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German Pages 267 Year 2011
Beiträge zum Sportrecht Band 37
Voraussetzungen und Grenzen der Bindung von Sportverbänden an die Europäischen Grundfreiheiten
Von Marie Kronberg
Duncker & Humblot · Berlin
MARIE KRONBERG
Voraussetzungen und Grenzen der Bindung von Sportverbänden an die Europäischen Grundfreiheiten
Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg
Band 37
Voraussetzungen und Grenzen der Bindung von Sportverbänden an die Europäischen Grundfreiheiten
Von Marie Kronberg
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Sommersemester 2010 als Dissertation angenommen.
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© 2011 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
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Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2010 durch die Juristische Fakultät der Universität Passau als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im Wesentlichen im Mai 2010 abgeschlossen, spätere Literatur und Rechtsprechung wurden jedoch noch bis Januar 2011 berücksichtigt. Ich danke meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Rainer Wernsmann für die Betreuung der Arbeit und die angenehme Arbeitsatmosphäre am Lehrstuhl. Für Letzteres danke ich natürlich auch Frau Maria Renji und dem gesamten Lehrstuhlteam, insbesondere Frau Dr. Maria Limmer und Frau Dr. Katja Arnold für die gegenseitige Motivation bei der „geistigen Maulwurfsarbeit“ und viele schöne gemeinsame Arbeitsstunden. Herrn Prof. Dr. Christoph Herrmann danke ich für die Übernahme der Zweitkorrektur. Dank geht außerdem an Herrn Prof. Dr. Martin Nolte für die förderlichen Gespräche und an Herrn Prof. Dr. Klaus Vieweg für die freundliche Aufnahme in die Schriftenreihe. Für Korrekturlesen und viele hilfreiche Tipps bin ich Herrn Matthias Probst und Frau Heidi Banse zu Dank verpflichtet, und insbesondere meiner Mutter, die außerdem erfolgreich die Kämpfe mit der Textverarbeitung auf sich genommen hat. Meinen Eltern gebührt ganz besonderer Dank für die jederzeitige Unterstützung und Hilfe in jeder Hinsicht. Hamburg, im Januar 2011
Marie Kronberg
Inhaltsverzeichnis Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Teil Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
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A. Rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
B. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geltung des Unionsrechts für sportliche Betätigungen nur als Teil des Wirtschaftslebens: Walrave und Koch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestätigung der Geltung des Unionsrechts für sportliche Betätigungen nur als Teil des Wirtschaftslebens: Donà ./. Mantero . . . . . . . . . . . . . . . III. Bereichsausnahme aufgrund von „Sportvorbehalt“ bzw. „Nationalmannschaftsvorbehalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Sportvorbehalt“ aufgrund der Parallele zur Kultur . . . . . . . . . . . . . 2. Sportvorbehalt aufgrund der „Besonderheiten des Sports“ . . . . . . . 3. „Nationalmannschaftsvorbehalt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23 25 27 28 29 31 34 35
2. Teil Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten A. Die Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung der Grundfreiheiten im Vertragsgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Geltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weiterentwicklung zu Beschränkungsverboten . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Inländerdiskriminierung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung von Grundfreiheiten und Grundrechten . . . . . . . . . . . . II. Die einzelnen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Personenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 37 38 39 39 40 42 44 45 48 48 50 51 52
8
Inhaltsverzeichnis III.
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Bindung Privater an die Grundfreiheiten: Das Problem der unmittelbaren Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen in den EU-Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auslegung des Wortlauts der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eigenschaft der Gründungsverträge als völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Formulierung der Vorschriften im Umfeld der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit der Rechtfertigungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abgrenzung zu den Wettbewerbsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kongruenz zu Art. 18 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kongruenz zu Art. 157 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Weitere systematische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Möglichkeit einer Bindungswirkung des Unionsrechts auch gegenüber privaten Bürgern: van Gend en Loos . . . . . 2. Personenbezogene Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bindungswirkung der Grundfreiheiten für kollektive Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich: Walrave und Koch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestätigung der Rechtsprechung zu kollektiven Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich: Donà ./. Mantero . . . . c) Grundsätzliche Möglichkeit einer umfassenden unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten: van Ameyde . . . . . . . . . . . . . . d) Unmittelbare Drittwirkung des in der Arbeitnehmerfreizügigkeit enthaltenen Beschränkungsverbots: Bosman . . . . . . . . . . . . . e) Ausweitung der unmittelbaren Drittwirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit über intermediäre Gewalten hinaus: Angonese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Bestätigung der Bindungswirkung der Grundfreiheiten gegenüber mit eigener Autonomie ausgestatteten Vereinigungen: Wouters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bindungswirkung der Grundfreiheiten bei kollektiven Maßnahmen von Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbänden: Viking . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Bestätigung der Bindung von Gewerkschaften an die Grundfreiheiten: Laval . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 54 56 57 58 58 60 61 64 67 68 69 70 70 70 72 72 72 73
73 76 77 78
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85
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Inhaltsverzeichnis
III.
i) Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung: Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . j) Zusammenfassung: Unmittelbare Drittwirkung der personenbezogenen Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidungen des EuGH mit Bezug zu einer etwaigen unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . b) Schutzpflichten der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Grundfreiheiten: Kommission ./. Frankreich sowie Schmidberger . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen der Rechtsprechung zur unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit und zur Schutzpflichtenkonzeption auf die sportliche Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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93 95 96 96 100 104
105 106
3. Teil Die Besonderheiten des Sports im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sport als mögliche Bereichsausnahme von den Grundfreiheiten . . . . . . II. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich der Grundfreiheiten . . . . . 1. Bindungswirkung gegenüber Weltverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freizügigkeitsrechte von Sportlern aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten a) Anwendung auch auf EWR-Mitgliedstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freizügigkeit von Sportlern in und aus der Schweiz . . . . . . . . . c) Freizügigkeit von Sportlern aus durch Europa-Abkommen assoziierten Drittstaaten: Kolpak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Freizügigkeit von Sportlern aus durch ein Partnerschaftsabkommen verbundenen Drittstaaten: Simutenkov . . . . . . . . . . . e) Freizügigkeit von Sportlern aus der Türkei: Kahveci . . . . . . . . f) Mögliche Freizügigkeit von Sportlern aus durch das AKP-Abkommen verbundenen Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Mögliche Freizügigkeit von Sportlern aus durch weitere Abkommen verbundenen Drittstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Grundfreiheiten . . . . . . 1. Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzung von Leistungssport und Breitensport . . . . . . . . . . . b) Berufs- bzw. Profisportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Amateursportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Freizeit- bzw. Hobbysportler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
109 109 109 110 111 112 112 114 115 120 123 124 126 127 128 128 129 129 130 131 131
10
Inhaltsverzeichnis 2. 3.
4. 5.
6. 7. 8.
Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einordnung von Berufssportlern als Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . aa) Mannschaftssportarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Individualsportarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Grenzfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Sonderproblem: Sportsoldaten und Sportpolizisten . . . . . . . b) Einordnung von Amateursportlern als Arbeitnehmer . . . . . . . . . c) Einordnung von Freizeitsportlern als Arbeitnehmer . . . . . . . . . . d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Berufssportler im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit . . . b) Amateursportler als Dienstleistungserbringer: Deliège . . . . . . . . c) Freizeitsport im Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV: Entwicklung eines Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Sportverbandsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Diskriminierungen und Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konkrete Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausländerklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einsatzbeschränkungen bei Wechsel der Staatsbürgerschaft . . . . . . 3. Heimkontingente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „6+5-Regel“ der FIFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die „Homegrown Players Rule“ der UEFA . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der „Österreicher-Topf“ des ÖFB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Transferentschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. „Herauskaufen“ aus laufenden Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Transferfristen: Lehtonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Nichtanerkennung von Diplomen: Die Fälle Heylens sowie Kommission ./. Italien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Lizenzerfordernisse für Spielervermittler und andere: Piau ./. Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Nominierungskriterien und -entscheidungen: Deliège . . . . . . . . . . . .
132 132 133 133 135 136 137 139 139 140 141 142 142 143 145 146 146 150 150 150 151 151 152 154 154 156 157 157 158 160 161 164 165
Inhaltsverzeichnis
11
10. Investorenhemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 11. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtfertigungsmöglichkeiten der Sportverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lösungsvorschläge in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . a) Anwendung des ordre-public-Vorbehaltes auch auf Private . . . b) Sportvorbehalt des EuGH: Rechtfertigung aus „rein sportlichen Gründen“ bzw. aufgrund der „Besonderheiten des Sports“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abgrenzung von Spielregel und Rechtsregel . . . . . . . . . . . . bb) Aus sportorganisatorischen Gründen erforderliche Regeln: Deliège . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nichtwirtschaftliche Gründe, die lediglich den Sport als solchen betreffen: Lehtonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Regelungen von rein sportlichem Charakter: Meca-Medina und Macjen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Praktische Konkordanz“ mit den Unionsgrundrechten . . . . . . . d) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vorliegen sachlicher Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Übertragung des Gedankens der Wouters-Entscheidung . . . . . . g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zusammenfassender Lösungsvorschlag: Das Grundrecht der Verbandsautonomie als zwingender Grund des Allgemeininteresses . . II. Rechtfertigung konkreter beeinträchtigender Satzungsregelungen . . . . . 1. Ausländerklauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachwuchsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stärkung der Nationalmannschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stärkung der nationalen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zuschaueridentifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . f) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einsatzbeschränkungen bei Wechsel der Staatsbürgerschaft . . . . . . 3. Heimkontingente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „6+5-Regel“ der FIFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Homegrown Players Rule“ der UEFA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) „Österreicher-Topf“ des ÖFB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Transferentschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts . . . . . . . . . . . b) Nachwuchsförderung und Ausbildungsentschädigung . . . . . . . . 5. „Herauskaufen“ aus laufenden Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Transferfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Nichtanerkennung von Diplomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Anforderungen an Spielervermittler und andere . . . . . . . . . . . . . . . .
167 167 168 168
172 172 174 175 175 178 180 181 182 183 183 188 188 189 189 190 191 192 193 193 194 194 195 197 197 198 199 202 203 204 204
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Inhaltsverzeichnis 9.
Nominierungskriterien und -entscheidungen für die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 10. Investorenhemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 11. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Teil Der Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Sport
209
A. Bedeutung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 B. Berührungspunkte mit dem Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sportliche Betätigungen als wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandsvoraussetzungen der Art. 101 und 102 AEUV . . . . . . . . . . . 1. „Unternehmen“ i. S. d. Art. 101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kartellverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmung des relevanten Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarung, Beschluss oder abgestimmte Verhaltensweise . . c) Spürbare Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausnahmen vom Kartellverbot oder Rechtfertigung . . . . . . . . . . 3. Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung . . . . . a) Marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt . . . . . . b) Missbrauch dieser Stellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
210 210 210 210 211 211 212 213 213 214 214 215
C. Aktueller Beispielsfall: Abstellungspflichten für Nationalmannschaften (Oulmers und Charleroi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 D. Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 E. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 5. Teil Europäische Aktivitäten im Bereich des Sports A. Sportbezogene Unions-Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Europäische Sportcharta des Europarates (1992) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Coopers & Lybrand-Studie (1995) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam (1997) . . . . . . . . . . . . . . . IV. Diskussionspapier der Generaldirektion X der Europäischen Kommission: Das Europäische Sportmodell (1998) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Helsinki-Bericht zum Sport (1999) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Europäischer Rat: Nizza-Erklärung, Anlage IV (Dezember 2000) . . . . . VII. Arnaut-Report (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Belet-Report (2006) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Weißbuch Sport der Europäischen Kommission (2007) . . . . . . . . . . . . . .
222 222 223 223 224 225 226 227 228 228 229
Inhaltsverzeichnis
13
B. Vertragsreformen im Hinblick auf den Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 I. Vertrag über eine Verfassung für Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 II. Vertrag von Lissabon (2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 C. Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Personen- und Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264
Einleitung und Problemstellung Angesichts der Diskussion um die mögliche Europarechtswidrigkeit der von der FIFA1 Ende Mai 2008 in Sydney beschlossenen Resolution zur „6+5-Regel“, wonach ab der Saison 2012/13 jede Fußballmannschaft in ihrer Startformation mindestens sechs Spieler aufstellen muss, die in der Nationalmannschaft des entsprechenden Verbandes spielberechtigt wären, drängt sich erneut die Auseinandersetzung mit der Frage auf, was die Europäische Union eigentlich mit dem Sport zu tun hat: ob und wie weit die Unionsorgane sich in Angelegenheiten des Sports einmischen dürfen. Von der anderen Seite her formuliert, stellt sich die Frage, ob und wie weit die Sportverbände beim Erlass von Satzungen o. Ä. an unionsrechtliche Vorgaben gebunden sind. Ursprünglich wurden die Europäischen Gemeinschaften als Wirtschaftsgemeinschaften gegründet, mit dem Ziel der Errichtung eines Gemeinsamen bzw. Binnenmarktes (Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 lit. c EG2, vgl. jetzt Art. 3 EUV n. F. und Art. 26 AEUV), so dass die Anwendbarkeit des Unionsrechts auf den Sport nicht unmittelbar einleuchtet. Jedoch hat der Sport heutzutage unbestritten eine immense wirtschaftliche Bedeutung, welche insbesondere deutlich wird durch die hohen Geldsummen, die für die Ausrichtung, Übertragung und Vermarktung von Großveranstaltungen, für die Verpflichtung von Athleten und für Sponsoring etc. ausgegeben werden. Im 1 Fédération Internationale de Football Association (FIFA): Privatrechtlicher Verein schweizerischen Rechts, der als Dachverband für die sechs kontinentalen Fußballverbände AFC (für Asien), CAF (für Afrika), CONCACAF (für Nord- und Zentralamerika sowie die Karibik), CONMEBOL (für Südamerika), OFC (für Ozeanien) und UEFA (für Europa) fungiert. 2 Im Folgenden wird bei der Zitierung von Normen der Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften die vom EuGH verwendete Zitierweise angewendet. Danach werden Artikel in der Fassung eines Vertrages nach dem 1. Mai 1999 folgendermaßen abgekürzt: „EU“ für den Vertrag über die Europäische Union und „EG“ für den Vertrag zur Gründung einer Europäischen Gemeinschaft. Wird auf einen Artikel in der Fassung vor diesem Datum Bezug genommen, bleibt es bei der alten Zitierweise: „EUV“ und „EGV“. Vgl. Tätigkeitsbericht des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften Nr. 21/99, S. 35 f. Die Verträge in der Fassung nach dem Vertrag von Lissabon werden abgekürzt mit „EUV n. F.“ für den Vertrag über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon, und „AEUV“ für den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
16
Einleitung und Problemstellung
Jahr 2008 machten der Sport und seine Produkte allein in Europa 4 % des Bruttoinlandsprodukts3 aus. Sport hat sich zum Massenphänomen entwickelt4, mit allen positiven wie negativen Konsequenzen. Die zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports führt jedoch gleichzeitig zwingend auch zu seiner Verrechtlichung5 und damit einhergehender Regulierung, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler – und damit auch auf europäischer – Ebene. Dies geschieht nicht nur durch autonomes Verbandsrecht (lex sportiva genannt), sondern auch die Ein- und Auswirkungen des staatlichen Rechts werden umso stärker, je mehr der Sport in das öffentliche Leben und die Wirtschaft eindringt. Dabei drängt sich nicht in erster Linie der Staat dem Sport auf, sondern auch der kommerzialisierte Sport „braucht“ den Staat, um seine Rechtsprobleme zu lösen6. Der Sport als solcher besteht jedoch nicht nur aus dem wirtschaftlich bedeutenden Spitzensport, sondern stellt zu einem großen Teil eine typische Freizeitbeschäftigung dar, so dass sich die Frage nach den Grenzen der Regulierung stellt. Grund für die Errichtung der Europäischen Gemeinschaften war ursprünglich nur, für faire Marktbedingungen innerhalb und vor allem zwischen den Mitgliedstaaten zu sorgen, nicht jedoch, jeden nur denkbaren Lebensbereich zu regulieren. Dennoch haben einige Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in den letzten Jahren auch die Sportwelt gleichsam auf den Kopf gestellt oder zumindest wesentliche Veränderungen hervorgerufen. Sie werfen einige grundlegende Fragen auf: – Wie kommt es überhaupt zu einer Anwendung des Unionsrechts auf den „autonomen Gesellschaftsbereich“ des Sports? – Welche Arten der Sportorganisation und -ausübung fallen in den Anwendungsbereich der EU-Verträge und wie weit gehen die Auswirkungen des Unionsrechts? – Gibt es Möglichkeiten, sportspezifische Regelungen oder Nationalmannschaften aus dem Anwendungsbereich der EU-Verträge herauszunehmen? 3
Blanpain, in: Blanpain/Colucci/Hendrickx, The Future of Sports Law in the European Union, 2008, S. 1 (2). 4 Sengle, in: WFV, Sportrecht damals und heute, 2001, S. 91 (101), sieht dies begründet in der technischen Entwicklung, dem Gewinn an individueller Freizeit und Mobilität, sowie der größeren Lebenserwartung und dem hohen Stellenwert der Gesundheit. Blanpain, in: Blanpain/Colucci/Hendrickx, The Future of Sports Law in the European Union, 2008, S. 1 (1), weist darauf hin, dass 271 Millionen europäischer Bürger in irgendeiner Form sportlich aktiv sind. 5 Streinz, SpuRt 1998, S. 89 (96), bezeichnet die Verrechtlichung des Sports als die notwendige Kehrseite von dessen Kommerzialisierung. 6 Zu dieser Gegenseitigkeit Steiner, SpuRt 2009, S. 222 (224).
Einleitung und Problemstellung
17
– Wie kommt es zu einer Direktverpflichtung der privaten Sportverbände aufgrund Unionsrechts? – Wo und gegenüber wem gilt das Unionsrecht? – Wie können Weltverbände, wie z. B. das IOC7, die FIFA8, die IAAF9 oder die WADA10, durch Unionsrecht gebunden sein, obwohl nur ein kleiner Teil ihrer Mitgliedsverbände in Mitgliedstaaten der EU ansässig ist? – Welche Sportler können sich gegenüber ihren Vereinen11 oder Verbänden auf Grundfreiheiten berufen? – Wie wirkt sich das Unionsrecht auf den Amateur- und Freizeitsport aus? – Welche satzungsmäßigen Regelungen könnten zu einer Beeinträchtigung von Grundfreiheiten führen? – Wie lassen sich solche Beeinträchtigungen möglicherweise aus sportspezifischen Gründen rechtfertigen? Mit diesen Fragen will sich diese Arbeit auseinandersetzen. Was darf die EU und was dürfen die Sportverbände, was sind ihre Rechte und wo sind deren Grenzen? In einem ersten Teil geht es zunächst darum, ob bzw. warum das Unionsrecht auf den Sport als solchen überhaupt anwendbar ist. Im zweiten Teil geht es dann um die Frage, ob Sportverbände an die Grundfreiheiten gebunden sind. Dabei handelt es sich um die Problematik der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten, also die Frage, ob auch Private Adressaten der Grundfreiheiten sein können. Diese Frage wurde zuerst und vor allem im Bereich der Bindung von Sportverbänden relevant, so 7 International Olympic Committee, Internationales Olympisches Komitee mit Sitz in Lausanne, Schweiz. 8 Fédération Internationale de Football Association, Weltfußballverband mit Sitz in Zürich, Schweiz. 9 International Association of Athletics Federation, Leichtathletik-Weltverband mit Sitz in Monaco. 10 World Anti-Doping Agency, Welt-Antidoping-Agentur mit Sitz in Montréal, Kanada. 11 Soweit im Folgenden vom „Verein“ im Sinne eines Sportvereines die Rede ist, ist damit untechnisch der „Klub“ im Sinne des Zusammenschlusses mehrerer Personen zu einem gemeinsamen Zweck – der Sportausübung – gemeint, ohne dass es auf dessen Rechtsform ankommt. Gemeinnützige Idealvereine (etwa im Sinne von §§ 21 ff. BGB) sind daher ebenso erfasst wie Sportkapitalgesellschaften oder andere rechtliche Organisationsformen. Der Begriff „Verband“ meint dann den Zusammenschluss mehrerer selbstständiger Vereine auf jeweils derselben regionalen Ebene zur Bündelung von Interessen und gemeinsamer Organisation.
18
Einleitung und Problemstellung
dass die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH zum Teil auch als „Sportverbandsrechtsprechung“12 bezeichnet wird. Damit sind in erster Linie die ersten Sportentscheidungen Walrave und Koch, Donà ./. Mantero und Bosman gemeint, auf welche die gesamte Rechtsprechung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten im Folgenden aufbaut und Bezug nimmt. Der dritte Teil beschäftigt sich mit der Frage, wie die Sportverbände an die Grundfreiheiten gebunden sind. Dabei geht es zunächst um den Anwendungsbereich der einzelnen Grundfreiheiten, sowohl in räumlicher als auch in persönlicher und sachlicher Hinsicht, und sodann um die mögliche Beeinträchtigung dieser Gewährleistungen durch Sportverbandsregelungen. Das Hauptaugenmerk liegt auf den Rechtfertigungsmöglichkeiten hinsichtlich des Handelns der Sportverbände und der Frage nach der dogmatischen Einordnung der so genannten „Besonderheiten des Sports“ bzw. des so genannten „Sportvorbehaltes“. Außerdem erfolgt eine kurze Einordnung der Auswirkungen des Wettbewerbsrechts auf den Sport in Europa in einem vierten Teil. In einem fünften Teil kommt es zu einem Ausblick auf die zukünftige Richtung der europäischen Sportpolitik. Den Abschluss bildet eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit.
12 Vgl. etwa Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers, 2003, S. 9 und im Folgenden.
1. Teil
Anwendung des EU-Rechts auf den Sport Zunächst muss die Frage geklärt werden, ob und inwieweit europarechtliche Vorschriften in der Welt des Sports überhaupt gelten, ob also der Sport als solcher in den Anwendungsbereich der EU-Verträge fällt. Das erscheint aus zwei Gründen problematisch: Zum einen wurde die EU aus ursprünglich reinen Wirtschaftsgemeinschaften gegründet, mit deren Zielen der Sport auf den ersten Blick wenig zu tun hat. Zum anderen zeichnet sich der Sport als autonomes gesellschaftliches System durch seine Staatsferne aus1, so dass selbst bei einer möglichen grundsätzlichen Einbeziehung des Sports in das Unionsrecht die Annahme von Bereichsausnahmen2 für bestimmte Bereiche des Sports im Rahmen der Grundfreiheiten vertreten wird. Da solche im Wortlaut der Verträge nicht ausdrücklich vorgesehen sind, variieren die Begründungsansätze für diesen Vorschlag. Eine Auseinandersetzung damit soll im Folgenden erfolgen3. Andererseits gibt es jedoch auch kein spezifisches „Europäisches Sportrecht“ und auch in den meisten Mitgliedstaaten hat der Sport keine konkrete Regelung erfahren, so dass zu klären ist, inwieweit das bestehende Unionsrecht auf sportliche Sachverhalte anzuwenden ist oder zumindest Einfluss nimmt.
A. Rechtliche Grundlagen Das primäre Europarecht war zunächst auf wirtschaftliche, dann verstärkt auch auf politische Integration ausgerichtet. In den Gründungsverträgen (EGKS4 von 1951, EWG5 von 1957, EURATOM6 von 1957, EWR7 von 1
So Hess, in: Vieweg, Prisma des Sportrechts, 2006, S. 1 (3). Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7, Rn. 67 ff., definiert Bereichsausnahmen als Ausklammerung aus dem Schutzbereich (der Grundfreiheiten). Ausdrückliche Bereichsausnahmen sind etwa die Ausnahmebestimmungen für die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung oder die Ausübung hoheitlicher Gewalt in Art. 45 Abs. 4 AEUV, Art. 51 Abs. 1 i. V. m. Art. 62 AEUV oder Art. 106 Abs. 2 AEUV. Ob es auch ungeschriebene Bereichsausnahmen gibt bzw. geben sollte, ist hingegen stark umstritten. 3 Siehe 1. Teil B. III. 4 Vertrag über eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. 5 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft. 6 Europäische Atomgemeinschaft. 2
20
1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
1992/1994) findet der Sport daher keine Erwähnung. Auch der EG-Vertrag nannte den Sport als solchen nicht ausdrücklich als Handlungsfeld der Union, sondern konzentrierte sich hauptsächlich auf wirtschaftliche Gesichtspunkte. Ebensowenig ergab sich aus der so genannten „Vertragsabrundungskompetenz“ des Art. 308 EG (jetzt Art. 352 Abs. 1 Satz 1 AEUV8) oder aus der „Implied Powers“-Doktrin9 ein Handlungsauftrag für die Union in Bezug auf den Sport. Aus dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung gemäß Art. 5 EG (jetzt Art. 5 Abs. 1 EUV n. F.) folgte daher, dass die Zuständigkeit für sportrechtliche Regelungen grundsätzlich bei den Mitgliedstaaten verbleibt. Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon10 am 1. Dezember 2009 hat der Sport jedoch Erwähnung im AEUV gefunden. So ist die Union gemäß Art. 6 AEUV für die Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung von Maßnahmen der Mitgliedstaaten mit europäischer Zielsetzung u. a. im Bereich des Sports (Art. 6 lit. e AEUV) zuständig. In Art. 165 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV wird der Beitrag zur Förderung der europäischen Dimension des Sports11 als Aufgabe der Union erneut aufgegriffen. Diese Koordinierungs- und Förderungskompetenzen12 beinhalten jedoch ausdrücklich keine 7
Europäischer Wirtschaftsraum. Art. 352 Abs. 1 Satz 1 AEUV lautet: „Erscheint ein Tätigwerden der Union im Rahmen der in den Verträgen festgelegten Politikbereiche erforderlich, um eines der Ziele der Verträge zu verwirklichen, und sind in den Verträgen die hierfür erforderlichen Befugnisse nicht vorgesehen, so erlässt der Rat einstimmig auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des Europäischen Parlaments die geeigneten Vorschriften.“ 9 Nach der aus der amerikanischen Auslegung des Völkerrechts stammenden Implied-Powers-Doktrin sind Kompetenzvorschriften so auszulegen, dass sie auch solche (ungeschriebenen) Kompetenzen umfassen, ohne welche die Wahrnehmung der ausdrücklichen (geschriebenen) Kompetenztitel nicht sinnvoll möglich wäre. Übertragen auf das Gemeinschaftsrecht bedeutet das eine Begründung von Gemeinschaftskompetenzen, welche nicht ausdrücklich im Primärrecht genannt sind. Dabei handelt es sich aber nicht um die Begründung selbstständiger zusätzlicher Kompetenzen der Gemeinschaft, sondern um die Bereitstellung von Hilfskompetenzen, die an bestehende Kompetenzvorschriften des EG-Vertrages anknüpfen, vgl. auch Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 147. 10 Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet am 13.12.2007, ABl. EU 2007, Nr. C 306; konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU 2010, Nr. C 83, S. 13 ff. und 47 ff. 11 In der frz. Fassung ist die Rede von „enjeux européens du sport“, in der engl. von „European sporting issues“. Dazu Muresan, Causa Sport 2010, S. 99 (100). 12 Zum Unionsziel der Sportförderung siehe Wiesner, Unionsziele im Europäischen Verfassungsrecht, 2007; sowie Jeck/Langner, cepStudie Die Europäische Dimension des Sports, 2010. 8
A. Rechtliche Grundlagen
21
eigenständige Regelungskompetenz der Union im Bereich des Sports, sondern treten lediglich unterstützend und ergänzend neben die grundsätzlich bestehende Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet13. Im Laufe der Jahre hat der Sport zudem Erwähnung in einigen Unionsdokumenten gefunden14. Diese sind jedoch zumeist rechtlich unverbindlich und vermögen keine unionsrechtliche Kompetenzgrundlage für ein Tätigwerden der Unionsorgane im Bereich des Sports zu schaffen. Dass die Unionsorgane auf dem Gebiet des Sports keine eigenständige Regelungskompetenz haben, bedeutet aber nicht automatisch, dass der Sport einen „unionsrechtsfreien Bereich“ darstellt. Soweit sportliche Sachverhalte die Tatbestandsvoraussetzungen von anderen kompetenzgemäß erlassenen Unionsrechtsvorschriften erfüllen, müssen diese selbstverständlich im jeweiligen Bereich anwendbar sein. Ob sich aus dem Unionsrecht Auswirkungen auf den Sport ergeben können, hängt also davon ab, für welche Lebensbereiche unionsrechtliche Regelungen bestehen (dürfen), und ob sich bestimmte Bereiche des Sports unter diese Lebensbereiche subsumieren lassen. Gemäß Art. 3 Abs. 3 EUV n. F. ist es Aufgabe der Union, einen Binnenmarkt zu errichten: „Die Union errichtet einen Binnenmarkt. Sie wirkt auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität hin. Sie fördert den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt.“
Dieser Binnenmarkt wird in Art. 26 Abs. 2 AEUV folgendermaßen konkretisiert: „Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist.“ 13
Vgl. dazu auch Persch, NJW 2010, S. 1917 (1917); Muresan, Causa Sport 2010, S. 99 (101); sowie Jeck/Langner, cepStudie Die Europäische Dimension des Sports, 2010, S. 5, 9 ff., die Art. 165 AEUV in erster Linie als Kompetenz für verstärkte (finanzielle) Sportförderung auf europäischer Ebene untersuchen und zu dem Ergebnis kommen, dass diese nicht überschätzt werden dürfe (S. 39). Auch Brost, SpuRt 2010, S. 178 (179), weist darauf hin, dass durch die Aufnahme des Sports in den AEUV keine zusätzliche Befugnis für die autonome Gestaltung einer EU-Sportpolitik geschaffen wurde, sondern die Mitgliedstaaten ihre vorrangigen Zuständigkeiten für den Sport behalten, und die EU lediglich eigene Akzente setzen kann, indem sie bestimmte Maßnahmen geringer Intensität zur Förderung der europäischen Dimension des Sports selbst vorschlägt. 14 Vgl. dazu 5. Teil.
22
1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
Angesichts der zunehmenden Professionalisierung und Kommerzialisierung15 des (internationalen) Sports scheint es nicht ausgeschlossen, den Sport unter die im Vertrag genannten wirtschaftlichen Aufgabenbereiche der Union zu subsumieren: Der Sport ist zu einem dominierenden Wirtschaftsfaktor geworden; die Sportindustrie macht mit Fernsehsendezeiten, Werbung, Sponsoring, Merchandising und Sportartikelherstellung heutzutage einen nicht zu unterschätzenden Teil des Wirtschaftslebens aus. Somit enthalten die Verträge zwar keinen allgemeinen Handlungsauftrag in Bezug auf die Schaffung sportrechtlicher Strukturen, so dass ein explizites sportspezifisches Tätigwerden der Union auf Rechtsetzungsebene nur in den engen Grenzen des Art. 165 AEUV vorgesehen ist. Jedoch kann der Sport durchaus einen Teil anderer vom Unionsrecht geregelter Bereiche darstellen und somit auch vom Anwendungsbereich des Unionsrechts erfasst sein. Obwohl die Organe der Union im Bereich des Sports also wenige eigenständige Zuständigkeiten haben, kann der Sport mittelbar einen unionsrechtlichen Status erlangen, und zwar über solche Regelungen, deren allgemeine Zwecksetzungen auch sportliche Sachverhalte erfassen16. Dabei kommt es nicht in erster Linie darauf an, ob der Sport als Ganzes zum Wirtschaftsleben im Sinne der Verträge zählt, sondern es genügt, dass die Tätigkeit einzelner Sportler, Vereine oder Verbände dem Wirtschaftsleben (oder einem anderen unionsrechtlich geregelten Bereich) zuzurechnen ist, damit diese einzelne Tätigkeit im konkreten Fall in den Anwendungsbereich der Verträge fällt. Bestehende unionsrechtliche Regelungen sind also bei entsprechender Sachverhaltskonstellation auch auf sportlich relevante Sachverhalte anwendbar.
B. Rechtsprechung des EuGH Auch der EuGH hatte sich schon früh mit der Frage auseinanderzusetzen, inwiefern der Sport in den Anwendungs- und Geltungsbereich des Unionsrechts fällt; die beiden ersten und wegweisenden Entscheidungen, Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero, datieren aus den Jahren 1974 und 1976. Im Laufe der folgenden Jahre erhielt der Gerichtshof mehrfach die Gelegenheit, seine diesbezügliche Rechtsprechung zu verfestigen und zu erweitern. Die Anzahl der bisher ergangenen sportrechtlichen Entscheidungen ist jedoch nach wie vor noch recht überschaubar, da in einem gesellschaftlich abgeschlossenen System wie dem Sport eher selten der ordentliche Ge15 16
Dazu Streinz, SpuRt 1998, S. 89 (96). So auch Krogmann, Sport und Europarecht, 2001, S. 8.
B. Rechtsprechung des EuGH
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richtsweg beschritten wird. Zum einen besteht in der Regel eine Verbandsschiedsgerichtsbarkeit (mit dem Tribunal Arbitral du Sport17 in Lausanne als oberster Schiedsinstanz), zum anderen haben diejenigen Athleten, die den Rechtsweg beschreiten, oft Nachteile für ihre sportliche Karriere zu befürchten. Diese sind nicht nur in der oft für eine Sportlerkarriere unerträglich18 langen Verfahrensdauer von mehreren Jahren begründet, sondern auch darin, dass viele Verbände die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes als Verstoß gegen die „anerkannten Grundsätze sportlichen Verhaltens“ sanktionieren19. Dennoch sind einige „Sportfälle“ bis zum EuGH gelangt, und es hängt von dessen „sportfreundlicher oder -feindlicher“ Einstellung in den anhängigen Verfahren ab, ob diese Anzahl in Zukunft steigen und dem Gerichtshof so Gelegenheit geben wird, seine diesbezügliche Rechtsprechung weiter zu konkretisieren. Fälle, die vor einer Urteilsverkündung durch Vergleiche gütlich beendet werden, sind insofern für die (Fort-)Entwicklung einer Sportrechtsprechung wenig förderlich.
I. Geltung des Unionsrechts für sportliche Betätigungen nur als Teil des Wirtschaftslebens: Walrave und Koch Die erste sportrechtliche Entscheidung des Gerichtshofes erging am 12. Dezember 1974 im Fall Walrave und Koch gegen Union Cycliste Internationale20. Zum Sachverhalt: Der Fall Walrave und Koch (1974) Die niederländischen Radfahrer Herr Walrave und Herr Koch beteiligten sich berufsmäßig an Bahnradrennen als Schrittmacher („Steher“), die mit dem Motorrad jeweils einem Radrennfahrer vorausfuhren, um diesem Windschatten zu spenden. Dabei traten sie vor allem zusammen mit belgischen und deutschen Radfahrern an. Der internationale Radsportverband Union Cycliste Internationale (UCI) änderte 1973 sein Reglement dahingehend, dass in Zukunft Radrennfahrer und Schrittmacher dieselbe Nationalität haben müssten. Herr Walrave und Herr Koch fühlten sich durch diese Regelung in ihrer Arbeitnehmerfreizügigkeit verletzt und legten bei der Arrondissementsrechtbank Utrecht Klage gegen die UCI sowie den spanischen und den niederländischen Radsportverband ein. Diese legte dem Gerichtshof die Frage vor, ob Art. 7 Abs. 1 EWGV (jetzt Art. 18 Abs. 1 AEUV), 17 Tribunal Arbitral du Sport/Court of Arbitration for Sport (TAS/CAS), Sportschiedsgericht mit Sitz in Lausanne, Schweiz. 18 Diese „Unerträglichkeit“ begründet sich aus der fehlenden Nachholbarkeit von Wettkämpfen sowie der kurzen Dauer des „besten Alters“. 19 Vgl. hierzu Fikentscher, Mitbestimmung im Sport, 2002, S. 172 m. w. N. und Beispielen. 20 EuGH, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, S. 1405 ff.
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1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
Art. 48 EWGV (jetzt Art. 45 AEUV) und Art. 59 EWGV (jetzt Art. 56 AEUV) so auszulegen seien, dass die Nationalitätenregelung der UCI damit unvereinbar sei.
Der Gerichtshof stellte fest, dass das Unionsrecht (zum Zeitpunkt der Entscheidung noch „Gemeinschaftsrecht“) grundsätzlich auch im Bereich des Sports Geltung beansprucht, jedoch nur, soweit sich dieser als Teil des Wirtschaftslebens darstellt: „Angesichts der Ziele der Gemeinschaft unterfallen sportliche Betätigungen nur insoweit dem Gemeinschaftsrecht, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Artikel 2 des Vertrages ausmachen.“21
Sofern die sportliche Betätigung eine entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung darstelle, wie vorliegend der Fall, sei diese Voraussetzung immer erfüllt. Arbeits- oder Dienstleistungen unterliegen dabei gleichermaßen dem Diskriminierungsverbot aus Art. 18 Abs. 1 AEUV, welches durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Dienstleistungsfreiheit in Art. 45 AEUV und Art. 56 AEUV lediglich konkretisiert würde, so dass es auf eine genauere Abgrenzung zwischen den beiden Grundfreiheiten nicht ankomme. Mit dieser Entscheidung legte der Gerichtshof den Grundstein für seine Sportverbandsrechtsprechung, indem er feststellte, dass sportliche Betätigungen dann als Teil des Wirtschaftslebens im Sinne des Vertrages anzusehen seien, wenn sie eine entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung darstellten. Damit ist jedenfalls der gesamte Profi-/Berufssport vom Anwendungsbereich der Verträge erfasst. Eine Ausnahme könne nur bei ausschließlich sportlichem Interesse, so zum Beispiel im Fall von Nationalmannschaften, gelten: „Dieses Verbot spielt jedoch keine Rolle bei der Aufstellung von Wettkampfmannschaften, etwa in der Form von Nationalmannschaften, da es bei der Bildung dieser Mannschaften um Fragen geht, die ausschließlich von sportlichem Interesse sind und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun haben. Diese Beschränkung des Geltungsbereichs darf indessen nicht weiter gehen, als die Zweckbestimmung der besagten Vorschriften dies erfordert.“ 22
Die rechtsdogmatische Bedeutung dieses Vorbehaltes wird im Folgenden noch genauer zu untersuchen sein. Im Ergebnis lässt sich also festhalten, dass jedenfalls der Profi- und Berufssport in seiner wirtschaftlichen Dimension grundsätzlich der Geltung des Unionsrechts unterliegt. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht im Umkehrschluss, dass Amateursport oder Hobby- und Freizeitsport ohne materielle Gegenleistung automatisch aus dem Anwendungsbereich der Verträge 21 22
EuGH, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, S. 1405 ff., Rn. 4 ff. EuGH, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, S. 1405 ff., Rn. 4 ff.
B. Rechtsprechung des EuGH
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herausfallen. Zu diesem Punkt hatte der Gerichtshof lediglich deshalb nicht ausdrücklich Stellung genommen, weil der Freizeitsport nicht Gegenstand des Verfahrens war23.
II. Bestätigung der Geltung des Unionsrechts für sportliche Betätigungen nur als Teil des Wirtschaftslebens: Donà ./. Mantero Schon wenig später, am 14. Juli 1976, bestätigte und konkretisierte der Gerichtshof die im Fall Walrave und Koch getroffene Entscheidung im Fall Donà ./. Mantero24. Zum Sachverhalt: Der Fall Donà ./. Mantero (1976) Das Regolamento organico della federazione italiana giuoco del calzio des italienischen Fußballverbandes sah vor, dass nur dem italienischen Fußballverband angehörige Spieler an Spielen als Profis oder Halbprofis teilnehmen konnten, wobei grundsätzlich nur italienische Staatsbürger Verbandsmitglieder werden durften. Im italienischen Berufsfußball war also der Einsatz von ausländischen Spielern grundsätzlich verboten. Dennoch wurde Herr Donà, ein Spielervermittler, von Herrn Mantero, dem Präsidenten eines Fußballklubs, beauftragt, auch im Ausland nach potentiellen neuen Spielern zu suchen. Herr Donà schaltete daraufhin eine Anzeige in einer belgischen Zeitung und verlangte von seinem Auftraggeber die Erstattung der dafür entstandenen Kosten. Dieser weigerte sich zu zahlen, mit dem Hinweis darauf, dass nach der Rechtslage ein Einsatz von auf diese Weise angeworbenen Spielern ohnehin nicht möglich sei und die Anzeige daher voreilig war. Herr Donà wandte sich daraufhin an den Giudice Conciliatore Rovigo, welcher dem Gerichtshof die Frage vorlegte, ob eine solche Nationalitätenregelung wie die des italienischen Fußballverbandes mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei.
Bei dem Fall handelte es sich offensichtlich um einen konstruierten Sachverhalt, was auch daraus deutlich wird, dass die Parteien nach der Rückverweisung durch den EuGH den Rechtsstreit in gegenseitigem Einvernehmen für erledigt erklärten25 und nicht einmal mehr vor dem italienischen Gericht auftraten. Der Gerichtshof nahm die Frage dennoch zur Vorabentscheidung an. Im Großen und Ganzen wiederholte er die im Fall Walrave und Koch getroffene Entscheidung, dass das Unionsrecht (damals „Gemeinschaftsrecht“) auf den Sport anwendbar sei: 23 Darauf weist auch Seymer, in: Vieweg, Prisma des Sportrechts, 2006, S. 319 (321 f.), hin; sowie ders., Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport, 2006, S. 95. 24 EuGH, Rs. 13/76 – Donà ./. Mantero, Slg. 1976, S. 1333 ff. 25 So Klose, Die Rolle des Sports, 1989, S. 106.
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1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
„Angesichts der Ziele der Gemeinschaft unterfallen sportliche Betätigungen insoweit dem Gemeinschaftsrecht, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne des Artikel 2 des Vertrages ausmachen.“ 26
Im Urteil Walrave und Koch hieß es noch „nur insoweit“. Daraus, dass in der Entscheidung Donà ./. Mantero das Wörtchen „nur“ weggelassen wurde, ist zu schließen, dass der Gerichtshof von einer grundsätzlichen Anwendbarkeit des Unionsrechts im Sport ausgeht27. Das Erfordernis, dass es sich bei der in Frage stehenden sportlichen Betätigung um einen Teil des Wirtschaftslebens handeln muss, ist jedoch geblieben. Letzteres gilt hier also jedenfalls für Fußballprofis oder -halbprofis, da deren Tätigkeit unzweifelhaft eine Arbeits- oder Dienstleistung darstellt. Sportliche Betätigungen unterfallen also immer dann dem Unionsrecht, wenn und soweit sie einen Teil des Wirtschaftslebens ausmachen. Eine Ausnahme kann es lediglich aus nichtwirtschaftlichen Gründen geben, die nur den Sport als solchen betreffen, wobei die Bildung von Nationalmannschaften nicht mehr insgesamt vom Anwendungsbereich ausgenommen wird, sondern auf die konkrete Wettkampfbegegnung abgestellt wird: „Diese Vorschriften stehen jedoch einer Regelung oder Praxis nicht entgegen, welche die ausländischen Spieler von der Mitwirkung bei bestimmten Begegnungen aus nichtwirtschaftlichen Gründen ausschließt, die mit dem besonderen Charakter und Rahmen dieser Begegnungen zusammenhängen und deshalb ausschließlich den Sport als solchen betreffen, wie dies zum Beispiel bei Begegnungen zwischen Nationalmannschaften der Fall ist. Diese Beschränkung des Geltungsbereichs der fraglichen Vertragsartikel darf indessen nicht weiter gehen, als ihr Zweck dies erfordert.“ 28
Auf die Bedeutung dieses Vorbehalts wird sogleich näher eingegangen werden. Der Ansicht des EuGH ist nach alledem zuzustimmen. Die EU-Verträge enthalten zwar – auch nach dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages – keine ausdrückliche Zuweisung einer eigenständigen Regelungskompetenz an die Union im Bereich des Sports. Das bedeutet jedoch lediglich, dass diese in Bezug auf den Sport nicht von sich aus rechtsetzend tätig werden darf. Es bedeutet aber nicht automatisch, dass für den Sport eine derartige Bereichsausnahme vom Unionsrecht besteht, dass Unionsrechtsvorschriften, deren Tatbestandsvoraussetzungen von sportlichen Sachverhalten erfüllt werden, keine Anwendung finden. Somit müssen im Sport, soweit er Teil des Wirtschaftslebens ist, die wirtschaftsrechtlichen Vorschriften des Unionsrechts beachtet werden. 26 27 28
EuGH, Rs. 13/76 – Donà ./. Mantero, Slg. 1976, S. 1333 ff., Rn. 12 f. Dazu auch Streinz, SpuRt 1998, S. 1 (6). EuGH, Rs. 13/76 – Donà ./. Mantero, Slg. 1976, S. 1333 ff., Rn. 14 ff.
B. Rechtsprechung des EuGH
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Auch in der Bosman-Entscheidung29 bestätigte der EuGH noch einmal seine bisherige Rechtsprechung, dass das Unionsrecht jedenfalls Anwendung finde, soweit Berufssport zum Wirtschaftsleben i. S. v. Art. 2 EG zu zählen sei: „Nach den Zielen der Gemeinschaft [fällt] die Ausübung des Sports insoweit unter das Gemeinschaftsrecht [. . .], als sie zum Wirtschaftsleben im Sinne von Artikel 2 des Vertrages gehört. [. . .] Dies trifft auf die Tätigkeit von Fußballprofis oder -halbprofis zu, da diese eine unselbstständige Tätigkeit ausüben oder entgeltliche Dienstleistungen erbringen.“ 30
Seitdem handelt es sich um ständige Rechtsprechung31, wobei der EuGH auch immer wieder unterstützend Bezug auf die Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam nimmt32.
III. Bereichsausnahme aufgrund von „Sportvorbehalt“ bzw. „Nationalmannschaftsvorbehalt“ In der Literatur klangen vor allem im Vorfeld der Bosman-Entscheidung immer wieder Überlegungen an, ob für den Sport eine Bereichsausnahme33 von den Vertragsvorschriften insgesamt oder jedenfalls vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten anzunehmen sei. Dies würde dazu führen, dass entweder das gesamte Unionsrecht oder aber jedenfalls die Grundfreiheiten auf sportliche Sachverhalte nicht anzuwenden wären. Gestützt wurde dieser Vorschlag vor allem auf den vom Gerichtshof angenommenen so genannten „Sportvorbehalt“ zu Gunsten von Nationalmannschaften, der in den Entscheidungen Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero anklang. Da der EuGH seinen Sportvorbehalt aber nirgends ausdrücklich definiert hat, und dieser auch in den EU-Verträgen keine normative Verankerung findet, variieren die Begründungsansätze für eine solche Bereichsausnahme jedoch. Der „Sportvorbehalt“ wird von der Literatur mal herangezogen, um eine Bereichsausnahme des Sports vom Unionsrecht zu begründen, und mal, um 29 Einzelheiten zu dieser Entscheidung im nächsten Teil bei der Frage nach der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2. Teil B. II. 2. d). 30 EuGH, Rs C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 73. 31 Siehe EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff., Rn. 41 f.; mit identischem Wortlaut EuGH, Rs. C-176/96 – Lehtonen, Slg. 2000, S. I-2681 ff., Rn. 32 f.; EuGH, Rs. C-519/04 P – Meca-Medina und Macjen, Slg. 2006, S. I-6691 ff., Rn. 22 f. Auch in der nach dem In-Kraft-Treten des Vertrages von Lissabon ergangenen Entscheidung EuGH, Rs. C-325/08 – Olympique Lyonnais, NJW 2010, S. 1733 ff., Rn. 27, hält der EuGH ausdrücklich an der Auslegung fest, dass nach den Zielen der Union die Ausübung des Sports insoweit unter das Unionsrecht fällt, als sie zum Wirtschaftsleben gehört. 32 Zu dieser Erklärung später mehr, 5. Teil A. III. 33 Zum Begriff vgl. Einleitung Fn. 2.
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1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
die besondere Berücksichtigung der Besonderheiten des Sports bei der Anwendung des Unionsrechts zu beschreiben34. Im Folgenden soll daher untersucht werden, auf welcher Ebene der Rechtsanwendung und auf welche Weise der so genannte Sportvorbehalt dogmatisch richtigerweise einzuordnen ist. 1. „Sportvorbehalt“ aufgrund der Parallele zur Kultur Zur Begründung für die Annahme einer Bereichsausnahme wird oft eine Parallele des Sports zur Kultur herangezogen35. Gemäß Art. 167 AEUV (ex-Art. 151 EG) ist ein Tätigwerden der Unionsorgane im kulturellen Bereich nämlich nur sehr eingeschränkt und unter engen Voraussetzungen zulässig36. Zwischen Sport und Kultur sind durchaus viele Parallelen erkennbar: So dienen beide in erster Linie der Unterhaltung und Bildung, nicht aber der Sicherung des Lebensunterhaltes. Gerade diese Feststellung ist aber in den letzten Jahren einem Wandel unterworfen, da sowohl Sport als auch Kultur mehr und mehr kommerzialisiert werden37. Wenn die Subsumtion unter den Begriff der Kultur aufgrund der sozialen und kulturellen Bedeutung des Freizeit- und Breitensports noch gelingen mag, so ist doch der Leistungs- und Berufssport eindeutig wirtschaftlich dominiert38, und kann daher nicht aufgrund einer (so gar nicht bestehenden) Ähnlichkeit zur Kultur vom Anwendungsbereich des Vertrages ausgenommen werden39. Auch Kultur ist in vieler Hinsicht kommerzialisiert, so dass auch in diesem Bereich Ähnlichkeiten zum Sport bestehen. Kommerzialisierte Kultur fällt jedoch ebenso in den Anwendungsbereich der Verträge 34 So auch Parrish/Miettinen, The Sporting Exception in European Union Law, 2008, S. 73. 35 So etwa die Argumentation von UEFA und DFB im Vorfeld der Bosman-Entscheidung, vgl. Franzke, DFB-Journal 4/1995, S. 42 (43). Ähnlich Schneider, SpuRt 2002, S. 137 (140). Siehe auch Hölzl, Sport in der Verfassung, 2002, S. 115, der so weit geht, zu sagen: „Denn: Sport ist Kultur. Das ist heute wohl unstreitig.“ 36 Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, S. 44 (44), stützen ihre diesbezügliche Argumentation darauf, dass Sport und Kultur beide nicht der Reglementierung, sondern der Förderung durch den Staat bedürften. 37 Palme, JZ 1996, S. 238 (239), bringt es auf den Punkt: „Das Dilemma europäischen Sportrechts liegt also in seiner Janusköpfigkeit. Es ist Kultur und Kommerz zugleich.“ 38 Auf diese Unterscheidung weist Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 215 (242), Erstveröffentlichung in: Smith, Culture in European Union Law, 2004, S. 113 ff., hin. 39 So auch Seymer, Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport, 2006, S. 102, der darauf hinweist, dass das alleinige Herausgreifen des kulturellen Aspekts des Sports dessen Wesen nicht gerecht würde und an seiner wirtschaftlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte vorbeiginge.
B. Rechtsprechung des EuGH
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wie kommerzialisierter Sport, nämlich wenn und soweit die unionsrechtlichen Wirtschaftsregelungen einschlägig sind. Somit besteht auch für die Kultur selbst, wie aus Art. 167 AEUV folgt, keine vollständige Bereichsausnahme vom Anwendungsbereich der EU-Verträge. Lediglich die Regelungskompetenz der Union ist begrenzt. Parallelen zwischen diesen beiden Bereichen können also keinesfalls für die Begründung einer Bereichsausnahme herangezogen werden, da auch für die Kultur eine solche schon nicht uneingeschränkt besteht, sondern lediglich die Regelungskompetenz der Unionsorgane begrenzt wird, nicht jedoch der Anwendungsbereich des Unionsrechts. 2. Sportvorbehalt aufgrund der „Besonderheiten des Sports“ Unter den „Besonderheiten des Sports“ („specificity of sport“) wird meist einerseits die gegenseitige Abhängigkeit (Interdependenz) der im Wettbewerb zueinander stehenden Gegner und die damit verbundene Ergebnisoffenheit verstanden, und andererseits auch die wichtige gesellschaftliche, soziale und kulturelle Funktion des Sportes im Hinblick auf die Verwirklichung des Solidaritätsprinzips, der Erziehung und der Gesundheit40. Zudem kann auch die besondere Struktur der Sportorganisation hinzugezählt werden, die von der Basis bis zu den Spitzenverbänden pyramidenförmig verläuft, und auf regionaler, nationaler, kontinentaler und globaler Ebene in der Regel pro Sportart nur über einen monopolistischen Sportverband verfügt (sog. „Ein-Platz-Prinzip“ oder „Ein-Verbands-Prinzip“). Jedoch können auch diese „Besonderheiten des Sports“ nicht als Begründung für eine Bereichsausnahme vom Unionsrecht herhalten, da es sich einerseits um einen sehr weiten und unbestimmten Begriff handelt und es andererseits auch nicht einleuchtet, warum sich dann nicht auch andere Wirtschaftszweige auf ihre jeweiligen Besonderheiten berufen können sollten41. Anerkennenswerte sportliche Zwecke stellen daher keine Bereichsausnahme, sondern Rechtfertigungsgründe dar, da nur auf diese Weise den Interessen aller Beteiligten Rechnung getragen werden kann42. Letztendlich ist eine vollumfängliche Bereichsausnahme zugunsten des Sports aufgrund seiner auch wirtschaftlichen Bedeutung also abzulehnen, insbesondere nachdem zuvor gerade festgestellt wurde, dass sportliche Sachverhalte in bestimmten Konstellationen, nämlich wenn sie zugleich ei40
Vgl. Stein, SpuRt 2008, S. 46 (47). Ähnlich Wathelet, in: Blanpain/Colucci/Hendrickx, The Future of Sports Law in the European Union, 2008, S. 51 (64). 42 So Köhler, Der Arbeitnehmerbegriff im Sport, 2009, S. 192 f. 41
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1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
nen wirtschaftlichen Sachverhalt darstellen, durchaus in den Anwendungsbereich der Verträge fallen. Da das Unionsrecht also, im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs, grundsätzlich auch auf sportliche Sachverhalte Anwendung finden kann, wäre es geradezu widersinnig, im nächsten Schritt eine Bereichsausnahme anzunehmen, die eine Anwendbarkeit des Unionsrechts auf den Sport wieder ausschließt. Die fortschreitende Kommerzialisierung des Sports entzieht dem Vorschlag, diesen aufgrund seiner „Besonderheiten“ vom Anwendungsbereich des Unionsrechts ausgenommen anzusehen, zusehends den Boden43. Es stellt sich aber die Frage, ob nicht zumindest der Freizeitsport als nichtwirtschaftliche Betätigung von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Unionsrechts auszunehmen ist. Gute Gründe sprechen dafür, mangels wirtschaftlicher Zielsetzung der sportlichen Betätigung hier eine (begrenzte) Bereichsausnahme anzunehmen, unionsrechtliche Vorschriften also auf die nichtwirtschaftlichen Bereiche des Sports nicht anzuwenden. Andererseits ist die Kommerzialisierung des Sports jedoch mittlerweile in alle Ebenen, auch die unteren, der Sportverbandspyramide vorgedrungen44. Eine generelle Bereichsausnahme vom Anwendungsbereich des Unionsrechts und insbesondere der Grundfreiheiten kann somit auch für den Freizeitsport nicht zu Grunde gelegt werden, zumal es durch die Einführung der Unionsbürgerschaft und der damit verbundenen Rechte in Art. 20 und 21 AEUV (ex-Art. 17 und 18 EG) auch nicht mehr ausgeschlossen ist, dass nichtwirtschaftliche Betätigungen vom Unionsrecht erfasst und geschützt sein können. Es muss daher also eine Abgrenzung im Einzelfall vorgenommen werden, dergestalt, dass jeweils überprüft werden muss, ob eine bestimmte Art der sportlichen Betätigung in den Anwendungsbereich der Freizügigkeitsgarantien oder anderer Vorschriften der Verträge fällt oder eben nicht45. Klarstellung brachte hier nicht zuletzt die Meca-Medina und Macjen-Entscheidung des EuGH46, in welcher dieser – in Bezug auf das Wettbewerbsrecht – feststellte, dass es keine Kategorie „rein sportlicher“ Regeln gebe, die allein aufgrund dieser Eigenschaft dem Anwendungsbereich des Unionsrechts von vornherein vollständig entzogen sei. 43 So auch Szyszczak, in: Bogusz/Cygan/Szyszczak, The Regulation of Sport in the European Union, 2007, S. 3 (32). 44 Hinzuweisen ist hier auf den „Event-Charakter“ vieler Freizeitsportveranstaltungen mit umfangreicher Vermarktung, Sponsoring etc. 45 So auch Krogmann, Sport und Europarecht, 2001, S. 8 f.; sowie Zinger, Diskriminierungsverbote und Sportautonomie, 2003, S. 129. 46 Stein, SpuRt 2008, S. 46 (48), lobt diese wegweisende Entscheidung als beträchtlichen Beitrag zur Rechtssicherheit.
B. Rechtsprechung des EuGH
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3. „Nationalmannschaftsvorbehalt“ Zu untersuchen bleibt aber, ob nicht zumindest Nationalmannschaften von vornherein aus dem Anwendungsbereich des Unionsrechts herausgenommen werden sollten. So heißt es z. B. in der Entscheidung Walrave und Koch, dass eine Ausnahme von der Anwendbarkeit des Unionsrechts nur bei der Bildung von Wettkampfmannschaften, insbesondere von Nationalmannschaften, in Betracht komme, bei denen ausschließlich das sportliche Interesse im Vordergrund steht und keine wirtschaftliche Betätigung vorliegt. Jedoch darf diese Beschränkung des Geltungsbereiches des Unionsrechts nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, die beeinträchtigende Maßnahme muss also verhältnismäßig sein: „. . . Dieses Verbot spielt jedoch keine Rolle bei der Aufstellung von Wettkampfmannschaften, etwa in der Form von Nationalmannschaften, da es bei der Bildung dieser Mannschaften um Fragen geht, die ausschließlich von sportlichem Interesse sind und als solche nichts mit wirtschaftlicher Betätigung zu tun haben. Diese Beschränkung darf indessen nicht weiter gehen, als die Zweckbestimmung der besagten Vorschriften dies erfordert . . .“47
Im Fall Donà ./. Mantero wurde dieser in der Entscheidung Walrave und Koch erwähnte Nationalmannschaftsvorbehalt in der Weise konkretisiert, dass es nicht mehr auf die Bildung von Nationalmannschaften als solcher ankommt, sondern auf den sportlichen und nichtwirtschaftlichen Charakter der Begegnungen, innerhalb derer Nationalmannschaften typischerweise antreten: „Diese Vorschriften stehen jedoch einer Regelung oder Praxis nicht entgegen, welche die ausländischen Spieler von der Mitwirkung bei bestimmten Begegnungen aus nichtwirtschaftlichen Gründen ausschließt, die mit dem besonderen Charakter und Rahmen dieser Begegnungen zusammenhängen und deshalb ausschließlich den Sport als solchen betreffen, wie dies zum Beispiel bei Begegnungen zwischen Nationalmannschaften verschiedener Länder der Fall ist.“48
Gerade die Begründung, dass die Bildung von Nationalmannschaften auf ausschließlich sportlichen Interessen beruht, ist jedoch nicht unumstritten. Vor allem im Fußball wird die immense wirtschaftliche Bedeutung von Länderwettkämpfen anhand solcher Großveranstaltungen wie der Fußball-WM und -EM mehr als deutlich49. Bezogen auf ihre Leistung im Turnierverlauf erhalten die Spieler der Nationalmannschaften etwa zusätzliche Leistungs- oder Siegprämien, welche die Verbände z. B. aus dem Verkauf von Fernsehrechten, Fanartikeln und nicht zuletzt der Tickets finanzieren. 47
EuGH, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, S. 1405 ff., Rn. 4 ff. EuGH, Rs. 13/76 – Donà ./. Mantero, Slg. 1976, S. 1333 ff., Rn. 14 ff. 49 Darauf weist auch Quirling, Die Nach-Bosman-Ära, 2005, S. 101 f., hin, der daher für eine Lösung auf Rechtfertigungsebene plädiert. 48
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1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
Außerdem steigt auch der „Marktwert“ eines jeden Sportlers durch seine Zugehörigkeit zum Nationalkader immens, was sich insbesondere durch zahlreichere oder besser bezahlte Sponsorenverträge auswirkt, aber auch durch erhöhte Aufmerksamkeit in Öffentlichkeit und Presse in Form von Fernsehauftritten, der Veröffentlichung von Biographien o. Ä. Begegnungen von Nationalmannschaften, vor allem im Rahmen von Europa- oder Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen, haben also für Verbände wie Sportler gleichermaßen eine unschätzbare wirtschaftliche Bedeutung, so dass eine Bereichsausnahme für Nationalmannschaften sich nicht mit deren rein sportlichem, nichtwirtschaftlichem Charakter begründen lässt50. Denn die Beschränkung des Nationalkaders auf lediglich eigene Staatsangehörige betrifft nicht etwa nur den „Sport als solchen“, sondern begründet geradezu die wirtschaftliche Bedeutung solcher Begegnungen51, bei denen allein dadurch, dass die Nationalmannschaften als Repräsentanten des ganzen Landes auftreten, das Interesse des Publikums auch auf ansonsten (wirtschaftlich) eher unbedeutende Sportarten gelenkt wird52. Andererseits kann man auch die Annahme vertreten, dass die wirtschaftlichen und finanziellen Interessen bei der Austragung von Nationalmannschaftswettkämpfen gegenüber den rein sportlichen Motiven in den Hintergrund treten53. Nationalmannschaften als wirksame Repräsentanten der jeweiligen Nationen prägen deren Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit und erfüllen auch nach innen eine bedeutende identifikationsstiftende Funktion. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff „nichtwirtschaftlich“ in der EuGHRechtsprechung nicht notwendigerweise so verstanden werden muss, dass bei solchen Wettkämpfen überhaupt kein Geld im Spiel sein dürfe. Es kommt vielmehr darauf an, ob bei solchen Begegnungen der repräsentative Charakter der Wettkämpfe, in Form der Vertretung der Nationen durch ihre Staatsangehörigen mit Flagge, Hymne und Symbolcharakter, im Vordergrund steht54. Auch auf Sportlerseite wird es bei der Teilnahme an Natio50 Dagegen deshalb u. a. Schroeder, Sport und europäische Integration, 1989, S. 43 f.; Lenz, Schlussanträge C-451/93, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 139; Palme, JZ 1996, S. 238 (240); Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 86 ff. m. w. N. 51 Ähnlich auch Thöny, SpuRt 1999, S. 177 (181), der dabei aber eine Einzelfallprüfung befürwortet. 52 So jedenfalls Marticke, in: Will, Sport und Recht in Europa, 1998, S. 53 (58). 53 So etwa Hilf, NJW 1984, S. 517 (521); sowie Klose, Die Rolle des Sports, 1989, S. 158 ff., der jedoch darauf hinweist, dass sich im Falle fortschreitender Kommerzialisierung des Sports auch auf Nationenebene eine grundsätzliche Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts nicht mehr verhindern ließe. 54 So Streinz, in: Tettinger, Sport im Schnittfeld, 2001, S. 27 (39); ebenso ders., in: Scherrer/Del Fabro, Freizügigkeit im Europäischen Sport, 2002, S. 99 (122).
B. Rechtsprechung des EuGH
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nalmannschaftsbegegnungen regelmäßig weniger um die damit verbundenen erhöhten Verdienstmöglichkeiten gehen, sondern überwiegend um das Privileg, als Krönung der Karriere in den Nationalkader aufgenommen zu werden; die sportliche Ehre und damit ideelle Interessen überwiegen also das wirtschaftliche Interesse55. Daher liegt es wohl in der Natur der Sache einer Nationalmannschaft, dass diese aus Spielern der entsprechenden Nationalität zusammengesetzt ist56, der repräsentative Charakter sollte in solchen Begegnungen daher das (unbestreitbar vorhandene und bedeutsame) wirtschaftliche Interesse überwiegen. Die besondere Anziehungskraft und die wirtschaftliche Bedeutung der Wettkämpfe zwischen Nationalmannschaften beruhen ja gerade darauf, dass in diesen Mannschaften nur Angehörige der jeweiligen Staaten teilnehmen dürfen57. Darin besteht auch ein wesentlicher Unterschied zu Begegnungen auf Vereinsebene: Bei Mannschaftssportarten gilt die Sympathie des Publikums in der Regel dem Verein, meist unabhängig von der Staatsangehörigkeit seiner Sportler oder Trainer, auf internationaler Ebene hingegen tritt die Nationalität der Sportler als hauptsächliches und der Nationalmannschaft immanentes Identifikationsmerkmal in den Vordergrund58. Ist bei Nationalmannschaften also denknotwendig die Beteiligung von Ausländern ausgeschlossen, ist dieser Ausschluss schon nicht tatbestandsmäßig i. S. d. Grundfreiheiten59. Auch mit der in Art. 4 Abs. 2 EUV n. F. (vorher Art. 6 Abs. 3 EU) festgeschriebenen Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten könnte der Nationalmannschaftsvorbehalt begründbar sein60, indem man die „identitätsstiftende Funktion“ so mancher Nationalmannschaft betont. Dieses Ge55
So auch Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Fußball, 1999, S. 80. So auch Erberich, GS Bleckmann, 2007, S. 145 (153); Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 95, der aber kritisiert, dass dafür eine tragfähige dogmatische Grundlage fehlt. 57 Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 210; so auch Marticke, in: Will, Sport und Recht in Europa, 1988, S. 53 (59). 58 Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 96, weist jedoch richtigerweise auf die Inkonsequenz dessen hin, dass viele Nationalmannschaften Trainer oder Coaches mit ausländischer Staatsbürgerschaft beschäftigen, was von der Öffentlichkeit allgemein jedoch nicht als „gegen die Natur der Sache“ beanstandet wird. 59 Ähnlich auch Seymer, Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport, 2006, S. 102; sowie Thöny, SpuRt 1999, S. 177 (178 f.), der dafür plädiert, den Ausschluss von Ausländern schon gar nicht als vom Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EG erfasst anzusehen, da es gerade nicht um die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern aufgrund der Staatsangehörigkeit ginge, sondern Ausländer in Nationalmannschaften von vorneherein schon gar nicht als potentielle Arbeitnehmer in Betracht kämen (nationalitätsbezogene Gestaltung des Angebots). 56
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1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
bot richtet sich zwar lediglich an die Union und ihre Organe und entfaltet so keine unmittelbare Geltung in den Mitgliedstaaten, kann jedoch als Auslegungshilfe für die mit dem Unionsrecht verfolgten Zwecke herangezogen werden. Die Folge wäre anderenfalls eine Art europäischer „Nationalmannschaft“61, die unter dem blauen Sternenbanner gegen die übrigen Staaten der Welt antreten würde. So wünschenswert dieses Szenario manchen im Hinblick auf die fortschreitende europäische Integration und Identifikation auch erscheinen mag, so wären die Grenzen der Integration damit wohl überschritten. Zudem wäre eine solche Mannschaft, gleich in welcher Sportart, wohl auch nur schwer in die Praxis umzusetzen, zumal sie aufgrund der zahlreichen durch die Union geschlossenen Abkommen auch nicht auf die Staatsbürger von EU-Mitgliedstaaten beschränkt bliebe62, sondern über kurz oder lang zu einer völligen Abschaffung von Wettkämpfen zwischen Nationalteams führen würde. Die Anwendbarkeit des Unionsrechts in diesem Bereich würde damit zum unweigerlichen Ende der nationalen Repräsentationsmannschaften führen. Das kann jedoch nicht im Sinne des Unionsrechts sein, welches durch seine Freizügigkeitsvorschriften gerade den Zugang zu bestimmten Einrichtungen ermöglichen soll, und nicht eben diese Einrichtungen als solche abschaffen will63. 4. Ergebnis Der vom EuGH in den Entscheidungen Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero ins Spiel gebrachte „Sportvorbehalt“ hat also eine Doppelbedeutung64: Für nationale Auswahlen stellt er eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Unionsrechts in Form eines „Nationalmannschaftsvorbehaltes“ dar, in Bezug auf nicht Nationalmannschaften betreffende Regelungen wird er hingegen erst auf Rechtfertigungsebene relevant.
60 Idee von Erberich, GS Bleckmann, 2007, S. 145 (152), der den Begriff der nationalen Identität durch eine solche Auslegung jedoch für überfrachtet hält, so dass dieser zu verwässern drohe. 61 Diese Möglichkeit erwähnt auch Klose, Die Rolle des Sports, 1989, S. 161, der aber gleichzeitig darauf hinweist, dass die in der EG verbundenen Völker sich als unabdingbare Voraussetzung durch eine solche EG- bzw. EU-Nationalmannschaft auch repräsentiert fühlen müssten. Jeck/Langner, cep Studie Die Europäische Dimension des Sports, 2010, S. 21, befürchten in einem solchen Fall einen massiven Attraktivitätsverlust von internationalen Wettkämpfen. 62 Dazu später mehr, 3. Teil A. II. 2. 63 Ebenso Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Fußball, 1999, S. 79. 64 Vgl. auch Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Fußball, 1999, S. 123.
C. Zusammenfassung
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C. Zusammenfassung Nach alldem bleibt also festzuhalten, dass der Union im Primärrecht keine eigenständige Kompetenz dergestalt zugewiesen wurde, im Bereich des Sports unabhängig von den Mitgliedstaaten regelnd tätig zu werden. Um Maßnahmen zur Regelung des Sports treffen zu dürfen, fehlt die nach Art. 5 Abs. 2 EUV n. F. (ex-Art. 5 Abs. 1 EG) für Handlungen der Union erforderliche Einzelermächtigung. Dieses Ergebnis bedeutet jedoch nicht automatisch, dass die Welt des Sports einen gleichsam „unionsrechtsfreien“ Raum darstellt: Wenn die Union im Bereich des Binnenmarkts, des Wettbewerbs o. Ä. tätig geworden ist, handelte sie hier im Bereich ihrer Aufgaben und Kompetenzen. An diese Regelungen sind alle Marktteilnehmer gebunden, auch wenn diese Regelungen möglicherweise Auswirkungen auf unionsrechtlich nicht geregelte Themengebiete, wie beispielsweise Sport oder Kultur, haben können. Der Sport ist damit ein typisches Beispiel dafür, wie das Unionsrecht funktioniert: Auch wenn es für einen Bereich, sei es Sport, Kultur, Bildung oder anderes, keine ausdrücklichen (oder nur beschränkte) Regelungs- und Harmonisierungskompetenzen bereithält, können seine bestehenden Regeln dennoch wesentliche und weitreichende Auswirkungen auf die Handelnden innerhalb dieses Bereichs haben65. Der Sport fällt somit, jedenfalls soweit er (auch) einen Teil des Wirtschaftslebens ausmacht, grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Verträge66. Schon in den ersten Entscheidungen des Gerichtshofes zum Bereich des Sportes war abzusehen, dass der EuGH einer generellen Bereichsausnahme für den Sport vom Anwendungsbereich des Unionsrechts ablehnend gegenübersteht67. Die Besonderheiten des Sports sind daher nicht geeignet, die Anwendung des EU-Rechts auf den Sport vollständig auszuschließen, sondern allenfalls dazu, dessen Geltung unter bestimmten Voraussetzungen zu begrenzen68. 65 So treffend Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 131 (134), Erstveröffentlichung in: Hawk, Antitrust Law and Policy: Annual Proceedings of the Fordham Law Institute for 1999, Kapitel 8, S. 113 ff. Von Szyszczak, in: Bogusz/Cygan/Szyszczak, The Regulation of Sport in the European Union, 2007, S. 3 (4), wird dieses Phänomen als „spillover“ bezeichnet. 66 So auch schon Fischer, SpuRt 1994, S. 174 (176). 67 Erberich, GS Bleckmann, 2007, S. 145 (147). Hobe/Tietje, JuS 1996, S. 486 (493), weisen darauf hin, dass es angesichts der vollständigen Vermarktung des Produktes Profifußball zumindest in Bezug auf diesen Bereich des Sports nur folgerichtig ist, die auf solche wirtschaftlichen Betätigungen zugeschnittenen „Spielregeln“ des Vertrages auch anzuwenden. 68 Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 19 f.
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1. Teil: Anwendung des EU-Rechts auf den Sport
Auch Amateur- und Freizeitsport sind nicht generell vom Anwendungsbereich des Unionsrechts ausgenommen. Letztendlich sind die Übergänge vom Profisport zum Amateursport und vom Amateursport zum reinen Freizeitsport nämlich fließend. Vor allem in den unteren Ligen ist es schwierig, eine scharfe Grenze zwischen Amateur- und Profisport zu finden, da auch hier die Kommerzialisierung Einzug gehalten hat und die Athleten oftmals „Entschädigungen“, Spesen oder andere Vergütungen für ihre Tätigkeit erhalten und somit auch hier nicht von einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit im engeren Sinne gesprochen werden kann. Im reinen Freizeitbereich wäre eine Behandlung der sportlichen Betätigung als Teil des Wirtschaftslebens zwar wohl in den meisten Fällen nicht mehr vom Wortlaut des Vertrages gedeckt69, jedoch führt auch dies noch nicht zu einer generellen Bereichsausnahme vom Unionsrecht. Die wirtschaftsrechtlichen Vertragsvorschriften, wie etwa die Grundfreiheiten, sind hier wohl zwar meist nicht einschlägig, jedoch könnten je nach Einzelfall z. B. die Unionsbürgerschaft gem. Art. 20 f. AEUV und die damit verbundenen Rechte den Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnen. Neben der wirtschaftlichen Komponente enthält die Integrationsidee nämlich auch mehr und mehr soziale Elemente, so dass dem Sport in einer immer weiter zu vertiefenden Union eine bedeutende Rolle zukommt70. Für den Fortgang der Arbeit bleibt also festzuhalten, dass das Unionsrecht insgesamt auf den Bereich des Sports, je nach Einzelfall mehr oder weniger, Anwendung finden kann und in einem solchen Fall auch Bindungswirkung entfaltet. Eine Bereichsausnahme für den Sport vom Unionsrecht gibt es nicht.
69
van den Bogaert, Practical Regulation of the Mobility of Sportsmen, 2005, S. 46, weist daraufhin, dass man den Freizeitsport nicht für jede Sportart pauschal als nicht wirtschaftlich relevant bezeichnen kann, sondern dass die Beliebtheit und die entsprechende Kommerzialisierung je nach Sportart und regionaler Verankerung zu beachten seien. 70 Vgl. dazu Dubey, La libre circulation des sportifs en Europe, 2000, S. 36.
2. Teil
Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten A. Die Grundfreiheiten Die Europäische Gemeinschaft wurde 1957 als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft1 mit dem Ziel der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes2 gegründet, vgl. Art. 2 EG. Unter dem Begriff Gemeinsamer Markt wurde die Beseitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem Ziel der Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt, dessen Bedingungen denjenigen eines wirklichen Binnenmarktes möglichst nahe kommen, verstanden3. Unerlässlich zu dessen Schaffung 1 Zusammen mit der „Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl“ (EGKS) von 1951 (die entsprechenden Regelungen wurden nach Auslaufen dieses Vertrages im Jahr 2002 in den EG-Vertrag eingefügt) sowie der „Europäischen Atomgemeinschaft“ (EAG) von 1957 bilden die Europäischen Gemeinschaften die erste Säule der 1992 gegründeten Europäischen Union (EU), die zudem noch eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) sowie eine Polizeiliche und Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) umfasst. 2 Die Terminologie ist insoweit nicht eindeutig: Meist werden die Begriffe „Gemeinsamer Markt“ und „Binnenmarkt“ synonym verwendet, so auch Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 19, Rn. 1, der jedoch darauf hinweist, dass die Begriffe im Vertragstext und in der Rechtsprechung teils unterschiedlich verwendet werden, wobei der Binnenmarkt meist den spezielleren Begriff darstellt und der Gemeinsame Markt in den weiteren Zusammenhang einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie der Durchführung gemeinsamer Politiken und Maßnahmen gestellt wird. Grabitz/v. Bogdandy, JuS 1990, S. 170 (175), sehen im Begriff des Binnenmarktes eine neue Qualität der Integration. Auch nach Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. 2002, Rn. 47, bedeutet der Binnenmarkt bei gleicher Zielsetzung inhaltlich eine qualitative Verbesserung von Marktfreiheits- und Gleichheitsrechten gegenüber der Konzeption des Gemeinsamen Marktes. Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 34, sieht den Binnenmarkt als eine Fortentwicklung des lediglich als Vorstufe dienenden Gemeinsamen Marktes an, ohne zwischen beiden jedoch wesentliche Unterschiede feststellen zu können, und geht vielmehr von einer bloßen Ersetzung des Begriffs des Gemeinsamen Marktes durch den Binnenmarkt aus. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist diese Diskussion irrelevant geworden, in EUV n. F. und AEUV ist nun flächendeckend nur noch von „Binnenmarkt“ die Rede. 3 Vgl. EuGH, Rs. 15/81 – Gaston Schul, Slg. 1982, S. 1409 ff., Rn. 33.
38
2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
war die Beseitigung von Hindernissen für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr (vgl. Art. 3 lit. c EG, welcher die in Art. 2 EG genannten Aufgaben konkretisierte – jetzt ähnlich Art. 26 Abs. 2 AEUV). Dieser Binnenmarkt wird in Art. 26 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 14 Abs. 2 EG) folgendermaßen definiert: „Der Binnenmarkt umfasst einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist.“
Die Verwirklichung der Grundfreiheiten wird also als unabdingbare Voraussetzung für die Errichtung und Aufrechterhaltung des Binnenmarktes angesehen.
