Verschüttete Literatur: Die deutschsprachige Dichtung auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien von 1800 bis 1945 9783205792451, 9783205794608


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Verschüttete Literatur: Die deutschsprachige Dichtung auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien von 1800 bis 1945
 9783205792451, 9783205794608

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Literaturgeschichte in Studien und Quellen Band 22 Herausgegeben von Klaus Amann Hubert Lengauer und Karl Wagner

Mirjana Stančić

Verschüttete Literatur Die deutschsprachige Dichtung auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien von 1800 bis 1945

2013 Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar

Gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages.

© 2013 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H & Co. KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Umschlagabbildung  : Foto Jakob Stančić Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Umschlaggestaltung  : Michael Haderer, Wien Satz  : Michael Rauscher, Wien Druck und Bindung  : General Nyomda, Szeged Gedruckt auf chlor- und säurefrei gebleichtem Papier Printed in Hungary ISBN 978-3-205-79460-8

Danksagung Eine umfangreiche Unterstützung machte diese Arbeit möglich. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland hat das dieser Publikation zugrunde liegende Projekt über mehrere Jahre gefördert und so überhaupt erst ermöglicht. Durch die anschließende Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses konnte das Buch beim Böhlau Verlag veröffentlicht werden. Dafür danke ich dem Kulturstaatsminister und den zuständigen Persönlichkeiten in seiner Behörde und den beteiligten Dienststellen sehr herzlich. Ebenso sei dem Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa in Oldenburg und seinen Mitarbeitern gedankt, die das Vorhaben von Anfang an mit Rat und wertvollen kritischen Hinweisen unterstützt haben. Die Untersuchung ist am Institut für Deutschlandforschung der Ruhr-Universität Bochum entstanden. Seinem langjährigen Leiter und verantwortlichen Projektträger, Prof. Dr. Dr. h. c. Paul Gerhard Klussmann, danke ich von Herzen für seine Förderung des Forschungsvorhabens von den ersten Vorüberlegungen an. Vor allem haben sich meine Freunde, Mag. Silke Flegel und Dr. Frank Hoffmann, um diese Arbeit verdient gemacht. Silkes philologisches Feingefühl war mir eine wichtige Unterstützung. Ohne Franks kultur- und geschichtswissenschaftlichen Rat wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Für ihre menschliche und tätige Hilfe gebührt ihnen mein größter Dank. Für die vielfältige Hilfe danke ich ferner Prof. Dr. Gabriele Sander sowie Mag. Kim Stapelfeldt. Bei Freunden und Kollegen an Universitäten und vielen Einrichtungen in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien bedanke ich mich für ihre Unterstützung, ebenso den Mitarbeitern der Bibliotheken im ehemaligen Jugoslawien, in Deutschland, Österreich und in den Niederlanden, in denen ich Wertvolles recherchieren konnte. Auch wenn ich nicht alle Namen nennen kann, so ist mir doch jeder Rat wertvoll und lieb gewesen. Mein Dank gilt dem Böhlau Verlag sowie Prof. Dr. Karl Wagner, Prof. Dr. Klaus Amann und Prof. Dr. Hubert Lengauer, die diese Arbeit in ihre Reihe Literaturgeschichte in Studien und Quellen aufgenommen haben. Nicht zuletzt gebührt mein herzlicher Dank Frau Dr. Ursula Huber, die die Drucklegung dieses Buches ebenso umsichtig wie kompetent begleitet hat.

Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Verschüttete Literatur.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Zwischen Nationalem und Regionalem  : Deutsche Literatur aus Mitteleuropa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Theoretische und methodische Überlegungen – Nationale, kulturelle, literarische Identität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3. Voraussetzungen und Anfänge.. . . . . . . . . . . . . . . . . Der Raum – Slowenien, Kroatien, Slawonien. . . . . . . . . . Die Rolle der Geistlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Gelegenheitsgedicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Militärgrenze als soziokulturelle Lebenswelt.. . . . . . . Ausblick  : Die Deutschsprachigkeit des kroatischen Adels – Die Familie Sermage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Entfaltung und Blüte – das lange 19. Jahrhundert (bis 1914/1918) . 1. Slowenien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Donauschwaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kontexte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kultur- und Sozialgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Theatergeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kroatien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deutsches Presse- und Druckwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frauenliteratur avant la lettre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philologie und Literatur – Südslawistik in Wien. . . . . . . . . . . . Nationales Erwachen  : Illyrier-Bewegung, kroatische Patrioten und die deutsche Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dichtung in zwei Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exil und Erneuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bosnien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die literarische Entdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bosnische Schriftstellerinnen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Robert Michel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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Ausblick auf Nachfolger und mediale Weichenstellungen . . . . . . . . 6. Exotik vor der Tür . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Morlachien« – Dalmatien als terra incognita . . . . . . . . . . . . . Serbien und Montenegro – Reiseziel für Politikkundige . . . . . . . . 7. Hauptstädte des deutschen Bürgertums . . . . . . . . . . . . . . . Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ljubljana (Laibach). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zagreb (Agram) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Osijek (Esseg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varaždin (Warasdin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pula und Rijeka  : Marine-Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . Belgrad und die Vojvodina.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Auf dem Weg zur Moderne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Extravagante Doppelexistenz  : Franz von Werner (Murad Efendi). . Zwischen den Zeiten – die Erzählerin und Ethnografin Mara Čop . . Wiener Moderne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Spätglanz und Ende – das kurze 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . 1. Zerrissene Jahre.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ende einer Epoche – Konsequenzen des Ersten Weltkriegs . . . . . . . Der Zerrissene  : Victor Tausk, Freuds Liebling und Widersacher . . . . Die Nachhaltigkeit des »habsburgischen Mythos«  : Vilma von Vukelić und Friedrich von Gagern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Desintegration und neue Besinnung auf das deutsche Kulturerbe . . . 2. Internationaler Bestsellerautor und die NS-Kulturgröße  : Mirko Jelusich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Vernichtung des Judentums.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exil und Grenzgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die kroatische Inselwelt als literarisches Exil . . . . . . . . . . . . . . Literarische Grenzgänger  : Die Dichterdynastie von Preradović .. . . 5. »Blut und Boden«.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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6. Ausblick  : Trauerarbeit und Erinnerung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Auswahlbibliografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Kurzbiografien  : Bio-bibliografische Informationen . . . . . . . . . . . . . 280

Inhaltsverzeichnis

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Konkordanz der Ortsnamen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327

1. Einleitung Der Titel der Studie bezeichnet ihr Problem. Einen einheitlichen, historisch verbürgten, politisch unbelasteten Namen für den Raum, der zur Diskussion steht, in dem im Wandel der Jahrhunderte die deutsche Sprache eine nachhaltige Kultur schaffende Kraft war, gibt es nicht. Wohl wissend, wie angreifbar der gewählte Titel ist, ist es bei ihm geblieben, auch bei der Angabe »das ehemalige Jugoslawien«, obwohl dieser Name sich nur auf einen Abschnitt der Geschichte des Raumes mit schwierigen politischen, historischen, zeithistorischen und ideologischen Implikationen bezieht. Das Buch richtet sich im Folgenden auf Krain, Untersteiermark, Zivilkroatien, Slawonien, Istrien, Dalmatien, die alte Militärgrenze, Dubrovnik, das Banat, Syr­ mien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro. Sie alle bilden als Teilgebiete den Großraum »das ehemalige Jugoslawien« in seinen unterschiedlichen Formationen und mit unterschiedlichen Gebietsanteilen. Im beobachteten Zeitraum, von 1800 bis 1945, eingeführt durch einen Rückblick ins 18. Jahrhundert, gehörten die genannten Länder, mit Ausnahme von Serbien, Dubrovnik und für die längste Zeit auch Montenegro, dem Habsburgerreich (bis 1918), danach Jugoslawien in seinen unterschiedlichen staatlichen Gestalten an, dem auch der südliche Zipfel von Kärnten und Teile der Untersteiermark im Vertrag von St-Germain (1919) zugeordnet wurden. Deutsche siedeln in diesem Raum seit dem Mittelalter. Unterschiedliche Migrationslinien, politisch (auch religionspolitisch), militärisch und wirtschaftlich induziert, sorgten für eine ständige Zuwanderung bis ins späte 19. Jahrhundert, als auch eine verstärkte individuelle Migration zustande kam. Die größte deutsche Gruppe lebte im Banat. Zunächst ist es also erforderlich, sich in gebotener Kürze des historischen Raums zu vergewissern, um so für die Differenzierung und genetische Analyse der Kultur eine begriffliche, historische Basis zu schaffen. Große slowenische Gebiete wurden im 13. Jahrhundert von den Habsburgern eingenommen und sind bis 1918 Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie geblieben. Die Grafschaft der Sanegg in Celje (Cilli)1 konnte als einzige 1 Die Zweisprachigkeit ist Problemstellung und Aufgabe dieser Studie zugleich  ; dies betrifft auch die Ortsnamen, die zum Teil historisch über viele Jahrhunderte in doppelter Variante – also in den jeweiligen örtlichen Nationalsprachen und in der deutschen Sprache – nebeneinander existierten. Dies stellt eine Provokation für einen »politisch korrekten« Lösungsversuch dar. Diese

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1. Einleitung

Ausnahme bis 1456 ihre Selbstständigkeit bewahren. Eine wesentlichere Unterbrechung der habsburgischen Hegemonie bildet die während der Napoleonischen Kriege geschaffene illyrische Provinz mit der Hauptstadt Laibach (Ljubljana) von 1809 bis 1813. Ihre Bestandteile waren der Westteil Kärntens, Krain, Istrien, Zivilkroatien, Militärgrenze, Dalmatien und Dubrovnik. Nach dem Untergang Napoleons, der Auflösung der Provinz und ihrer Rückgabe an Österreich wurde gewissermaßen als deren Fortsetzung 1814 das Königreich Illyrien mit etwas veränderten Grenzen gegründet. Das westliche Kroatien und das Kronland Dalmatien schieden aus, Unterkärnten wurde zugeschlagen. In Slowenien setzte die erste Zuwanderung der Deutschen im 9. Jahrhundert ein, und zwar auf Betreiben der slowenischen Feudalherren und des Salzburger Erzbischofs, um die Christianisierung der slawischen Bevölkerung zu unterstützen. In Krain, in der Gottschee und in der Untersteiermark siedelten Bauern, Handwerker und Kaufleute. Im 18. Jahrhundert wurden diese Gebiete einer starken Germanisierung ausgesetzt. Kroatien wurde von den Habsburgern von 1527 bis 1918 regiert. Diese ganze Zeit über befand es sich in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zu Ungarn, das auf das frühe 12. Jahrhundert zurückgeht. In Biograd bei Zadar wurde 1102 der ungarische König Koloman zum kroatischen König gekrönt und ein Abkommen (»pacta conventa«) mit den Ungarn abgeschlossen, das eine eigene kroatische Verwaltung mit dem Banus (Statthalter, Vizekönig) garantierte. So bildete Kroatien bis 1918 auch eine Personalunion mit Ungarn, und es war zu gleicher Zeit ein Königreich des Kaisertums Österreich, seit 1867 der Doppelmonarchie. Kroatien hat im 15. und 16. Jahrhundert ständig unter den Einfällen der Türken gelitten, erfuhr dadurch erhebliche Gebietsverluste besonders im 16. Jahrhundert und wendete sich an die Habsburger, um militärische Hilfe zu erhalten. Diese gewährten sie auch, übernahmen jedoch im Zuge der Verdrängung der Türken die Regentschaft über immer mehr kroatische Gebiete, die sie sich langsam einverleibten. Seit 1699 kam auch Slawonien unter die Habsburger. Diese im östlichen Studie verweigert sich irgendeiner Vereinnahmung, indem sie beide Namen nebeneinander führt, mitunter auch in Doppelnennung, ohne damit verbundene politische oder kulturelle Präferenzen kennzeichnen zu wollen. In der Regel wird versucht, jeweils den Namen so zu verwenden, wie er in der gerade in Rede stehenden Quelle vorzufinden ist. Im Zweifelsfall wird der aktuell gültigen, also nationalsprachlichen Variante der Vorzug gegeben. Zur weiteren Klärung ist eine Konkordanz beigefügt. Bei der Schreibung des slawischen v/w ist die inzwischen übliche Variante (v) gewählt worden. Einige besonders wichtige, größere Städte, für die sich auch im heutigen Umgang eine deutsche Variante eingebürgert hat, werden durchgängig entsprechend benannt. Ebenso wenig wie von Napoli statt Neapel die Rede sein muss, scheint der Verfasserin Beograd statt Belgrad nötig.

1. Einleitung

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Teil Kroatiens gelegene, an der Donau angrenzende, historische Region blieb am längsten von allen kroatischen Gebieten unter der türkischen Gewalt. Die kroatischen historischen Regionen Istrien und Dalmatien standen seit dem Spätmittelalter unter venezianischer Verwaltung, fielen jedoch 1797 ebenfalls an die Habsburger. Nur der Stadtstaat Dubrovnik (Ragusa), eine beachtliche Seemacht im 15. und 16. Jahrhundert, konnte durch geschicktes Taktieren seine Unabhängigkeit bis 1808 sichern. Die Gründung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie 1867 hatte die Schaffung des Dreieinigen Königreichs Kroatien, Slawonien und Dalmatien im Jahr 1868 zur Folge, das dem ungarischen Teil der Monarchie zugeschlagen wurde. Das Königreich schloss 1868 ein separates staatliches Abkommen mit Ungarn, den kroatisch-ungarischen Ausgleich (Hrvatsko-ugarska nagodba).2 Obwohl ein Teil des Königreichs, stand Dalmatien unter unmittelbarer österreichischer Verwaltung, gehörte also zum cisleithanischen Teil der Doppelmonarchie, das übrige Kroatien hingegen zu Transleithanien. In Zivilkroatien lebte die größte Gruppe der Deutschen in der Hauptstadt Zagreb und in kleineren Städten verstreut. Ihre Vorfahren wurden von kroatischen Feudalherren im 18. Jahrhundert im Reich angeworben. Eine starke Welle neuer Zuwanderer aus den deutschen Kolonien im Banat, in Batschka und Baranya erfolgte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, intensiviert durch die Auflösung der Militärgrenze im Jahr 1881. Die Anfänge der Bildung der slowenischen und kroatischen Nation gehen in das 19. Jahrhundert zurück, als der Machtzerfall des Osmanischen Reiches in die Endphase trat und die kleinen Völker zwischen den rivalisierenden Großmächten drohten, zerrieben zu werden. In Kroatien war die Intelligenz die Trägerin der nationalen Integration, ihre dominanten ideologischen Konzepte waren der Liberalismus und der Südslawismus. Ante Starčević, Gründer der Kroatischen Rechtspartei, verband kroatische nationale Interessen mit dem Liberalismus, der sich europaweit als Motor der nationalen Integrationsprozesse durchgesetzt hat. Der Protagonist des Südslawismus war Bischof Josip Juraj Strossmayer, dessen Konzept sich im Hinblick auf die Gründung des südslawischen Königreichs 1918 schließlich als erfolgreich durchgesetzt hat. Zur Erlangung der staatlichen Autonomie nach dem Ausgleich zwischen dem Dreieinigen Königreich und Ungarn im Jahr 1868 waren die Kroaten um Modernisierung und die Bildung von Ausgleichsinstitutionen bemüht.3 Die Idee der sprachlichen und kulturellen Syn2 Mirjana Gross  : Die Anfänge des modernen Kroatien. Gesellschaft, Politik und Kultur in ZivilKroatien und -Slawonien in den ersten dreißig Jahren nach 1848. Wien, Köln, Weimar 1993, S. 119–129. 3 Gross  : Die Anfänge des modernen Kroatien, besonders S. 131–136, S. 149–179.

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1. Einleitung

these der Slowenen, Kroaten und Serben, als Antwort auf die Germanisierung, leuchtete um 1830 auf, zeigte allerdings nur bei den Kroaten nachhaltige Wirkung. Die Slowenen entschieden sich gegen die gemeinsame slawische Sprache und schlugen ihren eigenen Weg der nationalen Differenzierung ein, deren Ziele im Programm »Vereintes Slowenien« festgelegt waren, das im Revolutionsjahr 1848 nach dem Sturz Metternichs ausgerufen wurde. Zwischen 1869 und 1871 entstanden die sogenannten »Tabori«, die Volksversammlungen, als Kernzellen zur Kundgebung des slowenischen nationalen Bewusstseins. Staatliche Autonomie konnte die Slowenen jedoch erst 1918 im beschränkten Maße im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen erlangen.4 Die südungarischen Gebiete Baranya (Branau), Batschka und Banat fielen nach den Friedensschlüssen von Karlowitz 1699 und Passarowitz 1718 an die Habsburger. Seit der Einverleibung wurden Kolonisten aus den Ländern des Reiches für die verödeten Gebiete angeworben. Ulm, Passau und Wien waren die Zentren, in welchen die Migranten erfasst und in ihre neuen Wohnorte vermittelt wurden. Sie rekrutierten sich vornehmlich aus Württemberg, Baden, Hessen, der Pfalz und dem Elsass. Die erste Welle des Landesausbaus durch die Zuwanderer fand von 1722 bis 1727 statt, die zweite unter der Kaiserin Maria Theresia von 1768 bis 1771, die dritte während der Regierungszeit Josephs II. von 1784 bis 1787. 1817 folgte noch ein bedeutender, den säkularen Prozess gleichsam abschließender Nachzug, danach versiegte der Zustrom der Kolonisten. Die ganze Epoche galt einer wahrhaftigen Mission, der Urbarmachung der öden, unbewohnten Landschaft, mit den Worten dieser Ära  : der »Kultivierung des kulturlosen Bodens«,5 die in zahllosen Heimatromanen als Quintessenz der Kolonistenexistenz ihren Niederschlag findet. Zwar gehört nur ein kleiner Teil des historischen ungarischen Komitats Baranya zum heutigen Kroatien und nur ein Teil Banats zu Serbien (Vojvodina), aber die Ausstrahlung dieses Kulturraumes in der Literatur währt nach wie vor. Schließlich ist auf Bosnien und Herzegowina hinzuweisen  : In Bosnien und Herzegowina fand die stärkste Kolonisierung von 1891 bis 1905 statt, grund4 Zdenko Čepič et al.: Zgodovina Slovencev (Die Geschichte der Slowenen). Ljubljana 1979  ; Joachim Hösler  : Von Krain zu Slowenien  : Die Anfänge der nationalen Differenzierungsprozesse in Krain und der Untersteiermark von der Aufklärung bis zur Revolution 1768 bis 1848. München 2006. 5 Vgl. Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn. Nach dem Tode von Johann Willibald Nagl und Jakob Zeidler herausgegeben von Eduard Castle. Bd. 3, Wien 1930, S. 577.

1. Einleitung

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sätzlich in der Hauptstadt Sarajevo und in den Orten am Fluss Bosna. Doch schon 1626 hatte der Feldherr Albrecht von Wallenstein sich für die Okkupation Bosniens ausgesprochen, Prinz Eugen von Savoyen ist am 11. September 1697 sogar ein Durchbruch bis nach Sarajevo gelungen, das er in Schutt und Asche gelegt hat. Doch erst nach dem Berliner Kongress wurde Österreich das Mandat zur Okkupation von Bosnien und Herzegowina erteilt  : Ende Juli 1878 rückte ein k. u. k. Heer mit 270 000 Soldaten ein. Dadurch wurde die österreichische »Ostverschiebung« definitiv vollzogen und abgeschlossen und die Monarchie stärkte ihre Funktion als Machtfaktor in Südosteuropa. 1908 erfolgte die Annexion. Verwaltet wurden Bosnien und Herzegowina gleichermaßen von Wien und von Budapest unter einer komplizierten Aufteilung der Kompetenzen und der Finanzierung. So hat aber die Doppelmonarchie ihre Besitztümer weit in den Südosten Europas ausgedehnt, womit die geopolitischen Machtverhältnisse im Hinblick auf Russland und das Osmanische Reich aus dem Gleichgewicht gerieten. All diese Interessenskonflikte, potenziert durch die ethnischen Überlagerungen, bildeten einen Keim für den Ersten Weltkrieg. Der Untergang der Doppelmonarchie 1918 erforderte den Umbau der südöstlichen Teile der Monarchie. Die südslawischen Völker, Slowenen, Kroaten und Serben, bildeten zunächst am 6. Oktober 1918 einen gemeinsamen Nationalrat (Narodno vijeće). Serbien und Montenegro waren bis dahin weitgehend selbstständig. Bis 1804 unter türkischer Gewalt, konnte das Fürstentum Serbien, seit 1882 Königreich, seine Unabhängigkeit wahren. Der Nationalrat bat Serbien um Hilfe gegen die vordringende italienische Armee in der slowenischen und kroatischen Küstenregion. Am 1. Dezember 1918 folgte die Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen. Nach der Volkszählung am 31. Januar 1921, der ersten im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, lebten im Land insgesamt 12 017 323 Einwohner, davon 513 472 oder 4,21 % mit der deutschen Umgangssprache. Dass bei der demografischen Erfassung das umstrittene Kriterium der Umgangssprache eingesetzt worden war, hatte zur Folge, dass sich als Deutsche auch jene Bürger deklarierten, die das Deutsche als ihr Kulturidiom adoptiert hatten.6 Nach der Ausrufung der Diktatur durch den König Aleksandar I. Kara­đor­ đević im Dezember 1929 wurde der Name des Königreichs in Jugoslawien geändert. Es wurde mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Belgrad am 6. April 1941 ausgelöscht. Serbien blieb bis 1945 unter deutscher Okkupation, 6 Vgl. Dušan Biber  : Nacizem in Nemci v Jugoslaviji 1933–1942 (Der Nazismus und die Deutschen in Jugoslawien 1933–1942). Ljubljana 1966, S. 11 ff.

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1. Einleitung

während Slowenien unter Italien, Deutschland und Ungarn aufgeteilt wurde. Montenegro wurde als unabhängiger Staat Italiens Kontrolle unterworfen, während in Kroatien 1941 der Unabhängige Staat Kroatien (Nezavisna država Hrvatska) von den Ustascha-Verbänden, die den Nationalsozialisten nahe standen, gegründet wurde. Diese knappe Skizze der Geschichte der einzelnen Länder, die durch die habsburgische Hegemonie über Jahrhunderte hinweg vereint waren, muss vorerst genügen. Das Reich der Habsburger war der Rahmen, der die Territorien und Ethnien im Vielvölkerstaat zusammenhielt und ihnen über längere Zeitperioden eine gewisse Stabilität verlieh. Unter den einzelnen Ländern gab es große Unterschiede, das Gefälle zwischen den wirtschaftlich weiter entwickelten slowenischen Gebieten und dem österreichischen Armenhaus Dalmatien oder der Militärgrenze war bereits im 19. Jahrhundert beträchtlich. Die fast vierhundertjährige Herrschaft der Habsburger und der mit ihr einhergehende Einfluss der deutschen Kultur prägen bis zum heutigen Tag Teile des ehemaligen Jugoslawiens ebenso wie die mit ihr verbundene Pluralität der Ethnien  ; ein sich im Wandel der Jahrhunderte konstituierendes Völkergemisch, bei dem den Sprechern des Deutschen (Deutsche, Österreicher, Juden) eine besonders ausgeprägte Ausstrahlungskraft im Kulturellen zufiel. Ansätze eines übernationalen Denkens haben dabei in bestimmten Zeitabschnitten eine besondere Intensität erreicht. Der Raum war infolge seiner strategischen Lage seit dem Anfang des 16.Jahrhunderts ein Bollwerk gegen die Türkengefahr. Hans Sachs, der Nürnberger Meistersinger, erwähnt 1532 in seinem Gedicht »Ein klag zu Gott über die grausam wüterey des grausamen Türgken ob seinen vielen kriegen und obsiegen« neben anderen Völkern, die unter dem Türkenjoch zu leiden hätten, auch jene Slawen, mit deren deutscher Kultur- und Literaturtradition wir uns auseinandersetzen werden  : »Serviam und die Bulgarey. Auch hat er in dem land zu Bosn / Mit krieg vil Christen-blut vergoßn, Crabaten und die windisch marck, Hat offt verheert der feinde arck«.7 Dass die Militärgrenze, ein eigenes Kronland des Habsburgerreiches, nicht nur für die Türkenkriege und ihre Folgen von lang dauernder Bedeutung bleiben sollte, darauf weisen die Verse des Nürnberger Schuhmacher-Poeten bereits hin. Auch die zentrale historische Mission dieses Gebietes – als Bollwerk gegen die Türkengefahr – gewinnt für uns Interesse in der Verankerung wesentlicher Protagonisten in der deutschen Sprache und Kultur. Sie wirkten hier als Militärs und 7 Hans Sachs. Hg. von Adelbert von Keller. Neudruck Hildesheim 1964, Bd. 2, S. 435.

1. Einleitung

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Autoren. Die Geschichte der Militärgrenze und ihrer Tradition der deutschen Literatur wird daher in einem besonderen Kapitel behandelt. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation als politischer Ordnungsfaktor eines europäischen Raumes – deshalb zugleich ein wesentlicher Bezugspunkt jeder Mitteleuropaüberlegung – zerfällt zu dem Zeitpunkt, mit dem die vertiefte Analyse in dieser Studie einsetzt, also mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Der Wiener Kongress 1814/15 hat zwar versucht, die Stabilität dieses Raumes wieder herzustellen, wobei er als eine Vorbedingung die Wiederherstellung der Grenzen betrachtete, so wie sie vor der Französischen Revolution bestanden. Aber nicht einmal für das Habsburgische Reich, das sich auf dem Kongress auf der Seite der Siegermächte befand, ließ sich dieser Grundsatz verwirklichen. So musste Metternich endgültig auf die Österreichischen Niederlande, das heutige Belgien, verzichten und ebenso den Verlust der vorderösterreichischen Länder bis zum Breisgau hinnehmen, durfte sich aber dafür das Territorium der ehemaligen Republik Venedig und das geistliche Fürstentum Salzburg einverleiben. Gegenüber dem von Metternich vertretenen Legitimitätsprinzip hatte sich im Habsburgerreich allmählich das Recht des Volkes auf Souveränität und das Nationalitätenprinzip durchgesetzt. Fühlten sich im 18. Jahrhundert die Einwohner der Länder Maria Theresias und Josephs II. noch durchweg als Untertanen ihrer kaiserlichen Landesherren, so waren diese Untertanen inzwischen nicht nur zu bewussten Bürgern herangereift, sondern sie hatten sich auch zu kampfesfreudigen Angehörigen ihrer jeweiligen Nation entwickelt. Gleichzeitig hat sich im mitteleuropäischen Raum ein übernationales Bewusstsein herausgebildet, das von der Zugehörigkeit zum christlichen Reich der Habsburger durchdrungen war, und das zudem auf der Latinität als der gemeinsamen Sprache der offiziellen Urkunden, dem Fundament der humanistischen Bildung, beruhte. Die nächste ähnlich einflussreiche geistige »Figuration« 8 fand in der Epoche der Wende zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert statt. Die Ansätze zu einem übernationalen Denken haben damals eine besondere Intensität erreicht. Zur Jahrhundertwende hatte sich im zentraleuropäischen Raum ein Kulturbewusstsein herausgeformt, das schon nicht mehr einfach Summe der Kulturen der einzelnen Völker dieses Raumes gewesen und auch nicht ein ausschließlich von einer Kultur – also der deutschen Sprache – geprägtes Bewusst8 Zoran Konstantinović  : Figurationen mitteleuropäischer Geistigkeit. Versuch einer literarhistorischen Periodisierung. In  : Anton Schwob (Hg.)  : Deutsche Literatur Ostmittel- und Südosteuropas. München 1992, S. 9–23.

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1. Einleitung

sein war, sondern etwas, das dazwischen lag. Der Untergang des Habsburgerreiches bedeutet zweifellos den Zerfall einer Grundlage, auf die sich ein solches Bewusstsein stützen konnte. Ohne den Beitrag der Literatur würde die Geschichte der einzelnen Ethnien nach dem Ende der k. u. k. Monarchie anders aussehen. Die Literatur wurde in die Pflicht genommen, neue Identitätsfundamente zu legen. Und wie schwer sich der Überbau ohne Grundlage tat und immer noch tut, lässt sich an den beschwerlichen Prozessen der inneren Verselbstständigung und des Gewinns voller Souveränität der osteuropäischen Reformstaaten beobachten. Wie groß die Kenntnis und wie ausgebreitet das allgemeine Interesse für die Völker, von denen hier die Rede ist, in den westeuropäischen Ländern im beobachteten Zeitraum war, wird schwer zu beantworten sein. Der Durchschnittsbürger hatte vermutlich eine dunkle Ahnung vom finsteren Balkan, dem Vorposten der Türkei, wo sich die wilden Völkerstämme gegenseitig die Schädel einschlugen, wie es der Bürger in Goethes »Faust« in der Szene »Vor dem Tor« ausspricht  : Nichts besseres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, Wenn hinten, weit, in der Türkei Die Völker auf einander schlagen. Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten  ; Dann kehrt man Abends froh nach Haus, Und segnet Fried’ und Friedenszeiten.9

Dies war ein Gebiet der Wanderungen, in dem unterschiedliche Völker lebten. Mal ähnelt das multinationale Nebeneinander einem Bahnhof, zu dem die Menschen aus allen Himmelsrichtungen anreisen und von dem sie mehr oder weniger friedlich wieder von dannen ziehen, mal ist es ein blutiges Schlachtfeld, mal eine Kaserne mit strengem Reglement. Leben unter fremder Herrschaft, das Sich Aufbäumen gegen die Obrigkeit oder das Fremdbestimmtsein sind die wichtigsten Denkmodelle der Existenz in diesem Raum. Dies macht eine ununterbrochene Hinterfragung der nationalen und kulturellen Identitäten unerlässlich. Ein ständiges Geben und Nehmen ist zu beobachten, insbesondere im 9 Johann Wolfgang Goethe  : Faust. Texte. Hg. von Albrecht Schöne. Frankfurt am Main 1994 (= Bibliothek deutscher Klassiker, 114. Bd., J. W. G., Sämtliche Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche. Vierzig Bände. I. Abteilung, Bd. 7/1), S. 50 (Verse 860–867).

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Literarischen, eine kontinuierliche Beiderseitigkeit eher als lineares kulturelles und literarisches Wirken und vor allem eine ethnische Vielfalt auf kleinstmöglichem Raum. Und ständig drängt sich die Frage nach dem Namen des Raumes auf, besonders wenn er einem größeren Rahmen zugeordnet werden muss, dem Balkan, Mitteleuropa oder doch Südosteuropa  ? Große Teile des Untersuchungsraums liegen auf dem Balkan, der sich seit zwanzig Jahren einer nicht allzu erstaunlichen, indes wissenschaftlich fundierten Konjunktur erfreut. Sie wirft für den Fortgang der Überlegungen grundlegende Fragen auf. Denn vor dem historischen Hintergrund der transnationalen Öffentlichkeiten des multiethnisch und mehrsprachig geprägten Raumes speiste sich die deutsche Identität der Region stets auch aus dem Dialog mit sich parallel artikulierenden Identitäten der Balkanvölker. Die Region Balkan wird als zusammengehöriges Ganzes verstanden, dessen nord-westliche Abgrenzungen unscharf sind, die geografischen Grenz­ linien im Süden und Osten hingegen mehr oder weniger klar, da die Balkanhalbinsel an drei Seiten durch Meere begrenzt wird (Schwarzes Meer, Marmarameer, Ägäisches Meer, Ionisches Meer und Adriatisches Meer). Die Grenze zum Westen und Norden, die Nahtstelle und den Übergang zum europäischen Innenraum markierend, verläuft nominell an der Save-Donau-Linie. Doch der konstanten geografischen Linie widerspricht eine wandelbare historische und kulturelle. Gerade jene Regionen, die eine bedeutende deutschsprachige Literatur hervorbringen, liegen inmitten des Grenzgebiets, das den Balkan vom Westen scheidet. Der Reiz des Exotischen ist an dieser Scheide zwischen Ost und West angesiedelt. Als Zofka Kveder, die slowenische Autorin, 1913 ihrem großen Kollegen Roda Roda vorwarf, dass er die Literatur und Kultur ihrer Heimat im Grunde verachte, markierte sie genau diese Trennlinie  : Er hat nie große, tiefere Sympathie für die Länder und Menschen gehabt, die er literarisch explo[i]tiert hat. […] Schließlich möge Herr Roda Roda sagen, ob er je über jene slavischen Literaturen, aus denen er so viele Werke ›übersetzt‹ hat und die er demgemäß gut kennen muß, ein gutes, anerkennendes Wort geäußert oder geschrieben hat, da er andererseits so sehr darauf erpicht war, in Deutschland zu erzählen, daß wir Südslaven vor Ungeziefer starren, von Zwiebeln und Hammelfleisch leben, so daß sich jeder Deutsche, jeder deutsche Handwerksbursche, der den Mut hat, bis zu uns vorzudringen, veranlaßt fühlt, uns zu sagen, daß ihn die Kultur und Reinlichkeit, die er hier findet, überrascht und daß wir Südslaven den Menschen seines Heimatlandes nicht nachstehen.10 10 Zofka Kveder  : Roda Roda. In  : Agramer Tagblatt, 10. März 1913, S. 1 f.

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Dieser Kritik, er würde die südslawischen Menschen und Landschaften als exotische Außenhülle missbrauchen, um seine Satiren im »Simplicissimus« für den deutschen Leser spannend zu machen, erwehrte sich der kroatisch-österreichische Erfolgsautor Roda Roda mit dem Hinweis, es sei doch gutes Recht der Satire, Erscheinungen, die für den Balkan charakteristisch seien, in den Bereich des Lachens zu ziehen.11 An diesem Zwiespalt – was für den einen belächelnswerte Folklore sei und für den anderen das existenziell Eigene – ist die gesamte Tragik der in dieser Studie dargestellten Literatur in ihren Höhen und in ihrer Breite auszumessen. Als Kennzeichnung für die Region im wissenschaftlichen und populären Gebrauch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fest etabliert, wird die Dichotomie zwischen der Donaumonarchie und dem orientalischen Balkan zunehmend betont. Erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird sie durch den wertneutralen Terminus Südosteuropa abgelöst, auch um den veränderten Bedingungen in der Region Rechnung zu tragen.12 Das durch die Kriege der Neunzigerjahre des 20. Jahrhunderts im ehemaligen Jugoslawien geprägte Bild des Balkans als einer Krisenregion, von sprachlichethnischen Zerwürfnissen gekennzeichnet, ist vor allem dank der Studie von Maria Todorova über »Imagining the Balkans« (1997) in den Mittelpunkt geisteswissenschaftlicher Diskussionen gerückt. Ihre Methode kann als eine Dekonstruktion des Raumes charakterisiert werden  : Nicht der historisch-geografische Raum konstituiert die Existenz dessen, was als Balkan zu verstehen ist, sondern das diskursive Geflecht der Anekdoten, Bilder, Reisebeschreibungen, kurz  : des Redens über den Balkan. Eingedenk dieses Befunds lässt sich nicht nur die Geschichte des Bewusstseins vom Balkan besser verstehen. Vielmehr ist er auch für die Argumentation dieser Studie eine Herausforderung  : Es wird zu prüfen sein, in welchem Maße die Autoren deutscher Sprache sich an diesem Prozess der Konstruktion des Balkans beteiligen, wie sie in ihn involviert sind und wie sie kulturelle Muster produzieren, kommentieren oder auch infrage stellen. Insofern ist die zu Teilen fundamentale und oft auch berechtigte Kritik des Berliner Historikers Holm Sundhaussen an Todorova für die vorliegende Untersuchung nicht so schwerwiegend. Die Klarstellung Todorovas, dass sie den Balkan nicht als Erfindung und Projizierung fremder Inhalte behandelt und ihn niemals als Fiktion betrachtet habe, greift hier durchaus. Die Unterscheidung zwischen historischen 11 Vgl. dazu auch S. 166-170, besonders S. 167 f. der vorliegenden Untersuchung. 12 Andreas Kappeler  : Osteuropäische Geschichte. In  : Michael Maurer (Hg.)  : Aufriß der historischen Wissenschaften. Bd. 2  : Räume. Stuttgart 2001, S. 198–265.

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Räumen als heuristischen Konzepten auf der einen und Mental Maps auf der anderen Seite, zwischen Balkan als Ontologie und »Balkanismus« als Perzeption ist ein wesentlicher Impuls, um den Begriff Balkan auch literarhistorisch fruchtbar zu machen.13 Todorova hat nicht nur eine geschichtstheoretische Debatte ins Rollen gebracht, sondern auch das Schlaglicht zumal der europäischen Öffentlichkeit auf einen Raum gerichtet, der in der Mitte der 1990er Jahre eine Explosion der künstlerischen Produktion erlebte, die bis heute anhält. Zunehmend wird die allgemeine Wahrnehmung durch einen Reichtum an Kunst- und Kulturprodukten aus den Ländern des Balkans beeinflusst. Die durch die Kriege ab 1990 dominante Wahrnehmung der Region in politischen und historischen Kategorien ist durch diese lebendige Kunstszene wesentlich verändert worden. Dieser Prozess hängt damit zusammen, dass sich die einzelnen Völker, die nach dem Fall des Eisernen Vorhangs oder nach dem Zerfall Jugoslawiens die Selbstständigkeit erlangten, durch ihre spezifische Kultur definieren, die der europäischen Öffentlichkeit überhaupt erst erkennbar gemacht werden muss. Wieder greifen aktuelle Tendenzen mit der Aufgabe dieser Studie ineinander  : Die Literatur schildert den Prozess dieser Neuordnung, allerdings indem sie an die vorhandene literarische Tradition anknüpft. Ein wesentlicher Bestandteil der Traditionen in diesem Raum ist die Literatur der deutschen Sprache, die, wie noch gezeigt wird, im literarischen Bewusstsein der Schriftsteller und des Publikums immer noch virulent ist, obwohl hier die große Epoche der deutschen Kultur mit 1933 endgültig vergangen ist. Dabei handelt es sich nicht ausschließlich um die klassische Erinnerungsliteratur als das paradigmatische Vehikel der mitteleuropäischen Geistigkeit. Es entsteht eine neue, frische Literatur von Autorinnen und Autoren deutscher Abstammung in slowenischer, kroatischer und serbischer Sprache auf den Spuren des Mythos der deutschen Kultur. Ohne ein unausgesprochenes Bekenntnis zum deutschen kulturellen Substrat, das hier seit 1800 präsent ist, wäre die Literatur der Generation nach 1945 in der vorhandenen Form nicht möglich gewesen. Das Bewusstsein 13 Maria Todorovas Monografie wurde mit dem Titel »Imagining the Balkans« in New York 1997 publiziert, die deutsche Übersetzung »Die Erfindung des Balkans. Europas bequemes Vorurteil« erschien 1999 in Darmstadt. Holm Sundhaussen reagierte mit dem Aufsatz  : Europa balcanica. Der Balkan als historischer Raum Europas. In  : Geschichte und Gesellschaft, 25 (1999), S. 626– 653. Die Antwort von Maria Todorova  : Der Balkan als Analysekategorie  : Grenzen, Raum, Zeit. In  : Geschichte und Gesellschaft, 28 (2002), S. 470–492. Vgl. auch den Überblicksaufsatz von Holm Sundhaussen  : Der Balkan. Ein Plädoyer für Differenzen. In  : Geschichte und Gesellschaft, 29 (2003), S. 608–624.

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dieses supranationalen Erbes machte ein reibungsloses Anknüpfen möglich ohne langwierigen Aufbau. So gesehen ist der zeitgenössische kroatisch-deutsche Erzähler Ludwig Bauer ein literarischer Erbe von Vilma von Vukelić oder auch von Jürg Simani.

2. Verschüttete Literatur Zwischen Nationalem und Regionalem  : Deutsche Literatur aus Mitteleuropa In seiner grundlegenden Studie über deutsche Literatur in Südosteuropa 14 zeigt Zoran Konstantinović die Probleme einer komparatistischen Philologie auf, die sich für die Erforschung der Literatur in deutscher Sprache aus diesem Raum über längere Zeitspannen als wichtige Hindernisse erwiesen haben  : das Fehlen eines natürlichen Mittelpunktes als kulturelles und literarisches Zentrum, Expansionsbestrebungen mächtiger politischer Gebilde in der Nachbarschaft, die verzögerte Entstehung eines eigenen Bürgertums, nicht zuletzt die periphere Behandlung durch die Germanistik. Letzteres ist gewiss Folge der Abkopplung. Auch der österreichische Historiker Fritz Valjavec spricht in seinen Studien zur Erschließung der deutschen Kulturbeziehungen im Balkanraum über den »Subkontinent Südosteuropa«.15 Vom starken Bewusstsein einer räumlichen und kulturellen Abgrenzung sind auch die entsprechenden Kapitel der schon älteren »Deutsch-Österreichischen Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn« (1899–1937) geprägt. Die Idee des Regionalismus beflügelte die Forscher zu ansehnlichen Leistungen, zu literaturgeschichtlichen Überblicken einzelner Teilbereiche der dislozierten Deutschsprachigkeit.16 Anton Schwob weist darauf hin, dass auf »eine längere Phase der Verdrängung« und »Vernachlässigung« dieser Literatur »aufgrund vermuteter, zum 14 Zoran Konstantinović  : Forschungsschwerpunkt  : Deutsche Literatur in Südosteuropa. Zusammenfassung und Ausblick. In  : Anton Schwob (Hg.)  : Methodologische und literarhistorische Studien zur deutschen Literatur Ostmittel- und Südosteuropas. München 1994, S. 9–23. 15 Fritz Valjavec  : Subkontinent Südosteuropa. Die Eigenarten seiner historischen und kulturellen Physiognomie. In  : Südosteuropa-Mitteilungen, 17 (1977) H. 3, S. 9–17. 16 Alexander Ritter  : Auslandsdeutsche Literatur der Gegenwart. Hildesheim, Zürich, New York 1974  ; Anton Schwob (Hg.)  : Die deutsche Literaturgeschichte Ostmittel- und Südosteuropas von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute. Forschungsschwerpunkte und Defizite. München 1992  ; Horst Fassel, Hans Gehl, Anton Schwob (Hg.)  : Deutsche Sprache und Literatur in Südosteuropa. Archivierung und Dokumentation. München 1994  ; Anton Scherer  : Geschichte der donauschwäbischen Literatur von 1848 bis 2000. Schöngeistiges Schrifttum – Ideologisierte Literatur in Rumänien und Ungarn nach 1945 – Literarische Zeugnisse aus Kroatien, Serbien, den USA, aus Kanada und Australien nach 1945 – Mundartdichtung, Memoiren und Erlebnisberichte. München 2003.

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Teil auch belegbarer Zusammenhänge einiger ihrer Teilbereiche mit NSGedankengut«17 eine Phase verstärkten Interesses der Germanistik an diesem Teilbereich folgte. Dies hängt natürlich mit dem Zusammenbruch des Staatskommunismus zusammen, nach dem eine Öffnung von Forschungseinrichtungen in Ostmittel- und Südosteuropa erfolgte, die der Erforschung der verschütteten »auslandsdeutschen« Literatur zu einer neuen Blüte verhalf. »Ein auf Objektivität und Wahrheitsfindung zielendes wissenschaftliches Arbeiten in Archiven, Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen […] war bisher in Rumänien, der Tschechoslowakei und Jugoslawien fast unmöglich.«18 Plötzlich waren Archive, Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen sowie Nachlässe in Ljubljana, Zagreb, Osijek, Novi Sad und anderswo für die Literaturwissenschaft zugänglich. Anfang der Neunzigerjahre entstand auch eine ganze Reihe von Studien zur deutschsprachigen Literatur und Presse im ehemaligen Jugoslawien. An diese Arbeiten knüpft die vorliegende Untersuchung selbstverständlich an, ebenso wie an die mannigfachen Publikationen der regionalen Verbände. Einheitliche überregionale Modelle bringen neben den von Konstantinović aufgewiesenen Problemen auch andere Schwierigkeiten mit sich, vor allem aber das Wagnis eines souveränen gleichzeitig analysierenden und zusammenfassenden Durchgangs durch historisch, national, kulturell und sprachlich divergente Epochen des Raumes, wo – im Wechselspiel zwischen Integration und Desintegration – die deutsche Sprache immer eine Vorreiterrolle gespielt hat. Claudio Magris hält die deutsche Kultur für den Koeffizienten des Integrierens und der Zivilisation in Südosteuropa  : Die Deutschen seien die Römer Mitteleuropas gewesen.19 Die von Magris klar ausgesprochene Rolle des Kulturtransfers bedarf in Bezug auf komplexe inter- und intrakulturelle Wechselbeziehungen zwischen den deutschsprachigen »Römern« und den Wirtsvölkern einer umsichtigen Prüfung. Für diesen Überblick ist jedoch seine bahnbrechende Untersuchung »Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur«20 unerlässlich. Im Anschluss an Magris sind die Analyse des Mitteleuropa-Begriffs von Jacques Le Rider und 17 Schwob  : Die deutsche Literaturgeschichte Ostmittel- und Südosteuropas, S. 7. 18 Ebd. Vgl. auch die entsprechenden Titel von Marina Fruk, Zoran Konstantinović, Mira Mila­di­ nović Zalaznik, Vlado Obad und Tanja Žigon in der beigegebenen Bibliografie. 19 Claudio Magris  : Donau. Biographie eines Flusses. Aus dem Italienischen übersetzt von HeinzGeorg Held. Wien 1996. 20 Claudio Magris  : Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur. Aus dem Italienischen übersetzt von Madeleine von Pásztory. Salzburg 1966.

Zwischen Nationalem und Regionalem  : Deutsche Literatur aus Mitteleuropa

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seine These von den zwei Varianten des habsburgischen Mythos zu nennen.21 Indem Le Rider dieses wohl einflussreichste Konzept der Klassifizierung der österreichischen literarischen Tradition aufgreift, reflektiert er es vor dem Hintergrund der großen historischen Brüche, welche die letzten fünfzig Jahre der Geschichte der Donaumonarchie nachhaltig geprägt haben. Die erste Variante, in Le Riders Wortlaut »Auflage«, führt er auf die Zeit nach 1866 zurück, nach der österreichischen Niederlage in Königgrätz und dem Ende des Deutschen Bundes, womit auch das Ende der Vormachtstellung der Habsburger besiegelt wurde. Damals entstand der habsburgische Mythos als politische Ideologie mit dem Zweck, die Umstrukturierung der habsburgischen Symbolik zu legitimieren und die zentrifugalen nationalen Identitäten zu integrieren, als Gegengewicht zum 1871 in Versailles proklamierten Deutschen Reich. Erst mit der zweiten »Auflage« des Mythos, seit dem Untergang der Monarchie 1918 virulent, werde die Mystifizierung der Rückerinnerung an die alte Monarchie in der Dichtung der literarischen Erben aktiviert. Die Füllung des Begriffs »Mitteleuropa« geht grundsätzlich auf Friedrich Naumann (1915) zurück, obwohl er seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bekannt war. Schon vor dem Fall des Eisernen Vorhangs im Jahr 1989/90 war er in historiografischen und kulturpolitischen Debatten wieder in Umlauf gekommen.22 Die Konturen Mitteleuropas sind sowohl geografisch als auch politisch und kulturhistorisch variabel. Es gilt, dass es geografisch die Region zwischen West-, Ost-, Südost-, Süd- und Nordeuropa abdecke. Während Naumann unter Mitteleuropa ein geopolitisches Gebilde unter der Führung Deutschlands vorschwebte, wurde während und nach der Beendigung des Kalten Krieges stets der kulturhistorische Zusammenhalt, gewissermaßen auch die besondere kulturelle Sendung dieses Raumes hervorgehoben. Ihre Grundlagen sind die ununterbrochene historische Kontinuität Mitteleuropas seit dem Heiligen Römischen Reich, die konfessionelle Einheitlichkeit (Christentum und Judaismus) und die kulturelle Prägekraft Deutschlands und Österreichs. Die Konkurrenz zwischen den österreichischen und großdeutschen Begehrlichkeiten bestimmten die Geschicke Mitteleuropas. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts hat sich die Bezeichnung »Süd21 Jacques Le Rider  : Mitteleuropa. Auf den Spuren eines Begriffs. Aus dem Französischen übersetzt von Robert Fleck. Wien 1994  ; Jacques Le Rider  : Mitteleuropa als umstrittener Erinnerungsraum und als Zukunftsperspektive in der Zwischenkriegszeit. In  : Marijan Bobinac, Wolfgang MüllerFunk (Hg.)  : Gedächtnis – Identität – Differenz. Zur kulturellen Konstruktion des südosteuropäischen Raumes und ihrem deutschsprachigen Kontext. Tübingen u. a. 2008, S. 139–146. 22 Besonders prägnant bei  : György Konrád  : Antipolitik. Mitteleuropäische Meditationen. Frankfurt am Main 1985.

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osteuropa« etabliert, die einen Teil der auch zu Mitteleuropa gehörenden Staaten, wie die des ehemaligen Jugoslawien, beinhaltet. Den Kern dieses Gebietes bilden die Siedlungsgebiete der Südslawen, vornehmlich die Staaten auf der Balkanhalbinsel und die europäische Türkei. Die konfessionelle Grenze zwischen dem christlichen Westteil und dem orthodoxen und muslimischen Ostteil entzweit Südosteuropa freilich auf nachdrückliche Weise.23 Slowenien und Kroatien gehören nach politischen, ethnischen und kulturellen Kriterien beiden Formationen an, Mitteleuropa und Südosteuropa. An der Grenze zwischen dem westlichen Mitteleuropa, zu dem sich Polen, Tschechen und Ungarn bekennen, und dem byzantinischen Osten eingekeilt, ist ihnen ein politisches Schicksal zuteil geworden, das unentwegt ein Balancieren zwischen Ost und West einfordert. »Eine Literaturgeschichte Mitteleuropas« (2003) von Zoran Konstantinović und Fridrun Rinner ist einer der Höhepunkte der mitteleuropäischen Idee in litteris, geprägt von der Begeisterung über die Erlangung der nationalen Selbstständigkeit der mitteleuropäischen Kernvölker (Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatien). Voraussetzung ist die Kontinuität des kulturellen Raumes Mitteleuropa vom 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Seine früheste Ausformung habe er durch den Renaissancehumanismus erfahren, mit Prag zur Zeit Karls IV. als erstem Mittelpunkt, über die Verwurzelung im Barock und die Epoche der nationalen Selbstfindung der slawischen Völker in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und die Glanzzeit, die bis zum Untergang der ÖsterreichischUngarischen Monarchie im Jahr 1918 anhielt. Auch nach dem Verschwinden der Monarchie, jenes Gravitationsfelds, das einen natürlichen Zusammenhalt Mitteleuropas gewährleistete, bleibt die Ausstrahlung der gemeinsamen Geschichte dieses Raumes in einzelnen Nationalliteraturen virulent. Die Autoren fassen sie als »drei Traditionsstränge des mitteleuropäischen literarischen Diskurses« zusammen  : »die Tradition des Skurrilen und Grotesken«, »die Tradition der Mimikry« und »das Spiel mit der Sprache«.24 Das letzte Kapitel der Monografie »Ausblicke nach der Wende«25 wird mit den Versen aus dem Gedicht »Mitteleuropa« des 1998 verstorbenen polnischen Dichters Zbigniew Herbert, Übersetzung Aleksandra Kujawa, abgeschlossen  :

23 Kappeler  : Osteuropäische Geschichte, S. 198–265. 24 Zoran Konstantinović, Fridrun Rinner  : Eine Literaturgeschichte Mitteleuropas. Innsbruck u. a. 2003, S. 354 ff. 25 Ebd., S. 470.

Theoretische und methodische Überlegungen – Nationale, kulturelle, literarische Identität

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Man weiß nicht ob Fisch oder Fleisch und worauf das Ganze hinzielt Mitteleuropa scheint zu leuchten und doch verlöscht es ganz, wie in einer Äsopschen Fabel. Es soll noch ein bißchen leuchten das farbige Kinderspielzeug.26

Von einigen Merkmalen dieser Traditionen ist auch die Literatur durchdrungen, die in dieser Studie diskutiert wird. Vor allem Angehörige der deutschen Minderheit veröffentlichen nach 1990 in Slowenien, Kroatien, Serbien und in der Voj­vodina Erinnerungsliteratur. Darüber wird im letzten Kapitel des Buches noch die Rede sein. Diese Autoren stehen damit eindeutig in der von Konstantinović und Rinner angesprochenen Tradition. Zwar haben die Erinnerer aus dem ehemaligen Jugoslawien ihre alte gesellschaftliche und politische Grundlage längst verloren, aber diesem Verlust setzen sie beachtliche literarische Leistungen entgegen, in denen die vergangene Zeit noch einmal geprüft wird.

Theoretische und methodische Überlegungen – Nationale, kulturelle, literarische Identität In diesem paradigmatischen multikulturellen Raum, durch Koexistenz und Konkurrenz unterschiedlicher Ethnien geprägt, ist die Positionierung der Deutschen im Wandel der Jahrhunderte sehr unterschiedlich verlaufen. Neben den ethnischen Deutschen, deren Vorfahren entweder bereits seit dem 9. Jahrhundert aus den deutschen Gebieten im Raum siedelten oder erst Jahrhunderte später als Donauschwaben nach Slawonien und Syrmien kamen oder auch geschlossene bäuerliche Gemeinschaften in der Gottschee-Region bildeten, entwickelte sich mit der Zeit auch eine bürgerliche Schicht in den jeweiligen Ländern, die der deutschen Sprache und Kultur verbunden war. Die tatsächliche Lebenswelt und die selbst gewählte literarische Heimat sind dabei oft wichtiger als die Umstände der Geburt in einem bestimmten sprachlichen und nationalen Milieu. Die Deutschen galten als Kulturträger, sie hatten grundsätzlich eine dominierende Rolle im Kulturbetrieb, man schaute zu ihnen auf. Nicht selten durchlief dieselbe Person mehrere Pha26 Ebd., S. 480.

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2. Verschüttete Literatur

sen ihrer eigenen identitären Selbstfindung, als Slowene, Kroate, Serbe, Deutscher, Jude, Österreicher, Deutsch-Österreicher, Donauschwabe, Banater Deutscher usw. In der letzten Epoche, die in dieser Studie thematisiert wird, zwischen 1918 und 1945, wird das Deutsche schließlich mit den Identitätswirren jugoslawischer Gemeinsamkeit konfrontiert. Darüber, wie beim Übergang von der nationalsozialistischen in die kommunistische Diktatur die Donauschwaben zerrieben wurden, legt z. B. Ludwig Bauer mit seinem in kroatischer Sprache erzählten Werk Zeugnis ab. Der aus der Batschka stammende Historiker Adalbert Karl Gauß erschloss wiederum das historische Erbe der donauschwäbischen Heimat in Salzburg, wo er jahrzehntelang die Zeitschrift »Neuland« herausgab. Die Grenzlinien, welche die Kulturräume in den Biografien einzelner Personen markieren, sind ebenso schwer festzulegen, wie jene auf den Karten der Literatur- und Kulturgeschichten. Nicht zuletzt wird die Untersuchung einem der führenden Theoretiker der Andersheit, Slavoj Žižek, folgen.27 Seine suggestive These, dass jede Kultur einen inneren blinden Fleck aufweise, wo sie sich selbst nicht begreife oder nicht mit sich eins sei, wo das Andere völlig auf sich zurückgeworfen ist, dürfte ein produktiver Ansatzpunkt sein. Bei der Analyse von Leben und Werk der Autoren der deutschen Sprache gelangt man oft gerade an diesen Punkt, wo jede Deutungsmöglichkeit versagt und man nicht so recht weiß, welche Richtung einzuschlagen, wenn etwa die slowenischen und kroatischen Lyriker der Epoche des Illyrismus um 1830 in deutscher Sprache dichteten, während sie mit aller Vehemenz das Programm der sprachlichen und nationalen Selbstständigkeit slawischer Völker verfolgten. Oder wenn einhundert Jahre später der Bestsellerautor kroatischer Herkunft Mirko Jelusich die Heimat seines Vaters besucht  : Dass er in Zagreb nicht verstanden wurde und wie sehr diese Erkenntnis sein eigenes Sich-Verstehen ins Schwanken gebracht hat, darüber schreibt er in seiner Autobiografie. Es gibt kaum Wegweiser für die Entdeckung jener umfassenden Gründe, die das gegenseitige Verstehen einzelner Kulturen/Nationen im exjugoslawischen Raum seit Jahrzehnten erschweren und den Eindruck eines »Identitätschaos« (Homi K. Bhabha),28 zuweilen gar einer »Identitätshysterie« (György Konrád) hinterlassen.29 27 Slavoj Žižek  : Grimassen des Realen. Jacques Lacan oder die Monstrosität des Aktes. Aus dem Englischen übersetzt von Isolde Charim. Köln 1993  ; Slavoj Žižek  : Die Tücke des Subjekts. Aus dem Englischen übersetzt von Eva Gilmer. Frankfurt am Main 2001. 28 Homi K. Bhabha  : Die Verortung der Kultur. Deutsche Übersetzung von Michael Schiffmann und Jürgen Freudl. Mit einem Vorwort von Elisabeth Bronfen. Tübingen 2000 (The Location of Culture, 1994), insbesondere Kapitel 2  : Die Frage der Identität. Franz Fanon und das postkoloniale Privileg, S. 59–68. 29 György Konrád  : Identität und Hysterie. Frankfurt am Main 1995.

Theoretische und methodische Überlegungen – Nationale, kulturelle, literarische Identität

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Die große Fülle30 vorliegender literaturgeschichtlicher Studien und Überblicke, Editionen und Anthologien zu einzelnen deutschen »Sprachinseln« (Gottschee, Siebenbürgen) macht das Wagnis einer zusammenhängenden, übergreifenden Sichtung möglich  : nicht nur als systematische Darstellung vereinzelter Bereiche dieser geografisch dislozierten, in Überblicken gewöhnlich als »regional« bezeichneten deutschen Literatur, sondern auch in ihrer Kommunikation mit den Nationalkulturen einzelner Länder. Längst sind ihr die Etiketten des Peripheren und der Heimatdichtung abgenommen worden. Ist es also nicht Zeit, diese Literatur in den Gang der deutschen Literaturentwicklung insgesamt einzufügen  ? Durch die Verrückung des Blickwinkels von gängigen geografischen Zuordnungen – Südosteuropa, Mitteleuropa, Siebenbürgen, Donauschwaben –, kann sie womöglich ihren topographical »re-«turn und damit die Eingliederung in den magistralen Verlauf der deutschen Literatur vollziehen. Die deutsche Sprache und ihre Literatur konnten in Form einer überregionalen Leitidee die Heterogenität dieses multinationalen Raumes über längere Zeitabschnitte überwinden. Im Vordergrund dieser Literaturgeschichtsschreibung stehen literarische Werke und ihre ästhetische Wertung. Die Rückholung eines zum Teil versunkenen und vergessenen Kulturgutes ist das Ziel, wodurch im Hinblick auf die Osterweiterung des sich vereinigenden Europas neue Erkenntnisimpulse zu erwarten sind. Beschreibungskonzept Die Darstellung einer Literatur, die sich durch nichts so sehr wie durch eine überschäumende Quellen- sowie Namensfülle von weniger bekannten Autorin30 Die grundlegenden theoretisch-methodologischen Arbeiten von Anton Scherer, Anton Schwob, Stefan Sienerth, Zoran Konstantinović und vielen anderen, die Monografien und einzelne Studien zu Teilliteraturen, wie der von Slowenien (Matjaž Birk, Anton Janko, Mira Miladinović Zalaznik, Tanja Žigon u. a.), von Kroatien (Marina Fruk, Josef Matl, Ivan Pederin, Vlado Obad, Daniela Živković u. a.), der Vojvodina (Tomislav Bekić, Julijana Beli-Göncz und Robert Kovač u. a.) und von Serbien (Miljan Mojašević, Zoran Konstantinović u. a.) sind in der beigegebenen Bibliografie angeführt. Ohne diese wesentlichen Forschungsleistungen sowohl hinsichtlich der theoretischen Konzeption als auch in der konkreten Bestimmung und Beschreibung einzelner Zeitabschnitte der je differenten ›nationalen‹ Literaturgeschichten wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen, und sie ist ihnen auch dann verpflichtet, wenn im Einzelfall – nicht zuletzt um der Lesbarkeit willen – auf Anführungen, Verweise und Zitate verzichtet wurde. Entsprechendes gilt für die allgemeine historische und kulturgeschichtliche Literatur zu den Deutschen in den untersuchten Regionen, von der – wiederum nur pars pro toto – die einschlägigen Gesamtdarstellungen der Reihe »Deutsche Geschichte im Osten Europas« genannt seien, die Günter Schödl und Arnold Suppan herausgegeben haben.

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2. Verschüttete Literatur

nen und Autoren auszeichnet, folgt grundsätzlich einem positivistischen Ansatz, der im Kleinen einen enzyklopädischen Anspruch erhebt, und in erster Linie stark rekonstruktiv angelegt ist  : Das Ziel ist eine lebensweltliche Rekonstruktion der Literaturlandschaften im beschriebenen Gebiet, die immer seiner multiethnischen Prägung eingedenk bleibt. Dabei war der deutschsprachige Kulturraum stets ein Teil der Kulturräume anderer Nationen, er grenzte an sie an, nahm an ihnen teil, entwickelte sich nicht isoliert, bildete grundsätzlich keine Enklaven. Es wird der Versuch gemacht, die Literatur, ihre Protagonisten ebenso wie ihre sozialen und kulturellen Bedingungen, in chronologischer Abfolge zu erfassen, damit sich für den Leser eine Folge von Bildern ausbreitet, die jeweils die Literatur eines bestimmten Teilgebiets darstellt. Aus der Fülle der Autorennamen wird sich mit Gewissheit keine Typologie ableiten lassen. Dafür ist die Vielfalt schriftstellerischer, zumal sprachlicher und kultureller Dispositionen zu groß  : von ethnischen Deutschen, die aus den deutschen Gebieten zugewandert sind oder sich nur zeitweilig auf dem umrissenen Gebiet aufgehalten haben, über Autoren, die in deutschsprachigen Ländern der Monarchie geboren und sozialisiert wurden, um dann auch in den südlichen Kronländern tätig zu sein, bis zu Angehörigen der genuin deutschen und österreichischen, oder gar donauschwäbischen Bevölkerung, die in Slowenien, Kroatien, Bosnien, der Vojvodina und Serbien beheimatet war. Nicht zu vergessen ist eine weitere starke Gruppe – die Gesinnungsdeutschen im Kulturellen –, in slowenischen Gebieten pejorativ »nemškutori« genannt, in kroatischen »njemčari«, Deutschtümler, oder einfach »švapčari«, die sich aus Gründen des politischen und kulturellen Prestiges für die deutsche Sprache bewusst entschieden haben, oft um den Preis der Verdrängung und gelegentlichen Leugnung der eigenen Sprache. Hinzu kommen dann aber auch jene Schriftsteller, die in der deutschen Sprache ausgebildet und allgemein sozialisiert waren und die dann auch zumindest zeitweilig ihre Literatursprache geblieben ist, Autoren, die allerdings für die slawische nationale Option eintraten und als bilinguale Autoren publizierten. Angeführt wird diese Linie von den kroatischen Dichtern in den 1830er-Jahren, die sich als die treibende Kraft der kroatischen nationalen Erneuerungsbewegung (preporod) verstanden. Von panslawistischen Ideen Jan Kollárs inspiriert, nannten sie sich »Illyrier« in der damals populären Annahme, dass sie das Stammvolk aller Südslawen seien. Wie der jeweilige Autor oder die Autorin fühlte, ist ungewiss, ob sich das nationale Zugehörigkeitsgefühl mit dem sprachlichen deckte, bleibt dahingestellt. In der Regel gab es stets mehrere konkurrierende nationale Angebote. Stjepan Tropsch (1871–1942), Literaturhistoriker und Begründer der Germanistik in Za-

Theoretische und methodische Überlegungen – Nationale, kulturelle, literarische Identität

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greb im Jahr 1896, war der Ansicht, dass die Sprache in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts noch nicht als ein wesentliches Kennzeichen der nationalen Individualität beurteilt werden könne. Es entspreche durchaus der gesellschaftlichen Norm, deutsch zu dichten und kroatisch zu fühlen, oder auch umgekehrt. Das Nationale sei mit dem Kulturellen nicht immer deckungsgleich. Bevor das Latein als Amtssprache in Kroatien durch das Deutsche verdrängt wurde, habe die Obrigkeit auch nicht erwartet, dass man »römisch« fühle. Ein treffliches Bonmot, das die innere Zerrissenheit und das Paradoxon des Abhängigkeitsverhältnisses von aufgezwungenen Identitäten deutlich macht.31 Es gab allerdings um 1850 noch einen anderen plausiblen Grund für den Gebrauch des Deutschen  : Es war wesentlich leichter, auf Deutsch als auf Kroatisch oder Slowenisch zu dichten. Während das Deutsche auf eine mindestens dreihundertjährige literarische Tradition zurückblickte, war die kroatische Sprache erst dabei, eine beständige Form und Struktur zu entfalten. Dies war allerdings nicht nur ein kroatisches Phänomen. Auch Tschechen, Polen und Ungarn benutzten Anfang des 19. Jahrhunderts das Deutsche anstatt der unterentwickelten nationalen Sprachen. Die deutsch schreibenden Autoren versinnbildlichen unterschiedlichste Identitätsentwürfe. Ihr Antrieb lag sowohl im Nationalen als auch im Kulturellen. Dabei spielt das deutsche Sendungsbewusstsein ebenso eine Rolle wie der soziale Legitimationsdruck. Die großdeutsch (Friedrich von Gagern) und deutsch-österreichisch (Anton von Tschabuschnigg, Anastasius Grün, Roda Roda) denkenden Aristokraten sind dabei ebenso repräsentativ wie die gebürtigen Slowenen und Kroaten, die sich des übernationalen deutschen Idioms bedienten. Der Pragmatismus spielte eine wichtige Rolle, während die Literatur als Selbstzweck eine Ausnahme war. Man wird in diesem Überblick nur sporadisch mit literarischen Texten von hoher ästhetischer Relevanz konfrontiert. Der oder die hochrangige Autor/in erhebt sich als Ausnahme, umso prägnanter dann sein/ihr Auftreten, das den Beigeschmack des Provinziellen dahin fegt, wie etwa im Fall von Anastasius Grün, Friedrich von Gagern, Franz von Werner (Pseudonym Murad Efendi), Roda Roda oder Camilla Lucerna. Den literarischen Mainstream bilden jedoch ein31 Tropsch publizierte vornehmlich über die Beziehungen zwischen der deutschen und der slawischen Kultur. Stjepan Tropsch  : Njemački prijevodi narodnih naših pjesama (Deutsche Übersetzungen unserer Volkspoesie). In  : Rad JAZU, 66 (1906), S. 1–74  ; O utjecaju naše narodne poezije na poeziju Nijemaca u Kočevju (Über den Einfluss unserer Volkspoesie auf die Poesie der Deutschen in Gottschee). In  : Rad JAZU, 82 (1913), S. 86–100.

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2. Verschüttete Literatur

deutig die poetae minores, eifrige Schreiber von Zeitschriftenbeiträgen, Feuilletons, Gelegenheitsversen oder auch wahrhaftigen historischen ›Schinken‹. Mitunter fallen die fiktionalen Texte in die literarästhetische Nähe von Hedwig CourthsMahler. Für die deutschsprachige Literatur auf dem Gebiet, das durch eine sporadische (Ostslawonien, Vojvodina) oder auch konstante Zuwanderung der Deutschen und Österreicher geprägt ist, ist das Phänomen der Assimilation charakteristisch. In der zweiten oder spätestens dritten Generation wurden die Familien von der einheimischen Bevölkerung assimiliert, wobei sich die deutschen Einwanderer mit ihrer neuen nationalen ›Haut‹ schnell identifiziert haben, wie es Nives Rittig Beljak in ihren zahlreichen Studien über Identität und Alltagsleben der deutschen Minderheit in Kroatien erschlossen hat.32 Nicht wenige deutsche Intellektuelle setzten sich für kroatische oder slowenische kulturpolitische Ziele oft mit größerer Zielstrebigkeit und Leidenschaftlichkeit ein als gebürtige Kroaten oder Slowenen. Für die großen Epochen der deutschen Literatur (Aufklärung, Romantik, Realismus und klassische Moderne) wird in diesem Rahmen die Konkordanz im Kleinen erreicht. Die epochenspezifischen Merkmale der analysierten Werke werden trotz der geografischen Entfernung von großen deutschen und österreichischen Kulturzentren und der damit einhergehenden beträchtlichen Zeitverschiebung deutlich und klar. Oft treten sie in vereinfachter, epigonaler Form hervor und immer unter politischen, wirtschaftlichen und allgemein kulturellen Bedingungen, die mit jenen in deutschen und österreichischen Städten wenig Gemeinsames hatten. Der wesentliche Unterschied liegt in dem Umstand, dass sich das Bürgertum, der natürliche Träger der literarischen Kultur, erst spät, gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer nennenswerten Größe entwickeln konnte. Und dennoch, es haben sich sporadisch regionale Zentren gebildet, die auf den gesamten Raum ausgestrahlt haben. In der Epoche der Aufklärung fehlte zwar das selbstbewusste Bürgertum, das die ideologische Bevormundung abgeschüttelt hätte, und im gesamten Raum fand sich kein Promotor des Leibnizschen Gedankengutes, gar vom Range eines Christian Wolff, aber das stark verbreitete Gelegenheitsgedicht diente als Vehikel zur Vermittlung der Ideale des tugendhaften Lebens. Entsprechendes gilt für 32 Nives Rittig Beljak  : Švapski kulinarij – dodir tradicija u Hrvatskoj (Das schwäbische Culinarium – Begegnungen von Kochtraditionen in Kroatien). Zagreb 2003  ; Nives Rittig Beljak (Hg.)  : Povijesne zaobilaznice  : Nijemci i Austrijanci u Hrvatskoj (Historische Umleitungen. Deutsche und Österreicher in Kroatien). Zagreb 2004.

Theoretische und methodische Überlegungen – Nationale, kulturelle, literarische Identität

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moralische Anleitungen zum vernünftigen Handeln aus der Feder von Vater und Sohn Relković oder auch die ersten Parallelgrammatiken des Deutschen und Kroatischen. Die Epoche der Klassik strahlte bis ins 20. Jahrhundert mit unverminderter Kraft in den beobachteten Raum. Goethe und Schiller sind die Leuchttürme der deutschen Kultur, ihre Grundpfeiler, an der sich die gesamte auslanddeutsche Literatur orientieren wird. Die Sensibilisierung für die Welt der Antike, die Erweiterung des Repertoires der Dichtkunst um philosophische und ästhetische Themen, die Haltung der Empfindsamkeit, und vor allem das klassische deutsche Drama sind die Erbschaft der klassischen Epoche. Vor allem war Schiller das bedeutende Vorbild, zu dem man im Literarischen und Moralischen aufschaute. Kaum ein hochrangiger Übersetzer in diesem Raum, der sich nicht an Schiller versucht hätte. Und die besten Dramatiker waren von Schillers großen Geschichtsdramen beeinflusst, Josip Jelačić genauso wie Franz von Werner (Murad Efendi). Gemäß dem programmatischen 116. Athenaeum-Fragment von Friedrich Schlegel, das das Verschmelzen aller Bereiche der Kunst und des Lebens proklamiert, fand die Literaturepoche der Romantik starken Nachklang. Literatur, lyrische Dichtung zumal, wird Teil der Lebenswelt, wird in der sich entwickelnden Presselandschaft zum Medium kultureller Repräsentation und kritischer Prüfung der eigenen Identität. Das Zelebrieren des schöpferischen Ichs und das von Zwängen des spätaufklärerischen Rationalismus losgelöste Individuum finden einen paradigmatischen Ausdruck in der Reiseliteratur, die hier reich vertreten ist. Die Bedeutung dieses Genres kann für den betrachteten Raum kaum überschätzt werden  ; sie ist aber zugleich ein allgemeines Phänomen der deutschen Literaturgeschichte des späten 18. und 19. Jahrhunderts. Die regionale Literatur folgt also den Hauptlinien sowohl des kritisch-aufklärerischen Gestus des Reisenden, der inspiziert, Bildung und Kultur studiert und zugleich vermittelt, wie auch dem idyllischen Modell der Reise, die neue Lebenswelten phantasiert und zugleich ironisiert. Es wird an so unterschiedlichen literarischen Charakteren wie Therese von Artner, Robert Michel oder Hermann Bahr deutlich gemacht werden können. Von großer kulturpolitischer Bedeutung für Slowenien, Kroatien und Serbien war Goethes Interesse für das slawische Volkslied, das durch seine deutschen Übersetzungen europaweite Anerkennung erlangte. Der slowenische Dichter Anton Tomaž Linhart publizierte »Blumen aus Krain« (1781), eine Sammlung slowenischer Volkslieder in deutscher Übersetzung. Achtzig Jahre später führte der bedeutende Krainer Dichter Anastasius Grün mit seiner Sammlung »Volks-

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2. Verschüttete Literatur

lieder aus Krain« (1850) das slowenische Volksliedergut an die Weltliteratur heran. Die Kanonisierung des Volksguts erstreckte sich auch auf die slawischen Volksmärchen und Volkssagen, die sich ins romantische Genre des exotischen Märchens problemlos einfügten. Die für das Biedermeier typische Gartenlauben-Literatur wurde vornehmlich in slowenischen und kroatischen Literaturbeilagen gepflegt, während der Realismus als Epoche die längste und nachhaltigste Wirkung hatte. Es sei hier nur auf den historischen Roman des in Ludbreg bei Varaždin geborenen Eduard Breier und die historischen Erzählungen der slowenisch-deutschen Schriftsteller Josef Buchenhain (Babnik) und Leopold Kordesch hingewiesen. Ein spezifisches Biotop des realistischen, auf die Heimat bezogenen Erzählens, bilden die slawonischen Autoren vom Anfang des 20. Jahrhunderts, Vilma von Vukelić, Roda Roda und Victor von Reisner. Der aus Krain stammende Erzähler Friedrich von Gagern entwickelte einen eigenen Typus des an der Grenze zwischen Zivilkroatien und der Militärgrenze verorteten Gesellschaftsromans. Den Stilpluralismus der Jahrhundertwende haben sich Autoren aus diesem Raum intensiv und in einem kurzen Zeitraum erschlossen, ihn auch maßgeblich mitgeprägt. Die Aufbruchstimmung, die Grenzüberschreitung, die AußenseiterThematik bestimmen das Werk von Ivan Cankar, Tito Strozzi und jener Dichter, die um die Jugendstil-Zeitschrift »Mladost« (Die Jugend) versammelt sind. Den in Bosnien stationierten dichtenden Offizier Robert Michel beriet in ästhetischen Angelegenheiten sein Freund Hugo von Hofmannsthal. Hofmannsthals lyrische Klangfülle klingt gelegentlich auch in Michels gelungensten Erzählungen nach. Victor Tausk, der in Sarajevo aufgewachsene Erzähler und Dramatiker, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Sigmund Freud in seinen engsten Kreis aufgenommen und zum Psychoanalytiker ausgebildet. Tausks ebenso dunkles wie elegantes literarisches Werk wird durch die literarischen und weltanschaulichen Tendenzen der Wiener Moderne in herausragendem Maße beeinflusst.

3. Voraussetzungen und Anfänge Der Raum – Slowenien, Kroatien, Slawonien Die Deutschen in den slowenischen Gebieten sind Nachkommen der seit Mitte des 9. Jahrhunderts in den Tälern von Drau, Mur und Save siedelnden bairischen und fränkischen Stämme. Die Stärkung des deutschen Einflusses im Bereich der Politik und des Militärs Ende des 17. Jahrhunderts in den Gebieten, die seit der Mitte des 14. Jahrhunderts von den Habsburgern regiert waren, ergab keine beträchtlichen ethnischen Veränderungen. Nur die deutsche Insel im Gebiet um Kočevje (Gottschee) wuchs. Im slowenischen Gebiet kam es zunehmend zur Konsolidierung der deutschsprachigen bürgerlichen Schicht, die sich von der slowenischsprachigen Unterschicht abhob. Das Deutsche hat das Slowenische als Amtssprache verdrängt, das Slowenische wurde nur im mündlichen Verkehr mit dem Volk genutzt, das des Deutschen nicht kundig war.33 Ähnlich war es auf dem Gebiet der Militärgrenze  : Der Adel und die Unteroffiziere waren zumeist Kroaten, während höhere Offiziere und ein Teil des Bürgertums deutsch waren. Zu intensiven kulturellen und sprachlichen Beziehungen mit deutschen Ländern kam es während der Reformationszeit. Die Bauernaufstände und die Reformation schufen die sozialpolitische Grundlage für die Herausbildung der modernen slowenischen Nation. Die Lehren Luthers gelangten durch slowenische Studenten, die an deutschen protestantischen Universitäten studierten, in die slowenischen Gebiete, ebenso durch Händler, Bergleute und Reisende. Der bedeutendste Protagonist der slowenischen Reformation ist Primož Trubar (1508– 1586), der Domprediger in Ljubljana, der das Neue Testament und Luthers Bibel ins Slowenische übersetzte, diese ersten Bücher in slowenischer Sprache drucken ließ und Volksschulen für die einfache Bevölkerung förderte. Die Bücher, Grundlage des slowenischen Schrifttums, wurden in Deutschland gedruckt, wo sich 33 Herta Maurer-Lausegger  : Slowenisch und Deutsch in Kärnten. Sprachlich-kulturelle Koexistenz und Germanisierungsprozess von den Maria-Theresianischen Reformen bis zum Ende der Habsburgermonarchie. In  : Gun-Britt Kohler, Rainer Grübel, Hans Henning Hahn (Hg.)  : Habsburg und die Slavia. Frankfurt am Main 2008, S. 148–173  ; S. 151  : »Die Kulturgesellschaft begann sich also seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in eine slowenische und eine deutsche zu teilen – ein Prozess, der sich bis hinein in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts fortsetzte.«

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3. Voraussetzungen und Anfänge

Trubar auf der Flucht vor der Verfolgung in Ljubljana aufhielt. 1547 wurde er vom Bischof Textor exkommuniziert, seit 1567 wurde er als Pfarrer in Derendingen (bei Tübingen) eingesetzt. Im Grunde hatte die Reformation eine starke Auswirkung nur auf das kulturelle und literarische Leben bei den Slowenen. Obwohl der Kroate Matija Vlačić (Flacius Illyricus), Mitstreiter Luthers, zu den zentralen Figuren der Reformation zählt, hat der protestantische Gedanke in Kroatien keine Verbreiterung zu einer selbstständigen Bewegung erfahren. Zwar wurden auf Veranlassung des slowenisch-kroatischen Bibelinstituts (Biblijski zavod) in Urach Bücher auch in der altkroatischen Schrift Glagolitza sowie in der serbischen kyrillischen Schrift gedruckt. Trubars kroatische Anhänger, Juraj Dalmatin und Stjepan Konzul, übersetzten Trubars Werke ins Kroatische. Doch allzu deutlich und rasch kam die katholische Antwort  : Die Gegenreformation als staatliches Projekt mit praktischer Unterstützung durch den Jesuitenorden zieht im Laufe des 16. Jahrhunderts die Grenze zwischen der österreichischen Kultur der deutschen Sprache und anderen deutschsprachigen Kulturen. Die Verbreitung der deutschen Kultur in den südslawischen Gebieten ist ohne den Beitrag des Jesuitenordens nicht vorstellbar. Vor allem durch ihre Bildungsinitiativen haben sie zur Festigung der Sprache einen wesentlichen Beitrag geleistet. Das 1527 gegründete Jesuitengymnasium in Graz wurde auch von vielen slowenischen und kroatischen Schülern besucht. Der kroatische Adel lud bereits seit 1601 Jesuiten ins Land, um die Verbreitung der Reformation zu vereiteln. 1607 wurde in Zagreb das erste Jesuitengymnasium gegründet, weitere 1627 in Rijeka und 1637 in Varaždin. Nach der Verstaatlichung der Gymnasien und Hochschulen in der Folge der Auflösung des Jesuitenordens (1773), wurde das Lateinische durch das Deutsche als Unterrichtssprache verdrängt. Die Latinität hat in kroatischen Gebieten eine lange Tradition seit dem 9. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Bis 1848 war Latein in Kroatien die Amtssprache, bis in die neueste Zeit entstehen literarische Werke in lateinischer Sprache (Ton Smerdel, Ivan Golub). Der Latinist Pavao Skalić druckte in Basel 1559 »Ency­ clopaediae, seu orbis disciplinarum tam sacrarum quam profanarum Epistemon« (Enciklopedija duhovnih i profanih struka), womit er den Begriff der Weltliteratur erstmals einführte und gleichzeitig ein erstes Beispiel vorlegte. Unter Maria Theresia und Joseph II. ist der deutsche Einfluss in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gestiegen. Im Zeitalter des Josephinismus gewann die deutsche Sprache Oberhand im Unterrichtswesen und in der allgemeinen Schulordnung. Insbesondere die josephinische Gesetzgebung führte zu ihrer Stärkung. Während Maria Theresia mit ihrem Edikt von 1770 das Schulwesen

Der Raum – Slowenien, Kroatien, Slawonien

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in Kroatien unter die Kontrolle des Staates gestellt hat, um die Basis für die Einführung des Deutschen als allgemeine Unterrichtssprache zu schaffen, verfügte Joseph II. im Jahr 1784, dass an allen Gymnasien Deutsch die Unterrichtssprache sein müsse. Wegen massiver Proteste wurde sein Dekret 1789 wieder zurückgenommen und die inzwischen entlassenen Lehrer, die des Deutschen nicht mächtig waren, wurden wieder eingestellt. Latein kehrte wieder einmal als Unterrichtsund Amtssprache in Kroatien zurück und wurde die Sprache der Politik und Wissenschaft, während das Deutsche als Kultursprache des Bürgertums an Einfluss nicht viel eingebüßt hatte. Die neu gegründete Pflichtvolksschule (Allgemeine Schulordnung 1774 in Österreich, Ratio studiorum 1777 in Ungarn) verfolgte das Ziel, die Germanisierung der Bevölkerung voranzutreiben. Der Zweck der Maßnahme war, die Beherrschung der deutschen Sprache zur Pflicht für Beamtenanwärter durchzusetzen. Am 7. Dezember 1785 wurde das Deutsche als Amtssprache beim Zagreber Magistrat eingeführt, seit 1786 wurden auch die Ratsprotokolle in deutscher Sprache verfasst. Im Jahrzehnt des Absolutismus, der am 31.12.1851 eingeführt wurde und zehn Jahre währen sollte, dringt die deutsche Sprache noch einmal in einem letzten Kraftakt durch. Deutsch wird zur Sprache der Verwaltung und der Gesetzgebung in Kroatien, teils auch in Dalmatien und Istrien. Unter dem Eindruck der deutschen Aufklärung verbreiten kroatische Schriftsteller mit didaktischen Schriften die Ideen des Rationalismus unter der weitgehend bäuerlichen Bevölkerung. Matija Antun Relković (1732–1798), österreichischer Offizier im Siebenjährigen Krieg, bildete mit seiner »Nova slavonska i nimačka gramatika« (Neue slawonische und deutsche Grammatik) das Fundament für spätere Grammatiken. Zu Relković’ Lebzeiten ist die Grammatik Manuskript geblieben und wurde erst 1867 publiziert. Sein Sohn Josip Stjepan Relković (1754–1801) setzte die aufklärerische Familientradition fort, indem er eine praktische Enzyklopädie für die Bauern, »Kuchnik« (Der Hausmann), in Versform verfasste. Eine der bedeutendsten literarischen Persönlichkeiten in Ljubljana, des wichtigsten slowenischen Zentrums des deutschen Bürgertums, im späten 18. Jahrhundert ist Anton Tomaž Linhart (1756–1795), Sohn eines böhmischen Handwerkers, der zunächst Finanzwesen in Wien studierte. Nach der Rückkehr nach Ljubljana arbeitete er als Archivar und hoher Beamter im Schulwesen. Dieser Lyriker und Dramatiker ist eine der zentralen Gestalten der slowenischen nationalen ›Wiedergeburt‹. Seine erste Gedichtsammlung »Blumen aus Krain« (1781), Übersetzungen slowenischer Volksdichtung ins Deutsche, publizierte er noch während des Studiums. Auch sein erstes dramatisches Werk, die Tragödie

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3. Voraussetzungen und Anfänge

»Miss Jenny Love«, schrieb er in deutscher Sprache. Erst unter dem Einfluss der slowenischen Aufklärer, allen voran Žiga Zois, begann er, slowenisch zu schreiben. Nach der Vorlage der Komödie »Der tolle Tag oder die Hochzeit des Figaro« von Beaumarchais verfasste er »Ta veseli dan ali Matiček se ženi« (Dieser lustige Tag oder Matiček vermählt sich). Am 28. Dezember 1789, der seither als der Geburtstag des slowenischen Schauspiels gilt, wurde Linharts Komödie »Županova Micka« (Micka, Tochter des Bürgermeisters), eine Bearbeitung des Lustspiels »Die Feldmühle« von Joseph R. Richter, im deutsch dominierten Ständetheater in Ljubljana aufgeführt. Linhart führte Regie, seine Frau spielte die Hauptrolle. Unter dem stürmischen Beifall des Publikums war der Beweis erbracht, dass sich das Slowenische für das Theater eignet. Linhart, der auch als Historiker arbeitete, schrieb die zweibändige Monografie »Versuch einer Geschichte von Krain und den übrigen Ländern der südlichen Slawen Österreichs« (1. Teil 1788, 2. Teil 1791). Die Deutschen des slowenischen Raumes waren nicht auf Habsburg oder das Reich fixiert, sondern vielmehr auf einen Beitrag zur Festigung einer slowenischen Gesellschaft und Kultur bedacht, dies nicht im Sinne der Zugehörigkeit zum Volk, sondern im staatsnationalen Sinne. Aus ihrer wirtschaftlichen und politischen Überlegenheit leiteten die Krainer Deutschen auch eine kulturtragende Mission ab. Im Sog der ökonomischen Verschlechterungen verfiel jedoch auch das Selbstbewusstsein des deutschen Bürgertums in Krain. Die historischen kroatischen Länder kamen in ersten engeren Kontakt mit der deutschen und der österreichischen Kultur nach der Erhebung Ferdinand I. zum kroatischen König 1527. Deutsch dominierte in Zivilkroatien, das nicht der öster­reichischen Militärverwaltung unterstand, vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis zum Ende des Neoabsolutismus, in den Komitaten34 Zagreb, Varaždin und Križevci vom ausgehenden 18. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der erst 1881 aufgelösten Militärgrenze und im Königreich Slawonien mit den Komitaten Požega, Virovitica und Syrmien sowie in den Siedlungen der schwäbischen Siedler. Eine scharfe Zensur hielt die natürliche Entfaltung der kroatischen Literatur zurück. Aus diesem Grund wird sie eine beträchtliche Phasenverschiebung im Vergleich zu den Nationalliteraturen der westlichen Länder hinnehmen müssen. Bis zum Untergang der Österreichisch-Ungarischen Monarchie war die Ausbildung an österreichischen Hochschulen der nachhaltigste Wirkungsfaktor der 34 »Komitat« ist die deutsche Bezeichnung für die regionale Verwaltungseinheit Ungarns, die sich auch auf das ehemalige Königreich Ungarn bezieht. Die Komitate auf dem Gebiet Kroatiens werden heute als »Gespanschaften« bezeichnet.

Die Rolle der Geistlichkeit

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slowenisch-österreichischen und kroatisch-österreichischen Kulturbeziehungen. Der Großteil der slowenischen und kroatischen Intellektuellen hat seine Studien an österreichischen Hochschulen absolviert. Die Reform der Mittel- und Hochschulen durch das österreichische Unterrichtsministerium wirkte sich auch auf das kroatische Unterrichtswesen positiv aus. Um den Einfluss der deutschen Sprache einzudämmen, meldeten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer häufiger Stimmen zugunsten anderer Fremdsprachen zu Wort, in erster Linie für das Französische, während sich die kroatischen Schriftsteller bemühten, das Interesse der Leserschaft von der deutschen auf die slawischen und romanischen Sprachen und Literaturen zu lenken. Auch nach der Gründung der ersten Universität in Kroatien, in Zagreb 1874, besuchten kroatische Studenten weiterhin die Hochschulen in Österreich, insbesondere die Kunstakademien. Der kroatische Architekt Bartol Felbinger hatte schon seit 1809 die Stadtmitte von Zagreb nach dem Vorbild österreichischer Städte geplant. Seine Arbeit wurde seit 1881 von Leo (Lav) Hönigsberg und Julio Deutsch, die in Wien ausgebildet waren, fortgesetzt. Die Wiener Sezession hatte eine tiefgreifende Auswirkung auf die kroatische bildende Kunst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Einer ihrer Protagonisten, Adolf Loos, beteiligte sich noch 1922 an der Projektausschreibung für das Hotel »Esplanade« in Zagreb, allerdings ohne Erfolg. Anfang der 1920er-Jahre begann auch seine Freundschaft und Zusammenarbeit mit dem jungen Zagreber Architekten Zlatko Neumann.

Die Rolle der Geistlichkeit Die Nähe von Theologie und Dichtung, bis hin zu Pfarrer und Dichter, hat sich auch in der kroatischen und slowenischen deutschen Literatur als sehr produktiv erwiesen.35 Johann Nepomuk Schwerdling (1758–1833), in Wien geboren und dort zum Theologen ausgebildet, kam 1790 nach Zagreb, wo ihm in kurzer Zeit eine beachtliche Karriere gelang. Er wurde 1791 zum Professor an die Theologische Fakultät berufen, ein Jahr später zum deutschen Prediger am Zagreber Dom. 1798 verlässt er Zagreb, um bis zu seinem Tode in hohen Ämtern beim Bistum Linz zu wirken. In Zagreb publizierte er 1794 »Wald-Scenen und Natur-Schönheiten«, ein Buch der Erinnerungen, das er seinem Förderer, dem Zagreber Bischof Mak35 Vgl. grundsätzlich Albrecht Schöne  : Säkularisation als sprachbildende Kraft. Studien zur Dichtung deutscher Pfarrersöhne. Göttingen 1958.

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3. Voraussetzungen und Anfänge

similijan Vrhovac widmete, um dessen bedeutendsten öffentlichen Leistungen zu loben, und zwar die Schaffung der groß angelegten Park- und Erholungsanlage Maksimir, heute ein großes grünes Areal mit einem Tiergarten. Es handelt sich um eine Kompilation nach der fünfbändigen »Theorie der Gartenkunst« (1779–89) des damals populären Kieler Theoretikers der Gartenkunst und des Landschaftsparks Christian Cay Lorenz Hirschfeld, die Schwerdling um einige lokale Szenen und Landschaftsszenerien ergänzt hat. Indem Schwerdling – dem Aufklärer Hirschfeld folgend – den englischen Landschaftsgarten zum mustergültigen Vorbild der gemeinnützigen Gartenarchitektur erhebt, gleichsam zu einem Element einer gemeinschaftlichen Bildungsinitiative, legt er mit seiner Publikation doch einen unverhohlenen Beleg seiner sentimentalen Naturanbetung vor. Die Natur sei Offenbarung Gottes, die die Seele mit erhabenen Empfindungen erfülle und so den Menschen ethisch vervollkommne. Zu Schwerdlings Werken zählen des Weiteren theologische Studien und Gelegenheitsschriften, etwa die »Praktische Anwendung aller k. k. Verordnungen in geistlichen Sachen Publico Ecclesiasticis vom Antritte der Regierung weiland Marien Theresiens bis ersten May 1788« (Wien 1788–1790) und die »Trauerrede auf Joseph II.« (Zagreb 1790). Der kroatische Jesuit, Missionar, Mathematiker und Landvermesser Ignacije Szentmartony, der Ältere (1718–1793) führte ein abenteuerliches Leben, das ihn die Grenzen der provinziellen Gemütlichkeit seiner engeren Heimat weit überschreiten ließ. In Kotoriba (im Norden Kroatiens, unweit der Grenze zu Ungarn) geboren, besuchte er das Gymnasium in Zagreb und das Jesuitenkolleg in Wien, wo er dem Jesuitenorden am 27. Oktober 1735 beitrat. Nach dem Philosophiestudium in Graz (1739−41) unterrichtete er einige Jahre an Gymnasien in Zagreb und Varaždin, nahm 1744 in Wien erneut ein Studium auf, um bis 1749 neben Philosophie auch Mathematik zu studieren. 1749 wurde er von seinem Orden nach Brasilien entsandt. Der portugiesische König, João I., ernannte ihn zum Hofastronomen und Landvermesser. Nachdem er zehn Jahre lang im Bereich des unteren Amazonas und Rio Negro Vermessungen durchgeführt, Karten angelegt und das Terrain gewissermaßen auch für den viel bekannteren deutschen »notable Explorer« und Weltreisenden Alexander von Humboldt vorbereitet hatte, der von 1799 bis 1804 Amerika bereisen sollte, gelangte Szentmar­ tony 1760 ins Gefängnis  : als unschuldiges Opfer eines von lokalen Machthabern angefachten Krieges der Indianer gegen die Portugiesen. Im Jahr 1777 wurde er nach Intervention von Kaiserin Maria Theresia aus dem Gefängnis befreit und konnte zunächst nach Wien, 1780 nach Kroatien zurückkehren, wo er 1793 in Belica starb. Zur Kultur- und Literaturgeschichte der Region gehört er mehr durch diesen abenteuerlichen Lebenslauf als durch seine Gelegenheitsdichtung.

Das Gelegenheitsgedicht

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Oft wird der Mathematiker und Landvermesser mit dem gleichnamigen Linguisten verwechselt. Dieser nämlich, der Verfasser der ersten Grammatik des kaj­ kavischen Dialekts, war ebenfalls Jesuit und Dichter. Ignacije Szentmartony, der Jüngere, wurde 1743 wie der Missionar in Kotoriba geboren. Nach dem Studium in Graz kam der junge Jesuit 1765 nach Kroatien zurück und unterrichtete an Gymnasien in Zagreb und Varaždin. In der Zeit von 1767 bis zur Auflösung des Jesuitenordens 1773 studierte er Theologie in Graz, um danach wieder eine Lehrtätigkeit an kroatischen Gymnasien aufzunehmen. Hier arbeitete er an seiner Grammatik, die er 1783 in Varaždin in deutscher Sprache herausgab. Die »Einleitung zur kroatischen Sprachlehre für Teutsche« ist die erste Grammatik der kajkavischen Sprache, der nordkroatischen Mundart, die auch in der Hauptstadt Zagreb gesprochen wird. Der einflussreichste Sprachwissenschaftler seiner Zeit, der Slowake Pavol Jozef Šafárik, lobte die Grammatik. Auch Szentmar­ tony verfasste im Auftrag und auch aus eigenem Antrieb Gelegenheitsverse, so zum Beispiel die »Klage eines Seelenhirten beym Tode Joseph Galiuf Bischof von Agram« (1786). Ein Autor authentischer Lustspiele aus dem Volksleben in kajkavischer Sprache ist Tituš Brezovački (1757–1805), der 1773 in den Orden der Paulaner eintrat. Nach Auflösung des Ordens 1786 lebte er als weltlicher Pfarrer. Er geißelte den Aberglauben und die allgemeine Rückständigkeit in Kroatien im Sinne der deutschen Aufklärung. Anders als seine Lustspiele schrieb er seine Gedichte in lateinischer und deutscher Sprache.

Das Gelegenheitsgedicht Das Zeitalter der Aufklärung hat im beobachteten Raum Erleuchtung gebracht, die sich nicht zuletzt in einer weit verbreiteten literarischen Form artikulierte. Das Gelegenheitsgedicht, in deutscher Sprache zu unterschiedlichsten feierlichen Anlässen verfasst, war ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Zeremoniells und der Etikette. Seine Grundhaltung ist Herrscherlob. Pfarrer, Dichter, Adlige, Personen in gehobener gesellschaftlicher Stellung, aber genauso Handwerker, Schuster und Hausfrauen überboten sich in Angeboten an Gratulationsversen zu Geburtstagsfesten, Regimentsfestlichkeiten, Besuchen der königlichen Familie in Zagreb oder auch zur Einweihung von Krankenhäusern. Die überwiegende Zahl dieser Texte erreicht kaum literarisches Niveau, verdient indes als kulturelles Zeugnis einer von der deutschen Sprache geprägten Lebenswelt durchaus Interesse. Dabei finden sich Ausprägungen des im 18. Jahrhundert ent-

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3. Voraussetzungen und Anfänge

wickelten Typus bis weit in das 19. Jahrhundert hinein, sodass in der folgenden kursorischen Übersicht wichtigerer Vertreter auch über die Zeitgrenze von 1800 hinaus Beispiele angeführt sein können, immer im Bewusstsein, damit noch – in engerer Sicht – im vorliterarischen Raum zu verbleiben. Von 1850 bis 1880 gab es etwa einhundert selbstständige deutsche Veröffentlichungen von Gelegenheitsliteratur in Kroatien, davon erschienen viele in deutschsprachigen Zeitungen, Zeitschriften und Literaturbeilagen. Es handelte sich zwar um minoritäre Literatur in kleiner Form, oft unprofessionelle, holprigmühselige Versuche, Verse zu schmieden, die teils auf Flugblättern abgedruckt wurden, um die Verteilung zu erleichtern. Die allgemeine Wahrnehmung war jedoch enorm. Das Gelegenheitsgedicht will zunächst Kunde tun, Nachricht geben von einem ehrwürdigen Ereignis, ob Namenstag der Majestät oder einer lokalen Größe, Eröffnung der chirurgischen Abteilung des städtischen Krankenhauses oder Jubiläum des Schützenvereins.36 Die Zeitgenossen haben die Gelegenheitsdichtung als ein den Alltag ebenso bewahrendes wie transzendierendes Medium gesellschaftlicher Kommunikation wahrgenommen, das den Bedingungen einer vorindustriellen Klassengesellschaft, die sich im Übergang vom Feudalismus in die bürgerliche Epoche befand, voll Rechnung trug. So gesehen haben diese literarischen Dokumente zweifelsohne eine beachtenswerte kulturhistorische Bedeutung. Es gab auch Autoren, die das Schmieden von Gelegenheitsversen zur Profession erhoben oder wenigstens als Berufung erlebten  : Suzeta Gräfin Erdödy dichtete eifrig Festtagsverse. A. J. Guttenberg verfasste die Kantate »Das Lob der Freundschaft«. Anlässlich des Besuchs von Kaiser Franz I. am 28. Juni 1818 in Zagreb wurde die Hauptstadt mit Gelegenheitsversen zu seinen Ehren geradezu überflutet. Joseph Bubenhofen, der um 1805 das Deutsche Theater in Zagreb leitete, publizierte u. a. »Gefühl bei der allerhöchst-feyerlichsten Ankunft Ihrer k. k. Majestäten Franz und Caroline in Agram«. Gedruckt wurden die Festtagsverse mehrheitlich bei der Novoszelschen Druckerei, dem führenden Haus in Zagreb. Auch in der Militärgrenze hielt man an der Tradition der Festtagsgedichte fest, Alojzije Baron Peharnik etwa verfasste sie zu unterschiedlichen Anlässen, 1831 beispielsweise zu Ehren des 63. Geburtstags von Kaiser Franz I. den »Liederkranz patriotischer Volksgesänge aus der Militär-Grenze«. Im Jahr 1828 ließ er in der Druckerei von Franz Suppan in Zagreb »Mitleid und Hoffnung. Ein al36 Zur Feier der Einweihung der Chirurgie des Krankenhauses der barmherzigen Schwestern in Zagreb am 2. April 1812 hielt der Arzt Rudolph Lamprecht eine feierliche Ansprache in deutscher Sprache.

Das Gelegenheitsgedicht

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legorisches Gedicht für gefühlvolle Menschen« drucken. Ein Jahr später publizierte er in derselben Druckerei »Betrachtungen über Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Auf Veranstaltung des Herrn Abten Osegovich de Barlabassevecz zum Druck befördert zugunsten des Krankenhauses der barmherzigen Brüder«. Mihajlo von Kunić (1765–1835), ein ausgewiesener Kenner der Literatur seiner Zeit und Autor zahlreicher Biografien, unter anderen auch der Adelsfamilie Sermage, trat ebenfalls als Verfasser von Gelegenheitsgedichten hervor. Der Publizist Ferdinand Rosenau (1785–1841), ein in vielen kulturellen Bereichen tätiger Mensch, den man heute vielleicht ›Kulturmanager‹ nennen würde, war ein Protagonist des populären Genres. Am 1. Juli 1826 veröffentlichte er in der deutschsprachigen Zeitschrift »Luna« seine »Auszüge aus der vaterländischen Geschichte«. Bereits Ende des Jahres 1825 hatte er den Text für die »GedächtnisFeyer des am 1. Jänner vollzogenen goldenen heiligen Mess-Opfers Sr. Exz. Maximilian Verhovacz de Rakitovecz Bischof von Agram« dargebracht, der in der Druckerei von Joseph Rossy gedruckt wurde. Im selben Jahr schrieb er auch die »Trauer-Thränen auf das Grab der Frau Hofräthin Franziska v. Novosel geb. von Verhovacz«. Anton Tomaž Linhart, der schon genannte slowenische Lyriker und Dramatiker, verfasste 1781 nach dem Tode Maria Theresias ein Gedicht des Trostes an Joseph II.37 Linhart schwört mit seiner Hymne die Völker Österreichs auf Eintracht und Harmonie ein, die von den Habsburgern so wie bisher auch in Zukunft garantiert werde. Etwas holprig im Rhythmus und allzu pathetisch nimmt sich der Stil dieser Verbeugung vor dem Monarchen aus. Der Völker, denen Joseph nicht Joseph ist, Die in dem Sumpfe göldener Trübsalen Hinschmachten, itzo neidisch aufwärts Schielen, und sagen  : O wär’ ER unser  ! 38

Besonders larmoyant wurden die kaiserlichen Festtage mit Gelegenheitsdichtungen begangen, die die gewöhnliche Kürze der Gattung oft sprengten. Auf das Jahr 1837 geht das Dramolett zurück, das mit dem Titel »Die beyden Kaiser, oder Das verhüllte Bild. Vorspiel auf Belovar. Am Vorabend des Geburtsfestes Sr. Ma37 An Joseph nach dem Tode Marien Theresiens. Von Linhard im Winter 1781. Ljubljana 1781. 38 Zitiert nach Marjan Dolgan  : Slovenska ������������������������������������������������������������������� muza pred prestolom. Antologija slovenske slavilne državniške poezije (Die slowenische Muse vor dem Thron. Anthologie der slowenischen lobpreisenden Staatspoesie). Ljubljana 1989, S. 40. Hervorhebungen im Original.

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3. Voraussetzungen und Anfänge

jestät des Kaisers« von Franz von Strüff, pensionierter Hauptmann und Bürgermeister von Zagreb, gedichtet wurde. Sogar Josip Jelačić , der spätere General der österreichischen Armee und Banus (Vizekönig) von Kroatien, hat 1829, während seiner Dienstzeit als junger Oberhauptmann bei den Dragonern in Galizien, ein längeres Gedicht zum Lobe der Geselligkeit gedichtet  : »Erinnerungen an Zarzyce«, dem Garnisonsstädtchen unweit von Lemberg gewidmet. Katharine (Kitty) Hofmann richtete mehrere festliche Adressen an bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, etwa »Auf das allerhöchste Jubelfest der fünfzigjährigen Priesterweihe des Herrn Agramer Bischof Verhovacz von Rakitovecz am 1. Jänner 1826« und »Zur festlichen Jubelfeyer der fünfzigjährigen Priesterweihe des Herrn Agramer Bischof Alexander von Alagovich am 30. Dezember 1834«. In Ljubljana betätigte sich als Dichterin von Gelegenheitsversen, die auch als Einnahmequelle nützlich waren, Luise Pessiak 39 (1828–1898), Schriftstellerin und Übersetzerin, die dem großen slowenischen Nationaldichter France Prešeren nahe stand. Ihr »Huldigungs-Gedicht Sr. K. und K. apostolischen Majestät Franz Josef I. in tiefster Ehrfurcht dargebracht« wurde in der »Laibacher Zeitung« 1883 publiziert. Jürg Simani (1835−  ?), ein in Zagreb geborener Schriftsteller deutscher Sprache, druckte aus Anlass der goldenen Hochzeitsfeier des Königs von Sachsen zwei huldigende Gedichte  : »Dante Alighieri« und »Philalethes«. Philalethes war der Schriftstellername von Johann, König von Sachsen (1801–1873), der sich als Übersetzer betätigte und dessen bedeutendste Leistung die Übersetzung von Dantes »Göttlicher Tragödie« war. Der dichtende Sachsenkönig, als »deutscher Dante« die Personalunion zwischen Staatsoberhaupt und ästhetisierendem Schöngeist verkörpernd, findet in Simanis Dichtung eine glorifizierende Erhebung. Stilistisch ist Simanis gesamtes Werk im Ton eines Gelegenheitsgedichtes gehalten, das sich in demutsvoller Geste an die Obrigkeit wendet, im Einklang mit der Konvention einer in ihren Traditionen noch feudalen Gesellschaft. In »Episteln an meine Tochter«, die er 1872 in den Grazer »Frauenblättern« publiziert hat, findet Simani hingegen zu einem persönlichen Ton. Dass sich das Gelegenheitsgedicht in stets neuen Gewändern bis in die neueste Zeit als Gattung der feierlichen Lobpreisung monarchischer, staatlicher oder kirchlicher Machtträger erhalten und behaupten konnte, beweist die Anthologie des slowenischen Schriftstellers Marjan Dolgan »Slovenska muza pred prestolom. Antologija slovenske slavilne državniške poezije« (Die slowenische Muse 39 Auch  : Luise Pesjak.

Die Militärgrenze als soziokulturelle Lebenswelt

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vor dem Thron. Anthologie der slowenischen lobpreisenden Staatspoesie). 40 In den Reigen der Dichter, die mit dem Gelegenheitsgedicht ihrer Ehrerbietung vor Staatsoberhäuptern des Kaisertums Österreich, der Doppelmonarchie, des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen bis schließlich zum sozialistischen Jugoslawien Ausdruck verleihen, reihen sich auch einige von Autoren ein, die Interesse verdienen. Josip Stritar wendet sich 1881 in deutscher Sprache an den Kronprinzen Rudolf. Siebzig Jahre später, 1953, betrauert die deutsch-slowenische Lyrikerin Lili Novy in slowenischer Sprache mit dem Gedicht »Kažipot. Umrl je heroj Boris Kidrič« (Der Wegweiser. Der Held Boris Kidrič ist gestorben) den Tod des kommunistischen Funktionärs Kidrič. Mehrheitlich gilt die Gelegenheitsdichtung im 20. Jahrhundert jedoch der Verehrung von Josip Broz Tito. Die Verse der begabten Dichter, die den Kanon der modernen slowenischen Lyrik mitprägen, wie etwa Oton Župančič oder Ciril Zlobec, erheben sich über das Gebot der ideologischen Pflichterfüllung und leisten mehr als Abarbeitung am Tito-Kult. Der Mythos von der eisernen Festigkeit, der unverletzbaren Treue und der ehrlichen Liebe zum Volk ist der zentrale ideelle Gehalt dieser Poesie von 1700 bis 1980. So gesehen konnte die poetische Gattung der Fürstenverehrung nach den gewaltigen politischen Umbrüchen von 1918 und sogar nach 1945 problemlos an das Erbe der Habsburger anknüpfen.

Die Militärgrenze als soziokulturelle Lebenswelt Die kroatisch-slawonische Militärgrenze (kroatisch »Vojna Krajina«), der auf das kroatische Gebiet entfallende Teil des Limes, der von den Habsburgern längs ihrer Grenzen zum Osmanischen Reich von 1522 bis 1881 unterhalten wurde, war während ihrer dreihundertjährigen Geschichte Schauplatz eines konsequenten österreichisch-deutschen Kultureinflusses. Das Grenzgebiet des kroatischen Königreiches, am Anfang als Verteidigungsgürtel gegen das Osmanische Reich errichtet, ist im Wandel der Jahrhunderte zu einer beträchtlichen habsburgischen Provinz herangewachsen. Die kroatisch-slawonische Krajina bildete den westlichsten und ältesten Teil der militarisierten Region, die sich von der Adria bis zu den Karpaten erstreckte. Das Land gehörte der Krone, war Militärkolonisten zugeteilt und wurde nach militärischen Gesetzen verwaltet. Alle waffenfähigen 40 Marjan Dolgan  : Slovenska muza pred prestolom. Antologija slovenske slavilne državniške poezije (Die slowenische Muse vor dem Thron. Anthologie der slowenischen lobpreisenden Staatspoesie). Ljubljana 1989.

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3. Voraussetzungen und Anfänge

Männer (Grenzer, kroatisch »Graničari«) waren Angehörige einer immer einsatzbereiten Kriegsmacht. In die europäische Geschichte ist die Militärgrenze nicht nur als ein gesondertes politisches, sondern auch als militärisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Phänomen eingegangen. Diese vielleicht signifikanteste militärische Grenzregion Europas ist heute, fast 130 Jahre nach ihrer abwechslungsreichen, über dreihundertjährigen Geschichte nicht nur ein bedeutender Gegenstand der Geschichtsschreibung in allen betroffenen Ländern, sondern immer noch lebendig im Bewusstsein der Völker, die an der Grenze gelebt haben. Ihre neueste Geschichte wird bis heute von der Erinnerung an die Militärgrenze mitgeprägt. Nicht selten wird vor dem Hintergrund der Tatsache, dass viele unterschiedliche Völker politische und wirtschaftliche Interessen der Habsburger verteidigt hatten, die Frage nach Schuld und Sühne gestellt, oft auf den Sinn der Loyalität zu einem Herrscherhaus fokussiert. Deutsch war die offizielle Sprache in der Militärgrenze, der Besuch der sogenannten Trivialschule (Volksschule) war Pflicht für die männliche Bevölkerung. Im Dienst sprach man deutsch, die Umgangssprache war Kroatisch. In den Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts wurden in der Grenze die ersten Lesehallen eingerichtet, »Kasinos« genannt, eine Mischung aus Leihbibliothek und Lesekaffeehaus. In den Hauptquartieren der Städte Petrinja und Glina geht diese populäre Institution des gesellschaftlichen Lebens und zugleich kluge Maßnahme der österreichischen Obrigkeit auf die Jahre 1842 bzw. 1846 zurück. Die Lesehallen spielten eine besondere Rolle zur Förderung des kulturellen und politischen Lebens der Einwohner der Militärgrenze. Neben dem Militärpersonal zeigten auch Menschen aus zivilen Ständen Interesse an den Lesehallen, zumal Kaufleute, Lehrer und Beamte. Mihajlo Čuić (1765–1843) hat als Grenzoffizier mit seinen Soldaten viele Schlachten im gesamten Raum Österreich-Ungarns geschlagen. Seine Erinnerungen an die Beteiligung der Grenzer an den Napoleonischen Kriegen in Russland von 1809 bis 1813 hat er in deutscher Sprache in seinen Memoiren festgehalten, die 1838 vom Priester Andrija Stipić ins Kroatische übersetzt wurden. Dass die Militärs in jenem Teil der Militärgrenze, die zu Napoleons Illyrien zugeschlagen wurde, zwangsweise innerhalb weniger Jahre die Seite wechseln mussten – und damit auch die Sprache –, um sich dann wieder unter die Habsburger Krone zu stellen, ist auch ein wesentlicher Aspekt der Geschichte dieses Gebietes. Die Grenzer kämpften während des Österreichisch-Französischen Krieges (1792–1798) an der Seite Österreichs, von 1809 an auf beiden Seiten, gegen und mit Napoleon, abhängig war dies von der konkreten Zuordnung zu

Die Militärgrenze als soziokulturelle Lebenswelt

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bestimmten territorialen Kompanien. Čuićs Truppen wurden von den Franzosen überrannt und zu Diensten Frankreichs zwangsverpflichtet. In der Schlacht an der Beresina am 25. November 1812, beim Rückzug aus Russland, als die Armee Napoleons vernichtend geschlagen wurde, fielen auch viele Grenzer aus dem Banal-Regiment. Die Überlebenden kehrten aus Russland über viele beschwerliche Umwege in die Militärgrenze zurück, um sich wieder einmal unter die österreichische Verwaltung zu stellen. Leutnant Čuić führte seine Leute an, am 16. Mai 1814 erreichten sie die Grenze  : In seiner alten Heimat angekommen, wendete er sich an sein Regiment mit folgenden historisch verbürgten Worten  : »Helden und Brüder  ! Hier ist der Adler unseres rechtschaffenen Kaisers [der Doppeladler der Habsburger, M. S.], nach dem wir uns schon seit vier Jahren sehnen, und hier ist das Wappen unserer Mutter-Heimat [Kroatien, M. S.], die uns mit unseren Brüdern wieder vereinigen wird.«41 Zur Zeit der Kriege gegen Napoleon fand eine rege Übersetzungstätigkeit der Lyrik von Ernst Moritz Arndt, Theodor Körner, Friedrich Rückert, Hoffmann von Fallersleben statt. Während der nationalen Bewegungen in den Dreißiger- und Vierzigerjahren des 19. Jahrhunderts kam es auch entlang der Militärgrenze zu einer Intensivierung der literarischen und kulturellen Tätigkeit in nationalen Sprachen. Lehrer und Priester traten zumeist als Träger dieser Bewegung hervor. Der spezifische Lebensstil an und in der Grenze, vom strengen Reglement geprägt, hat die Ausbildung einer breiteren Intellektuellenschicht nicht sehr begünstigt. In der Militärgrenze entwickelte sich eine autochthone literarische Produktion, die fast ausnahmslos von kroatischen Offizieren und Priestern ausging und die im Gegensatz zu ihrer nationalen Gesinnung nicht selten in jener Sprache dichteten, in der sie auch ausgebildet waren. Nicht zuletzt dadurch wird die spezifische politische, nationale und kulturelle Gemengelage erkennbar. Typische Vertreter dieser Ausrichtung sind etwa Josip Marić (1807–1883) und Pavle Leber (1844–1919), katholische Priester, beide zwischen der kroatischen und der deutschen Sprache hin und her lavierend. Josip Marić hat seit 1835 in »Danica« (Der Morgenstern), der literarischen Beilage der Zeitschrift »Novine horvatske«, dem Organ der Illyrier-Bewegung in Kroatien, regelmäßig Gedichte publiziert, die historische Themen behandelten und die sich als patriotische Bekundungen in der Militärgrenze genauso wie im binnenkroatischen Raum großer Popularität erfreuten. Eine Strophe aus seinem Gedicht »Razstanak Šerežana od svoje supruge« (Der Abschied des Sergeanten von seiner Frau) illustriert den charakteristischen Stil und den dramatischen Gestus dieser Lyrik  : 41 Danica Horvatska Slavonska i Dalmatinska, 1 (1835), 33, S. 294.

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3. Voraussetzungen und Anfänge

Mila ženo  ! Nemoj suze liti, Bratja zovu – a ja moram iti, Moja desna čuvat će krainu. Tko će od nas bežati boišće  ? Umrěti je slast – za domovinu. (Liebe Frau  ! Vergieß keine Tränen, Die Brüder rufen – und ich muss gehen. Meine Rechte wird die Grenze schützen. Keiner wird wohl vom Schlachtfeld fliehen  ? Süß ist es – für die Heimat sterben.)42

Es handelt sich um eine offensichtliche Kroatisierung des Gedichts »Hektors Abschied« von Friedrich Schiller. Der deutsche Einfluss auf die kroatische Lyrik dieser Periode (Illyrier-Bewegung) war stark, zumal alle Anführer der Bewegung in deutscher Sprache erzogen und sozialisiert waren und sie sie oft der kroatischen als Schriftsprache vorzogen. Ivan Ritter von Trnski (1819–1910), einer der prominentesten Übersetzer und Dichter seiner Zeit, ist ein typischer Vertreter jener Intellektuellen, die als dichtende Grenzoffiziere in die Literaturgeschichte eingegangen sind und die in einzelnen Zentren der Militärgrenze tonangebend waren. Er wurde in einer Lehrerfamilie bei Bjelovar, auf dem Gebiet der Grenze, geboren, und kam nach dem frühen Tod des Vaters ins bischöfliche Waisenhaus nach Zagreb. Nach dem Abi­ tur absolvierte er in Graz die dreijährige Schule für administrative Grenzoffiziere, ein besonderer Schulgang, der es ihm ermöglichte, bis 1872 in unterschiedlichen Kommandanturen tätig zu sein. Er beendete seine Offizierskarriere als Generalmajor. Sein Leben lang war er der Literatur zugewandt, bereits als Jüngling veröffentlichte er Gedichte in kroatischer Sprache und war einer der engsten Mitarbeiter von Ljudevit Gaj, dem Anführer der Illyrier-Bewegung, die gegen die Germanisierung und Ungarisierung und für die kroatische Sprache und das kroatische nationale Bewusstsein eintrat. Und dennoch, mit seiner Freundin, der illyrischen Dichterin Dragojla Jarnević (1812–1875), korrespondierte er in deutscher Sprache. 42 Zitat nach Ivica Golec  : Banska krajina u djelima svećenika Josipa Marića (1807–1883) i Pavla Lebera (1844–1919) (Die Banale Grenze in den Werken der Priester Josip Marić, 1807–1883, und Pavle Leber, 1844–1919). In  : CCP (Croatica Christiana Periodica), 57 (2006), S. 155–176, Zitat S. 165. Erstveröffentlichung in  : Danica Horvatska, Slavonska i Dalmatinska, 1 (1835), H. 33, S. 294. Übersetzung Mirjana Stančić.

