stabwunder Aarons (7,9) und der Heuschreckenplage (10,1) und nimmt auf diese Weise den zwischen beiden Ereignissen aufgespannten Plagenzyklus in den Blick.241 Mit dem Ende der Heuschreckenplage (10,20) ist damit auch der ursprüngliche Anknüpfungspunkt für die Notiz in 11,9 definiert, die den in 7,3 angelegten Faden an 11,10 zurückbindet. Hatte der Ergänzer durch 7,3 die in 7,4 P folgende Ankündigung, der Pharao werde nicht auf Mose und Aaron hören («±¦¤¢¥«§²¢¥), mit dem Hinweis auf die Vermehrung der Wunder JHWHs begründet, so greift er nun in 11,9aȕ eben jene Ankündigung noch einmal auf (¦¤¢¥«§²¢¥ «±), um ihr in 11,9b den nämlichen Hinweis nachzustellen (³± ¨«§¥ 240 Vgl. grundlegend GERTZ, Tradition, 181f.252-254, der die Verse der Endredaktion zuweist. Dagegen konnte schon unter V. 1. gezeigt werden, daß der für Ex 7,3; 11,9 verantwortliche Bearbeiter seine Spuren nur noch in 7,5aȕb hinterlassen hat. 241 Der Rückblick auf die von JHWH in Ägypten gewirkten ‚Zeichen‘ (³³) und ‚Wunder‘ (¦¢³§) hat in einer Reihe später dtr Passagen seinen festen Platz gefunden (Dtn 4,34; 6,22; 7,19; 26,8; 29,2; 34,11; Jer 32,20f.; Neh 9,10; Ps 78,43; 135,9). Dabei steht, anders als etwa von KOHATA, Jahwist, 121, angenommen, nicht Ex 7,3 in dtr Tradition, sondern die besagten dtr Belegstellen setzen ihrerseits das Zusammenwachsen der Begriffsverbindung in Ex 7,3 voraus.
2.4. Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 11)
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¦¢±¯§ ®± ¢³§). Der Blick ist dabei nicht resümierend in die Vergangenheit, sondern vielmehr eindeutig in die Zukunft gerichtet, denn es werden weitere Wunder (¦¢³§) angekündigt. Das Eintreffen dieser Ankündigung vermeldet die ältere Rahmennotiz in 11,10 (³²«¨±²§ «± ¢©¥ ¥ ¦¢³§ ¥¤), die durch 11,9 von den Plagen in Ex 7-10 abgekoppelt wird und sich zum Ausführungsbericht eben jener Ankündigung weiterer Wunder wandelt. Die in 7,3 prophezeite Vermehrung der Wunder JHWHs setzt sich gemäß 11,9f. auch nach der Heuchreckenplage in numerisch nicht spezifizierter Weise fort, bis in Ex 12 schließlich der eine finale Schlag folgt. Dieser finale Schlag, die Tötung der Erstgeburt, steht auch im Zentrum von Ex 11,1-3, die nachträglich in den Zusammenhang zwischen 10,29; 11,4-8* eingeschoben wurden. Die Verse gliedern sich in eine JHWHRede (11,1-3a) und eine Notiz zum hohen Ansehen des Mose (11,3b), wobei die JHWH-Rede ihrerseits zweigeteilt ist. Den Auftakt bildet eine Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (11,1), an die sich in 11,2.3a Anweisungen zur Ausplünderung der Ägypter anschließen, die den Auftrag aus 3,21f. aufnehmen. Wie unter III. 2.4. dargelegt, ziehen Ex 11,2.3a die in 12,35f. berichtete Ausplünderung nachträglich vor die Tötung der Erstgeburt, da in der Konsequenz der Ankündigung aus 11,1b, der Pharao werde das Volk aus dem Land vertreiben (§¦¤³²±¢²±¥¤ ¥²¤), keine Zeit blieb, sich Preziosen zu ‚leihen‘. In 11,1b vorausgesetzt ist die entsprechende Ankündigung der Vertreibung aus 6,1b, wo das Motiv seinen literarischen Ursprung hat. Während aber die Doppelaussage in 6,1b (‚durch eine starke Hand gezwungen wird er sie entlassen, ja durch eine starke Hand gezwungen wird er sie sogar aus seinem Land vertreiben‘ – ¢¤ ¯±§¦²±¢° ¢¦ ¥²¢° ¢) ursprünglich ist, wurde die Ankündigung der Vertreibung in 11,1b erst nachträglich an die in 11,1a vorangehende Voraussage der Entlassung angeschlossen. Dies zeigt sich daran, daß diese Voraussage in 11,1bĮȕ noch einmal umständlich aufgenommen wird (¥¤ ¥²¤ – ‚wenn er euch endlich entläßt‘), um dann in 11,1bȖ unter Wiederholung der Ortsangabe aus 11abȕ als Vertreibung präzisiert zu werden.242 Ex 11,1b wurde nachträglich vom Verfasser von 11,2.3a an 11,1a angeschlossen, der in 11,1b das Problem exponiert, das er in 11,2.3a durch die Vordatierung der Ausplünderung löst. Die Wiederholung der Ortsangabe § fehlt in Ex 11,1b g, was nach LEMMELIJN, Plague, 190, für die Priorität dieser Variante spricht, im Vergleich zu der 11,1b j (und b) als harmonisierende Angleichung an 11,1a zu bewerten seien, wo die Versionen einvernehmlich das § bezeugen. Es ist aber doch recht fraglich, ob sich die ungelenke Wiederholung der Ortsangabe als Harmonisierung plausibel machen läßt. Naheliegender erscheint es, die von g bezeugte Textvariante als nachträgliche Glättung aus stilistischen Gründen zu interpretieren. Wesentliche Konsequenzen für den redaktionskritischen Befund in 11,1 ergeben sich allerdings auch im gegenteiligen Fall nicht. 242
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Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
Mit Ex 11,1b-3a fällt auch die hieran angeschlossene Notiz zum hohen Ansehen des Mose (11,3b) einer späteren Wachstumsstufe zu, so daß für den Grundbestand des Einschubs in 11,1-3 allein die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt in 11,1a verbleibt. Der Halbvers hat die globale Ankündigung aus 3,20 zum Hintergrund, JHWH werde Ägypten mit all seinen Wundern schlagen (¢³¥© ¥¤ ¦¢±¯§ ³ ¢³¢¤), woraufhin der Pharao die Israeliten entlassen werde (¦¤³ ¥²¢ ¨¤ ¢± ). Die Voraussage wird in 11,1a aufgegriffen und an die Situation am Ende des Plagenzyklus angepaßt: Noch einen Schlag wird JHWH über den Pharao und die Ägypter kommen lassen (¦¢±¯§ ¥««± ¥« ¢ «© «) und so die erstmals in 3,20 angekündigte Entlassung erzwingen (¦¤³ ¥²¢ ¨¤ ¢± §).243 Seinen expliziten Rückbezug auf 3,20 teilt 11,1a mit 9,15, wo die Frage nach dem Grund für das Eintreten immer neuer Plagen aufgeworfen wird. Hieß es in 9,15, JHWH hätte längst den Pharao und sein Volk (£³ £§« ³) mit der Pest schlagen und vertilgen können, dies aber zur Vermehrung seiner Machttaten unterlassen (9,16; 10,2.6a), so kündigt derselbe Bearbeiter in 11,1a an, daß der Zeitpunkt für den finalen Schlag gegen den Pharao und sein Volk Ägypten (¦¢±¯§¥««±¥«) schließlich gekommen ist. Von derselben Hand stammt auch die Redeeinleitung in 11,4aĮ (±§¢ ²§), die wieder zum unterbrochenen Faden der Moserede vor dem Pharao überleitet. An die Ankündigung des letzten Schlages in Ex 11,1a hat sich wie bereits dargelegt der Abschnitt in 11,1b-3a angelagert, der die Entlassung als Vertreibung in den Blick nimmt und die Ausplünderung der Ägypter vordatiert. In der Endgestalt von 11,1-3a folgt damit wie in 3,20.21f. das Plünderungsmotiv auf eine Ankündigung der Entlassung, wobei letztere an das Vertreibungsmotiv aus 6,1 angepaßt wurde. Daß JHWH dem Volk Gunst in den Augen der Ägypter verleiht (11,3a: ¢©¢«¦«¨ ³¢¨³¢ ¦¢±¯§), bot schließlich einem letzten Ergänzer die Gelegenheit zu erwähnen, daß auch Mose in Ägypten äußerst hohes Ansehen genoß (11,3bĮ: ¦ ¦¢±¯§ ®± § ¥ ²§ ²¢),244 und zwar sowohl in den Augen der Hofbeamten des Pharao als auch in den Augen des ägyptischen Volkes (11,3bȕ: ¦« ¢©¢« «± ¢« ¢©¢«). Die Notiz hat den in 11,8a ange-
243 Eine mit ¨¤¢± eingeleitete Voraussage der Entlassung ( ¥²) ist lediglich in Ex 3,20; 11,1a belegt. Dabei hat der Verfasser von 11,1a seine Vorlage in 3,20 um die Ortsangabe § erweitert, die sich aus der priesterschriftlichen Abschlußnotiz in 11,10 (¯±§) speist (vgl. 6,11; 7,2). 244 In ähnlichen Worten wird in Num 12,3 auf Moses unvergleichliche Demut abgehoben (§¢©¥«±²¦¥¤§§©«²§²¢). Die Wortverbindung ²§²¢ ist alttestamentlich sonst nicht mehr bezeugt.
2.5. Ergebnis
261
kündigten Kniefall der Hofbeamten im Auge245 und will vor diesem Hintergrund für ein rechtes Verständnis von 11,3a Sorge tragen: Daß JHWH den Israeliten hier beim ägyptischen Volk Gunst verschafft, läßt keine Rückschlüsse auf ein mangelndes Prestige des Mose zu, denn wenn selbst die Hofbeamten des Pharao vor ihm niederfallen, genoß Mose natürlich auch in den Augen des einfachen Volkes ein entsprechendes Ansehen. 2.5. Ergebnis In Ex 9,13-11,10 finden sich keinerlei vorpriesterschriftliche Textanteile, sondern der älteste Bestand liegt in 11,10 vor (I), der als Abschluß des priesterschriftlichen Wunderwettstreits unmittelbar auf 9,12 folgte. In den Zusammenhang zwischen den beiden Versen wurde in 9,13.17-19.22*. 23aĮ1b.24aĮb.25a.35a zunächst der Grundbestand der Hagelplage eingeschrieben. Sie bildet ein Gegenstück zur Nilpest, die in 7,14-23* den ersten Teil des Plagenzyklus eröffnet, und entwickelt aus der dort angelegten Wassermetaphorik einen sintflutartigen Hagelschlag gegen Mensch und Vieh, der das Leben derer gefährdet, die im unmittelbaren Anschluß von der Tötung der Erstgeburt betroffen sind (12,12a). Der Hagelschlag wird von einem späteren Bearbeiter (III) zu einem Hagelgewitter ausgestaltet, unter dessen Eindruck der Pharao darum ersucht, Mose möge Fürbitte leisten, um der Plage ein Ende zu setzen (9,23aĮ2ȕ.27aĮȕ1.28a.29. 33abĮ*). Das Fürbittenmotiv hat hier innerhalb des Plagenzyklus seinen Ursprung. Es war dem Verfasser der Heuschreckenplage bereits bekannt, der das Ersuchen um Fürbitte um ein Sündenbekenntnis des Pharao erweiterte (10,1*.3-5aĮbĮ.6b.12abĮ.13f.15*.16*.17-20), das er in 9,27aȕ2b. 33bȕ.34* auch in die Hagelplage integrierte.246 Teil derselben Schicht (IV) sind ferner die Zusätze zu 9,22b und in 9,25bĮ, die den Hagelschaden auf das Feldgetreide ausweiten und damit den Anknüpfungspunkt für die Heuschrecken definieren, die mit dem Kraut des Landes nun auch das letzte verbleibende Grün vernichten. Die im Grundbestand der Heuschreckenplage verankerte Zeichenterminologie (³) wurde von einem späteren Bearbeiter mit dem priesterschriftlichen Wunderbegriff ³§ kombiniert und dem Plagenzyklus in 7,3.5aȕb als Leitperspektive vorangestellt, die von derselben Hand in 11,9 wieder abschließend eingeholt wird (V). Während der so geschaffene RahVgl. LEVIN, Jahwist, 338. Dagegen findet KNAUF, Midian, 129, in Ex 11,3b den Bestandteil einer Exoduserzählung, der die Plagen noch fremd gewesen seien. Eine derartige Theorie hat nicht nur die literarischen Verhältnisse in Ex 11 klar gegen sich. 246 Auf dieselbe Hand oder einen späteren Bearbeiter geht auch die terminologische Anpassung der Fürbittenszene in 9,33* an den Wortlaut aus 10,18 zurück (Ergänzung von ¦«§ «±). 245
262
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
men die Vermehrung der göttlichen Wundertaten als Programmatik des Plagenzyklus definiert, läßt der für 9,14aĮb verantwortliche Bearbeiter (VI) diese Definition nur noch für den ersten Teil des Zyklus gelten, der sich mit dem priesterschriftlichen Wunderwettstreit deckt. Im Unterschied dazu stellt er den zweiten Teil des Zyklus exklusiv unter die Leitperspektive der gegen den Pharao gerichteten Schläge JHWHs (¢³§). Der Zusatz in 9,14aĮb läßt sich gut mit der relativen Chronologie im ersten Teil des Plagenzyklus korrelieren, denn er nimmt auf 8,6 Bezug und setzt damit die terminierte Fürbitte in der Froschplage voraus, die sich in einem zweischrittigen Prozeß aus der Fürbittenszene der Heuschreckenplage entwickelt hat. Eine exakte Bestimmung des weiteren redaktionsgeschichtlichen Horizontes ist auch bei 9,14aȕ möglich, der die Schläge JHWHs nachträglich auf die Hofbeamten und das Volk ausweitet. Derselbe Bearbeiter hat auch in 7,28bĮ; 8,5a*.7aȕ.17a*.20aȕ* seine Spuren hinterlassen und bemüht sich darum, die erstmals in der Fürbittenszene der Ungezieferplage (8,25a.27a) erwähnte Personenkonstellation auch sonst im Plagenzyklus zu verankern. Nun ist mit der ersten Erwähnung der Hofbeamten in Ex 8 bereits die Existenz der Auszugsverhandlungen in Ex 10 vorausgesetzt, wo diese ihren ursprünglichen Ort haben, weshalb 9,14aȕ jünger sein muß (VIII) als die besagten Verhandlungen, die folglich als Schicht VII notiert werden. Bei Schicht VII handelt es sich um eine umfängliche Bearbeitung des zweiten Teils des Plagenzyklus, auf die wie erwähnt in Ex 9,20f.30.34*. 35b; 10,1bĮ* die ältesten Erwähnungen der Hofbeamten des Pharao entfallen. Der Ratschlag der Hofbeamten läßt den Pharao in Verhandlungen darüber eintreten, wer von den Israeliten zu einem JHWH-Fest ausziehen darf, wobei er am Ende der dreigliedrigen Verhandlungsszene (10,7-11.24-29; 12,31f.) der Maximalforderung eines Auszugs von Mensch und Vieh vorbehaltlos entspricht.247 Damit wird erstmals überhaupt in der Entwicklung der Exoduserzählung der Auszug gestattet, ebenso wie Mose in 11,4aȕb.5f.8 erstmals die Tötung der Erstgeburt ankündigt und damit den zweiten Teil der Verhandlungen beschließt. Dieser Teil wird erzählerisch von der Finsternisplage getragen, deren Grundbestand in 10,21a.22 eigens zu diesem Zweck geschaffen wurde. Sie wurde von demselben Bearbeiter durch einen Zusatz zu 10,15aĮ mit der Heuschreckenplage verknüpft und hat ihrerseits wahrscheinlich 10,5aȕ zum Hintergrund, wo die metaphorische Beschreibung, der Heuschreckenschwarm habe ‚das Auge der Erde bedeckt‘ (10,5aĮ), nachträglich dahingehend erläutert wird, daß man die Erde nicht mehr habe sehen können. Da das redak247 Im Licht der Verhandlungen wurde auch das Sündenbekenntnis des Pharao in Ex 10,16 nachträglich auf Mose und Aaron ausgeweitet. Der Zusatz (¦¤¥) ist Teil derselben Bearbeitungsschicht.
2.5. Ergebnis
263
tionsgeschichtliche Verhältnis zwischen 10,5aȕ und den Schichten V und VI nicht eindeutig ist, läßt sich die Position des Nachtrags in der relativen Chronologie nur näherungsweise bestimmen (IV+[IV-VII]). Die weiteren Entwicklungen in Ex 9,13-11,10 erschließen sich erneut unter Berücksichtigung der redaktionellen Prozesse im ersten Teil des Plagenzyklus. So ist 9,28b (IX) Bestandteil der jüngeren, in 3,20 exponierten Verhandlungen über einen Auszug zu einem vermeintlichen Opfer in der Wüste, die sich in 8,4b.21b-24a.25b an die schon fertig entwickelten Fürbittenszenen der Frosch- und Ungezieferplage angelagert haben. Im Horizont der Ankündigung aus 3,20 liegt neben 8,18 auch der analoge Verweis auf die Verschonung Gosens in 9,26 (X), aus dem dann in 10,23b; 11,7 das Motiv einer Unterscheidung zwischen Ägyptern und Israeliten erwachsen ist (XI). Die Entwicklung findet ihren Abschluß mit der Viehpest (9,1-7), die der Ergänzer von 9,15f. seinerseits voraussetzt und als Drohkulisse gegen die Ägypter aufbietet. Die beiden Verse formulieren im Verbund mit 10,2.6a die theologische Programmatik einer Bearbeitungsschicht (XII), die dem Verdacht entgegentritt, die lange Plagensequenz beweise in Wahrheit nur JHWHs Unfähigkeit, den Auszug zu erwingen. Daß dem nicht so ist, will der Bearbeiter zeigen, indem er den einzigen Zweck der Plagen darin definiert, JHWHs Macht vor den Israeliten wie vor der ganzen Welt kundwerden zu lassen. Von derselben Hand stammen auch die Verschärfungen der Plagenfolgen in 10,12bȕ.21b(?).23a sowie die Ankündigung in 11,1a (mit 11,4aĮ), wonach nun wirklich der letzte Schlag gegen die Ägypter ansteht, nach dem der Pharao die Israeliten entlassen wird. Da die Entlassung in Ex 6,1 als Vertreibung akzentuiert wird, zieht ein weiterer Bearbeiter (XIII) in 11,1b-3a die Ausplünderung der Ägypter (3,21f.; 12,35f.) vor die Tötung der Erstgeburt und verschafft so den Israeliten genügend Zeit für ihr Vorhaben. Nochmals jünger ist die knappe Notiz in 11,3b (XIV), die Moses hohes Ansehen in Ägypten vermerkt. In eine vergleichbare Entwicklungsphase wie die beiden letztgenannten Schichten fallen auch die Aufnahme der fruchttragenden Bäume auf die Speisekarte der Heuschrecken (Zusätze zu 10,15 = XII+) sowie das sich hieraus entwickelnde Motiv einer kompletten Vernichtung der Bäume durch Hagel und Heuschrecken (9,25bȕ; 10,5bȕȖ = XII++), die 10,12bȕ (XII) zum Hintergrund haben, sich aber nicht mit den Zusätzen in 11,1b-3a.3b korrelieren lassen. Eine präzise redaktionsgeschichtliche Positionierung erweist sich schließlich auch im Fall von 9,31f. als unmöglich. Sicher ist lediglich, daß der seltsam deplazierte Nachtrag zum Stand der Ernte die Heuschrekkenplage voraussetzt, deren Verfasser erstmals den Hagelschaden auf das Getreide ausweitete. Ex 9,31f. werden daher als Schicht IV+ notiert.
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
264
Übersicht: Die Entwicklung des Plagenzyklus II (Ex 9,13-11,10) II
9,13: Auftakt zur Hagelplage 9,14aĮb: Die folgenden Plagen als gegen den Pharao gerichtete Schläge JHWHs (ĸ Ex 8,6)
VI
VIII
9,14aȕ: Ausdehnung auf Hofbeamte und Volk (= Ex 7,28bĮ; 8,5a*.7aȕ.17a*.20aȕ*) XII
9,15f.: Gegen den Ohnmachtsverdacht (ĸ Ex 6,1)
II
9,17-19: Ankündigung des Hagelschlags und Warnung an den Pharao 9,20f.: Ein Teil der Hofbeamten leistet der Warnung Folge.
VII
II
9,22(bis §): JHWH beauftragt Mose, das Zeichen zum Hagelschlag gegen Mensch und Vieh zu geben. 9,22b(nur ¦¢±¯§®±²²«¥¤¥«): Ausdehnung des Hagelschadens auf das Feldgetreide
IV
II
9,23aĮ1b: Mose streckt die Hand aus, und JHWH bringt Hagel über Ägypten. III
II
9,23aĮ2ȕ: Stilisierung als Hagelgewitter
9,24aĮb: Beschreibung des Hagelschlags III+
II
9,24aȕ: Das umherzuckende Feuer (ĸ Ez 1,4)
9,25a: Der Hagel tötet Mensch und Vieh auf dem Feld. IV
9,25bĮ: Vernichtung des Feldgetreides 9,25bȕ: Die Bäume auf dem Feld werden zerbrochen. (ĸ Ex 10,15; = Ex 10,5bȕȖ)
XII++
X
III
9,27aĮȕ1: Der Pharao läßt Mose und Aaron rufen ... IV
III
9,26: Die Verschonung Gosens (= Ex 8,18)
9,27aȕ2b: ... bekennt seine Sünde ...
9,28a: ... und ersucht um Fürbitte. 9,28b: Verknüpfung mit den Verhandlungen aus Ex 8 (= Ex 3,16-20*; 5,3f.*; 8,4b.21b-24a.25b)
IX
III
9,29: Mose kündigt an, außerhalb der Stadt Fürbitte zu leisten. 9,30: Die mangelnde Gottesfurcht des Pharao und seiner Hofbeamten
VII
2.5. Ergebnis IV+
265
9,31f.: Zum Stand der Ernte
9,33a*(ohne «±¦«§)bĮ: Moses Fürbitte beendet das Hagelgewitter.
III
IV(+)
9,33a(nur «±¦«§): Angleichung an Ex 10,18
IV
9,33bȕ: Das Ende des Regens (ĸ 1 Sam 12,17f.)
IV
9,34*(bis ¥): Der Pharao fährt fort zu sündigen. 9,34(nur ¢«): Einbeziehung der Hofbeamten in die Verstockungsnotiz
VII
II
9,35a: Das Herz des Pharao bleibt hart. VII IV
9,35b: Angleichung an die Voraussage in Ex 9,30
10,1abĮ(ohne ¢«¥³)ȕ: Auftakt zur Heuschreckenplage 10,1bĮ(nur ¢«¥³): Einbeziehung der Hofbeamten in die Verstockungsnotiz
VII
10,2: Die Verkündigung der Ruhmestaten JHWHs unter den israelitischen Nachkommen
XII
IV
10,3-5aĮbĮ: Ankündigung der Heuschreckenplage IV+[IV-VII]
10,5aȕ: Erläuterung der Metapher aus 10,5aĮ 10,5bȕȖ: Auch die Baumschößlinge sind betroffen. (ĸ Ex 10,15; = Ex 9,25bȕ)
XII++
10,6a: Die Analogielosigkeit der Heuschreckenplage in der ägyptischen Vergangenheit (ĸ Ex 8,17)
XII
IV
10,6b: Mose verläßt den Pharao. 10,7-11: Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe I [©³©©¢© in 10,9bĮ: möglicher Zusatz aus Dtn 16,14]
VII
10,12abĮ.13f.: Die Heraufführung der Heuschreckenplage nach Moses Handzeichen
IV
10,12bȕ: Ausweitung des Schadens
XII
10,15aĮ*(ohne ®±£² ³ und ®«¢±¥¤³)ȕb*(ohne ®« ²²«): Die Heuschrecken vernichten das vom Hagel verschonte Grün.
IV
Kapitel VI: Der Plagenzyklus (Ex 7,8-11,10)
266
10,15aĮ(nur ®±£² ³): Die Verfinsterung der Erde
VII
10,15aĮ(nur ¢±¥¤³ ®«).b(nur ²«®« ²): Vernichtung der fruchttragenden Bäume (ĸ Gen 1,29; Ex 10,12bȕ)
XII+
10,16(ohne ¦¤¥)-20: Der Pharao bekennt seine Sünde und ersucht um Fürbitte. Auf Moses Fürbitte hin entfernt JHWH die Heuschrecken, verhärtet aber das Herz des Pharao.
IV
10,16(nur ¦¤¥): Angleichung des Sündenbekenntnisses an die Verhandlungen in Ex 10,7-11
VII
10,21a.22: Mose läßt auf JHWHs Geheiß eine dreitägige Finsternis über Ägypten kommen.
VII
10,21b(?).23a: Art und Konsequenzen der Finsternis
XII
10,23b: Licht in den Wohnstätten der Israeliten
XI
10,24-27: Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe II
VII
10,28f.: Der Pharao untersagt Mose, ihm ein weiteres Mal unter die Augen zu kommen
VII
11,1a: JHWH kündigt den letzten Schlag an.
XII
11,1b-3a: Vordatierung der Plünderung (ĸ Ex 3,21f., 6,1; 12,35f.)
XIII
11,3b: Das hohe Ansehen des Mose bei den Ägyptern
XIV
11,4aĮ: Erneute Einleitung der folgenden Moserede
XII
11,4aȕb.5f.8: Mose kündigt die Tötung der Erstgeburt an und tritt ab.
VII
11,7: Die Verschonung der Israeliten
XI
V
I
11,9: Die Vermehrung von JHWHs Wundern (= Ex 7,3.5aȕb)
11,10: Rückblick auf die Erfolglosigkeit der Schauwunder (ŀ Ex 9,12)
Kapitel VII
Die Tötung der Erstgeburt und die Bestimmungen zum Passa-Mazzotfest und zum Erstgeburtsopfer (Ex 12,1-13,16) In seiner vorliegenden Gestalt wird der Abschnitt Ex 12,1-13,16 von einem komplexen Geflecht halachischer Bestimmungen dominiert, die in der Tötung der Erstgeburt und dem Aufbruch der Israeliten ihre ätiologische Begründung finden. So wird die Feier des Passafestes (12,1-13.21-28.4351) auf einen schützenden Blutritus zurückgeführt, der die israelitische vor dem Geschick der ägyptischen Erstgeburt bewahrte, und eben dieses Ereignis dient in 13,1f.11-16 als Hintergrund für die Behandlung der Vorschriften zum Erstgeburtsopfer. In 12,14-20; 13,3-10 schließlich werden Bestimmungen zum Mazzotfest überliefert, deren ätiologischer Anknüpfungspunkt darin besteht, daß die Israeliten in Eile das Land verlassen mußten und daher den noch ungesäuerten Teig mit sich führten (12,34.39). Obwohl die literarischen Verhältnisse in 12,1-13,16 äußerst kompliziert liegen, findet die redaktionsgeschichtliche Rekonstruktion eine sichere Basis darin, daß die gesetzlichen Partien samt und sonders auf einen erzählerischen Anknüpfungspunkt in der Schilderung der Tötung der Erstgeburt angewiesen sind. Der literarische Nukleus des Abschnitts verbirgt sich folglich in 12,29-41.
1. Die Erzählung von der Tötung der Erstgeburt und vom Aufbruch der Israeliten (Ex 12,29-41) In ihrer ältesten erreichbaren Gestalt wußte die Exoduserzählung noch nichts von der Tötung der Erstgeburt zu berichten. Teil dieses literarischen Stadiums ist allein die Itinerarnotiz in Ex 12,37a (ªª§«±§ ¥±²¢¢© «ª¢ ³¤ª), die direkt an 4,20aȕ anschloß und die erste Etappe der Israeliten auf dem Weg zum Schauplatz des Meerwunders schildert. Die Fortsetzung des Itinerars in 13,20 folgte einst unmittelbar auf 12,37a,1 ein Textzusammenhang, der von der Ergänzung der Erzählung von der Tötung der Erst1
Im Grundsatz ebenso KRATZ, Komposition, 289f.; GERTZ, Tradition, 394-397.
268
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
geburt in 12,29ff.* noch völlig untangiert blieb. Der Grundbestand dieser Erzählung geht auf den vorpriesterschriftlichen Ergänzer zurück, der in 3,9.10aȕb*.11.12aĮ; 5,1f.* den ersten Auftritt des Mose vor dem Pharao einschrieb, der Joseph nicht kannte (1,8b: ¬ª¢ ³ «¢ ¥ ±²), nun vorgibt, auch JHWH nicht zu kennen, und daher die Israeliten nicht ziehen lassen will (5,2b: ¥² ¥ ¥±²¢ ³ ¦¢ ³ ¢³«¢¥). Die Reaktion JHWHs folgt ohne Umschweife durch den mitternächtlichen Schlag in 12,29a, dem die Erstgeborenen ganz Ägyptens zum Opfer fallen (¢¯ ¢¢ ¦¢±¯§ ®± ±¤ ¥¤ ¤ ¢ ¥¢¥) und vor dem keine soziale Schicht verschont bleibt (± ³¢ ±² ¢² ±¤ « ª¤ ¥« ²¢ «± ±¤§). Lediglich die Erstgeburt des Viehs (12,29b: § ±¤ ¥¤) war ursprünglich nicht betroffen – der nachklappende Halbvers wurde von späterer Hand ergänzt, um den Plagenbericht an die Ankündigung in 12,12aȕ anzugleichen.2 Was in 12,29a mit der Tötung aller menschlichen Erstgeborenen der Ägypter (¦¢±¯§ ®± ±¤ ¥¤) verbleibt, ist die radikale Antwort JHWHs auf den erfolglosen Plan des Pharao, alle neugeborenen Knaben (¥¢ ¨ ¥¤) der Hebräer töten zu lassen (1,22).3 Eine ätiologische Begründung des Passa ist hier überhaupt noch nicht im Blick, sondern sollte erstmals von P vorgenommen werden.4 Der Schlag JHWHs gegen die ägyptische Erstgeburt hat zur Folge, daß der Pharao in Ex 12,31f. die Israeliten entläßt, woraufhin ganz Ägypten auf ihren Auszug drängt (12,33). Was sich in der Endgestalt des Textes zu einer Ereignisfolge gefügt hat, ist allerdings erst im Laufe der Zeit zusammengewachsen, denn von einer Gestattung des Auszugs durch den Pharao war ursprünglich keine Rede. Dies geht eindeutig daraus hervor, daß der Pharao in 12,31 Mose und Aaron zu sich rufen läßt und die beiden dazu auffordert, mitsamt den Israeliten aus Ägypten auszuziehen (£³§¯§° ¥±²¢¢©¦¦³¦¢§«). Von einem Auftreten Aarons als Verhandlungspartner des Pharao ist aber weder in 5,1f.* noch innerhalb der vorpriesterschriftlichen Plagen in 7,14-8,28*, sondern erstmals im Rahmen der Vgl. grundlegend GERTZ, Tradition, 67.180, sowie die Ausführungen unter VII. 2.1. Daß die Tötung der Erstgeburt eine göttliche Reaktion auf den Tötungsbefehl des Pharao darstellt, wird schon in Sap 18,5 eigens hervorgehoben. Vgl. FOHRER, Überlieferung, 92. 4 Die prominent von NOTH, Überlieferungsgeschichte, 70-77, vertretene Auffassung, die Tötung der Erstgeburt sei eigens zur Schaffung einer Passaätiologie erdacht worden, ist unhaltbar. Bereits WELLHAUSEN, Composition, 75, hatte zutreffend gesehen, daß die Verbindung der Tötung der Erstgeburt mit dem Schutzritus sekundär ist; vgl. FOHRER, Überlieferung, 91; LAAF, Pascha-Feier, 121f., der diese Verbindung allerdings unzutreffend der Feder von J zuschreibt. Ebenfalls zurückzuweisen ist die etwa von OTTO, Plagenzyklus, 2027, vertretene Deutung der letzten Plage als ätiologischer Erklärung des Mazzotfestes (vgl. VAN SETERS, Place, 176) sowie die daraus abgeleitete Folgerung, der Plagenzyklus sei im Rahmen dieses Festes rezitiert worden. Zur redaktionsgeschichtlichen Einordnung der Festätiologien vgl. die Ausführungen unter VII. 2. 2 3
1. Der erzählerische Nukleus in Ex 12,29-41
269
Hagel- und Heuschreckenplage die Rede.5 Das in 12,31f. geschilderte Einlenken des Pharao nebst seiner erzählerischen Vorbereitung in 12,30aĮ setzt damit ein nachpriesterschriftliches Entwicklungsstadium des Plagenzyklus voraus und scheidet für den Grundbestand der Erzählung von der Tötung der Erstgeburt aus.6 Nach Abzug der sekundären Passagen Ex 12,29b.30aĮ.31f. verbleibt in 12,29a.30aȕb.33 ein homogener erzählerischer Grundbestand. Die Tötung der Erstgeburt (12,29a) hat zur Folge, daß in Ägypten ein großes Wehklagen ausbricht (12,30aȕ: ¦¢±¯§ ¥ °«¯ ¢³), da es kein Haus gibt, in dem sich kein Opfer befindet (12,30b: ³§ ¦² ¨¢ ±² ³¢ ¨¢ ¢¤). Kaum zufällig klingt hierbei das Geschrei der Israeliten (¥±²¢¢©³°«¯) an, das in 3,9 JHWH auf den Plan ruft und damit eine Ereigniskette anstößt, die in 12,29a.30aȕb ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht. Die Verse sind Teil derselben Ergänzungsschicht. Der in 12,30aȕb beschriebene kollektive Schockzustand hat zur Folge, daß die Ägypter, in der Angst, das Schicksal ihrer Erstgeborenen zu teilen (12,33b: ¦¢³§ ©¥¤ ±§ ¢¤), das Volk dazu drängen, eilends das Land zu verlassen (12,33a). Dies zumindest muß der intendierte Sinn von 12,33a sein, der in seiner vorliegenden Gestalt allerdings kaum übersetzbar ist. Durch die Kombination der beiden Infinitive (¦ ¥²¥ ±§¥) ist streng genommen davon die Rede, daß die Ägypter auf das Volk (sc. der Israeliten) Druck ausüben (¦« ¥« ¦¢±¯§ ° ³), damit dieses sich beeile, ‚sie‘ – gemeint sein können ebenfalls nur die Israeliten – aus dem Land zu entlassen (®±¨§¦ ¥²¥±§¥). Die Aufforderung ist ebenso paradox wie syntaktisch unglücklich, wobei sich alle Probleme mit einem Schlag lösen, wenn man den zweiten Infinitiv (¦ ¥²¥) ausklammert. Was verbleibt, ist das im Horizont von 12,30aȕb.33b Erwartungsgemäße: Die Ägypter drängen das Volk, aus dem Land zu eilen (¥« ¦¢±¯§ ° ³ ®±¨§±§¥¦«), dieses also eilig zu verlassen.7 Der problematische zweite Infinitiv in Ex 12,33a (¦ ¥²¥) ist als Zusatz anzusprechen,8 durch den ein Ergänzer mit einiger Gewalt versuchte, die vorgefundene Aussage an die in 12,31 nachgetragene Auszugserlaubnis des Pharao anzupassen. Daß dieser Zusammenhang besteht, erhellt bereits daraus, daß die Verwendung von ¥² Piǥel im Kontext der Auszugsforderung exklusiv an den Pharao gebunden ist. Der Pharao wird ab 5,1bĮȕ 5 Obwohl Aaron in Ex 7,1-4 P als Überbringer der Auszugsforderungen eingeführt wird, sind im priesterschriftlichen Konzept weder Verhandlungen noch das in 12,31f. geschilderte Einlenken des Pharao vorgesehen, da dessen Verstockung von vornherein feststeht. 6 Vgl. GERTZ, Tradition, 183f. Für literarkritische Operationen in Ex 12,31 gibt es weder einen Anlaß, noch zeitigen diese ein befriedigendes Resultat. 7 Zu dieser Verwendung der Verbalwurzel ±§ vgl. Spr 7,23; Nah 2,6. 8 Ein weiteres Argument für den Zusatzcharakter des zweiten Infinitivs besteht darin, daß die Wortfolge ¨§ ¥² (Ex 12,33aȕ: ®±¨§¦ ¥²¥±§¥) erstmals in P bezeugt ist (6,11; 7,2; vgl. 6,1; 11,1.10).
270
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
wiederholt mit der Forderung JHWHs konfrontiert, das Volk zu entlassen (¢§« ³ ¥²), und folglich kann es auch niemand anderes sein, der in 12,33a schließlich dieser Forderung nachkommt und die Israeliten entläßt (¦ ¥²¥). In seiner Endgestalt will 12,33a als Resumee gelesen werden, das erklärt, wie es zu diesem zuvor berichteten Einlenken des Pharao kam: ‚Die Ägypter aber hatten [den Pharao] in Hinsicht auf (¥«) das Volk gedrängt, daß er eile, sie (sc. die Israeliten) aus dem Land zu entlassen.‘9 Ob diese Überarbeitung von Ex 12,33* auf dieselbe Hand zurückgeht, die in 12,31 die Auszugserlaubnis ergänzte, oder aber jünger ist, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. Größere Klarheit herrscht dagegen bei der Abgrenzung der Bearbeitung, die in 12,31 die Auszugserlaubnis einführte. Ihr ist auch 12,30aĮ zuzurechnen, mit dem der Auftritt des Pharao vorbereitet wird. Unter dem unmittelbaren Eindruck des nächtlichen Schlages gegen die Erstgeborenen (12,29) erhebt sich der Pharao noch in der Nacht (¥¢¥«±¦°¢), ebenso wie all seine Hofbeamten und ganz Ägypten (¦¢±¯§ ¥¤ ¢« ¥¤ ). Durch die sukzessive Ausweitung des Personenkreises leitet der Ergänzer gekonnt zum älteren Folgekontext über, der in 12,30aȕ vom kollektiven Wehklagen in Ägypten berichtet. Ex 12,30aĮ ist literarisch einheitlich. Den hier angelegten Faden nimmt der Ergänzer in 12,31aĮ1 wieder auf, indem er den Pharao Mose und Aaron rufen läßt (¨±¥²§¥±°¢), wobei durch die Wiederholung der bereits in 12,30aĮ verwendeten Zeitangabe ¥¢¥ erneut die Unmittelbarkeit der Reaktion unterstrichen wird. Der Pharao gestattet den israelitischen Emissären dann auch ohne Umschweife, mitsamt dem Volk aus Ägypten auszuziehen (12,31aĮ2ȕ: ¯ §° ±§¢ ¥±²¢¢©¦¦³¦¢§«£³§) und sich wie zuvor gefordert auf den Weg zu machen, um JHWH zu dienen (12,31b: ¦¤±¤¢³«¤¥). Obwohl das Motiv des JHWH-Dienstes für sich betrachtet auf kein spezifisches literarisches Stratum des Plagenzyklus verweist, da es von Anfang an zu dessen festem Inventar gehört,10 läßt sich der redaktionelle Horizont von Ex 12,31 dennoch zweifelsfrei bestimmen. Die in 12,31b bezeugte Verknüpfung der Imperative (¢ ³ « ¤¥) begegnet sonst nur noch in 10,8.11.24.26, wobei es sich um Verse handelt, die durchgängig jener Bearbeitungsschicht zugewiesen werden konnten, die in Ex 10 die Verhandlungen über den Auszug zum Opferfest einführte. Somit ist nicht erst 12,32, sondern bereits 12,31 als Teil eben dieser Bearbeitungsschicht anzusprechen, was Konsequenzen auch für das Verständnis des den Vers abschließenden ¦¤±¤ hat. Der Rückverweis zielt nicht zuerst auf So auch JACOB, Buch Exodus, 346 („Sie dringen auf Pharao in bezug auf das Volk Israel, daß er sie sofort (±§¥) entlasse.“), der die schwierige Syntax der Aussage freilich für ursprünglich hält. 10 Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.1. 9
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das Daß der vorgebrachten Auszugsforderung, sondern vielmehr auf das Wie, insofern der Pharao den Auszug der Israeliten in der geforderten Weise gestattet, nämlich der wehrfähigen Männer mitsamt ihrem menschlichen Anhang. Ist damit in 12,31 der Auszugsforderung in ihrem ersten substantiellen Teil – nach 10,24 erneut – entsprochen,11 so berichtet 12,32a, daß der Pharao auch in dem bisher strittigen Punkt der Mitnahme des Viehs einlenkte (¤¥¦³±±²¤ °¦¤±°¦¦¤©¯¦). Der Auszug der in 12,37b.38b umrissenen Gruppe erfolgt nun ganz mit dem pharaonischen Segen. Konnten bisher Ex 12,30aĮ.31.32a derselben Bearbeitungsschicht zugewiesen werden, so stellt sich noch die Frage nach dem literarhistorischen Ort der Bitte um Segen (¢³¦¦³¤±), die in 12,32b die Rede des Pharao beschließt. Die Aussage ist im Rahmen der Exoduserzählung singulär und berührt sich in der Sache am ehesten mit dem pharaonischen Ersuchen um Fürbitte, das der Verfasser von 12,30aĮ.31.32a bereits in 9,28; 10,17 vorfand. Eine Kenntnis der Fürbittenszenen ist damit auch für den Verfasser von 12,32b vorauszusetzen, wobei zu klären bleibt, was dieser konkret mit der Modifikation des Fürbittenmotivs bezweckte. Betrachtet man 12,32b im Horizont von 12,31.32a, so lassen sich zwei zentrale strukturelle Beobachtungen machen: Die finale Bitte des Pharao um Segen für seine Person (¢³¦) bildet ein Gegenstück zu der zunächst an Mose und Aaron adressierten Auszugserlaubnis (¦³¦) in 12,31aȕ, so daß beide Aussagen gleichsam einen Rahmen um die Rede bilden, in dem das Geschick der Verhandlungspartner thematisch wird. Das deutet auf eine planvolle Gestaltung von 12,31f. und spricht mithin für die literarische Einheitlichkeit des Abschnitts.12 Dies wird zweitens auch dadurch unterstrichen, daß in 12,31b wie in 12,32 eine doppelte Aufforderung vorliegt, die jeweils mit dem Imperativ ¤¥ eingeleitet wird. Der Appell, aufzubrechen und JHWH zu dienen (12,31b: ¢ ³«¤¥) findet sein Gegenstück in 12,32, wo der Aufbruch mit der Segensbitte des Pharao verbunden ist (¦¦³¤±¤¥ ¢³). Segen und JHWH-Dienst korrespondieren einander strukturell, worin zugleich der Schlüssel für das Verständnis des Segensmotivs liegt: Es geht dem Pharao um die Teilhabe an der Segenswirkung, die das in 10,9.25 skizzierte Opferfest der Israeliten nach Ex 20,24 ( ); Dtn 16,10.15 ( ) verheißt.13 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 345. Anders etwa LEVIN, Jahwist, 339, der in Ex 12,32 einen gegenüber 12,31 jüngeren Zusatz findet. 13 Zu beachten ist ferner, daß sich die Bitte des Pharao um Segen makrokontextuell mit Gen 47,7.10 berührt, wo Jakob den Pharao beim ersten Zusammentreffen der beiden segnet. Daß das letzte Gespräch zwischen Mose und dem Pharao mit einer Bitte um Segen endet, ist daher kaum zufällig, sondern deutet auf eine gezielte Rahmung hin; vgl. CASSUTO, Commentary, 145f. 11 12
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Durch die Ergänzung der uneingeschränkten Auszugserlaubnis in Ex 12,31f., die wie gesehen bereits in eine fortgeschrittene nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase des Plagenzyklus fällt, entstand eine Spannung mit dem älteren Folgekontext, denn nun gab es keinen Grund mehr für den Pharao, um in 14,5a.6a die Verfolgung der Israeliten aufzunehmen. Das Problem behebt 14,5b, wo ein Sinneswandel des Pharao und seiner Hofbeamten geltend gemacht wird (¦«¥¢««±¥£¢), die nun bereuen, die Israeliten aus ihrem Dienst entlassen zu haben (³§±§¢ ©«§¥±²¢³© ¥²¢¤©¢²«). In Anbetracht der zentralen Rolle, die die Hofbeamten in der u.a. in 10,7-11*.21-29*; 11,4-8*; 12,30aĮ.31f. ausgemachten Bearbeitungsschicht als Berater des Pharao spielen, ist davon auszugehen, daß auch 14,5b dieser Schicht zugehört, womit der Bearbeiter die von ihm hervorgerufene Spannung zum Meerwunderbericht sogleich selbst wieder beseitigt hätte. Beachtenswert ist, daß in 14,5b der älteste nichtpriesterschriftliche Beleg für die von P eingeführte Vorstellung des israelitischen Sklavendienstes (««) vorliegt,14 die zudem, im Horizont der gesamten Bearbeitungsschicht betrachtet, nur hier auf derselben redaktionellen Ebene wie das Motiv des JHWH-Dienstes («) begegnet. Die explizite Verbindung zwischen beidem ist literarisch weitaus dürftiger bezeugt, als man erwarten würde. Nachdem mit Ex 12,30aĮ.31f. sowie dem im Horizont der genannten Verse in 12,33 ergänzten Infinitiv ¦ ¥²¥ die jüngsten Zusätze zum Bericht von der Tötung der Erstgeburt identifiziert sind und die Rekonstruktion der Genese von 12,29-33 abgeschlossen ist, gilt es nun noch, die Entstehung des sich in 12,34-41 anschließenden Abschnitts zu untersuchen, der unterschiedlichen Fragen des Auszugs gewidmet ist. Wie eingangs dargelegt, ist allein die Itinerarnotiz 12,37a Bestandteil der ältesten erreichbaren Fassung der Exoduserzählung. An den Halbvers haben sich in 12,37b.38 nachträglich Informationen zur Größe der Auszugsgruppe angeschlossen, die – sieht man von 12,38a zunächst einmal ab – dem Verfasser der in 12,31f. zum Durchbruch kommenden Auszugsverhandlungen als Vorlage dienten. Im Unterschied zu den besagten Verhandlungen geht es in 12,37b.38b allerdings ursprünglich nicht um Angaben zu Festgemeinde und Opfervieh, sondern die Verse treffen lediglich Aussagen zur immensen Größe des Volkes (12,37b: ‚um die 600.000 wehrfähige Männer, den Anhang nicht mitgerechnet‘ – ¬¡§¥¦¢±¢¥±¬¥³§²²¤) und seinem
14
14,12.
Die einzigen weiteren Belege entfallen auf die literarisch jüngeren Verse Ex 5,18;
1. Der erzählerische Nukleus in Ex 12,29-41
273
beachtlichen Viehbesitz (12,38b: ‚dazu Schafe und Rinder, eine außerordentliche Menge Vieh‘ – §¤©°§±°¨¯).15 Mit Mehrung und Viehbesitz werden in Ex 12,37b.38b zwei zentrale Themen der Vätererzählung angeschlagen, woraus sich im hier vertretenen Redaktionsmodell ergibt, daß die beiden des öfteren dem Jahwisten zugeschriebenen Notizen16 bereits das vorpriesterschriftliche Scharnier in Ex 1* voraussetzen, über das erstmals eine Verbindung zwischen der Josephsgeschichte und der Exoduserzählung hergestellt wurde. Ex 12,37b.38b bilden das Gegenstück zum Bericht über das Eintreffen der Jakobsippe nebst Schafen und Rindern in Ägypten (Gen 47,1a: ¦±°¦©¯¢ ¢ ¨«©¤ ®±§ ¦¥ ±² ¥¤; vgl. Gen 45,10; 46,32), dem hier eine Auszugsnotiz gegenübergestellt wird, welche abschließend die Konsequenzen der Mehrungsaussage aus Ex 1,9 für Mensch und Vieh ausmalt. In Anbetracht der Tatsache, daß sich 12,37b.38b aufs engste mit den Tendenzen des Scharniers in Ex 1* berühren, spricht nichts gegen die Annahme, hier denselben Verfasser am Werk zu sehen, nur daß es sich eben nicht um den Jahwisten, sondern um einen vorpriesterschriftlichen Redaktor handelt.17 War der von ihm geschaffene Appendix zur Itinerarnotiz in 12,37a noch ganz auf die Größe der israelitischen Auszugsgruppe fokussiert, so trennte ein späterer Ergänzer den Zusammenhang zwischen 12,37b.38b, indem er die Angabe zur Anzahl der männlichen Israeliten (12,37b) um die Bemerkung erweiterte, es sei auch viel Mischvolk mit ihnen heraufgezogen (12,38a: ¦³ ¥« ± ±« ¦). Mit seinem expliziten Landnahmebezug blickt der Nachtrag weit über den Moment des Auszugs hinaus und zielt offenbar darauf, das Vorhandensein einer israelitisch-ägyptischen Mischbevölkerung zu begründen, von der explizit auch in Lev 24,10 sowie implizit vielleicht in Num 11,4 die Rede ist.18 Die Bezüge zu den beiden Stellen legen eine nachpriesterschriftliche Einordnung von Ex 12,38a nahe.19 15 Die von b, g, m und o bezeugte Variante (‚dazu Schafe und Rinder und eine außerordentliche Menge Vieh‘) ist gegenüber j als sekundär zu betrachten. Sie spiegelt den Versuch, die Größe der Viehbestände noch zu steigern. 16 Vgl. NOTH, ATD 5, 72; KOHATA; Jahwist, 372; LEVIN, Jahwist, 334. 17 Gegen GERTZ, Tradition, 208, Anm. 77, der in Ex 12,37b einen nachendredaktionellen Reflex auf die Zahlenangaben in Ex 38,26; Num 1,46; 11,21 findet. Die Parallelen lassen sich nicht leugnen, nur ist damit eben nichts über die Richtung des literarischen Gefälles gesagt. Anders als GERTZ meint, kann jedenfalls als sicher gelten, daß Ex 12,37b älter ist als die nachpriesterschriftlichen Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe in Ex 10, die die um 12,37b.38b erweiterte Aufbruchsnotiz bereits voraussetzen; s.o., VI. 2.3. 18 Die Parallele in Num 11,4 ist weniger einschlägig, da nicht deutlich ist, ob das dort erwähnte Mischvolk/Gesindel (¬ªª) ägyptische Wurzeln hat. Daß die Notiz in Ex 12,38a so verstanden werden will, läßt sich in Anbetracht des literarischen Vorkontextes der Exoduserzählung kaum bestreiten. Bei der etwa von NOTH, ATD 5, 77, aufgestellten Vermutung, es liege die Vorstellung zugrunde, „daß außer den Israeliten auch noch andere Elemente in Ägypten zu unfreier Arbeit herangezogen zu werden pflegten, die nun die Gelegenheit
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
Ebenfalls nachpriesterschriftlich und damit auf jeden Fall jünger als die erweiterte Itinerarnotiz in Ex 12,37.38b sind die als Rahmen um dieselbe angeordneten Verse 12,34.39a, die auf die Ätiologie des Mazzotfestes in 13,3-6* vorbereiten.20 So vermerkt 12,34, daß die Israeliten in der Eile des Auszugs den noch nicht durchsäuerten Teig mit sich führten, den sie dann beim Erreichen der ersten Wegstation Sukkot zu ungesäuerten Brotfladen backen (12,39a), ein Ereignis, das nach der Landnahme alljährlich im Rahmen des Mazzotfestes vergegenwärtigt werden soll (13,3-6*). Der nach der Einschreibung von 12,34.39a bestehende Textübergang zwischen 12,34 und der Itinerarnotiz in 12,37 wurde erst nachträglich durch die Ergänzung des Plünderungsmotivs in 12,35f. unterbrochen, auf dessen literarhistorischen Horizont bereits bei der Behandlung von 3,21f. eingegangen wurde, wo das Motiv von derselben Hand erzählerisch eingeführt wird.21 Die in 3,22; 12,35 gebotene Aufzählung des Beutegutes – silberne und goldene Gegenstände (¢¥¤¬ª¤¢¥¤) sowie Gewänder (³¥§²) – entspricht dabei den triadischen Beutelisten in Jos 7,21; 22,8; 2 Kön 7,8; Sach 14,14 sowie entsprechenden Listen von Braut- und Huldigungsgeschenken (Gen 24,53; [45,22;] 1 Kön 10,25; 2 Chr 9,24),22 wobei die Gewänder an keiner Stelle mit dem in Ex 3,22; 12,35 verwendeten Lexem ¥§² bezeichnet werden.23 Auffälligerweise ist dieses Lexem im Rahmen der Exoduserzählung nur ein weiteres Mal bezeugt, und zwar im direkten Vorkonext des Berichts von der Plünderung, wo davon die Rede ist, die Israeliten hätten die Backschüsseln mit dem noch nicht durchsäuerten Teig in ihre Gewänder benutzten, um ebenfalls zu entkommen“, handelt es sich dagegen um historische Spekulation ohne Anhaltspunkt am Text. Dtn 29,10; Jos 8,35 scheiden als Hintergrund von Ex 12,38a aus, da die Verse vom Fremdling (±) im Lager der Israeliten, nicht aber von einer ethnischen Mischbevölkerung handeln. 19 Für die Annahme, daß der isoliert betrachtet nur schwer redaktionsgeschichtlich zu profilierende Zusatz Ex 12,38a nachpriesterschriftlichen Ursprungs ist, spricht neben der notierten Verbindung zu Lev 24,10; Num 11,4 auch, daß die Landnahmebezüge, die sich an die zweite Itinerarnotiz in Ex 13,20 angelagert haben (13,17-19.21f.) ebenfalls nachpriesterschriftlich sind; s.u., VIII. 3.1. Hinzu kommt der sprachliche Befund, daß das in Ex 12,38a verwendete Lexem ± « (‚Mischvolk‘) nur noch in Jer 25,20; 50,37; Ez 30,5; Neh 13,3 bezeugt ist, was ebenfalls auf einen jungen literarhistorischen Horizont des Halbverses hindeutet. Zur Semantik des Lexems vgl. grundlegend HOUTMAN, Exodus II, 202. 20 Vgl. die Ausführungen unter VII. 2.2., wo auch der Zusatzcharakter von Ex 12,39b begründet wird. 21 Vgl. die Ausführungen unter III. 2.4. 22 Vgl. HOUTMAN, Exodus I, 381f.; JACOB, Buch Exodus, 251. LEVIN, Jahwist, 329, verweist ferner auf einen Zusammenhang „mit den Reichtumslisten der Genesis“ in Gen 24,35; 26,14; 30,43, übersieht aber, daß keine der Listen Kleidung erwähnt. 23 Am nächsten kommen Ex 3,22; 12,35 noch die Listen in Jos 22,8; 1 Kön 10,25; 2 Chr 9,24, wo statt des Lexems ¥§ Û das etymologisch verwandte § ¥Û Verwendung findet. Zum Verhältnis der beiden Lexeme vgl. HOUTMAN, Exodus I, 381.
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gewickelt und sie auf den Schultern getragen (12,34b: ³±±¯ ¦³±²§ ¦§¤²¥«¦³¥§²). Die Übereinstimmung ist kaum zufällig, sondern deutet darauf hin, daß der Verfasser von 12,35f. bei der Aufzählung der Beute bewußt den Begriff ¥§² verwendete, um den Israeliten einen Ersatz für ihre zur Verpackung der Schüsseln genutzten Gewänder zu bescheren.24 Sowohl die auf die Ätiologie des Mazzotfestes vorbereitenden Verse Ex 12,34.39a als auch der knappe Bericht über die Ausplünderung der Ägypter (12,35f.) setzen bereits die priesterschriftlichen Verse 12,40f. voraus, die einmal direkt an die erweiterte Itinerarnotiz in 12,37.38b anschlossen. Rückblickend auf die erste Wegetappe des Auszugs resümiert der priesterliche Bearbeiter die Dauer des Ägyptenaufenthaltes der Israeliten,25 die er mit 430 Jahren angibt26 (12,40: ¦¢±¯§ ²¢ ±² ¥±²¢ ¢© ²§ ©²³§«±©²¦¢²¥²). In 12,41a wiederholt er noch einmal dieselbe Jahreszahl (©² ³§ «± ©² ¦¢²¥² ®°§ ¢¢), um so auf die Angabe vorzubereiten, daß sich der Auszug ‚aller Heerscharen JHWHs‘ exakt nach Ablauf von 430 Jahren ereignete (12,41b:³¯¥¤¯¢¦¢¦¯«¢¢ ¦¢±¯§®±§¢).27 Die Redundanz von 12,40f. ist dem Bemühen um chronologische Präzision geschuldet und läßt keinerlei literarkritische Schlüsse zu. Ebensowenig können Zweifel an der Zugehörigkeit der Verse zum ältesten Stratum der priesterschriftlichen Bearbeitung der Exoduserzählung bestehen,28 denn die Ankündigung einer Erzwingung des Auszugs von JHWHs Heerscharen durch ‚große Gerichte‘ (7,4) setzt neben dem letzteres einlösenden Bericht über die Tötung der Erstgeburt (12,1-13*.28.2933*) eben auch eine Notiz zum Auszug jener Heerscharen voraus,29 wie sie 24 Genau umgekehrt LEVIN, Jahwist, 339, der die Erwähnung der Gewänder in Ex 12,34 aus 3,22; 12,35 inspiriert sieht. Dabei ist unzutreffend vorausgesetzt, daß das Plünderungsmotiv Teil des vorpriesterschriftlichen Textbestandes (JR) ist. 25 Daß die Angabe nicht vor der ersten Itinerarnotiz in Ex 12,37 eingeschaltet wurde, hat seinen einfachen Grund darin, daß der enge erzählerische Zusammenhang zwischen dem Drängen der Ägypter (12,33*) und dem Aufbruch der Israeliten (12,37) dies nicht zuließ. 26 Zur Diskussion um die Hintergründe der Jahreszahl und ihr Verhältnis zu den abweichenden Angaben in g und b vgl. JACOB, Buch Exodus, 1033-1040; KREUZER, 430 Jahre, 199-210; HOUTMAN, Exodus I, 175-179. 27 Zu dieser Interpretation der Formel ¦¢¦¯« (‚an eben diesem Tag‘) vgl. die priesterschriftlichen Parallelen in Gen 7,6-9.13; 17,23.26. Die etwa von HOUTMAN, Exodus II, 204, vertretene Auffassung, die Formel ziele auf das Datum des Auszugstages, trifft dagegen für Ex 12,40f. ursprünglich nicht zu. Erst im Horizont der spätpriesterschriftlichen Datumsangaben (12,2.6a) wurde ein derartiges Verständnis möglich (vgl. 12,17). S.u., VII. 2.4. 28 Zur Veranschlagung der Verse für PG vgl. LEVIN, Jahwist, 339; L. SCHMIDT, Studien [1993], 26-34; POLA, Priesterschrift, 124f., Anm. 350; KRATZ, Komposition, 243-246. 29 Das Motiv der israelitischen Heerscharen wird von späteren priesterlichen Bearbeitern in Num 1-10; 31 in extenso traktiert. Als Hintergrund in der Exoduserzählung kommt allein die pseudo-militärische Angabe in Betracht, der Kern der Auszugsgruppe habe aus 600.000 wehrfähigen Männern zu Fuß bestanden (Ex 12,37b).
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sich nur in 12,40f. findet.30 Hier erreicht die programmatische JHWH-Rede aus 6,2-7,5aĮ* ihr erstes Ziel.
2. Die vornehmlich halachischen Partien in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16 Die halachischen Stücke in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16 lassen sich grob in dtr (12,21-27; 13,1-16) und priesterschriftlich geprägtes Material (12,120.42.43-51) unterteilen, wobei die dtr Passagen in etwa dieselbe Struktur aufweisen: Auf eine Aufforderung, das betreffende Gebot beim Eintritt ins Land zu befolgen (12,25; 13,5-7.11-13) folgt eine Katechese (12,26f.; 13,8.14f.), an die sich in 13,9.16 jeweils noch das aus Dtn 6 gewonnene Motiv der Merkzeichen an Hand und Stirn anschließt. Was auf den ersten Blick wie eine wohlkomponierte Bearbeitungsschicht wirkt, weist im Detail diverse Unebenheiten auf, die auf einen vielschichtigen Entstehungsprozeß der dtr Stücke hindeuten. Der Befund wird nochmals komplizierter, wenn man auch die priesterschriftlichen Passagen in die Betrachtung mit einbezieht, wobei sich besonders die Verhältnisbestimmung zwischen den unterschiedlichen Mazzotbestimmungen in 12,14-17.18-20; 13,3-10 als schwierig erweist. Diese erzielen zwar Einigkeit darin, daß für die Dauer von sieben Tagen nur Mazzot und nichts Gesäuertes verzehrt werden darf, weichen aber selbst in der Formulierung dieses Konsenses deutlich voneinander ab und setzen darüber hinaus vollkommen unterschiedliche Akzente. Um eine erste Orientierung über das vielschichtige halachische Material zu gewinnen, seien zunächst einige diachrone Grundlinien definiert. Es kann als gesichert gelten, daß die priesterschriftlichen Passagen in Ex 12,14-20.43-51 gegenüber den ebenfalls P zugehörigen Vorschriften zum Passa in 12,1-13*.28 durchgängig sekundär sind.31 Für den Grundbestand des in Ex 12 versammelten halachischen Materials verbleibt somit in den letztgenannten Versen eine Ordnung, die das Passa als apotropäischen Schutzritus einführt und dabei weder von einem siebentägigen Mazzotessen (12,14-20) noch von irgendwie gearteten Zulassungsbestimmungen weiß, wie sie von späterer Hand in 12,43-51 exponiert werden. Im synchronen Lesezusammenhang eng mit der priesterschriftlichen PassaUnzutreffend L. SCHMIDT, Studien [1993], 33, der Ex 12,41 als Neueinsatz liest. „Hier beginnt der Abschnitt ‚Der Auszug aus Ägypten‘, zu dem 12,41 und der priesterliche Faden in 14,1-29 gehören.“ 31 Vgl. GERTZ, Tradition, 31-37. Ähnlich LAAF, Pascha-Feier, 109f.; KOHATA, Jahwist, 266, die allerdings Ex 12,14 zu 12,1-13 ziehen. Vgl. hierzu die Ausführungen unter VII. 2.4. 30
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ordnung verflochten ist ferner der Passus in 12,21-27, der in 12,21-23 im Wortlaut auf die Anordnungen JHWHs aus 12,1-13* zurückgreift und diese unter leichten Akzentverschiebungen an die Ältesten Israels übermittelt. Dabei fällt auf, daß 12,21-27 sachlich wie literarisch nahtlos an 12,13 anschließen, wohingegen die in 12,14-20 entfalteten Bestimmungen zum siebentägigen Mazzotessen vollständig ignoriert werden. Dies erklärt sich am einfachsten so, daß 12,14-20 erst nachträglich in einen bereits bestehenden Textzusammenhang zwischen 12,13 und 12,21 eingeschrieben wurden, in dem sie sich ohnehin als äußerst sperrig erweisen, da die Anordnung eines siebentägigen Mazzotessens den zeitlichen Rahmen der Auszugsvorbereitungen sprengt und der begründende Verweis auf den bereits erfolgten Auszug in 12,17a dem Erzählverlauf vorgreift. Ob sich diese Erklärung bewährt, muß die folgende Analyse zeigen. Deutlich besser eingebettet als die priesterschriftlichen Mazzotbestimmungen in Ex 12,14-20 ist ihr dtr Pendant in Ex 13,3-10, das die skizzierten Aporien umgeht und ein siebentägiges Mazzotessen für die Zeit nach der Landnahme anordnet. Begründet wird dies wie in 12,14a mit der Aufforderung, des Auszugstages zu gedenken (13,3aĮ), was eindeutig darauf hindeutet, daß die Mazzotordnungen nicht unabhängig voneinander entstanden sind. Während die Frage nach der Richtung des literarischen Gefälles erst im Rahmen der folgenden Analyse beantwortet werden kann, läßt sich hier bereits als zentrale Beobachtung festhalten, daß das in 13,116 exponierte halachische Material durchgängig auf die Redeeröffnung in 13,3aĮ angewiesen ist, die mithin zum Grundbestand der Passage gehören muß. Ungeachtet der Frage, ob hier ursprünglich auf die direkt anschließende Mazzotordnung oder vielmehr auf die Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer in 13,11-16 vorbereitet wurde, ist unübersehbar, daß der Appell, ‚dieses Tages‘ zu gedenken ( ¦¢ ³ ±¤), wörtlich mit der priesterschriftlichen Abschlußnotiz in 12,41 übereinstimmt, die den Auszug auf ‚eben diesen Tag‘ datiert ( ¦¢ ¦¯« ¢¢; vgl. 12,51). Will man die Übereinstimmung nicht als zufällig abtun, so lautet die plausibelste Erklärung für den Befund, daß der Verfasser von 13,3aĮ bewußt auf die priesterschriftliche Notiz Bezug nimmt, an die die Redeeröffnung einmal unmittelbar angeschlossen haben kann. Damit wäre der gesamte Abschnitt 13,1-16 einer nachpriesterschriftlichen Entwicklungsstufe zuzuweisen. Die bisherigen Ausführungen legen nahe, bei der Analyse des halachischen Materials in Ex 12f. mit dem priesterschriftlichen Grundbestand in Ex 12,1-13*.28 einzusetzen und dabei gleichzeitig sein Verhältnis zur Übermittlung der Passaanweisungen in 12,21-23(.24-27) zu bestimmen (2.1.). Darauf aufbauend ist sodann nach den redaktionsgeschichtlichen Verflechtungen zwischen den dtr Stücken in 12,(21-23.)24-27 und 13,1-16
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zu fragen (2.2. und 2.3.),32 wobei mit der literarhistorischen Positionierung der Mazzotordnung in 13,3-10 zugleich der Anknüpfungspunkt für die Behandlung der priesterschriftlichen Sachparallele in 12,14-20 gegeben ist (2.4.). Im letztgenannten Unterkapitel sind auch die Überarbeitungen der Passa-Ordnung in 12,1-13 sowie die Zusätze in 12,24; 13,3b.7.10 zu untersuchen, die sich als Teil derselben spätpriesterschriftlichen Bearbeitungsphase erweisen werden. Den Zulassungsbestimmungen in 12,43-51 sowie der in 12,42 eingeführten Vigilie ist schließlich der Abschnitt 2.5. gewidmet. Dabei sei bereits an dieser Stelle festgehalten, daß es bei der Behandlung der halachischen Passagen um die Rekonstruktion literarhistorischer Entwicklungen geht, deren Implikationen für die exilisch-nachexilische Kultgeschichte hier nicht weiter vertieft werden können. 2.1. Die priesterschriftliche Passaordnung in Ex 12,1-13.28 und ihr Verhältnis zur Instruierung der Ältesten Israels (Ex 12,21-27) In den vorpriesterschriftlichen Textzusammenhang zwischen Ex 8,28; 12,29a wurde von P in 12,1-13.28 ein Abschnitt eingestellt, der das Passa als Schutzritus einführt, welcher die Israeliten vor dem folgenden Schlag gegen die Erstgeburten bewahren soll.33 Das Herzstück des Abschnitts bildet die Ritualordnung in 12,3b-11, deren tragendes Gerüst aus einer Sequenz von Perfektformen in der 3. Pers. Plur. besteht (12,3b.6b.7.8).34 Hierin eingeschoben ist eine Anzahl von Passagen, die zur direkten Anrede in der zweiten Person wechseln und die grundlegenden Anordnungen näher spezifizieren (12,4b.5.6a.9-11). Es handelt sich, wie W EIMAR gezeigt hat, durchweg um Zusätze,35 die mit den jüngeren Fortschreibungen in Ex 12f. zusammenhängen. Dies ist etwa bei den Datumsangaben in 12,6a evident, die mit der Datierung des Mazzotfestes in 12,18 verknüpft sind und in 12,2 vorbereitet werden, womit auch der letztgenannte Vers für den Grundbestand ausfällt.36 Dasselbe gilt für die Datumsangabe in 12,3aȕ und das sie kontextualisierende ±§¥ am Ende von 12,3aĮ, so daß als erzählerische Exposition die Verse 12,1.3aĮ* verbleiben: JHWH wendet sich an Mose und Aaron (±§¥¦¢±¯§®±¨±¥²§¥¢±§¢) und trägt ihnen 32 Die inhaltlichen wie strukturellen Parallelen zwischen Ex 12,(21-23.)24-27 und 13,1-16 werden in der jüngeren Forschung vermehrt mit der Zuweisung beider Abschnitte an die Endredaktion erklärt; vgl. WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 436-448; GERTZ, Tradition, 72f. 33 Wie unter V. dargelegt, ist der Wunderwettstreit in Ex 7,8-11,10* nicht Teil der ältesten priesterschriftlichen Bearbeitung der Exoduserzählung, so daß der Textübergang in 11,10; 12,1 anders als zumeist angenommen nicht als ursprünglich gelten kann. 34 Vgl. RENDTORFF, Gesetze, 56-56, und im Anschluß hieran LAAF, Pascha-Feier, 10-18; KÖCKERT, Leben, 46; OTTO, Art. ª, 669; L. SCHMIDT, Studien [1993], 29; GERTZ, Tradition, 52. 35 Vgl. WEIMAR, Problem, 3-11. 36 So bereits HOLZINGER, KHC 2, 33; vgl. KÖCKERT, Leben, 49; GERTZ, Tradition, 35.
2. Die vornehmlich halachischen Partien in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16
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auf, die mit 12,3b einsetzenden Ritualvorschriften an die Israeliten zu übermitteln (¥±²¢ ³« ¥¤ ¥ ±). Innerhalb dieser knappen Einleitung ist lediglich die sperrige Ortsangabe ¦¢±¯§®± in 12,1 nicht ursprünglich. Der Nachtrag hängt perspektivisch mit der Erinnerung späterer Generationen an die Ägyptenzeit (12,27a) zusammen und geht auf den Verfasser der Katechese zurück, die in 12,26.27a den Passablock abschließt und nun in 12,1 bereits antizipiert wird.37 Auf den Grundbestand des Redeauftrags in Ex 12,3aĮ* folgt in 12,3b die an die Israeliten gerichtete Aufforderung, sich pro Familie ein Lamm zu nehmen (³³¢¥ÛÚ¢¦¥ °¢), die daraufhin noch dahingehend spezifiziert wird, daß es sich um ein Lamm pro Haus (³¢¥Û) handelt. Es stehen somit in 12,3b zwei unterschiedliche Verwendungen des Lexems ³¢ nebeneinander, deren erste eine soziologische Größe (³¢) bezeichnet, während die zweite ganz wörtlich auf das Haus als Wohnstätte bezogen ist. Während im zweiten Fall eine enge Verbindung zur Erzählung von der Tötung der Erstgeburt erkennbar ist, in der die Häuser der Israeliten als Schutzräume fungieren, weisen die soziologischen Implikationen der vorangehenden Formulierung deutlich über die Erzählebene hinaus. Dies spricht dafür, daß zumindest die zweite Angabe (³¢¥ Û) zum Grundbestand der in 12,1-13* entfalteten Passaätiologie gehört, womit für die literarhistorische Beurteilung der vorangehenden Formulierung zwei Alternativen verbleiben: Entweder sie bildet den Bestandteil einer vorgegebenen Ritualordnung, auf deren Grundlage der Verfasser die Passaätiologie schuf, oder aber es handelt sich um einen jüngeren Zusatz. Der Fall läßt sich nicht isoliert entscheiden, weshalb zunächst auf den weiteren Bestand der Grundschicht von 12,1-13 einzugehen ist. An die Aufforderung aus Ex 12,3b, die Israeliten sollten sich pro (Sippe und) Haus je ein Lamm nehmen (³¢¥Û >@ ¦¥ °¢), schließen sich in 12,4 Zusatzbestimmungen für den Fall an, daß ein ‚Haus‘ nicht zahlreich genug ist, um das Lamm zu verspeisen. Da es bei dem exponierten Problem nur um die Größe der Familie gehen kann, ist die in 12,3b vorangehende Erwähnung des ³¢ bereits im Blick,38 was zur Klärung ihres literarhistorischen Verhältnisses zum Grundbestand der Passaätiologie allerdings nichts beiträgt, da 12,4 nicht ursprünglich ist. Wie sich im weiteren Verlauf der Analyse zeigen wird, hängt der Vers bereits in seinem Grundbestand (bis ³¢¥) mit der spätpriesterschriftlichen Erweiterung in 12,10 zusammen.39 Als ursprüngliche Fortsetzung von 12,3b fallen auch S.u., VII. 2.3. Gegen LAAF, Pascha-Feier, 16 (vgl. GERTZ, Tradition, 34), nach dessen Ansicht „für ein »Vaterhaus«, d.h. eine Sippe, [...] nie der Fall eintreten [konnte], daß ein Lamm für sie zu viel war.“ Noch weniger aber kann ein Haus im wörtlichen Sinne nicht zahlreich genug sein. 39 S.u., VII. 2.4. 37 38
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
die in direkter Anrede gehaltenen Anweisungen in 12,5.6a aus, so daß ein Textbestand verbleibt, in dem nach der Auswahl des Opfertieres (12,3b) sachlich wie literarisch paßgenau die Schlachtung desselben verhandelt wird (12,6b: ³ ¡ ²). Die sich anschließende neuerliche Explikation des Subjekts (¥±²¢³«¥°¥¤) ist dagegen kaum ursprünglich, zumal sie von der Adressierung des Redeauftrags in 12,3aĮ* (¥±²¢³«¥¤¥±) abweicht. Es handelt sich um einen Nachtrag, der nötig wurde, nachdem die Ergänzungen in 12,4-6a den Auftrag in 12,6b* ins syntaktische Abseits gerückt hatten.40 Dagegen gibt es keine zwingenden Gründe, an der Ursprünglichkeit der Zeitangabe am Ende von 12,6b zu zweifeln, so daß für den Grundbestand des Halbverses der Auftrag verbleibt, das Lamm ‚zwischen den beiden Abenden‘ – gemeint ist vermutlich in der Abenddämmerung41 – zu schlachten (¦¢±«¨¢³¡ ²). An den Auftrag zur Schlachtung des Passalammes (Ex 12,6b*) schließt sich in 12,7 nahtlos die Aufforderung an, vom Blut des Opfers zu nehmen (¦ ¨§ °¥) und dieses an den beiden Türpfosten und am Türsturz zu applizieren (¬°²§¥«³§¢³²¥«©³©), also an den Häuser, in denen das Opferfleisch verzehrt wird (¦ ³ ¥¤¢ ±² ¦¢³ ¥«). Literarkritisch verdächtig ist das unverbundene Nebeneinander der beiden Angaben zum Ort der Blutapplikation, deren zweite mit der Erwähnung der Häuser jene Grundinformation bereithält, die durch die Erwähnung von Türpfosten und Türsturz bereits im vorhinein spezifiziert wird. Diese Spezifikation ist entbehrlich und wird vor allem in 12,13 nicht mehr aufgenommen, denn hier ist nur noch von der Zeichenfunktion des Blutes ‚an den Häusern‘ (¥« ¦¢³) die Rede. Im Gegensatz dazu ist das Motiv der Blutapplikation an Türpfosten und Türsturz fest in 12,22f. verwurzelt, was eindeutig dafür spricht, daß seine Erwähnung in 12,7aȕ auf eine nachträgliche Angleichung an den Folgekontext in 12,21-23 zurückzuführen ist. Für den Grundbestand von 12,7 verbleibt damit die Aufforderung, das Blut des Opfertieres an den Häusern zu applizieren, in denen man das Opfer verzehrt (¦³¥¤¢±²¦¢³¥«©³©¦¨§ °¥). Ex 12,8* greift daraufhin das Stichwort ¥¤ aus 12,7b auf und expliziert, daß das Fleisch in der Nacht verzehrt werden soll (¥¢¥±²³¥¤), und zwar ‚am Feuer gebraten und mit Bitterkräutern‘ (¥¤¢¦¢±±§¥«²¢¥¯). Daß es sich bei der die Syntax sprengenden Angabe ³¯§ um einen Zusatz des Ergänzers handelt, auf den die Mazzotbestimmungen in 12,18 zurückgehen, ist ein seit langem gesehener Sachverhalt.42
Ebenso LAAF, Pascha-Feier, 13. Zu weiteren möglichen Interpretationen der Zeitangabe vgl. HOUTMAN, Exodus II, 175. 42 Vgl. WEIMAR, Problem, 7; GERTZ, Tradition, 34. Anders etwa LAAF, Pascha-Feier, 1340 41
15.
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Die ursprünglichen Anweisungen zum Essen des Opferfleisches (Ex 12,8*) werden in 12,9f. durch weitere kultisch-rituelle Angaben spezifiziert, die durch den Wechsel zur direkten Anrede in der 2. Pers. Plur. als Nachtrag erkennbar sind. Dasselbe gilt auch für 12,11abĮ, wo über den Begriff ¨ (‚Eile‘) eine etymologische Begründung des ähnlich lautenden ª etabliert wird,43 die schon deshalb nicht ursprünglich sein kann, weil sie in Konkurrenz zu der völlig anders konstruierten Passaätiologie in 12,13 tritt, mit der die JHWH-Rede ihr Ziel erreicht. Die in 12,13 gebotene Begründung des Passaritus setzt freilich voraus, daß zuvor an irgendeiner Stelle vom Passa die Rede war, was allein in 12,11bȕ der Fall ist ( ª ¢¥). Der Viertelvers ist folglich zum Grundbestand zu rechnen, in dem er direkt an 12,8b* anschloß: ‚Am Feuer gebraten und mit Bitterkräutern sollen sie es essen – es ist ein Passa für JHWH.‘44 Dieser ersten Erwähnung des JHWH-Namens kommt innerhalb der Rede eine zäsurierende Funktion zu, denn sie schließt einerseits die Ritualordnung ab und leitet andererseits zur Festätiologie in 12,12f. über, die in 12,12aĮ mit der betonten Ankündigung JHWHs einsetzt, ‚in dieser Nacht‘ durch Ägypten zu schreiten (¥¢¥¦¢±¯§®±¢³±«) und dort alle Erstgeburt zu schlagen (¦¢±¯§®±±¤¥¤¢³¢¤). Daß dieser Schlag Mensch und Vieh gleichermaßen betrifft (12,12aȕ: §«¦§), ist hingegen kaum ursprünglich, denn die Weitung der Perspektive auf das Vieh sprengt den Horizont der zuvor umständlich eingeführten Schutzbestimmungen und spielt auch in 12,13 keinerlei Rolle. Ex 12,12aȕ geht nebst der entsprechenden Erweiterung des Ausführungsberichts um 12,29b auf den Verfasser des priesterschriftlichen Wunderwettstreits zurück, der so eine thematische Klammer zu der direkt vorangehenden Beulenpest schuf, von der nach 9,9f. ebenfalls Mensch und Vieh betroffen sind.45 Auf die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (Ex 12,12aĮ) folgt in 12,12b mit der Androhung, JHWH werde an allen Göttern Ägyptens Gerichte vollziehen (Ex 12,12b: ¢¢©¦¢¡²²«¦¢±¯§¢¥¥¤), eine im Rahmen der Exoduserzählung vollkommen singuläre Aussage. Sie findet inneralttestamentlich allein in Num 33,4b einen Nachhall (¦¢¥ ¦¢¡²¢²«), einem Zusatz zu dem seinerseits spätpriesterschriftlichen Stationenverzeichnis, dem der überwiegende Teil des Kapitels (Num 33,143 Zur etymologischen Dimension des Wortspiels ª – ¨ vgl. JACOB, Buch Exodus, 319; RENDTORFF, Gesetze, 57; LAAF, Pascha-Feier, 135f.; KÖCKERT, Leben, 47; WEIMAR, Problem, 9. Unverständlich bleibt die in diesem Zusammenhang von DILLMANN, KEH 12, 107, und GERTZ, Tradition, 34, Anm. 21, geübte Zurückhaltung, denn das sonst nur an den von Ex 12,11 abhängigen Stellen Dtn 16,3; Jes 52,12 bezeugte Lexem ¨ wird kaum zufällig direkt vor die ähnlich lautende Einführung des Passa in 12,11bȕ gestellt worden sein. 44 Ebenso LAAF, Pascha-Feier, 15, mit dem einzigen Unterschied, daß hier auch die Erwähnung der Mazzen (³¯§) in Ex 12,8 als ursprünglich gilt. 45 Vgl. die Ausführungen unter VI. 1.2.
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
49) gewidmet ist. Daß auch in Ex 12,12b ein Zusatz – möglicherweise gar von derselben Hand – vorliegt, zeigt sich eindeutig daran, daß der Halbvers den organischen Zusammenhang zwischen der Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (12,12aĮ) und der Verschonung der Israeliten (12,13) zerstört, in dem für Gerichte an ägyptischen Göttern streng genommen kein Platz ist. Der Nachtrag verdankt sich vermutlich einer Kombination der auf die Tötung der Erstgeburt zielenden Ankündigung ‚großer Gerichte‘ (Ex 6,6; 7,4 P) mit den gegen die ägyptischen Tempel gerichteten Vernichtungsdrohungen in Jer 43,12f., auf die die einzigen weiteren Erwähnungen der ‚Götter Ägyptens‘ (¦¢±¯§¢¥) im Alten Testament entfallen. Der Verfasser von Ex 12,12b zog beides zusammen, um die Niederlage Ägyptens durch die Niederlage seiner Götter komplett zu machen, die er längst als Götzen entlarvt hatte.46 Hatte Ex 12,12aĮ pauschal die Tötung der menschlichen Erstgeburten in Ägypten angekündigt, so hebt 12,13 im Anschluß hieran auf die Verschonung der Israeliten ab. Der Vers bildet eindeutig den Zielpunkt des gesamten Abschnitts 12,1-13*, denn nur hier wird die Funktion des in 12,7* angeordneten Blutritus deutlich, und nur hier erhält das Passa seine ätiologische Begründung:47 Das an den Häusern applizierte Blut dient als Zeichen für JHWH (12,13aĮȕ: ¦² ¦³ ±² ¦¢³ ¥« ³¥ ¦¤¥ ¦ ¢ ¦ ³ ¢³¢±), der so die Häuser der Israeliten, wenn er sie bei seinem nächtlichen Zug durch Ägypten ‚passiert‘ (12,13aȖ: ¦¤¥« ¢³ ª),48 vor dem verheerenden Schlag verschonen kann (12,13b). Diese Verschonungsaussage, durch 12,13bȕ (¦¢±¯§ ®± ¢³¤) gekonnt an die vorangehende 46
Zur monotheistischen Dimension der Aussage in Ex 12,12b vgl. etwa KÖCKERT, Leben,
47f. 47 Zur ursprünglichen Zugehörigkeit von Ex 12,13 zur Passaordnung in 12,1-13 vgl. etwa HOLZINGER, KHC 2, 38; R. SCHMITT, Exodus, 79-82; GERTZ, Tradition, 35. Gegen WEIMAR, Problem, 10f., der in Ex 12,13 einen späteren Zusatz findet. Als stärkstes Argument hierfür kann noch gelten, daß 12,13 zu einer direkten Anrede der Israeliten in der 2. Pers. Plur. wechselt, was sich sonst nur in den sekundären Passagen der Ritualordnung findet, doch wird dabei übersehen, daß 12,13 eben nicht mehr Teil der Ritualordnung, sondern Teil des dieselbe historisierenden Rahmens ist. Beim Wechsel von der einen zur anderen Passage vollzieht sich eine perspektivische Wandlung, und die JHWH-Rede wird mit Blick auf die Auszugsereignisse personalisiert, was am Übergang zwischen 12,11bȕ (¢¢¥ ª – ‚ein Passa für JHWH‘) und 12,12aĮ (¦¢±¯§®±¢³±« – ‚und ich will durch Ägypten schreiten‘) eindeutig ersichtlich ist. Die direkte Anrede der Israeliten in 12,13 ist Teil desselben Prozesses und von daher literarkritisch unverdächtig. 48 Wie gut diese erstmals in Ex 12,23 g bezeugte Wiedergabe des Verbs ª den ursprünglichen Wortsinn trifft, ist umstritten. Nach OTTO, Art. ª, 664-669, bringt der Begriff in Ex 12,13.23 zum Ausdruck, daß JHWH bzw. der Verderber „an den Eingängen der Häuser auf Widerstand stoßen“ wird (a.a.O., 666). Zu alternativen Erklärungen, etwa der Ableitung von einem kultischen Hinktanz ( ª = hinken, hüpfen), vgl. den Überblick bei LAAF, Pascha-Feier, 142-147.
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Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (12,12aĮ: ®± ±¤ ¥¤ ¢³¢¤ ¦¢±¯§) zurückgebunden, ist allerdings in ihrem Sinngehalt nicht eindeutig zu erfassen. Das ³¢ ²§¥¬©¦¤¢¢¥ (12,13bĮ)49 läßt sich nämlich sowohl abstrakt (‚nicht wird bei euch ein Schlag zum Verderben bzw. des Verderbens sein‘) als auch personal interpretieren (‚nicht wird bei euch ein Schlag des Verderbers sein‘),50 wobei man im zweiten Fall an ein übernatürliches Wesen zu denken hätte, das auf JHWHs Geheiß die Erstgeburten tötet.51 Da der atl. Textbefund nicht den Schluß zuläßt, daß der ³¢ ²§ ein jedem Kind bekannter Wüstendämon o.ä. war,52 scheint für Ex 12,13bĮ ein abstraktes Verständnis näher zu liegen, da der Begriff lediglich als indirektes Objekt eingebunden ist und zudem in 12,12aĮ; 12,13bȕ durch zwei Aussagen gerahmt wird, die explizit JHWH als Subjekt des Schlages nennen. Auf die Parallele in 12,23 ist im folgenden noch gesondert einzugehen. Mit der Ankündigung der Verschonung der Israeliten in Ex 12,13 endete die JHWH-Rede, deren ursprünglichem Bestand die Verse 12,1*.3*.6b*. 7*.8*.11bȕ.12aĮ.13 zugewiesen werden konnten. Auf derselben literarischen Ebene liegt ferner die Notiz in 12,28, die direkt an 12,13 anschloß und vermeldete, daß die Israeliten die ihnen von Mose und Aaron übermittelten Anordnungen JHWHs befolgten (¢¯±²¤¥±²¢¢©²«¢¤¥¢ ²« ¨¤ ¨± ²§ ³). Findet sich damit ein Ausführungsbericht zur Ritualordnung in 12,3b-11*, so weiß P vom Eintreffen der in 12,12a.13 angekündigten Ereignisse selbst nichts zu berichten, was auch von KRATZ, obwohl dieser grundsätzlich am Quellencharakter von P festhält, dahingehend interpretiert wird, daß in 12,1-13* eine unselbständige Einschreibung vorliegt, die von vornherein mit Blick auf den vorpriesterschriftlichen Bericht von der Tötung der Erstgeburt (12,29-33*) gestaltet wurde.53 Schon 1867 war GRAF zu exakt demselben Schluß gekommen, denn nach seiner Einschätzung ist die priesterschriftliche Passabestimmung „an den erzählenden Bericht des Jahwisten angeknüpft und setzt diesen als vorliegend voraus.“54 Die Sache liegt auf der Hand, denn der Ausführungsbericht in Ex 12,28 deckt mit dem Passaritual exakt jenen Teil von 12,1-13* ab, zu dem sich Die Formulierung wird in Ex 30,12 aufgenommen (¦³°¬©¦¢¢¥). Vgl. die Diskussion bei GERTZ, Tradition, 48-50; HOUTMAN, Exodus II, 185. 51 Vgl. die Rolle des ³¢ ²§ als eines von JHWH kontrollierten Kriegsgegners in Jes 54,16; Jer 22,7; 51,1; Ez 21,36 sowie die Erwähnung des ³¢ ²§£¥§ in 2 Sam 24,16. 52 Vgl. grundlegend LINDSTRÖM, God, 59-65. Zur Vorstellung des ³¢ ²§ als eines dämonischen Wesens in der späteren Rezeptionsgeschichte vgl. 4Q511 1 6. 53 Vgl. KRATZ, Komposition, 244, Anm. 25; ferner BLUM, Studien, 250; VAN SETERS, Place, 177f. Anders etwa KOHATA, Jahwist, 262-267; L. SCHMIDT, Studien [1993], 29-31; GERTZ, Tradition, 87f. 54 GRAF, Grundschrift, 473. 49 50
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im vorpriesterschriftlichen Text keine Parallele findet, woraufhin der sich in 12,29-33* anschließende ältere Erzählbestand gemäß der Ankündigung in 12,12a von der Tötung der Ertgeburt berichtet. Daß die Israeliten von dem Schlag verschont blieben (12,13), bedurfte dagegen nach 12,28 keiner gesonderten Erwähnung, sondern verstand sich von selbst. Für die Annahme, daß 12,1-13*.28 gezielt mit Blick auf den Folgekontext in 12,29-33* gestaltet wurden, sprechen schließlich auch die exakten terminologischen Übereinstimmungen zwischen 12,12aĮ und 12,29aĮ. Hier wie dort ist von einem Schlag JHWHs gegen alle Erstgeburt in Ägypten die Rede (12,12aĮ2: ¦¢±¯§ ®± ±¤ ¥¤ ¢³¢¤; 12,29aĮ2: ®± ±¤ ¥¤ ¤ ¢ ¦¢±¯§), der sich jeweils in der Nacht zuträgt. Lediglich die präzise Zeitangabe ‚um Mitternacht‘ aus 12,29aĮ (¥¢¥ ¢¯ ) wurde in 12,12aĮ durch ein allgemeineres ‚in dieser Nacht‘ ( ¥¢¥) ersetzt, womit der Verfasser der Ritualordnung Rechnung trug, die das nächtliche Essen des Passaopfers in 12,8a mit eben diesen Worten ( ¥¢¥) beschreibt. Ex 12,113*.28 erweisen sich damit auf der ganzen Linie als kontextbezogene Bildung, wohingegen all jene, die die Passage für eine selbständige Priesterschrift veranschlagen, zur Annahme eines defizitären Textzusammenhangs gezwungen sind, in dem auf 12,28 nicht der nach 12,12a zu erwartende Bericht von der Tötung der Erstgeburt, sondern vielmehr die Auszugsnotiz in 12,40f. folgte.55 Das ist in etwa so, als fände die Ankündigung des Meerwunders (14,1-4) ihre direkte Fortsetzung mit der Notiz zur Ankunft der Israeliten am Sinai (19,1). Handelt es sich bei der priesterschriftlichen Passaätiologie in Ex 12,113*.28 um eine literarisch unselbständige Bildung, die von vornherein mit Blick auf die ältere Erzählung von der Tötung der Erstgeburt gestaltet wurde, so wirft dies auch ein anderes Licht auf den Blutritus. Die Kenntlichmachung der Häuser, in denen sich die Israeliten befinden, als Schutzräume (12,13aĮ: ¦² ¦³ ±² ¦¢³ ¥« ³¥ ¦¤¥ ¦ ¢; vgl. 12,7*) erweist sich nun von vornherein als auf die ältere Aussage angelegt, es habe kein Haus gegeben, in dem sich kein Toter befand (12,30b: ³¢¨¢¢¤ ³§ ¦² ¨¢ ±²). Dies weckt den Verdacht, daß es sich bei dem so
55 Die irrtümliche Annahme eines ursprünglichen Textzusammenhangs in Ex 12,28.40f. wurde nicht unbeträchtlich dadurch befördert, daß 12,50f. exakt diesen Zusammenhang durch die Wiederaufnahme von 12,28.41b herstellen. Ex 12,50f. kopieren aber eben keine vorgefundene Textsequenz, sondern kombinieren zwei Aussagen aus dem Vorkontext, die für die erzählerische Einbindung der Zulassungsbestimmungen zum Passa (12,43-49) zentral sind. So wird durch die Wiederholung der Ausführungsnotiz (12,28) in 12,50 zunächst festgehalten, daß bei der ersten Feier des Passa auch die Zulassungsbestimmungen berücksichtigt wurden, woraufhin in 12,51 mit 12,41b exakt jener Vers wieder aufgenommen wird, an den die Bestimmungen angeschlossen wurden. Vgl. die Ausführungen unter VII. 2.5.
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archaisch anmutenden Blutritus56 überhaupt nicht um einen genuinen Bestandteil des Passarituals,57 sondern um eine priesterschriftliche Erfindung handelt, die einen erzählerischen Anknüpfungspunkt für die Passaätiologie definieren soll. Da der Blutritus einerseits keine erkennbare Funktion erfüllt, die über die Erzählebene hinausgeht, und andererseits abgesehen von Ex 12 nirgends mehr im Zusammenhang des Passa begegnet,58 drängt sich dieser Schluß geradezu auf.59 Faßt man den Blutritus in der dargestellten Weise als ein von P zur Ätiologisierung des Passa eingeführtes Motiv, so erklären sich mit einem Schlag auch zwei Eigentümlichkeiten der in Ex 12,3b.6b*.7*.8*.11bȕ rekonstruierten Ritualordnung. Dies gilt erstens für den Sachverhalt, daß 12,7b bereits bei der Beschreibung des Blutritus vom Opfermahl in den Häusern spricht und damit 12,8* vorgreift, wo dieses Opfermahl allererst angeordnet wird. Zieht man 12,7* ab, so ergibt sich hingegen ein sprachlich wie sachlich einwandfreier Zusammenhang zwischen 12,6b* (¡ ² ³) und 12,8a (¥¢¥±²³¥¤). In derselben Weise erklärt sich auch das eingangs in 12,3b notierte Nebeneinander der Aufforderungen, ein Schaf pro Familie (³ ³¢¥²) und pro Haus (³¢¥ ²) zu nehmen, wenn man die letzte Angabe als priesterschriftliche Erweiterung begreift,60 die wie 12,7* auf die erzählerische Einbindung einer vorgegebenen 56 SCHREINER, Exodus 12,21-23, 84, gilt der Blutritus als „wohl uralter semitischer Brauch [...], der zur Abwehr eines Pestdämons diente“. Dabei ist immerhin richtig bemerkt, daß die in Ex 12,7.13.22f. geschilderte Blutapplikation an den Häusern und eben nicht an den Zelten erfolgt, was all jene übersehen, die hier einen nomadischen Ritus beschrieben finden (so u.a. WELLHAUSEN, Prolegomena, 88f.95; PEDERSEN, Passahfest, 161-175; ROST, Weidewechsel, 205-216; NOTH, Überlieferungsgeschichte, 72f.; FOHRER, Überlieferung, 79-97; HERRMANN, Aufenthalt, 82; LAAF, Pascha-Feier, 156-158; HAAG, Vom alten zum neuen Pascha, 48-53; KEEL, Erwägungen, 414-434; R. SCHMITT, Exodus, 42f.; W.H. SCHMIDT, EdF 19, 56-60; AHUIS, Exodus 11,1-13,16, 61-66). Einen Forschungsüberblick über weitere Deutungen des Blutritus und damit verbunden auch der Ursprünge des Passa bieten SEGAL, Passover, 78113; LAAF, a.a.O., 148-156; HAAG, a.a.O., 44-48; HOUTMAN, Exodus II, 151-162. 57 Ähnlich schon VAN SETERS, Place, 175: „The blood rite was not derived from passover but rather the use of blood in passover was derived from broader priestly usage.“ 58 Lediglich in den Passaberichten in 2 Chr 30,16; 35,11 ist noch einmal vom Blut des Opfertieres die Rede, das hier aber von den Priestern an den Altar gesprengt wird und keinerlei apotropäische Funktion für die Häuser der Israeliten hat. Seine engste Parallele findet der in Ex 12,7.13.22f. beschriebene Blutritus noch in den Reinigungsvorschriften für den Tempel (Ez 45,19), die aber weder mit dem Passa zu tun haben noch eine Schutzfunktion erfüllen. Die Annahe, P habe einen derartigen Reinigungsritus vom Tempel auf die Diasporahäuser übertragen (WAMBACQ, Origines, 323), läßt sich am Text von Ex 12 nicht verifizieren. 59 Bezeichnenderweise fehlt in P eine Aufforderung, das Passaritual einschließlich des Blutritus zu wiederholen. Sie wurde, wie die folgenden Ausführungen zeigen, erst von späterer Hand in 12,21-25* nachgetragen. 60 Ähnlich GERTZ, Tradition, 34, der das ³¢¥² in Ex 12,3b jedoch unzutreffenderweise als Vorbereitung von 12,4 deutet.