I. Bedeutung der Grundfreiheiten im Vertragsgefüge Ohne die Freizügigkeit von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital wäre ein funktionierender Binnenmarkt nicht denkbar. Die in Art. 34 ff. AEUV (ex-Art. 28 ff. EG) normierten Grundfreiheiten – auch Marktfreiheiten genannt4 – sind daher die Hauptinstrumente zur Errichtung und Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Marktes ohne Binnengrenzen. Aus diesem Grund kommt ihnen auch eine besondere Bedeutung zu, die insbesondere daran deutlich wird, dass übriges Unionsrecht, meist unter Hinweis auf den effet-utile-Grundsatz5, in der Regel grundfreiheitskonform ausgelegt und angewandt wird. Der Begriff der Grundfreiheiten wird so ausdrücklich im Vertragstext zwar nicht gebraucht, ist aber mittlerweile in Literatur und Rechtsprechung6 allgemein anerkannt und gebräuchlich7. Seit den 90er Jahren ist dieser Begriff auch in der nicht-deutschsprachigen europarechtlichen Literatur nachweisbar, so etwa als libertés fondamentales in der französischen Literatur oder four freedoms im englischsprachigen Raum8. 4
So z. B. Herdegen, Europarecht, 10. Aufl. 2008, § 15. Der aus der Rechtsprechung des EuGH stammende Grundsatz des effet utile besagt, dass das Unionsrecht immer so auszulegen ist, dass es den Grundsätzen der EU-Verträge die größte Wirksamkeit verschafft. Genauer dazu unten im Rahmen der teleologischen Auslegung, 2. Teil, B. I. 4. 6 Vom EuGH wird der Begriff der Grundfreiheiten soweit ersichtlich seit 1981 verwendet, vgl. EuGH, Rs. C-203/80 – Casati, Slg. 1981, S. 2595 ff., Rn. 8. 7 So auch Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten, 1999, S. 20. 8 Vgl. Nachweise und Näheres zur Entstehung und Entwicklung des Begriffs der Grundfreiheiten bei Pfeil, Historische Vorbilder und Entwicklung des Begriffs der „Vier Grundfreiheiten“, 1998, S. 6. 5
A. Die Grundfreiheiten
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1. Unmittelbare Geltung Die unmittelbare Geltung der Grundfreiheiten als primäres Unionsrecht ist seit der Entscheidung van Gend en Loos9 vom Europäischen Gerichtshof anerkannt. Der berechtigte Bürger kann sich also direkt auf eine Verletzung der Grundfreiheiten berufen; insofern kommt ihnen auch ein subjektivrechtlicher Charakter zu10. Sie genießen zudem Anwendungsvorrang gegenüber kollidierenden nationalen Vorschriften11. 2. Weiterentwicklung zu Beschränkungsverboten Ihrem Wortlaut nach enthalten insbesondere die Personenverkehrsfreiheiten zunächst nur Diskriminierungsverbote in Form eines Inländergleichbehandlungsprinzips. So spricht Art. 45 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 39 Abs. 2 EG) von der Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer, Art. 49 Abs. 1 Satz 1 AEUV (ex-Art. 43 Abs. 1 Satz 1 EG) verbietet Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates, und Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 Abs. 1 EG) verbietet Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Staat der EU als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind. Unter Diskriminierungen sind dabei nicht nur offene Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit zu verstehen, sondern auch mittelbare bzw. versteckte Diskriminierungen12, bei denen formal zwar an ein Ersatzkriterium angeknüpft wird, dieses jedoch im Ergebnis typischerweise denselben Effekt hat wie eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit13. Jedoch ist in der Warenverkehrsfreiheit, die in Art. 34 und 35 AEUV (ex-Art. 28 und 29 EG) mengenmäßige Ein- bzw. Ausfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verbietet, sowie der Kapitalverkehrsfreiheit, welche in Art. 63 AEUV (exArt. 56 EG) ein Verbot aller Beschränkungen des Kapital- und Zahlungsver9
Vgl. EuGH, Rs. 26/62 – Van Gend en Loos, Slg. 1963, S. 3 ff. Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7, Rn. 10. 11 Zum Anwendungsvorrang des Unionsrechts vgl. statt vieler Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 201 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, Art. 249 EG, Rn. 24; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, Stand November 2009, § 4 AO, Rn. 255. 12 EuGH, Rs. 152/73 – Sotgiu, Slg. 1974, S. 153 ff., Rn. 11. 13 So auch Jarass, EuR 1995, S. 202 (213); Plötscher, Der Begriff der Diskriminierung, 2003, S. 54. 10
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
kehrs zwischen den Mitgliedstaaten ausspricht, schon dem Wortlaut nach über das Diskriminierungsverbot hinaus auch ein Beschränkungsverbot angelegt. Das wurde im Folgenden auch durch den EuGH in seiner Dassonville-Entscheidung zur Warenverkehrsfreiheit bestätigt, in welcher er feststellte, dass unter einer Maßnahme gleicher Wirkung „jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern“14, zu verstehen ist. Ein solches Beschränkungsverbot wurde in der folgenden Rechtsprechung auch für die anderen Grundfreiheiten festgestellt15. Es können daher auch solche Maßnahmen eine Beeinträchtigung der Grundfreiheiten darstellen, die ausdrücklich keine Schlechterstellung für ausländische Produkte oder Personen darstellen. Das nach der Rechtsprechung des EuGH allen Grundfreiheiten immanente Beschränkungsverbot beinhaltet somit auch die Aufhebung nichtdiskriminierender Beeinträchtigungen und die Herstellung eines unionsweit einheitlichen Schutzniveaus16. Trotz dieser Weiterentwicklung der Grundfreiheiten zu Beschränkungsverboten kommt es aber weiterhin auf eine Ungleichbehandlung an: Während die Diskriminierungsverbote vor Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit (oder der Herkunft, bzw. bei Kapitalgesellschaften des Sitzes) schützen, sind die Grundfreiheiten in ihrer Funktion als Beschränkungsverbote auch dann beeinträchtigt, wenn inländische und grenzüberschreitende Wirtschaftsvorgänge unterschiedlich behandelt werden17. Maßnahmen mit beschränkender Wirkung fallen jedoch nur dann unter das Beschränkungsverbot, wenn ihre Auswirkungen nicht zu unbestimmt oder zu mittelbar sind, es muss eine gewisse „Spürbarkeit“ vorliegen18. 3. „Inländerdiskriminierung“ Nach herrschender Meinung ist der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten aufgrund der beschränkten Unionskompetenz (Art. 5 Abs. 2 EUV n. F.) nur dann eröffnet, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist19, da trotz der Erweiterung der 14
EuGH, Rs. 8/74 – Dassonville, Slg. 1974, S. 837 ff., Rn. 5. Für die Dienstleistungsfreiheit: EuGH, Rs. 33/74 – van Binsbergen, Slg. 1974, S. 1299 ff., Rn. 10 ff.; für die Arbeitnehmerfreizügigkeit: EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 96; für die Niederlassungsfreiheit EuGH, Rs. 107/83 – Klopp, Slg. 1984, S. 2971 ff., Rn. 17 ff. 16 Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 1445. 17 Jarass, FS Everling, Bd. I, 1995, S. 593 (600). 18 Vgl. zu dieser Diskussion (und anderen Eingrenzungskriterien für das Beschränkungsverbot) Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 28 EGV, Rn. 64. 15
A. Die Grundfreiheiten
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Grundfreiheiten zu Beschränkungsverboten das primäre Ziel die Vermeidung der Diskriminierung von EU-Ausländern oder von aus dem EU-Ausland eingeführten Produkten ist, mit anderen Worten also die Verhinderung einer Schlechterstellung von grenzüberschreitenden Sachverhalten. Das daraus entstehende Problem der umgekehrten Diskriminierung20 (auch „Inländerdiskriminierung“ genannt), das in einer Schlechterstellung von Personen oder Produkten mit Inlandsbezug gegenüber Personen oder Produkten mit Auslandsbezug besteht21, ergibt sich unmittelbar aus der Weiterentwicklung und Ausweitung der Grundfreiheiten zu Beschränkungsverboten22 und ist insbesondere im Hinblick auf die Unionsbürgerschaft, die einen umfassenden Anspruch auf Nichtdiskriminierung gewährt, problematisch. Das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezugs hat daher in letzter Zeit in der Literatur vielfach Kritik erfahren, weil im Rahmen der fortschreitenden Integration zu einem Raum ohne Binnengrenzen die Grenzüberschreitung nicht mehr das allein entscheidende Anknüpfungskriterium für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Grundfreiheiten sein könne23. Andererseits sollen die Grundfreiheiten in erster Linie den grenzüberschreitenden Austausch im Binnenmarkt gewährleisten, so dass dem Kriterium der Grenzüberschreitung auch weiterhin eine gewisse Berechtigung zukommt. Zudem können auch Inländer gegenüber ihrem eigenen Staat einen grenzüberschreitenden Sachverhalt geltend machen, wenn sie zuvor von ihren Grundfreiheiten Gebrauch gemacht und sich im Zusammenhang mit ihrer jetzigen Tätigkeit – etwa im Rahmen der Ausbildung – im EU-Ausland aufgehalten haben24. Im Fall von Großbritannien kann das Problem der Inländerdiskriminierung zudem auch im Bereich des Sports relevant werden. So ist das Vereinigte Königreich europarechtlich ein einziger Mitgliedstaat, während aus sportlicher Sicht mit England, Schottland, Wales und Nordirland z. B. im Fußball vier selbstständige Nationalverbände existieren. Sollte es zu Diskriminierungen innerhalb bzw. zwischen den einzelnen britischen Verbänden kommen, so handelt es sich aus europarechtlicher Sicht um einen rein internen bzw. inländischen Sachverhalt, der mangels grenzüberschreitenden Be19 So u. a. Borchardt, Rechtliche Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. 2002, Rn. 151 und 686 ff., mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen für die einzelnen Grundfreiheiten; Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7, Rn. 23. 20 Frz. discrimination à rebours, engl. reverse discrimination. 21 Vgl. Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 17. 22 Vgl. auch Lach, Umgekehrte Diskriminierungen im Gemeinschaftsrecht, 2008, S. 38 f. 23 So Epiney, Umgekehrte Diskriminierungen, 1995, S. 235. 24 Vgl. auch Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand Juni 2009, § 4 AO, Rn. 428.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
zugs nicht zur Anwendbarkeit des Unionsrechts und der Grundfreiheiten führt. Praktisch ist dieses Problem bisher jedoch eher wenig relevant geworden, da die britischen Verbände Mitgliedern der jeweils anderen britischen Verbände in der Regel ohnehin deutlich offener gegenüberstehen als „echten Ausländern“ aus anderen Nationalverbänden. Noch müssen solche Konflikte auf der Ebene des nationalen Rechts gelöst werden (in Deutschland etwa über Art. 3 GG), im Rahmen der Weiterentwicklung der Unionsbürgerschaft gemäß Art. 20 ff. AEUV scheint jedoch auch eine unionsrechtliche Behandlung dieser Problematik in naher Zukunft wahrscheinlich. 4. Abgrenzung von Grundfreiheiten und Grundrechten Vereinzelt wird eine Verschmelzung oder Identität der Grundfreiheiten mit den Grundrechten angenommen25. Dafür spricht zwar, dass beide Rechtsinstitute für die europäische Rechtsordnung von konstitutiver Bedeutung sind und auch individualschützenden Charakter aufweisen. So haben die Grundfreiheiten in vielerlei Hinsicht einen grundrechtsähnlichen Charakter, indem sie weitgehend gleich strukturiert sind, wie Grundrechte verwendet und ausgelegt werden und auch in ihrer Wirkung vergleichbar sind26. Die Grundfreiheiten des Binnenmarktes verbürgen jedoch keine Wirtschaftsgrundrechte für den Einzelnen, sondern enthalten lediglich ein – von der Rechtsprechung zwar zum Beschränkungsverbot weiterentwickeltes, aber dennoch weiterhin von einem grenzüberschreitenden Sachverhalt abhängiges – Ausländerdiskriminierungsverbot, welches auf dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung beruht27. Ihr grundlegender Charakter ergibt sich vor allem aus der konstituierenden Wirkung für den Binnenmarkt und das darin enthaltene zentrale Integrationsziel28. Diese Binnenmarktbezogen25 So etwa Nettesheim, NVwZ 1996, S. 342 ff. In diese Richtung, letztendlich aber verneinend, Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, der in den objektiven Grundfreiheiten auch grundrechtliche Kerne erkennt, für deren subjektive Wirkung die Konstruktion einer unmittelbaren Drittwirkung dann nicht erforderlich ist (S. 28, 255), er spricht daher von einer „Doppelfunktionalität der Grundfreiheiten“ (S. 333 ff.): die Grundfreiheiten verdecken bzw. enthalten Grundrechte. Dagegen u. a. Schultz, Das Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten und Grundfreiheiten, 2005, S. 106 ff., da sich beide Rechtsinstitute ergänzten, nicht ersetzten. 26 Vgl. Skouris, Das Verhältnis von Grundfreiheiten und Grundrechten im Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 16. 27 So auch Pfeil, Historische Vorbilder und Entwicklung des Rechtsbegriffs der „Vier Grundfreiheiten“, 1998, S. 278.
A. Die Grundfreiheiten
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heit führt dazu, dass die Grundfreiheiten, im Gegensatz zu den Grundrechten, nur für Sachverhalte gelten, die wirtschaftlicher Art sind und darüber hinaus einen (grenzüberschreitenden) Bezug zu einem anderen Mitgliedstaat aufweisen, während die Grundrechte als Menschenrechte grundsätzlich29 ungeachtet der Staatsangehörigkeit (oder auch Staatenlosigkeit) der betroffenen Person, die also auch Nicht-EU-Bürger sein kann, zu beachten sind30. Grundfreiheiten und Grundrechte sind also nicht dasselbe. Während Grundrechte der Gewährleistung und Verwirklichung subjektiver Menschenrechte dienen, sind die Grundfreiheiten auf die Integration der Märkte ausgerichtet31, nicht jedoch, ohne den daraus Berechtigten auch gewisse subjektive Rechtspositionen einzuräumen. Würde das Erfordernis des grenzüberschreitenden Bezuges für die Eröffnung des Anwendungsbereiches der Grundfreiheiten abgeschafft, käme es zu einer weiteren Annäherung von Grundfreiheiten und Grundrechten32. Dennoch ist bei der Auslegung und Anwendung der Grundfreiheiten ihr Grundrechtsgehalt in Form von subjektiven Berechtigungen zu beachten33.
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Vgl. Skouris, Das Verhältnis von Grundfreiheiten und Grundrechten im Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 8. 29 Hier gibt es jedoch Ausnahmen: In Einzelfällen haben Mitgliedstaaten speziell auf Aus- oder Inländer zugeschnittene Grundrechte. In Deutschland sind das etwa das Asylrecht aus Art. 16a GG, welches nur für Ausländer gilt, sowie die Deutschen-Grundrechte der Art. 8, 9 und 12 GG, deren Geltendmachung Inländern vorbehalten ist (im Lichte des unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes aus Art. 18 AEUV wird jedoch verbreitet vertreten, dass solche „Inländer“-Grundrechte für alle Unionsbürger gelten müssen). 30 Vgl. Skouris, Das Verhältnis von Grundfreiheiten und Grundrechten im Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 23. 31 Ähnlich Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten, 1999, S. 16. 32 Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 84, sieht dann sogar eine vollständige Gleichsetzung von Grundrechten und Grundfreiheiten. 33 Preedy, Die Bindung Privater an die Europäschen Grundfreiheiten, 2005, S. 153; ähnlich Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, 2001, S. 176 ff.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
II. Die einzelnen Grundfreiheiten Üblicherweise wird zwischen vier Grundfreiheiten unterschieden34, nämlich – der Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 f., 34 ff. AEUV; ex-Art. 23 f., 28 ff. EG); – der Personenverkehrsfreiheit, die ihrerseits unterteilt ist in • die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV; ex-Art. 39 ff. EG) und • die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV; ex-Art. 43 ff. EG); – der Dienstleistungsverkehrsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV; ex-Art. 49 ff. EG) sowie – der Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV; exArt. 56 ff. EG)35. Meist erfolgt eine grobe Einteilung in Produktverkehrsfreiheiten und Personenverkehrsfreiheiten (im weiteren Sinne)36, je nachdem, ob typischerweise ein Produkt (Warenverkehrsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit, Zahlungsverkehrsfreiheit) oder eine Person (Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit) die Grenze überschreitet. Damit es nicht zu Verwechslungen zwischen den Personenverkehrsfreiheiten im engeren und im weiteren Sinne kommt, wird in dieser Arbeit für Letztere der Begriff der „personenbezogenen Grundfreiheiten“ verwendet, die Produktverkehrsfreiheiten wer34
So z. B. Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 19, Rn. 1 ff. Anders Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten, 1999, S. 20 ff., der von sechs Grundfreiheiten ausgeht, namentlich dem freien Warenverkehr, der Dienstleistungsfreiheit, der Kapitalverkehrsfreiheit und der Freiheit des Zahlungsverkehrs als Produktverkehrsfreiheiten, sowie den Personenverkehrsfreiheiten der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit. 35 Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 63, zählt die Kapitalverkehrsfreiheit nicht zu den eigentlichen Grundfreiheiten, sondern sieht sie als bloße Annexfreiheit an. 36 Vgl. Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers, 2003, S. 105 f., welcher die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit, sowie die aktive und die passive Dienstleistungsfreiheit als Personenverkehrsfreiheiten zusammenfasst. Die Korrespondenzdienstleistungsfreiheit zählt er jedoch gemeinsam mit der Warenverkehrsfreiheit zu den Produktverkehrsfreiheiten. Ähnlich auch Preedy, Die Bindung Privater an die Europäischen Grundfreiheiten, 2005. Jarass, EuR 1995, S. 202 (205 ff.), geht hingegen von drei Gruppen von Grundfreiheiten aus, nämlich der Warenverkehrsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit als Produktverkehrsfreiheiten, der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit als Personenverkehrsfreiheiten, sowie der Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit als eigenständige dritte Gruppe.
A. Die Grundfreiheiten
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den entsprechend als „produktbezogene Grundfreiheiten“ bezeichnet37. Die Einordnung der Dienstleistungsfreiheit ist dabei jedoch nicht immer einheitlich. Am sachgerechtesten erscheint es wohl, hier eine Aufteilung in die durch Art. 56 AEUV gewährleisteten Freiheiten vorzunehmen und die aktive und die passive Dienstleistungsfreiheit als personenbezogene Grundfreiheiten aufzufassen, die Korrespondenzdienstleistungsfreiheit jedoch zu den produktbezogenen Grundfreiheiten zu zählen, da es in den ersten beiden Fällen die von Art. 56 AEUV geschützten Personen sind, die eine Grenze überschreiten (müssen), im Fall der Korrespondenzdienstleistungsfreiheit jedoch lediglich das Produkt (die Dienstleistung) selbst38. In der Rechtsprechung des EuGH39 sowie in der Literatur40 besteht eine starke Tendenz zur Parallelisierung der Auslegung der einzelnen Grundfreiheiten im Rahmen einer so genannten „einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten“, so dass die für eine Grundfreiheit entwickelten Auslegungsgrundsätze in der Regel auch auf die anderen Grundfreiheiten übertragen werden. 1. Warenverkehrsfreiheit Die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV) bildet den Kern des Binnenmarktes41. Sie umfasst die grenzüberschreitende Mobilität von Waren. Art. 34 AEUV beinhaltet ein Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung für die Einfuhr von Waren, Art. 35 AEUV regelt dasselbe für die Ausfuhr. „Waren“ im Sinne dieser Vorschrift sind grundsätzlich körperliche Gegenstände, die „einen Geldwert haben und deshalb Gegenstand von Handelsgeschäften sein können“42. Nach neuerer extensiver Auslegung sind sogar sämtliche körperlichen Gegenstände, die hergestellt worden sind, erfasst, also sämtliche Gegenstände des wirtschaft37
So auch Obwexer, EuZW 2008, S. 300 (302). Ähnlich Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003, S. 6. 39 Vgl. vor allem die so genannte Gebhard-Formel, EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37, nach welcher der EuGH unabhängig von der betroffenen Grundfreiheit strukturell identische Rechtfertigungsprinzipien anwenden will. 40 Vgl. Skouris, Das Verhältnis von Grundfreiheiten und Grundrechten im Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 18, mit Verweis auf Kingreen, Die Struktur der Grundfreiheiten, 1999; Mojzesowicz, Möglichkeiten und Grenzen einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten, 2001; Mühl, Diskriminierung und Beschränkung: Grundansätze einer einheitlichen Dogmatik der wirtschaftlichen Grundfreiheiten des EG-Vertrages, 2004. 41 So Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 19, Rn. 5. 42 EuGH, Rs. 7/68 – Kommission/Italien, Slg. 1968, S. 634 ff., Rn. 2. 38
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
lichen Verkehrs43. Außerdem muss es sich um Unionswaren handeln, die gem. Art. 28 Abs. 2 AEUV entweder in einem Mitgliedstaat hergestellt wurden, oder sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden. Die Waren sind von den durch Art. 57 AEUV erfassten Dienstleistungen ebenso abzugrenzen wie von den durch die Kapitalverkehrsfreiheit erfassten Produkten. Die nach Art. 34 und 35 AEUV verbotenen mengenmäßigen Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen umfassen generelle Verbote ebenso wie Kontingentierungen. Unter einer Maßnahme gleicher Wirkung wird jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten verstanden, „die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“ (so genannte Dassonville-Formel44). Durch dieses Verbot sollen also auch Maßnahmen erfasst werden, die sich indirekt als eine Beschränkung des freien Warenverkehrs auswirken können, ohne jedoch direkt und ausdrücklich gerade darauf abzuzielen. Auch unterschiedslos geltende, also dem Wortlaut nach eigentlich diskriminierungsfreie, Maßnahmen können somit unter dieses Verbot fallen. Diese Rechtsprechung wurde aufgrund ihrer tatbestandlichen Weite in den folgenden Jahren vom EuGH durch die Keck-Formel45 fortentwickelt und eingeschränkt, so dass unterschiedslos für einheimische und eingeführte Erzeugnisse geltende, vertriebsbezogene Regelungen (so genannte Verkaufsmodalitäten) im Unterschied zu produktbezogenen Regelungen nicht als Maßnahmen gleicher Wirkung i. S. d. Dassonville-Formel anzusehen sind46. Gerechtfertigt werden können alle Beeinträchtigungen aus den in Art. 36 AEUV aufgeführten „Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums.“
Solche Verstöße, die auf unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse geltenden, also nicht rechtlich diskriminierenden, nationalen Regelungen beruhen, können zudem auch gemäß der so genannten Cassis-de-Dijon-Formel47 gerechtfertigt sein, wenn diese notwendig sind, 43
Brigola, Das System der EG-Grundfreiheiten, 2004, S. 1. EuGH, Rs. 8/74 – Dassonville, Slg 1974, S. 837 ff., Rn. 5. 45 EuGH, Rs. C-267/91 und C-268/91 – Keck, Slg 1993, S. I-6097 ff., Rn. 16. 46 Auch für die Ausfuhrfreiheit hat der EuGH jetzt ausdrücklich bestätigt, dass ein Eingriff in Art. 29 EG durch (nur) faktisch diskriminierende Maßnahmen vorliegen kann: EuGH, Rs. C-205/07 – Gysbrecht, NJW 2009, S. 1579 ff., EuZW 2009, S. 115 ff. 47 EuGH, Rs. 120/78 – Cassis de Dijon, Slg. 1979, S. 649 ff., Rn. 8. In der Literatur herrscht teilweise Uneinigkeit darüber, ob die Cassis-Formel eine tatbestands44
A. Die Grundfreiheiten
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um zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls zu genügen und außerdem verhältnismäßig sind48. Die Cassis-de-Dijon-Formel etabliert somit das Herkunftslandsprinzip im Rahmen der Grundfreiheiten dergestalt, dass in einem Mitgliedstaat rechtmäßig vertriebene Waren grundsätzlich auch von den anderen Mitgliedstaaten als verkehrsfähig anzuerkennen sind, es sei denn, zwingende Erfordernisse des Allgemeinwohls sprechen dagegen49. Als solche zwingenden Erfordernisse hat der EuGH u. a. die wirksame steuerliche Kontrolle und die Kohärenz des Steuersystems50, den Verbraucherschutz51, den Schutz der Arbeitnehmer52, die Lauterkeit des Handelsverkehrs53, den Schutz der Gesundheit54, sowie den Umweltschutz55 anerkannt. Diese bislang anerkannten zwingenden Erfordernisse sind jedoch keinesfalls abschließend, sondern offen für Erweiterungen und Ergänzungen durch andere zwingende, jedoch immer nicht-wirtschaftliche Belange56.
immanente Schranke oder einen Rechtfertigungsgrund darstellt. Vgl. Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 28 EG, Rn. 48; ebenfalls für Rechtfertigungsgrund: Oppermann, Europarecht, 3. Aufl. 2005, § 19, Rn. 27; Herdegen, Europarecht, 10. Aufl. 2008, § 16, Rn. 17 (der aber gleichwohl von immanenten Schranken spricht). Für (aus dogmatischer Sicht) tatbestandsimmanente Schranken Leible, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2008, Art. 28 EG, Rn. 20. 48 Streinz, FS Rudolf 2001, S. 199 (212), weist darauf hin, dass diese Ausweitung der Rechtfertigungsgründe aufgrund der Ausweitung der Tatbestände zu Beschränkungsverboten notwendig geworden ist, da die vertraglich vorgesehenen, und auf Diskriminierungsverbote zugeschnittenen Rechtfertigungsgründe nicht mehr ausreichten. 49 So auch Lach, Umgekehrte Diskriminierungen im Gemeinschaftsrecht, 2008, S. 43. 50 EuGH, Rs. C-204/90 – Bachmann, Slg. 1992, S. I-249 ff.; EuGH, Rs. C-300/90 – Kommission/Belgien, Slg. 1992, S. I-305 ff.; EuGH, Rs. C-484/93 – Svensson und Gustavsson, Slg. 1995, S. I-3955 ff., Rn. 15 ff.; EuGH, Rs. C-107/94 – Asscher, Slg. 1996, S. I-3089 ff., Rn. 60. Dazu ausführlicher Wernsmann, EuR 1999, S. 754 ff.; sowie Wernsmann, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 30, Rn. 115 ff. 51 EuGH, Rs. 120/78 – Cassis de Dijon, Slg. 1979, S. 649 ff. 52 EuGH, verb. Rs. C-369/96 und C-376/96 – Arblade und Leloup, Slg. 1999, S. I-8453 ff., Rn. 36; EuGH, Rs. C-272/94 – Guiot, Slg. 1996, S. I-1905 ff., Rn. 16. 53 EuGH, Rs. 16/83 – Prantl, Slg. 1984, S. 1299 ff.; EuGH, Rs. 58/80 – Dansk Supermarked, Slg. 1981, S. 181 ff. 54 EuGH, Rs. C-111/91 – Kommission ./. Luxemburg, Slg. 1993, S. I-817 ff., Rn. 12. 55 EuGH, Rs. 240/83 – Altöle, Slg. 1985, S. 531 ff., Rn. 15; EuGH, Rs. 302/86 – Pfandflaschen, Slg. 1988, S. 4607 ff. 56 So auch Brigola, Das System der EG-Grundfreiheiten, 2004, S. 11.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
2. Personenverkehrsfreiheit Die Personenverkehrsfreiheit (im engeren Sinne) umfasst die Möglichkeit zur dauerhaften Niederlassung von Personen (auch Gesellschaften, vgl. Art. 54 AEUV, ex-Art. 48 EG) in einem anderen Mitgliedstaat, um sich dort wirtschaftlich zu betätigen. Sie wird in Art. 45 AEUV (ex-Art. 39 EG) für abhängig beschäftigte Arbeitnehmer und in Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) für selbstständige Erwerbstätige gewährleistet. a) Arbeitnehmerfreizügigkeit Die Arbeitnehmerfreizügigkeit umfasst gem. Art. 45 Abs. 2 AEUV die „Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.“
Der Begriff des Arbeitnehmers ist autonom unionsrechtlich zu definieren und kann daher von nationalen Definitionen abweichen. Nach der objektiven weiten Auslegung des EuGH ist Arbeitnehmer „jede Person, die eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht nach dieser Rechtsprechung darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisungen Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.“57
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit erfährt konkretere Ausprägungen durch die VO (EWG) Nr. 1612/6858. So stehen auch Familienangehörigen von Arbeitnehmern, auch wenn sie selbst Drittstaatsangehörige sind, gewisse abgeleitete Rechte zu, obwohl sie sich nicht selbst auf das Freizügigkeitsrecht des Art. 45 AEUV berufen können. Darunter fallen etwa das Recht auf Familiennachzug sowie die Teilnahme an Lehrlings- und Berufsausbildung59. Neben dem ausdrücklichen Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit beinhaltet die Arbeitnehmerfreizügigkeit nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung60 des EuGH auch ein Beschränkungsverbot, das 57 EuGH, Rs. C-94/07 – Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft, Slg. 2008, S. I-5939 ff., Rn. 33. 58 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, ABl. EG Nr. L 257 vom 19.10.1968, S. 2 ff. 59 Vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. 2002, Rn. 693 ff. 60 Vgl. v. a. EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 96.
A. Die Grundfreiheiten
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zu einer Unzulässigkeit von unterschiedslos anwendbaren Regelungen führen kann, wenn dadurch EU-Bürger daran gehindert werden, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. In Übertragung der KeckRechtsprechung wird zum Teil befürwortet, dass das Beschränkungsverbot nur für so genannte Marktzugangsregelungen, nicht jedoch für unterschiedslos geltende Arbeitsausübungsmodalitäten, gelten soll61. In Anbetracht der Weite des Beschränkungsverbotes, das anderenfalls beinahe jeden Sachverhalt zumindest mittelbar betreffen würde, ist eine solche Beschränkung auch sinnvoll62. Die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung ist gem. Art. 45 Abs. 4 AEUV vom Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgenommen (sog. Bereichsausnahme). Der Begriff der Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung wird autonom unionsrechtlich bestimmt, es muss sich dabei um „ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten [. . .], die unmittelbar an das durch die Staatsangehörigkeit zwischen Staat und Bürger geflochtene Band anknüpfen“, handeln63. Dabei muss die Ausübung hoheitlicher Gewalt den Hauptzweck der Tätigkeit darstellen64, dies ist z. B. bei Tätigkeiten in Justiz, Polizei und Militär der Fall, bei Lehrern, Professoren oder Verkehrs- und Transportdienstleistern dagegen nicht65. Beeinträchtigungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Form von Diskriminierungen können gem. Art. 45 Abs. 3 AEUV aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt werden. Für unterschiedslos geltende beschränkende Maßnahmen gelten in Übertragung der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung außerdem zwingende Gründe des Allgemeininteresses als Rechtfertigungsgründe. „Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich jedoch, dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden 61 Vgl. statt vieler Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2008, Vorbemerkung zu Art. 39–55, Rn. 112 ff., Art. 39 EG, Rn. 167, eine Auflistung von Fallgruppen spezifischer Zugangsbehinderungen findet sich in Rn. 168 ff. 62 Vgl. dazu auch Kingreen, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 28 EGV, Rn. 65. 63 EuGH, Rs. 149/79 – Kommission ./. Belgien I, Slg. 1980, S. 3881 ff., Rn. 10. 64 Fabis, Die Auswirkungen der Freizügigkeit, 1995, S. 243 ff., sieht den Grund für diese den Prinzipien des Gemeinschaftsrechts eigentlich zuwider laufende Ausnahme einzig in dem Erfordernis demokratischer Legitimation für die Ausübung staatlicher Gewalt als maßgeblichem Gedanken der Volkssouveränität begründet. 65 Vgl. Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 881; Brechmann, in: Calliess/ Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 39 EGV, Rn. 104.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.“66
b) Niederlassungsfreiheit Die Niederlassungsfreiheit verbietet in Art. 49 AEUV jegliche Beschränkung der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates. Von dem Begriff der Niederlassung sind in erster Linie die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen erfasst, vgl. Art. 49 Abs. 2 AEUV. Sie impliziert die Möglichkeit von Unionsangehörigen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaates teilzunehmen67. Sowohl natürliche als auch juristische Personen können sich auf die Niederlassungsfreiheit berufen (vgl. Art. 54 AEUV). Wie die Arbeitnehmerfreizügigkeit umfasst auch die Niederlassungsfreiheit nach inzwischen ständiger Rechtsprechung des EuGH sowohl ein Diskriminierungs- als auch ein Beschränkungsverbot68. In neueren Entscheidungen geht der EuGH daher mittlerweile ganz selbstverständlich von der Geltung des Beschränkungsverbotes aus69. Tätigkeiten, die mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbunden sind, sind gem. Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) vom Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit ausgenommen. Diese Ausnahmeregelung ist auf solche Tätigkeiten beschränkt, die als solche eine unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung öffentlicher Gewalt darstellen70. Diskriminierende Beeinträchtigungen der Niederlassungsfreiheit können gem. Art. 52 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 46 Abs. 1 EG) aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt werden. Für diskriminierungsfreie Beeinträchtigungen gilt zusätzlich der in der Cassis-de-Dijon-Entscheidung entwickelte und in der Gebhard-Entscheidung weiterentwickelte ungeschriebene Rechtfertigungsgrund der zwingenden Gründe des 66 Vgl. Gebhard-Formel des EuGH: EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37; in Bestätigung von EuGH, Rs. C-19/92 – Kraus, Slg. 1993, S. I-1663 ff., Rn. 32. 67 EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 25. 68 EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37; in Bestätigung von EuGH, Rs. C-19/92 – Kraus, Slg. 1993, S. I-1663 ff., Rn. 32. 69 Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung, 2003, S. 179. 70 EuGH, Rs. C-281/06 – Jundt, Slg. 2007, S. I-12231 ff., Rn. 37.
A. Die Grundfreiheiten
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Allgemeininteresses71. Zudem ist die Verhältnismäßigkeit der in Frage stehenden Regelung Voraussetzung, sie muss also zur Verfolgung des zwingenden Grundes des Allgemeininteresses zumindest geeignet und erforderlich sein. Die Handhabung der Rechtfertigung von versteckten Diskriminierungen ist umstritten. Einerseits könnten sie aufgrund ihrer – wenn auch indirekten – diskriminierenden Wirkung (typischerweise Betroffenheit von EU-Ausländern) als nicht zu rechtfertigende Diskriminierungen anzusehen sein, andererseits spricht die lediglich indirekte Diskriminierungswirkung eher für eine Nähe zum Beschränkungstatbestand. Eine Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses sollte daher auch bei versteckten Diskriminierungen grundsätzlich möglich sein, da wegen ihrer faktischen Nähe zu den beschränkenden Maßnahmen eine Beschränkung auf die geschriebenen Rechtfertigungsgründe unangemessen wäre72. An die Verhältnismäßigkeitsprüfung sind jedoch entsprechende Anforderungen zu stellen. 3. Dienstleistungsfreiheit Die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV, ex-Art. 49 ff. EG) war ursprünglich nur als Auffangtatbestand zur Niederlassungsfreiheit vorgesehen73 und nimmt auch in ihrem Wortlaut Bezug auf die Abgrenzung zu den anderen Grundfreiheiten (vgl. Art. 57 Abs. 1 AEUV: „soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen“). Sie ist also einschlägig bei im Wesentlichen nichtkörperlichen, schöpferischen74 Leistungen gegen Entgelt, die nicht in den Schutzbereich einer der anderen Grundfreiheiten fallen, insbesondere bei gewerblichen, kaufmännischen, handwerklichen und freiberuflichen Tätigkeiten (Art. 57 UAbs. 2 lit. a-d AEUV). Eine Abgrenzung zur Warenverkehrsfreiheit orientiert sich vor allem an der Körperlichkeit der Leistung: Die Dienstleistungsfreiheit erfasst weniger körperliche Gegenstände in Form von Waren, sondern eher unkörperliche Leistungen, wie etwa die Übermittlung von Know-How75. Im Gegensatz zur Arbeitnehmerfreizügigkeit bezieht sich die Dienstleistungsfreiheit auf die selbstständige, also nicht weisungsabhängige Erbringung von Leistun71 EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37; in Bestätigung von EuGH, Rs. C-19/92 – Kraus, Slg. 1993, S. I-1663 ff., Rn. 32. 72 So auch Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7, Rn. 102, mit Verweis auf neuere Rspr. des EuGH. 73 Pache, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 11, Rn. 2; Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. 2002, Rn. 757. 74 Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl. 2008, Art. 49/50, Rn. 18. 75 Vgl. Brigola, Das System der EG-Grundfreiheiten, 2004, S. 32.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
gen. Die Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit erfolgt dadurch, dass die Erbringung oder Inanspruchnahme einer Dienstleistung in der Regel einen vorübergehenden Charakter hat, während die Niederlassung auf Dauer oder zumindest für einen gewissen Zeitraum erfolgt76. Zudem muss eine Grenzüberschreitung entweder des Dienstleistungserbringers (aktive Dienstleistungsfreiheit) oder des Dienstleistungsempfängers (passive Dienstleistungsfreiheit) oder der Dienstleistung selbst (Korrespondenzdienstleistungsfreiheit) erfolgen. Ebenso wie die anderen Grundfreiheiten steht die Dienstleistungsfreiheit unter dem Vorbehalt der Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 62 i. V. m. 51 AEUV) und umfasst ein Diskriminierungs- und ein Beschränkungsverbot77. Auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit wird das weit gefasste Beschränkungsverbot jedoch i. d. R. dadurch wieder eingeschränkt, dass es im Sinne der Keck-Rechtsprechung nur für Marktzugangsregelungen, nicht jedoch für bloße Dienstleistungsmodalitäten gilt78. Eine Rechtfertigung von Beeinträchtigungen des freien Dienstleistungsverkehrs ist aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (Art. 62 i. V. m. 52 AEUV) oder bei unterschiedslos anwendbaren Maßnahmen in Übertragung der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung auch aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses möglich79. Dabei muss jedoch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden, die eingesetzten Mittel müssen also zur Erreichung des Zwecks jedenfalls geeignet und erforderlich sein. 4. Kapitalverkehrsfreiheit Die Kapitalverkehrsfreiheit aus Art. 63 AEUV (ex-Art. 56 EG) umfasst in erster Linie die zu Anlagezwecken erfolgende grenzüberschreitende Übertragung von Geld und ähnlichen Werten80, während die Zahlungsverkehrsfreiheit alle solche Zahlungen umfasst, die unmittelbar oder mittelbar mit der Wahrnehmung einer anderen Grundfreiheit verbunden sind81. Die 76 Vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. 2002, Rn. 678. 77 EuGH, Rs. 33/74 – Van Binsbergen, Slg. 1974, S. 1299 ff., Rn. 10 ff. 78 Für diese Übertragung z. B. Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung, 2003, S. 177. 79 Vgl. EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37; in Bestätigung von EuGH, Rs. C-19/92 – Kraus, Slg. 1993, S. I-1663 ff., Rn. 32. 80 Ehlers, Jura 2001, S. 266 (267). 81 Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 56 EG, Rn. 62.
A. Die Grundfreiheiten
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Vorschrift baut inhaltlich auf der Kapitalverkehrsrichtlinie82 von 1988 auf. Verboten sind sämtliche Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten untereinander sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern. Mit Art. 65 Abs. 1 lit. b AEUV (ex-Art. 58 Abs. 1 lit. b EG) besteht auch hier ein ordre-public-Vorbehalt. Zu einer Übertragung der Cassis-de-Dijon-Formel auch auf die Kapitalverkehrsfreiheit hat der EuGH noch nicht explizit Stellung genommen, sie scheint im Hinblick auf die Kongruenz der Grundfreiheiten aber sehr wahrscheinlich.
III. Zusammenfassung Alle Grundfreiheiten stellen bereichsspezifische Konkretisierungen des Art. 18 AEUV (ex-Art. 12 EG) dar, welcher jegliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet83. Die Grundfreiheiten regeln dabei die für den Binnenmarkt unabdingbaren wirtschaftlichen Freiheiten und stellen besondere Voraussetzungen und Schranken auf. Für einen funktionierenden Binnenmarkt ist die möglichst effektive Durchsetzung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten unentbehrlich. Der Grundgedanke der Grundfreiheiten ist die Ermöglichung der freien Bewegung der Marktteilnehmer in einem aus mehreren Rechtsordnungen bestehenden Gemeinsamen Markt84, einem Binnenmarkt. Sie gewährleisten daher ein Recht auf Marktzugang, welches nicht nur durch direkte Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch durch andere Beschränkungen mit negativen Folgen für den Grenzübertritt beeinträchtigt werden kann85. Die zu einzelnen Grundfreiheiten entwickelten Grundsätze werden vom EuGH in der Regel auf alle Grundfreiheiten übertragen und gleichermaßen angewandt, er geht insofern von einer Kongruenz der Grundfreiheiten aus86. 82 Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages, ABl. EG, Nr. L 187 vom 8.7.1988, S. 5 ff. 83 Dieser wird daher meist als „allgemeines Diskriminierungsverbot“ bezeichnet. Brigola, Das System der EG-Grundfreiheiten, 2004, S. 179, und Plötscher, Der Begriff der Diskriminierung, 2003, S. 49, weisen jedoch zu Recht darauf hin, dass diese Bezeichnung dogmatisch unsauber ist, da Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) gerade nicht allgemein jede nur denkbare Diskriminierung verbietet, sondern sich auf das spezielle Diskriminierungskriterium der Staatsangehörigkeit beschränkt. Rasse, Geschlecht, Religionszugehörigkeit o. Ä. sind von diesem Diskriminierungsverbot hingegen nicht erfasst. Lediglich der Vergleich zu den noch spezielleren Grundfreiheiten rechtfertigt eine Bezeichnung als in diesem Verhältnis allgemeines Diskriminierungsverbot. 84 Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung, 2003, S. 208. 85 Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 156.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Das wird insbesondere aus der Annahme ersichtlich, dass alle Grundfreiheiten neben dem ausdrücklichen Diskriminierungsverbot auch ein Beschränkungsverbot enthalten, sowie aus der weitgehenden Kongruenz der Rechtfertigungsgründe, so dass unter anderem die zwingenden Erfordernisse des Allgemeinwohls aus der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung87 als zwingende Gründe des Allgemeininteresses auch auf die anderen Grundfreiheiten übertragen wurden88.
B. Bindung Privater an die Grundfreiheiten: Das Problem der unmittelbaren Drittwirkung Ursprünglich wurden die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften als eine gemeinsame Arbeitsgrundlage für die Mitgliedstaaten geschaffen, um die wirtschaftliche und politische Integration der europäischen Staaten voranzutreiben. Adressaten der vertraglichen Bestimmungen waren also in erster Linie zunächst einmal die vertragsschließenden sowie die durch Beitritt hinzugekommenen Mitgliedstaaten (vgl. Art. 49 EUV n. F.; ex-Art. 49 EU). Diese sind daher auch die Hauptverpflichteten der Grundfreiheiten. Auch die Organe der EU sind an die Grundfreiheiten gebunden89. Jedoch stellte sich schon früh heraus, dass die bloße Bindung der Mitgliedstaaten an die Grundfreiheiten nicht ausreichte, um die tatsächliche Durchsetzung des Binnenmarktes zu gewährleisten. Schon bald wurde klar, dass der durch die Grundfreiheiten beabsichtigte Schutz der Bürger so nur unzureichend durchgesetzt werden konnte. Im Sinne des vom Unionsrecht angestrebten effet utile hatte sich der EuGH im Rahmen seiner Auslegungskompetenz aus Art. 19 Abs. 1 EUV n. F. (zuvor Art. 220 EG) daher schon in den 70er Jahren mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und inwiefern auch Private zum Adressatenkreis der Grundfreiheiten gehören können und 86
Siehe Classen, EWS 1995, S. 97 ff. Feiden, Die Bedeutung der „Keck“-Rechtsprechung, 2003, S. 249, hält das angesichts der gleichen Funktion der Grundfreiheiten im Hinblick auf die Öffnung der Märkte, sowie deren gemeinsame Nennung in einem Atemzug z. B. in Art. 3 Abs. 1 lit. a EG, für wenig überraschend. 87 EuGH, Rs. 120/78 – Cassis de Dijon, Slg. 1979, S. 649 ff., Rn. 8. 88 Hinzuweisen ist diesbezüglich insbesondere auf EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37; in Bestätigung von EuGH, Rs. C-19/92 – Kraus, Slg. 1993, S. I-1663 ff., Rn. 32, in welchen Entscheidungen der EuGH allgemein von den „durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten“ spricht und dafür einheitliche Kriterien aufstellt. 89 Vgl. dazu EuGH, Rs. 15/83 – Denkavit Nederland, Slg. 1984, S. 2171 ff., Rn. 15; EuGH, Rs. C-51/93 – Meyhui ./. Schott Zwiesel, Slg. 1994, S. I-3879 ff., Rn. 11.
B. Bindung Privater an die Grundfreiheiten
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somit direkt (unmittelbar) an die darin enthaltenen Gebote und Verbote gebunden sind. Geprägt durch die Grundrechtsdogmatik des deutschen Verfassungsrechts läuft diese Diskussion hierzulande meist unter dem Stichwort „unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten“90. Es sind aber auch Bezeichnungen wie „Privatwirkung der Grundfreiheiten“91, „Bindung Privater an die Grundfreiheiten“92, „horizontale Direktwirkung“93, „horizontale Anwendbarkeit“94, „horizontale unmittelbare Wirkung des Primärrechts“95 u. a. geläufig. An der Sache ändert sich durch die unterschiedlichen Bezeichnungen nichts, vielmehr geht es immer um die Frage, ob und inwiefern nichtstaatliche Handlungseinheiten oder Individuen an die unionsrechtlichen Grundfreiheiten und die darin enthaltenen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote gebunden sind. Da der Begriff der unmittelbaren Drittwirkung im deutschsprachigen Raum der geläufigste ist, soll er trotz aller terminologischen Kritik auch in dieser Arbeit verwendet werden. 90 Der Begriff der Drittwirkung wird im deutschen Verfassungsrecht für das Phänomen der Einwirkung von Grundrechten auf die Rechtsbeziehungen zwischen privaten Individuen verwendet. Es handelt sich also um nicht in jeder Hinsicht vergleichbare Problemkonstellationen, da es bei der unmittelbaren Drittwirkung um eine direkte Verpflichtung Privater durch die Grundfreiheiten geht und nicht um eine nur indirekte Einwirkung derselben auf ihre Rechtsbeziehungen. Die deutsche Grundrechtsdogmatik geht hingegen von einer solchen lediglich mittelbaren Drittwirkung aus, so dass an der Übertragung der Begrifflichkeit durchaus auch Kritik geäußert wurde, vgl. dazu den Überblick bei Hintersteininger, Binnenmarkt und Diskriminierungsverbot, 1999, S. 115 f., Fn. 377. Die Terminologie „unmittelbare Drittwirkung“ und „mittelbare Drittwirkung“ sollte die Unterschiede zwischen beiden Konzepten jedoch hinreichend deutlich machen. 91 So z. B. Wernicke, Die Privatwirkung im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 2002, S. 25, der aber über den Begriff der unmittelbaren Drittwirkung hinausgeht, da auch die organisationsrechtliche Zurechnung privater Vereinigungen an den Staat mitumfasst wird; sowie Kingreen, in: v. Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, 2008, S. 631 (676 ff.). 92 Z. B. Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003, die darauf hinweist, dass damit im Gegensatz zur horizontalen oder Drittwirkung nicht die Anwendbarkeit von Grundfreiheiten auf Rechtsbeziehungen zwischen Privaten gemeint sein soll, sondern lediglich die Verpflichtung von Privaten durch die Grundfreiheiten (S. 18); sowie Preedy, Die Bindung Privater an die Europäischen Grundfreiheiten, 2005, die kritisiert, dass von Drittwirkung ja dann gerade keine Rede sein könne, wenn Private als Normadressaten, und damit gerade nicht als Dritte, angesehen würden (S. 20). 93 Nicolaysen, EuR 1984, S. 380 (386); Streinz/Herrmann, JuS 2008, S. 903 (907). 94 Hakenberg, ZEuP 2001, S. 888 (891). 95 Schaefer, Die unmittelbare Wirkung des Verbots der nichttarifären Handelshemmnisse, 1987, S. 4 ff., 25 f., 48 ff., und passim.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Unter Privaten werden dabei alle natürlichen, juristischen oder zumindest teilrechtsfähigen Rechtssubjekte, die nicht einem Mitgliedstaat zugerechnet werden, verstanden96, nicht jedoch solche „Private“, derer sich ein Mitgliedstaat zur Erfüllung seiner hoheitlichen Aufgaben bedient, da insofern eine Zurechnung direkt an den Staat erfolgen kann, ohne dass es der Konstruktion einer unmittelbaren Drittwirkung bedarf: Die Handlungen solcher Privatpersonen, die ein Mitgliedstaat im Rahmen der ihm zustehenden Organisationsgewalt zur Erfüllung staatlicher Aufgaben einsetzt, sind ihm ohnehin als staatliches Verhalten zuzurechnen, da ansonsten eine „Flucht ins Privatrecht“ drohen würde, durch die sich die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen aus dem Unionsrecht entziehen könnten97. Zunächst soll untersucht werden, welche Interpretation(en) die Bestimmungen der EU-Verträge überhaupt zulassen, um dann auf die vom EuGH entwickelte Rechtsprechung zum Thema einzugehen, welcher insbesondere im Bereich des Sports große Bedeutung zukommt.
I. Grundlagen in den EU-Verträgen Eine ausdrückliche Regelung bezüglich der Adressaten ist im Wortlaut der Grundfreiheiten nicht getroffen worden, die Tatbestände sind vielmehr (adressaten-)offen formuliert. Es gilt also durch Auslegung zu ermitteln, ob eine solche Bindung von Privaten an die primärrechtlichen Grundfreiheiten mit den Verträgen überhaupt vereinbar wäre, bevor die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH untersucht wird. Dabei ist zu beachten, dass Private, welche dem Staat organisationsrechtlich zuzurechnen sind, ohne Weiteres Adressaten der Grundfreiheiten sind, auch für den Fall, dass diese sich unmittelbar nur an die Mitgliedstaaten richten sollten (s. o.). Gegenstand der folgenden Untersuchung ist daher nur, ob und in welchen Konstellationen eine autonome Bindung Privater, deren Handeln keinem staatlichen Hoheitsträger zugerechnet werden kann, erfolgen kann.
96 So auch Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 29. Auch Manthey, Bindung und Schutz öffentlicher Unternehmen durch die Grundfreiheiten des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 2001, S. 69, 72 ff., weist darauf hin, dass die unmittelbare Bindung öffentlicher Untenehmen schon aus einem funktionalen Verständnis des Begriffes „Mitgliedstaat“ in diesen Vorschriften erfolgt und es daher hier keiner Konstruktion einer Drittwirkungskonstellation bedarf. 97 Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 362.
B. Bindung Privater an die Grundfreiheiten
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1. Auslegung des Wortlauts der Grundfreiheiten Ausgangspunkt jeder Auslegung ist immer der Wortlaut der auszulegenden Vorschrift(en). Da alle Grundfreiheiten Konkretisierungen des Diskriminierungsverbotes aufgrund der Staatsangehörigkeit aus Art. 18 AEUV darstellen, soll auch dieser im Folgenden in die Untersuchung mit einbezogen werden. Art. 18 UAbs. 1 AEUV lautet: „Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich98 jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.“
„Besondere Bestimmungen“ im Sinne dieser Vorschrift sind insbesondere die Grundfreiheiten, welche das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV jeweils bereichsspezifisch konkretisieren. Art. 34 AEUV lautet: „Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten99 verboten.“
Art. 35 AEUV ist in Bezug auf Ausfuhrbeschränkungen identisch formuliert. In Art. 45 Abs. 2 AEUV wird die Arbeitnehmerfreizügigkeit folgendermaßen definiert: „Sie umfasst die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten100 in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.“
In Art. 49 AEUV heißt es zur Niederlassungsfreiheit: „Die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats101 im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats102 sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.“
Und Art. 56 AEUV bestimmt zur Dienstleistungsfreiheit: „Die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten103, die in einem anderen Mitgliedstaat104 als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verboten.“ 98
Hervorhebung durch Verf. Hervorhebung durch Verf. 100 Hervorhebung durch Verf. 101 Hervorhebung durch Verf. 102 Hervorhebung durch Verf. 103 Hervorhebung durch Verf. 104 Hervorhebung durch Verf. 99
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Auch Art. 63 AEUV regelt für die Kapitalverkehrsfreiheit (bzw. in Abs. 2 für die Zahlungsverkehrsfreiheit): „Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten105 sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.“
Vom Wortlaut her nehmen also zwar alle Grundfreiheiten – mit Ausnahme des noch allgemeiner formulierten Art. 18 UAbs. 1 AEUV – auf die Mitgliedstaaten Bezug. Jedoch werden diese dort nicht ausdrücklich in Form von Adressaten der Verbote angeführt, sondern der Mitgliedstaatsbezug dient in erster Linie dazu, den territorialen Anwendungsbereich der Grundfreiheiten einzugrenzen. Dafür spricht auch der Vergleich zum insofern genauer formulierten Art. 18 UAbs. 1 AEUV. Außerdem unterstreichen die Formulierungen in Bezug auf die Mitgliedstaaten das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezugs von in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fallenden Sachverhalten. Lediglich Art. 34, 35 und 63 AEUV, die ein Beschränkungsverbot „zwischen“ den Mitgliedstaaten aussprechen, ließen sich u. U. noch als Adressierung verstehen, erfordern eine solche Auslegung aber nicht zwingend. Im Ergebnis ist der Wortlaut der Art. 34, 35 und 63 AEUV daher genauso offen für die Einbeziehung Privater in den Pflichtadressatenkreis wie derjenige der anderen Grundfreiheiten oder von Art. 18 AEUV. Der Wortlaut der Grundfreiheiten ließe eine unmittelbare Drittwirkung somit zwar zu, kann eine solche jedoch nicht begründen106. 2. Systematik Möglicherweise könnten sich aber aus der Stellung der Grundfreiheiten im Vertragsgefüge und ihrer Einordnung in die Gesamtsystematik des Unionsrechts Argumente für oder gegen eine unmittelbare Drittwirkung ergeben. Ein Blick auf andere Vertragsnormen zeigt nämlich, dass es den Verträgen nicht uneigen ist, ihre Adressaten zu benennen, so dass sich daraus Schlüsse in Bezug auf die Grundfreiheiten ergeben könnten. a) Eigenschaft der Gründungsverträge als völkerrechtliche Verträge Die EG-Verträge, der EU-Vertrag und der Vertrag von Lissabon wurden als völkerrechtliche Verträge zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten ge105
Hervorhebung durch Verf. So auch Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers, 2003, S. 64; mit Verweis auf Roth, FS Everling, Bd. II, 1995, S. 1231 (1241). 106
B. Bindung Privater an die Grundfreiheiten
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schlossen. Grundsätzlich entfalten Verträge nur Bindungswirkung zwischen den jeweiligen Vertragsparteien, hier also zwischen den vertragschließenden Mitgliedstaaten. Dritten können in der Regel durch Verträge, an denen sie nicht beteiligt sind, keine Pflichten auferlegt werden (relativer Charakter des Vertrages). Aufgrund dieser völkerrechtlichen Natur der EU-Verträge spricht also eine gewisse Vermutung dafür, dass zumindest solche Normen, die ihre Adressaten nicht ausdrücklich bezeichnen, grundsätzlich (nur) die Vertragsparteien, also die Mitgliedstaaten, verpflichten sollen107. Andererseits handelt es sich beim Unionsrecht nicht um „gewöhnliches“ Völkerrecht, wie schon früh vom EuGH festgestellt wurde108, sondern es wurde im Rahmen der Europäischen Integration ein neues, durch Supranationalität gekennzeichnetes Rechtssystem geschaffen. Dieses entfaltet nicht nur zwischen den Vertragsparteien direkte Wirkung, sondern gilt auch innerhalb der Mitgliedstaaten teilweise unmittelbar, z. B. durch Verordnungen gem. Art. 288 UAbs. 2 AEUV (ex-Art. 249 Abs. 2 EG) oder auch im Rahmen des allgemein angenommenen109 Anwendungsvorrangs des Unionsrechts. Das Unionsrecht verleiht also auch dem einzelnen Bürger Rechte, so dass es nicht von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass dem Bürger dementsprechend durch das Unionsrecht auch Pflichten auferlegt werden können. Aus dem Primärrecht stammende Pflichten für Private wären dem Unionsrecht also zumindest nicht wesensfremd110. 107 So u. a. Graber, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2002, S. 74. So pauschal gilt diese Feststellung jedoch nicht in jedem Mitgliedstaat, da in manchen Rechtsordnungen völkerrechtliche Verträge auch ohne Umsetzung in nationales Recht Geltung beanspruchen (so genannte monistische Theorie, im Gegensatz zur dualistischen Theorie, die von zwei getrennten Rechtsordnungen ausgeht, und für die Geltung völkerrechtlicher Verträge im nationalen Recht eine Umsetzung derselben in nationales Recht verlangt). 108 EuGH, Rs. 26/62 – Van Gend en Loos, Slg. 1963, S. 3 (25); EuGH Rs. 6/64 – Costa ./. ENEL, Slg. 1964, S. 1251 (1269). 109 EuGH Rs. 6/64 – Costa ./. ENEL, Slg. 1964, S. 1251 ff., Rn. 8; EuGH, verb. Rs. C-10/97 u. a. – IN.CO.GE u. a., Slg. 1998, S. I-6307 ff., Rn. 21. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts ist mittlerweile auch in der Literatur prinzipiell anerkannt, lediglich über die Begründung herrscht noch Uneinigkeit, vgl. dazu Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 201 ff.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 249 EGV, Rn. 22 ff.; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Stand 2009, § 4 AO, Rn. 255. Vgl. außerdem die Erklärung Nr. 17 zum Vertrag von Lissabon, die besagt, „dass die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben.“ 110 Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003, S. 35.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Die Qualifizierung der EU-Verträge als völkerrechtliche Verträge hilft bei der Frage nach den Adressaten der Grundfreiheiten also nur bedingt weiter, da die allgemeinen Grundsätze des Völkervertragsrechts auf die supranationale Unionsrechtsordnung nicht ohne Weiteres übertragen werden können. b) Formulierung der Vorschriften im Umfeld der Grundfreiheiten Möglicherweise können aber die Vertragsvorschriften im Umfeld der Grundfreiheiten für die Interpretation derselben aufschlussreich sein. Die Grundfreiheiten wurden als das zentrale Instrument der Verwirklichung des Binnenmarktes konzipiert und richteten sich daher zunächst in erster Linie an die Mitgliedstaaten, deren Aufgabe dessen Errichtung war. Das wird auch aus zahlreichen Spezialvorschriften im Umfeld der Grundfreiheiten deutlich. So sind etwa Art. 37 AEUV über die Umformung der staatlichen Handelsmonopole, Art. 47 AEUV über den Austausch junger Arbeitskräfte, Art. 60 f. AEUV über die weitergehende Liberalisierung der Dienstleistungen mit Übergangsregelungen, oder Art. 65 Abs. 1 AEUV über das Recht der Mitgliedstaaten, unter bestimmten Voraussetzungen den Kapitalverkehr beschränkende Maßnahmen zu treffen, allesamt staatengerichtet. Es ist aber fraglich, ob aus diesem eher staatengerichteten Umfeld ein Rückschluss auf den Adressatenkreis der Grundfreiheiten gezogen werden darf111, oder ob es sich dabei nicht vielmehr um zusätzliche, neben den Grundfreiheiten, an die Mitgliedstaaten gerichtete Handlungsaufträge handelt, so dass diese die Grundfreiheiten nicht nur beachten, sondern außerdem deren Verwirklichung in bestimmten Bereichen auch noch fördern sollen. Letztendlich beziehen sich diese Handlungsaufträge in erster Linie auf Maßnahmen zur Herstellung und Förderung des Binnenmarktes, welche ohne Zweifel Aufgabe der Mitgliedstaaten sind. Vor der (immer noch nur teilweise erreichten) „Vollendung“ des Binnenmarktes gab es noch mehr solcher Begleitvorschriften mit Handlungsaufträgen an die Mitgliedstaaten, die Errichtung des Binnenmarktes voranzutreiben. Viele davon sind nach und nach gegenstandslos geworden und weggefallen. Während die Errichtung des Binnenmarktes zweifelsohne in erster Linie Aufgabe der Mitgliedstaaten war, spricht nichts dagegen, dessen Aufrechterhaltung als Aufgabe aller, also auch Privater, anzusehen, zumal für diese Phase auch speziellere, staatengerichtete oder anders adressierte, Handlungsaufträge fehlen. Die vielfache Beschränkung auf „die Mitgliedstaaten“ in diesen Begleitvorschriften, welche in den Grundfreiheiten selbst gerade unterlassen 111
S. 66.
Ebenso zweifelnd Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers, 2003,
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wurde, kann sogar als Gegenargument verwandt werden in dem Sinne, dass sich Handlungsaufträge, die ausdrücklich keinen Adressaten nennen, offenbar an alle Handlungsträger richten sollen. Denn dass die Adressierung in einem so wichtigen Bereich wie dem der Grundfreiheiten vom Unionsgesetzgeber bloß versehentlich unterlassen wurde, scheint sehr unwahrscheinlich. So lässt sich das Argument, die Staatengerichtetheit einiger Begleitnormen der Grundfreiheiten spreche auch für die Staatengerichtetheit der Grundfreiheiten selbst, also auch in das Gegenteil verkehren, dass nämlich die Grundfreiheiten als Generalnormen an alle gerichtet sind und nur die ausdrücklich adressierten Spezialnormen lediglich für ihre Adressaten, in Bezug auf die vorliegend betrachteten Normen also die Mitgliedstaaten, Bindungswirkung entfalten. Da aber die Grundfreiheiten dem Wortlaut nach gerade keine Adressierung aussprechen, kann eine solche auch nicht in sie hineingelesen werden. Das verbietet sich schon aus dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali.
c) Anwendbarkeit der Rechtfertigungsgründe Die Gewährleistungen der Grundfreiheiten sind nicht unbeschränkbar. Schon der Vertragstext sieht gewisse Rechtfertigungsmöglichkeiten in Form von geschriebenen Rechtfertigungsgründen für Beeinträchtigungen des grundfreiheitlich gewährten Schutzes vor. Nach Art. 36 Satz 1 AEUV stehen die Bestimmungen der Art. 34 und 35 AEUV solchen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, „die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind.“
Solche Maßnahmen dürfen jedoch gem. Art. 36 Satz 2 AEUV weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. Auch Art. 45 Abs. 3 AEUV gewährleistet die Rechte der Arbeitnehmer aus der Arbeitnehmerfreizügigkeit nur „vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen.“
Ebenso regelt Art. 52 Abs. 1 AEUV, der über Art. 62 AEUV neben der Niederlassungs- auch für die Dienstleistungsfreiheit gilt, dass die Art. 49 ff. AEUV und Art. 56 ff. AEUV und die aufgrund dieser Vorschriften getroffe-
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
nen Maßnahmen nicht die Anwendbarkeit der Rechts- und Verwaltungsvorschriften beeinträchtigen, „die eine Sonderregelung für Ausländer vorsehen und aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind.“
Diese ausdrücklich nur für diskriminierende Maßnahmen („Sonderregelung für Ausländer“) geltenden Rechtfertigungsgründe müssen dann auch für lediglich beschränkend wirkende Maßnahmen gelten: Wenn durch Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit schon Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit gerechtfertigt werden können, gilt das für diskriminierungsfreie Beschränkungen natürlich ebenso, sogar „erst recht“. Art. 65 AEUV sieht für die Kapitalverkehrsfreiheit eine ganze Reihe von zulässigen Beschränkungsmaßnahmen (durch die Mitgliedstaaten) vor, die insbesondere in Art. 65 Abs. 1 lit. b AEUV das Recht der Mitgliedstaaten unberührt lassen, „die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts und der Aufsicht über Finanzinstitute, zu verhindern, sowie Meldeverfahren für den Kapitalverkehr zwecks administrativer oder statistischer Information vorzusehen oder Maßnahmen zu ergreifen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gerechtfertigt sind.“
Auch hier gilt gemäß Art. 65 Abs. 3 AEUV jedoch die Einschränkung, dass solche Maßnahmen und Verfahren weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapitalund Zahlungsverkehrs darstellen dürfen. Allen Grundfreiheiten gemeinsam ist also, dass Beeinträchtigungen derselben „aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ gerechtfertigt werden können. Fraglich ist jedoch, inwiefern die Rechtfertigungsgründe für die Beeinträchtigung von Grundfreiheiten auch geeignet sind, privates Handeln zu erfassen, da vor allem solche Allgemeinwohlinteressen wie die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (so genannter ordre-public-Vorbehalt in Art. 36 Satz 1 AEUV, Art. 45 Abs. 3 AEUV, Art. 52 Abs. 1 AEUV, Art. 62 i. V. m. Art. 52 Abs. 1 AEUV und Art. 65 Abs. 1 lit. b AEUV) klassischerweise eher staatliche Aufgaben sind112. Im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit nimmt Art. 65 Abs. 1 AEUV sogar nur auf das Recht der 112 Aus diesem Grund lehnt Roth, FS Everling, Bd. II, 1995, S. 1231 (1242), eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten wegen des Unterschieds zu der allgemeineren und „offeneren“ Form des Diskriminierungsverbotes aus Art. 12 EG auch ab.
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Mitgliedstaaten Bezug, aus diesen Gründen Maßnahmen zu ergreifen. Auch im Übrigen ist im Rahmen der Rechtfertigungsgründe für wirtschaftliche Erwägungen, von denen sich Private typischerweise leiten lassen, kein Raum, sondern diese sind auf nichtwirtschaftliche öffentliche Rechtsgüter begrenzt113. Insgesamt ist aber zu beachten, dass die geschriebenen ordre-public-Vorbehalte dem weitestmöglichen Schutz der Grundfreiheitsberechtigten dienen sollen. Daher wäre es geradezu widersinnig, diese nun als Argument gegen eine Drittwirkung der Grundfreiheiten heranzuziehen114, da so der Schutz der Grundfreiheitsträger ja gerade wieder verkürzt würde. Außerdem ist es zumindest nicht ausgeschlossen, dass auch privates Handeln unter Umständen durch diese Motive gelenkt wird (z. B. von Umweltverbänden im Hinblick auf den Umweltschutz i. S.d Art. 36 Satz 1 AEUV o. Ä.). Der Wortlaut steht einer Anwendung der Rechtfertigungsgründe auch auf Private zumindest nicht entgegen. In der Praxis werden sich Allgemeinwohl- und Individualinteressen hingegen wohl nur in Ausnahmefällen decken, es kommt daher jeweils auf eine Einzelfallbetrachtung an. Vor allem gilt es aber zu beachten, dass es nicht nur die geschriebenen Rechtfertigungsgründe gibt, sondern dass vom EuGH im Rahmen der Cassis-de-Dijon-Rechtsprechung auch ungeschriebene Rechtfertigungsgründe in Form der zwingenden Erfordernisse des Allgemeinwohls geschaffen und durch die Gebhard-Entscheidung als zwingende Gründe des Allgemeininteresses weiterentwickelt wurden. Diese zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, aufgrund derer nicht ausdrücklich aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminierende Beschränkungen gerechtfertigt werden können, wenn sie verhältnismäßig sind, setzen nicht ausschließlich einen staatlichen Ursprung der Maßnahme voraus. Dass auch private Marktteilnehmer Interessen des Allgemeinwohls verfolgen können, erscheint jedenfalls nicht von vornherein als ausgeschlossen, so dass auch hier gilt, dass die Rechtfertigungsmöglichkeiten Privater praktisch zwar vielleicht begrenzt, theoretisch aber jedenfalls vorhanden sind115. 113 So Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 127 ff., der die Analyse der vertraglich vorgesehenen Ausnahmetatbestände daher auch als Beleg dafür ansieht, dass die Grundfreiheiten ausschließlich staatengerichtet sind. Auch Mojcesowicz, Möglichkeiten und Grenzen einer einheitlichen Dogmatik der Grundfreiheiten, 2001, S. 145, sieht die Rechtfertigungsgründe als Indiz dafür an, dass Privatpersonen nicht als Verpflichtete der Grundfreiheiten gemeint sein können. 114 Vgl. auch Groß, in: Vieweg, Perspektiven des Sportrechts, 2005, S. 37 (44 f.). 115 So auch Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2007, S. 61 f.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Insbesondere kommen auch die unionsrechtlichen Grundrechte als – möglicherweise auch im Rahmen der zwingenden Allgemeinwohlgründe zu beachtende – immanente Schranken der Grundfreiheiten in Betracht116, welche als Rechtfertigungsgründe geradezu auf Private zugeschnitten wären, da die Mitgliedstaaten selbst überhaupt nicht grundrechtsberechtigt sind. Die Grundrechte sind, wie sie in der Charta der Grundrechte vom 7. Dezember 2000 in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg angepassten Fassung117 niedergelegt sind, für die Union gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV n. F. rechtlich bindend; die Grundrechte-Charta 2007 ist dem EUV n. F. und dem AEUV rechtlich gleichrangig. Zudem sind die sich aus der EMRK118 und den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergebenden Grundrechte gemäß Art. 6 Abs. 3 EUV n. F. als allgemeine Rechtsgrundsätze der Union zu wahren und somit ebenso Teil des Unionsrechts. Ein Ausgleich zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten im Sinne praktischer Konkordanz auf Rechtfertigungsebene läge daher im Interesse des von der Union verfolgten Grundrechtsschutzes und somit im weitesten Sinne auch im Allgemeininteresse. Eine die Grundfreiheiten beeinträchtigende Maßnahme (von privater Seite) müsste dann natürlich geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Grundrechtsschutz zu erreichen, und nicht über das notwendige Maß hinausgehen. Aber auch wenn man die Anwendbarkeit der Rechtfertigungsgründe auf Maßnahmen privaten Ursprungs insgesamt verneinen würde, könnte daraus nicht automatisch auf einen Ausschluss der unmittelbaren Drittwirkung geschlossen werden. Es wäre ja geradezu widersinnig, bei fehlender Rechtfertigung(smöglichkeit) einer Beschränkung oder Diskriminierung auch zugleich die Möglichkeit, überhaupt gegen die Grundfreiheiten zu verstoßen, auszuschließen. Das wäre aber das Ergebnis, auf das die so begründete Ablehnung einer Bindungswirkung der Grundfreiheiten für Private hinauslaufen würde. d) Abgrenzung zu den Wettbewerbsvorschriften Ein weiteres Argument, das gegen die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten angeführt wird, ist die Abgrenzung zu den Wettbewerbsvorschriften der Art. 101 und 102 AEUV (ex-Art. 81 und 82 EG), die ansons116 Vgl. dazu etwa die EuGH-Entscheidungen EuGH, Rs. C-112/00 – Schmidberger, Slg. 2003, S. 5659 ff., Rn. 74; EuGH, Rs. C-36/02, Slg. 2004, S. I-9609 ff., Rn. 35; EuGH, Rs. C-438/05 – Viking, Slg. 2007, S. I-10779 ff., Rn. 45; EuGH, Rs. C-341/05 – Laval, Slg. 2007, S. I-11767 ff., Rn. 93. 117 ABl. EU 2007, Nr. C 303, S. 1 ff. 118 Europäische Menschenrechtskonvention bzw. Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, in Kraft seit 3. September 1953.
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ten unterlaufen zu werden drohten119. Für diese ist jedenfalls unbestritten, dass sie aufgrund ihrer ausdrücklichen Unternehmengerichtetheit unmittelbar privatautonomes Handeln betreffen120. Daraus ergibt sich jedoch nicht im Umkehrschluss, dass die übrigen Vorschriften des Vertrages, und damit auch die Grundfreiheiten, deshalb nicht auch privatautonomes Handeln betreffen können und sollen. Die ausdrückliche Unternehmengerichtetheit der Wettbewerbsvorschriften schließt eine Auch-Unternehmengerichtetheit anderer Vorschriften, wie etwa der Grundfreiheiten, nicht automatisch aus. So kommt es zwar zu weitgehenden Überschneidungen von Unternehmen und Privaten, eine vollkommene Kongruenz liegt hingegen nicht vor121, zum Beispiel in der Hinsicht, dass Private im Rahmen der Grundfreiheiten nicht unbedingt Unternehmer sein müssen. Es kann also zwar sein, dass sowohl Grundfreiheiten als auch Wettbewerbsvorschriften die gleiche Situation regeln, in vielen Fällen ist aber auch nur einer der beiden Regelungskomplexe einschlägig, so dass nicht von vornherein von einer Ausschließlichkeit der Wettbewerbsregelungen gegenüber den Grundfreiheiten ausgegangen werden kann, sondern eine Lösung etwa auf Konkurrenzebene gefunden werden muss. Zudem kann aus dem ausdrücklich eingeschränkten Adressatenkreis der Wettbewerbsvorschriften auch im Umkehrschluss geschlossen werden, dass die Bindungswirkung der Grundfreiheiten als nicht eingeschränkt anzusehen ist122. Wettbewerbsfreiheit und Grundfreiheiten ergänzen sich im Hinblick auf ihr Ziel, die Förderung des Binnenmarktes123, dergestalt, dass die Art. 101 ff. AEUV den Wettbewerb Privater sichern, für welchen die Grundfreiheiten erst den notwendigen relativ offenen staatlichen Rahmen schaffen müssen124: Das vorrangige Schutzgut der Grundfreiheiten ist nicht 119 Vgl. Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2007, S. 83; Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers, 2003, S. 69 ff. Auch Roth, FS Everling, Bd. II, 1995, S. 1231 (1242), sieht in den Wettbewerbsvorschriften „ein vom System der Grundfreiheiten abweichendes Regelungsmuster für privates Verhalten, das es ausschließt die Grundfreiheiten unbesehen auf privates Verhalten anzuwenden“. 120 Steindorff, FS Lerche 1993, S. 575 (575). 121 So auch Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 72 f.; sowie Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers, 2007, S. 70 f., der sich außerdem darauf beruft, dass sich ansonsten ein Widerspruch zur weitgehend anerkannten EuGH-Rechtsprechung ergeben würde. Ein solches Argument ist aber in diesem Fall nicht stichhaltig, da die Vertragsgrundlagen erst auf die Voraussetzungen für die Möglichkeit einer solchen Rechtsprechung untersucht werden sollen. 122 Dafür Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 297. 123 Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 144, spricht von zwei Seiten einer Medaille: Die Wettbewerbsvorschriften sind vom Verpflichteten, die Grundfreiheiten vom Begünstigten her formuliert.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
der Wettbewerb, sondern die grenzüberschreitende Handlungsmöglichkeit des Einzelnen und erst innerhalb des so geschaffenen und gesicherten Binnenmarktes ist dann ein Schutz vor Wettbewerbsverzerrungen geboten125. Der Zweck der Wettbewerbsvorschriften liegt darin, die Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf Art. 26 Abs. 2 AEUV möglichst umfassend vor Beeinträchtigungen ihrer individuellen Wettbewerbsfreiheit durch private Marktmacht zu schützen. In dieser Zielsetzung kann daher sogar ein Grund für die Ausweitung des Adressatenkreises der Grundfreiheiten auf solche marktmächtigen Privaten gesehen werden, um so die Verwirklichung der umfassenden Schutzfunktion des Wettbewerbsrechts zu gewährleisten126. Beachtenswert ist zudem insbesondere die Vorschrift des Art. 106 AEUV (ex-Art. 86 EG) über öffentliche und monopolartige Unternehmen. Gemäß Art. 106 Abs. 1 AEUV haben die Mitgliedstaaten für die Beachtung des Unionsrechts, und insbesondere des Diskriminierungsverbots des Art. 18 AEUV, durch öffentliche sowie durch privilegierte private Unternehmen i. S. d. Art. 106 Abs. 1 AEUV Sorge zu tragen. Es wird also eine Art mittelbarer Drittwirkung des Unionsrechts und damit auch der darin enthaltenen Grundfreiheiten angeordnet. Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV ordnet darüber hinaus an, dass auch private Marktteilnehmer den Grundfreiheiten unterliegen können127, wenn sie mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind. Nach Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV gelten für diese nämlich ausdrücklich „die Vorschriften der Verträge“, also grundsätzlich alle Vorschriften (einschließlich der Grundfreiheiten), und nur „insbesondere die Wettbewerbsregeln“. Damit sind die wettbewerbsrechtlichen Normen also keine Spezialnormen, in dem Sinne, dass sie für Unternehmen die Anwendung der Grundfreiheiten ausschließen könnten128. Es ist zudem nicht ungewöhnlich, dass eine Maßnahme an mehreren Vorschriften gemessen wird, da in der Regel nie alle nebeneinander anwendbaren Vorschriften denselben Schutzzweck haben bzw. dieselben Ziele verfolgen werden129. 124
Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 18. Vgl. Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 79. 126 So Groß, Eine unendliche Geschichte, 2004, S. 375 ff. 127 Roloff, Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG, 2003, S. 219, sieht diese Vorschrift hingegen als Argument gegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten an, da danach eben nur die in Art. 86 Abs. 2 EG genannten Privaten an die Vorschriften dieses Vertrags gebunden sein sollen. 128 Steindorff, FS Lerche 1993, S. 575 (589). 129 Preedy, Die Bindung Privater an die Europäischen Grundfreiheiten, 2005, S. 106; Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003, S. 400 f. 125
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Die Wettbewerbsvorschriften schließen die Möglichkeit einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten also nicht unbedingt aus, sondern stehen einer solchen vielmehr ergänzend zur Seite. e) Kongruenz zu Art. 18 AEUV Der als „allgemeines Diskriminierungsverbot“ bezeichnete Art. 18 AEUV (ex-Art. 12 EG), der im Anwendungsbereich des Vertrages jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet, kann als „Leitmotiv“ des Binnenmarkts und als Programmnorm der Integration angesehen werden130. Daher wird angeführt, dass eine Differenzierung zwischen den besonderen Diskriminierungsverboten der Grundfreiheiten und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit des Art. 18 AEUV unangebracht sei, da diese lediglich Ausprägungen eines weit verstandenen Diskriminierungsverbotes seien131. Die Grundfreiheiten sind lediglich als „besondere Bestimmungen“ i. S. d. Art. 18 UAbs. 1 AEUV anzusehen132. Daraus auf eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten zu schließen, setzt jedoch voraus, dass Art. 18 AEUV unstreitig unmittelbare Drittwirkung zukommt. In einer Untersuchung über die Möglichkeit unmittelbarer Drittwirkung der Grundfreiheiten kann dies aber nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden, sondern käme einem Zirkelschluss gleich, da für oder gegen eine unmittelbare Drittwirkung des Art. 18 AEUV die gleichen oder zumindest ähnliche Argumente angebracht werden können wie für oder gegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten. Der Wortlaut des Art. 18 AEUV ist jedenfalls für eine Anwendung auf privates Verhalten und dessen etwaige Rechtfertigung mindestens genauso offen wie derjenige der Grundfreiheiten, insbesondere da er nicht ausdrücklich auf die Mitgliedstaaten Bezug nimmt, sondern allgemein Diskriminierungen im Anwendungsbereich der Verträge verbietet. Weitere Anhaltspunkte im Hinblick auf eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten können ihm jedoch nicht entnommen werden.
130 Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 193. 131 Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 99. 132 Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 73.
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f) Kongruenz zu Art. 157 AEUV Auch Art. 157 Abs. 1 AEUV (ex-Art. 141 Abs. 1 EG) beinhaltet ein Diskriminierungsverbot: „Jeder Mitgliedstaat stellt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicher.“
Trotz der ausdrücklich an die Mitgliedstaaten gerichteten Formulierung wird Art. 157 AEUV als drittwirkende Vorschrift angesehen, da der Grundsatz der gleichen Bezahlung letztendlich in erster Linie von privaten Arbeitgebern umgesetzt werden kann, ebenso natürlich auch von den (öffentlichen) Arbeitgebern im öffentlichen Dienst. Die Mitgliedstaaten sollen die gleiche Bezahlung also nicht selbst leisten, sondern sicherstellen, dass Arbeitgeber in ihrem Hoheitsgebiet sich daran halten. Seit der zweiten Defrenne-Entscheidung133 wird daher von der Rechtsprechung sowie einem überwiegenden Teil der Literatur eine unmittelbare Drittwirkung ausdrücklich befürwortet; sie ist aber dennoch nicht unumstritten. Der EuGH betont ausdrücklich, dass sich die Annahme einer Privatverpflichtung durch Art. 157 AEUV aus der Ergebnisverpflichtung dieser Norm ergibt. Letztendlich handelt es sich bei dem Gleichbehandlungsgebot lediglich um einen Gesetzesauftrag, der nicht ohne Weiteres mit einem Grundrecht mit Drittwirkung gleichzusetzen ist134. Eine unkritische Übertragung auf die Grundfreiheiten im Sinne der Bestätigung einer unmittelbaren Drittwirkung derselben erscheint daher zumindest zweifelhaft135, zumal auch inhaltliche Unterschiede bestehen: Im Gegensatz zu den rein wirtschaftlich ausgerichteten und auf die Vollendung des Binnenmarktes abzielenden Grundfreiheiten, enthält Art. 157 AEUV auch eine offensichtliche soziale Komponente136. Aufgrund der Verschiedenheit beider Normkomplexe und der zweifelhaften dogmatischen Begründung der unmittelbaren Drittwirkung des Art. 157 AEUV können aus diesem Vergleich daher keine Schlüsse für eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten gezogen werden.
133
EuGH, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, S. 455 ff., Rn. 38 f. Roth, FS Everling, Bd. II, 1995, S. 1231 (1240), spricht daher auch von einer über den Art. 141 EG hinausgehenden Rechtsschöpfung des Gerichtshofes, die lediglich mit dessen Ungeduld gegenüber sich vertragswidrig verhaltenden Gemeinschaftsorganen zu erklären sei. 135 Anders Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 98, der angesichts der noch grundlegenderen Bedeutung der Grundfreiheiten im Vergleich zur Lohngleichheit einen Erst-Recht-Schluss für deren unmittelbare Drittwirkung aus Art. 141 EG zieht. 136 Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 339. 134
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g) Weitere systematische Argumente Fraglich könnte jedoch sein, ob überhaupt Bedarf für eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten besteht, da gemäß Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV n. F. (zuvor Art. 10 Abs. 1 Satz 1 EG) die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, für die Erfüllung der aus dem Vertrag erwachsenden Verbindlichkeiten Sorge zu tragen. Daraus könnte nun der Schluss gezogen werden, dass Private durch die Grundfreiheiten nicht direkt verpflichtet werden sollen, sondern vielmehr mittelbar durch die Mitgliedstaaten zu deren Beachtung angehalten und gedrängt werden sollen. Eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten wird dadurch jedoch nicht überflüssig, sondern ist vielmehr Voraussetzung für die Verpflichtung der Mitgliedstaaten aus Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV n. F., für die Einhaltung der Grundfreiheiten zwischen Privaten zu sorgen137. In Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit lassen sich zudem noch Schlüsse aus der VO (EWG) Nr. 1612/68 des Rates über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union ziehen. Art. 7 Abs. 4 der VO (EWG) 1612/68 untersagt nämlich diskriminierende Bestimmungen in Einzelarbeitsverträgen oder Kollektivvereinbarungen und richtet sich daher unmittelbar auch an Private. Zumindest für die Arbeitnehmerfreizügigkeit, welche durch die VO (EWG) Nr. 1612/68 konkretisiert werden soll, lässt sich daraus schließen, dass immer dann, wenn Privatrechtssubjekte in der Lage sind, die unionsrechtlich gewährleisteten Grundfreiheiten einzuschränken, diese dann auch als direkte Adressaten des Gleichbehandlungsgebotes verpflichtet werden müssen138. Zwar kann Sekundärrecht nicht zur Auslegung des Primärrechts herangezogen werden und dessen Anwendungsbereich bestimmen139, auf der anderen Seite ist aber wohl davon auszugehen, dass eine Verordnung, die Art. 39 EG (jetzt Art. 45 AEUV) konkretisieren soll, sich im Rahmen von dessen Anwendungsbereich bewegen soll. Es geht davon also zumindest eine gewisse Indizwirkung im Hinblick auf eine unmittelbare Drittwirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus. Jedenfalls der Verordnungsgeber ist bei seiner Interpretation der Vertragsvorschriften also offensichtlich von einer unmittelbaren Drittwirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgegangen140.
