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German Pages 324 Year 2014
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1261
Verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben der Gemeinden Von Bettina Stepanek
Duncker & Humblot · Berlin
BETTINA STEPANEK
Verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben der Gemeinden
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1261
Verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben der Gemeinden
Von Bettina Stepanek
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der JuliusMaximilians-Universität Würzburg im Sommersemester 2013 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung konnten bis August 2013 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt zuvörderst meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Joachim Suerbaum, der nicht nur als Betreuer der Arbeit jederzeit ein offenes Ohr hatte, sondern mich bereits seit meiner Studienzeit und als Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl stetig gefördert hat. Herrn Professor Dr. Ralf-Peter Schenke danke ich ganz herzlich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Zudem sei denjenigen Kollegen und Freunden gedankt, die mich während der Erstellung der Arbeit begleitet, ermutigt und mit Rat und Tat unterstützt haben. Dazu zählen insbesondere Herr Bernd Flurschütz, Herr Dominik Lück, Frau Luisa Ruppert und Herr Tobias Barth. Mein besonderer persönlicher Dank gilt meinem Freund Alexander sowie meiner Familie und dabei an allererster Stelle meinen Eltern, ohne die die Erstellung der Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Sie haben mich während meiner gesamten Ausbildung in jeglicher Hinsicht bedingungslos unterstützt und waren immer der Rückhalt, der mir Kraft gegeben hat. Ihnen sei diese Arbeit deshalb auch gewidmet. Würzburg, Oktober 2013
Bettina Stepanek
Inhaltsverzeichnis § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 2 Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriffsdefinition. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Relevanzbereiche der zu untersuchenden Fragestellung . . . . . . . . . . 1. Privatisierung kommunaler Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Irrelevanz für die formelle Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Hauptanwendungsfall: materielle Privatisierung . . . . . . . . . . . c) Funktionelle Privatisierung als Grenze des Relevanzbereichs verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben. . . . . . . . . 2. Pflicht zur Schaffung einer Einrichtung oder Neuaufnahme einer Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Modifikationen bei der Preisgabe von Aufgabenverantwortung an andere Verwaltungsträger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kommunale Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abstimmung und gemeinsame Erledigung von Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Echte Delegation an andere kommunale Körperschaften b) Übertragung von Aufgaben auf die unmittelbare Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Eingrenzung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abweichende Situation der Gemeindeverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschränkung auf Flächenbundesländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und gemeindlicher Aufgabenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Konzeption der kommunalen Selbstverwaltung nach dem Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwicklung der Institution der kommunalen Selbstverwaltung . . . II. Grundsätzliches zur Rechtsstellung der Gemeinden. . . . . . . . . . . . . . 1. Die Gemeinden als Teil der Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Institutionelle Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bindung an die Grundrechte und weitere Verfassungsprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gemeinden als autonome Verwaltungseinheiten . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis III. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines eigenen Aufgabenbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeindliche Allzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Angelegenheiten der örtlicher Gemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehungsgeschichtliche Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriffsdefinition durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . c) Revisionsversuche durch die funktionalen und kompensatorischen Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Spezifischer Ortsbezug bzw. örtliche Verwurzelung . . . . . . . . IV. Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in den Landesverfassungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Einfachgesetzliche Ausformung des gemeindlichen Aufgabenbereichs I. Hochzonung von verfassungsrechtlich den Gemeinden zugewiesenen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Positive Festlegung gemeindlicher Pflichtaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . 1. Dualistisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung überörtlicher Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verpflichtung zur Erfüllung eigener Angelegenheiten . . . . . . c) Einordnung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben . . . . . . 2. Monistisches Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflichtaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freie/freiwillige Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gemeindliche Pflichtaufgaben als Regelungsgegenstand des Verfassungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG für die einfachgesetzliche Verpflichtung der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eingriffsqualität gesetzlicher Pflichtaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verständniswandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklung in Bezug auf die Übertragung staatlicher Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Pflichtigmachung eigener Angelegenheiten. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Rechtfertigungsanforderungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verbot der bundesgesetzlichen Aufgabenübertragung an die Gemeinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regelungen in den Landesverfassungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 4 Pflichtmoment des grundgesetzlichen Selbstverwaltungsrechts. . . . . . . . . A. Umgehungspotential einer immanenten Pflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Grammatikalisch-historische Interpretation des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG I. Berechtigung zur Regelung örtlicher Angelegenheiten. . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Disponibilität subjektiver Rechte. . . . . . . . . . . . . . 2. Generalklauselartige Abgrenzung des gemeindlichen Kompetenzbereichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einschränkungen der Disposivität des Selbstverwaltungsrechts . . . .