Die Militärgrenze als soziokulturelle Lebenswelt

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Die Militärgrenze ist Schauplatz eines der großen Romane des 20. Jahrhunderts, »Die Wasserfälle von Slunj«, des österreichischen Dichters Heimito von Doderer. Der Roman erschien 1963, drei Jahre vor dem Tod des Dichters, als Roman Nummer 7, erster Teil der geplanten, nicht abgeschlossenen Tetralogie. Die Handlung spielt vor dem Zusammenbruch der Monarchie, in einer Epoche, als die Militärgrenze als eigenständiges Kronland schon nicht mehr existiert, im Bewusstsein der Österreicher jedoch noch in dieser spezifisch österreichischen Verwaltungsvariante präsent war. Die Erinnerung an die Türkengefahr, die Besinnung auf die Schönheit der Landschaft und auf den eigenen Volkscharakter der Grenzer verleihen der Romanhandlung ästhetische Kohärenz. Dieser Roman ist die bedeutendste, wohl gar die einzige Nennung der kleinen kroatischen Grenzstadt Slunj in der Weltliteratur. In den frühen Achtzigerjahren des 19. Jahrhunderts waren die Uskoken- und Hajduken-Geschichte(n) aus der Militärgrenze als eine spezifische lokale Form der Abenteuerliteratur besonders populär. Die Uskoken (Überläufer) waren Menschen, die im 16. und 17. Jahrhundert aus dem türkisch besetzten Gebiet in die kroatischen Gebiete überliefen, um dort den Kampf gegen die Türken fortzusetzen. Die Räuberromantik, dichte, kaum begehbare Wälder, wild abstürzende Wasserfälle und die wild-schöne Balkanlandschaft, mit Spannung durchsetzt, gab vor dem Hintergrund des Habsburger Rechtsstaates eine faszinierende Kulisse ab. Der Kaiser garantierte ja die Ahndung der Frevler und die Unantastbarkeit des Gesetzes. Dass im deutschsprachigen Raum die Militärgrenze ein exotischer, gefährlicher Raum jenseits der europäische Zivilisation auch ein locus amoenus war, bezeugt u. a. der Dichter Leopold von Sacher-Masoch (1836–1895), der ein ausgeprägtes Interesse und offensichtlich auch gute Kenntnisse über einige Teile Südslawiens hatte, worauf auch entsprechende Beiträge in der von ihm herausgegebenen internationalen Revue »Auf der Höhe« hinweisen. In einzelnen Heften finden sich wiederholt Erzählungen kroatischer Autoren, etwa von Mara Čop und Lavoslav Vukelić. Mara Čop schrieb eine Erzählung über den legendären Uskoken Udmanić, dessen Lebensgeschichte sich auch der große deutsche Erzähler aus Krain, Friedrich von Gagern, mit seinem 1924 erschienenen Roman »Ein Volk« annahm. Mara Čops »Udmanič. Eine kroatische Geschichte«43 ist eine stark romantisierende Reminiszenz an die Militärgrenze mit der Figur des edlen Räubers, der für die Rechte der Schwachen eintrat, schließlich aber von seiner Geliebten verraten und an die Gendarmen ausgeliefert wurde. Elemente der Trivialromantik und der Volksliteratur rahmen die Geschichte ein, die der Ich-Erzählerin im 43 Mara Čop  : Udmanič. Eine kroatische Geschichte. In  : Auf der Höhe, III (1883) H. 16, S. 167–199.

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3. Voraussetzungen und Anfänge

Turopolje-Wald, auf dem historischen Gebiet der Hajduken, von einem Bauern mitgeteilt wird. Udmanič wird zum Volkshelden stilisiert, der sich gegen die fremde Besatzung auflehnt. Lavoslav von Vukelić, Offizier der k. u. k. Armee, selbst aus der in der Militärgrenze zentral gelegenen Region Lika gebürtig, entwickelte eine eigene Form der Offiziersromantik. Er schrieb Geschichten aus dem Leben an der Grenze, die von Hajduken, Gendarmen und armen Bauern bevölkert sind. Die Geschichte »Rade, der Hajduk, eine wahre Begebenheit aus dem Grenzerleben«44 verfasste er auf Kroatisch. Sie wurde von Hermann Tausk, dem Zeitungsherausgeber, Vater des Schriftstellers und Psychoanalytikers Victor Tausk, zur Veröffentlichung in Sacher-Masochs Kulturzeitschrift ins Deutsche übersetzt. Vukelić erzählt seine Geschichte mit einfachen sprachlichen Mitteln, macht indes von vielen Epitheta Gebrauch, um die bunte Welt des Grenzgebiets malerisch darzustellen. Der Haj­ duke wird in einer spannenden Doppelperspektive dargestellt  : Einerseits ist er ein Abtrünniger jener Gesellschaft, in deren Auftrag er von Vukelić und seinen Grenzoffizieren geahndet wird, andererseits ist er wohl auch eine romantische Gestalt, mit edlen Eigenschaften ausgestattet. Rade Kantar, eigentlich nichts anderes als ein Räuberhauptmann, der vom türkischen Gebiet auf das österreichische übergegangen war, erzählt den Offizieren seine Geschichte. Sie haben Verständnis für ihn, der, um dem Terror der Türken zu entkommen, für sich keinen anderen Ausweg sah, als Haus und Hof zu verlassen. Trotzdem wird er wegen seiner begangenen Missetaten zu Tode verurteilt. Vor der Urteilsvollstreckung küsst er seinem Vater Hand und Stirn und grüßt das versammelte Volk. Vukelićs Kommentar fällt ebenso zynisch wie pathetisch trivial aus  : »In diesem Gruße lag etwas Wunderbares, Unbeschreibliches. Es war ein Gruß vom Rande des Grabes  !«45

Ausblick  : Die Deutschsprachigkeit des kroatischen Adels – Die Familie Sermage In seinem Selbstverständnis übernational, kosmopolitisch und mehrsprachig, bediente sich der Adelige Kroatiens46 der deutschen Sprache als eines überna44 Lavoslav Vukelić  : Rade, der Hajduk, eine wahre Begebenheit aus dem Grenzerleben. In  : Auf der Höhe, IV (1885) H. 46, S. 13–22. 45 Ebd., S. 22. 46 Der kroatische Adel findet seinen kundigen Deskriptor in der Person des Juristen und Heraldikers

Ausblick  : Die Deutschsprachigkeit des kroatischen Adels – Die Familie Sermage

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tionalen Kommunikations- und Kulturidioms, das sie mit dem Adel Mitteleuropas verbinden sollte. Die Familie Sermage ist ein hervorragendes Beispiel hierfür. Dieses alte, weit verzweigte Geschlecht französischer Herkunft hat sich im 18. Jahrhundert in Nordkroatien niedergelassen, wo es in der Umgebung von Zagreb, Varaždin und Križevci beträchtliche Besitztümer hatte. Etliche Nachkommen dieses Geschlechts haben im Wandel der Jahrhunderte im politischen und kulturellen Leben Kroatiens eine bedeutende Rolle gespielt. Josip Petar Sermage (1688–1746) wurde als Großgrundbesitzer (Magnat) in den kroatischen Landtag aufgenommen. Sein Sohn Petar Troilo (1722–1779), General, erlangte 1749 den Grafentitel. Er nahm am Siebenjährigen Krieg teil. Josip Sermage (1762–1833) war Pfarrer in Zagreb, dabei ein glühender kroatischer Patriot, der Festreden bei politischen und gesellschaftlichen Anlässen hielt. Am 23. April 1804 sprach er anlässlich der feierlichen Übergabe des Krankenhauses der barmherzigen Schwestern in Zagreb. Er trat als Mäzen hervor, stattete unter anderem die Bibliothek der Akademie aus. Von 1812 bis zu seinem Tode im Jahr 1833 stand er dem gesamten Schulwesen in Kroatien vor. Karl Ivan Petar Graf Sermage (1793–1851), in französischer Sprache und Geist erzogen, studierte am Wiener Theresianum und an der Universität von Wien. Er wurde 1826 vom österreichischen Kaiser zum Magnaten des Gerichtshofes in Kroatien, Dalmatien und Slawonien ernannt. Er beerbte seinen Onkel Josip als Generalschulinspektor in den kroatischen Ländern sowie in der Militärgrenze. Seine Erzählungen und Gedichte wurden in die literarischen Taschenbuchsammlungen »Cornelia« und »Minerva« aufgenommen. Mit seiner Broschüre »Die ursprüngliche Vereinigung der Königreiche Croatien, Dalmatien und Slawonien mit der Krone Ungarns« (Wien 1836) verteidigte er das kroatische Recht auf nationale und politische Selbstbestimmung. In die Literaturgeschichte ist allein sein Cousin Richard Graf Sermage (1831– 1903) eingegangen, der zwar in Buda (Ofen) geboren wurde und in Graz verstarb, den Hauptteil seines Lebens jedoch auf seinen Adelssitzen in Nordkroatien verbrachte. Mit ihm und seinem Werk ist freilich neuerlich weit in das späte 19. Ivan von Bojničić (1858–1925), der ein reich illustriertes Wappenbuch »Der Adel in Kroatien und Slavonien« in Nürnberg herausgegeben hat. Bojničić, der auch als Übersetzer hervortrat, erfasste, wie er im Nachwort betont, nur jene Adelsfamilien, die ein Wappen führten. Es gebe jedoch in Kroatien noch eine große Anzahl der ›Donational- und Bauernadeligen‹, welche niemals ein Wappen besessen und geführt haben.« Vgl. Ivan von Bojničić  : Der Adel von Kroatien und Slavo­ nien. Nürnberg 1899, S. 250 (= J. Siebmachers grosses und allgemeines Wappenbuch. In einer neuen, vollständig geordneten und reich vermehrten Auflage mit heraldischen und historischgenealogischen Erläuterungen neu herausgegeben. Band 4).

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3. Voraussetzungen und Anfänge

Jahrhundert hineingegriffen, sodass eine Brücke zum folgenden Hauptkapitel geschlagen werden kann. Die traditionelle Verwurzelung des Grafen und seiner Familie in den rückständigen feudalen Verhältnissen seiner Heimatregion und seine Besinnung auf die Notwendigkeit des wirtschaftlichen Anschlusses Kroatiens an Westeuropa, hat ihn zur Arbeit an dem Roman »Die Verlassenen« veranlasst, den er 1889 in Zagreb veröffentlichte. Sermage gewährt mit seinem Werk einen komplexen Einblick in das Leben des nordkroatischen Adels in seiner geografischen und historischen Abgeschiedenheit. Seine Aristokraten leben in weiter Entfernung von großen europäischen Zentren, sind sich selbst überlassen, geradezu von der Welt verlassen, wie der programmatische Titel suggeriert. Die zentrale Figur des Romans, Graf Ivan ( Johann) von Korilović, der als pensionierter Oberst der Kavallerie und einstiger Verwalter einer benachbarten Provinz im Ort Sveti Matej seinen wohlverdienten Ruhestand genießt, verkörpert den Typus des aufrichtigen, treuen und zuverlässigen alten Soldaten. Er und seinesgleichen bilden das Fundament des alten Österreich. In der österreichischen Literatur aus der Zeit Sermages findet sich dieser Typus auch etwa in der Literatur von Ferdinand von Saar, Arthur Schnitzler und Joseph Roth. Anders als seine österreichischen Kameraden, die mit tadelloser Haltung, ohne Schwächen oder gar Trauer zu zeigen, den nahenden Untergang der Monarchie miterleben werden, ist der Graf von Korilović dazu verdammt, das unaufhaltsame Dahinsiechen seines Volkes mitanzusehen. Der Roman bietet eine breit gefächerte Schilderung des gesellschaftlichen Lebens im Ort Sveti Matej, irgendwo im kroatischen Hinterland, wo auch die Familie Sermage ihre Adelssitze hatte. Die Handlung ist um die Familie des Grafen Korilović strukturiert, der auf seinem Schloss, inmitten eines englischen Parks, mit seiner zwanzig Jahre jüngeren Frau, seinem Sohn Gustav und seiner Nichte Maria von Thalheim lebt. Sein Sohn aus erster Ehe, Lav, hat wenig Kontakt zur Familie, weil er nicht standesgemäß geheiratet hat. Gustav hat einen Privatlehrer, den Polen Bogumil Oginsky, einen edlen Charakter, der in die Nichte des Grafen verliebt ist. Im deutlichen Kontrast zur Welt der Aristokraten zeichnet Sermage die bittere Armut der Bauern, die unter dem Despotismus des Grafen und unter den korrupten Richtern, Rechtsanwälten und Beamten leiden. Nachdem die Scheune des Grafen abgebrannt war, wird die alte Bettlerin Barbara Stolar als Feuerlegerin angezeigt, obwohl sie unschuldig ist. Im harten Kampf ums Überleben hat sie zwei Söhne verloren, einer starb im Zuchthaus, der andere hat Haus und Hof verlassen und ist ein Abtrünniger, ein Hajduke, geworden. Lav, der ältere, verstoßene Sohn des Grafen, kommt zurück nach Sveti Matej und widersetzt sich dem Vater, der mit eiserner Hand regiert. Der Sohn hat die

Ausblick  : Die Deutschsprachigkeit des kroatischen Adels – Die Familie Sermage

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Vision von einer besseren Welt der Freiheit und der Gerechtigkeit. Doch weder er, noch Oginsky oder Maria, können die vorhandenen Lebensumstände durch ihren Edelmut ändern. Im Unterschied zu den deutschsprachigen Schriftstellern im Kroatien seiner Zeit (Eduard Breier, Mara Čop, etwas später Roda Roda, Vilma von Vukelić), die in ihren slawischen Novellen und Romanen die bunten Folklorebilder eines idealisierten Bauernlebens bevorzugen, bietet Sermage eine kritische Analyse des Lebens im ländlichen Kroatien, perspektivlos, in Armut und Aussichtslosigkeit versunken. Die radikale Konsequenz, die er selber aus dieser realistischen Analyse gezogen hat, war nicht zuletzt sein endgültiges Verlassen der Familiengüter in Kroatien und das Übersiedeln nach Österreich. Ivan Pederin macht in seiner Studie über die kroatischen Schriftsteller der deutschen Sprache auf die innere Inkonsistenz des Romans aufmerksam, den er in die erzählerische Tradition von Ivan Turgenevs »Väter und Söhne« stellt. Auf die scharfe Analyse des miserablen Zustands folge kein programmatischer Lösungsvorschlag durch Sermage, so Pederin, und der Roman bleibe doch in einem unbestimmten Glauben an die Macht und das natürliche Herrschaftsrecht des Adels verankert.47 Und dennoch leuchtet gegen das Ende des Romans ein optimistischer Funke auf. Als Gustav sich von Maria von Thalheim nach einem Ferienaufenthalt in San Remo auf der Heimfahrt nach Kroatien verabschiedet, gibt Maria dem jungen Grafen Korilović folgenden Rat mit auf den Weg, in dem sich die Hoffnung auf die Verbesserung der aussichtslosen Zustände auf dem Lande durch ökonomische Reformen mit patriotischem Sendungsbewusstsein verbindet  : »Nun denn«, versetzte Marie, »ich richte die Bitte an Dich  : trenne Dich nie von dem Lande, dem Du entstammst  ! Bleibe dem Volke treu, dem Du angehörst, weil Du ihm einst ein Vater werden sollst. Wir Drei sind aus der Heimat fortgezogen, weil unsere Zeit vorbei war  ; für uns war dort Alles Schmerz und Pein – für mich gar waren die Wege gesäumt mit Leichensteinen. – Du aber, Gustav, stehst am Beginne des Lebens  ; einst fällt Dir im Vaterlande Macht und Reichthum zu, die Du besser anwenden, segensreicher wirken lassen sollst, als dies durch Jene geschehen ist, deren Namen Du führst.«48

Während sich in Österreich die modernistischen Bestrebungen erheben, bleibt Kroatien von seiner wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rückständigkeit 47 Ivan Pederin  : Naši pisci na njemačkom jeziku (Unsere deutschsprachige Schriftsteller). In  : Forum (Zagreb), XVIII (1979) H. 4/5, S. 838–860, hier S. 852. 48 Richard Graf Sermage  : Die Verlassenen. Roman. Leipzig 1989, S. 218.

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3. Voraussetzungen und Anfänge

befangen. Am Rande der Monarchie, an der Peripherie der k. k. Zivilisation nah an der Militärgrenze erhob ein Erzähler seine Stimme, der auf die allmähliche Proletarisierung des Bauernstandes durch die Begegnung mit der Zivilisation sowie die sich anbahnende Zerstörung der Agrargesellschaft den Finger legt, woran sein Stand in baldiger Zukunft zugrunde gehen wird. Den Untergang seiner Schicht bindet Sermage in den Roman noch nicht ein, er war ein allzu selbstbewusster aristokratischer Individualist. Zwar gedenkt er melancholisch der aristokratischen Lebensform, doch will er gleichzeitig das Fundament für die neue Zeit mitaufbauen. Die erst in Ansätzen vorhandene Übergangsmöglichkeit zur neuen bürgerlichen Industriegesellschaft und der damit verbundene Prozess zur Nationswerdung schaffen den Hintergrund dieses Familienromans. Obwohl Sermage nicht als Volkserzieher auftritt, haftet den »Verlassenen« doch ein leiser pädagogischer Ton an. Dabei wendet sich der Graf nicht an seine Leibeigenen, sondern an die eigene Schicht. Ivan Pederin vermutet, Sermage, der sonst hauptsächlich kroatisch geschrieben hat, habe diesen Roman in deutscher Sprache unter dem pragmatischen Aspekt verfasst, seine deutschsprachigen Adelsgenossen im Ausland auf das kroatische wirtschaftliche und soziale Elend aufmerksam machen zu wollen. Es gebe keinen anderen plausiblen Grund, diesen Roman nicht in der ihm ebenso vertrauten, kroatischen Sprache zu schreiben.49 Die einleitenden Worte des Verfassers, der sich an seinen Leser wendet, bestätigen Pederins Annahme  : Mit seinem Roman schaffe er »ein Lebensbild«, das das Leben eines Volkes zum Hintergrund habe, das unverdient leide. »Unter einem bösen Stern in die Reihe der Culturvölker eingetreten, von Jugend auf gedrängt, gestoßen, zwischen mächtigen Nachbarn sich aufreibend, siecht es heute dahin. Seine Ärzte nennen diesen Zustand selbstverschuldet und geben vor, alles sei nur böser Wille des Kranken.«50 Ob der Appell des Autors über das Ziel hinausgeschossen ist – etwa auch hinsichtlich der kleinen Auflage und der fehlenden Werbemaßnahmen –, bleibt ungewiss. Aus literarhistorischer Perspektive ist Richard Sermage ein Sonderfall. Er hat das Deutsche als Literatursprache mit einem offenbar strategischen Ziel eingesetzt, ohne sich dabei auf literarische Traditionen zu besinnen oder sie gar zu beschwören. Er publizierte 1896 in Graz im Selbstverlag unter dem Pseudonym Otto Bernhard auch ein Lustspiel in vier Auszügen aus dem adligen Milieu »Doctor Wolf ’s Kraftelixir«. 49 Pederin  : Naši pisci na njemačkom jeziku, S. 851 f. 50 Sermage  : Die Verlassenen, o. S.

Ausblick  : Die Deutschsprachigkeit des kroatischen Adels – Die Familie Sermage

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Die europäische Moderne sollte im kroatischen Raum in der Wirtschaft, in den Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens, nicht zuletzt auch in der Literatur nur schwer Einzug halten. Wie Zoran Kravar51 gezeigt hat, konnten sich in der kroatischen Literatur noch bis in die Vierzigerjahre des 20. Jahrhunderts hinein virulente antimodernistische Tendenzen behaupten. Die Gegenangebote mündeten in unterschiedlichen Formen des Nationalismus, in den Ästhetizismus und den Passatismus. Obwohl kein poetisches Schwergewicht, steht der resignative Roman »Die Verlassenen« in dieser antimodernistischen Tradition, der bewussten Abkapselung von der großen Welt und der passatistischen Anverwandlung des gemütlichen Lebens in Abgeschiedenheit auf dem Lande. Dem entspricht der ideologische Entwurf der Entsagung. Gleichwohl spiegelt dieser Roman, an der Peripherie entstanden und von der deutschsprachigen Leserschaft kaum wahrgenommen, jene große Statik wider, in der Claudio Magris einen der Bausteine des habsburgischen Mythos erkannte.

51 Zoran Kravar  : Antimodernizam (Antimodernismus). Zagreb 2004.

4. Entfaltung und Blüte – das lange 19. Jahrhundert (bis 1914/1918) 1. Slowenien In der Vormärzepoche regten sich in Slowenien zunehmend Protestbewegungen gegen die deutsche Dominanz im politischen und kulturellen Leben und gegen den immer stärkeren Germanisierungsdruck. Um die Jahrhundertmitte wird dieser Kampf zugunsten des slowenischen nationalen Programms entschieden, was ohne den entscheidenden Beitrag der Literatur nicht möglich gewesen wäre. Vor allem nicht ohne France Prešeren, den bilingualen Dichter, der einige seiner eindrucksvollsten Gedichte in der deutschen Sprache verfasst hat, jedoch mit seiner außerordentlichen lyrischen Leistung im Slowenischen die Grundlage für die moderne slowenische Dichtung und Sprache geschaffen hat. Zwar stand Prešeren sein ganzes Leben lang im Bann der deutschen Literatur, aber das eigene Dichten in deutscher Sprache bereitete ihm eine Gewissensnot, die er in Gedichten, wie zum Beispiel »An die Slowenen, die in deutscher Sprache dichten«, abarbeitete. Um diese grundsätzliche Gewissensnot des bilingualen Dichters entwickelte sich ein ganzes kulturpolitisches Programm. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts gehörten die Deutschen als Industrielle, Kaufleute, Rechtsanwälte, Beamte, Lehrer, Großgrundbesitzer und Bauern in den größeren Städten und Märkten zur gesellschaftlichen Oberschicht. Nach 1840 entwickelte sich rasch das slowenische Bürgertum, das sich allmählich auch kulturell emanzipierte und die politische Macht an sich riss. Nach 1918 begegnete die slowenische Landesregierung den Deutschen in Slowenien mit nationalistischen Maßnahmen und behandelte sie als nationale Minderheit. Im Gebiet des heutigen Slowenien lebten um die Mitte des 19. Jahrhunderts etwa 80 000 Deutsche, 1910 bereits über 100 000, 1940 nur noch 30 000. Für das kulturelle Klima waren die deutschen Zeitungen und Zeitschriften von großer Bedeutung, da sie einerseits den Anschluss an die zeitgenössischen Trends in Literatur und Kunst in Europa gewährten, andererseits aber auch die Durchsetzung eigener literarischer Programme anregten und ermöglichten. Die führende Kultur- und Literaturzeitschrift war das »Illyrische Blatt« in Ljubljana, der Hauptstadt des Herzogtums Krain und der Provinz Illyrien, das von 1819 bis 1849 als unterhaltende Beilage der »Laibacher Zeitung« herausgegeben wurde. Entgegen dem programmatischen Titel verfolgte die Zeitschrift nicht die pansla-

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wische oder illyrische Ideologie, sondern setzte ganz im Gegenteil das Konzept der eigenständigen slowenischen Nationalkultur um. Die Redakteure fühlten sich bei der Einlösung ihres kulturpolitischen Programms eher an den Untertitel »für vaterländische Interessen« als an den Haupttitel der Zeitschrift gebunden. Die andere tonangebende Literaturzeitschrift war »Carniolia. Vaterländische Zeitschrift und Unterhaltungsblatt für Kunst, Literatur, Theater und geselliges Leben«, die in Ljubljana von 1838 bis 1844 erschien. Der Titel greift den lateinischen Namen der historischen Provinz Krain – »Carniol(i)a« – auf, der auch in zahlreichen anderen Bezeichnungen vorkommt. Die Zeitschrift war als kulturpolitisches Organ im Vormärz wegweisend, denn trotz scharfer Zensurmaßnahmen konnten hier nicht nur »vaterländisch«-deutsche, sondern gelegentlich auch slowenische Schriftsteller veröffentlichen.52 Joseph Blasnik (1800–1872) hat die Zeitschrift gedruckt, redigiert und herausgegeben wurde sie zunächst von Leopold Kordesch, von 1840 bis 1843 durch den Wiener Dichter und Verleger Franz Hermann von Hermannsthal (1799–1875). »Carniolia« verfolgte ein ausgeprägtes didaktisch-patriotisches Ziel. Die Vaterlandsliebe bezog sich auf Slowenien, auf die Literatur, nationale Kultur und Landschaft. Genauso wie das »Illyrische Blatt« und die kroatischen deutschsprachigen Literaturzeitschriften aus der Vormärzzeit stand sie im Dienste des nationalen Programms. Die deutsche Sprache war lediglich ein Vehikel, um bei den bürgerlichen Schichten Gehör zu finden. Ihre Appelle an das slowenische und kroatische Nationalbewusstsein bedurften also der deutschen Sprache, um bei den maßgeblichen gesellschaftlichen Kräften überhaupt wahrgenommen zu werden. Die Beiträge, auch die literarischen Texte, stammen oft von Schriftstellern, die in beiden Sprachen gleichermaßen gut zu Hause waren. Die Herausgeber, ebenso wie die Leser, verstanden sich in der Regel als verfassungstreue, loyale Österreicher. Der Verleger und Drucker Joseph Blasnik hat den slowenischen Buchdruck im 19. Jahrhundert geprägt. In Idrija geboren, erlernte er in Ljubljana sein Handwerk, um im Ausland praktische Erfahrung zu sammeln und im Jahr 1828 die älteste Druckerei in Ljubljana zu übernehmen, die von Johann Baptist ( Janez Krstnik) Mayr gegründet worden war. Er unterstützte gleichermaßen die deutschen und die slowenischen Kulturinitiativen, war auch als Mäzen von slowenischen 52 Einen Überblick über die etwa 70 (davon ca. 35 in Krain) deutschsprachigen Zeitungen und Zeitschriften auf dem Gebiet des heutigen Sloweniens vermittelt Tanja Žigon  : Nemško časopisje na Slovenskem (Deutschsprachiges Pressewesen in Slowenien). Ljubljana 2001. Vgl. auch Beiträge von Tanja Žigon in  : Berichte und Forschungen. Jahrbuch des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa 12 (2004) und 13 (2005).

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Dichtern bekannt. In seiner Druckerei wurden neben »Carniolia« auch weitere deutsche und slowenische Zeitschriften gedruckt, u. a. »Kmetijske in rokodelske novice«. Ihr Herausgeber Janez Bleiweis (1808–1891) gilt als »Vater des slowenischen Volkes«. Ein wichtiger Publizist und Kulturschaffender, ohne den es die slowenische Zeitschriftenkultur nicht in der bekannten Form gegeben hätte, war der bereits genannte Leopold Kordesch (1808–1879). Er kam nach Ljubljana, um zuerst für das Feuilleton der »Laibacher Zeitung« (»Das Illyrische Blatt«) zu schreiben und am 1. Mai 1838 die »Carniolia« zu gründen. Bereits 1839 musste Kordesch allerdings unter finanziellem Druck das Blatt an den Drucker Blasnik verkaufen, der es unter der Redaktion von Hermannsthal weiterführte. Kordesch hielt sich einige Jahre in Wien auf. Nachdem jedoch seine Pläne, dort neue Zeitschriften auf den Markt zu bringen, gescheitert waren, kehrte er 1843 nach Ljubljana zurück und betätigte sich wieder als Feuilletonist beim »Illyrischen Blatt«. Kordesch verfolgte slowenische kulturelle und nationale Interessen, hielt aber an der deutschen Sprache fest. Diese Ambivalenz charakterisiert viele slowenische Intellektuelle der Vormärz-Epoche. Sie führte schließlich dazu, dass er in der Epoche der nationalen Differenzierung weder von den Österreichern noch von den Krainer Slowenen wahrgenommen wurde und trotz seiner beachtlichen kulturpolitischen und auch literarischen Leistungen nach seinem Tod in Vergessenheit geriet.53 Das Schicksal von Kordesch steht hier beispielhaft für eine lange Reihe von Autoren, die im Vormärz in Slowenien deutsche Verse und Erzählungen publizierten, die in literarhistorischen Überblicken, wenn überhaupt genannt, als poetae minores gewichtet werden  : Gustav Rudolf Puff, Johann Anton Suppantschitsch, Hyacinth von Schulheim, Carl Gottfried Ritter von Leitner, Johann Nepomuk Vogl, Johann Gabriel Seidl, Ludwig August Frankl. Ein typischer Vertreter der zugewanderten Österreicher, die in Slowenien über einen bestimmten Zeitraum tätig waren, ist der Lyriker und Novellist Johann Gabriel Seidl (1804–1875). Seidl hat als Gymnasiallehrer elf Jahre (1829–1840) in Celje verbracht, um dann nach Wien zurückzukehren, wo er fortan als Numismatiker und Beamter wirkte. Als typischer Schriftsteller des Biedermeier hielt sich Seidl von der Öffentlichkeit und von der Politik fern, in seinen Aussagen und gelegentlichen Grußversen an das Herrscherhaus, vor allem an Erzherzog Johann, blieb er aber stets affirmativ. Die Motive seiner Lyrik kreisen um eine ausgefüllte, nach Harmonie mit Gott und der Umgebung trachtende Innerlichkeit. Gerade 53 Vgl. dazu  : Mira Miladinović Zalaznik  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen. Bd. 2  : Leopold Kordesch und seine Zeit. Ljubljana 2008.

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diese konservative Haltung und die epigonale romantisierende Tendenz begründeten seinen Ruhm als Lyriker, dessen Gedichte von den bedeutendsten Komponisten der Zeit vertont wurden, nämlich von Schubert, Schumann, Giacomo Meyerbeer. 54 Die anschwellenden Konflikte zwischen Slowenen und Deutschen in der Steiermark fanden in Seidls Werk keine unmittelbare Kontextualisierung. Er blieb vielmehr, nicht zuletzt auch dank seines freundschaftlichen Umgangs mit Anastasius Grün, der slowenischen Volkstradition zugewandt  : Er versuchte sich mit mäßigem Erfolg als Übersetzer slowenischer Volkslieder, baute Motive aus der slowenischen Volksepik in seine Novellensammlungen ein, publizierte slowenische Sagen in österreichischen Zeitschriften und in eigenständigen Bänden.55 Großer Verbreitung und Wirkung erfreute sich Seidls mit seinem zweibändigen Reiseführer »Wanderungen durch Tyrol und Steyermark«. Der erste Teil erschien 1840, der zweite, in dem die Steiermark behandelt wird, 1841. Seidl bemüht sich um ein komplexes Bild der Wirklichkeit, schildert gleichermaßen Landschaft, Wirtschaft und Kulturgeschichte, wie auch die Mentalitäten und die slowenische Sprache. Aufgelockert werden die Wanderungen durch eingefügte Übersetzungen von drei slowenischen Volksliedern, nebst Original. Es sei müßig, seine Eindeutschungen mit denen der »Volkslieder aus Krain« durch Anastasius Grün zu vergleichen, stellt Uta Maley fest. Gewiss ist ihr zuzustimmen, dass dieser Vergleich zuungunsten von Seidl ausfallen müsste und »überdeutlich das Gefälle« zeige, »das zwischen den beiden befreundeten österreichischen Dichtern des Vormärz« bestand.56 Zwar wäre es Seidl vermutlich nie gelungen, die slowenische Volkslyrik an die Weltliteratur heranzuführen  ; doch ist auch seinen Übersetzungen, trotz metrischer Holprigkeit und eckiger Epitheta jener unwiderstehliche biedermeierliche Liebreiz der erlebten Vollkommenheit im Kleinen zu eigen, der seine deutschen Gedichte ebenso bekannt wie populär machte. Als Beispiel sei hier Seidls Übertragung des slowenischen Weingedichts »En hribček bom kupil« angeführt, das in Slowenien bis heute gesungen wird  :

54 Uta Maley  : Literarische Affinitäten zwischen Österreich und Slowenien im Vormärz  ? In  : Johann Holzner, Wolfgang Wiesmüller (Hg.)  : Jugoslawien – Österreich. Literarische Nachbarschaft. Innsbruck 1986, S. 239–252  ; Anton Schlossar (Hg.)  : Johann Gabriel Seidl, seine Sagen und Geschichten aus Steiermark. Graz 1881, S. I–XVI. 55 Johann Gabriel Seidl  : Slovenische Sagen und Geschichten. In  : Das Veilchen (Wien), 38 (1848), S. 29–81. 56 Maley  : Literarische Affinitäten, S. 248.

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Ein Hügelchen kauf ’ ich, Setz’ Reben darauf, Und lade die Freunde, Trink’ selber wohl auch  ! Dort steht hinterm Keller Ein Rebchen am Berg, Mit Trauben beladen, So daß es kaum hält. Weinhähnchen schon schrillet, Kann schlafen nicht mehr. Schon ruft es zur Lese, Bald gehen wir dran  ! Die Rösselein krabbeln, Und führen so schwer, Sie führen das Weinchen, Das Weinchen so süß  ; So überschön gelblich, Wie lauteres Gold. – Laßt wacker uns trinken Solch’ herrliches Gut  !57

Aus dem Kreis der Verfasser solch liebenswerter Genre- und Naturbilder und eifriger patriotischer Bekundungen ragt also, ihr Wirken bündelnd und zugleich transzendierend, eine bereits genannte Persönlichkeit heraus  : Anastasius Grün, also Anton Alexander Graf von Auersperg (1808–1876) aus Ljubljana. Sein Bildungsweg ist durch Risse und Brüche gekennzeichnet  : Er besuchte die Theresianische Ritterakademie in Wien, die Ingenieurakademie, das Klinkowströmsche Erziehungsinstitut, studierte Rechtswissenschaften in Wien und Graz. In der Vormärzepoche verkehrte er mit revolutionären Dichtern in Wien, Bildungsreisen führten ihn nach Deutschland, wo er Uhland kennenlernte, nach Italien, Frankreich und England. Einer seiner Privatlehrer war France Prešeren. Für seinen Gedichtzyklus »Der letzte Ritter« (1830) benutzte Grün 57 Johann Gabriel Seidl  : Tirol und Steiermark. München 1980 (Neudruck), S. 375 f.

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zum ersten Mal sein Pseudonym, ein Signal für die politische Erneuerung des liberalen Dichters, der sich mit dem Metternichschen System kritisch auseinandersetzte. Seine bekannteste Gedichtsammlung, ein pathetisch-schwungvolles Bekenntnis zu den umstürzlerischen Ideen des Vormärz, »Spaziergänge eines Wiener Poeten« (1831), veröffentlichte Grün anonym. Nachdem sein Pseudonym 1838 aufgedeckt worden war und er sich nun vor die Entscheidung zwischen einem Publikationsverbot oder der Auswanderung gestellt sah, gab Grün das Schreiben auf und widmete sich fortan einer erfolgreichen Karriere als Politiker, u. a. als Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung. Durch seinen Großgrundbesitz in der Südsteiermark und in Krain sowie seine Aufenthalte in Ljubljana kannte er die Sprache und die Kultur Sloweniens. Die von Grün ins Deutsche übersetzten slowenischen »Volkslieder aus Krain« erschienen zwischen 1837 und 1845 in unterschiedlichen Almanachen und 1850 als geschlossene Sammlung. Dies hinderte ihn jedoch nicht daran, als Mitglied des Krainer Landtags gegen die Einführung des Slowenischen als Unterrichtssprache zu stimmen. Bis heute haben die Slowenen ein zwiespältiges Verhältnis zu Grün. Seine Sammlung slowenischer Volkslieder und sein Nachruf auf Prešeren (1849) haben jedoch die slowenische Volksdichtung ins europäische Blickfeld gerückt. Die ebenso wichtige wie ambivalente Rolle, die Auersperg/Grün in der slowenischen Kulturgeschichte seit dem 19. Jahrhundert gespielt hat, wird in der ausgebreiteten wissenschaftlichen Forschung der letzten Jahre erkennbar.58 Je differenzierter der Ansatz, desto näher kommt man an die widerspruchsvolle Dichterpersönlichkeit des in Ljubljana geborenen Auersperg/Grün heran, der auf seinem Familiengut Thurn am Hart in Unterkrain seine produktivsten Jahre zugebracht hat. Der konservative Adlige, der im Krainer Landtag und im Her58 Vgl. vor allem den großen Konferenzband Anastasius Grün und die politische Dichtung Öster­ reichs in der Zeit des Vormärz. Internationales Symposion, Ljubljana, 3.–6. November 1994. Hg. von Anton Janko und Anton Schwob. München 1995  ; ferner Matjaž Birk  : Vaterländisches Interesse, Wissenschaft, Unterhaltung und Belehrung. Illyrisches Blatt (Ljubljana, 1819–1849), literarni časopis v nemškem jeziku v slovenski provinci predmarčne Avstrije (Illyrisches Blatt, Ljubljana 1819–1849, deutschsprachige literarische Zeitschrift in der slowenischen Provinz des Vormärzösterreich). Maribor 2000  ; Matjaž Birk  : Kulturvermittler im slowenischen ethnischen Territorium des Habsburgerreichs. Ein literarisches Fallbeispiel. In  : LiTheS, (Mai 2009) H. 2. Im Internet verfügbar unter  : http://lithes.uni-graz.at/lithes/09_2.html [Zugriff vom 11.1.2010] (hier auch weitere neue Literatur)  ; Anton Janko  : Anastasius Grüns Ansichten über die Volkspoesie anhand seiner Übersetzungen von Volksliedern  : In  : Holzner, Wiesmüller  : Jugoslawien – Österreich, S. 253–259.

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renhaus des Reichsrates eine deutschnationale Position vertrat und von seiner Überzeugung, die slowenische Kultur und Sprache seien unreif, nie abrückte, schuf mit seiner Sammlung von Übersetzungen der slowenischen und slawischen Volkspoesie, »Volkslieder aus Krain« (1850), die Voraussetzungen für den Anschluss der slowenischen Literatur an die Weltliteratur. Wie umsichtig er bei seiner Übersetzungsarbeit – nach zwölfjähriger Sammeltätigkeit – vorging, geht aus dem Vorwort hervor, das er seiner Sammlung vorangestellt hat. Die Fragen der Versifikation, des Reims und Rhythmus, der Quellen, der Beschaffenheit der slowenischen und allgemein slawischen Volkslyrik, die Reziprozität zwischen Volksund Kunstlyrik werden von Grün diskutiert. Mit seinen Übersetzungen integriert er südslawische Geschichte in ihren europäischen Kontext, wie zum Beispiel die für die Türken vernichtende Schlacht bei Sisak (1593), deren Vorgeschichte den Mittelpunkt der Ballade »Vom Herrn Rauber« bildet. Am Anfang steht die hämische Schilderung der türkischen Kriegsvorbereitung  : Dies ist Türkenpaschas Streben, Der den Türken treu ergeben, Wie zu ordnen seine Heere, Wie zu mausen Sissek wäre  ? Auf und ab durchs Zimmer geht er, Der Gedanken viel berät er, Einen hält der Wolfskopf feste, Also frommt’s aufs allerbeste  : Daß er seine Truppen küre Und vor Sissek alle führe. Können nicht die Kulp durchwaten, Fragen ihn, wie jetzt zu raten  ? An den Strand der Pascha wallet, Eine Trommel umgeschnallet, Schlägt sie grimmig, dass sie stöhnte Und bis in den Himmel dröhnte  ; Pascha ruft im Zornesbeben, Der den Türken treu ergeben  : »Spannet Seile straff hinüber, Und befestigt Häute drüber  !« Und nachdem sie also taten, Konnten sie die Kulp durchwaten,

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Konnten sich vor Sissek sammeln Und in Gräben sich verrammeln.59

Der Kommandant von Sissek verweigert die Übergabe an die Türken und sendet nach Kärnten, Steiermark und Krain um Hilfe. Während Kärntner und Steirer feige zurückschrecken, sammeln sich in Ljubljana die tapferen Krainer, um die Heimat zu schützen  : Als nach Laibach kam die Kunde, Ging ein Ruf nur durch die Runde  : »Sucht den Retter ohne Weile, Not gebeut die größte Eile. Wenn der Türk’ uns Sissek nähme, Kreuz und quer uns alles käme, Laibach würde Grenzstadt werden, Krainerland zu Türkenerden  ! Laßt uns schnelle Hilf ’ auftreiben Und dem Herren Rauber schreiben, Er weiß gut im Feld zu streiten Und den Kriegern vorzuschreiten  !«60

Am Ende führt Adam Rauber die Truppen in ein blutiges, aber für die Krainer siegreiches Gemetzel, Ludwig Uhlands »Schwäbische Kunde« in nichts nachstehend  : Rauber sprengt voran den Seinen, Spricht zum Großknecht  : »Flink von Beinen, Schleich auf jenes Baumes Höhe, Gut mir nach den Bannern spähe  ! Wirst Du weiße Banner sehen, Gilt es harten Strauß bestehen, Siehst Du rote Banner schweben, Braucht das Herz uns nicht zu beben  ; 59 [Alexander Graf von Auersperg  :] Volkslieder aus Krain (= Anastasius Grüns Werke. Fünfter Teil  : Übersetzungen und Nachdichtungen. Hg. von Eduard Castle unter Mitwirkung von Ivan Prijatelj). Berlin 1909, S. 108. 60 Ebd., S. 109 f.

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Wollen dann die Türken fressen, Gleich als ob wir Kirschen äßen, Und nicht eher ruhn und rasten, Bis sie all am Boden lasten  !« Rote Banner sieht er schweben, Recht ist das den Krainern eben, Auf die Türkenschar sie dringen, Alle fallen ihren Klingen.61

Mit einem weiteren Text, der dem legendenhaften Tod des Königs Matthias gilt, wird noch um ein Jahrhundert tiefer in die Mythologie der südslawischen Nationen zurückgegriffen  : Seht, dort steht ein weißes Städtlein, Cilli, heitres, schönes Städtlein, Drin die Linde grün sich spreitet, Drunter ist ein Bett gebreitet, Weiche Federn sind gebettet, Reine Linnen weißgeglättet, Teure Kissen, Decken oben, All aus türk’schem Stoff gewoben. Dort ist König Matjasch Lager, Dort liegt krank im hellen Tag er. Zu Schön Trommlerin geschlichen, Hat einst Trommler ihn beschlichen Und im Zorn ihn todverwundet, Daß er nimmer wohl gesundet.62

In seinem umfangreichen Vorwort, das ebenso wie die kritischen Anmerkungen zu den Texten voller historischer Informationen steckt, hebt der Übersetzer und Interpret Anastasius Grün auch diese Geschichte in einen europäischen Kontext und verweist auf die Verschmelzung der diversen nationalen Traditionen und Erzählungen zu transnational wirksamen Erinnerungsgestalten  : So hat, wahrscheinlich durch Kampfgenossen aus Slawonien und Kroatien vermittelt, die abenteuerliche Gestalt des Serbenhelden Marko noch im Volks61 Ebd., S. 112. 62 Ebd., S. 106 (Vom Ableben des Königs Matjasch, S. 106–108).

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liede Krains einige Geltung  ; so überragt in diesem alle andern ein fremdes, fast fabelhaftes Wesen, König Matthias genannt. […] Seine bedeutungsvolle Rolle ist aber noch nicht zu Ende  ; denn das Volk ist dankbar gegen seine Lieblinge und Beschützer und läßt sich selbst vom Tode den kostbaren Besitz nicht rauben. So glaubt der böhmische Bauer seinen Wohltäter Josef II. noch jetzt am Leben […], so läßt mancher französische Veteran seinen großen Kaiser noch nicht verstorben sein, sondern fern im Orient Barbarenheere in europäischer Kriegskunst und Mannszucht unterrichten, und so ist nach der Sage der Südslawen auch König Matthias noch nicht gestorben, sondern schläft nur, des Wiedererwachens gewärtig, in einer Grotte im tiefen Ungarn, wie Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser und Karl der Große im Salzburger Untersberge, wie Holger der Däne in einem Gewölbe bei Kronburg und Artus der Brite in einem Berge in seiner Heimat. Dort sitzt er mit seinen Kriegern (schwarze Legion, črna vojska) an einem Tische unter dem in der slawischen Volkspoesie so charakteristischen Lindenbaume, unter welchem alle Haupt- und Staatsaktionen vorzugehen pflegen.63 Auersperg/Grün griff bei den Vorbereitungen seiner Volksliedsammlung ebenso auf alte Quellenschriften zurück, namentlich auf Janez Vajkard Valvazors »Die Ehre des Herzogtums Krain« (Nürnberg 1689), als auch auf die Hilfe seiner Dichterfreunde France Prešeren und Stanko Vraz. Beim Übertragen ins Deutsche hielt er sich nach dem Urteil seiner Editoren an Herders und Goethes Maxime »größter Treue gegen die Urdichtung«.64 Das wiedererwachte Interesse für die Volksdichtung in ganz Europa war jener Resonanzboden, auf dem Auersperg/Grün die slowenischen Strophen im deutschen Gewande zum Klingen brachte. »Durch seine Beschäftigung mit dem slowenischen Volkslied ist Auersperg drei mächtigen Tendenzen seiner Zeit entgegengekommen  : dem Streben nach Weltliteratur, österreichischer Heimatkunst, nationaler Wiedergeburt des Slawentums.«65 Während das deutsche Publikum die Ausgabe mit Begeisterung aufgenommen hatte, blieb solche Zustimmung auf der slowenischen Seite jedoch aus. Mit seinem Kulturtransfer war er seiner Zeit voraus und es fiel seinen Zeitgenossen schwer, die rein poetologisch-kulturelle Kommunikation vom politischen Rigorismus des aristokratischen Grandseigneurs zu trennen. Der Historiker und Heimatforscher Peter Paul von Radics (1836–1912), Verfasser der »Geschichte Krains« (1862), trug mit seinen Veröffentlichungen zur Verfestigung der Legende Anastasius Grüns im deutschsprachigen Slowenien 63 Ebd., S. 32 (Vorwort [von Anastasius Grün]). 64 Ebd., S. 27 (Einleitung der Herausgeber, S. 9–27). 65 Ebd., S. 9.

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bei.66 In der Festschrift zum 70. Geburtstag unterbreitet Radics neben einem biografischen Abriss auch eine thematische Einteilung des dichterischen Werkes Grüns. So gebündelt, sei die Leistung Auerspergs/Grüns nicht nur im Dichterischen, sondern vielmehr auch im Politischen zu sehen. Denn auch er habe vor allem den deutschen Geist und die deutsche Kraft in der »Ostmark« aufrechterhalten. Mit einer vergleichenden Studie über Grün und France Prešeren beleuchtet Radics die sich berührenden Lebenszusammenhänge der prominentesten deutschsprachigen Dichter Krains.67 Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts ist in dieser Region durch disparate Tendenzen gekennzeichnet, durch die Germanisierung einerseits und die Bildung eines modernen nationalen Bewusstseins der autochthonen Bevölkerung andererseits. Die Bewusstwerdung der menschheits- und weltgeschichtlichen Perspektiven wird durch die Erkenntnis der nationalen und sprachlichen Zusammengehörigkeit ergänzt. Die Brücke hat bekanntermaßen France Prešeren (1800– 1849) geschlagen, der bis heute als Begründer der slowenischen Literatur verehrt wird. Durch sein Werk ist die slowenische Sprache literaraturfähig geworden und hat Anschluss an die europäische Dichtung gefunden. Nach dem anfänglichen Studium der Philosophie an der Universität in Wien wechselte Prešeren zu den Rechtswissenschaften und beendete das Studium 1828. Nach seiner Rückkehr nach Ljubljana arbeitete er zunächst als Rechtsanwalt, gab jedoch seinen Brotberuf zugunsten der Intensivierung seines literarischen Schaffens, vornehmlich der Lyrik, nach einigen Jahren auf. Sein »Sonetni venec« (Der Sonettenkranz, 1834) zählt zu den herausragenden Werken der europäischen romantischen Literatur. Nach mehreren gescheiterten Versuchen, als Rechtsanwalt wieder Fuß zu fassen, verstarb Prešeren krank und verarmt am 8. Februar 1849 in Kranj. Prešeren hat ungefähr ein Siebtel seiner Lyrik, also etwa 25 Gedichte, in deutscher Sprache geschrieben. Für seine bedeutendste Gedichtsammlung »Poezije« (1847) hatte er 17 deutsche Gedichte vorgesehen, sie zwar noch der Zensur vorgelegt, jedoch vor der Veröffentlichung der Sammlung wieder gestrichen. Der Herausgeber und Kommentator seiner deutschen Gedichte Wilhelm Baum meint, Prešeren habe gespürt, dass die Konflikte zwischen den beiden Sprachvölkern zunahmen, und aus diesem Grund auf die Veröffentlichung deutscher Ge66 Peter von Radics  : Anastasius Grün und seine Heimath. Festschrift zum 70 jährigen Jubiläum des Dichters 11. April 1876. Stuttgart 1876  ; Peter von Radics  : Anastasius Grün. Verschollenes und Vergilbtes aus dessen Leben und Wirken. Leipzig 1879. 67 Peter von Radics  : Anastasius Grün’s Lehrer und Freund der slovenische Dichter France Preschiren als deutscher Poet. Biographische-litterarische Studie. Leipzig 1882.

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dichte verzichtet.68 Die übrigen zwanzig deutschen Gedichte habe Prešeren nicht veröffentlichen wollen, weil die Zensur es nicht gestattet hätte oder weil sie nicht seinen Ansprüchen genügten, die er an die Sammlung seiner besten Gedichte aus den Jahren 1827 bis 1844 gestellt hatte. Prešeren hat oft ein Gedicht in beiden Sprachen zugleich fixiert. Im Jahr 1827 entstand sein erstes deutsches Gedicht »An die Mädchen«, gewissermaßen ein programmatischer Lobpreis des jungen Frauengeschlechts, dem der Dichter bis an seinen Tod in tiefer Zuneigung verbunden bleibt. Solange es keine slowenische Literaturzeitschrift gab, veröffentlichte Prešeren in den deutschsprachigen »Illyrischen Blatt« und in der »Carniolia«. Als 1830 die »Kranjska čbelica« (Krainer Biene) gegründet wurde, fand der Dichter eine Plattform für seine slowenische Lyrik. Mit seinen deutschen Gedichten wandte sich Prešeren an die gebildeten Kreise, in denen er neben dem deutschen Kulturidiom auch klassische Bildung voraussetzen konnte. Kajetan Gantar hat auf das antike Substrat in der Metaphorik dieser Dichtung hingewiesen und auf die lateinischen Zitate, die hier viel häufiger vorkommen als in Prešerens slowenischen Gedichten.69 Auffällig ist dabei das Motiv des homerischen Helden Philoktet, eines Verbannten und Isolierten, der auf einer einsamen Insel gegen allerlei Gefahren ankämpft, stets auf radikale Selbstverteidigung konzentriert. Bei seiner deutschen Dichtung handelt es sich thematisch um Gedankenlyrik, Liebeslyrik, Balladen in der Tradition von Bürgers »Lenore«, die Prešeren ins Slowenische übersetzt hat, und um einige Gelegenheitsgedichte. Die Gedankenlyrik ist das bevorzugte Medium für die Auseinandersetzung mit jenem Problem der moralisch-ästhetischen Rechtfertigung der künstlerischen Produktion, an dem der Dichter sein Leben lang laborierte. In vereinfachter Form lautet sie  : Ist es eines sich seiner Bedeutung bewussten Dichters würdig, in einer fremden Sprache zu dichten  ? Oder versündigt er sich durch diese schriftstellerische Strategie an seiner Nation  ? Prešeren formuliert dies in den Sonetten »Des Sängers Klage I«70 und »An die Slowenen, die in deutscher Sprache dichten«.71 Dabei ist seine Position nicht frei von Ambivalenz. Zwar ist er sich der Unnatürlichkeit seiner Lage 68 France Prešeren  : Deutsche Dichtungen. Hg. von Wilhelm Baum. Klagenfurt 1999, S. 47. 69 Kajetan Gantar  : Antični substrat v metaforiki Prešernovih nemških pesmi (Das antike Substrat in der Metaphorik der deutschen Gedichte Prešerens). In  : Jože Faganel, Darko Dolinar (Hg.)  : France Prešeren – kultura – Evropa (France Prešeren – Kultur – Europa). Ljubljana 2002, S. 125– 144. Vgl. auch  : Jože Kastelic  : Umreti ni mogla stara Sibila – Prešeren in antika (Die alte Sybille konnte nicht sterben – Prešeren und die Antike). Ljubljana 2000. 70 Illyrisches Blatt, 15.6.1833, H. 24. 71 Illyrisches Blatt, 7.4.1838, H. 14.

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als deutsch dichtender slowenischer Poet völlig bewusst, doch sieht er sich dazu durch politische und kulturelle Umstände gezwungen. Das sprachliche Exil als existenzielle Grunderfahrung veranschaulicht Prešeren im Gedicht »Des Sängers Klage I« mit dem suggestiven Bild des aus seiner Heimat verbannten römischen Dichters Ovid, der zwar im Gedicht nicht namentlich genannt wird, doch wie der Dichter selbst »fremdes Wort im fremden Lande«72 lernte. Die Verbannung ruft in beiden Quartetten das Ich des Dichters Prešeren auf den Plan, der hier ein Zeugnis seiner inneren Emigration ablegt, zu der ihn die Zensur und die Missgunst der literarischen Kreise in Ljubljana gezwungen haben. Das Zeugnis seiner großen Not gewinnt in dem fundamentalen, sogleich genau zu betrachtenden Gedicht »An die Slowenen, die in deutscher Sprache dichten« an Radikalität. Wie in einigen Balladen (»Der Seemann«, »Die Wiederbestattung«) und der Liebeslyrik in Sonettform thematisiert Prešeren die spezifische slowenisch-deutsche Dichterproblematik auch in Sonetten »Des Sängers Klage III«, einer Abrechnung mit Jernej Kopitar, und »Warum sie, wert, dass Sänger aller Zungen«. 73 Wie ambivalent die Haltung Prešerens gleichwohl ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass er seine Wahl zugunsten der nationalen Sprache erst traf, nachdem er das deutsche literarische Handwerk ganz beherrschte  : An die Slowenen, die in deutscher Sprache dichten Ihr, die entsprossen aus dem Slawenstamme, Die ihr der eignen Mutter lang entzogen, Die Bildung nicht an ihrer Brust gesogen, Die man, wie mich, vertraut der deutschen Amme  ! Nicht glaubet, daß ich euch deshalb verdamme, Daß dankbar der Germanin ihr gewogen  ; Nur daß sie wird der Mutter vorgezogen, Das ist’s, was in mir weckt des Zornes Flamme. Der wahren Mutter soll, und muß sie weichen  ! Doch mein’ ich, daß es ziemt dem Pflegesohne Der Pflegerin ein Dankgeschenk zu reichen. 72 Baum  : Deutsche Dichtungen, S. 47. 73 »Des Sängers Klage …«  : Illyrisches Blatt, 15.6.1833, H 24. »Warum sie …«  : Illyrisches Blatt, 10.5.1834, H 19.

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Vom edlen Erz, nicht vom gemeinen Thone Sei doch das, was er bringt der überreichen, Die auf Armseligkeiten blickt mit Hohne.74

In diesem, vielfach auch über den Dichter hinaus als programmatisch75 bewerteten Sonett, das ebenso transparent in der Aussage wie suggestiv in der Metaphorik ist, formuliert Prešeren unmissverständlich seine Position  : Indem er auf das Bild der inneren Qual des zwischen der Mutter und der Pflegerin zerrissenen Sohnes zurückgreift, entscheidet sich Prešeren doch für die Mutter, also für die slowenische Sprache, und gibt ihr den Vorrang. Ihr gebühre die Liebe, der Pflegerin hingegen die Dankbarkeit. Prešerens Rede richtete sich an ihn selbst ebenso wie an die deutsch schreibenden bilingualen Dichter, die in der deutschsprachigen slowenischen Presse ihre Plattform hatten. Der unmittelbare Anlass für sein Sonett war die Initiative des jungen slowenischen Literaten Franc Miklošič, »eine deutschsprachige literarische Zeitschrift, ›Carniolia‹, zu gründen, in der deutsch schreibende Dilettanten zu Wort kommen sollten.«76 Prešeren leistete mit seinen Gedichten einen wesentlichen Beitrag zur Qualität der Zeitschrift. Dabei hielt er sich an seine eigenen Gebote  : Der Dichter habe die Pflicht, in seiner Muttersprache zu dichten, und der deutschen Kultur solle gebührender Dank gezollt werden. Die Gegenüberstellung des edlen Erzes und des gemeinen Tones im zweiten Terzett weist auf die Substanz seines Dankes hin. Er solle edel und von feinster Beschaffenheit sein, die der genossenen Erziehung entspricht. Darauf folgt allerdings der 74 Illyrisches Blatt, 7.4.1838, H. 14. 75 Vgl. Gerhard Giesemann  : Kulturhistorische Berührungspunkte zwischen Slowenien und Habsburg. In  : Gun-Britt Kohler, Rainer Grüber, Hans Henning Hahn (Hg.)  : Habsburg und die Slavia. Frankfurt am Main 2008, S. 327–355, hier S. 344 f. 76 Reinhard Lauer  : France Prešerens Sonett »An die Slowenen, die in deutscher Sprache dichten«. In  : Münchener Zeitschrift für Balkankunde, (1991) H. 7/8, S. 75–83, Zitat S. 79. Zu Prešerens Leben und Werk vgl. Anton Slodnjak  : Prešernovo življenje (Prešerens Leben). Ljubljana 1964  ; Boris Paternu  : France Prešeren in njegovo pesniško delo (France Prešeren und seine Dichtung). Ljubljana 1976/77  ; Boris Paternu  : France Prešeren. Ein slowenischer Dichter 1800–1849. München 1994  ; Mira Miladinović Zalaznik  : »Ein jedes Volk hat seinen Mann, den es sich von einem heiligen reinen Glorienschein umgeben denkt«. Ein kleiner Versuch über France Prešeren im 19. Jahrhundert. In  : Andreas Brandtner, Werner Michler (Hg.)  : Zur Geschichte der österreichischslowenischen Literaturbeziehungen. Wien 1998, S. 91–103. Zur Tradition des Sonetts in der südslawischen Dichtung vgl. Jože Pogačnik  : Slovenski romantizam i Petrarca (Der slowenische Romantismus und Petrarca). In  : Frano Čale (Hg.)  : Petrarca i petrarkizam u slavenskim zemljama (Petrarca und der Petrarkismus in den slawischen Ländern). Dubrovnik 1978.

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warnende Abschluss des Sonetts, gleichsam sein emotionaler Höhepunkt. Die »überreiche« deutsche Mutter blicke »auf Armseligkeiten mit Hohne«, was auch der Grund für äußerste Aufmerksamkeit im Umgang mit Dankesbezeugungen ist. An der deutschen Dichtung gemessen, an der Prešeren geschult wurde, an den Werken Goethes und Schillers, an der Romantik und der Sonett-Theorie August Wilhelm Schlegels, sind nur Höchstleistungen gut genug. Die persönliche und künstlerische Ausstrahlung Prešerens sowie seine befruchtende Wirkung auf seine Zeitgenossen seien an zwei Beispielen gezeigt. Die junge Lyrikerin Aloisia (Luise) Crobath (1828–1898), Tochter des Anwalts Blaž Crobath, in dessen Kanzlei Prešeren lange gearbeitet hatte, widmete ihm das Geburtstagsgedicht »Nichts trägt an ihm des Dichtergeists Gepräge«.77 In den folgenden Jahren sollte sie unter ihrem angeheirateten Namen Pessiak (Pesjak) als Dichterin und Übersetzerin hervortreten. Bekannt sind auch ihre Übersetzungen der Verse Prešerens.78 Um Begabung, Inspiration, den Sinn des dichterischen Schaffens, nicht zuletzt um Sendungsbewusstsein geht es in diesem Gelegenheitsgedicht, das in der letzten Terzine mit dem Bekenntnis aufgelöst wird, das lyrische Subjekt singe, weil es müsse, weil es vom Pfeil getroffen wurde, also erfülle es das Gebot der göttlichen Gabe. Unter Prešerens Einfluss begann sie, slowenisch zu dichten. Luise Pessiak schrieb Gedichte, Erzählungen, Romane, vaterländische Prosa und ein Opernlibretto  : »Gorenjski slavček« (Die Nachtigall von Gorenjsko, 1872).79 Der kroatische Realist August Šenoa hat das Lebens Prešerens zum Kernmotiv seiner 1878 veröffentlichten Novelle »Karanfil s pjesnikova groba« (Eine Nelke vom Grabe des Dichters) gemacht. In dieser »Geschichte aus dem Schülerleben« entsinnt sich der kroatische Dichter und Patriot seiner ersten Begegnung mit Prešerens »Poezije« in einem Freundeskreis junger Autoren. In Prešeren erkannte der junge Šenoa den Prototyp des slawischen »poète maudit«, der weder in der Heimat noch in der Fremde Anerkennung findet und daran zerbricht. Den Kärntner Raum prägte der Dichter und Politiker Adolf Ignaz Ritter von Tschabuschnigg (1807–1877),80 der den Übergang vom Vormärz in die Epoche 77 Carniolia, 1.7.1844. 78 Poesien von Dr. Franz Prešeren, in der Nachdichtung von L. Pesjak. Laibach 1865. 79 Biografie nach Mira Miladinović Zalaznik  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen. Ljubljana 2002, S. 35. 80 Othmar Rudan  : Im Wandel unwandelbar. Der Kärtner Dichter und Politiker Adolph Ritter Tschabuschnigg 1809–1877. Porträt einer problematischen Persönlichkeit. Klagenfurt 1977  ; Hans Heinz Hahnl  : Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale. Essays. Wien 1984, S. 51–54  ; Primus-Heinz Kucher (Hg.)  : Adolf Ritter von Tschabuschnigg (1809–1877). Literatur

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der Industrialisierung markiert. Während seines Jurastudiums in Wien wurde er durch die Julirevolution politisch beeinflusst. Er bekleidete zahlreiche höhere politische Ämter, 1870/71 als Justizminister im Kabinett Potocki und Mitglied des Herrenhauses. Seine Werke, vor allem die erfolgreichen Novellen, veröffentlichte er zum Teil in »Carniolia«. Seine Stoffe entlehnte er oft mittelalterlichen Sagen. Seine literarhistorische und politische Bedeutung sind im Zeithorizont begrenzt, und seine literarische Wirkung reichte nicht weit in die Zukunft. Er ist eine typische literarische Erscheinung der Vormärz-Epoche. Tschabuschnigg hat ein sehr breit gefächertes Werk vorgelegt, sowohl inhaltlich wie auch im Hinblick auf die Gattungen. Seine Novellen und Erzählungen »Das Brautkleid« (1828), »Ephemeriden« (1829) oder »Aus den Papieren eines Irrenarztes« (1831) bezeugen sein lebhaftes Interesse an der gesellschaftlichen Wirklichkeit, mit der Tendenz verbunden, sie dann doch mit biedermeierlicher Schwermut zu verklären. Dieser hochrangige Politiker stellte zwar das Gegenteil des für die Kunstepoche typischen Rückzugs aus der Öffentlichkeit in das stille Kämmerlein bürgerlicher Selbstgenügsamkeit mit ausgeprägter Harmonisierungstendenz dar, doch seine Lyrik und das Erzählwerk lassen den literarästhetischen Zeitgeist der Epoche durchschimmern. Bei Tschabuschnigg dreht sich alles um soziale und seelische Missstände, um das kleine Unglück im Privaten, genau so aber auch um soziale Tragödien, denen der Charakter kleiner Verhältnisse anhaftet. Tschabuschniggs Roman »Die Industriellen« (1854) korrespondiert mit Gustav Freytags »Soll und Haben« (1855) als einer der frühen Romane des Handels- und Industriekapitals, die feudale Rechte anprangern. Beide Autoren zeigen die Anfänge der Industrialisierung in Deutschland und Österreich zwischen Paternalismus und dem unaufhaltsam fordernden Kapitalismus. Zwar richtet der Unternehmer im Roman Tschabuschniggs für seine Arbeiter Gymnastikräume ein, leitet sie zu Turnübungen an und versucht ihren Unmut wegen der Arbeitsbedingungen durch verblüffend modern anmutende Maßnahmen aufzufangen. Sein guter Wille und seine Wohlfahrtsmaßnahmen werden jedoch mit Ingrimm und Hass quittiert. Der Frühkapitalist, ein sozialer Aufsteiger, Tschabuschniggs Lieblingsfigur in Erzählungen und Romanen aus der Arbeitswelt, wird trotz, ja gerade wegen seiner arbeiterfreundlichen Maßnahmen verachtet, weil sein Engagement als purer Eigennutz diffamiert wird. Die Welt der Arbeiter erscheint und Politik zwischen Vormärz und Neoabsolutismus (=Literatursgeschichte in Studien und Quellen, Bd. 13). Wien u. a. 2006, hier besonders der Beitrag von Mira Miladinović Zalaznik (Das Slawenbild bei A. v. Tschabuschnigg), S. 167–183.

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in der Schilderung Tschabuschniggs keineswegs idealisiert, sondern gelegentlich gar zur Karikatur reduziert. Das Oberhaupt einer Arbeiterfamilie etwa, das seine Frau nach dem Recht des Hausvaters prügelt und stets das Motto »Nur immer legitim und manierlich« im Munde führt, ist der Stammvater des kleinbürgerlichen Haustyrannen, der als überangepasster Untergebener in Heinrich Manns »Der Untertan« seinen Höhepunkt erreichen wird. Tschabuschnigg geht auch mit der eigenen Klasse ins Gericht, den nahenden Untergang der aristokratischen Lebenswelt vorwegnehmend. Der Adel wird zunehmend auf überkommene, rhetorische Rituale reduziert. Für Polemik sorgten Tschabuschniggs Stellungnahmen in nationalkulturellen Angelegenheiten, da er sich gegen die zweisprachige Ausbildung in Kärnten aussprach. Seine Haltung gegenüber der slowenischen Sprache und Kultur war von Abneigung und Ablehnung gekennzeichnet. In »Carniolia« veröffentlichte er eine Reihe von Gedichten und Novellen, zuerst die Novelle »Das Haupt des Guillotinierten« (15. Oktober 1838). Ebenso publizierte er im »Illyrischen Blatt«, der Literaturbeilage der »Laibacher ­Zeitung«. In seinem Roman »Der neue Eulenspiegel« (1846) äußert Tschabuschnigg durch eine Figur negative Urteile über die Sprache und Kultur der Slawen und stellt die Frage nach ihrer kulturellen Domestizierung. Die slowenische Sprache sei unterentwickelt und solle durch das Deutsche ersetzt werden, damit das Volk Anschluss an die Kulturvölker Europas bekomme. Aufschlussreich ist gleichfalls Tschabuschniggs Aufsatz »Zur Frage der Nationalitäten« (1848). Das nationale Erwachen und die Tendenz, aus der Umarmung der österreichisch-ungarischen Monarchie auszuscheiden, stoßen beim Politiker Tschabuschnigg auf Unverständnis. Die slawischen Provinzen seien ohne eine Abstützung lebensunfähig, sowohl ökonomisch wie auch kulturell. Die Eigenständigkeit in einer panslawischen Monarchie brächte wiederum Probleme mit sich, da die einzelnen ›Stämme‹ sich nicht zuletzt sprachlich stark unterschieden. Der Justizminister und Politiker vertrat eindeutig deutsche Interessen. Tschabuschniggs Themen sind der soziale Wandel, die Arbeits- und Produktionswelt, bereichert um eine Reihe moderner Stoffe wie die Emanzipation der Frau oder der Tierschutz. Der Schriftsteller Tschabuschnigg lässt die neue Ära in seine Romane einziehen, wofür er mehr Verständnis aufbringt als der Politiker Tschabuschnigg. Er erfreute sich keiner breiten Rezeption und Wirkung in Slowenien und bleibt im Schatten seines zeitweiligen erbitterten Gegners im Reichsrat und literarischen Konkurrenten Anastasius Grün zurück.

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Eine Generation jünger als Tschabuschnigg ist Josip Stritar (Pseudonym Peter Einsam, 1836–1923), ein slowenischer Dichter, der nach dem Studium der klassischen Philologie in Wien blieb und dort 26 Jahre lang als Gymnasiallehrer arbeitete. Auch wenn er also dort einen wesentlichen Teil seines Lebens verbrachte, partizipierte er maßgeblich am kulturellen und literarischen Leben Sloweniens seiner Zeit, insbesondere mit seinen kritischen Beiträgen für die von ihm herausgegebene Zeitschrift »Zvon« (Die Glocke). In den 1860er-Jahren hat er einige deutsche Dramenversuche geschrieben. Im Einakter »Student in der Hölle« (1861) werden moralische Konflikte behandelt. Gedichte hat Stritar, der unter dem Einfluss der Pessimismusphilosophie Arthur Schopenhauers stand, in dieser Zeit parallel in deutscher und slowenischer Sprache verfasst. Als Peter Einsam publizierte der reife Dichter 1894 in Wien soziale Gedichte mit dem Titel »Etwas von Peter Einsam«, worin er Motive der Depraviertheit in einer Klassengesellschaft zeigt. Ein resignativer Grundton durchdringt diese Lyrik, in der hie und da ein Funke wahrer Entrüstung aufleuchtet, Keim einer möglichen Revolution  : Nein, Vater, schön war’s nicht. Ich muss dir sagen  : Ich will doch lieber frieren ohne Klagen. Weh’ thut die Kälte, heisst’s, doch nicht so sehr Wie eine solche Wohlthat. – Keine mehr  ! Mir scheint, ich bin jetzt schlechter als ich war, Verbittert bin ich sicher ganz und gar, – Du wolltest es, ich gieng – es war nicht leicht – Nicht halb so schwer gieng ich zur ersten Beicht. – Wie’s war  ? Nun – prächtig sicherlich – ein Zimmer, Wie unsre Schule gross, voll Glanz und Schimmer. Geputzte Leute da, mit rothen Backen, Viel Sammt und Seid’ und pelzverbrämte Jacken Rechts von der Thüre. Links, da standen wir  ; Wohlthäter, Gönner drüben, Bettler hier  ! Mir gegenüber – roth und grün und blau – Die dicke Selcherin, die gnäd’ge Frau, Ihr Oskar neben ihr, der kecke Zahn, Der Letzt’ in unsrer Classe. – Beide sahn Mit stolzem Mitleid auf das Lumpenpack  : »Da schau« – mir ballte sich die Faust im Sack – »Der Diurnistenbub«  ! – Inmitten stand

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Ein hoher Christbaum, hinten an der Wand Ein langer Tisch, mit Kleidern ganz bedeckt. Ein Mann tritt auf, geschniegelt und geleckt, Ein »hoher Würdenträger«, ein Baron – Hiess es – that Alles dies um Gottes Lohn.81

Der aus Meiningen stammende Rudolf Baumbach (1840–1905) nahm 1868 eine Stelle als Hauslehrer bei der Familie Afendulis in Graz an und übersiedelte mit ihr 1870 nach Triest. Hier wurde er Herausgeber der Alpenvereins-Zeitung »Enzian, ein Gaudeamus für Bergsteiger«, lernte dabei die Alpenlandschaft kennen und entwickelte gleichzeitig sein literarisches Handwerk. Das von der slowenischen Volkssage inspirierte Epos »Zlatorog« (Goldhorn) (1877) begründete seinen literarischen Durchbruch. Der Sage vom weißen Gamsbock mit Goldhörnern, der am Triglav, dem höchsten Berg Sloweniens, seinen Garten und darin einen verborgenen Schatz hütet, verleiht Baumbach einen lebendigen, frischen Ausdruck, indem er die Legende mit dem Bild des Krainer Landlebens aus seiner Zeit verquickt. Dir, mächt’ger Triglav, gilt mein Lied, mein Grüssen  ! Drei Häupter hebst du trotzig in die Höh’ Wie jener Gott, nach dem sie einst dich hiessen, Und jedes trägt ein Diadem von Schnee. Ich bin umstarrt von hundert Bergesriesen, Wenn schwindelnd ich auf deinem Scheitel steh’, Es lacht ein grün Geländ zu meinen Füssen, Mich grüsst Italien und die blaue See. In deinen Klüften wohnt die graue Sage, Es klingt ihr Sang so trüb und doch so traut Wie eines Mädchens leise Trauerklage  ; Und was sie mir, dem Wandrer einst vertraut, Sei zur Erinnerung an vergangne Tage Erzählt in meiner Muttersprache Laut.82 81 Josip Stritar  : Etwas von Peter Einsam. Wien 1894, S. 3 f. 82 Rudolf Baumbach  : Zlatorog. Eine Alpensage. Leipzig 1893, S. 1.

2. Die Donauschwaben

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Baumbachs Kenntnis der Sitten und Bräuche sowie seine psychologische Begabung ergaben ein Versepos, das von der österreichisch-kroatischen Dichterin Camilla Lucerna um 1900 zu einem Singspiel verarbeitet wurde, aufgrund dessen ihr Bruder, Eduard Lucerna, eine Oper komponierte. Der sentimentale, anmutige Ton der Landschafts- und Heimatlyrik Baumbachs, der in den 1880er-Jahren mit Joseph Victor von Scheffel und Julius Wolff zu den populärsten deutschen Dichtern zählte, veranlasste Paul Heyse zur Bezeichnung »Butzenscheibenlyrik«. Rose und Edelraute Droben an dem Gletscherrand Lag ich ohne Sorgen. Kam ein Bursch im Jagdgewand, Wünschte guten Morgen. Von des Jägers grünem Hut Schwankten Federn lose, Und daneben, roth wie Blut, Steckte eine Rose.83

2. Die Donauschwaben Die Donauschwaben, die seit dem frühen 18. Jahrhundert im Gebiet von der Donau bis zu den Transsilvanischen Alpen siedelten, bildeten die größte und kompakteste deutsche Volksgemeinschaft auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Im Unterschied zu den Deutschen im slowenischen und kroatischen Gebiet waren die Donauschwaben (in Slawonien, in der Vojvodina und im Banat) von ihrem Kernland geografisch abgetrennt, was sich deutlich in ihrer politischen und kulturellen Entwicklung niederschlug. Das Gebiet, das sie bewohnten, war eine kulturelle Einheit, wenn auch nicht immer als Teil der Österreichisch-Ungarischen Monarchie bis 1918. 83 Rudolf Baumbach  : Mein Frühjahr. Gesammelte Gedichte aus »Enzian, ein Gaudeamus für Bergsteiger«. Leipzig 1892, S. 5  ; Vgl. Karl Emil Franzos  : Die Geschichte des Erstlingswerks. Berlin, Stuttgart 1894 (mit einem autobiografischen Text von Rudolf Baumbach)  ; Erhard Diez  : Rudolf Baumbach. Jena (Univ. Diss.) 1933.

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In der Epoche des nationalen Erwachens in Europa blieben die Donauschwaben weitgehend auf Distanz. Anstatt zu Waffen zu greifen, versuchten sie nach der Niederschlagung der Revolution in Ungarn am 2. Oktober 1849 auf dem administrativen Wege von Kaiser Franz Joseph I. Autonomie für die »Schwäbische Grafschaft« zu erlangen. Der Versuch scheiterte. Die Donauschwaben blieben zu Zweckgemeinschaften mit anderen Völkern gezwungen. Nach der Unterzeichnung des Österreich-Ungarischen Abkommens kam es zu einer gewaltigen Magyarisierung, der sich die schwach organisierten Donauschwaben ohne ein starkes nationales Zentrum, ohne überregionale kulturelle Institutionen und ohne eine ausgebildete, verbindende nationale Identität kaum widersetzen konnten. Nach dem Untergang der Monarchie artikulierten die Donauschwaben ihr Begehren nach der Lösung des nationalen Problems im Vorschlag einer Neuordnung der Monarchie, den sie in Temeswar am 20. Oktober 1918 unterbreiteten. Die ersehnte nationale Autonomie konnte indes auch nicht innerhalb des neu gegründeten Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen erzielt werden, doch am 17. Mai 1920 wurde in Novi Sad die Gründung des »Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes« genehmigt. Der zunächst an der Politik unbeteiligte Bund wurde zum Zentrum und Austragungsort kultureller und gemeinschaftsbildender Aktivitäten. Neue Zeitungen und Zeitschriften wurden gegründet, deutsche Schulen und Vereine entstanden. Die ersten Blätter der Donauschwaben erschienen auf dem Gebiet der heutigen Vojvodina in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In der Regel handelte es sich damals noch um Provinzblätter ohne größeren Ehrgeiz, ein Umstand, der wohl auf eine mangelnde Binnenorganisation der Donauschwaben und fehlende oder inaktive Führungspersönlichkeiten zurückzuführen ist. Erst im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen gewann der Prozess der kulturellen Identitätsbildung und der national-sprachlichen Emanzipation der Donauschwaben eine Aufwärtstendenz dank des »Schwäbisch-Deutschen Kulturbundes«, der zentralen nationalen Einrichtung der Deutschen auf dem Gebiet Jugoslawiens. Die Donaudeutschen gründeten in Novi Sad am 29. September 1919 die Druckerei und Verlags-Aktiengesellschaft (DVAG), die sich unter der Verwaltung des Kulturbundes befand. Die DVAG initiierte das täglich erscheinende »Deutsche Blatt«, das zum wesentlichen Medium der Deutschen wurde, und publizierte gleichzeitig auch eine Reihe von Zeitungen und Zeitschriften mit unterschiedlichsten Inhalten. Als Redakteure und Beiträger war in der Regel die lokale Intelligenz – zumeist Lehrer – tätig. Der Historiker Felix Milleker (1858–1942), der als Lehrer in Bela Crkva und Vršac arbeitete, betrieb vor wie nach 1919 intensive Heimatkunde und legte eine

2. Die Donauschwaben

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Reihe von Ortsmonografien und grundlegenden Überblicken der Banater Geschichte vor, darunter eine Geschichte von Werschetz und ein Werk zur Militärgrenze.84 Das reiche Angebot im Bereich der Presse und das hervorragend funktionierende Informationsnetz innerhalb des donauschwäbischen medialen Raumes hat Schriftsteller hervorgebracht, die dem Streben der Donauschwaben nach nationaler Einheitlichkeit ihr literarisches Profil verliehen  : allen voran der Repräsentant des traditionellen Heimatromans und detailverliebte konservative Schilderer der Bräuche und Sitten der deutschen Siedler im Banat Adam MüllerGuttenbrunn (1852–1923). Er wurde im Banat geboren, kam jedoch bereits in jungen Jahren nach Wien und begann dort eine Karriere als Theaterkritiker und Schriftsteller. In der Zeit zwischen 1913 und 1917 verfasste er die große Romantrilogie »Von Eugenius bis Josephus«, bestehend aus den Romanen »Der große Schwabenzug«, »Warmherziger Kaiser« und »Josef der Deutsche«. Sein Hauptwerk jedoch stellt der Roman »Meister Jakob und seine Kinder« von 1918 dar, der auch außerhalb der Banater Grenzen Anklang fand. Vor allem »Der große Schwabenzug« (1913) wurde zum klassischen Roman der Heimatliteratur, der in keinem Haushalt der Region fehlen durfte. Müller-Guttenbrunns Gedicht »Banaterschwabenlied«, in den Roman eingegliedert, wurde unter dem veränderten Titel »Donauschwabenlied« zur Hymne der Deutschen in allen Teilen Jugoslawiens. Das Thema des Romans, den MüllerGuttenbrunn »der teuren Heimat«85 widmete, ist die große Abwanderung der Deutschen aus dem Fränkischen nach dem Südosten im 18. Jahrhundert. In 23 Kapiteln zeichnet der Roman die einzelnen Stationen der langsamen Verwandlung der politischen Realität in ein kulturpolitisches Konzept nach, nämlich die wirtschaftliche und kulturelle Erschließung und Transformation des europäischen Ostens durch die Habsburger. Der kleine Mann, der tüchtige, autoritätsgläubige und überaus treue Garant dieser Erweiterung des österreichischen Kaisertums kommt ebenso zur Geltung wie Kaiser Joseph I. oder der unumstrittene Heros dieser Historie, der Feldherr Eugen von Savoyen, dem Müller-Guttenbrunn ein Denkmal setzt und den die Banater Deutschen als ihren Helden verehrten. Wenn er die österreichische Hofkanzel im »neuen Prachtbau von Fi84 Felix Milleker  : Geschichte der königlichen Freistadt Werschetz. Herausgegeben aus Anlaß des tausendjährigen Bestandes von Ungarn vom Munizipal-Ausschuß der königlichen Freistadt Werschetz. Zwei Bände. Ofenpest 1886  ; Felix Milleker  : Geschichte der Banater Militärgrenze. Pančevo 1926. 85 Adam Müller-Guttenbrunn  : Der große Schwabenzug. 2. Aufl. Leipzig 1914.

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scher von Erlach zwischen dem Wiener Judenplatz und der Wipplingerstraße«86 und den Hofkammerrat Stephany schildert, der hinter den Kulissen die Drähte zieht, oder über die Kommissionen berichtet, die in den Städten des Kaisertums eingesetzt waren, um die Eigentumsverhältnisse zu klären, »die durch die lange Türkenherrschaft in Verwirrung geraten waren«,87 dann zaubert Müller-Guttenbrunn ganz deutlich jenen Geist des ›Fortwurstelns‹ und Intrigierens herbei, der sein Buch mit der großen österreichischen Romanliteratur verbindet. Die schöne Wirtstochter Theres, die als Braut die Donau entlang zur Hochzeit nach Banat zieht, um dort die deutsche Kolonie mitzubegründen, bildet die Kontrafaktur zur statisch-starren Welt der Hofkämmerer und Aristokraten. Nicht ohne Bedenken entscheidet sie sich für die Fahrt in die »schwäbische Türkei«. Mit ihrer Schönheit und Spontaneität, mit junger Lebenslust und Humor repräsentiert sie im Schwabenzug den optimistischen, heimatverbundenen Menschen als Kontrastfigur zu Personen des Habsburger Hofstaats mit ihrer verzopften Mentalität. Freilich hat es Müller-Guttenbrunn keineswegs auf die Kontrastierung zwischen den einzelnen Ständen abgesehen. Er ist alles andere als sozialkritisch. Doch der Unterschied zwischen der Konventionalität des Habsburger Mandarinstaates und der natürlichen Dynamik, mit welcher die deutschen Zuwanderer ein neues Reich aufbauen, ist deutlich. Diese neue kleine Welt, auf Matriarchat und kosmischer Ordnung beruhend, wird bald ihre eigenen Traditionen entwickeln. Der locus amoenus dieser Welt ist das Gasthaus, wie es auch schon daheim im Fränkischen war, von Theres – inmitten des Aufbaus und der Hektik – zum gemütlichen Ruhepunkt anverwandelt. Dem Versuch, diese Welt zu idealisieren und die Menschen in ihrer Tüchtigkeit und harmlosen Treue überzubewerten, kann der Autor nicht widerstehen. Nachdem die Pest fast das ganze Dorf ausgerottet hat, flüchtet Theres mit ihren Kindern in die Stadt und will den alten Wörndle mitnehmen. Doch er weigert sich  : »Darum hatte man gelebt und gestrebt und war in die Ferne gezogen, war dem Glück nachgejagt. […] Er bäumte sich auf, er wollte hier nicht sterben. ›Bringt mich fort‹, stammelte er, ›ins Reich – ins Reich – ins schöne deutsche Reich‹. Das waren seine letzten Worte.«88 Die Sehnsucht nach der alten Heimat überfällt die Kolonisten erst in der Stunde des Todes. Sie hinterlassen jedoch ihr Lebenswerk, den zuversichtlichen Baustein einer zukünftigen deutschen Kultur im Banat. So lautet die unmissverständliche Botschaft des Romans, dessen pathetischer Ausklang fast eine Ga86 Ebd., S. 25. 87 Ebd., S. 26. 88 Ebd., S. 373.

2. Die Donauschwaben

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rantie für die Fortdauer des Habsburgerreiches und der Donauschwaben verspricht  : Neue Sendboten zogen ins Reich hinaus, neue Patente der jungen Kaiserin, die in schwerer Zeit den Thron bestiegen, wurden von allen Kanzeln verlesen, und der große Schwabenzug nach dem Osten setzte wieder ein. Und die jetzt kamen, traten schon ein deutsches Erbe an. Die Gefallenen haben diesen Boden geweiht für künftige Geschlechter.89

Aus Anlass der Aufführung von Kleists Drama »Die Hermannsschlacht« im Kaiserjubiläums-Stadttheater (die heutige Volksoper) 1898 in Wien verfasste Müller-Guttenbrunn ein ausführliches Vorwort. Er hatte das Stadttheater mitbegründet und war von 1898 bis 1903 sein ziemlich glückloser Intendant. Kleists Drama erklärt er zum literarhistorischen Besitz Österreichs. »Ein genialer deutscher Dichter hat eine der schwungvollsten Erhebungen dieses Staates, einen weltgeschichtlichen Kampf unserer Vorfahren zum Ausgangspunkt einer unsterblichen Dichtung genommen, und wir wussten ihm bis heute nicht Dank dafür.«90 Die Aufführung sei mehr als eine ästhetische Herausforderung, sie sei eine »heilige Pflicht«, denn diese Dichtung sei die Verherrlichung jenes deutschen Österreichs, das Kaiser Franz aus dem Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation errichtete. Denn Kleist sah in Kaiser Franz, so Guttenbrunn, den Retter und Befreier Deutschlands, in Erzherzog Carl den »Überwinder des Unüberwindlichen«. Die Vereinigung Preußens und Österreichs sei stets Kleists großer Wunsch und politische Inspiration gewesen. Müller-Guttenbrunn geht in seiner Inszenierung von der These aus, dass Kleists Drama auf die napoleonische Bedrückung in Deutschland und Österreich gerichtet sei, dabei der in der älteren Kleist-Literatur populären These vom »politisch-historischen Doppelbild« folgend.91 So wollte der deutsche Patriot aus dem Banat Kleist verstehen und feiern als den Patrioten, der seine Stimme gegen den Besatzer erhoben hat. Kleists Versuch, »Die Hermannsschlacht« bereits im Januar 1809 über seinen Freund, den Wiener Dichter Heinrich Joseph von Collin an das Hofburgtheater zu übermitteln, schlug fehl. Dies wollte MüllerGuttenbrunn mit seiner Inszenierung wiedergutmachen und dem großen Dramatiker Genüge tun. 89 Ebd., S. 375. 90 Kleists Hermannsschlacht – ein Gedicht auf Österreich, erläutert und eingerichtet von Adam Müller-Guttenbrunn. Wien 1898, S. 16. 91 Ebd., S. 4 (nach Rudolf Köpke).

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In seinen »Dramaturgischen Gängen« von 1892 versammelt Müller-Guttenbrunn seine Tagestheaterkritik. Dabei scheut Müller-Guttenbrunn nicht die klaren Worte und redet Tacheles. Interessant ist die Rezension eines Stücks von Hermann Bahr, in der Müller-Guttenbrunn gleich zu Anfang ironisch-kritisch »die sozialistische Weltanschauung« Bahrs herausstellt. Die Protagonisten des Dramas wollen einen neuen Menschen schaffen und verfallen dabei dem Sozialismus, schreibt er. Dreimal habe er das Drama gelesen, mit hohem Genuss. Im Zentrum des Dramas stehe Georg, der Weltrevolutionär, der ebenso wie seine beiden Gespielinnen der Ideologie abschwört, nachdem er sein eigenes Versagen als Ideologe eingesehen hat. In der Folge wählt er den Freitod. Das dramatische Projekt sei gescheitert, stellt Müller-Guttenbrunn süffisant fest und merkt – mit einem Auge auf die aktuelle politische Landschaft in Österreich schauend – resigniert an, dass sich noch keine neuen Menschen am sozialen Horizont zeigen, weil die jetzige Generation nicht imstande sei, die soziale Frage zu lösen. Gleichwohl spricht der Theatermann ein großes Lob an Hermann Bahr aus  : Er habe eine tiefsinnige moderne Tragödie geschaffen, aus der uns eine völlig neue dichterische Welt entgegentrete. Der Romancier aus dem Banat war, bei persönlichem Konservatismus, also durchaus offen für moderne Tendenzen in Gesellschaft und Kunst, jedenfalls vermochte er sie wahrzunehmen. Müller-Guttenbrunn war zugleich ein glänzender Feuilletonist und historischer Reporter. 1921 publizierte er einen Essay über den Selbstmord von Kronprinz Rudolf und seiner Geliebten Mary Vetsera in Mayerling im Jahr 188992. Er baut das von Legenden umstrickte Ereignis zum Menetekel der k. u. k. Monarchie aus – deren ruhmferner Untergang stand dem Leser in den frühen 1920er-Jahren noch ganz frisch vor Augen. Seine nüchterne Analyse bereichert er mit neuesten Aufdeckungen über den Doppelselbstmord und macht sie zugleich zu einer schonungslosen Abrechnung mit der verlogenen Pressewelt des Fin de siècle, die er als Redakteur im Kulturteil der »Deutschen Zeitung« in Wien aus unmittelbarer Nähe kennengelernt hatte. Eine interessante schöpferische Persönlichkeit aus dem donauschwäbischen Bereich ist Adalbert Karl Gauß (1912–1982). In Bačka Palanka geboren, studierte er Germanistik, Slawistik und Ethnologie in Zagreb, Münster und Segedin. Er arbeitete als Lehrer in Novi Vrbas, war Redakteur mehrerer Zeitschriften, und er interessierte sich besonders für die Folklore und die Ethnografie. Seine »Erinnerungen an Palanka« (1958) sind mehr noch als seine einschlägigen Studien und 92 Adam Müller-Guttenbrunn  : Die letzten Tage des Kronprinzen Rudolf. Auf Grund eines neu aufgefundenen Quellenberichtes. In  : Westermanns Monatshefte, (September 1921) Bd. 131/I, S. 54–61.

2. Die Donauschwaben

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historischen Bücher als Quellendokument zur donauschwäbischen Kultur in den Jahren zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg nützlich. Von 1948 bis 1974 gab Gauß in Salzburg die Zeitschrift »Neuland« heraus. Sein Sohn, der Essayist und Literaturkritiker Karl-Markus Gauß (1954), hat der redaktionellen Arbeit seines Vaters ein Denkmal gesetzt  : Er blieb in Salzburg und redigierte diese kleine Wochenschrift Neuland, in der er hochintellektuell über Themen wie die Entwicklung der serbischen Schriftsprache durch Emigranten im Wien des Kaisers Franz referierte, und in deren Redaktion doch Briefe erboster Leser einlangten, die ihr Abonnement aufzukündigen drohten, wenn er auch weiterhin nur ein so schlechtes Fernsehprogramm anzubieten habe (von dem die redlichen, aus der Batschka ins oberösterreichische Stadl-Paura oder ins schwäbische Sindelfingen vertriebenen Leute annahmen, er würde es als Chefredakteur der Zeitung nicht nur ankündigen, sondern auch selber gestalten).93

Karl-Markus Gauß setzte zwar weder unmittelbar noch inhaltlich die Arbeit des Historiker-Vaters fort, aber die Idee der demoralisierten, in der ganzen Welt zersprengten und die schwere Bürde unverdienter Schuld tragenden Donauschwaben transformiert er in seinem reichen Œuvre in einen breiteren, allgemein-europäischen Kontext, vernetzt sie sozusagen mit anderen Versprengten, Entrechteten und Aussterbenden.94 Er erinnert an den Vater insofern mit tiefem Sinn als »der großen Portalfigur des Scheiterns in meinem Leben.«95 In seinem Essayband »Im Wald der Metropolen«, mit dem er große Teile Europas in seinen geographischen, kulturellen und politischen Eigenarten als Reisender erkundet, gelingt Gauß das Kunststück, das Erlebte auf sich selbst zu beziehen, ohne dabei persönlich zu sein. Auch diese elegante Verallgemeinerung, stets bei sich selbst und gleichzeitig doch bei allen und überall in Europa zu sein, darf als eine späte Reverenz an den Vater verstanden werden.96 Noch vor dem Ersten Weltkrieg gehörte es in der Vojvodina zum guten Ton, dass jedes größere Städtchen eine eigene Druckerei besaß und damit verbun93 Karl-Markus Gauß  : Zu früh, zu spät. Zwei Jahre. Wien 2007, S. 268 f. 94 Es seien hier seine Essaysammlungen »Die Vernichtung Mitteleuropas. Essays«. Klagenfurt, Salzburg 1991  ; »Das europäische Alphabet«. Wien 1997, »Die sterbenden Europäer. Unterwegs zu den Sepharden von Sarajevo, Gottscheer Deutschen, Arbëreshe, Sorben und Aromunen«. Wien 2001  ; »Die Hundeesser von Svinia«. Wien 2004  ; »Die versprengten Deutschen. Unterwegs in Litauen, durch die Zips und am Schwarzen Meer«. Wien 2005, genannt. 95 Gauß  : Zu früh, zu spät, S. 270. 96 Karl-Markus Gauß  : Im Wald der Metropolen, Salzburg 2010.

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den auch die lokale Zeitung. Manche dieser lokalen Blätter konnten sich als ein wesentliches Element der Heimatkultur über Jahrzehnte behaupten. Der »Werschatzer Gebirgsbote« wurde 1857 gegründet und konnte sich bis in die 1930er-Jahre behaupten, die »Gross-Kikinder Zeitung  : Organ für Volksbelehrung, Volkswirtschaft, Sozial- und Kulturinteressen« ebenso. Das »Bela Crkvaer Volksblatt  : Zeitung für Handel, Gewerbe, Landwirtschaft. Wissenschaft, Kunst, Schrifttum und gesellschaftliches Leben« erschien in Bela Crkva von 1921 bis 1936, und die »Vrbasser Zeitung  : Wochenblatt für das protestantische Deutschtum Jugoslawiens« wurde in Novi Vrbas von 1902 bis 1941 herausgegeben.

3. Kontexte Kultur- und Sozialgeschichte Die Forschung zur deutschen Literatur des 18. bis 20. Jahrhunderts hat in den letzten vierzig Jahren unter wechselnden methodischen Prämissen und Verfahren eine Reihe von kulturellen und sozialen Grundtendenzen der Epochen herausgearbeitet, die auch für die Literatur der Peripherie des deutschsprachigen Raums eine maßgebliche Signifikanz besitzen. In einer Reihe von einzelnen Zugriffen, die Autoren und Elemente der literarischen Kultur beschreiben, mitunter auch nur in den Grundzügen andeuten können, wurde bereits bzw. wird – im folgenden Abschnitt etwa am zentralen Beispiel des kroatischen Kernraums – diese These veranschaulicht werden. Es geht dabei zunächst um die Bedeutung literarischer Medien, ein auch für die Hauptlinie deutscher Literatur zwischen Goethe und Fontane sowie darüber hinaus in der sozialhistorischen Methode inzwischen vielfach abgearbeitetes und in seiner Relevanz deutlich gemachtes Feld.97 ­Goethe und Schiller sind auf diese Weise nicht nur von dem Podest der Dichterfürsten herabgestiegen und – auch – als gute Kaufleute der eigenen Dichtkunst beschrie97 Ulrich Schmid  : Buchmarkt und Literaturvermittlung. In  : Gert Sautermeister, Ulrich Schmid (Hg.)  : Zwischen Restauration und Revolution 1815–1848. München, Wien 1998 (= Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bd. 5), S. 60–93, vor allem S. 64–72  ; Eva D. Becker  : Literaturverbreitung. In  : Edward McInnes, Gerhard Plumpe (Hg.)  : Bürgerlicher Realismus und Gründerzeit 1848–1990. München, Wien 1996 (= Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Bd. 6), S. 108– 143  ; vgl. auch Dieter Barth  : Zeitschriften, Buchmarkt und Verlagswesen. In  : Horst Albert Glaser (Hg.)  : Vom Nachmärz zur Gründerzeit  : Realismus 1848–1880. Reinbek 1982 (= Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte. Hg. von Horst Albert Glaser. Bd. 7), S. 70–88.

3. Kontexte

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ben worden,98 sondern die Bedeutung »literarischer Leitmedien«99 ist für die einzelnen Entwicklungsetappen als wesentlicher Einfluss- und Bestimmungsfaktor des künstlerischen Prozesses erkannt worden. Klassische Beispiele sind hier etwa die literarischen Almanache des 18. Jahrhunderts, die programmatischen Zeitschriften der Klassiker und die Taschenbücher der Romantik und des Biedermeierzeitalters, schließlich aber auch die Periodika der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit ihrem professionalisierten, über Jahrzehnte beständigen Erscheinungsrhythmus  : Schillers »Horen«, Goethes »Propyläen«, das »Athenäum« der Frühromantiker, die große Zahl der Taschenbücher-Reihen von der »Aglaja« bis zur »Urania«, schließlich die Wochen-, Monats- und Vierteljahrsschriften von der »Gartenlaube« über »Westermann’s (illustrierte deutsche) Monatshefte« und »Über Land und Meer« bis zur »Deutschen Rundschau«, in denen wesentliche Erstdrucke von Fontane und Storm erschienen. Sie alle sind literarhistorische Meilensteine, an denen die textwissenschaftliche Forschung ebenso Gefallen findet wie kultur-, sozial- und kunsthistorische Zugriffe.100 Schließlich tritt auch in Deutschland vor allem im Kaiserreich und dann weit ins 20. Jahrhundert zunehmend die Tagespresse, etwa – um das Beispiel Fontane noch einmal zu bemühen – die großen Berliner Zeitungen, als Ort der literarischen Kommunikation durch Kritik und auch Erstveröffentlichungen in diesen Kreis.101 Bevor eine solche ausgebreitete literarische Kommunikation sich entfaltete, bedurfte es freilich des materiellen Fundaments eines entwickelten Druck- und Verlagswesens. Dies kann für Kroatien, Slowenien und die Vojvodina, also die Heimat der Donauschwaben, schon seit dem 17., spätestens aber 18. Jahrhundert nachgezeichnet werden, sodass nur einige impressionistische Hinweise genügen sollen. Der Salzburger Drucker Johann Baptist ( Janez Krstnik) Mayr nahm 1678 sich des in Krain seit langer Zeit eher erlahmenden Druckwesens an und gründete auch eine Buchhandlung, gab sogar den ersten Buchhandlungskatalog Sloweniens heraus. Gleichzeitig gründete der slowenische Polyhistor Baron Janez Vajkard Valvazor auf seinem Schloss Bogenšperk bei Litija die erste Grafikwerk 98 Siegfried Unseld  : Goethe und seine Verleger. Frankfurt am Main 1991  ; Stephan Füssel  : Schiller und seine Verleger. Frankfurt am Main 2005.  99 Paul Gerhard Klussmann, York-Gothart Mix (Hg.)  : Literarische Leitmedien. Almanach und Taschenbuch im kulturwissenschaftlichen Kontext. Wiesbaden 1998. 100 Becker  : Literaturverbreitung, S. 108, S. 116–118, S. 128  ; Barth  : Zeitschriften, Buchmarkt und Verlagswesen, S. 75–85. 101 Vgl. Ute Schneider  : Buchkäufer und Leserschaft. In  : Geschichte des deutschen Buchhandels im 19. und 20. Jahrhundert. Bd. 2  : Weimarer Republik, Teil 1. München 2007, S. 149–196, hier S. 175 f.

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statt Sloweniens. Bis 1731 blieb die Mayrsche Druckerei im Familienbesitz, 1828 kam sie nach wechselnden Besitzern an Joseph Blasnik, einen der wichtigsten Verleger in der Geschichte Ljubljanas. Er druckte, was bestellt wurde, dabei den breiten Bogen von Einblattdrucken und Kalendern bis zur hochwertigen Literatur und Zeitschriften verschiedener Fachrichtungen schlagend.102 Die älteste Druckerei in Nordkroatien war die des Johann Manlius (1586 bis 1587) in Varaždin. Der Wiener Johann Thomas Edler von Trattner kaufte 1774 in Zagreb die Druckerei des Anton Jandera. Er zog mit seiner Einrichtung nach Varaždin, wo der Sitz des Consilium Regium und die Banal-Verwaltung waren, kehrte jedoch 1776 nach dem großen Brand in Varaždin nach Zagreb zurück. 1794 verkaufte Trattner die Druckerei an den Zagreber Bischof Maksimilijan Vrhovac, der sie 1795 an seinen Schwager Anton von Novoszel abtrat. Dieser wurde zum bedeutendsten Verleger und Drucker seiner Zeit. 1826 eröffnete der Buchhändler aus Zagreb Franz Suppan eine Druckerei, die von seinen Erben 1856 an Ljudevit Gaj verkauft wurde. Die Druckereien von Novoszel und Gaj waren die produktivsten im 19. Jahrhundert in Kroatien. Sie funktionierten gleichzeitig auch als Verlage.103 Suppan ist auch eng verbunden mit der von ihm ab 1838 als Monatszeitschrift herausgegebenen »Croatia«, die später (bis 1842) sogar zweimal wöchentlich erschien, freilich in der doch bescheidenen Auflage von 350 Exemplaren.104 Die erste Zeitung der Donauschwaben begründete der Drucker Matijas Hajmerl (Heimerl) 1771 in Temeswar. In der gesamten Region war Temeswar das unumstrittene Zentrum des Zeitschriften- und Buchdrucks. Auf dem Gebiet der Baranya, Batschka, Syrmium und des Banats war die Druck- und Verlagstätigkeit sehr entwickelt, sogar kleine Orte und größere Dörfer verfügten über eigene Druckereien. Seit der Gründung der »Druckerei- und Verlags- Aktiengesellschaft« am 29. September 1919 in Novi Sad entwickelte sich diese Stadt zum bestimmenden Verlagszentrum der Region.105 102 Vgl. Mira Miladinović Zalaznik  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen (Slovenske germanistične studije). Bd. 2  : Leopold Kordesch und seine Zeit. Ljubljana 2008. 103 Ich folge den Ausführungen von Wolfgang Kessler  : Buchproduktion und Lektüre in Zivilkroatien und -slawonien zwischen Aufklärung und »Nationaler Wiedergeburt« (1767–1848). In  : Archiv für Geschichte des Buchwesens, 16 (1976), S. 339–790. 104 Marina Fruk  : Županova »Croatia« u kulturnom životu Hrvatske – znanje u povijesnom vremenu (Župans »Croatia« im Kulturleben Kroatiens – das Wissen in der historischen Zeit). Zagreb 1995  ; Marina Fruk  : Die Illyristen als Mitarbeiter der Zeitschrift »Croatia« (1839–1842). In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 6 (1997), S. 185–197. 105 Bešlin Branko  : Vesnik tragedije. Nemačka štampa u Vojvodini 1933–1941 (Der Bote der Tragödie. Die deutsche Presse in der Vojvodina 1933–1941). Novi Sad, Sremski Karlovci 2001.

3. Kontexte

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Die große Menge der von diesen Druckern und Verlagen bzw. in den von ihnen herausgebrachten und oben in ihrer mediengeschichtlichen Funktion knapp skizzierten Periodika veröffentlichten Texte blieb natürlich – und dies gilt nun für die Peripherie ebenso wie für die vielen in Deutschland entstandenen Reihen und Journale – unterhalb des Standards kanonisierter Literatur. Neben der gefälligen und für den raschen Verbrauch produzierten unterhaltenden Prosa und Lyrik und den eher raren Perlen der hohen Dichtung hat allerdings ein Genre der medialen Gebrauchsliteratur mit Recht verstärkte Aufmerksamkeit gefunden  : Seit der Aufklärung nimmt die Reiseliteratur, von der eher nüchternen und kritischen Reisebeschreibung über das feuilletonistische Reisebild bis zu novellistischen und romanhaften Formen, einen prominenten Platz in der Literaturgeschichte ein.106 Sie ermöglicht die literarische Entdeckung von Regionen und Räumen, ja ihre künstlerische Konstruktion. Der neu erlebte Raum wird bei Goethe in der Italienreise und in ironischer Brechung auch bei Heine in den Reisebildern zum Anlass der Vergewisserung und Gewinnung von künstlerischer und individueller Identität. Aber die Reiseliteratur ist auch politisch und sozialkritisch ein Vehikel der fortschritts- und bildungsstolzen Inspektion scheinbar rückständiger Regionen. Diesem kolonialisierenden Blick, wie ihn im Grunde schon der etwas dünkelhafte Aufklärer Friedrich Nicolai Ende des 18. Jahrhunderts auf die österreichische Provinz wirft und damit ein Nord-SüdKulturgefälle konstatiert,107 begegnet man im Laufe des 19. und frühen 20. Jahrhunderts in überraschender Fülle und gestaffelter Breite des Urteils in vielen Texten, die zur Literatur- und Mentalitätsgeschichte der hier untersuchten Regionen gehören. Innerhalb des bereits angedeuteten kulturhistorischen Prozesses der Medialisierung von Literatur vollzieht sich fast zeitgleich auch ein sozio-literarischer Emanzipationsprozess durch die zunehmende Bedeutung von Frauen – zunächst als Rezipientinnen, bald als Kernfiguren gesellschaftlicher Kommunikation über Literatur und Kunst, besonders prominent im Berliner Salon,108 etwa dem der Rahel Varnhagen, dann aber auch als Beiträgerinnen und künstlerische Produ106 Peter J. Brenner (Hg.)  : Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur. Frankfurt am Main 1989  ; Gert Sautermeister  : Reiseliteratur als Ausdruck der Epoche. In  : Sautermeister, Schmid  : Zwischen Restauration und Revolution, S. 116–150. 107 Hans Erich Bödeker  : »Ich wünschte also eine Reise zu thun, in welcher ich, nebst den veränderten Scenen der Natur, Menschen und ihre Sitten und Industrie kennen lernen könnte.« Friedrich Nicolai auf Reise. In  : Rainer Falk, Alexander Kosenina (Hg.)  : Friedrich Nicolai und die Berliner Aufklärung. Hannover 2008, S. 305–337, besonders S. 322–325. 108 Petra Wilhelmy-Dollinger  : Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert 1780–1914. Berlin 1989.

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zentinnen von Literatur.109 Diese markante Bereicherung der literarischen Kultur bestimmt schon die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts mit prägnanten Namen wie Rahel Varnhagen, Karoline von Günderode, Bettina von Arnim, Annette von Droste-Hülshoff oder später dann Marie von Ebner-Eschenbach. Und ebenso rücken auch im Untersuchungsraum in dieser Zeit vermehrt Frauen mit wichtigen und eindrucksvollen Texten in den Fokus des literarischen Lebens. Tritt so die Frau gleichberechtigt als Dichterin in den Raum der Literatur ein, so eröffnet sich mit der Verwissenschaftlichung der neueren Sprachen, in Deutschland mit der Initialzündung der Begründung der Germanistik an der neuen Berliner Universität,110 für den literaturhistorisch interessierten Mann ein ganz neues Betätigungsfeld. Auf ihm tummeln sich nicht wenige durchaus respektable Autoren, etwa der Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der Schriftsteller Gustav Freytag oder der Jurist und Begründer des »Professorenromans« Felix Dahn. Die Verbindung von Wissenschaft und Dichtung erhebt den Professoren-Dichter zugleich, wie etwa in der Schöpfung der Nationalhymne durch Hoffmann von Fallersleben gezeigt werden könnte, zur politischen Leitfigur. Vollends ist es der Rückgriff auf die mit der Romantik in ganz neuer Durchschlagskraft rezipierten bzw. allererst neu konstruierten nationalen Mythen, der diesem akademisch scheinbar valide gemachten ästhetischen Konzept zur kulturellen und sozialen Gültigkeit und intellektuellen Marktführerschaft verhilft.111 Was im Kerngebiet der deutschen Literatur, also im politisch höchst fragilen Raum des Deutschen Bundes zwischen den Napoleonischen Kriegen und der Reichsgründung, sich schrittweise aus einer Oppositionswissenschaft gegen den restaurativen Neoabsolutismus nach 1815/1819 zur national tragenden Leitideologie des deutschen Nationalismus entwickelte, vollzog sich freilich an der kulturellen Peripherie unter anderen obwaltenden Umständen. Das Fundamentalkonzept der Sprache, das im späteren Deutschen Reich die unbefragte kulturelle und nationale Identität stiftete, blieb hier notwendig der Stein des Anstoßes und der Kern jeder Initiative zugleich. 109 Rachel McNicholl, Kerstin Wilhelms  : Romane von Frauen. In  : Sautermeister, Schmid  : Zwischen Restauration und Revolution, S. 210–233. 110 Eckard Grunewald  : Friedrich Heinrich von der Hagen 1780–1856. Ein Beitrag zur Frühgeschichte der Germanistik. Berlin, New York 1988. 111 Zur »deutschen Mythologie« vgl. zusammenfassend  : Herfried Münkler  : Die Deutschen und ihre Mythen. Berlin 2009  ; daneben weiterhin nützlich  : Wulf Wülfing, Karin Bruns, Rolf Parr  : Historische Mythologie der Deutschen 1798–1918. München 1991.

3. Kontexte

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Um die angedeutete Reverenz gegenüber der Bedeutung einer medialisierten Welt, im 19. Jahrhundert ist es die der Tagespresse und der Periodika, zu erweisen, gewinnt die deutsche Sprache eine Hebammenfunktion für den Prozess der Generierung des ganz Eigenen, der Sprache, der eigenen Lebenswelt und Kultur, schließlich auch der angestrebten politischen, also nationalen Selbstständigkeit. Insofern darf es nicht verwundern, wenn in den folgenden Abschnitten Schnittstellen zwischen kroatischer (bzw. slowenischer oder serbischer) und deutschsprachiger Dichtung immer wieder mit besonderer Nachdringlichkeit herausgearbeitet und problematisiert werden. An diesen Schwellenphänomenen des Nehmens, Gebens und Abweisens vollzieht sich in der Region der eigentliche Kulturprozess und ästhetische Fortschritt. Es ist eine bei einzelnen Persönlichkeiten bis ins eigene Fleisch spürbare existenzielle Reibung. Während also für die zunächst angesprochenen kultur- und sozialhistorischen Phänomene – Medien, Frauenliteratur, Verwissenschaftlichung, Mythenadaption – durchaus Parallelentwicklungen zwischen Zentren wie Wien und Berlin und Vororten der Peripherie deutschsprachiger Literatur wie Zagreb, Ljubljana, Osijek, Dubrovnik usw. aufzuzeigen sind, führt das Problem der Mehrsprachigkeit in die Mitte der hier diskutierten Literaturen. Denn dies ist doch ihr ganz eigentümliches Phänomen, das allererst die Befassung mit dieser Dichtung aus der Funktion antiquarischer Erinnerung in den Status einer Arbeit für eine lebendige europäische Kulturgemeinschaft hebt, weil es die interkulturelle Kommunikation als Lernbild der Geschichte für die Zukunft bewertet.112 Theatergeschichte Ein traditioneller Ort dieser europäischen Selbstbesinnung ist immer das Theater gewesen, das auch in den untersuchten Regionen Stätte der Repräsentation und – mitunter auch mit Konflikten beladenen – Gestaltung deutscher wie slowenischer und kroatischer Kultur und Literatur gewesen ist. Daher seien hier auch für das Theater einige kulturhistorische Daten eingefügt, auch wenn die dramatische Literatur im Kontext der Autoren besprochen wird. Ein Theatergebäude mit 800 Sitzplätzen bekam Ljubljana 1765 aus Anlass des geplanten, doch dann infolge seines Todes nicht stattgefundenen Besuchs von Kaiser Franz I. Stephan und von Kaiserin Maria Theresia. Die Landstände verfügten über das Theater (deshalb seine Bezeichnung »Ständetheater«), und sie 112 Unter den Texten, die dazu ermutigen, ist besonders zu nennen  : Adolf Muschg  : Was ist europäisch  ? München 2005.

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erteilten auch Genehmigungen für die Aufführungen. Deutsche Theatergesellschaften (z. B. Felix Berner 1768 und 1784, Franz Diwald 1784/85) waren hier regelmäßig zu Gast. Schauspiel und Oper teilten sich die Bühne. Der »Deutsche Theaterverein in Laibach« baute von 1909 bis 1911 ein neues Gebäude für »Deutsches Theater« nach Plänen des Wiener Architekten Alexander Graf. Mit dem Ersten Weltkrieg endete die deutsche Theatertradition in Ljubljana.113 Die Theatertradition in der Untersteiermark, in Maribor, Ptuj und Celje, geht ebenfalls auf das späte 18. Jahrhundert zurück, als Wandertruppen für erste Theateraufführungen sorgten. 1793 wurde in Maribor der »Dilettantenverein« gegründet, der 1806 ein provisorisches Theater eröffnete. 1852 wurde ein repräsentativer Theaterbau errichtet. Die Leitung des deutschen Theaters übernahm 1864 der »Marburger Theater- und Casino-Verein«. Seit Ende des 19. Jahrhunderts in wachsender Konkurrenz mit der slowenischen Bühne in Maribor stehend, wurde das deutsche Theater nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, mit der letzten Vorstellung am 24. Mai 1919, aufgelöst, um erst während des Zweiten Weltkriegs unter der nationalsozialistischen Okkupation für ideologische Zwecke der Regermanisierung neu zu entstehen.114 In Zagreb fanden bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erste Aufführungen in deutscher Sprache im aristokratischen Milieu statt. Deutsche und österreichische fahrende Schauspielertruppen waren in Zagreb zu Gast, Theaterdirektoren Karl Rosenschön und Joseph Kupelwieser finden Erwähnung in der Presse. Von 1797 bis 1834 wurden deutsche Stücke im Palais Pejačević-Amadé in der Altstadt von Zagreb aufgeführt. 1836 wurde das Theater auf dem Platz des Hl. Markus errichtet. Seit 1780 besteht in Zagreb das Nationaltheater, in dem jede Saison erneut Konzessionen an einen Theaterbetrieb bzw. ein Ensemble vergeben wurden. Die deutschen Theaterdirektoren spielten im Kulturleben der Stadt eine wichtige Rolle, nicht zuletzt auch als Erzieher des Theaterpublikums und der heranwachsenden Generationen der späteren kroatischen Schauspieler und Regisseure. Das Theater brachte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gastspiele deutscher Theatertruppen, auch bekannte Schauspieler des Wiener 113 Dušan Ludvik  : Nemško gledališče v Ljubljani do leta 1790 (Deutsches Theater in Ljubljana bis 1790). Ljubljana 1957  ; Peter von Radics  : Die Entwicklung des deutschen Bühnenwesens in Laibach. Ljubljana 1912. 114 Matjaž Birk  : »Die wiedergewonnene Thalia«. Das deutsche Drama in Maribor (Marburg/Drau) im II. Weltkrieg. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 13 (2004), S. 255–268  ; Bruno Hartmann  : Dramsko gledališče v Mariboru (Das Schauspieltheater in Marburg). In  : Maribor skozi stoletja. Maribor 1991, S. 677–694.

3. Kontexte

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Hoftheaters, des heutigen Burgtheaters, traten auf. Der Wiener Possenschreiber Adolf Bäuerle adaptierte für das kroatische Publikum einige seiner erfolgreichsten Schauspiele. In der Epoche von 1780 bis 1840 fanden in Zagreb insgesamt 1 600 deutsche Vorstellungen (Dramen) statt, in der Kernzeit der Germanisierungspolitik Wiens, von 1840 bis 1860 etwa 1 400. Die Geschichte des deutschen Theaters war aufs Engste mit den politischen Rahmenbedingungen und der allgemeinen Stimmung gegenüber der österreichischen Obrigkeit verbunden. In Zeiten der repressiven Politik gegenüber Kroatien und der kroatischen Sprache spiegelte sich die Unzufriedenheit der Kroaten auch im Umgang mit dem deutschen Theater wider. Nachdem 1854 Deutsch als Unterrichtssprache in den höheren Gymnasialklassen eingeführt wurde, was von der kroatischen Bevölkerung als ein Akt rücksichtsloser Germanisierung aufgefasst wurde, richtete sich der Protest primär gegen Innenminister Bach und seine neoabsolutistischen Maßnahmen, doch die Schauspieler bekamen ihn ebenso zu spüren. 1860 wurden die Vorstellungen vom kroatischen Publikum immer wieder gestört, und die letzte Vorstellung am 24. November 1860 endete gar mit einer wohl orchestrierten Demonstration kroatischer Patrioten, welche den deutschen Direktor und die deutschen Schauspieler mit Eiern, faulen Äpfeln und Zwiebeln bewarfen. Ihr Triumph erreichte seinen Höhepunkt, als der einzige Kroate am deutschen Theater, der Schauspieler Vilim Lesić, in kroatischer Sprache ankündigte, von morgen an werde hier nur noch kroatisch gespielt.115 Die Vertreibung der deutschen Schauspieler aus Zagreb ist in die Kulturgeschichte der Stadt eingegangen, doch hat sie der deutschen Kultur keineswegs den Todesstoß versetzt. Osijek schließlich schaut sogar auf eine Theatertradition seit 1735 zurück, als die ersten Vorstellungen in lateinischer Sprache auf dem Jesuitengymnasium aufgeführt wurden. Seit 1740 gastierten regelmäßig fahrende deutsche Truppen in der Stadt. Seit 1750 fanden die Vorstellungen regelmäßig innerhalb des Fortifikationskomplexes »Tvrdja« (Die Festung) statt. Seit 1765, als dieser Raum um ein Stockwerk ausgebaut wurde, kann man von einem dauerhaften Raum für das deutsche Theater sprechen. Ende 1866 wurde das neue Theatergebäude im mau115 Vgl. Blanka Breyer  : Das deutsche Theater in Zagreb 1780–1840. Mit besonderer Berücksichtigung des dramatischen Repertoires. Zagreb 1938  ; Nikola Batušić  : Uloga njemačkog kazališta u Zagrebu od 1840 do 1860 (Die Rolle des deutschen Theaters in Zagreb von 1840 bis 1860). In  : Rad JAZU, 353 (1968)  ; Milka Car  : Der 24. November 1860 im kroatischen Theater  : die »Vertreibung« der deutschen Schauspieler. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 11 (2002), S. 97–118.