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Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 70 f. Diesen Schluss zieht so allgemein jedenfalls Feik, Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach EG-Recht, 1993, S. 78. 139 Darauf stützt sich auch Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 36 f. 140 So Borrmann, Der Schutz der Berufsfreiheit, 2002, S. 192. 138
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
h) Zusammenfassung Auch aus der systematischen Auslegung lässt sich also noch kein eindeutiges Ergebnis in Bezug auf die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten gewinnen. Die größte Bedeutung kommt daher, wie meistens im Unionsrecht, der teleologischen Auslegung zu, also der Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm. 3. Historische Auslegung Der historischen Auslegung kommt im Europarecht nur eine sehr geringe Bedeutung zu. In Bezug auf die Zulässigkeit einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten können ihr keine weiteren Erkenntnisse entnommen werden. Die Materialien schweigen dazu. 4. Teleologische Auslegung Die teleologische Auslegung wird im Unionsrecht durch den Grundsatz des effet utile geprägt. Dieser Grundsatz erfordert die Auslegung der Vertragsvorschriften im Hinblick auf die bestmögliche Durchsetzung des Unionsrechts141. Bei der Auslegung der Verträge ist somit stets diejenige Lösung zu bevorzugen, die den Vertragsbestimmungen (vor allem den Grundsätzen der EU-Verträge) zu ihrer größtmöglichen Wirksamkeit verhilft142. Normen sind vor allem so auszulegen, dass sie nicht jeder Wirksamkeit beraubt werden143. Ziel des effet utile ist es nämlich, den vertraglichen Wertungen zu möglichst weitgehender praktischer Wirksamkeit zu verhelfen, notfalls auch entgegen etwaiger formeller Widrigkeiten144. Bei der Auslegung des Unionsrechts ist daher immer die Zielsetzung des Vertrages zu beachten und eine im Sinne des Grundsatzes des effet utile möglichst integrations- bzw. binnenmarktfreundliche Auslegung zu wählen. Das Binnen141 Vgl. Preedy, Die Bindung Privater an die Europäischen Grundfreiheiten, 2005, S. 91 m. w. N. 142 Schultz, Das Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten und Grundfreiheiten, 2005, S. 87. 143 EuGH, Rs. 2/74 – Reyners ./. Belgien, Slg. 1974, S. 631 ff., Rn. 48 ff. 144 Vgl. Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 187, der jedoch auch gleich darauf hinweist, dass der effet utile nicht herangezogen werden darf, um vertragliche Wertungen zu übergehen oder umzukehren, wie dies seiner Meinung nach bei den inhaltlich, systematisch und ihrer Zwecksetzung nach auf staatliche Maßnahmen zugeschnittenen Grundfreiheiten der Fall wäre. Er fordert daher stattdessen einen Rückgriff auf das allgemeiner gehaltene Diskriminierungsverbot des Art. 12 Abs. 1 EG (jetzt Art. 18 AEUV).
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marktziel des Art. 26 AEUV ist gleichsam das Telos und der maßgebliche Bezugspunkt der Grundfreiheiten145. Die Grundfreiheiten dienen der Verwirklichung des Binnenmarktes, mithin der Schaffung einer möglichst homogenen europäischen Marktordnung, gekennzeichnet durch Elemente der Marktfreiheit und Marktgleichheit146. Eine solche ist umso leichter und besser, also effektiver, zu verwirklichen, je mehr Marktteilnehmer durch sie verpflichtet sind. Anderenfalls wäre die Reichweite der Grundfreiheiten von der jeweiligen Ausgestaltung der Aufgabenverteilung zwischen Hoheitsträgern und Privatrechtssubjekten in den Mitgliedstaaten abhängig, die jedoch alle eine unterschiedliche „Staatsquote“ verfolgen. Jedoch kann dies nicht im Sinne einer einheitlichen Anwendung des Unionsrechts sein. Die Errichtung des Binnenmarktes verlangt nämlich nicht nur die Verwirklichung der Grundfreiheiten, sondern auch deren einheitliche Geltung und Anwendung im gesamten Unionsgebiet147. Das Vertragsziel des Abbaus jeglicher Binnengrenzen ist aber durch private Beeinträchtigungen ebenso gefährdet wie durch staatliche Maßnahmen. Die Tathandlungen – und nicht die Verursacher – sind an ihrer behindernden Wirkung zu messen. Zudem wäre anderenfalls auch eine Umgehung der Grundfreiheiten seitens der Mitgliedstaaten leicht möglich, indem grundfreiheitsrelevante Maßnahmen auf zwischengeschaltete privatrechtliche Institutionen übertragen würden (so genannte „Flucht ins Privatrecht“). Den Mitgliedstaaten verbotene Beschränkungen sollen nicht durch Private in Ausnutzung der ihnen von staatlicher Seite zugestandenen Privatautonomie (wieder) errichtet werden. Wenn die Union ihre Aufgaben und Ziele wirksam erfüllen will, ist es also notwendig, dass auch private Wirtschaftsteilnehmer grundsätzlich die Grundfreiheiten anderer (privater) Wirtschaftsteilnehmer beachten und respektieren148. Für den Betroffenen macht es nämlich letztendlich keinen Unterschied, ob die Aushöhlung der wirtschaftlichen Verflechtung zwischen den Mitgliedstaaten von einem EU-Mitgliedstaat selbst oder von einem Privaten, wie etwa einem Sportverband, ausgeht, da die Integrationsfunktion der Grundfreiheiten in beiden Fällen gleichermaßen betroffen ist149. Das gilt jedenfalls dann, wenn der betreffende Private über eine entsprechende soziale und wirtschaftliche Machtposition verfügt. 145
Vgl. Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 52. Vgl. Schultz, Das Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten und Grundfreiheiten, 2005, S. 85. 147 Vgl. Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003, S. 267. 148 So auch Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 119, der dies noch als beachtliche Mindermeinung in der Literatur bezeichnet. 149 Groß, in: Vieweg, Perspektiven des Sportrechts, 2005, S. 37 (47). 146
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Die teleologische Auslegung spricht also sehr stark für die Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten. 5. Ergebnis Die EU-Verträge setzen zwar keine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten voraus und verlangen die Entwicklung einer solchen auch nicht explizit, jedoch verbieten sie eine solche Auslegung auch nicht, sondern stehen ihr grundsätzlich offen gegenüber. Eine Auslegung der Vertragsvorschriften führt also weder zu einem Verbot der Annahme der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten noch zu der Verpflichtung, eine solche anzunehmen, wenn auch aufgrund des effet utile eine gewisse Tendenz zu ihrer Bejahung besteht.
II. Rechtsprechung des EuGH Das endgültige Ergebnis in Bezug auf eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten muss also aus einer Analyse der Rechtsprechung des EuGH gewonnen werden, der im Rahmen der Grundfreiheiten ausgiebig von seiner diesbezüglichen Auslegungskompetenz Gebrauch gemacht hat. Gemäß Art. 19 Abs. 1 EUV n. F. sichert der Gerichtshof der Europäischen Union, bestehend aus dem Gerichtshof, dem Gericht und den Fachgerichten, die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung der Verträge. Aus dieser Auslegungskompetenz des EuGH folgt, dass der Inhalt des Unionsrechts letztlich nur durch diesen Gerichtshof bestimmt werden kann150. Die zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten ergangene Rechtsprechung des EuGH soll daher im Folgenden als weiterer Anhaltspunkt für die Vertragsauslegung dienen. 1. Grundsätzliche Möglichkeit einer Bindungswirkung des Unionsrechts auch gegenüber privaten Bürgern: van Gend en Loos Schon in seiner Grundsatzentscheidung van Gend en Loos zur unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts äußerte sich der Gerichtshof zur grundsätzlichen Möglichkeit der Verpflichtung Privater durch unionsrechtliche Vorschriften, und stellte fest, dass das Recht der Europäischen Union eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts darstelle, „deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind.“151 150 151
Steindorff, FS Lerche 1993, S. 575 (576). EuGH, Rs. 26/62 – Van Gend en Loos, Slg. 1963, S. 3 ff. (25).
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Er machte also deutlich, dass der völkerrechtliche Grundsatz, wonach nur die vertragsschließenden Parteien an die Vertragsvorschriften gebunden sind, im Falle des Unionsrechts nicht gilt, da es sich hier gerade um eine besondere, supranationale, Rechtsordnung handelt, die auch den einzelnen Bürger berechtigen und verpflichten könne. Mit der unmittelbaren Geltung des Unionsrechts ist damit auch die Möglichkeit einer unmittelbaren Drittwirkung einzelner Vertragsvorschriften jedenfalls grundsätzlich eröffnet, und bedarf lediglich im Einzelfall der genaueren Konkretisierung, wie im Rahmen der Grundfreiheiten vor allem durch die so genannte Sportverbandsrechtsprechung geschehen. 2. Personenbezogene Grundfreiheiten Da die Warenverkehrsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit im Rahmen dieser Untersuchung nur von geringer Bedeutung sind, sollen sie zunächst aus der Analyse herausgelassen werden. Gegenstand der Untersuchung sind im Folgenden also erst einmal nur die personenbezogenen Grundfreiheiten, namentlich die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit (mit Ausnahme der Korrespondenzdienstleistungsfreiheit). Sie werden hier gemeinsam behandelt, da auch der EuGH von einer Kongruenz der Grundfreiheiten ausgeht und so teilweise nicht einmal mehr explizit feststellt, welche Grundfreiheit konkret in ihrem Anwendungsbereich betroffen ist152. a) Bindungswirkung der Grundfreiheiten für kollektive Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich: Walrave und Koch153 Zum ersten Mal wurde der EuGH in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 1974 im Fall Walrave und Koch ./. Union Cycliste Internationale mit der Problematik der Bindungswirkung der Personenverkehrsfreiheiten auch gegenüber privaten Verbänden konfrontiert. Diese Entscheidung stellt den Beginn der so genannten „Sportverbandsrechtsprechung“ des EuGH dar. Der Gerichtshof stellte fest, dass das Unionsrecht und insbesondere das in Art. 18 AEUV und den Grundfreiheiten enthaltene Diskriminierungsverbot, auch auf Satzungen privater Sportverbände Anwendung fänden, da diese kollektive Regelungen im Arbeits- oder Dienstleistungsbereich träfen: 152 Vgl. z. B. EuGH, Rs. 13/76 – Donà ./. Mantero, Slg. 1976, S. 1333 ff., Rn. 12 f.; EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 73. 153 EuGH, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, S. 1405 ff.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
„Das Verbot der unterschiedlichen Behandlung gilt nicht nur für Akte der staatlichen Behörden, sondern erstreckt sich auch auf sonstige Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- oder Dienstleistungsbereich enthalten.“154
Begründet wird dies im Fall damit, dass eine Umgehung des Binnenmarktzieles drohe, wenn anderenfalls Private die von den Mitgliedstaaten beseitigten Hindernisse ohne Weiteres wieder aufbauen könnten. Außerdem sei die Sportorganisation in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet, so dass bei einer Beschränkung auf staatliche Maßnahmen die Gefahr der uneinheitlichen Anwendung des Unionsrechts bestünde. Der Grundsatz des effet utile spreche also dafür, auch privatrechtliche Vereinigungen oder andere Einrichtungen mit rechtlicher Regelungsautonomie – wie etwa Sportverbände – an das Diskriminierungsverbot zu binden. Die allgemeine Fassung des Art. 59 EWGV (jetzt Art. 56 AEUV), welche nicht auf den Ursprung der Behinderungen abstellt, bestätige dies. Dieser sei aufgrund der Kongruenz der Grundfreiheiten außerdem im Gleichlauf mit Art. 48 EWGV (jetzt Art. 45 AEUV) auszulegen, so dass die Ausweitung des Adressatenkreises auch für diese Grundfreiheit anzunehmen sei. Zur Auslegung wurde dabei u. a. die VO (EWG) Nr. 1612/68 herangezogen, die im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch private Tarif- und Einzelarbeitsverträge und sonstige Kollektivmaßnahmen als erfasst ansieht. Generalanwalt Warner wies in seinen Schlussanträgen155 zwar zutreffend darauf hin, dass eine Ausführungsverordnung den Anwendungsbereich der auszuführenden Vorschrift nicht erweitern könne, sondern sich in dessen Rahmen bewegen müsse. Daraus sei aber gerade zu schließen, dass auch Art. 45 AEUV solche privaten Kollektivmaßnahmen erfasse. Zudem genügt ein Rückgriff auf die die Arbeitnehmerfreizügigkeit konkretisierende VO (EWG) Nr. 1612/68 nicht immer, da diese nicht alle denkbaren Formen privater Diskriminierungen erfasst. Arbeitsverträge zwischen Vereinen und Sportlern werden zwar in der Regel erfasst, das oft komplizierter gestaltete Rechtsverhältnis zwischen Sportlern und Verbänden jedoch meist nicht. Da nicht entscheidend ist, ob eine Diskriminierung unmittelbar oder mittelbar erfolgt, sind nicht nur die Vereine, welche die Sportler beschäftigen, sondern auch die diesen übergeordneten Verbände an das Diskriminierungsverbot gebunden156. Die rein verbandsrechtlich geprägten Verträge unterliegen aber Art. 7 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 1612/68 nicht, da dieser nur für die Arbeitsverträge zwischen Verein und Spieler gilt157. Deshalb war auch keine Lösung allein anhand des Sekundärrechts 154 155 156 157
EuGH, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, S. 1405 ff., Rn. 17 ff. Warner, Rs. 36/74 – Walrave und Koch, Slg. 1974, S. 1405 ff. Zuleeg, in: Will, Sportrecht in Europa, 1993, S. 1 (3). Renz, in: Will, Sportrecht in Europa, 1993, S. 192 (202).
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möglich, sondern für eine Bindung der Sportverbände kam es gerade auf die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten selbst an. Die Satzungen von Sportverbänden sind also an den Grundfreiheiten des AEUV, insbesondere am Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV sowie seinen Konkretisierungen in Art. 45 und 56 AEUV zu messen. Mit dieser Entscheidung legte der Gerichtshof den Grundstein für seine Sportverbandsrechtsprechung: Er stellte nicht nur fest, dass der Sport grundsätzlich vom Geltungsbereich des Unionsrechts erfasst sei (s. o.), sondern auch, dass Sportverbände gleichermaßen an das in den Grundfreiheiten enthaltene Diskriminierungsverbot gebunden sind wie die Mitgliedstaaten selbst. Das ist auch berechtigt, zumal die Sportorganisation in den Mitgliedstaaten verschieden ausgestaltet ist158: So werden der Sport und seine Organisation in Frankreich etwa als staatliche Aufgabe angesehen, deren Erfüllung lediglich an die Sportverbände delegiert wird, und auch in einigen anderen Mitgliedstaaten wird den Sportverbänden die Ausübung von Hoheitsgewalt zugestanden159, so dass im Verhältnis zu diesen (staatlichen) Sportverbänden die Grundfreiheiten ohnehin unmittelbar gelten würden, während die Niederlande, Finnland und Schweden den Sport als Bürgerinitiative bzw. unabhängige Volksbewegung ansehen; auch in Deutschland wird regelmäßig betont, dass der privat organisierte Sport von einer staatlichen Einflussnahme grundsätzlich frei bleiben sollte160. Auch die internationalen Sportverbände sind reine Privatrechtssubjekte161. Würde man die Grundfreiheiten daher strikt nur auf mitgliedstaatliches Handeln anwenden, so wären zwar die französische und andere Sportorganisationen an die darin enthaltenen Verbote gebunden, die Sportausübung in den skandinavischen Staaten hingegen nicht. Dass dieses Ergebnis nicht im Sinne einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Unionsrechts sein kann, liegt auf der Hand. Zudem ist zu bemerken, dass Vereins- bzw. Verbandssatzungen jedenfalls nach der „modifizierten Normentheorie“ auch ein gewisser Rechtsnormcharakter zukommt162. Eine Bindung normsetzender privater Verbände im Ver158
Übersicht über die Sportstrukturen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei Tokarski/Steinbach/Petry/Jesse, Two Players – One Goal?, 2004, S. 119 ff. 159 Neben Frankreich haben auch Griechenland, Italien und Spanien allgemeine Sportgesetze erlassen, die zum Teil auch besondere Fragen des Sports regeln, vgl. Pfister, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, Einführung, Rn. 9. 160 Vgl. hierzu Krogmann, in: Vieweg, Spektrum des Sportrechts, 2003, S. 35 (40). 161 Pfister, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, Einführung, Rn. 9.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
gleich zum ansonsten normsetzenden Staat erscheint nicht als zu weit hergeholt, um einen zumindest im Rahmen der Analogie auslegungsfähigen vergleichbaren Sachverhalt anzunehmen. Der UCI und anderen Sportverbänden kommt daher ein „quasi-staatlicher“ Status zu163. Daran ändert es auch nichts, dass die Sportler sich freiwillig der Regelungskompetenz der Sportverbände unterwerfen, da ihnen aufgrund des Monopolcharakters der Sportverbandsorganisation meist gar keine andere Wahl bleibt164. Unklar bleibt an der Entscheidung jedoch, ob der EuGH nur Verträge, die im Rahmen von solchen auf Satzungsautonomie beruhenden Kollektivverträgen abgeschlossen wurden, in das Verbot aufnimmt oder ob die Abschlussfreiheit aller Privaten als eingeschränkt zu behandeln ist165. Diese Frage war zwar nicht direkt Gegenstand des Verfahrens, wurde aber von Generalanwalt Warner, der in seinen Schlussanträgen eine allgemeine unmittelbare Drittwirkung annahm, ins Spiel gebracht. Der EuGH schwieg jedoch dazu. Aus der Entscheidung Walrave und Koch lässt sich also nur der Schluss ziehen, dass zumindest kollektive Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich an den Grundfreiheiten zu messen sind. Die Satzungen von Sportverbänden sind davon aber jedenfalls erfasst. b) Bestätigung der Rechtsprechung zu kollektiven Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich: Donà ./. Mantero In der Entscheidung Donà ./. Mantero166 verwies der Gerichtshof im Hinblick auf die Adressatenstellung privater Sportverbände im Rahmen der Grundfreiheiten wörtlich auf die im Urteil Walrave und Koch getroffenen Feststellungen, so dass sich hier keine Neuerungen ergaben: „Wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 12. Dezember 1974 in der Rechtssache Walrave [. . .] für Recht erkannt hat, gilt das Verbot der auf die Staatsangehörigkeit gestützten unterschiedlichen Behandlung nicht nur für Akte der staatlichen Behörden, sondern erstreckt sich auch auf sonstige Maßnahmen, die eine kollektive Regelung im Arbeits- und Dienstleistungsbereich enthalten.“167 162 163
Vgl. Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 22, 35. van den Bogaert, Practical Regulation of the Mobility of Sportsmen, 2005,
S. 25. 164 Anders Quirling, Die Nach-Bosman-Ära, 2005, S. 105, der die Gefährdungslage als nicht mit unausweichlichen staatlichen Akten vergleichbar ansieht. 165 Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 38. 166 EuGH, Rs. 13/76 – Donà ./. Mantero, Slg. 1976, S. 1333 ff. 167 EuGH, Rs. 13/76 – Donà ./. Mantero, Slg. 1976, S. 1333 ff., Rn. 17 f.
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Wie im Fall Walrave und Koch bejahte der EuGH die unmittelbare Drittwirkung nur in Bezug auf kollektive Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich durch eine quasi-staatliche Handlungseinheit. Wieder wird nicht deutlich, ob er sich darauf beschränken will oder ob er auch eine weiter gehende unmittelbare Drittwirkung als möglich ansieht168. c) Grundsätzliche Möglichkeit einer umfassenden unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten: van Ameyde169 Die Entscheidung im Fall S.r.l. Ufficio Henry van Ameyde gegen S.r.l. Ufficio centrale italiano di assistenza assicurativa automobilisti in circolazione internazionale (UCI) vom 9. Juni 1977 behandelt zwar keinen den Sport betreffenden Sachverhalt, nimmt jedoch auch Bezug zur Stellung von Privaten als Adressaten der Grundfreiheiten. Zum Sachverhalt: Der Fall van Ameyde (1977) Das nationale italienische Büro, in dem die meisten der in Italien tätigen Kraftfahrzeugversicherer zusammengeschlossen sind (die UCI), erhob Anspruch darauf, dass Verkehrsunfälle, die in Italien durch ausländische Kraftfahrzeughalter im Besitz einer Grünen Karte verursacht werden (Schadensfälle im System der so genannten Grünen Karte) nur von solchen Versicherungsgesellschaften zu bearbeiten und zu regulieren seien, welche Mitglied in der UCI sind. Dabei berief sie sich auf Abkommen zwischen den nationalen Büros der dem Grüne-Karte-System angeschlossenen Länder. Daraufhin erhob die S.r.l. van Ameyde mit der Begründung, dadurch in ihrer freien Geschäftstätigkeit beschränkt zu sein, Klage vor dem Tribunale civile e penale di Milano, welches dem EuGH unter anderem die Frage vorlegte, ob die Dienstleistungsfreiheit so auszulegen sei, dass sie entsprechende Vorschriften oder Verhaltensweisen (wie die der UCI) im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbiete.
Der Gerichtshof stellte fest, dass sich zwar auch Handlungen eines Versicherungsbüros an den Vorschriften der Art. 18, 49 und 56 AEUV messen lassen müssten: „Um von dem in diesen Artikeln enthaltenen Verbot erfasst zu werden, genügt es, dass sich die Diskriminierung aus einer Regelung gleich welcher Art ergibt, durch die die Ausübung der betreffenden Tätigkeit in allgemeiner Weise geregelt werden soll. In diesem Fall ist es unerheblich, ob die Diskriminierung ihren Ursprung in hoheitlichen Maßnahmen oder aber in Handlungen hat, welche den nationalen Versicherungsbüros [. . .] zuzurechnen sind.“170 168 GA Trabucchi befürwortet, im Gegensatz zu GA Warner in Walrave und Koch, in seinen Schlussanträgen eine Beschränkung auf kollektive Regelungen. 169 EuGH, Rs. 90/76 – van Ameyde, Slg. 1977, S. 1091 ff. 170 EuGH, Rs. 90/76 – van Ameyde, Slg. 1977, S. 1091 ff., Rn. 28.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Jedoch stelle die Konzentration der Abwicklung von Schadensfällen mit Beteiligten aus anderen Mitgliedstaaten auf ein nationales Büro keinen Fall einer Diskriminierung in diesem Sinne dar. Dass diese Möglichkeit grundsätzlich besteht, wurde vom EuGH aber ausdrücklich erwähnt. Dem Wortlaut nach geht eine solche unmittelbare Drittwirkung dann auch über die kollektiven Regelungen im Arbeits- oder Dienstleistungsbereich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung hinaus und erfasst „Regelungen gleich welcher Art“ und gleich welchen Ursprungs. Der Gerichtshof ließ also schon früh erkennen, dass er einer – auch umfassenden – unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten grundsätzlich offen gegenüber steht und eine solche dann annehmen würde, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben seien. d) Unmittelbare Drittwirkung des in der Arbeitnehmerfreizügigkeit enthaltenen Beschränkungsverbots: Bosman Mit seinem Urteil vom 15. Dezember 1995 in der Rechtssache Bosman171 fällte der EuGH eine Grundsatzentscheidung im Bereich des Profifußballs, die im Folgenden zu einer regelrechten Umwälzung in der Praxis führte. Es ging in diesem Verfahren um die Vereinbarkeit von Transferbedingungen und von Ausländerklauseln in Verbandsregelwerken mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 48 EWGV (jetzt Art. 45 AEUV). Zum Sachverhalt172: Der Fall Bosman (1995) Der belgische Berufsfußballspieler Jean-Marc Bosman war bis 1990 beim belgischen Erstligaverein RC Lüttich173 beschäftigt. Ein Vertragsangebot für eine weitere Spielzeit nahm er wegen der angebotenen deutlich geringeren Bezahlung nicht an. Gemäß der Verbandssatzung des nationalen belgischen Fußballverbandes, der URBSFA174, wurde er somit auf eine Zwangstransferliste gesetzt. Dadurch konnte er ohne Zustimmung seines bisherigen Vereines gegen eine vom Alter und bisherigen Bruttoeinkommen abhängige Ausbildungsentschädigung zu einem neuen Verein wechseln. Nach Ablauf der Transferfrist wäre ein Transfer mit frei aushandelbarer Transferentschädigung möglich. Währenddessen nahm Herr Bosman Kontakt zum französischen Zweitligisten US Dünkirchen175 auf, welcher mit dem RC Lüttich einen zeitweiligen Transfer mit Option auf endgülti171
EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff. Näheres zu Hintergründen und Einzelheiten bei Blanpain/Inston, The Bosman Case, 1996; Blanpain, AuR 1996, S. 161 ff.; Flory, Der Fall Bosman, 1997; und Dinkelmeier, Das „Bosman“-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf den Profifußball in Europa, 1999. 173 Royal club liégeois SA. 174 Union royale belge des sociétés de football association ASBL. 175 SA d’économie mixte sportive du littoral de Dunkerque. 172
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gen Transfer vereinbarte. Gegen die Zahlung einer Entschädigung seitens der US Dünkirchen sollte der RC Lüttich den laut UEFA-Statuten176 für den Transfer erforderlichen internationalen Freigabeschein ausstellen. Aufgrund von Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit der US Dünkirchen unterließ der RC Lüttich jedoch die Beantragung des Freigabescheins bei der URBSFA und sperrte Herrn Bosman für die gesamte Saison. Herr Bosman erwirkte am 9. November 1990 vor dem Tribunal de première instance de Liège (Lüttich) eine einstweilige Anordnung, mit dem Inhalt, dass der RC Lüttich ihm einen monatlichen Vorschuss zu zahlen habe und des Weiteren einem Vertragsabschluss mit einem anderen Verein nicht im Wege stehen dürfe. Dennoch hatte Herr Bosman große Schwierigkeiten, einen Verein zu finden, da es anscheinend zwischen allen in Frage kommenden europäischen Vereinen Boykottabsprachen gegeben hatte. Herr Bosman schloss letztendlich einen Vertrag mit dem belgischen Drittligisten Olympic de Charleroi ab. Die Cour d’appel Lüttich änderte daraufhin den Beschluss des Tribunal de première instance dahingehend ab, dass Herr Bosman jedem interessierten Verein ohne eine Entschädigungszahlung zur Verfügung zu stellen sei. Im Hauptsacheverfahren vor dem Tribunal de première instance Lüttich stellte Herr Bosman die Anträge, die Unanwendbarkeit von Transferregeln und Ausländerklauseln auf seine Person zu erklären, den RC Lüttich, die URBSFA und die UEFA zur Zahlung von Schadensersatz für den gescheiterten Transfer nach Dünkirchen zu verurteilen sowie zur Zahlung des entgangenen Gewinnes aufgrund der geltenden Transferbedingungen seit Beginn seiner Laufbahn. Die URBSFA, der RC Lüttich und die UEFA legten Berufung ein. Im Berufungsverfahren vor dem Cour d’appel Lüttich wurden dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob die Arbeitnehmerfreizügigkeit (damals Art. 48 EWGV, jetzt Art. 45 AEUV) und das Kartellrecht (damals Art. 85 und 86 EWGV, jetzt Art. 101 und 102 AEUV) so auszulegen seien, dass sie den Transferregeln und den Ausländerklauseln177 von FIFA, UEFA und URBSFA entgegen stünden.
In dem Vorabentscheidungsverfahren ging es um die Vereinbarkeit zweier verschiedener Sachverhalte mit dem EG-Vertrag, nämlich zum einen der Transferregelungen gegen Entschädigungszahlung und zum anderen der Ausländerklauseln. Die hier streitige Ausländerklausel war die mit der Kommission ausgehandelte „3+2-Regel“ der UEFA, die auch in den ihr angeschlossenen nationalen Verbänden entsprechend umgesetzt war. Diese erlaubte den Vereinen zwar, eine unbeschränkte Anzahl von ausländischen Spielern zu verpflichten, beschränkte aber die Anzahl der pro Spiel aufstellbaren Spieler auf höchstens drei Ausländer zusätzlich zwei assimilierten Ausländern, die seit fünf Jahren im Inland gespielt haben, davon mindestens drei Jahre im Juniorenbereich.
176 „Grundsätze einer Zusammenarbeit zwischen den UEFA-Mitgliedsverbänden und ihren Vereinen“ von 1990. 177 So genannte „3+2-Regel“.
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Die Transferregelungen sahen vor, dass ein Vereinsspieler auch nach Ablauf seines Vertrages nicht frei in der Wahl eines neuen Vereines war, sondern dieser Transfer von der Zahlung einer Entschädigung abhängig gemacht wurde. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Ausländerklauseln unstreitig eine Diskriminierung darstellten, während von den Transferregelungen eine Beschränkungswirkung ausgehe, die der Arbeitnehmerfreizügigkeit ebenso entgegenstehe wie eine ausdrückliche Diskriminierung. Seit der Entscheidung Walrave und Koch ist anerkannt, dass Verbände, die im Rahmen der ihnen verliehenen Autonomie kollektive Regelungen unselbstständiger Arbeit treffen, genauso an die Grundfreiheiten gebunden sind wie die Mitgliedstaaten und deren Behörden. Der EuGH kommt also zu dem Schluss, dass sowohl die Ausländerklauseln als auch die Transferregelungen gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 48 EWGV (jetzt Art. 45 AEUV) verstoßen und damit unanwendbar sind. Auch das in den Grundfreiheiten enthaltene Beschränkungsverbot gilt somit zu Lasten Privater ebenso wie gegenüber den Mitgliedstaaten. Vielfach als Paukenschlag auch im Bereich der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten angesehen, brachte die Entscheidung des Gerichtshofes im Falle Bosman auf dem Gebiet der Adressaten der Grundfreiheiten auf den ersten Blick eigentlich gar nicht so viel Neues – dass auch Sportverbände taugliche Adressaten derselben sind, wurde ja bereits in den Entscheidungen Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero festgestellt, so dass die Bosman-Entscheidung diesbezüglich lediglich eine Bestätigung und Fortführung derselben Rechtsprechung darstellte. Die wirkliche Neuerung durch das Bosman-Urteil besteht hingegen in der Feststellung, dass die Grundfreiheiten – konkret die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 AEUV – über das allgemeine Diskriminierungsverbot hinaus auch ein Beschränkungsverbot enthalten. Das bedeutet somit ein allgemeines Verbot, die Freizügigkeit von Arbeitnehmern zu beschränken. Dies führte wiederum dazu, dass ein Verstoß auch bei für In- und Ausländer gleichermaßen geltenden Transferregelungen anzunehmen war. „Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden.“178
Dieses Beschränkungsverbot trifft dann aber, getreu der Rechtsprechung in den Fällen Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero, Private gleichermaßen wie staatliche Stellen. Von den Verboten der Grundfreiheiten werden also nicht nur Diskriminierungen seitens Privater erfasst, sondern auch 178
EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 96.
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sonstige Beschränkungen privater Natur. Spätestens seit dem Fall Bosman ist damit klar, dass eine umfassende Bindung von Sportverbänden an die Grundfreiheiten besteht, und zwar sowohl im Hinblick auf das darin enthaltene Diskriminierungsverbot als auch auf das Beschränkungsverbot. Bisher ist lediglich von einer Bindung so genannter „intermediärer Gewalten“179, die mit eigener Satzungsautonomie ausgestattet sind, auszugehen. Unter solchen intermediären Gewalten sind private Institutionen zu verstehen, die jedoch mit typisch staatlichen Machtbefugnissen ausgestattet sind, wie Aufsichts- oder Regelungskompetenzen oder Disziplinarbefugnissen. Diese können in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen eine ähnliche Regelungsgewalt ausüben wie die Mitgliedstaaten selbst, wenn sie von ihrer rechtlichen Autonomie durch Kollektivvereinbarungen Gebrauch machen. Damit können sie Hindernisse für den freien Verkehr unter den Mitgliedstaaten ähnlich denen staatlicher Regelungen errichten180. Das ist insbesondere der Fall, wenn ihnen eine faktische Monopolstellung zukommt, so dass es für den betroffenen Bürger praktisch keinen Unterschied macht, ob er sich einer staatlichen Maßnahme oder der Maßnahme eines solchen privaten Normschöpfers gegenübersieht. Die so vom EuGH angenommene unmittelbare Drittwirkung des Beschränkungsverbotes ist, ebenso wie das Beschränkungsverbot selbst, jedoch nicht ohne Kritik in der Literatur geblieben181. So soll es nicht darauf ankommen können, ob eine Regelung den Zugang zum Arbeitsmarkt irgendwie beeinflusst, sondern in Anwendung der Keck-Rechtsprechung vielmehr darauf, ob sie den Marktzugang für Arbeitnehmer anderer Mitgliedstaaten stärker behindert als den Marktzugang für einheimische Arbeitnehmer182. 179 Der Begriff stammt soweit ersichtlich von Roth, FS Everling, Bd. II, 1995, S. 1231 (1246 f.), der im Übrigen davon ausgeht, dass die Bindung Privater nur bei solch quasi-staatlicher Rechtsetzung angewendet werden kann und anderenfalls auf Art. 12 Abs. 1 EG zurückgegriffen werden müsse; übernommen von Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 263 ff. Ipsen, Private Normenordnungen, 2009, S. 150, definiert die intermediären Gewalten als „private Normschöpfer, die im Allgemeininteresse tätig sind und denen der Einzelne unentrinnbar unterworfen ist“. 180 So auch Hintersteininger, Binnenmarkt und Diskriminierungsverbot, 1999, S. 204; und Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 1451. 181 Darauf weist auch Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 1451, hin. Siehe außerdem z. B. Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, passim; Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 (464); Michaelis, NJW 2001, S. 1841 (1842). 182 Guter Ansatz bei Lach, Umgekehrte Diskriminierungen im Gemeinschaftsrecht, 2008, S. 121. Vgl. auch Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2008, Vorbem. zu Art. 39–55, Rn. 112 ff., Art. 39 EG, Rn. 167 ff.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Fraglich ist jedoch, inwiefern sich diese dogmatisch überzeugende Ansicht mit der Rechtsprechung des EuGH in Einklang bringen lässt, der das Beschränkungsverbot in ständiger Rechtsprechung immer wieder bestätigt hat. Es ist zudem auch davon auszugehen, dass der EuGH im Sinne einer einheitlichen Betrachtungsweise mittlerweile alle Grundfreiheiten des Vertrages grundsätzlich auch als Beschränkungsverbote versteht183. Auf die Anwendbarkeit der kartellrechtlichen Vorschriften ging der EuGH trotz ausführlicher Ausführungen des Generalanwaltes Lenz184 zu dieser Thematik nach der Bejahung der Verletzung von Grundfreiheiten durch die entsprechenden Satzungsvorschriften nicht mehr ein. e) Ausweitung der unmittelbaren Drittwirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit über intermediäre Gewalten hinaus: Angonese185 Auf die „Sportverbandsrechtsprechung“ aufbauend erweiterte der EuGH den Adressatenkreis der Grundfreiheiten aber einige Jahre später über die so genannten „intermediären Gewalten“ hinaus auch auf andere Private. Vorläufiger Höhepunkt dieser Entwicklung war das Urteil des EuGH im Fall Angonese. Die vieldiskutierte (und viel kritisierte)186 Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Roman Angonese gegen Cassa di Risparmio di Bolzano SpA vom 6. Juni 2000 brachte eine grundlegende Neuerung auf dem Gebiet der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten dergestalt, dass eine solche nunmehr nicht nur für Verbände mit eigener Regelungsautonomie sowie für Kollektivvereinbarungen anzunehmen sei, sondern auch für andere Private. Zum Sachverhalt: Der Fall Angonese (2000) Roman Angonese, ein italienischer Staatsangehöriger deutscher Muttersprache aus der italienischen Provinz Bozen, bewarb sich nach seinem Studium der slawischen Sprachen in Österreich auf eine ausgeschriebene Stelle bei der privaten Bozener Bank Cassa di Risparmio di Bolzano SpA. Voraussetzung für die Teilnahme am Auswahlverfahren war der Nachweis einer Bescheinigung des Typs „B“ über die Zweisprachigkeit Italienisch/Deutsch, welche nur in der Provinz Bozen erwor183 Schultz, Das Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten und Grundfreiheiten, 2005, S. 78. 184 Lenz, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 253 ff. 185 EuGH, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. I-2000, S. 4139 ff. 186 Vgl. nur Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 ff.; Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7, Rn. 53; Epiney, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 8, Rn. 21.
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ben werden konnte. Herr Angonese war zwar vollkommen zweisprachig, jedoch nicht im Besitz einer solchen Bescheinigung, weshalb seine Bewerbung abgelehnt wurde. Herr Angonese machte nun in einem Verfahren vor der Pretura Bozen geltend, dass die Vorschrift, welche die Bescheinigung vom Typ B als Einstellungsvoraussetzung verlange, Stellenbewerber benachteilige, die ihren Wohnsitz nicht in der Provinz Bozen haben, somit also typischerweise Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten. Die Pretura Bozen legte daraufhin dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Verpflichtung zur Vorlage eines solchen nur vor Ort zu erwerbenden Zweisprachigkeitsnachweises einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 48 EGV (jetzt Art. 45 AEUV) darstelle.
Problematisch an dem Fall war, dass sich die Verpflichtung zur Vorlage der Bescheinigung weder aus dem Gesetz noch aus einem Tarif- oder Einzelvertrag ergab, sondern dass diese Bedingung von einer privaten Bankgesellschaft, der Cassa di Risparmio di Bolzano SpA, aufgestellt wurde. Daher war die VO (EWG) Nr. 1612/68 nicht einschlägig. In Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit stellte der EuGH im Einklang mit seiner ständigen Rechtsprechung (vor allem Walrave und Koch sowie Bosman) fest, dass deren Diskriminierungsverbot offen formuliert sei und daher nicht nur Mitgliedstaaten binde, sondern auch kollektive Regelungen im Arbeits- und Dienstleistungsbereich erfasse. Unter Hinweis auf seine Entscheidung im Fall Defrenne187 wies der EuGH zudem darauf hin, dass sich aus Art. 7 Abs. 4 der VO (EWG) Nr. 1612/68 und seiner bisherigen Rechtsprechung kein Hinweis darauf ergäbe, dass sich eine private Bindungswirkung der Grundfreiheiten, jedenfalls im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot, lediglich auf Kollektivmaßnahmen beschränke, sondern dass sie aufgrund ihres zwingenden Charakters im Interesse des effet utile auch auf (Einzel-)Verträge zwischen Privatpersonen anzuwenden sei188. Die Vorschrift der Cassa di Risparmio di Bolzano SpA benachteilige die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten im Vergleich zu den Einwohnern der Provinz Bozen, welche mehrheitlich die italienische Staatsbürgerschaft besäßen: „Um eine Maßnahme als diskriminierend aufgrund der Staatsangehörigkeit [. . .] qualifizieren zu können, ist es nicht erforderlich, dass diese Maßnahme bewirkt, dass alle inländischen Arbeitnehmer begünstigt werden, oder dass nur Arbeitnehmer aus anderen Mitgliedstaaten und nicht die inländischen Arbeitnehmer benachteiligt werden. Eine Bedingung wie die im Ausgangsverfahren streitige [. . .] könnte nur gerechtfertigt werden, wenn sie auf sachliche Erwägungen gestützt wäre, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen und in Bezug auf das berechtigterweise verfolgte Ziel verhältnismäßig sind.“189 187 188
EuGH, Rs. 43/75 – Defrenne II, Slg. 1976, S. 455 ff., Rn. 30 ff. EuGH, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, S. I-4139 ff., Rn. 36.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Der EuGH erkennt eine Rechtfertigungsmöglichkeit auch für Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten von privater Seite also grundsätzlich an. Eine solche Rechtfertigung war in diesem Fall aber nicht ersichtlich, sondern es war als unverhältnismäßig anzusehen, dass lediglich die in Bozen ausgestellte Bescheinigung vom Typ B als Nachweis der Zweisprachigkeit anerkannt wurde. Diese Vorschrift stellte somit einen Verstoß gegen das in Art. 45 AEUV enthaltene Diskriminierungsverbot dar. Konsequenz der Angonese-Entscheidung ist die unmittelbare Drittwirkung aller personenbezogenen Grundfreiheiten ohne Beschränkung auf intermediäre Gewalten. Das ist insbesondere deshalb problematisch, weil sich die bisherige Rechtsprechung zur Ausdehnung der Schutzrichtung der Grundfreiheiten auch auf Private daraus gerechtfertigt hat, dass von der überlegenen Verbandsmacht der privaten Verbände eine ähnliche Gefährdung ausgeht bzw. ausgehen kann wie von den Mitgliedstaaten selbst. Eine solche Gefahr geht von privaten Individuen in der Regel nicht aus. Die AngoneseEntscheidung bewegt sich daher an den Grenzen noch zulässiger Rechtsfortbildung190, da sie die unionsrechtlich geschützte Privatautonomie und unternehmerische Gestaltungsfreiheit beschränkt. In der Literatur wurde die Entscheidung daher auch vielfach als zu weitgehend kritisiert und als Ausnahme- und Einzelfallentscheidung angesehen, so dass keine Übertragung des Grundsatzes auf die anderen Grundfreiheiten vorzunehmen sei. Vielfach wurde auch die Hoffnung geäußert, dass es sich um einen einmaligen „Ausrutscher“ handele und der Gerichtshof seine diesbezügliche Rechtsprechung bald wieder korrigieren möge191. Auf der anderen Seite wurde die Entscheidung in ihrer Konsequenz teilweise auch begrüßt192. Und tatsächlich kann man diese Weiterentwicklung der Bosman-Rechtsprechung vor dem Hintergrund des effet utile als durchaus konsequent ansehen, da auch gegenüber der Bank ähnliche Argumente wie in der Bosman-Entscheidung gegenüber den Sportverbänden geltend gemacht werden können. Bei aller Kritik an der Angonese-Entscheidung sollte daher beachtet werden, dass auch Arbeitgeber gegenüber dem einzelnen Bürger eine gewisse Macht in einem Subordinationsverhältnis ausüben, so dass die Vergleichbarkeit zum Verhältnis Staat – Bürger noch gewahrt ist, 189
EuGH, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, S. I-4139 ff., Rn. 41 f. So jedenfalls Herdegen, Europarecht, 10. Aufl. 2008, § 15, Rn. 11 f. 191 Kritisch z. B. Streinz/Leible, EuZW 2000, S. 459 (467); Forsthoff, EWS 2000, S. 389 ff.; Michaelis, NJW 2001, S. 1841 (1842). 192 So z. B. Schwarz, Die direkte Verpflichtung des EU-Bürgers, 2003, S. 103, der eine unterschiedliche Behandlung von Art. 12, 39 und 141 EG in der Drittwirkungsfrage zudem als widersprüchlich ablehnt. Ebenso Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2008, Vorbemerkung zu den Art. 39–55 EGV, Rn. 68. 190
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anders als dies der Fall wäre, wenn auch eine Bindung von privaten Einzelpersonen untereinander angenommen würde193. Eine solche Tendenz ist aber in der Entscheidung Angonese, trotz teilweise etwas irreführender Formulierungen, nicht zu erkennen194. Zudem ist zu beachten, dass der EuGH die Bindung von privaten Marktteilnehmern in der Angonese-Entscheidung ausdrücklich nur auf das Diskriminierungsverbot bezieht, zum ebenfalls in der Arbeitnehmerfreizügigkeit und den anderen Grundfreiheiten enthaltenen Beschränkungsverbot nimmt er in dieser Entscheidung keine Stellung. Auf die sportliche Praxis hat diese Fortentwicklung der Rechtsprechung keine unmittelbaren Auswirkungen, da Sportverbände ohnehin nach der bisherigen Rechtsprechung schon umfassend an die in allen Grundfreiheiten enthaltenen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote gebunden sind. Durch die Ausweitung des Adressatenkreises auf weitere Verpflichtete werden sie daher nicht berührt. f) Bestätigung der Bindungswirkung der Grundfreiheiten gegenüber mit eigener Autonomie ausgestatteten Vereinigungen: Wouters195 Die Entscheidung im Fall J.C.J. Wouters, J.W. Savelbergh und Price Waterhouse Belastingadviseurs BV gegen Algemene Raad van de Nederlandse Orde van Advocaten vom 19. Februar 2002 reiht sich nahtlos in die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofes zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten gegenüber intermediären Gewalten ein. Zum Sachverhalt: Der Fall Wouters (2002) Herr Wouters, ein niederländischer Anwalt aus Amsterdam, wurde 1991 Partner einer Steuerberatungsgesellschaft und wollte sich 1994 in Rotterdam niederlassen, um dort seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Steuerberater auszuüben. Der Vorstand der Bezirksrechtsanwaltskammer Rotterdam teilte ihm jedoch in einem Beschluss im Juli 1995 mit, dass dies wegen Verstoßes gegen die Samenwerkingsverordening der Niederländischen Rechtsanwaltskammer, welche ein Verbot der Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern enthält, unzu193 Auch Brigola, Das System der EG-Grundfreiheiten, 2004, S. 90, befürwortet eine Begrenzung der Konstellation der Drittwirkung auf solche Subordinationsverhältnisse. 194 Auch van den Bogaert, Practical Regulation of the Mobility of Sportsmen, 2005, S. 28, bemerkt, dass die Frage, ob Art. 39 EG auch auf rein private Parteien bei nichtdiskriminierenden Maßnahmen anwendbar ist, durch die Angonese-Entscheidung noch nicht endgültig geklärt wurde. 195 EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, S. I-1577 ff.
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lässig sei. Auf Herrn Savelbergh traf ein ähnlich gelagerter Sachverhalt zu. Die hiergegen eingereichten Verwaltungsbeschwerden von Herrn Wouters und Herrn Savelbergh wurden zurückgewiesen, so dass beide gemeinsam mit ihren jeweiligen Sozietäten Klage bei der Arrondissementsrechtbank Amsterdam erhoben, die jedoch für unzulässig erklärt wurde. Dagegen legten die Kläger Rechtsmittel beim Raad van State ein, welcher dem Gerichtshof neben Fragen zur Auslegung der Art. 101, 102 und 106 AEUV (zum Zeitpunkt des Vorabentscheidungsersuchens noch Art. 85, 86 und 90 EGV) auch die Fragen zur Vorabentscheidung vorlegte, ob ein solches Zusammenarbeitsverbot an der Niederlassungsfreiheit und/oder der Dienstleistungsfreiheit zu messen sei, ob es bejahendenfalls eine Beschränkung derselben darstelle, und ob diese dann möglicherweise aufgrund der Keck- oder Gebhard-Grundsätze gerechtfertigt sei.
Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung weist der EuGH darauf hin, dass „. . . die Art. 52 und 59 EGV [jetzt Art. 49 und 56 AEUV] auch von Regelungen nichtstaatlichen Ursprungs einzuhalten sind, mit denen selbstständige Tätigkeiten und Dienstleistungen kollektiv geregelt werden. Die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten wäre nämlich gefährdet, wenn die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse wirkungslos gemacht werden könnte, die sich daraus ergeben, dass nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen und Einrichtungen von ihrer rechtlichen Autonomie Gebrauch machen.“196
Daher seien die Regelungen über den freien Dienstleistungsverkehr und/ oder die Niederlassungsfreiheit zwar sehr wohl auf die Samenwerkingsverordening anwendbar, diese sei jedoch wegen der Notwendigkeit der Schaffung von Vorschriften über Organisation, Befähigung, Standespflichten, Kontrolle und Verantwortlichkeit, die den Empfängern juristischer Dienstleistungen und der Rechtspflege die erforderliche Gewähr für Integrität und Erfahrung bieten, gerechtfertigt. Die Regelung des Verbots des Zusammenschlusses von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern kann also bei vernünftiger Betrachtung als erforderlich für die ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufs, wie er in dem betreffenden Staat geordnet ist, angesehen werden. Mit dieser Entscheidung bestätigt der EuGH also erneut seine mittlerweile ständige Rechtsprechung zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten gegenüber privaten Verbänden, die mit eigener Autonomie ausgestattet selbstständige Tätigkeiten oder Dienstleistungen kollektiv regeln. In Bezug auf die Niederlassungsfreiheit stellt diese Entscheidung die erstmalige unmissverständliche Anerkennung einer Verpflichtung Privater dar. Im Hinblick auf die Kongruenz der Grundfreiheiten war dies jedoch nicht überraschend, sondern ein logischer Schritt. 196
EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, S. I-1577 ff., Rn. 120.
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Beachtenswert ist jedoch, dass der EuGH wieder ausdrücklich auf kollektive Regelungen Bezug nimmt, was dafür sprechen könnte, die AngoneseEntscheidung doch als Einzelfallentscheidung anzusehen, die nur das Diskriminierungsverbot im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit betraf. Zudem wird zwar die Bindung der Rechtsanwaltskammer an die Grundfreiheiten bejaht, die in Frage stehende Regelung im konkreten Fall jedoch als aus organisatorischen und sachlichen Gründen als gerechtfertigt angesehen. Dem Argument, Private könnten Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten nicht rechtfertigen und könnten daher auch nicht an diese gebunden sein, wird also erneut eine Absage erteilt. Auf die Einordnung der hier genannten Rechtfertigungsgründe wird im nächsten Teil der Arbeit noch genauer eingegangen, wobei die Frage im Vordergrund stehen soll, ob sich eine ähnliche Argumentation auch auf die Satzungen von Sportverbänden übertragen lässt. g) Bindungswirkung der Grundfreiheiten bei kollektiven Maßnahmen von Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbänden: Viking197 In dem Fall International Transport Workers’ Federation (ITF) und Finnish Seamen’s Union (FSU) gegen Viking Line ABP und OÜ Viking Line Eesti vom 11. Dezember 2007 ging es um die Frage, ob und inwiefern auch kollektive Maßnahmen von Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbänden der Bindungswirkung der Grundfreiheiten unterliegen. Im Vorfeld war vielfach – ähnlich der Problematik im Bereich des Sports – eine Bereichsausnahme für das Streikrecht und andere kollektive Maßnahmen von Gewerkschaften gefordert worden, da diese in erster Linie soziale Zielsetzungen verfolgten198. Diesem Ansinnen wurde vom EuGH in den kurz aufeinander folgenden Entscheidungen Viking und Laval jedoch ähnlich wie im Bereich des Sports eine eindeutige Absage erteilt. Zum Sachverhalt: Der Fall Viking (2007) Das finnische Fährunternehmen Viking betrieb den Fährverkehr zwischen Tallinn (Estland) und Helsinki (Finnland) mit Verlust, da für die unter finnischer Flagge 197
EuGH, Rs. C-438/05 – Viking, Slg. 2007, S. I-10779 ff. Vgl. nur Bercusson, Collective action and economic freedoms, 2007, der im Vorfeld der Entscheidungen Viking und Laval sieben mögliche Lösungsalternativen anführte, um einem Missbrauch der Marktfreiheiten durch Sozialdumping zu begegnen. Siehe außerdem Bercusson, ELJ 2007, S. 279 ff., sowie Blanke, AuR 2006, S. 1 (5). Anders Pießkalla, NZA 2007, S. 1144 (1147), der darauf hinweist, dass die soziale Zielsetzung zwar im Rahmen der Rechtfertigung zu berücksichtigen sei, jedoch nichts an der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ändere. 198
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verkehrenden Schiffe die Tarifverträge mit der finnischen Gewerkschaft galten, welche ein höheres Lohnniveau beinhalteten als die Tarifverträge estnischer Gewerkschaften. Um sich in der Konkurrenz mit dem estnischen Fährverkehr behaupten zu können, plante Viking daher im Jahr 2003, ihr Schiff „Rosella“ umzuflaggen, um so einen Tarifvertrag mit norwegischen oder estnischen Gewerkschaften mit entsprechend niedrigeren Löhnen abschließen zu können. Die finnische Gewerkschaft kündigte daraufhin einen Streik an, mit dem Ziel, dass die finnischen Arbeitnehmer auch weiterhin nach dem geltenden finnischen Tarifvertragsrecht zu beschäftigen seien. Das von Viking angerufene Gericht Helsingin käräjäoikeus stellte daraufhin fest, dass eine solche Forderung die von Viking beabsichtigte Umflaggung vollkommen sinnlos machen würde. Die Viking akzeptierte vorübergehend die Forderungen der Gewerkschaften, erhob dann aber am 18. August 2004 Klage beim englischen High Court of Justice Queen’s Bench Division, mit dem Antrag, festzustellen, dass die Maßnahmen der FSU und ITF gegen die Niederlassungsfreiheit aus Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) verstießen. Im Berufungsverfahren legte der Court of Appeal dem EuGH u. a. die Fragen zur Auslegung vor, ob eine gegen die Niederlassung eines privaten Unternehmens in einem anderen Mitgliedstaat gerichtete kollektive Maßnahme einer Gewerkschaft unter das Diskriminierungs- oder Beschränkungsverbot des Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) fällt, wenn diese zu einem Zweck betrieben wird, das Unternehmen davon abzubringen, von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen. Eine weitere Frage betraf eine etwaige Rechtfertigung der kollektiven Maßnahme auf Grund des grundrechtlich geschützten Streikrechts sowie aus Arbeitnehmerschutzgründen als Gründen der öffentlichen Ordnung i. S. v. Art. 46 EG (jetzt Art. 52 AEUV).
Der Gerichtshof wiederholt, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung (insbesondere in den Fällen Walrave und Koch, Donà ./. Mantero, Bosman, Deliège, Angonese und Wouters) die Art. 39, 43 und 49 EG (jetzt Art. 45, 49 und 56 AEUV) nicht nur für Akte der staatlichen Behörden gelten, sondern sich auch auf Regelwerke anderer Art erstrecken, die die abhängige Erwerbstätigkeit, die selbstständige Arbeit oder die Erbringung von Dienstleistungen kollektiv regeln199. Auch die kollektiven Maßnahmen der Gewerkschaften fallen hier unter deren rechtliche Autonomie, die durch die Koalitionsfreiheit gewährt wird, so dass Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) diesen gegenüber von einem privaten Unternehmen wie der Viking geltend gemacht werden kann. Damit ist der Anwendungsbereich des Art. 49 AEUV grundsätzlich eröffnet. Problematisch sei zwar, dass es sich bei der Ausübung des Streikrechts (Art. 28 der Grundrechte-Charta 2007) als kollektiver Maßnahme um die Wahrnehmung eines Grundrechts handele, jedoch sei auch dieses als solches nicht unbeschränkbar. Außerdem führe der bloße Grundrechtscharakter nicht zu einem Ausschluss des Anwendungsbereichs des Art. 49 AEUV, sondern lediglich zu einer Abwägung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auf Rechtfertigungsebene. 199
EuGH, Rs. C-438/05 – Viking, Slg. 2007, S. I-10779 ff., Rn. 33.
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Eine kollektive Maßnahme, die darauf abzielt, den Reeder daran zu hindern, seine Schiffe in einem anderen Staat registrieren zu lassen als demjenigen, dessen Staatsangehörigkeit der wirtschaftliche Schiffseigentümer besitzt, ist dazu geeignet, die Niederlassungsfreiheit der Reederei zu beschränken. Eine Rechtfertigung aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses ist jedoch möglich, als solche kommen insbesondere das durch nationales Recht gewährleistete Streikrecht sowie Gründe des Arbeitnehmerschutzes in Betracht: „Eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt wird.“200
Insbesondere ist dabei zu berücksichtigen, dass die Europäische Union nicht nur wirtschaftliche Ziele verfolgt, sondern auch eine Sozialpolitik (siehe jetzt Art. 151 ff. AEUV) umfasst. Die entsprechende Abwägung der verschiedenen Interessen und Belange obliegt dabei dem nationalen Gericht. Vorliegend schien eine Rechtfertigung aus Arbeitnehmerschutzgründen jedoch eher unwahrscheinlich, da die Viking den Fortbestand der Arbeitsplätze zugesagt hatte und für diese daher keine unmittelbare Gefahr bestand. Die Entscheidung im Fall Viking stellt eine konsequente Fortentwicklung der Bosman-Rechtsprechung dar, die nun explizit auch auf die Niederlassungsfreiheit von Unternehmen angewandt wird. Gewerkschaften mit von nationalem Recht verliehener Regelungsautonomie sind ebenso an die in den Grundfreiheiten enthaltenen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote gebunden wie Sportverbände. Die Entscheidung folgte auf kritische Diskussionen in Literatur und Öffentlichkeit, die vielfach zu dem Schluss kamen, dass für Gewerkschaften und Arbeitsrecht eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten bestehen müsse201. Dieser Ansicht wurde mit dem Urteil eine eindeutige Absage erteilt. Erstmals äußert sich der Gerichtshof jedoch ausdrücklich auch zu Rechtfertigungsmöglichkeiten privater Verbände: Eine Rechtfertigung durch die 200
EuGH, Rs. C-438/05 – Viking, Slg. 2007, S. I-10779 ff., Rn. 75. In diese Richtung, aber mit Einschränkungen, etwa Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 186 f., der darauf hinweist, dass bei der heutigen innergemeinschaftlichen Wirtschaftsvernetzung jeder Streik die Grundfreiheiten anderer Marktteilnehmer verletzen würde. Er tendiert daher dazu, nur solche Streiks als Grundfreiheitsbeschränkungen anzusehen, welche die Behinderung des Marktzugangs bezwecken, nicht jedoch Streiks, die lediglich darauf abzielen, die Gegebenheiten des nationalen Marktes zu ändern. Daher sei eine Abwägung im Einzelfall geboten. 201
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Wahrnehmung grundrechtlich geschützter Rechte, die einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen, ist bei Verhältnismäßigkeit der Maßnahme grundsätzlich möglich. Zudem wurde die Existenz eines Grundrechts der Arbeitnehmer auf Streik ausdrücklich bestätigt. Gleiches muss dann auch für von Sportverbänden verabschiedete Satzungen gelten, die also Beschränkungen enthalten dürfen, wenn diese der Umsetzung der Vereinigungsfreiheit dienen und in diesem Sinne auch verhältnismäßig sind. Auf diesen Gesichtspunkt wird im zweiten Teil der Arbeit noch genauer eingegangen. h) Bestätigung der Bindung von Gewerkschaften an die Grundfreiheiten: Laval202 Auch die kurz darauf ergangene Entscheidung des Gerichtshofs im Fall Laval un Partneri Ltd. gegen Svenska Byggnadsarbetareförbundet (Byggnads), Svenska Byggnadsarbetareförbundets avdeling 1, Byggettan (Byggettan) und Svenska Elektrikerförbundet (Elektrikerna) vom 18. Dezember 2007 stellt, wie im Fall Viking, eine Adressatenstellung auch von Gewerkschaften fest. Zum Sachverhalt: Der Fall Laval (2007) Laval, eine Baugesellschaft lettischen Rechts mit Sitz in Riga, entsandte 2004 mehrere Arbeitnehmer nach Växholm in Schweden auf eine Baustelle der Baltic, einer Gesellschaft schwedischen Rechts, die bis 2003 eine 100 %-ige Tochter der Laval gewesen war. Die meisten der entsandten lettischen Arbeitnehmer waren Mitglieder der lettischen Baugewerkschaft. Mit den schwedischen Gewerkschaften Byggnads, Byggettan und Elektrikerna bestanden hingegen keine tarifvertraglichen Bindungen. In Verhandlungen im September 2004 mit Baltic und Laval verlangte Byggettan den Beitritt zum Bautarifvertrag sowie die Garantie von Mindestlöhnen für die Arbeitnehmer auf der Baustelle in Växholm und drohte anderenfalls mit kollektiven Maßnahmen. Die Verhandlungen blieben jedoch ohne Ergebnis, so dass im November 2004 eine Blockade der Baustelle in Växholm begann, die unter anderem zur Folge hatte, dass Warenlieferungen verhindert wurden, und den lettischen Arbeitnehmern der Zugang zur Baustelle verwehrt wurde. Die Polizei kam Laval deshalb nicht zur Hilfe, weil Kollektivmaßnahmen nach schwedischem Recht erlaubt sind und polizeiliches Einschreiten dagegen daher unzulässig wäre. Auch anlässlich eines im Dezember 2004 anberaumten Schlichtungstermins weigerte sich Laval weiterhin, dem Bautarifvertrag beizutreten, so dass die gegen sie gerichteten kollektiven Maßnahmen fortgeführt und verstärkt, und auch von Elektrikerna solidarisch unterstützt wurden. Laval erhob daraufhin Klage beim Arbetsdomstol, der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde jedoch zurückgewiesen. Im Januar 2005 wurden weitere gewerkschaftliche Solidaritätsmaßnahmen in Form eines Boykotts sämtlicher Baustellen von Laval 202
EuGH, Rs. C-341/05 – Laval, Slg. 2007, S. I-11767 ff.
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angekündigt. Baltic wurde im März 2005 für insolvent erklärt. Im Rahmen des Hauptsacheverfahrens legte der Arbetsdomtol im September 2005 dem Gerichtshof u. a. die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob es mit der Dienstleistungsfreiheit, Art. 12 EG (jetzt Art. 18 UAbs. 1 AEUV) und der Richtlinie 96/71 vereinbar sei, dass gewerkschaftliche Organisationen über kollektive Blockademaßnahmen versuchten, ein ausländisches Dienstleistungsunternehmen, das Arbeitnehmer in das Gastland entsendet, zur Anwendung des Tarifvertrages sowie der Mindestlöhne des Gastlandes zu zwingen.
Der Gerichtshof stellte zunächst fest, dass Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) nicht einschlägig sei, da in diesem Falle der konkretere Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV) in Bezug auf die Dienstleistungsfreiheit zur Anwendung komme. Er wies darauf hin, dass es den Mitgliedstaaten zwar verwehrt sei, aus anderen Mitgliedstaaten entsandten Arbeitnehmern Beschränkungen hinsichtlich ihrer Freizügigkeit aufzuerlegen, nicht jedoch, die im Gastland geltenden Mindestlöhne auf alle dort tätigen Arbeitnehmer zu erstrecken, jedenfalls insoweit als dass dies aus Arbeitnehmerschutzgründen erforderlich sei und nicht über solche Gründe hinausgehe. Die dazu erlassene Richtlinie 96/71/EG203 harmonisiere nicht den materiell-rechtlichen Inhalt der zwingenden Bestimmungen über ein Mindestmaß an Schutz, so dass dieser von den Mitgliedstaaten selbst ausgestaltet werden könne. Hinsichtlich der Überprüfung der kollektiven Maßnahmen anhand von Art. 56 AEUV wurde von den Beklagten sowie der dänischen und schwedischen Regierung geltend gemacht, dass diese wegen Art. 153 Abs. 5 AEUV (ex-Art. 137 Abs. 5 EG) nicht in den Anwendungsbereich des Art. 56 AEUV fallen. Dieses Argument akzeptiert der Gerichtshof aber nicht204: „Hierzu genügt der Hinweis, dass es den Mitgliedstaaten in den Bereichen, für die die Gemeinschaft nicht zuständig ist, zwar grundsätzlich weiterhin freisteht, die Bedingungen für den Bestand der fraglichen Rechte und die Modalitäten ihrer Ausübung festzusetzen, dass sie aber gleichwohl gehalten sind, das Gemeinschaftsrecht bei der Ausübung dieser Befugnis zu beachten.“205
Das ist folgerichtig, denn auch im Bereich der von den Verträgen unberührten Kompetenzen müssen die Mitgliedstaaten das Primärrecht beachten. Art. 153 Abs. 5 AEUV begrenzt lediglich die Rechtsetzungsbefugnis der Union, nicht jedoch die Anwendung des Primärrechts206. Wie schon im 203 Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen vom 16.12.1998, ABl. EG 1997, Nr. L 18, S. 1 ff. 204 Joerges/Rödl, Von der Entformalisierung europäischer Politik, 2008, S. 15 ff., sehen das im Hinblick auf Art. 137 Abs. 5 EG, welcher das Arbeitsentgelt, das Koalitionsrecht, das Streikrecht sowie das Aussperrungsrecht von der Gemeinschaftskompetenz gerade ausnimmt, als sehr problematisch an. 205 EuGH, Rs. C-341/05 – Laval, Slg. 2007, S. I-11767 ff., Rn. 87.
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Fall Viking festgestellt, können die grundrechtlich geschützten Maßnahmen von Gewerkschaften nicht von vornherein vom Anwendungsbereich des Unionsrechts oder auch nur der Grundfreiheiten ausgenommen werden. Die Grundrechte wirken sich lediglich im Rahmen der Interessenabwägung auf Rechtfertigungsebene aus. „Demnach ist zwar das Recht auf Durchführung einer kollektiven Maßnahme als Grundrecht anzuerkennen, das fester Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist, deren Beachtung der Gerichtshof sicherstellt, doch kann seine Ausübung bestimmten Beschränkungen unterworfen werden.“207
Der Grundrechtscharakter des Rechts auf kollektive Maßnahmen könne solche Maßnahmen also nicht dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit entziehen, sondern es ist trotzdem zu prüfen, ob diese Maßnahme eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs darstelle, die jedoch möglicherweise gerechtfertigt sein könne. Der EuGH weist im Einklang mit den Entscheidungen Walrave und Koch, Bosman und Wouters ausdrücklich noch einmal darauf hin, dass Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV) auch für Regelwerke nicht-staatlicher Art gilt, die die Erbringung von Dienstleistungen kollektiv regeln sollen: „Denn die Beseitigung der Hindernisse für den freien Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten wäre gefährdet, wenn die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse neutralisiert werden könnte, die nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen und Einrichtungen im Rahmen ihrer Autonomie setzen.“208
Diese Beschränkungswirkung wurde im vorliegenden Fall bejaht, da die in Frage stehende kollektive Maßnahme geeignet sei, für Unternehmen wie Laval die Durchführung von Bauarbeiten im schwedischen Hoheitsgebiet weniger attraktiv zu machen und sogar zu erschweren. Eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit sei jedoch nur zulässig, „. . . wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, soweit sie in einem solchen Fall geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.“209
Der Schutz von Arbeitnehmern gegen etwaiges Sozialdumping kann ein solch zwingender Grund des Allgemeininteresses sein und als solcher die Beschränkung von Grundfreiheiten rechtfertigen, insbesondere da die Tätig206 207 208 209
Zwanziger, DB 2008, S. 294 (295). EuGH, Rs. C-341/05 – Laval, Slg. 2007, S. I-11767 ff., Rn. 91. EuGH, Rs. C-341/05 – Laval, Slg. 2007, S. I-11767 ff., Rn. 98. EuGH, Rs. C-341/05 – Laval, Slg. 2007, S. I-11767 ff., Rn. 101.
B. Bindung Privater an die Grundfreiheiten
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keit der Union neben dem wirtschaftlich ausgerichteten Binnenmarkt auch eine Sozialpolitik umfasst. Daher müssen die durch die Grundfreiheiten gewährleisteten Rechte gegen die mit der Sozialpolitik verfolgten Ziele i. S. v. Art. 151 AEUV (ex-Art. 136 EG) abgewogen werden. Im vorliegenden Fall war der Arbeitnehmerschutz zwar ein tauglicher Rechtfertigungsgrund, die getätigten Maßnahmen waren jedoch nicht zu dessen Durchsetzung geeignet. Der EuGH bestätigt also erneut die Bindung auch von privat organisierten Kollektivverbänden an die Grundfreiheiten, in diesem Fall an die Dienstleistungsfreiheit. Begrüßenswert ist am vorliegenden Urteil die klare Rechtfertigungsdogmatik, die hervorhebt, dass auch privat organisierte Verbände sich unter bestimmten Voraussetzungen auf den ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses berufen können, nämlich dann, wenn die fraglichen Regelungen oder Maßnahmen ein legitimes Ziel verfolgen und ein zu dessen Erreichung geeignetes und verhältnismäßiges Mittel darstellen. Darauf soll im nächsten Teil dieser Arbeit noch vertieft eingegangen werden. i) Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung: Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft210 Die derzeit jüngste Entscheidung des Gerichtshofs zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten erging am 17. Juli 2008 im Fall Andrea Raccanelli gegen die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. und stellt wiederum eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung dar. Zum Sachverhalt: Der Fall Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft (2008) Andrea Raccanelli, ein italienischer Staatsangehöriger, war bei der Max-PlanckGesellschaft (MPG), einem gemeinnützigen Verein des deutschen Privatrechts, in Bonn als Doktorand mit Stipendienvertrag beschäftigt. Laut Vertrag haben Stipendiaten keine Arbeitsverpflichtung und sind weder einkommensteuer- noch sozialabgabenpflichtig. Die zweite Möglichkeit der Nachwuchsförderung seitens der MPG besteht im Abschluss eines Arbeitsvertrags, der zu Arbeitsleistungen gegenüber der MPG verpflichtet und sowohl steuer- als auch sozialabgabenpflichtig ist. Herr Raccanelli machte nun durch Klage beim Amtsgericht Bonn geltend, dass zwischen ihm und der MPG sehr wohl ein Arbeitsverhältnis bestand, da er genauso behandelt worden sei wie deutsche Doktoranden mit einem Arbeitsvertrag. Im Rahmen dieses Verfahrens legte das Amtsgericht Bonn dem EuGH die Frage 210 EuGH, Rs. C-94/07 – Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft, Slg. 2008, S. I-5939 ff.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
zur Vorabentscheidung vor, ob ein privatrechtlicher Verein wie die MPG genauso an das Diskriminierungsverbot gebunden sei, wie wenn es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts handelte.
Der Gerichtshof erinnerte daran, dass der Arbeitnehmerbegriff unionsrechtlich auszulegen sei. Danach sei hier Arbeitnehmer, wer „seine Tätigkeit während einer bestimmten Zeit nach der Weisung eines zu diesem Verein gehörenden Instituts ausübt und als Gegenleistung für diese Tätigkeit eine Vergütung erhält.“211
Die letztendliche Würdigung der Tatsachen des Sachverhalts obliege im Einzelfall aber dem Gericht des Ausgangsrechtsstreits. Ein privatrechtlicher Verein wie die MPG sei genauso an das Diskriminierungsverbot gegenüber Arbeitnehmern gemäß Art. 39 EG (jetzt Art. 45 AEUV) gebunden wie staatliche Stellen, der EuGH erinnert diesbezüglich an seine Rechtsprechung in Walrave und Koch, Bosman und Angonese. „Er hat nämlich festgestellt, dass die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit zwischen den Mitgliedstaaten gefährdet wäre, wenn die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse zunichte gemacht werden könnte, die sich daraus ergeben, dass nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen oder Einrichtungen von ihrer rechtlichen Autonomie Gebrauch machen.“212 „Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass das Diskriminierungsverbot des Art. 39 EG allgemein gehalten ist und sich nicht spezifisch an die Mitgliedstaaten oder die dem öffentlichen Recht unterliegenden Einrichtungen richtet.“213
Ob dies aber dazu führe, dass ausländischen Doktoranden eine Wahlmöglichkeit zwischen Stipendienvertrag und Arbeitsvertrag gegeben werden müsse, ob also eine Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen Doktoranden stattgefunden hat, unterliege der Bewertung und Feststellung des vorlegenden Gerichts. Wenn auch im Einzelfall ein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht festgestellt werden konnte, so überraschen doch die generell aus der Entscheidung zu gewinnenden Ergebnisse in Anbetracht der bisherigen ständigen Rechtsprechung des EuGH nicht: Auch privatrechtliche Vereine, wie etwa die Max-Planck-Institute, sind an die Grundfreiheiten, insbesondere Art. 45 AEUV, beim Abschluss von kollektiv regelnden Tarifverträgen und individuellen Arbeitsverträgen zwischen Privatpersonen gebunden. 211 EuGH, S. I-5939 ff., 212 EuGH, S. I-5939 ff., 213 EuGH, S. I-5939 ff.,
Rs. C-94/07 – Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft, Slg. 2008, LS 1. Rs. C-94/07 – Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft, Slg. 2008, Rn. 44. Rs. C-94/07 – Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft, Slg. 2008, Rn. 42.
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Die Entscheidung bringt in Bezug auf die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten inhaltlich also nichts Neues, sondern bestätigt nur erneut die ständige Rechtsprechung des EuGH, welcher eine umfassende Drittwirkung v. a. der Arbeitnehmerfreizügigkeit annimmt. Die ausdrückliche Bezugnahme auf die Angonese-Entscheidung lässt jedoch darauf schließen, dass diese, trotz aller Kritik aus der Literatur, nicht als Einzelfall oder Ausnahmeentscheidung anzusehen ist, sondern sich in den Rahmen der Rechtsprechung zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten einfügen soll214, obwohl es sich im Fall erneut um kollektive Regelungen handelte, die hier sogar direkt unter die VO (EWG) Nr. 1612/68 zu subsumieren waren. Die Haltung des EuGH zur umfassenden unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten kann daher also mittlerweile wohl als gefestigte ständige Rechtsprechung bezeichnet werden. j) Zusammenfassung: Unmittelbare Drittwirkung der personenbezogenen Grundfreiheiten Nach einer Analyse der Rechtsprechung des EuGH aus den letzten mehr als 30 Jahren lässt sich festhalten, dass es eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten gibt. Die anfängliche Kritik in der Literatur, insbesondere nach den Entscheidungen in den Fällen Bosman und Angonese, richtet sich angesichts der neuesten Bestätigungen der Rechtsprechung in den Fällen Viking, Laval und Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft gegen eine gefestigte Rechtsprechung des EuGH. Noch nicht endgültig geklärt ist jedoch die Frage, wie weit die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten geht. Einigkeit besteht darüber, dass zumindest private Normgeber an die Grundfreiheiten gebunden sind. Inwiefern auch der individuelle Einzelne an die Grundfreiheiten gebunden sein soll, bleibt jedoch trotz der Angonese-Entscheidung noch abzuwarten, da auch in diesem Fall, ebenso wie im Fall Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft, ein Subordinationsverhältnis mit einem Machtgefälle vorlag, so dass auch die konkret betroffene Bank (bzw. die Max-Planck-Gesellschaft) in einem gewissen Maße noch mit einer den intermediären Gewalten und anderen Normgebern vergleichbaren sozialen Machtfülle ausgestattet war. In Bezug auf die Frage der Bindung von Sportverbänden an die Grundfreiheiten kommt es auf diese Frage für den Fortgang der Untersuchung jedoch nicht an, da diese als intermediäre Gewalten nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ohnehin an die Grundfreiheiten gebunden sind, 214 So auch Repasi, EuZW 2008, S. 529 (532), der diese Entscheidung als Bestätigung der Angonese-Rechtsprechung ansieht.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
unabhängig von der noch abzuwartenden Klärung der Frage, ob auch Einzelpersonen an die Grundfreiheiten gebunden sein können. Unklarheit herrscht außerdem noch in Bezug auf die Frage, ob private Verbände lediglich an das in den Grundfreiheiten enthaltene Diskriminierungsverbot gebunden sind oder ob gleiches auch für das ebenso enthaltene Beschränkungsverbot gilt. Ausdrücklich beantwortet wurde diese Frage vom EuGH nur in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit, so dass seit der Bosman-Entscheidung kein Zweifel mehr daran bestehen kann, dass Sportverbände auch keine (ungerechtfertigten) Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit veranlassen dürfen. Ob das Gleiche auch für die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit gilt, bleibt abzuwarten, ist aber aufgrund der Kongruenz der Grundfreiheiten wohl zu erwarten. Zumindest das Bestehen eines Beschränkungsverbots auch im Rahmen dieser beiden Grundfreiheiten wurde vom EuGH bereits bejaht. Warum ein solches Beschränkungsverbot, wenn es schon besteht, dann nicht auch von privaten Marktteilnehmern zu beachten sein sollte, dafür sind keine einleuchtenden Gründe ersichtlich, zumal eine solche Wirkung im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit bereits bejaht wurde und immer noch die Möglichkeit einer Rechtfertigung besteht. 3. Warenverkehrsfreiheit In Bezug auf die Warenverkehrsfreiheit zeigte sich der EuGH deutlich zögerlicher hinsichtlich der Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung der Art. 34 ff. AEUV (ex-Art. 28 ff. EG). Lediglich die Entscheidung im Fall Dansk Supermarked215 kann als Indiz für eine etwaige unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten aufgefasst werden, während andere Entscheidungen eher für die gegenteilige Ansicht sprechen. Eine ausdrückliche Stellungnahme des Gerichtshofs ist aber bisher nicht erfolgt, vielmehr hat dieser sich durch die Annahme von Schutzpflichten der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Warenverkehrsfreiheit offensichtlich für einen anderen Weg entschieden. a) Entscheidungen des EuGH mit Bezug zu einer etwaigen unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit Die Entscheidung Haug-Adrion216 vom 13. Dezember 1984 wird vielfach als Indiz für eine Ablehnung der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfrei215 EuGH, Rs. 58/80 – Dansk Supermarked, Slg. 1981, S. 181 ff., zu dieser Entscheidung sogleich Genaueres. 216 EuGH, Rs. 251/83 – Haug-Adrion, Slg. 1984, S. 4277 ff.
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heiten aufgefasst. Darin ging es um die Frage der Vereinbarkeit bestimmter Versicherungsregelungen mit dem Unionsrecht, insbesondere den Grundfreiheiten. In Bezug auf eine etwaige Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit stellte der EuGH fest, dass eine solche nur von Maßnahmen ausgehen kann, die eine Lenkung der Handelsströme bezwecken. Davon kann bei einer Regelung, welche den Versicherungsgesellschaften erlaubt, bestimmte Tarifbestimmungen zu erlassen, keine Rede sein. Der Gerichtshof vermied also eine direkte Stellungnahme dazu, ob auch (private) Versicherungsunternehmen an die Grundfreiheiten gebunden sein können, indem er deren Verletzung von vornherein ablehnte. Lediglich in Bezug auf die Warenverkehrsfreiheit ließ er anklingen – ohne dies jedoch ausdrücklich so herauszustellen –, dass eine solche durch die Versicherungsbestimmungen selbst wohl nicht denkbar sei. Insofern kann das Urteil durchaus als Argument gegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten herangezogen werden, bleibt im Übrigen aber etwas unklar. Das liegt vor allem daran, dass Streit darüber bestand, ob in der Gestaltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Versicherers überhaupt eine Handlung eines Privaten zu sehen ist, da die AGB von Versicherungen einer behördlichen Genehmigung bedurften217. Der EuGH prüfte zwar ausdrücklich die Tarifbestimmungen und nicht den staatlichen Genehmigungsakt. Diesen staatlichen Genehmigungsakt könnte man jedoch als Anknüpfungspunkt für eine Zurechnung der Vertragsbestimmungen an eine staatliche Behörde, und damit eine Anwendbarkeit der Grundfreiheiten nehmen, so dass die Konstruktion einer unmittelbaren Drittwirkung für diesen Fall überhaupt nicht mehr erforderlich wäre218. Da sich der Gerichtshof im vorliegenden Verfahren aber nicht mit dieser Frage befasst hat, können aus der Entscheidung wohl auch keine diesbezüglichen Anhaltspunkte herausgelesen werden. Auch der Vergleich zu den Schlussanträgen des Generalanwaltes Lenz verstärkt den Eindruck, dass die Frage der unmittelbaren Drittwirkung unbehandelt gelassen werden sollte, da dieser bereits das Vorliegen einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit ablehnte219. Die Entscheidung im Fall Haug-Adrion vermag also keinen Aufschluss über die Frage der unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit zu geben. 217
Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 37. So Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, 2001, S. 71. 219 Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003, S. 102. 218
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Die Möglichkeit einer unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit lässt der Gerichthof in der Entscheidung Dansk Supermarked220 vom 22. Januar 1981 zwar anklingen, sie wird aber in der Literatur auch oft als „Ausreißer“ angesehen. Zum Sachverhalt: Der Fall Dansk Supermarked (1981) Die dänische Firma Imerco ließ anlässlich ihres 50. Betriebsjubiläums 1978 in Großbritannien ein Steingutservice mit ihrer Firmenbezeichnung herstellen, welches ausschließlich über Händler der Firma Imerco vertrieben werden sollte. Mit den englischen Herstellern wurde jedoch vereinbart, dass ausgesonderte Teile 2. Wahl auch anderweitig verkauft werden, jedoch keinesfalls nach Dänemark oder in andere skandinavische Länder gelangen dürften. Die dänische Firma Dansk Supermarked beschaffte sich einige Stücke des Service in England und verkaufte diese in Dänemark zu einem erheblich niedrigeren Preis als die der Firma Imerco angeschlossenen Händler. Dansk Supermarked weigerte sich gegenüber Imerco, den Vertrieb einzustellen, so dass diese daraufhin beim Byret eine einstweilige Verfügung erwirkte, welche vom Sø-Og Handelsret Kopenhagen bestätigt wurde. Dagegen legte die Firma Dansk Supermarked beim Højesteret Berufung ein, welcher dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorlegte, ob unionsrechtliche Vorschriften in diesem Fall die Anwendung der dänischen Gesetze über das Urheberrecht, das Warenzeichenrecht und die Vermarktung von Waren ausschlössen.
