Wahrscheinlichkeitstheorie und Grundzüge der Maßtheorie [2. Aufl., Reprint 2020] 9783112313169, 9783112302033


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German Pages 407 [408] Year 1974

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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Bezeichnungen
Erster Teil — Maß- und Integrationstheorie
I. Maßtheorie
II. Integrationstheorie
III. Produktmaße
Zweiter Teil: Wahrscheinlichkeitstheorie
IV. Grundbegriffe der Theorie
V. Unabhängigkeit
VI. Gesetz der großen Zahlen
Dritter Teil Fortsetzung der Maß- und Integrationstheorie
VII. Maße auf topologischen Räumen
VIII. Fourier-Analyse
Vierter Teil. Weiterführung der Wahrscheinlichkeitstheorie
IX. Grenzverteilungen
X. Bedingte Erwartungen
XI. Martingale
XII. Stochastische Prozesse
Anhang
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Symbole
Namen- und Sachverzeichnis
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Wahrscheinlichkeitstheorie und Grundzüge der Maßtheorie [2. Aufl., Reprint 2020]
 9783112313169, 9783112302033

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de Gruyter Lehrbuch Bauer • Wahrscheinlichkeitstheorie

Wahrscheinlichkeitstheorie und

Grundzüge der Maßtheorie

von

Dr. Heinz Bauer Professor für Mathematik an der Universität Erlangen - Nürnberg 2., erweiterte Auflage

w DE

G Walter de Gruyter • Berlin • New York • 1974

© Copyright 1974 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J. Trübner - Veit & Comp., Berlin 30. Alle Reohte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Satz und Druck: Kastner & Callwey, München - Printed in Germany. Library of Congress Catalog Card Number 73-80694 ISBN 3 11 004149 9

Meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Dres. h. c. in Dankbarkeit gewidmet

OTTO H A U P T

Vorwort zur ersten Auflage

Das vorliegende Buch soll dem Studierenden als Wegführer in die Wahrscheinlichkeitstheorie dienen. Der Leser soll dabei mit den wichtigsten Ideen, Methoden und Resultaten dieser sich heute schnell entwickelnden und verzweigenden mathematischen Theorie bekanntgemacht werden. Der einführende Charakter und der begrenzte Umfang des Buches erlaubten zwar vornehmlich nur die Behandlung derjenigen Teile der Theorie, die heute schon wieder als „klassisch" angesprochen werden. Immerhin werden aber auch die Anfangsgründe des im Mittelpunkt der neueren Untersuchungen stehenden und zugleich auch für außermathematische Anwendungen so wichtigen Gebietes der stochastischen und speziell der Markoffschen Prozesse erörtert. Da heutzutage die Wahrscheinlichkeitstheorie unlöslich mit der Maß- und Integrationstheorie verbunden ist, verfolgt das Buch zugleich aber auch ein zweites Ziel, nämlich den Leser mit den Grundzügen der Maßtheorie vertraut zu machen. Diese wird aber im wesentlichen nur so weit vorangetrieben, als dies für die zu behandelnden wahrscheinlichkeitstheoretischen Fragestellungen notwendig ist. Viele wichtige Kapitel der Maßtheorie, wie etwa die Theorie Radonscher Maße auf lokal-kompakten Räumen ohne jede Abzählbarkeitsbedingung, die Desintegration oder die Theorie des Haarschen Maßes fehlen daher. Dagegen wird aber die Maßtheorie unabhängig von wahrscheinlichkeitstheoretischen Vorstellungen entwickelt. Der allein maßtheoretisch interessierte Leser kann daher die Kapitel I—III sowie VII—VIII unabhängig von den übrigen, rein wahrscheinlichkeitstheoretischen Teilen des Buches studieren. Das Buch ist aus zweisemestrigen, einführenden Vorlesungen über Wahrscheinlichkeitstheorie entstanden, die ich für Hörer vom 3. Fachsemester aufwärts an der Universität Hamburg hielt. Die ersten zwei Teile des Buches erschienen, von Detailänderungen abgesehen, unter demselben Titel erstmals 1964 als Band 1216/1216 a in der Sammlung Göschen. Die Teile 3 und 4 waren ursprünglich für einen weiteren Band dieser Sammlung vorgesehen. Ich bin dem Verlag Walter de Gruyter u. Co. außerordentlich dankbar, daß er sich dazu entschloß, diese weiteren Teile der Darstellung mit dem umgearbeiteten ersten Teilen in einem Band zu vereinigen und in anderer Form als Lehrbuch herauszubringen. Auf diese Weise war es möglich, den Stoffumfang des Buches etwas großzügiger anzulegen, als dies zunächst beabsichtigt war. Bei der Durchsicht des Manuskriptes haben mir wieder die Herren Dr. S. Guber und Dr. H. Heyer mit Rat und Kritik zur Seite gestanden. Herr Dipl.-Math. Chr. Grillenberger unterstützte mich beim Lesen der Korrekturen. Hierfür danke ich den drei Herren herzlich. Mein Dank gilt ferner Frau H. Dohrmann für die endgültige Niederschrift des Manuskriptes.