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rischen Stil nach Plänen des einheimischen Architekten Karlo Klausner errichtet, in dem sowohl deutsche wie kroatische Stücke auf dem Spielplan standen.116

4. Kroatien Deutsches Presse- und Druckwesen Ende des 18. Jahrhunderts gab es erste Versuche, deutschsprachige Zeitungen in Zagreb zu begründen. Dabei geht die »Agramer deutsche Zeitung«, von der kein einziges Heft erhalten ist, auf das Jahr 1784 zurück. Die Zagreber Filiale des Wiener Druckers Johann Thoma Edler von Trattner, unter der Leitung des Faktors Franz Hörner, ließ am 24. März 1789 einen Aufruf zum Abschluss eines Abonnements für die deutsche Zeitung »Kroatischer Korrespondent« drucken. Das erste Heft erschien im Juni 1789 und gilt als die erste deutschsprachige Zeitung in Kroatien. Doch die große Epoche der deutschen Presse in Kroatien bricht erst nach 1820 an.117 Die Tradition des kroatischen Kulturblattes beginnt mit dem »Agramer Theater Journal«, das 1815 in Zagreb gegründet wurde und von dem 17 Hefte erschienen sind. Die zentrale deutsche Zeitung in Zivilkroatien war die 1826 gegründete »Agramer Zeitung« (populär »Agramerica«), die bis 1912 erschien und bis heute als populärste deutsche Zeitung in diesem Raum gilt. Während ihres langen Bestehens passte sie sich den politischen und gesellschaftlichen Veränderungen und Umbrüchen an. Von 1826 bis 1829 hieß sie »Luna. Agramer Zeitschrift« mit literarischen Beiträgen in deutscher Sprache. Die ersten verantwortlichen Redakteure waren Franz S. Stauduar und Ferdinand Rosenau.118 Von 1830 bis 1848 erschien die Zeitung als proungarische »Agramer 116 Dragan Mucić  : Hrvatsko kazalište u Osijeku 1907 (Das kroatische Theater in Osijek 1907). Osijek 1967. 117 Zur deutschsprachigen Presse in Kroatien vgl. Kessler  : Buchproduktion und Lektüre in Zivilkroatien und -slawonien, S. 339–790  ; Wolfgang Kessler  : Zur deutschsprachigen Presse im kroatischen Binnenraum 1785–1918. In  : Mira Miladinović Zalaznik, Peter Motzan, Stefan Sienerth (Hg.)  : Benachrichtigen und vermitteln. Deutschsprachige Presse und Literatur in Ostmittelund Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert. München 2007, S. 15–26  ; Daniela Živković  : Publicistika na njemačkom jeziku u Zagrebu u drugoj polovici 18. stoljeća (Die deutschsprachige Publizistik in Zagreb in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts). In  : Radovi / Zavod za hrvatsku povijest, 22 (1989), S. 49–70. Über das Pressewesen in Kroatien nebst deutschsprachiger Periodik vgl. Josip Horvat  : Povijest novinstva Hrvatske 1771–1939 (Die Geschichte des Pressewesens Kroatiens 1771–1939). Zagreb 1962. 118 Vgl. Ljerka Sekulić  : Njemačka »Luna« u kulturnom životu Hrvatske (Die deutsche »Luna« im Kulturleben Kroatiens). Zagreb 1968.

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politische Zeitung«, während sich »Luna« als »Unterhaltungs-Blatt, als Beilage zur Agramer Zeitung« verselbstständigt hatte und in dieser Form von 1829 bis 1858 erscheinen konnte. Seit dem Revolutionsjahr 1848 bis 1912 führte sie den Namen »Agramer Zeitung«. Seit der Märzrevolution schwenkte sie zunehmend auf die panslawische Idee ein. Die »Agramer Zeitung« findet ihre Parallele in allen größeren Städten der Monarchie. Kaum ein kulturelles Ereignis stand vereinzelt da  : In der Regel handelte es sich um ein Netzwerk von Kultur- und Literaturaktivitäten, wovon die Monarchie und die deutschen Länder überzogen war. »Luna«119 hatte ihr Vorbild in Zeitschriften und Almanachen wie »Minerva«, »Flora«, »Urania«, »Vesta«, »Apollon«, »Europa«, »Concordia«, »Iris« oder »Aglaja«. Eine Taschenbuchreihe in Leipzig trug 1804 den Namen »Luna«. Auch Gajs »Danica« (Der Morgenstern), die Literaturbeilage seiner »Novine horvatske« (Die kroatische Zeitung), korrespondierte mit gleichnamigen Zeitschriften europaweit, 1830 erschien in Wien »Österreichs Morgenstern«. Mit den deutschen Literaturbeiträgen übernahm »Luna« eine besondere Funktion in der kroatischen Kulturgeschichte ihrer Zeit  : In die kroatische Kulturgeschichte ist die Luna wie eine Fremde eingegangen, mit bestimmten Gesten der Courtoisie gegenüber der eigenen Mitte. Sie verschwindet daraus mit den Folgen einer Fortsetzungsnovelle von Mirko Bogović, die die letzten Hefte ausfüllen, sowie mit den Daten über die südslawischen Künstler aus dem »Alphabet« des Historikers Ivan Kukuljević. Sie hat keine tiefere Spur hinterlassen, so dass sie in der historischen Perspektive nicht als ein Ereignis bezeichnet werden kann, sondern als ein Symptom einer Zeit. Im komplexen Mosaik der Epoche, an dessen Wiederherstellung der Historiker geduldig arbeitet, vermag sie doch ein winziges, aber interessantes Steinchen zu sein

– so Ljerka Sekulić in ihrer Dissertation.120 Das zeitweilige Konkurrenzblatt war die 1886 gegründete Tageszeitung »Agramer Tagblatt. Organ für Politik und Volkswirtschaft«, mit Josef Schlegel als dem verantwortlichen Redakteur. Die Zeitung verstand sich als Oppositionsblatt zur Politik des Banus Khuen-Héderváry, und setzte sich für die Wahrung der kroatischen nationalen Interessen in der Monarchie ein, ebenso wie nach 1918 im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Unter den verantwortlichen Redakteuren war Josip ( Joseph) Frank (1844–1911) der prominenteste. Der Jurist Frank, 119 Vgl. ebd. 120 Ebd., S. 119. Übersetzung Mirjana Stančić.

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der in Wien studiert hatte, schloss sich 1890 der kroatischen radikalen »Rechtspartei« an. Er war maßgeblich an der Entwicklung der rechtlichen Grundlagen für das 1918 gegründete Königreich beteiligt. In seiner langen politischen Karriere stand er im Dienste vieler Herren, was ihm ein permanentes Taktieren und Lavieren abverlangte, weshalb er in der kroatischen Geschichtsschreibung als eine kontroverse Figur diskutiert wird. Das »Agramer Tagblatt« führte neben dem politischen und wirtschaftlichen Teil auch »Theater, Kunst und Literatur« und das »Roman-Feuilleton«, das Novellen und Romane vornehmlich kroatischer Autoren in deutscher Übersetzung brachte. Es erschienen etwa die Romane der kroatischen Realisten Eugen Kumičić »Die Waise« (Siroče),121 Ksaver Šandor Gjalski »In der Nacht« (U noći)122 und Josip Eugen Tomić »Des Hauptmanns Töchterlein«.123 Zwischen 1918 und 1939 wurden im »Agramer Tagblatt« 556 Übersetzungen, besser Nachdichtungen der kroatischen Literatur ins Deutsche veröffentlicht. Diese Zeitung, wie auch all die anderen deutschsprachigen, die hier erwähnt sind, richtete sich ausschließlich an das einheimische Bürgertum, dessen Idiom, jedoch nicht die natürliche Muttersprache, deutsch war. Das österreichische oder gar deutsche Lesepublikum blieb von diesen Zeitungen weitgehend unerreicht. Als Übersetzer traten in der Regel zweisprachige Autoren auf, deren Werke und Tätigkeiten hier besprochen werden. Im Jahr 1929 kam es zum Zusammenschluss des »Agramer Tagblatts« mit der Zeitung »Morgen«, die Neugründung erschien bis 1941 unter dem Namen »Morgenblatt«. Auch andere kroatische Städte haben eine lange Tradition der deutschsprachigen Presse vorzuweisen. In Osijek, einem vitalen Zentrum des deutschen Bürgertums, geprägt von der benachbarten donauschwäbischen Kultur ebenso wie vom deutschsprachigen Judentum, erschien im Revolutionsjahr 1848 der kurzlebige »Volksredner für Vaterland, Freiheit und Gesetz, für Kunst, Gewerbe und Wissenschaft«. Länger, von 1864 bis 1869, konnte sich die erste seriöse Osijeker Zeitung, »Esseker Lokalblatt und Landbote. Belletristische Wochenschrift für Kunst, Industrie, Handel, Gewerbe und Landwirtschaft«, halten, in der das Kulturleben der Stadt, nicht zuletzt die Literatur, stark vertreten waren. Sie erschien zweimal wöchentlich. Der erste Versuch eines allgemeinen Magazins geht auf das Jahr 1869 mit der »Esseker allgemeinen illustrierten Zeitung« zurück. Unter der Leitung der Redakteure Edmund Covacich und Carl Lehmann kamen zwanzig Hefte heraus. Carl Lehmann hat in Osijek 1857 eine eigene Druckerei gegründet, 121 Agramer Tagblatt, 1886, Nr. 155–278. 122 Agramer Tagblatt, 1886, Nr. 285–298 und 1887, Nr. 1–100. 123 Agramer Tagblatt, 1887, Nr. 280–298.

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die bis 1870 gearbeitet hat. Bis zur Jahrhundertwende durchlebt die Stadt wirtschaftlich und kulturell eine Epoche der Prosperität. Neue Druckereien werden eröffnet, immer mehr Buchtitel gedruckt. Oft erschien ein Titel gleichzeitig in deutscher und in kroatischer Sprache.124 Die dominierende Tageszeitung in Osijek »Die Drau« wurde 1868 von Gustav Wagner und Jakob Frank gegründet. Dieses Regimeblatt vertrat ungarische Interessen in Slawonien und konnte ohne Unterbrechung bis 1929 erscheinen. Die Teile »Vom Theater, Literarisches, Journal-Revue« und das Feuilleton konzentrierten sich auf die Literatur slawonischer deutschsprachiger Dichter. Erzählungen und Novellen von Victor von Reisner und Roda Roda wurden hier abgedruckt, ebenso Studien über rein literarische und linguistische Themen wie das Phänomen der Trivialliteratur oder auch das Esseker Deutsch. Die Konkurrenzzeitung, die »Slavonische Presse«, von Dragutin Laubner gegründet, erschien kontinuierlich bis 1922. Eine deutschsprachige Presse gab es auch in kleineren kroatischen Städten, in Varaždin im Norden, im slawonischen Vinkovci (»Vinkovitzer deutsche Presse«, 1893  ; »Illustriertes Familienblatt«, 1899), an der Adria in Rijeka (»Fiumaner Zeitung«, 1867) und in Zadar, dem Sitz der Statthalterei der österreichischen Provinz Dalmatien (»Kroatische Morgenröte«, 1925). Erwähnt seien auch zwei Tageszeitungen, die nur kurzzeitig in Pula, dem Sitz des Hauptquartiers der k. u. k. Marine, erschienen  : das »Pulaer Morgenblatt« und das »Pulaer Tagblatt«, beide 1925. In Karlovac erschien von 1841 bis 1847 »Der Pilger. Comercielle belletristische Zeitschrift, Organ für vaterländische Interessen, Handel, Industrie und Gewerbe«. Ein eifriger Mitarbeiter slowenischer und kroatischer Literaturzeitschriften war der Deutsche Rudolf Gustav Puff (1808–1865) aus Maribor. Puff publizierte unter anderem in »Croatia« 1841 die Gedichte »Thomas Erdödy« und »Frangepans Schwur«. Frauenliteratur avant la lettre Bereits Anfang des 19. Jahrhunderts meldeten sich erste Schriftstellerinnen in Zagreb zu Wort, oft im Schutz eines einflussreichen Mäzens. Auf Einladung des 124 Vgl. Marija Malbaša  : Osječka bibliografija  : tiskarsko izdavačka djelatnost u Osijeku  : od 1742– 1978. godine (Die Osijeker Bibliografie  : Das Druck- und Verlagswesen in Osijek 1742–1978). Osijek 1981, S. 258. Dazu ausführlich  : Vlado Obad (1989), S. 19–56  ; Vgl. auch Maja Krtalić  : Knjižarski oglasi u osječkim novinama 19. stoljeća������������������������������������������� (Buchhandlungsanzeigen in Osijeker Zeitungen des 19. Jahrhunderts). In  : Libellarium, I (2008), H. 1, S. 75–92.

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Bischofs von Zagreb, Maksimilijan Vrhovac, der durch seine Bauinitiativen die Stadt deutlich geprägt hatte, kam 1822 die deutsche Dichterin Therese von Artner (1772–1829) nach Zagreb, die das Akronym Theone als ihren künstlerischen Namen führte. Sie hatte schon lange vor ihrer Übersiedlung im Kontakt mit dem Zagreber Adel gestanden. 1806 veröffentlichte sie die Gedichtsammlung »Neuere Gedichte von Theone«, »seiner k. k. Hoheit, dem Erzherzog Joseph von Österreich, Palatin von Ungarn« zugeeignet. Der klassizistischen Lyrik hängte die Dichterin auch die »Heldenoper in zwei Akten« »Theseus auf Creta« an. 1817 folgte das Trauerspiel »Die That« in Pest. Artner war mit Caroline Pichler befreundet, sie pflegten eine umfangreiche Korrespondenz, und Artner setzte sich in Zagreb nachdrücklich für die deutsche Literatur ein. Sie gilt als erste selbstständige Schriftstellerin in Kroatien und als Vorreiterin des Typus der emanzipierten Autorin, der sich in diesem Kulturraum durchsetzen wird. Ihre Rolle als dichtende Frau hatte sie schon früh selbstironisch hinterfragt in dem Text mit dem fragenden Titel »Darf ein Weib Satyren dichten  ?« Ward dem süßen Geschöpf, der Biene, ein fühlbarer Stachel, Sollte treffender Witz schänden das sanfte Geschlecht  ? Doch die Geisel schwing’ es ja nie  ! Ihm ziemt nur der Klumpsack  ! Damit treib’ es im Kreis Lachende munter umher.125

Neben der Gelegenheitslyrik zu Ehren ihres Mäzens trat Therese von Artner durch ihre lebendige Reiseliteratur hervor  : »Briefe über einen Teil von Croatien und Italien an Caroline Pichler«, die 1830 in Halberstadt veröffentlicht wurden. Im Unterschied zu ihren wenig originellen Versen, an bestimmte feierliche Adressen gebunden, zeichnen sich ihre Reisebilder durch ihre ungekünstelte, freie Beobachtungsgabe aus, die den wirtschaftlichen, ethnografischen und sprachlichen Umständen angemessen Rechnung trägt. Große Feste in den Schlössern des Landadels werden ebenso geschildert wie die Besuche einsamer Posten an der Militärgrenze und Begegnungen mit der einheimischen Bevölkerung. In einem lebendigen Essay schildert sie eine mühsame Fahrt mit der Kutsche über die holprigen Straßen von Zagreb nach Sisak, eine Entfernung von insgesamt vierzig Kilometern, und eine Reihe auf der Reise durchlebter Ereignisse. Von Sympathie für Land und Leute beflügelt, gehört er zu den lebendigsten und authentischsten Berichten über die vormoderne Zeit in Kroatien. Bei alledem bleibt die Dichterin eine österreichische Patriotin, die das gesamte Gebiet, das es zu be125 [Therese von Artner  :] Neuere Gedichte von Theone. Tübingen 1806, S. 38.

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reisen gilt, wohl in erster Linie zu Österreich gehörig weiß. Stets weist sie auf die bedeutende zivilisatorische und kulturelle Leistung der Habsburger hin. Indem sie über die lange Linie der Militärgrenze reflektiert, die sie bereist, ruft sie sich die ungeheuren Kosten ihrer Instandhaltung ins Gedächtnis. Diese seien deshalb berechtigt, argumentiert Artner, weil Österreich hier als Schild und Wächter von Europa stünde. Die notwendige Militärmacht sei dabei »auf keine einfachere und weisere Art in Bereitschaft gestellt worden, als, indem man die Bewohner der ganzen Grenzstrecke in Soldaten umschuf«.126 Lang und breit argumentiert die österreichische Legitimistin über die Notwendigkeit dieser Einrichtung. Als Bastion gegen die Türken seien alle Mittel Recht, die Militärgrenze daher ein Symbol der weitsichtigen Friedenspolitik der Habsburger, ja die erzwungene Militarisierung der ganzen Region komme dem »Nationalcharakter« der Einheimischen entgegen. Und sogar »die Türken« wüssten »Österreichs gute Nachbarschaft jetzt wohl zu schätzen«. Doch die Idylle ist durchsetzt von Gewalt und Kriminalität  : Während sich die Türken nun »ruhig verhalten, muß man vor flüchtigen Banden auf seiner Huth sein, die bald auf diesem, bald auf jedem Gebiet rauben […]. Viehdiebstähle über die Gränze sind ohnehin noch an der Tagesordnung.«127 Eng mit Therese von Artner verbunden war Kitty Hofmann von Blei, Mitarbeiterin der Literaturbeilage »Luna«, die mit Gelegenheitsgedichten hervortrat. Ihrer 1829 in Zagreb verstorbenen Freundin widmete sie einen »Todtenkranz« mit den Zeilen »Dulderinn  ! im langen Krankheitsleiden / Wie berührt ward deine Seelenkraft  ! / Mitgefühlt hast du noch Schmerz und Freuden / Und der Tod nahm sanft dich in die Haft.«128 Auch Kitty Hofmann von Blei stand unter dem Schutz des Bischofs Maksimilijan Vrhovac, und so schrieb sie aus Anlass seiner fünfzigjährigen Priesterweihe am 1. Januar 1826 ein Ehrengedicht  : »Preist auch Sie der Frauen Beste  ! Die den Hohen Bruder nennt. Der – für Ihn – beim Jubelfeste, Doppelt hoch das Herz entbrennt.«129 In Košice ließ sie 1824 eine Sammlung von Theaterstücken für Kinder drucken, die 1834 in zweiter Auflage in Leipzig erschien. Sie enthält die Stücke »Das Angebinde«, »Das kleine Aschenbrödel«, »Die Wundergaben« und »Gewinn und Verlust«. 126 Therese von Artner  : Briefe über einen Theil von Croatien und Italien. Halberstadt 1830, S. 32. 127 Ebd., S. 30 f. 128 Zitiert nach  : Velimir Deželić  : Iz njemačkog Zagreba. Prinos kulturnoj povjesti Hrvata (Aus dem deutschen Zagreb. Beitrag zur Kulturgeschichte der Kroaten). Zagreb 1901, S. 29. 129 Kitty Hofmann von Blei  : Auf das allerhöchste Jubelfest der fünfzigjährigen Priesterweihe Höchst Ihro Excellenz des hochwürdigsten Herrn Agramer Bischof Maximilian Verhovacz von Rakitovecz am 1. Jänner 1826. Agram 1826, S. 2.

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Philologie und Literatur – Südslawistik in Wien Die Anfänge der modernen Südslawistik wurden in Wien, im Umkreis der spätromantischen Dichterzirkel und unter dem Schutz der zentralen wissenschaftlichen Institutionen Österreichs angelegt  : der Universität und der Nationalbibliothek. Jernej (Bartholomäus) Kopitar (1780–1844) war der Ahnherr der südslawischen Philologie in Wien. Er kam 1808 aus Ljubljana nach Wien, um dort Rechtswissenschaft und Slawistik zu studieren. Neben dem Studium der Rechte widmete sich Kopitar auch einem intensiven Fremdsprachenerwerb und erlernte neben den Balkansprachen Arabisch und Sanskrit, Letzteres bei Friedrich Schlegel. Als Zensor und Bibliothekar in der Wiener Bibliothek hatte Kopitar eine herausragende Stelle inne, die ihm einen gewissen Einflussbereich in den philologischen Wissenschaften sicherte, welcher ihm half, die Südslawistik auf den Weg zu bringen. Im März 1809 publizierte er in Wien die »Grammatik der slawischen Sprache in Krain, Kärnten und Steyermark«, schon ein Jahr später die »Patriotischen Phantasien eines Slaven«. Junge Schriftsteller und Sprachkundler aus dem Süden pilgerten zu Kopitar nach Wien, denn er war der gütig-strenge Mentor für jene slowenischen Dichter und Philologen, die in Wien intellektuelle Bildung und geistige Orientierung suchten. Auch Prešeren wandte sich an Kopitar und bat ihn um Rat und Unterstützung. Dessen Begabung hat Kopitar zwar erkannt, pflegte jedoch zum Dichter ein schwieriges, für Prešeren eher hinderliches als förderndes Verhältnis. Vuk Stefanović Karadžić (1787–1864), die wohl populärste Gestalt der serbischen Kulturgeschichte – Philologe, Sprachreformer, Dichter, Übersetzer – hatte als Diplomat enge Beziehungen zu Österreich und Deutschland. Karadžić, der bereits als Kind in Österreich zur Schule ging, kam 1813 wieder nach Wien und knüpfte Kontakt zu Kopitar, der seine linguistische Begabung sofort erkannte und ihn bei seinen Arbeiten zur Sprach- und Schriftreform des Serbischen maßgeblich unterstützte. Karadžić konnte sich gegen den starken Druck der serbischen orthodoxen Kirche durchsetzen und anstelle des phonetisch, orthografisch und lexikalisch komplexen Altkirchenslawischen eine auch für das einfache Volk nachvollziehbare Sprache grammatikalisch entwickeln. Sein Erfolg war nicht zuletzt auch das Verdienst von Kopitars wohlwollender Anteilnahme am Projekt des serbischen Sprachreformers. Karadžić verkehrte mit den einflussreichsten Persönlichkeiten des geistigen Lebens im damaligen Europa, die er mit seinem diplomatischen Geschick auch für seine sprachlichen und literarischen Projekte begeisterte. Zweimal besuchte er Goethe. Jacob Grimm, Leopold von Ranke und Wilhelm von Humboldt waren ihm ebenfalls freundschaftlich verbunden.

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Karadžićs Tochter Wilhelmine Karadžić (1828–1894) war seine engste Mitarbeiterin  ; u. a. gab sie die deutsche Übersetzung seiner Volksmärchen 1854 in Wien heraus. Wien war der Ausgangspunkt des Erfolgs von Karadžić  ; Vermittler waren jedoch nicht die Österreicher, sondern die Deutschen, allen voran Goethe, Jacob Grimm und Ranke. Die Verbreitung des südslawischen Volksliedes und die breite Akzeptanz der Sprachreform ist auch ihr Verdienst. Die österreichische Dichterin Paula von Preradović widmet in ihrem biografischen Roman »Pave und Pero« (1940), der Lebensgeschichte ihres Großvaters, des Dichters Petar von Preradović und dessen erster Frau Paolina de Ponte, eine Szene der Begegnung zwischen Karadžić und ihrem Großvater in Wien. Karadžić besucht Petar von Preradović unangekündigt und erinnert sich im Gespräch mit Rührung seines slowenischen Gönners  : Und Kopitar ließ mich hier finden  ! Gott ließ es seiner Seele leicht sein  ! Ihn, der meinen Beruf für mich erspürt hat, ihn, den ersten Mittler zwischen uns Slawen und Europa, ihn, den getreuen, hochgelehrten, ihn, dem ich alles, alles verdanke, ohne den der Vuk nicht der Vuk geworden wäre  ! Ohne den ich nicht zum großen Goethe gekommen wäre, ohne den ich den Jakob Grimm und den Humboldt nicht kennen gelernt hätte, sie alle, die wie gute Schutzgötter unser Volkslied gehegt, geschützt und geliebt haben. Dahin ist er, mein Kopitarius, dahin seit zehn Jahren.130

Karadžićs Besuche bei Goethe in den Jahren 1823 und 1824 verarbeitet Paula von Preradović wie folgt  : Und einzig gut hat er mich aufgenommen. Was für ein Mensch  ! Berühmt, gefeiert, geehrt von der ganzen Welt, und doch, denk dir, Bruder, wie ich, der fremde, junge, arme Vuk, zu ihm gekommen bin, was ist auf dem Tisch gelegen, was hat er vor sich aufgeschlagen gehabt  ? Nie würdest du es erraten  : die Rezension von meiner serbischen Grammatik  ! Um mich zu ehren, um mich zu erfreuen, hat er sie aus dem Zeitungsband herausgesucht und hingelegt und aufgeschlagen  !131

Jernej Kopitar und Vuk Karadžić sind in Wien gestorben und wurden auf dem Prominenten- und Honoratiorenfriedhof St. Marxens bestattet. Grab an Grab liegt dort das ›ganze Altösterreich‹  : Viktualienhändlerwitwen, Geheimräte, begüterte Künstler, Universitätsprofessoren, ausländische Diplomaten, Wissen130 Paula von Preradović  : Pave und Pero. Salzburg, Leipzig 1940, S. 108. 131 Ebd., S. 108 f.

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schaftler und Hoflieferanten. Kopitars und Karadžićs sterbliche Überreste sind später in ihre Heimatländer überführt worden. Der dritte Ahnherr der südslawischen Sprachkunde, der ebenfalls im Wesentlichen in Wien tätig war, ist Vatroslav Jagić (1838–1923). Er stammt aus Varaždin, studierte in Wien klassische Philologie und hörte bei dem prominentesten Slawisten seiner Zeit Franc Miklošič. In Kroatien arbeitete Jagić als Lehrer am Gymnasium und wurde als glühender Verfechter der panslawischen Idee bereits 1866 in die Akademie für Wissenschaft und Kunst gewählt. Im Jahr 1870 wurde er wegen seiner Überzeugungen aus dem Staatsdienst entlassen. Nachdem er bis 1880 als erster Hochschullehrer für Slawistik an der Humboldt-Universität in Berlin gewirkt hatte, wurde er 1886 auf den Lehrstuhl von Franc Miklošič nach Wien berufen. Hier blieb er bis zu seiner Emeritierung 1908. In Berlin gründete Jagić die Zeitschrift »Archiv für slavische Philologie«, die er selbst 45 Jahre lang redigierte und die bis heute als eine der renommiertesten Zeitschriften für das slawistische Fach gilt. Jagić, der sich für die allgemeine Sprachwissenschaft und die Südslawistik wie auch für die philologische Eigenart der kroatischen Sprache und Literatur interessierte, hinterließ ein umfangreiches Œuvre. Nationales Erwachen  : Illyrier-Bewegung, kroatische Patrioten und die deutsche Sprache In den Dreißigerjahren des 19. Jahrhunderts gab Illyrien seinen Namen für den ernsthaften Versuch einer kulturellen Neubegründung einzelner südslawischer Völker, die im Habsburgerreich lebten. Illyrien ist eine Metapher für die politische und kulturelle Initiative zur Schaffung einer gemeinsamen Sprache und kulturellen Identität. Die Idee, dieses Gebiet und seine Völker in einer politischen Einheit zusammenzufassen, ist alt und geht auf die Zeit des römischen Kaisers Augustus zurück. Jeder Anstoß zur Vereinigung scheiterte jedoch kläglich, unterschiedliche Interessen der europäischen Großmächte ließen dies nicht zu. Schließlich gelang es Napoleon mit dem Dekret vom 14. Oktober 1809, den Villacher Kreis Kärntens, Görz, Triest und Krain mit der Grafschaft Mitterburg und Zivil- und Militärkroatien zwischen Adria und der Save mit dem ehemals venezianischen Istrien und Dalmatien sowie die Republik Ragusa zur französischen politisch-administrativen Einheit »Les Provinces Illyriennes« zusammenzufassen. Paradoxerweise haben die slowenische Sprache und die nationale Kultur während der französischen Besatzung einen wichtigen Aufschwung erlebt, der bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts hineingewirkt hat. Abbé Severić wurde während der napoleonischen Besatzung als erster Professor der illyrischen (slowenischen)

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Sprache in Ljubljana angestellt. Die Armee Napoleons gab in Dalmatien die Zeitung »Kraljski Dalmatin« (Der königliche Dalmatiner) heraus. Das Bemühen der österreichischen Regierung, schon im Jahr 1810 eine deutsche Zeitung unter der Leitung des Franziskanermönchs, Philosophen und Kämpfers für die Vereinigung von Dalmatien und Zivilkroatien Andrija Dorotić (1761–1837) herauszugeben, misslang. So konnten die Österreicher den Besatzern keine eigene Zeitung entgegensetzen. Sogar der Zagreber Bischof Maksimilijan Vrhovac, ein ebenso bedeutender Kunstmäzen wie umsichtiger Kämpfer für die kroatischen nationalen Interessen, der den Habsburgern stets die Treue hielt und für seine weitsichtige Kulturpolitik bekannt war, sprach sich gegen die Gründung einer solchen Zeitung aus. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig waren die Tage Illyriens jedoch gezählt  : Mitte 1814 erklärte Österreich den Anschluss der Länder, der im Schlussprotokoll des Wiener Kongresses bestätigt wurde. Die politische Einheit erwies sich als unrealistisch, doch die Idee einer gemeinsamen illyrischen Sprache in Slowenien, Kroatien und Serbien war für kurze Zeit umso aktueller. Illyrisch sollte den Bezug zu den Urbewohnern der südslawischen Gebiete herstellen, zur Ursprünglichkeit und Reinheit eines gemeinsamen Neuanfangs, vor allem aber auch die Schaffung eines panslawischen nationalen und kulturpolitischen Jungbrunnens garantieren. Das Projekt blieb jedoch Illusion, denn in einzelnen Initiativen wurde die illyrische Idee trotz des offenen Bekenntnisses zum Illyrismus bewusst unterwandert. Paula von Preradović, deren Großvater Petar von Preradović zu den gefeierten Dichtern unter den kroatischen Illyriern gehört, lässt in »Pave und Pero« auch zahlreiche enttäuschte Illyrier, ehemalige Mitstreiter ihres Großvaters, zu Worte kommen. Der dalmatinische Schriftsteller und eifriger Illyrier August Kaznačić (1817–1883), Herausgeber der Literaturzeitschrift »Zora dalmatinska« (Die dalmatinische Morgenröte), der im biografischen Roman ebenfalls eine Rolle spielt, bringt es in einem Gespräch mit seinem alten Freund Preradović auf den Punkt  : »Die illyrischen Träume sind dahin.«132 Einen Augenzeugenbericht aus der Illyrischen Provinz gibt einer der führenden österreichische Geografen und Kartografen der Zeit Josef Marx von Liechtenstern (1765–1828) mit seinen »Reisen durch das österreichische Illyrien, Dalmatien und Albanien im Jahre 1818« (Meißen 1822). Da das gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in Slowenien und Kroatien in starker Abhängigkeit von Wien war und sich als Randgebiet 132 Paula von Preradović  : Pave und Pero. Salzburg, Leipzig 1940, S. 435.

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des Österreichischen Kaisertums gestaltete, war auch die Deutschsprachigkeit in diesen Ländern ein natürliches Dispositiv, auf welches sich die Literaten und Intellektuellen bezogen.133 Dieser Bezug brachte einen literarischen Bilinguismus hervor, gleichzeitig bewirkte er aber auch die Schaffung einer slowenischen und kroatischen nationalen Literatur. Die Dialektik von Akzeptanz und Identifizierung einerseits und Abwehr andererseits, kennzeichnet vor allem auch die Konfiguration des literarischen Schaffens der Illyrier. 134 Am Beispiel der Rezeption Heinrich Heines in Kroatien weist Reinhard Lauer auf die Auswirkungen dieses »sprachlichen und kulturellen Superstars«135 hin  : Die Dominanz der deutschen Kultur verlangsamte zunächst die Akzeptanz der Lyrik Heines in Kroatien, nicht nur wegen der Zensurmaßnahmen, sondern auch wegen des rückständigen literarischen Geschmacks, bedingt wohl durch die besonderen nationalen Bestrebungen der Illyrier. So gesehen bestand auch kein öffentliches Interesse an Heines Poesie in Kroatien, geschweige denn an den Nachdichtungen in der Nationalsprache. »Im Gegensatz dazu scheint die deutsche Schicht eine positive Funktion angenommen zu haben, weil sie ein tieferes sprachliches und gedankliches Verstehen und die höhere Integration des deutschen Dichters gewährleistet.«136 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts verändert sich jedoch die Situation. Die Grundlage für die Aufnahme der relevanten deutschen Literatur war geschaffen. Ihre Rezeption in Slowenien und Kroatien ist ein besonderes Kapitel der bilateralen Beziehungen zwischen diesen Kultursphären. Welche Verspätungen, Missachtungen, unerwartet verschlungene Wege die öffentliche Wahrnehmung der bedeutendsten deutschsprachigen Dichter kennzeichnen, analysiert der Germanist Zdenko Škreb am paradigmatischen Fall der Rezep133 Mit »Dispositiv« bezeichnet Michael Foucault die Konstellation zwischen der diskursiven und nichtdiskursiven gesellschaftlichen Praxis (Rechte, Stellung, Status, Terminologie) im Dienste des Machterhalts. Vgl. Vladimir Biti  : Literatur- und Kulturtheorie. Ein Handbuch gegenwärtiger Begriffe. Reinbek 2001, S. 179 f. 134 Josip Badalić  : O bilingvizmu u književnosti hrvatskog preporoda (Über die Zweisprachigkeit in der Literatur der kroatischen Wiedergeburt). In  : Umjetnost riječi, XIV (1970) H. 1/2, S. 15–24  ; Zdenko Škreb  : Šenoa i njegovo doba prema njemačkoj književnosti (Šenoa und seine Zeit in Bezug auf die deutsche Literatur). In  : Aleksandar Flaker, Krunoslav Pranjić (Hg.)  : Hrvatska književnost prema evropskim književnostima. Od narodnog preporoda k našim danima (Die kroatische Literatur in Bezug auf die europäischen Literaturen. Vom nationalen Erwachen bis in unsere Tage). Zagreb 1970, S. 151–160. 135 Reinhard Lauer  : Neke karakteristike recepcije njemačke književnosti u Hrvatskoj. Na primjeru Heinricha Heinea (Einige Charakteristiken der Rezeption der deutschen Literatur in Kroatien. Das Beispiel Heinrich Heine). In  : Croatica, 3 (1972) H. 5, S. 65–74. 136 Ebd., S. 74. Übersetzung Mirjana Stančić.

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tion Rainer Maria Rilkes in Kroatien  :137 »Wo zu Beginn des vorigen Jahrhunderts große europäische Lyriker der Euphonie ausgesprochene Pflege widmeten, schlug für die kroatische Literatur mit ihrer lyrischen Dichtung eine Stunde Null.«138 Der Anführer der Illyrier Ljudevit Gaj (1809–1872) wurde in Krapina in einer französisch-deutschen Familie geboren. Nach dem Studium der Philosophie in Wien und Graz, der Rechtswissenschaften in Budapest und der Promotion in Leipzig kehrte er 1832 in die Heimat zurück und widmete seine gesamte Energie der kroatischen nationalen Erneuerung. Sein Name und sein Programm werden mit der Erneuerungsbewegung und mit der Schaffung der modernen kroatischen Sprache gleichgesetzt. Deren Grundlage sollte der štokavische Dialekt bilden, damit sie, so die Kernidee der illyrischen Bewegung, Slowenen, Kroaten und Serben vereinen könne. Die slowenischen Illyrier wollten sich dem südslawischen Sprachprojekt zunächst anschließen, verwarfen das Projekt jedoch bald und wandten sich ihrem nationalen Idiom zu.139 Für die Illyrier schienen die Ziele der nationalkulturellen Rekonstruktion erreichbar  : Banus Josip Jelačić hatte drei Teile Kroatiens vereint, die Leibeigenschaft abgeschafft und der Gefahr der Magarysierung Einhalt geboten. In erster Linie hat sich Ljudevit Gaj für die Durchsetzung der illyrischen Sprache in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und um die Pragmatisierung der Sprache eingesetzt, indem er die erste Grammatik der modernen kroatischen Sprache verfasste und die Schrift vereinfachte. Wie sehr ihm die deutsche Sprache vertraut war, bezeugt bereits eine Schrift, die er 1826 noch als Schüler in Karlovac als Hörer der zweiten Humanitätsklasse veröffentlichte  : »Die Schlösser bei Krapina, samt einem Anhange von der heutigen Gegend in botanischer Hinsicht«. Das Büchlein von nur 36 Seiten stellt die klassische Bildung des ehrgeizigen Jungen unter Beweis, der auf den Buchdeckel zwar ein Motto von Cicero drucken ließ, seine Heimatstadt und ihre Umgebung aber ganz im Sinn seiner späteren illyrischen Einstellung abhandelt. Symptomatisch ist das Eingangszitat von »Ossian«, dem vom Schotten James Macpherson erfundenen mythischen Volksdichter, dem auch der junge Gaj erlag 137 Zdenko Škreb  : Die Bedeutung Rilkes für das kroatische Literaturleben. In  : Holzner, Wiesmüller  : Jugoslawien – Österreich, S. 25–30. 138 Ebd., S. 27. 139 Fran Petré  : Poizkus ilirizma pri Slovencih (1835–1849) (Der Versuch des Illyrismus bei den Slowenen [1835–1849]). Ljubljana 1939. Vgl. auch Anna Pia Maissen  : Wie ein Blitz schlägt es aus meinem Mund. Der Illyrismus  : Die Hauptschriften der kroatischen Nationalbewegung 1830–1844. Bern u. a. 1998.

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und ganz im Sinne der keltischen Romantik die Schlösser seiner Heimat schildert. Er verfolge, wie er im Vorwort nüchtern schreibt, mit dieser Ausgabe einen touristikorientierten Zweck, um »die Reisenden, welche jene Gegenden des romantischen Zagoriens besuchen, auf einen bis jetzt noch so wenig bekannten, doch wirklich merkwürdigen Ort aufmerksam zu machen«.140 Das beigegebene Verzeichnis der häufigsten Gewächse und Pflanzen in der Gegend um Krapina rundet die ossianisch-touristische Komposition ab und verleiht ihr den ›Duft‹ eines alten Heimatbuchs. Dass Gaj gelegentlich naiv argumentiert, mindert keineswegs die Wahrheit seiner Aussagen. Die sehnsuchtsvolle Rückwendung zu den alten Schlössern, dem scheinbar so massiven Fundament einer möglichen nationalen Kulturgeschichte ist ein sicheres Zeichen dafür, dass Gaj schon im Knabenalter von der Vision des nationalen Erwachens getragen war. Er tat sich neben seinen illyrischen Mitstreitern Antun Mihanović, Mirko Bogović, Dragutin Rakovac, Ivan Kukuljević-Sakcinski und Petar Preradović als einer der wichtigsten Übersetzer der deutschen Lyrik ins Kroatische hervor, wobei die Dichter des Göttinger Hains, Gottfried August Bürger, Ludwig Christoph Hölty und der Romantiker Ludwig Uhland mit Vorliebe übersetzt wurden. Sein »Kurzer Entwurf einer kroatisch-slawischen Orthographie« erschien 1830 in Budim parallel auf Deutsch und Kroatisch, und auch Gajs posthum veröffentlichte »Gedanken zum Ausgleich Croatiens und Slawoniens mit der Regierung« sind deutsch geschrieben. Im Hinblick auf seine eigene Zweisprachigkeit sagt er  : Sieht er dort [bei den Russen und den Polen, M. S.] die Muttersprache, wie sie seyn soll, geachtet und geschätzt  ; so preßt ihm hier der Kampf, den die gute, alte Mutter und Hausfrau in eigenem Hause mit Nebenbuhlerinnen zu kämpfen hat, Thränen der innigsten Betrübnis aus. – Und wenn er dann sehen muß, daß sie sogar ihre Söhne aus dem Eigenthume verbannen wollen, um der schmucken, beliebten Teuta, oder die minder gebildeten, sich dreist und widerrechtlich aufdringenden Nachbarinnen zu huldigen, dann hebt sich kühn seine Brust, und er fleht um Gerechtigkeit  !141

Die Zankweiber im bedrängend engen Haushalt geben ein passendes Bild für die Unterordnung des Kroatischen im eigenen Land ab. In der Allegorie fällt 140 Ljudevit Gaj  : Die Schlösser bei Krapina. Karlstadt/Karlovac 1826, o. S. 141 Ljudevit Gaj  : Kratka osnova horvatsko-slavenskoga pravopisana, poleg mudrolubneh, narodneh i prigospodarneh temelov i zrokov – Kurzer Entwurf einer kroatisch-slavischen Orthografie nach philosophischen, nazionälen und ökonomischen Grundsätzen. Buda 1830 (Nachdruck Zagreb 1983), S. 5.

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der Teuta die Rolle der begehrten Frau zu, komplementär zur unansehnlichen kroatischen Mutter und Hausfrau. Der Name der deutschen Figur ist identisch mit Teuta, der Königin der Illyrier, der Dimitrija Demeter 1840 ein Drama gewidmet hat (»Teuta«). Aus der prägnant dargestellten Bedrängnis wird sich auch Gaj selbst lange nicht befreien können.142 Graf Janko Drašković (1770–1856) ist eine der zentralen Figuren des politischen und kulturellen Lebens seiner Zeit. In der Epoche des späten Josephinismus gilt er als ein Vorläufer der Illyrier-Bewegung, der sich für die Einführung des Kroatischen als Amtssprache eingesetzt und mit großer Begeisterung um die Vereinigung aller kroatischen Länder (Zivilkroatien, Slawonien und Dalmatien) gekämpft hat. Seine grundlegende Arbeit »Dissertatia« (1832) enthält sein Programm der politischen, wirtschaftlichen, sprachlichen und kulturellen Erneuerung Kroatiens. Einige seiner bedeutenden Schriften hat der polyglotte Autor, der sich insbesondere mit wirtschaftlichen Analysen hervorgetan hat, auf Deutsch verfasst, so auch die populäre Schrift »Ein Wort an Iliriens hochherzige Töchter über die ältere Geschichte und neueste literarische Regeneration ihres Vaterlandes vom Grafen Janko Drašković« (1838), eine ernste Adresse an die lesende Damenwelt. Der Traktat ist ein ebenso interessanter wie einsamer Versuch der direkten Beeinflussung jener sozialen Schicht, die die Lesekultur des frühen 19. Jahrhunderts dominierte. In Vorausschau auf die kommende Frauenemanzipation gibt der patriotisch gesinnte Graf kroatischen Frauen und Mädchen Anweisungen, wie sie ihr sprachliches und nationales Bewusstsein pflegen und vor allem vervollkommnen sollten. Glücklich sei es um jene Nation bestellt, so der Autor im Vorwort, für deren Wohl auch die Frauen erglühen. Mit Besorgnis beobachte er, dass kroatische Frauen ihre Muttersprache weniger schätzen als Fremdsprachen, Deutsch und Französisch, weshalb die Muttersprache bescheiden wie ein Veilchen vor sich hin blühe. Es gelte jedoch im aufgeklärten Jahrhundert dieses Veilchen in der kroatischen Gartenlaube, die aus einem Häuflein gebildeter Bürger bestand, zum Blühen zu bringen.143 142 In der Zeit, als er die tschechische Sprache noch nicht beherrschte, korrespondierte Gaj mit Šafárik und Kollar in deutscher Sprache. Deutsch als Sprache der transnationalen Korrespondenz war im inneren Kreis der kroatischen Illyrier durchaus gebräuchlich. Deutsche Briefe von Fran Kurelac (1831), Antun Mihanović (1835) und Bogoslav Šulek an Gaj sind erhalten. Auch Petar Preradović korrespondierte gelegentlich mit seinen Dichterfreunden Ivan KukuljevićSakcinski (1841), Antun Kaznačić (1845) und Ivan Trnski (1858) auf Deutsch. 143 »[…] und so musste das schöne Geschlecht das Veilchen, das bescheiden am Wege blüht  : – die Muttersprache – übersehen  ; indem es gleichsam gezwungen war, aus fremden Literaturen Nahrung für seinen Geist zu schöpfen, wo unglücklicher Weise von unserem Vaterlande wenig

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Drašković entwickelt im weiteren Verlauf seiner Schrift eine eingehende kulturhistorische Analyse seines eigentlichen Gegenstandes, des Volkes der Illyrier und seiner Sprache. Dabei stützt er sich auf die Vorstellung, Illyrien sei die Urheimat aller Südslawen und die Illyrier die Vorfahren aller südslawischen Völker, die es nun sprachlich und politisch unter der Anführung der nationalen Erneuerer zu vereinen gelte. Kroaten, Krainer und Serben sollen mit einer Schriftsprache vereint sein, so lautet der Tenor dieser Schrift, die zugleich ein Aufruf zum Kampf an der ideologischen Front ist. Der analytische Teil von Draškovićs Ausführungen zeigt Schwächen, weil das Konzept Illyriens historisch nicht verbürgt ist. Fünfzig Jahre nach Drašković wird der ›Vater‹ des kroatischen Romans August Šenoa mit ähnlicher Vehemenz über kroatische bürgerliche Frauen urteilen, die – wegen mangelhafter Bildung – ihrer eigenen Sprache und Kultur völlig entfremdet seien. Draškovićs Traktat hat nur wenige konkrete Früchte getragen und kaum eine unmittelbare Auswirkung gehabt. Die illyrische Bewegung hat sich eine allumfassende kulturpolitische und nationale Regeneration auf die Fahnen geschrieben. Drašković war in erster Linie ein ausgezeichneter Ökonom, der die rückständigen wirtschaftlichen Verhältnisse in den illyrischen Ländern beklagte und den wirtschaftlichen Aufschwung als unentbehrliche Voraussetzung für den kulturellen einforderte. Der bedeutendste kroatische Schriftsteller des 20. Jahrhunderts Miroslav Krleža (1893–1981), der eine tiefe Prägung durch den Militärdienst bei der k. u. k. Armee erfahren hat und dessen Werke mit unzähligen Einschüben der deutschen Idiomatik durchwoben sind, klagt über die unüberbrückbare Kluft zwischen dem kroatischen Adel und dem gemeinen Volk  : Nie werden sie über ein gemeinsames nationales Programm übereinkommen, sagt er bitterböse, und meint dabei die Familie Drašković. Und dennoch hat Janko Drašković einige bis heute verbindliche Initiativen formuliert. Das Revolutionsjahr 1848 ist auf Josip Jelačić (1801–1859), den späteren kroatischen Banus (Vizekönig), wie auf keine andere Gestalt der damaligen kroatischen Geschichte fokussiert. Jelačić war maßgeblich an der Niederschlagung des ungarischen Aufstands beteiligt. In Kroatien wird er bis heute als Nationalheld und als Ikone des aufopferungsbereiten, ehrlichen, von reinem Humanismus geprägten Kroatentums verehrt, das in der Geschichte stets schwere Enttäuschungen einstecken musste. Er hat in der Grenzstadt Glina, dem Sitz der Zweiten Kompanie, oder nichts zu finden ist.« Janko Drašković  : Ein Wort an Iliriens hochherzige Töchter über die ältere Geschichte und neueste literarische Regeneration ihres Vaterlandes vom Grafen Janko Drašković. Zagreb 1838, S. IV der Einführung.

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als Leutnant von 1841 bis 1848 gedient, und hier hat er eine rege literarische Tätigkeit entwickelt, indem er als Autor von zahlreichen deutschen Gedichten und Versdramen hervortrat und die Verse kroatischer Dichter ins Deutsche übersetzte. In Glina blieb er bis zu seiner Ernennung zum kroatischen Banus im Jahr 1848, als er nach Zagreb zog.144 In dieser Funktion zog er im Juli 1848 mit etwa 50 000 Mann in den Krieg gegen Ungarn, um die Revolution niederzuschlagen. Der Krieg endete mit 1295 Gefallenen und 6435 in Lazaretten Verstorbenen. Durch die Niederschlagung der ungarischen Revolution hatte sich Jelačić eine Besserung der Lage Kroatiens in der Monarchie erhofft, wurde jedoch von Wien bitter enttäuscht. Nach Jelačićs Tod wurde Kroatien gemäß dem Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn dem ungarischen Teil der Monarchie zugeschlagen. Die Loyalität gegenüber dem Wiener Hof, der den Bedingungen der ungarischen Seite schließlich nachgab, hat sich nicht gelohnt. In Kroatien flammte »Hass auf alles Deutsche« auf, was zu rassistischen und chauvinistischen Protesten führte.145 Am 24. November 1860 wurden die deutschen Schauspieler aus dem Zagreber Nationaltheater verjagt  ; ab 1861 führte man nur noch kroatische Stücke auf.146 Formbewusst ist die Lyrik von Jelačić, obwohl in ihrer Struktur durchaus konventionell. Sein poetisches Konzept ist schematisch und hat keine große Entwicklung erfahren. Seine Verse zeichnet zwar keine besondere Originalität, aber ein gutes Handwerk aus. Er schmiedete sie mit sicherer Hand, aus dem sicheren Fundus seiner klassisch-romantischen Bildung am Wiener Theresianum, der Kaderschmiede Österreichs, schöpfend und mit einem guten Stilgefühl. Jelačić beherrschte die Versifikation und spielte eine Vielfalt konventioneller rhythmischer Muster durch, von alternierenden Fünfhebern und Hexametern bis zu freien Rhythmen. Der ersten Abteilung seiner Verse, einer in Zagreb 1825 publizierten 144 Banus – vom awarischen »bajan«– ist der historische Name des staatlichen Oberhaupts in kroatischen Ländern seit dem 10. Jahrhundert. Seit dem 16. Jahrhundert füllte der Banus die Funktion des Vizekönigs des Königreichs Kroatien, Dalmatien und Slawonien aus. Der letzte Banus war der Dichter Antun Mihanović (1917/1918). 145 Vgl. Deželić  : Iz njemačkog Zagreba, S. 63–68, z. B.: »Endlich kam auch die Zeit des Absolutismus im Jahr 1860 an sein Ende. Heiterere Tage für Kroatien brachen an. Ein riesiger Hass auf alles Deutsche brach heraus, nachdem den Kroaten ihre Freiheit wiedergegeben worden war. Man warf Zyllinder in die Luft und schlug auf sie, man trug das illyrische Gewand ›surka‹ und rote Mützen. Die Demonstrationen gegen die ›Schwaben‹ häuften sich.« (S. 63) – Die Surka ist ebenso ein symbolhaftes Kleidungsstück ( Jacke) und Erkennungszeichen der Illyrier wie die rote Mütze (crven-kapa). »Schwaben« ist der leicht pejorative, umgangssprachliche Name für die Deutschen. Übersetzung Mirjana Stančić. 146 Milka Car  : Der 24. November 1860 im kroatischen Theater. Die »Vertreibung« der deutschen Schauspieler. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 11 (2002), S. 97–118.

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»Stunde der Erinnerung«, schaltet Jelačić ein Vorwort vor, in dem er seine literarischen Versuche rechtfertigt  : Ich besitze zu wenig Eigendünkel, um glauben zu wollen, dass ich etwas Neues und Besseres sagen werde, als bis nun gesagt worden ist, aber glücklich werde ich sein, wenn es mir gelungen ist, für die in Eurer Umgebung froh verflossenen Jahre Euch auch nur eine angenehme Stunde der Erinnerung verschafft zu haben.147

Das Buch sei für Freunde geschrieben, mahnt der Verfasser, und das erste Gedicht »Mathias Corvinus und Zriny im Schattenreiche« sei das Produkt der romantischen Fantasie eines 14-jährigen Knaben. Die häufigsten Motive seiner Lyrik sind Ehre und Patriotismus, die Verehrung Gottes, die Vergessenheit in der Natur und die selbstlose Liebe. Vergebens ist des Menschen Streben Nach Erdenwohl, nach Erdenglück  ; Denn ihn verfolgt durch’s ganze Leben Ein ewigs feindliches Geschick. (Wo ist das Erdenglück)148

Als Dramatiker richtet Jelačić sein Augenmerk auf historische Stoffe.149 Nach Motiven aus der spanischen Geschichte verfasst er 1840 in jambischen Elfzeilern »Rodrigo und Elvire«, ein »dramatisches Gedicht in drei Aufzügen«, damals noch als Offizier in Zadar. Er schickte es Heinrich Börnstein, dem Direktor des Deutschen Theaters in Zagreb, der jedoch an dem Drama mit seinen langen Monologen kein Gefallen fand und das Manuskript mit kritischen Anmerkungen versehen an den Autor retournierte. Erst nach zehn Jahren, am 25. April 1850, wurde das Stück am Deutschen Theater in Zagreb in der Regie von Ludwig Schwarz aufgeführt. Es handelte sich um eine Wohltätigkeitsveranstaltung, der gesamte 147 Joseph Freiherr von Jelačić  : Eine Stunde der Erinnerung (Vorwort), Agram 1825. Zitiert nach  : Gedichte von Joseph Freiherrn von Jelačić (Hg. v. Metell von Ožegović u. Heliodor Joseph Truska). Wien 1851, S. 8. Der Band umfasst die Gedichtsammlung »Eine Stunde der Erinnerung«, die mit der Erstausgabe von 1825 identisch ist, das Versdrama »Rodrigo und Elvire« und Jelačićs deutsche Übersetzung eines Gedichts des illyrischen Dichters Josip Marić. 148 Joseph Freiherr von Jelačić  : Wo ist das Erdenglück. In  : Eine Stunde der Erinnerung, Agram 1825. Zitiert nach  : Gedichte von Joseph Freiherrn von Jelačić. Wien 1851, S. 11. 149 Vgl. Nikola Batušić  : Dramatičar Josip ban Jelačić (Der Dramatiker Josip Banus Jelačić). In  : Zaprešićki godišnjak 2000−2001 (Zaprešić), (2002), S. 137–147.

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Ertrag ging in den von Jelačić gegründeten Invalidenfonds. Ob Jelačić nunmehr in seiner Funktion als Banus die Uraufführung am Deutschen Theater in irgendeiner Form befördert hat, ist nicht bekannt. In einer kroatischen Übersetzung von August Harambašić wurde das Stück am 29. und 30. Oktober 1894 in Zagreb auf die Bühne gebracht. Das Drama wird durch den Auftritt des Usurpators Pedro eröffnet, der seinen Onkel, König Fernando von Kastilien, vom Thron gestürzt und vertrieben hat. Pedros Eingangsmonolog ist eine der überzeugendsten Szenen des Dramas, das sonst wenig Originelles zu bieten hat. Der rücksichtslose, obsessive Machtmensch offenbart sich in einem bravourösen Monolog, indem er seine abstoßende Unsittlichkeit demaskiert. Obzwar moralisch verfallen, zeigt sich der Usurpator als die lebendigste Gestalt des Dramas. Welch’ göttliches, Erhabenes Gefühl ist es, zu herrschen  ! Der Einzige zu sein, der Alles lenket, Der Einzige, dessen Laune zu befriedigen, Dem Wink gehorchend, Millionen warten  ! Nun sprecht  : ist eine Krone wohl nicht ein Verbrechen werth  ?150

Solange sein Kontrahent, der gestürzte König Fernando, lebt, hat er keine Ruhe, denn er ist seinem Zugriff entwischt und versteckt sich in den Bergen Kastiliens. Ihn zu fangen und für immer aus dem Weg zu räumen, derweil auch Elvire zu heiraten, die Tochter seines weiteren Rivalen Maranda, dahingehend formuliert Pedro seine Ziele zur Festigung seiner persönlichen und politischen Lage. So stehen ›Kabale und Liebe‹ im Mittelpunkt der dramatischen Verwicklung, die sich letztlich doch gegen den Usurpator selbst richtet. Elvire wird mit ihrem Rodrigo, einem weiteren Kontrahenten Pedros, vereint, der vom aufgebrachten Volk aus dem Gefängnis befreit wird. Pedro kommt um, der rechtmäßige König Fernando kehrt aus der Verbannung zurück und besteigt den Thron. So wird die alte Ordnung wiederhergestellt. Seinen Fokus richtet der Dramatiker Jelačić etwas forciert auf Machterhalt, Machtsicherung und Machtverlust, die Liebesgeschichte umkränzt den politischen Kampf lediglich als lieblich romantisierende, aber unentbehrliche Staffage. 150 Joseph Freiherr von Jelačić  : Rodrigo und Elvire. Dramatisches Gedicht. In  : Gedichte von Joseph Freiherrn von Jelačić. Wien 1851, S. 81.

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In der Stunde des Todes 1859 zum Mythos geworden, wirft Jelačić bis heute einen mächtigen Schatten auf Kroatien. Seit dem Neoabsolutismus entwickelt sich das Motiv der Enttäuschung der Kroaten durch die Politik der Habsburger allmählich zu einem literarischen Topos. Thematisch rücken in diesem Zusammenhang die kroatischen Adligen Fran Krsto Frankopan und Petar Zrinski in den Vordergrund, die 1671 in Wiener Neustadt wegen angeblichen Hochverrats hingerichtet wurden. Ihr tragisches Schicksal wird zum Kristallisationspunkt einer eigenen Abteilung der kroatischen (vornehmlich) dramatischen Literatur. Dieser Stoff erlebte um 1900 eine Welle von Neubearbeitungen, die bis tief ins 20. Jahrhundert anhielt. Mirko Bogović (1816–1893), der eine Reihe politischer und literarischer Werke in deutscher Sprache geschrieben hat, publizierte bereits 1851 das Drama »Frankopan«, das erst 1898 aufgeführt wurde. Vierzig Jahre lang sind sämtliche Aufführungsversuche an Zensurmaßnahmen gescheitert. Higin Dragošić (1845–1926) veröffentlichte »Posljednji Zrinski« (Der letzte Zrinski) 1899, Eugen Kumičić (1850– 1904) »Petar Zrinski« (1900), Milan Ogrizović (1877–1923) »U Bečkom Novom Mjestu« (In Wiener Neustadt) 1921, Tito Strozzi (1892–1970) »Zrinski« (1924), Slobodan Šnajder »Hrvatski Faust« (Der kroatische Faustus) (1981). Den Mythos der zu Unrecht zum Tode verurteilten nationalen Helden und des erfundenen Hochverrats pflegte vor allem die konservative Rechtspartei. In seiner Schrift »Politische Rückblicke in Bezug auf Kroatien«, die Mirko Bogović (1816–1893), kroatischer Landtagsdeputierter in Zagreb 1861, veröffentlichte, zieht er politische Bilanz über das vergangene Jahrzehnt (1850–1860), dem er eine »allgemeine politische Zerfahrenheit« attestiert, wo improvisierte Staatssysteme gleich Luftspiegelungen kamen und schwanden, wo die divergierenden Interessen bald hier, bald dort an den Räderspeichen des meist nur theoretisch zusammengefügten Staatsmechanismus zerrten, wo demzufolge Treue und Glauben in das Bestandene langsam den Ankergrund verlor und nur die Hoffnung auf eine kommende bessere Zeit jeden Menschen- und Vaterlandsfreund zu trösten ver­mochte.151

Er sei zuversichtlich, schreibt Bogović, dass die österreichisch-ungarische Regierung in baldiger Zukunft mit einer guten Verwaltung zum Pazifizieren und Stabilisieren von Bosnien und Herzegowina beitragen würde. Auch dies sei ein wesentlicher Aspekt der kroatischen politischen Perspektive der 1860er-Jahre. 151 Emerich Bogović  : Politische Rückblicke in Bezug auf Kroatien. Zagreb/Agram 1861, unpaginiert (Vorwort).

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Bogović stellt mit dieser akribischen Studie seinen politischen und volkswirtschaftlichen Verstand wie auch sein stilistisches Können unter Beweis. Er beherrscht bravourös die deutsche Phrase – eigentlich schon Grund genug, sich in ihr auszudrücken, hält es jedoch für angebracht, das Vorwort mit einer entschuldigenden Erläuterung abzuschließen. Er sei ein geborener Kroate, schreibe jedoch deutsch. Dies tue er aus dem einfachen Grund, weil es ihm daran liege, außerhalb der Grenzen seines Vaterlandes, besonders aber in »gewissen, uns und unsere Zustände sehr oft falsch beurtheilenden Kreisen« wohlverstanden zu werden.152 Seine Landsleute mögen ihm allerdings den Gebrauch des fremdsprachigen Idioms nachsehen, bittet Bogović geradezu demütig, sich der nie zu versöhnenden Disharmonie zwischen Pflicht und Pragmatismus voll bewusst. Noch eindringlicher befasst sich Bogović mit Bosnien in seiner 1880 veröffentlichten Studie »Zur bosnischen Frage«. Nach der Okkupation Bosniens und der Herzegowina kann er eine erste Bilanz ziehen, die für Österreich-Ungarn positiv ausfällt  : Die wichtigsten politischen Ziele seien erreicht, eine höhere Sprosse auf der Zivilisationsleiter erklommen. Bogović zeigt, wie aufmerksam die habsburgische Bosnien-Politik in Kroatien verfolgt wurde, da die kroatischen Gebiete mit den bosnischen und den herzegowinischen schicksalhaft verbunden sind. In den Strom jener Intellektuellen, die sich für die illyrische Idee begeistert haben, reiht sich auch Ljudevit Farkaš Vukotinović (1813–1893) ein. Er hat während seiner Studien in Wien die führenden Illyrier kennengelernt und sich für die Ideen der kulturellen und nationalen Wiedergeburt Kroatiens entzückt. Seinen ungarischen Namen hat er ›kroatisiert‹, eine übliche Praxis bei den Illyriern, die einen deutschen oder ungarischen Namen führten. Vukotinović dichtete einige der populärsten Kampflieder der Illyrier (»Nek se hrusti šaka mala«, Die kleine Faust soll sich rüsten), war aber auch in anderen literarischen Gattungen erprobt. Als Politiker und Journalist kritisierte er den nachlässigen Umgang der Kroaten, gar der Illyrier, mit ihrer Muttersprache. Als die Erneuerungsbewegung zwischen 1835 und 1840 voll im Schwunge war, war ihre Sprache immer noch Deutsch. Von Beruf Richter, protestierte Farkaš Vukotinović gegen die Einführung des Deutschen als Amtssprache in Kroatien. Im Widerspruch zu seinen politischen Überzeugungen blieb er der deutschen Kultur verbunden. In den Fünfzigerjahren begann er, sich intensiv mit Naturwissenschaften, insbesondere mit der Botanik zu beschäftigen. Als Botaniker hat er gut fundierte Studien zur kroatischen Flora vornehmlich in Deutsch vorgelegt (1889 etwa den »Beitrag zur Kenntnis der croatischen Eichen«). 152 Ebd.

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Auch Dimitrija Demeter (1811–1872) ist eine multikulturelle Figur, die in ihrer Zeit Wichtiges geleistet hat. Bereits während seines Philosophie- und Medizinstudiums in Graz und Wien war der Sohn einer begüterten Familie griechischer Abstammung schriftstellerisch tätig und schloss sich nach seiner Rückkehr nach Zagreb der nationalen Erneuerungsbewegung an. Zunächst als Arzt tätig, wendete sich Demeter seit 1841 ausschließlich der Literatur zu. 1848 gründete er die »Südslawische Zeitung« in Zagreb, die jedoch nur von kurzem Bestand war. Am 3. Januar 1849 erschien das erste Heft, Anfang 1852 das letzte. Der tschechische Publizist Josip Praus (1819–1874), der den Illyrismus adoptiert hat, redigierte die Zeitschrift. Auch dieses Blatt gehört in das breite Spektrum der kroatischen, besser südslawischen Periodik, die in deutscher Sprache gedruckt wurde, mit Österreich oder Deutschland jedoch in keinerlei organischer, produktiver Beziehung stand.153 Mit seinen romantischen Dramen versuchte Demeter den Anschluss an die modernen europäischen Tendenzen zu schaffen. Im Zeitraum zwischen 1840 und 1860 galt er als die führende Persönlichkeit des kroatischen Theaterlebens. Nach ihm ist der wichtigste Theaterpreis des Landes genannt worden, der bis heute verliehen wird. Er schrieb einige Dramen in deutscher Sprache, erhalten ist »Der Eispalast« aus dem Jahr 1851. Demeter nahm den Tod seiner Braut, der Schauspielerin Franjica Vesel, zum Anlass, ein Stück nach Motiven des Romans »Ledeni dom« von Ivan Ivanović Lažečnikov zu verfassen. »In diesem Drama tritt Demeters Vorliebe für romantisch verflochtene und mit melodramatischen Effekten überladene Handlungen wiederum klar zu Tage«. 154 In dem eklektizistischen Drama findet die Dramatik Schillers ihren Niederschlag, in deren »Banne«155 Demeter sein ganzes Leben stand. Er war auch einer der eifrigsten Übersetzer der deutschen Literatur ins Kroatische. Milovan Vučković (1816–1895) ist ein Repräsentant der eigenartigen kroatischdeutschen Grenzerkultur. Als Sohn eines Grenzoffiziers geboren, wurde Vučković von 1827 bis 1835 an der Militärakademie in Wiener Neustadt ausgebildet, diente als Offizier der Infanterie, nahm am Feldzug im Banat 1848 und an der Belage153 Zum Bild der Deutschen in der Zeitschrift vgl. Vlasta Švoger  : Nijemci i Njemačka na stranicama lista Südslawische Zeitung (Deutsche und Deutschland auf den Seiten des Blattes Südslawische Zeitung). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2002, S. 189–200. Ebenfalls im Jahr 1848 hat Demeter im Übrigen auch eine Theaterreihe gegründet, in der zehn Bände von aus dem Deutschen übersetzten Dramen publiziert wurden. 154 Heidi Bergmann-Thränhardt  : Dimitrija Demeter (1811–1872). Leben und Werk. München 1992, S. 111. 155 Ebd., S. 175.

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rung von Venedig 1849 teil. Danach wurde er dem Generalkommando in Zagreb zugeteilt. Er veröffentlichte im Feuilleton der »Agramer Zeitung« 1861 sein berühmtestes Stück, »Der Untergang des serbischen Reiches«, ein Trauerspiel in fünf Akten nach Motiven kroatischer und serbischer Heldenlieder über die Niederlage des serbischen Zaren Lazar in der Schlacht gegen die Türken auf dem Amselfeld im 14. Jahrhundert. Das Stück wurde 1863 in der kroatischen Übersetzung von Dimitrija Demeter am Nationaltheater in Zagreb uraufgeführt. Die Popularität des Kosovo-Mythos bei den Südslawen inspirierte Vučković zur Arbeit an diesem Stück. Wie es der Verfasser in einer Vorrede vorausschickt, sei sein Stück der Historie ebenso wie der Sage verpflichtet, die Figuren seien aber alle historisch verbürgt. Bei Konzeption des Dramas bediente er sich der deutschen Übersetzung des Volkslieds »Lazar der Serbenzar« von Siegfried Kapper. Trotz der Bitten seiner Freunde, den Helden aus dem Volkslied, Marko Kraljević, als dramatis persona einzusetzen, habe er, so Vučković, davon Abstand genommen. Denn Marko sei eine mythische Figur. Vučković schrieb auch ein Lustspiel, publizierte lyrische Gedichte und eine naturwissenschaftliche Arbeit über die Entstehung der Erde. Ein weiterer Illyrier, Ivan Kukuljević-Sakcinski (1816–1889), schrieb sein Geschichtsdrama »Juran i Sofija ili Turci kod Siska« ( Juran und Sophie oder die Türken bei Sisak) zunächst auf Deutsch, Vjekoslav Babukić übersetzte es ins Kroatische. Das Drama erschien 1839 in der Druckerei von Ljudevit Gaj. Dabei hatte Kukuljević-Sakcinski erst im Erwachsenenalter Deutsch gelernt und 1834 erste deutsche Gedichte verfasst, etwa »Jelena oder das Thal bei Bedna« (1835) oder »Kroatien« (1834), aus dem die folgende Probe angeführt sei  : Komme hervor du Sitz der Helden Reiner Tugend Vaterland  ! Ohne Zagen will ich melden, Allen, deinen jetzigen Stand. Tapfere hast du viele Krieger, Ihre Thaten sind voll Ruhm, Ehre herscht im jeden Bürger, Nie felt’s dir an Heldenthum.156

Auch Kukuljević-Sakcinski dichtete vor allem deshalb in deutscher Sprache, weil sie im Vergleich zum Kroatischen ein überlegenes Instrument der poetischen Handhabung war. Sein Drama »Juran und Sophie« behandelt die Geschichte 156 Zitiert nach  : Deželić  : Iz njemačkog Zagreba, S. 38.

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der türkischen Belagerung von Sisak, die 1593 mit dem Sieg der kroatisch-habsburgischen Truppen über die Türken endete und das Kräftegleichgewicht entlang der kroatisch-türkischen Grenze änderte. Im Mittepunkt der dramatischen Handlung stehen Juran, Sohn des kroatischen Banus Toma Erdödy, der sich in türkischer Gefangenschaft befindet, seine Frau Sophie und ihre Bemühungen, Juran aus der Gefangenschaft zu befreien. Die kroatische Version dieses spätromantischen Dramas wurde bereits 1838 in Sisak von einer Liebhabertruppe uraufgeführt. Schließlich sei an dieser Stelle auch des panslawischen Projekts eines Deutschen gedacht  : Josip Juraj Strossmayer (1815­–1905), eine der bedeutendsten politischen Persönlichkeiten in den südslawischen Ländern des 19. Jahrhunderts, die dem gesamten Kulturraum ihr Siegel aufgedrückt hat, wurde in Osijek in einer kroatisierten deutschen Familie geboren. Strossmayers Vater stammte aus Linz. Nach dem Studium der Philosophie in Budapest 1834 und der Priesterweihe studierte Strossmayer Theologie am Wiener Augustineum. Als Doktor der Theologie wurde er zum Professor des kanonischen Rechts an der Wiener Universität berufen, kehrte 1848 jedoch nach Kroatien zurück, als er durch Förderung des Banus Jelačić zum Bischof des wohlhabenden Bistums von Djakovo bei Osijek ernannt wurde. Strossmayer setzte sich für die Liberalisierung des gesellschaftlichen Lebens ein und vertrat als Politiker die südslawische Idee. Trotz oder wegen seiner deutschen Abstammung galt Strossmayer als einer der eifrigsten Verfechter der kroatischen Sprache und Kultur. Als bedeutendster Kunst- und Kulturmäzen seiner Zeit gründete er u. a. in Zagreb die Jugoslawische Akademie für Wissenschaft und Kunst (seit 1991 Kroatische Akademie) und vermachte ihr den Großteil seiner privaten Gemäldesammlung (heute die Strossmayersche Gemäldesammlung Alter Meister). Die Universität in Osijek trägt seinen Namen. Als Theologe streitbar, erregte er anlässlich des Ersten Vatikanischen Konzils 1868/70 großes Aufsehen mit seiner dreistündigen Protestrede gegen die Unfehlbarkeit des Papstes. Der kroatische Patriot und leidenschaftliche Panslawist, der sein Leben lang gegen die Germanisierung kämpfte, hat trotzdem eine ganze Reihe seiner politischen und theologischen Schriften in deutscher Sprache geschrieben. Zu erwähnen ist auch noch Adolf Eder, der beim Nationaltheater in Zagreb als Sekretär und Schauspieler angestellt war. Er fertigte aus Anlass der »allerhöchsten Namensfeier« des Kaisers Franz Joseph I. eine einaktige dramatische Apotheose mit dem Titel »Die letzte Hütte in der Grenze«, die am 4. Oktober 1856 im Nationaltheater in Zagreb aufgeführt wurde. Sein Stück lässt Eder am paradigmatischen Ort des Kaisertums Österreich spielen, an der Nahtstelle zwischen Ost und West, wo die kaisertreuen Kroaten die abendländische Zivilisa-

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tion gegen die Türken verteidigen, an der Militärgrenze. Franjo Milić, der alte Grenzer, der die letzte Hütte an der Grenze bewohnt, wird hundert Jahre alt, der Oberst überbringt ihm die Glückwünsche des Kaisers. Der Hundertjährige fasst das Sendungsbewusstsein und die Lebensphilosophie der Grenzer und die chiliastische Zuversicht österreichischer Untertanen in seinem Dank für die Glückwünsche zusammen  : Welches Glück könnte dem Bewohner der letzten Hütte an der Grenze des Reiches noch bevorstehen. Wer sollte an den armen hundertjährigen Grenzer denken, als ihr meine Freunde. Mein Glück ruht in dem Bewusstsein meine Schuldigkeit für Kaiser und Vaterland gethan zu haben. Ich war Soldat bis ich im Felde das Augenlicht verlor  ; von der Zeit war ich Bürger, Vater und was ich durch mein verlornes Augenlicht im Dienste meines Kaisers versäumt habe, das wird mein Sohn Josip als Soldat nachholen.157

Dichtung in zwei Sprachen Petar von Preradović (1818–1872) hat seine frühesten lyrischen Gedichte auf Deutsch verfasst. Auch er ist Teil der literarischen Kultur der Militärgrenze. Er wurde in Kroatien (in Grabrovnica bei Pitomača, auf dem Gebiet der Militärgrenze) geboren, studierte an der Militärakademie in Wiener Neustadt, begann dort in deutscher Sprache zu dichten. Während des Dienstes an unterschiedlichsten Posten, seit 1866 im Rang eines Generalmajors, verdrängte er das Kroatische, lernte es später wieder neu, kehrte zum Kroatischen als seiner Literatursprache zurück und wurde zu einem der bedeutendsten und populärsten kroatischen romantischen Dichter des 19. Jahrhunderts, dem die kroatische Nationalbewegung um 1848 eine hervorragende Plattform für seine von der Heimatliebe geprägte Lyrik bot. Sein Weg als Mensch und Künstler ist voll von tiefen Einschnitten, denn Preradović war serbischer Nationalität, schrieb am Anfang deutsch, dann kroatisch. Er wird von den Kroaten bis heute als Ikone der romantischen Lyrik verehrt. Für den zweiten Teil seiner Karriere ließ er sich in Wien nieder, wo er 1872 starb. Preradovićs deutsche Gedichte sind weitgehend in Sonettform geschrieben. Den Höhepunkt seiner deutschen Lyrik bilden die sogenannten »Lina-Lieder«, die er zwischen 1851 und 1852 im Geiste der Romantik verfasst hat. Den äußeren Anlass für die Gedichte fand Preradović in der Person der deutschstämmigen 157 Adolf Eder  : Die letzte Hütte in der Grenze. Festspiel in einem Akt. Agram 1856, S. 9.

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Karoline Kopetzky. Sie hatte 1846 den Zagreber Advokaten Schauff geheiratet und wurde zum Mittelpunkt eines lebendigen Salons in der Zagreber Oberstadt, in dem auch der Dichter verkehrte und in Liebe zur schönen, hoch-gebildeten, künstlerisch veranlagten Karoline entflammte. Neben Preradović zählten weitere namhafte Illyrier zu den Gästen ihres Salons  : Vraz, Kukuljević und Bogović. Die Liebesgefühle des Dichters blieben an diesem Sammelpunkt der Gleichgesinnten scheinbar unerwidert. Eine breite Skala von Stimmungen, von ausgelassener Heiterkeit bis zu Melancholie und Traurigkeit, bestimmen den lyrischen Grundton des Zyklus. Der Dichter schwebt zwischen Erwartung, leidenschaftlicher Hoffnung und Ahnung der Ablehnung seitens der Angebeteten. »Wohl glaubst du es, mein armes Herz, / Daß sie dich liebet immer noch, / Daß sie dieselbe, wie vorher, / Du glaubst es, aber – zitterst doch  !«158 Durch die Anlehnung an Lenau und Heine in Preradovićs Bilderwahl wird der epigonenhafte Charakter dieser Lyrik deutlich. Im Feuilleton des »Agramer Tagblatts« wurden am 30. Juni 1886 zwei bis dahin unveröffentlichte deutsche Gedichte von Preradović gedruckt. Sie befänden sich im Nachlass und würden der Zeitung von befreundeter Seite zur Veröffentlichung gereicht, hieß es in der Einführungsnotiz, und stammten aus der ersten, also deutschen Periode seines Schaffens (1842–1843)  : Bei dem lebendigen Interesse, welches sich in Kroatien an Alles knüpft, das von Preradović herrührt, ist es selbstverständlich, daß wir die bisher noch unveröffentlichten Gedichte mit Freude zum Abdruck bringen, wir thun es aber umso lieber, als auch in ihnen schon der patriotische Geist des unsterblichen Dichters entschieden zur Geltung kommt.159

Beide Gedichte sind von Heimatliebe und Patriotismus geprägt. Das erste, »An mein Vaterland  !«, war zur Feier des neuen Jahres 1843 verfasst worden, das zweite, ohne Titel, preist den Helden der serbischen Volksdichtung, Marko Kraljević. Der heroische Bezwinger der Türken ist eines der populärsten Motive der südslawischen Volkspoesie. Preradović ahmt hier den Ton des Volksliedes mit einem fünfhebigen Jambus nach. Das Kernmotiv des Gedichtes ist der Zusammenstoß zwischen Orient und Okzident. Unter großen Opfern der Slawen werden die Türken zurückgewiesen. Der christlichen Welt hat diese Opfertat Frieden 158 Petar von Preradović  : An mein Herz (1852). Zitiert nach  : Slava Pecinovský  : Preradović’ »LinaLieder«. In  : Archiv für slavische Philologie, 30 (1909), S. 134–146, Zitat S. 140. 159 Agramer Tagblatt, Nr. 146, 30.6.1886, S. 1. Die Gedichte sind auf den Seiten 1 bis 3 abgedruckt.

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gebracht. In der letzten Strophe erfährt Marko die verdiente Apotheose, noch einmal segnet er die Slawenvölker und schwebt in goldenem Glanz auf einer Wolke dahin. Die mythische Überhöhung des unbesiegbaren Marko, der nach der Legende nicht tot ist, sondern – wie König Artus – einen 300-jährigen Schlaf schläft, um in der Stunde großer Not seinem Volk zu Hilfe zu eilen, fand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts statt. Die südslawische Ideologie wurde auch von den imposanten Figuren der Volkspoesie genährt, die über die Traditionen einzelner Völker hinausgriff und sie miteinander verband. In diesen frühen Versen übt sich Preradović in jenem Typus der Vaterlandslyrik, die ihn berühmt gemacht hat  : das pathetische, auf Frage und Antwort aufgebaute Gedicht, das hier einen ganzen Katalog von akuten Fragen auflistet, die sich auf die aussichtlose Lage der kroatischen Nation beziehen  : die Zerrissenheit einzelner Länder, die Gefahr aus Ungarn, die Tragödie des Adelsgeschlechts Zrinjski, das Fehlen zuverlässiger Verbündeter. Die Allegorie des Vaterlandes offenbart sich dem Dichter, während er an seinem Schreibtisch sitzt, fast wie ein romantischer Einsiedler, und im aufgeschlagenen Buch blättert. »Vom gold’nen Schnitt nur Flimmer sind gerettet, / Die Blätter d’rin, wie Todte im Gefechte«.160 Plötzlich erkennt er im Buch die personifizierte Geschichte seines Volkes. Die Rhetorik der sentimentalen Rückbesinnung auf die großen Siege der Kroaten, wie etwa der in der Geschichtsschreibung umstrittene Sieg gegen die Mongolen auf dem Grobnikfeld im 13. Jahrhundert, bedingt den feierlichen, hymnischen Ton. Dann gib’s dem Kind, als erstes Buch zu lallen, Es findet d’rin das schönste Alphabet, Auf jeden Buchstab Heldennamen fallen. Und wird’s einst groß und muß das Schwert sich schnallen, Dann weiß’s warum – es kennt das Alphabet, Wo Arpad weit von unserm Zrini steht  !  !161

Die Tradition der künstlerischen Doppelidentität wurde in der Familie von Petar Preradović fortgesetzt. Auch der Sohn des Dichters Dušan, Offizier bei der k. u. k. Marine, war schriftstellerisch tätig, vor allem aber ragen seine beiden Enkelkinder als erfolgreiche österreichische Dichter heraus. Die Zweisprachigkeit zeichnet auch jene Philologen aus, die der Illyrier-Bewegung nahestanden und sich für die Vertiefung der Kenntnis der kroatischen 160 Ebd., S. 1. 161 Ebd.

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Sprache einsetzten. Einer der führenden Linguisten der Zeit war Vjekoslav Babukić (1812–1875), der die Orthografie der modernen kroatischen Sprache maßgeblich mitbestimmt hat. Im Umfeld der Illyrier-Bewegung hat er bereits 1836 seine erste Grammatik der »illyrischen Sprache« herausgegeben, die als »Grundzüge der ilirischen Grammatik, durchaus mit neuer Ortographie« 1839 in Wien publiziert wurde. Obwohl Graf Drašković sie »ein Veilchen, das bescheiden heranwächst«, nannte, wurden für die illyrische Sprache wichtige Fundamente gelegt. Zu den interessantesten Figuren der kroatischen Illyrier-Bewegung zählt der Slowene Stanko Vraz, mit eigentlichem Namen Jakob Frass (1810–1851). In Cerovec (Untersteiermark) geboren, identifizierte sich Vraz mit dem kulturpolitischen Programm Ljudevit Gajs, nahm das Kroatische an, blieb dabei jedoch nicht nur seiner slowenischen Muttersprache treu, sondern auch dem Deutschen, der Sprache seiner künstlerischen Sozialisation. Als kroatischer Lyriker kämpfte er stets mit sprachlichen Schwierigkeiten, schuf aber Liebesgedichte von bleibendem Wert. Von Zeit zu Zeit fuhr er nach Ljubljana, wo seine slowenischen Gedichte verlegt wurden und er mit seinen Gedichten auch Geld verdienen konnte. Im »Illyrischen Blatt«, das in Ljubljana erschien, wurden seine Übersetzungen slowenischer Volkslieder ins Deutsche veröffentlicht, die er als Sammlung »Narodne pesni ilirske, koje se pevaju po Štajerskoj, Kranjskoj, Koruškoj, i zapadnoj strani Ugarske (Illyrische Volkslieder, gesungen in der Steiermark, in Krain, Kärnten und im westlichen Teil Ungarns) 1839 in Zagreb publizierte. Sein gelebter Illyrismus hat ihn schließlich innerlich verzehrt. Zwischen drei Sprachen lavierend, konnte er keine feste literarische Heimat finden. Auch er, der illyrische Existenzialist, scheiterte schließlich an seiner Berufung. Exil und Erneuerung Der paradigmatische Autor der Epoche um 1848 und der nachfolgenden Jahrzehnte ist der kroatische Panslawist Emmerich Imbro Ignjatijević von Tkalac (1824–1912), der nach der Niederschlagung der nationalen Erneuerungsbewegung zu lebenslangem Exil gezwungen war. Er wurde in Karlovac in einer wohlhabenden Adelsfamilie geboren und nahm nach dem Doppelabitur in Zagreb und Graz 1843 ein Studium der Philosophie, Philologie und der Geschichte Osteuropas in Berlin auf. Er hörte auch bei Friedrich Carl von Savigny und Jacob Grimm. Seither fühlte er sich der deutschen Kultur zugehörig, sodass er seine wichtigsten Werke in deutscher Sprache schrieb. Bereits 1846 zog er für Aufbaustudien von Berlin nach Paris, dann nach Italien. 1848 legte er in Heidelberg

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seine Dissertation vor  : »De religione christiana in Slavis introducta-propagatareformata«, gewidmet dem kroatischen Banus Josip Jelačić. Im Revolutionsjahr verfasste er am 1. September in Frankfurt ein »Sendschreiben an Arnold Ruge« mit dem Titel »Croaten, Serben und Magyaren, ihre Verhältnisse zu einander und zu Deutschland«.162 Der deutsche Philosoph und Publizist, der für Breslau in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt wurde, diese allerdings noch im selben Jahr aus Verdruss wieder verließ, war ein durchaus geeigneter Adressat für Tkalacs klärende politische Schrift. Eine Anspielung auf Ruges Zeitschrift »Reform« zeigt gleich zu Beginn des offenen Briefs Tkalacs Intention, den demokratischen Publizisten für die »südslawische Angelegenheit« als Gesprächspartner und Vermittler zu gewinnen, weil in Deutschland grobe Missverständnisse und Entstellungen das Bild seiner Heimat bestimmten  : Geehrter Herr  ! Sie können, ohne daß ich es Ihnen mit Worten zu sagen nöthig habe, leicht errathen, welche Meinung ich vom Frankfurter Parlamente hegen kann  : ich bin Slawe, so gut als Sie Deutscher sind  ; sind nun Ihre Sympathien für die Paulskirche nicht eben groß, so können es, mit mindestens eben so gutem Rechte, die meinigen auch noch weniger sein. Doch sind unter der Masse jener transcendentalen Größen einige Persönlichkeiten, die auf meine und meines Volkes Achtung Anspruch machen, und zu diesen wenigen gehören Sie. […] Die südslawische Bewegung ist in der deutschen Presse ein stehender Artikel geworden, ohne daß man sagen könnte, daß sie auch nur von einer Seite verstanden und von objektivem Standpunkte in ihrer welthistorischen Bedeutung gewürdigt worden wäre. Die Ursache liegt nicht weit. […] Selbst Ihre »Reform«, so sehr sie auch hinsichtlich der Posener und Prager Angelegenheit unsern Dank verdient, hat, weil falsch unterrichtet, die südslawische Angelegenheit sehr schief aufgefaßt. Ich achte es daher für eine Pflicht, die ich eben so meinem Volke als auch Ihnen und Ihren Meinungsgenossen schuldig bin, Sie über den wahren Sachverhalt in diesen Zeilen aufzuklären.163

Die weitere Argumentation des selbstbewussten Slawen ist klar  : Die Südslawen seien fähig, Herr im eigenen Land zu sein und bedürften keiner fremden Hilfe, schon gar nicht der Bevormundung (»Protection«).164 Dies ist die Kernthese des stolzen Intellektuellen, der die Entwicklungen in der Paulskirche für eine 162 E. I. Ignjatijewitsch  : Croaten, Serben und Magyaren, ihre Verhältnisse zu einander und zu Deutschland. Sendschreiben an Arnold Ruge. Wien 1848. 163 Ebd., S. 3 f. 164 Ebd., S. 22.

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»Gascognade«165 hält, von der die südslawischen Völker wohl nichts Gutes zu erwarten hätten. Tkalac wurde 1848 in Heidelberg zum Dozenten für Slawistik und Sanskrit ernannt, doch noch vor Jahresende kehrte er in seine Heimat zurück. Er stellte sich mit seiner Bildung, seinem Wissen und seiner politischen Erfahrung zur Verfügung, konnte sich jedoch in Zagreb nur schwer orientieren. Er nahm einen Beamtenposten an der Handelskammer an. Der Panslawist Tkalac unterhielt weiterhin Kontakte mit seinem Freund Vuk Karadžić sowie mit Miloš Obrenović, dem Fürsten von Serbien. Am 20. Februar 1861 erschien in Wien das erste Heft seiner lange geplanten Zeitung mit dem programmatischen Titel »Ost und West«, die beim Lesepublikum auf großes Interesse, bei der Behörde jedoch auf Ärgernis stieß. Schließlich unterstützte Obrenović das Projekt. Um einer drohenden Verhaftung in Wien wegen vermeintlicher Verschwörung gegen die Habsburger auszuweichen, floh Tkalac nach Russland und von dort nach Italien. Hier lernte er Garibaldi und den ungarischen Revolutionär Kossuth Lajos kennen. Tkalac, der mit seiner Vision freier, nicht miteinander zerstrittener südslawischer Länder seiner Zeit offensichtlich weit voraus war, wird in Kroatien noch heute zu Unrecht als Serbophiler verfemt. Einer seiner letzten geplanten Aufrufe an die slawischen Brüder – eine aufrüttelnde Broschüre, die er mit dem Schiff aus Italien nach Kroatien entsandte – konnte tragischerweise seinen revolutionären Zweck nicht erfüllen  : Das Schiff versank im Mittelmeer. Der Slawist Wilfried Potthoff hält Tkalac für eine herausragende Gestalt der kroatischen und südslawischen Kulturgeschichte. Wie kein anderer seiner Zeitgenossen habe er die Probleme Kroatiens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erkannt und ihnen eine programmatische Gestalt verliehen.166 Literarisch und kulturhistorisch stellen Tkalacs »Jugenderinnerungen an Kroatien« (1894) eine detaillierte Selbstbiografie des an seiner Heimat gescheiterten Patrioten dar, der seinen persönlichen Werdegang und die historischen Verwicklungen der Zeit vor den Kulissen der Provinzstadt Agram einfängt. Der endlose Streit seines Großvaters mit der Hofburg findet darin ebenso seinen Ort wie die Erinnerungen an Napoleons Illyrien oder auch die Schilderung der in Kroatien lebenden Menschen. Bauern, Adel und Bürger, Hausjuden und Schmuggler kommen vor. Als Schüler rebellierte Tkalac gegen die Schulordnung in Kar165 Ebd. 166 Wilfried Potthoff  : Imbro Tkalac als autobiographischer Autor. In  : Byzantine Studies, 11–12 (1984−85), S. 303–313.

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lovac, die den Schülern jeglichen Besuch aller öffentlichen Lokale verbat. Als Gymnasiast habe er alle Hauptwerke Kants und Schopenhauers gelesen und die Unhaltbarkeit mancher Lehrsätze Hegels einzusehen gelernt, behauptet Tkalac stolz. Seine klassische Ausbildung und die Lektüre deutscher Philosophen bildeten eine hervorragende Grundlage für seine späteren zeithistorischen Studien. Schopenhauer gehörte ohnehin zur Pflichtlektüre der jungen Intellektuellen seiner Zeit. Tkalacs täglicher Besuch eines Cafés, in dem der politisch interessierte Jüngling die Augsburger »Allgemeine Zeitung« las, die einzige deutsche Zeitung, die von der österreichischen Zensur geduldet war, erregte öffentliches Aufsehen. Sein Lesedurst konnte kaum gestillt werden, ebenso wenig jedoch auch der Ärger wegen der »Nebenrolle« und »des traurigen Loses der Slawen in der Geschichte«.167 Tkalacs historisch-politische Studien zum Nationalitätenproblem in Kroatien und Serbien sind noch heute lesenswert, neben »Croaten, Serben und Magyaren, ihre Verhältnisse zu einander und zu Deutschland« auch der Band »Das Staatsrecht des Fürstentums Serbien« (Leipzig 1858). Die disparaten kulturpolitischen Triebkräfte im Kroatien des 19. Jahrhunderts kristallisieren sich aus der Biografie und dem literarischen Werk eines Autors heraus, der sie wie kein anderer in sich aufgenommen hatte, um sich letztlich bewusst für die kroatische Option zu entscheiden  : August Šenoa (1838–1881), der ›Vater‹ des kroatischen historischen Romans. Er kehrte 1866 nach einem langen Aufenthalt in Wien nach Zagreb zurück und arbeitete dort zunächst als Beamter, später als Dramaturg am Kroatischen Nationaltheater, dann wieder als Senator bei der Stadtverwaltung. Von 1874 bis zu seinem Tod im Jahr 1881 war er Schriftleiter der führenden kroatischen Literaturzeitschrift »Vijenac« (Der Kranz). Dies war auch die ›goldene Epoche‹ der Zeitschrift, die eine Plattform für die kroatische Literatur und ihre Verbreitung im ausgehenden 19. Jahrhundert darstellen sollte. Übersetzungen aus der deutschsprachigen Literatur fanden jedoch auch Einzug in »Vijenac«, unter anderem die Dichter des Münchener Kreises Emanuel Geibel und Paul Heyse sowie Gottfried Kellers Novelle »Romeo und Julia auf dem Dorfe«.168 Šenoa war und ist einer der fruchtbarsten, bekanntesten und beliebtesten kroatischen Erzähler. Der Realist setzte sich mit Vorliebe mit kroatisch-nationalen 167 Dr. E[mmerich] I[mbro] von Tkalac  : Jugenderinnerungen aus Kroatien (1749–1823, 1824– 1843). Leipzig 1894, S. 61. 168 Vgl. Ivan Pederin  : Časopis Vienac i književna Europa 1869–1903 (Die Zeitschrift Vienac und das literarische Europa 1869–1903). Zagreb 2006.

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Themen auseinander. Seinen bekanntesten Roman »Zlatarovo zlato« (1871),169 einer Hommage an das mittelalterliche Zagreb, widmete er den Kämpfen zwischen dem Klerus und den Bürgern  : Dora, die Tochter des Goldschmieds, wird wegen ihrer Schönheit begehrt. Als sie den Intriganten Grga Čokolin abweist, rächt er sich, indem er ihr Gift verabreicht. Mit seinem Roman schuf Šenoa das Gründungsnarrativ der Hauptstadt Kroatiens, verankert in Gottesfürchtigkeit und im Arbeitsethos ihrer Bürger, vor allem der kleinen Handwerker. Die Heldin des Romans wurde bald nach seinem Erscheinen zum Symbol der jungfräulichen Reinheit und moralischen Festigkeit. Ihr Standbild prangt am Steinernen Tor, dem Überrest der mittelalterlichen Fortifikation der Stadt, unmittelbar neben dem Haus, in dem Vater Schönhoa seine Konditorei unterhielt. Als überzeugter Patriot verdammte der Dichter die österreichische Germanisierungspolitik und warf seinen Zeitgenossen ihre Deutschtümelei vor. Dessen ungeachtet war er gleichzeitig ein eifriger Förderer der deutschen Literatur in Kroatien und schrieb gelegentlich auch später noch, als geachteter Dichter, Texte auf Deutsch. Seine »Bilder aus Kroatien«, eine einnehmende Mischung aus penibler sozialwirtschaftlicher Analyse und geistreicher Reisebeschreibung, wurden noch 1866 in Wien gedruckt. Bereits in dieser frühen Schrift legt Šenoa die Fährte für seine späteren Stadtschilderungen aus, die in Romanform neue und originelle Prägung erfahren. Der Blick des Reisenden schärft sich an vorbeiziehenden Bildern, die der Dichter nicht impressionistisch aneinanderreiht, sondern als analytische Aperçus anlegt. Vor allem seine Werturteile machen Šenoas Bilder auch für den heutigen Leser interessant  : Agram hat alle Anlage zu einer Großstadt, und doch hat es etwas Patriarchalisches behalten, das die steife Absonderung der Classen und Familien fernhält. Die Lebensweise der Agramer Gesellschaft ist luxuriös, oft zu luxuriös. Das gemächliche, gute, doch nicht träge Leben liebt der Kroate ohne Unterschied des Standes ganz besonders, ja diese Vorliebe hat manchmal einen Zug von Leichtsinn. Dürftig lebt hier nur der Fremde. Vom ökonomischen Standpuncte betrachtet, ist diese Eigenschaft, so wie die überhaus große Gastfreundschaft, die manche Familien geradezu ruinirt, nicht vortheilhaft. Kommt auch dabei, natürlich in neuerer Zeit mit vielen Ausnahmen, eine ziemlich glückliche Gütervertheilung zu Hülfe, so haben doch die Entwickelung des Bürokratismus, so wie die erhöhten Erfordernisse des Staatsschatzes bei einer derar169 Die deutsche Übersetzung »Des Goldschmiedes Goldkind« von Olga Philipović erschien 1912 in Zagreb.

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tigen Lebensweise viele financielle Mißstände in der Gesellschaft hervorrufen müssen.170

Nicht zuletzt wendet der Dichter seinen Blick den Dörfern um Agram zu. Sie gehören, sagt er, zu den unansehnlichsten in ganz Kroatien und seien ziemlich verwahrlost, wie überhaupt zwischen der Stadt und dem Lande ein auffallender Kontrast ohne alle Übergänge bestehe. Auch in diesem Aspekt der Stadtsoziologie behält Šenoa bis zum heutigen Tage Recht. Der Kontrast zwischen der kroatischen Metropole und ihrer unmittelbaren ländlichen Umgebung ist überdeutlich. So besteht der glänzende literarische Bericht eines fahrenden und beobachtenden Dichters sogar die Probe auf die gegenwärtige soziale Wirklichkeit.

5. Bosnien Die literarische Entdeckung Obwohl abseits von wichtigen Handelsrouten gelegen, eine unbekannte, Gefahren bergende Region, fand Bosnien und Herzegowina bereits seit dem 16. Jahrhundert Eingang in die Berichte von Reisenden, die sich als Militärs, Diplomaten und Politiker oder als Handelsreisende das fremde Land erschlossen. Eine der frühesten Beschreibungen stammt von Benedikt Curipeschitz (Kuripešić), Notar in Ljubljana. Er unternahm 1531 als Übersetzer in der Delegation von König Ferdinand I. die beschwerliche Reise über Kroatien und Bosnien nach Konstantinopel. Sein »Itinerarium – Wegrayß Kün. May. Potschafft / gen Constantinopel / zu dem Türckischen keiser Soleyman. Anno XXX«171 vermittelt einen landeskundlichen Einblick in die Sitten der Völker Nordbosniens. Curipeschitz hat zahlreiche Toponyme festgehalten, erwähnt auch die für die bosnische Gegend charakteristischen Grabmäler (»stećci«). Sein besonderes Augenmerk gilt der Knabenlese, einem drakonischen, spektakulären Brauch zur jährlichen Erneuerung der Janitscharen, der Elitetruppe des Sultans. Curipeschitz schildert ihn mit einer eigenartigen Mischung aus distanzierter, kühler Beobachtung und 170 August Šenoa  : Bilder aus Kroatien. Wien 1866, S. 138. 171 Augsburg 1531. Vgl. als Nachdruck  : Itinerarium der Gesandtschaft König Ferdinand I. von Ungarn nach Konstantinopel 1530. Faksimiledruck nach der Ausgabe von 1531. Hg. von Srećko M. Džaja und Jozo Džambo. Bochum 1983. Der Text ist jetzt zugänglich in der Neuausgabe  : Benedict Curipeschitz  : Itinerarium oder Wegrayß Küniglich Mayestät potschafft gen Constantinopel zudem Türckischen Keiser Soleyman. Anno 1530. Bearbeitet von Gerhard Neweklowsky. Klagenfurt 1997.

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Verwunderung. Die Türken klauben die schönsten und geschicktesten heraus, schreibt er, so dass jeweils ein Vater und eine Mutter auch ihres einzigen Kindes, wenn es schön und sauber sei, beraubt werde. Und wo einer vier oder fünf Kinder habe, die nicht so hübsch und geschickt seien, mögen sie ihm bleiben.172 Es ist eine typische Schilderung aus der Perspektive der westlichen Befremdung. Der Reiseberichterstatter lässt Menschen und ihre Lebensumstände wie ein Panoptikum an sich vorbeiziehen. Der französische Arzt Belsazar Hacquet (1739–1815) bereiste mehrfach die Krajina und Westbosnien – sein »türkisches Kroatien« –, um diese Gebiete in seiner »Physikalischen-politischen Reise« (1785) mit einer eingehenden landeskundlichen, sachlichen Beschreibung zu versehen. Völkerstruktur, Mentalitäten, nicht zuletzt das Steuerwesen interessieren den Arzt, der im Geist der Aufklärung seiner Epoche auftritt. Ein besonders hoher literarischer Wert kommt dem Text dieses scharfen Beobachters nicht zu, die ästhetische Überhöhung des Berichts war auch nicht seine Absicht. Gleichwohl sind seine Bemerkungen oft originell und aufschlussreich, aber sie sind ebenso charakteristisch für die Markierung einer kulturellen Distanz zwischen dem aufgeklärten Europa und dem »Orient«  : Eine besondere Eigenschaft ist von allen Illirischen Völkern gegen die übrigen Europäer, daß sie ungemein das Feuer lieben, so daß sie auch im größten Sommer nicht leicht ohne selbiges sind  ; und so wird man auch selten einen Menschen allein antreffen, der nicht singet. Die Singart ist, so wie im ganzen Orient, für einen Deutschen und Franzosen bloßes Heulen und Ziehen, nur meistens aus Heldenliedern bestehend. Der Dalmatiner singt von seinem König Radoslav, der Bosniak, Kroat u. s. w. von seinem Marco Kraglievich, oder König Marcus, welches der Sohn des Vukassino, war, aus Herzegowina gebürtig, und unter diesem Volk mit Billigkeit als ein tapferer Held angesehen ist, indem er denen Griechen den trefflichsten Beystand geleistet, gegen die Gewalt des orientalischen Kaisers, Paleolog. Da er mehr Freybeuter als großer General war, so sind auch noch meistens die Lieder, welche von ihm gesungen werden, bachantisch, und alles mußte zum Unterhalt seiner Truppen herhalten, wie zum Beyspiel folgende Verse zeigen  : »Kàd oghgnjené òd Svùd ratti / Najveehmase more unexe.« Das ist  : Im Krieg kann man niemanden verschonen.«173 172 Ebd. Nach der Ausgabe von Srećko M. Džaja und Jozo Džambo, S. 17 und passim. 173 Belsazar Hacquet  : Physikalisch-politische Reise aus den Dinarischen durch die Julischen, Carnischen, Rhätischen in die Norischen Alpen. Bearbeitet von Hedwig Rüber und Axel Strasser. Hg. vom Deutschen Alpenverein. München 1989, S. 100.

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Franz Maurer, ein preußischer Publizist, der fast ein Jahrhundert nach Hacquet Bosnien bereist, ist mit einer neuen politischen Gemengelage konfrontiert. Das Osmanische Großreich ist vom nahenden Untergang gezeichnet, die europäischen Mächte konkurrieren um die Einflussnahme auf dem Balkan und besonders um die bosnisch-herzegowinischen Gebiete. Seine 1870 veröffentlichte »Eine Reise durch Bosnien, die Saveländer und Ungarn« ist ein spannender Bericht eines an Land und Leuten interessierten Publizisten, detailverliebt und von der Fülle der miteinander existierenden Lebenswelten der bosnischen Muslime, Türken, Kroaten, Serben, Juden beeindruckt. Der populär-feuilletonistische Ton Maurers darf als Signal dafür verstanden werden, dass er mit seinen lustigen, oft auch sentimentalen Geschichten aus der nahen und zugleich exotischen Welt ein breites Publikum erreichen wollte. Nach der Okkupation von Bosnien und Herzegowina durch Österreich-Ungarn im Jahr 1878, gedeckt durch den Beschluss des Berliner Kongresses, kam es zu einem Zuwachs deutscher Bevölkerungsteile in diesen Gebieten, insbesondere um Bosanska Gradiška, Derventa, Bijeljina, Banja Luka, Brčko und Sarajevo. Gleichzeitig entstand eine ganz eigene Gattung  : die Berichte über die Kriegshandlungen von 1878. Georg Freiherr vom Holtz (1844–1920), Oberst des Öster­ reichisch-Ungarischen Heeres, hielt seine Erinnerungen in dem Bericht »Von Brod bis Sarajevo« (1907) fest. Sein Blick auf Sarajevo und die Insurgenten, die sich der Besatzungsmacht widersetzten, ist äußerst kritisch. Die Kessellage der Stadt wird sehr genau geschildert, ebenso die Aufstellung des österreichischen Heeres und einzelne Kriegshandlungen. So konnte Sarajevo von zahlenmäßig überlegenen und technisch besser ausgerüsteten Okkupanten am 18. August 1878 eingenommen werden. In einzelnen Stadtteilen wüteten noch Gefechte, Männer, Frauen und sogar Kinder leisteten Widerstand und mussten, wie der Berichterstatter lakonisch festhält, »niedergemacht« werden. Am Nachmittag lag Sarajevo »zu Füßen Seiner Majestät, unseres allerhöchsten Kriegsherrn«.174 Die wohl populärste Reisebeschreibung über Bosnien und Herzegowina im 19. Jahrhundert ist dem politischen Redakteur der »Vossischen Zeitung« in Berlin, Heinrich Renner, zu verdanken. »Durch Bosnien und die Hercegowina kreuz und quer« (1896) gibt einen fundierten Einblick in die geografische Lage, die Geschichte und die nationale Beschaffenheit der Länder – mit präzisen Beschreibungen, die jedem späteren Reisenden von großem Nutzen sein konnten. Dass Renner auf den bei solchen Berichten üblichen Überlegenheitsgestus und auf unterschwellige Ironie verzichtet, kommt seinem Werk nur zugute. 174 Georg Freiherr vom Holtz  : Von Brod bis Sarajevo. Wien, Leipzig 1907, S. 39.

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Otto von Reinsberg (1822–1876), preußischer Offizier und exzellenter Kenner des Gebietes, der zusammen mit seiner Frau Ida von Reinsberg-Düringsfeld auch einen der zentralen Reiseberichte über Dalmatien vorgelegt hat, publizierte 1860 »Bosnien und Herzegowina in ihren natürlichen, sozialen und politischen Verhältnissen«. Johann von Asbóth (1845–1911), Sektionsrat im k.k. Außenministerium und Mitglied des ungarischen Reichstages, veröffentlichte seine Reiseeindrücke unter dem Titel »Bosnien und die Herzegowina. Reisebilder und Studien« in Wien 1888. Aber nicht nur von außen, auch aus der Binnenwelt wird das Land journalistisch entdeckt. Der mit F. K. unterzeichnende Autor betrieb anthropologische Studien auf seiner Reise in der Herzegowina und publizierte 1895 die Abhandlung »Südslawische Bauernehre – Herzegovinisches Sittenbild« in der führenden deutschen Zeitung in Sarajevo »Bosnische Post«. Wie stark die Entdeckung der fremden Welt Bosniens bis in die Alltagskultur Österreichs Einfluss gefunden hat, zeigt das Unikum eines Spezialreiseführers von einem gewissen Robert Bretter, dessen Titel die ganze Melange von Expansionismus und Harmlosigkeit dieses Zugriffs auf den Begriff bringt  : »Reiseführer für die Fahrt des Gesangvereines österreichischer Eisenbahn-Beamten von Wien nach Sarajevo, Mostar, Metkovic, Spalato und Pola vom 11. bis 20. Juni 1892«.175 Bosnische Schriftstellerinnen Die Verbreitung der Kenntnisse über Bosnien in Österreich und Deutschland ist aber, jenseits der genannten Autoren, vor allem das Verdienst der Schriftstellerin Milena Mrazović Preindlsberger (1863–1927). Die Umstände ihrer Kindheit und Jugend hatten sie auf das kosmopolitische Leben gut vorbereitet. Im kroatischen Bjelovar in der alten Adelsfamilie Mrazović geboren, besuchte sie die Schule in Budapest, übersiedelte jedoch unmittelbar nach der Okkupation Bosniens durch Österreich-Ungarn mit ihren Eltern nach Bosnien, zunächst nach Banja Luka, später nach Sarajevo, wo ihr Vater als Beamter tätig war. Von 1879 bis Anfang 1919 lebte sie in Sarajevo. Sie schrieb ausschließlich in deutscher Sprache. Ihr erster Text über Bosnien und Herzegowina erschien in der »Neuen Augsburger Zeitung«. Als der Politiker und Herausgeber Julije Makanec 1884 die Zeitung »Bosnische Post« gründete, wurde sie dort ständige Mitarbeiterin, übernahm 1889 die Zeitung als Eigentümerin und Herausgeberin und wurde die erste pro175 Robert Bretter  : Reiseführer für die Fahrt des Gesangvereines österreichischer Eisenbahn-Beamten von Wien nach Sarajevo, Mostar, Metkovic, Spalato und Pola vom 11. bis 20. Juni 1892. Aufbewahrt in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien.

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fessionelle Journalistin in Bosnien. 1896 heiratete sie den Wiener Augenarzt Josef Preindlsberger, der am Staatsspital in Sarajevo angestellt war. Nach der Gründung des Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen 1918 gab es für die Dichterin keine Existenz mehr in Bosnien. 1919 musste das Ehepaar den neuen jugoslawischen Staat verlassen  ; der Ehemann von Milena Mrazović verlor seine Stelle als Chefarzt. Beide zogen nach Wien, wo Milena Mrazović am 20. Januar 1927 starb. Auf ihren Reisen durch Bosnien sammelte Milena Mrazović Volksliteratur, ganz im Sinne des Interesses für die Sitten und den Volkscharakter der Völker am Rande Europas im Zeitalter einer verspäteten Romantik. Ihre erste Sammlung veröffentlichte sie 1893 in Berlin unter dem Titel »Selam. Skizzen und Novellen aus dem bosnischen Leben«, später folgten ein »Bosnisches Skizzenbuch. Landschafts- und Kulturbilder aus Bosnien und der Hercegovina« (Dresden, Leipzig 1900), »Bosnische Volksmärchen« (Innsbruck 1905) und »Das Grabesfenster. Eine Sarajevoer Geschichte« (Innsbruck 1906). In ihr erstes Buch nam sie ausschließlich Märchen aus der muslimischen Tradition auf. Die Erzählungen »Mahmud Bâba«, »Ali, der Derwisch«, »Die Ferdscha als Heiratsvermittlerin« oder »Jussuf ’s Aschyklik« hoben für den deutschen Leser den Schleier vor dem exotischen Bosnien, das um die Jahrhundertwende immer noch weitgehend unbekannt war. In einer ästhetisch ausgearbeiteten, stilisierten Form, um manche volkskundliche Details reduziert, bieten die Geschichten ein buntes Panorama von einprägsamen Bildern aus dem orientalischen Leben. Im Zusammenhang eines gelungenen Kulturtransfers ist auch die Wahl von Milena Mrazović zum ersten weiblichen Mitglied der Anthropologischen Gesellschaft in Wien (1889) zu sehen. Vatroslav Jagić, die größte Autorität auf dem Gebiet der Südslawistik in Wien, schrieb zum »Bosnischen Skizzenbuch« ein Vorwort in Form einer Adresse an die Autorin. Sie habe ihn um einige Worte der Begleitung gebeten, so Jagić, dabei sei sie dem deutschen Lesepublikum schon längst bekannt. Einer Empfehlung in diese Richtung bedürfe es also nicht. Er hoffe, dass es der Autorin gelungen sei, die lokale Note der bosnischen Erzählerinnen und Erzähler treu zu bewahren, auf die die Folkloristik besonderen Wert legen müsse, da diese Sammlung eine Bereicherung allgemeiner Kenntnisse über die »serbokroatischen« Märchen bedeute. In Jagićs Vorwort wird der Erwartungshorizont abgesteckt  : Die Autorin solle vor allem der religiösen Vielfalt der Bosnier gerecht werden und die Märchen mit dem muslimischen Inhalt in allgemein verständlicher Form ins Deutsche übertragen. Milena Mrazović, die ganz Bosnien einmal zu Fuß bereist hatte, zählte zu ihren Lebzeiten zu den besten Kennerinnen des Landes. In Wien publizierte sie

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1908 den Reiseführer »Die bosnisch-herzegowinischen Staatsbahnlinien Sarajevo-Uvac und Megjegje-Vardište«. Auch ihre Zeitgenossin Jelica Belović-Bernadzikowska (1870–1946) hatte als Schriftstellerin eine Pionierrolle in Bosnien inne. Kosmopolitin seit ihrer Kindheit, in Osijek geboren, in Zagreb, Wien und Paris zur Schule gegangen, fand sie ihre Erfüllung im Lehrerberuf in Bosnien, vornehmlich in Sarajevo. Bei ihren Feldforschungen im Bereich der Volksliteratur lernte sie den Leipziger Ethnologen und Erzähler Friedrich Salomon Krauss kennen, in dessen Jahrbuch »Anthropophyteia« sie in der Folge vielfach veröffentlichte. Ihr zentrales Werk bleibt aus heutiger Sicht »Die Sitten der Südslawen«, im Dresdener Paul Aretz Verlag 1927 erschienen. Sie hat auch über die Neuerscheinungen in der deutschen Literatur für das kroatische Publikum berichtet. So weist sie in der Rubrik »Theater, Kunst und Literatur« der Osijeker Tageszeitung »Die Drau« vom 19. November 1910 auf die neu erschienene Erzählung von Arthur Achleitner »Der Leibeigene von Krawarsko« hin, die das Leben eines Leibeigenen in Kroatien am Ende des 18. Jahrhunderts schildert. Belović-Bernadzikowska zitiert die Rezension aus einer Wiener Zeitung, die dem Werk wenig Echtheit bescheinigt. Zugleich bedauert die Autorin, dass die kroatischen Blätter gar nicht über das Werk berichten  : »So viel Blätter und Blättchen erscheinen bei uns, so viel Bücher und Büchelchen, aber fast alles dies ist lauter wertloses Zeug, das keinen dauernden, wissenschaftlichen Wert aufzuweisen hat.«176 Obwohl er als Mann, der über Kroatien schrieb, dieses kurze Kapitel sprengt, sei hier dennoch einiges über Arthur Achleitner (1858–1927) gesagt. Mit seiner Erzählung »Der Leibeigene von Krawarsko«, die durchaus den Umfang eines Romans erreicht, gelingt es ihm, ein breites Panorama der kroatischen Gesellschaft am ausgehenden 18. Jahrhundert zu zeichnen, die noch tief im Feudalismus steckte. Erkennbar werden die spezifische Mentalität, wirtschaftliche Rückständigkeit und dauernde Türkengefahr, aber auch alltägliche Gewalt, Armut und Not, nicht zuletzt die politische Abhängigkeit von auswärtigen Mächten. Im Mittelpunkt der Erzählung steht ein Adelsgut in Krawarsko, im Nordwesten Kroatiens, das von einem Ungarn mit eiserner Hand verwaltet wird, während der Gutsherr in europäischen Metropolen der Spielsucht frönt, der das Gut schließlich zum Opfer fallen wird. Ungeachtet des brutalen Regimes, das der Verwalter ausübt, wagen die Leibeigenen zunehmend Ungehorsam und Widerstand. Dem mutigsten unter ihnen, Stefan Tschitschko, gelingt nicht 176 [ Jelica Belović] Bernadzikowska  : Arthur Achleitner  : Der Leibeigene von Krawarsko. Erzählung aus Kroatien. Berlin 1910. In  : Die Drau, 19.11.1910, S. 7.

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nur die Flucht, sondern er sammelt auch mit der Zeit als Getreidehändler ein beachtliches Vermögen an und wird zum führenden Großmakler in Kroatien. Aus der Leibeigenschaft entlassen, kann er gesellschaftlich aufsteigen  : Er heiratet die adlige Lenka, die Tochter des Getreidehändlers Nikola Gaj aus Karlovac, der ihm nach der Flucht geholfen hatte. Der Versuchung, das längst bankrotte Gut in Krawarsko – den Ort seiner Demütigung – zu erwerben, widersteht er aus Rücksicht auf die edelmütige Tochter des Gutsherrn. »Der hörige Knecht von ehedem war zartfühlend geworden.«177 Und dennoch ist der Aufsteiger zum Scheitern verurteilt. Drakonische Steuerlasten und ständige Konflikte mit der Obrigkeit in Wien provozieren immer neue Ausbrüche von Jähzorn und Gewalt. Dieser Selfmademan endet als ein gebrochener Mensch. »Im Juli 1809 starb Stefan Tschitschko, die merkwürdigste Persönlichkeit Kroatiens im 18. Jahrhundert, der geniale Barbar und Analphabet, der ehemalige Leibeigene von Krawarsko.«178 Lange Zeit vor der deutschsprachigen Entdeckung Bosniens war freilich schon die kroatische Perspektive auf das Nachbarland literarisiert worden. Hinzuweisen ist hier auf die prominente kroatische Politiker- und Dichterfamilie Mažuranić. Ihr entstammt Matija Mažuranić (1817–1881). Sein Bruder Ivan war der erste kroatische bürgerliche Banus und ein gefeierter Nationaldichter, während Ivana Brlić-Mažuranić (1874–1938), die Enkelin des Banus, die bekannteste kroatische Autorin von Kunstmärchen wurde. Matija hat sich hingegen als Bosnien- und Orientkenner einen Namen gemacht. Er wurde 1817 in Novi Vinodolski an der nördlichen Adria geboren, wo er die deutsche Schule besuchte. Schon als sehr junger Mann reiste er mehrere Male nach Bosnien, 1847 weilte er in Wien, 1848 wieder in Bosnien. Seine Liebe zu Bosnien und dem Orient und seine Reiselust haben seinen gesamten Lebensweg bestimmt. Seine Reiseprosa »Pogled u Bosnu ili kratak put u onu Krajinu učinjen 1839−40 po Jednom Domorodcu« (Der Blick nach Bosnien oder eine kurze Reise ins Grenzgebiet, von einem Eingeborenen von 1839 bis 1842 unternommen) aus dem Jahr 1842 macht ihn zu einem der renommiertesten Vertreter dieser Gattung. Trotz der unmittelbaren Nachbarschaft war Bosnien also auch für Kroaten ein unbekanntes Land, sodass Berichte aus dem Inneren des Osmanischen Reiches stets im Sinne der Aufklärung wirkten. Mažuranić hat deutschsprachige Beiträge auch regelmäßig in »Luna« veröffentlicht.