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Ritualordnung zielt. Diese Ritualordnung umfaßte die Aufforderung, ein Schaf pro Familie zu schlachten (12,3b*.6b*) und es am Feuer gebraten mit Bitterkräutern zu essen (12,8*), und schloß in 12,11bȕ mit der Bezeichnung des Rituals als Passa für JHWH. Die Ordnung wurde von P aufgenommen,61 durch die skizzierten Ergänzungen in 12,3b.7 sowie durch die Ankündigung in 12,12aĮ.13 ätiologisch zugespitzt und mittels der Rahmenverse 12,1.3aĮ*.28 in den Kontext der Exoduserzählung eingepaßt.62 In den ursprünglichen Textzusammenhang zwischen Ex 12,13 und 12,28 wurden nachträglich nicht nur die Mazzotbestimmungen in 12,1420, sondern mit 12,21-27 auch ein Abschnitt eingestellt, dessen ersten drei Verse (12,21-23) die zentralen Inhalte aus 12,1-13* wiedergeben. Während ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Passagen in Anbetracht der großen Übereinstimmungen in Wortwahl und Duktus evident ist, schließen die gleichzeitig zu verzeichnenden Abweichungen im Detail eine gemeinsame Verfasserschaft aus. Ex 12,21-23 sind nicht die ursprüngliche Fortsetzung von 12,1-13*, was sich schon daran zeigt, daß in 12,1.3aĮ Mose und Aaron dazu aufgefordert werden, die Israeliten zu instruieren (¥±²¢ ³« ¥¤ ¥ ±), woraufhin in 12,21 zunächst allein Mose das Wort ergreift und sich an die Ältesten wendet (¢©°¥¤¥²§±°¢ ¥±²¢), während es in 12,28 abschließend heißt, daß die Israeliten dem durch Mose und Aaron übermittelten Befehl JHWHs gemäß verfuhren (²«¨¤¨±²§³¢¯±²¤¥±²¢¢©²«¢¤¥¢). Ex 12,1.3aĮ.28 scheinen nichts von einer Instruierung der Ältesten zu wissen, was den Schluß nahelegt, daß es sich bei 12,21-23 und der hiervon abhängigen 61
Die Annahme, P habe in Ex 12,1-13* eine vorgegebene Passaordnung rezipiert, wird auch von RENDTORFF, Gesetze, 56; LAAF, Pascha-Feier, 15; KOHATA, Jahwist, 262-267; KÖCKERT, Leben, 46; OTTO, Art. ª, 669; GERTZ, Tradition, 33-37, vertreten, wobei die Erwähnung des Blutritus durchgängig als ursprünglich gilt. Dagegen hält WEIMAR, Problem, 12, die Rekonstruktion eines vorgegebenen Passarituals grundsätzlich nicht für möglich, da bereits der Grundbestand der Ritualordnung als JHWH-Rede gestaltet sei und damit den Erzählkontext voraussetze. Vgl. hierzu die folgende Anmerkung. 62 Dabei sind zwar Inhalt und Struktur, nicht aber der exakte Wortlaut der vorgegebenen Ritualordnung rekonstruierbar, da im Zuge ihrer Gestaltung als JHWH-Rede mit Reformulierungen zu rechnen ist. Dies gilt ganz grundsätzlich mit Blick auf ihre syntaktische Konstruktion als Kette konsekutiver Perfektformen, die über das ¦¥ °¢ in 12,3b an den Redeauftrag in 12,3aĮ angeschlossen wurden. Auch die Aufforderung in 12,8*, das Opfertier ‚in dieser Nacht‘ (¥¢¥) zu essen, läßt sich nicht vom erzählerischen Folgekontext trennen (vgl. 12,12a.29). In Ex 12,8* ist daher zumindest das Demonstrativpronomen , wenn nicht die Zeitangabe insgesamt als priesterschriftliche Überformung der Ritualordnung anzusprechen. In letzterem Fall wäre auch die Wiederholung der Verbform am Ende von 12,8b (¥¤¢) auf den priesterlichen Bearbeiter zurückzuführen, so daß für den Grundbestand der Ritualordnung in 12,8 – vorbehaltlich der exakten Verbform – der folgende Text verbliebe: ¦¢±±§¥«²¢¥¯±²³¥¤.
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Fortsetzung in 12,24-27 um eine gegenüber 12,1-13*.28 jüngere Fortschreibung handelt. Dies bestätigt sich, insofern sich umgekehrt zeigen läßt, daß Ex 12,2123 auf den Vorkontext in 12,1-13* angewiesen sind, und zwar ganz grundsätzlich schon deshalb, weil Mose und mit ihm der Leser dort erstmals von dem bevorstehenden Schlag gegen die ägyptische Erstgeburt erfährt.63 Veranschlagt man 12,21-23 dagegen für den vorpriesterschriftlichen Text,64 so ist man zu der unwahrscheinlichen Annahme gezwungen, daß Mose hier bereits in prophetischer Ahnung das vorwegnimmt, was erst von späterer Hand als Offenbarung JHWHs in 12,1-13* ergänzt wurde. Dabei zielt diese potentielle Ergänzung wie gesehen nicht einmal auf 12,21-23, sondern vielmehr an den Versen vorbei auf 12,28. Erweist sich damit die Annahme, 12,21-23 komme gegenüber 12,1-13*.28 literarische Priorität zu, als hochgradig unplausibel, so leuchtet das umgekehrte Redaktionsmodell auf Anhieb ein: Ex 12,21-23 wurden in den älteren priesterschriftlichen Textzusammenhang eingestellt und schalten der Übermittlung der Worte JHWHs an das Volk (12,28) eine Instruierung der Ältesten vor, die den Inhalt aus 12,1-13* aufnimmt und mit leichten Akzentverschiebungen rekapituliert. Mit welchem Interesse dies geschah, wird im folgenden noch gesondert zu klären sein. Zusätzlich zu den bisher angestellten grundsätzlichen Erwägungen untermauern auch die folgenden Detailbeobachtungen das hier vertretene Redaktionsmodell. So erklärt sich bereits die Aufforderung am Ende von Ex 12,21, wonach man ‚das Passa‘ schlachten soll ( ª¡ ²), am zwanglosesten dann, wenn zuvor schon einmal vom Passa die Rede war, was allein in 12,11bȕ der Fall ist. Hinzu kommt, daß 12,21 nicht nur in der über die Verben °¥ und ¡ ² strukturierten Handlungssequenz exakt mit der vorangehenden Passaordung übereinstimmt (vgl. 12,3b.6b*), sondern auch deutliche Einflüsse der dort getroffenen Verhältnisbestimmung zwischen Opfertier und Kultgemeinde erkennen läßt. Die Aufforderung, ein Lamm pro Sippe zu nehmen (³ ³¢¥ ² ²¢ ¦¥ °¢) findet ihr sachliches Korrelat in 12,21, wo die Ältesten als Sippenoberhäupter beauftragt werden, Schafe für ihre Familien zu nehmen (¦¤¢³ ²§¥ ¨¯ ¦¤¥ °). Die notierten Übereinstimmungen mit der Passaordnung lassen sich nicht als zufällig abtun, was in Anbetracht des redaktionsgeschichtlichen Gesamtbefundes ein weiterer Beleg dafür ist, daß der Verfasser von 12,21-23 die Passage in 12,1-13* bereits vorfand. Die Ältesten Israels verdanken ihren
Die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt in Ex 11,4-8 fällt wie unter VI. 2.4. dargelegt für den vorpriesterschriftlichen Text aus. 64 Die Verse werden klassisch J zugewiesen; vgl. etwa NOTH, ATD 5, 76; KOHATA, Jahwist, 267-269. 63
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literarisch ältesten Auftritt in der Exoduserzählung der Interpretation einer Ritualordnung.65 Im Rahmen dieser Interpretation wird darüber hinaus besonders der schützende Blutritus näher expliziert.66 Während in 12,7* lediglich angeordnet wird, vom Opferblut zu nehmen und dieses an den Häusern zu applizieren (¦¢³¥«©³©¦¨§ °¥), soll man nach 12,22a ein Büschel Ysop nehmen ( ³ ¦³ °¥), es in die Schale mit dem Blut tauchen (¬ª ±² ¦ ¦³¥¡) und dann etwas von dem Blut aus der Schale am Türsturz und an den beiden Türpfosten anbringen (¥ ¬°²§ ¥ ¦³« ¬ª±²¦¨§³§¢³²).67 Das in 12,22b folgende Verbot, die Häuser bis zum Morgen zu verlassen (±°«³¢ ³§²¢¯³¥¦³), ist in 12,1-13* ohne Parallele. Es schließt den einzigen Fall aus, der die Wirksamkeit des Schutzritus zunichte machen könnte, und lenkt zugleich zur Ankündigung des nächtlichen Schlages über, die sich in 12,23aĮ1 anschließt. Wie in 12,12a ist auch hier von einem Vorübergehen JHWHs (±«) die Rede, wobei nun eine Lokalisierung (¦¢±¯§®±) unterbleibt und sogleich der Zweck der Aktion durch einen finalen Infinitiv angezeigt wird: JHWH zieht vorüber, um Ägypten zu schlagen (³ ¬©¥ ¢¢ ±« ¦¢±¯§). Daß sich dieser Schlag des Nachts ereignet, wird dabei lediglich implizit durch das Verbot in 12,22b deutlich; daß er gegen die ägyptische Erstgeburt gerichtet ist, hingegen überhaupt nicht!68 Erst vor dem Hintergrund von 12,12a wird der Bezug der knappen Ankündigung in 12,23aĮ1 zu den in 12,29 geschilderten Ereignissen klar. Daß in Ex 12,23aĮ1 keine vorpriesterschriftliche Ankündigung der Tötung der Erstgeburt vorliegen kann, zeigt sich zuletzt auch daran, daß der Schlag JHWHs hier nicht mit der in 12,29 verwendeten Wurzel ¤©, sondern vielmehr mit ¬© zum Ausdruck gebracht wird. Der Verfasser lehnt sich hierbei an 12,13 an (³¢ ²§¥¬©) und stellt damit gezielt jenen Begriff an den Anfang seiner Ankündigung, mit dem er dieselbe in 12,23bȕȖ auch 65
Die sonstigen Erwähnungen der Ältesten in Ex 3,16.18; 4,29 sind Teil einer jüngeren Schicht, deren Verfasser bereits mit 12,21-23 vertraut war; vgl. hierzu die Ausführungen unter III. 2.3. 66 Bereits NORIN, Er spaltete, 175, hat zutreffend gesehen, daß der Vorgang sowie die Art und Weise dieser Explikation auf eine nachpriesterschriftliche Entwicklung schließen lassen. 67 Die Erwähnung von Türpfosten und Türsturz erfolgte wie bereits dargelegt in Ex 12,7 (¬°²§ ¥« ³§ ¢³² ¥«) erst nachträglich im Licht von 12,22f. Da die Reihenfolge der Aufzählung in 12,7 gegenüber 12,22f. umgedreht wurde, dürfte der Zusatz nicht vom Verfasser der Verse 12,22f., sondern von einer noch späteren Hand stammen. Hierfür spricht auch, daß die Distinktion zwischen der Applikation des Blutes ‚an‘ (¥) dem Türrahmen (12,22) und dem Gewahrwerden des Blutes ‚auf‘ (¥«)demselben (12,23), in 12,7 verwischt wird. Hier wird das Blut ‚auf‘ (¥«) dem Türrahmen aufgebracht. 68 Letzteres notiert auch JACOB, Buch Exodus, 337: „Man beachte besonders, daß wir in diesem Absatz allein gar nicht erfahren würden, daß der Gottesschlag gegen Ägypten in einem Sterben aller Erstgeburten bestehen würde.“
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beschließt. Das Verderben bringende Wirken JHWHs wird so aufs engste mit dem ³¢ ²§ verknüpft, der hier im Unterschied zu 12,13 am ehesten als personale Größe aufzufassen ist, und zwar als der ‚Verderber‘, dessen Eindringen in die Häuser der Israeliten JHWH nicht zuläßt (³¢ ²§ ¨³¢ ¥ ¬©¥ ¦¤¢³ ¥ ¥). Die Darstellung in 12,23 erweist sich damit im Vergleich zu ihrer literarischen Vorlage in 12,12a.13 nicht nur als klarer strukturiert, sondern spiegelt auch ein höheres theologisches Reflexionsniveau, insofern nun der Schlag JHWHs durch eine Mittlergestalt vollzogen wird.69 Auf diese Weise erfährt auch die in 12,12a.13 beschriebene Ereignissequenz eine weitere Konkretisierung, denn nun ist davon die Rede, daß JHWH in dem Moment, in dem er das Blut an Türsturz und Türpfosten sieht (12,23aĮ2ȕ: ³§ ¢³² ¥« ¬°²§ ¥« ¦ ³ ±), am so markierten Hauseingang vorüberzieht (12,23bĮ: ³ ¥« ¢ ª) und dem ‚Verderber‘ ein Durchschreiten desselben verwehrt (12,23bȕȖ). Im Unterschied hierzu weiß 12,13 lediglich zu berichten, daß mit JHWH auch die Bedrohung durch einen verderbenbringenden Schlag (³¢ ²§¥ ¬©) an den Israeliten vorüberzieht, ohne daß dieser Vorgang näher beleuchtet würde. Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, daß in Ex 12,21-23 ein literarisch einheitlicher Abschnitt vorliegt,70 der nachträglich in den Rahmen der priesterschriftlichen Passordnung 12,1-13*.28 eingestellt wurde.71 Zu welchem Zweck dies geschah, läßt sich nicht ohne Berücksichtigung des Folgekontextes in 12,24-27 beantworten, der zumindest in Teilen die So bereits NORIN, Er spaltete, 175f. Unzutreffend dagegen OTTO, Art. ª, 671, der in Ex 12,13 eine „Entpersonalisierung“ des in 12,23 personal gedachten ³¢ ²§ „unter dem Gesichtspunkt der Alleinwirksamkeit JHWHs“ findet (a.a.O., 677). Dabei wird übersehen, daß sich ein der Entwicklung von 12,13 zu 12,23 vergleichbarer Prozeß auch durch die Ergänzung des Engels in Ex 14,19a vollzieht, welche die direkte Präsenz JHWHs in der Wolkensäule durch eine Mittlergestalt hypostasiert. In derselben Weise wurde in 1 Chr 21,1 der in 2 Sam 24,1 agierende JHWH durch den Satan ersetzt. Die sich in Ex 12,13.23 abzeichnende Entwicklungslinie findet im übrigen ihre nahtlose Fortsetzung in 4Q225 1 3, wo der Dämonenfürst Belial an die Stelle des ³¢ ²§ getreten ist. 70 Zur literarischen Einheitlichkeit von Ex 12,21-23 vgl. OTTO, Art. ª, 670; GERTZ, Tradition, 46, Anm. 77. Ähnlich AHUIS, Exodus 11,1-13,16, der aber in 12,23bȕ – gemeint ist 12,23bȕȖ – einen Zusatz findet. Mit umfangreicheren Bearbeitungen rechnen dagegen u.a. LAAF, Pascha-Feier, 23f.; SCHREINER, Exodus 12,21-23, 80-82; WEIMAR, Berufung, 288, Anm. 126; DERS., Exodus 12,24-27a, 424. Trotz aller Unterschiede im Detail gehen die diachronen Analysen durchweg von der letztlich unhinterfragt geltenden Annahme aus, Ex 12,21-23 enthielten einen alten Kern, womit zugleich der Blick auf die Abhängigkeiten von 12,1-13* P verstellt ist. 71 Einen nachpriesterschriftlichen Ursprung des hier allerdings als einheitlich geltenden Abschnitts Ex 12,21-27 erwägt bereits WELLHAUSEN, Composition, 73 („Zusatz zu JE“ oder „Anhang unbekannten Ursprungs zu Q“). Vgl. HÖLSCHER, Geschichtsschreibung, 301; NORIN, Er spaltete, 175f.; LEVIN, Jahwist, 336 (12,21-27 = RS). 69
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ursprüngliche Fortsetzung von 12,21-23 gebildet haben muß. Sonst jedenfalls würde nicht verständlich, warum ein Ergänzer in 12,21-23 die Mühe unternommen haben sollte, die Schutzbestimmungen aus 12,1-13* umständlich zu rekapitulieren, wenn es ihm lediglich um einige Präzisierungen gegangen wäre. Diese sind für den Erzählfortschritt vollkommen unerheblich, transzendieren aber andererseits auch nicht die Situation des Ägyptenpassas, um einen Bezug zur Gegenwart des Lesers herzustellen. Letzteres geschieht erst in 12,24.25-27a, wo künftigen Generationen mit Blick auf 12,21-23 die Befolgung des Passaritus aufgegeben wird, während durch 12,27b ein neuer erzählerischer Akzent gesetzt wird, indem die Israeliten hier auf die Ankündigung ihrer Verschonung mit einem Akt der Anbetung reagieren. Zumindest in einem dieser beiden Textbereiche von 12,24-27 muß sich die ursprüngliche Fortsetzung von 12,21-23 verbergen. Betrachtet man zunächst nur Ex 12,27b, so läßt sich festhalten, daß die hier geschilderte Reaktion des Volkes ( ³²¢¦«°¢) sinnvoll lediglich an eine vorangehende Ankündigung der Errettung anschließt. Als direkter Vorkontext kommt damit neben 12,27aȕ2 (¥¢¯ ©¢³ ³) allein die entsprechende Aussage in 12,23bȕȖ (¬©¥ ¦¤¢³ ¥ ¥ ³¢ ²§ ¨³¢ ¥) in Betracht, wobei sich in letzterem Fall exakt jener Textbestand ergäbe, der klassisch dem Jahwisten zugeschrieben wird (12,21-23.27b).72 In der Sache ist das letztgenannte Modell seiner Alternative vorzuziehen, denn die Ankündigung der Errettung (12,23) ist unmittelbar auf die Situation derer bezogen, die sich in 12,27b dankend niederwerfen. Liest man dagegen 12,27b im Horizont von 12,26.27a, so ergibt sich die eigentümliche Situation, daß die Israeliten aufgefordert werden, ihren Nachkommen nach dem Eintritt ins Land von der in der Passanacht erfahrenen Rettung zu künden, und sich daraufhin anbetend zu Boden werfen. Diese komplizierte und erzählerisch wenig plausible Verschränkung der Zeitebenen spricht gegen einen ursprünglichen Textzusammenhang zwischen 12,27a und 12,27b und stärkt vordergründig die Alternative, daß 12,27b einmal direkt auf 12,23 folgte. Der Grundbestand von 12,21-27 läge mithin in 12,2123.27b. Gegen diesen möglichen Grundbestand der Texteinheit lassen sich nun aber ebenfalls gewichtige Einwände erheben. So leuchtet nicht ein, warum ein Verfasser, der auf die dankbare Reaktion des Volkes hinaus will (Ex 12,27b), dies dadurch zu bewerkstelligen sucht, daß er Mose vor den So etwa NOTH, ATD 5, 76; H. SCHMID, Mose, 44; W.H. SCHMIDT, EdF 191, 55f.; AHUIS, Exodus 11,1-13,16, 108f. In der literarischen Abgrenzung ebenso EISSFELDT, Hexateuch-Synopse, 130* (Ex 12,21-23.27b = L); FOHRER, Überlieferung, 82 (Ex 12,2123.27b = N); WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 424 (Ex 12,21-23.27b = JE). Eine Zugehörigkeit von Ex 12,21-23.27b zum vorpriesterschriftlichen Bestand der Exoduserzählung wird auch von GERTZ, Tradition, 72f.396, erwogen. 72
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Ältesten in ausführlicher Weise die rituellen Anordnungen aus 12,1-13* wiederholen läßt (12,21-23). Nach der exklusiven Adressierung der Moserede an die Ältesten (12,21a) stellt es einen eklatanten erzählerischen Bruch dar, wenn in 12,27b plötzlich das gesamte Volk reagiert, was kaum für einen ursprünglichen Textzusammenhang in 12,21-23.27b spricht. Dasselbe spannungsreiche Nebeneinander von Ältesten und Volk ist nun auch in 4,29-31 bezeugt, dabei aber ebenfalls nicht ursprünglich, sondern das Ergebnis eines Redaktionsprozesses, in dem das, was ursprünglich die Reaktion der Ältesten war (4,31b) erst durch die nachträgliche Vorschaltung von 4,31a zur Reaktion des Volkes wurde.73 Diese Reaktion (4,31bȕ: °¢ ³²¢) ist bezeichnenderweise identisch mit der in 12,27b beschriebenen ( ³²¢ ¦« °¢), weshalb ohne Zweifel von einem literarischen Abhängigkeitsverhältnis auszugehen ist. Da sich die Proskynese in 4,31 erst nachträglich zu dem entwickelte, was sie in 12,27b von Anfang an ist, liegt das literarische Gefälle auf der Hand: Ex 12,27b geht auf einen Ergänzer zurück, der bereits mit der Endgestalt von 4,31 vertraut ist. Mit der Bestimmung des literarhistorischen Verhältnisses zwischen Ex 4,31; 12,27b ist endgültig die Möglichkeit zu verabschieden, daß 12,27b auf derselben literarischen Ebene angesiedelt ist wie 12,21-23. Die Gesamtanalyse der Exoduserzählung zeigt, daß bereits der Grundbestand der Ältestenschicht in 4,29-31* jünger ist als die Erwähnung der Ältesten in 12,21, weshalb es sich in 12,27b nur um einen nochmals jüngeren Zusatz handeln kann, der das Motiv der Proskynese des Volkes in die Situation vor der Tötung der Erstgeburt überträgt. Reagieren die Israeliten in 4,31, als sie zum ersten Mal von JHWHs Zuwendung erfahren, indem sie sich anbetend niederwerfen, so erfolgt nun in 12,27b dieselbe Reaktion auch, nachdem die Verschonung der israelitischen Häuser angekündigt wurde. Da die entsprechende Ankündigung in 12,23 nach der obigen Analyse als ursprünglicher Anknüpfungspunkt für 12,27b ausfällt, muß der Halbvers von jeher auf 12,27a gefolgt sein, dies allerdings in Anbetracht des sachlich unebenenen Übergangs nicht ursprünglich, sondern als jüngerer Nachtrag. Aus der Erkenntnis, daß in Ex 12,27b nicht der ursprüngliche Abschluß von 12,21-23 vorliegt, folgt zugleich, daß sich dieser Abschluß in 12,2427a verbergen muß. Der Abschnitt gliedert sich in drei logische Einheiten, deren erste (12,24) die Observanz des Passa als einer ewigen Ordnung vorschreibt, während die zweite (12,25) bestimmt, denselben Ritus nach dem Eintritt ins Land zu befolgen. Bei der dritten Einheit handelt es sich um eine Katechese (12,26.27a), die, das zeigt die ausdrückliche Rückfrage nach dem Sinn ‚dieses Dienstes‘ (12,26b: ¦¤¥³«§), ohne ihren Vorkontext in 12,25b (³ « ³ ¦³±§²) nicht lebensfähig ist. 73
Vgl. die Ausführungen unter III. 2.3. und III. 3.1.
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Besteht damit die Möglichkeit, daß 12,25-27a auf derselben literarischen Ebene angesiedelt sind, so ist umgekehrt zwischen diesen Versen auf der einen und 12,24 auf der anderen Seite literarkritisch zu differenzieren. Dies geht allein schon daraus hervor, daß die Observanz des Passa in 12,24.25 gleich zweimal angeordnet wird, wobei die Anordnung in 12,24 ab sofort, in 12,25 jedoch erst nach der Landnahme Geltung beansprucht. Hinzu kommt, daß der Passaritus in 12,24a als ±, in 12,25a hingegen als ³ « bezeichnet wird, wobei die Bezeichnung jeweils Teil einer ansonsten identisch formulierten Aufforderung ist (³¦³±§²). Das Nebeneinander von Ex 12,24.25 ist definitiv nicht ursprünglich,74 wobei sich ein eindeutiges Kriterium für die Bestimmung des literarischen Gefälles aus den literarischen Verhältnissen innerhalb der Mazzotordnung (13,3-10) ergibt, wo beide Verse ein Pendant finden. Ex 13,5, der wie 12,25 die Observanz ‚dieses Dienstes‘ (³«)75 für die Zeit nach der Landnahme anordnet, muß hier zum Grundbestand gehören, da alles weitere von diesem Vers abhängt. Letzteres gilt nicht zuletzt auch für den 12,24 korrespondierenden Appell in 13,10, der die Anordnung des siebentägigen Mazzotessens aus 13,5b.6 noch einmal abschließend einschärft, mit ihrer Reformulierung aber erkennbar eigene Akzente setzt, die im folgenden noch näher zu umreißen sind. Gegenwärtig mag die Feststellung genügen, daß von den beiden Aufforderungen zur Observanz des Mazzotfestes die in 13,5 befindliche gegenüber ihrer Wiederholung in 13,10 ursprünglich ist. Damit gilt mutatis mutandis für die Parallelverse in der vorangehenden Passaordnung, daß 12,25 gegenüber 12,24 literarische Priorität beanspruchen kann. Für die hier verfolgte Fragestellung ergibt sich daraus zugleich, daß die Anordnung, den Passaritus nach der Landnahme zu begehen (12,25), die ursprüngliche Fortsetzung von 12,21-23 bildet. Ziel der in 12,21-23.25 greifbaren Ergänzungsschicht ist es also, den in der priesterschriftlichen Passaätiologie (12,1-13*) allenfalls implizit vorhandenen Appell zur regelmäßigen Feier des Passa explizit zu machen und gleichzeitig zu spezifizieren, ab wann diese Vorschrift in Geltung tritt. Das Interesse an einer ätiologischen Rückbindung des Passa im Kulturland an das Ägyptenpassa erklärt dabei auch, warum der Verfasser seine Wiedergabe von 12,1-13* so stark auf den Blutritus fokussiert, denn dieser Ritus ist der alleinige Anker der Passaätiologie. Obwohl die Zugehörigkeit von Ex 12,25 zum Grundbestand der Szene in 12,21ff. die Möglichkeit eröffnet, daß auch die auf 12,25 Bezug nehmende Katechese (12,26.27a) ursprünglich ist, erweist sich diese Option Gegen WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 442-430; GERTZ, Tradition, 73. Wie GERTZ, Tradition, 42, im Anschluß an WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 426f., zutreffend bemerkt, soll „im vorliegenden Textzusammenhang diese « derjenigen für den Pharao in Ägypten gegenübergestellt werden“. 74 75
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letztlich als nicht haltbar. Bereits die starken Unterschiede zwischen den beiden Verschonungsaussagen in 12,23 und 12,27a deuten darauf hin, daß die Verse von verschiedenen Verfassern stammen, wodurch die Katechese (12,26.27a) gegenüber dem literarischen Grundbestand in 12,21-23.25 automatisch als späterer Zusatz herausfällt. Eine Bestätigung hierfür liefert die vergleichende Analyse von 12,21-27; 13,1-16, denn es wird sich zeigen, daß die katechetischen Stücke in 12,26.27a; 13,8f. nachträglich nach dem Muster von 13,14-16 gebildet wurden, wobei die letztgenannten Verse ihrerseits jünger sind als 12,21-23.25 und der Grundbestand der Mazzotordnung in 13,3-6*. Diese Mazzotordnung wird sich ferner als das Werk eines Ergänzers erweisen, der bereits mit 12,21-23.25 vertraut ist, aber noch keine Kenntnis der priesterlichen Mazzotbestimmungen in 12,14-20 hat, die schon in ihrem Grundbestand jünger sind als 13,3-6*. Die im Vorgriff auf die folgenden Analysen76 skizzierten redaktionsgeschichtlichen Verflechtungen innerhalb von Ex 12f. bestätigen damit auch, daß es sich in 12,21-23.25 um die älteste Einschreibung in den priesterschriftlichen Textzusammenhang zwischen 12,13 und 12,28 handelt. Die Rekapitulation des Schutzritus (12,21-23) findet direkt hinter 12,1-13* ihren ursprünglichen literarischen Ort, der auch in der Sache der einzig plausible ist. Daß die 12,21-23 im jetzigen Text direkt vorausgehenden Mazzotbestimmungen (12,14-20) komplett ignoriert werden, liegt schlicht daran, daß sie bei der Ergänzung von 12,21-23.25 noch nicht existierten.77 2.2. Die Mazzotordnung in Ex 13,3-6* als Grundbestand des dtr geprägten Abschnitts Ex 13,1-16 Trotz der Verwurzelung im dtr Traditionsraum und des grob parallelen Aufbaus sind die literarischen Spannungen in Ex 13,1-16 unübersehbar und lassen sich kaum befriedigend damit erklären, „daß der Verfasser des Abschnitts Zitate aufnimmt [...] und seinen Vorstellungen gemäß in den neuen Kontext einpaßt.“78 Vielmehr gilt mit NOTH: „Der deuteronomistische Abschnitt 13,1-16 ist kaum aus einem Gusse, sondern offenbar allVgl. die Ausführungen unter VII. 2.2. bis VII. 2.4. Im Grundsatz ebenso BAR-ON, Analyse, 18-30, der freilich ein unnötig kompliziertes Redaktionsmodell entwickelt, demzufolge Ex 12,22-27a zunächst direkt an 12,1-11abĮ* angeschlossen hätten, dann aber durch die Mazzotbestimmungen in 12,14-17.18-20 verdrängt worden wären. In diesem Zuge sei aus 12,23.27a ein „sekundärer Abschluß der abrupt abgebrochenen Passa-Gesetze“ in 12,11bȕ-13 geschaffen worden, woraufhin zuletzt der verdrängte Text „in einen sekundären Rahmen (V. 21 und V. 27b) eingebettet und der komplexen Passa-Mazzot-Perikope (V. 1-20.28) vor V. 28 als Anhang beigegeben“ worden sei (a.a.O., 30). Die innere Dynamik dieser Redaktionsprozesse will nur sehr bedingt einleuchten. 78 So GERTZ, Tradition, 67, dem Ex 13,1-16 als literarisch einheitliche Schöpfung der Endredaktion gelten. Ähnlich WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 436-441. 76 77
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mählich hinzugefügt worden“79. Dabei erweckt der eigentümliche Befund, daß JHWH in 13,1f. die Aussonderung aller Erstgeburt anordnet, Mose aber erst in 13,11-16 diese Anordnung an die Israeliten weiterleitet, auf den ersten Blick den Eindruck, als sei die Mazzotordnung in 13,3-10 nachträglich in einen älteren Textzusammenhang eingeschrieben worden.80 Dies ist allerdings genau betrachtet höchst unwahrscheinlich, denn einmal ganz davon abgesehen, daß ein derartiger Eingriff redaktionstechnisch vollkommen unplausibel wäre, ist festzuhalten, daß 13,1f.11-16 nur einen lückenhaften Textzusammenhang bilden, dem die Eröffnung der Moserede fehlt. Eine derartige Redeeröffnung ist allein in Ex 13,3aĮ erhalten, der somit notwendig zum literarischen Grundbestand von 13,1-16 zu rechnen ist. Alles in 13,3aȕ-16 Folgende ist auf 13,3aĮ angewiesen, so daß die Bestimmungen zum Ertsgeburtsopfer (13,1f.11-16) im Falle ihrer literarischen Priorität einen Rahmen um den besagten Viertelvers gebildet haben müßten. Der Textzusammenhang zwischen 13,1f. und 13,3aĮ ist aber kaum ursprünglich, da Mose in 13,3aĮ in keiner erkennbaren Weise auf die JHWHRede in 13,1f. reagiert, sondern das Volk recht abrupt dazu auffordert, des Auszugstages zu gedenken (¦³¯¢±²¦¢³±¤¦«¥²§±§¢ ¦¢« ³¢§ ¦¢±¯§§).81 Die Aufforderung knüpft an die Auszugsnotiz in 12,41 an82 und wurde erst nachträglich durch 13,1f. von ihrem Vorkontext abgetrennt. Fällt damit die JHWH-Rede in 13,1f. für den Grundbestand von 13,1-16 aus, so kann allenfalls die Moserede in 13,11-16 ursprünglich sein, doch gilt auch hier, daß kein unmittelbarer inhaltlicher Bezug zwischen dem Gedenken an den Auszugstag und dem Thema des Erstgeburtsopfers erkennbar ist. Dagegen ist Ex 13,3aĮ problemlos als Vorbereitung auf die in 13,4-6 verhandelte Terminierung des Mazzotfestes verständlich, das hier ätiologisch mit dem Auszugstag im Monat Abib verknüpft wird. Kurzum: Die Kontextualisierung der Redeeröffung in 13,3aĮ spricht eindeutig dagegen, daß den Vorschriften zum Erstgeburtsopfer in 13,1f.1116 gegenüber den zuvor verhandelten Mazzotbestimmungen literarische Priorität zukommt. Weitere Bestätigung für diese literarhistorische Verhältnisbestimmung liefert Ex 13,3aȕȖ. Der Passus beschreibt die machtvolle Herausführung aus Ägypten in Anlehnung an eine geläufige dtr Exodusformel, modifiziert 79
NOTH, ATD 5, 79. Dies vermutet etwa LAAF, Pascha-Feier, 31f., mit Blick auf Ex 13,3-9. 81 Über die Erwähnung des Sklavenhauses klingen in Ex 13,3aĮ die Dekalogspräambeln (Ex 20,2; Dtn 5,6) an, wodurch der Verfasser der Rede vom Auszug eine Transparenz auf die Herausführung durch JHWH verleiht, eine Dimension, die dann in 13,3aȕȖ von späterer Hand expliziert wird. 82 Ebenso WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 444. 80
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diese jedoch dahingehend, daß nicht von JHWHs starker Hand (° ¢), sondern von der Stärke seiner Hand (¢° ) die Rede ist. Diese Modifikation findet ihre einzige alttestamentliche Parallele in Ex 13,14-16, was auf die Tätigkeit desselben Verfassers hindeutet. Während nun aber die Katechese in 13,14-16 auf jeden Fall zum Grundbestand der in 13,11-16 entfalteten Vorschriften zum Erstgeburtsopfer zu rechnen ist, da diese Vorschriften allein hier ihre ätiologische Begründung erfahren, handelt es sich in 13,3aȕȖ um einen Zusatz, was aus der Wiederholung des Verbs und der Ortsangabe aus 13,3aĮ erhellt. Der Ergänzer greift die dortige Erwähnung des Auszugs aus Ägypten (¦¢±¯§§¦³¯¢) auf und stellt ihr einen Verweis auf die machtvolle Herausführung ‚von dort‘ (¦¤³ ¢ ¢¯ ¢ ° ¢¤ §) an die Seite, um auf diese Weise das Leitmotiv aus 13,14-16 am Beginn der Moserede zu verankern. Der Zusatzcharakter von 13,3aȕȖ liefert auf diese Weise ein weiteres Argument dafür, daß auch die hier vorbereiteten Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer (13,11-16) nicht ursprünglich sind. Für den Grundbestand von Ex 13,1-16 verbleibt damit allein die Mazzotordnung in 13,3-10, die allerdings ihrerseits deutliche Wachstumsspuren aufweist. Dies gilt nicht nur für die gegenüber 13,5 sekundäre Anordnung in 13,1083 und die nachgetragene Herausführungsformel in 13,3aȕȖ, sondern auch für das erkennbar nachklappende Verbot in 13,3b, das den Genuß von Gesäuertem untersagt (®§ ¥¤¢¥), bevor überhaupt von der Observanz des Mazzotfestes die Rede war. Mit 13,3b fällt auch 13,7 als Zusatz heraus, der denselben unpersönlichen Stil pflegt und für die Dauer der Mazzotwoche die aus 12,15.19 bekannte Verbannung von Sauerteig ergänzt. Auf das literarhistorische Verhältnis der in 13,3b.7 greifbaren Bearbeitungsschicht zu den erwähnten Sachparallelen wird noch gesondert einzugehen sein.84 Für die eigentliche Mazzotordnung verbleibt damit einzig 13,6, denn 13,8f. tragen keine Details zur Observanz des Mazzotritus bei, sondern ergänzen den halachischen Teil um eine heilsgeschichtlich ausgerichtete Katechese. Als literarische Eckpunkte der ursprünglichen Mazzotordnung in Ex 13 kristallisieren sich daher die Verse 13,3aĮ und 13,6 heraus. Die notwendige Überleitung zwischen den beiden Eckpunkten bildet Ex 13,5 – ursprünglich noch ohne die nachklappende Beschreibung des Landes in 13,5aȕ –, der den Bogen vom Tag des Auszuges (13,3aĮ) zur Situation nach der Landnahme schlägt (13,5aĮ: ®± ¥ ¢£¢¢ ¢¤ ¢ 83 Wie unter VII. 2.1. dargelegt, sind die Anordnungen, den Passa- bzw. den Mazzotritus ab sofort zu observieren (Ex 12,24; 13,10), jünger als die hierzu in Spannung stehenden Aussagen in 12,25; 13,5, die die Befolgung der jeweiligen Riten erst nach dem Eintritt ins Land vorschreiben. 84 S.u., VII. 2.4.
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¢©«©¤) und in 13,5b für eben diese Situation die Befolgung des in 13,6 Gebotenen anordnet: ‚Dann sollst du diesen Dienst in diesem Monat ausüben ( ² ³ « ³ ³«): Sieben Tage sollst du Mazzot essen, und am siebten Tag ist ein Fest für JHWH (³¯§ ¥¤³ ¦¢§¢ ³«² ¢¥ ¢«¢² ¦¢)‘. Von entscheidender Bedeutung ist nun, daß der Rückverweis auf ‚diesen Monat‘ die in 13,4 parenthetisch eingestreute Datierung des Auszugs in den Monat Abib voraussetzt (¦¢¯¢ ¦³ ¦¢ ¢ ² ), womit zweifelsfrei erwiesen ist, daß 13,4 zum literarischen Grundbestand gehört.85 Man mag versucht sein einzuwenden, daß der Vers durch die pluralische Anrede aus dem Rahmen der überwiegend im Singular gehaltenen Verse 13,3-6 herausfällt, doch deutet bereits das Adjektiv ‚überwiegend‘ an, daß dieses Argument nicht verfängt. Auch in 13,3aĮ wechselt die Anrede nämlich vom Singular in den Plural, was kein Zufall ist, sondern ein gezielt eingesetztes Gestaltungsmittel darstellt. Während der Verfasser bei unmittelbaren Bezugnahmen auf die Situation der soeben ausgezogenen Israeliten den Plural verwendet, hat er den Singular für die Formulierung der mosaischen Appelle reserviert, da diese situationsübergreifend Geltung für den Einzelnen beanspruchen. Der Grundbestand der Mazzotordnung besteht damit aus Ex 13,3aĮ.4. 5aĮb.6. Der Argumentationsgang läuft von der Erinnerung an den Auszug im Monat Abib zur Aufforderung, zukünftig im selben Monat ein siebentägiges Mazzotessen zu veranstalten, wobei der kalendarische Bezug zwischen beidem sofort einleuchtet, der sachliche hingegen keineswegs. Was konkret das Mazzotessen mit dem Auszug zu tun hat, wird in 13,3-6 ebensowenig deutlich wie in dem katechetischen Stück 13,8f., denn der Hinweis, es geschehe ‚aufgrund dessen, was JHWH für mich getan hat, als ich aus Ägypten zog‘ (13,8b: ¦¢±¯§§ ¢³¯ ¢¥ ¢ ²« ±«), ist im Gegensatz zu den Katechesen in 12,26.27a; 13,14f. erstaunlich unspezifisch. Es hat den Anschein, als hätte der Verfasser von 13,8 das Motiv der Sohnesbelehrung (13,8aĮ: £©¥ ³) mit aller Macht auch im Rahmen der Mazzotordnung unterbringen wollen, dabei aber nicht recht gewußt, wie er das Mazzotessen in einen organischen Zusammenhang zu JHWHs Heilshandeln setzen sollte, und folglich zu der oben zitierten Allerweltsaussage gegriffen. Nicht anders steht es mit 13,9, der das Motiv der Zeichen an der Hand und zwischen den Augen (13,16) in modifizierter Weise aufgreift und auf die Mazzotordnung appliziert. Wie im folgenden näherhin zu zeigen ist, handelt es sich in 13,8f. um eine jüngere Parallelbildung zu 13,1485 Anders LEVIN, Jahwist, 339, der Ex 13,4 für einen gegenüber 13,3a jüngeren Nachtrag hält, der „mit Rücksicht auf das Mazzotfest“ ergänzt worden sei. Dabei wird übersehen, daß 13,3aȕȖ nicht ursprünglich und der in 13,3aĮ verbleibende Grundbestand ohne die Mazzotordnung in 13,5f.* ebenso wenig lebensfähig ist wie diese Ordnung ohne ihren kalendarischen Anknüpfungspunkt in 13,4. Die Verse liegen auf derselben literarischen Ebene.
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16, so daß die beiden Verse für den Grundbestand der Mazzotordnung ausscheiden. Eine überzeugende Ätiologie des Mazzotritus liefert ohnehin keiner von ihnen.86 Hier kommen Ex 12,34.39 ins Spiel, die der Mazzotordnung in 13,3-6* ihre bisher vermißte ätiologische Begründung liefern.87 Die Verse sind um die erweiterte vorpriesterschriftliche Itinerarnotiz in 12,37.38b angeordnet und schildern, wie die Israeliten den noch nicht durchsäuerten Teig mit sich nehmen (12,34a: ®§ ¢ ¦±¡ °¯ ³ ¦« ²¢), und zwar in Backschüsseln, die in Mäntel eingeschlagen und auf den Schultern getragen werden (12,34b: ¦§¤²¥«¦³¥§²³±±¯¦³±²§), um so das Aufgehen des Teiges zu gewährleisten.88 Die Maßnahme bleibt freilich ohne Erfolg, denn 12,39a berichtet, die Israeliten hätten den Teig nach Erreichen der ersten Lagerstätte in Sukkot zu ungesäuerten Broten gebacken (°¯ ³ ¢ ³¯§³«¦¢±¯§§¢¯±²), da er noch immer nicht durchsäuert gewesen sei (®§ ¥¢¤). In 12,39bĮ wird dies noch zusätzlich damit begründet, daß bei der Vertreibung aus Ägypten keine Zeit geblieben sei, länger zu warten (§§³¥ ¥¤¢ ¥ ¦¢±¯§§ ²± ¢¤),89 wobei dieser verspätete Hinweis nicht ursprünglich ist, sondern eine nachträgliche Angleichung an das Vertreibungsmotiv aus 6,1 darstellt, das der Verfasser der Mazzotätiologie noch nicht vorfand.90 Nochmals jünger als 12,39bĮ ist der mit ¦ (‚im übrigen‘) hieran angeschlossene Hinweis in 12,39bȕ. Der hier tätige Ergänzer hebt darauf ab, daß die Israeliten sich auch keine Wegzehrung hatten zubereiten können (¦¥²«¥¯¦) und will so wohl der Frage begegnen, warum sie überhaupt genötigt waren, auf ungesäuerte Brote zurückzugreifen. Die in Ex 12,39b verhandelten Details spielten auf der ältesten Ebene der Mazzotätiologie noch keine Rolle. Ex 12,34.39a schildern das Backen der ungesäuerten Brote als Notmaßnahme zur Sicherstellung der Nahrungsversorgung nach den Wirren der Auszugsnacht, und exakt dieses Ereignis nimmt die Mazzotbearbeitung in 13,3-6* als Anknüpfungspunkt, um zur zukünftigen Erinnerung an den Tag des Auszugs ein siebentägiges Vgl. die Ausführungen unter VII. 2.3. Bereits OTTO, Erwägungen, 3-27, hat zutreffend darauf hingewiesen, daß Ex 12,34.39 die älteste Ätiologie des Mazzotritus formulieren. Ihm gelten die Verse allerdings irrtümlich als integraler Bestandteil des jahwistischen Plagenzyklus, der von Anfang an auf die Einführung des Mazzotfestes angelegt gewesen und alljährlich an diesem rezitiert worden sei. 88 Vgl. CASSUTO, Commentary, 146f.; HOUTMAN, Exodus II, 200. 89 Der von j gebotenen Lesart (¦¢±¯§§âÚ± – ‚sie wurden aus Ägypten vertrieben‘) steht eine in 2QExoda 5 8, b, g, o, m breit bezeugte Variante gegenüber (¦¢±¯§ ¦âÚ± – ‚die Ägypter vertrieben sie‘). Daß die einzigen weiteren Belege für das Vertreibungsmotiv (6,1; 11,1) immer den Ort der Vertreibung mit der Präposition ¨§ anschließen, scheint allerdings für die literarische Priorität der analog konstruierten Aussage in 12,39bĮ j zu sprechen. 90 Zu Ex 6,1 sowie der jüngeren Seitenparallele in 11,1b vgl. die Ausführungen unter IV. 86 87
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Mazzotessen anzuordnen, das diesen Tag im Verzehr der an ihm zubereiteten Nahrung gegenwärtig werden läßt. Da sich der Sinn der Notizen in 12,34.39a erst von ihrer Fortsetzung in 13,3-6* her erschließt und der dortigen Mazzotordnung ohne die Vorbereitung in 12,34.39a eine ätiologische Begründung fehlt, sind die genannten Verse auf ein und denselben Bearbeiter zurückzuführen.91 Daß die in Ex 12,34.39a; 13,3-6* präsentierte Ätiologie des Mazzotritus exklusiv an die Situation des überstürzten Aufbruchs aus Ägypten anschließt, hat entscheidende Implikationen für die Bestimmung ihres literarhistorischen Verhältnisses zu der priesterschriftlichen Mazzotordnung in 12,14-20. Im Horizont der dortigen Anordnung JHWHs, sieben Tage lang Mazzot zu essen (12,15aĮ), ist der Hinweis, die Israeliten seien in ihrer Eile nicht mehr in der Lage gewesen, den Teig durchsäuern zu lassen und hätten daher ungesäuerte Brote gebacken (12,39a), nicht nur obsolet, sondern er tritt in deutliche Spannung zu dieser Anordnung, von der die Israeliten offenkundig noch nichts wissen. Dies ist ein erstes starkes Indiz dafür, daß die Mazzotbestimmungen in 12,14-20 samt und sonders jünger sind als ihre Sachparallele in 13,3-6* und die darauf vorbereitenden Verse 12,34.39a.92 Eine weitere Bestätigung hierfür liefert ein Blick auf die jeweils zum Grundbestand gehörenden Aufforderungen, des Auszugstages zu gedenken, die in 12,14a wie in 13,3aĮ zur Anordnung eines siebentägigen Mazzotessens überleiten. Das Motiv hat seinen ursprünglichen Ort in Ex 13, wo allein der Rückblick auf den erfolgten Auszug erzählerisch plausibel ist, und wurde von hieraus nachträglich nach Ex 12 übertragen, was zur Folge hat, daß JHWH in 12,17a an die Herausführung ‚an eben diesem Tag‘ erinnert, obwohl das besagte Ereignis erst in 12,41 eintritt.93 Der Gesamtbefund spricht eindeutig dafür, daß die erste Erwähnung des
Vgl. grundlegend LEVIN, Jahwist, 339. Ähnlich KRATZ, Komposition, 299. Gegen GERTZ, Tradition, 59, Anm. 130, nach dessen Ansicht die Historisierung des Mazzotritus in Ex 12,39 nachendredaktionell erfolgte (12,34 wird a.a.O., 184, als Teil des vorpriesterschriftlichen Textes eingeordnet!), da der Verfasser der endredaktionellen Katechese in 13,8 hierauf noch nicht Bezug nehme. Das Argument läßt sich allerdings leicht entkräften, denn im Rahmen dtr Katechesen wird durchgängig heilsgeschichtlich argumentiert. Für eine solche Argumentation bot die in Ex 12,34.39abĮ angelegte Ätiologie des Mazzotfestes schlicht keinen Anknüpfungspunkt, denn hier geht es um ein zufälliges Ereignis während der Auszugswirren, bei dem JHWHs Wirken keinerlei Rolle spielt. Die Verlegenheit ist dem Verfasser von 13,8 anzumerken, denn er begnügt sich mit dem ominösen Hinweis, man halte den Mazzotritus ‚aufgrund dessen, was JHWH mir beim Auszug aus Ägypten getan hat.‘ S.u., VII. 2.3. 92 In der Sache ebenso etwa VAN SETERS, Place, 175f., der den literarhistorischen Befund freilich in unzulässiger Weise vereinfacht, insofern er Ex 12,21-28 für P und 12,29-29; 13,316 für J veranschlagt. 93 g glättet nachträglich durch die futurische Wiedergabe des Perfekts ¢³¯ als 5DS@ WV. 91
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Mazzotfestes im Rahmen der Exoduserzählung auf Ex 12,34.39a; 13,3-6* entfällt.94 Diese erste Verknüpfung des Mazzotfestes mit dem Auszugsgeschehen erfolgte dabei klar abgesetzt von der priesterschriftlichen Ätiologie des Passafestes in Ex 12, die der Ergänzer bereits vorfand. Für letzteres und damit für einen nachpriesterschriftlichen Ursprung der Mazzotätiologie in 13,3-6* spricht bereits, daß sich die Aufforderung, ‚dieses Tages‘ zu gedenken (¦¢³±¤) in 13,3aĮ auf die priesterschriftliche Abschlußnotiz in 12,41 ( ¦¢ ¦¯«) zurückbezieht. Vollends klar wird die Angelegenheit, wenn man das Verhältnis von 13,3-6* zu der in vieler Hinsicht parallelen Passaätiologie in 12,21-23.25 in die Betrachtung mit einbezieht. Da es sich in 12,21-23.25 um eine sekundäre Einschreibung in den priesterschriftlichen Rahmen 12,1-13*.28 handelt, der Abschnitt also nachpriesterschriftlich ist, erscheint es schon ganz grundsätzlich wenig wahrscheinlich, daß die Parallele in 13,3-6* deutlich älter ist. Wie sich im folgenden zeigen wird, ist sie sogar jünger, womit der abschließende Nachweis für den nachpriesterschriftlichen Ursprung von 13,3-6* erbracht ist. Als Ausgangspunkt für die Bestimmung des literarhistorischen Verhältnisses zwischen Ex 12,21-23.25; 13,3-6* bietet sich ein Vergleich von 12,25; 13,5 an, wo die Observanz der Passa- bzw. Mazzotbestimmungen für die Zeit nach der Landnahme angeordnet wird. Zwar besteht Übereinstimmung in der Bezeichnung der Festvorschriften (³ «), die Formulierungen weichen im übrigen aber stark voneinander ab. Während in 12,25a vom Kommen der Israeliten ‚in das Land, das JHWH euch geben wird, wie er gesagt hat‘ (±±²¤¦¤¥¢¨³¢±²®±¥³¢¤¢) die Rede ist, nimmt 13,5aĮ den Zeitpunkt in den Blick, an dem ‚JHWH dich in das Land der Kanaanäer etc. bringen wird‘ (¥ ¢ £¢¢ ¢¤ ¢ ¢©«©¤ ®±) und verweist anschließend darauf, daß JHWH ‚deinen Vätern geschworen habe, es [sc. das Land] dir zu geben‘ (£¢³¥«²©±² £¥³³¥). Die Unterschiede zwischen Ex 12,25; 13,5 sind so eklatant, daß die Annahme identischer Verfasserschaft auszuschließen ist. Die Verse verweisen vielmehr in unterschiedliche traditionsgeschichtliche Rückräume, denn während 13,5a eine deutliche dtr Prägung erkennen läßt, entspricht 12,25a 94 Daß die Befolgung des Mazzotfestes damit ursprünglich von Mose ohne einen im unmittelbaren Kontext vorangehenden JHWH-Befehl angeordnet wurde, ist insofern vollkommen unproblematisch, als der Festritus durch die älteren Gesetzespartien in Ex 23,15*; Dtn 16,1-8* im Gottesgesetz verankert ist. Nichts anderes gilt für die Anweisungen zum Erstgeburtsopfer in 13,11-16*, denen mit 13,1f. ebenfalls erst nachträglich eine JHWH-Rede vorangestellt wurde, die textpragmatisch den jüngeren Anweisungen JHWHs zum Mazzotfest in 12,14-20 entspricht (s.u., VII. 2.3.). Gegen GERTZ, Tradition, 60 (mit Anm. 131), nach dessen Ansicht die JHWH-Reden in 12,14-20; 13,1f. von der Moserede in 13,3-16 vorausgesetzt werden.
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viel eher dem priesterlichen Sprachmilieu.95 Ex 12,25 nimmt damit im Rahmen der drei in 12,21-27; 13,1-16 versammelten Landnahmeaussagen eine Sonderstellung ein, denn 13,11 führt trotz geringer Abweichungen im Detail eindeutig die in 13,5 angelegte dtr Linie fort. Mit 12,25 fällt auch der auf den Vers zulaufende Abschnitt 12,21-23 aus dem Rahmen des sich in 13,3-16 abzeichnenden Redaktionsprozesses heraus, so daß 12,21-23.25 diesem Prozeß entweder vorausgehen oder aber ihn bereits als im wesentlichen abgeschlossen voraussetzen. Letzteres ist allerdings bereits in Anbetracht des sich ergebenden Redaktionsmodells äußerst unwahrscheinlich, denn nun wäre auf die priesterschriftliche Passaordnung (12,1-13*) zunächst die Aufforderung gefolgt, nach der Landnahme das Mazzotfest zu halten (13,3-6*), woran sich dann in 13,11-16 die zum selben Zeitpunkt in Geltung tretenden Vorschriften zum Erstgeburtsopfer angeschlossen hätten, bevor endlich in 12,21-23.25 die Anordnung ergangen wäre, nach dem Eintritt ins Land auch den Passaritus zu observieren. Seinen passenden Ort im Rahmen der sich in Ex 12f. abzeichnenden Redaktionsprozesse findet der Abschnitt 12,21-23.25 allein dann, wenn man annimmt, daß er der Entwicklung in 13,1-16 vorausgeht und diese seinerseits angestoßen hat. Ex 12,21-23.25 ergänzen mit Blick auf 12,1-13*, daß das Passa nach dem Eintritt ins Land zu halten ist, wohingegen der Verfasser von 13,3-6* das Landnahmemotiv bereits aufgreift und von ihm ausgehend die erste Mazzotordnung in der Schilderung der Auszugsereignisse implementiert. Auch die priesterliche Prägung von 12,25, die den Vers von seinem dtr Gegenstück in 13,5 (vgl. 13,11) unterscheidet, findet nun eine einfache Erklärung darin, daß der Vers redaktionsgeschichtlich näher an der Passaordnung in 12,1-13* P steht. Verläuft die Textgenese von 12,1-13* über 12,21-23.25 hin zu 13,3-6*, so wird ferner verständlich, warum 13,5 trotz seines durch und durch dtr Charakters ein völlig undtr Element aufweist: Die Bezeichnung des Mazzotritus als «, die eindeutig priesterlichen Geist atmet,96 verdankt sich der nämlichen Formulierung in 12,25, und indem sie der Verfasser von 13,5 aufnimmt, zeigt er offenbar bewußt eine Verbindung zwischen Passa und Mazzotfest an. Zu klären bleibt noch, auf welcher Ebene diese Verbindung der beiden Feste eigentlich bestand, was also den Verfasser von Ex 13,3-6* dazu veranlaßte, nach dem Muster der nachpriesterschriftlichen Passaätiologie 95 Die Landnahmeformel in Ex 12,25a findet ihre engsten Parallelen in Lev 14,34; 23,10; 25,2; Num 15,2. In der dtr Literatur kommt ihr Dtn 26,1 noch am nächsten. Vgl. WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 427f. 96 Einer Vielzahl von Belegen vor allem in den gesetzlichen Partien des Numeribuches steht im Dtn eine einzige Verwendung des Lexems « gegenüber (26,6), das hier unter Rekurs auf die priesterschriftlichen (!) Anteile der Exoduserzählung den Sklavendienst in Ägypten bezeichnet. Vgl. WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 426f.
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(12,21-23.25) eine Mazzotätiologie in die Exoduserzählung zu integrieren, deren erzählerischen Anknüpfungspunkt er in 12,34.39a allererst konstruieren mußte. Als Grund für die Ergänzung der Mazzotätiologie scheidet die Datierung des Exodus im Monat Abib (13,4) jedenfalls aus, da diese erst mit der Mazzotbearbeitung in den Text gelangte und vom Termin des Mazzotfestes her entwickelt ist. Damit kommen grundsätzlich lediglich zwei Erklärungen in Betracht: Entweder der Ergänzer operierte allein vor dem Hintergrund der zeitlichen Nähe zwischen Passa und Mazzot in der Festpraxis seiner Zeit oder aber er setzte bereits eine literarische Verknüpfung zwischen den beiden Festen97 bzw. zwischen dem Mazzotfest und dem Exodus voraus. Über letzteres kann allein eine Analyse der Festkalender in Ex 23,15; 34,18; Dtn 16,1-8.16 Aufschluß geben, der der folgende Exkurs gewidmet ist. Exkurs: Die Entwicklung der Passa- und Mazzotbestimmungen in Ex 23,15; 34,18 und Dtn 16,1-8.16 Die Festkalender in Ex 23; 34; Dtn 16 erzielen Übereinstimmung darin, daß sie den Abib als Auszugsmonat nennen und über diesen heilsgeschichtlichen Bezug die jährliche Begehung eines Festes in eben diesem Monat begründen. Dabei handelt es sich allerdings in den fast wortgleich formulierten Versen Ex 23,15; 34,18 um das siebentägige Mazzotfest, während in Dtn 16,1 zunächst ausschließlich vom Passa die Rede ist und das auch hier auf sieben Tage angesetzte Mazzotfest erstmals in 16,3 Erwähnung findet. Das Passa, von dem Ex 23,15; 34,18 nichts zu berichten wissen, gibt in Dtn 16,1-8 sachlich wie literarisch den Ton an, so daß ohne Probleme eine reine Passaordnung rekonstruierbar ist, während alle Versuche, allein die Erwähnungen des Mazzotfestes für den Grundbestand zu veranschlagen, zum Scheitern verurteilt sind, da sie allenfalls Fragmente zutage fördern.98 Dieser eindeutige literarische Befund in Dtn 16,1-8 wird indes wieder dadurch verkompliziert, daß in 16,16, wo die drei jährlichen Wallfahrtsfeste noch einmal abschließend aufgezählt werden, vom Passa keine Rede mehr ist. Das erste der drei Feste wird hier wie in Ex 23,15; 34,18 als Mazzotfest (³¯§ ) bezeichnet, wobei auffälligerweise von einer Datierung im Monat Abib nichts mehr verlautet. Zu klären ist damit neben dem entwicklungsgeschichtlichen Verhältnis zwischen Passa und Mazzot auch die Frage nach dem Ursprung dieser Datierung sowie nach dem Hintergrund ihrer Verbindung mit dem Exodus. Beginnt man mit dem letztgenannten Teilaspekt, der Datierung des Auszugs im Monat Abib, so ist der Befund eindeutig: Die entsprechenden Rückverweise in Ex 23,15; 34,18; Dtn 16,1 setzen durchgängig die Erwähnung des Abib als Auszugsmonat in Ex 13,4 voraus, sind also wie diese nachpriesterschriftlich. Dagegen bliebe der Hinweis auf den Auszug im Monat Abib ohne den Hintergrund von Ex 13,4 an allen genannten Stellen reines Postulat, dem zudem jegliches Plausiblisierungspotential abginge, denn die Anga97 Daß die beiden Feste seit jeher eine Einheit bildeten, haben auch die wenig überzeugenden Einlassungen von PROSIC, Development, 69-71, nicht zeigen können. 98 So mit GESUNDHEIT, Festkalender, 60, gegen MERENDINO, Gesetz, 126-134; LAAF, Pascha-Feier, 73-77; HALBE, Passa-Massot, 156f.; OTTO, Erwägungen, 16, Anm. 53; WEIMAR, Pascha, 64-68.
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be des Auszugstermins erklärt für sich genommen in keinster Weise, warum man im Abib ausgerechnet das Passa- oder Mazzotfest begehen soll.99 Deutlich wird dies einzig und allein vor dem Hintergrund der entsprechenden Festlegenden in Ex 12f., die in der Zitation der Datierung aus 13,4 mit anklingen und dem Leser als ätiologischer Begründungszusammenhang gegenwärtig werden. Läßt sich mithin zeigen, daß die Rückverweise auf den Auszugsmonat in Ex 23,15; 34,18; Dtn 16,1 literarisch von Ex 13,4 abhängig sind, so ist damit ein erster potentieller Fixpunkt für die literarhistorische Einordnung der jeweiligen Festkalender gewonnen, denn sollten die besagten Rückverweise in ihrem jeweiligen Kontext ursprünglich sein, so wäre damit zugleich die nachpriesterschriftliche Entstehung der sich anschließenden Passa-/Mazzotordnungen erwiesen. Der Befund stellt sich freilich erwartungsgemäß deutlich komplexer dar, denn in allen Fällen sind gewichtige Zweifel an der Ursprünglichkeit der Rückverweise auf den Monat des Auszugs anzumelden. Besonders offensichtlich tritt der Zusatzcharakter der heilsgeschichtlichen Begründung der Festobservanz in Ex 23,15 zutage. Der Vers ist dem Mazzotfest als dem ersten der drei in 23,14 angekündigten Jahresfesten gewidmet, übertrifft aber in der Breite der Darstellung deutlich die jeweiligen Ausführungen zu den beiden verbleibenden Festen (23,16), und zwar selbst dann noch, wenn man den klar als Nachtrag erkennbaren Halbvers 23,15b abzieht. Zwar ist die Ausführlichkeit der in 23,15a verbleibenden Angaben zum Mazzotfest allein noch kein hinreichendes Kriterium für weitere literarkritische Eingriffe innerhalb des Halbverses, deren Notwendigkeit ergibt sich aber zweifelsfrei aus der syntaktischen Struktur der Aufzählung in 23,15f., deren drei Teile durchgängig von der Verbform zu Beginn von 23,15a abhängen (¢±¤ ±¢¯° ±§²³ ³¯§ ³ ©²³¯¬ª £¢²«§).100 Die Syntax der Aufzählung duldet weder die explizierende Aufforderung zum siebentägigen Mazzotessen (23,15aĮ2: ³¯§ ¥¤³ ¦¢§¢ ³«²) noch die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten (23,15aȕ: ¦¢±¯§§³¯¢¢¤), sondern allenfalls den knappen Rückverweis auf einen vorangehenden JHWH-Befehl (23,15aĮ3: £³¢¯ ±²¤) oder die sich hieran anschließende Terminangabe (23,15aĮ4: ² «§¥ ¢). Dabei fällt der besagte Rückverweis freilich aus inhaltlichen Gründen als Zusatz heraus, denn bei dem erwähnten JHWH-Befehl kann es sich in der Sache nur um eine vorangehende Mazzotordnung handeln, für die frühestens Ex 13,3-6* in Frage kommen. Da nun die Erinnerung an den Tag des Auszugs (13,4) in 23,15aȕ nachgetragen wurde, muß man dasselbe für die Erwähnung des JHWH-Befehls geltend machen, die in denselben Textbereich verweist. Damit verbleibt allein die Aufgabe, die potentielle Ursprünglichkeit der Terminangabe ¢ ² «§¥ in Ex 23,15aĮ4 zu prüfen, die gerne mit der sich in 23,15aȕ anschließenden Erinnerung an den Auszugsmonat als Nachtrag ausgeschieden wird.101 Die Angabe dürfte jedoch zum Grundbestand des Festkalenders gehören, da auch die beiden
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Es ist daher recht verwunderlich, mit welcher Selbstverständlichkeit die Exodusbezüge in Ex 23,15; 34,18; Dtn 16,1 als vorpriesterschriftlich gehandelt werden können. Man vgl. nur VEIJOLA, ATD 8/1, 331f., der in Ex 23,15 die Quelle von Ex 13,4; 34,18; Dtn 16,1 findet und daher wohl mit einer alten Tradition zum Auszugsmonat rechnet, von der die Exoduserzählung erst erstaunlich spät Kenntnis erhielt. In der Sache ebenso etwa GERTZ, Passa-MassotOrdnung, 79f., und WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 443. 100 Vgl. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Bundesbuch, 401f., der im aufgeführten Textbestand die literarische Vorlage des Festkalenders findet. 101 Vgl. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Bundesbuch, 401-404; VEIJOLA, Geschichte, 140, Anm. 48.
2. Die vornehmlich halachischen Partien in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16
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verbleibenden Feste (23,16) durch Hinweis auf Art bzw. Zeitpunkt der Ernte terminiert sind. Für ihre Ursprünglichkeit spricht ferner, daß die Formulierung ‚zum Zeitpunkt des Monats Abib‘ als Rückverweis auf eine der Mazzotordnungen in Ex 12f. eigentümlich redundant ist. Bezöge sie sich auf 13,4, so wäre ein einfaches ¢ ² (‚im Monat Abib‘) hinreichend, wohingegen die präzisen Tagesangaben aus 12,18 einzig durch den Befehl eingeholt würden, das Fest zu seinem bestimmten Zeitpunkt im Monat Abib (¢ ² «§¥) zu feiern.102 Die in 23,15 verwendete Formulierung ist nur dann sinnvoll, wenn das Lexem ² hier nicht die Bedeutung ‚Monat‘, sondern ‚Neulicht‘ hat, die Feier des Mazzotfestes also für den ‚Zeitpunkt des Neulichtes des Abib‘ angeordnet wird.103 Gemeint ist der Zeitpunkt im Abib, an dem die Mondsichel zum ersten Mal sichtbar wird, wobei hier auf sich beruhen bleiben kann, ob mit Abib ein phönizischkanaanäischer Monat oder vielmehr eine Jahreszeit bezeichnet wird. Der Grundbestand des Festkalenders in Ex 23,15f. lautete mithin: ‚Das Fest der ungesäuerten Brote sollst du halten zum Zeitpunkt des Neulichts des Abib (¢ ² «§¥ ±§²³ ³¯§ ³), ferner das Fest der Ernte der Erstlingsfrüchte deiner Arbeit, [dessen, was du aussäst auf dem Feld] (>²«±³±²@£¢²«§¢±¤±¢¯° ), sowie das Fest der Lese am Ausgang des Jahres, [wenn du den Ertrag deiner Arbeit vom Feld einsammelst]‘ (³¯ ¬ª >²¨§£¢²«§³£ª@©²).104 Die in Ex 23,15aĮ* rekonstruierte Mazzotordnung weiß weder etwas von einer heilsgeschichtlich verankerten Festätiologie, noch geht sie auf den Ablauf oder die Dauer des Mazzotfestes ein. Sie gleicht damit in ihrem Charakter vollkommen den knappen Angaben zu den beiden weiteren agrarischen Jahresfesten in 23,16. Somit spricht nichts gegen die Auffassung, daß in 23,15f.* das Herzstück des Festkalenders des Bundesbuches vorliegt (23,14-19*), dem sowohl vor Ex 34 als auch vor Dtn 16 literarische Priorität zukommt. 105 Dabei ist der Festkalender in Ex 34 für die hier verhandelte Frage nach den Ursprüngen der Verbindung zwischen Passa und Mazzot sowie der heilsgeschichtlichen Begründung der beiden Feste im Auszugsgeschehen streng genommen zu vernachlässigen, denn es handelt sich wie bei dem sog. ‚Privilegrecht JHWHs‘ in 34,11-26 insgesamt um eine späte nachpriesterschriftliche Bildung, die die Endgestalt von Ex 23,14-19 bereits voraussetzt und stellenweise erweitert.106 Dies zeigt sich etwa in 34,18-20, wo die Ausführungen zum Mazzotfest aus 23,15 aufgesprengt wurden und nun in 34,18 (par. 23,15a) und 34,20bȕ (par. 23,15b) den Rahmen um die in 34,19-20bĮ eingeschobenen Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer bilden. Der Verfasser von 34,18-20 bildet auf diese Weise die Sequenz aus 13,3-16 (13,3-10: Mazzot; 13,11-16: Erstgeburt) nach, setzt also die Endgestalt dieses schon in seinem Grundbestand 13,3-6* nachpriesterschriftlichen Abschnitts voraus. Dagegen scheidet die umgekehrte Annahme, 13,3-16 seien nach dem Vorbild von 34,18-20 gebildet worden, eindeutig aus, denn in diesem Fall wäre die in der Sache vollkommen unbegründete Verbindung von Mazzotfest und Erstgeburtsopfer älter als die sukzessive (!) Einarbeitung der beiden Themenkomplexe in Ex 13, wo ihr Neben-
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Vgl. die einschlägigen Belege in Num 9,2.3.7.13. Vgl. AUERBACH, Feste, 7; OTTO, Art. Feste, 97. 104 Vgl. AUERBACH, Feste, 7f.15f. 105 Vgl. etwa BLUM, Privilegrecht, 347-366; LEVINSON, Deuteronomy, 53-97; VEIJOLA, Geschichte, 136f. 106 Vgl. BLUM, Studien, 69f. Anders OTTO, Kritik, 178f., und im Anschluß hieran GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 58f., Anm. 11, die Ex 23,14-19 für eine Bildung nach dem Modell des nachpriesterschriftlichen Abschnitts Ex 34,18-26 halten. 103
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einander aufgrund der jeweiligen ätiologischen Anbindung an die Auszugsereignisse allererst plausibel wird.107 Während die literarischen Zäsuren innerhalb des Festkalenders in Ex 34 vor allem auf die Kompilation vorgefundenen Materials zurückzuführen sind, der Text also als junge, literarisch im wesentlichen einheitliche Bildung anzusprechen ist, weist der Festkalender in Dtn 16 deutliche Wachstumsspuren auf.108 Klammert man zunächst das Festsummar in 16,16f. aus und betrachtet lediglich die ausführliche Darstellung der drei am Zentralheiligtum zu begehenden Jahresfeste in 16,1-15, so fällt als erstes auf, daß das Laubhüttenfest überhaupt nicht heilsgeschichtlich begründet wird, während sich eine entsprechende Begründung des Wochenfestes einzig in 16,12 findet, der seit langem als Zusatz erkannt ist.109 In deutlichem Kontrast zum Exodusschweigen in 16,9-15* häufen sich in der Passa-Mazzotordnung (16,1-8) die Rückverweise auf das Auszugsgeschehen (16,1b. 3aȕb.6bȕ), was per se natürlich noch kein Indiz dafür ist, daß es sich wie bei 16,12 durchgängig um Zusätze handelt, und zwar dies nicht zuletzt deshalb, weil die inhaltliche Verbindung zwischen Exodus und Passa bzw. Mazzot deutlich organischer ausfällt als die zwischen Exodus und Wochenfest. Entscheidend ist dabei freilich, daß die besagte Verbindung nicht überlieferungsgeschichtlicher, sondern konkret literarischer Natur ist, insofern die Rückverweise auf den Auszugsmonat (16,1b), die Eile des Auszuges (16,3bĮ) sowie seinen genauen Zeitpunkt (16,1bfin; 16,6bȕ) durchgängig auf Schlüsselpassagen in den Festkalendern der Exoduserzählung Bezug nehmen (Ex 12,11f.; 13,4), die als Hintergrund zwingend vorausgesetzt sind. Sollte auch nur einer der besagten Rückverweise zum Grundbestand von Dtn 16,1-8 gehören, so wäre damit zugleich der nachpriesterschriftliche Ursprung des gesamten Abschnitts erwiesen. Zwecks einer ersten Annäherung an den literarhistorischen Ort der Exodusbezüge in Dtn 16,1-8 sei zunächst nach dem Verhältnis der Stellen zueinander gefragt. Dabei zeigt sich, daß die Identifizierung des abendlichen Opfertermins mit dem Zeitpunkt des Auszugs (16,6bȕ: ¦¢±¯§§ £³¯ «§) kaum ohne die grundsätzliche Verbindung des Passa mit dem Exodus in 16,1b verständlich ist, diese also voraussetzt. Hierfür spricht auch, daß die 16,6bȕ der Sache nach eng verwandte Zeitangabe ¥¢¥ am Ende von 16,1b ohne ihren direkten literarischen Vorkontext nicht lebensfähig ist. Diese zugegebenermaßen nachklappende Zeitangabe wird nun gerne als späterer Zusatz zu einem Grundbestand von 16,1b ausgeschieden, der zunächst allgemein von der Herausführung im Monat Abib gehandelt habe (¦¢±¯§§£¢¥¢£¢¯¢² ¢¤), ohne das Ereignis in die Nacht zu verlegen.110 Genau besehen erweist sich dieser literarkritische Eingriff allerdings als vorschnell, denn der Hinweis auf den Auszug im Abib speist sich aus Ex 13,4, wo es nicht um das Passa, sondern um das Mazzotfest geht. Wenn daher in Dtn 16,1b statt von einem Auszug im Abib von einer nächtlichen Herausführung in eben jenem Monat die Rede ist, so spiegelt sich hierin das Bemühen des Verfassers, den Quelltext Ex 13,4 an die in Dtn 16,1a vorgegebene Passathematik anzupassen, indem er ihn im Licht des nächtlichen Befreiungs-Schlages JHWHs aus Ex 12 reformuliert. Dtn 16,1b ist literarisch einheitlich.111
107 Gegen LAAF, Pascha-Feier, 125; HALBE, Privilegrecht, 176-185; OTTO, Erwägungen, 20; GERTZ, Tradition, 71-73. 108 Anders etwa OTTO, Deuteronomium [1999], 324-334, der Dtn 16,1-8 für literarisch einheitlich hält. 109 Vgl. VEIJOLA, ATD 8/1, 340. 110 Vgl. VEIJOLA, ATD 8/1, 333f. 111 Ebenso GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 69.
2. Die vornehmlich halachischen Partien in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16
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Wenn in Dtn 16,1b die im Zusammenhang der Mazzotordnung Ex 13,3-6 stehende Datierung des Auszugsmonats (13,4) als heilsgeschichtlicher Anknüpfungspunkt auf das Passa übertragen wird, so bedeutet dies, daß der Verfasser die Verbindung beider Feste mit dem Exodus bereits in Ex 12f. vorfand, denn die Mazzotordnung in Ex 13 ist wie dargelegt jünger als die Passaordnung in Ex 12. Es ist somit kaum davon auszugehen, daß Dtn 16,1b als Teil einer Festordnug konzipiert wurde, die allein vom Passa zu berichten wußte, ohne daneben auch vom Mazzotfest zu handeln. Daß neben dem Passa in der Tat auch das Mazzotfest im Horizont von 16,1b liegt, zeigt der Blick auf die heilsgeschichtliche Begründung, die das siebentägige Mazzotessen in 16,3bȕȖ erfährt. Die Verknüpfung des Mazzotritus mit der Erinnerung an den Tag des Auszugs (¦¢³±¤³¨«§¥ £¢¢ ¢§¢ ¥¤ ¦¢±¯§ ®±§ £³¯) berührt sich aufs engste mit der entsprechenden Aufforderung in Ex 13,3aĮ (¦¢«³¢§¦¢±¯§§¦³¯¢±²¦¢³±¤), verweist also wie Dtn 16,1b in den literarischen Bezugsrahmen der Mazzotordnung in Ex 13,3-6. Da das literarische Gefälle eindeutig von Ex 13,4 nach Dtn 16,1b verläuft, legt sich die Annahme nahe, daß dasselbe auch für die Parallele zwischen Ex 13,3aĮ und Dtn 16,3bȕȖ gilt. Dies bestätigt sich, insofern Ex 13,3aĮ.4 zweifelsfrei auf derselben literarischen Ebene angesiedelt sind. Wäre nun Ex 13,3aĮ von Dtn 16,3bȕ abhängig,112 so hieße dies, daß Ex 13,4 und damit auch Dtn 16,1b jünger wären als Dtn 16,3bȕȖ. Damit ergäbe sich die unwahrscheinliche Konsequenz, daß zunächst nur das Mazzotfest in Dtn 16,3 mit einem Rückverweis auf den Tag des Auszugs ätiologisiert worden wäre, wobei dieser Rückverweis sachlich unverbunden neben der literarisch ursprünglichen Ansetzung des Passa im Abib (16,1a) zu stehen gekommen wäre. Erst ein Späterer hätte dann in Ex 13,3aĮ.4 die Verbindung zwischen Mazzotfest und Auszug im Abib hergestellt, woraufhin in einem letzten Schritt diese Datierung des Auszugs wieder auf das Passa in Dtn 16,1b übertragen worden wäre. Daß ein derartig verwickelter Entstehungsprozeß wenig plausibel ist, liegt auf der Hand. Weit naheliegender ist daher die bereits geäußerte Annahme, wonach Dtn 16,1b.3bȕȖ Teil derselben Schicht sind und ausgehend von der Datierung des Passa im Abib die mit eben jenem Monat verbundene Ätiologie des Mazzotfestes aus Ex 13,3-6 aufgreifen und auf beide Feste verteilen. Wurde dabei Ex 13,4 in der bereits dargelegten Weise an das nächtliche Passa angepaßt (Dtn 16,1b), so hat auch die Mazzotätiologie aus Ex 13 Modifikationen erfahren. Während dort das siebentägige Essen der ungesäuerten Brote mit dem eilig zubereiteten Backwerk des Auzugstages verknüpft wird (12,34.39a), so vergegenwärtigt der Ritus in Dtn 16,3 das Essen des Elendsbrotes (¢©«¦ ¥) als der für die Zeit des Ägyptenaufenthaltes typischen Nahrung,113 die Erinnerung des Auszugstages gründet also in der Kontrasterfahrung.114 Die Ursache für diese Akzentverschiebung ist kontextbedingt, denn die in Ex 12f. beschriebene Verknüpfung des Mazzotritus mit einem zufäl-
112 Gegen diese Richtung des literarischen Gefälles spricht im übrigen auch, daß von einer Erinnerung an den Tag des Auszugs im dtn und dtr Schrifttum nur in Dtn 16,3 die Rede ist. Die Formulierung ist nicht einfach als geläufige Exodusformel verständlich, sondern auf Ex 13,3aĮ als Hintergrund angewiesen. 113 Das Lexem ¢©« zählt zum programmatischen Wortfeld der nicht-, in ihrem Grundbestand vorpriesterschriftlichen Moseberufung (Ex 3,7.17; 4,31). 114 Der ursprüngliche Zusammenhang zwischen Dtn 16,3aȕfin (¢©«¦ ¥) und der in 16,3bȕȖ explizierten Zweckbestimmung des Mazzotritus wurde nachträglich durch 16,3bĮ getrennt, der den organischen Zusammenhang zwischen der Aufforderung in 16,3a und dem Finalsatz in 16,3bȕȖ zerstört. So mit GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 70, gegen VEIJOLA, ATD 8/1, 335-338, der 16,3bĮ für älter als seinen direkten literarischen Kontext hält.
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ligen Ereignis der Auszugswirren bot sich in der Retrospektive kaum für eine prägnante Begründung des Ritus an, wie sie im Horizont des Festkalenders in Dtn 16 erforderlich war. Die bisherigen Ausführungen haben ergeben, daß Dtn 16,1b.3aȕ*(nur ¢©« ¦ ¥)bȕȖ Teil derselben literarischen Schicht sind, die sich aus der nachpriesterschriftlichen Mazzotordnung in Ex 13,3-6 speist. Da ferner der Verweis auf den exakten Zeitpunkt des Auszugs in Dtn 16,6bȕ auf 16,1b angewiesen ist und es sich in 16,3bĮ um einen im Verhältnis zum direkten Kontext jüngeren Zusatz handelt, ist erwiesen, daß die Exodusbezüge in Dtn 16,1-8 von Anfang an mit beiden Festen verbunden waren. Zu klären bleibt damit noch, ob diese Verbindung ursprünglich ist, Dtn 16,1b.3aȕ*.bȕȖ also zum Grundbestand einer dann als nachpriesterschriftlich einzuordnenden Passa-Mazzotordnung gehören, oder ob die genannten Exodusbezüge auf eine Bearbeitung der – ihrerseits gewachsenen? – Festordnung entfallen. Betrachtet man zunächst Dtn 16,1b in seinem Kontext, so springt ins Auge, daß der Rückverweis auf den Auszugsmonat den engen sachlichen Zusammenhang zwischen den konkreten Anweisungen in 16,1a.2 unterbricht. Ohne 16,1b rückt die konkrete Passaanweisung in Dtn 16,1a.2 strukturell in große Nähe zu den auf Wochen- und Laubhüttenfest bezogenen Anweisungen, insofern sich an die Aufforderung, das jeweilige Fest zu halten (16,1a.10.13: ²«), immer eine weitere Aufforderung im Perf. cons. anschließt (16,2: ³ ; 16,11.14: ³ §²). Dies läßt sich als ein erstes Indiz für den Nachtragscharakter von 16,1b deuten. Hinzu kommt, daß es äußerst fraglich erscheint, ob 16,1b das Lexem ² in seiner in 16,1a vorausgesetzten Bedeutung ‚Neulicht‘115 versteht. Die in 16,1b rezipierte Mazzotordnung aus Ex 13 jedenfalls denkt beim ¢² eindeutig an den ‚Monat‘ Abib (vgl. 13,5: ² !), und es ist kaum wahrscheinlich, daß der Verfasser von 16,1b hierin von seiner Vorlage abwich und den Auszug ins ‚Neulicht des Abib‘ datierte.116 Sind die Indizien für den Nachtragscharakter von Dtn 16,1b bereits recht eindeutig, so stellt sich der Befund im Fall von Dtn 16,3 nochmals klarer dar, denn die aus Ex 13,3-6 gewonnene heilsgeschichtliche Begründung des Mazzotritus (16,3aȕ*.bȕȖ) klappt erkennbar nach. Sie ist über die Apposition ¢©«¦ ¥ am Ende von 16,3aȕ syntaktisch an die in 16,3a* vorangehende Aufforderung zum siebentägigen Mazzotessen angeschlossen und ist ohne diesen Vorkontext nicht lebensfähig, mit ihm aber streng genommen überflüssig. Der Mazzotritus erhält nämlich in 16,3a* bereits eine Begründung, die vollkommen anders gelagert ist und nichts von dem sich anschließenden Exodusbezug erahnen läßt. Ausgehend von der Passaanweisung in 16,2 wird in 16,3aĮ zunächst untersagt, Gesäuertes zum Passa zu verzehren (®§ ¢¥«¥¤³¥), was sodann in 16,3aȕ* mit der Anordnung, sieben Tage lang Mazzot zu essen (³¯§ ¢¥« ¥¤³ ¦¢§¢ ³«²), ins Positive gewendet wird. Diese rein kultrechtliche Begründung des Mazzotritus stellt eine eindeutige Alternative zu den sich anschließenden heilsgeschichtlichen Erwägungen dar, was eine gemeinsame Verfasserschaft ausschließt. Da 16,3a* zum literarischen Grundbestand des Verses gehören muß, ist damit zugleich der Nachtragscharakter der folgen-
115 Vgl. zu dieser Interpretation von Dtn 16,1a AUERBACH, Feste, 1f.; GERTZ, PassaMassot-Ordnung, 64, Anm. 28; ALBANI, Feste, 117. 116 So bereits AUERBACH, Feste, 2, der folgert, „dass der zweite Teil des Verses [sc. Dtn 16,1b] mit der historischen Begründung des Festes ein Zusatz der PK (sc. der Priesterschrift) ist.“
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den Exodusbezüge erwiesen, 117 mit denen nach der obigen Analyse sämtliche Verweise auf die Auszugsereignisse (16,1b.3aȕ(ab ¢©«¦ ¥)b.6bȕ) als Zusätze herausfallen. Sind die heilsgeschichtlichen Rückbezüge sekundär, so gilt zugleich, daß der zum Zeitpunkt ihrer Ergänzung vorausgesetzte Textbestand von Dtn 16,1-8 bereits Passa und Mazzot umfaßt haben muß. Es bleibt damit zu klären, wie diese Verbindung literarhistorisch zu beurteilen ist. Wie eingangs bereits dargelegt, ist ein Grundbestand der Passage nicht ohne Bezüge zum Passaopfer denkbar. Dies zeigt bereits die einleitende Aufforderung (16,1a), das Neulicht des Abib zu beobachten und ein Passa für JHWH zu veranstalten, die in 16,2 dahingehend expliziert wird, daß als Passa Schafe und Rinder am Zentralheiligtum zu schlachten sind. Alles weitere ist von der Einführung des Passa in Dtn 16,1a.2 abhängig, wobei man auffälligerweise vom Passa erst wieder in 16,7 etwas Neues erfährt. Der Vers hält mit der Aufforderung zum Kochen und anschließenden Verzehr des Opferfleisches im Zentralheiligtum exakt die Informationen bereit, die man nach 16,2 erwarten würde, und erweist sich auch syntaktisch als paßgenaue Fortsetzung, insofern hier die in 16,1a.2 angelegte Auftragskette im Perf. cons. weiterläuft. Diese Kette wird in 16,3f.5f. von zwei thematisch unterschiedlich akzentuierten Blöcken unterbrochen, die syntaktisch jeweils an einem einleitenden Prohibitiv aufgehängt sind und im ersten Fall auf die Einführung des siebentägigen Mazzotessens (16,3aĮ: ¢¥« ¥¤³ ¥ ®§ ), im zweiten dagegen auf das Verbot zielen, das Passaopfer an einem anderen Ort als an der zentralen Kultstätte zu vollziehen (16,5aĮȕ: £¢±«² ª³ ¥¥¤³¥). Geht man allein nach dem syntaktischen Befund, so ist man geneigt, Dtn 16,1a.2.7 als Grundbestand der Passaordnung zu nehmen, wofür zudem zu sprechen scheint, daß auch die in 16,9-15 folgenden Festordnungen aus einer Kette von Perf. cons. bestehen. Dieser Rekonstruktion steht freilich entgegen, daß sich Dtn 16,7b zwar nahtlos in die syntaktische Struktur einfügt, inhaltlich aber deutlich über den Horizont der rekonstruierten Passaordnung hinausweist. Die Aufforderung, am Morgen nach dem Passaopfer zu den Zelten zurückzukehren (£¢¥¥ ³¤¥ ±° ³¢©), ist nur dann sinnvoll, wenn an eine Fortsetzung der Festaktivitäten gedacht ist, was sich nicht zuletzt daran zeigt, daß in den Vorschriften zum Wochen- und Laubhüttenfest (16,9-15) kein Gedanke daran verschwendet wird, wohin man sich nach Festende zu begeben hat. Das in 16,7b mit der Rückkehr zu den Zelten – nicht etwa zu den Wohnstätten! 118 – vorausgesetzte Bild ist das eines auch nach der Passanacht um das Zentralheiligtum lagernden Israels, wobei als Grund für diese fortdauernde Präsenz allein die Observanz des siebentägigen Mazzotfestes in Betracht kommt. Exakt dies suggeriert auch der heutige Textzusammenhang, in dem sich in 16,8 spezielle Bestimmungen zur Feier eben dieses Festes anschließen. Der Textbefund in Dtn 16,7 verdeutlicht, daß eine Rekonstruktion des literarischen Grundbestandes, die allein aufgrund syntaktischer Erwägungen erfolgt, zu kurz greifen muß. Da nun die Mazzotbestimmungen in Dtn 16,8 eine nachpriesterschriftliche Mischform aus Ex 12,16; 13,6 bilden, daher eindeutig später einzuordnen sind als die Einführung des siebentägigen Mazzotessens in Dtn 16,3a* und somit für den ursprünglichen Textbestand ausfallen,119 bleiben für die Beurteilung von 16,7b lediglich zwei Optionen:
117 Ebenso GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 79f.; VEIJOLA, ATD 8/1, 333-338, die jedoch die Implikationen dieses literarkritischen Eingriffs für die Beurteilung von Dtn 16,1b übersehen, den sie irrtümlich dem Grundbestand der Festordnung zurechnen. 118 Das Lexem ¥ ist innerhalb des dtn Gesetzes lediglich in Dtn 16,7 bezeugt. 119 Vgl. gundlegend VEIJOLA, Geschichte, 148; gegen GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 72-75, der einen priesterschriftlichen Einfluß auf Dtn 16,8 in Abrede stellt. Zum Hintergrund des Verses s. im folgenden.