57 58 59 60 63 65 68 70 71 71 73 74 74 74 75 76 76 77 77 78 78 78 80 82 83 85 86 87 88 89 89 89 90 91
Inhaltsverzeichnis
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1. Allgemeine Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesteigerter objektiv-rechtlicher Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis: keine eindeutige Aussagekraft des Wortlauts . . C. Funktionelle Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . I. Verpflichtung aus der demokratischen Funktion der Selbstverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Argumentativer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussagegehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Staat-BürgerVerhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere demokratische Funktion der Selbstverwaltung . . . . . a) Geltung des Demokratiegebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Selbstverwaltung als Verwirklichung des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spezielles Legitimationskonzept auf kommunaler Ebene . . . 4. Konsequenzen aus dem Funktionszusammenhang von Demokratie und Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legitimationsbedürftigkeit hoheitlicher Tätigkeit . . . . . . . . . . b) Demokratie als Verpflichtungstatbestand. . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausübung von Hoheitsgewalt als Anwendungsvoraussetzung des Demokratieprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schlussfolgerungen aus dem besonderen Legitimationskonzept auf kommunaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG als Grenze gemeindlicher Untätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einflussnahme des zentralstaatlichen Legitimationssubjekts . . . II. Selbstverwaltung als staatsorganisationsrechtliches Prinzip . . . . . . . 1. Verpflichtung kraft Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufgabenrechtlicher Gehalt verfassungsrechtlicher Kompetenzvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Übertragbarkeit auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . 2. Absicherung einer verfassungsrechtlich institutionalisierten Ordnungsidee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Funktion der Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beeinträchtigung der Institution Selbstverwaltung durch autonomen Aufgabenverzicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vollständige Einstellung der freiwilligen Tätigkeit als verfassungswidriger Zustand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auswahlrecht als Funktionsbedingung. . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit der Kern-/Randbereichsdogmatik . . . . . . . . . aa) Kein Randbereichsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Indisponibler Kernbereich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis d) Untauglichkeit der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe zur Verwirklichung des Selbstverwaltungsprinzips. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Institutionelles Untermaßverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbstverwaltungsrecht als Ermittlungs-, Befassungs- und Priorisierungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ergebnis: lediglich abstrakt-formelles Pflichtmoment. . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 5 Inpflichtnahme durch die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen zur kommunalen Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Das Verhältnis von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zum Landesverfassungsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bestimmung des Pflichtgehalts der Regelungen zur Selbstverwaltung in den Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Indikative Umschreibung des gemeindlichen Kompetenzbereichs. . II. Die Gemeinden als Träger der öffentlichen Verwaltung auf ihrem Gebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die landesverfassungsrechtlichen Regelungen im Einzelnen . . . 2. Überschießender Garantiegehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutungsgehalte ohne unmittelbare Pflichtenrelevanz . . . . aa) Vorgaben hinsichtlich der gesetzlichen Übertragung staatlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbot der Doppelverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Potentielle gegenständliche Erweiterung des verfassungsrechtlich den Gemeinden überlassenen Kompetenzbereichs aa) Restriktive Interpretation im Sinne einer Beschränkung der Aufgaben auf den grundgesetzlichen Umfang . . . . . . bb) Ansätze einer Ausweitung des Aufgabenzugriffsrechts der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfassungsrechtlich gebotene Restriktion. . . . . . . . . . . . . III. Explizite Pflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Formulierung einer Selbstverwaltungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung ausdrücklicher Pflichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interpretation als Konkretisierung der Pflichtenstellung. . