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German Pages 20 Year 1982
Helmut Schlesinger Verteidigung des Geldwertes in einer inflatorischen Umwelt
Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e. V. Berlin Heft 72
w DE
G 1982
Walter de Gruyter · Berlin · New York
Verteidigung des Geldwertes in einer inflatorischen Umwelt
Von Helmut Schlesinger
Vortrag gehalten vor der Berliner Juristischen Gesellschaft am 27. Januar 1982
w DE
G
1982
Walter de Gruyter · Berlin · N e w York
Dr. Drs. b. c. Helmut
Schlesinger
Vizepräsident der Deutschen Bundesbank
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Schlesinger, Helmut: Verteidigung des Geldwertes in einer inflatorischen Umwelt : Vortr. gehalten vor d. Berliner Jurist. Ges. am 27. Januar 1982 / von Helmut Schlesinger. - Berlin ; New York : de Gruyter, 1982. (Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft e.V. Berlin ; H . 72) ISBN 3-11-008953-X N E : Juristische Gesellschaft : Schriftenreihe der Juristischen . . .
© Copyright 1982 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'scne Verlagsnandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J. Triibner, Veit 6c Comp., Berlin 30. Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Printed in Germany. Satz und Druck: Saladruck, Berlin 36 Bindearbeiten: Vertagsbuchbinderei Dieter Mikolai, Berlin 10
In den ersten beiden Jahrzehnten nach der Währungsreform war die Verknüpfung wirtschaftspolitischer und rechtlicher Probleme auf dem Gebiete des Währungswesens noch kein Gegenstand, dem besonders lebhaftes juristisches Interesse entgegengebracht werden mußte. Mit der starken Inflationsbeschleunigung Anfang der siebziger Jahre änderte sich dies jedoch schlagartig. D e r Einfluß der Geldentwertung auf langlaufende Schuldverhältnisse, die Frage der Indexierung, das Verhältnis von Inflation und Steuerrecht wurden im letzten Jahrzehnt vielfach in der juristischen Literatur behandelt. Tatsächlich läßt sich nicht bestreiten, daß elementare Rechtsgrundsätze wie der Gleichheitsgrundsatz, das Sozialstaatsprinzip oder das Grundrecht des Eigentums von der Geldentwertung tangiert, ja unter Umständen ausgehöhlt werden können. In manchen dieser juristischen Fragen hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1979 über die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Zinserträgen zweifellos eine gewisse Klärung gebracht. Denn die Entscheidung des Gerichts hat über das Steuerrecht hinaus Maßstäbe gesetzt, die für unser gesamtes Rechts- und Wirtschaftsleben richtungweisend sind, jedenfalls unter der Klausel „rebus sie stantibus". Anders ausgedrückt: Manche dieser Grundsätze würden erneut in Frage gestellt, wenn es nicht weiterhin gelänge, die Geldentwertung einzudämmen und ihre sozialen Folgen zu reduzieren.
I. Auftrag des Bundesbankgesetzes und weltweite Inflationsbeschleunigung Zu dieser rechtspolitischen Diskussion möchte ich mich nicht weiter äußern. Das geschriebene Recht gibt praktisch keine Handhabe, die Inflation von ihren Ursachen her zu bekämpfen; mit den Mitteln des Rechts lassen sich allenfalls die Folgen der Inflation mildern. Die Wirt-
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schaftspolitik und speziell die Geldpolitik ist aber aufgerufen, eine inflationäre Entwicklung möglichst zu verhindern. Nach dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 sind alle wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen von Bund und Ländern so zu treffen, daß sie „gleichzeitig zur Stabilität des Preisniveaus, zu einem hohen Beschäftigungsstand und außenwirtschaftlichem Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wirtschaftswachstum beitragen" (sog. magisches Viereck). U n d die Bundesbank hat den expliziten Gesetzesauftrag, mit ihren Mitteln „die Währung zu sichern". Das ist zwar nicht so zu interpretieren, als ob die Geldwertstabilität völlig losgelöst vom wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang alleinige Richtschnur der Geldpolitik sein könnte; tatsächlich hat die Bundesbank ihren gesetzlichen Auftrag auch nie so ausgelegt. Aber im Zusammenspiel aller wirtschaftspolitischen Entscheidungsträger hat sie ihr Wächteramt um die Geldwertstabilität nach dem Willen des Gesetzgebers doch stets als ihre vorrangige Aufgabe angesehen. Daß die Bundesbank in so starkem Maße auf das Primat der Geldwertstabilität verpflichtet wurde, stärker, als dies bei ausländischen Notenbanken üblich ist (falls für diese überhaupt gesetzliche Aufgaben formuliert wurden), und daß sie zur Erfüllung dieser Aufgabe mit weitgehender Autonomie ausgestattet wurde, liegt zum einen an den besonders schmerzlichen Erfahrungen der Deutschen mit der Inflation und auch daran, daß sie gezwungen waren, darüber intensiver nachzudenken. Ausländische Gelehrte - wie etwa Irving Fisher - haben zwar die Inflationstheorie früh bereichert, nicht zuletzt auf Grund des Studiums der ersten großen Inflation in Deutschland - aber sie fanden lange Zeit in ihren eigenen Ländern kaum ein Echo. In meiner Sicht war für den besonderen deutschen Weg