177 Arthur Achleitner  : Der Leibeigene von Krawarsko. Erzählung aus Kroatien. Berlin 1910, S. 198. 178 Ebd., S. 220.

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Robert Michel Aus dem Umfeld der Autoren, die einen direkten Lebensbezug zu Bosnien und Herzegowina hatten, ist schließlich auch der Deutschböhme Robert Michel (1876–1957) zu erwähnen. Während seines Militärdienstes in der Garnison in Mostar erlag dieser Soldatendichter der Faszination der bosnischen und herzegowinischen Lebenswelt und schrieb zahlreiche Erzählungen und Dramen aus dem bosnischen Volksleben, 1910 etwa »Mejrima« und 1917 »Der weiße und der schwarze Beg«. Seine Reisebeschreibung »Fahrt in den Reichslanden. Bilder und Skizzen aus Bosnien und der Hercegovina« erschien 1912 in Wien. Der österreichische Dichter und Diplomat Leopold von Andrian, Meister der lyrischen Märchenerzählung, hatte den aufstrebenden Michel aus Böhmen in den erlauchten Kreis der führenden österreichischen Autoren mit Hermann Bahr, Arthur Schnitzler, Richard Beer-Hofmann und dem jungen Genie Hugo von Hofmannsthal eingeführt. Seine literarische Entwicklung verlief seither vor allem unter dem Patronat Hofmannsthals, der ihm als umsichtiger Erstleser der Novellen und Romane mit kollegialem Rat zur Seite stand. Wie tiefgreifend sein Einfluss auf die Schreib- und Denkart des literarisch unterlegenen Freundes war, wird aus ihrer Korrespondenz ersichtlich.179 Durch die Erfahrungen seiner frühen Dienstjahre und die ersten Begegnungen mit Soldaten aus Bosnien inspiriert, schrieb Michel 1898 seine erste Erzählung mit dem Titel »Osmanbegovic«, die auf sein gesamtes Werk ausstrahlte  : Michel hatte in Bosnien und Herzegowina sein zentrales literarisches Thema gefunden und sich auch stilistisch festgelegt. Er blieb ein penibler Beobachter, besessen von dem Bestreben einer detaillierten Wiedergabe der ihm fremd anmutenden Lebenswelten, ohne die Außenperspektive durch engagiertes, die historische Wirklichkeit hinterfragendes Erzählen ergänzen zu wollen. Sein Erzählstil berührt »fast nur die Oberfläche der Menschen, Dinge und Vorgänge«,180 gewährt jedoch keinen Blick hinter die Kulissen. Die literarisch arriviertesten Texte aus Michels Werk sind inhaltlich durch Bosnien und Herzegowina geprägt  : das Drama »Mejrima« (1910), »Fahrten in den Reichslanden« (1912), »Auf der Südostbastion des Reiches« (1915), die Romane »Die Häuser an der Džamija« (1915) und »Briefe eines Hauptmanns an seinen Sohn« (1916), das Lustspiel »Der weiße und der schwarze Beg« (1917), 179 Riccardo Concetti  : Muslimische Landschaften. Hugo von Hofmannsthals Auseinandersetzung mit der Prosa Robert Michels. Kakanien revisited, 13.12.2002. In  : http://www.kakanien.ac.at/ beitr/fallstudie/Rconcetti1.pdf [Zugriff vom 9.12.2008]. 180 Josef Mühlberger  : Robert Michel. In  : Die Literatur, 32 (1929/30), S. 391.

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die Novellen »Halbmond über der Narenta« (1940) und »Slawische Weisen« (1940) sowie der Roman »Die Wila« (1949). Im Herbst 1898 wurde Michel zum ersten Mal zunächst nach Mostar versetzt, später ins Garnisonsstädtchen Ljubuški. Bereits im Jahr 1900 wurde er der Kadettenschule in Innsbruck zugeteilt und kam erst 1907 für einen Monat in die Herzegowina zurück. Den Rest seiner Soldatenkarriere brachte er an unterschiedlichen Posten in Wien zu. Im Sommer 1918 führte er als ausgewiesener Kenner ein Filmteam nach Bosnien und drehte dort zwei Filme nach seinen bosnischen Erzählungen »Die Wila der Narenta« und »Der Schatzgräber von Blagaj«.181 Nach dem Ende der Monarchie lebte er als freier Schriftsteller in Wien.182 Robert Michel fand die fremde Welt und die Begegnungen an der Grenze zwischen Orient und Okzident inspirierend, und er wurde zu einem ihrer aktivsten Vermittler in Wien. Ebenso wenig wie die Schriftstellerinnen Mara Čop und Milena Mrazović, die über Bosnien geschrieben haben, hatte sich auch Michel beim österreichischen Lesepublikum breites Gehör verschaffen können. Anders jedoch als die beiden Frauen, die stets um einen analytischen Ansatz in ihrem erzählerischen und ethnografischen Werk bemüht waren, zeichnet Michel das Bild der exotischen Zustände, die sich der österreichischen Okkupationsmacht beim Betreten dieser Gebiete offenbarte. Die aktuelle Forschung sieht in Michel, dem literarischen ›Entdecker‹ Bosniens, einen herausragenden Vertreter des literarischen Kolonialismus. Am Beispiel der Novelle »Die Verhüllte«, die er 1907 in Berlin veröffentlichte, zeigt Anna Babka das Zusammenspiel zwischen dem Eigenen, dem Anderen und dem Fremden, das zu eigenartigen Identitätskonstruktionen führt  :183 das Verhältnis zwischen dem Ich-Erzähler, einem Soldaten aus Wien, und dem hübschen Franzosen Rêvignies, dem der Ich-Erzähler die Welt des Orients erschließen will. Er macht ihn in seinem Regiment auf einen bosnischen Moslem aufmerksam, der von den Freunden ausgiebig beobachtet wird, sodass die Differenzen zwischen dem okzidentalen und orientalischen Aussehen herausgearbeitet sind. Bezeichnend sei – laut Babka die Sequenz, in welcher das Eigene orientalisiert wird  ; sie spricht von einem »fast plakativen postkolonialen 181 Vgl. Robert Michel  : Mein erster Film. In  : Neue Freie Presse, 2.5.1920, S. 1–3. 182 Biografische Angaben nach Concetti  : Muslimische Landschaften. 183 Anna Babka  : »Das war ein Stück Orient«. Raum und Geschlecht in Robert Michels Die Verhüllte. In  : Marijan Bobinac, Wolfgang Müller-Funk (Hg.)  : Gedächtnis – Identität – Differenz. Zur kulturellen Konstruktion des südosteuropäischen Raumes und ihrem deutschsprachigen Kontext. Tübingen 2008, S. 125–136.

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Moment des Textes«.184 In Wien konstruiert der Ich-Erzähler in der Vorwegnahme seiner späteren Erlebnisse in Bosnien und Herzegowina ein Sinnbild des Orients, die Moschee mit zwei schlanken Minaretten  : Da erfasste Rêvignies plötzlich meine Hand  ; und ich verstand gleich  : Die Sonne zeigte eben noch die obere Hälfte, die einer kostbaren Kuppel ähnlich am Horizonte stand. Zu beiden Seiten dieser Kuppel ragten, schlanken Minaretten gleich, hohe Fabrikschlote. Diese Moschee beherrschte mit ihrer Pracht das ganze Bild. Der übrige Horizont zeichnete sich nur in undeutlichen Umrissen, die der Einbildungskraft weiten Spielraum ließen, und die Stadt selbst lag im violetten Dunst, der einem abendlichen Meer zu entsteigen schien. In der Nähe das Neugebäude mit den runden Türmen störte durchaus nicht und noch weniger störten die Soldaten in Fez. Das war ein Stück Orient.185

Im weiteren Verlauf der Novelle wird der Erzähler nach Mostar versetzt, sein französischer Freund kommt zu Besuch, um das Märchenland zu entdecken, doch er versteht das Land nicht. Hinter einer Tür erblickt er eine verhüllte, geheimnisumwitterte Frau, um die sich dunkle Geschehnisse ranken. Als sich die Spur des Franzosen Rêvignies verliert, erfindet der Ich-Erzähler eine Geschichte, die auch seinem französischen Freund hätte passieren können. Auch in seinen späteren Erzählungen bleibt Michel der Entdecker der orientalischen Mystik in besetzten Gebieten. Und der Leser hat seine Deutung zu übernehmen oder wie R. F. Arnold schreibt  : »Dies Land mit seinen Moscheen, Derwischen, Rhapsoden war unser Indien, und Robert Michel […] der Kipling dieses österreichischen Orients.«186 Anlässlich der kroatischen Premiere des Dramas von Robert Michel »Kapetan Poletajev« (deutscher Originaltitel »Hauptmann Bjässnowaschi«) am 7. Oktober 1912 in Zagreb bringen die »Narodne novine« eine Notiz über den Autor und das Werk. Der prominente Dramatiker Milan Ogrizović beurteilt die Premiere in »Hrvatska pozornica«187 positiv. Das Drama wurde allerdings nie in deutscher Sprache inszeniert. 184 Ebd., S. 130. 185 Robert Michel  : Die Verhüllte. Novellen. Berlin 1907, S. 9–39, Zitat S. 12. 186 R. F. Arnold  : Echo der Bühnen – Wien [Besprechung der Uraufführung von Robert Michels Stück »Der weiße und der schwarze Beg« im Akademietheater am 24. Mai 1930]. In  : Die Literatur, 32 (1929/30), S. 596. 187 »Kapetan Poletajev«. Slika iz rusko-japanskog rata od Roberta Michela. In  : Hrvatska pozornica, 6 (1912–13), S. 5, S. 7.

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Inwiefern Michel in Bosnien und Herzegowina sowie in anderen Ländern des hier behandelten Raumes wahrgenommen wurde, ist schwer zu sagen. In den Zeitschriften finden sich gelegentlich Rezensionen seiner Neuerscheinungen. Alois Schmaus zum Beispiel rezensiert wohlwollend Michels 1928 erschienenen Roman »Die geliebte Stimme« in der Belgrader Zeitschrift »Misao« (Der Gedanke) als kulturhistorisch interessante Lektüre für ein breites Publikum.188 Michels »Fahrten in den Reichslanden. Bilder und Skizzen aus Bosnien und der Hercegovina« (1912) sind ein überzeugender Beitrag zum Genre der Reiseliteratur durch Bosnien und Herzegowina. Der für Michels fiktionale Texte charakteristische Erzählstil erfährt in seiner Reiseliteratur eine gewisse Bereicherung. Er schaut auch hinter die Kulissen. Der interessierte Blick dieses wohlwollenden Beobachters gilt zunächst der Oberfläche, vertieft sie dann durch Kommentare aus dem politischen, historischen, ethnografischen und allgemein-kulturellen Bereich oder gar durch kleine Anekdoten aus dem Volksleben. Seine Reisebeschreibungen zeichnen sich durch eine beachtliche Objektivität aus, welche die übliche Halbwertzeit vergleichbarer Berichte überdauert. Dies gilt etwa für die Eingangspassage über die Brücken, die sich auf jene alten Bauwerke beziehen, »die in ihrer ursprünglichen Form erhalten geblieben sind«  :189 authentisch, eigentümlich und echt, den Kriterien entsprechend, die sich Michel als Beobachter und Schilderer der österreichischen Kolonie auferlegt hat. Seine Begeisterung über die Landschaft und die Architektur kommt eindringlich zum Ausdruck und verleiht der Schilderung eine emotionale Spannung  : »Von mir kann ich sagen, daß mich noch nie ein Bauwerk so ergriffen hat wie diese Brücke«,190 gemeint ist die alte Narentabrücke in Mostar. Das zwischen zwei Teile der Reisebeschreibung eingeschobene fünfseitige Kapitel »Ein Brief des Rekruten Mustajbegovic«191 ist ein Musterbeispiel für jenes literarische Verfahren, das von der zeitgenössischen Literaturtheorie gern 188 Robert Michel  : Die geliebte Stimme. Roman. Leipzig 1928. In  : Misao, 11 (1929) H. 219/220, S. 234–236. 189 Robert Michel  : Fahrten in den Reichslanden. Bilder und Skizzen aus Bosnien und der Hercegovina. Wien, Leipzig 1912, S. 14. Vgl. weiterführend Miloš Okuka  : Zwischen Orient und Okzident. Deutsche Reisebeschreibungen über Bosnien-Herzegowina 1530–1990. In  : Ulrich Obst, Gerhard Ressel (Hg.)  : Balten – Slaven – Deutsche. Aspekte und Perspektiven kultureller Kontakte. Festschrift für Friedrich Scholz. Münster 1999, S. 205–215. 190 Robert Michel  : Fahrten in den Reichslanden, S. 32. 191 Ebd., S. 47–51.

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als colonial analysiert wird. Im fingierten Brief des herzegowinischen Soldaten Izet – Michel schreibt Izzet – aus Wien an einen Freund in Mostar, versetzt sich der Autor in die Rolle eines jungen Moslems, der zum ersten Mal mit dem Okzident konfrontiert wird. Das Rollenspiel ermöglicht Verfremdung, also ein Verfahren, das Michel nutzt, um mit der binären Opposition Orient und Okzident Unterschiede zu entwickeln. Humorvoll inszeniert Michel die Naivität und das große Staunen Izets angesichts der habsburgischen Metropole. Am meisten staunt dieser, als er mit seinem Landsmann, dem Moslem Aliduvnjak, in den Prater geht. Der Lärm und das Durcheinander erinnern ihn an die Čaršija, die Haupthandelsstraße in Mostar, als ihn der Vater zum ersten Mal zum Basar mitgenommen hat. Auch für den Besuch des Theaters findet Izet einen passenden Vergleich  : Es handele sich um ein Haus viel größer als die Karađozbeg-Moschee, die größte in Mostar. »Darin sind lauter Sitze. Unten sitzen Menschen zu Hunderten  ; und ringsherum in der Wand sind zahllose kleine Zimmerchen wie Käfige, und dort sitzen sie auch zu Hunderten.«192 Das zweite Kapitel des Reiseberichts »Die Freude in der Hercegovina« ist eine gelungene Mentalitätsstudie, geradezu das Kabinettstück des gesamten Werks, in dem Michel den in seiner Wahrnehmung spröden, ernsthaft-verschlossenen Grundcharakter der Menschen in der Herzegowina auf den karstigen, zerklüfteten Boden des Landes projiziert. »In dem scharf geschnittenen Angesicht eines Hercegoviners werden die Furchen von Jahr zu Jahr tiefer und schöner wie die Risse in einem Karsthang und seine Züge scheinen die Fähigkeit zum Lächeln allmählich zu verlieren«. 193 Die Hercegoviner seien wegen der harten Lebensbedingungen nicht zur Heiterkeit und Freude angelegt, gleichwohl sei ihnen durch die Gunst der Geschichte im Sommer 1910 ein Anlass für höchsten Jubel zuteil geworden  : der Besuch des Kaisers. Während der Okkupationszeit von 1878 bis 1918 hat Kaiser Franz Joseph I. nur einmal Bosnien und Herzegowina besucht, vom 30. Mai bis zum 4. Juni 1910. Die ersten drei Tage hielt er sich in Sarajevo auf, einen halben Tag verbrachte er in Mostar. »Nun aber kommt nach langen, langen Zeiten der Tag, an dem eine gemeinsame starke Freude durch das ganze Volk gehen wird. […] In der Tat wird der Besuch des Kaisers infolge der eigenartigen Umstände in der Hercegovina einen Eindruck hervorrufen, für den man in der Geschichte des Landes kaum ein Ähnliches finden dürfte.«194 Drei Nationen, zugleich drei Religionen (ka192 Ebd., S. 49. 193 Ebd., S. 55 f. 194 Ebd., S. 57.

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tholische Kroaten, orthodoxe Serben und muslimische Bosnier) werden vereint, Hass und Zwist überwunden, schreibt Michel. Der Triumph werde zu gleichem Maße dem Kaiser und den herzegowinischen Völkern zuteil, zumal sie nach Jahrhunderten zum ersten Mal einen Herrscher zu Gesicht bekommen werden. »Da die mohammedanische Religion jedwedes Nachbilden des Menschen in Farbe oder Form verbietet, bekamen die Untertanen nicht einmal ein Abbild ihres Sultans vor Augen.«195 Ausblick auf Nachfolger und mediale Weichenstellungen Die Geschichte der Bosnien-Erkundung ist mit dem Ersten Weltkrieg nicht zu Ende, wie Michels Filmexpedition bezeugt. Nur als Ausblick sei an einige Reisende erinnert, die ethnologisch differenzierte Perspektiven eröffneten  : Der deutsche Publizist und Balkanforscher Hermann Wendel (1884–1936) gehört zu den prominentesten Bosnien-Reisenden. Von der Belgrader Regierung unterstützt, unternahm er eine Studienreise durch das Land und legte 1922 einen Bericht mit dem Titel »Von Belgrad bis Buccari. Eine unphilosophische Reise durch Westserbien, Bosnien, Hercegovina, Montenegro und Dalmatien« vor. Oft in Miniaturform fügt Wendel in seinen Text elegante Schilderungen der politischen Zustände in den bereisten Ländern ein. Die Belgrader Universität verlieh ihm dafür die Ehrendoktorwürde. Ein weiteres schönes Zeugnis der Bosnien-Faszination stammt aus der Feder des Schweizer Schriftstellers Max Frisch (1911–1991), der auf seiner Reise von Ungarn in die Türkei 1933 in Sarajevo Station machte. Sein Erlebnis verarbeitete er in den Briefen an seine Mutter, einem intimen poetischen Bericht, der den großen Erzähler erahnen lässt.196 Frisch hielt sich auf seiner Reise drei Monate in Dubrovnik auf. Seine Faszination durch die mediterrane Welt findet sowohl Ausdruck in den Briefen an die Mutter als auch in seinem ersten Roman »Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt« (1934).197 Wie viele Reisende aus Westeuropa, ist er ob der orientalischen Sitten verblüfft und tief beeindruckt.

195 Ebd., S. 58. 196 Max Frisch  : »Im übrigen bin ich immer allein.« Briefwechsel mit der Mutter 1933. Eishockeyweltmeisterschaft in Prag. Reisefeuilletons. Hg. von Walter Obschlager. Frankfurt am Main 2000. 197 Slavija Kabič  : Max Frischs Schicksalsreise nach Dubrovnik 1933. Zu Frischs Roman »Jürg Reinhart. Eine sommerliche Schicksalsfahrt«. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 13 (2004), S. 229–253.

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Der 1887 in Sarajevo geborene Maximilian Hölzel, der nach dem Attentat auf den Thronfolger Franz Ferdinand 1914 mobilisiert und nach Bosnien geschickt wurde, ließ seine Eindrücke in die Sammlung von Erzählungen »Bosnische Wölfe. Selbsterlebtes« (1938) und in den autobiografischen Bericht Balkan in Flammen  ; Unter Heiden, Göttern u. Einfältigen Weisen« (1939) einfließen. Trotz der naiven Erzählweise vermitteln »Bosnische Wölfe« die Bedrängnis des Autors angesichts der ungezähmten Natur Bosniens. In der letzten Erzählung der Sammlung werden sogar die Panduren herausrücken müssen, um die Wolfsgefahr zu bannen. In Bosnien und Herzegowina wurde seit 1878 eine rege Pressepolitik betrieben. Zahlreiche deutschsprachige Zeitungen und Zeitschriften aus allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens wurden herausgegeben, vornehmlich auch viele Verwaltungsblätter. Sie standen allesamt im Dienste der Wahrung hegemonialer österreichischer Interessen. Bereits 1878 wurde die Zeitschrift »Bosnische Correspondenz« gegründet, die bald ihren Namen ins programmatische »Die Occupation« änderte und schon 1879 eingestellt wurde. Die »Sarajevoer Nachrichten« erschienen von 1902 bis 1904, als der Name der Zeitung in »Sarajevoer Tagblatt« geändert wurde, unter dem sie bis 1918 fortgeführt wurde. Die zentrale deutschsprachige bosnische Tageszeitung war die in Sarajevo von 1884 bis 1918 herausgegebene »Bosnische Post«, Organ für Politik und Volkswirtschaft. Hinzu kamen der »Bosnische Bote« von 1898 bis 1912 und der »Bosnische Korrespondent« von 1906 bis 1912. Die Zeitschrift »Bosnien. Revue zur Hebung der Interessen Bosniens und der Herzegowina« wurde von 1912 bis 1913 in Wien herausgegeben, die »Mitteilungen des Vereins der Deutschen in Bosnien und Herzegowina« in Graz von 1912 bis 1918. Die Kultur- und Literaturzeitschrift »Südslawische Revue – Jugoslavenska smotra« kam unter der Schriftleitung von Hermann Tausk mit 17 Nummern im Jahr 1912 in Sarajevo heraus. Die Beiträge waren teils in deutscher, teils in kroatischer und serbischer Sprache gedruckt. »Stimmen aus Bosnien. Organ für Politik, Volkswirtschaft und Literatur«, erschienen in Sarajevo von 1898 bis 1899. Das Landesmuseum in Wien war Herausgeber der »Wissenschaftlichen Mitteilungen aus Bosnien und Herzegowina« im Zeitraum von 1893 bis 1916. Diese Vielfalt der publizistischen Landschaft fand ihr Ende mit dem Untergang der k. u. k. Monarchie.

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6. Exotik vor der Tür »Morlachien« – Dalmatien als terra incognita Für den Reisenden im späten 18. und am Anfang des 19. Jahrhunderts endete Europa bereits bei Triest, während der Raum, von dem hier die Rede ist, ein blinder Fleck und unbekanntes Terrain war, das auf beschwerlichen Reisen durch unwegsame Gebiete erst entdeckt werden musste. Die Dampfschiffe der LloydGesellschaft fuhren bis Split, von wo aus die Entdeckungsreisen in der Regel ihren Anfang nahmen. »Morlachien«, diese wundersam anziehende terra incognita, erstreckte sich entlang der adriatischen Küste, dahinter öffnete sich das Tor zum Orient. Die bis Anfang des 20. Jahrhunderts noch gängige Bezeichnung »die Morlacchen« bezog sich auf die Bewohner des dalmatinischen Hinterlandes und das angrenzende Gebiet der Herzegowina. Der Volksstamm der Maurowalachen, die nach ihrer schwarzen Tracht »schwarze Walachen« genannt wurden, lebte hier bis zum 15. Jahrhundert und ging später in den hier siedelnden slawischen Völkern auf. Die Reiseschriftsteller verstanden in der Regel unter »Morlachen« die gesamte Bevölkerung Dalmatiens. Eine ethnische Differenzierung und ein analytischer Zugriff im Hinblick auf die nationale Struktur der Bevölkerung waren selten. Für Reisende handelte es sich lediglich um eines unter vielen österreichischen Kronländern, das in erster Linie durch seinen mediterranen Charakter hervorstach. Ivan Pederin stellt in seiner Monografie über die deutschen Reisebeschreibungen über Dalmatien fest, dass das stärkere Interesse für den adriatischen Teil des heutigen Kroatien mit dem Josephinismus beginne und am Anfang des Ersten Weltkriegs mit der essayistischen Reiseprosa von Hermann Bahr ende.198 Der Ahnherr dieser Literatur ist der italienische Geistliche Alberto Fortis (1741–1803), der 1774 in Venedig »Viaggio in Dalmazia« publizierte. Fortis’ Reisebeschreibung hatte ein starkes Echo in ganz Europa und löste ein nachhaltiges Interesse für Dalmatien aus. 1774 erschien in Bern zunächst die deutsche Übersetzung eines Kapitels aus seinem Buch »Die Sitten der Morlachen«, danach eine Besprechung in den »Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen«. Dies bewirkte, dass das Werk vollständig ins Deutsche übersetzt wurde und zwei Auflagen erlebte. Die frühen deutschen und österreichischen Reiseschriftsteller richten in Dalmatien ihren Blick auf die geografische, klimatische und anthropologische Be198 Ivan Pederin  : Njemački putopisi po Dalmaciji (Deutsche Reisebeschreibungen über Dalmatien). Split 1989, S. 6.

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schaffenheit des Landes. Das spezifisch Slawische wird gesucht und geschildert, jene Merkmale, welche die südliche Provinz von westlichen Teilen Österreichs unterscheiden. Dies sind nüchterne, feststellende und beschreibende Berichte, die dem aufgeklärten deutschen Lesepublikum aus unterschiedlichen Perspektiven ein unbekanntes Gebiet erschließen sollten. Autoren von historischen Studien schufen die Basis für die allgemeine Kenntnis dieser Region. Erhard Reusch (1678–1740) etwa, der in Nürnberg und Helmstedt Dichtkunst lehrte, publizierte 1718 in Nürnberg seine Untersuchung »Alter und neuer Staat des Königreiches Dalmatien«. Der bereits erwähnte französische Arzt Belsazar Hacquet kam mit Napoleons Armee nach Slowenien und blieb dort bis nach dem Untergang der Provinz Illyrien. Er arbeitete als Arzt in Idrija und Ljubljana, war jedoch überaus interessiert an der geologischen Beschaffenheit der Julischen Alpen. Sein vierbändiges Werk »Oryctographia Carniolica« erschien in Leipzig 1778 bis 1789. Im Laufe seiner Recherchen richtete er den Blick zunehmend auf das Politische und Anthropologische, wie dies aus dem umfassenden Bericht über seine »Physikalisch-politische Reise aus den Dinarischen durch die Julischen, Carnischen, Rhätischen und die Norischen Alpen« (1781–1785) hervorgeht. Seinen zweiten Reisebericht veröffentlichte Hacquet unter dem Titel »Abbildung und Beschreibung der südwest- und östlichen Wenden, Illyrer und Slaven« in Leipzig von 1803 bis 1805. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erschien eine Reihe weiterer Reiseberichte, so die »Beschreibung einer Reise nach Istrien und Dalmatien, vorzüglich in botanischer Hinsicht« von Joseph von Seenus (Nürnberg und Altdorf 1805) oder »Skizzen des physisch-moralischen Zustandes Dalmatiens und der Buchten von Cattaro« von Hieronymus Franz Seraph Rödlich (1767–1833) (Berlin 1811). Der Geograf und Kartograf Josef Marx von Liechtenstern (1765–1828) publizierte den ersten Band seiner »Reisen durch das österreichische Illyrien, Dalmatien und Albanien« 1818 in Meißen, den zweiten Band 1822. Roman Lorenz von Liburnau (1825–1911), der die adriatische Küste in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bereiste, richtete sein Augenmerk auf die nördliche Perle der Adria, Opatija, die sich in dieser Epoche zur bevorzugten Sommerfrische des österreichischen Großbürgertums entwickelte. Über »Die natürlichen Verhältnisse von Abbazia, einen künftigen österreichischen Nizza« hielt Liburnau im November 1882 einen Vortrag in der Monatsversammlung der k. k. Geographischen Gesellschaft. Der Wiener Anatom Augustin Weisbach (1837–1914) nahm auf seiner Reise in Dalmatien antropometrische Vermessungen vor, um auf diese Weise die »Rassenunterschiede« zwischen den Völkern der Habsburger Monarchie auszuarbeiten. Die Ergebnisse, ein Beleg des europäischen Rassendünkels im 19. Jahrhundert,

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publizierte er in der Abhandlung »Die Serbokroaten der adriatischen Küstenländer. Anthropologische Studie« (1884). Im Unterschied zu den italienischen und zu manchem deutschen Reisenden verzichtet er auf die Bezeichnung »Morlachen« für die Bevölkerung entlang der Küste zugunsten des merkwürdig vereinheitlichenden Begriffs »Serbokroaten«, der im 20. Jahrhundert in der Geschichte der subsumierten Völker eine Rolle spielen sollte  ; damit wurde der gesamte Blick auf das Untersuchungsfeld neu strukturiert. Zu den Pionieren unter den Dalmatien-Reisenden zählt die deutsche Schriftstellerin Ida von Düringsfeld (1815–1876). Sie veröffentlichte in ihrer Jugend »Gedichte« (1835), heiratete 1845 den preußischen Offizier Otto von Reinsberg und bereiste mit ihm auf ausgedehnten Touren unterschiedliche Teile Europas. Sie hielten sich in Dalmatien 18 Monate auf (1853/54), und als Ergebnis entstand das dreibändige Werk der Reiseskizzen »Aus Dalmatien« (1857), das neben den Reisebeschreibungen Düringsfelds auch 250 Seiten detaillierter Sachkommentare von Otto von Reinsberg enthält. So ist ein lexikonartiges Handbuch zur Geschichte, Ethnografie und Kultur Dalmatiens entstanden. Dank ihrer Bildung, ihres gepflegten Stils und der Authentizität ihrer Schilderungen gehört Ida von Düringsfeld neben Fortis, Noé und Kohl zu den interessantesten Verfassern dalmatinischer Reisebeschreibungen. Ihre Schilderungen der Begegnungen mit Kroaten, die oft auch die geführten Gespräche wortgetreu wiedergeben, leuchten jene Facetten der Kultur einer Epoche aus, die in der Reiseliteratur am überzeugendsten zu erfassen sind  : das Alltagsleben, die Mentalität, die Gestik der Menschen, Politisch-Öffentliches, aber auch Privates, gar Intimes. Im ersten Band schildert sie das nördliche Dalmatien, von Zadar (Zara) ausgehend, die Ortschaften bis Šibenik (Sebenico) einbeziehend. Ihr treuer Brieffreund, der österreichische Politiker und Dichter Adolf von Tschabuschnigg, habe sie zwar gewarnt, sie würde nach »Kannibalien« reisen, vermerkt Ida von Düringsfeld auf der ersten Seite süffisant, doch habe dies ihr festes Reisevorhaben keineswegs ins Wanken gebracht. Den verallgemeinernden Vergleich der drei wichtigsten Städte Dalmatiens, Zadar im Norden, Split in Mitteldalmatien und Dubrovnik im Süden, nimmt sie vorweg und bestätigt im Vorwort das weit verbreitete Vorurteil der Reisenden, Zadar sei die Stadt der Gegenwart, Dubrovnik die der Vergangenheit und Split die der Zukunft. Zadar sei zudem am meisten deutsch, Split am meisten italienisch, Dubrovnik am meisten slawisch. Den so unterschiedlichen Grundcharakter der Städte belegt sie durch die detailgenaue Beschreibung der Baustile, der Häuser und der Wohnstätten der Bewohner und vor allem der Menschen selbst in ihrem äußeren Erscheinungsbild und in ihrer Kommunikation. Dabei ist Ida von Düringsfeld keine unbefangene

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Beobachterin. Den »Morlacchen«, wie sie die Bewohner des hinteren Dalmatien nennt, hält sie für wild und unzivilisiert, räumt jedoch ein, dass das Land unter dem Kaisertum Österreich keinerlei Förderung erfahren habe. »Es ist unglaublich, was die Österreicher den Morlacchen immer alles zutrauen«.199 Im zweiten Band setzt sie die Schilderung der Reise in Richtung Mitteldalmatien fort, nach Trogir und Split, im dritten wird Dubrovnik erschlossen. Das »slawische Athen« versetzt die norddeutsche Schriftstellerin in wahre Begeisterung, sodass sie in einem Brief an den Freund Tschabuschnigg festhält  : »Ich bin in der größten Gefahr, wieder an die Romantik zu glauben, die Leute sind hier so de sang-froid romantisch, poetisch und originell, so von Gottes Gnaden antispießbürgerlich.«200 Einer der besten Kenner Dalmatiens, der österreichische Geograf und Ethnologe Franz Petter (1788–1853), der das Pseudonym Beobachter an der Mur führte, wurde 1823 als Deutschlehrer nach Dubrovnik berufen und drei Jahre später nach Split versetzt. Hier verbrachte er die restlichen Dienstjahre. Zu Dalmatien hatte er ein zwiespältiges Verhältnis, das grundsätzlich von einer starken Abneigung geprägt war. Das Leben dort empfand er als Strafe, seine Bemühungen um eine Stelle außerhalb Dalmatiens blieben erfolglos. Dass der Dienst in den »Kolonien« in Graz und Wien tatsächlich oft als Strafinstrument von der Zentralverwaltung eingesetzt wurde, zeigt Ivan Pederin in seiner Studie an zahlreichen Beispielen.201 Petter reiste 1853 schließlich nach Graz, kehrte aber doch bald nach Dalmatien zurück, um hier sein letztes Werk über das Land fertig zu stellen. Die schicksalhafte Reise endete tragisch. Er stürzte beim Verlassen des Dampfschiffes im Hafen von Kotor, verletzte sich dabei schwer und starb, bevor ärztliche Hilfe geholt werden konnte.202 Universell gebildet und in allen Disziplinen zuhause war er trotz seiner großen Vorbehalte ein aufmerksamer Beobachter und ein hervorragender Chronist. Er äußerte sich ebenso kompetent über die botanische Beschaffenheit des Hinterlandes von Split wie über die Geschichte einzelner dalmatinischen Inseln, der dort gesprochenen Dialekte und Volkstrachten. Von seinen zahlreichen Arbeiten seien »Das Koenigreich Dalmatien« (1841) und »Dalmatien in seinen verschiedenen Beziehungen« (1857) hervorgehoben. Zu den prominenten Dalmatien-Reisenden zählt auch der aus Bremen stammende Johann Georg Kohl (1808–1878). Er hatte bereits große Reisen in Europa 199 Ida von Düringsfeld  : Aus Dalmatien. Mit Anmerkungen von Otto Freiherrn von ReinsbergDüringsfeld, Teil 1, 2, 3 (= Reiseskizzen. Bde. 4, 5, 6). Prag 1857. Hier Bd. 4., S. 181. 200 Ida von Düringsfeld  : Aus Dalmatien. Bd. 6, S. 79. 201 Vgl. Pederin  : Njemački putopisi po Dalmaciji, S. 109 ff. 202 Vgl. ebd., S. 117.

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und in den Vereinigten Staaten von Amerika zurückgelegt. Seine Berichte gehören »zum Kanon der Reisebeschreibungen des deutschen Realismus.«203 Er bereiste Dalmatien 1850 und veröffentlichte schon ein Jahr später das zweibändige Werk »Reise nach Istrien, Dalmatien und Montenegro«. Dass er sich als Ausländer ungehindert im österreichischen Kronland bewegen und die Bibliotheken und Archive benutzen konnte, verdankte er dem Empfehlungsschreiben von Karl Ludwig Bruck, einem der Gründer der Schifffahrtsgesellschaft Lloyd, damals österreichischer Handelsminister.204 Kohls Buch war wegen seines populärwissenschaftlichen Stils und der großen Informationsfülle sehr verbreitet in Europa. Seine Schilderungen veranschaulichen den inneren Zwiespalt der Reisenden aus dem Westen  : Sie empfinden Dalmatien im Vergleich zum westlichen Europa als eine rückständige Region, sind aber doch von seiner kulturellen Tradition begeistert. Wie so viele Teile des Kaisertums Österreich würde Dalmatien durch die Germanisierung Anschluss an die entwickelte Welt gewinnen, aber womöglich auch seine Originalität einbüßen. Ein weiterer einflussreicher Autor von Reiseliteratur war Heinrich Noé (1835– 1896), der 1870 in Wien das Werk »Dalmatien und seine Inseln nebst Wanderungen durch die Schwarzen Berge« veröffentlichte. Er kam nach Dalmatien vor allem als Naturliebhaber, sodass seine Reisebeschreibungen hauptsächlich der Schilderung der spezifischen dalmatinischen Landschaft, des Karstes und der Menschen inmitten dieser Natur gewidmet ist. Heinrich Noé zeichnet mit sicherer Hand lebensweltliche Bilder, das Milieu der Dörfer wird naturalistisch wiedergegeben.205 Von Georg Baumberger (1855–1931), einem Schweizer Juristen, Politiker und Schriftsteller, sind zahlreiche Reisebeschreibungen, volkskundliche, religiöse und politische Texte überliefert. Sein Werk »Blaues Meer und schwarze Berge, Volksund Landschaftsbilder aus Krain, Istrien, Dalmatien, Montenegro« erschien 1900 in Einsiedel. Die literarisch arrivierteste Reiseschilderung über Dalmatien stellt Hermann Bahrs (1863–1934) Essay »Dalmatinische Reise« dar, der 1909 zuerst in der Berliner »Neuen Rundschau« erschien.206 Bahr, einflussreicher Förderer der Wiener Moderne, reiste mehrere Male nach Dalmatien, und sein Reisebericht zeigt 203 Vgl. Pederin  : Njemački putopisi po Dalmaciji, S. 164. 204 Vgl. ebd., S. 164. 205 Vgl. ebd., S. 238. 206 Hermann Bahr  : Dalmatinische Reise. In  : Die Neue Rundschau, 20 (1909) H. 3, S. 1136–1152, S. 1315–1332.

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deutlich seine eigene Unentschiedenheit zwischen Naturalismus, Symbolismus, Impressionismus und Dekadenz. Bereits das Eingangsaperçu über den montenegrinischen Kofferträger Milo Milošević, eine humoristische Miniatur, stellt Bahrs dramaturgisches Talent unter Beweis. Er schlüpft dabei wie selbstverständlich in die Rolle des Herrn, während dem Montenegriner genauso selbstverständlich der Diener auf den Leib geschrieben wird. Es gebe keine Gegenwart in dieser ewigen Stadt, die den Geist vergangener Zeiten atme, meint Bahr angesichts der geschichtsträchtigen Schönheit Dubrovniks. Dabei belässt er es nicht bei der Beschreibung der Schönheit der Natur und der Stadt, sondern ergänzt vielmehr seinen impressionistischen Reisebericht um einschlägiges Wissen über die älteste kroatische Literatur. Bahrs Reflexionen über die ethnischen und sprachlichen Unterschiede zwischen Serben und Kroaten sind jedoch von einem verblüffend naiven Enthusiasmus beflügelt  : »Der Unterschied zwischen Serben und Kroaten scheint erloschen.«207 Noch während seiner letzten Reise nach Dubrovnik vier Jahre zuvor (1900), hatte Bahr geschrieben, er sei Zeuge eines starken Zwistes gewesen, der inzwischen einem eher harmonischen Nebeneinander gewichen sei. Eine optimistische Wahrnehmung, die den wahren Zuständen nicht entsprach. Bahrs plakative Charakterisierung des in seiner Vorstellung kroatischen Grundcharakters ist in seiner Einfachheit nicht ohne ein ›Körnchen‹ Wahrheit. Der typische Kroate sei ein Ergebnis der Begegnung zwischen dem Osten und dem Westen, mit deutlich östlichem Einschlag, innerlich zeichne ihn eine Diener-Mentalität aus – eine bittere Diagnose trotz der reizenden romantischen Verpackung. Gleichwohl darf der Außenblick dieses wohlwollenden intellektuellen gentil uomo aus dem Zentrum der Macht nicht von der Hand gewiesen werden, wenn er schreibt  : Der Habitus dieser Kroaten ist  : weiches dunkles Haar, meist ganz kurz geschnitten, ein kleiner Schnurrbart, ein gelbes, matt glänzendes Gesicht, eine schmale gerade Nase mit zuckenden Flügeln, die mandelförmigen Augen schief unter gesenkten Lidern blinzelnd, ermüdet und verschlafen, die Stimme weich und klagend. Und innerlich  : von einer unbestimmten Sehnsucht voll und tief im Herzen beklommen, mit dem einzigen Wunsch, still gehorchen zu dürfen. Ich muß schon sagen, mir wären diese »Hochverräter« noch viel sympathischer, hätten sie nicht so stark den Trieb in sich, treue Diener zu sein.208

Hermann Bahr vertrat ein kulturelles Globalisierungskonzept avant la lettre und war mit seiner Durchsetzung innerhalb Österreich-Ungarns intensiv beschäftigt. 207 Ebd., S. 1151. 208 Ebd., S. 1152.

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Die Quelle der allgemeinen Prosperität der Monarchie und wohl auch ihren zentralen Stabilitätsfaktor erkannte er im Kulturpotenzial der slawischen Völker, die die Mehrheit innerhalb des Vielvölkerstaates stellten. Er erachtete es als seine Aufgabe, slawische Literatur und Kultur in Wien bekanntzumachen, und umgekehrt die Kenntnis der deutschen und österreichischen Kultur bei den slawischen Völkern zu verbreiten. Dieser unermüdliche Brückenbauer hat kulturelle Transfers ermöglicht, von denen die jeweiligen Nationalliteraturen, nicht zuletzt die kroatische, noch lange zehrten. Für Bahr war Dalmatien eine ernste politische Angelegenheit. Seine Forderungen nach tatkräftigen wirtschaftlichen Initiativen von Seiten der österreichischen Regierung blieben zwar ohne großen Erfolg, er machte jedoch auf eine zurückgebliebene, politisch und wirtschaftlich verwahrloste Region aufmerksam. Seine Vorstellung, Dalmatien solle durch entsprechende Investitionen zu einem touristischen Paradies der Monarchie werden, wurde jedoch nie umgesetzt. Allerdings hat Bahr die wahre Natur der Unzufriedenheit und des Sezessionswunsches der slawischen Völker in ihrer ganzen Komplexität nicht nachvollziehen können. Wie Donald G. Daviau feststellt, wollten die slawischen Kulturträger ihrem »greatest champion in Austria and Europe«209 nicht die ganze Wahrheit sagen, wie sie die Loyalität der Slawen dem Kaiser gegenüber richtig einschätzten. »Thus, insulted from any contact with the reality of the strong anti-Habsburg feeling among the Slavic nations and unable to read the publications, Bahr could continue to emphasize in his writings that the people, while rightly wanting independence and self-rule, at the same time wanted to remain loyal Austrians.«210 Hermann Bahr, der in der Zeit von 1894 bis zum Ersten Weltkrieg unermüdlich durch das Reich der Habsburger reiste und intensiv um eine kulturelle Beförderung der Völkerverständigung bemüht war, hat die national-politischen und auch kulturellen Realitäten der einzelnen Länder der Monarchie mitunter einfach falsch eingeschätzt. Er hat vor allem übersehen, dass die slawischen Völker in dieser letzten Epoche Österreich-Ungarns auf die Erlangung der Autonomie erpicht waren. Das von ihm mit Enthusiasmus vertretene Modell der Zusam209 Donald G. Daviau  : Hermann Bahr  : An Extraordinary Example of Transnational Networking, with special Reference to Central Europe. In  : Kakanien revisited, 12.03.2004, S. 9. In  : http:// www.kakanien.ac.at/beitr/ncs/DDaviau1.pdf [Zugriff vom 6.1.2010]. Vgl. auch  : Svjetlan Lacko Vidulić  : Hermann Bahrs slawischer Kulturtransfer. In  : Zagreber germanistische Beiträge, 11 (2001), S. 290–293. 210 Donald G. Daviau  : Hermann Bahr, ebd.

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menarbeit zwischen Österreich und dem östlichen Teil der Monarchie blieb eine Vision, die ihrer Zeit weit voraus war. Auch die Mitglieder des Hauses Habsburg bereisten während der Herrschaft Österreichs in Dalmatien von 1797 bis 1918 gelegentlich den mediterranen Teil ihres Reiches. Schon Kaiser Franz I. (bis 1806 Kaiser Franz II.), letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, fuhr 1818 durch Dalmatien und hinterließ den Bericht »Bereisung meines Königreiches Dalmatien, dann Croatiens Militär Grenze«.211 Von April bis Mai 1875 unternahm Kaiser Franz Joseph I. eine ausgedehnte Studienreise, die er in der Schrift »Bereisung meines Königreiches Dalmatien, dann Croatiens Militär-Grenze und dessen Provinciale« festhielt.212 Damit ist die Liste jener Autoren, die ihre Reise nach Dalmatien literarisch verarbeitet haben, noch lange nicht erschöpft. Zahlreiche Schriftsteller rücken ihr Dalmatien-Erlebnis ins thematische Zentrum ihrer Novellen, Romane, Dramen und Gedichte. Einige seien hier angeführt  : Rudolf von Labrés »Spätes Glück« (1911), Ernst Décsey »Die Insel der seine Träume« (1912), Arthur Achleitner »Reise im slavischen Süden« (1913), Alfred Maderno »Scirocco« (1916), Bruno Ertler »Venus die Feindin« und »Venus im Morgen« (1921), Adolf Karl Mayer »Die blaue Bucht« (1950), Rudolf Sieber »Dalmatinische Elegien« (1929), »Madonna mit dem Dolche« (1931), »Ein Phantom« (1929), Maria Grengg »Die Liebesinsel« (1934) und Josef Friedrich Perkonig »Lopud, Insel der Helden« (1938), Neuauflage »Liebeslied am Meer« (1955). Serbien und Montenegro – Reiseziel für Politikkundige Die Entdeckung Serbiens durch europäische Reisende fiel in die Epoche der Romantik, in der die Gattung der Reisebeschreibung eine besondere Bedeutung erhielt. Die Verallgemeinerung und ihre didaktisch-utilitaristische Manier werden durch den Subjektivismus des individuellen Erlebens verdrängt. Die Romantiker erblickten den Wert des Reisens in der Reise selbst, in der Freude an den Landschaften, im Kennenlernen von fremden Menschen, ihrer Sitten, Sprache und Kultur. Alle großen Dichter der Romantik haben Reiseliteratur geschrieben, sie schätzten die Subjektivität ihrer Ausdrucksmöglichkeiten. Oft zog es sie in unbekannte Gebiete und exotische Gegenden, und es liegt auf der Hand, dass für den fernen, fremden Raum ein genuines Interesse vorhanden war. 211 Das Manuskript wird aufbewahrt im Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Familienarchiv, Wien. 212 Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Familienarchiv, Wien. Hofreisen 35.

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Einer der bedeutendsten Reisenden nach Serbien war Arthur Schott (1814– 1875), Dichter, Land- und Forstwirt, der mit seinem Bruder Albert Volkslieder und -märchen gesammelt hat. Er veröffentlichte in Cottas Zeitschrift »Das Ausland« und in der »Allgemeinen Zeitung« von 1841 bis 1850 seine Reiseeindrücke aus Serbien und Banat, 1850 folgte eine Gedichtsammlung mit dem Titel »Serbien«. Schott reiht sich in die Riege jener deutschen und österreichischen Reisenden ein, die das europäische Serbienbild nachhaltig mitgeprägt und als kulturelle Vermittler für die Verbreitung und Popularität des serbischen und südslawischen Volksliedes gesorgt haben. Als Beispiel sei das typische Reisegedicht »Im Waldthal von Meidanpek« aus dem Zyklus »Serbien« gewählt. Majdanpek, ein wichtiger Bergwerksort im Nordosten Serbiens, liegt inmitten einer reizenden Tallandschaft, die von dem Reisenden aus Deutschland romantisch verklärt wird. Im Waldthal von Meidanpek Es hält der Wald bis oben aus Ein stilles Thal umschlossen, Drin kommt mit tollem Saus und Braus Ein Wildbach hergeschossen. Er tobt und jagt und höhnt die Nacht In ihrer ernsten Stille, Felsunter stürzt er ungeschlacht, Thalnieder geht sein Wille. Ein Laubzelt und ein Reiserdach Sind nah dran aufgeschlagen, Darunter wir der Reihe nach Nachtruhe haltend lagen. Dann rechts und links, zur Seite auch Zwei helle Feuer brannten, Die lodernd ihren fahlen Rauch, Ein Windesspiel versandten. Hoch zog er hin durch Wald und Thal Am Berghang gipfelüber,

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Dort sah mit seinem frommen Strahl Der Abendstern herüber. Als wenn er den erreichen wollt’, So zog er in die Ferne, Mir war, als hätt’ ich mitgesollt, Zu jenem schönen Sterne. Es war, als ob in meiner Brust Mir selbst ein Feuer brenne Und als ob drinnen voller Lust Ein Wildbach niederränne. Ja mir schiens gar am Ende auch, Sie lebe in dem Sterne Und meine Sehnsucht zög als Rauch, Ihr nach in jene Ferne.213

Auffällig, wie versiert gereimt, wie geschickt von der Außenperspektive der Natur in die Innenperspektive des lyrischen Ichs gewechselt wird. Und doch wird das Motiv des Fernwehs und der Liebessehnsucht von Schott recht konventionell gestaltet. Auffällig ist aber auch, dass außer dem unmittelbaren Erlebnis der Landschaft kaum Reflexionen über die konkrete Erfahrung des Landes, die serbische Gegenwart gar, in den Text eingehen. Beim Cotta-Verlag bestand bereits im 19. Jahrhundert eine gewisse Tradition der Reiseliteratur aus den südslawischen Gebieten  : Der Sprachforscher und Schöpfer des modernen Serbisch Vuk Stefanović Karadžić etwa publizierte hier 1837 seine Schrift »Montenegro und die Montenegriner. Ein Beitrag zur Kenntnis der europäischen Türkei und des serbischen Volkes«, wobei davon auszugehen ist, dass das kleine Fürstentum mit langer Unabhängigkeitstradition mit dem Titel unzufrieden war  : Als eigenständige Nation fühlten sich die Montenegriner trotz zeitweiliger Zweckbündnisse keinesfalls mit den Serben identisch, und als orthodoxe Christen waren sie auch stets auf Distanz zur Hohen Pforte. 213 Arthur Schott  : Im Waldthal von Meidanpek (aus der Sammlung »Gedichte von Arthur Schott«). Stuttgart 1850. Zitiert nach  : Miljan Mojašević  : Stihovi i putopisne crtice Artura Šota o Srbiji i Banatu (1841–1850) (Verse und Reisenotizen Arthur Schotts über Bosnien und das Banat [1841–1850]). Belgrad 1990, S. 13 f.

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Nur selten sind Reisebeschreibungen von bleibendem literarischem Wert vorgelegt worden. Das kulturologische Interesse und die Verfolgung pragmatischer politischer Ziele überwiegen in der allgemeinen Beurteilung der auf Serbien und Montenegro konzentrierten Reisebeschreibungen, wie Zoran Konstantinović in seiner grundlegenden Studie feststellt  :214 Er setzt im Mittelalter an und kommentiert Berichte deutscher Humanisten über Serbien, vor allem die Arbeiten von Otto Dubislav von Pirch, Siegfried Kapper und Felix Philipp Kanitz. In chronologischer Reihenfolge wendet er sich gegen Ende Hermann Wendel zu, der hier bereits erwähnt wurde. Wendel, der während der Balkankriege in Belgrad weilte und die serbische Sprache erlernte, behandelt in seinem Buch »Aus der Welt der Südslawen. Politisches, Sozialistisches, nebst zwei Südslawienfahrten und Nachdichtungen südslawischer Lyrik« (1926) vornehmlich Serbien. Was die Reisebeschreibungen über Serbien und Montenegro von derjenigen über Slowenien, Dalmatien, Bosnien und Zivilkroatien unterscheidet, ist die grundsätzliche Motivation und das geopolitische Interesse. Da die serbischen und montenegrinischen Herrscherhäuser im Unterschied zu den anderen in dieser Studie behandelten Gebieten bis 1918 weitgehend souverän waren, betraten die Besucher von Serbien und Montenegro selbstständige Länder, an die sie bestimmte Erwartungen knüpften. Ihr Hauptinteresse galt in der Regel den politischen Verhältnissen, dem jeweiligen Herrscherhaus, den Institutionen der Staatsmacht, dem Vergleich der allgemeinen politischen Führung und der politischen Institutionen mit Österreich oder Deutschland. Natürlich ließ man die Bevölkerung mit ihrer Lebensart, ihren Sitten und Gebräuchen nicht außer Acht, ausschlaggebend war aber das politische Interesse. Dieser Aspekt des anhaltenden politischen und kulturellen Transfers zwischen den Deutschen und den Serben steht auch im Mittelpunkt der Studie von Zoran Konstantinović über »Deutschserbische Begegnungen. Überlegungen zur Geschichte der gegenseitigen Beziehungen zweier Völker« (1977). Der Autor zeichnet hier die seit dem Mittelalter anhaltende Linie gegenseitiger Befruchtung im Geistigen und Kulturellen nach. So gesehen ist Arthur Schott nicht zuletzt als Ahnherr und Wegbereiter Peter Handkes zu bezeichnen, eines der letzten prominenten Serbien-Reisenden, der 140 Jahre nach Schott eine politisch motivierte Erkundung Serbiens mittels eines poetischen Reiseberichts unternahm und damit viel Staub aufwirbelte. Handkes Essay »Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien« (1996) und sein »Sommerlicher Nachtrag zu ei214 Zoran Konstantinović  : Deutsche Reisebeschreibungen über Serbien und Montenegro. München 1960.

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ner winterlichen Reise« aus demselben Jahr nehmen sich vor dem Hintergrund der reichhaltigen Reiseliteratur deutscher Forscher und Abenteurer als Radikalisierung eines literarischen Genres aus, das schon lange vor Handke brisant-kritische, provozierende, oft auch extreme Urteile über das Volk und seine Bräuche gezeitigt hat. Übrigens hatte bereits Schott einen kurzen Aufenthalt in Belgrad dazu genutzt, die Lebensbedingungen in der Stadt zu analysieren und die Stadtfestung Kalemegdan genau unter die Lupe zu nehmen.215 Im Januar 1916 kapitulierte die montenegrinische Armee vor ÖsterreichUngarn, am 17. August 1916 wurde im Auftrag der österreichischen Besatzungsmacht die erste Nummer der »Cetinjer Zeitung« gedruckt, einer – wie es im Impressum heißt – illustrierten Zeitung, die zweimal wöchentlich, nämlich donnerstags und sonntags (mit Beilage), erschien. Neben der Huldigung und Treuebekundung an das Herrscherhaus und Kaiser Franz Joseph I. enthält das Heft hauptsächlich Nachrichten von der Front. Die Sonntagsbeilagen – zur Unterhaltung und Information – bringen neben regelmäßigen literarischen Texten auch einige Originalbeiträge. Im Literaturteil kommen vor allem Autoren aus der Monarchie zum Wort. Das Heft 44 vom 21. Oktober 1917 etwa bringt die Erzählung »Der Pfennig mit dem Auge« des galizischen Dichters Bruno Schulz. Der Aufstand der Matrosen von Cattaro kurz vor dem Zusammenbruch der Monarchie 1918, die gegen die menschenunwürdige Behandlung durch die Obrigkeit protestierten, wurde von der österreichischen Armee brutal niedergeschlagen. Der Aufstand wurde zum locus classicus der Entrüstung europäischer Intellektueller, prominente Linke haben sich des Stoffes angenommen  : So verfasste etwa der österreichische Marxist Bruno Frei 1927 das Pamphlet »Die roten Matrosen von Cattaro, eine Episode aus dem Revolutionsjahr 1918«, und sein deutscher Gesinnungsgefährte Friedrich Wolf veröffentlichte 1930 sein Stück »Die Matrosen von Cattaro«, das 1948 ins Serbische übersetzt wurde.

7. Hauptstädte des deutschen Bürgertums Vorbemerkung Die Literatur der deutschen Sprache im Raum des ehemaligen Jugoslawien ist das Ergebnis einer heranwachsenden Stadtkultur. Sie ist stets, im Wandel der Jahrhunderte, eine Minderheitenliteratur gewesen, an Minderheiten im kultu215 Vgl. etwa Arthur Schotts Beiträge im »Ausland« vom 3. Januar 1846, S. 9–11, 4. Januar 1846, S. 13–15, 5. Januar 1846, S. 18 f., 6. Januar 1846, S. 22 f.

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rellen oder auch im ethnischen Sinne gebunden. Ihre Verfasser waren Bewohner unterschiedlicher Teile des Kaisertums Österreich, Angehörige verschiedenster Nationalitäten, oft aber auch solche, die keine feste Identität hatten. Diese Deutschen, Juden, Slowenen, Kroaten, Serben, Tschechen u. a. waren manchmal sesshaft, oft aber intellektuelle Migranten, die im Laufe ihrer literarischen Karriere weite Teile des Vielvölkerreiches durchwandert hatten. Was sie untereinander verband, war die deutsche Sprache. Ihre Biografien ebenso wie ihre Literatur konnten nur auf dem Humus der bürgerlichen Lebensformen gedeihen. Denn diese Literatur entstand nicht als Reflex eines deutschen ›Volkstums‹, dazu war sie innerlich allzu inkonsistent. Die Folklore und die spezifischen Formen der ländlichen Kultur sind ihr zwar als Kernmotive der im 19. und im frühen 20. Jahrhundert sehr verbreiteten Heimatliteratur nicht fremd, doch sie stehen hier nicht im Dienste der Bodenhaftung und der Suggestion einer völkischen Zusammengehörigkeit. Das Völkische im Sinne des Nationalistischen ist in dieser Literatur eher eine – auf die Epoche des Nationalsozialismus beschränkte – Ausnahme. Oft waren es sehr kleine Städte von einigen Tausend Einwohnern, in denen die unabdingbaren Medien des literarischen Lebens vorhanden waren  : Druckereien, oft in Personalunion mit Verlegern bzw. Verlagen, Presseorganen, Feuilletonredaktionen, Bibliotheken, gelegentlich auch Mäzene, und nicht zuletzt das Lesepublikum und die Schulen. Ohne den im gesamten Raum so wichtigen Schutzraum der Cafés, die den Habitués zwar oft einen minimalen, aber doch, schon wegen der greifbaren internationalen Presse, ein Flair des Weltmännischen, gar Kosmopolitischen verliehen, hätte sich manch eine Biografie der hier vertretenen Dichter und Dichterinnen anders gestaltet. Ljubljana, Zagreb, Varaždin und Osijek sind für das Heranwachsen der deutschen Literatur die besonders repräsentativen, wenn auch keineswegs die einzigen Umschlagplätze des literarischen Lebens in dem hier behandeltender Zeitraum. Ljubljana (Laibach) Die Hauptstadt Krains entwickelte sich an der wichtigen Kreuzung der Wege aus dem Norden nach Osten und Süden  ; der deutsche Ortsname Laibach ist seit 1144 überliefert. Um 1700 zählte die Stadt knapp über 7 000 Einwohner, wuchs im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts an, zählte um 1900 etwa 40 000 Einwohner. Der Anteil der Deutschen belief sich auf ca. 15 %. Das barocke Zentrum dominiert bis heute das Stadtbild  : mit Auersperg-Palais, Sitticher Hof und Franziskanerkirche. Kirchen im barocken Stil umkränzen die Umgebung von

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Ljubljana und verleihen der Landschaft von Krain und der südlichen Steiermark die typische Prägung einer langen Zugehörigkeit zum Reich der Habsburger (seit 1335). Die einflussreiche Adelsfamilie Auersperg prägte Krain durch zahlreiche Baumaßnahmen, die Familie Attems die südliche Steiermark. Ein »Wöchentliches Kundschaftsblatt des Herzogthums Krain« erschien in Ljubljana 1775/76, im Jahr 1783 wurde die »Laibacher Zeitung« gegründet, die bis 1918 existierte. Mitte des 16. Jahrhunderts war Ljubljana das Zentrum der slowenischen Reformation. Mit ihr rücken die slowenische Sprache und erstmals auch die in slowenischer Sprache gedruckten Bücher ins Zentrum des politischen und kulturellen Lebens. Damit wurde die Basis für die slowenische Schrift- und Literatursprache gelegt, die durch France Prešeren in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschlossen wurde. Der nationale Differenzierungsprozess jedoch prägte Politik und Kultur im ganzen Jahrhundert. Joachim Hösler bringt dies auf den Punkt  : »Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden sowohl aus ›Krainern‹ als auch aus ›Steirern‹ ›Deutsche‹ und ›Slowenen‹.«216 Während der Besetzung durch die Truppen Napoleons zur Hauptstadt der Illyrischen Provinzen ausgerufen, behauptete sich Ljubljana zum ersten Mal in seiner Geschichte als eine slowenische Stadt mit dem Slowenischen als Schul- und Amtssprache  ; dies jedoch nur bis 1813, als die repressive Sprachpolitik der Habsburger wieder einsetzte. Das Slowenische konkurrierte mit dem Deutschen, das während der Herrschaft der Habsburger neben Amts- und Schulsprache gleichzeitig auch tonangebende Kultursprache war. Ein flächendeckendes Schulwesen überzog die slowenischen Gebiete mit Trivial-, Haupt- und Normalschulen (Lehrerausbildungsanstalten) mit Deutsch als Unterrichtssprache. Von Januar bis Mai 1821 tagte der Kongress in Ljubljana, den die Kaiser von Österreich und Russland zwecks Beratungen über die politische Lage in Italien einberufen hatten. Der König Siziliens und der Herzog von Modena nahmen an den Beratungen teil, ebenso wie etwa fünfhundert weitere Gäste aus Politik und Diplomatie. Dies war ein Großereignis für die damals etwa 20 000 Einwohner zählende Stadt.217 Der Umsturz der liberalen Verfassung in Neapel durch die österreichische Armee und die Wiederherstellung der vorrevolutionären Ord216 Joachim Hösler  : Von Krain zu Slowenien  : Die Anfänge der nationalen Differenzierungsprozesse in Krain und der Untersteiermark von der Aufklärung bis zur Revolution 1768 bis 1848. München 2006, S. 11. 217 Darüber schreibt ausführlich Miladinović Zalaznik  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen. Ljubljana 2002, S. 2 ff.

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nung waren unmittelbare Folgen der in Ljubljana erlassenen Beschlüsse. Die politische Intervention zur Bewahrung des konservativ-monarchischen Prinzips entsprach den Prinzipien der Heiligen Allianz und ihrer auf dem Wiener Kongress fixierten Politik der Restauration, die in Ljubljana, ähnlich wie bei den Konferenzen von Aachen, Opava und Verona, bestätigt wurde. Über die Umstände der monatelangen Sitzungen und Beratungen des Kongresses hat der Krainer Historiker Heinrich Costa (1799–1871) Tagebuch geführt – eine aufschlussreiche Schilderung des politischen Taktierens und auch des sozialen und kulturellen Umfelds. Der Kongress als ein Erinnerungsort des monarchischen Prinzips fand viel später seinen Niederschlag auch in der slowenischen Literatur  : Janez Trdina (1830–1905) publizierte die Erzählung »Dve ljubici« (Zwei Liebchen) 1905 im »Ljubljanski zvon« (Die Glocke von Ljubljana). Diese zentrale slowenische Literaturzeitschrift seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert mit dem Untertitel »Leposloven in znanstven list« (»Literarische und wissenschaftliche Zeitschrift«) erschien monatlich und über zwei Generationen, von 1881 bis 1941  ; ähnlich dauerhaft war nur noch »Dom in svet« (Das Heim und die Welt), publiziert von 1888 bis 1944. Der slowenische Realist Ivan Tavčar (1851–1923) gestaltete unter Rückgriff auf das Tagebuch von Heinrich Costa einen historischen Roman über das mehr als 80 Jahre zurückliegende Ereignis des Laibacher Kongresses  : »Izza kongresa« (Hinter dem Kongress) erschien ebenfalls im »Ljubljanski zvon« als Fortsetzungsroman (1905–1908).218 Tavčar schaut darin hinter die Kulissen der politischen Verhandlungen und beobachtet gekrönte Häupter und führende europäische Politiker im Kontakt mit den Bewohnern von Ljubljana. Zum Motto seines umfangreichen Romans wählt er das Lob des Kongresses aus dem Tagebuch Heinrich Costas  : »Das denkwürdige Jahr, in welchem die Huld und Gnade des allgütigsten Monarchen die größten Staatsmänner dieses Jahrhunderts und in den wichtigsten Staatsangelegenheiten in Laibach versammelte, steht in den Jahrbüchern Krains e[i]nzig und alles Wichtige der Vergangenheit überbietend da.«219 Neben den deutschsprachigen Beamten, Lehrern und Kaufleuten zogen auch Künstler, Publizisten und Schriftsteller, die am Aufbau des Pressewesens mitgewirkt hatten, nach Ljubljana als einer mittelgroßen Stadt mit aufstrebendem Bürgertum. Der Wiener Dichter Franz Hermann von Hermannsthal, ein Freund von Franz Grillparzer und Friedrich Hebbel, kam als Staatsbeamter 1831 nach 218 Ebd., S. 10 f. 219 Ivan Tavčar  : Zbrano delo (Gesammelte Werke). Ljubljana 1955, Bd. 5, S. 7. Zu Heinrich Costa siehe Joachim Hösler  : Von Krain zu Slowenien.

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Ljubljana. Er wurde in den Poetenkreis um den Gelehrten Matija Čop und France Prešeren aufgenommen. Im Jahr 1837 trat er aus dem Staatsdienst aus, um sich ganz der Literatur zu widmen, und übernahm von 1840 bis 1843 die Redaktion der Literaturzeitschrift »Carniolia«. Er schrieb Gedichte, Dramen und im Jahr 1837 die autobiografische Schrift »Mein Lebenslauf in der Fremde«. Die von Hermannsthal nach Ljubljana mitgebrachte Versform des Ghasels erfuhr im poetischen Schaffen France Prešerens eine wahre Blüte. Edward (Eduard) Samhaber (1846–1898) kam 1878 als Lehrer nach Ljubljana. Er beteiligte sich maßgeblich an der Errichtung des »Deutschen Schulvereins« (1880), der den Zweck hatte, ein deutsches Schulwesen in jenen Gebieten zu entwickeln, in denen deutsche Kultur und Sprachunterricht durch Nationalitätenkonflikte gefährdet waren. Samhaber verfolgte ein deutschnationales Programm, das er in einer Ode unverblümt zum Ausdruck brachte, die im »Laibacher Wochenblatt«, dem Organ der Verfassungspartei in Krain, im Januar 1885 erschien  : So lebe, blühe, wachse und gedeihe »Carniolia«  ! Und jene alma mater, Die groß geworden unter deutschem Schutze, Sie möge Dir auch ihren Schirm verleihen, Auf das Ihr einstens, trutziglich gerüstet Mit allen Waffen, die das Volksthum braucht, Uns wiederkehrt zu ernstem Manneswirken, Dem Heimatland zum Segen, nicht zum Fluch. Denn stolz und stolzer muß ich es bekennen  : »In unser’m Lager, nicht in dem der Feinde, Ist Oesterreich, und dieses lebe hoch  !«220

Samhaber trat aber durch seine Übertragung der Verse des slowenischen Nationaldichters France Prešeren (1880) auch als kultureller Vermittler zwischen den Slowenen und den Deutschen hervor, freilich mit dem Gestus »interkultureller Asymmetrie«,221 wie er bereits von Anastasius Grün vorgegeben worden 220 Eduard Samhaber  : Ode. In  : Laibacher Wochenblatt, 3. Januar 1885, H. 230. Zitiert nach  : Miladinović Zalaznik  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen. Ljubljana 2002, S. 153. 221 Ralf Georg Bogner, Andreas Brandtner (Hg.)  : Interkulturelle Asymmetrie. Edward Samhabers Übertragung des slowenischen Nationalautors France Prešeren. Mit einer Edition der »Preširenklänge« (1880) von Edward Samhaber. Wien u. a. 1999.

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war. Dieses hegemoniale Konzept räumt den Deutschen ein selbstverständliches Recht ein, den ›kulturell unterentwickelten‹ Slowenen durch entsprechende Initiativen, etwa im Schulwesen oder durch Übersetzungen, das Erreichen einer ›höheren Kulturstufe‹ zu ermöglichen. Wichtigster Ort der mitteleuropäischen bürgerlichen Geselligkeit war auch in Ljubljana das Kaffeehaus. Es gab deutsche und slowenische Lokale, sodass die Kaffeehauskultur jene anfangs latente Zweiteilung widerspiegelte, die die Gesellschaft gegen Ende des Jahrhunderts immer stärker entzweien sollte. Die wichtigsten deutschen Lokale waren das »Kasino« und das »Union«, deren Hauptpublikum das deutsche Bürgertum, Beamte und Offiziere stellte. 222 Das 1799 gegründete »Kasino« wurde auch von Matija Čop und France Prešeren besucht, die der deutschen Kultur ohnehin verpflichtet waren. Nicht zuletzt hat der bedeutendste slowenische Dichter der Moderne Ivan Cankar das deutsche »Union« den rein slowenischen Lokalen vorgezogen. Die Grenzen zwischen einzelnen Sprachen und Kulturen waren um die Mitte des 19. Jahrhunderts keinesfalls klar gezogen, zahlreiche Dichter waren auch später noch Teil beider Literaturen. So auch die Lyrikerin und Übersetzerin Lili Novy (1885–1958), die Zeit ihres Lebens in Ljubljana als Brückenbauerin wirkte. In die deutsch-slowenische Familie Haumeder in Graz hineingeboren, wuchs sie zweisprachig auf und verfasste ihre ersten Gedichte auf Deutsch. Sie wurden in den 1920er Jahren in der Braunschweiger Kulturzeitschrift »Westermanns Monatshefte« gedruckt. Im November 1923 etwa erschien in Heft 807 »Erster Ball«, ein lieblich-romantisches Gedicht über die Einführung eines jungen Mädchens in die Gesellschaft. Der Ballsaal und seine Rituale waren der Adelstochter Lili Haumeder gut vertraut, sodass sie das eigene Erleben ins Gedicht einflechten konnte. Die vier Strophen zeigen eine klare metrische Struktur, die Dichterin führt sie mit sicherer Hand aus. Zwar mutet das Motiv banal an, gleichwohl stecken hinter dem oberflächlichen Reiz Einblicke in die Psyche eines jungen Mädchens, das gerade die Grenze zwischen der Kindheit und der Jugend überschritten hat. »Doch sieh  ! Was hält die kleine Hand umschlossen  ? / Von roten Rosen einen vollen Strauß. / Ich hab’ ein Tränlein heimlich-still vergossen  : / Der Kindheit lichte Tage sind verflossen  : / Die Rosen blühn, Schneeglöckchens Zeit ist aus.«223 Schon in der Mitte der 1920 Jahre galt Lili Novy als renommierte Lyrikerin, der es gelungen war, in 222 Vgl. Katja Sturm-Schnabel  : Das literarische Kaffeehaus in Ljubljana/Laibach. In  : Michael Rössner (Hg.)  : Literarische Kaffeehäuser. Kaffeehausliteraturen. Wien 1999, S. 197–209. 223 Lily Novy  : Erster Ball. In  : Westermanns Monatshefte, (1923) H. 807, S. 232.

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die bedeutende, von Männern dominierte Tafelrunde der sogenannten »Penati« (Penaten) einzudringen. Ihre einzige gedruckte Sammlung deutscher Gedichte, »Lillys Gedichte« (1929), widmete sie ihrer Freundin Vida Novak.224 Bereits in ihrer Jugend wandte sich Novy dem Slowenischen zu, um dann bis an ihr Lebensende in dieser Sprache dichterisch wirksam zu bleiben. Das Lob und die Anerkennung des großen slowenischen Dichters Oton Župančič waren dabei ausschlaggebend. Die deutsche Kompetenz Lili Novys kam umso mehr in ihren Übersetzungen und Nachdichtungen aus dem Slowenischen, Kroatischen und Serbischen ins Deutsche zum Ausdruck. Die meisten dieser Übersetzungen erschienen in den Zagreber deutschen Tageszeitungen »Agramer Zeitung« und »Morgenblatt«. Sie übersetzte Gedichte von France Prešeren (1936) und Oton Župančič (1932, 1934, 1938) und gab anlässlich des Kongresses des P.E.N. in Dubrovnik 1933 eine Auswahl zeitgenössischer slowenischer Lyrik mit dem Titel »Blätter aus der slowenischen Lyrik« heraus. Eine ähnliche Struktur hatte ihre Sammlung von Übersetzungen »Jugoslawische Frauenlyrik in deutschen Übertragungen« (1936), worin serbische, kroatische und slowenische Dichterinnen vertreten sind, wie etwa Božena Begović, Iva Rod, Ivana Brlić-Mažuranić, Vida Taufer und Vera Albrecht. Vergleichbares leistete die Wissenschaftlerin und Pädagogin Camilla Lucerna in Zagreb, mit der Lili Novy befreundet war, ebenso wie mit der Lyrikerin Paula von Preradović. Zagreb (Agram) Das deutsche Zagreb erfuhr seine wesentliche Prägung durch die von Wien aus dirigierten Verwaltungsmaßnahmen, welche die Dominanz der deutschen Sprache in Administration und Politik garantieren sollten. Dies spiegelte sich in der Presselandschaft und im kulturellen Leben wider. Den Nährboden für die breite Akzeptanz der deutschen Sprache bildeten jedoch nicht die Zwänge des bürokratischen Apparats, sondern dieser wurde von der ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Tradition der Anlehnung an die deutsche Kultur geschaffen. Die Hauptstadt Kroatiens ist historisch wie architektonisch aus zwei Teilen zusammengewachsen  : aus der mittelalterlichen »Oberen Stadt«, auf einem Hügel gelegen, und der neueren »Unteren Stadt«, die sich am Fuß des Hügels ausbreitet. Der neuere Teil geht größtenteils auf Bauinitiativen im 19. Jahrhundert zurück  ; 224 Jože Javoršek  : Lili Novy. Ljubljana 1984, S. 72. Vgl. Meta Grosman  : Neznana Lili Novy (Die unbekannte Lili Novy). In  : Naši razgledi, 14. Februar 1986.

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das Stadtbild ist durch zweistöckige neoklassizistische Häuser geprägt. Um 1870 zählte Zagreb etwa 20 000 Einwohner. Erst nach 1880, während der Herrschaft des Banus Khuen-Héderváry, bekommt es – durch die Industrialisierung und einen verstärkten Handelsaustausch mit dem Westen – das Profil einer modernen europäischen Stadt. Der kroatische Dichter Miroslav Krleža (1893–1981) spöttelte, dass diese langweiligen, »miserablen« zweistöckigen Häuser mit ihren unkomfortablen Zweizimmerwohnungen und den direkt in die Küche integrierten Tafelbetten für die Dienstmädchen der beste Beweis für die eklatante Geringschätzung seien, die Wien und Budapest ihren peripheren ›Kolonien‹ entgegenbrächten. In den Metropolen der Doppelmonarchie baue man die Häuser mindestens vierstöckig und wesentlich komfortabler, monierte er. Innerhalb von zwei Jahren erbauten die Wiener Architekten Hermann Helmer und Ferdinand Fellner, die im Zeitraum von 1873 bis 1918 in ÖsterreichUngarn 48 Theaterhäuser errichtet hatten, das Kroatische Nationaltheater, das am 14. Oktober 1895 von Kaiser Franz Joseph I. feierlich eröffnet wurde. Ganze Straßenzüge um das Theatergebäude wurden in diese Baumaßnahme mit einbezogen, bis hin zum Hauptbahnhof. Am Jelačić-Platz, dem Mittelpunkt der Stadt, nach dem heldenhaften Vizekönig benannt, prangten fünf Kaffeehäuser der ›Wiener Art‹, die ein lebhaftes Gefühl der Beheimatung vermittelten. Die führenden literarischen Cafés »Corso« und »Bauer« wurden von Bohemiens frequentiert, und »Bauer« warb mit fünfzig in- und ausländischen Zeitungen und Zeitschriften. Ein Treffpunkt linker Intellektueller war auch das Café des noblen »Hotels Esplanade« in der Nähe des Hauptbahnhofs. Die Anfänge der deutsch-kroatischen Literatur, die bloße gesellschaftliche Konvention war, gehen auf das späte 18. Jahrhundert zurück. Einer der ersten dokumentierten deutschen Schriftsteller in Zagreb war Josip Sagara, 1758 geboren und mit unbekanntem Sterbejahr. Sagara ist längst vergessen, ebenso seine Frau Ana, die sich ebenfalls als deutsche Dichterin versuchte. Ferdinand Rosenau (1785–1841) publizierte bereits im ersten Heft der »Luna« (1. Juli 1826) »Auszüge aus der vaterländischen Geschichte«, worin er um ein authentisches Bild von Kroatien bemüht war, d. h. »von der in Croatiens gesegneten Gefilden in allen Zweigen immer mehr und mehr und bis auf gegenwärtige Zeiten fortschreitenden rühmlichen Veredlung«.225 Rosenau schrieb Scharaden und Humoresken, aber auch Artikel pädagogischen Charakters und war – nach 225 Nikola Andrić  : Iz njemačkog Zagreba (Aus dem deutschen Zagreb). In  : Život, I (1900), S. 21– 25, Zitat S. 24.

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Andrić – ein repräsentativer Deutsch-Kroate, der ein romantisches kroatischnationales Konzept verfolgte. Seine »Ehrenschilderung aller Festlichkeiten bei ruhmvoll vollzogenen goldenen heiligen Messopfer Seiner Exc. M. Verhovacz« erschien 1826 in Zagreb. Der bedeutendste Musiktheoretiker, Sammler und Erforscher südslawischer Volksmelodien im 19. Jahrhundert war der in Osijek geborene Deutsche Franz Xaver Koch (Franjo Ksaver Kuhač, 1834–1911), der seit 1871 in Zagreb als Professor tätig war. Während seines Aufenthalts in Wien (1857/58) publizierte er in Moritz Saphirs »Humorist« und in der »Theaterzeitung« satirische und humoristische Beiträge unter dem Pseudonym Franz von Südeck. Kroatien war keineswegs ein blinder Fleck auf der Musikkarte Europas. Franz Liszt hielt sich auf einer Reise durch die südlichen Länder der Monarchie im Jahr 1846 in Zagreb auf  ; sein kroatischer Kollege, der Komponist und feurige Anhänger des Illyrismus, Ferdo Livadić (Wiesner), verköstigte den prominenten Gast in seinem Schloss in Samobor nahe Zagreb. Livadić komponierte 1833 auf Verse des Kampfliedes »Noch ist Kroatien nicht verloren« ( Još Hrvatska ni propala) seines Freundes Ljudevit Gaj die heimliche Hymne der Illyrier. Jürg Simani ( Juraj Simanić, Georg Simanitsch, 1835−  ?) wurde in Zagreb als Sohn eines Kaufmanns geboren. Als Schriftsteller in Wien publizierte er patriotisch-historisierende Verse, etwa die Ode an »Maximilian I., Kaiser von Mexiko  !«, 1868 im Selbstverlag gedruckt  : eine dreißig Seiten lange Huldigung an »Maximilian, den edlen Habsburgsproß« und dessen Krönung zum König von Mexiko, die tragisch enden sollte. Simani schildert alle Etappen des politischen Werdegangs des späteren Kaisers, der im Stammschloss Maximilians zu Miramare beginnt. Er bedient sich einer originellen Odenstrophe, nicht der klassischen Versifikation folgend, sondern den Vierzeiler durch zwei Zeilen ergänzend. Der Habsburger wird als Personifikation des sich aufopfernden edlen Herrschers, als »Märtyrer der Tugend« ausgezeichnet, der in einem fernen unzivilisierten Land an dem französischen Treuebruch zugrunde geht  : Und weinend floh der Schutzgeist Mexiko’s Das Unglücksland, wo zügellose Horden Das Ideal der Tugend konnten morden, Wo sich der Faktion das Thor verschloß  : Und ein Grab zeigt der Republik Im Bilde ihr eigenes Geschick. […]

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Aus fremden Meeren zog ein stattlich Schiff Das trug vom Kaiserthron der Mexikanen Den todten Gast in’ s Heimatsland der Ahnen Wo er zur Fürstengruft in Hafen lief, Und sanft ruht jetzt der Habsburg Graf Im schwer erkauften Friedensschlaf. […] Tief sinnend steht der Kaiser Öst’ reichs dort, Es scheint als wolle er nach Räthseln lauschen, Die ihm noch ungelöst, – da klingt ein Rauschen Wie Geisterwehen ruft’ s aus unbekanntem Ort  : »Ein neues Blatt in Frankreichs Schuldenbuch Bezeichnet der Cäsar mit  : ›Treuebruch  !‹«226

Dass auch politisches Fehlhandeln des Habsburgers Grund für die Katastrophe in Mexiko ist, wird von Simani nicht thematisiert. Emil Wickerhauser (Pseudonyme Friedrich Fels, Ludwig Albrecht Berger, 1823–1900) fand in Zagreb seine zweite Heimat. Er entstammte einer Wiener Orientalistenfamilie, war als Dolmetscher für orientalische Sprachen im diplomatischen Dienst beschäftigt und kam 1852 zum kroatisch-slawonischen Grenzgeneralkommando nach Zagreb. Zunächst diente er unter Banus Jelačić, mit dessen Familie er befreundet war. Die Gedichte Wickerhausers sind in österreichischen und kroatischen Zeitschriften erschienen und wurden von Franz Grillparzer, mit dem Wickerhauser seit seiner Jugend bekannt war, für ihre melancholischen Gedanken, die – wie die eigenen – im Geiste der Vormärzstimmung gehalten sind, sehr geschätzt.227 Seine zahlreichen Veröffentlichungen finden sich in unterschiedlichen Zeitschriften wie »Der Wanderer« (Wien 1844), »Der Aufmerksame« (Graz 1855, 1858), »Iris« (Graz 1857), »Agramer Zeitung« (1853, 1863, 1872), »Grazer Tagespost« (1859, 1866) oder »Dioskuren« (1876). Joseph Johann Nepomuk Zeck wurde 1820 in Kroatien geboren (das Sterbedatum ist unbekannt). Als Handwerksgeselle bereiste er das Land und nahm 1848/49 am italienischen Feldzug teil. Er dichtete Liebeslyrik, Wander- und Trinklieder 226 Jürg Simani  : Maximilian I. Kaiser von Mexiko. Olmütz 1868, S. 27, S. 30, S. 31. 227 Franz Grillparzer rühmte Wickerhausers »Wahrheit des Gedankens und der Empfindung, vollkommene Beherrschung der Sprache, Sinn für Vers und Form«. In  : Josef Matl  : Südslawische Studien. München 1965, S. 385. Siehe auch August Sauer  : Emil Wickerhauser und seine Erinnerungen an Grillparzer. In  : Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft, 14 (1904), S. 268–319.

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und ließ sich durch zeitgenössische und patriotische Themen inspirieren,228 wobei er seine lyrische Begabung jedoch nicht genügend entwickeln konnte. Der Verlag des Vereins »Matica hrvatska« (Die kroatische Mutterbiene) mit Sitz in Zagreb gab 1897 die erste Geschichte der deutschen Literatur in kroatischer Sprache heraus. Robert Pinter, der Sekretär des Vereins, verfasste den Überblick »Njemačka književnost do smrti Goetheove« (Deutsche Literatur bis zum Tode Goethes). Am Anfang des 20. Jahrhunderts zieht der Literaturhistoriker Velimir Đuro Josip Deželić, der Ältere (1864–1941) eine traurige Bilanz. In seinem Essay »Iz njemačkog Zagreba. Prinos kulturnoj povjesti Hrvata« (Aus dem deutschen Zagreb. Beitrag zur Kulturgeschichte der Kroaten, 1901) beklagt er, dass seine Heimatstadt ihren kroatischen Charakter zugunsten der deutschen Sprache und Kultur eingebüßt habe, die Welle der Germanisierung habe die Nationalkultur einfach weggefegt. Hierbei blickt er auf eine beträchtliche deutschsprachige literarische Tradition zurück, die als »Mainstream« die nationale kroatische Produktion zurückzudrängen vermochte. Dieses Ungleichgewicht wird durch das Hervortreten der kroatischen Dichter der Moderne zugunsten der Nationalliteratur radikal korrigiert. Die Epoche von 1892 bis 1914 bringt einen neuen Geist in die kroatische Literatur. Aus dem Widerstand zu germanisierenden Tendenzen und aus Entrüstung über die politische Dominanz Ungarns in Kroatien erwuchs eine Literatur der nationalen und künstlerischen Selbstbehauptung. Die Gründung der Zeitschrift für Literatur und Kunst »Mladost« (Die Jugend) in Wien 1898 war eine ihrer ersten, entscheidenden Initiativen. Vor allem dank der Werke des Lyrikers, Essayisten und Erzählers Antun Gustav Matoš (1873–1914) fand die kroatische Literatur Anschluss an die europäische Moderne. Ein wichtiger, aber gleichzeitig problematischer Vermittler war der Übersetzer, Prosaschriftsteller, Literaturkritiker und großdeutsche Rassentheoretiker Otto Hauser (1876–1944). Auf Gut Dianesch östlich von Zagreb geboren, war Hauser fränkisch-schwäbischer Abstammung. Nachdem er um die Jahrhundertwende Kroatien verlassen hatte, ließ er sich in Wien nieder. »Hauser schrieb seinem Verleger – er war gerade 25 Jahre alt –, dass er aus vierzig Sprachen übersetzte – eine schwer nachzuweisende Tatsache, die Karl Kraus dazu herausforderte, Hauser in der Fackel spöttisch ein ›Übersetzungsbureau‹ zu nennen«.229 Einer seiner 228 Joseph Johann Nepomuk Zeck  : Gedichte. Zagreb 1858. 229 Jaap Grave  : Übersetzen ist Liebeswerk. Vermittler niederländischsprachiger Literatur in Deutschland 1890–1914. Aus dem Niederländischen übersetzt von Ira Wilhelm. Leipzig 2003, S. 251.

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Schwerpunkte waren Übersetzungen und Nachdichtungen aus der kroatischen Literatur, so übertrug er etwa »Die Hasanaginica« von Milan Ogrizović ins Deutsche und gab 1914 die Lyriksammlung »Lyrik des Auslands« heraus. Hauser war mit dem Dramatiker Milan Begović befreundet und erwarb als Übersetzer seiner Dramen ins Deutsche (»Venus victrix«, »Maria Walewska«) für deren Erfolg auf deutschen und österreichischen Bühnen Verdienste. In zwei Romanen wandte er sich auch deutschnationalen Stoffen zu  : »1848« (1907) und »Die Familie Geßner« (1909). Letzterer behandelt den Umzug einer gut situierten Familie aus »einer jener kleinen mitteldeutschen Städte, die in den Fünfziger- und Sechzigerjahren wahre Goldgruben für strebsame Kaufleute gewesen sein mußten«, 230 nach Ungarn, in eine Gegend, die zivilisatorisch weit hinter der Heimatstadt der Geßners stand. Dieser merkwürdige Fall einer frühen wirtschaftlichen Arbeitsmigration endet tragisch  : Die Entscheidung des Patriarchen erweist sich als verheerend, sie wird über die Familie nichts als Unglück bringen. Der radikal deutschnationale Hauser sah den Ursprung der Indogermanen und Arier im äußersten Norden, am Nordpol. In seine Rassentheorie integrierte er auch aktuelle völkische Tendenzen, wie sie etwa bei Paul de Lagarde, Julius Langbehn oder Jörg Lanz von Liebenfels festzustellen waren. Die Peinlichkeit der Rassentheorie Hausers offenbart sich in ihrer grotesken Monstrosität erst recht, sobald sie in die literarhistorische Argumentation eingebunden wird, etwa wenn er in seinem Werk über »Die Literatur des Auslands vor dem Weltkrieg« den französischen Hauptvertretern der Moderne, Stephane Mallarmé, Paul Verlaine, Arthur Rimbaud, Henri de Régnier, Maurice Maeterlinck, Reinrassigkeit attestiert. Sie seien »reine oder nur leicht getrübte Blondlinge.«231 Die Neuromantik ist aus Hausers Sicht nicht etwa nur ein literarhistorisches oder gar ästhetisches Phänomen. Ihre Legitimation als Epoche finde sie vielmehr im Ethnischen.232 Osijek (Esseg) Die ostkroatische Stadt Osijek, an der Drau gelegen, wo heute die Staatsgrenze zu Serbien verläuft, blickt auf eine lange Tradition der Deutschsprachigkeit zu230 Otto Hauser  : Die Familie Geßner. Stuttgart 1909, S. 1. 231 Otto Hauser  : Die Literatur des Auslands vor dem Weltkrieg. In drei Büchern. Leipzig 1916, Bd. 1, S. 34. 232 »Spricht man also von Neuromantik, so hat das auch im ethnischen Sinne eine gewisse Berechtigung  : das Germanentum der Romantik lebte wieder auf.« Ebd.

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rück. Anders als die Städte im Nordwesten liegt Osijek inmitten des Gebiets, das spätestens seit der Schlacht bei Mohács 1526 von den Türken besetzt wurde. Erst nach der endgültigen Vertreibung der Türken Mitte des 17. Jahrhunderts wurde dieses Gebiet wieder besiedelt. Zur Ackerbestellung kamen Bauernfamilien aus deutschen Ländern, zum Wiederaufbau der städtischen Infrastruktur Handwerker, Baumeister, Kaufleute. Eine Gruppe von Zuwanderern aus Württemberg gründete in Osijek einen neuen Stadtteil, die Neustadt, neben den schon bestehenden Stadtteilen der Oberstadt, Unterstadt und Festung. Im Unterschied zu Zagreb, Varaždin und zu Nordkroatien, wo das Deutsche stets als Kultursprache gesellschaftlicher Eliten und als kulturelles Prestigemerkmal angesehen wurde, nahm Osijek eine ganz andere Stellung ein. Deutsch war zunächst die Sprache der Bauern und der unteren Schicht. Mit der Stärkung des Bürgertums Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich jedoch die soziale Gewichtung des Deutschen. Indem das Deutsch der württembergischen Einwanderer mit den Sprachen der einheimischen Bevölkerung, dem Kroatischen, Serbischen und dem Jiddisch konfrontiert wurde, entstand ein eigenartiges Gemisch, das sogenannte »Esseker Deutsch«, dem der bayerisch-österreichische Dialekt der späteren Zuwanderer beigemengt wurde. Diese autochthone Sprache hatte bis zum Zweiten Weltkrieg Bestand und lebte in seiner Sprechergemeinde fort. Inzwischen ist sie eine tote Sprache, gleichsam das ›Osijeker Latein‹, das gut dokumentiert ist.233 Vilma von Vukelić hat diesem besonderen Idiom eine Würdigung zuteil werden lassen, mit der die Sprache als eine aufbewahrte Geschichte der Migrationen nach Esseg erkennbar wird  : Das Esseker Deutsch, auf das die Einheimischen nicht weniger stolz waren als auf ihr bazillenhaltiges Drauwasser und ihre berühmten Staub- und Morastmeere, war überhaupt keine Sprache, sondern ein Sprachgemisch, das sich kaum wiedergeben läßt und nur von den dort Geborenen und Aufgewachsenen […] verstanden wurde. […] Kein Satz, in dem sich nicht ein paar fremdartige Elemente mischen, keine Spur von Syntax, Grammatik oder Orthographie. Das, was man dort Sprache nennt, ist ein Konglomerat aus dem vom Wiener Handwerker noch zuzeiten Maria Theresiens und des seligen Kaiser Joseph importierten Hernalser Deutsch und den württembergisch-hessischen 233 Der Journalist Lujo Plein hat zwischen 1929 und 1938 fünf Hefte mit dem Titel »Essekerische Sprechart. Gesammelte Schriften aus den Osijeker Gassen und Peripherie« veröffentlicht, ein Fundament für spätere Forschungen. Siehe auch Velimir Petrović  : Essekerisch. Das Osijeker Deutsch. Wien 2001  ; Stanko Žepić  : Zur Geschichte der deutschen Sprache in Kroatien. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 11 (2002), S. 209–227.

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Elementen des schwäbischen Bauern. Dazu das vom Musikfeldwebel der 78er hierher verpflanzte Böhmische, zahlreiche Jargonausdrücke, die dem Wortschatz des jüdischen Hausierers entstammten, das Rotwelsch der Landstreicher und Wanderburschen, die ihren Weg über Budapest, Prag und München nahmen, der serbische Einschlag der Unterstädter autochthoner Bevölkerung, das verdorbene Beamtendeutsch und -kroatisch der nahen Militärgrenze, der schlechte Stil der deutschen Lokalblätter und das falsche Bühnenpathos der zugewanderten Theatertruppen aus Olmütz und Preßburg.234

Die Anziehungskraft der aufstrebenden Stadt in Slawonien spiegelt sich in der wachsenden Zahl deutscher und jüdischer Zuwanderer wider, der späteren bürgerlichen Elite. Bereits im 18. Jahrhundert wurde in Osijek ein deutsches Theater gegründet, in dem auch ungarische und kroatische Stücke aufgeführt wurden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Osijek der Volkszählung zufolge eine primär deutsche Stadt. 10 600 Deutsche, 5 500 Kroaten, 1 600 Serben und 1 300 Ungarn stellten die Bevölkerungsanteile. In Osijek kamen regelmäßig deutsche Zeitungen heraus, vor allem »Die Drau«, ein »unabhängiges Tagblatt, Organ für Politik und Volkswirtschaft«, das von 1868 bis 1938 erschien. Das Konkurrenzblatt war die »Slavonische Presse« (»Politisches Tagblatt«), 1885 vom Druckereibesitzer Dragutin Laubner publiziert, der auch deren Schriftleitung innehatte. Der Spiritus rector der Osijeker Publizistik war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Johannes (Hans) Wawerka (1810–1902), gelernter Typograph, der 1864 von Wien nach Osijek kam, um die Schriftleitung des »Esseker Lokal­ blatt[s] und Landbote[n]« zu übernehmen (1864–1867). Im Jahr 1868 war er in Vukovar Schriftleiter der Zeitung »Der Syrmier Bote«. Wawerka verließ Kroatien um 1875, war in Graz als Schriftsteller erfolgreich, übernahm 1896 die Schriftleitung der Zeitschriften »Spottvogel« und »Grazer Wahrheit« und war Hauptsetzer bei der »Grazer Tagespost«. Seine Unterhaltungsromane (»Die Perle von Essek«, »Essek in der Nacht«, »Ein Mädchen aus den unteren Schichten«, 1862  ; »Ein Judenkind«, 1864  ; »Der Pandurenkommandant«, 1866) hat er in den von ihm geleiteten Zeitungen und Zeitschriften als Fortsetzungsromane publiziert. In Osijek herrschte ein aufstrebendes Klima, geprägt von emsigen Kaufleuten, Händlern und Kleinindustriellen, die nach Ungarn und Österreich wirtschaftli234 Wilma von Vukelich  : Spuren der Vergangenheit. Erinnerungen aus einer k. u. k. Provinz. Osijek um die Jahrhundertwende. Hg. von Vlado Obad. München 1992, S. 95.

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che Beziehungen unterhielten. Der kulturelle Überbau zog auch Künstler aus den entfernten Provinzen an. So entwickelte Osijek während seiner zweihundertjährigen Geschichte viel stärker die deutsche Identität als die kroatische und gehörte daher deutlicher zur mitteleuropäischen Geistigkeit als zum Balkan. So blickt die Stadt auf eine konsequente literarische Tradition zurück  : Die oben schon erwähnte Vilma von Vukelić (1880–1956) ist zugleich Chronistin von Osijek, der jüdischen Tradition ihrer Familie und der oft bedrückenden Atmosphäre der Kleinstadt. Sie ist neben Roda Roda und Victor von Reisner die bekannteste Repräsentantin des deutsch-jüdischen Literaturmilieus, das jedoch eine breite Basis engagierter Autoren aufweist. Ein Beispiel für die Anziehungskraft Osijeks ist auch der Autor Ernst Simons235 (1902−  ?), der aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie des Rheinlands stammte. Wohl wegen der wirtschaftlichen Krise in Deutschland konnte er sein Medizinstudium in Padua nicht beenden und zog in das damalige Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Es ist nicht bekannt, warum er gerade Osijek als Lebensmittelpunkt gewählt hatte, vermutlich fühlte er sich von der kompakten jüdischen Gemeinde und den vorhandenen Arbeitsmöglichkeiten angezogen. Bald entfaltete er eine rege Tätigkeit als Verfasser von Romanen mit jüdischer Thematik, wobei er vor allem in seinem programmatischen Erstling »Für Dich, mein Volk. Zeitgenössischer Roman« (1929) klare zionistische Ziele verfolgte. 1928 erschien sein Pamphlet »Der alte Gott lebt noch«. Über sein Leben nach 1929 gibt es keine Dokumente. Ein anderer jüdischer Schriftsteller aus Osijek, Nathan Schwarz, publizierte einen Reisebericht »Frühlingsfahrt nach Italien« in Osijek bei Julius Pfeiffer im Jahr 1911. Überliefert sind auch einige Textfragmente des Schustermeisters Anton Hausner, der vornehmlich pathetische Gebrauchslyrik zu feierlichen Anlässen verfasste. Joseph Posner (1822–1888), der jahrelang der Handels- und Wirtschaftskammer in Osijek vorstand, zählte zu den Spitzen des dortigen Bildungsbürgertums. Der begnadete Gelegenheitsdichter verfasste auch den Prolog zur feierlichen Eröffnung des neuen Theaters 1883. Im selben Jahr publizierte er in der »Drau« das dramatische Tableau »Heimat«, ein patriotisches Versdrama, das im Osijeker Theater aufgeführt wurde. Stofflich zwar ohne Spannung und erkennbare Handlung, aber von der Idee des habsburgischen Paternalismus untermauert, suggeriert »Heimat«, dass nur der bedingungslose Zusammenhalt der Völker um den Altar des Vaterlandes die Prosperität des Reiches garantiert. Ein schon damals anti235 Vgl. Željko Rišner  : Neki drugi pisci esekerski (Manch andere Esseker Dichter). Osijek 1999.

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quiertes Ansinnen, dem nur wenig Zeit bleiben sollte. Den musikalischen Hintergrund lieferte bei der Aufführung auf der Bühne die Kaiserhymne.236 Autoren, oft auch Autorinnen, die heute vergessen sind, gewinnen vor dem Hintergrund des emsig-geschäftigen Esseker Kulturbetriebs an Authentizität und Aussagekraft. Hierzu zählt auch Mathilde Hengel (1880–1966), die einer wohlhabenden Familie Osijeks entstammte. Die Frau, die ganz Europa bereiste, war für ihre modische Extravaganz bekannt. Sie publizierte zwei Romane in Dresden (»Novellen aus südlichen Gefilden«, 1907  ; »Maikönigin«, 1918), und trat gelegentlich unter dem männlichen Pseudonym Léon Gérard hervor. Ihr dritter Roman, »Violomta«, geschrieben 1943, blieb unveröffentlicht. Leopoldine Rott (1877–1952), eine gebürtige Wienerin, heiratete den slawonisch-deutschen Verleger Anton Rott und kam nach Vinkovci, wo ihr Mann von 1904 bis 1916 eine Druckerei betrieb. Als er die Druckerei des Osijekers Dragutin Laubner übernahm, siedelte die Familie nach Osijek über. Hier überlebte Leopoldine Rott mit ihrer Familie zwei Weltkriege. Rott schrieb sentimentale Familienromane wie »Die Familie Nordwig« (1918), »Die Herzensnot der Wirtuosin« (1936) und »Sein letztes Lebenszeichen« (1938) sowie das Drama »Die Sommeraushilfe« (1938). Mit Vorliebe reflektiert sie Lebensentwürfe von Grenzgängern zwischen den Kulturen, so wie sie selbst einer gewesen ist. In dem Drama »Die Sommeraushilfe«, das sie in einem Ausflugsort in der Nähe von Osijek ansiedelt, zeichnet sie ein kritisches Gesellschaftspanorama, das durch die poetische Grunddisposition an Ödön von Horváths »Geschichten aus dem Wienerwald« erinnert. Hier wie dort werden in der vermeintlichen Idylle der pastoralen Sommerfrische tragische, unlösbare Konflikte mit einer Wucht und Drastik ausgetragen, die Rotts Potenzial als Dramatikerin eindrucksvoll unter Beweis stellen. Carl M. Benda (1856–1925), in Mähren geboren, kam nach einer Jugend in Wien nach Osijek und war von 1889 bis 1920 Schriftleiter der »Slawonischen Presse«. Für die Rubrik »Spaziergänge« schrieb er satirische Porträts seiner Mitbürger. Auch im »Esseker Lokalblatt und Landbote« hatte es eine ähnliche feuilletonistische Kolumne gegeben, den »Esseker Bummler«. Autor hier war Géza Berger, hauptberuflich Schauspieler am Osijeker Theater. Er veröffentlichte auch Novellen und einen Roman. Die Novelle »Eine Zigeunerliebe« gab er 1864 dem »Esseker Lokalblatt« als Fortsetzungsreihe. Die verwickelte romantische Geschichte der ungleichen Liebe zwischen einem Zigeuner und der Tochter eines reichen 236 Vlado Obad  : Slavonska književnost na njemačkom jeziku (Die slawonische Literatur der deutschen Sprache). Osijek 1989, S. 47.

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Grundbesitzers in Slawonien, mit allerlei historisch-politischen Exkursen und ethnografischen Einblicken verwoben, gilt als Beispiel für dilettantische Prosa aus der eigenen Werkstatt, geschrieben zur Befriedigung der Lesebedürfnisse des breiten Publikums. Die innere Konsistenz verleiht der Novelle das österreichische Völkergemisch, dem Berger facettenreichen Ausdruck verleiht. Konflikte werden durch Verhandlungen mehr oder weniger friedlich gelöst, einzelne Nationalitäten leben eher nebeneinander als miteinander. Der arme Zigeuner Josika, die Hauptfigur der Novelle, repräsentiert den Unterprivilegierten in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie schlechthin, doch selbst ihm bleibt ein Quäntchen menschlicher Würde  : »Patriotismus  ?«, lächelte traurig der Zigeuner. »Wer muthet dem Zigeuner ein Herz zu, das für Ungarn jubeln und bluten kann  ? Oh, nicht Vaterlandsliebe ist es, was mich die Waffen ergreifen heißt, nein  ! – unglückliche Liebe drängt mich aufs Schlachtfeld hinaus, wo ich mit ihrem Namen auf den Lippen freudig dem Tod in die Arme sinken will  !« Ein zitterndes Beben erstickte bei diesen Worten die Stimme des armen Josika – welchen der freundliche Leser bereits erkannt haben wird, und mit stiller Wehmuth ruhte der Blick des Offiziers auf dem von innerem Schmerz überwältigten Zigeuner.237

Bergers »humoristisch-mythologisches Gelegenheitsstück in einem Aufzuge« aus dem Künstlerleben mit dem Titel »Des Dichters Traum in der Sylvesternacht« (1861) ist nicht ohne Grazie und die für den Autor charakteristische Selbstironie. Therese von Sochocka-Stilke-Sessi, Vorsteherin des »Dramatischen Instituts« in Wien, hatte Berger das Dramolett von einem armen Dichter, dem im Traum olympische Götter und glückbringende Musen begegnen, in Auftrag gegeben. Die Allegorie wurde von den Schülern des Instituts am 6. Januar 1861 uraufgeführt. Mit eigenen Dramen hatte Berger unterschiedlichen Erfolg. »Eiserne Jungfrau«, uraufgeführt im Januar 1864, fiel bei der Kritik durch. Mit »Der Schlacht bei Essek im Jahre 1533«, am 13. März 1869 uraufgeführt, feierte er allerdings Erfolge, weil hier der kroatische Nationalheld Nikola Šubić Zrinjski im Mittelpunkt steht. Das Ehepaar Amanda Bleyer und Carl Martin Grohmann reiht sich in die lange Liste der Deutschen und Österreicher ein, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Osijek kamen, zweifelsohne von den Arbeitsmöglichkeiten am Theater und der kulturellen Offenheit der Stadt angezogen. Als Autorengespann schrieben sie Stücke für das Osijeker Theater. Ihr Erstling »La belle Annette« (später umbe237 Géza Berger  : Eine Zigeunerliebe. In  : Esseker Lokalblatt, (1864) H. 8, S. 33.

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nannt in »Annas Sündenfall«) gelangte am 21. Januar 1895 zur Aufführung, die letzte Premiere des Ehepaars fand 1912 in Osijek statt, danach siedelte es nach Wien über.238 Sie verfassten mehr als ein Dutzend romantisch-lyrische Stücke in der Tradition des österreichischen Volksstücks, die auch in Wien, Innsbruck und Hamburg inszeniert wurden (»Das Mädel von Alsergrund«, 1923  ; »Liebesfälle«, 1924  ; »Das Wunder von Hintergeschiers«, 1925). Das im Wien-Leipziger Bühnenverlag Max Pfeffer 1929 erschienene Stück »Das goldene Mutterherz. Märchenspiel mit Gesang und Tanz in sechs Bildern«, das als »anhaltender Serienerfolg in Hamburg, Budapest, Petersburg usw.« gefeiert wurde, ist für die dramaturgische Vorgehensweise des Ehepaars charakteristisch  : Die Wohnung der armen Witwe Huber wird zur Stätte wundersamer Begegnungen zwischen der Realität und dem Fabelreich der Feen, Hofdamen, Heinzelmännchen und Engel. In der Manier Ferdinand Raimunds flieht Elfriede, die über ihre Lebensumstände tiefunglückliche Tochter der Witwe Huber, in die Fantasiewelt der Trivialromane, die sich schließlich ihrer Person bemächtigen und für sie zur Realität werden. Die Vernachlässigung der häuslichen und schulischen Pflichten sowie den andauernden Streit mit der Mutter tauscht Elfriede vorübergehend gegen das Reich der guten Fee Esperanza ein. In ihrer Obhut macht das Mädchen nach anfänglicher Begeisterung einen Reife- und Veränderungsprozess durch, aus dem es im abschließenden Bild als eine menschlich und moralisch gefestigte junge Frau hervorgeht. Sie akzeptiert ihre Lebensumstände und söhnt sich mit der Realität aus. Die Befreiung des unterprivilegierten Mädchens von seinen unerfüllbaren Erwartungen, die in erster Linie auf den Aufstieg in die höhere Klasse konzentriert sind, wird mit den Mitteln einer oberflächlichen Heiterkeit und Komik erreicht. Die Besinnung Elfriedes auf das Wesentliche, die Liebe zu ihrer Mutter und auf den Familienzusammenhalt als das oberste Prinzip des Menschenglücks, findet in einer Gesellschaft statt, in der das wirkliche Aufbegehren als unsittlich empfunden wird. Der habsburgische Paternalismus strahlt bis in die Stube der armen Witwe aus. Der bewusste Verzicht auf jeglichen Klassenaufstieg ist seine logische Konsequenz. Sogar in diesem Trivialdrama kommt – stark zeitverschoben – das Gebot jener großen sozialen und politischen Statik des österreichischen Menschen zum Tragen, das die bedeutende Literatur der Monarchie geprägt hat. So gesehen, sind die letzten Verse Elfriedes einerseits die Frucht ihrer bitter bezahlten persönlichen Erkenntnis, andererseits aber auch ein Nachruf auf die Moral der untergegangenen Monarchie, die die Enthaltsamkeit, Selbstgenügsamkeit und eine um238 Alle Angaben nach  : Obad  : Slavonska književnost na njemačkom jeziku, S. 42 ff.

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fassende universale Entsagung predigte  : »Mutter, brav will stets ich sein, wenn auch arm ich bliebe – mehr als Gold und Edelstein, wert ist  : Mutterliebe«.239 Das Feenstück entbehrt zwar der abgründigen Ironie Raimunds oder Nestroys, und anstatt mit Witz aufzuwarten, verweist es etwas krampfhaft auf die sozialen Missstände. Letztlich wird aber zur allgemeinen Zufriedenheit die Ordnung wiederhergestellt. Ein Œuvre von bleibendem Wert und in Teilen auch von erzählerischer Noblesse hat schließlich Victor von Reisner (Victor von Reisner Čepinsky, 1860–1919) geschaffen. Er gehört neben Roda Roda und Vilma von Vukelić zu der großen Trias der deutsch-slawonischen Literatur. Spross des vermögenden Unternehmers und späteren Gründers der Osijeker Streichholzfabrik, Emmerich (Mirko) Reisner, diente er als junger Offizier bei der k. u. k. Armee, nahm 1878 an der Okkupation Bosniens teil, verließ jedoch die Armee nach einer Verwundung. Während die gesamte Familie, allen voran der strenge Vater, deutschnational gesinnt war, entwickelte sich der junge Reisner zu einem kroatischen Patrioten. In der Folge heftiger Auseinandersetzungen mit dem Vater, der den politischen Ansichten ebenso wie der bohemehaften Lebensführung des Sohnes kritisch gegenüberstand, war Reisner 1885 gezwungen, seine Familie zu verlassen. Er wanderte durch Europa, fand lange keinen Halt, heiratete 1890 und lebte bis zu seinem Tode in Berlin. Dort arbeitete er seit 1902 als Herausgeber der literarischen Monatsschrift »Fröhliche Kunst«, als einer der Hauptmitarbeiter der Illustrierten »Für alle Welt« und 1907 als Journalist u. a. für den »Berliner Beobachter« und 1917 für den »Berliner Börsen-Courier«. Dieser Realist, der raffiniert und elegant erzählen konnte, ein Meister der kurzen Form und genauer Beobachter des Lebens in der entlegenen europäischen Provinz, blieb in Deutschland jedoch ohne Echo  ; nur seine Komödie »Feudalherren« wurde 1897 aufgeführt. Zwar gehörte er in seiner Jugend der Boheme an und war mit Peter Hille, Erich Mühsam und Roda Roda befreundet, fand aber sein genuines literarisches Genre – etwas antimodern und anachronistisch – in der Dorfgeschichte. Mit dem Weggang aus Slawonien verlor Reisner seine literarische Welt. Er zehrte von seinen Erinnerungen und verarbeitete sie literarisch zu einem paradigmatischen Beispiel der Erinnerungsliteratur. In der Berliner Zeit bleibt er ein rückwärts gewandter Heimatdichter, von den aktuellen Tendenzen der deutschen Literatur weitgehend unberührt. Neben den Novellen aus dem slawonischen Leben, »Mein Herrenrecht« (Berlin 1897) und »Slavonische Dorfgeschichten« (Berlin 1902), schrieb er auch einige Romane in der verspäteten Tradition der 239 Amanda Bleyer-Grohmann  : Das goldene Mutterherz. Leipzig, Wien 1929, S. 83.

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deutschen realistischen Dorfgeschichte und der Heimatliteratur. Mit Humor und Sympathie zeichnet er in den Novellen die archaische Welt des slawonischen Dorfes unweit der serbisch-türkischen Grenze mit seinen spezifischen Traditionen. In der Erzählung »Die Frommen« schildert er die ehrbaren Bürger einer kleinen Ortschaft, die sich weigern, Steuern zu zahlen, und dennoch als unbescholten gelten. In »Der Guslar« stellt er einen Volkssänger dar, der im Kopf Tausende von Versen der Volkslyrik aufbewahrt, quasi als wandelndes Gedächtnis der Geschichte und Kultur seines Volkes. Brisantes Thema der Erzählung »Der Jude« ist der Antisemitismus in der vermeintlichen Idylle der slawonischen Provinz. In seinem Roman »Heisser Boden« (1901) schildert Reisner die Esseker Bürgerlichkeit, die Welt subalterner Beamte, kleiner Kaufleute, Handwerker, Ärzte und Künstler, die sich rühmte, der eigenen Klasse und der Stadt andauernden Wohlstand zu sichern. Deutsche, Kroaten, Ungarn, Juden, gar ein weitgereister Türke reiben sich aneinander, doch halten sich die durchaus aufflackernden nationalen und identitären Konflikte im Rahmen einer gutmütigen Friedfertigkeit, im schönen Einvernehmen mit der Gemütlichkeit der Biedermeier-Salons, wo sie in der Regel auch ausgetragen werden. Dabei wird der kulturelle Gegensatz von Deutschen und Kroaten zunächst ostentativ herausgearbeitet und bleibt handlungsbestimmend, bis am Ende sogar die skeptische deutsche Großmutter von der kulturellen Qualität des kroatischen Protagonisten überzeugt ist. Zunächst freilich beschwört sie im Gespräch mit ihrer Enkelin die nationalen Gegensätze, die auch das weitere Geschehen des Romans bis zur finalen Krise bestimmen  : Sieh, Kind, wir leben schon so lange in Kroatien, du und deine Eltern sind sogar hier geboren und doch schütteln wir oft verwundert über dieses und jenes Vorkommnis in den uns befreundeten kroatischen Familien den Kopf und können nicht begreifen, wie diese Leute darüber hinwegbalanzieren. Was wir Leichtsinn heißen, nennen sie Bethätigung der eigenen Individualität  ; was in ihren Augen als übertriebene Prüderie gilt, achten wir als züchtige Scham – und so existiert, trotz des engsten Zusammenlebens kein einziger Punkt, in dem sich unsere Anschauungen vollständig deckten. – Nun stelle dir vor, welche Ehe das geben muß, wo Mann und Weib sich absolut nicht begreifen und nur des lieben Friedens halber einander nachgeben.240

Noch weitaus gravierender ist freilich das kulturelle und nationale Gefälle zwischen den guten Deutschen und Kroaten und den offenkundig unzuverlässigen und brutalen Ungarn, hier verkörpert von dem moralisch haltlosen Szabo, der 240 Victor von Reisner  : Heisser Boden. Berlin 1901, S. 7 f.

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schon durch die Beschreibung seiner Unterkunft als minderwertig erscheint. »In einem mit schäbiger Eleganz eingerichteten Zimmer saß Szabo an seinem Schreibtisch.«241 Zwar leiden diese Esseker Salons und Büros unter ihrer provinziellen Zwanghaftigkeit, bleiben jedoch von weltbewegenden Kontroversen verschont. Die Moderne bahnte sich auf ihrem Eroberungszug durch das deutschsprachige Europa ihren Weg bis nach Osijek  : in einer abgeschwächten Variante, nicht als unbedingte Aufbruchstimmung, sondern als gemäßigter Tatendrang. Reisners Figuren versinnbildlichen in ihrer humoristischen Harmlosigkeit die Vielfalt der Nationalitäten in der alten Monarchie, die sich trotz ihrer Animositäten und gelegentlichen Fehden doch an die Spielregeln der Rechtsstaatlichkeit halten. Jener kalte Wind des revolutionären Umsturzes und auch des baldigen Krieges, mit dem die Länder im südslawischen Gebiet ihre sichere Grundlage verlieren werden, weht noch nicht durch die engen Gassen der Esseker Altstadt, wie Reisner sie schildert. Hier lebt man gemächlich, bürgerlich-europäisch, und die Symmetrie zwischen verfassungstreuen Unterstützern der Monarchie und ihren Gegnern wird sorgsam bewahrt. Der Autor scheut bei der Schilderung seiner Figuren keine nationalen Stereotype, was zu Lasten der Lebendigkeit seines Erzählens geht. Szabo, der kleine ungarische Gauner und Betrüger, empört sich bei einem festlichen Abendessen über den aus Sarajevo zugereisten Händler Abdusselam Hadzic, der ihn mit der Frage konfrontiert, ob er jetzt in österreichischen Diensten sei. Szabos Antwort ist ein Bekenntnis zur eigenen Nation  : »Aber nain, Magyar ember dient überhaupt nur aigenem ängeren Vaterland, das ist ja äben höchster Stolz von Ungar, immer äigener Härr zu sain  !« Der Stolz des Moslems, der sich umdreht, anstatt auf Szabos Worte zu reagieren, veranlasst den Ungarn, über diese »gottverfluchten Türkenhunde« als die »größten Feinde von Österreich-Ungarn«242 zu räsonieren und im Inneren Rache zu schwören. Am Ende ist es indessen der türkische Kaufmann, der dem kroatischen Protagonisten Vukovic hilft, den Betrüger Szabo zur Strecke zu bringen. Einer der wenigen international bekannten Autoren der gesamten Untersuchungsregion ist Alexander Roda Roda (i. e. Sándor Friedrich Rosenfeld, 1872– 1945), biografisch wie literarisch in Slawonien verwurzelt. Er wurde in Drnowitz/Mähren geboren, wuchs aber in Zdenci bei Orahovica in Slawonien auf, wo sein Vater Leopold Gutsverwalter war. Die Familie hatte den einstigen Spitznamen Roda (kroatisch ›der Storch‹) inoffiziell angenommen, denn in Slawo241 Ebd., S. 130. 242 Ebd., S. 113 f.

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nien herrscht bis heute der Brauch, neben dem offiziellen Namen auch einen Spitznamen zu führen. Nach einem abgebrochenen Jurastudium in Wien verpflichtete sich Rosenfeld beim Korpsartillerieregiment in Zagreb. 1906 änderte er auch standesamtlich seinen Familiennamen in Roda Roda. Die Doppelung des Namens Roda sollte andeuten, dass sich dahinter ein Autorenduo verbirgt. Seine Schwester Marie Liebermann, die unter dem Pseudonym Maria Roda Roda auch selbst publizierte, war an einigen Geschichten als Mitautorin beteiligt. Nachdem er Slawonien endgültig verlassen hatte, unternahm Roda Roda viele Reisen auf dem Balkan. Während des Ersten Weltkriegs schrieb er für die »Neue Freie Presse« und den »Pester Lloyd«. Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 übersiedelte er nach Graz, emigrierte 1938 in die Schweiz, 1940 musste er das Land wieder verlassen und in die USA fliehen. Autobiografische Erinnerungen an seine Kindheits- und Jugendjahre in Slawonien bilden den ästhetisch überzeugendsten Teil seines literarischen Schaffens. Der extravagante Erzähler galt als Bürger-Schreck der Osijeker. Jeder seiner Allüren kompromisslos nachgebend, provozierte und irritierte Roda Roda durch sein Verhalten, was sich oft auch in Rezensionen zu seinen Neuerscheinungen niederschlug. In seiner Autobiografie »Roda Rodas Roman« gewährt der Autor Einblicke in seine frühen Jahre in Slawonien, die eine bleibende Quelle und Inspiration für poetische Einfälle bleiben sollten. Er war Anfang dreißig, als er Kroatien verließ, und bereits ein bekannter Schriftsteller, dessen Prosawerke bei der deutschsprachigen Presse großen Anklang fanden und oft kontrovers diskutiert wurden. Dabei wurde ihm vorgeworfen, er halte in seinen satirischen Geschichten die slawonischen Menschen zum Besten, er missbrauche sie zum Zweck der Unterhaltung. Ohne Zweifel war Roda Roda ein Meister der Anekdote und des satirischen Aperçus. Aber trifft es wirklich zu, wie Claudio Magris geurteilt hat, dass er über die Satire nicht hinausgewachsen ist  ? In jeden Fall hat er slawonische Motive, Menschen, Mentalitäten und Begebenheiten in einige seiner besten Prosatexte eingeflochten, etwa in »Der wilde Mann. Eine Geschichte aus Slawonien« (1900), »Die Sommerkönigin« (1904), »Dieser Schurk’, der Matkowitsch  !« (1904), »Milan reitet in die Nacht« (1910), »Schummler, Bummler, Rossetummler. Humorvolle Kurzgeschichten aus der k. u. k. Monarchie« (1909) und »Serbisches Tagebuch« (1918).243 Sein Roman »Die Panduren. Roman einer Landschaft« (1935) zählt zwar nicht zu den besten Texten Roda Rodas, steht allerdings in einer alten Tradition. Er greift hier einen literarischen Stoff auf, der von den deutschsprachigen 243 Vlado Obad  : Roda Roda und die deutschsprachige Literatur aus Slawonien. Wien u. a. 1996.