Der EuGH stellte fest, dass von der Vorlagefrage nur die Art. 30 und 36 EWGV (jetzt 34 und 35 AEUV) betroffen seien, nicht jedoch das Wettbewerbsrecht. Dann wies er darauf hin, dass die Gerichte eines Mitgliedstaates nicht dazu befugt wären, den Vertrieb einer Ware aus urheberrechtlichen oder ähnlichen Gründen zu untersagen, wenn der Rechteinhaber diese Waren selbst schon rechtmäßig in den Verkehr gebracht habe bzw. dies mit seiner Zustimmung geschehen sei (Grundsatz der Erschöpfung). Zudem könne die bloße Einfuhr einer Ware, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sei, nicht als unzulässige oder unlautere Handelspraxis angesehen werden, wenn nicht noch von der eigentlichen Einfuhr unabhängige Umstände hinzuträten. Schlussendlich nahm der EuGH auch noch in einem Absatz Bezug auf die zwischen Imerco und der englischen Herstellerfirma getroffene Vereinbarung mit folgendem Hinweis: „Vereinbarungen zwischen Privaten dürfen in keinem Fall von den zwingenden Bestimmungen des Vertrages über den freien Warenverkehr abweichen.“221
Demnach könne eine solche private Vereinbarung, die dazu führt, dass in einem Mitgliedstaat rechtmäßig in Verkehr gebrachte Waren, in einen ande220
EuGH, Rs. 58/80 – Dansk Supermarked, Slg. 1981, S. 181 ff. EuGH, Rs. 58/80 – Dansk Supermarked, Slg. 1981, S. 181 ff., LS 3 und Rn. 17. 221
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ren Mitgliedstaat nicht eingeführt werden können, nicht als Grundlage für die Qualifikation als unzulässige oder unlautere Handelspraxis dienen. Die Entscheidung Dansk Supermarked wurde vielfach als eindeutige Entscheidung des EuGH für eine unmittelbare Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit auch gegenüber Privaten angesehen222. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass die private Vereinbarung gar nicht Gegenstand des Verfahrens war, sondern es hauptsächlich um die Vereinbarkeit der dänischen Urheberrechts- und Handelsverkehrsvorschriften mit dem Unionsrecht ging223 und der Gerichtshof sich lediglich in einem obiter dictum dahingehend äußerte, dass auch Private nicht von den zwingenden Bestimmungen des Vertrages abweichen dürften. Jedoch ging es auch in diesem Hinweis nicht um eine selbstständige Verpflichtung Privater durch die Vertragsvorschriften, sondern nur darum, ob eine solche als Grundlage für die Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift über unlautere Handelsmethoden gelten könne, was folgerichtig im Falle von Unionsrechtswidrigkeit abzulehnen ist. Der Hinweis des EuGH ist daher lediglich als Gewährleistung der Unantastbarkeit der Wertungen der Art. 34 ff. AEUV anzusehen, nicht jedoch als Begründung einer unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit224. Letztendlich sind der Entscheidung im Fall Dansk Supermarked daher keine schlüssigen Anhaltspunkte im Hinblick auf die Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit gegenüber Privaten zu entnehmen. Auch die Entscheidung des Gerichthofes im Fall van de Haar225 wird oft im Zusammenhang mit der Frage nach der unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit angeführt. Dem Urteil ist zu entnehmen, dass der EuGH einer unmittelbaren Drittwirkung kritisch gegenüber steht, auch wenn er eine unmittelbar privatverpflichtende Wirkung der Vorschrift nicht explizit ausgeschlossen hat226. Jedoch ist zu beachten, dass Gegenstand des Verfahrens eine staatliche und nicht eine private Maßnahme war, so dass es 222 So z. B. Steindorff, FS Lerche 1993, S. 575 (578), der bemerkt, dass deutlicher kaum gesagt werden kann, dass die Grundfreiheiten auch privatautonomes Handeln binden. 223 Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000, S. 34 f.; Preedy, Die Bindung Privater an die Europäischen Grundfreiheiten, 2005, S. 27 f. 224 So u. a. Roth, FS Everling, Bd. II, 1995, S. 1231 (1235 f.), der die Unbeachtlichkeit der in der Entscheidung getätigten Aussagen damit begründet, dass es sich lediglich um eine in der nachfolgenden Judikatur nicht mehr beachtete Kammerentscheidung handelte. Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 60, sieht in der Entscheidung eher einen Fall der mittelbaren Drittwirkung, dergestalt, dass nationale Gerichte auch bei der Auslegung privater Verträge die Vertragsvorschriften zu beachten haben. 225 EuGH, verb. Rs. 177/82 und 178/82 – van de Haar, Slg. 1984, S. 1797 ff. 226 Siehe Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 61.
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sich bei den Ausführungen des EuGH zur unmittelbaren Drittwirkung lediglich um obiter dicta handelte, aus denen nicht unbedingt weitergehende Schlüsse gezogen werden können. In der Entscheidung Vlaamse Reisbureaus227 stellte der Gerichtshof fest, dass die Anwendung des Art. 34 AEUV im Rahmen privater Vereinbarungen abzulehnen sei, obwohl eine so ausdrückliche Klärung in diesem Verfahren gar nicht nötig gewesen wäre228. Im Fall Bayer ./. Süllhöfer229 lehnte der EuGH die Einschlägigkeit der Warenverkehrsfreiheit für die Entscheidung des zugrunde liegenden Falles mit der folgenden Begründung ab: „Im Hinblick auf die Frage der Vereinbarkeit der Klausel über die Unterlassung von Angriffen gegen bestimmte gewerbliche Schutzrechte mit den Artikeln 30 ff. EWG-Vertrag [jetzt Art. 34 ff. AEUV] ist darauf hinzuweisen, dass diese Artikel zu den Vorschriften gehören, durch die der freie Warenverkehr gesichert werden soll und durch die zu diesem Zweck die Maßnahmen der Mitgliedstaaten, die den freien Warenverkehr in irgendeiner Weise behindern könnten, beseitigt werden sollen. Dagegen gelten für Vereinbarungen zwischen Unternehmen die durch die Artikel 85 ff. EWG-Vertrag [jetzt Art. 101 ff. AEUV] aufgestellten Wettbewerbsregeln, die die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken.“230
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der EuGH einer unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit eher ablehnend gegenüber steht, trotz einiger weniger Anhaltspunkte, die in die entgegengesetzte Richtung interpretiert werden könnten. Im Folgenden ging der EuGH in dieser Frage mit der Entwicklung der Schutzpflichtenkonzeption daher auch einen anderen Weg. b) Schutzpflichten der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Grundfreiheiten: Kommission ./. Frankreich231 sowie Schmidberger232 Die Entscheidung des Gerichtshofes im Fall der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen die Französische Republik vom 9. Dezember 1997 begründete die Annahme von Schutzpflichten der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Grundfreiheiten. 227 228
EuGH, Rs. 311/85 – Vlaamse Reisbureaus, Slg. 1987, S. 3801 ff. Preedy, Die Bindung Privater an die Europäischen Grundfreiheiten, 2005,
S. 30. 229
EuGH, Rs. 65/86 – Bayer ./. Süllhöfer, Slg. 1988, S. 5249 ff. EuGH, Rs. 65/86 – Bayer ./. Süllhöfer, Slg. 1988, S. 5249 ff., Rn. 11. 231 EuGH, Rs. C-265/95 – Kommission ./. Frankreich, Slg. 1997, S. I-6959 ff. 232 EuGH, Rs. C-112/00 – Schmidberger, Slg. 2003, S. 5659 ff.; auch unter der Bezeichnung „Brenner-Blockade“ bekannt. 230
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Zum Sachverhalt: Der Fall Kommission ./. Frankreich (1997)233 In Frankreich häuften sich über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren Proteste von Landwirten und Vereinigungen gegen Agrartransporte vor allem aus Spanien. Sie äußerten sich im Anhalten von Lastwagen, der Vernichtung von Ladung, Angriffen auf Lastwagenfahrer, der Bedrohung französischer Supermärkte und der Beschädigung von in französischen Supermärkten ausliegenden ausländischen Agrarprodukten. Trotz mehrerer Ermahnungen seitens der Kommission blieben die französischen Behörden oft untätig und ermittelten und verfolgten nur eine geringe Zahl der an den Störungen beteiligten Personen. Daraufhin erhob die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, unterstützt vom Königreich Spanien und vom Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, Klage gegen die Französische Republik auf Feststellung, dass diese gegen Art. 30 i. V. m. 5 EGV (jetzt Art. 34 AEUV i. V. m. Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV n. F.) verstoßen habe, indem „sie nicht alle erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriffen hat, damit der freie Warenverkehr mit Obst und Gemüse nicht durch Handlungen von Privatpersonen beeinträchtigt wird.“234
Der Gerichtshof führte die Bedeutung der Warenverkehrsfreiheit für die Verwirklichung des Binnenmarktes aus und wies darauf hin, dass die französischen Behörden nicht alles in ihrer Macht Stehende getan hatten, um die Störungen zu beenden, zu verfolgen und zu vermeiden. „Artikel 30 [jetzt Art. 34 AEUV] ist für die Verwirklichung des Marktes ohne Binnengrenzen unabdingbar. Er verbietet damit nicht nur Maßnahmen, die auf den Staat zurückzuführen sind und selbst Beschränkungen für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten schaffen, sondern kann auch dann Anwendung finden, wenn ein Mitgliedstaat keine Maßnahmen ergriffen hat, um gegen Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs einzuschreiten, deren Ursachen nicht auf den Staat zurückzuführen sind. [. . .] Artikel 30 verbietet den Mitgliedstaaten somit nicht nur eigene Handlungen oder Verhaltensweisen, die zu einem Handelshemmnis führen könnten, sondern verpflichtet sie in Verbindung mit Artikel 5 EG-Vertrag [jetzt Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV n. F.] auch dazu, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um in ihrem Gebiet die Beachtung dieser Grundfreiheit sicherzustellen.“235 233 Oft auch als „Erdbeerstreit“ (so z. B. Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, 2001; sowie Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004), „Erdbeerkrieg“ (so etwa Ganten, Die Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2000) oder „Spanische Erdbeeren“ (so Hintersteininger, Binnenmarkt und Diskriminierungsverbot, 1999) bezeichnet, da sich die Aktionen hauptsächlich auf spanische Erdbeeren bezogen; oder „Französische Bauernproteste“ (Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003; Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrages als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004). 234 EuGH, Rs. C-265/95 – Kommission ./. Frankreich, Slg. 1997, S. I-6959 ff., Rn. 1. 235 EuGH, Rs. C-265/95 – Kommission ./. Frankreich, Slg. 1997, S. I-6959 ff., Rn. 30 f.
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Indem die französischen Behörden nur in geringen Umfang gegen die Agrarblockaden einschritten, haben sie also die ihnen aus der Warenverkehrsfreiheit in Verbindung mit den aus dem Grundsatz des Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV n. F. erwachsenden Schutzpflichten missachtet und verletzt. Mit dieser Entscheidung beschreitet der Gerichtshof einen neuen Weg im Hinblick auf die unmittelbare Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit. So nimmt er nicht eine direkte Verpflichtung der privaten Protestbewegungen an, sondern erlegt dem französischen Staat und seinen Behörden die Pflicht auf, gegen Beeinträchtigungen der Warenverkehrsfreiheit vorzugehen. Das Problem der Adressatenstellung von Privaten im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit wird so vermieden, indem stattdessen eine staatliche Beeinträchtigung auch im Unterlassen von Gegenmaßnahmen gesehen werden kann236. Das ist insofern vor dem Hintergrund des effet utile konsequent, als dass es sich bei den Handlungen der Protestbewegungen nicht um kollektiv organisierte Maßnahmen oder Vorschriften handelte, die rechtlich greifbar wären, sondern um spontane Aktionen, deren Qualifikation als Unionsrechtsverletzung zu nichts geführt hätte, da die Protestler teilweise nicht einmal bekannt waren. Es handelte sich damit um faktische Beeinträchtigungen. Der Staat, der diesem Treiben tatenlos zuschaute, war demgegenüber viel leichter haftbar zu machen, indem ihm das nicht unterbundene private Handeln gleichermaßen zugerechnet wurde. Für eine solche Zurechnung von Privathandeln an den Staat ist dabei ausschlaggebend, dass der Staat bereits im Vorfeld solche Strukturen geschaffen bzw. erlaubt hat, die ihm einen Einfluss auf die handelnden Personen eröffnen, so dass ihm deren Handeln auch als „sein Werk“ zugerechnet werden kann237. In Reaktion auf dieses Urteil erließ die Union eine Verordnung238, welche festlegt, welche Maßnahmen die Mitgliedstaaten, ggf. in Zusammenarbeit mit der Kommission, bei einer drohenden Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs zu ergreifen haben. Die Entscheidung des Gerichtshofes im Fall Eugen Schmidberger, Internationale Transporte und Planzüge, gegen die Republik Österreich vom 12. Juni 2003 ist, ähnlich wie das Urteil Kommission ./. Frankreich, auch keine Entscheidung zur unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten im 236 Nach Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, 2001, S. 26 f., begründet Art. 28 EG seinem Wortlaut nach ohnehin nur eine Unterlassenspflicht der Mitgliedstaaten. 237 So auch Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, 2001, S. 40 f. 238 VO (EG) Nr. 2679/98 des Rates über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten vom 7.12.1998, ABl. EG, Nr. L 337, S. 8 f.
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eigentlichen Sinne, sondern sie bestätigt vielmehr die den Grundfreiheiten immanenten Schutzpflichten für die Mitgliedstaaten, deren Verletzung eine Schadensersatzpflicht nach sich ziehen kann. Zum Sachverhalt: Der Fall Schmidberger (2003) Das Transitforum Austria Tirol, Verein zum „Schutz des Lebensraumes in der Alpenregion“, hatte für den 15. Mai 1998 bei der zuständigen Behörde (Bezirkshauptmannschaft Innsbruck) eine Versammlung auf der Brenner-Autobahn angekündigt, die für einen gewissen Zeitraum zu einer vollständigen Verkehrsblockade führen würde. Diese Versammlung wurde von der Bezirkshauptmannschaft nicht untersagt, gleichzeitig erfolgten ausführliche Informationen der (potentiellen) Verkehrsteilnehmer über die Sperrung und mögliche Ausweichrouten. In Österreich gilt jedoch außerdem ein weitgehendes Wochenend- und Feiertagsfahrverbot für LKW. Die Transportfirma Schmidberger machte geltend, dass sie aufgrunddessen an vier aufeinander folgenden Tagen daran gehindert gewesen sei, ihre Haupttransitroute für Holz- und Stahltransporte zwischen Italien und Deutschland zu benutzen, und dass ihr durch diese Beschränkung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs ein Schaden entstanden sei, den sie von der Republik Österreich ersetzt verlange. Die Berufungsinstanz im von Schmidberger angestrengten österreichischen Gerichtsverfahren legte daher dem Gerichtshof gem. Art. 234 EG (jetzt Art. 267 AEUV) u. a. die Frage vor, ob Art. 28 EG (jetzt Art. 34 AEUV) so auszulegen sei, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet seien, wichtige Transitrouten freizuhalten, auch wenn dies zu Einschränkungen der Versammlungsund Meinungsfreiheit führen kann, und ob anderenfalls ggf. Schadensersatz zu leisten ist.
Der Gerichtshof wiederholte seine in der Entscheidung Kommission ./. Frankreich getroffene Feststellung, wonach Art. 34 AEUV auch dann Anwendung finden kann, wenn ein Mitgliedstaat nicht die erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um gegen Beeinträchtigungen des freien Warenverkehrs einzuschreiten. Und zwar auch dann, wenn deren Ursachen nicht auf den Staat zurückgehen, da durch dieses Untätigbleiben der innergemeinschaftliche Handelsverkehr ebenso beeinträchtigt werden könne wie durch aktive Maßnahmen. Die Verpflichtung, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Beachtung der Warenverkehrsfreiheit sicherzustellen, ergebe sich in Verbindung mit Art. 10 EG (jetzt Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV n. F.). Daher kann die unterbliebene Untersagung einer Versammlung auf einer Haupttransitroute eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellen, wenn diese nicht objektiv gerechtfertigt ist239. Die Beurteilung richtet sich dabei allein nach dem Handeln oder Unterlassen des Mitgliedstaates, hier der österreichischen Behörden, die ihre Überlegungen durch die Achtung der Meinungsäußerungsund Versammlungsfreiheit leiten ließen. Dabei handelt es sich auch um 239
EuGH, Rs. C-112/00 – Schmidberger, Slg. 2003, S. 5659 ff., Rn. 64.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
unionsrechtlich geschützte Grundrechte, aus denen auch eine Rechtfertigung des unterlassenen Eingreifens folgen könne. „Da die Grundrechte demnach sowohl von der Gemeinschaft als auch von ihren Mitgliedstaaten zu beachten sind, stellt der Schutz dieser Rechte ein berechtigtes Interesse dar, das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung von Verpflichtungen zu rechtfertigen, die nach dem Gemeinschaftsrecht, auch kraft einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit wie dem freien Warenverkehr, bestehen.“240
Sowohl die hier betroffenen Grundrechte als auch die Warenverkehrsfreiheit sind nämlich grundsätzlich einer Beschränkung zugänglich, so dass sich letztendlich die Frage ergibt, welches Interesse im konkreten Fall überwiegt. Bei dieser Abwägung verfügen die zuständigen staatlichen Stellen jedoch über einen weiten Ermessensspielraum, welcher von der österreichischen Behörde hier auch eingehalten wurde, und insbesondere auch Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen der Demonstration getroffen wurden. Hinzu kommt, dass es sich hier um eine einzelne, isolierte Aktion handelte, die auch nicht den Zweck verfolgte, den Warenverkehr zu beeinträchtigen. Ein Schadensersatzanspruch gegen die Republik Österreich könne daher in diesem Fall nicht bestehen. Wieder nahm der EuGH also keine direkte Verpflichtung von Privaten (hier des demonstrierenden Transitforums Austria Tirol) aus Art. 34 AEUV an, sondern nahm vielmehr den betreffenden Mitgliedstaat in die Pflicht, sicherzustellen, dass die Grundfreiheiten auf seinem Staatsgebiet nicht durch private Teilnehmer des Rechtsverkehrs beeinträchtigt würden. Das Unterlassen einer Maßnahme ist also im Sinne dieser Rechtsprechung als Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne der Dassonville-Formel anzusehen241. Beachtenswert ist an dieser Entscheidung jedoch die ausdrückliche Anerkennung der europäischen Grundrechte als Rechtfertigungsgründe durch den EuGH, die er hier als immanente Schranken der Grundfreiheiten anführt242. c) Zusammenfassung Mit der Konzeption der Schutzpflichtendogmatik ist jedoch keine endgültige Absage an die unmittelbare Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit verbunden243. Es ist durchaus denkbar, die unmittelbare Drittwirkung und die Schutzpflichtenkonzeption je nach konkreter Fallgestaltung nebeneinan240 241 242
EuGH, Rs. C-112/00 – Schmidberger, Slg. 2003, S. 5659 ff., Rn. 74. So jedenfalls Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 736. Dazu auch Kadelbach/Petersen, EuGRZ 2003, S. 693 (695).
B. Bindung Privater an die Grundfreiheiten
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der anzuwenden. Beide Konzeptionen verfolgen zwar das gleiche Ziel der Binnenmarktförderung, es sind aber unterschiedliche Sachverhaltskonstellationen betroffen, denen durch eine unterschiedliche Rechtsanwendung flexibel begegnet werden muss. So spricht bei Satzungen von intermediären Gewalten vieles dafür, auch im Rahmen der Warenverkehrsfreiheit eher das Konzept der unmittelbaren Drittwirkung heranzuziehen, da es sich hier um Maßnahmen, die in ihrer Wirkung staatlichen Maßnahmen vergleichbar sind, handelt und die aus diesem Grunde auch vergleichbar behandelt werden sollten. Handelt es sich jedoch um das tatsächliche Tätigwerden einzelner Bürger ohne Regelungsautonomie, ist die Schutzpflichtenkonzeption überzeugender, da sie eine Art Spürbarkeitskontrolle beinhaltet244. Diese äußert sich darin, dass immer zu fragen ist, ob von dem privaten Verhalten eine so spürbar beeinträchtigende Wirkung ausgeht, dass der betreffende Mitgliedstaat aufgrund Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV n. F. zum Einschreiten verpflichtet ist. Im Sinne eines optimalen Binnenmarktschutzes ist daher eher von einem Nebeneinander beider Konzeptionen auszugehen, die sich ergänzen und teilweise auch überschneiden245. d) Auswirkungen der Rechtsprechung zur unmittelbaren Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit und zur Schutzpflichtenkonzeption auf die sportliche Praxis Ob Bestimmungen der Sportverbände Prüfungsgegenstand der Warenverkehrsfreiheit sein können, ist damit noch nicht endgültig geklärt. Bisher wurde die Schutzpflichtendogmatik lediglich auf tatsächliches Handeln einzelner Bürger angewandt, nicht jedoch auf Satzungsregelungen mächtiger Verbände. Vieles spricht dafür, in solchen Fallgestaltungen wohl doch eher von einer unmittelbaren Drittwirkung auszugehen246. Die zukünftige Recht243
Burgi, EWS 1999, S. 327 (330), hingegen plädiert dafür, für alle Grundfreiheiten eine solche Garantenpflicht einzuführen und die unmittelbare Drittwirkung ganz abzuschaffen. 244 In diese Richtung auch Förster, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 2007, S. 180 f., der darauf hinweist, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen der Schutzpflichtenkonzeption wohl kaum für jeden Verstoß ihrer Bürger zur Verantwortung gezogen werden können; er bezweifelt daher, dass die Schutzpflichtenkonzeption ein vergleichbares Schutzniveau wie die unmittelbare Drittwirkung erreichen kann. Ähnlich auch Kadelbach/Petersen, EuGRZ 2002, S. 213 (215). 245 So auch Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 146. 246 Anders Groß, in: Vieweg, Perspektiven des Sportrechts, 2005, S. 37 (39), der die Schutzpflichtendogmatik des EuGH als Argument dagegen ansieht.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
sprechung des EuGH zu diesem Themenkreis bleibt abzuwarten. Jedenfalls jedoch sind die Mitgliedstaaten in der Pflicht, darauf zu achten, dass die Warenverkehrsfreiheit nicht durch Maßnahmen privater Akteure247, und damit auch der Sportverbände, beeinträchtigt wird. Außerdem ist natürlich eine Übertragung der Schutzpflichtendogmatik auch auf andere Grundfreiheiten denkbar, dergestalt, dass nicht nur die Sportverbände selbst, im Rahmen der unmittelbaren Drittwirkung, an die Personenverkehrsfreiheiten gebunden sind, sondern dass es auch den Mitgliedstaaten obliegt, dafür Sorge zu tragen, dass von ihren nationalen Sportverbänden keine Beeinträchtigungen drohen. Ob sich eine Rechtsprechungsentwicklung in diese Richtung abzeichnen wird, bleibt abzuwarten, ist jedoch auch von nur geringer Auswirkung auf die Handlungsmöglichkeiten der Sportverbände, da diese im Rahmen der unmittelbaren Drittwirkung der personenbezogenen Grundfreiheiten an diese ohnehin gebunden sind, unabhängig davon, ob daneben auch noch der jeweilige Mitgliedstaat haftbar gemacht werden kann oder nicht.
III. Ergebnis Wie schon aus der Bezeichnung als „Sportverbandsrechtsprechung“ ersichtlich, nimmt der EuGH in ständiger Rechtsprechung an, dass Sportverbände zum Pflichtadressatenkreis jedenfalls der personenbezogenen Grundfreiheiten gehören. Von ihnen dürfen also ebenso wenig wie von den Mitgliedstaaten selbst Diskriminierungen gegenüber EU-Bürgern aufgrund der Staatsangehörigkeit ausgehen. Auch an das in den personenbezogenen Grundfreiheiten enthaltene Beschränkungsverbot sind sie gebunden. Aufgrund der unterschiedlichen Organisationsstrukturen des Sports in den einzelnen Mitgliedstaaten scheint diese Annahme im Sinne einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Unionsrechts auch sinnvoll und konsequent. Lediglich im Bereich der Warenverkehrsfreiheit (Art. 34, 35 AEUV), nimmt der EuGH nach anfänglichem Zögern (Dansk Supermarked248) eine restriktive Position ein und lehnt mittlerweile in ständiger Rechtsprechung (Vlaamse Reisbureaus249, Bayer ./. Süllhöfer250) eine unmittelbare Drittwir247 Für den Bereich der Warenverkehrsfreiheit können insbesondere Fragen der Lizenzierung von Merchandise-Artikeln, Ausrüsterverträge und Sponsoring relevant werden. 248 EuGH, Rs. 58/80 – Dansk Supermarked, Slg. 1981, S. 181 ff. 249 EuGH, Rs. 311/85 – Vlaamse Reisbureaus, Slg. 1987, S. 3801 ff. 250 EuGH, Rs. 65/86 – Bayer ./. Süllhöfer, Slg. 1988, S. 5249 ff.
B. Bindung Privater an die Grundfreiheiten
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kung eher ab, meist begründet mit der Abgrenzung zu den Wettbewerbsvorschriften der Art. 101 ff. AEUV, und ersetzt bzw. ergänzt diese durch das alternative Konzept der mittelbaren Drittwirkung in Form der Schutzpflichtendogmatik. Neben der Annahme einer unmittelbaren Drittwirkung von Grundfreiheiten ist der EuGH damit noch einen anderen, alternativen Weg gegangen, indem er festgestellt hat, dass die Grundfreiheiten nicht nur ein Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot enthalten, sondern den Mitgliedstaaten auch Schutzpflichten auferlegen. Die Mitgliedstaaten sind demnach dazu verpflichtet, im Rahmen ihrer kompetenziellen Zuständigkeiten darauf zu achten, dass keine irgendwie gearteten Grundfreiheitsbeeinträchtigungen von beliebigen Stellen aus auftreten und diese ggf. zu verhindern. Weiterhin stellt sich die Frage, ob eine unmittelbare Drittwirkung lediglich in Bezug auf Satzungsregelungen und ähnlich wirkende Maßnahmen anzunehmen ist oder ob auch andere Maßnahmen, also auch Einzelfallentscheidungen, davon betroffen sind. Auch bei staatlichen Maßnahmen wird ja nicht nach Art der Maßnahme unterschieden, sondern es kommt einzig auf ihre Auswirkungen als Beschränkung an. Stellt man hingegen tatsächlich nur auf die Auswirkungen und nicht auf die Art der Maßnahme ab, wäre vielleicht die Einführung einer Bagatellgrenze oder Spürbarkeitsschwelle entsprechend dem Wettbewerbsrecht angebracht251. Eine solche Begrenzung kann andererseits aber auch auf dem Weg der Schutzpflichtenkonzeption erreicht werden, durch welche von den Mitgliedstaaten nur verlangt wird, bei spürbaren Beeinträchtigungen einzuschreiten. Eine Übertragung der Schutzpflichtendogmatik auch auf die anderen Grundfreiheiten wäre also zumindest begrüßenswert. Aufgrund der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ist von einer umfassenden unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten auszugehen. Unbestritten gilt diese Feststellung jedenfalls für die so genannten intermediären Gewalten, welche normschöpfend tätig werden, etwa im Rahmen von Satzungsautonomie o. Ä., und deren so gesetzte Normen für die Betroffenen das Kriterium der Unentrinnbarkeit aufweisen, also etwa im Rahmen einer Monopolstellung oder Zwangsmitgliedschaft, d.h. einer gewissen sozialen Mächtigkeit, ergehen. Sportverbände erfüllen diese Kriterien ohne Weiteres: Sie sind mit Satzungsautonomie ausgestattet, und ihre Verbandsangehörigen und Vereinsmitglieder sind aufgrund der Monopolstellung und der pyramidenförmigen Struktur des Ein-Platz-Prinzips unvermeidlich an die Regelungswerke gebunden. 251 Das befürwortet jedenfalls Hintersteininger, Binnenmarkt und Diskriminierungsverbot, 1999, S. 204 f.
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2. Teil: Private Sportverbände als Adressaten der Grundfreiheiten
Über diese mit Regelungsautonomie ausgestatteten intermediären Gewalten hinaus ist eine unmittelbare Drittwirkung hingegen noch nicht zweifelsfrei anerkannt. Einige Entscheidungen des Gerichtshofs (vor allem Angonese und Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft) weisen zwar in eine solche Richtung, jedoch können die in diesen Fällen betroffenen Privaten aufgrund einer gewissen Machtstellung gegenüber den jeweiligen Grundfreiheitsberechtigten dennoch als quasi-intermediäre Gewalten angesehen werden. Für eine Bindung jedes individuellen Einzelbürgers an die Grundfreiheiten bei jeder alltäglichen Handlung gibt es in der Rechtsprechung des EuGH hingegen noch keine Anhaltspunkte. Im Interesse des effet utile könnte in den Fällen, in denen eine solche rein private Beeinträchtigungshandlung eine gewisse Spürbarkeitsgrenze überschreitet, jedoch an eine Übertragung der zur Warenverkehrsfreiheit entwickelten Schutzpflichtendogmatik auch auf die anderen Grundfreiheiten gedacht werden. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Sportverbände als intermediäre Gewalten jedenfalls grundsätzlich an die in den Grundfreiheiten enthaltenen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote gebunden sind. Wie weit diese Bindung reicht und welche Konsequenzen sie beinhaltet, soll im nächsten Teil genauer untersucht werden.
3. Teil
Die Besonderheiten des Sports im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten Nachdem im letzten Teil also festgehalten wurde, dass Sportverbände im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs Adressaten der Grundfreiheiten sind, gilt es nun zu klären, inwiefern und welche Arten von Verbandsregelungen und -maßnahmen in den Anwendungsbereich des Vertrages und speziell in denjenigen der Grundfreiheiten fallen und wie diese möglicherweise so gerechtfertigt werden können, dass sie trotz einer gewissen beeinträchtigenden Wirkung für den Binnenmarkt dennoch zulässig sind.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten Wie im ersten Teil festgestellt wurde, fällt der Sport zumindest grundsätzlich in den Anwendungsbereich des Unionsrechts insgesamt. Inwiefern nun die Grundfreiheiten Anwendung auf sportliche Sachverhalte finden, soll im Folgenden untersucht werden. Dabei geht es zunächst um die Frage, inwiefern der Sport als solcher überhaupt in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fällt, und sodann darum, welche Arten von Verbandsregelungen und -maßnahmen eine Beeinträchtigung der in den Grundfreiheiten garantierten Rechte darstellen können und wie diese ggf. zu rechtfertigen wären.
I. Sport als mögliche Bereichsausnahme von den Grundfreiheiten Zunächst ist die Frage zu klären, ob für den Sport nicht von vornherein eine Bereichsausnahme von den Grundfreiheiten gelten könnte. Solche Überlegungen klangen in den Entscheidungen des EuGH zu den Rechtssachen Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero zumindest an, obwohl die sportspezifischen Besonderheiten dann letztendlich doch im Rahmen der Rechtfertigungsgründe geprüft wurden. Auch in der Literatur wurde eine Herausnahme des Sportes aus dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten, entsprechend der Bereichsausnahme zugunsten der Beschäftigung in
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
der öffentlichen Verwaltung bzw. der Ausübung hoheitlicher Gewalt gemäß Art. 45 Abs. 4, 51 und 62 i. V. m. 51 AEUV, etwa in Form einer analogen Anwendung vereinzelt befürwortet1, meist mit der Begründung, dass die primär wirtschaftlich ausgerichtete EU den besonderen Bedürfnissen des Sports nicht gerecht werden könne. Dass der Sport vom Anwendungsbereich der Verträge grundsätzlich erfasst ist, wurde jedoch bereits oben gezeigt2. Insofern zur Begründung auf die fehlende wirtschaftliche Zielsetzung des Sports abgestellt wird, kann für die Grundfreiheiten nichts anderes gelten: Schon die wirtschaftliche Bedeutung des Sports verhindert die Annahme einer wie auch immer begründeten Bereichsausnahme von den Grundfreiheiten. Eine solche wäre lediglich partiell für nichtwirtschaftliche Bereiche des Sports denkbar. Jedoch ist auch im Freizeitsport die Kommerzialisierung mittlerweile weit fortgeschritten. Zudem kommt dem Sport eine nicht zu unterschätzende Integrationswirkung zu, die sich auch im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Freizügigkeitsrechte aus der Unionsbürgerschaft auswirken kann (s. o.). Auch für den Freizeitsport muss daher gelten, dass die Geltung des Unionsrechts und insbesondere der Grundfreiheiten von der Einzelfallgestaltung abhängt und nicht von vornherein im Wege einer Bereichsausnahme ausgeschlossen werden kann. Eine Bereichsausnahme zugunsten des Sports besteht also weder im Unionsrecht insgesamt, noch im Bereich der Grundfreiheiten. Diese finden grundsätzlich auch auf sportliche Sachverhalte Anwendung, soweit die sich unter die entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen subsumieren lassen.
II. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich der Grundfreiheiten Die EU-Verträge gelten unmittelbar nur für und in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, seit 2007 also in Belgien, Bulgarien, der Tschechischen Republik, Dänemark, Deutschland, Estland, Irland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, den Niederlanden, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Slo1 Vgl. Fischer, SpuRt 1996, S. 34 (38), der dafür aber eine Vertragsänderung bzw. die Beifügung eines Protokolls zum Vertrag für erforderlich hält. Schweitzer, in: Reuter, Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, 1987, S. 71 (83), geht von einer „begrenzten Bereichsausnahme“ für den Bereich der Grundfreiheiten aus; ebenso Kahlenberg, SpuRt 1994, S. 129 (130). Auch Hoppe/ Frohn, Causa Sport 2008, S. 251 (253), plädieren dafür, dass Regelungen, die in verhältnismäßiger Weise ausschließlich sportliche Ziele verfolgen, schon nicht vom Anwendungsbereich der entsprechenden Vorschriften erfasst werden. 2 Siehe 1. Teil.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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wenien, der Slowakischen Republik, Finnland, Schweden und im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland, vgl. Art. 52 Abs. 1 EUV n. F. Außerdem gelten sie auch für die französischen Übersee-Departments Guadeloupe, Guayana, Martinique, Réunion, Saint Barthélemy und Saint Martin, sowie die Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln (Art. 355 Abs. 1 AEUV), nicht jedoch für die Färöer Inseln (Art. 355 Abs. 5 lit. a AEUV). Es stellt sich daher einerseits die Frage, inwiefern Sportweltverbände, deren Mitgliedsverbände nicht ausschließlich aus EU-Mitgliedstaaten, sondern mehrheitlich von anderen Kontinenten stammen und die ihren Sitz auch oftmals in Nicht-EU-Staaten haben, an die Grundfreiheiten gebunden sein können, und andererseits, unter welchen Voraussetzungen sich auch Sportler aus anderen als den 27 Mitgliedstaaten auf die Grundfreiheiten berufen können. 1. Bindungswirkung gegenüber Weltverbänden Es spielt keine Rolle, ob diskriminierende Regelungen von Verbänden mit Sitz außerhalb eines EU-Mitgliedstaates (wie z. B. der FIFA, der UEFA und des IOC mit Sitz in der Schweiz3) stammen; entscheidend ist vielmehr, dass die Regelungen im räumlichen Geltungsbereich der EU-Verträge zur Anwendung kommen4. Regelungen, die im räumlichen Geltungsbereich der Verträge zur Anwendung kommen, müssen daher deren Anforderungen genauso genügen, wie z. B. Regelungen, die in den Vereinigten Staaten von Amerika zur Anwendung kommen, nicht den amerikanischen Gesetzen zuwiderlaufen dürfen. Für die Anwendbarkeit des Unionsrechts genügt in dieser Hinsicht der Bezug zum Recht eines Mitgliedstaates5. Selbstverständlich können die EU-Verträge den internationalen SportWeltverbänden nicht vorschreiben, wie sie ihre weltweit geltenden Verbandssatzungen und sonstige Richtlinien und Vorschriften zu gestalten haben; die Geltung des Unionsrechts geht jedoch so weit, dass die Anwendung dieser Regelungen im räumlichen Geltungsbereich der Verträge deren 3 Auch in der Schweiz gelten jedoch durch das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999, in Kraft getreten am 1. Juni 2002, ABl. EG 2002, Nr. L 114, S. 6 ff. (dazu sogleich mehr) ähnliche Bedingungen wie im Geltungsbereich der EU-Verträge, so dass auch im Hoheitsgebiet der Schweiz Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit gegenüber Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten nicht zulässig sind. Durch das EWR-Abkommen (auch dazu sogleich mehr) gilt dies ebenso in Island, Norwegen und Liechtenstein. 4 So auch Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 31. 5 EuGH, Rs. C-214/94 – Boukhalfa, Slg. 1996, S. I-2253 ff., Rn. 15.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Voraussetzungen angepasst werden muss. Das kann dann etwa bedeuten, dass z. B. Ausländerklauseln in weltweit geltenden Satzungen zwar möglich sind, dass im Anwendungsbereich der EU-Verträge (bzw. im Geltungsbereich des EWR-Abkommens oder anderer einschlägiger Abkommen, etwa des Freizügigkeitsabkommens mit der Schweiz) aber alle Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates oder diesen gleichgestellte Personen als Inländer angesehen und behandelt werden müssen. 2. Freizügigkeitsrechte von Sportlern aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten Zunächst ist zu beachten, dass sich jedenfalls die aus Drittstaaten stammenden Familienangehörigen von Unionsbürgern auf die Personenverkehrsfreiheiten berufen können, unabhängig davon, ob ihnen auch selbst eine unmittelbare Grundfreiheitsberechtigung zukommt. Das Gleiche gilt gem. Art. 11 der VO (EWG) Nr. 1612/68 auch für Ehepartner und Kinder von Unionsbürgern. Ob und welche Drittstaatsangehörigen sich darüber hinaus, unabhängig von Verwandtschaftsverhältnissen, selbst auf die grundfreiheitlichen Gewährleistungen berufen können, soll im Folgenden untersucht werden. In Bezug auf die Grundfreiheitsberechtigung von Sportlern mit Staatsangehörigkeit von Nicht-EU-Mitgliedstaaten hat der EuGH schon mehrfach die Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Dabei kommt es zunächst darauf an, ob mit dem betreffenden Drittstaat entsprechende Abkommen bestehen, die ein den Grundfreiheiten vergleichbares Diskriminierungsverbot (und möglicherweise auch ein solches Beschränkungsverbot) enthalten, und wenn ja, ob dieses unmittelbar anwendbar ist, so dass sich die betroffenen Sportler direkt auf daraus abgeleitete subjektive Rechte berufen können. Erst dann stellt sich die Frage nach deren unmittelbarer Drittwirkung auch gegenüber Sportverbänden. a) Anwendung auch auf EWR-Mitgliedstaaten Angehörigen des EWR-Wirtschaftsraumes wird durch das EWR-Abkommen6 zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen ein identisches Schutzniveau im Vergleich zu EU-Bürgern gewährleistet. Das EWR-Abkommen enthält Regelungen zum freien Warenverkehr (Art. 11 ff. EWR) und zum freien Kapitalverkehr 6 Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl. EG 1994, Nr. L 1, S. 3 ff.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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(Art. 40 ff. EWR) und die Art. 28 ff., 31 ff. und 36 ff. EWR-Abkommen enthalten nahezu wortlautgleich zum AEUV die Freizügigkeitsrechte der Arbeitnehmer-, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Daher sind sie gemäß Art. 6 EWR-Abkommen auch im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung in Bezug auf die Grundfreiheiten des AEUV auszulegen7. Jedoch muss bei der Interpretation dieser Grundfreiheiten auf die Rechtsprechung des EuGH zu den unionsrechtlichen Grundfreiheiten im Zeitpunkt des Abschlusses der EWR-Abkommen zurückgegriffen werden, also auf Entscheidungen, die bis zur Unterzeichnung des Abkommens 1992 ergangen sind. Eine Übertragung und entsprechende Anwendung der nachfolgenden Rechtsprechung kann bei völkerrechtlichen Verträgen wie dem EWR-Abkommen nicht ohne Weiteres erfolgen, da dem EuGH – auch bei Ähnlichkeit oder sogar vollständiger Übereinstimmung der Bestimmungen in AEUV und EWR-Abkommen – diesbezüglich keine einseitige Auslegungskompetenz zukommt8. Die Entscheidungen in den Fällen Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero sind also ohne Weiteres bei der Auslegung des EWR-Abkommens zu berücksichtigen, so dass auch in diesem Rahmen von einer Anwendbarkeit des EWR-Abkommens auf den Sport sowie von einer unmittelbaren Drittwirkung des Diskriminierungsverbotes der Grundfreiheiten gegenüber Sportverbänden ausgegangen werden kann und muss. Denkbar wäre außerdem auch eine Einbeziehung der Bosman-Rechtsprechung von 1995, da diese die vorherigen Urteile bestätigt und fortentwickelt hat9. Bedenklich ist jedoch im Hinblick auf den späteren Zeitpunkt der Bosman-Entscheidung die Übertragung der Feststellung, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit neben dem Diskriminierungs- auch ein Beschränkungsverbot beinhaltet. Staatsangehörige der EFTA-Staaten (mit Ausnahme der Schweiz, welche als einziger EFTA-Staat nicht Partei des EWR-Abkommens geworden ist) können sich also gegenüber Sportverbänden mit einem vergleichbaren Schutzniveau auf die Grundfreiheiten berufen wie dies Staatsangehörige von EU-Mitgliedstaaten können. Das gilt somit für Staatsangehörige von Island, Norwegen und Liechtenstein.
7
Vgl. Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 1310. Ähnlich Nettesheim, Grundfreiheiten und Grundrechte in der Europäischen Union, 2006, S. 67 f., nach dessen Ansicht sich die Übertragbarkeit der EuGHRechtsprechung zu den EG-Grundfreiheiten auf die EWR-Grundfreiheiten danach richtet, ob der Zweck im jeweiligen Einzelfall und Kontext vergleichbar ist. 9 So jedenfalls Streinz, SpuRt 1998, S. 45 (47), und Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 124. 8
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
b) Freizügigkeit von Sportlern in und aus der Schweiz Mit der Schweiz hat die Union mittlerweile bilaterale Abkommen über den freien Personenverkehr abgeschlossen, insbesondere das Freizügigkeitsabkommen FZA10, welche auf die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs zwischen der Schweiz und der EU abzielen, und u. a. auch ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit enthalten11: Art. 2 FZA entspricht weitestgehend Art. 18 AEUV, der durch die spezielleren Grundfreiheiten des EG-Vertrages lediglich konkretisiert wird. Gemäß Art. 16 Abs. 2 FZA gilt für die Auslegung des FZA die einschlägige Rechtsprechung des EuGH bis zur Unterzeichnung des Abkommens am 21. Juni 1999. Nach der jüngeren Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichtes können jedoch auch neuere Entscheidungen des EuGH berücksichtigt werden12. Daraus ergibt sich, dass auch für das Diskriminierungsverbot des Art. 2 FZA parallel zur Auslegung des Art. 18 AEUV eine unmittelbare Drittwirkung zu Lasten privater Sportverbände gilt13. Seit dem 1. Juni 2002 konkretisiert der Anhang I Art. 9 Abs. 1 des FZA den Art. 2 desselben Abkommens folgendermaßen: „Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei ist, darf aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen [. . .] nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.“14
Es erfolgt somit eine umfassende Anwendung des Diskriminierungsverbotes in allen Bereichen, die in einem engen Zusammenhang mit dem Aufenthaltsrecht stehen15. Zudem praktiziert die Schweiz in vieler Hinsicht einen „autonomen Nachvollzug“16 des Unionsrechts und der Rechtsprechung 10 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999, in Kraft getreten am 1. Juni 2002, ABl. EG 2002, Nr. L 114, S. 6 ff., ersetzt ein erstes Abkommen über die Freizügigkeit von Personen zwischen der Schweiz und den EU- sowie EFTA-Mitgliedstaaten vom 1. Juni 1962, vgl. dazu Friedmann, SpuRt 2002, S. 235 ff. 11 Vgl. Grolimund/Balmelli, SpuRt 2002, S. 171 ff.; sowie Rohner/Wymann, Causa Sport 2004, S. 5 (6 ff.). 12 Schweizer Bundesgericht, BGE 130 II 1 S. 10, Erwägung 3.6.1 (abrufbar unter www.bger.ch). 13 So auch Grolimund/Balmelli, SpuRt 2002, S. 171 (173). Zustimmend, trotz dogmatischer Bedenken, da sich die unmittelbare Drittwirkung des Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) auf die Auslegung des EuGH in Bezug auf die Personenverkehrsfreiheiten stütze, und Art. 12 EG selbst noch nicht Gegenstand einer diesbezüglichen EuGH-Entscheidung gewesen sei Epiney, AJP 2008, S. 1233 (1237). 14 ABl. EG 2002, Nr. L 114, S. 6 ff. 15 Epiney, AJP 2008, S. 1233 (1237). 16 Vgl. Kokott, FS Steinberger 2002, S. 771 (788).
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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des EuGH, indem sie ihre Rechtsnormen fortlaufend selbstständig daran anpasst. Zu beachten ist jedoch, dass das FZA nur zwischen der Schweiz und den EU-Mitgliedstaaten gilt17, es beansprucht keine Geltung gegenüber assoziierten Staaten, da diese nicht Vertragspartner der bilateralen Abkommen geworden sind. c) Freizügigkeit von Sportlern aus durch Europa-Abkommen assoziierten Drittstaaten: Kolpak Die EU hat von der ihr durch Art. 217 AEUV (ex-Art. 310 EG) verliehenen vertraglichen Assoziierungskompetenz reichlichen Gebrauch gemacht. Soweit diese Abkommen neben Regelungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit auch Regelungen in Bezug auf die Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit enthalten, sind sie als „gemischte Abkommen“ unter der Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten als Vertragspartner abgeschlossen worden und binden somit gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV die Organe der Union und die Mitgliedstaaten18. Das gilt vor allem für die so genannten Europa-Abkommen, deren Ziel die Vorbereitung der von diesen Staaten angestrebten Mitgliedschaft in der EU, also eine Beitrittsassoziierung, war und ist. Europa-Abkommen mit Beitrittsperspektive wurden in diesem Rahmen mit einer Anzahl von mittel- und osteuropäischen Staaten geschlossen, namentlich mit Ungarn19, Polen20, Rumänien21, Bulgarien22, der Slowakischen Republik23, der Tschechischen Republik24, Lettland25, Litauen26, Estland27, Slowenien28, Kroatien29, Mazedonien30 und Albanien31, die mit Ausnahme 17 Am 1. Juni 2009 trat das Protokoll II zum FZA in Kraft, so dass dieses nun einerseits weitergeführt wird, und andererseits auch die zwischenzeitlich neu beigetretenen Mitgliedstaaten mit umfasst. 18 Überblick über Assoziierungsabkommen mit Freizügigkeitsregelungen bei Holzke, SpuRt 2004, S. 1 (2 ff.). 19 ABl. EG 1993, Nr. L 347, S. 2 ff. 20 ABl. EG 1993, Nr. L 348, S. 2 ff. 21 ABl. EG 1994, Nr. L 357, S. 2 ff. 22 ABl. EG 1994, Nr. L 358, S. 3 ff. 23 ABl. EG 1994, Nr. L 359, S. 2 ff. 24 ABl. EG 1994, Nr. L 360, S. 2 ff. 25 ABl. EG 1998, Nr. L 26, S. 3 ff. 26 ABl. EG 1998, Nr. L 51, S 3 ff. 27 ABl. EG 1998, Nr. L 68, S. 3 ff. 28 ABl. EG 1999, Nr. L 51, S. 3 ff. 29 Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, ABl. EG 2005, Nr. L 26, S. 1 ff. 30 Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, ABl. EG 2004, Nr. L 84, S. 13 ff. 31 Stabilisierungsund Assoziierungsabkommen, ABl. EG 2009, Nr. L 107, S. 166 ff.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
von Kroatien, Mazedonien und Albanien jedoch mittlerweile alle vollwertige EU-Mitgliedstaaten sind, so dass auch in diesen Ländern seit 2004 bzw. 2007 nur noch die Grundfreiheiten des EG-Vertrages (bzw. mittlerweile des AEUV) gelten und die Europa-Abkommen weitestgehend gegenstandlos geworden sind. Zu den Europa-Abkommen ergangene Rechtsprechung kann aber noch aufschlussreich im Hinblick auf zukünftige Mitgliedstaaten sein. Die Europa-Abkommen enthalten Diskriminierungsverbote im Hinblick auf Arbeitsbedingungen und Entgelt: „Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten wird den Arbeitnehmern [der jeweiligen] Staatsangehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedstaats rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen [. . .] keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bewirkt.“32
Mit seiner Entscheidung in der Sache Deutscher Handballbund e. V. gegen Maros Kolpak33 vom 11. Juli 2002 nahm der Gerichtshof Stellung zur unmittelbaren Geltung und zur unmittelbaren Drittwirkung dieses Diskriminierungsverbotes zu Lasten von Sportverbänden. Damit hat er sämtlichen Spekulationen in der Literatur34 über eine fehlende unmittelbare Drittwirkung der in den Europa-Abkommen enthaltenen Diskriminierungsverbote eine Absage erteilt. Zum Sachverhalt: Der Fall Kolpak (2002) Maros Kolpak, Handballspieler mit slowakischer Staatsbürgerschaft, war aufgrund eines Arbeitsvertrages beim deutschen Handballverein TSV Östringen e. V. als Torwart beschäftigt. Er erhielt gemäß § 15 der SpO des DHB35 einen Spielausweis, der ihn als ausländischen Spieler (Zusatz „A“) mit Drittstaatsangehörigkeit (zum Zeitpunkt des Verfahrens war die Slowakische Republik noch nicht Mitgliedstaat der EU) auswies, obwohl er einen Spielausweis ohne diesen Zusatz beantragt hatte. Grund dafür ist, dass von ausländischen Spielern mit dem Buchstaben „A“ im Spielausweis pro Spiel jeweils nur zwei zum Einsatz gebracht werden dürfen. Gegen diese Entscheidung erhob Herr Kolpak Klage beim Landgericht Dortmund und berief sich darauf, dass die Slowakei durch das Assoziierungs32
Siehe etwa Art. 38 Abs. 1 der Abkommen mit Rumänien, Bulgarien, der Slowakei, Tschechien und Slowenien, Art. 37 Abs. 1 der Abkommen mit Polen, Ungarn und Litauen, Art. 36 Abs. 1 des Abkommens mit Estland. 33 EuGH, Rs. C-438/00 – Kolpak, Slg. 2003, S. I-4135 ff. 34 So z. B. Streinz, SpuRt 1998, S. 45 (49), der schon eine unmittelbare Wirkung der Normen dieser Abkommen ablehnte. Vgl. zum damaligen Meinungsstand Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 127 f. Auch Weiß, InfAuslR 1998, S. 313 (316), sprach sich gegen eine unmittelbare Drittwirkung von Assoziationsrecht aus, da dieses in der Form völkerrechtlicher Verträge erginge, und daher nur die EG und deren Mitgliedstaaten bzw. die anderen vertragsschließenden Staaten binden könne. 35 Deutscher Handballbund e.V.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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abkommen Gemeinschaften – Slowakei36 als den EWR-Staaten gleichgestellt gelte, und er daher nicht wie ein Spieler mit Staatsangehörigkeit eines Drittstaates zu behandeln sei. Im Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Hamm wurde dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob das in Art. 38 Abs. 1 Spiegelstrich 1 des Assoziierungsabkommens Gemeinschaften – Slowakei enthaltene Diskriminierungsverbot nationalen Sportverbandsregelungen entgegenstehe, welche die Anzahl der einsetzbaren slowakischen Spielern bei Meisterschafts- oder Pokalspielen begrenzen.
Hauptsächliche Untersuchungsgegenstände der Entscheidung waren die unmittelbare Anwendbarkeit bzw. Geltung des Diskriminierungsverbots des Art. 38 Abs. 1 Spiegelstrich 1 des Assoziierungsabkommens Gemeinschaften – Slowakei, die Verpflichtung von privaten Sportverbänden durch diese Regelung sowie die inhaltliche Reichweite des Diskriminierungsverbotes. Art. 38 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens Gemeinschaften – Slowakei lautet: „Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten wird den Arbeitnehmern slowakischer Staatsangehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedstaates rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung oder der Entlassung keine auf die Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber der eigenen Staatsangehörigen bewirkt . . .“37
Die unmittelbare Anwendbarkeit der Vorschriften (hier insbesondere der Diskriminierungsverbote) in Drittstaatenabkommen bestimmt sich dabei nach der so genannten Demirel-Formel38, wonach sich Drittstaatsangehörige dann unmittelbar auf eine solche Regelung berufen können, wenn sie „unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf Sinn und Zweck des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung und deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen.“
In Bezug auf die unmittelbare Wirkung des Diskriminierungsverbotes in Art. 38 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens Gemeinschaften – Slowakei wurde auf die Entscheidung im Fall Pokrzeptowicz-Meyer zum Assoziierungsabkommen mit Polen verwiesen, in der unter Heranziehung der Demirel-Formel festgestellt worden war, dass der Wortlaut des Art. 37 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens mit Polen39 ein eindeutiges, klares und unbe36 Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Slowakischen Republik andererseits vom 19. Dezember 1994, ABl. EG 1994, Nr. L 359, S. 1 ff. 37 ABl. EG 1994, Nr. L 359, S. 1 ff. 38 EuGH, Rs. 12/86 – Demirel, Slg. 1987, S. I-3719 ff., Rn. 14. 39 Art. 37 Abs. 1 des Assoziierungsabkommens mit Polen (ABl. EG 1993, Nr. L 348, S. 2 ff.) lautet: „Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedsstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten wird den Arbeitnehmern polnischer Staats-
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
dingtes Verbot der Diskriminierung vorsieht und ein Erlass ergänzender Bestimmungen nicht erforderlich sei, um die diskriminierenden Bestimmungen eines Mitgliedstaates unangewendet zu lassen40. Wegen des identischen Wortlautes des in allen Europa-Abkommen enthaltenen Diskriminierungsverbotes war durch die Entscheidungen Demirel und Pokrzeptowicz-Meyer für Arbeitnehmer aus Beitrittsstaaten also deren unmittelbare Anwendung begründet worden41. In der Sache Kolpak kam es daher nunmehr entscheidend darauf an, ob den Diskriminierungsverboten der Europa-Abkommen auch eine unmittelbare Drittwirkung gegenüber privaten Handlungsträgern zukommt. Für die Bindung von Sportverbänden an das im Assoziierungsabkommen enthaltene Diskriminierungsverbot verwies der Gerichtshof auf seine Ausführungen in der Bosman-Entscheidung und kam zu dem Schluss, dass sich aus dem Vergleich von Gegenstand und Kontext des Art. 37 des Assoziierungsabkommens und des Art. 48 EGV (jetzt Art. 45 AEUV) sowie aus dem Grundsatz des effet utile die Zulässigkeit der Übertragung dieser Rechtsprechung ergebe42. Eine unmittelbare Drittwirkung dergestalt, dass sich ein slowakischer Handballspieler, der Arbeitnehmer ist, auf diese Regelung berufen kann, wurde also angenommen. Auch wenn diese Bezugnahme auf die Bosman-Entscheidung insofern kritisch zu sehen ist, als dass diese Entscheidung erst nach Abschluss der (meisten) Europa-Abkommen erging, so ist sie im Ergebnis doch folgerichtig. Soweit sie sich auf die unmittelbare Drittwirkung des in der Arbeitnehmerfreizügigkeit enthaltenen Diskriminierungsverbotes bezieht, bestätigt sie lediglich die (schon vor dem Abschluss aller Europa-Abkommen ergangene und damit im acquis communautaire enthaltene) Rechtsprechung in den Fällen Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero. Somit entfaltet auch das in Art. 38 Abs. 1 Spiegelstrich 1 des Assoziierungsabkommen Gemeinschaften – Slowakei enthaltene Diskriminierungsverbot unmittelbare Drittwirkung zulasten von Sportverbänden gegenüber angehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedstaates rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung oder der Entlassung keine auf die Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber der eigenen Staatsangehörigen bewirkt [. . .].“ 40 EuGH, Rs. C-162/00 – Pokrzeptowicz-Meyer, Slg. 2002, S. I-1049 ff., Rn. 21 ff. 41 Vgl. Vetter/Brägelmann, in: Sander/Vetter, Regelungswut in der EU, 2007, S. 157 (169). 42 Kritisch dazu vor allem Weiß, Die Personenverkehrsfreiheiten von Angehörigen assoziierter Staaten in der EU, 1998, S. 316, welcher der Ansicht ist, dass die Europa-Abkommen eher Sekundärrecht ähnelten als Primärrecht, somit also in erster Linie die Mitgliedstaaten verpflichteten und eine Übertragung der Rechtsprechung zur unmittelbaren Drittwirkung daher zumindest zweifelhaft sei.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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slowakischen Arbeitnehmern, die bereits rechtmäßig im Aufnahme-Mitgliedstaat beschäftigt sind. Von den Europa-Abkommen nicht erfasst sind Marktzugangsregelungen, die also durchaus noch Schranken zu Lasten der betroffenen Drittstaatsangehörigen enthalten durften; solche waren jedoch auch nicht Gegenstand des Verfahrens. Als rechtmäßiger Arbeitnehmer im Bereich eines Mitgliedstaates, hier Deutschland, konnte sich Herr Kolpak also in Bezug auf seine Arbeitsbedingungen auf das Diskriminierungsverbot des Assoziierungsabkommens berufen. § 15 SpO des DHB stellt insofern einen Verstoß gegen dieses Diskriminierungsverbot dar. Da der Wortlaut der Antidiskriminierungsklausel in allen Europa-Abkommen mit Unterschied der jeweiligen Staatsangehörigkeit gleich ist, muss die vom EuGH in der Entscheidung Kolpak gefundene Auslegung also für alle durch solche wortlautgleichen Europa-Abkommen verbundenen Staaten ebenso ausfallen. Die Entscheidung führt somit dazu, dass Sportverbände nicht nur an die primärrechtlichen Grundfreiheiten gebunden sind, sondern auch an die in den Europa-Abkommen enthaltenen Diskriminierungsverbote. Staatsangehörige von assoziierten Staaten können sich also, wenn sie bereits in einem Mitgliedstaat der Union rechtmäßig beschäftigt sind, ebenso auf die Nichtanwendbarkeit von in Sportverbandssatzungen enthaltenen Ausländerklauseln berufen, wie dies EU- und EWR-Staatsangehörige können. Bestimmungen, die Staatsangehörige aus durch Europa-Abkommen assoziierten Drittstaaten hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen im Vergleich zu Inländern benachteiligen, sind damit unzulässig. Im Rahmen des Niederlassungsrechtes ist hingegen eine vollständige Inländergleichbehandlung auch schon für die Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit vorgesehen. Im Bereich des Dienstleistungsverkehrs kommt den Vorschriften hingegen keine unmittelbare Wirkung zu, weil sie nur Programmcharakter haben43. Es ist also festzuhalten, dass Staatsangehörige der Staaten, mit denen die EU so genannte Europa-Abkommen geschlossen hat, den Staatsangehörigen von EU-Mitgliedstaaten gleichgestellt werden, soweit diese Sportler der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Niederlassungs- und nicht der Dienstleistungsfreiheit unterfallen. Sie können sich außerdem auch auf die Kartellvorschriften dieser Abkommen berufen44.
43 44
So Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 129. Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 130.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
d) Freizügigkeit von Sportlern aus durch ein Partnerschaftsabkommen verbundenen Drittstaaten: Simutenkov Ebenfalls im Rahmen ihrer Assoziierungskompetenz aus Art. 310 EG (jetzt Art. 217 AEUV) hat die EU unter Mitwirkung der Mitgliedstaaten Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Staaten der ehemaligen Sowjetunion45 abgeschlossen, die mangels aktueller Beitrittsperspektive auch als „Beitrittsersatzassoziierungen“ bezeichnet werden46. Die Entscheidung des Gerichtshofes im Fall Simutenkov47 vom 12. April 2005 bewegt sich auf einer Linie mit den im Fall Kolpak getroffenen Feststellungen und erweitert diese auch auf das Partnerschaftsabkommen mit der Russischen Föderation. Dabei tritt sie der Literaturansicht48 entgegen, dass die Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit keine Gleichstellung von Sportlern, die Staatsangehörige dieser Staaten sind, mit Staatsangehörigen der EU-Mitgliedstaaten herstellen. Auch die Unterschiede zwischen Europa-Abkommen einerseits und Partnerschaftsabkommen andererseits rechtfertigen nach Ansicht des EuGH keine andere Beurteilung der unmittelbaren Drittwirkung als im Fall Kolpak. Zum Sachverhalt: Der Fall Simutenkov (2005) Igor Simutenkov, ein russischer Staatsangehöriger, war beim spanischen Verein Club Deportivo Tenerife aufgrund eines Arbeitsvertrages als Berufsfußballspieler beschäftigt, und verfügte über eine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für das Königreich Spanien. Er war im Besitz einer Verbandslizenz für nicht der EG oder dem EWR angehörige Spieler, für welche die Anzahl der aufstellbaren Spieler beschränkt werden konnte. Unter Berufung auf das Partnerschaftsabkommen Gemeinschaften – Russland49, welches in seinem Art. 23 Abs. 1 vorsieht, dass 45 Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation vom 24.6.1994, ABl. EG 1997, Nr. L 327, S. 3 ff.; Partnerschafts- und Zusammenarbeitsabkommen mit der Ukraine, ABl. EG 1998, Nr. L 49, S. 3 ff.; Partnerschafts- und Zusammenarbeitsabkommen mit der Republik Moldau, ABl. EG 1998, Nr. L 181, S. 3 ff.; Partnerschafts- und Zusammenarbeitsabkommen mit der Republik Kasachstan, ABl. EG 1999, Nr. L 196, S. 3 ff.; Partnerschaftsund Zusammenarbeitsabkommen mit der Kirgisischen Republik, ABl. EG 1999, Nr. L 196, S. 48 ff.; Partnerschafts- und Zusammenarbeitsabkommen mit Georgien, ABl. EG 1999, Nr. L 205, S. 3 ff.; Partnerschafts- und Zusammenarbeitsabkommen mit der Republik Usbekistan, ABl. EG 1999, Nr. L 229, S. 3 ff.; Partnerschaftsund Zusammenarbeitsabkommen mit der Republik Armenien, ABl. EG 1999, Nr. L 239, S. 3 ff.; Partnerschafts- und Zusammenarbeitsabkommen mit der Republik Aserbaidschan, ABl. EG 1999, Nr. L 246, S. 3 ff. 46 Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 130. 47 EuGH, Rs. C-265/03 – Simutenkov, Slg. 2005, S. I-2579 ff. 48 Z. B. Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 131. 49 Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten ei-
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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Staatsangehörige Russlands gegenüber Unionsbürgern nicht benachteiligt werden, beantragte er den Ersatz dieser Lizenz durch eine mit der von Unionsspielern identischen Lizenz. Im Rechtsmittelverfahren legte die Audiencia Nacional dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob Art. 23 Abs. 1 des Partnerschaftsabkommens Gemeinschaften – Russland einer Sportverbandsregelung entgegensteht, nach der bei Wettkämpfen auf nationaler Ebene nur eine begrenzte Anzahl von Sportlern aus Drittstaaten, die nicht dem EWR angehören, eingesetzt werden darf.
Die Entscheidung des Gerichtshofes hält sich eng an die im Fall Kolpak getroffenen Feststellungen. So enthält auch Art. 23 Abs. 1 Partnerschaftsabkommen Gemeinschaften – Russland ein Gleichbehandlungsgebot von russischen Staatsbürgern und Unionsbürgern: „Vorbehaltlich der in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften, Bedingungen und Verfahren stellen die Gemeinschaften und ihre Mitgliedstaaten sicher, dass den Staatsangehörigen Russlands, die im Gebiet eines Mitgliedstaates rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt wird, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen [. . .] keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bewirkt.“
An dessen unmittelbarer Wirkung ist auch trotz fehlender Beitrittsperspektive der Russischen Föderation zur EU aufgrund des bestimmten Wortlautes im Sinne einer klaren und eindeutigen Verpflichtung nicht zu zweifeln. „Der Feststellung, dass das in Art. 23 Absatz 1 des Partnerschaftsabkommens Gemeinschaften – Russland ausgesprochene Diskriminierungsverbot eine unmittelbare Wirkung hat, widersprechen im Übrigen weder der Gegenstand noch die Rechtsnatur dieses Abkommens. [. . .] Der Umstand, dass dieses Abkommen sich somit auf die Gründung einer Partnerschaft zwischen den Parteien beschränkt, ohne eine Assoziierung oder einen zukünftigen Beitritt der Russischen Föderation zu den Gemeinschaften vorzusehen, vermag die unmittelbare Anwendbarkeit einiger seiner Bestimmungen nicht auszuschließen.“50
Generalanwältin Stix-Hackl weist in ihren Schlussanträgen darauf hin, dass auch Partnerschaftsabkommen zu einer „schrittweisen Integration“ führen sollen51. Kritisch ist jedoch zu sehen, dass der EuGH eine unmittelbare Wirkung des Diskriminierungsverbotes ohne Weiteres annimmt, obwohl sich die Formulierung von derjenigen in den Europa-Abkommen unterscheidet: Im Partnerschaftsabkommen mit Russland ist davon die Rede, dass eine Gleichbehandlung sichergestellt werden müsse52, während die Europa-Abkommen nerseits und der Russischen Föderation andererseits, in Kraft getreten am 1. Dezember 1997 (ABl. EG 1997, Nr. L 327, S. 1 ff.). 50 EuGH, Rs. C-265/03 – Simutenkov, Slg. 2005, S. I-2579 ff., Rn. 26, 28. 51 Stix-Hackl, Rs. C-265/03 – Simutenkov, Slg. 2005, S. I-2579 ff., Rn. 37.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
verlangen, dass eine solche gewährt werden soll. Daraus könnte durchaus geschlossen werden, dass eine solche unmittelbare Wirkung eben gerade noch nicht anzunehmen ist, sondern darauf erst hinzuarbeiten sei53. Aufgrund des in der Entscheidung des Gerichtshofes betonten dennoch vergleichbaren Wortlautes dieses Diskriminierungsverbotes mit dem der Europa-Abkommen ist jedoch auch in diesem Fall von einer Bindung der Sportverbände an die entsprechende Regelung auszugehen. Der Gerichtshof verweist zur Begründung auf seine Entscheidungen in den Fällen Bosman und Kolpak. Somit verstoßen die spanischen Ausländerklauseln gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 23 Abs. 1 Partnerschaftsabkommen Gemeinschaften – Russland. Die vorliegende Entscheidung stellt die logische Folgerung der bisherigen Rechtsprechung dar und führt dazu, dass Ausländerklauseln und andere nach Staatsangehörigkeit diskriminierende Regelungen nicht nur in Bezug auf Unionsbürger, EWR-Staatsangehörige und Staatsangehörige von durch Europa-Abkommen assoziierten Staaten unanwendbar sind, sondern dass Gleiches auch im Fall des Partnerschaftsabkommen ohne Beitrittsperspektive mit der Russischen Föderation gilt. Wiederum ist jedoch erforderlich, dass die betroffenen Drittstaatsangehörigen bereits rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind. Die Abkommen mit den übrigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion54 sind jedoch anders formuliert als das Abkommen mit der Russischen Föderation, da in diesen nicht davon die Rede ist, dass die Mitgliedstaaten eine gleiche Behandlung „sicher stellen“, sondern lediglich, dass sie sich „bemühen sicherzustellen“. Es handelt sich also eher um politische Zielerklärungen als um rechtsverbindliche Anordnungen55, so dass bei diesen Abkommen mangels einer klaren und eindeutigen Verpflichtung wohl eher nicht von einer unmittelbaren Geltung im Sinne der Demirel-Formel auszugehen ist und damit erst recht nicht von einer unmittelbaren Drittwirkung zu Lasten von Sportverbänden. 52
Kritisch deshalb auch Streinz, SpuRt 2005, S. 157 (158), der jedoch darauf hinweist, dass diese Sicherstellungspflicht letztendlich dennoch zum gleichen Ergebnis führt. 53 Darauf weist Erberich, GS Bleckmann 2007, S. 145 (157), hin. 54 Ukraine ABl. EG 1998, Nr. L 49, S. 3 ff.; Moldawien (Moldau) ABl. EG 1998, Nr. L 181, S. 3 ff.; Kasachstan, ABL. EG 1999, Nr. L 196, S. 3 ff.; Kirgisische Republik, ABl. EG 1999, Nr. L 196, S. 3 ff.; Georgien, ABl. EG 1999, Nr. L 205, S. 3 ff.; Usbekistan, ABl. EG 1999, Nr. L 229, S. 3 ff.; Armenien, ABl. EG 1999, Nr. L 239, S. 3 ff.; Aserbaidschan, ABl. EG 1999, Nr. L 246, S. 3 ff. 55 So auch Holzke, SpuRt 2004, S. 1 (2 f.).
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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e) Freizügigkeit von Sportlern aus der Türkei: Kahveci Auch mit der Türkei56 wurde (schon 1963) ein den Europa-Abkommen vergleichbares Assoziierungsabkommen geschlossen, welches jedoch in mehrfacher Hinsicht einige Besonderheiten im Vergleich zu den anderen Beitrittsassoziierungs-Abkommen (Europa-Abkommen) enthält. In Art. 12 enthält es eine Absichtserklärung, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen, sowie die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Dienstleistungsverkehrs aufzuheben. Art. 37 des Zusatzprotokolls von 1970 konkretisiert dies folgendermaßen: „Jeder Mitgliedstaat sieht für die in der Gemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit eine Regelung vor, die in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgelt keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber Arbeitnehmern enthält, die Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten sind.“
Dieser Wortlaut kommt demjenigen der Europa-Abkommen sehr nahe. Auch Art. 10 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80 des durch Art. 6 des Abkommens gegründeten Assoziationsrates beinhaltet ein Diskriminierungsverbot: „Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft räumen den türkischen Arbeitnehmern, die ihrem regulären Arbeitsmarkt angehören, eine Regelung ein, die gegenüber den Arbeitnehmern aus der Gemeinschaft hinsichtlich des Arbeitsentgeltes und der sonstigen Arbeitsbedingungen jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ausschließt.“
Auch hier handelt es sich um eine eindeutige und klare Verpflichtung zur Gleichbehandlung, deren unmittelbare Geltung sowie unmittelbare Drittwirkung vom Gerichtshof in der Entscheidung im Falle Real Sociedad de Fffltbol SAD und Nihat Kahveci gegen Consejo Superior de Deportes und Real Federación Española de Fffltbol vom 25. Juli 200857 festgestellt wurde. Der Fall beruhte auf einem vergleichbaren Sachverhalt wie die Entscheidungen Kolpak und Simutenkov. Zum Sachverhalt: Der Fall Kahveci (2008) Herr Kahveci ist türkischer Staatsangehöriger und war bei einem spanischen Fußballverein mit Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis beschäftigt. Er verfügte über eine Verbandslizenz als nicht aus der Union stammender Spieler (Buchstabe „A“). Diese wollte er in eine Berufsspielerlizenz, wie sie für aus der Union stammende Spieler vergeben wird, umwandeln lassen. Der Sachverhalt ist also 56 ABl. EG 1964, Nr. 217, S. 3685 ff., sowie Zusatzprotokoll ABl. EG 1972, Nr. L 293, S. 1 ff. 57 EuGH, Rs. C-152/08 – Kahveci, Slg. 2008, S. I-6291 ff.
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identisch mit demjenigen im Fall Simutenkov. Auch die angegriffene Ausländerklausel des spanischen Verbandes ist dieselbe wie bei Simutenkov. Dabei beruft Herr Kahveci sich auf Art. 39 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen EWG – Türkei58 welcher nahezu wortgleich mit dem Assoziierungsabkommen Gemeinschaften – Slowakei (vgl. Fall Kolpak) jegliche Diskriminierung von türkischen Staatsbürgern gegenüber Unionsbürgern aufgrund der Staatsangehörigkeit verbietet.
Der Gerichtshof wiederholt und überträgt die in den Urteilen Kolpak und Simutenkov getroffenen Feststellungen in der Hinsicht, dass die Diskriminierungsverbote der Grundfreiheiten auch zugunsten türkischer Staatsbürger gelten. Auch dem Assoziierungsabkommen mit der Türkei kann gemäß der Demirel-Formel59 eine unmittelbare Wirkung zuerkannt werden, obwohl und selbst wenn zu seiner Umsetzung nationale Umsetzungsvorschriften notwendig sind60. Art. 10 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 1/80, der die Regelung des Art. 37 des Zusatzprotokolls übernimmt, ist jedoch klar und genau formuliert und nicht an Bedingungen geknüpft. Die unmittelbare Wirkung dieses Diskriminierungsverbotes entspreche auch dem Gegenstand des Assoziierungsabkommens, welches die Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, und damit auch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer, zwischen den Vertragsparteien stärken soll. Daraus folge, dass die vom EuGH vorgenommene Auslegung in den Entscheidungen Kolpak und Simutenkov auch im Rahmen des Assoziierungsabkommens mit der Türkei gelten müsse. Ausländerklauseln sind somit auch gegenüber türkischen Sportlern unzulässig. f) Mögliche Freizügigkeit von Sportlern aus durch das AKP-Abkommen verbundenen Drittstaaten Vor allem für den Bereich des Profifußballs besonders bedeutsam ist das von der EG und ihren Mitgliedstaaten mit 79 Staaten61 aus dem afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum (AKP), meist ehemalige europäi58 Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei vom 23. Dezember 1963 (ABl. 1964, Nr. 217, S. 3685 ff.). 59 EuGH, Rs. 12/86 – Demirel, Slg. 1987, S. 3719 ff., Rn. 14. 60 EuGH, Rs. C-192/89 – Sevince, Slg. 1990, S. I-3461 ff., Rn. 22. Zu beachten ist jedoch, dass das Recht auf Freizügigkeit türkischen Arbeitnehmern nur innerhalb des Mitgliedstaates zusteht, innerhalb dessen sie seit vier Jahren rechtmäßig beschäftigt sind; ein Zuzugsrecht aus der Türkei oder ein Wanderrecht innerhalb der EU ergibt sich hieraus nicht. 61 Vgl. http://acpsec.org/en/acp_states.htm. (letzter Abruf: 23. Januar 2011).
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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sche Kolonialstaaten, abgeschlossene Partnerschaftsabkommen von Cotonou62, welches an die Stelle der Abkommen von Jaunde I und II sowie Lomé I-IV getreten ist. Es hat eine Entwicklungsassoziierung der betreffenden Staaten zum Gegenstand, bei der die wirtschaftliche und gesellschaftliche Weiterentwicklung der ehemaligen Kolonialgebiete im Vordergrund steht63. Insbesondere enthält Art. 13 Abs. 3 Satz 1 AKP-Abkommen ein Diskriminierungsverbot. Art. 13 Abs. 3 Satz 1 AKP-Abkommen lautet: „Die Mitgliedstaaten gewähren den Arbeitnehmern aus AKP-Staaten, die legal in ihrem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen bewirkt.“
Ausgangspunkt für die Frage nach einer unmittelbaren Anwendbarkeit des im AKP-Abkommen enthaltenen Diskriminierungsverbotes ist wieder die Demirel-Formel, nach welcher der EuGH zu den Vorläufern des AKPAbkommens eine unmittelbare Anwendbarkeit einiger darin enthaltener Regelungen angenommen hat64. Es ist daher zu erwarten, dass er auch im Hinblick auf das neuere AKP-Abkommen ähnlich entscheiden würde65. Es ist also davon auszugehen, dass im Einklang mit der bisherigen Rechtspre62 Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im Karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, unterzeichnet in Cotonou (Benin) am 23.6.2000, ABl. EG 2000, Nr. L 317, S. 3 ff., ersetzt das alte vierte AKP-EWG-Abkommen, unterzeichnet am 15.12.1989 in Lomé, ABl. EG 1991, Nr. L 229, S. 3 ff., welches am 1.3.2000 außer Kraft getreten ist. 63 Vgl. ausführlich zur Einordnung dieses Abkommens Brecht, Arbeitnehmerfreizügigkeit im Cotonou-Abkommen, 2009, S. 37 ff. (insb. S. 43). 64 Vgl. EuGH, Rs. 87/75 – Bresciani, Slg. 1976, S. 129 ff., Rn. 23 ff., zum II. Assoziierungsabkommen zwischen der EWG und den afrikanischen Staaten und Madagaskar; sowie EuGH, Rs. C-469/93 – Chiquita, Slg. 1995, S. I-4533 ff., Rn. 35, zum IV. Lomé-Abkommen. 65 So vermuten Vetter/Brägelmann in: Sander/Vetter, Regelungswut in der EU, 2007, S. 157 (177). A. A. Engelbrecht, SpuRt 2005, S. 192 (194), der aufgrund der Ziele des AKP-Abkommens und der Formulierung dessen Art. 3, nach dem Art. 13 Abs. 3 der Konkretisierung durch „geeignete Maßnahmen allgemeiner und besonderer Art“ bedarf, von einer bloßen Absichtserklärung ausgeht. Brecht, Arbeitnehmerfreizügigkeit im Cotonou-Abkommen, 2009, S. 53 ff., weist jedoch zutreffend darauf hin, dass sich aus der Betrachtung der Norm nach Systematik und Telos des Abkommens keine Anhaltspunkte für eine Verneinung der unmittelbaren Anwendbarkeit ergeben, und kommt nach einem ausführlichen Vergleich mit den Bestimmungen in den Europa-Abkommen, dem Assoziierungsabkommen mit der Türkei, dem Partnerschaftsabkommen mit Russland sowie der gründlichen Berücksichtigung anderer Auslegungsregeln ebenfalls zu einer Bejahung der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 13 Abs. 3 Satz 1 AKP-Abkommen.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
chung auch von einer unmittelbaren Geltung und damit verbunden auch einer unmittelbaren Drittwirkung gegenüber Sportverbänden auszugehen ist66. Ausländerklauseln67 und andere auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierungen gelten damit auch nicht für Sportler aus den AKP-Staaten, die bereits rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind. Ein Marktzugangsrecht enthält das AKP-Abkommen hingegen ebenso wenig wie ein Beschränkungsverbot, es gewährt daher keine Arbeitnehmerfreizügigkeit i. e. S., sondern lediglich ein Arbeitnehmer-Diskriminierungsverbot68. Auch in Bezug auf Erbringer von Dienstleistungen oder Freizeitsportler ist das AKP-Abkommen daher nicht anwendbar. Vom Diskriminierungsverbot erfasst sind lediglich Sportler, die ihren Sport beruflich im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausüben69. g) Mögliche Freizügigkeit von Sportlern aus durch weitere Abkommen verbundenen Drittstaaten Die EU hat noch mit einigen weiteren Staaten, so z. B. den Maghreb/Mittelmeer-Anrainerstaaten70, sowie Israel71, Abkommen geschlossen, die z. T. den Partnerschafts- und Assoziierungsabkommen ähnliche Diskriminierungsverbote enthalten. Diese waren in Bezug auf eine etwaige unmittelbare Dritt66 Für diese Annahme Erberich, GS Bleckmann, 2007, S. 145 (158); Holzke, SpuRt 2004, S. 1 (5); Eickelberg, ZESAR 2005, S. 384 (390 f.); Tams, EuR 2005, S. 777 (785 f.); Brecht, Arbeitnehmerfreizügigkeit im Cotonou-Abkommen, 2009, S. 109; Seymer, Ausländerklauseln im Freizeitsport, 2006, S. 210; Summerer, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, 7. Teil, Rn. 154, weist darauf hin, dass sich Gegenstand und Kontext der AKP-Abkommen zwar von den anderen Abkommen unterscheiden, dass der Wortlaut hingegen eindeutig ist, und nahezu dem Diskriminierungsverbot der Europa-Abkommen entspricht. Dagegen Kreis/Schmid, NZA 2003, S. 1013 (1016 f.); Engelbrecht, SpuRt 2005, S. 192 (195). Auch Hendrickx, ISLJ 2005, S. 13 (16), weist auf die Ähnlichkeit der Formulierung zu derjenigen der Europa-Abkommen und von Art. 39 Abs. 2 EG hin. 67 Eickelberg, ZESAR 2005, S. 384 (392), weist zutreffenderweise darauf hin, dass solche Kaderbeschränkungen Arbeitsbedingungen darstellen und keine Zugangsbeschränkungen, so dass das Diskriminierungsverbot des AKP-Abkommens hierauf Anwendung findet. 68 So auch Brecht, Arbeitnehmerfreizügigkeit im Cotonou-Abkommen, 2009, S. 51 f. 69 So auch Brecht, Arbeitnehmerfreizügigkeit im Cotonou-Abkommen, 2009, S. 115; Seymer, Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport, 2006, S. 213. 70 Kooperationsabkommen mit Algerien, ABL. EG 1978, Nr. L 263, S. 2 ff.; Tunesien, ABl. EG 1978, Nr. L 265, S. 2 ff.; und Marokko, ABl. EG 1978, Nr. L 264, S. 2 ff., teilweise ersetzt durch Europa-Mittelmeerabkommen: Tunesien ABl. EG 1998, Nr. L 97, S. 1 ff.; Marokko ABl. EG 2000, Nr. L 70, S. 1 ff. 71 Assoziierungsabkommen mit Israel, ABl. EG 1996, Nr. L 71, S. 1 ff.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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wirkung noch nicht Gegenstand einer Entscheidung durch den Gerichtshof. Daher gilt es erst noch zu klären, inwiefern sie geeignet sind, die Rechtsstellung von Sportlern aus entsprechenden Vertragsstaaten zu verbessern. Das Kooperationsabkommen mit Algerien sieht in Art. 38 Satz 1 folgendes zur Arbeitnehmerfreizügigkeit vor: „Jeder Mitgliedstaat gewährt den Arbeitnehmern algerischer Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen bewirkt.“
In den Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Tunesien und Marokko ist der einschlägige Art. 64 Abs. 1 folgendermaßen formuliert: „Jeder Mitgliedstaat gewährt den Arbeitnehmern tunesischer [bzw. marokkanischer] Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen bewirkt.“
In der Kziber-Entscheidung72 wurde eine unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 41 Abs. 1 des (damaligen) Abkommens mit Marokko angenommen. Das Gleiche soll für Art. 39 des (damaligen) Abkommens mit Tunesien sowie Art. 38 des Abkommens mit Algerien gelten. Die Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Marokko und Tunesien, die an die Stelle der bisherigen Abkommen getreten sind, sind aufgrund ihrer beinahe identischen Formulierung nicht anders zu bewerten. Von der unmittelbaren Geltung einer Vorschrift ist die unmittelbare Drittwirkung jedoch meistens, wie oben gezeigt, nur der logische nächste Schritt. Die Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Israel und den Mashrek-Staaten (Ägypten, Jordanien, Libanon, Syrien) enthalten keine derartigen Bestimmungen, sondern lediglich politische Erklärungen ohne rechtlich verbindliche Verpflichtungen73. Für Sportler aus diesen Staaten ist somit keine Freizügigkeit und damit verbundene Inländergleichbehandlung vorgesehen. h) Zusammenfassung Die grundfreiheitlichen Garantien, insbesondere das Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, gelten sinngemäß oder jedenfalls ähnlich aufgrund diverser zwi72
EuGH, Rs. C-18/90 – Kziber, Slg. 1991, S. I-199 ff., Rn. 15 ff. Vgl. außerdem EuGH, Rs. C-58/93 – Yousfi, Slg. 1994, S. I-1353 ff., Rn. 16; EuGH, Rs. C-103/94 – Krid, Slg. 1995, S. I-719 ff., Rn. 23 f. 73 Holzke, SpuRt 2004, S. 1 (3).