überdies wichtig, daß eine zweimalige erfolgreiche Neuordnung des Geldwesens bewiesen hatte, daß eine Gesundung der Wirtschaft nur mit gesundem Geld möglich ist. Wichtig war schließlich auch, daß eine Schule von liberalen Nationalökonomen und Juristen nicht müde wurde, diese Erfahrungen weiterzutragen und in der Geldund Wettbewerbsordnung zu verankern. Rückblickend kann man feststellen, daß der Auftrag des Bundesbankgesetzes in den fünfziger und sechziger Jahren recht gut, seit den siebziger Jahren aber weniger befriedigend erfüllt werden konnte. Während der fünfziger Jahre (mit Ausnahme des Jahres 1951) betrug die Preissteigerungsrate bei den Lebenshaltungskosten etwa ein Prozent, in den sechziger Jahren zweieinhalb Prozent, in den siebziger Jahren aber fünf Prozent. Die Ursachen für diese Inflationsbeschleunigung sind zweifellos komplex. Hausgemachte Komponenten waren hier ebenso im Spiel wie
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die weltweite Inflationsbeschleunigung und die Schwierigkeit, sich ihr zu entziehen. So war die durchschnittliche Preissteigerungsrate in den USA in den siebziger Jahren mit über 7 % etwa dreimal so hoch wie in den Sechzigern, als sie von der in der Bundesrepublik kaum abwich. In den größeren Ländern der E G war die Inflationsrate im letzten Jahrzehnt mit durchschnittlich 10 % etwa doppelt so hoch wie bei uns. Als eine Ursache der weltweiten Inflationsbeschleunigung sind der Öffentlichkeit vor allem die zweimalige Explosion der Olpreise und die zeitweilige Hausse bei anderen Rohstoffpreisen im Bewußtsein. So wichtig diese Preisschübe waren, sie allein erklären nicht alles. Die weltweite Inflationsverstärkung setzte bereits einige Jahre vor dem ersten Olschock ein. Insoweit liegt ihre Ursache nicht im Verhalten der Olproduzenten, sondern in wirtschafts- und geldpolitischen Steuerungsfehlern der Industrieländer selbst. Vielfach nahm man zunächst die Inflationsbeschleunigung gelassen in Kauf. Hohe Inflationsraten wurden nicht selten als weniger gefährlich angesehen als hohe Arbeitslosenquoten, und der Glaube war stark, mit etwas mehr Inflation ließen sich ein kräftiges wirtschaftliches Wachstum und Vollbeschäftigung erkaufen. Versuche, die Inflation zu bremsen, wurden daher oft nur halbherzig verfolgt und aufgegeben, sobald sich eine vorübergehende Wachstumsabschwächung abzeichnete. Für die Olländer bedeutete dies, um nur diesen Aspekt zu streifen, daß sie bei lange Zeit konstanten und dann nur langsam steigenden Preisen (in Dollar) für ihr Erdöl realiter immer weniger bekamen. Unmittelbar vor der ersten Olpreiserhöhung konnten die Olproduzenten beispielsweise für 100 Barrel Ol nur noch 2Vi Unzen Gold kaufen, gegen etwa 5 Unzen Gold in den meisten der vorangegangenen Jahre. Mit der Olpreiserhöhung haben die Olländer dann den Verlust an Realkaufkraft freilich weit mehr als wettgemacht. Das gilt besonders gegenwärtig; das Austauschverhältnis von Rohöl zu Gold, zu Rohstoffen oder auch zu Industriewaren war für O l selten so günstig wie zur Zeit. M. a . W . : das Kosten- und Preisniveau der Industrieländer hat insofern einen starken Auftrieb erhalten, der sich nun freilich von dieser Seite her - zumindest zunächst - nicht fortsetzen dürfte; ja, ein Rückgang des realen Ölpreises (d. h. gemessen an den Preisen unserer Exportgüter) scheint mir für einige Zeit nicht ausgeschlossen. Ein weiterer, entscheidender Aspekt ist dieser: Gegen Ende der siebziger Jahre haben die meisten Industrieländer erkannt, daß das permissive Verhalten gegenüber der Inflation die übrigen wirtschaftspolitischen Probleme nicht verringert, sondern schließlich vergrößert. Mit der Inflationsbeschleunigung ging eine Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums und eine Verschärfung der sozialen Spannungen einher. Es wurde er-
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kannt, daß man auf die Dauer mit mehr Inflation nicht mehr, sondern weniger Wachstum erreicht. Das gilt auf alle Fälle längerfristig, da die Inflation die Wachstumsgrundlagen - die produktiven Investitionen
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verringert und zu einer fehlerhaften Verwendung der Ressourcen, auch der Investitionen, führt. Aber selbst auf kürzere Frist erscheint der Versuch, mehr Beschäftigung durch inflationsträchtige Maßnahmen erreichen zu können, zweifelhaft. Diese Erkenntnis steht m. E . derzeit auch hinter dem Ringen um ein sogenanntes Beschäftigungsprogramm. Wenn die Bundesregierung sich hier auf den Standpunkt stellt, ein solches Programm nicht durch zusätzliche Kredite zu finanzieren, so kann man auch sagen, daß sie sich dagegen wehrt, in der gegenwärtigen Lage bei schon sehr hohen Defiziten mit einem solchen Programm Defizite noch zu erhöhen und u. U . neue Inflationsimpulse auszulösen. D a ß dieser Konflikt wirklich besteht, ist auch daran zu erkennen, daß sich die Befürworter solcher defiziterhöhenden Programme in der Regel darüber ausschweigen, was sie für Preise, Kosten, Wechselkurse - und damit wieder Preise - bedeuten würden.