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Entweder es handelt sich um einen späteren Zusatz, oder aber der Halbvers ist ursprünglich, was dann aber im Umkehrschluß auch für die Erwähnung des siebentägigen Mazzotessens in 16,3a* gelten müßte. Genau betrachtet erweisen sich die inhaltlichen und lexematischen Verbindungen zwischen Dtn 16,3a* und seiner ursprünglichen Fortsetzung in 16,4b auf der einen und 16,7a und 16,7b auf der anderen Seite als so eng, daß vieles für die Tätigkeit desselben Verfassers spricht. Bevor dies demonstriert werden kann, sei noch kurz der postulierte ursprüngliche Textzusammenhang in Dtn 16,3a*.4b begründet. Wie bereits häufig gesehen, bilden die beiden Aussagen eine enge Parallele zu den Opfervorschriften des Bundesbuches (Ex 23,18)120, die hier aufgenommen und in den Rahmen der Passaordnung integriert wurden. Untersagt Ex 23,18a die Darbringung des Opferblutes mit Gesäuertem (®§ ¥« ³ ¥ ¢ ¦), so wird in Dtn 16,3aĮ verboten, das Passaopfer mit Gesäuertem zu verzehren (®§ ¢¥« ¥¤³ ¥), und die sich in Ex 23,18b anschließende Anordnung, das Fett des Festopfers nicht bis zum Morgen liegen zu lassen (±° « ¢ ¥ ¨¢¥¢ ¥), findet ihr Gegenstück in Dtn 16,4b, wo es heißt, es dürfe nichts vom Opferfleisch bis zum Morgen liegen bleiben (±°¥¨²±¦¢±« ³±²±²¨§¨¢¥¢¥). Während einerseits die Parallelen zu Ex 23,18 auf der Hand liegen, widerraten andererseits die zu verzeichnenden Abweichungen entschieden der Annahme, Dtn 16,3aĮ.4b erschöpften sich in einer Regulierung des Passaopfers. Ginge es allein darum, so bliebe vollkommen unerklärlich, warum der Verfasser in 16,3aĮ die im Horizont von 16,2 ( ) viel naheliegendere Opferbestimmung aus Ex 23,18a durch eine Bestimmung ersetzt haben sollte, die das Essen von Gesäuertem untersagt. Diese Modifikation macht allein dann Sinn, wenn hier bereits auf das Mazzotessen in 16,3aȕ* vorbereitet werden soll, was den Schluß nahelegt, daß Ex 23,18 von vornherein mit der Absicht rezipiert wurde, über eine Näherbestimmung des Passaopfers den Mazzotritus einzuführen.121 Leitet der Verfasser in Dtn 16,3a* gekonnt vom Verbot, zum Passaopfer (¢¥«) Gesäuertes zu verzehren, zu der Anordnung über, dazu (¢¥«) sieben Tage lang Mazzen zu essen, so lenkt er in 16,4b nicht minder geschickt zum Thema des Passaopfers zurück. Dazu wurde erneut die Bestimmung aus Ex 23,18 reformuliert, insofern nun nicht mehr vom Fett des Festopfers (¢ ¥ ), sondern vom Fleisch des abendlichen Schlachtopfers (±« ³±²±²) die Rede ist. Das Verbot, hiervon etwas bis zum Morgen übrig zu lassen (Dtn 16,4b), ist auf die Anordnung in 16,7 angelegt, in der es sein positives Gegenstück findet: Man soll das Opferfleisch im Zentralheiligtum kochen, anschließend verzehren und am Morgen wieder zu den Zelten zurückkehren, wo offenbar das weitere Mazzotessen stattfinden soll. 122 Die Vorschriften in Dtn 16,3a*.4b und Dtn 16,7 sind so
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Vgl. auch die jüngeren Sachparallelen in Lev 2,11; 6,10. In der Sache ebenso GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 63f. Gegen VEIJOLA, ATD 8/1, 333f., der die Mazzotbestimmung in Dtn 16,3aȕ* für eine nachträgliche Explikation der ihrerseits als Zusatz beurteilten Opfervorschrift in 16,3aĮ hält. Vgl. R. SCHMITT, Exodus, 64-69, der zudem in Anm. 176 einen Überblick über die weite Verbreitung dieser Position in der älteren Forschung bietet. 122 Da Dtn 16,4b das Passaopfer ausdrücklich auf den Abend des ersten Tages (¦¢±« ¨²±) der Mazzotwoche verlegt, ist der Mazzotritus am ersten Tag an den Tempel gebunden, wo nach 16,2.7 das Passaopfer darzubringen und zu verzehren ist. Daß man zum Passa (¢¥«) ungesäuerte Brote essen soll, geht ja auch aus 16,3a* hervor, wobei die Aufforderung, dies sieben Tage lang zu tun, streng genommen den Eindruck erweckt, als sei auch das Passaopfer eine Woche lang allabendlich darzubringen. Man ist versucht zu fragen, ob dies nicht der ursprüngliche Sinn sein könnte, so daß mit der morgendlichen Rückkehr zu den 121
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deutlich und planvoll aufeinander bezogen, daß nichts dafür spricht, hier irgendwelche literarkritischen Differenzierungen vorzunehmen. Mehr noch deutet der enge sachliche Zusammenhang zwischen 16,4b und 16,7 darauf hin, daß hier ein ursprünglicher Textübergang vorliegt, der erst nachträglich durch die Ergänzung von 16,5f. getrennt wurde. Die beiden Verse verweisen nach 16,2 zum zweiten Mal auf die exklusive Bindung des Passaopfers an das Zentralheiligtum, betonen nun aber ausdrücklich, daß eine Darbringung des Opfers in den Ortschaften untersagt ist (16,5abĮ: ª³ ¥¥¤³¥ £¢±«²). Daß dieses Verbot, das natürlich auch in 16,2 impliziert ist, explizit gemacht wird, hängt mit der uneingeschränkten Erlaubnis profaner Schlachtungen zusammen, die in 12,15 nachträglich in den Rahmen des Zentralisationsgesetzes eingestellt wurde.123 Der in 16,5.6a tätige Ergänzer124 will die Möglichkeit ausschließen, daß diese Erlaubnis auch für das Passaopfer Gültigkeit hat, und integriert daher, das Stichwort aus 16,4b aufgreifend, die umrissene Präzisierung der Opferbestimmung. 125 Es hat sich gezeigt, daß aller Wahrscheinlichkeit nach bereits der Grundbestand der Passaordnung (Dtn 16,1a.2.3a*.4b.7) eine Verknüpfung des Passaopfers mit einem siebentägigen Mazzotessen herstellte.126 Hierfür sprechen auch mehrere grundsätzliche Erwägungen: Da sich der Verfasser in Dtn 16,1a deutlich an die Terminierung des Mazzotfestes in Ex 23,15* anlehnt, ist man bei einer Ausscheidung der Mazzotbestimmungen in Dtn 16,3a* gezwungen, von einer gezielten Ersetzung durch das Passa auszugehen. Daß dies aufgrund der kanaanäischen Hintergründe des Mazzotfestes geschehen sei,127 ist eine Hilfsannahme, die letztlich unbeweisbar bleibt und den Befund der übrigen alttestamentlichen Festkalender gegen sich hat – hier jedenfalls scheint sich niemand an den vermeintlich kanaanäischen Wurzeln des Festes gestört zu haben. Für die Ursprünglichkeit der Erwähnung des Mazzotfestes in Dtn 16,3a* spricht schließlich auch, daß das erste der drei Jahresfeste in Dtn 16,16 wie selbstverständlich als ³¯§ bezeichnet wird. Das Summar ist nur mit Mühe als späterer Nachtrag erklärlich128 und bildet entweder den ursprünglichen Abschluß des in 16,1-15* vorangehenden Festkalenders, oder aber es konstituierte (mit 16,17) den Festkalender des Ur-Dtn, der erst nachträglich in 16,1-15*
Zelten überhaupt nicht der Ort des Mazzotessens, sondern vielmehr die Ruhestätte zwischen den allnächtlichen kultischen Begehungen erreicht wäre. Die ohnehin sperrige Zeitangabe (¨²± ¦¢) in 16,4b jedenfalls könnte ohne weiteres ein Zusatz sein, der erst mit 16,8 in den Text kam. Zum Zusammenhang s. im folgenden. 123 Zum Zusatzcharakter von Dtn 12,15 vgl. VEIJOLA, ATD 8/1, 273f. 124 Die Näherbestimmung des abendlichen Opfertermins in Dtn 16,6b ist ein nochmals jüngerer Zusatz; s. im folgenden. 125 Sprachliche Parallelen bestehen überdies zu Dtn 12,3.5.13f.17f. 126 Ebenso mit im Detail abweichenden Rekonstruktionen GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 69; KREUZER, Exodustradition, 85; OTTO, Deuteronomium [1999], 324-334. Anders VEIJOLA, Geschichte, 134f., der alle Erwähnungen des Mazzotfestes für sekundär hält. 127 So bereits WELLHAUSEN, Prolegomena, 86f.; vgl. VEIJOLA, Geschichte, 140f. 128 Die Aufzählung der drei jährlichen Wallfahrtsfeste in Dtn 16,16aȕ wird von VEIJOLA, Geschichte, 149, im Anschluß an LAAF, Pascha-Feier, 78, m.E. ohne hinreichende Gründe als Zusatz ausgeschieden und auf den Ergänzer der Mazzotschicht in 16,1-8 zurückgeführt. Der Grund für diese redaktionsgeschichtliche Verknüpfung ist vor allem systembedingt, denn da VEIJOLA die Erwähnungen des Mazzotritus durchgängig als Zusätze ansieht, muß auch die das Mazzotfest einschließende Aufzählung aller drei (!) Jahresfeste (16,16aȕ) von derselben Hand stammen.
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
eine Entfaltung erfuhr.129 In beiden Fällen erweist sich die Annahme, in 16,1-7* sei allein vom Passa die Rede gewesen, als wenig plausibel. Daß die Erwähnung des Mazzotritus in 16,3a* zum Grundbestand des Abschnitts zählt, legt sich zuletzt auch insofern nahe, als das erste Jahresfest allein hier eine heptadische Dimension erhält, wie sie auch für die beiden folgenden Feste charakteristisch ist (16,9.15). Ob dabei die Ansetzung eines siebentägigen Mazzotessens gar als Innovation des dtn Gesetzgebers zu beurteilen ist, läßt sich nicht entscheiden. Deutlich ist lediglich, daß auf Dtn 16,3aȕ* die älteste explizite Erwähnung der Mazzotwoche im Alten Testament entfällt, die dem Festkalender des Bundesbuches (Ex 23,15*) in seinem Grundbestand noch abgeht. Die größte Neuerung, die die Festordnung in Dtn 16,1-7* gegenüber ihrer Vorlage in Ex 23,15* mit sich bringt, besteht nun sicherlich darin, daß die Mazzotwoche mit dem in Ex 23 unerwähnten Passaopfer verknüpft wurde. Zwar läßt sich über die kultgeschichtlichen Hintergründe dieses Schrittes trefflich spekulieren, doch sind hier in Anbetracht der äußerst dürftigen Quellenlage kaum gesicherte Ergebnisse zu erwarten. Deutlich ist lediglich, daß nichts für eine literarische Abhängigkeit von Ex 12,1-13* spricht, womit die Passa-Mazzotordnung in Dtn 16,1-7* wenn nicht für das Ur-Dtn, so doch zumindest für den vorpriesterschriftlichen Bestand des dtn Gesetzes veranschlagt werden kann. 130 Für die eingangs gestellte Frage nach den Hintergründen der in Ex 12,34.39; 13,3-6* etablierten Ätiologie des Mazzotfestes ergibt sich also folgendes: Ihr nachpriesterschriftlicher Verfasser fand neben der priesterschriftlichen Passaätiologie in 12,1-13* auch die kombinierte Passa-Mazzotordnung in Dtn 16,1-7* vor, was ihn dazu animierte, nun auch den Mazzotritus in den Auszugsereignissen zu verankern. Ausgehend von Dtn 16,1a (vgl. Ex 23,15aĮ*) erhält der Exodus auf diese Weise auch seine bisher fehlende Datierung im Monat Abib (Ex 13,4), was dann in einem weiteren Schritt dazu führt, daß die Festkalender in Ex 23,15aȕ (par. 34,18b); Dtn 16,1b um den ausdrücklichen Rückverweis auf den Auszug der Israeliten im Monat Abib ergänzt werden. Während die heilsgeschichtliche Begründung des Mazzotfestes in Ex 23,15aȕ durch einen Bearbeiter erfolgte, auf den auch die Zusätze zu 23,15aĮ zurückzuführen sein werden,131 ist der Prozeß in Dtn 16 zumindest zweistufig. Einer ersten Stufe konnte bisher neben 16,1b auch 16,3aȕfin(¢©« ¦ ¥)bȕ zugewiesen werden, während in 16,3bĮ ein nochmals jüngerer Zusatz erkannt wurde, der das Motiv des eiligen Aufbruchs (¨ ) aus Ex 12,11 ergänzt. Vermutlich Teil derselben Bearbeitung ist die in Dtn 16,4a nachgetragene Bannung des Sauerteiges (¦¢§¢ ³«² £¥ ¥¤ ±² £¥ ±¢ ¥), die ebenfalls auf den Hintergrund der spätpriesterschriftlichen Anteile in Ex 12 angewiesen ist. Der Halbvers setzt das Verbot aus Ex 12,19 voraus, das wie in Ex 13,7b von den Häusern der Auszugsnacht (¦¤¢³) auf das gesamte bei der Landnahme eingenommene Gebiet (£¥¥¤)
So KRATZ, Komposition, 126. In der Sache ebenso, wenngleich mit anderen literarkritischen Abgrenzungen GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 79f.; VEIJOLA, Geschichte, 135. 131 Zumindest das £³¢¯±²¤ in Ex 23,15aĮ setzt wie der Rekurs auf den Auszugsmonat in 23,15aȕ den literarischen Vorkontext in 13,3-6 voraus, geht also auf dieselbe Hand zurück. Da sich der Hinweis auf eine Anordnung JHWHs der Sache nach nicht auf die zum Grundbestand zählende Anordnung, das Mazzotfest im Neulicht des Abib zu begehen, beziehen kann, da diese von 13,3-6 her nicht gedeckt ist, ist die vorangehende Erwähnung der siebentägigen Festdauer (³¯§¥¤³¦¢§¢³«²) als Vorkontext vorausgesetzt. Es liegt daher nahe, die Phrase £³¢¯ ±²¤ ³¯§ ¥¤³ ¦¢§¢ ³«² als Ergänzung von einer Hand aufzufassen, wenngleich die theoretische Möglichkeit, daß der Verweis auf die Festdauer eine ältere Ergänzung (aus Dtn 16,3a*) darstellt, nicht kategorisch auszuschließen ist. 129 130
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ausgedehnt wird. Dabei ist in Abetracht der wörtlichen Übereinstimmungen zwischen Ex 13,7b und Dtn 16,4a von einem direkten literarischen Abhängigkeitsverhältnis auszugehen, dessen Gefälle in Anbetracht des Gesamtbefundes am ehesten nach Dtn 16,4a verläuft. So jedenfalls verhält es sich im Fall der Parallele zwischen Ex 13,6 und Dtn 16,8,132 wo sich der letztgenannte Vers eindeutig als sekundäre Weiterentwicklung zu erkennen gibt: Während Ex 13,6 anordnet, sieben Tage Mazzen zu essen (¥¤³¦¢§¢³«² ³¯§) und am siebten Tag ein Fest für JHWH zu veranstalten (¢¥ ¢«¢²¦¢), ist in Dtn 16,8 davon die Rede, man solle sechs Tage lang Mazzen essen (¥¤³ ¦¢§¢ ³²² ³¯§) und am siebten Tag eine Festversammlung für JHWH abhalten (³±¯«¢«¢² ¦¢ £¢¥ ¢¥), wobei für diesen Tag zusätzlich ein Arbeitsverbot ausgesprochen wird (¥ ¤¥§²«³). Im Hintergrund steht das Arbeitsverbot aus Ex 12,16bĮ (²«¢¥¤¥§¥¤ ¦), das hier mit Ex 13,6 allein für den siebten (und nicht auch für den ersten) Tag geltend gemacht wird. Daß nach Dtn 16,8 am siebten Tag eine Festversammlung (³±¯«) und nicht etwa ein Fest (Ex 13,6: ) oder eine heilige Versammlung (Ex 12,16: ²° ±°§) abzuhalten ist, hat vermutlich erneut einen spätpriesterschriftlichen Hintergrund. Der Begriff ³±¯« begegnet innerhalb der alttestamentlichen Festkalender nur noch in Lev 23,36; Num 29,35, wo er jeweils auf den achten Tag des Laubhüttenfestes bezogen ist,133 und es liegt nahe, daß dasselbe chronologische Schema in Dtn 16,8 auf das Passa-Mazzotfest übertragen wurde: Der Vers rechnet mit einem achttägigen Festverlauf, wobei man vor dem Hintergrund der Quelltexte Ex 12,16; 13,6 zunächst davon ausgehen würde, daß der Beginn der Mazzotwoche auf den Tag nach dem Passaopfer fällt und in Dtn 16,8 nur ein sechstägiges Mazzotessen angeordnet wird, da am siebten Tag aufgrund des an ihm geltenden Arbeitsverbotes keine ungesäuerten Brote zubereitet werden dürfen. Bezieht man Dtn 16,4b mit ein, wo das Passaopfer ausdrücklich mit dem Abend des ersten Tages der Mazzotwoche verknüpft wird, so ergibt sich jedoch eher das Bild, daß in 16,8 die verbleibenden sechs Tage des Mazzotessens im Blick sind.134 Der Verfasser übernimmt die etwa in Lev 23 bezeugte Taktung des Passa-Mazzotfestes von 1+7 Tagen, verschiebt aber den Beginn des Mazzotessens auf den Passaabend, so daß das für den siebten und letzten Tag der ‚klassischen Mazzotwoche‘ geltende Arbeitsverbot nicht durch die Zubereitung ungesäuerter Brote gefährdet ist. Die nämliche halachische Schwierigkeit wird in Ex 12,16bȕȖ durch eine nachgeschobene Sondererlaubnis behoben, von der der Verfasser von Dtn 16,8 entweder noch nichts weiß oder schlicht nichts wissen will. Da Dtn 16,3bĮ.4a.8 durchweg auf späte priesterschriftliche Passagen in Ex 12 bzw. auf hiervon abhängige Stücke in Ex 13 Bezug nehmen, 135 liegt die Vermutung nahe, daß die Zusätze aus derselben Feder geflossen sind. Ob zu dieser zweiten nachpriesterschriftlichen Bearbeitung der Passa-Mazzotordnung in Dtn 16,1-8 schließlich auch der Exodusbezug in 16,6bȕ – dies vermutlich nebst der in 16,6bĮ vorangehenden Zeitangabe – zu rechnen ist, mag dahingestellt bleiben. Deutlich jedenfalls ist, daß die hier erfolgende Bestimmung des Sonnenuntergangs als Zeitpunkt des Auszugs (£³¯ «§ ²§² ¤ ¦¢±¯§§) in Spannung zur Vorstellung einer nächtlichen Herausführung steht, wie sie in 16,1b entfaltet wird (¥¢¥). Die Zeitangabe in 16,6b(Į)ȕ ist daher höchst wahrscheinlich
Hierzu bereits WELLHAUSEN, Composition, 74. Ebenso noch in 2 Chr 7,9; Neh 8,18. 134 So auch GERTZ, Passa-Massot-Ordnung, 64; VEIJOLA, Geschichte, 147. 135 Im Grundsatz ebenso VEIJOLA, Geschichte, 145-148. Gegen GERTZ, Passa-MassotOrdnung, 66-75; OTTO, Deuteronomium [1999], 324-334, die einen Einfluß der priesterschriftlichen Tradition auf die in Dtn 16,1-8 vorliegende Festordnung in Abrede stellen. 132 133
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
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jünger als die erste heilsgeschichtliche Bearbeitung (16,1b.3aȕ*.bȕ), mit der die Exodusbezüge allererst in den Text gelangten. Übersicht: Die Genese der Passa-Mazzot-Ordnung in Dtn 16,1-8 I 16,1a: Aufforderung, das Neulicht im Abib zu beobachten (ĸ Ex 23,15aĮ*) III
16,1b: Erinnerung an den Auszug im Abib (ĸ Ex 13,4)
I
16,2: Aufforderung zum Passaopfer an der zentralen Kultstätte
I
16,3aĮȕ(ohne ¢©«¦ ¥): Aufforderung zum siebentägigen Mazzotessen (ĸ Ex 23,18b) 16,3aȕ(nur ¢©«¦ ¥)bȕ: Das ‚Elendsbrot‘ und die Erinnerung an den Tag des Auszugs (ĸ Ex 13,3aĮ)
III
I
IV
16,3bĮ: Die Eile des Auszugs (ĸ Ex 12,11)
IV
16,4a: Verbannung des Sauerteiges (ĸ Ex 13,7)
16,4b: Nichts darf vom Passaopfer über Nacht übrig bleiben. (ĸ Ex 23,18b) II
16,5.6a: Verbot, das Passaopfer an einem anderen Ort als an der zentralen Kultstätte darzubringen (ĸ Dtn 12,15) III+
I
16,6b: Eingrenzung des Auszugszeitpunktes
16,7: Anordnung, das Passa gekocht zu verzehren und morgens zu den Zelten zurückzukehren IV
16,8: Näherbestimmung der Mazzotwoche (ĸ Ex 12,16; 13,6)
Es hat sich bestätigt, daß alle Rückverweise auf den Auszug im Abib und damit sämtliche Exodusbezüge der Festkalender in Ex 23,15; 34,18; Dtn 16,1-8 die nachpriesterschriftliche Ätiologie des Mazzotfestes aus Ex 12,34.39a; 13,3-6* voraussetzen. Deren Verfasser fand in Dtn 16,1-7* lediglich eine Verbindung der beiden Feste vor, wie sie – mit Abweichungen im Detail – in nachexilischer Zeit auch die priesterlichen Festkalender in Lev 23; Num 28; Ez 45 sowie vielleicht der sog. ‚Passabrief‘ A4.1 aus Elephantine bezeugen.136 Vor diesem Hintergrund einer kombinierten Festpraxis erklärt sich ohne weiteres, daß nach dem Passa nun auch das Mazzotfest in Ex 12,34.39a; 13,3-6* eine Festlegende erhielt, die in denselben heilsgeschichtlichen Ereigniszusammenhang verweist. Insofern dabei das siebentägige Mazzotessen mit dem Tag des Auszugs verknüpft und so vom Abend des Passaopfers abgesetzt wird, positioniert sich der Verfasser deutlich näher bei den Festordnungen aus Lev 23; Num 28 als bei deren hinsichtlich des Festverlaufs etwas unscharfer Parallele in Dtn 16,1-7*. Das soll nicht heißen, daß die Passa-Mazzot-Ordnungen aus Lev 23 oder gar Num 28 in Ex 12,34.39abĮ; 13,3-6* literarisch vorausgesetzt sind, zeigt aber, daß die Texte verwandte Entwicklungszustände der nach136 Die Erwähnung des Passa in Z. 4 muß freilich rekonstruiert werden, was aufgrund des Kontextes nicht unwahrscheinlich, aber, wie KOTTSIEPER, Religionspolitik, 151, gezeigt hat, keineswegs alternativlos ist. Kritisch auch KRATZ, Temple and Torah, 84-86.
2. Die vornehmlich halachischen Partien in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16
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exilischen Festpraxis spiegeln. Die expliziten Bezüge zu Lev 23 gelangen erst mit der Grundschicht der priesterlichen Mazzotordnung in Ex 12,1420 in den Text (12,14a.15aĮ.16abĮ.17a), bei der es sich wie bereits mehrfach angedeutet um eine Einschreibung handelt, die jünger ist als ihre Sachparallele in 13,3-6*. 2.3. Die Vorschriften zur Opferung der Erstgeburt (Ex 13,1f.11-16) und die Entstehung der Katechesen in Ex 12,26f.; 13,8f. Aus der bisherigen Analyse hat sich ergeben, daß die Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer in Ex 13,1f.11-16 jünger sind als der Grundbestand der Mazzotordnung (13,3-6*) und die Passaätiologie in 12,21-23.25, die der Verfasser von 13,3-6* bereits vorfand. Nach den Anordnungen, den Passaund Mazzotritus nach dem Eintritt ins Land zu observieren (12,25; 13,5f.*), folgt nun in einem letzten Schritt die Anweisung, dies auch mit den Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer so zu halten (13,11-13). Die Argumentationsstruktur der letztgenannten Verse gleicht der in 13,5f.* vorgefundenen, an die sich der Verfasser eng angelehnt hat. Er beginnt in 13,11 mit einer verkürzten Wiedergabe der Landgabeformel aus 13,5aĮ und schließt hieran in 13,12a nach dem Vorbild von 13,5b.6 eine Aufforderung im Perf. cons. an: Nachdem JHWH die Israeliten seinem Eid gemäß in das verheißene Land geführt hat (13,11: ±²¤¢©«©¤®±¥¢£¢¢¤¢ £¥©³©£¢³¥£¥«²©), sollen diese ihm alles darbringen, was den Mutterschoß durchbricht (13,12a: ¢¥¦ ±±¡¥¤³±«). Dieser grundsätzliche Anspruch JHWHs auf alle Erstgeburt wird im folgenden weiter spezifiziert. Lediglich die Erstgeburt des Viehs, und zwar nur die männliche mit Ausnahme der des Esels, soll JHWH geopfert werden (12,12b.13a), während die erstgeborenen Söhne der Israeliten durch ein tierisches Ersatzopfer auszulösen sind (13,13b). Ist man aufgrund des syntaktischen Befundes zunächst versucht, die Näherbestimmungen in Ex 13,12b.13 als Zusatz anzusehen, so scheidet diese Option bereits in Anbetracht des literarischen Horizontes von 13,1113 aus. Nach Passa und Mazzotfest sollen nun auch die Vorschriften zum Erstgeburtsopfer eine heilsgeschichtliche Begründung in der Tötung der Erstgeburt erhalten (vgl. 13,14-16), von der nach 12,29 Mensch und Vieh gleichermaßen betroffen sind. Es ist daher kaum wahrscheinlich, daß die in 13,12b.13 aufgemachte Distinktion nachgetragen wurde, vielmehr ist sie von 12,29 her gerade gefordert. Indem JHWH unterschiedslos die menschliche wie die tierische Erstgeburt der Ägypter tötete, brachte er seinen Anspruch auf alle Erstgeborenen zum Ausdruck, der nach 13,12a auch für die Israeliten in Geltung steht. Bei der Durchsetzung dieses Anspruches wird aber mit Blick auf Mensch und Tier differenziert, insofern JHWH allein die Erstgeburt des Viehs als Opfer beansprucht (13,12b: §±²±¡¥¤
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
¢¥ ¦¢±¤ £¥ ¢¢ ±²), bei der menschlichen Erstgeburt aber einen Ersatz akzeptiert (13,13b: ³ £¢© ¦ ±¤ ¥¤). Ex 13,12b.13b sind daher mit Blick auf den ätiologischen Anknüpfungspunkt in 12,29 als Explikation von 13,12a unverzichtbar und notwendig zum Grundbestand zu rechnen. Dies gilt freilich nicht für die Sonderbestimmungen zum Umgang mit der Erstgeburt des Esels in 13,13a, die den engen argumentativen Zusammenhang zwischen 13,12b.13b stören. Der Halbvers wurde von späterer Hand ergänzt.137 Während das in Ex 13,12.13a behandelte Gegenüber von Mensch und Vieh in der Erzählung von der Tötung der Erstgeburt vorgegeben war (12,29), ist die Fokussierung auf die männliche Erstgeburt dort ohne Entsprechung. Das Motiv findet innerhalb der Exoduserzählung die einzige Parallele in 4,21-23, wobei der Abschnitt als Hintergrund ausfällt, da er bereits mit Blick auf 13,11-16 verfaßt wurde.138 Nun lassen sich die betreffenden Angaben in 13,12b.13b (¦¢±¤ / £¢©) zwar problemlos als Zusäze ausscheiden, was das Problem aber in keiner Weise löst, denn es bliebe nach wie vor zu erklären, was die vermeintlichen Zusätze veranlaßt hat. Am naheliegendsten ist daher die Annahme, daß die Eingrenzung der Erstgeburtspflicht auf alles Männliche dem Verfasser bereits vorgegeben war (Ex 22,28b; Dtn 15,19a) und er ein entsprechendes Konzept mit den in 12,29 geschilderten Ereignissen verknüpfte. Hierfür spricht eindeutig auch der Befund in 13,15, wo der Umgang mit den männlichen Erstgeburten der Israeliten – die Angaben zum Geschlecht sind hier auf jeden Fall ursprünglich! – durch den Rückblick auf die Tötung der ägyptischen Erstgeburten begründet wird, deren Geschlecht in Übereinstimmung mit 12,29 unspezifiziert bleibt. Der Rückblick auf die Tötung der Erstgeburt (Ex 13,15) ist Teil einer planvoll gestalteten Katechese (13,14-16), welche die ätiologische Begründung der zuvor entfalteten Vorschriften liefert und daher notwendig die ursprüngliche Fortsetzung von 13,11.12.13b bildet. Die Ätiologie leitet wie gesehen JHWHs künftigen Anspruch auf alle Erstgeburt der Israeliten (13,12a) aus dem Geschick der ägyptischen Erstgeburten ab, wobei von der Möglichkeit, die Auslösung der Söhne durch ein Ersatzopfer mit der Verschonung der Israeliten vor den Verderbensschlägen der Auszugsnacht (12,13.23) zu begründen, kein Gebrauch gemacht wird. Bleiben die konkreten Opferanweisungen aus 13,12b.13b damit letztlich ohne Begründung, so hat der Verfasser sie andererseits kompositionell geschickt eingebunden, denn an die Anweisung, den Sohn durch ein Ersatzopfer auszuGegen GERTZ, Tradition, 64f., der die Bestimmungen zum Umgang mit der Erstgeburt des Esels für ursprünglich hält, da der Verfasser diese aus Ex 34,19f. übernommen habe. Das literarische Gefälle verläuft exakt umgekehrt. 138 S.o., III. 3.3. 137
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lösen (13,13b), schließt sich nahtlos die Frage des Sohnes nach der Bedeutung dieser Vorschriften an (13,14a). Die Katechese in 13,14b-16 und mit ihr die Ätiologie des Erstgeburtsopfers hängen damit im synchronen Lesezusammenhang an der Wißbegierde des durch ein tierisches Ersatzopfer ausgelösten Sohnes, und es dürfte gerade diese Opferbestimmung gewesen sein, die den Verfasser auf Dtn 6 als Intertext stieß, von wo er neben der Sohnesfrage (Dtn 6,20) auch das Motiv der Merkzeichen an Hand und Stirn entlehnte (Dtn 6,8).139 Auf die hypothetische Frage des Sohnes nach dem Sinn des zuvor Angeordneten (Ex 13,14a: ³ § ±§¥ ± § £© £¥²¢ ¢¤ ¢) ist nach 13,14b wie in Dtn 6,21 mit dem Verweis auf die Befreiungserfahrung zu antworteten. Dabei wurde in Ex 13,14b die klassische dtr Exodusfomel so reformuliert, daß nun nicht mehr von einer Herausführung ‚mit starker Hand‘ (Dtn 6,21b: ° ¢¦¢±¯§§¢©¢¯¢), sondern ‚mit der Stärke der Hand‘ (¢ ° ) die Rede ist,140 womit dezidiert auf die Tötung der Erstgeburt angespielt wird. Dies expliziert 13,15a, wo noch einmal die Ereignisse aus 12,29 rekapituliert werden (±¢ © ¥²¥ «± ²° ¢¤ ¢¢ § ±¤ « ¦ ±¤§ ¦¢±¯§ ®± ±¤ ¥¤ ¢),141 bevor 13,15b, die heilsgeschichtliche Begründung aufgreifend, ein weiteres Mal das in 13,12.13b Gebotene einschärft: ‚Deshalb opfere ich JHWH alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, aber alle Erstgeburt meiner Söhne löse ich aus‘ (¢© ±¤ ¥¤ ¦¢±¤ ¦ ± ±¡ ¥¤ ¢¥ ¢© ¨¤ ¥« ). Zum Abschluß der Katechese greift Ex 13,16a das Zeichenmotiv aus Dtn 6,8 auf und führt es einer metaphorischen Reinterpretation zu. Läßt sich die Anordnung, die gebotenen Worte als Zeichen auf die Hand zu binden (6,8a: £¢ ¥« ³¥ ¦³±²°) und sie als Merkzeichen zwischen den Augen zu tragen (6,8b: £¢©¢«¨¢³¡¡¥¢), ohne weiteres als konkrete Handlungsanweisung verstehen,142 so heißt es in Ex 13,16a mit Blick auf das zuvor Gebotene, ‚dies sei wie ein Zeichen an deiner Hand und wie Merkzeichen zwischen deinen Augen‘ (¨¢ ³¡¡¥ ¤¢ ¥« ³¥ ¢ £¢©¢«). Daß mit dem Zeichencharakter nicht zuletzt auch eine Vergegenwärtigung von JHWHs nächtlichem Befreiungs-Schlag verbunden ist, zeigt 13,16b, der noch einmal die Exodusformel aus 13,14b aufnimmt und damit die Katechese beschließt. Zur Richtung des literarischen Gefälles vgl. grundlegend GERTZ, Tradition, 57-61. Von derselben Hand stammt die identisch formulierte Exodusformel in Ex 13,3aȕȖ, mittels derer die ältere Moserede (13,3-9*) von Beginn an auf ihren Appendix in 13,11-16* transparent gemacht wird. 141 Die Konstruktion der Verstockungsaussage mit ²° Hif‘il hat Ex 7,3 zum Hintergrund. Dagegen erweist sich der Vorausblick auf die Ermordung (±) der Erstgeburten in 4,23 als spätere Bildung, die bereit mit Blick auf die Aussage in 13,15 formuliert wurde. Vgl. die Ausführungen unter III. 2.3. und V. 142 Vgl. VEIJOLA, ATD 8/1, 180-182. 139 140
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
Während der Verfasser der Katechese in Ex 13,14-16 den Formulierungen aus Dtn 6,8.20f. im exakten Wortlaut folgt, sind in Ex 12,26.27a; 13,8f. deutliche Abweichungen zu verzeichnen. So bilden 12,26.27a zwar die Argumentationsstruktur aus Ex 13,14f.; Dtn 6,20f. ab, hängen die Katechese aber nicht mehr am zukünftigen (± §) Fragen (¥²) des Sohnes (£©) auf. Vielmehr antizipiert Ex 12,26 die Situation, daß ‚eure Söhne zu euch sagen: Was bedeutet dieser Dienst für euch?‘ (¦¤¢¥ ±§¢ ¢¤ ¢ ¦¤¥ ³ «§ ¦¤¢©). Im Unterschied dazu spart sich 13,8 den Aufhänger der Sohnesfrage ganz und setzt direkt mit einer Unterweisung über die Worte ein, die man dem Sohn ‚an jenem Tag‘ mitteilen soll (£©¥³ ±§¥¦¢). Ex 13,9 schließt hieran das Zeichenmotiv an, spricht aber im Gegensatz zu Ex 13,16; Dtn 6,8 nicht von Merkzeichen (³¡¡), sondern von einem Erinnerungszeichen (¨±¤) zwischen den Augen. Trotz der notierten Abweichungen ist immerhin festzuhalten, daß in 13,8f. beide Elemente aus 13,14-16 bezeugt sind, während die Katechese in 12,26.27a ganz ohne das Zeichenmotiv auskommt. Hieraus läßt sich allerdings mitnichten ableiten, daß die älteste Katechese in 12,26.27a vorliegt und es sich in 13,8f.14-16 um erweiterte Ableger handelt. Da das Material der Katechesen eindeutig aus Dtn 6 stammt, ist vielmehr davon auszugehen, daß die literarische Priorität dem Abschnitt zukommt, der die größten Übereinstimmungen mit seinem Quelltext aufweist. Die älteste der drei Katechesen findet sich folglich in Ex 13,14-16143 und wurde gemeinsam mit den in 13,11.12.13b vorangehenden Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer hinter der Mazzotordnung in 13,3-6* eingeschrieben. Für die Annahme, der Katechese in Ex 13,14-16 komme gegenüber ihren Parallelen in 12,26.27a; 13,8f. literarische Priorität zu, spricht schließlich auch, daß die beiden besagten Paralleltexte die deutlichsten Schnittmengen nicht untereinander, sondern mit 13,14-16 aufweisen. Kopieren 13,8f. exakt die in 13,14-16 vorgegebene Abfolge von Sohnesunterweisung und Zeichenforderung, so sind die Übereinstimmungen zwischen 12,26.27a und 13,14f. stärker inhaltlicher Natur, insofern in beiden Texten ein ausdrücklicher Bezug zur Tötung der Erstgeburt hergestellt wird. Wenn nun aber die Katechesen in 12,26.27a; 13,8f. ihre Vorlage aus 13,14-16 auf ganz unterschiedliche Weise rezipieren, dann widerrät dies gleichzeitig der Annahme, beide Passagen seien Teil derselben Bearbeitungsschicht. Dabei erscheint es am naheliegendsten, daß in 12,26.27a die ältere der beiden Katechesen vorliegt, denn der sachliche Bezug zu 13,14-16 und damit auch die tendenzkritische Logik der redaktionsgeschichtlichen Entwicklung liegt auf der Hand: Wurde in 13,15 das Erstgeburtsopfer gegenüber dem fragenden Sohn mit JHWHs nächtlichem Schlag gegen die ägyptische Erst143
Hierfür spricht auch, daß das Motiv der Sohnesfrage in Ex 13,14a wie dargelegt in einem organischen Zusammenhang zur Auslösung des erstgeborenen Sohnes steht (13,13b).
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geburt begründet, so formuliert 12,27a hierzu eine komplementäre Begründung des Passaopfers, die darauf abhebt, daß die israelitischen Häuser vor eben jenem Schlag verschont wurden.144 Daß in 12,26.27a nicht auch das Zeichenmotiv aus 13,16 rezipiert wurde, mag einfach daran liegen, daß es an den bekenntnishaften Rückverweis auf die Herausführung gebunden war, der sich vor dem Moment des Auszugs (12,37.40f.) nicht anführen ließ, ohne Brüche in der Erzähllogik zu verursachen.145 Während sich Ex 12,26.27a in der dargestellten Weise als inhaltlich motivierte Übertragung der in 13,14f. vorgefundenen Thematik auf das Passaopfer plausibel machen lassen, scheint der in 13,8f. tätige, jüngere Ergänzer vor allem das Ziel zu verfolgen, den Mazzotabschnitt (13,3-9*) strukturell an die Passage zum Erstgeburtsopfer (13,11-16) anzugleichen. In der Sache jedenfalls hat er dem Sohn, dessen Frage er gar nicht erst zu Gehör bringt, nicht allzu viel zu sagen, sondern begnügt sich mit der vagen Auskunft, man feiere das Mazzotfest ‚aufgrund dessen, was JHWH für mich getan hat, als ich aus Ägypten zog‘ (13,8: ±§¥¦¢£©¥³ ¦¢±¯§§¢³¯¢¥¢²«±«).146 Nun wird man zugestehen müssen, daß eine konkretere Verknüpfung des Mazzotritus mit JHWHs Heilshandeln schwerlich möglich ist, doch bestätigt sich gerade hierin das Konstruierte des sich hinter 13,8 abzeichnenden Versuchs, eine Parallelbildung zu 13,14f. (und 12,26.27a) zu schaffen. Daß sich der Ergänzer dabei durchaus bemüht hat, den katechetischen Stoff an die in 13,3-6* vorangehende Mazzotordnung anzupassen, zeigt die Reformulierung des aus 13,16 übernommenen Zeichenmotivs in 13,9. Hier ersetzt er den Begriff ³¡¡ durch ¨±¤ und spielt damit gezielt auf die einleitende Aufforderung an, des Auszugstages zu gedenken (13,3aĮ: Stichwort ±¤). Der heilsgeschichtliche Bezug klingt wie in Ex 13,16b auch in 13,9b noch einmal abschließend in einer Herausführungsformel an, die nun allerdings wieder dem klassischen dtr Formular folgt (£¯ ° ¢ ¢¤ ¦¢±¯§§¢). Ihr ist allerdings in 13,9aȕ ein Finalsatz vorangestellt, der in 13,16 keine Parallele findet und daher die eigentliche Innovation innerhalb 144 Der Bezug wird noch einmal dadurch unterstrichen, daß allein in diesen beiden Versen vom Opfern bzw. von einem Opfer für JHWH die Rede ist (13,15: ¢¥ ¢©¨¤¥«; 12,27: ¢¥ ª ). 145 Zwar erfolgt auch der Rekurs auf die Verschonung der Israeliten (Ex 12,27a), bevor das Ereignis eintritt, er ist aber durch die in 12,23 vorangehende Ankündigung im Nahkontext abgesichert. Hinzu kommt, daß von der Verschonung der Israeliten im Bericht von der Tötung der Erstgeburt 12,29-33 ohnehin keine Rede ist. 146 Zu dieser Übersetzung der elliptischen Formulierung vgl. NOTH, ATD 5, 87f.; CASSUTO, Commentary, 152; HOUTMAN, Exodus II, 213. Wenig wahrscheinlich dagegen JACOB, Buch Exodus, 381f., der das ±« auf die Mazzen bezieht und übersetzt „um dessentwillen hat ER’s an mir getan, als ich auszog aus Ägypten“ (a.a.O., 373). Ein derartiger Bezug ist nach den in 13,6.7 verwendeten Formulierungen für den Leser völlig uneindeutig.
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
von 13,9 darstellt: Die in 13,9aĮ erwähnten Zeichen sollen nach 13,9aȕ ausdrücklich gewährleisten, ‚daß die Tora JHWHs in deinem Munde sei‘ (£¢¢³±³¢³¨«§¥), wobei es hier nicht um eine konkrete Einzelanweisung, sondern um die Tora als das Gesetz JHWHs geht.147 Die globale Forderung des Toragehorsams erinnert in der Sache an Jos 1,8,148 wobei ihre in Ex 13,9aȕ vorgenommene Verknüpfung mit dem Mazzotritus nicht minder beliebig erscheint als dessen heilsgeschichtliche Begründung in 13,8 unspezifisch. Mit der sukzessiven Ergänzung der Katechesen in Ex 12,26.27a; 13,8f. erhielten die an den Zeitpunkt der Landnahme gekoppelten Anweisungen zum Passa (12,21-27a*), zum Mazzotfest (13,3-9*) und zum Erstgeburtsopfer (13,11-16*) jene grob parallele Struktur, die bisweilen irrtümlich als Indiz für die literarische Einheitlichkeit der drei Abschnitte gewertet wird.149 Auf denselben Verfasser wird in diesem Fall gern auch die JHWHRede in 13,1f. zurückgeführt, obwohl deren isolierte Stellung am Anfang der Gebotssequenz 13,1-16 in diametralem Gegensatz zu der Annahme einer planvollen Komposition des Abschnitts steht. Wie unter VII. 2.2. dargelegt, können 13,1f. erst nachträglich vor den literarischen Nukleus des Abschnitts in 13,3-6* gestellt worden sein, und zwar mit dem Ziel, die ebenfalls nachgetragenen Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer in 13,1116* in einer Anordnung JHWHs zu verankern. Zu klären bleibt, ob 13,1f.11-16* auf denselben Verfasser zurückgehen oder ob die JHWHRede in 13,1f. nochmals späteren Ursprungs als 13,11-16* ist. Die Möglichkeit, sie könne älter sein, ist dagegen von vornherein auszuschließen, denn isoliert betrachtet sind 13,1f. nichts als ein Fragment, das ohne den Folgekontext in 13,(3-10*.)11-16* inhaltlich wie literarisch in der Luft hängt. Vergleicht man die JHWH-Rede in Ex 13,1f. mit der ihr korrespondierenden Moserede in 13,11-16*, so fallen einige Unterschiede auf, die die Annahme identischer Verfasserschaft von Anfang an fragwürdig erscheinen lassen. So fordert 13,2 dazu auf, alle Erstgeburt für JHWH zu weihen (±¤ ¥¤ ¢¥ ²°), da alles, was bei den Israeliten zuerst den Mutterschoß durchbreche, sei es Mensch oder Vieh, JHWHs Eigentum sei (¦ ±¥¤±¡ ¢¥§¦¥±²¢¢©). Zwar werden hier durchgängig Substantive verwendet, die auch in 13,11-16* begegnen, der einleitende Imperativ 147 Die Begriffsverbindung ¢³±³ begegnet in den erzählenden Partien des Alten Testaments durchgängig in dieser weiten Bedeutung. Die Belegstellen entfallen abgesehen von 2 Kön 10,31 durchgängig auf das chronistische Schrifttum (1 Chr 16,40; 22,12; 2 Chr 12,1; 17,9; 31,3.4; 34,14; 35,26; Esr 7,10; Neh 9,3), was nachdrücklich für die nachpriesterschriftliche Herkunft von Ex 13,9 spricht. 148 Vgl. auch die Parallele in Ex 16,4.28; hierzu WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 445.447. 149 So etwa WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 441-448; GERTZ, Tradition, 57-67.
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²° wird jedoch in 13,12 (³±«) und 13,15 ( ¢©) nicht wieder aufgenommen. Weit schwerer noch wiegt, daß in 13,2 die Beschränkung der Opferpflicht auf die männlichen Erstgeburten ebenso wenig angezeigt ist wie die Auslösung der Söhne durch ein Ersatzopfer und daß schließlich auch nicht davon die Rede ist, das Gebot werde erst nach der Landnahme in Geltung treten (13,11). Synchron gelesen ergibt sich so der eigentümliche Befund, daß JHWH pauschal seinen Anspruch auf die Erstgeburten der Israeliten anmeldet (13,2) und Mose hieraus dann in 13,11-16* konkrete Opfervorschriften entwickelt sowie eine ätiologische Begründung derselben formuliert, die von 13,2 her nicht gedeckt ist. Mose tut dies, ohne überhaupt dazu aufgefordert zu sein, denn in 13,2 ist mit keinem Wort davon die Rede, daß Mose Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer an die Israeliten übermitteln soll. All dies zeigt deutlich, daß der Zusammenhang zwischen 13,1f. und 13,11-16* jene kompositionelle Geschlossenheit vermissen läßt, die bei der Annahme ein und desselben Verfassers zu erwarten ist – von der literarischen Geschlossenheit einmal ganz abgesehen. Ex 13,1f. wurden von späterer Hand ergänzt.150 Einen ersten Hinweis zur literarhistorischen Einordnung des in Ex 13,1f. ausgemachten Nachtrags liefert seine eigentümlich isolierte Stellung vor der Mazzotordnung in 13,3ff. Daß der Ergänzer nicht die sachlich naheliegende Option wählte und die JHWH-Rede direkt vor ihrem Bezugstext in 13,11-16 einstellte, erklärt sich am einfachsten dadurch, daß die beiden Teile der Moserede in 13,3-9.11-16* bereits eine weitgehende parallele Struktur herausgebildet hatten, die durch einen solchen Eingriff zerstört worden wäre. Die Ergänzung der Katechese in 13,8f. und damit der Abschluß der dtr Wachstumsphase von Ex 12f. wäre damit bereits vorausgesetzt und 13,1f. in den Horizont der jüngeren priesterlichen Bearbeitungsprozesse in 12,14-20 verwiesen, die ihre Spuren auch in 12,24; 13,10 hinterlassen haben.151 In der Tat ist ein deutlicher Zusammenhang zwischen 13,1f. und den letztgenannten Passagen darin erkennbar, daß die jeweiligen Vorschriften nicht erst zum Zeitpunkt der Landnahme, sondern ab sofort in Geltung gesetzt werden. Hinzu kommt, daß 13,1f. mit Blick 150 So u.a. mit WELLHAUSEN, Composition, 72-75; HOLZINGER, KHC 2, 34; VAN SETERS, Life, 123, gegen GERTZ, Tradition, 63f., dem Ex 13,1f. als ursprünglicher Bestandteil des als literarisch einheitlich beurteilten, endredaktionellen Abschnitts 13,1-16 gelten. Wie unter VII. 2.2. dargelegt, verankerte der Verfasser von Ex 13,11-16* aber lediglich in 13,3aȕȖ einen stichwortartigen Vorverweis am Beginn der Moserede. 151 Für den spätpriesterschriftlichen Hintergrund von Ex 13,1f. spricht auch die Anspielung auf die Ätiologie aus Ex 13,15 in Num 8,17, die deutliche terminologische Parallelen mit 13,2 aufweist. Da das Gefälle recht eindeutig von Ex 13,2 nach Num 8,17 verläuft, lassen sich natürlich keine Aussagen darüber treffen, wieviel älter der Quelltext in Ex 13,2 ist, in Anbetracht der sich abzeichnenden Rezeptionslinie spricht aber nichts dagegen, in beiden Fällen mit einem ähnlichen redaktionsgeschichtlichen Horizont zu rechnen.
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
auf 13,11-16 strukturell dieselbe Funktion übernehmen wie 12,14-20 mit Blick auf 13,3-6*. In beiden Fällen werden die von Mose erlassenen Bestimmungen zum Mazzotfest bzw. Erstgeburtsopfer in Ex 13 nachträglich durch eine in den Vorkontext eingeschaltete JHWH-Rede legitimiert und dabei gleichzeitig in bestimmten Punkten modifiziert. Diese legitimierende Funktion ist allerdings in den beiden Abschnitten unterschiedlich stark ausgeprägt, denn Ex 12,14-20* wurden primär als Appendix zu einer bereits existierenden JHWH-Rede in 12,1-13* verfaßt, um deren Inhalt zu einer Passa-Mazzotordnung zu erweitern, haben also die Moserede in 13,3-6* lediglich implizit im Blick. Im Unterschied dazu wurde in 13,1f. eigens eine JHWH-Rede geschaffen, die deutlich auf die Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer in 13,11-16* angelegt ist, diesen gegenüber aber in der Sache nur wenig Neues beizuztragen hat. Kurzum, die legitimierende Funktion ist in 13,1f. viel stärker ausgeprägt als in 12,14-20*, was für einen späteren Ursprung der beiden Verse spricht: Der Verfasser von 13,1f. hatte beobachtet, daß die Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer im unmittelbaren Kontext bislang allein auf die Autorität des Mose gegründet waren, während Passa und Mazzotfest in 12,1-20* zusätzlich durch eine JHWH-Rede beglaubigt wurden, und versuchte, dieses Defizit nachträglich zu beheben. Er tat dies, indem er die JHWH-Rede in 13,1f. vor der zweiteiligen Moserede (13,3-16*) einschaltet, um deren Integrität zu erhalten, was freilich die Kehrseite hatte, daß 13,1f. von ihrem sachlichen Anknüpfungspunkt in 13,11-16* durch die Mazzotordnung in 13,3-9* getrennt blieben. Letzteres ist der Grund dafür, daß JHWH in 13,2 die Weihung der Erstgeburt anordnet (vgl. Dtn 15,19), aber von Mose nicht ausdrücklich die Übermittlung dieser Anordnung an die Israeliten verlangt. Der Ergänzer versucht auf diese Weise den Eindruck zu vermeiden, daß Mose eigenmächtig in 13,3-9* zunächst die Mazzotbestimmungen übermittelt, bevor er sich in 13,11-16* endlich dem Erstgeburtsopfer zuwendet. 2.4. Die Genese der priesterschriftlichen Mazzotordnung in Ex 12,14-20 und die hiermit verbundenen Bearbeitungen in Ex 12,1-13*; 12,24; 13,3b.7.10 Bereits im Rahmen der Analyse der Mazzotordnung in Ex 13,3-10 konnte gezeigt werden, daß es sich bei ihrer Sachparallele in Ex 12,14-20 um eine spätere Bildung handelt. Die Verse gehören in den literarischen Horizont einer Reihe von späten priesterschriftlichen Bearbeitungen, die bereits auf die sukzessive Entstehung der dtr gefärbten Stücke in 12,21-23.25-27; 13,3a.4-6.8f.; 13,11-16 zurückblicken und auch an anderen Stellen von Ex 12f. Spuren hinterlassen haben. Da, wie noch zu zeigen sein wird, alle Fäden der besagten Bearbeitungen in 12,14-20 zusammenlaufen, legt sich die Analyse des Abschnitts als Ausgangspunkt nahe. Ex 12,14-20 werden
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in der vorliegenden Gestalt von dem Verbot dominiert, während der sieben Tage des Mazzotessens Gesäuertes zu verzehren. Dies wird gleich an drei Stellen eingeschärft (12,15aȕȖb.19abĮ.20), wobei die vorgeschriebenen Maßnahmen wie die verhängten Sanktionen im Verlaufe des Textes bezeichnenderweise immer unspezifischer werden. Heißt es in 12,20 schlicht, man solle nichts Gesäuertes, sondern in allen Wohnstätten ausschließlich Mazzot verzehren (³¯§ ¥¤³ ¦¤¢³²§ ¥¤ ¥¤³ ¥ ³¯§ § ¥¤), so ordnet 12,19 an, es dürfe sieben Tage lang kein Sauerteig in den Häusern gefunden werden (12,19a: ¦¤¢³ ¯§¢ ¥ ±² ¦¢§¢ ³«²), da ein jeder, der Gesäuertes verzehrt, aus der israelitischen Kultgemeinde verbannt werden müsse (12,19bĮ: ³«§ ²© ³±¤© ³¯§ § ¥¤ ¥¤ ¢¤ ¥±²¢).152 Es handelt sich in 12,19abĮ erkennbar um eine nachträgliche Verschärfung,153 die noch nicht im Horizont der allgemein gehaltenen Anordnung in 12,20 liegt und diese faktisch obsolet macht.154 Dasselbe geschieht nun mit 12,19 durch die Bestimmungen in 12,15aȕȖ, denen zufolge bereits am ersten Tag der Sauerteig aus den Häusern zu entfernen ist (¦¤¢³§ ±²³¢²³ ¨²±¦¢ £). Hier werden nachträglich Maßnahmen angeordnet, die die in 12,19abĮ anvisierte Möglichkeit, man könne Gesäuertes in den Häusern finden, von vornherein ausschließen. Begründet wird diese Anordnung in 12,15b mit dem aus 12,19bĮ bekannten Hinweis auf die bei Verstößen drohenden Konsequenzen, der mit leichten Abweichungen im Detail übernommen wurde:155 So wird in 12,15bĮ das Gesäuerte nicht mehr als ³¯§ §, sondern als ®§ bezeichnet, und die Verbannung erfolgt nicht mehr aus der Gemeinde Israels (¥±²¢ ³«§), sondern schlicht aus Israel (¥±²¢§).156 Die entscheidende Differenz liegt nun allerdings darin, daß 12,15bȕ eine Befristung der Verbannung vom ersten bis zum siebten Tag (¢«² ¦¢ « ¨²± ¦¢§) vorsieht, wovon in 12,19bĮ noch keine Rede ist. Der in 12,15aȕȖb tätige ErZur Interpretation der im priesterlichen Schrifttum geläufigen ³±¤-Formel als Bannformel vgl. die einschlägigen Ausführungen bei ZIMMERLI, Eigenart, 13-19. Ebenso etwa GRÜNWALDT, Exil, 94. 153 Zur Einordnung des nachklappenden Viertelverses Ex 12,19bȕ s. im folgenden. 154 Gegen die Möglichkeit, Ex 12,20 als etwas redundante Einschärfung des in 12,19abĮ Angeordneten zu lesen und beide Verse auf dieselbe Hand zurückzuführen, sprechen entschieden die terminologischen und stilistischen Differenzen: So erwähnt 12,20 im Unterschied zu 12,19a nicht die Häuser (¦¤¢³), sondern die Wohnstätten (¦¤¢³²§) der Israeliten und adressiert im Gegensatz zu der unpersönlichen Redeweise in 12,19 direkt das Volk, worin sich der Stil aus 12,18 fortsetzt. Wie sich zeigen wird, schloß 12,20 einst direkt an 12,18 an. 155 Die Unterschiede werden auch von LAAF, Pascha-Feier, 109; GRÜNWALDT, Exil, 94, notiert und diachron interpretiert. 156 Die Bannformel aus Ex 12,15b wurde in Num 9,13aȕ leicht variiert aufgenommen (¢§«§²©³±¤©). 152
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
gänzer präzisiert damit nicht nur das Verbot aus 12,19a, sondern auch die bei seiner Mißachtung drohenden Konsequenzen (12,19bĮ). Von den drei Verboten, Gesäuertes zu verzehren, ist nach den vorangenden Ausführungen das letzte (Ex 12,20) am ursprünglichsten, während 12,19abĮ als nachträgliche Verschärfung erkennbar ist, die in 12,15aȕȖb von einer nochmals späteren Hand präzisierend aufgegriffen wird. Dabei deutet die parenthetische Kontextualisierung des letztgenannten Versteils mit der Partikel £ stark darauf hin, daß es sich hier nicht um die ursprüngliche Fortsetzung von 12,15aĮ, sondern um einen späteren Zusatz handelt, für den sich derselbe Ergänzer verantwortlich zeigt, der in 12,16bȕȖ eine nachklappende Sonderbestimmung zur Zubereitung des Essens anfügte, die er ebenfalls mit £ anschloß. Zieht man die Zusätze ab, so verbleibt in 12,15aĮ.16abĮ ein inhaltlich wie literarisch homogener Abschnitt, der sich als Exzerpt aus Lev 23,6-8 zu erkennen gibt.157 Die Aufforderung, sieben Tage lang Mazzen zu essen (Ex 12,15aĮ: ¦¢§¢³«² ¥¤³³¯§), wurde im exakten Wortlaut aus Lev 23,6b übernommen, was auch die betonte Voranstellung des Objekts ³¯§ erklärt. Ex 12,16abĮ ziehen sodann die in Lev 23,7.8b getrennt aufgeführten Anordnungen, am ersten und siebten Tag eine heilige Versammlung abzuhalten und an diesen Tagen keine Arbeit (« ³¤¥§) zu verrichten, zu einer Aussage zusammen (¥¤ ¦¤¥ ¢¢ ²° ±°§ ¢«¢² ¦¢ ²° ±°§ ¨²± ¦¢ ¦²«¢¥¤¥§). Ist der Grundbestand von Ex 12,15f. mithin als junge priesterschriftliche Bildung anzusprechen, die die Mazzotordnung aus Lev 23,6-8 voraussetzt, so gilt dasselbe für die Rahmenverse Ex 12,14a.17a, die planvoll um den Kern in 12,15aĮ.16abĮ angeordnet und ohne diesen ebensowenig lebensfähig sind wie der besagte Kern ohne seinen Rahmen. Ex 12,14a tritt dabei an die Stelle der Überschrift aus Lev 23,6a, die in Anlehnung an Ex 12,13 reformuliert und mit Blick auf den Tag des Auszugs historisiert wird. Heißt es in 12,13, das an den Häusern applizierte Blut des Opfertieres solle den Israeliten als schützendes Zeichen dienen (¦¤¥ ¦ ¢ ¦¢³ ¥« ³¥), so setzt 12,14aĮ mit der Aufforderung ein, ‚dieser Tag‘ solle den Israeliten ein Tag der Erinnerung sein (¨±¤¥¦¤¥¦¢¢). An die Stelle der Datumsangabe aus Lev 23,6aĮ ist in Ex 12,14aĮ der aus 13,3aĮ.5.6 übernommene heilsgeschichtliche Bezug getreten. Er bildet nun den Anknüpfungspunkt für die in 12,14aȕ folgende Aufforderung, den besagten Tag mit einem Fest für JHWH zu begehen (¢¥ ³¦³ ), bei dem es sich um eben das ¢¥ ³¯§ (Lev 23,6aȕ) handelt, dessen Charakter Ex 12,15aĮ mit den Worten aus Lev 23,6b umreißt. Ex 12,14a.15aĮ können folglich nichts anderes meinen, als daß in Erinnerung an ‚diesen Tag‘ das siebentägige Mazzotfest zu begehen ist, wie es neben 157
Vgl. hierzu grundlegend LAAF, Pascha-Feier, 15 (mit Anm. 63); GERTZ, Tradition, 36.
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den Quelltexten Ex 13,3aĮ.5.6; Lev 23,6 auch die spätpriesterschriftliche Belegstelle Num 28,7 nahelegt. Dagegen scheitern alle Versuche, Ex 12,14 ganz oder in Teilen von den folgenden Mazzotbestimmungen loszukoppeln und als Abschlußvers der Passabestimmungen in 12,1-13* zu lesen, bereits daran, daß das Passa im priesterschriftlichen Schrifttum nirgends als bezeichnet wird.158 Zwar läßt sich dieses Problem dadurch beheben, daß man allein 12,14aĮ als Abschlußnotiz der Passaordnung nimmt,159 die dort formulierte Aufforderung, ‚dieses Tages‘ zu gedenken, ist aber ohne die in 12,14aȕ angezeigten Konsequenzen dieses Gedenkens wenig sinnvoll und gibt sich zudem deutlich als Sekundärparallele zu 13,3aĮ zu erkennen, wo das Motiv als Vorbereitung der Mazzotätiologie in 13,4-6 seinen genuinen Platz hat. Der Verweis auf ‚diesen Tag‘ in 12,14aĮ zielt nicht auf die Nacht (!) des Passa, sondern vielmehr wie in 13,3aĮ auf den Tag des Auszugs.160 Dies wird unmißverständlich durch den hinteren Rahmenvers 12,17a klargestellt, der noch einmal die Befolgung des Mazzotessens (³¯§³¦³±§²) einfordert und dieses Gebot dadurch begründet, daß JHWH ‚an eben diesem Tag die Heerscharen der Israeliten aus Ägypten herausgeführt hat‘ (¦¢ ¦¯« ¢¤ ¦¢±¯§ ®±§ ¦¤¢³¯ ³ ¢³¯ ). Die Formulierungen stammen aus dem priesterschriftlichen Abschlußvers zum Ägyptenaufenthalt der Israeliten (12,41; vgl. 12,51), womit in 12,14a.17a bereits die Faktizität des Auszugs geltend gemacht wird, bevor sich dieser ereignet hat. In der vorliegenden Gestalt von Ex 12,14-17 sind auch 12,14b.17b Teil des Rahmens um die Mazzotordnung in 12,15f. Die beiden Halbverse schreiben die Observanz des in 12,14a.17a erwähnten Tages als ‚für alle Generationen geltende, ewige Ordnung‘ (¦¥«³° ¦¤¢³±¥) fest und sind in Anbetracht der identischen Formulierungen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf dieselbe Hand zurückzuführen.161 Diese Hand nun ist allerdings kaum identisch mit dem Verfasser von 12,14a.17a, worauf bereits die unnötige Wiederholung der in den beiden Halbversen verwendeten Verbform hindeutet. Vollends klar wird die Angelegenheit mit Blick auf 12,17, denn hier zeigt sich, daß die Wiederholung der Verbform nicht einfach als stilistische Ungeschicklichkeit abgetan werden kann, sondern vielmehr eine Differenz in der Sache anzeigt. Im Unterschied zu der in 12,17a vorange158 Vgl. GERTZ, Tradition, 29. Vom ª ist im Alten Testament lediglich in Ex 34,25b die Rede, der nach WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 428, Anm. 35, „der jüngsten Textschicht in Ex 34,10-26 zuzurechnen ist.“ 159 So etwa GRÜNWALDT, Exil, 96; KÖCKERT, Leben, 48, Anm. 83. 160 Dies übersieht GERTZ, Tradition, 35f., der Ex 12,14 auf „den Tag der Einsetzung des Passa“ bezieht. 161 Ex 12,14 findet eine auffällige Entsprechung in einem Zusatz zum Herbstfest (Lev 23,41), der vermutlich parallel gewachsen ist. Zur Sache vgl. GERTZ, Tradition, 36, der allerdings in Ex 12,14 eine von Lev 23,41 abhängige Aussage findet.
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
henden Aufforderung, das Gebot des Mazzotessens zu bewahren (¦³±§² ³¯§³), ist in 12,17b davon die Rede, man solle ‚diesen Tag‘ bewahren (¦¢³¦³±§²), was offensichtlich nicht dasselbe ist. Das Nebeneinander der beiden Bestimmungen verlangt nach einer diachronen Erklärung, wobei 12,17b als jüngere Reformulierung von 12,17a in den Blick kommt, die den dort erwähnten Tag zum Objekt der Observanz erhebt. Diese literarhistorische Verhältnisbestimmung bestätigt auch der Textbefund in 12,14, denn 12,14b, für den eine identische Verfasserschaft mit 12,17b wahrscheinlich gemacht werden konnte, ist ohne seinen Vorkontext in 12,14a nicht lebensfähig. Ex 12,14b.17b erweisen sich damit als jüngere Erweiterung der ursprünglichen Rahmenverse 12,14a.17a.162 Der Sinn dieser Erweiterung erschließt sich freilich nur, wenn man erkennt, daß sie über die gerahmte Mazzotordnung in 12,15f.* hinausweist und auf die Datierungen in 12,18 vorbereitet, die das Mazzotessen vom Abend des 14. bis zum Abend des 21. Tages des ersten Monats terminieren. Das Mazzotessen beginnt also bereits am Abend des Passa, und just hierauf zielen die Aufforderungen in 12,14b.17b, ‚diesen Tag‘ feierlich zu observieren. Gemeint ist nun nicht mehr wie in 12,14a.17a der Tag des Auszugs, sondern vielmehr der in 12,6a von derselben Hand als Passatermin eingeführte ‚14. Tag dieses Monats‘ ( ² ¥ ¦¢ ±²« «±). War der Verfasser der in 12,15f.* eingetragenen Mazzotordnung gemäß seinem Quelltext Lev 23,6-8 noch davon ausgegangen, daß das Mazzotessen am Tag nach dem Passa einsetzt, so beginnen nach 12,6.14b.17b.18 beide Feste am selben Termin. Die hiermit erreichte Synthese steht nicht am Anfang der Verschmelzung der beiden ehemals eigenständigen Feste, sondern markiert im Gegenteil ein weit fortgeschrittenes Stadium dieses Prozesses, das jünger ist als die in Lev 23,6-8 formulierte Lösung.163 Hierauf deutet auch das in Ex 12,18 verwendete Datierungsformular hin, dessen Eigenart in der betonten Voranstellung der Monatsnummer besteht (¨²± ² ¥ ¦¢±²« «±). Es ist vor allem typisch für das Ezechielbuch und findet u.a. im Festkalender in Ez 45 Verwendung,164 wobei die in Ez 45,21 bezeugte Datierung des Passa-Mazzotfestes im Wortlaut mit Ex 12,18 übereinstimmt. Die Tatsache, daß das Ex 12,18; Ez 45,21 gemeinsame Datierungsformular sonst in keiner weiteren alttestamentlichen Passa-Mazzot-
162 Anders GERTZ, Tradition, 35-37 (mit Anm. 30), dem Ex 12,14.17 als literarisch einheitliche Bildungen einer nachpriesterschriftlichen Redaktion gelten. 163 Gegen GERTZ, Tradition, 69. 164 Vgl. Ez 45,18.20.21.25 sowie ferner etwa die Belege in 29,17; 30,20; 33,21. Die nämliche Datierungsweise ist darüber hinaus nur noch in Gen 8,5.13 sowie an wenigen Stellen in den nachexilischen Prophetenbüchern Haggai, Sacharja und Joel belegt (zu den Belegen vgl. KNOHL, Sanctuary, 19f., Anm. 29).
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ordnung belegt ist, ist ein weiteres starkes Indiz für den spätpriesterschriftlichen Ursprung der durch Ex 12,18 repräsentierten Schicht.165 Während sich die exakten Terminangaben in Ex 12,18 im hier vertretenen Modell als nachträgliche Spezifizierung der vorangehenden Anordnung eines siebentägigen Mazzotessens (12,15aĮ) plausibel machen lassen,166 erweist sich die wiederholt vertretene Alternative, die literarische Priorität komme 12,18 zu,167 als äußerst problematisch. Sie zwingt zu der Annahme, daß die älteste Erwähnung des Mazzotessens in Ex 12 die Einführung des Ritus weder begründet, noch auf dessen siebentägige Dauer verweist, letztere aber voraussetzt und sogleich in kalendarische Spezialbestimmungen überführt. Daß die in 12,18 notwendig vorausgesetzten Grundinformationen erst nachträglich von einem Bearbeiter in 12,14-17* ergänzt worden sein sollen, ist aber nicht nur tendenzkritisch höchst unwahrscheinlich, sondern das redaktionsgeschichtliche Modell hat auch die literarischen Verhältnisse gegen sich. Während nämlich 12,14a.15f.*.17a glatt an 12,13 anschließen und die Terminangaben in 12,18 vermittelt über das redaktionelle Bindeglied in 12,17b diesen Faden nahtlos fortsetzen, erweist sich ein Textanschluß von 12,18 an 12,13 sprachlich wie sachlich als äußerst holprig. Hinzu kommt, daß in diesem Fall die Genese der Rahmenverse 12,14.17 nicht mehr verständlich ist, denn wenn die Mazzotordnung in 12,15f.* wirklich nachträglich vor 12,18 gestellt worden wäre, so würde man immerhin erwarten, daß der beides verbindende Scharniervers 12,17b ursprünglich ist, was nach obiger Analyse aber eben nicht zutrifft. Kurz gesagt: Der Gesamtbefund spricht deutlich dafür, daß 12,17b.18 jünger sind als der vorangehende Grundbestand der Mazzotordnung (12,14a.15f.* 17a). Der Verfasser dieses Grundbestandes zeichnet sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch für die in Ex 12,11abĮ nachgetragene Passaätiologie verantwortlich, die sich wie das in 12,14a rezipierte Erinnerungsmotiv aus der Mazzotätiologie in 13,3-6* speist. Wurde dort der Mazzotritus damit begründet, daß die Israeliten in der Eile des Auszugs Brotfladen aus dem 165 Die sprachliche wie konzeptionelle Nähe zwischen Ex 12,18 und Ez 45,21 betont auch KNOHL, Sanctuary, 19f., nach dessen Ansicht der Beginn des Mazzotfestes in beiden Texten auf den Passatermin (14.1.) fällt. Diese Terminierung liegt für Ex 12,18 auf der Hand und stellt immerhin auch die wahrscheinlichste Lesart des syntaktisch schwierigen Verses Ez 45,21 dar: ‚Im ersten Monat, am vierzehnten Tag des Monats, sollt ihr das Passa halten, ein Fest von sieben Tagen, an dem man Mazzot ißt‘ ( ª¦¤¥¢¢² ¥¦¢±²««±¨²± ¥¤¢ ³¯§ ¦¢§¢ ³«² ). Im Widerspruch hierzu steht allerdings, daß in 45,22f. wieder zwischen dem Passatermin und den sieben Tagen des Festes differenziert wird. Das Problem muß im Rahmen dieser Arbeit auf sich beruhen bleiben. 166 Ebenso BAENTSCH, HK I/2, 97; BEER, HAT I/3, 67; KOHATA, Jahwist, 266, Anm. 29; BAR-ON, Analyse, 26; KNOHL, Sanctuary, 19-21. Ähnlich RENDTORFF, Gesetze, 57f. 167 So etwa LAAF, Pascha-Feier, 109f.; GRÜNWALDT, Exil, 90-96; GERTZ, Tradition, 37.
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
noch ungesäuerten Teig backten (12,34.39a), so wird dieses Motiv in 12,11abĮ auf das Passa übertragen: Zum Aufbruch gerüstet (¦¢± ¦¤¢©³§ ¦¤¢¦¤¥°§ ¦¤¢¥±¦¤¢¥«©), soll man das Fleisch des Opfertieres in Eile verzehren (¨ ³ ¦³¥¤) – aus dem siebentägigen Essen der in Eile zubereiteten Mazzen ist ein eiliges Essen des Passaopfers geworden. Das direkt im Anschluß erwähnte Passa (12,11bȕ: ¢¥ ª) erfährt nun über das Wortspiel mit dem Lexem ¨ eine nachträgliche ätiologische Verankerung in den Auszugsvorbereitungen der Israeliten. So wird eine Alternative zur ursprünglichen Passaätiologie etabliert, welche – etymologisch sicherlich glücklicher – ihren Anknüpfungspunkt im Vorüberziehen JHWHs an den Häusern der Israeliten fand (12,13aȖ: ¦¤¥«¢³ ª). Der in 12,14a.15f.*17a tätige Ergänzer erweiterte somit nicht nur im Vorgriff auf 13,3-6* die in 12,1-13* vorgefundene Passaordnung um den Aspekt des Mazzotfestes, sondern versuchte gleichzeitig, die Einheit des Gesamtfestes dadurch zu begründen, daß er das Passa über 12,11abĮ in demselben situativen Rahmen verankerte, den das Mazzotfest durch 12,34.39a bereits mitbrachte.168 Die sich in Ex 12,11abĮ.14a.15f.*17a abzeichnende Entwicklung setzt sich in der jüngeren Bearbeitung in 12,14b.17b.18 fort, wo beide Feste vollständig miteinander verschmolzen werden. Dies geschieht wie dargelegt über die Vorverlegung des Beginns des Mazzotessens auf den Abend des Passaopfers (12,18) am 14. Tag des ersten Monats. Das hier vorausgesetzte Datierungssystem wurde von derselben Hand an betonter Stelle zu Beginn der JHWH-Rede eingeführt (12,2) und in Gestalt zäsurierender Notizen in den Vorschriften zum Passaopfer (12,3-6*) implementiert. So wird in 12,3aȕ, kontextualisiert durch ±§¥ am Ende von 12,3aĮ, die Aussonderung des Opfertieres für den zehnten Tag des Monats (² ¥±²«) angeordnet, und 12,6a schreibt vor, das Tier bis zum 14. Tag desselben Monats aufzubewahren ( ² ¥ ¦¢ ±²« «± « ³±§²§¥ ¦¤¥ ¢). Daß es sich bei dem letztgenannten Datum um den Opfertermin handelt, wird durch den älteren Folgekontext in 12,6b* deutlich, den der Ergänzer durch die Hinzufügung des Subjekts ¥±²¢ ³« ¥° ¥¤ sogleich aus der syntaktischen Isolation holte, in die er durch 12,6a geraten war.169 Die in 12,3a.6a etablierte zeitliche Taktung der Opfervorbereitungen zielt wahrscheinlich auf die Schaffung einer „Analogie zum Verhältnis Versöhnungstag Laubhüttenfest [...], eine Tendenz, die in der Reduktion des Festkalenders
168 Ex 12,11abĮ schloß dabei direkt an 12,8* an und wurde erst nachträglich durch 12,9f. von seinem Bezugspunkt getrennt. Dies zeigt sich auch daran, daß 12,11a (³¥¤³¤¤) die Konstruktion aus 12,8* (³ ¥¤) weiterführt, während 12,9f. das Opferfleisch als indirektes Objekt fassen (¨§¥¤). 169 Die Phrase ist sonst nur noch in Num 14,5 bezeugt.
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auf Passa und Laubhütten in Ez 45,21-25 ein Pendant hat.“170 Diese konzeptionelle Nähe zwischen den beiden Festordnungen kommt noch zu den bereits notierten Übereinstimmungen zwischen den Datierungsformeln in Ex 12,18 und Ez 45,21 hinzu und trägt so dazu bei, die spätpriesterliche Einordnung der u.a. in Ex 12,3aȕ.6a.18 greifbaren Bearbeitungsschicht weiter zu untermauern. Teil derselben Bearbeitungsschicht ist auch Ex 12,5, der direkt an 12,3 angeschlossen wurde und die Beschaffenheit des dort erwähnten Opfertieres (Û) näher spezifiziert: Es soll ein einjähriges männliches Tier ohne Makel sein (¦¤¥¢¢©Ú¨±¤¦¢§³Û), das von den Schafen oder Ziegen genommen werden kann ( °³ ¦¢«¨§¦¢Û¤¨§).171 Ex 12,5 stellt auf diese Weise die Ritualtauglichkeit des Tieres sicher und bereitet damit sachlich auf dessen Aussonderung vor (12,6a), die bereits Teil der Opfervorbereitung ist. Hinzu kommt, daß 12,5 auch syntaktisch als Vorkontext von 12,6a gefordert ist, denn durch die betonte Voranstellung des Substantivs (12,5a) wird gezielt eine Zäzur angezeigt, die den gegenüber 12,3 vollzogenen Wechsel zur direkten Anrede in der 2. Pers. Plur. ermöglicht. Der inhaltliche wie der syntaktische Befund sprechen dafür, daß Ex 12,5.6a in einem Zuge verfaßt wurden. Damit konnten dem Bearbeiter innerhalb der Passa-Mazzot-Ordnung in Ex 12,1-20 die Verse 12,2.3aĮ(nur ±§¥)ȕ.5.6a. 6b(nur ¥±²¢ ³« ¥° ¥¤).14b.17b.18 zugewiesen werden. Hinzu kommt noch das ungelenk angeschlossene ³¯§ in 12,8bĮ, das mit 12,18 darauf abhebt, daß das siebentägige Essen der ungesäuerten Brote bereits am Passatermin, dem 14.1., beginnt. Der für die notierten Zusätze im Rahmen von Ex 12,1-20 verantwortliche Ergänzer hat noch an zwei weiteren Stellen seine Spuren hinterlassen. Auf seine Hand gehen die Anordnungen in 12,24; 13,10 zurück, die sich in der Sache wie im Wortlaut eng mit den Rahmenversen 12,14b.17b berühren.172 War in 12,25 ursprünglich davon die Rede, man solle das Passa nach der Landnahme begehen, so erklärt 12,24 die Festbegehung zu einer ewigen Ordnung (¦¥« « £¢©¥ £¥ ° ¥ ± ³ ¦³±§²), die offenkundig auch vor dem in 12,25 angezeigten Zeitpunkt Geltung beansprucht. Erst die in 12,24 erfolgte Weitung der Perspektive ermöglichte es
KÖCKERT, Leben, 49f. Vgl. die Opfervorschriften in Lev 4,23; 23,19. Die verschiedentlich vertretene Annahme, Ex 12,5 diene primär der Abgrenzung von Dtn 16,2 und wolle die dort (für das Passa am Zentralheiligtum!) gestattete Schlachtung von Großvieh unterbinden (so etwa O TTO, Art. ª, 677; GERTZ, Tradition, 53), übersieht, daß hier im Unterschied zu Ex 12,9abĮ (par. Dtn 16,7a) nicht auf die Bestimmungen des Dtn Bezug genommen wird. Eine Zugehörigkeit von Ex 12,5 zu der Ex 12 mit Dtn 16 verknüpfenden Bearbeitungsschicht (s. im folgenden) ist daher unwahrscheinlich. 172 Vgl. LAAF, Pascha-Feier, 29f.; WEIMAR, Exodus 12,24-27a, 429.442. 170 171
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einem Späteren, in Num 9 vom Wüstenpassa der Israeliten zu berichten.173 Hatte der Bearbeiter die Anweisung in Ex 12,24 betont an den Anfang der Anordnungen zur künftigen Befolgung des Passa gestellt (12,25-27), so verfuhr er mit 13,10 genau umgekehrt. Der Vers bildet den Abschluß der in 13,3a.4-6.8f. vorangehenden Mazzotordnung, so daß sich 12,24; 13,10 gleichsam zu einem Rahmen fügen, der die (durch das Erzählstück in 12,29-41 getrennten) Festbestimmungen nach dem Vorbild von 12,1-18 zu einer Passa-Mazzot-Ordnung verklammert. Hatte der Ergänzer die Einheit dieser Ordnung im wesentlichen durch das von ihm eingetragene Datierungssystem definiert, so kommt er in 13,10 noch einmal abschließend auf das besagte System zurück, indem er anordnet, das siebentägige Mazzotessen alljährlich zu dem ihm bestimmten Zeitpunkt abzuhalten (³³±§² §¢§¢¦¢§¢§«§¥³° ).174 An die Aufforderung, vom 14.1. bis zum 21.1. Mazzot zu essen (Ex 12,18), schloß einst direkt das Verbot in 12,20 an, während dieser sieben Tage Gesäuertes zu verzehren.175 Der Vers ist Teil einer Bearbeitung, die die Passa-Mazzot-Ordnung in 12,1-20 an ihr Pendant in Dtn 16,1-8 angleicht, und spiegelt damit ein Interesse, das der u.a. in Ex 12,18 greifbaren Schicht noch fremd ist. Im Hintergrund von 12,20 steht das in Dtn 16,3aĮ formulierte Verbot, zum Passaopfer Gesäuertes zu verzehren (¥ ®§ ¢¥«¥¤³), das auf die Aufforderung zum siebentägigen Mazzotessen vorbereitet, die sich in 16,3aȕ anschließt (³¯§¢¥«¥¤³¦¢§¢³«²). Der Verfasser von Ex 12,20 nimmt diesen Aussagezusammenhang auf, modifiziert ihn aber dahingegend, daß er das Verbot nicht mehr zum Passaopfer, sondern zur Mazzotwoche in Beziehung setzt, so daß erstmals der Gedanke expliziert wird, während des Zeitraums dürfe ausschließlich ungesäuertes Brot gegessen werden (³¯§¥¤³¦¤¢³²§¥¤¥¤³¥³¯§ §¥¤). Die Formulierung erinnert an Lev 23,14, wo ein Verbot des Verzehrs bestimmter Getreideerzeugnisse formuliert wird (¥¤³¥¥§±¤¢¥°¦ ¥), das in 173 Das literarische Gefälle zwischen den beiden Texten ist eindeutig, insofern Num 9,11b den gewachsenen Textzusammenhang in Ex 12,8 glättend aufnimmt. Vgl. die Ausführungen unter VII. 2.5. 174 Zu dieser Deutung von «§¥ vgl. die Parallele in Num 9,3. Zur Übersetzung der Wendung §¢§¢¦¢§¢§ mit ‚alljährlich‘ vgl. die Parallelen in Ri 11,40; 1 Sam 2,19; Jes 1,3; 2,19. Hierzu auch JACOB, Buch Exodus, 384; HOUTMAN, Exodus I, 32. 175 Wie eingangs dargelegt, ist das Verbot in Ex 12,20 älter als seine Sachparallelen in 12,15.19. Der Vers ist sprachlich an die Formulierungen in 12,15aĮ.18bȕ angelehnt, insofern die dortigen Imperative ¥¤³³¯§ bzw. ³¯§¥¤³ in 12,20a durch ein ¥¤³¥³¯§ §¥¤ komplementiert werden. Allerdings scheidet 12,15aĮ als direkter Anknüpfungspunkt für 12,20 aus, denn der Viertelvers findet wie gesehen seine ursprüngliche Fortsetzung in 12,16abĮ.17a, so daß die 12,15aĮ sachlich ergänzende Bestimmung in 12,20 vollkommen deplaziert hinter dem historisierenden Rahmenvers 12,17a zu stehen käme. Ex 12,20 kann damit nur an 12,18 angeschlossen haben.
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Sache und Wortlaut Ex 12,20a entspricht (¥¤³¥³¯§ §¥¤) und wie in 12,20b für alle Wohnstätten der Israeliten (¦¤¢³²§ ¥¤) in Geltung gesetzt wird. Teil der in Ex 12,20 greifbaren Bearbeitungsschicht ist auch 12,10, der das Verbot aus Dtn 16,4b ergänzt, es dürfe vom Fleisch des Opfers nichts bis zum Morgen übrigbleiben (±°¥ ±² ¨§ ¨¢¥¢ ¥). Die Anweisung wird in Ex 12,10a in priesterschriftliche Diktion überführt (©§§±¢³³¥ ±°«)176 und in 12,10b um die Zusatzbestimmung erweitert, das eventuell übriggebliebene Fleisch zu verbrennen (±²³ ² ±° « ©§§ ±³©). Auf den Verfasser von 12,10 geht schließlich auch die Anordnung in 12,4a* zurück, das Opfertier, sollte die eigene Sippe zu klein sein, mit dem nächsten Nachbarn zu teilen (±°©¤² °¥²§³¢§³¢¡«§¢¦ ³¢ ¥). Sie soll die zum vollständigen Verzehr des Fleisches benötigte Gruppengröße gewährleisten.177 Daß diese nachbarschaftliche Opfergemeinschaft ‚nach der Anzahl der Personen‘ (³²©³ª¤§) herzustellen ist, war dem Verfasser von 12,4a* allerdings noch fremd. Die besagte Spezifizierung am Ende des Halbverses bereitet auf den Zusatz in 12,4b vor, wonach bei der Zuteilung des Opfertieres in Rechnung zu stellen ist, wieviel ein jeder ißt (² ¥« ª¤³ ¥¤ ¢¥ ²¢). Mit diesem Zusatzkriterium formuliert der Ergänzer ein Korrektiv zu der ursprünglichen Bestimmung in 12,4a*, welches ausschließt, daß sich nachbarschaftliche Opfergemeinschaften bilden, deren Größe verhindert, daß jedes Mitglied ein Stück des Opfertieres bekommt. Dagegen stellt der in 12,4b eingeführte Zuteilungsschlüssel sicher, daß nicht nur das Opfertier restlos verzehrt wird, sondern dabei auch die gesamte Kultgemeinde am Opfermahl partizipiert. Sprachlich wie in der Sache erinnert der Zusatz stark an 12,16bȕ, was für die Tätigkeit ein und desselben Ergänzers spricht. Mit Ex 12,4b und der hierauf vorbereitenden Phrase am Ende von 12,4a befindet man sich bereits in der literarischen Nachgeschichte jener Bearbeitungsschicht, deren Verfasser in 12,4a*.10.20 Angleichungen an Dtn 16,1-8 vornahm. Blieb er dabei an den genannten Stellen seiner Vorlage trotz einiger Modifikationen im wesentlichen treu, so grenzt er sich in Ex 12,9abĮ dezidiert von ihr ab.178 Die Aufforderung, vom Fleisch des Opfertieres nicht roh oder gekocht(¦¢§¥²§¥²©©§§¥¤³¥), sondern 176 Vgl. Ex 16,19f.; Lev 22,30. Zu den Querbezügen vgl. zuletzt ausführlich GROSS, Ex 12,10, 218-226, der mit Recht auf die sprachliche und sachliche Nähe zwischen Ex 12,10 und Lev 22,30 abhebt, wohingegen es sich in Ex 16,19f. (wenn überhaupt) nur um den Textempfänger, nicht aber um den Textspender von Ex 12,10 handeln könne. 177 Zum sachlichen Zusammanhang zwischen Ex 12,4 und 12,10 vgl. HOUTMAN, Exodus II, 181. 178 Ex 12,9bȕ ist ein nochmals jüngerer Zusatz. Der Viertelvers behandelt nicht mehr die Zubereitung des Fleisches, sondern spezifiziert nachträglich, daß vom Tier auch Kopf, Beine und Innereien zu verzehren sind (±°¥«¢«±¤¥«²±).
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
gemäß der älteren Bestimmung in 12,8bĮ am Feuer geröstet zu essen (¢¤ ² ¢¥¯ ¦), zielt mit dem zweiten Teil des Verbots eindeutig auf Dtn 16,7a, wonach das Opfertier an der zentralen Kultstätte gekocht und verzehrt werden soll (£¢¥¢± ¢±²¦°§³¥¤³¥²).179 Obwohl nun diese Zubereitungsweise in Ex 12,9a ausdrücklich ausgeschlossen wird, läßt dies gerade nicht die Folgerung zu, daß hier ein Gegenkonzept zum Passaverständnis in Dtn 16 etabliert werden soll.180 Ex 12,9abĮ bringt ja gegenüber 12,8 in der Sache nichts Neues, sondern präzisiert die dortige Anweisung, indem die Zubereitung des Passaopfers, die Dtn 16,7a für die Festbegehung am Zentralheiligtum vorschreibt, für die häusliche Passafeier ausgeschlossen wird. Ziel ist es also gerade, eine Vermischung der unterschiedlichen Festpraktiken zu vermeiden, was sich als Versuch deuten läßt, das häusliche Passa nicht als Konkurrenz, sondern als gleichwertige Alternative neben der Festbegehung am Zweiten Tempel zu präsentieren. Wie beim Passa hat der für die Zusätze in Ex 12,4a*.9abĮ.10.20 verantwortliche Ergänzer auch beim siebentägigen Mazzotessen eine häusliche Feier im Blick. Die von ihm formulierte Aufforderung, nichts Gesäuertes, sondern ‚an allen Wohnstätten‘ (¦¤¢³²§ ¥¤) Mazzot zu essen (12,20), wurde, wie eingangs bereits dargelegt, von späterer Hand in 12,19 weiter präzisiert. Nun wird untersagt, während der siebentägigen Festdauer Sauerteig in den Häusern zu haben (12,19a), und für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das in 12,20a explizierte Verbot mit dem Ausschluß aus der israelitischen Kultgemeinde gedroht (12,19bĮ).181 Daß diese Bestimmungen für Fremdling und Einheimischen gleichermaßen Geltung beanspruchen, vermerkt ein syntaktisch unbeholfen angeschlossener Anhang in 12,19bȕ (®± ±±). Es handelt sich um einen Zusatz, der mit Blick auf die Zulassungsbestimmungen in 12,48f. ergänzt wurde. Der ursprüngliche Bestand in Ex 12,19abĮ bot seinerseits die Vorlage für 12,15aȕȖb, wo die Bestimmungen eine letzte Präzisierung erfahren, die betont an den Anfang der Mazzotbestimmungen in 12,15-20 gestellt wurde. So droht nun ein Ausschluß nur noch für die sieben Tage des Festverlaufs, und die Gefahr eines Verstoßes gegen das Verbot, Gesäuertes zu essen, wird dadurch gemindert, daß nun bereits am ersten Tag der Sauerteig aus den Häusern zu entfernen (³² Hifǥil) ist. Der leise Sabbatanklang weist bereits auf das Thema der in 12,16bȕȖ von derselben Hand nachgetragenen Präzisierungen des Arbeitsverbotes voraus, das in 12,16bĮ für den ersten und siebten Tag des Festes ausgesprochen wurde und aus dem nun die Zubereitung des benötigten Essens explizit ausgeklammert
Vgl. OTTO, Art. ª, 677; GERTZ, Tradition, 53. Gegen FOHRER, Überlieferung, 88; GERTZ, Tradition, 52f. 181 Ähnlich etwa Lev 23,29. 179 180
2. Die vornehmlich halachischen Partien in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16
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wird.182 Dabei berührt sich 12,16bȕȖ wie dargelegt seinerseits so eng mit den nachträglichen Präzisierungen in 12,4, daß auch hier von gemeinsamer Verfasserschaft auszugehen ist. Ausgehend von den in Ex 12,15aȕȖb.19abĮ ausgesprochenen Verbannungen des Sauerteiges aus den Häusern gelangten schließlich auch die entsprechenden Bestimmungen in den Rahmen der in ihrer Substanz älteren Mazzotordnung in Ex 13. Es handelt sich um die Zusätze in 13,3b.7, deren erster den Genuß von Gesäuertem schon untersagt (¥¤¢¥ ®§ ), bevor überhaupt vom Mazzotfest die Rede war. Gleichsam als hinterer Rahmen fungiert dagegen 13,7, wo im Anschluß an die knappe Mazzotordnung in 13,6 noch einmal abschließend das Essen von ungesäuerten Broten eingeschärft (13,7a: ¦¢§¢³«²³¥¤¢³¯§) und das Vorhandensein von Gesäuertem und Sauerteig untersagt wird (¥ ®§ £¥ ±¢ ¥ £¥¥¤±²£¥±¢). Gedacht ist dabei wie in 12,15.19.20 an die Wohnstätten der Israeliten, wobei der Verfasser durch die Ausdehnung des Verbotes auf das ‚gesamte Gebiet‘ gekonnt der in 13,5 angelegten Landnahmeperspektive Rechnung trägt. Daß das Gesäuerte in 13,3b.7 im Unterschied zu 12,19f. nicht als ³¯§ §, sondern als ®§ bezeichnet wird, deutet darauf hin, daß der nämliche Sprachgebrauch aus 12,15b bereits vorausgesetzt ist. Ob dabei 13,3b.7 auf dieselbe Hand oder aber auf einen nochmals jüngeren Ergänzer zurückzuführen sind, läßt sich nicht mit Sicherheit entscheiden. 2.5. Die Zulassungsordnung in Ex 12,43-51 und die Vigilie in Ex 12,42 Als Teil der späten priesterschriftlichen Erweiterungen der Festordnungen in Ex 12f. sind schließlich auch die Zulassungsbestimmungen zum Passa in 12,43-49 zu behandeln, die durch die literarische Wiederaufnahme der älteren Rahmennotizen (12,50f. aus 12,28.41b) in die Exoduserzählung eingebunden wurden.183 Den Grundbestand des als ª ³° überschriebenen Abschnitts bildet eine Reihe von Anordnungen in der 3. Pers., die die Teilnahme bestimmter Personengruppen am Passa regeln (12,4345.46aĮ.47). So schließt 12,43b grundsätzlich die Teilnahme aller Fremden 182
Auch der sog. ‚Passabrief‘ A4.1 (Z. 5-8) verbindet mit dem Mazzotfest ein Arbeitsverbot und sieht aller Wahrscheinlichkeit eine Verbannung des Sauerteiges aus den Häusern vor, wobei die Details der Bestimmungen in Anbetracht des schlechten Erhaltungszustandes spekulativ bleiben. Ohnehin wird man kaum behaupten können, daß das auf 419 v. Chr. datierte Schreiben bereits die Formulierungen aus Ex 12 im Blick haben muß. Vgl. KRATZ, Temple and Torah, 84-86. 183 Die Technik ist dieselbe wie in Ex 6,13-30, was im Verbund mit der Tatsache, daß nur in 6,26; 12,51 von einer Herausführung der Israeliten ¦³¯¥« die Rede ist, für einen vergleichbaren redaktionsgeschichtlichen Horizont der beiden spätpriesterschriftlichen Passagen spricht.