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Schriftstellern auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien oft behandelt wurde. Eduard Breier war hierbei sein bedeutendster Vorgänger. Roda Roda zeigt in seinem Roman wenig Originelles, außer der präzisen Einbettung seiner Geschichte in »das kleine Stück Ebene rechts der Drau, zwischen Drau und Papuk. Bis Ende des Weltkriegs war da österreichisch-ungarisches Regiment  : seither ist das Gebiet südslavisch.«244 Klischees werden herangezogen, und dementsprechend fällt auch die lamentierende Schlussfolgerung am Ende des Romans aus  : »Die Panduren sind untergegangen, wie sie es nie besser verdienten – untergegangen mit Stumpf und Stiel – ersoffen in Blut und Wut. So hatten sie gelebt, so sind sie gestorben – in Blut und Wut – Trenck Panduren.«245 Roda Roda hat mit seinem literarischen Werk nie die Absicht verfolgt, Humanist oder gar Moralist sein zu wollen. So wie ihm jede Ideologie suspekt war, so war es auch das moralische Handeln als literarisches Erziehungsinstrument. Stattdessen entwirft er ein lebendiges Panorama der zersplitterten Wirklichkeit einer Region, die er bis auf den Grund ihrer Seele gekannt hat. Die Novellensammlung »Die Sommerkönigin« (1904) wurde von der Kritik als »Königin im Reich der deutschen Novelette« bewertet.246 In der Titelnovelle wird eine Anekdote aus dem slawonischen Leben mit großem Liebreiz und jener menschlichen Anteilnahme dargestellt, die Roda Roda sonst oft durch satirische Zuspitzung verunglimpft. In der »Sommerkönigin« ist selbst die Erzählweise durch die sengende Sonne und den maßlosen Optimismus zweier junger Leute bestimmt. Die Atmosphäre eines abseits von Osijek liegenden Gutes mit sparsamen Mitteln einzufangen, diese Insel der vollkommenen Ordnung mit ihren Ritualen, Hierarchien und festen Gesetzen, das ist Roda Rodas großes Talent. Auch eine kleine menschliche Verwicklung – die junge Jelena will den ihr vorgestellten Direktor der Pfandleihanstalt Mottelbalg nicht heiraten, und sie findet einen Ausweg – bleibt ein Pinselstrich auf diesem reizenden Aquarell  : Um den ungeliebten Brautwerber zu verschrecken, kostümiert sich das naturverbundene aufmüpfige Mädchen wie die Sommerkönigin in einem »Kutschierphaeton«. Im Fond des Wagens aber stand, in Mamas seidnen Brautstaat gekleidet, Jelena – hatte das Haar mit Ähren bekränzt, den ährenbekränzten Dackel auf dem Rücken. In der Rechten hielt sie ein Büschel Klee, das stak in einem Röllchen, um einen Strauß vor244 Roda Roda  : Die Panduren. Leipzig 1935, S. 7. 245 Ebd., S. 232. 246 Vlado Obad, Krista Zach  : Roda Roda. Geschichten aus Slavonien. Prosa. Mit einem Vorwort von Vlado Obad. München 1999, S. 25.

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zustellen. Mato, der scheckige Ziegenbock, hatte sich stolz im Schmuck des gestickten Halsbands aufgerichtet und naschte an dem Strauß der Sommerkönigin.247

Mottelbalg zieht sich angesichts dieser komödiantischen Vermummung indigniert zurück. Die Sommerkönigin verbreitet den lieblichen Duft der unbeschwerten Jugendzeit und den Reiz des Traums vom Glück. Das junge Mädchen erinnert sehr an die Kaiserin Elisabeth, an Sisi bei ihren Kindheitsstreichen daheim in Bayern. Jenen seltenen Augenblick der Vollkommenheit, in der die Jugend, Grazie und die kurz vor der Erfüllung stehenden Erwartungen mit der Schönheit der Natur zusammentreffen, hat das Mädchen an einem Sommertag im »Kutschierphaeton« in der slawonischen Provinz erhascht. Ein besonderes Merkmal der Literatur Roda Rodas mit Slawonienbezug ist das rasende Erzähltempo. Alles ist in Bewegung und von ansteckender Hektik ergriffen. Diese ungekünstelte, faszinierende Vitalität und Dynamik kann man als Roda Rodas Reverenz an die slawonische Welt herausstreichen. Roda Roda wurde in Kroatien viel gelesen, er war ein über die Grenzen Kroatiens hinaus gefeierter Dichter, der auch in Österreich und Deutschland viel Anerkennung erfuhr. Doch es meldeten sich gelegentlich auch kritische Stimmen aus den Reihen der Schriftstellerkollegen  : Im Feuilleton des »Agramer Tagblatts« entbrannte im März 1913 ein Streit zwischen Roda Roda und der slowenisch-kroatischen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Zofka Kveder. Sie warf dem Erfolgsautor vor, er habe nie große, tiefere Sympathie für die Länder und Menschen gehabt, die er literarisch bloß ausgeschlachtet habe.248 Nicht wahres menschliches Interesse habe Roda Roda zu seinen literarischen Verarbeitungen der südslawischen Motive bewegt, sondern Verachtung, Hohn und Zynismus. Kveders Kritik richtete sich in erster Linie auf Roda Rodas Veröffentlichungen im Berliner satirischen Blatt »Simplicissimus«, in dem er von 1901 bis 1902 elf seiner »Geschichten aus Slawonien« publiziert hatte. Zofka Kveder sprach mit ihrer Kritik ein kulturelles Phänomen an, das sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den kroatischen deutschsprachigen Feuilletons und Fortsetzungsromanen rasant verbreitete. Es wimmelte in dieser Trivialliteratur von folkloristischen Motiven, denen das spezielle Interesse der Autoren galt, obwohl vordergründig menschliche Schicksale behandelt wurden.249 247 Ebd., S. 334. 248 Agramer Tagblatt, 10.3.1913, Nr. 57, S. 1. 249 Ljerka Sekulić weist in ihrer Dissertation über die »Luna« (1826–1858) auch auf dieses Erzählmodell hin. Vgl. Sekulić  : Njemačka »Luna« u kulturnom životu Zagreba.

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Ida von Düringsfeld, Guido Polz und Josephine Kubin veröffentlichten ihre Geschichten, die vor allem Volksbräuche und Folklore zum Kernmotiv haben, als Fortsetzungsromane in der bereits vorgestellten »Luna«, der Literaturbeilage des »Agramer Tagblatts«. Die Handlung ist für diese unterhaltende Literatur oft nur eine Art Prätext für die ausführlichen Schilderungen der für den deutschsprachigen Leser exotisch anmutenden Bräuche bei den Südslawen.250 Guido Polz (gest. 1853) erzählt, um ein Modell dieses Genres vorzustellen, in »Ein Serbenmädchen« vom Protest eines jungen serbischen Mädchens gegen das alles bestimmende Vaterrecht. Das Mädchen Jelena entzieht sich der Zwangsverheiratung mit einem von ihr ungeliebten Mann, indem sie den Namen ihres geliebten Gjorgje annimmt und als Mann verkleidet ihr Heimatdorf verlässt, nachdem sie dem Geliebten ewige Treue geschworen hat. Sie schlägt sich als Aushilfe durch, bewährt sich als fleißig und lernfähig und wird in den Jahren der Wanderschaft zum geschickten Kaufmann, der in einem entfernten Städtchen sogar einen eigenen Krämerladen eröffnet. Für Jelena/Gjorgje wird die männliche Identität erst dann zum Problem, als sich junge Frauen scharenweise in Gjorgje verlieben, er jedoch die Liebe nicht erwidern kann. Sie ist daher dazu verdammt, von einem Ort zum anderen zu ziehen. Außerdem droht ständig die Gefahr, erkannt zu werden. So zeigt sich, dass die bewusste Entscheidung zur persönlichen Freiheit mit dem Preis des Verlusts der eigenen Identität und gleichzeitig der Heimat bezahlt werden muss. Gewiss lässt der Autor seiner Neigung zu klischeehaften Bildern freien Raum  : »An dem Brunnen lehnte ein junger Serbe, eine jener starken, stämmigen Gestalten, wie man sie nur im Serbienlande findet, wo Stärke und Kraft noch in den Hütten zu treffen ist, wo Muth und angeerbte Tapferkeit sich auf jedem Gesichte malt, wo die Seele noch nicht an der Feigheit der Zivilisation erkrankt ist.«251 Trotzdem gelingt es Polz, über das noch von türkischer Oberherrschaft geprägte Serbien ein paar plastisch-bunte Bilder aus dem Leben der kleinen Leute zu zeichnen. Wie geglückte Pinselstriche vor einem einfarbigen, nicht genügend ausgearbeiteten Hintergrund, nimmt sich das Bild des ungleichen Krämerehepaars aus, bei dem Jelena/ Gjorgje unterkommt, wobei die Frau mit ihrem Schützling durchbrennen und den viel älteren Ehemann verlassen will, oder die Szenerie des Wirtshauses in einem der vielen Aufenthaltsorte Gjorgjes, in dem die Dorfjugend zum Tanzen zusammenkommt. Es leuchtet in diesen Szenen etwas von jener ungekünstelten, 250 Ebd., S. 71 ff. 251 Guido Polz  : Ein Serbenmädchen. Zeit- und Sittengemälde. In  : Luna. Belletristisches Beiblatt der Agramer Zeitung, (1853) H. 28, S. 109.

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spezifischen Lebensweise auf, die bei deutschsprachigen Erzählern gewöhnlich als exotische Folklore verklärt wird. Ljerka Sekulić greift daher mit ihrem kritischen Urteil sicher zu Recht die mangelnde politische Wahrhaftigkeit dieser Texte auf, wenn sie konstatiert, dass die »literarische Verarbeitung der slawischen Thematik« in der »Luna« vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Ideologie nur als »gescheiterter Versuch« bewertet werden kann. Statt das brennende nationale Thema in den Mittelpunkt des Erzählens zu stellen, werden ethnografische, historische und geografische Aspekte betont. 252 Vor diesem Hintergrund wird die Schärfe des Konflikts zwischen Roda Roda und Zofka Kveder erkennbar. Kveders Attacke auf den populären Erzähler reagiert auf diese langen Erfahrungen mit trivialer Literatur, die sich einer folkloristischen Idylle und Exotik bediente. Der als Vorwurf eines erzählerischen Zynismus formulierte Einwand von Kveder zielt genau in diese Richtung, nämlich auf die vermeintliche Intention Roda Rodas, mit dem verstärkten Einsatz des ethnologischen und kulturnationalen Elements den Erzähleffekt zu steigern. Der Angegriffene publiziert seinen offenen Antwortbrief am 26. März 1913 auf der ersten Seite der Zeitung, in dem er seine Kunst der Satire und seine Motivwahl rechtfertigt und vor allem auch seine künstlerische Freiheit leidenschaftlich in Anspruch nimmt  : Ich bin nicht »an den Südslaven populär geworden«, Gnädigste – wie Sie schreiben. Die Südslaven waren meine Modelle, die Kunst ist mein. Ich schreibe mir kein Verdienst um Kroatien zu, nicht das kleinste. Ebensowenig hat meine Kunst Grund dankbar dem Südslaventum zu sein – nicht den kleinsten. Ich habe niemand anderm etwas zu danken – und alles mir.253

Varaždin (Warasdin) Vielleicht ist der mitteleuropäische Charakter Kroatiens heute noch am deutlichsten im Stadtbild von Varaždin bewahrt geblieben. Nach der Gründung des kroatischen Königsrats im Jahr 1767 wurde die Stadt von Kaiserin Maria Theresia zum administrativen und politischen Zentrum bestimmt. Dies währte jedoch nicht lange. Nach dem verheerenden Brand am 25. April 1776 verließ der kro252 Vgl. Sekulić  : Njemačka »Luna« u kulturnom životu Zagreba, S. 75. 253 Roda Roda  : Offener Brief an Zofka Kveder. In  : Agramer Tagblatt (Feuilleton), 26.3.1913, Nr. 69, S. 1 f., Zitat S. 2.

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atische Banus die Stadt und verlegte den Regierungssitz nach Zagreb. Das Theater wurde 1873 von Hermann Helmer gebaut, der auch das Theatergebäude in Zagreb und Theater in anderen größeren Städten der Monarchie projektiert hat. Der bekannteste Vertreter der deutschen Erzählkunst in Varaždin ist Eduard Breier (1811–1886), ein ebenso produktiver wie spannender Erzähler, der an die achtzig Romane geschrieben hat, größtenteils Unterhaltungsliteratur. Als Publizist war er an den tonangebenden deutschen Zeitschriften in Kroatien und Slowenien beteiligt. Er wurde am 4. November 1811 in Ludbreg bei Varaždin als Sohn einer jüdischen Familie geboren. Als 20-jähriger trat er als Feuerwerker im Raketenkorps 1831 in den militärischen Dienst in Wiener Neustadt ein, begann aber zugleich obsessiv zu schreiben. Seine erste Erzählung »Die Serbianer« veröffentlichte er 1837 in einem Prager Blatt. Seit der Gründung der Literaturzeitschrift »Croatia« im Jahr 1839, an der Breier nicht ganz unbeteiligt war, war er dort regelmäßiger Mitarbeiter. 1841 erschien in Wien sein Roman »Der Fluch des Rabbi«, den er in elf Tagen während eines Diensturlaubs geschrieben hatte. Durch seinen Erstling wurde er auf einen Schlag bekannt und entschied sich, aus dem Militärdienst auszuscheiden (1845), um sich ganz der Literatur und dem Journalismus zu widmen. Im Jahr 1847 übernahm er die Redaktion der »Prager Zeitung«, die er bis zu ihrer Einstellung 1848 leitete. Breier ging nach Wien und schlug sich weiter als Journalist durch. Als Romanschriftsteller entwickelte er eine enorme Produktivität. Viele seiner Romane gestaltete er für die Zeitung, damit sie in den Feuilletons erscheinen konnten. In den 1850er Jahren hatte er großen Erfolg in Wien, und seine Romane verkauften sich in hohen Auflagen. Man nannte ihn den »Wiener Alexis« und bezog sich damit auch auf den populären Stil und die historischen Vorlieben des Berliner Vielschreibers. Breier legte 1871 seine aufschlussreiche autobiografische Schrift »Mein literarisches Wirken. Ein Rechenschaftsbericht zur Feier meines auf den 4. November 1871 fallenden 60. Geburtstages« vor, woraus erkennbar wird, dass er bis dahin insgesamt 55 Romane und Novellen veröffentlicht hatte. Seine bevorzugten Themen sind das jüdische Leben und die österreichische Geschichte, stets national und sentimental geprägt. Der Vergleich mit Walter Scott liegt auf der Hand  : Wie der große schottische Meister liebt auch Breier fiktionale historische Stoffe, die bei ihm jedoch deutlich weniger »historical accuracy« zeigen als bei Scott. Breier hat drei Erzählwerke mit Stoffen aus der kroatischen Geschichte geschrieben. Themen sind das Schicksal der Juden in Kroatien, die Uskoken und die Militärgrenze. Seinen ersten Erfolg hatte Breier mit dem historischen Roman »Die Tartaren in Croatien und Dalmatien. Historisches Gemälde aus den Zeiten König Bela des Vierten« (1841). Breier greift das Thema des Einfalls der Mongo-

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len 1242 in Ungarn und Kroatien auf, vor denen der kroatisch-ungarische König Bela IV. nach Dalmatien in gut befestigte Städte geflohen war. Vor diesem Hintergrund erzählt Breier eine Liebesgeschichte, die durch den Mongolensturm bedroht ist  : Ein Mädchen wird von den Tataren entführt. Nachdem ihr Liebhaber jedoch den Tatarenanführer Ulan getötet hat, findet das junge Paar zueinander. Der Dichter wendet sich hier vom Westen ab und plädiert für den lebensfähigen slawischen Osten. Die geringe historische Wahrnehmung und die fehlende Würdigung dieses für die Kroaten und Ungarn doch so wesentlichen Ereignisses in der abendländischen Historie thematisiert auch Petar Preradović in seinem Gedicht »Na Grobniku« (Am Grobnikfeld) aus der Sammlung »Nove pjesme« (Neue Gedichte, 1851). Im Jahr 1846 publizierte Breier unter dem Titel »Der Pandur und das Kroatenmädchen« zwei »historisch-romantische Erzählungen« aus Kroatien in seinem ganz eigenen Stil der historisierenden Trivialgeschichte, die geschickt ins lokale Milieu eingebaut ist und ein breites Lesepublikum der Literaturbeilagen anspricht. Dabei wird die Historie analytisch erschlossen  : Eingebettet ist sie in Slawonien, in der Gegend zwischen Kamensko, Požega und Pakrac. Breier ist bei der geografischen Fixierung seiner Geschichten immer sehr detailgenau und erweist sich als guter Kenner der Verhältnisse, die sich bei ihm zwar auf der Ebene oberflächlicher volkskundlicher Informationen bewegen, dem Hajduken-Tableau aber durchaus Lokalkolorit und eine gewisse Milieufrische einzuverleiben verstehen. Dabei fehlt es nicht an Dynamik  : Milicza, Tochter eines wohlhabenden Bauern, des »Gospodar Jovo«, soll einen Jüngling von fünfzehn Jahren heiraten, den sie nicht liebt, während ihr heimlicher Geliebter, ein Pandur, von ihrer Familie nicht geduldet wird. Breier gelingt es mit wenigen Sätzen, die patriarchalische Starre dieser in sich geschlossenen Welt an der Militärgrenze nachzuzeichnen. Hier herrscht das Gegenteil des gutmütigen, von den Untertanen stillschweigend akzeptierten und mit Würde erduldeten habsburgischen Paternalismus. Man findet sich in einer vormodernen Welt ohne individuelle Freiheit, grausam in ihren Traditionen, voll tiefer Tragik. Der Vater entscheidet über Leben und Tod, der Frau fällt einzig die Rolle des Opfers zu. Jeder Auflehnungsversuch wird brutal bestraft. Als Miliczas Bruder an einer nächtlichen Razzia gegen die Hajduken teilnimmt, wird er versehentlich von Miliczas Geliebtem, dem Pandur, angeschossen. Da sie sich auch an Ort und Stelle befindet, wird sie vom eigenen Bruder irrtümlich des Verrats bezichtigt und lebensbedrohlich verletzt. Der Anführer der Hajduken, der Harambascha, wird an einer Frau zugrunde gehen. Diese Gesetzlosen werden mit einer besonderen heimatlich-folkloristischen Farbe gezeichnet, und Breier greift dabei nur allzu gerne auf den Topos der kroatischen Grenzerwelt zurück.

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Um individuelle Zeichnung und psychologische Vertiefung kümmert sich Breier in seinen Texten wenig. Weil die Hajduken keine Entwicklungschancen für sich erkennen und ihnen nicht einmal ein Leben ohne Hungern gesichert ist, setzen sie sich in den Wald ab. Sie sehen sich als Instrument einer höheren Macht, der sie wie Marionetten ausgeliefert sind. Nicht minder ausgeliefert sind sie der Willkür des Harambascha, und wenn sie gelegentlich individuelle Entscheidungen treffen, führen diese meistens ins Verderben. Die Abtrünnigen werden von Breier nicht idealisiert, obwohl die romantisierende Schillersche Tradition deutlich zum Ausdruck kommt. Der Harambascha ist jedoch kein Robin Hood  : Er ist ein Trinker, stets hat er die »Tschutura« (den ›Flachmann‹) in Reichweite – ein gern eingesetztes Klischee der deutschen Hajduken-Literatur. Ein unterschwelliger Ton der Aufklärung begleitet diese düsteren Gesellschaftsbilder, durchdrungen von Leiden, Not und Entbehrungen aller Art, vor allem aber von der allgegenwärtigen Türkengefahr. Eine Anlehnung an Eugène Sues »Les Mystères de Paris« im Sinne der Entwicklung des sozialen Romans drängt sich auf. Breiers Ton wird wesentlich wohlwollender und neigt sogar zu einer unbeschwert-witzigen Verherrlichung, wenn er seinen thematischen Schwerpunkt von den kroatischen Grenzgebieten nach Österreich und Wien verlegt. Von dieser frivolen bürgerlichen Welt mit ihren Ritualen, Traditionen und dem stets anwesenden Schatten des königlich-kaiserlichen Übervaters war an den Rändern der Monarchie offensichtlich kaum etwas zu spüren. Kroatien stellte eher das Gegenteil dessen dar, was in Wien und anderen großstädtischen Zentren der Monarchie vor sich ging. Diese Spannung hat Breier trotz seines über weite Strecken schematischen Erzählstils überzeugend zum Ausdruck gebracht. Pula und Rijeka  : Marine-Literatur Die österreichische Kriegsmarine – in ihrer Glanzzeit vor dem Ersten Weltkrieg die sechstgrößte Marine der Welt – war in ihren wichtigen Seehäfen in Pula und Triest ein wichtiger Faktor des multikulturellen Austausches in unterschiedlichsten künstlerischen Disziplinen, in Literatur, Musik und bildender Kunst. Durch die Umstrukturierung der Marine nach den Plänen ihres Oberbefehlshabers Erzherzog Ferdinand Maximilian wurde Pula Ende der 1860er-Jahre intensiv als Hauptkriegshafen der österreichischen Kriegsmarine ausgebaut  : U. a. kamen 1865/1866 auch Teile der aufgelösten Hydrografischen Anstalt gemeinsam mit der Marine-Bibliothek hierher. Einen wesentlichen Beitrag zur deutschsprachigen Literatur des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts haben einige Marineoffiziere geleistet, die nebenberuflich

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dichteten. Heinrich von Littrow (1820–1895) ist einer der erfolgreichsten Repräsentanten dieser für die k. u. k. Marine typischen Personalunion. In Triest wurde 1849 in der Buchdruckerei der Österreichischen Lloyd seine lyrische Sammlung »Möwen« veröffentlicht. Sowohl mit der Motivwahl als auch mit der Versform fügt sich Littrow in die Tradition des romantischen Volksliedes ein. Diese einfache Form der Lyrik, die durch Brentanos und Arnims Anthologie »Des Knaben Wunderhorn« für die Literatur wiederentdeckt wurde, bildet dank ihrer formalen Schlichtheit den entsprechenden Rahmen für Littrows Stimmungsbilder, die allesamt um das Adriatische Meer kreisen (Seemöwen, Schiff, Hafen, Fischfang, Polarstern, Sturm etc.). Die Stimmungen sind bei Littrow stets auch von Reflexionen über Themen des menschlichen Lebens durchdrungen, wobei in einigen Gedichten die für den Seemann spezifischen Existenzformen fokussiert werden  : das Alleinsein während der Schifffahrt (»Der beste Hafen«), Seebestattung (»Friedhof«), Abschiednehmen von der Familie (»Abschied«, »Lebewohl«) oder die Entfremdung von der Familie durch die lange Abwesenheit (»Entschuldigung«). Diese konservative Lyrik mit ihrem starken Hang zum Passatismus beeindruckt vor allem dort, wo der Dichter auf die Verherrlichung der Vergangenheit und die verallgemeinernde Metaphorik zugunsten einer unbeschwerten Natürlichkeit verzichtet. Das Gedicht »Die Fischerin« evoziert schon durch die Volksliedstrophe Heinrich Heines »Loreley« von 1824, das freilich eine knappe Generation zuvor entstand. Und so würde der Vergleich neuerlich an die regionale Struktur dieser Dichtung erinnern, wenn Littrow nicht am Schluss mit einer gänzlich unromantischen Pointe überraschen würde, die jeden Gedanken an Mythos und Idylle in der selbstbewusst-emanzipierten Antwort der Angebeteten dekonstruiert  : Die Fischerin254 Sie saß am Meeresufer, Die Nadel in der Hand, mit der sie flink die Fäden Zum Fischerfang verband  ; Ich trat ihr still zur Seite Und blickt sie sinnend an, Und fragte – um zu fragen, Was sie da emsig spann  ? 254 Heinrich von Littrow  : Möwen. Gesammelte Gedichte. Triest 1849, S. 42–44.

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»Ein Netz«, entgegnet freundlich Das Mädchen liebevoll, »Mit dem so manches Fischlein Gefangen werden soll.« »Du hast ja bess’re Netze, Als eben dieses hier,« Erwiedert’ ich dem Mädchen Und näherte mich ihr  ; »Du hast dein schelmisch Auge, Das ködernd lockt und fängt So manchen, der in Ruhe An die Gefahr kaum denkt,« »Du hast zwei Blütenwangen Und einen Rosenmund, Der stürb’ an dieser Angel Nicht gern zu jeder Stund  ?« »Und sieh’ ich bin ein Fischlein, Leb’ auch im weiten Meer, Und sehn’ nach Netz und Angel Und nach dem Tod mich sehr  ; Bin meiner Freiheit müde, Genieß’ sie schon so lang, Ich leg’ sie dir zu Füßen, Verachtest du den Fang  ?« Da schüttelt sie die Locken Und blickt mich fragend an, Als sänne sie bedächtig, Was sie erwiedern kann. »Der Fisch, der so von selber Gefangen werden will,

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Der Fisch ist abgestanden Und taugt gewiß nicht viel.«

Im Jahr 1857 wurde Littrow zum Direktor der Handels- und Marineakademie in Triest ernannt, hier gründete er den »Schiller-Verein« und veröffentlichte in dieser Zeit die lyrische Sammlung »Von Wien nach Triest. Eisenbahnlecture in gemütlichen Reimen« (1863). Er schrieb auch Dramen  : Seine Komödien »Der Russ«, »Eine gute Lehre« und »Xanthippe« wurden auf deutschen Bühnen mit Erfolg gespielt. Dabei verfolgte er gleichzeitig eine erfolgreiche berufliche Karriere  : 1864 wurde er zum Befehlshaber des Hafens Gruž (Dubrovnik) ernannt, danach des Hafens Senj, 1867 wieder nach Rijeka versetzt. Hier wurde er als »Kapitän des Kriegsschiffes« 1880 pensioniert. Bis 1888 verwaltete er in Opatija ein Erholungsheim des Militärs. Littrow hat eine Offiziersliteratur zum Aufblühen gebracht, in ihren Grundprinzipien legitimistisch und exotisch angehaucht, für die die Adria und die slawischen Küstenbewohner eine natürliche Szenerie abgaben. In seiner Sammlung von Novellen und Erzählungen »Aus dem Seeleben«, 1892 in Wien gedruckt und »der begeisterten Freundin des Meeres«, der Erzherzogin Stephanie, gewidmet, zeigt sich Littrow als ein treuer Patriot, der seine herausragenden Fachkenntnisse mit spannenden literarischen Stoffen zu verquicken versteht. Die Popularität seiner Erzählungen ist in gut strukturierten, unterhaltsamen Texten mit vielen nur dem Fachmann geläufigen Details aus der Marinegeschichte und der Schiffskunde begründet. Wenn er sich in seiner Welt bewegt, ist Littrow spannend und entwickelt stellenweise das Format eines großen Erzählers. Wenn er sich jedoch von der Schiffstechnik und von marinegeschichtlichen Verwicklungen an das individuelle Psychologisieren wagt, wird er rasch banal. Dies gilt vor allem für unerwartete glückliche Wendungen in der Handlung, für sprachliche Stereotype und klischeehafte psychologische Lösungen. Er enthält sich allerdings durchweg des politischen Urteils. Skepsis scheint für einen dienenden Offizier unangebracht. Politische Entscheidungen der Admiralität werden vom Erzähler nicht einmal kommentiert, schon gar nicht in Frage gestellt. In der Erzählung »Steuerbord frei  !« nähert sich die Nichte des niederländischen Konsuls in Milet in einem Boot dem vorbeifahrenden Linienschiff, um die Nachricht von einer Blatternepidemie zu bringen  : Die Krankheit breite sich schnell aus und bedrohe auch ihren Onkel. Da der junge Linienschiffs-Lieutenant Julian das Mädchen an der Hand festhielt, als er ihm aus dem Boot an Bord half, mussten beide vor dem Anlegen des Schiffes zusammen in Quarantäne. Sie verlieben sich ineinander und erreichen nach einigen Verwicklungen glücklich vereint Wien.

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Littrow scheint großen Respekt vor slawischen Frauen gehabt zu haben. Aus seinen Erzählungen geht hervor, dass die Frau diejenige ist, die für die innere Dynamik des familiären Lebens sorgt und dem Mann auch im aktiven, oft existenziell bestimmenden Handeln als Mutter, Hausbesorgerin, Geliebte und als sozial wirksame Person überlegen ist. Die Männer sind hingegen in den Dienst fremder Herrschaftsmächte eingespannt und zum Gehorsam verdammt, was jegliche persönliche Entscheidungsfreiheit hemmt. Diese Einsicht gewinnt der Leser, obwohl sie von Littrow nicht geäußert wird. Eine selbstsichere, aktive, waghalsig mutige junge Frau dominiert jedenfalls auch die Erzählung »Jella«, die die Seeschlacht von Vis zwischen der österreichischen und der überlegenen italienischen Flotte am 20. Juli 1866 evoziert, aus der die Österreicher unter dem legendären Admiral Wilhelm von Tegetthoff siegreich hervorgingen. Minuziös schildert Littrow die Rammtaktik, die für den Sieg ausschlaggebend war. Ganz österreichischer Patriot und standhafter Offizier, sieht der Autor von jeglicher Form der Kritik an der Kriegsführung im Allgemeinen und den unvermeidlichen Opfern im Besonderen ab. Die Gefallenen seien Helden, deren Aufopferung für das Vaterland durch den Sieg über den überlegenen Feind legitimiert wird. Mit unverkennbarer Wollust schildert der Erzähler die schönen jungen Gesichter der Toten, verliert aber kein Wort über die humanen Aspekte dieser Tragödie  : Der ethische Sinn, der den Matrosen charakterisi[e]rt, trat auch bei den Todten zu Tage. […] Alle, auch die gräßlich verstümmelten Leichen, wurden, wo es möglich war, in ihre Hängematten gelegt und so geschickt mit Lorbeerzweigen und Blumen bedeckt, daß ihr Anblick weniger grauenerregend war. […] sogar den Commandanten Baron Moll, dem eine feindliche Kugel den Kopf von den Schultern gerissen hatte, wußten seine Matrosen so zu drapiren, daß die Art des fürchterlichen Endes, das ihn betroffen hatte, verborgen blieb.255

Für Jella hingegen, das junge Mädchen von Vis, das die Schlacht mit großer Besorgnis beobachtet, weil ihr Verlobter, ein Deutsch-Österreicher namens Giorgio Perković, daran beteiligt ist, wendet sich alles zum Besten. Auch sie ist mit einigen Freunden in ein Boot gestiegen, um zum Schiff zu gelangen und dort nach dem Befinden der Matrosen zu fragen. »Come sta Perković  ?«, ruft sie aus dem Boot zum Schiff hinauf. »Morto  !«, erschallt die vernichtende Antwort. Es wird sich jedoch bald zeigen, dass bei den Kriegshandlungen nicht ihr Verlobter ums Leben gekommen ist, wie es ihr fälschlich berichtet wurde, sondern ein Matrose 255 Heinrich von Littrow  : Jella. In  : Heinrich von Littrow  : Aus dem Seeleben. Novellen und Erzählungen. Wien 1892, S. 167.

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mit ähnlichem Familiennamen. Nicht Perković, sondern Gerković ist umgekommen – eine fatale Verwechslung. Am Ende werden die zwei Liebenden vor der schönen mediterranen Kulisse vereint  : »Die Thränenperlen, die sie in einer trüben Stunde geweint, haben sich in eine Schaar blühender Kinder verwandelt, von denen drei kräftige Jungen sich schon heute im Seedienste ihr Brod verdienen.«256 Selbst im Rahmen dieser Kriegserzählung schimmert der Zauber der Adria und der südslawischen Welt durch, eine Quelle der anhaltenden Faszination für den Erzähler Littrow. Auch der aus Venedig stammende Felix Falzari (1859–1912) verband den Beruf des Marineoffiziers mit seiner Berufung zum Schriftsteller, denn er avancierte zum Lyriker und Erzähler. Die Überseeromantik, von den österreichischen expansionistischen Träumen genährt, bestimmte seine literarische Weltanschauung. Falzari hatte in Rijeka 1876 das Studium an der Marineakademie abgeschlossen und war im selben Jahr der Österreich-Ungarischen Kriegsmarine beigetreten. Nach dem aktiven Dienst als Fregattenkapitän (1885–1906) arbeitete er bei unterschiedlichen Marineeinrichtungen in Pula und entwickelte parallel zur Offizierslaufbahn eine rege Tätigkeit als erfolgreicher Autor von Libretti für Operetten und Ballette. Zu den berühmtesten gehört wohl das 1896 in Pula publizierte lyrische Drama »General Kukuška«, das von Franz Lehár vertont wurde, der zeitgleich mit Falzari als junger Marineoffizier in Pula tätig war. Das Drama ist in den russischen Weiten angesiedelt. »Irgend ein russischer Verbannter, der an einem Frühlingstage nachdenklich am Ufer der rauschenden Kara saß, und der im nahen Walde den Kuckuck rufen hörte, wurde unversehens zum Poeten und damit zum Ausreißer  : zum Brodjak«.257 General Kukuška, der Frühlingsgott, bringt Transbaikalien zum Blühen. Doch auch maritime Prosa wie etwa die Erzählung »Die Alamaba  : Eine Seenovelle« (1883) zählt zu Falzaris Œuvre. In »Oroto, ein Sommernachtstraum in drei Bildern«, 1897 in Pula veröffentlicht, lässt Falzari einen jungen österreichischen Matrosen der k. u. k. Marine, Max Köhler, mit seinem Fregattenschiff an einer Tahiti-Insel anlegen, wo er Götzen, Zauberwesen und der wunderschönen Königin Oroto anheimfällt. In ihren Bann geschlagen, verliert Max die Orientierung und fast den Verstand, wird anschließend von den Eingeborenen wegen der Entweihung eines Götzen zum Tode verurteilt und in letzter Minute von seinen herbeigeeilten Kameraden gerettet. Von Marschmusik unterstützt, begleiten sie den vom Liebeszauber Orotos 256 Ebd., S. 168. 257 Felix Falzari  : General Kukuška. Lyrisches Drama von Felix Falzari. Musik von Franz Lehár. Pula 1896, Vorwort, unpaginiert.

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vollkommen Verwirrten siegreich auf die Fregatte zurück. Die Südseeromantik mit dem gewaltigen afrikanischen Baum Sykomore, von dem sich Lianen herabsenken, erzeugt in der Konfrontation mit dem k. u. k. Offiziersreglement eine ebenso lustige wie spannende Kulisse für das romantische Liebesdramolett. Aber auch an pathetischer Überhöhung fehlt es nicht. In der abschließenden Szene singt der Chor das »Gebet während der Schlacht« aus Theodor Körners »Leier und Schwert« (1814).258 Auch die Lyrikerin und Novellistin Irene von Schellander (1873–1933) kam als Tochter eines Admirals nach Krain und Istrien und ließ sich von der Schönheit der Landschaft in ihrem Werk, der Gedichtsammlung »Tannenbruch« (1902) und der Erzählung »Rojenica« (1906), inspirieren. Belgrad und die Vojvodina Die Sichtung bürgerlicher deutscher Kultur ist mit einem Blick auf Serbien und Belgrad zu schließen, wo die Verhältnisse für die deutschsprachige Literatur doch wesentlich anders lagen. Da es in Serbien kein historisch gewachsenes deutsches Bürgertum gab, konnte sich keine authentische literarische Binnenszene entwickeln. Allerdings orientierte sich die serbische Elite intellektuell nach Österreich, die Jugend wurde an österreichische Universitäten zum Studium geschickt. Einige Dichter serbischer Herkunft fanden so in einem Teil ihrer literarischen Biografie den Weg zur deutschen Dichtung. Allen voran Branko Radičević (1824– 1853), dessen lyrisches Werk den Höhepunkt der serbischen Romantik markiert. Er kam während seines Jurastudiums in Wien in Kontakt mit dem serbischen Sprachreformer Vuk Karadžić sowie mit dem jungen Philologen Đuro Daničić. Unter dem Eindruck ihres Einsatzes um eine nationale Schriftsprache, in der eine eigenständige Literatur geschrieben werden konnte, schrieb Radičević lyrische Gedichte in der Volkssprache. Bevor er sich hier im nationalen Idiom sicher fühlte, dichtete er jedoch in der deutschen Sprache, in der romantischen Tradition, in der er auch literarisch erzogen war. Auch in Belgrad wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts sporadisch deutsche Zeitungen und Zeitschriften gedruckt. Die »Balkan-Presse« erschien in Belgrad 1882, die »Belgrader Zeitung« mit Literaturfeuilleton im ersten Anlauf 1895, dann von 1924 bis 1925. Anders war die Situation in der Vojvodina  : Einzelne größere Städte hatten eine blühende Zeitschriftenkultur vorzuweisen. In Bela Crkva/Weißkirchen er258 Felix Falzari  : Oroto. Pula 1897, S. 30.

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schien das »Bela Crkvaer Volksblatt  : Zeitung für Handel, Gewerbe, Landwirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Schrifttum und gesellschaftliches Leben« von 1921 bis 1936, in Groß Kikinda die »Groß-Kikinder Zeitung  : Organ für Volksbelehrung, Volkswirtschaft, Sozial- und Kulturinteressen« von 1875 bis in die 1920erJahre. Der »Östliche Grenz Bote« wurde in Zemun/Semlin von 1895 bis 1898 herausgegeben, seit 1898 führte die Zeitschrift den Namen »Semliner Wochenblatt«. Die »Vrbasser Zeitung  : Wochenblatt für das protestantische Deutschtum Jugoslawiens« erschien in Novi Vrbas von 1902 bis 1941. Jede dieser Zeitungen brachte im Feuilleton oder in einer besonderen Kulturbeilage literarische Texte, die weitgehend der Unterhaltungsliteratur zuzuordnen sind. Die Redaktion übernahm sie aus der deutschen und österreichischen Presse, wobei Autoren vertreten sind, die – mit Ausnahme von Peter Rosegger und Arthur Achleitner – längst in Vergessenheit geraten sind  : Wilhelm Appelt, Hermann Borkenhagen, Maria Doberenz-Eberlein, Fritz Ernst, Bruno Flachs, M. Gitner, Hans Grill, Ida Grossmann, Adolf May, A. von Plankenberg, Kurt Thiergen, Hans Till, Leo von Torn, Alois Ulreich, Hans von Vailand. Der Romancier Stephan Milow (1836–1915) stammt aus dem Banat und hieß mit eigentlichem Namen Stevan Milenković.259 Während seiner Offizierskarriere nahm er die deutsche Sprache und die österreichische Identität an, änderte seinen serbischen Namen um und begann Gedichte in Deutsch zu schreiben. Er hat ein Werk hinterlassen, das neben Gedichten, Dramen und Novellen auch einen Roman umfasst. Dieser konservative Dichter blieb zwar mit seiner Lyrik dem epigonenhaften Geist des späten 19. Jahrhunderts verpflichtet, doch hie und da leuchten bei ihm Verse voller authentischer poetischer Inspiration auf. Die Erinnerung an die Kindheit verleiht dem neunten Gedicht aus dem Zyklus »In der Einsamkeit« die Authentizität des Erlebten. Ich sehe noch das Haus im fernen Süden, Umpflanzt von Gruppen hoher, schatt’ger Bäume, Wo ich umhergetollt oft ohn’ Ermüden  ; Wie grüssen mich so rührend alle Räume  ! Und Vater und Mutter, die Geschwister alle, Sie stehen vor meinem Blick …260

259 Zu Biografie und literarischer Würdigung vgl. Katalin Kovačević  : Stephan Milow (von Millenkovich) und seine Beziehung zu den Serben und Kroaten. Novi Sad 1976. 260 Zitat nach  : Ebd., S. 110.

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Nach Verlassen seiner serbischen Heimat schon als Jugendlicher hatte Milow wenig Beziehung zu Serbien. Der österreichische Adel, das Großbürgertum und die österreichische Landschaft haben die alte Heimat auch literarisch radikal verdrängt. Seine Geschichten wie etwa die drei Novellen »Wie Herzen lieben« (1883) spielen in Südtirol, mit Schlössern, spektakulärer Natur und jenen Figuren, die Milow am besten kennt  : Stiftsdamen, Künstler, Landadel. Die psychologische Begründung der Handlung und die Beziehungen zwischen den handelnden Personen führt Milow trotz des Hanges zur Sentimentalität mit delikater Hand. In der serbischen und der kroatischen Presse wurde Milow gelegentlich publiziert, vor allem hat der Dichter und Übersetzer aus der Militärgrenze Ivan Trnski viele seiner Gedichte ins Kroatische übertragen. Trnski hat sich sogar darum bemüht, Milow an jenen Themenkreis heranzuführen, der seiner Lyrik neue Schaffensimpulse hätte geben können  : an die Heimat, Erinnerungen an die Kindheit, an das serbische Land und seine Leute. Anders als sein Zeitgenosse Petar Preradović, der sich nach den Versuchen deutsch zu dichten, doch seiner Muttersprache und den aktuellen Geboten seines Volkes zuwandte, um auf diesem Wege seine Lyrik stilistisch und thematisch zu erneuern, blieb Milow stets auf das Österreichische fixiert und tat alles dafür, sich in Wien zu etablieren. »Milow hätte sich anders, vorteilhafter, entwickeln können, wäre er von den Idealen eines jungen Volkes getragen worden, in einer Phase, als dieses Volk seine Geschichte gestaltete und nicht nur von der Geschichte lebte.«261 Milows eigene Übersetzungen aus dem Kroatischen und Serbischen, u. a. der Gedichte von Preradović und der Schriften des Bischofs Strossmayer, sind dagegen Beispiele eines gelungenen Kulturtransfers. »Lebensmächte« (1890), ein Roman in vier Büchern, ist ein breit angelegtes Gesellschaftspanorama, in dem Milow die Verwicklungen im Leben dreier aristokratischer altösterreichischer Familien schildert. Für diesen Roman wurde er 1902 mit dem Bauernfeld-Preis ausgezeichnet, ein Zeichen dafür, wie gut ihm die literarische Integration in Österreich gelungen war. Zwar ist die Dialektik von Aufstieg, Verfall und Anpassung teils auch durch äußere Umstände einer sich ständig ändernden Welt bedingt, doch bestimmt vor allem die programmatische Macht des Schicksals den Handlungsablauf und führt die Personen zusammen oder reißt sie auseinander. Die Familie des Barons von Elmbach, der Jurist Eberhard von Neudegg und die Fürstenfamilie Rottenstein bilden den Mittelpunkt dieser Welt. Die Handlung wird zunächst in Triest und auf einem Schloss in der 261 Ebd., S. 188.

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Nähe ausgetragen, im dritten und vierten Buch wird sie nach Wien verlagert. Die schöne, musische Baronin von Elmbach, Star der Triester adligen Gesellschaft, die die dreizehnjährige Tochter Vera hat, bringt einen Sohn, Hugo, zur Welt. Ihr Ehemann, der kränkelnde Baron von Elmbach, ist nach einem finanziellen Rückschlag im vorgerückten Alter gezwungen, eine Bürostelle anzunehmen. Er stirbt an Überarbeitung, seine Frau zieht mit den Kindern nach Wien, um sich ganz der künstlerischen Erziehung Hugos zu widmen. Dieser erweist sich bald als Schwächling und Nichtsnutz, gerät in schlechte Gesellschaft, wird schließlich von einem Kriminellen ermordet. Die vernachlässigte Vera kommt als Gouvernante auf das Schloss des Fürsten Rottenstein. Während sich der Fürst um die Familie und das Gut kümmert, pflegt seine Frau einen ausschweifenden Lebensstil in den europäischen Metropolen. Der Fürst verführt Vera, die sich danach aus Verzweiflung das Leben nehmen will. Gerettet wird sie im letzten Augenblick von Eberhard von Neudegg, der im Schloss des Fürsten als Erzieher des Sohnes Edmund tätig ist. Der adlige Jurist sah nach dem plötzlichen Tod seines Vaters, der ihn materiell unterstützt hatte, keinen anderen Ausweg, als eine Stelle als Privaterzieher anzunehmen. Seit seiner Jugend ist der ehrliche, prinzipientreue Neudegg in Vera verliebt, doch angesichts ihres Fehltritts mit dem Fürsten wendet er sich von ihr ab. Vera von Elmbach und Eberhard von Neudegg kündigen nun – voneinander unabhängig – ihre Stellen beim Fürsten Rottenstein und ziehen nach Wien, um dort neue Leben anzufangen. Neudegg verdingt sich als Jurist in einer Rechts­ anwaltskanzlei und trägt sich mit sozialistischem Ideengut. Als treuherziger Humanist will er sich sogar einem sozialistischen Verein anschließen, doch die politischen Praktiken stoßen ihn von der Gemeinschaftsarbeit ab. Er verfasst eine Schrift über die Fortschritte im neunzehnten Jahrhundert, in der der Idealist die Frage der Schaffung einer gerechten Gesellschaft in naiv-argloser Manier diskutiert. Der in besseren, wohlgeordneten Verhältnissen lebende Mensch solle sich durch unablässige Bildung, echte Geistes- und Herzensbildung, immer mehr veredeln  ; für die Hebung des Armen, der höheren Bildung noch nicht Zugänglichen, sei aber die Sicherung einer menschenwürdigen, nicht allzu bedrückenden materiellen Existenz die unerläßliche Grundlage. Hat er mehr Brot, wird er weniger stehlen und sich leichter dem Guten und Edlen öffnen. Dann auch könne erst der kategorische Imperativ, mit dem bei dem Hungernden nichts auszurichten sei, zur Geltung gelangen  ; dann erst könne die sittliche Erziehung des Menschen beginnen. Damit kam Neudegg zuletzt auf seinen Lieblingsgedanken, daß der Staat die Lösung der so wichtigen sozialen Frage einmal ernstlich

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versuchen solle  ; denn nur er habe die Macht, sie entscheidend und zugleich friedlich durchzuführen.262

Die vom humanen Etatismus beflügelte Schrift wird kontrovers aufgenommen. Neudegg werden einerseits »ethischer Enthusiasmus«, andererseits umstürzlerische Ideen vorgeworfen. Da es in den »bosnischen Provinzen, die erst vor kurzen Jahren Österreich erobert hatten«,263 zu immer neuen Aufständen kommt, wird Neudegg als Reserveoffizier mit seinem Jägerbataillon einberufen. Der Patriot folgt der Einberufung gern und sieht darin eine Gelegenheit, seine ideologischen Grundsätze zur Geltung zu bringen. Die Mobilisierung wird geradezu als Befreiung empfunden, der Dienst für das Vaterland als zivilisatorischer Akt. »Und ist es auch nicht das Höchste, wofür ich eintrete, gilt es auch nicht, das bedrohte Vaterland zu schützen  ; so bleibt es doch immer eine schöne Aufgabe, ein halbwildes Volk zu bändigen und der Kultur zuzuführen.«264 Nachdem Neudegg aus dem Kriegsgebiet unversehrt zurückkehrt, wird er von seinem ehemaligen Schützling, dem inzwischen erwachsenen Prinzen Edmund, beauftragt, seine Ländereien nach den modernsten Prinzipien der Landwirtschaft neu zu ordnen und verwalten zu lassen. Der alte Fürst ist gestorben, eine neue Ära bricht an. Die edel gesinnten jungen Männer beschließen, umfassende Reformen durchzuführen. Die Baronin von Elmbach stirbt an gebrochenem Herzen, richtet aber vom Sterbebett an Neudegg noch ihre letzte Bitte, er möge der allein gelassenen Vera in Zukunft beistehen. Neudegg zieht auf Schloss Rottenstein, setzt gegen viele Widerstände die umfassenden landwirtschaftlichen und sozialen Reformen um und überwindet allmählich seinen Groll gegen Vera. Der Roman endet mit dem Happy Ending einer Doppelverlobung  : Neudegg verlobt sich mit Vera, Edmund von Rottenstein mit einer jungen Aristokratin. Somit ist die aristokratische Nachfolge gesichert und die Geschichte hat das bestmögliche Ende gefunden. Die paternalistische habsburgische Ordnung, der schon die Totenglocken läuten, ist zumindest vorübergehend gerettet. Nach der Verlobung sitzt Neudegg mit seiner Vera »ganz nahe an der Stelle, wo er sie einst in jener Mondnacht vor dem Sturz in die Tiefe errettete«.265

262 Stephan Milow  : Lebensmächte. Roman in vier Büchern. Dresden 1890, S. 240 f. 263 Ebd., S. 328. 264 Ebd., S. 329. 265 Ebd., S. 396.

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Das adlige Milieu schwebt nicht im luftleeren Raum. Milow registriert die Anzeichen der Krise der alten Gesellschaftsordnung. Das Bürgertum verselbstständigt sich und pocht mächtig an die Tür, das Proletariat organisiert sich, der »Spuk« des Sozialismus dominiert die Kulissen der Handlung und ist nicht aufzuhalten. Milow hat mit Gewissheit alle diese Phänotype in Wien und auf den Schlössern der Monarchie kennenlernt  : den Verschwender, den skrupellosen Verführer, den naiven Idealisten, den Wucherer, die Libertinage als Lebensform, die empfindsame Kunstliebhaberin und auch den verarmten Adel, der sich in einer ungewohnten Arbeitssituation neu zurechtfindet. Die Welt verändert sich und der Adel passt sich ihr notgedrungen an. Zwar sind die literarischen Gestalten Milows manchmal ohne tiefes Profil, allerdings sind seine gesellschaftlichen Panoramabilder mit einer prallen, bunten Lebendigkeit gefüllt. In den vorderen Reihen tratschen die Stiftsdamen, der Direktor Codré setzt seine kapitalistischen Geschäftspläne mit Brachialgewalt durch, während die alte Generation im Takt von Wagners Liebestod aus »Tristan und Isolde« zu Grabe getragen wird. Aber in den hinteren Reihen, wo die kleinen Wiener Handwerker und die feschen Mädels aus den Außenbezirken agieren, herrscht bereits der Geist des Auf- und Umbruchs. Eine Ära geht unwiederbringlich zu Ende.

8. Auf dem Weg zur Moderne Extravagante Doppelexistenz  : Franz von Werner (Murad Efendi) Das Leben des Schriftstellers und Diplomaten Franz von Werner (1836–1881, Pseudonym Murad Efendi), der als Sohn eines kroatischen Gutsbesitzers in Wien geboren wurde und in Zagreb Kindheit und Jugend verbrachte, zählt zu den extravagantesten in der neueren deutschen Literatur.266 Der ebenso begabte wie unstete Jüngling trat nach der Gymnasialausbildung in Zagreb und Wien am »Schubert Institut« in ein österreichisches Kavallerieregiment ein, das er jedoch schon bald wieder verließ. Danach versuchte er sich als Maler und Apotheker. Nachdem er beide Ausbildungen frühzeitig abgebrochen hatte, schloss er sich während des russisch-türkischen Krimkrieges als Offizier der türkischen Armee an. Er wurde 266 Zur ausführlichen Darstellung des Lebens vgl. Heinrich Ziegler  : Murad Efendi (Franz von Werner). Eine Biografie und Würdigung seiner dramatischen Werke. Inaugural-Dissertation an der Kgl. Westfälischen Universität Münster, gedruckt in Dortmund 1917. Vgl. auch Ivan Pederin  : Murad Efendi – Franz von Werner. In  : Südost-Forschungen, 32 (1973), S. 106–122.

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zunächst dem Regiment der »Roten Kosaken« zugeteilt, das sich größtenteils aus polnischen Emigranten zusammensetzte, mit einem Polen als Kommandanten, nämlich dem Dichter Michael Czaikowski. Franz von Werner nahm einen türkischen Namen an und führte ihn, neben seinem eigenen, bis ans Ende seines Lebens. Als Murad Efendi stand er von 1856 bis zu seinem Tod als Diplomat und Politiker im Dienste des Türkischen Reiches, zunächst dem Großwesir Mehmet Pascha zugeteilt. Trotz seiner neuen gewählten nationalen Identität blieb Werner der deutschen Sprache treu, in der er ein vielfältiges, elegantes Œuvre schuf. 1877 wurde er zum diplomatischen Repräsentanten der Hohen Pforte für Schweden und die Niederlande mit Sitz in Den Haag ernannt. Hier starb er 1881. Bei der Bearbeitung historischer Stoffe aus unterschiedlichen Epochen der europäischen Geschichte erwies sich Werner als souveräner Dramatiker, dem überzeugende Dialoge und lebendige Massenszenen glückten. Besonders in den Königsdramen ist er in seinem Element, sie waren der kulturelle Humus für sein dramatisches Werk, während in der bürgerlichen Komödie und dem Volksstück die Originalität zugunsten eines gekünstelten komischen Effekts zurücktritt. Nur gelegentlich schimmert Werners Noblesse auch im komischen Fach durch. All seine Dramen gelangten auf den westeuropäischen Bühnen zur Aufführung, auch am Wiener Burgtheater. Von seinen dramatischen Werken seien die Tragödien »Selim III.«, »Ines de Castro« und »Mirabeau« besonders hervorgehoben. Der Hof mit seinen Ritualen, Protagonisten und der Staffage, das spezifische Milieu, zu dem Werner direkten Zugang hatte, blieb der bevorzugte Ort in seinen Dramen. »Selim III.«, in fünf Akten als ein Musterbeispiel der klassischen Tragödie gestaltet, ist neben »Mirabeau«, das von der französischen Revolution inspiriert ist, ein besonders gelungenes historisches Drama. Es lag wohl auch an seinem abenteuerlichen Leben, dass Werner sich mühelos in fremde Sitten, vergangene Epochen sowie in die Schicksale fremder Machthaber und Revolutionäre hineinversetzen konnte. Wenn er die Geschichte der Fehden und der Verschwörung am Hofe des fortschrittlichen Sultans Selim III. (1761–1808) aufbaut, bewegt er sich in einem vertrauten Milieu, das er lebendig zeichnet. Das Lokalkolorit der Straßen von Istanbul, des Hofstaats mit Großmuftis, Paschas, ausländischen Botschaftern, Bettelderwischen und den Janitscharen kannte er ebenso gut wie die Umgangsformen im Harem des Sultans. Die Liebesbeziehung zwischen Zuleicha, der Favoritin des Sultans, und Hussein, dem Anführer der Verschwörer, bildet den sentimentalen Kontrapunkt zur persönlichen Katastrophe Selims, dessen Initiative – von der französischen Revolution beflügelt –, das Königreich durch umfassende Reformen zu modernisieren, am Widerstand der konservativen Kräfte

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scheitert. Vor allem die Janitscharen setzen sich vehement zur Wehr, sodass Selim durch ihren Aufstand zugrunde geht. Er wird erdolcht, Mahmud auf den Thron der Osmaniden erhoben. Kritiker und Rivalen sind aus dem Weg geräumt, die alte Ordnung ist wiederhergestellt. Diese vormoderne Welt war noch unberührt von liberalen, gar umstürzlerischen Ideen. Der Legitimist Franz von Werner bricht für den starken Herrscher eine literarische Lanze, seine hegemonialen Rechte verteidigend. Sein Lustspiel aus dem Bauernleben »Auf dem Kreuzhof« siedelt Werner im Hochgebirge an. Trotz des Dialekts und des Versuchs, die Figuren lebendig zu zeichnen, bleibt der Eindruck der fehlenden Tiefe bestehen. Auch in ihrer psychologischen Disposition sind die Akteure mehr Typen als Individuen. Dabei kann der Ausgangskonflikt nicht zündender sein  : Katherin, die Kreuzhofbäuerin, ihre Tochter Burgei und ihre Stieftochter Elisi erben den gewinnbringenden Kreuzhof, er soll zwischen ihnen aufgeteilt werden. Die anfänglichen Fehden zwischen Stiefmutter und Stieftochter und die Intrigen, an denen das ganze Dorf teilnimmt, werden durch den edlen Entschluss der völlig unerwartet, aufgrund eines plötzlich aufgetauchten Dokuments zur Alleinerbin eingesetzten Stieftochter aufgehoben, die den Hof zu gleichen Teilen auf sich und Katherin aufteilt. Das Ideal der absoluten Gerechtigkeit und des harmonischen Zusammenlebens wird zum Glück aller umgesetzt. Elisi erhebt sich als bäuerliche Variante der Iphigenie über den Argwohn und findet mit Toleranz und Edelmut zu einer humanen Konfliktlösung. Hätte der Autor einzelne Charaktere etwas genauer nuanciert, so hätte das Stück jene Schärfe gewonnen, welche die Volksstücke von Ludwig Anzengruber oder der viel späteren Ödön von Horváth und Peter Turrini auszeichnet. Aber Werner war, anders als sie, nicht an der Darstellung der tragischen, unwiederbringlichen individuellen Zerklüftung, die sich im Gesellschaftlichen widerspiegelt, sondern an einer allgemeinen Stabilisierung interessiert. Somit wurden die große Statik und das Harmoniebedürfnis der österreichischen Verhältnisse heraufbeschworen, an denen besser nicht zu rütteln ist. »Professors Brautfahrt«, ein Schwank in drei Aufzügen, ist eine klassische Salonkomödie aus dem Professorenmilieu. Ein Mediziner, ein klassischer Philologe und ein Zoologe überbieten sich mit geistreichen Einfällen, sobald sie aber die gepflegte Konversation verlassen und sich den Banalitäten des Alltagslebens stellen, kommt es zu Missverständnissen und Komplikationen. Die bildungsverwöhnten Aristokraten, die gezwungen sind, einen Beruf auszuüben, sind nicht unsympathisch, obwohl sie am liebsten leere Phrasen dreschen. Zum Schluss wendet sich alles zum Besten  : Nicht der Vater Helmbach, Legations-

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rat a. D., sondern sein Sohn, der klassische Philologe, bekommt die hübsche Professorentochter Irmgardt zur Frau. Kurz zuvor hat den Sohn auch der lang ersehnte Ruf auf eine Professur in Göttingen ereilt. Werners Protagonisten sind emanzipierte, angesehene Bürger ihrer Stadt. Hier spürt man nichts von der antiintellektuellen Einstellung der Habsburger, die Claudio Magris der österreichischen Literatur bescheinigt.267 Nur eins ist sicher  : Die Demontage des Adels hat begonnen. Ende 1858 führte eine diplomatische Mission im Dienste der Hohen Pforte Werner nach Mostar in der Herzegowina. Seine Erinnerungen an die Stadt, das Land und die angrenzenden Gebiete Bosniens und Montenegros hat er im ersten Band seiner Memoiren »Türkische Skizzen« (1877) gesammelt. Zweck der Reise waren Verhandlungen über die Grenze zwischen dem Osmanischen Reich und Montenegro, die von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Das Fürstentum Montenegro, das seit dem 15. Jahrhundert gegen die Türken aufbegehrte und die Selbstständigkeit einzelner Teile seines Territoriums verteidigen konnte, lieferte den Türken in der Schlacht bei Grahovo – südlich des Städtchens verlief die Militärgrenze von Österreich-Ungarn – zwischen dem 11. und 13. Mai 1858 vernichtende Niederlagen. Die türkische Armee wurde von den Montenegrinern von der Grenze zurückgeworfen und regelrecht niedergemetzelt. Werner war Zeuge der Kämpfe. Er konnte sich im letzten Moment durch Flucht, auf dem Pferderücken und zu Fuß, auf das österreichische Gebiet retten. Erst dank einer späteren, von Frankreich initiierten diplomatischen Initiative konnte das Grenzproblem gelöst werden, was die Unabhängigkeit Montenegros zusätzlich gefestigt hat. Während er Mostar und Bosnien wohlwollend schildert (sich allerdings lediglich auf dem Niveau der volkskundlichen Betrachtung bewegt), die Gesinnung der Menschen ebenso wie ihre Tracht und Sitten, spricht Werner den Montenegrinern jede Kultur und Zivilisierbarkeit ab. Dies veranlasste ihn zu einer vernichtenden Gesamtkritik der christlichen Slawen  : Mir selber sind Opfer jener cannibalischen Grausamkeit vor Augen gekommen  – schreckliche Zeichen für die Bestialität, die dem Ebenbilde Gottes innewohnen kann, betrübende Beweise, wie Heuchelei und Phrase unerschüttert in der Welt herrschen. Man beansprucht für diese Stämme das Interesse Europa’s im Namen des Christenthums und der Kultur  ! Montenegro pocht auf seine stets behauptete Unabhängigkeit, 267 Vgl. Claudio Magris  : Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur. Salzburg 1966, S. 301.

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und dennoch, und ungeachtet seiner seit Jahrhunderten bestehenden Beziehungen zu Venedig und dem übrigen christlichen Abendlande, steht dieses Bollwerk griechischslavischer Kultur noch immer auf dem Standpunkte der Huronen und anderer Wilden. Die Montenegriner, gleich den übrigen Slaven der türkischen Länder, kämpfen nicht für ihre Existenz – denn diese ist auch jetzt nicht bedroht – sondern sie kämpfen um den Besitz der Macht. Gut, dagegen wäre weiter nichts zu bemerken. Das schlimme hiebei ist die Lüge, mit welcher man diese Bestrebungen bemäntelt und die öffentliche Meinung Europa’s irre zu führen sucht, indem man den Kampf als einen Widerstand des Christenthums gegen den Islam, als einen Feldzug der Kultur gegen die Barbarei darstellt. Bis jetzt haben die Slaven der Türkei kaum ein Recht erworben, im Namen der Civilisation aufzutreten und unter diesem Vorwand an die Sympathien des Abendlandes zu appelliren.268

Werner spricht in leidenschaftlicher Rage, gewiss auch aus dem Gefühl des in seiner Mission gescheiterten Diplomaten und als treuer Türke, der den montenegrinischen Sieg bei Grahovo nicht verkraften konnte. So wurde er zum unmittelbaren Zeugen eines vormodernen »Clash of Civilizations«, der schließlich sein literarisches Generalthema, gar sein Lebensinhalt wurde. Anders als in seinen hin und wieder kritischen Erinnerungen zeigt von Werner sich in seiner köstlichen Sammlung von Anekdoten in Versform »Nassredin Chodja, ein osmanischer Eulenspiegel« (1878) witzig entspannt.269 Das Versepos erlebte im Realismus seine wahre Blütezeit. Das berühmteste Werk dieser Gattung, »Der Trompeter von Säckingen« von Joseph Victor von Scheffel, erlebte im Jahr 1882 seine einhundertste Auflage.270 Der Geschichtenkranz um den Nassredin, den Schalk, das symbolische Sprachrohr der Unterprivilegierten, der in steter Entbehrung und Armut lebt und dennoch als Witzbold und Lebenskünstler den Mächtigen überlegen ist, bietet dem Dichter eine willkommene Plattform für eine humorvolle Darbietung der Lebensweisen einfacher Leute im Orient, ihrer Sitten, Bräuche und ihrer Lebensphilosophie, nicht zuletzt ihres spezifischen Humors. 268 Murad Efendi  : Türkische Skizzen. 1. Bd.: Türkische Fahrten. Leipzig 1877, S. 155 f. 269 Vgl. die eingehende Analyse des Epos von Eldi Grubišić-Pulišelić  : Franz von Werner – turski diplomat i pisac na njemačkom jeziku (Franz von Werner – türkischer Diplomat und deutschsprachiger Schriftsteller). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2004, S. 43–55. 270 Ebd., S. 46. Grubišić-Pulišelić verweist auch auf einige Vertreter des humoristischen Epos in der deutschen Literatur  : Johann Gottfried Kinkel, Oskar von Redwitz, Gustav zu Pulitz und Otto Roquette.

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Sein Empfinden, Schauen, Denken Werde klar aus seinen Schwänken  ; Ob er Narr, ob Schelm gewesen, Oder ob in seinem Wesen Beide sich vielmehr vereinigt, Ist noch keinerseits bescheinigt  ; Will dem das, dem Jenes scheinen, Habt ihr ja – das eigne Meinen.271

Das konfliktreiche und gleichzeitig friedliche Nebeneinander von Ost und West, die Berührungen zwischen Orient und Okzident in Literatur und Lebensart, bleibt für Werner eine literarische Schatzkammer. Seine bedeutende Gedichtsammlung, die in Aufbau und Motivwahl an Goethes »West-östlichen Diwan« erinnert, trägt den programmatischen Titel »Ost und West«. Mit diesem Lyrikband, der zuerst 1877 gedruckt wurde und 1881, im Todesjahr des Dichters, die dritte Auflage erlebte, trägt Werner sowohl durch die Motivwahl als auch durch die vertretenen Gattungen dem Westen wesentlich mehr Rechnung als dem Osten. Und dennoch bildet die Ost-West-Metapher die emotionale Achse und den intellektuellen Hintergrund der gesammelten Gedichte. »Der Diwan des Murad«, wie er seine Sammlung in Anlehnung an Goethe im Untertitel auch nennt und an dessen Tradition der Schaffung einer westlichen Kontrafaktur zur östlichen Denkweise er mit dem Großteil seiner Dichtung ohnehin anknüpft, ist in sieben Bücher unterteilt  : »Buch der Liebe«, »Buch der Weisheit«, »Tagebuchblätter«, »Leben und Streben«, »Aus der Wandermappe«, »Balladen und Bilder« und »Verschiedenes«. Da Werner schon fünfundvierzigjährig gestorben ist, kann hier von einem Spätwerk im Goetheschen Sinne keine Rede sein. Außerdem sind die abgedruckten Gedichte Ertrag seiner gesamten literarischen Karriere und nicht ein Produkt der geläuterten Altershaltung eines Genies. Auch der zyklische Charakter der Dichtung Goethes geht Werner völlig ab. Bereits aus der Widmung, »Als Vermächtnis, zum Gedächtniss, nehmt es auf«, wird die biografische Disposition dieser Lyrik deutlich. Sie sei als Summe seiner Lebenserfahrung aufzunehmen, an der für den Dichter schicksalhaften Begegnung von West und Ost. Neben der dominierenden Liebeslyrik fließen Werners Reflexionslyrik, seine Erinnerungen an Kindheit und Jugend, Landschaftsmotive, Motive aus der Literatur und Kulturgeschichte (etwa »Die blaue Blume« in »Leben und Stre271 Murad Efendi  : Nassredin Chodja. Oldenburg 1878, S. 6.

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ben«), gar Gelegenheitsgedichte (»Zur silbernen Hochzeit Ihrer Königlichen Hoheiten des Grossherzogs Nicolaus Friedrich Peter und der Frau Grossherzogin Elisabeth von Oldenburg« in »Verschiedenes«) in seine Sammlung ein. Die orientalischen Motive prägen vor allem die »Balladen und Bilder« (»Fatme und Jusuf«, »Ali Pascha von Janina«, »Der Janitschare«, »Sultan Osman und Malchatun«). Die Liebeslyrik ist in Form und Inhalt konventionell, gern greift der Spätromantiker und Nachfahre Heines auf die Volksliedstrophe zurück. Oft wird die Natur als Erlebnisraum des lyrischen Ich verstanden, dem Liebeserlebnis wird eine raffinierte reflexive Note beigemengt. Jene Stätte fand ich wieder, Jene Wiege meiner Lieder  ; Durch den Garten pilgernd kam ich An die Laube, die ich meine. Wo wir in verstorb’nen Stunden Heimlich uns gesucht, gefunden. Fädchen fallen duftend nieder Mit dem Staube, den ich meine. Duftend wie in jener Tage Blütenhoffnung, Myrtenklage  ! Und ich träume, träume selig Von dem Raube, den ich meine. Da – vor mir – es ist kein Trügen – Monde, Jahre, eitle Lügen  ! Da vor meinem Blick, wie eh’dem, Schwebt die Taube, die ich meine. Ja, dieselbe süße Taube, In derselben trauten Laube. Aber ach  ! Mir fehlt von eh’dem Jener Glaube, den ich meine.272

272 Murad Efendi  : Ost und West. Gedichte. 3. Aufl. Oldenburg 1881, S. 20.

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Werners Lyrik ist, wie sein dramatisches und erzählendes Werk, vor allem durch seine Neigung zum Komischen, zur raffinierten Ironie und zur Zurschaustellung des niederträchtigen menschlichen Charakters geprägt. Im »Buch der Weisheit« mokiert er sich über die Kritiker  : Ihr habt mein Buch besprochen, Wie man dies und das bespricht, Ihr habt es gelobt, getadelt, Gelesen aber nicht.273

In »Verschiedenes« geißelt er mit beißender Satire die Geldgier, ein universales Motiv, mit dem er das romantische Ideal der edlen, empfindsamen, ganz den künstlerischen Herzensergießungen zugewandten Frau bricht. Blauer Nebel der Romantik – Wir sind glücklich d’rüber hin, Aber Ideale pflegt noch Heut’ bei Jungfrau’n zarter Sinn. Rosig in ihr erstes Träumen Tritt ein Krösus als Gemahl, Haare silbern, Finger golden, Million ihr Ideal  ! Million, du Zauberformel, Dir entgegen börsenwärts Schlägt im Traume, schlägt im Wachen Uns’rer Jungfrau’n schwärmend’ Herz.274

In der Heimat seines Vaters war man sich des literarischen Erfolgs Werners bewusst. Mehrere Beiträge in der kroatischen Presse weisen darauf hin, dass die Theateraufführungen seiner Stücke in Deutschland und Österreich auch in Zagreb wahrgenommen wurden. In der bedeutenden Literaturzeitschrift »Vijenac« erschien 1876 ein anonymer Aufsatz mit dem Titel »Germanski Turčin iz Popovca (Franz von Werner – Murad Efendi)« (Ein germanischer Türke aus Popovac 273 Ebd., S. 49. 274 Ebd., S. 259.

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[Franz von Werner – Murad Efendi]).275 Vermutlich hat ihn der damalige Chefredakteur August Šenoa verfasst.276 Der Autor behauptet, Franz Werner hieße mit richtigem Namen Franjo Werner – Franjo ist die kroatische Form von Franz – und sei eigentlich Kroate, sein Vater sei ein kroatischer Patriot gewesen. Werner würde also sein Deutschtum nur vortäuschen, im Einklang mit der Mode seiner Zeit, so das Fazit in »Vijenac«. Werner blieb trotz seiner Lebensweise in mindestens zwei Kulturen offenbar von jeglicher Identitätskrise verschont. Was seine Literatursprache anbelangt, so gab es für ihn keine Alternative zum Deutschen. Zwischen den Zeiten – die Erzählerin und Ethnografin Mara Čop Im Schatten des gütigen Vaters der Monarchie entstand das Werk der Erzählerin und Ethnografin, einer weiteren Kosmopolitin des Untersuchungsraums, Mara Čop (auch Mara Čop Marlet, Marie Edle von Berks) (1859–1910). Ihre Texte sind aus dieser Spannung von Welterfahrung und Liebe zur Monarchie zu deuten. Čop wurde als Tochter eines Industriellen kroatischer Herkunft in Livorno 1858 geboren. Aus politischen und wirtschaftlichen Gründen übersiedelte die Familie nach Zagreb, wo sich Anton Čop (Tschopp) als Ingenieur, Politiker und Zeitungsherausgeber betätigte. In den Achtzigerjahren publizierte Mara Čop ihre ersten Beiträge in der »Agramer Zeitung« und im »Agramer Tagblatt«. 1886 heiratete sie den französischen Rechtsanwalt Charles L. Marlet und zog mit ihm nach Paris. Nach wenigen Jahren ließ sie sich von ihm scheiden und heiratete 1894 den südsteirischen Großgrundbesitzer Hugo Ritter von Berks, mit dem sie in unterschiedlichen österreichischen Städten lebte. Mara Čop hat ein umfangreiches literarisches Opus hinterlassen. Sie schrieb Bühnenstücke, die in Wien, Stuttgart und Prag inszeniert wurden, sowie Novellen, Romane, Libretti, kulturgeschichtliche, politische und ethnografische Studien. Čop betrieb auch ausführliche ethnografische Feldforschungen und übersetzte aus dem Französischen. Ergebnis dieser Studien ist die 1888 in Budapest erschienene Luxusausgabe »Südslavische Frauen. Auf Höhen und Tiefen der Balkanländer«, in der sie in überhöhter Sprache ein idealisiertes Bild der südslawischen Völker zeigt. Ihr Ursprung ist die »zadruga«, eine bis zum Ende des 19. Jahrhunderts typische Form der Generationen übergreifenden Gemeinschaft in der Agrargesellschaft. Die Tendenz der Idealisierung betrifft die dargestellten Sitten und Bräuche und die 275 [Anonym  :] Germanski Turčin iz Popovca (Franz von Werner – Murad Efendi) (Ein germanischer Türke aus Popovac [Franz von Werner – Murad Efendi]). In  : Vijenac, (1876) H. 52, S. 860. 276 Ich folge der Darstellung von Grubišić-Pulišelić  : Franz von Werner, S. 44 f.

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einzelnen Frauentypen aus den südslawischen historischen Gebieten Kroatien, Dalmatien, Bosnien, Serbien. Auch die Zigeunerin ist in Čops ethnografischem Bilderbuch vertreten. Mara Čop neigt dazu, die Folklore in die Realität zu verklären und die südslawischen Frauen zu Heroinen zu stilisieren, gleichwohl weist sie auf »den frischen Lebenshauch« hin, die vitale Energie der slawischen Völker, die im Habsburgerreich die Mehrheit stellten. Die Traditionen der Vergangenheit stünden allerdings den Institutionen der Gegenwart feindlich gegenüber. In weiser Voraussicht legt Mara Čop den Finger auf die blutende Wunde der unversöhnlichen Zwistigkeiten zwischen den slawischen Völkern. Wann »dieser alte Racenkampf« endlich seine Versöhnung finden würde, fragt sie rhetorisch. Darauf, dass gerade die Slawen das eigentliche Potenzial des Habsburgerreiches seien, und nicht seine Last, hatte einige Jahre vor ihr schon Hermann Bahr mit Nachdruck hingewiesen. Die Themen für ihr belletristisches Werk findet die Autorin in ihrer Klasse, dem von der Dekadenz des Fin de Siècle und Untergangstendenzen erfassten Adel. Den »Roman aus der Gesellschaft« mit dem programmatischen Titel »Gestrandet« veröffentlichte die Autorin unter dem Namen Marie von Berks 1908 in Wien. Der nicht aufzuhaltende Untergang der Familie Lehnsdorf gibt den Rahmen für mehrere ineinander verschachtelte Geschichten aus dem Leben des österreichischen Landadels, der gerade im Begriff war, sich unter den Bedingungen der unaufhaltsam vorpreschenden Industrialisierung mit dem Bürgertum zu arrangieren. Der Riss ging durch die eigene Schicht, dabei oft auch alt und jung voneinander scheidend. Den grundsoliden, moralisch gefestigten und arbeitsamen Repräsentanten der alten Generation werden nervlich zerrüttete, unselbstständige, treulose, jeder Moral abholde Männer und Frauen entgegengesetzt. Diese sinnentleerte Generation trägt die alte Ordnung endgültig zu Grabe. Im moralischen Sumpf leuchtet gelegentlich die Gestalt des Galans auf, eines in Sachen des gesellschaftlichen Umgangs zuverlässigen Mannes, Leitfigur der k. u. k. Solidität. Die Hoffnungsträger hingegen, denen eine positive Erneuerung zuzutrauen ist, kommen oft nicht aus den eigenen Reihen, sondern aus den östlichen Nachbar- oder Kronländern, wie der Bulgare Karafoff, Hofmeister auf dem Gut des alten Baron Lehnsdorf, oder entstammen bizarren Liaisons, wie Korel, der uneheliche Sohn eines Lehnsdorf und der berüchtigten Wiener Schauspielerin Lorida. An seinen eigenen männlichen Nachkommen wird das Adelsgeschlecht zugrunde gehen. »Der alte Mann hatte die Kraft gehabt, die dem Sohne gefehlt«, lautet der abschließende Satz des Romans, ein knapper Kommentar zum plötzlichen Tod des Barons, der das moralische, gesundheitliche und berufliche Fiasko seines Sohnes Fred nicht verkraften konnte.

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Zwar porträtiert die Autorin die Personen ihrer reichen Galerie schematisch, sie sind mehr Typen als individuell nuancierte Charaktere, aber sie fängt doch die Atmosphäre dieser Milieus auf. Die Szenen im Salon der Lehnsdorfs, der Besuch und das Abendessen beim Onkel Wetzenstein, die Stimmung im Boudoir der Schauspielerin Lorida, dies alles vermittelt den authentischen Geist der Welt, in der sich Čop selbst als eine nicht unbedeutende Figur souverän bewegte. Einen besonderen Stellenwert lässt Mara Čop den Frauenfiguren zukommen. Auch hier herrscht ein klares Ordnungsgefüge. Die adligen Mädchen sind verspielt und ohne eigenes Profil, die alte Tante, die Stiftsdame, eine unerträgliche Nörglerin, die Schauspielerin Lorida eitel, dumm und amoralisch. Diesen Figuren setzt sie Misa von Teck entgegen, eine selbstständige Intellektuelle, die den neuen emanzipierten Typus verkörpert. Infolge ihrer missglückten Ehe mit dem Lebemann Graf Teck sucht und findet sie letztlich ihren eigenen Weg. Zunächst journalistisch tätig, liefert sie Beiträge für eine Zeitschrift. Nachdem sie jedoch vom Chefredakteur beleidigt wurde, verzichtet sie auf diese Arbeit. Zunächst desillusioniert, entwickelt sie eine neue Perspektive, sieht das Leben realistischer, macht sogar Erfahrungen in der Politik. Als sie in eine sozialdemokratische Demonstration gerät, erlebt sie das Aufbegehren des Proletariats wie eine Erleuchtung und legt konsequent ihren aristokratischen Dünkel ab. Schließlich zeichnet sich die Chance für einen auch persönlichen Neuanfang ab. Misas Ehemann, ein inzwischen geläuterter Amoralist, will mit ihr zusammen ihren verwaisten Neffen aufziehen. Betrachtet man die wunderbaren Porträts, die der kroatische Porträtmaler Vlaho Bukovac 1903 und 1904 Mara von Berks, ihrem Ehemann Hugo und dem Sohn gewidmet hat, so ist die Spannung zwischen adliger Repräsentanz und gebrochenem Ästhetizismus unverkennbar, die auch für die besten Partien im Werk der Mara Čop-von Berks gilt.277 Nur diejenigen Charaktere, die sich dem Neuen öffneten und anpassten, hatten überhaupt eine Chance angesichts der Umbrüche, die bald nach der Jahrhundertwende nicht nur zum Mittelpunkt der künstlerischen und intellektuellen Debatten, sondern der Lebenswelt insgeheim werden sollten. Wiener Moderne Den Auftakt der Moderne markiert in der kroatischen Literatur ein politischer Eklat. Als am 14. Oktober 1895 Kaiser Franz Joseph I. zur feierlichen Eröffnung 277 Vgl. die Abbildungen in  : Vlaho Bukovac. Kosmopoliet uit Kroatië/A Cosmopolitan Croatian. Katalog zur Ausstellung im Gemeentemuseum Den Haag, 2009/2010. Den Haag 2009, S. 142– 144.

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des Kroatischen Nationaltheaters nach Zagreb kam, war dies für die Studenten Anlass für eine Demonstration gegen den kroatischen Banus Dragutin Károly Khuen-Héderváry und seine pro-ungarische Politik. Am 16. Oktober wurde auf dem zentralen Stadtplatz die ungarische Fahne verbrannt, was zu einer Welle von Verhaftungen führte. Viele Studenten, auch Schriftsteller und Künstler, setzten sich nach Wien ab. Sie bildeten den Kern für die neue kroatische Literatur, die im Schatten der Wiener Sezession entstand. Der bereits 1880 in Wien gegründete Verein kroatischer Studenten und Intellektueller »Zvonimir« war das Auffangbecken für die Künstler. Innerhalb des Vereins wurde die Gruppe »Mladi« (Die Jungen) gegründet, die 1898 ihr Organ, die Zeitschrift »Mladost« (Die Jugend) mit dem Untertitel »Rundschau für moderne Literatur und Kunst« publizierte. Die Gruppe strebte eine Sezession von der konservativen kroatischen Literatur der »Alten« an, von der sie sich wegen der geografischen Distanz tatsächlich auch separieren konnte. Die Anlehnung an die Wiener und Münchner Moderne wurde schon durch das äußere Erscheinungsbild der Zeitschrift deutlich, das vom Wiener »Ver Sacrum« übernommen wurde. Zwar waren die Beiträge in kroatischer Sprache gedruckt, doch atmeten sie deutlich den Geist der Wiener Kultur. Auch im Programm der Gruppe waren die Wiener Literatur und das Theaterleben stark vertreten und Hermann Bahrs Idee vom Kulturtransfer spürbar. Die Mitstreiter der »Mladost« Guido Jeny, Dušan Plavšić und Otto (Oto) Kraus schrieben gelegentlich auch in deutscher Sprache. 278 Ihre kosmopolitische Zeitschrift, die auch aktuelle Texte Wiener Autoren brachte (etwa von Arthur Schnitzler), zählt zu den Höhepunkten des kroatischen Kulturtransfers in Richtung der Haupt- und Residenzstadt, da sonstige Anstrengungen in entgegengesetzter Richtung unternommen wurden. Ein etwas verspäteter inländischer Sezessionist ist Tito Marquis Strozzi (1892–1970), Spross des alten italienischen Adelsgeschlechts und der Theaterdynastie Strozzi. Der zeittypischen Dekadenz seiner Klasse begegnete er mit beispielloser Aktivität und einer erfolgreichen Theaterkarriere. Das Studium in Wien (Kunstgeschichte und Akademie für dar278 ����������������������������������������������������������������������������������������������� Vgl. dazu Stanislav Marijanović  : Generacija »mladih« i časopis »Mladost« u pokretu i književnosti hrvatske, slovenske i srpske »moderne« (Die Generation der »Jungen« und die Zeitschrift »Mladost« in der Bewegung und in der Literatur der kroatischen, slowenischen und serbischen Moderne). Osijek 1982  ; Aleksandar Flaker  : Beč u hrvatskoj književnosti 19. i 20. st. (Wien in der kroatischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts). In  : Forum, 32 (1993) Bd. 65, H. 7/9, S. 466–501  ; Marijan Brajinović  : Milan Begović und seine kulturellen Beziehungen zu Wien. Wien 1977.

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stellende Kunst) brach er ab und kehrte 1919 nach Zagreb zurück, wo er ein Engagement als Schauspieler am Theater annahm, später als Autor und Regisseur. Als Dramatiker orientierte er sich am Expressionismus, der Prolog seines titellosen »Trauerspiels in vier Bildern und einem Prolog« bringt dies zum Ausdruck  : Welten brennen in mir, Gefühle glühen, in wildem Schmerze zuckt mein wundes Herz. Jetzt erkenn’ ich, dass der Andacht Rhythmus nur Blödsinn ist im Wirbel dieses Lebens, in dem wir alle, zu Heiligen geboren, im Schmutz wie Schurken feige vorwärts kriechen. Und das Glück  ? Das ist die feile Dirne, die teuer lässt sich bezahlen. Ich weine für euch alle – glaubt mir  ! Zu weise sind wir, um uns selbst zu morden, zu dumm zugleich, um weiter leben können.279

1913 publizierte er in Zagreb »Die trauernde Cascade und Anderes«, eine Sammlung rhythmisierter Prosa in deutscher Sprache, und drei Jahre später das genannte Trauerspiel.280 »Die trauernde Cascade und Anderes« ist ein schmales Bändchen mit Prosastücken (»Wie die letzte Totenfackel starb«, »Die nächtlichen Sänger«) und einer kurzen Einleitung. Sie bringt eine poetische Konfession der Schönheit und des Konflikts  : »Die Poesie ist ein Kampf zwischen der Wahrheit und der Phantasie. Der ist ein Dichter, der Wahres mit Stimmungen überhäuft, die genug schön sind, um für erdacht gehalten zu werden.« Kunst und Leben müssen zusammenfallen, denn nicht das Schreiben von Gedichten macht den Dichter aus, sondern er muss »dichterisch leben«.281 Schon das grafische Erscheinungsbild deutet auf Strozzis Einbettung in den Jugendstil hin, mit dem er sowohl in Wien als auch in Zagreb unentwegt konfrontiert war. Eine Kaskade, ein stufenartiger Wasserfall, der sich um die Schul279 Tito M. Strozzi  : Ein Trauerspiel in vier Bildern und einem Prolog. Zagreb 1916, S. 3. 280 Vgl. Marijan Bobinac  : Deutschsprachiger Jugendstil aus Kroatien. Tito Strozzis »Die trauernde Cascade«. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 2 (1993), S. 89–98  ; Marijan Bobinac  : »Tugujuća kaskada« i »Žalobna igra«. Strozzijevi mladenački radovi na njemačkom jeziku (»Die trauernde Cascade« und »Das Trauerspiel«. Strozzis Jugendwerke in kroatischer Sprache). In  : Nikola Batušić (Hg.)  : Julije Benešić. Tito Strozzi. Zbornik radova znanstvenih kolokvija HNK 1992 und 1993. Zagreb 1994, S. 117–131. 281 Tito Marchese Strozzi  : Die trauernde Cascade und Anderes. Agram 1913, S. 5.

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tern eines Paares rankt, dominiert das Frontispiz. Das Motiv des titelgebenden Prosastücks ist ein Liebesdreieck, das durch ein Duell gelöst wird. Als Rahmenerzählung aufgebaut, erhält dieser Text, der sich einer eindeutigen Gattungszuordnung entzieht, durch den Erzähler einen ergänzenden Aspekt. Dieser, ein Melancholiker, beschwört die Vergangenheit und stilisiert sie zu ästhetischer Vollkommenheit, der er die unvollkommene Wirklichkeit entgegensetzt. Er liebe »die alte Zeit, ihre alten Parfums und ihre vergilbten Leidenschaften« und ironisch konstatiert er, so viel habe sich seit damals, von dem nur das Schöne geblieben sei, gar nicht verändert  : »Wir hassen oder lieben, leben oder sterben gerade so, wie früher, nur die langen Haare und die Seele hat man weggeworfen und geschmacklosere Kleidung eingeführt«.282 Die Erzählung selbst findet in einer stilisierten Szenerie statt, einer abgehobenen Welt des aristokratischen Überdrusses und der gepflegten Langeweile, die mit Todesgedanken verwoben ist, wie dies aus Hugo von Hofmannsthals lyrischen Dramen bekannt ist. Die soziale, gar politische Wirklichkeit bleibt weitgehend ausgeblendet. So gesehen, ist »Die trauernde Cascade« eine durchaus originelle Begegnung des »Tores« mit dem »Tod« in einem ahistorischen Milieu. Strozzi zeichnet Stimmungen eines selbstreflektierenden Künstlers, der sich aus der Welt zurückgezogen hat. Das Symbol der Kaskade darf als ein schöner Hinweis auf die im Stück selbst nicht vorhandene Wahrheit der Natur verstanden werden. Nach 1916 schrieb Strozzi nur noch Stücke in kroatischer Sprache. Seiner deutschsprachigen Tätigkeit hat er mit der Übersetzung von Goethes »Faust« eine Krone aufgesetzt. Das Werk erschien in Zagreb 1955 mit Kommentaren von Zdenko Škreb. Im Juni 1961 nimmt Strozzi mit seiner damaligen Frau, der Schauspielerin Elisa Gerner, am Festival des Kammertheaters in Rostock mit dem deutsch aufgeführten Stück »Spiel und Wirklichkeit« teil. Es folgt ein einjähriges Engagement am Rostocker Theater und Gastspiele an vielen Theatern Europas. Die zentrale Figur der kroatischen Literatur des 20. Jahrhunderts, der Klassiker Miroslav Krleža, verdankt den wesentlichen Impuls für sein literarisches Schaffen der Auseinandersetzung mit Geschichte, Kultur und Literatur Österreich-Ungarns. Wie auch bei dem Nobelpreisträger Ivo Andrić (1892–1975) oder dem Romancier Miloš Crnjanski (1893–1977), seinen serbischen literarischen Generationsgenossen, war auch Krležas frühe Biografie durch den Ersten Weltkrieg geprägt. 1915 einberufen, gelangte er an die ostgalizische Front, wurde jedoch schon bald aus Krankheitsgründen nach Zagreb versetzt. Sein Schaffen ist aber erst vor dem Hintergrund der in der Monarchie erlebten Jahre zu verstehen, 282 Ebd.

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als die Grundlagen für seine spätere Entwicklung gebildet wurden. Krležas Beziehung zum literarischen Wien war spannungsvoll, von Hassliebe geprägt, ohne einen endgültigen Ausschlag in eine der beiden extremen Richtungen. Mit Wien als dem für ihn persönlich und für seine Literatur verbindlichen Zentrum konnte er sich jedoch nicht vollständig identifizieren. Am Rande des Zentrums, als Bewohner einer der südöstlichen Provinzen des Reiches, stellte er sich als ein europäischer Literat und Denker auf, stets einen »inferiority complex« verneinend, der den Dichtern außerhalb des Zentrums oft eigen ist. Sigmund Freuds Psychoanalyse und Adolf Loos’ bildende Kunst geben den Rahmen für Krležas intensive Aufnahme der zeitgenössischen Literatur. Seine Essays über Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal, Hermann Bahr, Karl Kraus und Robert Musil bezeugen diese tiefe Durchdringung.283 Sie war zu Teilen durchaus wechselseitig bereichernd. Denn bei einer Lesung von Karl Kraus in Zagreb im Jahr 1934 hat Krleža den verehrten »Fackel-Kraus« persönlich kennengelernt und es stellte sich heraus, dass auch Kraus Krležas Essays über sein Werk sehr wohl wahrgenommen hatte  : Anlässlich seines Aufenthaltes in Zagreb schenkte mir Kraus ein Programm von seiner Vorlesungstournee in Deutschland, in dem als Einleitung meine Darstellung der »Letzten Tage der Menschheit« abgedruckt ist, wobei er mich darauf hinwies, dass er der deutschen Kritik zum Trotz als Einführung in seine Vorlesungen meinen Artikel gelesen habe.284

Ivo Andrić wurde im bosnischen Travnik geboren. Das Gymnasium besuchte er in Višegrad und Sarajevo. Er studierte in Zagreb, Wien, Krakau und Graz, promovierte 1924 in Graz über »Die Entwicklung des geistigen Lebens in Bosnien unter der Einwirkung der türkischen Herrschaft«. Vor allem sein Meisterwerk, der Roman »Na Drini ćuprija« (Die Brücke über die Drina, 1945), für den ihm 1961 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde, thematisiert die Erfahrung des Le283 Vgl. dazu  : Zoran Konstantinović  : Krleža o nemačkoj i skandinavskoj književnosti (Krleža über die deutsche und die skandinavische Literatur). In  : Zbornik Instituta za teoriju književnosti i umetnosti. Posebna izdanja, knjiga II. Belgrad 1967, S. 145–198  ; Mirjana Stančić  : Miroslav Krleža i njemačka književnost (Miroslav Krleža und die deutsche Literatur). Zagreb 1990  ; Reinhard Lauer  : Wer ist Miroslav K.  ? Leben und Werk des kroatischen Klassikers Miroslav Krleža. Klagenfurt 2010. 284 Miroslav Krleža  : Eppur si muove. Zagreb 1938, S. 235. Karl Kraus hat in »Die Fackel«, Jg. XXXII, H. 834/837, Mai 1930, S. 18–20, einen Ausschnitt aus Krležas Essay »Karl Kraus über die Kriegsangelegenheiten« (Karl Kraus o ratnim stvarima) mit einem Kommentar veröffentlicht.

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bens in Bosnien unter der Doppelmonarchie. Wie István Lökös hervorhebt, geht Andrić in seinen Schilderungen mit Kritik und Lob »maßvoll« um. »Einerseits kritisiert Andrić die Okkupation und Annexion Bosnien-Herzegowinas, andererseits spricht er würdigend über die wirtschaftlichen Ergebnisse, die während der österreichisch-ungarischen Herrschaft zu beobachten waren.«285 Auch der bedeutendste slowenische Dichter der Moderne Ivan Cankar (1876– 1918) hat von 1898 bis 1909 in Wien gelebt. Während dieser Zeit hat er in österreichischen Zeitschriften veröffentlicht, hatte jedoch nur wenige Kontakte zu seinen österreichischen Schriftstellerkollegen.

285 István Lökös  : Die Doppelmonarchie als Thema im Werk von Ivo Andrić. In  : P. Thiergen (Hg.)  : Ivo Andrić 1892–1992 (= Vorträge und Abhandlungen zur Slavistik, Bd. 25), München 1995, S. 79–89, Zitat S. 88.

5. Spätglanz und Ende – das kurze 20. Jahrhundert 1. Zerrissene Jahre Ende einer Epoche – Konsequenzen des Ersten Weltkriegs Nach dem Zerfall der Monarchie versuchten die Pariser Vorortverträge von 1919, das vom US-amerikanischen Präsidenten Wilson in seinen 14 Punkten proklamierte Recht der Völker auf Selbstbestimmung friedensstiftend umzusetzen. Indes war der auf das Habsburgerreich gemünzte Punkt beispielhaft für die Unschärfe dieses Programms, da das Versprechen »freiester Gelegenheit zu autonomer Entwicklung« am wenigsten auf die deutschsprachige Bevölkerung zielte.286 Schließlich stand ihr Interesse dem Autonomieanspruch der Mehrheit entgegen. Die Pariser Verträge suchten zwar mit ihren minderheitsrechtlichen Bestimmungen auch für diese Widersprüche Lösungen, doch konnten diese Regularien weder vor Ort »die negativen Einstellungen«, noch Diskriminierungen in der Praxis verhindern, wie zuletzt Philipp Ther argumentiert hat.287 So fanden sich die Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg in neu gegründeten (Polen, Tschechoslowakei, Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen) oder tiefgreifend transformierten (Ungarn, Rumänien) Staaten wieder und waren von Deutschland und Österreich weiter entfernt als je zuvor, erlebten sich also gleichsam als abgeschnitten. Vom staatstragenden Volk wurden sie praktisch über Nacht zur nationalen Minderheit degradiert. Deutsche Schriftsteller reagierten auf den Umbruch in vielfältiger Form. Es fiel ihnen schwer, sich zurechtzufinden, zumal sie mit ihrer Sprache und der gesellschaftlichen Wertstellung auch die existenzielle Basis verloren hatten. Erst Mitte der 1920er-Jahre zeichnete sich in den Zentren des deutschen Bürgertums wie Ljubljana, Zagreb oder Osijek die Rückbesinnung auf das deutsche Kulturgut ab. In Zagreb wurde diese Tendenz mit der Wiederbelebung des deutschen 286 Im Wortlaut  : »X. The peoples of Austria-Hungary, whose place among the nations we wish to see safeguarded and assured, should be accorded the freest opportunity to autonomous development.« Zitiert nach dem World War I Document Archive  : http://wwi.lib.byu.edu/index.php/ President_Wilson’s_Four teen_Points. 287 Philipp Ther  : Die dunkle Seite der Nationalstaaten. »Ethnische Säuberungen« im modernen Europa. Göttingen 2011, S. 46.

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Theaters erkennbar. Gleichwohl war eine kulturhistorische Epoche unwiederbringlich zu Grabe getragen worden. Eine Zeugin der Umbruchszeit ist die Lyrikerin Gisela von Tarczay (1896– 1981), die aus einer deutschen Zagreber Familie stammte. In ihrer Gedichtsammlung »Im Gewitter« (1921) reflektiert sie die starke Verunsicherung und die Verlorenheit der Menschen, die wie ihre eigene Familie durch den Weltkrieg heimatlos geworden sind. Tarczay akzentuiert die »tiefe, tiefe Kluft«, weil die Völker im Streit liegen. Sie fühlt sich gehasst und doch will sie der Heimat stille Treue bewahren.288 In ihrem Gedicht »Verhängnis« wählt sie die konventionelle Metapher der »weißen Stadt« für Zagreb, die die Zuneigung und Verehrung der Bewohner der kroatischen Metropole zum Ausdruck bringt. Verhängnis Und wieder weiter reißt der Wirbelwind Das welke Blatt … Weshalb verstößt du doch dein eigen Kind, Du weiße Stadt  ? Verträumen wollt’ ich hier des Lebens Traum In deinem Schooß  ; Nun muß ich gehen … Wohin  ? Ich weiß es kaum  ; Das ist mein Los. Das war auch meines Vaters Los  ; er fand Im Grab erst Ruh  ; Und fremde Hand drückt’ ihm im fremden Land Die Augen zu …289

Friedrich von Gagern (1882–1947), über den noch zu sprechen sein wird, wurde nach 1918 existentiell heimatlos und suchte panisch nach Orientierung. Das großdeutsche nationale Angebot, die innere Entfaltung vom Slawenhasser zum Slawophilen, wiederholte Aussöhnungsversuche mit dem sozialpolitischen IstZustand, schließlich auch materielle Verarmung, seit sein Familienschloss zu 288 Gisela von Tarczay [Gedicht Nr. 6]. In  : Gisela von Tarczay  : Im Gewitter. Zagreb 1921, S. 17. 289 Gisela von Tarczay  : Verhängnis. In  : Ebd., S. 33.

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Mokritz nationalisiert wurde, all das sollte Gagerns Werk und Biografie prägen. Uwe Baur spricht im Blick auf Gagerns literarisches Schaffen nach 1925 vom »literarischen Locarno«.290 Die Osijeker Schriftstellerin Vilma von Vukelić (1880–1956) veröffentlichte 1923 in Leipzig den Roman »Die Heimatlosen«, in dem sie die existenziellen Abgründe ihrer Schicht schon in die Jahre vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs situiert. Das Leitmotiv ihres Lebens war die Erinnerung an die Monarchie, die sie in ihrer Literatur festgehalten hat. Mit Österreich-Ungarn haben sie und ihresgleichen nicht nur die biografische Heimat, sondern auch ihren ursprünglichen Sozialisationsraum verloren. Die aristokratische Individualistin ging trotz oder gerade wegen des Traumas des Zusammenbruchs ihren Weg. Nicht umsonst wurde sie der »Osijeker Stefan Zweig« genannt, deren künstlerisches Schaffen der Rekonstruktion der Welt von Gestern gilt. Nicht alle jedoch verharrten im Gestern. Der Zagreber Lyriker Willy Šulek gab 1936 eine Sammlung lyrischer Gedichte heraus, »Menschen und Masken«, die schon eindeutig unter dem Eindruck der deutschen Neuen Sachlichkeit entstanden ist. Das Bemühen um die Darstellung des sozialen Elends und die schonungslose Schilderung von Stadtbildern werden durch allgemeine Reflexionen über den Sinn des Lebens und Erfahrungen der Liebe ergänzt. Vorstadtbild In einer finsteren feuchten Mansarde Wohnen Zwei Familien  : neun Personen. Die Luft ist muffig und stinkt, ein fahler Lichtschein durchs Dachfenster dringt. Die Menschen fristen Ihr Dasein auf strohbelegten Kisten. Die Väter sind ständig arbeitslos, die Mütter schwanger und tuberkolos.

290 Vgl. Uwe Baur  : Friedrich von Gagern und die Südslawen. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 11 (2002), S. 141–156.

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Die Kinder erhalten Prügel statt Brot, ihre treuesten Gefährten sind Straße und Not. Frauen und Kinder darben, haben nichts zu essen, die Väter suchen im Alkohol Vergessen …291

Dieses düstere Bild der Gegenwart steht im schroffen Widerspruch zur Idylle vieler Erinnerungen an Altjugoslawien wie sie auch die anspruchsvollere Heimatliteratur präsentierte, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus noch größerer Entfernung entstand. Der 1933 in Wien geborene Wolfgang Georg Fischer, der seine Jugend in Zagreb verbrachte, lässt in seinem bekanntesten Roman »Möblierte Zimmer« (1972) neben eigenen Erinnerungen auch die der vorhergehenden Generation einfließen. Immer ist aber auch das sensible soziale Selbstbewusstsein erkennbar  : Da gibt es Kinderjausen in den Tuškanac-Villen, Geburtstagsfeste und Kinderunterhaltungen, bei denen die kleinen Gäste in bunte Kostüme aus Crêpe-Papier gesteckt werden und zu denen auch Emigrantenkinder mit der richtigen Kinderstube eingeladen werden. Ebendieselben Kinder, welche sonst mit hohen blankgewichsten Schuhen auf den Wegen des Tuškanac-Parks hin und her gehen, warten dann Kakao und Schlagoberstorten auf, aber sie sprechen meist französisch, weil sie sich doch alle aus dem französischen Kindergarten kennen, oder ein ganz anderes Kroatisch als jenes der Bandenmitglieder. Ich beschließe nach dem ersten Tuškanac-Kinderfest, obwohl mir ein Mädchen, das Irene ähnlich sieht, sagt, bei ihrer Geburtstagsfeier werde es einen Solotanz geben, daß mir immer im Magen schlecht werden soll, wenn wieder so eine Einladung kommt  !292

In dieser einfühlsamen, kultivierten Prosa, in bester Tradition des großen österreichischen Romans geschrieben, durch die Grunderfahrung des multinationalen Zusammenlebens und der politischen Abdankung des Adels in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg geprägt, bildet der Untergang der Monarchie jenen Resonanzboden, auf dem spätere Existenzentwürfe nur noch als triste Produkte einer unwiederbringlichen Katastrophe zum dissonanten Klingen gebracht werden. Deren Begleiterscheinungen sind in der Titelmetapher enthalten  : unfreiwillige Mobilität, Migration und rettungsloses Unbehaustsein. »So ist mir Agram nichts anderes als ein Kartenhaus aus ineinandergesteckten Kinderbildkarten möblierter Zimmer  : die Zimmer der Witwe Batušić in der Ilica, das Zimmer der ›Pension 291 Willy Šulek  : Menschen und Masken. Gedichte. Zagreb 1936, S. 11. 292 Wolfgang Georg Fischer  : Möblierte Zimmer. München 1972, S. 230.

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Splendid‹, das Zimmer der warzigen Frau Jurak am Berg, das Zimmer in der Knappschen Villenetage, das Zimmer der rotblond gefärbten Elsa Reiss […]«.293 Auch der Wiener Bankier Franz Sulke (1903–1994) zeichnet in seinen Sammlungen von Anekdoten und in seinen viel später erschienenen Memoiren »Tempi passati« (1986) das Bild einer in ihren verspäteten Traditionen fast noch feudalen Welt, die nach den Prinzipien der zwischennationalen Harmonie und der Rechtsstaatlichkeit geordnet war. Die Erinnerung etwa an die Schulferien, die er im Jahr 1920 bei seinem kroatischen Schulkameraden Karlo Šoštarić-Pisačić Letovanečki und Hižanovečki auf dem Landgut seiner adligen Familie im Kroatischen Zagorje verbrachte, lässt eine Welt von Gestern auferstehen, der nichts Apokalyptisches anhaftete. Unbeschwert, lustig, fast frivol gestaltete sich der Alltag in Agram in Sulkes Erinnerung. Jeder Anflug eines Problems, einer sozialen oder ethnischen Misshelligkeit wird spaßig verharmlost. Und wenn sich diese Geschichten manchmal als üppig überladen ausnehmen, so stellen sie doch einen der letzten authentischen Grüße aus einer längst untergegangenen Welt dar, die in die Erinnerung geflüchtet ist  : Die Harfinistin Pia Punzenburger-Prčetić, bekannt wegen ihrer Stegreifamouren und ihres liederlichen Lebenswandels, der in krassem Gegensatz zu ihrem Vornamen und dem zimperlichen Instrument stand, an dem sie durchaus virtuos rupfte und zupfte, verbreitete (ins Ohr tuschelnd), von einem alten katalanischen Pianisten, den sie vor kurzem in Abbazia kennenlernte, erfahren zu haben, dass ein kroatischer Musiker, mit dem er vor vielen Jahren in Barcelona Mozarts B-Dur Sonate zu vier Händen, K. V. 358, in Vertretung seines erkrankten Partners gespielt hatte, nach dem erfolgreichen Konzert einen merkwürdigen, erschütternden und ihm deshalb unvergesslichen »Zusammenbruch« erlitten habe.294

Sulkes Anekdotensammlung »Von Zwetschkenbaronen und anderen Gosponen oder Balkan-Brevier« (1974) hebt den Vorhang vor einer Welt, in der Missverständnisse oder gar Spannungen durch Witz entkräftet werden. Verarmter kroatischer Landadel, die Zwetschkenbarone, eitle Ordinarien und andere vertrottelte Professoren, Theaterdirektoren und alkoholisierte Feuerschaden-Schätzmeister bevölkern die Bühne dieses charmanten Panoptikums, das harmloser nicht sein könnte. Hinter der oberflächlichen Heiterkeit und der eleganten kurialen Phra293 Ebd., S. 117. 294 Franz Sulke  : Tempi passati. Erzählende Schriften, Erinnerungen, Landschaften. Wien 1986, S. 29.

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sierung wird jedoch hie und da ein Warnsignal abgefeuert. Der Untergang der alten Ordnung naht und eine politische und gesellschaftliche Neumodellierung steht auf der Tagesordnung. Nicht zuletzt warnt dieser verspätete, unzeitgemäße Humanist im Vorwort zu seiner Anekdotensammlung vor der Verallgemeinerung des Balkans und vor einem allzu leichtfertigen Umgang mit dieser komplizierten Region. Mit den Verallgemeinerungen Balkan, Balkanismus u. dgl. macht man es sich wahrlich zu leicht. Es handelt sich da um Gemeinplätze im buchstäblichen Sinne des Wortes, mit welchen fast ausschließlich Negatives assoziiert wird. Sie sind bezeichnenderweise niemals Gegenstand ernsthafter Untersuchungen geworden, wie sie fundierte Begriffe herausfordern. Wenn ich mich trotzdem dieser eingebürgerten Redensarten bediene, so nur unter Einschränkung.295

Seine Anekdoten sind am besten dort, wo sie in der Geschichte der jeweiligen Region verankert sind. Dann reflektieren sich die typischen Mentalitäten und Lebensweisen, die durch die Berührung zwischen dem Okzident und dem Orient entstanden sind. So erfahren wir, dass sich zum Jahreswechsel 1906/07 in der Gratulationscour bei Anton von Winzor auch ein schlagfertiger, zur Opposition zählender Politiker, Regierungschef von Bosnien und Herzegowina, einfand, dass der österreichische Statthalter für Dalmatien Nikolaus Nardelli des Öfteren in Zadar ein Festessen zu Ehren der dalmatinischen städtischen und dörflichen Bürgermeister veranstaltete, der kroatische Dichter Vladimir Treščec-Branjski, zeitweilig Intendant des Agramer kroatischen Nationaltheaters, vor dem Ersten Weltkrieg kurze Zeit Bezirkshauptmann von Banja Luka war oder dass vor dem Zerfall der Donaumonarchie der Geburtstag Kaiser Franz Josephs I. auch am jeweiligen Sitz der kroatischen Komitatsbehörde und Bezirkshauptmannschaft offiziell gefeiert wurde. Am 18. August 1907 fand das Fest unter kuriosen Umständen in Ogulin statt, einem kleinen Städtchen im westlichen Kroatien, das damals Sitz der höchsten Verwaltungsämter des Komitates Modruž-Rijeka war. Mit seiner pointierten Kurzprosa gestaltet Sulke ein Erinnerungsbuch über ein Stück Mitteleuropa, das nur noch in der Literatur zu finden ist.

295 Franz Sulke  : Von Zwetschkenbaronen und anderen Gosponen oder Balkan-Brevier. Wien, Berlin 1974, unpag.

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Der Zerrissene  : Victor Tausk, Freuds Liebling und Widersacher Die Psychoanalyse und die Individualpsychologie fanden in Kroatien und Serbien einen fruchtbaren Boden. Die Beziehungen wurden zunächst von den Ärzten vermittelt, die in Wien studiert und sich für die revolutionäre Form der Seelenkunde interessiert haben, etwa Stjepan Betlheim, Lujo Thaller oder Miroslav Schlesinger. Auch Intellektuelle und Schriftsteller wie Vladimir Dvorniković, Ante Alfirević, Tin Ujević, August Cesarec oder Hugo Klajn entwickelten ein beachtliches Interesse für die Tiefenpsychologie. Die Wiener Psychologen missionierten im Gegenzug in slowenischen, kroatischen und serbischen Gebieten. Dies trifft insbesondere auf Alfred Adler zu, der sich um 1910 von Freud getrennt hatte, um mit Gleichgesinnten eine eigene Schule zu gründen. Sigmund Freud ist mehrfach zur Erholung nach Istrien gereist, im September 1894 nach Opatija und Lovran, ebenso im April 1898, woran sich ein Ausflug nach Dalmatien anschloss (Dubrovnik, Kotor, Trebinje, Split). 1914 besuchte er Brijuni. Die Kroatien-Erfahrung hat Spuren in der »Traumdeutung« (1900) und in seiner Schrift »Zur Psychopathologie des Alltagslebens« (1901) hinterlassen.296 Unter dem Einfluss der Wiener Individualpsychologie entstand auch die Studie über Marxismus und Tiefenpsychologie des kroatischen Schriftstellers August Cesarec (1893–1941) »Psihoanaliza i individualna psihologija« (Psychoanalyse und die Individualpsychologie, 1932). Cesarec gehörte zu dem Kreis linker Intellektueller, dem sich auch Adlers Schüler Manès Sperber (1905–1984) gleich nach seinem ersten Besuch in Zagreb 1929 angeschlossen hatte. Der Individualpsychologe und Schriftsteller Sperber schloss mit Cesarec Freundschaft, die sie bis zu Cesarec’ tragischem Tod 1941 verband. Auf der Flucht vor der Verfolgung als Kommunist und Jude hatte Sperber in den Jahren 1934/1935 Zuflucht in Zagreb und auf der süddalmatinischen Insel Korčula gefunden und das alte Jugoslawien, Dalmatien und seine kroatischen Freunde bilden später den erlebten Hintergrund seiner Romantrilogie »Wie eine Träne im Ozean« (1961). Ein Autor, der die Psychoanalyse mit der deutschsprachigen Literatur verbindet, ist Victor Tausk (1879–1919), promovierter Jurist, Arzt und Psychoanalytiker, zunächst Mitarbeiter, dann Antagonist Freuds. Er ist eine der interessantesten Persönlichkeiten im Panorama der Dichter und Schriftsteller, deren nationale, sprachliche, gar berufliche Identität sich einer Festlegung entzieht. 296 Vgl. Ivan Buzov  : Freud i Hrvatska (Freud und Kroatien). Zagreb 2000.

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Sein Vater Hermann Tausk (1850–1916) kam mit der Familie aus Sillein (Slowakei) zunächst nach Zagreb, ging dann 1892 nach Bosnien, das in der Ära des Statthalters Benjámin Kállay gute Arbeitsperspektiven für österreichische Einwanderer bot. Er wurde bald zu einem erfolgreichen Zeitungsherausgeber und Publizisten, eine markante Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. In Sarajevo gab er 1912 die Kulturzeitschrift »Südslawische Revue« heraus und übersetzte die volkskundliche Monografie von Anton Hangi »Die Moslims in BosnienHercegovina  : ihre Lebensweise, Sitten und Gebräuche« (Sarajevo 1907) ins Deutsche. Sein frühes Pamphlet »Židovsko pitanje« (Die jüdische Frage, 1889) beschreibt seine Aufgabe, ein Steinchen zur Entwicklung des kroatisch-serbischen Volkes beizufügen, das sehr wohl wisse, was es heiße, unter fremden Machthabern zu leben. Indem Tausk gegen den Antisemitismus argumentiert, plädiert er für Toleranz und ruft die Juden in Kroatien und Slawonien auf, sich aktiv an der Aufklärungsarbeit zu beteiligen. Sein Sohn Victor Tausk, der seinen Vornamen sowohl mit »c« als auch mit »k« schrieb, in Sarajevo heranwuchs und zur Schule ging, legte das Abitur 1896/97 wegen eines Streits mit dem Religionslehrer nicht in Sarajevo, sondern am Gymnasium in Varaždin ab. Er ging 1897 nach Wien, um Jura zu studieren. Hier lernte er seine zukünftige Frau kennen, die spätere Frauenrechtlerin und Sozialdemokratin Martha Frisch. Tausk praktizierte zunächst bei einem Rechtsanwalt in Mostar (Herzegowina) und beabsichtigte dann, sich im bosnischen Derventa als Rechtsanwalt niederzulassen. Im Jahr 1900 heiratete er Martha Frisch und kehrte nach Bosnien zurück, 1905 trennte er sich jedoch von seiner Frau. Er siedelte 1906 nach Berlin über, hielt sich dort als Journalist über Wasser, bis er nach einem ersten Briefwechsel mit Sigmund Freud nach Wien kam. Freud erkannte seine Begabung sofort, nahm Tausk in den Kreis seiner Schützlinge auf und ließ ihn an den Sitzungen der Mittwochsgesellschaft teilnehmen, zum ersten Mal am 20. Oktober 1909. Nach seinem ersten Vortrag zu »Erkenntnistheorie und Psychoanalyse« am 24. November 1909 hielt er noch viele weitere, die sämtlich dokumentiert sind.297 In Wien unterzog er sich der Psychoanalyse und begann gleichzeitig auf Anraten Freuds mit dem Medizinstudium, das zum Teil von ihm und anderen befreundeten Ärzten mitfinanziert war. 1913 beendete Tausk sein Studium. 1915 wurde Tausk zum Kriegsdienst eingezogen, er arbeitete als Psychiater in Lublin. Angebote, sich nach dem Krieg in Zagreb oder Belgrad als Arzt nie297 Vgl. Antun Pinterović  : Viktor Tausk – jedna tragična sudbina u početcima psihoanalize (Viktor Tausk – ein tragisches Schicksal in der Anfangszeit der Psychoanalyse). In  : Gordogan (Zagreb), 16–17 (1995) H. 41/42, S. 86–105, besonders S. 94 ff.

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derzulassen, schlug er aus, da er Wien auf keinen Fall verlassen wollte. Freud, der den schwer depressiven Tausk nicht analysieren wollte, verwies ihn an seine Studentin Helene Deutsch, die 1918 die Behandlung nach wenigen Sitzungen abbrach, weil sie darin eine Gefährdung ihrer eigenen Beziehung zu Freud sah. Die Lebenskrise Tausks war offensichtlich eine Sinnkrise, an deren Ende sein Freitod im Jahr 1919 stand. Freud veröffentlichte einen reuevollen Nachruf auf den ehemaligen Mitstreiter, in dem er anklingen lässt, dass die widrigen Lebensumstände und der Weltkrieg am tragischen Schicksal Tausks die Schuld tragen. Während seines Jurastudiums in Wien kam Tausk mit jungen kroatischen Dichtern in Berührung, die um den Studentenverein »Zvonimir« organisiert waren. Über die Kontakte, von denen man zuvor wenig wusste, und die Bedeutung Tausks als Psychoanalytiker für die aufstrebenden jungen kroatischen Dichter hat Branimir Donat (1934−2010) eine grundlegende Studie veröffentlicht. Er erwähnt auch einen Brief Tausks an Dušan Plavšić, einen der Mitstreiter der sezessionistischen Bewegung.298 Bedeutende Literaturkritiker der Zeit wie Dragutin Prohaska und Milan Marjanović sowie die überragende literarische Persönlichkeit jener Epoche Antun Gustav Matoš erwähnen Tausk in ihren Schriften. Unter dem Pseudonym Vladoje Slovačić publizierte Tausk 1898 auf Kroatisch ein Pamphlet gegen den kroatischen Schriftsteller Ante Tresić-Pavičić (1867– 1949), den heftigsten Kritiker der Jungen, mit dem Titel »Dr. Ante Tresić-Pavičić kao liričar« (Dr. Ante Tresić-Pavičić als Lyriker). Tausks Angriff gilt dem altbackenen Stil und der national-konservativen Themenwahl des Gegners, die insgeheim gegen die Bestrebungen der Modernisten gerichtet waren. Aus Tausks Blickwinkel war Tresić-Pavičić eine anachronistische, vom eigenen Wertgefühl völlig eingenommene Erscheinung. Anstatt sich von den innovativen Tendenzen der Moderne tragen zu lassen, schreibt Tausk, verfasse Tresić-Pavičić historische nationale Dramen aus der kroatischen Geschichte über Ljudevit Posavski und Katarina Zrinjska. Tresić ist ein Charakteristikum für die kroatische Literatur. Eine so schwache Individualität ist unter gesunden Bedingungen nicht im Stande, wichtigen Einfluss auf die Literatur auszuüben. Da es jedoch bei uns noch an einer jüngeren Generation fehlt, reicht es, dass in diesem Zustand literarischer Ohnmacht einer schreit »Ich bin ich«, selbst wenn 298 Branimir Donat  : Viktor Tausk, Sigmund Freud i hrvatska moderna okupljena oko zagrebačkobečkoga časopisa Mladost (Viktor Tausk, Sigmund Freud und die kroatische Moderne, versammelt um die Zagreber-Wiener Zeitschrift Die Jugend). In  : Književna republika (Zagreb), 3–4 (2007), S. 68–88.