II. Geldmengensteuerung als Hilfsmittel der Inflationsbekämpfung Mit der vordringlichen wirtschaftspolitischen Zielsetzung, die Inflation zu bekämpfen, ist weltweit die Erkenntnis in den Vordergrund gerückt, daß es dazu einer Begrenzung des Geldmengenwachstums bedarf. Es ist kaum streitig, daß ohne eine übermäßige Ausweitung der Geldmenge allgemeine Preissteigerungen auf die Dauer nicht möglich sind. Zwar muß eine übermäßige Geldvermehrung selbst nicht notwendigerweise die auslösende Ursache des Preisauftriebs sein, obwohl das sehr häufig der Fall sein dürfte. Mit der Bemessung des „Geldmantels" der Wirtschaft steckt aber die Geldpolitik die Grenzen für den Anstieg des Preisniveaus mit ab, da die Geldmenge - jedenfalls auf etwas längere Sicht - den Ausgabenspielraum einer Volkswirtschaft begrenzt, also auch nicht-monetären Preisauftriebstendenzen - etwa den Folgen autonomer Preis- und Kostenerhöhungen - Grenzen setzt. Inflationsbekämpfung bedeutet demnach in erster Linie, das Geld knapp zu halten. Es ist zweifellos das Verdienst einer theoretischen Richtung der Nationalökonomie, des sog. Monetarismus, diese Erkenntnis propagiert und mitgeholfen zu haben, in praktische Politik umzusetzen. Wie ich schon andeutete, ist diese Erkenntnis freilich so neu nicht. Schon die Quantitätstheorie von Irving Fisher hat diesen Zusammenhang - etwas primitiver, zugegebenerweise - formuliert. Man kann auch sagen,
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daß das Bundesbank-Gesetz auf dieser Erkenntnis beruht. Die Formulierung, wonach die Bundesbank Geldumlauf und Kreditversorgung zu regeln habe mit dem Ziel, die Währung zu sichern, bringt dies klar zum Ausdruck. Das Gesetz erweist sich somit in seinen theoretischen Grundlagen als durchaus zeitgemäß. Es ist nicht selten als ein Mangel angesehen worden, daß das Bundesbankgesetz keine Verpflichtung zur antizyklischen Politik, also zur Gegensteuerung gegen das Auf und Ab der Konjunktur enthält. Die Erfahrung weiter zurückliegender Jahre lehrt, daß eine Geldpolitik, die sich vornehmlich an der Konjunkturlage orientiert, dazu neigt, das Ziel der Preisstabilität hintanzusetzen. Die Gefahr ist groß, daß man einem Nachfragemangel schnell durch Senkung der Zinsen und Erhöhung der Liquidität abzuhelfen sucht, besonders dann, wenn andere Maßnahmen politisch nicht zu realisieren sind. Aber je mehr diese Medizin angewendet wurde, um so weniger wirkte sie. Die Teilnehmer am Wirtschaftsprozeß machten die Erfahrung, daß solche Ankurbelungsmaßnahmen leicht zu mehr Inflation führen; sie nahmen und nehmen daher die Folgen dieser Politik für Preise und Kosten in ihren Dispositionen vorweg. Die Anregungsmaßnahmen führen dann in der Tat nicht zum Erfolg im Sinne von mehr Wachstum und mehr Beschäftigung, wohl aber stellt sich alsbald der Katzenjammer in Gestalt einer höheren Inflationsrate ein. Das Ergebnis dieser Erfahrung muß nun freilich nicht sein, daß sich die Geldpolitik aller konjunkturpolitischen Aktivität enthält, aber sie muß sich hier vorsichtig - vorsichtiger als früher - verhalten und darf dabei die längerfristigen Erfordernisse der Geldwertstabilität nicht aus dem Auge verlieren. Zur Inflationsbekämpfung unter solchen mittelfristigen Perspektiven bedienen sich heute viele Notenbanken der Vorwegankündigung von Geldmengenzielen, eine Praxis, die die Bundesbank, alsbald gefolgt von der amerikanischen und der schweizerischen Notenbank, Ende 1974 begann. Die Bundesbank hat seither an der jährlichen Ankündigung eines Geldmengenziels festgehalten, auch wenn gelegentlich Schwierigkeiten bei der Formulierung und - mehr noch - bei der Erreichung des Zieles auftraten. Die Nennung eines geldpolitischen Mengenziels soll allen Beteiligten den stabilitätspolitisch begrenzten Rahmen für die Geldschöpfung verdeutlichen, also den abstrakten Zusammenhang zwischen Geldschöpfung, Wirtschaftswachstum und Inflationierung etwas anschaulicher machen. Damit soll gleichzeitig die Abstimmung mit den übrigen Teilbereichen der Wirtschaftspolitik erleichtert werden. Gegen eine geldmengenorientierte Politik wird gelegentlich eingewandt, sie müsse schon an der Unmöglichkeit einer exakten Definition
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des Begriffes „Geld" scheitern. N u n trifft sicherlich zu, daß im modernen Geldsystem verschiedene Abgrenzungen dessen, was man sinnvollerweise zum Geld rechnet, denkbar sind und daß keine Definition in jeder Hinsicht voll befriedigt. Doch hieße es das Kind mit dem Bade ausschütten, wenn man hieran eine geldmengenorientierte Politik scheitern ließe. Allerdings muß man für jedes Geldsystem sorgsam prüfen, welche Geldmengendefinition hier sinnvoll ist; das ist eine Grundvoraussetzung, die auch von Milton Friedman so gesehen wurde, im Meinungsstreit von seinen Jüngern aber zu wenig beachtet wird. Die Bundesbank hat sich beispielsweise für die Zentralbankgeldmenge • entschieden, unter der man, grob gesprochen, den Bargeldumlauf und die von den Geschäftsbanken im Rahmen ihrer Mindestreserveverpflichtung bei der Bundesbank zu unterhaltenden Guthaben versteht. Diese Abgrenzung hat vor allem zwei Vorteile: Sie steht zum einen auf mittlere Sicht in einem eher noch engeren Zusammenhang mit den Ausgaben der Wirtschaft bzw. der Preisentwicklung als andere Geldmengenaggregate. Zum anderen macht sie die Verantwortung der Bundesbank für die Geldmengenausweitung besonders deutlich, da Zentralbankgeld nur von der Bundesbank selbst geschaffen werden kann. Demgegenüber scheint mir ζ. B. das Vorgehen der Amerikaner, Ziele für mehrere Geldmengendefinitionen gleichzeitig festzulegen, nur eine „zweitbeste" Lösung zu sein. Wenn das im einzelnen auch begründet sein mag, so will mir doch scheinen, daß eine solche Praxis u . U . eher zur Verwirrung als zur Erhellung beiträgt. Jedes statistische Konzept hat seine Tücken, man muß sie kennen, darauf hinweisen und u. U. korrigieren. Das ist bei allen wirtschaftsstatistischen Reihen so, auch wenn diese oft als völlig unproblematisch akzeptiert werden, wie das Sozialprodukt, das Preisniveau oder auch die Zahl der Beschäftigten. Wie schon angedeutet, auch die Geldmenge, unsere „Zentralbankgeldmenge" hat ihre Tücken; sie ist z.B. anfällig gegen Sonderbewegungen des Bargeldumlaufs, die sie überzeichnet. Andererseits machen diese Schwierigkeiten deutlich, daß sich das Geschäft der Notenbank auch mit einem Geldmengenziel nicht auf eine bloße „Steuerungsautomatik" reduzieren läßt und daß die Notenbank neben ihren Zielgrößen noch ein breites Spektrum monetärer und allgemeiner Wirtschaftsdaten beobachten muß. Auch in anderer Hinsicht darf man das Konzept der Geldmengensteuerung nicht zu puristisch sehen. Die Bundesbank kann die Geldmenge nicht direkt steuern, etwa indem sie heute Wechsel ankauft und morgen nicht, also heute den Hahn auf- und morgen wieder zudreht. Sie steuert die Geldmenge über ihre Zins- und Liquiditätspolitik, mit der sie die Geldschaffung der Banken und das Verhalten der Nichtbanken beein-