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
schenstaatlicher Abkommen der EU mit Drittstaaten auch gegenüber vielen Nicht-EU-Staatsangehörigen, jedenfalls insoweit diese bereits rechtmäßig in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind. Da die völkerrechtlichen Verträge der Union einen integrierenden Bestandteil des Unionsrechts bilden, werden dadurch sowohl die Staaten als auch Private genauso berechtigt und verpflichtet wie durch originäres Unionsrecht auch74. Das Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit trifft Sportverbände somit nicht nur in Bezug auf Staatsangehörige der EU- und EWR-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz, sondern auch in Bezug auf Sportler der verschiedensten Nationalitäten, so dass aus Praktikabilitätsgründen in Sportverbandssatzungen ein umfassendes Diskriminierungsverbot zugrundezulegen ist. Im Hinblick auf das Assoziationsrecht ist jedoch stets im Auge zu behalten, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt sehr wohl beschränkt werden darf, die Diskriminierungsverbote gelten hier nur für schon rechtmäßig in einem Vertragsstaat beschäftigte Arbeitnehmer. Wenn nun aber die Mitglieds- bzw. Vertragsstaaten eine solche Abschottung ihrer Arbeitsmärkte betreiben dürfen, so muss für privat organisierte Vereine das Gleiche gelten, so dass diese etwa eine beschränkte Anzahl von Spielberechtigungen für Sportler aus assoziierten Drittstaaten vorsehen könnten75.
III. Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Grundfreiheiten Ob die Grundfreiheiten für alle Sportbeteiligten oder lediglich für Berufssportler, Leistungssportler und/oder Profisportler gelten, ist eine andere Frage, deren Beantwortung wesentlich davon abhängt, wie diese Begriffe definiert werden, d.h. in welche Kategorien Sportler einzuteilen sind, um sie in das rechtliche Gefüge einzuordnen. 1. Begriffsklärung Es kommt also darauf an, was unter den sportlichen Kategorien Leistungs-, Profi-, Berufs-, Amateur-, Freizeit- oder Hobbysportler rechtlich zu verstehen ist. Begriffe des Sports sind rechtstatsächliche Begriffe, regelmäßig stehen ihnen daher keine entsprechenden Rechtsbegriffe gegenüber76. 74
Streinz/Herrmann, JuS 2008, S. 903 (907). So jedenfalls Gutmann, SpuRt 1997, S. 38 (40), der jedoch nicht beachtet, dass diese Beschränkung dann nicht mehr für schon anderswo im Mitgliedstaat beschäftigte Sportler geltend gemacht werden darf, sondern lediglich Neu-Zuwanderungen erfasst. 75
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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a) Abgrenzung von Leistungssport und Breitensport Im Bereich des Sports wird oft grob zwischen Leistungssportlern und Breitensportlern unterschieden, wobei Leistungssportler Sport auf einem hohen Niveau ausüben, Wettkämpfe bestreiten und oft auch ihren Lebensunterhalt durch den Sport verdienen. Breitensportler hingegen sehen den Sport eher als Freizeitbeschäftigung oder Hobby an, der in erster Linie dem Ausgleich zur Arbeit, der Gesundheit und dem persönlichen Wohlbefinden dienen soll. Rechtlich ist diese Einteilung im Hinblick auf den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten jedoch nicht zielführend. Zwar korrespondiert der Begriff des Leistungssports weitgehend mit dem Rechtsbegriff des Berufssports, er geht jedoch darüber hinaus und erstreckt sich neben dem reinen Profisport auch auf den Amateursport77. Im Folgenden soll daher nicht mit den sportlichen Kategorien Leistungs- oder Breitensportler gearbeitet werden, sondern mit den rechtlich besser handhabbaren Begriffen Berufs- bzw. Profisportler, Amateursportler sowie Freizeitbzw. Hobbysportler. b) Berufs- bzw. Profisportler Unter einem Berufssportler wird ein solcher Sportler verstanden, der mit der Sportausübung (und damit verbundenen Werbetätigkeiten o. Ä.) seinen Lebensunterhalt verdient. Diese Einordnung kann u. U. mehr Schwierigkeiten bereiten, wenn der Sportler Sportförderhilfe empfängt78. Es kommt dann auf den Umfang und das eventuelle Bestehen von Nebentätigkeiten im Einzelfall an. Dass Berufssportler am Wirtschaftsleben i. S. d. AEUV beteiligt sind, wurde vom EuGH schon in den Entscheidungen Walrave und Koch, Donà ./. Mantero und Bosman festgehalten und im Fall Lehtonen bestätigt. Ob sie in den Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit oder Dienstleistungsfreiheit fallen, wird im Rahmen der Analyse der einzelnen Grundfreiheiten (s. u.) untersucht werden.
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Fikentscher, Mitbestimmung im Sport, 2002, S. 44. Fikentscher, Mitbestimmung im Sport, 2002, S. 45. 78 Darauf weist – jedoch in Bezug auf die nationale deutsche Rechtslage – Menke, Profisportler zwischen Arbeitsrecht und Unternehmertum, 2006, hin. 77
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
c) Amateursportler Nach allgemeinem Sprachgebrauch ist ein Amateur jemand, der Leistungen aus Liebhaberei und nicht perfekt, sondern unvollkommen, „amateurhaft“ erbringt, während eine professionelle Leistungserbringung technisch ausgefeilter und mit vollem Einsatz erfolgt79. Als Amateursportler wird mithin bezeichnet, wer allein aus Freude Sport treibt, ohne daraus unmittelbar oder mittelbar einen Gewinn zu erzielen80. Er wird im Normalfall also neben dem Sport auch einen (nichtsportlichen) Beruf ausüben. Vielfach wird der Amateur-Status aber auch vertraglich in den Beziehungen zum Verein oder Verband festgelegt. Solche als Amateure klassifizierte Sportler fallen nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten heraus. Es kommt vielmehr einerseits darauf an, ob der Amateurstatus bloß der Bezeichnung nach besteht, obwohl tatsächlich von einem Arbeitsverhältnis auszugehen ist, und andererseits darauf, ob die für den Anwendungsbereich der einzelnen Grundfreiheiten jeweils erforderlichen Merkmale vorliegen. Unabhängig von der vertraglichen oder satzungsmäßigen Bezeichnung eines Athleten als Amateur oder Profi ist grundsätzlich dann von einem Berufssportler auszugehen, wenn der Sport als wirtschaftliche Lebensgrundlage dient und nicht lediglich die körperliche Ertüchtigung, die Förderung der eigenen Gesundheit und Leistungsfähigkeit oder einfach der Spaß am Sport im Vordergrund stehen81. Die „amateurmäßige“ Sportausübung muss also danach abgegrenzt werden, ob sie noch als wirtschaftliche Betätigung angesehen werden kann oder ob ihr jegliche wirtschaftliche Bedeutung fehlt. Das kommt im Einzelfall auf die Anzahl und die Höhe der Zuwendungen an die Amateursportler an und darauf, ob diese ausreichend sind, um zumindest teilweise als wirtschaftliche Lebensgrundlage zu dienen. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die bloße satzungs- oder lizenzmäßige Bezeichnung als „Amateur“ aus einem Berufssportler noch keinen Amateurbzw. Freizeitsportler ohne Erwerbsabsicht macht, sondern dass es immer auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis ankommt. Letztendlich hilft der Begriff „Amateur“ bei der rechtlichen Einordnung eines Sportlers also nicht weiter, er kann je nach Ausübungsart und -intensität entweder als Berufssportler oder als Freizeit- und Hobbysportler anzusehen sein. Insofern kommt es für den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten in erster Linie auf die Unterscheidung zwischen Berufs- und Freizeitsportler an. Der Ama79
Vgl. Reschke, Sport als Arbeit, 1985, S. 1 ff. Pfister, in: Pfister/Steiner, Sportrecht von A-Z, 1995, S. 1. 81 Vgl. Pfister/Steiner, in: Pfister/Steiner, Sportrecht von A-Z, 1995, S. 25 ff.; sowie Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 38. 80
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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teur kann je nach Einzelfall mal der einen und mal der anderen Kategorie zugeordnet werden. d) Freizeit- bzw. Hobbysportler Inwiefern der Hobby- und Freizeitsport in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fällt, ist sehr umstritten, da hier vor allem die Beteiligung am Wirtschaftsleben problematisch erscheint. In der Regel erhalten Freizeitund Hobbysportler kein Entgelt für ihre sportliche Betätigung, andererseits kann jedoch auch die Veranstaltung von Freizeitsportgroßveranstaltungen mit erheblichen wirtschaftlichen Interessen verbunden sein. Dennoch wird die Ausübung von Freizeitsport als solchem wohl in der Regel nicht unmittelbar selbst in den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten fallen. Zu beachten ist aber die immense soziale Integrationswirkung82, die von Sportausübung in der Freizeit ausgeht, so dass diese als Begleitrecht der Eingliederung von Wanderarbeitnehmern wohl meistens dennoch den Schutz der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 45 Abs. 3 AEUV („sonstige Arbeitsbedingungen“) genießt. Denkbar ist außerdem eine mögliche Einschränkung von auf den Freizeitsport bezogenen Sportverbandsregelungen nach dem Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV. Den Grundfreiheiten vergleichbare Vorgaben können sich nämlich aus der Unionsbürgerschaft gemäß Art. 20 und 21 AEUV sowie der Unionsbürgerrichtlinie83 ergeben. Zudem dient der Freizeitsport auch der Hebung der Lebenshaltung und Lebensqualität, und somit dem Wohlergehen der Bürger i. S. v. Art. 3 Abs. 1 EUV n. F., und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur angestrebten Integration84. Eine genaue Einordnung wird im Rahmen der jeweils möglicherweise einschlägigen Grundfreiheiten erfolgen. e) Zusammenfassung Im Interesse des effet utile ist der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten großzügig auszulegen. Vom sachlich-persönlichen Anwendungsbereich 82 Dazu auch Seymer, Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport, 2006, S. 28; und sehr ausführlich Dubey, La libre circulation des sportifs en Europe, 2000, S. 11 ff. 83 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, vom 29. April 2004, ABl. EG 2004, Nr. L 158, S. 77 ff. 84 Seymer, in: Vieweg, Prisma des Sportrechts, 2006, S. 319 (334).
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
der Grundfreiheiten sind jedenfalls und unzweifelhaft aufgrund ihrer wirtschaftlichen Betätigung Berufssportler betroffen. Auch so genannte Amateursportler können dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten nicht durch die bloße Bezeichnung als „Amateur“ entzogen werden, sondern es kommt darauf an, ob ihre sportliche Tätigkeit im Einzelfall als wirtschaftliche Tätigkeit aufgefasst werden kann. Der Freizeitsport kann auf zweierlei Weise von den Vertragsvorschriften betroffen sein, und zwar einerseits als Begleitrecht der Wanderarbeitnehmer im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, andererseits als Unionsbürgerrecht, für welches das allgemeine Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit des Art. 18 AEUV sowie das Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV und die Unionsbürgerrichtlinie gelten. 2. Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit Die Anwendung der Warenverkehrsfreiheit auf den Sport ist zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, bisher aber nur wenig relevant geworden. Denkbare Beeinträchtigungen des Schutzbereiches der Warenverkehrsfreiheit könnten etwa die Festlegung bestimmter Ausrüster und deren Produkte für internationale Wettkämpfe sein oder die Autorisierung bzw. Lizenzierung zum Verkauf von Merchandise-Artikeln im Rahmen wichtiger Sportveranstaltungen85. Außerdem betrifft die Warenverkehrsfreiheit auch Sportsponsoring86. EuGH-Entscheidungen sind in diesem Zusammenhang bisher noch nicht ergangen. 3. Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit kommt es in erster Linie darauf an, ob und welche Sportler als Arbeitnehmer anzusehen sind. Der Arbeitnehmerbegriff wird unionsrechtlich definiert und setzt die Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit voraus, die nicht von so geringem Umfang ist, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt, und deren wesentliches Merkmal darin besteht, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält87. Der europäi85 Beispiele von Vieweg, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 83 (97 f.). 86 Nolte, Sport und Recht, 2004, S. 40 ff.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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sche Arbeitnehmerbegriff ist also durch die Merkmale Weisungsgebundenheit, Erbringung einer Leistung und Vergütung als Gegenleistung gekennzeichnet; soweit die Tätigkeit diese Anforderungen erfüllt, spielt es weder eine Rolle, in welchem Bereich sie erbracht wird, noch welche Rechtsnatur das zugrunde liegende Rechtsverhältnis hat88. Die Weisungsabhängigkeit besteht darin, dass der Sportler hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der sportlichen Betätigung fremder Bestimmung, in der Regel des Trainers oder Managers des jeweiligen Vereines oder Verbandes, unterliegt89. Eine bloße Teilzeitbeschäftigung hindert die Einordnung als Arbeitnehmer nicht90. Vom Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit sind jedoch solche Tätigkeiten ausgeschlossen, „die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen“.91 a) Einordnung von Berufssportlern als Arbeitnehmer Für die Einordnung von Berufssportlern als Arbeitnehmer muss zwischen Mannschafts- und Individualsportarten unterschieden werden. aa) Mannschaftssportarten Was Berufssportler in Mannschaftssportarten betrifft, so erbringen diese ihre Leistungen unstreitig gegen Entgelt und für einen anderen, nämlich für ihren jeweiligen Verein. Hauptleistungen sind dabei die Teilnahme am Trainingsbetrieb und an regelmäßigen Wettkämpfen. In der Regel unterliegen die Profis bei all ihrer Tätigkeit auch den Anordnungen und Weisungen ihrer Trainer, Manager oder anderer Repräsentanten (Vorgesetzten) des Vereines, die z. B. Trainingsorte, -zeiten und -ablauf festlegen, sowie über die Terminierung von Wettkämpfen, und über Teilnahme in Form von Mannschaftsaufstellungen entscheiden. Es können aber auch noch andere, z. B. repräsentative Verpflichtungen hinzukommen. Oft ergehen auch Weisungen in Bezug auf Freizeitverhalten, indem etwa ungesunder Lebensstil bestraft, Risikosportarten verboten oder Loyalität zum Verein gegenüber der Öffentlichkeit verlangt werden. Auch bei Verlet87
EuGH, Rs. C-94/07 – Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft, Slg. 2008, S. I-5939 ff., Rn. 33. 88 EuGH, Rs. 66/85 – Lawrie-Blum, Slg. 1986, S. 2121 ff., Rn. 20. 89 Vgl. auch Krogmann, Sport und Europarecht, 2001, S. 10. 90 EuGH, Rs. 196/87 – Levin, Slg. 1982, S. 1035 ff., Rn. 15 f. 91 EuGH, Rs. 196/87 – Levin, Slg. 1982, S. 1035 ff., Rn. 17.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
zungen oder Erkrankungen sind die Vereinssportler in der Regel dazu verpflichtet, den Vereinsarzt zu konsultieren, anstatt einen Arzt ihres Vertrauens aufzusuchen92. An dieser Weisungsgebundenheit kann mithin auch nicht deshalb gezweifelt werden, weil die Sportler während der Sportausübung, auf dem Spielfeld o. Ä. weitgehend frei in ihrer Spielgestaltung sind93. Denn einerseits stellt der Spielbetrieb nur einen Teilbereich der vom Mannschaftssportler zu erbringenden Leistung dar und andererseits unterliegt er auch hier gewissen Taktikvorgaben des Trainerstabes. Zudem hindert ein gewisser schöpferischer Freiraum auch in der Ausübung anderer Berufe nicht die Annahme des Bestehens eines Weisungsverhältnisses. Es besteht also eine umfassende Leitungs- und Organisationsgewalt der Vereine und Verbände gegenüber dem Sportler, die sich üblicherweise nicht nur auf Training und Wettkampf, sondern auch auf die Bereiche Werbung, Vergütung, medizinische Betreuung, Sportbekleidung, Auftreten in der Öffentlichkeit und in manchen Fällen sogar Verhaltenspflichten im Privatleben erstreckt94. Vereinzelt wurde zwar – insbesondere im Umfeld der Bosman-Entscheidung – geäußert95, dass zumindest Bundesligaprofis, die jährlich Millionengehälter kassierten, nicht mehr als Arbeitnehmer im klassischen Sinne anzusehen sein könnten, sondern vielmehr erfolgreiche Unternehmer darstellten und damit eher selbstständige Erbringer von Dienstleistungen wären. Die Frage, ob im konkreten Fall die Arbeitnehmerfreizügigkeit oder die Dienstleistungsfreiheit zur Anwendung kommt, wurde vom EuGH zwar mit der Begründung der Kongruenz der Grundfreiheiten zumeist offen gelassen96. Jedoch kann die Höhe des Entgelts bei Vorliegen aller Arbeitnehmereigenschaften im Sinne der o. g. Definition nicht dazu führen, dass einem Sportler der Arbeitnehmerstatus bei steigendem Erfolg aberkannt wird. Egal, wie viel er mit seiner Tätigkeit verdient, solange er innerhalb der Organisationsstruktur eines Vereines seinen Sport ausübt, erbringt der Profi Leistungen gegen Entgelt für diesen Verein und unterliegt dessen Weisungen. Deshalb kann es auch nicht darauf ankommen, ob eine Sportart herausragende wirtschaftliche Bedeutung hat, wie etwa der Fußballsport. Vielmehr kommt es 92 Darauf weist Dinkelmeier, Das „Bosman“-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf den Profifußball in Europa, 1999, S. 74, hin. 93 Dinkelmeier, Das „Bosman“-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf den Profifußball in Europa, 1999, S. 74, spricht insofern von einem kreativen Freiraum des Profis, der nicht mit einer industriellen Fließbandtätigkeit verglichen werden kann. 94 Vgl. Fikentscher, Mitbestimmung im Sport, 2002, S. 75 m. w. N. 95 Vgl. Hilf/Pache, NJW 1996, S. 1169 (1176). 96 Siehe EuGH, Rs. 13/76 – Donà ./. Mantero, Slg. 1976, S. 1333 ff., Rn. 12 f.; EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 73.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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auch bei in der Öffentlichkeit weniger beachteten Randsportarten gleichermaßen auf die soeben aufgestellten Arbeitnehmerkriterien an, unabhängig von der Höhe des mit der Sportausübung verbundenen Verdienstes. Das gilt auch dann, wenn die Einnahmen des Sportlers nicht ausschließlich aus dem vom Verein gezahlten Gehalt bzw. Prämien stammen, sondern zu einem großen Teil auch aus Sponsorengeldern, Werbeverträgen o. Ä. Auch wenn der Sportler im Einzelfall vielleicht finanziell nicht mehr von seinem Arbeitgeber-Verein abhängig ist, weil er genügend anderweitige finanzielle Mittel zur Verfügung hat, so bleibt eine sportliche und soziale Abhängigkeit dennoch weiterhin bestehen, da er auf Spieleinsätze angewiesen ist, um seine sportliche Karriere voranzutreiben, bei deren Ausbleiben auch ein baldiges Versiegen der anderen Finanzquellen zu befürchten wäre. Der Schwerpunkt der Betätigung liegt damit immer noch in der Teilnahme am Trainings- und Wettkampfbetrieb, welche zwingend unselbstständig erfolgt, da der Mannschaftssport ohne die Unterordnung der Sportlers unter die Weisungsbefugnis des Trainers nicht möglich ist97. Auch tragen Berufssportler nicht etwa das finanzielle Risiko ihres Vereines, sondern sie beziehen von diesem lediglich ein Gehalt und eventuelle Prämien, sind jedoch nicht an wirtschaftlichen Risikogeschäften wie etwa Börsengängen o. Ä. beteiligt98. Und es trifft sie gegenüber Gläubigern des Vereines in der Regel keine persönliche Haftung, sondern sie sind lediglich als abhängige Arbeitnehmer beschäftigt. Lizenzspieler in der Fußball-Bundesliga tragen zwar teilweise unternehmerische Risiken, soweit ihre Entlohnung von sportlichen Erfolgen oder sogar Besucherzahlen abhängig gemacht wird, sie haben andererseits jedoch keine Möglichkeit, auf unternehmerische Entscheidungen der Vereinsleitung Einfluss zu nehmen99. Berufssportler in Mannschaftssportarten sind nach alldem daher eindeutig Arbeitnehmer i. S. d. Art. 45 AEUV. bb) Individualsportarten Die Einordnung von Berufssportlern, die eine Individualsportart ausüben, als Arbeitnehmer i. S. d. Art. 45 AEUV gestaltet sich schwieriger als dies bei Mannschaftssportlern der Fall ist. Zwar sind auch diese in der Regel einem Verein angeschlossen, oft übt dieser jedoch keine Weisungstätigkeit aus, sondern bietet lediglich Trainingsmöglichkeiten an und kümmert sich evtl. um Meldung zu Wettkämpfen, Turnieren und Meisterschaften, soweit 97
So auch Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Fußball, 1999, S. 82 f. Vgl. van den Bogaert, Practical Regulation of the Mobility of Sportsmen, 2005, S. 59. 99 Imping, Die arbeitsrechtliche Stellung des Fußballspielers, 1996, S. 59. 98
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
die entsprechenden Athleten für solche Aufgaben keinen eigenen persönlichen Assistenten oder Manager engagiert haben. Der Schwerpunkt der Sportausübung erfolgt (z. B. in der Leichtathletik) dagegen unabhängig von einer Weisungsgebundenheit gegenüber Verein oder Verband100. Da Einzelsportler sich in der Regel auch selbst vermarkten bzw. selbst entsprechendes Personal beschäftigen und aus Sponsorengeldern, Siegprämien o. Ä. finanzieren, sind diese in der Regel nicht als Arbeitnehmer i. S. d. Art. 45 AEUV anzusehen, sondern eher als selbstständige Dienstleistungserbringer i. S. d. Art. 56 AEUV. Diese Annahme gilt jedoch nicht pauschal für alle Individualsportler101, da es auch im Individualsport immer auf eine Einzelfallbetrachtung ankommt. Auch bei Individualsportarten sind vertragliche Bindungen des Athleten an den Verein oder den Verband üblich, welche durchaus, bei entsprechender persönlicher Abhängigkeit, auch als Arbeitsverträge zu qualifizieren sein könnten. Das allein entscheidende Kriterium für die Weisungsgebundenheit eines Sportlers ist – auch im Individualsport – die Einbindung in eine fremde Betriebsorganisation, innerhalb derer eine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Verein des Sportlers in der Regel bestehen wird102. Für eine solche Bewertung kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen an. Berufssportler in Individualsportarten sind also i. d. R. keine Arbeitnehmer. Es kommt hier jedoch auf eine Einzelfallbetrachtung an. cc) Grenzfälle Problematisch ist außerdem die Einordnung von Sportarten, die nicht zweifelsfrei als Mannschafts- oder Individualsportarten eingestuft werden können, sondern die sich eher an der Grenzlinie bewegen, wie etwa bei Radfahrern, die z. B. im Rahmen der Tour de France regelmäßig nicht nur auf ihren eigenen Erfolg bedacht fahren, sondern von ihren Teamchefs dazu angewiesen werden, den Favoriten und aussichtsreichsten Fahrer des jeweiligen Teams in der Tourwertung bestmöglich zu unterstützen. In solchen Fällen, in denen die Mitgliedschaft in einem Team erforderlich zur Wettkampfteilnahme ist, ist daher auch bei Individualsportarten in der Regel von der Arbeitnehmereigenschaft der betreffenden Athleten auszugehen. Und auch in anderen, auf den ersten Blick Individualsportarten gibt es oft Mannschafts- und Teamwettbewerbe oder Wertungen, z. B. Staffelläufe in der Leichtathletik oder Doppel-Wettbewerbe im Tennis, die daran zwei100 101 102
Fikentscher, Mitbestimmung im Sport, 2002, S. 150. So auch Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 53. Köhler, Der Arbeitnehmerbegriff im Sport, 2009, S. 106.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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feln lassen könnten, ob die jeweiligen Sportler wirklich weisungsungebunden ihre sportlichen Leistungen erbringen oder nicht doch den Mannschaftsweisungen unterliegen, wenn sie für die nächsten Wettkämpfe wieder aufgestellt werden möchten. Hier kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung an, ob also die beteiligten Athleten entweder in festen Teamstrukturen auftreten, ob das Team als solches also, wenn eventuell auch in wechselnder Zusammensetzung, als eine Gesamtstruktur existiert, oder ob sie lediglich als Individualsportler selbstständige Leistungen für eine gemeinsame Wertung erbringen. Letztendlich sind solche Grenzfälle jedoch nicht so problematisch wie sie auf den ersten Blick scheinen, da Berufssportler, die keine Arbeitnehmer ihres Vereines oder Verbandes sind103, in der Regel als selbstständige Dienstleistungserbringer im Rahmen des Art. 56 AEUV anzusehen sind (dazu sogleich mehr). Aufgrund der auch vom EuGH angenommenen Kongruenz der Grundfreiheiten ergeben sich daher im Ergebnis keine Unterschiede in Bezug auf die Wirksamkeit einer Satzungsregelung, unabhängig davon, ob sich der jeweilige Grundfreiheitsberechtigte auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit oder die Dienstleistungsfreiheit berufen kann. Grundsätzlich kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Mannschaftssportler in der Regel als Arbeitnehmer anzusehen sind, während Individualsportler eher als selbstständige Unternehmer und damit Dienstleistungserbringer, anzusehen sind. Entscheidend kommt es jedoch immer auf den konkreten Vertragsinhalt an104. dd) Sonderproblem: Sportsoldaten und Sportpolizisten Ein nicht nur in Deutschland weit verbreitetes Phänomen ist die Beschäftigung von Hochleistungssportlern bei Polizei und Militär. Das führt jedoch zu Einordnungsproblemen in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Denn Sportsoldaten und -polizisten sind im Hinblick auf ihre Eigenschaft als Soldaten oder Polizisten unzweifelhaft Arbeitnehmer, auch wenn sie im sportlichen Sinne vielleicht nur Amateurstatus innehaben (siehe zu den Auswirkungen dieses Status oben) oder selbstständige Dienstleistungen erbringen. 103 Zu den komplizierten Rechtsverhältnissen zwischen Sportlern und Verein bzw. Verband vgl. Weber, Rechtliche Strukturen und Beschäftigungsverhältnisse im Fußballsport, 2008. Darauf kommt es hier jedoch nicht an, solange die ArbeitnehmerEigenschaft gegenüber dem einen und/oder anderen zweifelsfrei festgestellt werden kann. 104 Menke, Profisportler zwischen Arbeitsrecht und Unternehmertum, 2006, S. 310.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Jedoch ist in den Dienstverträgen solcher Sportler der Status als Sportsoldat bzw. Sportpolizist sowie die Verwendung einer beträchtlichen Dienstzeit auf Training bzw. Wettkämpfe meist verbindlich festgeschrieben. Insofern könnten sie auch im Hinblick auf ihre Sportausübung als Arbeitnehmer des Staates anzusehen sein. Eine Leistungserbringung in Form des Absolvierens von Training und Wettkämpfen seitens der Sportler sowie eine Gegenleistung des Militärs bzw. der Polizei in Form der Zur-Verfügung-Stellung eines Arbeitsplatzes mit entsprechender Förderung und Vergütung sind gegeben. Fraglich ist also lediglich, ob die Sportsoldaten bzw. -polizisten ihre sportliche Leistung für ihren Arbeitgeber, also die Polizei bzw. das Militär erbringen und dementsprechend auch deren Weisungen unterliegen oder ob sie eher einem zwischengeschalteten Verein bzw. sich selbst „verpflichtet“ sind. Wenn Sportsoldaten und -polizisten also auch hinsichtlich ihrer Sportausübung als Arbeitnehmer des Staates anzusehen sind, kommt es für die Anwendbarkeit der Arbeitnehmerfreizügigkeit dann nicht mehr darauf an, ob sie als Mannschafts- oder als Individualsportler einzustufen sind, da auch ohne Mannschaft die Arbeitnehmereigenschaft (gegenüber Militär oder Polizei anstelle eines Vereines) besteht. Es stellt sich dann die Frage, ob es in diesen Fällen zu einem Ausschluss der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten aufgrund der Ausnahmeklausel der Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung (Art. 45 Abs. 4 AEUV) kommt. Es ist zwar umstritten, ob der Begriff der öffentlichen Verwaltung und der damit verbundenen Ausübung hoheitlicher Gewalt dabei autonom unionsrechtlich auszulegen ist oder sich nach nationalen Anschauungen richtet, so dass insgesamt problematisch ist, welche Tätigkeiten konkret unter diese Begriffe fallen. Jedoch ist davon auszugehen, dass Soldaten und Polizisten nach allen Ansichten unstreitig hoheitliche Gewalt ausüben. Dies führt jedoch nicht automatisch dazu, dass Sportsoldaten und -polizisten auch in Bezug auf ihre Sportausübung vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ausgeschlossen sind, vielmehr erfasst der Begriff Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung nur all jene solchen Tätigkeiten, bei denen derjenige, der sie ausübt, die Befugnis besitzt, dem Bürger gegenüber von Sonderrechten, Hoheitsprivilegien oder Zwangsbefugnissen Gebrauch zu machen105. Sportsoldaten und -polizisten haben solche hoheitlichen Befugnisse zwar in ihrer Eigenschaft als Soldat bzw. Polizist inne, nicht jedoch im Rahmen ihrer Sportausübung, in der sie wie jeder andere Athlet tätig werden, so dass im Hinblick auf diese Tätigkeit die Bereichsausnahme des Art. 45 Abs. 4 AEUV nicht greifen kann. 105
Jarass, FS Lerche 1993, S. 443 (450) m. w. N.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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Auch Sportsoldaten und -polizisten sind somit als Arbeitnehmer i. S. d. Art. 45 Abs. 1 AEUV anzusehen, wenn sie bezüglich der Sportausübung den Weisungen ihres Arbeitgebers unterliegen. b) Einordnung von Amateursportlern als Arbeitnehmer Schwieriger wird es im Bereich des Amateursports. Können Amateurverträge als Arbeitsverträge i. S. d. Art. 45 AEUV bewertet werden? Dabei ist zu beachten, dass mittlerweile auch im Amateursport teilweise erhebliche Einkünfte erzielt werden können. Die bloße Unterscheidung in „Amateur-“ und „Profisportler“ dem Namen nach kann daher keine Auswirkungen auf die Subsumtionsfähigkeit unter den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff haben, sondern es kommt immer im Einzelfall darauf an, ob der betreffende Sportler die Merkmale eines Arbeitnehmers aufweist oder nicht, ungeachtet seiner vertraglichen Bezeichnung als Amateur oder Profi oder anderes. Im Fall von Leistungssportlern mit vertraglichem „Amateurstatus“ kann in der Regel auf die obigen Ausführungen zu Berufssportlern verwiesen werden, da es für die Einordnung als Arbeitnehmer nicht auf die Höhe der Vergütung ankommt. Auch bei so genannten Amateursportlern ist daher in der Regel von einer wirtschaftlichen Tätigkeit auszugehen. Für die Einordnung unter die Arbeitnehmerfreizügigkeit oder die Dienstleistungsfreiheit kommt es wiederum entscheidend auf das Merkmal der Weisungsgebundenheit an, welches im Rahmen von Mannschaftssportarten unzweifelhaft gegeben ist, und im Rahmen von Individualsportarten von einer Einzelfallbetrachtung abhängt. c) Einordnung von Freizeitsportlern als Arbeitnehmer Im Freizeitsport kann jedenfalls bei der sportlichen Betätigung nicht mehr vom Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses gesprochen werden, so dass der Freizeitsport in dieser Hinsicht aus dem Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit herausfällt. In der Entscheidung Levin106 stellte der EuGH fest, dass solche Tätigkeiten vom Schutzbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgeschlossen seien, „die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen.“ Unter diese Ausnahmedefinition würde also die ausschließlich hobby- oder freizeitmäßige Ausübung von Sport fallen, so dass solche Sportler nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 45 AEUV anzusehen sind, selbst wenn der Verein ihnen möglicherweise geringfügige Siegprämien, Aufwandsentschädigungen, gesponserte Trainingsanzüge o. Ä. zukommen ließe107. 106 107
EuGH, Rs. 53/81 – Levin, Slg. 1982, S. 1035 ff., Rn. 17. So auch Hölzl, Sport in der Verfassung, 2002, S. 155.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Jedoch kann die Arbeitnehmerfreizügigkeit dergestalt Auswirkungen auf den Freizeitsport haben, als dass dieser einen wesentlichen Faktor in der Eingliederung eines Wanderarbeitnehmers in das soziale Umfeld des Mitgliedstaates, in dem er als Arbeitnehmer beschäftigt ist, darstellt. Diese soziale Eingliederung wird von Art. 7 Abs. 2 der VO (EWG) Nr. 1612/68 geschützt und wirkt daher zumindest mittelbar auf die zu beruflichen Zwecken gewährleistete Arbeitnehmerfreizügigkeit ein108. Zudem erfasst das Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot des Art. 45 Abs. 2 AEUV nicht nur das konkrete Arbeitsverhältnis des Wanderarbeitnehmers, sondern auch „sonstige Arbeitsbedingungen“. Dieser Begriff ist weit auszulegen und umfasst auch Umstände aus dem Beschäftigungsumfeld, die sich mittelbar auf die Attraktivität des/eines Arbeitsverhältnisses auswirken. Dazu gehört dann auch die (Möglichkeit der) Ausübung von Freizeitsport109. d) Zusammenfassung Sportler sind als Arbeitnehmer im Sinne von Art. 45 AEUV anzusehen, wenn sie ihren Sport weisungsabhängig ausüben, wenn sie also hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Ausführung der sportlichen Betätigung fremder Bestimmung unterliegen und dafür als Gegenleistung ein Entgelt erhalten. Zumindest, wenn Profisportler betroffen sind, die mit ihren jeweiligen Vereinen Arbeitsverträge abgeschlossen haben, besteht an der Arbeitnehmereigenschaft des Sportlers kein Zweifel mehr. Dabei ist jedoch zu beachten, dass der Arbeitsvertrag mit einem Sportverein oder -verband oder einem anderen „sportlichen Arbeitgeber“ (wie etwa bei Sportsoldaten und Sportpolizisten der Fall) bestehen muss. Bei Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst oder in der privaten Wirtschaft außerhalb des Sports ist also für die Einordnung immer genau nach dem sportlichen Rechtsverhältnis zu differenzieren. Wenn eine Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber in Bezug auf die sportliche Betätigung vorliegt, ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit direkt einschlägig, anderenfalls kommen das Begleitrecht der „sonstigen Arbeitsbedingungen“ gemäß Art. 45 Abs. 2 AEUV oder auch die Dienstleistungsfreiheit in Betracht. Ist der Sportler dagegen nicht Arbeitnehmer eines Vereines, sondern in eigener Regie auf hohem Niveau im Spitzensport tätiger „Amateur“, so könnte stattdessen die Dienstleistungsfreiheit einschlägig sein (dazu unten mehr). Die Unterscheidung zwischen „Profi-“ und „Amateursportler“ ist diesbezüglich unbrauchbar110 und kann nur Indizien in Bezug auf die Entgeltlichkeit der sportlichen Leistungserbringung ergeben. 108 109
So auch Zinger, Diskriminierungsverbote und Sportautonomie, 2003, S. 130. Seymer, Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport, 2006, S. 132 f.
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Freizeitsportler sind an sich nicht als Arbeitnehmer einzustufen, können aber in den Schutz der Arbeitnehmerfreizügigkeit gelangen, wenn sie sich ohnehin als Wanderarbeitnehmer auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit berufen können und im Gastland in ihrer Freizeit Sport betreiben. In Sportverbandssatzungen sind die Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Art. 45 AEUV sowie die Vorgaben der VO (EWG) Nr. 1612/68 also grundsätzlich, wenn auch in unterschiedlicher Weise, auf allen Leistungsebenen zu beachten. 4. Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit Auch der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) kann im Sport unter Umständen Bedeutung zukommen. Die Niederlassungsfreiheit schützt den dauernden Aufenthalt zur Aufnahme oder Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit. Diese Erwerbstätigkeit muss zwar entgeltlich sein, setzt aber keine Gewinnerzielungsabsicht voraus111. Sportler, die eine Individualsportart gegen Entgelt ausüben, aber nicht arbeitsvertraglich gebunden sind, könnten sich unter Umständen auf die Niederlassungsfreiheit berufen. Gleiches gilt für Trainer, Coaches, Manager, Assistenten und Spielervermittler. Wahrscheinlicher erscheint jedoch eine Anwendbarkeit auf die Niederlassung von Vereinen oder Verbänden selbst, die nicht von der Staatsangehörigkeit der Eigentümer, Besitzer oder Mitglieder oder von ihrem satzungsmäßigen Sitz abhängig gemacht werden darf. Auch die Gründung eines Unternehmens zur Vermarktung einer Sportveranstaltung oder eines Sportvereines sowie zur Organisation von TV-Rechten könnte die Niederlassungsfreiheit berühren112, ebenso wie die Veranstaltung von Sportwetten113. Außerdem schützt die Niederlassungsfreiheit nicht nur die Gründung von Gesellschaften, sondern auch den Erwerb von Gesellschaftsanteilen114, so dass auch die Beschränkung von Gesellschaftsanteilen in den Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit fällt. Aktuellstes Beispiel für solche Investorenhemmnisse ist die in der deutschen Fußball-Bundesliga geltende 50+1-Regel, die festlegt, dass der Mutterverein selbst mindestens 50% 110
So auch Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 198. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2008, Art. 43, Rn. 18. 112 Vieweg, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 83 (94). 113 Vgl. dazu EuGH, Rs. C-243/01 – Gambelli, Slg. 2003, S. I-13031 ff.; EuGH, verb. Rs. C-338/04, C-359/04 und C-360/04 – Placanica, Slg. 2007, S. 1891 ff.; EuGH, Rs. C-42/07 – Liga Portuguesa da Futebol, EuZW 2009, S. 689 ff. 114 So etwa Verse, Causa Sport 2010, S. 28 (31 f.) m. w. N. 111
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
(+ 1 Anteil) der Gesellschafts- oder Kapitalanteile halten muss, wenn er sich als Gesellschaft organisiert115. 5. Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit Die Dienstleistungsfreiheit ist im Bereich des Sports als Auffangtatbestand insbesondere dann relevant, wenn der betreffende Sportler nicht als Arbeitnehmer eingestuft werden kann und sich auch nicht, wie im Rahmen der Niederlassungsfreiheit erforderlich, dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen will, sondern lediglich für Wettkämpfe oder andere Veranstaltungen und Trainingslager ins Ausland reist. Vom Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit umfasst sind gegen Entgelt erbrachte vorübergehende Leistungen, die nicht in den Anwendungsbereich anderer Grundfreiheiten, insbesondere der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Niederlassungsfreiheit, fallen. Sportler fallen also dann in den Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit, wenn sie als selbstständige Gewerbetreibende grenzüberschreitende Dienstleistungen erbringen. a) Berufssportler im Schutzbereich der Dienstleistungsfreiheit In Betracht kommen hier vor allem Individualsportler, wie etwa Tennisspieler, Boxer oder Skifahrer116, deren Wettkämpfe oft in anderen (Mitglied-)Staaten stattfinden, so dass dann auch der erforderliche grenzüberschreitende Bezug vorliegt. Das Entgelt, welches die Sportler erhalten, stammt in diesen Fällen in der Regel nicht als Gehalt vom Verein oder Verband, sondern ist im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit eher in auf den speziellen Wettkampf bezogenen Antrittsgeldern oder Siegprämien zu sehen. In Betracht kommen andererseits auch durch sportliche Erfolge erlangte Sponsorenverträge, wie vom EuGH in der Entscheidung Deliège ausgeführt, so dass es auch im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit nicht auf den Profi- oder Amateurstatus „auf dem Papier“ ankommt, sondern auf eine Einzelfallbetrachtung in Bezug auf die finanziellen Mittel, die dem Athleten durch seine sportliche Betätigung direkt oder mittelbar zufließen.
115 Deutscher, SpuRt 2009, S. 97 (100), und Jeck/Langner, cepStudie Die europäische Dimension des Sports, 2010, S. 25, 27, sehen in diesem Fall die Kapitalverkehrsfreiheit als betroffen an, da auch die Beschränkung der Stimmrechte die Vereinsbeteiligung im Vergleich zu anderen Kapitalanlagen weniger attraktiv macht. 116 Beispiele von Krogmann, Sport und Europarecht, 2001, S. 12.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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b) Amateursportler als Dienstleistungserbringer: Deliège117 Gemäß der Entscheidung des Gerichtshofs im Fall Deliège vom 11. April 2000 spricht selbst der Amateurstatus eines Sportlers nicht gegen eine wirtschaftliche Betätigung desselben, so dass die Grundfreiheiten daher auch im Amateursport Wirkung entfalten können. Zum Sachverhalt: Der Fall Deliège (2000) Frau Christelle Deliège, eine belgische Judoka, wurde von ihrem Verband LFJ118, der LBJ119 sowie deren Präsidenten Herrn Pacquée, nicht wie gewünscht für die Teilnahme an einem internationalen Judowettkampf in Paris zugelassen, bei dem es unter anderem um die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Atlanta 1996 ging. Die Weigerung, Frau Deliège aufzustellen, wurde damit begründet, dass der Verband in der entsprechenden Wettkampfklasse bis 52 kg über vier herausragende Judoka verfügte, pro Klasse aber nur einen Sportler aufstellen durfte (insgesamt je 7 Männer und Frauen). Frau Deliège wandte sich daraufhin an das Tribunal de première instance Namur, um ihre Turnierteilnahme einzuklagen. Dieses legte dem Gerichtshof die Frage vor, ob die zahlenmäßige Beschränkung der pro nationalem Verband zugelassenen Teilnehmer mit dem Unionsrecht vereinbar sei (C-51/96). In einem zweiten Verfahren (C-191/97) wurde dem Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob es gegen Unionsrecht verstoße, dass ein Sportler im Besitz einer Genehmigung des nationalen Verbandes sein müsse, um an internationalen Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen.
Der Gerichtshof wies auf seine Rechtsprechung in den Fällen Walrave und Koch sowie Bosman hin, dass der Sport nur als Teil des Wirtschaftslebens dem Unionsrecht unterfalle und daher, vor allem im Amateurbereich, sportliche Besonderheiten zu berücksichtigen seien. Dabei nahm er auch auf die Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam Bezug: „Dieser Rechtsprechung entspricht zudem die Erklärung Nummer 29 zum Sport, die sich im Anhang der Schlussakte der Konferenz befindet, in der der Text des Vertrages von Amsterdam festgelegt wurde, die die gesellschaftliche Bedeutung des Sports unterstreicht und an die Gremien der Europäischen Union appelliert, u. a. die Besonderheiten des Amateursports besonders zu berücksichtigen.“120
Sodann stellte er fest, dass die strittigen Auswahlregeln nicht unter den Nationalmannschaftsvorbehalt fielen, da für die Aufstellung lediglich die Verbandszugehörigkeit der Sportler, nicht jedoch deren Staatsangehörigkeit, entscheidend war. Diese Begründung hinkt etwas, da die Zugehörigkeit zu einem nationalen Verband in der Regel mit der Staatsangehörigkeit zusam117
EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff. Ligue francophone de judo et disciplines associées ASBL. 119 Liga belge du judo ASBL. 120 EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff., Rn. 42. 118
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menfällt. Jedoch ging es im Fall nicht um eine Nicht-Nominierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, in welchem Fall der Nationalmannschaftsvorbehalt einschlägig gewesen wäre, sondern aus anderen, auf sportlichen Leistungen beruhenden Gründen. Solche nicht auf der Staatsangehörigkeit des betreffenden Sportlers beruhenden Nominierungsentscheidungen haben mit einem Nationalmannschaftsvorbehalt aber nichts zu tun. Daher war zu prüfen, ob die Tätigkeit der Klägerin als Teil des Wirtschaftslebens der Dienstleistungsfreiheit unterfällt. Diese Prüfung kann nicht durch eine einseitige Festlegung seitens des Verbandes ersetzt werden. „Jedoch schließt die bloße Tatsache, dass eine Sportvereinigung oder ein Sportverband die Sportler, die ihre Mitglieder sind, einseitig als Amateure qualifiziert, für sich allein nicht aus, dass die Tätigkeit dieser Sportler zum Wirtschaftsleben im Sinne von Artikel 2 EG-Vertrag gehört.“121
Da der Begriff Wirtschaftsleben die Grundvoraussetzung für den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten darstellt, darf er nicht einschränkend ausgelegt werden. „Im Rahmen sportlicher Tätigkeiten, insbesondere der Teilnahme von Hochleistungssportlern an einem internationalen Wettkampf, werden mehrere eigene, aber eng miteinander verknüpfte Dienstleistungen erbracht, die auch dann unter Art. 59 EGV [jetzt Art. 56 AEUV] fallen können, wenn einzelne Dienstleistungen nicht von denen bezahlt werden, denen sie zugute kommen.“122
Eine entgeltliche Dienstleistung muss also auch dann angenommen werden, wenn ein Sportler zwar nicht seinen gesamten Lebensunterhalt durch die sportliche Tätigkeit bestreitet, durch den Sport jedoch finanzielle Zuwendungen, Sponsorenverträge o. Ä. erhält. Eine Dienstleistung liegt zudem nicht nur dann vor, wenn sie auch von denen bezahlt wird, denen sie zugute kommt, sondern sie kann auch aus anderen Quellen finanziert werden. Diese Beurteilung unterliegt im Vorabentscheidungsverfahren dem nationalen Gericht, hier also dem Tribunal de première instance Namur. Nach dessen Ausführungen handelte es sich bei der sportlichen Tätigkeit von Frau Deliège um die entgeltliche Erbringung von Dienstleistungen, so dass der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten grundsätzlich eröffnet war. Es erfolgt also eine Klarstellung dahingehend, dass auch der Amateursport dem Unionsrecht unterliegen kann, da es nicht darauf ankommt, woher dem Sportler für seine sportliche Tätigkeit Einnahmen zufließen123. Der 121 EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff., Rn. 46. 122 EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff., Rn. 56. 123 Zustimmend auch Röthel, EuZW 2000, S. 375 (379), und Streinz, JuS 2000, S. 1015 (1017).
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Geltungsbereich des Unionsrechts wird also dahingehend ausgeweitet, dass auch der Amateursport Teil des Wirtschaftslebens sein kann, jedenfalls insoweit als dass Sponsorengelder, Wettkampfprämien o. Ä. fließen. Dies ist insbesondere deshalb begrüßenswert, weil die Grenzen zwischen Amateurund Berufssport praktisch fließend sind und nur sehr schwer konkret gezogen werden können. Insbesondere treten so genannte Profis oder Amateure oft in denselben Wettkämpfen unmittelbar gegeneinander an (auch die Olympischen Spiele wurden mittlerweile für Berufssportler geöffnet), so dass eine bloße formale Unterscheidung in zwei Kategorien mit jeweils verschiedenen Rechten und Pflichten oft nicht mehr sachgerecht erscheint. Die Unterscheidung zwischen Berufssportlern und Amateuren verliert damit nicht nur rechtlich, sondern auch praktisch an Bedeutung. Auf die zweite Vorlagefrage, die darauf abzielte, inwiefern Veranstalter von Sportveranstaltungen Zulassungsbeschränkungen für die Teilnehmer errichten dürfen, wird in den nächsten Abschnitten der Arbeit noch genauer eingegangen werden. c) Freizeitsport im Anwendungsbereich der Dienstleistungsfreiheit Auf der anderen Seite ist die Entscheidung Deliège gleichzeitig auch ein Indiz dafür, dass der EuGH auch den Freizeitsport nicht von vornherein aus dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten ausgeschlossen sehen will, da auch bei Freizeitsportveranstaltungen mit hoher Medienpräsenz Dienstleistungen erbracht werden, die durch Preise, Auszeichnungen oder andere Zuwendungen von Seiten des Veranstalters und Sponsoren prämiert werden. Eine gewisse Entgeltlichkeit lässt sich also auch im Freizeitsportsektor nicht leugnen. Fraglich ist jedoch, welche Auswirkungen die eventuelle Einschlägigkeit der Grundfreiheiten auf die Veranstaltung von Freizeitsportevents hat, und wo hier die Grenze gezogen werden soll. Zumal das die unmittelbare Drittwirkung rechtfertigende Ungleichgewicht zwischen den Vertragsparteien, welches beim Abschluss von Arbeits- oder Sponsoringverträgen ohne Weiteres vorliegt, in dieser Konstellation fehlt. So wird sich der Freizeitsportler, der am Wochenende zu seinem Vergnügen oder zur Überprüfung seiner Trainingsfortschritte an Wettkämpfen und Sportveranstaltungen teilnimmt, in der Regel nicht auf die (aktive) Dienstleistungsfreiheit berufen können. Wer jedoch unstreitig wirtschaftlich relevante Dienstleistungen erbringt, sind Veranstalter, Organisatoren, Sponsoren etc., die unter Umständen auch aus anderen Mitgliedstaaten stammen und daher Berechtigte der (aktiven) Dienstleistungsfreiheit sind. Gleichzeitig, sozusagen als Kehrseite der aktiven Dienstleistungsfreiheit der Veranstalter, können sich Teilnehmer und Zu-
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schauer dann jedoch auf die passive Dienstleistungsfreiheit berufen, sollten der Veranstaltung irgendwelche Beschränkungen drohen. Diese gilt im gleichen Umfang wie die aktive Dienstleistungsfreiheit, in den Fällen, in denen sich der Dienstleistungsempfänger, und nicht der Dienstleistungserbringer, in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um die Dienstleistung (etwa in Form der Teilnahme an einer Sportveranstaltung) entgegenzunehmen124. Somit ist auch der Freizeitsport von der Dienstleistungsfreiheit nicht ausgenommen. Wie immer kommt es auf eine Einzelfallbetrachtung an. 6. Sachlich-persönlicher Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit Die Kapitalverkehrs- und Zahlungsfreiheit war im Bereich des Sports bisher wenig relevant, gewinnt in letzter Zeit aber zunehmend an Wichtigkeit. Denkbar sind etwa Beschränkungen der Beteiligung an (ausländischen) Sportvereinen oder Unternehmen oder Einflussnahme auf Sponsoren125. Dabei handelt es sich zwar in erster Linie um gesellschafts- oder kapitalmarktrechtliche Probleme, jedoch sind auch hier unter Umständen die Besonderheiten des Sports bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen. 7. Das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV: Entwicklung eines Freizügigkeitsrechts aus Art. 21 AEUV Das allgemeine Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit ist beherrschendes Leitmotiv des materiellen Unionsrechts126 und kommt trotz seiner Subsidiarität zu den spezielleren Diskriminierungsverboten der Grundfreiheiten dann selbstständig zur Anwendung, wenn die spezielleren Grundfreiheiten nicht einschlägig sind127. Richtig verstanden verdrängen die speziellen Grundfreiheiten das „allgemeine“ Diskriminierungsverbot also nicht, sondern setzen es nur für bestimmte Fälle konkret um128. Dabei 124 Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 888, weist darauf hin, dass für die Eröffnung des Anwendungsbereiches der passiven (wie der aktiven) Dienstleistungsfreiheit der Tatbestand der Grenzüberschreitung allein entscheidend ist, da es um die Öffnung der einzelnen nationalen Märkte für Dienstleistungen aus der Gemeinschaft geht. 125 Vgl. Vieweg, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 83 (98 f.). 126 So Schweitzer, FS Rudolf 2001, S. 189 (189). 127 Aus diesem Grund wird z. B. von Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 253, bei privaten Maßnahmen ein Rückgriff auf Art. 12 Abs. 1 EG befürwortet, da er die Einschlägigkeit der Grundfreiheiten mangels Anerkennung einer unmittelbaren Drittwirkung derselben ablehnt.
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verbietet Art. 18 AEUV jede Diskriminierung, die allein auf der Staatsangehörigkeit beruht; besteht daneben ein sachliches Differenzierungskriterium, so kann dieses ebenso wie im Rahmen der speziellen Grundfreiheiten rechtfertigend wirken129. Grundsätzlich findet Art. 18 AEUV nur im Anwendungsbereich des Vertrages Berücksichtigung, wenn also die Union ihr übertragene Aufgaben wahrnimmt. Für die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 18 AEUV ist also eine „unionsrechtlich geregelte Situation“ erforderlich. Eine solche könnte sich jedoch aus der durch Art. 20 und 21 AEUV sowie die Unionsbürgerrichtlinie130 geregelten Unionsbürgerschaft ergeben. Mit fortschreitender Integration wurde die wirtschaftliche Seite der Europäischen Union mehr und mehr von der politischen Seite verdrängt, in deren Folge mittlerweile auch verstärkt eine soziale Komponente auftritt131. Teil dieser Entwicklung war u. a. die Einführung einer Unionsbürgerschaft in Art. 20 AEUV mit einem damit verbundenen Recht auf Freizügigkeit in Art. 21 AEUV. Damit wurde gleichsam der „Schritt vom Marktbürger zum Unionsbürger“132 vollzogen. Auch der Verfassungsvertrag spiegelt die Wandlung der Stellung des Bürgers vom Instrument des Binnenmarktes zum dadurch berechtigten und geschützten Unionsbürger wider133. Neben wirtschaftlichen Sachverhalten mit Binnenmarktrelevanz werden so also auch Sachverhalte ohne wirtschaftlichen Bezug zum Gegenstand des Unionsrechts und sind damit auch an den entsprechenden Bestimmungen zu messen, jedenfalls soweit als dass sie für die soziale Integration der EU-Bürger in anderen Mitgliedstaaten von Bedeutung sind134. Das ist insbesondere für die nichtwirtschaftlichen Bereiche des Sports, also in erster Linie den Amateurund Freizeitsport, der Fall. 128
Vgl. Schweitzer, FS Rudolf 2001, S. 189 (190). Vgl. dazu Wernsmann, JZ 2005, S. 224 (228 f.), der auf die Funktion des Art. 12 EG (jetzt Art. 18 Abs. 1 AEUV) als Auffangtatbestand hinweist. 130 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, vom 29. April 2004, ABl. EG 2004, Nr. L 158, S. 77 ff. 131 Vgl. Rossi, EuR 2000, S. 197 (198). 132 Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 224. Auch Becker, EuR 1999, S. 522 (523), weist daraufhin, dass die Freizügigkeit zunächst nur dienenden Charakter gegenüber den wirtschaftlichen Freiheiten hatte, was sich durch die Einfügung des Art. 18 EG (jetzt Art. 21 AEUV) jedoch änderte. 133 Preedy, Die Bindung Privater an die Europäischen Grundfreiheiten, 2005, S. 143. 134 Conzelmann, Modelle für eine Förderung der inländischen Nachwuchssportler, 2008, S. 121. 129
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Jemand, der kein Arbeitnehmer, Dienstleistungserbringer oder Selbstständiger ist, kann also dennoch als Unionsbürger i. S. d. Art. 20 Abs. 1 AEUV einzustufen sein, nämlich dann, wenn er die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates hat, und daraus das Recht zur Freizügigkeit innerhalb der Union beziehen135. Auch (echte) Amateursportler und Hobby- und Freizeitsportler, die Unionsbürger i. S. d. Art. 20 AEUV sind, genießen also Freizügigkeit im gesamten Unionsgebiet. Aus Art. 21 AEUV, der vom EuGH als Grundfreiheit identifiziert wurde136, ergibt sich bei rechtmäßigem Aufenthalt137 oder bei Ausübung der Freizügigkeit138 ein Anspruch auf Gleichbehandlung139. Soweit soziale Rechte von Unionsbürgern berührt sind, begründet die Unionsbürgerschaft damit ein Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit. Der sachliche Anwendungsbereich des Unionsrechts würde also unabhängig von einer wirtschaftlichen Betätigung des Einzelnen eröffnet140. Aus dem bloßen Vorliegen der Unionsbürgerschaft, die sich gemäß Art. 21 Abs. 1 AEUV in der Gewährleistung eines allgemeinen Bewegungs- und Aufenthaltsrechts erschöpft, automatisch auf eine unionsrechtlich geregelte Situation zu schließen, würde den Anwendungsbereich des Art. 18 AEUV jedoch wohl unzulässig ausweiten, da so in Sachbereiche vorgedrungen werden könnte, in denen (möglicherweise bewusst) keine uni135 Vgl. EuGH, Rs. C-274/96 – Bickel und Franz, Slg. 1998, S. I-7367 ff., Rn. 16; EuGH, verb. Rs. C-482/01 und C-493/01 – Orfanopoulos ./. Baden-Württemberg, Slg. 2004, S. I-5257 ff., Rn. 53; Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, vom 29. April 2004, ABl. EG vom 30.4.2004, Nr. L 158, S. 77 ff. 136 EuGH, Rs. C-224/98 – D’Hoop, Slg. 2002, S. I-6191 ff., Rn. 29.; EuGH, Rs. C-413/99 – Baumbast, Slg. 2002, S. I-7091 ff., Rn. 84 ff. Scheuing, EuR 2003, S. 744 (759, 780) bezeichnet Art. 18 EG (jetzt Art. 21 AEUV) als unmittelbar anwendbares und einklagbares Individualrecht, welches der Sache nach auch ein Beschränkungsverbot enthält. 137 EuGH, Rs. C-85/96 – Martínez Sala, Slg. 1998, S. I-2691 ff., Rn. 60. 138 EuGH, Rs. C-184/99 – Grzelczyk, Slg. 2001, S. I-6193 ff., Rn. 33 ff. 139 Das gilt u. a. auch für Studenten, die ohne einer wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen, Gebrauch von ihrem Recht auf Freizügigkeit machen, vgl. EuGH, Rs. C-158/07 – Förster, NVwZ 2009, S. 93 ff., Rn. 43 ff., so dass diese aus ihrem rechtmäßigen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung herleiten können. Dagegen noch Bode, EuZW 2003, S. 552 (556), der den bloßen rechtmäßigen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat als nicht genügend für eine umfassende Anwendung des Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) ansah. 140 Schweitzer, FS Rudolf 2001, S. 189 (197), spricht von einer funktionalen Interpretation des Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) im Hinblick auf ein „Europa der Bürger“ und nennt diese Vorschrift ein politisches Grundrecht der Unionsbürger.
A. Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
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onsrechtlichen Regelungskompetenzen bestehen141. Jedoch liegt mit der Eröffnung des Anwendungsbereiches einer Grundfreiheit immer eine unionsrechtlich geregelte Situation vor. Wer sich also auf eine der speziellen Grundfreiheiten oder ihre Begleitrechte berufen kann, genießt immer auch in seiner Freizeit den Schutz des Art. 18 AEUV und damit einen Anspruch auf Inländergleichbehandlung. Freizeitsport ist also als Annex der Personenverkehrsfreiheiten142 grundfreiheitlich geschützt. Auch Situationen, die lediglich im Zusammenhang mit der Ausübung von Grundfreiheiten stehen und zumindest mittelbar zu einer Beschränkung derselben führen könnten, sind vom Anwendungsbereich erfasst143. Nach allgemeiner Ansicht können sich Unionsbürger auf Art. 18 AEUV auch unmittelbar gegenüber diskriminierenden Regelungen von Sportverbänden berufen. Die Verpflichtung von Privaten mit autonomen Regelungsbefugnissen ist insoweit seit der Walrave und Koch-Entscheidung unzweifelhaft144. Ob auch andere Private an das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV gebunden sind, kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, da Sportverbände ohnehin unter die erstgenannten Privaten mit autonomen Regelungsbefugnissen fallen. Im Übrigen ist zu dieser Problematik auf den zweiten Teil der Arbeit zu verweisen. Die für die speziellen Grundfreiheiten vorgebrachten Argumente können ebenso auf das allgemeinere Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV übertragen werden. Art. 18 AEUV verbietet grundsätzlich auch die indirekte, versteckte, mittelbare oder tatsächliche Ungleichbehandlung von Inländern und Ausländern aufgrund der Staatsangehörigkeit. Vor allem Ausländerklauseln sind im Hinblick darauf wohl auf allen Ebenen der sportlichen Organisation allgemein nicht mehr haltbar. Gleiches gilt für versteckte Diskriminierungen, die zwar nicht unmittelbar auf die Staatsangehörigkeit abstellen, sondern auf Kriterien, welche typischerweise nur Ausländer oder nur Inländer erfüllen, wie etwa Wohnsitz o. Ä., welche nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung mit sachlichen Gründen gerechtfertigt sind145.
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Seymer, Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport, 2006, S. 146. So Seymer, Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport, 2006, S. 95. 143 Vgl. EuGH, Rs. C-43/95 – Data Delecta, Slg. 1996, S. I-4661 ff., Rn. 11 ff.; EuGH, Rs. C-122/96 – Saldanha, Slg. 1997, S. I-5325 ff., Rn. 16 ff. 144 Siehe auch EuGH, Rs. C-411/98 – Ferlini, Slg. 2000, S. I-8081 ff., Rn. 50, der die Bindung Privater an Art. 12 EG (jetzt Art. 18 AEUV) im Einklang mit der bisherigen Sportverbandsrechtsprechung ausdrücklich bestätigt. 145 Vgl. Geiger, EUV/EGV, 4. Aufl. 2004, Art. 12 EGV, Rn. 8. 142
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
8. Zusammenfassung Sportliche Regelungen sind also in der Regel entweder von der Arbeitnehmerfreizügigkeit oder der Dienstleistungsfreiheit erfasst. Der EuGH lässt daher die Einordnung häufig auch offen. Auch die Einschlägigkeit der Niederlassungsfreiheit, der Warenverkehrsfreiheit oder der Kapitalverkehrsfreiheit ist denkbar. Sollte eine der speziellen Grundfreiheiten mangels wirtschaftlicher Bedeutung der konkreten sportlichen Betätigung nicht einschlägig sein, so bleibt immer noch der Rückgriff auf das Diskriminierungsverbot des Art. 18 UAbs. 1 AEUV i. V. m. dem Freizügigkeitsrecht aus der Unionsbürgerschaft gemäß Art. 20 und 21 AEUV. In Anbetracht der auch vom EuGH angenommenen Kongruenz bzw. Parallelität der Grundfreiheiten werden im Folgenden mögliche Beeinträchtigungen und Rechtfertigungsmöglichkeiten der Sportverbände für alle Grundfreiheiten gemeinsam untersucht.
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Sportverbandsregelungen Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Sportverbandssatzungen und sonstige Regelungen sind auf vielerlei Weise denkbar. Diese müssen den Sportler tatsächlich in seinen Möglichkeiten, in einem anderen Mitgliedstaat seine sportliche Tätigkeit auszuüben, beschränken können, sei es im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, der Erbringung einzelner sportlicher Leistungen oder der dauerhaften Niederlassung.
I. Diskriminierungen und Beschränkungen Da die Grundfreiheiten nicht nur ein Diskriminierungs-, sondern außerdem ein Beschränkungsverbot enthalten, sind unter dem Oberbegriff der „Beeinträchtigungen“ sowohl aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminierende Maßnahmen als auch lediglich die Ausübung der grundfreiheitlichen Gewährleistungen beschränkende Maßnahmen zu verstehen. Diskriminierungen knüpfen an den Tatbestand der Staatsangehörigkeit als Inländer oder Ausländer unterschiedliche Rechtsfolgen an. Sie sind auch versteckt denkbar, indem nicht ausdrücklich an die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, sondern an ein Ersatzkriterium, das jedoch letztendlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie eine ausdrückliche Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit.
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten
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Beschränkungen sind „nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können“146.
II. Konkrete Beeinträchtigungen Bisher sind in der Rechtsprechung oder der sportlichen Praxis verschiedene Arten von Diskriminierungen und Beschränkungen durch Sportverbandssatzungen relevant geworden, vor allem Ausländerklauseln, Nationalitätenwechsel, Heimkontingente, die von der UEFA verabschiedete so genannte „Homegrown Players Rule“ über lokal ausgebildete Spieler, Transferentschädigungen, „Herauskaufen“ aus laufenden Verträgen, Transferfristen, die Nichtanerkennung von (Trainer-)Diplomen, Nominierungskriterien und -entscheidungen und Anti-Doping-Regelungen, um nur einige denkbare Beeinträchtigungen der Sportler (und anderer Beteiligter) in ihren Grundfreiheiten zu nennen. Denkbare Beeinträchtigungen sind außerdem die Einführung neuer Ligen, Vorschriften in Bezug auf die Stadiennutzung bei Auswärts- oder Heimspielen, der zentralisierte Ticketvertrieb, Tätigkeitsund Lizenzierungsvorschriften für Schiedsrichter, Trainer, Spielervermittler etc.147. Die Liste könnte noch beliebig fortgesetzt werden. Im Folgenden sollen einige charakteristische Beispiele genauer untersucht werden. 1. Ausländerklauseln Paradebeispiel für eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit sind natürlich Ausländerklauseln, die in erster Linie in Mannschaftsportarten zur Anwendung kommen148. Durch solche Ausländerklauseln wird die Anzahl der pro Spiel und Verein aufstellbaren Ausländer zahlenmäßig begrenzt. Eine Diskriminierung durch Ausländerklauseln liegt auch dann vor, wenn nicht die Anzahl der verpflichteten, also unter Vertrag stehenden, Ausländer pro Verein begrenzt wird, sondern sich die Beschränkung lediglich auf die Aufstellung von Wettkampfmannschaften im Spielbetrieb bezieht, da gerade die Teilnahme an Wettkämpfen den wesentlichen Bestandteil der sportlichen Betätigung ausmacht, und die Verhinderung derselben den Sportler in seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt. Zudem wirkt sich eine beschränkte Einsetzbarkeit im Spielbetrieb auch negativ auf die 146
EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37. Beispiele nach Vieweg, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 83 (95 f.). 148 Vgl. umfassend zu diesem Problemkreis: Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998. 147
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Verpflichtungswilligkeit der jeweiligen Vereine aus, so dass solche Ausländerklauseln trotz der Beschränkung auf den Spielbetrieb oft dazu führen, dass die betreffenden Spieler gar nicht erst verpflichtet werden (denn wozu sollte ein Verein einen Spieler verpflichten, den er gar nicht einsetzen kann), so dass sie auch in diesem Fall eine klassische Marktzugangsbeschränkung darstellen (siehe dazu vor allem die Fälle Donà ./. Mantero und Bosman). Gegenstand des Bosman-Verfahrens war unter anderem die so genannte „3+2-Regel“ (auch „Stockholmer Formel“ genannt149), die im Jahr 1991 als „gentleman’s agreement“ von Vertretern der UEFA und dem damals für den Sport zuständigen EU-Kommissar Martin Bangemann ausgehandelt wurde und welche die nationalen Fußballverbände nahezu europaweit ab dem 1. Juli 1992 einführten. Diese Regelung hatte zum Inhalt, dass bei Ligabegegnungen und in internationalen Turnieren auf UEFA-Ebene grundsätzlich höchstens drei Ausländer (EU-Bürger und Nicht-EU-Bürger) pro Mannschaft einsetzbar waren sowie zusätzlich zwei weitere Spieler, die seit fünf Jahren ununterbrochen in dem betreffenden Staat gespielt hatten, davon mindestens drei Jahre in Juniorenmannschaften (so genannte „FußballInländer“). Die Vereinbarung enthielt darüber hinaus eine Öffnungsklausel dahingehend, dass es nationalen Verbänden unbenommen blieb, mehr ausländische Spieler zuzulassen, von welcher aber kaum ein Verband Gebrauch machte. Das Schicksal dieser Regelung vor dem Gerichtshof ist bekannt. 2. Einsatzbeschränkungen bei Wechsel der Staatsbürgerschaft Vor dem Wegfall der Ausländerklauseln im Anschluss an die BosmanEntscheidung war es ein weit verbreitetes Phänomen, dass viele ausländische Profisportler einfach die Nationalität wechselten, um innerhalb der bestimmten Kontingente spielberechtigt zu sein. Um nicht in den Anwendungsbereich der Ausländerklauseln zu fallen, war es während ihrer Geltung bei talentierten Sportlern aus sportlich schwächeren Ländern weit verbreitet, die Staatsbürgerschaft ihres Wunschverbandes zusätzlich oder alternativ zur ersten Staatsbürgerschaft anzunehmen. Auf diese Weise kann auch ohne Weiteres der Nationalmannschaftsvorbehalt umgangen werden. Die Verbände begegneten dieser Praxis, indem sie Regelungen über die Einsetzbarkeit in Nationalmannschaften aufstellten. Ein Sportler, der die „neue“ Nation im Nationalteam repräsentieren will, braucht nicht nur die rechtliche, sondern auch die „sportliche Staatsbürgerschaft“ des betreffen149
ABl. EG 1992, Nr. C 102, S. 41 ff.
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten
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den Nationalverbandes150. Diese hängt, je nach Verbandsregelung, in der Regel davon ab, ob er zuvor schon für seine frühere Nationalmannschaft in einem internationalen Wettkampf angetreten ist. Die meisten Verbände lassen, wenn überhaupt, nur einen einmaligen Nationalmannschaftswechsel zu, und diesen auch nur in einem sehr jungen Alter. Anschließend ist der Wechsel der „sportlichen Staatsbürgerschaft“ meist nicht mehr möglich, auch wenn eine neue rechtliche Staatsbürgerschaft angenommen wurde151. Andere Verbände erlauben auch einen späteren einmaligen Wechsel der sportlichen Staatsangehörigkeit, jedoch nur bei Erfüllen bestimmter Voraussetzungen, z. B. mit bestimmten Wartefristen zwischen den Einsätzen für die jeweiligen Nationalmannschaften152. So bestimmten z. B. die FIFA und auch die FIBA satzungsmäßig, dass Sportler, die einmal für eine Nationalmannschaft tätig geworden sind, nach einem Nationalitätenwechsel nicht für die andere Nationalmannschaft spielberechtigt sein sollten. Später wurde diese Regelung dahingehend abgewandelt, dass ein einmaliger Nationalitäten- und damit verbundener Nationalmannschaftswechsel bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres zulässig sei. Auf dem FIFA-Kongress in Sydney im Mai 2008 wurde Art. 17 lit. d der Ausführungsbestimmungen zu den Statuten der FIFA so abgeändert, dass ein Spieler für die Spielberechtigung in einer Verbandsmannschaft nach seinem 18. Geburtstag während mindestens fünf Jahren ununterbrochen auf dem Gebiet des betreffenden Verbandes wohnhaft gewesen sein muss. Die FIBA-Statuten treffen eine ähnliche Regelung. Auch diese Regelungen stellen jedoch eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, da sie Profisportler daran hindern, nach Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit ihren Beruf innerhalb der entsprechenden Nationalmannschaft auszuüben, während sie oft gleichzeitig für ihren ehemaligen Staat nicht mehr startberechtigt sind (anders bei weiterhin bestehender alter, also dann doppelter Staatsangehörigkeit). Die Regelung trifft nicht nur Sportler, die aus sportlichen Gründen Ausländerklauseln umgehen wollen, sondern auch solche, die aus persönlichen oder familiären Gründen die Staatsangehörigkeit wechseln. Solche Regelungen in Bezug auf die Einsetzbarkeit in Nationalmannschaften stellen somit zumindest eine Beschränkung153 der Arbeitnehmerfreizügigkeit, oder, je nach Sportart, der Dienstleistungsfreiheit, dar154. 150 Ausführlich zum Auseinanderfallen von rechtlicher und sportlicher Staatsbürgerschaft Dubey, La libre circulation des sportifs en Europe, 2000, S. 270 ff. 151 Z. B. Art. 15 bis 18 der Ausführungsbestimmungen zu den FIFA-Statuten 2009 für den Fußball; Art. H.2.3.1 der FIBA Internal Regulations 2009 für den Basketball. 152 Z. B. Rule 5 der IAAF Competition Rules 2009 für die Leichtathletik. 153 Schimke, Sportrecht, 1996, S. 235, hält solche Beschränkungen allgemein nicht für zulässig, da eine Person nach der Einbürgerung unmittelbar dieselben
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
3. Heimkontingente Die Einführung von Heimkontingenten, also die Festsetzung einer Mindestanzahl von zu verpflichtenden oder einzusetzenden einheimischen Sportlern pro Mannschaft war ursprünglich als Umgehung des aus der Bosman-Entscheidung folgenden Verbotes der Ausländerklauseln konzipiert worden. Beispielhaft sollen hier drei Modelle von Heimkontingenten untersucht werden, die aktuell im Fußball-Sport in der Diskussion sind. Dabei handelt es sich um die von der FIFA geplante „6+5-Regel“, die „Homegrown Players Rule“ der UEFA sowie den so genannten „ÖsterreicherTopf“ des ÖFB155. Da alle drei Modelle einen jeweils unterschiedlichen Ansatz verfolgen, sollen sie auch getrennt voneinander im Hinblick auf die verschiedenen Ausgestaltungen untersucht werden. a) Die „6+5-Regel“ der FIFA Am 30. Mai 2008 beschlossen die Mitgliedsverbände der FIFA auf dem 58. FIFA-Kongress in Sydney eine Resolution zur Einführung der so genannten „6+5-Regel“, die seitdem Gegenstand zahlreicher Kontroversen in den Medien, der Politik und im Sport geworden ist156. Die „6+5-Regel“ sieht vor, bis zur Saison 2012/2013 schrittweise die Mindestanzahl der aufzustellenden einheimischen Spieler pro Mannschaft zu erhöhen. Dabei soll so vorgegangen werden, dass in der Saison 2010/11 jede Klubmannschaft in ihrer Startformation mindestens vier Spieler aufstellen muss, die in der Nationalmannschaft des entsprechenden Verbandes spielberechtigt sind, in der Saison 2011/12 sollten dies dann jeweils mindestens fünf Spieler sein, und ab der Saison 2012/13 mindestens sechs. Die übrigen fünf Spieler der Startformation dürfen Ausländer sein. In Bezug auf die vertragliche Verpflichtung von Spielern sowie im Hinblick auf Auswechslungen bestehen hingegen keine Beschränkungen. Es handelt sich bei der „6+5“-Regel also im Prinzip um die umgekehrte Version einer klassischen Ausländerklausel dergestalt, dass kein Höchstkontingent an Ausländern vorgeschrieben wird, sondern ein Mindestkontingent an inländischen (bzw. diesen gleichgestellten) Spielern, welches aufgrund Rechte und Pflichten haben soll wie andere Staatsbürger. Auf Missbrauchsfälle geht er jedoch bei dieser Feststellung nicht ein. 154 So auch McCutcheon, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 127 (131). 155 Österreichischer Fußballverband. 156 Vgl. dazu u. a. Hoppe/Frohn, Causa Sport 2008, S. 251 ff.; Jakob, BB 2008, S. M1.