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Inhaltliche Konkretisierung von Aufgaben in Bayern. . . . . . . . . . . . . C. Betonung des Autonomiegedankens in den Landesverfassungen . . . . . . . D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 6 Sonstige Verfassungsnormen als Grundlage gemeindlicher Aufgabenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Materielle Verpflichtungstatbestände im Grundgesetz, in den Landesverfassungen sowie im supranationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeine Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anforderungen an eine Verpflichtungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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2. Zulässigkeit des bundesverfassungsrechtlichen Durchgriffs . . . . 3. Konkrete Aufgabenzuweisungen an die Gemeinden im Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt der staatlichen Leistungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kongruenz von Bundes- und Landesverfassungsrecht in Bezug auf allgemeine Verfassungspflichten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Insbesondere staatlicher Versorgungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sozialstaatsprinzip als Verpflichtungstatbestand . . . . . . . . . . . b) Grundrechtlicher Leistungsauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums bb) Variabilität der Bestimmung des existenziell Notwendigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine direkten Leistungspflichten aus dem Europarecht. . . . . . . 4. Spezielle landesrechtliche Verfassungsaufträge . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick und Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedeutungsgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Partielle Konkretisierung des staatlichen Leistungsauftrags III. Allgemeine Grenzen einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit 1. Beschränkung auf den eigenen Kompetenzbereich. . . . . . . . . . . . 2. Subsidiarität im Verhältnis zur Tätigkeit Privater . . . . . . . . . . . . . a) Kein europarechtliches Privatisierungsgebot . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Staatliche Tätigkeit als Grundrechtseingriff . . . . . . . . . . . bb) Rechtfertigungslast aus dem Rechtsstaatsprinzip . . . . . . cc) Einfachgesetzliche Ausgestaltung des Subsidiaritätsgedankens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: relative Beschränkungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis: Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Verpflichtungstatbestände als gestalterische Aufgabe . . . . . . . . . . . . B. Determinanten für die Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Restriktion aus dem Verhältnis zum Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrang der gesetzlichen Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgestaltungsrecht des demokratisch legitimierten Gesetzgebers hinsichtlich staatlicher Leistungsaufgaben. . . . . . . . . . b) Beschränkungswirkung einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers. . . . . . . . . . . . a) Gewährleistungspflicht bezüglich der Versorgung mit grundrechtlich geforderten Leistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Objektive Funktion des Gesetzesvorbehalts . . . . . . . . . . . bb) Subjektiv-rechtliche Dimension. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitergehende Koordinierungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausgestaltung des subjektiven Rechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 4. Rechtstatsächlicher Befund: weitgehende Determination des gemeindlichen Aufgabenbereichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einfachgesetzliche Ausgestaltung der landesverfassungsrechtlichen Aufträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schulwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kinder- und Jugendhilfe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schaffung von Arbeitsplätzen/Wirtschaftsförderung . . . . dd) Wohnraumförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundrechtsrelevante Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Soziale und kulturelle kommunale Einrichtungen . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis: begrenzter Anwendungsbereich verfassungsrechtlicher Pflichtaufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Stellung der Gemeinden im Bereich der örtlichen Versorgungsleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historisches Mandat zur Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung des gemeindlichen Aktionsradius im Verhältnis zu privatwirtschaftlicher Betätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingeschränktes Ausgestaltungsrecht des Gesetzgebers . . . . . . . . C. Ergebnis: gemeindliche Daseinsvorsorgeverantwortung . . . . . . . . . . . . . . .