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flußt. Diese Steuerung ist kurzfristig nicht sehr präzise. Es wäre deshalb ein Mißverständnis, zu meinen, die Bundesbank könnte die von ihr angestrebte Geldmengenausweitung auch auf kurze Frist, etwa von W o che zu Woche oder von Monat zu Monat einhalten. Eine solche exakte Steuerung ist auch kaum erforderlich, ja gelegentlich nicht einmal nützlich. Das Konzept der Geldmengensteuerung ist mittelfristiger Natur. Nach unserer Auffassung kann das daran gemessen werden, ob die Notenbank die festgesetzte Rate der Geldmengenexpansion etwa in der dafür vorgesehenen Jahresfrist erreicht, nicht daran, ob dies Monat für Monat geschieht, zumal oft zu erkennen ist, daß manche Überzeichnung in einem Monat aus zuweilen offenkundigen Gründen einen oder zwei Monate später zu einer Korrektur führt. Die Kenner der hiermit angeschnittenen mehr „technischen" Probleme, die ich hier nicht weiter vertiefen kann, wissen, daß ich mich mit diesen Sätzen weniger an deutsche Kritiker wende (sie sind in diesem Punkte praktisch nicht vorhanden), sondern daß ich hier die amerikanische Praxis der Geldmengensteuerung meine, die m. E. zu kurzfristig reagiert. Jedenfalls hat sich dort - beabsichtigt oder nicht - ein Verhaltensmuster herausgebildet, das sehr kurzfristige (u. U. wöchentliche) Abweichungen der Geldmenge vom Zielpfad mit ebenso kurzfristigen Änderungen im Einsatz geldpolitischer Instrumente beantwortet, ja beantworten muß, weil nun ein Nichtreagieren als eine Kursschwenkung ausgelegt wird. Die Folge hiervon sind mitunter starke Ausschläge der Zinsen und schließlich der Wechselkurse. Ob man so kurzfristig reagiert, ist m. E. keine Frage der Strategie, sondern der Taktik. Nicht die Strategie - die Lehre von der Führung der Schlachten, hier die Inflationsbekämpfung auf geldpolitischem Wege - steht zur Diskussion, sondern die Taktik, die Führung der Gefechte und Scharmützel, also die kurzfristige Beeinflussung von Liquidität und Geldmarktzinsen. Letztlich wird der Erfolg der Geldmengenpolitik daran gemessen, wie sie der Erreichung des obersten Ziels, d. h. der Preisstabilität, dient. Die Bundesbank hat das dafür passende Mengenziel jeweils für ein Jahr und für einen Zielkorridor (1982: 4 - 7 % ) angekündigt, so daß sie auch im Jahresverlauf leichte Korrekturen vornehmen kann. Hat sich nun diese neue Form der deklarierten Geldmengenpolitik bewährt? Was die Bundesrepublik betrifft, so mag man beim ersten Blick auf die gegenwärtig sehr hohe Inflationsrate ( 6 % ) geneigt sein, diese Frage zu verneinen. Betrachtet man die Dinge genauer, ergibt sich ein differenzierteres Bild. Das allmähliche Zurückdrängen der Inflation nach 1973 war sicherlich ein Erfolg dieser Politik, wenn er auch in diesem Ausmaß - ein Rückgang der Preissteigerungsrate von 7 % 1973/74 bis
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2 / 2 % 1978 - nicht allein auf die innere Geldpolitik zurückzuführen ist. D i e beträchtliche Aufwertung der D - M a r k hat damals mit dazu beigetragen. Sie war zwar auch, aber nicht allein, eine Folge der Stabilitätspolitik im Innern. Nicht zuletzt hat die Inflationsentwicklung im Ausland dazu geführt, daß die Bundesrepublik zeitweilig zum Zufluchtshafen für Auslandsgeld wurde. Ü b e r die Aufwertung der D - M a r k profitierte sie davon, wurde auf jeden Fall der Import von Inflation gebremst. Nach dem zweiten Olpreisschock fiel die Bilanz bisher nicht so positiv aus. Die Gründe hierfür sind aber vielfältig, vor allem wurde die Preisstabilisierungsaufgabe durch den zeitweiligen Kursverfall der D - M a r k gegenüber dem Dollar zusätzlich erschwert, der im übrigen ähnlich übertrieben war wie vordem die Aufwertung. Aufsehen hat in den letzten zwei Jahren die geldmengenorientierte Politik im Ausland, vor allem in den U S A und in
Großbritannien
gefunden. Das lag zum einen an der spektakulären Wende der Politik, die bis dahin ziemlich permissiv gewesen war, und zum anderen schließlich an den ersten Erfolgen. So konnten in Großbritannien die Inflationsraten, die im Sommer 1980 im Vorjahresvergleich über 20 % betrugen, innerhalb eines Jahres halbiert werden. Und in den U S A , wo seit nunmehr gut einem J a h r eine besonders strikte Variante der Geldmengenpolitik verfolgt wird, konnte die Zuwachsrate bei den Preisen immerhin von rund 14 % wieder auf unter 10 % zurückgeführt werden. Heute liegt sie - bei gleichem statistischen Konzept wie in der Bundesrepublik - bei 8 bis 9 % . D a die Wende so ausgeprägt ist, sind auch die Gefahren einer solchen Kehrtwendung nicht gering. Weithin wurde die Hoffnung verbreitet, es käme nur darauf an, die Geldmenge knapp zu halten und ihr Wachstum, auch bei kurzfristigen Abweichungen, schnell zu korrigieren. Alles andere, wie die Entwicklung der öffentlichen Finanzen, der Löhne usw., wurde als zweitrangig betrachtet. Bei dieser Rollenverteilung wurde die Geldpolitik freilich arg überstrapaziert, und überdies waren die negativen Rückwirkungen auf die Beschäftigung ausgeprägter als erwartet. Dies wird inzwischen auch erkannt. So beantwortet Henry Wallich, einer der Gouverneure des Federal Reserve System, die Frage, ob mit der Geldpolitik allein alle negativen Wirkungen der Fiskalpolitik, der Agrar- und sonstigen -preispolitik der Regierung, der Lohnpolitik usw. neutralisiert werden könnten, eindeutig mit Nein. Wie wir es auch tun würden, schlußfolgert er daraus, daß die Inflation von allen möglichen Seiten her bekämpft werden muß 1 . 1
Are there alternative ways of fighting inflation? Board of Governors publica-
tion, O c t . 29, 1981.