332
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
aus ( ¥¤¢ ¥ ±¤© ¨ ¥¤), woraufhin in 12,44 eine Ausnahme für den käuflich erworbenen Sklaven formuliert wird, vorausgesetzt, dieser wurde zuvor beschnitten ( ¥¤¢ ³ ³¥§ ¬ª¤ ³©°§ ²¢ « ¥¤). Im Stil von 12,43 werden in 12,45 auch Beisassen und Tagelöhner vom Passa ausgeschlossen ( ¥¤¢ ¥ ±¢¤² ²³), woraufhin 12,46aĮ bestimmt, man solle das Passa in einem Haus essen (¥¤¢ ³¢). Es soll also verhindert werden, daß die beschnittenen Sklaven den Ritus für sich begehen. Die Ordnung schließt in 12,47 mit der Anweisung, die ganze israelitische Kultgemeinde solle das Passa halten (³ ²«¢ ¥±²¢ ³« ¥¤), mit der bereits zur Rahmennotiz in 12,50 übergeleitet wird, in der nun im Unterschied zur Vorlage aus 12,28 ausdrücklich davon die Rede ist, daß alle Israeliten den entsprechenden Anordnungen Moses und Aarons nachkamen (²« ¨¤ ¨± ³ ²§ ³ ¢ ¯ ±²¤ ¥±²¢ ¢© ¥¤ ²«¢). Ex 12,51 springt daraufhin im Ereignisverlauf bis zu der Auszugsnotiz aus 12,41b, die, als Herausführungsnotiz reformuliert (¢ ¢¯ ¦¢ ¦¯« ¢¢ ¦³¯ ¥« ¦¢±¯§ ®±§ ¥±²¢ ¢© ³), der Wiederaufnahme des unterbrochenen Handlungsfadens dient. Daß die meist für PS veranschlagten Zulassungsbestimmungen in der dargestellten Weise als Appendix zur Erzählung von Passa und Tötung der Erstgeburt eingeschaltet wurden, hat schon LEVIN dazu veranlaßt, hier einen ‚nachendredaktionellen‘ Zusatz zu sehen, der auf die Angabe in 12,38a reagiere, wonach viel Mischvolk (± ±«) die Israeliten beim Auszug begleitet habe.184 Letzteres mag zutreffen,185 erklärt aber nicht den Ort der Einschreibung, da auch die Frage der Teilnahme von Nichtisraeliten sicherlich passender vor der ersten Feier des Passa geklärt worden wäre. Daß dies nicht geschah, wird am einfachsten verständlich, wenn die PassaMazzot-Ordnung in 12,1-20 bereits weitgehend ihre heutige Gestalt erreicht hatte und sich die Zulassungsbestimmungen dort nicht mehr verhandeln ließen, ohne das Argumentationsgefüge zu zerstören. Ex 12,4351* sind aller Wahrscheinlichkeit nach jünger als die bisher diskutierten spätpriesterschriftlichen Bearbeitungen und spezifizieren im Nachgang, wer sich zu der mehrfach erwähnten israelitischen Kultgemeinde rechnen darf. Für diese Einordnung der Zulassungsordnung spricht auch, daß die hier verhandelten Fragen umgekehrt in 12,1-20 so gut wie keinen Nachhall gefunden haben. Bezeichnenderweise entfällt die einzige explizite Querverbindung auf den knappen Zusatz in 12,19bȕ (®± ±±), der seinerseits nicht mit dem Grundbestand der Zulassungsbestimmungen, sondern mit dem sekundären Appendix in 12,48f.186 korrespondiert, der die Vgl. LEVIN, Jahwist, 339. Der redaktionsgeschichtliche Ort von Ex 12,38a läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen; s.o., VII. 1. 186 Zum Zusatzcharakter von Ex 12,48f. vgl. KÖCKERT, Leben, 43, Anm. 59. 184 185
2. Die vornehmlich halachischen Partien in Ex 12,1-28.43-51; 13,1-16
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Teilnahme am Passa auch dem beschnittenen Fremden (±) freistellt, da ‚eine Tora‘ für den Einheimischen wie für den Fremden gelte (12,49: ±³ ¦¤¤³±±¥ ±¥¢¢³ ).187 Daß es sich bei Ex 12,19bȕ.48f. um außerordentlich späte Zusätze handelt, zeigt der Befund in Num 9, wo die aus 12,48f. entlehnten Bestimmungen zur Zulassung des beschnittenen ± ebenfalls erst in einem Nachtrag begegnen (Num 9,14). Dabei setzt bereits die ältere Aufzählung der Bestimmungen für das Ersatzpassa in 9,10-12188 ein weit fortgeschrittenes Entwicklungsstadium von Ex 12,1-20 voraus, was sich etwa in Num 9,11b zeigt, wo die Endgestalt von Ex 12,8b einschließlich des syntaktisch sperrigen Nachtrags ³¯§ aufgenommen und spannungsfrei reformuliert wird (¥¤¢ ¦¢±±§ ³¯§ ¥«). Bekannt ist dem Verfasser von Num 9,10-12 selbst das Verbot, einen Knochen des Opfertieres zu zerbrechen (¥ ¦¯« ±²¢), das in Ex 12,46b in einem eigentümlich deplazierten Zusatz zur Zulassungsordnung begegnet und in Num 9,12a mit der Opferbestimmung aus Ex 12,10a kombiniert wird,189 in deren Kontext man es eigentlich von Anfang an erwarten würde.190 Num 9,12a behebt damit eine textgenetisch bedingte Eigentümlichkeit der Passabestimmungen aus Ex 12 in ganz ähnlicher Weise, wie es später auch in Jub 49,13 geschieht, wo Ex 12,46b mit 12,9 verknüpft wird. Seinen ursprünglichen Ort im Rahmen der Zulassungsbestimmungen zum Passa erhielt das Verbot in Ex 12,46b im Zuge einer zweistufigen Erweiterung der zum Grundbestand gehörenden Notiz in 12,46aĮ, die das Essen des Passa in einem Haus anordnet. Die Erwähnung des Hauses diente einem ersten Ergänzer als Anknüpfungspunkt, um in 12,46aȕ die Anweisung anzuhängen, daß nichts von dem Fleisch außer Hauses gebracht werden darf (¯ ±² ¨§ ³¢ ¨§ ¢¯³ ¥).191 Im Hintergrund steht die Anordnung aus 12,15aȕ, wonach am ersten Tag der Sauerteig aus den Häusern (¦¢³¨§) zu entfernen ist, sowie das Verbot aus 12,22b, die Häuser in der Passanacht zu verlassen (±°«³¢ ³§²¢¯³¥). Der Verfasser von 12,46aȕ überführt beides in eine halachische Bestimmung, die den Umgang mit dem Fleisch des Opfertieres regelt. Die damit erfolgte Erweiterung der Zulassungsordnung um eine Ritualbestimmung bereitete ihrerseits den Boden für die Ergänzung des Verbotes, einen Knochen des 187
Vgl. Num 15,16.29. Auf die literarhistorische Entwicklung von Num 9 kann hier nicht im Detail eingegangen werden. Zu den vorausgesetzten Eckdaten vgl. KELLERMANN, Priesterschrift, 132f. 189 Ebenso KELLERMANN, Priesterschrift, 126. 190 Um den Zusammenhang zwischen den aus Ex 12,10a und 12,46b entlehnten Bestimmungen zu unterstreichen, wurde dabei in Num 9,12aĮ das±¢³³¥ aus Ex 12,10a durch ein ±¢²¢¥ ersetzt, das per Assonanz auf das in Num 9,12aȕ chiastisch angeschlossene Verbot, einen Knochen zu zerbrechen (±²¢¥¦¯«), hinlenkt. 191 Zum Zusatzcharakter von Ex 12,46aȕ vgl. RENDTORFF, Gesetze, 58, Anm. 14. 188
334
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
Opfertieres zu zerbrechen (12,46b). Obwohl sein genauer Sinn im Dunkeln bleibt,192 läßt der rezeptionsgeschichtliche Befund in Num 9,12a; Jub 49,13 darauf schließen, daß ihm bereits in (spätpersisch-)hellenistischer Zeit eine gewichtige Bedeutung als Bestandteil der Passaordnung zugemessen wurde. In denselben zeitgeschichtlichen Horizont gehört auch die in Ex 12,48f. geregelte Frage nach der Teilnahme des ± am Passa. Legt man die redaktionsgeschichtliche Entwicklung in Num 9 zugrunde, wo die letztgenannte Thematik in dem Zusatz 9,14 begegnet, der wie gesehen jünger ist als der u.a. Ex 12,46b rezipierende Bestand in 9,10-12, so ist zu folgern, daß die Ergänzung von Ex 12,48f. erfolgte, nachdem 12,46 bereits seine oben skizzierte Wachstumsgeschichte durchlaufen hatte. Um einen der jüngsten Zusätze zu den Passabestimmungen in Ex 12 handelt es sich schließlich auch in 12,42, der nachträglich zwischen 12,41 und 12,43 eingeschrieben wurde.193 Der Vers knüpft an die direkt vorangehende Notiz zum Auszug der Israeliten an (12,41bȕ: ¢ ³¯ ¥¤ ¯¢ ¦¢±¯§®±§) und ergänzt, daß JHWH, um sie aus Ägypten zu führen, eine Nacht des Wachens verbrachte (12,42a:®±§¦¢¯¥¢¥¦¢±§²¥¢¥ ¦¢±¯§). Dies begründet den Anspruch JHWHs auf die Passanacht (12,42bĮ: ¢¥¥¢¥), woraus in 12,42bȕ die Forderung an die Israeliten abgeleitet wird, die betreffende Nacht dem Vorbild JHWHs gemäß künftig mit einer Vigilie zu begehen (¦³±¥¥±²¢¢©¥¤¥¦¢±§²).194 Diese im Alten Testament singuläre Vorstellung erweist sich bei genauer Betrachtung als ein exgetisches Konstrukt, das die mit ±§² formulierten Aufforderungen zur Observanz des Passa und des Mazzotfestes aus 12,17a.24f.; 13,10 zum Hintergrund hat, vor allem aber auf den Appell aus 12,17b reagiert, wonach ‚dieser Tag‘ für alle Generationen als ewige Ordnung zu observieren ist (¦¥«³° ¦¤¢³±¥¦¢³¦³±§²). Gemeint ist in 12,17b der 14. Tag des ersten Monats als Termin des Passa (12,18) und des Auszugs (12,17a) gleichermaßen, welcher sich nach 12,30.33 bekanntlich des Nachts zutrug. Dies drohte bei der wiederholten Rede von ‚diesem Tag‘ ( ¦¢: 12,14.17.41.51; 13,3) aus dem Blick zu geraten, weshalb der Verfasser von 12,42 der Auszugsnacht zu neuer Geltung verhalf, indem er aus der in 12,17b geforderten Observanz des Tages (¦³±§² ¦¢³) eine nächtliche Vigilie (¦¢±§²¥¢¥) konstruierte, die ebenfalls für alle Generationen (¦>¤¢@³±¥) Geltung beansprucht. Zur Diskussion vgl. HOUTMAN, Exodus II, 207f. Ebenso GERTZ, Tradition, 58, im Anschluß an LEVIN, Jahwist, 339. 194 Zu dieser Übersetzung des syntaktisch schwierigen Verses Ex 12,42 vgl. grundlegend CASSUTO, Commentary, 148f. In der Sache ebenso NOTH, ATD 5, 67.78. Als weniger wahrscheinlich erweisen sich dagegen die von JACOB, Buch Exodus, 1040f. („[e]ine Nacht der Vormerkung gab es für ihn“), oder HOUTMAN, Exodus II, 204f. („a vigil in honour of YHWH“), vertretenen Alternativen. 192 193
3. Ergebnis
335
3. Ergebnis Das komplexe Netzwerk halachischer Bestimmungen, das den Textzusammenhang in Ex 12,1-13,16 in seiner vorliegenden Gestalt dominiert, ist diesem erst in einer langen Entwicklung sukzessive zugewachsen, wobei am Anfang dieses Prozesses die Priesterschrift steht. Die vorpriesterschriftliche Entwicklungsphase war dagegen vom Gesetz noch vollkommen unbeeinflußt. Sie nahm ihren Anfang mit der Itinerarnotiz in 12,37a (I), die im Grundbestand der Exoduserzählung unmittelbar an 4,20aȕ anschloß und ihre direkte Fortsetzung in 13,20 fand. Wahrscheinlich auf den Verfasser des vorpriesterschriftlichen Scharniers in 1,6-10*.22 gehen die Angaben zur enormen Anzahl der Israeliten und ihrem reichen Viehbesitz in 12,37b.38b zurück (II), mittels derer plastisch die Konsequenzen der Mehrung beschrieben werden.195 Der knappe Bericht über die Tötung der Erstgeburt (12,29a.30aȕb.33*), mit der JHWH im Horizont des Tötungsbefehls (1,22) auf die brüske Erwiderung des Pharao aus 5,2 reagiert, markiert das Ende der vorpriesterschriftlichen Entwicklung (III). Ex 12,29a schloß dabei direkt an 5,2 an. Erst der priesterliche Bearbeiter, der sich zuvor in Ex 1,13.14*; 2,23-25; 6,2-7,7* zu Wort gemeldet hatte (IV), nutzte die vorgefundene Erzählung von der Tötung der Erstgeburt, um mit dem Ereignis eine Ätiologie des Passafestes zu verknüpfen. Er integrierte in 12,1*.3aĮ*b.6b*.7*.8*.11bȕ eine entsprechende Ritualordnung, die er durch 12,12aĮ.13.28 erzählerisch mit dem älteren Folgekontext verband, welch letzteren er in 12,40f. um eine Notiz zur Dauer des Ägyptenaufenthalts erweiterte. Daß dabei die Tötung der Erstgeburt auch das Vieh der Ägypter betraf (12,12aȕ.29b), ist ein Gedanke, der erst vom Verfasser des priesterschriftlichen Wunderwettstreits eingeführt wurde (V), um eine thematische Verbindung mit dem Ende der Beulenpest (9,9f.) herzustellen. Nochmals jünger ist der aufgrund seiner isolierten Stellung in Ex 12f. nicht sicher einzuordnende, vermutlich aber recht späte Zusatz in 12,12b (V+), demzufolge JHWH Strafgerichte an den ägyptischen Göttern vollzieht. Das Motiv verdankt sich einer Kombination der auf die Tötung der Erstgeburt zielenden Ankündigung ‚großer Gerichte‘ (6,6; 7,4) mit der Polemik gegen die ägyptischen Götzen aus Jer 43,12f. und hat allein in Num 33,4b einen Nachhall gefunden. Die komplizierte nachpriesterschriftliche Entwicklung der Ritualordnungen in Ex 12f. nimmt ihren Anfang mit 12,21-23.25 (VI). Die Verse 195
Erst nachträglich wurde in Ex 12,38a erwähnt, daß die Israeliten auf ihrem Weg ins Land von viel Mischvolk begleitet wurden. Der isoliert stehende Zusatz läßt sich nicht präzise einordnen, ist aber in Anbetracht seiner thematischen Berührungen mit 13,17-22 vermutlich schon für eine nachpriesterschriftliche Entwicklungsstufe zu veranschlagen (IV+).
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Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
nehmen nachträglich Präzisierungen an dem von P eingeführten Blutritus vor, die von späterer Hand (VI+) nach 12,7 rückübertragen werden, und ordnen erstmals ausdrücklich die Befolgung des Passa für die Zeit nach der Landnahme an. Eine entsprechende Anordnung ergeht sodann in einem nächsten Schritt auch für den siebentägigen Mazzotritus, dessen Verbindung mit dem Passa schon der Festkalender des Dtn bezeugt (Dtn 16,1-8*). Teil dieser Bearbeitung (VII) ist die knappe Mazzotordnung in Ex 13,3aĮ. 4.5aĮb.6, die von derselben Hand in 12,34.39a ätiologisch verankert wurde:196 In der Eile des Auszugs waren die Israeliten gezwungen, den noch nicht durchsäuerten Teig zu Broten zu backen. Dabei wurde erstmals spezifiziert, daß das Ereignis in den Monat Abib fiel, der über die Festordnungen in Ex 23,15*; Dtn 16,1-8* als Termin des Mazzotfestes vorgegeben war. Nach Passa und Mazzot wurden schließlich auch noch die Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer aus Ex 22,28b; Dtn 15,19 mit der Tötung der Erstgeburt verknüpft, durch die JHWH seinen grundsätzlichen Anspruch auf alle Erstgeburten geltend gemacht hatte. Teil der Bearbeitung (VIII) ist neben den eigentlichen Bestimmungen und ihrer ätiologischen Begründung in Ex 13,11.12.13b.14-16 auch die knappe Herausführungsformel in 13,3aȕȖ, die auf ihr Gegenstück in 13,16b vorverweist und damit die ältere Moserede in 13,3-6* von Anfang an auf ihren Appendix in 13,11-16* transparent macht. Innerhalb der letztgenannten Verse erweisen sich lediglich die Sonderbestimmungen zur Erstgeburt des Esels (13,13a) als späterer Zusatz (VIII+). Um die Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer ätiologisch zu begründen, hatte ihr Verfasser in Ex 13,14-16 eine Katechese formuliert, die sich aus Dtn 6,8.20f. speist. Eine vergleichbare Katechese wurde in Ex 12,26.27a von späterer Hand (IX) zunächst mit dem Passa verbunden, da dieses seine ätiologischen Wurzeln ebenfalls in der Tötung der Erstgeburt hatte. Von derselben Hand dürfte noch die Ortsangabe ¦¢±¯§ ®± in 12,1 stammen, die den Anknüpfungspunkt für die Erinnerung an die Verschonung der israelitischen Häuser in Ägypten (12,27) definiert. Ein weiterer Bearbeiter (X) spendierte in 13,8f. schließlich auch dem Mazzotritus eine entsprechende Katechese, wodurch die drei Passagen in 12,21-27*; 13,3-9*.11-16 jenen parallen Aufbau erhielten, der sie auch im vorliegenden Textbestand als zusammengehörige Einheit erkennbar werden läßt. Begründet ist diese Einheit dabei nicht allein strukturell, sondern auch traditionsgeschichtlich, insofern die betreffenden Schichten VI-X auf eine Wachstumsphase entfallen, während derer die selbstredend literarisch vermittelten Einflüsse aus der dtr Literatur dominieren. 196 Der Verweis auf die Fruchtbarkeit des Landes in Ex 13,5aȕ wurde von späterer Hand ergänzt (VII+), wobei es sich um dieselbe Person handeln düfte, die die nämliche Phrase in 3,8aȕ.17b hinzusetzte. Vgl. die Ausführungen unter III. 2.3.
3. Ergebnis
337
Dies ändert sich mit Schicht XI, die eine späte priesterschriftliche Phase der Textentwicklung einläutet, in deren Verlauf die halachischen Partien in Ex 12f. zu ihrer vorliegenden Gestalt anwachsen. Schicht XI supplementiert die priesterschriftliche Passaordnung um Bestimmungen zum Mazzotritus (12,14a.15aĮ.16abĮ.17a), die sich aus Lev 23,6-8 speisen, und bringt damit Passa (12,1-13*) und Mazzot (12,14-17*) erstmals in einen unmittelbaren Textzusammenhang. Ausdruck dieses Zusammenwachsens der beiden Teilfeste ist auch die in 12,11abĮ von derselben Hand geschaffene Passaätiologie, die nach dem Vorbild der Mazzotätiologie aus 12,34.39a gestaltet ist und nun ausdrücklich auch das Passa mit dem eiligen Aufbruch (¨ ) der Israeliten verknüpft.197 Die Synthese erreicht ihren Höhepunkt mit einer weiteren Bearbeitung (XII), die den Beginn des siebentägigen Mazzotessens auf den Passaabend am 14. Tag des ersten Monats vorverlegt (12,2.3aĮfinȕ.5.6ab*.8*.18) und die Befolgung des terminlich so definierten Doppelfestes in 12,14b.17b.24; 13,10 als ewige Ordnung festschreibt. Schicht XIII nimmt daraufhin in 12,4a*.9abĮ.10.20 weitere Präzisierungen vor, die sich im Kern aus Dtn 16 speisen und darauf zielen, das häusliche Passa im Gegenüber zur Festbegehung am Zentralheiligtum zu positionieren.198 Das vor dem Hintergrund von Dtn 16,3 formulierte Verbot, während des siebentägigen Mazzotfestes Gesäuertes zu verzehren (Ex 12,20), wurde in 12,19abĮ nachträglich verschärft, insofern nun für den besagten Zeitraum die Verbannung des Sauerteigs angeordnet wird (XIV). In 12,4afinb. 15aȕȖb.16bȕȖ wird diese Anordnung von einem späteren Bearbeiter (XV) nochmals präzisiert und erweitert, um dann in 13,3b.7 auch Eingang in den zweiten Teil der Mazzotordnung zu finden. Ob die letztgenannten Verse auf dieselbe Hand zurückgehen oder aber nochmals jünger sind, läßt sich dabei nicht mit Sicherheit entscheiden. Aller Voraussicht nach jünger ist dagegen die Zulassungsordnung in 12,43-46aĮ.47.50f. (XVI), die im Nachgang spezifiziert, wer sich zu der zuvor mehrfach erwähnten israelitischen Kultgemeinde rechnen darf. Wie die literarische Wiederaufnahme von 12,40f. in 12,50f. zeigt, schloß die Ordnung ursprünglich direkt an die erstgenannten Verse an und wurde erst nachträglich durch 12,42 von diesen abgetrennt (XVI+). Der Verfasser des Einschubs reagiert auf die Tatsache, daß zuvor wiederholt auf den Tag des Auszugs abgehoben wird, wohin197 Die Erweiterung von Ex 12,1-13* um die Anordnungen zum Mazzotritus in 12,14-17* hatte zur Folge, daß nun mit Ausnahme der Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer in 13,11-16 alle Anweisungen, die Mose den Israeliten im folgenden übermittelt, durch eine vorangehende JHWH-Rede legitimiert waren. Das Defizit wurde durch die Ergänzung einer das Erstgeburtsopfer thematisierenden JHWH-Rede in 13,1f. nachträglich behoben (XI+). 198 Daß das Opfertier dabei im Rahmen der häuslichen Feier bis auf den letzten Rest zu verzehren ist, wurde in Ex 12,9bȕ erst von späterer Hand ergänzt (XIII+).
338
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
gegen die Nacht, in der sich die alles weitere anstoßende Tötung der Erstgeburt ereignete, in den Hintergrund zu treten drohte. Um dieses Defizit zu beheben, fordert 12,42 eine alljährlich in der Passanacht zu begehende Vigilie, die JHWHs Nacht des Wachens vergegenwärtigen soll. Auch die Zulassungsordnung zum Passa hat noch eine Reihe späterer Zusätze erfahren, deren relative Charonologie sich vor dem Hintergrund der hiervon abhängigen Passastücke in Num 9 erschließt. Am ältesten ist das in Ex 12,46aȕ geäußerte Verbot, das Fleisch des Opfertieres aus dem Haus zu entfernen (XVII), dessen deplazierte Stellung innerhalb der Zulassungsordnung darauf schließen läßt, daß die eigentliche Passaordnung in 12,1-11 zu diesem Zeitpunkt bereits ihre vorliegende Gestalt erreicht hatte, die weitere Zusätze nicht mehr ohne weiteres zuließ. Im Anschluß an 12,46aȕ untersagte ein weiterer Ergänzer in 12,46b, einen Knochen des Opfertieres zu brechen (XVIII), bevor 12,48f. schließlich darauf abheben, daß die Passatora unterschiedslos für den Einheimischen wie für den beschnittenen Fremdling Geltung beansprucht (XIX). In 12,19bȕ wurde derselbe Gedanke nachträglich an die Bestimmung zur Behandlung des Sauerteiges angeschlossen, wobei offen bleiben muß, ob dies durch die Hand desselben oder eines nochmals späteren Bearbeiters geschah. Im Rahmen der vorangehenden Ausführungen wurde bisher noch nicht auf eine Reihe nachpriesterschriftlicher Zusätze erzählerischer Natur eingegangen, die in den Horizont der dtr geprägten Wachstumsphase (Schicht VI-X) gehören, sich aber nur näherungsweise mit den skizzierten halachischen Entwicklungen korrelieren lassen. Da sich die besagten Zusätze allerdings im Licht der redaktionsgeschichtlichen Entwicklungen des sonstigen Erzählmaterials eindeutig ins Verhältnis zueinander setzen lassen, wird bei ihrer nun folgenden Diskussion abweichend vom sonst üblichen System eine fortlaufende alphabetische Zählung zugrundegelegt. Als am ältesten erweist sich die in 12,30aĮ vorbereitete und in 12,31f. erteilte Auszugserlaubnis (A). Die Verse bilden den Abschluß der von derselben Hand in Ex 10 eingetragenen Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe199 und setzen zumindest den Grundbestand der Mazzotätiologie (12,34.39a; 13,3-6* = VII) voraus, da in 10,9 die Festthematik ( ) aus 13,6 aufgegriffen wird, um die Forderung des Gottesdienstes näher zu qualifizieren. Im Licht von 12.30aĮ.31f. wurde auch der Infinitiv ¦ ¥²¥ in 12,33 eingetragen, der das Drängen der Ägypter auf den Auszug der Israeliten mit der Erlaubnis des Pharao anzugleichen sucht. Ob der Einzelzusatz Teil von Schicht A ist oder einen jüngeren Harmonisierungsversuch spiegelt, muß offen bleiben. Ein jüngerer Zusatz wird in Ex 12,27b greifbar (B). Der Halbvers setzt bereits die Endgestalt von 4,31 voraus und läßt auf die Ankündigung der 199
Vgl. die Ausführungen unter VI. 2.3.
3. Ergebnis
339
Verschonung der israelitischen Erstgeburten eine Geste der Anbetung folgen, die der Reaktion des Volkes auf das erste Vernehmen der Befreiungsbotschaft entspricht. Während 4,31 sowohl mit den im Vergleich zu ihrer Sachparallele in Ex 10-12 sekundären Verhandlungen über das Schlachtopfer in der Wüste (3,16-20 u.ö.) als auch mit dem nochmals jüngeren Glaubensmotiv aus 4,1-8* vertraut ist, ist das in 6,1 erstmals bezeugte Vertreibungsmotiv auf einer nochmals späteren Entwicklungsstufe angesiedelt. 200 Nichts anderes gilt folglich für die Erwähnung der Vertreibung in 12,39bĮ (C), die hier im Rahmen der Mazzoätiologie die besondere Auszugseile unterstreicht und in 12,39bȕ nachträglich um einen weiteren plausibilisierenden Zusatz erweitert wurde (C+). Da es sich bei dem Vertreibungsmotiv um einen Bestandteil der Erzählung von der Verschärfung der Fron handelt (5,6-13*.22f.; 6,1), muß der Bericht über die Ausplünderung der Ägypter in 12,35f. nochmals jünger sein (D), denn der entsprechende Erzählzug wurde von derselben Hand erst nachträglich in 3,21f. mit Blick auf die Klage des Mose (5,22f.) eingeführt.201 Übersicht: Die literarische Entwicklung von Ex 12,1-13,16 IV
12,1(ohne ¦¢±¯§®±): Eröffnung der JHWH-Rede 12,1(nur ¦¢±¯§®±): Vorbereitung auf die Katechese in Ex 12,26.27a
IX
XII IV
12,2: Einführung des Festkalenders
12,3aĮ(ohne ±§¥)b: Aufforderung, ein Schaf pro Haus zu nehmen 12,3aĮ(nur ±§¥)ȕ: Aussonderung des Opfertieres am 10.1.
XII
12,4a(bis ³¢¥): Sicherstellung der zum Verzehr des Opfers notwendigen Gruppengröße
XIII
12,4(ab ³²©³ª¤§): Zur Berechnung der Personenzahl
XV
12,5.6a: Zur Beschaffenheit des Opfertieres und zum Zeitpunkt des Passaopfers am 14.1.
XII
IV
12,6b(ohne ¥±²¢³«¥°¥¤): Aufforderung, das Tier zu schlachten 12,6b (nur ¥±²¢³«¥°¥¤): Explikation des Subjekts im Zuge der Ergänzung von 12,5.6a
XII
12,7(ohne ¬°²§¥«³§¢³²¥«): Aufforderung zur Blutapplikation an den Häusern
IV
VI+
200 201
12,7(nur ¬°²§¥«³§¢³²¥«): Angleichung an Ex 12,22
Vgl. die Ausführungen unter III. 2.3. und III. 3.1. Vgl. die Ausführungen unter III. 2.4.
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16)
340 IV
12,8(ohne ³¯§): Aufforderung zum Essen des Opferfleisches XII
12,8(nur ³¯§): Mazzotessen am Passaabend 12,9abĮ.10: Anordnung, das Fleisch nicht roh oder gekocht zu essen und es bis zum Morgen zu verzehren (ĸ Dtn 16,4.7)
XIII
12,9bȕ: Anordnung, das Opfertier komplett zu verzehren
XIII+
12,11abĮ: Sekundäre Passaätiologie nach dem Vorbild von 12,34.39; 13,3-6
XI
IV
12,11bȕ: Einführung des Opfers als Passa
12,12aĮ.13: Die ätiologische Begründung des Passas mit der Verschonung der Israeliten
IV
V
12,12aȕ: Ausweitung des Schlages auf das Vieh (= Ex 9,9f.) 12,12b: Das Gericht JHWHs an den Göttern Ägyptens (ĸ Jer 43,12f.; ĺ/= Num 33,4b)
V+
XI
12,14a: Einleitung der Mazzotordnung (ĸ Ex 13,3) XII
XI
12,14b: Die Feier des 14.1. als ewige Ordnung
12,15aĮ.16abĮ.17a: Mazzotordnung (ĸ Lev 23,6-8) 12,15aȕȖb.16bȕȖ: Präzisierungen zum Umgang mit dem Sauerteig und zur Zubereitung der Nahrung an den Ruhetagen
XV
XII
12,17b: Die Feier des 14.1. als ewige Ordnung
XII
12,18: Mazzotessen vom 14.1. bis zum 21.1. 12,19abĮ: Verbannung des Sauerteigs aus den Häusern
XIV
12,19bȕ: Inkraftsetzung der Bestimmung für Einheimische und Fremde
XIX(+)
12,20: Verbot, während des Mazzotfestes Gesäuertes zu essen (ĸ Dtn 16,3)
XIII
VI
12,21-23: Mose instruiert die Ältesten Israels über den Schutzritus. XII
VI
IX
12,26.27a: Katechese B
IV III
12,24: Die Feier des Passa als ewige Ordnung
12,25: Aufforderung zur Observanz des Passa nach der Landnahme 12,27b: Das Volk wirft sich anbetend nieder. (ĸ Ex 4,31)
12,28: Ausführungsnotiz
12,29a: Tötung der ägyptischen Erstgeborenen (ŀ Ex 5,2) V
12,29b: Ausweitung des Schlages auf die Viehbestände
3. Ergebnis
341
12,30aĮ: Der Pharao, seine Hofbeamten und alle Ägypter stehen des Nachts auf. (= Ex 10,7-11.21-29*; 14,5b)
A [VII+]
III
12,30aȕb: Das Wehklagen der Ägypter 12,31f.: Der Pharao gestattet den Auszug von Mensch und Vieh.
A [VII+]
III
12,33*(ohne ¦ ¥²¥): Die Ägypter drängen die Israeliten zum Auszug. A(+) [VII+] VII
12,33(nur ¦ ¥²¥): Angleichung an Ex 12,31
12,34: Das Volk führt den noch nicht durchsäuerten Teig mit sich. D
I
12,35f.: Die Ausplünderung der Ägypter (= Ex 3,21f.)
12,37a: Die erste Wegetappe: Von Ramses nach Sukkot (ŀ Ex 4,20aȕ) II
12,37b.38b: Die Größe der Auszugsgruppe und der reiche Viehbesitz der Israeliten (ĸ Gen 47,1a) IV+
12,38a: Begleitung durch viel Mischvolk 12,39a: Das Volk backt aus dem mitgeführten Teig ungesäuerte Brote.
VII
C
12,39bĮ: Die Vertreibung der Israeliten (ĸ Ex 6,1) 12,39bȕ: Außer dem Teig hatte man keine Wegzehrung bei sich.
C+
IV
12,41f.: Auszug nach 430 Jahren XVI+
12,42: Die Passanacht als Vigilie
12,43-46aĮ.47: Bestimmungen über die Zulassung zum Passa
XVI
12,46aȕ: Verbot, das Fleisch des Opfertieres aus dem Haus zu entfernen
XVII
12,46b: Verbot, einen Knochen des Opfertieres zu brechen
XVIII
12,48f.: Eine Passatora für Einheimische und bescnittene Fremde
XIX
12,50f.: Kontextuelle Einbindung der Zulassungsordnung
XVI
13,1f.: Legitimierung des Erstgeburtsopfers durch eine JHWH-Rede
XI+
VII
13,3aĮ: Aufforderung, des Auszugstages zu gedenken VIII
13,3aȕȖ: Vorbereitung der Ätiologie des Erstgeburtsopfers 13,3b: Verbot des Genusses von Gesäuertem und Verbannung des Sauerteiges
XV(+)
VII
13,4: Der Auszug im Monat Abib
342
Kapitel VII: Die Tötung der Erstgeburt (Ex 12,1-13,16) 13,5aĮb.6: Aufforderung, nach der Landnahme jeden Abib sieben Tage Mazzot zu essen
VII
VII+
13,5aȕ: Die Fruchtbarkeit des Landes (= Ex 3,8aȕ.17b) XV(+) X
13,7: Verbot des Genusses von Gesäuertem
13,8f.: Katechese 13,10: Die Feier des Mazzotfestes vom 14.1.-21.1 als alljährlich zu begehende Ordnung
XII
13,11.12.13b: Aufforderung, nach der Landnahme alle männliche Erstgeburt des Viehs zu opfern und die Erstgeburt der Söhne auszulösen (ĸ Ex 22,28b; Dtn 15,19)
VIII
VIII+
13,13a: Sonderbestimmung zur Erstgeburt des Esels
13,14-16: Ätiologische Begründung des Erstgeburtsopfers durch eine Katechese (ĸ Dtn 6,8.20)
VIII
Kapitel VIII
Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21) 1. Der vorpriesterschriftliche Grundbestand Nach den verschiedenen Vorschriften in Ex 13,1-16 nehmen 13,17-22 wieder den Handlungsfaden der Exoduserzählung auf. Die Verse haben sich vor der Meerwundererzählung (Ex 14) angelagert und behandeln im wesentlichen die Gründe für die eingeschlagene Auszugsroute (13,17f.) sowie die Modalitäten der Begleitung der Israeliten durch die Wolkenbzw. Feuersäule (13,21aȕb.22). Beide Fragen setzen ebenso wie der Bericht über die Mitführung der Gebeine Josephs (13,19) bereits ein nachpriesterschriftliches Entwicklungsstadium der Exoduserzählung voraus und fallen folglich für ihren ursprünglichen Bestand aus.1 Zu diesem ist hingegen die Itinerarnotiz in 13,20 zu rechnen.2 Sie läßt die Israeliten von Sukkot aufbrechen (³¤ª§ «ª¢) und ihr Lager in Etam am Rande der Wüste aufschlagen (±§ ¯° ¦³ © ¢) und erweist sich damit als ursprüngliche Fortsetzung von 12,37a (³¤ª ªª§«±§ ¥±²¢¢©«ª¢), wo Sukkot als erste Station auf dem Auszugsweg der Israeliten erwähnt wird. Mit Etam ist in 13,20 bereits die letzte erwähnte Lagestätte vor dem Meerwunder erreicht, zu dessen Eintreten es nur noch des Nachsetzens der Ägypter bedarf. Vorausgesetzt ist ferner eine erzählerische Einführung der Wolkensäule, die in den in 14,19f.24f. geschilderten Ereignissen eine zentrale Rolle spielt. Sie findet sich im direkten Anschluß an die Itinerarnotiz und erwähnte ursprünglich lediglich, daß JHWH den Zug der Israeliten in einer Wolkensäule anführte, um ihnen den Weg zu weisen (13,21aĮ*: ¢ £± ¦³ ©¥ ¨©« §« ¦¢©¥ £¥). Daß dieser Modus nur tagsüber (¦§¢) Geltung hatte, verdankt sich erst der Reflexion Späterer, die die Feuersäule
1 Vgl. grundlegend LEVIN, Jahwist, 340; GERTZ, Tradition, 208f. (mit Anm. 77). Gegen BLUM, Feuersäule, 148-150.154, der die Verse abgesehen von Ex 13,19 zum vorpriesterschriftlichen Erzählbestand zählt. 2 Vgl. RUDOLPH, Elohist, 28; LEVIN, Jahwist, 335; L. SCHMIDT, Studien [1993], 32, Anm. 104; KRATZ, Komposition, 292; GERTZ, Tradition, 207-209.
344
Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
als nächtlichen Wegweiser konzipierten (13,21aȕb) und daraufhin die Wüstenwanderung als ganze in den Blick nahmen (13,22).3 Die in Ex 12,37a; 13,20.21aĮ* angelegte Handlungssequenz der vorpriesterschriftlichen Exoduserzählung fand ihre direkte Fortsetzung in 14,5a.6, von der sie im heutigen Text durch die priesterschriftliche Exposition der Meerwundererzählung in 14,1-4 getrennt wird. Als dem König von Ägypten gesagt wird, daß das Volk geflohen ist ( ± ¢¤ ¦¢±¯§ £¥§¥ ¢ ¦«), spannt er seinen (!) Wagen an und nimmt sein Kriegsvolk mit sich (§« °¥ §« ³ ¤± ³ ±ª¢).4 Der Leser soll die Ereignisse in 2,15 assoziieren, wo der Pharao von der Ermordung des Ägypters hört und Mose daraufhin nach Midian flieht ( ±).5 Dieses erzählerische Muster6 So mit GROSS, Wolkensäule, 149; KRÜGER, Erwägungen, 522, Anm. 19; GERTZ, Tradition, 213f., gegen BLUM, Feuersäule, 137-147. Allerdings hält GERTZ im Anschluß an KRÜGER auch den in Ex 13,21aĮ explizierten Aspekt der Führung (£± ¦³ ©¥) für nachgetragen, da der Viertelvers die Sprache des ‚endredaktionellen‘ Verses 13,17 teile und mit 13,21b.22 bereits die Wüstenwanderung als ganze im Blick habe. Diese Deutung ist nicht zwingend, da einerseits der Verfasser von 13,17 auch nachträglich auf die Führungsaussage in 13,21aĮ Bezug nehmen konnte und sich diese Aussage andererseits auch im Anschluß an NOTH, ATD 5, 86, „als nachholender Zustandssatz [...] auf die Führung Israels nach ‚Etam‘“ beziehen läßt, ohne daß damit, wie auch NOTH meint, zugleich ein Bezug auf die weitere Wüstenwanderung angezeigt sein muß. Wie im folgenden zu zeigen ist, muß der Zustandssatz dabei nicht einmal nachholend sein, denn er überbrückt am ehesten zwischen der Lagersituation in 13,20 und dem Schauplatz des Meerwunders. Die Möglichkeit, mit dem Aspekt der Führung in 13,21aĮ* sei von Beginn an die Wüstenwanderung als ganze im Blick gewesen, ist ohnehin auszuschließen, da die Weitung der Perspektive über das Meerwunder hinaus erst in 13,22 erfolgt, der gegenüber der Endgestalt von 13,21 sekundär ist (s.u., VIII. 3.2.). Gegen die damit einzig verbleibende Option, die Führungsaussage sei zusammen mit der Feuersäule in 13,21aȕb mit Blick auf das Meerwunder eingetragen, spricht nun aber auch, daß die Zweckbestimmungen der beiden Säulen nicht auf derselben logischen Ebene liegen: Das nächtliche Leuchten der Feuersäule (¥¢¥±¢¥) ist nicht komplementär zur Führung der Wolkensäule am Tage (£± ¦³ ©¥), sondern definiert streng genommen den nächtlichen Modus der Führung (so explizit in Neh 9,12; Ps 78,14). Dieser Befund läßt sich am leichtesten so erklären, daß der Ergänzer der Feuersäule die Führungsaussage bereits vorfand und sie in 13,21aȕ strukturell, aber unter veränderten inhaltlichen Vorzeichen nachahmte. 4 Wie die Parallele in 2 Kön 9,21 zeigt, herrscht in Ex 14,6 die Vorstellung, daß der Pharao in seinem persönlichen Streitwagen, begleitet von einer nicht näher spezifizierten ägyptischen Streitmacht, zur Verfolgung ansetzt. Die bereits von g vertretene kollektive Interpretation des Begriffs ¤± (‚seine Streitwagen‘) trägt dem in 14,7 ergänzten Ausrücken des gesamten Streitwagencorps Rechnung. 5 Von einer Flucht ( ±) ist in der Exoduserzählung nur an diesen beiden Stellen die Rede, die beide zum Grundbestand gehören. Zum intendierten Querbezug vgl. H. SCHMID, Mose, 54. 6 Wie WEIMAR/ZENGER, Exodus, 52, gezeigt haben, scheint der Erzählzug die Gestaltung der Verfolgung Jakobs durch Laban in Gen 31,22-25 beeinflußt zu haben. Da sich unter den notierten Parallelen allerdings auch der späte Zusatz Ex 14,9a (s. im folgenden) befindet, 3
1. Der vorpriesterschriftliche Grundbestand
345
wird beim Auszug des Volkes gezielt wieder aufgenommen, insofern der Pharao nun mit aller Macht zu verhindern sucht, was Mose einst gelang, und damit erst recht ins eigene Verderben läuft. Aus diesem in 14,5a.6 angelegten Zusammenhang fällt Ex 14,5b nicht nur formal (Neueinsatz mit Wiederholung des Subjekts, das nun nicht mehr ¦¢±¯§ £¥§, sondern «± heißt), sondern auch inhaltlich heraus, denn davon, daß der Pharao die Entlassung der Israeliten bereut, kann sinnvoll nur dann die Rede sein, wenn zuvor von einer Entlassung berichtet wurde. Dies ist im ältesten Bestand der Exoduserzählung aber nicht der Fall, sondern setzt bereits das Finale des Plagenzyklus mit der Tötung der Erstgeburt voraus, und zwar in einer recht weit entwickelten nachpriesterschriftlichen Gestalt.7 Ex 14,5a läßt keinen Zweifel daran, daß die Israeliten ursprünglich einfach geflohen waren. Die in Ex 14,6 berichtete Mobilmachung wurde in 14,7 von späterer Hand ausgemalt: Hieß es in 14,6b schlicht, der Pharao habe sein Kriegsvolk mit sich genommen (§« °¥ §«³), so greift der Ergänzer dieses Stichwort auf und expliziert es, indem er neben dem einen Streitwagen des Pharao (14,6a) 600 erlesene Streitwagen sowie das gesamte ägyptische Streitwagencorps ausrücken läßt (14,7).8 Als ursprüngliche Fortsetzung von 14,6 scheidet neben 14,7 naturgemäß auch der in seinem Grundbestand priesterschriftliche Vers 14,8 aus, und nichts anderes gilt für 14,9aĮ, der im Verhältnis zu diesem Grundbestand (14,8a) nochmals jünger ist.9 Dies geht eindeutig daraus hervor, daß sich die Aussage, die Ägypter hätten ‚ihnen‘ nachgesetzt (14,9aĮ1: ¦¢± ¦¢±¯§±¢) als eine jüngere Wiederaufnahme von 14,8aȕ (‚und er [sc. ] Pharao setzte den Israeliten nach‘ – ¥±²¢ ¢© ¢± ¬±¢) zu erkennen gibt, die das Objekt der Verfolgung deshalb nicht mehr expliziert, weil dies direkt zuvor geschah. Mit 14,9aĮ1 fällt sodann aber auch die sich unmittelbar anschließende Aussage, ‚sie‘ hätten ‚sie‘ am Meer lagernd erreicht (14,9aĮ2: ¥« ¦¢© ¦³ ¢²¢ ¦¢) für den vorpriesterschriftlichen Text aus.10 Sie ist sprachlich wie bedürfte es zu einer exakten Bestimmung des literarhistorischen Verhältnisses weiterer Untersuchungen. 7 Vgl. die Ausführungen unter VI. 2.3. Gegen BLUM, Feuersäule, 150.154, der in Ex 14,5 einen literarisch einheitlichen Bestandteil des vorpriesterschriftlichen Meerwunderberichts findet. 8 Vgl. LEVIN, Jahwist, 344; KRÜGER, Erwägungen, 527; GERTZ, Tradition, 215. Ersterer hat zudem zutreffend gesehen, daß in Ex 14,7aȕ (¦¢±¯§ ¤± ¥¤) ein Nachtrag im Nachtrag vorliegt. S.u., VIII. 3.3. 9 Gegen NOTH, ATD 5, 84; WEIMAR/ZENGER, Exodus, 52; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 85. 10 Gegen GERTZ, Tradition, 215f., der zwar Ex 14,9aĮ1 im Anschluß an KRÜGER, Erwägungen, 532, als nachpriesterschriftlichen Zusatz erkennt (‚Endredaktion‘), aber 14,9aĮ2 für den vorpriesterschriftlichen Text beibehält.
346
Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
sachlich aufs engste an ihren unmittelbaren Vorkontext in 14,9aĮ1 angelehnt und ohne diesen nicht verständlich, und sie greift ferner ausdrücklich auf den zweiten Teil der nachpriesterschriftlichen Ortsangabe aus 14,2b zurück,11 die durch 14,9b komplettiert wird. Erweisen sich damit 14,9aĮb eindeutig als nachpriesterschriftlich, so gilt dasselbe schließlich auch für die Angaben zur Zusammensetzung der ägyptischen Streitmacht (14,9aȕȖ), die den sachlichen Zusammenhang zwischen den Ortsangaben in 14,9aĮb unterbrechen und damit nochmals jünger sind.12 Im vorpriesterschriftlichen Bestand des Meerwunderberichts wurde die Verfolgung durch die Ägypter im Anschluß an Ex 14,5b.6 nicht einfach notiert, sondern aus der Perspektive der lagernden Israeliten eingeholt (14,10bĮ): ‚Da hoben die Israeliten ihre Augen, und siehe, die Ägypter zogen hinter ihnen her. Da fürchteten sie sich sehr‘ (³ ¥±²¢ ¢© ²¢ § ±¢¢ ¦¢± «ª© ¦¢±¯§ © ¦¢©¢«). Der in 14,10abȕ von priesterschriftlichen Aussagen gerahmte Kernbestand des Verses zielt auf das Heilsorakel in 14,13 (‚Fürchtet euch nicht!‘),13 das einst direkt anschloß. Dagegen erweisen sich die in 14,11f. geäußerten scharfen Vorwürfe des Volkes gegen Mose als inhaltlich überschüssig.14 Sie tragen wie 5,21 ein Motiv der Murrgeschichten in die Exoduserzählung ein und lassen Israel in der finalen Bedrängnis durch die Ägypter fundamentale Zweifel am Sinn des Auszugs äußern, die es durch JHWHs Eingreifen zu überwinden gilt (14,31).15 In ihrem Grundbestand weiß die Exoduserzählung noch nichts vom Zweifel der Israeliten, sondern allein von ihrer nackten Angst (14,10bĮ), wenn sie Mose in 14,13a.14 das rettende Eingreifen JHWHs ankündigen läßt: ‚Steht und seht die Rettung JHWHs, die er euch heute bringen wird. JHWH wird für euch kämpfen, und ihr werdet still sein!‘ Die Aufforderung, die ‚heute‘ (¦¢) zu erwartende Rettung zu sehen (±), hat einen Ergänzer in 14,13b dazu veranlaßt, die Einmaligkeit und damit zugleich den Vernichtungscharakter der Ereignisse herauszustreichen:16
So auch LEVIN, Source Criticism, 54. Der Zusatzcharakter von Ex 14,9aȕȖb ist allgemein anerkannt; vgl. WEIMAR, Meerwundererzählung, 38; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 68; GERTZ, Tradition, 216. 13 Vgl. zur Gattungsfrage H.H. SCHMID, Jahwist, 54; GERTZ, Tradition, 217. 14 Zum Nachtragscharakter der Verse vgl. WEIMAR, Meerwundererzählung, 51f.; AURELIUS, Fürbitter, 184, Anm. 238; LEVIN, Jahwist, 346; GERTZ, Tradition, 216f. 15 S.u., VIII. 3.4. 16 Daß Ex 14,13b nachgetragen wurde, gilt LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 70, als sicher, aber GERTZ, Tradition, 218, lediglich als „möglich, aber kaum hinreichend beweisbar.“ Anders WEIMAR, Meerwundererzählung, 53f.; LEVIN, Jahwist, 341, die den Zusatzcharakter von 14,13b voraussetzen, allerdings auch Teile von 14,13a für Nachträge derselben Hand halten. Für eine literarkritische Scheidung innerhalb von 14,13a gibt es jedoch keine hinreichenden Gründe. 11 12
1. Der vorpriesterschriftliche Grundbestand
347
‚Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie nicht mehr sehen bis in Ewigkeit‘ (¦¥«««¦³±¥¢ª³¥¦¢¦¢±¯§³¦³¢±±²¢¤). Als Fortsetzung der Rettungsankündigung aus Ex 14,13a.14 fallen 14,15-18 P erneut aus. Auch 14,19a ist als Zusatz anzusprechen, denn das hier berichtete Auftreten des Engels bleibt im folgenden ohne expliziten Nachhall und bildet eine inhaltliche Dublette zu der in 14,19b geschilderten Bewegung der Wolkensäule. Was man im Rahmen der Urkundenhypothese als Splitter der elohistischen Quelle zu deuten pflegte (14,19a E neben 14,19b J),17 ist heute als nachpriesterschriftlicher Zusatz erkannt, der mit Blick auf 14,19b formuliert wurde.18 Die Ankündigung von JHWHs rettendem Eingreifen (Ex 14,13a.14) fand ursprünglich ihre direkte Einlösung mit der in 14,19b.20aĮb beschriebenen Positionsänderung der Wolkensäule, die dem Leser aus 13,21aĮ* als Aufenthaltsort JHWHs bekannt ist. Die Wolkensäule tritt zwischen die Lager der Ägypter und der Israeliten (14,19b.20aĮ: © §¨¢¢¦¢± §§«¢¦¢©§¨©«§««ª¢ ¥±²¢© §¨¢¦¢±¯§) und verhindert so, daß diese sich des Nachts näherkommen (14,20b: ¥¢¥ ¥¤ ¥ ±° ¥). Die sperrigen Angaben zur Wirkweise der Wolkensäule in 14,20aȕȖ verdanken sich erst der Reflexion Späterer, die bereits vom nächtlichen Auftreten der in 13,21aȕ eingeführten Feuersäule wissen und den Erscheinungsmodus in der Situation des Meerwunders bedenken.19 Daß JHWH nach Ex 14,20b die beiden Lager für die ganze Nacht voneinander trennt, hat seinen Grund darin, daß sein Vorhaben ein zeitaufwändiges ist: ‚Und JHWH ließ das Meer die ganze Nacht über durch einen starken Ostwind zurückweichen und machte so das Meer zu trockenem Land‘ (14,21aĮ2ȕ: ¦¢ ³ ¦²¢ ¥¢¥ ¥¤ « ¦¢° ± ¦¢ ³ ¢ £¥¢ ± ¥). Die Aussage wurde in 14,21aĮ1b (P) nachträglich gerahmt und so fest in die priesterschriftliche Darstellung des Meerwunders als Durchzugsereignis integriert, die auch 14,22f. dominiert. Erst in 14,24, eindeutig erkennbar durch die Aufnahme des Tageszeitenschemas, setzt sich der vorpriesterschriftliche Erzählfaden fort. Zur Zeit der Morgenwache blickt JHWH auf das Lager der Ägypter herab (14,24aĮȕ: ±° ³±§² ¢¢ ¦¢±¯§© §¥¢¬°²¢) und versetzt es in Panik (14,24b: © §³¦¢ ¦¢±¯§).20 Daß dies aus der Wolken- und Feuersäule geschieht, wie 14,24aȖ nachklappend feststellt (¨©«²§«), bedarf nach 14,19b.20* eigentlich 17 Vgl. exemplarisch WELLHAUSEN, Composition, 77, sowie in jüngerer Vergangenheit wieder GRAUPNER, Elohist, 86. Kritisch bereits RUDOLPH, Elohist, 30. 18 Vgl. WEIMAR, Meerwundererzählung, 46f.; LEVIN, Jahwist, 345; KRÜGER, Erwägungen, 529; GERTZ, Tradition, 219f.; BLUM, Feuersäule, 151. 19 Gegen LEVIN, Source Criticism, 55, der die Begleitung der Israeliten durch die Wolkenund Feuersäule wie BLUM, Feuersäule, 154f., für ursprünglich hält. 20 Eine ähnliche Vorstellung des kriegerischen Eingreifens JHWHs bezeugt 1 Sam 7,10.
348
Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
keiner Erwähnung. Die Aussage erklärt sich daher am einfachsten komplett als Nachtrag,21 der, wie noch zu zeigen ist, den morgendlichen Zustand der doppelgestaltigen Säule reflektiert.22 Die ursprüngliche Reaktion der Ägypter auf die von JHWH hervorgerufene Panik schildert der Erzähler in 14,25b: ‚Da sagten die Ägypter: Laßt uns vor Israel fliehen, denn JHWH kämpft für sie gegen die Ägypter!‘ Letztere Erkenntnis der Ägypter (¦¢±¯§¦¥¦ ¥©¢¢¤) signalisiert, daß die Ankündigung Moses, JHWH werde für die Israeliten kämpfen (14,14a: ¦¤¥¦ ¥¢¢), eingetroffen ist. Daß das kriegerische Eingreifen der Gottheit auch einen hemmenden Einfluß auf die Räder der ägyptischen Streitwagen einschloß (14,25a: ³¤ ©¢ ¢³¤±§ ¨ ³ ±ª¢), ist spätere Vorstellung, die der priesterschriftlichen Konzeption des Meerwunders als Verfolgungsjagd durch das geteilte Meer Rechnung trägt. Nun müssen die Ägypter ausgebremst werden um zu verhindern, daß ihr in 14,25b geäußertes Fluchtvorhaben ein Entkommen aus der präparierten Todesfalle ermöglicht, die in Gestalt der sich an beiden Seiten auftürmenden Wassermauern auf ihre ägyptischen Opfer wartet. Der ursprüngliche Erzähler konzipierte den Untergang der Ägypter genau andersherum, denn hier ist eine Flucht geradezu erforderlich, um die Verfolger in das zuvor ausgetrocknete Meer zu treiben, den am Morgen zurückflutenden Wassermassen entgegen. Diesen Gedanken fomuliert Ex 14,27aĮ2ȕ (¦¢±¯§ ©³¢¥ ±° ³©¥ ¦¢ ²¢ ³±°¥ ¦¢ª©), der, zieht man die P-Stücke in 14,26.27aĮ1 ab, nahtlos an 14,25b anschließt. Die volle Wahrheit ihrer dort geäußerten Erkenntnis, JHWH kämpfe für Israel, erkennen die fliehenden Ägypter in 14,27b: JHWH ‚schüttelt‘ sie ins Meer (¦¢£³¦¢±¯§³¢±«©¢), es gibt kein Entkommen. Die Vernichtung der Ägypter (Ex 14,27aĮ2ȕb) markiert den Höhepunkt einer genuinen JHWH-Kriegserzählung,23 deren Abschluß sich in 14,30 findet. Hatte 14,25b aus ägyptischer Sicht die Erfüllung der Ankündigung aus 14,14a (¦¤¥¦ ¥¢¢) signalisiert, so wechselt 14,30 noch einmal zur Perspektive der am Meeresufer ausharrenden Israeliten und schlägt den 21 Vgl. LEVIN, Jahwist, 341f., der in Ex 14,24aȖ einen Zusatz der jahwistischen Redaktion zu ihrer in 14,4Įȕb greifbaren Quelle findet. Ähnlich WEIMAR, Meerwundererzählung, 59, Anm. 101. 22 Damit ist man auch des Problems ledig, die Formulierung ¨©« ² §« mit NOTH, ATD 5, 93; FUSS, Pentateuchredaktion, 318; GROSS, Wolkensäule, 149; GERTZ, Tradition, 213, als Reformulierung eines ursprünglichen ¨©«§« interpretieren zu müssen. 23 Vgl. etwa VON RAD, Der heilige Krieg, 45-47; WEIMAR, Meerwundererzählung, 80-82; GERTZ, Tradition, 221; LEVIN, Source Criticism, 57. H.H. SCHMID, Jahwist, 56-60, hebt im Anschluß an STOLZ, Kriege, 94-97, auf eine dtr Prägung der Kriegsdarstellung ab, doch lassen die aufgezeigten Parallelen kaum den Schluß zu, daß die vorpriesterschriftliche Meerwundererzählung im dtr Traditionsraum wurzelt. Hierzu schon ZENGER/WEIMAR, Exodus, 5662.
1. Der vorpriesterschriftliche Grundbestand
349
Bogen zu 14,13a zurück, wo Mose das Volk aufforderte, die Rettung JHWHs zu sehen, die dieser ‚heute‘ für es wirken werde (³ ± ¯¢³ ¦¢¦¤¥¢²«¢±²¢³«²¢). Mit 14,30 schließt sich dieser Kreis:24 ‚Und JHWH rettete die Israelitel an diesem Tag aus der Hand der Ägypter (¦¢±¯§ ¢§ ¥±²¢ ³ ¦¢ ¢ «²¢), und die Israeliten sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen‘ (³²¥«³§¦¢±¯§³¥±²¢±¢ ¦¢).25 Der Vers bildet jedoch nicht allein einen bündigen Abschluß der vorpriesterschriftlichen Meerwundererzählung, sondern weist gleichzeitig auch über seinen direkten literarischen Kontext hinaus zurück auf den Beginn der Exoduserzählung. So bedeutet die in 14,30a konstatierte Rettung aus der Hand der Ägypter auch eine Erfüllung der programmatischen Erklärung JHWHs, er sei herabgestiegen, um sein Volk aus der Hand der Ägypter zu befreien (3,8aĮ: ¦¢±¯§¢§¥¢¯¥±).26 Schließlich wird man nicht übersehen dürfen, daß 14,30b einen feinsinnigen Bezug zu Ex 2 anzeigt: Das am Ufer des Nils (2,3: ±¢³²¥«) ausgesetzte und von der Pharaonentochter erblickte (2,6: ±³) Kind, das so auf wunderbare Weise überleben sollte (2,10aȕb), erblickt (±¢) nun mit den Israeliten die am Ufer des Meeres (¦¢ ³² ¥«) verstreuten Leichen der Ägypter.27 Damit erweisen sich sowohl die Abschlußnotiz als auch die erzählerische Exposition des Meerwunderberichts an Ex 2 orientiert, denn letztere (14,5a) bildet wie dargelegt eine Strukturanalogie zum Bericht über Moses Flucht nach Midian (2,15), mit der die Dinge einst ins Rollen kamen. Die in Ex 2 die Biographie des Mose betreffenden Ereignisse wiederholen sich also in Ex 14 in umgekehrter Reihenfolge für die Israeliten: Bildete in Ex 2 die Errettung Moses aus dem Nil und seine Flucht nach Midian den Ermöglichungsgrund für die Ankündigung des Exodus (Ex 3), so vollzieht sich dieser in Ex 14 als zunächst erfolglose
24 Zur Wiederaufnahme des Heilsorakels (Ex 14,13) in 14,30 vgl. etwa GERTZ, Tradition, 217.221. 25 Nach WEIMAR, Meerwundererzählung, 59; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 88; KRÜGER, Erwägungen, 533; GERTZ, Tradition, 221, gehört auch Ex 14,28b («¦±²©¥ ) zum Grundbestand der nichtpriesterschriftlichen Exoduserzählung. Dies ist jedoch nicht wahrscheinlich, da die Aussage eine Dopplung zur Abschlußnotiz in 14,30b darstellt und zudem inhaltlich mit dieser kollidiert, insofern in 14,28b suggeriert wird, die Ägypter seien bis auf den letzten Mann vom Meer verschlungen worden, wogegen sie nach 14,30b tot am Strand liegen. Ex 14,28b ist Teil des priesterschriftlichen Textes (s.u., VIII. 2.). 26 Von einer Rettung/Befreiung ¦¢±¯§ ¢§ ist im Rahmen der Exoduserzählung nur an diesen beiden Stellen die Rede. Vgl. noch Ex 2,19a, wo in ironischer Anspielung auf 3,8aĮ den Töchtern des Priesters von Midian die Aussage in den Mund gelegt wird, ein ägyptischer Mann habe sie aus der Hand der Hirten befreit (¦¢«±¢§©¥¢¯¢±¯§²¢). 27 Das Ufer (²) des Nils/Meeres begegnet im Grundbestand der Exoduserzählung nur an diesen beiden Stellen. Die einzige weitere Erwähnung entfällt auf die vorpriesterschriftliche Exposition der Nilpest (Ex 7,15: ±¢³²¥«).
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
Flucht, die dann mit der vollständigen Vernichtung der ägyptischen Verfolger am Meer ihr positives Ziel findet. Ex 14,30 markiert somit einen ersten Höhepunkt der in Ex 2 beginnenden Erzählung, deren erster großer Teil, der Auszug aus Ägypten, hier abgeschlossen ist. Das ursprüngliche Ende der Erzählung ist damit freilich nicht erreicht, denn sie will gemäß Ex 3,8aĮ nicht allein vom Exodus, sondern auch vom weiteren Weg des Volkes bis zur Landnahme berichten.28 Diese Fortsetzung ist bereits in den Itinerarnotizen 12,37a; 13,20 angelegt, deren Faden die programmatische Aufbruchsnotiz in 15,22a nach dem Meerwunderbericht wieder aufnimmt. Zwischen dieser Notiz und dem Abschlußvers 14,30 stand im ursprünglichen Text nur noch das Miriamlied (15,20f.), das die zuvor geschilderten Ereignisse in einem knappen Hymnus würdigt und den Meerwunderbericht als Gegenstück zur Aussetzung des Mose wahrscheinlich sogar aus sich herausgesetzt hat.29 Die Erwähnung der Itinerarnotiz in Ex 15,22a mag als Anlaß für einige abschließende Erwägungen zum literarhistorischen Verhältnis zwischen dem Itinerar und dem Meerwunder dienen. Hier bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder die in Ex 14 geschilderten und in 15,20f. besungenen Ereignisse wurden redaktionell mit einem älteren quellenhaften Itinerar verbunden oder aber der vorpriesterschriftliche Verfasser der Exoduserzählung hat selbst für die Schaffung eines passenden Stationenverzeichnisses gesorgt, welches das Meerwunder kontextualisiert.30 Gegen die letztgenannte Möglichkeit spricht allerdings, daß der Schauplatz des Meerwunders in 13,20 mit keinem Wort erwähnt wird. Hinzu kommt die demgegenüber auffällig präzise Verortung Etams ‚am Rande der Wüste‘ (13,20bȕ), deren Motivation unverständlich bleibt, wenn das Itinerar allein zur Kontextualisierung des Meerwunders geschaffen wurde. Eine Funktion gewinnt die Angabe allein dann, wenn man sie im Zusammenhang mit der nächsten Itinerarnotiz in 15,22a sieht, die in 15,22aĮ zunächst den Aufbruch der Israeliten vom Schilfmeer erwähnt, um dann in 15,22aȕ ihren Zug in die Wüste Schur zu schildern (±²±§¥¯¢). Ex 15,22aȕ setzt nahtlos den in der Erwähnung des Lagers am Wüstenrand angelegten Faden fort und könnte einmal ohne Schwierigkeiten direkt an 13,20b angeschlossen haben. Der Textbefund spricht somit insgesamt am ehesten dafür, daß der Meerwunderbericht redaktionell in einen quellenhaften Itinerarzusammenhang eingearbeitet wurde.31 Dies bedeutet freilich nicht, die Itinerar28 Als prominente Gegenstimme sei nur auf VON RAD, Beobachtungen, 189-198, verwiesen, der die ursprüngliche Exoduserzählung mit dem Meerwunderbericht enden läßt. 29 Vgl. die Ausführungen unter VIII. 4. 30 So KRATZ, Komposition, 292. 31 Vgl. H. SCHMID, Mose, 22; LEVIN, Jahwist, 335.348-350.
1. Der vorpriesterschriftliche Grundbestand
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notizen erwiesen sich als Teil einer älteren Exoduserzählung, die noch nichts vom Meerwunder wußte. Das Meerwunder bleibt als Gegenstück zur Aussetzungsgeschichte des Mose in 2,1-10* substantieller Bestandteil der Exoduserzählung in ihrer ältesten erreichbaren Gestalt, doch schließt dies nicht aus, daß sich ihr Verfasser auch auf älteres Material stützen konnte. Das Itinerar scheint hier ein solches Versatzstück zu sein, das ursprünglich vermutlich schlicht eine Karawanenroute beschrieb,32 die der Verfasser der Exoduserzählung dann zur Auszugsroute der Israeliten erhob.33 Daß der Meerwunderbericht redaktionell in einen älteren Itinerarzusammenhang zwischen Ex 13,20; 15,22aȕ eingestellt wurde, zeigt sich auch am singulären Charakter der zu seiner Verknüpfung geschaffenen Notiz in 15,22aĮ. Der Viertelvers vermeldet nicht wie sonst prosaisch den Aufbruch der Israeliten, sondern daß Mose Israel aufbrechen läßt (³²§«ª¢ ¥±²¢). Die Abweichung trägt der besonderen geschichtstheologischen Zäsur nach dem Meerwunder Rechnung und hebt hervor, daß Mose vom ersten Moment der Wüstenwanderung an als Anführer des Volkes auftritt. Dabei fällt freilich auf, daß er den Aufbruch vom ‚Schilfmeer‘ (¬ª¦¢) anordnet, obwohl ein derartiges Gewässer bisher nicht erwähnt wurde und zuvor in 14,21*.27.30 lediglich allgemein von einem Meer (¦¢) die Rede war. Die Ortsangabe in 15,22aĮ steht damit unter dem Verdacht des Nachtrags,34 und dies nicht zuletzt deshalb, weil das ‚Schilfmeer‘ innerhalb der Exoduserzählung nur noch in nachpriesterschriftlichen Passagen erwähnt wird. Allerdings scheinen 13,17; 15,4 eine entsprechende Lokalisierung des Meerwunders und damit die Ortsangabe in 15,22aĮ bereits als gegeben vorauszusetzen, und dasselbe gilt für die im Verhältnis zu 13,17; 15,4 ältere Heuschreckenplage. Wenn hier in 10,19 davon die Rede ist, daß JHWH die Heuschrecken durch einen Westwind davonträgt und im Schilfmeer 32 Hierfür spricht auch der Grundbestand von Ex 15,22aȕ-27, der davon handelt, wie eine Gruppe nach dreitägigem Wüstenzug (15,22b) und Konfrontation mit den Bitterwassern von Mara (15,23) endlich die Oase von Elim erreicht (15,27). Die Szene beschreibt die typische Erfahrung einer Karawane und ist umgekehrt nur schwer als nachträgliche Einschreibung in die Exoduserzählung plausibel zu machen, da ihr die für die weitere Wüstenerzählung charakteristischen Züge eines Versorgungswunders vollkommen fehlen. 33 In diesem Zusammenhang sei auch auf eine Beobachtung von KRATZ, Komposition, 292, verwiesen, demzufolge der älteste Bestand von Ex 14 (V. 10bĮ.19b.20aĮb.24.25b.30a) noch nichts von einer Lokalisierung der Ereignisse am Meer gewußt habe und von der Rettung einer israelitischen Karawane vor den Ägyptern gehandelt habe. Der rekonstruierte Text ist aber m.E. schwer lebensfähig: So tritt etwa die Wolkensäule in 14,19b.20aĮb völlig unvermittelt auf, und zwischen 14,25b.30a klafft eine erzählerische Lücke, denn von einer Umsetzung des ägyptischen Fluchtvorhabens erfährt man allein in 14,27aȕ, dort aber führt die Flucht direkt ins Meer. Die Annahme eines entsprechenden Grundbestandes erweist sich daher m.E. als schwierig. 34 Vgl. KRATZ, Komposition, 290, Anm. 82.
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
versenkt (¬ª §¢ «°³¢), so kann in Anbetracht der Tatsache, daß die Plage durchgängig nach dem Vorbild des Meerwunders gestaltet ist, kein Zweifel daran bestehen, daß ihr Verfasser das Schilfmeer bereits als Ort des Untergangs der Ägypter kannte, die Ortsangabe in 15,22aĮ also ebenfalls vorfand. Von allen Erwähnungen des Schilfmeers innerhalb der Exoduserzählung kommt damit derjenigen in Ex 15,22aĮ literarische Priorität zu, wobei die Ortsangabe, ihr Zusatzcharakter vorausgesetzt, irgendwann vor der Abfassung der Heuschreckenplage in den Text gelangt sein muß. Das läßt freilich einen recht weiten redaktionsgeschichtlichen Horizont, und auch über die Motivation des potentiellen Zusatzes scheint man nicht mehr sagen zu können, als daß hier ein Interesse an einer genaueren Lokalisierung des Meerwunders eine Rolle spielt. Ein qualifiziertes Verständnis der geographischen Verknüpfung des Ereignisses mit dem Schilfmeer ergibt sich nur dann, wenn man die intertextuelle Verbindung zur Aussetzung Moses im Schilf des Nilufers berücksichtigt. Auf Ex 2,3.5 entfallen die einzigen weiteren Belege für das Lexem ¬âª innerhalb der Exoduserzählung, deren vorpriesterschriftlicher Grundbestand sich als geprägt durch die gezielte Gegenüberstellung von Aussetzungsgeschichte (2,1-10) und Meerwunder (14,5-30*) erwiesen hat. Mit der Lokalisierung des letztgenannten Ereignisses am Schilfmeer wird daher in 15,22aĮ ein Erzählbogen profiliert, der ganz am Beginn der literarischen Entwicklung steht und sonst nirgends mehr erkennbar das Interesse späterer Bearbeiter auf sich gezogen hat. Es erscheint daher insgesamt am plausibelsten, die Erwähnung des Schilfmeeres in 15,22aĮ für den Grundbestand der Exoduserzählung zu belassen, zumal sich eine Herauslösung nach strengen literarkritischen Kriterien nicht begründen läßt.35 Wenn nun der Verfasser der Exoduserzählung das Meerwunder am ‚Schilfmeer‘ lokalisierte und dabei vermutlich an den Golf von Akaba dachte,36 so muß dies keineswegs bedeuten, daß er damit das in 13,20 erwähnte Lager in Etam ans Meer verlegt wissen wollte. Auch unter dem Gesichtspunkt der Erzähldynamik erscheint es naheliegender, daß mit dem Meerwunder eine weitere Wegetappe in das Itinerar eingeführt wird, also ein Weiterziehen der Israeliten suggeriert werden soll, das der in 14,5a.6 geschilderten Verfolgungssituation entspricht. Erzählerisch angedeutet hat der Verfasser dieses Weiterziehen durch die Einführung der Wolkensäule als Wegweiserin (£± ¦³ ©¥) in 13,21aĮ*, womit die Zeichen nach der 35 Auch in den vorangehenden Itinerarnotizen Ex 12,37a; 13,20 ist die Erwähnung des Aufbruch immer mit der Angabe des gegenwärtigen Aufenthaltsortes verbunden, die ebenfalls jeweils durch ¨§ angeschlossen ist. 36 Zur Diskussion um die Topographie vgl. etwa B ATTO, Reed Sea, 27-35; HUDDLESTUN, Art. Red Sea, 633-642.
2. Die priesterschriftliche Fassung der Meerwundererzählung
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Lagernotiz in 13,20 wieder auf Aufbruch stehen. Trägt die Angabe in 13,21aĮ*somit dazu bei, das überkommene Itinerar auf das Meerwunder zu weiten, so lenkt der Verfasser abschließend durch 15,22aĮ wieder auf den Faden des Itinerars zurück.
2. Die priesterschriftliche Fassung der Meerwundererzählung Nachdem sich mehr und mehr die Erkenntnis durchzusetzen beginnt, daß die nichtpriesterschriftlichen Teile der Fluterzählung (Gen 6-9) als unselbständige Erweiterungen eines priesterschriftlichen Grundbestandes zu betrachten sind,37 verbleibt mit der Meerwundererzählung Ex 14 nur noch ein Beispiel für das ‚Reißverschlußverfahren‘, „das in der Pentateuchkritik einmal als das literarkritische Verfahren schlechthin galt.“38 Man wird daher fragen dürfen, ob nicht auch der Textbefund in Ex 14 im Rahmen einer Ergänzungshypothese erklärbar ist, mit dem einzigen Unterschied, daß hier P als die Bearbeitungsschicht anzusprechen wäre. Macht man sich klar, wie auffällig paßgenau die priesterschriftlichen Anteile um den vorpriesterschriftlichen Kernbestand der Meerwundererzählung angeordnet sind, so erscheint es doch als recht verwunderlich, daß diese Frage in der gegenwärtigen Forschung noch immer wenig gestellt wird.39 Sollte es reiner Zufall sein, daß sich ein quellenhafter Meerwunderbericht der Priesterschrift40 völlig verlustfrei und zudem vor allem auch sinnvoll als Bearbeitung des älteren Erzählbestandes wiederverwenden ließ, oder ist der Quellencharakter der Priesterschrift in Ex 14 ein Phantom, mit dem auch das redaktionelle ‚Reißverschlußverfahren‘ seines letzten verbliebenen Belegs verlustig geht? Man mag hierauf erwidern, in Ex 14 sei ein vollständiger priesterschriftlicher Erzählfaden erhalten, womit sich die Frage erübrige, doch hat 37 Vgl. BLENKINSOPP, Pentateuch, 78-87; SKA, Relato, 37-62; DERS., Indépendance, 402f.; OTTO, Paradieserzählung, 189-192; KRÜGER, Herz, 73-76; KRATZ, Komposition, 259262. Anders etwa LEVIN, Jahwist, 103-117, und WITTE, Urgeschichte, 171-205, die an der Quellenhaftigkeit der nichtpriesterschriftlichen Anteile der Fluterzählung festhalten. 38 LEVIN, Jahwist, 345. 39 Eine Interpretation der priesterschriftlichen Anteile der Meerwundererzählung als Redaktions- bzw. Kompositionsschicht vertreten B LUM, Studien, 256-262 (mit der Annahme einer Aufnahme eines literarisch vorliegenden Meerwunderberichts); VAN SETERS, Life, 128134; VERVENNE, ‚P‘ Tradition, 67-90. 40 Die Existenz eines priesterschriftlichen Meerwunderberichtes ist in der Forschung nicht unwidersprochen geblieben. So reklamierten etwa EISSFELDT, Hexateuch-Synopse, 133*137* und FOHRER, Überlieferung, 98, im Gefolge von SMEND, Erzählung, 139-143, die priesterschriftlichen Textanteile im wesentlichen für den Elohisten, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.
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dieser pauschale Einwand keine Gültigkeit. Derselbe Textbefund liegt nämlich etwa auch in Num 16f. vor, wo die priesterschriftlichen Anteile von all jenen, die im Numeribuch keine selbständige Priesterschrift mehr finden, als Ergänzungen zur älteren Datan-Abiram-Erzählung interpretiert werden müssen – und sich mit durchaus überzeugenden Ergebnissen auch so interpretieren lassen!41 Will man daher nicht unbegründet mit zweierlei Maß messen, so verdient der Quellencharakter von P auch in Ex 14 eine kritische Überprüfung. Wie im folgenden gezeigt werden soll, ist eine Interpretation der priesterschriftlichen Meerwundererzählung als literarisch unselbständiger Ergänzungsschicht nicht nur möglich, sie schließt auch einige erzählerische Lücken, die im priesterschriftlichen Bericht klaffen und in der Forschung gerne übersehen werden. Die literarische Unselbständigkeit des priesterschriftlichen Meerwunderberichts scheint sich bereits zweifelsfrei aus seiner literarischen Exposition in Ex 14,1-4 zu ergeben, denn die Aufforderung, die Israeliten sollten umkehren (14,2: ²¢) und sich bei Pi-Hachirot lagern, damit beim Pharao der Eindruck entstehe, sie hätten sich im Land verirrt (14,3aȕ: ®± ¦ ¦¢¤©), die Wüste habe sie eingeschlossen (14,3b: ¦¢¥« ±ª ±§), kommt nach der prosaischen Notiz zum Auszug der Israeliten nach 430 Jahren (12,40f. bzw. 12,51 P) vollkommen unvermittelt.42 „[T]he change of course in 14,2 (Ú) is only understandable taking into consideration the (redactional) exposition to the Sea narrative in 13,17-22 and the chain of itinerary notes.“43 Nichts anderes gilt für die Erwähnung der Wüste, die erkennbar auf die Itinerarnotiz in 13,20 Bezug nimmt, wo es heißt, Israel habe sich in Etam, am Rande der Wüste, niedergelassen (© ¢ ±§¯°¦³). Es verwundert daher nicht, daß 13,20 verschiedentlich für P reklamiert wurde,44 doch ist diese Möglichkeit auszuschließen, weil der Vers eindeutig Teil des vorpriesterschriftlichen Itinerars ist, in dem er direkt auf 12,37a folgte.45 Der Befund läßt damit nur den Schluß zu, daß das in 14,2f. exponierte Täuschungsmanöver mit Blick auf das vorpriesterschriftliche Itinerar gestaltet wurde, womit automatisch der Beweis für die literarische Unselbständigkeit des priesterschriftlichen Meerwunderberichts erbracht wäre, vorausgesetzt natürlich, das Täuschungsmanöver er-
41 Vgl. LEVIN, Jahwist, 377; KRATZ, Komposition, 110. Nicht anders bereits GRAF, Grundschrift, 474f. 42 Zu diesem klassischen Textübergang in PG vgl. exemplarisch GERTZ, Tradition, 203f. 43 VERVENNE, ‚P‘ Tradition, 86. Ebenso VAN SETERS, Life, 131. 44 Vgl. WELLHAUSEN, Composition, 76; BAENTSCH, HK I/2, 115; LOHFINK, Priesterschrift, 198, Anm. 29; H.-C. SCHMITT, Geschichtsverständnis, 145, Anm. 30; KOHATA, Jahwist, 278. 45 Vgl. LEVIN, Jahwist, 335; L. SCHMIDT, Studien [1993], 32, Anm. 104; GERTZ, Tradition, 207-209; KRATZ, Komposition, 292.
2. Die priesterschriftliche Fassung der Meerwundererzählung
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weist sich als genuiner Bestandteil der Priesterschrift und ist nicht seinerseits als jüngerer Zusatz anzusprechen. An der Ursprünglichkeit des Täuschungsmanövers bestehen allerdings begründete Zweifel, denn der Erzählzug steht in Konkurrenz zum genuin priesterschriftlichen Verstockungsmotiv, das im direkten Anschluß (Ex 14,4) eingeführt wird und die Verfolgung durch den Pharao begründet. Sowohl die Erwähnung einer Umkehr (14,2: nur ²¢) als auch das hierdurch motivierte Kalkül des Pharao in 14,3 erweisen sich als nachpriesterschriftliche Zusätze,46 die erst durch die ebenfalls nachpriesterschriftliche Befürchtung JHWHs angestoßen wurden, die Israeliten könnten bei einer Konfrontation mit den Philistern nach Ägypten umkehren (13,17: ² §¢±¯§), und das Motiv auf den Meerwunderbericht übertragen.47 Für den priesterschriftlichen Grundbestand fällt sodann auch die Ortsangabe in 14,2b aus, die nicht zuletzt aufgrund des abrupten Wechsels zur direkten Anrede eindeutig als Zusatz erkennbar ist.48 Ursprünglich bekam Mose in der in 14,1 exponierten JHWH-Rede lediglich den Auftrag, die Israeliten aufzufordern, ihr Lager ‚vor Pi-Hachirot, zwischen Migdol und dem Meer‘ aufzuschlagen (14,2a*: ¨¢ ¥§ ¨¢ ³±¢ ¢ ¢©¥ © ¢ ¥±²¢ ¢© ¥ ± ¦¢). Die Priesterschrift lokalisiert das Meerwunder damit an der Küste des Mittelmeeres zwischen Nildelta und Sirbonischem See,49 wobei die knappe Ausführungsnotiz in 14,4b (¨¤ ²«¢) konstatiert, daß die Israeliten ihr Lager an eben jenem Ort aufschlugen. Daß dieser Ortswechsel mit Blick auf den vorpriesterschriftlichen Folgekontext eingeschrieben wurde, ist nach wie vor eine unproblematische Annahme, obwohl der sichere Beweis hierfür mit dem Täuschungsmanöver in 14,3 verloren ging. Zum Grundbestand der priesterschriftlichen Exposition des Meerwunders ist nun aber neben Ex 14,1.2*.4b auch die Ankündigung einer Verstockung des Pharao zu rechnen (14,4a). Die Ursprünglichkeit des Erzählzuges ergibt sich zwingend daraus, daß die hier begründete Verfolgung der 46
Die Option spielt auch PROPP, AncB 2, 477, durch, der aber an einer Veranschlagung der Aussagen für P festhält. Weiter geht WEIMAR, Merwundererzählung, 270, dem allerdings der Aspekt der Umkehr in Ex 14,2 als ursprünglich gilt. Anders etwa FOHRER, Überlieferung, 99, der aus dem skizzierten Befund auf den Nachtragscharakter von Ex 14,4 schließen will. 47 In der Sache ebenso LEVIN, Source Criticism, 45. Vgl. die Ausführungen unter VIII. 3.1. 48 Vgl. WEIMAR, Meerwundererzählung, 39, Anm. 42; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 64; L. SCHMIDT, Studien [1993], 19. Anders KRÜGER, Erwägungen, 521.524, und GERTZ, Tradition, 199, denen allein Ex 14,2bȕ als Nachtrag gilt. Dabei wird übersehen, daß die Ortsangabe in 14,2bĮ (¨¯¥«¢©¥) zu dem ³±¢ ¢¢©¥ in 14,2a in Konkurrenz steht und die dort erfolgende, in sich stimmige Lokalisierung des Meerwunders aufbricht. Daß sich die geographischen Näherbestimungen in 14,2b ihrerseits in ein sinnvolles Gesamtbild fügen (s.u., VIII. 3.1.), läßt umgekehrt auch auf ihre literarische Zusammengehörigkeit schließen. 49 Zur umstrittenen Deutung der Ortsangaben vgl. LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 2139; HOUTMAN, Exodus I, 105f.112.124.
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Israeliten durch den Pharao (14,8a) älter ist als ihre direkt im Anschluß (14,9aĮ1) berichtete Verfolgung durch die Ägypter. Ex 14,9aĮ1 erweist sich als literarische Wiederaufnahme von 14,8a, die das dort explizierte Objekt der Verfolgung (¥±²¢ ¢© ¢± ) durch ein Pronominalsuffix ersetzt (¦¢± ) und auf denselben Ergänzer zurückgeht, der in 14,8b auf den machtvollen Auszug der Israeliten abhebt und mit 14,9aĮ1 den hierdurch unterbrochenen Erzählfaden sogleich wieder aufnimmt.50 Die Annahme, ein Bearbeiter habe die erste Verfolgungsnotiz unmittelbar vor der zweiten plaziert und damit eine schwer erträgliche inhaltliche Dublette produziert, erweist sich als irrig.51 Ergibt sich mithin aus dem redaktionsgeschichtlichen Befund in 14,8f., daß die Verfolgung der Israeliten durch den verstockten Pharao (14,8a) genuiner Bestandteil der priesterschriftlichen Fasung des Meerwunderberichts ist und selbiges folglich auch für 14,4a zu gelten hat, so wiegt dies auch eindeutig schwerer als das bisweilen vorgebrachte Argument, die Ankündigung JHWHs in 14,4a unterbreche den Zusammenhang zwischen der Aufforderung zum Ortswechsel in 14,2* und dem ihr zugeordneten Ausführungsbericht in 14,4b und sei deshalb nachgetragen.52 Daß das Argument ohnehin nicht verfängt, zeigt sich am priesterschriftlichen Passabericht, wo die kultischen Anordnungen (12,111*) durch einen Vorausblick auf die Tötung der Erstgeburt (12,12f.*) vom Ausführungsbericht in 12,28 getrennt werden. Die Textarchitektur ist dieselbe wie in 14,1-4*. Lassen sich die strukturellen Parallelen zwischen Ex 12,1-13*.28 und 14,1.2a*.4 bereits als gewisses Indiz für einen identischen redaktionellen Horizont werten, so bestätigt sich diese Annahme, insofern der priesterliche Bearbeiter in 14,4aȕ das Meerwunder mit dem Motiv der Gotteserkenntnis der Ägypter (¢ ¢© ¢¤ ¦¢±¯§ «¢) verknüpft, welche er in 7,4.5aĮ bereits als Ziel für die Tötung der Erstgeburt ausgegeben hatte. Die beiden vorgefundenen Höhepunkte der Exoduserzählung werden so planvoll unter dieselbe theologische Programmatik gefaßt, wobei das Meerwunder über das Motiv der Verherrlichung JHWHs (14,4aĮ2: «±¤ ¥¢ ¥¤) zugleich als Ziel- und Höhepunkt einer Entwicklung markiert wird. Im narrativen Zuammenhang zwischen beiden Ereignissen liegt schließlich auch ein Grund dafür, warum in 14,4aĮ1 das Verstockungsmotiv eingeführt wird («± ¥ ³ ¢³° ), das in der ältesten priester50 Zur Einordnung von Ex 14,8b als nachpriesterschriftlichen Zusatz vgl. GERTZ, Tradition, 200; LEVIN, Source Criticism, 46. 51 Gegen LEVIN, Source Criticism, 52, der in Ex 14,9aĮ1 die ursprüngliche Verfolgungsnotiz des priesterschriftlichen Meerwunderberichts findet, vor die ein Bearbeiter (PS) nachträglich die Verfolgung durch den Pharao (14,8a*) gestellt habe. 52 So etwa WELLHAUSEN, Composition, 75, und RUDOLPH, Elohist, 29, sowie jüngst LEVIN, Source Criticism, 53.
2. Die priesterschriftliche Fassung der Meerwundererzählung
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schriftlichen Bearbeitung des Meerwunderberichts sonst keine Verwendung findet.53 Das Motiv plausibilisiert, warum es nach der Tötung der Erstgeburt und der damit verbundenen Gotteserkenntnis der Ägypter überhaupt zu einem erneuten Aufbrechen des Konfliktes kommen konnte, wie ihn der ältere Erzählbestand vorgab.54 Damit ist freilich nur ein Aspekt benannt. Als theologisch zentral erweist sich die Tatsache, daß der Bearbeiter die folgenden Ereignisse durch das Verstockungsmotiv unmißverständlich unter des Vorzeichen der göttlichen Geschichtslenkung stellt. Die Konfrontation mit den Ägyptern am Meer soll nicht mehr als kontingentes Geschehen erscheinen, bei dem die Gottheit rettend zur Stelle war, sondern wird von JHWH in allen Einzelheiten inszeniert.55 Daß es nach dem Auszug überhaupt noch zu einer Konfrontation mit den Ägyptern kommt, ist nach 14,4a allein auf JHWHs freie Entscheidung zurückzuführen: Nur indem JHWH das Herz des Pharao verstockt, stellt er sicher, daß dieser den Israeliten nachsetzt und so mit seinem ganzen Heer zum Objekt von JHWHs Herrlichkeitserweis wird.56 Was Miriam in 15,21b rückblickend besingt, wird in 14,4a von JHWH als Programm des Meerwunders ausgegeben, in dem die Ägypter gleichwohl nicht einfach als disponible Vernichtungsmasse ihren Platz haben, sondern im Moment ihres Untergangs der Herrlichkeit JHWHs gewahr werden.57 Dies ist freilich nur dann möglich, wenn das in 14,4 erwähnte ägyptische Heer (¥¢ ) auch an den Ort des Geschehens gelangt, wovon P eigentümlicherweise nichts berichtet. In 14,8a ist nämlich gemäß der Ankündigung aus 14,4aĮ1 nur davon die Rede, daß JHWH den Pharao verstockt, der den Israeliten wie vorausgesagt nachsetzt (¥ ³ ¢ ° ¢ ¥±²¢¢©¢± ¬±¢¦¢±¯§£¥§«±).58 53 Die übrigen Belege für das Motiv entfallen auf den priesterschriftlichen Wunderwettstreit, der sich unter V. als spätere Bildung erwiesen hat. 54 In der Sache ebenso L. SCHMIDT, Studien [1993], 30f. 55 Vgl. WEIMAR, Meerwundererzählung, 203; VERVENNE, ‚P‘ Tradition, 79; KRÜGER, Erwägungen, 521f.; GERTZ, Tradition, 204. 56 Das in Ex 14,4a angelegte Motiv des Erweiswunders gehört damit von Anfang an zur priesterschriftlichen Fassung der Meerwundererzählung. Gegen KRATZ, Komposition, 244, Anm. 24; LEVIN, Jahwist, 345; DERS., Source Criticism, 52f., die das Motiv – konkret die V. 3-4.8.17-18.29 – für nachgetragen halten. 57 Die motivische Kombination von Verherrlichung und Gotteserkenntnis ist alttestamentlich neben Ex 14,4 nur noch in Ez 28,22 bezeugt. Da der letztgenannte Vers zudem JHWHs ‚Gerichte‘ (¦¢¡²) ankündigt (vgl. Ex 6,6; 7,4), wird man hier eine jüngere Kombination der priesterschriftlichen Aussagen vermuten dürfen. Gegen WEIMAR, Meerwundererzählung, 203f., der das Abhängigkeitsverhältnis umgekehrt bestimmt. 58 Daß der Pharao im Unterschied zu Ex 14,4 in 14,8aĮ zusätzlich als ¦¢±¯§ £¥§ bezeichnet wird, dient, wie etwa KRÜGER, Erwägungen, 527, und GERTZ, Tradition, 206 (vgl. LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 67; WEIMAR, Meerwundererzählung, 270), vermuten, in der Tat dem Ausgleich mit dem Sprachgebrauch der vorpriesterschriftlichen Passage 14,5a.6,
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
Die notierte erzählerische Lücke wird durch den vorpriesterschriftlichen Bericht von der Mobilmachung der ägyptischen Truppen geschlossen (Ex 14,5a.6), um den der priesterliche Verfasser die Ankündigung (14,4) und den ihr korrespondierenden Ausführungsbericht (14,8a) als Rahmen angeordnet hat. In analoger Weise lenkt er durch 14,10a wieder zum älteren Erzählbestand über, der in 14,10bĮ davon berichtet, wie die Israeliten ihre ägyptischen Verfolger bemerken. Dies geschieht nun, als sich der Pharao nähert (¢±° «±),59 womit die Ereignisse eine dramatische Zuspitzung erfahren. Der Ruf, eine dürftige Erzählerin zu sein, trifft P zu Unrecht. Dürftig wird die priesterschriftliche Erzählung nur dann, wenn man sie von ihrem älteren nichtpriesterschriftlichen Kontext isoliert, ohne den sie nie gelesen werden wollte. Ex 14,10a bildet den vorderen Teil einer priesterschriftlichen Rahmung des Berichts in 14,10bĮ, dessen Gegenstück sich in 14,10bȕ findet. Die Israeliten bleiben in ihrer Furcht vor den Ägyptern nicht stumm, sondern schreien zu JHWH (¢ ¥ ¥±²¢ ¢© °«¯¢). Die Aussage steht in Beziehung zum ersten Schrei der Israeliten in 2,23, vor dessen Horizont sie den von P veranschlagten offenbarungstheologischen Fortschritt exemplifiziert. War das Schreien der unter den Fronlasten leidenden Israeliten in 2,23 noch ein ungerichtetes, so ist ihnen seit 6,6.9 die Adresse bekannt, an die sie sich zu wenden haben und sie schreien zu JHWH. Auf den Notschrei der Israeliten reagiert JHWH in Ex 14,15a, indem er Mose fragt, was dieser zu ihm schreie (¢¥ °«¯³ § ²§ ¥ ¢ ±§¢). Der Rückbezug dieser Frage zu Ex 14,10b ist unbestreitbar, doch wie erklärt sich der eigentümliche Personenwechsel zwischen den beiden Aussagen, die in einer literarisch selbständigen Priesterschrift direkt aufeinander gefolgt wären? Die Annahme, Mose habe „mit den übrigen Israeliten zu Jahwe geschrien“60, stellt nicht mehr als eine Verlegenheitslösung dar, die die erzählerische Lücke zwischen den beiden Aussagen nicht schließt.61 Umgekehrt besteht aber auch für literarkritische Operationen kein hinreichender Anlaß, denn die Trennung von Redeeinleitung (14,15aĮ) und Redeauftrag (14,15b) durch eine Frage (14,15aȕ) mag für P untypisch sein, doch gilt dies auch für die Verwendung von ±§¢ statt des zu erwartenden doch ist die Apposition deshalb nicht endredaktionell, sondern gehört zum Grundbestand des priesterschriftlichen Verses, der von vornherein als Fortsetzung von 14,5a.6 verfaßt wurde. 59 Daß Ex 14,10a auf den nichtpriesterschriftlichen Folgekontext in 14,10aĮ angelegt ist und sich gegen GERTZ, Tradition, 201, nicht von diesem isolieren und für eine selbständige Priesterschrift reklamieren läßt, notiert auch LEVIN, Source Criticism, 51, der den Halbvers konsequenterweise auf die Endredaktion zurückführt. Die Notwendigkeit hierzu entfällt, wenn man P als Ergänzungsschicht begreift. 60 GERTZ, Tradition, 202. 61 Vgl. BLUM, Studien, 260 (mit Anm. 118); VERVENNE, ‘P’ Tradition, 86f.; SKA, Indépendance, 401.
2. Die priesterschriftliche Fassung der Meerwundererzählung
359
±¢ in der Redeeinleitung.62 Die Schwierigkeiten lösen sich mit einem Schlag, wenn man 14,10b.15a als literarisch unselbständige Rahmung der Moserede in 14,13a.14 versteht. Durch 14,10b stellte der Ergänzer die Worte Moses unter das Vorzeichen des Schreiens der Israeliten und nahm in 14,15a korrigierend hierauf Bezug. Die Redeeinleitung in 14,15aĮ (²§ ¥ ¢ ±§¢) ist deshalb ‚untypisch‘, weil sie in Anlehnung an 14,13 (¦«¥²§±§¢) formuliert wurde. Ziel der JHWH-Rede in Ex 14,15 ist es, einen Gegenentwurf zu der Konzeption des Meerwunders in 14,13a.14 zu etablieren.63 Der dort von Mose an das Volk gerichtete Befehl, still zu halten und JHWH die Sache erledigen zu lassen, wird durch 14,15aȕ gleichsam als Geschrei abgetan (‚was schreist du zu mir?‘) und in 14,15b.16 durch eine Reihe von Aufträgen ersetzt, die Mose und das Volk aktiv werden lassen. Mose soll den Aufbruch der Israeliten befehlen (14,15b: «ª¢¥±²¢¢© ¥ ±) und die Wasser teilen (14,16a),64 damit die Israeliten trockenen Fußes in das Meer ziehen können (14,16b: ²¢ ¦¢ £³ ¥±²¢ ¢© ¢). Analog zur priesterschriftlichen Exposition der Meerwundererzählung in 14,1-4* markiert auch hier ein an die Israeliten gerichteter Marschbefehl den Beginn der JHWH-Rede (14,15b; vgl. 14,2a), die ihren Höhepunkt erneut mit der Ankündigung JHWHs erreicht, die Ägypter zu verstocken und zur Verfolgung zu animieren, um sich an ihnen zu verherrlichen (14,17f.; vgl. 14,4). Dabei wird durch die prononcierte Voranstellung der Personalpronomina (14,16: ³; 14,17: ¢©) eine klare Verteilung der Aufgaben zwischen JHWH und Mose angezeigt, die keine Mißverständnisse zuläßt: Während Mose die Wasser teilt, wirkt JHWH im Herzen der Ägypter. Die JHWH-Rede in Ex 14,16-18 weist einige Redundanzen bzw. Spannungen mit dem Folgekontext auf, die auf ein literarisches Wachstum hindeuten. So fällt auf, daß die Aufforderung, den Stab zu erheben und die Hand über das Meer auszustrecken (14,16a: £¢³¡©£¡§³¦±³ ¦¢ ¥«) im Ausführungsbericht 14,21aĮ1 (¦¢ ¥«¢³ ²§ ¡¢) nur partiell aufgenommen wird – vom Stab ist hier wie in der Wiederholung der Sequenz in 14,26f. keine Rede mehr.65 Dies spricht dafür, daß der Stab in 14,16 (£¡§ ³ ¦±) nachgetragen wurde,66 und zwar von dem Ergänzer, So mit GERTZ, Tradition, 199, Anm. 40, gegen WEIMAR, Meerwundererzählung, 55f.; LEVIN, Jahwist, 345f.; DERS., Source Criticism, 51, denen Ex 14,15aȕ als Nachtrag gilt. 63 Ähnlich vermutungsweise BLUM, Studien, 262, Anm. 127. 64 Mit der Teilung («°) der Wasser wird eine erste Parallele zum priesterschriftlichen Sintflutbericht greifbar (Gen 7,11: Aufbrechen [«°] der Quellen). Vgl. SKA, Séparation, 523-525 ; WEIMAR, Meerwundererzählung, 230; ZENGER, Bogen, 168. 65 Die Erwähnung des Stabes in Ex 14,16 ist textlich stabil bezeugt. Sie begegnet auch in 4QpaleoGen-Exodl 10 II,2. 66 Vgl. GERTZ, Tradition, 198; KOHATA, Jahwist, 232f.; KRÜGER, Erwägungen, 520, Anm. 9; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 71f.; RUDOLPH, Elohist, 30; L. SCHMIDT, 62
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
der ihn auch in 7,15b hinzufügte und so ein Netz intertextueller Bezüge knüpfte, das die Wundertaten des Mose von Ex 4 bis Ex 17 miteinander verbindet.67 Von anderer Hand ergänzt wurden schließlich die nachklappenden Angaben zum ägyptischen Heer in 14,17bȕ (¢²±¤±) und 14,18b (¢²±¤±«±¢¤).68 Der Ergänzer, der auch in 14,26bȕ (¢²± ¥« ¤± ¥«) seine Spuren hinterlassen hat,69 ist darum bemüht, die Ankündigungen JHWHs möglichst eng an den Bericht vom Untergang der Ägypter (14,28) anzupassen, um so jeden möglichen Zweifel an ihrer exakten Erfüllung im Keim zu ersticken. Zieht man die Nachträge ab, so entspricht der in Ex 14,17abĮ.18a verbleibende Bestand der JHWH-Rede (¢ ¦¢±¯§ ¥ ³ ° § ¢©© ¢© ¢ ¢©¢¤ ¦¢±¯§ «¢¥¢ ¥¤«± ¤¦¢± )70 fast im Wortlaut der entsprechenden Ankündigung aus 14,4a (¬± «± ¥ ³ ¢³° ¢¢©¢¤¦¢±¯§«¢¥¢ ¥¤«±¤¦¢± ), die hier mit Blick auf die zweite Phase des Meerwunders, die Verfolgung ins geteilte Meer, noch einmal erneuert wird. Modifiziert wurde lediglich die Verstockungsaussage in 14,17a, die nun nicht mehr auf den Pharao, sondern auf die Ägypter bezogen ist und statt mit dem Perfectum consecutivum mit einem Partizip konstruiert ist. Letzteres dürfte am ehesten einen präsentischen Aspekt anzeigen (‚Siehe, ich halte der Ägypter Herz verstockt‘), was auch erklären würde, warum in 14,23 im Unterschied zu 14,8 nicht von einer Inkraftsetzung der Verstockung berichtet wird. Sie ist seit 14,8 anhaltende Realität, die sich vermittelt über den Pharao auf dessen ganzes Heer auswirkt. Durch die Einschaltung der programmatischen JHWH-Rede in Ex 14,15-18* hat der priesterliche Verfasser wie gesehen das in 14,13a.14 entfaltete Meerwunderkonzept korrigiert, was auch Folgen für dessen Entfaltung in 14,19f.* hat. Die Trennung der beiden Lager durch die Wolkensäule wird nun zu einem Nebenereignis vor dem alles entscheidenden Priesterschrift, 19f. In der Sache ebenso LEVIN, Source Criticism, 53f. (mit Anm. 43), der allerdings mit gewissem Recht darauf abhebt, daß die Streichung der Kopula vor ¡© literarkritisch unglücklich ist, und daher nicht die besagte Kopula, sondern das³ zu Versbeginn für den Ergänzer beansprucht. Das Problem ist freilich, daß damit die beiden einander zugeordneten Personalpronomina in 14,16.17 auseinandergerissen werden, denn die in 14,16 tätige Stabbearbeitung hat, anders als LEVIN meint, nichts mit der Verstockungsaussage in 14,17 zu tun, sondern ist weitaus jünger. Die Vorzüge des von LEVIN vertretenen Modells sind daher fraglich. 67 S.o., III. 3.1. 68 Vgl. GERTZ, Tradition, 198f.; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 72; WEIMAR, Meerwundererzählung, 40f., Anm. 47. 69 Vgl. LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 77; WEIMAR, Meerwundererzählung, 40f., Anm. 47. 70 Die betonte Verwendung von ©¢©© ¢© in einer JHWH-Rede ist typisch für das priesterliche Schrifttum; vgl. Gen 6,17; 9,9; 17,4; Ex 31,6; Num 3,12; 18,6.8.