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten
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der auf 11 Spieler begrenzten Mannschaftsaufstellung im Fußball jedoch gleichzeitig zu einer Höchstgrenze aufstellbarer ausländischer Spieler führt. Dass die 6+5-Regel ausdrücklich nicht an die Staatsbürgerschaft, sondern an die Spielberechtigung in der Nationalmannschaft anknüpft, führt nicht dazu, dass nur von einer mittelbaren, versteckten Diskriminierung auszugehen ist, die ohne Weiteres aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden könne157. Zwar sind nicht automatisch alle inländischen Spieler für die eigene Nationalmannschaft spielberechtigt (aufgrund doppelter Staatsbürgerschaft, Wechsel der Staatsbürgerschaft, oder mehrerer Nationalmannschaften innerhalb desselben Mitgliedstaates wie etwa in Großbritannien der Fall), umgekehrt sind jedoch alle für die Nationalmannschaft spielberechtigten Sportler immer auch Inländer. Ausländer sind für die Nationalmannschaft eines anderen Staates nie spielberechtigt, wenn sie nicht (auch) die Staatsbürgerschaft des entsprechenden Staates haben, so dass diesen gegenüber auch durch die 6+5-Regel immer eine (direkte) Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit vorliegt. Auch die Tatsache, dass das Verhältnis von Inländern zu Ausländern durch spätere Auswechslungen abgeschwächt oder umgekehrt werden könnte, vermag an der Einordnung der 6+5-Regel als Ausländerklausel nichts zu ändern, da die Anzahl der Auswechslungen pro Spiel immer begrenzt ist, und diese in der Regel spieltaktischen und gesundheitlichen Aspekten folgen (sollen). Zur Aufstellung des stärksten Mannschaftskaders schon zu Spielbeginn sämtliche Auswechslungsmöglichkeiten wahrnehmen zu müssen, da die Leistungsträger aufgrund ihrer Nationalität möglicherweise nicht alle von Anfang an aufstellbar sind, wäre ein unzumutbarer Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Trainers und in die Spielgestaltung insgesamt. Zwar wird die Anzahl der verpflichtbaren ausländischen Fußballprofis nicht beschränkt, so dass eine direkte Diskriminierung auch aus diesem Grund abzulehnen sein könnte. Jedoch wird jeder Verein nur eine gewisse Höchstzahl an Sportlern in seinen Kader aufnehmen, und wenn im Spielbetrieb ein Mindestkontingent an einheimischen Spielern aufgestellt werden muss, wird die Verpflichtung von ausländischen Spielern aus ökonomischen Gründen in entsprechend geringerer Anzahl erfolgen. Eine ungleiche Behandlung von inländischen und ausländischen Spielern liegt also durch Mindestkontingente für einheimische Spieler genauso vor wie durch Höchstkontingente für ausländische Spieler. Durch die Begrenzung der Anzahl spielberechtigter Ausländer erfolgt eine faktische Begrenzung ihrer Arbeitsmöglichkeiten aus Gründen der 157 So aber Battis/Ingold/Kuhnert, EuR 2010, S. 3 (3, 9); und INEA, Rechtsgutachten zur Vereinbarkeit der „6+5“-Regel, 2008, S. 13.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Staatsangehörigkeit und somit eine Beeinträchtigung des Art. 45 AEUV158. Ein Verstoß ist jedoch nur dann zu bejahen, wenn keine Rechtfertigung möglich ist (zu den Rechtfertigungsmöglichkeiten im nächsten Abschnitt mehr). b) Die „Homegrown Players Rule“ der UEFA Die so genannte „Homegrown Players Rule“ (Eigengewächsregelung) wurde im April 2005 auf dem Ordentlichen Kongress der UEFA in Tallinn verabschiedet und in die UEFA-Statuten 2006/2007 aufgenommen. Danach soll bei UEFA-Klubwettbewerben in der Champions League und im UEFA-Cup (jetzt Europa League) eine Mindestanzahl lokal ausgebildeter Spieler pro Verein in den Kader aufgenommen werden. Als solche lokal ausgebildeten Spieler („Homegrown Players“) gelten Sportler, die unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem derzeitigen Alter im Alter zwischen 15 und 21 Jahren mindestens drei Jahre lang (bzw. drei Spielsaisons) von ihrem Verein oder von einem vom nationalen Verband anerkannten Verein ausgebildet worden sind. In der Saison 2006/2007 sollten vier der 25 Spieler auf Liste A159 diese Voraussetzung erfüllen160, in der Saison 2008/2009 bereits acht Spieler161. Diese Klausel gleicht von der Absicht her zwar den Ausländerklauseln oder Heimkontingenten, jedoch wird hier nicht direkt auf die Nationalität der Sportler abgestellt, sondern darauf, in welchem Verein oder Verband sie den Großteil ihrer sportlichen Ausbildung erfahren haben. Anknüpfungspunkt für die Kontingentierung ist daher die regionale (Vereins- bzw. Verbands)-Verbundenheit, um auf diese Weise die Nachwuchsförderung zu verbessern. Eine solche regionale Verbundenheit wird zwar typischerweise eher von inländischen Sportlern nachzuweisen sein, so dass ausländische Sportler zumindest mittelbar bzw. faktisch diskriminiert sein könnten. Jedoch ist es bei jungen Ausnahmetalenten aus finanzschwächeren Ländern schon jetzt sehr verbreitet, eine Ausbildung in finanzstarken Ligen zu absolvieren, so dass diese jungen Sportler trotz ausländischer Staatsangehörigkeit das Kriterium der lokalen Ausbildung oft erfüllen können. Eine direkte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit liegt daher nicht vor, die Regelung hat jedoch beschränkende Wirkung. Für die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung kommt es auf deren mögliche Rechtfertigung an162. 158
So auch Jakob, BB 2008, S. M1. Die Liste A enthält den auf 25 Spieler beschränkten Mannschaftskader. 160 Davon mindestens zwei vom selben Verein ausgebildet und zwei weitere vom selben Verband. 161 Vgl. Pressemitteilung IP/08/807, Brüssel, vom 28. Mai 2008. 162 Dazu mehr im Abschnitt C. 159
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten
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Das Problem dieser Regelung liegt jedoch in einer drohenden „Ausblutung“ der Fußballentwicklung in ärmeren Ländern, da talentierte Spieler in einem immer jüngeren Alter von reichen europäischen Klubs, die ihre Eigengewächs-Ausbildungs-Quote erfüllen wollen, „weggekauft“ werden. Dieser drohende Ausverkauf der besten Spieler in ärmeren Fußballnationen ist bei der Anwendung der „Homegrown Players“-Regel in der Praxis zu berücksichtigen. Auf die hier behandelte Frage, ob eine solche Regelung unionsrechtlich zulässig ist, hat es jedoch keine Auswirkung, ob deren praktische Folgen auch sportlich, menschlich und politisch wünschenswert sind163. c) Der „Österreicher-Topf“ des ÖFB Eine ähnliche Maßnahme wurde im österreichischen Fußball in Form des so genannten „Österreicher-Topfes“164 eingeführt. Danach sind Vereine der österreichischen Fußball-Bundesliga zwar bzgl. der Ausländeranzahl nicht mehr beschränkt, jedoch wird die Verteilung von Erträgen und Fördermitteln davon abhängig gemacht, ob eine Mindestanzahl für die österreichische Nationalmannschaft selektionierbarer Spieler auf dem Spielbericht geführt wird. Auch darin liegt jedenfalls eine mittelbare Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, da es für österreichische Vereine – trotz gleicher Arbeitsbedingungen für inländische und ausländische Sportler – weniger attraktiv gemacht wird, ausländische Spieler aufzustellen und zu verpflichten. 4. Transferentschädigungen Vorgeschriebene Freigabeerfordernisse und damit verbundene finanzielle Transferentschädigungen zugunsten des bisherigen Vereines bei Vereinswechseln nach Vertragsablauf sind seit der Bosman-Entscheidung als Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit anerkannt, da sie potentiell dazu geeignet sind, vereinswechselwilligen Sportlern die Ausübung ihrer Freizügigkeitsrechte zu erschweren. „Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden. [. . .] Diese Regeln [sind] jedoch geeignet, die Freizügigkeit der Spieler, die ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben wollen, dadurch einzuschränken, dass sie die Spieler sogar nach Ablauf der 163
Siehe dazu auch 3. Teil C. II. 3. b). Näher dazu Resch, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht I, 2008, S. 137 (142 ff.). 164
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Arbeitsverträge mit den Vereinen, denen sie angehören, daran hindern oder davon abhalten, diese Vereine zu verlassen.“165
Sie stellen damit eine Beeinträchtigung des Beschränkungsverbots des Art. 45 AEUV dar. 5. „Herauskaufen“ aus laufenden Verträgen Konsequenz der auf die Bosman-Entscheidung folgenden Abschaffung von Transferentschädigungen nach Vertragsablauf vor allem im Fußballsport war der Abschluss langfristiger Spielerverträge ohne einseitige Kündigungsmöglichkeit und damit verbundener exorbitant hoher Vertragsauflösungsentschädigungen bei vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses166. Die Abschaffung der Transferentschädigungen im Anschluss an die BosmanEntscheidung hat zunächst zwar zahlenmäßig zu einer geringeren Anzahl ablösepflichtiger Wechsel im Fußballsport geführt, die weiterhin entschädigungspflichtigen Wechsel167 haben jedoch noch nicht dagewesene Dimensionen erreicht168, so wechselte z. B. Cristiano Ronaldo im Sommer 2009 für 93 Mio. e von Manchester United zu Real Madrid. Im Arbeitsvertrag mit Real Madrid soll angeblich eine Ablösesumme für einen vorzeitigen Wechsel in Höhe von 1 Mrd. e festgeschrieben sein. Auch andere Vereinswechsel zwischen europäischen Fußballmannschaften haben in diesem Jahr Rekordsummen erreicht. Diese hohen Ablösesummen erklären sich daraus, dass als Konsequenz aus der Bosman-Entscheidung zwar Verträge mit immer längeren Laufzeiten abgeschlossen werden, bei deren Abschluss beide Parteien, Spieler und Verein, aber in der Regel nicht die Absicht haben, diese bis zum Ende der vertraglich vorgesehenen Laufzeit durchzuführen169. Bei Interesse eines ande165
EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 96 und 99. Groß, Eine unendliche Geschichte, 2004, S. 457, sieht die Bosman-Entscheidung und die darauffolgende Abschaffung von Transferentschädigungen durch diese Praxis als faktisch wieder ausgehebelt an. Gegen die Kritik an einer solchen „Umgehung“ der Bosman-Entscheidung wendet Roloff, Das Beschränkungsverbot des Art. 39 EG, 2003, S. 261, jedoch richtigerweise ein, dass die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäftes sich nur aus der Umgehung von Verbotsvorschriften, nicht jedoch aus der Umgehung von Einzelfallentscheidungen ergeben kann. 167 Art. 17 des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (Stand Dezember 2007, abrufbar unter http://de.fifa.com/mm/document/affedera tion/administration/01/06/30/78/statusinhalt_de_122007.pdf, letzter Abruf 23. Januar 2011) sieht z. B. Entschädigungszahlungen im Falle einer einseitigen Vertragsauflösung ohne triftigen Grund vor, und Art. 20 regelt eine Ausbildungsentschädigung für Transfers vor Vollendung des 23. Lebensjahres). Vgl. zu diesem neuen FIFA-Transferreglement Binder/Quirling, SpuRt 2005, S. 184 ff. 168 Schütz, Ausländische Spieler in der Fußball-Bundesliga, 2007, S. 41. 166
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten
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ren Vereines an dem Spieler bzw. bei dem Wunsch des Spielers nach einem Vereinswechsel kann dann jedoch eine Entschädigung für die vorzeitige Auflösung des Vertrages, sozusagen als Strafe für den Bruch des Grundsatzes pacta sunt servanda170, verlangt werden, welcher in der Regel vom neuen Verein an den alten Verein gezahlt wird (oft erfolgt auch ein zusätzliches „Handgeld“ an den wechselnden Spieler). Fraglich ist nun, ob eine solche Regelung eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit darstellen kann. Der Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat wird aufgrund der Abhängigkeit von der Zahlungsbereitschaft des aufnehmenden Vereines zwar weniger attraktiv gemacht, jedoch ist zu beachten, dass sich der Sportler selbst in diese Situation gebracht hat, indem er einen Vertrag mit langer Laufzeit abgeschlossen hat171. Wenn er diesen vorzeitig beenden will, was ihm gegen eine entsprechende Ablösesumme ja möglich gemacht wird, muss er auch die entsprechenden Konsequenzen tragen172. Anderenfalls hat er jedenfalls ab Vertragsende die Möglichkeit, ablösefrei zu jedem beliebigen Verein zu wechseln. Grundfreiheiten sind durch solche Regelungen also nicht betroffen173, auch die bloße „Umge169 Vgl. dazu auch Becker, FS Scholz 2007, S. 995 (1011), der auf die nach der Bosman-Entscheidung von den Vereinen verfolgte Doppelstrategie verweist: Einerseits wurden mit ausgebildeten Spielern langfristige Spielerverträge mit hohen Entschädigungszahlungen bei vorzeitiger Vertragsbeendigung durch den Spieler vereinbart, andererseits wurde nach Abschluss der Ausbildung junger Spieler eine Aufwandsentschädigung in Form einer Ausbildungs- und Förderungsentschädigung vorgesehen. Im Jahre 2001 wurde daher zwischen FIFA und der Europäischen Kommission ein Kompromiss durch die Neuregelung des FIFA-Transferreglements (siehe oben) geschaffen, dass in den Folgejahren weiterhin den Begebenheiten angepasst wurde. 170 Auch Trommer, Die Transferregelungen im Profisport, 1999, S. 79, sieht das „Herauskaufen“ von Spielern aus laufenden Verträgen daher als europarechtlich unbedenklich an. 171 So sehen das auch Klingmüller/Wichert, SpuRt 2001, S. 1 (4). 172 Fritzweiler, SpuRt 2009, S. 134 (134), weist darauf hin, dass gerade für Spitzenspieler aus dieser Situation auch ein erhebliches Machtpotential erwächst, da diese ihren Verein immer damit „gefügig machen“ können, dass sie drohen, gegen entsprechende Ablösezahlungen vertragsbrüchig an den Meistbietenden zu wechseln. Andererseits ist von Vereinsseite aus aber auch denkbar, dem Spieler persönlich für den vorzeitigen Vertragsbruch Vertragsstrafen in angemessener Höhe aufzuerlegen. Dazu auch Klingmüller/Wichert, SpuRt 2001, S. 1 (3). 173 So auch Kelber, NZA 2001, S. 11 (15), der darauf hinweist, dass die Problematik nicht in der Zulässigkeit der vorzeitigen Vertragsauflösung gegen Entschädigungszahlung liegt, da es sich dabei um gar keine rechtliche Regelung, sondern lediglich um eine verbreitete Praxis handelt. Das Problem ist vielmehr der Abschluss langfristiger Verträge ohne einseitige Kündigungsmöglichkeit, was aber wohl aus sportlichen Gründen notwendig ist. Dagegen Ericson, JSE 2000, S. 203 (205), der einen Qualitätsverlust in den Ligen befürchtet, dadurch dass die kleinen Klubs aus
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
hung“ der Bosman-Entscheidung, die als solche selbst ja keinen Rechtsnormcharakter hat, kann nicht zu einem Verstoß gegen Unionsrecht führen174. Inwiefern Ablösesummen in solch exorbitanter Höhe jedoch erforderlich sind, um die Vertragsfreiheit zu gewährleisten, ist eher eine Frage des Wettbewerbsrechts175. 6. Transferfristen: Lehtonen Auch die Festlegung von Transferfristen, während derer der Wechsel zwischen verschiedenen Mannschaften und Vereinen möglich ist, könnte die Arbeitnehmerfreizügigkeit von Mannschaftssportlern beeinträchtigen, dergestalt dass sie nicht mehr frei in der Wahl des Zeitpunkts ihres Arbeitsplatzwechsels sind. Zudem könnte von unterschiedlichen Transferfristen für Sportler verschiedener Nationalitäten bzw. aus verschiedenen Verbänden u. U. auch eine diskriminierende Wirkung ausgehen. Die Entscheidung des Gerichtshofs im Fall Lehtonen176 behandelt u. a. die Frage nach der Beschränkungswirkung der im Basketball geltenden Transferfristenregelungen. Zum Sachverhalt: Der Fall Lehtonen (2000) Jyri Lehtonen, ein finnischer Berufsbasketballspieler, wechselte während der laufenden Saison 1995/96 von einem finnischen Verein zu dem belgischen Verein Castors Canada Dry Namur-Braine ASBL (Castors Braine), nachdem er zunächst schon einige Meisterschaftsspiele in Finnland bestritten hatte. Nach den Regelungen des nationalen belgischen Basketballverbandes, der FRBSB177, welche auf der entsprechenden FIBA178-Regelung beruhen, müssen solche Transfers ausländischer Spieler vor einem bestimmten Stichtag erfolgen, damit der betreffende Spieler in derselben Saison auch von seinem neuen Verein zu Meisterschaftsspielen eingesetzt werden darf. Dabei gelten unterschiedliche Stichtage für Wechsel innerhalb desselben nationalen Verbandes, Wechsel aus anderen europäischen Verfinanziellen Gründen genötigt sind, ihre besten Spieler vorzeitig an reichere Klubs zu „verkaufen“. 174 Von Lee, FILJ 1996, S. 1255 (1314), wurde diese Konstellation daher sogar ausdrücklich als „Ausweg“ aus der durch die Bosman-Entscheidung geschaffenen Transferproblematik vorgeschlagen. 175 In diesem Zusammenhang könnte z. B. über die Einführung von so genannten „Salary Caps“ (Gehaltsobergrenzen wie im amerikanischen Recht) und deren Anwendung auch schon auf den Vereinswechsel (i. S. v. „Transfer Fee Caps“) nachgedacht werden. 176 EuGH, Rs. C-176/96 – Lehtonen, Slg. 2000, S. I-2681 ff. 177 Fédération royale belge des sociétés de basket-ball ASBL (belgischer Basketballverband). 178 Fédération internationale de basketball: Internationaler Basketballverband, welcher den Basketballsport weltweit durch seine nationalen Mitgliedsverbände organisiert.
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten
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bänden sowie für Wechsel aus Drittstaaten. Der Wechsel von Herrn Lehtonen erfolgte jedoch nach dem für europäische Wechsel geltenden Stichtag des 28. Februar 1996. Da Castors Braine ihn dennoch einsetzte, wurden die entsprechenden Spiele von der FRBSB trotz eines eigentlichen Sieges für Castors Braine wegen des Einsatzes von Herrn Lehtonen als verloren gewertet und weitere Sanktionen angedroht. Der Verein Castors Braine verzichtete daher für den Rest der Saison auf einen Einsatz von Herrn Lehtonen. Sowohl Herr Lehtonen als auch sein Verein Castors Braine wandten sich daher an das Tribunal de première instance Brüssel, welches dem Gerichtshof die Frage vorlegte, ob die Transferfristenregelungen mit Art. 12 EG und Art. 39 EG (jetzt Art. 18 Abs. 1 und Art. 45 AEUV) vereinbar seien.
Der Gerichtshof stellte fest, dass die Transferfristenregelungen zwar keine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit enthielten179, da die Frist für europäische Wechsel sogar länger bemessen war als diejenige für inländische Wechsel, jedoch eine Beschränkung und somit ein Hindernis für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellten, und verwies dabei auf die Bosman-Rechtsprechung. „Dabei spielt der Umstand keine Rolle, dass die fraglichen Regeln nicht die Beschäftigung solcher Spieler betreffen, die nicht eingeschränkt wird, sondern die Möglichkeit für ihre Vereine, diese Spieler aufzustellen.“180
Transferfristenregelungen können daher grundfreiheitsbeschränkende Wirkung haben, so dass es für ihre unionsrechtliche Zulässigkeit auf eine mögliche Rechtfertigung ankommt. 7. Nichtanerkennung von Diplomen: Die Fälle Heylens sowie Kommission ./. Italien Auch die Nichtanerkennung von Trainerdiplomen und -lizenzen, die in einem anderen Mitgliedstaat erworben wurden, kann eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit darstellen. Um diese Problematik ging es u. a. in der Entscheidung Unectef181 gegen Georges Heylens und andere vom 15. Oktober 1987182, wenn es sich dabei auch nicht um einen Fall der unmittelbaren Drittwirkung handelte, da Gegenstand des Verfahrens nicht eine Sportverbandssatzung, sondern ein staatliches Gesetz war. Es ist jedoch genauso denkbar, dass die Anerkennung von Diplomen und Lizenzen in anderen Mitgliedstaaten durch Sportverbandssatzungen und nicht durch nationale Gesetze geregelt wird, so dass 179
Vgl. Alber, Rs. C-176/96 – Lehtonen, Slg. 2000, S. I-2681 ff., Rn. 32 ff. EuGH, Rs. C-176/96 – Lehtonen, Slg. 2000, S. I-2681 ff., Rn. 50. 181 Union nationale des entraîneurs et cadres techniques professionnels du football (französischer Berufsverband der Fußballtrainer). 182 EuGH, Rs. 222/86 – Heylens, Slg. 1987, S. 4097 ff. 180
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
der Fall dennoch im hier behandelten Zusammenhang von Interesse ist und seine Ergebnisse auf die Drittwirkungskonstellation entsprechend übertragen werden können. Zum Sachverhalt: Der Fall Heylens (1987) In Frankreich war der Zugang zum Beruf des Fußballtrainers gesetzlich vom Besitz eines inländischen Fußballtrainerdiploms bzw. eines von einem zuständigen Ausschuss anerkannten ausländischen Diploms abhängig, dessen Entscheidung gerichtlich nicht angefochten werden konnte. George Heylens, belgischer Staatsangehöriger, war lediglich im Besitz eines belgischen Fußballtrainerdiploms, dessen Anerkennung abgelehnt worden war. Dennoch wurde er vom „Lille Olympic Sporting Club“ als Trainer der Berufsmannschaft eingestellt, weshalb er vom Berufsverband der Fußballtrainer vor das Tribunal de Grande Instance Lille geladen wurde. Dieses hegte Zweifel daran, ob die französische Regelung mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar sei, und legte dem Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die begründungslose Nichtanerkennung eines belgischen Fußballtrainerdiploms in Frankreich der Arbeitnehmerfreizügigkeit widerspricht.
Der Gerichtshof stellte fest, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigt sei, wenn der Zugang zu bestimmten Berufen vom Besitz eines bestimmten innerstaatlichen Diploms abhängig sei. Zwar handelt es sich bei der Nichtanerkennung von ausländischen Diplomen nicht um eine direkte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, da für alle ausländischen und anderen inländischen Diplome gleichermaßen gilt, dass nur ein bestimmtes Diplom anerkennungsfähig ist; von dieser Regelung geht aber gleichwohl eine Beschränkung der grenzüberschreitenden Freizügigkeit aus183. Der Nachweis mindestens gleichwertiger Kenntnisse und Fähigkeiten durch ein ausländisches Diplom müsse zulässig sein und „. . . ausschließlich danach erfolgen, welches Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten dieses Diplom unter Berücksichtigung von Art und Dauer des Studiums und der praktischen Ausbildung, deren Abschluss es bescheinigt, bei seinem Besitzer vermuten lässt.“184
Die Kenntnisse und Fähigkeiten sind daher mit den Erfordernissen eines nationalen Diploms zu vergleichen. Entscheidungen über die mangelnde Gleichwertigkeit müssen zudem durch die zuständige Behörde begründet werden und gerichtlich angefochten werden können. Unterschiedliche Anforderungen können sich jedoch in Abhängigkeit von dem mit der Ausübung einer Sportart verbundenen Risiko ergeben185. 183 Darauf weist auch Dubey, in: Zen-Ruffinen, Droit et sport, 1997, S. 185 (186), hin. 184 EuGH, Rs. 222/86 – Heylens, Slg. 1987, S. 4097 ff., Rn. 13. 185 Darauf weist zutreffenderweise Dubey, in: Zen-Ruffinen, Droit et sport, 1997, S. 185 (190), hin.
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten
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Ausdrücklich bezieht sich die Entscheidung zwar nur auf mitgliedstaatliche Gesetze, welche die Anerkennung von im Ausland erworbenen Diplomen verhindern oder erschweren, es ist jedoch im Hinblick auf die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten davon auszugehen, dass das Gleiche auch für etwaige Nichtanerkennungsregelungen in Sportverbandssatzungen gilt. Im Anschluss an diese Entscheidung wurde daher eine neue Harmonisierungsrichtlinie verabschiedet186. Dennoch gelangte 2002 ein weiterer Fall in Bezug auf die (Nicht)anerkennung von ausländischen Diplomen zur Entscheidung des Gerichthofes. Dieser nutzte den Fall Kommission ./. Italien187 in Bezug auf Skilehrer-Diplome188, um die Ergebnisse der Heylens-Entscheidung zu bestätigen. In diesem Vertragsverletzungsverfahren stellte der EuGH fest, dass die Aufrechterhaltung des Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes Nr. 81189, der die Anerkennung des Skilehrer-Diploms von einem Gegenseitigkeitserfordernis abhängig macht, gegen die Verpflichtung Italiens aus der Richtlinie 92/51/EWG verstoßen hat. Durch die Nichtanerkennung von Diplomen ist je nach Sportart bzw. nach Art der Tätigkeitsausübung also auch die Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit denkbar. Bei dauerhaftem Umzug eines selbstständig tätigen Trainers in einen anderen Mitgliedstaat ist zudem die Niederlassungsfreiheit betroffen190. Im Falle eines Angestelltenverhältnisses zwischen Trainer und Verein und Verband, welches bei Mannschaftssportarten die Regel ist, ist hingegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit einschlägig. 186 Richtlinie 92/51/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung zur Richtlinie 89/48/EWG (ABl. EG vom 24.7.1992, Nr. L 209, S. 25 ff.); ergänzt die Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21.12.1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens 3jährige Berufsausbildung abschließen (ABl. EG 1988, Nr. L 19, S. 16 ff.). 187 EuGH, Rs. C-142/01 – Kommission ./. Italien (Skilehrer), Slg. 2002, S. I-4541 ff. 188 Zur Problematik der französischen Rechtslage, nach welcher nur diplomierte Skilehrer (nicht aber – im Ausland – diplomierte Snowboardlehrer, einen Beruf den es in Frankreich derzeit nicht gab) den Beruf eines Snowboardlehrers ausüben durften: Streinz/Herrmann/Kraus, SpuRt 2005, S. 5 ff. 189 Legge-quadro per la professione di maestro di sci e ulteriori disposizioni in materia di ordinamento della professione di guida alpina (Rahmengesetz für den Beruf des Skilehrers und für ergänzende Bestimmungen zur Regelung des Berufes des Bergführers). 190 Zu dieser Problematik ausführlich Miettinen, in: Gardiner/Parrish/Siekmann, EU, Sports, Law and Policy, 2009, S. 259 ff.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
8. Lizenzerfordernisse für Spielervermittler und andere: Piau ./. Kommission Der im Hinblick auf das Kartellrecht entschiedene Fall Laurent Piau gegen die Europäische Kommission191 hatte eine Sachverhaltskonstellation zum Gegenstand, die auch im Rahmen der Grundfreiheiten hätte relevant werden können. So wurde auch eine mögliche Verletzung des Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV) vom Kläger gerügt, worauf jedoch weder EuG noch EuGH näher eingingen. Zum Sachverhalt: Der Fall Piau ./. Kommission (2005) Die FIFA erließ im Dezember 2000 eine Regelung, die den rechtlichen Rahmen für die Ausübung des Spielervermittlerberufes im Bereich des Fußballsports darstellt und insbesondere ein Lizenzerfordernis aufstellte. Für den Erhalt einer solchen Lizenz waren das Bestehen einer schriftlichen Prüfung sowie die Hinterlegung einer hohen Geldsumme als eine Art Versicherung vorgeschrieben. Herr Piau, der an einer Tätigkeit als Spielervermittler interessiert war, legte dagegen Beschwerde bei der Kommission ein. Auf Hinwirken der Kommission änderte die FIFA die Regelungen ab, so dass anstelle der Hinterlegung von Geld auch der Abschluss einer Versicherung akzeptiert wurde und außerdem Verhaltensregelungen eingeführt wurden. Die Kommission akzeptierte diese geänderten Regelungen, Herr Piau erhielt seine Beschwerde jedoch aufrecht und verlangte eine Entscheidung der Kommission. Diese untersuchte die Regelungen nur im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) und bejahte diese. Dagegen erhob Herr Piau Nichtigkeitsklage vor dem EuG192, welches diese zurückwies. Herr Piau legte daraufhin Rechtsmittel beim EuGH ein, die dieser jedoch als unzulässig und unbegründet zurückwies.
Das EuG entschied den Fall nur im Hinblick auf kartellrechtliche Verstöße, da es sich um eine Klage in Folge einer Beschwerde von Herrn Piau bei der Kommission handelte193. Im Rechtsmittelverfahren vor dem EuGH rügte Herr Piau jedoch auch Verstöße (durch Kommission und EuG) gegen sonstiges Unionsrecht, insbesondere die Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß Art. 39 EG (jetzt Art. 45 AEUV) und die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV). Die Rechtsmittel von Herrn Piau wurden auf Grundlage von Art. 119 der Verfahrensordnung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen194.
191 192 193
EuGH, Rs. C-171/05 P – Piau ./. Kommission, Slg. 2006, S. I-37 ff. EuG, Rs. T-193/02 – Piau ./. Kommission, Slg. 2005, S. II-209 ff. Vgl. auch Vetter, SpuRt 2005, S. 233 (234), mit weiteren Einzelheiten zum
Fall. 194
(250).
Überrascht über diesen „kurzen Prozess“ Muresan, Causa Sport 2006, S. 243
B. Mögliche Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten
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Durch ein solches Lizenzerfordernis können Spielervermittler jedoch in ihrer Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt sein, da dieses ein Hindernis für den Zugang zum Beruf des Spielervermittlers darstellt195. Das Gleiche gilt für andere Berufsgruppen, deren Tätigkeit (vor allem oder jedenfalls auch in einem anderen Mitgliedstaat) von einer Lizenz abhängig gemacht wird. Die Kernfrage lautet, ob es zulässig sein kann, dass die FIFA die Ausübung eines Berufes, der mit der Ausübung des Fußballsportes nur mittelbar zusammenhängt, einseitig reglementiert196. Die Problematik ist also vergleichbar der Anerkennung von Diplomen, nur dass es sich hier nicht um die (nachträgliche) Anerkennung (verbands-)fremder Diplome bzw. Lizenzen durch einen Mitgliedstaat oder einen Verband handelt, sondern um die Schaffung einheitlicher Voraussetzungen und Beschränkungen für den Erwerb derselben seitens eines Verbandes. 9. Nominierungskriterien und -entscheidungen: Deliège Als Beeinträchtigungen der Dienstleistungsfreiheit kommen außerdem Qualifikations- und Nominierungskriterien für die Auswahl zur Teilnahme an internationalen Wettkämpfen, wie im Fall Deliège, in Betracht197. Außerdem kommen auch die auf diesen Kriterien beruhenden Nominierungsentscheidungen als Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit sowohl von Mannschafts- als auch von Individualsportlern in Frage. Als Nominierung wird in der Regel die anhand vorher festgelegter Kriterien getroffene und dem Sportler gegenüber kundgegebene Auswahlentscheidung des Vereines oder Verbandes bezeichnet, mit dem Inhalt, den Adressaten in den Kader der startberechtigten Teilnehmer für den oder die nächsten Wettkämpfe aufzunehmen198. Die Nominierungskriterien werden zuvor in so genannten Nominierungsregeln festgelegt, die z. B. für die Teilnahme an Olympischen Spielen neben der Anerkennung und Einhaltung der IOC-Regeln eine so genannte begründete Endkampfchance verlangen199. 195 So auch EuG, Rs. T-193/02 – Piau ./. Kommission, Slg. 2005, S. II-209 ff., Rn. 101. 196 Muresan, Causa Sport 2006, S. 243 (251). 197 Röthel, EuZW 2000, S. 375 (380), verneint schon die Eingriffsqualität dieser Nominierungsregeln, da diese ausschließlich die Ausübung des Sports betreffen und nicht nach Staatsangehörigkeit differenzieren würden. Diese Ansicht verkennt jedoch die immensen wirtschaftlichen Auswirkungen, die eine (Nicht-)Nomininierung heutzutage haben kann. Eine Lösung muss daher auf Rechtfertigungsebene gefunden werden. 198 Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, 1992, S. 86; Weiler, in: Vieweg, Spektrum des Sportrechts, 2003, S. 105 (107). 199 Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, 1992, S. 28.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Diese begründete Endkampfchance kann durch konkrete Leistungsvorgaben näher ausgestaltet werden. Negative Nominierungsentscheidungen beeinträchtigen Leistungssportler in der Regel immens, da diese ein starkes Interesse an der Wettkampfteilnahme als gleichsam wichtigstem Zweck des Leistungssportlerdaseins haben200. 10. Investorenhemmnisse Insbesondere im Rahmen der Niederlassungsfreiheit kann die Beschränkung von Kapital- bzw. Gesellschaftsanteilen an Sportvereinen beschränkende Wirkung für private Investoren haben. Eine solche Regelung gilt z. B. im deutschen Fußball, im Rahmen von DFB201 und Ligaverband202 in Form der so genannten 50+1-Regel. Diese besagt, dass die mehrheitliche Beteiligung (50% plus 1 Anteil) eines in Form einer (ausgegliederten) Kapitalgesellschaft organisierten Fußballvereines vom Mutterverein gehalten werden muss203. Der so genannte Mutterverein ist dabei der traditionell gewachsene Idealverein, der auch zuvor schon am Spielbetrieb der Liga teilgenommen hat204. Private Investoren dürfen also keine Mehrheitsbeteiligungen erwerben. Ausnahmen gelten jedoch, aus historischen Gründen, für Bayer Leverkusen und den VfL Wolfsburg. Eine solche Regelung stellt zwar keine Diskriminierung dar, da sie in- und ausländische Investoren gleichermaßen betrifft, sie kann aber eine Beeinträchtigung der Niederlassungsfreiheit potentieller privater Investoren darstellen. Auch wettbewerbsrechtlich ist diese Regelung nicht unumstritten205.
200
So auch Hohl, Rechtliche Probleme der Nominierung von Leistungssportlern, 1992, S. 3. 201 Deutscher Fußballbund. 202 Der Ligaverband besteht aus den Lizenznehmern der ersten und zweiten Bundesliga, neben den Regional- und Landesverbänden ist er Mitglied des DFB. Das operative Geschäft wird durch seine 100%-ige Tochter DFL (Deutsche Fußball-Liga GmbH) wahrgenommen. 203 Vgl. dazu ausführlich Summerer, SpuRt 2008, S. 234 ff.; sowie Weiler, SpuRt 2007, S. 133 ff.; Deutscher, SpuRt 2009, S. 97 (97); Klees, EuZW 2008, S. 391 ff.; Ouart, WRP 2010, S. 85 ff.; Lammert, Causa Sport 2009, S. 332 ff.; Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, S. 187 ff.; Jeck/Langner, cepStudie Die Europäische Dimension des Sports, 2010, S. 25 ff. 204 Weiler, SpuRt 2007, S. 133 (135). 205 Dazu Heermann, WRP 2003, S. 724 ff.; Verse, Causa Sport 2010, S. 28 ff.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
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11. Ergebnis Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten sind also vielerlei denkbar, sowohl in Form von direkten oder indirekten bzw. versteckten Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit als auch durch andere Maßnahmen mit freizügigkeitsbeschränkender Wirkung. Eine Verletzung der Grundfreiheiten liegt jedoch nur vor, wenn die beeinträchtigende Satzungsvorschrift nicht gerechtfertigt werden kann.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen Mit der Feststellung der Beeinträchtigung einer Grundfreiheit durch eine Sportverbandssatzung ist noch nicht automatisch eine Verletzung dieser Grundfreiheit und damit des Unionsrechts verbunden, sondern es kommt darauf an, ob die Regelung gerechtfertigt werden kann. In diesem Fall ist sie unionsrechtskonform. Bei der Frage nach der Rechtfertigung sportverbandlicher Regelungen ist zunächst zu klären, welche Rechtfertigungsmöglichkeiten den privaten Sportverbänden als solchen überhaupt offen stehen, und dann, welche konkreten Rechtfertigungsgründe zur Rechtfertigung ausgewählter beeinträchtigender Regelungen eingreifen könnten.
I. Rechtfertigungsmöglichkeiten der Sportverbände Den gleichermaßen wie die Mitgliedstaaten an die Grundfreiheiten gebundenen Sportverbänden müssen auch entsprechende Rechtfertigungsmöglichkeiten für Beschränkungen von Grundfreiheiten zustehen, damit die Verpflichtung sich nicht als unangemessen darstellt. Dafür kommen natürlich zuerst die geschriebenen Rechtfertigungsgründe (Art. 36, 45 Abs. 3 und 51 AEUV, ggf. i. V. m. Art. 62 AEUV) in Betracht, wobei allerdings zu beachten ist, dass diese in erster Linie auf die Mitgliedstaaten zugeschnitten sind und deshalb für die privaten Sportverbände möglicherweise modifiziert oder durch weitere Rechtfertigungsgründe ergänzt werden müssen. Außerdem besteht die Möglichkeit, Beschränkungen aufgrund des ungeschriebenen Rechtfertigungsgrundes der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses206 zu rechtfertigen. Dieser Rechtfertigungsgrund ist nach ständi206 Entwickelt in der Entscheidung EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37, welcher die in der Cassis-Entscheidung (EuGH, Rs. 120/78 – Cassis de Dijon, Slg. 1979, S. 649 ff., Rn. 8) anerkannten zwingenden Erfordernisse des Allgemeinwohls zur Rechtfertigung von Beeinträchtigungen der Warenverkehrs-
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
ger Rechtsprechung des EuGH und herrschender Meinung in der Literatur zwar nicht auf diskriminierende Maßnahmen anwendbar, bei der Feststellung einer Diskriminierung muss jedoch differenziert werden: Eine direkte oder ausdrückliche Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (rechtliche Diskriminierung) kann, wenn überhaupt, nur durch die geschriebenen Rechtfertigungsgründe des AEUV gerechtfertigt werden207. Die Handhabung lediglich faktisch (indirekt, mittelbar) diskriminierender Maßnahmen, die nicht direkt an der Staatsangehörigkeit anknüpfen, sondern nur typischerweise Ausländer eher betreffen als Inländer, ist umstritten. Sie müssen jedoch genauso wie bloß beschränkend wirkende Maßnahmen aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden können, da die Übergänge von faktischen Diskriminierungen zu bloßen Beschränkungen fließend sind208. Eine Beschränkung auf die geschriebenen Rechtfertigungsgründe wäre daher unangemessen. An die Verhältnismäßigkeitsprüfung sind jedoch entsprechende Anforderungen zu stellen. 1. Lösungsvorschläge in Literatur und Rechtsprechung Das Problem der Rechtfertigung von Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Private im Rahmen unmittelbarer Drittwirkung der Grundfreiheiten wurde von der Literatur seit deren Annahme vielfach diskutiert (und zunächst auch als Gegenargument für die Möglichkeit einer unmittelbaren Drittwirkung herangezogen, siehe dazu 2. Teil dieser Arbeit). Auch der EuGH hat sich mit dieser Problematik wiederholt – vor allem in den Entscheidungen Bosman, Deliège, Lehtonen, Wouters, Angonese und auch Meca-Medina und Macjen – beschäftigt. Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die vertretenen Lösungsvorschläge zu Rechtfertigungsmöglichkeiten von Sportverbänden gegeben werden, bevor versucht wird, diese alle, soweit möglich, zu einer dogmatisch sauberen Handhabung zusammenzuführen. a) Anwendung des ordre-public-Vorbehaltes auch auf Private Die so genannten ordre-public-Vorbehalte der jeweiligen Grundfreiheiten (Art. 36, 45 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 62 i. V. m. 52 Abs. 1 AEUV) erlauben freiheit als zwingende Gründe des Allgemeininteresses auch auf die anderen Grundfreiheiten überträgt. 207 Vgl. Wernsmann, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 30, Rn. 113. 208 Vgl. auch Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7, Rn. 102, mit Verweis auf neuere Rspr. des EuGH.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
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Einschränkungen der Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und/oder Gesundheit. Dabei handelt es sich um einen Rechtfertigungsgrund mit langer völkerrechtlicher Tradition, der eng mit dem Souveränitätsgedanken verknüpft ist und letztlich als „Sicherheitsventil für nationale Interessen“ dienen sollte209. Nach überwiegender Ansicht in der Literatur210 handelt es sich dabei in erster Linie um polizei- und ausländerrechtliche Begriffe, die Interessen des Staates umfassen und daher nicht durch private Verbände und Institutionen definiert werden können. Eine Konkretisierung der Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit erfolgte in der Richtlinie 2004/38/EG211, deren Art. 27 Abs. 2 die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, bei Maßnahmen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und ausschließlich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelpersonen zu berücksichtigen. Auch der EuGH hat sich mittlerweile zur Definition des Begriffes geäußert und sich dabei für eine restriktive Handhabung212 dieses Rechtfertigungsgrundes ausgesprochen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung liegt vor, wenn „eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“213. Allerdings ist mehr als fraglich, ob sich Private, die grundsätzlich im eigenen Interesse tätig werden, auf Aspekte des Allgemeininteresses wie die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit berufen können214. Es 209 Vgl. dazu ausführlicher Schneider, Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EG-Vertrag, 1998, S. 21. Außerdem Imping, EWS 1996, S. 193 (196). 210 U. a. Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 207 m. w. N.; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 46 EG, Rn. 4; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2008, Art. 39 EG, Rn. 209; a. A. Schneider, Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EG-Vertrag, 1998, S. 109, der aus dem Vergleich der Begriffe des EG-Vertrages mit den nationalen Bedeutungsgehalten der öffentlichen Ordnung Anhaltspunkte dafür gewinnt, dass diese nicht streng auf eine rein polizeirechtliche Bedeutung beschränkt sind. 211 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. EG 2004, Nr. L 158, S. 77 ff. 212 EuGH, Rs. 41/74 – van Duyn, Slg. 1974, S. 1337 ff., Rn. 18 f.; EuGH, Rs. 30/77 – Bouchereau, Slg. 1977, S. 1999 ff., Rn. 33 ff. 213 EuGH, Rs. 30/77 – Bouchereau, Slg 1977, S. 1999 ff., Rn 33 ff. 214 Jaensch, Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, 1997, S. 45. Auch Mühl, Diskriminierung und Beschränkung, 2004, S. 304, weist darauf hin, dass Privatpersonen Partikularinteressen verfolgen, nicht aber die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
steht nicht in der Macht der privaten Sportverbände zu definieren, was zur öffentlichen Ordnung des jeweiligen Mitgliedstaates gehört, da es sich beim ordre-public-Vorbehalt um einen typischen völkerrechtlichen Vorbehalt der Souveränitätsinteressen der Mitgliedstaaten gegenüber der Union handelt215. Fraglich ist also, ob sich dieser Rechtfertigungsgrund auch auf Private übertragen lässt, konkret, ob sich Sportverbände auf ein Grundinteresse der Gesellschaft berufen können. Für eine solche Privatisierung des ordre-public-Vorbehaltes spricht die Monopolstellung der Sportverbände, die ähnlich dem Verhältnis Staat – Bürger zu einem Über-Unterordnungsverhältnis zwischen dem Verband und dem Sportler führt, der sich dem Verbandsrecht unterwirft216. Übertragen würde dies also die Annahme einer „öffentlichen Ordnung privater Verbände“ bedeuten, rechtfertigend wäre in diesem Fall dann nur eine hinreichend schwere Gefährdung eines Grundinteresses des Verbandes, wie z. B. das Recht zur Organisation des vereinsmäßig betriebenen Sports sowie die Aufrechterhaltung der sportlichen Ordnung217. Die öffentliche Ordnung würde diejenigen Grundregeln umfassen, welche die wesentlichen Aspekte der jeweiligen Sportart berühren, und für die eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung besteht218. Im Bosman-Verfahren gestattet der EuGH Privaten daher, sich auf diesen Ordre-public-Vorbehalt zu berufen, obwohl es für die Anerkennung einer öffentlichen Ordnung privater Verbände an klarstellenden Begründungen oder Anhaltspunkten im Wortlaut der Entscheidung fehlt219. „Nichts spricht nämlich dagegen, dass die Rechtfertigungsgründe in Bezug auf die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit von Privatpersonen geltend gemacht werden. Der öffentliche oder private Charakter der betreffenden Regelung hat keinen Einfluss auf die Tragweite oder den Inhalt dieser Rechtfertigungsgründe.“220
215
Schroeder, Sport und europäische Integration, 1989, S. 174, spricht daher auch von einem Kompetenzproblem, bei dem es sich gerade nicht um materiellrechtliche Aspekte handelt. 216 Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 50. 217 So Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 52. 218 Groß, Eine unendliche Geschichte, 2004, S. 388. Schweitzer, in: Reuter, Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, 1987, S. 71 (85), beschreibt die öffentliche Ordnung eines Sportverbandes als die nichtwirtschaftlichen Grundregeln, die die wesentlichen Aspekte der jeweiligen Sportart berühren, und bei denen es sich nicht um verschleierte Diskriminierungen handelt, die sportliche Gründe nur missbräuchlich vorschieben. 219 So zu Recht kritisch Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 51. 220 EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg 1995, S. I-4921 ff., Rn. 86.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
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Der EuGH schließt in der Bosman-Entscheidung somit nicht aus, dass sich auch private Adressaten der Grundfreiheiten, wie etwa Sportverbände, auf diese Rechtfertigungsgründe berufen können221, jedoch fällt es in der Praxis schwer, sich Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorzustellen, die im Interesse der Sportverbände und ihrer Satzungsregelungen lägen222. Auch der EuGH bleibt bei der positiven Zuordnung bestimmter Schutzgüter zum Begriff der öffentlichen Ordnung eher zurückhaltend223 und nimmt eine solche nur bei der Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft an224. Die Rechtfertigung einer sportverbandlichen Satzungsregelung aufgrund der anderenfalls drohenden Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft scheint indes nur schwer vorstellbar. Zudem würde die Berufung privater Wirtschaftsteilnehmer auf Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung das Risiko der übermäßigen Ausdehnung dieses eigentlich sehr eng und restriktiv auszulegenden Rechtfertigungsgrundes in sich bergen225. Außerdem dürfen gemäß Art. 27 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nur an das persönliche Verhalten der betroffenen Person anknüpfen. Befürchtungen negativer Auswirkungen durch zu viele ausländische Spieler in einer Vereinsmannschaft könnten daher durch Art. 45 Abs. 3 AEUV ohnehin nicht insgesamt gerechtfertigt werden, lediglich der Ausschluss einzelner (auslän221 Auch Gebauer, Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags als Gemeinschaftsgrundrechte, 2004, S. 101 (Fn. 164), sieht die Rechtfertigungsmöglichkeit des ordre public als grundsätzlich für alle offen an, die an die Beachtung der Grundfreiheiten gebunden sind. 222 Quirling, Die Nach-Bosman-Ära, 2005, S. 104, sieht von solchen Gesellschaftsinteressen nur Grundinteressen eines Mitgliedstaates als umfasst an, und lehnt daher eine Berufung Privater auf den ordre public-Vorbehalt ab. Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003, S. 64, spricht sich sogar dafür aus, den ordre-public-Vorbehalt lediglich auf ausländerpolizeiliche Maßnahmen des Einreise- und Aufenthaltsrechts zu beschränken. Bei so enger Auslegung wäre für eine Anwendung auch auf Private wirklich kein Raum mehr. 223 Schneider, Die öffentliche Ordnung als Schranke der Grundfreiheiten im EGVertrag, 1998, S. 117, will daraus schließen, dass die erstmalige Benennung bestimmter nationaler Interessen den Mitgliedstaaten überlassen sein soll. Im Hinblick auf eine auch durch Art. 220 EG zu gewährleistende einheitliche Auslegung des Vertrages erscheint diese Ansicht aber eher abwegig. Das bisherige Schweigen des EuGH zu dieser Frage erklärt sich vielmehr aus der Tatsache, dass er bisher noch nicht ausreichend Gelegenheit erhalten hat, sich zu konkreten Rechtfertigungsgründen im Rahmen der öffentlichen Ordnung zu äußern, sondern dass diesbezügliche Vorabentscheidungsfragen erst noch abgewartet werden müssen. 224 EuGH, Rs. 30/77 – Bouchereau, Slg. 1977, S. 1999 ff., Rn. 33 ff. 225 Vgl. Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 53 (61), zuerst erschienen in: Collective Courses of the Academy of European Law, 1999, S. 339 ff.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
discher) Spieler, von denen eine konkrete Gefahr ausgeht226, wie das möglicherweise bei drohenden terroristischen Anschlägen oder ansteckenden Krankheiten der Fall sein könnte, wäre möglich. Aber auch in einem solchen Falle würde es zu weit gehen, einzelne Nationen pauschal als gefährdend zu stigmatisieren. Abschließend bleibt also festzuhalten, dass der ordre-public-Vorbehalt, und insbesondere der Rechtfertigungsgrund der öffentlichen Ordnung, vor allem aufgrund der restriktiven Rechtsprechung des EuGH wenig zu einer Übertragung auf Private geeignet ist. b) Sportvorbehalt des EuGH: Rechtfertigung aus „rein sportlichen Gründen“ bzw. aufgrund der „Besonderheiten des Sports“ Auch der so genannte „Sportvorbehalt“ des EuGH wird vielfach als möglicher Rechtfertigungsgrund für Regelungen in Sportverbandssatzungen angeführt. Die dogmatische Einordnung eines solchen „Vorbehaltes“ erfolgt dabei entweder gar nicht oder sehr unterschiedlich, mal als eine wie auch immer geartete Bereichsausnahme, mal als zwingender Grund des Allgemeininteresses und mal als Rechtfertigungsgrund sui generis. Darüber, was unter den Sportvorbehalt zu fassen ist, herrscht ebenso wenig Einigkeit. An einem Ende des Spektrums könnten darunter beinahe alle Regelungen fallen, die irgendetwas mit der Sportausübung zu tun haben, auf der anderen Seite kann der Sportvorbehalt aber auch als restriktiv zu handhabende Ausnahme angesehen werden, die lediglich für bestimmte sport-immanente oder -typische Spielregeln „auf dem Platz“ einschlägig ist. Einigkeit besteht lediglich darüber, dass bestimmte Regelungen für den Wettkampf selbst, für die Teilnahmeberechtigung und Teilnahmebedingungen rechtfertigungsfähig sein müssen, denn ein funktionsfähiger Wettkampfsport setzt solche Regelungen zwingend voraus227. aa) Abgrenzung von Spielregel und Rechtsregel Eine Art der Abgrenzung erfolgt danach, ob es sich bei der beanstandeten Regel um eine Spielregel oder um eine Rechtsregel handelt228, wobei die 226 Vgl. dazu auch Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 15 (26), zuerst erschienen in: 9 Yearbook of European Law 1989, S. 55 ff. 227 Streinz, SpuRt 2000, S. 221 (226). 228 Diese Einteilung geht zurück auf Max Kummer’s grundlegendes Werk „Spielregel und Rechtregel“ von 1973, welcher die Spielregel noch notwendigerweise als Nichtrecht ansah (S. 44 ff., 77 ff.), und wurde u. a. weiterentwickelt von Pfister, SpuRt 1998, S. 221 ff. u. a.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
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Rechtsregel selbstverständlich auf ihre Vereinbarkeit mit dem staatlichen Recht (und auch dem Unionsrecht) überprüfbar ist, die Spielregel hingegen nur unmittelbar „auf dem Platz“ gilt und nicht über das konkrete Spiel bzw. den konkreten Wettkampf hinaus wirkt229; sie wird als nicht-justiziabel angesehen. Wesentlich für solche Regeln ist dabei, dass sie den generellen Rahmen einer Sportart bilden230, es handelt sich dabei gleichsam um die Spielregeln, die eine bestimmte Sportausübung gerade erst möglich machen. Dabei beziehen sich Spielregeln immer nur auf das Spiel, das durch sie erst verstanden werden kann, ihr Schutzobjekt sind also gerade nicht die Rechtsverhältnisse der Spieler, sondern die Regelung nur des sportlichen Spiels231. Somit konstituieren Spielregeln also eine rein sportinterne Verhaltens- und Sanktionsordnung232 und stellen als solche in der Regel keine verbotene Beschränkung der Grundfreiheiten dar, welche sich auf die Rechtsbeziehungen der Spieler bzw. Sportler gegenüber ihren Vereinen und Verbänden beziehen, sondern es handelt sich dabei um rein technische Regeln233. Spielregeln binden den Sportler bei seiner Sportausübung „auf dem Platz“ und betreffen ihn in seinem „status sportivus“. Je sport-typischer eine solche Regel ist, desto mehr ist auch der Verband selbst dafür verantwortlich und die Regel der staatlichen Entscheidungskompetenz entzogen234. Problematisch an dieser Einteilung ist jedoch, dass selbst so eindeutige Spielregeln wie etwa die Abseits-Regel im Fußball oder die Fehlstart-Regel mit folgender Disqualifikation in der Leichtathletik immer auch mittelbar wirtschaftliche Folgen über das konkrete Spiel oder den konkreten Wettkampf hinaus haben235. So etwa, wenn aufgrund einer Abseits-Entscheidung ein Spiel verloren geht und die gesamte Mannschaft daher nicht in den Genuss einer Siegprämie oder gar eines Titels kommt oder wenn der aufgrund Fehlstarts disqualifizierte Sprinter mangels Werbepräsenz seinen Sponsorenvertrag verliert. Außerdem werden selbst die Spielregeln im engsten Sinne 229 Durch die Regelwerke werden Spielregeln jedoch auch grundsätzlich in den Raum des Rechts gestellt; Kaiser, SpuRt 2009, S. 6 (9). 230 Vgl. Schild, in: WFV, Fairness-Gebot, Sportregeln und Rechtsnormen, 2004, S. 19 (29). 231 Vgl. Schild, in: WFV, Fairness-Gebot, Sportregeln und Rechtsnormen, 2004, S. 19 (44). 232 Schild, in: WFV, Fairness-Gebot, Sportregeln und Rechtsnormen, 2004, S. 19 (44). 233 Vieweg, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 83 (105). 234 Pfister, FS Lorenz 1991, S. 171 (179 f.). 235 Auch Pfister, FS Lorenz 1991, S. 171 (179), bemerkt, dass die Übergänge fließend sind, da sich auch fast alle Spielregeln mittelbar auf die finanzielle Lage der Beteiligten auswirken können.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
immer wieder an die Bedürfnisse des Fernsehens und des Zuschauerinteresses angepasst236, um so höhere Einschaltquoten und damit auch größere wirtschaftliche Gewinne erzielen zu können. Eine klare Trennlinie lässt sich, auch aufgrund der Doppelnatur vieler Regelungen, damit nicht ziehen, so dass die Unterscheidung zwischen Spielregel und Rechtsregel im Hinblick auf ihre jeweilige Justiziabilität meist wenig erfolgversprechend ist237. bb) Aus sportorganisatorischen Gründen erforderliche Regeln: Deliège Auch der EuGH stellte fest, dass es – neben dem in den Entscheidungen Walrave und Koch, Donà ./. Mantero, sowie Bosman angesprochenen Nationalmannschaftsvorbehalt – weitere Regeln gibt, die trotz ihrer für den Binnenmarkt beschränkenden Wirkung im Sport zulässig sein müssen. In der Entscheidung Deliège nannte er diese aus sportorganisatorischen Gründen erforderliche Regeln und stellte fest, dass die in Frage stehenden Auswahlkriterien für die Teilnahme an den Judo-Wettkämpfen keine verbotene Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit, sondern ein notwendiges Auswahlsystem für die Beschränkung der Teilnehmer an einem Wettkampf darstellten: „Eine solche Beschränkung, die unausweichlich auf bestimmten Regeln oder Auswahlkriterien beruht, ist notwendig mit der Durchführung eines hochrangigen internationalen Wettkampfs verbunden238.“ 239
Allein daraus, dass ein bestimmtes Auswahlsystem für einige Sportler ungünstig sei, könne noch nicht auf eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs geschlossen werden. Geeignete Auswahlklauseln aufzustellen und anzuwenden sei vielmehr die natürliche Aufgabe von Sportverbänden und Turnierveranstaltern. Soweit solche Regelungen also zur Organisation 236 Zu nennen sind hier etwa die „Golden Goal“-Regelung im Fußball, auch wenn diese sich letztendlich nicht durchgesetzt hat, oder die personenunabhängige Disqualifikation des Läufers in der Leichtathletik, der den zweiten (oder folgenden) Fehlstart innerhalb eines Rennens verursacht, unabhängig davon, ob er auch für den ersten Fehlstart verantwortlich war. 237 Auch Pfister, SpuRt 2007, S. 58 (58), weist darauf hin, dass eine allgemein gültige Abgrenzung von rechtlich überprüfbaren Verbandsregelungen und in der Regel nicht überprüfbaren auf Spielregeln beruhenden Entscheidungen nicht möglich ist. 238 Hervorhebung durch Verf. 239 EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff., Rn. 64.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
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eines internationalen Wettkampfes erforderlich sind, stellen sie keinen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit dar. Eine dogmatische Einordnung dieses weiterentwickelten „Sportvorbehaltes“ bleibt der EuGH in der Entscheidung jedoch schuldig. cc) Nichtwirtschaftliche Gründe, die lediglich den Sport als solchen betreffen: Lehtonen Auch im Fall Lehtonen beschäftigte sich der EuGH noch einmal mit der Frage der Rechtfertigung von Sportverbandsregelungen aus rein sportlichen Gründen. Er stellte fest, dass solche Regelungen grundsätzlich einer objektiven Rechtfertigung zugänglich seien, nämlich durch nichtwirtschaftliche Gründe, die lediglich den Sport als solchen betreffen240 und die den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wahren, also nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Die Feststellung, ob dies im vorliegenden Fall der Fall sei und ob aus diesem Grunde auch unterschiedliche Fristen für Transfers aus verschiedenen Zonen erforderlich sind, obliege dem nationalen Gericht. Regelungen von Sportverbänden, wonach Basketballspieler, die nach einem bestimmten Zeitpunkt transferiert worden sind, in der laufenden Saison nicht mehr aufgestellt werden dürfen, stellen also einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, es sei denn, sie sind aus objektiven, rein sportlichen Gründe gerechtfertigt. Mit dieser Entscheidung wurden nichtwirtschaftliche Gründe, die ausschließlich den Sport als solchen betreffen, ausdrücklich als Rechtfertigungsgründe im Rahmen einer Beschränkung der Grundfreiheiten benannt. Sie unterliegen jedoch einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, dürfen somit nicht über das erforderliche Maß hinaus gehen. Eine dogmatische Einordnung dieser Rechtfertigungsmöglichkeit fehlt aber auch hier. dd) Regelungen von rein sportlichem Charakter: Meca-Medina und Macjen241 Der nächste und bislang letzte Schritt im Rahmen dieser RechtfertigungsRechtsprechung war die Entscheidung im Fall Meca-Medina und Macjen, in welchem der Gerichtshof ausführte, dass selbst das Vorliegen von Regelungen mit rein sportlichem Charakter die Anwendbarkeit der Regelungen des Vertrages auf diese sportliche Betätigung nicht ausschließe. Der Gerichtshof machte mit dieser Entscheidung also deutlich, dass es sich bei den 240 241
EuGH, Rs. C-176/96 – Lehtonen, Slg. 2000, S. I-2681 ff., Rn. 52. EuGH, Rs. C-519/04 P – Meca-Medina und Macjen, Slg. 2006, S. I-6991 ff.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Regelungen von rein sportlichem Charakter ausdrücklich nicht um Bereichsausnahmen, sondern lediglich um Rechtfertigungsgründe handele. Auch wenn die Entscheidung in Bezug auf das Wettbewerbsrecht erging, lassen sich die daraus gewonnenen Klarstellungen ebenso auf die Rechtfertigungsproblematik im Rahmen der unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten übertragen. Zum Sachverhalt: Der Fall Meca-Medina und Macjen (2006) David Meca-Medina und Igor Macjen sind zwei Langstreckenschwimmer, die bei den Weltmeisterschaften in Brasilien 1999 positiv auf das Dopingmittel Nandrolon getestet wurden. Daraufhin verhängte der Doping-Ausschuss der FINA242 im Einklang mit den Anti-Doping-Regeln des IOC243 eine vierjährige Sperre, die von den beiden Sportlern vor dem TAS/CAS244 angefochten, von diesem im Jahre 2000 aber bestätigt wurde245. Sodann reichten die Kläger im Jahre 2001 bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde ein, in welcher sie die Verletzung von Art. 49, 81 und 82 EG (jetzt Art. 56, 101 und 102 AEUV) rügten. Diese Beschwerde wurde von der Kommission zurückgewiesen. Daraufhin legten Herr Meca-Medina und Herr Macjen Klage gegen die Kommissions-Entscheidung beim EuG246 ein und strengten nach Abweisung derselben ein Rechtsmittelverfahren vor dem EuGH an.
Das EuG entschied, dass es sich bei den Anti-Doping-Regeln des IOC um Regelungen von rein sportlichem Charakter ohne wirtschaftliches Interesse handelte247, die somit eine generelle Ausnahme vom Geltungsbereich der Art. 49, 81 und 82 EG (jetzt Art. 56, 101 und 102 AEUV) bildeten. Der Antrag der Kläger wurde daher mit der Begründung zurückgewiesen, dass die streitige Anti-Doping-Regelungen weder unter die Dienstleistungsfreiheit fallen noch dem Wettbewerbsrecht unterliegen. Diese Entscheidung wurde vom EuGH als rechtsfehlerhaft aufgehoben, da es sich zwar um rein sportliche Regelungen handelte, dieses nach ständiger Rechtsprechung jedoch nicht zu einer Ausnahme vom Geltungsbereich 242 Fédération Internationale de Natation (Weltschwimmverband mit Sitz in Lausanne, Schweiz). 243 International Olympic Committee (Internationales Olympisches Komitee mit Sitz in Lausanne, Schweiz). 244 Tribunal arbitral du sport/Court of Arbitration for Sport (Sportschiedsgericht mit Sitz in Lausanne, Schweiz). 245 Nach neuerlicher Prüfung im Jahre 2003 wurde die Sperre aber auf 2 Jahre reduziert, wogegen die Kläger keinen Rechtsbehelf vor einem Schweizer Gericht einlegten. 246 EuG, Rs. T-313/02 – Meca-Medina und Macjen, Slg. 2004, S. II-3291 ff. 247 Das EuG bezeichnete das Dopingverbot als besonderen Ausdruck des Gebots des Fairplay als oberste Regel sportlichen Spiels, EuG, Rs. T-313/02 – Meca-Medina und Macjen, Slg. 2004, S. II-3291 ff., Rn. 44.
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des Unionsrechts führen könne, sondern lediglich zu einer Rechtfertigung etwaiger Eingriffe: „Nach alledem führt der bloße Umstand, dass eine Regelung rein sportlichen Charakters248 ist, nicht dazu, dass derjenige, der die dieser Regelung unterliegende sportliche Tätigkeit ausübt, oder die Institution, die diese Regelung erlassen hat, nicht in den Geltungsbereich des EG-Vertrags fällt.“249
Im Folgenden beschäftigte sich der EuGH mit der Prüfung eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht und kam zu dem Schluss, dass der legitime Zweck der Anti-Doping-Regeln die Gewährleistung eines fairen Ablaufs der Sportwettkämpfe und die Chancengleichheit der Athleten sei, und dass diese somit aus rein sportlichen Gründen gerechtfertigt seien. „Die Beschränkungen, die der Schwellenwert den Sportlern auferlegt, gehen unter diesen Umständen [. . .] nicht über das hinaus, was für die Organisation und den ordnungsgemäßen Ablauf sportlicher Wettkämpfe erforderlich ist250.“251
Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV) sah der EuGH als nicht prüfungsrelevant an, da es um die Überprüfung einer Kommissionsentscheidung ging, die lediglich auf die etwaige Verletzung der Art. 81, 82 EG (jetzt Art. 101, 102 AEUV) gestützt war. Obwohl der EuGH seine Prüfung auf das Wettbewerbsrecht stützt, ohne auf die Grundfreiheiten näher einzugehen, können auch hierfür aus dem Urteil neue Schlüsse gezogen werden. So unterstreicht der Gerichtshof ausdrücklich, dass die Annahme von nichtwirtschaftlichen Regelungen mit rein sportlichem Charakter nicht zu einer generellen Bereichsausnahme vom Anwendungsbereich des Unionsrechts führen kann, sondern dass in solchen Regelungen lediglich ein Rechtfertigungsgrund für etwaige Eingriffe gesehen werden kann. Zudem benennt er Anti-Doping-Regeln als Beispiel für solche rein sportlichen, zur Durchführung eines fairen Wettkampfes erforderlichen Regelungen. Diese können daher eine zulässige Eingriffsrechtfertigung aus nichtwirtschaftlichen Gründen darstellen. Der Gerichtshof ist zwar der Ansicht, dass bei den wirtschaftlichen Ausmaßen, die der Hochleistungssport mittlerweile angenommen hat, auch die Dopingbekämpfung wirtschaftliche Auswirkungen auf die betroffenen Spitzensportler haben kann. Die Dopingbekämpfung verfolgt als solche jedoch keinen wirtschaftlichen Zweck, sondern zielt in erster Linie auf die Bewahrung von Sportsgeist, Fairplay und Gesundheit der Athleten ab. Das Dopingverbot ist besonderer Ausdruck des 248
Hervorhebung durch Verf. EuGH, Rs. C-519/04 P – Meca-Medina und Macjen, Slg. 2006, S. I-6991 ff., Rn. 27. 250 Hervorhebung durch Verf. 251 EuGH, Rs. C-519/04 P – Meca-Medina und Macjen, Slg. 2006, S. I-6991 ff., Rn. 54. 249
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Fairplay-Gebots252 und ist damit vorrangig eine Regel des sportlichen Spiels. Ohne Anti-Doping-Regelungen wäre Sport überhaupt nicht mehr möglich, deshalb sind sie nicht nur „nichtwirtschaftlich“, sondern der Kern, Sinn und Zweck der sportlichen Betätigung; Dopingsündern die Berufung auf Art. 56 oder 101 AEUV zuzugestehen wäre daher reiner Formalismus253. Daran ändert sich auch nichts durch auch wirtschaftliche Auswirkungen der Anti-Doping-Regelungen, da es fast unmöglich ist, sich irgendeine Sportregelung vorzustellen, die nicht zumindest mittelbar auch wirtschaftliche Auswirkungen entfaltet. Auch der EuGH erkennt also grundsätzlich ein berechtigtes Interesse der Sportverbände an, bestimmte Eingriffe in die Grundfreiheiten aus rein sportlichen Gründen zu erlauben. Trotz der Bezeichnung dieser Gründe als Rechtfertigungsgründe schweigt er jedoch zu einer dogmatischen Einordnung derselben in das Rechtfertigungssystem des AEUV und insbesondere der Grundfreiheiten. c) „Praktische Konkordanz“ mit den Unionsgrundrechten Auch nach dem In-Kraft-Treten des Vertrages von Lissabon fehlt zwar eine ausdrückliche Auflistung der Unionsgrundrechte in EUV n. F. und AEUV, jedoch ergibt sich aus Art. 6 EUV n. F., dass diese von Union und Mitgliedstaaten zu beachten sind. Zum einen wird die im Jahre 2000 proklamierte Charta der Grundrechte der Europäischen Union in der am 12. Dezember 2007 in Straßburg niedergelegten Fassung integraler Bestandteil des Unionsrechts und ist mit EUV n. F. und AEUV rechtlich gleichrangig. Außerdem wird die Union durch Art. 6 Abs. 2 EUV n. F. zum Beitritt zur EMRK berechtigt und verpflichtet, so dass auch diese Grundrechte zu beachten sind. Letztendlich gelten die Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, außerdem als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts (Art. 6 Abs. 3 EUV n. F.). Grundrechte sind also bei der Auslegung des Unionsrechts in jedem Fall zu berücksichtigen. Die parallele Einschlägigkeit von Unionsgrundrechten und Grundfreiheiten ist erst durch die Erweiterung des Adressatenkreises sowohl der Grundfreiheiten als auch der Grundrechte möglich geworden254. Zwar besteht of252 EuG, Rs. T-313/02 – Meca-Medina und Macjen, Slg. 2004, S. II-3291 ff., Rn. 44. 253 So jedenfalls Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 249 (254 ff.), zuerst erschienen in: ECLRev 2005, 416 ff. 254 Schultz, Das Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten und Grundfreiheiten, 2005, S. 109.
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fiziell kein hierarchisches Rangverhältnis zwischen Grundfreiheiten und Grundrechten in der Hinsicht, dass die einen die anderen überwiegen. Jedoch setzt die Prüfung des Gerichtshofes aufgrund seiner daraus begründeten Zuständigkeit in der Regel zunächst bei den Grundfreiheiten an, so dass Grundrechte erst auf Rechtfertigungsebene verstärkende oder einschränkende Wirkung entfalten. Grundrechte und Grundfreiheiten sind aber grundsätzlich gleichrangige Rechte auf gleicher normhierarchischer Stufe. Daraus folgt, dass keiner Normgruppe von vornherein der Vorrang vor der anderen eingeräumt werden kann, vielmehr kommt es auf eine Abwägung im Falle einer Kollision an, so dass eine größtmögliche Vereinbarkeit beider Rechte erreicht wird, vergleichbar dem Grundsatz der praktischen Konkordanz im deutschen Verfassungsrecht255. In der Schmidberger-Entscheidung nahm der EuGH einen Ausgleich von kollidierenden Grundfreiheiten und europäischen Grundrechten vor. Daher scheint es naheliegend, die hier getroffenen Aussagen auch auf die Fallgruppe der unmittelbaren Drittwirkung zu übertragen. „Da die Grundrechte demnach sowohl von der Gemeinschaft als auch von ihren Mitgliedstaaten zu beachten sind, stellt der Schutz dieser Rechte ein berechtigtes Interesse dar, das grundsätzlich geeignet ist, eine Beschränkung von Verpflichtungen zu rechtfertigen, die nach dem Gemeinschaftsrecht, auch kraft einer durch den Vertrag gewährleisteten Grundfreiheit wie dem freien Warenverkehr, bestehen.“256
Ob diese Berücksichtigung aber im Rahmen einer Abwägung, vergleichbar des Gebots der praktischen Konkordanz in der Grundrechtsdogmatik des deutschen Verfassungsrechts, vorzunehmen ist, ist stark umstritten und noch nicht endgültig geklärt257. Die Befürworter dieser Lösung258 kommen bei der Beurteilung der Frage, ob ein Unionsrechtsverstoß vorliegt, zu einer Abwägung zwischen Ziel und Zweck der beeinträchtigten Unionsnormen, hier also der jeweils einschlägigen Grundfreiheit auf der einen Seite und der Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte auf der anderen Seite259. Andere260 lehnen eine solche Übertragung der Konkordanzlehre aus dem deutschen Verfassungsrecht hingegen ab, da das Unionsrecht autonom auszulegen und ihm ein solches Vorgehen fremd sei. 255 Schultz, Das Verhältnis von Gemeinschaftsgrundrechten und Grundfreiheiten, 2005, S. 117, 120; Preedy, Die Bindung Privater an die Europäischen Grundfreiheiten, 2005, S. 177. 256 EuGH, Rs. C-112/00 – Schmidberger, Slg. 2003, S. I-5659 ff., Rn. 74. 257 Für eine praktische Konkordanz mit der Vereinigungsfreiheit z. B. Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 217. 258 So etwa Imping, EWS 1996, S. 193 (197). 259 In diese Richtung Schaefer, Die unmittelbare Wirkung des Verbots der nichttarifären Handelshemmnisse, 1987, S. 230. 260 Z. B. Groß, in: Vieweg, Perspektiven des Sportrechts, 2005, S. 37 (57 f.).
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Wie die Grundrechte in die Rechtfertigungsdogmatik der Grundfreiheiten einzuordnen sind, bleibt also im Folgenden noch zu klären. d) Zwingende Gründe des Allgemeininteresses Im Fall Cassis de Dijon von 1979 entschied der Gerichtshof, dass bei unterschiedslos geltenden (also nicht ausdrücklich aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminierenden) Maßnahmen dann keine Verletzung der Warenverkehrsfreiheit anzunehmen sei, wenn diese auf zwingenden Erfordernissen des Allgemeinwohls beruhten und verhältnismäßig seien261. Auf die Cassis de Dijon-Rechtsprechung aufbauend wurde diese Formel im Folgenden sinngemäß auch auf die anderen Grundfreiheiten übertragen262. Die nichtdiskriminierende Beeinträchtigung von Grundfreiheiten durch unterschiedslos geltende Regelungen kann daher auch durch „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“ gerechtfertigt sein, sofern der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Hierunter versteht der EuGH keinen festgelegten Katalog von berücksichtigungsfähigen Interessen, sondern sieht darin einen für alle schützenswerten nichtwirtschaftlichen Belange der Mitgliedstaaten offenen Rechtfertigungsgrund263. In der Gebhard-Entscheidung264 hat der EuGH zusammenfassend folgende Kriterien angeführt, die an eine Rechtfertigung zu stellen sind: – Die Maßnahme muss in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden; – Sie muss aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein; – Sie muss geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten; – Sie darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Von der Literatur wird die Anwendung der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses innerhalb des Verhältnisses von Privatpersonen untereinander teilweise kritisch gesehen, da Privatpersonen sich in der Regel nicht auf Belange des Gemeinwohls berufen könnten265. Andererseits wäre es wohl 261
EuGH, Rs. 120/78 – Cassis de Dijon, Slg. 1979, S. 649 ff., Rn. 8. EuGH, Rs. C-19/92 – Kraus, Slg. I-1663 ff., Rn. 32; EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37. 263 Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 1673. Kingreen, in: v. Bogdandy, Europäisches Verfassungsrecht, 2008, S. 631 (674), kritisiert, dass es so kaum einen Bereich des öffentlichen Lebens gibt, der sich nicht unter diesen Tatbestand subsumieren ließe. 264 EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37. 262
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als ungerecht anzusehen, private Marktteilnehmer in gleicher Weise wie den Staat durch die Grundfreiheiten zu verpflichten, ihnen aber andererseits nicht dieselben Rechtfertigungsgründe zuzugestehen, auf die staatliche Handlungsträger sich berufen können. Zudem erscheint es nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass auch Private im Interesse besonders wichtiger Belange des Allgemeininteresses handeln sollten. Für die Annahme des Bestehens eines zwingenden Allgemeininteresses ist die bedeutsame gesellschaftliche, soziale und integrative Funktion des Sports im Allgemeinen266 und der Europa- und Weltmeisterschaften bzw. der Olympischen Spiele im Besonderen zu berücksichtigen, welche sich durchaus unter die Allgemeininteressen im Sinne der Gebhard-Rechtsprechung subsumieren ließe267. Denkbar ist auch der „Schutz des sportlichen Wettbewerbs“ als solcher Rechtfertigungsgrund im Sinne eines Allgemeininteresses268. Vorgeschlagen wird des Weiteren der Ersatz des Begriffs „Allgemeininteresse“ durch den Begriff des „Sportinteresses“ bzw. des „Sportwohls“269. Auf diesen Ansatzpunkt wird noch zurückzukommen sein. e) Vorliegen sachlicher Erwägungen In der Entscheidung Angonese stellte der EuGH fest, eine Klausel „könne nur gerechtfertigt werden, wenn sie auf sachliche Erwägungen gestützt wäre, die unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen und in Bezug auf das berechtigterweise verfolgte Ziel zulässig sind.“270
Das bloße Vorliegen irgendwelcher „sachlicher Erwägungen“ darf hingegen entgegen des irreführenden Wortlautes in der Entscheidung Angonese nicht für eine Rechtfertigung von Verbandsregeln ausreichen271. Vielmehr 265 So Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 207; ders., Sport und Europarecht, 2001, S. 16; Schindler, Die Kollision von Grundfreiheiten und Gemeinschaftsgrundrechten, 2001, S. 102, hält diese Lösung sowohl für dogmatisch inkorrekt, als auch für realitätsfern, da sich Sportverbände in der Regel nicht auf Allgemeininteressen, sondern auf ihre eigenen, durch die Vereinigungsfreiheit geschützten, Interessen berufen werden. 266 Ablehnend Krogmann, Sport und Europarecht, 2001, S. 16. 267 Dafür spricht sich jedenfalls Parpart, Die unmittelbare Bindung Privater an die Personenverkehrsfreiheiten, 2003, S. 121, mit Verweis auf die Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam aus. 268 Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 1685. 269 So Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Fußball, 1999, S. 162. Ähnlich Vieweg/Röthel, ZHR 2002, S. 6 (30 ff.). 270 EuGH, Rs. C-281/98 – Angonese, Slg. 2000, S. I-4139 ff., Rn. 42. 271 So auch Quirling, Die Nach-Bosman-Ära, 2005, S. 107.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
ist wohl davon auszugehen, dass der Gerichtshof auf seine Rechtsprechung im Hinblick auf die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses Bezug nehmen wollte und lediglich in der Formulierung etwas ungenau blieb. Er wollte dadurch jedoch nicht die Anforderungen, die an einen solchen Rechtfertigungsgrund zu stellen sind, verwässern, indem bloße – beliebige – sachliche Erwägungen genügen sollten272. f) Übertragung des Gedankens der Wouters-Entscheidung In der Entscheidung im Fall Wouters273 äußerte sich der EuGH zur Rechtfertigung von Satzungsregelungen und Beschlüssen juristischer Berufsverbände (in Bezug auf einen etwaigen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht) folgendermaßen: „Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind nämlich der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere dessen Zielsetzung zu würdigen, die hier mit der Notwendigkeit der Schaffung von Vorschriften über Organisation, Befähigung, Standespflichten, Kontrolle und Verantwortlichkeit zusammenhängt, die den Empfängern juristischer Dienstleistungen und der Rechtspflege die erforderliche Gewähr für Integrität und Erfahrung bieten.“274
Ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht liegt dann nicht vor, wenn „die Regelung trotz der notwendig mit ihr verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen für die ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufs, wie er in dem betreffenden Staat geordnet ist, erforderlich ist.“275
Vereinzelt wird die Übertragung dieses Gedankens auch auf Satzungsregelungen und Beschlüsse von Sportverbänden befürwortet, in dem Sinne dass solche Regelungen gerechtfertigt sind, die notwendig sind für den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Sportvereine und Sportverbände sowie der Sportwettbewerbe. In diesem Zusammenhang wird auch von Regelungen mit „Sportimmanenz“276 gesprochen. Auch auf diesen Ansatzpunkt wird noch zurückzukommen sein. 272 Anders Forsthoff, EWS 2000, S. 389 (395), der die sachlichen Erwägungen für weitergehend hält als die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses bzw. die zwingenden Erfordernisse des Allgemeinwohls und davon auch wirtschaftliche Gründe umfasst sieht. Das begründet er damit, dass Private anders als der Staat ihre Motive grundsätzlich auch willkürlich bestimmen dürfen (müssen). 273 EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, S. I-1577 ff. 274 EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, S. I-1577 ff., Rn 97. 275 EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, S. I-1577 ff., Rn. 110. 276 Begriff von Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen, 2001, S. 371.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
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g) Zwischenergebnis Trotz der vielen verschiedenen vertretenen Ansatzpunkte besteht Einigkeit darüber, dass gewisse sportliche Regelungen keinen Verstoß gegen das Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot der Grundfreiheiten darstellen sollten, sondern unter gewissen Umständen eine Rechtfertigung möglich sein muss. 2. Zusammenfassender Lösungsvorschlag: Das Grundrecht der Verbandsautonomie als zwingender Grund des Allgemeininteresses So überzeugend die Vorschläge der Annahme einer öffentlichen Ordnung des Sports, eines Sportvorbehaltes, einer praktischen Konkordanz mit der Verbandsautonomie oder zwingenden Gründen des Verbandsinteresses im Ergebnis auch sein mögen – sie weisen doch alle die entscheidende Schwäche auf, dass sie sich nicht reibungslos in die vom AEUV angelegte und vom EuGH weiterentwickelte Rechtfertigungsdogmatik einfügen lassen. Nach dieser erfolgt eine Einteilung in geschriebene Rechtfertigungsgründe, welche in erster Linie die ordre-public-Vorbehalte umfassen, sowie ungeschriebene Rechtfertigungsgründe, die aus den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses bestehen. In Bezug auf die ordre-public-Vorbehalte ist dabei zu beachten, dass die öffentliche Ordnung restriktiv auszulegen ist und nur einschlägig ist bei einer Gefährdung eines Grundinteresses der Gesellschaft durch individuelles persönliches Verhalten. Dieser Rechtfertigungsgrund wird also in der Regel nicht einschlägig sein, sondern kommt nur bei terrorverdächtigen Sportlern oder ähnlichen Sonderfällen in Betracht (s. o.). Bleibt also der ungeschriebene Rechtfertigungsgrund nach der GebhardFormel, welche die Voraussetzungen auflistet, die beschränkende Maßnahmen erfüllen müssen, um gerechtfertigt zu sein: „Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.“277
Im Falle einer solchen unterschiedslos für In- und Ausländer geltenden Regelung in einer Sportverbandssatzung stellt sich nun also die Frage, welches das Allgemeininteresse sein kann, auf das sich ein Sportverband zur Rechtfertigung der Satzungsregelung berufen kann. 277
EuGH, Rs. C-55/94 – Gebhard, Slg. 1995, S. I-4165 ff., Rn. 37.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Als zwingende Allgemeinwohlgründe gelten zunächst alle solche, die nicht (ausschließlich) Individualinteressen dienen und die zudem unionsweit als normativ schützenswert angesehen werden278. Zu diesen zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zählen gemäß der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes u. a. die Erfordernisse einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, der Verbraucherschutz, der Umweltschutz sowie der Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs279. Dies ist jedoch nicht als abschließende Aufzählung im Sinne eines numerus clausus zu verstehen, sondern die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses stehen auch neueren Entwicklungen offen gegenüber280. Das Allgemeininteresse kann zwar nicht ohne weiteres mit (jedem) Verbandsinteresse gleichgesetzt werden. Jedoch ist es auch nicht ausgeschlossen, dass Allgemeininteressen zumindest prinzipiell auch von Sportverbänden verfolgt werden können. Vor allem aber die Grundrechte können möglicherweise als im Rahmen der Rechtfertigung von Maßnahmen zu beachtende zwingende Gründe des Allgemeininteresses angesehen werden281. Denn die Achtung und Wahrung der Grundrechte stellt unbestreitbar einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der zur Rechtfertigung beeinträchtigender Maßnahmen geeignet sein muss. Gemäß Art. 6 EUV n. F. hat auch die Union die Grundrechte als bindendes Recht zu achten. In diesem Kontext ist auf die Existenz und Geltung der Vereinigungsfreiheit im unionsrechtlichen Rechtsgefüge, nämlich in Art. 12 GRCh und Art. 11 EMRK sowie den (meisten) Verfassungen der Mitgliedstaaten, hinzuweisen. Ausprägung dieser Gewährleistung ist unter anderem die Verbandsautonomie. Das Wort „Autonomie“ setzt sich aus den griechischen Wörtern autos (selbst) und nomos (Gesetz) zusammen, bedeutet also, dass der mit Autonomie ausgestattete Verband selbst so etwas wie Gesetze (Normen) erlassen kann. Das Prinzip der Verbandsautonomie umfasst damit das Recht der (Sport-)Verbände zur Selbstorganisation der Sportausübung einschließlich der staatsfreien Setzung bestimmter „sportethischer Werte“282. Diese unionsrechtlich zu fördernde Verbandsautonomie wird durch Art. 165 AEUV noch verstärkt. Als Ausfluss der aus der Vereinigungsfreiheit abgeleiteten Satzungsautonomie ergibt sich das Recht der Sportverbände, sich eine innere Ordnung zu geben, welches sowohl die Art und Weise wie auch die dazu benötigten Mittel umfasst283. 278
Frenz, Handbuch Europarecht, Grundfreiheiten, 2004, Rn. 498. Vgl. Borchardt, Die rechtlichen Grundlagen der Europäischen Union, 2. Aufl. 2002, Rn. 652; siehe oben S. 40. 280 Siehe EuGH, Rs. 120/78 – Cassis, Slg. 1979, S. 649 ff., Rn. 8: „insbesondere“. 281 Dafür etwa Imping, Die arbeitsrechtliche Stellung des Fußballspielers, 1996, S. 255. 282 Groß, Eine unendliche Geschichte, 2004, S. 21 m. w. N. 279
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
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Dennoch behält sich der Staat auch gegenüber jeder autonomen Rechtsgestaltung noch ein „Wächteramt“ vor, welches umso stärker ausgeprägt ist, je weniger die Voraussetzungen der Verbandsautonomie gegeben sind284. Wenn nun also die Verbandsautonomie als Rechtfertigungsgrund im Sinne eines zwingenden Grundes des Allgemeininteresses anerkannt werden kann, schließt sich die Frage an, welche Art von Regelungen von dieser Verbandsautonomie umfasst ist. Denn unstreitig kann nicht jede Regelung, die aufgrund der in der Verbandsautonomie enthaltenen Satzungsautonomie erlassen wurde, automatisch gerechtfertigt sein, sondern muss im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Verwirklichung des Grundrechtes der Vereinigungsfreiheit/Verbandsautonomie betrachtet werden. Schützenswert im Sinne eines rechtfertigenden Allgemeininteresses ist damit nur der Kernbereich der Verbandsautonomie, deren Wesensgehalt nicht angetastet werden darf. Rechtfertigend kann also nur ein überragend wichtiges Verbandsinteresse, mithin ein Grundinteresse des Sportverbandes sein. Das Grundinteresse eines Sportverbandes besteht in der Regel im Aufbau und der Unterhaltung von Organisationsstrukturen, die dazu dienen, den geordneten Ablauf sportlicher Wettkämpfe sicherzustellen und eine Vergleichbarkeit sportlicher Leistungen herzustellen285. Nur solche Regelungen, die geeignet und notwendig zur Wahrung eines solchen Verbandsinteresses sind, also nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen, können somit eine Rechtfertigung für eine Grundfreiheitsbeschränkung darstellen. Auf der nächsten Definitionsebene ist also zu konkretisieren, was ein solches überragend wichtiges Verbandsinteresse darstellen kann. Es muss sich dabei um Sachgesetzlichkeiten handeln und nicht etwa um bloße Eigenvorstellungen über eine sportgerechte Ordnung286. Die Rechtfertigung wird also an erhebliche Verbands- oder Vereinsinteressen, die mit den Zielen des Verbandes zusammenhängen287, angeknüpft. Unter diese erheblichen bzw. zwingenden Verbandsinteressen könnte man die auch zum Sportvorbehalt schon aufgeführten Regelungen fassen: Als Anhaltspunkte für die Bestimmung solcher Verbandsinteressen lassen sich also die aus sportorganisatorischen Regelungen, die notwendig mit der 283 Vgl. Trommer, Die Transferregelungen im Profisport, 1999, S. 69, der dazu jedoch auch Transferregelungen als Bestandteil der inneren Ordnung und Ausdruck der autonomen Rechtsetzungsbefugnis zählt. 284 Pfister, SpuRt 2007, S. 58 (59). 285 So auch Schäfer, in: Scherrer/Del Fabro, Freizügigkeit im Europäischen Sport, 2002, S. 81 (89 f.). 286 Vgl. Steiner, Die Autonomie des Sports, 2003, S. 37. 287 Quirling, Die Nach-Bosman-Ära, 2005, S. 108 ff.