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Die im voraus angekündigte und entsprechend angestrebte Steuerung der Geldmenge ist keine Wunderwaffe, die von hohen Preissteigerungsraten schmerzlos wieder in eine Welt ohne Inflation zurückführen kann. Zwar ist es richtig, daß die Geldpolitik die Entwicklung der Inflation über die Steuerung der Geldmenge weitgehend beeinflußt. Welche „Kosten", welche wirtschaftlichen und sozialen Fehlentwicklungen damit verbunden sein können, ist jedoch von der Notenbank kaum zu beeinflussen. Diese gesamtwirtschaftlichen Kosten hängen vielmehr stark von außenwirtschaftlichen Gegebenheiten, vom Verhalten der anderen Träger der Wirtschaftspolitik, d. h. in erster Linie vom Staat und den Tarifparteien ab.
III. Grenzen der Geldpolitik Die Bundesbank hat stets versucht, die Grenzen der Geldpolitik klar zu machen; immer wieder hat sie hierauf bei der Erläuterung ihrer Geldmengenziele hingewiesen. V o n den Rahmenbedingungen, unter denen die Geldpolitik arbeiten muß, haben sich beispielsweise jene, die der Staatshaushalt setzt, verschlechtert. Das gilt für den fast kontinuierlich erhöhten Staatsanteil am Sozialprodukt und ebenso für das beinahe sprunghaft gestiegene Defizit der öffentlichen Haushalte. Nun ist es zwar nicht so, daß bei strikter Geldpolitik das staatliche Defizit über mehr Geldschaffung finanziert wird. Unter dieser Voraussetzung, die ich für die Bundesrepublik als gegeben unterstelle, muß der Staat mit den privaten Kreditnehmern um die knappen Mittel der volkswirtschaftlichen Kapitalbildung konkurrieren (diese Konkurrenz entfiele nur, wenn die Notenbank wegen des Defizits eine großzügigere Geldschaffung betriebe und zuließe). Aber der Staat ist dabei zinsrobust, d. h. seine Kreditnachfrage geht -
im
Gegensatz zu der der Privaten - im allgemeinen nicht zurück, wenn der Zins steigt, und wegen dieser nicht marktkonformen Inelastizität steigen die Zinsen dann besonders ausgeprägt. Die privaten Kreditnehmer, die ihre Zinslast selbst erwirtschaften müssen, können dabei nicht mithalten; sie werden zurückgedrängt, die private Investitionstätigkeit wird geschwächt. Längerfristig verringern sich dadurch die Beschäftigungs- und Wachstumsmöglichkeiten der Wirtschaft, wenn nicht auf anderem Wege - ζ. B . über eine Aktivierung des Außenhandels - ein gewisser Ausgleich geschaffen wird. Ähnlich ist es mit dem Einfluß der Tarifpolitik. Lohnsteigerungen, hohe Lohnsteigerungen sind nicht immer ein Ausdruck von Ubernachfrage nach Arbeit, die sich mit einer restriktiven Geldpolitik beseitigen ließe, sondern auch Ausdruck von Marktmacht oder von Fehleinschätzungen. Wäre es anders, könnte man sich ζ. B. nicht erklären, warum 1981 gerade
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in der Bauwirtschaft die Löhne (einschließlich Nebenkosten 1981 um 8 % ; 1979 bis 1981 um ca. 28 %) stärker stiegen als in der verarbeitenden Industrie (1981: um 7 % ; 1979 bis 1981 um 24 %), obgleich die Nachfrage nach Arbeitskräften entsprechend der Nachfrage nach Bauleistungen erheblich nachließ und die Zunahme der Arbeitslosen schließlich größer war als anderswo. Angesichts des Gewichts, das die Lohnkosten für die gesamte Kosten- und Ertragslage der Unternehmen haben, fällt den Tarifpartnern bei einer stabilitätsorientierten Politik eine besondere Verantwortung für die Beschäftigung zu. Man kann auch Arbeitskräfte „überteuern", sie aufgrund der Lohnhöhe um Beschäftigungsmöglichkeiten bringen. Das ist nicht nur logisch evident, das läßt sich auch empirisch nachweisen, selbst wenn dieser Zusammenhang vielfach bestritten wird. Es lohnt sich daher, alle Vorschläge für Beschäftigungsprogramme u. a. auch danach zu beurteilen, ob sie auf die Lohnfrage im Zusammenhang mit dem erstrebten Abbau der Arbeitslosigkeit eingehen oder nicht. Vorschläge, die dies nicht tun, es nicht wenigstens ansatzweise tun, sind m. E. nicht realistisch, können nicht zum beabsichtigten Erfolg führen, schon gar nicht auf längere Sicht. Der Geldpolitik erwuchsen von der Seite der Einkommensentwicklung und -Verteilung in den letzten Jahren besondere Schwierigkeiten. Mit der Abschwächung des wirtschaftlichen Wachstums ist der im Inland zur Verteilung anstehende Kuchen besonders wenig gewachsen, ja sogar zeitweise kleiner geworden, weil als Folge der Olpreissteigerungen und der D-Mark-Abwertung ein wachsender Teil des Inlandsprodukts an das Ausland abzutreten war. Wo nichts mehr zusätzlich zu verteilen ist, pflegen die Verteilungskämpfe besonders hartnäckig zu sein; jedenfalls verminderte sich der soziale Konsens, der für eine am Stabilitätsziel orientierte Geldpolitik letztlich unerläßlich ist. Im allgemeinen war dieser Konsens bisher in der Bundesrepublik freilich in stärkerem Maße gegeben als in vielen anderen Industrieländern. Aber es ist keine Frage, daß die „soziale Symmetrie" inzwischen etwas aus den Fugen geriet. An der Verringerung des im Inland verteilbaren realen Volkseinkommens sind 1979 und 1980 die beschäftigten Arbeitnehmer nicht und 1981 nur wenig durch eine Schmälerung ihres Realeinkommens beteiligt worden. Auch für den Staat gilt ähnliches. Die Anpassungslast konzentrierte sich auf die Unternehmen und jene Arbeitnehmer, die arbeitslos wurden. Die Unternehmen suchen einen Ausweg über Preiserhöhungen, die Geldpolitik hält zwar dagegen, aber sie kann nicht davon absehen, daß sie die Substanz der Unternehmen und der ganzen Wirtschaft gefährden könnte. Diese Grenze war gemeint, als vorhin gesagt wurde, die Geldpolitik bedarf des sozialen Konsenses.