Erlangen, im August 1968

H E I N Z BATTER

Vorwort zur zweiten Auflage

Die zweite Auflage meines Buches unterscheidet sich von der ersten vornehmlich durch die bislang fehlenden, den Text begleitenden Übungsaufgaben. Dem Leser werden nunmehr über 200 Aufgaben angeboten, die ihn zu eigener mathematischer Betätigung herausfordern und ihm die Möglichkeit zum tieferen Eindringen in den behandelten Stoff geben sollen. Der bisherige Text des Buches ist zwar weitgehend beibehalten, aber einer gründlichen Revision unterzogen worden. An vielen Stellen sind Vereinfachungen der Beweise, Änderungen und Ergänzungen didaktischer Art sowie Hinweise auf weiterführende Entwicklungen eingearbeitet worden. Die größten Änderungen haben die Paragraphen 36 und 41 erfahren, Änderungen, welche sich bereits in den neuen Überschriften dieser Paragraphen ankündigen. Während in § 36 bislang die Ungleichung von H&jek-Renyi im Mittelpunkt der Betrachtung stand, wird jetzt ausgehend von einer Ungleichung von 0 . Frank ein einfacher Zugang nicht nur zur Ungleichung von Hajek-Renyi sondern auch zu Ungleichungen der Martingal-Theorie aufgezeigt. I n § 41 wurde als Anwendung der Regularität von Maßen der Satz von Lusin über den Zusammenhang zwischen Meßbarkeit und Stetigkeit aufgenommen. Bei der Beurteilung der ersten Auflage haben meine Kritiker Müde walten lassen. Um so ernster habe ich ihre Einwände gewertet. Einer ganzen Reihe dieser Einwände hoffe ich mit dieser Neuauflage gerecht zu werden. Einige wesentliche Verbesserungen im Detail gegenüber der ersten Auflage verdanke ich dem Kontakt mit Kollegen des In- und Auslandes. An dieser Stelle sei besonders gedankt den Herren R. B. Burckel (Manhattan, Kansas) für verschiedene kritische Bemerkungen, 1.1. Glick (Washington, D.C.) für den Hinweis auf einen Fehler im Beweis von Satz 63.6, R. Hafner (Wien) für den vereinfachten Beweis von Satz A.4, W. Hansen (Bielefeld) für den durchsichtigeren Beweis von Satz 11.1, H. Heyer (Tübingen) für den vereinfachten Beweis des Stetigkeitssatzes 48.7, H. Klinger (Düsseldorf) für den Hinweis auf eine Lücke im Beweis des Satzes 39.4 von Daniell-Stone und 0 . Krafft (Hamburg) für den Hinweis auf die Arbeit von F R A N K [41]. Den Herren J . Fehling, einem meiner ehemaligen Hörer, H. Niederhausen (Graz) und H. Schirmeier (Erlangen) danke ich für Hinweise auf Druckfehler in der ersten Auflage. Nicht zuletzt danke ich dem Verlag für die nunmehr schon langjährige faire Partnerschaft sowie für das verständnisvolle Eingehen auf meine Wünsche bei der Gestaltung dieser Neuauflage.

Erlangen, im Juni 1973

HEINZ BAUER

Inhaltsverzeichnis

Einleitung Bezeichnungen Erster Teil — Maß- und Integrationstheorie I. Maßtheorie § § § § § § § §

1 2 3 4 5 6 7 8

er-Algebren u n d ihre Erzeuger Dynkinsche Systeme Inhalte und P r ä m a ß e Lebesguesches P r ä m a ß Fortsetzung eines Prämaßes zu einem Maß Boreische Mengen u n d Lebesguesches Maß Meßbare Abbildungen u n d Bildmaße Weitere Eigenschaften des Lebesgue-Borelschen Maßes

II. Integrationstheorie § 9 Meßbare numerische Funktionen § 10 Elementarfunktionen und ihr Integral § 1 1 Das Integral nicht-negativer meßbarer Funktionen § 12 Integrierbarkeit § 13 F a s t überall bestehende Eigenschaften § 14 Die R ä u m e jSf^/i) § 15 Konvergenzsätze § 16 Bemerkungen über Lebesgue- u n d Riemann-Integral § 17 Maße mit Dichten § 18 Integration bezüglich eines Bildmaßes § 19 Stochastische Konvergenz § 20 Gleichgradige Integrierbarkeit

III. Produktmaße §21 § 22 § 23 § 24

25 26 27 28 29

15 16 19 21 26 30 37 40 45

52 52 56 59 64 67 71 75 81 86 94 96 104

112

P r o d u k t von a-Algebren u n d Eindeutigkeit des Produktmaßes . . 1 1 2 Existenz u n d Eigenschaften des Produktes zweier Maße . . . .114 Ausdehnung auf den Fall endlich vieler Faktoren 119 F a l t u n g endlicher Borel-Maße 122

Zweiter Teil — Wahrscheinlichkeitstheorie IV. Grundbegriffe der Theorie § § § § §

Seite 11 13

Wahrscheinlichkeitsräume Behandlung einiger elementarer Aufgaben Zufallsvariable, Verteilungen u n d Momente Einige spezielle Verteilungen Verteilungsfunktionen

127 127 131 136 139 143

Inhaltsverzeichnis

V. Unabhängigkeit § 30 Unabhängige Ereignisse und «r-AIgebren § 31 Unabhängige Zufallsvariable § 32 Produkte und Summen unabhängiger Zufallsvariablen § 33 Unendliche Produkte von Wahrscheinlichkeitsräumen

9 Seite 145 145 150 153 157

VI. Gesetz der großen Zahlen § 34 Fragestellung § 35 Null-Eins-Gesetze § 36 Einige fundamentale Ungleichungen § 37 Die Kolmogoroffschen Sätze § 38 Schwaches Gesetz der großen Zahlen Dritter Teil — Fortsetzung der Maß- und Integrationstheorie VII. Maße auf topologischen Räumen § 39 Der Satz von Daniell-Stone § 40 Bairesche und Boreische Mengen bzw. Maße § 41 Regularität endlicher Borel-Maße auf polnischen Räumen und der Satz von Lusin § 42 Einige Eigenschaften lokal-kompakter Räume § 43 Baire-Maße auf im Unendlichen abzahlbaren, lokal-kompakten Räumen § 44 Spezialfall der lokal-kompakten Räume mit abzählbarer Basis . § 45 Konvergenz von Baire-Maßen § 46 Vag kompakte Mengen von Maßen

