Volkswirtschaftslehre: Grundlagen [6 ed.] 9783896446114, 9783896736116

Dieser in die Volkswirtschaftslehre einführende KOMPAKTKURS wendet sich primär an Studierende der Betriebswirtschaftsleh

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Volkswirtschaftslehre: Grundlagen [6 ed.]
 9783896446114, 9783896736116

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WISSEN KOMPAKT

Willy Frank

Volkswirtschaftslehre

6., überarbeitete Auflage

Grundlagen

Verlag Wissenschaft & Praxis

WISSEN KOMPAKT

VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE Grundlagen

von

Dr. Willy Frank Professor für Volkswirtschaftslehre

6., überarbeitete Auflage

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Anregungen und Kritik bitte an: Prof. Dr. Willy Frank Postfach 1652, 96450 Coburg oder per eMail: [email protected] Wer suchet, der findet (im Internet): www.hs-coburg.de/frank

ISBN 978-3-89673-611-6 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2012 D-75447 Sternenfels, Nussbaumweg 6 Tel. +49 7045 93 00 93 Fax +49 7045 93 00 94 [email protected] www.verlagwp.de Druck und Bindung: Media-Print Group GmbH, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Vorwort zur 6. Auflage Das Werk wurde überarbeitet und aktualisiert, teilweise auch weiter „entschlackt“ und vereinfacht, bspw. die Darstellungen zur „Preiselastizität“ im Abschnitt B.2.1. Für die verlegerische Unterstützung danke ich abermals Herrn Dr. Brauner und dessen Team vom Verlag Wissenschaft & Praxis. Weitramsdorf, im Herbst 2011

Willy Frank

Vorwort zur ersten Auflage Dieser in die Volkswirtschaftslehre einführende Kompaktkurs wendet sich vornehmlich an angehende Betriebswirte an Fachhochschulen und Akademien im Grundstudium. Dies erfordert einerseits eine angemessene wissenschaftliche Fundierung, andererseits ballastarme Brückenschläge zur wirtschaftspolitischen Praxis. Dementsprechend wird in kompakter Form nach einer allgemeinen Einführung in die Volkswirtschaftslehre unentbehrliches mikro- und makroökonomisches „Handwerkszeug“ vermittelt, das für die Analyse wirtschaftspolitischer Grundfragen (im Hauptstudium) benötigt wird. Für Verbesserungsvorschläge danke ich Herrn Prof. Dr. Michael Gumbsheimer (FH Landshut). Frau stud. rer. oec. Canan Karadogan und Herrn Diplom-Betriebswirt Özcan Karadogan danke ich für die Hilfe bei der Verarbeitung von Text und Schaubildern. Last but not least danke ich Yoko, meiner Frau, die als „Ordnungspolitiker“ die externen Kosten „internalisierte“. Memmelsdorf, im Frühjahr 1996

Willy Frank

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INHALTSVERZEICHNIS A. EINFÜHRUNG IN DIE VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE................................................ 9 1. Allgemeine Einführung ................................................................................................... 9 1.1 Die Volkswirtschaftslehre als Wissenschaftsdisziplin.............................................. 9 1.2 Volkswirtschaftliche Grundbegriffe ........................................................................ 12 1.3 Methodenfragen..................................................................................................... 13 2. Grundprobleme des Wirtschaftsgeschehens............................................................... 15 2.1 Das Knappheitsproblem ........................................................................................ 15 2.2 Produktion und Produktionsmöglichkeiten ............................................................ 16 2.3 Das ökonomische Prinzip ...................................................................................... 19 2.4 Arbeitsteilung und Spezialisierung ........................................................................ 20 2.5 Tauschformen ........................................................................................................ 22 3. Wirtschaftssysteme ...................................................................................................... 23 3.1 Möglichkeiten der Klassifikation von Wirtschaftssystemen ................................... 23 3.2 Idealtypische Wirtschaftssysteme ......................................................................... 24 3.2.1 Die Marktwirtschaft (MW) ............................................................................. 24 3.2.2 Die Zentralverwaltungswirtschaft (ZVW)...................................................... 25 3.3 Realtypen der Wirtschaftssysteme ........................................................................ 26 3.3.1 Systemschwächen der Idealtypen ............................................................... 26 3.3.1.1 Systemschwächen der Zentralverwaltungswirtschaft ...................... 26 3.3.1.2 Systemschwächen der Marktwirtschaft ............................................ 27 3.3.2 Abweichungen von den Idealtypen .............................................................. 29 3.3.3 Die Soziale Marktwirtschaft (SMW).............................................................. 30 3.3.3.1 Die Soziale Marktwirtschaft als „verbesserte MW“........................... 30 3.3.3.2 Aufgaben und Ziele der Wirtschaftspolitik in der SMW .................... 30 3.3.3.3 Instrumente der Wirtschaftspolitik .................................................... 31 3.3.3.4 Träger der Wirtschaftspolitik ............................................................. 34 B. GRUNDZÜGE DER MIKROÖKONOMIK .................................................................... 35 1. Einführung .................................................................................................................... 35 1.1 Gegenstand der Mikroökonomik............................................................................ 35 1.2 Methoden der Mikro- und Makroökonomik ............................................................ 35 2. Der Markt...................................................................................................................... 37 2.1 Die Nachfrage ........................................................................................................ 37 2.2 Das Angebot .......................................................................................................... 41 2.3 Der Markt im Gleichgewicht................................................................................... 42 2.4 Funktionen des Preismechanismus in einer Marktwirtschaft ................................ 43 3. Konsumtheorie ............................................................................................................. 45 3.1 Das Ziel des Haushalts: Nutzenmaximierung ....................................................... 45 3.2 Das Entscheidungsfeld des Haushalts .................................................................. 45 3.3 Die Güternachfrage des Haushalts ....................................................................... 45 3.3.1 Nutzen- und Ausgabenfunktionen................................................................ 45 3.3.2 Optimierungsprobleme des Haushalts ......................................................... 52 3.3.3 Ableitung von Nachfragefunktionen ............................................................. 55 7

4. Produktionstheorie ....................................................................................................... 57 4.1 Das Ziel des Unternehmens: Gewinnmaximierung ............................................... 57 4.2 Das Entscheidungsfeld des Unternehmens .......................................................... 57 4.3 Das Güterangebot des Unternehmens.................................................................. 57 4.3.1 Produktion, Kosten und Erlöse..................................................................... 57 4.3.2 Optimierungsprobleme des Unternehmens ................................................. 65 4.3.3 Ableitung von Angebotsfunktionen............................................................... 73 5. Preistheorie .................................................................................................................. 74 5.1 Marktformen und Marktverhalten........................................................................... 74 5.2 Preisbildung auf Gütermärkten .............................................................................. 74 5.2.1 Preisbildung im Polypol bei Vollkommener Konkurrenz .............................. 74 5.2.2 Preisbildung im Monopol .............................................................................. 77 5.3 Preisbildung auf Faktormärkten............................................................................. 81 5.4 Kritik an der marginalistischen Preistheorie .......................................................... 83 C. GRUNDZÜGE DER MAKROÖKONOMIK................................................................... 84 1. Einführung .................................................................................................................... 84 1.1 Gegenstand der Makroökonomik........................................................................... 84 1.2 Lehrmeinungen und Paradigmen .......................................................................... 84 1.3 Grundlagen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ........................... 85 1.3.1 Gegenstand und Aufgaben der VGR ........................................................... 85 1.3.2 Kreislaufdarstellung der VGR....................................................................... 85 1.3.3 Grundzüge der VGR..................................................................................... 87 1.3.4 Das Bruttoinlandsprodukt, ein geeigneter Wohlstandsindikator? ................ 92 2. Die klassische Theorie ................................................................................................. 93 2.1 Der Arbeitsmarkt .................................................................................................... 93 2.2 Der Kapitalmarkt .................................................................................................... 95 2.3 Der Gütermarkt ...................................................................................................... 96 2.4 Der Geldmarkt........................................................................................................ 99 3. Die keynesianische Theorie ....................................................................................... 103 3.1 Der Gütermarkt .................................................................................................... 103 3.2 Der Kapitalmarkt .................................................................................................. 109 3.3 Der Geldmarkt...................................................................................................... 111 3.4 Der keynesianische Arbeitsmarkt ........................................................................ 114 WEITERFÜHRENDE LITERATUR ................................................................................ 117 STICHWORTVERZEICHNIS ......................................................................................... 118

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Kenntnisse kann jeder haben, aber die Kunst zu denken ist das seltenste Geschenk der Natur. Friedrich der Große

A. EINFÜHRUNG IN DIE VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE 1. Allgemeine Einführung 1.1 Die Volkswirtschaftslehre als Wissenschaftsdisziplin Wissenschaft ist definierbar als die Gesamtheit der Erkenntnisse und des Erkenntnisstrebens in den verschiedenen Wissensgebieten. Je nach Abgrenzung dieser Gebiete lässt sich die Wissenschaft in verschiedene Wissenschaftsdisziplinen gliedern. Die Ideal- bzw. Formalwissenschaften (Wissenschaftsphilosophie und -methodologie, Logik, Mathematik) stellen für die Real- bzw. Erfahrungswissenschaften wissenschaftliche Arbeitsmethoden bereit. Insoweit werden sie häufig auch als Instrumental- oder Hilfswissenschaften bezeichnet. Die Erfahrungswissenschaften lassen sich nach Natur- und Geistes- bzw. Kulturwissenschaften, letztere wiederum nach Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sortieren. Wichtige sozialwissenschaftliche Disziplinen sind bspw. die Psychologie, die Soziologie und die Politologie. Wissenschaften Real-/Erfahrungswissenschaften Naturwissenschaften Rechtswissenschaften

Ideal-/Formalwissenschaften Geistes-/Kulturwissenschaften

Wirtschaftswissenschaften

Sozialwissenschaften

Bild 1: Wissenschaftsdisziplinen

Die Wirtschaftswissenschaft lässt sich in die Betriebswirtschafts- und in die Volkswirtschaftslehre untergliedern. Innerhalb der Volkswirtschaftslehre ist die Untergliederung in Wirtschaftstheorie, Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaft üblich. Die Wirtschaftstheorie wird üblicherweise in Mikroökonomie (z. B. Allokations- und Verteilungstheorie, Konsum-, Produktions- und Preistheorie) und Makroökonomie (z. B. Einkommens- und Beschäftigungstheorie, Geldtheorie, Konjunktur- und Wachstumstheorie, Außenwirtschaftstheorie) untergliedert. Die Wirtschaftspolitik lässt sich in die „Allgemeine Wirtschaftspolitik“ und in „Spezielle Wirtschaftspolitiken“ (z. B. Geldpolitik, Außenhandelspolitik, Regionalpolitik, Arbeitsmarktpolitik usw.) untergliedern. Gegenstand der Finanzwissenschaft ist die Analyse der ökonomischen Aktivitäten des Staates (Finanztheorie), und der zielgerichtete Einsatz staatlicher Einnahmen und Ausgaben (Finanzpolitik), bspw. zur Beeinflussung von Inflation und Beschäftigung. Hierbei treten unvermeidbar Überschneidungen zwischen Wirtschafts- und Finanztheorie einerseits und zwischen Finanz- und Wirtschaftspolitik andererseits auf.

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Wirtschaftswissenschaften Volkswirtschaftslehre Wirtschaftstheorie Mikroökonomie

Makroökonomie

Betriebswirtschaftslehre Wirtschaftspolitik

Allgemeine Wirtschaftspolitik

Spezielle Wirtschaftspolitik

Finanzwissenschaft Finanztheorie

Finanzpolitik

Bild 2: Wirtschaftswissenschaftliche Disziplinen

Die Volkswirtschaftslehre ist eine vergleichsweise sehr junge Wissenschaftsdisziplin. Als Begründer und „Vater“ der modernen Volkswirtschaftslehre wird der Brite Adam Smith (*1723) angesehen. Sein Werk „Wohlstand der Nationen“ ist weltberühmt geworden. Seine Vorstellungen vom Funktionieren der Märkte waren bahnbrechend: Der wettbewerbliche Preismechanismus steuere gleich einer „invisible hand“ alle ökonomischen Aktivitäten in optimaler Weise und sorge damit automatisch über das Eigennutzstreben der Individuen für einen höchstmöglichen materiellen Wohlstand aller. Die bei Smith im Zentrum stehende Markt- und Preistheorie ist bis heute ein Kernstück der Lehre von der Marktwirtschaft geblieben. Der Streit um den „gerechten Preis“ bzw. um den „richtigen Wert“ einer Ware hat später (nach Marx) die Welt in zwei Lager gespalten. Während Marx glaubte, den Wert und damit den Preis einer Ware „objektiv“ bestimmen zu können, hielten und halten dies Vertreter der subjektivistischen Werttheorie für unmöglich: So hätten bspw. Diamanten nur einen geringen Nutzwert, aber einen hohen Tauschwert, Wasser demgegenüber einen hohen Nutz-, aber einen nur geringen Tauschwert (Preis). M.a.W.: Der Preis wird nicht allein von den Kosten der Warenproduktion, sondern immer auch von Nachfrage und Wertschätzung bestimmt. Smith war Professor der Moralphilosophie, wie andere vor ihm, die sich „nebenbei“ mit ökonomischen Fragestellungen beschäftigten. Schon der griechische Philosoph Aristoteles (*384 vor Chr.) sinnierte über den „Wert“ eines Gutes. Auch für Gelehrte des Mittelalters war die Frage nach dem „gerechten Preis“ eine wichtige (philosophische) Frage. Papst Alexander III meinte: „Jede Gesetzgebung, die den Zins erlaubt, ist null und nichtig.“ Der Franzose Quesnay (*1694), Leibarzt von Ludwig XV, versuchte die unzähligen ökonomischen Aktivitäten eines Volkes systematisch zu erfassen und entwickelte dabei als einer der ersten Ökonomen die Vorstellung eines volkswirtschaftlichen „Kreislaufs“. Er kann insoweit als Begründer der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung betrachtet werden. Der Brite David Ricardo (*1772) erschütterte den von A. Smith begründeten Glauben, wonach der Kapitalismus eine harmonische Wirtschaftsform sei, deren wachsender Ertrag allen zu gute käme. Er meinte, dass es im Kampf um die Verteilung des Volkseinkommens zwischen den Klassen der Arbeiter, der Kapitalisten und der Grundherren langfristig nur einen Sieger geben könne, die Grund- und Bodenherren. Trotzdem würde aber der Kapitalismus (ewig) fortbestehen, weil er die einzige Wirtschaftsform sei, die der Natur (des Menschen) am ehesten entspräche. In der modernen Volkswirtschaftslehre, insbesondere der Außenwirtschaftstheorie ist Ricardo bis heute unvergessen als Begründer der „Theorie des komparativen Kostenvorteils“ (vgl. Bild 9). Mit dieser Theorie gelang ihm der Nachweis der Vorteilhaftigkeit internationaler Arbeitsteilung.

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Thomas Malthus (*1766) wurde berühmt durch sein „Bevölkerungsgesetz“: Da die Bevölkerung exponentiell, die Nahrungsmittelproduktion aber nur linear wachse, müsse der größere Teil der Menschheit notwendigerweise im Elend leben. Auf den Arbeitsmärkten habe dies weiter zur Folge, dass die Löhne auf Dauer niemals über das Existenzminimum hinaus steigen könnten, weil höhere Löhne das Bevölkerungswachstum weiter beschleunigten, damit das Arbeitsangebot erhöhten und hierdurch wiederum die Löhne nach unten drückten. Der Franzose Jean Baptiste Say (*1767) erlangte Berühmtheit durch das nach ihm benannte Theorem: Unter der Annahme, dass die Bedürfnisse der Menschen unbegrenzt sind, könne es in einer Volkswirtschaft niemals zu einem Überangebot (Nachfragelücke) kommen. Jedes Angebot würde immer auf entsprechende Nachfrage treffen. Smith, Ricardo, Malthus und Say werden heute in der Rückschau als typische Vertreter der sog. Klassik angesehen. Mit Walras, Gossen, Menger, Marshall, Pigou und Pareto u. a. traten im 19. Jahrhundert Nationalökonomen hervor, die heute in der Rückschau als die „Neoklassiker“ bezeichnet werden. Sie unterscheiden sich von den „Klassikern“ hauptsächlich und sichtbar durch die Wahl anderer Analyse- und Darstellungsmethoden. Sie bedienten sich nunmehr (nach dem Vorbild der Naturwissenschaftler) der Mathematik als Hilfswissenschaft, indem sie versuchten, ökonomische Zusammenhänge und Sachverhalte mittels mathematisch formulierter Modelle zu erfassen und zu analysieren. Ihr Anliegen war es, die Nationalökonomie aus den „Niederungen“ ideologischer „Schwätzereien“ herauszuholen und sie zu einer „exakten Wissenschaft“ zu befördern. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts revolutionierten vor allem zwei Männer die Nationalökonomie: der Brite John Maynard Keynes (1883-1946) und der Österreicher Joseph Alois Schumpeter (1883-1950). Keynes erschütterte die klassischen Grundpositionen, indem er vor allem das oben skizzierte SAYsche Theorem in Zweifel zog, an seine Stelle die Möglichkeit einer mit Arbeitslosigkeit einhergehenden gesamtwirtschaftlichen Nachfragelücke postulierte und so folgerichtig aktive Konjunkturpolitik durch antizyklische Globalsteuerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage forderte. Diese in schroffem Gegensatz zur bisherigen (klassischen) Lehre stehenden Ideen fielen nach der Weltwirtschaftskrise auf „fruchtbaren Boden“. Zu seiner Zeit weniger erfolgreich war Schumpeter. Im Brennpunkt seines Interesses standen Fragen des wirtschaftlichen Wachstums und des für Dynamik sorgenden Wettbewerbs. Nach seiner Lehre sorgen vor allem dynamische, nach Wettbewerbsvorteilen strebende „Pionierunternehmer“ für die Realisierung technischen Fortschritts. Durch Innovationen und Inventionen fände ein ständiger „Prozess schöpferischer Zerstörung“ statt, der aber langfristig (durch Imitation von Verfahren und Produkten) auch Vorteile für die Allgemeinheit brächte. Auch diese Lehre stand in gewisser Weise in schroffem Gegensatz zur herrschenden klassischen Lehre, derzufolge die Märkte unter idealen Bedingungen immer in Harmonie zum Ausgleich der Interessen, d. h. zum Marktgleichgewicht strebten. Seine „Jünger“ sehen heute in seinem Werk Wegweiser aus den aktuellen Struktur- und Beschäftigungsproblemen der Industrieländer.

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1.2 Volkswirtschaftliche Grundbegriffe „Wirtschaftsobjekte“ sind als Güter und Produktionsfaktoren Gegenstand wirtschaftlichen Handelns. Nach ihrem Knappheitsgrad lassen sich knappe Güter und freie Güter unterscheiden. Freie Güter sind naturgemäß nicht Gegenstand wirtschaftlicher Handlungen (z. B. Luft). Die Knappheit von Gütern resultiert daraus, dass nach aller Erfahrung die produzierten Güter nicht ausreichen, um die vorhandenen Bedürfnisse aller voll zu befriedigen. Dieses Knappheitsproblem ist allerdings nur ein abgeleitetes Problem. Es resultiert letztlich aus der Knappheit der Ressourcen (Arbeit, Boden, Kapital). Knappe bzw. wirtschaftliche Güter lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten weiter untergliedern. Nach dem Verwendungszweck lassen sich Konsum- und Investitionsgüter unterscheiden, nach der Beschaffenheit materielle Güter (Sachgüter) und immaterielle Güter (Dienstleistungen), nach der Verbundenheit in der Nutzung Komplementärgüter (z. B. Kamera/Film) und Substitutionsgüter (z. B. Butter/Margarine), nach der Marktfähigkeit private Güter (auch „Individualgüter“) und öffentliche Güter (auch „Kollektivgüter“). Öffentliche Güter (bspw. Straßenlaternen, Grundlagenforschung etc.) zeichnen sich u. a. durch Nicht-Ausschließbarkeit (in der Nutzung) aus. Bei mangelnder oder überhaupt nicht vorhandener Zahlungsbereitschaft können die betreffenden Nutzer („Trittbrettfahrer“ oder auch „free-rider“) nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden. Ein privater Anbieter würde infolgedessen die Produktionskosten nicht decken können und deshalb die Produktion einstellen. Manche Güter wären zwar prinzipiell marktfähig, genießen aber in der individuellen Wertschätzung nicht den Stellenwert, den sie nach „übergeordneten“ (kollektiven) Gesichtspunkten genießen sollten. Insoweit werden meritorische bzw. „höherwertigere“ (z. B. Theater, Oper) und demeritorische bzw. „minderwertigere“ (z. B. Drogen, Tabak, Alkohol) unterschieden. Sie werden daher oft entweder gefördert (subventioniert) oder sanktioniert (besteuert) oder gar verboten. Wirtschaftssubjekte sind natürliche oder juristische Personen, die wirtschaftliche Aktivitäten (ökonomische Transaktionen) entfalten können: die Haushalte, die Unternehmen, der Staat sowie das Ausland. „Haushalte“ treten auf den Konsumgütermärkten als Nachfrager und Käufer (Konsumenten), auf den Faktormärkten als Anbieter und Verkäufer von Faktorleistungen (Arbeit, Boden, Kapital) auf. „Unternehmen“ agieren auf den Konsumgütermärkten als Produzenten, Anbieter und Verkäufer, auf den Faktormärkten als Nachfrager und Käufer. Auf den Investitionsgütermärkten treten Unternehmen untereinander und wechselseitig als Käufer und Verkäufer, als Nachfrager und Anbieter auf. Die Abgrenzung des Haushalts- und Unternehmenssektors folgt funktionalen Kriterien, nämlich den Erfordernissen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Sie harmoniert nicht ganz mit umgangssprachlichen Gewohnheiten. Sobald bspw. ein privater Haushalt in Wochenendarbeit ein eigenes Haus erstellt, erscheint diese Tätigkeit in der Amtlichen Statistik in der Spalte „Unternehmen, darunter Wohnungswirtschaft“. Umgekehrt ist die Unternehmerfamilie kein „Unternehmen“, sondern ein „Haushalt“ wie jede andere Familie. Der „Staat“ kann sowohl die Rolle eines Unternehmens (bspw. Stadtwerke) als auch die Rolle eines Haushalts (als Nachfrager privater Güter) einnehmen. Anders als private Unternehmen kann der Staat häufig nicht „verkaufen“ und „erlösen“. Wegen der oft mangelnden oder gar nicht vorhandenen Marktfähigkeit öffentlicher Güter ist er darauf angewiesen, seine Tätigkeit aus Steuern, Beiträgen und Gebühren zu finanzieren. Das „Ausland“ umfasst alle Export- und Importbeziehungen auf den Güterund Faktormärkten, einschließlich der sog. Übertragungen (z. B. Überweisungen von Gastarbeitern in ihre Heimatländer).

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Wirtschaftliche Transaktionen sind Tauschhandlungen verschiedenster Form. Getauscht wurde und wird in der Welt so ziemlich alles, eine Eigentumswohnung gegen Geld, Landarbeit gegen Verpflegung und Unterkunft, Willfährigkeit gegen Beförderung, Sündenvergebung gegen Geld (Ablass), „Liebe“ gegen Geld, Doktorhüte gegen „Spenden“. Aus „übergeordneter“ Sicht können Gegenstand von Tauschhandlungen nur zwei Dinge sein: Güter und Forderungen. Güter können Sachgüter, Dienstleistungen (bspw. Transportleistungen) oder Faktorleistungen (bspw. Arbeitsleistungen) sein. Zu den Forderungen zählen bspw. Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen sowie die durch Aktien und Wertpapiere verbrieften Forderungen an Unternehmen. Auch Geld in Form von Bargeld oder Sichtguthaben können als Forderung aufgefasst werden. Geht ein Gut oder eine Forderung von einem Wirtschaftssubjekt zu einem anderen über, so spricht man von einer „wirtschaftlichen Transaktion“. Dabei entspricht generell jeder Forderung eines Wirtschaftssubjekts eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe eines anderen Wirtschaftssubjekts. Es lassen sich prinzipiell fünf Arten ökonomischer Transaktionen unterscheiden: 1. 2. 3. 4. 5.

Gut gegen Gut (Realtausch), Gut gegen Forderung (Kauf bzw. Verkauf), Forderung gegen Forderung (Kauf bzw. Verkauf), Übertragung eines Gutes ohne Gegenleistung (Schenkung, Realtransfer), Übertragung einer Forderung ohne Gegenleistung (Schenkung, Forderungstransfer).

1.3 Methodenfragen Während in der Volkswirtschaftslehre lange Zeit die „induktive Methode“ vorherrschte, wiesen die Neoklassiker auf die damals erkannte prinzipielle Fragwürdigkeit dieses Verfahrens in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung hin. Die wirtschaftswissenschaftliche Forschung sei nun einmal damit konfrontiert, dass sie nicht wie die naturwissenschaftliche unter Laborbedingungen, d. h. nicht mit beliebig wiederholbaren Laborexperimenten arbeiten könne. Man sei vielmehr auf „Gedankenexperimente“ angewiesen, in denen mit Hilfe der „Ceteris-paribus-Methode“ Laborbedingungen nur simuliert werden könnten. Beispiel: Die Nachfrage nach Butter hängt sicherlich nicht nur vom ButterPreis ab, sondern bspw. auch vom Preis des Substitutionsgutes Margarine, von individuellen Essgewohnheiten und Wertschätzungen, von der Werbung, vom persönlichen Einkommen u. a. Um nun den Einfluss von Änderungen des Butterpreises auf die Nachfrage nach Butter abschätzen zu können, sei es notwendig, in Modellen bzw. „Gedankenexperimenten“ Laborbedingungen zu simulieren, d. h. folgender Frage nachzugehen: Wie ändert sich die Nachfrage nach Butter, wenn „ceteris paribus“ (unter sonst gleichbleibenden Bedingungen) der Preis für Butter fällt oder steigt? Dafür sei die „deduktive Methode“ die angemessenere, mit deren Hilfe Schlussfolgerungen aus plausibel erscheinenden Hypothesen abgeleitet werden. In unserem Beispiel ließe sich dafür eine „Nachfragefunktion“ definieren, deren Gültigkeit auch empirisch überprüfbar wäre. Um die grundlegende Frage „Induktion oder Deduktion?“ entbrannte Ende des vorletzten Jahrhunderts ein heftiger (erster) Methodenstreit. Kritiker neoklassischer Gedankenexperimente und Modellanalysen versuch(t)en diese von Anfang an als „realitätsferne Spielereien“ oder als „Modellplatonismus“ abzuqualifizieren.

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Später, zu Beginn des letzten Jahrhunderts, entbrannte ein zweiter nicht minder heftiger Methodenstreit. In ihm ging es im wesentlichen um die Frage, ob „wertfreie“ wissenschaftliche Aussagen (Vermeidung jeder subjektiven Wertung = „objektiv“ bzw. „wertfrei“) möglich sind bzw. überhaupt sinnvoll sind. Dieser „Werturteilsstreit“ ist im Grunde auch heute noch nicht endgültig abgeschlossen. Weitgehende Einigkeit besteht darin, dass Werturteile nicht völlig ausgeschlossen werden können. Beispielsweise enthalte bereits die Zuwendung des Forschers zu einem bestimmten Thema bewusst oder unbewusst, aber unvermeidbar ein Werturteil. Vertreter des Kritischen Rationalismus (Popper, Albert) forder(te)n die Explikation (Offenlegung) von Werturteilen und die empirische Überprüfung der den Theorien bzw. Modellen zugrundeliegenden Hypothesen und der daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen. Nach dem Popper-Kriterium müsse jede Theorie prinzipiell falsifizierbar (widerlegbar) sein. Die endgültige Verifizierung sei von vorneherein aus rein logischen Gründen unmöglich (Problem der „unvollständigen Induktion“). Daher seien Theorien so lange als gültig anzusehen, wie sie nicht durch die empirische Überprüfung falsifiziert werden (können). Die wissenschaftliche Analyse ökonomischer Zusammenhänge müsse sich dementsprechend nach folgendem Muster vollziehen: 1. Phase:

Auswahl des Forschungsthemas (Selektionsproblem! Werturteil!)

Formulierung von Hypothesen (Erfahrungs- und Werturteile!)

2. Phase:

3. Phase:

4. Phase:

(Verbesserung)

Theoriebildung: Formulierung von Prämissen und Anwendungsbedingungen (Modellbildung)

Deduktion

Implikationen (Schlussfolgerungen)

1.+2. Phase: Subjektiver Bereich der Wissenschaft

3.+4. Phase: Objektiver Bereich der Wissenschaft

Empirische Überprüfung (Popper-Kriterium) (Auswahl geeigneter Testverfahren)

falsifiziert

vorläufig bewährt

Endgültige Zurückweisung der Theorie Bild 3: Theoriebildung und -überprüfung

„Praktiker“ kritisieren häufig, dass die Modelle der Wirtschaftstheorie von der Realität zu stark abstrahierten, also eine zu geringe Realitätsnähe besäßen. Sie verkennen dabei, dass ein Modell, das die ganze Buntheit der Wirklichkeit abbildete, nicht hilfreicher wäre als eine Landkarte im Maßstab 1 : 1. Die Kritik wendet sich häufig auch gegen den angeblich zu hohen Mathematisierungsgrad der Wirtschaftstheorie. Sie verkennt dabei aber regelmäßig den Vorzug mathematisch formulierter Modelle: Sie zwingen zu klarer und präziser Ausdrucks- und Argumentationsweise.

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2. Grundprobleme des Wirtschaftsgeschehens 2.1 Das Knappheitsproblem Freie Güter (bspw. Luft) sind natürlicherweise nicht Gegenstand des Wirtschaftens. Sie sind ohne unser Zutun im Überfluss vorhanden, müssen daher auch nicht bewirtschaftet (gekauft/verkauft) werden. Sie haben demzufolge auch keinen Marktpreis, es gibt sie umsonst. Wir können davon konsumieren, so viel wir wollen. Die meisten Güter sind demgegenüber nicht in dem Maße vorhanden, in dem wir uns dies wünschten. Sie sind wegen der immer begrenzten Produktionsmöglichkeiten als knappe Güter zu bezeichnen. Sie werden in Marktwirtschaften entweder von Unternehmen als private Güter produziert und vermarktet oder bei „Marktunfähigkeit“ (vgl. A.1.2 und A.3.3.1.2) vom Staat als öffentliche Güter entgeltlos bereitgestellt. Die Güterknappheit resultiert letztlich daraus, dass einerseits die Bedürfnisse der Menschheit (relativ) unbegrenzt, die Möglichkeiten der Produktion aber immer begrenzt sind. Die Annahmen begrenzter Produktionsmöglichkeiten einerseits und relativ unbegrenzter Bedürfnisse andererseits sind leicht misszuverstehen: So sind einerseits die Möglichkeiten der Produktion durch technischen Fortschritt steigerbar. Nicht unbegrenzt sind aber sicherlich die auf der Erde verfügbaren Ressourcen. Darauf wies bereits Malthus (s. Kapitel A.1.1) im 19. Jahrhundert hin. In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts machte Meadows in „Grenzen des Wachstums“ darauf aufmerksam und forderte einen schonenderen und sorgsameren Umgang mit der Natur. Bedürfnisse Bedarf

Produktionsmöglichkeiten

Knappheitsproblem

WIRTSCHAFTEN (Knappheitsproblem rational lösen)

Entscheidungsalternativen? Bild 4: Das Knappheitsproblem

Andererseits kann mit der Annahme unbegrenzter Bedürfnisse wohl nicht gemeint sein, dass bspw. das Bedürfnis nach Bier (individuell) für einen bestimmten Zeitraum unbegrenzt sein sollte. Entsprechende (temporäre) Sättigungserscheinungen dürften allgemein und hinlänglich bekannt sein ... Aber: Es lässt sich ebenso kaum vorstellen, dass nicht irgend einem von uns nach (partiellen) Sättigungserscheinungen nicht doch ein anderer noch zu erfüllender Wunsch einfallen sollte. Selbst der Welt reichste(r) Frau (Mann) wird wohl noch einige Wünsche, wenn auch vielleicht andersgeartete als ein 15

„Normalverdiener“, offen haben. Mit diesen Diskrepanzen wird die Menschheit vermutlich immer leben müssen, unabhängig vom jeweils existierenden Gesellschafts- und Wirtschaftssystem. Das so verstandene Knappheitsproblem kann insoweit als ein systemunabhängiger Tatbestand gesehen werden. Andere (gegenteilige) Auffassungen würden letztlich die Existenzmöglichkeit eines schlaraffenlandartigen Zustandes implizieren. Solche Zustände kennen wir bislang allerdings nur aus Märchen und aus utopischen (ideologischen) Träumereien. 2.2 Produktion und Produktionsmöglichkeiten Die volkswirtschaftliche Güterproduktion umfasst alle ökonomischen Aktivitäten von der Urerzeugung (Land-, Forstwirtschaft, Fischerei) über die Be- und Verarbeitung (Handwerk, Industrie) bis hin zur Verteilung (Handel, Dienstleistungen) knapper Güter. Dabei müssen bei der Zuteilung (Allokation) von Produktionsfaktoren, Vor- und Zwischenprodukten und bei der Verteilung (Distribution) vielfältige Entscheidungen getroffen und koordiniert werden. Schematisch lässt sich die volkswirtschaftliche Güterproduktion als Transformationsprozess beschreiben: A B C

KNOW HOW

(Input)

Produktionsprozess

(Transformation)

BIP, BNE

(Output)

Inputseitig werden die Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Capital effizient eingesetzt. Dies führt über den eigentlichen Produktionsprozess zur Erstellung des Bruttoinlandsprodukts (BIP), dem Wert aller im Inland erbrachten Leistungen, bzw. des Bruttonationaleinkommens (BNE, die neue Bezeichnung für den nicht mehr verwendeten Begriff „Bruttosozialprodukt“), dem Wert aller von Inländern im In- und Ausland erbrachten Leistungen Dabei spielt das jeweils vorhandene Qualifikationsniveau (das „Know how“) eine wesentliche Rolle. Dieser Sachverhalt lässt sich als „gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion“ wie folgt formalisieren, bspw.:

BIPt = wt (At , Bt , Ct ) Das Bruttoinlandsprodukt ist je nach Wissensstand (w) in der Produktionsperiode t funktional abhängig von den in der Produktionsperiode t eingesetzten Faktormengen Arbeit (A), Boden (B) und Capital (C). Technischer Fortschritt würde insoweit den aktuellen Wissensstand (w) erhöhen und damit formal die Form der Produktionsfunktion verändern (höhere Produktivität).