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In der Preispolitik ist dann ein selbständiges Element der Inflationierung zu erkennen, wenn sie sich nicht im Wettbewerb vollzieht; sie kann den Erfolg der Geldpolitik ebenfalls behindern. Ich denke hier insbesondere an staatlich bestimmte oder beeinflußte Preissteigerungen. Eine Liste darüber, welche Preis- und Kostenerhöhungen dieser Art in den nächsten sechs Monaten auf den Verbraucher der Bundesrepublik zukommen, mag das verdeutlichen: Anhebung der Stahlpreise im EG-Kartell, die beschlossenen Erhöhungen von Tabak- und Branntweinsteuern, die Anhebung der Agrarpreise durch die EG mit deutscher Billigung, die Heraufsetzung von Bahn- und Postgebühren, Einführung einer Fehlbelegungsabgabe, Beitragserhöhung für Sozialversicherungen - eine stattliche Liste, mit der Konsequenz, daß sich der Preisindex für die Lebenshaltung um rd. 1Ά % erhöhen dürfte. Nicht alle diese Maßnahmen sind sozusagen „autonom", man kann m. a. W. nicht sagen, ohne die staatlichen Preiserhöhungen gäbe es auf keinem dieser Gebiete Teuerungen. Immerhin ist aber der staatliche Einfluß erheblich mitbestimmt durch die schlechte Finanzlage und weit größer als im Vorjahr. Es wird m. E. Zeit, darauf hinzuweisen, daß die Fortsetzung dieses Weges - preiswirksame Steuer- und Abgabenerhöhungen zur Finanzierung zusätzlicher Staatsausgaben, wie sie im Zusammenhang mit neuen Beschäftigungsprogrammen diskutiert werden - bedenklich ist; jedenfalls sind die Folgen solcher massiver Maßnahmen für das Preisniveau nicht mit den Mitteln der Geldpolitik aufzuwiegen. Ich habe einen weiteren wichtigen Punkt der Begrenzung des Spielraums der Geldpolitik noch nicht erwähnt, nämlich jenen, der sich aus dem Verbund mit der übrigen Welt ergibt. Dieser Verbund ist bei den Zinsen und bei den Preisen international gehandelter Güter sehr eng und wird allenfalls durch Wechselkursveränderungen unterbrochen. Auch in dem herrschenden System weitgehend floatender Wechselkurse ist die Autonomie der Bundesbank in dieser Hinsicht nicht vollkommen. Zum einen bestehen im Europäischen Währungsverbund weiterhin feste Wechselkurse. Und da es bisher nicht gelungen ist, die Inflationsdifferenzen in der Gemeinschaft zu verkleinern, importieren wir in den Perioden, in denen die Wechselkurse unverändert sind, dem Preiszusammenhang folgend entsprechend zusätzliche Inflation aus den Mitgliedsländern. Zum anderen aber kann auch der Wechselkurs gegenüber dem US-Dollar zu Übertreibungen führen, die die wirtschaftspolitischen Ziele gefährden. Der Kursverfall der D-Mark in 1980 und 1981 hat den Preisauftrieb im Inland zusätzlich angeheizt. Die Bundesbank mußte diesen Entwicklungen in ihrer Zinspolitik Rechnung tragen, was die Entwicklung der Geldmenge zeitweilig vom Zielpfad abführte, 1981 aber weit weniger als in umgekehrter Richtung 1978.
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IV. Alternativen zur geldpolitischen Sicherung des Geldwertes
Die Verteidigung des Geldwerts mit Mitteln der Geldpolitik kann, wenn die Unterstützung durch die übrigen Bereiche der Wirtschaftspolitik ausbleibt, die „Kosten" des Stabilisierungsprozesses erheblich erhöhen. Es verwundert deshalb nicht, daß unter solchen Umständen nach anderen Wegen der Stabilitätspolitik bzw. nach Fluchtwegen gesucht wird, die vor den Folgen der Geldentwertung schützen sollen. Dies gilt beispielsweise für die Forderung nach einer Indexierung, die Mitte der siebziger Jahre teilweise mit großem Nachdruck vorgetragen wurde und z . B . auch im Wissenschaftlichen Beirat des BMWi 1975 zu in mancher Hinsicht positiver Einschätzung geführt hat. Tatsächlich hat sich im Wirtschaftsleben und in der Rechtsprechung auch ohne die allgemeine Einführung der Indexierung eine gewisse Anpassung an Inflationsprobleme vollzogen. Weite Bereiche der Wirtschaft, besonders jene des Lebensunterhalts, sind de facto mehr oder weniger gegen die nachteiligen Folgen der Inflation gesichert. Das gilt ζ. B. für die Bezieher von Arbeitseinkommen, denen durch die jährlichen Tariflohnabschlüsse eine sehr weitgehende Sicherung des Realeinkommens gewährleistet ist (unvermeidliche Ausnahme: 1981 und 1982). Auch die Empfänger von Sozialleistungen der verschiedensten Art sind durch die laufende Anpassung ihrer Einkommen an die allgemeine Lohnentwicklung gegen Inflationsschäden recht weitgehend geschützt. Für die Empfänger betrieblicher Pensionen, die in der Regel nur eine ergänzende Versorgung darstellen, hat die Rechtsprechung Hilfskonstruktionen entwickelt. Bei der privaten Altersvorsorge anderer Art sieht es zugegebenermaßen weniger gut aus. Immerhin gibt es auch hier Bereiche, in denen eine Realwertsicherung praktiziert wird, weil es sich bei bestimmten langfristigen Verträgen (wie Privatrenten, Grundstückskaufverträgen, Erbbaurechtsverträgen) als unumgänglich erwiesen hat, Anpassungsregelungen zuzugestehen. Im Jahre 1980 hat die Bundesbank beispielsweise insgesamt 33 000 Genehmigungen nach § 3 des Währungsgesetzes erteilt, das waren fünfmal soviel wie 1960. Auch Geldvermögensbesitzer, denen der Weg der Realwertsicherung über Indexierung in der Bundesrepublik nicht offen steht, sind vielfach besser über die Runden gekommen als vielleicht vermutet. Hierzu trug einmal bei, daß die Zinsflexibilität über Zinsanpassung und Laufzeitverkürzung zunahm. Bis heute ist der Zinsertrag für eine langfristige Geldanlage so hoch und vielfach höher als die jeweilige Inflationsrate, wenn-