165 165 168 171 175 181 185 185 195 199 205 210 .216 219 231

VIII. Fourier-Analyse § 47 Fourier-Transformation von Maßen und Funktionen § 48 Eindeutigkeits- und Stetigkeitssatz § 49 Differenzierbarkeit von Fourier-Transformierten Vierter Teil — Weiterführung der Wahrscheinlichkeitstheorie I X . Grenzverteilungen § 50 Beispiele von Grenzwertsätzen § 51 Der zentrale Grenzwertsatz § 52 Unbegrenzt teilbare Verteilungen § 53 Kennzeichnung der Normalverteilung (Stabile Verteilungen) . . .

235 235 246 254 261 261 266 276 286

X . Bedingte Erwartungen § 54 Bedingte Erwartungen und Wahrscheinlichkeiten § 55 Faktorisierung der bedingten Erwartung § 56 Kerne, Erwartungskerne und bedingte Verteilungen

289 289 298 302

X I . Martingale § 57 Definition und Beispiele § 58 Transformation durch Stopzeiten § 59 Die Doobschen Ungleichungen § 60 Konvergenzsätze § 61 Anwendungen

314 314 321 326 330 338

Inhaltsverzeichnis

10

Seite X I I . Stochastische Prozesse § 62 Definition und Konstruktion stochastischer Prozesse § 63 Prozesse mit speziellen Pfaden § 64 Markoffsehe Halbgruppen § 65 Markoffsehe Prozesse § 66 Prozesse mit stationären und unabhängigen Zuwächsen § 67 Der Brownsche Prozeß § 68 Der Poissonsche Prozeß

. . . .

344 344 350 360 368 376 382 388

Anhang: Stetige Abbildungen in die Kreislinie

393

Literaturverzeichnis

397

Verzeichnis der verwendeten Symbole

400

Namen- und Sachverzeichnis

402

Einleitung

Die Wahrscheinlichkeitstheorie verdankt ihr Entstehen dem Wunsche, mathematische Modelle für das Studium eines vom Zufall gesteuerten Geschehens zu entwickeln. Die Frage nach mathematischen Modellen, welche das Studium des uns umgebenden Raumes gestatten, steht am Beginn der Entwicklung der Geometrie. Während aber die Geometrie schon seit langem ihre durch die ursprüngliche Fragestellung abgegrenzte Entwicklungsbahn verlassen hat und ihre im Laufe der Entwicklung ständig verfeinerten Begriffe und Methoden zur Erforschung andersartiger, z. B. algebraischer und topologischer Sachverhalte herangezogen wurden, hat die Wahrscheinlichkeitstheorie erst in jüngerer Zeit eine ähnliche Entwicklung durchlaufen. Wenn diese Theorie auch durch die von den mannigfachen Anwendungsmöglichkeiten ausgehenden Impulse geprägt wurde, so hat sie sich doch als eigenständige Disziplin festes Bürgerrecht innerhalb der Mathematik erworben. Dies ist nicht zuletzt den vor allem erst in den letzten Jahren erfolgten kräftigen Brückenschlägen hinüber zu anderen Teilen der Mathematik, wie etwa zur Zahlentheorie, Ergodentheorie, Funktionentheorie und zur Theorie der partiellen Differentialgleichungen zweiter Ordnung, zuzuschreiben. Entscheidend für den Erwerb dieses Bürgerrechtes war jedoch der Nachweis, daß die Theorie den heute in der Mathematik üblichen Anforderungen an Strenge in Grundlegung und Aufbau genügt. Diesen Nachweis erbrachte A. N. KOLMOGOROFF [52] durch seinen 1933 vorgeschlagenen und heute allgemein bewährten axiomatischen Aufbau der Wahrscheinlichkeitstheorie. Durch ihn wird sie in der allgemeinen Maß- und Integrationstheorie verankert. Der erste Teil des Buches bringt daher zunächst eine Einführung in die Maßund Integrationstheorie. Die wahrscheinlichkeitstheoretische Motivierung wird dabei zugunsten einer mehr geometrischen zunächst zurückgestellt. Erst anschließend und somit in weitgehender Übereinstimmung mit der historischen Entwicklung wird dann gezeigt, daß die bedeutsamsten maßtheoretischen Begriffe auch eine wahrscheinlichkeitstheoretische Deutung zulassen. Im zweiten Teil folgt der Aufbau der Wahrscheinlichkeitstheorie, die in den Erörterungen über das Gesetz der großen Zahlen einem ersten Höhepunkt zugeführt wird. Im dritten Teil wird die Maß- und Integrationstheorie fortgesetzt. Hier wird zunächst der funktional-analytische Aspekt der Integrationstheorie durch eine Erörterung des Satzes von Daniell-Stone behandelt. Sodann werden Maße auf topologischen Räumen, insbesondere auf lokal-kompakten und polnischen Räumen behandelt. Jedoch werden hierbei nur die elementarsten Kenntnisse aus der allgemeinen Topologie vorausgesetzt. Ein kurzes Kapitel über FourierAnalyse, das nur die wichtigsten Ergebnisse für den Fall des euklidischen Raumes Rn vermittelt, beschließt diesen Teil. Im vierten Teil werden sodann die wahrscheinlichkeitstheoretischen Betrachtungen weitergeführt. Nach einem Kapitel über Grenzwertsätze wird der Be-