2. Die priesterschriftliche Fassung der Meerwundererzählung
361
Zug in das geteilte Meer (14,21-23). Dessen Teilung schildert der Verfasser in 14,21, indem er den dem Auftrag aus 14,16a* korrespondierenden Ausführungsbericht als Rahmen (14,21aĮ2b) um die ältere Notiz anordnet, die von einem Austrocknen des Meeres durch einen starken Ostwind zu berichten weiß (14,21aĮ2ȕ). Die ältere Vorstellung wird damit einer neuen Leitperspektive unterstellt und zugleich sinnvoll integriert, insofern sie als Explikation der von Mose gewirkten Teilung erscheint:71 Mose streckt seine Hand über das Meer aus (¦¢ ¥«¢³ ²§ ¡¢), woraufhin JHWH das Meer durch den Ostwind zurückdrängt, was konkret so zu verstehen ist, daß sich die Wasser teilen (¦¢§«°¢).72 Das hier erkennbare redaktionelle Vorgehen, das für die Endredaktion zu veranschlagen niemand Probleme hat, ist schlicht auf den priesterlichen Bearbeiter zu übertragen, der ja, wollte er den vorgefundenen Text intakt lassen, exakt vor denselben Herausforderungen stand.73 Wie er die Dinge verstanden wissen wollte, hatte er in 14,16a* klargestellt und paßte den in 14,21* vorgegebenen Text so gut an diese Perspektive an wie möglich. Diese Art der interpretierenden Überformung älteren Textmaterials ist eine zentrale Redaktionstechnik, die alttestamentlich allerorten ihre Spuren hinterlassen hat.74 Mit der Teilung des Meeres (Ex 14,21b) ist der Boden für die Fortsetzung der in 14,16* vorgegebenen Handlungssequenz bereitet. Wie in 14,16b von JHWH angeordnet, kommen die Israeliten in 14,22a trockenen Fußes in die Mitte des Meeres – die Aussagen sind identisch formuliert (²¢ ¦¢ £³ ¥±²¢ ¢© ¢).75 In 14,22b malt der Verfasser das Bild weiter aus, indem er die Wasser wie Mauern zur Rechten und Linken stehen läßt (¦¥§²§ ¦©¢§¢§ § ¦¥ ¦¢§). Die Ägypter setzen den Israeliten nach und kommen, wie in 14,17aȕ (¦¢± ¢) angekündigt, hinter ihnen her, zur Mitte des geteilten Meeres (14,23aĮb: ¦¢±¯§ ±¢ ¦¢ £³ ¥ ¦¢± ¢). Die Ortsangabe in 14,23b wurde nachträglich 71 Die von VERVENNE, The ‚P‘ Tradition, 79, vertretene Charakterisierung der priesterschriftlichen Meerwundererzählung als „heroic epic, which concentrates on the miracle worker Moses and aims at a particular effect, namely, to convince the reader of Moses’s power“, verliert in Anbetracht dieses in 14,21 explizierten Synergismus ihre letzte Plausibilität. 72 Auffälligerweise heißt es Ex 14,21b nicht, wie von 14,16* (‚strecke deine Hand über das Meer aus und teile die Wasser‘) her zu erwarten, Mose habe die Wasser geteilt, sondern der Verfasser verwendet eine passivische Wendung (¦¢§ «°¢ – ‚und die Wasser teilten sich‘). Auch dies ist ein Indiz dafür, daß die Darstellung in 14,21aĮ2ȕ vorausgesetzt ist und in 14,21b explizierend aufgenommen wird. Hierzu auch JACOB, Buch Exodus, 421. 73 Zu den inhaltlichen Gründen für diese massive Überformung des älteren Erzählbestandes s. im folgenden. 74 Vgl. grundlegend BLUM, Studien, 235. 75 In der Trockenheit (²¢) des Durchzugsweges klingt ein weiteres Schlüsselwort des priesterschriftlichen Sintflutberichtes an (Gen 8,7.14; vgl. Gen 1,9f.); vgl. SKA, Séparation, 520-522; ZENGER, Bogen, 169; WEIMAR, Meerwundererzählung, 230.
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
durch die Apposition in 14,23aȕȖ von ihrem Vorkontext getrennt76 und ins syntaktische Abseits gedrängt. Der Bearbeiter streicht heraus, daß bei der Verfolgung die ganze Heeresmacht Ägyptens einschließlich der Pferde involviert war (14,23aȕȖ: ¢²±¤±«±ªª¥¤). Damit wird der Meerwunderbericht an den hinteren Rahmenvers des Meerliedes (15,19) angepaßt.77 Mit der Ortsangabe in Ex 14,23b wird die im ägyptischen Lager ausbrechende Panik (14,24f.*) vom Ufer ‚mitten ins Meer‘ (¦¢£³ ¥) verlegt. Das Element der älteren Erzählung wird als Nebenlinie in die priesterschriftliche Darstellung integriert, deren Faden sich in 14,26abĮ mit dem Auftrag an Mose fortsetzt, die Teilung des Meeres rückgängig zu machen. Dieser soll erneut seine Hand über das Meer ausstrecken, damit die Wasser über die Ägypter zurückkehren (¦¢±¯§ ¥« ¦¢§ ²¢ ¦¢ ¥« £¢ ³ ¡©). Hieran schloß direkt der Ausführungsbericht in 14,27.28a an,78 dessen vorgefundenen Bestand (14,27aĮ2ȕb) der priesterliche Verfasser analog zu seinem Vorgehen in 14,21 mit einem Rahmen versehen hat: Wieder streckt Mose seine Hand über das Meer aus (14,27aĮ1: ¦¢¥«¢³²§¡¢), das daraufhin zurückflutet und von JHWH zur Vernichtung der Ägypter genutzt wird (14,27aĮ2ȕb). Die Wasser kehren also gemäß der Ankündigung aus 14,26bĮ zurück und bedecken die ägyptische Streitmacht (14,28a: ¦¢¦¢± ¦¢«±¥¢ ¥¤¥¦¢²±³¤±³ª¤¢¦¢§²¢), von der kein einziger übrig bleibt (14,28b: «¦±²©¥).79 Zu beachten 76 Die von Ex 14,16.22 (¦¢£³) abweichende Formulierung in 14,23b (¦¢£³¥) wird gern als Indiz genommen, letzteren Halbvers mit 14,23aȕȖ als Nachtrag auszuscheiden; vgl. LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 75; GERTZ, Tradition, 199. Dies ist weder zwingend noch wahrscheinlich, denn die Ortsangabe in 14,23b wird von 14,23aȕȖ syntaktisch isoliert, liegt also kaum auf derselben Ebene wie dieser Nachtrag. Daß der priesterliche Verfasser in 14,23b anders formulierte als in 14,16.22, wird schlicht in der Sache begründet sein: Während sich die Israeliten bereits ‚in der Mitte des Meeres‘ befinden (14,22), kommen die ihnen nachsetzenden Ägypter erst ‚zur Mitte des Meeres‘ (14,23b). 77 Vgl. die Ausführungen unter VIII. 3.3. 78 Die Erwähnung von Wagen und Reitern in 14,26bȕ ist wie in 14,17bȕ.18b nachgetragen. 79 Zur Zugehörigkeit von Ex 14,28b zum priesterschriftlichen Meerwunderbericht vgl. NOTH, ATD 5, 83; LEVIN, Jahwist, 345; L. SCHMIDT, Studien [1993], 21. Da die häufig vertretene Veranschlagung des Halbverses für den vorpriesterschriftlichen Meerwunderbericht nicht verfängt (s.o., VIII. 1.), könnte es sich allenfalls um einen nachpriesterschriftlichen Zusatz handeln (so jetzt LEVIN, Source Criticism, 52), der die restlose Vernichtung der Ägypter sicherstellen will (vgl. 14,13b), doch fehlen zwingende literarkritische Argumente für diese Annahme. Für die Ursprünglichkeit von 14,28b spricht dagegen die Parallele zur priesterschriftlichen Sintfluterzählung, wo in Gen 7,23b in analoger Weise von der Verschonung Noahs und seines Anhang berichtet wird (³³±² ©£±²¢). Dies ist nicht zuletzt deshalb von besonderem Belang, weil auch die in Ex 14,28a vorangehende Aussage, die sich P nicht absprechen läßt, mit der Sintfluterzählung verknüpft ist: Als die ägyptische Streitkräfte von den Wassern bedeckt werden (ª¤), wiederholt sich für sie in gewisser Weise die
2. Die priesterschriftliche Fassung der Meerwundererzählung
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ist, daß der priesterliche Verfasser in 14,28a erstmals die Zusammensetzung der ägyptischen Streitmacht explizit macht: Es handelt sich um die Streitwagen (¤±) und Reiter (¦¢²±) des gesamten pharaonischen Heeres («±¥¢ ¥¤¥), an dem sich zu verherrlichen JHWH zuvor zweimal angekündigt hatte (14,4.17).80 Daß das Motiv der Selbstverherrlichung JHWHs an den Ägyptern das theologische Herzstück der priesterschriftlichen Meerwundererzählung bildet, kann in Anbetracht der als ursprünglich erwiesenen Ankündigungen in Ex 14,4.17 nicht in Abrede gestellt werden. Ebenso wenig läßt sich bestreiten, daß das Motiv in 14,27aĮ1.28 erzählerisch realisiert wird, doch gilt dies genau besehen nur zum Teil. Die hier geschilderte Aktion Moses fällt deutlich hinter der Ankündigung JHWHs zurück, er wolle sich an den Ägyptern verherrlichen, damit ihn diese erkennen (14,4aȕ.18a).81 Erneut klafft im priesterschriftlichen Bericht eine erzählerische Lücke, die sich nur schließt, wenn man ihn als Überarbeitung der älteren Meerwundererzählung liest, die ihren Höhepunkt damit erreicht, daß JHWH die Ägypter in Panik versetzt (14,24*) und ihre flüchtenden Streitkräfte mitten ins Meer schüttelt (14,27b: ¦¢£³¦¢±¯§³¢±«©¢). Die priesterschriftliche Ankündigung der Selbst-Verherrlichung JHWHs (14,4.17: ¤) wurde gezielt mit Blick auf die vorpriesterschriftliche Darstellung der finalen Konfrontation JHWHs mit den Ägyptern hin formuliert, in der auch die Ankündigung der ägyptischen JHWH-Erkenntnis ihr in P immer vermißtes Ziel findet: ‚Laßt uns fliehen, denn JHWH kämpft für Israel gegen die Ägypter‘ (14,25b).82 Daß der priesterschriftliche Bericht auf den älteren Textzusammenhang in 14,24-27* angelegt ist, bestätigt zuletzt auch ein Blick auf Ex 14,16b: Dort heißt es nämlich nicht, die Israeliten sollten Fluterfahrung aus Gen 7,19; 8,2; vgl. ZENGER, Bogen, 168; WEIMAR, Meerwunderbericht, 230. 80 Anders LEVIN, Source Criticism, 52-54, der in der Aufzählung der Streitkräfte einen Nachtrag vermutet. Dabei wird übersehen, daß die Angaben hier im Unterschied zu 14,17bȕ.18b.26bȕ syntaktisch fest integriert sind. Literarkritische Gründe für ihre Ausscheidung bestehen nicht. 81 In dieselbe Richtung äußert sich bereits VERVENNE, ‘P’ Tradition, 79, der sich dem Eindruck nicht entziehen kann „that the end of the ‘story’ is ineffective.“ Der von GERTZ, Tradition, 204, Anm. 67, hiergegen erhobene Einwand, P habe „mit 14,28a.29 einen wirkungsvollen Abschluß,“ insofern „nach Jahwes Ankündigungen in 14,4a.18a seine Selbstverherrlichung im Untergang der Ägypter besteht,“ ist nicht stichhaltig, denn er postuliert einen nahtlosen Zusammenhang zwischen den besagten Versen und ignoriert dabei faktisch den inhaltlichen Überschuß der Ankündigungen JHWHs. Ex 14,28f. mag grundsätzlich ein suffizienter Abschluß einer Erzählung sein, doch gilt dies eben nicht im Horizont von 14,4.17f. 82 Vgl. SKA, Indépendance, 401f., sowie die von HOUTMAN, Exodus II, 273, zu Ex 14,25b gemachte Beobachtung: „the Egyptians admit that Moses’ announcement has become reality (cf. 14:18).“
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
mitten durch das Meer ziehen, vielmehr sollen sie in die Mitte des Meeres kommen (²¢ ¦¢ £³ ¥±²¢ ¢© ¢; vgl. 14,22a.23b). JHWH ordnet also keine Durchquerung an, sondern lenkt die Schritte des Volkes in Fortsetzung der in 14,2a*.4a begonnenen Inszenierung an den Ort (¦¢ £³), an dem sich gemäß 14,27b die Vernichtung der Ägypter ereignen soll. Der Tatsache, daß sich die Israeliten bei der in Ex 14,26-28 geschilderten Vernichtung der Ägypter selbst noch mitten im Meer befinden, trägt der priesterliche Verfasser durch 14,29 Rechnung.83 Der Vers stellt der gemäß 14,26bĮ eingetroffenen Rückkehr der Wasser über die Ägypter das gegenteilige Geschick der Israeliten gegenüber, die im Trockenen mitten durch das Meer gingen (¦¢ £³ ²¢ ¤¥ ¥±²¢ ¢©), die Wasser wie Mauern zur Rechten und zur Linken (¦¥§²§¦©¢§¢§§ ¦¥¦¢§). Der Vers ist als literarische Wiederaufnahme von 14,22 mißverstanden,84 denn er rekapituliert nicht die dortigen Ereignisse, sondern setzt vielmehr den Handlungsfaden fort:85 In die Mitte des geteilten Meeres gekommen (14,22: ), gehen die Israeliten nun nach dem Untergang ihrer Verfolger weiter durch den für sie immer noch bestehenden Wasserkorridor (14,29: £¥) – erst jetzt entwickelt sich das Geschehen zu dem Durchzugsereignis, als das es Neh 9,11 besingen wird. Erzähltechnisch betrachtet lenkt der priesterliche Bearbeiter über 14,29 den Handlungsfaden zurück zur Abschlußnotiz des vorpriesterschriftlichen Meerwunderberichts in 14,30, in dem die Israeliten während der ganzen Ereignisse nie ihren Ort am Ufer des Meeres verlassen hatten. Wie bereits zu Beginn des 19. Jh. von VATER bemerkt, erinnert die priesterschriftliche Konzeption des Meerwunders als eines Durchzugsereignisses in auffälliger Weise an die Schilderung des Jordandurchzugs in Jos 3,13.16.86 Die Parallele deutet auf literarische Abhängigkeit, wobei sich P in Anbetracht der Tatsache, daß der Grundbestand des Berichts in Jos 3 vorpriesterschriftlich ist,87 als der nehmende Part erweist.88 Der priesterliche Bearbeiter übertrug das Motiv des flußaufwärts zu einem Wall (©) gestauten Jordanwassers sinngemäß vom Fluß auf das Meer, dessen Wassermassen gespalten und zu beiden Seiten der Israeliten wie eine Mauer Man beachte die chiastische Aufnahme der Begriffe ¦¢ und ¦¢§ aus Ex 14,28a. So etwa KRATZ, Komposition, 244, Anm. 24, der in 14,23-29 einen möglichen Nachtrag vermutet. Mit abweichenden redaktionskritischen Konsequenzen auch LEVIN, Jahwist, 345. 85 Dies übersieht auch GERTZ, Tradition, 199, der Ex 14,29 zwar für PG veranschlagt, den Charakter des Verses als „bekräftigende Abschlußnotiz“ aber unterbestimmt läßt. 86 Vgl. VATER, Commentar II, 54, sowie in der jüngeren Vergangenheit ausführlich WAGENAAR, Crossing, 461-470 (mit weiterer Literatur). 87 Vgl. KRATZ, Komposition, 208. 88 In der Sache ebenso, wenngleich überlieferungsgeschichtlich argumentierend CHILDS, Study, 414f., im Anschluß an COATS, Character, 260f. Zurückhaltend dagegen WEIMAR, Meerwundererzählung, 192; WAGENAAR, Crossing, 468. 83 84
3. Die weitere Wachstumsgeschichte von Ex 13,17-14,31
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(§ ) aufgetürmt werden mußten, um einen Durchzug zu ermöglichen. Mit dieser Angleichung des Meerwunders an den Jordandurchzug bereitet P den Boden für spätere Bearbeiter, die die Entsprechungen zwischen den beiden Ereignissen weiter ausgestalten (Ex 15,8; Jos 4,21-24).89 Allerdings gleicht P das Meerwunder als Abschluß der Auszugsereignisse nicht allein an den in Jos 3 geschilderten Auftakt der Landnahme an, sondern verleiht dem Ereignis zudem Züge, die dezidiert an die Sintflut erinnern sollen90 und das Meerwunder um eine mythische Tiefendimension bereichern.91 Es ist das Interesse an der makrokontextuellen Verknüpfung des Meerwunders mit Sintflut und Jordandurchzug, das den priesterlichen Bearbeiter derart massiv in den vorgefundenen Erzählbestand von Ex 14 eingreifen ließ, daß sich auch BLUM der irrtümliche Eindruck aufdrängte, die priesterschriftliche Kompositionsschicht habe hier eine vorgefundene Quelle eingeflochten.92 Daß diese Annahme alles andere als alternativlos ist, sollten die vorangehenden Ausführungen deutlich gemacht haben.
3. Die weitere Wachstumsgeschichte von Ex 13,17-14,31 Wie die bisherigen Ausführungen bereits hinreichend gezeigt haben, ist die Wachstumsgeschichte von Ex 13,17-14,31 mit der priesterschriftlichen Überarbeitung des Abschnitts keinesfalls abgeschlossen. Sowohl der Vorspann in 13,17-22 als auch der eigentliche Meerwunderbericht in Kap. 14 wurden in der Folgezeit von verschiedenen Händen mit den unterschiedlichsten Interessen erweitert, wobei manche Zusätze nicht über den Horizont des unmittelbaren Nahkontextes hinausreichen, während sich andere als Teil von Bearbeitungen erweisen, die ihre Spuren auch an anderen Stellen der Exoduserzählung hinterlassen haben. Zur letztgenannten Kategorie, die zur Etablierung einer relativen Chronologie von unschätzbarem Wert ist, zählt die erzählerische Rückbindung der Verfolgung an die in 12,31f. Zu Jos 4,21-24 vgl. etwa DOZEMAN, yam-sûp, 411-414. Auf Ex 15,8 wird näher unter VIII. 4. eingegangen. 90 Vgl. die Anmerkungen zu Ex 14,16.22.28. 91 Hierzu grundlegend KNAUF, Exodus, 73-84, der auch auf die m.E. weniger einschlägigen Parallelen zum Schöpfungsbericht eingeht. Vgl. ferner ZENGER, Bogen, 167-169. 92 Vgl. BLUM, Studien, 256-262, sowie die kritische Auseinandersetzung mit dieser Position bei GERTZ, Tradition, 205f. In der jüngeren Vergangenheit hat BLUM sein Modell dahingehend modifiziert, daß er nun mit einer „in zwei Phasen edierten P-Komposition“ rechnet (Feuersäule, 152): Eine separat konzipierte priesterschriftliche Materialsammlung („Einzelblätter“) sei erst in einem zweiten Schritt in den vorpriesterschriftlichen Text eingearbeitet worden. Da die priesterschriftlichen Stücke fast durchweg durch klare Bezugnahmen auf ihren älteren nichtpriesterschriftlichen Kontext charakterisiert und ohne diesen selten lebensfähig sind, kann dieses Modell kaum überzeugen. 89
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
erteilte Auszugserlaubnis, die in 14,5b dadurch erfolgt, daß ein Sinneswandel beim Pharao und seinen Hofbeamten geltend gemacht wird. Ex 14,5b ist Teil derselben nachpriesterschriftlichen Bearbeitungsschicht, die in Ex 10 die Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe ergänzte. Deutlich jünger ist die Ergänzung des Stabes in 14,16 (£¡§³¦±), die Teil der erstmals in 4,17 greifbaren ‚Stabbearbeitung‘ ist, welche die Wunderhandlungen des Mose von Ex 4 bis Ex 17 thematisch miteinander verknüpft.93 Mit den beiden Zusätzen, die in Ex 13,17-14,31 isoliert stehen, sind bereits zwei Fixpunkte eines redaktionsgeschichtlichen Rasters definiert, in das es die weiteren Bearbeitungen im folgenden nach Möglichkeit einzuordnen gilt. Zur besseren Übersicht ist die Diskussion thematisch angelegt. 3.1. Route und Marschordnung der Israeliten (Ex 13,17-19; 14,2b.3.8b.9aĮb) Der vorpriesterschriftlichen Itinerarnotiz Ex 13,20 wurde in 13,17-19 ein Abschnitt vorgeschaltet, der in drei Teile zerfällt. Während 13,17.18a die im folgenden eingeschlagene Route begründen, schließt in 13,18b recht abrupt eine Angabe zum Rüstungszustand der Israeliten während ihres Weges ins Land an, woraufhin 13,19 noch vermerkt, Mose habe Josephs Gebeine mit sich geführt. Die einzige Gemeinsamkeit zwischen 13,18b.19 besteht darin, daß sie auf die Erwägungen in 13,17.18a als Vorkontext angewiesen sind, ohne dabei dessen ursprüngliche Fortsetzung zu bilden. Es handelt sich um zwei jüngere Zusätze, welche die Erwägungen zur Auszugsroute (13,17.18a) nachträglich von ihrem Zielpunkt in der vorpriesterschriftlichen Itinerarnotiz 13,20 getrennt haben. Der Verfasser von Ex 13,17.18a will die in 13,20 von den Israeliten gewählte und im folgenden fortgesetzte Landnahmeroute in einem Beschluß JHWHs verankert wissen, womit er der Anfrage begegnet, warum JHWH die Israeliten nach ihrer Entlassung nicht auf den direkteren Weg durch philistäisches Gebiet führte94 (13,17a: ¦ © ¥ ¦« ³ «± ¥² ¢¢ ±° ¢¤ ¦¢³²¥ ®± £± ¦¢¥). In seiner Vorsehung hatte JHWH erkannt, die Israeliten könnten es sich, wenn sie Krieg sehen, gereuen lassen95 und nach Ägypten zurückkehren (13,17b: ¦«¦ ©¢¨¦¢¥±§¢¤ §¢±¯§ ² § ¥§ ¦³±). Das Motiv hat seinen Ursprung in der Kundschaftererzählung, wo der Bericht über die Landesbewohner das Volk Vgl. die Ausführungen unter III. 3.1. Mit der Idee einer göttlichen Führung ( ©) der Israeliten auf dem Weg (£±) greift der Ergänzer die Zweckbestimmung der Wolkensäule auf (Ex 13,21aĮ: £±¦³ ©¥), wobei in der Sache die dauerhafte Begleitung durch die doppelgestaltige Säule (13,22) vorausgesetzt ist. Ebenso KRÜGER, Erwägungen, 531; GERTZ, Tradition, 396, die hieraus allerdings den unzutreffenden Schluß ziehen, an allen Stellen sei die Endredaktion am Werk. 95 Man beachte das Wortspiel zwischen Ex 13,17a (¦ ©¥) und 13,17b (¦ ©¢¨). 93 94
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um sein Leben fürchten (Num 14,3a) und die Rückkehr nach Ägypten ins Auge fassen läßt (Num 14,3b: §¢±¯§²©¥¡; vgl. 14,4).96 Exakt dasselbe, so folgerte der Verfasser von Ex 13,17.18a, hätte sich auch ereignet, wären die Israeliten in einen militärischen Konflikt mit den Philistern geraten,97 weshalb JHWH das Volk in weiser Voraussicht einen Umweg in die Wüste zum Schilfmeer98 einschlagen ließ (Ex 13,18a: ³ ¦¢¥ ª¢ ¬ª ¦¢ ±§ £± ¦«), eine Wegbeschreibung, mit der gezielt auf die Stationen in 13,20 (±§ ¯°) und 15,22 (¬ª ¦¢) Bezug genommen wird.99 Geographisch kann beim Schilfmeer in 13,18a nur an den Golf von Akaba gedacht sein, denn der Text begründet ja gerade, warum die Israeliten auf ihrem Weg ins Land nicht die direkte Küstenroute wählten.100 Identifizierte man das Schilfmeer dagegen im Anschluß an 14,2a P mit dem Sirbonischen See, so bräche die in 13,17.18a aufgemachte Alternative zusammen, denn die Israeliten würden nun exakt den Weg einschlagen, den JHWH nach 13,17 vermeiden will.101 Ein erster eindeutiger Fixpunkt für die Eingrenzung des literarischen Horizontes von Ex 13,17.18a findet sich in 14,5b. Indem der Verfasser zu Beginn von 13,17 auf die Entlassung durch den Pharao Bezug nimmt (¢¢ «± ¥²), verrät er seine Vertrautheit mit der vor allem in Ex 10 greifbaren Bearbeitungsschicht, die nach der Auszugserlaubnis in 12,31f. nur noch Spuren in 14,5b hinterlassen hat.102 In ihrer Abhängigkeit von Vgl. WEIMAR, Meerwundererzählung, 244, der allerdings beide Stellen für RP veranschlagt. Zum Zusammenhang auch JACOB, Buch Exodus, 391-393; CASSUTO, Commentary, 156. 97 Zu dieser Deutung des § ¥§ ¦³± in Ex 13,17 vgl. etwa NOTH, ATD 5, 84. Die Formulierung hat ihre einzige alttestamentliche Entsprechung in Jer 42,14, wo es interessanterweise um das Vorhaben der kriegsmüden Judäer geht, aus dem Elend im eigenen Land nach Ägypten zu entkommen. Da Jer 42,13ff. ferner auffällige Übereinstimmungen mit der Kundschaftererzählung aufweisen, ist davon auszugehen, daß zwischen den drei Texten ein literarisches Abhängigkeitsverhältnis besteht. 98 Zum Schilfmeer vgl. die Ausführungen unter VIII. 1. 99 Es liegt daher in keiner Weise nahe, die Erwähnung des Schilfmeeres in Ex 13,18 als Zusatz zu werten; gegen NOTH, Überlieferungsgeschichte, 223, Anm. 554; FOHRER, Überlieferung, 105; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 60; GERTZ, Tradition, 207. 100 Ebenso LEVIN, Source Criticism, 45. Vgl. auch die Gebietsbeschreibung in Ex 23,31 (‚vom Schilfmeer zum Philistermeer‘ – ¦¢³²¥ ¦¢ « ¬ª ¦¢§), die möglicherweise im Hintergrund von 13,17.18a steht und die Erwähnung der Philister mit angestoßen hat. 101 Dieses grundlegende Interesse an einer Begründung der Landnahmeroute übersieht KRÜGER, Erwägungen, 524, nach dessen Ansicht in Ex 13,17f. der endredaktionelle Versuch vorliegt, die unterschiedlichen Itinerarangaben in Ex 13f. miteinander auszugleichen. Vgl. hierzu auch die kritische Replik bei BLUM, Feuersäule, 148f. 102 Streng genommen kommt Ex 13,17 mit dem Verweis auf den Moment unmittelbar nach der Erteilung der Auszugserlaubnis im Erzählverlauf zu spät, und man würde den Vers eigentlich im Zusammenhang der ersten Itinerarnotiz 12,37a erwarten (so wohl auch LEVIN, Source Criticism, 45, der einen nicht näher spezifizierten ursprünglichen Textanschluß an 96
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14,5b berühren sich 13,17.18a nun aber auch mit 14,11.31aȕb, die den nämlichen Halbvers voraussetzen und überdies wie 13,17.18a auf die Kundschaftererzählung in Num 14 Bezug nehmen. Dies geschieht freilich mit jeweils eigenem Interesse, denn Ex 13,17b befürchtet wie gesehen eine Num 14,3 entsprechende Verweigerungshaltung des Volkes bei der Konfrontation mit den Philistern, während in Ex 14,31aȕb der Glauben der Israeliten nach dem Meerwunder als positives Gegenbild zu ihrem Unglauben bei der gescheiterten Landnahme (Num 14,11) aufgebaut wird. Während letztere Entwicklung aus sich selbst heraus plausibel ist, gewinnt die Wahl des in 13,17b vorgebrachten Arguments erst dann an Profil, wenn sie bereits mit Blick auf einen existierenden Verweiszusammenhang zwischen Ex 14 und Num 14 erfolgte. Es legt sich daher nahe, daß der Verfasser von Ex 13,17.18a neben Ex 14,5b auch 14,11.31aȕb vorfand, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach nebst deren jüngerer Erweiterung in 14,12.31aĮ, denn in Ex 14,12 wird mit Num 14,3 exakt jene Murraussage aufgenommen, die dann in Ex 13,17 unter verändertem Vorzeichen bemüht wird, um die von JHWH gewählte Landnahmeroute zu begründen.103 Entfallen die Reflektionen über die Wahl der Auszugsroute in Ex 13,17.18a nach den bisherigen Ausführungen bereits auf ein weit fortgeschrittenes nachpriesterschriftliches Entwicklungsstadium, so handelt es sich in 13,18b.19 wie zuvor dargelegt um zwei nochmals jüngere Zusätze. Der ältere von beiden findet sich in 13,18b, der die Landnahmeperspektive aus 13,17.18a aufgreift und bemerkt, die Israeliten seien in militärischer Ordnung aus Ägypten heraufgezogen (®±§ ¥±²¢ ¢© ¥« ¦¢Ú § ¦¢±¯§).104 Die Aussage hat Parallelen in Jos 1,14; 4,12; Ri 7,11, wurde Ex 12 annimmt). Daß er nicht dort steht und sich der Verfasser eines Rückverweises bedient, hat vor allem damit zu tun, daß der Textbereich in 12,34-41; 13,1-16 zum Zeitpunkt seiner Abfassung bereits maßgeblich von halachischen Partien besetzt war. Der Verfasser von 13,17 profitierte allerdings davon, daß die Katechese im unmittelbaren Vorkontext (13,15) auf die Erzwingung des Auszugs durch die Tötung der Erstgeburt blickt. Synchron gelesen holen Ex 13,15.17 im Rückblick die Situation aus 12,29-37 ein. 103 Wird man für Ex 13,17.18a eine Vertrautheit mit den Num 14-Bezügen im Meerwunderbericht geltend machen können, so wirft dies nochmals ein anderes Licht auf die Festlegung der Auszugsroute in Ex 13,18a, denn indem der Verfasser JHWH den Weg Richtung Schilfmeer anordnen läßt, nimmt er die entsprechende Anordnung in Num 14,25b (mit jüngerer Seitenparallele in Dtn 1,40) vorweg. 104 Ähnliche Übersetzungen von ¦¢Ú § bei JACOB, Buch Exodus, 394 („mit Vortrupp“); NOTH, ATD 5, 80 („[i]n Kampfordnung“); HOUTMAN, Exodus II, 251f. („[i]n orderly fashion“). Der Begriff bezeichnet wörtlich die militärische Gliederung in Fünfzigschaften, womit sich die Angabe in Ex 13,18b auch in ein positives Verhältnis zur Angabe der Gruppengröße aus 12,37b setzen läßt, insofern die dort erwähnte „Summe von 600.000 Mann zwölfmal tausend Fünfzigschaften ergibt“ (LEVIN, Jahwist, 340). Allerdings darf die Beobachtung nicht den Blick auf die militärischen Konnotationen verstellen, die der Aussage in 13,18b aufgrund ihres direkten Kontextes zukommen. Wäre es dem Ergänzer allein um Aus-
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aber kaum zur Erklärung des bei der Landnahme vorausgesetzten Rüstungszustandes verfaßt, sondern zielt vielmehr auf eine Korrektur des Bildes, das in 13,17.18a von den Israeliten gezeichnet wird. Wurde dort die Vermeidung der Route durch philistäisches Gebiet mit der Feigheit begründet, die bei den Israeliten im Fall einer militärischen Konfrontation zu erwarten sei, so wird dem in 13,18b entgegengehalten, die Israeliten seien während des gesamten Wüstenzuges als schlagkräftige Kampftruppe unterwegs gewesen, die folglich auch einen Zusammenstoß mit den Philistern nicht zu scheuen brauchte. Exakt denselben Gedanken hat der Bearbeiter in 15,14-16 in das Meerlied integriert: Die Verse schildern die Panik der Nachbarvölker, unter denen an erster Stelle die Bewohner Philistäas (³²¥ ¢²¢) erwähnt werden. Die von 13,17 unterstellte Angst der Israeliten vor den Philistern hat sich hier im Licht von 13,18b in ihr Gegenteil verkehrt. Der in Ex 13,18b; 15,14-16 tätige Bearbeiter ist nun nicht nur für eine Reihe weiterer, noch zu diskutierender Zusätze zum Meerwunderbericht verantwortlich, sondern hat das Motiv der militärischen Stärke Israels auch an betonter Stelle zu Beginn der Exoduserzählung verankert. Von ihm stammt das Kalkül des Pharao in 1,10b (ab ¢), der in den Israeliten plötzlich eine militärische Bedrohung erblickt und befürchtet, das Volk könne sich mit Waffengewalt den Weg von Ägypten bis ins verheißene Land freikämpfen. Das Konstruierte dieser Befürchtung liegt auf der Hand, nicht zuletzt, da ein Verschwinden der aufgrund ihrer Anzahl als Bedrohung wahrgenommenen Israeliten dem Pharao im Horizont von Ex 1,8-10 eigentlich gerade recht sein müßte. Sein Kalkül wird nur verständlich, wenn man sieht, daß es gezielt an den Anfang der Exoduserzählung gestellt wurde, um den Pharao bereits vorab jene Zweifel zerstreuen zu lassen, die in 13,17.18a laut und durch 13,18b nachträglich entschärft werden. Der in 13,17b geäußerten Befürchtung JHWHs, die Israeliten würden bei einer militärischen Konfrontation mit den Philistern (Stichwort § ¥§) nach Ägypten zurückkehren (§¢±¯§ ²), wird in 1,10 die angstvolle Gewißheit des Pharao gegenübergestellt, daß sich das Volk notfalls auch mit Waffengewalt seinen Weg aus Ägypten bis ins Land bahnen kann (®±¨§¥«©¦ ¥©). Nun ließ sich in Anbetracht der Tatsache, daß allein JHWH für den Untergang der ägyptischen Streitkräfte verantwortlich ist, in Ex 14 schwerlich von einer Entscheidungsschlacht berichten, in der die israelitischen Streitkräfte ihre Verfolger bezwingen. Das Motiv fand allerdings eine führungen zur Ordnung der 600.000 gegangen, so hätte er dies direkt im Anschluß an 12,37b erwähnt. Geht man vom Zahlencharakter des Begriffs ¦¢Ú § aus, so ergibt sich schließlich auch ein Bezug zur Aussage über die Bemannung der ägyptischen Streitwagen (14,7b: ¦Ú ¥Ú ¥¤¥«), die der Verfasser von 13,18b bereits vorfand.
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teilweise Realisierung durch eine Modifikation der priesterschriftlichen Exposition des Meerwunderberichtes. Indem der Bearbeiter in 14,2 ausdrücklich die Umkehr der Israeliten (²¢) anordnete, ließ er sie auf JHWHs Geheiß die Konfrontation mit der ägyptischen Streitmacht suchen und setzte damit einen deutlichen Akzent gegen die zuvor geäußerte Befürchtung, das Volk könne aus Angst nach Ägypten umkehren (13,17b). Das Motiv der Umkehr, das in 14,2b von derselben Hand im Itinerarzusammenhang verankert wurde,105 diente dem Bearbeiter gleichzeitig als Ausgangspunkt um plausibel zu machen, warum der Pharao trotz seiner in 1,10 geäußerten Befürchtungen die Verfolgung der Israeliten aufnimmt: Er wird glauben, die Israeliten hätten sich im Land verirrt (14,3a:«±±§ ®±¦¦¢¤©¥±²¢¢©¥) und seien von der Wüste eingeschlossen (14,3b: ±§ ¦¢¥« ±ª), und wird sich daher in einer strategisch überlegenen Position wähnen.106 Die Bearbeitung, der bisher Zusätze zu Ex 1,10; 14,2 sowie die Verse 13,18b; 14,3; 15,14-16 zugewiesen werden konnten, findet ihre Fortsetzung in 14,8b, wo der Notiz zur Verfolgung durch den Pharao (14,8a P) eine Aussage über Israels Auszug „in zuversichtlicher Selbstsicherheit“ nachgeschaltet wurde.107 In diesem Sinne jedenfalls hat auch der Verfasser von Num 33,3 den Verweis auf Israels Auszug ‚mit erhobener Hand‘ (¢© §± ¢ ¦¢¯¢ ¥±²¢) verstanden, über den die globale Perspektive aus 13,18b auf die Situation unmittelbar vor dem Meerwunder zugespitzt wird. Von derselben Hand stammen schließlich auch 14,9aĮb: Der Bearbeiter nimmt mit der Verfolgungsnotiz in 14,9aĮ1 (¦¢± ¦¢±¯§±¢) zunächst wieder den unterbrochenen Erzählfaden aus 14,8aȕ auf (¢© ¢± ¬±¢ ¥±²¢) und konstatiert mit der anschließenden Angabe, die Ägypter hätten die Israeliten eingeholt, als diese am Meer bei Pi-Hachirot, vor Baal Zephon lagerten (¨¯¥«¢©¥³±¢ ¢¥«¦¢¥«¦¢© ¦³¢²¢),108 das 105 Während die Israeliten nach Ex 14,2a P ‚vor Pi-Hachirot, zwischen Migdol und dem Meer‘ (¦¢¨¢¥§¨¢ ³±¢ ¢¢©¥) lagern sollen, werden sie in 14,2b aufgefordert, sich ‚vor Baal Zephon, diesem gegenüber‘ am Meer zu lagern (¦¢¥«© ³ ¤©¨¯¥«¢©¥). Wie die Ausführungsnotiz in 14,9* zeigt, tritt Baal Zephon an die Stelle von Pi-Hachirot. Zu 14,9* s. im folgenden. 106 Mit LEVIN, Source Criticism, 45, läßt sich festhalten, daß das Raisonnement des Pharao in Ex 14,3 in Anlehnung an die in 13,17 zitierten Erwägungen JHWHs formuliert wurde. Dies spricht allerdings nicht für die Tätigkeit desselben Ergänzers, sondern bringt erneut die Tendenz der herausgearbeiteten Bearbeitungsschicht zum Ausdruck, einen positiven Gegenakzent gegen den Eindruck von Israels Feigheit zu setzen. Dieselbe Distinktion übersieht LEVIN, wenn er das in 14,2 eingetragene Umkehrmotiv als direkte Umsetzung von JHWHs Erwägungen zur Landnahmeroute deutet. 107 NOTH, ATD 5, 89. Vgl. JACOB, Buch Exodus, 409 108 Die in Ex 14,9aĮ verwendete Verbalsequenz ‚verfolgen‘ (¬±) – ‚einholen‘ (²©) setzt dabei bereits die entsprechend formulierte Aussage im Meerlied (15,9) als Hintergrund voraus; s.u., VIII. 4.
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Eintreten der von ihm in 14,2b angekündigten Situation.109 Die Angaben zur Zusammensetzung der ägyptischen Streitkräfte (14,9aȕȖ), die den Zusammenhang zwischen den Ortsangaben in 14,9aĮb unterbrechen, erweisen sich dagegen als nochmals jüngerer Zusatz.110 Ein jüngerer Zusatz, wenngleich von anderer Hand, liegt schließlich auch in Ex 13,19 vor, der sich nachträglich an 13,18b angelagert hat und die dort etablierte Landnahmeperspektive (¥«) unter anderem Vorzeichen weiterführt. Ex 13,19a berichtet, daß Mose die Gebeine Josephs mit sich nimmt (§« ¬ª¢ ³§¯« ³ ²§ °¢), woraufhin 13,19bĮ begründend auf einen Schwur verweist, den der sterbende Jakobsohn die Israeliten hatte leisten lassen (¥±²¢¢©³«¢²«²¢¤). Ex 13,19bȕȖ (¦¢¥°¢° ¦¤³§¢³§¯«³¦³¢¥«¦¤³) zitieren wörtlich diesen letzten Willen des sterbenden Joseph, den derselbe Ergänzer in Gen 50,25 fomuliert hatte. Allerdings ist dieser Wille mit der Mitführung von Josephs sterblichen Überresten erst teilweise erfüllt. Ihr endgültiges Ziel, die ‚Heraufführung‘ des Leichnams ins Land, erreicht die in Gen 50,25; Ex 13,19 angelegte Linie erst in Jos 24,32, wo Joseph seine letzte Ruhe in Sichem findet.111 3.2. Der Modus der göttlichen Führung (Ex 13,21f.; 14,19a.20aȕȖ.24aȖ) Während der vorpriesterschriftliche Meerwunderbericht in Ex 13,21aĮ; 14,19b.20aĮb lediglich die Begleitung der Israeliten durch eine Wolkensäule erwähnte, wurde dieser von späterer Hand eine Feuersäule zur Seite gestellt. Ihre Existenz verdankt die Feuersäule einem aufmerksamen Beobachter, der bemerkt hatte, daß die Israeliten in der priesterschriftlich überformten Meerwundererzählung des Nachts unterwegs waren (14,20-23*), und sich fragte, wie dies bei vollständiger Dunkelheit möglich sei.112 Zur Lösung des Problems beschränkte er die Rolle der ursprünglichen Wolkensäule auf den Tag (13,21aĮ*: ¦§¢) und stellte ihr die Feuersäule als nächtliche Lichtquelle an die Seite (13,21aȕ: ¦¥ ±¢¥ ² §« ¥¢¥), ‚damit die Israeliten Tag und Nacht marschieren können‘ (13,21b: ³¤¥¥ ¥¢¥¦§¢). Damit ist das theoretische Fundament für die Beseitigung der skizzierten Unstimmigkeit im Meerwunderbericht gelegt, die derselbe 109 Daß in Ex 14,2b.9b Zusätze von derselben Hand vorliegen, sehen auch WEIMAR, Meerwundererzählung, 41f.; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 68; GERTZ, Tradition, 215f. Dabei wird jedoch irrtümlich von einem älteren Grundbestand in 14,9aĮ ausgegangen und übersehen, daß auch das dort erwähnte Lagern der Israeliten am Meer (¦¢¥«¦¢© ) vor dem Hintergrund von 14,2b formuliert wurde (¦¢ ¥« © ³). Den redaktionsgeschichtlichen Zusammenhang beider Angaben notiert auch LEVIN, Source Criticism, 54, der hier allerdings unzutreffenderweise innerpriesterschriftliche Zusätze findet (PS). 110 Vgl. hierzu die Ausführungen unter VIII. 3.3. 111 Vgl. ausführlich unter II. 3. 112 Vgl. grundlegend GROSS, Wolkensäule, 149-157, und im Anschluß hieran GERTZ, Tradition, 209-214.
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Ergänzer in 14,20aȖ durch die ausdrückliche Hervorhebung der Leuchtfunktion (¥¢¥ ³ ±¢) aufhob. Vor dem Hintergrund von 13,21aȕ wird klar, daß die im älteren Textbestand erwähnte Wolkensäule (14,19b) nun mit dem Wechsel zur Nacht als Feuersäule verstanden werden will. Genau dieses Verständnis wollte der in 14,20aȕ tätige Ergänzer wieder ausgeschlossen wissen,113 der 14,19b beim Wort nahm und für die Nacht des Meerwunders eine Singularität postulierte: ‚Es war die Wolke, und sie verfinsterte‘ (£² ¨©«¢¢).114 Daß der Ergänzer im Vorgriff auf 14,20aȖ das Licht wieder ausschaltete, könnte zudem mit der Wahrnehmung einer erzählerischen Spannung zusammenhängen, die sich durch die Ergänzung der nächtlichen Lichtquelle mit dem älteren Folgekontext ergeben hatte. Wie nämlich sollte eine die Szenerie in gleißendes Licht tauchende Feuersäule sicherstellen, daß sich die Lager, wie in 14,20b vorausgesetzt, in der Nacht nicht näherkommen?115 Die Wolkensäule, die durch 14,19b immer noch im Raum stand, lieferte die Lösung, die 14,20aȕ knapp auf den Punkt zu bringen sucht. Was einst wohl nicht mehr als eine Randglosse war, schafft an seiner heutigen Stelle einen kaum übersetzbaren Text,116 dessen Endgestalt aber in der dargestellten Weise als das Produkt einer sukzessiven Entwicklung vollkommen plausibel wird.117 Für Emendierungen besteht kein Grund.118 Zielte die Einführung der Feuersäule in Ex 13,21aȕ ursprünglich allein darauf, den Israeliten mit Blick auf die Ereignisse in Kap. 14 die Möglich113 Zur hier vorausgesetzten redaktionsgeschichtlichen Entwicklung in Ex 14,20aȕȖ vgl. LEVIN, Jahwist, 345. Ähnlich GERTZ, Tradition, 212 (mit Anm. 101), der in 14,20aȖ ebenfalls einen Nachtrag findet, die Einordnung von 14,20aȕ aber offen läßt. 114 Zu dieser Übersetzungsmöglichkeit vgl. auch B LUM, Feuersäule, 144. 115 Vgl. LEVIN, Jahwist, 345. 116 Als linguistisch unmöglich erweist sich der Übersetzungsvorschlag von PROPP, AncB 2, 498: „(First) there was a cloud. (When it was) dark [...], it illuminated the night“. 117 Ex 14,20 ist in der jüngsten Vergangenheit zum Gegenstand zweier synchroner Deutungsversuche geworden, die jedoch weder die Syntax noch die Semantik des Verses befriedigend erklären können. So interpretiert SEGAL, ¥¢¥³ ±¢, 254-260, die Aussage, die Wolke habe die Nacht erleuchtet, vor dem Hintergrund von Hi 37,3f.11.15; Ps 77,18f.; 97,4 im Sinne eines Gewitterphänomens („lightning emerged from those clouds and lit up the night“; a.a.O., 258). Im Unterschied dazu deutet STEINS, Exodus 14,20, 273-276, das ³±¢ ¥¢¥ als intertextuellen Reflex auf Gen 1 und erklärt daher den in Ex 14,19 als Erscheinungsform JHWHs erwähnten Engel zum Subjekt der Aussage. In beiden Fällen wird der naheliegende Deutungshintergrund der Aussage in der Doppelgestalt der Wolken-/Feuersäule zugunsten makrokontextueller Parallelen vernachlässigt und zudem übersehen, daß das im Horizont von Ex 13,21 vollkommen eindeutige ¥¢¥ ³ ±¢ erst durch das vorangehende £² ¨©«¢¢ zum Problem wird. Eine befriedigende Erklärung dieser kryptischen Formulierung sucht man allerdings vergeblich. 118 Die von g bezeugte Fassung von Ex 14,20aȕȖ spiegelt einen Glättungsversuch des Übersetzers und ist textkritisch ohne Belang; vgl. WEVERS, Notes, 219f. Der von j gebotene Text wird dagegen von b bestätigt. Ähnlich auch 4Q365 6a I,11 (£² ¨©«>¢@¢).
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keit zu eröffnen, ihren tagsüber begonnenen Zug in der Nacht fortzusetzen (13,21b: ¥¢¥ ¦§¢ ³¤¥¥),119 so weitet der Verfasser von 13,22 die Perspektive nachträglich aus: ‚Weder ließ er weichen die Wolkensäule vor dem Volk bei Tag noch die Feuersäule bei Nacht‘ (¦§¢¨©«§«²¢§¢¥ ¦« ¢©¥ ¥¢¥ ² §«).120 Die Aussage zielt über den unmittelbaren Ereigniszusammenhang hinaus auf die Zeit der Wüstenwanderung und erklärt den in 13,21 exponierten Modus der göttlichen Gegenwart zum Dauerzustand.121 Daß die in Ex 13,22 formulierte Vorstellung recht jung ist, spiegelt sich auch darin, daß sie nur in äußerst späten Texten Nachhall gefunden hat. Die einzigen weiteren Belegstellen für eine dauerhafte Begleitung der Israeliten durch die doppelgestaltige Säule bilden Num 14,14bȕȖ; Neh 9,12.19, die die Endgestalt von Ex 13,21f. bereits voraussetzen und 13,21 von 13,22 her interpretieren.122 Während Ex 13,21f.; Num 14,14; Neh 9,12.19 die beiden, je tageszeitbedingten Erscheinungsformen der Säule streng voneinander unterscheiden, ist in Ex 14,24aȕ auffälligerweise von der Anwesenheit JHWHs in einer ‚Feuer- und Wolkensäule‘ (¨©« ² §«) die Rede. Daß hier im Unterschied zu 13,21f. beide Aspekte miteinander verbunden werden und das Feuer zudem vor der Wolke Erwähnung findet, spricht kaum dafür, daß an den Stellen dieselbe Hand tätig war.123 Ex 14,24aȕ ist ein jüngerer Nachtrag, der die beiden Erscheinungsfomen der Säule bereits voraussetzt und sie gezielt miteinander kombiniert. Ausgangspunkt ist die Zeitangabe in 14,24aĮ, wonach sich die im folgenden berichtete Panik des ägyptischen 119
Einen nächtlichen Zug der Israeliten erwähnt nur Ex 14! Die von j bezeugte Hifǥilform ˇ¢§ ¢ wird möglicherweise durch 4QExodc V,40 gestützt (vgl. DJD 12, 116), wobei sich Yod und Waw in dem Manuskript nicht mit letzter Sicherheit unterscheiden lassen. Eine Form im Qal (ˇâ§¢) findet sich dagegen in b und wird indirekt auch von g und o gestützt. Welche Lesart ursprünglicher ist, läßt sich kaum entscheiden, ist allerdings auch nicht von allzu großem Belang. 121 Vgl. GROSS, Wolkensäule, 150f.; LEVIN, Jahwist, 340. Ebenso, wenngleich ohne die hier zugrundegelegte redaktionsgeschichtliche Differenzierung GERTZ, Tradition, 213. 122 Zur Nachgeschichte von Ex 13,21f. gehören darüber hinaus noch Dtn 1,33; Ps 78,14; 105,39, wo allerdings nur noch von Feuer und Wolke die Rede ist und die Säule keine explizite Erwähnung findet. Schließlich werden auch die in Ex 40,38; Num 9,15b.16 nachgetragenen Erwähnungen des nächtlichen Feuerscheins der auf der Stiftshütte ruhenden Wolke vom Motiv der doppelgestaltigen Säule aus Ex 13,21f. inspiriert sein. Zur hier vertretenen späten Einordnung des Motives vgl. auch GROSS, Wolkensäule, 153-157; GERTZ, Tradition, 214. 123 Gegen GERTZ, Tradition, 213, der die Einführung der Feuersäule in 13,21f.; 14,24aȕ auf die Endredaktion zurückführt und annimmt, diese habe in 14,24aȕ ein ursprüngliches ¨©«§« zum heute vorliegenden ¨©«²§« überarbeitet. Daß sie dabei in Widerspruch zu ihrer eigenen Konzeption aus 13,21f. trat, indem sie beide Erscheinungsformen der Säule gleichzeitig auftreten ließ, läßt sich jedoch nur äußerst unbefriedigend dadurch erklären, daß sie „auf den Erhalt des vorgegebenen Textbestandes bedacht war.“ 120
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
Heeres ‚zur Zeit der Morgenwache‘ (±°³±§²) ereignete, die bis Tagesanbruch dauert.124 Der in 14,24aȖ tätige Ergänzer stellte sich die Frage nach der Gegenwart JHWHs in der besonderen Situation des anbrechenden Tages, hieß es doch in 13,22, die Wolken-/Feuersäule sei zu keinem Zeitpunkt vom Volk gewichen. Wie aber ging dann die eine in die andere Erscheinungsform über? Als Antwort führte er in 14,24aȖ einen morgendlichen Übergangszustand ein, in dem sich Feuer- und Wolkenaspekt der Säule miteinander verbinden.125 Daß das Feuer im Gegensatz zum sonst üblichen Sprachgebrauch vor der Wolke erwähnt wird, spiegelt den Wechsel von der Nacht zum Tag.126 Da das Auftreten der Feuersäule in der Nacht des Meerwunders mithin klar vorausgesetzt ist, wird man folgern dürfen, daß der Ergänzer noch nichts von dem in 14,20aȕ erhobenen Einspruch wußte. Das in Ex 13,22 eingeführte Motiv einer dauerhaften Begleitung der Israeliten durch die doppelgestaltige Säule hat nicht nur die Reflexionen in 14,24aȖ angestoßen, sondern steht auch im Hintergrund von 14,19a, wo der ¦¢¥£¥§ exakt die in 14,19b beschriebene Bewegung der Wolkensäule vorwegnimmt und damit offenbar mit dieser identifiziert werden soll. Vorausgesetzt ist die in 23,20 angekündigte Sendung eines Engels, der die Israeliten auf dem Weg ins Land begleiten und beschützen soll und dessen Gegenwart nun bereits für die vorsinaitische Zeit beansprucht wird.127 War die Wolken- und Feuersäule nach 13,22 vom Moment des Auszugs an dauerhaft anwesend, so sollte dasselbe nun auch für den besagten Engel gelten. Während der über das Motiv der Führung gegebene Bezug zwischen 14,19a und 23,20 auf der Hand liegt, spielt die bisweilen im Sinne identischer Verfasserschaft gedeutete Parallele zwischen 14,19a und der Engelserscheinung im brennenden Dornbusch (3,2a) keine Rolle.128 Ex 3,2a hat ein anderes Thema (Offenbarungsmittlerschaft), verwendet eine andere Terminologie (¢ £¥§) und hat mit Gen 22,11 einen anderen 124 125
Vgl. hierzu GROSS, Wolkensäule, 146. Ebenso bereits HOUTMAN, Exodus II, 272; PROPP, AncB 2, 499; BLUM, Feuersäule,
145. 126 127
Dies notiert auch GERTZ, Tradition, 213. Vgl. WEIMAR, Meerwundererzählung, 46f.; LEVIN, Jahwist, 345; GERTZ, Tradition,
219f. 128 Gegen WEIMAR, Meerwundererzählung, 251f. Zu den sachlichen Berührungen von Ex 14,19a mit den weiteren ‚Engels‘-Texten in Ex 23,20ff.; 32,34aȕ; 33,2.3b*.4; 34,11-26 und Ri 2,1-5, vgl. BLUM, Studien, 365-377; DERS., Knoten, 189-194, der die Texte einer vorpriesterschriftlichen „Mal’ak-Bearbeitung“ zuweist, innerhalb derer man freilich nicht um redaktionsgeschichtliche Differenzierungen herumkommt. Daß auch eine (ähnlich von NEEF, Ich selber, 54-75, vertretene) vorpriesterschriftliche Ansetzung der Stücke schwer haltbar ist, deutet sich etwa bei KRÜGER, Erwägungen, 529, Anm. 42, und H.-C. SCHMITT, Suche, 257f., an, wobei auch BLUM, Feuersäule, 151, Anm. 57, jüngst zumindest für Ex 14,19a einen nachpriesterschriftlichen Ursprung annimmt.
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Quelltext, stammt also auch von einer anderen Hand als die Erwähnung des Engels in 14,19a. 3.3. Die Zusammensetzung der ägyptischen Streitmacht (Ex 14,7.9aȕȖ.17bȕ.18b.23aȕȖ.25a.26bȕ ) Das besondere Interesse späterer Bearbeiter hat die Streitmacht des Pharao auf sich gezogen, zu der sich eine Vielzahl einander zum Teil widersprechender Aussagen findet. Eindeutig als Teil derselben Bearbeitungsschicht erkennbar sind dabei die Angaben in Ex 14,17bȕ.18b.26bȕ, die jeweils mit Blick auf 14,28a P festhalten, daß sich das Heer des Pharao aus Streitwagen (¤±) und Reitern (¦¢²±) zusammensetzt. Die Nachträge entfallen durchweg auf JHWH-Reden, die die in 14,28 beschriebene Vernichtung der Ägypter zum Inhalt haben, sind also bemüht, die Ankündigungen JHWHs so weit wie möglich an die Beschreibung dieses Ereignisses anzugleichen. Im Hintergrund dieses zunächst kleinlich anmutenden Bemühens steht ein ernsthaftes Interesse, denn es geht darum zu bestimmen, wann genau der Moment der göttlichen Verherrlichung (14,17bĮ) und der JHWH-Erkenntnis der Ägypter (14,18a) gekommen ist. Letztere tritt nach 14,18b dann ein, wenn sich JHWH am Pharao, seinen Wagen und Reitern verherrlicht (¢²± ¤± «± ¢¤), womit über die Zusammensetzung der Streitkräfte eben der in 14,28a beschriebene Moment antizipiert wird. Die in Ex 14,18b vorgenommene Präzisierung der in 14,18a vorangehenden Erkenntnisaussage erinnert sachlich wie stilisitisch auffällig an 7,5aȕb, wo die erste priesterschriftliche Ankündigung der Gotteserkenntnis der Ägypter (7,5aĮ) nachträglich näher bestimmt wird. Dies legt zunächst die Vermutung nahe, daß hier wie in 14,17bȕ.18b.26bȕ derselbe Ergänzer tätig war, doch sprechen hiergegen die bestehenden konzeptionellen Unterschiede. So wird in Ex 7,5aȕb die in 7,5aĮ vorangehende Erkenntnisaussage nicht einfach präzisiert, sondern gegen ihren ursprünglichen Sinn von der Tötung der Erstgeburt auf den gesamten Plagenzyklus ausgeweitet. Entsprechendes läßt sich für 14,17bȕ.18b.26bȕ nicht geltend machen, und es ist zudem kein organischer Bezug der letztgenannten Zusätze zu der Bearbeitung des Plagenrahmens (7,3; 11,9) zu erkennen, der 7,5aȕb zugehört.129 Man wird den Grund für die in 14,17bȕ.18b.26bȕ vorgenommenen Präzisierungen daher eher im Rahmen von Ex 14 selbst zu suchen haben, wobei als wahrscheinlichster Hintergrund die Angabe in 14,9aȕȖ* in Betracht kommt, welche das Heer des Pharao als Größe neben Streitwagen und Reitern einführt. Damit trat die Ankündigung JHWHs, sich am Pharao und seinem Heer zu verherrlichen (14,17bĮ) in Spannung zu 14,28a, wo 129
Vgl. die Ausführungen unter V. und VI. 2.4.
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der Untergang der Streitwagen und Reiter des gesamten pharaonischen Heeres berichtet wird, und es ist exakt diese Spannung, die die Zusätze in 14,17bȕ.18b.26bȕ wieder zu beheben suchen, indem sie erneut die Identität des Heeres mit den berittenen Streitkräften einschärfen und so den Moment der Gotteserkenntnis erneut präzise definieren. Mit den Ausführungen zum Hintergrund von Ex 14,17bȕ.18b.26bȕ ist dem Argumentationsgang bereits insofern vorgegriffen worden, als mit 14,9aȕȖ ein Zusatz angesprochen wurde, der bisher noch nicht behandelt worden ist. Dies gilt es nun nachzuholen. Ex 14,9aȕȖ berührt sich mit dem Zusatz in 14,23aȕȖ darin, daß an beiden Stellen neben den sonst bekannten Streitwagen und Reitern ausdrücklich auch Pferde (ªª) erwähnt werden. Dabei fällt auf, daß die Aussagen in 14,9aȕȖ.23aȕȖ einerseits zu ähnlich sind, um unabhängig voneinander entstanden zu sein, andererseits aber auch charakteristische Unterschiede aufweisen, die die Annahme identischer Verfasserschaft schwierig machen. Besonders gewichtig ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, daß allein 14,23aȕȖ (‚alle Pferde des Pharao, seine Streitwagen und Reiter‘ – ¢²±¤±«±ªª¥¤) einen syntaktisch einwandfreien Text bietet, wohingegen die Angabe in 14,9aȕȖ (‚alle Pferde Streitwagen des Pharao und seine Reiter und sein Heer‘ – ¥¤ ¥¢ ¢²±«±¤±ªª) offenbar gestört ist. Der skizzierte Befund erklärt sich am einfachsten so, daß die syntaktisch gestörte Angabe in Ex 14,9aȕȖ aufgrund einer nachträglichen Anpassung an 14,23aȕȖ zustande kam. Sie wird folglich einen Kern haben, der noch nichts von 14,23aȕȖ wußte. Um diesen Kern freizulegen, muß man nur das einleitende ªª ¥¤ abziehen, mit dem auch die Störungen in 14,9aȕȖ verschwinden. Was verbleibt, ist eine recht gewaltsam in den Zusammenhang zwischen den Ortsangaben in 14,9aĮb eingeschaltete Angabe, die im Nachgang spezifiziert, welche Truppenkontingente die zu Beginn von 14,9aĮ pauschal erwähnte ägyptische Verfolgergruppe (±¢ ¦¢± ¦¢±¯§) umfaßte.130 Der Ergänzer bemüht sich dabei um eine Synthese zwischen dem priesterschriftlichen Konzept von Streitwagen und Reitern (14,28) und der vorpriesterschriftlichen Aussage, der Pharao habe seinen Streitwagen anspannen lassen und sein Kriegsvolk (¦«) mit sich genommen (14,6). Dieses Kriegsvolk identifizierte er mit dem in 14,4 P erwähnten Heer (¥¢ ), das nun entgegen der ursprünglichen Intention der 130 Da es sich in Ex 14,9aĮ um eine literarische Wiederaufnahme von 14,8a handelt, die im Zusammenhang mit der Ergänzung von 14,8b nötig wurde, gehört der Zusatz in 14,9aȕȖ* bereits in eine weit fortgeschrittene nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase der Exoduserzählung. Vorausgesetzt ist neben der Endgestalt von 14,31 u.a. auch das Meerlied (15,1-19*), wobei sich der Verfasser von 14,9aȕȖ* wahscheinlich für die nachträgliche Erwähnung des Heeres in 15,4 verantwortlich zeigt. Vgl. zum letztgenannten Aspekt die Ausführungen unter VIII. 4. sowie grundsätzlich den Ergebnisteil unter VIII. 5.
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Priesterschrift (14,28) als eigenständige Größe neben die berittenen Streitkräfte tritt. Nach 14,9aȕȖ* setzt sich die Verfolgergruppe aus den ‚Streitwagen des Pharao und seinen Reitern und seinem Heer‘ (¢²± «± ¤± ¥¢ ) zusammen. Auf die Spannungen, die diese Synthese zwischen 14,17abĮ.18a und 14,28a hervorrief, sowie auf den in 14,17bȕ.18b.26bȕ greifbaren Lösungsversuch wurde bereits eingegangen. Während das in Ex 14,9aȕȖ* erwähnte Heer in 14,23aȕȖ keine Rolle mehr spielt, stehen hier die Pferde (ªª) des Pharao an prominenter Stelle. Hinter den Israeliten ins geteilte Meer ziehen ‚alle Pferde des Pharao, seine Streitwagen und Reiter‘ (¢²± ¤± «± ªª ¥¤).131 Die Angabe leitet sich nicht aus 14,9aȕȖ*, sondern aus 15,19aĮ ab, wo sie in fast identischer Weise bezeugt ist: ‚Denn es kamen die Perde des Pharao mit seinen Streitwagen und Reitern ins Meer‘ (¦¢¢²±¤±«±ªª¢¤). Für diese Richtung des literarischen Gefälles spricht eindeutig, daß 15,19aĮ nicht auf der Formulierung in 14,23aĮb (¦¢ £³ ¥ ¦¢± ¢), sondern vielmehr auf 14,28aȖ (¦¢ ¦¢± ¦¢) aufbaut. Berücksichtigt man ferner, daß 15,19 vom Meerlied zum Miriamlied (15,20f.) überleiten will, so erklärt sich auch mit einem Schlag, warum der Vers die Pferde an den Anfang stellt. Die Aussage ist mit Blick auf den Lobpreis der Miriam formuliert, JHWH habe Roß und Reiter ins Meer geworfen, und will diesen im Licht der priesterschriftlich überarbeiteten Meerwundererzählung verstanden wissen: Wenn die Pferde nach 15,19aĮ mit Streitwagen und Reitern kommen, so bedeutet dies, daß Miriam mit dem Untergang besagter Pferde zugleich die in 14,28a berichtete Vernichtung ihres Anhangs besingt. Die im Rückblick formulierte Aussage über die Pferde, Streitwagen und Reiter des Pharao (Ex 15,19aĮ) wurde in 14,23aȕȖ von späterer Hand an die entsprechende Stelle im Meerwunderbericht übertragen. Da bereits die in die erste Verfolgungsnotiz eingeschalteten Angaben zur Zusammensetzung der ägyptischen Streitkräfte (14,9aȕȖ*) jünger sind als der Grundbestand des Meerliedes, kommt 14,23aȕȖ als außerordentlich später Zusatz in den Blick, der vor allem dadurch motiviert worden sein wird, daß trotz wiederholter Erwähnung von Rossen und Reitern in Ex 14 bisher keine Rede von den Pferden war. Der Verfasser von 14,23aȕȖ hob die in 15,19aĮ mit Blick auf das Miriamlied vorgenommene syntaktische Unterordnung der Wagen und Reiter unter die Pferde in einer Parataxe auf und steigerte die Angabe noch dadurch, daß nun alle Pferde des Pharao («±ªª¥¤) im Zug der ägyptischen Verfolger versammelt sind. Da es schlecht sein konnte, daß die Pferde den Israeliten in 14,23 in das geteilte Meer folgen, ohne auf der ersten Etappe der Verfolgung anwesend zu sein, wurden sie auch 131
Ex 14,23aȖ wird mit unwesentlichen Abweichungen auch von 4QpaleoGen-Exodl 10 II,13 bezeugt (¤± satt j ¤±).
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zu Beginn von 14,9aȕ (ªª ¥¤) eingetragen, wobei die Syntax des Verses freilich auf der Strecke blieb. Der Zusatz wird auf einen nochmals späteren Bearbeiter zurückzuführen sein. Mit der redaktionsgeschichtlichen Einordnung der bisher diskutierten Notizen zur Zusammensetzung der ägyptischen Streitkräfte ist ein wesentlicher Fixpunkt für die relative Chronologie des Motivs gewonnen, denn die besagten Notizen setzen samt und sonders das Meerlied voraus. Damit ist erwiesen, daß sie jünger sind als die Angaben zu den Streitwagen in 14,7.25a, denn diese waren ihrerseits dem Verfasser des Meerliedes bekannt, der sie in 15,4 zusammenzieht.132 Vor ihrer poetischen Liaison hatten die besagten Angaben allerdings nichts miteinander zu tun, was sich schon daran zeigt, daß 14,7 die Streitwagen in Übereinstimmung mit dem auch sonst im Kapitel üblichen Sprachgebrauch unter den Kollektivbegriff ¤± faßt, wohingegen in 14,25a der Plural ³¤±§ Verwendung findet. Der Grund für die Wahl der Pluralform liegt darin, daß nur so das mögliche Mißverständnis auszuschließen war, es gehe lediglich um den einen Streitwagen des Pharao und nicht um dessen gesamtes Streitwagencorps. Letzteres war aber eben entscheidend für das erzählerische Detail, an dem der Verfasser von 14,25a interessiert ist: Es geht um eine Behinderung aller ägyptischen Streitwagen durch JHWH, womit der in 14,24b induzierte und in 14,25b zur panischen Flucht der Ägypter führende Gottesschrecken offenkundig eine nachträgliche Explikation erfahren soll, die dem priesterschriftlichen Konzept einer Verfolgungsjagd ins geteilte Meer Rechnung trägt.133 Der genaue Sinn von 14,25a ist freilich recht schwierig zu bestimmen, was sich bereits an den Divergenzen zwischen den antiken Versionen zeigt. Folgt man j, so ‚entfernte‘ JHWH die Räder ‚seiner‘ – gemeint ist das ägyptische Heerlager (© §) aus 14,24 – Wagen (14,25aĮ : ¨³±ª¢ ¢³¤±§) und leitet ‚es‘ in/mit Mühe (14,25aȕ: ³¤ ©¢). Bei einem wörtlichen Verständnis von 14,25aĮ läßt sich das Objektsuffix in 14,25aȕ allerdings nur auf das Lager beziehen, denn daß JHWH die abgeschlagenen Räder in ihrem Vorankommen gehindert habe, erscheint wenig sinnvoll.134 Gemeint wäre also in 14,25aȕ, daß JHWH das ägyptische Heerlager nur mühsam vorankommen ließ. Eine alternative Deutung hat KRÜGER vorgelegt: JHWH habe die Räder nicht entfernt, sondern vom Weg abeichen lassen (±ª¢) und sie „in »Schwierigkeiten«“ (³¤) gelenkt, Vgl. die Ausführungen unter VIII. 4. Vgl. grundsätzlich KRÜGER, Erwägungen, 526; GERTZ, Tradition, 221, die Ex 14,25a der Endredaktion zuweisen. 134 Die Annahme, „that some chariots lost their wheels, while others [...] were very much damaged“ (HOUTMAN, Exodus II, 272), läßt sich am Text nicht verifizieren und kann das Problem nicht lösen. 132 133
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„wobei wohl an die morastigen Ränder“ des durch das Meer führenden Weges gedacht sei.135 Diese Deutung hat für sich, daß sie in der Lage ist, beide Aussagen in 14,25a in analoger Weise als Einflußnahme JHWHs auf die Räder der ägyptischen Streitwagen und damit deren Kurs zu erklären, kann allerdings bei näherem Hinsehen nicht überzeugen.136 So ist von einem Weg als weiterer Bezugsgröße der Aktion JHWHs in 14,25aĮ eben keine Rede, was dafür spricht, die Konstruktion von ±ª im Hifǥil mit direktem Objekt im Sinne der sonstigen Belege zu deuten und auf das Entfernen der Räder zu beziehen.137 Auch die Übersetzung des hapax legomenon ³¤ mit dem Abstraktum „Schwierigkeiten“ scheint eher vom Deutschen als vom Hebräischen her gedacht zu sein138 und wirkt in ihrer nachträglichen Konkretisierung durch den Bezug auf den Morast am Wegesrand gezwungen. Man wird folglich Ex 14,25a j so verstehen müssen, daß JHWH, indem er die Räder der Streitwagen entfernt, das Vorankommen der Ägypter behindert, wobei freilich fraglich ist, ob es sich hierbei überhaupt um die ursprüngliche Lesart handelt. Mit g und b bieten zwei gewichtige Textzeugen die Variante ±ª ¢ (‚und er hemmte‘), die zwar im Vergleich zu j als lectio facilior zu bewerten ist, deshalb aber nicht notwendig auf eine nachträgliche Glättung zurückgehen muß. j läßt sich genauso als sekundäre Radikalisierung der von g und b bezeugten Lesart verstehen, für deren Ursprünglichkeit auch zu sprechen scheint, daß über das ±ª ¢ ein intertextueller Bezug zu 14,6a hergestellt wird, wo das Anspannen des pharaonischen Wagens mit exakt derselben Verbform ausgedrückt wird. Aufbruch und Behinderung der Streitmacht werden so gezielt miteinander kontrastiert. Berücksichtigt man schließlich noch, daß man im Fall der Ursprünglichkeit von j mit unterschiedlichen Bezugsobjekten der parataktisch gereihten Verben rechnen muß, so wird man folgern dürfen, daß der syntaktisch wie kompositionell stimmigeren Variante in g und b hier der Vorzug gegenüber einer Lesart zukommt, deren Schwierigkeit auch einen Einschlag Sinnlosigkeit erkennen läßt.139 Ungeachtet der textkritischen Entscheidung ist die Grundtendenz der Aussage in Ex 14,25a deutlich: JHWH hemmt (entfernt) die Räder der Streitwagen und behindert damit das Vorankommen der Ägypter. Dabei geht es offenkundig nicht allein um eine erzählerische Ausmalung des KRÜGER, Erwägungen, 526, Anm. 33. Ebenso GERTZ, Tradition, 221. Kritisch auch BLUM, Feuersäule, 146, Anm. 37. 137 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 417; WEIMAR, Meerwundererzählung, 73. Zur Verwendung von ±ª im Hifǥil vgl. KOEHLER/BAUMGARTNER, Lexikon, 706f. 138 Die Nominalbildung ³¤ ist im nachbiblischen Hebräisch zunächst ohne erkennbaren Nachhall geblieben und bezeichnet selbst im modernen Ivrit den Sachverhalt der Schwere / Schwerfälligkeit, nicht aber Schwierigkeiten, für die der Begriff ¢²° reserviert ist. 139 Zur Priorität von Ex 14,25a g/b vgl. statt vieler NOTH, ATD 5, 81. 135 136
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Übergangs zwischen 14,24b.25b im Sinne von P, sondern auch, wenn nicht gar vielmehr um die Beseitigung einer Unstimmigkeit im Handlungsverlauf des priesterschriftlich überarbeiteten Meerwunderberichts: Wenn die Ägypter in 14,25b beschließen zu fliehen, das Meer aber erst am Morgen zurückflutet (14,27aĮ), wie war dann sichergestellt, daß sie mit ihren schnellen Streitwagen der ihnen im Meer gestellten Todesfalle nicht wieder entkamen? Ex 14,25a schließt diese Möglichkeit aus, denn nun wird die Flucht der Ägypter in 14,27aȕ zu einer langsamen, ein Entkommen ist ausgeschlossen.140 Die Art, in der 14,25a eine Unstimmigkeit im Erzählverlauf behebt, erinnert stark an die Einführung der Feuersäule (13,21aȕb; 14,20aȖ), die den Israeliten bei ihrem nächtlichen Durchzug durch das geteilte Meer nachträglich Licht spenden soll. Möglicherweise geht 14,25a auf denselben Ergänzer zurück. Mit Sicherheit von einem anderen Bearbeiter stammt dagegen die Angabe in Ex 14,7, die mit 14,25a lediglich das rezeptionsgeschichtliche Geschick teilt, vom Verfasser des Meerliedes zur Vorlage von 15,4 erkoren worden zu sein. Ex 14,7a berichtet, der Pharao habe neben 600 auserlesenen Streitwagen alle Streitwagen Ägyptens mit sich genommen (¦¢±¯§¤±¥¤± ¤±³§²² °¢), wobei die Aussage genau betrachtet wenig sinnvoll ist, denn entweder sind die 600 Streitwagen mit allen Streitwagen Ägyptens identisch oder aber Teil dieser Gruppe. Ein Nebeneinander beider Größen, wie in 14,7a angezeigt, ist logisch problematisch, weshalb man den Halbvers kaum ein und derselben Hand zumuten kann. Die Ausweitung der Perspektive auf alle Streitwagen Ägyptens (14,7aȕ) wurde nachgetragen. 141 Der ursprüngliche Bestand des Verses berichtete allein davon, daß der Pharao 600 auserlesene Streitwagen mit sich nahm, von denen jeder mit einem Offizier – als ‚drittem Mann‘ – besetzt war (14,7b: ¥¤ ¥« ¦Ú ¥ Ú ).142 Deutlich ist dabei, daß die Angaben über das einleitende °¢ als nachträgliche Explikation der in 14,6b vorangehenden Aussage verstanden werden wollen, der Pharao habe sein Kriegsvolk mit sich genommen ( °¥): Es handelt sich um die militärische Elite. Dabei kommt die in Ex 14,7aĮ gewählte Anzahl von 600 Streitwagen in auffälliger Parallele zu der Angabe aus 12,37b zu stehen, die Israeliten seien mit 600.000 Mann zu Fuß ausgezogen.143 Dies wird nicht zufällig sein, sondern deutet auf eine gezielte Gegenüberstellung der beiden Grup140
Vgl. Ri 4,15, wo Sisera zu Fuß flieht, nachdem JHWH seinen Heereszug in Verwirrung gebracht hat (¦§). Ganz analog liest sich die Endgestalt von Ex 14,25-27 im Horizont der Aussage über die von JHWH gestiftete Verwirrung (14,24b). 141 Ebenso RUDOLPH, Elohist, 29; WEIMAR, Meerwundererzählung, 37, Anm. 30.; LEVIN, Jahwist, 344. 142 Zu dieser Deutung vgl. JACOB, Buch Exodus, 408; NOTH, ATD 5, 89. 143 Eine entsprechende Zahlenangabe findet sich im Rahmen der Exoduserzählung nur an diesen beiden Stellen.
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pen im Moment ihres jeweiligen Aufbruchs hin. Da die Erwähnung der 600 Streitwagen des Pharao (14,7aĮb) im Kontext des Meerwunderberichts vollkommen isoliert steht,144 legt sich die Annahme nahe, daß der Vers primär zur Verknüpfung mit 12,37b eingeschaltet wurde, die Angabe über die Gruppengröße der Israeliten also voraussetzt. Er stellt dem israelitischen Fußtrupp das zahlenmäßig um den Faktor 1000 schwächere, militärtechnisch hingegen weit überlegene ägyptische Streitwagencorps gegenüber, so daß nun in 14,9 (¦¢± ¦¢±¯§ ±¢), mit den Worten von Dtn 32,30 gesprochen, ‚ein einziger tausend verfolgt‘ (¬¥ ¬±¢ ¤¢).145 Man wird allerdings kaum annehmen können, daß dieser Bezug zur Klage des Mose über die verheerenden Folgen der Abwendung JHWHs von seinem sündigen Volk bei der Abfassung von Ex 14,7aĮb eine Rolle spielte. Die in 14,7aĮb vorgenommene Bestimmung des zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen Verfolgern und Verfolgten scheint noch ganz ohne theologische Hintergedanken erfolgt zu sein und will durch die Aufbietung der ägyptischen Militärelite wahrscheinlich schlicht erklären, warum die mächtige Auszugsgruppe der Israeliten beim Anblick ihrer Verfolger von Panik ergriffen wird (14,10bĮ). Da es sich bei Ex 12,37b noch um einen vorpriesterschriftlichen Zusatz handelt, besteht die Möglichkeit, daß dasselbe auch für 14,7aĮb gilt. Hierfür könnte auch sprechen, daß 14,7aĮb allein die Anzahl und Bemannung der Streitwagen (¤±) behandeln, hingegen kein Wort über die erstmals von P eingeführten Reiter (¦¢²±) verlieren. Die Aussage liegt damit ganz im Horizont der vorangehenden vorpriesterschriftlichen Angabe (14,6), an die sie sich explizierend anschließt, und ist auf den Hintergrund der (nach-)priesterschriftlichen Notizen zur Zusammensetzung der Streitkräfte nicht angewiesen. Berücksichtigt man ferner die isolierte Stellung, die 14,7aĮb im Rahmen dieser Notizen einnehmen, im Verbund mit der Tatsache, daß etwa die Verfasser von 14,9aȕȖ*.23aȕȖ aufgrund des redaktionsgeschichtlichen Gesamtbefundes mit 14,7aĮb vertraut waren, aber keinerlei Interesse an den dortigen Angaben zeigen, so spricht auch dies dafür, daß in 14,7aĮb ein verhältnismäßig alter Zusatz vorliegt, der mit den späteren redaktionellen Entwicklungen nichts mehr zu tun hatte. Damit deutet alles darauf hin, daß 14,7aĮb in der Tat noch als Teil der vorpriesterschriftlichen Entwicklungsgeschichte anzusprechen sind. Hier wurde erstmals dem Gedanken Ausdruck verliehen, daß der Pharao den Israeliten mit einer Mehrzahl von Streitwagen nachsetzte, ein Motiv, das in P bereits vorausgesetzt ist und um die Reiter erweitert wird.
144 Nach GERTZ, Tradition, 232, ist Ex 14,7 „[r]edaktionsgeschichtlich nicht genauer zuzuordnen“. 145 Vgl. Jos 23,10, wo das Motiv in positiver Umkehrung begegnet.
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Die geschickte Gegenüberstellung der 600.000 israelitischen Fußgänger und der 600 ägyptischen Streitwagen, die der Verfasser von Ex 14,7aĮb herstellte, wird durch die Ergänzung ‚aller Streitwagen Ägyptens‘ (¤±¥¤ ¦¢±¯§) in 14,7aȕ wieder zunichte gemacht. In Überbietung der priesterschriftlichen Abschlußaussage, die von der restlosen Vernichtung der gesamten Streitkräfte des Pharao kündete (14,28a: «± ¥¢ ¥¤¥) und damit selbstredend nur die am Meer versammelten Truppen meinte, nimmt der Verfasser von 14,7aȕ die Totalität aller ägyptischen Streitwagen in den Blick. Die Aussage bleibt somit als der Versuch einer Anpassung der in 14,7aĮ erwähnten 600 Streitwagen an die priesterschriftliche Darstellung unterbestimmt.146 Sie berührt sich am ehesten mit dem Zusatz in 14,13b, der die von den Israeliten in 14,30b bestaunte Niederlage der Ägypter als in der Geschichte analogieloses Ereignis preist: ‚Denn wie ihr die Ägypter heute seht, werdet ihr sie in Ewigkeit nicht mehr sehen‘ (14,13b: ±² ¢¤ ¦¥«««¦³±¥¢ª³¥¦¢¦¢±¯§³¦³¢±). Da in 14,28b von der restlosen Vernichtung des Heeres die Rede ist (14,28b: « ¦ ±²© ¥ ), folgerte der für 14,7aȕ verantwortliche Ergänzer, daß hiervon nicht allein die 600 erlesenen Streitwagen, sondern vielmehr alle ägyptischen Streitwagen betroffen sein mußten. 3.4. Vom Murren zum Glauben (Ex 14,11f.13b.31) In seiner vorliegenden Gestalt erreicht der Meerwunderbericht seinen theologischen Höhepunkt damit, daß die Israeliten, nachdem sie zu Zeugen der Vernichtung ihrer ägyptischen Verfolger wurden, JHWH fürchten und an ihn und seinen Knecht Mose glauben (Ex 14,31aȕb: ¢ ³ ¦« ±¢¢ « ²§ ¢ ©¢§¢). Dem geht in 14,31aĮ die im Alten Testament singuläre Aussage voraus, Israel hätte ‚die große Hand‘ gesehen, mit der JHWH an Ägypten gehandelt habe (¢²«±²¥¢³¥±²¢±¢ ¦¢±¯§). Der Viertelvers ist nicht nur jünger als das ursprüngliche Ende des vorpriesterschriftlichen Meerwunderberichts in 14,30b – dies zeigt die explizierende Wiederaufnahme des ±¢ –,147 sondern liegt auch nicht auf derselben literarischen Ebene wie sein Folgekontext, der in 14,31aȕ unvermittelt Subjekt und Numerus wechselt (¦« ±¢¢ statt ¥±²¢ ±¢). Da 14,31aĮ ohne die in 14,31aȕb geschilderte Reaktion der Israeliten ins Leere läuft, diese hingegen nahtlos an 14,30 anschließt, ist 14,31aĮ als jüngster Zusatz zum Resümee des Meerwunderberichts zu beurteilen. Im Gegensatz dazu handelt es sich in 14,31aȕb um eine ältere Erweiterung,
146 147
Gegen KRÜGER, Erwägungen, 527. Vgl. etwa SMEND, Geschichte, 287.
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welche auf die Augenzeugenschaft der Israeliten (14,30) mit Gottesfurcht und Glauben nachträglich eine adäquate Reaktion folgen läßt.148 Um den in Ex 14,31aȕb greifbaren Zusatz redaktionsgeschichtlich zu profilieren, empfiehlt es sich, mit dem Glaubensmotiv einzusetzen, auf das die Aussage zuläuft. Ein theologisch qualifiziertes Verständnis von Glauben (¨§ Hifǥil) ist im Alten Testament bekanntermaßen ebenso spät wie rar gesät, wobei das in den dtr Traditionsraum verweisende Motiv149 bei der Mehrzahl seiner enneateuchischen Belege mit JHWH als alleinigem Objekt verknüpft ist.150 Eine Ausnahme bilden ausgerechnet die drei Belegstellen im Exodusbuch, von denen zwei neben JHWH auch Mose zum Objekt des Glaubens erheben (14,31b; 19,9a), während es im dritten Fall (4,1-9*.30b.31a) ausschließlich darum geht, wie der Glaube des Volkes an Mose zu wecken ist.151 Obwohl die genannten Exodusbelege unbestreitbar in Beziehung zueinander stehen, sprechen schon die notierten konzeptionellen Unterschiede, zu denen auch noch sprachliche Differenzen kommen,152 entschieden gegen verschiedentlich vertretene Versuche, die ‚Endredaktion‘ für alle Stellen verantwortlich zu machen.153 Vielmehr hat das Glaubensmotiv im Exodusbuch eine Entwicklung durchlaufen, die es redaktionsgeschichtlich zu rekonstruieren gilt. Beginnt man mit Ex 19,9a, so läßt sich leicht zeigen, daß hier nicht die Anfänge, sondern vielmehr der Endpunkt dieser Entwicklung greifbar wird. Der Halbvers wurde nachträglich hinter die Verpflichtungsszene in
148 Versuche, in Ex 14,31aȕb nochmals literarkritisch zu differenzieren und in 14,31aȕ eine ältere Aussage zur Gottesfurcht der Israeliten von der Erwähnung ihres Glaubens in 14,31b abzuheben, sind unbegründet (gegen WEIMAR, Meerwundererzählung, 274; LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 88). Ex 14,31aȕ bleibt ohne seinen Folgekontext ein isoliertes Fragment, läßt sich aber im Verbund mit 14,31b sinnvoll aus der Intention des hier tätigen Ergänzers ableiten (s. im folgenden). 149 Vgl. grundlegend SMEND, Geschichte, 284-290, der freilich die aus heutiger Sicht problematische Annahme vertritt, die Wurzeln des Motivs lägen in Jes 7,9. Ähnlich WILDBERGER, Glauben, 372-386. Zur dtr Prägung des Motvis vgl. ferner H.H. SCHMID, Jahwist, 59f.; PERLITT, BK.AT V/1, 110f.; GERTZ, Tradition, 223-226. 150 Vgl. Gen 15,6; Num 14,11; 20,12; Dtn 1,32; 9,23; 1 Kön 17,14. 151 Die Verknüpfung des Glaubensmotivs mit der Identität des Offenbarungsgottes in Ex 4,5 spiegelt demgegenüber eine spätere Entwicklung; s.o., III. 3.1. 152 So wird in Ex 4,1-9* ¨§ Hifǥil mit der Präposition ¥ konstruiert, in 14,31a; 19,9a hingegen mit . 153 So OTTO, Pentateuchredaktion, 103; H.-C. SCHMITT, Redaktion, 223-237. Ähnlich GERTZ, Tradition, 222-227.334, der die Glaubensaussagen in Ex 4,1-9.31; 14,31 für die Endredaktion veranschlagt, aber in 19,9 eine nachendredaktionelle Ergänzung findet. Dagegen gelten BLUM, Verbindung, 153f., die Glaubensaussagen wieder als Teil desselben redaktionellen Stratums. Ebenso schon vermutungsweise SMEND, Geschichte, 289.
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
19,3b-8 geschaltet,154 und übermittelt an Mose die Zusage JHWHs, künftig aus dem Wolkendunkel zu ihm zu sprechen, damit das Volk Zeuge der Unterredung werde und für immer auch an Mose glaube (19,9aȕ: £ ¦ ¦¥«¥©¢§¢). Impliziert ist also, daß es bereits an JHWH glaubte, nur wird dies bezeichnenderweise zuvor nirgends ausdrücklich gesagt. Diese eigentümliche erzählerische Leerstelle erklärt sich allein dann, wenn 19,9a vor dem Hintergrund 4,1-9*.30b.31a; 14,31b formuliert wurde. Vorausgesetzt ist die explizite Doppelaussage zum Glauben des Volkes an JHWH und Mose in 14,31b, wobei der in 19,9a postulierte Glaube des Volkes an JHWH mit 4,1 in den unmittelbaren Vorkontext der Verpflichtungsszene 19,3-8 hineingelesen wurde: Terminologischer Anknüpfungspunkt ist die mit einer ¨§-Aussage gekoppelte Wendung ¥°«§² in 4,1, die eine Entsprechung in der Forderung JHWHs findet, auf seine Stimme zu hören (19,5aĮ). Nun ließ sich aus 19,8a zweifelsfrei ablesen, daß das Volk dieser Forderung nachkam, also JHWH in der Logik von 4,1 glaubte, womit 14,31bĮ (¢©¢§¢) eingeholt war. 19,9a ist letztlich nicht mehr als eine Explikation von 14,31bȕ («²§) im Licht der Szene 4,1-9*.30b.31a, wo auch das im Hintergrund von 19,9a stehende Problem seinen Ursprung hat. An beiden Stellen geht es darum, durch einen sinnfälligen Beweis den Glauben des Volkes an die Wahrhaftigkeit der mosaischen Offenbarungsmittlerschaft zu wecken, was in 19,9a – mit Blick auf die anstehende Sinaioffenbarung – in nicht mehr zu überbietender Weise (¦¥«¥) geschieht. Wurde Ex 19,9a vor dem Hintergrund der einschlägigen Passagen in Ex 4; 14 formuliert, so bedeutet dies, daß der ursprüngliche Ort des Glaubensmotivs im Exodusbuches in einem der beiden letztgenannten Kapitel zu suchen ist. Da nun mit dem Glauben des Volkes an Mose (4,1-9*.30b.31a) in ausführlicher Weise ein Teilaspekt der Doppelnotiz aus 14,31aȕb vertieft wird, der überdies – sieht man von 19,9a ab – inneralttestamentlich ohne weitere Parallele ist, legt es sich nahe, daß der Aussage in 14,31aȕb literarische Priorität zukommt. Hierfür spricht auch der Vergleich mit den übrigen pentateuchischen Belegstellen des Glaubensmotivs, deren Mehrzahl (Num 14,11; Dtn 1,32; 9,23) den Unglauben des Volkes bei der Verweigerung der Landnahme kritisiert. Mit 14,31aȕb wurde offenbar gezielt ein positives Gegenstück formuliert, das für den Moment unmittelbar nach dem Auszug einen Idealzustand postuliert, der sich in der Folgezeit immer mehr in sein Gegenteil verkehren sollte.155 Der Auszug und die Verweigerung der Landnahme werden auf diese Weise zu Eckpunkten 154 Zur literarhistorischen Einordnung von Ex 19,3b-8 als nachpriesterschriftlicher Vorwegnahme des Bundesschlusses in Ex 24 vgl. jüngst AURELIUS, Zukunft, 141-168. Zum Zusatzcharakter von 19,9 vgl. auch GERTZ, Tradition, 226f. 155 Als weit weniger spezifisch erweist sich im Gegensatz dazu der etwa von GERTZ, Abraham, 80, als Hintergrund von Ex 14,31 geltend gemachte Glaube Abrahams in Gen 15,6.