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er auch kein »Ich« ist, sondern ein Konglomerat aller möglichen fremden Eigenschaften.299

Das Erzähltalent Tausks kommt besonders in seinen Novellen zum Vorschein. Zwar neigt er zur Sentimentalität und zur Idealisierung der ihm vertrauten südslawischen Milieus, schafft jedoch einfühlsame Dialoge und Bilder. Sein Erzählen ist von einer tiefen Solidarität für Bosnien geprägt. Eine Novelle, die auf einem wahren Geschehnis beruht und dem Autor aus seiner gerichtlichen Praxis bekannt war, über eine muslimische Frau, die vergewaltigt wurde und ihr neugeborenes Kind tötete, ist verschollen. Den Stoff für seine bekannteste Erzählung »Husein Brko. Bosnische Zigeunergroteske« hat Tausk ebenfalls einem konkreten Gerichtsfall entnommen. Sie wurde in der von seinem Vater herausgegebenen »Südslawischen Revue« veröffentlicht.300 Die Erzählung spielt im Zigeunermilieu, in dem Tausk die Exotik einer primitiven Gesellschaft mit tiefenpsychoanalytischen Einblicken in das Seelenleben der Protagonisten verbindet. Abseits von kulturellen Zwängen sind diese Menschen ausschließlich von ihrer triebhaften Natur gesteuert. Instinkte, starke Gefühle und Rohheit bestimmen ihr Verhalten. Der junge Husein, der nur schwache familiäre Bindungen hat, wird zum Dieb und schließlich zum Mörder. Am Ende wird er von seinem eigenen Vater getötet. Die Heimatlosigkeit, der Vater-Sohn-Komplex, die Frage von Schuld und Sühne, die fehlende Fähigkeit, eine dauerhafte Beziehung einzugehen, spiegeln auch Tausks intime Sorgen ­wider. »Halbdunkel«, ein Drama in vier Akten, das Tausk 1905 während einer Ehekrise in Wien geschrieben hat, ist stark autobiografisch inspiriert. Der Familienmensch Wolfgang, das Alter Ego des Autors, hat zwei Söhne und eine ihm zugetane Frau. Er leidet jedoch unter seiner Existenz eines einfachen Mannes, der ein ordinäres Leben führt, denn er fühlt sich zur Kunst berufen. Schließlich gibt er seinen Beruf auf und verlässt die Familie. Dies sei er seinem Talent schuldig, so Wolfgang. Von einer Schar von Bewunderern umrankt, genießt er zunächst das freie Leben des Bohemiens, wird jedoch bald von unerträglichen Schuldgefühlen geplagt. Hinzu kommt, dass sich sein junger Schwager – von Wolfgangs nihilistischen Ideen verführt – das Leben nimmt. Auch diese familiäre Tragödie hat eine Parallele in Tausks Biografie  : Der Bruder seiner Frau Martha hatte Selbstmord verübt. 299 Ebd., S. 88. Übersetzung Mirjana Stančić. 300 Viktor Tausk  : Husein Brko. Bosnische Zigeunergroteske. In  : Südslawische Revue, 1 (1912), H. 7, S. 171–174  ; H. 8, S. 199–202  ; H. 9, S. 221–226  ; H. 10, S. 248 f.; H. 11, S. 273 f.

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Viktor Tausks »Gesammelte psychoanalytische Schriften« kamen erst 1983 heraus. Autoren wie Paul Roazen und Kurt R. Eissler, die selbst der Psychoanalyse verbunden waren, weisen in ihren Darstellungen auf Tausks geniale Begabung hin.301 Aus allen diesen biografischen Darstellungen und Interpretationen von Tausks Werk geht hervor, dass er eindeutig die Denkfigur des hochbegabten Menschen verkörperte, der nach dem Höchsten griff und tragisch scheiterte. Artur Benko Grado (1875–1946), ein kroatischer Statistiker und Ökonom, der gelegentlich Artikel in literarischen Zeitschriften veröffentlichte und in seiner Jugend mit Tausk befreundet war, publizierte eine imaginierte, überspannte Biografie seines Freundes mit dem Titel  : »John Gabriel Piclick  : Literarni portret iz prijateljstva« ( John Gabriel Piclick, ein literarisches Porträt aus Freundschaft).302 Der geniale Piclick, alias Tausk, ist in dieser Mystifikation ganz anders als Charles Dickens’ Mr. Pickwick, an den nur der Klang des ungewöhnlichen Namens erinnert, kein Brite. Piclick ist ein 1873 in Massachusetts geborener Amerikaner, der in Harvard studiert hat. Bis auf die Einbettung ins ferne glückliche Land der Prosperität, das ganze Gegenteil zu Tausks armseliger Heimat auf dem Balkan, zeichnet Benko Grado in dieser jugendstilhaften Stilisierung ein treffendes intellektuelles Porträt Tausks. Fast ein Jahrhundert nach Tausks Freitod veröffentlichte die kroatische Schriftstellerin Sibila Petlevski (geb. 1964) die ersten beiden Teile ihrer geplanten Romantrilogie über Tausks Leben mit dem programmatischen Gesamttitel »Tabu«.303 In einem komplexen Geflecht aus historischer Überlieferung und frei erfundenen Ereignissen erzählt sie Tausks Leben vor dem Hintergrund der politischen Katastrophen und kulturellen Höhenflüge des frühen 20. Jahrhunderts. In der Biografie des genialen Psychoanalytikers findet die Autorin ein reiches Sujet, das sie mit wirklichen Menschen und Fantasiefiguren füllt, deren Schicksale bis in die heutige Zeit hineinreichen. Es ist eine eindringliche Bestandsaufnahme der Tragödie des Intellektuellen in der Moderne und gleichzeitig eine erschütternde Hommage an Menschen, »die keine Angst vor der Freiheit hatten«. Martha Tausk (1881–1957) hatte in Bosnien die slowenische Schriftstellerin Zofka Kveder (1878–1926) kennengelernt und sich mit ihr angefreundet. Kve301 Vgl. Paul Roazen  : Brother Animal. The Story of Freud and Tausk. New York 1969. 302 Artur Benko Grado  : John Gabriel Piclick  : Literarni portret iz prijateljstva. In  : Hrvatski salon (Der kroatische Salon) (Zagreb), 1898, H. 3, S. 34. 303 Der erste Teil »Vrijeme laži« (Lügenzeit) erschien 2009, der zweite Teil »Bilo nam je tako lijepo  !« (Wir haben eine so schöne Zeit gehabt  !) 2011, beide in Zagreb, der dritte Teil »Stanje sumraka« (Im Zustand der Dämmerung) soll die Trilogie vollenden.

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der, die Pionierin der slowenischen Frauenbewegung,304 half Martha Tausk bei der psychologischen Entschlüsselung ihres Eheproblems  : Diese Erfahrung hat sie in eine biografische Novelle eingearbeitet, die unter dem Titel »Fernambuk und Anderes« 1930 in Zürich erschien.305 Nach der Scheidung von Viktor Tausk im Jahr 1908 lebte Martha Tausk mit ihren beiden Söhnen in Wien, engagierte sich in der sozialdemokratischen Bewegung und entwickelte eine Tätigkeit als Publizistin. Sie wurde im November 1918 als erste Frau in die steirische Landesregierung gewählt, 1927/28 war sie Mitglied des Bundesrates. Auf Betreiben von Friedrich Adler kam sie 1928 nach Zürich, wo sie die Zeitschrift »Frauenrecht« leitete. Einer der jüngerer Brüder Tausks, Mirko (1887–1938), der als linksliberaler engagierter Journalist den Namen Tausk-Tvrtković benutzte, setzte sich, im Einklang mit der Familientradition, für die sozialistische Idee und die nationale Einheit des 1918 gegründeten Königreichs der Serben, Kroaten und Slowenen ein. Im Jahr 1920 veröffentlichte er in Zagreb eine düstere Bilanz der politischen Zustände in Kroatien  : »Što nas rastavlja od narodnog jedinstva  ? Kritičan pogled na naš politički i socijalni kaos« (Was trennt uns von der nationalen Einheit  ? Kritischer Blick auf unser politisches und soziales Chaos). Er fiel in Spanien als Soldat der Internationalen Brigaden. Die Nachhaltigkeit des »habsburgischen Mythos«  : Vilma von Vukelić und Friedrich von Gagern Für die Autoren, die als deutschsprachige Dichter in der Umbruchzeit 1918 im alten Österreich tätig waren, hatte die literarische Rückbesinnung auf die untergegangene Epoche die Funktion der psychischen Stabilisierung, um auf diesem Wege Anschluss an die neue Zeit und die neuen politischen Verhältnisse zu finden. Österreich als das ›China Europas‹, der große und träge, doch gut funktionierende Verwaltungsapparat, ein Beamtenstaat von ›Mandarinen‹ verwaltet und in der Grundstruktur auf Unveränderlichkeit ausgerichtet, war dahin. Der »habsburgische Mythos« im Sinne Claudio Magris’ griff jedoch um sich. Vilma von Vukelić, in der jüdischen Familie Miskolczy in Osijek geboren, ist allein durch ihre Biografie Mitwirkende an der Konstruktion des Mythos vom alten Österreich. Dabei war sie eine ausgesprochene Kosmopolitin. Sie besuchte 304 Vgl. Natascha Vittorelli  : Frauenbewegung um 1900. Über Triest nach Zagreb. Wien 2007. 305 Zum Leben von Martha Tausk sowie zu ihrem politischen Engagement vgl. Brigitte Dorfer  : Die Lebensreise der Martha Tausk. Sozialdemokratie und Frauenrechte im Brennpunkt. Innsbruck 2007.

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von 1893 bis 1895 ein Privatinternat in Wien, kehrte 1896 nach Osijek zurück und schrieb dort ihre ersten Reportagen für die Tageszeitung »Die Drau«. 1902 heiratete sie den Offizier und Schriftsteller Milivoj von Vukelić, Sohn des Grenzoffiziers und Dichters Lavoslav von Vukelić. Seit 1923 lebte sie mit Unterbrechungen mit ihrer Familie in Zagreb. Als Mutter von vier Kindern nahm sie ein Chemiestudium in Zagreb und München auf, konnte es aber wegen des Ersten Weltkrieges nicht beenden. Ihr Ehemann publizierte unter dem Pseudonym Milkan Lovinac den Roman »Purpurne noći« (Die Purpurnächte), einige seiner deutschen Prosatexte befinden sich im Nachlass der Schriftstellerfamilie im Kroatischen historischen Archiv in Zagreb. In ihrem ersten Roman mit dem programmatischen Titel »Die Heimatlosen« zeichnet die Autorin ein kritisches Bild des jüdischen Lebens in Ungarn kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Einer ihrer Protagonisten ist der Schüler Alfred Görgei, der in dieser Zeit mit seiner Familie aus der ungarischen Provinz nach Budapest übergesiedelt ist. Sein Vater ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, die Mutter kümmert sich um die Erziehung Alfreds. Doch er ist entwurzelt, weder die Budapester Gesellschaft, noch die sonst so geliebte Musik bedeuten Heimat für ihn. Als Alfred sich vom Bunde trennte, um nach Budapest überzusiedeln, ging ein Riß durch sein Leben, den nichts mehr heilte. Er fühlte sich isoliert und einsam, ganz auf sich selber angewiesen und dennoch außerstande, mit sich selber zurecht zu kommen. Und stand vor einer Fülle von Problemen, die er zu lösen unfähig war. Der Boden fehlte ihm. Die gemeinsame Atmosphäre und das gemeinsame Tempo. Und weil er viel zu viel mit sich beschäftigt war, verlor er Maß und Distanz, ja er verlor sich in nebelhafte Wünsche und Sehnsüchte, für die er selber keine Erfüllung wußte.306

Der Roman ist als ein »Panorama des Judentums im Budapest der Jahre 1910 bis 1914« interpretiert worden. Die Verlagerung von der Provinz in die Metropole versetzt die jüdischen Protagonisten zunehmend in »soziale Klüfte«. Die konfessionelle und herkunftsmäßige Verbundenheit erweist sich gegenüber der gesellschaftlichen Situation als sekundär, sie vermag also die sozialen Differenzen nicht zu überwinden.307 306 Wilma von Vukelich  : Die Heimatlosen. Wien, Leipzig 1923, S. 20. 307 Vgl. Alexandra Millner  : Slawonische Retrospektiven  : Erinnerungen an Österreich-Ungarn von Wilma von Vukelich und Roda Roda. In  : Helga Mitterbauer, Silvia Ritz (Hg.)  : Kollektive und individuelle Identität in Österreich und Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg. Wien 2007, S. 171– 192, besonders S. 175 f.

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Bei den »Heimatlosen« handelt es sich um Vukelićs einzigen zu ihren Lebzeiten veröffentlichten Roman, aber ihre literarische Produktivität war viel größer. Trotz eines längeren Paris-Aufenthalts (1933–1937) widmete sie den kroatischen Erfahrungen ihre wichtigsten Texte. Der Osijeker Germanist Vlado Obad hat den Nachlass der Schriftstellerin aufgearbeitet und ihre deutschen Romane und Memoiren »Die Spuren der Vergangenheit« (Tragovi prošlosti) ins Kroatische übersetzt und kommentiert herausgegeben. So hat er diese bedeutende Unbekannte einem breiteren Leserkreis zugänglich gemacht.308 Vukelićs Roman »Der Kreis« (1947) blieb bis heute unveröffentlicht. Hier schildert sie das dramatische Jahr 1941 in Zagreb, den Untergang des ersten Jugoslawien, die Installierung des Ustascha-Regimes und die Verfolgung der Juden. Im Roman »Aussaat« beschreibt die Autorin das politische Leben in Kroatien von 1913 bis 1921. Zu beiden Romanen hat Vilma von Vukelić jeweils ein Filmdrehbuch verfasst, es kam jedoch nie zu einer Verfilmung. Das deutsche Drehbuch zu »Aussaat« hat der prominente kroatische Schriftsteller und Literaturkritiker Stanislav Šimić, Freund der Familie Vukelić, ins Kroatische übersetzt. Der Roman »Der Mann auf der Brücke« (1955) ist ein Erziehungsroman, der das Heranwachsen der Hauptfigur vom Knaben- bis zum Erwachsenenalter im Zeitraum von 1892 bis 1945 in Zagreb verfolgt. Der ebenso auf das Jahr 1955 datierte Roman »Die Zwölf am Tisch« erzählt die Geschichte zeitgenössischer Märtyrer, die sich in den Dienst der politischen und sozialen Revolution stellten.309 Das Sittenbild ihrer Heimatstadt »In engen Grenzen« von 1951 wurde 1997 von Vlado Obad in kroatischer Übersetzung (»U stiješnjenim granicama«) erstveröffentlicht. Die Chronik in Form eines Schlüsselromans entfaltet ein spannendes Panorama der zwanzigjährigen Herrschaft des Ungarn Khuen-Héderváry (1883–1903) als kroatischer Vizekönig. Die großungarische Politik mit all ihren Verästelungen, die Héderváry in Slawonien und in Osijek wegen des hohen Anteils der ungarischen Bevölkerung besonders erfolgreich umsetzte, findet in Vukelićs Darstellung einen glaubwürdigen Ausdruck. Nicht nur der Banus selbst 308 Neben den von ihm übersetzten und kommentierten Werkpublikationen von Vilma von Vukelić hat Vlado Obad eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten über diese Autorin vorgelegt  : Slavonska književnost na njemačkom jeziku (Die slawonische Literatur der deutschen Sprache). Osijek 1989  ; Vilma Vukelić  : prva zastupnica ženskih prava na slavenskom jugu (Vilma Vukelić  : Die erste Frauenrechtlerin im slawischen Süden). In  : Forum, 42 (2003) Bd. 74/75, H. 4/6, S. 432–436  ; Vilma Vukelić u duhovnom ozračju hrvatske lijeve inteligencije (Vilma Vukelić im geistigen Klima der kroatischen linken Intelligenz). In  : Književna republika (Zagreb), 3 (2005) H. 5/6, S. 193–200. 309 Alle Angaben nach  : Obad  : Slavonska književnost na njemačkom jeziku, S. 150 f.

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und seine slawonischen Statthalter figurieren in dieser Chronik unter veränderten Namen, sondern auch zahlreiche kleine Leute, die authentischer noch als Honoratioren die spezifischen Lebensumstände und das soziale Gefälle zwischen der herrschenden Klasse und den Unterprivilegierten versinnbildlichen. Diese Menschen repräsentieren bestimmte nationale Typen, ein fast unumgängliches Verfahren zur Zeichnung des Stadtpanoramas einer mehrnationalen Gesellschaft. Auch Motive aus der eigenen Familie werden in die Chronik eingeflochten. Der Vater der Schriftstellerin, der Großkaufmann Julius Miskolczy, findet ebenso Einzug in den Roman wie ihr Schwiegervater Lavoslav von Vukelić, Grenzoffizier und Autor der Hajdukengeschichten. Insbesondere der Schwiegervater wird zum Symbol des kroatischen Intellektuellen, der unter der Bürde des antikroatischen Regimes seinen nationalen Idealen abschwört, resigniert und scheitert. Er steht Modell für Lavović, einen Beamten bei der Osijeker Regionalregierung, der als kroatischer Patriot durch Intrigen aus dem Amt gedrängt wird, nachdem er sich geweigert hat, bei den Wahlen für die »Magyaronen« (Ungarn) zu stimmen. Indem sie zwanzig Jahre im Leben der Kaufleute Poletzky, Drillich, Marek und Illessy sowie einiger gescheiterter Intellektueller und Künstler mit deutschen, gelegentlich auch mit slawischen Namen fokussiert, zeichnet Vukelić die immanente Dynamik einer ganzen Generation. Vor allem den Intellektuellen und Künstlern hat der neue Zeitgeist des Profits und des politischen Opportunismus arg zugesetzt. Der Architekt Gerhart, dessen visionäre Projekte gescheitert waren, wandert nach Amerika aus. Der Magistratsbeamte Vrbanić heiratet seine zehn Jahre ältere Vermieterin und scheint unter dem Druck der kleinen Verhältnisse, seiner Ehefrau und seines Vorgesetzten, des regimetreuen, bestechlichen und charakterlosen Ostermayer, zu zerbrechen. Professor Danko springt von der Eisenbahnbrücke in die Drau, kurz nachdem sein Hündchen Bella von den Kindern auf der Straße zu Tode gehetzt wurde. Sein Manuskript »Die Chronik der Stadt Osijek«, an dem er zwanzig Jahre gearbeitet hat, verbrennt er kurz vor dem Selbstmord. So haben alle notgedrungen dem neuen Grobianismus Platz machen müssen. Nur der Maler Eisinger, auch er ein einsamer Schiffbrüchiger, besucht noch gelegentlich das Gasthaus »Zum roten Hahn«. Aber auch die wirtschaftlich erfolgreichsten Menschen dieser Generation werden von ihren Kindern verraten, die sich von neuen Ideen, auch vom Marxismus, anstecken lassen. Der Verfall wird sehr schnell, innerhalb einer Generation, vollzogen, weil die mittlere stabilisierende und Nachhaltigkeit garantierende Übergangsgeneration fehlt. Die wesentlichen Züge der antikroatischen Politik des Banus Héderváry, der gleich nach seinem Amtsantritt das Parlament reorga-

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nisierte, das Wahlrecht im Land drastisch einschränkte und die Serben deutlich bevorzugte, strahlt auf Einzelschicksale aus, auf die anonymen Leidtragenden der Geschichte um einiges intensiver als auf die politischen Machthaber. So gelingt es der Autorin, was in paradigmatischer Weise für ihr Gesamtwerk gilt, nämlich die innere Geschichte einer Gesellschaft literarisch aufzufangen.310 Friedrich Freiherr von Gagern (1882–1947) ist väterlicherseits Spross des altdeutschen Adelsgeschlechts Gagern und mütterlicherseits der Auerspergs, Großneffe des Dichters Graf Auersperg. Seine Reisen nach Afrika und Amerika, die angeblich in seinen Romanen und Erzählungen Niederschlag fanden, waren eine Mystifikation. Gagern schrieb spätexpressionistische, seinerzeit populäre Romane, Gesellschaftschroniken der Adelsgesellschaft oder auch exotische Abenteuergeschichten (»in Lederstrumpfmanier«), in denen er die Männlichkeit idealisierte. Zwischen 1919 und 1929 entwickelte er aus dem Stoff des ursprünglich geplanten Romans »Die Prärie« gleich drei Amerika-Bücher  : »Der Marterpfahl«, »Der tote Mann« und »Das Grenzbuch«. Sie erzählen von der Eroberung Amerikas durch weiße Siedler.311 Gagern, der seine Jagdleidenschaft und die Abenteuerlust zu seinen großen literarischen Themen machte, hat nach dem Untergang Österreich-Ungarns – als ihm der Boden seiner Existenz unter den Füßen entzogen wurde – auch zwei südslawische Romane geschrieben  : »Ein Volk« (1924) und »Die Straße« (1929). »Ein Volk« schildert die Lebensgeschichte des Hajduken Joco Udmanić, bei Gagern Marko Ubranitsch, vor der Kulisse seiner Heimatregion, der Gegend um Okić in Nordkroatien. In diesem großangelegten Roman zeichnet Gagern kein Bild der heimatlichen Idylle, obwohl ihm die sittsamen Bauern, Ortsgebräuche und die folkloristische Fröhlichkeit durchaus wichtig sind. Weil er den Blick nicht von der Wirklichkeit abwendet, schildert er sehr genau die politischen und gesellschaftlichen Komponenten, die zum Hajdukentum geführt und es möglich gemacht haben. Das Versagen des autoritären habsburgischen Systems im Zusammenprall mit dem depravierten Volk wird ebenso deutlich wie die Formen, die das Aufbegehren des Volks angenommen hat. Das Volk wiederum, die kol310 Vgl. weiterführend ebd., S. 141–164. 311 Die Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz hat am 5. Februar 2005 eine eigene Bühnenfassung der Novelle »Der Marterpfahl« (nach Friedrich von Gagern und Heiner Müller) in der Regie des Intendanten Frank Castorf uraufgeführt. Die Entscheidung, die Indianergeschichte zu inszenieren, ging auf die Faszination Heiner Müllers für Friedrich von Gagern zurück, so die Auskunft Castorfs. Müller hatte sich wiederholt dazu bekannt, Gagerns Novelle »Der Marterpfahl« sei sein Lieblingsbuch gewesen.

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lektive Hauptfigur des Romans, ist in Gagerns Blick naturverbunden, gesund und fromm, doch einer ständigen zentrifugalen Einwirkung fremder Machtinteressen ausgesetzt. Dies erzeugt einen Zustand dauerhafter Krisenstimmung, die jedoch durch kostbare Lebensfreude und Frömmigkeit beseelt wird. Für solch arme Seelen im Fegfeuer hatte der Meßner zu Maria Bistrica gerade den letzten Zug am Strangschlauf getan, beugte sich nun und bekreuzigte sich, sperrte unterm aushallenden Nachschwung der Glocken die Tore der Gnadenkirche, ging durch trüb fallende Dämmerung heim, und die jungfräuliche Mutter Gottes in schwerer Krone und starrem Mantel blieb nach ihrem Tagewerk allein mit dem Hofstaat ihrer Heiligen und dem ewigen Licht.312

Aufschlussreich ist Gagerns Nachwort zu »Ein Volk«, zu dem Autor und Verlag sich aus philologischen Überlegungen entschlossen hatten. Da im deutschen Text zahlreiche slawische Orts- und Personennamen im Original verblieben waren, hielten sie eine Erläuterung von Lautbild und Aussprache für notwendig. Die Begründung, zwischen Sympathie und Abneigung, Verständnis und Distanzierung schwebend, zeigt eindeutig Gagerns Handschrift  : Die slawischen Sprachen (slawisch, Slawen, Slowenen, Slowacken, Slawonier usw. von »slowo« = Wort) – – die slawischen Sprachen, germanischer wie romanischer Zunge gemeinhin unüberwindlich, sind lautmäßig im Grunde leichter zu beherrschen als die Sprachen Goethes, Shakespeares, Molières und Dantes. Sie sind in Wirklichkeit ehrlicher  ; mit wenigen Ausnahmen wird getreulich geschrieben wie gesprochen und umgekehrt. Das gilt hier zumal von jenen slawischen Sprachen, denen das um die sogenannten »diakritischen« (unterscheidenden) Zeichen bereicherte und so ihren Bedürfnissen angepaßte lateinische Alphabet dient.313

Umfangreich, ausführlich und dicht gefüllt mit Figuren und Geschehnissen, die sich – wie alle Romane Gagerns – stets in weitere Handlungsstränge abzweigen, findet der Roman »Die Straße« den Kristallisationspunkt im Gasthaus der Horvatitschka  : einer schlauen, leidgeprüften Witwe, die es schafft, es durch Geschick, List, Betrug, gar Mord und Beharrlichkeit mit der Männerwelt aufzunehmen. Auf sich selbst gestellt und sich selbst überlassen, behauptet sich diese Figur im Kampf gegen Menschen und Natur. Sie handelt aus Überzeugung, aus einem 312 Friedrich von Gagern  : Ein Volk. Leipzig 1931, S. 503. 313 Ebd., S. 660.

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starken, nimmermüden Selbsterhaltungstrieb und, in diesem Falle, aus Erdverbundenheit. Durch das Gebirge und den unerschlossenen Wald an der nördlichen Militärgrenze soll in den späten 1890er-Jahren eine Straße verlegt werden. Um diese Straße am Konfin, wie Gagern nach französischer Art das altösterreichische Kronland und Schutzzone gegen die Türken nennt, wird die Handlung um die Betreiber des Straßenprojekts und die Bewohner des Gebiets aufgebaut. Die Straße sichert ihr Einkommen und bindet sie fest an die Gegend zwischen Samobor, Rann und Bregana, wo Kroaten, Krainer, Friauler, Ungarn und Deutsche aufeinandertreffen. Das Leben am Konfin, das Gagern bis in die kleinsten Verästelungen erschließt, wird zum bunten Panorama, das ebenso detailverliebt gezeichnet ist wie die Mundarten, Trachten, Sitten, Ess- und Trinkgewohnheiten, Arbeitsethos und Mentalitäten. Die Pinselstriche auf diesem riesigen Gemälde sind nicht impressionistisch dahingeworfen, vielmehr leiten sie Erregungen ein, die sich mit der Handlung entwickeln. »Im Sternenschein blinkte das Bajonett, Herbstgrillen klagten in kühler Späte, die fernen Hunde bellten  : weit hinaus unter spinnenden Nebeln schimmerte das Feld, im Schauer der Hügel spielten träumig die kleinen Schnarrmühlen.«314 Dabei kommt auch Gagerns Lieblingsthema, die Jagd, nicht zu kurz. Die Grafschaft jage im eigenen Revier, während der Raubschütz Ilija Schorman den Schutz der Nacht suche  : »In bergender Finsternis, zwischen hochgeschossenem Mais und Waldrändern hin schleppte er die Beute nach dem Konfin, im Erlengebüsch legte er sie vorsichtig ab.«315 Gagern ist ein herausragender »epischer Gestalter großer gesellschaftlicher Umbrüche«,316 die auch ihm schwer zugesetzt haben. 1918 ist ihm der Boden unter den Füßen weggezogen worden und diese Traumatisierung seiner deutschen, insbesondere adligen Landsleute verarbeitet er literarisch. Er schwankt als Erzähler zwischen einer mythenbildenden epischen Wucht und einer fast realistischen Schilderung aktueller gesellschaftlicher Verhältnisse. Im Zusammenhang mit Gagerns ideologischer Position entspricht sie wohl – so Uwe Baur –317 der konservativen Position in der geistigen Auseinandersetzung der Zeit um 1870/80 im heutigen Kroatien, also auch dem modernen Kroatien von 2012, das sich auf sein konservatives Erbe besinnt. Der wohl bedeutendste und erfolgreichste deut314 Friedrich von Gagern  : Die Straße. Leipzig 1929, S. 558. 315 Ebd., S. 445. 316 Uwe Baur  : Friedrich Gagern und die Südslawen. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 11 (2002), S. 141–156, besonders S. 144. 317 Vgl. ebd., S. 150.

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sche Epiker des ehemaligen Herzogtums Krain verdiente heute mehr Aufmerksamkeit einer literarisch interessierten Leserschaft.318 Einer der spannendsten Köpfe des kroatischen literarischen Lebens der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, der vor allem in Deutschland und Österreich tätig war, ist Milan Begović (1876–1948). Er arbeitete in Hamburg und Wien an unterschiedlichen Theatern als Dramaturg und Regisseur. Die Arbeit hat sein dramatisches und erzählerisches Werk stark beeinflusst, das zu den Höhepunkten der kroatischen Literatur der Moderne gehört. Sein einziges deutschsprachiges Theaterstück »Die letzte Tanzstunde des Bischofs von Orleans« entstand im Jahr 1912.319 Er korrespondierte mit Arthur Schnitzler, Friedrich Schreyvogel und Hermann Bahr. Als ein früher Protagonist des Kulturtransfers wurde er oft »der kroatische Hermann Bahr« genannt. Über zwanzig seiner Dramen wurden auf deutschen und österreichischen Bühnen mit Erfolg aufgeführt, sodass er bis heute, neben Miroslav Krleža, einer der erfolgreichsten kroatischen Dramatiker im Ausland bleibt. Am erfolgreichsten war »Pustolov pred vratima« (Abenteurer vor der Tür), das zwischen 1927 und 1942 in vielen europäischen Metropolen, aber auch in Bergen, Oslo, Rom und Sofia und in den großen Städten Südamerikas gezeigt wurde. Ähnliche Triumphe feierte sein Drama »Bez trećega« (Herzen im Sturm), das nach der Premiere in Zagreb 1931 im Siegeszug über die ausländischen Bühnen ging und in Brünn, Posen, Paris, Prag, Berlin, Budapest, Kopisch, Weimar, Wien, Mannheim, Dresden, Köln, Graz, Linz, Stuttgart und Wien aufgeführt wurde. Eine biografisch etwas verspätete Autorin, deren Werk aus der Erinnerung an Altösterreich erwuchs, war seine Tochter Božena Begović (1901–1966). Sie folgte ihrem Vater siebenjährig nach Hamburg. Nach wenigen Jahren übersiedelte die Familie nach Wien, wo Božena Begović die Akademie für Musik und darstellende Kunst besuchte und später mit Erfolg auf unterschiedlichen Wiener Bühnen auftrat. Sie brach jedoch ihre Schauspielerkarriere bald ab, um ihrem Vater 318 Immerhin hat auch Friedrich von Gagerns Drama »Ozean« aus dem Jahr 1921 aktuelle Aufmerksamkeit, u. z. wiederum an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, erfahren  : Intendant Frank Castorf feierte am 12. November 2009 die Wiedereröffnung seines Hauses nach umfangreicher Renovierung mit seiner vielbeachteten Uraufführung – neunzig Jahre nach Entstehung des Dramas. 319 Der Text findet sich nicht im Nachlass des Dichters im Zagreber Zavod za teatrologiju (Institut für Theaterwissenschaft). Selbst in seinem 16seitigen autobiografischen Manuskript »O sebi« (Über mich selbst), das in der Nationalen- und Universitätsbibliothek in Zagreb aufbewahrt wird (Ra 7733), erwähnt Begović das frühe deutsche Drama nicht. Nachgewiesen ist es bei Matl  : Südslawische Studien, S. 405 f.

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nach Kroatien zu folgen. Auch sie eine sprachlich und kulturell Zerrissene, entfaltete hier eine rege schriftstellerische Tätigkeit und trat unter anderem als bedeutende Übersetzerin aus dem Deutschen und Französischen hervor. Ihr reiches dichterisches Schaffen, vornehmlich in deutscher Sprache, umfasst Lyrik (»Im Wechsel der Zeiten«, 1917–1921  ; »Tiefstes Leben«, 1918–1921  ; »Romanzen der Liebe«, 1918–1921  ; »Gestalten«, 1919  ; »Um Gott«, 1920–1921  ; »An Andere«, 1923), lyrisch-epische Skizzen und ein lyrisches Drama in vier Teilen (»Der Tod des Achilles«, 1924–1925). Ihre literarischen Arbeiten veröffentlichte sie in der »Muskete« (Wien), der »Prager Presse« (Prag), in »Der Morgen«, im »Morgenblatt« (Zagreb) und in den Zagreber Literaturzeitschriften »Savremenik«, »Dom i svijet« und »Vijenac«. Ein Teil ihrer deutschen Dichtung ging nach ihrem Tod als Nachlass an den Slawisten Josef Matl über. In geschlossener Form wurde das Werk nie publiziert. Bekannt wurde sie auch als erste Sprecherin des Zagreber Rundfunks im Jahr 1926. Desintegration und neue Besinnung auf das deutsche Kulturerbe Selbst in der Phase der Desintegration wirkten also in Kroatien und Slowenien vor allem Schriftstellerinnen, die zwischen der untergegangenen Welt Altösterreichs und den neuen Kulturmöglichkeiten des Königreichs der Kroaten, Slowenen und Serben Brücken schlugen. Sie zeichnen sich durch einen beeindruckenden Arbeitsethos und große Originalität aus. Allen voran die Dichterin und Philologin Camilla Lucerna (Pseudonyme Camilla Leonhard und C. Milović, 1868–1963), Tochter eines österreichischen Militärauditors  : Sie studierte Slawistik und war als Lehrerin für die deutsche und französische Sprache in Kroatien tätig. Zusammen mit Marija Fabković, Marie Jambrišak, K. Svetišić und Natalie Wickerhauser führte sie die Frauenbewegung in Kroatien an. Als deutsche Muttersprachlerin hat sie die kroatische Sprache in allen ihren Feinheiten erlernt, sodass sie eine rege schriftstellerische Aktivität auch in der kroatischen Sprache entwickelte. Lucerna, die eine ganze Reihe literarischer Werke aus dem Kroatischen ins Deutsche übertragen hatte, insbesondere aus der Volksliteratur, verstand sich als Vermittlerin zwischen der südslawischen und der deutschen Kultur und Literatur. Im Jahr 1918 publizierte sie in Zagreb »Südslawische Dichtungen«, eine Sammlung von Übersetzungen aus der kroatischen und serbischen Literatur sowie von sieben Volksliedern (etwa »Hassan Agas Gattin«). Die Auswahl aus der kroatischen Literatur umfasst bedeutende Namen wie Marko Marulić und Petar Hektorović, Fran Kurelac, Petar Preradović, August Šenoa, Ivan Mažuranić,

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aber auch Schriftstellerinnen, die sonst kaum Eingang in Anthologien gefunden hätten, etwa Iva Rod, Milka Pogačić, Elsa Kučera, Gemma Boić und Jagoda Truhelka. Vertreten sind auch Lucernas Mentor, der Philosoph Franjo Marković, Hugo Badalić, Dragutin Prohaska, Lavoslav Vukelić und der Erzähler Janko Leskovar. Der serbische Lyriker Zmaj Jova Jovanović und der montenegrinische Dichterfürst Petar Petrović Njegoš repräsentieren die serbische bzw. montenegrinische Literatur. Lucerna war eine der ersten Pädagoginnen in Kroatien, eine Autorin von schier unendlicher Schöpfungskraft. Ihr wissenschaftliches Hauptwerk ist die Studie »Das Märchen. Goethes Naturphilosophie als Kunstwerk« (1910). Diese Arbeit, von Franjo Marković gefördert, ist ein Standardwerk der Goethe-Exegese. Die letzte ergänzende Studie zu diesem Werk publizierte sie 1959 im Alter von 94 Jahren.320 Dem Andenken ihrer Schülerin, der Schauspielerin Gemma Boić, widmete Camilla Lucerna die Übersetzung »Asseneth, eine apokryphe Erzählung aus den Werdezeiten des Christentums«, die sie in Wien 1921 publizierte. Für ihren Beitrag zur Völkerverständigung wurde sie in Kroatien mit höchsten Auszeichnungen dekoriert. Ihr Arbeitsschwerpunkt lag in der Literaturwissenschaft und in den Übersetzungen vornehmlich südslawischer Volkspoesie, aber auch ihre eigene deutschsprachige Dichtung verdient Aufmerksamkeit. Im Jahr 1903 veröffentlichte Lucerna in Zagreb das Drama »Die kleine Schauspielerin«, das sie »dramatische Studie« benannte, ein elegantes Konversationsstück aus der Adelswelt. In der Villa der Gräfin Mathilde von Gagen hält sich Helene Steinbach auf, eine jüdische Schauspielerin, die die Aristokratin als Wirtschafterin zu sich genommen hat, damit sich Helene von einer unglücklichen Liebe erhole. Gut behütet im aristokratischen Milieu, wappnet sich Helene für die entscheidende Begegnung mit ihrer großen Liebe, dem Gutsbesitzer Albert von Helle, der sie einst verschmäht hatte. In der Villa wird ihr Verhältnis endgültig geklärt. Das Band der Liebe wird für immer gelöst, Helene erkennt, dass sie einer Lüge aufgesessen ist und erst durch die endgültige Loslösung von Helle zu sich selbst findet. Das Drama endet mit einer Hymne an die Emanzipation. Helene ruft »in höchster Erregung« aus  : »Frei  ! Ganz frei  ! Genesen  ! Ich kehre zu meiner Kunst zurück, will lernen, üben, studieren. Das Menschenherz ist kein Geheimnis mehr für mich. Nun weiß ich nicht nur, wie die Liebe wird, ich weiß 320 Camilla Lucerna  : Goethes Rätselmärchen. Eine Betrachtung. In  : Euphorion, 53 (1959), S. 41– 60. Vgl. Svjetlan Lacko Vidulić  : Was bleibt. Porträt der Schriftstellerin und Philologin Camilla Lucerna (1868–1963). In  : http:// www.kakanien.ac.at/beitr/fallstudie/SVIdulic1.pdf [Zugriff vom 8.1.2010.]

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auch, wie sie stirbt. Ich glaube – nein, ich fühl’s – nun kann ich alles  !«321 Ähnlich ist das Konversationsstück »Reseda« angelegt, ein Lustspiel in zwei Aufzügen. Diesmal treffen die Repräsentanten der Oberschicht in einem eleganten Café in Rijeka zusammen. Lucernas Schülerin, die auf deutschen und österreichischen Bühnen gefeierte Schauspielerin Gemma Boić (1883–1914), versuchte sich auch als Stückeschreiberin. Zwei historische Dramen stammen aus ihrer Feder  : »Christina« und »Die Jungfrau von Orleans«. Und auch als Übersetzerin der slawischen Volkspoesie machte sie sich einen Namen. Mit ihrer Übertragung des Volksepos »Assam Aga« steht sie in der Tradition des in der deutschen Philologie im frühen 19. Jahrhundert erwachten kulturellen und philologischen Interesses für die südslawische Volksdichtung. Eine herausragende Übersetzerin und Vermittlerin zwischen der kroatischen (jugoslawischen) Literatur und der deutschsprachigen, vor allem der österreichischen Kultur war Ina Jun-Broda (Pseudonyme Jana Joan und Giulia Weiner, 1903– 1983). Ihre Lyrik schrieb sie in deutscher Sprache. Jun-Broda entstammt der jüdischen Familie Ehrlich, aus der viele Künstler und Intellektuelle hervorgegangen sind. Ihr Bruder, Hugo Ehrlich, war ein bekannter Architekt. Ihre Schwester, Vera Ehrlich-Stein (1897–1980), Begründerin der Soziologie in Jugoslawien, war mit Alfred Adler und Manès Sperber befreundet. Im Jahr 1976 publizierte Ina Jun-Broda selbst in Wien die Sammlung »Beschwingter Stein. Gedichte zeitgenössischer Dichter aus Jugoslawien. Gesammelt und nachgedichtet v. I. J. B.«. Zu ihren bedeutendsten Leistungen gehört die kongeniale Nachdichtung von Miroslav Krležas im kajkavischen Dialekt verfassten Gedichtsammlung »Balade Petrice Kerempuha« (1978). Frauen betreten zunehmend jene Felder, die bis tief ins 19. Jahrhundert hinein den Männern vorbehalten waren. Als Schriftstellerinnen, Ethnografinnen und Wissenschaftlerinnen etwa prägen sie ein neues Bild der Intellektuellen, das von der Bewegung der Frauenemanzipation im westlichen Europa mitgetragen wird.

2. Internationaler Bestsellerautor und die NSKulturgrösse  : Mirko Jelusich In der Zwischenkriegszeit gehörte Mirko Jelusich (i. e. Vojmir Jelusić, 1886–1969) zu den meistgelesenen Romanautoren. Seine Biografie und seine literarische 321 Camilla Lucerna  : Die kleine Schauspielerin. Agram 1903, S. 29.

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Karriere bilden ein paradigmatisches Beispiel der nationalen und persönlichen Wechselwirkung vor dem Hintergrund des anschwellenden Nationalsozialismus. In Semily (Nordböhmen) als Sohn eines kroatischen Bahnbeamten und einer Sudetendeutschen geboren, studierte Jelusich in Wien Philosophie. Dort wurde er in den Kreis junger begabter Autoren um Anton Wildgans, Franz Theodor Csokor, Walter von Molo und Robert Hohlbaum aufgenommen. »Jelusichs Debüt als Schriftsteller vollzog sich so, wie es sich ein junger Autor nicht besser wünschen könnte«, schreibt sein Biograf Johannes Sachslehner.322 Nach erfolgreichen Versuchen in Lyrik und Drama wendete sich Jelusich in den Zwanzigerjahren der Prosa zu. Seinen ersten großen Erfolg feierte er allerdings mit dem Gedicht »Vaterunser 1914«, mit dem er auf einen Schlag bekannt wurde. Das Gedicht wurde auf Postkarten in einer Millionenauflage gedruckt. An sich eine einzige Geschmacklosigkeit, wirkte diese Verunstaltung des Vaterunsers mit kriegsbejahenden Parolen auf die breite Masse ganz besonders. Jelusich sprach dem durchschnittlichen k. u. k. Staatsbürger aus dem Herzen, wenn er den Krieg als Verschwörung der feindlichen Großmächte hinstellte, gegen die man sich mit aller Kraft wehren müsse, noch dazu, wo man von Gott selbst in diesem gerechten Kampf unterstützt werde.323 Am Ersten Weltkrieg nahm Jelusich als Artillerieoffizier teil, unter dem Einfluss des Schriftstellers und Philosophen Arthur Trebitsch. Von 1923 bis zum Verbot der NSDAP in Österreich 1933 war er Redakteur für Theater und Kunst der rechtsradikalen »Deutsch-Österreichischen Tageszeitung«. Der genaue Zeitpunkt seines Beitritts zur NSDAP ist nicht sicher nachzuweisen, Jelusich selbst gab das Jahr 1938 an. Nach der Machtübernahme Hitlers war er für kurze Zeit (12. März bis 4. August 1938) kommissarischer Leiter des Burgtheaters, was er mit einer Aufführung von Shakespeares »Julius Cäsar« feierte. 1939 gründete er mit Genehmigung der Reichsschrifttumskammer mit den gleichgesinnten großdeutschen bis faschistischen Schriftstellern Bruno Brehm, Hermann Graedener, Max Mell, Karl Hans Strobl, Josef Weinheber und Josef Wenter den »Wiener Dichterkreis«. Seine Hitler-Verehrung stellt er auch mit dem Gedicht »Führer, dein Name  !« unter Beweis, das 1939 im »Völkischen Beobachter« veröffentlicht wurde. Er habe seine Ehrfurcht tief verinnerlicht, so Jelusich, also enthalte er sich des Jauchzens in der Masse  :

322 Johannes Sachslehner  : Führerwort und Führerblick. Mirko Jelusich. Zur Strategie eines Beststellerautors in den Dreißiger Jahren. Königstein/Ts. 1985, S. 14. 323 Ebd., S. 18.

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Wir einst’gen Kämpfer aber sehn ringsum Aufjauchzen, bunte Last und Fahnenkerzen  : Wir bleiben in dem bunten Jubel stumm  ; Wir tragen Deinen Namen in den Herzen.324

Wegen seiner Verbindungen mit den Nationalsozialisten wurde Jelusich 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht in Österreich verhaftet. Das Verfahren gegen ihn wurde mehrfach wieder aufgerollt, bis es schließlich 1949 endgültig eingestellt wurde. Nach 1945 spielte Jelusich als literarische Figur keinerlei Rolle mehr, auch wenn einzelne Texte durchaus populär blieben, wie Neuauflagen und sogar Buchklubeditionen andeuten. Gleichwohl, mit dem Untergang des Dritten Reiches war seine Zeit endgültig vorbei. Sein literarisches Schaffen ist von seiner Erfahrung als Soldat im Ersten Weltkrieg durchwirkt, in seiner literarischen Disposition war er nicht nur in der Themenwahl rückwärtsgewandt  : ein erzkonservativer Romanschriftsteller, der den Zeitgeist des aufkommenden Faschismus auffing und ihn seinen Romanen überstülpte. Seit 1933 lebte Jelusich nach dem Welterfolg seines Romans »Caesar« (1929) als freier Schriftsteller. Der Roman erlebte bis 1938 Auflagen von über 70 000 Exemplaren und wurde ins Englische, Niederländische, Italienische, Schwedische und sogar ins Esperanto übersetzt. Die Verherrlichung einer starken, vom Schicksal erkorenen Führerpersönlichkeit entspricht dem nationalsozialistischen Führerkult, den Jelusich zu seinem literarischen Generalthema macht. »Caesar« übertrifft an erzählerischer Kohärenz alle nachfolgenden Romane ähnlichen Sujets von Jelusich. Das umfangreiche, fast fünfhundert Seiten zählende Werk ist konventionell aufgebaut, es setzt bei der Kindheit des zukünftigen römischen Herrschers an, zeichnet sehr genau die Stationen seiner persönlichen Entwicklung, den Aufstieg und die Eroberungskriege bis hin zu seinem gewaltsamen Tod nach. Im Vergleich zu »Cromwell« (1933), »Hannibal« (1934), »Der Löwe« (1936) oder »Der Soldat« (1939), einem Roman über Gerhard von Scharnhorst, ist »Caesar« am ehesten ein Geschichtsroman, noch ganz im Zeichen des Historismus des späten 19. Jahrhunderts und der lyrisierenden Neoromantik verfasst. Zur sachlichen, detaillierten Schilderung gesellt sich die sentimentale Anteilnahme am Schicksal der Figuren, die sich reibungslos in den 324 Mirko Jelusich  : Führer, dein Name  ! In  : Völkischer Beobachter. Wiener Ausgabe 12.3.1939. Zitiert nach Ernst Loewy  : Literatur unterm Hakenkreuz. Das Dritte Reich und seine Dichtung. Frankfurt am Main 1966, S. 303.

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Erzählstil einfügt. Statt entwickelter Gefühle regieren in seinen späteren Romanen triviale Klischees. Überzeugend ist die Szene des Albtraums (»Die letzte Nacht«), 325 in der Caesar, seinen nahenden Tod ahnend, mit der Armee all jener konfrontiert wird, dessen Tod er als Feldherr verschuldet hat. Vor jedem Einzelnen der Gefallenen, der Getöteten und durch seine politischen und militärischen Entscheidungen zu Tode Gekommenen muss er sich rechtfertigen. Sogar die Allegorie des Todes offenbart sich im Traum, um ihn zu »wägen«.326 Ein skeptischer, geläuterter Feldherr tritt dem Tod entgegen, dessen Credo alles Martialische hinter sich gelassen hat  : Mein Leben war ein einziger Irrweg. Ich strebte Zielen nach, die ich als falsch erkannte, als ich sie erreicht hatte, ich vollführte Taten, deren Nutzlosigkeit ich einsah, als sie vor mir standen. Wenn ich mein Dasein überblicke, so ist es ein einziges, ungeheures Missverstehen  : ich wollte die Welt ordnen – und trug das Chaos in der eigenen Brust  ; ich wollte die Menschen emporführen – und vergaß, daß ich zuerst in mich hinabsteigen müsse  ; mein Werk war wie das Spiel von Kindern, die ein Haus aus Sand bauen  : der nächste Windstoß genügt, es auseinanderzufegen, daß nichts davon zurückbleibt.327

Gleichwohl, auch mit dieser späten Einsicht rührt Jelusich nicht am penibel gebauten Denkmal dieser Führergestalt, die stark an Mussolini erinnert. Die Tatsache, dass Caesar sterblich ist, mindert keineswegs sein mythenbildnerisches Potenzial. Jelusichs Biograf Johannes Sachslehner weitet diese Beobachtung auf die gesamte Heldengalerie aus, die Jelusich in seinem Romanwerk porträtiert hat  : An der allgemeinen Vorbildwirkung der Führergestalten ändert auch nichts die Tatsache, dass diese allesamt sterblich sind, ja zum Teil sogar einen schrecklichen Tod finden – Caesar wird ermordet, Hannibal vergiftet sich, Franz von Sickingen und Scharnhorst sterben an ihren Verwundungen, Kaiser Josef I. fällt den Blattern zum Opfer  : Jelusich versteht es, das Sterben seiner Helden in ein verklärendes Licht zu hüllen, die historische Faktizität des Todes vor dem Hintergrund einer gleichsam heilsgeschichtlichen Entwicklung als schicksalhaft und notwendig einzuordnen.328

325 Mirko Jelusich  : Caesar. Berlin 1930 (1. Aufl. 1929), S. 481–491. 326 Ebd., S. 484. 327 Ebd. 328 Sachslehner  : Führerwort und Führerblick, S. 147.

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Mit dem Nihilismus des Herrschers schlägt Jelusich eine Brücke zur Gegenwart. Das Kaisertum der Habsburger ist zehn Jahre zuvor zerfallen und eine neue politische Ordnung wird hergestellt. Jelusich ist weit entfernt vom zeitgenössischen deutschen Roman seiner Zeit, etwa von Alfred Döblins »Berlin Alexanderplatz«, von Erich Maria Remarques »Im Westen nichts Neues« oder Ludwig Renns »Krieg«, alle drei ebenfalls 1929 erschienen. Noch größer ist die Kluft zu den großen österreichischen Romanen von Hermann Broch (»Die Schlafwandler«, 1931/32), Robert Musil (»Der Mann ohne Eigenschaften«, 1930/1932) oder Joseph Roth (»Radetzkymarsch«, 1932). Es ist ein Paradoxon, dass »Caesar« ästhetisch eher mit dem großdimensionierten Roman von Erik Reger (i. e. Hermann Dannenberger) »Union der festen Hand« (1931) korrespondiert, der mit der Kritik an den kapitalistischen Arbeitsbedingungen die konträre ideologische Position einnimmt. Das detailgetreue Erzählen, ein kaum überschaubares thematisches Geflecht, das Psychologisieren und vor allem das realistische Grundprinzip, den Menschen in seiner ganzen Komplexität bei der Arbeit abzubilden, dieses Überschaubare und Abgerundete verbindet zwei in kultureller und ideologischer Hinsicht konträre Projekte. Auch ein Vergleich mit dem ebenso populären historischen Belletristen Emil Ludwig führt wohl kaum weiter, da die politischen Konnotationen beider Autoren allzu weit auseinander liegen. Der neuzeitliche Erzählstil als Antwort auf den Vormarsch der Technik und das rasante Anwachsen der Großstädte berührte Jelusich nicht. Berlin war zur Zeit des Erscheinens des Romans eine Metropole von vier Millionen Einwohnern und die drittgrößte Stadt der Welt. Das ›rote‹ Wien, wo Jelusich lebte, war zwar kleiner im Hinblick auf die Einwohnerzahl, doch eine ebenso pulsierende Weltstadt. Die moderne Urbanität findet in seinem Roman jedoch keinen Niederschlag. Die Stilmittel der Avantgarde mit Dynamik, Fragmentarismus, Montagetechnik, Simultaneität und der Begriff der individuellen Freiheit innerhalb einer liberaldemokratischen Gesellschaft dringen in das semantische Erzählgerüst des Romans von Jelusich nicht ein  ; er bleibt vielmehr ganz dem Grundmodell des historischen Romans und seinen Werken des heroischen Individualismus verhaftet. Auf dem Höhepunkt seines internationalen Ruhms besuchte Jelusich als Gast des P.E.N. und des Verlags »Binoza« im April 1932 die Heimat seines Vaters. »Binoza« hatte bereits zwei seiner Erfolgsromane in kroatischer Übersetzung auf den Markt gebracht, »Don Juan« (1930) und »Caesar« (1931). Dem Erfolgsautor zollte die versammelte literarische und kulturelle, vornehmlich konservative Elite Kroatiens ihre Reverenz, auch Petar Preradović, der Jüngere, Enkel des illyrischen

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Dichters, war dabei. Der renommierte Gast aus Wien hielt im Zagreber Musikverein einen Vortrag zu »Ersatzkultur und Kulturersatz«. Er fühle sich dem kroatischen Volk zutiefst verbunden, sagte Jelusich in einem der vielen Interviews, die er teils in kroatischer Sprache führte. Die Gastgeber waren bemüht, den illustren Gast nicht nur mit der intellektuellen Elite der Hauptstadt in Berührung zu bringen, sondern ihm auch Zugang zu breiteren Bevölkerungskreisen, seinen potenziellen Lesern, zu eröffnen. Jelusich lobte die kroatische Übersetzung seines Hauptwerks »Caesar« aus der Feder von Zlatko Gorjan als mustergültig.329 Aber auch mit seiner Meinung zur deutschen Gegenwartsliteratur kurz vor der NS-Machtergreifung hielt er sich nicht zurück  : Die deutsche Literatur sei tief in zwei Blöcke gespalten, stellte Jelusich in einem Interview fest. Und für den Nobelpreis würde er den Amerikaner Christopher Morley vorschlagen.330 Entgegen Jelusichs Prognose wurde 1932 John Galsworthy, der Großmeister der »Forsyte Saga«, ausgezeichnet. Jelusich selbst hat den jubelnden Berichten der kroatischen Presse zum Trotz seinen Aufenthalt in Zagreb nicht als Erfolg verbucht. Ganz im Gegenteil  : »Meine Reise war eine bittere Enttäuschung«, resümiert er in seiner Bekenntnisschrift »Mein Weg zu Hitler« am 17. Juni 1933 im Wiener nationalsozialistischen Organ »Die Braune Woche«.331 Ganz offensichtlich hatte ihn die Reise in die väterliche Heimat in tiefe Identitätszweifel geworfen, die er zugunsten der großdeutschen Lösung entschied. Seine slawische Herkunft und sein kroatischer Name waren in seinen Augen ein Makel, er fühlte sich als Deutscher und Deutsch war eindeutig seine Sprache. Gleichwohl, vom Verkaufserfolg seines Romans beflügelt, erblickte er in dem Besuch in Zagreb die Chance, die Ideologie der NSDAP in Kroatien zu verbreiten. […] darüber hinaus aber fühlte ich in mir die Berufung, diesem erstarrten Vormarsch neue Impulse zu geben, den Schicksalsweg des donauländischen Deutschtums nach dem Südosten neu bereiten zu helfen  ; ich fühlte diese Berufung um so mehr, als ich mittlerweile die deutsche Erneuerungsbewegung kennengelernt und mich ihr mit Leib und Seele verschrieben habe. Noch einmal meldete sich in mir der Zwiespalt des Blutes, aber 329 Der Schriftsteller Zlatko Gorjan (1901–1976) entwickelte sich zu einem überaus profilierten Übersetzer der deutschen Literatur ins Kroatische. 330 Mirko Jelusich  : Ersatzkultur und Kulturersatz. Ein Vortrag. Wien, Leipzig 1933. Christopher Morley (1890–1967) war berühmt als Herausgeber und Spezialist für Sherlock Holmes. Als Schriftsteller blieb er ohne größere Resonanz. 331 Mirko Jelusich  : Mein Weg zu Hitler. In  : Die Braune Woche (Wien) 17.6.1933, S. 3.

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nur, um wie ich meinte, zu neuer Synthese zu gelangen. […] das dinarische Kroatenvolk, mit deutscher Kultur vertraut und zum Teil schon durchsetzt und seinem ganzen Wesen nach zum Deutschtum gravitierend, schien mir reif, in den deutschen Kulturkreis einbezogen zu werden.332

Jelusich ist sich der Tradition der Deutschsprachigkeit bei den Kroaten bewusst, verkennt jedoch vollkommen den langen Kampf um nationale und kulturelle Emanzipation, der bei Kroaten und Slowenen zu einer eigenständigen Nationalliteratur geführt hat. France Prešeren und die kroatischen illyrischen Dichter haben sich schon vor hundert Jahren eindeutig gegen die »deutsche Mutter« entschieden und ein Zurück war unvorstellbar. Auch die Aufnahmebereitschaft seiner kroatischen Landsleute für den Nationalsozialismus hatte Jelusich falsch eingeschätzt. Unter der serbischen Diktatur zeigte sich im Königreich Jugoslawien eine tiefe innere Spaltung, die sich Jelusich erst bei seinem Besuch offenbarte. Nicht, daß ich nicht mit Freundschaft, ja mit Liebe aufgenommen worden wäre  ; nicht, daß nicht die ersten Männer des Landes, ja die ganze Bevölkerung mir Anerkennung und Neigung entgegengebracht hätten  ; aber jene Synthese, von der ich geträumt hatte, erkannte ich auf den ersten Blick als unmöglich  : die serbischen Machthaber […] umgaben mich sogleich mit einem dichten Netz von Beobachtern  ; […] ein mir zu Ehren geplanter Festabend wurde behördlich verboten. Aber auch im Volke selbst erkannte ich nicht mehr den Willen zu jener Synthese  ; […] und als vollends ich mich offen als Hitler-Mann bekannte, war eine Mauer um mich, die zu durchbrechen oder zu übersteigen unmöglich war. Tief gedrückt reiste ich nach zwei Tagen ab und schwor mir, […] nie wieder einen Fuß in jenes Land zu setzen, solange nicht eine in jeder Hinsicht grundlegende Änderung erfolgt wäre.333

Die Synthese zwischen dem kroatischen Volk und dem nationalsozialistischen Gedankengut wollte nicht gelingen. Enttäuscht kehrte Jelusich nach Wien zurück, um Kroatien nie wiederzusehen. Als Verkünder der Despotie ist er gescheitert. Als eine Kontrafaktur zu Jelusich nimmt sich das Künstlerleben von Stephanus Fabijanović (1868–1933) aus, von dem kaum biografische Daten greifbar sind. Nur eins verbindet diese Schriftsteller, die nicht unterschiedlicher sein könnten  : 332 Ebd. 333 Ebd.

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Auch Fabijanović, von Beruf Bäcker, kehrte nach seiner Auswanderung in die Vereinigten Staaten nie wieder nach Kroatien zurück. In Amerika reifte der Existenzialist und Nietzsche-Anhänger zum Schriftsteller heran, von dem Josef Matl sagt, dass er als Proletarier in die Welt ging, ohne systematischen Schulunterricht, und als ewiger Lebens- und Bücherstudent – einigermaßen zuhause in mehr als einem halben Dutzend von Sprachen durch Umgang und mühsame Lektüre – auf seinen Fahrten durch vier Weltteile für über zwanzig Jahre seine Eindrücke getreulich in Tagebuchblättern wie auch in weitem Briefwechsel verzeichnete.334

Fabijanović konnte packend schreiben, erreichte jedoch die breite literarische Öffentlichkeit nicht. Er stand den anarchistischen Kreisen nahe, aber er setzte sich auch mit seinem philosophischen Geistesvater Nietzsche essayistisch auseinander. Der deutsche Anarchist Alfred Sanftleben schrieb das Vorwort für Fabi­ja­ novićs Roman »Zwei einsame Menschen und ihre Glückseligkeit«, den er in Los Angeles 1923 im Selbstverlag auf Deutsch herausgebracht hatte. Der existenzialistische Bericht eines heimatlosen, auf sich selbst zurückgeworfenen Individuums, das durch New York streunt, hat jenen hintergründigen Humor, den man aus manchen Erinnerungen der in die Vereinigten Staaten ausgewanderten Schriftsteller kennt. Um der Verzweiflung ob der prekären wirtschaftlichen Lage entgegenzuwirken, greift der Streunende auf seine klassische Bildung und Fantasie zurück. Sie werden für ihn zum Schutz und zur Selbstvergewisserung, dass der von aller Welt verlassene Mensch doch zumindest in der Welt der Ideen und der klassischen Bildung Zuflucht findet. Das Ich in Fabijanovićs Roman, das wohl starke autobiografische Züge trägt, zitiert oft und gern »Zarathustra«, was dem Nietzsche-Anhänger bei der Arbeitssuche jedoch nicht hilft. Binnen kurzer Zeit siedelt er von New York nach Boston um, um von dort quer durch Amerika auf Wanderschaft zu gehen  : von einer kleinen Bergarbeiterstadt zur nächsten, von Leadville nach Ogden, von dort nach Missoula und weiter nach Spokane. Schließlich gelangt er an die Westküste. Die Wanderschaft legt der Aristokrat des Geistes zu Fuß zurück, stets »danach trachtend, die ihn umgebende Welt zu durchgeistigen«, wie Alfred Sanftleben im Vorwort trefflich formuliert. Außer in Nietzsche findet er Halt bei seinem in Amerika wiedergefundenen Freund Max, mit dem er seine Gedanken austauscht und den er gelegentlich auch bewirtet. 334 Matl  : Südslawische Studien, S. 409 f.

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In meiner Lebensweise als Zyniker führte ich meine eigene Küche, und so bereitete ich für meinen wiedergefundenen Freund Max einen Imbiss, und hiess ihn als ehrbaren Gast willkommen.335

Das streunende Ich findet zwar keine angemessene Arbeitsmöglichkeit, verzweifelt jedoch nicht, sondern übt sich in Enthaltsamkeit, ohne zu resignieren. Wir kamen aus Europa mit der Ehrlichkeit und der Erkenntnis der Notwendigkeit des Denkens, und so nahmen wir den bitteren Kampf auf, um durch Gedankenarbeit die Grundlage der eigenen Emanzipation niederzulegen. Je länger wir hier waren, desto schärfer stiessen wir auf die Gegensätze, und wir ernteten das Auslachen. Infolgedessen wurden wir verlassene Wanderer auf der Landstrasse.336

Der charmante Unterton darf jedoch nicht über die Hoffnungslosigkeit der Auswanderer aus Osteuropa hinwegtäuschen, die gezwungen waren, schwerste Arbeit zu verrichten, sofern eine solche überhaupt vorhanden war.

3. Die Vernichtung des Judentums Bevor die Geschichte der deutschsprachigen Literatur und Kultur in den Ländern Jugoslawiens zu Ende ging, wurde eine ihrer tragenden Säulen zerschlagen. Die Bemerkungen zu Autoren und Persönlichkeiten wie Hermann und Victor Tausk, Vilma von Vukelić oder Ina Jun-Broda haben die Bedeutung der jüdischen bürgerlichen Lebenswelt für die deutschsprachige literarische Produktion bereits charakterisiert. Einerseits waren jüdische Autoren an die regionalen Nationalsprachen und an die etablierten politischen und sozialen Ordnungen gebunden, andererseits bedienten sie sich des Deutschen als der Literatursprache. Im Unterschied zu den Aschkenasim-Juden im Norden bzw. in den schon lange von Habsburg regierten Gebieten, die ihre Zeitschriften in den relevanten Nationalsprachen, gelegentlich in Deutsch, drucken ließen, hielten die seit dem 16. Jahrhundert im (früheren) Osmanischen Reich siedelnden Sephardim über Jahrhunderte die Schriftkultur in der spaniolischen Sprache (Ladino) aufrecht. In der sogenannten Epoche der Prosperität zwischen 1918 und 1941 bildeten sich Zagreb, Belgrad und Sarajevo zu den drei wichtigsten Plätzen für die jüdische Kultur 335 Stephanus Fabijanović  : Zwei einsame Menschen und ihre Glückseligkeit. Los Angeles 1923, S. 8. 336 Ebd., S. 89.

3. Die Vernichtung des Judentums

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heraus. Die bedeutendsten Verleger Lavoslav Hartman (1813–1881) in Zagreb und Geca Kon (1873–1941) in Belgrad waren jahrzehntelang Herausgeber großer jüdischer Zeitschriften. Die Zagreber Gemeinde war Zentrum der zionistischen Bewegung, ihr Sprachrohr waren die Zeitschriften »Židovska smotra« (Die jüdische Rundschau) und »Židov« (Der Jude). Dagegen war sich die mehrheitlich sephardische Belgrader Gemeinde stets der besonderen Führungsrolle der kosmopolitischen Hauptstadt bewusst. Im Jahr 1889 lebten in Belgrad über 4000 Juden und spielten im wirtschaftlichen und kulturellen Leben Serbiens eine wichtige Rolle. Innerhalb des komplexen Völkergemisches und der mannigfachen Umwälzungen auf dem Balkan gestaltete sich die Situation der Sephardim in Sarajevo im Wandel der politischen Umwälzungen als besonders prekär. Sie mussten sich in einem multinationalen Umfeld behaupten, das von stark ideologisierenden Tendenzen dominiert war  : von der zeitweilig staatstragenden österreichischen Presse (nach der Annexion durch Österreich-Ungarn) und von jugoslawischen, serbischen, kroatischen, ungarischen, moslemischen und katholischen Periodika. Von 1930 bis 1932 erschien in Sarajevo sogar auch eine Wirtschaftszeitschrift in Esperanto (»Monda Kuriero«). Die gut organisierte, in sich homogene sephardische Gemeinde von Sarajevo zählte vor dem Zweiten Weltkrieg sogar 14 000 Mitglieder und stellte damit ein Siebtel aller Bewohner der Stadt. Hält man dieser Zahl entgegen, dass – einer Eintragung in der »Enciklopedija Jugoslavije« (Enzyklopädie Jugoslawiens) folgend, die sich auf eine nicht nachprüfbare Volkszählung bezieht – 1981 in ganz Jugoslawien noch 1 384 Juden lebten, ist das Ausmaß und das Grauen des Holocaust wenigstens in einer kruden Quantifizierung zu erahnen. Die wenigen Angehörigen der jüdischen Bevölkerung, die Vernichtung oder Vertreibung aus Jugoslawien überlebt hatten, konnten im Nachkriegs-Jugoslawien nach 1945 naturgemäß nicht mehr an die große Tradition der Prosperitätsepoche anknüpfen. Auch die jüdische Gemeinde in Slowenien, die auf das 13. Jahrhundert zurückgeht und heute wieder einen aktiven Anteil am gesellschaftlichen und kulturellen Leben hat, wurde in diesen Jahren nahezu völlig ausgelöscht. In den 1950er-Jahren wurde die kulturelle Aktivität der jüdischen Gemeinden in den Teilrepubliken Jugoslawiens mühsam, oft im Konflikt mit einer dem zuwiderlaufenden Religionspolitik wieder aufgenommen, und somit auch die Herausgabe von Zeitschriften, die sogar während der Sezessionskriege der 1990er-Jahre grundsätzlich erhalten werden konnten. Die Liste der jüdischen Schriftsteller, die in den Städten des ehemaligen Jugoslawien gewirkt haben, ist lang. Zwar bestand eine unmittelbare Verbindung zwischen dem jüdischen Milieu und der deutschsprachigen Kultur, doch haben

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5. Spätglanz und Ende – das kurze 20. Jahrhundert

sich die Schriftsteller nach 1900 zunehmend die kroatische, serbische oder slowenische Sprache als Literatursprache angeeignet. Die Chronistin von Osijek, Vilma von Vukelić, die ihr ganzes schriftstellerisches Leben am deutschen Idiom festhielt, bleibt dabei eine Ausnahme. Die Schwestern Ina Jun-Broda, Dichterin und Übersetzerin, und Vera Ehrlich-Stein, Sozialwissenschaftlerin, leuchtende Sterne der intellektuellen Salons im Zagreb der 1930er-Jahre, wurden bereits erwähnt. Ina Jun-Broda leistete vor allem durch ihre Nachdichtungen kroatischer Lyrik ins Deutsche einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung der Kenntnis dieser Literatur im deutschsprachigen Raum, während Vera Ehrlich-Stein dank ihrer Kontakte zu Alfred Adler und Manès Sperber den Boden für die Aufnahme der Individualpsychologie und die Begründung des Studiums der Sozialwissenschaften in Jugoslawien vorbereitete. Vernetzung und reger kultureller Austausch innerhalb von Mitteleuropa waren ein selbstverständlicher Teil der intellektuellen Biografien. Flucht, Vertreibung und Exil kamen dann seit den späten 1920er-Jahren zunehmend dazu. Der in Zemun bei Belgrad geborene Theodor Balk (1900–1974), mit Geburtsnamen Dragutin Fodor, der in Zagreb und Wien Medizin studierte hatte, emigrierte 1929, nach Einführung der Diktatur des Königs Aleksandar, nach Berlin und trat dort der KPD und dem Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller bei. Er arbeitete als Journalist bei der »Linkskurve« und als Redakteur der »Roten Fahne«. 1933 floh er über Prag nach Paris, gelangte von dort nach Spanien und arbeitete bei den Internationalen Brigaden als Bataillonsarzt. Das abenteuerliche Leben des ewigen Emigranten, das ihn weiter nach Mexiko, Kanada, schließlich nach Belgrad und Prag brachte, lieferte Material für die tagebuchartigen Romane »Unter dem schwarzen Stern« (1960),337 »Tag der Mauer« (1961), »Einst Hafen des Exils und der Verbannung. Kuba Night Step« (1962) und »Wen die Kugel vor Madrid nicht traf« (1996). Seine Erinnerungen »Das verlorene Manuskript«, zuerst 1934 in Moskau erschienen, geben Aufschluss über den Lebensweg eines prominenten Linken, der der deutschen Sprache bis zuletzt die Treue hielt. Die Sprache wurde für Balk offensichtlich Ersatz für das verlorene Heim. Als ich jung war, hatte ich vor einem Angst. Vor der Ansaessigkeit, vor der Geruhsamkeit, vor einem eigenen Heim. Und jetzt sehne ich mich nach Ansaessigkeit, nach Geruhsamkeit, nach eigenem Heim. Haben mich die Jahre der Emigration und des Krieges muerbe geschlagen  ? Mich zu einer Kompromissbereitschaft mit den Maechtigen dieser Erde 337 Genannt sind im Folgenden jeweils die deutschen Titel (auch bei fremdsprachigen Veröffentlichungen) und das jeweilige Ersterscheinungsjahr des Originals.

3. Die Vernichtung des Judentums

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gebracht, die Ansaessigkeit, Geruhsamkeit und eigenes Heim zu vergeben haben  ? Oder sind diese sechs Monate, die ich mir wuensche, die redlich verdienten Ferien fuer die sechs Jahre Unrast und Unsicherheit  ?338

Balks Zeitgenosse und zeitweiliger Mitstreiter, der Kunsthistoriker und Schriftsteller Oto Bihalji-Merin (1904–1993), ebenso in Zemun geboren, damals ein prosperierendes Städtchen der Monarchie mit einem bedeutenden Anteil der jüdischen und deutschen Bevölkerung, verfasste einen Teil seiner kunsthistorischen Arbeiten auf Deutsch (zusammen mit seiner Ehefrau Lise Bihalji-Merin »Jugoslawien  : kleines Land zwischen den Welten«, 1955  ; »Die Naiven der Welt«, 1986  ; »Die Plastik der Bogomilen«, o. J.). Auch er war als Journalist bei der »Linkskurve« tätig, nach Hitlers Machtergreifung emigrierte er nach Paris, um dort mit Arthur Koestler und Manès Sperber das INFA (Institut zur Erforschung des Faschismus) zu gründen. Er kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nach Belgrad zurück und galt als einer der prominentesten Kunsthistoriker Jugoslawiens. Es seien noch drei bedeutende Schriftsteller erwähnt, die an der Nahtstelle des österreichischen und ungarischen Teiles der mehrsprachigen, multiethnischen Monarchie geboren und aufgewachsen sind und mit ihrem Werk ein Memento über die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts errichtet haben, den Holocaust und den kommunistischen Terror  : Ervin Šinko (1898–1967), Aleksandar Tišma (1924−2003) und Danilo Kiš (1935–1989). Mit seinem »Roman eines Romans – Moskauer Tagebuch« (1955) legt der ungarisch schreibende Ervin Šinko einen Augenzeugenbericht über die Schauprozesse in Moskau von 1935 bis 1937 vor. Der serbisch schreibende Aleksandar Tišma thematisiert in seinem Prosawerk die Vernichtung der Juden in der Vojvodina (»Der Gebrauch des Menschen«, 1976  ; »Kapo«, 1987  ; »Das Buch Blam«, 1988). Die Romane und Erzählungen des in Subotica geborenen, serbisch schreibenden Danilo Kiš sind Zeugnisse der poetischen Trauerarbeit um seinen Vater Eduard, der 1944 nach Auschwitz verschleppt und dort umgebracht wurde (»Die Gruft für Boris Davidovič«, 1976  ; »Die Enzyklopädie der Toten«, 1983).

338 Theodor Balk  : Das verlorene Manuskript. Hildesheim 1974, S. 158 (= Exilliteratur. Hg. von Hans-Albert Walter und Werner Berthold. Band 7. Neudruck der Ausgabe Mexico 1943 »El libro libre«).

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5. Spätglanz und Ende – das kurze 20. Jahrhundert

4. Exil und Grenzgang Die kroatische Inselwelt als literarisches Exil Eine kleine Gruppe deutschsprachiger Autoren suchte nach der Machtergreifung Hitlers 1933 in Kroatien Zuflucht vor dem Nationalsozialismus und der Judenvertreibung. Der österreichische Schriftsteller und Psychologe Manès Sperber war als Emigrant ein Pionier auf der Insel Korčula, die sich einige Jahre später (um 1942), als Sperber schon in der Schweiz war, zu einer Kolonie deutscher und öster­reichischer Emigranten entwickeln sollte. Antonio Eger, Leo Glauss, Alexander Ritter von Sacher-Masoch, die Maler Walter Höfner und Edoardo Arnthal, die Malerin Maria Strauss, die Schriftsteller Rolf Gero Schneider und Eunico Obelmacher fanden hier Zuflucht.339 Auf Korčula gelang es Alexander von Sacher-Masoch (1901–1972), dem Großneffen von Leopold von Sacher-Masoch, für die Jahre von 1940 bis 1943 ein Versteck zu finden. Ursprünglich Chemiker, war Sacher-Masoch von 1938 bis 1940 in Belgrad als Journalist unterwegs. Auf der Insel traf er Franz Theodor Csokor, einen weiteren Wiener Schriftsteller. Nach Kriegsende haben die Freunde den Österreichischen P.E.N. gegründet, dessen erster Präsident Franz Theodor Csokor 1947 wurde. Für Sacher-Masochs Werke »Beppo und Pule« (1948), »Die Ölgärten brennen« (1956) und »Plaotina« (1963) lieferten die Kriegserlebnisse in Jugoslawien, vor allem auch die Erfahrung des Exils auf Korčula, den zentralen thematischen Hintergrund, vor dem die eigene Lebensgeschichte gezeichnet ist. Die Sammlung kleiner Erzählungen »Beppo und Pule« mit dem Untertitel »Roman einer Insel« und dem Vermerk »Geschrieben auf der Insel Korčula in den Jahren 1941 bis 1943«340 gewährt einen Einblick in die Lebensweise einer in sich geschlossenen Welt, die sich abseits vom Weltgeschehen nach eigenen Gesetzen gestaltet. Mehr atmosphärische Aperçus als Anekdoten, schildern die kleinen Texte die Bewohner der Insel mit all ihren Auffälligkeiten und Eigenarten, die sich in die wunderbare Landschaft der Insel einfügen und mit ihr in Symbiose leben. Die erste Geschichte »Abend auf der Insel« gibt den melancholisch-sentimentalen Ton der Sammlung vor. Die »grüne Insel im Meer«341 tritt sogar selbst allegorisch auf, als sie auf die Aufforderung einer metaphysischen Instanz, sie solle schlafen, 339 Vgl. Vlado Obad  : Gezwungene Sommergäste des Krieges. Österreichische Schriftsteller in der Emigration auf der Insel Korčula (1942–1944). In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 6 (2001), S. 133–157. 340 Alexander Sacher-Masoch  : Beppo und Pule. Roman einer Insel. Wien 1948, unpaginiert. 341 Ebd., S. 12.

4. Exil und Grenzgang

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antwortet  : »Das kann ich nicht […], denn jetzt erwacht mein Volk.«342 Die Frösche beginnen, ihre Symphonie zu proben, die Grillen stimmen ihr Instrument und die Schatten fallen lautlos über die Insel. Das ist der besondere Liebreiz Dalmatiens, den die dichtenden Offiziere der k. u. k. Marine im vorigen Jahrhundert besungen hatten. Frösche, Grillen, Zirpen, Feigenbäume, Zypressen und weiße Häuserzeilen bevölkern die Inselwelt. Selbst die originellsten Ausfälle fügen sich schließlich harmonisch in diesen Rahmen ein. So wird in der Erzählung »Ein Genie«343 mit knappen Zügen die Lebensgeschichte des Stadtoriginals Marin Polo, eines glücklosen technischen Genies, erzählt. Mit seinen bizarren Erfindungen – Weltraumfahrzeugen, Aschenbechern, einem Brutapparat für Schwäne und einem neuen Musikinstrument, der Klaviergeige – stößt er auf taube Ohren und erntet statt Anerkennung bitteren Hohn. Von der Stadtgemeinde als »Edison« verspottet, verwendet er seine letzte Kraft darauf, den Bürgermeister zu überreden, »eine Drahtseilbahn vom Hafen zum englischen Turm zu bauen«.344 Nachdem auch diese letzte Mission gescheitert ist, stirbt er. Die 1813 von den Engländern auf einer Anhöhe erbaute Fortifikation – im Volksmund »der englische Turm« genannt –, die von der Meeresseite die napoleonische Armee zurückdrängte und nach dem siegreichen Feldherrn Herzog von Wellington benannt ist, bleibt übrigens bis heute ein planerisches Problem auf der Insel. Obwohl Marin am Zynismus und der Grausamkeit seiner Mitmenschen zugrunde geht, überlebt ihn die Idee einer in ihrer Originalität interessanten stadtplanerischen Lösung. Die autobiografische Prosa »Die Ölgärten brennen« hat Sacher-Masoch noch während der Exilzeit auf der Insel 1943 niedergeschrieben, erstveröffentlicht wurde sie 1956. Der Schlüsselroman zeichnet den Leidensweg eines Alter Ego von Sacher-Masoch, des Journalisten Pierre. Er ist auf der Flucht seit Mai 1941, als er Belgrad infolge des Anschlusses von Jugoslawien an den Dreimächtepakt verlassen musste, bis zum erzwungenen Verlassen von Korčula nach der Besatzung der Insel durch die Deutschen 1944. Die erzählten Gräuel, die Berichte von Erschießungen und von verhungernden Kriegsopfern mischen sich mit Reflexionen und Fantasien des entwurzelten Intellektuellen, der in der spektakulären Landschaft Süddalmatiens Trost findet. In »Die Ölgärten brennen« zeichnet Sacher-Masoch mit der sicheren Hand des lebenserfahrenen Beobachters Porträts seiner Wegbegleiter und Freunde  : 342 Ebd. 343 Ebd., S. 108–117. 344 Ebd., S. 116.

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5. Spätglanz und Ende – das kurze 20. Jahrhundert

Ebenso einfühlsam wie tragisch nimmt sich das Bild des Zagreber Rechtsanwalts Marko Leitner (im Roman Dr. Markus Feldmann) aus, dessen Tochter Sacher-Masoch auf Korčula kennengelernt und nach dem Ende des Krieges geheiratet hatte. Marko Leitner, der mithilfe seiner gesellschaftlichen Beziehungen vielen jüdischen Mitbürgern das Leben gerettet hatte, gelangte selbst nach Auschwitz. Die Chronik seiner Verschleppung und die Darstellung seines Todes in der Gaskammer, mit welcher der Roman endet, setzen ihm ein literarisches Denkmal  : »Bruder  !«, ruft Markus Feldmann und dreht sein Gesicht der Sonne zu, weil er den Freund nicht mehr sehen kann. »Bruder, sie lächeln wieder.« Da hört er zum letzten Male die Stimme des Professors, diese mächtige Glocke, die über den ganzen Himmel schwingt  : »Markus, fürchte dich nicht  ! Wir werden leben …«. »Sarah«, sagt Markus mit seiner jungen Stimme, »gib mir die Hand«.345

Auch Franz Theodor Csokor (1885–1969) saß ab 1933 ›auf gepackten Koffern‹. Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ging er zunächst nach Bukarest ins Exil, kam dann über Belgrad nach Korčula. Sein Emigrantendasein in Jugoslawien verarbeitete er in seinem Roman »Als Zivilist im Balkankrieg« und in der Erinnerungsprosa »Auf fremden Straßen«. In dem autobiografischen Bericht über die Flucht aus dem bombardierten Belgrad nach Korčula wird der Leser mit einem außergewöhnlichen Dichterschicksal konfrontiert, das im Winter 1943 im bereits befreiten Süditalien ein glückliches Ende findet. Dank der Intensität der Sprache und der poetischen Imagination ist »Als Zivilist im Balkankrieg« kein gewöhnliches Kriegsbuch, sondern ein Soliloquium über unverschuldete Schuld und Sühne. »Auf dem herrlichsten Eiland der Adria nisten nun die Hebräer – Korčula ist ihr Naturschutzpark geworden«.346 In Csokors Roman tauchen Plätze und Figuren auf, die auch Alexander von Masochs Erinnerungsprosa aus dem Exil bevölkern. Der zuverlässige Wegweiser über die Insel ist ihm – wie bei Sacher-Masoch – der »Facchino« Beppo. Der Freund Piero ist ein weiterer treuer Begleiter in dieser apokalyptischen Welt, deren alte Ordnung aus den Scharnieren gehoben wurde. Essayistisch angelegt, entwickelt sich der Roman parallel zum immanenten Impressionismus eines Essays – kapitelweise – auch als Quelle fundierter Informationen zur neuesten Geschichte. Gegen Ende der Lektüre gewinnt der Leser den Eindruck, er sei nebenbei in der kroatischen, jugoslawi345 Alexander Sacher-Masoch  : Die Ölgärten brennen. Hg. v. Jutta Freund. Wien 1994, S. 185. 346 Franz Theodor Csokor  : Als Zivilist im Balkankrieg. Wien 1947, S. 174.

4. Exil und Grenzgang

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schen und österreichischen Kultur(Geschichte) unterrichtet worden. Es ist die Virtuosität Csokors, dass er aus dem in der Regel tragischen Material glänzende Aperçus gewinnt, in denen selbst der Eindruck des Tragischen an tiefer Ironie zu zerschellen droht, ohne der Sentimentalität anheimzufallen. Im Kapitel »Figaro zieht in den Krieg« wird die Geschichte des lokalen Friseurs erzählt, der sich der Widerstandsbewegung anschließt. Dass Beaumarchais für seinen Helden ausgerechnet einen Haarkünstler ausgewählt habe, sei mit gutem Recht passiert, ebenso dass die Berufung zum Rebellen immer an bestimmten Ständen hafte, reflektiert Csokor  : Unter den Intellektuellen sind es meist Rechtsanwälte oder Lehrer und im Volke Barbiere, Schuster, Weber, denen ihr Handwerk Zeit zum Träumen läßt, sowie Schriftsetzer, die von ihrem Letternkasten wissen, daß in den Buchstaben des Alphabetes der fürchterlichste Sprengstoff dieser Erde steckt, bloß die Atombombe jetzt ausgenommen, die selbst die Erde noch in Frage stellen wird. Und von ihnen eignet sich Figaro am besten zum Verschwörer, denn in dem Aus und Ein seines Betriebes tauscht man von Mund zu Mund Nachrichten und Befehle, die aufgeschrieben zu gefährlich wären. Und die als Kunden unauffälligen Genossen zahlen mit ihrem Obolus für Bart- und Haarschnitt zugleich den Beitrag in die Zellenkasse.347

Auch in seinem Drama »Der verlorene Sohn« (1943) spiegelt sich die im dalmatinischen Exil zugebrachte Zeit. Die Tragödie bildet zusammen mit den Dramen »3. November 1918« und »Besetztes Gebiet« die »Europäische Trilogie« (1952). Die in Österreich und Deutschland längst berühmt gewordene Schauspielerin Tilla Durieux (i. e. Ottilie Godeffroy, 1880–1971) gehörte zu den ersten Künstlerinnen, die 1933 Berlin verließen. Mit ihrem Mann, dem jüdischen Industriellen Ludwig Katzenellenbogen, ließ sie sich bei ihrer Freundin Zlata Lubienski in der Altstadt von Zagreb nieder. Das Ehepaar konnte binnen kurzer Zeit Fuß fassen, Ludwig Katzenellenbogen betätigte sich erfolgreich als Geschäftsmann im Hotelgewerbe in Opatija und sie gehörten schnell zur intellektuellen Oberschicht Zagrebs. Doch 1941, nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht auf Jugoslawien, waren auch sie zur erneuten Flucht gezwungen. Das angestrebte Zielland, die Türkei, erreichten sie nie. Tilla Durieux kehrte nach Zagreb zurück und beteiligte sich am Widerstandskampf gegen die deutsche Besatzung. Ihr Mann wurde noch auf jugoslawischem Boden gefangen genommen, nach Deutschland verschleppt und starb womöglich im Konzentrationslager Sachsenhausen. Tilla 347 Ebd., S. 243 f.

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5. Spätglanz und Ende – das kurze 20. Jahrhundert

Durieux blieb bis 1950 in Zagreb, für ihre Verdienste und ihre Tapferkeit im antifaschistischen Kampf wurde ihr die jugoslawische Staatsangehörigkeit verliehen. Ihre Erlebnisse hielt sie in ihren Memoiren »Eine Tür steht offen« (1954) und im Theaterstück »Zagreb 1945« fest, das 1946 am Luzerner Stadttheater nur mit mäßigem Erfolg uraufgeführt wurde.348 Das Stück handelt von den Wirren der letzten Kriegstage in einem gutbürgerlichen Zagreber Haus. Die Familie ist entzweit, die Alten sind Anhänger des Nationalsozialismus, die Jungen der antifaschistischen Befreiungsbewegung. Sie warten auf den Einzug der Partisanen in die Familienvilla. Das junge Paar, Vesna und Dabiša, erleben das Ende des Terrors, doch Dabiša stirbt an den Folgen einer Verwundung, noch bevor die Partisanen das Haus betreten. Dem aufopferungsbereiten Idealismus der Jugend setzt die Autorin etwas plakativ den politischen Opportunismus der älteren Generation entgegen. Durieux, die während ihres Aufenthaltes in Zagreb als Puppenschneiderin am Puppentheater arbeitete, lässt in ihrem Zeitstück facettenreich die Zagreber Oberschicht aufleben. Auch in ihrem späten Erinnerungsbuch »Meine ersten neunzig Jahre« (1971) geht Tilla Durieux ausführlich auf ihr Exil ein. Das Andenken an die Künstlerin wird in Zagreb bis heute wach gehalten. Als der kroatische Germanist und Übersetzer Nenad Popović einen Verlag für zeitgenössische Literatur gründete, benannte er ihn nach der Schauspielerin und Autorin »Durieux«. Hier erschienen die kroatische Übersetzung der Erinnerungen und des Stücks »Zagreb 1945«. Literarische Grenzgänger  : Die Dichterdynastie von Preradović Die Dichterdynastie von Preradović setzte sich über Epochen und Stiltendenzen fort und schlug die Brücke zwischen Romantik und Postmoderne. Während ihr Begründer Petar Preradović noch fest in der Romantik verankert ist, publizieren seine Urenkel, die Söhne der Dichterin Paula von Preradović, nach dem Zweiten Weltkrieg ironische Feuilletonistik. Es gab aber auch weitere dichtende Mitglieder der Dynastie  : Petar (Pit) Preradović (1892–1941) war Enkel des Dichters Petar Preradović, Sohn des Marineoffiziers Dušan. Er wurde 1892 in Wien geboren, wuchs zusammen mit seiner Schwester Paula in Pula auf und setzte die dichterische Familientradition fort. Er hat Gedichte und dramatische Werke geschrieben. Seine 348 Die kroatische Erstaufführung fand 2002 im Zagrebačko kazalište mladih (Zagreber Jugendtheater) in der Regie von Dubravka Crnojević-Carić statt.

4. Exil und Grenzgang

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Lyrik entstand in einer Reihe von Zyklen, unter denen »Gespräch mit Parzen« und »Hohn und Spott« durch ihre besondere dichterische Einfühlsamkeit herausragen. Vor allem als Autor von Lustspielen hatte er Erfolg, sein Stück »Verstehen wir uns  ?« wurde am Wiener Burgtheater gespielt und später an zahlreichen Bühnen in Deutschland und im Ausland aufgeführt. Seine Studie »Die Kroaten und ihre Bauernbewegung« (1940) ist eine solide, ihre Zeit überdauernde Abhandlung zur Geschichte der sozialen Bestrebungen, insbesondere zur politischen Wirkung der Brüder Stjepan und Antun Radić, Anführer der »Kroatischen Bauernpartei«. Schon zuvor hatte sich Pit als aufmerksamer Beobachter der Zeitereignisse erwiesen, der immer auch den kultur- und sozialhistorischen Hintergrund der Gegenwart im Gedächtnis behielt, wie es dem Selbstbewusstsein einer über Generationen im Zentrum der kroatischen Kultur stehenden Familie entspricht. Dies geschah stets mit einem Sinn für künstlerische Schärfe und nicht ohne Selbstironie. So erschien 1926 eine Auswahl seiner Prosaskizzen mit einem künstlerischen Selbstporträt unter dem melancholisch-heiteren Titel »Ein Jahr Pit. Hundertundentliche ausgewählte Aufsätze aus einjähriger Mitarbeit an einer Tageszeitung«. Hier erlebt man Pit in seiner ganzen historisch-rhetorischen Begabung. In der Besprechung eines Buchs zu Leben und Hinrichtung von »Haj­ duken« bricht es aus ihm heraus  : Wäre meine Stimme grossmächtig und stark, ich schriee es über alle Länder hin  : Kommt und seht  ! Etwas Ekelhaftes ist geschehen  ! Aus der Unmenschlichkeit von 26 Raubmorden einer Horde von Banditen, aus einem düster klappernden Prozess, mit dem die menschliche Gerechtigkeit zu jenen Raubmorden langwierig Stellung nahm, aus der widerlichen Tragik des Hochgerichtes hat man ein Buch gemacht  ! […] Tausend Nächte tief ist die Menschheit gesunken, dies aber ist die tausendunderste  : Die Menschlichkeit hängt am Galgen, an den sie der Materialismus gebracht hat, und einer geht hin und verkauft die Schilderung der Todeszuckungen. Mit Illustrationen. Alles um 15 Dinar …349

Was im 19. Jahrhundert noch mit dem Kolorit realistischen Erzählens historisch ausgesponnen werden konnte, nämlich Geschichte, Folklore und ethnische Differenz, erscheint so in der frühen Medienwelt der 1920er-Jahre nur noch als ein Stück kommerzialisierter Bücherware. Der jüngere Petar Preradović hat den Tiefpunkt deutsch-kroatischer Interferenzen im Zweiten Weltkrieg nicht mehr miterleben müssen. Pit starb 1941 in Zagreb. 349 Petar von Preradović  : Ein Jahr Pit. Hundertundetliche ausgewählte Aufsätze aus einjähriger Mitarbeit an einer Tageszeitung. Zagreb 1926, S. 40.

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5. Spätglanz und Ende – das kurze 20. Jahrhundert

Mit seiner Schwester Paula von Preradović (1887–1951) hatte ihn immer eine tiefe Zuneigung verbunden. Sie widmete ihm Gedichte wie »Brief nach Haus«, »Requiem« und »Klage um den toten Bruder«. Vielleicht verkörpert Pit am eindringlichsten die idealistische Disposition seiner dichterischen Familie, die ihre Lebensbeziehungen in der Lyrik zum Ausdruck gebracht hat. Bei Paula von Preradović handelt es sich um den bekanntesten Spross der Dichterfamilie, zumindest in Österreich und Deutschland, wo sich die Kenntnis der kroatischen Lyriker auf einen kleinen Slawistenkreis beschränkt. In Wien lernte sie den Historiker Ernst Molden kennen, den sie 1916 heiratete. Molden wurde 1920 Herausgeber der »Neuen Freien Presse« in Wien. Paulas erste Gedichte und Novellen schrieb sie bereits in ihrer Jugend, ihre erste Gedichtsammlung »Südlicher Sommer« wurde 1930 in München publiziert. Schon hier ist die Palette der Motive angelegt, die später ihre gesamte Dichtung beherrschte  : die dalmatinische Küsten- und Insellandschaft, die kroatische Nation und ihre Geschichte, die Schöpfungskraft der kroatischen Menschen. Der Hirte singt, die Wolke loht, Die Heide liegt im Abendrot. Die Heide duftet weit und breit Nach Thymian und Einsamkeit Es droht die Stadt von ferne her Und an den Hügeln bleicht das Meer.350

Ihre zweite Sammlung »Dalmatinische Sonette« (1933) bringt eine thematische Erweiterung mit sich. Die Dichterin feiert in ihren Sonetten die Schönheit der dalmatinischen Städte Trogir und Dubrovnik sowie einzelner Baudenkmäler und wendet sich an den kroatischen Bildhauer Ivan Meštrović. Trotz der Neigung zur Idealisierung aller kroatischen Bezüge und zum plakativen Patriotismus, oft zu Lasten der Lebendigkeit, schafft sie einfühlsame, persönliche Gedichte. Auch die Bandbreite der rhythmischen Versformen ist ein Zeugnis der poetischen Entwicklung, die sie durchgemacht hat. Beide Söhne der Dichterin, Otto und Fritz Molden, spielen eine bedeutende Rolle in Österreich als Autoren und Kulturschaffende. Otto gründete nach dem Zweiten Weltkrieg das »Europäische Forum« in Alpbach/Tirol. Fritz ist ein prominenter Schriftsteller, Herausgeber und Verleger. In seinem biografischen Roman »Fepolinski & Waschlapski auf dem 350 Paula von Preradović  : Istrianische Landschaft (aus der Sammlung Südlicher Sommer). In  : Paula von Preradović  : Verlorene Heimat, der Gesammelten Gedichte erster Teil. Innsbruck 1951, S. 10.

5. »Blut und Boden«

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berstenden Stern« (1976) schildert er die Familienverhältnisse der Preradovićs vor dem Hintergrund der Zeitgeschichte. Paula von Preradović war eine prominente Figur des öffentlichen Lebens in Wien und Mittelpunkt eines literarischen Salons, in dem u. a. Rudolf Heinz, Max Mell und Felix Braun verkehrten. Wegen ihrer liberalen politischen Ansichten wurde sie von den Nationalsozialisten verfolgt und am 8. April 1945 – zusammen mit ihrem Ehemann Ernst Molden – inhaftiert. Die Haftzeit bis zu ihrer Entlassung am 30. Mai 1945 und die erlittenen Misshandlungen hat sie in einem Tagebuch dokumentiert.351 Ihre bedeutendsten Gedichtsammlungen bezeugen ihre geistige Verankerung in der mediterranen Welt. Nicht zuletzt ist Paula von Preradović Verfasserin der Verse für die österreichische Bundeshymne »Land der Berge, Land am Strome«, die 1947 vom österreichischen Parlament angenommen wurde.

5. »Blut und Boden« Das Anwachsen des Nationalsozialismus in Deutschland wurde von den Angehörigen der deutschen Volksgruppe in Slowenien, Kroatien und der Vojvodina, die seit 1918 im Königreich der Serben, Slowenen und Kroaten vereint waren, mit Neugier und weitgehender Zustimmung verfolgt.352 Die Einstellung und die Reaktionen auf die Machtübernahme Hitlers 1933, auf den Anschluss 1938 und die Kriegszeit (1941–1945) sind jedoch in den einzelnen Ländern unterschiedlich verlaufen, denn die Deutschen waren keine homogene Gemeinschaft.353 351 Paula von Preradović  : An meine Söhne. In  : Paula von Preradović  : Gesammelte Werke. Wien 1967, S. 993–1051. Vgl. dazu auch die Erinnerungen ihres Sohnes Fritz Molden  : Fepolinski und Waschlapski auf dem berstenden Stern. Bericht einer unruhigen Jugend. Wien, München, Zürich 1976. 352 Vgl. Johann Böhm  : Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918–1945. Innen- und Außenpolitik als Symptome des Verhältnisses zwischen deutscher Minderheit und jugoslawischer Regierung. Frankfurt am Main u. a. 2009. 353 Vgl. zur kulturellen, sozialen und politischen Entwicklung der deutschen Volksgruppe in Jugoslawien vor dem Zweiten Weltkrieg – neben den einschlägigen Darstellungen des Sammelwerks Deutsche Geschichte im Osten Europas (Suppan  : Zwischen Adria und Karawanken, vor allem S. 363–422  ; Schödl  : Land an der Donau, vor allem S. 455–649) – auch die instruktive Übersicht von Immo Eberl (Bearb.)  : Die Minderheitenproblematik in Südosteuropa seit 1918. In  : Die Donauschwaben. Deutsche Siedlung in Südosteuropa. Ausstellungskatalog. Hg. vom Innenministerium Baden-Württemberg. Sigmaringen 1987, S. 173–177, besonders S. 176 f.

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Eine authentische Blut und Boden-Literatur354 gibt es im Untersuchungsraum, die Vojvodina ausgenommen, nicht. Doch die jahrhundertealte Tradition der deutschsprachigen Literatur, die mit aktuellen ideologischen Angeboten verwoben wurde, zeitigte mannigfache Formen der Anpassung an den Literatur- und Theaterbetrieb im Deutschen Reich. Überdies bedarf es wiederum eines vergleichenden Blicks auch auf die Literatur und literarkritische Diskussion in kroatischer bzw. serbokroatischer Sprache, um die wechselseitigen Bezüge und die Verankerung der regressiven Tendenzen in einem gleichsam transethnischen Zeitgeist ermessen zu können. Der damalige jugoslawische literarische Raum, in den alle nationalen Literaturen (slowenische, kroatische und serbische) einbezogen waren, stand seit 1928 im Zeichen einer ausgeprägten intellektuellen und soziopolitischen Polarisierung. Innerhalb der intellektuellen Linken, die von der kommunistischen Partei gegängelt wurde, entbrannte der Kampf zwischen den Verfechtern und den Kritikern des sowjetischen sozialrealistischen Literaturmodells. Die Kritiker, von Miroslav Krleža angeführt, setzten sich vehement gegen die Gängelei durch die Partei ein und forderten eine uneingeschränkte, von allen gesellschaftlich-funktionalen Zwängen befreite und jedem realistischen Utilitarismus gegenüber autonome Kunst. Die als »Sukob na ljevici« (Konflikt auf der Linken) in die Literaturgeschichte eingegangene Polemik setzte sich über den Zweiten Weltkrieg und die Zeit des Marionettenregimes von Ante Pavelić bis in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts hinweg.355 In die Polemik schalteten sich auch slowenische Schriftsteller wie Fran Petrè, Bratko Kreft, Boris Ziherl und Juš Kozak ein. Die Bewegung der Gruppe der Maler und Grafiker »Zemlja« (Die Erde, 1929–1935) entsteht zeitgleich mit der europäischen Avantgarde, und zwar als deren linke sozialkritische Ausdrucksform. Die wichtigsten Mitstreiter waren Antun Augustinčić, Krsto Hegedušić, Oton Postružnik und Leo Junek. Krleža schreibt das Vorwort zur grafischen Mappe der Malers Krsto Hegedušić »Podravski motivi« (Motive aus der Podravina, 1933)356 mit dem zentralen Motiv der bitteren Armut der Bauern. »Zemlja« orientierte sich ebenso an der narrativen 354 Vgl. allgemein Uwe-Karsten Ketelsen  : Völkisch-nationale und nationalsozialistische Literatur in Deutschland 1890–1945. Stuttgart 1976  ; Uwe-Karsten Ketelsen  : Literatur im Dritten Reich. 2. Aufl. Greifswald 1994  ; Jan Pieter Barbian  : Literaturpolitik im »Dritten Reich«. Institutionen, Kompetenzen, Betätigungsfelder. München 1995  ; Anna Bramwell  : Blut und Boden. In  : Deutsche Erinnerungsorte. Hg. von Etienne François und Hagen Schulze. München 2003, Bd. 3, S. 380–391. 355 Stanko Lasić  : Sukob na ljevici (Konflikt auf der Linken). Zagreb 1970. 356 Podravina ist eine landwirtschaftliche Region im Norden Kroatiens, die sich entlang des Flusses Drau erstreckt.

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Volksmalerei wie an Pieter Brueghel und Hieronymus Bosch. Anlässlich seiner Ausstellung in Zagreb im Jahr 1931 wurden auch die Werke der Bauernmaler aus dem Dorf Hlebine gezeigt, was den Beginn der internationalen Wahrnehmung der kroatischen naiven Malerei markiert. Als Gegengewicht zur bürgerlichen Literatur für Intellektuelle in der westeuropäischen Tradition entstand im Zuge der Konflikte auch eine antiintellektuelle Gegenliteratur, die das Arbeiter- und Bauernleben, vor allem aber die heimatliche Scholle verherrlichte. Diese Entwicklung hat ihre Basis in der allmählichen Abkehr eines Teils der Intellektuellen vom Kosmopolitismus der Moderne, zu dem sie mit dem Untergang der Monarchie auch den natürlichen Zugang verloren hatten. Anstatt internationale Tendenzen mitzugestalten, wendeten sie sich zunehmend dem eigenen Land zu und suchten ihre Themen im Leben des eigenen Volkes, in der Natur und im bäuerlichen Leben. Der namhafteste Vertreter der Literatur der heimatlichen Scholle – mit seiner vierteiligen Epopäe »Ognjište« (Herdfeuer, 1938) – ist einer der fruchtbarsten kroatischen Schriftsteller der Zwischenkriegszeit  : Mile Budak (1889–1945), Ideologe der Ustascha-Bewegung und Minister im Unabhängigen Staat Kroatien. Er sollte »eine kroatische ›Blut-und-Boden-Literatur‹ darstellen«.357 Dieses authentisch kroatische Modell der Heimatliteratur, das zwar nach völlig anderen Prämissen entstand als die Literatur im Dritten Reich, korrespondierte mit den Zeichen der Zeit. In neorealistischer Erzählweise schildert Budak die archaische Lebenswelt in seiner Heimatprovinz Lika, die früher zur Militärgrenze gehörte und nach wie vor durch Kargheit und rohe Sitten geprägt war. Die patriarchalische Familienstruktur wird zwar durch das abweichende Verhalten der zentralen Frauenfigur, Anera, bedroht, kann sich dennoch behaupten und wird an nachfolgende Generationen tradiert. Durch Leidenschaft, Emotionen und Instinkte gesteuert, finden die Protagonisten des »Ognjište« ihren einzigen Halt am Herdfeuer, das um jeden Preis verteidigt werden muss. Die Ursprünglichkeit, die Unberührtheit der Menschen durch das moderne Leben garantieren die Zukunft der Gemeinschaft. In seinem zweibändigen Zukunftsroman »Na vulkanima« (»Auf den Vulkanen«, 1941) nimmt Budak das große Thema der Nachkriegsliteratur vorweg, die allerdings von den Autoren geschrieben wurde, die dem Kommunismus abgeschworen hatten  : das Lager, den Gulag.358 In Budaks tragischer Vision findet die Handlung des Romans in einem Erziehungslager für die 357 Aleksandar Flaker  : Was haben wir gelesen  ? (Zur nichtkanonischen Prosa der dreißiger Jahre in Kroatien). In  : Neohelicon (Budapest, Amsterdam), IX (1982) Bd. 2, S. 91–102, Zitat S. 93. 358 Vgl. Michael Rohrwasser  : Der Stalinismus und die Renegaten. Die Literatur der Exkommunisten. Stuttgart 1991.

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zukünftigen Träger großer politischer Ideale in einem Vulkangebiet statt. Dadurch hat er sich vom Boden-Prinzip seines bekanntesten Werkes »Ognjište« thematisch wie stilistisch weit entfernt, es umgestülpt, sogar in Frage gestellt. Interessant ist der Bericht des Zagreber Slawisten Aleksandar Flaker (1924– 2010) »Was haben wir gelesen  ?«. Als Schüler an einem Zagreber Gymnasium las der 1924 geborene Flaker den seinerzeit sehr beliebten Erich Kästner sowie Ödon von Horváths Roman »Jugend ohne Gott«, der 1939 ins Kroatische übersetzt wurde. Er habe sich mit dem Erzähler weitgehend identifizieren können  : Für die Rezeption im Jahr 1939 war von grösserer Bedeutung zweifellos der Widerstand des Erzählers gegen den Rassismus, die Totalität der Propaganda in den Massenmedien (Herrschaft des Radios  !), den Militarismus, das auf Denunzierungen basierende System, die Entpersönlichung des einzelnen, die dirigierte Kunst, und wichtig war vor allem die Hervorhebung des sozialen Charakters des Faschismus, der in diesem Roman nicht nur eine Gesellschaftsordnung der »Verbrecher und Narren« […] ist, sondern seine Klassengrundlagen in den »Produktionsverhältnissen« […] hat  : in der Herrschaft des Kapitals, der Ausbeutung der Arbeiterschaft und der Unterstützung des Kleinbürgertums.359

Der Hunger des jungen Lesers nach Abenteuerliteratur stillte neben Karl May auch B. Traven, der in serbischer Übersetzung greifbar und nach Flakers Erinnerung auch »außerordentlich populär« war.360 Nach der Errichtung des an das Deutsche Reich eng angebundenen Unabhängigen Staates Kroatien (Nezavisna država Hrvatska) 1941 wurde die Presselandschaft um viele neue Titel erweitert. Neue Zeitungen und Zeitschriften wurden aus der Taufe gehoben, die bereits bestehenden in deutscher Sprache publiziert. Dabei hat die Herausgebertätigkeit nicht nur auf die neue politische Konstellation reagiert, sondern sich auch an die deutsch(sprachig)e Bevölkerung361 in Kroatien gewandt. Die zentrale Rolle nahm das »Presse- und Propagandaamt der 359 Flaker  : Was haben wir gelesen  ?, S. 99  f. 360 Ebd., S. 93. Das Belgrader Verlagshaus Nolit druckte die Übersetzungen folgender Romane Travens  : Blago Siere Madre (Der Schatz der Sierra Madre), 1932  ; Mrtvački brod (Das Totenschiff ), 1932  ; Bela ruža (Die weiße Rose), 1932  ; Berači pamuka (Die Baumwollpflücker), 1936  ; Lov na ljude (Regierung), 1937  ; Troza (Die Troza), 1938. Alle Romane sind von Jovan Popović übersetzt worden. 361 Zu ihrer Situation in dieser Zeit vgl. Vladimir Geiger  : Saslušanje Branimira Altgayera vođe Njemačke narodne skupine u Nezavisnoj državi Hrvatskoj u Upravi državne bezbjednosti za Narodnu Republiku Hrvatsku 1949 godine (Das Verhör von Branimir Altgayer, Leiter der Deutschen Volksgruppe, im Staatssicherheitsamt für die Volksrepublik Kroatien im Jahr 1949). In  : Časopis za suvremenu povijest (Zeitschrift für Zeitgeschichte), 31 (1999) H. 3, S. 575–638.

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Volksgruppenführung der Deutschen Volksgruppe in Kroatien« mit Sitz in Osijek ein, dem Andreas Nikolaus Stötzer als Landespropagandaleiter vorstand.362 Die wichtigste Neuerscheinung war die tägliche »Deutsche Zeitung für Kroatien«, die von April 1941 bis Mai 1945 erschien und sich im Besitz der »Druckerei und Verlag der Deutschen Volksgruppe in Kroatien« befand.363 Das Feuilleton brachte Nachrichten aus dem Kulturleben im Reich, es wurde jedoch auch über kulturelle Angelegenheiten in Kroatien berichtet. Der große Erfolg von Mirko Jelusich fand in Kroatien und in anderen Teilen Jugoslawiens seinen Niederschlag. Seine Romane sind ins Kroatische übersetzt worden, doch wurde er zunächst nicht als ›Trommler‹ für den Nationalsozialismus oder als Blut und Boden-Autor erkannt. Es war ihm zum Zeitpunkt seines bereits geschilderten Besuchs in Zagreb (1932) keineswegs gelungen, auf dem Wege seiner Popularität die nationalsozialistische Ideologie unter seinen Landsleuten zu verbreiten. Es hatte sich nicht einmal die Möglichkeit geboten, über das Thema ausgiebig zu diskutieren, wie er in seiner autobiografischen Schrift feststellte. Die meisten in der kroatischen Presse publizierten Artikel zu Jelusich befassen sich vor und nach dem Besuch mit seinen Neuerscheinungen, insbesondere mit kroatischen Übersetzungen seiner Erfolgsromane (»Caesar«, »Don Juan«, »Cromwell«). Doch einige Jahre später – 1938 – wirft Grga Brigljević in der Belgrader Kulturzeitschrift »Vidici« (Horizonte) Mirko Jelusich vor, seine nationale Identität nach Opportunitätserwägungen zu wechseln. Solange dies opportun war, moniert Brigljević, sei Jelusich als glühender Kroate aufgetreten. Allerdings habe er sich zu gleicher Zeit in Prag als Tscheche und in Wien für einen Großdeutschen ausgegeben.364 Die sozialliberale Zeitschrift »Kultura« (Die Kultur) bringt im selben Jahr einen Beitrag mit dem ironischen Titel »Geschäfte und Nationalität«, in dem Jelusichs Agitation für den Nationalsozialismus kritisch beleuchtet und verurteilt wird.365 362 Alle Angaben nach Mario Jareb  : Njemačko novinstvo i periodika u Nezavisnoj Državi Hrvats­koj (1941–1945) (Deutsches Pressewesen und Periodik im Unabhängigen Staat Kroatien [1941– 1945]). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2000, S. 139–172. Das von der »Volksdeutschen Gemeinschaft und Landsmannschaft der Donauschwaben in Kroatien« herausgegebene und in Osijek erscheinende VDG Jahrbuch wurde 1995 gegründet und erscheint seither regelmäßig. Der erste Chefredakteur war Goran Beus Richembergh. 363 Es handelte sich um die Druckerei des Osijeker Juden Miroslav Friedmann, der enteignet worden war. 364 Grga Brigljević  : Mirko Jelusich i Žeraldina Katt (Mirko Jelusich und Geraldine Katt). In  : Vidici, I (1938) H. 1, S. 30 f. 365 [Anonym  :] »Poslovi« i narodnost (»Geschäfte« und Nationalität). In  : Kultura, 3 (1938) H. 6, S. 10 f.

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Über Jelusich als Autor der deutschsprachigen Literatur ist in Kroatien auch schon vor seinem Besuch debattiert worden. Dies geschah aus einer Perspektive, die hier relevant ist und durchaus den Bezug zu völkisch-ethnischen Charakterisierungen sucht. Insofern gehört Jelusich ebenfalls in den Kontext von »Blut und Boden«. Aus Anlass der Übersetzung von »Caesar« ins Kroatische (1931) veröffentlichte einer der führenden Publizisten der Zeit, der Historiker Josip Horvat,366 in der Tageszeitung »Jutarnji list« (Das Morgenblatt) einen Aufsatz über die Sprache und die nationale Zugehörigkeit, worin er ein aktuelles Kulturproblem erkennt.367 Horvat thematisiert die Frage der nationalen Zugehörigkeit der Dichtung zunächst ganz allgemein und dann im Besonderen für den Fall Jelusich  : Nicht die Sprache allein bestimme die Nationalität der Dichtung, sondern vielmehr das Gefühl, der Gedanke, die Weltanschauung und der Geist, dem sie entsprossen sei. Im Falle Jelusichs sei dies eindeutig der Geist eines kroatischen Dichters und somit sei der Roman Teil der kroatischen Dichtung. Darüber hinaus sei Jelusich kein Sonderfall in der Literaturgeschichte  : Friedrich der Große, der in französischer Sprache schrieb, der Rumäne Panait Istrati, ebenfalls französisch schreibend, oder auch Banus Josip Jelačić, Petar Preradović und Tito Strozzi, die alle deutsch dichteten, hätten diese Linie schon vorgegeben. Es gebe also durchaus Analogien zu anderen nationalen Literaturen. Deutlich sei auch, dass Jelusichs »Caesar«-Roman klarer Ausdruck der slawischen Mentalität ist. Horvat spricht in diesem Zusammenhang vom typisch slawischen »Nihilismus und Fatalismus«, den etwa Dostojevski und Tolstoj in der russischen Literatur vertreten. Hätte Jelusich seinen Roman in kroatischer Sprache geschrieben, wäre er nie so bekannt geworden, so Horvats Fazit.368 Im Jahr 1934 publizierte Jelusich in Berlin den Roman »Hannibal«, in dem er wieder auf eine legendäre Führungspersönlichkeit aus der Antike zurückgreift. Jelusich versieht ihn mit dem Motto »Nicht der einzelne ist unüberwindlich, sondern die geschlossene Gemeinschaft.«369 Anders als im Roman über Cäsar, in 366 Viele Jahre später schrieb er eine Geschichte des Pressewesens in Kroatien von 1771 bis 1939  : Josip Horvat  : Povijest novinstva Hrvatske (1771–1939). Zagreb 1962. 367 Josip Horvat  : Najbolji naš roman. Jelušićev »Cezar«. Jedno Jelušićevo pismo. Jezik i narodna pripadnost književnog djela. Baština krvi. Aktuelni kulturni problem (Unser bester Roman, Jelusichs »Caesar«. Ein Brief von Jelusich. Die Sprache und die nationale Zugehörigkeit des literarischen Werks. Das Erbe des Blutes. Ein aktuelles Kulturproblem). In  : Jutarnji list (Das Morgenblatt), 20 (1931) Nr. 6970, 29.6.1931, S. 6 f. 368 Vgl. ebd., S. 6. 369 Mirko Jelusich  : Hannibal. Berlin 1934, o. S.

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dem er sich auf die Persönlichkeit des Herrschers konzentriert, zeichnet Jelusich im »Hannibal«-Roman in erster Linie eine kriegerische Gemeinschaft, die sich gegen die bestehende politische Ordnung aufgelehnt hat. Der Feldherr ist dabei – in Jelusichs Darstellung – jener zentrale Punkt, der alles zusammenhält und seine historische Mission besteht  : in seiner genialen Fähigkeit, Angehörige unterschiedlicher Völker im Kampf auf eine gemeinsame Linie einzuschwören. Soviel Truppen, soviel Völker, soviel Sprachen. Untereinander können sie sich nicht verständigen, sind auf die kleinen zappeligen Dolmetscher angewiesen, die zwischen ihnen vermitteln  ; aber sie alle hat er eine Sprache gelehrt, die sie alle verstehen, zumal wenn er selber sie spricht  : die Sprache des tollkühnen Angriffs und die der nie weichenden Abwehr, vor allem aber die der Todesverachtung und der Selbstverleugnung um einer höhern Sache willen.370

Ausführlich schildert Jelusich die militärischen Auseinandersetzungen des karthagischen Generals mit den Römern, den Alpenzug und die Rückkehr des Heeres nach Afrika. Er hat die historischen Quellen und Karten sehr genau studiert, ebenso wie bei der Arbeit über Cäsar, einige Karten sind als Illustrationen dem Roman beigefügt. Das Kabinettstück seines Romans ist auch hier das Einfangen und die Wiedergabe der angespannten Atmosphäre vor, während und nach der Schlacht, jenes langsame Anwallen von aufstampfenden Truppen, immer lauteren Stimmen und kaum noch im Zaum zu haltenden Tieren, die auf das Signal zum Angriff warten. Die eigentliche Attraktion des Romans über Hannibal sind die Elefanten, denen Jelusich viel Platz einräumt  : Mit der Schilderung der gigantischen, trägen Tiere, die nur in diesem einen historischen Fall mit Europa in Verbindung gebracht werden, schafft er ein symbolisches Bild für Schock, Panik und Verwirrung, die der Krieg bei Menschen wie bei Tieren auslöst. Laut trompetend brechen sie [die Elefanten] rechts und links aus, stürmen ohne Aufenthalt längs der ganzen Schlachtreihe, treffen endlich auf die der römischen Übermacht kaum noch widerstehenden Reiter, werfen sich unter sie, richten im Nu eine derartige Verwirrung an, daß die beiden Flügel des karthagischen Heeres zurückweichen und, den Rücken wendend, von den Geschwadern Massinissas und Lälius’ verfolgt, in sinnloser Flucht davonrasen.371

370 Ebd., S. 45. 371 Ebd., S. 232.

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Ekstase und Raserei dieser auf die Kameraderie eingeschworenen Männerherzen sind hier die Mittel jener »stählernen Romantik«, die Ernst Loewy im Übrigen auch zwei weiteren namhaften Verherrlichern des Krieges attestiert, nämlich Ernst Jünger und seinen jüngeren Bruder Friedrich Georg Jünger.372 Im letzten Kapitel des Hannibal-Romans »Das Tor in die Freiheit« wird der Selbstmord des ins Exil in Kleinasien geflüchteten Generals mit einem Pathos geschildert, das Jelusich in weiten Teilen seiner Geschichte so unterdrückt, als würde nicht der gescheiterte karthagische Feldherr den Giftbecher leeren, sondern das bereits zur Legende erstarrte Denkmal, die kultische Überhöhung seiner selbst. Mit »Der Traum vom Reich« (1941) scheint Jelusich den Kult des tausendjährigen Reiches schon mit dem Titel bedient zu haben. Aber dieser Text ist in weit größerem Maße als die antiken Historienbilder auf den südosteuropäischen Raum bezogen und daher von elementarer Bedeutung für den Untersuchungsraum. Er bezieht sich diesmal auf die Geschichte vom Anfang des 18. Jahrhunderts, mit Prinz Eugen von Savoyen im Mittelpunkt, dem Volkshelden der Donauschwaben, der dem Volk ›den Raum‹ erkämpft hat. Seinem Plan, die Grenzen des Reiches der Habsburger nach Osten auszuweiten, wird ein geschichtsphilosophisches Konzept unterlegt  : Dort wartet »Volk um Volk auf das Licht, das ihm seine Finsternis erleuchtet  !«373 Eindringlicher als in seinen früheren biografisch angelegten Porträts von Feldherren, die zu einsamen, mythischen Führerpersönlichkeiten stilisiert werden, baut Jelusich diesen Roman auf der Vision einer nationalstaatlichen Erweiterung. Eugen ist dabei nur ein willfähriges Werkzeug, und nicht die alles dominierende Figur der Darstellung. Der ideologische Rausch hinsichtlich des Neuen Reichs ist das Kernmotiv des Romans, ebenso wie die Großraumordnung, die Prinz Eugen vorschwebt und die er mit dem »tausendjährigen Frieden«374 zu beschließen gedenkt. Doch die Gleichschaltung wurde nicht nur innerhalb einzelner Dichterbiografien vollzogen, sondern vielmehr auf institutionellem Niveau. Eine Vorahnung der großen Katastrophe vermittelte der Kongress des Internationalen P.E.N. vom 22. bis 28. Mai 1933 in Dubrovnik. Er rückte den Untersuchungsraum für kurze Zeit ins helle Licht der internationalen Öffentlichkeit. Auch die Delegation des deutschen, inzwischen gleichgeschalteten P.E.N., bestehend aus Hans Martin Elster, Edgar von Schmidt-Pauli und Fritz Otto Busch, nahm am Kongress teil. 372 Vgl. Loewy  : Literatur unterm Hakenkreuz, S. 181. 373 Mirko Jelusich  : Der Traum vom Reich. Berlin 1941, S. 321. 374 Ebd., S. 405.