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3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Durchführung eines hochrangigen internationalen Wettkampfs verbunden sind288, nichtwirtschaftliche Gründe, die lediglich den Sport als solchen betreffen289, sowie Regelungen von rein sportlichem Charakter, die für die Organisation und den ordnungsgemäßen Ablauf sportlicher Wettkämpfe erforderlich sind290, und der Bewahrung von Sportsgeist, Fairplay und Gesundheit der Athleten dienen, also gleichsam den Kern, Sinn und Zweck der sportlichen Betätigung ausmachen291, heranziehen. Dazu zählen u. a. die Attraktivität des Spiels bzw. des Wettbewerbs, der Grundsatz der Chancengleichheit oder auch Sicherheitsanforderungen sowohl für Athleten als auch für Zuschauer292. Da es sich hier jedoch mehr oder weniger um Einzelfallbeispiele handelt, soll versucht werden, all diese unter einen gemeinsamen und gut handhabbaren Oberbegriff zu fassen. Dazu bietet sich eine Übertragung der in der Entscheidung Wouters (zu einem nicht sportrelevanten Sachverhalt) entwickelten Rechtfertigungsdogmatik für die Reglementierung des Rechtsanwaltsberufes an. Danach ist eine Regelung dann gerechtfertigt, wenn sie „bei vernünftiger Betrachtung als für die ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufs, wie er in dem betreffenden Staat geordnet ist, erforderlich angesehen werden konnte.“293
Der EuGH führt dazu – im Hinblick auf die Ausübung juristischer Berufe – weiter aus: „Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind nämlich der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere dessen Zielsetzung zu würdigen, die hier mit der Notwendigkeit der Schaffung von Vorschriften über Organisation, Befähigung, Standespflichten, Kontrolle und Verantwortlichkeit zusammenhängt, die den Empfänger juristischer Dienstleistungen und der Rechtspflege die erforderliche Gewähr für Integrität und Erfahrung bieten [. . .]. Es ist weiter zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung der genannten Ziele zusammenhängen.“294
Diese Argumentation ließe sich entsprechend auch auf sportliche Sachverhalte übertragen, dergestalt, dass es nicht so sehr darauf ankommt, ob eine Regelung rein sportlich motiviert ist, sondern, dass immer dann kein 288
EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff., Rn. 64. 289 EuGH, Rs. C-176/96 – Lehtonen, Slg. 2000, S. I-2681 ff., Rn. 52. 290 EuGH, Rs. C-176/96 – Lehtonen, Slg. 2000, S. I-2681 ff., Rn. 53. 291 EuGH, Rs. C-519/04 P – Meca-Medina und Macjen, Slg. 2006, S. I-6991 ff., Rn. 43. 292 Vgl. auch Heermann, Causa Sport 2006, S. 345 (361 ff.). 293 EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, S. I-1577 ff., Rn. 123. 294 EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002. S. I-1577 ff., Rn. 97.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
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Verstoß gegen das Unionsrecht vorliegt, wenn die Regelung unabdingbar ist, um die Integrität sportlichen Wettbewerbs aufrechtzuerhalten295, wenn sie also zum Wesensgehalt der Verbandsautonomie gehört – vorausgesetzt, sie wird fair und verhältnismäßig angewendet296. In diesem Fall würde die Regelung trotz ihres auch wirtschaftlichen Charakters den Ausdruck der Verbandsautonomie darstellen. Als unerlässlich sind im Sportbereich solche Regelungen anzusehen, die mit der Organisation und dem ordnungsgemäßen Ablauf eines sportlichen Wettbewerbs untrennbar verbunden sind und gerade dazu dienen, einen freien Wettstreit zwischen den Sportlern zu gewährleisten. Dazu zählen der faire Ablauf des Sportwettkampfes, die Chancengleichheit der Sportler, die Gesundheit der Sportler, die Ehrlichkeit und Objektivität des Wettkampfes sowie die ethischen Werte des Sportes297. Ein bloßes Überwiegen der sportlichen Gründe ist in einem solchen Fall als Rechtfertigungsgrund im Sinne eines erheblichen Verbandsinteresses und Ausfluss des Grundrechts der Verbandsautonomie also allein nicht ausreichend, sondern nur dann rechtfertigend, wenn diese Regeln auf das zum ordnungsgemäßen Funktionieren des sportlichen Wettbewerbs Notwendige, Unabdingbare, begrenzt sind. Solche für die Verwirklichung der Verbandsautonomie notwendigen Gesichtspunkte können einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen. Eine Rechtfertigung stellen sie jedoch nur dann dar, wenn auch die Verhältnismäßigkeit der einzelnen auf dieses Verbandsinteresse abzielenden Regelung gegeben ist, wenn sie also geeignet ist, dieses unabdingbare Verbandsinteresse zu verfolgen, und nicht über das zu dessen Verwirklichung erforderliche Maß hinausgeht. Durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses in Form der im Grundrecht der Vereinigungsfreiheit enthaltenen Verbandsautonomie sind also solche Regelungen gerechtfertigt, die einem erheblichen Verbandsinteresse dienen und unabdingbar sind, um die Integrität sportlichen Wettbewerbs aufrechtzuerhalten. Dabei handelt es sich um Regelungen, die gleichsam den Wesensgehalt der Verbandsautonomie darstellen. Wie solche Regelungen – insbesondere im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit – ausgestaltet sein können, soll im Folgenden anhand der Möglichkeiten einer Rechtfertigung konkreter Satzungsregelungen untersucht werden.
295 Becker, FS Scholz 2007, S. 995 (1017), spricht von „wettkampfkonstituierenden Regelungen“. 296 Vorschlag von Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 259 (264), zuerst erschienen in: 3–4 ISLJ 2005, S. 3 ff. 297 Orth, SpuRt 2006, S. 198 (198).
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II. Rechtfertigung konkreter beeinträchtigender Satzungsregelungen Verboten sind Sportverbänden in ihren Satzungen nur solche Beschränkungen, die nicht gerechtfertigt werden können. Die im Abschnitt B schon aufgezählten denkbaren Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten durch Satzungsregelungen sind im Folgenden auf eine mögliche Rechtfertigung im Sinne eines der Verbandsautonomie immanenten Interesses der Integrität sportlichen Wettbewerbs zu untersuchen. 1. Ausländerklauseln Ausländerklauseln sind praktisch am bedeutsamsten im professionellen Mannschaftssport, da sie hier die weitreichendsten Folgen im Hinblick auf Berufszugang und Berufsausübung ausländischer Sportler haben, während in Individualsportarten Ausländerbeschränkungen lediglich bei internationalen Meisterschaften, Olympischen Spielen o. Ä. relevant werden können. Als ausdrückliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit sind Ausländerklauseln keiner Rechtfertigung durch den ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses zugänglich. Erforderlich ist also eine Rechtfertigung aufgrund geschriebener Rechtfertigungsgründe, wie etwa im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit der ordre-public-Vorbehalt des Art. 45 Abs. 3 AEUV. Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit, die es erforderlich machten, die Anzahl der pro Team startberechtigten oder spielenden Sportler zu beschränken, sind jedoch nicht ersichtlich298. Der EuGH hat die von den Sportverbänden im Bosman-Verfahren vorgebrachten Gründe dennoch daraufhin geprüft, ob diese eine Rechtfertigung darstellen könnten, diese jedoch meist schon mangels Geeignetheit, ansonsten wegen fehlender Erforderlichkeit bzw. Notwendigkeit abgelehnt. Im Folgenden soll eine Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten erfolgen. Dass sie nämlich schon ungeeignet sind, die Ausländerklauseln zu rechtfertigen, unterstreicht nur die Tatsache, dass ausdrückliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerade nicht zu rechtfertigen sind299. 298
Auch Hilf/Pache, NJW 1996, S. 1169 (1176), weisen daraufhin, dass es im Sinne des Binnenmarktkonzepts nicht einleuchtet, warum bei Amateurspielen die Staatsangehörigkeit der Spieler offenbar keine Rolle spielt, beim Hinzutreten von bedeutenden Wirtschaftselementen solche Regelungen aber angeblich erforderlich sein sollen. 299 A. A. Battis/Ingold/Kuhnert, EuR 2010, S. 3 (12).
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Angeführt wurden u. a. die Argumente der Nachwuchsförderung, der Stärkung der Nationalmannschaften sowie der nationalen Identität, der Identifikation der Zuschauer sowie der Aufrechterhaltung des sportlichen und/ oder finanziellen Gleichgewichts. a) Nachwuchsförderung Die Förderung des sportlichen Nachwuchses ist zweifellos ein Verbandsinteresse, das auch für die Integrität sportlicher Wettkämpfe als unabdingbar einzustufen ist, jedoch ist die Einführung bzw. Beibehaltung von Ausländerklauseln nicht geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Denn der frühzeitige Kontakt zu ausländischen Spielern kann für die Nachwuchsspieler gerade wichtig sein, um sie rechtzeitig an ein internationales Niveau zu heranzuführen300, so dass ein hohes Niveau in den nationalen Ligen mit vielen ausländischen Teilnehmern der Nachwuchsförderung u. U. sogar eher förderlich sein könnte301. Um den Nachwuchs zu fördern, bräuchte man Klauseln, die nach Alter der Sportler unterscheiden, nicht nach Nationalität. Selbst wenn man die zwingenden Gründe des Allgemeininteresses als Rechtfertigungsgrund auch für diskriminierende Regelungen anerkennen würde, würde also das Argument der Nachwuchsförderung Ausländerklauseln im Mannschaftssport nicht rechtfertigen können. b) Stärkung der Nationalmannschaften Auch das Argument der Stärkung der Nationalmannschaften beruht auf der Annahme, dass die vermehrte Teilnahme von Ausländern am Spielbetrieb zu einem Leistungsabfall inländischer Sportler führen würde. Das kann jedoch keinesfalls so pauschal angenommen werden, da auch hier das Argument gilt, dass stärkere Konkurrenz und die damit einhergehende Wettbewerbsintensität auch leistungsfördernd wirken kann302. Zudem wird ja nicht nur die inländische Liga von ausländischen Spielern „überrannt“, sondern im Gegenzug haben auch inländische (National-)Spieler die Möglichkeit, im Ausland zu trainieren und Wettkämpfe zu absolvieren und so vielleicht in einer spielschwächeren Liga mehr Spielpraxis zu sammeln als „zu Hause auf der Bank“ oder in einer spielstärkeren Liga an neuen sportlichen Herausforderungen zu wachsen. 300
So auch Krogmann, Sport und Europarecht, 2001, S. 20. So sahen das auch schon vor der Bosman-Entscheidung Palme/Hepp-Schwab/ Wilske, JZ 1994, S. 343 (345). 302 So auch Jakob, BB 2008, S. M1. 301
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c) Stärkung der nationalen Identität Für die Repräsentation der nationalen Identität wurde der Nationalmannschaftsvorbehalt geschaffen (s. o.), denn die nationale Identifikation erfolgt in erster Linie über die Nationalmannschaften303, so dass darüber hinaus für den inländischen Ligabetrieb eigentlich kein Bedarf für eine Beschränkung auf inländische Sportler mehr besteht, denn bei Vereinsbegegnungen auf nationaler Ebene fehlt der unmittelbar repräsentative Charakter, der eine Bereichsausnahme legitimieren könnte304. Das gilt sogar für die Veranstaltung von nationalen Meisterschaften (im Mannschaftssport), bei denen es auf den Vereinssitz ankommt und nicht auf die Nationalität der einzelnen Spieler305 (siehe dazu auch die folgenden Ausführungen zur Zuschaueridentifikation). In Individualsportarten würde für solche Fälle der Nationalmannschaftsvorbehalt eingreifen. Auch die „Natur des Wettstreits“306 vermag Ausländerklauseln z. B. in Fußball-Ligabegegnungen nicht zu rechtfertigen, da es zum Beispiel bei Tennis-Doppeln oder in Radrennteams üblich ist, gemischt-nationale Teams aufzustellen. So sah das auch der EuGH in der Bosman-Entscheidung: „[Es] ist festzustellen, dass die Bindung eines Fußballvereins an den Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, nicht als mit der sportlichen Tätigkeit notwendig verbunden angesehen werden kann, ebensowenig wie dies auf die Bindung dieses Vereins an sein Stadtviertel, seine Stadt oder seine Region oder, im Fall des Vereinigten Königreichs, das von jedem der vier Verbände abgedeckte Gebiet zutrifft. Obwohl sich nämlich bei den nationalen Meisterschaften Vereine aus verschiedenen Regionen, Städten oder Stadtvierteln gegenüberstehen, wird das Recht der Vereine, bei diesen Begegnungen Spieler aus anderen Regionen, Städten oder Stadtvierteln aufzustellen, durch keine Regel eingeschränkt.“307
Für Ausländerklauseln besteht zur Stärkung der nationalen Identität somit keine Notwendigkeit.
303
So auch Streinz, ZeuP 2005, S. 340 (361). Conzelmann, Modelle für eine Förderung der inländischen Nachwuchssportler, 2008, S. 130. 305 Vgl. dazu auch Gutmann, SpuRt 1997, S. 38 (39), der den Vergleich zu Landesmeisterschaften zieht, in Rahmen derer auch Teilnehmern, die in einem anderen Bundesland geboren wurden, als demjenigen, in welchen sie mit ihrem Verein zu Meisterschaften antreten, unproblematisch zugelassen werden. 306 So Imping, Die arbeitsrechtliche Stellung des Fußballspielers, 1996, S. 253. 307 EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 131. 304
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d) Zuschaueridentifikation Des Weiteren wurde als Argument für die Zulässigkeit von Ausländerklauseln angeführt, dass sich das Publikum nicht mehr mit einem Verein oder einer Mannschaft identifizieren könne und wolle, der oder die zum größten Teil aus ausländischen Sportlern bestünde. Unabhängig davon, ob dies ein im Rahmen der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses berücksichtigungsfähiger Belang der Grundrechtsberechtigung der Verbände wäre, geht dieses Argument fehl: Ausländerklauseln können nicht auf das Argument der vermeintlichen „Heimatverbundenheit“ der Vereine gestützt werden, denn Profiteams setzen sich heutzutage ohnehin aus Spielern zusammen, denen eine derartige regionale Bindung an die Vereine fehlt. Den meisten Vereinen wäre es nahezu unmöglich, eine konkurrenzfähige Mannschaft zusammenzustellen, wenn sie dabei nur auf Sportler aus ihrem traditionellen Einzugsgebiet, etwa derselben Stadt, zurückgreifen könnten308. Auch unabhängig von der Beschäftigung von Ausländern sind die Mannschaften ja nicht mit Sportlern aus dem Umfeld der jeweiligen Stadt bestückt, so dass etwa Hamburger Vereine nur mit Hamburgern oder auch nur norddeutschen Spielern antreten würden309 und in Münchener Vereinen nur Bayern beschäftigt wären, sondern auch innerstaatlich fehlt es ohnehin an der durch die Ausländerklauseln (angeblich) bezweckten regionalen Repräsentation und Identifikation. Dem Identifikationsbedürfnis des Publikums schadet dies jedoch nicht, denn die Zuschauer bzw. Fans identifizieren sich i. d. R. mit dem Verein, nicht mit den einzelnen Spielern. Um es auf den Punkt zu bringen: „Die Kicker wechseln, das Team bleibt gleich“310. Identifikationsprozesse sind zudem komplexer gestaltet, als dass man sie auf die einfache Unterscheidung von Ausländern und Inländern reduzieren könnte311. Das Problem der (mangelnden) regionalen Identifikation und der Publikumsbindung liegt vielmehr im so genannten „Legionärswesen“, also der Fluktuation in den Spielerkadern, begründet312. Ob es sich bei diesen „Legionären“, die beim erstbesten höher bezahlten Angebot „ihren“ Verein gleich wieder verlassen, da sie sich ohnehin nicht mit dem Verein, sondern 308 Dinkelmeier, Das „Bosman“-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf den Profifußball in Europa, 1999, S. 110. 309 Beispiel von Karpenstein, in: Will, Sportrecht in Europa, 1993, S. 171 (181 ff.). 310 Grüne, 90 Jahre deutscher Ligafußball, 1995, S. 17. 311 Riedl/Cachay, Bosman-Urteil und Nachwuchsförderung, 2002, S. 41. 312 So auch Conzelmann, Modelle für eine Förderung der inländischen Nachwuchssportler, 2008, S. 50 f. Die Untersuchung von Schütz, Ausländische Spieler in der Fußball-Bundesliga, 2007, kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die ausländischen Spieler, freilich mit einigen Abstrichen, die Identifikation der Fans sogar eher positiv beeinflusst haben (S. 188).
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hauptsächlich mit ihrem Gehalt identifiziert haben, um Ausländer oder Inländer handelt, ist von geringer bis gar keiner Bedeutung. Zudem kann wohl davon ausgegangen werden, dass Ausländer in den Spitzenmannschaften genau so viel zur Identifikation des Publikums mit dem Verein oder der Mannschaft beitragen, wie das inländische Sportler tun, oft wird das Bild einer Mannschaft sogar entscheidend von ihren ausländischen Stars geprägt313, und nicht selten werden diese zu Publikumslieblingen. Der zuverlässigste Indikator dafür, wie viele Ausländer der Identifikation des Publikums mit einer Mannschaft abträglich wären, ist daher wohl nur das Maß des Zuschauerinteresses selbst, ohne dass es insofern auf eine satzungsmäßig vorgeschriebene Mindest- oder Höchstzahl ankommt314. Sollte sich herausstellen, dass eine Mindestanzahl einheimischer Sportler in der Mannschaftsaufstellung für die Akzeptanz eines Vereines beim Publikum überlebenswichtig ist, wird sich eine solche (faktische) Ausländerbeschränkung wohl durch das freie Spiel der Märkte ergeben. Satzungsmäßige Ausländerklauseln sind dafür nicht erforderlich315. e) Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts Auch das Argument, die Ausländerklauseln würden der Aufrechterhaltung eines sportlichen Gleichgewichts zwischen den Vereinen dienen, vermag nicht zu überzeugen. Ein sportliches oder finanzielles Ungleichgewicht zwischen Vereinen kann sich ebenso aufgrund der Verpflichtung der besten inländischen Spieler wie aufgrund der Verpflichtung der besten ausländischen Spieler ergeben: „Hinsichtlich der Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts [ist] zu bemerken, dass Ausländerklauseln, die die reichsten Vereine daran hindern würden, die besten ausländischen Spieler zu verpflichten, zur Erreichung dieses Zweckes nicht geeignet sind, da die Möglichkeit für diese Vereine, die besten einheimischen Spieler einzustellen, die dieses Gleichgewicht ebenso beeinträchtigt, durch keine Regel eingeschränkt wird.“316
Ausländerklauseln sind für die Aufrechterhaltung eines sportlichen Gleichgewichts also weder erforderlich noch überhaupt geeignet.
313 314 315 316
So auch Krogmann, Sport und Europarecht, 2001, S. 18. Krogmann, Sport und Europarecht, 2001, S. 19. So auch Heidersdorf, Ausländerklauseln im Profisport, 1998, S. 66. EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 135.
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f) Ergebnis Direkt auf Grund der Staatsangehörigkeit diskriminierende Ausländerklauseln sind nicht zu rechtfertigen. Aber selbst wenn eine Anwendung des Rechtfertigungsgrundes der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses grundsätzlich dogmatisch zulässig wäre317, wäre also auch dann eine Rechtfertigung von Ausländerklauseln nicht möglich. 2. Einsatzbeschränkungen bei Wechsel der Staatsbürgerschaft Die vereinfachte Einbürgerung von ausländischen Spitzensportlern diente nicht nur der Umgehung von Ausländerklauseln durch diese, sondern ist auch im jeweiligen Einbürgerungsland ein beliebtes Mittel zur Steigerung des sportlichen Prestiges318. Dass die Sportverbände versuchen, diesen Praktiken einen Riegel vorzuschieben, stößt also zunächst auf Verständnis. Bei dem Verbot oder der Beschränkung von Wechseln der „sportlichen Staatsangehörigkeit“ handelt es sich um unterschiedslose, also unabhängig von der jeweiligen Staatsangehörigkeit für alle Sportler, die eine neue sportliche Staatsangehörigkeit erwerben bzw. eine alte ablegen wollen, gleichermaßen geltende Regelungen. Es stellt sich also die Frage, worin das für die Integrität sportlichen Wettbewerbs unabdingbare Verbandsinteresse, welches als Teil der grundrechtlich garantierten Verbandsautonomie einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellt, bestehen kann. In Betracht kommt hier die „Schutzbedürftigkeit des internationalen Sports“ gegen den Handel mit sportlichem Talent und die Unterbindung von so genannten „flags of convenience“. Dabei handelt es sich um anerkennenswerte Gründe, die gerade im Rahmen der Wettkämpfe zwischen Nationalmannschaften unabdingbar sind, um den repräsentativen Charakter und die Integrität solcher Wettkämpfe zu garantieren. Die Beschränkung der zulässigen Anzahl von Wechseln der Nationalmannschaften und damit verbunden der „sportlichen Staatsangehörigkeit“ ist auch geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Im Rahmen der Beschränkung auf das erforderliche Maß ist zu berücksichtigen, dass den Sportlern in einem gewissen Umfang jedenfalls die Möglichkeit gegeben werden muss, ihr Talent und ihr wirtschaftliches Potential voll auszuschöpfen319. Beschränkungen dergestalt, dass ein einmali317
Dafür plädieren – entgegen der h. M. – etwa Battis/Ingold/Kuhnert, EuR 2010, S. 3 (12). Dagegen statt vieler Wernsmann, in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 30, Rn. 113. 318 Ausführlich zu dieser Thematik (sowie zum Problem der doppelten Staatsbürgerschaft) van den Bogaert, Practical Regulation of the Mobility of Sportsmen, 2005, S. 348 ff.
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ger Wechsel der Staatsangehörigkeit, unerheblich ob aus sportlichen oder persönlichen Gründen, automatisch dazu führt, nie wieder für (irgend)eine Nationalmannschaft selektionierbar zu sein, wären daher wohl in jedem Fall unangemessen320. Die Unterscheidung zwischen rechtlicher und sportlicher Staatsangehörigkeit, verbunden mit der Erlaubnis des einmaligen Wechsels bis zu einem bestimmten Alter oder mit gewissen Wartezeiten, führt hingegen zu einem verhältnismäßigen Interessenausgleich zwischen den grundfreiheitsberechtigten Sportlern und den berechtigten Belangen der Verbandsautonomie. 3. Heimkontingente Heimkontingente finden in der Literatur viele Befürworter321, meist aus Gründen der Nachwuchsförderung. Dem Ziel der verbesserten Nachwuchsund Ausbildungsförderung wird eine solche Regelung zwar deutlich besser gerecht als die das gleiche Ziel verfolgenden, aber dazu ungeeigneten Ausländerklauseln, da die Heimkontingente meist auch eine Altersbegrenzung enthalten. Letztendlich gelten für oder gegen die Zulässigkeit reiner Heimkontingente aber meist die gleichen Argumente wie im Rahmen der Ausländerklauseln, da sie letztendlich spiegelbildlich zu derselben Diskriminierung ausländischer Sportler führen322. Für die Zulässigkeit bestimmter Arten von Mindestkontingenten kommt es daher auf deren konkrete Ausgestaltung an. a) „6+5-Regel“ der FIFA Bei der „6+5-Regel“ der FIFA handelt es sich um eine offen aufgrund der Staatsangehörigkeit diskriminierende Regelung323, die aufgrund ihrer 319 Vgl. auch McCutcheon, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 127 (136 ff.). 320 Der EuGH prüft die Angemessenheit einer Maßnahme in der Regel nicht explizit, Angemessenheitsgesichtspunkte spielen aber in der Erforderlichkeitsprüfung Berücksichtigung. Vgl. dazu Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 833; Ehlers, in: Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 3. Aufl. 2009, § 7, Rn. 110 m. w. N. 321 Z. B. Kirschenhofer, Sport als Beruf, 2002, S. 189; Conzelmann, Modelle für eine Förderung inländischer Nachwuchssportler, 2008, S. 62 und passim. Resch, in: Grundei/Karollus, Berufssportrecht I, 2008, S. 137 (151), spricht von einem Grenzbereich, den es auszuloten lohnt. 322 Siehe dazu auch Krogmann, Grundrechte im Sport, 1998, S. 224. 323 A. A. Battis/Ingold/Kuhnert, EuR 2010, S. 3 (3, 9), die darauf abstellen, dass die 6+5-Regelung nicht ausdrücklich auf die Staatsangehörigkeit abstellt, sondern auf die Spielberechtigung in der jeweiligen Nationalmannschaft. Dieser Ansicht kann jedoch nicht gefolgt werden, da trotz des Auseinanderfallens von rechtlicher
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ausdrücklichen Diskriminierung keiner Rechtfertigung durch die ungeschriebenen zwingenden Gründe des Allgemeininteresses zugänglich ist. Sie stellt somit einen Verstoß gegen Art. 45 AEUV dar324 und darf im Anwendungsbereich der EU-Verträge auf Staatsangehörige der Mitgliedstaaten und diesen gleichgestellte Personen nur mit der Maßgabe angewendet werden, dass diese alle als Inländer anzusehen sind. Damit ist das gewünschte Ziel aber ad absurdum geführt. b) „Homegrown Players Rule“ der UEFA Die „Homegrown Players Rule“ unterscheidet sich von den „normalen“ Heimkontingenten dergestalt, dass das Heimkontingent hier nicht aus Inländern, sondern aus „lokal ausgebildeten Spielern“ besteht. Hierin ist eine faktische Benachteiligung von (typischerweise) Ausländern i. S. d. Art. 45 AEUV zu sehen325, da der Ausbildungsort funktionell vergleichbar zu einem Wohnsitzerfordernis ist, welches typischerweise nationale Staatsangehörige bevorzugt bzw. ausländische Staatsangehörige benachteiligt. Falls es sich nicht gerade um eine Grenzregion handelt, wird die „lokale Ausbildung“ typischerweise leichter von Inländern nachzuweisen sein, als von ausländischen Nachwuchstalenten. Auf der anderen Seite ist es gerade im Sport sehr weit verbreitet, dass junge Talente aus wirtschaftlich schwachen Ländern schon ihre sportliche Ausbildung in dem Staat absolvieren, in dem sie dann auch professionell tätig zu werden beabsichtigen. Auch in den europäischen Ligen ist ein reger Austausch von Nachwuchstalenten an der Tagesordnung326. Das spricht daund „sportlicher Staatsbürgerschaft“ [siehe dazu 3. Teil B. II. 3. a)] eine Spielberechtigung in der Nationalmannschaft nur für (auch rechtliche) Staatsangehörige des jeweiligen Staates besteht. Indem die 6+5-Regel also allein auf die sportliche Staatsangehörigkeit abstellt, schränkt sie den Kreis der sog. „Inländer“ nur noch weiter ein, als dies bei der Anknüpfung an die bloße rechtliche Staatsangehörigkeit der Fall wäre. Eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit liegt also in jedem Fall vor. 324 So auch Streinz, SpuRt 2008, S. 224 ff. 325 So Vetter/Brägelmann, in: Sander/Vetter, Regelungswut in der EU, 2007, S. 157 (182). 326 Ob diese Praxis aus menschlich-pädagogischer Sicht begrüßenswert ist, ist eine andere Frage. Die FIFA begegnet entsprechenden Gefahren durch die Aufnahme des Minderjährigenschutzes in Art. 19 des Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (2007), wonach Spieler unter 18 Jahren nur unter sehr engen Voraussetzungen, wie etwa Wohnsitz im Grenzgebiet, Umzug aus familiären Gründen o. Ä., international transferiert werden dürfen. Im Bereich der Europäischen Union gelten etwas erleichterte Voraussetzungen. Für einen wirksamen Minderjährigenschutz ist es erforderlich, dass die Einhaltung dieser Vorschriften streng kontrolliert wird.
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für, nur eine faktische Diskriminierung aufgrund unterschiedslos geltender rechtlicher Kriterien anzunehmen, da die lokale Ausbildung eben auch kein so unumstößliches Kriterium wie die Staatsbürgerschaft darstellt, sondern es in der Macht des betroffenen Sportlers liegt, diese Voraussetzung zu erfüllen. Eine Rechtfertigung aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses ist damit also grundsätzlich möglich327. Als für die Sportorganisation immanent wichtiges, unabdingbares Verbandsinteresse könnte hier die Nachwuchsförderung und die Erhaltung der Ausbildungsstrukturen der Profiklubs328 anzusehen sein. Dass diese einen Rechtfertigungsgrund für sportliche Regelungen darstellen kann, wurde vom EuGH schon in der Bosman-Entscheidung ausdrücklich festgehalten. Es kommt also darauf an, ob es sich dabei auch um eine geeignete Regelung handelt, die nicht über das für die Nachwuchsförderung erforderliche Maß hinaus geht. Die „Homegrown Players Rule“ sieht vor, dass das Mindestkontingent an lokal ausgebildeten Spielern eine gewisse Zeit in Jugendmannschaften desselben Verbandes gespielt haben muss. Auf den ersten Blick hat die geforderte lokale Ausbildung wenig mit dem Ziel der Nachwuchsförderung zu tun, es scheint, als würde ein Mindestkontingent an Spielern unter einem gewissen Alter – unabhängig von deren Staatsbürgerschaft – diesem Ziel besser gerecht werden. Auf der anderen Seite muss jedoch beachtet werden, dass von dem Erfordernis, eine Mindestanzahl selbst ausgebildeter Spieler aufzustellen, auch eine nicht zu unterschätzende Anreizwirkung für die Vereine ausgeht, solche jungen Talente eben auch selbst auszubilden, damit eine Erfüllung des Kontingents durch ausreichend zur Verfügung stehende junge Nachwuchsspieler gewährleistet ist. Ziel der „Homegrown Players Rule“ ist also nur zweitrangig die Nachwuchsförderung in Form von Spielpraxis durch Mindestkontingente von aufzustellenden jungen Spieler, für welche das Erfordernis der lokalen Ausbildung keine geeignete Maßnahme darstellt. Sondern erstrangig geht es darum, einen Anreiz für die Ausbildung von jungen Talenten zu schaffen. Dabei handelt es sich also um eine für die Nachwuchsförderung nicht nur 327
Dafür auch Parrish/Miettinen, The Sporting Exception in European Union Law, 2008, S. 198. 328 Vgl. Figel, IP/08/807, Brüssel, vom 28. Mai 2008; sowie die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegebene Studie zur Homegrown Players Rule in: Ineum Consulting and Taj (Société d’Avocats), Study on the training of young sportsmen and sportswomen in Europe, Complementary study Report, part II, 2008, abrufbar unter http://ec.europa.eu/sport/pdf/doc276_en.pdf (letzter Abruf: 23. Januar 2011).
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trotz, sondern gerade wegen des lokalen Anknüpfungspunktes geeignete Regelung, die auch nicht über das erforderliche Maß hinausgeht. Die „Homegrown Players Rule“ der UEFA kann also trotz ihrer faktisch diskriminierenden Wirkung durch sportimmanente zwingende Interessen der Verbandsautonomie gerechtfertigt werden und stellt somit keinen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit dar329. c) „Österreicher-Topf“ des ÖFB Das Modell des Österreicher-Topfes330 stellt formell zwar keine Beschränkung auf, zielt aber durch finanzielle Anreize im Ergebnis genau darauf ab, die Anzahl zu verpflichtender ausländischer Spieler zu verringern. Als Rechtfertigungsgrund wird zwar auch hier die Nachwuchsförderung vorgeschoben, diese erfordert jedoch nicht, dass nur die Verpflichtung junger österreichischer Talente gefördert wird. Eine für die Nachwuchsförderung besser geeignete Maßnahme wäre es, insgesamt die Ausbildung junger Talente bis zu einem gewissen Alter, unabhängig von deren Staatsangehörigkeit, zu bezuschussen. Dass diese, je jünger sie sind, typischerweise Inländer sein werden, führt dann nämlich nur zu einer versteckten faktischen Diskriminierung, die wie die „Homegrown Players Rule“ aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann. Eine Förderung ausschließlich österreichischer, also inländischer, Nachwuchsspieler stellt jedoch eine Schlechterstellung potentiell an einer Ausbildung im ÖFB interessierter ausländischer Nachwuchsspieler dar. Somit handelt es sich beim „Österreicher-Topf“ um eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit. 4. Transferentschädigungen Für die Rechtfertigung der Transferentschädigungen wurden im BosmanVerfahren zahlreiche Argumente vorgebracht, vor allem die Aufrechterhaltung des finanziellen und sportlichen Gleichgewichts331. Außerdem wurden die Überlebensfähigkeit der Ligen, die Unzulässigkeit von Enteignungen, die Nachwuchsförderung und der Ersatz von Ausbildungskosten sowie die Aufrechterhaltung der weltweiten Ordnung des Fußballsports angeführt332. 329
Auch Streinz, SpuRt 2008, S. 224 ff., sieht diese Regel als zu rechtfertigen an. Zum Begriff siehe oben, 3. Teil B. II. 3. c). 331 Für ökonomische Analysen der Auswirkungen des Wegfalles von Transferentschädigungen vgl. Antonioni/Cubbin, EJLE 2000, S. 157 ff., die kaum eine nennenswerte Veränderung feststellen; sowie Ericson, JSE 2000, S. 203 ff., der von einem Absinken der Qualität der Ligen ausgeht. 330
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Da es sich bei den Transferentschädigungsregelungen um lediglich beschränkende Maßnahmen handelte, sind diese einer Rechtfertigung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses ohne Weiteres zugänglich. Wirtschaftliche Interessen wie die Aufrechterhaltung des finanziellen Gleichgewichts oder die „Enteignung“333 durch das entgeltlose Ziehenlassen von Sportlern am Ende ihres Vertrages können dafür jedoch nicht angeführt werden. Auch die Aufrechterhaltung der weltweiten Ordnung des Fußballsports, soweit sie überhaupt gefährdet sein sollte, ist für das Unionsrecht aufgrund seines territorial begrenzten Anwendungsbereiches nicht relevant. Als für die Integrität sportlicher Wettkämpfe unabdingbare Verbandsinteressen können daher lediglich die Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts und damit verbunden die Überlebensfähigkeit der Liga angesehen werden, ebenso wie die Nachwuchsförderung und damit verbunden der Ersatz von Ausbildungskosten. Das räumt auch der EuGH ein: „Angesichts der beträchtlichen sozialen Bedeutung, die der sportlichen Tätigkeit und insbesondere dem Fußball in der Gemeinschaft zukommt, ist anzuerkennen, dass die Zwecke berechtigt sind, die darin bestehen, die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts zwischen den Vereinen unter Wahrung einer bestimmten Chancengleichheit und der Ungewissheit der Ergebnisse zu gewährleisten sowie die Einstellung und Ausbildung der jungen Spieler zu fördern.“334
Dies gilt jedoch nur, soweit die Transferentschädigungszahlungen zum Erreichen dieser Ziele geeignet sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. a) Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts Zur Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts zwischen den Vereinen sind Transferentschädigungen noch nicht einmal geeignet. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Verpflichtung zur Zahlung von Ablösesummen für den Transfer eines Sportlers zu einem sportlichen Gleichgewicht zwischen den Vereinen oder gar zur Überlebensfähigkeit der Liga beitragen sollte, denn 332 Vgl. EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 68 ff. Vgl. dazu auch Nolte, in: Nolte/Horst, Handbuch Sportrecht, 2009, S. 38; Nolte, Sport und Recht, 2004, S. 45 f. 333 Der Begriff ist schon an sich problematisch, da er impliziert, dass die Fußballspieler wie Waren betrachtet und als Eigentum ihres jeweiligen Vereines angesehen werden. Davon zeugt auch die umgangssprachliche Bezeichnung als „Spieler(ver)kauf“ bei einem Transfer gegen Entschädigung, die sprachlich doch sehr an Menschenhandel erinnert. 334 EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 106.
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„[d]iese Regeln verhindern weder, dass sich die reichsten Vereine die Dienste der besten Spieler sichern, noch, dass die verfügbaren finanziellen Mittel ein entscheidender Faktor beim sportlichen Wettkampf sind und dass das Gleichgewicht zwischen den Vereinen dadurch erheblich gestört wird.“335
Gerade hohe Transferentschädigungen auch nach Vertragsende machen es finanzschwächeren Vereinen schwer, talentierte oder starke Spieler zu verpflichten, die sie sich in der Regel nicht „leisten“ können. Die Transferentschädigungen führen damit gerade zu einem sportlichen und finanziellen Ungleichgewicht zwischen den Vereinen, da sich die reichsten Vereine die besten Spieler leisten können, durch die ihre Einnahmen weiter ansteigen, während die Spirale für ärmere Vereine sich in die entgegengesetzte Richtung dreht. Eine solche Entwicklung kann auch nicht zur Überlebensfähigkeit der Liga beitragen, sondern führt im Gegenteil zu einer Zwei- (oder Mehr-)Klassengesellschaft im Fußball oder anderen Mannschaftsligen. b) Nachwuchsförderung und Ausbildungsentschädigung Vielfach wurde argumentiert, die Transferentschädigungszahlungen stellten einen Anreiz zur Nachwuchsförderung und zur Ausbildung junger Spieler dar, da die Aussicht auf möglicherweise hohe Transferentschädigungen finanzschwache Vereine dazu animieren könnte, junge Talente auszubilden und zu fördern, um sie dann „gewinnbringend zu verkaufen“. Schon in der Bosman-Entscheidung räumte der EuGH ein, „dass die Aussicht auf Erlangung von Transfer-, Förderungs- oder Ausbildungsentschädigungen tatsächlich geeignet ist, die Fußballvereine zu ermutigen, nach Talenten zu suchen und für die Ausbildung der jungen Spieler zu sorgen.“336
Mit dieser Frage hatte er sich kürzlich knapp 15 Jahre nach der bahnbrechenden Bosman-Entscheidung am 16. März 2010 im Fall Olympique Lyonnais ./. Olivier Bernard & Newcastle United337 erneut zu beschäftigen338. Zum Sachverhalt: Der Fall Olympique Lyonnais ./. Olivier Bernard & Newcastle United (2010) Der junge französische Fußballspieler Olivier Bernard wurde in den Jahren 1997 bis 2000 als so genannter „joeur espoir“ (vielversprechender Spieler im Alter von 335
EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 107. EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 108. 337 EuGH, Rs. C-325/08 – Olympique Lyonnais ./. Olivier Bernard & Newcastle United, NJW 2010, S. 1733 ff. 338 Vgl. dazu auch Art. 20 des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern (Stand Dezember 2007; http://de.fifa.com/mm/document/affederation/ administration/01/06/30/78/statusinhalt_de_122007.pdf, letzter Abruf 23. Januar 2011). 336
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16 bis 22 Jahren) von seinem Verein Olympique Lyonnais ausgebildet. Ein im Anschluss an die fußballerische Ausbildung erfolgtes Angebot, mit Olympique Lyonnais einen einjährigen Vertrag als Berufsspieler ab Juli 2000 abzuschließen, lehnte er jedoch ab und wurde stattdessen ab August 2000 Profispieler beim englischen Klub Newcastle United. Nach dem für die „Espoir“-Spieler geltenden Tarifvertrag sowie nach französischem Arbeitsrecht machte sich Herr Bernard gegenüber Olympique Lyonnais schadensersatzpflichtig, indem er seinen ersten Profivertrag nicht mit seinem Ausbildungsverein abschloss und somit eine vorzeitige Vertragsbeendigung herbeiführte. Olympique Lyonnais verklagte daraufhin Newcastle United in Frankreich auf die Zahlung des Jahresgehalts, das Herr Bernard erhalten hätte, wenn er den angebotenen Berufsspielervertrag mit Olympique Lyonnais abgeschlossen hätte. Im Laufe des gerichtlichen Verfahrens legte die französische Cour de cassation dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die französische Schadensersatzregelung gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoße, oder ob sie mit der Notwendigkeit der Förderung von Anwerbung und Ausbildung von Nachwuchsspielern gerechtfertigt werden könne.
Auf den ersten Blick scheint der Sachverhalt mit dem Fall Bosman identisch zu sein. Entscheidend ist jedoch der Unterschied, dass Olympique Lyonnais von Newcastle United keine Zahlung für den Transfer als solchen verlangt, sondern dass es sich um Herrn Bernards ersten Profivertrag nach Abschluss der 3-jährigen Ausbildung bei Olympique Lyonnais handelt. Für diese Ausbildung verlangt Olympique Lyonnais nun eine Entschädigung von Herrn Bernard bzw. seinem neuen Verein, damit diesem die von Olympique Lyonnais geleistete Ausbildungsarbeit nicht ohne Gegenleistung zugute kommt. Auch eine solche Verpflichtung zur Zahlung von Ausbildungsentschädigung stellt selbstverständlich eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit dar, da sie dazu geeignet ist, einen jungen Spieler daran zu hindern oder davon abzuhalten, am Ende seiner Ausbildung einen Profivertrag mit einem Verein in einem anderen Mitgliedstaat abzuschließen, und damit die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit weniger attraktiv macht339. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Verpflichtung zur Schadensersatzleistung durch den Zweck, die Anwerbung und Ausbildung junger Berufsfußballspieler zu fördern, gerechtfertigt werden kann, da sie allein das Ziel verfolge, es dem ausbildenden Verein zu ermöglichen, die von ihm übernommenen Ausbildungskosten wieder hereinzuholen. Nachwuchsförderung und die Entschädigung für geleisteten Ausbildungsaufwand sind legitime Verbandsinteressen, die als notwendiger Kern der Verbandsautonomie der Verwirklichung dieses Grundrechts dienen und somit einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen340. Ge339 Vgl. EuGH, Rs. C-325/08 – Olympique Lyonnais ./. Olivier Bernard & Newcastle United, NJW 2010, S. 1733 ff., Rn. 36 f.
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rechtfertigt ist eine daraus folgende Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit jedoch nur, wenn die geltend gemachten Ausbildungsentschädigungen für das Ziel der Nachwuchs- und Ausbildungsförderung geeignet und erforderlich, und somit verhältnismäßig sind. Der EuGH äußert dazu: „In diesem Zusammenhang ist anzuerkennen, dass, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, die Aussicht auf die Erlangung von Ausbildungsentschädigungen geeignet ist, die Fußballvereine zu ermutigen, nach Talenten zu suchen und für die Ausbildung junger Spieler zu sorgen. . . . Vor diesem Hintergrund könnten ausbildende Vereine davon abgehalten werden, in die Ausbildung junger Spieler zu investieren, wenn sie keinen Ersatz der dafür aufgewendeten Beträge erhalten könnten, falls ein Spieler nach Abschluss seiner Ausbildung einen Vertrag als Berufsspieler mit einem anderen Verein abschließt. Dies ist insbesondere bei kleinen ausbildenden Vereinen der Fall, deren Investitionen in die Anwerbung und Ausbildung von Nachwuchsspielern auf lokaler Ebene von erheblicher Bedeutung für die Erfüllung der sozialen und erzieherischen Funktion des Sports sind.“341
Trotz grundsätzlicher Eignung von Ausbildungsentschädigungen, Vereine zur Nachwuchsarbeit zu motivieren, sind solche jedoch nur dann rechtfertigend in Bezug auf die Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, wenn sie auch im konkreten Fall erforderlich und verhältnismäßig sind. Dies ist insbesondere dann nicht der Fall, wenn die Höhe der (geforderten) Entschädigung von den tatsächlichen Ausbildungskosten unabhängig bestimmt wird: „Unter diesen Umständen ging die Aussicht auf den Erhalt eines solchen Schadensersatzes über das hinaus, was zur Förderung der Anwerbung und Ausbildung von Nachwuchsspielern und zur Finanzierung dieser Tätigkeiten erforderlich war.“342
Transferentschädigungen erfüllen die Funktion des Ersatzes von Ausbildungskosten nur dann, wenn sie sich an den tatsächlich angefallenen Ausbildungskosten orientieren343, und nicht am „Marktwert“ des „fertigen“ Spielers. Bei den in der Bosman-Entscheidung angegriffenen Transferentschädigungen kam es gar nicht darauf an, wie viel Mühe und Kosten ein junges Talent in seiner sportlichen Entwicklung beansprucht hat, sondern einzig und allein darauf, als wie leistungsfähig er zum „Verkaufszeitpunkt“ eingeschätzt wird. Anderenfalls müsste man sich angesichts der Höhe man340
Vgl. EuGH, Rs. C-415/93 – Bosman, Slg. 1995, S. I-4921 ff., Rn. 106; sowie EuGH, Rs. C-325/08 – Olympique Lyonnais ./. Olivier Bernard & Newcastle United, NJW 2010, S. 1733 ff., Rn. 39, wonach „der Zweck, die Anwerbung und die Ausbildung junger Spieler zu fördern, als legitim anzuerkennen ist.“ 341 EuGH, Rs. C-325/08 – Olympique Lyonnais ./. Olivier Bernard & Newcastle United, NJW 2010, S. 1733 ff., Rn. 41, 44. 342 EuGH, Rs. C-325/08 – Olympique Lyonnais ./. Olivier Bernard & Newcastle United, NJW 2010, S. 1733 ff., Rn. 48. 343 Das befürworten auch Nolte/Schriewer, Causa Sport 2009, S. 209 (212).
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cher Transferentschädigungen wohl fragen, wie hoffnungslos untalentiert Spieler gewesen sein müssen, die offenbar Ausbildungskosten in mehrfacher Millionenhöhe verursacht haben. In diesem Falle sind es nämlich nicht die Ausbildungskosten, die erstattet werden sollen, sondern der kommerzialisierte Prestigegewinn (bzw. -verlust). Transferentschädigungen können also nur dann einen Anreiz zur Nachwuchsförderung liefern, wenn sie nicht für jeden Profitransfer gelten, sondern nur für den ersten Wechsel von der Ausbildung in einem Profivertrag, sowie wenn sie von der tatsächlichen Höhe der Ausbildungskosten344 abhängig gemacht werden. Ansonsten gehen sie über das für die Nachwuchsförderung erforderliche Maß hinaus. 5. „Herauskaufen“ aus laufenden Verträgen Das „Herauskaufen“, also der Ausstieg von Spielern aus laufenden Verträgen mit ihren Vereinen, wird vorliegend schon nicht als Beeinträchtigung einer Grundfreiheit angesehen345, wäre aber in diesem Fall jedenfalls durch die Vertragsfreiheit als zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt. Inwiefern Ablösesummen in solch exorbitanter Höhe, wie gegenwärtig vor allem im Fußball praktiziert, erforderlich sind, um die Vertragsfreiheit zu gewährleisten, ist eher eine Frage des Wettbewerbsrechts. In diesem Zusammenhang könnte z. B. über die Einführung von so genannten „Salary Caps“ (Gehaltsobergrenzen wie im amerikanischen Recht) und deren Anwendung auch schon auf den Vereinswechsel (i. S. v. „Transfer Fee Caps“) nachgedacht werden. Eine andere, damit zusammenhängende Frage ist jedoch, ob die langfristige Bindung eines Spielers an einen Verein, die dazu führt, dass Arbeitsverträge meist nur gegen Entschädigung aufgelöst werden können, da nie eine volle Laufzeit beabsichtigt war, als Beschränkung der Arbeitnehmer344 Die Generalanwältin Sharpston befürwortete in ihren Schlussanträgen, die zu zahlende Entschädigung nicht nach den Ausbildungskosten des einzelnen Spielers, sondern anteilig anhand der vom Verein insgesamt aufgewandten Ausbildungskosten zu bemessen, damit das Ausbildungsrisiko nicht allein vom ausbildenden Verein getragen werde. Als Ausgangspunkt könnte etwa Anhang 4 zum FIFA-Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern (Stand Dezember 2007, abrufbar unter http://de.fifa.com/mm/document/affederation/administration/01/06/30/78/statusinhalt_ de_122007.pdf; letzter Abruf 23. Januar 2011) dienen. Kritisch dazu Dahm, EuZW 2010, S. 345 f. Weitergehende Vorschläge zur Veränderung der bestehenden Transferregeln liefert Kolz, Causa Sport 2010, S. 111 (114 ff.). 345 Siehe oben, 3. Teil B. II. 5.
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freizügigkeit angesehen werden kann346. Die FIFA reagierte auf ein entsprechendes Urteil347 des TAS/CAS mit der Einfügung des Art. 17 des FIFA-Reglements bezüglich Status und Transfer von Spielern, welcher eine einseitige Kündigung nach zwei- bis dreijähriger Schutzzeit auch ohne sportliche Sanktionen vorsieht348. Wie eine weitere Entscheidung349 des TAS/CAS zeigt, wirft aber auch diese Regelung weiterhin Probleme auf350. Beim EuGH ist zur Zeit ein solcher Fall anhängig. Hierbei handelt es sich sicherlich um ein Rechtsproblem der Zukunft351, und die Entscheidung darf mit Spannung abgewartet werden. 6. Transferfristen In der Entscheidung im Fall Lehtonen sah der EuGH die Transferfristen als objektiv gerechtfertigt an, da sie der Sicherstellung des geordneten Ablaufs sportlicher Wettkämpfe dienten352. Dabei handelt es sich auch um ein im Rahmen der Verbandsautonomie anerkennenswertes Verbandsinteresse, denn der ordnungsgemäße Ablauf sportlicher Wettkämpfe ist nur dann gewährleistet, wenn für den größten Teil der Saison ein einheitlicher Mannschaftskader feststeht und es nicht ständig zwischen verschiedenen Spielen zu Mannschaftswechseln kommt, die dazu führen könnten, dass ein und derselbe Spieler innerhalb derselben nationalen Meisterschaft für verschiedene der Liga angehörige Mannschaften spielt, mal auf der einen, mal auf der anderen Seite. Die Verhinderung solch chaotischer Zustände ist für die Integrität und Organisation sportlicher Wettkämpfe unabdingbar und daher dem Grundrecht der Verbandsautonomie immanent. Die Regelung fester Transferzeiträume ist zur Erreichung dieses Zieles auch geeignet und erforderlich. Diese Argumentation lässt sich auch auf ähnlich gelagerte Fälle in anderen Sportarten übertragen.
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Hausch, Langfristige Arbeitsverträge bei Lizenzfußballspielern, 2002, S. 112. TAS/CAS 2007/A/1298, 2007/A/1299, 2007/A/1300 vom 30. Januar 2008, Webster ./. Midlothian, abrufbar unter http://jurisprudence.tas-cas.org/sites/Case Law/Shared%20Documents/Forms/All%20Decisions.aspx (letzter Abruf 23. Januar 2011). 348 Dazu Binder/Quirling, SpuRt 2005, S. 184 ff.; Bohn, SpuRt 2009, S. 107 ff. (111). 349 TAS/CAS 2008/A1519, 2008/A/1520 vom 19. Mai 2009 – Matuzalem ./. Shakhtar Donetsk, abrufbar unter www.tas-cas.org/recent-decision (letzter Abruf 23. Januar 2011). 350 Vgl. dazu Becker, F.A.Z. vom 22. Juni 2009, S. 20. 351 So schon Wertenbruch, EuZW 1996, S. 91 (92). 352 EuGH, Rs. C-176/96 – Lehtonen, Slg. 2000, S. I-2681 ff., Rn. 53 ff. 347
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7. Nichtanerkennung von Diplomen Die Nichtanerkennung von ausländischen Diplomen und Lizenzen könnte möglicherweise damit gerechtfertigt werden, dass durch einheitliche Standards ein einheitliches Leistungs- und Schutzniveau gewährleistet werden soll. Eine pauschale Nichtanerkennung ausländischer Nachweise ist dazu jedoch nicht erforderlich, vielmehr ließe sich dieses Ziel besser durch eine Rechtsharmonisierung auf Unionsebene (z. B. nach Art. 53 Abs. 1 AEUV), und in Ermangelung derselben durch eine Gleichwertigkeitsprüfung im Einzelfall, erreichen353. Eine pauschale Nichtanerkennung ist für ein einheitliches Schutzniveau zumindest nicht erforderlich. 8. Anforderungen an Spielervermittler und andere Für die Rechtfertigung von Lizenzierungserfordernissen für Spielervermittler und andere gilt das zur Nichtanerkennung von Diplomen Gesagte entsprechend. Ein einheitliches Leistungs- und Schutzniveau ist durchaus als legitimes Allgemeininteresse anzuerkennen, die Voraussetzungen dürfen jedoch nicht über das dazu Erforderliche hinausgehen. Insbesondere darf nicht nach Nationalität unterschieden werden, sondern Ziel muss ein einheitlicher Mindeststandard sein. Das von der FIFA 1995 erlassene Spielervermittlerreglement wurde im Jahr 2000 im Anschluss an die Entscheidung im Fall Piau ./. Kommission überarbeitet und soll einer Professionalisierung der Spielervermittler dienen und deren Berufsethik verbessern, um nicht auch zuletzt die Spieler in ihrer oft kurzen Karriere zu schützen354. Die Verwirklichung dieser Ziele ist ein anerkennenswerter Rechtfertigungsgrund für die etwaige Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit oder Dienstleistungsfreiheit solcher potentieller Spielervermittler, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Die Anforderungen, die an Spielervermittler gestellt werden, müssen aber im Einzelfall im Hinblick auf die damit verfolgten Ziele auch verhältnismäßig sein. Gerechtfertigt werden können also nur solche Lizenzierungsvorschriften, die auch tatsächlich der Aufrechterhaltung eines einheitlichen Leistungs- und Schutzniveaus dienen und zur Professionalisierung sowie zur Verbesserung der Berufsethik geeignet und erforderlich sind.
353 354
So auch EuGH, Rs. 222/86 – Heylens, Slg. 1987, S. 4097 ff., Rn. 13. Dazu Brüschweiler, Causa Sport 2008, S. 32 (32 f.).
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
205
9. Nominierungskriterien und -entscheidungen für die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen Nominierungskriterien, die bestimmen, wer an Meisterschaften und anderen hochrangigen Wettkämpfen teilnehmen darf, sind unabdingbar für den geordneten Ablauf sportlicher Wettkämpfe, da anderenfalls bei einer grundsätzlichen Startberechtigung von jedermann, vom Hochleistungssportler bis zum Breitensportler, an jedem Wettkampf ein organisatorisches Chaos drohen würde, welches die Organisation von Wettkämpfen teilweise sogar ganz unmöglich machen könnte. Für die Organisation und Integrität der Durchführung sportlicher Wettkämpfe sind Nominierungs- und Qualifikationskriterien im Interesse eines geordneten Wettkampfablaufes also erforderlich. Sie dürfen aber nicht auf Willkür beruhen, sondern müssen sachliche Kriterien aufweisen. Das wurde auch vom EuGH im Fall Deliège so anerkannt: „Auswahlregeln wie die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden beschränken zwangsläufig die Zahl der Teilnehmer an einem Wettkampf. Eine solche Beschränkung, die unausweichlich auf bestimmten Regeln oder Auswahlkriterien beruht, ist notwendig mit der Durchführung eines hochrangigen internationalen Wettkampfes verbunden. [. . .] Es ist daher die natürliche Aufgabe der betroffenen Stellen, der Veranstalter von Turnieren, der Sportverbände oder auch der Vereinigungen von Berufssportlern, geeignete Regeln aufzustellen und in Anwendung dieser Regeln eine Auswahl zu treffen.“355
Für die Olympiateilnahme wird als sachliches Kriterium, welches seit langem anerkannt ist, eine „begründete Endkampfchance“ vorausgesetzt356, welche dem Verband auch einen gewissen (rechtlich nicht überprüfbaren) Entscheidungsspielraum belässt. Dazu der EuGH: „Dass mit dieser Aufgabe die nationalen Verbände betraut werden, die in der Regel über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, entspricht der Organisationsstruktur der meisten Sportarten, die im Grundsatz auf Landesverbänden beruht.“357
Nominierungs- und Qualifikationskriterien sind also, wenn sie auf sachlichen Erwägungen, wie etwa einer begründeten Endkampfchance beruhen, aufgrund ihrer Notwendigkeit für den geordneten Ablauf sportlicher Wettkämpfe als der Verbandsautonomie immanentes Allgemeininteresse gerechtfertigt. Auch hier gilt, dass letztendlich nur solche Maßnahmen gerechtfertigt sind, die im Einzelfall geeignet und erforderlich für die geordnete Or355 EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff., Rn. 64 und 67. 356 Weiler, in: Vieweg, Spektrum des Sportrechts, 2003, S. 105 (124). 357 EuGH, verb. Rs. C-51/96 und C-191/97 – Deliège, Slg. 2000, S. I-2549 ff., Rn. 68.
206
3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
ganisation sportlicher Wettkämpfe sind. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muss also immer gewahrt bleiben. 10. Investorenhemmnisse Beschränkungen von Beteiligungen an Sportkapitalgesellschaften stellen in der Regel keine Diskriminierung auf Grund der Staatsangehörigkeit dar, da in- und ausländische Investoren gleichermaßen betroffen sind. Sie beschränken jedoch die freie Niederlassung. Eine solche Beschränkung ist nur dann zulässig, wenn sie durch für die Verbandsautonomie unabdingbare Verbandsinteressen gerechtfertigt ist. Als mögliche Rechtfertigungsgründe kommen die Vermeidung von Interessenkonflikten, die Glaubwürdigkeit und Integrität des sportlichen Wettbewerbs, die Konkurrenzfähigkeit der Vereine, der Schutz vor sportfremden Einflüssen, die Verhinderung einer Investitionsspirale sowie die Vermeidung von Erpressbarkeit und Insolvenzgefahr des Vereins, die Aufrechterhaltung des Solidaritätsgedankens und die Förderung des Breitensports und damit der pädagogischen und sozialen Funktion des Sports in Betracht358. All dies sind anerkennenswerte, der Verbandsautonomie innewohnende Rechtfertigungsgründe. Die Beschränkung von Investitionsmöglichkeiten an Sportvereinen müsste jedoch auch geeignet und erforderlich sein, um diesen Wesensgehalt der Verbandsautonomie zu gewährleisten. Dafür kommt es auf die konkrete Ausgestaltung dieser Investorenhemmnisse an. Die in der deutschen Fußball-Bundesliga geltende „50+1“-Regelung sieht etwa vor, dass „fremde“ Investoren keine Mehrheit an einem Fußballverein erwerben dürfen359, da immer ein Anteil mehr als 50% der Stimmrechte beim Mutterverein verbleiben muss. Gleichzeitig ist aber keine Beschränkung vorgesehen, an wie vielen Vereinen ein Investor (mit jeweils bis zu 49%) beteiligt werden darf. Zur Vermeidung von Interessenkonflikten ist solche eine Regelung wenig geeignet, denn ein Investor, der zu 100% an einem Verein beteiligt ist, wird immer mehr Interesse an diesem Verein haben, als einer, der mit jeweils 49% an mehreren in derselben Liga spielenden Vereinen beteiligt ist. Zur Vermeidung von Interessenkonflikten 358
Vgl. dazu auch Summerer, SpuRt 2008, S. 234 (236); Klees, EuZW 2008, S. 391 (394); Deutscher, SpuRt 2009, S. 97 (98); Hovemann/Wieschemann, SpuRt 2009, S. 187 (190); Lammert, Causa Sport 2009, S. 332 (333); Ouart, WRP 2010, S. 85 (88); ders., SpuRt 2010, S. 54 ff.; Verse, Causa Sport 2010, S. 28 (33 ff.). 359 Mit Ausnahme von Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg, für die noch aus der Zeit vor der Einführung der „50+1“-Regel so genannte „grandfathering rights“ gelten.
C. Rechtfertigung beeinträchtigender Regelungen
207
ist also das Verbot von Mehrheitsbeteiligungen ungeeignet, erforderlich wäre hier ein Verbot von Mehrfach- bzw. Überkreuzbeteiligungen360. Was die Glaubwürdigkeit des sportlichen Wettbewerbs, den Schutz vor sportfremden Einflüssen und die anderen vorgebrachten Rechtfertigungsgründe betrifft, muss beachtet werden, dass ein Fußballspiel (oder ein anderer sportlicher Wettkampf) in erster Linie ein Wettkampf zwischen zwei Sportmannschaften und nicht zwischen zwei Industriekonzernen sein soll361. Gewisse Einschränkungen von Investoren müssen daher zulässig sein, um die Integrität des sportlichen Wettkampfes abgekoppelt von puren wirtschaftlichen Interessen zu gewährleisten362. Dass eine (kontrollierte und auch sanktionierte) Zulassung der Beteiligung externer Investoren an Fußballvereinen aber nicht nur negative, sportfremde Einflüsse auf den Ligabetrieb haben kann, zeigen vor allem die Beispiele Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg, sowie in gewisser Weise auch die TSG Hoffenheim (für die zwar die „Lex Leverkusen“ nicht gilt, die aber faktisch finanziell von Dietmar Hopp abhängig ist). Trotz der Verfolgung anerkannter Ziele, die zulässige Rechtfertigungsgründe darstellen, ist die 50+1-Regel also in sich wenig kohärent. Daher muss die Verhältnismäßigkeit dieser Regel in ihrer jetzigen Fassung abgelehnt werden und sie sollte im Hinblick auf mehr Kohärenz überarbeitet werden363. 11. Zusammenfassung Viele Regelungen in Sportverbandssatzungen lassen sich also trotz ihrer die Grundfreiheiten beeinträchtigenden Wirkung rechtfertigen, da sie unabdingbar sind, um die Integrität sportlichen Wettbewerbs aufrechtzuerhalten, und somit zum Wesensgehalt des als zwingenden Grund des Allgemeininteresses zu berücksichtigenden Grundrechts der Verbandsautonomie gehören. Die größte Hürde für die Rechtfertigung solcher Vorschriften ist regelmäßig deren Geeignetheit und Beschränkung auf das erforderliche Maß – schon an dieser Prüfung scheitern die meisten diskriminierenden Regelungen oder solche mit nur vorgeschobenen „sportlichen Rechtfertigungsgründen“. 360
Vgl. dazu auch Klees, EuZW 2008, S. 391 (394). Vgl. dazu ausführlich Summerer, SpuRt 2008, S. 234 (236). 362 So auch Weiler, SpuRt 2007, S. 133 (135). 363 Die Bedeutung der Kohärenz einer Regelung für ihre Rechtfertigung unterstrich der EuGH zuletzt noch einmal in der Entscheidung EuGH, verb. Rs. C-409/06, C-316/07, C-358/07, C-359/07, C-360/07, C-409/07, C-410/07 und C-46/08 – Glückspielmonopol, vom 08.09.2010, RIW 2010, S. 720 ff. 361
208
3. Teil: Besonderheiten des Sports im Bereich der Grundfreiheiten
Letztlich lässt sich aber sagen, dass durch diese Prüfung sowohl der Verbandsautonomie und den Besonderheiten des Sports ausreichend Raum gegeben wird, andererseits aber auch keine Umgehung der unionsrechtlichen Vorschriften droht, wenn sportliche Gründe nur als Rechtfertigung von wirtschaftlichen Zielen und Gewinnstreben vorgeschoben werden.
4. Teil
Der Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Sport Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Grundfreiheiten nicht der einzige unionsrechtliche Regelungskomplex sind, welcher Einfluss auf die Satzungsgestaltung von Sportverbänden hat. Es gibt vielmehr zahlreiche Berührungspunkte mit wettbewerbs- und kartellrechtlichen Vorschriften. Auch der EuGH tendiert dahin, Maßnahmen, die er von den Grundfreiheiten als nicht erfasst bzw. als gerechtfertigte Beschränkungen ansieht, dennoch an den Art. 101 und 102 AEUV (ex-Art. 81 und 82 EG) zu messen, da das im Sport übliche Ein-Platz-Prinzip zu einer weitgehenden Monopolstellung der jeweiligen nationalen oder internationalen Fachverbände führt. Dass das Wettbewerbsrecht auf den professionalisierten und kommerzialisierten Sport Anwendung findet, ist daher mittlerweile weitgehend anerkannt, lediglich dessen Reichweite ist noch nicht abschließend geklärt1.
A. Bedeutung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften Auch die Schaffung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs, welches im Dienste des Binnenmarktzieles Unternehmen und Verbrauchern gleichermaßen dienen soll, ist gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b AEUV Aufgabe der Union. Das europäische Wettbewerbsrecht umfasst in erster Linie ein Kartellverbot in Art. 101 AEUV sowie ein Verbot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen von Unternehmen und Unternehmensvereinigungen in Art. 102 AEUV. Hinzu kommt noch eine sekundärrechtlich geregelte Fusionskontrolle2.
1
So Hannamann, in: Vieweg, Spektrum des Sportrechts, 2003, S. 159 (160 f.). Auch Schwarze/Hetzel, EuR 2005, S. 581 (603), weisen darauf hin, dass allein die Tatsache, dass der Sport anerkanntermaßen auch eine wichtige gesellschaftspolitische Rolle spielt, nicht dazu führen kann, dass das europäische Wettbewerbsrecht generell keine Anwendung findet. 2 Vgl. dazu Fusionskontrollverordnung (FKVO), ABl. 2004, Nr. L 24, S. 1 ff.
210
4. Teil: Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Sport
B. Berührungspunkte mit dem Sport Berührungspunkte von Sport und europäischem Wettbewerbsrecht sind vielerlei denkbar3, so z. B. im Hinblick auf den Zugang zu sportbezogenen Berufen und deren Ausgestaltung4, die zentrale Vermarktung von Medienrechten5, den Zugang von Zuschauern zu Sportveranstaltungen6, die Festlegung technischer Standards für Sportgeräte, die Lizenzierung von Sportartikeln7 oder Merchandise-Produkten, die Beteiligung von Investoren an Sportvereinen oder auch sportliche Regelungen wie Anti-Doping-Vorschriften oder die Ausgestaltung eines Transferwesens. Voraussetzung für eine Anwendung der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften ist jedoch immer, dass deren Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.
I. Sportliche Betätigungen als wirtschaftliche Tätigkeit Dass sportliche Regelungen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen und somit in den Anwendungsbereich des AEUV fallen können, wurde bereits im 1. Teil gezeigt. Für den Bereich des Wettbewerbsrechts kann grundsätzlich nichts anderes gelten, es muss jedoch im Einzelfall geprüft werden, ob die in Frage stehende konkrete Regelung eine solche wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, welche die Tatbestandsmerkmale der Art. 101 f. AEUV erfüllt, oder nicht.
II. Tatbestandsvoraussetzungen der Art. 101 und 102 AEUV8 1. „Unternehmen“ i. S. d. Art. 101 AEUV Adressaten des Wettbewerbsrechts sind Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen. Entscheidend für die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts ist daher der Unternehmensbegriff. Für die Definition eines Unter3 Vgl. dazu Parrish, Sports law and policy in the European Union, 2003, S. 120 ff.; Schroeder, SpuRt 2006, S. 1 ff. 4 EuG, Rs. T-193/02 – Piau ./. Kommission, Slg. 2005, S. II-209 ff.; EuGH, Rs. C-171/05 – Piau ./. Kommission, Slg. 2006, S. I-37 ff. 5 Dazu Entscheidung der Kommission zur gemeinsamen Vermarktung der gewerblichen Rechte an der UEFA-Champions League, ABl. EG 2003, Nr. L 291, S. 36 ff. 6 Vgl. z. B. Kommission 2000/12/EG zur Fußball-WM 1998, ABl. EG 2000, Nr. L 5, S. 55 ff. 7 Dazu genauer Buch, WuW 2005, S. 266 ff. 8 Näheres zu diesem Themenbereich bei Heermann, WuW 2009, S. 394 ff. und S. 489 ff.
B. Berührungspunkte mit dem Sport
211
nehmens im Sinne des Art. 101 AEUV kommt es auf eine funktionale Betrachtungsweise an, danach sind Unternehmen solche Einheiten, die unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung durch das Anbieten von Dienstleistungen und Gütern wirtschaftlich tätig werden9. Dabei kommt es nicht darauf an, ob mit diesem Anbieten gleichzeitig auch ein Erwerbszweck verfolgt wird10. Sportvereine können jedenfalls dann als Unternehmen angesehen werden, wenn sie Profisport betreiben. Das gilt z. B. für Profifußballvereine11. Sportverbände sind dann als Unternehmen anzusehen, wenn sie selbst oder durch ausgegliederte Gesellschaften am Wirtschaftsleben teilnehmen, etwa in Form von der Veranstaltung von Wettkämpfen, oder durch die Vermarktung von TV-Rechten, Merchandise-Artikeln oder sonstigen Lizenzen. Das gilt etwa für das IOC oder die FIFA, die jeweils sowohl Unternehmen als auch Unternehmensvereinigungen darstellen12. Soweit sie nicht selbst wirtschaftlich tätig werden, aber als Verband von Profivereinen deren Verhalten durch Satzungen steuern, stellen sie jedenfalls Unternehmensvereinigungen dar. 2. Kartellverbot Das Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV verbietet „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken.“
a) Bestimmung des relevanten Marktes Für die Frage, ob eine verbotene Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, kommt es zunächst auf die Abgrenzung des relevanten Marktes und damit auf die Substituierbarkeit der gehandelten Güter an13. Im Rahmen der Ver9 Vgl. EuGH, Rs. C-41/90 – Höfner und Elser, Slg. 1991, S. I-1979 ff., Rn. 21; Bestätigung in EuGH, Rs. C-49/07 – MOTOE, Slg. 2008, S. I-4836 ff., Rn. 21 f. 10 EuGH Rs. C-49/07 – MOTOE, Slg. 2008, S. I-4836 ff., Rn. 27. Auch Heermann, WuW 2009, S. 489 (491), weist darauf hin, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auch dann vorliegt, wenn die Sportverbände vorgeben, keinen Erwerbszweck zu verfolgen. 11 EuG, Rs. T-193/02 – Piau ./. Kommission, Slg. 2005, S. II-209 ff., Rn. 71. 12 Orth, SpuRt 2006, S. 198 (198). 13 Vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, ABl. EG 1997, Nr. C 372, S. 5 ff., Rn. 7.
212
4. Teil: Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Sport
marktung von TV-Rechten von Sportgroßveranstaltungen stellt sich so z. B. die Frage, ob der Markt, der als Grundlage für die Bestimmung einer marktbeherrschenden Stellung herangezogen wird, der Markt „Sportübertragungen“ ist oder ob es jeweils einen eigenen Markt etwa für Fußball-Meisterschaften, Radrennen, Box-Veranstaltungen und andere gibt14. Die Kommission hat diesbezüglich in ihrer Entscheidung zur Vermarktung der UEFA Champions League15 festgestellt, dass Fußball nicht durch andere Sportarten substituierbar ist. Das Gleiche gilt wohl für die meisten Sportarten. Eine Abgrenzung kann auch nach der Art oder Größe der Veranstaltung erfolgen, so ist etwa davon auszugehen, dass Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften angesichts ihrer Größe, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrer konkreten Abgrenzbarkeit gegenüber anderen sportlichen Großereignissen jeweils einen eigenen Markt darstellen16. b) Vereinbarung, Beschluss oder abgestimmte Verhaltensweise Außerdem muss eine Vereinbarung zwischen Unternehmen, ein Beschluss einer Unternehmensvereinigung oder eine abgestimmte Verhaltensweise vorliegen. Darunter ist jede Form der Verhaltenskoordination zu verstehen17. Unter Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen können sämtliche Absprachen, auch und gerade in Form von so genannten „gentlemen’s agreements“ zwischen Sportvereinen (u. U. auch zwischen Verbänden oder zwischen Verbänden und Vereinen) gefasst werden. Voraussetzung für einen Beschluss ist die satzungsmäßige Ermächtigung der beschließenden Vereinigung, das Marktverhalten der Mitglieder zu regeln18. Diese Befugnis besitzen die Fußballverbände, deren Satzungen die ihnen angehörenden Vereine unterworfen sind19, so dass deren Statuten als Unternehmensbeschlüsse im Sinne des Art. 101 AEUV anzusehen sind.
14
Vgl. Halgreen, European Sports Law, 2004, S. 112. Entscheidung der Kommission zur gemeinsamen Vermarktung der gewerblichen Rechte an der UEFA-Champions League, ABl. EG 2003, Nr. L 291, S. 36 ff., Rn. 62 f. 16 Schwarze/Hetzel, EuR 2005, S. 581 (602). 17 Vgl. Schroeder, SpuRt 2006, S. 1 (3). 18 Aicher/Schuhmacher/Stockenhuber/Schroeder, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2008, Art. 81 EG, Rn. 103. 19 Plath, Individualrechtsbeschränkungen im Fußball, 1999, S. 92. 15
B. Berührungspunkte mit dem Sport
213
c) Spürbare Wettbewerbsbeschränkung Wenn diese Vereinbarung, der Beschluss oder die abgestimmte Verhaltensweise zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs und damit zu einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels führt, ist sie als nichtig anzusehen. Überprüft wird diese Beschränkungswirkung durch einen Vergleich mit der Wettbewerbssituation ohne die betreffende Verhaltenskoordinierung20. Die so genannte Spürbarkeits-Schwelle stellt ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Art. 101 AEUV dar und besagt, dass ein Verstoß gegen das Verbot des Art. 101 AEUV nur dann anzunehmen ist, wenn es sich um eine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs handelt. Eine spürbare und somit relevante Wettbewerbsbeeinträchtigung liegt nach der de minimis-Bekanntmachung der Kommission21 in der Regel erst ab einem Marktanteil von 10–15 % vor. Aufgrund der Besonderheiten der Sportorganisation verfügt der jeweilige Weltverband als internationaler Dachverband über eine absolute Monopolstellung und hat somit sogar einen Marktanteil von 100% inne. Das gilt in den meisten Sportarten, abgesehen vom Boxsport, der über mehrere Weltverbände verfügt. Fraglich – und in den meisten Fällen wohl eher abzulehnen – ist jedoch eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs durch satzungsmäßige oder sonstige Vereinbarungen, da die meisten sportverbandlichen Satzungen ja gerade bezwecken, den Wettbewerb zwischen den verschiedenen Vereinen zu fördern und nicht, diesen zu beschränken22. d) Ausnahmen vom Kartellverbot oder Rechtfertigung Unter bestimmten Voraussetzungen ist gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV eine Freistellung von tatbestandsmäßigen Kartellen vom europäischen Kartellverbot möglich, das gilt z. B. für „notwendige Wettbewerbsbeschränkun20
Schroeder, SpuRt 2006, S. 1 (4). Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beschränken (de minimis), ABl. EG 2001, Nr. C 368, S. 13 ff. 22 Auch Frésard, in: Zen-Ruffinen, Droit et sport, 1997, S. 169 (180), weist darauf hin, dass solche Regelungen, die einen Wettbewerb erst ermöglichen, also Voraussetzung desselben sind, nicht lediglich als gerechtfertigt anzusehen seien, sondern schon nicht den Tatbestand einer Wettbewerbsbeschränkung erfüllen. Zudem unterscheiden sich die „Sportkartelle“ in der Hinsicht von „normalen Kartellen“, dass es hier in der Regel zu Absprachen auf der Nachfrageseite kommt, und nicht, wie von Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) eigentlich im Sinn, auf der Angebotsseite (S. 183). 21
214
4. Teil: Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Sport
gen“, die einem legitimen Zweck dienen23. Auf diesem Wege erscheint auch die Freistellung von „sportimmanenten“ Wettbewerbsregelungen entsprechend der zuvor entwickelten Rechtfertigungsdogmatik denkbar und sinnvoll24. 3. Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung25 Art. 102 AEUV verbietet „die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.“
Im Unterschied zum idealkonkurrierenden Art. 101 AEUV ist im Rahmen von Art. 102 AEUV jedoch keine Freistellung möglich. a) Marktbeherrschende Stellung auf dem relevanten Markt Unter einer marktbeherrschenden Stellung kann sowohl ein Monopol als auch ein Oligopol verstanden werden. Für deren Bestimmung kommt es wiederum auf den relevanten Markt an (s. o.) und darauf, ob ein oder mehrere Unternehmen diesen Markt beherrschen. Dabei gilt: Je enger die Marktabgrenzung, desto größer die Wahrscheinlichkeit der Marktbeherrschung26. Die weltweite Sportorganisation folgt einem monopolistischen pyramidenförmigen Aufbau27 und ist gekennzeichnet durch das Ein-Platz- bzw. Ein-Verbands-Prinzip, welches besagt, dass die Vertretung einer Sportart jeweils einem nationalen und einem internationalen Verband vorbehalten bleibt28. Den Sportverbänden kommt daher auf regionaler, nationaler, kon23
Vgl. EuGH, Rs. 161/84 – Pronuptia, Slg. 1986, S. 353 ff., Rn. 16 ff. Ähnlich – jedoch nicht im Hinblick auf den Sport – EuGH, Rs. C-309/99 – Wouters, Slg. 2002, S. I-1577 ff., Rn. 97 ff. und 110. 25 Ausführlich und rechtsvergleichend dazu Grätz, Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung durch Sportverbände, 2009. 26 Schroeder, SpuRt 2006, S. 1 (6). 27 Insbesondere die Olympische Bewegung mit dem IOC an der Spitze setzt die hierarchisch-monopolistische Struktur streng durch, vgl. Rules 1 und 26 der Olympic Charter (abrufbar unter www.olympic.org/Documents/olympic_charter_en.pdf, letzter Abruf 23. Januar 2011). 28 Vieweg, JuS 1983, S. 825 (826); Philipp, Rechtliche Schranken der Vereinsautonomie, 2004, S. 5, mit Verweis auf Pfister, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, Einleitung, Rn. 14; Vieweg, Normsetzung und -anwendung deutscher und internationaler Verbände, 1990, S. 61. Ausnahmen 24
B. Berührungspunkte mit dem Sport
215
tinentaler und sogar globaler Ebene jeweils eine Monopolstellung innerhalb der von ihnen vertretenen Sportarten zu. Eine marktbeherrschende Stellung ist damit in den meisten Fällen29 gegeben, ohne dass es darauf ankommt, ab welchem Marktanteil eine solche vorliegt. Dasselbe gilt für eine „kollektive Marktbeherrschung“ durch die in den jeweiligen Verbänden zusammengeschlossenen Vereine und/oder Verbände30. Zudem erfüllen Sportverbände das Kriterium der Unausweichlichkeit, da ein Sportler auf höchstem Niveau in der Regel nur in einer Sportart so begabt ist, dass er damit seinen Lebensunterhalt verdienen kann, so dass er automatisch den Statuten des jeweiligen Verbandes unterworfen ist und dessen Monopolstellung nicht einfach dadurch umgehen kann, dass er die Sportart wechselt und damit einem anderen Verband untersteht31, sondern normalerweise hat er keine andere Wahl als Verträge mit dem Monopolverband der jeweiligen Sportart einzugehen, wie sehr diese auch seine Interessen beeinträchtigen mögen. b) Missbrauch dieser Stellung Zu beachten ist jedoch, dass allein die Marktbeherrschung durch ein Unternehmen bzw. einen Verband vom Wettbewerbsrecht nicht verboten wird. Die Wettbewerbskommission hat lediglich dann einzuschreiten, wenn Missbrauch der beherrschenden Marktposition festzustellen ist32. Dafür ist aber keine Schädigungsabsicht erforderlich, sondern es genügen Verhaltensweisen, die von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen33. Eine Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit ist jedoch wohl stets als Missbrauch zu werten34. Anderenfalls scheidet ein Missbrauch jedoch aus, wenn eine Regelung sachlich gerechtfertigt ist. Insofern kann also wievom Ein-Platz-Prinzip gibt es etwa im Boxen mit mehreren Weltverbänden, wofür hauptsächlich kommerzielle Gründe anzuführen sind. 29 Es ist immer eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, ob aufgrund der Monopolstellung des Sportverbandes in seiner Sportart auch gleichzeitig eine Monopolstellung in Bezug auf den jeweils relevanten Markt vorliegt. Darauf weist auch Heermann, WuW 2009, S. 489 (494), hin. 30 Vgl. EuG, Rs. T-193/02 – Piau ./. Kommission, Slg. 2005, S. II-209 ff., Rn. 115 f. 31 Philipp, Rechtliche Schranken der Vereinsautonomie, 2004, S. 46. 32 Darauf weist zutreffend Philipp, Rechtliche Schranken der Vereinsautonomie, 2004, S. 64, hin. 33 EuGH, Rs. 85/76 – Hoffmann-LaRoche ./. Kommission, Slg. 1979, S. 461 ff., Rn. 91. 34 EuGH Rs. 7/82 – GVL, Slg. 1983, S. 483 ff., Rn. 56.
216
4. Teil: Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Sport
der auf die oben entwickelte Rechtfertigungsdogmatik zurückgegriffen werden. Dabei ist zu beachten, dass ohne Abstimmungen zwischen Vereinen und Verbänden oft überhaupt kein Wettbewerb möglich wäre. Viele auf den ersten Blick wettbewerbsbeschränkende Absprachen sind daher auf der anderen Seite gleichzeitig wiederum notwendige Voraussetzungen für den sportlichen Wettbewerb und damit auch für die Existenz desselben ebenso wie seiner Vereine und Verbände35. Die gegenseitige Abhängigkeit der Vereine voneinander erfordert daher gewisse Absprachen und Koordination.
C. Aktueller Beispielsfall: Abstellungspflichten für Nationalmannschaften (Oulmers und Charleroi) Ein besonders brisanter Fall bezog sich in letzter Zeit auf Abstellungsklauseln für Nationalmannschaftsbegegnungen, der jedoch aufgrund einer außergerichtlichen Einigung nicht zu einer Entscheidung durch den EuGH gelangte36. Zum Sachverhalt: Fall Oulmers und Charleroi (2008) Herr Oulmers, ein Fußballspieler des belgischen Klubs Charleroi mit marokkanischer Staatsangehörigkeit, wurde während eines Nationalmannschafts-Freundschaftsspiels zwischen Marokko und Burkina Faso im November 2004 verletzt und fiel daraufhin für 7 Monate aus. Sein Verein verlangte daher Schadensersatz von der FIFA, deren Statuten (Art. 37) die unentgeltliche Freistellung von Spielern für Nationalmannschaftsbegegnungen vorsehen. Die G14, bestehend aus den (mittlerweile 18) wohlhabendsten Fußballklubs Europas, unterstützten Charleroi; die FIFA erhielt Unterstützung seitens der UEFA in dem Verfahren vor dem Tribunal de Commerce Charleroi, welches dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vorlegte, ob die verbindliche und kostenlose Abstellung von Spielern zugunsten von Nationalmannschaften und die einseitige zwingende Festlegung des internationalen Spielkalenders durch die FIFA eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung i. S. d. Art. 81 EG (jetzt Art. 101 AEUV) oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i. S. d. Art. 82 EG (jetzt Art. 102 AEUV) darstellten.