Bei effizient und vollständig eingesetzten (vollbeschäftigten) Faktorbeständen ist damit auch die in einer Produktionsperiode maximal herstellbare Gesamtgütermenge (Bruttoinlandsprodukt) bestimmt. Dieser Sachverhalt lässt sich im Rahmen eines Zwei-GüterModells zur Darstellung von Produktionsalternativen (bspw. „Investitions- oder Konsumgüter“) in Form einer „Transformationskurve“ (auch „Produktionsmöglichkeitenkurve“ oder „gesamtwirtschaftliche Kapazitätslinie“) darstellen:

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Investitionsgüter (I)



A

B



•E



•C

F

Beispiele alternativer Produktionsstrukturen



D

Konsumgüter (C)

Bild 5: Gesamtwirtschaftliche Produktionsmöglichkeiten

Bei effizientem Einsatz aller Produktionsfaktoren wären alternativ alle durch die Kurve dargestellten Gütermengenkombinationen (= Produktionsstrukturen) gerade noch realisierbar, bspw. A, B, C oder D. Die Kombination E wäre bei gegebenem Wissensstand und gegebenen Faktorbeständen nicht mehr realisierbar. In F wären demgegenüber die Produktionsfaktoren ineffizient eingesetzt oder es wären nicht alle verfügbaren Produktionsfaktoren beschäftigt. Die Produktionsmöglichkeiten wären nicht voll ausgeschöpft. Jede Entscheidung für eine bestimmte Produktionsstruktur bedeutet immer unvermeidbar eine Entscheidung gegen alternative Produktionsstrukturen. Jeder Übergang zu einer anderen Produktionsstruktur verursacht unvermeidbar „Opportunitätskosten“: Ein MEHR des einen Gutes muss durch ein WENIGER des anderen Gutes „erkauft“ werden. Bei fortschreitender Substitution nehmen die als „Grenzrate der Transformation“ (GRT) definierbaren Opportunitätskosten stetig zu (Bild 6). Nur bei linear verlaufenden Transformationskurven (s. Bild 9 u. 10) wären die Opportunitätskosten bei fortschreitender Substitution gleichbleibend. I

Grenzrate der Transformation:

ΔI1 ΔI2

∆I GRT= — ∆C

ΔI3

Zunehmende Opportunitätskosten:

ΔI4

ΔI1 ΔI2 ΔI3 ΔI4 — < — < — < — ΔC1 ΔC2 ΔC3 ΔC4 ΔC1

= ΔC2 = ΔC3 = ΔC4

C

Bild 6: Gesetz der zunehmenden Opportunitätskosten

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Die Entscheidung für eine bestimmte Produktionsstruktur setzt eine Vielzahl von Entscheidungen in der Produktion voraus. In jedem Wirtschaftssystem sind immer vielfältige Allokationsprobleme zu lösen: Was/wieviel/wo/wie/wann soll von wem produziert werden? Außerdem sind immer auch Distributionsprobleme zu lösen: Wieviel von den produzierten Gütern bzw. dem erwirtschafteten Einkommen soll an wen verteilt werden? Schließlich stellen sich wachstumsbedingte Stabilitätsprobleme: Wachstum (höheres Inlandsprodukt) ist nur dann möglich, wenn zumindest ein Produktionsfaktor quantitativ und/oder qualitativ zunimmt. Bspw. würden technischer Fortschritt (Inventionen und Innovationen), die Qualifizierung von Arbeitskräften, die Akkumulation von Kapital durch erhöhte Spartätigkeit oder die Bewässerung von Wüsten oder die Trockenlegung von Sümpfen und Wattenmeeren den (nutzbaren) Bodenbestand und damit die Produktionsmöglichkeiten erhöhen. Bildlich ließen sich solche Erhöhungen durch eine Verlagerung der Transformationskurve nach rechts darstellen (Bild 7). Umgekehrt ist aber auch denkbar, dass bei zu hoher Konsumgüternachfrage (gleichbedeutend mit zu geringer Spartätigkeit) und zu hoher Konsumgüterproduktion (gleichbedeutend mit zu geringer Investitionstätigkeit) die aktuelle Investitionsgüterproduktion nicht ausreicht, um die in der laufenden Produktionsperiode verbrauchten Anlagen voll zu ersetzen: Nettoinvestitionen = Bruttoinvestitionen – Abschreibungen < 0 In diesem Fall würde der vorhandene Kapitalstock schrumpfen. Es käme ceteris paribus zu einem Rückgang der Produktionsmöglichkeiten. Bildlich: Die Transformationskurve verlagert sich nach links (Bild 7). I

C Bild 7: Veränderungen der Produktionsmöglichkeiten

Für Transformationskurven wird in der Produktionstheorie in der Regel die in Bild 5, 6 und 7 gezeigte Gestalt angenommen. Sie sind „zum Ursprung konkav“. Dies lässt sich produktionstheoretisch bei Annahme abnehmender Faktorproduktivitäten (vgl. B.4.3.1) ableiten. Werden allerdings diesbezüglich andere Annahmen getroffen, können auch lineare oder „zum Ursprung konvexe“ Kurvenverläufe folgen.

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2.3 Das ökonomische Prinzip Es wurde bereits festgestellt, dass „Wirtschaften“ als zielgerichtetes Handeln zur Überwindung des Knappheitsproblems definiert werden kann. Bei rationalem Verhalten können hierbei prinzipiell zwei Strategien verfolgt werden: Minimierung: Es wird versucht, ein gewünschtes oder vorgegebenes Ziel mit möglichst geringem Mittelaufwand zu erreichen. Maximierung: Es wird versucht, mit gegebenem Mittelaufwand einen möglichst großen Nutzen oder Ertrag zu erzielen. Optimierungsprobleme sind typisch für die gesamte Wirtschaftswissenschaft, sowohl für die Volkswirtschaftslehre als auch für die Betriebswirtschaftslehre. Sie sind vielfältiger Natur, ergeben sich aber alle letztlich aus der Zielsetzung, das ökonomische Grundproblem „Knappheit“ bestmöglich zu lösen. Nicht selten „definiert“ man das ökonomische Prinzip so: „... mit dem geringstmöglichen Aufwand den größtmöglichen Erfolg erzielen ...“ Eine solche „Definition“ ist jedoch völlig unsinnig. Sie würde letztlich implizieren, dass man mit null Euro (Minimalausgaben) alle angebotenen Waren (maximaler Konsum) „kaufen“ wollte. Optimierung nach ökonom. Prinzip

Maximierung

Minimierung

effiziente Allokation mit bestmöglicher Verwendung und Vollbeschäftigung aller Produktionsfaktoren

Rationierung nach Prioritätsprinzip

administrative Entscheidungen nach politischen Prioritäten: A vor B vor C vor ...

ineffiziente Allokation mit fehlgelenkten Produktionsfaktoren jedoch: „Vollbeschäftigung“ möglich

Bild 8: Optimierung vs. Rationierung

Mitunter wird das ökonomische Prinzip (in Form des Gewinnmaximierungsprinzips) aus ideologischen Gründen abgelehnt. Stattdessen werden dann „bessere“ Produktions- und Verteilungsstrukturen gefordert oder verordnet. Konkret bedeutet dies, dass politische Sollvorgaben für die Produktion gemacht werden. Die Realisierung solcher Vorgaben bedeutet im Rahmen der Zuteilung der immer knappen Ressourcen zwangsläufig eine RATIONIERUNG (Begrenzung) der als weniger wichtig oder weniger dringlich angesehenen Produktionen. Die Lösung des Knappheitsproblems mittels Rationierung führt so im allgemeinen zu ineffizienten Produktionsstrukturen. Sie kann daher bei ökonomischrationalem Entscheidungsverhalten nicht als „dritte Strategie“ (alternativ zum Maximumoder Minimumprinzip) angesehen werden.

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2.4 Arbeitsteilung und Spezialisierung Unsere Vorfahren in grauer Vorzeit waren bekanntermaßen Selbstversorger. Die benötigten Güter (Fleisch, Früchte, Felle, Waffen usw.) besorgten oder schufen sie sich alle zunächst selbst, jeder in der Menge, die er selbst benötigte. Irgendwann werden sie wohl erkannt oder zumindest erahnt haben, dass es für jeden von ihnen von Vorteil sein müsste, wenn sie sich die Arbeit teilen, d. h. sich jeder von ihnen auf bestimmte Tätigkeiten spezialisiert und dann überschüssig beschaffte Güter untereinander tauschten. Im Rahmen einer stark vereinfachten Abbildung der Wirklichkeit (Modell) soll die prinzipielle Vorteilhaftigkeit der Arbeitsteilung (Spezialisierung) aufgezeigt werden: Modellannahmen: 1. Es existieren nur 2 Produzenten: J, S (zugleich Konsumenten). 2. Es werden nur 2 Produkte benötigt: Fleisch (y) und Beeren (x). 3. Die beiden Produzenten seien zugleich Jäger und Sammler, allerdings mit unterschiedlicher „Produktivität“: J möge in 10 Stunden täglich maximal 200 kg Fleisch oder 200 kg Beeren „erwirtschaften“, S in dieser Zeit 150 kg Fleisch oder 300 kg Beeren. In „Kosten“ ausgedrückt: J müsste sowohl für 1 kg Fleisch als auch für 1 kg Beeren durchschnittlich 3 Minuten, S für 1 kg Fleisch jedoch 4 Minuten, für 1 kg Beeren aber nur 2 Minuten arbeiten. Ihre Produktionsmöglichkeiten mögen sich wie folgt darstellen lassen (Bild 9): y

150

Transformationsfunktionen:

Beispiel

200

für J: y = 200 – x x = 200 – y

J

100 80

für S: y = 150 – 0,5x mit dy/dx = - 0,5 mit dx/dy = - 2 x = 300 – 2y

S

100

140

200

mit dy/dx = - 1 mit dx/dy = - 1

300

x

Bild 9: Spezialisierung bei absoluten Kostenvorteilen

J wäre demzufolge der „geborene Jäger“, S der „geborene Sammler“: Wollte J 1 kg mehr Beeren sammeln, so müsste er auf 1 kg Fleisch verzichten (Opportunitätskosten: dyJ/dxJ= -1). S hätte hingegen lediglich auf 0,5 kg Fleisch zu verzichten (dys/dxs= -0,5). Die Opportunitätskosten des J wären also höher. Als Selbstversorger mögen sie sich entsprechend ihrer individuellen Präferenzen (exemplarisch) für folgende „Produktionsstrukturen“ entschieden haben: J für 100 kg Fleisch und 100 kg Beeren, S für 80 kg Fleisch und 140 kg Beeren. Insgesamt würden sie also bei Selbstversorgung (Autarkie) 180 kg Fleisch und 240 kg Beeren „produzieren“. Würden sich aber beide entsprechend ihrer Produktivitäts- und Kostenvorteile vollständig spezialisieren (J auf die Jagd nach Fleisch und S auf das Sammeln von Beeren), so würde sich die „Gesamtproduktion“ deutlich erhöhen lassen: auf 200 kg Fleisch und 300 kg Beeren.

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Spezialisierung wäre aber auch dann vorteilhaft, wenn einer der beiden Produzenten in jeder Hinsicht absolut weniger produktiv, aber in einer Produktionsrichtung komparative Produktivitäts- und Kostenvorteile realisieren könnte (Beispiel Bild 10): y

Beispiel

250

Transformationsfunktionen: für J:

y = 200 – x x = 200 – y

mit mit

dy/dx = - 1 dx/dy = - 1

für S:

y = 250 - 0,5x x = 500 – 2y

mit mit

dy/dx = - 0,5 dx/dy = - 2

200

J 100

S

50

150

200

300

500

x

Bild 10: Spezialisierung bei komparativen Kostenvorteilen

Die Steigungskoeffizienten der Transformationsfunktionen messen ökonomisch die jeweiligen Opportunitätskosten: J müsste auf 1 kg Fleisch verzichten, wenn er ein weiteres kg Beeren wünschte (dy/dx = -1). S müsste dafür aber nur auf ½ kg Fleisch verzichten (dy/dx = -0,5). „Umgekehrt“ würde S ein weiteres kg Fleisch 2 kg Beeren „kosten“ (dx/dy = -2), J aber nur 1 kg Beeren (dx/dy = -1). J hätte in bezug auf Fleisch komparative Kostenvorteile. Es wäre vorteilhaft, wenn sich J auf die Jagd und S auf das Sammeln spezialisieren würde: Die Produzenten könnten in Autarkie insgesamt bspw. 100+50=150 kg Fleisch und 150+300=450 kg Beeren „produzieren“. Bei Spezialisierung könnte die „Weltproduktion“ auf y=yJ=200 kg Fleisch und x=xS=500 kg Beeren steigen. Die „Weltproduktion“ könnte so um 50 kg Fleisch und 50 kg Beeren gesteigert werden (Spezialisierungsgewinn). Bei Annahme zum Ursprung konkaver Produktionsmöglichkeitskurven würde sich zeigen lassen, dass wegen der hierbei zunehmenden Opportunitätskosten (vgl. Bild 6) eine vollständige Spezialisierung nicht sinnvoll wäre: Zur Wohlfahrtsmaximierung wäre eine optimale Spezialisierung anzustreben. Spezialisierungsgewinne ergeben sich auf allen Ebenen: in und zwischen Unternehmen, in und zwischen Regionen, aber auch in und zwischen Ländern (Freihandel). Über die Verteilung der Spezialisierungsgewinne kann an dieser Stelle allerdings nur spekuliert werden: Diese dürfte entscheidend von den jeweils erzielbaren Marktpreisen abhängig sein, die sicher nicht nur von den Angebotsbedingungen, sondern immer auch von den in den o. Modellen nicht berücksichtigten Nachfragebedingungen mitbestimmt sein dürften. Diese dürften sich „irgendwo“ zwischen den jeweils unterschiedlichen Opportunitätskosten (interpretierbar als „interne Verrechnungspreise“) einpendeln. Freihandelsvorteile ergeben sich aber auch in Form sog. Handelsgewinne. Dieses Phänomen ist jedem von uns aus der eigenen Kindheit bekannt: Kinder tauschen im „Überfluss“ vorhandene Güter gegen „Mangelware“. Bei unveränderter Gesamtgütermenge muss sich jeder Tauschpartner nach dem Tausch subjektiv bessergestellt fühlen. Warum sollte er sonst getauscht haben? 21

2.5 Tauschformen Es ist offensichtlich, dass eine auf Naturaltausch beruhende Wirtschaft nur auf sehr niedrigen Entwicklungsstufen der Volkswirtschaft allgemein vorstellbar ist. In modernen (entwickelten) Volkswirtschaften ist es dagegen wohl kaum vorstellbar, dass bspw. ein texanischer Cowboy in Schwaben einen „schnellen Schlitten“ kauft und mit seinen Rindern natural bezahlt. Formen des Naturaltausches gehören entweder der Vergangenheit an oder finden sich nur noch in unterentwickelten Regionen der Erde. Die Mängel dieser Tauschform werden offenbar, wenn man diese mit den volkswirtschaftlichen Funktionen eines modernen Geldwesens konfrontiert: 1. GELD ist Wertübertragungsmittel (allg. Tausch- und Zahlungsmittel) 2. GELD ist Wertausdrucksmittel (allg. Bewertungsmaßstab, Recheneinheit) 3. GELD ist Wertaufbewahrungsmittel (allg. Spar- und Kreditmittel) Bei n Gütern ergeben sich nach den Regeln der Kombinatorik n(n-1) Tauschrelationen bzw. Preise, wobei jede Güterbeziehung wegen der Reziprozität der Tauschrelationen doppelt erfasst ist. Will man solche Reziprozitäten eliminieren, so halbiert sich die Anzahl der festzulegenden Naturalpreise: Anzahl der Naturalpreise bei n Gütern =

n(n –1) ⎯⎯⎯ 2

In einer Geldwirtschaft wären demgegenüber bei n Gütern auch nur n Preise festzulegen. Bei 1000 Gütern wären bspw. 499.500 Naturalpreise, aber nur 1000 „Geldpreise“ erforderlich. Geldwirtschaft bedeutet insoweit eine gewaltige Vereinfachung der technischen Abwicklung von Tauschvorgängen, die sich in erheblich niedrigeren Informationsund Transaktionskosten niederschlägt. In Naturaltauschwirtschaften wäre auch die Bildung von Vermögen erheblich erschwert. Viele Naturalien würden sich dafür entweder gar nicht oder nur sehr begrenzt eignen. Für die Vermögensbildung (Wertaufbewahrung) würden sich praktisch nur solche Dinge eignen, die erstens besonders haltbar (nicht verderblich) und zweitens relativ wertbeständig sind. Dies träfe bspw. auf Gold oder Immobilien zu. GELD wird in modernen Volkswirtschaften praktisch immer von staatlichen oder staatlich ermächtigten Währungsinstituten produziert (Produktionsmonopol für Banknoten) und in Umlauf gebracht. Anderen Stellen oder Privatleuten ist die Produktion von Banknoten strafrechtlich untersagt. Die ökonomische Begründung dafür liegt in der enormen Differenz zwischen Nenn- und Produktionswert von Banknoten. Würde die Banknotenproduktion frei sein, würde es zu einer gewaltigen Angebotsschwemme kommen. Die Folge wäre: Die Banknoten wären nur mehr das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Das Geld wäre praktisch funktionsunfähig. Außerdem käme es zu einer letztlich sinnlosen Verschwendung wertvoller Ressourcen.

22

3. Wirtschaftssysteme 3.1 Möglichkeiten der Klassifikation von Wirtschaftssystemen Die Grundprobleme des Wirtschaftsgeschehens können als weitgehend systemübergreifend bzw. -unabhängig angesehen werden. Gleichwohl werden zu ihrer Lösung höchst unterschiedliche Strategien vorgeschlagen und unterschiedliche Wege beschritten, die ihren Ausdruck in unterschiedlichen Wirtschaftssystem- und Wirtschaftsordnungsvorstellungen finden. Die Begriffe „Wirtschaftssystem“ und „Wirtschaftsordnung“ werden häufig synonym verwendet, teilweise werden sie aber auch eindeutig auf die sog. Idealtypen (Wirtschaftssysteme) bzw. die sog. Realtypen (Wirtschaftsordnungen) zugeordnet. Je nach Wahl der Klassifikationsmerkmale lassen sich unterschiedliche Wirtschaftssysteme (Idealtypen) unterscheiden. Vorherrschend sind die Kriterien „Lenkungsform des Wirtschaftsprozesses“ und „Eigentumsordnung“. Grundsätzlich lassen sich zwei diametral sich gegenüberstehende Lenkungsformen unterscheiden: zentrale Planung durch den Staat (Subordinationsprinzip), dezentrale Planung durch die Märkte (Prinzip der Koordination). Ein Wirtschaftssystem, in dem „von oben“ Anweisungen nach „unten“ gegeben, dort ausgeführt werden, die Ausführung wiederum von oben kontrolliert wird, lässt sich auch als Zentralverwaltungswirtschaft oder „Befehlswirtschaft“ charakterisieren. Demgegenüber lässt sich ein Wirtschaftssystem, in dem die Angebots- und Nachfragepläne auf den Märkten durch „unsichtbare Hände“ aufeinander abgestimmt werden, als Marktwirtschaft oder „Vertragswirtschaft“ bezeichnen. Zentrale Lenkung

Dezentrale Lenkung

Planung und Entscheidung

Markt und Wettbewerb Koordination über

Subordination

(Rationierung)

Angebot

Nachfrage ökonom. Prinzip

Ausführung

Vertrag

Zentralverwaltungswirtschaft

Marktwirtschaft

Bild 11: Lenkungsformen des Wirtschaftsprozesses

Hinsichtlich des Eigentums lassen sich unterscheiden: Privateigentum ist kennzeichnend für „kapitalistische“ Systeme, Kollektiveigentum für „sozialistische“ Systeme. Kollektiveigentum

Privateigentum

Zentrale Planung

Sozialistische Zentralverwaltungswirtschaft

Kapitalistische Zentralverwaltungswirtschaft

Dezentrale Planung

Sozialistische Marktwirtschaft

Kapitalistische (freie) Marktwirtschaft

Bild 12: Idealtypische Wirtschaftssysteme

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Die „Kapitalistische Zentralverwaltungswirtschaft“ (ansatzweise im nationalsozialistischen Deutschland) und die „Sozialistische Marktwirtschaft“ (ansatzweise im sozialistischen Jugoslawien) haben in der Wirtschaftstheorie und in der Realität eine vergleichsweise unbedeutende Rolle gespielt. Der „Wettstreit der Systeme“ fand weltweit im 20. Jahrhundert zwischen der kapitalistischen (freien) Marktwirtschaft einerseits und der sozialistischen Zentralverwaltungswirtschaft andererseits statt. 3.2 Idealtypische Wirtschaftssysteme 3.2.1 Die Marktwirtschaft (MW) Der Idealtyp der Marktwirtschaft wurde oben anhand zweier Kriterien (Lenkungsform, Eigentumsordnung) nur grob charakterisiert. Beide Kriterien sind in marktwirtschaftlichen Systemen nicht umfassend wirksam. Es gibt Ausnahmen. So gibt es auch in Marktwirtschaften notwendigerweise Staatseigentum, bspw. das Banknotenmonopol und das Gewaltmonopol (staatliche Sicherheitskräfte). Auch kann und darf sich nicht alles dezentral über die Märkte regeln lassen. Bspw. ist der Handel mit manchen Produkten strafrechtlich untersagt (Drogen, menschliche Organe). Kurz: Auch in marktwirtschaftlichen Systemen ist ein staatlicher Ordnungsrahmen notwendig. Marktwirtschaften zeichnen sich aus durch: • Freizügigkeit: Vertragsfreiheit, Konsumfreiheit, Investitionsfreiheit (keine staatliche Investitionslenkung), Berufs- und Niederlassungsfreiheit, Gewerbe- und Handelsfreiheit (möglichst keine Marktzugangsbeschränkungen bspw. durch Meisterbriefe). • Preise sollen sich auf den Märkten im Zusammenspiel der Marktkräfte (Anbieter- und Nachfragerinteressen bzw. -pläne) frei bilden können. Ggf. sind dafür durch Wettbewerbsrecht und -politik die Voraussetzungen zu schaffen. Der marktwirtschaftliche Preismechanismus lenkt die Produktionsfaktoren in die beste Verwendung (effiziente Allokation), sorgt für eine marktgerechte Güter- und Einkommensverteilung (Distribution), und koordiniert die Märkte, d. h. sorgt für einen marktgerechten Interessenausgleich zwischen Nachfragern und Anbietern. Preis (p)

A>N

Angebot: x = x(p) mit dx/dp > 0

pG

A N) oder zu Nachfrageüberhängen (A < N). Diese würden bei Wettbewerb „automatisch“ durch Preis- und Mengenanpassungen hin zum Marktgleichgewicht (A = N) beseitigt.

Menge (x)

Bild 13: Der marktwirtschaftliche Preismechanismus

24

• Gewinne und Verluste bilden das für eine Marktwirtschaft unverzichtbare materielle Anreiz- und Sanktionssystem. Chance und Risiko sind dabei zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Nutzen- und Gewinnstreben sind die Triebfedern der Marktwirtschaft. Ohne Gewinnerwartungen wird niemand investieren und Kapital akkumulieren. In Erwartung von Wettbewerbsvorteilen wird zudem technischer Fortschritt realisiert. Verlustrisiken sorgen demgegenüber für verantwortliches und nachhaltiges unternehmerisches Handeln. Dauerhafte Verluste zwingen Unternehmen in den Konkurs: positive Selektion mit Marktbereinigung. Keinesfalls sollten „Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert“ werden, wie dies in der jüngsten Finanzmarktkrise der Fall zu sein schien. Eine derartige Asymmetrie von Chancen und Risiken könnte der Marktwirtschaft auf Dauer das Grab schaufeln. • Informationen liefert den Marktteilnehmern der Markt selbst (tatsächliche und erwartete Preise und Gewinne) sowie bspw. betriebsinterne Informationssysteme (Buchführung). • Kontrollen werden vom „Marktgegner“ ausgeübt. Die Konsumenten bestrafen überhöhte Preise mit Nicht-Kauf. Unternehmen bestrafen überhöhte Lohnforderungen oder mangelnde Leistung mit Nicht-Einstellung bzw. Entlassung. In Ausnahmefällen kontrollieren auch staatliche Organe (bspw. das Kartellamt). • Geld- und Kreditversorgung erfolgen durch eine staatliche und autonome Zentralbank über private Geschäftsbanken. 3.2.2 Die Zentralverwaltungswirtschaft (ZVW) Der Idealtyp der Zentralverwaltungswirtschaft lässt sich vergleichsweise einfach beschreiben: Die ungeheure Vielzahl der in einer Volkswirtschaft zu treffenden Produktions- und Konsumentscheidungen werden in einer Zentralverwaltungswirtschaft nicht marktlich koordiniert, sondern nur „von oben nach unten“ subordiniert auf der Basis von Prioritätenlisten und politischen Sollvorgaben. Zu ihrer differenzierten Umsetzung bedarf es „lediglich“ umfangreicher Abstimmungsrechnungen in der Produktions- und Konsumplanung der einzelnen Bereiche. Anreize und Sanktionen für Planerfüllung bzw. Plan-Nichterfüllung erfolgen vorwiegend immateriell. Ideologie, Linientreue und Loyalität sind in der Zentralverwaltungswirtschaft unverzichtbar. Die beste Planung nutzt letztlich wenig, wenn die Ausführenden nicht entsprechend motiviert sind bzw. nicht entsprechend motiviert werden können. Ziele wie Gewinnmaximierung und Nutzenmaximierung sind ideologisch tabuisiert. Es ist wohl offensichtlich, dass ein System, in dem „von oben“ geplant, entschieden und befohlen, „unten“ letztlich immer nur ausgeführt wird, in einer hochgradig komplexen Volkswirtschaft nicht befriedigend funktionieren kann. Umfassende Kontrollen sind daher in solchen Systemen wohl unvermeidbar. Dabei können diese Kontrollen vergleichsweise harmloser Art sein (bspw. regelmäßige Soll-IstVergleiche in Produktionsbetrieben), sie können aber auch sehr weitreichend sein und tief in die Privatsphäre (bspw. bei vermuteter Illoyalität) hineinreichen. Preise haben in einer Zentralverwaltungswirtschaft keine besondere volkswirtschaftliche Funktion. Sie werden administriert, d. h. nach technokratischen Erfordernissen festgesetzt. Ähnlich verhält es sich beim Geld- und Kreditwesen. In einer Zentralverwaltungswirtschaft gibt es keine privaten Banken. Die staatlichen Banken sind Teil des gesamten Planungsprozesses und werden wie Produktionsbetriebe subordiniert.

25

3.3 Realtypen der Wirtschaftssysteme 3.3.1 Systemschwächen der Idealtypen 3.3.1.1 Systemschwächen der Zentralverwaltungswirtschaft Überforderung der Zentralbehörde: Bei zigtausend von zu produzierenden und zu verteilenden Gütern würde es eigentlich an ein Wunder grenzen, wenn die hierbei notwendigen Abstimmungsprozesse und -rechnungen durch eine zentral planende Behörde effizient funktionieren würde. Dies ist nahezu unvorstellbar. Die für die Zentralplanung zuständigen Behörden dürften vielmehr (notwendigerweise) mit dieser Mammutaufgabe überfordert sein. Produktion am tatsächlichen Bedarf vorbei dürfte daher die Regel, nicht die Ausnahme sein. Beispiele aus der ehemaligen DDR scheinen dies zu belegen: Lange Lieferzeiten für den „Trabi“, endloses Warten auf Ersatzteillieferungen ... „Weiche Pläne“: Um bei den regelmäßigen Soll-Ist-Vergleichen in Bezug auf andere Betriebe gute Ergebnisse erzielen zu können, kann es zweckmäßig und zielführend sein, bei Bedarfsmeldungen „strategische Informationen“ abzugeben: Man fordert bspw. Produktionsfaktoren über den tatsächlichen Bedarf hinaus an und hortet diese (vorsorglich). Dies kann dann wiederum zu „versteckter Arbeitslosigkeit“ oder zu Formen des Naturaltausches (von Produktionsfaktoren und/oder Vorprodukten) zwischen Betrieben führen. Auch kann dadurch technischer Fortschritt behindert werden: Bei Anmeldung von Investitionsprojekten besteht die „Gefahr“, dass den Betrieb überprüfende Investitionsplaner „stille Reserven“ im Betrieb entdecken. „Tonnenideologie“: Will ein Betrieb bei den regelmäßigen Betriebskontrollen (Soll-IstVergleichen) ein gutes Ergebnis erzielen, so kann es zweckmäßig und zielführend sein, die eigene Leistung zu „schönen“, d. h. an vordergründigen Produktionskennziffern (bspw. Produktion in Tonnen) zu orientieren. Beispiel: Ein Schrauben produzierender Betrieb erscheint vordergründig „besser“, wenn er vorzugsweise große Schrauben produziert und die Produktion kleiner Schrauben vernachlässigt. Bei gleicher Faktorausstattung kann er dann (in Tonnen gemessen) mehr produzieren. Würde die Leistung hingegen mit der Produktionskennziffer „Stückzahl“ gemessen werden, wäre es zweckmäßig, vorzugsweise kleine Schrauben zu produzieren. Motivationshemmnisse: Kennzeichnend für Zentralverwaltungswirtschaften ist das weitgehende Fehlen materieller Anreize. Leistungsbereitschaft sollte einer gesellschaftssystemkonformen (ideologischen) Grundeinstellung bzw. Gesinnung entspringen. Die Realität dürfte aber infolge „menschlicher Unvollkommenheit“ diesbezüglich erhebliche Defizite aufweisen. Das in der Zentralverwaltungswirtschaft systemnotwendige immaterielle Anreizsystem kann dann die ihm zukommende volkswirtschaftliche Funktion (Leistungsmotivation) nicht erfüllen. Endergebnis: geringe Leistung, geringe Produktivität, niedriges Wohlstandsniveau. Fehlende Knappheitsindikatoren: Die Planungsbehörde mag zwar immer bemüht sein, bedarfsgerecht zu planen und zu entscheiden, doch dürfte es praktisch unmöglich sein, den in einer modernen Volkswirtschaft ungeheuer vielschichtigen Bedarf verlässlich und umfassend zu ermitteln, weil dafür praktisch kaum verlässliche Knappheitsindikatoren existieren. In Marktwirtschaften werden hingegen Knappheiten und Knappheitsveränderungen durch sich frei bildende Preise und Preisveränderungen angezeigt. In 26