12

Einleitung

griff der bedingten Erwartung eingeführt und damit der Zugang zur Theorie der stochastischen Prozesse geöffnet. Aus dieser Theorie werden vornehmlich die Martingale (meist mit diskretem Parameterbereich) und das Wechselspiel zwischen Markoffschen Prozessen und Markoffschen Halbgruppen behandelt. Die Darstellung folgt weitgehend den bewährten Wegen. Trotzdem hoffe ich, in Details auch dem Kenner einiges Neue zu bieten. Insbesondere dürfte die konsequente Heranziehung der Dynkin-Systeme an Stelle der sonst üblichen, aber weniger schmiegsamen und ertragreichen monotonen Systeme neu sein. Bei der Darstellung der Integrationstheorie bin ich nach reiflicher Überlegung dem klassischen Weg gefolgt, der zuerst zur Maß- und dann zur Integrationstheorie führt. Dieser Weg scheint mir immer noch am besten den Bedürfnissen der Wahrscheinlichkeitstheorie zu entsprechen. Jedoch habe ich die Diskussion des Integralbegriffes so anzulegen versucht, daß sich der Leser im dritten Teil ohne Mühe in den funktional-analytischen Aufbau der Theorie einarbeiten kann. Die in die Darstellung häufig eingeflochtenen Beispiele haben vielfach den Charakter von Übungsaufgaben, deren genaues Durcharbeiten dem Leser ebenso dringend empfohlen wird wie das Lösen der nahezu einen jeden Paragraphen beschließenden Aufgaben. Nicht nur hierbei, sondern auch bei der Lektüre des eigentlichen Textes wird der Leser zu Papier und Bleistift greifen müssen, um gelegentlich nur skizzierte Gedankengänge in allen Details zu verfolgen und zu Ende zu führen.

Bezeichnungen

Mit R soll im folgenden stets der Körper der reellen Zahlen mit seiner üblichen Topologie, also die Zahlengerade, bezeichnet werden. Durch Hinzunahme von (+)oo und — oo entsteht aus R die kompaktifizierte Zahlengerade R. Mit den uneigentlichen Zahlen ± oo soll in der üblichen Weise gerechnet werden. Nicht generell üblich ist die Festsetzung 0 • ( + oo) = 0 • (— oo) = ( + oo) • 0 = (— oo) • 0 = 0, die von nun an gemacht werden soll. Sie erweist sich bei allen maß- und wahrscheinlichkeitstheoretischen Überlegungen als zweckmäßig. R+ bzw. R+ bezeichnet die Menge aller Zahlen x e R bzw. x e R mit x ^ 0. Wie üblich werden für die mengentheoretischen Operationen die Symbole u , n , U, D und C verwendet. A c B bedeutet, daß A Teilmenge von B ist; A = B ist hierbei zugelassen. Für die Differenzmenge i n [ 5 zweier Mengen A und B, also die Menge aller xeA mit x $ B, schreiben wir auch A \ B. Die leere Menge wird mit 0 bezeichnet. Das Symbol f: A -+B bedeutet, daß / eine Abbildung der Menge A in die Menge B ist. I m Spezialfall B = R bzw. B = R soll von einer redien bzw. numerischen Funktion gesprochen werden. Die Restriktion (Einschränkung) einer Abbildung f :A->B auf eine Teilmenge A' c A wird mit Rest^/ / bezeichnet. Bei einer Folge av a2, . . . von Elementen einer Menge A handelt es sich um eine Abbildung der stets mit N zu bezeichnenden Menge aller natürlichen Zahlen 1 , 2 , . . . in die Menge A. Wir schreiben daher Folgen in der Form (®n)reeN oder (a n ) B=1)2 , . . . oder auch nur (an). Liegt jedoch eine andere Indizierung, etwa (a n ) n = 0 t i t . . ., vor, so wird dies stets erwähnt. Ebenso erscheinen endliche Folgen in der Schreibweise («{)j=i n usw. Sind / und g reelle Funktionen auf einer Menge A, so bedeutet / -f- g, fg usw. die durch x f(x) + g(x), x -» f(x) g(x) usw. definierte Funktion. Analog verfahren wir auch mit numerischen Funktionen; nur muß dann z. B. f(x) -f- g(x) 00

definiert sein. Entsprechend b e d e u t e t 2 f n = 2 / » für e i n e F o l g e oo n= 1 ( f n ) numerischer Funktionen die Funktion x -> ]>/n(a;). »= l

für alle xeA

Eine auf einer Teilmenge von R definierte numerische Funktion / wird isoton bzw. antiton genannt, wenn sie in der üblichen Terminologie monoton wachsend bzw. monoton fallend ist. Allgemeiner benützen wir diese Terminologie auch dann, wenn der Definitionsbereich eine durch eine Relation gi geordnete ( = teilweise geordnete) Menge A ist und aus x y{x,y e A) stets f(x) sS f(y) bzw. f ( y ) ^ f ( x ) folgt. Folgt aus x 8 0 sprechen wir von strenger Isotonie bzw. Antitonie.

14

Bezeichnungen

Topologische Begriffsbildungen werden stets im Sinne der Terminologie von N. Botjkbaki verwendet. Insbesondere trifft dies auf den Kompaktheitsbegriff zu. Dort, wo es zweckmäßig erscheint, verwenden wir die Schreibweise A: = B, um anzudeuten, daß das Objekt A definitionsgemäß gleich dem Objekt B ist. Das Zeichen _| deutet das Ende eines Beweises an.