3. Die weitere Wachstumsgeschichte von Ex 13,17-14,31
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einer unter negativen Vorzeichen verlaufenden Glaubensgeschichte, die sich letztlich bis in die Königszeit fortsetzt (1 Kön 17,14). Auch dem in 4,1-9*.30b.31a tätigen Ergänzer blieben diese makrokontextuellen Querverbindungen nicht verborgen, ja er spielt bewußt auf sie an, stellt sie aber in einen neuen Bezugsrahmen: Berichtete Ex 14,31aȕb, daß das Volk JHWH und Mose unmittelbar nach dem Meerwunder glaubte, und beklagte JHWH später in Num 14,11, daß es ihm trotz der von ihm gewirkten Zeichen nicht glaubte, so statten Ex 4,1-9*.30b.31a Mose mit Zeichen aus, die sicherstellen sollen, daß das Volk Mose bereits bei seinem ersten Auftritt Glauben schenkt.156 Während der Verfasser von Ex 4,1-9*.30b.31a das Problem, das die von Mose gewirkten Zeichen schließlich lösen, selbst durch einen Verweis auf den möglichen Unglauben des Volkes (4,1) exponierte, fand der für 14,31aȕb verantwortliche Ergänzer in 14,10.13a bereits einen passenden Anknüpfungspunkt für die Verankerung des Glaubensmotivs vor, den er lediglich leicht modifizieren mußte. Hatte das Herannahen der Ägypter in der priesterschriftlich überarbeiteten Version des Meerwunderberichts zur Folge, daß die Israeliten von Angst ergriffen zu JHWH schreien (14,10: ¢¥¥±²¢¢©°«¯¢§±¢¢) und daraufhin von Mose im Stil eines Heilsorakels das rettende Eingreifen JHWHs verheißen bekommen (14,13a: ¢³«²¢³±¯¢³±¢³¥), so verlieh der Ergänzer dem Notschrei in 14,11 nachträglich Worte, die sich aus dem Inventar der Murrgeschichten speisen: ‚Gab es etwa keine Gräber in Ägypten, daß du uns weggeführt hast, um in der Wüste zu sterben (¨¢¢¥§²§¥±§¢ ±§³§¥©³ °¥¦¢±¯§¦¢±°)? Warum hast du uns das angetan, daß du uns aus Ägypten herausgeführt hast (¦¢±¯§§©¢¯¥©¥³¢²«³§)?‘157 Mit dieser aus nackter Angst geborenen Exoduskritik und Auflehnung gegen Mose wird der gesamte Meerwunderbericht unter ein neues Vorzeichen gestellt, denn das in Ex 14,13a angekündigte Eingreifen JHWHs dient nun der Widerlegung eben jener Zweifel am göttlichen Befreiungsprojekt und an der mosaischen Anführerschaft.158 Daß die in Ex 14,11 geäußerten Zweifel schließlich komplett ausgeräumt sind, zeigt derselbe Bearbeiter in 14,31aȕb, wo sich die Angst der Israeliten zur Gottesfurcht (Stichwort ±¢) gewandelt hat und die Auflehnung dem Glauben an JHWH und den zuvor angefeindeten Anführer gewichen ist.159 Dabei hat er den VerweiszuVgl. die Ausführungen unter III. 3.1. Die Formulierung in Ex 14,11b ist dabei an 14,5b angelehnt (³© ¥²¢¤©¢²«³§ ©«§ ¥±²¢), den der Ergänzer bereits vorfand; vgl. grundlegend LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 110. 158 Vgl. grundlegend LEVIN, Jahwist, 346, der in Ex 14,11 und dem – allerdings als einheitlich beurteilten – Vers 14,31 ebenfalls denselben Ergänzer am Werk sieht. In der Sache ebenso GERTZ, Tradition, 225f. 159 Den inhaltlichen Bezug notiert auch FOHRER, Überlieferung, 101. 156 157
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
sammenhang zwischen 14,10f.31aȕb zusätzlich dadurch expliziert, daß er die Moserede in 14,13a um die Ankündigung erweiterte, so wie man Ägypten heute sehe, werde man es in Ewigkeit nicht mehr sehen (±² ¢¤ ¦¥«««¦³±¥¢ª³¥¦¢¦¢±¯§³¦³¢±). Der Halbvers zielt auf die ältere Abschlußaussage in 14,30b und nimmt mit der dort geschilderten Augenzeugenschaft der Israeliten gezielt jenes Erzählmoment in den Blick, an das der Bearbeiter die in 14,31aȕb geschilderte Reaktion der Israeliten anschloß. Die in 14,13b vorgenommene Stilisierung des Meerwunders als eines in Vergangenheit und Zukunft analogielosen Ereignisses erinnert dabei an die entsprechenden Aussagen in den Spätschichten des Plagenzyklus (9,18.24; 10,6.14; 11,6), mit denen der Bearbeiter zumindest in wesentlichen Teilen vertraut war. Wie zuvor dargelegt handelt es sich in Ex 14,31aĮ um einen nochmals jüngeren Zusatz, der bereits mit Blick auf den in 14,31aȕb beschriebenen Glauben des Volkes ergänzt wurde. Ziel des Ergänzers ist es also offenbar festzuhalten, daß Israel deshalb zum Glauben kam, weil es zuvor ‚die große Hand‘ gesehen hat, mit der JHWH an Ägypten handelte (³¥±²¢±¢ ¦¢±¯§ ¢ ²« ±² ¥ ¢). Gleichzeitig wird durch die strukturelle Nachbildung der in 14,30b vorangehenden Aussage (jeweils ³¥±²¢±¢ ) expliziert, daß die Israeliten in den am Ufer verstreuten Leichen ihrer ägyptischen Verfolger das Werk eben jener ‚großen Hand‘ ihres Gottes erkennen. Für die Betonung dieses Sachverhaltes besteht im Horizont von Ex 14 allerdings keine erkennbare Notwendigkeit, denn der Meerwunderbericht läßt in keiner seiner Wachstumsphasen einen Zweifel daran aufkommen, daß allein JHWH für die Vernichtung der Ägypter verantwortlich ist. Selbst der den Eindruck von Israels militärischer Schwäche korrigierende Zusatz in 14,8b, der das Bild eines selbstbewußten Auszugs ‚mit erhobener Hand‘ (§± ¢) zeichnet, ändert nichts an dieser erzählerischen Grundkonstante. Daher kann auch die Vermutung nicht überzeugen, 14,31aĮ wolle einem Verständnis von 14,8b, das JHWHs Anteil an den Ereignissen schmälern könnte, nachträglich den Boden entziehen.160 Gegen einen möglichen Bezug von 14,31aĮ auf 14,8b spricht im übrigen bereits, daß der Verfasser von 14,31aĮ eben nicht die ‚erhobene Hand‘ für JHWH reklamiert,161 sondern das eigentümliche Motiv der ‚großen Hand‘ verwendet, das im Alten Testament ohne jede Parallele ist.162 160
Und zwar im Sinne von Dtn 32,27b, ‚damit sie nicht sagen, Unsere Hand war erhoben!, und nicht, JHWH hat all dies getan!‘ (³¥¤¥«¢¥§±©¢¢±§¢¨). 161 Vgl. Jes 26,11; Mi 5,8. 162 Das Motiv scheint modifiziert in Ex 15,16 aufgenommen worden sein, wo die Größe von JHWHs Arm erwähnt wird (s.u., VIII. 4.). Eine überschaubare Wirkungsgeschichte hat das Motiv sodann in den Qumrantexten entfaltet, wo an drei Stellen (1QM I,14; XVIII,1; 4QMidrEschat XI,14) von ‚der großen Hand Gottes‘ (¥¥¢), die Rede ist. Es handelt sich möglicherweise um eine Bezeichnung des Erzengels Michael.
3. Die weitere Wachstumsgeschichte von Ex 13,17-14,31
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Will man der in Ex 14,31aĮ verwendeten Formulierung einen positiven Sinn abgewinnen, so empfiehlt es sich, nicht über mögliches vordtr Formelgut zu spekulieren,163 sondern vielmehr zu fragen, warum der Verfasser die ihm ohne Zweifel bekannten dtr Exodusformeln, in denen die ‚starke Hand‘ (° ¢) JHWHs ihren festen Platz hat,164 in der vorfindlichen Weise abwandelte. Bezeichnenderweise sind die Begriffe ¢ und ¥ innerhalb der Exoduserzählung nur noch ein weiteres Mal im Rahmen ein und desselben Verses belegt, wo sie zwar nicht wie in 14,31aĮ direkt miteinander kombiniert sind, aber doch in einem engen thematischen Zusammenhang stehen. Es handelt sich um die programmatische Ankündigung JHWHs in 7,4 P, seine Hand an Ägypten zu legen und die Israeliten durch große Gerichte herauszuführen. Die terminologischen Parallelen legen die Vermutung nahe, daß in Ex 14,31aĮ eine knappe Anspielung auf 7,4 vorliegt, welche die dortige Ankündigung unter dem Begriff der ‚großen Hand‘ JHWHs bündelt und damit zugleich ihre Erfüllung vermelden will, die sich nun nicht mehr mit der Tötung der Erstgeburt, sondern mit dem Meerwunder ereignet. Um den Grund für diese Akzentverschiebung zu bestimmen, ist zu berücksichtigen, daß über 14,31aĮ auch eine Verknüpfung der hier neu vorbereiteten Glaubensaussage (14,31aȕb) mit der Ankündigung JHWHs aus 7,4 erfolgt. Nun ist der Glaube der Israeliten in Ex 6f. kein ausdrückliches Thema, das Motiv spielt aber insofern eine Rolle, als der Ungehorsam der Israeliten in 6,9b (²§ ¥ «§² ¥) in Widerspruch zu ihrem Glauben in 4,31a steht. Exakt jener textgenetisch bedingte Bruch in der Glaubensgeschichte dürfte den Nachtrag in 14,31aĮ angestoßen haben, welcher in der Rückschau signalisiert, daß JHWH in 7,4 mit dem Meerwunder sogleich das Ereignis ankündigte, das den Glauben des Volkes wiederherstellen sollte. Kann damit für Ex 14,31aĮ ein Zusammenhang mit der im Vergleich zu 14,31aȕb jüngeren Glaubensszene in Ex 4 wahrscheinlich gemacht werden, so gilt es abschließend noch, eine redaktionsgeschichtliche Einordnung von 14,12 vorzunehmen, der sich nachträglich an das Murren in 14,11 angelagert hat.165 Beklagte dort das Volk seinen sinnlosen Tod in der Wüste, so macht es nun geltend, Mose bereits in Ägypten dazu aufgefordert zu haben, es in Ruhe den Ägyptern dienen zu lassen (14,12a: ±²±¥ So LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 113f. Vgl. Dtn 3,24; 4,34; 5,15; 6,21; 7,8.19; 9,26; 11,2; 34,12; Jos 4,24; 1 Kön 8,42. Dabei kann in Dtn 3,24; 11,2 auch vom ‚Sehen‘ der ‚starken Hand‘ die Rede sein (vgl. Ez 39,21); von ihrem ‚Tun‘ (²«) spricht allein Dtn 34,12, meint damit aber die von Mose vollbrachten Wunder. Vom ‚Handeln‘ (²«) JHWHs an/gegen Ägypten (¦¢±¯§) ist sonst noch in Num 14,22; Jos 9,9; 24,7 die Rede, allerdings findet hier die Hand keine Erwähnung. 165 Den Zusatzcharakter des Verses notiert auch LEVIN, Jahwist, 346; ähnlich WEIMAR, Meerwundererzählung, 271. Anders etwa LAMBERTY-ZIELINSKI, Schilfmeer, 110; GERTZ, Tradition, 225f., denen Ex 14,11f. als einheitlich gelten. 163 164
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¦¢±¯§ ³ «© ©§§ ¥ ±§¥ ¦¢±¯§ £¢¥ ©±),166 schließlich sei der Frondienst in Ägypten besser als der Tod in der Wüste (14,12b: ©¥¡¢¤ ±§©³§§¦¢±¯§³«). Während der Hintergrund dieses Kalküls recht deutlich in Num 14,3 erkennbar ist, fällt auf, daß die Situation, auf die in Ex 14,12a Bezug genommen wird, so nirgendwo eintritt. Als Anknüpfungspunkte im Vorkontext werden 5,21 und 6,9 diskutiert, wobei der erstgenannte Vers zwar Teil einer Schicht ist, in deren Zentrum das Selbstverständnis der Israeliten als Fronarbeiter steht, selbst aber kaum als direkter Bezugspunkt von 14,12 in Betracht kommt, da in 5,21 Mose und Aaron beschuldigt werden, Israel bei den ägyptischen Honoratioren in Verruf und damit in Lebensgefahr gebracht zu haben. Wahrscheinlicher ist dagegen, daß der Verfasser von 14,12a den fiktiven Dialog zwischen den Israeliten und Mose in 6,9b hineinlas, denn die Aussage, die Israeliten hätten aus Kleinmut und wegen der schweren Arbeit nicht auf Moses Ankündigung des Exodus gehört, ließ sich entgegen ihrer ursprünglichen Intention auch so deuten, daß sie den Exodus zugunsten eines Verbleibs in der Sklaverei verschmähten.167 Wenn nun dieses Verständnis durch Ex 14,12 auf 6,9b zurückprojiziert wird, so wirft dies die Frage nach dem Verhältnis des Verses zu 14,31aĮ auf, für dessen Verständnis 6,9b wie gesehen ebenfalls von Bedeutung ist. Daß 14,12.31aĮ zusammen genommen zur nachträglichen Profilierung des Spannungsbogens zwischen Murren (14,11) und Glauben (14,31aȕb) beitragen, indem sie jeweils auf denselben textlichen Rückraum anspielen, wird kaum zufällig sein, sondern legt den Schluß nahe, daß an beiden Stellen derselbe Bearbeiter tätig war. Ex 14,12 trägt also seinen Teil zur Überwindung des in 4,31a; 6,9b angezeigten Bruchs in der israelitischen Glaubensgeschichte bei, indem es diesen zunächst einmal in seiner ganzen Radikalität erkennbar macht.168 Dies geschieht mit dem Motiv einer Bevorzugung des Sklavendaseins auf eine Weise, die wie gesehen in der Sache stark an jene Bearbeitungsschicht erinnert, die die Erzählung von der Verschärfung der Fron um ihren zweiten Teil in 5,14-21 erweiterte. Das spricht dafür, daß die in 14,12.31aĮ greifbare Bearbeitung nicht allein die Glaubensthematik in Ex 4, sondern bereits die beiden großen Wachstums166
Durch Ex 14,12 wird der bereits zwischen dem Murren der Israeliten in 14,11b und der Reue des Pharao und seiner Hofbeamten in 14,5b bestehende Bezug weiter vertieft, indem nun auch die Israeliten selbst ihre Entlassung aus dem Sklavendienst bedauern. 167 Zum Zusammenhang zwischen Ex 6,9b; 14,12a vgl. JACOB, Buch Exodus, 411; WEIMAR, Meerwundererzählung, 250. Er wurde in b nachträglich dadurch expliziert, daß man die in 14,12a zitierte Rede hinter 6,9b ergänzte. 168 Man beachte, daß die in Ex 14,12 geäußerte Präferenz des Sklavendaseins Explikation des Schreis der Israeliten in 14,10 ist. Makrokontextuell wird so ein starker Kontrast zum Schreien des unter den Frondiensten leidenden Volkes aufgebaut (2,23f.; 6,5). Ähnlich bereits WEIMAR, Meerwundererzählung, 250f.
4. Dank und Lobpreis (Ex 15,1-21)
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phasen voraussetzt, denen die Erzählung von der Verschärfung der Fron (5,5-6,1) ihre Existenz verdankt. Die Bearbeitung markiert den späten Versuch, das Auf und Ab in Israels Glaubensgeschichte vor dem Auszug rückblickend mit einer Entwicklungslinie zu verbinden, die ihr positives Ziel in 14,31aȕb findet.
4. Dank und Lobpreis (Ex 15,1-21) An den Meerwunderbericht (Ex 14) schließen sich in 15,1-19.20f. zwei sehr unterschiedlich dimensionierte Hymnen an, die in 15,1b.21b in nahezu identischer Weise einsetzen, wobei dieser Anfang im zweiten Fall gleichzeitig das Ende markiert: ‚Singet JHWH, denn hoch hat er sich erhoben! Roß und Reiter warf er ins Meer!‘ (15,21b: ªª¢¤¢¥±¢² ¦¢§±¤±). Die Tatsache, daß Mose das knappe Miriamlied in 15,1b in der Sache unverändert aufgreift und es an den Beginn eines vergleichsweise ausführlichen Dankliedes stellt (‚Ich will JHWH singen, denn ...‘ – ¢¤ ¢¢¥ ±¢²), läßt sich redaktionsgeschichtlich nur so interpretieren, daß das Meerlied eine jüngere literarische Bildung auf der Basis des Miriamliedes repräsentiert.169 Hierfür spricht ferner, daß das Siegeslied Miriams als unmittelbare Reaktion auf die in 14,30 von den Israeliten bestaunte Niederlage der Ägypter viel eher einleuchtet als das Moselied, das seinen erzählerischen Horizont weit transzendiert, indem es in 15,1218 den weiteren Weg der Israeliten bis zur Ankunft beim Heiligtum auf dem Zion nachzeichnet. Auf die literarische Priorität von Ex 15,21b deutet schließlich auch, daß sich kaum plausibel machen läßt, was einen späteren Ergänzer veranlaßt haben sollte, die von Mose bereits gebrauchten Worte noch einmal der aufs Ganze gesehen vollkommen unbedeutenden Gestalt der Miriam in den Mund zu legen. Die umgekehrte Entwicklung leuchtet dagegen sofort ein, da ein Prophet wie Mose der Prophetin Miriam natürlich in nichts nachstehen durfte.170 169 So die communis opinio. Vgl. u.a. RUDOLPH, Elohist, 31f.; NOTH, ATD 5, 98; FOHRER, Überlieferung, 110-116; CRÜSEMANN, Studien, 19; HERRMANN, Aufenthalt, 84; SMEND, Auszug, 41; W.H. SCHMIDT, EdF 191, 60-70; LEVIN, Jahwist, 347; KRATZ, Komposition, 290, Anm. 81. Eine nachträgliche Auffüllung des Miriamliedes mit Material aus dem vorangehenden Meerlied bezeugt 4Q365 6a II + 6c 1-7 (vgl. DJD 13, 269-271). 170 Anders SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 99-101, der das Miriamlied zwar für die Vorlage des Meerliedes hält, aber damit rechnet, es sei später als dieses in die Exoduserzählung eingearbeitet worden. SPIECKERMANN macht hierfür vor allem geltend, daß die das Miriamlied kontextualisierenden Rahmenverse Ex 15,19.20 priesterschriftlichen Einfluß erkennen lassen. Dabei ist richtig beobachtet, daß der nachpriesterschriftliche Vers 15,19 vom Meerlied zum Miriamlied überleitet, nur heißt das, wie auch GERTZ, Tradition, 192, hervorhebt, eben nicht, daß diese Überleitung von derselben Hand stammen muß, die das Miriamlied einstellte.
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
Eingeleitet wird die kurze Lobpreisszene in Ex 15,20f. durch das Auftreten der Prophetin Miriam (¢© ¦¢±§), die durch die nachgeschaltete Apposition ¨± ³ zusätzlich als Schwester Aarons identifiziert wird. Die Erwähnung Aarons deutet auf priesterschriftlichen Einfluß, was im Umkehrschluß für eine nachpriesterschriftliche Entstehung von 15,20f. sprechen würde. Dem steht allerdings entgegen, daß Miriams Tod und Begräbnis „in Num 20,1 [...] in alter Quelle erwähnt sind,“ Miriam also „eine tragende Gestalt der Auszugs- und Wüstenüberlieferung gewesen sein“ muß.171 Zu einer solchen wird sie aber eben nur durch ihren Auftritt in Ex 15,20f., denn die einzige weitere Passage, in der Miriam eine Rolle spielt, ist die massiv redigierte Erzählung über ihre Bestrafung mit Aussatz (Num 12), deren Grundbestand kaum rekonstruierbar und in seiner literarhistorischen Einordnung sehr unsicher ist. Selbst wenn sich in Num 12 ein alter Kern verbergen sollte, der im literarischen Horizont der Todesnotiz Num 20,1b liegt, bliebe Miriams wie auch immer geartetes Aufbegehren gegen Mose ohne ihre erzählerische Einführung als charismatische Führungsgestalt in Ex 15,20f. unverständlich. Dies spricht dafür, daß das Miriamlied zum ältesten Bestand der vorpriesterschriftlichen Exodus-LandnahmeErzählung zu zählen ist, wohingegen es sich bei der Miriam als Schwester Aarons identifizierenden Apposition in 15,20a um einen späteren Zusatz handeln wird.172 Miriam führt in Ex 15,20* mit der Pauke (¬³) in der Hand einen Reigentanz der Frauen an, was ihrem Prophetentum einen ekstatischen Zug verleiht (vgl. 1 Sam 10,10-12). Vergleichbare Szenen sind aus Ri 11,34; Wie die folgende Analyse zeigen wird, geht 15,19 vielmehr auf den Verfasser des Meerliedes zurück, der so zum älteren Erzählzusammenhang zurücklenkt. Ex 15,19 beweist damit nicht die nachpriesterschriftliche Einschaltung des Miriamlieds, sondern unterstreicht umgekehrt eine entsprechende literarhistorische Verortung des diesem nachträglich vorangestellten Meerliedes. Zu möglichen priesterschriftlichen Einflüssen auf 15,20 s. im folgenden. 171 LEVIN, Jahwist, 343; vgl. KRATZ, Komposition, 290. 172 Vgl. KNAUF, Midian, 132; LEVIN, Jahwist, 342, Anm. 4. Erklärungsbedürftig bleibt, warum Miriam nicht wie in Num 26,59 als Schwester Aarons und Moses vorgestellt wird, ist doch Aaron von vornherein als Moses Bruder bekannt (Ex 7,1 P sowie später 4,14) und damit notwendig auch ein geschwisterliches Verhältnis zwischen Mose und Miriam impliziert. Denkbar wäre etwa, daß der in Ex 15,20 tätige Ergänzer es mit der Erwähnung Aarons als des älteren Bruders (7,7) bewenden ließ (GERTZ, Tradition, 193, Anm. 22). Oder soll durch die exklusive Verknüpfung Miriams mit Aaron angezeigt werden, „that the function of the female singers was Levitical in nature“ (BRENNER, Song, 45)? Möglicherweise ist der Nachtrag auch von Num 12 her gedacht, wo Aaron und Miriam zu einer Schicksalsgemeinschaft verschweißt wurden. Theoretisch denkbar wäre sogar, daß die Erwähnung Aarons in Ex 15,20 ursprünglich ist und hier „der ursprüngliche Ort Aarons vor seiner Karriere als Priester und Mundwerk Moses“ greifbar wird, doch spricht gegen diese von KRATZ, Komposition, 290, Anm. 81, geäußerte Vermutung, daß Aaron im vorpriesterlichen Erzählbestand sonst keine erkennbare Rolle mehr spielt.
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1 Sam 18,6f. bekannt und spiegeln den Brauch, daß die Frauen einem siegreichen Kämpfer singend und tanzend entgegenziehen.173 Daß in 15,21a die zuvor als Prophetin gezeichnete Miriam allein das Wort ergreift,174 verdeutlicht allerdings den entscheidenden Unterschied: In Ex 15 ist es kein menschlicher Krieger, sondern JHWH selbst, dessen Sieg gepriesen wird. Dies geschieht in 15,21b in den Worten eines imperativischen Hymnus, der deutlich über seinen direkten literarischen Kontext hinausweist: Was hier als spontanes Siegeslied erscheint, hat seinen eigentlichen und ursprünglichen Ort im Tempelkult, und zwar nicht als Lobpreis der tanzenden Frauen, sondern der ganzen Gemeinde:175 ‚Singet JHWH, denn hoch hat er sich erhoben! Roß und Reiter warf er ins Meer!‘ (ªª ¢¤ ¢¥ ±¢² ¦¢ §± ¤±). Der gattungsgeschichtliche Überschuß des Hymnus sowie die Tatsache, daß er nicht exakt auf den vorangehenden Bericht abgestimmt ist, machen eine kontextbezogene literarische Bildung sehr unwahrscheinlich. In Ex 15,21b wird ein Traditionsstück greifbar, das der Exoduserzählung in ihrem ältesten erreichbaren literarischen Bestand vorausgeht. Hieraus zu schließen, daß das Exodus-Credo seinen festen Platz im kultischen Lobpreis der vorexilischen Gemeinde gehabt habe,176 wäre allerdings verfrüht, da der in Ex 15,21b erhaltene Hymnus „für sich genommen [...] mit dem Exodus gar nichts zu tun hat, sondern lediglich den Sieg Jhwhs über irgendwelche Rosse und Reiter besingt, die Jhwh einmal ‚ins Meer‘ geworfen hat“177. Selbst wenn dabei an die in Ex 14 berichteten ErVgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 100. Die Frage, ob Miriam in Ex 15,21a ein Lied anstimmt oder den Frauen im Wechselgesang antwortet, läßt sich von der Bedeutung der verwendeten Wurzel ©« her nicht entscheiden; vgl. JOÜON, Respondit, 312. Der vorliegende Text (¦¢±§¦¥¨«³) scheint eher für die zweite Möglichkeit zu sprechen (‚da antwortete ihnen Miriam‘), doch ist fraglich, ob der Halbvers in seiner vorliegenden Gestalt ursprünglich ist. Bezeichnenderweise findet hier nämlich die Präposition ¥ mit einem maskulinen Suffix Verwendung, was nach der direkt vorangehenden Verwendung einer femininen Verbalendung in 15,20a (¦¢²© ¥¤ ¨¯³) zumindest auffällig ist. Es erscheint nicht unwahrscheinlich, daß das ©« in 15,21a zunächst wie in 1 Sam 18,7 ohne Präposition (¦¥) konstruiert war und diese nachträglich ergänzt wurde, um das Miriamlied als Antwort auf das Lied Moses und der Israeliten (15,1) zu kennzeichnen. Vgl. HOUTMAN, Exodus II, 295, dem diese Sinndimension freilich als ursprünglich gilt. Anders JANZEN, Song of Moses, 216, der dieselbe Beobachtung so interpretiert, daß das Lied des Mose als Antwort auf das Miriamlied zu lesen sei. Dies läßt sich am Text nicht verifizieren. 175 Vgl. grundlegend CRÜSEMANN, Studien, 19-24; SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 100102. Ebenso WEIMAR/ZENGER, Exodus, 72f.; LEVIN, Jahwist, 343; BECKER, Exodus-Credo, 86. 176 So etwa NOTH, ATD 5, 96f.; ALBERTZ, Religionsgeschichte I, 220-226; VAN DER TOORN, Exodus, 113-127; BECKER, Exodus-Credo, 86-92. 177 KRATZ, Komposition, 292; vgl. LEVIN, Jahwist, 342f. Das Phänomen beobachtet u.a. auch HERRMANN, Aufenthalt, 84, der aber in Ermangelung von Alternativen zum Hintergrund der im Miriamlied besungenen Ereignisse mit dem Wunsch schließt, es „[m]öge darum der 173 174
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
eignisse gedacht sein sollte, böte das Miriamlied zunächst nicht mehr als einen Reflex auf das Meerwunder, doch läßt dies eben nicht den Schluß zu, daß damit bereits die Idee eines Auszugs aus Ägypten verknüpft war. Nimmt man die Tatsache ernst, daß es schlechterdings keine historisch belastbaren Belege für einen wie auch immer gearteten Stellenwert des Exodus-Credos im vorexilischen Tempelkult gibt,178 und berücksichtigt ferner das Exodusschweigen des Miriamliedes, so liegt der Schluß näher, daß der knappe Hymnus erst vom Verfasser der Exoduserzählung mit der Idee eines Auszugs aus Ägypten verbunden wurde. Er verlieh der in 15,21b bewahrten Erinnerung an einen Sieg, den JHWH einst an einem Gewässer über (ägyptische?) Feinde179 errungen hatte, in Ex 14,5-30*180 literarische Gestalt181 und schloß hieran den älteren Hymnus an, der nun in 15,20f.* als Siegeslied in den Erzählzusammenhang integriert ist.182
Verfasser des Exodus-Buches rechtbehalten, der es mit dem Schilfmeer-Ereignis verband.“ In der Sache ähnlich etwa auch FOHRER, Überlieferung, 111f.; SMEND, Jahwekrieg, 80; CRÜSEMANN, Studien, 20f., Anm. 6. 178 Die Verknüpfung der Kultreform Jerobeams mit dem Exodus (1 Kön 12,28) spiegelt keine historischen Realitäten, sondern das theologische Interesse eines Deuteronomisten, der Jerobeam mit der Präambel des Dekalogs jenen Text anzitieren läßt, gegen dessen ersten beiden Gebote dieser mit der Errichtung der beiden Stierbilder auf so eklatante Weise verstößt; vgl. grundlegend KRATZ, Komposition, 165f., sowie jüngst PAKKALA, Jeroboam, 501525. Auch die sog. ‚Geschichtspsalmen‘ (bes. Ps 78; 105; 106; 135; 136) scheiden als Quellen für die Königszeit aus. Ihre detaillierte Kenntnis der Vorgeschichte Israels beruht nicht auf irgendwelchen alten Traditionen, sondern speist sich aus einem literarisch weit entwickelten, nachpriesterschriftlichen Hexateuch. Es handelt sich wie bei dem im folgenden zu diskutierenden Meerlied (Ex 15,1-19) um schriftgelehrte Bildungen aus spätpersischer bzw. frühhellenistischer Zeit. 179 Daß die Ägypter in Anbetracht der Lokalisierung der Ereignisse am Meer ein naheliegender Kandidat für die nach Ex 15,21b versenkten Feinde sind, wird man LEVIN, Jahwist, 343, zugestehen müssen. Alternativlos ist diese Identifizierung freilich nicht. 180 Vgl. besonders die sachliche Parallele zwischen Ex 14,27b und 15,21b. 181 Auch WEIMAR/ZENGER, Exodus, 79-87, nehmen an, daß das Miriamlied der am Beginn der Entwicklung von Ex 14 stehenden JHWH-Kriegserzählung literarisch vorausgeht, rechnen allerdings mit mündlichen Überlieferungen zum Meerwunder, vor deren Hintergrund Ex 15,21b als jahwetreue Kritik an einer davidischen Propaganda verfaßt wurde, die sich auf dessen Sieg über die Philister berief. Derartige Spekulationen sind schwerlich haltbar. Kritisch bereits W.H. SCHMIDT, EdF 191, 64, der allerdings ebenfalls einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen Miriamlied und Exodus annimmt. Anders KNAUF, Midian, 142-146, der zwar zutreffend darauf abhebt, daß das Miriamlied erst nachträglich in der in Ex 14 greifbaren Weise mit dem Gedanken eines Auszugs aus Ägypten verbunden wurde, dies aber mit weitreichenden Mutmaßungen zur Übermittlung des Liedes durch die midianitische Prophetin Miriam verbindet, die jeglicher Quellenbasis entbehren. 182 Zum vorpriesterschriftlichen Textzusammenhang in Ex 14,30; 15,20f.* vgl. LEVIN, Jahwist, 341f.; KRATZ, Komposition, 303. Ähnlich etwa NOTH, Überlieferungsgeschichte, 32, Anm. 107; EISSFELDT, Hexateuch-Synopse, 137*-139*; KNAUF, Midian, 132. Zurückhaltend
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Maßgeblich war dabei die unter VIII. 1. herausgearbeitete Intention des Verfassers, mit der Meerwundererzählung ein Gegenstück zu der am Nil situierten Aussetzungsgeschichte zu schaffen, mit der er die Dinge in Ex 2 ihren Anfang hatte nehmen lassen. Die Exoduserzählung in ihrer ältesten Gestalt ist ein planvoll zwischen diesen Eckpfeilern (Ex 2; 14) aufgehängtes literarisches Konstrukt, und es wäre verwunderlich, hätte Ex 15,21b die Kerninhalte aus Ex 2-14 bereits gekannt, bevor diese erstmals literarisch Gestalt gewannen. Setzte das Miriamlied die Darstellung in Ex 14,5-30* allererst aus sich heraus, so handelt es sich im Gegensatz dazu beim Meerlied (15,1-18.19) von Anfang an um eine schriftgelehrte Bildung, die gezielt als Abschlußgröße der Exoduserzählung verfaßt wurde. Wie der folgende Durchgang durch den Text zeigen wird,183 nimmt der Verfasser nicht nur mehrfach explizit auf den priesterschriftlich überarbeiteten Meerwunderbericht Bezug,184 sondern spielt überdies auf eine Anzahl nochmals jüngerer Passagen an, womit die Entstehung des Meerliedes bereits in eine weit fortgeschrittene nachpriesterschriftliche Entwicklungsphase fällt.185 Schon der einleitende Lobpreis JHWHs, der sich in 15,2f. an das den Psalm eröffnende Zitat des Miriamlied (15,1b) anschließt, läßt in den Horizont des Psalter gestellt ein singuläres Gepräge erkennen. Daß der Beter JHWH als ‚Gott meines Vaters‘ (15,2bȕ: ¢ ¢¥) anruft, ist dort ebenso ohne Parallele wie der den Passus beschließende Halbvers, der JHWHs Namen nicht etwa preist, sondern ihn einfach nennt und so reichlich prosaisch auf die Identität der Gottheit abhebt (15,3b: §² ¢). Beide Motive haben ihren Hintergrund in einer nachpriesterschriftlichen Bearbeitung der Dornbuschszene, die ihre Spuren u.a. in 3,6a.15 hinterlassen hat. Aus 3,6a stammt die dort zur Verknüpfung mit Gen 46,2 eingeschaltete Bezeichnung JHWHs als ‚Gott meines Vaters‘, während Ex 15,3b im Licht von 3,15 verfaßt wurde, wo die in 3,13 angestoßene Debatte um den JHWHGERTZ, Tradition, 193, nach dessen Ansicht positive Indizien für eine entsprechende literarhistorische Einordnung des Miriamliedes fehlen. 183 Ziel der folgenden Ausführungen ist es, das Meerlied im Verhältnis zu den vorangehenden Prosastücken redaktionsgeschichtlich zu positionieren. Eine detaillierte Auslegung des Psalms (hierzu SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 96-115) sowie eine Bestimmung seines literarhistorischen Verhältnisses zu den ebenfalls (spät-)nachexilischen hymnischen Paralleltexten Ps 78; 106; 135f. muß dagegen im Rahmen dieser Arbeit auf sich beruhen bleiben. 184 Vgl. BRENNER, Song, 186-188; LEVIN, Jahwist, 347. Ähnlich FOHRER, Überlieferung, 112-116, der das Meerlied für eine nachexilische Bildung hält, die die redaktionelle Verbindung zwischen J, E und N voraussetze. Anders GERTZ, Tradition, 192, der sich der von SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 112, Anm. 53, geäußerten Einschätzung anschließt, „die Kenntnis der Priesterschrift [sei] so gut wie sicher nicht in Ex 15 vorauszusetzen.“ Zur Einschätzung, das Meerlied sei ein prämonarchisches Traditionsstück, vgl. etwa CROSS, Canaanite Myth, 121-124; PROPP, AncB 2, 562-568. 185 Vgl. grundlegend K. SCHMID, Erzväter, 238-241.
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Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
Namen ein für alle Mal beendet wird. Mose rekapituliert somit am Beginn des Meerliedes zunächst zwei der ihm in Ex 3 offenbarten Lehrstücke aus dem Kapitel De Deo,186 bevor er in 15,4 auf die bisher lediglich angerissenen Ereignisse am Schilfmeer zurückkommt, mit denen eben dieser Gott seine Macht erwiesen hatte. In Ex 15,4* besingt der Beter, wie JHWH die Wagen des Pharao ins Meer wirft (¦¢ ±¢ «± ³¤±§), und wie dessen erlesene Offiziere im Schilfmeer versenkt werden (¬ª¦¢«¡¢²¥²± §). Die Formulierungen finden im gesamten Psalter keine einzige Parallele und sind samt und sonders aus dem unmittelbaren erzählerischen Vorkontext des Meerliedes entlehnt.187 So greift der Dichter mit der Bezeichnung der Streitwagen als ³¤±§ (15,4a*) auf den nachpriesterschriftlichen Halbvers 14,25a zurück, wo das Lexem seine einzige weitere Belegstelle im Exodusbuch hat. Nicht häufiger belegt sind die Offiziere des Pharao (15,4b: ¢²¥²), die aus 14,7b entlehnt wurden. Daß es sich um die Auslese der Offiziere (¢²¥² ± §) handelte, findet seinen Hintergrund im direkten Vorkontext (14,7aĮ), wo von den 600 erlesenen Streitwagen (± ¤±) des Pharao die Rede ist. Der Verfasser von 15,4b stellt das vorgefundene Textmaterial neu zusammen und schafft so eine poetische Darstellung der Niederlage der Ägypter im perfekten parallelismus membrorum. Dieser Parallelismus wird in der vorliegenden Gestalt von 15,4 empfindlich durch das in der ersten Vershälfte nachgetragene ¥¢ gestört, mit dem ein späterer Ergänzer auch das erstmals von P erwähnte Heer des Pharao (14,4.17bĮ.28) in den Untergang einbezieht.188 Dies läßt nun freilich nicht den Schluß zu, der Grundbestand des Meerliedes sei vorpriesterschriftlich, sondern zeigt lediglich, daß dieses literarisch nicht einheitlich ist und man mit nachträglichen Bemühungen zu rechnen hat, die literarischen Bande zwischen ihm und dem in Ex 14 vorangehenden Prosabericht noch enger zu knüpfen. Hierauf wird im weiteren Verlauf der Darstellung noch näher einzugehen sein. Zunächst sei allerdings der begonnene Durchgang durch das Meerlied fortgesetzt und die Liste der rezipierten Bezugstexte um weitere Beispiele vermehrt. Hatte der Verfasser in Ex 15,4f. ein erstes Mal die Vernichtung der Ägypter mit eigenen Worten beschrieben, so schloß er hieran zunächst in 15,6f. grundsätzliche Aussagen zum göttlichen Zornesgerichts über die Feinde an, die den Boden für eine neuerliche Beschreibung des Meer186
In der Sache ähnlich, wenngleich unter der unzutreffenden Prämisse, das Meerlied repräsentiere ein altes Traditionsstück, PROPP, AncB 2, 509: „Because of the prominence it accords the divine name, the Song of the Sea culminates the theme of the knowledge of Yahweh and his name pervading Exodus 3-15“. 187 Die Bezüge notiert auch JEREMIAS, Königtum, 98, im Anschluß an NORIN, Er spaltete, 93f., und ZENGER, Tradition, 462f. (mit Anm. 19). 188 Zum Nachtragscharakter des Wortes vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 97, Anm. 4.
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wunders bereiten. Vor dem Hintergrund von 15,6f. führt der Dichter in 15,8 das Motiv des zornigen Schnaubens (£¢ ±) ein, durch das die Wasser gehäuft werden (¦¢§§±«©), die Strömungen wie ein Damm stehen (¦¢¥©©§¤¯©) und die Urfluten im Herzen des Meeres erstarren (° ¦¢ ¥ ³§³). Im Hintergrund stehen unverkennbar die Ereignisse aus 14,21, wo JHWH durch einen starken Ostwind (¦¢° ±) das Meer zurückdrängt und so die Spaltung der Wasser bewirkt (¦¢§ «°¢). Der Ostwind hat sich in 15,8 zum zornigen Schnauben JHWHs gewandelt (Stichwort ±),189 das nun ursächlich für die Zustandsveränderung des Meeres ist. Deren bildreiche Beschreibung läßt keinen Zweifel daran, daß es hier um das von P eingeführte Motiv der gespaltenen Wasser geht, die sich auf beiden Seiten der Israeliten wie Mauern erheben (14,22.29).190 Der priesterschriftliche Einfluß ist auch in Ex 15,9 unverkennbar, wo sich die Darstellung wortreich dem Beschluß des (ägyptischen) Feindes zuwendet, seine (israelitischen) Opfer zu verfolgen (¬±) und zu vernichten.191 Nach 15,8 (par. 14,21) kann kein Zweifel daran bestehen, daß hier die in 14,22.23aĮb beschriebene Verfolgung (¬±) der in das geteilte Meer vorangezogenen Israeliten beschrieben wird, womit der Verfasser des Meerliedes auf die von P eingeführte Konzeption des Meerwunders als Durchzugsereignis anspielt, die dem vorpriesterschriftlichen Text noch völlig unbekannt war. Hatte der Verfasser in 15,8f. die Ereignisse aus 14,21-23 nachgezeichnet, so wendet er sich in 15,10 abschließend der Vernichtung der Ägypter zu. Dabei wird die verwickelte Ereignissequenz aus 14,24-28 zu der prägnanten Aussage kondensiert, JHWH habe mit seinem Atem geblasen und das Meer habe die Ägypter bedeckt (15,10a: ³²© ¦¢§ª¤£ ±), womit noch einmal die Windmotivik aus 15,8 bemüht wird, die sich so zu einem thematischen Rahmen um die poetische Nacherzählung des Meerwunders in 15,8-10 fügt. Obgleich die Verknüpfung des erzählerischen Finales mit einem Windphänomen in 14,24-28 ohne Parallele ist und sich allein der Kreativität des Verfassers verdankt, ist der Einfluß der Prosavorlage auch in 15,10a unübersehbar. Daß die Ägypter vom Meer bedeckt werden (ª¤), hat hier wie schon in 15,5 die entsprechende 189 Vgl. zum Stichwortbezug VATER, Commentar II, 60; NOTH, ATD 5, 99; LAUHA, Schilfmeermotiv, 39; CASSUTO, Commentary, 175; BRENNER, Song, 102. 190 Bereits BAENTSCH, HK I/2, 133, notiert zu Ex 15,8, der Dichter kombiniere hier „die Vorstellungen von J (14 21) und E (P) (14 22), indem er den Wind wie einen Keil wirken lässt, der die Wasser auseinandertreibt.“ Vgl. jüngst FISCHER/MARKL, NSK.AT 2, 167. 191 Die ersten beiden in Ex 15,9a verwendeten Verben (¬± und ²©) begegnen in derselben Reihenfolge auch in 14,9aĮ, wobei das literarische Gefälle in diesem Fall ausnahmsweise vom Meerlied zum vorangehenden Prosabericht verläuft; s.o., VIII. 3.1. Daß das Meerlied in 15,9a eine geprägte Wendung aufgreift, also auf den Hintergrund von 14,9aĮ überhaupt nicht angewiesen ist, zeigt das Beispiel von Ps 7,6; 18,38, die dieselbe Verbalsequenz, ebenfalls mit ¢ als Subjekt konstruiert, bezeugen.
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Formulierung aus 14,28a zum Hintergrund, wo das Verb innerhalb der Meerwundererzählung das einzige Mal verwendet wird. Ex 14,28a ist erneut Teil der priesterschriftlichen Bearbeitung.192 Der kurze Durchgang durch Ex 15,8-10 hat weitere eindeutige Belege dafür zutage gefördert, daß das Meerlied entsprechend der oben aufgestellten These als nachpriesterschriftliche literarische Bildung anzusprechen ist. Deutlich wurde auch, daß der Dichter trotz seiner grundsätzlichen Treue gegenüber der Prosavorlage kreative Eigenakzente zu setzen wußte. Dies zeigt sich etwa auch an der Formulierung in 15,8aȕ, die Strömungen hätten wie ein Wall (©) gestanden,193 die kaum zufällig einen Begriff verwendet, der in den erzählenden Partien des Alten Testaments nur noch in Jos 3,13.16 begegnet, wo er im Zusammenhang mit der Stauung des Jordans steht. Das Meerwunder wird so gezielt auf den Jordandurchzug transparent gemacht, so daß im Rückblick auf das zentrale Auszugsereignis bereits der Einzug ins Land antizipiert wird.194 Damit wird neuerlich ein Aspekt vertieft, der erstmals in der priesterschriftlichen Fassung der Meerwundererzählung angelegt ist. Gleichsam auf halbem Weg zwischen Meerwunder und Jordandurchzug befindet sich mit dem Auftstand Datans und Abirams (Num 16) ein weiteres Erzählstück, das aufgrund seiner motivischen Parallelen zu den Ereignissen in Ex 14 Eingang ins Meerlied gefunden hat. Ex 15,12 (‚Du strecktest aus deine Rechte, da verschlang sie die Erde‘ – §«¥³£©¢§¢³¢¡© ®±) blickt eindeutig auf das Ende der beiden Frevler (Num 16,32.34),195 das als Tat JHWHs mit der zuvor besungenen Versenkung der Ägypter parallelisiert wird und im vorliegenden Text die auf die Landnahme zulaufende Ereignissequenz eröffnet. Allerdings bestehen begründete Zweifel an 192
Im Hintergrund von Ex 15,10b scheint ferner 14,28b (ebenfalls P) zu stehen. Ebenso Ps 78,13. 194 Auf die Parallele zwischen Ex 15,8 und Jos 3,13.16 verweisen bereits Rashi und Ibn Esra; vgl. VATER, Commentar II, 54. 195 Vom Verschlungenwerden («¥) durch die Erde (®±) ist im Alten Testament exklusiv mit Blick auf Datan und Abiram die Rede; vgl. Num 16,32.34 sowie die hiervon abhängigen Sekundärparallelen in Num 26,10; Dtn 11,6; Ps 106,17. Es kann daher kein Zweifel bestehen, daß auch Ex 15,12 auf dieses Ereignis anspielt (vgl. HOUTMAN, Exodus II, 286; FISCHER/ MARKL, NSK.AT 2, 169; ebenso bereits HOLZINGER, KHC 2, 49; EHRLICH, Randglossen, 321f.; HEINISCH, HSAT I/2, 126; BEER, HAT I/3, 82). Die Annahme, Ex 15,12 speise sich aus Num 16,32.34, übertrage den Untergang Datans und Abirams aber auf die Ägypter (so BRENNER, Song, 122-125, im Anschluß an WATTS, Song, 374), ist nicht nur unnötig, sondern hat auch die Struktur des Psalms gegen sich, in dem mit 15,10 die Darstellung des Meerwunders abgeschlossen ist. Das Gezwungene einer Verbindung von 15,12 mit dem Untergang der Ägypter zeigen bereits die recht hilflosen Versuche, den konkreten Bildgehalt des Verses mit dem Ereignis zu verknüpfen: So denkt NOTH, ATD 5, 99, an den „Todesbereich unter der Erde“, CASSUTO, Commentary, 176, liefert das Stichwort „Sheol“, und JACOB, Buch Exodus, 446, will durch ®± ganz konkret den „Meeresboden“ bezeichnet sehen. 193
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der Ursprünglichkeit des Reflexes auf das Ende Datans und Abirams, denn der Vers kommt im Ereignisverlauf vor 15,13 zu früh. In seinem Horizont gelesen, hat es den Anschein, als hätte JHWH das von ihm erlöste Volk erst nach den in Num 16 beschriebenen Eregnissen geleitet (15,13a: ³¢ © ³¥ ¦« £ª ), was schwerlich gemeint sein kann. Die Führungsaussage ist im Einklang mit ihrer Vorlage aus 13,21f. auf die Wüstenwanderung als ganze bezogen,196 was auch im Verweis auf die Erlösung (¥) des Volkes anklingt, die der Verfasser gemäß des einzigen weiteren Belegs in 6,6 P mit dem Moment des von JHWH erzwungenen Auszugs identifiziert haben wird. Ex 15,13 findet seinen ursprünglichen Ort im direkten Anschluß an die Schilderung des Meerwunders, die der Dichter in 15,11a damit beschloß, daß er die Unvergleichlichkeit JHWHs pries.197 Daß diese Unvergleichlichkeit in JHWHs Wundertätigkeit besteht, wurde in 15,11b erst von einem Späteren nachgetragen,198 der das Motiv im selben Atemzug am Beispiel Datans und Abirams explizierte (15,12). Ex 15,13 ist in der vorliegenden Gestalt des Meerliedes von Zusätzen umgeben, denn der Vers folgte ursprünglich ebensowenig auf 15,12 wie er seine Fortsetzung in 15,14-16 fand. Die letztgenannten Verse schildern unter Rückgriff auf die Metaphorik des Meerwunders den ‚Durchzug‘ (±«) der Israeliten durch das Territorium der von Furcht gelähmten Landesbewohner und erweisen sich nicht nur in Anbetracht der sachlichen und stilistischen Abweichungen vom unmittelbaren Kontext,199 sondern auch aufgrund der modifizierten Wiederaufnahme von 15,13a (³¥ ¦«) in 15,16bȕ (³¢©°¦«) als nachträglicher Einschub. Die Führungsaussage in 15,13, darauf deutet bereits die Zielangabe ‚an seine heilige Stätte‘ (©¥ £²°) an ihrem Ende hin, fand ursprünglich ihre direkte Fortsetzung in 15,17, wo der in 15,13 angelegte Zionsbezug aufgenommen und näher expliziert wird. JHWHs Führung seines Volkes erreicht ihr Ziel nicht schon im Moment der Landnahme, sondern erst mit der ‚Einpflanzung‘ («¡©) Israels am Ort des Jerusalemer Tempels, an dem auch der Ruf seinen Platz hat, der den Psalm in 15,18 beschließt: ‚JHWH herrscht als König für immer und ewig‘ («¦¥«¥£¥§¢¢). Auf den eigentlichen Psalm in Ex 15,1-18* ließ der Verfasser mit 15,19 einen redaktionellen Brückenvers folgen, der noch einmal zentrale Aussagen des Meerwunderberichtes rekapituliert und damit erneut den AnknüpEx 15,13 nimmt nicht nur über das Stichwort © den Aspekt der dauerhaften Führung aus 13,21f. auf, sondern bietet mit der doppelten Führungsaussage auch einen Reflex auf die Doppelgestalt der Säule. 197 Ex 15,11a sollte eine Nachgeschichte im Bekenntnis des Jitro (18,11) haben; vgl. die Ausführungen unter IX. 198 Zum Zusatzcharakter von Ex 15,11b vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 105, Anm. 23. 199 Vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 105-107. 196
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fungspunkt für das Miriamlied definiert, das sich in 15,20f.* anschließt. Dabei speist sich die Nacherzählung bei der Verfolgung (15,19aĮ: ¢¤ ¦¢ ¢²± ¤± «± ªª) ebenso aus 14,28a ( ¦¢²± ³ ¤± ³ ¦¢ ¦¢± ¦¢) wie bei der anschließenden Vernichtung der Ägypter (15,19aȕ: ¦¢ ¢§ ³ ¦¥« ¢ ²¢), welche die in 14,28a beschriebene Rückkehr der Wasser (¦¢§ ²¢) mit der in 14,27a erwähnten Rückkehr des Meeres (¦¢²¢) zu einer Aussage über die Rückkehr der Meerwasser (¦¢¢§) zusammenzieht, die hier exklusiv auf das Wirken JHWHs zurückgeführt wird. Mit der wortwörtlich aus 14,29a übernommenen Beschreibung des Durchzugs der Israeliten wird in 15,19b (²¢ ¤¥ ¥±²¢ ¢© ¦¢ £³) der Punkt im Handlungsablauf angepeilt, an dem Miriam ihr Siegeslied anstimmen kann. Dabei hat der Verfasser, indem er in 15,19aĮ vom Kommen der Pferde mit Wagen und Reitern spricht, geschickt dafür gesorgt, daß Miriam mit der Vernichtung der Pferde nun auch die Vernichtung dieser von P eingeführten Truppenkontingente besingt, von deren Existenz das Miriamlied ursprünglich natürlich noch nichts wissen konnte. Es bleibt zu klären, wann das Meerlied in die Exoduserzählung eingeschrieben wurde und in welchem Verhältnis die bisher ausgemachten Zusätze zu den redaktionsgeschichtlichen Entwicklungen im weiteren Kontext stehen. Entscheidend für die Beantwortung der ersten Frage ist neben den erwähnten Quelltexten vor allem die Tatsache, daß das Meerlied ursprünglich allein von Mose angestimmt wurde (15,1a*: ³ ²§ ±¢²¢ ±§¥¢¥³±¢²),200 was sich nicht nur an der überfüllten Endgestalt von 15,1a, sondern auch an der Gattung eines Dankliedes des Einzelnen zeigt, die in 15,1b.2 klar zutage tritt. Die Wahl der Gattung ist kaum zufällig, sondern wird aus dem vorangehenden Erzählverlauf motiviert sein, wobei sich ausgehend vom unmittelbaren Vorkontext zunächst der mögliche Schluß nahelegt, daß das Meerlied als Teil der in 14,11.13b. 31aȕb greifbaren Bearbeitung anzusprechen ist und den Dank des Mose zum Ausdruck bringt, der nach dem Meerwunder nicht mehr mit den Anfeindungen, sondern mit dem Glauben des Volkes konfrontiert ist.201 Die Möglichkeit scheidet allerdings bei genauerer Betrachtung aus, da in 15,2f. mit 3,6a.15 Passagen vorausgesetzt werden, die sich als Teil einer Bearbeitungsschicht erwiesen haben, die jünger ist als die Ergänzung des Glaubensmotivs in Ex 14.202 Trägt man den redaktionsgeschichtlichen Verhältnissen in der Exoduserzählung Rechnung, so findet sich ein alternativer Anknüpfungspunkt für das Meerlied, der dessen gattungsgeschichtliches Gepräge genau genomZum Zusatzcharakter der Israelelemente in Ex 15,1a (±§¢ ¥±²¢ ¢©) vgl. H. SCHMID, Mose, 52, Anm. 16; SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 99. 201 Ähnliches vermutet bereits H. SCHMID, Mose, 52f., Anm. 16. 202 Vgl. die Ausführungen unter III. 2.1. und III. 3.1. 200
4. Dank und Lobpreis (Ex 15,1-21)
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men deutlich besser erklärt als die in 14,31aȕb vorangehende Glaubensaussage. Es handelt sich um die Klage des Mose, mit der dieser in 5,22f. auf die Verschärfung der Fron reagiert (5,6-13*). Hatte Mose in 5,22f. schwere Vorwürfe gegen JHWH erhoben, indem er diesem sein übles Handeln an den Israeliten und die Nichteinlösung seiner Rettungsankündigung vorhielt, so findet die hier angelegte Spannung ihre Auflösung im Danklied des Mose, das mit dem Verweis auf die Erlösung des Volkes (15,13: ³¥¦«) das Eintreten jener Ankündigung hervorhebt, mit der JHWH in 6,6b auf die Klage des Mose reagiert (¦¢¡² ¢¡© «± ¦¤³ ¢³¥ ¦¢¥). Läßt sich damit wahrscheinlich machen, daß das Meerlied mit Blick auf einen Textzusammenhang verfaßt wurde, der erst durch die Ergänzung der Erzählung von der Verschärfung der Fron in 5,6-13*.22f.; 6,1 entstand, so spricht dies freilich nicht automatisch dafür, daß es auf den Verfasser der letztgenannten Verse zurückzuführen ist. In Anbetracht der Tatsache, daß sich das Meerlied nicht in einem Gegenstück zur Klage des Mose erschöpft, sondern mit der Frage nach der Identität JHWHs (15,2f.) und den in 15,13.17f. angelegten Tempelbezügen einen Horizont aufweist, der über das in Ex 5f. Angelegte hinausreicht, wird man folgern müssen, daß es sich um einen Text handelt, der jünger ist als die Erzählung von der Verschärfung der Fron. Fand der Verfasser des Meerliedes die Glaubensaussage in Ex 14,31aȕb bereits vor, so gilt dies aller Wahrscheinlichkeit nach noch nicht für die Zusätze in 14,12.31aĮ, die auf eine weitere Profilierung der besagten Aussage im Verhältnis zu ihrer Sachparallele in 4,31a zielen und dabei schon die Kenntnis der späten Murrpassage in 5,14-21 voraussetzen.203 Exakt jene Profilierung der Glaubensaussage bildet nun aber ihrerseits den plausibelsten Hintergrund für die nachträgliche Kollektivierung des Meerliedes, das nun auch den Dank der Israeliten zum Ausdruck bringt.204 Der für die entsprechenden Zusätze zu 15,1a verantwortliche Bearbeiter wird daher mit dem Verfasser von 14,12.31aĮ identisch sein. Auf sein Konto geht schließlich auch das ¦¥ in 15,21a zurück, welches das Miriamlied zur Antwort auf das kollektivierte Meerlied erhebt. Steht damit die Kollektivierung des Meerliedes in unmittelbarem Zusammenhang mit der Redaktionsgeschichte von Ex 14, so gilt nichts anderes auch für die umfängliche Einschreibung in 15,14-16,205 die auf das Entsetzen abhebt, welches die Landesbewohner beim Anblick der Israeliten ergreift. Aufgrund der betonten Erwähnung der Bewohner Philistäas erweist sich der Passus als Teil Vgl. die Ausführungen unter VIII. 3.4. Man beachte die Aufnahme des Zusammenhangs in Ps 106,12: ‚Da glaubten sie seinen Worten und sangen seinen Lobpreis‘ (³¥³±¢²¢¢±©¢§¢). 205 Ob mit Ex 15,15b ein Zusatz im Zusatz vorliegt (so SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 99), kann im Rahmen dieser Arbeit auf sich beruhen bleiben. 203 204
400
Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
der u.a. in 13,18b; 14,8b greifbaren Bearbeitung, die darauf zielt, den von 13,17.18a vermittelten Eindruck zu korrigieren, die Israeliten würden einer Konfrontation mit den Philistern aus Angst aus dem Weg gehen. Die Ergänzung des Heeres (¥¢ ) in 15,4a, die auf den Verfasser von 14,9aȕȖ* zurückzuführen sein wird, da dieser das Heer ebenfalls als eigenständige Größe neben den berittenen Streitkräften kennt, liefert einen letzten Beleg dafür, daß das Meerlied in keiner seiner Entwicklungsstufen etwas anderes war als eine auf den vorangehenden Prosatexten aufbauende literarische Bildung.
5. Ergebnis Der literarische Grundbestand der Meerwundererzählung (I) findet sich in den vorpriesterschriftlichen Versen Ex 13,20.21aĮ*; 14,5a.6.10bĮ.13a. 14.19b.20aĮb.21aĮ2ȕ.24aĮȕb.25b.27aĮ2ȕb.30. Der Text berichtet, wie die Ägypter den Israeliten nachsetzen und sie an einem Gewässer stellen und wie JHWH daraufhin das Wasser durch einen starken Wind zurückdrängt und die Ägypter in Panik versetzt, so daß sie dem wieder zurückflutenden Wasser entgegen fliehen und den Tod finden. Das Siegeslied der Prophetin Miriam (Ex 15,20f.*), die erst nachpriesterschriftlich zur Schwester Aarons wurde, verleiht der Sequenz einen stimmigen Abschluß. Als noch vorpriesterschriftlicher Zusatz (II) ließ sich lediglich 14,7aĮb wahrscheinlich machen, der den 600.000 israelitischen Fußgängern aus 12,37b die 600 erlesenen Streitwagen des Pharao gegenüberstellt. In einem nächsten Schritt wurde die Erzählung durch die Ergänzung der priesterschriftlichen Textanteile (III) in 14,1.2a*.4.8a.10abȕ.15f.17abĮ.18a.21aĮ1b.22.23aĮb. 26abĮ.27aĮ1.28f. auf entscheidende Weise modifiziert. Die Israeliten verharren nun nicht mehr am Ufer, sondern ziehen ihren ägyptischen Verfolgern voran durch das Meer, zu dessen Teilung Mose zuvor das Zeichen gegeben hatte. Erneut auf das Zeichen des Mose hin schlagen die Wasser über den Verfolgern zusammen, während die Israeliten trockenen Fußes das andere Ufer erreichen. Die nachpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte des Textes beginnt mit einer Reihe von Zusätzen, die Unstimmigkeiten im Erzählverlauf zu beheben suchen (IV): Der Bearbeiter begrenzt die Funktion der Wolkensäule auf den Tag (13,21aĮ: ¦§¢) und ersetzt sie für die Nacht durch eine Feuersäule (13,21aĮb; 14,20aȖ), die den Israeliten bei ihrem nächtlichen Durchzug durch das Schilfmeer Licht spenden soll.206 Von derselben Hand stammt vermutlich auch 14,25a, demzufolge JHWH das Vorankommen der 206
Die Glosse in Ex 14,20aȕ (V++) sollte das Bild später wieder korrigieren.
5. Ergebnis
401
ägyptischen Streitwagen hemmt um zu verhindern, daß diese der ihnen im Meer gestellten Todesfalle entkommen. Ein weiterer Schritt in der Entwicklung der Erzählung wird in 13,22 greifbar, dessen Verfasser die Präsenz JHWHs in der doppelgestaltigen Säule zum dauerhaften Zustand erklärt (V). Der Vers steht nicht nur im Hintergrund der miteinander unverbundenen Zusätze (V+) zum morgendlichen Übergangszustand der Säule (14,24aȖ) und zum Auftreten des Engels (14,19a), sondern bildet aufgrund der hier erfolgten Weitung der Perspektive auf die Wüstenwanderung auch einen plausiblen Hintergrund für die Bearbeitung in 14,11.13b. 31aȕb (VI), welche der Klage JHWHs über den Unglauben der Israeliten bei der Landnahme (Num 14,11) die Gottesfurcht und den Glauben des Volkes unmittelbar nach dem Auszug gegenüberstellt. Da Ex 14,11 auf 14,5b Bezug nimmt, ist zudem erwiesen, daß die im letztgenannten Halbvers thematisierte Reue des Pharao über die Erteilung der Auszugserlaubnis älter ist. Ex 14,5b, der auf den Ergänzer der Auszugsverhandlungen in Ex 10-12 zurückgeht, läßt sich allerdings nicht präzise zu den Schichten IV und V ins Verhältnis setzen, weshalb der Halbvers in der folgenden Tabelle lediglich als nachpriesterschriftlicher Zusatz (III+) notiert wird. Die theologisch zentrale Schicht VI, auf deren Ebene erstmals das Glaubensmotiv eingeführt wurde, hat auf Umwegen die gesamte weitere Geschichte von Ex 14f. beeinflußt, wobei sich ein unmittelbarer Einfluß allein in 14,7aȕ nachweisen läßt, dessen Verfasser aus der Kombination von 14,13b.28b die restlose Vernichtung der ägyptischen Streitkräfte herauslas und deshalb neben den 600 auserlesenen Streitwagen alle Streitwagen Ägyptens ausrücken ließ (VI+). Im Unterschied dazu gehört zwar auch das Meerlied (15,1*.2f.4*.5-11a.13.17-19) in die literarische Nachgeschichte des in 14,31b geweckten Glaubens der Israeliten, es setzt aber darüber hinaus schon die jüngere Glaubensnotiz in 4,31a sowie die Erzählung von der Verschärfung der Fron in 5,6-13*.22f.; 6,1 voraus. Als zunächst allein von Mose vorgetragenes Danklied wurde es als Gegenstück zur Klage desselben (5,22f.) konzipiert, das zentrale Linien aus Ex 3ff. bündelt und damit auch als theologische Abschlußgröße der Exoduserzählung verstanden werden will (VII).207 Daß die Ergänzung des Meerliedes nicht mit dem lierarischen Abschluß der Exoduserzählung zu verwechseln ist, zeigt sich schon an den jüngeren Zusätzen in Ex 14,12.31aĮ (VIII), deren Verfasser auf die Spannung zwischen dem Glauben der Israeliten in 4,31a und ihrem neuerlichen Ungehorsam in 6,9b P reagiert, indem er die positive Reaktion der Israeli207
Ein späterer Zusatz zum Meerlied, der sich nicht mit den weiteren redaktionellen Entwicklungen im unmittelbaren Nahkontext korrelieren läßt, findet sich in Ex 15,11b.12, wo JHWHs Wundermächtigkeit an der Beseitigung Datans und Abirams exemplifiziert wird (VII+).
402
Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
ten nach dem Meerwunder in den Horizont von JHWHs Ankündigung aus 7,4 rückt.208 Derselbe Bearbeiter wird auch für die Kollektivierung des Meerliedes (Zusätze zu 15,1a) und die Umgestaltung des Miriamliedes zur gesungenen Antwort verantwortlich sein (¦¥ in 15,21a). Dabei ist in Ex 14,12 nicht nur eine Vertrautheit mit der späten Murrpassage in 5,14-21, sondern auch eine ausdrückliche Bezugnahme auf einen Schlüsselvers der Kundschaftererzählung (Num 14,3) zu verzeichnen, der schließlich in Ex 13,17.18a für eine gänzlich andere Fragestellung adaptiert wurde. Der hier tätige Bearbeiter (IX) beantwortet die Frage, warum JHWH die Israeliten nicht auf dem direkten Weg ins Land geführt hat, mit dem Hinweis auf ihre bei einer Konfrontation mit den Philistern zu erwartende Feigheit, die wie später in Num 14,3f. den Beschluß einer Rückkehr nach Ägypten nach sich gezogen hätte. Diese Unterstellung hat in Ex 13,18b; 14,2*.3.8b.9aĮb eine heftige Gegenreaktion hervorgerufen: Der Bearbeiter (X) hebt auf Israels wohlgerüsteten Auszug ab und läßt das Volk auf JHWHs Geheiß umkehren und die Konfrontation mit den Ägyptern suchen. Teil derselben Bearbeitung, auf die auch die in 1,10b prononciert an den Beginn der Großerzählung gestellte Sorge des Pharao vor einer kriegerischen Auseinandersetzung mit den Israeliten zurückgeht, ist zudem die Erweiterung des Meerlieds um 15,14-16. Thema der Verse ist die Panik, welche die Landesbewohner – zuvorderst die Philister – bei ihrer Konfrontation mit den Israeliten ergreift. Nochmals jünger ist der im Kontext von 13,17-15,22 isoliert stehende Nachtrag in 13,19 (X+), dessen Verfasser vermeldet, Mose habe die Gebeine Josephs mit sich geführt. Auf dieselbe Hand gehen Gen 50,25 und Jos 24,32 zurück. War in Ex 14,9aĮ zunächst allgemein von einer Verfolgung durch die Ägypter die Rede, so hat ein Späterer diese Angabe in 14,9aȕȖ* nachträglich näher spezifiziert (XI), indem er eine Synthese zwischen den unterschiedlichen Angaben zu den ägyptischen Streitkräften schuf, die ihm der unmittelbare Vorkontext in 14,4-7 bot. Wohl dieselbe Hand ließ auch in 15,4 nachträglich das Heer neben die berittenen Streitkräfte treten, rief dadurch allerdings eine Spannung zwischen der Ankündigung der Verherrlichung am pharaonischen Heer (14,17bĮ) und 14,28a hervor, wo von der Vernichtung der berittenen Streitkräfte des besagten Heeres die Rede ist. Ein Späterer versuchte das Problem dadurch zu beheben, daß er in 14,17bȕ.18b.26bȕ noch einmal die Identität der berittenen Streitkräfte mit dem Heer einschärfte und so exakt jene Truppenkontingente nannte, an denen sich JHWH verherrlichen würde und nach 14,28a schließlich auch 208 Das Motiv der Beglaubigungszeichen des Mose (Ex 4,30b.31a) hat im weiteren Verlauf der Textgenese eine ‚Stabbearbeitung‘ aus sich herausgesetzt, die von Ex 4-17 reicht und sich auch für die Ergänzung des Stabes in 14,16 (VIII+) verantwortlich zeigt; s.o., III. 3.1.
5. Ergebnis
403
verherrlichte (XII). War nun wiederholt von Wagen und Reitern die Rede gewesen, so fiel umso mehr auf, daß dem Prosabericht in Ex 14 nach wie vor eine Erwähnung der Pferde (ªª) fehlte, die in 15,19.21 an prominenter Stelle begegnen. Ein weiterer Bearbeiter (XIII) behob dieses Defizit, indem er die Verfolgungsnotiz in 14,23aĮ nach der Vorlage des ihr korrespondierenden Scharnierverses (15,19) um eine detaillierte Aufschlüsselung der ägyptischen Verfolgergruppe erweiterte (14,23aȕȖ), in der die Pferde an prominenter Stelle erscheinen. Wohl von einem nochmals späteren Bearbeiter (XIV) wurden die Pferde schließlich auch zu Beginn von 14,9aȕ nachgetragen, da sie auf der ersten Etappe der Verfolgung naturgemäß nicht fehlen durften. Übersicht: Die Genese von Ex 13,17-15,21 13,17.18a: Gründe für die Vermeidung der direkten Landnahmeroute
IX
X
13,18b: Die Israeliten ziehen zum Kampf gerüstet ins Land. 13,19: Mose nimmt die Gebeine Josephs mit. (= Gen 50,25; Jos 24,32)
X+
I
13,20: Die Israeliten lagern in Etam.
I
13,21aĮ*(ohne ¦§¢): JHWH begleitet die Israeliten in einer Wolkensäule. IV
13,21aĮ(nur ¦§¢).aȕb: Ergänzung der Feuersäule V
III
13,22: Die Begleitung durch die doppelgestaltige Säule als Dauerzustand
14,1.2a(ohne ²¢).4: Das Meerwunder als JHWHs Inszenierung I X
I
14,2a(nur ²¢)b.3: Die Israeliten sollen umkehren und den Eindruck der Orientierungslosigkeit erwecken.
14,5a.6: Der Pharao erfährt von der Flucht der Israeliten und macht mobil. 14,5b: Der Pharao und seine Hofbeamten bereuen die Entlassung der Israeliten (= Ex 12,31f.)
III+(III-VI)
II
14,7aĮb: Die 600 erlesenen Streitwagen und ihre Bemannung (ĸ Ex 12,37b) VI+
14,7aȕ: Alle ägyptischen Streitwagen rücken aus.
14,8a: JHWH verhärtet das Herz des Pharao, und dieser setzt den Israeliten nach.
III
X
14,8b: Der selbstbewußte Auszug der Israeliten
X
14,9aĮ: Wiederaufnahme von 14,8a 14,9aȕȖ(ohne ªª¥¤): Zur Zusammensetzung der ägyptischen Streitkräfte
XI
Kapitel VIII: Auszug und Meerwunder (Ex 13,17-15,21)
404
14,9aȕ(nur ªª¥¤): Angleichung an 14,23aȕȖ
XIV
X
III I
14,9b: Relokalisierung der Ereignisse als Explikation der angeordneten Umkehr
14,10a: Der Pharao nähert sich.
14,10bĮ: Die Furcht der Israeliten III
14,10bȕ: Die Israeliten schreien zu JHWH. VI
14,11: Das Murren der Israeliten 14,12: Vertiefung und Rückprojektion des Murrens nach Ex 6,9b (ĸ Num 14,3)
VIII
I
14,13a.14: Mose kündigt JHWHs Eingreifen an. VI III
14,13b: Geschichtstheologische Überhöhung
14,15: JHWH ordnet den Aufbruch der Israeliten an.
14,16(ohne £¡§³¦±): Mose soll das Meer spalten, damit die Israeliten mitten hinein ziehen können.
III
14,16(nur £¡§³¦±): Ausgestaltung zu einem Stabwunder des Mose (= Ex 4,17.20b; 7,15b.17b fin.20a fin; 17,5fin.6bȕ.9bȕ)
VIII+
III
14,17abĮ.18a: Das Meerwunder als JHWHs Inszenierung II 14,17bȕ.18b: Definition der Truppenverbände, an denen sich JHWH verherrlichen wird
XII
V+ I
14,19a: Das Auftreten des Engels
14,19b.20aĮb: Die Wolkensäule trennt die Lager voneinander. V++ IV
I
14,20aȕ: Die von der Wolkensäule ausgehende Finsternis
14,20aȖ: Die Leuchtfunktion der Säule
14,21aĮ2ȕ: JHWH drängt das Meer durch einen starken Wind zurück. III
14,21aĮ1b: Mose spaltet die Wasser.
14,22.23aĮb: Die Israeliten ziehen mitten ins Meer und werden von den Ägyptern verfolgt.
III
14,23aȕȖ: Pferde, Wagen und Reiter (ĸ Ex 15,19)
XIII
I
14,24aĮȕb: JHWH versetzt die Ägypter in Panik. V+ IV
I
14,24aȖ: Der Übergangszustand der Säule bei Tagesanbruch
14,25a: JHWH behindert das Vorankommen der Streitwagen.
14,25b: Die Ägypter entschließen sich zur Flucht.
5. Ergebnis
405
14,26abĮ: JHWH befiehlt Mose, die Teilung des Meeres für die Ägypter rückgängig zu machen.
III
14,26bȕ: Definition der Truppenverbände, an denen sich JHWH verherrlichen wird.
XII
III
14,27aĮ1: Mose kommt den Anordnungen JHWHs nach.
I
14,27aĮ2ȕ: Die Ägypter fliehen dem zurückflutenden Meer entgegen.
I
14,27b: JHWH schüttelt die Ägypter mitten ins Meer. 14,28: Die ägyptischen Verfolger werden vom Wasser bedeckt und restlos vernichtet.
III
III I
14,29: Die Israeliten ziehen trockenen Fußes durch das geteilte Meer.
14,30: Die Leichen der Ägypter als Beweis für JHWHs Rettungstat VIII VI
14,31aĮ: JHWHs ‚große Hand‘ (ĸ Ex 7,4)
14,31aȕb: Gottesfurcht und Glauben (ĸ Num 14,11) 15,1a(ohne ¥±²¢¢© und ±§¢): Einleitung des Meerliedes als Danklied des Mose
VII
VIII VII
15,1a(nur ¥±²¢¢© und ±§¢): Kollektivierung
15,1b-3.4(ohne ¥¢ ).5-11a.13: Das Meerlied I XI VII+
15,11b.12: JHWHs Wundertaten (ĸ Num 16,32.34) X
VII I
15,14-16: Die Angst der Landesbewohner
15,17-19: Das Meerlied II
15,20(ohne ¨±³ ): Auftritt der Prophetin Miriam und der Frauen III+
I
15,4(nur ¥¢ ): Ergänzung des Heeres
15,20(nur ¨±³ ): Miriam als Schwester Aarons
15,21(ohne ¦¥): Das Miriamlied 15,21(nur ¦¥): Das Miriamlied als Antwort auf das kollektivierte Meerlied
VIII
Kapitel IX
Jitro (Ex 18) 1. Analyse In Ex 18 hat Jitro, der midianitische Schwiegervater des Mose, seinen ersten und einzigen großen Auftritt im gesamten Alten Testament. Zuvor lediglich als Randfigur in 3,1; 4,18 erwähnt, wird Jitro nun gleich in mehrfacher Weise tätig: Er führt Mose wieder mit seiner Familie zusammen (18,5), preist die Größe des Exodusgottes (18,10f.) und hält ein Opfermahl mit Aaron und den Ältesten Israels (18,12). In 18,13-26 regt er dann noch zur Entlastung Moses eine Neuorganisation des Gerichtswesens an, bevor ihn sein Schwiegersohn in 18,27 wieder entläßt. In seiner vorliegenden Gestalt weist Ex 18 deutliche makrokontextuelle Querverbindungen sowohl zu Ex 3f. als auch zu Num 10f. auf, welche einen Rahmen um die Exoduserzählung einerseits und um die Sinaiperikope andererseits konstituieren. Besagte Querverbindungen sind jedoch nicht gleich ursprünglich, sondern das Ergebnis eines komplexen Wachstumsprozesses, dessen Spuren in Ex 18 unübersehbar sind. So fällt etwa auf, daß Jitro nach 18,1aȕ schon weiß, was Mose ihm in 18,8aȕ erst erzählt. Sodann redet Jitro bereits in 18,6 j mit Mose, obwohl dieser ihn erst in 18,7 trifft, und nicht minder auffällig ist, daß Mose bei diesem Treffen nur seinen Schwiegervater begrüßt, seine in 18,2-5 nebst den beiden Söhnen ebenso ausführlich wie umständlich eingeführte Frau Zippora aber überhaupt nicht wahrnimmt. Die Familie spielt dann auch in dem sich in 18,8-12 anschließenden, literarisch stark überfüllten Bekenntnisteil überhaupt keine Rolle mehr, was darauf hindeutet, daß in 18,1-12 zwei unterschiedliche thematische Blöcke sekundär miteinander verbunden wurden.1 Ein dritter Block, erneut literarisch mehrschichtig,2 liegt schließlich in 18,13-26 vor, wo es um die Ordnung des Gerichtswesens geht. Verbindendes Element aller drei Blöcke ist allein die Person Jitros oder, genauer gesagt, des Schwiegervaters des Mose, denn auffälligerweise wird
1 Vgl. grundlegend LEVIN, Jahwist, 359-361 ; FREVEL, Jetzt, 9. Gegen HAARMANN, JHWH-Verehrer, 72-75, dem Ex 18,1-12 als literarisch einheitlich gelten. 2 Vgl. GRAUPNER, Exodus 18,13-27, 12-19.
1. Analyse
407
der Name in 18,13-26.27 nicht ein einziges Mal gebraucht, sondern es ist allein vom ²§¨³ die Rede. Auf die Art des verwandtschaftlichen Verhältnisses wird nun auch in 18,1-12 immer wieder Bezug genommen, in 18,1-6 allerdings durchgängig in Verbindung mit dem Eigennamen Jitro (²§ ¨³ ±³¢). Das fast schon penetrante Beharren der Verse auf der verwandtschaftlichen Identität Jitros erreicht seinen Höhepunkt in 18,6, wo sich Jitro seinem Schwiegersohn selbst als ±³¢£©³ vorstellt. Wie erklärt sich dieser eigentümliche Befund aus Ex 18,1-6 im Verhältnis zur Anonymität des Schwiegervaters in 18,7f.13-27 sowie zum absoluten Gebrauch des Eigennamens Jitro in 18,9f.? Die sicherlich einfachste und zugleich radikalste Annahme wäre, daß in Ex 18 ursprünglich nur vom ²§¨³ die Rede war und seine Verknüpfung mit dem Namen Jitro erst sekundär erfolgte.3 Dafür spräche zunächst auch, daß der Schwiegervater in Ex 2-4 ursprünglich namenlos war.4 Wäre der Eigenname allerdings in Ex 18 durchweg Zusatz, so ließe sich kaum seine unregelmäßige Verteilung und sein völliges Fehlen in 18,13-27 erklären. Die dargestellte Radikallösung erweist sich von daher als schwierig. Auch der Versuch, die ursprüngliche Namenlosigkeit des Schwiegervaters in Ex 18 über einen vermeintlichen Grundbestand in 18,13-27 zu retten, verfängt nicht, denn einerseits ist die Passage auf eine zumindest marginale erzählerische Exposition in 18,1-12 angewiesen, wo der Name Jitro folglich wieder zu tilgen wäre, und andererseits bliebe enigmatisch, warum ausgerechnet Jitro eigens zu dem Zweck in die Wüste befördert worden wäre, um für Mose Gerichtshelfer einzusetzen. Als ‚Sekundärverwertung‘ des bereits im Lager anwesenden Schwiegervaters hingegen ist 18,13-27 deutlich besser vorstellbar: War dieser schon einmal vor Ort, so konnte er auch seinem Schwiegersohn bei einer Justizreform assistieren. Die entscheidende Frage muß also lauten: Was führte den Schwiegervater des Mose ursprünglich zu Mose in die Wüste? Kam er, um die Verwandtschaft zusammenzuführen (18,2-7), um das Lob des Exodusgottes zu singen (18,9-11) oder um in seiner Funktion als Priester ein Opfer darzubringen (18,12)? Sicher ist zunächst nur, daß er kam, und zwar zu Mose in die Wüste, wo dieser lagert (18,5). Der skizzierte Minimalbestand des Verses (¦² © ±² ±§ ¥ ²§ ¥ ²§ ¨³ ±³¢ ¢) muß zum Grundbestand der Erzählung gehört haben, und zwar unabhängig von deren ursprünglicher Ausrichtung, denn vom Eintreffen Jitros hängt naturgemäß alles weitere ab. Geht man von Ex 18,5 aus, so sticht ein Detail ins Auge, das für die literarhistorische Einordnung der ursprünglichen Jitroperikope nicht uner3 4
Vgl. NOTH, ATD 5, 117f. Vgl. die Ausführungen unter III. 1.1. und III. 3.2. (nebst Exkurs).
408
Kapitel IX: Jitro (Ex 18)
heblich ist: Im Gegensatz zu den umliegenden Erzählungen in Ex 16f.; 19ff. fehlt Ex 18 eine klare Verknüpfung mit dem Itinerar. Daß Mose in der Wüste lagert, kommt völlig unvorbereitet, doch ist dies nicht auf mangelnde Sorgfalt oder fehlendes Interesse des Verfassers zurückzuführen. Im Gegenteil: Die Lokalisierung der Szene im Wüstenlager ist mit Bedacht gewählt, nur ist der Blick des Verfassers nicht, wie man zunächst erwarten würde, rück-, sondern vorwärts gewandt. Das Lager in der Wüste ist das Lager am Fuße des Sinai, das die Israeliten dort in 19,2 aufschlagen (¨ ¢ ± © ¥±²¢ ¦²). Offenbar will 18,5 anzeigen, daß sich das Treffen zwischen Mose und Jitro in eben diesem Lager ereignet,5 weshalb nichts dagegen spricht, auch die präzisierende Ortsangabe ¦¢¥± in 18,5b für den Grundbestand zu veranschlagen.6 Der Grund dafür, daß der Verfasser Ex 18 nicht gleich an der ‚richtigen‘ Stelle einstellte und sich stattdessen eines literarischen Vorverweises bediente, liegt schlicht darin, daß er bereits das überfüllte Itinerar in 19,1f. vorfand, das jede weitere Einschaltung unmöglich machte. Da die Überfüllung des Itinerars erst durch die Ergänzung der priesterschriftlichen Textanteile eintrat, ist Ex 18 bereits in seinem Grundbestand als nachpriesterschriftliche Fortschreibung einzuordnen,7 was sich im folgenden in mehrfacher Hinsicht bestätigen wird. Wenn es in Ex 18,5 heißt, daß Jitro zu Mose kommt, so ergibt sich als ein Gebot der Erzähllogik, daß im Grundbestand von Ex 18 auch von einem Zusammentreffen mit dem Schwiegersohn die Rede war. Hiervon berichtet allein 18,7, der sich folglich ebenfalls als ursprünglich erweist. Die einleitende Angabe, Mose sei seinem Schwiegervater entgegen gegangen (©³ ³±°¥ ²§ ¯¢), kommt allerdings nach 18,5 völlig unvermittelt, denn man fragt sich, „wie [...] Mose zu Jitro hinausgehen [kann], wenn dessen Ankunft ihm nicht gemeldet war“8. Die Lücke schließt allein 18,6, wo Jitros Kommen angekündigt wird, in der Version von j freilich durch diesen selbst, was die unglückliche Folge hat, daß Jitro in 18,6 das Wort an Mose richtet, bevor dieser ihm in 18,7 begegnet.9 Das Problem Das Streben an den Gottesberg teilt Ex 18 mit Ex 17,6; vgl. FREVEL, Jetzt, 14-20, dem Ex 15,22-18,27 als „oszillierender Übergangsbereich“ zwischen Exodus- und Sinaierzählung gilt. Eine Erklärung des redaktionsgeschichtlichen Befundes im Rahmen der Neueren Urkundenhypothese bietet ZENGER, Israel, 28f., nach dessen Ansicht Ex 17,1-16; 18,1-27 „zwei ‚Sinai-Einheiten‘ [sind], die RP vor die in Ex 19 erzählte Sinaitheophanie stellt.“ 6 Zum inneren Zusammenhang der Ortsangaben vgl. auch JACOB, Buch Exodus, 509f. 7 Ebenso KRATZ, Komposition, 300; OTTO, Deuteronomium [2000], 131 (Hexateuchredaktor); BLUM, Verbindung, 137; HAARMANN, JHWH-Verehrer, 84-88. Anders etwa WELLHAUSEN, Composition, 80 (E); NOTH, ATD 5, 117 (E); WEIMAR, Berufung, 26-31 (JE); SCHART, Mose, 184 (JE); LEVIN, Jahwist, 359 (J); FREVEL, Jetzt, 5-10 (JE). 8 JACOB, Buch Exodus, 510. 9 Das Problem läßt sich nicht befriedigend durch die von JACOB, Buch Exodus, 510, vertretene Annahme lösen, Jitro habe sich durch Boten angekündigt. An den von JACOB ange5
1. Analyse
409
verschwindet, wenn man 18,6a j als sekundäre Lesart erkennt. Liest man stattdessen mit g und m statt ± §å (Qal) ein ± §Òå (Nifǥal; vgl. Jos 2,2) und ersetzt mit g, b und m das ¢© durch ein ©,10 so ergibt sich eine im Kontext sinnvolle Aussage: Nachdem Jitro ins Lager gekommen ist (18,5*: ²§ ¥ ²§ ¨³ ±³¢ ¢), sagt man Mose an: ‚Siehe, dein Schwiegervater Jitro ist zu dir gekommen‘ (18,6a: £©³ ©²§¥± §Òå £¢¥ ±³¢), woraufhin Mose dem Neuankömmling entgegengeht (18,7: ©³ ³±°¥ ²§ ¯¢ ). Der Nifǥal ließ sich jedoch leicht als Qal mißdeuten, da beide Formen den identischen Konsonantenbestand aufweisen und man ferner im Kontext von Ex 18, wo sonst nur Mose oder Jitro sprechen, auch hier eine direkte Rede erwarten konnte. Die Änderung des © in ¢© trägt dieser in j erfolgten Fehldeutung Rechnung. Erweist sich das in Ex 18,5-7 geschilderte Zusammentreffen zwischen Mose und seinem Schwiegervater – auf den weiteren Familienanhang ist noch gesondert einzugehen – als Teil der Grundschicht des Kapitels, so ist damit das entscheidende Kriterium gewonnen, um den ursprünglichen Zweck des Auftritts Jitros und damit die Fortsetzung der Grundschicht zu bestimmen. Die für sich betrachtet relativ unauffällige Szene weist nämlich eine große Anzahl intertextueller Bezüge zu Ex 3f. auf, die sich nicht als zufällig abtun lassen, sondern einen gezielten gestalterischen Willen erkennen lassen. Bereits die Erwähnung Jitros und des Gottesberges in 18,5 ruft mit 3,1; 4,18 die beiden Rahmenverse der an eben jenem Ort angesiedelten Dornbuschszene wach und stellt damit eine situative Parallele her. Führte Mose in 3,1; 4,18 der Weg von Jitro zum Ort der Offenbarung auf dem Gottesberg und wieder zu Jitro zurück, so ist es in 18,5 Jitro, der sich zu Mose aufmacht und diesen am Fuße des Gottesberges antrifft, wo sich ab Ex 19 die nächste Offenbarung des Gotteswillens zutragen wird.11 Die in 4,18; 18,5-7 geschilderten Begegnungen zwischen Jitro und Mose legen sich gleichsam als Rahmen um die Ereignisse zwischen der Dornbuschszene und der Sinaiperikope, was zusätzlich noch dadurch unterstrichen wird, daß in der Frage nach dem gegenseitigen Wohlergehen (18,7aȕ: ¦¥²¥«±¥²¢¥²¢) der Reisesegen des Jitro aus 4,18b aufgenommen wird (¦¥²¥ £¥ ²§¥ ±³¢ ±§¢). Eine entsprechende Verwendung des führten Parallelstellen 2 Sam 10,5; 2 Chr 2,10 wird das Medium der Übermittlung (±§¢) explizit genannt, nämlich im ersten Fall Boten (¦³±°¥ ¥²¢), und im zweiten ein Sendschreiben (³¤). Eben das ist in Ex 18,6 nicht der Fall, weshalb eine synchrone Erklärung der durch 18,6 verursachten Spannung in der von JACOB vertretenen Weise ausscheidet. Auch redaktionsgeschichtlich läßt sich das Problem nicht lösen, denn 18,6 ist als Brückenvers zwischen 18,5 und 18,7 wie gesehen unverzichtbar und kann daher nicht mit LEVIN, Jahwist, 360, komplett als Zusatz erklärt werden. 10 Auch 4QpaleoExodm XVIII,8 liest in Ex 18,6 © statt ¢©. Letztere Lesart ist dagegen in 4QExodc VIII,30 bezeugt. 11 Ähnlich bereits BLUM, Studien, 156.
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Kapitel IX: Jitro (Ex 18)
Lexems ¦¥² ist im gesamten Exodusbuch nur an diesen beiden Stellen belegt, was eindeutig für die bewußte Herstellung eines intertextuellen Konnexes spricht. Wie unter III. 3.2. dargelegt, wurde der in 4,18aĮ2-b geschilderte Abstecher Moses zu Jitro von Anfang an als Vorverweis auf Ex 18 konzipiert, und zwar von eben jener Hand, die den Grundbestand des letztgenannten Kapitels schuf. Allerdings nimmt der Verfasser in Ex 18,5-7 nicht allein auf den von ihm in 4,18aĮ2-b geschaffenen Intertext, sondern auch auf die älteren Aussagen in 4,14b.27 Bezug,12 welche die Begegnung zwischen Mose und Aaron nachträglich an den Gottesberg (¦¢¥ ±) verlegen. Mose und Jitro begegnen sich nach 18,5-7 nicht nur an exakt demselben Ort,13 sondern auch unter auffällig ähnlichen Umständen. So wird Mose in 18,6a wie in 4,14b das Eintreffen des jeweiligen Besuchers angekündigt, wobei Mose in 18,7a die Rolle Aarons aus 4,14bĮ.27 übernimmt, indem er Jitro entgegen (³±°¥) geht und diesen küßt (¥°²¢).14 Wenn nun der Verfasser in 18,5-7 dezidiert auf die einschlägigen Aaron-Passagen in 4,14b.27 Bezug nimmt und damit die intertextuellen Bezüge zwischen Ex 18 und der Dornbuschszene weiter ausgestaltet,15 so wird man vermuten können, daß dies nicht einfach aus exegetischer Spielerei geschieht, sondern einen positiven Zweck erfüllt. Dieser Zweck erschließt sich, wenn man von 4,27 ausgehend weiter fragt, denn die hier angelegte Linie findet eine klare Entsprechung im weiteren Verlauf von Ex 18, von der ausgehend auch der Sinn von Jitros Auftritt erkennbar wird. Aaron kommt in Ex 4,27 nicht aus Sehnsucht nach seinem Bruder an den Gottesberg, sondern um hier, am zentralen Offenbarungsort, über die Worte JHWHs unterrichtet zu werden, die er als Moses Sprecher in der Folgezeit weiterzugeben hat. Daß Mose gemäß 4,28a seinen Bruder über JHWHs Vorhaben und Auftrag unterrichtet (¢¢±¥¤³¨±¥²§¢ ¥² ±²), findet nun eine deutliche Entsprechung in 18,8a, wo Mose,
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Hierzu und zu einigen der im folgenden diskutierten Parallelen zwischen Ex 18 und 4,27-31 vgl. bereits WEIMAR, Berufung, 358f.; W.H. SCHMIDT, BK II/1, 236; ferner PROPP, AncB 2, 627; BLUM, Verbindung, 136f.; FREVEL, Jetzt, 16f.; HAARMANN, JHWH-Verehrer, 76f. 13 Die Begriffsverbindung ¦¢¥± ist im gesamten AT sehr selten, sie begegnet neben Ex 3,1; 4,27; 18,5 nur noch in Ex 24,13; 1 Kön 19,8. 14 Daß sich Mose nach Ex 18,7 zunächst vor seinem Schwiegervater niederwirft ( ³²¢), ist in Ex 4,14b.27 ohne Parallele, findet aber eine Entsprechung in 1 Sam 20,41; 2 Sam 14,33; 15,5. 15 Den Zusammenhang sieht auch BLUM, Verbindung, 137, der jedoch unzutreffend folgert, Ex 4,1-17.27-31 und Ex 18,1-12 seien Teil derselben nachpriesterschriftlichen Bearbeitung (hierin gefolgt von HAARMANN, JHWH-Verehrer, 86-88). Der redaktionsgeschichtliche Befund ist in Wahrheit weit komplexer.
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nachdem er und sein Gast das Zelt erreicht haben (18,7b),16 seinem Schwiegervater von den Taten JHWHs berichtet, die dieser um Israels willen am Pharao und den Ägyptern vollbracht hat (¥¤ ³ ©³ ¥ ²§ ±ª¢ ¥±²¢ ³ ¥« ¦¢±¯§¥ «±¥ ¢ ²« ±²).17 Ex 18,8a verhält sich wie ein Erfüllungsvermerk zu 4,28a, und dieser Charakter des Halbverses wird auch durch die Reaktion des Jitro unterstrichen, die in 18,10a einst unmittelbar anschloß.18 Indem Jitro JHWH dafür preist, die Israeliten aus der Hand des Pharao und der Ägypter errettet zu haben (¥¢¯ ±² ¢ £± «±¢§¦¢±¯§¢§¦¤³), bestätigt er nichts weniger, als daß die zentrale Ankündigung aus 3,8aĮ1 (¦¢±¯§ ¢§ ¥¢¯¥ ±) eingetreten ist, die am Anfang der Dornbuschoffenbarung und damit auch am Anfang jener Wiedergabe der Worte JHWHs steht, die Mose seinem Bruder Aaron in 4,28a zuteil werden läßt.19 Während die textpragmatische Funktion, die sich mit Jitros Lobpreis in Ex 18,10a und damit mit der gesamten vorangehenden Szene verbindet, nach den bisherigen Ausführungen recht klar zutage tritt, bleibt bisher ungeklärt, warum ausgerechnet der Midianiter Jitro bemüht wird, um den Abschluß des in 3,1 angelegten thematischen Bogens und damit zugleich den in Ex 19 angezeigten Neueinsatz hervorzuheben. Die verschiedentlich 16
Obwohl die determinierte Einführung des Zeltes Assoziationen zur Stiftshütte wachruft (vgl. etwa FREVEL, Jetzt, 9 [mit Anm. 19]), geht es in Ex 18,7b kaum um die Verlegung der folgenden Szene an das mobile Heiligtum. Während der Halbvers als Überleitung zwischen der Begegnung Moses und Jitros im Außenbereich des Lagers (18,5-7a*) und dem ausführlichen Bericht des Mose über die Auszugsereignisse (18,8a) erzählerisch geboten und mithin zum Grundbestand zu rechnen ist, wird sich das Opfer Jitros (18,12) als sekundär erweisen. Mit 18,12 verliert der Text aber den einzigen Erzählzug, der eine Deutung des Zeltes als Stiftshütte rechtfertigen könnte. Eine entsprechende Deutung würde im übrigen auch deshalb scheitern, da sich der Verfasser von 18,12 peinlich bemüht zeigt, das Bild des opfernden Jitro möglichst unscharf zu halten. Eine Situierung des Opfers bei der Stiftshütte stünde diesem Interesse diametral entgegen. Zu Ex 18,12 s. im folgenden. 17 Die Formulierung in Ex 18,8aȕȖ erinnert an Dtn 7,18; 29,1, wohingegen sich die in 18,8aĮ eingeführte Vorstellung eines Berichts über JHWHs Taten (±ª Piǥel) eng mit den späten nachpriesterschriftlichen Zusätzen in Ex 9,16b; 10,2 berührt, deren erster auf die Verkündigung von JHWHs Namen auf der ganzen Erde abhebt (®±¥¤¢§²±ª¨«§¥). Als weit weniger einschlägig erweist sich dagegen die Parallele zum Bericht der Kundschafter in Num 13,27, aus der SCHART, Mose, 235, ableiten will, daß Ex 18,1-12 als positives Gegenstück zur Kundschaftergeschichte konzipiert wurde. 18 Ex 18,10aȕ ist durch die Erwähnung von Pharao und Ägyptern klar auf 18,8a bezogen und erweist sich daher gegenüber 18,10b als ursprünglich. Ebenso WEIMAR, Berufung, 28; FREVEL, Jetzt, 10. Gegen LEVIN, Jahwist, 359f., der in 18,10aȕ den jüngeren Einschub findet, sonst aber zutreffend herausstellt, daß in 18,8b.9 spätere Zusätze greifbar werden. Hierzu im folgenden. 19 Eine entsprechende Funktion erfüllt das Bekenntnis des Jitro überdies auch mit Blick auf die Infragestellung und neuerliche Bekräftigung der Rettungsankündigung in Ex 5,22f.; 6,1.