Zentralverwaltungswirtschaften sind Preise administriert und können daher von vornherein die grundlegende volkswirtschaftliche Funktion eines Knappheitsindikators nicht übernehmen. Als Knappheitsindikatoren könnten allenfalls Warteschlangen und Lieferzeiten dienen. Es dürfte aber zweifelhaft sein, ob solche „Indikatoren“ auch nur annähernd die volkswirtschaftlich umfassende Leistungsfähigkeit und Verlässlichkeit des Knappheitsindikators „Preis“ je erreichen können. 3.3.1.2 Systemschwächen der Marktwirtschaft Das in Marktwirtschaften so entscheidend wichtige materielle Anreizsystem (Gewinne, Verluste, Einkommen, Preise ...) kann seine Wirkung nur unter idealen Marktbedingungen voll entfalten. In der Realität sind diese „idealen“ Marktbedingungen (s. B. 5.2.1) umfassend nie gegeben. In Ausnahmefällen kann es sogar zu völligem Marktversagen kommen. In manchen Fällen wird aufgrund nachhaltiger Marktstörungen die volkswirtschaftlich wünschenswerte Allokationseffizienz verfehlt. In vielen Fällen führt der Marktmechanismus auch zu „Ungerechtigkeiten“ und Instabilitäten. Unvollkommene Märkte: Infolge von Konzentrationsprozessen kann die Intensität des Wettbewerbs zwischen Konkurrenten abnehmen, wenn diese durch künstliche Marktzugangsbeschränkungen (bspw. Meisterbriefe der weltweit „einmaligen“ deutschen Handwerks“ordnung“), Zusammenschlüsse (Fusionierung) oder durch Absprachen (Kartellbildung) eine überragende oder beherrschende Marktstellung erlangen, dadurch weniger marktmächtige Konkurrenten behindern, Zulieferer und Kunden „ausbeuten“. Die Effizienz der Allokation von Produktionsfaktoren und Gütern würde dann zwangsläufig verfehlt. Allokationsstörungen können aber auch auftreten, wenn nachhaltige Informationsoder Anpassungsmängel die Funktionstüchtigkeit des marktwirtschaftlichen Preismechanismus beeinträchtigen. Von „Marktversagen“ im Wortsinne könnte allerdings nicht die Rede sein, da es nach wie vor zu einer (wenn auch schlechteren) Marktversorgung mit Gütern käme. Dies gilt selbst dann, wenn aufgrund von Betriebsgrößenvorteilen Märkte nicht teilbar sind und „natürliche Monopole“ entstehen. Externe Kosten können sowohl in der Produktion als auch beim Konsum entstehen. Als „extern“ werden sie bezeichnet, weil sie nicht vom Verursacher getragen werden (müssen), sondern „extern“ von den Geschädigten. Bspw. verursacht jede Autofahrt unvermeidbar Schadstoffemissionen (Umweltschäden). Das gleiche gilt auch für umweltschädliche Produktionen. Da externe Kosten normalerweise nicht vom Verursacher getragen werden, werden die betreffenden Produkte zwangsläufig im Preis zu niedrig kalkuliert. Zu niedrige Preise verführen aber zu höherer Nachfrage. Die höhere Nachfrage verstärkt (ungewollt) die Umweltproblematik. Im Vergleich zu anderen Produkten haben Produkte mit externen Kosten zwangsläufig mit den zu niedrig kalkulierten Preisen auch einen ungerechfertigten Wettbewerbsvorteil. Es kommt also zu nicht erwünschten Wettbewerbsverzerrungen. Die Produktionsfaktoren werden teilweise in die volkswirtschaftlich falsche Richtung gelenkt (ineffiziente Allokation). Marktunfähige (öffentliche) Güter: Es gibt Güter, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften von Privaten nicht angeboten würden. Beispiele dafür sind: Leuchttürme, Straßenlaternen, Grundlagenforschung u. a. m. Keiner, der solche Güter konsumiert, könnte gezwungen werden, für deren Nutzung auch ein entsprechendes Entgelt zu zahlen bzw. bei mangelnder Zahlungsbereitschaft von ihrer Nutzung ausgeschlossen wer-

27

den (Merkmal der „Nicht-Ausschließbarkeit“). Deshalb würde sich auf Dauer kein Privater bereitfinden, solche Güter anzubieten. Er würde auf seinen Kosten „sitzen bleiben“. Es käme insoweit (dem Wortsinne nach) zum Marktversagen. Wenn solche Güter gesellschaftlich trotzdem für erforderlich gehalten werden, bleibt nur ihre Bereitstellung durch öffentliche Haushalte (daher auch „öffentliche Güter“). • Unvollkommene Märkte: Marktmachtkonzentration Unteilbarkeit der Märkte Anpassungsmängel Informationsmängel Externe Kosten und Nutzen

Allokationsprobleme

Öffentliche Güter • „Ungerechte“ Marktergebnisse: Individualverteilungsprobleme Sektorale Verteilungsprobleme Regionale Verteilungsprobleme Globale Verteilungsprobleme • „Magisches Viereck“: Preisniveaustabilität Vollbeschäftigung Außenw. Gleichgewicht

Distributionsprobleme

Stabilitätsprobleme

Wirtschaftswachstum Bild 14: Marktwirtschaftliche Systemschwächen

„Ungerechte“ Marktergebnisse: In Marktwirtschaften erfolgt die Verteilung von Einkommen und Gütern nach dem Marktleistungsprinzip. Eine ethische Bewertung dieser Verteilung nimmt der Markt selbst nicht vor. Das kann er auch gar nicht. Er ignoriert soziale Aspekte. Die Marktergebnisse (Preise, Einkommen, Marktversorgung) können und müssen aber selbstverständlich auch unter ethischen und sozialen Gesichtspunkten beurteilt werden. So können aus den verschiedensten Vorstellungen von „Gerechtigkeit“ heraus Arbeitnehmer ihre Löhne und Gehälter als „viel zu niedrig“ und daher als „ungerecht“ qualifizieren. Gleichzeitig können dieselben Löhne und Gehälter von Arbeitgebern als „viel zu hoch“ und daher als investitions- und wachstumshemmend kritisiert werden. Das Streben nach „gerechterer“ Verteilung müsste eigentlich immer „gegen den Markt“ erfolgen. Der Markt selbst hat ja eine ganz bestimmte, nämlich eine marktleistungsbedingte Verteilung generiert. Andererseits ist aber auch nicht zu übersehen, dass eine extreme Ungleichverteilung des Vermögens auch weitreichende Folgen für die Allokation (Fehlallokation?) von Produktionsfaktoren haben kann. Beispiel: Bei extrem ungleichmäßiger Verteilung des Grundbesitzes in einem Entwicklungsland werden höchstwahrscheinlich vor allem exportträchtige Produkte produziert, damit mit den erlösten Devisen die von den wohlhabenden Schichten begehrten Konsumgüter aus den Industrieländern importiert und konsumiert werden können. Die Grundversorgung der breiten (armen) Landbevölkerung mit Nahrung und Kleidung dagegen leidet. Wäre dem28

gegenüber der Grundbesitz in diesem Entwicklungsland gleichmäßiger verteilt, so fände sicherlich eine grundlegend andere Allokation der Produktionsfaktoren statt. An diesem Beispiel wird erkennbar, dass es die effiziente Allokation wohl nicht geben kann. Je nach Vermögensverteilung ergibt sich über die Märkte jeweils eine andere Faktorallokation. Jede sich so ergebende Faktorallokation ist im marktwirtschaftlichen Sinne effizient und impliziert eine marktgerechte Einkommensverteilung. Die Frage nach der „richtigen“ oder „optimalen“ Verteilung kann demnach wertfrei generell nicht beantwortet werden: Jede Verteilungsaussage ist immer und unvermeidbar eine wertende Aussage. Dies gilt immer auch für die „Verteidigung“ der marktleistungsbedingten Verteilung. Stabilitätsprobleme: Die Erfahrung zeigt, dass die wirtschaftlichen Aktivitäten im Zeitablauf zum Teil erheblichen Schwankungen unterworfen waren und sind (Konjunkturproblematik), auch und gerade in Marktwirtschaften. Dies äußert sich regelmäßig in Veränderungen des Preisniveaus (Inflation oder Deflation), in Beschäftigungsschwankungen (Arbeitslosigkeit, Arbeitskräftemangel), in außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten (Export- oder Importüberschüsse) und ungleichmäßigem Wirtschaftswachstum (zunehmendes, stagnierendes oder sogar schrumpfendes Bruttoinlandsprodukt). Idealzustände (Null-Inflation, Vollbeschäftigung, ausgeglichene Leistungs- und Kapitalbilanzen, „angemessenes“ Wirtschaftswachstum) sind in der Realität bisher nie gleichzeitig erreicht worden. Es spricht vieles dafür, dass zwischen diesen Einzelzielen zum Teil gravierende Zielkonflikte bestehen. Man spricht insoweit auch mit voller Berechtigung vom „magischen Viereck“. Theorien zur Erklärung von Inflation, Beschäftigung, Wachstum usw. sind in der Wirtschaftswissenschaft nicht gerade rar. Eine umfassende und allseits befriedigende Theorie steht aber nach wie vor aus. Manche Konjunkturtheorien sehen psychologisch bedingte Verhaltensänderungen der Konsumenten als „konjunkturverursachend“ an, andere Theorien das Verhalten von Investoren, die angeblich zu Überreaktionen (mal zu wenig, mal zu viel) neigten. 3.3.2 Abweichungen von den Idealtypen Die Idealtypen in der oben beschriebenen Form hat es in der Realität nie gegeben. Nur die Erscheinungsformen des „Frühkapitalismus“ und des „Maoismus“ entsprachen näherungsweise diesen Idealtypen. Man muss sich vor Augen halten, was diese beiden Idealtypen in letzter Konsequenz bedeuten könnten: In einer „Marktwirtschaft pur“ könnten sich die Wirtschaftssubjekte in keiner Weise ethisch gebunden fühlen. Das in einer „Marktwirtschaft pur“ wirksame „Gesetz des Dschungels“ würde bspw. auch den Handel menschlichen Organen zulassen. „Zentralverwaltungswirtschaft pur“ würde nicht nur Detailplanung durch die Zentralbehörde in der Produktion, sondern letztlich auch im Konsumbereich erfordern: Jeder Konsument hätte sich nach einem von der Zentralbehörde vorgegebenen Konsumplan auszurichten. Die Realtypen sind immer dadurch ausgezeichnet, dass mehr oder weniger wichtige Bausteine des Idealtyps (als Zugeständnisse an die gesellschaftliche Praxis) aufgegeben werden.

29

3.3.3 Die Soziale Marktwirtschaft (SMW) 3.3.3.1 Die Soziale Marktwirtschaft als „verbesserte MW“ Auch im „Kapitalismus“ des 19. Jahrhunderts existierte nirgends auf der Welt eine totale „Laissez-faire-Wirtschaft“. Vielmehr gab es auch damals (historisch bedingt) einen staatlichen Ordnungsrahmen. Der Staat beschränkte sich allerdings auf die Gewährleistung innerer und äußerer Sicherheit sowie auf die Bereitstellung öffentlicher Güter (Infrastruktur). Kritiker verspotteten diesen Staat deshalb auch als „Nachtwächterstaat“. Bismarcks Sozialgesetze leiteten im Grunde die Entwicklung zur „Sozialen Marktwirtschaft“ ein. Aber erst nach dem 2. Weltkrieg wurde dieser Begriff durch Alfred MÜLLER-ARMACK, Walter EUCKEN und Ludwig ERHARD zu dem, was man heute mit ihm verbindet. In den 1960er Jahren entbrannte dann (weltweit) ein grundsatzpolitischer Streit darüber, inwieweit der Staat auch noch „globalsteuernd“ in die konjunkturelle Entwicklung eingreifen sollte. Theoretischer Wegbereiter dieser Denkrichtung war J. M. KEYNES, treibende politische Kraft in der praktischen Umsetzung dieser Auffassung wurde (in der BRD) Karl SCHILLER. Ende der 1970er Jahre geriet dieses Konzept allerdings wegen der damit einhergehend rapide steigenden Staatsverschuldung zunehmend in Misskredit und hat heute stark an Bedeutung eingebüßt. 3.3.3.2 Aufgaben und Ziele der Wirtschaftspolitik in der SMW Ordnungspolitik setzt Rahmenbedingungen

Haushalte

Beseitigung von Marktstörungen

bieten an

fragen nach

Arbeit Boden Kapital

Güter Dienstleistungen

Koordination über M Ä R K T E

Arbeit Boden Kapital

Güter Dienstleistungen

fragen nach

bieten an

Unternehmen

Bild 15 : Der Staat in der Sozialen Marktwirtschaft

30

Korrektur von Marktergebnissen

Die marktlichen Aktionen der Wirtschaftssubjekte stehen auch in der SMW im Zentrum des Gesamtgeschehens: Die marktwirtschaftliche Selbststeuerung sorgt (innerhalb eines staatlichen Ordnungsrahmens) als primäres Regelungssystem für eine bestmögliche Güterversorgung. Hoheitliche Aktionen des Staates, d. h. wirtschaftspolitische Eingriffe sind ergänzend erforderlich, um die oben aufgezeigten Systemschwächen marktwirtschaftlicher Systeme zu beseitigen oder deren Auswirkungen zu korrigieren. Die Eingriffe können hierbei über die Märkte (bspw. durch Besteuerung der Umsätze) oder über die Wirtschaftssubjekte (bspw. Besteuerung des Einkommens oder Gewährung von Subventionen) erfolgen. 3.3.3.3 Instrumente der Wirtschaftspolitik Die Hauptaufgabe der Ordnungspolitik ist es, den Rahmen abzustecken, innerhalb dessen die Wirtschaftssubjekte weitestgehend frei agieren können. Diese „Wirtschaftsverfassung“ beinhaltet: -

eine Rechtsverfassung, eine Wettbewerbsverfassung, eine Geldverfassung, eine Sozialverfassung, eine Arbeitsmarktverfassung und eine Finanzverfassung.

Rechtsverfassung: Mit Hilfe des staatlichen Gewaltmonopols sollen Gewalt, Betrug, Willkür und Anarchie verhindert werden. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehört zu ihr auch der Schutz des Privateigentums und der Vertragsfreiheit. Die Wettbewerbsverfassung ist der „Boden“, auf dem die marktwirtschaftliche Selbststeuerung erst gedeihen und sich voll entfalten kann. Mit Hilfe des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) will man in der BRD bspw. unerwünschte Kartelle und Fusionen von Unternehmen zur Vermeidung von Marktmacht verhindern. Die Geldverfassung regelt die Zuständigkeiten in der Geldschöpfung und in der Geldpolitik. In der BRD ist hierfür als autonome (von Weisungen der Regierung unabhängige) Zentralbank die Deutsche Bundesbank zuständig und verantwortlich. Sie besitzt u. a. das Monopol der Banknotenproduktion. Das Monopol der (quantitativ unbedeutenden) Münzproduktion hat in der BRD hingegen die Bundesregierung inne. Die Sozialverfassung der BRD umfasst insbesondere das System der gesetzlichen Sozialversicherungen (Kranken-, Renten-, Arbeitslosen-, Unfall- und Pflegeversicherung). Außerdem regelt die Sozialverfassung die Sicherung des Existenzminimums (Sozialhilfe) und die Gewährung bestimmter Schutzrechte (Kinder-, Mutterschutz u. ä.). Die Arbeitsmarktverfassung sieht ebenfalls Schutzrechte (Kündigungsschutz, Sozialpläne, Mitbestimmungsrechte) vor und garantiert die sog. Tarifautonomie (kollektive Lohnfindung durch Verhandlungen zwischen den Tarifparteien). Die Finanzverfassung regelt schließlich den Finanzausgleich (Aufgaben, Ausgabenund Einnahmenkompetenz) zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (vertikaler Finanzausgleich) sowie zwischen öffentlichen Körperschaften gleicher Ebene, bspw. zwischen den Bundesländern (horizontaler Finanzausgleich). Für die intervenierende Wirtschaftspolitik bieten sich entsprechend der oben skizzierten „Systemschwächen“ ebenfalls verschiedene Ansatzpunkte (vgl. Bild 14):

31

Allokationspolitik -

Wettbewerbspolitik Marktordnungen und Marktregulierungen Bereitstellung öffentlicher Güter

Distributionspolitik -

umverteilende Sozialpolitik Regional- und Sektoralpolitik Entwicklungspolitik

Stabilisierungspolitik im „magischen Viereck“ -

Beschäftigungspolitik Preisniveaustabilisierende Geld- und Fiskalpolitik Politik zur Förderung des Wirtschaftswachstums Politik für außenwirtschaftliches Gleichgewicht

Bild 16: Politik für verbesserte Selbststeuerung

Der Staat kann sowohl über Abgaben (hauptsächlich Steuern) und Ausgaben (Sachausgaben, Transferzahlungen, Subventionen) in den Wirtschaftsprozess steuernd oder korrigierend eingreifen („Prozesspolitik“) als auch als öffentlicher Haushalt oder als öffentliches Unternehmen selbst am Wirtschaftsgeschehen aktiv teilnehmen. Als öffentlicher Haushalt beschäftigt er Arbeiter, Angestellte und Beamte, die für die Bürger weitgehend entgeltlos öffentliche Güter bereitstellen (Polizei, Bundeswehr, Grundlagenforschung u. a.). Öffentliche Unternehmen agieren wie Privatunternehmen. Sie könnten in vielen Fällen wohl auch durch solche ersetzt werden. Diese Problematik wurde in den vergangenen Jahren heftig diskutiert (Wettbewerbsförderung durch Privatisierung?). Für die Beseitigung von Marktstörungen in Form externer Kosten (Umweltschäden) bieten sich Produktionsverbote oder Produktionsauflagen in Form technischer Vorschriften, staatliche Abfallentsorgung oder auch die Besteuerung umweltschädlicher Produkte an. Die hierbei anzustrebende „Internalisierung externer Kosten“ steht in letzter Zeit häufig in der öffentlichen Diskussion. So fordern Bürgerinitiativen und Politiker die weitere Erhöhung der Mineralölsteuer, um so die Umwelt zu schonen (Verringerung des Mineralölverbrauchs und damit der Schadstoffemmissionen) und die Verkehrsteilnehmer zur verstärkten Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu bewegen. Der Verdacht ist allerdings naheliegend, dass entsprechende Überlegungen politikerseits durch fiskalische Ziele (Steuereinnahmen!) zumindest „überlagert“ sind. Bei gravierenden Informations- und Anpassungsmängeln sind Marktregulierungen in Erwägung zu ziehen. Bei ungenügender Produktkenntnis sind irreversible Schädigungen des Abnehmers möglich. Der Schutz des Abnehmers kann dann Marktzugangsbeschränkungen (bspw. Approbationsordnungen) sinnvoll machen. Bei ungenügender Mobilität und Flexibilität kann „ruinöser Preisverfall“ eintreten und auch an sich gesunde Unternehmen ruinieren. Schutzmaßnahmen für die Anbieter können dann erwogen werden (bspw. Mindestpreise in der Landwirtschaft). Ergäben sich aufgrund von Betriebs32

größenvorteilen „natürliche Monopole“, so kann die Errichtung „öffentlicher Monopole“ erwogen werden, wenn aus ordnungs- und wettbewerbspolitischen Gründen „natürliche Monopole“ grundsätzlich unerwünscht sind. Die Zahl der redistributionspolitischen Instrumente ist schier unübersehbar. Sie zielen auf die Umverteilung von Einkommen und Vermögen zwischen Individuen, sozialen Gruppen, Wirtschaftssektoren, Regionen und Nationen, bspw. in Form von Sozialhilfe, Ausbildungsbeihilfen, Mietzuschüssen, Kilometergeld, Unterstützung der Landwirtschaft und Entwicklungshilfe für Entwicklungsländer. Das wirksamste Instrument der Einkommensumverteilung zwischen Individuen ist in der BRD der progressive Einkommensteuertarif. Dieser bewirkt, dass mit zunehmendem Einkommen die zu entrichtende Einkommensteuer nicht nur absolut, sondern auch relativ zunimmt (Ziel der „vertikalen Gerechtigkeit“). Seit einiger Zeit befindet sich das sog. Ehegattensplitting für die Einkommensbesteuerung von Ehepaaren und Familien in der öffentlichen Diskussion. Mit diesem Verfahren soll(te) sichergestellt werden, dass Ehepaare mit gleichem Gesamteinkommen auch gleich besteuert werden. So sollte also ein Ehepaar mit 15000 € + 35000 € = 50000 € Jahreseinkommen dieselbe Einkommensteuer zahlen müssen wie ein Ehepaar mit 25000 € + 25000 € = 50000 € Jahreseinkommen („horizontale Gerechtigkeit“). Mit Abschaffung des Ehegattensplittings würden Ehepaare mit stark unterschiedlichen Teileinkommen infolge der Steuerprogression insgesamt erheblich mehr Einkommensteuer als bisher zahlen müssen. Meritorische Güter sind Güter, die als besonders förderungswürdig gelten (Theater, Wohnungsbau, Ausbildung). Infolgedessen versucht man, solche Güter durch Subventionierung für die Allgemeinheit billiger und damit erschwinglich zu machen. Demeritorische Güter werden demgegenüber sanktioniert, bspw. mit zusätzlichen Steuern belegt (Tabak, Alkohol) oder sogar völlig verboten (Drogen). Begründbar sind entsprechende Eingriffe in die Konsumentensouveränität mit unzureichender Information der Individuen über den „wahren“ Wert solcher Güter. Ein elitäres Werturteil? „Ungerechte“ Marktergebnisse in regionaler und sektoraler Hinsicht versucht man durch entsprechende regionalpolitische und strukturpolitische Maßnahmen zu korrigieren. So lassen sich durch regional differenzierte Investitionsförderung (bspw. Grenzlandsonderabschreibungen) oder Subventionierung „notleidender“ Branchen regionale Wohlstandsdifferenzen oder sektorale Einkommensunterschiede kompensieren. Unter Marktkonformitätsgesichtspunkten sind allerdings nur (vorübergehende) Anpassungssubventionen unbedenklich. Auf Dauer angelegte Erhaltungssubventionen erzeugen wie Drogen Abhängigkeit und sind insoweit als reine „Symptomkur“ abzulehnen. Die Stabilisierung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung kann „keynesianisch“ durch antizyklische Steuerung der Gesamtnachfrage erfolgen: Im Boom werden bspw. steuerliche Konjunkturzuschläge erhoben, in der Rezession niedrigere Zinsen geboten oder zusätzliche öffentliche Investitionen finanziert. Dieses keynesianische Konzept der Konjunktursteuerung stieß allerdings nach anfänglichen Erfolgen bald und zunehmend auf Ablehnung und Widerstand. Vor allem die sog. Monetaristen (M. Friedman u. a.) bestritten grundsätzlich die Notwendigkeit solcher Maßnahmen. Sie vertrau(t)en voll auf

33

die marktwirtschaftlichen Selbstheilungskräfte (These von der „Stabilität des privaten Sektors“). Zudem würde die keynesianische Konjunktursteuerung infolge verschiedener Zeitverzögerungen in der Realität häufig im konjunkturell falschen Zeitpunkt zu wirken beginnen, so dass die Konjunkturzyklen letztlich nicht „geglättet“, sondern im Gegenteil sogar noch verstärkt würden. Schließlich sei auch noch „Staatsversagen“ vorprogrammiert: „Bremsmanöver“ und Sparen in Boomphasen seien wenig wählerwirksam und unterblieben deshalb. Mittels „deficit spending“ in Rezessionsphasen ließen sich demgegenüber Stimmen „kaufen“. „Gas geben“ in der Rezession sei daher politisch eher durchzusetzen als „Bremsen“ in Boomphasen. Zunehmende Staatsverschuldung sei wegen dieses asymmetrischen Verhaltens der Politik nahezu unvermeidbar. 3.3.3.4 Träger der Wirtschaftspolitik Wirtschaftspolitische Entscheidungen werden auf unterschiedlichen Ebenen getroffen. Entscheidungsträger sind solche Personen und Institutionen, denen die Gesellschaft entsprechende Kompetenz und auch die für die Durchsetzung von Entscheidungen erforderliche Macht zuerkannt hat. Als Einflussträger werden demgegenüber solche Personen und Institutionen bezeichnet, die zwar über Möglichkeiten wirtschaftspolitischer Einflussnahme verfügen, denen es aber letztlich an gesellschaftlich legitimierter Macht fehlt, ihre Interessen auch gegen Widerstände durchzusetzen. Typische Einflussträger sind bspw. Industrieverbände oder auch die Medien (Zeitungen, Fernsehen ...). Die Zahl der Entscheidungsträger ist groß. Sie ergibt sich im Falle der BRD daraus, dass die BRD ein föderalistisches und auf dem Prinzip der Gewaltenteilung basierendes Staatswesen ist, das zudem in verschiedene supranationale Organisationen (UNO, IWF, EU u. a.) eingebunden ist. Im staatlichen Sektor verfügen über wirtschaftpolitische Entscheidungsgewalt die LEGISLATIVE (Bundestag, Landtage), die EXEKUTIVE (Bundesregierung, Landesregierung, Kommunalbehörden) und die JUDIKATIVE (Arbeits-, Sozialgerichte u. a.). Im privaten Sektor beschränken sich wirtschaftspolitische Entscheidungskompetenz und -gewalt auf die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände (im Rahmen der Arbeitsmarktverfassung). Im intermediären Sektor sind autonome Träger (Bundesbank, Kammern, Bundesversicherungsanstalten) von weisungsgebundenen Trägern (Bundeskartellamt, Bundesversicherungsanstalten, Bundesanstalt für Arbeit, Umweltbundesamt u. a.) und diversen Trägern mit öffentlich-rechtlicher Informationsfunktion (Sachverständigenrat, Monopolkommission u. a.) zu unterscheiden.

34

B. GRUNDZÜGE DER MIKROÖKONOMIK 1. Einführung 1.1 Gegenstand der Mikroökonomik Die Mikroökonomik beschäftigt sich mit den Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekte (Haushalte, Unternehmen). In A.1.2 wurden Haushalte als Wirtschaftssubjekte definiert, die einerseits Güter nachfragen bzw. kaufen, andererseits Produktionsfaktoren oder Produktionsfaktorleistungen anbieten bzw. verkaufen. Unternehmen wurden als Wirtschaftssubjekte definiert, die demgegenüber Güter produzieren, anbieten und verkaufen, Produktionsfaktoren oder Produktionsfaktorleistungen nachfragen und kaufen. Die Koordination der jeweiligen Angebots- und Nachfragepläne der Wirtschaftssubjekte erfolgt in einer Marktwirtschaft auf dem bzw. durch den Markt. Der „Markt“ lässt sich insoweit als ökonomischer Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage definieren. Nach den Wirtschaftsobjekten (Güter, Produktionsfaktoren) lassen sich Gütermärkte und Faktormärkte unterscheiden. Das Koordinationsinstrument ist der jeweilige Güterpreis bzw. Faktorpreis (Lohn, Zins, Pacht). Derjenige Preis, der dafür sorgt, dass angebotene und nachgefragte Mengen sich entsprechen, ist der sog. Gleichgewichtspreis. Er bildet sich im Kräftefeld von Anbieter- und Nachfragerinteressen (Angebots- und Nachfrageplänen). Gegenstand der Mikroökonomik ist somit nicht nur die Analyse des Marktverhaltens einzelner Nachfrager und Anbieter, sondern auch die Analyse des Zusammenspiels von Angebot und Nachfrage, nämlich die Preisbildung. Die Mikroökonomie ist eine Strukturanalyse. Gesamtwirtschaftliche Niveauanalysen (Beschäftigungsniveau? Preisniveau?) sind Gegenstand der Makroökonomie (s. Teil C). 1.2 Methoden der Mikro- und Makroökonomik Mikro- wie makroökonomische Analysen erfolgen in der Regel in Form von Gedankenexperimenten mit meist stark vereinfachten Abbildungen der Wirklichkeit (Modelle). Die prinzipielle Vorgehensweise in der Theoriebildung und der nach dem Prinzip der abnehmenden Abstraktion gebildeten Modelle wurde bereits in A.1.3 erläutert. Modelle werden zumeist mathematisch formuliert. Beispiel 1: Angebot und Nachfrage Die nachgefragten und angebotenen Mengen (x) eines bestimmten Produkts seien vom Preis (p) dieses Produkts ceteris paribus abhängig wie folgt (vgl. Bild 23): Nachfrage:

x= 5–p

Angebot:

x = - 3 + 3p

Bei einem Preis von p = 2 würden offensichtlich 3 Mengeneinheiten sowohl nachgefragt als auch angeboten werden. Dieser Preis wäre in diesem Beispiel der Gleichgewichtspreis. Bei jedem anderen Preis käme es entweder zu Angebots- oder Nachfrageüberhängen (vgl. Bild 23).

Die Mathematik ist für die Wirtschaftswissenschaft eine sehr nützliche Hilfswissenschaft. Ohne sie könnte man ökonomische Sachverhalte oft nicht sachgerecht darstellen und analysieren. In manchen Fällen ist das tiefere Erkennen und Durchdringen grundlegender ökonomischer Sachverhalte überhaupt erst mit Hilfe der Mathematik möglich (s. Beispiele 1, 2 und 3).

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U(X) K(X)

U(X) Nutzen Annahme: degressiv steigend

U' < K'

K(X) Kosten Annahme: progressiv steigend

U' = K' Maximierung der Wohlfahrt: W(X) = U(X) – K(X) → max!

U' > K'

Wohlfahrtsmaximum (xopt):

U'(X) = K'(X)

Xopt

X

Bild 17: Wohlfahrtsmaximierung

Beispiel 2: „Wohlfahrtsmaximierung“ Da die Produktion von Gütern und Dienstleistungen (X) nicht nur Nutzen (U), sondern auch Kosten (K) verursacht, stellt sich zwangsläufig ein Optimierungsproblem: Welches „Sozialprodukt“ (X) optimiert den Nutzen-Kosten-Überschuss, d.h. die materielle „Wohlfahrt“ (W)? Formal wäre dementsprechend zu fordern (vgl. Bild 17): W(X) = U(X) – K(X) → max Die notwendige Bedingung hierfür lautete: W'(X) = U'(X) - K'(X) = 0 und damit: U'(X) = K'(X) Produktionssteigerungen lohnen sich nur, wenn die damit möglichen Nutzensteigerungen über den damit verbundenen Kostensteigerungen liegen (U' > K'). Bei U' = K' wird das Produktionsvolumen optimiert. Unter bestimmten Voraussetzungen führt die invisible hand (marktwirtschaftlicher Preismechanismus) exakt zu diesem Ergebnis (vgl. später Abb. 24 und 59). Beispiel 3: „Generationenvertrag“ Umlageverfahren: Die in einem Jahr zu zahlenden Renten (Ausgaben = A) werden durch die im selben Jahr fälligen Beiträge (Einnahmen = E) gedeckt: A=E Die Einnahmen E sind bestimmt vom Beitragssatz (b), der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (V) und von deren Durchschnittslohn (l): E = b·V·l Die Zahl der Rentner R und deren Durchschnittsrente (r) bestimmt die Ausgaben: A = r·R Würden die Renten nur aus Beiträgen finanziert, so müsste in jedem Jahr folgende Gleichung erfüllt sein: b·l·V = r·R Bei Auflösung dieser Gleichgewichtsbedingung nach b bzw. r folgen: R r V bzw. r = b•l• — b = —•— V l R R/V ist der Rentnerlastquotient und gibt an, wieviel Rentner einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigten „gegenüberstehen“. Im Jahre 1995 waren dies ca. 0,3 im Jahre 2030 werden es ca. 0,6 sein (BMASchätzung). Die sich abzeichnende Verdoppelung des Rentnerlastquotienten würde ceteris paribus eine Verdoppelung des Beitragssatzes oder eine Halbierung der Durchschnittsrente erfordern. Viele fragen: „Ist die Rente (noch) sicher?“ Auf welchem Niveau? Bei ergänzenden systemfremden Maßnahmen, bspw. bei teilweiser Finanzierung über Steuern?

36

2. Der Markt 2.1 Die Nachfrage Plausibilitätsüberlegungen legen die Vermutung nahe, dass die Nachfrage nach einem bestimmten Produkt nicht nur von dessen Preis, sondern bspw. auch von den Preisen anderer Güter beeinflusst wird. Bspw. dürfte ein steigender Butterpreis ceteris paribus die Nachfrage nach dem Substitutionsgut Margarine steigen lassen, steigende Preise für Kameras hingegen die Nachfrage nach dem Komplementärgut Film schrumpfen lassen. Auch das individuelle Einkommen dürfte eine maßgebliche Determinante der Nachfrage sein. So lässt es sich vorstellen, dass bei steigendem Einkommen bestimmte Produkte verstärkt nachgefragt (superiore Güter), andere Produkte dagegen bei steigendem Einkommen weniger nachgefragt werden (inferiore Güter). Schier unübersehbar sind die Möglichkeiten der Auswirkung von Veränderungen der individuellen Präferenzstruktur. Präferenzstrukturen ändern sich nach allgemeiner Lebenserfahrung bspw. mit dem Lebensalter. Auch der „Zeitgeist“ kann Präferenzstrukturen nachhaltig verändern. Zusammenfassend lassen sich die Wirkungen auf die Nachfrage nach einem beliebigen Produkt (xiN) durch die Nachfragedeterminanten „Preis dieses Gutes“ (pi), „Preise anderer Güter“ (pj), „individuelles Einkommen“ (Y), „individuelles Vermögen“ (V), „individuelle Bedürfnis- bzw. Präferenzstruktur“ (B) u. a. m. in Form einer allgemeinen Nachfragefunktion wie folgt formalisieren: Nachfrage:

xiN = f (pi, pj, Y, V, B, ...)