Erster Teil

Maß- und Integrationstheorie

I. Maßtheorie Geometrisch einfachen Teilmengen der Zahlengeraden, der Ebene und des dreidimensionalen Raumes ordnet man in der Elementargeometrie Länge, Fläche und Volumen genannte „Maßzahlen" zu. Von der Anschauung her ist dabei zunächst nur klar, wie man die Länge einer Strecke, die Fläche eines Rechtecks und das Volumen eines Quaders zu definieren hat. Hiervon ausgehend kann man mit elementar-geometrischen Methoden Länge, Fläche bzw. Volumen komplizierterer Mengen bestimmen, indem man gewisse Rechenregeln für den Umgang mit solchen Maßzahlen akzeptiert. Denkt man etwa an die elementar-geometrische Bestimmung der Fläche eines offenen Dreiecks, so zerlegt man dieses durch eine seiner Höhenstrecken in zwei rechtwinklige, offene Dreiecke und in die Höhenstrecke. Ferner beachtet man, daß jedes rechtwinklige Dreieck durch Ziehen der Diagonale in einem geeigneten Rechteck entsteht. Folgende zwei Rechenregeln führen dann zur Bestimmung der Fläche von Dreiecken: (a) besitzt eine Menge A die Maßzahl a und ist B eine zu A kongruente Menge, so besitzt auch B die Maßzahl a; (b) sind A, B fremde Mengen mit den Maßzahlen a bzw. ß, so besitzt die Menge A u B die Maßzahl a + ß. Die Grenzen der elementar-geometrischen Betrachtungsweise werden bereits bei der elementar-geometrischen Definition der Fläche einer offenen Kreisscheibe K erreicht. Man geht etwa so vor: K wird eine Folge (En) offener, regelmäßiger 3 • 2«_1-Ecke En einbeschrieben (w = 1,2, . . . ) . E± ist ein offenes gleichseitiges Dreieck. En+\ entsteht aus En durch Halbierung der Winkel, welche die Verbindungsstrecken zweier aufeinander folgender Ecken von En mit dem Kreismittelpunkt miteinander bilden. Dann aber entsteht En+1 aus En auch durch Aufsetzen von 3 • 2n~1 Dreiecken auf die Kanten von En. Da K die Vereinigung aller En ist, erscheint damit K als ein „Dreiecks-Mosaik", d. h. als Vereinigung einer Folge paarweise fremder offener Dreiecke und Strecken (nämlich gemeinsamer Dreiecksseiten). Folgende erweiterte Fassung von (b) führt daher zu einer Definition der Fläche der Kreisscheibe K: (c) ist (A n ) eine Folge paarweise fremder Mengen An mit der Maßzahl OO

00

a.n {n = 1, 2, . . . ) , so besitzt die Menge U An die Maßzahl 2 n=1 n=1 Ersetzen wir K und jedes En durch die entsprechenden abgeschlossenen Gebilde, so würde diese Methode nicht zu einer plausiblen Definition der Fläche

I. Maßtheorie

16

einer abgeschlossenen Kreisscheibe K' führen, da K' nicht die Vereinigung der nach obigem Gedanken konstruierten, aber abgeschlossenen 3 • 2 n _ 1 -Ecke E'n ist. Ein Merkmal und Nachteil der elementar-geometrischen Betrachtungsweise ist gerade die Notwendigkeit der Wahl einer speziellen, auf die betrachtete Menge A zugeschnittenen Methode, um zu einer brauchbaren Definition der Maßzahl für A zu kommen. Die Frage nach einer allgemeinen Methode, mit deren Hilfe „möglichst vielen" Teilmengen des p-dimensionalen Raumes Rp für beliebige Dimension p in natürlicher Weise ein ^-dimensionales Volumen als Maßzahl zugeordnet werden kann, hat letzten Endes die Entwicklung der Maßtheorie genannten mathematischen Disziplin in Gang gebracht. Die Antwort der Maßtheorie auf die genannte Frage stellt den Hauptinhalt dieses Kapitels dar. Es wird sich zeigen, daß der Schlüssel zu der Antwort in der Rechenregel (c) liegt und daß dieselbe Rechenregel für wesentlich allgemeinere „Maßzahlen" erfüllt ist, welche in anderen, von der geometrischen Anschauung weitgehend losgelösten, Situationen auftreten. Gerade hierdurch erklären sich die mannigfachen Anwendungsmöglichkeiten der Maßtheorie. § 1. er-Algebren und ihre Erzeuger Es sei ü eine beliebige Menge und ^ ( ß ) deren Potenzmenge, d. h. das System aller Teilmengen von ü. Dann liegen mit jeder Familie (Aí)ÍEI von Mengen aus ^P(ß) auch deren Vereinigung U A{ und deren Durchschnitt fl in iel »ej Ferner enthält mit jeder Menge A deren Komplement £A. Im folgenden interessieren uns Mengensysteme 2Í c die mit diese Eigenschaften wenigstens für abzählbare Indexmengen I gemeinsam haben. 1.1 Definition. Ein System 2t von Teilmengen einer Menge Q heißt (in Q), wenn es folgende Eigenschapen besitzt: (1.1)

a-Algebra

ße2l;

(1.2)

Ae

oo

(1.3)

für jede Folge (An) von Mengen aus 21 liegt U An in 21. »=i Beispiele. 1. Stets ist ty(£2) eine a-Algebra. 2. Für jede Menge Ü ist das System aller Mengen A c Q, für welche entweder A oder £A abzählbar*) ist, eine a-Algebra. Die Eigenschaft (1.3) ergibt sich dabei wie folgt: Sind alle Mengen An abzählbar, so ist auch U An abzählbar; ist ein An¡¡ nicht abzählbar, so ist ZUAn — f\^An in (¡^^enthalten und daher abzählbar. 3. Ist 21 eine ff-Algebra in einer Menge ü und Q' eine Teilmenge von ü, so ist

(1.4)

fi'n2l:

= {Q'

*) Abzählbar heißt: endlich oder abzählbar unendlich.