§ 7 Verfassungsrechtliche Konzeption der besonderen Daseinsvorsorgeverantwortung der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begründung und Reichweite des institutionellen Gesetzesvorbehalts für die Festlegung gemeindlicher Pflichtaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine explizite Normierung der Exklusivität der einfachgesetzlichen Verpflichtung im Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regelungsinhalt der landesrechtlichen Vorschriften. . . . . . . . . . . . a) Eindeutige Beschränkung auf die Zuweisung staatlicher Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausdrückliche Regelungen zur Pflichtigmachung von örtlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einschränkung des Aussagegehalts einiger landesverfassungsrechtlicher Normen aus ihrem spezifischen systematischen Zusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschlusswirkung gegenüber einer Verpflichtung unmittelbar kraft Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einfachgesetzliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Besondere Schutzfunktion des Gesetzes hinsichtlich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eingriffsqualität der Verpflichtung zur Erfüllung eigener Aufgaben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzielle Schutzmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
204 204 205 205 207 207 209 209 210 211 212 212 214 215 216 218 218 219 219 220 221
222 223 223 224 225 226 227
Inhaltsverzeichnis a) Regelungsbereich und Reichweite der Konnexitätsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Pflichtigmachung von örtlichen Angelegenheiten als konnexitätsauslösender Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konnexitätspflicht in Bezug auf bereits wahrgenommene Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anwendbarkeit der Konnexitätsregelungen auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzielle Absicherung als Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einwände gegen eine Maßstabsfunktion der Konnexitätsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt der kommunalen Finanzhoheit nach der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Funktionszusammenhang von Finanzhoheit und Aufgabengarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verwirklichung der Interdependenz von Aufgaben- und Finanzgarantie durch die Konnexitätsregelungen und das bundesrechtliche Durchgriffsverbot. . . . . . . . . . . . . . . ee) Unzulänglichkeit der tatbestandlich eingeschränkten Konnexitätsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis: Gefahr der Umgehung der finanziellen Schutzkonzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Inkonsistenzen der Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben aus rechtsstaatlicher, demokratischer und funktionaler Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verlust von Rechtssicherheit und Planbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Legitimatorisches Ungleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einschränkung des örtlichen Souveräns . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übergriff der Gerichte und Aufsichtsbehörden in die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entstehung einer verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzlücke zulasten der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsgerichtliche Überprüfung gesetzlicher Pflichtaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsschutz gegen verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben aa) Grundsätzlich kein verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Richterrecht als Beschwerdegegenstand . . . . . . . . . . . . . . cc) Planwidrigkeit der Rechtsschutzlücke . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fortdauer einer Aufgabenpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Generalklauseln als unzureichende Grundlage der Feststellung einer Aufgabenwahrnehmungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis: grundsätzlicher Vorbehalt des speziellen Gesetzes für die Begründung konkreter Aufgabenpflichten. . . . . . . . . .