Die Aussagekraft einer solchen Definitionsgleichung ist freilich gering. Sie liefert lediglich einen Überblick über vermutete Nachfragedeterminanten. Nachfragefunktionen werden erst aussagekräftiger durch Spezifikation der vermuteten Einflüsse der endogen erfassten Variablen, beispielsweise: Nachfrage:

x1N = 200 - 2p1 + 3p2 - 4p3 + 0,1Y + 0,2V

ceteris paribus

Diese (spezifizierte) Nachfragefunktion ist wie folgt interpretierbar: • Steigt der Preis des Gutes 1 um eine Einheit, so fällt die Nachfrage nach Gut 1 ceteris paribus um 2 Einheiten. • Steigt der Preis des Gutes 2 (Substitutionsgut!) um eine Einheit, so steigt die Nachfrage nach Gut 1 („Kreuzpreisnachfrage“) ceteris paribus um 3 Einheiten. • Steigt der Preis des Gutes 3 (Komplementärgut!) um eine Einheit, so fällt die Nachfrage nach Gut 1 ceteris paribus um 4 Einheiten. • Steigt das Einkommen um eine Einheit, so steigt die Nachfrage nach Gut 1 ceteris paribus um 0,1 Einheiten. • Steigt das Vermögen um eine Einheit, so steigt die Nachfrage nach Gut 1 ceteris paribus um 0,2 Einheiten. • Wären alle Güter umsonst (p1=p2=p3=0) zu haben, so würden die Nachfrager bei Einkommens- und Vermögenslosigkeit (Y=V=0) 200 Einheiten des Gutes 1 konsumieren. Nehmen wir nun an, dass sich mit Ausnahme des Produktpreises p1 alle anderen Einflussfaktoren nicht verändern, so lassen sich diese bisher endogenen Variablen eliminieren und die Nachfragefunktion abermals stark vereinfachen: Nachfrage (N0):

x1= 200 - 2p1

ceteris paribus

37

Das Absolutglied der Nachfragefunktion ist nun als „Sättigungsmenge“ (höchstmögliche Nachfrage bei p = 0) interpretierbar. Aus darstellungstechnischen Gründen werden solche Funktionen häufig umgeformt (nach p aufgelöst): Nachfrage (No):

p1 = 100 – 0,5x1

Das Absolutglied dieser Funktion ist hierbei als „Prohibitivpreis“ interpretierbar: Ab diesem Preis würde nichts mehr nachgefragt bzw. gekauft werden. Wie Bild 18 illustriert, hat eine Preiserhöhung (Preissenkung) ceteris paribus einen Rückgang (eine Steigerung) der nachgefragten Menge zu Folge. Formal betrachtet: Bewegungen entlang einer Nachfragekurve reflektieren Reaktionen der Nachfrage auf Preisänderungen. Wie die markierten Werte zeigen, würde bspw. die Erhöhung des Preises von 40 auf 60 ceteris paribus einen Rückgang der Nachfrage von 120 auf 80 (gemäß N0) zur Folge haben. Beispiel:

p1

N+: x1 = 210 - 2p1 p1 = 105 - 0,5x1 N0: x1 = 200 - 2p1 p1 = 100 - 0,5x1

105 100 95

N-: x1 = 190 - 2p1 p1 = 95 - 0,5x1

60 40

NN0 N+ 70 80 90

110 120 130

190 200 210

x1

Bild 18: Nachfragemodelle

Würde sich nun aber bspw. das verfügbare Einkommen erhöhen oder die Werbung die Nachfrage nach diesem Produkt stimulieren, so würde von diesem Produkt gemäß N+ bei gleichen Preisen mehr nachgefragt werden, bspw. bei einem Preis von 40 nunmehr 130, bei einem Preis von 60 nunmehr 90 Mengeneinheiten. Bei sinkendem Einkommen oder bspw. bei sinkenden Preisen von Substitutionsprodukten würde von Gut 1 gemäß N- bei gleichen Preisen weniger nachgefragt werden, bspw. bei einem Preis von 40 nur noch 110, bei einem Preis von 60 nur noch 70 Mengeneinheiten. Veränderungen modellexogener Variablen (im Modell nicht berücksichtigter Einflussgrößen) bewirken also in der geometrischen Darstellung Parallelverschiebungen der Nachfragekurve. Eine „normale Nachfragekurve“ zeichnet sich durch 3 wesentliche Eigenschaften aus: • negative Steigung (dx/dp < 0 bzw. dp/dx < 0), • Existenz eines Prohibitivpreises, • Existenz einer Sättigungsmenge. 38

Eine negative Steigung der Nachfragekurve bringt „normale“ Nachfragereaktionen zum Ausdruck: Steigende (sinkende) Preise haben eine sinkende (steigende) Nachfrage zur Folge. Preisinverse Nachfragereaktionen (bei steigenden Preisen steigende Nachfrage, bei sinkenden Preisen sinkende Nachfrage) werden als „anormal“ bezeichnet. Sie treten bspw. bei Snobverhalten und bei „Demonstrationskonsum“ (Statussymbole!) auf. Ernst Bloch über Demonstrationskonsum: „Heutzutage kaufen Leute mit dem Geld, das sie nicht haben, Dinge, die sie nicht brauchen, um damit Leuten zu imponieren, die sie nicht mögen.“ Als Prohibitivpreis wird derjenige Preis bezeichnet, bei dem bzw. ab dem nichts mehr nachgefragt und gekauft werden würde. In der Wirklichkeit dürfte für kaum ein Produkt der jeweilige Prohibitivpreis bekannt bzw. überhaupt zu schätzen sein, schon deshalb nicht, weil es ökonomisch eigentlich kaum Sinn machen dürfte, ihn ausfindig zu machen. Er ist insoweit nur als Fiktion zu begreifen. Allenfalls für demeritorische Güter (s. A.1.2) könnte prinzipiell überlegt werden, um wieviel ein Produkt bspw. durch Besteuerung verteuert werden müsste, um dieses Produkt für alle Verbraucher völlig unattraktiv zu machen. Als Sättigungsmenge wird diejenige Produktmenge bezeichnet, die von den Verbrauchern nachgefragt werden würde, wenn das betreffende Produkt umsonst zu bekommen wäre. Entsprechende Überlegungen spielen bspw. immer wieder in der verkehrspolitischen Diskussion (Nulltarif für öffentliche Verkehrsmittel) eine Rolle. In Bild 18 sind die jeweiligen Prohibitivpreise und Sättigungsmengen leicht ablesbar. Die Steigung ist für alle in Bild 18 dargestellten Nachfragefunktionen negativ und einheitlich (-2 bzw. -0,5). Mathematisch lässt sich mit Hilfe des Differentialquotienten dx/dp die Steigung einer Nachfragekurve exakt angeben. Sie ist das Maß, das Auskunft über das absolute Änderungsverhältnis von Nachfragemenge und Preis gibt. Näherungsweise lässt sich das absolute Änderungsverhältnis auch mit dem Differenzenquotienten Δx/Δp auf der Basis einzelner Erfahrungs- oder Schätzwerte bestimmen. Wichtiger noch ist häufig die Kenntnis relativer Änderungsverhältnisse. Im öffentlichen Personennahverkehr ist es bspw. hilfreich zu wissen, wie die Nachfrage prozentual auf Preisänderungen reagiert. Die Kenntnis relative Änderungsverhältnisse ist für preis- und unternehmenspolitische Entscheidungen wichtig: Lässt sich mit Preiserhöhungen der Umsatz steigern, oder lösen Preiserhöhungen so große Absatzrückgänge aus, dass „unterm Strich“ Preiserhöhungen auch Umsatzrückgänge zur Folge haben? Die Antwort auf solche Fragen liefert die Preiselastizität der Nachfrage: e( x / p )

=

Δx } RELATIVE MENGENÄNDERUNG x Δp } RELATIVE PREISÄNDERUNG p

=

Δx • Δp

p x

Ihre Berechnung erfordert die Festlegung der Bezugsgrößen „x“ und „p“. Soll beispielsweise für die in Bild 18 angegebene Nachfragefunktion N0 die Preiselastizität der Nachfrage für den Fall einer Preiserhöhung von p = 40 auf p = 45 berechnet werden, so lassen sich als Bezugsgrößen die Werte der Ausgangssituation (p = 40/x = 120) verwenden, so dass (mit Δp = 5 und Δx = - 10) gilt: -10

40

5

120

e(x=120/p=40) = ── • ──

= - 0,66

39

Graphisch lässt sich die Preiselastizität der Nachfrage über Vorher-Nachher-Vergleiche anhand von Preis- und Mengeneffekten wie folgt illustrieren (Bild 19):

N: p = 100 – 0,5x

Beispiel:

p

∆x•p Mengeneffekt e = ─── = ─────── ∆p•x Preiseffekt

100

45 Preiseffekt

40 Mengeneffekt

110

120

200

X

Bild 19: Die Preiselastizität der Nachfrage

Bei „normaler“ Nachfrage ist bei Preiserhöhungen der Preiseffekt immer positiv und der Mengeneffekt immer negativ, bei Preissenkungen demgegenüber der Preiseffekt immer negativ und der Mengeneffekt immer positiv, die Preiselastizität insoweit immer negativ. Ob nun allerdings Preiserhöhungen oder Preissenkungen umsatzsteigernd wirken, hängt entscheidend davon ab, welcher Effekt stärker „durchschlägt“ (vgl. Bild 19): │∆px│ < │∆xp│ →

e < -1

→ │e│ > 1

│∆px│ > │∆xp│ → -1 < e < 0 → │e│ < 1

preiselastische Nachfrage preisunelastische Nachfrage

Bei preiselastischer Nachfrage sind Preissenkungen, bei preisunelastischer Nachfrage dagegen Preiserhöhungen erforderlich, um den Umsatz zu steigern. Die unten dargestellten theoretischen Grenzfälle kommen realiter nicht vor. „Sehr preisunelastisch“ sind bspw. die Nachfrage nach Alkohol und Benzin (steil verlaufende Nachfragekurven). p

a

p pN(x) = a mit ∆p → 0

xN(p) = b mit ∆x = 0

⇒ e(x/p) → - ∞

⇒ e(x/p) = 0 x

Bild 20: Die vollkommen preiselastische Nachfrage

40

b

x

Bild 21: Die vollkommen preisunelastische Nachfrage

2.2 Das Angebot Neben dem Produktpreis (pi) sind als weitere Angebotsdeterminanten vorstellbar: die Preise anderer Güter (pj), die Faktorpreise (i, l, r), Steuern (t) auf Absatzmenge oder Umsatz, der techn. Fortschritt (F) etc. Damit lässt sich als Angebotsfunktion definieren: Angebot:

xiA = f (pi, pj, l, i, r, t, F, ...)

Nach Elimination unbedeutender Variablen und Spezifikation der Funktion ergibt sich: Angebot:

x1A = -3 + 3p1

ceteris paribus

p1

A+: x1 = -1 + 3p1

Beispiel:

1

p1 = 0,33 + 3 x1 ------------

A0: x1 = -3 + 3p1 1

p1 = 1 + 3 x1 ------------

3

A-: x1 = -5 + 3p1

A-

p1 = 1,66 +

A0

2

1 x 3 1

------------

A+

1

0

1

2

3

5

x1

Bild 22: Angebotsmodelle

Der Einfluss modellexogener Variablen drückt sich auch hier in einer entsprechenden Veränderung des Absolutgliedes, in der geometrischen Darstellung in einer entsprechenden Verschiebung der Angebotskurve aus (Bild 22). Die Achsenschnittpunkte auf der Preisachse geben ökonomisch Auskunft darüber, welche Preise mindestens gegeben sein müssen, damit wenigstens ein Unternehmen kostendeckend produzieren und anbieten kann. Bei höheren Preisen können auch mit höheren Stückkosten produzierende Unternehmen kostendeckend produzieren und anbieten. Etliche von ihnen werden dann auch Gewinne erwirtschaften können, nämlich genau dann, wenn der jeweilige Marktpreis ihre Stückkosten übersteigt. Die jeweiligen „Grenzanbieter“ würden zum jeweiligen Marktpreis gerade kostendeckend produzieren und anbieten.

41

Die Reaktionskoeffizienten sind durch die jeweils erste Ableitung bestimmt. In o. g. Beispielen würde sich das Angebot jeweils um 3 Einheiten erhöhen, wenn der Preis um eine Einheit steigt. Eine Rechtsverschiebung der Angebotskurve wäre bspw. vorstellbar bei Realisierung technischen Fortschritts: Durch die dann kostengünstigere Produktionsweise könnte zu günstigeren Preisen produziert und angeboten werden. Eine Linksverschiebung wäre demgegenüber vorstellbar bei steigender Steuerbelastung. Es könnte dann nur zu höheren Preisen dieselbe Menge bzw. zu gleichen Preisen weniger produziert und angeboten werden. 2.3 Der Markt im Gleichgewicht Die dargestellten Nachfrage- und Angebotsfunktionen bringen zum Ausdruck, dass Nachfrage und Angebot ceteris paribus vom jeweiligen Produktpreis bestimmt werden. Der Marktpreis des Produkts hängt (umgekehrt) von den jeweils angebotenen und nachgefragten Produktmengen ab. Wir stehen damit vor einem für die Ökonomie typischen Interdependenzproblem. Es stellt sich insoweit die Frage, ob die an möglichst hohen Preisen interessierten Anbieter und die an möglichst niedrigen Preisen interessierten Nachfrager zu einem Interessenausgleich finden, Nachfrage und Angebot gewissermaßen ins Gleichgewicht kommen. Ein solches Marktgleichgewicht kann sich unter bestimmten Voraussetzungen durch die „invisible hand“ des marktwirtschaftlichen Preismechanismus (wettbewerbliche Selbststeuerung) einstellen. Formal lassen sich Gleichgewichtspreis (pG) und Gleichgewichtsmenge (xG) durch Gleichsetzen von Angebots- und Nachfragefunktion ermitteln. In der graphischen Darstellung liefert der Schnittpunkt von Angebots- und Nachfragekurve diese Gleichgewichtsparameter (Bild 23). Beispiel:

p

N

N: p

5

A

=5-x

A: p = 1 +

A

N

x >x

1 x 3

------------

Angebotsüberhang: xA > xN → Preise↓ → xA ↓, xN ↑

A

Gleichgewicht: xN = xA → p = pG = 2

pG 1 0

A

N

x xA → Preise ↑ →xA ↑, xN ↓

N 5

x

Bild 23: Marktgleichgewicht und -ungleichgewicht

Ökonomisch gesehen ist das Zustandekommen eines solchen Marktgleichgewichts nur dann als wahrscheinlich anzusehen, wenn auf dem Markt wettbewerbliche Bedingungen herrschen (s. B. 5.1). Bei Wettbewerb zwischen Anbietern einerseits und zwischen Nachfragern andererseits dürfte sich ein solches Marktgleichgewicht zumindest tenden-

42

ziell durch entsprechende Anpassungsprozesse einstellen und vorübergehend bestehende Marktungleichgewichte beseitigen: Bei vom Gleichgewichtspreis abweichenden Preisen würden entweder Nachfrage- oder Angebotsüberhänge resultieren. Solche Marktungleichgewichte dürften aber auf Dauer kaum Bestand haben können. Bei Angebotsüberhängen wäre mit Anbieterkonkurrenz und sinkenden Preisen, bei Nachfrageüberhängen mit Nachfragerkonkurrenz und steigenden Preisen zu rechnen. Der Wettbewerb würde über Preis- und Mengenanpassungen dafür sorgen, dass der Markt aus temporären Ungleichgewichtssituationen heraus wieder ins Gleichgewicht kommt. 2.4 Funktionen des Preismechanismus in einer Marktwirtschaft Im Marktgleichgewicht werden Angebots- und Nachfragepläne wettbewerblich koordiniert und optimiert: Es gibt weder Nachfrage- noch Angebotsüberhänge. Zum Gleichgewichtspreis wird so viel nachgefragt wie angeboten („Markträumung“). Mit der Änderung anderer Angebots- und Nachfragedeterminanten würden sich allerdings die A- und NKurven verschieben (vgl. Bild 18 und 22) und sich insoweit auch neue Gleichgewichtspreise ergeben. Solche Preisänderungen würden signalisieren, dass sich der Knappheitsgrad des betreffenden Produkts geändert hat (Preis als Knappheitsindikator). Konsumenten und Produzenten sähen sich insoweit veranlasst, ihre Konsum- bzw. Angebotspläne zu revidieren (Reallokation). Der Preismechanismus übernimmt wichtige volkswirtschaftliche Steuerungsfunktionen: die Information aller Marktteilnehmer über relative Knappheitsverhältnisse, die Koordination ihrer Pläne sowie eine effiziente Allokation der Produktionsfaktoren und eine marktleistungsgerechte Distribution von Gütern und Einkommen. Beispiel:

p 5

pN = 5 – x A p = 1 + 0,33x pG = 2 und xG = 3 pGxG = 6

N: A: A=N:

xG

KR(x) = ∫ pN(x)dx – pGxG

Nachfrage Angebot Marktgleichgewicht Erlös bzw. Ausgabe Konsumentenrente

0

xG

A

PR(x) = pGxG - ∫ p (x)dx

Produzentenrente

0

KR KR A 2 PR 1 N 0 3

5

x

Bild 24: Konsumenten- und Produzentenrente

43

Diejenigen Konsumenten (Produzenten), die zum Gleichgewichtspreis nicht konsumieren (produzieren) wollen, werden vom Markt ausgeschlossen. Diejenigen Konsumenten (Produzenten), die auch bei höheren (niedrigeren) Preisen gekauft (angeboten) hätten, erzielen demgegenüber Vorteile: Ein Konsument, der das Produkt auch zu einem Preis von 3 € gekauft hätte, aber wie andere auch nur den Gleichgewichtspreis zu zahlen hat, spart pro Stück 1 € an Ausgaben. Seine tatsächlichen Ausgaben betragen „gekaufte Menge mal 2 €“, seine Ausgabenersparnis beträgt „gekaufte Menge mal 1 €“. Ein Produzent, der das Produkt auch zu einem Preis von 1,50 € angeboten hätte, aber wie jeder andere auch 2 € erhält, erzielt einen Mehrerlös in Höhe von 0,50 € pro Stück. Seine tatsächlichen Erlöse betragen „verkaufte Menge mal 2 €“. Sein Mehrerlös beträgt demzufolge „verkaufte Menge mal 0,50 €“. Die Summe aller individuellen Ausgabenersparnisse lässt sich als Konsumentenrente (KR), die Summe aller individuellen Mehrerlöse als Produzentenrente (PR) definieren und im Modell (Bild 24) exakt bestimmen. Definiert man die Summe der Konsumenten- und Produzentenrenten aller Märkte als „Wohlstand“ (W), so lässt sich die Gleichgewichtsbedingung pN(x) = pA(x) als notwendige Bedingung für maximalen Wohlstand ableiten (mehr dazu in B.5.2.1). Exkurs:

Höchst- und Mindestpreise

Zuweilen versucht die Politik, mit Preisvorschriften in den marktwirtschaftlichen Preisbildungsprozess einzugreifen. Bspw. versucht(e) man, Landwirten mit Hilfe von Mindestpreisen und Arbeitnehmern mit Hilfe von Mindestlöhnen ein existenzsicherndes Mindesteinkommen zu garantieren. Demgegenüber werden bspw. in Entwicklungsländern häufig Höchstpreise für Grundnahrungsmittel gefordert, um einkommensschwachen Bevölkerungsschichten eine existenzsichernde Grundversorgung zu gewährleisten. Sowohl die notwendigerweise über dem Gleichgewichtspreis liegenden Mindestpreise als auch die notwendigerweise unter dem Gleichgewichtspreis liegenden Höchstpreise setzen jedoch den effizienzsichernden Preismechanismus außer Funktion: Mindestpreise erzeugen unvermeidbar Angebotsüberhänge, Höchstpreise unvermeidbar Nachfrageüberhänge (vgl. Bild 25). Werden diese Preisvorschriften nicht mit weiteren Maßnahmen flankiert (bspw. mit staatlichen Abnahmegarantien und Importbeschränkungen bzw. strafrechtlicher Verfolgung), so würde der Markt solche Preisvorschriften ignorieren oder umgehen: Angebotsüberhänge würden die Anbieter zu Preiszugeständnissen zwingen und die Nachfrager auf billigere Importe umsteigen lassen. Nachfrageüberhänge würden Schwarzmärkte entstehen lassen. Der Erfolg solcher Preise ist insoweit als sehr zweifelhaft anzusehen. Sie sind nicht nur als marktinkonform, sondern auch als in hohem Maße zielinkonform und kontraproduktiv zu beurteilen. p

p Höchstpreisvorschrift mit p = pH

Mindestpreisvorschrift mit p = pM

A pM

pG

A>N

pG N>A

pH

N

N

Nachfrageüberhang

Angebotsüberhang

x Bild 25: Höchst- und Mindestpreisvorschriften

44

A

x

3. Konsumtheorie 3.1 Das Ziel des Haushalts: Nutzenmaximierung Wir nehmen an, dass sich jeder Haushalt am Ziel der individuellen Nutzenmaximierung orientiert: Auf der Ebene der Einkommensverwendung wird er als Konsument darüber entscheiden, welche Güter er in welchem Umfang kaufen muss, um sein „Wohlergehen“ zu maximieren. Auf der Ebene der Einkommensentstehung wird er als Faktoranbieter nach den ergiebigsten Einkommenserzielungsmöglichkeiten (durch Arbeiten und/oder Vermögensanlage) suchen und insoweit auch seine Zeiteinteilung und -verwendung optimieren (Arbeitszeit/Freizeit). 3.2 Das Entscheidungsfeld des Haushalts Die Zielvorstellungen des Haushalts sind naturgemäß subjektiv geprägt. Verschiedene Haushalte werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch unterschiedliche Wert- und Nutzenvorstellungen haben. Demgegenüber ist jeder Haushalt aber auch mit objektiven, also für jeden in gleicher Weise maßgeblichen Gegebenheiten konfrontiert. Die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten lässt sich als „Entscheidungsfeld“ bezeichnen. Wichtige Elemente des Entscheidungsfeldes eines Haushalts sind bspw.: die Güter- und Faktorpreise, das Güterangebot der Unternehmen, die Faktornachfrage der Unternehmen, das ererbte Vermögen, die individuelle Steuerbelastung, die verfügbare Zeit (Arbeitszeit/Freizeit). Einige der genannten Parameter sind Aktionsparameter, d. h. von den Haushalten beeinflussbar. Ein über genügend Marktmacht verfügender Haushalt könnte als Konsument Güterpreise „drücken“ und Faktorpreise „heben“. Auf Veränderungen von ihm nicht beeinflussbarer Entscheidungsparameter kann er dagegen nur reagieren, bspw. bei steigenden Güterpreisen weniger kaufen. Verfügt er hingegen über Marktmacht, kann er auch agieren, bspw. als Topmodel oder Spitzensportler die Höhe des eigenen Honorars „diktieren“. 3.3 Die Güternachfrage des Haushalts 3.3.1 Nutzen- und Ausgabenfunktionen a) Der Ein-Gut-Fall Ausgabenfunktionen lassen sich für ein beliebiges Produkt (mit p = Preis des Produkts und x = Produktmenge) wie folgt formulieren: A = px

Ausgaben = Preis • gekaufte Menge

A' = dA/dx = p

Grenzausgabe = Preis

Die Grenzausgabenfunktion gibt ökonomisch Auskunft darüber, wieviel für eine zusätzliche Mengeneinheit des Konsumgutes zu verausgaben (zu bezahlen) ist. Bei gegebenen Marktpreisen sind die Grenzausgaben gleichbleibend und unmittelbar durch den Produktpreis bestimmt.

45

Die (objektiven) Konsummöglichkeiten sind durch das verfügbare Einkommen (Y) begrenzt. Die maximal finanzierbare Menge (xY) wird unmittelbar durch Produktpreis und Einkommen bestimmt: xY = Y/p. Beispiel:

A A'

Mit p=0,5 gilt:

A

A = p * x = 0,5x und A' = dA = p = 0,5 dx

1

A'

0,5

0

1

2

xY

x

Bild 26: Ausgaben und Grenzausgaben

Nutzenfunktionen sind erheblich problematischer: „Nutzen“ ist nicht messbar. Nutzenfunktionen sind damit zwangsläufig fiktiver Natur. Sie erleichtern allerdings nutzen- und konsumtheoretische Analysen erheblich, ohne in grundsätzlichen Widerspruch zur Realität zu geraten: Das Erste GOSSEN'sche Gesetz fordert eigentlich nur ordinale Vergleichbarkeit, bspw. „3 Bier nutzen mehr als 2 Bier“ oder „Der Nutzenzuwachs von 3 auf 4 Bier ist geringer als der Nutzenzugewinn von 2 auf 3 Bier“. Bei Annahme kardinaler Messbarkeit lässt sich dieses „Gesetz“ jedoch leichter formalisieren (vgl. Bild 27): U = U (x) mit U' > 0 und U' < 0 und U'' < 0

für alle x < xs für alle x > xs für alle x

Nutzenfunktion positiver Grenznutzen negativer Grenznutzen abnehmender Grenznutzen

Dieses „Gesetz“ reflektiert durchaus Lebenserfahrung: Bspw. stillt der erste Schluck zweifellos am nachhaltigsten den Durst, weitere Schlucke erfüllen auch noch ihren Zweck, aber mit nachlassender Wirkung: abnehmender Grenznutzen (U'' < 0). An der Sättigungsgrenze (xs) wird das Nutzenmaximum (Umax) erreicht. An diesem Punkt würde ein weiterer Schluck keinen zusätzlichen Nutzen mehr stiften (U' = 0). Weitere über die Sättigungsgrenze (xs) hinausgehende Schlückchen würden freiwillig nicht mehr erfolgen, weil sie das erreichte Nutzenniveau mindern (U' < 0) würden. Die Ermittlung des Grenznutzens ist über den Differentialquotienten dU/dx oder über den Differenzenquotienten ∆U/∆x möglich. An der Stelle x = 2 ergibt sich „punktgenau“: U'(2) = 8 Über den Differenzenquotienten ergibt sich demgegenüber von x = 2 auf x = 3: ΔU 25,5 – 18 — = ———— = 7,5 Δx 3–2 46

In der geometrischen Darstellung ergibt sich so für den Differentialquotienten eine stetig verlaufende Kurve, für den Differenzenquotienten dagegen eine Treppenkurve (Bild 27). U'

U(x) = 10x - 0,5x2

U'(x) = 10 - x

10

U 50

Gesamtnutzen Grenznutzen

40

30

20

10

0 1

2

3

4

5

6

7

8

9 10

x

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

x

Bild 27: Nutzen- und Grenznutzenverlauf

b) Der Zwei-Güter-Fall Die Ausgaben für 2 Güter sind von deren Preisen (p) und deren Mengen (x) bestimmt: A = p1x1 + p2x2 A'1 = p1 A'2 = p2

Ausgabenfunktion für Gut 1 und 2 Grenzausgabenfunktion für Gut 1 Grenzausgabenfunktion für Gut 2

Die Bestimmung der maximal finanzierbaren Konsumgütermengen ist nun nicht mehr so einfach wie im Ein-Güter-Fall. Im Zwei-Güter-Fall ergeben sich Freiheitsgrade: Die Entscheidung für eine bestimmte Menge des einen Gutes beschränkt die finanzierbare Menge des anderen Gutes. Ein neues Optimierungsproblem stellt sich: die Bestimmung der optimalen Konsumstruktur. Bei einem verfügbaren Einkommen von 100 € und Preisen von p1 = 10 € und p2 = 5 € lassen sich beispielsweise 5 Einheiten des Gutes 1 und 10 Einheiten des Gutes 2 oder 8 Einheiten des Gutes 1 und 4 Einheiten des Gutes 2 oder 10 Einheiten des Gutes 1 und 0 Einheiten des Gutes 2 finanzieren. Die sich ergebenden Finanzierungsspielräume lassen sich mathematisch wie folgt beschreiben: Mit Y=100, p1=10 und p2=5 ergibt sich als Finanzierungs- bzw. Budgetrestriktion: 10 x1 + 5x2 ≤ 100

(allgemein: p1x1 + p2x2 ≤ Y)

Wird weder gespart (vollständige Verausgabung des vorhandenen Einkommens) noch kreditfinanziert, so lässt sich diese Ungleichung umschreiben als Budgetgleichung: 10 x1 + 5x2 = 100 (allgemein: p1x1 + p2x2 = Y)

47

Sie kann nach einer der beiden Variablen aufgelöst werden, bspw.: x1 = 10 - 0,5x2

Y p2 x1 = — - — x2 ) p1 p1

(allgemein:

Diese Funktionen drücken den oben bereits beschriebenen ökonomischen Sachverhalt aus: Wird die Menge eines Gutes frei vorgewählt, wird die dann noch finanzierbare Menge des anderen Gutes begrenzt. Die Budgetgerade markiert alle (alternativ) maximal finanzierbaren Gütermengen. Das Verhältnis der Güterpreise bestimmt die Steigung der Budgetgeraden und in der ökonomischen Interpretation die objektive Grenzrate der Substitution (GRSobj): p2 GRSobj = - — p1 x1

x1 = dx1 dx2

10

Y p1

=-

-

p2 p1

Beispiel: Mit Y=100 p1=10 p2=5 gilt:

x2

p2

x1 = 10 - 0,5x2

p1

dx1 = -0,5 dx2 Y/p1 = 10 und Y/p2 = 20

5

0

5

10

15

20

x2

Bild 28: Budgetgleichung und -gerade

Im Beispiel (Bild 28) ermöglicht der Verzicht auf eine Einheit des Gutes 1 (p = 10 €) den zusätzlichen Konsum von zwei Einheiten des Gutes 2 (p = 5 €). Im umgekehrten Fall kann durch den Verzicht auf eine Einheit des Gutes 2 eine halbe Einheit des Gutes 1 zusätzlich finanziert werden. Bei Güterkombinationen, die als Wertepaare unterhalb der Budgetgeraden dargestellt werden können, wird das verfügbare Einkommen nicht vollständig verausgabt, es wird gespart (bspw. bei x1 = 5 und x2 = 5). Wertepaare oberhalb der Budgetgeraden markieren demgegenüber Güterkombinationen, die mit dem verfügbaren Einkommen nicht finanzierbar sind (bspw. bei x1 = 5 und x2 = 15).

48

Beispiel:

x1

B: x1 =

Y p1

-

p2 p1

x2

Beispiele: B0: Y=100 p1=10 p2=5 x1 = 10 - 0,5x2

15

B1

10

B0

B2: Y=100 p1=20 p2=5 x1 = 5 - 0,25x2

7,5

B4

B3: Y=100 p1=20 p2=10 x1 = 5 - 0,5x2

5

B2

B1: Y=150 p1=10 p2=5 x1 = 15 - 0,5x2

B4: Y=150 p1=20 p2=10 x1 = 7,5 - 0,5x2

B3 0

10

15

20

30

x2

Bild 29: Budgetgleichung und -gerade bei Parameteränderungen

Einkommensänderungen haben Parallelverschiebungen der Budgetgeraden, Preisänderungen Verdrehungen der Budgetgeraden zur Folge (s. Bild 29). Ökonomisch kommen darin Kaufkrafteffekte (Veränderung objektiver Konsummöglichkeiten) zum Ausdruck. • In Bild 29 kennzeichne B0 die Ausgangssituation: Es können entweder (maximal) 10 Einheiten des Gutes 1 oder (maximal) 20 Einheiten des Gutes 2 oder eine der durch die Budgetgerade dargestellten Güterkombinationen finanziert werden. • In B1 wird eine Einkommenserhöhung um 50 % angenommen: Die Kaufkraft steigt (Rechtsverschiebung der Budgetgeraden). • In B2 wird eine Verdoppelung des Preises für Gut 1 angenommen: Die Kaufkraft sinkt (Verdrehung der Budgetgeraden nach „links unten“. • In B3 wird eine Verdoppelung beider Güterpreise angenommen: Die eintretende Kaufkraftminderung entspricht dem Kaufkrafteffekt einer Halbierung des Einkommens. • In B4 wird eine Erhöhung des Einkommens um 50 % und eine Verdoppelung beider Güterpreise angenommen: Die kaufkraftsteigernde Einkommenserhöhung wird in diesem Fall durch die kaufkraftmindernden Preiserhöhungen überkompensiert: In der Summe sinkt die Kaufkraft. M.a.W.: Die nominale Einkommenssteigerung um 50 % entspricht bei einer Verdoppelung der Güterpreise einer realen Einkommensminderung in Höhe von 25 %.

Nutzenfunktionen lassen sich für den Zwei-Güter-Fall wie folgt definieren: U = U (x1,x2) ∂U Mit U1' = ∂x1

Nutzenfunktion >0

∂U und U2' = ∂x > 0 2

Grenznutzenfunktionen

2

∂U

und

U1'' = ∂x 2 < 0 1

und

U2'' = ∂x

∂2U

2 2

Abnehmender Grenznutzen

0 für alle x). Es ergibt sich so das Bild eines „Nutzengebirges“. Senkrechte Schnitte liefern in die aus Bild 27 bekannten Kurvenbilder. Waagerechte Schnitte liefern „Höhenlinien“ bzw. „Indifferenzkurven“, die sich gegenseitig weder schneiden noch berühren: Jede Indifferenzkurve repräsentiert ein bestimmtes Nutzenniveau.

x1

„Indifferenzkurve“ bringt zum Ausdruck, dass sich der Konsument bezüglich der durch sie dargestellten Güterkombinationen indifferent verhält. Bspw. erachtete er B, C und D als gleichwertig.

E B U2

C A

D

U1

Mit zunehmender Entfernung vom Ursprung repräsentieren Indifferenzkurven höhere Nutzenniveaus (U0 K) erreichen und an der Kapazitätsgrenze produzieren müssen (s. Bild 45), um ihr unternehmerisches Ziel der Gewinnmaximierung zu erreichen. Es können natürlich auch nicht-lineare Kostenverläufe auftreten. Im Falle einer Kostenprogression bspw. nehmen die Kosten in Bezug zur Produktionsmenge überproportional zu. In solchen Fällen wird ein Mengenanpasser das (gewinnmaximale) Produktionsoptimum vor der Kapazitätsgrenze erreichen (vgl. später Bild 57).