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Nachdem der vormalige Präsident Alfred Kerr im Januar 1933 aus Deutschland emigriert war, wurden die Mitglieder des Kampfbundes für deutsche Kultur in den Vorstand gewählt, u. a. Hanns Johst und Hans Hinkel. Auf Wunsch der Deutschen wurden die Bücherverbrennung am 10. Mai und die Verfolgung jüdischer und kommunistischer Autoren nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Jedoch hatte man nicht mit dem Erscheinen von Ernst Toller gerechnet. Er hatte Deutschland bereits verlassen und lebte im englischen Exil. Einen Tag nach dem offiziellen Beginn des Kongresses reiste er als Mitglied der englischen Delegation mit dem Schiff aus Triest nach Dubrovnik an. Die Nachricht von seiner Ankunft verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt und im Kreis der Kongressteilnehmer.375 Als Toller auf der Tagung das Wort ergriff, verließen die Mitglieder der deutschen Delegation aus Protest den Saal, ebenso die Delegation aus Österreich, Italien, den Niederlanden und der Schweiz. Richard Dove beschreibt sie als »the writers who were known for little but their allegiance to the new Germany«.376 Diese gleichgeschalteten Schriftsteller sahen sich gezwungen, auf Tollers energischen Auftritt zu reagieren. Ihre Strategie, politische Themen im Tagesprogramm zu verhindern, wurde vom englischen Präsidenten H. G. Wells und dem Generalsekretär Hermon Ould ohnehin durchkreuzt. Aber es gab kein Ausweichen mehr. Tollers Rede über die Unterdrückung jüdischer Dichter, Kunst und Kultur im Dritten Reich und über die Bücherverbrennung, wobei er die Liste all jener vorlas, deren Bücher auf dem Scheiterhaufen brannten, schlug in Dubrovnik ein wie eine Bombe. Zum ersten Mal nannte er gegen Ende seiner Rede jenes Deutschland, das er und die emigrierten Dichter vertraten, »das andere Deutschland«. Die Presse in der ganzen Welt berichtete darüber, ein jugoslawischer Journalist kommentierte, er habe noch nie jemanden gesehen, der binnen so kurzer Zeit so populär geworden wäre. Man applaudierte Toller überall, wohin er gekommen war.377 Es gab viel Beifall und Solidaritätsbekundungen nicht nur in den internationalen Schriftstellerreihen, sondern auch in den Kreisen der Kollegen im Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen. Nach dem Kongress reiste Toller nach Zagreb und Ljubljana, hielt Vorträge über die geteilte deutsche Literatur, berichtete über sein Leben im Exil. Auch andere Teilnehmer des P.E.N.-Kongresses nutzten die Gelegenheit, um das südslawische Königreich 375 Über den Kongress und Tollers Rede schreibt ausführlich Richard Dove  : He was a German. A Biography of Ernst Toller. London 1990. 376 Ebd., S. 206. 377 Vgl. ebd., S. 207.

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zu bereisen, dessen Name nach dem Putsch des serbischen Königs Aleksandar I. Karađorđević am 6. Januar 1929 in »Jugoslawien« geändert worden war. Als am 10. Mai 1933 die Scheiterhaufen in Deutschland loderten, wurde dies von der slowenischen und kroatischen liberalen Presse mit Besorgnis wahrgenommen. Božidar Borko schreibt in Ljubljana in der Tageszeitung »Jutro« (Morgen) über die »Asphaltliteratur« in Deutschland,378 in Zagreb spricht Josip Horvat anlässlich des Todes von Stefan George von einem »Propheten des Dritten Reiches«.379 Drei Jahre später nimmt Horvat Musils Epochenroman »Der Mann ohne Eigenschaften« zum Anlass, sich zur Literatur der untergegangenen Monarchie und zu den Problemen der Literatur im Dritten Reich zu äußern.380 Die ersten Anzeichen der nationalsozialistischen Propaganda unter den Deutschen Sloweniens wurden schon im Frühjahr 1933 sichtbar, als die ersten Hakenkreuze auftauchten. Die deutsche Presse begrüßte die Machtübernahme der Nationalsozialisten triumphierend, doch es meldeten sich auch kritische Stimmen.381 Neben den Bauern und Handwerkern der Gottschee und des Abstaller Beckens bestand die deutsche Gemeinschaft aus dem Bürgertum, das seine soziale Stellung auch nach der Entlassungswelle 1918/19 hatte behalten können. Als Industrielle, Rechtsanwälte, Ärzte oder Gutsherren waren sie tonangebender Bestandteil der Ober- und Mittelschicht. Nach Hitlers Anweisungen hätte aus den deutsch besetzten slowenischen Gebieten (Untersteiermark und Krain) entweder die Eindeutschung vorgenommen werden oder durch die Aussiedlung slowenischer Bevölkerungsteile ein deutsches Land entstehen sollen. Es ging also darum, einen Teil der Folgen des Ersten Weltkriegs zu revidieren, der im Vertrag von St-Germain (1919) die Untersteiermark und südliche Teile Kärntens an das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen abgetreten 378 Božidar Borko  : »Die Asphaltliteratur« in Deutschland. In  : Jutro (Morgen), 14 (1933) Nr. 99, S. 4. 379 Josip Horvat  : Jedan prorok Trećega Reicha. Uz smrt njemačkog pjesnika Stefana Georgea (Ein Prophet des Dritten Reiches. Zum Tod des deutschen Dichters Stefan George). In  : Jutarnji list (Das Morgenblatt), 22 (1933) Nr. 7852, S. 8. 380 Vgl. Josip Horvat  : Kakanija. Epopeja o svijetu, koji je propao. O Robertu Musilu, njegovom romanu »Der Mann ohne Eigenschaften« i problemima književnosti u Trećem Reichu (Kakanien. Die Epopöe über eine Welt, die untergegangen ist. Über Robert Musil und seinen Roman »Der Mann ohne Eigenschaften« und die Probleme der Literatur im Dritten Reich). In  : Obzor (Umschau), 75 (1934) H. 22, S. 44. 381 Vgl. Helmut Rumpler, Arnold Suppan (Hg.)  : Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848–1941. München 1988  ; darin besonders Arnold Suppan  : Zur Lage der Deutschen in Slowenien zwischen 1918 und 1938. Demographie, Recht, Gesellschaft, Politik, S. 171–240.

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hatte. Dies hatte bis 1920 in der Region zu heftigen ethnisch-nationalen Auseinandersetzungen geführt.382 Auch die deutsche Presselandschaft wurde zu diesem Zweck neu geordnet. Die sozialdemokratische »Volksstimme« in Maribor und die nationalsozialistische »Deutsche Zeitung« in Celje wurden 1936/37 eingestellt, sodass »seit April 1937 nur noch die liberale ›Mariborer Zeitung‹ und die klerikale ›Gottscheer Zeitung‹«383 erschienen. Hitler besuchte Maribor am 27. April 1941, um durch diesen symbolischen Akt seine Säuberungspolitik voranzutreiben. Und wie tiefgreifend die Theaterpolitik durch die deutsche Besatzung instrumentalisiert wurde, zeigt der Germanist Matjaž Birk am Beispiel Maribors anhand der Auswertung des Theaterfeuilletons in der »Marburger Zeitung«  : Das Theater spielte im Mai und Juni 1941 und drei weitere Spielzeiten von 1941/42 bis 1944/45. In der Saison 1943 konnte wegen der andauernden Kriegshandlungen nicht gespielt werden. Auf dem Spielplan standen die deutschsprachigen Klassiker Lessing, Goethe und Schiller, aber auch Grillparzer, Nestroy, Anzengruber, Halbe oder (Ludwig) Thomas. Nichtdeutschsprachige Autoren waren kaum vertreten.384 Ganz ähnliches lässt sich auch für die Auswahl der Literatur in der »Marburger Zeitung« feststellen  : Neben (wiederum) Goethe, Eichendorff und Keller wurden auch Texte »von profilierten Vertretern der zeitgenössischen Literatur wie Hermann Hesse und Ricarda Huch« publiziert.385 Einige Autoren, die aus Slowenien stammten, veröffentlichten literarische Texte, die der nationalsozialistischen Propaganda zuzurechnen sind. Wolfgang Krüger (Pseudonym von Adolf Ledwinka), der 1891 in Maribor geboren wurde, publizierte in Graz dilettantische Lyrik und den Roman »Gekreuzigtes Volk«. Joseph Papesch, 1893 in Maribor geboren, war Herausgeber der »Alpenländischen Monatshefte«, Erzähler und Dramatiker, und wurde 1963 mit dem Peter-Rosegger-Preis ausgezeichnet. Der prominenteste Name in diesem Zusammenhang ist Bruno Brehm (1892–1974), der 1941 zum Präsidenten der Wiener Kulturvereinigung ernannt wurde. Doch auch ihn verbindet mit Slowenien ausschließlich der Geburtsort. Seine Romantrilogie »Apis und Este« (1931), »Das war das Ende« 382 Vgl. Arnold Suppan  : Untersteirer, Gottscheer und Laibacher als deutsche Minderheit zwischen Adria, Karawanken und Mur (1918–1948). In  : Suppan  : Deutsche Geschichte im Osten Europas, S. 350–422, hier besonders S. 350–362. 383 Ebd., S. 380. 384 Vgl. Matjaž Birk  : »Die wiedergewonnene Thalia«. Das deutsche Drama in Maribor (Marburg/ Drau) im II. Weltkrieg. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 13 (2004), S. 255–268. 385 Ebd., S. 257.

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(1932) und »Weder Kaiser noch König« (1933) ist ein melancholisches Panorama des Untergangs der Monarchie. Das slowenische Kulturprojekt »Neue slowenische Kunst«, das 1984 in Trbovlje ins Leben gerufen wurde und dessen Aushängeschild die Musikgruppe »Laibach« ist, nutzt (bis heute) die Symbole des Nationalsozialismus. Hakenkreuze werden auf die Bühne gebracht, um zu provozieren. Das Kollektiv arbeitet sich an der slowenischen und jugoslawischen Geschichte ab. Vor allem auf Tabus wird der Finger gelegt. Dank ihrer politischen Radikalität – dies wird man sagen können – hat die »Neue slowenische Kunst« das Ausscheren der damaligen Republik Slowenien aus Jugoslawien mitbefördert.386 Die Bejahung des Nationalsozialismus, auch im Kulturellen, war in der Voj­ vodina stark. »Donauraum – Schicksalsraum« hieß die Propagandaparole. In der Zwischenkriegszeit bildeten die Donauschwaben den kompaktesten Teil der deutschen Volksgruppe im SHS-Staat. Politisch aktiv wurden sie erst 1922, als sie für Österreich oder Ungarn optieren konnten, weil sie früher im Königreich Jugoslawien kein Wahlrecht hatten. Ihre Hauptorganisation und gleichzeitig die Dachorganisation der Deutschen in Jugoslawien war der Kulturbund, ihr Hauptorgan die Tageszeitung »Deutsches Volksblatt«, die einflussreichste deutsche Zeitung in Jugoslawien. Neben dem »Deutschen Volksblatt« gab der Kulturbund noch eine ganze Reihe von Zeitungen und Zeitschriften heraus, darunter den »Volkswart«, auf Kultur und Literatur spezialisiert, und »Bilderwoche«, eine Illustrierte breiten Spektrums. Anders als der Großteil der deutschen Presse in der Vojvodina, die grundsätzlich von Eigentümern der Druckereien gegründet und durchaus amateurhaft geführt wurden, waren die Zeitschriften des Kulturbundes von gut ausgebildeten Journalisten professionell betreut. Man konnte mit einer breiten Leserschicht rechnen, auch in kleinen Orten. Allein in der kleinen Ortschaft Prigrevica bei Sombor erschienen fünf Tageszeitungen.387 Der »›Volkswart‹, Vierteljahresschrift für deutsche Volkstumspflege in Südslawien« erschien von Oktober 1932 bis zum Spätsommer 1935, als er wegen Rivalitäten und Fehden in der Reihe der Herausgeber eingestellt wurde. Sein Chefredakteur Johann Keks war während der gesamten Zeit seines Erscheinens 386 Inke Arns  : Neue Slowenische Kunst – NSK. Laibach, Irwin, Gledališče sester Scipion Nasice, Kozmokinetično gledališče Rdeči pilot, Kozmokinetični kabinet Noordung, Novi kolektivizem. Eine Analyse ihrer künstlerischen Strategien im Kontext der 1980er Jahre in Jugoslawien. Regensburg 2002. 387 Branko Bešlin  : Vesnik tragedije. Nemačka štampa u Vojvodini 1933–1941 (Der Bote der Tragödie. Die deutsche Presse in der Vojvodina 1933–1941). Novi Sad, Sremski Karlovci 2001, S. 8.

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auch der Vorsitzende des Kulturbundes. Die Pflege der deutschen Sprache und Kultur, die nationale und kulturelle Identitätsbildung war der Kurs, auf den sich die Zeitschrift eingeschworen hatte. Die Kreativität der – vorwiegend bäuerlichen – deutschen Bevölkerung sollte geweckt, die deutsche Intelligenz gefördert und ein intellektuelles Leben angestrebt werden. Doch die Zeichen der Zeit standen ungünstig. Besonders in der fehlenden kulturellen Plattform sah die Redaktion des »Volkswarts« eine große Bedrohung für Wachstum und Entfaltung der deutschen Volksgruppe in der Vojvodina. Einer der Begründer der Zeitung, der Historiker Philipp Hilkene, der sich durch literaturwissenschaftliche Studien zu Johann Wolfgang Goethe einen Namen machte, legt im ersten Heft »Unsere Ziele«388 fest. Hilkenes Grundthese lautet, dass die Deutschen in Jugoslawien keine eigene Kultur haben. Sie seien zwar reich an hochgebildeten Persönlichkeiten in allen Bereichen und müssten keinen Vergleich mit anderen Völkern scheuen. Gebildete Einzelpersonen bedeuten jedoch noch keine Kultur. Wie arm müssten sich die Deutschen vorkommen, wenn sie sich mit der ungarischen Literatur vergleichen oder erst recht mit der jugoslawischen Literatur, die im Aufstieg sei. Er warne jedoch vor blinder Übernahme fremder Vorbilder, sogar wenn sie aus Deutschland stammen und bestehe darauf, dass die Deutschen in der Vojvodina eine eigene, den Bedürfnissen der deutschen Bevölkerung spezifisch angemessene Literatur und Kultur schaffen müssten. Denn die Deutschen in der Vojvodina lebten mehrheitlich auf dem Lande, also hätten sie kein Verlangen nach raffinierter Hochstadtkultur mit ihren Verwirrungen, mit ihrer perversen Erotik. Indem er gegen Dekadenz und moralischen Verfall wettert, formuliert Hilkene zugleich sein anachronistisch-regressives Konzept einer kulturellen Erneuerung aus dem Geiste des Provinzialismus, der Stadtfeindlichkeit, der Bodenhaftung und der Arbeiter- und Bauerndichtung. Im Zeichen der Zeit propagierte Hilkene eine völkische Heimatliteratur und die deutschen Kulturschaffenden im ganzen Königreich folgten ihm, den Feuilletons der Tagespresse im jugoslawischen Raum in den Dreißigerjahren nach zu urteilen. Die deutschen Zeitungen mussten nicht einmal Trivialerzählungen mit entsprechenden Motiven aus Deutschland einführen, denn die lokalen Poetae minores bedienten den Bedarf an Heimatliteratur  : Es ist evident, dass die Erzählungen mit Motiven aus dem Bauernleben in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre in der deutschen Presse überwogen. […] Der Professor aus Werschetz hat in seinem Wunsch, die Schriftsteller auf die heimatliche Thematik einzu388 Vgl. Philipp Hilkene  : Unsere Ziele. In  : Volkswart, 1 (1932), S. 2–7.

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schwören und zur Suche nach einem authentischen Ausdruck anzuregen, die aktuellen Einwirkungen aus der Metropole sehr scharf verurteilt. Bewertet man die Zeitungen aus der Zeit, hatte er dazu jeden Grund. Die Herausgeber brauchten die kurzen Erzählungen und trivialen Fortsetzungsromane nicht durch Agenturen heranschaffen, denn einige lokale Schriftsteller hatten »das Muster geknackt« und schrieben ähnlichen Schund, wobei sie überzeugt waren, dass sie in der geistig trägen Provinz eine Kulturmission vollbringen.389

Der Drang nach Osten fiel mit dem Begehren einer dislozierten, in sich homogenen Volksgruppe zusammen, die gerade im Begriff war, sich neu zu ordnen. Der Nationalsozialismus versprach plakativ das, was die Donaudeutschen dringend brauchten, nämlich die Gewährleistung des nationalen und kulturellen Zusammenhalts durch entsprechende Institutionen. Die donauschwäbischen Belange waren paradoxerweise der NSDAP auf die Fahnen geschrieben. In ihrem Selbstverständnis ein arbeitsames, sittsames Volk, entwickelten die Donauschwaben eine spätromantische nationale Ideologie, die sich mit dem Nationalsozialismus leicht identifizierte. Bešlin sieht die Wirkungsrichtung eindeutig von außen kommen  : »Die aggressive Politik des Dritten Reiches machte es, dass diese Visionen bei den Deutschen in der Vojvodina lebendig und zur Grundlage für die Zukunftspläne wurden.«390 Nach dem Anschluss nahmen sie die Ausmaße »einer Euphorie«391 an. Die oft angesprochene, geradezu angemahnte Heimatliteratur kam bei der Umsetzung dieser Pläne hinzu. Es gab zwar keinen breiten Strom lokaler oder zumindest in der Vojvodina beheimateter Schriftsteller, doch verstanden es Adam Müller-Guttenbrunn, Karl von Möller (1876–1943) und Bruno Kremling (1889– 1962), dem kollektiven Verlangen nach literarischer Gestaltung der aktuellen nationalen Archetypen ein Gesicht zu geben  : dem tüchtigen Bauern, dem beharrlichen Arbeiter oder dem unbeugsamen Krieger, der bis zum letzten Tropfen Blutes die heimatliche Scholle verteidigt. Vor allem der konservative, 1923 verstorbene Müller-Guttenbrunn392 formulierte sozusagen als Präzeptor der Heimatliteratur mit seinem historischen Ro389 Bešlin  : Vesnik tragedije, S. 114. Übersetzung Mirjana Stančić. 390 Ebd., S. 116. 391 Ebd. 392 Zu seiner Bewertung vgl. auch Günter Schödl  : Am Rande des Reiches, am Rande der Nation  : Deutsche im Königreich Ungarn (1867–1914/18). In  : Schödl  : Deutsche Geschichte im Osten Europas, S. 349–454, hier S. 417.

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man »Der große Schwabenzug« das natürliche Recht der Donauschwaben auf ihre Scholle. Karl von Möller war der populärste Autor des historischen Romans in der Region. Zwar war er nicht im Banat geboren, hat es jedoch zum Mittelpunkt seiner Literatur gemacht. In seinen Werken hat sich Möller großer historischer Ereignisse im Banat angenommen. Dazu gehören die Romane »Werschetzer Tat« (1936), »Grenzen Wandern. Ein Banater Roman« (1937) und »Reiter im Grenzland« (1939). Diese Literatur, die den Typus der Blut und Boden-Literatur nun vollauf erfüllt, fand begeisterte Zustimmung und großen Absatz beim donauschwäbischen Lesepublikum. Sein historischer Roman »Das steinerne Schachbrett« (1941) spielt im Banat zur Zeit der Napoleonischen Kriege. Das anfangs etwas stockende Erzähltempo gewinnt rasch an Fahrt. Ein buntes Völkergemisch, die Vielfalt der deutschen Dialekte, lebhafte Dialoge und eindringliches Erzählen machen den Publikumserfolg dieser Art Texte verständlich. Auf der Umschlaginnenseite ist die Karte des mythischen Gründungsflusses und der Ortschaften eingeklebt, wo die Handlung spielt. Das natürliche Zentrum dieses Raumes, zu dem alles aufschaut, ist das gravitätische Wien. Eine der eindringlichsten Szenen des Romans – der Protagonist, Rittmeister Weyrauch, ein Schwabe aus Merzidorf im Banat, wird von Kaiser Franz erkannt und begrüßt – findet am Stephansplatz statt. Der Rittmeister erlebt eine Apotheose, von der er, ähnlich wie Joseph von Trotta in Josephs Roths Roman »Radetzkymarsch«, den Rest seines Lebens zehrt. Möller scheut kein Klischee393 und der stark antisemitische Zug seines Romans gehört ebenso zum unappetitlichen Erfolgsrezept wie die unsittlich lebende Baronin von Merzidorf oder die stereotypen Bilder der Türkenfurcht und der Rückständigkeit auf dem Balkan. In einem für die Region noch wichtigeren Roman schildert Möller die heldenhafte Verteidigung der Stadt Werschetz gegen die Türken im Jahr 1788 durch den legendären Schmied Hennemann und seine siebzig Soldaten. Es wird sich bald zeigen, dass die Beschwörung dieser Verteidigung ein äußerst unheilvoller Bote jener Tragödie war, der – mit Branko Bešlin394 – die Donauschwaben zum Opfer fallen sollten. Möllers Mythisierung des Johann (Hans) Jakob Hennemann wurde unter dem Titel »Die Werschetzer Tat. Ein Roman von Bauern und Reitern« seit dem 1. April 1939 im »Deutschen Volksblatt« als Fortsetzungs393 So sieht Weyrauch »die Augen von Offizier und Mann erstrahlen […] vor Verehrung für den Generalissimus […]. Und sie lachten, als es zu den Manövern hinausging.« Karl von Möller  : Das steinerne Schachbrett. Braunschweig 1941, S. 85. 394 Bešlin  : Vesnik tragedije.

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roman veröffentlicht. Wie folgenreich diese Kulturalisierung der Geschichte war, zeigt eine namenspolitische Entscheidung  : Während der deutschen Okkupation wurde Werschetz in Hennemannstadt umbenannt.395 Genauso inbrünstig behandelt Möller in seinem Roman »Der Savoyer. Ein Prinz Eugen Roman« (1939) den wahren Gründungsmythos der Donauschwaben. Der österreichische Feldherr, der entscheidende Siege über die Türken erfochten hatte, war zum Gegenstand eines Kults geworden. Er hat jenes Gebiet von der Türkengefahr befreit, auf dem die Deutschen später siedelten. Der Lyriker Bruno Kremling widmete diesem Helden das Epos »Prinz Eugens Reiter. Trutgesang im Feldlager bei Futok 1716« (1942). Es war vor allem Kremling, der mit zahlreichen, nicht nur lyrischen Beiträgen im »Deutschen Volksblatt« die Mythenbildung um Eugen von Savoyen als Befreier geknechteter Völker propagierte. Gleichzeitig bemühte sich die Presse aus dem Lager des Kulturbundes, auch um den Dichter selbst einen Kult aufzubauen  : Als Kulturredakteur der Zeitschrift hatte Kremling eine breite Wirkung in Jugoslawien und wurde als einer der bedeutendsten einheimischen Schriftsteller der Zeit wahrgenommen. Die »Bilderwoche«, eine Zeitschrift des Kulturbundes, erhebt ihn in einem Artikel aus dem Jahr 1937 zu dem »bedeutendsten deutschen Lyriker Südosteuropas«.396 Und in »Volk und Heim« aus demselbem Lager feiert Franz Hille den Lyriker Kremling als den »Bahnbrecher donaudeutscher Dichtung. Ein Dichter von bisher unübertroffenem Sprachreichtum und Formkraft in der deutschen Volksgruppe Jugoslawiens«.397 Es gehört zur Tragödie der Donaudeutschen, dass sie sich vom politischen Umbruch in der Dreißigerjahren zunächst die Erfüllung ihres kulturpolitischen Hauptzieles versprachen  : die nationale und die kulturelle Kohäsion. Das Gegenteil ist eingetreten, eine fast vollkommene Zerstörung ihrer Lebenswelt. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs flüchteten sie massenhaft aus ihren Siedlungsgebieten oder wurden bis etwa 1948 vertrieben. Nur noch splitterweise bildeten sie kleine Gemeinschaften. Das große Thema der Donaudeutschen wurde im ehemaligen Jugoslawien jahrzehntelang verschwiegen. Die erst nach dem Untergang Jugoslawiens neu entfachte, mit wichtigen Autorennamen vertretene 395 Scherer  : Geschichte der donauschwäbischen Literatur von 1848 bis 2000, S. 28 f. 396 [Anonym  :] Der bedeutendste deutsche Lyriker Südosteuropas Bruno Kremling. In  : Bilderwoche, 2 (1937−38) H. 51, S. 6. 397 Franz Hille  : Bruno Kremling, ein Bahnbrecher donaudeutscher Dichtung. Ein Dichter von bisher unübertroffenem Sprachreichtum und Formkraft in der deutschen Volksgruppe Jugoslawiens. In  : Volk und Heimat, 2 (1939) H. 1/2, S. 10–15.

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und vom literarischen Publikum vielbeachtete Literatur der Deutschen brach mit Elementarkraft hervor. Zweifelsohne ist sie eine Folge des politischen Umbruchs, gleichzeitig aber auch ein Befreiungsakt aus der langen ›Knechtschaft‹ mit literarischen Mitteln. Vor allem sind viele biografische Geschichten erzählt worden, so wie sie sich ereignet hatten. Diese Literatur geht Hand in Hand mit der wissenschaftlichen Verarbeitung dieser Epoche. Vielleicht kann gar von einer Form der Katharsis der donauschwäbischen Volksgruppe gesprochen werden, bzw. jenes winzigen Teils, der in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens verblieben ist. Die Geschichte der Volksdeutschen auf dem Gebiet Jugoslawiens hat vor allem der Historiker Vladimir Geiger (geb. 1962) mit über einhundert wissenschaftlich fundierten Studien und Monografien erschlossen. Sein Werk ist eine profunde Aufarbeitung der Blut und Boden-Ideologie, gleichwohl aber auch der Vertreibung der Deutschen aus ihrer Heimat und ihres Lebens unter der kommunistischen Diktatur.398 Goran Beus Richembergh (geb. 1965), ein zeitgenössischer kroatischer Autor deutscher Herkunft, umreißt mit der Studie »Gedenkbuch. Der kroatische Gott German«399 das große Thema der Donauschwaben in den Bearbeitungen der Schriftsteller aus dem »Schicksalsgebiet«. Der Titel spielt auf die Novellensammlung »Hrvatski bog Mars« (Der kroatische Gott Mars) von Miroslav Krleža an, eine Abrechnung mit dem sinnlosen Sterben der Kroaten für die k. u. k. Monarchie im Ersten Weltkrieg. Beus Richembergh knüpft an Krležas Kritik an, um sie mit der Tragödie der Donauschwaben im Zweiten Weltkrieg zu parallelisieren. Aber er geht noch einen Schritt weiter. Ausgehend von der Trauer- zur Erinnerungsarbeit hinterfragt er kritisch die kulturhistorische Symbiose von Zuwanderern und Autochthonen. »Haben die Schwaben den Kroaten nur eine mehrere 398 Vgl. eine Auswahl aus den Veröffentlichungen von Vladimir Geiger  : Iz povijesti Nijemaca na hrvatskim prostorima (Aus der Geschichte der Deutschen auf den kroatischen Gebieten). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 1995, S. 84–92  ; Nestanak folksdojčera (Das Verschwinden der Volksdeutschen). Zagreb 1997  ; Nijemci i Austrijanci u Hrvatskoj nakon Drugog svjetskog rata (Deutsche und Österreicher in Kroatien nach dem Zweiten Weltkrieg). In  : Državnost, 2 (1998) H. 2, S. 299–315  ; Folksdojčeri. Pod teretom kolektivne krivnje (Volksdeutsche  : Unter der Bürde der Kollektivschuld). Osijek 2002  ; Heimkehr. Povratak Nijemaca nakon Drugog svjetskog rata iz izbjeglištva/prognaništva u zavičaj i njihova sudbina (Heimkehr. Die Rückkehr der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Flucht/Vertreibung in die Heimat und ihr Schicksal). In  : Scrinia Slavonica, 3 (2003), S. 521–547  ; Logor Krndija (Das Lager Krndija). Zagreb 2008. 399 Goran Beus Richembergh  : Hrvatski bog German (Der kroatische Gott German). In  : Hrvatska revija, 2 (2002) H. 3, S. 69–76. Auch in  : http://www.matica.hr/HRRevija/revija032.nsf/AllWebdocs/beus [Zugriff vom 9.1.2010].

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Jahrhunderte währende fatale politische Umarmung gebracht oder waren sie auch aktive Teilnehmer an ihrem kulturell-zivilisatorischen Fortschritt  ?«400 Ludwig (Ljudevit) Bauer (geb. 1941) ein prominenter Vertreter der zeitgenössischen Literatur der Donauschwaben in Kroatien, bringt im »Jahrbuch der Volksdeutschen Gemeinschaft« die Notwendigkeit einer breiteren, europäischen Kontextualisierung der kulturellen Identität der Donauschwaben auf den Punkt. Wie damals in den Dreißigerjahren, so Bauer, stelle die Frage der donauschwäbischen Identität auch heute noch, unter veränderten politischen Umständen, hohe Ansprüche in erster Linie an Künstler und Intellektuelle  : Die kulturelle Identität der Deutschen und Österreicher in Kroatien, bzw. ihrer Nachkommen, ist eine breitere Kategorie als die nationale Identität – sie umfasst diejenigen Individuen, die ihre Identität geändert oder verloren haben. Die Schwierigkeiten, die man in der Definierung dieser Kategorie hat, stellen eine interessante literarische Herausforderung dar. Das ist ein Trend, den man auch in anderen europäischen Mitten und anderen Kulturidentitäten, zum Beispiel bei den Burgenländischen Kroaten, bemerken kann. Diese Frage wird wahrscheinlich auch in der EU immer wichtiger und aktueller.401

400 http://www.matica.hr/HRRevija/revija032.nsf/AllWebdocs/beus. Übersetzung Mirjana Stančić. Im Grunde versucht auch die vorliegende Studie eine Antwort auf diese Antinomie. 401 Ludwig (Ljudevit) Bauer  : Kulturni identitet podunavskih Nijemaca kao književni izazov (Die kulturelle Identität der Donauschwaben als literarische Herausforderung). Übersetzung Mirjana Stančić. In : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2002, S. 89–93, Zitat S. 93.

6. Ausblick  : Trauerarbeit und Erinnerung In der zeitgenössischen Literatur Kroatiens, Serbiens und Sloweniens nimmt die deutsche Erinnerungsprosa, allerdings in der Sprache einzelner Völker verfasst, einen besonderen Platz ein. Die Autoren, in Kroatien und Serbien zumeist Nachfahren der Donauschwaben, waren zu lange von den genuinen Quellen der deutschen Sprache abgeschnitten (von deutschen Schulen, den kulturellen Einrichtungen und der Presse), als dass sie deutsch würden schreiben können. Also schreiben sie kroatisch, serbisch, slowenisch, ihre Gesinnung und Tradition, um vorläufig in der geistesgeschichtlichen Terminologie des 19. Jahrhunderts zu bleiben, sind jedoch deutsch. Grundsätzlich geht es in dieser Literatur um Trauerarbeit, die Verarbeitung der Familiengeschichten nach 1945 und um das Auflesen und Bündeln der Spuren des deutschen Lebens. Prägend für die Literatur dieser Generation, die nach 1920 geboren wurde, ist die literarische Besinnung auf die Vergangenheit, auf Erlebnisse aus der Zeit zwischen 1930 und 1945 sowie ihre persönliche wie wissenschaftliche Aufarbeitung. Alois König (geb. 1930) und Georgine König (geb. 1934), ein donauschwäbisches Ehepaar, das in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts aus Slawonien in die Bundesrepublik Deutschland ausgewandert ist, thematisiert in dem Roman »Dani beskvasnog kruha«, den sie als Autorenpaar in kroatischer Sprache geschrieben haben, das Schicksal der Donauschwaben in Slawonien nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Roman wurde 1991 in Deutschland im kroatischen Original veröffentlicht, 1993 erschien die deutsche Übersetzung mit dem Titel »Die Tage der ungesäuerten Brote«. Die zentrale Figur, die kroatische Deutsche Elizabeta Müller, schildert als Ich-Erzählerin ihre Lebensgeschichte  : die Kindheit in einem donauschwäbischen Dorf, den Beginn des Zweiten Weltkriegs, den Exodus der Deutschen, das Leben der im kommunistischen Jugoslawien Zurückgebliebenen. Ihr Erzählstil ist vom Rhythmus des Erinnerns geprägt. Indem sie die Bilder der glücklichen Kindheit, aber auch des unruhigen und unsicheren Lebens in der Kriegszeit wachruft, verweist die Erzählerin – über den Rahmen ihrer persönlichen Geschichte hinaus – auf die Vertreibung ihrer Landsleute aus den Heimatländern. Ich träumte von einer langen, grünen Hecke, hinter der Umrisse einer großen Parkanlage zu sehen waren. Wir halten vor einem hohen, eisernen Tor an. Die Frakturüberschrift in Lettern aus Messing kann ich nicht auf Anhieb lesen. Das Tor öffnet sich von selbst und Robert und ich treten in den gepflegten Park ein, beschreiten den gewundenen, mit

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roten Ziegelsteinen bepflasterten Pfad, zu beiden Seiten von jungen Kastanienbäumen umzäunt. Inmitten des Parks steht ein Haus aus Holzbalken und roten Ziegelsteinen, gleich jenem, das mir Alfred in jener Nacht dreiundvierzig gezeichnet hat, bevor sie irgendwohin Richtung Osten gegangen sind.402

Die Ereignisse in diesem Roman seien authentisch, zumindest hier solle ihnen ein Gedenken bewahrt werden, heißt es richtungweisend auf der Rückseite des Blattes, auf dem sich Georgine und Alois König auf zwei Textstellen aus dem 2. Buch Mose (Exodus) beziehen. 39. Und sie buken aus dem rohen Teig, den sie aus Ägypten brachten, ungesäuerte Kuchen  ; denn es war nicht gesäuert, weil sie aus Ägypten gestoßen wurden und nicht verziehen konnten und sich sonst keine Zehrung zubereitet hatten. (2. Buch Mose 12, 39) 3. Da sprach Mose zum Volk  : Gedenket an diesen Tag, an dem ihr aus Ägypten, aus dem Diensthause, gegangen seid, daß der Herr euch mit mächtiger Hand von hinnen hat ausgeführt  ; darum sollst du nicht Sauerteig essen. 4. Heute seid ihr ausgegangen, in dem Monat Abib. 5. Wenn dich nun der Herr bringen wird in das Land der Kanaaniter, Hethiter, Amoriter, Heviter und Jebusiter, das er deinen Vätern geschworen hat dir zu geben, ein Land, darin Milch und Honig fließt, so sollst du diesen Dienst halten in diesem Monat. 6. Sieben Tage sollst du ungesäuertes Brot essen, und am siebenten Tage ist des Herrn Fest. 7. Darum sollst du sieben Tage ungesäuertes Brot essen, daß bei dir kein Sauert­eig noch gesäuertes Brot gesehen werde an allen deinen Orten. (2. Mose 13, 3–7)

Das jüdische Erinnerungsgebot, im ungesäuerten Brot den Auszug aus Ägypten versinnbildlicht, wird zur transkulturellen Chiffre der Erfahrung von Migration, Flucht, Umsiedlung, Vertreibung und Ausweisung im 20. Jahrhundert. Theresia Moho (geb. 1928) schreibt vor einem ähnlichen biografischen Hintergrund. Auch sie ist, wie Georgine und Alois König, aus Slawonien nach Deutschland ausgewandert, schreibt jedoch Deutsch. In ihrem Roman »Marjanci. Eine Kindheit in Kroatien 1928 bis 1945« (1992) zeichnet sie die Lebensgeschichte der donauschwäbischen Familie Weissenberg im Wandel der Jahrzehnte, von der 402 Alois König, Georgine König  : Die Tage der ungesäuerten Brote. Aus dem Kroatischen übersetzt von Dragutin Horvat. Hemmingen bei Stuttgart 1993, S. 7 f.

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Machtergreifung Hitlers bis in die Nachkriegszeit. In der kroatischen Öffentlichkeit wurde Mohos zweiter Roman »Weil die Nacht keine Augen hat« (2001) mit großer Aufmerksamkeit aufgenommen. Die Erinnerungen der Autorin, insbesondere die Schilderung der Lager für die Deutschen, der Fluchtversuche und des Verlassens der Heimat, traf den Nerv des kriegserfahrenen kroatischen Lesepublikums. Zdenka Štefančić Mufa thematisiert mit ihrem Roman »Zelena ulica« (Die grüne Straße, 1997) den Niedergang einer deutschen Familie aus Vukovar, der mit dem Untergang des alten Europa verknüpft wird. Goran Beus Richembergh veröffentlichte im »Jahrbuch der Deutschen Volksgemeinschaft« 1995 das Drama »Ulmska kutija« (Die Schachtel aus Ulm), das Anfang 1996 im Theater »&TD« in Zagreb uraufgeführt wurde. Es handelt sich um ein zeitgenössisches Stück über eine kroatische bürgerliche Familie deutscher Herkunft. Ludwig (Ljudevit) Bauer hat die Auslöschung der donauschwäbischen Lebenswelt zu seinem literarischen und intellektuellen Thema gemacht. 403 Geboren in Sisak, studierte er zunächst Slawistik in Zagreb, dann in Bratislava, Paris und Prag. Er arbeitete als Übersetzer, Gymnasiallehrer in Zagreb, London und Washington, als Chefredakteur eines Verlagshauses in Zagreb, als Werbefachmann, Gründer und Leiter der Schule für kreatives Schreiben, professioneller Fahrer, Drehbuchschreiber, Journalist, Herausgeber. 1991 war er einer der Gründer des alljährlichen Wissenschaftlichen Symposions »Nijemci i Austrijanci u hrvatskom kulturnom krugu« (Deutsche und Österreicher im kroatischen Kulturraum). In seinen Romanen »Kratka kronika porodice Weber« (Die kurze Chronik der Familie Weber, 1990), »Biserje za Karolinu ili Križni put Borisa Brucknera« (Die Perlen für Karolina oder der Kreuzweg von Boris Bruckner, 1997) und »Don Juanova velika ljubav i mali balkanski rat« (Don Juans große Liebe und der kleine Balkankrieg, 2002) besinnt er sich auf die Leidensgeschichte der deutschen Bevölkerung in Jugoslawien. In seinem ironischen Bildungsroman »Biserje za Karolinu ili Križni put Borisa Brucknera« schildert Bauer die Entwicklung und die 403 Vgl. etwa Ludwig (Ljudevit) Bauer  : Povijesno iskustvo Podunavskih Švaba kao literarna građa  : U okrilju Hegela i Kanta (Die historische Erfahrung der Donauschwaben als literarischer Stoff  : Unter dem Schutz von Hegel und Kant). In  : Književna revija (Osijek), 34 (1994) H. 1/2, S. 4–8  ; Perspektive djelovanja Nijemaca i Austrijanaca u hrvatskom kulturnom krugu (Perspektiven der Wirkung von Deutschen und Österreicher im kroatischen Kulturkreis). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2001, S. 251–258  ; Kulturni identitet podunavskih Nijemaca kao književni izazov (Die kulturelle Identität der Donauschwaben als literarische Herausforderung). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2002, S. 89– 93  ; Izmedju asimliacije i integracije (Zwischen Assimilation und Integration). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2003, S. 209–213.

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Desillusionierung des jungen Intellektuellen Boris Bruckner. Der Kreuzweg, den er durchwandert, ist allein durch seine nationale Zugehörigkeit bedingt. Der Sohn einer gutbürgerlichen donauschwäbischen Familie stößt im Nachkriegsjugoslawien nur auf Hindernisse. Als ausgebildeter Historiker findet er keine Anstellung außer als Lehrer in einem entlegenen Dorf. Jegliche Form der gesellschaftlichen Integration bleibt ihm versagt. In das Nachbarmädchen Karolina verliebt, die rücksichtslos ihre politische Karriere verfolgt und ihn als ›Ghostwriter‹ und Ideengeber missbraucht, muss Bruckner auch im Privaten sein Scheitern hinnehmen. In einem Gespräch mit Karolina bringt er den wahren Grund seiner Unangepasstheit auf den Punkt  : Und mein Vater war Deutscher. Weißt Du, ich habe im Nachhinein verstanden, dass er viel mehr Deutscher war, als er dies zeigen wollte. Und Deutscher war er hauptsächlich dadurch, dass er sich schuldig fühlte für das, was die Deutschen unter Hitler sich selbst und anderen angetan haben. Er war Deutscher dadurch, dass er das nationale Schuld­ gefühl mit anderen teilte  ! Und wenn ich von ihm irgendetwas geerbt habe, dann ist es diese Aversion gegen den Kollektivismus jeder Art, und die Überzeugung, dass die Weltanschauung, der zufolge bestimmte Völker besser sind als andere, wahnsinnig und irra­ tional ist, und dass sie zu nichts Gutem führt.404

Dass Bruckner auf sein Leiden nicht mit Verbitterung, sondern mit Humor und Milde reagiert, ist eine beachtliche Erzählqualität dieses Romans. Selbst als er in eine Irrenanstalt eingesperrt wird, bleibt ihm das Vermögen der selbstironischen Transzendenz erhalten. Nur so kann er mit seinem Schicksal als Deutscher zurechtkommen. Der serbische Romanschriftsteller Miodrag Maticki (geb. 1940) schildert in seinem Roman »Idu Nemci« (Die Deutschen in Sicht, 1994) das Leben der Deutschen im Banat gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Lijerka Damjanov Pintar publizierte ihren ersten Roman »Legenda i zbilja« (Legende und Wirklichkeit) 1993. In diesem historischen Roman, der die Zeitspanne vom 13. bis zum späten 20. Jahrhundert umfasst, zeichnet die Autorin die Geschichte einer deutschen Familie. Pavle Ugrinov (i. e. Vasilije Popović, 1926−2007), ein Dichter aus der Vojvodina, analysiert in seinem autobiografischen Roman »Antiegzistencija« (Antiexistenz) die historischen und politischen Bedingungen des Lebens der Deutschen in der Vojvodina. 404 Ludwig (Ljudevit) Bauer  : Biserje za Karolinu ili Križni put Borisa Brucknera (Die Perlen für Karolina oder der Kreuzweg von Boris Bruckner). Sarajevo 1997, S. 160. Übersetzung Mirjana Stančić.

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Innerhalb des großen Angebots der donauschwäbischen Erinnerungsliteratur sei auf einen Autor hingewiesen, der nicht unmittelbar zur Hauptlinie der in diesem Überblick vertretenen Autoren gehört. Johannes Weidenheim (i. e. Ladislaus Johannes Jakob Schmidt, 1918−2002) ist einer der bekanntesten Dichter der Generation der Vertriebenen. Er schrieb in deutscher Sprache und lebte in Deutschland, doch ist das Kernmotiv seiner Literatur im donauschwäbischen Lebensraum verortet. Von 1941 bis 1943 arbeitete Weidenheim als Redakteur beim deutschen Besatzungssender in Belgrad, nach 1945 ließ er sich in Deutschland nieder und ging unterschiedlichen Berufen nach, u. a. als Übersetzer, Gerichtsdolmetscher und freier Schriftsteller. Er lebte u. a. in Hamburg und Stuttgart. Im Kreis der Gruppe 47 trat er mit seinen Romanen »Nichts als ein bisschen Musik« (1947) und »Das türkische Vaterunser« (1955) hervor, geriet jedoch später in Vergessenheit. Er hat über dreißig Romane geschrieben. Seine alte Heimat thematisiert er in seinen Erinnerungsromanen »Heimkehr nach Maresi« (1994) und »Maresi, eine Kindheit in einem donauschwäbischen Dorf« (1999). Die Vorwegnahme des Maresi-Zyklus ist Weidenheims Meistererzählung »Ein Sommerfest in Maresi«, 1956 in Heilbronn erstveröffentlicht. Die Merkmale seines knappen Erzählstils, der keine Ausschweifungen duldet, kommen schon in der Geschichte über die plötzliche Wende im Lebensfluss eines ruhigen Nests »zwischen Donau und Theiß«405 zum Ausdruck, die durch den Besuch eines Männerchors aus Deutschland ausgelöst wird. Als sich zwei junge »Deutschländer«, wie die Menschen aus dem Reich von den Donauschwaben genannt wurden, überraschend beim Bürgermeister einstellen, um den Auftritt ihres Chores mit deutschem Volksliedgut beim Sommerfest in Maresi anzukündigen, setzen sie eine verhängnisvolle Kettenreaktion in Bewegung, die tragisch endet. Einer der jungen »Deutschländer« erkennt in dem Chorleiter und beliebten Musiklehrer Siegmund Krips den Juden, der vor vielen Jahren seinen Heimatort in Deutschland verlassen hat. In der antisemitischen Hetze, die ebenso plötzlich wie heftig losbricht, bewahren nur drei Menschen in Maresi einen klaren Kopf  : der Amtsdiener Hannphilipp, seine Tochter und sein Enkel Fritz. Sie stellen sich der entfesselten Masse entgegen und zeigen menschliche Größe. »Die Geschichte, die ich hier erzähle, ist die Geschichte eines unbekannten, einfachen Menschen und eines einzigen, in keiner Chronik vermerkten Tages, an dem sich die Bruderschaft des Menschen zu seinem verfolgten Mitmenschen erfüllte.«406 Wie ein Uhrwerk war diese Welt kleiner Handwerker, einfacher Arbeiter, Diener und Bauern aufeinander abgestimmt, bis sie plötzlich aus den Fugen gerät. 405 Johannes Weidenheim  : Ein Sommerfest in Maresi. Heilbronn 1956, S. 5. 406 Ebd.

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6. Ausblick  : Trauerarbeit und Erinnerung

Die festen Machtstrukturen, Autoritäten und Hierarchien brechen ein. Man hört nicht mehr auf den Richter und der Diener Hannphilipp wird ungehorsam. Es flackert in seinen Augen wie damals, als er noch jung war. Doch die Tragödie nimmt ihren Lauf. Fritz weigert sich, ein Gedicht aufzusagen, und das Sommerfest endet im Chaos. Hannphilipp, der ›Hauptmann von Köpenick aus dem Banat‹, wird verhaftet, und der jüdische Lehrer Krips schluckt Zyankali. Er »hatte den Inhalt eines kleinen Fläschchens ausgetrunken, das er seit einigen Jahren bei sich führte, weil er im Grunde dem Frieden nirgends mehr so recht getraut hatte.«407 Weidenheim zeichnet seine Figuren mit der sicheren Hand eines Realisten, der auch ein Auge für Skurriles hat. Hier ist etwa der brutale Lehrer Kunz, der seine Tomaten beim Wachsen beobachtet und bei der Nachricht von der jüdischen Identität seines Kollegen Krips vor Erregung so laut zu sprechen beginnt, »daß die beiden dick mit Fliegen behängten Fliegenfänger leise und hin und her zu schwanken anfingen.«408 Oder der Wirt des Gasthauses »Gambrinus«, der stets, auch im Sommer, einen kleinen schwarzen Fez auf dem Kopf trägt und bis zum letzten Moment zögert, noch ein Fass Bier zu bestellen. Schließlich der kleine Fritz, der eine besondere Sensibilität für Gerechtigkeit hat und als Reaktion auf unrechtes Tun auf den Aprikosenbaum im Garten des Großvaters zu klettern pflegt. Als ihn sein Vater einmal mit Gewalt hinunterziehen will, stürzt er sich in die Tiefe und bricht sich ein Bein. Diese Welt ist heute nur noch Geschichte, versunken, aber nicht folgenlos. Auch in Deutschland und Österreich wird ihrer gedacht, wie Weidenheim paradigmatisch zeigt. Der Wiener Maler und Schriftsteller Robert Hammerstiel (geb. 1933), der aus Werschetz stammt, zeichnet in seiner fiktionalisierten Autobiografie »Von Ikonen und Ratten. Eine Banater Kindheit 1939–1949« (1999) die eigene Lebensgeschichte vor dem Hintergrund der donauschwäbischen Schicksale nach. In Kroatien, Slowenien, Bosnien und Serbien – wie die Beispiele zu Beginn dieses Ausblicks zeigen – bleibt die Geschichte der Deutschen und der deutschen Sprache weiterhin ein Anstoß zur kulturellen Selbstbesinnung dieser Nationen. Die interkulturellen Verflechtungen aufzubewahren für europäische Kontexte, bleibt eine Verpflichtung, aus der auch der Impuls für dieses Buch erwachsen ist. Bedenkt man, dass die deutsche Volksgruppe in Jugoslawien von 1918 fast eine halbe Million Menschen umfasste, werden auch die Dimensionen dessen klar, was in dieser Studie thematisiert wurde, nämlich die Dialektik der Geschichte und der Gegenwart im Literarischen. 407 Ebd., S. 79. 408 Ebd., S. 11 f.

Auswahlbibliografie Vorbemerkung Diese Literaturauswahl soll der ersten Orientierung dienen. Für Spezialfragen, insbesondere auch für die Quellentexte sei auf die bio-bibliografische Übersicht (Anhang) verwiesen. Die vorliegende Monografie hatte weder das Ziel noch ist der Anspruch erhoben worden, eine literaturwissenschaftliche Spezialforschung darzustellen  ; vielmehr war und ist der Überblickscharakter ihr Ziel. Der Blick soll also auf die Texte und die Literatur selbst, nicht auf die Texte über die Romane, Erzählungen, Gedichte und Dramen der deutschsprachigen Literatur des ehemaligen Jugoslawien gelenkt werden. Dass sich die Studie der speziellen literaturhistorischen Forschung und vielfältigen methodischen und theoretischen, kultur-, sozial- und politikhistorischen Beiträgen verpflichtet sieht, muss nicht besonders ausgeführt werden. Die Auswahlbibliografie soll dies aber noch einmal dokumentieren. Zumal die im ersten Teil der folgenden Auswahl genannten Titel stellen den literarhistorischen und theoretischen Hintergrund der Fragestellungen dar, die auch für das Konzept dieser Studie maßgeblich sind, auch wenn eine explizite Auseinandersetzung mit den Thesen und Befunden dieser Forschung im Sinne der Hinführung zu den Quellen hier bewusst unterblieben ist. Daher wurden auch die Fußnoten nicht mit entsprechenden Verweisen überfrachtet. Der zweite Teil der Auswahlbibliografie will helfen, speziellere, zumeist regional oder auf Autoren konzentrierte Fragestellungen zu erschließen und wieder einige Beiträge zu nennen, die besonders hilfreich bzw. für den deutschen Leser leichter zugänglich sind. Im Einzelfall wurden aber auch wenige unverzichtbare Publikationen in nichtdeutscher Sprache aufgeführt. A llgemeine Forschungsliter atur (mit Hilfsmit teln) Amann, Klaus/Lengauer, Hubert/Wagner, Karl (Hg.)  : Literarisches Leben in Österreich 1848–1890. (= Literaturgeschichte in Studien und Quellen, Bd. 1). Wien u. a. 2000. Bešlin, Branko  : Naseljavanje Nemaca u Vojvodini (Die Ansiedlung der Deutschen in der Vojvodina). Novi Sad 2006. Böhm, Johann  : Die Deutsche Volksgruppe in Jugoslawien 1918–1945. Innen-

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Obad, Vlado  : Regionalität und Universalität am Beispiel der deutschsprachigen Literatur in Slawonien. In  : Anton Schwob (Hg.)  : Methodologische und literarhistorische Studien zur deutschen Literatur Ostmittel- und Südosteuropas. München 1994, S. 107–114. Obad, Vlado  : Roda Roda und die deutschsprachige Literatur aus Slawonien. Wien 1996. Obad, Vlado  : Slavonska književnost na njemačkom jeziku (Die slawonische Literatur der deutschen Sprache). Osijek 1989. Obad, Vlado  : Wilma von Vukelich  : Eine Chronistin des Judentums in Mitteleuropa. In  : Anton Schwob (Hg.)  : Deutsche Literatur Ostmittel- und Südosteuropas von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute. Forschungsschwerpunkte und Defizite. München 1992, S. 147–162. Okuka, Miloš  : Zwischen Orient und Okzident. Deutsche Reisebeschreibungen über Bosnien-Herzegowina 1530–1990. In  : Ulrich Obst, Gerhard Ressel (Hg.)  : Balten – Slaven – Deutsche. Aspekte und Perspektiven kultureller Kontakte. Festschrift für Friedrich Scholz. Münster 1999, S. 205–215. Pederin, Ivan  : Murad Efendi – Franz von Werner. In  : Südost-Forschungen 32 (1973), S. 106–122. Pederin, Ivan  : Naši pisci na njemačkom jeziku (Unsere deutschsprachige Schriftsteller ). In  : Forum (Zagreb), XVIII (1979) H. 4–5, S. 838–860. Pederin, Ivan  : Austrijski propisi o tisku i nadzor nad dalmatinskim tiskom (1848–1863) (Österreichische Pressegesetze und Überwachung der dalmatinischen Presse [1848–1863]). In  : Bibliotekarstvo, 33 (1987), S. 62–71. Pederin, Ivan  : Njemački putopisi po Dalmaciji (Deutsche Reiseliteratur über Dalmatien). Split 1989. Pederin, Ivan  : Jadranska Hrvatska u austrijskim i njemačkim putopisima (Das adriatische Kroatien in österreichischen und deutschen Reiseberichten). Zagreb 1991. Pederin, Ivan  : Bosna i Hercegovina (Bosnien und Herzegowina). In  : Osvit (Sarajevo), 3–4 (2003), S. 5–35. Pederin, Ivan  : Časopis Vienac i književna Europa 1869–1903 (Die Zeitschrift »Der Kranz« und das literarische Europa 1869–1903). Zagreb 2005. Pederin, Ivan  : Austrijska vlast u dalmatinskoj politici (1878–1914) (Österreichische Herrschaft in der dalmatinischen Politik [1878–1914]). Zadar 2009. Petrović, Velimir  : Essekerisch. Das Osijeker Deutsch. Wien 2001. Potthoff, Wilfried  : Imbro Tkalac als autobiographischer Autor. In  : Byzantine Studies, 11–12 (1984−85), S. 303–313. Riecke, Jörg/Schuster, Britt-Marie unter Mitarbeit von Natalia Savitskaya (Hg.)  :

Auswahlbibliografie

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Deutschsprachige Zeitungen in Mittel- und Osteuropa. Sprachliche Gestalt, historische Einbettung und kulturelle Traditionen. Berlin 2005. Rišner, Željko  : Neki drugi pisci esekerski (Manch andere Esseker Dichter). Osijek 1999. Roazen, Paul  : Brother Animal. The Story of Freud and Tausk. New York 1969. Sachslehner, Johannes  : Führerwort und Führerblick. Mirko Jelusich. Zur Strategie eines Beststellerautors in den Dreißiger Jahren. Königstein/Ts. 1985. Škreb, Zdenko  : Name und Gestalt der Kroaten in der deutschen Dichtung. In  : Anzeiger für slavische Philologie, IX (1977) H. 2 (Gedenkschrift für Josef Matl), S. 281–299. Zeman, Mirna  : Reisen auf den Spuren »illyrischer Barden«. Gemeinplätze des literarischen Morlakismus. In  : Gisela Ecker, Susanne Röhl (Hg.)  : In Spuren reisen. Vor-Bilder und Vor-Schriften in der Reiseliteratur. Berlin 2006, S. 125–144. Zeman, Mirna  : Kroatische Imagothemen. Deutschsprachige Fremddarstellungen »illyrischer Völkerschaften«. In  : Miroslawa Czarnecka, Thomas Borgstedt, Tomasz Jablecki (Hrsg)  : Frühneuzeitliche Stereotype. Zur Produktivität und Restriktivität sozialer Vorstellungsmuster. Bern u. a. 2010, S. 129–150. Žepić, Stanko  : Zur Geschichte der deutschen Sprache in Kroatien. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 11 (2002), S. 209–227. Ziegler, Heinrich  : Murad Efendi (Franz von Werner). Eine Biografie und Würdigung seiner dramatischen Werke. Inaugural-Dissertation an der Kgl. Westfälischen Universität Münster, gedruckt in Dortmund 1917. Živković-Kerže, Zlata  : Židovi u Osijeku 1918–1941. ( Juden in Osijek 1918– 1941). Slavonski Brod 2005. Slowenien Arns, Inke  : Neue Slowenische Kunst – NSK. Laibach, Irwin, Gledališče sester Scipion Nasice, Kozmokinetično gledališče Rdeči pilot, Kozmokinetični kabinet Noordung, Novi kolektivizem. Eine Analyse ihrer künstlerischen Strategien im Kontext der 1980er Jahre in Jugoslawien. Regensburg 2002. Baum, Wilhelm (Hg.)  : France Prešeren  : Deutsche Dichtungen. Klagenfurt 1999. Birk, Matjaž  : »… vaterländisches Interesse, Wissenschaft, Unterhaltung und Belehrung …«. Illyrisches Blatt (Ljubljana, 1819–1849), literarni časopis v nemškem jeziku v slovenski provinci predmarčne Avstrije (Illyrisches Blatt, Ljubljana 1819–1849, deutschsprachige literarische Zeitschrift in der slowenischen Provinz des Vormärz-Österreich). Maribor 2000.

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Auswahlbibliografie

Birk, Matjaž  : Panslawistische und illyrische Kulturideologie in der Laibacher Literaturpublizistik des Vormärz. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 10 (2001), S. 137–151. Birk, Matjaž  : »Die wiedergewonnene Thalia«. Das deutsche Drama in Maribor (Marburg/Drau) im II. Weltkrieg. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 13 (2004), S. 255–268. Birk, Matjaž  : Kulturvermittler im slowenischen ethnischen Territorium des Habsburgerreichs. Ein literarisches Fallbeispiel. In  : http://lithes.uni-graz.at/ lithes/beitraege09_02/heft_2_birk.pdf [Zugriff vom 15.8.2010]. Bogner, Ralf Georg/Brandtner, Andreas (Hg.)  : Interkulturelle Asymmetrie. Edward Samhabers Übertragung des slowenischen Nationalautors France Prešeren. Mit einer Edition der »Preširenklänge« (1880) von Edward Samhaber. Wien u. a. 1999. Brandtner, Andreas/Michler, Werner  : Zur Geschichte der österreichisch-slowenischen Literaturbeziehungen. Wien 1998. Faganel, Jože/Dolinar, Darko (Hg.)  : France Prešeren – kultura – Evropa (France Prešeren – Kultur – Europa). Ljubljana 2002. Gantar, Kajetan  : Antični substrat v metaforiki Prešernovih nemških pesmi (Das antike Substrat in der Metaphorik der deutschen Gedichte Prešerens). In  : Jože Faganel, Darko Dolinar (Hg.)  : France Prešeren – kultura – Evropa (France Prešeren – Kultur – Europa). Ljubljana 2002, S. 125–144. Giesemann, Gerhard  : Kulturhistorische Berührungspunkte zwischen Slowenien und Habsburg. In  : Gun-Britt Kohler, Rainer Grüber, Hans Henning Hahn (Hg.)  : Habsburg und die Slavia. Frankfurt am Main 2008, S. 327–355. Grah, Drago  : Das Menschenbild im Werk Friedrich von Gagerns. In  : Acta Neophilologica (Ljubljana), 14 (1981), S. 9–18. Griesser-Pečar, Tamara  : Maribor/Marburg an der Drau. Eine kleine Stadtgeschichte. Wien u. a. 2011. Hösler, Joachim  : Von Krain zu Slowenien  : Die Anfänge der nationalen Differenzierungsprozesse in Krain und der Untersteiermark von der Aufklärung bis zur Revolution 1768 bis 1848. München 2006. Janko, Anton/Schwob, Anton unter Mitarbeit von Carla Carnevale (Hg.)  : Anastasius Grün und die politische Dichtung Österreichs in der Zeit des Vormärz. München 1995. Köstler, Erwin  : Vom kulturlosen Volk zur europäischen Avantgarde  : Hauptlinien der Übersetzung, Darstellung und Rezeption slowenischer Literatur im deutschsprachigen Raum. Bern u. a. 2006.

Auswahlbibliografie

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Kucher, Primus-Heinz (Hg.)  : Adolf Ritter von Tschabuschnigg (1809–1877). Literatur und Politik zwischen Vormärz und Neoabsolutismus. Wien u. a. 2006. Lauer, Reinhard  : France Prešerens Sonett »An die Slowenen, die in deutscher Sprache dichten«. Dankesgruß an Dr. Dr. Rudolf Trofenik. In  : Münchner Zeitschrift für Balkankunde (1991) H. 7–8, S. 75–83. Maley, Uta  : Literarische Affinitäten zwischen Österreich und Slowenien im Vormärz  ? In  : Johann Holzner, Wolfgang Wiesmüller (Hg.)  : Jugoslawien – Österreich. Literarische Nachbarschaft. Innsbruck 1986, S. 239–252. Maurer-Lausegger, Herta  : Slowenisch und Deutsch in Kärnten. Sprachlichkulturelle Koexistenz und Germanisierungsprozess von den maria-theresianischen Reformen bis zum Ende der Habsburgermonarchie. In  : Gun-Britt Kohler, Rainer Grübel, Hans Henning Hahn (Hg.)  : Habsburg und die Slavia. Frankfurt am Main 2008, S. 148–173. Miladinović Zalaznik, Mira  : Theaterkritik in der Zeitschrift »Carniolia«. In  : Anton Schwob (Hg.)  : Methodologische und literarhistorische Studien zur deutschen Literatur Ostmittel- und Südosteuropas. München 1994, S. 67–79. Miladinović Zalaznik, Mira  : »Ein jedes Volk hat seinen Mann, den es sich von einem heiligen reinen Glorienschein umgeben denkt«. Ein kleiner Versuch über France Prešeren im 19. Jahrhundert. In  : Andreas Brandtner, Werner Michler (Hg.)  : Zur Geschichte der österreichisch-slowenischen Literaturbeziehungen. Wien 1998, S. 91–103. Miladinović Zalaznik, Mira  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen. Ljubljana 2002. Miladinović Zalaznik, Mira  : Der Wiener Kongress, wie er sich in den Laibacher Blättern jener Zeit verfolgen lässt. In  : Jörg Riecke, Britt-Marie Schuster unter Mitarbeit von Natalia Savitskaya (Hg.)  : Deutschsprachige Zeitungen in Mittel- und Osteuropa. Sprachliche Gestalt, historische Einbettung und kulturelle Traditionen. Berlin 2005, S. 379–391. Miladinović Zalaznik, Mira  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen. Bd. 2  : Leopold Kordesch und seine Zeit. Ljubljana 2008. Miladinović Zalaznik, Mira/Sienerth, Stefan/Sass, Maria (Hg.)  : Literarische Zentrenbildung in Ostmittel- und Südosteuropa  : Hermannstadt/Sibiu, Laibach/Ljubljana und weitere Fallbeispiele. München 2010. Paternu, Boris  : France Prešeren. Ein slowenischer Dichter 1800–1849. München 1994. Rudan, Othmar  : Im Wandel unwandelbar. Der Kärtner Dichter und Politiker Adolph Ritter Tschabuschnigg 1809–1877. Porträt einer problematischen Persönlichkeit. Klagenfurt 1977.

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Auswahlbibliografie

Rumpler, Helmut/Suppan, Arnold (Hg.)  : Geschichte der Deutschen im Bereich des heutigen Slowenien 1848–1941. München 1988. Serbien, die Vojvodina Austrijsko-jugoslavenski odnosi (Österreichisch-jugoslawische Beziehungen). In  : Enciklopedija Jugoslavije (Enzyklopädie Jugoslawiens). Zagreb 1980, Bd. 1, S. 331–364. Bauer, Ludwig (Ljudevit)  : Povijesno iskustvo Podunavskih Švaba kao literarna građa  : U okrilju Hegela i Kanta (Die historische Erfahrung der Donauschwaben als literarischer Stoff  : Unter dem Schutz von Hegel und Kant). In  : Književna revija (Osijek), 34 (1994) H. 1–2, S. 4–8. Bauer, Ludwig (Ljudevit)  : Kulturni identitet podunavskih Nijemaca kao književni izazov (Die kulturelle Identität der Donauschwaben als literarische Herausforderung). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2002, S. 89–93. Bekić, Tomislav  : Pisma Hermana Vendela Stanoju Stanojloviću (Briefe Hermann Wendels an Stanoje Stanojlović). In  : Zbornik Matice srpske za istoriju, 47–48 (1993), S. 167–184. Bekić, Tomislav  : Zwischen Tradition und Moderne  : die deutschsprachige Literatur in der Zeitschrift »Brankovo kolo« (1895–1914). In  : Anton Schwob (Hg.)  : Methodologische und literarhistorische Studien zur deutschen Literatur Ostmittel- und Südosteuropas. München 1994, S. 95–105. Beli-Göncz, Julijana/Kovač, Robert  : Deutschsprachige Zeitungen in der Vojvodina im Überblick. In  : Jörg Riecke, Britt-Marie Schuster unter Mitarbeit von Natalia Savitskaya (Hg.)  : Deutschsprachige Zeitungen in Mittel- und Osteuropa. Sprachliche Gestalt, historische Einbettung und kulturelle Traditionen. Berlin 2005, S. 415–424. Bešlin, Branko  : Vesnik tragedije. Nemačka štampa u Vojvodini 1933–1941 (Der Bote der Tragödie. Die deutsche Presse in der Vojvodina 1933–1941). Novi Sad, Sremski Karlovci 2001. Bešlin, Branko  : Nemci u Vojvodini 1918–1941 (Deutsche in der Vojvodina 1918–1941). In  : Tokovi istorije. Časopis Instituta za noviju istoriju Srbije (Geschichtsläufe. Zeitschrift des Instituts für die Zeitgeschichte Serbiens) (Belgrad), 1–4 (1999), S. 207–240. Geehr, Richard S.: Adam Müller-Guttenbrunn and the Aryan Theater of Vienna  : 1898–1903. The Approach of Cultural Fascism. Göppingen 1973. Hegedüs-Kovačević, Katalin  : Arbeiterbewegung und Arbeiterdichtung in der

Auswahlbibliografie

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Batschka und im Banat bis 1914. In  : Arbeiterbewegung und Arbeiterdichtung. Beiträge zur Geschichte der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung im Sudeten-, Karpaten- und Donauraum. Referate gehalten in Stockerau am 3.−4. September 1987 im Rahmen der »Mattersburger Gespräche« (Folge 9). Stuttgart 1988, S. 27–36. Konstantinović, Zoran  : Deutsche Reisebeschreibungen über Serbien und Montenegro. München 1960. Konstantinović, Zoran  : Deutsch-serbische Begegnungen. Berlin 1997. Kostić, Strahinja K.: Die ersten serbischen Lehrbücher im Rahmen der Geschichte der österreichisch-serbischen Literatur- und Kulturbeziehungen. In  : Johann Holzner, Wolfgang Wiesmüller (Hg.)  : Jugoslawien – Österreich. Literarische Nachbarschaft. Innsbruck 1986, S. 233–238. Kostić, Strahinja K.: Nemački klasici na sceni Srpskog narodnog pozorišta u Novom Sadu (Deutsche Klassiker auf der Szene des Serbischen Volkstheaters in Novi Sad). Novi Sad 1961. Kovačević, Katalin  : Stephan Milow (von Millenkovich) und seine Beziehungen zu den Serben und Kroaten. Novi Sad 1976. Mojašević, Miljan  : Deutsch-jugoslawische Begegnungen. Wien 1970. Mojašević, Miljan  : Kopitar, Vuk i Gotšalkova zbirka nemačkih narodnih pripovedaka (1814) (Kopitar, Vuk und Gottschalks Sammlung deutscher Volksmärchen [1814]). Novi Sad 1989. Mojašević, Miljan  : Brüder Schott in der Nachfolge der Brüder Grimm. In  : Ludwig Denecke (Hg.)  : Brüder Grimm Gedenken. Marburg 1990, Bd. 9, S. 140– 156. Mojašević, Miljan  : Stihovi i putopisne crtice Artura Šota o Srbiji i Banatu (1841–1850) (Verse und Reisenotizen Arthur Schotts über Bosnien und Banat [1841–1850]). Belgrad 1990. Njemačko-jugoslavenski odnosi (Deutsch-jugoslawische Beziehungen). In  : Enciklopedija Jugoslavije (Enzyklopädie Jugoslawiens). Zagreb 1965, Bd. 6, S. 325– 356.

Kurzbiografien  : Bio-bibliografische Informationen Die bio-bibliografischen Informationen des Anhangs wollen neben der Darstellung einen alternativen Zugang zum Stoff bieten. Die lebensgeschichtliche Dimension ist gerade in der multikulturell geprägten Übergangsregion deutscher, kroatischer, slowenischer und weiterer »Nationalitäten« ein wesentlicher Zugang zu unserer Problemstellung, wie schon die oft wechselnden Namen bzw. Namensschreibungen bezeugen. Deutlich wird auch durch die Ortsangaben, wie mobil bereits die Kultur des 18., 19. sowie frühen 20. Jahrhunderts war – im Rahmen der Donaumonarchie und darüber hinaus. Viele der behandelten Autoren stehen so lebensgeschichtlich mit einem Fuß in der Untersuchungsregion und mit einem anderen Fuß in ganz anderen Teilen Österreich-Ungarns, Deutschlands oder anderer Länder. Die Angaben verzeichnen die Primärliteratur der wichtigsten Autoren, wenn notwendig in einer strengen Konzentration auf die behandelten Texte bzw. die für unser Thema einschlägigen Werke, sie geben zu diesen Autoren nochmals Biogramme und schließlich Hinweise zur Forschungsliteratur. Für die Aufnahme der Autorinnen und Autoren in den Anhang sind Relevanz und eine gewisse Informationsdichte Voraussetzung, wobei freilich eine informative Kürze angestrebt wurde. Entsprechendes gilt für die Auswahl der Forschungsliteratur und der Editionen. Vollständigkeit wäre hier weder möglich noch hilfreich im Sinne des angestrebten Übersichtscharakters dieses Buchs. Gleichwohl wurde natürlich versucht, Zugänge zu aktuellen Thesen und greifbaren Ausgaben zu eröffnen. Bibliografische Informationen zu den »weiteren« Autoren sind unmittelbar den Fußnoten zu entnehmen. Auf wiederholt genutzte Werke weisen die folgenden Abkürzungen hin  : Velimir Deželić (1901) Velimir Deželić  : Iz njemačkog Zagreba. Prinos kulturnoj povjesti Hrvata (Aus dem deutschen Zagreb. Beitrag zur Kulturgeschichte der Kroaten). Zagreb 1901. Josef M atl (Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte) Kroatien – Slawonien. In  : Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte. Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Dichtung in Österreich-Ungarn. Nach dem Tode von Johann Willibald Nagl und Jakob Zeidler herausgegeben von Eduard Castle. Bd. 3, Wien 1930, S. 587–592  ; Wien 1937. Bd. 4, S. 1474–1484.

Kurzbiografien  : Bio-bibliografische Informationen

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Josef M atl (1965) Josef Matl  : Südslawische Studien. München 1965. Vl ado Obad (1989) Vlado Obad  : Slavonska književnost na njemačkom jeziku (Die slawonische Literatur der deutschen Sprache). Osijek 1989. Arthur Achleitner (Straubing 1858 – München 1927) Lehramtsstudium in Salzburg, abgebrochen, Reisen durch ganz Europa, über die er Feuilletons veröffentlichte. Ab 1878 Redakteur bei der »Süddeutschen Presse« in München, später dort als freier Schriftsteller. Ferienaufenthalte und Reisen u. a. in der Steiermark, in Kroatien und Bosnien, die in Erzählungen und Heimatromanen Niederschlag finden. Werke  : Der Leibeigene von Krawarsko, 1910  ; Reisen im slavischen Süden (Dalmatien und Montenegro), 1913  ; Aus Kroatien. Skizzen und Erzählungen, 1920. M aria Therese von Artner (Schintau/Slowakei 1772 – Zagreb 1829) Lebte seit 1811 in Wien und Ödenburg (bei ihrer Freundin Marianne von Tiell), in Wien befreundet mit Caroline Pichler. Unter dem Akronym Theone publizierte sie elegische Oden und Dramen. Seit 1822 auf Einladung von Bischof Vrhovac in Zagreb. Werke  : Die That, 1817  ; Rettung und Lohn, ein Lustspiel in einem Aufzug. 1823  ; Stille Größe, 1824  ; Rogneda und Wladimir. Trauerspiel, 1824  ; Zur priesterlichen Jubelfeier seiner Exzellenz, des hochwürdigsten Herrn Maximilian Verhovacz, 1826. Am Abend des sechzehnten Decembers 1827 (Mit Anmerkung  : Der Todestag Sr. Excellenz des hochwürdigen Herrn Maximilian Verhovacz v. Rakitovecz, Bischofs zu Agram, geboren zu Karlstadt am 23. November 1752), 1827  ; Briefe über einen Teil von Croatien und Italien an Caroline Pichler, 1830. Sekundärliteratur  : Velimir Deželić (1901), S. 26 ff.; Ivan Pederin  : Therese von Artner und die österreichische Literatur des Biedermeiers in Zagreb. In  : Österreich in Geschichte und Literatur, XXVIII (1984) H. 5, S. 300–312. Vjekosl av Babukić (Požega/Kroatien 1812 – Zagreb 1875) Philosophiestudium in Szegedin und Zagreb (1830–1832), Beamter, Rechtsanwalt und Redakteur von »Danica ilirska« (Der illyrische Morgenstern), Literaturbeilage der »Novine ilirske« (Illyrische Zeitung). Seit 1846 erster Professor für Kroatische Sprache an der Königlichen Akademie der Wissenschaft in Zagreb.

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Kurzbiografien  : Bio-bibliografische Informationen

Werke  : Grundzüge der ilirischen Grammatik, durchaus mit neuer Ortographie, 1839  ; Grundzüge der ilirischen Sprachlehre (Mit italienischer Übersetzung von Vladislav Vežetić), 1846–1849. Sekundärliteratur  : Josip Badalić  : O bilingvizmu u književnosti hrvatskog preporoda (Über die Zweisprachigkeit in der Literatur der kroatischen Wiedergeburt). In  : Umjetnost riječi, 14 (1970) H. 1/2, S. 15–24. Ludw ig (Ljudev it, Lujo) Bauer (Sisak/Kroatien 1941) Slawistik-Studium in Zagreb und Prag, Kroatischlehrer in Zagreb, London und Washington. Autor, Journalist, Herausgeber, Verlagsleiter und Übersetzer in Zagreb. 1991 Mitveranstalter des Wissenschaftlichen Symposions »Nijemci i Austrijanci u hrvatskom kulturnom krugu« (Deutsche und Österreicher im kroatischen Kulturraum). Sein Werk behandelt u. a. das Schicksal der Volksdeutschen in Nachkriegsjugoslawien. Werke  : Trag u travi (Die Spur im Gras), 1984  ; Trik (Der Trick), 1985  ; Kratka kronika porodice Weber (Die kurze Chronik der Familie Weber), 1990  ; Biserje za Karolinu ili Križni put Borisa Brucknera (Die Perlen für Karolina oder der Kreuzweg von Boris Bruckner), 1997  ; Partitura za čarobnu frulu (Partitur für eine Zauberflöte), 1999 und 2000 (dt. Graz 2007 und Klagenfurt 2008)  ; Don Juanova velika ljubav i mali balkanski rat (Don Juans große Liebe und der kleine Balkankrieg), 2002. Sekundärliteratur  : Lidija Dujić  : Podunavlje – europski obzor Bauerovih romana (Die Donaulandschaft – der europäische Horizont der Romane Bauers). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2002, S. 95– 101  ; Lidija Dujić  : Od sisačke obale Save do književne slave  : razgovor s Ludwigom Bauerom (Vom Saveufer in Sisak bis zum literarischen Ruhm). In  : Riječi, časopis za književnost, kulturu i znanost, (2008) H. 4, S. 221–228. Rudolf Baumbach (Kranichfeld/Ilm 1840 – Meiningen 1905) Studium bis 1864 in Leipzig, Würzburg und Heidelberg, Promotion in Philologie, Lehrer in Graz, Brünn und Görz (Famile Afendulis). Seit 1881 freier Schriftsteller (erfolgreicher Liederdichter). Herausgeber der Alpenvereins-Zeitung »Enzian«. Der Epos »Zlatorog« (1877) war sein Durchbruch. 1885 zurück in Meiningen, 1888 dort Hofrat. Werke  : Zlatorog. Eine Alpensage, 1877 (Neuausgabe München 1995)  ; Wanderlieder aus den Alpen, 1882  ; Mein Frühjahr (Gesammelte Gedichte aus »Enzian«), 1882  ; Andreas Seifert (Hg.)  : Bin ein fahrender Gesell. Rudolf Baumbach, Meiningen 1995.

Kurzbiografien  : Bio-bibliografische Informationen

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Sekundärliteratur  : Karl Emil Franzos  : Die Geschichte des Erstlingswerks (mit einem autobiografischen Text von Rudolf Baumbach). Berlin, Stuttgart 1894  ; Erhard Diez  : Rudolf Baumbach. Jena (Univ. Diss.) 1933  ; Andreas Seifert  : Die liebenswürdige Oberflächlichkeit. 4 Kapitel über Rudolf Baumbach, Meiningen 1987  ; Andreas Seifert  : »Zeit-vorbei«, 60 Jahre Museum Baumbachhaus. In  : Palmbaum, 5 (1997) H. 2, S. 126–128. Božena Begov ić (Split 1901 – Zagreb 1966) Tochter von Milan Begović, mit ihm als Kind in Hamburg und Wien. Schauspielstudium, Rundfunk, 1931 Dramaturgin am Zagreber Nationaltheater, nach 1945 dort leitende Tätigkeit bis 1953. Neben eigenen, zumeist deutschsprachigen Dichtungen wichtige Vermittlerin (Übersetzungen kroatischer Literatur ins Deutsche und französischer und deutscher Literatur ins Kroatische). Werke  : Lyrik und ein lyrisches Drama (Der Tod des Achilles, 1924/25) in Zeitungen. Übersetzungen  : Marin Držić  : Vater Marojes Dukaten, 1957  ; Marin Držić  : Plakir, 1957  ; Miroslav Krleža  : Das Bankett in Blitwien, 1963  ; Miroslav Krleža  : Tausendundein Tod. Erzählungen, 1966. Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 405 ff.; Sigrun Burić  : Zweisprachige Dichtung bei den Kroaten. Graz (Univ. Diss.) 1972. Mil an Begov ić (Pseudonyme Tugomir Cetinski, Xeres de la Maraja) (Vrlika/ Kroatien 1876 – Zagreb 1948) Bedeutender kroatischer Dramatiker, Erzähler und Übersetzer aus dem Italienischen. Naturwissenschaftliche und philologische Studien, Lehrer in Zadar und Split, Dramaturg in Hamburg, 1912 Regisseur in Wien. 1920–1927 lehrte er an der Staatlichen Schauspielschule in Zagreb, danach Intendant des Kroatischen Nationaltheaters. Werke  : Die letzte Tanzstunde des Bischofs von Orleans, 1912. Sekundärliteratur  : Marijan Brajinović  : Milan Begović und seine kulturellen Beziehungen zu Wien. Wien (Univ. Diss.) 1977  ; Boris Senker  : Kazališni čovjek Milan Begović (Der Theatermensch Milan Begović). Zagreb 1985. Carl M. Benda (Mähren 1856 – Osijek 1925) Benda verbrachte seine Kindheit und Jugend in Wien. Von 1889 bis 1920 war er Schriftleiter der Tageszeitung »Slawonische Presse« in Osijek. Werke  : Beiträge für die Zeitung »Slawonische Presse«, oft satirisch angehaucht.

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Populär waren seine »Spaziergänge«, satirische Beobachtungen und Kommentare des alltäglichen Lebens in Osijek. Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 49 ff.; Vlado Obad (Hg.)  : Regionalpresse Österreich-Ungarns und die urbane Kultur. Wien 2007. Géza Berger Schauspieler, Feuilletonist (»Esseker Bummler«) im »Esseker Lokalblatt und Landbote«, schrieb neben Dramen auch Novellen und einen Roman, trat in eigenen Stücken auf. Gegen Ende des Jahrhunderts siedelte er in die USA über. Genaue biografische Daten sind nicht bekannt. Werke  : Des Dichters Traum in der Sylvesternacht, 1861  ; Eiserne Jungfrau, 1864  ; Die Schlacht bei Essek im Jahre 1533, 1869. Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 28 ff.; Vlado Obad (Hg.)  : Regionalpresse Österreich-Ungarns und die urbane Kultur. Wien 2007. Gor an Beus R ichembergh (Split 1965) Studium der Politikwissenschaft in Zagreb, 1992 Mitbegründer der Landsmannschaft der Deutschen in Kroatien, seit 2007 Mitglied des kroatischen Parlaments. Viele Beiträge zur Kultur der Deutschen und Österreicher im ehemaligen Jugoslawien. Werke  : Ulmska kutija (Die Ulmer Schachtel). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 1995, S. 247–275  ; Nijemci u Bosni (Deutsche in Bosnien). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 1997, S. 135–142  ; Neki poznati Nijemci i Austrijanci u Dalmaciji (Einige bekannte Deutsche und Österreicher in Dalmatien). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 1999, S. 65–76  ; Hrvatski bog German (Der kroatische Gott German). In  : Hrvatska revija, 2 (2002) H. 3, S. 69–76. Sekundärliteratur  : Darko Lukić  : »Ulmska kutija« i njeno vrijeme (»Die Ulmer Schachtel« und ihre Theaterzeit). In  : Deutsches Wort. Blatt der Deutschen und Österreicher in Kroatien, (1996) H. 18/19, S. 30 f. Joseph Bl asnik (Idria/Slowenien 1800 – Ljubljana 1872) 1828 Übernahme der von Mayr gegründeten, ältesten Druckerei in Ljubljana  ; seinerzeit der wichtigste Verleger in Krain, u. a. mit den Zeitschriften »Carniolia«, »Kmetijske in rokodelske novice« und »Slovenija«. Sekundärliteratur  : Mira Miladinović Zalaznik  : Das literarische und kritische Schaffen in der deutschen Zeitschrift Carniolia (Ljubljana 1838–1844) mit besonderem Hinblick auf das Vaterländische. Ljubljana (Univ. Diss.) 1994  ; Mira

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Miladinović Zalaznik  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen. Ljubljana 2002. Ehepaar Bley er-Grohmann Ehepaar Armanda Bleyer (Hamburg 1870 –   ?), Carl Martin Grohmann (Debreczin 1870 –   ?) Das Ehepaar lebte etwa von 1900 bis 1912 in Osijek, danach in Wien. Sie verfassten gemeinsam zahlreiche Theaterstücke. Werke  : La belle Annette (später  : Annas Sündenfall), 1905  ; Die lieben Nächsten, 1906  ; Es kann vor Nacht leicht anders werden, 1906  ; Das goldene Mutterherz, 1907  ; Prinzessin Nimmersatt, 1907  ; König Enzio (später  : Lucia Viadagola), 1908  ; Der gute Bezirkshauptmann, um 1910  ; Ringelei, 1911  ; Johannistrieb, 1916  ; Schatten, 1919  ; Der Herr Major, 1920  ; Foxtrott, 1921  ; Das Mädel von Alsergrund, 1923  ; Liebesfälle, 1924  ; Das Wunder von Hintergeschiers, 1925. Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 42 f. Emerich Mirko Bogov ić (Warasdin 1816 – Zagreb 1893) Abitur in Warasdin, bis 1840 beim Militär in Peterwardein und Osijek. Unter Einfluss des kroatischen Dichters Antun Nemčić Studium in Zagreb (Philosophie und Jura), 1844 Rechtsanwalt in Budapest. Begeisterter Illyrier, publizierte Gedichte in Gajs Zeitschriften. Ab 1850 eine der zentralen literarischen Figuren in Kroatien, 1852 als Redakteur wegen Veröffentlichung eines kroatisch-patriotischen Gedichtes von Ivan Filipović verhaftet und mit ihm zu zwei Jahren schweren Zuchthauses verurteilt  ; nach sechs Monaten begnadigt. Weiterhin politisch aktiv. Deutsche und kroatische Publikationen in vielen literarischen Genres, auch zu politischen Themen. Werke  : Politische Rückblicke in Bezug auf Kroatien, 1861  ; Zur bosnischen Frage, 1880  ; Eine Lanze für den Schiffahrts-Kanal Rugvica-Agram, 1881  ; Ursachen und Wirkungen. Ein Schlusswort zu den vorjährigen Tumulten in Kroatien, 1884. Sekundärliteratur  : Đuro Stjepan Deželić  : Životopis Mirka Bogovića (Biografie von Mirko Bogović). Zagreb 1862  ; Antun Barac  : Mirko Bogović. In  : Rad JAZU, 245 (1933), S. 88–172  ; Wolfgang Kessler  : Politik, Kultur und Gesellschaft in Kroatien und Slawonien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Historiographie und Grundlagen. München 1981.

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Gemma (Erna) Boić (Zagreb 1883 – Wien 1914) Offizierstochter, Schauspielstudium in Wien und Frankfurt am Main, Debüt 1902 am Kroatischen Nationaltheater als »Johanna von Orleans«, bedeutende Tragödin, 1913 Wiener Volkstheater, Freitod in Wien. Slobodan Šnajder verarbeitete ihre Lebensgeschichte in seinem Theaterstück »Nevjesta od vjetra« (Die Windsbraut), Uraufführung 1998 in Bochum. Werke  : Dramen und Dramatisierung des Volksepos »Hasanaginica«, bruchstückhaft eingegangen in  : Camilla Lucerna  : Südslavische Dichtungen. Zagreb 1918, S. 88–96. Sekundärliteratur  : Ernst Leopold Stahl  : Gemma Boić, dem Gedächtnis einer Künstlerin. Ein Kapitel deutscher Theatergeschichte. Heidelberg 1915  ; Josef Matl (1965), S. 398. Eduar d Br eier (Ludbreg bei Warasdin 1811 – Zaiwitz bei Znaim/Mähren 1886) Aus jüdischer Familie, Dienst in der Artillerie, dann Publizist und freier Schriftsteller, 1847/48 Redakteur in Prag, später in Wien lebend. Von enormer Produktivität, bevorzugt historische Stoffe (»Wiener Alexis«). Werke  : Der Glöckner von Malborghetto und sein Kind. Nebst anderen Erzählungen, 1840  ; Die beiden Csikos und das Gelöbnis. Historisch-romantische Bilder aus Ungarns Vorzeit, 1840  ; Der Königsenkel. Die Schlacht bei Mohácz. Historische Novellen, 1840  ; Die Tartaren in Kroatien und Dalmatien. Historisches Gemälde aus den Zeiten König Bela des Vierten, 1841  ; Der Landwehrmann, 1847  ; Eine Maria Magdalena in Wien. Sittenroman aus unserer Zeit, 1849  ; Die Revolution der Wiener aus dem 1. Jahrhundert, 1850  ; Die Belagerung von Venedig, 1852  ; Wien und Rom. Sittenroman aus der Zeit Kaiser Josephs II., 1852  ; Trenk der Parteigänger. Historischer Roman, 1853  ; Der Pandur und das Kroatenmädchen, 1854  ; Pandur und Freimaurer. Historischer Roman, 1855  ; Mein literarisches Wirken. Ein Rechenschaftsbericht zur Feier meines auf den 4. November 1871 fallenden 60. Geburtstages, 1871. Sekundärliteratur  : Velimir Deželić (1901), S. 46 ff.; Josef Matl (1965), S. 388  ; Ivan Pederin  : »Začinjavci«, štioci i pregaoci. Vlastite snage i njemačke pobude u hrvatskoj književnosti (Frühe Dichter, Leser und Eiferer. Eigene Kräfte und deutsche Anregungen in der kroatischen Literatur). Zagreb 1977  ; Norbert Bachleitner  : Kleine Geschichte des deutschen Feuilletonromans. Tübingen 1999.

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M a r a Č op (auch M a r a Č op M a r l e t, M a r ie Edl e von Ber k s) (Livorno 1859 – Görz 1910) Als Tochter eines kroatischen Industriellen geboren, der in Zagreb auch als Politiker und Zeitungsherausgeber tätig war. Eigene Zeitschriftenveröffentlichungen noch vor der ersten Ehe (1886 mit Charles L. Marlet, Rechtsanwalt in Paris). Scheidung, 1894 Ehe mit dem südsteirischen Großgrundbesitzer Hugo Ritter von Berks. Ethnografische Arbeiten, daneben Prosa, Drama, Übersetzungen. Werke  : Südslavische Frauen. Auf Höhen und Tiefen der Balkanländer, 1888  ; Aus den Edelhöfen des Balkan, 1887  ; Der Bogomile, 1891  ; Muschelkinder. Schauspiel in vier Akten. Nach einem Roman Guy de Maupassants, 1895  ; Die Sünderin, 1907  ; Gestrandet. Roman aus der Gesellschaft, 1908  ; Ins Bad. Militärisch-humoristischer Roman, 1909. Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 394 f.; Slavica Žura Vrkić  : Prva hrvatska etnografkinja Mara Čop Marlet (Die erste kroatische Ethnografin Mara Čop). In  : Dubrovnik, 13 (2002) H. 4, S. 23–41. Fr anz Theodor Csokor (Wien 1885 – Wien 1969) Während des Kunststudiums in Wien erste Publikationen und Stücke. Im Ersten Weltkrieg Soldat, dann im Kriegsarchiv. Nach 1920 Dramaturg und Regisseur in Wien. Expressionistische Lyrik und Dramen. Gegner des Nationalsozialismus, 1938 im Exil, u. a. in Belgrad, zuletzt Insel Korčula. Sein Emigrantendasein in Jugoslawien verarbeitete er literarisch. 1947 Präsident des österreichischen P. E. N.-Clubs. Werke  : Als Zivilist im Balkankrieg, 1947 (Neuausgabe in »Auf fremden Straßen1939–1945«, Wien 1955, 2000)  ; Der verlorene Sohn, 1947 (Neuausgabe Wien 1952, 1993)  ; Zeuge einer Zeit. Briefe aus dem Exil 1933–1950. München, Wien 1964  ; Franz Richard Reiter (Hg.)  : Auch heute noch nicht an Land. Briefe und Gedichte aus dem Exil. Wien 1993  ; Briefe von Franz Theodor Csokor aus den 1940er Jahren. In  : Christina Köstner, Klaus Voigt (Hg.)  : Österreichisches Exil in Italien, Wien 2009, S. 187–199. Sekundärliteratur  : Tomislav Bekić  : Jugoslavenska tematika u delu Franca Teodora Čokora i Aleksandra Zaher Mazoha. Prilog proučavanju književne emigracije u Jugoslaviji (Die jugoslawische Thematik im Werk von Franz Theodor Csokor und Alexander von Sacher Masoch. Ein Beitrag zur Erforschung der literarischen Emigration in Jugoslawien). In  : Zbornik Matice srpske za književnost i jezik, XXXII (1984) H. 2, S. 102–199  ; Joseph P. Strelka (Hg.)  : Immer ist Anfang. Der Dichter Franz Theodor Csokor. Frankfurt am Main u. a. 1990  ; Zoran Konstantinović  : Franz Theodor Csokor und die Südslawen. In  : Brygyda Brandys (Hg.)  : Franz

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Theodor Csokor. Łódz 1994, S. 19–25  ; Vlado Obad  : Gezwungene Sommergäste des Krieges  : Österreichische Schriftsteller in der Emigration auf der Insel Korčula 1942–1944. In  : Marijan Bobinac (Hg.)  : Porträts und Konstellationen 1. Deutschsprachig-kroatische Literaturbeziehungen. Zagreber Germanistische Beiträge, Beiheft 6/2001, S. 133–157  ; Dieter A. Binder  : »Die Dämonen der Ostmark«. Bemerkungen zur kulturellen Situation der Zwischenkriegszeit. In  : Thomas Köhler, Christian Mertens (Hg.)  : Justizpalast in Flammen – ein brennender Dornbusch  : das Werk von Manès Sperber, Heimito von Doderer und Elias Canetti angesichts des 15. Juli 1927. Wien, München 2006, S. 55–69  ; Susanne S. Falk  : Franz Theodor Csokor an der dalmatinischen Küste und in Italien. In  : Christina Köstner, Klaus Voigt (Hg.)  : Österreichisches Exil in Italien. Wien 2009, S. 175–186  ; Bettina Kaibach  : Welttheater zwischen Orient und Okzident. Das Dalmatien-Bild Franz Theodor Csokors. In  : Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, 50 (2009), S. 189–201. Dimitr ija Demeter (Zagreb 1811 – Zagreb 1872) Aus griechischstämmiger Familie, Schulbesuch in Zagreb, Studium in Graz, Wien und Padua (1836 Dr. med.), Arzt, ab 1841 als Literat, Dramaturg und Publizist in Zagreb tätig. Beeinflusst Ljudevit Gaj, der ihn früh für die kroatische Erneuerungsbewegung gewinnt. 1848 Gründung der »Südslawischen Zeitung« (bis 1851). Führende Persönlichkeit des kroatischen Theaterlebens. 1850 Beamter, künstlerischer Leiter des Nationaltheaters (bis 1867), Mitarbeit an dem Wörterbuch »Juridisch-politische Terminologie für die slavischen Sprachen Österreichs«. Werke  : Teuta, 1844  ; Der Eispalast, 1851. Übersetzung  : Milovan Vučković  : Der Untergang des serbischen Reiches, 1863. Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 386 f.; Hedi Bergmann-Thränhardt  : Dimitrija Demeter. München 1992. Janko Gr af Dr aškov ić (Zagreb 1770 – Radkersburg / Slowenien 1856) Gymnasium in Zagreb, Studium in Wien. Danach Militärdienst, zuletzt Major. Ab 1832 in Zagreb, Vorläufer und Förderer der Illyrier. Für die Modernisierung Kroatiens gab er prägende kulturpolitische Impulse (u. a. Gründung der Illyrischen Lesehalle, Förderung der Volksvereine). Werke  : Ein Wort an Iliriens hochherzige Töchter über die ältere Geschichte und neueste literarische Regeneration ihres Vaterlandes vom Grafen Janko Drašković, 1838. Sekundärliteratur  : Slavko Ježić  : Hrvatska književnost (Die kroatische Literatur). Zagreb 1944  ; Krešimir Georgijević  : Grof Janko Drašković (1770–1856). Sarajevo 1958.

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Till a Durieux (i. e. Ottilie Godeffroy) (Wien 1880 – Berlin 1971) Die prominente Schauspielerin verließ 1933 Deutschland mit ihrem (jüdischen) Mann und kam über Wien und Prag nach Zagreb. 1941 missglückt die Flucht in die Türkei. Während ihr Mann nach Deutschland verschleppt wird und dort umkommt, beteiligte sie sich am Widerstandskampf gegen die deutsche Besatzung. Bis 1955 in Zagreb, u. a. beim Puppentheater, erhielt für ihre Verdienste die jugoslawische Staatsangehörigkeit. Werke  : Zagreb 1945, 1946  ; Eine Tür steht offen. Erinnerungen, 1954  ; Meine ersten neunzig Jahre. Erinnerungen, 1971. Sekundärliteratur  : Nenad Popović  : Die Texte Tilla Durieux’ über die Jahre der Emigration in Zagreb. Ein Bericht. In  : Marijan Bobinac (Hg.)  : Porträts und Konstellationen 1. Deutschsprachig-kroatische Literaturbeziehungen. Zagreber Germanistische Beiträge, Beiheft 6/2001, S. 159–164. I da von (Reinsberg-)D ü r ing sf e l d (Milicz/Schlesien 1815  – Stuttgart 1876) Lyrikerin (1835 erste Gedichtsammlung), Erzählerin und Reiseschriftstellerin, seit 1845 verheiratet mit dem preußischen Offizier Otto Freiherr von Reinsberg, gemeinsame Reisen führen auch nach Dalmatien, wo die Familie 1853/54 lebt. Werke  : Aus Dalmatien. Mit Anmerkungen von Otto Freiherr von Reinsberg, 1857  ; Beiträge für die »Luna«, u. a. 1857  ; Milena, eine Geschichte aus Ragusa, 1863  ; Das Sprichwort als Kosmopolit, 1866 (Neuausgabe mit einem Vorwort von Wolfgang Mieder, Hildesheim 2002). Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 326–336  ; Ivan Pederin  : Njemački putopisi po Dalmaciji (Deutsche Reisebeschreibungen über Dalmatien). Split 1989  ; Krešimir Čvrljak  : Ida von Düringsfeld-Reinsberg u Skradinu i na Krki 1852 (Ida von Düringsfeld-Reinsberg in Skradin und an der Krka 1852). In  : Književna smotra, 25 (1993) H. 89, S. 109–116  ; Wynfrid Kriegleder  : Charles Sealsfield schreibt aus Schaffhausen an Ida Baronin Reinsberg-Düringsfeld in Konstanz oder warum trotz Eduard Castle eine neue Sealsfield-Briefedition notwendig ist. In  : Alexander Ritter  : Charles Sealsfield im Schweizer Exil 1831–1864  : republikanisches Refugium und internationale Literatenkarriere, Wien 2008. S. 181– 197  ; Petra Himstedt-Vaid  : Vermittlerin slawischer Volkspoesie in Deutschland  : Ida von Düringsfeld. In  : Zeitschrift für Balkanologie, 42 (2006), S. 78–92  ; Eldi Grubišić Pulišević  : Dalmatien als Heterotipie in Ida von Düringsfelds »ReiseSkizzen«. In  : Slavija Kabić, Goran Lovrić (Hg.)  : Mobilität und Kontakt. Zadar 2009, S. 265–276.

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A dolf Eder Sekretär und Schauspieler am Nationaltheater in Zagreb. Der künstlerisch bescheidene Einakter »Die letzte Hütte in der Grenze« ist kulturhistorisch interessant für die Militärgrenze. Werke  : »Übergabe der Festung Essek an die kais. koen. Truppen am 13. und 14. Februar 1849  : nach authentischen Quellen bearbeitet«, 1851  ; »Die letzte Hütte in der Grenze. Festspiel in 1. Akt. (Mit theilweiser Benützung einer wahren Begebenheit)«, 1856. Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 387. Stephanus Fabijanov ić (  ? 1868 –   ? 1933) Fabijanović wanderte 1896 aus Kroatien in die USA aus. Er wechselte häufig den Aufenthaltsort, durchquerte den Kontinent, arbeitete als Bäcker und Wanderarbeiter. Als Schriftsteller stand er anarchistischen Kreisen nahe. Werke  : »Zwei einsame Menschen und ihre Glückseligkeit«, 1923  ; »Gedanken über Nietzsche«, o. J. (engl. Neuausgabe »As I see Nietsche« (sic  !), 2009). Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 409 f. Felix Falzari (Pseudonym Emil Brenta) (Venedig 1859 – Tulln 1912) Marineakademie, Tätigkeit in der österreichisch-ungarischen Kriegsmarine und bei unterschiedlichen Marineeinrichtungen in Pula, Fregattenkapitän. Seit 1906 in Wien, Graz und Tulln. Seine Opernlibretti »Tatjana« und »General Kukuska« vertonte Franz Lehár, der in Pula Militär-Kapellmeister war. Werke  : Die Alabama. Eine Seenovelle, 1883  ; General Kukuska. Lyrisches Drama, 1896  ; Oroto, ein Sommernachtstraum in 3 Bildern, 1897  ; Klondyke. Ballett in 5 Bildern, 1898  ; Istrianische Novellen und andere Erzählungen, 1903. Ljudev it von Fark aš Vukotinov ić (Zagreb 1813 – Zagreb 1893) Aus adliger Familie, in Vrbovec begütert. Während des Studiums in Zagreb und Pressburg für die Illyrierbewegung gewonnen (1841 Kroatisierung des Familiennamens). Sekretär von Janko Graf Drašković, Offizier und Richter in Križevci. Literarische, kulturwissenschaftliche und später vor allem naturwissenschaftliche Veröffentlichungen. Werke  : Das Moslaviner Gebirge in Croatien, 1851  ; Geognostische Skizze von Warasdiner Teplitz in Croatien, 1852  ; Geognostisch-botanischer Reisebericht über das kroatische Küstenland, das Likaner und Otočaner Grenz-Regiment, 1852  ; Das Lika- und Krbava-Thal in Miliär-Croatien, 1857  ; Die Plitvica-Seen in der oberen Militärgrenze in Kroatien, 1859  ; Die Tertiärschichte in der Umge-

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bung Agrams, 1874  ; Zur Agramer Wasserleitung, 1876  ; Beitrag zur Kenntnis der croatischen Eichen, 1889. Wolfgang Georg Fischer (Wien 1933) Sohn eines Kunsthändlers, 1938–40 in Zagreb, Rückkehr nach Wien. Studium der Kunstgeschichte und Archäologie, Promotion. Von 1963 bis 1995 Kunsthändler und Galerist in Großbritannien. Seit 1995 wieder in Wien. Kunsthistorische Abhandlungen und literarische Texte, zahlreiche Auszeichnungen. Werke  : Wohnungen, 1969  ; Simplex Simplicius, 1970  ; Möblierte Zimmer, 1972. Sekundärliteratur  : Gudrun Hutegger  : Realien und Subjekte. Eine vergleichende Untersuchung zwischen Peter Bichsel  : »Die Jahreszeiten«, Wolfgang Hildesheimer  : »Masante«, Wolfgang Georg Fischer  : »Wohnungen«. Salzburg 1987  ; Alma Kalinski  : Kunst des Überlebens im Exil. Wolfgang Georg Fischers »Möblierte Zimmer«. In  : Svjetlan Lacko Vidulić, Doris Moser, Slađan Turković (Hg.)  : Germanistik im Kontakt. Tagung österreichischer und kroatischer GermanistInnen. Zagreb 2006, S. 233–242. Fr iedr ich Fr eiherr von Gager n (Mokritz/Slowenien 1882 – Geigenberg/Österreich 1947) Aus berühmten deutschen und slowenischen Familien stammend (Großneffe von Anastasius Grün), Studien in Wien, Redakteur einer Jagdzeitung, dann freier Schriftsteller, nach dem Verlust der Heimat Krain zahlreiche Reisen, auch nach USA. Vielfältiges Erzählwerk ( Jagd, Tiere, Abenteuer) mit spannungsreicher persönlicher Entwicklung, einer der bedeutendsten Autoren aus der Region. Werke  : Der böse Geist, 1913  ; Die Wundmale, 1919  ; Am Kamin, 1922  ; Das Geheimnis, 1922  ; Das nackte Leben, 1923  ; Ein Volk, 1924 (Neuausgabe Hamburg 1963)  ; Birschen und Böcke, 1925  ; Der Marterpfahl, 1925 (zahlreiche Neuausgaben)  ; Der tote Mann. Roman der roten Rasse, 1927  ; Das Grenzerbuch. Von Pfadfindern, Häuptlingen und Lederstrumpfen, 1927  ; Die Straße, 1929 (Neuausgabe Hamburg 1968). Sekundärliteratur  : Uwe Baur  : Der Mythos von deutschen und slawischen Menschen im Werk Friedrichs von Gagern. In  : Österreich in Geschichte und Literatur, 17 (1973) H. 2, S. 92–199  ; Ivan Pederin  : Djelo Friedricha von Gagerna kao ideološki predložak nacizma (Das Werk Friedrichs von Gagern als ideologische Vorlage des Nazismus). In  : Slavistična revija, 35 (1987) H. 4, S. 381–401  ; Uwe Baur  : Friedrich von Gagern und die Südslawen. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 11 (2002), S. 141–156  ; Anton Janko  : Das Werk Friedrichs

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von Gagern in literaturgeschichtlicher Betrachtung. In  : Acta neophilologica (Ljubljana), 38 (2005) H. 1/2, S. 119–127  ; Mira Miladinović Zalaznik  : Lieber Freund  ! Was willst du  ? Friedrich von Gagerns Grenz-Dörfer (zwischen Krain und Kroatien). In  : Harald Heppner, René Kegelmann, Stefan Sienerth  : Dorf und Literatur. Danubiana Carpathica. Jahrbuch für Geschichte und Kultur in den deutschen Siedlungsgebieten Südosteuropas. Bd. 5 (52) 2011, S. 219–230. Ljudev it Gaj (Krapina/Kroatien 1809 – Zagreb 1872) Aus französisch-deutscher Familie, philosophisches und juristisches Studium in Wien, Graz und Budapest, 1834 Promotion in Leipzig. Bereits in Budapest erster Entwurf einer Orthografiereform des Kroatischen, damit die Grundlage der modernen kroatischen Sprache schaffend. Publizist, Druckerei- und Zeitungsbesitzer in Zagreb. Hauptrepräsentant der Illyrier, ergänzt Kollárs Ideen um die panslavische Komponente. Glänzender Redner, wirbt mit Erfolg im In- und Ausland für die kroatische Sprache als Amts- und Unterrichtssprache. Vor und um 1848 intensive politische Tätigkeit, 1853 des Hochverrats beschuldigt und in Wien eingekerkert. Nach der Entlassung Verlust an Einfluss, Rückzug aus der Politik, stirbt verarmt. Werke  : Die Schlösser bei Krapina samt einem Anhange von der dortigen Gegend in botanischer Hinsicht, 1826  ; Kratka osnova horvatsko-slavenskoga pravopisanja, poleg mudrolubneh, narodneh i prigospodarneh temelov i zrokov – Kurzer Entwurf einer kroatisch-slavischen Orthographie nach philosophischen, nazionalen und oekonomischen Grundsaetzen, 1830  ; Gedanken zum Ausgleich Croatiens und Slavoniens mit der Regierung, 1864  ; Mitarbeit an der deutschsprachigen Zeitschrift »Luna«. Sekundärliteratur  : Jakša Ravlić  : Ljudevit Gaj. In  : Kaj, 10 (1972), S. 1–32  ; Josip Horvat  : Ljudevit Gaj  : Njegov život, njegovo doba (Sein Leben, seine Zeit). Zagreb 1975. A dalbert K arl Gauß (Plankenburg 1912 – Salzburg 1982) Studium der Germanistik, Slawistik und Ethnologie in Zagreb, Münster und Szegedin. Lehrer in Neuwerbaß, Redakteur mehrerer Zeitschriften. 1948 bis 1974 leitete er in Salzburg die Zeitschrift »Neuland«. Werke  : Dokumente zur Geschichte der Donauschwaben 1944–1954, 1954  ; Zwischen Salzburg und Los Angeles, 1957  ; Erinnerungen an Palanka, 1958  ; Die Donauschwaben. Bild eines Kolonistenvolkes, 1961. Sekundärliteratur  : Bruno Oberläuter (Hg.)  : Adalbert Karl Gauß. Ein donauschwäbischer Publizist. Aus dem Nachlaß. Salzburg 1983.

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A na sta sius Grü n (i. e. Anton Alexander Graf von Auersperg) (Ljubljana 1806 – Graz 1876) Aus altem Krainer Adelsgeschlecht, Besuch von Bildungseinrichtungen in Wien, am Klinkowströmschen Institut von France Prešeren unterrichtet. Studium in Wien und Graz. 1831 großer Erfolg durch die ,»Spaziergänge eines Wiener Poeten«, für die er erstmals sein Pseudonym wählte. Mitglied des Frankfurter Vorparlamentes 1848, seit 1861 Mitglied des österreichischen Herrenhauses. Wohl die bedeutendste literarische Erscheinung der Region in seiner Zeit mit Wirkung für die gesamte deutsche Literatur. Werke  : »Volkslieder aus Krain«, 1850 (Nachdruck München 1987). Sekundärliteratur  : Josef Matl (Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte), Bd. 3, S. 446 f.; Anton Janko, Anton Schwob unter Mitarbeit von Carla Carnevale (Hg.)  : Anastasius Grün und die politische Dichtung Österreichs in der Zeit des Vormärz. München 1995  ; Joachim Hösler  : Von Krain zu Slowenien  : Die Anfänge der nationalen Differenzierungsprozesse in Krain und der Untersteiermark von der Aufklärung bis zur Revolution 1768 bis 1848. München 2006  ; Anton Janko  : Anastasius Grün als Übersetzer von Volksliedern. In  : Vesna Kondrič Horvat (Hg.)  : Nekoč se bodo vendarle morale sesuti okostenele pregrade med ljudstvi  : spominski zbornik ob sedamdesetletnici Draga Graha (Die starren Schranken zwischen den Völkern werden in Zukunft sicherlich fallen  : Gedenkschrift zum 70. Geburtstag von Drago Grah). Ljubljana 2007, S. 56–68  ; Matjaž Birk  : Österreichisch-slowenischer Kulturtransfer am Beispiel von Anastasius Grün und France Prešeren. In  : Modern Austrian literature, 41 (2008) H. 2, S. 1–18  ; Mira Miladinović Zalaznik, Stane Granda  : Anastasius Grün (Anton Alexander Graf Auersperg, 1806–1876) und sein Krainer Zeitgenosse Leopold Kordesch (1808–1879). In  : Alexander Ritter (Hg.)  : Charles Sealsfield im Schweizer Exil 1831–1864  : republikanisches Refugium und internationale Literatenkarriere. Wien 2008, S. 295–311  ; Mira Miladinović Zalaznik  : Anastasius Grün und das »Vereinte Slowenien«. In  : Germanistische Mitteilungen, (2008) H. 67, S. 51–63  ; Mira Miladinović Zalaznik (Hg.)  : Anton Aleksander Grof Auersperg – Anastazij Grün. Razprave (Anton Alexander Graf Auersperg – Anastasius Grün. Aufsatzsammlung). Ljubljana 2009  ; Dieter Scharmitzer  : Anastasius Grün (1806–1876). Leben und Werk. Wien 2010. Bel s a z a r De L a Mo t te H ac qu e t (Le Conquet/Bretagne 1739 oder 1740 – Wien 1815) Medizinische Studien in Paris und Wien, gefördert durch Maria Theresias Leibarzt van Swieten. 1766 Bergarzt in Idria, 1773 Professor in Ljubljana, natur- und

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volkskundliche Studien im gesamten südöstlichen Alpenraum und bis nach Dalmatien und Bosnien, lebte später in Lemberg und Wien. Werke  : Physikalisch-politische Reise aus den Dinarischen durch die Julischen, Carnischen, Rhätischen in die Norischen Alpen im Jahre 1781 und 1783, 1785 (Nachdruck München 1989)  ; Oryctographia carniolica, oder physikalische Erdbeschreibung des Herzogthums Krain, Istrien, und zum Theil der benachbarten Länder, 1778–1789  ; Abbildung und Beschreibung der südwest- und östlichen Wenden, Illyrer und Slaven etc., 1803–1805  ; L’Illyrie et la Dalmatie, ou moeurs, usages et costumes de leurs habitans et de ceux des contrees voisines … Augmente d’un Memoire sur la Croatie militaire (etc.) 1815 (Nachdruck Hannover 2008). Sekundärliteratur  : Ivan Pederin  : Njemački putopisi po Dalmaciji (Deutsche Reisebeschreibungen über Dalmatien). Split 1989. O t to H auser (Pseudonym Ferdinand Büttner) (Dianesch/Kroatien 1876 – Blindendorf/Österreich 1944) Studium in Wien an der Technischen Hochschule, später Studium der Theologie und Orientalistik. Um die Jahrhundertwende zog er von Kroatien nach Wien. Als Schriftsteller außerordentlich produktiv, zahlreiche Übersetzungen, auch aus dem Kroatischen. Zeitweise unter dem Einfluss rassistischer Ideologie. Werke  : Die Familie Geßner, 1909  ; Lyrik des Auslands, 1914. Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 392  ; Maria G. Fumits  : Die Judenthematik im Frühwerk Otto Hausers. Graz (Univ. Diss.) 1989  ; Jaap Graave  : Übersetzen ist Liebeswerk. Vermittler niederländischsprachiger Literatur in Deutschland 1890–1914. Leipzig 2003. M athilde Hengel (Pseudonym Léon Gérard) (Osijek 1880 – Osijek 1966) Aus wohlhabender Osijeker Familie, absolvierte extravagante Europareisen und publizierte scheinbar regional verankerte Prosatexte, die allerdings wenig über Osijek und Slawonien aussagen. Werke  : Novellen aus südlichen Gefilden, 1907  ; Maikönigin, 1918  ; Violomta, 1943 (unveröffentlicht). Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 124 ff. Fr anz Her mann von Her mannsthal (Wien 1799 – Wien 1875) Kam 1831 als Jurist im Staatsdienst nach Ljubljana, heiratete dort 1832 die Malerin Amalija Oblak. Im Umkreis von Matija Čop und France Prešeren dichterisch und publizistisch tätig. Redakteur der »Carniolia«, Veröffentlichungen im

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»Illyrischen Blatt«. Formstrenger Anhänger Platens, brachte das Ghasel nach Slowenien. Ab 1846 in Wien. Werke  : Gedichte, 1830  ; Die Blutrache, 1831  ; Mein Lebenslauf in der Fremde, 1837  ; Ziani und seine Braut. Trauerspiel in 4 Acten, 1847  ; Die letzte Ravenswood, 1860  ; Ghaselen, 1872. Philipp Hilkene (Neuwerbaß/Batschka 1875 – Neusatz 1939) Philologe und Historiker, Mitarbeit an der Zeitschrift »Volkswart«, vertrat ein völkisch-deutschnationales Literaturprogramm. Werke  : Zur Entstehungsgeschichte des »Götz von Berlichingen«, 1928. Sekundärliteratur  : Bešlin Branko  : Vesnik tragedije. Nemačka štampa u Vojvodini 1933–1941. godine (Der Bote der Tragödie. Die deutsche Presse in der Vojvodina 1933–1941). Novi Sad, Sremski Karlovci 2001. K atharine (Kitty) Hofmann, Geb. von Blei Autorin von Gelegenheitslyrik und -prosa im Umkreis der Therese von Artner. Werke  : Das Angebinde, 1824  ; Die kleine Aschenbrödel, 1824  ; Die Wundergaben, 1824  ; Gewinn durch Verlust, 1824  ; Auf das allerhöchste Jubelfest der fünfzigjährigen Priesterweihe des Herrn Agramer Bischof Maximilian Verhovacz von Rakitovecz am 1. Jänner 1826  ; Zur festlichen Jubelfeyer der fünfzigjährigen Priesterweihe des Herrn Agramer Bischof Alexander von Alagovich am 30. Dezember 1834. Josip ( Joseph) Jel ačić ( Jell ačić) von Bužim, Graf (Peterwardein 1801 – Zagreb 1859) Ausbildung am Wiener Theresianum, militärische Laufbahn, u. a. in Wien, Dalmatien und an der Militärgrenze, 1841 Oberst, 1848 Feldmarschall-Leutnant. 1849−59 kroatischer Banus (Vizekönig), zugleich Oberkommandierender in Kroatien und an der Militärgrenze. Erklärte am 19.4.1848 die Auflösung der Union zwischen Ungarn und Kroatien. Loyalität zu den Habsburgern, die jedoch die Trennung Kroatiens von Ungarn ablehnten. Für kurze Zeit von seinen Funktionen entlassen, wurde er im September vom Kaiser Ferdinand erneut zum Militär- und Zivilgouverneur von Kroatien ernannt, errang in dieser Funktion im Oktober 1848 mit seinen Truppen den Sieg bei Schwechat, womit die Wiener Oktoberrevolution niedergeschlagen wurde. Werke  : Eine Stunde der Erinnerung, 1825  ; Gedichte von Joseph Freiherrn von Jelačić, 1851.