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gleich das nur im Durchschnitt gilt; beispielsweise galt es in den beiden letzten Jahren nicht für die Inhaber von normalen Spareinlagen, deren Verzinsung die allgemeine Zinsbewegung nach oben nicht mitmachte. Für die Bezieher von Zinseinkommen bleibt aber der Tatbestand, daß auch jener Teil dieses Entgeltes, der ideell einem Ausgleich für das Geldentwertungsrisiko gleichgesetzt werden konnte, ohne den m. a. W. der Realwert des Geldvermögens nicht gesichert wäre, der Einkommensteuer unterliegt (jedenfalls jenseits gewisser und nur selten erhöhter Grenzbeträge). Die Forderungen nach Indexierung hatten teilweise ihr Motiv nicht nur in dem Wunsch, damit die Inflationsschäden mildern, sondern auch die Inflation insgesamt dämpfen und verhindern zu können. Die Vorstellung der Befürworter einer Indexierung ist, daß durch Indexierung von Löhnen, Krediten und Ersparnissen eine Anpassung der Wirtschaft an niedrigere Preissteigerungen ohne große negative Konsequenzen für die Beschäftigung zu erreichen sei. Die Geldpolitik dagegen - so diese Indexfreunde - müsse bei fehlender Indexierung ihren restriktiven Kurs aufgeben, wenn Arbeitslosigkeit entstünde. Meiner Meinung nach ist diese Einschätzung unzutreffend. Weder ist sicher, daß beispielsweise bei Indexierung die Sozialpartner nur noch über Reallöhne verhandeln würden, was z . B . 1981 verlangt hätte, deren Abbau zu beschließen, und auch 1982 müßte dies angestrebt werden. Noch trifft es zu, daß Arbeitslosigkeit eine stabilitätsorientierte Geldpolitik nicht erlaube; sie macht sie freilich schwerer. In der Praxis läßt sich jedenfalls feststellen, daß die Indexierung in nahezu allen Ländern, wo sie besteht, eher als ein Schwungrad der Inflation wirkt denn als eine Bremse. Das gilt besonders, wenn exogen verursachte Preissteigerungen wirksam sind, wie ζ. B. die Olpreiserhöhung. Kostenschübe durch Importpreissteigerungen setzten im Inland die Indexautomatik in Bewegung und verhinderten damit notwendige Anpassungen an die verschlechterten realen Austauschverhältnisse der Volkswirtschaft. Wegen dieser negativen Erfahrungen haben einige Länder teils erfolgreich, teils erfolglos versucht, von der Indexierung wieder loszukommen. Andere Staaten haben in den Index-Mechanismus eingegriffen, d. h. die Anpassungsautomatik eingedämmt, die maßgeblichen Preisindices manipuliert oder die Preisbildung durch staatliche Maßnahmen verfälscht. Wieder andere Länder haben mit erheblichen sozialen Kosten versucht, einen überbewerteten Wechselkurs beizubehalten und deflationäre Wirkungen in Kauf genommen, um zu verhindern, daß die Inflationsspirale über eine Abwertung und den Indexmechanismus zusätzlichen Schwung bekam. Insgesamt gesehen haben sich also weder die verteilungspolitischen und schon gar nicht die stabilitätspolitischen Hoffnungen erfüllt, die man auf die Indexierung
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setzte. W i r taten in der Bundesrepublik gut daran, uns auf diesen Scheinausweg nicht einzulassen. Ein anderer Weg zur Inflationsbekämpfung wird zur Zeit in Amerika diskutiert, nämlich die Rückkehr zum Goldstandard. Hier ist nicht der Platz zu erörtern, warum zugegebenermaßen der frühere Goldstandard in der Tat für ein langfristig recht stabiles Preisniveau sorgte, zu ziemlich unveränderlichen Wechselkursen zwischen den einzelnen Währungen führte und notwendigerweise die Geldmenge längerfristig nur stabilitätsgerecht zunehmen konnte. Eine Rückkehr zum Goldstandard scheitert m. E. heute schon an den politischen und wirtschaftlichen Realitäten, ganz abgesehen von den fast unlösbaren Ubergangsproblemen. Ich erwähne diesen Punkt freilich nicht nur der Vollständigkeit halber. D e r Drang nach dem Golde - und die zeitweilige Sehnsucht nach der Goldwährung - ist ein Gradmesser für die Unzufriedenheit mit der bestehenden Geldordnung; insofern sind Tendenzen dieser Art eher ein Menetekel als eine ernsthafte Alternative. Wir können befriedigt feststellen, daß mit dem wachsenden Vertrauen in die Geldpolitik wichtiger Länder der Drang in das Gold neuerdings erheblich abgenommen hat.