§ 1. er-Algebren und ihre Erzeuger

17

eine er-Algebra in Q'. Sie heißt die S p u r von 2t in Q'. Liegt Q' in 2Í, so besteht Q ' n 2t aus allen zu 2t gehörigen Teilmengen von Q'. 4. Seien Q und Q' Mengen, 21' eine ^ \ J S =

4nC5e2t.

Für die Konstruktion von a-Algebren ist der folgende Satz wichtig: 1.2 Satz. Jeder Durchschnitt von (endlich oder unendlich vielen) a-Algebren in einer Menge Q ist selbst wieder eine a-Algebra in Q. Der Beweis ergibt sich durch einfaches Nachprüfen der Eigenschaften (1.1) bis (1.3). Es folgt nun, daß zu jedem System S von Teilmengen von Q eine kleinste, d enthaltende a-Algebra 2t((£) existiert; d. h. 2i(Gr) ist eine welcher gemäß 1.2 alle gewünschten Eigenschaften besitzt. Man nennt 2t((5) auch die von S (in Q) e r z e u g t e tr-Algebra und £ einen E r z e u g e r von 2t(S). Beispiele. 5. Ist 6 selbst eine a-Algebra in Q, so ist (5 = 2t( ^ u S e 9 t .

Wird zusätzlich noch ß e 3t

(1.12)

gefordert, so heißt SR eine Algebra

(in Q).

Jeder Ring 3t enthält mit je zwei (und damit mit je endlich vielen) Mengen nicht nur deren Vereinigung, sondern auch deren Durchschnitt. Für je zwei Mengen A, B e 3t ist nämlich A n B = A \ (A \ B). 1.4 Satz. Ein System 91 von Teilmengen einer Menge Q ist genau dann eine Algebra, wenn es die Eigenschaften (1.1), (1.2) und (1.11) besitzt. B e w e i s . Jede Algebra besitzt gemäß Definition die Eigenschaften (1.1) und (1.11). Aus (1.10) folgt (1.2). — Die Umkehrung ergibt sich aus der für beliebige Mengen A, B gültigen Gleichheit A \ B = AnlB

= C(

ZAuB)

sowie aus 0 = (¡ß. _J Beispiele. 7. Jede cr-Algebra ist eine Algebra. 8. Für jede unendliche Menge Q ist das System aller Mengen A c Q, für welche entweder A oder ZA endlich ist, eine Algebra, jedoch keine cr-Algebra. 9. Das System aller endlichen Teilmengen einer Menge Q ist ein Ring, jedoch nur für endliches ü eine Algebra. 10. Der kleinste in einer Menge ü existierende Ring besteht nur aus 0. Aufgaben 1. Für jedes System (5 von Teilmengen einer Menge Ü existiert ein kleinster Ring 9t(@) in Q, welcher Gr enthält. Dieser Ring 2ft( M u N e 9t.

Man beweise: 9t c 91 ist genau dann ein Ideal in SR, wenn 9t im Sinne der Algebra ein Ideal in dem kommutativen Ring SR (vgl. Aufgabe 3) ist. Jedes Ideal in SR ist ein Ring in Q.

§ 2. Dynkinsche Systeme Es ist oft schwierig, auf direktem Wege festzustellen, ob ein vorgegebenes Mengensystem eine ; D,EeX>,

DcE

=> E \ D e S ;

oo für jede Folge (D„) paarweise fremder Mengen ans X) liegt U Dn in S . n=1 Beispiele. 1. Jede a-Algebra ist offenbar ein Dynkin-System.

(2.3)

2. Sei Q eine endliche Menge mit einer geraden Anzahl 2p von Elementen (p e N). Dann ist das System 2) aller Mengen D c Q mit einer geraden Anzahl 2q von Elementen (q = 0, 1, . . . , p) ein Dynkin-System. Im Falle p > 1 ist X) keine Algebra und damit auch keine ff-Algebra. *) In [40] wird die Bezeichnung „A-System" verwendet.

2*

I. Maßtheorie

20

Der genaue Zusammenhang zwischen den beiden Begriffsbildungen re in 35. _| Ebenso wie für cr-Algebren (oder entsprechend für Ringe bzw. Algebren) ergibt sich, daß zu jedem Mengensystem Gr c ein kleinstes, S enthaltendes Dynkin-System ®(ß) existiert. Es heißt entsprechend das von 6 e r z e u g t e Dynkin-System. Die Bedeutung der Dynkin-Systeme liegt vor allem im folgenden Satz: 2.3 Satz. Für jedes Mengensystem £ c Durchschnitt enthält, gilt: (2.4)

welches mit je zwei Mengen deren

£(£) = 2l(S).