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229 229 234 236 238 238 240 241
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248 248 250 250 251 252 252 253 253 255 257 258 259 260
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Inhaltsverzeichnis B. Eingrenzung potentieller Schutzlücken bei der Verwirklichung des staatlichen Leistungsauftrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Temporäre Übergangsverantwortlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterschiedliche Bedarfs- und Versorgungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Potentieller Anwendungsbereich einer Reserveverantwortung . . 2. Kompetentielle und demokratische Verantwortung . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Förderaufgaben und kommunale Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis: Ausschluss genereller verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gemeindliche Reserveverantwortung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unmittelbarer Ausgleich verfassungsrechtlicher Wertungen . . . . . . . 1. Dogmatische Grundlagen einer punktuellen Einschränkung des Gesetzesvorbehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Parallele Problemkonstellation im grundrechtlichen Bereich b) Individuelle Wirkung der institutionellen Gewährleistung der Selbstverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungskonforme Interpretation der gemeinderechtlichen Generalklauseln im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine rechtsverbindlich-konkrete gemeindliche Ergänzungsverantwortung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftsförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wohnraumförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kinder- und Jugendschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pflicht zur Vorhaltung bestimmter kommunaler Einrichtungen . . . . 1. Insbesondere kommunale Kulturarbeit als Pflichtaufgabe . . . . . . 2. Allgemeine Funktionswidrigkeit heteronom determinierter Pflichtaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aushöhlung kommunaler Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Materielle Dysfunktionalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verwirklichung der besonderen Daseinsvorsorgeverpflichtung durch eigene Gestaltungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überantwortung an den gemeindlichen Willensbildungsprozess . . . II. Förderung kommunalen Engagements durch hinreichende Finanzausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis: Systemwidrigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben . . F. Ausblick: Rechtsschutz gegen unzulässigerweise definierte verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
262 262 264 264 265 265 266 268 268 269 269 270 271 272 273 273 274 274 275 275 277 277 278 280 281 281 283 283 284
§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
§ 1 Einführung Das Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung1 und der Bedeutungsgehalt der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie sind eine von der Literatur stark durchdrungene Thematik2. Der Inhalt der Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hat insbesondere auch durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entscheidende Konturierung erfahren3. Im Fokus der Betrachtung stand bisher die negative Funktion der Selbstverwaltungsgarantie als Schutznorm gegenüber heteronomen Eingriffen von staatlicher Seite4. Dabei herrscht im Grundsatz Einigkeit darüber, dass unter dem Grundgesetz das Recht zur Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht als originäres Freiheitsrecht5 interpretiert werden kann, sondern ein staatsorganisatorisches Prinzip absichert bzw. eine besondere Form der Kompetenzzuweisung6 an einen verselbständigten Typus von Hoheitsträgern 1 Vgl. Schmidt-Aßmann, Zum Prinzip der Selbstverwaltung, in: Selmer/v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, 1987, S. 249 ff.; Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung, Festschrift Maurer, 2001, S. 1177; Lange, Die Entwicklung des kommunalen Selbstverwaltungsgedankens und seine Bedeutung in der Gegenwart, in: Schneider/Götz (Hrsg.), Im Dienst an Staat und Recht, Festschrift Weber, 1974, S. 851 ff. 2 Nur exemplarisch erwähnt seien: aus jüngerer