E K

E = px

Erlöse

mit

E' = p

Grenzerlöse

K = a + bx

Kosten

mit

a break-even

Kfix = a Kvar = bx K' = b

fixe Kosten variable Kosten Grenzkosten

G=E–K

Gewinn

Kapazitäts-grenze

x

x

Bild 45: Gewinnmaximierung bei linearem Erlös- und Kostenverlauf

Sowohl für progressiv also auch für degressiv verlaufende Produktions-, Verbrauchsund Kostenverläufe lassen sich (für unterschiedliche Situationen) plausible ökonomische Erklärungen finden: Ertragsprogression und Kostendegression können sich bspw. dadurch ergeben, dass die im Produktionsprozess eingesetzten Arbeitskräfte durch Erfahrung („learning by doing“) zunehmend produktiver werden. Ertragsdegression und Kostenprogression können sich demgegenüber dadurch ergeben, dass die im Produktionsprozess eingesetzten Maschinen bei zunehmender Drehzahl steigende Energiekosten verursachen. Ein ähnliches Problem kennt jeder Autofahrer: Mit der Fahrgeschwindigkeit variiert auch der Spritverbrauch. In der landwirtschaftlichen Produktion entdeckte man im 19. Jahrhundert einen besonderen Ertragsverlauf (s. Bild 46): Bei zunehmendem Düngemitteleinsatz stiegen die Erträge pro Hektar zunächst überproportional, dann unterproportional, um schließlich bei „Überdüngung“ sogar absolut abzunehmen („klassisches Ertragsgesetz“). 60

Maximum

Ertrag pro ha

überproportionale Ertragssteigerungen

Wendepunkt unterproportionale Ertragssteigerungen

0

absolute Ertragsrückgänge

Düngemitteleinsatz Bild 46: Das klassische Ertragsgesetz

Der Produktionsertrag (x) lässt sich gemäß der Produktionsfunktion x = x(a,k) durch unterschiedliche Variation des Faktoreinsatzes variieren und steuern: • Totale Faktorvariation: Die Einsatzmengen beider Produktionsfaktoren (a und k) werden variiert. Spezialfall „proportionale Faktorvariation“: Beide Faktoren werden im selben Verhältnis variiert, bspw. verdoppelt. • Partielle Faktorvariation: Es wird die Einsatzmenge nur eines Produktionsfaktors (entweder a oder k) variiert. Die Einsatzmenge des jeweils anderen Produktionsfaktors wird konstant gehalten.

x(a,k)

a

Isoquante mit dem Ertragsniveau x0

0

k Bild 47: Das Ertragsgebirge

In der graphischen Darstellung ergibt sich bei Zugrundelegung des „klassischen Ertragsgesetzes“ ein „Ertragsgebirge“ (Bild 47). Wie jedes räumliche Gebilde lässt sich auch das „Ertragsgebirge“ von 3 Seiten betrachten: von „links“, von „rechts“ und von „oben“.

61

Senkrechte Schnitte entlang der a-Achse (k-Achse) veranschaulichen spezielle Produktionsfunktionen und bringen zum Ausdruck, in welchem Maße der Produktionsertrag (x) variiert, wenn der Einsatz nur eines Faktors (a oder k) bei Fixierung der Einsatzmenge des jeweils anderen Faktors verändert wird: Bis zur jeweiligen Wendepunktmenge überproportionale Ertragszuwächse, danach nur noch unterproportionale Ertragszuwächse. Absolute Ertragsrückgänge (dx < 0) treten nur bei begrenzter Faktorergiebigkeit auf. In der Modelldarstellung (Bild 47) wurde davon abstrahiert, d. h. „unbegrenzte Faktorergiebigkeit“ angenommen. Zur Grundfläche waagrechte Schnitte durch das Ertragsgebirge ergeben die in Bild 48 dargestellten Kurvenverläufe (Höhenlinien). Diese Höhenlinien bringen die Vorstellung zum Ausdruck, dass bestimmte Produktionsniveaus alternativ durch verschiedene Faktorkombinationen realisiert werden können – unter der Voraussetzung einer entsprechenden Substituierbarkeit der Produktionsfaktoren. In der Produktionstheorie werden sie als „Isoquanten“ bezeichnet. Die beiden Bestandteile des Wortes verdeutlichen dessen wesentlichen Inhalt (iso = gleich, quanten = Mengen). Formal gesehen: In der Produktionsfunktion werden beide Faktoren als variabel, der Produktionsertrag als konstant angenommen (s. Bild 48). Mit x = x(a,k) gilt dann bspw. für x = x0 = 100: x0(a,k) = 100

Isoquantengleichung

Es wird insoweit gewissermaßen nach allen Faktorkombinationen (a,k) gesucht, deren alternativer Einsatz im Produktionsprozess zum selben Produktionsergebnis (x = 100) führen würden. a

. . . . . .. . .

Isoquantengleichungen: Mit x = x(a,k) gilt bspw.:

A“



A

x0 = x0(a,k) = 100

B“



C“

B



C

x1 = x1(a,k) = 200

x2 = 300

x2 = x2(a,k) = 300

x1 = 200 x0 = 100

k Bild 48: Isoquanten

Bild 48 bringt zum Ausdruck, dass bestimmte Produktionsniveaus durch unterschiedliche Faktorkombinationen realisierbar sind: xo könnte bspw. durch die Faktorkombinationen A oder B oder C realisiert werden. Produktionssteigerungen wären langfristig gesehen über eine beliebige Veränderung der Faktoreinsatzverhältnisse bei partieller oder totaler Faktorvariation möglich (uneingeschränkte Substituierbarkeit). Kurzfristig gesehen ist dies natürlich äußerst unrealistisch. Kurzfristig betrachtet liegen die Faktorintensitäten (Kapitalintensität = k/a, Arbeitsintensität = a/k) produktionstechnisch bedingt 62

häufig fest (Limitationalität): Sie sind nicht substituierbar. Produktionssteigerungen sind dann nur entlang eines der eingezeichneten Prozessstrahlen möglich: die Faktoreinsatzmengen beider Faktoren müssen proportional (um denselben Faktor) erhöht werden. Mittelfristig können freilich bereits Alternativen bestehen: Faktorkombinationen gemäß A oder B oder C (eingeschränkte Substituierbarkeit). Produktionssteigerungen wären dann bspw. (alternativ) über einen der drei eingezeichneten Prozessstrahlen möglich. Spezifiziert man die Funktion x = x(a,k) mit einer Potenzfunktion beliebigen Grades: x = ηaασkβ

(mit α, β, η und σ als Produktivitätskennziffern)

bzw.

x = aαkβ

(Vereinfachung durch Normierung auf η = σ = 1)

so gilt für eine proportionale Faktorvariation: Eine Vervielfachung der Inputmengen a und k um den Faktor λ bewirkt entweder eine proportionale (λx), eine unterproportionale (λrx mit r < 1) oder eine überproportionale Steigerung des Outputs (λrx mit r > 1): λrx = (λa)α(λk)β = λαaαλβkβ = λα+βaαkβ Dividieren mit x auf der linken Seite und aαkβ auf der rechten Seite (mit x = aαkβ) ergibt: λr = λα+β

und damit:

r=α+β

Der Exponent r wird als Homogenitätsgrad bezeichnet und misst die Skalenerträge (Ertragssteigerung bei proportionaler Faktorvariation nach Maßgabe des Faktors λ). Mit r = 1 steigen diese linearhomogen (proportional), mit r > 1 überlinearhomogen (überproportional), mit r < 1 unterlinearhomogen (unterproportional). Der Produktionsertrag kann sich allerdings auch unregelmäßig ändern. Bei ertragsgesetzlichem Produktionsverlauf beispielsweise steigen die Erträge inhomogen, d. h. zunächst überproportional, dann unterproportional (vgl. Bild 46). Spezifiziert man auch noch die Produktivitätskennziffern α, β, η und σ, bspw. wie folgt: x = (27a)1/3(8k)2/3 so lassen sich mit der Fixierung der Einsatzmenge jeweils eines Produktionsfaktors daraus explizit spezielle Produktionsfunktionen der Arbeit und des Kapitals ableiten: für k = 8 bspw.:

xa = 16(27a)1/3

spezielle Produktionsfunktion des Faktors Arbeit

xk = 6(8k)2/3

spezielle Produktionsfunktion des Faktors Kapital

bzw.

für a = 8 bspw.:

63

Mit den ersten partiellen Ableitungen der generellen Produktionsfunktion (x'a bzw. x'k) ergeben sich die Grenzproduktivitäts- bzw. Grenzertragsfunktionen der Faktoren Arbeit und Kapital. Sie bringen zum Ausdruck, in welchem Maße sich die Erträge bei Variation eines Faktors ceteris paribus steigern lassen. Mit Hilfe der zweiten partiellen Ableitungen lasen sich in diesem Beispiel stetig abnehmende Grenzerträge (für beide Faktoren) zeigen: xa'' < 0 für alle a > 0

und

xk'' < 0 für alle k > 0

In der graphischen Darstellung kommt dies in degressiv steigenden Ertragskurven zum Ausdruck. Dieser Sachverhalt entspricht realer Erfahrung: Ermüdungserscheinungen können bspw. für abnehmende Grenzerträge verantwortlich sein. Isoquantengleichungen ergeben sich bei Fixierung des Produktionsniveaus auf x = x0, bspw. auf x0 = 40: x03 403 bzw. nach Umformung: a = ⎯⎯⎯ = ⎯⎯⎯ x0 = 40 = (27a)1/3(8k)2/3 27(8k)2 1728k2 Im Beispiel der Abb. 49 führt eine Verdopplung der Faktoreinsatzmengen auch zu einer Verdopplung des Produktionsertrags (Homogenitätsgrad r = α + β = 1/3 + 2/3 = 1). Beispiel:

a 70

403 für x0=40 2 1728k 803 a= 2 für x1=80 1728k

a=

C x0= 40

60

50

x1= 80

40

30

20

B D

10

A 0 0

1

2

3

4

Bild 49: Faktorvariationen

64

5

6

k

Bewegungen entlang einer Isoquante beschreiben Möglichkeiten der Faktorsubstitution. Diese Substitutionsmöglichkeiten sind produktionstechnisch bedingt und lassen sich mit Hilfe von Differenzen- oder Differentialquotienten quantifizieren: tGRS



∆a — ∆k

=

da — dk

bzw.

tGRS

=

Minderverbrauch des Faktors a —————————————— Mehrverbrauch des Faktors k (als Grenzwert des vorgenannten Differenzenquotienten)

Die technische Grenzrate der Substitution (tGRS) nimmt bei fortschreitender Substitution stetig ab. Es gilt das „Gesetz von der abnehmenden Grenzrate der Substitution“ (Analogie: s. Bild 33). Für Isoquanten (Produktion jeweils unverändert auf einem bestimmten Niveau) gilt bei fortschreitender Faktorsubstitution außerdem: dx = 0

(Substitutionsvorgänge verändern den Ertrag nicht: x = x0)

und damit für das totale Differential dx = xa'da + xk'dk der Produktionsfunktion x = x(a, k): 0 = xa'da + xk'dk Umformung ergibt: da x'k — = – — dk x'a Die technische Grenzrate der Substitution ist also von den Grenzproduktivitäten der beiden Produktionsfaktoren bestimmt. Für die in o. Beispiel angenommene Produktionsfunktion sind die Grenzproduktivitäten für alle Einsatzmengen positiv, aber mit steigendem Faktoreinsatz abnehmend (s. o.). Bei fortschreitender Substitution erfordert daher der Mindereinsatz des einen Faktors einen zunnehmenden Mehreinsatz des anderen Faktors, um ein bestimmtes Produktionsniveau halten zu können. 4.3.2 Optimierungsprobleme des Unternehmens Der Gewinn (G) ist als Differenz von Erlös (E) und Kosten (K) definiert: G = E – K, die Erlöse als Produkt von Preis und Menge des jeweils produzierten Gutes: E = px, die Kosten als Summe der Produkte von Faktorpreisen und Faktormengen: K = la + zk. Die Produktionsmenge (x) und die Faktormengen (a, k) sind bei gegebenen Preisen diejenigen Größen, die es gemäß des Oberziels des Unternehmens (Gewinnmaximierung) zu optimieren gilt. Dabei ist zu beachten, dass x, a und k sich wechselseitig determinieren: Die Produktionsmenge (x) wird einerseits von den eingesetzten Faktormengen a und k bestimmt, andererseits ist in Umkehrung der Betrachtung der jeweilige Faktorverbrauch vom angestrebten Produktionsniveau abhängig: x = x(a,k) a = a(x)

Produktionsfunktion bzw.

k = k(x)

Verbrauchsfunktionen

65

a) Inputoptimierung Isoquanten illustrieren die technischen Möglichkeiten des Faktoreinsatzes. Die Frage nach dem optimalen Faktoreinsatz kann nur beantwortet werden, wenn auch die Kosten des Faktoreinsatzes berücksichtigt werden. Sie ergeben sich aus den für eine bestimmte Produktionsmenge (x) jeweils erforderlichen Faktoreinsatzmengen (a und k) sowie der dafür fälligen Faktorpreise (l und z), also: K(a,k) = l·a + z·k

inputbezogene Kostenfunktion

K(x)

outputbezogene Kostenfunktion

= l·a(x) + z·k(x)

Aus inputbezogenen Kostenfunktionen lassen sich Isokostengleichungen (analog zu den Budgetgleichungen in B.3) ableiten, indem ein Kostenbudget (K = K0) vorgegeben wird: Ko = l·a + z·k

Ko z ─ - ─·k l l

a =



Isokostengleichungen

Mit Ko = 300 sowie l = 5 und z = 50 ergibt sich bspw.: 300 = 5a + 50k ⇔ a = 60 - 10k Beispiel:

a

Isokostengleichung: mit K0=300; l=5; z=50 gilt:

60

a = 60 - 10k

A

da dk = - 10 B

6

k

Bild 50: Isokostenlinie

Isokostenlinien veranschaulichen Isokostengleichungen: Faktorkombinationen, die als Wertepaare oberhalb einer Isokostenlinie liegen (bspw. „A“ in Bild 50), sind bei vorgegebenem Kostenbudget nicht finanzierbar. Faktorkombinationen, die als Wertepaare unterhalb einer Isokostenlinie liegen (bspw. „B“ in Bild 50), schöpfen die vorhandenen finanziellen Mittel nicht aus. Änderungen der Parameter K, l oder z führen in der Darstellung zu Verschiebungen oder Verdrehungen der Isokostenlinien (Analogie: vgl. Bild 29!). Der Faktoreinsatz lässt sich optimieren, indem entweder oder

66

ein bestimmtes Produktionsniveau (x0) angestrebt und dafür die Kosten minimiert werden (Minimierungsvariante) bei vorgegebenem Kostenbudget (K0) der Produktionsertrag maximiert wird (Maximierungsvariante).

Beispiel:

a 60

K0: K1: K2:

K0 40

20

K1

300 = 5a + 50k 200 = 5a + 50k 200 = 10a + 50k

bzw. (nach Umformung): K0: K1: K2:

K2

4

a = 60 - 10k a = 40 - 10k a = 20 - 5k

k

6

Bild 51: Isokostenlinien bei Parameteränderungen

In beiden Fällen ist das Optimierungsproblem mit dem LAGRANGE-Verfahren lösbar: Minimierungsvariante L = la + zk + λ[x0(a,k) - x0] → min.

Maximierungsvariante L = x(a,k) + λ[K0 - la -zk] → max.

Partielles Differenzieren nach a und k liefert in beiden Fällen als notwendige Bedingung für ein Kostenminimum bzw. Ertragsmaximum: z l

x'k = x' a

Übereinstimmung der Grenzproduktivitäts- und Preisverhältnisse

bzw. (nach Umformung):

x'a x'k l = z

Gesetz vom Ausgleich der gewogenen Grenzproduktivitäten

Für eine effiziente Faktorallokation müssen die Faktorproduktivitäten zu den Faktorpreisen „passen“. Ist bspw. der Lohnsatz diesbezüglich zu hoch, so ist der Grenzertrag der letzten für den Faktor Arbeit ausgegebenen Geldeinheit (xa'/l) im Vergleich zu niedrig. Konsequenz: Der Faktor Arbeit ist relativ zu teuer und wird nach Möglichkeit durch den Faktor Kapital substituiert. Ist umgekehrt die Grenzproduktivität der Arbeit relativ hoch, so ist der Grenzertrag einer für den Faktor Arbeit zusätzlich ausgegebenen Geldeinheit ebenfalls relativ hoch. Konsequenz: Der Faktor Arbeit wird verstärkt nachgefragt. Substitutionsprozesse finden dementsprechend bei Wettbewerb erst dann ein Ende, wenn die so „gewogenen Grenzproduktivitäten“ der Faktoren übereinstimmen (Analogie zum „Zweiten Gossen“ in B.3.3.1!). Bild 52 verdeutlicht, dass „MKK“ die Faktorkombination sein muss, die das gewünschte Produktionsniveau kostenminimierend gewährleistet, die „Minimalkostenkombination“: In MKK entspricht die Steigung der Isokostenlinie der Steigung der Isoquante (tGRS)

da/dk = -(z/l) da/dk = -(xk'/xa')

z/l = x'k/x'a

67

Beispiel:

Vorgabe: x0 = 55 Ziel: Kostenminimierung

a

Isokostengleichungen:

70

x0 = 55

mit K0= 150; K1= 200; K2= 250; K3= 300 l = 5, z = 50 gilt:

60

K3

50

C

K2

K0: a = 30 - 10k K1: a = 40 - 10k K2: a = 50 - 10k K3: a = 60 - 10k

40

B

K1 30

K0 20

MKK

10 0

D

A 0

1

2

3

4

E 5

6

k

Bild 52: Die Minimalkostenkombination (MKK)

Beispiel: Vorgabe:

a 70

K = 200; l = 5; z = 50 also: a = 40 - 10k

Ziel: Ertragsmaximierung x0 = 40 x1 = 55

x2 = 60

60 50 40

K1

30

B D

20

MEK

10

A 0

1

C 2

3

4

5

Bild 53: Die Maximalertragskombination (MEK)

68

6

k

Bild 53 zeigt, dass „MEK“ diejenige Faktorkombination sein muss, die bei Vorgabe eines bestimmten Kostenbudgets den hierbei maximal möglichen Produktionsertrag gewährleistet (Maximalertragskombination). Auch hier entspricht die Steigung der Isokostenlinie der Isoquantensteigung (übereinstimmendes Preis- und Grenzproduktivitätsverhältnis). Beispiel:

a 70

x0 = 40

x1 = 55

x2 = 60

60 50

K2 40

K1 30

K0

Expansionspfad (linear, da homogene Produktionsfunktion)

20 10

O2

O1 0

1

O3

2

3

4

5

6

k

Bild 54: Der Expansionspfad

K(x)

linearer Kostenverlauf

s-förmiger Kostenverlauf (zunächst degressiv, dann progressiv steigende Kosten) Kostenprogression Nur bei Annahme linear-homogener Produktionsfunktionen ergeben sich allerdings lineare Kostenkurven.

x Bild 55: Kostenkurven

69

Die Bestimmung der Minimalkostenkombination setzt eine Sollvorgabe hinsichtlich gewünschter Produktionsniveaus, die Bestimmung der Maximalertragskombination eine Sollvorgabe hinsichtlich von Kostenbeschränkungen (Kostenbudget) voraus. Eine Änderung der Sollvorgaben hat dann zwangsläufig auch andere Minimalkosten- bzw. Maximalertragskombinationen zur Folge. Bild 54 verdeutlicht diesen Sachverhalt: Je nach Produktionssollvorgabe (Isoquante x0 oder x1 oder x2) sind die Optima O0, O1 oder O2 kostenminimierend. Die Verbindungslinie aller denkbaren Optimalpunkte lässt sich als „Expansionspfad“ interpretieren. Bild 54 gibt nicht nur Auskunft über die jeweils kostenminimale Faktorkombination. Aus ihm lassen sich (über die Isokostenlinien) auch die jeweiligen Produktionskosten ablesen: Übertragung der korrespondierenden Produktions- und Kostenwerte in ein Mengen/Kosten-Diagramm liefert die Kostenkurve des Unternehmens (Bild 55). Die so ableitbaren Kostenkurven können linear oder nicht-linear, bspw. progressiv steigend oder ertragsgesetzlich (s-förmig) verlaufen. Oft von Interesse sind auch die möglichen Auswirkungen von Faktorpreisänderungen. Ein gängiges Argument: „Überzogene“ Lohnerhöhungen lassen die Produktionskosten steigen und zwingen die Unternehmen, ihre Produktion kapitalintensiver zu organisieren und damit Arbeitsplätze „wegzurationalisieren“. Die entsprechenden Sachzusammenhänge können nunmehr graphisch illustriert werden (s. Bild 56). Beispiel:

a

x0 = 55

60

K0 :

K = 200; l = 5 ; z = 50

50

K0*:

K = 200; l = 10; z = 50

K1 :

K > 200; l = 10; z = 50

40

K0 30 20

K1 MKK0

K0*

MKK *

10

0

1

2

3

4

5

6

k

Bild 56: Auswirkungen von Faktorpreisänderungen

In der Ausgangssituation (s. Bild 56) möge die Minimalkostenkombination in MKK0 realisiert worden sein. Würde sich nun bspw. der Lohnsatz ceteris paribus erhöhen, so würde sich in der graphischen Darstellung die Isokostenlinie von K0 zu K0* verdrehen. Das bisherige Produktionsniveau könnte (bei unveränderten Faktorproduktivitäten) auf gleichem Kostenniveau nicht mehr realisiert werden: Alle durch die neue Isokostenlinie 70

(K0*) dargestellten (noch finanzierbaren) Faktorkombinationen liegen unterhalb der Isoquante xo. Das bisherige Produktionsniveau könnte nur zu höheren Kosten weiter realisiert werden: Parallelverschiebung von K0* zu K1 mit der neuen Minimalkostenkombination MKK*. Gleichzeitig würde die Lohnerhöhung Substitution von Arbeit durch Kapital, also eine Reallokation der Produktionsfaktoren bewirken. Faktorreallokation setzt allerdings Substituierbarkeit voraus. Diese ist in der Realität häufig stark eingeschränkt oder sogar unmöglich, bspw. aus technischen oder arbeitsrechtlichen Gründen (Kündigungsschutz). In solchen Fällen muss dann wie vor der Lohnerhöhung in MKK0 produziert werden. Die dann aber ineffiziente Produktion in MKK0 (Optimalitätsbedingung verletzt!) verursacht noch höhere Kosten. Mittel- bis langfristig würden entsprechende (wiederholte) Lohnsteigerungen betroffene Unternehmen zu einer Radikalkur zwingen: Stilllegung oder Standortverlegung (ins Ausland). b) Outputoptimierung Outputoptimierung erfordert zusätzlich die Berücksichtigung der Absatzbedingungen: die Bestimmung derjenigen Produktionsmenge, bei der die Differenz von Erlös und Kosten (= Gewinn) maximiert wird: G(x) = E(x) - K(x) → max! Notwendige Bedingung für maximalen Gewinn ist: G'(x) = E'(x) - K'(x) = 0 und damit:

E'(x) = K'(x)

Grenzerlös/Grenzkosten-Regel

bzw. wegen E'(x) = p bei „Preisnehmerschaft“ und „Mengenanpasserverhalten“:

p = K'

Preis/Grenzkosten-Regel

Ist der vom Markt her vorgegebene Produktpreis (= Erlöszuwachs) größer als der für ein weiteres Stück zu erwartende Kostenzuwachs (p > K'), so rechnet sich eine weitere Produktionssteigerung. Das Beispiel in Bild 57 verdeutlicht, dass das Unternehmen im break-even-point (Kostendeckungspunkt) in die Gewinnzone (E > K) fährt. Im Wendepunkt der Gesamtkostenkurve erreichen die Grenzkosten ihr Minimum. Bis zu dieser Menge steigen die Kosten degressiv, dann progressiv. Bis zum Stückkostenminimum werden Vorteile der Massenproduktion wirksam: Die Grenzkosten liegen bis zu diesem Minimum unter den Stückkosten (K' < k) und lassen diese insoweit weiter sinken. Erst dann, wenn die Grenzkosten die Stückkosten übersteigen (K' > k), werden auch die Stückkosten ansteigen. Bei K' = k gilt dk/dx = 0 (Bedingung für Stückkostenminimum). Aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre das Stückkostenminimum die bestmögliche Lösung, das sog. Betriebsoptimum. Dessen Ordinatenwert kmin markiert den niedrigstmöglichen Preis, die Preisuntergrenze des Unternehmens (pU = kmin). Ein niedrigerer Preis würde selbst die minimalen Stückkosten nicht mehr decken. Insoweit kann das Stückkostenminimum auch als Gewinnschwelle interpretiert werden. Bei höheren Preisen wäre es sinnvoll, die Produktion auszudehnen: Das Produktionsoptimum würde im Beispiel der Abb. 57 bei einem Preis von p=21 bei einer Produktionsmenge von x=9 erreicht und den Gewinn maximieren. Bei dieser Menge entsprechen sich Preis und Grenzkosten (p=K'). Abweichungen nach oben wie nach unten würden den Gewinn schmälern.

71

Beispiel: E K

Erlöse: E(x) = p·x = 21x

E

250

Kosten: K(x) = ⅓x3 - 5x2 + 30x K 200

Break-even (Erlöse = Kosten):

150

3 2 21x = ⅓x - 5x + 30x Ergebnisse: x1 = 0; x2 = 2,1; x3 = 12,9

100

break-even-

Grafische Optimierung liefert Tangentialpunktlösung (TP)

TP

point

50

0 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

110

111

112

x x

Grenzerlöse: E' = p = 21 E' = p

Stückerlöse: e = E(x)/x = p = 21

K' k

Grenzkosten: K' = x2 - 10x + 30

60

50

K'

K'

40

break-evenpoint

Stückkostenminimum bei k' = 0: xmink = 7,5

Optimum

30

Stückkosten: k = K(x)/x = ⅓x2 - 5x + 30

E'

E' = p k

20

k 10

Grenzkostenminimum bei K'' = 0: xminK' = 5 Gewinnmaximierung (K' = E'): xopt = 9

0 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

110

111

Betriebsoptimum (BO)

112 xx

Produktionsoptimum (PO)

Gewinnmax: G(9) = E(9) – K(9) = 81

Bild 57: Die optimale Produktionsmenge

Bei Variation der dem in Bild 57 illustrierten Grundmodell zugrundeliegenden Prämissen können sich auch erhebliche Änderungen in den Ergebnissen des Modells ergeben: 1. Berücksichtigt man Fixkosten, so wären drei Stückkostenfunktionen voneinander zu unterscheiden: die durchschnittlichen Fixkosten, die durchschnittlichen variablen Kosten und die durchschnittlichen Gesamtkosten. Es wäre dann auch zwischen einem langfristigen und einem kurzfristigen Betriebsoptimum (= Minimum der durchschnittlichen Gesamtkosten bzw. Minimum der durchschnittlichen variablen Kosten) zu unterscheiden. Dementsprechend wäre dann auch zwischen einer langfristigen und kurzfristigen Preisuntergrenze zu unterscheiden. 2. Der Gesamtkostenverlauf muss nicht wie oben dargestellt ertragsgesetzlich bzw. s-förmig, sondern kann bspw. auch linear oder durchgehend überlinear bzw. progressiv verlaufen (vgl. Bild 45 und 56). 3. Verhält sich der Anbieter als Preisgeber, so ist das Modell grundlegend zu modifizieren (vgl. B.5.2).

72

4.3.3 Ableitung von Angebotsfunktionen Wie Bild 58 illustriert, haben sinkende Marktpreise Konsequenzen für die Produktionsplanung: Das bisherige Produktionsniveau kann nicht mehr gehalten werden, weil die progressionsbedingt relativ hohen Grenzkosten mit niedrigeren Preisen nicht mehr gedeckt werden können. „Gesundschrumpfen“ ist angesagt: raus aus der Kostenprogression! Das in B.2.2 vermutete Angebotsverhalten ist so begründbar: Mit sinkenden (steigenden) Preisen sinkt (steigt) auch das Angebot (= Produktionsmenge). Bild 58 macht auch folgendes sichtbar: Sinkt der Preis unter die Preisuntergrenze (pU = p2), so deckt der Preis die minimalen Stückkosten nicht mehr. Das Unternehmen macht Verlust. Beispiel:

E' = p K' k

Produktionsoptimum: Bedingung: p = K' Maximalgewinn: Gmax= pxopt - k(xopt)xopt

60 50

K'

40 30

break-evenpoints

k

Optima

E'0 = p0 = 21 E'1 = p1 = 14 E'2 = p2 =11,25

20 10 0

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10 11 12

x

Bild 58: Angebot zu Grenzkostenpreisen

Da das Outputoptimum durch Grenzkostenpreise (p = K') bestimmt ist und der Marktpreis nicht unter die durch das Stückkostenminimum bestimmte Marke sinken darf, ist die Grenzkostenkurve ab dem Betriebsoptimum als Angebotskurve interpretierbar.

73

5. Preistheorie 5.1 Marktformen und Marktverhalten Der „Markt“ lässt sich als „ökonomischer Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage“ definieren. Naheliegend ist hierbei die Vermutung, dass sich im „freien Spiel der Kräfte“ (zumindest tendenziell) ein Marktgleichgewicht einpendelt, in dem Anbieter- und Nachfragerinteressen in der Weise aufeinander abgestimmt werden, dass beim herrschenden Gleichgewichtspreis gleich viel angeboten und nachgefragt wird. Etwaige Nachfrageüberhänge (Angebotsüberhänge) würden Wettbewerbsprozesse zwischen den Nachfragern (Anbietern) auslösen und die Preise so lange steigen (sinken) lassen, bis sich der von vorneherein niemandem bekannte Gleichgewichtspreis wie von unsichtbarer Hand gesteuert „einpendeln“ würde. Der marktwirtschaftliche Selbststeuerungsmechanismus sorgt dafür, dass die Märkte koordiniert, die Produktionsfaktoren effizient verwendet sowie Güter und Einkommen marktleistungsgerecht verteilt werden. Nach (neo)klassischer Auffassung könnten die Märkte auch tatsächlich so funktionieren, wenn die Politik sich marktkonform verhielte und marktinkonforme, d. h. die Marktpreisbildung störende Eingriffe unterließe. Im Folgenden soll untersucht werden, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Marktpreisbildung auch tatsächlich im oben beschriebenen Sinne funktionieren kann. Offensichtlich scheint die Zahl der Marktteilnehmer erheblichen Einfluss auf das Marktverhalten von Anbietern und Nachfragern und damit auf die Marktpreisbildung zu haben: Ein „marktmächtiger“ Monopolist (Alleinanbieter) wird sich sicherlich anders verhalten als ein preispolitisch „ohnmächtiger“ Polypolist (einer von vielen Kleinanbietern). Der Monopolist wird preispolitisch agieren (Preise „setzen“) können, ein Polypolist wird demgegenüber Preise „hinnehmen“ müssen und auf eventuelle von ihm nicht beeinflussbare Marktpreisänderungen als „Mengenanpasser“ nur reagieren können. Ein Oligopolist (einer von wenigen Anbietern bzw. Nachfragern) verfügt wie ein Monopolist zwar ebenfalls über Marktmacht, seine preispolitischen Aktionsspielräume sind jedoch geringer, weil er im Wettbewerb auf Konkurrenten Rücksicht nehmen muss. 5.2 Preisbildung auf Gütermärkten 5.2.1 Preisbildung im Polypol bei Vollkommener Konkurrenz Modelltheoretisch lässt sich zeigen, dass das wirtschaftspolitische Oberziel „Wohlfahrtsmaximierung“ bei vollkommener Konkurrenz erreicht, auf oligopolistischen oder monopolistischen Märkten hingegen verfehlt würde. „Vollkommene Konkurrenz“ könnte insoweit als wettbewerbspolitisches Leitbild gesehen werden. Sie gewährleistet statische Allokationseffizienz und marktleistungsgerechte Verteilung, das „PARETOOptimum“. Jede Ausgangsvermögensverteilung programmiert allerdings entsprechend der jeweiligen Besitzverhältnisse Produktion und Einkommensverteilung, impliziert insoweit auch ein davon abhängiges „Optimum“. Ein „optimum optimorum“ (effiziente Allokation und „richtige“ Verteilung) ist insoweit wertfrei und objektiv nicht bestimmbar.

74

Die Modellannahmen der „vollkommenen Konkurrenz“: • • • • • • • • •

Zweiseitiges Polypol (viele Anbieter und Nachfrager = „vollständige Konkurrenz“) Homogenität der Güter (keine Qualitätsunterschiede, keinerlei Präferenzen), Markttransparenz (keine Informationsmängel) Umfassende Vertragsfreiheit (Gewerbe-, Berufs-, Investitions-, Konsum-) Freier Marktzutritt und freier Marktaustritt Umfassende Mobilität und Flexibilität (keine Anpassungsmängel), Beliebige Teilbarkeit von Produktionsfaktoren, Gütern und Märkten, Keine externen Kosten und Nutzen, Rationalverhalten (ökonomisches Prinzip).