Beweis. Da jede er-Algebra ein Dynkin-System ist, so ist ein £ enthaltendes Dynkin-System und somit £((í) c 2l(Gr). Ist umgekehrt X>(&) als a-Algebra nachgewiesen, so folgt die hierzu duale Relation 2I((5) c £)(£). Nach 2.2 muß hierfür nur gezeigt werden, daß SD(S) mit je zwei Mengen deren Durchschnitt enthält. Zum Beweis dieser Eigenschaft setzen wir für beliebiges XD: = {Qey(Q)

: Q n DeX(D ein Dynkin-System ist. Für jedes E e £ gilt gemäß der über £ gemachten Voraussetzung 6 c XE und damit £)(£) c XE- Für jedes D e £((£) und jedes E E @ ist also EnDe X(£); d. h. aber, es ist & c XD und damit X(S) c XD für jedes D e £>(£). Gerade dies ist jedoch die nachzuweisende Eigenschaft von £)(2)._]

§ 3. Iahalte und Prämaße

21

Mengensysteme 6, welche mit je zwei Mengen deren Durchschnitt (bzw. Vereinigung) enthalten, sollen fortan auch n - s t a b i l (bzw. u-stabil) genannt werden. Aufgaben 1. Man zeige: Ein Mengensystem 35 c ty (ß) ist genau dann ein DynkinSystem in Q, wenn es die folgenden vier Eigenschaften besitzt: (a)

ßeS;

(b) (c)

D,E eX),D cE D,EeQ,DnE

= 0

E\De£i; ^>DuEe£);

oo für jede isotone Folge (Dn) von Mengen aus 35 liegt U Dn in 35. «=l 2. Man bestimme das von 6 erzeugte Dynkin-System 35(ßr) den für Fall eines aus zwei Teilmengen A und B von Q bestehenden Systems ß. Man zeige, daß £)(©) und 21(2) genau dann zusammenfallen, wenn A n B oder A n oder ZA n B oder ZA n ZB leer ist.

(d)

§ 3. Inhalte und Prämaße Durch Koppelung der Begriffe Ring und o-Algebra mit den uns bereits einleitend begegneten Eigenschaften (b) und (c) von Länge, Fläche und Volumen gelangen wir nunmehr sowie in § 5 zur Einführung der Grundbegriffe der Maßtheorie. 3.1 Definition. Sei SR ein Bing in Q und p eine auf SR definierte, numerische Funktion, fj, heißt ein Prämaß {auf 9t) wenn gilt: (3.1)

At(0) = 0;

(3.2)

ß ^ 0;

(3.3)

oo für jede Folge (An) paarweise fremder Mengen aus SR mit U An e 31 ist n= 1 /i(U An) = f ß(An) (ff-Additivität)*). »= 1 n=1

Dagegen heißt ¡i ein Inhalt,

wenn an Stelle von (3.3) nur gilt:

(3.3') für je zwei und damit für je endlich viele paarweise fremde Mengen Ai,..., An e 31 ist n n fi (U Ai) = 21« (Ai) ( e n d l i c h e A d d i t i v i t ä t ) . i=1 i= 1 •) Man spricht auch von

Total-Additivität.

22

I. Maßtheorie

Wegen (3.1) ist jedes Prämaß offenbar ein Inhalt. Man hat nur in (3.3) An+1 = An+2 = . . . = 0 zu setzen. (Man vergleiche jedoch das nachfolgende Beispiel 3.) Beispiele. 1. Für jeden Ring SR in Q und jeden Punkt co e Q ist folgende Funktion em ein Prämaß auf 91:

e a heißt das durch die E i n h e i t s m a s s e in o> definierte Prämaß auf SR. 2. Es sei 2i die in § 1, Beispiel 2 definierte a-Algebra in einer nicht-abzählbaren Menge Q. Setzt man ju(A) — 0 bzw. = 1, je nachdem, ob A oder CA abzählbar ist, so ist fi ein Prämaß auf 2t. Man beachte, daß von je zwei fremden Teilmengen von Q höchstens eine ein abzählbares Komplement besitzen kann. 3. Für eine abzählbar-unendliche Menge Q sei 21 die in § 1, Beispiel 8, definierte Algebra. Setzt man fi{A) = 0 bzw. = + co, je nachdem, ob A oder fcA endlich ist, so ist [i ein Inhalt, aber kein Prämaß. 4. Es sei ß v fj,2, . . . eine Folge von Inhalten (bzw. Prämaßen) auf einem Ring SR; ferner ocv oc2> • • • e i n e Folge reeller Zahlen Sä 0. Dann ist auch oo /«: = 2 V-nUn n •= 1 wieder ein Inhalt (bzw. Prämaß) auf SR. Jeder Inhalt jj, auf einem Ring SR besitzt noch folgende Eigenschaften (A, B, Ai, A2, . . . seien hierbei Mengen aus SR): (3.5)

/i(A u B) + p{A n B) = fi{A) + p(B);

(3.6)

AcB

(3.7)

A cB,p{A)

(3.8)

/((Uijjgi^f) »= 1 i= 1

(3.9)

für jede Folge (An) paarweise fremder Mengen aus SR mit U An e SR gilt: oo oo ^Mn) ^MU An). n=1 n= 1

=> [i{A) ^ fi(B)

(Isotonie);

< + oo => fi{B \ A) = /*(£) — n(A) ( S u b t r a k t i v i t ä t ) ; (Sub-Additivität);

Beweis. Für beliebige Mengen A, B e SR ist A u B = A u (B \ A) und B = {A n B) u (B \

A).

Wegen der endlichen Additivität folgt hieraus /¿(AuB) = fi(A) + fi{B \ A) und fi(B) = fi(A n B) + fi{B \ A)

§ 3. Inhalte und Prämaße

23

und weiter durch Addieren p{AuB)

+ ¡i(AnB)

+ /i(B \ A) = (i{A) + /i(B) + fi{B \

A).

Hieraus ergibt sich (2.5), wenn ¡x(B \ A) endlich ist. Falls fi(B \ A) = + oo ist, so zeigen die für fi(A u B) und ß(B) soeben hergeleiteten Formeln, daß fi(A u B) — fi(B) — + oo und daher (3.5) ebenfalls richtig ist. — Im Falle AcB lautet die für fi{B) hergeleitete Formel: H{B) = fi(A) + p(B \

A).