Zeit Suerbaum, Die Wirkmächtigkeit der grundgesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 ff.; Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 803 ff.; Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 ff.; Grawert, VVDStRL 36 (1977), S. 278 ff.; Lerche, Die Gemeinden in Staat und Gesellschaft als Verfassungsproblem, in: Deutscher Gemeindetag (Hrsg.), Buch deutscher Gemeinden, 1965, S. 9 ff. 3 Maurer, DVBl. 1995, S. 1037 (1041); Überblick zur Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 28 Abs. 2 GG bei Wehr/Knemeyer, VerwArch 92 (2001), S. 318 ff. 4 Dies konstatiert bereits Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 221. 5 Zur fehlenden Grundrechtsqualität vgl. BVerfGE 48, 64 (79); 58, 177 (189); ausführlicher hierzu unten § 3. 6 Zu vorsichtig deshalb Krausnick, VerwArch 102 (2011), S. 360 (376), nach dem die systematische Stellung der Selbstverwaltungsgarantie darauf hindeutet, dass das Selbstverwaltungsrecht als Kompetenz zu verstehen ist, dieser Befund aber
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darstellt, die eine funktionsgerechte Organisation staatlicher Aufgabenerfüllung intendiert7. Mit seiner vielzitierten8 Aussage, dass die Selbstverwaltung dadurch „ein Moment der Pflichtigkeit“ erhält9, hat allerdings wohl Stern am markantesten den Gedanken formuliert, dass dem Selbstverwaltungsrecht neben der abwehrrechtlichen möglicherweise zusätzlich eine positive Dimension zukommt. Die Urheberschaft der Idee der notwendigen Verknüpfung von Berechtigung und Verpflichtung der Selbstverwaltungsträger, auch in Bezug auf ihre eigenen Angelegenheiten, kann er allerdings – wie aus seiner Darstellung selbst hervorgeht10 – nicht für sich beanspruchen. Eine intensivere Auseinandersetzung mit der abstrakten Problematik des Inhalts und der Reichweite einer potentiellen Selbstverwaltungspflicht rechtlicher Natur11 ist allerdings trotz mehrfacher Rezeption12 oder Ablehdurch die Tatsache der Existenz der Kommunalverfassungsbeschwerde konterkariert würde. 7 BVerfG 83, 37 (54); Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 65 ff.; Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 99; Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170); vgl. näher dazu unten § 3 A., § 4 C. 8 Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (626); Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinden und Kreisen, 1973, S. 20; Klement, Verantwortung, 2006, S. 462; Mann, in: ders./Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 2, 3. Aufl. 2011, § 46, Rn. 9; Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, S. 88, 200; Peter, Rechtliche Grenzen gemeindlicher Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 243. 9 Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 92. 10 Stern/Püttner, Die Gemeindewirtschaft in Recht und Realität, 1965, S. 154, rekurriert selbst auf Hatschek, Die Selbstverwaltung in politischer und juristischer Bedeutung, in: Jellinek/Meyer (Hrsg.), Staats- und völkerrechtliche Abhandlungen II 1, 1898, S. 83, für den ein wichtiger Punkt, den die preußische Gesetzgebung dem Verfassungsrecht voraus hatte, war, dass erstere „das Pflichtmoment der Gemeinde bei Befriedigung selbst ihrer eigenen Interessen energisch betonte und sicherte.“ 11 Mit seiner oft herangezogenen kritischen Aussage „[w]ie freiwillig nämlich jene Selbstverwaltungsaufgaben sind, bei deren Übernahme eine gesetzliche Verpflichtung nicht besteht“ will Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. VI 2, 1962, S. 717, wohl primär die praktische Bedeutung der kommunalen Betätigung und insbesondere ihres Gestaltungsspielraums hervorheben, was deutlich wird, wenn er im Folgenden eine Einschränkung der Belastung mit Pflichtaufgaben fordert; insofern ist der Differenzierung von Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 20, zwischen „rechtlicher und tatsächlicher“ Freiwilligkeit und der Einordnung der Aussage Beckers in die letztere Kategorie zuzustimmen. 12 Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (626); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 307; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 52; Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, 1995, S. 247; Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170); v. Mutius, JuS 1976, S. 652 (657), der dabei aber stärker die Verantwortung der Repräsentativorgane gegenüber den Gemeindebürgern akzentuiert; dem folgend Knemeyer, WiVerw 1978, S. 65 (73); Thiele, GewArch