V. Die aktuellen Aufgaben Zum Schluß möchte ich noch einige Bemerkungen zu den aktuellen Aufgaben der Geldpolitik im Kontext mit unserer augenblicklichen wirtschaftlichen Lage machen. Man sagt so leicht dahin, 1981 wären alle Ziele des sogenannten magischen Vierecks verfehlt worden: Das Wachstum stagnierte, der Preisanstieg beschleunigte sich, die Arbeitslosigkeit nahm besorgniserregend zu, und die Leistungsbilanz verblieb im Ungleichgewicht. D e n n o c h hat dieser Zustand nicht das Wort „Krise" verdient. Wir befinden uns nicht in einer Rezession; das reale Inlandsprodukt war 1981 nicht kleiner als 1980. Wir befinden uns auch nicht in einer konjunkturellen Abschwächung traditionellen Typs, sondern mitten in einer Phase der Anpassung an die vor allem durch den Ölpreisanstieg grundlegend geänderten außenwirtschaftlichen Bedingungen. In diesem Anpassungsprozeß sind 1981 erhebliche Fortschritte erzielt worden. Das Leistungsbilanzdefizit der Bundesrepublik ist von 3 0 M r d . D M 1980 auf knapp 1 8 M r d . D M 1981 gesunken; oder noch deutlicher: nach einem (saisonbereinigten) Defizit von lOMrd. D M im ersten Quartal 1981 kamen wir im vierten Quartal (saisonbereinigt) zu einem leichten Überschuß. Im Inland steigt die Produktion für den Export; der R ü c k gang des Inlandsgeschäftes wurde dadurch aufgewogen, aber noch nicht überkompensiert. Die Hoffnung, daß die Inlandsnachfrage der Auslands-
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nachfrage folgen wird - langsamer natürlich - ist heute noch mehr als vor Monaten berechtigt. Ein allmählich wieder wachsendes Sozialprodukt kann erwartet werden, freilich ohne schon in diesem Jahr die Zahl der Arbeitslosen zu verringern. Hier bleiben die Hoffnungen auf eine Besserung zunächst wohl unerfüllt, wie auch die Fortschritte in der Eindämmung des Preisauftriebes noch nicht so groß sein werden wie erwünscht. Für die aktuelle Geldpolitik der Bundesbank ergibt sich hieraus ein Doppeltes: Zum einem muß sie den Anpassungsprozeß an die grundlegend geänderte außenwirtschaftliche Situation weiter unterstützen. Zwar waren die jüngsten Leistungsbilanzdaten positiv, aber dies u. a. auf der Basis einer starken Zurückhaltung bei den Importen, die bei besserer Inlandskonjunktur wieder zunehmen werden. Auch muß die Geldpolitik weiterhin den Zinszusammenhang mit dem Ausland beachten. Die Zinssenkungsschritte seit Oktober - um bis zu 2 Prozentpunkte, je nach dem Teil des Kreditmarktes - vollzogen und vollziehen sich zum Teil bei einer Aufwärtstendenz der Zinsen im Ausland. Der Wechselkurs der D-Mark wäre deshalb bei Fortsetzung des Zinsrückganges gefährdet; wir haben das schon ansatzweise zu spüren bekommen. Die Neigung zu Kapitalexporten aus der Bundesrepublik ist wieder gewachsen; die D-Mark erscheint für Kreditnehmer im Ausland als eine billige Währung, jedenfalls solange nicht mit einer stärkeren Aufwertung der D-Mark gerechnet wird. Die außenwirtschaftlichen „constraints" der Bundesrepublik sind m. a. W . geringer geworden - und die Bundesbank hat dies zur Zinssenkung genutzt - , aber sie sind nicht verschwunden. Der andere Aspekt betrifft die binnenwirtschaftliche Lage. Die Zinssenkungen seit Oktober - leider haben sie die Kreditnehmer bisher oft nur in Ansätzen erreicht - kommen den wirtschaftlichen Problemen im Inland entgegen, erleichtern sie etwas, ohne sie schon zu lösen. Im Augenblick läßt die außenwirtschaftliche Situation - die leichte Schwächetendenz der Mark in den letzten Tagen zeigt dies - einen weiteren Schritt nicht zu, aber die Lage kann und wird sich vermutlich wieder ändern. So wichtig die Zinsen als Steuerungsinstrument für die Investitionen wie für die Ersparnis sind, so erscheint mir die Konzentration der konjunkturpolitischen Überlegungen auf diesen Punkt doch gelegentlich übertrieben im Hinblick auf die Bedeutung der Zinsen, übertrieben aber auch im Hinblick auf das mögliche Ausmaß eines Zinsrückgangs. Für sich betrachtet sind Zinssenkungen ein Impuls für die Investitionstätigkeit. Aber wichtige andere Faktoren, die für die Investitionen ebenfalls von Bedeutung sind, werden durch niedrigere Zinsen nicht sofort günstig beeinflußt. Die schlechte Ertragslage der Wirtschaft bessert sich dadurch jedenfalls nicht schlagartig, die verfügbaren Eigenmittel werden dadurch nur unwesent-
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lieh verstärkt. Um diesen besonders schwachen Punkt in der Unternehmenswirtschaft zu überwinden, bedarf es vor allem der Zurückhaltung bei den Lohnkosten sowie bei Steuern und Abgaben. Zinssenkungen sind weder ein Äquivalent für zu starke Lohnerhöhungen, noch für eine Erhöhung des Anteils des Staates am Volkseinkommen. Dies ergibt sich schon aus der Größenordnung, aber auch aus den unterschiedlichen ökonomischen Wirkungen von Geld-, Lohn- und Fiskalpolitik. Forcierte Zinssenkungen wären dann sogar unwirksam im Hinblick auf die Kostenentlastung, wenn sie gleichzeitig zu einer Abwertung der D-Mark führten. Eine Senkung der Marktzinssätze um einen Prozentpunkt würde ja nicht zu einer gleich großen Reduzierung des durchschnittlichen Zinssatzes für alle Verbindlichkeiten der Unternehmen führen, denn ein großer Teil der Kredite ist zu Festkonditionen aufgenommen, und überdies gehen dann ebenso die Erträge der Unternehmen aus zinsvariablen Geldanlagen zurück. Ich schätze, daß eine Senkung der Zinsen für Neu- und variable Kredite um 1 Prozentpunkt die Kostenrechnung der Unternehmen (ohne Wohnungswirtschaft) netto um 2 bis 2Vi Mrd. D M zu entlasten vermag (nicht um 8 Mrd. D M oder wieviel Milliarden in diesem Zusammenhang auch immer genannt werden). Dagegen brächte eine recht geringe Abwertung der D-Mark gegenüber den wichtigsten Währungen eine Verteuerung der Einfuhren, die von der Kostenseite her schnell die Entlastung bei den Zinsen überträfe. Eine Abwertung mag zwar auch die Preise für Exportgüter - in D-Mark gerechnet - etwas erhöhen und insofern die Erlöse verbessern, doch wäre dies bereits die Ingangsetzung der „Inflationsspirale", die wir uns nicht wünschen können. Wenn ich diese Einschränkung mache, dann, wie gesagt, deshalb, um Überschätzungen sowohl hinsichtlich der Möglichkeit als auch der Wirkung von Zinssenkungen vorzubeugen. Anders ausgedrückt, die wirtschaftliche Lage in der Bundesrepublik verlangt heute mehr denn je eine Ausrichtung aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen an den Hauptproblemen: in der Geldpolitik, aber ebenso in der Fiskal- und Lohnpolitik. Es gibt hier keine schnellen Lösungen. So wie im Anpassungsprozeß schon bisher erhebliche Erfolge erzielt wurden, werden sie sich bei einem einigermaßen abgestimmten Verhalten aller Beteiligten auch weiterhin erzielen lassen. Die Ungeduld wegen der schlechten Beschäftigungslage ist durchaus verständlich, aber sie darf nicht zum alleinigen Ratgeber werden. Es wäre jedenfalls verhängnisvoll, wenn die Ansätze zu einer Stabilisierung, auch in der Preisentwicklung, durch einen bloßen Aktionismus in Gefahr gerieten.