Wären all diese Bedingungen gegeben, so hätten weder Anbieter noch Nachfrager preispolitische Handlungsspielräume. Bei etwaigen Preiserhöhungen einzelner Anbieter würde bspw. jeder Nachfrager sofort reagieren (können) und woanders kaufen. Jeder Anbieter könnte so als „Preisnehmer“ und „Mengenanpasser“ seinen Gewinn nur durch eine (weitere) Optimierung der Produktions- und Angebotsmenge steigern (vgl. Bild 57). Gewinnmaximierungsstreben führte so zu höherer Marktversorgung und damit letztlich (gesamtwirtschaftlich) zur Maximierung des Sozialprodukts. Das „ideale“ Leitbild hat allerdings einen „Haken“: Wegen der vollkommenen Markttransparenz und der umfassenden Anpassungsflexibilität lohnt sich für den einzelnen Anbieter kaum die Realisierung wachstumsfördernden technischen Fortschritts (durch Innovationen): Jeder Anbieter müsste befürchten, dass die „Früchte“ seiner Anstrengungen von seinen Konkurrenten umgehend kopiert bzw. imitiert werden und er (alleine) auf den Kosten von Forschung und Entwicklung sitzen bleibt. Die „vollkommene Konkurrenz“ würde insoweit jeden Anreiz für Forschung und Entwicklung im Keim ersticken. Die vollkommene Konkurrenz wird daher auch oft als „Schlafmützenkonkurrenz“ verspottet. Bei der Ableitung individueller Konsum- und Produktionsoptima wurden jeweils „gegebene“ Marktpreise, d. h. Preisnehmerverhalten bzw. Mengenanpasserverhalten vorausgesetzt. Die aus Konsum- und Produktionsoptima abgeleiteten Angebots- und Nachfragekurven basieren insoweit ebenfalls auf der Annahme „gegebener“ Marktpreise. Aus der Sicht des einzelnen Anbieters und Nachfragers ist dies auch wirklichkeitsentsprechend: Der einzelne Marktteilnehmer hat keinen wahrnehmbaren Einfluss auf die Marktpreisbildung. Gleichwohl kann sich der Marktpreis selbst wiederum nur im Zusammenspiel der Pläne der vielen kleinen Anbieter und Nachfrager bilden. Erinnern wir uns: Die Grenzkostenkurve ist als Angebotskurve, die Grenznutzenkurve als Nachfragekurve interpretierbar. Bei „gegebenen“ Marktpreisen kann das jeweils anzustrebende Konsum- bzw. Produktionsoptimum an der jeweiligen Grenznutzen- bzw. Grenzkostenkurve „abgelesen“ werden. Ob die so getroffenen Konsum- und Produktionsentscheidungen letztendlich „richtig“ gewesen sein werden, kann sich freilich erst nach Realisierung dieser Entscheidungen auf dem Markt zeigen. Das gesamte Marktangebot und die gesamte Marktnachfrage ergeben sich durch Aggregation (Zusammenfassung durch Addition) der von den einzelnen Nachfragern und Anbietern bei alternativen Preisen geplanten Konsum- und Produktionsmengen. Würde bspw. Unternehmen A bei einer bestimmten Marktpreiserwartung 100 Produkteinheiten, Unternehmen B infolge ungünstigerer Produktions- und Kostenbedingungen nur 90 Produkteinheiten und das besonders leistungsfähige Unternehmen C 120 Produkteinheiten

75

produzieren und anbieten, so würden von diesen Unternehmen insgesamt 310 Produkteinheiten auf den Markt gebracht. Die Marktnachfrage- und Marktangebotskurven entsprechen vom Typ her den ihnen zugrundeliegenden Angebots- und Nachfragekurven der einzelnen Marktteilnehmer: s. Bild 24. Darin wird auch sichtbar, dass nicht alle Einzelpläne in Erfüllung gehen (können). Nur die Pläne derjenigen Unternehmen und Haushalte, die mit dem (neuen) Gleichgewichtspreis geplant und kalkuliert haben, gehen (zufällig) in Erfüllung. Diejenigen Anbieter, die mit höheren (niedrigeren) Preisen gerechnet haben, müssen nun feststellen, dass sie zu viel (zu wenig) produziert haben. Sie werden sich nun über den wider Erwarten niedrigen (hohen) Preis ärgern (freuen) und sich möglicherweise veranlasst sehen, für die nächste Produktionsperiode weniger (mehr) auf den Markt zu bringen. Der neue Gleichgewichtspreis mag nun als „Gegebenheit“ Entscheidungsgrundlage der sich nach wie vor als Mengenanpasser verhaltenden Unternehmen für die nächste Planungsperiode sein (vgl. Bild 58). N

Mit p (x) = U'(x) gilt: xG

KR = ∫ U'(x)dx - pGxG

p

0

A

= Nutzen - Ausgaben

p (x) bzw. K'(x)

A

Mit p (x) = K'(x) gilt: xG

PR = pGxG - ∫ K'(x)dx

Konsumentenrente

0

pG

= Erlös - Kosten Produzentenrente

Mit E(x) = A(x) folgt: SÜ = KR + PR = U(xG) – K(xG)

N

p (x) bzw. U'(x)

Maximierung:

xG

x

Mit folgt:

SÜ' = dSÜ/dx = U' - K' = 0 U' = K'

Bild 59: Vollkommene Konkurrenz und Paretooptimum

Vollkommene Konkurrenz gewährleistet effiziente Allokation und maximale Wohlfahrt“: das Paretooptimum. Mit Bild 59 wird klar, dass im Marktgleichgewicht (xG/pG) die Summe der Konsumenten- und Produzentenrente maximiert wird. Bei jedem anderen Preis wäre sie kleiner: Bei „Mindestpreisen“ (pM>pG) würde die Nachfrage, bei „Höchstpreisen“ (pH 0) möglich sind. Im Polypolfall markiert demgemäß der Schnittpunkt von Nachfrage- und Angebotskurve (K') das Konkurrenzgleichgewicht (K' = pN). Für alle Polypolisten ist der Gleichgewichtspreis (pK) eine „gegebene Größe“. Er bestimmt den für ihn erzielbaren Grenzerlös (E' = pK). Im Monopolfall ergibt sich der gewinnmaximierende Cournotpunkt (C) durch Projektion des Schnittpunktes von Grenzerlös- und Grenzkostenkurve (M) auf die Nachfragekurve.

E';K';p

Beispiel:

N

pN(x)= 12 - 2x

12

K'(x)= 2 + x 10

pC

C

K'(x) = pA (x)

8

K pK

6

E'(x)Polypol = p

4

N

M

p (x) E'(x)Monopol

2 0 1

2

xC

3

4

5

xK

6

x

Bild 61: Effizienzvergleich Monopol/Polypol

Der Vergleich zeigt, dass ein Monopolist unter den o. g. Bedingungen den Markt schlechter und teurer versorgt (xc < xK und pc > pK). Allerdings: Bei unterschiedlichen Kostenverläufen könnte sich ein völlig anderes Bild ergeben. Produzieren die Polypolisten bspw. mit deutlich höheren Stück- und Grenzkosten, so kann das Konkurrenzgleichgewicht (K) nicht rechts, sondern links vom Cournotpunkt (C) liegen. Der Monopolist liefert dann die in jeder Hinsicht „besseren“ Marktergebnisse: xC > xK und pC < pK.

79

Mit pc = 8 und xc = 2 erzielt er Erlöse in Höhe von pc•xc = 16. Bei Kosten von K(2) = 9 erzielt er einen (zum Teil nicht auf Marktleistung, sondern auf Marktmacht beruhenden) Gewinn in Höhe von G(2) = 16 - 9 = 7 (Geldeinheiten). Der Gewinn der Polypolisten würde demgegenüber nur G (3,3) = E(3,3) – K(3,3) = 2,8 betragen. Die Nachfrager würden im Monopolfall einen Teil ihrer Konsumentenrente an den Monopolisten verlieren, der seine Produzentenrente um (pc-pK)xc aufstocken könnte (Umverteilung der Renten). Zudem wäre eine Wohlfahrtsminderung nicht zu vermeiden: Der „soziale Überschuss“ (= KR + PR) würde abnehmen (im Bild 61 um die Dreiecksfläche CKM). In Ausnahmefällen können aber Monopole durchaus die volkswirtschaftlich bessere Lösung darstellen, bspw. bei linearem Gesamtkostenverlauf und hohem Fixkostenanteil: Unter diesen besonderen Bedingungen der Fixkostendominanz liegen die dann stetig fallenden Stückkosten (k) durchgängig über den dann konstanten Grenzkosten (K′). Bei Grenzkostenpreisbildung gemäß pN(x) = K′(x) hätten dann Polypolisten im Konkurrenzgleichgewicht keine Aussicht auf Kostendeckung: pN = K′ < k. Unter diesen Bedingungen könnte nur ein den Markt allein versorgendes Unternehmen („natürliches Monopol“) die Vorteile der Massenproduktion (fallende Stückkosten) effektiv nutzen. Nur ein solches „natürliches Monopol“ könnte kostendeckende Preise und Gewinne realisieren (Wettbewerbsversagen bei unteilbaren Märkten). Hielte man Monopole aber ausnahmslos für unerwünscht, so bliebe als einzige Alternative nur die Errichtung eines „öffentlichen Monopols“ mit der Verpflichtung auf „Gemeinnützigkeit“: Verbot der Gewinnerzielung bei bestenfalls kostendeckenden Preisen (pN≤k). Temporäre Monopole können vor allem unter wachstumspolitischen Aspekten positiv wirken. Bei „vollkommener Konkurrenz“ kämen kostenintensive Innovationen oft nicht zustande (s. o.: „Schlafmützenkonkurrenz“). Nur die Aussicht auf Vorsprungsgewinne durch temporäre Monopolstellungen kann oftmals (nach Joseph Alois Schumpeter) erst „dynamischer Wettbewerb“ durch sog. Pionierunternehmer entfacht werden. Die folgenden Marktprozesse und Wettbewerbsprobleme lassen sich wie folgt skizzieren: Innovation eines „Pionierunternehmers“

ermöglicht Vorsprungsgewinne durch temporäre Monopolstellung mögliche Reaktionen der Konkurrenten

keine Reaktion

Imitation

Monopolstellung dauerhaft wettbewerbspolit. Handlungsbedarf

andere Innovation

Abbau des Monopols durch Wettbewerb Wahrung der Leistungsanreize des Pionierunternehmers bspw. durch Patentschutzrechte

Bild 62: Dynamischer Wettbewerb durch Pionierunternehmer

80

5.3 Preisbildung auf Faktormärkten Produktionsfaktoren werden wie Güter „angeboten“ und „nachgefragt“. Bei freiem Spiel der Marktkräfte würden sich auch auf Faktormärkten Preise frei bilden können. So gebildete Pacht-, Zins- und Lohnsätze würden für eine effiziente Verwendung der Produktionsfaktoren sorgen. In der Realität bilden sich Faktorpreise freilich oft nicht nach diesem Muster. Viele politische und rechtliche Einflussnahmen behindern eine freie Marktpreisbildung, mit wenig erfreulichen Nebenwirkungen. Es gibt bspw. Mindestpreise und Mindestlöhne. Im Handwerk bspw. wird durch den „Meisterbriefzwang“ in Deutschland der Marktzugang beschränkt und damit die Gewerbefreiheit und der Wettbewerb eingeschränkt. Kurioserweise führt dies zu einer „Inländerdiskriminierung“: Während NichtMeister aus EU-Staaten sich (auch) in Deutschland selbständig machen dürfen, dürfen dies ihre deutschen Kollegen zwar anderswo auch, aber nicht im eigenen Vaterland. Im Folgenden soll nun analysiert werden, warum gewinnmaximierende Unternehmen bei steigenden (sinkenden) Faktorpreisen ceteris paribus weniger (mehr) Produktionsfaktoren nachfragen. In B.4.3.2 (Bild 56) wurden entsprechende Wirkungszusammenhänge bereits grob skizziert. Im Folgenden sollen nun entsprechende „Verhaltensregeln“ für gewinnmaximierende “Mengenanpasser“, für die Produkt- und Faktorpreise vom Markt „vorgegebene“ Entscheidungsparameter sind, abgeleitet werden. Sie werden Produktionsfaktoren in dem Maße nachfragen, wie es sich für sie „rechnet“. Für sie stellt sich dieses Problem formal wie folgt dar: G(a,c) = p·x(a,c) - l·a - z·c → max

Inputoptimierung

Der Gewinn wird mittelbar von den eingesetzten Mengen der Produktionsfaktoren Arbeit (a) und Kapital (c) bestimmt. Zum einen entstehen nach Maßgabe der vom Markt her „gegebenen“ Faktorpreise (l, z) Lohnkosten (l·a) und Kapitalkosten (z·c). Zum anderen produzieren die eingesetzten Produktionsfaktoren gemäß Produktionsfunktion eine bestimmte Produktmenge (x). Nach Maßgabe des vom Markt her gegebenen Produktpreises (p) erzielt das Unternehmen einen von Menge und Preis abhängigen Erlös (p·x). Die Maximierung o. Gewinnfunktion erfordert: Ga' (a,c) = p·xa'(a,c) - l = 0

und

Gk'(a,c) = p·xk'(a,c) - z = 0

bzw.

p·xa' = l und

Grenzproduktivitätsregeln

p·xk' = z Produktionsfaktoren werden nur dann nachgefragt und beschäftigt, wenn sie höchstens so viel kosten wie sie „nutzen“ (produktiv sind): Eine weitere Arbeitsmannstunde wird nur dann beschäftigt, wenn ihr Grenzwertprodukt (pxa') die entstehenden Grenzlohnkosten (l) „deckt“. Bild 63 verdeutlicht die Grenzproduktivitätsregel für die Nachfrage nach Arbeit (bei gegebener Kapitalausstattung: c=c0). Steigende Löhne würden die Lohnkostenkurve (la) nach oben verdrehen und die Grenzlohnkostenkurve (l) nach oben verschieben, so dass bei steigenden (sinkenden) Löhnen c. p. weniger (mehr) Arbeitskräfte nachgefragt würden (Ea' ist Arbeitsnachfragekurve). Die Beschäftigungseffekte wären insoweit um so größer (geringer), je lohnelastischer (lohnunelastischer) die Unternehmen als Arbeitsnachfrager auf Lohnsenkungen reagieren würden. 81

Produktivitätssteigerungen durch technischen Fortschritt oder Qualifizierung der Arbeitskräfte bewirkten auf höherem Niveau verlaufende Produktions- und Grenzproduktivitätskurven. Produktivitätssteigerungen schafften so Spielraum für mehr Beschäftigung und/oder höhere Löhne.

E K

E*

E = p·x(a,c)

Erlösfunktion = monetäre Ertragsfkt. (mit Preisen bewertete Ertragsfkt.)

l·a + z·c0

Lohnkosten + Kapitalkosten

l·a

Lohnkosten

K*

maxG = E* - K* = E(aopt,c0) - (l·aopt + z·c0) Graphische Optimierung liefert E* und K* als Tangentialpunkte.

zc0 a Ea' K'

Inputoptimum: p·xa'= l

l = Grenzlohnkosten xa' = Grenzproduktivität p•xa' = Grenzwertproduktivität

l E'a = p•xa' = p•∂x/∂a Arbeitsnachfragekurve

aopt

a

Bild 63: Arbeitsproduktivität und Arbeitsnachfrage

Anmerkungen zum Verhältnis von Output- und Inputoptimierung: Näherungsweise entsprechen die Grenzkosten dK/dx (bei Abstraktion von Kapitalkosten) dem Differenzenquotienten l•∆a/∆x. Die Optimierungsregel K‛ = p lässt sich dann wie folgt schreiben:

l•∆a/∆x = p

und damit:

∆a/∆x = p/l

Approximiert man zudem die Grenzproduktivität ∂x/∂a mit Hilfe des Differenzenquotienten ∆x/∆a, so lässt sich auch die Input-Optimierungsregel „pxa‘ = l“ entsprechend umschreiben:

p•∆x/∆a = l

und damit:

∆x/∆a = l/p

Die insoweit zueinander umkehrbaren Optimierungsregeln sind offensichtlich „2 Seiten ein und derselben Medaille“. Gemäß beider Optimierungsregeln werden dieselben Parameter (Produktpreis p, Faktorpreis l, Input a, Output x) optimal aufeinander abgestimmt.

82

5.4 Kritik an der marginalistischen Preistheorie Die mit Hilfe sog. Marginalgrößen („Grenzkosten“, „Grenznutzen“ usw.) abgeleiteten Optimierungsregeln werden häufig mit dem Hinweis darauf kritisiert, dass diese in der Praxis gar nicht quantifizierbar seien. Die marginalistische Preistheorie sei daher für die Praxis weitgehend wertlos. Solche Kritik verkennt, dass mit den mathematisch abgeleiteten „Marginalien“ nicht der Anspruch verbunden wird, damit in der Realität unmittelbar operieren zu können. Marginalgrößen erleichtern „lediglich“ die Modellanalyse, mit deren Hilfe immerhin grundlegende Handlungsempfehlungen und Leitlinien abgeleitet werden können. Diese lassen sich aber durchaus auch realitätsnäher mit Verfahren der Aufschlagskalkulation (auch „mark-up-pricing“) bestätigen. Zur Realisierung bestimmter Gewinnvorstellungen ist ein von den Markt(macht)verhältnissen abhängiger Aufschlag (1+g) auf die von der Produktionsmenge (x) abhängigen Stückkosten (k) erforderlich. Als Angebotspreisvorstellung (pA) ergibt sich demgemäß: pA = (1+g)•k

(mit g > 0, mit g = 0 wären die Preise gerade noch kostendeckend)

Ein an Gewinnmargen (g) orientiertes marktmächtiges Unternehmen (mit g als Indikator für Marktmacht) hätte insoweit diejenige Menge (x) zu produzieren und anzubieten, bei der die eigene Preisvorstellung pA = (1+g)k mit der Preisvorstellung bzw. Zahlungsbereitschaft der Nachfrager vereinbar wäre. Insoweit wäre nicht die Grenzkostenkurve, sondern die mit dem Faktor (1+g) „korrigierte“ Stückkostenkurve die Angebotskurve. Auch die in B.5.3 abgeleitete Grenzproduktivitätsregel lässt sich im Kern im Wege der Aufschlagskalkulation bestätigen: Gemäß pA = (1+g)k ist ceteris paribus der kalkulierte Preis nach Maßgabe des Aufschlags (1+g), des Faktorpreises (Stundenlohn l), des Faktoreinsatzes (Arbeitsmannstunden a) und des Outputs (Produktmenge x) nur noch eine Funktion der Lohnstückkosten (l•a/x) bzw. des Verhältnisses von Stundenlohn (l) und durchschnittlicher Arbeitsproduktivität (x/a): l•a pA = (1+g) • — x



l p = (1+g) • — x/a

Steigen die Löhne schneller (langsamer) als die Arbeitsproduktivität, so sind ceteris paribus Preissteigerungen (-senkungen) unvermeidbar: Preisstabilität erfordert demgegenüber eine produktivitätsorientierte Lohnentwicklung. Die „realitätsferne“ Grenzproduktivitätsregel (vgl. B.5.3) sagt im Kern jedoch nichts anderes aus: Mit

p•xa' = l

ist äquivalent:

l p= — xa'

Im Kontrast zur Grenzproduktivitätsregel wird aber deutlich, dass die Löhne nicht an der Marginalgröße xa’ (Grenzproduktivität der Arbeit), sondern an der Durchschnittsgröße x/a (durchschnittliche Arbeitsproduktivität) orientiert werden. Außerdem wird mit dem Kalkulationsaufschlag 1+g erkennbar, dass bei der Preiskalkulation offensichtlich auch die jeweiligen Wettbewerbsverhältnisse eine wesentliche Rolle spielen: geringer Wettbewerb unter Anbietern → hohe Marktmacht der Anbieter → hohe Aufschläge (g).

83

C. GRUNDZÜGE DER MAKROÖKONOMIK 1. Einführung 1.1 Gegenstand der Makroökonomik Wenn Wirtschaftseinheiten bzw. deren Aktivitäten zu Aggregaten zusammengefasst und für die Volkswirtschaft als Ganzes oder Teilbereiche von ihr (Regionen oder Wirtschaftszweige) Aussagen gemacht werden (Wachstumsraten, Inflationsraten, Arbeitslosenquoten, Lohn- und Gewinnquoten, regions- oder branchenbezogene Exportquoten etc.), so handelt es sich im wirtschaftswissenschaftlichen Sprachgebrauch immer um MAKROökonomik. Makroökonomik ist insoweit immer „Niveauanalyse“. Gegenstand der Inflationstheorie ist bspw. die Analyse der Preisniveauentwicklung. Davon zu unterscheiden ist die MIKROökonomik, bei der das Verhalten einzelner Einheiten oder das Kräftespiel auf einzelnen Märkten, also „Strukturanalysen“ im Vordergrund der Betrachtung stehen. In der Marktwirtschaft sind letztlich die Entscheidungen dieser Wirtschaftseinheiten und die von ihnen bestimmten Marktergebnisse maßgeblich. Makroökonomisch wird meist nur vereinfachend auf übergeordneten Ebenen zusammengefasst, was sich mikroökonomisch durch das Zusammenspiel der Wirtschaftseinheiten bzw. der Marktkräfte ergibt. Ist also das Ganze (doch) die Summe seiner Teile? Nicht immer! Mikroökonomisch richtige Entscheidungen müssen nicht auch makrökonomisch richtig und sinnvoll sein. Bei Nicht-Berücksichtigung externer Kosten bspw. sind betriebswirtschaftlich richtig kalkulierte Preise notwendigerweise „volkswirtschaftlich falsch“. Allokationsineffizienzen, d. h. ineffiziente Ressourcenverwendung bis hin zur Ressourcenverschwendung sind dann die zwangsläufigen Folgen. Es gibt noch weitere „Rationalitätenfallen“: Bereits aus dem täglichen Leben wissen wir, dass bspw. ein in letzter Sekunde in eine Straßenkreuzung drängender Autofahrer individuell sich durchaus „rational" verhalten mag. Verhalten sich aber alle anderen Autofahrer in gleicher Weise, so wird die Reisezeit aller nicht gemindert, sondern erhöht. Ähnlich verhält es sich möglicherweise auch beim Sparen: In Rezessionsphasen neigen viele Menschen „vorsorglich“ und mikroökonomisch durchaus nicht unvernünftig dazu, noch mehr zu sparen. Makroökonomisch kann aber dadurch (über eine sinkende Gesamtnachfrage) die Rezession noch weiter verschärft werden. 1.2 Lehrmeinungen und Paradigmen Die derzeit maßgeblichen ökonomischen Lehrmeinungen lassen sich zwei „Lagern" zuordnen, dem „klassischen Lager" oder dem „keynesianischen Lager". Den an Klassikern (Smith, Ricardo, Say u. a.) orientierten Lehrmeinungen ist das Vertrauen in die „Stabilität des privaten Sektors" (umfassende Selbststeuerungsfähigkeit und Selbstheilungskraft der Marktwirtschaft) gemeinsam. Keynesianer bezweifeln genau dies und vermuten demgegenüber vielfältige Instabilitäten marktwirtschaftlicher Systeme, die allerdings mittels „intelligenter" Wirtschaftspolitik weitgehend korrigierbar seien. Aus diesen gegensätzlichen Grundauffassungen (Paradigmen) zur Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Geschehens werden dementsprechend unterschiedliche Handlungsempfehlungen

84

für die Wirtschaftspolitik abgeleitet, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen. Von Auffassungsunterschieden innerhalb der „Lager" wird abstrahiert. Die Stabilitätsannahme der Klassiker impliziert Allokationseffizienz, bei richtiger Geldversorgung der Volkswirtschaft durch die Zentralbank auch Preisniveaustabilität sowie bei freiem Welthandel auch außenwirtschaftliches Gleichgewicht. Mittelbar folgt aus der Stabilitätsannahme auch die Absage an jede Form staatlicher „Stabilisierungspolitik". Die Wirtschaftspolitik müsse sich vielmehr darauf beschränken, optimale Rahmenbedingungen als Voraussetzung für Stabilität (=„Stabilitätspolitik") zu schaffen. Hierzu gehörten: Bereitstellung öffentlicher Güter durch den Staat (ohne Haushaltsdefizite!), Wettbewerbspolitik zur Förderung des Wettbewerbs und zur Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen. Klassisch orientierte Lehrmeinungen zielen vorrangig auf die Optimierung von Produktions- und Angebotsbedingungen. Insoweit werden diese auch oft als „angebotsorientiert" bezeichnet. Keynesianische Lehrmeinungen werden demgegenüber meist als nachfrageorientiert interpretiert. Ihr grundsätzlicher Stabilitätspessimismus lässt sie vielfältige Marktungleichgewichte vermuten, insbesondere Unterbeschäftigung auf dem Arbeitsmarkt. Da das Vollbeschäftigungsziel für Keynesianer höchste Priorität innerhalb des sog. magischen Vierecks (Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht, Wirtschaftswachstum) genießt, kommt dem Staat insoweit die Aufgabe zu, bei Bedarf zu intervenieren und zu stabilisieren (antizyklische Konjunkturpolitik durch Steuerung der Gesamtnachfrage). Dies müsse zweckmäßigerweise durch fiskalpolitische Maßnahmen erfolgen. Ggf. müsste sich dafür der Staat auch verschulden und Haushaltsdefizite in Kauf nehmen. 1.3 Grundlagen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) 1.3.1 Gegenstand und Aufgaben der VGR Obwohl in Marktwirtschaften alle grundlegenden Entscheidungen auf mikroökonomischer Ebene getroffen werden, sind makroökonomische Betrachtungen wegen der aufgezeigten marktwirtschaftlichen Systemschwächen doch unentbehrlich. Informationen hierfür werden nicht nur von den Trägern der Wirtschaftspolitik, sondern auch von privaten Unternehmen und Verbänden (bspw. für Tarifverhandlungen) benötigt. 1.3.2 Kreislaufdarstellung der VGR Die Idee, sich das gesamtwirtschaftliche Geschehen kreislaufförmig vorzustellen und dies auch entsprechend darzustellen, geht auf den französischen Arzt QUESNAY zurück (s. A.1.1). Gemeinsam ist allen Kreislaufmodellen ihr Grundschema: Als POLE werden die Sektoren Haushalte, Unternehmen, Staat und Ausland erfasst. Zwischen diesen Polen fließen Ströme (Transaktionen). Die Richtung der Ströme wird durch Pfeile wiedergegeben.

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Faktorleistungen Faktoreinkommen

Haushalte

Unternehmen

Konsumausgaben

Konsumgüter realer Strom monetärer Strom Bild 64: Der zweipolige Kreislauf

Im zweipoligen Kreislaufmodell wird unterstellt, dass die Haushalte nicht sparen, die Unternehmen nicht investieren und alle Gewinne an die Eigentümer ausschütten. Es wird zudem von Auslandsbeziehungen und von staatlichen Aktivitäten abstrahiert. Trotzdem liefert dieses stark vereinfachende Modell bereits grundlegende Erkenntnisse: Die Konsumausgaben der Haushalte entsprechen den Umsatzerlösen der Unternehmen. Das insgesamt von den Haushalten bezogene Einkommen entspricht der Summe der von den Unternehmen für Faktorleistungen gezahlten Faktorentgelte, dem Gesamtwert aller produzierten und verkauften Güter (früher „Sozialprodukt“).

Vermögensänderung

Netto-Investitionen I = 250

Sparen S = 250

Haushalte

Konsumausgaben C = 750

Unternehmen

Faktoreinkommen Y = 1000

Bild 65: Der dreipolige Kreislauf

Das dreipolige Modell enthält als dritten (fiktiven) Pol den Vermögensänderungspol. Durch die Hinzunahme dieses Pols wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Haushalte nicht ihr gesamtes Einkommen für Konsum verausgaben, sondern einen Teil davon sparen. Diese Ersparnisse können dann direkt oder indirekt (über Banken) den Unternehmen zur Verfügung gestellt werden. Die Unternehmen fragen diese Mittel bei Eigenkapital- und/oder Fremdkapitalgebern in Form von Krediten nach, um damit ihrerseits Nachfrage nach Investitionsgütern entfalten zu können.

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Bei Berücksichtigung staatlicher Aktivitäten (Steuern, Staatsausgaben) würde sich ein vierpoliges Kreislaufmodell, bei zusätzlicher Berücksichtigung von Auslandsbeziehungen (Export, Import) ein fünfpoliges Kreislaufmodell darstellen lassen. Das Beziehungsgeflecht würde damit natürlich erheblich komplexer. Auf ihre Darstellung wird aus „bildungsökonomischen“ Gründen verzichtet. 1.3.3 Grundzüge der VGR Die kontenmäßige Erfassung aller in einer Volkswirtschaft bedeutsamen ökonomischen Aktivitäten folgt dem Prinzip der doppelten Buchführung. Ebenso wie in der betriebswirtschaftlichen Buchführung werden zeitpunktbezogene Bestandsgrößenrechnungen, bspw. Gesamtvermögensstand am 31.12.2002) und zeitraumbezogene Stromgrößenrechnungen (bspw. gesamtw. Sparvolumen im Jahr 2002) geführt. Den Stromgrößenrechnungen der VGR wird meist das größere (öffentliche) Interesse entgegengebracht (bspw. dem Sozialprodukt und dessen Wachstum), sie entsprechen der betriebswirtschaftlichen Gewinn- und Verlustrechnung (GuV). Bestandsgrößenrechnungen (vergleichbar der betriebswirtschaftlichen Bilanzierung) interessieren eher das Fachpublikum. Strom- und Bestandsgrößenrechnungen können zunächst für die einzelnen Wirtschaftseinheiten (Unternehmen, Haushalte, Staat, Ausland) in Bezug auf die jeweilige ökonomische Aktivität (Produktionsleistung, Einkommensverwendung, Vermögensbildung, Kreditaufnahme/-gewährung) geführt werden. Es könnten insoweit zur differenzierten Erfassung aller ökonomischen Aktivitäten rein kombinatorisch 16 VGR-Konten gebildet werden, bspw. das Produktionskonto eines Unternehmens. Produktion U1 •

Käufe von Vorleistungen



Verkäufe von Vorleistungen



Abschreibungen



Verkäufe an private Haushalte



Indir. Steuern - Subventionen



Verkäufe von Investitionsgütern



Nettowertschöpfung

- an Unternehmen

zu Faktorkosten

- an den Staat

- Löhne und Gehälter

- Bestandsänderung an eigenen

- Zinsen

Erzeugnissen (Lagerinvestition)

- Pachten und Mieten - Gewinne

Bruttoproduktionswert

- Selbsterstellte Anlagen •

Verkäufe an das Ausland

Bild 66: Produktionskonto eines Unternehmens (U1)

Die ökonomischen Aktivitäten der Wirtschaftseinheiten, d. h. der privaten und öffentlichen Unternehmen, der privaten Haushalte, der öffentlichen Haushalte (Staat) und des Auslands können sodann zu größeren Einheiten zusammengefasst werden, bspw. zur Produktionsleistung des gesamten Unternehmenssektors (intrasektorale Aggregation).

87

Fasst man auch noch die Produktionsleistung der Sektoren zusammen (intersektorale Aggregation), so gelangt man zu den makroökonomisch äußerst bedeutsamen Größen „Inlandsprodukt“ und „Nationaleinkommen“ (früher „Sozialprodukt“). Wir beschränken uns im Folgenden auf die Darstellung des Produktionskontos eines Unternehmens und des Staates sowie des gesamtwirtschaftlichen Produktionskontos. Auf der Habenseite eines Produktionskontos sind hauptsächlich die zu Marktpreisen bewerteten Güterverkäufe an private und öffentliche Haushalte, an andere Unternehmen sowie an das Ausland erfasst. Darüber hinaus sind auf der Habenseite aber auch selbsterstellte Anlagen und die auf den Märkten nicht abgesetzten Erzeugnisse erfasst. Beide Posten sind mit ihren Herstellungskosten bewertet, weil ihre Marktpreise unbekannt sind. Beide Posten lassen sich als Investitionen interpretieren, zum einen als für den Eigenverbrauch bestimmte Investitionsgüter, zum anderen als Lagerinvestitionen. Die Summe aller auf der Habenseite erfassten Werte ergibt den Bruttoproduktionswert. Dieser Wert erscheint jedoch als Erfolgskennziffer unternehmerischer Tätigkeit als überhöht. In diesem Wert sind nämlich die von anderen Unternehmen bezogenen Vorund Zwischenprodukte (Vorleistungen) enthalten. Bspw. enthält der Bruttoproduktionswert einer Brotfabrik als Vorleistung den Umsatz von Mühlen, die die Brotfabrik mit Mehl versorgt haben. Der Produktionswert einer Mühle wiederum enthält als Vorleistung den Umsatz von Bauern, die die Mühle mit Getreide versorgt haben. In einem mehrstufigen Produktionsprozess würde demzufolge im Bruttoproduktionswert eines Unternehmens der Endstufe der Umsatz von Unternehmen der ersten Stufen mehrfach enthalten sein. Um solche Mehrfachzählungen zu vermeiden, ist es notwendig, vom jeweiligen Bruttoproduktionswert den Wert der jeweils bezogenen Vorleistungen abzuziehen. Das Ergebnis wird als Nettoproduktionswert bzw. Bruttowertschöpfung bezeichnet. Aber auch die so ermittelte Bruttowertschöpfung ist noch keine verlässliche Erfolgskennziffer. Während eines Produktionsprozesses werden immer auch vorhandene Werte vernichtet, bspw. Maschinen abgenutzt oder vollständig verbraucht. Buchhalterisch wird diesem Umstand durch Abschreibungen Rechnung getragen. Vermindert man die Bruttowertschöpfung um diese Abschreibungen, so erhält man die schon wesentlich aussagekräftigere Nettowertschöpfung (zu Marktpreisen). Diese Kennziffer enthält aber möglicherweise vom Staat erhaltene Subventionen. Andererseits zahlt im Normalfall jedes Unternehmen indirekte Steuern (bspw. Mehrwertsteuer). Werden auch diese Posten noch herausgerechnet, so ergibt sich die Nettowertschöpfung (zu Faktorkosten). In dieser Größe sind alle zu zahlenden Faktorentgelte (Löhne, Zinsen und Pachten) sowie einbehaltene und ausgeschüttete Gewinne enthalten. Aufgabe des Staates in Sozialen Marktwirtschaften ist es u. a., öffentliche Güter bereitzustellen. Für sie existieren keine Marktpreise, sie sind unentgeltlich. Der Gesamtwert der von einem öffentlichen Haushalt den Nutzern unentgeltlich zur Verfügung gestellten öffentlichen Güter oder Dienstleistungen wird als Eigenverbrauch bezeichnet und in Ermangelung der Kenntnis ihrer „wahren Werte“ zu Herstellungskosten verbucht (daher „Eigenverbrauch“). Die Struktur der Sollseite des Produktionskontos eines öffentlichen Haushalts entspricht weitestgehend dem eines Unternehmens. Lediglich Steuern, Subventionen und Gewinne treten hier „naturgemäß“ nicht in Erscheinung.