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nung13 der Grundthese bis heute selten geblieben14. Auch wenn Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG teilweise als potentielle Privatisierungsschranke von seiner verpflichtenden Seite beleuchtet worden ist, wurde ihm bisher im Ergebnis insbesondere in Bezug auf konkrete Sachaufgaben überwiegend kaum Relevanz attestiert15. In der Rechtsprechung hat das verpflichtende Element 1980, S. 105 (106); Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluss- und Benutzungszwang, 1980, S. 103; Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 226; Vogelgesang, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), BK-GG, Art. 28, Rn. 116 f., verweist allerdings nur auf Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28, Rn. 66, wo sich eine solche Aussage aber auch in der älteren Fassung (Mai 1977) nicht findet, obwohl die entsprechende Randnummer mit „Eigenverantwortlichkeit als Pflicht“ umschrieben ist (in der neuen Fassung von Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 [Lfg. 67, November 2012], Rn. 55 f. wird dagegen in ablehnender Weise zu einer Aufgabenwahrnehmungspflicht Stellung genommen); Stahl, Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht und die Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungspflicht durch eigenes Verwaltungshandeln und durch Unterlassen der Gemeinde, 1969, S. 86, nennt überhaupt keine Quelle für die Annahme, dass dem Selbstverwaltungsrecht auch eine Selbstverwaltungspflicht entspricht; ähnlich Röper, Der Staat 37 (1998) S. 249 (253), nach dem dem Selbstverwaltungsrecht eine Versorgungspflicht entspricht. 13 Butzer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 74, Rn. 48; Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 38. 14 Als Ausnahmen können hier angeführt werden Tomerius/Breitkreuz, DVBl. 2003, S. 426 ff., der ebenfalls konstatiert, dass die Problematik oft nur angedeutet würde; monographisch bereits Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge, 1970, insb. S. 57 ff.; ferner einzelne Aspekte aufgreifend Klement, Verantwortung, 2006, S. 462; Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 19 ff.; Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, S. 221 ff., bei dem aber eine teilweise kaum nachvollziehbare Vermengung des Regelungsgehalts des Art. 28 Abs. 2 GG mit anderen Verpflichtungstatbeständen, insbesondere den einfachgesetzlich geregelten Ansprüchen auf Benutzung kommunaler Einrichtungen erfolgt, die ihrerseits wiederum Ausdruck „materieller Grundrechtseffektuierung“ sein sollen; jüngst Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 195 ff., dessen Erörterungen sich aber primär auf die Frage kommunaler Ingerenzpflichten in Folge formeller oder funktionaler Privatisierung beschränken und weniger die Frage einer Aufgabenwahrnehmungspflicht betreffen (vgl. insbesondere S. 272 ff.), obwohl er beide Konstellationen nicht immer eindeutig trennt. 15 Frenz, ZHR 166 (2002), S. 302 (320); Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (325 f.); Britz, IR 2004, S. 7 (9); Hofmann, VBlBW 1994, S. 121 (123); Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 98 ff.; Krölls, GewArch 1995, S. 129 (142); Schumacher, LKV 1995, S. 135 (137); Meyer-Teschendorf/Föttinger u. a., Neuausrichtung kommunaler Dienstleistungen, 1999, S. 142; Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluss- und Benutzungszwang, 1980, S. 103 f.; nicht völlig klar Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 184 ff., der zunächst konstatiert, dass die Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 GG keine Pflicht trifft, ihr Selbstverwaltungsrecht wahrzuneh-