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vertretene Annahme, das Bekenntnis des heidnischen Priesters werde als positives Gegenbild zum kriegerischen Verhalten Amaleks in 17,8-13 konstruiert,20 trifft dabei kaum den entscheidenden Grund, der sich erneut vom Fortgang des Intertextes in Ex 4 her erschließt: Am Gottesberg über den göttlichen Plan informiert (4,27f.), kann Aaron gemeinsam mit seinem Bruder zwar die Israeliten überzeugen (4,29-31), doch die beiden scheitern beim Pharao, der sich in 5,2 weigert, der Auszugsforderung eines Gottes nachzugeben, den er nicht kennt ( ¥²¥¥±²¢³¦¢³¢³«¢¥). Es ist nichts anderes als diese Ignoranz des ägyptischen Königs, die im Auftritt von Moses midianitischem Schwiegervater ihr positives Gegenstück erhält:21 Hatte Jitro in 18,10a zunächst JHWHs Großtaten gepriesen, so schließt er in 18,11a mit einer Bekenntnisaussage, die das ¢³«¢¥ des Pharao kontrastiert.22 Anders als dieser hat Jitro erkannt, daß JHWH größer ist als alle Götter (18,11a: ¦¢¥¥¤§¢¥¢¤¢³«¢³«) – ein monotheistisches Bekenntnis im polytheistischen Gewand.23 Ist es mithin die Kunde von seinen Befreiungstaten, die JHWHs Einzig(artig)keit auch für Heiden erkennbar macht, so tritt offen zutage, was den Pharao von Jitro trennt: Ersterer konnte JHWH streng genommen noch gar nicht kennen, denn er mußte ihn erst schmerzvoll kennenlernen, während Jitro in Ex 18 bereits mit JHWHs Taten vertraut ist.24 Diese Vertrautheit stellt sich allerdings nicht erst durch den Bericht des Mose ein (18,8a), sondern ist in Grundzügen von Anfang an vorausgesetzt, denn nach 18,1 ist es die Kunde vom Exodus, die Jitro überhaupt veranlaßt, den Weg zu Vgl. etwa BLUM, Studien, 163; CARPENTER, Exodus 18, 107; FREVEL, Jetzt, 13. FREVEL, Jetzt, 13, vermutet im Hintergrund des Textes eine „Diskussion um die Aufnahme von Fremden und Ausländern in die Kultgemeinde“, während HAARMANN, JHWHVerehrer, 91-94, darauf abhebt, Jitro werde prototypisch als (‚nichtkonvertierter‘) „JHWHVerehrer der Völker“ gezeichnet. Entsprechende Erwägungen zu zeitgeschichtlichen Hintergründen, so berechtigt sie auch sind, dürfen allerdings nicht den Blick darauf verstellen, daß das Hauptinteresse des Textes darin besteht, Jitro als heilsgeschichtliche Gegenfigur zum Pharao zu zeichnen. 22 Den Zusammenhang zwischen Ex 5,2 und 18,11a notieren auch WEIMAR, Berufung, 29; CARPENTER, Exodus 18, 102f.; HAARMANN, JHWH-Verehrer, 90f. 23 Zum monotheistischen Charakter des Bekenntnisses vgl. BLUM, Studien, 159f. Man beachte die Parallelen in Jos 2,9-11; 2 Kön 5,15 sowie den von HAARMANN, JHWHVerehrer, 90, notierten Bezug zu Ex 15,11, einem Vers, den der Verfasser von 18,11a nach der hier vorgelegten Analyse bereits vorfand. Vgl. hierzu die Ausführungen zum redaktionsgeschichtlichen Ort des Meerliedes unter VIII. 4. 24 Im Spannungsfeld von Ex 5,2; 18,11 erschließt sich dann auch, woran bei ‚allem, was JHWH dem Pharao und den Ägyptern um Israels willen getan hat‘ (18,8a: ¢²«±²¥¤ ¥±²¢³¥«¦¢±¯§¥«±¥) konkret zu denken ist, nämlich an die Plagen und an das Meerwunder, all jene Ereignisse, zu denen die erfolglosen Verhandlungen in Ex 5 letztlich den Auftakt bilden sollten. Vgl. JACOB, Buch Exodus, 511. Im Unterschied dazu sieht FREVEL, Jetzt, 8, einen ausschließlichen Bezug von 18,8a zu den Plagen, wohingegen LEVIN, Jahwist, 359, den Halbvers als Zusammenfassung des Meerwunders liest. 20 21
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seinem Schwiegersohn anzutreten. Die erzählerische Exposition in 18,1a, die meist als ursprünglich gilt,25 erweist sich dabei allerdings in ihrer Substanz als späterer Zusatz, denn sie greift dem Bericht des Mose in 18,8a vor26 und nimmt Formulierungen aus dem weiteren Verlauf des Kapitels auf, die eindeutig nicht zum Grundbestand desselben gehören.27 Die ursprüngliche Exposition des Kapitels findet sich mithin nicht in Ex 18,1a, sondern in 18,1aĮb, ein Erzählauftakt, der sich beachtlich gut in den Duktus der Grundschicht fügt: Jitro hat von der Herausführung der Israeliten gehört (¦¢±¯§§ ¥±²¢ ³ ¢ ¢¯ ¢¤ ²§ ¨³ ¨¢§ ¨¤ ±³¢ «§²¢) und kommt zu Mose, der ihm die Details berichtet (18,8a).28 Die rekonstruierte Exposition in 18,1aĮb paßt im übrigen auch deshalb bestens zum Grundbestand der Erzählung, weil sie einen weiteren intertextuellen Link zum Auftakt der Dornbuschszene in 3,1 stiftet. Die volle Titulatur ‚Jitro, der Priester von Midian, der Schwiegervater des Mose‘ begegnet nur in Ex 3,1; 18,1 und geht an beiden Stellen auf dieselbe Hand zurück.29 Die unterschiedliche Reihenfolge der Titulatur in 3,1 (¨¢§¨¤©³ ±³¢) und 18,1aĮ (²§ ¨³ ¨¢§ ¨¤ ±³¢) resultiert schlicht daraus, daß der Verfasser in 18,1aĮ frei formulieren konnte, während er den Eigennamen in 3,1 sinnvoll nur noch vor der bereits bestehenden Verbindung ¨¢§¨¤©³ ergänzen konnte. Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, daß der Grundbestand von Ex 18 durchgängig von seinen intertextuellen Bezügen zu 3,1-5,2 getragen wird und sein theologisches Ziel im Bekenntnis des Jitro findet (18,10a.11a), welches die Reaktion des Pharao in 5,2 kontrastiert. Die detaillierten Angaben zu Moses Familie (18,2-4) verweisen mit 4,20aĮ zwar in denselben intertextuellen Bezugsrahmen, stehen aber in keinem erkennbaren Verhältnis zur theologischen Programmatik der Grundschicht und erwecken daher den Verdacht nachgetragen zu sein. Dies bestätigt sich, insofern die Erwähnung von Frau und Söhnen (³²¢©) in der Ankunftsnotiz 18,5 ebenso klar als Einschub erkennbar ist30 wie der ihr sachlich korrespondierende Halbvers 18,6b den gedanklichen Zusammenhang zwischen 18,6a und 18,7 unterbricht. Davon, daß Jitro die Familie
Vgl. RUDOLPH, Elohist, 38; WEIMAR, Berufung, 28; FREVEL, Jetzt, 9. Vgl. LEVIN, Jahwist, 360. 27 Vgl. hierzu im folgenden. 28 Das abschließende Bekenntnis Jitros zu JHWH (18,11a) bildet eine Inklusio mit der Exodusformel in 18,1b, die kaum zufällig auf die Dekalogspräambel (Ex 20,2; Dtn 5,6) verweist. 29 Vgl. die Ausführungen unter III. 3.2. 30 Vgl. LEVIN, Jahwist, 359f. Der Nachtrag ist syntaktisch nur unvollkommen eingebunden. Liest man 18,5a ohne den Vorlauf in 18,2-4, so klingt es, als bringe Jitro seine Söhne und seine Frau mit. 25 26
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des Mose mit zum Gottesberg brachte, war in Ex 18 ursprünglich keine Rede.31 Daß die in Ex 18,13-26 ausführlich beschriebene Justizreform weder das theologische Interesse der Grundschicht noch deren intertextuellen Bezugsrahmen teilt und mithin definitiv nicht Teil des ursprünglichen Bestandes von Ex 18 ist, bedarf keiner näheren Begründung.32 Es bleibt daher nur noch zu klären, ob das Opfer Jitros in 18,12 zum Grundbestand der Erzählung zu rechnen ist. Zwar läßt sich der Vers problemlos an das Bekenntnis Jitros in 18,11a anschließen, er steht nach diesem erzählerischen Höhepunkt aber etwas auf verlorenem Posten, zumal das inhaltliche Verhältnis zwischen Jitros Worten und der eigentümlich schwammigen Beschreibung der Opferzeremonie in der Schwebe bleibt. Merkwürdig ist auch, daß Jitro in 18,12 Opfer für ‚Elohim‘ (¦¢¥¥¦¢ ¥«) darbringt, nachdem er direkt zuvor in 18,11a die Unvergleichlichkeit JHWHs gegenüber allen Göttern (¦¢¥) betont hatte. Nimmt man hinzu, daß mit Mose eine der beiden Hauptfiguren aus 18,1-11* unter den Teilnehmern des Opfermahles fehlt (18,12b), so erhält man noch ein weiteres Indiz dafür, daß 18,12 gegenüber dem Bekenntnisteil sekundär ist.33 Ein letztes, zwingendes Argument für die Richtigkeit dieser literarhistorischen Verhältnisbestimmung ergibt sich, wenn man die Abschlußnotiz in Ex 18,27 in die Betrachtung einbezieht. Der Vers vermeldet die Rückkehr Jitros in seine Heimat (18,27b: ¯±¥¥£¥¢),34 betont dabei aber, Mose habe seinen Schwiegervater entlassen (18,27a: ©³ ³ ²§ ¥²¢). Warum dies eigens hervorgehoben wird, erschließt sich nicht im Horizont von Ex 18, sondern erneut nur unter Berücksichtigung des intertextuellen Bezugsrahmens, der sich für die Grundschicht als prägend erwiesen hat. Dabei zeigt sich, daß die Verwendung von ¥² im Piǥel nicht nur für die Formulierung der Entlaßforderung insgesamt charakteristisch ist, sondern auch in 5,2 begegnet, wo der Pharao wie gesehen betont, er kenne JHWH nicht und werde daher auch die Israeliten nicht entlassen (¢³¢³«¢¥ ¥² ¥ ¥±²¢ ³ ¦). Da das Bekenntnis Jitros in 18,11a dezidiert als Gegenpol zum ersten Teil dieser Aussage konstruiert wurde (Stichwort «¢), drängt sich der Schluß geradezu auf, daß mit der Entlassung Jitros durch Mose ihr zweiter Teil aufgegriffen wird (Stichwort ¥²). Während 31 Gegen FREVEL, Jetzt, 9, der den Grundbestand des Kapitels in einer Erzählung von der Familienzusammenführung mit anschließendem Opfer sieht (Ex 18,1-7*.12*). Er zählt dabei die erzählerische Exposition in 18,1a mit zu seiner Grundschicht, übergeht aber völlig, daß der besagte Teilvers über 18,8 auf das Bekenntnis Jitros abzielt. Eine Familienzusammenführung ohne Bekenntnis hat es nie gegeben. 32 Vgl. jüngst HAARMANN, JHWH-Verehrer, 71f. Anders etwa KNIERIM, Exodus 18, 154, der wie schon WELLHAUSEN, Composition, 80, das gesamte Kapitel für elohistisch hält. 33 Ebenso LEVIN, Jahwist, 360. 34 Man beachte die Parallele in Num 10,30.
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die pharaonische Unkenntnis JHWHs zur Verweigerung einer Entlassung der Israeliten führte, hat Jitro mit dem Bekenntnis zu JHWH (18,11a) seine Schuldigkeit getan und wird ohne Umschweife von Mose in die Heimat entlassen (18,27). Das Opfer in 18,12 sprengt diesen Zusammenhang zwischen 18,11a und 18,27 und fällt damit für den Grundbestand des Kapitels aus, für den folglich 18,1aĮb.5*.6a.7.8a.10a.11a.27 verbleiben. Die in Ex 18,12 nachträglich an Jitros Bekenntnis (18,11a) angeschlossene Opferszene35 hat bis in die jüngste Vergangenheit Anlaß zu den verschiedensten Erklärungen und Spekulationen gegeben. Hält man den Vers für historisch belastbar, so läßt sich hier die Besiegelung eines Bundes zwischen Midianitern/Kenitern und Israeliten finden36 oder aber im Gefolge der klassichen Midianiterhypothese ein Bericht darüber entdecken, wie die Midianiter „die Exodusgruppe in den Jahwekult auf dem Gottesberg einführten“37. Geht man dagegen von einer Bildung aus nachexilischer Zeit aus, so läßt sich das Opfer als Höhepunkt und Abschluß einer Erzählung interpretieren, in der sich zeitgeschichtliche Probleme brechen, etwa „die Frage, ob und in welcher Form die Völker Anteil an dem Gott des erwählten Volkes haben können.“38 Denkbar wäre auch eine schriftgelehrte Bildung, die auf das „Problem der außer-israelitischen Familienbeziehung Moses“ reagiert und es durch das Bekenntnis Jitros (18,9-11) und seine anschließende Integration in die israelitische Kultgemeinschaft (18,12) zu lösen sucht.39 Für diesen Vorschlag BLUMs scheint auch die sprachliche Verklammerung zwischen 18,2.12 zu sprechen, die jeweils mit ²§¨³ ±³¢ °¢ beginnen, doch stellt sich der Fall genau besehen anders dar. Grund für die eigentümliche Formulierung in 18,12a (¨³ ±³¢ °¢ ¦¢¥¥¦¢ ¥«²§) ist nicht die Parallele in 18,2, sondern offenkundig der Versuch einer möglichst unanstößigen Formulierung. Jitro, der Schwiegervater des Mose – nicht der Priester von Midian!40 –, bringt die Opfer mit, aber nicht ausdrücklich dar,41 eigentlich eine Unmöglichkeit.42 35 Die von FREVEL, Jetzt, 9, vertretene These, das Opfer Jitros (Ex 18,12) habe ursprünglich direkt an den Teil über die Zusammenführung der Familie in 18,1-7* angeschlossen, hat nicht nur den redaktionsgeschichtlichen Befund gegen sich, sondern ist auch in der Sache unplausibel. Inhaltlich wird das Opfer des heidnischen Priesters erst vor dem Hintergrund des Bekenntnisses verständlich, wenn nicht gar möglich. Man vergleiche das Opfer Melchizedeks in Gen 14,18-20, das ebenfalls untrennbar mit dem Bekenntnis des Opfernden zum höchsten Gott verbunden ist. Zum Bezug zu Gen 14 vgl. auch KRATZ, Komposition, 300. 36 Vgl. jüngst LERNER, Redefining, 402-411. 37 ALBERTZ, Religionsgeschichte I, 84.88. Zur Midianiterhypothese vgl. den forschungsgeschichtlichen Überblick bei HAARMANN, JHWH-Verehrer, 77-81. 38 FREVEL, Jetzt, 13. 39 So BLUM, Studien, 160f. 40 Vgl. HOUTMAN, Exodus II, 410. 41 Vgl. BLUM, Studien, 161, Anm. 264.
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Warum aber läßt der Verfasser Jitro überhaupt opfern, wenn er gleichzeitig bestrebt ist, das offenkundig als anstößig empfundene Bild möglichst unscharf zu halten? Eine Antwort hierauf fällt im Rahmen der eben vorgestellten Modelle, die sich durchweg im Horizont von Ex 18 bewegen, schwer. Erforderlich ist vielmehr ein erzählerischer Anknüpfungspunkt, der erklärt, warum Jitros Opfer notwendig ist. Ein solcher Anknüpfungspunkt ist in der Tat gegeben, und zwar in Gestalt des in Ex 3,12b zur Beglaubigung der Sendung Moses angekündigten Zeichens, Israel werde Gott beim Auszug ‚an diesem Berg‘ dienen (¦¢±¯§§ ¦« ³ £¢¯ ±¥«¦¢¥³¨«³). War die Ankündigung aus 3,12b ursprünglich auf ihre Verwirklichung in der Opfer- und Mahlszene Ex 24,4-8 angelegt,43 so zieht Ex 18,12 die Erfüllung des Beglaubigungszeichens vor.44 Der gewachsene Textzusammenhang in Ex 24,4-8.9-11 ist dabei bereits vorausgesetzt und wird in Ex 18,12 erzählerisch verdichtet. Während die Opfer Jitros (¦¢ ¥«) in 18,12a exakt den in 24,5 dargebrachten Opfern entsprechen, hält Jitro in 18,12b45 mit Aaron und den Ältesten Israels Mahlgemeinschaft ¦¢¥¢©¥, fast so wie jene in 24,11b (³ ¢ ³²¢ ¥¤¢ ¦¢¥).46 Daß dabei nach 18,12b ausdrücklich nur Brot verzehrt wird (¦ ¥ ¥¤¥), dürfte am ehesten damit zusammenhängen, daß Jitro die Opfer nicht explizit darbrachte, ist also erneut Teil des Strategie des Verfassers, das anstößige Bild einer Teilnahme an heidnischen Kultpraktiken zu entschärfen.47 Der Grund für die Vorziehung des Beglaubigungszeichens in Gestalt des Opfers Jitros liegt im vorgefundenen Bekenntnisteil Ex 18,1-11a*, welcher im Rückgriff auf Ex 3f. das dort angekündigte Auszugsprojekt als abgeschlossen kennzeichnet. Ex 24,4-8.9-11 kommen in dieser Perspektive für das bei der Herausführung (3,12b: £¢¯) erwartete Zeichen zu spät, °¥ kann das Nehmen eines Opfertieres bezeichnen (Lev 9,3), dessen Darbringung jedoch ein ±° erwarten läßt (Lev 9,5). ¥« und gehören begrifflich in den Zusammenhang des Opfervollzugs, von ‚Nehmen‘ kann also streng genommen keine Rede sein. Daß der Verfasser von Ex 18,12 sich bei der Suche nach einer möglichst unanstößigen Formulierung für °¥ entschied, ist auch vor dem Hintergrund von Ex 24,6-8 zu sehen, wo sich das Lexem häuft. Zu Ex 24 als Quelltext von 18,12 s. im folgenden. 43 Vgl. die Ausführungen unter III. 2.1. 44 Ähnlich PROPP, AncB 2, 631: „Jethro’s act is the partial fulfillment of 3:12.“ 45 LEVIN, Jahwist, 360, findet in der Mahlszene Ex 18,12b einen im Vergleich zum Opfer Jitros (18,12a) jüngeren Nachtrag. Dabei wird freilich übersehen, daß 18,12 die Erfüllung des in 3,12 angekündigten Gottesdienstes der Israeliten vermelden will, was ohne den Auftritt der israelitischen Repräsentanten in 18,12b schwerlich gelingt. Von einer literarkritischen Differenzierung innerhalb des Verses ist Abstand zu nehmen. 46 Die Parallele zwischen Ex 18,12 und 24,9-11 notieren auch PERLITT, Bundestheologie, 188f.; HOSSFELD, Dekalog, 199; LEVIN, Jahwist, 360. 47 Ein Einfluß von Gen 14,18, wo Melchizedek mit Brot und Wein auftritt, scheint dagegen weniger wahrscheinlich. 42
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schließlich hat selbst Jitro nach 18,1b schon erfahren, ‚daß JHWH Israel aus Ägypten herausgeführt hat‘ (¦¢±¯§§ ¥±²¢ ³ ¢ ¢¯ ¢¤). Zur Lösung dieses Dilemmas wird mit Jitro dieselbe Person bemüht, deren Bekenntnis es allererst hervorrief – der Bekenner wird gemäß seiner Profession als Priester von Midian tätig, dies aber mit einer gewollten Unschärfe, die das Bild erträglich hält.48 Nun sollen nicht mehr die in 24,5 von den israelitischen Jünglingen dargebrachten Brand- und Schlachtopfer, sondern vielmehr Jitros Brand- und Schlachtopfer für Gott (18,12a: ¦¢ ¥« ¦¢¥¥) als partielle Erfüllung des in 3,12b angekündigten Gottes-Dienstes (¦¢¥³¨«³) gelesen werden,49 die sich in der aus 24,9-11 abgeleiteten Mahlgemeinschaft mit Aaron und den Ältesten (18,12b) komplettiert.50 Als Nebeneffekt ergibt sich, daß mit dem Opfer Jitros, das nach 18,5 in der Wüste beim Gottesberg stattfindet, auch das ursprünglich als Auszugsvorwand erdachte Motiv des Opferfestes in der Wüste (3,18b; 5,3.8.17; 8,4.21-24) eine verspätete Erfüllung findet.51 Mit Jitros Opfer schließt sich ein weiterer Kreis um Ex 3-18, welcher die besagten Kapitel als inhaltliche und thematische Einheit zusammenzieht und von der folgenden Sinaioffenbarung abgrenzt. In einen vergleichbaren textlichen Rückraum wie das Opfer des Jitro verweisen auch die in Ex 18,2-4 ergänzten Angaben zu Moses Familie, in deren Hintergrund die Notizen in 2,21f.; 4,20aĮ stehen. Der Abschnitt, der durch die Erweiterung von 18,5 und die Ergänzung von 18,6b mit dem älteren Erzählbestand verknüpft wird, trägt zu dessen weiterem Verlauf auffälligerweise nichts bei, sondern scheint allein daran interessiert, durch die Nennung der relevanten Namen eine Klärung der verwandtschaftlichen Verhältnisse des Mose zu erzielen.52 So führt 18,2a nach Jitro, dem ¨³ ²§, Zippora, die ²§³², ein, und 18,3f. wenden sich den beiden Söhne derselben zu, und zwar nebst ausführlicher Namensetymologie, deren erste (Gerschom) aus 2,22 übernommen ist, während die zweite (Eliezer) eigens 48 Jitro übernimmt damit in gewisser Weise die kultischen Funktionen einer israelitischen Priesterschaft, deren Einsetzung noch aussteht; vgl. PROPP, AncB 2, 631. 49 In 18,12a ist daher vermutlich ¦¢¥ ¥ zu lesen. Die Punktierung der Masoreten (¦¢¥ ¥) spiegelt den Versuch, das anstößige Bild des heidnischen Opferpriesters weiter zu entschärfen. 50 Daß das Opfer, wie ZENGER, Israel, 83, meint, den in Ex 17,15 errichteten Altar voraussetzt, vermag ich nicht zu sehen. Der Ort des Opfers liegt ebensowenig wie seine genauen Modalitäten im Blick der Erzählung. 51 Auch die älteren Auszugsverhandlungen in Ex 10, die um ein Fest JHWHs kreisen, bei dem Brand- und Schlachtopfer dargebracht werden (10,9.25), finden nun in gewisser Weise eine Erfüllung in 18,12. Das Motiv teilt damit das Schicksal des Beglaubigungszeichens aus 3,12, mit dem es den ursprünglichen Zielpunkt in Ex 24 gemeinsam hatte. 52 Daher ist es nicht haltbar, ein zentrales Anliegen des Textes mit BLUM, Studien, 160, in einer Klärung der Mischehenproblematik zu sehen. Kritisch auch FREVEL, Jetzt, 13.
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für den Kontext geschaffen wurde. Die Erklärung des Namens Eliezer erweist sich dabei als schriftgelehrte Bildung, welche die Flucht Moses vor dem Pharao (2,15) im Licht von 18,8a (Stichwort ¥¯©) als göttliche Hilfe und Rettung vor dem Schwert des Pharao interpretiert (18,4b: ¢¢¥¢¤ «± ± § ¢©¥¯¢ ¢±«).53 Durch die Einführung Eliezers löst der Bearbeiter die Spannung zwischen 2,22, der allein Gerschom als Sohn Moses erwähnt, und 4,20aĮ, wo eine unbestimmte Mehrzahl von Söhnen vorausgesetzt ist (¢©). Ex 18,3f. begrenzen die Zahl der Söhne auf zwei und machen diese namentlich bekannt.54 Nun ist mit der Beobachtung, daß Ex 18,2-4 die zwischen 2,22; 4,20aĮ bestehende Spannung lösen, freilich noch in keinster Weise erklärt, warum dieser Schritt erst in Ex 18 erfolgt, und zwar vermittelt über das Motiv, daß Jitro die Familie des Mose mit an den Gottesberg bringt. Dieses Motiv steht in deutlichem Widerspruch zu 4,20a, wo Mose von seiner Familie nach Ägypten begleitet wird, und es will nicht einleuchten, daß ein Ergänzer, dem allein an der Klärung von Anzahl und Namen der Mosesöhne gelegen war, ohne Not einen derartigen Widerspruch hervorrief, der leicht zu vermeiden gewesen wäre, hätte man eine 18,4 entsprechende Aussage direkt hinter der Geburtsnotiz Gerschoms in 2,22 ergänzt. Hieraus folgt, daß es dem Verfasser von 18,2-4 nicht allein um die Lösung der Spannung zwischen 2,22; 4,20aĮ ging, sondern daß er offenkundig Grund für die Annahme hatte, Mose sei entgegen der Aussage in 4,20a nicht von seiner Familie bis nach Ägypten begleitet worden, und nun versucht, dieses Defizit nachträglich durch die Zusammenkunft am Gottesberg zu beheben. Verständlich wird die besagte Annahme allein vor dem Hintergrund der Genese von Ex 4, die ihren Abschluß mit dem Attentat auf Moses Erstgeborenen (4,24-26) findet. Da sich das Ereignis nach 4,24 noch auf dem Rückweg (£±) zuträgt und Moses Familie im folgenden nicht mehr erwähnt wird, wohingegen Mose in 4,27 offenkundig allein seinen Bruder Aaron am Gottesberg trifft, um dann mit diesem zu den Volksgenossen zurückzukehren (4,29a), ließ der synchrone Textzusammenhang die Deutung zu, daß Moses Familie auf halber Strecke zurückblieb. Exakt diese Deutung und damit der späte Passus Ex 4,24-26 wird im Hintergrund von 18,2-4 stehen, wo Jitro die Verbindung zwischen Mose und seinem familiären Anhang wiederherstellt. Für den redaktionsgeschichtlichen Zusammenhang spricht auch, daß in 18,3 wie in 4,25 von den Söhnen bzw. dem Sohn Zipporas (©¢©) die Rede ist, das verwandt53
Das Schwert des Pharao scheint dabei seinen Hintergrund in Ex 5,21 zu haben. Daß die Namen der beiden Mosesöhne bereits in eine weit fortgeschrittene Phase der alttestamentlichen Literaturwerdung gehören, bestätigt sich indirekt auch dadurch, daß sie inneralttestamentlich nur noch ein weiteres Mal, und zwar im chronistischen Schrifttum, Erwähnung finden (1 Chr 23,15). 54
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schaftliche Verhältnis also in Relation zur Mutter ausgedrückt wird. Selbiges ist auch in 18,6b der Fall (§«¢©¢©²£³²), wo der Verfasser von 18,2-4 gegenüber Mose die Ankunft des Familienanhangs vermelden läßt. Wenn dagegen in 18,5 in umgekehrter Reihenfolge von Moses Söhnen und seiner Frau die Rede ist (³²¢©), so weckt dies Zweifel an der Zugehörigkeit des Nachtrags zu derselben Schicht. Die Erwähnung von Söhnen und Frau in 18,5 scheint auf einen nochmals jüngeren Ergänzer zurückzugehen, der eine entsprechende Aussage in der Notiz zum Eintreffen Jitros (18,5) vermißte. Möglicherweise kann man ihm auch die Apposition ²§ ¨³ zuschreiben, die im Grundbestand der Erzählung (18,1aĮb.5*) nach der ausführlichen Vorstellung Jitros in 18,1aĮ unnötig redundant ist. Handelt es sich bei der Erwähnung des Familienanhangs in 18,5 um einen gegenüber 18,2-4.6b jüngeren Zusatz, so wird man dasselbe schließlich auch für 18,2b geltend machen müssen. Der hier tätige Ergänzer verstand nicht mehr die in der synchronen Lektüre von 4,20-29a angelegte Schlußfolgerung seines in 18,2a.3f.6b tätigen Vorgängers, Mose sei ohne Familienanhang nach Ägypten zurückgekehrt. Vielmehr nimmt er die Notiz zur Rückkehr der gesamten Familie wörtlich (4,20a) und versucht, die sich so unweigerlich ergebende Spannung zur Zusammenführung der Familie am Gottesberg dadurch zu lösen, daß er postuliert, Mose habe seine Frau zuvor nach Midian zurückgesandt (¢ ¥²± ).55 Die bereits im Grundbestand des Kapitels über das Leitwort ¥¯© verankerte Rettungsthematik (18,10a) wurde nicht nur nachträglich in der Namensetymologie Eliezers (18,4) aufgenommen, sondern hat auch die Wachstumsgeschichte des Bekenntnisteils in 18,8-11 geprägt. Während der ursprüngliche Bestand des Teils (18,8a.10a.11a) allein auf die Auszugsereignisse fokussiert war, weitet der in 18,8b tätige Ergänzer die Perspektive auf die in Ex 15-17 auf der Wanderung zum Sinai erfahrene Mühsal der Israeliten (£± ¦³¯§ ±² ¥³ ¥¤ ³)56 und betont, daß JHWH auch hier, wie zuvor beim Exodus, rettend eingriff (¢¦¥¯¢).57 Von derselben Hand stammt die Reaktion Jitros in 18,9a, der nun vor dem Lobpreis des Exodusgottes (18,10a.11a) zunächst seine Freude über all das Gute äußert, das JHWH den Israeliten erwiesen hat (¢²«±²¡¥¤¥«±³¢ ¢
Ex 18,2b ist lange als harmonistischer Zusatz erkannt; vgl. WELLHAUSEN, Composition, 80; RUDOLPH, Elohist, 37; NOTH, ATD 5, 119; BLUM, Studien, 158, Anm. 253; LEVIN, Jahwist, 360; FREVEL, Jetzt, 10, Anm. 23. 56 Vgl. VAN SETERS, Life, 211, der an die „trials in the wilderness before Sinai“ denkt. Auch die Amalekiterschlacht (17,8-13) ist bereits im Blick (JACOB, Buch Exodus, 511; CASSUTO, Commentary, 215), wird aber kaum ausschließlich gemeint sein; gegen ZENGER, Israel, 83. 57 Perspektivisch wird so in gewisser Weise an Ex 19,4 angeglichen. 55
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¥±²¢¥).58 Wird so einerseits der erweiterten Rettungsperspektive aus 18,8 Rechnung getragen, so entsteht andererseits eine Kluft zwischen Jitros Freude über die Gesamtheit der göttlichen Wohltaten (18,9a) und seinem Lobpreis in 18,10a, der allein auf die Auszugsereignisse abhebt. Um diese Kluft zu überbrücken, schaltete ein späterer Ergänzer in 18,9b einen Relativsatz ein, der die Freude Jitros auf die Errettung aus Ägypten zuspitzt (¦¢±¯§ ¢§ ¥¢¯ ±²) und damit wieder einen nahtlosen Übergang zum Lobpreis in 18,10a herstellt, dessen Wortlaut in 18,9b anzitiert wird (vgl. 18,10aȕ: «± ¢§ ¦¢±¯§ ¢§ ¦¤³ ¥¢¯ ±²). Daß Israel in 18,9b im Unterschied zu 18,9a.10a nicht mit einem pluralischen, sondern mit einem singularischen Objektsuffix bezeichnet wird, unterstreicht, daß der Halbvers jünger sein muß als sein direkter Vorkontext in 18,8b.9a, ohne den er nicht lebensfähig ist. Während sich Ex 18,9b in der dargestellten Weise als Versuch plausibilisieren läßt, die Aussagen in 18,9a und 18,10a miteinander zu verknüpfen, bleibt die Funktion von 18,10b auf den ersten Blick im Dunkeln. Der Halbvers bietet mit der Aussage, JHWH habe das Volk unter der Hand der Ägypter hinweg errettet (¦¢±¯§¢³ ³§¦«³¥¢¯±²), gegenüber der in 18,10a vorangehenden Rettungsaussage in der Sache nichts Neues und wirkt unnötig redundant.59 Den Zweck des Zusatzes verrät auch nicht die Rede von einer Errettung ‚unter der Hand der Ägypter hinweg‘, denn sie ist weder in der Exoduserzählung, noch an sonst irgendeiner Stelle des Alten Testaments belegt.60 Die engste Parallele im Rahmen der vorangehenden Kapitel findet sich in der priesterschriftlichen Ankündigung, JHWH werde die Israeliten ‚unter den Fronlasten der Ägypter hinweg herausführen und sie von ihren Arbeiten erretten‘ (6,6: ³ ³§ ¦¤³ ¢³¯
Das Nomen ¥³ in Ex 18,8b ist alttestamentlich sonst nur noch in Num 20,14; Neh 9,32; Klgl 3,5 belegt, wobei die beiden erstgenannten Parallelen ebenfalls auf Geschichtsrückblicke entfallen (Num 20,14 setzt Ex 18,8b vermutlich voraus). Daß alte Belege fehlen, verwundert in Anbetracht eines relativen Spätlings wie Ex 18 nur wenig. Daß überdies die durch die Parallele zu Neh 9,32 angezeigte Nähe zum chronistischen Schrifttum (FREVEL, Jetzt, 10, Anm. 23) nicht zufällig ist, zeigt die Formulierung ¢ ²« ±² ¡ ¥¤ ¥« ¥±²¢¥ (18,9a), die ihre deutlichste Parallele in 2 Chr 7,10 findet (¢ ²« ±² ¡ ¥« §«¥±²¢¥¥§²¥¢¥) – hier wie dort geht ein Ausdruck der Freude vorweg! 59 Ex 18,10b wurde dann auch in g aus stilistischen Gründen unterdrückt. Daß der Übersetzer den Halbvers in seiner Vorlage vorfand, zeigt sich eindeutig daran, daß er die dort verankerte Rede vom Volk (¦«) nach 18,10a vorgezogen hat. Vgl. grundlegend WEVERS, Notes, 279f. 60 Die engste Parallele zu Ex 18,10b findet sich in 2 Kön 17,7, wo die Heraufführung (¥«) aus Ägypten näher durch die Angabe ¦¢±¯§£¥§«±¢³ ³§ bestimmt ist. An ihren sonstigen Belegstellen verweist die Wortverbindung ¢³ ³§ nicht in den Kontext des Exodus, sondern bezeichnet vielmehr – meist mit der Wurzel «² – den Ausbruch eines Staates aus einem Vasallitätsverhältnis (2 Kön 8,20.22; 13,5; 2 Chr 21,8.10). 58
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¦³«§ ¦¤³ ¢³¥¯ ¦¢±¯§ ³¥ª),61 doch leuchtet nicht ein, warum ein Ergänzer, der das Eintreffen dieser Ankündigung vermelden wollte, dies in der in 18,10b bezeugten Weise unter Vermeidung des in 6,6 vorgegebenen Wortlautes hätte tun sollen. Gegenüber der Annahme eines auf 6,6 bezogenen Erfüllungsvermerks ist eine alternative Erklärung von 18,10b vorzuziehen, die den Bezug zu 18,1aȕȖ berücksichtigt. Um dies zu zeigen, sind zunächst die beiden letztgenannten Viertelverse zu betrachten. Wußte der Grundbestand von Ex 18,1 lediglich davon zu berichten, daß Jitro von der Herausführung der Israeliten gehört hatte (18,1aĮb), so ist ihm nach 18,1aȕȖ bereits vor seinem Aufbruch zum Gottesberg en detail zu Ohren gekommen, was ihm ursprünglich erst beim Zusammentreffen mit Mose von diesem mitgeteilt wurde (18,8a). Das Ziel des in 18,1aȕȖ tätigen Bearbeiters ist es zu zeigen, daß sich die Kunde von JHWHs Machterweisen ganz von selbst wie ein Lauffeuer unter den Heiden verbreitet.62 Allerdings fällt auf, daß der Bericht des Mose nicht einfach nach 18,1aȕȖ vorweggespiegelt wird, denn hier ist nicht mehr von dem die Rede, was JHWH um Israels willen den Ägyptern antat (18,8a:²«±²¥¤ ¥±²¢ ³ ¥« ¦¢±¯§¥ «±¥ ¢), sondern es wird auf Gottes Taten für Mose und sein (sc. Gottes) Volk abgehoben (18,1aȕȖ: ¦¢¥²«±²¥¤ §«¥±²¢¥²§¥). Die Abweichung erklärt sich damit, daß der Bearbeiter bereits ein fortgeschrittenes Entwicklungsstadium des Kapitels vorfand, das sowohl den Familienteil in 18,2-4* als auch Jitros Freude über die Wohltaten JHWHs (18,9a) einschloß. Sowohl die Ersetzung von ¢ durch ¦¢¥ als auch die auffällige Voranstellung Moses erklären sich nämlich nur dann, wenn man die Etymologie des Namens Eliezer in 18,4b berücksichtigt («± ± § ¢©¥¯¢ ¢±« ¢ ¢¥ ¢¤): Bei Gottes Taten für Mose (18,1aȕ) kann nur an die Errettung vor dem Schwert des Pharao gedacht sein.63 Dagegen findet die Ausweitung der Perspektive auf das Gottesvolk (18,1aȖ) ihren Hintergrund in der Freude Jitros über all das Gute, das JHWH für Israel getan hat (18,9a). Geht man von der in Ex 18,1a etablierten zweifachen Perspektive auf Gottes Taten für Mose und Israel aus, so legt sich als Erklärung für 18,10b nahe, daß der hier tätige Ergänzer eben jene Perspektive auch im Lobpreis des Jitro verankert wissen wollte, mit dem der in 18,1a eröffnete thematische Bogen sein primäres Ziel findet. Da 18,10a mit dem Hinweis auf die Errettung aus der Hand des Pharao schloß, ließ sich hier im Licht von 18,1aȕ.4 eine Anspielung auf die Errettung Moses vor dem Schwert des
Zum Bezug vgl. WEIMAR, Berufung, 29, Anm. 28. Dieselbe Vorstellung bezeugen die späten dtr Passagen in Jos 2,10f.; 5,1; 9,9f.; 1 Kön 8,41-43. 63 Den Zusammenhang notiert auch BLUM, Studien, 160, Anm. 261. 61 62
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Pharao finden.64 Diese Deutungsmöglichkeit, die bei einer isolierten Betrachtung von 18,10a noch recht vage erscheint, wird gerade dadurch profiliert, daß 18,10b ausdrücklich auf die Errettung des Volkes abhebt und so den Aspekt aus 18,1aȖ betont, wodurch 18,10a in der Rückschau mit 18,1aȕ parallelisiert und für eine Deutung auf das Schicksal des Mose geöffnet wird.65 Daß der Ergänzer in 18,10b die sonst nicht gebräuchliche Formulierung verwendet, JHWH habe das Volk ‚unter der Hand der Ägypter hinweg‘ (¦¢±¯§ ¢ ³ ³§) errettet, könnte den Versuch spiegeln, durch Übernahme einer politisch-militärisch konnotierten Wendung66 den nationalen Aspekt der Errettung zu unterstreichen und die Aussage damit noch klarer von 18,10a abzusetzen. Nicht gänzlich auszuschließen ist freilich auch, daß die Wortwahl in 18,10b den unbeholfenen Versuch spiegelt, den zweiten Teil von Jitros Lobpreis in der Länge an den ersten (18,10aȕ) anzupassen, um so ein metrisch halbwegs ausgewogenes Bikolon zu schaffen. Dem Lobpreis Jitros in Ex 18,10 strukturell entsprechende Parallelismen prägen auch die vorliegende Gestalt von 18,8 (¥¤³¥¤³), 18,9 (¥¢¯±²²«±²) und 18,11, wo dem mit ¢¤ eingeleiteten Bekenntnis des Grundbestandes (V. 11a) nachträglich in V. 11b eine Aussage zur Seite gestellt wurde, die syntaktisch von derselben Konjunktion regiert wird (¢¤ ¦¢¥«±²±). Über den Sinn der kryptischen Phrase ist viel diskutiert worden, wobei keine der vorgeschlagenen Emendierungen letzte Plausibilität für sich beanspruchen kann.67 Nimmt man den Text so, wie er ist, so scheint es sich am ehesten um eine hingeworfene Randglosse zu handeln, die, da sie ebenfalls mit ¢¤ eingeleitet ist, versehentlich als Fortsetzung der in 18,11a vorangehenden Erkenntnisaussage in den Text übernommen wurde. Der Glossator hatte dagegen lediglich den Bezug von 18,11a zu 5,2 notiert: ‚Fürwahr, in eben der Sache, in der sie (die Ägypter) vermessen gegen sie (die Israeliten) handelten, (erweist sich Jitro als würdig).‘68 Eine Stütze findet diese Interpretation in Neh 9,10, wo das 64
Ähnlich findet auch die jüdische Auslegung im Anschluß an Ibn Ezra in Ex 18,10a einen Hinweis auf die Errettung Moses und Aarons, wohingegen erst mit 18,10b das Volk als ganzes in den Blick komme; vgl. CASSUTO, Commentary, 216. 65 Diese Deutung wird möglich, da in Ex 18,10a zwar eine Gruppe (¦¤³) als Objekt der Errettung genannt, gleichzeitig aber mit den Ägyptern und dem Pharao eine doppelte Bezugsgröße angegeben wird, in Relation zu der sich die Errettung ereignet. Die Aussage, JHWH habe ‚euch aus der Hand der Ägypter und des Pharao gerettet‘, ließ sich folglich so interpretieren, daß er die Israeliten aus der Hand der Ägypter und Mose aus der Hand des Pharao errettete. 66 Vgl. die bereits erwähnten Parallelen in 2 Kön 8,20.22; 13,5; 2 Chr 21,8.10. 67 Vgl. die Übersicht bei HOUTMAN, Exodus II, 409. 68 Vgl. WEIMAR, Berufung, 28f., Anm. 25, der allerdings – wohl irrtümlich – von Ex 5,3 spricht. Eine Glosse vermutet auch BLUM, Studien, 159, Anm. 253, der jedoch mit bSota 11a
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vermessene Handeln (¢) der Ägypter als Grund der Plagen genannt wird (¦¢¥«¢¢¤³«¢¢¤), die ja bekanntlich mit dem ersten Scheitern Moses und Aarons vor dem Pharao (Ex 5) ihren Lauf nehmen (vgl. 6,1).69 Im Unterschied zu der in Ex 18,11a greifbaren Glosse, deren genauer redaktionsgeschichtlicher Horizont sich nicht mehr bestimmen läßt, gibt es im Fall der in 18,13-26 breit geschilderten Justizreform ein eindeutiges Kriterium, das eine Verortung des Abschnitts im Rahmen der relativen Chronologie des Kapitels erlaubt. Die auf Jitros Vorschlag vorbereitende Aussage, der Schwiegervater des Mose habe alles gesehen, was dieser für das Volk tat (18,14a: ¦«¥²«±²¥¤³²§¨³ ±¢), spielt nämlich unübersehbar auf die Formulierung aus 18,1a an, Jitro habe alles gehört, was Gott für Mose und sein Volk Israel getan habe (³±³¢«§²¢ §« ¥±²¢¥ ²§¥ ¦¢¥ ²« ±² ¥¤).70 Der Ergänzer der Justizreform setzt damit bereits ein weit fortgeschrittenes Entwicklungsstadium von 18,1-12 voraus. Die Szene nimmt ihren Auftakt damit, daß Jitro zum Zeugen wird, wie Mose von morgens bis abends das Volk richtet (18,13f.),71 sich den Sachverhalt erklären läßt (18,15a.16a) und daraufhin Mose tadelt, er werde auf diese Weise sich und das Volk zugrunde richten (18,17f.). Doch auch um eine Lösung ist der Schwiegervater nicht verlegen (18,19a): Mose soll geeignete Personen auswählen, denen alle kleinen Rechtsangelegenheiten (¨¡°±¥¤) zur Entscheidung vorgelegt werden, während Mose selbst nur in schweren Fällen (¥±¥¤) hinzugezogen werden soll (18,21a.22). Wenn Mose diesen Plan umsetze, so Jitro, werde es mit ihm und dem Volk nicht das in 18,18 angedeutete böse Ende nehmen (18,23), was Mose denn auch zu überzeugen scheint, der in 18,24 sofort alles Notwendige veranlaßt. Damit endet die Episode in ihrem von GRAUPNER rekonstruierten Grundbestand, der hier vorausgesetzt wird.72 vor dem Hintergrund von Ex 1,22; 14 einen Talionszusammenhang annimmt: „Was die Ägypter für Israel ausheckten [...] geschah ihnen selbst.“ Allerdings läßt sich auf diese Weise, im Gegensatz zu dem hier vertretenen Modell, nicht erklären, was der Inhalt der Glosse mit 18,11a zu tun hat. 69 Im gesamten Alten Testament begegnet die Verbform ¢ im Exoduskontext nur in Ex 18,11; Neh 9,10, was auf eine gemeinsame Auslegungstradition schließen läßt. Auf die Parallele zwischen Ex 18,8b und Neh 9,32 wurde bereits hingewiesen. 70 Den Bezug betont auch CASSUTO, Commentary, 218. 71 Die Terminierung in Ex 18,13aĮ (³± §§ ¢¢) begründet sich nicht aus dem vorangehenden Erzählkontext, sondern liegt in der Binnenlogik von 18,13f.: Wenn Jitro beobachtet, wie Mose das Volk von morgens bis abends richtet, so muß die Szene am Morgen beginnen. 72 Vgl. GRAUPNER, Exodus 18,13-27, 12-19. Lediglich bei Ex 18,23aȕ (¦¢¥ £¯¢) scheint es sich um einen Zusatz zu handeln. Der syntaktisch schwer einzuordnende Versteil, von GRAUPNER, a.a.O., 19, als „asyndetischer Relativsatz in vorgezogener, damit betonter Stellung“ interpretiert und für ursprünglich gehalten, erklärt sich am einfachsten als nachträglicher Versuch, den Ratschlag Jitros auf einen göttlichen Befehl zurückzuführen.
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Für die immer wieder, oft unter Verweis auf 2 Chr 19,5-7, vertretene Auffassung, der Text ziele auf die ätiologische Begründung einer Justizreform,73 gibt es im Grundbestand der Erzählung wie im übrigen auch in ihrer Endgestalt keine Anhaltspunkte.74 Das Ziel des Textes ist mithin nicht außerhalb seiner selbst zu suchen, sondern durch eine Analyse seiner erzählerischen Binnenlogik einerseits sowie andererseits aus seiner kontextuellen Einbettung vor der Sinaiperikope zu erschließen. Der Schlüssel zum Verständnis findet sich in 18,23aĮȖb, wonach Mose durch das Befolgen des Rates bestehen (§«³¥¤¢²«³±³¦) und das Volk in Frieden zu seinem Ort kommen wird (¦¥²¢§°§¥«¦«¥¤¦), eine Ankündigung, die bewußt die düstere Prognose in 18,18a kontrastiert (£§« ±² ¦« ¦ ³ ¦ ¥³ ¥©).75 Daß der nach dem Modell von 18,22 in seiner richterlichen Funktion entlastete Mose nun werde bestehen können, ist unmittelbar plausibel. Was aber ist damit gemeint, daß das Volk in Frieden §°§¥« kommt? Die eigentümliche Formulierung76 wirkt zunächst wie ein Verweis auf die Landnahme,77 hat aber wahrscheinlich schlicht das wartende Volk aus 18,13f. im Blick, dem die Aufhebung des mosaischen Zentralgerichts eine zügige Abwicklung der Rechtsfälle und damit auch eine schnellere und konfliktfreie Rückkehr zu den Wohnstätten in Aussicht stellt.78 Zielt die in Ex 18,13-26* beschriebene Justizreform damit schlicht auf die Entlastung Moses und des Volkes, so stellt sich die Frage, was den Verfasser veranlaßte, den Text just an dieser Stelle in den vorgefundenen Erzählzusammenhang einzuschreiben. Eine erste Antwort ermöglicht die transsinaitische Parallele in Num 10f., wo zunächst der sekundär mit dem Schwiegervater des Mose in Verbindung gebrachte Midianiter Hobab auftritt (10,29-32) und Mose wenig später über die Last des murrenden Volkes klagt und siebzig Älteste als Helfer zur Seite gestellt bekommt (11,1125).79 Dieser Textzusammenhang ist in Ex 18,13-26* bereits vorausgesetzt und wird hier im Ratschlag des aus Ex 3 an den Sinai gekommenen Bekenners Jitro (18,1-12) erzählerisch verdichtet.80 Daß dabei der in Ex 18 73 Vgl. etwa NOTH, ATD 5, 120f.; KNIERIM, Exodus 18, 146-171; LEVIN, Jahwist, 360f.; CRÜSEMANN, Tora, 104-131. 74 Vgl. die ausführliche Diskussion bei GRAUPNER, Exodus 18,13-27, 19-26. 75 Vgl. JACOB, Buch Exodus, 514. 76 Zu erwarten wäre mit b ein §°§¥. 77 So interpretiert GRAUPNER, Exodus 18,13-27, 26. 78 Ähnlich NOTH, ATD 5, 116; HOUTMAN, Exodus II, 421. 79 Auf die Parallele verweisen auch BLUM, Studien, 157, und FREVEL, Jetzt, 19. 80 Daß Ex 18,13-26 die Einsetzung der 70 Helfer in Num 11 bereits voraussetzt, erhellt etwa daraus, daß die Klage Moses (11,14: ¢©§§¤¢¤¦«¥¤³³²¥¢¥¢¤©¥¤¥) fast wortwörtlich im Munde Jitros wieder begegnet (18,18b: ²«¥¤³¥±£§§¤¢¤ £¥). Die Umwandlung einer genuinen Klage in einen unterschwelligen Vorwurf sowie die
1. Analyse
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zuvor permanent wiederholte Name Jitro nun plötzlich nicht mehr gebraucht wird, hat eben damit zu tun, daß als Bezugstext nun nicht mehr Ex 3, sondern Num 10f. im Blick ist. Die Vermeidung des Eigennamens ist ein Mittel der Leserlenkung, das eine Wahrnehmung der Numeritexte ermöglichen soll. Ist damit Ex 18,13-26 als jüngerer Satellitentext zu Num 10,29-11,25 anzusprechen,81 so kann doch allein die kompositorische Symmetrie, in der sich die beiden Passagen um die imaginäre Achse des Sinai anordnen, nicht die spezifische inhaltliche Prägung von Ex 18 erklären. Wäre dem Ergänzer allein daran gelegen gewesen, im Sinne der etwa in Ex 17; Num 20 zu verzeichnenden Symmetriebildungen eine erzählerische Parallele zu Num 10f. zu schaffen, so hätte er sich mit einem weiteren Helfertext begnügen können und das Motiv nicht auf die eigentümliche Vorstellung einer Justizreform zuspitzen müssen. Bereits der Gedanke, daß Mose noch vor seinem ersten Aufstieg auf den Sinai eine richterliche Funktion wahrnimmt (18,13f.), ist streng genommen ein schreiender Anachronismus, denn die Offenbarung des Gesetzes als des Maßstabs richterlichen Handelns stand ja noch aus. Eben jener Anachronismus hält nun aber den Schlüssel sowohl für die literarhistorische Einordnung der Justizreform als auch für ihre inhaltliche Plausibilisierung bereit. Ex 18,13-26 gehören offenbar in den Zusammenhang jener späten, dtr geprägten Ergänzungen, die eine Kenntnis und damit eine Verbindlichkeit des Gesetzes bereits für die Zeit zwischen Auszug und Ankunft am Sinai voraussetzen (Ex 15,25b; 16,4bȕ).82 Besonders Ex 15,25b ist im Zusammenhang mit Ex 18,13-26 von Bedeutung, denn die Gabe von ¡²§ ° und Moses richterliche Funktion (¡²) stehen kaum zufällig in inhaltlicher Korrespondenz zueinander. Genau betrachtet erhellt allein vor dem Hintergrund von Ex 15,25b der Sinn der Justizreform. Der Verfasser von Ex 18,13-26* schloß aus der Gesetzesgabe Moses an das Volk, daß Mose als Richter für die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung verantwortlich sein mußte,83 und verschaffte ihm durch die Einsetzung von Zuspitzung der allgemeinen Helferthematik auf das Justizwesen erweisen Ex 18 als von Num 11 abhängig. Ebenso BLUM, Studien, 157; LEVIN, Jahwist, 361. Nochmals jünger ist der zusammenfassende Rückblick in Dtn 1,9-18, der in 1,16f. die Justizreform aus Ex 18 an den Ort von Num 11 verlegt. Allerdings hat Dtn 1,9-18 umgekehrt in Gestalt der späten Nachträge in Ex 18,21b.25f. auf Ex 18 eingewirkt; vgl. GRAUPNER, Exodus 18,13-27, 12-15. Zum Verhältnis zwischen Ex 18, Num 11 und Dtn 1 vgl. grundlegend SEEBASS, BK.AT IV/2, 42-44; ferner PERLITT, BK.AT V, 57.73f.; OTTO, Deuteronomium [1999], 243f. 81 Wenig überzeugend dagegen SCHART, Mose, 235f., der in Ex 18,13-27 das kompositionelle Gegenstück zur Revolte Datans und Abirams in Num 16 findet. 82 Ähnlich KRATZ, Komposition, 301. 83 Man beachte in diesem Zusammenhang auch die literarhistorisch ebenfalls spät einzuordnende Szene in Ex 2,13f.
426
Kap. IX: Jitro (Ex 18)
Gerichtshelfern Entlastung. Nun kann Mose getrost auf den Sinai steigen, um dort die Gesetze zu empfangen, nach denen er längst seine Urteile fällt.84 Eben diese eigentümliche Spannung zur noch ausstehenden Offenbarung dürfte einen Späteren, der nicht mehr von Ex 15,25b her dachte, dazu veranlaßt haben, in 18,15b.16b.19b das Motiv der Befragung Gottes (¦¢¥ ²±¥) einzuschalten.85 Mose wird nun zur Mittlergestalt, die von Gott selbst in jedem Einzelfall den passenden Rechtsentscheid erfragt und dem Volk übermittelt. Nochmals jünger ist 18,20, der 18,19b voraussetzt, aber nicht mehr den einzelnen Rechtsentscheid bedenkt, sondern Mose zum Gesetzeslehrer erklärt.86
2. Ergebnis Der Grundbestand von Ex 18 findet sich in 18,1aĮb.5*.6a.7.8a.10a.11a.27 (I) und berichtet über den Auftritt von Moses midianitischem Schwiegervater, den derselbe Bearbeiter erstmals in 3,1; 4,18 als Jitro bekannt gemacht hatte. Zielpunkt der bereits in ein weit fortgeschrittenes nachpriesterschriftliches Stadium der Textentwicklung einzuordnenden Bearbeitung ist das JHWH-Bekenntnis des heidnischen Priesters (18,10a.11a), das vor Beginn der Sinaioffenbarung den erfolgreichen Abschluß des in Ex 3 an demselben Ort initiierten Befreiungsprojektes signalisiert und gleichzeitig einen positiven Kontrast zur Reaktion des Pharao in 5,2 bildet, mit der die gewaltsame Durchsetzung des besagten Projektes ihren Anfang nimmt. Der intertextuelle Bezug zwischen 18,11a und 5,2 wird auch durch die Glosse in 18,11b expliziert, deren genauer redaktionsgeschichtlicher Ort sich aber nicht mehr bestimmen läßt (I+). Wie der Grundbestand des Kapitels speisen sich auch das Opfer des Jitro in 18,12 und der ‚Familienblock‘ in 18,2a.3f.6b aus dem Umfeld der Dornbuschszene, wobei das Opfer älter sein wird, da es anders als die sich um Moses Familienanhang rankenden Stücke nicht auf jüngere Entwicklungen in Ex 3f., sondern vielmehr auf ein Problem reagiert, das sich direkt aus der Grundschicht von Ex 18 ergab. Da hier das Auszugsprojekt betont für abgeschlossen erklärt wird, kam die Bundesschlußzeremonie in 24,4-8(.9-11) als das 84
Was aber, wenn in Abwesenheit Moses ein schwerer Fall eintritt, den die Helfer allein nicht entscheiden können? Die Antwort gibt ein Späterer in Ex 24,14, wo Mose sein Richteramt für die Zeit seines Aufenthaltes auf dem Gottesberg an Aaron und Hur delegiert. 85 Gegen CRÜSEMANN, Tora, 105-107, dem das Motiv der Gottesbefragung als ursprünglich gilt. 86 Auffällig ist in diesem Zusammenhang die Verwendung der Wurzel ±: „Soll der Leser in Mose den ersten Inhaber des Wächteramtes über Israel sehen, in dem ihm Ezechiel nachfolgte?“ (GRAUPNER, Exodus 18,13-27, 18).
2. Ergebnis
427
Mose in 3,12b beim Exodus angekündigte Beglaubigungszeichen zu spät. Das Problem löst der Verfasser von 18,12 (II), der das besagte Zeichen (‚Dienst am Gottesberg‘) in Gestalt der Opferszene vor den Beginn der Sinaioffenbarung zieht. Wenn Jitro nach Ex 18,2a.3f.6b (III) Moses Familienanhang mit an den Gottesberg bringt, so setzt dies bereits die Existenz des Attentats in 4,2426 voraus, denn erst der durch diese Szene in 4,20-29 hergestellte synchrone Lesezusammenhang ließ den Schluß zu, daß Mose nicht von seiner Familie bis nach Ägypten begleitet wurde. Die Vorstellung, Mose habe seine Frau nach Midian zurückgeschickt (18,2b), spiegelt dagegen einen späteren rationalistischen Erklärungsversuch (III+), der ebenso wenig ursprünglich ist wie die in 18,5 von anderer Hand nachgetragene Erwähnung von Frau und Kindern (III+), die im Unterschied zu 18,2a.3a.6b das verwandtschaftliche Verhältnis nicht über die Mutter, sondern über den Vater konstruiert. Derselbe Bearbeiter könnte auch für die in 18,5 vorangehende Kennzeichnung Jitros als Moses Schwiegervater verantwortlich sein. Die Etymologie des Namens Eliezer (18,4), die das in 18,10a angelegte Rettungsmotiv auf die Flucht des Mose vor dem Pharao (2,15) und damit in eine Situation vor dem Exodus überträgt, scheint bereits im Hintergrund von 18,8b.9a zu stehen (IV), wo dasselbe Motiv nun wieder auf das Volk appliziert und auf dessen in Ex 15-17 geschilderte Widerfahrnisse nach dem Meerwunder ausgeweitet wird. Die hiermit zwischen Jitros Freude über JHWHs Wohltaten (18,9a) und seinem Lobpreis des Exodusgottes (18,10a) eingetretene inhaltliche Kluft wurde erst von einem Späteren als störend empfunden, der in 18,9b (IV+) die Freude auf den Exodus zuspitzte und damit exakt den Anknüpfungspunkt definierte, der in 18,10a aufgenommen wird. Sowohl der ‚Familienblock‘ in Ex 18,2-4*.6b als auch die erweiterte Rettungsperspektive in 18,8b.9a liegen bereits im Blick des Ergänzers, der Jitro schon in 18,1aȕȖ die Kunde von allem vernehmen läßt, was JHWH für Mose und Israel getan hat (V). Die hier etablierte zweifache Rettungsperspektive wird in einem weiteren Schritt auch in den Lobpreis des Jitro eingetragen, insofern dieser in 18,10b (VI) um die ausdrückliche Betonung einer Errettung des Volkes erweitert wird, welche die in 18,10a vorangehende Aussage auf das Schicksal Moses hin transparent macht. Schicht V war nachweislich auch dem Bearbeiter bekannt, der in 18,13f.15a.16a.1719a.21a.22.23aĮȖb.24 die umfängliche Beschreibung einer von Moses Schwiegervater initiierten Justizreform ergänzte. Der Abschnitt markiert den Beginn einer neuen Wachstumsphase (VII), in der nicht mehr die intertextuellen Bezüge zum Vorkontext im Zentrum stehen. Quelltext sind vielmehr transsinaitische Passagen in Num 10f., wo mit dem Auftritt des midianitischen Führers Hobab und der Einsetzung der Ältesten zu Moses
Kap. IX: Jitro (Ex 18)
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Helfern jene Motive unverbunden nebeneinander stehen, die im Vorschlag von Moses midianitischem Schwiegervater eine späte Synthese eingehen. War die in Schicht VII vorausgesetzte Vorstellung, daß Mose bereits vor der Gesetzesoffenbarung am Sinai richterlich tätig wurde, ursprünglich durch die Gesetzesgabe in Ex 15,25b motiviert, so führte ein späterer Bearbeiter in 18,15b.16b.19b die Urteilsfindung auf eine Gottesbefragung zurück (VIII). Möglicherweise von derselben Hand stammt 18,23aȕ, wo Jitros Ratschlag nachträglich durch einen göttlichen Befehl legitimiert wird. Nochmals jünger sind die in 18,20 erfolgende Stilisierung Moses zum Gesetzeslehrer (IX) und die in 18,21b.25f. aus Dtn 1,9-18 nachgetragenen Angaben zur Gliederung des neu eingesetzten Systems der Gerichtshelfer (X), mit denen die Textgenese von Ex 18 ihren Abschluß findet. Übersicht: Die Genese von Ex 18 I
18,1aĮb: Jitro hört von der Herausführung aus Ägypten. V III
18,2a: Jitro nimmt Moses Frau mit. (ĸ Ex 2,21; 4,20) III+
III I
18,2b: Die Rücksendung Zipporas nach Midian (ĸ Ex 4,20; 18,2a)
18,3f.: Jitro nimmt Moses Söhne mit (ĸ Ex 2,15.22; 4,20)
18,5(ohne ³²¢© [²§¨³ ]): Jitro kommt zu Mose an den Gottesberg. (ĸ Ex 3,1; 4,27) III+
I
18,1aȕȖ: Jitro hört von JHWHs Taten für Mose und Israel.
18,5(nur ³²¢© [²§¨³ ] ): Ankunft des Familienanhangs
18,6a(b): Jitros Ankunft wird Mose angekündigt. III
18,6b: Einbeziehung des Familienanhangs in die Ankündigung
I
18,7: Treffen von Mose und Jitro (ĸ Ex 4,27)
I
18,8a: Mose berichtet von JHWHs Taten für Israel. (ĸ Ex 4,28a) IV
18,8b: Mühsal und Errettung (ĸ Ex 15-17)
18,9a: Jitros Freude über all das Gute, das JHWH den Israeliten erwiesen hat
IV
IV+ I
18,9b: Nachträgliche Überleitung zu 18,10a
18,10a: Jitro preist JHWH für die Rettung der Israeliten. (ĸ Ex 3,8aĮ1) VI
I
18,10b: Betonung der Errettung des Volkes
18,11a: Jitro erkennt die Größe JHWHs. (ĸ Ex 5,2) I+
18,11b: Randglosse zur Verbindung zwischen Ex 5,2 und 18,11a
II
18,12: Opfer und Mahlgemeinschaft (ĸ Ex 3,12b; 24,4-8.9-11) 18,13: Mose richtet das Volk von morgens bis abends. (ĸ Ex 15,25b)
VII
2. Ergebnis 18,14.15a.16a: Mose erklärt seinem Schwiegervater die Situation.
VII
VIII
18,15b.16b: Urteilsfindung durch Gottesbefragung
18,17-19a.21a.22.23aĮȖb: Der Ratschlag des Schwiegervaters (ĸ Num 11,11-25)
VII
VIII
18,19b: Urteilsfindung durch Gottesbefragung IX
18,20: Mose als Gesetzeslehrer X
VIII VII
18,23aȕ: Jitros Rat als Gottes Befehl
18,24: Mose befolgt den Ratschlag. X
I
18,21b: Gliederung in Tausendschaften (ĸ Dtn 1,9-18)
18,25f.: Sekundärer Ausführungsbericht (ĸ Dtn 1,9-18)
18,27: Mose entläßt seinen Schwiegervater. (ĸ Ex 5,2)
429
Kapitel X
Das literarische Werden der Exoduserzählung Auf der Grundlage der in Kap. II-IX vorangegangenen redaktionsgeschichtlichen Analysen gilt es nun abschließend, die zu den einzelnen Abschnitten gewonnenen Ergebnisse zu einem Gesamtbild zu verbinden. Ziel ist es, die literarische Entwicklung der Exoduserzählung von ihrem vorpriesterschriftlichen Grundbestand bis hinein in die späten nachpriesterschriftlichen Wachstumsphasen nachzuzeichnen, wobei sich die Darstellung auf die erzählerisch und theologisch wesentlichen Grundzüge dieser Entwicklung sowie auf die Herausarbeitung der redaktionellen Dynamiken konzentriert, die sich hinter den Fortschreibungsprozessen abzeichnen. Zu Details, die im folgenden keine Erwähnung finden, sei der Leser auf die vorangegangenen Analysen verwiesen.
1. Die vorpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte Die Exoduserzählung erweist sich schon in ihrem ältesten erreichbaren Bestand als ein literarisches Konstrukt, das von den aufeinander bezogenen Erzählstücken in Ex 2*; 14* getragen wird. In der Erzählung von Moses wunderbarer Errettung aus dem Schilf am Ufer des Nils (2,1.2a.3*.5aĮbĮ. 6aĮ*.10aȕb) und der Flucht des bereits Herangewachsenen nach Midian (2,11aĮb.12.15abĮȕ1) deutet sich schon das Geschick der Israeliten an, die von JHWH nach ihrer Flucht aus Ägypten am Schilfmeer vor ihren ägyptischen Verfolgern errettet werden (13,20.21aĮ*; 14,5a.6.10bĮ.13a.14.19b. 20aĮb.21aĮ2b.24aĮȕb.25b.27aĮ2ȕ.30; 15,22). Hat der Verfasser dabei die Geburtsgeschichte des Mose in Ex 2 nach dem Vorbild der ihm bekannten Sargonlegende gestaltet, so diente ihm der knappe Hymnus, den er in 15,20f.* der Prophetin Miriam in den Mund legte, als Vorlage für den Meerwunderbericht. Quellenhaft ist schließlich auch das Itinerar in 12,37a; 13,20; 15,22aȕb.27, das ursprünglich vielleicht eine Karawanenroute beschrieb und in 13,21aĮ*; 14,5-30*; 15,20f.*.22aĮ um den Schauplatz des Meerwunders erweitert wurde. Der Itinerarbefund zeigt eindeutig, daß die Exoduserzählung bereits in ihrem ältesten Bestand auf einen Erzählzusammenhang angelegt ist, der über den Moment des Auszugs hinausreicht,
1. Die vorpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte
431
wobei sich im Anschluß an KRATZ die Annahme nahelegt, daß sie ihr Ziel mit dem Bericht über die Landnahme im Josuabuch fand (Jos 2-12*).1 Eine hexateuchische Perspektive ist jedenfalls ausdrücklich auch im Grundbestand der Dornbuschszene angelegt (Ex 3,1*.2b.3a.4a.5a.6b.7a. 8aĮ.10aĮb*), die sich ebenfalls als genuiner Bestandteil der Exoduserzählung erweist: Hier kündigt JHWH neben der Herausführung der Israeliten zugleich ihre Heraufführung in ein ‚gutes und weites Land‘ (3,8aĮ) an und setzt zudem Mose zum Anführer der Auszugsgruppe ein. Der Gedanke, das JHWH-Verhältnis der Israeliten gründe im Exodus, ist der urprünglichen Exoduserzählung dabei bezeichnenderweise vollkommen fremd. JHWH ist hier nicht, wie ein Späterer (!) in Hos 12,10 formuliert, Israels Gott ‚von Ägypten her‘,2 sondern kann Mose, ohne sich diesem eigens vorstellen zu müssen, seine Rettungsabsicht offenbaren und dabei wie selbstverständlich von ‚seinem Volk in Ägypten‘ sprechen (Ex 3,7a). Der Text suggeriert damit eine Kontinuität des Gottesverhältnisses, dessen Wurzeln in eine Zeit zurückreichen, bevor Israel nach Ägypten kam, wo es offenkundig nicht hingehört und von wo es deshalb nun wieder herausgeführt werden soll. Setzt man diese Vorstellungen in einen historischen Bezugsrahmen, so wird man einen wie auch immer gearteten Bezug der ursprünglichen Exoduserzählung zu einer Nordreichsdiaspora in Ägypten annehmen dürfen. Dies führt als terminus post quem für die Entstehung des Textes auf das Jahr 722 v. Chr., worauf im übrigen bereits die Rezeption der Sargonlegende in 2,1-10* hindeutet, die eine Vertrautheit mit der Herrscherideologie der Sargoniden voraussetzt.3 Genaueres verliert sich im tiefen Brunnen der Vergangenheit. Dunkel bleiben im übrigen auch die Hintergründe der namentlich erwähnten Protagonisten Mose und Miriam, deren erhaltene Biographien sich erst der späteren alttestamentlichen Traditionsbildung verdanken, wobei man zu Miriam abgesehen von Num 12 nichts mehr zu sagen hatte. Auch über Mose wurde ursprünglich nicht mehr als die Umstände seiner Geburt und Adoption vermeldet (Ex 2,1-10*), denn das Midiankapitel bestand zunächst lediglich aus der Dornbuschszene, in deren Anschluß Mose ohne Umschweife nach Ägypten zurückkehrte (4,18aĮ1.20aȕ) und mit den Israeliten wieder von dort aufbrach (12,37a). Seine Hochzeit mit Zippora und die Geburt Gerschoms (2,15bȕ2-22) verdanken sich erst der Reflexion eines Späteren, der Mose in ein verwandtschaftliches Verhältnis zum Priester von Midian setzte, in dessen Hirtendiensten stehend Mose den Ort 1 Vgl. KRATZ, Komposition, 289-291, sowie ausführlich DERS., Hexateuch, 295-323. Ebenso GERTZ, Grundinformation, 289f.; K. SCHMID, Literaturgeschichte, 89. 2 Vgl. grundlegend KRATZ, Erkenntnis, 13-24. 3 Zu neuassyrischen Einflüssen auf die Exoduserzählung vgl. u.a. OTTO, Mose, 43-83; K. SCHMID, Literaturgeschichte, 89f. (mit weiterer Literatur).
432
Kapitel X: Das literarische Werden der Exoduserzählung
des brennenden Dornbuschs erreicht hatte (3,1*). Auch der Gedanke, Mose sei unmittelbar nach seiner Aussetzung auf Veranlassung der Pharaonentochter wieder in die Arme der eigenen Mutter überführt worden und habe die Kindheit im Kreis der eigenen Volksgenossen zugebracht (2,4.5aȕbȕ.710aĮ), erweist sich als späterer Zusatz. Die genannten Verse haben in einem weiteren Schritt die Hebammenperikope (1,15-21*) aus sich herausgesetzt, die das Verhalten des Pharao mit dem seiner Tochter kontrastiert. Sowohl die in Ex 2,4.5aȕbȕ.7-10aĮ greifbare Erweiterung der Aussetzungsgeschichte als auch die jüngere Hebammenperikope (1,15-21*) wurden schon im Horizont des vorpriesterschriftlichen Scharniers eingeschrieben, dessen Verfasser nach dem Tod Josephs einen neuen Pharao auftreten und die Tötung aller männlichen Neugeborenen der Israeliten anordnen ließ, womit auf ingeniöse Weise eine erste Verbindung zwischen Erzvätern und Exodus hergestellt wurde (1,6aĮ1.8.9.10*.22; 2,2b.3*.6*). Vorausgesetzt ist die Fortschreibung der Vätererzählung um eine Gen 3750* umfassende Josephsgeschichte, die der Exoduserzählung nun als Prolog vor- und damit untergeordnet wird, obwohl sie ursprünglich das glatte Gegenteil intendierte. In ihrem wahrscheinlich auf Gen 37-45* beschränkten Grundbestand4 bereitete die Josephsgeschichte nicht auf den Auszug der Israeliten vor, sondern hob gerade darauf ab, daß sich Teile des untergegangenen Nordreiches Israel (Joseph) eine gelungene Existenz in Ägpten aufgebaut hatten, und zwar mit dem Segen des Stammvaters (Gen 45,26aĮ.27b). Die Josephsgeschichte ist damit zunächst als Gegenentwurf zur Exoduserzählung anzusprechen,5 und selbst in ihrer um den schmalen vorpriesterschriftlichen Grundbestand von Gen 46-506 erweiterten Gestalt müssen die Zeichen keineswegs von vornherein auf Exodus getanden haben. Der Zuzug der Brüder, unter ihnen Juda, läßt sich jedenfalls auch als positiver Reflex auf die Entstehung einer ‚gesamtisraelitischen‘ Diaspora in Ägypten deuten, zu der es nach 587/6 v. Chr. durch den Zuzug judäischer Flüchtlinge kam (vgl. Jer 41-44).7 Es ist daher gut möglich, daß der Verfasser des vorpriesterschriftlichen Scharniers in Ex 1 die in Gen 46-50* berichtetete Übersiedlung ganz Israels nicht, wie bisweilen angenommen, selbst einführte,8 sondern den Erzählzug bereits vorfand und für seine 4 Vgl. WEIMAR, Meerwundererzählung, 146, Anm. 100; DIETRICH, Josephserzählung, 40; KEBEKUS, Josefserzählung, 149-152; LEVIN, Jahwist, 303; KRATZ, Komposition, 284. Anders etwa K. SCHMID, Josephsgeschichte, 95-106, dem auch der zweite Teil der Josephsgeschichte in Gen 46-50* als ursprünglich gilt. 5 Vgl. KRATZ, Komposition, 286; RÖMER, Narration, 26; K. SCHMID, Josephsgeschichte, 113. 6 Zu einer möglichen Rekonstruktion vgl. LEVIN, Jahwist, 298-312. 7 Vgl. LUX, Josef, 229-235. 8 So etwa LEVIN, Jahwist, 298-312 (J); KRATZ, Komposition, 286.
1. Die vorpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte
433
Zwecke dienstbar machte. Das Scharnier spiegelt das aller Wahrscheinlichkeit nach exilisch anzusetzende Bestreben, die beiden großen Ursprungslegenden Israels zu einer Volksgeschichte zu verbinden und damit ein Dokument zu schaffen, mit dem sich sowohl in der Erzvätertradition stehende als auch dem Exodus verpflichtete Gruppierungen identifizieren konnten. Dabei wird freilich die ägyptenfreundliche Tendenz der Josephsgeschichte in entscheidender Weise korrigiert, denn Israels Prosperität in Ägypten ist nun nicht mehr von Dauer, sondern entfällt auf eine begrenzte Epoche, die mit dem Auftreten des neuen, mordlüsternen Pharao irreversibel beendet ist und den Exodusereignissen weicht. Der Tötungsbefehl des Pharao in Ex 1,22 sollte nicht nur die oben skizzierten Entwicklungen in Ex 1f. anstoßen, sondern lieferte zudem die Initialzündung für die Entstehung des Plagenzyklus. Von einem Zyklus kann dabei freilich zunächst noch keine Rede sein, denn die Keimzelle der Plagen findet sich in der Tötung der Erstgeburt, mit der JHWH unter den Ägyptern auf grausame Weise Realität werden läßt, was der Pharao in 1,22 letztlich erfolglos für die neugeborenen Knaben der Israeliten anordnete. Das Ereignis wird in 3,7bĮ1.9.10aĮb*.11.12aĮ vorbereitet, wo Mose von JHWH zu einem ersten Auftritt vor dem Pharao aufgefordert wird. Er kommt der Aufforderung in 5,1* nach und fordert in JHWHs Namen den Auszug, worauf der Pharao nur mit dem abschätzigen Kommentar zu reagieren weiß, er kenne JWHH nicht und werde daher auch dessen Forderung nicht nachkommen (5,2). Die theologische Programmatik der Szene sollte in der Folgezeit eine Lawine von Fortschreibungen anstoßen, die nach und nach den Plagenzyklus Gestalt gewinnen ließen und dabei auch massive Überformungen von 5,1f.* zur Folge hatten. Ursprünglich allerdings folgte auf die Reaktion des Pharao in 5,2 ohne Umschweife der nächtliche Schlag gegen die menschlichen Erstgeborenen in Ägypten (12,29a), gleichsam eine radikale Selbstvorstellung JHWHs, die die Ägypter in Panik versetzt und sie das Volk zum Auszug drängen läßt (12,30aȕb.33*). Von einem Einlenken des Pharao wird deshalb nicht berichtet, weil eine Auszugserlaubnis unweigerlich mit dem älteren Erzählzug von Flucht und Verfolgung kollidieren mußte (14,5a.6). Die Auszugserlaubnis in 12,31f. sollte erst in einer viel späteren Entwicklungsphase als Abschluß der in Ex 10 angestoßenen Verhandlungen über die Größe der Auszugsgruppe nachgetragen werden. Entsprechende Verhandlungen waren dem ältesten Bestand des Plagenzyklus noch vollkommen fremd. Es handelt sich um die Trias aus Nilpest (Ex 7,14.15a.16f.*18.20*.21aĮ.23), Frosch- (7,26-28a; 8,2b.9b.10.11aĮȕ) und Ungezieferplage (8,16aĮb.17*.20*.28), die in den direkten Textzusammenhang zwischen 5,2 und 12,29a eingeschrieben wurde und eine sukzessive Verheerung Ägyptens beschreibt. Diese erreicht ihren Höhepunkt mit
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Kapitel X: Das literarische Werden der Exoduserzählung
dem Vordringen des Ungeziefers in das Haus des Pharao, nimmt diesem so den letzten Rückzugsraum und antizipiert zugleich, daß in 12,29a.30aȕb kein Haus vor der Tötung der Erstgeburt verschont bleiben wird. Der Darstellung der drei Plagen gemein ist die in 7,16*.26; 8,16* erstmals geäußerte Forderung, man wolle ausziehen, um JHWH zu dienen («). Sie hat ihren Hintergrund in einer älteren Erweiterung der Moseberufung (3,12aȕb), die mit Blick auf 24,4-8 den Dienst am Gottesberg als Beglaubigungszeichen der göttlichen Sendung Moses festschreibt und damit einen ersten Bogen zwischen der Sinaiperikope und der Dornbuschszene schlägt, die derselbe Bearbeiter in 3,1b am Gottesberg verortet hatte. Der literarische Horizont der Bearbeitung und damit auch der jüngeren Plagentrias ist eine Dekalog und Bundesbuch umfassende, vorpriesterschriftliche Sinaiperikope. Anders als die aus den Dekalogpräambeln geläufige Bezeichung Ägyptens als ‚Sklavenhaus‘ (¦¢« ³¢) suggeriert, hat das Fronmotiv in den ältesten Strata der Exoduserzählung keinen Platz.9 Sowohl Ex 3,7a als auch 3,9 verwenden mit ¢©« (‚Elend‘) bzw. ® ¥ (‚Unterdrückung‘) Begriffe, die gerade nicht idiomatisch für den Fronkontext sind, sondern eher an die Schikanierung sozial randständiger Elemente denken lassen. Explizit von Fronlasten (³¥ª) ist jedenfalls erstmals in einer Bearbeitung die Rede, die bereits an der Schwelle zu den priesterschriftlichen Passagen steht und mit den Fronlasten der Israeliten (1,11a.12) eine Deutung der von JHWH beobachteten Drangsal seines Volkes vorlegt, die zugleich den situativen Rahmen für Moses erstes Zusammentreffen mit den Volksgenossen definiert: Wird JHWH nach 3,7a.9 des Elends bzw. der Unterdrückung seines Volks gewahr, so konfrontiert 2,11aȕ Mose mit den Fronlasten desselben. Wobei daran konkret zu denken ist, bleibt das Geheimnis des Verfassers, denn die in 1,11b supplementierten Angaben zur Errichtung von Vorratsstädten entspringen bereits der Reflexion Späterer. Nichts anderes gilt im übrigen für die in dem priesterschriftlichen Vers 1,14 nachgetragene Erwähnung von Arbeiten an Lehm und Ziegeln sowie auf dem Feld. Auch die Priesterschrift wußte ursprünglich nur allgemein von der ‚Arbeit‘ («) der Israeliten zu berichten und dürfte damit das Bild des Sklavenhauses allererst angestoßen haben, das dann in die Dekalogpräambeln eingetragen wurde und die Vorstellung von der ägyptischen Fron nachhaltig prägte. Die Vorstellung, wiewohl unbestreitbar für geschichtliche Erfahrungen anschlußfähig, ist zuallererst Ausdruck theologischer Traditionsbildung.
9
Ähnlich bereits LEVIN, Jahwist, 314; KRATZ, Komposition, 287.
2. Die priesterschriftliche Bearbeitungsphase (PG)
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2. Die priesterschriftliche Bearbeitungsphase (PG) Obwohl priesterschriftliche Einflüsse fast im gesamten nicht vorpriesterschriftlichen Bestand der Exoduserzählung zu beobachten sind, läßt sich doch sehr klar eine Bearbeitungsphase derselben abgrenzen, in der die priesterschriftliche Gedankenwelt erstmals und noch unvermischt mit anderen Tendenzen Einzug in die Exoduserzählung hielt. Die Phase umfaßt die klassich PG zugeschriebenen Stücke, die hier als literarisch unselbständige Bearbeitung des vorpriesterschriftlichen Textes aufgefaßt werden, innerhalb derer nochmals redaktionsgeschichtlich zu differenzieren ist. Trotz dieser Abweichungen vom methodischen Bezugsrahmen der Urkundenhypothese, in dem das Siglum PG beheimatet ist, erscheint es sinnvoll, das besagte Siglum als heuristisches Hilfsmittel beizubehalten, nur daß mit ihm nun eben nicht mehr eine quellenhafte Priestergrundschrift, sondern eine dieser im Textumfang entsprechende, mehrschichtige Bearbeitungsphase innerhalb der redaktionsgeschichtlichen Entwicklung der Exoduserzählung bezeichnet wird. Nach wie vor spricht vieles für die weitgehend konsensfähige Ansetzung von PG zu Beginn der persischen Epoche (um 500 v. Chr.).10 Der Bestand der Exoduserzählung, den der erste priesterliche Bearbeiter vorfand, umfaßte, wie unter 1. dargelegt, die folgenden Passagen: das um Hebammenperikope (Ex 1,15-21*) und Fronnotiz (1,11a.12) erweiterte vorpriesterschriftliche Scharnier in 1,6*.8f.10*.22, die Mosebiographie in 2,1-22*, die Berufungsszene in 3,1-12*; 4,18aĮ1.20aȕ, ferner den ersten Auftritt Moses vor dem Pharao (5,1f.*) nebst anschließender Plagentrias (7,14-8,28*) und Tötung der Erstgeburt (12,29-33*) sowie den über das Itinerar in 12,37a (bereits erweitert um 12,37b.38b); 13,20.21aĮ* vorbereiteten Meerwunderbericht (14,5-30*). Der umrissene Textbestand wurde durch den priesterlichen Bearbeiter an den bestehenden erzählerischen Schaltstellen gezielt erweitert: So vermeldet Gen 50,22 unmittelbar vor der älteren Todesnotiz Josephs in Ex 1,6aĮ1, daß dieser 110 Jahre erreichte, und 1,13.14aĮ* vertiefen die in 1,11a.12 vorangehende vorpriesterschriftliche Fronnotiz durch die Einführung des Leitwortes «. In 2,23-25 greift der Bearbeiter dieses Leitwort wieder auf, indem er unmittelbar vor Beginn der Dornbuschszene (3,1-12*) berichtet, das Ächzen der unter der schweren Arbeit leidenden Israeliten sei zu JHWH vorgedrungen, der daraufhin seines mit den Vätern geschlossenen Bundes gedacht habe (2,24). Ist damit einerseits ein unübersehbarer Vorverweis auf die priesterschriftliche Offenbarungsszene in 6,2ff. etabliert, wo 2,24 im Wortlaut auf10
Vgl. etwa KRATZ, Komposition, 247f.; GERTZ, Grundinformation, 243.
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gegriffen wird, so bereitet 2,25 andererseits über das Motiv des empathischen Gewahrwerdens JHWHs auf die ältere Dornbuschszene vor, die der priesterliche Bearbeiter auf diese Weise als eine vorläufige Stufe der Offenbarung in sein Konzept integriert. Es ist das Verdienst der Priesterschrift, die bestehende narrative Sequenz von Erzvätern und Exodus durch den Gedanken einer sukzessiven Selbsterschließung JHWHs erstmals offenbarungstheologisch profiliert zu haben. Herzstück dieser Offenbarungsgeschichte mit den Eckpunkten Gen 17; Ex 29 ist die JHWH-Rede in Ex 6,2-5.6*.7f., in deren Zentrum die Kundgabe des den Vätern noch vorenthaltenen JHWH-Namens an die Israeliten steht. Indem der Verfasser das Wesen der nun namentlich bekannten Gottheit durch den Verweis auf ihre Bundestreue und die hierin begründete Verheißung von Auszug und Landgabe qualifiziert, gibt er zugleich eine Antwort auf die im Raum stehende Frage des Pharao, wer denn JHWH sei (5,2), an die er die Szene in 6,2ff. unmittelbar angeschlossen hatte. War dadurch der zuvor bestehende Zusammenhang zwischen dem ersten Auftritt Moses vor dem Pharao (5,1f.*) und dem Beginn des Plagenzyklus (7,14ff.) zunächst unterbrochen, so stellte der Bearbeiter den Anschluß an 7,14 wieder her, indem er in 6,9-12bȕ; 7,1f.4.5aĮ.6f. Aaron zum Unterhändler der Israeliten erhob und damit zugleich eine neue Leseperspektive für die vorpriesterschriftlichen Plagen definierte: Die Mose dort zur Übermittlung an den Pharao aufgegebenen JHWH-Worte werden im Licht von 7,1-7* nicht mehr von diesem selbst, sondern von seinem Bruder Aaron vorgebracht. Der priesterschriftliche Passus in 6,2-7,7* erweist sich damit als ein gezielt für den in 5,2; 7,14 vorgefundenen Textzusammenhang gestaltetes Brückenstück, zumal die Einsetzung Aarons zum Sprecher ohne den vorpriesterschriftlichen Folgekontext ins Leere läuft. P selbst läßt Aaron im folgenden nur als Wundertäter tätig werden, doch ist dieser in 7,8-13 angestoßene Rollenwechsel bereits auf einer jüngeren Wachstumsstufe angesiedelt. Mit der Ankündigung, den Auszug der Israeliten durch ‚große Gerichte‘ zu erzwingen (Ex 6,6bȕ) und damit bei den Ägyptern für die Erkenntnis JHWHs zu sorgen (7,4.5aĮ), ist bereits der nächste Punkt anvisiert, an dem die älteste priesterschriftliche Bearbeitung ihre Spuren hinterlassen hat: die Tötung der Erstgeburt (Ex 12). Daß der Bearbeiter das Motiv der Gotteserkenntnis hier anders als später beim Meerwunder nicht direkt im betreffenden Ereigniszusammenhang, sondern vielmehr als Vorverweis auf denselben verankert hat, hat schlicht damit zu tun, daß er Ex 12 zur Implementierung einer Ätiologie des Passafestes nutzte. In Ex 12,1*.3*.6b*.7*.8*. 11bȕ.12aĮ.13 verknüpft er das Passa mit einem Schutzritus, der die Häuser der Israeliten vor den Folgen von JHWHs nächtlichem Vernichtungszug bewahrt. Berichten mußte er in 12,28 lediglich von der Befolgung der ri-
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tuellen Vorgaben, denn eine Darstellung der Tötung der Erstgeburt lieferten bereits die vorpriesterschriftlichen Verse 12,29-33*, auf die der priesterschriftliche Text erneut von vornherein angelegt ist. Nach der Tötung der Erstgeburt hat die priesterschriftliche Bearbeitung schließlich auch beim zweiten vorgefundenen Höhepunkt der Exoduserzählung ihre Spuren hinterlassen, dem Meerwunder. Sie schaltet der die Ereignisse am Schilfmeer anstoßenden Itinerarnotiz in Ex 13,20.21aĮ* zunächst eine Angabe zur Dauer des Ägyptenaufenthaltes der Israeliten vor (12,40f.) und greift sodann massiv in den vorpriesterschriftlichen Meerwunderbericht ein, der durch die priesterschriftlichen Zusätze in 14,1.2a*. 4.8a.10abȕ.15f.17abĮ.18a.21aĮ1b.22.23aĮb.26abĮ.27aĮ1.28f. ein vollkommen neues Gepräge erhält. Wie schon die Tötung der Erstgeburt soll das Ereignis die JHWH-Erkenntnis der Ägypter wecken, wobei JHWH den Pharao nach dem ersten verheerenden Schlag durch Verstockung dazu bewegen muß, die Verfolgung überhaupt aufzunehmen. Die priesterschriftliche Verstockungsterminologie (° ), die später auch in den Plagenzyklus Eingang finden sollte, hat in 14,4a.8a.17a ihren Ursprung. Erst durch seine priesterschriftliche Überformung wird das Meerwunder zu einem Durchzugsereignis, womit es der Bearbeiter gezielt an den Jordandurchzug (Jos 3) angleicht. Die von ihm darüber hinaus geschaffenen Anklänge an die priesterschriftliche Sintfluterzählung setzen das Meerwunder in Beziehung zu einem weiteren zentralen Ereignis im hexateuchischen Erzählzusammenhang. Dieses Interesse an der Stiftung intertextueller Verweiszusammenhänge ist im Verbund mit den eingangs notierten theologischen Akzentsetzungen hinreichend, um das vermeintlich quellenhafte Gepräge des priesterschriftlichen Meerwunderberichts als das Resultat einer gezielten Überformung eines älteren Textbestandes plausibel zu machen. Gestützt wird diese Interpretation umgekehrt dadurch, daß P ohne den vorpriesterschriftlichen Text erneut keinen lückenlosen Erzählfaden aufwiese. Wahrscheinlich bereits auf einen späteren priesterlichen Bearbeiter geht eine Modifikation der Nilpest zurück, die nun durch eine Verwandlung des Nilwassers in Blut hervorgerufen wird (Ex 7,17fin.20b.21aȕȖ.24.25). Das blutige Schutzzeichen, das den Israeliten in 12,1-13*.28 Verschonung vor dem letzten Schlag JHWHs garantiert, tritt so, zum dräuenden Warnzeichen für die Ägypter transformiert, an den Beginn des Plagenzyklus. Diese Verwandlung des Nilwassers in Blut bildet die Grundlage für einen letzten priesterlichen Bearbeiter, der den Plagenzyklus zu einem Wunderwettstreit zwischen den Gesandten JHWHs und den Wahrsagepriestern Ägyptens umgestaltet, in dem letztere stetigen Schritts ihrer Niederlage entgegen geführt werden. Nach dem einleitenden Stabwunder (7,8*.9.10*.11.12a.13) weitet das zweite der insgesamt fünf Erweiswunder das Blutmotiv auf alle Gewässer Ägyptens aus (7,19abĮ.20aĮ*.21b.22), es folgen die durch Zu-
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sätze in 8,1-2a.3.11aȖb in den Wunderwettstreit integrierte Froschplage sowie zwei priesterschriftliche Eigenkreationen in 8,12.13*.14a.15 (Mücken) und 9,8-12 (Beulenpest). Der Wunderwettstreit, der Josephs Triumph über die äyptischen Traumdeuter zum Hintergrund haben wird (Gen 41,8.24), endete mit der resümierenden Notiz in Ex 11,10, die durch Mose und Aaron vollbrachten Wunder hätten den von JHWH verstockten Pharao nicht zur Einsicht gebracht, womit die ältere Ankündigung aus 7,4 unter den veränderten Vorzeichen des Wunderwettstreits eingeholt wird. Ex 11,10 schloß dabei ursprünglich direkt an das fünfte Erweiswunder in 9,8-12 an und wurde erst nachträglich von diesem durch eine Vielzahl späterer Zusätze abgetrennt, die sich als Teil der komplexen nachpriesterschriftlichen Wachstumsgeschichte der Exoduserzähung erweisen.