88

Öffentliche Haushalte sind insoweit streng von öffentlichen Unternehmen zu unterscheiden. Öffentliche Unternehmen unterscheiden sich von privaten Unternehmen „nur“ in ihrer Rechtsform, unterliegen insoweit dem Gemeinnützigkeitsprinzip (Gewinne nicht erlaubt!), agieren aber auf den Märkten ansonsten wie private Unternehmen (Verkauf ihrer Produkte zu möglichst kostendeckenden Preisen) und werden in der VGR demzufolge wie private Unternehmen dem Unternehmenssektor zugerechnet. Produktion öH1 Herstel-



Käufe von Vorleistungen

Eigenverbrauch des Staates: unent-

Brutto-

lungs-



Abschreibungen

geltlicher Verbrauch öffentlicher

produk-

kosten



Nettowertschöpfung zu

Leistungen (bewertet zu den im Soll

tionswert

Faktorkosten

verbuchten Herstellungskosten)



- Löhne und Gehälter - Zinsen - Pachten und Mieten

Bild 67: Produktionskonto eines öffentlichen Haushalts (öH)

Bei der Zusammenfassung zu gesamtwirtschaftlichen Konten sind zwei Phasen voneinander zu unterscheiden: die Phase der intrasektoralen Aggregation von der Phase der intersektoralen Aggregation. In der Phase der intrasektoralen Aggregation werden zunächst die Konten für gleiche ökonomische Aktivitäten innerhalb eines Sektors zusammengefasst, bspw. die Produktionskonten des Unternehmenssektors. Dabei treten bestimmte Aktivitäten bei dem Unternehmen A als Sollbuchung, bei B als Habenbuchung in Erscheinung. Bspw. können Vorleistungen von A gekauft (Sollbuchung!), von B aber verkauft worden sein (Habenbuchung!). Solche Buchungen rechnen sich intrasektoral gegenseitig zu null auf. Dieser Vorgang wird mit Konsolidierung bezeichnet. Intrasektorale Ströme werden damit unsichtbar. Nur entsprechende intersektorale Ströme bleiben sichtbar. In der Phase der intersektoralen Aggregation werden schließlich die in der ersten Phase gebildeten Sektorkonten zusammengefasst und konsolidiert. Bspw. zeigt sich bei der Bildung des Nationalen Produktionskontos, dass auch hier jedem Kauf von inländischen Vorleistungen wertgleich ein entsprechender Verkauf gegenübersteht. In der konsolidierenden Zusammenfassung müssen auch diese Buchungsposten vollständig verschwinden, weil sie sich in der Summe gegenseitig zu null aufheben. Sie sind aber gleichwohl nicht „unter den Tisch gefallen". Sie sind vielmehr in anderen Buchungsposten „versteckt": In (fast) jedem Kauf von Konsum- und Investitionsgütern stecken wertmäßig Vorleistungen. Ausländische Vorleistungen werden in der Position „Importe“ berücksichtigt.

89

Gesamtw. Produktion der Inländer

Netto-



Abschreibungen (D)



indir. Steuern – Subv. (Tind - Subv)



Nettonationaleinkommen zu FakF

torkosten (NNE )

national-

• • •

= Volkseinkommen (Y):

einkommen zu Markt-

- Löhne und Gehälter (L)

preisen

- Zinsen (Z)

M

Eigenverbrauch des Staates (CSt) br

Bruttoinvestitionen (I ) - des Staates (I

br



Bruttonationaleinkommen

st)

- der Unternehmen (I

- Pachten (P)

= NNE

Verkäufe von Konsumgütern an die privapr ten Haushalte (C )

br

U)

Export (X) abzgl. Import (M) von Waren und Dienstleistungen (= Außenbeitrag)

zu Marktpreisen = BNEM

- Gewinne

Bild 68: Nationales Produktionskonto (Inländerkonzept)

Berücksichtigt man, dass Ausländer im Inland und Inländer im Ausland Leistungen erbringen und dafür Einkommen erzielen, so ist das „Inländerproduktionskonto“ zu modifizieren zum „Inlandsproduktionskonto“. Der wertmäßige Unterschied zwischen Bruttonationaleinkommen und Bruttoinlandsprodukt (BNEM - BIPM) betrug im Jahre 1991 bspw. 20 Mrd. DM, d. h. ca. 0,8 %. Gesamtw. Produktion im Inland •

Abschreibungen

Nettoinlands-



Indir. Steuern - Subventionen

produkt zu





Verkäufe von Konsumgütern an die privaten Haushalte

Brutto-

Nettoinlandsprodukt



Eigenverbrauch des Staates

inlands-

Marktpreisen

zu Faktorkosten



Bruttoinvestitionen

produkt

= NIPM

= Inlandseinkommen •

- des Staates

zu Markt-

- der Unternehmen

preisen

Verkäufe an das Ausland

= BIPM

abzüglich Käufe aus dem Ausland

Bild 69: Nationales Produktionskonto (Inlandskonzept)

Aus den oben dargestellten Produktions-Konten lassen sich nun Kreislaufgleichungen ableiten, die für die makroökonomische Analyse von zentraler Bedeutung sind. Bruttonationaleinkommen zu Marktpreisen (früher „Bruttosozialprodukt zu M.“): BNEM = Cpr + CSt + IUbr + IStbr + X – M Subtrahiert man hiervon die Abschreibungen (D), so erhält man als Ergebnis das Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen (früher „Nettosozialprodukt zu M.“): NNEM = Cpr + CSt + IUbr + IStbr - D + X - M

90

Mit der Definition der Nettoinvestition (In = Ibr – D) ergibt sich entsprechend: NNEM = Cpr + CSt + IUn + IStn + X – M Das Nettonationaleinkommen zu Marktpreisen umfasst den Gesamtwert der mit Marktpreisen bewerteten Konsumgüter, Nettoinvestitionen und des Außenbeitrags X-M. Die Minderung um den Saldo aus indirekten Steuern und Subventionen ergibt das Nettonationaleinkommen zu Faktorkosten („Nettosozialprodukt zu Faktorkosten“) bzw. das Volkseinkommen (Y): NNEF = Cpr + CSt + IUn + IStn + X - M - (Tind - Sub) =L+Z+P+G = Y

Einkommensverteilungsgleichung

Aggregiert man den staatlichen und den privaten Konsum (= C) sowie die privaten und öffentlichen Nettoinvestitionen (= In), so lässt sich das Volkseinkommen Y (= Nettonationaleinkommen zu Faktorkosten) wie folgt umschreiben: Y = C + In + X - M - (Tind - Subv)

Einkommensentstehungsgleichung

Einkommensverwendung

Einkommensentstehung

Y=C+I

Y=C+S

Wert aller Investitions-

P R O D U K T I O N

Y

gespartes

güter (einschließlich der

Einkommen

„Lagerinvestitionen“)

(=Konsumverzicht)

I

S

Wert aller an Haushalte

Ausgaben

verkauften Güter

für Konsum

(=Konsumgüter)

C

C

E I N K O M M E N

Die Identität von I und S ist ex post immer erfüllt: In der Abrechnungsperiode nicht verkaufte Konsumgüter werden als „Lagerinvestition“ verbucht.

Y

Bild 70: Ex-post-Identität S=I

Aus den hier nicht dargestellten Einkommens-Konten ergibt sich andererseits (verwendungsmäßig) für das Volkseinkommen (vgl. Frenkel/John 1991, S. 68): Y = C + S + Ü - (Tind - Sub)

Einkommensverwendungsgleichung

wobei Ü die Nettoübertragungen (Saldo der Transfers von Inländern an Ausländer und von Ausländern an Inländer) ans Ausland bezeichnet und C bzw. S gesamtwirtschaftliche Aggregate (gesamtw. Konsumgüternachfrage bzw. gesamtw. Sparvolumen) darstellen. Aus der Verbindung (Subtraktion) der beiden vorg. Gleichungen folgt: S = Inetto + X - M – Ü

bzw. mit Außenbeitrag X-M = 0 und Nettoübertragung Ü = 0:

S = Inetto 91

Der Ausdruck X-M-Ü entspricht dem Leistungsbilanzsaldo der Zahlungsbilanzstatistik. Ist die Leistungsbilanz ausgeglichen (Saldo X–M-Ü = 0), so folgt die bereits im Rahmen eines Kreislaufmodells abgeleitete Ex-post-Beziehung I = S (Investition = Ersparnis). Bei der Ableitung dieser Beziehung aus o. Kontensystem ist jedoch deutlich zu erkennen, dass es sich hierbei bei der Investition um die Nettoinvestition handelt. Hinweis: Aktuelle Zahlen der VGR können bspw. den regelmäßig erscheinenden Monats- und Jahresberichten der Europäischen Zentralbank und der Deutschen Bundesbank entnommen werden.

1.3.4 Das Bruttoinlandsprodukt, ein geeigneter Wohlstandsindikator? Bei Annahme unbegrenzter Bedürfnisse erscheint es geboten, möglichst viele „Bedürfnisbefriedigungsmittel" (Güter, Dienstleistungen) herzustellen. Deren Gesamtwert ist definierbar u. a. als Bruttoinlandsprodukt. Ist diese Größe bzw. seine Veränderung (Wirtschaftswachstum) insoweit auch ein geeigneter Wohlstandsindikator? Das im Jahre 1967 verabschiedete deutsche „Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft" verpflichtet Bund und Länder tatsächlich, zu „stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum" beizutragen. In den letzten Jahrzehnten wurden jedoch Zweifel an der Eignung des Bruttoinlandsprodukts als Wohlstandsindikator laut. In der Tat lässt sich nicht bestreiten, dass dem Bruttoinlandsprodukt als Wohlstandsindikator Mängel anhaften, die seine Verwendung sowohl für wachstumspolitische Fragestellungen wie auch für Wohlstandsvergleiche (zwischen Ländern oder Regionen) als fragwürdig erscheinen lassen. Viele Mängel lassen sich auf Erfassungsprobleme in der VGR zurückführen. Alle Güter und Dienstleistungen, die nicht offiziell vermarktet werden, werden im Bruttoinlandsprodukt auch nicht erfasst. Dies gilt für Eigenleistungen privater Haushalte, für die offiziell keine Entgelte gezahlt werden (Hausfrauentätigkeit, Kindererziehung, Eigenheimbau in Nachbarschaftshilfe, Eigenverbrauch selbsterstellter Produkte). Gerade in unterentwickelten Ländern spielen Subsistenzwirtschaft (Produktion zum Eigenverbrauch) und Schattenwirtschaft (illegale Markttransaktionen auf „Schwarzmärkten“) eine große Rolle und erschweren damit Wohlstandsvergleiche mit anderen Ländern ganz erheblich. Dies kann auch bei regionalen Wohlstandsvergleichen innerhalb entwickelter Länder zutreffen, wenn Schattenwirtschaft und Nachbarschaftshilfe in den Regionen unterschiedlich ausgeprägt sind, bspw. im Verhältnis ländlicher Gegenden zu Ballungsräumen: Ein im Frankenwald lebender und unterdurchschnittlich verdienender Arbeiter ist dann möglicherweise wohlhabender als ein in München lebender und offiziell besser verdienender Angestellter oder Beamter. Weitere Mängel lassen sich auf gravierende Bewertungsprobleme zurückführen: Generell ist das Bruttoinlandsprodukt als Wohlstandsindikator immer dann als bedingt geeignet anzusehen, wenn in Produktion oder Konsum externe Nutzen oder Kosten (bspw. Umweltschäden) auftreten, die vom Verursacher in der privaten bzw. betriebswirtschaftlichen Kalkulation nicht berücksichtigt werden, sich aber volkswirtschaftlich bei anderen durch Produktionseinbußen oder höhere Steuerbelastung (Finanzierung der Beseitigung von Umweltschäden) bemerkbar machen können. Eine falsche Bewertung tritt auch bei der Erfassung öffentlicher Güter auf: Sie werden als Leistungen öffentlicher Haushalte entgeltlos angeboten. Ihr tatsächlicher Wert kann deshalb nicht marktgerecht erfasst, sondern nur mittelbar über die Herstellungskosten in der VGR berücksichtigt werden. Der BIP-Beitrag öffentlicher Haushalte wird daher entweder unter- oder überschätzt, je nachdem, ob die Staatsbediensteten (bspw. Lehrer oder Soldaten) ihren Lohn „verdienen“ oder nicht. 92

2. Die klassische Theorie 2.1 Der Arbeitsmarkt „Klassiker“ dachten und denken „mikroökonomisch fundiert“: Man nimmt unternehmensseitig eine produktivitätsorientierte Arbeitsnachfrage (l/p = ∂Yr/∂A) und arbeitnehmerseitig ein nutzenorientiertes Arbeitsangebot (optimale Aufteilung von Arbeits- und Freizeit) an. Für beide wird Reallohnorientierung (= „Freiheit von Geldillusion“) angenommen: Nominallohnerhöhungen, die mit prozentual entsprechenden Inflationsraten einhergehen, lassen den Reallohn (lr = l/p) unverändert und bieten damit keine Veranlassung für Änderungen weder des Arbeitsangebots noch der Arbeitsnachfrage. Bei Wettbewerb würde sich über den Lohnmechanismus ein Arbeitsmarktgleichgewicht mit einem Reallohn in Höhe von lr* und einem Beschäftigungsniveau von A* ergeben. Yr' = ∂Yr/∂A

Arbeitsangebot

lr = l/p lr* Arbeitsnachfrage gemäß ∂Yr/∂A = l/p A*

A

Bild 71: Der klassische Arbeitsmarkt

Yr

Yr = Yr(A, K0)

Yr*

Produktion und Volkseinkommen

A*

A

Bild 72: Gesamtwirtschaftliche Produktion und Volkseinkommen

Die Beschäftigung von Arbeitskräften auf dem Niveau A* würde bei gegebener Kapitalausstattung K0 nach Maßgabe der gesamtwirtschaftlichen Produktionsfunktion auch das reale Güterangebot und das reale Volkseinkommen bestimmen: Yr* = Yr(A*,K0).

93

Der Arbeitsmarkt übernimmt in der „Klassik“ eine Schlüsselfunktion: Er befindet über das marktgerechte Lohn- und Beschäftigungsniveau (definiert als Vollbeschäftigung), die Höhe des Produktionsniveaus und des Volkseinkommens. Unfreiwillige Arbeitslosigkeit kann es insoweit nicht geben. Durch strukturelle Anpassungsprozesse vorübergehend sich ergebende Arbeitsüberangebote können über den Lohnmechanismus rasch beseitigt werden. Alle zum neuen Gleichgewichtslohn lr* nicht Arbeitswilligen sind „freiwillig arbeitslos“. Nur bei markt- und zielinkonformen Mindestlohnvorschriften kann „unfreiwillige“ Arbeitslosigkeit entstehen. Mit dem Gleichgewichtslohn lr*, dem Beschäftigungsniveau A* und dem Volkseinkommen Yr* scheint auch die Verteilung des Volkseinkommens „eindeutig“ bestimmt zu sein: Nach der Grenzproduktivitätsregel werden Lohn und Einkommensverteilung primär von der Arbeitsleistung bestimmt.

Lohneinkommen

Lr* = lr* • A*

Lohnquote

Lr* lr* • A* — = ——— Yr * Yr*

Yr Lr

GraphischeOptimierung: Tangentialpunktlösung → Gewinnmaximierung

Yr(A,K0) Y r* Gr* = Yr* - Lr*

Gewinneinkommen Gr* = Yr* - Lr*

Lr = lr*•A

Lr*

Gewinnquote

Optimum: ∂Yr/∂A = lr Grenzproduktivitätsregel

G r* Lr* — = 1-— Yr* Yr* A*

A

Bild 73: Die Einkommensverteilung

Methodische und empirische Anmerkungen:

Die „optimale“ Einkommensverteilung gibt es freilich nicht. Je nach anfänglicher Vermögensverteilung können sich unterschiedliche „gerechte“ Einkommensverteilungen ergeben (vgl. Bartmann, 1981, S. 117). In Deutschland schwankte die Lohnquote in den Nachkriegsjahren relativ gering um etwa 2/3, die Gewinnquote dementsprechend um 1/3. Wirtschaftspolitische Implikationen: Produktivitätssteigerungen würden die Produktionskurve in Bild 72 nach oben drehen und die Grenzproduktivitäts- bzw. Arbeitsnachfragekurve in Bild 71 nach oben verschieben. Das Arbeitsmarktgleichgewicht würde sich damit nach „oben rechts“ verlagern: Höhere Löhne und mehr Beschäftigung wären möglich, damit auch Wachstum und ein höheres Volkseinkommen. Zu geringe Lohnabstände zwischen Löhnen und Lohnersatzleistungen können die Arbeitsbereitschaft mindern. Das dann knappere Arbeitsangebot (Linksverschiebung der Angebotskurve) lässt ceteris paribus den Stundenlohn steigen und so die Arbeitsnachfrage der Unternehmen sinken. Geringere Beschäftigung, geringere Produktion und ein niedrigeres Volkseinkommen können folgen.

94

2.2 Der Kapitalmarkt Auf dem Kapitalmarkt stehen sich als Kapitalangebot das Sparvolumen der Haushalte (Sparen für „Zukunftskonsum“) und als Kapitalnachfrage der Kapitalbedarf der Unternehmen zur Finanzierung von Investitionen (für „Zukunftsproduktion“) gegenüber. Die Koordination des Marktes erfolgt über den Zinsmechanismus: Steigende (sinkende) Realzinsen (zr) erhöhen (mindern) einerseits die Sparneigung und mindern (erhöhen) andererseits die Investitionsneigung. Die Kapitalnachfrage wird hierbei von der Grenzproduktivität des Kapitals bestimmt (analog der Arbeitsnachfrage: vgl. B. 5.3). Da die Kapitalnachfrage sich auch als Wertpapierangebot und das Kapitalangebot der Sparer auch als Wertpapiernachfrage interpretieren lassen, gilt damit: Sparen = Kreditangebot = Kapitalangebot = Wertpapiernachfrage Investition = Kreditnachfrage = Kapitalnachfrage = Wertpapierangebot zr =z/p

A

K =S Kapitalangebot = Sparen zr*

KN = I Kapitalnachfrage = Investition Sr*=Ir*

Ir, Sr

Bild 74: Der klassische Kapitalmarkt

Anm.: Es wird vereinfachend vom Bankensektor abstrahiert, d. h. Kapitalangebot und -nachfrage werden unmittelbar koordiniert. Konsumentenkredite werden als „herausgerechnet“ betrachtet: Sparvolumen = Summe aller individuellen Sparbeträge abzüglich aller Konsumentenkredite. Als Kreditnachfrager treten insoweit in der Modellbetrachtung ausschließlich Investoren auf.

Arbeits- und Kapitalmarkt lassen sich zusammenfassend wie folgt darstellen (Bild 75): Der Zinsmechanismus sorgt nicht nur für ein Gleichgewicht des Kapitalmarktes (S = I), sondern bestimmt zugleich auch die gesamtwirtschaftliche Produktionsstruktur (Konsum/Investition): Die Sparer entscheiden darüber, in welchem Umfang Konsumgüter produziert werden (Konsumgüternachfrage: CN = Y - S). Mit dem Kapitalmarktgleichgewicht (Ir* = Sr*) ist zudem immer auch eine Übereinstimmung von Konsumgüternachfrage (Cr* = Yr* - Sr*) und -angebot (Cr* = Yr* - Ir*) gewährleistet. EXKURS: Eine erhöhte Sparneigung (Rechtsverschiebung der S-Kurve) könnte über Zinssenkungen die Investitionen anregen. Der so steigende Kapitaleinsatz könnte auch die Arbeitsproduktivität steigern und damit die Arbeitsnachfrage anregen (Rechtsverschiebung der AN-Kurve) und insoweit Wachstumsprozesse auslösen (Ertragskurve Y dreht nach oben links).

95

Yr

Y = Y(A,K0 )

Sr Ir

Yr*

Spiegelachse (45º)

Cr*=Yr* - Ir* Ir*

lr

Ir, Sr

A

A*

zr

S AA zr*

lr*

AN

A*

I A

Ir*= Sr*

Ir, Sr

Bild 75: Die gesamtwirtschaftliche Produktionsstruktur

2.3 Der Gütermarkt Mikroökonomisch reagieren Produzenten auf Preiserhöhungsänderungen gewöhnlich mit einer Steigerung (Minderung) des Angebots, Konsumenten mit einer Minderung (Steigerung) der Nachfrage. Nachfrageseitig lässt sich dies mit Substitutionsprozessen und Kaufkrafteffekten erklären (vgl. Bild 40). Makroökonomisch sind solche Effekte jedoch gar nicht möglich. Womit sollte das Sozialprodukt insgesamt substituiert werden können? Aus der Kreislaufanalyse ist außerdem bekannt, dass sich Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (= Güterangebot) und Volkseinkommen (= potentielle Güternachfrage) wertmäßig immer entsprechen („zwei Seiten derselben Medaille“). Preisniveauänderungen können sich daher makroökonomisch real nicht auswirken und insoweit keine Kaufkraftänderungen zur Folge haben. Güterangebot und Güternachfrage sind daher vom Preisniveau völlig unabhängig, d. h. vollkommen preisunelastisch (s. Bild 76). Sie sind vielmehr allein über den Arbeitsmarkt bestimmt: Der Lohnmechanismus beseitigt bei Reallohnorientierung (Freiheit von Geldillusion) über inflations- und deflationsausgleichende Nominallohnänderungen vorübergehende Gleichgewichtsstörungen und gewährleistet damit sowohl ein stabiles Lohnniveau lr* als auch ein stabiles Beschäftigungsniveau mit Vollbeschäftigung in A*.

96

Dies ermöglicht schließlich die Maximierung der Wohlfahrt: Mit der Maximierung des Beschäftigungsniveaus (Vollbeschäftigung in A*) werden auch das Nettosozialprodukt zu Faktorkosten (= Güterangebot) und das dazu wertgleiche Volkseinkommen (= potentielle Güternachfrage) mit Yr* = Y(A*,Ko) maximiert (vgl. Bild 71/72). Da im Kreislaufgleichgewicht das Nettosozialprodukt als gesamtwirtschaftliches Güterangebot (YA) und das Volkseinkommen als gesamtwirtschaftliche Güternachfrage (YN) interpretiert werden können, wird evident, dass auf Dauer einem bestimmten gesamtwirtschaftlichen Güterangebot immer eine entsprechende gesamtwirtschaftliche Güternachfrage folgen muss: Y = YA = YN

Say’sches Theorem Preisniveau A

Yr* = Y = YN

gesamtw. Angebot gesamtw. Nachfrage

Y r*

Yr

Bild 76: Das Say’sche Theorem

Nach SAY wird das Volkseinkommen immer voll nachfragewirksam: entweder unmittelbar über die Konsumgüternachfrage der Haushalte oder mittelbar über die Ersparnisbildung der Haushalte, indem diese ihr Erspartes (= Kapitalangebot) auf dem Kapitalmarkt den Unternehmen zur Finanzierung von Investitionen anbieten (= Kapitalnachfrage). Das gesparte Einkommen wird insoweit ebenfalls nachfragewirksam (Investitionsgüternachfrage). Gesamtwirtschaftlich gesehen kann es so niemals zu Angebots- oder Nachfrageüberhängen kommen. Der gesamtwirtschaftliche Gütermarkt ist somit immer im Gleichgewicht (Say’sches Theorem). Nur bei marktwidrigen Eingriffen des Staates, bspw. bei „Konservierung“ unrentabler Branchen oder Unternehmen durch Erhaltungssubventionen könne es auch zu Angebotsüberhängen in Form „mangelnder Nachfrage“ kommen. Das Say’sche Theorem wird daher auch als „makroökonomische Absatzgarantie“ interpretiert: „Jedes Angebot schafft sich seine eigene Nachfrage.“ Diese populäre, aber vielleicht zu starke Simplifizierung verleitet dementsprechend häufig dazu, die klassische Lehrmeinung als „einseitig angebotsorientiert“ zu kritisieren. Besonders fragwürdig erscheint die Erwartung, dass sparbedingte Nachfrageausfälle im Konsum jederzeit (über den Zinsmechanismus) durch entsprechende Mehrnachfrage bei Investitionsgütern voll kompensiert werden könnten.

97

Während ein Ungleichgewicht auf dem gesamtwirtschaftlichen Gütermarkt für Klassiker (wegen des Say’schen Theorems) nicht vorstellbar ist, können Ungleichgewichte auf Teilmärkten aber durchaus vorübergehend auftreten. Solche Ungleichgewichte könnten aber bei funktionierendem Wettbewerb über den Preismechanismus relativ rasch beseitigt werden. Arbeitslosigkeit als Folge ablaufender Strukturanpassungsprozesse ist aus klassischer Sicht ein temporäres Problem. Bei hinreichender Mobilität und Flexibilität der Produktionsfaktoren einerseits und wettbewerblicher Marktpreisbildung andererseits würden die notwendigen Preis- und Mengenanpassungen schnellstmöglich ablaufen und ein umfassendes Gleichgewicht auf allen Märkten wiederherstellen. Die folgende Darstellung soll solche Anpassungsprozesse in wesentlichen Gesichtspunkten (Veränderung der Marktpreise, der Marktversorgung und der Beschäftigung) illustrieren. Zur Vereinfachung wird in diesem Zwei-Güter-Modell angenommen, dass die Haushalte ihr gesamtes Einkommen für den Konsum ausgeben und Vollbeschäftigung herrscht. Die Produktionsfaktoren sind den Produktionsrichtungen effizient zugeteilt. In der Ausgangssituation herrscht also umfassendes Gleichgewicht. p2

p1 A1

A2

p2** p2*

p1* p1**

N1 N1´ x1** x1*

N2 x1

N2´

x2* x2**

x2

Bild 77: Anpassungsprozesse im Strukturwandel

Infolge eines Nachfrageeinbruchs auf Markt 1 gerate dieser vorübergehend ins Ungleichgewicht: Zum herrschenden Gleichgewichtspreis p1* kann die bisherige Gleichgewichtsmenge x1* nicht mehr abgesetzt werden. Die Konkurrenzsituation zwingt die Anbieter zu Preissenkungen. Dies wiederum wird die Anbieter veranlassen, dieses Gut zukünftig in geringerem Umfang zu produzieren. In der Produktion von Gut 1 werden folglich Produktionsfaktoren „freigesetzt“. Die geringere Nachfrage nach Gut 1 hat aber nicht nur Arbeitskräfte, sondern auch Kaufkraft „freigesetzt“. Die Konsumausgaben sind um (p1* - p1**) (x1* - x1**) Geldeinheiten gesunken. In diesem Umfang kann nun zusätzliche Nachfrage nach Gut 2 entfaltet werden. Dies wird auf Markt 2 ceteris paribus zunächst Preissteigerungen auslösen. Die nun höheren Preise werden wiederum die Anbieter veranlassen, die Produktion von Gut 2 zu forcieren. Produktionstechnisch ist dies auch möglich, weil auf die auf Markt 1 freigesetzten Produktionsfaktoren zurückgegriffen werden kann. Nach Abschluss aller Anpassungsprozesse wird sich auf allen Märkten ein den neuen Nachfragestrukturen entsprechendes Gleichgewicht eingestellt haben. Die Koordination der Anpassungsprozesse erfolgte dabei letztlich über die Veränderung des Preisgefüges, der sog. relativen Preise.

98

2.4 Der Geldmarkt Der Geldmarkt ist kein Markt im üblichen Sinne. Geld hat keinen Preis. Hätte es einen Preis, könnte es also frei produziert und frei gehandelt werden, wäre es bald nur noch das wert, worauf es gedruckt ist: Papier (s. A. 2.5.). Gleichwohl hat Geld aber wichtigste volkswirtschaftliche Funktionen zu erfüllen. Es dient als Tauschmittel, Recheneinheit und zur Wertaufbewahrung. Es wird von den Wirtschaftssubjekten als „Medium“ nachgefragt und von staatlichen Institutionen zur Verfügung gestellt (angeboten). Der Geldmarkt ist insoweit ein fiktiver Markt. Es stehen sich zwar wie auf jedem Markt Anbieter (Zentralbank) und Nachfrager (Geschäftsbanken) gegenüber, die Koordination übernimmt jedoch nicht der Preismechanismus, sondern die durch den Staat hierzu jeweils ermächtigte Zentralbank (über die Steuerung von Geldmengen und sog. Leitzinsen). Bargeld in Form von Münzen und Banknoten werden vom Staat produziert und in Umlauf gebracht (öffentliches Monopol). Im Zuge des bargeldlosen Zahlungsverkehrs entsteht mit den Sichteinlagen der Nicht-Banken (Haushalte, Unternehmen, öffentliche Körperschaften) bei den Geschäftsbanken zudem Giralgeld (auch „Buchgeld“). Mit Hilfe der Sichteinlagen („auf Sicht“, d.h. jederzeit in Bargeld umtauschbar) haben die Geschäftsbanken die Möglichkeit, zusätzliches Geld zu „schöpfen“. Dieser Prozess der „multiplen Giralgeldschöpfung“ lässt sich in knapper Form wie folgt skizzieren: Gewährt Geschäftsbank A dem Kunden B einen Kredit, so wird dieser den größeren Teil der ausgezahlten Kreditsumme dafür verwenden, eine Verbindlichkeit gegenüber Geschäftspartner C per Banküberweisung auf dessen Girokonto bei Geschäftsbank D zu begleichen. Bei Geschäftsbank D erhöht sich damit ceteris paribus der Bestand an Sichteinlagen. Dieser Umstand versetzt Bank D wiederum in die Lage, ihrerseits weitere Kredite auszureichen. Mit der Auszahlung eines Kredits an Kunden E setzt sich dieser Kreditschöpfungs- und Giralgeldschöpfungsprozess entsprechend fort. Da die Geschäftsbanken gesetzlich verpflichtet sind, einen bestimmten Teil ihres buchmäßigen Geldbestandes bei der Zentralbank vorrätig zu halten („Mindestreserve“), kann dieser Geldschöpfungsprozess nicht unbegrenzt weiterlaufen. Er kommt langsam zum Erliegen. Im Bankensystem werden folgende Geldmengen unterschieden: Geldmenge M1 = Bargeld und Giralgeld Geldmenge M2 = M1 + Termineinlagen Geldmenge M3 = M2 + Spareinlagen (mit gesetzlicher Kündigungsfrist) Bargeld und Giralgeld besitzen einen hohen Liquiditätsgrad und genügen insoweit primär der Tauschmittelfunktion des Geldes. Termineinlagen besitzen einen geringeren Liquiditätsgrad, Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist einen noch geringeren. Sie dienen primär der Wertaufbewahrung. Bargeld wird vom Staat (= Produzent und Anbieter) unmittelbar kontrollierbar. Hinsichtlich der übrigen Aggregate geht man davon aus, dass sie über die Menge und/oder den Zins geldpolitisch steuerbar sind. So gesehen ist jede Geldmenge eine institutionell bedingt gegebene Größe. Man geht davon aus, dass sich jede dieser Geldmengen als ein Vielfaches der Bargeldmenge (B) darstellen lässt.

99

Als Multiplikator entsprechender Geldschöpfungsprozesse fungiert hauptsächlich der Kehrwert des von der Zentralbank festzulegenden Mindestreservesatzes (r). Als Geldangebotsfunktion lässt sich damit definieren: M=

1 B r

Geldnachfrage wird nach klassischer Auffassung nur für Transaktionszwecke entfaltet. Die Grundfrage lautet insoweit: Welche Geldmenge (M) wird bei einem bestimmten Einkommen (Y=P·Yr) benötigt, damit alle in der Volkswirtschaft gewünschten Transaktionen abgewickelt werden können? Würden alle Zahlungsmittel in einer Produktionsbzw. Einkommensperiode nur jeweils einmal den Besitzer wechseln (bei jährlich einmaligen Gehaltszahlungen, jährlich einmalig zu leistenden Konsumausgaben), so wäre der Nennwert des benötigten Geldvorrats offensichtlich identisch mit dem Wert des in der Periode erzielten Einkommens. Geht man jedoch realistischerweise davon aus, dass der Geldbestand mehr als einmal in einer Produktions- und Einkommensperiode „umläuft“, so liegt es auf der Hand, dass dann der benötigte Geldvorrat bzw. -bestand kleiner sein kann als der Wert des Periodeneinkommens. Die Erfahrung lehrt, dass Geld infolge relativ fest eingefahrener „Zahlungssitten“ (bspw. monatliche Gehaltszahlungen) mit einer relativ zeitstabilen Umlaufgeschwindigkeit (v) zirkuliert. Zur Abwicklung aller in der Volkswirtschaft gewünschten Transaktionen wird dementsprechend weniger „Geldvorrat“ benötigt. Der Kehrwert der Geldumlaufgeschwindigkeit gibt insoweit darüber Auskunft, in welchem Verhältnis zum Einkommen Geld im Wirtschaftskreislauf vorhanden sein muss. Er wird deshalb als „Kassenhaltungskoeffizient“ (k) bezeichnet und gibt Auskunft über den bei einem bestimmten Volkseinkommen benötigten Geldbestand (Geldmenge). Als Geldnachfragefunktion, d.h. als Nachfrage nach Liquidität für Transaktionszwecke (LT) lässt sich demzufolge schreiben: LT = k · Y

bzw.