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Sekundärliteratur  : Friedrich Richter  : Zum glorreichen Namensfeste seiner Excellenz des hochgebornen Herrn Grafen Josef Jellačić von Bužim, k.k. Feldzeugmeister, Banus von Kroatien und Slavonien etc. etc. Agram 1857  ; Ernest Bauer  : Joseph Graf Jellachich de Buzim  : Banus von Kroatien, Schicksal und Legende des kroatischen Helden von 1848. Wien, München 1975  ; Ivan Pederin  : Graf Jelačić und der kroatische Nationalismus. In  : Österreich in Geschichte und Literatur, XXXV (1990) H. 2, S. 65–76  ; Walter Görlitz  : Jelačić  : Symbol für Kroatien  ; die Biographie. Wien u. a. 1992  ; Nikola Batušić  : Studije o hrvatskoj drami (Studien über das kroatische Drama). Zagreb 1999  ; Miroslav Šicel  : Pjesnički pokušaji grofa Josipa Jelačića (Die literarischen Versuche von Josip Graf Jelačić). In  : Kaj, 34 (2001) H. 6, S. 83–97  ; Marijan Bobinac  : Jelačić, kroatische Schriftsteller und das Jahr 1848. In  : Hubert Lengauer, Primus Heinz Kucher (Hg.)  : Bewegung im Reiche der Immobilität (= Literaturgeschichte in Studien und Quellen, Bd. 5). Wien 2001, S. 201–224. Mirko Jelusich (i. e. Vojmir Jelusić, Semil/Nordböhmen 1886 – Wien 1969) Kindheit, Jugend und Studium der Philosophie in Wien. Artillerieoffizier im Ersten Weltkrieg. Redakteur für Theater und Kunst bei der »Deutsch-Österreichischen Tageszeitung«, dem Organ der österreichischen Nationalsozialisten. Nach dem großen Erfolg des Romans »Caesar« (1929) freier Autor. 1938 kommissarischer Leiter des Burgtheaters in Wien. 1945 wegen seiner NS-Vergangenheit von den Sowjets verhaftet, 1949 freigesprochen. Werke  : Caesar, 1929 (zahlreiche Auflagen)  ; Don Juan, 1931  ; Cromwell, 1933  ; Hannibal, 1934 (Neuausgaben Salzburg 1950, Wien 1973)  ; Geschichten aus dem Wiener Wald  : Österreichische Anekdoten, 1937  ; Streit um Agnes  : Erzählung aus der Stauferzeit, 1937  ; Weinschenker und Weinbeschenkte  : Lobspruch des Wiener Heurigen, 1962. Sekundärliteratur  : Johannes Sachslehner  : Führerwort und Führerblick  : Mirko Jelusich. Zur Strategie eines Bestsellerautors in den Dreißiger Jahren. Königstein/Ts. 1985  ; Oliver Rathkolb  : Führertreu und gottbegnadet  : Künstlereliten im Dritten Reich. Wien 1991  ; Andreas Kurz  : Literarische Caesarbilder. Porträts des Feldherrn im 20. Jahrhundert. Innsbruck (Univ. Dipl.-Arb.) 2006  ; Deborah Mohr  : Das Bild Hannibals im 19. und 20. Jahrhundert. Eine Analyse der deutschen Schulgeschichtsbücher und der historischen Jugendliteratur. Marburg 2006. Guido (Gvido) Jen y (Pakrac/Kroatien 1875 – Abbazia 1952) Studium in Wien, Lehrer und Schulinspektor, u. a. in Osijek und Zagreb. Während der Studienzeit in Wien Mitbegründer der Zeitschrift »Mladost« (Die Ju-

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gend), schrieb Literaturkritik, u. a. in der Osijeker Tageszeitung »Die Drau«, und gemeinsam mit Otto Kraus das Drama »Propast« (Der Untergang), das 1899 in Wien erschien. Sekundärliteratur  : Stanislav Marijanović  : Generacije »Mladih« i časopis »Mladost« u pokretu i književnosti hrvatske, slovenske i srpske »moderne« (Die Generationen der Jungen und die Zeitschrift »Die Jugend« in der Bewegung und der Literatur der kroatischen, slowenischen und serbischen Moderne). Zagreb 1982. Ina Jun-Broda (geb. Ehrlich, verh. Schwartz, Pseudonyme Jana Joan, Giulia Weiner) (Zagreb 1899 – Zagreb 1983) Studium von Musik, Rhythmik und Tanz in Genf, Dresden, Prag und Berlin. 1934 eröffnete sie in Zagreb eine Tanz- und Gymnastik-Schule. Aktiv in der kommunistischen Bewegung, Partisanin. Nach 1945 Übersetzerin für die UN in Italien, seit 1947 in Wien. Eine der bedeutendsten Übersetzerinnen aus dem Kroatischen und Serbischen ihrer Zeit. Werke  : Der Dichter in der Barbarei. Gedichte, 1950  ; Der Illustrator Axl Leskoschek, 1961  ; Beschwingter Stein. Gedichte zeitgenössischer Dichter aus Jugoslawien. Gesammelt und nachgedichtet v. I. J.-B., 1976. Sekundärliteratur  : Vlado Obad  : Ina Jun-Broda. In  : Drugi hrvatski slavistički kongres (Zweiter kroatischer slawistischer Kongress). Zagreb 2001, S. 237-245  ; Vlado Obad  : Ina Jun-Broda – Vermittlerin zwischen den Kulturen. In  : Literatur und Kritik, (2001) H. 357/358, S. 101–111. Vuk Stefanov ić K ar adžić (Tršić/Serbien 1787 – Wien 1864) Großer serbischer Philologe und Dichter, Schöpfer der modernen serbischen Sprache, lebte die meiste Zeit seines Lebens in Wien und stand in Kontakt mit zahlreichen deutschen Gelehrten und Größen seiner Zeit, auch mit dem slowenischen Philologen Jernej Kopitar, der ihn bei seinen an Sprach- und Schriftreformen des Serbischen maßgeblich unterstützte. Sekundärliteratur  : Wilfried Potthoff (Hg.)  : Vuk Karadžić im europäischen Kontext. Beiträge des internationalen wissenschaftlichen Symposiums der VukKaradžić – Jacob-Grimm-Gesellschaft am 19. u. 20. November 1987. Heidelberg 1990  ; Wolfgang Eschker (Hg.)  : Jacob Grimm und Vuk Karadžić. Zeugnisse einer Gelehrtenfreundschaft. Kassel 1988  ; Golub Dobrašinović  : Therese von Jakob-Robinson (Talvj) und Vuk Stefanović Karadžić. In  : Gabriella Schubert, Friedhilde Krause (Hg.)  : Talvj – Therese Albertine Luise von Jakob-Robinson (1797–1870). Aus Liebe zu Goethe  : Mittlerin der Balkanslawen. Weimar 2001, S. 69–93.

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Johann-Georg Kohl (Bremen 1808 – Bremen 1878) Nach abgebrochenem Jurastudium als Hauslehrer in Kurland tätig. Erste Reiseberichte über Russland, zahlreiche weitere Reisen, auch nach Südosteuropa. Seine Reisebücher fanden große Verbreitung und trugen ihm Auszeichnungen ein. Später in Bremen Stadtbibliothekar. Werke  : Reise nach Istrien, Dalmatien und Montenegro, 1851  ; diverse Neuausgaben, u. a.: Reise nach Dalmatien und Montenegro. Hg. von Therese Erler. Berlin 1987  ; Reise nach Istrien, Dalmatien und Montenegro. Zwei Teile. Hannover 2007. (Nachdruck der Ausgabe von 1851). Sekundärliteratur  : Ivan Pederin  : Njemački putopisi po Dalmaciji (Deutsche Reisebeschreibungen über Dalmatien). Split 1989  ; Silke Regin  : Johann Georg Kohl. Ethnographische Sprachreflexion im 19. Jahrhundert. Siegen 2001  ; Mirna Zeman  : Waffen, Trachten und vierkantige Räder. Dinge und nationale Identität in Johann Georg Kohls Reise nach Istrien, Dalmatien und Montenegro. In  : Philip Bracher, Florian Hertweck, Stefan Schröder (Hg.)  : Materialität auf Reisen. Zur kulturellen Transformation der Dinge. Münster 2006, S. 199–214. A lois König (i. e. Slavko Paleček-König) (Cabuna/Slawonien 1930) Gymnasiallehrer in Wirowititz und in Zagreb, später Grafiker und Gründer der ersten privaten Buchhandlung in Kroatien. Seit 1986 in Westdeutschland, wo er mit seiner Frau Georgine König Erinnerungsliteratur der Volksdeutschen aus Jugoslawien auf Kroatisch schreibt. Werke  : Dani beskvasnog kruha, 1991 (Die Tage der ungesäuerten Brote, 1993)  ; Ivanjski krijes (St. Johanni Leuchtfeuer), 2005. Leopold Kor desch (Steinbüchel/Oberkrain 1808 – Wien 1879) Studium der Philosophie in Klagenfurt, danach beim Militär. In Ljubljana schrieb er für das »Illyrische Blatt« der »Laibacher Zeitung«, gründete 1838 das Konkurrenzblatt »Carniolia«, das er aber schon 1839 verkaufen musste. Wechselhafte journalistische Tätigkeit in Ljubljana, Graz und Wien. Ein beseelter slowenischer Patriot, aber ohne dauerhafte Resonanz. Werke  : Märzveilchen. Dargebracht dem berühmten Freiheitssänger Krains, Anastasius Grün, 1848  ; Zur Feier der Genesung Seiner Kaiserl. Königl. Majestät Ferdinand I. am 4. November 1865 aus allertiefster Ehrfurcht und Dankbarkeit dargebracht, 1865. Sekundärliteratur  : Mira Miladinović Zalaznik  : Leopold Kordesch, ein Krainer Literat des Vormärz. In  : Anton Janko, Anton Schwob unter Mitarbeit von Carla Carnevale (Hg.)  : Anastasius Grün und die politische Dichtung Öster-

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reichs in der Zeit des Vormärz. München 1995, S. 157–168  ; Joachim Hösler  : Von Krain zu Slowenien  : Die Anfänge der nationalen Differenzierungsprozesse in Krain und der Untersteiermark von der Aufklärung bis zur Revolution 1768 bis 1848. München 2006  ; Mira Miladinović Zalaznik  : Die Laibacher Zeitschrift »Carniolia« (1838–1844) und ihr erster Herausgeber Leopold Kordesch. In  : Alexander Ritter (Hg.)  : Charles Sealsfield – Lehrjahre eines Romanciers 1808–1829. Vom spätjosephinischen Prag ins demokratische Amerika. Wien 2007, S. 287–305  ; Mira Miladinović Zalaznik  : Neues zum Laibacher Blatt »Carniolia« (1838–1844) und dessen erstem Herausgeber Leopold Kordesch. In  : Mira Miladinović Zalaznik, Peter Motzan, Stefan Sienerth (Hg.)  : Benachrichtigen und Vermitteln  : Deutschsprachige Presse und Literatur in Ostmittelund Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert. München 2007, S. 71–86  ; Mira Miladinović Zalaznik  : Deutsch-slowenische literarische Wechselbeziehungen (Slovenske germanistične studije. Bd. 2  : Leopold Kordesch und seine Zeit). Ljubljana 2008. O to (Otto) K r aus (Pseudonyme Georg Armbrust, Crass, Kraus) (Temeswar 1875 – Wien 1923) Abenteuerliche Jugend mit vielen Stationen (Fremdenlegion), in Wien dann führend bei der »Freien Bühne« und Mitgründer der Zeitschrift »Mladost« (Die Jugend). Schrieb später für die »Agramer Zeitung« und »Das literarische Echo« in Berlin. Sekundärliteratur  : Stanislav Marijanović  : Generacije »Mladih« i časopis »Mladost« u pokretu i književnosti hrvatske, slovenske i srpske »moderne« (Die Generationen der Jungen und die Zeitschrift »Die Jugend« in der Bewegung und der Literatur der kroatischen, slowenischen und serbischen Moderne). Zagreb 1982. Bruno K remling (Weißkirchen/Banat 1889 – Heidelberg 1962) Sohn des Banater Politikers Ludwig Kremling, Studium in Heidelberg und Wien  ; Kriegsteilnahme, Offizier. 1920 zurück in der Banater Heimat, wirkte er als Kulturredakteur beim zentralen Organ der Deutschen, »Deutsches Volksblatt«. Lyriker und Erzähler historischer Stoffe mit völkisch-nationalem Tonfall. Werke  : Mit roten Rosen. Ein Sonettenkranz, 1923 (Neuausgabe Salzburg 1982)  ; Des Reiches fernste Feldwache. Die Tat des Bauern und Grobschmiedes Hennemann im Türkenkrieg 1788, 1938  ; Die Schimmelreiter von Peterwardein. Ballade von der Türkenschlacht auf dem Vezirac 1716, 1942  ; Prinz Eugens Reiter. Trutgesang im Feldlager bei Futok 1716, 1942. Sekundärliteratur  : Bešlin Branko  : Vesnik tragedije. Nemačka štampa u Voj-

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vodini 1933–1941. godine (Der Bote der Tragödie. Die deutsche Presse in der Vojvodina 1933–1941). Novi Sad, Sremski Karlovci 2001. Ivan Kukuljev ić-Sakcinski (Warasdin 1816 – Puhakovec/Kroatien 1889) Offizier in Wien, danach in Zagreb Protagonist der kroatischen nationalen Bewegung, erfolgreich im Kampf um die Einführung des Kroatischen als Amtssprache. Einen Teil seiner Gedichte, Erzählungen, politischen und historischen Abhandlungen verfasste er auf Deutsch. Werke  : Jelena oder das Thal bei Bedna, 1835. Literatur  : Tade Smičiklas  : Život i djela Ivana Kukuljevića (Leben und Werke von Ivan Kukuljević). Zagreb 1892. Mihajlo von Kunić (Kunitsch) (Ungarn 1765 – Karlstadt 1835) Aufgeklärter Schulreformator, schrieb u. a. Gelegenheitslyrik und ein Büchlein in deutscher Sprache über die Kurbäder in Kroatien. Werke  : Reflexionen über die Begründung der Magyarischen Sprache in Ungarn als Staads-Dikasterial- und Gerichts- wie auch als allgemeine Volkssprache  ; Innigste Wünsche und Gefühle der Verehrung am 5. November 1833, dem erfreulichen Namensfeste Emericus Edlen v. Haraminchich, 1833  ; Biographie des hochwürdig-hochgeborenen Herrn Joseph Graf Sermage de Szomszedvár, 1834. Z ofk a Kv eder (Kv eder-Jel ovšek , Pseudonym Dimitrije Gvozdanović) (Ljubljana 1878 – Zagreb 1926) Übersiedlung von Ljubljana nach Zagreb 1906, Mitarbeit in der Redaktion des »Agramer Tagblattes« (Wochenbeilage »Frauenzeitung«). Erzählungen und Romane in slowenischer und kroatischer Sprache, thematisch bestimmt von der Situation der Frau. In erster Ehe mit dem kroatischen Dichter Vladimir Jelovšek, in der zweiten mit dem Publizisten und Politiker Juraj Demetrović verheiratet. Sie war die erste slowenisch-kroatische Schriftstellerin, die außerhalb der beiden Länder wahrgenommen wurde. Werke  : Beiträge in der Agramer Zeitung und im Agramer Tagblatt. Sekundärliteratur  : Katja Mihurko Poniž  : Drzno drugačna. Zofka Kveder in podobe ženskosti (Mutig anders  : Zofka Kveder und die Bilder der Weiblichkeit). Ljubljana 2003. M arko Leitner (Zaprešić bei Zagreb 1882 – Auschwitz 1943) Studium in Zagreb, 1907 Dr. jur., Rechtsanwalt in Osijek. Vorbild für die Gestalt des Markus Feldmann in Alexander von Sacher-Masochs Roman »Die Ölgärten

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brennen«. Selbst nicht schriftstellerisch tätig, aber wichtig als Vermittler im Umfeld der österreichischen Exildichter. Von Korčula verschleppt, endete sein Leben in den Gaskammern von Auschwitz. Sekundärliteratur  : Vlado Obad  : In memoriam Marko Leitner. In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2002, S. 329–336. Anton Toma ž Linhart (Radmannsdorf/Oberkrain 1756 – Ljubljana 1795) Studien in Wien, in Ljubljana im Schulwesen tätig. Mit seiner ersten Gedichtsammlung »Blumen aus Krain« machte er auf die slowenische kulturelle Tradition aufmerksam. Auch sein erstes dramatisches Werk, die Tragödie »Miss Jenny Love«, schrieb er auf Deutsch. Dichtete dann unter dem Einfluss der slowenischen Aufklärer (Žiga Zois) auf Slowenisch, darunter die erste slowenische Komödie (nach Beaumarchais). Werke  : Blumen aus Krain, 1781  ; Versuch einer Geschichte von Krain und den übrigen Ländern der Slaven Österreichs, Bd. 1, 1788, Bd. 2, 1791. Sekundärliteratur  : Mirjana Stančić  : Anton Tomaž Linhart  : Blumen aus Krain, 1781. Njemačka suvremena književnost kao paradigma slovenskog predromantizma (Anton Tomaž Linhart  : Blumen aus Krain, 1781. Deutsche zeitgenössische Literatur als Paradigma des slowenischen Vorromantismus). In  : Matjaž Kmecl (Hg.)  : Obdobja slovenskega narodnega preporoda (Epochen der slowenischen nationalen Wiedergeburt). Ljubljana 1991, S. 187–194. Heinrich von Lit trow (Wien 1820 – Abbazia 1895) Offizier in der Österreichischen Kriegsmarine. Erste Veröffentlichungen in Glasers »Ost und West«. 1845 Deutschlehrer am Marinekolleg in Venedig, 1857 Direktor der Handels- und Marineakademie in Triest, 1864 Befehlshaber des Hafens von Dubrovnik, dann des Hafens Senj, ab 1867 in Rijeka, dort 1880 im Kapitänsrang ausgeschieden. Werke  : Möven. Gesammelte Gedichte, 1849  ; Fiume in maritimer Beziehung, 1870  ; Von Fiume nach St. Peter. Reisebilder in gemütlichen Reimen, 1877  ; Carl Weyprecht, der österreichische Nordpolfahrer. Erinnerungen und Briefe, 1881  ; Fiume und seine Umgebungen, 1884  ; Aus dem Seeleben, 1892. Sekundärliteratur  : Ivan Lukežić  : Heinrich von Littrow. In  : Fluminensia (Rijeka), 6 (1994) H. 1/2, S. 1–13  ; Ivan Pederin  : Heinrich von Littrow kao pjesnik pomoraca i njemačke manjine u Hrvatskoj (Heinrich von Littrow als Dichter der Seeleute und der deutschen Minderheit in Kroatien). In  : Adrias (Split), 1 (1987), S. 287–321.

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Camill a Lucerna (Pseudonyme Camilla Leonhardt, Camilla Milović) (Riva del Garda 1868 – Zagreb 1963) Tochter eines Militärbeamten. Sprachlehrerin an einem privaten Institut, ab 1895 am neu gegründeten Mädchenlyzeum in Zagreb. Kontakt zu dem Dichter Bude Budisavljević, der ihre Kroatischkenntnisse förderte, sodass sie seither auf Deutsch und Kroatisch dichtete und publizierte. Philologisches Studium in Zagreb und Wien, dort 1907 Lehramtsprüfung für deutsche und kroatische Sprache und Literatur. Nach dem Ruhestand (1919) wissenschaftliche Tätigkeit als Privatgelehrte. Werke  : Zlatorog, lyrisches Drama in 3 Acten (Musik von Eduard Lucerna), 1900  ; Asseneth, eine apokryphe Erzählung aus den Werdezeiten des Christentums, 1921  ; Asseneth. Mystisches Drama nach einer alten Legende, 1926. Wissenschaftliche Publikationen  : Das Märchen. Goethes Naturphilosophie als Kunstwerk, 1910  ; Die letzte Kaiserin von Trapezunt in der südslawischen Dichtung, 1912  ; Die südslawische Ballade von Asan Agas Gattin und ihre Nachbildung durch Goethe, 1905  ; Studienblätter zur kroatischen und serbischen Literatur, 1909–1911  ; Das Balladendrama der Südslaven, 1923. Übersetzungen  : Die Hochzeit des Maxim Crnojević, 1911  ; Aus südslawischen Dichtungen, 1918  ; Ivana Brlić-Mažuranić  : Aus Urväterzeiten, 1933  ; Vladimir Nazor  : An den Tränken der Cetina. Erzählungen von Vladimir Nazor und Dinko Šimunović, 1944. Sekundärliteratur  : Julius Franz Schütz, Elza Kučera (Hg.)  : Camilla Lucerna. 1868−24. v i. 1938. Graz 1938  ; Camilla Lucerna. Bibliographie der Arbeiten, 1938–1958. Graz 1958  ; Sigrun Burić  : Zweisprachige Dichtung bei den Kroaten, Graz (Univ. Diss.) 1972  ; Svjetlan Lacko Vidulić  : Was bleibt. Porträt der Schriftstellerin und Philologin Camilla Lucerna (1868–1963). In  : Marijan Bobinac (Hg.)  : Porträts und Konstellationen 1. Deutschsprachig-kroatische Literaturbeziehungen. Zagreber germanistische Beiträge, Beiheft 6/2001, S. 85–107. Robert Michel (Chaberitz/Böhmen 1876 – Wien 1957) Gymnasium und Kadettenschule in Prag, 1895 Leutnant in Wien. Von Leopold v. Andrian-Werburg in den Kreis »Jung Wien« eingeführt. Wiederholt als Offizier in Mostar, dazwischen Lehrer an der Kadettenschule in Innsbruck. Während des Ersten Weltkriegs in Galizien und in den Dolomiten. Nach 1919 lebte er als freier Schriftsteller, Theaterkritiker und Feuilletonist und versuchte, sich im Filmgeschäft selbstständig zu machen. Kleist-Preis (1915), Adalbert-Stifter-Preis (1928). Werke  : Die Verhüllte. Novellen, 1907  ; Mejrima, 1910  ; Die Häuser an der Džamija, 1915 (Neuausgabe Graz, 2008)  ; Briefe eines Hauptmanns an seinen Sohn, 1916  ; Der weiße und der schwarze Berg, 1917.

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Sekundärliteratur  : Riccardo Concetti  : Muslimische Landschaften. Hugo von Hofmannsthals Auseinandersetzung mit der Prosa Robert Michels. In  : http:// www.kakanien.ac.at/beitr/fallstudie/RConcetti1.pdf [Zugriff vom 7.3.2013]  ; Anna Babka  : Das war ein Stück Orient. Raum und Geschlecht in Robert Michels »Die Verhüllte«. In  : Marijan Bobinac, Wolfgang Müller-Funk (Hg.)  : Gedächtnis – Identität – Differenz. Zur kulturellen Konstruktion des südosteuropäischen Raumes und ihrem deutschsprachigen Kontext. Tübingen u. a. 2008, S. 125–136  ; Riccardo Concetti  : Von Feen und Schatzgräbern. Über die Filmversuche Robert Michels. In  : Stifter-Jahrbuch, 22 (2008), S. 153–172  ; Dejan Kosanović  : Der Schatzgräber von Blagay oder Ein alter Film wird der Vergangenheit entrissen. In  : Stifter-Jahrbuch, 22 (2008), S. 129–152. Felix Milleker (Werschetz 1858 – Werschetz 1942) Sohn eines Nagelschmieds. 1878−83 Volksschullehrer in Weißkirchen, danach bis 1925 in Werschetz. Eifriger Organisator des kulturellen Lebens, Mitbegründung des deutschen Lehrervereins in Temeswar 1919. Seit 1894 auch Kustos des Städtischen Museums in Werschetz. Ab 1921 gab er die Banater Bücherei heraus, die allen Bereichen des kulturellen Lebens im donauschwäbischen Siedlungsraum Rechnung trug. Werke  : Die Werschetzer Gegend im Alterthume, 1885  ; Geschichte der kön. Freistadt Werschetz, 2 Bde., 1886  ; Geschichte der Banater Militärgrenze 1764– 1873, 1926  ; Lenau im Banat, 1926  ; Geschichte der Deutschen im Banat von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1716. Kritische Untersuchungen, 1927  ; Kulturgeschichte der Deutschen im Banat 1716–1918, 1930  ; Geschichte des Buchdruckes und des Zeitungswesens im Banat 1769–1922, 1926  ; Goethe und das Banat, 1935  ; Geschichte des Schulwesens in der Banater Militärgrenze 1764–1876, 1939. Sekundärliteratur  : Josef Matl (Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte), Bd. 4, S. 1458  ; Anton Scherer  : Felix Milleker (1858–1942) Persönlichkeit und Werk des Archäologen, Polyhistors und Schöpfers des Städtischen Museums zu Werschetz (Banat). München 1983. Stephan Milow (i. e. Stephan von Millenkovich, ursprünglich Milenko) (Orsowa/Banat 1836 – Mödling bei Wien 1915) Aus einer serbischen Offiziersfamilie, Kadettenschule in Olmütz, 1852 in Wien. Dort am Militärisch-geographischen Institut tätig. 1865 Ehe mit Baronin Elsa Reichlin-Meldegg. 1869 nach Erkrankung als Kapitän pensioniert, bis 1880 auf seinem Gut in Ehrenhausen, dem »Milow-Hof«, an der Grenze zwischen Ös-

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terreich und Slowenien, dann in Görz, seit 1899 in Mödling lebend. BauernfeldPreis (1902). Werke  : Gedichte, 1865  ; Verlorenes Glück, 1866  ; Zwei Novellen, 1872  ; Lebensmächte, 1890  ; Fallende Blätter, 1903  ; Abendrot, 1912  ; Erste und letzte Liebe, 1913. Sekundärliteratur  : Edith Kodera  : Stephan Milow. Eine Monographie Wien (Univ. Diss.) 1951  ; Katalin Kovačević  : Stephan Milow (von Millenkovich) und seine Beziehungen zu den Serben und Kroaten. Novi Sad (Univ. Diss.) 1976. Theresia (Terezija) Moho (Marijanci/Slawonien 1928) Nach der Volksschule auf dem elterlichen Hof, nach 1945 erlebte sie die Verfolgung ihrer deutschen Familie, wiederholt verhaftet und eingekerkert. 1956 nach Westdeutschland, dort als Krankenschwester tätig. Werke  : Marjanci. Eine Kindheit in Kroatien 1928 bis 1945, 1992  ; Weil die Nacht keine Augen hat. Als Deutsche in Kroatien 1945–1955, 2006. Sekundärliteratur  : Lidija Dujić  : Theresia Moho  : njemački otisak hrvatske ženske priče (Theresia Moho  : die deutsche Folie der kroatischen Frauengeschichte). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2004, S. 103–108. K arl von Möller (Wien 1876 – Hatzfeld/Banat 1943) Gymnasium, Kadettenschule, Generalstabsakademie. Im Ersten Weltkrieg Major und Stabschef der Banater Infanteriedivision in Temeswar. Beteiligt an der Niederschlagung der ungarischen Räterepublik 1919. Danach im Banat aktiv in der deutschen Volkstumspolitik (Mitbegründer des Deutschen Kulturverbands, Abgeordneter der Deutschen Volkspartei), Chefredakteur der »Banater deutschen Zeitung«, Begründer der Zeitschrift »Der Stürmer« 1933/34. Verfasser historischer Romane mit stark völkisch-nationalen und teilweise antisemitischen Tendenzen. Werke  : Die Werschetzer Tat. Ein Roman von Bauern und Reitern, 1936  ; Grenzen wandern. Ein Banater Roman, 1937  ; Die Salpeterer, 1938  ; Der Aufklärer, 1939  ; Der Savoyer. Ein Prinz-Eugen-Roman, 1939  ; Das Korsett der Marquise. Eine Soldatengeschichte aus Flandern, 1940  ; Das steinerne Schachbrett, 1941  ; Die Lothringerin. Roman einer Frau zwischen zwei Nationen und zwei Zeitaltern, 1942. Sekundärliteratur  : Anton Scherer  : Einführung in die Geschichte der donauschwäbischen Literatur. Graz 1960, S. 21.

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M ilena Mr a z ov ić Pr eindlsberger (Bellowar/Kroatien 1863 – Wien 1927) Aus einer alten kroatischen Adelsfamilie, von 1879 bis 1919 in Sarajevo. Seit 1884 ständige Mitarbeiterin der neu gegründeten »Bosnischen Post«, 1889 deren Eigentümerin und Herausgeberin, damit erste professionelle Journalistin in Bosnien. 1896 Ehe mit dem aus Wien stammenden Augenarzt Josef Preindlsberger. 1919 wurde das Ehepaar vom jugoslawischen Staat gezwungen, das Land zu verlassen. Werke  : Selam, 1893  ; Bosnisches Skizzenbuch. Landschafts- und Kulturbilder aus Bosnien und der Hercegovina (illustriert von Hans Ludwig Fischer), 1900  ; Bosnische Volksmärchen, 1905  ; Das Grabesfenster – Eine Sarajevoer Geschichte, 1906  ; Die bosnische Ostbahn. Illustrierter Führer auf den bosnisch-hercegovinischen Staatsbahnlinien Sarajevo-Uvac und Megjegje-Vardište, 1908. Sekundärliteratur  : Hamdija Kreševljaković  : Milena Mrazović. In  : Napredak, II (1927) H. 6, S. 89–90  ; Todor Kruševac  : Bosansko-hercegovači listovi u XIX. veku (Bosnisch-herzegowinische Blätter im 19. Jahrhundert). Sarajevo 1978, S. 162 ff. A dam Müller-Gut tenbrunn (i. e. Adam Müller, zahlreiche Pseudonyme) (Guttenbrunn/Banat 1852 – 1923 Wien) Aus bescheidenen Verhältnissen, 1870 erstmals in Wien, später von Heinrich Laube unterstützt, Erfolge am Burgtheater. 1886 beim Feuilleton der »Deutschen Zeitung«, 1893 bis 1896 Leitung des Raimund-Theaters. 1897 Präsident der deutschnational-antisemitischen Deutsch-österreichischen Schriftstellergenossenschaft. 1898 Gründung des Kaiser-Jubiläums-Stadttheaters. Seine historischen und zeitgenössischen Heimatromane konstruieren das Narrativ der donauschwäbischen Einwanderungs- und Kulturgeschichte des Banats. Als »Erzschwabe« gefeiert, umfangreiches Werk. Konservativ, reaktionär, deutsch-national. Werke  : Der große Schwabenzug, 1913 (Neuausgabe Sersheim 1990)  ; Meister Jakob und seine Kinder, 1918 (Neuausgabe München 1998). Sekundärliteratur  : Hans Weresch  : Adam Müller-Guttenbrunn und seine Heimatromane. Beitrag zur Banater Literaturgeschichte, Temeswar 1927  ; Philipp Hilkene  : Adam Müller-Guttenbrunn, sein Bildungsgang. In  : Volkswart, Oktober-Dezember 1934, S. 1–7  ; Hans Weresch  : Adam Müller-Guttenbrunn. Sein Leben, Denken und Schaffen. 2 Bde., Freiburg im Breisgau 1975  ; Benedikt Köhler  : Ästhetik der Politik. Adam Müller und die politische Romantik. Stuttgart 1980  ; Branko Bešlin  : Vesnik tragedije. Nemačka štampa u Vojvodini 1933–1941. godine (Der Bote der Tragödie. Die deutsche Presse in der Vojvodina 1933–1941). Novi Sad, Sremski Karlovci 2001  ; Hans Dama  : Im Spannungs-

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feld zwischen geschichtlicher Realität und mythischen Vorstellungen. zu Adam Müller-Guttenbrunns Roman »Der große Schwabenzug« aus heutiger Sicht. In  : Temeswarer Beiträge zur Germanistik, 6 (2008), S. 281–311  ; Guillaume van Gemert  : Der Dichter als Identifikationsfigur national-kultureller Eigenständigkeit. Zu Adam Müller-Guttenbrunns Lenau-Trilogie (1919–1921). In  : Jattie Enklaar, Hans Ester (Hg.)  : Im Schatten der Literaturgeschichte  : Autoren, die keiner mehr kennt  ? Plädoyer gegen das Vergessen. Amsterdam 2005, S. 91–106. Heinrich Noé (München 1835 – Bozen 1896) Tätig an der Hof- und Staatsbibliothek in München und am British Museum in London. Seit 1863 Reisen in der Alpenregion, einer der prominentesten Reiseschriftsteller seiner Zeit mit über zwanzig Reisebüchern. Werke  : Dalmatien und seine Inselwelt nebst Wanderungen durch die Schwarzen Berge, 1870 (Nachdruck Hannover 2008). Sekundärliteratur  : Ivan Pederin  : Njemački putopisi po Dalmaciji (Deutsche Reisebeschreibungen über Dalmatien). Split 1989, S. 238 ff. Lili von Nov y (Graz 1885 – Ljubljana 1958) Als Elizabeta Haumeder in einer Grazer aristokratischen Familie geboren, seit 1887 in Ljubljana. 1911 Ehe mit Eduard von Novy, zwei Töchter. In führenden literarischen Kreisen Sloweniens beheimatet, Lyrik in deutscher und slowenischer Sprache. Entscheidende Förderung durch den Dichter Oton Župančič. Übersetzerin slowenischer Lyrik u. a. im »Agramer Morgenblatt«. Werke  : Lillys Gedichte, 1929. Sekundärliteratur  : Jože Javoršek  : Lili Novy. Ljubljana 1984. A l oisi a (Luise, Lujza) Pesjak (Pessiak) Crobath (Ljubljana 1828 – Ljub­ l­jana 1898) Tochter eines Rechtsanwalts, in dessen Haus die slowenische geistige Elite verkehrte, darunter Prešeren, der in Crobaths Anwaltskanzlei arbeitete. 1843/44 schrieb sie ihre ersten Gedichte in deutscher Sprache. 1848 heiratete sie den Großkaufmann Simon Luka Pessiak. Erlernte später das Slowenische und schrieb Lyrik in slowenischer Sprache. Mitarbeiterin aller wichtigen slowenischen Literaturzeitschriften, Übersetzerin aus dem Slowenischen. Werke  : Poesien von Dr. Franz Prešeren, in der Nachdichtung von L. Pesjak, 1865. Sekundärliteratur  : Josef Matl (Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte), Bd. 3, S. 449.

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Dušan Pl avšić (Winkowitz/Slawonien 1875 – Zagreb 1965) In Wien im kroatischen akademischen Klub »Zvonimir«, Mitbegründer der Zeitschrift »Mladost« (Die Jugend, 1898). Literaturkritik in kroatischer und deutscher Sprache und Übersetzungen aus dem Deutschen und Russischen. Später einer der führenden Bankiers in Jugoslawien. Sekundärliteratur  : Stanislav Marijanović  : Generacije »Mladih« i časopis »Mladost« u pokretu i književnosti hrvatske, slovenske i srpske »moderne« (Die Generationen der Jungen und die Zeitschrift »Die Jugend« in der Bewegung und der Literatur der kroatischen, slowenischen und serbischen Moderne). Zagreb 1982  ; Mira Kolar-Dimitrijević  : Buran život dr. Dušana Plavšića, 1875–1965 (Das aufregende Leben von Dr. Dušan Plavšić, 1875–1965). In  : Osječki zbornik, 24/25 (2001), S. 131–144. Joseph Posner (Eidlitz/Tschechien 1822 – Osijek 1888) 1850 Dr. jur. in Wien, in Osijek leitend bei der Wirtschaftskammer tätig. Buchrezensionen für Zeitungen, diverse, oft apologetische »Adressen«, Gebrauchslyrik für feierliche Anlässe und Theaterkritik. Werke  : Heimat, 1883  ; Hilfe in der Noth. Skizze aus dem Leben einer Honoration, 1902. Sekundärliteratur  : Željko Rišner  : Neki drugi pisci esekerski (Manch andere Esseker Dichter). Osijek 1999. Paul a von Prer adov ić (Wien 1887 – Wien 1951) Enkelin des Dichters Petar von Preradović, Ehefrau (1916) des Historikers und Publizisten Ernst Molden. Aufgewachsen in Pula/Istrien, später Erziehung in St. Pölten und in München. 1914 Krankenschwester am Militärkrankenhaus in Wien. Wegen ihrer liberalen politischen Ansichten von den Nationalsozialisten verfolgt, verhaftet und misshandelt. 1945 schrieb sie ihre Erinnerungen an die letzten Jahre des Krieges in ihrer »Wiener Chronik« nieder, die erst 1995 veröffentlicht wurde. Sie ist Dichterin der österreichischen Bundeshymne »Land der Berge, Land am Strome«. Werke  : Südlicher Sommer, 1929  ; Dalmatinische Sonette, 1933  ; Lob Gottes im Gebirge, 1936  ; Pave und Pero, 1940 (Neuausgabe Wien 2003)  ; Ritter, Tod und Teufel, 1946  ; Gesammelte Werke, 1967. Sekundärliteratur  : Zorka Orlandić  : Südslawische Motive in der Dichtung der Paula von Preradović. Wien (Univ. Diss.) 1979  ; Wolfgang Wiesmüller  : Formen religiöser »Intertextualität« in der österreichischen Nachkriegslyrik. In  : Karlheinz Auckenthaler (Hg.)  : Numinoses und Heiliges in der österreichischen Litera-

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tur. Bern u. a. 1995, S. 245–268  ; Ivica Batinić  : Das kroatische Erbe in »Pave und Pero« von Paula von Preradović. Innsbruck (Univ. Dipl.-Arb.) 1999  ; Ivan Pederin  : Paula von Preradović i tradicija hrvatskih generala u austrijskoj vojsci (Paula von Preradović und die Tradition der kroatischen Generäle in der österreichischen Armee). In  : Nova Istra, 6 (2001/2002) H. 4, S. 178–181  ; Branislava Zahradić  : Paula pl. Preradović i književna tradicija obitelji (Paula von Preradović und die literarische Tradition der Familie). In  : Gazophylacium (Zagreb), 6 (2001) H. 1/1, S. 25–32. Pe tar von Pr er a dov ić (Grabrovnica/Kroatien 1818 – Fahrafeld bei Pottenstein/Niederösterreich 1872) Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt, Offizier in Mailand und Zadar, 1848 beim Feldzug in Italien. 1849/50 Chef der Kriegssektion unter Jelačić. Als Diplomat verhandelte er mit Omer Pascha Latas 1852 in Travnik. Diverse Stationen (Temeswar, Verona, Arad, Preßburg, Wien), zuletzt Generalmajor. Unter dem Einfluss der kroatischen nationalen Bewegung begann er nach früheren deutschen, teils epigonalen Werken 1844 auch in kroatischer Sprache zu dichten, hier wohl noch bedeutsamer. Eine vielfach spannungsreiche Biografie, in kultureller Hinsicht ebenso wie im Wechsel zwischen militärischem Beruf und intellektuellem Anspruch. Werke  : Lina-Lieder, 1851/52 (Neuausgabe  : Petar Preradović. Izabrana djela (Petar Preradović. Ausgewählte Werke). Hg. v. Cvjetko Milanja. Zagreb 1997)  ; Mitarbeit an der deutschsprachigen Zeitschrift Luna. Sekundärliteratur  : Branko Vodnik  : Petar Preradović. Zagreb 1903  ; Slava Pecinovský  : Preradović’ Lina-Lieder. In  : Archiv für slavische Philologie. Wien, 30 (1909), S. 134–145  ; Marija Bergmann  : Njemačke pjesme Petra Preradovića (Deutsche Gedichte von Petar Preradović). In  : Savremenik (Zagreb), 13 (1918), S. 182–188  ; Sigrun Burić  : Zweisprachige Dichtung bei den Kroaten, Graz (Univ. Diss.) 1972. Petar (Pit) von Prer adov ić, der Jüngere (Wien 1892 – Zagreb 1941) Enkel des Dichters Petar von Preradović und Bruder von Paula von Preradović. Marineoffizier, nach 1918 Redakteur des »Agramer Morgenblattes«. Lyrik, zumeist in Presseveröffentlichungen, und erfolgreiche Stücke, die u. a. am Burgtheater aufgeführt wurden. Anders als der Großvater schrieb er nur deutsch. Werke  : Ein Jahr Pit. Hundert undeutliche ausgewählte Aufsätze aus einjähriger Mitarbeit an einer Tageszeitung, 1926  ; Verstehen wir uns  ? Komödie in drei Akten, 1932  ; Volk ohne Uniform. Gedanken zur kroatischen Bauernbewegung, 1939  ; Die Kroaten und ihre Bauernbewegung, 1940.

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Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 399–405. Fr ance Prešeren (Vrba/Krain 1800 – Krainburg 1849) Aus einer Bauernfamilie stammend, studierte er zuerst Philosophie, dann Jura in Wien, daneben Lehrer am Klinkowströmschen Institut. Hier Begegnung mit dem jungen Grafen Auersperg (Anastasius Grün). Trotz Promotion (Wien 1828) und Richteramtsprüfung (Klagenfurt 1832) lange nur Konzipient in unterschiedlichen Anwaltskanzleien, erst 1846 als Rechtsanwalt in Krain zugelassen. Der slowenische Nationaldichter hat auch wertvolle Beiträge in deutscher Sprache vorgelegt, die Auseinandersetzung mit der (sozial dominanten) deutschen Sprachkultur ist ein Charakteristikum seines Schaffens. Werke  : Veröffentlichungen der deutschen Lyrik im »Illyrischen Blatt« und in der »Carniolia«  ; Deutsche Dichtungen (hrsg. von Wilhelm Baum), 1999. Sekundärliteratur  :  ; Wilhelm Baum  : France Prešeren, ein slowenischer Dichter in Österreich. In  : Österreich in Geschichte und Literatur, 43 (1999), S. 107–117  ; Ralf Georg Bogner  : Übersetzung als hegemonialer Akt. Edward Samhabers »Preširenklänge« als ideologischer und poetologisch verspäteter Rekurs auf Anastasius Grüns »Volkslieder aus Krain«. In  : Ralf Georg Bogner, Andreas Brandtner (Hg.)  : Interkulturelle Asymmetrie. Edward Samhabers Übertragung des slowenischen Nationalautors France Prešeren. Mit einer Edition der »Preširenklänge« (1880) von Edward Samhaber. Wien u. a. 1999, S. 19–31  ; Jože Faganel (Hg.)  : France Prešeren. Kultura, Evropa (France Prešeren, Kultur, Europa). Ljubljana 2002  ; Matjaž Birk  : Österreichisch-slowenischer Kulturtransfer am Beispiel von Anastasius Grün und France Prešeren. In  : Modern Austrian Literature, 41 (2008) H. 2, S. 1–18  ; Marko Marinčić  : »Paene poeta Teutonicus«. Ovids Exil in den deutschen Gedichten von France Prešeren. In  : Antike und Abendland, 56 (2010), S. 174–180. Rudolf Gustav Puff (Pseudonym Rudolf Bacherer) (Groß St. Florian/Steiermark 1808 – Marburg 1865) Vielfältige Studien, Lehrer in Koper, von 1832 bis 1862 in Maribor. Erzählungen und zahlreiche kulturhistorische Beiträge in der deutschsprachigen Presse. Sammler von Volksmärchen, Sagen und Volksliedern in Krain, Istrien, in der Untersteiermark und in der Militärgrenze. Werke  : Steirische Volkssagen, oder von der Mur. Lustiges aus Ober- und Freundliches aus Untersteier, 1837–1841  ; Kurzer Auszug aus den Wanderung durch die gesamte Steiermark, 1843  ; Marburger Taschenbuch für Geschichte, Landes- und Sagenkunde der Steiermark, 1853–1855.

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Sekundärliteratur  : Franz Otto Roth  : Aus den Briefen der Marie I. an Dr. Rudolf Gustav Puff. Eine »Love-Story« im steirischen Biedermeier. In  : Blätter für Heimatkunde (Graz), 60 (1986), S. 49–56. Br anko (Aleksa) R adičev ić (Slavonski Brod/Slawonien 1824 – Wien 1853) Zahlreiche Studien (Philosophie, Jura, Medizin). In Wien im Kreis um Vuk Stefanović Karadžić, begründete mit seinen Gedichten im Versmaß des serbischen Volksliedes die moderne serbische Lyrik. Begann mit deutschsprachigen Gedichten. Werke  : Pesme (Gedichte), 1847–1862. Sekundärliteratur  : Svetislav Vulović  : Branko Radičević. Belgrad 1890. Peter Paul von R adics (Adelsberg/Krain 1836 – Ljubljana 1912) Historisch-geografische Studien in Graz und Wien, Lehrer in Ljubljana, journalistische Tätigkeit in Wien, Zagreb (»Agramer Zeitung«, 1864) und Ljubljana (1865/66 »Triglav«, »Laibacher Zeitung«, 1880–1884). Wichtige kulturhistorische Schriften zu Krain. Werke  : Geschichte Krain’s. Ein Handbuch, 1862  ; Das Archiv der krainischen Landschaft, 1863  ; Anastasius Grüns Lehrer und Freund, der slovenische Dichter France Preschiren als deutscher Poet. Biographisch-litterarische Studie, 1882  ; Abbazia, 1884  ; Zur Siegesfeier der Schlacht bei Sissek am 22. Juni 1593, 1893  ; Der Adel Krains und die Culturentwicklung des Landes. Eine Geschichtsstudie, 1897  ; Führer durch Laibach, die Landeshauptstadt des Herzogtums Krain, 1903  ; Schiller auf der deutschen Bühne in Laibach, 1905  ; Die Entwicklung des deutschen Bühnenwesens in Laibach. Kulturbilder anlässlich der Eröffnung des Kaiser Franz Joseph-Jubiläumstheaters, 1912. Sekundärliteratur  : Joachim Hösler  : Von Krain zu Slowenien  : Die Anfänge der nationalen Differenzierungsprozesse in Krain und der Untersteiermark von der Aufklärung bis zur Revolution 1768 bis 1848. München 2006  ; Tanja Žigon  : Zgodovinski spomin Kranjske  : življenje in delo Petera Pavla pl. Radicsa (1836– 1912) (Die historische Erinnerung Krains  : Leben und Werk von Peter Paul von Radics, 1836–1912). Ljubljana 2009. Vic t or von R e isner Čepinsk y (Branjevina bei Čepin/Region Osijek 1860 – Berlin 1919) Aus vermögender Osijeker Familie, Offizier, nach Verwundung entlassen. Wegen Konflikten in der Familie verließ er 1885 die Heimat. Reisen durch Europa. 1890 Heirat und Wohnung in Berlin. Herausgeber und Mitarbeiter verschiedener

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Zeitschriften, u. a. beim »Berliner Börsen-Courier«. Slawonien blieb Fixpunkt seines literarischen Schaffens zwischen Dorfgeschichte und Gesellschaftsroman. Werke  : Juraj Dragutinović, 1896  ; Heisser Boden, 1901  ; Mein Herrenrecht, 1897  ; Slavonische Dorfgeschichten, 1902  ; Mama Leichtsinn, 1904  ; Ein angenehmes Erbe, 1905. Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 57 ff.; Vlado Obad  : Freiherr Victor von Reisner. Esseker Windbeutel und Berliner Bohemien. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 11 (2002), S. 119–140. A le x ander Roda Roda (i. e. Sándor Friedrich Rosenfeld, Alexander Rosenfeld) (Drnowitz/Mähren 1872 – New York 1945) Aufgewachsen im kroatischen Zdenci, wo der Vater Gutsverwalter war. Abgebrochenes Jurastudium, Artillerieoffizier in Zagreb, dann zunehmend journalistisch tätig (u. a. im »Simplicissimus«), zumeist in München. Aus der Armee ausgeschieden, offizielle Annahme des Namens Roda Roda (Roda = Storch, kroat.). Reisen auf dem Balkan, Kriegskorrespondent im Ersten Weltkrieg. Seit 1920 wieder in München, ab 1933 in Graz, 1938 Emigration in die Schweiz, 1940 in die USA. Roda Roda ist der wohl meistgelesene Autor der Region aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Werke  : Dana Petrowitsch, 1904  ; Die Sommerkönigin, 1904  ; Dieser Schurk’, der Matkowitsch, 1904  ; Eines Esels Kinnbacken, 1906  ; Adelige Geschichten, 1906  ; Von Bienen, Drohnen und Baronen, um 1907/08  ; Schummler, Bummler, Rossetummler, Balkangeschichten, 1909  ; Milan reitet in die Nacht, 1910  ; Roda Rodas Roman, 1924  ; Die Panduren. Roman einer Leidenschaft, 1935  ; Geschichten aus Slavonien (hrsg. von Vlado Obad), München 1999. Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 93 ff.; ders.: Roda Roda und die deutschsprachige Literatur aus Slawonien. Wien 1996  ; Vlado Obad  : Esekerski književni triptih, o zavičajnosti slavonskih pisaca njemačkog jezičnog izričaja (Das Esseker literarische Tryptichon, über den Heimatcharakter der slawonischen Dichter der deutschen Sprache). In  : Vijenac (Zagreb), 144 (1999), S. 14  ; Alexandra Millner  : Slawonische Retrospektion. Erinnerungen an ÖsterreichUngarn von Wilma von Vukelich und Roda Roda. In  : Helga Mitterbauer, Silvia Ritz (Hg.)  : Kollektive und individuelle Identität in Österreich und Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg. Wien 2007, S. 171–192. Fer dinand Rosenau (Rossen) (Wien 1785 – Zagreb 1841) Schauspieler in Linz und Wien, am Leopoldstädter Theater zeitweise Direktor und Hausdichter  ; 1823 Direktor des Theaters in Ljubljana, ab 1826 als Journa-

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list in Zagreb (»Agramer politische Zeitung« mit »Luna«, dort »Vaterländische Geschichte« in Fortsetzungen)  ; parodistische Zauberspiele, Volksmärchen, Ritter- und Geisterstücke und Gelegenheitsadressen an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Werke  : Justinio der Verbannte, oder  : Der Straßenräuber bey Otranto (Schauspiel), 1821  ; Die Ehrenschilderung aller Festlichkeiten bei ruhmvoll vollzogenen goldenen heiligen Messopfer Seiner Exc. M. Verhovacz, 1826  ; Das Gebeth »Vater unser« auf die glückliche und höchst erfreuliche Wiedergenesung unseres allgeliebten Landes-Vaters Franz I., 1826  ; Ein Blümchen der Hochachtung und Ehrfurcht zum hohen Namenfeste Sr. Excellenz des Hochwürdigsten Herrn Agramer Diocesan-Bischofs am 23. April 1839, entsprossen im Gärtlein der Poesie des Ferdinand Rosenau, 1838. Sekundärliteratur  : Nikola Andrić  : Iz njemačkog Zagreba. Prilog kulturnoj historiji hrvatskoj (Aus dem deutschen Zagreb. Beitrag zur kroatischen Kulturgeschichte). In  : Život, I (1900), S. 22–24. Leopoldine Rot t (Pseudonym Enid Tor) (Wien 1877 – Belgrad 1952) Verheiratet mit dem Verleger und Druckereibesitzer Anton Rott in Vinkovci und ab 1916 in Osijek. Dramatikerin und Erzählerin. Werke  : Die Familie Nordwig, 1918  ; Die Herzensnot der Virtuosin, 1936  ; Sein letztes Lebenszeichen, 1938  ; Die Sommeraushilfe, 1938  ; Ihre Hoheit entflieht (unveröffentlicht). Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 136  ; Željko Rišner  : Neki drugi pisci esekerski (Manch andere Esseker Dichter). Osijek 1999. A le x ander von Sacher-M asoch (Witkovitz bei Mährisch Ostrau 1901 – Wien 1972) Großneffe des Schriftstellers Leopold von Sacher-Masoch. Chemiker und linksorientierter Journalist. Auf der Flucht vor den Nationalsozialisten in Belgrad, dann auf der Insel Korčula (teilweise interniert). Weitere journalistische Tätigkeit. Kooperation mit Franz Theodor Csokor, ebenfalls Exilant auf Korčula (Gründung des Österreichischen P.E.N.-Clubs). Werke  : Die Ölgärten brennen, 1943/1956 (Neuausgabe 1994)  ; Beppo und Pule. Roman einer Insel, 1948  ; Plaotina. Geschichten von einer dalmatinischen Insel, 1963. Sekundärliteratur  : Tomislav Bekić  : Jugoslavenska tematika u delu Franca Teodora Čokora i Aleksandra Zaher Mazoha. Prilog proučavanju književne emigracije u Jugoslaviji (Die jugoslawische Thematik im Werk von Franz Theo-

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dor Csokor und Alexander von Sacher Masoch. Ein Beitrag zur Forschung der literarischen Emigration in Jugoslawien). In  : Zbornik Matice srpske za književnost i jezik, XXXII (1984) H. 2, S. 102–199  ; Vlado Obad  : Gezwungene Sommergäste des Krieges  : österreichische Schriftsteller in der Emigration auf der Insel Korčula 1942–1944. In  : Marijan Bobinac (Hg.)  : Porträts und Konstellationen 1. Deutschsprachig-kroatische Literaturbeziehungen. Zagreber Germanistische Beiträge, Beiheft 6/2001, S. 133–157  ; Christina Köstner  : Alexander Sacher-Masoch im Exil. In  : Christina Köstner, Klaus Voigt (Hg.)  : Österreichisches Exil in Italien 1938–1945. Wien 2009, S. 200–210  ; Erwin Köstler  : Die jugoslawische Kriegserfahrung in der österreichischen (Exil)Literatur. In  : Zwischenwelten. Zeitschrift der Theodor Kramer Gesellschaft, 27 (2011), S. 47–51. Edwa r d (Eduard Mathias) Sa mh a ber (Freistadt/Oberösterreich 1846  – Linz 1927) Studium der Rechtswissenschaften, Germanistik, Geschichte und Geografie in Wien. Bis 1888 Lehrer in Ljubljana, dann in Linz an der Lehrerbildungsanstalt, ab 1907 freier Schriftsteller. Ein formbewusster spätromantischer Lyriker (Natur, Heimat, Nation). Befassung mit Geschichte, Landschaft und Kultur Krains. Berühmte Nachdichtungen. Werke  : Preširenklänge, 1880  ; Dichtungen, 1887  ; Lyrische Dichtungen, 1890. Sekundärliteratur  : Andreas Brandtner, Werner Michler (Hg.)  : Brechungen – Brücken. Beispiele österreichisch-slowenischer Literaturbeziehungen  : Edward Samhaber – France Prešeren – Drago Jančar. Linz 1996  ; Ralf Georg Bogner  : Übersetzung als hegemonialer Akt. Edward Samhabers »Preširenklänge« als ideologischer und poetologisch verspäteter Rekurs auf Anastasius Grüns »Volkslieder aus Krain«. In  : Ralf Georg Bogner, Andreas Brandtner (Hg.)  : Interkulturelle Asymmetrie. Edward Samhabers Übertragung des slowenischen Nationalautors France Prešeren. Mit einer Edition der »Preširenklänge« (1880) von Edward Samhaber. Wien u. a. 1999, S. 19–31  ; Mira Miladinović Zalaznik  : »Neben den Boxern in den illustrierten Zeitungen sehen die bekannten Schriftsteller schon miserabel genug aus  : noch nicht Muskel und nicht mehr Geist«. Der österreichische Schriftsteller und Germanist Edward Samhaber (1846–1927) in Ljubljana. In  : Anton Schwob, Zoltán Szendi (Hg.)  : Aufbruch in die Moderne  : Wechselbeziehungen und Kontroversen in der deutschsprachigen Literatur um die Jahrhundertwende im Donauraum. München 2000, S, 75–91.

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Irene von Schell ander (Wien 1873 – Salzburg 1933) Tochter eines Admirals, schon in jungen Jahren als Lyrikerin tätig, u. a. im »Cotta’schen Musen-Almanach«. Geschichte und Landschaft Krains und Istriens spielen in ihrem Werk eine wichtige Rolle. Werke  : Tannenbruch. Gedichte, 1902  ; Rojenica. Eine Erzählung aus dem Krainer Hochgebirge, 1906. Sekundärliteratur  : Elisabeth Friedrichs  : Die deutschsprachigen Schriftstellerinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. Ein Lexikon. Stuttgart 1981. Johann Nepomuk Schwer dling (Wien 1758 – Linz 1833) Augustiner in St. Pölten, seit 1790 in Zagreb als Sekretär des Bischofs, Professor der Pastoral- und Moraltheologie und – dabei besonders erfolgreich – deutscher Domprediger. Werke  : Wald-Scenen und Natur-Schönheiten, 1794  ; Praktische Anwendung aller k. k. Verordnungen in geistlichen Sachen Publico Ecclesiasticis vom Antritte der Regierung weiland Marien Theresien bis ersten May 1788, 1788–1790  ; Trauerrede auf Joseph II., 1790  ; Trauerrede auf Leopold den Zweiten, römischen Kaiser, 1792. Johann Gabriel Seidl (Pseudonym Meta Communis) (Wien 1804 – Wien 1875) Besuch des Akademischen Gymnasiums in Wien von 1813 bis 1819, Studium an der Wiener Universität von 1819 bis 1822, dann in Wien Kustos am k. k. Münzund Antikenkabinett und bei der Schatzkammer. 1829 bis 1840 in Celje Gymnasiallehrer. Erfolgreich als Lyriker (berühmte Vertonungen durch Franz Schubert und Carl Loewe), Herausgeber des Taschenbuchs »Der Freund des schönen Geschlechts«, mit vielen Dichtern seiner Zeit in freundschaftlichem Kontakt, auch mit Anastasius Grün. Werke  : Bifolien, 1836  ; Wanderungen durch Tyrol und Steyermark, 1840–1841 (Neuausgabe München 1978)  ; Slovenische Sagen und Geschichten. In  : Das Veilchen (Wien), 38 (1848), S. 29–81  ; Mitarbeit bei der »Agramer politischen Zeitung«. Sekundärliteratur  : Uta Maley  : Literarische Affinitäten zwischen Österreich und Slowenien im Vormärz  ? In  : Johann Holzner, Wolfgang Wiesmüller (Hg.)  : Jugoslawien – Österreich. Literarische Nachbarschaft. Innsbruck 1986, S. 239– 252  ; Hubert Lengauer  : Mitternacht und Morgenröte. Licht auf die Biographie eines Mittelmäßigen, zu Johann Gabriel Seidl. In  : Robert Pichl, Clifford A. Bernd (Hg.)  : The other Vienna. The Culture of Biedermeier Austria. Wien 2002, S. 95–118  ; Anton Janko  : Johann Gabriel Seidl als Beiträger des »Illyri-

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schen Blattes« und der »Carniolia«. In  : Mira Miladinović Zalaznik, Peter Motzan, Stefan Sienerth (Hg.)  : Benachrichtigen und Vermitteln  : Deutschsprachige Presse und Literatur in Ostmittel- und Südosteuropa im 19. und 20. Jahrhundert. München 2007, S. 87–96. August Šenoa (Zagreb 1838 – Zagreb 1881) Der Begründer des kroatischen Romans stammt aus einer germanisierten tschechisch-slowakischen Familie (Schönhoa), schreibt als Jugendlicher Gedichte in deutscher Sprache. Als Panslawist und Protegé von Bischof Strossmayer findet er keinen Zutritt zur Wiener Universität, Jurastudien in Prag, dann in Wien als Journalist tätig (»Slawische Blätter«), seit 1866 wieder in Zagreb, Beamter der Stadt, Dramaturg am Kroatischen Nationaltheater, ab 1874 Redakteur der führenden kroatischen Literaturzeitschrift »Vijenac« (Der Kranz). Werke  : Bilder aus Kroatien, 1866. Sekundärliteratur  : Zdenko Škreb  : Tragovi njemačke poezije u Šenoinim stihovima (Spuren der deutschen Lyrik in Šenoas Versen). Zagreb 1953  ; Zdenko Škreb  : Šenoa i njegovo doba prema njemačkoj književnosti 1860–1881 (Šenoa und seine Zeit im Vergleich zur deutschen Literatur 1860–1881). In  : Aleksandar Flaker, Krunoslav Pranjić (Hg.)  : Hrvatska književnost prema evropskim književnostima  : od narodnog preporoda k našim danima (Kroatische Literatur im Vergleich zu europäischen Literaturen. Von der Erneuerungsbewegung bis zu unseren Tagen). Zagreb 1970, S. 151–174  ; Ivan Pederin  : August Šenoa u odnosu s austrijskom i njemačkom književnošću i političkom ideologijom (August Šenoa in der Beziehung zur österreichischen und deutschen Literatur und politischen Ideologie). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 1996, S. 19–43  ; Dragutin Horvat  : Šenoa  : promicatelj njemačke književnosti (Šenoa  : Promotor der deutschen Literatur). In  : Riječ (Zagreb), 4 (1998) H. 1, S. 141–145  ; Miroslava Tušek  : (Ne)poznata obzorja  : studije i ogledi ((Un)Bekannte Horizonte  : Studien und Aufsätze). Zagreb 1999. R ich a r d Gr a f S er m age von S z omsz é dvá r u n d M e dv e d gr a d (Pseudonyme Probus, Otto Bernhard) (Buda 1831 – Graz 1903) Gymnasium, Studium der Landwirtschaft, Verwaltung des Familienbesitzes im kroatischen Hinterland. Als Magnat Mitglied des Landtags. Verlässt Kroatien 1885 nach Verkauf seiner Güter. Ab 1888 in Graz publizistisch tätig (»Grazer Tagblatt«, »Tagespost«), kritisiert den wachsenden Nationalismus in ÖsterreichUngarn, warnt vor dem Zerfall der Monarchie. Auch seine Tochter Alexandrine von Sermage (1863–1946) war Schriftstellerin.

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Werke  : Die Verlassenen, 1889  ; Dr. Wolf ’s Kraftelixir. Lustspiel in vier Aufzügen, 1896  ; Rückblick auf Österreich im Jahr 2000, 1898. Sekundärliteratur  : Ivan Pederin  : Naši pisci na njemačkom jeziku (Unsere deutschsprachige Schriftsteller). In  : Forum (Zagreb), XVIII (1979) H. 4/5, S. 838–860  ; Alojz Jembrih  : Grofovi Sermage i njihova kulturna, književna i politička djelatnost (Die Grafen Sermage und ihre kulturelle, literarische und politische Tätigkeit). In  : Željko Bajza (Hg.)  : Bedekovčina stara i plemenita (Bedekovčina, alt und edel). Bedekovčina 1997, S. 173–182  ; Alojz Jembrih  : Grof Sermage u zrcalu svojih pisama 1758 (Graf Sermage im Spiegel seiner Briefe 1758). Zagreb 2000. Rudolf Sieber (Imst/Österreich 1896 – Wien 1966) Studium in Wien, Deutschland und Bosnien, Leiter des Touristikvereins in Split, 1941–1945 Leiter des jugoslawischen bzw. kroatischen Amtlichen Reisebüros in Berlin. Er schrieb Reiseberichte, Gedichte, Novellen, philosophische Abhandlungen, Aphorismen. Werke  : Dalmatinische Elegien, 1929  ; Ein Phantom. Drei Novellen, 1929  ; Führer durch Dalmatien und das Kroatische Küstenland nebst Touren durch Montenegro, Bosnien und Herzegowina und kleinem Sprachführer, 1929  ; Madonna mit dem Dolche. Dalmatinische Novelle, 1931. Sekundärliteratur  : Ivan Pederin  : Pjesnik Rudolf Sieber kao turistički novinar u Splitu (Der Dichter Rudolf Sieber als Touristik-Journalist in Split). In  : Radovi Zavoda JAZU u Zadru, XXVII–XXVIII (1981), S. 241–260. Jürg Simani (i. e. Juraj Simanić, Georg Simanitsch) (Zagreb 1835 –   ?) Schriftsteller in Wien, Versdichtungen in patriotisch-historisierender Tradition von Anastasius Grün und Ludwig August Frankl. Seine Ode über Maximilian I. (1868) erlebte binnen eines Jahres 22 Auflagen, bis März 1870 wurden 42.000 Exemplare verkauft. Werke  : Maximilian I., Kaiser von Mexiko, 1868  ; Bavaria, Sagen aus Bayern, 1870  ; Lissa und Custozza. Patriotische Heldengedichte, 1874. Sekundärliteratur  : Velimir Deželić (1901), S. 66. Ernst Simons (Rheydt 1902 –   ?) Aus einer rheinisch-jüdischen Kaufmannsfamilie stammend, publizierte in Osijek Romane mit zionistischer Thematik. Über sein Leben nach 1929 gibt es keine Angaben. Werke  : Der alte Gott lebt noch, 1928  ; Für dich, mein Volk, 1929.

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Sekundärliteratur  : Željko Rišner  : Neki drugi pisci esekerski (Manch andere Esseker Dichter). Osijek 1999. Josip Str itar (Pseudonyme Boris Miran, Peter Einsam, Podsmreka/Slowenien 1836 – Rohitsch Sauerbrunn/Slowenien 1923) Studium der klassischen Philologie in Wien, Hauslehrer und Redakteur, dann Gymnasiallehrer in Wien. Verarmt und durch den Krieg auch mit der nationalen Frage konfrontiert, ging er nach Slowenien. 1919 Mitglied der Jugoslawischen Akademie. Stritar hat die eigene Lyrik ins Deutsche übersetzt, seine Literatursprache war jedoch das Slowenische. Werke  : Student in der Hölle, 1861  ; Boris Miran’s Gedichte, 1877  ; Etwas von Peter Einsam, 1894  ; Gedächtnisverse zur lateinischen Casuslehre, 1898. Sekundärliteratur  : Jože Pogačnik  : Josip Stritar. Ljubljana 1985. Tito M arquis Strozzi (Zagreb 1892 – Zagreb 1970) Aus einer angesehenen Künstlerfamilie (Schauspiel, Musik), Studien in Wien, dort auf Deutsch dichtend  ; im Ersten Weltkrieg an der Front in Galizien. 1919 Schauspieler am Zagreber Nationaltheater, seit 1922 auch als Regisseur und Dramatiker tätig. Bis 1960 in Zagreb in klassischen Rollen, 1961/62 am Volkstheater Rostock. Werke  : Die trauernde Cascade und anderes, 1913  ; Ein Trauerspiel in 4 Bildern und einem Prolog, 1916. Übersetzung  : Johann Wolfgang von Goethe  : Faust I (1955), Faust II (1970). Sekundärliteratur  : Marijan Bobinac  : Deutschsprachiger Jugendstil aus Kroatien. Tito Strozzis Die trauernde Cascade. In  : Zagreber Germanistische Beiträge, 2 (1993), S. 89–98  ; Marijan Bobinac  : »Tugujuća kaskada« i »Žalobna igra«. Strozzijevi mladenački radovi na njemačkom jeziku (»Die trauernde Cascade« und »Das Trauerspiel«. Strozzis Jugendwerke in deutscher Sprache). In  : Nikola Batušić (Hg.)  : Julije Benešić. Tito Strozzi. Zbornik radova znanstvenih kolokvija HNK 1992, 1993 ( Julije Benešić. Tito Strozzi. Aufsatzsammlung). Zagreb 1994, S. 117–131  ; Ana Lederer  : Redatelj Tito Strozzi (Der Regisseur Tito Strozzi). Zagreb 2003. Fr anz Sulke (  ? 1903 – Wien 1994) Sulke verbrachte einen Teil seiner Jugend in Kroatien bei einem Schulfreund im aristokratischen Milieu. Studium in Wien, Versicherungskaufmann, Mitarbeiter beim Österreichischen Rundfunk. Werke  : Von Zwetschkenbaronen und anderen Gosponen oder Balkan-Brevier, 1974  ; Tempi passati, 1986.

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Victor (Viktor) Tausk (Sillein/Slowakei 1879 – Wien 1919) Mit der Familie nach Kroatien, 1892 Sarajevo, Abitur in Warasdin. Jurastudium in Wien, Rückkehr nach Bosnien, 1906 als Journalist nach Berlin. Briefwechsel mit Sigmund Freud, seit 1908 in Wien, Psychoanalyse und Medizinstudien  ; 1915 Kriegsteilnahme, später als Arzt tätig, Selbstmord 1919. Eine vielfach zerrissene Persönlichkeit, geprägt von der klassischen Moderne in Dichtung und Psychologie. Werke  : Halbdunkel (entstanden 1905), erstveröffentlicht in  : Gesammelte psychoanalytische und literarische Schriften. Hg. v. Hans Joachim Metzger. Wien, Berlin 1983, S. 294–360  ; Husein Brko. Bosnische Zigeunergroteske, 1912, nachgedruckt in  : Gesammelte psychoanalytische und literarische Schriften, S. 408– 428  ; Südslavische Volksballaden, in  : Gesammelte psychoanalytische und literarische Schriften, S. 465–494. Sekundärliteratur  : Paul Roazen  : Brudertier. Sigmund Freud und Victor Tausk – die Geschichte eines tragischen Konflikts. Hamburg 1973 (zuerst USA 1969) (Nachdruck Gießen 2002)  ; Kurt R. Eissler  : Talent and Genius  : The fictitious case of Tausk contra Freud. New York 1971  ; Marius Tausk  : Wer war Viktor Tausk. Ein biographischer Versuch von seinem Sohn. In  : Viktor Tausk  : Gesammelte psychoanalytische und literarische Schriften. Hg. v. Hans Joachim Metzger. Wien, Berlin 1983, S. 498–563  ; Alfred Pfabigan  : Victor Tausk huldigt Karl Kraus. In  : Forum, Wien, 36 (1989) H. 430/431, S. 58–61  ; Dragan Pavelić  : Jedno pismo Victora Tauska iz 1908 (Ein Brief von Victor Tausk aus dem Jahr 1908). In  : Psihoterapija (Zagreb), 23 (1993) H. 1/2, S. 293–297  ; Antun Pinterović  : Victor Tausk – jedna tragična sudbina u početcima psihoanalize (Victor Tausk – ein tragisches Schicksal in den Anfängen der Psychoanalyse). In  : Gordogan (Zagreb), 16–17 (1995) H. 41/42, S. 86–105  ; Gisela Steinlechner  : Fallgeschichten  : Kraft-Ebbing, Panizza, Freud, Tausk. Wien 1995  ; Branimir Donat  : Viktor Tausk, Sigmund Freud i hrvatska moderna okupljena oko zagrebačko-bečkoga časopisa Mladost (Viktor Tausk, Sigmund Freud und die kroatische Moderne versammelt um die Zagreber-Wiener Zeitschrift »Die Jugend«). In  : Književna republika (Zagreb), 5 (2007) H. 3/4, S. 68 f. I mbro (Emmerich, Emerik) Ign jat i j ev ić Tk a l ac (Karlstadt/Kroatien 1824 – Rom 1912) Studium der Philosophie und Jura in Berlin, München und Heidelberg, dort 1848 Promotion und für kurze Zeit Dozent für Slawistik. 1848–61 in Zagreb, u. a. Sekretär der Wirtschaftskammer. Später in Wien, dann in Russland und Italien. Befreundet mit Kossuth und Garibaldi, wichtige politische Schriften und Aktivitäten.

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Werke  : Croaten, Serben und Magyaren, ihre Verhältnisse zu einander und zu Deutschland. Sendschreiben an Arnold Ruge, 1848  ; Ost und West 1849. Eine politische Rundschau, 1850  ; Die Lage der Dinge in Kroatien, 1850 (Allgemeines Verwaltungsarchiv Wien, Nachlass Bach, 16, Kroatien, I. Tkalac)  ; Das serbische Volk in seiner Bedeutung für die orientalische Frage und die europäische Civilisation, 1853  ; Das Staatsrecht des Fürstentums Serbien, 1858  ; Jugenderinnerungen aus Kroatien, 1894 (privater Nachdruck – hrsg. von Siegfried Käss – o. O. 1996). Sekundärliteratur  : Wilfried Potthoff  : Imbro Tkalac als autobiographischer Autor. Zu den »Jugenderinnerungen aus Kroatien«. In  : Byzantine Studies, 11–12 (1985), S. 303–313  ; Andrea Feldman  : Strossmayer i Tkalac. Susret liberalizma i katoličanstva u Hrvatskoj XIX stoljeća (Strossmayer und Tkalac. Die Begegnung zwischen Liberalismus und Katholizismus im Kroatien des 19. Jahrhunderts). In  : Hans-Georg Fleck (Hg.)  : Katoličanstvo i liberalizam u Hrvatskoj (Katholizismus und Liberalismus in Kroatien). Zagreb 1998, S. 12–25  ; Andrea Feldman  : Imbro Tkalac i modernizacija u Hrvatskoj (Imbro Tkalac und die Modernisierung in Kroatien), in  : Hans-Georg Fleck, Igor Graovac (Hg.)  ; Dijalog povjesničara-istoričara IV, zbornik radova (Dialog der Historiker IV, Sammelband). Zagreb 2000, S. 267–279  ; Christian Križanac  : Imbro Ignatijević Tkalac (1824–1912). Sein Einsatz für die slawischen Völker in der Habsburger Monarchie am Beispiel seiner Zeitung »Ost und West«. Wien (Univ. Dipl.-Arb.) 2009. Ivan R it ter von Trnski (Rača bei Bellowar/Kroatien 1819 – Zagreb 1910) Gymnasium in Zagreb, Ausbildung als Verwaltungsoffizier in Wien, 1869 Oberst, 1871/72 Grossgespan von Bellowar. Früh mit Ljudevit Gaj bekannt, angeregt zur Lyrik im illyrischen Geist, ferner Reisebeschreibungen, Schauspiele, auch eine Schrift zur kroatischen Verslehre (1874). Der wertvollste Teil seines Opus sind Übersetzungen und Nachdichtungen aus dem Deutschen, Englischen und Französischen. A dolf Igna z R it ter von Tsch abuschnig g (Klagenfurt 1809 – Wien 1877) Aus Kärntner Adelsfamilie. Begann in jungen Jahren seine literarische Arbeit, später Inhaber zahlreicher politischer Ämter, Mitglied des Kärntner Landtags, des Reichsrats und des Herrenhauses, 1870/71 Justizminister. Als Schriftsteller trat er mit Lyrik, Erzählungen und Reisebeschreibungen hervor. Seine Werke, vor allem seine beim Lesepublikum sehr erfolgreichen Novellen, veröffentlichte er zum Teil in »Carniolia«. Die Stoffe entlehnt er oft mittelalterlichen Sagen. Werke  : Das Brautkleid, 1828  ; Ephemeriden, 1829  ; Aus den Papieren eines Ir-

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renarztes, 1831  ; Das Haus der Grafen Owinski, 1832  ; Der moderne Eulenspiegel, 1846  ; Zur Frage der Nationalitäten. In  : Wiener Sonntagsblätter, 15.10.1848, S. 735–744  ; Die Industriellen, 1854. Sekundärliteratur  : Othmar Rudan  : Im Wandel unwandelbar. Der Kärntner Dichter und Politiker Adolph Ritter Tschabuschnigg 1809–1877. Porträt einer problematischen Persönlichkeit. Klagenfurt 1977  ; Hans Heinz Hahnl  : Vergessene Literaten. Fünfzig österreichische Lebensschicksale. Wien 1984  ; Primus Heinz Kucher (Hg.)  : Adolf Ritter von Tschabuschnigg (1809–1877). Literatur und Politik zwischen Vormärz und Neoabsolutismus. Wien u. a. 2006. Stanko Vr a z (i. e. Jakob Frass) (Scherowetz/Untersteiermark 1810 – Zagreb 1851) Gymnasium in Maribor und Ptuj, Studium in Graz. Unter Gajs Einfluss Studium in Zagreb, begeisterter Illyrier. Schrieb Gedichte, Reisebeschreibungen, Literaturkritiken, übersetzte auch Klassiker der Weltpoesie. 1842 Mitbegründer der Literaturzeitschrift »Kolo« (Der Reigen). Milovan Vučkov ić ( Wuchkov ich) (Klasnić/Kroatien 1816 – Graz 1895) Sohn eines Offiziers an der Militärgrenze, nach Ausbildung an der Militärakademie verschiedene Posten, 1855 beim Generalkommando in Zagreb 1855. Sein Stück nach Motiven kroatischer und serbischer Heldenlieder wurde 1863 von Demeter ins Kroatische übersetzt und am Nationaltheater in Zagreb mit Erfolg uraufgeführt. Werke  : Untergang des serbischen Kaisertums. Trauerspiel in 5 Akten, 1866 (zuerst 1861 in der »Agramer Zeitung«). Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 387 f. Vil m a von Vuk el ić ( Wil m a von Vuk el ich, geb. Miskolczy) (Osijek 1880 – Zagreb 1956) Aus wohlhabender jüdischer Familie, Internat in Wien, veröffentlichte 1897 in »Der Drau« ihre ersten Feuilletons, Ehe mit dem Offizier und Dichter Milivoj von Vukelić (1902), Mutter von vier Kindern, Chemiestudium in Dresden und München  ; seit 1923 in Zagreb, wiederholt auch in Paris (1933–1937) wegen Verfolgung durch die serbische königliche Polizei, den Zweiten Weltkrieg überlebt sie in Zagreb. Werke  : Die Heimatlosen, 1923  ; Der Kreis, 1947 (unveröffentlicht)  ; Memoiren, 1948 (veröffentlicht als »Spuren der Vergangenheit  : Erinnerungen aus einer k. u. k. Provinz  ; Osijek um die Jahrhundertwende«. Hg. von Vlado Obad. München 1992)  ; Aussaat, 1950 (unveröffentlicht)  ; Der Mann auf der Brücke, 1955

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(unveröffentlicht)  ; In engen Grenzen, 1951 (veröffentlicht in kroatischer Übersetzung von Vlado Obad »U stiješnjenim granicama«, 1997). Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 141 ff.; Vlado Obad  : Vilma Vukelić u duhovnom ozračju hrvatske lijeve inteligencije (Vilma Vukelić in der geistigen Atmosphäre der kroatischen linken Intelligenz). In  : Književna republika (Zagreb), 3 (2005) H. 5/6, S. 193–200  ; Alexandra Millner  : Slawonische Retrospektiven  : Erinnerungen an Österreich-Ungarn von Wilma von Vukelich und Roda Roda. In  : Helga Mitterbauer, Silvia Ritz (Hg.)  : Kollektive und individuelle Identität in Österreich und Ungarn nach dem Ersten Weltkrieg. Wien 2007, S. 171–192, besonders S. 175 f. Johannes (Hans) Wawerk a (Wien 1810 – Wien 1902) Typograf, später Redakteur (»Esseker Lokalblatt und Landbote«), dann in Vukovar beim »Syrmier Bote«, 1865 wieder in Osijek in derselben Funktion bei »Slavonia«. Er verließ Kroatien um 1875 und arbeitete danach in Graz als Schriftsteller und Journalist. Werke  : Die Perle von Essek, 1862  ; Essek in der Nacht, 1862  ; Ein Mädchen aus den unteren Schichten, 1862  ; Ein Judenkind, 1864  ; Der Pandurenkommandant, 1866. Sekundärliteratur  : Vlado Obad (1989), S. 20 ff. Joh a nnes Weidenheim (i. e. Ladislaus Johannes Jakob Schmidt) (Topola/ Batschka 1918 – Bonn 2002) Mitarbeit am deutschen Besatzungssender in Belgrad, nach 1945 in Deutschland, verschiedene Berufe, reiches schriftstellerisches Werk, mit seinen beiden ersten Romanen in der Gruppe 47 aktiv. Maresi, der donauschwäbische Kindheitsort, ist der Fixpunkt seines Schaffens. Werke  : Nichts als ein bisschen Musik, 1947  ; Das türkische Vaterunser, 1955  ; Ein Sommerfest in Maresi, 1956  ; Maresiana, 1960  ; Heimkehr nach Maresi, 1994  ; Maresi, eine Kindheit in einem donauschwäbischen Dorf, 1999. Sekundärliteratur   : Ivan Poljaković  : Flucht und Vertreibung in der donauschwäbischen Literatur der Nachkriegszeit unter besonderer Berücksichtigung des Werks von Johannes Weidenheim. Auckland (Univ. Diss.) 2002. Her mann Wendel (Metz 1884 – Metz 1936) Politiker und Journalist, Stadtverordneter in Frankfurt am Main und Reichstagsabgeordneter für die SPD, während der Balkankriege Korrespondent in Serbien.

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Zahlreiche, teils auch neu aufgelegte historische und ethnografische Werke, vor allem über Südosteuropa. Werke  : Kreuz und quer durch den slawischen Süden, von Marburg bis Monastir, von Belgrad bis Buccari-Krainer Tage, 1922 (Nachdruck als Südslawische Silhouetten. Hannover 2007)  ; Von Belgrad bis Buccari  : eine unphilosophische Reise durch Westserbien, Bosnien, Hercegovina, Montenegro und Dalmatien, 1922  ; Die Habsburger und die Südslawenfrage, 1924  ; Das Attentat von Sarajevo, 1925. Sekundärliteratur  : Zoran Konstantinović  : Deutsche Reisebeschreibungen über Serbien und Montenegro. München 1960  ; Roswitha Bauer  : Hermann Wendel als Südosteuropa-Publizist. München (Univ. Diss.) 1982 (Nachdruck Hannover 2007)  ; Lutz Winckler  : Hermann Wendel – ein »Grenzfall«. In  : Hélène Roussel, Lutz Winckler (Hg.)  : Rechts und links der Seine. Tübingen 2002, S. 145–157  ; Sigrid Bock  : Der Dichter im Ersten Weltkrieg. Heine-Bild eines sozialdemokratischen Reichstagsabgeordneten. In  : Heinrich Heine – Erbe und Erben. Berlin 2006, S. 48–54. Fr anz von Wer ner (Pseudonym Murad Efendi) (Wien 1836 – Den Haag 1881) Schulbesuch u. a. in Zagreb, dem Heimatort der Eltern, verschiedene Berufsideen (Apotheker, Malerei), schließlich in einem Kavallerieregiment. Abenteuerliche Flucht nach Istanbul, wo er den Namen Murad Efendi annimmt und Offizier, später Sekretär des Großwesirs wird. Danach diplomatische Posten in Palermo, Temeswar, Venedig und Dresden, seit 1877 Gesandter in Den Haag. Bekannt und erfolgreich mit Bühnenwerken, als Lyriker und Prosaautor wichtig für die Orienterfahrung der Zeit. Werke  : Klänge aus dem Osten, 1869  ; Durch Thüringen, 1870  ; Marino Faliero, 1871  ; Selim III., 1872  ; Ines de Castro, 1872  ; Bogadil, 1874  ; Mit dem Strom, 1874  ; Professors Brautfahrt, 1874  ; Durch die Vase, 1875  ; Mirabeau, 1875  ; Ost und West, 1877  ; Nassredin Chodja, ein osmanischer Eulenspiegel, 1878  ; Balladen und Bilder, 1879  ; Auf dem Kreuzhof, 1881. Werkausgaben  : Türkische Skizzen. 2 Bde. Leipzig 1878  ; Dramatische Werke. 3 Bde. Leipzig 1881. Sekundärliteratur  : Velimir Deželić (1901), S. 66 ff.; Ivan Pederin  : Murad Efendi – Franz Werner. In  : Südostforschungen, 32 (1973), S. 106–122  ; Eldi Grubišić Pulišelić  : Franz von Werner – turski diplomat i pisac na njemačkom jeziku (Franz von Werner – ein türkischer Diplomat und Dichter der deutschen Sprache). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2004,

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S. 43–56  ; Eldi Grubišić Pulišelić  : Poetika Münchenskog kruga i ljubavna lirika Franza von Wernera. U usporedbi s Emanuelom Geibelom i Friedrichom Bodenstedtom (Die Poetik des Münchner Kreises und die Liebeslyrik von Franz von Werner im Vergleich mit Emanuel Geibel und Friedrich Bodenstedt). In  : Godišnjak Njemačke narodnosne zajednice (VDG Jahrbuch) 2005, S. 95–109  ; Eldi Grubišić Pulišelić  : Slika Osmanskog carstva u putopisima Franza von Wernera-Murada Efendija (Das Bild des Osmanischen Reiches in der Reiseliteratur Franz von Werners-Murad Efendis). In  : Hafiz Nimetulah (Hg.)  : IV. Uluslararasi Guney-Dogu Avrupa Turkolojisi Sempozyumu Bildirileri. Prizren 2011. Emil Wickerhauser (Pseudonyme Friedrich Fels, Ludwig Albrecht Berger) (  ? 1823 –   ? 1900) Dolmetscher beim Grenz-Generalkommando in Zagreb, publizierte Gedichte in österreichischen und kroatischen Zeitschriften. Sekundärliteratur  : Josef Matl (1965), S. 384 f. Natalie (Natalija) Wickerhauser (Zagreb 1853 – Zagreb 1906) Tochter von Emil Wickerhauser, schon im Mädchenalter Lyrik und Briefwechsel mit Grillparzer, mit dem ihr Vater befreundet war. Sprachstudien in London, 1892 Gründung einer Sprachschule in Zagreb, dann auch am Mädchenlyzeum in Zagreb. Vorreiterin der Frauenbewegung in Kroatien, wissenschaftliche Tätigkeit (Pädagogik, Phonetik), veröffentlichte in französischen, österreichischen und deutschen Zeitschriften. Freitod. Werke  : Eine methodisch-ästhetische Skizze im Anschluss an Goethes Iphigenie, 1897  ; Den Vereinsamten, 1905. Sekundärliteratur  : Josef Matl (Deutsch-Österreichische Literaturgeschichte), Bd. 4, S.  1480  ; Camilla Lucerna  : Natalie Wickerhauser. Eine Denkschrift. Agram/Zagreb 1909.

Konkordanz der Ortsnamen Es bedeutet  : dt.= deutsch, it.= italienisch, kr.= kroatisch, pol.= polnisch, rum.= rumänisch, se.= serbisch, sl.= slowenisch, so.= slowakisch, tsch.= tschechisch, ung.= ungarisch. Deutsche Ortsnamen Abbazia kr. Opatija Abstall sl. Apače Adelsberg sl. Postojna Agram kr. Zagreb Auersperg sl. Turjak Batsch-Sentiwan bei Sombor se. Prigrevica kod Sombora Belgrad se. Beograd Bellowar kr. Bjelovar Bozen it. Bolzano Brünn tsch. Brno Buccari kr. Bakar Cattaro kr. Kotor Chaberitz tsch. Chabeřice Cilli sl. Celje Debreczin ung. Debrecen Drnowitz tsch. Drnovice Eidlitz tsch. Údlice Esseg kr. Osijek Fiume kr. Rijeka Görz it. Gorizia, sl. Gorica Gottsche [Stadt] sl. Kočevje Gottschee [Land] sl. Kočevsko Großkikinda se. Kikinda Guttenbrunn rum. Zăbrani Hatzfeld rum. Jimbolia, se. Žombolj Idria sl. Idrija Karlowitz se. Sremski Karlovci Karlstadt kr. Karlovac Kaschau so. Košice Klagenfurt sl. Celovec Kopisch, Ruppertsberg ung. Kaposvár Krainburg sl. Kranj

Kreutz kr. Križevci Laibach sl. Ljubljana Lissa kr. Vis Littai sl. Litija Marburg an der Drau sl. Maribor Maria-Theresiopel se. Subotica Militsch pol. Milicz Mokritz sl. Mokrice Neusatz se. Novi Sad Neuverbaß se. Novi Vrbas Ödenburg ung. Sopron Ofen ung. Buda Olmütz tsch. Olomouc Orsowa rum. Orşova, se. Rušava Passarowitz se. Požarevac Peterwardein se. Petrovaradin Pettau sl. Ptuj Plankenburg se. Bačka Palanka Pola kr. Pula Poschegg kr. Požega Posen pol. Poznań Preßburg so. Bratislava, ung. Pozsony Radkersburg sl. Radgona Radmannsdorf sl. Radovljica Ragusa kr. Dubrovnik Rann sl. Brežice Rohitsch Sauerbrunn sl. Rogaška Slatina Sanegg sl. Žovnek Scherowetz sl. Cerovec Schintau so. Šintava Sebenico kr. Šibenik Semil tsch. Semily Semlin se. Zemun Sillein so. Žilina Sissek kr. Sisak

Konkordanz der Ortsnamen Spalato kr. Split Steinbüchel sl. Kamna Gorica Temeswar (Temeschburg) rum. Timişoara Thurn am Hart sl. Šrajbarski turn Triest it. Trieste Troppau tsch. Opava Warasdin kr. Varaždin Weina Luka se. Banja Luka Weißkirchen se. Bela Crkva Werschetz se. Vršac Winkowitz kr. Vinkovci Wirowititz kr. Virovitica Witkovitz bei Mährisch Ostrau tsch. Vitkovice Moravská Ostrava Zaiwitz bei Znaim tsch. Znojmo Zara kr. Zadar Zengg kr. Senj Ortsnamen in Nationalsprachen Apače dt. Abstall Bačka Palanka dt. Plankenburg Bakar it. Buccari Banja Luka dt. Weina Luka Bela Crkva dt. Weißkirchen Beograd dt. Belgrad Bjelovar dt. Bellowar Bolzano dt. Bozen Bratislava, Pozsony dt. Preßburg Brežice dt. Rann Brno dt. Brünn Buda dt. Ofen Celje dt. Cilli Celovec dt. Klagenfurt Cerovec dt. Scherowetz Chabeřice dt. Chaberitz Debrecen dt. Debreczin Drnovice dt. Drnowitz Dubrovnik dt. Ragusa Gorizia, Gorica dt. Görz Idrija dt. Idria Jimbolia, Žombolj dt. Hatzfeld Kamna Gorica dt. Steinbüchel Kaposvár dt. Kopisch, Ruppertsberg

325 Karlovac dt. Karlstadt Kikinda dt. Großkikinda Kočevje dt. Gottsche [Stadt] Kočevsko dt.Gottschee [Land] Košice dt. Kaschau Kotor it. Cattaro Kranj dt. Krainburg Križevci dt. Kreutz Litija dt. Littai Ljubljana dt. Laibach Maribor dt. Marburg an der Drau Milicz dt. Militsch Mokrice dt. Mokritz Novi Sad dt. Neusatz Novi Vrbas dt. Neuverbaß Olomouc dt. Olmütz Opatija it. Abbazia Opava dt. Troppau Orşova, Rušava dt. Orsowa Osijek dt. Esseg Petrovaradin dt. Peterwardein Postojna dt. Adelesberg Požarevac dt. Passarowitz Požega dt. Poschegg Poznań dt. Posen Prigrevica kod Sombora dt. Batsch-Sentiwan bei Sombor Ptuj dt. Pettau Pula it. Pola Radgona dt. Radkersburg Radovljica dt. Radmannsdorf Rijeka it. Fiume Rogaška Slatina dt. Rohitsch Sauerbrunn Semily dt. Semil Senj dt. Zengg Šibenik it. Sebenico Šintava dt. Schintau Sisak dt. Sissek Sopron dt. Ödenburg Split it. Spalato Šrajbarski turn dt. Thurn am Hart Sremski Karlovci dt. Karlowitz Subotica dt. Maria-Theresiopel Timişoara dt. Temeswar (Temeschburg) Trst dt. Triest

326 Turjak dt. Auersperg Údlice dt. Eidlitz Varaždin dt. Warasdin Vinkovci dt. Winkowitz Virovitica dt. Wirowititz Vis dt. Lissa Vitkovice Moravská Ostrava dt. Witkovitz bei Mährisch Ostrau

Konkordanz der Ortsnamen Vršac dt. Werschetz Zăbrani dt. Guttenbrunn Zadar it. Zara Zagreb dt. Agram Zemun dt. Semlin Žilina dt. Sillein Znojmo dt. Zaiwitz bei Znaim Žovnek dt. Sanegg

Personenregister (Nennungen in den Fußnoten und die Anführung literarischer Personen aus Text­­zitaten sind im Register nicht erfasst.) A Achleitner, Arthur 126, 142, 181 Adler, Alfred 207, 222, 232 Adler, Friedrich 212 Afendulis (Familie) 74 Alagovich, Alexander von 44 Albrecht, Vera 152 Aleksandar I. Karađorđević, König von Jugoslawien 15, 232, 250 Alexis, Willibald 172 Alfirević, Ante 207 Amadé (Adelsgeschlecht) 88 Andrian, Leopold von 128 Andrić, Ivo 198 Andrić, Nikola 154 Anzengruber, Ludwig 187, 251 Appelt, Wilhelm 181 Arndt, Moritz Ernst 47 Arnim, Achim von 175 Arnim, Bettina von 86 Arnold, R. F. 130 Arnthal, Edoardo 234 Artner, Therese von 33, 94, 95 Asbóth, Johann von 124 Attems (Adelsgeschlecht) 148 Auersperg (Adelsgeschlecht) 148, 216 Augustinčić, Antun 242 Augustus, röm. Kaiser 98 B Babka, Anna 129 Babukić, Vjekoslav 111, 116 Badalić, Hugo 221 Bahr, Hermann 33, 80, 128, 139–141, 194, 196, 199, 219 Balk, Theodor (i. e. Dragutin Fodor) 232 Bäuerle, Adolf 89

Bauer, Ludwig (Ljudevit) 22, 28, 258, 261 Baumbach, Rudolf 74, 75 Baumberger, Georg 139 Baum, Wilhelm 66 Baur, Uwe 203, 218 Beaumarchais, Pierre-Augustin Caron de 38, 237 Beer-Hofmann, Richard 128 Begović, Božena 152, 219 Begović, Milan 157, 219 Bela IV., ung.-kroat. König 173 Belović-Bernadzikowska, Jelica 126 Benda, Carl M. 161 Benko Grado, Artur 211 Berger, Géza 161, 162 Berks, Hugo Ritter von 193, 195 Berner, Felix 88 Bešlin, Branko 254, 255 Betlheim, Stjepan 207 Beus Richembergh, Goran 257, 261 Bhabha, Homi K. 28 Bihalji-Merin, Lise 233 Bihalji-Merin, Oto 233 Birk, Matjaž 251 Blasnik, Joseph 57, 58, 84 Bleiweis, Janez 58 Bleyer, Amanda 162 Bogović, Mirko 91, 102, 108, 109, 114 Boić, Gemma 221, 222 Borkenhagen, Hermann 181 Borko, Božidar 250 Börnstein, Heinrich 106 Bosch, Hieronymus 243 Braun, Felix 241 Brehm, Bruno 223, 251 Breier, Eduard 34, 53, 168, 172–174 Brentano, Clemens von 175

328 Bretter, Robert 124 Brezovački, Tituš 41 Brigljević, Grga 245 Brlić-Mažuranić, Ivana 127, 152 Broch, Hermann 226 Bruck, Karl Ludwig 139 Brueghel, Pieter, der Ältere 243 Bubenhofen, Joseph 42 Buchenhain (Babnik), Josef 34 Budak, Mile 243 Bukovac, Vlaho 195 Bürger, Gottfried August 102 Busch, Fritz Otto 248 C Cankar, Ivan 34, 151, 200 Carl, Erzherzog 79 Carolina Augusta, Kaiserin von Österreich 42 Cäsar, Gaius Julius 225, 246, 247 Castro, Inês de 186 Cesarec, August 207 Cicero, Marcus Tullius 101 Collin, Heinrich Joseph von 79 Čop, Mara (Mara Čop Marlet, Marie Edle von Berks) 49, 53, 129, 193–195 Čop, Matija (Matthias Tschopp) 150, 151 Čop (Tschopp), Anton 193 Costa, Heinrich 149 Cotta (Verlag) 143, 144 Courths-Mahler, Hedwig 32 Covacich, Edmund 92 Crnjanski, Miloš 198 Crobath, Blaž 70 Csokor, Franz Theodor 223, 234, 236, 237 Čuić, Mihajlo 46, 47 Curipeschitz (Kuripešić), Benedikt 121 Czaikowski, Michael 186 D Dahn, Felix 86 Dalmatin, Juraj 36 Damjanov Pintar, Lijerka 262 Daničić, Đuro 180 Dante Alighieri 44, 217 Daviau, Donald G. 141

Personenregister Décsey, Ernst 142 Demeter, Dimitrija 103, 110, 111 Deutsch, Helene 209 Deutsch, Julio 39 Deželić, Velimir Đuro Josip, der Ältere 156 Dickens, Charles 211 Diwald, Franz 88 Doberenz-Eberlein, Maria 181 Döblin, Alfred 226 Doderer, Heimito von 49 Dolgan, Marjan 44 Donat, Branimir 209 Dorotić, Andrija 99 Dostojevski, Fjodor Mihajlovič 246 Dove, Richard 249 Dragošić, Higin 108 Draković, Janko, Graf 103, 104, 116 Droste-Hülshoff, Annette Freiin von 86 Durieux, Tilla (i. e. Ottilie Godeffroy) 237, 238 Düringsfeld, Ida von (Reinsberg-Düringsfeld) 124, 137, 170 Dvorniković, Vladimir 207 E Ebner-Eschenbach, Marie von 86 Eder, Adolf 112 Eger, Antonio 234 Ehrlich (Familie) 222 Ehrlich, Hugo 222 Ehrlich-Stein, Vera 222, 232 Eichendorff, Joseph Freiherr von 251 Eissler, Kurt R. 211 Elisabeth, Großherzogin von Oldenburg 191 Elisabeth (Sisi), Kaiserin 169 Elster, Martin 248 Erdödy, Juran, Graf 111, 112 Erdödy, Sofija (Sophie), Gräfin 111, 112 Erdödy, Suzeta, Gräfin 42 Erdödy, Toma (Bakač), Graf 112 Ernst, Fritz 181 Ertler, Bruno 142 Eugen, Prinz von Savoyen 15, 77, 248, 256 F Fabijanović, Stephanus 228, 229

Personenregister Fabković, Marija 220 Fallersleben, August Heinrich Hoffmann von 86 Falzari, Felix 179 Farkaš Vukotinović, Ljudevit 109 Felbinger, Bartol 39 Fellner, Ferdinand 153 Ferdinand I., röm.-dt. Kaiser 38, 121 Ferdinand Maximilian von Österreich, Erzherzog 154, 174 Fischer von Erlach, Johann Bernhard 78 Fischer, Wolfgang Georg 204 Flachs, Bruno 181 Flaker, Aleksandar 244 Fontane, Theodor 82, 83 Fortis, Alberto 135, 137 Frank, Jakob 93 Frank, Josip ( Joseph) 91 Frankl, Ludwig August 58 Frankopan, Fran Krsto, Graf 108 Franz Ferdinand, Erzherzog, österr.-ungar. Thronfolger 134 Franz I., Kaiser von Österreich 42, 142, 255 Franz I. Stephan, röm.-dt. Kaiser 87 Franz Joseph I., Kaiser und König 44, 76, 79, 112, 132, 142, 146, 153, 195, 206 Frei, Bruno 146 Freud, Sigmund 34, 199, 207–209 Freytag, Gustav 71, 86 Friedrich I. Barbarossa, röm.-dt. Kaiser 65 Frisch, Max 133 G Gagern, Friedrich Freiherr von 31, 34, 49, 202, 212, 216–218 Gaj, Ljudevit 48, 84, 91, 101, 102, 111, 116, 154 Galiuf, Joseph, Bischof 41 Galsworthy, John 227 Gantar, Kajetan 67 Garibaldi, Giuseppe 118 Gauß, Adalbert Karl 28, 80, 81 Gauß, Karl-Markus 81 Geibel, Emanuel 119 Geiger, Vladimir 257

329 George, Stefan 250 Gerner, Elisa 198 Gjalski, Ksaver Šandor 92 Glauss, Leo 234 Goethe, Johann Wolfgang von 18, 33, 65, 70, 82, 83, 85, 96, 97, 190, 198, 217, 221, 251, 253 Golub, Ivan 36 Gorjan, Zlatko 227 Graedener, Hermann 223 Graf, Alexander 88 Grengg, Maria 142 Grill, Hans 181 Grillparzer, Franz 150, 155, 251 Grimm, Jacob 96, 97, 116 Grohmann, Carl Martin 162 Grossmann, Ida 181 Grün, Anastasius (Anton Alexander Graf von Auersperg) 31, 33, 59–61, 64–66, 150, 216 Günderode, Karoline von 86 Guttenberg, A. J. 42 H Hacquet, Belsazar de la Motte 122, 123, 136 Hajmerl (Heimerl), Matijas 84 Halbe, Max 251 Hammerstiel, Robert 264 Handke, Peter 145, 146 Hangi, Anton 208 Hannibal, Feldherr 225, 247 Harambašić, August 107 Hartman, Lavoslav 230 Haumeder (Familie) 151 Hauser, Otto 156, 157 Hausner, Anton 160 Hebbel, Friedrich 150 Hegedušić, Krsto 242 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 119 Heine, Heinrich 85, 100, 114, 175, 191 Heinz, Rudolf 241 Hektorović, Petar 220 Helmer, Hermann 153, 172 Hengel, Mathilde 161 Hennemann, Johann (Hans) Jakob 255 Herbert, Zbigniew 26

330 Herder, Johann Gottfried von 65 Hermannsthal, Franz Hermann von 57, 58, 149 Hesse, Hermann 251 Heyse, Paul von 75, 119 Hilkene, Philipp 253 Hille, Franz 256 Hille, Peter 164 Hinkel, Hans 249 Hirschfeld, Christian Cay Lorenz 40 Hitler, Adolf 167, 223, 227, 228, 233, 234, 241, 250, 251, 261, 262 Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich 47, 86 Hofmann, Katharine (Kitty), geb. von Blei 44, 95 Hofmannsthal, Hugo von 34, 128, 198, 199 Höfner, Walter 234 Hohlbaum, Robert 223 Hölty, Ludwig Christoph 102 Holtz, Georg Freiherr vom 123 Hölzel, Maximilian 134 Hönigsberg, Leo (Lav) 39 Hörner, Franz 90 Horváth, Ödön von 161, 187, 244 Horvat, Josip 246, 250 Hösler, Joachim 148 Huch, Ricarda 251 Humboldt, Alexander von 40 Humboldt, Wilhelm von 96 I Istrati, Panait 246 J Jagić, Vatroslav 98, 125 Jambrišak, Marie 220 Jandera, Anton 84 Jarnević, Dragojla 48 Jelačić, Josip ( Joseph) von Bužim, Graf 44, 101, 104–108, 112, 155, 246 Jelusich, Mirko 28, 222, 223, 225–228, 245, 246, 248 Jeny, Guido 196 João I., König von Portugal 40

Personenregister Johann, König von Sachsen 44 Johst, Hanns 249 Joseph Anton Johann (Baptist) von Österreich, Erzherzog 94 Joseph II., röm.-dt. Kaiser 14, 17, 36, 37, 40, 43, 65, 158 Joseph I., röm.-dt. Kaiser 77, 225 Jovanović, Zmaj Jova 221 Jun-Broda, Ina 222, 230, 232 Junek, Leo 242 Jünger, Ernst 248 Jünger, Friedrich Georg 248 K Kállay, Benjámin 208 Kanitz, Felix Philipp 145 Kant, Immanuel 119 Kapper, Siegfried 111, 145 Karadžić, Vuk Stefanović 96, 97, 118, 144, 180 Karadžić, Wilhelmine 97 Karl der Große 65 Karl IV., röm.-dt. Kaiser 26 Kästner, Erich 244 Katzenellenbogen, Ludwig 237 Kaznačić, August 99 Keks, Johann 252 Keller, Gottfried 119, 251 Kerr, Alfred 249 Khuen-Héderváry, Dragutin Károly, Graf 91, 153, 196, 214, 215 Kidrič, Boris 45 Kipling, Joseph Rudyard 130 Kiš, Danilo 233 Kiš, Eduard 233 Klajn, Hugo 207 Klausner, Karlo 90 Kleist, Heinrich von 79 Koestler, Arthur 233 Kohl, Johann Georg 137–139 Kollár, Jan 30 Koloman, ung.-kroat. König 12 Kon, Geca 231 König, Alois 259, 260 König, Georgine 259, 260 Konrád, György 28

Personenregister Konstantinović, Zoran 23, 24, 26, 27, 145 Konzul, Stjepan 36 Kopetzky, Karoline 114 Kopitar, Jernej (Bartholomäus) 68, 96–98 Kordesch, Leopold 34, 57, 58 Körner, Theodor von 47, 180 Kossuth, Lajos 118 Kozak, Juš 242 Kraus, Karl 156, 199 Kraus, Otto (Oto) 196 Krauss, Friedrich Salomon 126 Kravar, Zoran 55 Kreft, Bratko 242 Kremling, Bruno 254, 256 Krleža, Miroslav 104, 153, 198, 199, 219, 222, 242, 257 Krüger, Wolfgang (i. e. Adolf Ledwinka) 251 Kubin, Josephine 170 Kučera, Elsa 221 Kuhač, Franjo (Franz Xaver Koch) 154 Kujawa, Aleksandra 26 Kukuljević-Sakcinski, Ivan 91, 102, 111, 114 Kumičić, Eugen 92 Kunić, Mihajlo von 43 Kupelwieser, Joseph 88 Kurelac, Fran 220 Kveder, Zofka 19, 169, 171, 211 L Labrés, Rudolf von 142 Lagarde, Paul de 157 Langbehn, Julius 157 Laubner, Dragutin 93, 159, 161 Lauer, Reinhard 100 Lazar, serbischer Fürst 111 Lažečnikov, Ivan Ivanovič 110 Leber, Pavle 47 Lehár, Franz 179 Lehmann, Carl 92 Leitner, Carl Gottfried Ritter von 58 Leitner, Marko 236 Lenau, Nikolaus von 114 Le Rider, Jacques 24, 25 Lesić, Vilim 89 Leskovar, Janko 221

331 Lessing, Gotthold Ephraim 251 Liburnau, Roman Lorenz von 136 Liebenfels, Jörg Lanz von 157 Liebermann, Marie (Maria Roda Roda) 167 Liechtenstern, Josef Marx von 99, 136 Linhart, Anton Tomaž 33, 37, 38, 43 Liszt, Franz 154 Littrow, Heinrich von 175, 177–179 Livadić (Wiesner), Ferdo 154 Ljudevit Posavski, kroatischer Fürst 209 Loewy, Ernst 248 Lökös, István 200 Loos, Adolf 39, 199 Lubienski, Zlata 237 Lucerna, Camilla 31, 75, 152, 220–222 Lucerna, Eduard 75 Ludwig, Emil 226 Luther, Martin 35, 36 M Macpherson, James 101 Maderno, Alfred 142 Maeterlinck, Maurice 157 Magris, Claudio 24, 55, 167, 212 Makanec, Julije 124 Maley, Uta 59 Mallarmé, Stephane 157 Manlius, Johann 84 Mann, Heinrich 72 Maria Theresia, Kaiserin 14, 17, 36, 40, 43, 87, 158, 171 Marić, Josip 47 Marjanović, Milan 209 Marković, Franjo 221 Marlet, Charles L. 193 Marulić, Marko 220 Maticki, Miodrag 262 Matl, Josef 220, 229 Matoš, Antun Gustav 156, 209 Matthias Corvinus, ung.-kroat. König 64, 65, 106 Maurer, Franz 123 May, Adolf 181 May, Karl 244 Mayer, Adolf Karl 142

332 Mayr, Johann Baptist ( Janez Krstnik) 57, 83 Mažuranić (Familie) 127 Mažuranić, Ivan 127, 220 Mažuranić, Matija 127 Mehmet Rushdi Pascha, Großwesir 186 Mell, Max 223, 241 Meštrović, Ivan 240 Metternich, Clemens Wenzel Fürst von 14, 17 Meyerbeer, Giacomo 59 Michel, Robert 33, 34, 128–132 Mihanović, Antun 102 Miklošič, Franc (Franz Xaver Ritter von Miklosich) 69, 98 Milleker, Felix 76 Milow, Stephan (i. e. Stevan Milenković) 181, 182, 185 Mirabeau, Honoré-Gabriel Riqueti de, Graf 186 Miskolczy (Familie) 212 Miskolczy, Julius 215 Moho, Theresia 260, 261 Molden, Ernst 240, 241 Molden, Fritz 240 Molden, Otto 240 Molière ( Jean-Baptiste Poquelin) 217 Möller, Karl von 254–256 Molo, Walter von 223 Morley, Christopher 227 Mrazović Preindlsberger, Milena 124, 125, 129 Mühsam, Erich 164 Müller-Guttenbrunn, Adam 77–80, 254 Musil, Robert 199, 226, 250 Mussolini, Benito 225 N Napoleon Bonaparte 12, 46, 47, 98, 99, 118, 136, 148, 235 Nardelli, Nikolaus Freiherr von 206 Naumann, Friedrich 25 Nestroy, Johann Nepomuk 164, 251 Neumann, Zlatko 39 Nicolai, Friedrich 85 Nicolaus Friedrich Peter, Großherzog von Oldenburg 191 Nietzsche, Friedrich 229

Personenregister Njegoš, Petar Petrović 221 Noé, Heinrich 137, 139 Novak, Vida 152 Novosel, Franziska von, geb. von Verhovacz 43 Novoszel, Anton von 84 Novy, Lili geb. Haumeder 45, 151, 152 O Obad, Vlado 214 Obelmacher, Eunico 234 Obrenović, Miloš, Fürst von Serbien 118 Ogrizović, Milan 108, 130, 157 Osegovich de Barlabassevecz, Emerich, Bischof 43 Ould, Hermon 249 Ovid (Publius Ovidius Naso) 68 P Papesch, Joseph 251 Pavelić, Ante 242 Pederin, Ivan 53, 54, 135, 138 Peharnik, Alojzije, Baron 42 Pejačević (Adelsgeschlecht) 88 Perkonig, Josef Friedrich 142 Pessiak (Pesjak), Luise (Aloisia, Lujza), geb. Crobath 44, 70 Petlevski, Sibila 211 Petrè, Fran 242 Petter, Franz 138 Pfeiffer, Julius 160 Pichler, Caroline 94 Pinter, Robert 156 Pirch, Otto Dubislav von 145 Plankenberg, A. von 181 Plavšić, Dušan 196, 209 Pogačić, Milka 221 Polz, Guido 170 Popović, Nenad 238 Posner, Joseph 160 Postružnik, Oton 242 Potocki, Alfred Józef 71 Potthoff, Wilfried 118 Praus, Josip 110 Preindlsberger, Joseph 125 Preradović, Dušan von 115, 238

333

Personenregister Preradović (Familie) 238, 241 Preradović, Paula von 97, 99, 152, 238, 240, 241 Preradović, Petar von 97, 99, 102, 113–115, 173, 182, 220, 238, 246 Preradović, Petar von (Pit) 238–240 Prešeren, France 44, 56, 60, 61, 65–70, 96, 148, 150–152, 228 Prohaska, Dragutin 209, 221 Puff, Rudolf Gustav 58, 93 R Radić, Antun 239 Radičević, Branko 180 Radics, Peter Paul von 65, 66 Raimund, Ferdinand 163, 164 Rakovac, Dragutin 102 Ranke, Leopold von 96 Rauber, Adam 63 Reger, Erik 226 Régnier, Henri de 157 Reinsberg, Otto Freiherr von 124, 137 Reisner, Emmerich (Mirko) 164 Reisner, Victor von 34, 93, 160, 164, 166 Relković (Familie) 33 Relković, Josip Stjepan 37 Relković, Matija Antun 37 Remarque, Erich Maria 226 Renner, Heinrich 123 Renn, Ludwig 226 Reusch, Erhard 136 Richter, Joseph R. 38 Rilke, Rainer Maria 101, 199 Rimbaud, Arthur 157 Rinner, Fridrun 26, 27 Rittig Beljak, Nives 32 Roazen, Paul 211 Roda Roda, Alexander (Sándor Friedrich Rosenfeld) 19, 20, 31, 34, 53, 93, 160, 164, 166–169, 171 Rod, Iva (Štefa Iskra Kršnjavi) 152, 221 Rödlich, Hieronymus Franz Seraph 136 Rosegger, Peter 181, 251 Rosenau, Ferdinand (Ferdinand Rossen) 43, 90, 153 Rosenfeld, Leopold 166

Rosenschön, Karl 88 Rossy, Joseph 43 Roth, Joseph 52, 226, 255 Rott, Anton 161 Rott, Leopoldine 161 Rückert, Friedrich 47 Rudolf, Kronprinz 45, 80 Ruge, Arnold 117 S Saar, Ferdinand von 52 Sacher-Masoch, Alexander Ritter von 234–236 Sacher-Masoch, Leopold Ritter von 49, 50, 234 Sachs, Hans 16 Sachslehner, Johannes 223, 225 Šafárik, Pavol Jozef 41 Sagara, Ana 153 Sagara, Josip 153 Samhaber, Edward (Eduard) 150 Sanftleben, Alfred 229 Saphir, Moritz 154 Savigny, Friedrich Carl von 116 Scharnhorst, Gerhard von 224, 225 Schauff, Rechtsanwalt 114 Scheffel, Joseph Victor von 75, 189 Schellander, Irene von 180 Schiller, Friedrich von 33, 48, 70, 82, 83, 110, 174, 251 Schlegel, August Wilhelm von 70 Schlegel, Friedrich von 33, 96 Schlegel, Josef 91 Schlesinger, Miroslav 207 Schmaus, Alois 131 Schmidt-Pauli, Edgar von 248 Schneider, Rolf Gero 234 Schnitzler, Arthur 52, 128, 196, 219 Schopenhauer, Arthur 73, 119 Schott, Albert 143 Schott, Arthur 143–146 Schreyvogel, Friedrich 219 Schubert, Franz 59 Schulheim, Hyacinth von 58 Schulz, Bruno 146 Schumann, Robert 59

334 Schwarz, Ludwig 106 Schwarz, Nathan 160 Schwerdling, Johann Nepomuk 39, 40 Schwob, Anton 23 Scott, Walter 172 Seenus, Joseph Freiherr von 136 Seidl, Johann Gabriel 58, 59 Sekulić, Ljerka 91, 171 Selim III., Sultan 186 Šenoa, August 70, 104, 119–121, 220 Sermage, Adelsgeschlecht 43 Sermage, Josip, Graf 51 Sermage, Josip Petar 51 Sermage, Karl Ivan Petar, Graf 51 Sermage, Petar Troilo, Graf 51 Sermage, Richard, Graf 51–54 Severić, Abt 98 Shakespeare, William 217 Sickingen, Franz von 225 Sieber, Rudolf 142 Simani, Jürg ( Juraj Simanić, Georg Simanitsch) 22, 44, 154 Šimić, Stanislav 214 Simons, Ernst 160 Šinko, Ervin (i. e. Franz Spitzer) 233 Skalić, Pavao (Paul Skalich) 36 Škreb, Zdenko 100, 198 Smerdel, Ton 36 Šnajder, Slobodan 108 Šoštarić-Pisačić Letovanečki und Hižanovečki, Karlo 205 Sperber, Manès 207, 222–234 Starčević, Ante 13 Stauduar, Franz S. 90 Štefančić Mufa, Zdenka 261 Stephanie von Belgien, Erzherzogin 177 Stephany, Joseph von 78 Stipić, Andrija 46 Storm, Theodor 83 Stötzer, Andreas Nikolaus 245 Strauss, Maria 234 Stritar, Josip (Peter Einsam) 45, 73 Strobl, Karl Hans 223 Strossmayer, Josip Juraj 13, 112, 182 Strozzi (Familie) 196

Personenregister Strozzi, Tito Marquis 34, 108, 196–198, 246 Strüff, Franz von 44 Südeck, Franz von 154 Sue, Eugène 174 Šulek, Willy 203 Süleyman I., Sultan 121 Sulke, Franz 205, 206 Sundhaussen, Holm 20 Suppan, Franz (Franjo Zupan) 42, 84 Suppantschitsch, Johann Anton 58 Svetišić, K. 220 Szentmartony, Ignacije, der Ältere 40 Szentmartony, Ignacije, der Jüngere 41 T Tarczay, Gisela von 202 Taufer, Vida 152 Tausk (Frisch), Martha 208, 210–212 Tausk, Hermann 50, 134, 208, 230 Tausk (Tvrtković), Mirko 212 Tausk, Victor (Viktor) 34, 50, 207–212, 230 Tavčar, Ivan 149 Tegetthoff, Wilhelm Freiherr von 178 Textor, Urban 36 Thaller, Lujo 207 Ther, Philipp 201 Thiergen, Kurt 181 Thomas, Ludwig 251 Till, Hans 181 Tišma, Aleksandar 233 Tito, Josip Broz 45 Tkalac, Emmerich Imbro Ignjatijević von 116–119 Todorova, Maria 20, 21 Toller, Ernst 249 Tolstoi, Lev N. 246 Tomić, Josip Eugen 92 Torn, Leo von 181 Trattner, Johann Thomas Edler von 84, 90 Traven, B. 244 Trdina, Janez 149 Trebitsch, Arthur 223 Treščec-Branjski, Vladimir 206 Tresić-Pavičić, Ante 209 Trnski, Ivan Ritter von 48, 182

Personenregister Tropsch, Stjepan 30 Trubar, Primož 35, 36 Truhelka, Jagoda 221 Tschabuschnigg, Adolf Ignaz Ritter von 31, 70–72, 137, 138 Turgenev, Ivan S. 53 Turrini, Peter 187 U Udmanić, Joco ( Josip) 49, 50, 216 Ugrinov, Pavle (i. e. Vasilije Popović) 262 Uhland, Ludwig 63, 102 Ujević, Tin (Augustin) 207 Ulreich, Alois 181 V Vailand, Hans von 181 Valjavec, Fritz 23 Valvazor, Janez Vajkard ( Johann Weichard Valvasor Baron) 65, 83 Varnhagen von Ense, Rahel, geb. Levin 86 Verlaine, Paul 157 Vesel, Franjica 110 Vetsera, Maria (Mary) von 80 Vlačić, Matija (Flacius Illyricus) 36 Vogl, Johann Nepomuk 58 Vraz, Stanko ( Jakob Frass) 65, 114, 116 Vrhovac, Maksimilijan (Maximilian Verhovacz von Rakitovecz) 40, 43, 44, 84, 94, 95, 99, 154 Vučković, Milovan 110, 111 Vukelić (Familie) 214 Vukelić, Lavoslav von 49, 50, 213, 215, 221 Vukelić, Milivoj von 213 Vukelić, Vilma von 22, 34, 158, 160, 164, 203, 212, 214, 230, 232 W Wagner, Gustav 93

335 Wagner, Richard 185 Walewska, Maria 157 Wallenstein, Albrecht, Herzog von Friedland 15 Wawerka, Johannes (Hans) 159 Weidenheim, Johannes (i. e. Ladislaus Johannes Jakob Schmidt) 263, 264 Weinheber, Josef 223 Weisbach, Augustin 136 Wellington, Arthur Wellesley, Herzog von 235 Wells, H. G. 249 Wendel, Hermann 133, 145 Wenter, Josef 223 Werner, Franz von (Pseudonym Murad Efendi) 31, 33, 53, 185–190, 192, 193 Wickerhauser, Emil 155 Wickerhauser, Natalie 220 Wildgans, Anton 223 Wilson, Woodrow 201 Winzor, Anton Freiherr von 206 Wolff, Christian 32 Wolff, Julius 75 Wolf, Friedrich 146 Z Zeck, Joseph Johann Nepomuk 155 Ziherl, Boris 242 Žižek, Slavoj 28 Zlobec, Ciril 45 Zois, Žiga (Siegmund), Baron von Edelstein 38 Zrini (Zrinji), Adelsgeschlecht 115 Zrinjska, Katarina, Gräfin 209 Zrinjski, Nikola Šubić, Graf 162 Zrinski (Zrinjski), Petar IV., Graf (Péter Zríny) 106, 108 Župančič, Oton 45 Zweig, Stefan 203

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