Sie liefert also wegen fi ^ 0 sowohl (3.6) als auch (3.7). — Setzt man Bi- = Alt B2: = A2 \ Ai, ..., Bn: = An \ Ax u . . . u A„-ly so sind Blt ..., Bn paarweise fremde Mengen aus SR, und somit ist /J(U = 2 t*(Bi). Wegen U Bi — U A{, Bt c Ai (i = 1, ..., n) und der Isotonie von fi folgt hieraus (3.8). — Zum Beweis von (3.9) genügt es zu bemerken, daß für jede Folge (An) paarweise fremder Mengen aus 3t mit A: = U An e SR gilt: fi(A!) + ...

+ n{Am) = /i(A! u ... u Am) ^ n(A)

(m = 1, 2, . . . ) .

Hieraus folgt » = I

Ist schließlich ¡x ein Prämaß auf SR, so gilt für behebige Mengen AQ, ALT . . . e SR: (3.10)

oo A0cUAn n=1

oo /i(A0) ^ 2 fi(An). n=i

Wegen A0 = U (A0 n An) und (3.6) kann A0 = U An angenommen werden. Dann setze man B±: = Alt B2: = A2 \ A\, ..., Bn: = An \ (A\ u ... u An-{), ... und schließe wie beim Beweis von (3.8). Der folgende Satz kennzeichnet die Prämaße durch andere mit der er-Additivität verwandte Eigenschaften. Seine Formulierung wird vereinfacht durch folgende B e z e i c h n u n g : Es seien E, EX, E2, ... Mengen. Wir drücken durch EN t E bzw. EN I E den Sachverhalt aus, daß E1 c E2 c . . . und E = U EN bzw. EI D E2D . . . und E = D EN gilt, daß also die Folge (EN) isoton bzw. antiton gegen E „konvergiert". 3.2 Satz. Für einen Inhalt fi auf einem, Ring SR betrachte man folgende Eigenschaften: (a)

fi ist ein Prämaß.

(b)

Für jede Folge (An) von Mengen aus SR mit An "F A E SR gilt l i m / i ^ n ) = n(A)

n—> oo

(Stetigkeit von unten).

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I. Maßtheorie

(c)

Für jede Folge (An) von Mengen aus 91 mit An j A e 31 und ju(An) < + oo für alle n gilt l i m f i ( A n ) = p(A) (Stetigkeit von oben). n—oo (d) Für jede Folge (An) von Mengen aus SR mit An j, 0 und fi{An) < oo für alle n gilt (0-Stetigkeit). lim fi(An) = 0 n—* oo Dann bestehen die folgenden Implikationen-. (a) (b)

(c) => (d).

Ist fi auf Sil endlich, gilt also (i{A) < + oo für all A e 91, so sind die (a) — (d) sogar äquivalent.

Eigenschaften

Beweis, (a) => (b): Es kann Ax — 0 angenommen werden. Dann sind Bn: = An \ An-1, n = 2, 3, . . p a a r w e i s e fremde Mengen aus 91 mit oo

A — U Bn und An = B2 n=2 Wegen der c-Additivität von (i ist daher oo

u ... u

Bn.

n

Ä A ) = 2 K B n) = lim 2 P( B i) = 11111 n= 2 n—> oo i = 2 »—> oo (b) => (a): Es sei (An) eine Folge paarweise fremder Mengen aus 9t mit A: = U An e 91. Setzt man Bn: = A\ u . . . u An, so gilt Bn f A und daher fi{A) = lim fi{Bn). Zufolge der endlichen Additivität von ¡i ist fi(Bn) = niAd + . . . + n{An) und daher fi{A) = 2 ß{An). Somit ist fi er-additiv und daher ein Prämaß. (b) (c): Nach (3.7) güt fi(A-i_ \ An) = /¿(A^) — p{An) für alle n = 1, 2, . . . . Aus An \ A folgt Ax \ An | Ai \ A, wobei alle hierbei auftretenden Mengen in 91 liegen. Nach (b) ist somit fi^Ai \ A) = lim ^(^x \ An) = /i{A{) — lim p(An). Hieraus folgt (c), da wegen A c An auch fi(A) < -f- oo und somit ¡i{Ax \ ^4) = /¿(Ax) — /u(A) ist. (c) => (d): Hier ist nichts zu beweisen. Abschließend werde ¡x als endlich vorausgesetzt. Dann zeigen wir (d) => (b): Ist nämlich (An) eine Folge von Mengen aus 91 mit An f A e 91, so gilt A \ An | 0, und daher folgt (bei Beachtung der Endlichkeit von f i ) lim /n(A \ An) = 0. Da ß ein endlicher Inhalt ist, gilt weiter fi(A \ An) = n{A) — n(An). Also folgt (b). J Bemerkung. Das Beispiel 3 dieses Paragraphen zeigt, daß ein 0-stetiger Inhalt kein Prämaß zu sein braucht. Auf die Endlichkeitsvoraussetzung bei der Behauptung ,,(d) => (a)" kann also i.a. nicht verzichtet werden.

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§ 3. Inhalte und Prämaße

Aufgaben 1. Für eine endliche, nicht-leere Menge Q betrachte man das Prämaß fi : — 2 e(o auf Dann ist fi(A) die Anzahl der Elemente einer jeden «oeO Menge A cü. Man zeige, daß jedes Prämaß ¡jl auf von der Form = 2 acoeeo ist mit a