LT = k · P · Yr

Bei gegebenem Realeinkommen und gegebenem Kassenhaltungskoeffizienten ist die Geldnachfrage insoweit nur noch vom Preisniveau abhängig: LT = LT (P)

P

Angebot: M = M0 Nachfrage: LT = LT(P)

P*

M0 Bild 78: Der klassische Geldmarkt

100

M, LT

Mit M = M0 als Geldangebotsfunktion und LT= k · P · Yr als Geldnachfragefunktion gilt für ein Geldmarktgleichgewicht: M0 = k · P · Yr

Cambridge-Gleichung

Mit dem Kehrwert des Kassenhaltungskoeffizienten (k), der Geldumlaufgeschwindigkeit (v), lässt sich diese umformen zu: M0 · v = P · Yr

Quantitätsgleichung

Bei gegebener Geldmenge (M = M0) und gegebener Geldumlaufgeschwindigkeit (v=v0) lässt sich diese Gleichung wiederum umschreiben zu: P=

M0 · v0

Geldhyperbel

Yr

So gesehen ist das Preisniveau (bei gegebener Geldmenge und konstanter Umlaufgeschwindigkeit) vom Realeinkommen bestimmt. P

Yr* = YA Güterangebot N Güternachfrage (gem. Say) =Y

P*

P=

M0 • v0 —— Yr Yr

Yr* Bild 79: Die Geldhyperbel

Die Geldhyperbel wird gelegentlich als „gesamtwirtschaftliche Nachfragekurve“ fehlinterpretiert. Solche Interpretationen gehen fehl, weil nach klassischer Ansicht auf dem Arbeitsmarkt nicht nur über Realeinkommen und Güterangebot (Yr* = YA), sondern nach Say auch über die gesamte Güternachfrage (YA = YN) entschieden wird. Nachfragewirkungen von Preisniveauänderungen kann es insoweit gar nicht geben. Das Geld ist „neutral“ und „verschleiert“ nur die reale Welt („Dichotomie“ von „realwirtschaftlicher Sphäre“ und „Geldsphäre“). Geldmengenänderungen haben nur Preiseffekte und keine „realen“ Auswirkungen (auf Reallohn, Realzins, Realeinkommen, Beschäftigung). Gesamtangebot und Gesamtnachfrage sind vollkommen preisunelastisch und im P/YDiagramm (Yr* = YA = YN) als Parallelen zur P-Achse darstellbar (s. Bild 79 und 80). Mit P · Yr = v · M folgt schließlich (als Wachstumsratenbeziehung):

w P + wY = w v + wM

Bei Annahme einer konstanten Geldumlaufgeschwindigkeit (wv = 0) müssen Geldmenge und Realeinkommen mit derselben Rate wachsen, wenn Preisniveaustabilität (wP = 0) das Ziel ist: wM = w Y

Geldmengenregel

101

Eine Geldmengenerhöhung von Mo auf M1 (s. Bild 80) bewirkt ceteris paribus lediglich eine Preisniveausteigerung von Po auf P1. Sie erhöht damit Löhne und Einkommen nur nominal und „verschleiert“ insoweit Reallöhne und Realeinkommen („Geldschleier“). Bei einem funktionsfähigen Preismechanismus insbesondere auf dem Arbeitsmarkt bleibt sie insoweit auf Dauer ohne Wirkungen auf Reallöhne (lr), Beschäftigungsniveau (A*) und reales Produktions- und Einkommensniveau (Yr). Allenfalls temporär können geldmengenbedingte Preisniveauerhöhungen (Inflation) die Reallöhne senken und insoweit einen temporären Nachfrageüberhang auf dem Arbeitsmarkt verursachen. Ein funktionsfähiger Lohnmechanismus würde dann aber über inflationsausgleichende Nominallohnsteigerungen das alte Gleichgewicht wiederherstellen. Güterangebot und die Güternachfrage (nach Say identisch) wären somit sowohl von Geldmengen- als auch von Preisniveauänderungen vollkommen unabhängig. Realsphäre:

Geldsphäre:

lr

P

Yr*= Güterangebot

= Güternachfrage

A

A

M1 • v0 P1 = ⎯⎯⎯

P1

Yr M0 • v0 P0 = ⎯⎯⎯ Yr

lr*

P0 A

N

A

Yr Yr

Yr

o

45 -Linie = Spiegelachse

Yr(A) Yr*

A*

A

Bild 80: Klassische Dichotomie und Geldschleier

102

Yr*

Yr

3. Die keynesianische Theorie 3.1 Der Gütermarkt Preisniveauänderungen können nach klassischer Auffassung nur geldmengenbedingt sein und niemals gesamtwirtschaftliche Nachfrage- und Angebotswirkungen haben: Die gesamtwirtschaftliche Angebotskurve ist vollkommen preisunelastisch. Nach dem Say’schen Theorem folgt desweiteren einem bestimmten gesamtwirtschaftlichen Angebot aufgrund von Kreislaufzusammenhängen immer eine gesamtwirtschaftliche Nachfrage in gleicher Höhe. Aus keynesianischer Sicht können demgegenüber Preisniveauänderungen aber durchaus reale Auswirkungen auf Angebot und Nachfrage haben. Im Vordergrund keynesianischer Gütermarktbetrachtungen steht allerdings weniger die Analyse der Wirkung von Preisniveauänderungen als vielmehr die Analyse der Wirkung von Einkommensänderungen im Rahmen sog. Einkommen/Ausgaben-Modelle. Nach den Erfahrungen in der Weltwirtschaftskrise wurden in Wissenschaft und Praxis zunehmend Zweifel an der klassischen Doktrin laut. Keynes hielt es nicht nur für wahrscheinlich, dass sich Veränderungen in der „Geldsphäre“ auch realwirtschaftlich auswirken und die Preise auch inflexibel sein können, sondern übte auch und vor allem Kritik am Say´schen Theorem, das die Realität gewissermaßen auf den Kopf stelle: Die Gesamtnachfrage bestimme das Gesamtangebot, und nicht umgekehrt. Die Absatzerwartungen der Unternehmen bestimmten deren Arbeitskräftenachfrage, mithin Beschäftigungsniveau, Sozial- bzw. Inlandsprodukt und Volkseinkommen. Infolge von Sättigungserscheinungen könne nun aber der Fall eintreten, dass das Volkseinkommen nicht vollständig nachfragewirksam wird. Insoweit könne es zu Kontraktionsprozessen kommen. Sättigungserscheinungen begründet Keynes mit einem „fundamentalen psychologischen Gesetz“: Mit zunehmendem Einkommen würden die Konsumenten relativ (prozentual) immer weniger Güter nachfragen bzw. immer mehr sparen. „Postkeynesianer“ vermuten, dass solche „Sättigungserscheinungen“ auch Folge von Umverteilungsprozessen (niedrigere Lohnquoten und höhere Gewinnquoten induzieren höhere Sparquoten und niedrigere Konsumquoten) sein können. Als Konsumhypothese lässt sich insoweit formulieren: C = Ca + cY

mit c als „marginaler Konsumquote“ und Ca als „autonomem Konsum“.

Bei Betrachtung der durchschnittlichen Konsumausgaben (C/Y) wird deutlich, dass mit zunehmendem Einkommen (Y) prozentual immer weniger für Konsum (C) ausgegeben wird. Mit Ca=20 und c=0,8 folgen bspw. (C= 20+0,8Y): Y 50 100 200 400

C 60 100 180 340

C/Y 60/50 = 1,2 100/100 = 1 180/200 = 0,9 340/400 = 0,85

bzw. 120 % bzw. 100 % bzw. 90 % bzw. 85 %

103

C C =

Ca + cY

mit c = dC/dY als marginale Konsumquote

Ca Y Bild 81: Die Konsumfunktion

Die durchschnittliche Konsumquote konvergiert mit steigendem Einkommen gegen den Wert der marginalen Konsumquote. Erst jenseits eines bestimmten Einkommensniveaus (im Beispiel bei Y=100) wird gespart. Bei niedrigeren Einkommen wird „entspart“, d. h. Vermögen aufgelöst und abgebaut. Die gesamtwirtschaftliche Sparfunktion lässt sich insoweit aus der gesamtwirtschaftlichen Konsumfunktion unmittelbar ableiten. Mit der bekannten Einkommensverwendungsgleichung (Y = C + S) ergibt sich: S=Y-C S = Y - (Ca + cY) S = -Ca + Y - cY S = -Ca + Y(1 - c) Mit „Sa = -Ca“ und „s = 1 - c“ lässt sich die Sparfunktion auch so formulieren: S = Sa + sY mit s = dS/dY als „marginaler Sparquote“ und Sa als „autonomem Sparen“. Für C = 20 + 0,8Y folgt damit: S = -20 + 0,2Y Im Unterschied zur klassischen Theorie, in der die Spartätigkeit als zinsbestimmt angenommen wird, reagieren „keynesianische Sparer“ einkommensorientiert. S S = Sa + sY

mit s = dS/dY als marginale Sparquote

Y

Sa

Bild 82: Die Sparfunktion

104

Die Investitionsgüternachfrage (I) wird als vom Zins (z) bestimmt angenommen: I = I(z)

mit

dI/dz < 0

Investitionen werden als zinsabhängig betrachtet, weil Investitionsprojekte nur dann als lohnend erscheinen, wenn ihre erwarteten Renditen den bei der Finanzierung zu zahlenden (kalkulatorischen) Zinssatz übersteigen. In der Sprache der Mikroökonomie: Kapitalproduktivität und Kapitalkosten (Zinsen) müssen „zusammenpassen“ (s. B.5.3). Mit sinkenden Zinsen werden Investitionsprojekte ceteris paribus immer attraktiver. I I = I(z) mit dI/dz < 0

z Bild 83: Zinsabhängige Investitionsgüternachfrage

Bei einkommensabhängiger Betrachtung tritt allerdings die bei zinsabhängiger Investitionsgüternachfrage entscheidende Größe z nicht in Erscheinung. In der graphischen Darstellung ergibt sich als Investitionsgüternachfragekurve ein (bei z = zo) einkommensunabhängiger Verlauf (Parallele zur Y-Achse). Zinssenkungen (-erhöhungen) würden sich hier in einer Parallelverschiebung nach oben (unten) ausdrücken. I

I

I0

I0

z0

z

Y

Bild 84: Zinsabhängige Investitionsgüternachfrage im Einkommen/Ausgaben-Modell

Bei Annahme einer „geschlossenen Volkswirtschaft“ (weder Exporte noch Importe) und Vernachlässigung staatlicher Aktivitäten ergibt sich die Gesamtnachfrage (YN) aus der Summe der privaten Konsumgüter- (C) und Investitionsgüternachfrage (J): YN = Ca + cY + I0

105

Aufgrund der Identität von Nettosozialprodukt zu Faktorkosten und Volkseinkommen steht dem Volkseinkommen (Y) immer ein wertgleiches Güterangebot (YA) gegenüber. Als Gesamtangebotsfunktion ergibt sich daher unmittelbar: YA = Y YN = Ca + cY + I0

YN

C = Ca + cY Ca + I 0

Ca + I0

I0

I0

Ca

Ca

Y Bild 85: Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage in einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat

Stellt man Gesamtnachfrage und -angebot in einem Diagramm (Bild 86) gegenüber, so wird erkennbar, dass der jeweils „geplanten“ Gesamtnachfrage in der Regel kein entsprechendes Angebot gegenübersteht. Nur bei Y=Y0 befände sich der Gütermarkt im Gleichgewicht. Bei niedrigerem Einkommen (Y YA (Nachfrageüberhang bzw. „inflatorische Lücke“). YA YN

YA = Y

YN > YA YN = Ca + cY + I0

Expansion mit PÇ und YÇ

Gleichgewicht: A

Y =Y

N

Y = Ca + cY + I0

YN < YA Kontraktion mit PÈ und YÈ

45

0

Y0

Y - cY = Ca + I0 Y(1-c) = Ca + I0 1 (Ca + I0) 1-c 1 Y = (Ca + I0) s

Y=

Y

Bild 86: Das Gütermarktgleichgewicht in einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Staat

106

Bei höherem Einkommen (Y>Yo) träten demgegenüber Sättigungserscheinungen zutage. Das vorhandene Einkommen wäre infolgedessen nicht voll nachfragewirksam: YN < YA

Angebotsüberhang bzw. „deflatorische Lücke“

Im Falle eines Nachfrageüberhangs (bei YYo) würde es kurzfristig zu Preissenkungen und/oder „Lagerinvestitionen“ (Produktion auf Lager), mittelfristig dagegen zu Produktionsdrosselung und Beschäftigungseinbrüchen kommen. Angebotsüberhänge würden insoweit über kontraktive Anpassungsprozesse beseitigt werden. Ein entsprechender Anpassungsprozess zum Gütermarktgleichgewicht in Y0 wäre insoweit verbunden mit entstehender, ggf. auch zunehmender Arbeitslosigkeit. A

Y =Y

A

Y N Y

Y0N = Ca + c0Y + I0 N

Y1 = Ca + c1Y + I0

mit c1 < c0 geringere Konsumneigung bzw. höhere Sparneigung

45

0

Y1

Y0

Y

Bild 87: Das Sparparadoxon

Bereits an dieser Stelle wird ein Kuriosum deutlich, das sog. Sparparadoxon: Nach klassischer Auffassung ist mehr Sparen Voraussetzung für höhere Investition, höhere Produktion und höheren Wohlstand. Nach keynesianischer Auffassung bedeutet jedoch Sparen Nachfrageausfall. Erhöhte Sparneigung (= geringere Gesamtnachfrage) würde Kontraktionsprozesse auslösen, also Produktion, Einkommen und Beschäftigung (noch weiter) sinken lassen. Abbau der Arbeitslosigkeit über Produktions- und Einkommenssteigerungen seien nicht durch „mehr sparen“, sondern durch „weniger sparen“ erreichbar. Diesem „Patentrezept“ zur Überwindung von Rezessionsphasen steht allerdings entgegen, dass sich private Wirtschaftssubjekte im Zweifel weniger an gesamtwirtschaftlichen Erfordernissen als vielmehr an einzelwirtschaftlichen Zweckmäßigkeiten orientieren dürften: In Krisen neigen sie zu verstärkter Vorsorge (Konsumzurückhaltung, verstärkte Sparneigung). Aufgrund dieser „Rationalitätenfalle“ könne man sich nicht auf sie verlassen. Stattdessen müsse der Staat nachfragestützend intervenieren und sich dafür ggf. auch verschulden („deficit spending“) und zur Konjunkturankurbelung durch zusätzliche öffentliche Investitionen zusätzliche Nachfrage (dI0) schaffen. Gesamt-

107

nachfrage und Volkseinkommen würden sich zunächst um den Wert dieser zusätzlichen öffentlichen Investitionen erhöhen. In der Folge würden zusätzlich Multiplikatorwirkungen auftreten: Mit dem gestiegenen Einkommen würde die Konsumgüternachfrage stimuliert werden. Die steigende Konsumgüternachfrage würde wiederum die Produktion anregen und das Einkommen abermals steigen lassen. Mit dem Wechselspiel von steigender Nachfrage und steigendem Einkommen würde der endgültige Einkommensanstieg (dY) ein Mehrfaches der „Initialzündung“ (dIo) betragen, sofern die Investitionen dauerhaft erhöht bleiben (sonst nur vorübergehende „Strohfeuereffekte“). Begrenzt würde dieser Multiplikatorprozess nur dadurch, dass jeder Einkommenszuwachs nur nach Maßgabe der marginalen Konsumquote nachfragewirksam wird und daher allmählich abklingt. Der Multiplikatoreffekt lässt sich wie folgt bestimmen: 1 Aus einem Gütermarktgleichgewicht (s. Bild 86) mit Y = — (Ca + I0) s 1 folgt als „einfacher“ Investitionsmultiplikator: dY = — dI0 s A

A

Y =Y

Y YN

N

Y + dI0 N

Y = Ca + cY + I0

Multiplikatoreffekt: 1 dY = — dIo s

dI0

dY

450 Y0

Y1

Y

Bild 88: Der einfache Investitionsmultiplikator

Die Multiplikatorwirkung ist offenbar entscheidend von der marginalen Sparquote s bzw. der marginalen Konsumquote (c = 1 – s) bestimmt. Konterkariert würde die Multiplikatorwirkung aber durch „Crowding-Out-Effekte“: Die zusätzliche staatliche Kreditnachfrage lässt ceteris paribus die Zinsen steigen und damit die private Investitionsgüternachfrage schrumpfen. Ein „Nullsummenspiel“ wäre dann die mögliche Folge. Hinweis: Neben dem „einfachen“ Investitionsmultiplikator sind (im Rahmen komplexerer Modelle) auch „allgemeine“ und „spezielle“ Multiplikatoren ableitbar. Vgl. hierzu weiterführender Literatur studieren.

108

3.2 Der Kapitalmarkt Der Gütermarkt befindet sich im Gleichgewicht, wenn gilt (s. Bild 86): 1 Y = ― (Ca + I0) s Allgemein lässt sich das Gütermarktgleichgewicht wie folgt ableiten und darstellen: Mit YA = Y und YN = C(Y) + I(z) gilt im Gleichgewicht (YA = YN): Y = C(Y) + I(z) Y - C(Y) = I(z) S(Y) = I(z)

I

S

I = I(z)

S = Sa + sY I0 = S0 I1 = S1 I2 = S2

z0 z1

z2

Y2

z

Y1

Y0

Y

z z

IS-Kurve

45

o

z

Y

Übertragung alternativer Gleichgewichtswerte (zo/Yo etc.) in das (Y/z)-Diagramm ergibt die sog. IS-Kurve. Sie gibt an, bei welchen Zins/Einkommens-Konstellationen Güter- und Kapitalmarkt sich jeweils im Gleichgewicht befinden. Bild 89: Ableitung der IS-Kurve

109

Der Gütermarkt befindet sich im Gleichgewicht, wenn sich Sparpläne und Investitionspläne entsprechen (Ex-ante-Betrachtung). In der Regel werden sie jedoch voneinander abweichen. Ex post werden sich Investitions- und Sparvolumen buchhalterisch bedingt jedoch immer entsprechen (vgl. Bild 70!). Die Bedingungsgleichung „S = I“ beschreibt nicht nur das Gütermarktgleichgewicht, sondern zugleich auch das Kapitalmarktgleichgewicht, wenn man Sparpläne als Kapitalangebot und die Investitionspläne als Kapitalnachfrage interpretiert. Gütermarkt und Kapitalmarkt sind also „ineinander verzahnt“. Anders als auf dem klassischen Kapitalmarkt ist auf dem keynesianischen Kapitalmarkt jedoch nur die Kapitalnachfrage zinsbestimmt, das Kapitalangebot demgegenüber einkommensabhängig. Der keynesianische Kapitalmarkt ist infolgedessen „unterbestimmt“ (zwei Variablen mit nur einer Bestimmungsgleichung). Es sind insoweit beliebig viele (alternative) Gleichgewichtskonstellationen vorstellbar: Bspw. müsste einer zinsbedingt (niedrige Zinsen) hohen Kapital- bzw. Investitionsgüternachfrage ein dementsprechend hohes Sparvolumen gegenüberstehen. Ein hohes Sparvolumen würde indessen ein hohes Volkseinkommen voraussetzen. In der graphischen Darstellung ergibt sich insoweit eine „Gleichgewichtskurve“ (Bild 89). Ein kreditfinanziertes Investitionsprogramm des Staates („deficit spending“) würde bei Annahme unveränderter Zinsen im (I/z)-Diagramm die Kapitalnachfragekurve nach oben verschieben, bei z = zo bspw. nach Maßgabe des staatlichen Investitionsschubs (dIo) von Io auf I0* (s. Bild 90). Im Zuge der Multiplikatorwirkung könnte das Volkseinkommen von Y = Yo auf Y= Yo* ansteigen. Bei höherem Einkommen könnte aber auch entsprechend mehr gespart werden (S0*). Das Investitionsprogramm könnte sich insoweit „selbst finanzieren“: Der für das Investitionsprogramm benötigte Kredit wäre mit dem gestiegenen Sparvolumen „gedeckt“. Ein neues Kapitalmarktgleichgewicht wäre ceteris paribus auf höherem Einkommens- und Beschäftigungsniveau möglich. I

S

I = I(z)

S = Sa + sY S0*

I0 * I0

dI0

S0 I*

dY

I z0

z1

z

Y0

Y0*

Y

Bild 90: Veränderung eines Güter- und Kapitalmarktgleichgewichts bei „deficit spending“

Bei einem Zinsanstieg auf z1 käme es allerdings zu einem „totalen crowding-out“: Beschäftigung und Einkommen blieben auf dem bisherigem Niveau. Es käme „lediglich“ zu einer Verdrängung privater Nachfrage durch staatliche Nachfrage und damit zu einer Erhöhung der „Staatsquote“.

110

3.3 Der Geldmarkt Das Geldangebot ist in der keynesianischen wie in der klassischen Sicht institutionell bedingt (staatliches Geldmonopol!) „exogen gegeben“: M = M0

Geldangebot

Die Geldnachfrage resultiert aus klassischer Sicht nur aus dem Transaktionsmotiv (Zahlungsmittelfunktion → Geldbedarf). Keynesianer berücksichtigen noch andere, der Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes entsprechende Motive: das Vorsichtsmotiv („Vorsichtskasse“ für Unvorhergesehenes) und das Spekulationsmotiv („Spekulationskasse“ für eventuelle Wertpapierkäufe). Transaktions- und Vorsichtsmotiv münden in die Nachfrage nach Transaktionskasse (LT). Sie wird wie in der Klassik als vom Volkseinkommen abhängig angenommen, also (vgl. Bild 78): LT = k·Y = k·P·Yr

Nachfrage nach Transaktionskasse

Für die Nachfrage nach Spekulationskasse (LS) wird Zinsabhängigkeit angenommen: LS = LS(z) mit dLS/dz 0

In der graphischen Darstellung in Form von Preis/Mengen-Diagrammen (Bild 96) ergibt sich insoweit makro-ökonomisch (fast) das mikro-ökonomisch gewohnte Bild. Im Gegensatz zur „üblichen“ mikroökonomischen Angebotskurve weist die gesamtwirtschaftliche Angebotsfunktion jedoch zwei Extrembereiche auf: Eine Produktion über die Kapazitätsgrenze Ykap (mit Vollbeschäftigung!) hinaus ist nicht möglich , so dass ab Ykap das gesamtwirtschaftliche Güterangebot vollkommen preisunelastisch reagiert. Demgegenüber reagiert das Güterangebot bei völlig unterausgelasteten Produktionskapazitäten (horizontaler Bereich der Angebotskurve) vollkommen preiselastisch. Unterhalb eines bestimmten Preisniveaus (analog zu mikroökonomischen „Preisuntergrenzen“) erfolgt kein Angebot. Im „Normalbereich“ mit zunehmend ausgelasteten Kapazitäten reagiert das Angebot auf Preisniveauerhöhungen positiv. P A(P)

Konjunkturprogramm

N(P) → N(P)↑ Keynesbereich

Normalbereich

klass. Bereich

Ykap

Yr

Bild 96: Angebot und Nachfrage gesamtwirtschaftlich

Liegt das Ausgangsgleichgewicht im „Normalbereich“ der Angebotskurve (wie in Bild 96), so hätten expansive fiskalpolitische Maßnahmen („Konjunkturprogramm“) nicht nur positive Einkommens- und Beschäftigungswirkungen, sondern auch inflationäre Wirkungen. Im „Keynesbereich“ wären nur Einkommens- und Beschäftigungswirkungen, im „klassischen Bereich“ (bei Ykap) ausschließlich inflationäre Wirkungen zu erwarten.

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WEITERFÜHRENDE LITERATUR Bartling/Luzius, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre Brauner/Vollmer, Erfolgreiches wissenschaftliches Arbeiten Felderer/Homburg, Makroökonomik und neue Makroökonomik Frank, W., Auswirkungen von Fahrpreisänderungen im öffentlichen Personennahverkehr Frenkel/John, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung Fritsch/Wein/Ewers, Marktversagen und Wirtschaftspolitik Herdzina, K., Einführung in die Mikroökonomik Issing, O. (Hrsg.), Geschichte der Nationalökonomie Mussel, G., Einführung in die Makroökonomik Mussel, G., Grundlagen des Geldwesens Mussel/Pätzold, Grundfragen der Wirtschaftspolitik Schumann, J., Grundzüge der mikroökonomischen Theorie Thieme, H.-J., Soziale Marktwirtschaft Zimmermann/Henke, Finanzwissenschaft

Weitere Literaturhinweise möge der Leser den o. g. Werken entnehmen.

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STICHWORTVERZEICHNIS Aggregation, 75, 89 Aktionsparameter, 45, 57 Allokation, 16, 24, 28ff, 67 Allokationseffizienz, 27, 74, 85, -politik, 32 -probleme, 18, 28 Angebot, 41ff, 73ff, 101ff Angebotspreisvorstellung, 83 Arbeitsmarktgleichgewicht, 93, 114 Arbeitsnachfrage, 81 93, 114 Ausgaben, 45ff Auslese, adverse, 77 Bedarf, Bedürfnis, 15 Betriebsoptimum, 71ff Break-even, 60, 71f Bruttoinlandsprodukt, 16, 29, 91, 92 -nationaleinkommen, 16, 90 -produktionswert, 88 -sozialprodukt, 90 -wertschöpfung, 88 Budgetgerade, 48f, 54ff -gleichung, 47ff, 66 Cambridge-Gleichung, 101 Cournot-Menge, 78 -Preis, 78 -Punkt, 78 Crowding-out, 108, 110 Deflation, 29, 97, 115 Deflatorische Lücke, 107 Demonstrationskonsum, 39 Dichotomie, klassisch, 101f Distribution, 16, 24 Distributionsproblem, 18, 28 -politik, 32 Effizienz, s. „Allokationseffizienz“ Effizienzvergleich Monopol/Polypol, 79 Einkommen/Ausgaben-Modell, 103, 105 Einkommensverwendung, 45, 87, 91, 104 Entscheidungsfeld, 45, 57 -parameter, 45, 55ff, 81 Erlös, 44, 57ff, 82

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Ertragsgebirge, 61f -gesetz, klassisch, 60ff ex ante, 110 ex post, 91, 110 Expansionspfad, 69f Faktorkosten, 87ff, 93, 106 -variation, 58, 61ff Gedankenexperiment, 13 Geldangebot, 100f, 111f -hyperbel, 101 -illusion, 93, 96, 114 -marktgleichgewicht, 101, 112f -mengenregel, 101 -nachfrage, 100, 111f -nachfragefunktion, 100, 101 -schleier, 102 -sphäre, 101ff Gemeinnützigkeit, 80, 89 Generationenvertrag, 36 Gesamtangebot, 77, 101, 103, 106 -nachfrage, 33, 84f, 101ff Gewerbefreiheit, 82 Gewinneinkommen, 94 -quote, 84, 94, 103 -schwelle, 60,71 -zone, 60,71 Giffen-Fall, 56 Gossen’sche Gesetze, 46, 53, Grenzausgaben, 45f, 55 -erlös, 58 -erlös/Grenzkosten-Regel, 71, 77 -kosten, 71ff -kostenpreis, 73, 80 -nutzen, 46f, 52f -nutzen/Preis-Regel, 53 -produktivität, 58, 64ff -produktivitätsregel, 81ff, 94 Grenzrate der Substitution objektive, 48, 54 subjektive, 51f technische, 65 Grenzrate der Transformation, 17

Güter demeritorische, 12, 33, 39 freie, 11, 15 immaterielle, 12 inferiore, 37 knappe, 12, 15 marktunfähige, 27 materielle, 12 meritorische, 12, 33 ,39 öffentliche, 12, 27 private, 12 superiore, 37 Gütermarktgleichgewicht, 106ff Höchstpreise, 44, 76 Homogenitätsgrad, 63f Indifferenzkurve, 50, 54, 56 Indikatorfunktion, 115 Individualgüter, 12 Inflation, 9, 29, 115f Inflatorische Lücke, 106 Inländerdiskriminierung, 81 Inländerproduktionskonto, 90 Inlandsproduktionskonto, 90 Inputoptimierung, 57, 66, 81f Investition, 18, 95ff, 105ff Investitionsgüter, 12, 86ff -multiplikator, 108, 113 -güternachfrage, 97, 105 Isokostengleichung, 66 -quanten, 62, 62 -quantengleichung, 63, 64ff Kapazitätslinie, gesamtwirtsch., 16 Kapitalmarktgleichgewicht, 95, 110, 113 Kassenhaltungskoeffizient, 100f Keynes-Bereich, 112 Keynes-Effekt, 115 Knappheitsproblem, 15 Kollektiveigentum, 23 -güter, 12 Komplementärgüter, 12 Konjunkturtheorie, 29 Konkurrenz, vollkommene,74ff -gleichgewicht, 79f Konsumentenrente, 43f, 76, 80 Konsumgüter, 12, 86, 90f, 95 -hypothese, 103 -optimum, 52ff

Kosten, extern, 27f Kostenfunktion, 59f, 66f -vorteil, absoluter, 10, 20f komparativer, 10, 20f Kreislaufdarstellung, 85f -modell, 86f Kreuzpreisnachfrage, 37, 56 Lagrange-Verfahren, 53, 67 Liquiditätsfalle, 111f Lohneinkommen, 94 -quote, 94, 103 -stückkosten, 83 Magisches Viereck, 28 Marginalgrößen, 83 Markt, unvollkommen, 27f Marktgleichgewicht, 11, 42ff, 76 -wirtschaft kapitalistische, 24ff sozialistische, 24ff soziale, 30 ff. Marktaustritt, 75 -zutritt bzw. -zugang, 75, 81 Marktzugangsbeschränkungen, 24, 27 Maximumprinzip, 19 Meisterbriefe, 24, 27, 81 Mengenanpasser, 58, 60, 74f, 81 Methode ceteris-paribus, 13 deduktive, 13 induktive, 13 Mindestlöhne, 44, 81, 114 Mindestpreise, 44, 76, 81 Minimumprinzip, 19 Monopolkommission, 34 -preisbildung, 77ff Monopol -/Polypol, Effizienzvergleich, 80 natürliches, 81 öffentliches, 81 Multiplikatoreffekt, 108 -wirkung, 108 Nachfrage, 37ff, 42, 55 Nettoinvestition, 18, 91f -nationaleinkommen, 90f -sozialprodukt, 90f, 96f, 106 -wertschöpfung, 87ff Normalbereich, 112ff 119

Nutzen, 36, 45, 75ff -gebirge, 50 -niveau, 46, 52ff -überschuss, 54 Ökonomisches Prinzip, 19, 75 Opportunitätskosten, 17, 20f, 57 Optimierung, 19, 36, 52, 65, 71, 78 Optimum optimorum, 74 Ordnungspolitik, 30f Outputoptimierung, 57, 71 Pareto-Optimum, 74, 76 Planung dezentrale, 23 zentrale, 23 Popper-Kriterium, 14 Preis/Grenzkosten-Regel, 71, 77 Preiselastizität, 39f elastischer Bereich, 40 unelastischer Bereich, 40 Preismechanismus, 24, 43 -untergrenze, 71ff Privateigentum, 23, 31 Produkionsoptimierung, 77 -funktion, 58ff -konto, 87ff -möglichkeitenkurve, 16ff -optimum, 60, 71ff Produzentenrente, 43ff, 76ff Prohibitivpreis, 38f Quantitätsgleichung, 101 Rationalitätenfalle, 84, 107 Rationierung, 19, 23 Realkasseneffekt, 115 Sättigungsmenge, 38f Say’sches Theorem, 11, 97, 101 Schlafmützenkonkurrenz, 75, 80 Schlüsselfunktion, 94 Sektor privater, 34 staatlicher, 34 Selbststeuerung, 31, 42, 74 Sozialer Überschuss, 76 -paradoxon, 107

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Sozialprodukt, 75, 86f Sparfunktion, 104 Spekulationskasse, 111f Spezialisierung, 20f Stabilisierungspolitik, 32, 85 Stabilität des privaten Sektors, 34, 84 Stabilitätspessimus, 85 -problem, 18, 28f Strohfeuereffekte, 108 Stückkosten, 71f, 83 Substitutionsgüter, 12, 55f Tauschhandlung, 13 Theoriebildung, 14, 35 -überprüfung, 14 Tonnenideologie, 26 Transaktion, 12f -aktionskasse, 111f Transformationskurve, 16ff Verbrauchsfunktion, 59, 65 Verdrängungswettbewerb, 79, 80 Volkseinkommen, 90ff Volkswirtschaftl. Gesamtrechnung, 85ff Wachstum, 28, 29, 81, 92 Weiche Pläne, 26 Wertaufbewahrungsmittel, 22 -ausdrucksmittel, 22 -übertragungsmittel, 22 Wettbewerb, dynamischer, 80 Wirtschaftsobjekt, 12, 35 ordnung, 23 subjekt, 12f, 30ff system, 16f, 23ff Wissenschaftsdisziplinen, 9f Wohlfahrt, 36, 44, 77, 81 Wohlfahrtsgewinn, 21 -verlust, 80 Zentralverwaltungswirtschaft kapitalistische, 23ff sozialistische, 23ff