3. Die nachpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte Die nachpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte der Exoduserzählung, auf die ein Großteil ihres heutigen Textbestandes entfällt, steht über weite Strecken ganz im Zeichen des Plagenzyklus, dessen zweiter Teil (Ex 9,1311,10) sich nun allererst zu entwickeln beginnt. Am Anfang dieser Entwicklung steht die Hagelplage (9,13.17-19.22*.23aĮ1b.24aĮb.25a.35a). Sie bildet das Gegenstück zur Nilpest, die in 7,14ff. den ersten Teil des Plagenzyklus eröffnet und läßt auf das Ende des priesterschriftlichen Wunderwettstreits in 9,8-12 einen sintflutartigen Hagelschlag folgen, mit dem JHWH alle Menschen und Tiere tötet, die entgegen seiner Warnung nicht in Sicherheit gebracht wurden. Der Kreis der Hagelopfer erinnert dabei nicht nur an die Opfer der Sintflut, sondern entspricht zudem exakt jener Gruppe, die in 9,9 von der Beulenpest und in 12,12a.29 von der Tötung der Erstgeburt betroffen ist, eben jenen beiden Ereignissen, zwischen denen der Verfasser die Hagelplage einschrieb. Kennzeichnend für deren erzählerische Gestaltung ist, daß JHWH den Hagelschlag auf Moses Zeichen hin über Ägypten niedergehen läßt, ein Erzählzug, den der Verfasser aus dem priesterschriftlich überformten Meerwunderbericht übernahm und der sich später auch für die Heuschreckenplage als prägend erweisen sollte. War die Hagelplage ursprünglich als temporär begrenzter Schlag konzipiert, so verlieh ihr ein späterer Bearbeiter die Züge eines andauernden Hagelgewitters, das den verängstigten Pharao veranlaßt, bei Mose darum zu ersuchen, er möge durch seine Fürbitte ein Ende der Plage bewirken (Ex 9,23aĮ2ȕ.27aĮȕ1.28a.29.33abĮ*). JHWH demonstriert seine Macht nun zusätzlich dadurch, daß er die entfesselten Naturgewalten auf Moses Interzessionen hin sogleich wieder zur Ruhe bringt. Eine analoge Struktur weist auch die Heuschreckenplage auf, deren Verfasser das Fürbittenmotiv aus
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der Hagelplage aufgreift und weiter profiliert, indem er dem Ersuchen des Pharao ein Sündenbekenntnis vorwegschickt (10,1*.3-5aĮbĮ.6b.12abĮ. 13f.15*.16*.17-20). Das Sündenmotiv wurde von derselben Hand auch in die Hagelplage eingetragen (9,27aȕ2b.33bȕ.34*), die der Bearbeiter zudem erzählerisch dadurch modifizierte, daß er die Schadenswirkung des Hagelschlages von Mensch und Vieh auf das Feldgetreide ausweitete (9,22b*; 9,25bĮ). Indem die Heuschrecken fressen, was der Hagel übrig ließ, haben die beiden Plagen eine vollständige Vernichtung der pflanzlichen Lebensgrundlagen Ägyptens zur Folge. Bereits in seiner um Hagel und Heuschrecken erweiterten Gestalt wurde der Plagenzyklus in Ex 7,3.5aȕb; 11,9 mit einem programmatischen Rahmen versehen. Die Verse kombinieren die Begrifflichkeit aus dem Stabwunder Aarons (7,9: ³§), das die Ereignissequenz eröffnet, und der Heuschreckenplage (10,1: ³), das diese zum betreffenden Zeitpunkt beschließt, und finden den Zweck der vordergründig erfolglosen Plagen in der Vermehrung der Zeichen und Wunder JHWHs, die dieser durch seine menschlichen Agenten vollbringen läßt, um so die Gotteserkenntnis der Ägypter zu wecken. Davon klar abgesetzt ist der eine Schlag JHWHs gegen die ägyptischen Erstgeburten, durch den auf Anhieb der Auszug erzwungen wird. Galten in dieser Perspektive sämtliche Plagen als Erweiswunder, so will ein Späterer die entsprechende Deutung auf den ersten Teil des Plagenzyklus (7,8-9,12*) eingeschränkt wissen, der von den Elementen des priesterschriftlichen Wunderwettstreits dominiert wird. Dagegen hebt der betreffende Bearbeiter ausdrücklich auf den Plagencharakter der ab 9,13 folgenden Ereignisse ab, indem er JHWH in 9,14aĮb ‚alle seine Plagen‘ (¢³§¥¤) ankündigen läßt, an denen der Pharao die Einzig(artig)keit JHWHs erkennen soll. Die Erkenntnisaussage ist nach dem Vorbild von 8,6 formuliert und setzt damit schon das Eindringen des Fürbittenmotivs in den ersten Teil des Plagenzyklus voraus. Die Ergänzung der beiden Fürbittenszenen in Ex 8 vollzog sich in einem dreistufigen Prozeß. Am Anfang steht die knappe Fürbittenszene in 8,4a.8, die sich aus der Heuschreckenplage speist, dem strukturellen Gegenstück der Froschplage im zweiten Teil des Plagenzyklus. Wie die Invasion der Heuschrecken wird nun auch die Invasion der Frösche auf Moses Fürbitte hin beendet, wobei das Sündenbekenntnis des Pharao nicht mit übernommen wurde, um die Klimax des Plagenzyklus nicht zu zerstören. In einem nächsten Schritt wurde die Fürbittenszene in 8,5a*.6.7aĮ.9a sowie durch Anpassung von 8,17a dahingehend erweitert, daß es dem Pharao nun freigestellt wird, selbst einen Termin für die Fürbitte zu bestimmen. Der Schauwundercharakter des Plagenendes erfährt so eine letzte Steigerung. Die terminierte Fürbittenszene der Froschplage diente sodann einem weiteren Bearbeiter als Vorlage für die Einschreibung des Erzähl-
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zuges in die Darstellung der Ungezieferplage (8,19b.20aĮ.21*.24b.25a. 26f.). Mit der Entfernung des Ungeziefers wird so die letzte verbleibende Plage von JHWH beendet, die sich beenden ließ. Die durch das Fischsterben hervorgerufene Nilpest war für das Motiv naturgemäß nicht anschlußfähig, und folglich fehlt hier auch eine Fürbittenszene. Tote Fische sind nun einmal tot. Indem der Verfasser der in die Ungezieferplage eingeschriebenen Fürbittenszene die Hofbeamten des Pharao erwähnt (Ex 8,25a.27a), verrät er seine Vertrautheit mit einer umfangreichen Bearbeitung des zweiten Teils des Plagenzyklus, in deren Rahmen die Hofbeamten ihren literarischen Ursprung haben. Die Bearbeitung ist erstmals in Zusätzen zur Hagelplage greifbar (9,20f.30.34.35b; 10,1bĮ*), wo sich abzeichnet, daß zumindest einige der Hofbeamten im Gegensatz zum Pharao die Zeichen der Zeit erkannt haben. In 10,7 wenden sie sich bereits geschlossen an den Pharao und drängen diesen, den Auzug zu gestatten, um weiteren Schaden von Ägypten abzuwenden. Auf ihren Rat hin tritt der Pharao in Verhandlungen mit Mose und Aaron ein, die der Frage gewidmet sind, wer genau sich auf den Weg machen darf, um JHWH zu dienen. Die Verhandlungen erstrecken sich über drei Szenen (10,7-11; 10,21a.22.24-29; 12,31f.), in deren Verlauf der Pharao zu immer weiter reichenden Zugeständnissen bereit ist, bis er schließlich unter dem Eindruck der Tötung der Erstgeburt der Forderung des Mose in vollem Umfang nachkommt und den Auszug von Mensch und Vieh gestattet. Auf den besagten Bearbeiter geht nicht nur die Finsternisplage (10,21a.22.24-29) zurück, die als Rahmen für den Mittelteil der Verhandlungen geschaffen und in 10,15aĮ* im erzählerischen Vorkontext verankert wurde, sondern aus seiner Feder floß auch die Ankündigung der Tötung der Erstgeburt (11,4aȕb.5f.8), die mit 12,31f. den Zeitpunkt antizipiert, an dem der Pharao die uneingeschränkte Erlaubnis zum Auszug erteilt. Auch diese Auszugserlaubnis ist eine Innovation der betreffenden Bearbeitungsschicht, denn mit Rücksicht auf die Fortsetzung der Ereignisse im Meerwunderbericht war ein Einlenken des Pharao bislang immer unterblieben. Es muß dann auch vom selben Bearbeiter in 14,5b sogleich wieder rückgängig gemacht werden, um das Nachsetzen der Ägypter zu begründen. Die Auszugserlaubnis ist als Teil der umrissenen Verhandlungssequenz von Anfang an nicht nur auf das Daß, sondern vielmehr auch und vor allem auf das Wie des Auszugs bezogen. Sie läßt den Aufbruch der in Ex 12,37.38b von früherer Hand umrissenen Auszugsgruppe mit dem Segen des Pharao geschehen und verleiht der Zusammensetzung dieser Gruppe zugleich einen neuen Sinn jenseits der Mehrung, denn im Horizont der betreffenden Bearbeitungsschicht bricht nicht mehr einfach das zahlenmäßig immense Volk nebst reichem Viehbesitz auf, sondern die israeliti-
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sche Kultgemeinde macht sich mitsamt dem zu Opferzwecken benötigten Vieh auf den Weg zu einem Wallfahrtsfest ( ) für JHWH. Das Motiv verdankt sich einer Neuinterpretation der den Plagenzyklus durchziehenden Forderung, man wolle ausziehen, um JHWH zu dienen («), hat dabei aber, dies zeigt die Erwähnung der Opferarten in 10,25, nach wie vor die Bundesschlußzeremonie in 24,4-8 im Blick. Daß das dortige Opfer nun mit dem Begriff des Wallfahrtsfestes verbunden wird, mag dabei bereits im Licht der Mazzotätiologie in 13,3-6* erfolgt sein, die für den siebten Tag der Mazzotwoche ein ¢¥ anordnet (13,6). Besagte Mazzotätiologie ist Teil einer vornehmlich dtr geprägten, nachpriesterschriftlichen Bearbeitungsphase von Ex 12f., die ihren Anfang mit einer nachträglichen Spezifizierung der priesterschriftlichen Passabestimmungen nimmt, deren Befolgung nun ausdrücklich für die Zeit nach der Landnahme angeordnet wird (12,21-23.25). In 12,34.39a; 13,3aĮ.4.5aĮb.6 wurde sodann eine entsprechende Anordnung für den siebentägigen Mazzotritus ergänzt, der hier ebenfalls ätiologisch in den Auszugsereignissen verankert wird: Wegen ihres eiligen Aufbruchs waren die Israeliten gezwungen, den noch nicht durchsäuerten Teig zu ungesäuerten Broten zu backen, weshalb spätere Generationen gehalten sind, in Erinnerung an den Tag des Auszugs alljährlich ein siebentägiges Mazzotessen zu veranstalten. Nach Passa und Mazzot wurden schließlich auch die Bestimmungen zum Erstgeburtsopfer mit den Ereignissen in Ex 12 verknüpft (13,3aȕ.11f. 13b.14-16), die sich für eine ätiologische Begründung derselben geradezu aufdrängten. Die Rückbindung der Bestimmungen an die Tötung der Erstgeburt, durch die JHWH ganz grundsätzlich seinem Anspruch auf die Erstgeborenen Ausdruck verliehen hatte, erfolgte dabei in 13,14-16 durch eine Katechese, die Dtn 6,8.20f. zum Hintergrund hat. In einem weiteren Schritt wurde zunächst die denselben ätiologischen Anknüpfungspunkt teilende Passaordnung in 12,26.27a um eine entsprechende Katechese erweitert, bevor schließlich auch die Mazzotordnung in 13,8f. um ein katechetisches Stück supplementiert wurde. Erst jetzt erhielt die dreiteilige dtr Gebotssequenz in 12,21-27*; 13,3-9*.11-16* jene grob parallele Struktur, die für ihre heutige Gestalt kennzeichnend ist. Im Zusammenhang mit den skizierten Entwicklungen in Ex 12f. steht auch die erstmals in 3,16-20*; 4,29*.31b greifbare Bearbeitungsschicht, die den Verhandlungen um die Größe der Auszugsgruppe in Ex 10-12 nachträglich ein Gegenstück im ersten Teil des Plagenzyklus beschert. Gegenstand der in 5,3f.*; 8,4b; 8,21b-24a.25b geführten Verhandlungen ist nun nicht mehr wie in 10,9 ein JHWH-Fest, sondern ein vermeintlich von der Gottheit gefordertes Schlachtopfer, zu dessen Zweck man einen Dreitagesmarsch in die Wüste antreten müsse. Es handelt sich um einen reinen Vorwand, mit dem Mose und die Ältesten den Pharao auf JHWHs
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Geheiß über die wahren Beweggründe der Israeliten täuschen sollen. Dabei wurde das Motiv der drei Tagesreisen in die Wüste einfach aus der ersten Wegetappe der Israeliten entwickelt, die diese gemäß 15,22 nach dem Meerwunder zurücklegen. Daß schließlich neben Mose ausgerechnet die Ältesten bemüht werden, dem Pharao den Opfervorwand zu präsentieren, hängt nicht zuletzt damit zusammen, daß sie nach 12,21-23 für das Passaopfer verantwortlich sind. Die Verhandlungen über das Opferfest in der Wüste verlaufen ihrer Position am Beginn der Exoduserzählung entsprechend natürlich im Sande, werden aber durch 9,28b bis an den älteren Verhandlungsblock in Ex 10-12* herangeführt, der nun ebenfalls unter das Vorzeichen des Vorwandes tritt. Ihre Nähe zu den in Ex 12f. ausgemachten dtr geprägten Ritualordnungen verrät die um den dargestellten Auszugsvorwand kreisende Bearbeitung nicht allein durch die grundsätzlichen Berührungen in der Opferthematik und den Sachverhalt, daß innerhalb der Exoduserzählung die einzige weitere Belegstelle für die Ältesten auf 12,21 entfällt. Die Nähe zeigt sich ferner in der Liste der Landesbewohner (3,17a), die eine klare Entsprechung im Rahmen der Mazzotordnung findet (13,5aĮ). Der Verfasser reformuliert dabei nicht nur die ältere Zusage der Heraufführung ‚in ein gutes und weites Land‘ (3,8aĮ), indem er dieses Land durch die Erwähnung seiner Bewohner näher qualifiziert, sondern geht auch bei der Gestaltung von 3,16b über den unmittelbaren literarischen Vorkontext hinaus. Die programmatische Erklärung JHWHs, er habe auf die Israeliten in ihrer mißlichen Situation achtgehabt, hat das Vermächtnis des sterbenden Joseph zum Hintergrund, der in Gen 50,24.26a die Fürsorge für die Israeliten an JHWH abtrat. Ex 3,16b bestätigt auf diese Weise in der Rückschau, daß JHWH der Fürsorgepflicht für sein Volk nachgekommen war. Daß er im Wissen um das Scheitern des in 5,3f.* erstmals vorgebrachten Auszugsvorwandes den Pharao mit Gewalt dazu zwingen wird, den Auszug zu gestatten, wird abschließend in 3,19a.20 notiert. Ex 3,20 synthetisiert und radikalisiert dabei die programmatischen Aussagen aus 7,3; 9,14, insofern die Plagen nun von Beginn an als ‚Wunderschläge‘ JHWHs konzipiert sind. Die programmatische Ankündigung, JHWH werde Ägypten mit all seinen inmitten des Landes vollbrachten Wundern schlagen (Ex 3,20: ±°²«±²¢³¥©¥¤¦¢±¯§ ³ ¢³¢¤) hat in 8,18; 9,26 das Motiv einer Verschonung des israelitischen Siedlungsgebietes Gosen angestoßen, das einen weiteren Beweis für die Macht JHWHs inmitten des Landes liefern soll. Das Verschonungsmotiv wurde daraufhin in 8,19a; 10,23b; 11,7 theologisch weiter profiliert, insofern nun davon die Rede ist, daß JHWH unabhängig vom Siedlungsgebiet einen Unterschied zwischen Ägyptern und Israeliten macht, weshalb letztere nicht von den Plagen be-
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troffen sind. Eine letzte Stufe der Entwicklung bildet die Viehpest in 9,1-7, die als jüngste Plage überhaupt konstruiert wurde, um das Unterscheidungsmotiv am Beispiel der ägyptischen und israelitischen Viehbestände zu exemplifizieren. Während alle Nutztiere bei den Ägyptern der Pest zum Opfer fallen, stirbt bei den Israeliten nicht ein einziges. Die Szene in Ex 3,16-20* steht nicht nur im Hintergrund der genannten Verschonungsaussagen, sondern ist zudem älter als weite Teile von Ex 4 sowie einige Passagen in Ex 3. So reagiert etwa die theologiegeschichtlich wirkmächtige Passage zum Gottesnamen (3,13-15) in ihrem Grundbestand (3,13.14a) auf den Sachverhalt, daß Mose nach 3,16* den Ältesten von einer Offenbarung JHWHs berichten soll, wohingegen er erst in 6,6 dazu aufgefordert wird, JHWH den Israeliten vorzustellen. Das berühmte ‚Ich werde sein, der ich sein werde‘, mit dem JHWH auf die Frage des Mose reagiert, was dieser den Israeliten antworten solle, wenn sie den Namen der Gottheit zu erfahren begehren, will zunächst lediglich als Vorverweis auf die priesterschriftliche Offenbarungsszene in Ex 6 gelesen werden, in deren Rahmen die Namensoffenbarung gegenüber den Israeliten ihren angestammten Platz hatte. Erst ein Späterer interpretierte die Phrase entgegen ihrer ursprünglichen Intention als Gottesnamen (3,14b), bevor ein letzter Bearbeiter in 3,15 die Diskussion um Namen und Identität der Gottheit ein für allemal beendete, indem er diese sich als JHWH, den Gott der Väter, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs vorstellen ließ. Der Vers ist Teil einer Bearbeitung, die dasselbe Thema noch durch Zusätze in 3,4b.6a.16aȕ sowie in 4,5 traktiert hat. Die Notiz zum Glauben an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs in Ex 4,5 erweist sich dabei ihrerseits als jüngerer Zusatz zu den in 4,1-9 behandelten Beglaubigungszeichen. Der Abschnitt, der sich nachträglich an die Szene in 3,16-20* angelagert hat, ist dabei schon in seinem Grundbestand als sekundäre Vorwegnahme von 14,31aȕb anzusprechen, wo das Glaubensmotiv innerhalb der Exoduserzählung seinen Ursprung hat. Im Kontrast zu den Klagen JHWHs über den Unglauben seines Volkes bei der Verweigerung der Landnahme (Num 14,11; Dtn 1,32; 9,23) wird hier nun das Meerwunder als positiver Gegenpol aufgebaut. Hatte der Bearbeiter das durch das Herannahen der Ägypter in Angst versetzte Volk zunächst noch offen aufbegehren lassen (Ex 14,11), so löste er die hier angelegte Spannung, indem er die Israeliten beim Gewahrwerden der von JHWH gewirkten Rettung mit Gottesfurcht und Glauben reagieren ließ. Ist der Glauben der Israeliten in Ex 14,31aȕb noch auf JHWH und Mose gleichermaßen bezogen, so übertrug ein späterer Bearbeiter das Motiv an den Beginn der Exoduserzählung und spitzte es ganz auf Mose zu. Ex 4,14.6-8 berichten davon, daß Mose von JHWH mit zwei Beglaubigungszeichen ausgestattet wird, um so den befürchteten Zweifel der Israeliten an
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seiner Botschaft zu überwinden. Die Befürchtung gründet in dem von derselben Hand ergänzten Konflikt mit den eigenen Volksgenossen (2,13f.), wobei die von Mose unmittelbar nach seiner Rückkehr vor den Israeliten gewirkten Zeichen (4,30b) ihren Zweck erfüllen: Das Volk glaubt (4,31a). Hatten sich in 4,31b ursprünglich die Ältesten anbetend zu Boden geworfen, als sie von den Rettungsplänen JHWHs erfuhren, so ging diese Reaktion nun im Horizont von 4,31a auf das ganze Volk über. Ein Späterer übertrug das Motiv sodann nach 12,27b und ließ die Israeliten auf die Ankündigung der Verschonung ihrer Häuser in derselben Weise reagieren, in der sie in 4,31 auf die Ankündigung des Exodus reagiert hatten. Mit der Ergänzung des Glaubensmotivs in Ex 4,31a ergab sich nun freilich eine Spannung mit dem älteren Folgekontext, denn in 6,9 P wollen die Israeliten der Botschaft des Mose aus Kleinmut und aufgrund der schweren Arbeit bekanntlich keinen Glauben mehr schenken. Das Motiv der schweren Arbeit stellte indes schon den Schlüssel zur Lösung der beschriebenen Spannung bereit: Durch eine vom Pharao angeordnete Verschärfung der Fron wurden in 5,6-13* neue Realitäten geschaffen, so daß sich die Situation der zum Glauben gekommenen Israeliten zunächst deutlich verschlechterte, was diese in 6,9 nun wieder in verständlicher Weise reagieren ließ. Indem der Bearbeiter Mose in 5,22f. an den Gottesberg zurückkehren und JHWH scharf für das Ausbleiben der in 3,8aĮ zugesagten Errettung attackieren ließ, bereitete er den Boden für eine neuerliche göttliche Zusage in 6,1, die der Verschlechterung der Situation Rechnung trägt: Gezwungen von der starken Hand JHWHs wird der Pharao die Israeliten nun nicht mehr einfach entlassen, sondern sie sogar vertreiben. Die priesterschriftliche Offenbarungsszene in 6,2ff. soll nun gleichsam als weitere Explikation dieser Ankündigung gelesen werden. Hatte JHWH mit der Ankündigung, er werde nun mit aller Gewalt die Entlassung, ja die Vertreibung der Israeliten erzwingen (Ex 6,1), die passende Antwort auf die in 5,22f. geäußerten Vorwürfe gefunden, so stand damit die den zweiten Teil des Plagenzyklus eröffnende Prophezeiung, JHWH werde nun alle seine Plagen über die Ägypter kommen lassen (9,14), in gewisser Weise auf verlorenem Posten. Das neuerliche ‚nun aber‘ konnte im Licht von 6,1 geradezu den Eindruck der Hilflosigkeit erwecken, was der Verfasser von 9,15f. nachträglich ausgeschlossen wissen will. Die Verse betonen vor dem Hintergrund der Viehpest, JHWH habe selbstverständlich längst auch den Ägyptern mit einem Pestschlag den Garaus machen können und dies einzig zugunsten weiterer Machterweise unterlassen, damit sein Name auf der ganzen Erde verkündet werde. Das Motiv hat die Katechesen in 12,26.27a; 13,8f.14-16 zum Hintergrund und wurde von derselben Hand auch in 10,2 ergänzt, wo nun ausdrücklich von der Verkündigung von JHWHs Großtaten bei den Kindern
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und Kindeskindern der Israeliten die Rede ist. Dabei kann der Verfasser in 10,2 die Spitzenaussage treffen, JWHW habe die Ägypter mit den Plagen bewußt schikaniert, wodurch dem Verdacht der göttlichen Ohnmacht in analogieloser Schärfe entgegengetreten wird. Der Gedanke wird von dem Bearbeiter durch eine Reihe von Zusätzen exemplifiziert, die die Auswirkungen der einzelnen Plagen teilweise bis ins Groteske steigern (7,19bȕ.28bȕ; 8,13aȖb*.14b.17bȕ; 10,6a.12bȕ.21b.23a). Von seiner Hand stammt schließlich auch die Ankündigung in 11,1a.4aĮ, mit der JHWH, ganz Herr der Lage, auf den finalen Schlag hinweist. Die Erzählung von der Verschärfung der Fron (Ex 5,6-13*.22f.; 6,1) hat auch in anderen Bereichen Einfluß auf die weitere Textentwicklung ausgeübt. So liegt die Klage des Mose (5,22f.) im Horizont des als Abschlußgröße der Exoduserzählung konzipierten Meerliedes, das in seinem Grundbestand (15,1*.2f.4*.5-11a.13.17-19) allein von Mose angestimmt wurde und im Kontrast zu 5,22f. den Dank desselben über die Errettung am Schilfmeer zum Ausdruck bringt. Dabei werden gleichzeitig zentrale theologische Topoi der Exoduserzählung, an prominenter Stelle die u.a. in 3,6a.15 verhandelte Frage des Namens und der Identität JHWHs, in hymnischer Form gebündelt. Die Klage des Mose, JHWH habe sein Volk bisher nicht errettet (¥¯© Hifǥil), bildet sodann den Hintergrund des Plünderungsmotives in 3,21f.; 12,35f., das als unmittelbare Reaktion auf 5,22f. konzipiert wurde. Gleichsam als Kompensation kündigt JHWH nun an, er werde es den Israeliten ermöglichen, die Ägypter beim Auszug um allerlei Preziosen zu berauben (¥¯© Piǥel). Daß dabei neben silbernen und goldenen Gegenständen auch Mäntel erwähnt werden, hat seinen Hintergrund in der älteren Mazzotätiologie (12,34), an die der Ausführungsbericht in 12,35f. unmittelbar anschloß. Hatten die Israeliten in 12,34 ihre Mäntel zur Verpackung der Teigschüsseln zweckentfremdet, so verschafft ihnen JHWH sogleich wieder Ersatz. Erst ein Späterer bemerkte, daß die Beraubung der Israeliten in 12,35f. nach der in 6,1 angekündigten und in 12,33 vollzogenen Vertreibung durch den Pharao streng genommen zu spät kam, und datierte das Ereignis in 11,1b-3a vor. Die Klage des Mose (Ex 5,22f.) steht schließlich auch im Hintergrund von 4,10, wo sie in parodistischer Verzerrung aufgenommen wird, um die Zweifel des Mose an seiner Tauglichkeit zur öffentlichen Rede zum Ausdruck zu bringen. Der Vers bildet den Auftakt einer darüber hinaus in 4,11*.13.14a.15f.28a.30a greifbaren und für die Endgestalt von 4,29 verantwortlichen Bearbeitung, die auf die Einsetzung Aarons zum Sprachrohr des Mose vor den Israeliten zielt und damit die innerisraelitische Konstellation in Ex 4 weiter an den priesterschriftlichen Prolog zum Plagenzyklus (Ex 7,1-13) anpaßt. War Mose zuvor in 4,1-8 nach dem Vorbild Aarons (7,8-13) mit Beglaubigungszeichen ausgestattet worden, so wird ihm nun
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Kapitel X: Das literarische Werden der Exoduserzählung
Aaron als Sprecher zur Seite gestellt, der – wie in 7,1-7 dem Pharao – nun den Israeliten die Worte JHWHs übermitteln soll. Die umrissene Bearbeitung markiert den Beginn einer sukzessiven Aufwertung der Aarongestalt, die in einem nächsten Schritt (Ex 4,28b) ausdrücklich auch mit dem Vollzug der Beglaubigungszeichen betraut wird und damit auch gegenüber den Israeliten jene Doppelfunktion als Sprecher und Wundertäter wahrnimmt, die ihr nach 7,1-13 am ägyptischen Hof zukommt. Der Prozeß setzt sich in 4,14b.27 fort, wo die Instruierung Aarons an den Gottesberg verlegt wird, damit er von Mose nicht erst in Ägypten, sondern schon am Ort der Offenbarung seine Aufgaben zugewiesen bekommt. In dieselbe Entwicklungsphase fällt auch die Erweiterung der Erzählung von der Verschärfung der Fron um 5,5.14-21, wo nun ebenfalls Aaron zugegen ist, der von derselben Hand mit einiger Gewalt in die bestehende erzählerische Exposition (5,1.4) integriert wurde. Die Zusätze verleihen der Erzählung die Züge einer Murrgeschichte, in deren theologischem Zentrum die Selbstvergottung des Pharao sowie das verirrte Votum der israelitischen Aufseher für den Frondienst stehen. Bereits mit Blick auf diese Präferenz des Sklavendaseins nimmt ein weiterer Bearbeiter in 14,12.31aĮ eine letzte Präzisierung der den Meerwunderbericht durchziehenden Entwicklung vom Murren zum Glauben vor. Dabei wird das Finale des Meerwunders gezielt an die Ankündigung der Errettung aus 7,4 zurückgebunden, womit der Glaube der Israeliten in 14,31b in den Horizont eben jener Ankündigung tritt. In der Retrospektive wird so ein Erzählbogen eröffnet, der im unmittelbaren Anschluß an den (durch 5,1421 qualitativ verschärften) Unglauben der Israeliten (6,9) ihren Glauben in 14,31b in den Blick nimmt und damit das in 4,31; 5,14-21; 6,9; 14,31 angezeigte Auf und Ab in eine zielgerichtete Glaubensgeschichte integriert. Die genannten Aaronstücke in Ex 4f. erweisen sich als Teil einer spätpriesterschriftlichen Bearbeitungsphase, in deren Rahmen auch die umfangreiche Genealogie der Nachkommen Levis in 6,12bȖ.13-30* fällt, deren Verfasser in den Rahmenversen ausdrücklich auf das in Ex 4 etablierte Mose- und Aaronbild Bezug nimmt. Einen vergleichbaren literarhistorischen Horizont wird man auch für die in 1,1bȕ.5a.6aȕ.7 abhebbare Bearbeitung des einst zwischen Gen 50,22; Ex 1,6aĮ1 eingeschriebenen Verzeichnisses der Jakobsöhne annehmen können, die schon eine weit entwickelte Gestalt der Einwandererliste in Gen 46,8-27 voraussetzt. Als Teil der spätpriesterschriftlichen Bearbeitungsphase erweisen sich schließlich auch wesentliche Bestandteile der Ritualordnungen in Ex 12f., die diese ausgehend von ihrem dtr geprägten Entwicklungszustand zu ihrer heute vorliegenden Gestalt anwachsen ließen. So wurden in 12,14a.15aĮ.16abĮ. 17a zunächst Bestimmungen zum Mazzotritus ergänzt, die Lev 23,6-8 zum
3. Die nachpriesterschriftliche Wachstumsgeschichte
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Hintergrund haben und demzufolge das siebentägige Mazzotessen am Tag nach dem Passa beginnen lassen. Dies ändert sich mit einer späteren Bearbeitung, die den Beginn der Mazzotwoche auf den Passaabend vorverlegt (12,2.3aĮfinȕ.5.6ab*.8*.18) und damit die beiden Teilfeste terminlich verschmilzt. Die weiteren komplizierten Entwicklungen müssen an dieser Stelle nicht im Detail rekapituliert werden. Erwähnt sei ledig, daß die Zulassungsordnung zum Passa in 12,43-51*, deren literarische Einbettung stark an die der Genealogie in 6,12aȖ-30* erinnert, schon in ein weit fortgeschrittenes Stadium dieses Prozesses fällt. Anders als in Ex 12f. sollten die spätpriesterschriftlichen Stimmen in Ex 4 nicht das letzte Wort behalten. Hatten die Einschreibungen in 4,1016.27.28a zu einer sukzessiven Aufwertung der Aarongestalt geführt, so setzt in 4,17.20b eine radikale Gegenbewegung ein, in deren Zuge das Amt des Wundertäters Aaron entrissen und ausnahmslos für Mose reklamiert wird. Der Bearbeiter stattet Mose mit dem Wunderartefakt des ‚Gottesstabes‘ (¦¢¥ ¡§) aus, den er im folgenden noch bei der Nilpest (7,15b.17b.20a), beim Meerwunder (14,16), beim Wasserwunder in Rephidim (17,5.6bȕ) sowie im Rahmen der Amalekiterschlacht (17,9bȕ) zum Zuge kommen läßt. Die ‚Stabbearbeitung‘ verbindet auf diese Weise die einzelnen Episoden zu einer Sequenz mosaischer Stabwunder, die den Zeitraum zwischen den beiden Aufenthalten am Gottesberg (Ex 3f.; 19ff.) überbrückt. Sie steht zudem im Hintergrund von Dtn 34,11f., wo die Unvergleichlichkeit des Propheten Mose unter Verweis auf dessen Wirken als Wundertäter in unüberbietbarer Weise festgeschrieben wird. Nochmals jünger als die umrissene ‚Stabbearbeitung‘ ist der Abstecher, den Mose auf dem Rückweg vom Gottesberg zu seinem Schwiegervater unternimmt (Ex 4,18aĮ2-b.20aĮ). Der Erzählzug dient einzig der Vorbereitung des nächsten Zusammentreffens zwischen den beiden, von dem derselbe Bearbeiter deutlich ausführlicher in 18,1aĮb.5*.6a.7.8a.10a.11a.27 berichtet. Die Verse bilden den literarischen Grundbestand von Ex 18. Das Zusammentreffen zwischen Mose und seinem nun erstmals als Jitro vorgestellten Schwiegervater ereignet sich bezeichnenderweise am Fuß des Gottesberges, womit sich die Begegnungen zwischen den beiden wie ein Rahmen um die von der ‚Stabbearbeitung‘ abgedeckte Ereignissequenz legen. Ziel der Bearbeitung ist das Bekenntnis des heidnischen Priesters (18,10a.11a), der als positives Gegenüber zum Pharao (5,2) bemüht wird, um JHWH für die Errettung seines Volkes zu preisen. Unmittelbar vor Beginn der Sinaiperikope wird so eindrücklich der Abschluß des Auszugskapitels markiert. Hatte Mose in 4,18 eigenständig den Entschluß formuliert, aus Midian nach Ägypten zurückzukehren, so verknüpfte ein Späterer das Vorhaben nachträglich mit einem Befehl JHWHs (4,19). Dieser Befehl steht seiner-
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Kapitel X: Das literarische Werden der Exoduserzählung
seits im Hintergrund der JHWH-Rede in 4,21-23, die summarisch Moses weitere Aufgaben in Ägypten umreißt. Dieser soll zunächst die Plagen wirken, die im Licht der ‚Stabbearbeitung‘ ganz als mosaische Wunder gefaßt sind, um zuletzt noch die Tötung der Erstgeburt anzukündigen (vgl. 11,4-8), deren Vollzug selbstredend JHWH vorbehalten bleibt. War die Mose in 4,23 aufgegebene Ankündigung (‚dann töte ich deinen erstgeborenen Sohn‘) ursprünglich an den Pharao adressiert, so bezog sie der Verfasser von 4,24-26 auf Mose selbst. Die Verse schildern ein Attentat JHWHs auf Moses Erstgeborenen, das durch dessen Beschneidung abgewendet wird. Was auf den ersten Blick ungemein archaisch wirkt, erweist sich in Wahrheit als späte schriftgelehrte Bildung, die als makrokontextuelles Gegenstück zur Beschneidungsszene in Jos 5,2-9 konzipiert wurde. Da Moses Frau und Söhne nach Ex 4,24-26 nicht mehr erwähnt werden und sich Mose in 4,27 anscheinend allein mit Aaron wieder am Gottesberg befindet, schloß ein späterer Bearbeiter, daß der Familienanhang zurückgeblieben war und ließ ihn folglich in 18,2a.3f.6b in Begleitung Jitros am Gottesberg eintreffen. Im selben Zuge wurde erstmals expliziert, daß es sich bei der Mehrzahl von Mosesöhnen um eine Zweizahl handelte (Gerschom und Eliezer). Das Familientreffen am Gottesberg steht bereits fast am Ende der redaktionsgeschichtlichen Entwicklungen innerhalb des analysierten Textbereiches. Ein jüngerer Zuwachs größeren Ausmaßes findet sich nur noch in der von Moses Schwiegervater initiierten Justizreform (18,13f.15a.16a.17-19a.21a.22.23aĮȖb.24), die im Unterschied zu den diskutierten älteren Partien des Kapitels nicht mehr am Vorkontext in Ex 3f., sondern vielmehr an den transsinaitischen Kapiteln Num 10f. orientiert ist. Dort stehen mit dem midianitischen Führer Hobab und den zu Moses Unterstützung eingesetzten Ältesten jene Motive nebeneinander, die in der auf Jitros Ratschlag erfolgenden Einsetzung von Gerichtshelfern eine späte Synthese eingehen.
4. Ausblick Die vorgelegte redaktionsgeschichtliche Analyse der Exoduserzählung hat ergeben, daß sich das literarische Werden dieser Ursprungslegende Israels im Rahmen eines kleinschrittigen Wachstumsprozesses vollzog. Dieser Prozeß nahm seinen Anfang mit einem schmalen literarischen Grundbestand, der zu einem nicht exakt spezifizierbaren Zeitpunkt nach dem Untergang des Nordreiches (722 v. Chr.) entstand, und setzte sich bis in persisch-hellenistische Zeit fort. Entgegen einer in der aktuellen Forschung herrschenden Tendenz ließ sich zeigen, daß die literarische Verbindung mit der anderen großen Ursprungslegende Israels, der Erzvätergeschichte,
4. Ausblick
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verhältnismäßig früh anzusetzen ist. Sie wurde noch von einem vorpriesterschriftlichen Redaktor hergestellt und bildete ihrerseits die literarische Grundlage für die Ergänzung der ältesten priesterschriftlichen Textanteile (PG), die aufs Ganze gesehen ebenfalls noch in eine recht frühe Phase der pentateuchischen Literaturwerdung fallen. Die für P G allgemein anerkannte Verknüpfung der beiden Epochen ist damit in jedem Fall relativ alt, was auch zur Entspannung der Diskussion um einen vorpriesterschriftlichen Übergang zwischen Erzvätern und Exodus beitragen sollte. Als entscheidendes Ergebnis läßt sich ferner festhalten, daß die gesamte Wachstumsgeschichte der Exoduserzählung einschließlich ihrer priesterschriftlichen Anteile im Rahmen einer Ergänzungshypothese darstellbar ist. Die Annahme einer quellenhaften Priestergrundschrift erwies sich im gesamten analysierten Textbereich, der zu diesem Zweck eigens auf die Josephsgeschichte (Gen 37-50) ausgeweitet wurde, als unhaltbar, denn es konnte gezeigt werden, daß die priesterschriftlichen Stücke durchweg auf einen vorpriesterschriftlichen Kontext angewiesen und auch jeweils auf diesen hin angelegt sind. Damit ist die Quelle P ins Mark getroffen, denn die übrigen priesterschriftlichen Stücke in der Genesis sowie im weiteren Verlauf des Exodusbuches und darüber hinaus können ohne den sie verbindenden Mittelteil in Gen 37 - Ex 14 ebenfalls kein eigenständiges literarisches Dasein gefristet haben. Obwohl noch durch weitere Textanalysen zu substantiieren, erweist sich eine Abkehr von der Quelle P als unumgänglich. Die Priestergrundschrift ist als Bearbeitung des vorpriesterschriftlichen Textes anzusprechen, wobei sie sich in Anbetracht ihres Umfangs und des großen von ihr abgedeckten Textbereiches (zumindest Gen 1 Ex 40) erkennbar von den kleinschrittigen Fortschreibungsprozessen abhebt, die das literarische Werden der Exoduserzählung in weiten Teilen bestimmt haben. Um diesen Unterschied klarer herauszubringen, mag man PG im Anschluß an BLUM als Kompositionsschicht bezeichnen, ohne daß dies freilich den Blick darauf verstellen darf, daß es sich kategoriell um eine literarisch unselbständige Bearbeitung handelt, die unter das Paradigma der Ergänzungshypothese fällt. Die Abkehr von der Quelle P hat zugleich den vollständigen Abschied von der Urkundenhypothese zur Folge, die sich als ein dem Denken des 19. Jh. verhaftetes Paradigma schlicht überlebt hat. Sie gehört deshalb mitnichten „in die Krankheitsgeschichte der biblischen Wissenschaft“11, sondern behält ihren verdienten Rang in den Annalen der historischkritischen Erforschung des Alten Testaments. Gerade die von ihren Vertretern gemachten literarkritischen Beobachtungen sind ungeachtet aller unzutreffenden Schlußfolgerungen, die aus ihnen abgeleitet wurden, von bleibender Bedeutung. 5
So JACOB, Quellenscheidung, 107.
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Kapitel 3: Das literarische Werden der Exoduserzählung
Mit der Auflösung der Quelle P ist auch der Annahme der Boden entzogen, eine ‚Endredaktion‘ gleich welchen Umfangs habe den priesterschriftlichen mit dem vorpriesterschriftlichen Text verwoben. Der nachpriesterschriftliche Text, der – im wesentlichen ganz oder in substantiellen Teilen – für eine solche Redaktion veranschlagt wird, ist ohnehin weitaus zu vielschichtig, um eine derartige Annahme zu stützen. Er verdankt sich nicht dem planvollen Wirken einer oder mehrerer großer Redaktionen, sondern spiegelt vielmehr einen kontinuierlichen Prozeß zumeist äußerst kleinräumiger Fortschreibungen, wie sie auch für die älteren Wachstumsphasen charakteristisch sind. Trotz ihrer Komplexität verlief die Genese des nachpriesterschriftlichen Textbestandes alles andere als planlos oder willkürlich. Sie folgt den im Text selbst angelegten Dynamiken, wobei sich die Wachstumsprozesse in ihren Grundlinien auch theologiegeschichtlich systematisieren lassen. So hat sich ergeben, daß eine spätdtr von einer spätpriesterschriftlichen Fortschreibungsphase gefolgt wurde, und es bietet sich die Möglichkeit, diesen Befund künftig mit anderen Textbereichen des nachpriesterschriftlichen Hexateuch zu korrelieren, um so zu einem besseren Verständnis der übergreifenden Redaktionsvorgänge vorzustoßen. Eine den Fortschreibungsprozeß an einem bestimmten Punkt beendende Schlußredaktion wird man dabei freilich kaum erwarten dürfen. Etwas derartiges ist jedenfalls im Bereich der Exoduserzählung nicht auszumachen, vielmehr wird mancherorts erkennbar, daß ihre Redaktionsgeschichte eine direkte Fortsetzung in der Textgeschichte sowie in der frühjüdischen Auslegungsgeschichte fand. Hermeneutisch adäquat läßt sich auch die Redaktionsgeschichte der Exoduserzählung als ein (innerbiblischer) Auslegungsprozeß beschreiben. Es sind vor allem die im Text selbst angelegten Fragen und Leerstellen, die neue Fortschreibungen anstoßen und damit zum stetigen literarischen Wachstum beitragen. Der Leser, der diese Fragen und Leerstellen wahrnimmt, formuliert als Schreiber seine Antworten und Ergänzungen und generiert damit neue Sinnzusammenhänge, die ihrerseits den Boden für die weitere Fortsetzung des Prozesses bereiten. Im Rahmen dieses Redaktionsmodells bekommt der Kontextbezug einer jeden Fortschreibung eine fundamentale Bedeutung, denn eine literarkritisch abhebbare Passage kann nun nicht mehr vollkommen isoliert oder im Horizont einer hypothetischen Quelle oder Großredaktion interpretiert werden. Vielmehr gilt, daß eine jede literarkritisch erhebbare Einheit von jeher als Fortschreibung für einen bestimmten Kontext konzipiert wurde und nur im Zusammenspiel mit demselben ihr intendiertes Sinnpotential entfalten kann. Ein adäquates Verständnis eines Fortschreibungstextes ist nur dann gegeben, wenn man seinen Kontextbezug ernst nimmt, und zwar über die Grenzen theologiege-
4. Ausblick
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schichtlicher Strömungen (P / dtr) und unterschiedlicher Gattungen (Gesetz / Erzählung) hinweg. Interpretiert man die Exoduserzählung in dem vorgestellten methodischen Bezugsrahmen als Fortschreibungstext, so entzieht dies schließlich auch sämtlichen überlieferungsgeschichtlichen Spekulationen den Boden. Der Annahme, sie hätte ganz oder in Teilen zum Sagenschatz der Israeliten gehört und sei über lange Zeit mündlich überliefert worden, steht der literarische Befund diametral entgegen. Die Exoduserzählung ist das Produkt schriftgelehrter Eliten, und es ist ungeklärt, wann und in welchem Kontext sie überhaupt einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde. In Ex 1-15 wird mithin kein Kapitel aus der Vorgeschichte Israels, sondern das Gestaltwerden einer theologischen Ursprungslegende greifbar, die sich wirkungsgeschichtlich als Ursprungslegende des Judentums durchsetzen sollte. Die sich hinter den Texten abzeichnende Hermeneutik der Schreiber ähnelt dabei bereits in vielem derjenigen der späteren jüdischen Auslegungsliteratur, weshalb es nicht Wunder nimmt, daß letztere von ihren in Qumran greifbaren Anfängen an oftmals exakt jene intertextuellen Bezüge offenlegt, denen im Rahmen eines Redaktionsmodells textgenetische Implikationen zukommen. Die historisch-kritische Exegese ist daher gut beraten, wenn sie die jüdische Auslegungstradition verstärkt für weitere redaktionsgeschichtliche Analysen fruchtbar macht, und zwar ganz gleich, ob sie ihren Gegenstand als £
©³ oder als Altes Testament bezeichnet.
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Stellenregister Hauptfundstellen erscheinen kursiv.
Altes Testament Genesis 1 1,2 1,9f. 1,20f. 1,28 1,29 1,30 2,2f. 2,9 6-9 6,7 6,17 7,4 7,6-9 7,11 7,13 7,19 7,21 7,23 8,2 8,5 8,7 8,13 8,14 8,17 9,1 9,3 9,7 9,9 10,1.6.20 11,3 11,4.7 14,18-20
372 247 122, 361 38 39 238f. 238 150 239 353 219 360 219f. 275 359 275 363 38 219, 362 363 324 361 324 361 38 39 238 38 370 219 37, 45 37 415f.
15,6 17 17,1 17,4 17,17 17,23 17,26 18,21 22,11 24,35 24,53 26,14 26,16 26,24 26,35 28,11-17 28,13 28,14 30,30 30,43 31,13 31,22-25 32,23-33 35,9 35,22-26 35,22 37-50 37,1f. 37,3 37,4 41,8.24 41,33.39 41,45 41,46
383f. 436 157 360 159 275 275 78 83, 85, 104, 374 274 274 274 23 84f. 36 75 84f. 32 32 32, 274 42 344 132 157 14, 38 64 10f., 14, 432 11-13 13 20 182, 184, 438 24 13 11, 13
470 43,32 45 45,10 45,22 45,26f. 46-50 46,2f. 46,2 46,3 46,4 46,5 46,6f. 46,8-27 46,26 46,27 46,32 46,34 47,1 47,4.6 47,7.10 47,11 47,27f. 47,27 47,29-31 47,31 48,3 48,21 49,1 49,29-33 50,1-13 50,1 50,2f. 50,7 50,8 50,9-11 50,10 50,12f. 50,14 50,15-21 50,15 50,18 50,20 50,21 50,22 50,23 50,24-26 50,24
Stellenregister 201 20 205, 273 274 432 11, 432 73, 83-85 85, 393 83-85 85 12 11f. 38-40, 46, 446 40 39f. 273 201, 205 205, 244, 273 205 271 14 11, 14 15, 23, 38, 205 14, 18f. 43 157 42 11, 14 11, 14 18f. 19 43 14, 19f. 19f., 205 19 14, 19f. 11, 13f., 18f. 13f., 18-20 18-20 18-20 20 30, 38, 42 14, 17f., 20, 26, 37, 42, 45 11, 13-16, 20-22, 37f., 41, 45f., 435, 446 21, 41, 46 21f., 41, 43 21, 24, 41-43, 46, 84, 88, 90-92, 442
50,25 50,26 Exodus 1 1,1-7 1,1-5 1,1-4 1,1 1,5 1,6-10* 1,6
1,7 1,8-22 1,8-14 1,8-12 1,8-10 1,8 1,9 1,10 1,11-14 1,11f.
1,13f.
1,14 1,15-22 1,15-21 1,15 1,16 1,17 1,18 1,19 1,20 1,21 1,22
42f., 46, 402 11, 13, 17f., 20-22, 41f., 46, 442 10-48, 171 10f., 39, 41 14f., 20-22 38f., 46 22, 38-40, 446 15, 21f., 37-40, 46, 446 335, 432, 435 11, 13, 17f., 20-23, 26, 32, 38-41, 43, 45f., 50, 62, 138, 435, 446 14-16, 22f., 38-40, 149, 446 10f., 39 59 15, 17f., 138 10f., 26, 32, 369 18, 20-23, 26, 38f., 41, 45, 50, 62, 171, 268 15f., 22-27, 29f., 32, 38, 45, 50, 70, 161, 273 23-25, 30f., 37, 43-46, 50, 149, 369f. 31, 45, 143 10f., 16f., 23f., 30-35, 45, 53, 66, 80, 158, 434f. 10f., 14-17, 31, 33, 3537, 45f., 52, 63, 82, 158, 335, 435 139, 144, 434 10f., 17f., 23-25, 31f., 35 25-30, 45, 52, 66, 432, 435 27f., 30, 45 25, 27-30, 45 28-30 28 28f. 15f., 29f., 32 29, 45 24-30, 45, 50, 52, 66, 80, 171, 268, 335, 423, 433, 435
Stellenregister 2 2,1-10 2,1 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 2,7-10 2,9 2,10 2,11-15 2,11 2,12 2,13f. 2,15
2,16-22 2,16 2,17 2,18 2,19 2,21 2,22 2,23-25 2,23 2,24 2,25 3 3,1-4,17 3,1-12 3,1-10 3,1-6 3,1
10, 16f., 24, 49-67, 393, 435 49-53, 60, 65, 172, 351f., 430f. 11, 14, 16, 25f., 45, 49f., 56 25f., 50f., 66, 432 25f., 50f., 66, 349, 352, 431 26, 28, 30, 45, 52f., 66, 432 51-53, 66, 352 26, 50-52, 66, 349, 431 26, 28, 30, 45, 52f., 66, 432 28, 30 51, 349 59f., 430 31-33, 45, 52f., 62, 66, 68, 123, 434 53, 66 54f., 57, 66, 107, 124, 425, 444 54, 56-57, 60-62, 66, 103, 107, 123, 130, 344, 349, 418, 427, 431 55-62, 66, 103, 124, 126f., 431 124, 126 61f. 66, 124f. 62, 349 60-62, 123f. 61, 63, 65, 123, 417f. 16, 58, 62-65, 66, 78, 143, 158, 161, 335, 435 57-59, 62-64, 67, 80, 82, 146, 358, 388 64f., 146, 157, 388, 435 64f., 436 57, 140f., 143, 153 3, 55, 60, 68, 115 42, 60, 65f., 68-85, 90, 435 103, 133, 431 70-76 59-63, 65f., 71, 74-76, 80, 83, 103f., 124-126,
3,2 3,3 3,4 3,5 3,6
3,7-9 3,7
3,8
3,9-12 3,9 3,10 3,11 3,12
3,13-15 3,13 3,14 3,15 3,16-20
3,16
3,17
3,18
3,19
471 406, 409-411, 413, 426, 431, 434 72-75, 85, 104, 374 72-74, 103 71-74, 81, 83-85, 88, 104, 111, 134, 443 73f., 103 73f., 83-85, 88, 91, 104, 111, 134, 393, 398, 443, 445 42, 68, 90, 155, 160 31f., 65, 68-70, 74, 7780, 91, 93f., 99, 103f., 139, 146, 305, 431, 433f. 62, 68-70, 77, 85, 92, 94, 99, 102f., 141, 158, 336, 349f., 411, 431, 442, 444 69f., 76-80, 90, 103, 155, 160f. 32f., 65, 70, 77-80, 146, 268f., 433f. 70, 76, 86, 101, 156, 160f., 170f., 268, 433 70, 76, 111, 160, 268, 433 75-77, 80-83, 85-87, 102f., 107, 113, 121, 160, 172, 249, 268, 416f., 427, 433f. 86-88, 103f., 443 84, 86f., 90, 111, 393 86-88, 443 84, 88, 91, 111, 134, 393, 398, 443, 445 88-99, 103, 106f., 134, 137, 144, 151, 211, 339, 441, 443 42, 46, 69f., 84, 86-88, 90-94, 103f., 111, 134, 288, 442f. 31, 42, 46, 69f., 88f., 91f., 94, 103, 305, 336, 442 86, 88-90, 93-98, 101, 106f., 144, 170, 172, 200, 250, 288, 417 98f., 101, 104, 143, 442
472 3,20
3,21f. 4,1-17 4,1-9
4,1 4,2-4 4,5 4,6f. 4,8 4,9 4,10-17 4,10 4,11 4,12 4,13 4,14 4,15 4,16 4,17 4,18-20 4,18
4,19
4,20
4,21-23
Stellenregister 98f., 101f., 106, 142144, 205, 211, 218, 260, 263, 442 69, 99-103, 104, 259f., 263, 274, 339, 445 93, 106-126, 410 55, 83, 107-111, 112, 118, 127, 144, 151, 339, 383-385, 443, 445 87, 101, 106, 108, 110112, 116, 134, 384 109-111, 119, 122, 134, 183 84, 88, 91, 104, 111, 134, 383, 443 110f., 134 108, 110f., 134 108f., 122, 134 77, 107f., 111-122, 127, 134, 165, 445, 447 111-113, 115, 143, 165, 445 113f., 116, 134 113f., 116 112-114, 143 114-116, 127, 134, 390, 410, 446 115-118, 128 116-119, 122 118-122, 127f., 134, 172, 212, 222, 366, 447 122-124 55, 59-62, 66, 69f., 93, 103, 115, 119, 122126, 133, 161, 406, 409, 426, 431, 435, 447 55, 57-59, 61, 63, 67, 119, 124, 127, 130, 135, 447 55-57, 59-62, 66, 69f., 93f., 103, 115, 117, 119, 121-124, 127f., 129f., 133-135, 137, 151, 161, 170, 172, 212, 222, 267, 335, 413, 417-419, 431, 435, 447 115, 127-129, 130, 135, 314f., 448
4,24-26 4,27-31 4,27
4,28 4,29
4,30
4,31
5 5,1f.
5,1
5,2
5,3f. 5,3
5,4f. 5,4 5,5-6,1 5,5 5,6-13
5,6
115, 129-133, 135, 418, 427, 448 88-90, 106-126, 165, 410 115, 119, 123f., 127, 130, 134, 410, 412, 418, 446-448 115-118, 134, 410-412, 445-447 70, 93f., 97, 103, 107f., 115, 117, 121, 133f., 144, 151, 288, 418, 441, 445 55, 93, 107f., 111, 116f., 119f., 122, 127, 134, 144, 151, 383385, 402, 444f. 31, 46, 55, 70, 87-89, 93f., 97, 103, 106-108, 111, 133f., 144f., 151, 291, 305, 338f., 383385, 387f., 399, 401f., 441, 444, 446 36, 68, 137-152 77, 79, 90, 93, 103, 137, 148, 150f., 161, 169-171, 175, 209, 268, 433, 435 86, 94f., 97, 141, 145, 149f., 155, 170-172, 269, 433, 446 89f., 93, 106f., 138, 150, 155f., 161, 166, 169, 171, 173, 241, 268, 335, 412-414, 423, 426, 433, 436, 447 90, 103, 134, 137, 139, 151, 161, 211, 441f. 94-97, 140, 144, 146, 148, 170, 172, 200f., 250, 417 31 94, 96-98, 137f., 140, 145, 148f., 150f., 446 97, 161, 389 97, 138, 148-151, 446 45, 104, 138-145, 149, 151, 166, 218, 339, 399, 401, 444f. 97, 138-140, 145, 151
Stellenregister 5,7 5,8 5,9 5,10 5,11 5,12 5,13 5,14-21 5,14 5,15 5,16 5,17 5,18 5,19 5,20f. 5,21 5,22f.
6,1
6,2ff.
6,2-7,7 6,2-8 6,2 6,3 6,4 6,5 6,6f. 6,6
6,7 6,8 6,9-12 6,9
6,10
139 97, 140, 144, 146f., 417 140, 144 138, 140, 145, 151 140 140, 145, 149 138-140 104, 138f., 145-150, 151, 388, 399, 402, 446 78, 138f., 146 146f. 146f., 149f. 97, 147, 417 147, 272 147 139, 145, 147f. 346, 388, 418 102, 104, 113f., 139145, 146f., 151, 166, 218, 339, 399, 401, 444f. 99f., 104, 142-145, 148, 151, 158, 166, 218, 259f., 263, 269, 297, 339, 399, 401, 423, 444f. 63-65, 68, 86, 97, 103, 111, 137, 140f., 143, 151, 435f., 444 153-167, 169, 210, 276, 335, 436 153, 155-161, 166, 436 155, 157-159, 161 157 159 146, 157, 159, 388 31, 97, 159 45, 87, 104, 143, 153, 156-159, 162, 166, 194, 282, 335, 357f., 397, 399, 420f., 443 155-157 158f. 112, 155, 164, 166, 436 36, 87, 89, 93, 103, 106f., 144, 151, 153f., 159f., 358, 387f., 401, 444, 446 153
6,11 6,12 6,13-30 6,13 6,14f. 6,26 6,30 7,1-13 7,1-7 7,1-4 7,1f. 7,1 7,2 7,3
7,4
7,5
7,6 7,7 7,8-9,12 7,8-13
7,8 7,9 7,10 7,11 7,12 7,13 7,14-8,28* 7,14-23* 7,14-17 7,14
473 143, 153f., 160, 183, 208, 260, 269 111, 153f., 160, 164f., 446f. 46, 164f., 166, 331, 446f. 165, 182 165 165, 331 164f. 118, 134, 445f. 155f., 161-164, 166, 182, 436, 446 269 77, 111, 116, 134, 154, 160f., 163f., 182 153, 160, 390 143, 153f., 160, 260, 269 163f., 166, 204, 216, 258f., 261, 315, 375, 439, 442 70, 98, 153f., 156, 158, 161-163, 184, 191, 194, 216, 258, 275, 282, 335, 356f., 387, 402, 438, 446 153, 156, 162-164, 166, 194, 216, 254, 258, 375, 439 153, 156, 164, 261, 356 112, 123, 153, 156, 164, 390 166, 182-194, 216, 439 109-111, 153-156, 169, 182-185, 187, 191, 210, 436f., 445 156, 182, 191 182f., 191, 258, 439 183, 212 183f. 183f., 212 169, 184f., 188 171-182, 268, 435 171-175, 209, 261, 433, 438 156 155, 161, 166, 169, 171, 184, 187, 209, 436
474 7,15
7,16
7,17
7,18 7,19
7,20
7,21 7,22 7,23 7,24 7,25 7,26-8,11* 7,26 7,27 7,28
7,29 8,1f. 8,1 8,2 8,3 8,4-9 8,4
8,5 8,6 8,7 8,8
Stellenregister 119-122, 127, 134, 172f., 178f., 212, 222, 349, 360, 447 82f., 97, 169, 170-173, 202, 208, 211, 218, 253, 434 119f., 127, 134, 169, 173-175, 186, 208, 210, 212, 222, 253, 437, 447 173-175, 178, 187 162, 177, 180, 184187, 190, 210f., 231, 239, 247, 437, 445 119-122, 127, 134, 175, 182, 185f., 202, 210, 212, 222f., 437, 447 173-175, 178, 180, 185-187, 210, 437 187f., 210, 437 175f., 181, 187, 230, 234 174f., 187, 210, 437 174f., 186f., 210, 437 175-178, 209, 433 82f., 170, 172, 176, 179, 202, 253, 434 176-179, 196, 208, 232 176-181, 184f., 190, 196, 198-200, 211, 217, 231, 239, 247, 262, 445 177, 196f., 205, 210f. 162 177f., 187f., 210, 438 177f., 187f., 196, 202, 210, 236, 438 177f., 188, 210, 438 194-199 97, 103, 137, 178, 195197, 200f., 205, 210f., 263, 417, 439, 441 195, 197-200, 210f., 217, 262, 439 195-197, 199, 210f., 216, 262, 439 176, 178, 195-200, 210f., 217, 262, 439 195-197, 210, 226, 439
8,9 8,10 8,11 8,12-15 8,12 8,13
8,14 8,15 8,16-28* 8,16
8,17
8,18 8,19 8,20
8,21-27 8,21-24 8,21 8,22 8,23 8,24 8,25
8,26 8,27
8,28 9,1-7 9,1 9,2
177f., 181, 188, 196199, 203, 210, 439 178, 180, 188, 196f. 172, 178, 181, 188, 200, 210, 438 188-191, 210 180, 189-191, 438 162, 180, 184f., 190f., 211, 231, 239, 247, 438, 445 184f., 190f., 193, 211, 231, 239, 247, 438, 445 188, 190, 438 178-182, 207, 209, 433 82f., 170, 172, 176, 178f., 202, 204, 210, 218, 253, 434 176, 179-181, 184f., 190, 197-199, 206, 208, 211, 217, 231, 233f., 237, 239, 247, 262, 439, 445 180f., 199, 203-206, 211, 218, 230, 263, 442 180f., 199, 203-207, 209-211, 440, 442 179-181, 189, 198f., 202f., 207, 210f., 217, 236, 262, 440 181, 194f., 198-202, 210f., 225, 440 97, 103, 137, 263, 417, 441 198-201, 211 96, 200f., 211 95, 200-202, 211 194, 198-201, 211 176, 178, 194f., 198f., 201f., 211, 217, 262f., 440f. 199, 226 176, 178, 181, 198200, 203, 211, 217, 241, 262, 440 172, 181, 201, 209, 216, 278 202-209, 211, 217, 263, 443 170, 202, 208 208
Stellenregister 9,3 9,4 9,5 9,6 9,7 9,8-12 9,8 9,9 9,10 9,11 9,12 9,13-35 9,13-16 9,13 9,14 9,15f. 9,15 9,16 9,17 9,18-25 9,18 9,19 9,20 9,21 9,22
9,23 9,24 9,25
9,26 9,27 9,28
9,29
203, 207f. 203-205, 208 203, 208f., 220 202f., 205, 207-209 203, 209 189, 191-194, 202, 210, 215, 438 191f. 190, 192f., 281, 335, 438 190, 192f., 281, 335 189-193 191, 193, 210, 216, 218, 261 166, 215-229, 261, 438 215-218 170, 208, 218f., 221, 439 199, 211, 215-218, 252, 262, 439, 442, 444 204, 211, 217f., 231f., 247, 263, 444 218, 260 260 208, 219, 221 207 197, 199, 203f., 208, 219-222, 224, 236, 386 219-221, 227, 229, 232 220f., 228f., 262, 440 37, 46, 220f., 228f., 262, 440 162, 207, 219, 221f., 224, 234f., 238, 245, 261, 439 120, 219, 221-224, 235, 245, 261, 438 208, 219, 221f., 224, 236, 386 207, 219, 221, 223225, 227, 229, 233, 238-240, 261, 263, 439 203-205, 218, 263, 442 147, 195, 225, 227f., 229f., 240, 261, 438 195, 202, 211, 225, 229, 261, 263, 271, 438, 442 197, 216, 226f., 229, 261, 438
9,30 9,31f. 9,33 9,34 9,35 10,1-20 10,1
10,2
10,3 10,4 10,5 10,6
10,7-11
10,7 10,8 10,9 10,10 10,11 10,12-15 10,12
10,13 10,14 10,15 10,16-20 10,16 10,17 10,18 10,19
475 221, 227-229, 242, 256, 262, 440 229, 241, 263 226-229, 241, 261, 438 147, 209, 225-230, 240, 261f., 439f. 202, 226-231, 262, 440 166, 229-241, 261, 439 199, 204, 208, 216, 228-232, 234, 240, 252, 258, 262, 439f. 196, 204, 211, 217, 231-234, 236, 247, 260, 263, 444f. 170, 232, 242, 245 197, 199, 203f., 208, 232, 236, 241 232f., 235-237, 239f., 247, 262f. 211, 233f., 236f., 241f., 251, 260, 263, 386, 445 82, 202, 234, 240, 242245, 246, 250, 262, 272, 440 221, 228, 242f., 245, 256, 440 147, 243, 247, 270 95, 170, 243-245, 247250, 271, 338, 417, 441 243f., 247, 249 142, 234, 243-245, 247, 249, 251, 270 221 162, 222, 231, 234f., 237-239, 245, 247, 263, 445 120, 222f., 232, 235, 245 208, 235f., 257, 386 236-240, 246f., 262f., 440 196, 210 147, 195, 197, 240f., 262 195, 225, 227, 230, 240f., 271 195, 225-227, 230, 240f., 261 196, 199f., 240f., 351
476 10,20 10,21-29 10,21f. 10,21 10,22 10,23
10,24-26 10,24 10,25 10,26 10,27 10,28f. 11,1-3 11,1 11,2f. 11,3 11,4-8
11,4 11,5 11,6 11,7 11,8 11,9 11,10
12,1-13,16 12,1-13*
12,1
Stellenregister 196, 227, 231, 241, 248, 258 234, 245-250, 262, 272, 440 162, 223 231, 239, 245, 247, 262f., 445 206, 245f., 262 203f., 206, 231, 239, 246f., 257, 263, 442, 445 82, 244 147, 228, 244, 246f., 270f. 95, 248-250, 271, 417, 441 248f., 270 227, 248f. 215f., 245, 249-256 250f., 259-261, 263, 445 100, 142, 259f., 263, 269, 297, 445 99-101, 142, 259 260f., 263 128, 215f., 249, 250257, 262, 272, 287, 440, 448 251, 253-256, 260, 263, 445 205, 253, 256f. 79, 257, 386 203-207, 246, 257, 263, 442 215, 251f., 254-257, 260 163f., 166, 216, 250, 258f., 261, 375, 439 127f., 143, 154, 156, 164, 182, 193f., 210, 216f., 250, 258-261, 269, 438 267-342 210, 257, 267, 275277, 278-286, 287, 289, 291-293, 299f., 310, 320, 323, 326, 335, 337, 356, 436f. 193, 253, 279, 283, 286, 336
12,2 12,3 12,4 12,5 12,6
12,7 12,8 12,9-11 12,9f. 12,9 12,10 12,11 12,12f. 12,12
12,13
12,14-20 12,14 12,15
12,16 12,17 12,18 12,19 12,20 12,21-27 12,21-23
275, 278, 326f., 337, 447 278-280, 283, 285-287, 326f., 337, 447 278f., 285, 329-331, 337 278, 280, 327, 337, 447 275, 278, 280, 283, 285-287, 324, 326f., 337, 447 278, 280, 282-285, 288, 336 278, 280f., 283-286, 326-329, 333, 337, 447 278, 281 326 327, 329f., 333, 337 279, 329f., 337 281-283, 285-287, 304, 310, 325f., 337 186, 194, 203 162, 174, 193, 207, 253f., 256, 261, 268, 281-284, 286, 288f., 304, 335, 438 215, 277, 280-286, 288f., 293, 314, 322, 325f. 267, 276f., 286, 293, 298f., 319f., 320-331 250, 276f., 298, 322326f., 334, 337, 446 295, 298, 321-326, 328, 330f., 333, 337, 446 307, 311, 322-326, 328-331, 337, 446 275, 277, 298, 322328, 334, 337, 446 278, 280, 303, 321, 324-328, 334, 337, 447 295, 310, 321f., 328, 330-333, 337f. 321f., 328-331, 337 267, 277, 286-293, 300, 318, 441 95, 203, 280, 286-290, 291-293, 299-301, 313, 320, 335, 441f.
Stellenregister 12,21 12,22 12,23 12,24-27 12,24 12,25
12,26
12,27
12,28
12,29-41 12,29-33 12,29
12,30
12,31f.
12,31 12,32 12,33
12,34
12,35f. 12,35 12,37
89, 277, 286f., 291, 442 132, 280, 285, 288, 333 215, 280, 282f., 285, 288-290, 293, 314, 317 290-293 291f., 295, 319, 327f., 334, 337 291-293, 295, 299-301, 313, 320, 327, 334f., 441 231, 279, 290-293, 316-318, 320, 336, 441, 444 88, 215, 231, 279, 290293, 316-318, 320, 336, 338, 441, 444 210, 275f., 283f., 286f., 289, 293, 299, 331f., 335, 356, 436f. 267-276, 328 171, 181f., 267-272, 275, 283, 317, 335, 435 29, 103, 137, 151, 163, 171, 181, 193f., 209f., 253, 255-257, 268-270, 278, 281, 284, 286, 288, 313-315, 335, 433f., 437f. 79, 181, 209f., 253, 257, 269-272, 284, 334, 338, 433f. 82, 98, 103, 202, 217, 228, 248-250, 262, 268f., 272, 338, 365, 367, 433, 440 147, 253-255, 268-271 244, 246, 249, 254f., 270f. 142, 163, 181, 209, 229, 268-270, 272, 275, 334, 338, 433, 445 267, 274f., 297-299, 301, 305, 310, 312, 326, 336-338, 441, 445 99-101, 259, 263, 274f., 339, 445 69 244f., 247, 249f., 267, 271-275, 297, 335,
12,38
12,39
12,40f. 12,41 12,42 12,43-51 12,43 12,44 12,45 12,46 12,47 12,48f. 12,50 12,51 13,1-16 13,1f. 13,2 13,3-16 13,3-10 13,3-6
13,3
13,4 13,5
13,6
13,7
477 343f., 350, 352, 354, 367-369, 380f., 400, 431, 435, 440 208, 244f., 247, 249f., 271-275, 297, 332, 335, 435, 440 142, 267, 274f., 297299, 301, 305, 310, 312, 326, 336-339, 441 162-164, 275f., 284, 335, 337, 354, 437 277, 284, 294, 298f., 323, 331f., 334 334, 337f. 165, 267, 276, 284, 331-334, 337, 447 331f., 334 332 332 332-334, 338 332 330, 332-334, 338 332, 337 165, 277, 323, 331f., 334, 337, 354 277, 293-313, 441 267, 294, 299, 318320, 337 318-320 303, 320 267, 277, 292, 294f., 318, 320 274, 293-301, 305f., 310, 312f., 316-318, 320, 323, 325f., 328, 336, 338, 441 277, 294-296, 298f., 305, 315, 317, 319, 322f., 331, 334, 336f., 441 229, 296, 301-305, 310 88, 92, 103, 292, 295f., 299f., 306, 313, 322f., 331, 336, 442 250, 292, 295f., 307, 311, 313, 317, 322f., 331, 338, 441 295, 310f., 317, 331, 337
478 13,8f. 13,8 13,9 13,10 13,11-16
13,11 13,12 13,13 13,14-16 13,14 13,15 13,16 13,17-15,21 13,17-22 13,17-19 13,17 13,18 13,19 13,20
13,21
13,22 14,1-4 14,1 14,2
14,3 14,4 14,5-30* 14,5
Stellenregister 293, 295f., 316-319, 328, 336, 444 231, 298, 316-318, 441 143, 316-318, 441 292, 295, 319, 327f., 334, 337 267, 277, 294f., 299f., 313-318, 319f., 336, 441 88, 300, 313, 316, 319 313-316, 319 313-316, 336 231, 293, 295-297, 313-316, 336, 441, 444 315-317 128f., 163, 314-317, 319, 368 296, 315-317, 336 343-405 335, 343, 354, 365 43f., 46, 366-371 344, 351, 355, 366369, 400, 402 366-371, 400, 402 343, 366, 368, 371, 402 267, 335, 343f., 350354, 366f., 400, 430, 435, 437 343f., 347, 352f., 366, 371-373, 380, 397, 400, 430, 435, 437 344, 366, 373f., 397, 401 162, 284, 344, 354357, 359, 400 355f., 437 44, 346, 354-356, 359, 364, 367, 370f., 402, 437 44, 354f., 370, 402 194, 355-359, 363f., 376, 394, 437 343-350, 392f., 400, 430, 435 53, 99, 272, 344-346, 349, 352, 357f., 366368, 385, 388, 401, 433, 440
14,6
14,7 14,8
14,9
14,10 14,11f. 14,11 14,12 14,13 14,14 14,15-18 14,15 14,16
14,17 14,18 14,19 14,20 14,21
14,22 14,23
14,24
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Stellenregister 14,27
14,28
14,29 14,30 14,31
15,1-21 15,1-19 15,1 15,2 15,3 15,4 15,5 15,6f. 15,8 15,9 15,10 15,11 15,12-18 15,12 15,13 15,14-16 15,17 15,18 15,19 15,20f. 15,20 15,21 15,22 15,23-25 15,23 15,25 15,27 16,4 16,19f.
192, 235, 348, 351, 362-364, 380, 392, 398, 437 241, 349, 360, 362365, 375-377, 382, 394-396, 398, 400-402, 437 122, 363f., 395, 398, 400, 437 61f., 348-351, 364, 382f., 386, 389, 392 106f., 112, 134, 144, 346, 368, 376, 382389, 398f., 401, 443, 446 389-400 376, 393-400, 401, 445 389, 391, 393, 398f., 402 393, 398f. 393, 398f. 351, 376, 378, 380, 394, 400, 402 395 394f. 365, 395f. 395 395f. 397, 401 389 396f., 401 397, 399 369f., 397, 399, 402 397, 399 397, 399 122, 362, 377, 389f., 397f., 403 350, 377, 389-393, 398, 400, 430 389-391 357, 389, 391-383, 399, 402f. 95, 241, 350-353, 367, 430, 442 95 351 55, 425f., 428 351, 430 150, 318, 425 329
16,21 16,28 17,4 17,5f. 17,6 17,8-13 17,9 17,15 18 18,1-12 18,1 18,2-6 18,2-4 18,2 18,3f. 18,3 18,4 18,5 18,6 18,7 18,8 18,9 18,10 18,11 18,12 18,13-26 18,13 18,14 18,15 18,16 18,18 18,19 18,20 18,21 18,22 18,23 18,25f. 18,27 19,1
479 150 318 102 89, 121, 222, 447 408 121, 412, 419 121, 222, 447 417 123, 126, 134, 406-429 125, 406-423, 424, 426, 447 123, 406, 412, 414, 417f., 421, 423, 427 126, 406 413, 417-419, 421, 426f. 415, 419, 427, 448 124 418, 448 418f., 421, 427, 448 407-409, 413, 417f., 427 406-408, 413, 417f., 426f. 123, 406, 408f., 411, 413 406, 410-414, 418-423, 427 411, 419-422, 427 411, 419-422, 426f., 447 397, 412-415, 419, 422f., 426, 447 250, 411, 414-417, 426f. 55, 66, 126, 406f., 414, 423-426, 427, 448 423-425 126, 423-425 426, 428 426, 428 102, 424 423, 426, 428 426, 428 425, 428 424 102, 123, 423f., 428 425, 428 407, 414f., 426, 447 284, 408
Stellenregister
480 19,2 19,3-8 19,3 19,5 19,8 19,9 19,18 19,23 20,2 20,24 21,12 22,20 22,22 22,28 23,9 23,14 23,15 23,16 23,17 23,18 23,20 24,1 24,4-8 24,4 24,5 24,9-11 24,16 24,17 29 29,45f. 30,12 31,6 32,6 32,9 32,11-13 32,12 32,21 32,31 32,34 33,2 33,3 33,4 33,16 34,8 34,11-26 34,18 34,19f. 34,20
408 81, 384 76, 85 384 384 383f. 75 74 157, 294, 413 271 53 33, 80 80 314, 336 33, 80 302, 426 299, 301-303, 309f., 336 302f. 245 308 374 89 81f., 103, 172, 249, 416, 426, 434, 441 81 250, 416f. 81, 89, 416f., 426 85 75 436 157 283 360 89 102 141 217 102 102, 140f. 374 374 92, 374 374 204 88 303, 374 301-303, 310 314 303
34,25 38,26 40,38
323 273 373
Leviticus 1,1 4,23 9,3.5 10,11 11,35 13 14,34 15,19 17-26 20,24 22,30 23 23,6-8 23,6 23,10 23,14 23,19 23,29 23,36 23,41 23,43.46.53 24,10 25,2
85 327 416 116 177 110 300 186 3 92 329 312f. 322, 324, 337, 446 322f. 300 328 327 330 311 323 35 273f. 300
Numeri 1-10 1,46 3,12 8,17 9 9,2 9,3 9,7 9,10-12 9,11 9,12 9,13 9,14 9,15f. 10,29-32 10,29 10,30 11 11,4 11,11-25
275 273 360 319 328, 333, 338 303 303, 328 303 333f. 328, 333 333f. 303, 321 333f. 373 424 66, 125f. 414 89, 126 273f. 424
Stellenregister 11,11-14 11,11 11,14 11,21 12 12,3 12,10 12,14f. 13,27 13,32 14,3 14,4 14,5 14,8 14,11 14,13-16 14,14 14,16 14,19 14,22 14,25 14,36 14,37 15,2 15,16.29 16f. 16,13 16,14 16,25 16,28-30 16,32.34 17 17,13.14.15 18,6.8 19,11.14.16 20,1 20,12 20,14 22,3f. 22,4 22,6 22,31 25,8.9 25,18.19 26,10 26,59 28 28,7 29,35
102 141 424 273 390, 431 260 110 110 92, 411 13 367f., 388, 402 367, 402 326 92 102, 106f., 383-385, 401, 443 102 373 217 102 387 368 13 13, 215 300 333 354 55, 92, 107 92 89 107 396 119, 184 215 360 186 390 383 420 23 238 23 88 215 215 396 390 312 323 311
31 31,16 32,1 33,3 33,4 33,8 Deuteronomium 1,9-18 1,32 1,33 1,40 2,14.16 2,30 3,24 4,11 4,34 4,38 5,6 5,15 5,23 6,3 6,8 6,20 6,21 6,22 7,1 7,8 7,18 7,19 9,1 9,15 9,23 9,24 9,26 9,28 10,8f. 11,2 11,6 11,9 11,10 11,23 12,3.5.13f. 12,15 12,17f. 15,19 16,1-15 16,1-8
481 275 215 23 370 281, 335 95
425, 428 106, 383f., 443 373 368 124 248 387 75 143, 158, 258, 387 44 157, 294, 413 143, 158, 387 75 92 315f., 336, 441 315f., 336, 441 143, 315f., 336, 387, 441 258 23, 44 143, 387 411 258, 387 44 75 106f., 383f., 443 23 143, 387 217 115 387 396 92 37 44 309 309 309 314, 320, 336 304, 309 299, 301, 304-312, 328f., 336
Stellenregister
482 16,1 16,2 16,3 16,4 16,5 16,6 16,7 16,8 16,9 16,10 16,11 16,12 16,13 16,14 16,15 16,16f. 16,16 16,17 17,10f. 18,18 20,1 24,8 25,1 26,1 26,5 26,6 26,8 26,9.15 27,3 28,29 29,1 29,2 29,10 31,20 32,27 32,29 32,30 34,10 34,11f. 34,11 34,12
301f., 304-307, 309f. 306-309, 327 281, 301, 304-311, 328, 337 308-311, 329 307, 309 304, 306f., 309, 311 307-309, 327, 330 307-309, 311 310 271, 306 306 304 306 244, 306 271, 310 304 245, 301, 309 309 116 113, 116 44 116 54 300 23 300 143, 158, 258 92 92 247 411 258 274 92 386 23 381 112, 118 118, 447 258 387
Josua 1,8 1,14 2-12* 2,2 2,9-11 3,13.16
318 368 431 409 412, 421 364, 396
4,12 4,21-24 4,24 5,1 5,2-9 5,6 5,10-12 5,13-15 7,21 8,35 9,9f. 9,9 10,21 22,8 23,9 23,10 24,7 24,29 24,32 24,33
368 365 387 421 131, 135, 448 92 131 131 274 274 421 387 257 99, 274 44 381 387 41 43, 371, 402 43
Richter 1,16 1,23 2,1-5 2,8 2,10 2,18 4,3 4,11 4,15 6 6,13.15 7,11 10,12 11,6 11,34 11,40 13,8
125 80 374 41 41 80 80 125 380 77, 113 113f. 368 80 70 390 328 116
1 Samuel 2,19 6,6 7,10 9f. 9,16 10,10-12 12,8 12,17f. 18,6f.
328 231 347 77 78 390 165 227 391f.
Stellenregister 20,41 25,28 27,3 31,4
410 30 39 231
2 Samuel 7,11 10,5 14,33 15,5 24,1 24,16
30 409 410 410 289 283
1 Könige 2,24 5,11 5,27 8,41-43 8,42 8,51 9,19 10,25 12,28 17,14 18,21-39 18,36 19,8 19,26
30 23 110 421 387 254 34f. 99, 274 392 383 182 84 76, 410 238
2 Könige 5,15 7,8 8,20.22 9,21 10,16 12,3 13,4 13,5 13,22 17,7 17,14 17,36
412 274 420, 422 344 70 116 80 420, 422 80 420 385 158
Jesaja 1,3 1,20 2,19 7,9 8,7 11,9
328 117 328 383 23 74
483
15,6 26,11 31,3 37,27 40,5 40,12f. 40,26 45,3 45,12 45,13 50,2 52,12 53,3f. 53,12 54,16 56,7 57,13 65,11.25 66,20
238 386 23 238 117 113 113 171 113 171 204 281 78 23 283 74 74 74 74
Jeremia 1 1,5 1,6 1,7 1,8 1,9 2,3 5,6 9,11 10,13 15,19 18,3 22,7 25,20 30,14f. 30,15 31,9 32,20f. 41-44 42,14 43,12f. 45,3 50,37 51,1 51,8 51,16
77, 113 160 112f. 160 113 116f. 129 23, 181 117 227 117 28 283 274 23 78 129 258 432 367 282, 335 78 274 283 78 227
Ezechiel 1,4
224
Stellenregister
484 3,7 14,22 20,40 21,36 28,14 28,22 29,17 30,5 30,20 33,21 34,4 37 39,21 45 45,18 45,19 45,20 45,21 45,22f. 45,25
163 37 74 283 74 357 324 274 324 324 35 43 387 312 324 285 324 324f., 327 325 324
Hosea 12,10
431
Joel 1,2-4 2,1 2,2 2,11 4,17
231 74 23 23 74
Amos 5,12
23
Obadja 1,16
74
Micha 4,3 5,8
23 386
Nahum 2,6
269
Zephanja 3,3 3,11
181 74
Sacharja 8,22
23
14,14
274
Psalmen 2,6 3,6 7,6 15,1 18,14 18,38 24,1 35,18 36,2 37,2 38,20 39,4 40,6 43,3 48,2 51,12 55,5 64,7 69,5 77,18f. 78 78,13 78,14 78,43 87,1 97,4 99,9 105 105,39 106 106,12 106,17 109,22 135 135,9 135,10 136 136,11
74 74 395 74 224 395 226 23 230 238 23 230 23 74 74 230 230 230 23 372 392f. 396 344, 373 258 74 372 74 392 373 392f. 399 396 230 392f. 258 23 392f. 254
Hiob 4,21 12,25 28,26 34,13 37,3f.11.15 38,5
125 247 227 113 372 113
Stellenregister Proverbien 7,23 7,26 28,14
269 23 163
Kohelet 7,16
23
Klagelieder 3,5
420
Daniel 9,16.20
74
Esra 7,10
318
Nehemia 8,18 9,3 9,10 9,11 9,12 9,19 9,32 13,3
311 318 258, 422f. 364 344, 373 373 420, 423 274
485
1 Chronik 16,40 22,12 29,18
318 318 84
2 Chronik 2,10 7,9 7,10 8,4.6 9,24 12,1 16,4 17,9 17,12 19,5-7 20,25 21,1 21,8.10 30,6 30,16 31,3f. 32,28 34,14 35,11 35,26
409 311 420 35 274 318 35 311 35 424 102 289 420, 422 84 285 318 35 318 285 318
Apokryphen und Pseudepigraphen Sapientia Salomonis 11,2-16 205 16,1-19,21 205 18,5 268 Sirach 36,17 40,28
129 219
Jubiläen 2,20 49,13
129 333f.
4 Esra 6,58
129
Psalmen Salomos 18,4 129
Qumran 1QM I,14 XVIII,1
386 386
2QExod a 1 5-6 58
17 297
Stellenregister
486 4QGen-Exod a 19 I,4 34-35 9 4QExod c III,18 III,20 V,40 VIII,30
25 120
81
4QMidrEschat XI,14 386 236f., 246 240 373 409
4QpaleoGen-Exod l 10 II,2 359 10 II,13 377 4QpaleoExodm V,10 V,32 VI,27-29 VII,2 XVIII,8
4Q158 4
192 220 231 239 409
4Q225 13
289
4Q365 6a I,11 6a II 6c 1-7 7 II,2
372 389 389 126
4Q411 3-4 4
79
4Q511 16
283
Elephantine A4.1 (‚Passabrief‘) 4 312 5-7 331
Autorenregister Achenbach, R. 4, 68, 87, 157, 160 Addinall, P. 40 Aejmelaeus, A. 56 Ahuis, F. 285, 289f. Albani, M. 306 Albertz, R. 7, 34, 137, 391, 415 Auerbach, E. 303, 306 Aurelius, E. 82, 141, 225, 346, 384 Baden, J.S. 1, 3, 7 Baentsch, B. 125, 138, 159, 174, 220, 228, 325, 354, 395 Bahar, S. 150 Bar-On, S. 293, 325 Batto, B.F. 352 Becker, U. 391 Beer, G. 71, 220, 325, 396 Beltz, W. 129 Berner, C. 34 Blenkinsopp, J. 1, 353 Blum, E. 2-5, 7, 12, 14f., 17, 21, 40-42, 57, 63f., 68, 71, 76, 81, 84, 100, 106, 124, 129-133, 154f., 158, 168, 182, 193, 283, 303, 343-345, 347, 353, 358f., 361, 365, 367, 372, 374, 379, 383, 408-410, 412, 415, 417, 419, 421f., 424f., 449 Boecker, H.J. 12 Brenner, M.L. 390, 393, 395f. Brettler, M.Z. 4 Buchholz, J. 89 Carpenter, E. 412 Carr, D.M. 15, 18, 20, 23, 38, 41, 49 Cassuto, E. 28f., 64, 78, 102, 129, 131, 174, 179, 245f., 255, 271, 297, 317, 334, 367, 395f., 419, 422f. Childs, B.S. 57, 129, 133, 364 Coats, G.W. 99, 103, 133, 364 Cohen, J. 49 Cross, F.M. 155, 393
Crüsemann, F. 7, 34, 389, 391f., 408, 424, 426 Daube, D. 102 Dietrich, W. 18, 21, 432 Dillmann, A. 141, 281 Dozeman, T. 68, 365 Ebach, J. 12 Eerdmans, B.D. 229 Ehrlich, A.B. 396 Eichhorn, J.G. 164 Eißfeldt, O. 131, 290, 353, 392 Embry, B. 129 Fischer, G. 68, 78, 129, 132, 395f. Floß, J.P. 81, 95, 137, 172, 194, 232, 248 Fohrer, G. 64, 82, 94, 97, 164, 168, 171, 182, 207, 268, 285, 290, 330, 353, 355, 367, 385, 389, 392f. Frei, P. 7 Frevel, C. 406, 408 410-415, 417, 419f., 424 Fuß, W. 72, 97, 170, 248, 348 Gerhards, M. 28, 49, 51-53 Gertz, J.C. 2, 4, 10, 14f., 17-21, 24f., 29, 41f., 49-52, 56f., 64f., 68, 70-72, 74, 76, 78f., 81, 83-89, 91-93, 96f., 99, 106, 109, 111-113, 115-117, 119, 122, 137, 139, 141-144, 154-156, 158-162, 164, 168, 170, 173-175, 179f., 182f., 185, 188, 190, 193f., 196, 202-204, 206f., 209, 216, 220222, 224, 226-233, 242, 244-247, 251f., 257f., 267-269, 273, 276, 278283, 285f., 289f., 292f., 298f., 302311, 314f., 318f., 322-325, 327, 330, 334, 343-348, 354-360, 362-367, 371-374, 378f., 381, 383-385, 387, 389f., 393, 431, 435 Gesundheit, S. 301
488
Autorenregister
Görg, M. 51 Graf, K.H. 5, 12, 155, 283, 354 Graupner, A. 28, 83, 347, 406, 423-426 Greßmann, H. 24, 26, 49, 52, 71, 75, 129, 131, 134 Groß, W. 143, 329, 344, 348, 371, 373f. Grünwaldt, K. 321, 323, 325 Haag, H. 285 Haarmann, V. 406, 408, 410, 412, 414f. Halbe, J. 301, 304 Heinisch, P. 396 Herrmann, S. 95, 285, 389, 391 Hölscher, G. 289 Holzinger, H. 179, 278, 282, 319, 396 Hossfeld, L. 416 Houtman, C. 1, 3, 17, 28-30, 64, 71, 87, 98, 109, 114, 129, 141f., 147, 162, 174, 180, 246-248, 274f., 280, 283, 285, 297, 317, 328f., 334, 355, 363, 368, 374, 378, 391, 396, 415, 422, 424 Huddlestun, J.R. 352 Jacob, B. 8, 25f., 28-32, 39, 62, 64, 72, 78, 114, 129, 131, 140-142, 146, 148f., 168, 171, 174, 179-181, 185, 196, 207, 221, 226, 229, 240, 245, 247f., 270f., 274f., 281, 288, 317, 328, 334, 361, 367f., 370, 379f., 388, 396, 408, 412, 419, 424, 449 Janzen, G.J. 391 Jeremias, J. 394 Johnstone, W. 95 Joüon, P. 391 Kaiser, O. 4 Kebekus, N. 19, 41, 432 Keel, O. 285 Kegler, J. 68, 168 Kellenberger, E. 168 Kellermann, D. 333 Kessler, R. 42, 100 Knauf, E.A. 7, 33, 56, 99f., 103, 123, 126, 129, 261, 365, 390, 392 Knierim, R. 414, 424 Knohl, I. 324f. Koch, K. 4 Köckert, M. 42, 82, 84, 157, 159, 278, 281f., 286, 323, 327, 332 Kohata, F. 4, 71, 93, 106, 111, 115, 158f., 164, 168, 173, 175-178, 188, 190, 193, 202, 204, 207, 218, 220f.,
225, 228f., 232, 251, 256, 258, 273, 276, 283, 286f., 325, 354, 359 Kosmala, H. 129, 133 Kottsieper, I. 312 Kratz, R.G. 4, 6f., 11-15, 20f., 23, 49, 51, 54, 56, 59, 63, 68f., 71f., 74, 76, 82, 99, 155f., 158, 162, 164, 170f., 182, 193, 267, 275, 283, 298, 310, 312, 331, 343, 350f., 353f., 357, 364, 389-392, 408, 415, 425, 431f., 434 Kreuzer, S. 143, 275, 309 Krüger, T. 6, 344f., 347, 349, 353, 355, 357, 359, 366f., 374, 378f., 382 Laaf, P. 95, 251, 268, 276, 278-282, 285f., 289, 294, 301, 304, 309, 321f., 325, 327 Lamberty-Zielinski, H. 345f., 349, 355, 357, 359f., 362, 367, 371, 383, 385, 387 Lauha, A. 395 Lemche, N.P. 33, 49 Lemmelijn, B. 5, 190, 192, 220, 235, 237, 247, 250, 259 Lerner, P. 415 Levin, C. 2f., 5-7, 11-15, 18-20, 24f., 27, 30f., 36, 38, 40f., 49-57, 63, 68, 70f., 73, 75f., 78, 82, 86-88, 91-95, 97, 99f., 108, 112f., 116, 124, 129, 137, 150, 156, 170, 173f., 176f., 179f., 188, 193, 202f., 208, 215, 219f., 226, 231, 246, 251, 261, 271, 273-275, 289, 296, 298, 332, 334, 343, 345-348, 350, 353-360, 362364, 367f., 370-374, 380, 385, 387, 389-393, 406, 408f., 411-414, 416, 419, 424f., 432, 434 Levinson, B.M. 303 Lindström, F. 283 Lohfink, N. 4f., 41, 354 Lust, J. 159 Lux, R. 12, 432 Markl, D. 129, 132, 395f. McCarthy, D.J. 252 Merendino, R.P. 301 Metso, S. 6 Meyer, E. 168 Morgenstern, J. 129 Neef, H.-D. 374 Nihan, C. 3f.
Autorenregister Nöldeke, T. 14, 36, 63 Norin, S. 288f., 394 Noth, M. 1, 26-29, 49f., 57, 60, 64, 71, 77, 87, 91, 97, 108, 125, 129, 142, 147, 164f., 168, 173, 175, 177, 182, 185, 188, 190, 194, 204, 218, 229, 248, 251, 268, 273, 285, 287, 290, 294, 317, 334, 345, 348, 362, 367f., 370, 379f., 389, 391f., 395f., 407f., 419, 424 Oswald, W. 74, 82 Otto, E. 3f., 7, 35, 49f., 52, 58, 68, 74, 78, 80, 82, 99, 101, 103, 106, 122, 158f., 251, 268, 278, 282, 286, 289, 297, 301, 303f., 309, 311, 327, 330, 353, 383, 408, 425, 431 Pakkala, J. 392 Pedersen, J. 285 Perlitt, L. 71, 76, 82, 383, 416, 425 Plöger, J.G. 92 Pola, T. 4, 12, 275 Porzig, P. 43 Propp, W.H.C. 355, 374, 393f., 410, 416f. Prosic, T. 301 Pury, A. de 1, 11 Rad, G. von 348, 350 Rake, M. 41 Redford, D.B. 12, 31, 33 Rendtorff, R. 5, 12, 143, 155, 278, 281, 286, 325, 333 Richter, H.-F. 129 Richter, W. 76f., 91 Römer, T. 1, 4, 7, 11, 15, 84, 159, 432 Rost, L. 285 Rudolph, W. 1, 57, 76, 81, 92-94, 97, 173, 193, 207, 343, 347, 356, 359, 380, 389, 413, 419 Ruppert, L. 12 Rüterswörden, U. 7 Sanderson, J.E. 190, 192, 220, 247 Scharbert, J. 194 Schart, A. 408, 411, 425 Schmid, H. 33, 71, 75, 95, 129, 290, 344, 350, 398 Schmid, H.H. 346, 348, 383 Schmid, K. 2-4, 7, 12, 15, 18-20, 26, 34, 41, 43, 49f., 57, 68, 106, 393, 431f. Schmidt, L. 4f., 11f., 15, 64, 99, 101, 119, 158, 162, 164, 168, 173, 175,
489
177, 179, 182f., 186, 188-191, 193f., 202, 207-209, 215-218, 221, 224, 229, 247, 275f., 278, 283, 343, 354f., 357, 359f., 362 Schmidt, W.H. 4, 15, 17, 21, 25-30, 3336, 41, 49, 58, 60, 62-64, 71-74, 77, 87, 93, 95, 106, 111, 115, 124f., 129, 133, 147, 160, 164, 168, 173, 175, 177, 188, 194, 204, 216, 218, 220, 232, 247, 251, 285, 290, 389, 392, 410 Schmitt, H.-C. 3f., 7, 15, 21, 41, 69, 72, 77, 89, 99, 101, 168, 173, 182, 191, 193, 203, 206, 209, 225, 231, 354, 374, 383 Schmitt, R. 162, 282, 285, 308 Schreiner, J. 285, 289 Schwienhorst-Schönberger, L. 80, 302 Seebaß, H. 41, 43, 110, 124f., 425 Seeligmann, I.L. 7 Segal, J.B. 285 Segal, M. 372 Ska, J.L. 5, 154f., 158, 162, 191, 353, 359, 361, 363 Smend, R. d.Ä. 164, 353 Smend, R. d.J. 4, 137, 157, 382f., 389, 392 Spieckermann, H. 80, 389, 391, 393f., 397-399 Steingrimsson, S.Ö. 179, 190 Steins, G. 372 Stoellger, P. 118 Talshir, Z. 34 Uehlinger, C. 37 Valentin, H. 111, 113, 225 van der Toorn, K. 391 van Seters, J. 5, 12, 15, 23, 34, 41, 59, 63, 71, 93, 106, 112, 115f., 119, 154 168, 173, 178, 188, 268, 283, 285, 298, 319, 353f., 419 Vater, J.S. 164, 364, 395 Veijola, T. 302-305, 307-311, 315 Vervenne, M. 5, 353f., 357f., 361, 363 Volz, P. 1 Vriezen T.C. 21, 23 Wagenaar, J. 364 Wambacq, B.N. 285 Watts, J.D.W. 396 Weimar, P. 4, 11f., 14f., 40f., 56, 58, 60, 63f., 68, 71-74, 76, 78, 81, 85,
490
Autorenregister
91, 93f., 96f., 99, 106, 124f., 129, 132, 137-139, 141, 148, 157, 159, 162, 184, 192f., 232, 251, 278, 280282, 286, 289f., 292-294, 300-302, 318, 323, 327, 344, 346-349, 355, 357, 359-361, 363f., 367, 374, 379f., 383, 387f., 391f., 408, 410-413, 421f., 432 Wellhausen, J. 5, 12, 15, 26, 52, 57, 63, 71, 94, 115, 124f., 129, 133, 156, 164, 170, 182, 225, 268, 285, 289, 309, 311, 319, 347, 353, 356, 408, 414, 419
Westermann, C. 43 Wevers, W. 192, 220, 223, 235, 372, 420 Whybray, R.N. 3 Wildberger, H. 383 Willi-Plein, I. 49 Wilson, R.R. 154 Witte, M. 2, 353 Zenger, E. 4, 81, 97, 137f., 251, 344, 348, 359, 361, 363, 365, 391f., 394, 408, 417, 419 Zimmerli, W. 321