In diesem Fall, welcher jede Menge Sprengstoff beinhaltete und der das Potential hatte, zu einem „zweiten Bosman“37 zu werden, wurde letztendlich eine außergerichtliche Einigung erzielt. Ob ein Verstoß gegen kartellrechtliche Regelungen vorliegt, wurde vom EuGH also nicht entschieden. 35
Darauf weisen zutreffend Brinckmann/Vollebregt, ECLR 1998, S. 281 (283),
hin. 36 Ersuchen ABl. EG Nr. C 212 vom 02.09.2006, S. 11; Streichung ABl. EG Nr. C 69 vom 21.03.2009, S. 30. 37 So z. B. Wax, FS Vitzthum, 2008, S. 41 (71).
C. Beispielsfall: Abstellungspflichten für Nationalmannschaften
217
Im Hinblick auf die Festlegung des internationalen Spielkalenders kann der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung wohl abgelehnt werden, da die Abstimmung der Termine internationaler Begegnungen auch im Interesse der Klubs und der Vermarktung des Fußballsports ist und somit mittelbar auch zu einer verbesserten wirtschaftlichen Lage der Klubs beiträgt. Die unentgeltliche Abstellungsverpflichtung hingegen ist notwendig, um auch finanzschwachen Nationalverbänden die Chance zu geben, in internationalen Begegnungen ihren stärksten Kader aufzustellen. Das wäre nicht gewährleistet, wenn dafür an den Klub das Gehalt des abgestellten Spielers gezahlt werden müsste, da in einem solchen Fall nur finanzstarke Nationalverbände es sich leisten könnten, ihre stärksten Spieler aus den großen und reichen Klubs für bestimmte Begegnungen abstellen zu lassen. Fraglich ist jedoch, ob nicht dennoch eine finanzielle Entschädigung an die Klubs für die abgestellten Nationalspieler angemessen wäre oder zumindest die Einführung einer Versicherungspflicht im Falle von Verletzungen o. Ä.38. Anstatt eine Entscheidung des EuGH abzuwarten, die möglicherweise zu erheblichen finanziellen Belastungen der Nationalverbände geführt hätte, unterzeichneten die FIFA, die UEFA und mehrere europäische Spitzenklubs daher am 15. Januar 2008 eine Absichtserklärung, nach der ein Teil der Gewinne der UEFA-Europameisterschaften alle vier Jahre an die Klubs ausgezahlt werden sollte, die Spieler an die jeweils teilnehmenden Nationalverbände abgestellt hatten39. Das gerichtliche Verfahren wurde daraufhin ohne eine Entscheidung beendet. Ob eine solche unentgeltliche Abstellungspflicht zulässig ist, wurde daher nicht abschließend durch den Gerichtshof geklärt. Die Antwort auf diese Frage hängt von der Verhältnismäßigkeit der Klausel ab. Dass gewisse Abstellungspflichten seitens der Vereine an die Nationalmannschaften notwendig für deren Erhalt und damit mittelbar auch für das Überleben des internationalen Fußballs sind, steht außer Frage. Es ist jedoch zweifelhaft, ob es tatsächlich notwendig ist, dass eine solche Abstellungspflicht unentgeltlich zu erfolgen hat, in der Hinsicht, dass nicht nur kein Entgelt/Gehalt gezahlt wird, sondern dass zudem auch kein Anspruch auf Schadensersatz im Falle von Verletzungen o. Ä. besteht40. In diesem Fall würden die Vereine das al38
Vorschlag von Heermann, Causa Sport 2008, S. 111 (114). Heermann, Causa Sport 2008, S. 111 (114 f.) m. w. N. Vgl. auch Weatherill, in: Gardiner/Parrish/Siekmann, EU, Sport, Law and Policy, 2009, S. 79 (95). 40 Das hinterfragt zu Recht kritisch Weatherill, in: Bogusz/Cygan/Szyszczak, The Regulation of Sport in the European Union, 2007, S. 48 (71). Pahre, in: Juchli/ Würmli/Haunreiter, Sport zwischen Recht, Wirtschaftlichkeit und Kultur, 2007, S. 269 (274 f., 284), sieht darin außerdem auch einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit, da die Vereine aufgrund dieser Regelung zurückhaltender bei der Einstellung (potentieller) Nationalspieler wären. 39
218
4. Teil: Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Sport
leinige Risiko für den Ausfall ihrer Spieler treffen, auch wenn dieser in einem Nationalmannschaftseinsatz begründet ist. Es wäre daher eine überlegenswerte Alternative, einen „Topf“ einzurichten, aus welchem in Nationalmannschaftsbegegnungen oder Trainingslagern verletzte Spieler und deren Vereine entschädigt werden, sollte es zu über die Abstellungspflicht hinausgehenden Einsatzausfällen kommen41. Die finanziellen Mittel für eine solche Lösung sind im internationalen Fußball wohl vorhanden.
D. Zusammenfassung und Ergebnis Bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts auf sportliche Sachverhalte ist zu beachten, dass es sich bei Sportverbänden nicht um normale Wirtschaftsunternehmen handelt42, denen es darauf ankommt, die Konkurrenz im jeweiligen Marktsektor zu schwächen oder ganz zu verdrängen, sondern dass die Vereine in den professionellen Ligen gerade darauf angewiesen sind, dass es auch andere konkurrenzfähige Teams gibt. Rivalen sind gleichzeitig Partner43. Die gegenseitige Abhängigkeit der Marktteilnehmer voneinander ist das charakteristische Merkmal, das den Sport von anderen Industriezweigen unterscheidet44, die Zusammenarbeit und sportliche Konkurrenz ist geradezu Voraussetzung des wettkampfmäßig betriebenen Leistungssports als vermarktungsfähiges Wirtschaftsgut45. Zudem wird das Ein-Platz-Prinzip auch von den Fans befürwortet, da es nur durch eine solche Monopolisierung der Verbände möglich ist, übergreifende Meister festzustellen46. Sportfans sind daher nicht als Kunden oder Verbraucher im herkömmlichen Sinne anzusehen, die sich auf dem Markt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten verhalten, sondern sie lassen sich vielmehr 41
Vgl. zu dieser Problematik auch Nolte, Aufschlag Nolte, Handelsblatt vom 06.09.2010, S. 32. 42 Schweitzer, in: Reuter, Einbindung des nationalen Sportrechts in internationale Bezüge, 1987, S. 71 (87), drückt das mit Verweis auf eine diesbezügliche Äußerung seitens der UEFA so aus, dass Sportverbände nicht mit einem Stahlwerk zu vergleichen seien. 43 So pointiert formuliert bei Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 53 (76), zuerst erschienen in: Collected Courses of the 7th Session of the Academy of European Law, 1999, S. 339 ff. 44 Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 177 (180), zuerst erschienen in: 40 CMLRev 2003, S. 51 ff. 45 Hannamann, in: Vieweg, Spektrum des Sportrechts, 2003, S. 159 (162), spricht von „assoziativer Konkurrenz“. 46 Anders z. B. im Boxen, wo es einen Weltmeister pro Verband gibt, was schon vom Titel her irreführend ist, so dass von den meisten Profiboxern dementsprechend auch immer eine „Titelvereinigung“ angestrebt wird.
D. Zusammenfassung und Ergebnis
219
von persönlichen Neigungen und Affinitäten zu bestimmten Vereinen oder Personen lenken47, unabhängig von deren konkreter „Performance“. Nach der Immanenztheorie sind formale Verstöße gegen das allgemeine Kartellverbot hinzunehmen, wenn das betroffene Rechtsinstitut kartellrechtsneutral ist und die Beschränkung des Wettbewerbs für den Bestand und die Funktionsfähigkeit dieses Rechtsinstituts notwendig ist48. Denkbar sind zwei Lösungswege: Im Rahmen von Art. 101 AEUV die Freistellung des entsprechenden Sachverhaltes bei Vorliegen eines anzuerkennenden Rechtfertigungsgrundes; und im Rahmen von Art. 102 AEUV die Ablehnung eines Missbrauchs beim Vorliegen von Rechtfertigungsgründen. Für eine solche Freistellung i. S. d. Art. 101 Abs. 3 AEUV ist jedoch eine Entscheidung der Kommission nötig49. Die Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV verwirklicht das Prinzip des Kartellverbots mit Legalausnahmen50. Voraussetzung einer Freistellung formgerecht angemeldeter tatbestandsmäßiger Kartelle ist der Beitrag zu spürbaren objektiven Vorteilen, welche die mit ihnen verbundenen Wettbewerbsnachteile auszugleichen vermögen. Insbesondere sind dies die angemessene Beteiligung der Verbraucher am entstandenen Gewinn, die Verbesserung der Warenerzeugung oder Verteilung, die Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts, das Unterlassen von Beschränkungen, die für die Verwirklichung der Ziele nicht unerlässlich sind, sowie das Erfordernis, den Wettbewerb nicht für einen wesentlichen Teil der Waren auszuschließen51. Letztendlich läuft also auch im Wettbewerbsrecht die Zulässigkeit gewisser Maßnahmen auf eine Abwägung der widerstreitenden Interessen hinaus. Im Interesse einer einheitlichen Auslegung des Unionsrechts müssten also auch Wettbewerbsnachteile durch solche zwingenden Verbandsinteressen „gerechtfertigt“ werden können, wie dies im Rahmen der Grundfreiheiten der Fall ist, mit dem Unterschied, dass solche Gründe im Rahmen der Freistellung von der Kommission ausdrücklich anerkannt werden können bzw. müssen. Im Wettbewerbsrecht ist also durch konkrete Freistellungserklärungen deutlich mehr Rechtssicherheit möglich als im Rahmen der Grundfreiheiten, wo immer eine Einzelfallentscheidung des EuGH abgewartet werden muss, um letztendlich Sicherheit zu erlangen. 47
Ähnlich Foster, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 43
(54). 48
Vgl. Schroeder, SpuRt 2006, S. 1 (4); Deutscher, SpuRt 2009, S. 97 (100). Siehe etwa die Genehmigung der Zentralvermarktung der Champions League durch die UEFA vom 24.07.2003, ABl. EG 2003, Nr. L 291, S. 25 ff. 50 So Deutscher, SpuRt 2009, S. 97 (100). 51 Vgl. dazu Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen, 2001, S. 432. 49
220
4. Teil: Einfluss des europäischen Wettbewerbsrechts auf den Sport
Außerdem wäre die Einführung einer so genannten „rule of reason“, vergleichbar dem amerikanischen Kartellrecht, denkbar52, nach der die Vorund Nachteile der Wettbewerbsbeschränkung gegeneinander abgewogen werden und ein Überwiegen der Vorteile dazu führt, dass das Kartellverbot nicht angewandt wird. Zu beachten ist dabei jedoch, dass diese Methode nicht auf offenkundige Verstöße gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV angewandt werden kann. Festzuhalten bleibt jedoch, dass Grundfreiheitsbeeinträchtigungen und Wettbewerbsverstöße grundsätzlich durch dieselben zwingenden Interessen zu rechtfertigen sein sollten. Freistellungen für Ausländerkontingentierungen würden dementsprechend schon an ihrem diskriminierenden Inhalt scheitern, da das Diskriminierungsverbot aufgrund der Staatsangehörigkeit keine den Grundfreiheiten immanente Besonderheit darstellt, sondern als ein allgemeines, den Vertrag durchziehendes unionsrechtliches Prinzip anzusehen ist. Regelungen, welche die Grundfreiheiten beeinträchtigen, aber aus der Sportverbandsautonomie immanenten Gründen gerechtfertigt sind (s. o.), sollten in der Regel auch im Rahmen des Wettbewerbsvorschriften zulässig sein53. Dementsprechend dürfen auch Regelungen, die für die Organisation des sportlichen Wettbewerbs als ureigenen Ausfluss der Verbandsautonomie notwendig sind, wie etwa Spielregeln im engeren Sinne oder auch die durch den speziellen Spielmodus bedingten Regelungen, nicht unter das Kartellverbot fallen54. Ob eine Regelung gerechtfertigt ist, ergibt sich nach der Meca-Medina und Macjen-Rechtsprechung des EuGH aus dem Gesamtzusammenhang sowie der Zielsetzung der Regelung, nämlich daraus, ob die von ihr ausgehenden wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit dieser Zielsetzung verbunden sind, und daraus, ob sie im Hinblick auf diese Ziele auch verhältnismäßig ist. Eine generelle Ausnahme vom Wettbewerbsrecht für bestimmte sportliche Regelungen wäre hingegen nicht sachgerecht, da bei Unanwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechts automatisch nationales Wettbewerbsrecht 52 Anders Hannamann, Kartellverbot und Verhaltenskoordinationen, 2001, S. 450, deren Kritik sich aber hauptsächlich gegen den Begriff „rule of reason“ richtet, die inhaltlich aber in ähnlicher Weise eine wertende Betrachtung auf Tatbestandsebene in der Praxis von Kommission und EuGH befürwortet. 53 Auch Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 335 (341 f.), zuerst erschienen in: ECLRev 2006, S. 645 ff., hält ein Auseinanderfallen der Zulässigkeit bestimmter Regelungen je nachdem, ob Grundfreiheiten und/oder Wettbewerbsrecht einschlägig sind, für unbefriedigend und favorisiert daher eine „Konvergenz der Ergebnisse“. 54 Summerer, in: Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007, 7. Teil, Rn. 206.
E. Fazit
221
eingreift, weil dann die Vorrangwirkung des europäischen vor dem nationalen Wettbewerbsrecht gemäß Art. 3 der VO Nr. 1/2003 entfällt55. Mit einer solchen Bereichsausnahme wäre also nichts gewonnen. Im Gegenteil wird durch die Annahme der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts, aber der gleichzeitigen Einräumung einer Rechtfertigungsmöglichkeit, sichergestellt, dass einerseits auf europäischer Ebene die Besonderheiten des Sports berücksichtigt werden und andererseits diese Wertung nicht auf mitgliedstaatlicher Ebene unterlaufen werden kann.
E. Fazit Im Rahmen des Wettbewerbsrechts bestehen noch viele ungelöste Fragen, da sich EuGH und Kommission erst in den letzten Jahren dazu durchgerungen haben, dieses Konfliktfeld in Angriff zu nehmen. Für die Grundfreiheitsproblematik gefundene Strukturen und Lösungen können jedoch weitestgehend in diesen Problembereich übertragen werden und sollten bei der aktuellen Entwicklung eines Sport-Kartellrechts die notwendige Beachtung finden.
55 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. EG 2003, Nr. L 1, S. 1 ff. Vgl. Orth, SpuRt 2006, S. 198 (198).
5. Teil
Europäische Aktivitäten im Bereich des Sports Im Anschluss an die hohen Wellen, welche die Bosman-Entscheidung geschlagen hat, wurden sowohl Mitgliedstaaten als auch Organe der Union tätig, um den Sport auf eine solidere politische und rechtliche Basis zu stellen. Zum Erlass von Sekundärrecht ist die Union im Bereich des Sports aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (s. o.) zwar bisher nicht berechtigt gewesen, jedoch benutzen sowohl die Mitgliedstaaten als auch die Unionsorgane in solchen Fällen meist nicht rechtsverbindliche Erklärungen, Übereinkünfte und Willensbekundungen oder Leitlinien. Im Gegensatz zum eigentlichen Vertragsrecht, stellen diese Dokumente eine weniger strenge Selbstbindung dar, was jedoch nicht zwangsläufig Wirkungslosigkeit bedeutet. Nach einer langen Phase der „Nichteinmischung“ seitens der Unionsorgane sowie einer Phase der juristischen Durchsetzung der Grundfreiheiten auch im Bereich des Sports im Anschluss an die Bosman-Entscheidung folgt nun also eine Phase vermehrter Aktivität der Unionsorgane, insbesondere der Kommission, im Hinblick auf den Sport, wobei ein Schwerpunkt auf der Frage der gegenseitigen Beeinflussung von Sport und europäischem Wettbewerbsrecht liegt1.
A. Sportbezogene Unions-Dokumente Im Folgenden soll zunächst ein Überblick über die von der Union in den letzten Jahren erlassenen Dokumente im Bereich des Sports gegeben werden und anhand dieser Standortbestimmung zu dessen Auswirkungen auf die sportliche und die rechtliche Praxis Stellung genommen werden.
1 „Periods of European regulation of sport“ übernommen von Foster, in: Caiger/ Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 43 (44 ff.). Auch Hess, in: Vieweg, Prisma des Sportrechts, 2006, S. 1 (2) bezeichnet die Bosman-Entscheidung als Wendepunkt bzw. Zäsur in der Zeitrechnung des Sport(recht)s.
A. Sportbezogene Unions-Dokumente
223
I. Europäische Sportcharta des Europarates (1992) Aufschlussreich könnte zunächst ein Blick in die 1992 verabschiedete Europäische Sportcharta des Ministerkomitees des Europarats sein, welche zwar keine unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten entfaltet, da der Europarat kein Organ der Europäischen Union ist. Jedoch sind alle EU-Mitgliedstaaten auch im Europarat vertreten, so dass aus dessen Dokumenten insofern auch Anhaltspunkte in Bezug auf die Haltung der EU-Mitgliedstaaten entnommen werden können. Art. 2 der Charta enthält eine Definition des Begriffs Sport: „Sport ist jegliche Form körperlicher Ertüchtigung, die innerhalb oder außerhalb von Vereinen betrieben wird, um die körperliche und seelische Verfassung zu verbessern, zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln oder ergebnisorientierte Wettkämpfe auf allen Ebenen zu bestreiten.“
Auf diese Definition kann auch im Bereich des „echten“ Unionsrechts zurückgegriffen werden2. So arbeitet etwa das Weißbuch Sport3 der Europäischen Kommission mit dieser Definition des Sports4.
II. Coopers & Lybrand-Studie (1995) Im Jahr 1995 gab die Europäische Kommission eine Studie über den Einfluss der Tätigkeiten der Europäischen Union heraus, erarbeitet von der Unternehmensberatung Coopers & Lybrand5. Darin wurde u. a. die Reichweite der Verbandsautonomie herausgearbeitet6 und festgehalten, dass die Wesensgehaltsgarantie die Minimalgrenze der Verbandsautonomie darstellen müsse. Von dieser seien umfasst: die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Vereinigung, insbesondere ihrer Organe, das Prinzip freier Assoziation und die Wahrung der Selbstbestimmung insofern sich diese als unausweichliche Folge der Vereinigungsfreiheit darstelle. Diese Wesensgehaltsgarantie deckt sich mit dem oben als Rechtfertigungsgrund befürworteten Kernbereich der Verbandsautonomie. Auf der anderen Seite zeigt die Studie auch die Maximalgrenze der Verbandsautonomie auf. Diese ende nämlich dort, wo eine Regelungs- und Entscheidungspflicht der Union besteht. Die Verbände müssten jedoch die Möglichkeit haben, sich auf „zwingende Verbandsinte2 Art. 220 AEUV (zuvor Art. 303 EG) sieht eine zweckdienliche Zusammenarbeit von Union und Europarat vor. 3 Dazu sogleich mehr. 4 Vgl. Europäische Kommission, Weißbuch Sport, KOM(2007) 391 final, S. 2, Fn. 2. 5 Jetzt PricewaterhouseCoopers (PwC). 6 Europäische Kommission, Der Einfluss der Tätigkeiten der Europäischen Union auf den Sport, 1995, S. 15.
224
5. Teil: Europäische Aktivitäten im Bereich des Sports
ressen“ zu berufen, um die Berücksichtigung und evtl. auch den Durchbruch gegenüber binnenmarktrechtlichen Vorschriften zu ermöglichen7.
III. Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam (1997)8 In Anbetracht der Lückenhaftigkeit des Unionsrechts im Hinblick auf den Sport und des gleichzeitig immensen Handlungsbedarfes im Anschluss an die bahnbrechende Bosman-Entscheidung haben die damaligen 15 Staatsund Regierungschefs auf dem Amsterdamer Gipfeltreffen am 2. Oktober 1997 die folgende Erklärung zum Sport verabschiedet und der Schlussakte beigefügt: „Die Konferenz unterstreicht die gesellschaftliche Bedeutung des Sports, insbesondere die Rolle, die dem Sport bei der Identitätsfindung und der Begegnung der Menschen zukommt. Die Konferenz appelliert daher an die Gremien der Europäischen Union, bei wichtigen, den Sport betreffenden Fragen, die Sportverbände anzuhören. In diesem Zusammenhang sollten die Besonderheiten des Amateursports besonders berücksichtigt werden.“9
Die Erklärung betont dabei den Charakter des Sports als Querschnittsmaterie europäischer Politiken10. Eine rechtliche Bindungswirkung geht von dieser Erklärung freilich nicht aus, da es sich lediglich um eine politische Willensbekundung handelt11. Jedoch ist sie ein Indiz dafür, dass sich die Mitgliedstaaten der Bedeutung des Sports für die europäische Integration durchaus bewusst sind und entgegen aller Kritik im Anschluss an die Bosman-Entscheidung12 sportliche Interessen bei Entscheidungsfindungen im Rahmen des rechtlich Möglichen angemessene Beachtung schenken wollen. So ist mit dieser Erklärung jedenfalls eine unionsrechtliche, wenn auch hauptsächlich im politischen Sinne, Aufwertung des Sports verbunden13. Außerdem stellt die Erklärung ein deutliches Signal der Mitgliedstaaten an die Kommission dar, im Rahmen des Wettbewerbsrechts nicht unbeein7 Europäische Kommission, Der Einfluss der Tätigkeiten der Europäischen Union auf den Sport, 1995, S. 30. 8 Ausführlich zu den Hintergründen dieser Erklärung Dubey, La libre circulation des sportifs en Europe, 2000, S. 174 ff. 9 Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam, ABl. EG 1997, Nr. C 340, S. 1 ff. 10 So Nolte, Sport und Recht, 2004, S. 36 f. 11 So auch Tettinger, in: Tettinger, Sport im Schnittfeld, 2001, S. 9 (23); ders., JZ 2000, S. 1069 (1075). 12 Vgl. nur Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, S. 44 (44), die in der Bosman-Entscheidung eine Verletzung des EG-Vertrages sehen wollen. 13 So auch Hölzl, Sport in der Verfassung, 2002, S. 142.
A. Sportbezogene Unions-Dokumente
225
druckt auf einen freien Markt zu drängen, sondern die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften soweit wie möglich an die sportlichen Bedürfnisse anzupassen14. Zudem kann die Erklärung auch eine Grundlage und ein rechtlich bedeutsames Argument für das Verhalten der Unionsorgane auf dem Feld des Sports sein, auch ohne die Materie in das Primärrecht aufzunehmen15: Es ist nicht ungewöhnlich, dass „Soft Law“ als quasi-rechtliche Rechtfertigung für die Entwicklung von Politiken herangezogen wird und sich so mit der Zeit zu ungeschriebenen Grundsätzen verrechtlicht. Diese Taktik wird von den Mitgliedstaaten daher oft herangezogen, wenn sie sich im Rahmen des Rates oder des Europäischen Rates nicht ausdrücklich auf eine bindende Rechtsregelung einigen wollen oder können, aber dennoch die Unionsorgane auf eine bestimmte Politik verpflichten bzw. in ihre Schranken weisen wollen16. Wenigstens im Rahmen der Auslegung des Unionsrechts kann also auch solches „Soft Law“ wegweisend herangezogen werden. So wurde auf die Erklärung zum Sport unter anderem auch vom EuGH gleichsam als Kodifizierung des bisherigen case law Bezug genommen17.
IV. Diskussionspapier der Generaldirektion X der Europäischen Kommission: Das Europäische Sportmodell (1998) Auch die Kommission ist nicht untätig geblieben und hat ein Europäisches Sportmodell entwickelt18, in welchem sie in drei Kapiteln die Hauptcharakteristika des Europäischen Sportmodells, das Verhältnis von Sport und Medien (vor allem Fernsehen), sowie Sport und Sozialpolitik herausstellte. Zudem wird auf die integrative Wirkung des Breitensports hingewiesen. Hauptcharakteristika des Europäischen Sports sind demnach die traditionelle Organisation in nationalen Verbänden und der pyramidenförmige Aufbau von Regionalverbänden, nationalen Verbänden und europäischen Verbänden, gekennzeichnet durch ein System von Auf- und Abstieg. Weitere Wesens14
Ähnlich Foster, in: Caiger/Gardiner, Professional Sport in the EU, 2000, S. 43
(57). 15
Streinz, in: Tokarski, EU-Recht und Sport, 1998, S. 14 (67), Fn. 237. So auch Parrish, Sports law and policy in the European Union, 2003, S. 176. 17 Siekmann, in: Blanpain/Colucci/Hendrickx, The Future of Sports Law in the European Union, 2008, S. 37 (42). 18 Ausführlich dazu Osmann, SpuRt 1999, S. 228 ff.; dies., SpuRt 2000, S. 58 ff. Wathelet, in: Gardiner/Parrish/Siekmann, EU, Sport, Law and Policy, 2009, S. 57 (76), kritisiert, dass dieses Modell zu stark von der Situation des Fußballsports ausgeht und andere Sportarten, wie etwa Basketball und Radsport, nicht hinreichend berücksichtigt. 16
226
5. Teil: Europäische Aktivitäten im Bereich des Sports
merkmale sind die Verwurzelung des europäischen Sports an der Vereinsbasis, der identitätsstiftende und die nationale Identität stärkende Charakter sowie die Veranstaltung von internationalen Wettbewerben. Auch der internationale Sport hat seine Wurzeln in Europa, so ging z. B. die Olympische Bewegung zuerst von Europa aus. Jedoch fanden mit fortschreitender Globalisierung wesentliche Änderungen statt, die sich vor allem in zunehmender Professionalisierung und Kommerzialisierung (und somit einer Annäherung an das „Amerikanische Sportmodell“19) äußerten. Das Modell macht deutlich, dass es Besonderheiten des Europäischen Sports gibt, die im Rahmen des geltenden Unionsrechts berücksichtigt werden dürfen, wobei darauf geachtet werden muss, dass juristische Intervention nicht zu einem Verlust der Solidaritätsfunktion führt. Jedoch kann die Kommission die Einhaltung des Europäischen Sportmodells nicht verlangen, es sei denn, ein „Verstoß“ gegen dieses stellt gleichzeitig auch einen Verstoß gegen die Grundfreiheiten oder sonstiges Primärrecht der Union dar20.
V. Helsinki-Bericht zum Sport (1999) Der nächste Schritt in der Sportpolitik der Europäischen Union war die Veröffentlichung des Helsinki-Berichts zum Sport, welcher die Standpunkte von Regierungen und Sportverbänden der Mitgliedstaaten enthält und dem Europäischen Rat im Dezember 1999 von der Kommission zugeleitet wurde. Der Bericht stellt ein Positionspapier der EU dar, in dem die Grundsätze der europäischen Sportpolitik ausgeführt werden. Insbesondere wird die Rolle der EU bei der Stärkung der Sozial- und Bildungsfunktion des Sports herausgestellt. Die Kommission betont die Notwendigkeit, die besonderen Merkmale des Sports bei der Durchführung jeder Unionspolitik zu berücksichtigen. Eine direkte Einmischung der Kommission in das Sportgeschehen soll hingegen, mangels anderer entsprechender Kompetenzzuweisungen, nur im Bereich der Dopingbekämpfung erfolgen. Trotz aller Vagheit stellt der Helsinki-Bericht eine neue Herangehensweise der EU an Fragen des Sports dar und unterstreicht die Bedeutung der traditionellen Werte des Sports in einer veränderten Wirtschafts- und Rechtslage, sowie das Erfordernis der Zusammenarbeit von Union, Mitgliedstaaten und Sportverbänden, um der zunehmenden Internationalisierung des Sports angemessen zu begegnen. Die erzieherische Funktion des Sports 19 Dazu Nafziger, in: Gardiner/Parrish/Siekmann, EU, Sports, Law and Policy, 2009, S. 35 ff. 20 Darauf weist zutreffend Weatherill, in: Weatherill, European Sports Law, 2007, S. 155 (175), zuerst erschienen in: Greenfield/Osborn, Law and Sport in Contemporary Society, S. 155 ff., hin.
A. Sportbezogene Unions-Dokumente
227
sowie die Bedeutung der gemeinsamen Dopingbekämpfung werden aufgewertet, gleichzeitig wird die klare Absteckung eines Rechtsrahmens für den Sport in der Union zum unabdingbaren Ziel erklärt21. Die Kommission sieht sich dabei als Hüterin der Verträge mit der Aufgabe betraut, Sportregeln auf Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht zu überprüfen.
VI. Europäischer Rat: Nizza-Erklärung, Anlage IV (Dezember 2000) Die „Erklärung über die im Rahmen gemeinsamer Politiken zu berücksichtigenden besonderen Merkmale des Sports und seine gesellschaftliche Funktion in Europa“22 stellt gleichsam die Antwort des Europäischen Rates auf den Helsinki-Bericht der Kommission dar. Darin wird die grundsätzliche Zuständigkeit der Sportverbände und der Mitgliedstaaten für die Pflege sportlicher Belange anerkannt, und die Verpflichtung der Union betont, bei ihrer Tätigkeit (im Rahmen der Verträge) die charakteristischen sozialen, kulturellen und erzieherischen Funktionen des Sports zu berücksichtigen und zu fördern. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Rolle des Freizeitund Breitensports sowie der Ausbildungsfunktion des Sports und dem Schutz junger Sportler. Dabei betont der Europäische Rat aber auch die Autonomie der Sportorganisationen und ihr Recht auf Selbstorganisation durch Schaffung geeigneter Verbandsstrukturen, insbesondere im Hinblick auf ihr sportliches Regelwerk und die Bildung von Nationalmannschaften, jedoch nur unter Beachtung des nationalen und des Unionsrechts. In Bezug auf die wirtschaftliche Kontrolle von Sportverbänden, den Verkauf von Fernsehübertragungsrechten und die Weiterentwicklung von Transferregelungen werden Empfehlungen abgegeben und die Sportverbände ersucht, sich dieser Probleme anzunehmen. Bei der Erklärung handelt es sich um die rechtlich unverbindliche „Schlussfolgerung“ des Vorsitzes des Europäischen Rates, die jedoch nicht in die Schlussakte des Vertrages eingeflossen ist. Gleichwohl geht von ihr beachtliche politische Bindungskraft für die praktische Arbeit der europäischen Organe aus23. Vor allem fällt eine Betonung der besonderen Merkmale des Sports und seiner gesellschaftlichen Funktion in Europa auf. Zum Amateur- und Breitensport heißt es dort unter anderem: „Sportliche Betätigung muss allen offen stehen.“24 21
Siehe auch Mentzel, Solidarität im professionellen Fußballsport, 2007, S. 100. Dok. SN 400/00 ADD 1, S. 25 ff. 23 So auch Conzelmann, Modelle für eine Förderung der inländischen Nachwuchssportler, 2008, S. 140 f. 22
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5. Teil: Europäische Aktivitäten im Bereich des Sports
Die Erklärung von Nizza ist zwar rechtlich nicht verbindlich, bildet aber eine politische Leitlinie für andere EU-Institutionen, die Mitgliedstaaten und die Sportverbände gleichermaßen. Sie ist Zeichen einer erfolgreichen Lobbyarbeit des Sports und der zunehmenden Anerkennung des Sports auf höchster politischer Ebene25.
VII. Arnaut-Report (2006) Auf Initiative der britischen Ratspräsidentschaft 2005 verfasste José Luis Arnaut eine „Independent European Sport Review“26, die sich beispielhaft am Fußball orientiert. Die Studie fasst bisher aufgetretene europarechtliche Probleme im Bereich des Sports zusammen und nimmt insbesondere zu den Besonderheiten des Sports in Form der Funktionsfähigkeit des sportlichen Wettbewerbs, der Integrität des Sports sowie der Ausgeglichenheit des sportlichen Wettbewerbs Stellung. Ausführlich werden die Probleme der Abstellungsklauseln sowie der 6+5-Regel und die Dopingproblematik behandelt. Der Report befürwortet eine weitgehende Autonomie der Sportverbände in Hinblick auf Spielregeln und Dopingregeln, sieht aber keine Möglichkeit einer europarechtlichen Zulässigkeit der 6+5-Regel. Vor allem wird Kritik an der Herangehensweise mit Einzelfallentscheidungen geübt, da so die nötige Rechtssicherheit fehlt. Auch der Arnaut-Report befürwortet die Schaffung einer europäischen Sport-Agentur und listet weitere konkrete Handlungsvorschläge und Empfehlungen auf.
VIII. Belet-Report (2006) Im Anschluss an die Fußball-Weltmeisterschaften in Deutschland im Jahr 2006 veröffentlichte das Europäische Parlament ein Arbeitspapier zur Zukunft des Profifußballs in Europa. Berichterstatter war Ivo Belet, weshalb das Arbeitspapier auch als „Belet-Report“ bezeichnet wird. In diesem Arbeitspapier werden die Wesensmerkmale des europäischen Fußballsports, parallel zum von der britischen Ratspräsidentschaft in Auftrag gegebenen „Arnaut-Report“, aufgeführt, rechtliche und politische Probleme benannt und die Etablierung eines Rechtsrahmens, eines Aktionsplanes sowie der Schaffung einer EU-Sport-Agentur angeregt, um sich dieser Probleme anzunehmen. 24
Europäischer Rat, Nizza-Erklärung, Anlage IV, Rn. 4. Grodde, SpuRt 2005, S. 222 (223). 26 Final version von Oktober 2006 abrufbar unter http://www.independentfootball review.com/doc/Full_Report_EN.pdf, letzter Abruf 23. Januar 2011. 25
A. Sportbezogene Unions-Dokumente
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IX. Weißbuch Sport der Europäischen Kommission (2007)27 Das Weißbuch Sport wurde am 11. Juli 2007 verabschiedet und stellt eine ganzheitliche Herangehensweise an die Fragen des europäischen Sports dar28. Zum Weißbuch gehören noch vier weitere umfangreiche Dokumente, nämlich der Aktionsplan „Pierre de Coubertin“, ein Dokument zu Hintergrund und Kontext des Weißbuches, ein Arbeitspapier der Kommission29 sowie eine Folgenabschätzung. In Anlehnung an die Definition des Sports durch den Europarat bezieht es sich auf alle Sportarten und auf alle Ebenen der Sportausübung, also Profi-, Amateur- und Freizeitbereich. Dabei werden das Subsidiaritätsprinzip, die Verbandsautonomie und der unionsrechtliche Rahmen grundsätzlich respektiert und der Versuch unternommen, diese weitestgehend in Einklang zu bringen30. Die Hauptziele des Weißbuchs Sport waren, eine Orientierung im Hinblick auf die Rolle des Sports in der EU zu geben, ein Bewusstsein für die Besonderheiten und Bedürfnisse des Sports zu schaffen, die Anwendung des Unionsrechts auf den Sport transparenter zu machen, den Sport in der Unionspolitik sichtbar zu machen und Diskussionen anzuregen sowie weiteren Handlungsbedarf auf EU-Ebene auszuloten31. Dabei ist es in drei Hauptteile gegliedert: Die gesellschaftliche Rolle des Sports (Dopingbekämpfung, Bekämpfung von Rassismus und Gewalt, Sport und Bildung, Sport in den EU-Außenbeziehungen, öffentliche Gesundheit), die wirtschaftliche Dimension des Sports (Maßnahmen hauptsächlich beschränkt auf Datensammlung und Auswertung) sowie die Organisation des Sports (Vermarktung von Medienrechten, Tätigkeit von Spielervermittlern, Lizenzierungssystem für Profivereine, Schutz von Minderjährigen, Bekämpfung von Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit und anderer Beeinträchtigungen der Freizügigkeit, Bekämpfung von Finanzkriminalität). Gerade der letzte Teil sowie das Begleitdokument zu Hintergrund und Kontext 27
Europäische Kommission, Weißbuch Sport, KOM (2007) 391. Einzelheiten zu Hintergründen, Zielen und Inhalt des Weißbuchs Sport bei Muresan, Causa Sport 2007, S. 281 (283); sowie Stein, SpuRt 2008, S. 46 ff. 29 Europäische Kommission, Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission: EU und Sport: Hintergrund und Kontext. Begleitdokument zum Weißbuch Sport, KOM (2007) 391 endg. [SEK (2007) 935]. Dessen Abschnitt 2 (S. 100–109) setzt sich mit dem Themenkomplex „Sport und Binnenmarktfreiheiten“ auseinander und bietet einen guten Überblick über den aktuellen Stand der EuGH-Rechtsprechung. 30 Vélazquez Hernández, in: Blanpain/Colucci/Hendrickx, The Future of Sports Law in the European Union, 2008, S. 77 (78). 31 Vgl. Vélazquez Hernández, in: Blanpain/Colucci/Hendrickx, The Future of Sports Law in the European Union, 2008, S. 77 (79). 28
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5. Teil: Europäische Aktivitäten im Bereich des Sports
gehen insbesondere auf die Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts auf Sportregeln unter Berücksichtigung der in der Entscheidung Meca-Medina und Macjen entwickelten Methodik ein. Eine typisierte oder pauschale Einschätzung, welche Art von Regelungen wettbewerbsrechtlich zulässig wäre, enthält das Dokument jedoch nicht, um den irreführenden Eindruck einer Genehmigungswirkung zu vermeiden32. Das Weißbuch Sport ist somit eine sehr umfassende Darstellung der aktuellen Probleme im Bereich des europäischen Sports und führt anschaulich den bestehenden Handlungsbedarf vor Augen. Vorgeschlagene Maßnahmen bleiben jedoch wenig konkret33, weshalb es auch von vielen Sportverbänden, u. a. dem IOC und der FIFA, als eine „verpasste Gelegenheit“ bezeichnet wurde34. Auf der anderen Seite ist das Weißbuch jedoch sehr gelungen, da es objektiv die gesamte Situation darstellt und nicht den (falschen) Anschein erweckt, dass der EU sportliche Regelungskompetenzen zukämen35. Auch der Doppelbedeutung bzw. der verschiedenen Dimensionen des Begriffs „Besonderheiten des Sports“ wird im Weißbuch Rechnung getragen36, indem einerseits die Besonderheit sportlicher Betätigung und dessen Regeln herausgestellt wird, welche die traditionellen Spielregeln einschließen und der Ergebnisoffenheit sowie dem ausgeglichenen Wettbewerb dienen. Andererseits werden aber auch die Besonderheiten der Sportorganisation betont, die sich durch Autonomie der Verbände, den pyramidenförmigen Wettkampfs- und Verbandsaufbau, die Organisation auf nationaler Ebene sowie das Ein-Platz-Prinzip auszeichnet. Dabei betont die Kommission, dass diese Besonderheiten weiterhin anerkannt und berücksichtigt werden, dass sie jedoch nicht zu einer generellen Unanwendbarkeit des Unionsrechts auf den Sport führen. Es werden im Weißbuch Sport also die in der Meca-Medina und Macjen-Entscheidung gefundenen Prinzipien wiederholt und festgeschrieben. Dem Weißbuch Sport kommt als bloßer Dokumentation der Europäischen Kommission zwar keinerlei rechtliche Bindungswirkung oder auch nur autoritativer Regelungscharakter zu. Die Kommission kann nur sich selbst, nicht jedoch Dritte binden. Jedoch werden ihre Dokumentationen bei der 32
So auch Stein, SpuRt 2008, S. 46 (48). Dies bemängelt auch Muresan, Causa Sport 2007, S. 281 (287), der den Grund dafür jedoch in erster Linie in der fehlenden Regelungskompetenz der Gemeinschaft für Sportfragen sieht. 34 Colucci, in: Blanpain/Colucci/Hendrickx, The Future of Sports Law in the European Union, 2008, S. 21 (24). 35 So Weatherill, in: Gardiner/Parrish/Siekmann, EU, Sports, Law and Policy, 2009, S. 101 (112), zuerst erschienen in: ISLJ 2008, S. 3 ff. 36 Siehe Parrish/Miettinen, The Sporting Exception in European Union Law, 2008, S. 44. 33
B. Vertragsreformen im Hinblick auf den Sport
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Anwendung von Unionsrecht durch Behörden und Gerichte in der Regel in Betracht gezogen und können so eine aussagekräftige Quelle für die Auslegung des Unionsrechts bieten37. Letztendlich wird also auch trotz dieser umfangreichen Auseinandersetzung der Kommission mit rechtlichen und politischen Fragen und Problemen des Sports die Hauptrolle bei der (Weiter-)Entwicklung des europäischen Sportrechts weiterhin dem EuGH zukommen. Das Weißbuch Sport stellt jedoch jedenfalls einen guten Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der europäischen Sportpolitik dar38.
B. Vertragsreformen im Hinblick auf den Sport I. Vertrag über eine Verfassung für Europa Im Vertrag über eine Verfassung für Europa39 fand der Sport erstmals eine ausdrückliche Erwähnung im Primärrecht der Union40. So lautete Art. I-17 EVV: „Die Union ist für die Durchführung von Unterstützungs-, Koordinierungs- oder Ergänzungsmaßnahmen zuständig. Diese Maßnahmen mit europäischer Zielsetzung können in folgenden Bereichen getroffen werden: a) Schutz und Verbesserung der menschlichen Gesundheit, b) Industrie, c) Kultur, d) Tourismus, e) allgemeine Bildung, Jugend, Sport41 und berufliche Bildung, f) Katastrophenschutz, g) Verwaltungszusammenarbeit.“
Erstmals war also eine, wenn auch nur ergänzende und unterstützende, Kompetenz in sportlichen Fragen vorgesehen. Der Europäischen Union wurde somit eine Teilkompetenz für den Sport zuerkannt, die sich auf dem gleichen Niveau bewegt wie in den Bereichen Bildung und Kultur42. 37
Ausführlicher dazu Thomas, EuR 2009, S. 423 (436 f.). So auch Husting, RevMCUE 2007, S. 513 (517). 39 ABl. EU 2004, Nr. C 310, S. 1 ff., geändert durch Protokoll zum Beitrittsvertrag vom 25.04.2005 ABl. EU, Nr. L 157 vom 21.6.2005, S. 26 ff. 40 Dazu Grodde, SpuRt 2005, S. 222 ff. 41 Hervorhebung durch Verf. 42 Dies wird von Grodde, SpuRt 2005, S. 222 (226), jedoch lediglich als Kompromisslösung bezeichnet. 38
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5. Teil: Europäische Aktivitäten im Bereich des Sports
In Art. III-282 EVV wurde der Sport an mehreren Stellen noch einmal aufgegriffen: „Die Union trägt unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des Sports, seiner auf freiwilligem Engagement basierenden Strukturen und seiner sozialen und pädagogischen Funktion zur Förderung der europäischen Aspekte des Sports bei.“ „Die Tätigkeit der Union hat folgende Ziele: [. . .] g) die Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere junger Sportler.“ „Die Union und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit Drittländern und den für den Bildungsbereich und den Sport zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat.“
Zusammenfassend bleibt jedoch festzuhalten, dass weder die von den Sportverbänden geforderte Bereichsausnahme noch die von Seiten der Unionsorgane vielleicht wünschenswert erscheinende ausdrückliche Sportkompetenz seitens der EU Eingang in den Vertrag gefunden haben. Da der Verfassungsvertrag jedoch aufgrund der negativen Referenden in Frankreich und den Niederlanden nicht in Kraft treten konnte, kann keine Aussage dazu getroffen werden, wie sich diese Aufnahme des Sports in das unionsrechtliche Primärrecht wohl praktisch ausgewirkt hätte.
II. Vertrag von Lissabon (2009) Auch der Reform-Vertrag von Lissabon43, der an Stelle des gescheiterten Verfassungsvertrages am 1. Dezember 2009 in Kraft getreten ist, enthält eine Erwähnung des Sports, wenn diese auch nicht so weit geht wie das Zugeständnis einer eigenständigen (Teil-)Kompetenz, sondern auf Unterstützung und Begrenzung des organisierten Sports und die Förderung von dessen europäischer Dimension begrenzt ist44. 43
Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, unterzeichnet am 13.12.2007, ABl. EU 2007, Nr. C 306; Konsolidierte Fassungen des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU 2010, Nr. C 83, S. 13 ff. und 47 ff. 44 Vgl. dazu auch Persch, NJW 2010, S. 1917 ff.; Muresan, Causa Sport 2010, S. 99 ff.; Jeck/Langner, cepStudie Die Europäische Dimension des Sports, 2010, S. 39; Brost, SpuRt 2010, S. 178 (179 f.).
B. Vertragsreformen im Hinblick auf den Sport
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Künftig wird der Sport jedoch in den EU-Verträgen an mehreren Stellen ausdrücklich erwähnt. Art. 6 AEUV regelt einige Zuständigkeitsbereiche der Union folgendermaßen: „Die Union ist für die Durchführung von Maßnahmen zur Unterstützung, Koordinierung oder Ergänzung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten zuständig. Diese Maßnahmen mit europäischer Zielsetzung können in folgenden Bereichen getroffen werden: a) Schutz und Verbesserung der menschlichen Gesundheit, b) Industrie, c) Kultur, d) Tourismus, e) allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport45, f) Katastrophenschutz, g) Verwaltungszusammenarbeit.“
Und Art. 165 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV lautet folgendermaßen: „Die Union trägt zur Förderung der europäischen Dimension des Sports bei und berücksichtigt dabei dessen besondere Merkmale, dessen auf freiwilligem Engagement basierende Strukturen sowie dessen soziale und pädagogische Funktion.“
Dabei konzentriert sich die Tätigkeit der Union auf drei Schwerpunkte, namentlich die Dopingbekämpfung, die Erziehung durch Sport sowie die Integrationsfunktion des Sports, in Form der „. . . Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere der jüngeren Sportler.“
In Art. 165 Abs. 3 AEUV heißt es: „Die Union und die Mitgliedstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für den Bildungsbereich und den Sport zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere dem Europarat.“
Wie sich diese Erwähnung des Sports im Primärrecht der Union in der Praxis auswirken wird, bleibt mit Spannung abzuwarten, sollte jedoch nicht überschätzt werden46. Zwar erhält der Sport erstmals eine rechtliche Basis im Unionsrecht, jedoch nicht in Form einer eigenständigen Regelungskom45
Hervorhebung durch Verf. So auch Jeck/Langner, cep Studie Die Europäische Dimension des Sports, 2010, S. 39. 46
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5. Teil: Europäische Aktivitäten im Bereich des Sports
petenz zugunsten der Union, so dass gravierende Veränderungen oder Verschiebungen der Machtverhältnisse zwischen Union und Mitgliedstaaten bzw. Sportorganisationen in nächster Zeit wohl nicht zu erwarten sind47, sondern es sich eher um eine (rechtliche) Untermauerung und Verfestigung der bisherigen Rechtsprechung und Praxis handelt.
C. Fazit und Ausblick Die Europäische Union ist sich im Laufe der Jahre der Bedeutung des Sports bewusst geworden. Das beweist auch die steigende Anzahl der Dokumente, die sich mit dem Sport auseinandersetzen und Kompetenzen und Politiken entwickeln und festlegen. Die Zuweisung einer eigenständigen Kompetenz an die Europäische Union ist jedoch bisher (auch durch den Vertrag von Lissabon) nicht erfolgt, so dass es aufgrund des Prinzips der Einzelermächtigung weiterhin bei der grundsätzlichen Kompetenz der Mitgliedstaaten bleibt. Bei der Anwendung des übrigen Unionsrechts auf sportrelevante Sachverhalte ist jedoch mit einer sportsensiblen Handhabung zu rechnen, da Mitgliedstaaten und Unionsorgane in den letzten Jahren durch verschiedene Dokumente, Maßnahmen und Veröffentlichungen deutlich gemacht haben, dass sie sich über die Bedeutung des Sports für die europäische Integration im Klaren sind und diese bei ihrem Handeln und der Auslegung von unionsrechtlichen Vorschriften berücksichtigen werden. Insbesondere die Bezugnahme auf sportliche Interessen in der Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam sowie im durch den Vertrag von Lissabon eingefügten Art. 165 AEUV kann als unterstützendes Indiz im Rahmen der Rechtfertigung sportverbandlicher Satzungsmaßnahmen herangezogen werden. Weiterhin wird aber die größte Bedeutung in der Entwicklung eines „Europäischen Sportrechts“ der Rechtsprechung des EuGH zukommen, da ohne eine Harmonisierungskompetenz der Union48 eine Systematik nur durch den Vergleich und die Zusammenfassung von Einzelfallentscheidungen erfolgen kann. Diese Vorgehensweise wird jedoch durch die Rechtsferne des Systems Sport erschwert, in dem die Beteiligten nur selten den langwierigen Gerichtsweg beschreiten, der ihnen in ihrer eigenen kurzen Karriere oft nur von wenig Nutzen ist, sondern nur die Weichen für die nächsten Generationen zu stellen vermag. 47
So sieht das auch Muresan, Causa Sport 2010, S. 99 (105), der Art. 165 AEUV als „weiche“ Zuständigkeit bezeichnet. 48 Art. 165 Abs. 4 AEUV enthält ein ausdrückliches Harmonisierungsverbot. Vgl. auch Persch, NJW 2010, S. 1917 (1917).
C. Fazit und Ausblick
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Hinzu kommt, dass aufgrund der Befürchtung von Sanktionen viele Sportler auch ganz auf die Beschreitung des ordentlichen Rechtsweges verzichten und Streitigkeiten vielmehr im Rahmen der autonomen Verbands(schieds)gerichtsbarkeit mit dem Tribunal Arbitral du Sport in Lausanne an der Spitze ausgetragen werden49. Im Hinblick auf die Konzeption eines systematischen europäischen Sportrechts wäre es daher erwägenswert, diesen Sportschiedsgerichten möglicherweise eine Vorlageberechtigung im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV (exArt. 234 EG) zuzugestehen, da die meisten Streitpunkte anderenfalls niemals zur Kenntnis, geschweige denn zur Entscheidung, durch den EuGH kämen.
49 So auch schon Schroeder, Sport und europäische Integration, 1989, S. 18. Das TAS/CAS wendet jedoch kein Gemeinschaftsrecht an und kann deshalb nicht zu dessen Rechtsentwicklung in Bezug auf den Sport beitragen.
Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit „Sport verbindet Welten“ und ist entsprechend durch Internationalität und Universalität gekennzeichnet. Die zunehmende Professionalisierung und Kommerzialisierung des Sports auf allen Leistungsebenen hat gleichzeitig zu seiner Verrechtlichung geführt. Auch das Europarecht ist davon nicht unberührt geblieben, oder andersherum gesagt: Der Sport ist vom Europarecht nicht unberührt geblieben. Daher stellt sich die berechtigte Frage, welches die Voraussetzungen einer Bindung von Sportverbänden an die unionsrechtlichen Grundfreiheiten sind und wo die Grenzen dieser Bindung verlaufen. Denn dass diese Bindung besteht, ist seit den EuGH-Entscheidungen Walrave und Koch, Donà ./. Mantero und Bosman sowie der anschließenden ständigen Rechtsprechung nicht mehr ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Zwar fehlt die Zuweisung einer eigenständigen Regelungskompetenz für den Sport an die Union und ihre Organe, so dass es aufgrund des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 2 EUV n. F.) bei der grundsätzlichen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten im Bereich des Sports verbleibt. Die Union darf hier also nicht rechtsetzend tätig werden. Dennoch stellt der Sport keinen unionsrechtsfreien Bereich dar: Soweit die Union im Rahmen ihrer Wirtschaftskompetenz im Bereich des Binnenmarktes und des Wettbewerbs rechtsetzend tätig geworden ist, finden solche Regelungen auf alle Sachverhalte Anwendung, die sich unter deren Tatbestandsvoraussetzungen subsumieren lassen, also auch auf „auch sportliche“ Sachverhalte. Wenn Sport sich also als wirtschaftliche Tätigkeit darstellt, dann müssen die wirtschaftlichen Normen des AEUV auch Anwendung finden, ohne dass es zu einem Kompetenzkonflikt mit den eigentlich für den Sport zuständigen Mitgliedstaaten kommt. Das hat auch der EuGH in den Fällen Walrave und Koch sowie Donà ./. Mantero festgestellt und im Folgenden immer wieder bestätigt. Der Sport ist somit ein gutes Beispiel dafür, wie das Unionsrecht funktioniert: Die kompetenzgerecht erlassenen Wirtschaftsnormen entfalten einen „spill over“-Effekt auf „auch sportliche“ Sachverhalte, die so einen mittelbar unionsrechtlichen Status erlangen und sich an dessen Vorschriften messen lassen müssen. Eine Bereichsausnahme vom Unionsrecht für den Sport ist abzulehnen. Selbst im Bereich der Kultur, die immer wieder als Beispiel für die Annahme und Ausgestaltung einer Bereichsausnahme herangezogen wird, gibt es eine
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solche umfassende Bereichsausnahme vom Anwendungsbereich des Unionsrechts nicht. Lediglich die Regelungskompetenz der Union ist im Bereich der Kultur eingeschränkt. Für den Sport hingegen gibt es überhaupt keine solche Regelungskompetenz, so dass die kulturellen Befugnisse der Union vergleichsweise sogar weiter gehen als diejenigen im Bereich des Sports. Die „Besonderheiten des Sports“ sind dennoch bei der Anwendung des Unionsrechts in angemessener Weise zu berücksichtigen. Das erfolgt jedoch nicht durch einen vollständigen Ausschluss der Rechtsanwendung (sog. Bereichsausnahme), sondern vielmehr durch eine Interessenabwägung auf Rechtfertigungsebene. Der in der „Sportverbandsrechtsprechung“ des EuGH angeklungene und in der Literatur vielfach befürwortete „Sportvorbehalt“ findet aber in Form eines „Nationalmannschaftsvorbehaltes“ noch seine Berechtigung. Die Zusammensetzung von Nationalmannschaften aus Sportlern mit ausschließlich derselben Nationalität ist trotz der wirtschaftlichen Bedeutung vieler Nationalmannschaftsbegegnungen nicht am Diskriminierungsverbot des AEUV zu messen, da Nationalmannschaften ihren Sinn und Zweck, ihre identitätsstiftende Funktion (vgl. Art. 4 Abs. 2 EUV n. F.) und damit letztlich auch ihre wirtschaftliche Bedeutung einzig aus ihrer nationalen Zusammensetzung beziehen. Die Anwendung des Diskriminierungsverbotes aufgrund der Staatsangehörigkeit auf die Aufstellung in Nationalmannschaften würde nämlich letztendlich zu deren Abschaffung führen. Dies kann nicht im Sinne des Unionsrechts sein. Die Auswirkungen der Geltung des Unionsrechts auch im Bereich des Sports werden in dieser Arbeit insbesondere am Beispiel der Grundfreiheiten untersucht. Die Grundfreiheiten des AEUV, namentlich die Warenverkehrsfreiheit, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, dienen der Verwirklichung des Binnenmarktes. Sie gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, erfordern jedoch einen grenzüberschreitenden Bezug und sind daher trotz vieler Gemeinsamkeiten nicht mit Grundrechten gleichzusetzen. Sie umfassen sowohl ein Diskriminierungsverbot (aufgrund der Staatsangehörigkeit) als auch ein Beschränkungsverbot (des Warenaustausches bzw. der Freizügigkeit von Personen innerhalb der Union). Die Verwirklichung des Binnenmarktes kann auch durch Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten im Bereich des Sports gefährdet werden. Als bedeutendste Beispiele seien genannt: – Ausländerklauseln im Mannschaftssport; – Beschränkungen des Einsatzes in Nationalmannschaften nach Wechsel der Staatsbürgerschaft; – die Einführung von Heimkontingenten in Form von Mindestkontingenten an einheimischen Spielern (z. B. die geplante „6+5-Regel“ der FIFA)
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oder in Form von Mindestkontingenten an selbst ausgebildeten Sportlern („Homegrown Players Rule“ der UEFA) oder in Form von finanziellen Anreizen für die Beschäftigung und Ausbildung von einheimischen Talenten („Österreicher-Topf“ des ÖFB); – die verpflichtende Zahlung von Transferentschädigungen beim Mannschaftswechsel; – der Abschluss von Verträgen mit langer Laufzeit ohne einseitige Kündigungsmöglichkeit, um eine Transferentschädigung für den vorzeitigen Vertragsbruch verlangen zu könne („Herauskaufen aus laufenden Verträgen“); – die Nichtanerkennung von (ausländischen) Trainerdiplomen, Lizenzerfordernisse für Trainer, Coaches und Spielervermittler; – Nominierungskriterien und -entscheidungen; – Investorenhemmnisse und – Abstellungspflichten der Vereine für Nationalmannschaften. Da die meisten Sportverbände privatrechtlich organisiert sind, kommt es darauf an, ob auch Private an die in den Grundfreiheiten enthaltenen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote gebunden sind. Diese Frage wird trotz vieler terminologischer Uneinigkeiten hierzulande meist unter dem Begriff der „unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten“ diskutiert. Nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des EuGH ist eine solche unmittelbare Drittwirkung jetzt anerkannt, und auch die Auslegung der Vertragsvorschriften steht dieser Annahme nicht entgegen: – Der Wortlaut des AEUV ist für eine Einbeziehung Privater in den Adressatenkreis der Grundfreiheiten mangels entgegenstehender Anordnungen zumindest grundsätzlich offen. – Die Eigenschaft der EU-Verträge als völkerrechtliche Verträge spricht auch nicht dafür, nur die vertragsschließenden Mitgliedstaaten als Adressaten anzusehen, da es sich beim Unionsrecht um eine supranationale Rechtsordnung sui generis handelt, für welche die Regeln des Völkerrechts nicht ohne Weiteres gelten. – Auch die staatengerichteten Vorschriften im Umfeld der Grundfreiheiten deuten eher darauf hin, dass, wenn nur bestimmte Adressaten verpflichtet werden sollen, diese auch ausdrücklich benannt werden, und anderenfalls alle Rechtssubjekte gemeint sind. Die vertraglich vorgesehenen Rechtfertigungsgründe für Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten, insbesondere in Form von ordre public-Vorbehalten, sind zwar eher auf Staaten zugeschnitten, jedoch wäre es geradezu widersinnig, bei fehlender Rechtfertigungsmöglichkeit eines Handelnden automatisch auch die fehlende Möglichkeit eines Verstoßes durch diesen anzunehmen.
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– Die Abgrenzung von Grundfreiheiten und Wettbewerbsvorschriften spricht weder für noch gegen eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten, da es nicht ungewöhnlich ist, dass ein und derselbe Sachverhalt von unterschiedlichen Normkomplexen erfasst wird, die sich ergänzen, und nicht ausschließen. – Das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV, welches im Verhältnis zu den Grundfreiheiten als Generalklausel anzusehen ist, spricht allgemein von seiner Geltung im Anwendungsbereich des Vertrages. Da die Grundfreiheiten Konkretisierungen des Art. 18 AEUV darstellen, spricht dies dafür, für alle diese Normen einen einheitlichen Anwendungsbereich und Adressatenkreis anzunehmen. Voraussetzung für die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten wäre jedoch die unstreitige unmittelbare Drittwirkung des Art. 18 AEUV, für oder gegen welche jedoch im Wesentlichen dieselben Argumente sprechen wie im Rahmen der Grundfreiheiten auch. – Der die Arbeitnehmerfreizügigkeit konkretisierenden VO (EWG) Nr. 1612/68 liegt ebenfalls eine unmittelbare Drittwirkung zugrunde. – Die Grundfreiheiten können ihre größtmögliche Wirksamkeit nur bei einer Bindung auch Privater entfalten, da nur so eine Flucht ins Privatrecht unterbunden werden kann. Außerdem wäre anderenfalls die einheitliche Anwendung des Unionsrechts gefährdet, da die Mitgliedstaaten gerade im Bereich des Sports oft eine unterschiedliche „Staatsquote“ verfolgen. Aus effet-utile-Gesichtspunkten wäre also eine Bindung von Privaten mit einer wirtschaftlichen oder sozialen Machtstellung zu befürworten, da es dem Bürger gegenüber keinen Unterschied macht, ob der Staat handelt, ein mächtiger Verband (bzw. andere intermediäre Gewalten) oder ein Arbeitgeber. Im Rahmen seiner Auslegungskompetenz aus Art. 19 Abs. 1 EUV n. F. hat der EuGH dementsprechend in den Fällen Walrave und Koch, Donà ./. Mantero und Bosman für Sportverbände als intermediäre Gewalten eine unmittelbare Drittwirkung der personenbezogenen Grundfreiheiten bejaht, und diese in den Fällen Deliège und Lehtonen bestätigt. Im Fall Angonese wurde diese unmittelbare Drittwirkung auch auf private Arbeitgeber ausgeweitet. Die Bindung von Gewerkschaften wurde in den Fällen Viking und Laval festgestellt, und die Entscheidung Raccanelli ./. Max-Planck-Gesellschaft brachte eine Bestätigung der Angonese-Entscheidung mit sich. Im Bereich der Warenverkehrsfreiheit ist der EuGH mit der Annahme einer Eingriffspflicht aufgrund von Schutzpflichten der Mitgliedstaaten aus Art. 4 Abs. 3 EUV n. F. (vorher Art. 10 EG) bei (drohenden) Verstößen gegen die Grundfreiheiten durch Private einen anderen Weg gegangen. Dieses
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Schutzpflichtenkonzept schließt die unmittelbare Drittwirkung der Warenverkehrsfreiheit aber nicht aus, sondern geht lediglich von einem anderen Ausgangspunkt aus. Beide Konzepte sind nebeneinander anwendbar und ergänzen sich. Das Unionsrecht und insbesondere die Grundfreiheiten gelten auch gegenüber Sportweltverbänden, die ihren Sitz nicht in einem Mitgliedstaat haben und auch, wenn eine Vielzahl ihrer nationalen Mitgliedsverbände nicht aus EU-Mitgliedstaaten (oder diesen gleichgestellten) stammt. Wenn Sportverbandsregelungen innerhalb des Geltungsbereiches des Unionsrechts zur Anwendung kommen, müssen sie auch im Einklang mit diesem angewendet und ausgelegt werden. Viele Sportler aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten können sich ebenfalls auf Diskriminierungsverbote berufen, die sich mit den Grundfreiheiten vergleichen lassen. So gelten parallele Regelungen im Rahmen des EWR-Abkommens, mit der Schweiz existiert ein Freizügigkeitsabkommen, und auch die die EU-Osterweiterung vorbereitenden Europa-Abkommen, das Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen mit Russland sowie das Assoziationsabkommen mit der Türkei beinhalten unmittelbar anwendbare und drittwirkende Diskriminierungsverbote (vgl. die EuGH-Entscheidungen in den Fällen Kolpak, Simutenkov und Kahveci). Gleiches gilt für das AKP-Abkommen mit Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifik sowie für das Kooperationsabkommen mit Algerien und die Europa-Mittelmeer-Abkommen mit Marokko und Tunesien, da auch diese unbedingt formulierte Diskriminierungsverbote mit einer klaren und eindeutigen Verpflichtung enthalten, die keines weiteren Zwischenaktes bedürfen (vgl. die EuGH-Entscheidung im Fall Demirel) und im Übrigen parallel zum Unionsrecht (bzw. zu dessen Stand bei Vertragsabschluss) ausgelegt werden. All diese Abkommen stellen einen integrierenden Bestandteil des Unionsrechts dar und sind deshalb auch von Sportverbänden zu berücksichtigen. Für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten kommt es darauf an, ob die betroffenen Sportler als Arbeitnehmer, Dienstleistungserbringer, Freizeitsportler oder anderes einzustufen sind. Sportler sind dann Arbeitnehmer, wenn sie eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausüben, die nicht von so geringem Umfang ist, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt, und deren wesentliches Merkmal darin besteht, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Das trifft auf Berufssportler in Mannschaftssportarten ohne weiteres zu. Auch so genannte Amateure fallen darunter, wenn der Amateurstatus nur dem Vertrag nach („auf dem Papier“) besteht, in Wirklichkeit aber alle Arbeitnehmermerkmale erfüllt werden.
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Für Sportler, die den Status von Arbeitnehmern haben, gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Auch für Hobby- und Freizeitsportler, die als Wanderarbeitnehmer gleichzeitig einen anderen Beruf ausüben, stellt die Möglichkeit der Sportausübung eine entscheidende Integrationshilfe und damit eine „sonstige Arbeitsbedingung“ i. S. d. Art. 45 Abs. 2 AEUV dar, so dass sie als Begleitrecht zur Arbeitnehmerfreizügigkeit geltend gemacht werden kann. Berufssportler und so genannte „Amateure“ in Individualsportarten sind hingegen meistens von der Dienstleistungsfreiheit erfasst, da es in der Regel an einer für den Arbeitnehmerstatus erforderlichen Weisungsgebundenheit fehlt. Die Dienstleistungsfreiheit ist dann einschlägig, wenn die Athleten für ihre sportliche Tätigkeit ein Entgelt in Form von materiellen Gegenleistungen bekommen. Es kommt dabei nicht darauf an, wo die Bezahlung herrührt, solange die Sportler für ihre sportliche Tätigkeit von irgendeiner Seite bezahlt werden (EuGH-Entscheidung Deliège). Auch bei Freizeitsportveranstaltungen werden (zumindest von den Veranstaltern) entgeltliche Dienstleistungen erbracht, so dass sich die Sportler jedenfalls auf die passive Dienstleistungsfreiheit berufen können. Die Niederlassungs-, die Warenverkehrs- und die Kapitalverkehrsfreiheit können ebenfalls in vieler Hinsicht sportlich relevant werden, zu nennen sind hier beispielhaft Sponsoring- und Marketingfragen, Investorenhemmnisse oder die Lizenzierung von Trainern. Der Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbotes aus Art. 18 i. V. m. Art. 21 AEUV kann auch im Falle von Freizeitsport eröffnet sein, wenn neben dem bloßen Vorliegen der Unionsbürgerschaft auch (irgend)eine unionsrechtlich geregelte Situation vorliegt. Eine Beeinträchtigung einer Grundfreiheit liegt bei Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit oder bei anderen Beschränkungen der Ausübung der garantierten (Freizügigkeits-)Rechte vor. Ausdrückliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit können nur durch die geschriebenen Rechtfertigungsgründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (ordre-public-Vorbehalt) gerechtfertigt werden. Da es sich dabei um hauptsächlich polizeirechtlich zu definierende Begriffe handelt, die zudem nur rechtfertigend wirken, wenn sie an persönliches Verhalten anknüpfen, scheiden diese in der Regel als Rechtfertigungsgründe für Sportverbände aus. Ausländerklauseln und Heimkontingente in Form von Mindestkontingenten an inländischen Spielern können deshalb nicht gerechtfertigt werden. Ohnehin sind sie für die damit verfolgten Ziele (Nachwuchsförderung, Stärkung der Nationalmannschaften, Stärkung der nationalen Identität, Zuschaueridentifikation, Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts) weder erforderlich noch geeignet.
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Beschränkungen der Grundfreiheiten können durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden. Dabei handelt es sich um einen vom EuGH entwickelten ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund, der für Anpassungen und Erweiterungen offen ist. Als zwingender Grund des Allgemeininteresses ist u. a. der Schutz der Grundrechte anzusehen. Zu diesen gehört auch die Vereinigungsfreiheit, welche eine Verbands- und Satzungsautonomie beinhaltet. Diese Verbandsautonomie geht jedoch nicht so weit, dass jede aufgrund der Satzungsautonomie erlassene Regelung gleich gerechtfertigt ist. Gerechtfertigt werden können nur solche Regelungen, die unabdingbar sind, um die Integrität sportlichen Wettbewerbs aufrechtzuerhalten, und die gleichsam den Wesensgehalt der Verbandsautonomie darstellen. Zur Bestimmung des Wesengehaltes der (Sport-)Verbandsautonomie können die Rechtsprechung des EuGH sowie die zahlreichen Vorschläge in der Literatur zum Sportvorbehalt im Anschluss an die Bosman-Entscheidung herangezogen werden. Davon erfasst sind aus sportorganisatorischen Gründen erforderliche Regeln (Deliège), nichtwirtschaftliche Gründe, die lediglich den Sport als solchen betreffen (Lehtonen) und Regelungen von rein sportlichem Charakter, die Kern, Sinn und Zweck der sportlichen Betätigung darstellen (Meca-Medina und Macjen), wenn sie nicht über das erforderliche Maß hinausgehen. Konkret bedeutet das: – Die von der FIFA geplante „6+5-Regel“ stellt eine klassische Ausländerklausel dar und kann daher nicht gerechtfertigt werden. Das Gleiche gilt für den „Österreicher-Topf“ des ÖFB – es leuchtet nicht ein, warum für das Ziel der Nachwuchsförderung keine finanziellen Anreize für die Beschäftigung junger Talente gleich welcher Staatsangehörigkeit geschaffen werden. – Durch die „Homegrown Players Rule“ der UEFA wird das legitime Verbandsinteresse an Nachwuchsförderung gewährleistet, denn sie setzt einen Anreiz zur vereins- und verbandsinternen Ausbildung von jungen Talenten, da jeder Verband ein solches selbst ausgebildetes Mindestkontingent an Nachwuchsspielern (gleich welcher Staatsangehörigkeit) zur Verfügung haben muss. – Einsatzbeschränkungen nach dem Wechsel der Staatsbürgerschaft sind durch die Schutzbedürftigkeit der Integrität des internationalen Sports gerechtfertigt, welche ein legitimes Interesse des Wesensgehalts der Verbandsautonomie darstellt. – Transferentschädigungen dienen nur dann der Aufrechterhaltung des sportlichen Gleichgewichts und der Nachwuchsförderung oder Ausbildungsentschädigung, wenn ihre Höhe anhand der tatsächlich entstande-
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nen Ausbildungskosten berechnet wird. Anderenfalls sind sie nicht geeignet, diese als solche durchaus legitimen Ziele zu erreichen. – Die Entschädigungszahlungen im Falle des „Herauskaufens“ aus laufenden Verträgen dienen der Sicherung der Vertragsfreiheit und des Grundsatzes pacta sunt servanda. Inwiefern der Abschluss langfristiger Arbeitsverträge ohne einseitige Kündigungsmöglichkeit zulässig ist, ist keine Frage der Grundfreiheiten, sondern gehört in den Bereich des Arbeitsbzw. des Wettbewerbsrechts. – Die Festlegung von bestimmten Zeitfenstern für Transfers zwischen verschiedenen Mannschaften ist notwendig für die Organisation und Funktionsfähigkeit sportlichen Wettbewerbs, da ein geordneter Ligabetrieb durch ansonsten beliebig erfolgende Wechsel während einer Spielsaison gefährdet wäre. – Die Nichtanerkennung von Diplomen von Trainern darf nicht von der Nationalität abhängig gemacht werden. Sie ist nur zu rechtfertigen, wenn anderenfalls kein einheitliches (Mindest-)Schutzniveau erreicht würde. Gleiches gilt für Lizenzvoraussetzungen. – Die Festlegung von Nominierungskriterien sowie die Nominierungsentscheidungen selbst sind notwendig mit der Durchführung eines internationalen Wettbewerbs verbunden. – Bei Investorenhemmnissen muss differenziert werden, ob sie Mehrfachbeteiligungen oder Mehrheitsbeteiligungen verbieten. Erstere sind durch die beabsichtigte Vermeidung von Interessenkonflikten und die Sicherung der Glaubwürdigkeit des Sports gerechtfertigt, Letztere nur dann, wenn anderenfalls eine solche wirtschaftliche Abhängigkeit des Vereins entstehen würde, dass sportliche Interessen beeinträchtigt würden. Es kommt hier in erster Linie auf die konkrete Ausgestaltung der Regelung und die Beachtung des Kohärenzgebotes an. Dem Wettbewerbsrecht kommt im Sport mehr und mehr Bedeutung zu. Hierbei handelt es sich um das (Sport-)Rechtsproblem der Zukunft. Sowohl Vereine als auch Verbände sind als Unternehmen (bzw. Unternehmensvereinigungen) i. S. v. Art. 101 ff. AEUV (ex-Art. 81 ff. EG) anzusehen, wenn sie sich wirtschaftlich betätigen. Jegliche Maßnahmen oder Absprachen untereinander fallen dann unter das Kartellverbot, wenn sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben oder den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellen. Die Besonderheit des Sports ist jedoch, dass die meisten Maßnahmen und Absprachen gerade der Aufrechterhaltung des sportlichen Wettbewerbs dienen und deshalb in der Regel, trotz Monopolstellung der meisten Sportverbände, nicht missbräuchlich sind. Für die Zulässigkeit solcher sportverbandlicher Maßnahmen sollten im Sinne der Ein-
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heit des Unionsrechtssystems die gleichen Kriterien herangezogen werden wie im Rahmen der Rechtfertigung von Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten. Gerade im Wettbewerbsrecht bestehen jedoch noch viele ungelöste Fragen. Die Organe der Union sind sich der „Sportproblematik“ in den letzten Jahren (insbesondere im Anschluss an die Bosman-Entscheidung) bewusst geworden. So wurde eine Vielzahl von Dokumenten und Arbeitspapieren zu sportlichen Fragestellungen verfasst und veröffentlicht, angefangen bei einer von der Kommission in Auftrag gegebenen Studie über den Einfluss der Tätigkeiten der Europäischen Union auf den Sport 1995, über die Erklärung Nr. 29 zum Sport im Vertrag von Amsterdam, ein Diskussionspapier der Generaldirektion X der Europäischen Kommission und den HelsinkiBericht zum Sport, bis zur Veröffentlichung des Weißbuches Sport 2007. Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wird die Europäische Union außerdem in Art. 165 AEUV auf die Förderung und Wahrung der Besonderheiten des Sports verpflichtet. Art. 6 AEUV sieht eine ergänzende Koordinierungs- und Unterstützungskompetenz der Union bei mitgliedstaatlichen Maßnahmen im Bereich des Sports vor. Wie sich diese Formulierung in der (Rechts-)Praxis auswirkt, bleibt mit Spannung abzuwarten, sollte aber nicht überschätzt werden, da sie in erster Linie eine Vertextlichung des Status Quo darstellt. Das „Europäische Sportrecht“ ist also weiterhin in Bewegung und wird die Unionsorgane, insbesondere den Europäischen Gerichtshof, sowie die Vereine und Verbände auch in den nächsten Jahren noch ausgiebig beschäftigen. „Sport is special . . . but rules are rules.“ *
* Simon Taylor zitiert nach Crespo Pérez, in: Blanpain/Colucci/Hendrickx, 2008, S. 107 (108).
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Personen- und Sachverzeichnis 3+2-Regel 79, 152 6+5-Regel 15, 154, 194, 237, 242 50+1-Regel 141, 166, 206, 238, 243 Ablösesumme 158 Abstellungspflichten 217, 238 acquis communautaire 118 AKP-Abkommen 124–126, 240 allgemeines Diskriminierungsverbot 67, 73, 146, 149 Allgemeininteresse 183 Amateur-Status 130, 137, 139, 241 Amateursport 143 Angonese 82, 84–85, 87, 95, 108, 181, 239 Anti-Doping-Regelungen 176 Anwendbarkeit des Unionsrechts siehe Geltung des EU-Rechts Anwendungsbereich der Grundfreiheiten – räumlich-persönlich 110–112 – sachlich-persönlich 128, 130 Arbeitnehmer, Sportler als 133, 135–137, 139, 240–241 Arbeitnehmerfreizügigkeit 24, 44, 48, 6, 74, 80, 94, 132, 239 Art. 165 AEUV 20, 22, 233–234, 244 assoziierte Drittstaaten 115 Ausländerklauseln 151, 188, 237, 241 Bayer ./. Süllhöfer 100, 106 Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten 150 Bereichsausnahme 19, 26–27, 29–30, 35, 109–110, 236 – Ausübung hoheitlicher Gewalt 50 – Ausübung öffentlicher Gewalt 52 – öffentliche Verwaltung 49
Beschränkungsverbot 39–40, 48, 54, 80–81 Besonderheiten des Sports 18, 28–30, 35, 109, 172, 237, 243 Binnenmarkt 37–38, 53, 71, 236 Bosman 18, 27, 78, 80–81, 113, 152, 154, 157–158, 160, 188, 190, 201, 216, 236, 239, 242 Cassis de Dijon 46–47, 50, 53, 63, 180 Dansk Supermarked 96, 98–99, 106 Dassonville 40, 46, 104 Defrenne 68, 83 Deliège 143–144, 165, 174, 239, 241–242 Demirel 117, 122, 124, 240 Dienstleistungserbringer – Sportler als 137, 142–143, 145, 240 Dienstleistungsfreiheit 24, 44–45, 51–52, 142, 241 Diplome – (Nicht)Anerkennung 161, 204 Diskriminierungsverbot 40, 54 Donà ./. Mantero 18, 22, 25, 27, 31, 34, 76, 109, 113, 152, 236, 239 effet utile 38, 54, 70–72, 74, 83–84, 102, 108, 131 EFTA 113 Ein-Platz-Prinzip 29, 107, 209, 214, 218, 230 Ein-Verbands-Prinzip 29, 214 Einzelermächtigung, begrenzte 20, 222 Erklärung Nr. 29 zum Vertrag von Amsterdam 27, 224, 234, 244
Personen- und Sachverzeichnis Europa-Abkommen 116, 118–119, 240 Europa-Mittelmeer-Abkommen 127 europäische Dimension des Sports 20 Europäische Sportcharta 223 Europäisches Sportmodell 225 EWR-Abkommen 112–113, 240 Freizeitsport 30, 36, 131, 139, 145, 240 Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz 114–115 Gebhard 50, 63, 180, 183 Geltung des EU-Rechts 19, 24–25, 29–30, 35, 109, 237 Grundfreiheiten 38, 44 Grundrechte 42–43, 178 Grundrechte-Charta 64, 88, 178 Haug-Adrion 96–97 Heimkontingente 154, 194, 237, 241 Helsinki-Bericht 226, 244 Herauskaufen aus laufenden Verträgen 158, 202, 238, 243 Heylens 161–162 Homegrown Players Rule 156, 195–197, 238, 242 Inländerdiskriminierung 40–41 intermediäre Gewalten 81, 84, 105, 107–108 Justiziabilität 174 Kahveci 123, 240 Kapitalverkehrsfreiheit 44, 52–53, 146 Kartellverbot 211, 213, 220 Keck 46, 49 Kolpak 115–116, 118–119, 240 Kommerzialisierung 16, 22, 28, 30, 36, 236 Kommission ./. Frankreich 100–102 Kommission ./. Italien 161
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Kongruenz der Grundfreiheiten 53 Kooperationsabkommen mit Drittstaaten 127 Kultur 28 Kziber 127 Laufzeiten 158, 238 Laval 90, 92, 239 Lehtonen 160, 175, 203, 239, 242 Lizenzerfordernisse 164, 204, 238 Meca-Medina und Macjen 30, 175–176, 220, 230, 242 Nachwuchsförderung 189, 199 Nationalmannschaften 189 Nationalmannschaftsvorbehalt 24, 26–27, 31–34, 237 Niederlassungsfreiheit 44, 50, 141 Nizza-Erklärung 227 Nominierung 165, 205, 238, 243 Olympique Lyonnais 199–200 ordre-public-Vorbehalt 46, 49–50, 52–53, 61–63, 168, 170–172, 183, 188, 238, 241 Österreicher-Topf 157, 238, 242 Oulmers und Charleroi 216 Partnerschaftsabkommen 120–122 Piau ./. Kommission 164, 204 Pokrzeptowicz-Meyer 117 praktische Konkordanz 178–179 Professionalisierung 16, 22, 236 Raccanelli 93, 108, 239 Rechtfertigungsgründe 61, 167, 185, 241 Regelungskompetenz für den Sport 29, 35 Repräsentation 190
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Personen- und Sachverzeichnis
sachliche Erwägungen 181 Salary Caps 202 Schmidberger 100, 102–103, 179 Schutzpflichten 102, 104–107, 239 Schweiz 114 Simutenkov 120, 240 sonstige Arbeitsbedingungen 131 Sozialpolitik 89, 93 specificity of sport siehe Besonderheiten des Sports Spielervermittler 164, 204, 238 Spielregel und Rechtsregel 172 sportliche Staatsbürgerschaft 152 sportliches Gleichgewicht 192, 198 Sportverbandspyramide 29–30, 107, 214 Sportverbandsrechtsprechung 18, 22, 24, 73, 75, 106 Sportvorbehalt 18, 27–29, 34, 172 Staatsbürgerschaftswechsel 152–153, 193, 237, 242 Transfer Fee Caps 202 Transferentschädigungen 157, 197, 238, 242 Transferfristen 160–161, 203, 243 Tribunal Arbitral du Sport 23, 203, 235 Türkei 123–124, 240 umgekehrte Diskriminierung siehe Inländerdiskriminierung Unionsbürgerschaft 30, 36, 42, 147–148, 241
unmittelbare Drittwirkung 17, 37, 54–56, 64, 69–70, 72, 81, 83, 86, 95, 107, 238 van Ameyde 77 van de Haar 99 van Gend en Loos 39, 72 Verbandsautonomie 183–185, 187, 242 Verbandsinteresse 185, 187 Verfassung für Europa 231 Verrechtlichung 16, 236 Vertrag von Lissabon 20, 26, 232, 234, 244 Viking 87, 89, 92, 239 Vlaamse Reisbureaus 100, 106 VO (EWG) Nr. 1612/68 48, 69, 74, 140 Walrave und Koch 18, 22–23, 25, 27, 31, 34, 73, 76–77, 80, 109, 113, 236, 239 Warenverkehrsfreiheit 44–45, 96, 132, 239 Weißbuch Sport 229–230, 244 Wettbewerbsrecht 30, 64–66, 209–211, 213, 218, 220–221, 243 wirtschaftliche Bedeutung des Sports 28–29, 32, 35, 210, 236 Wouters 85, 182, 186 Zuschaueridentifikation 191 zwingende Gründe des Allgemeininteresses 51, 63, 180, 184, 187, 242