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des grundgesetzlichen Selbstverwaltungsrechts bisher keine erkennbare Rolle gespielt16. Die Ausführungen in früheren Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts scheinen eher in Richtung der Ablehnung einer verpflichtenden Dimension des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in Bezug auf die Wahrnehmung konkreter Aufgaben zu deuten, sind aber nur bedingt valide, weil sie tatbestandlich nicht einschlägige Konstellationen betreffen17. Auch die Instanzgerichte sind bisher, soweit ersichtlich, von einem Recht der Gemeinden ausgegangen, sich freiwillig wahrgenommener Angelegenheiten wieder zu entledigen18. men, dann allerdings eine Schutzpflicht des Staates annimmt und in der Zusammenfassung (S. 564) Art. 28 Abs. 2 GG als Beispiel für eine relative Privatisierungsschranke nennt; ein Verbot der Privatisierung der Kernaufgaben annehmend v. Mutius, JuS 1976, S. 652 (657); Knemeyer, WiVerw 1978, S. 65 (73); Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (626); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 307; Thiele, GewArch 1980, S. 105 (106). 16 Diesen Befund konstatieren auch Schoch DVBl. 2009, 1533 (1534); sowie jüngst Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 195; vgl. z. B. zur Zulässigkeit der Schließung einer als freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe betriebenen Kindertagesstätte, OVG Frankfurt NVwZ-RR 1997, S. 555 (557); ausdrücklich zum Aufgabenentledigungsrecht hinsichtlich der Durchführung eines Volksfestes VG Freiburg NVwZ-RR 2002, S. 139 (140), das nur die „verkappte“ Privatisierung für unzulässig hält. Zu dieser abweichenden Konstellation, vgl. die Entscheidungen VG Augsburg NVwZ-RR 2001, S. 468 (469); VGH Kassel NVwZ-RR 1994, S. 650 (651); VGH München NVwZ-RR, 1988, S. 71 (71), in denen die Pflicht der Gemeinde, über die Zulassung selbst zu entscheiden, zutreffenderweise mit dem Verbot der Flucht der Gemeinde vor öffentlich-rechtlichen Bindungen begründet wird; diese Fallkonstellationen zutreffend von der Frage einer Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung differenzierend Donhauser, NVwZ 2010, S. 931 (932 f.); der Verweis von Butzer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 74, Rn. 45, auf die Rechtsprechung VerfGH R-P NVwZ 2000, S. 801 (801) und BayVerfGH DÖV 1958, S. 216 (217), als Beispiel einer Verpflichtung kraft Verfassungsrecht ist dagegen nicht nachvollziehbar. 17 Im Hinblick auf die formelle Privatisierung eines Marktes hat das BVerwG GewArch 1964, S. 275 (276), angenommen, dass Art. 28 Abs. 2, 3 GG hier nicht entgegenstünden: „Diese Vorschriften richten sich lediglich an die Länder, die den Gemeinden das Selbstverwaltungsrecht gewährleisten müssen, bzw. an den Bund. Die Errichtung bzw. Aufhebung eines Marktes gehört zwar zu den Selbstverwaltungsaufgaben, jedoch handelt es sich dabei um eine freiwillige, nicht um eine Pflichtaufgabe.“; ebenfalls eher gegen einen objektiv-rechtlichen Pflichtgehalt spricht die Annahme des BVerwG NVwZ 2007, S. 584 (584, Ls.), dass Art. 28 Abs. 2 GG bei der freiwilligen Übertragung von Aufgaben des eigenen Wirkungskreises auf eine Verwaltungsgemeinschaft von vornherein keine Anwendung finde. Der Rekurs auf einen entsprechenden Rechtssatz, der durch BVerfGE 107, 1 (17 ff.), aufgestellt worden sein soll, geht aber zu weit. Explizit setzt sich das BVerfG mit der Anwendbarkeit des Art. 28 Abs. 2 GG nicht auseinander, sondern unterlässt schlicht eine Prüfung der Zulässigkeit der Festlegung der Möglichkeit einer freiwilligen Übertragung von Aufgaben an eine Verwaltungsgemeinschaft.
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Die Suche nach einer Auseinandersetzung mit einem aus den landesverfassungsrechtlichen Parallelregelungen zur Selbstverwaltungsgarantie potentiell ableitbaren Pflichtgehalt liefert noch dürftigere Resultate19. Dies ist vor allem deshalb verwunderlich, weil sich die Problematik einer Selbstverwaltungspflicht in Bezug auf die Regelungen einiger Landesverfassungen schon bei bloßer Betrachtung des Wortlauts unmittelbar aufdrängt20. Weitgehende Zurückhaltung hinsichtlich einer eigenständigen Interpretation der landesverfassungsrechtlichen Garantienormen mag Ausdruck des Lesens der Länderverfassungen durch „die Brille des Grundgesetzes“21 sein, die durch die Charakterisierung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Durchgriffsnorm22 in Bezug auf die hier betroffenen Vorschriften besonders gefördert wird23. Vor diesem Hintergrund kann man das Mitte 2009 ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Offenbacher Weihnachtsmarkt24 durchaus 18 VG Freiburg NVwZ-RR 2002, S. 139; OVG Frankfurt (Oder) NVwZ-RR 1997, S. 555 (Ls., 557); nach dem VGH Kassel vom 17.04.2008, Az: 8 UE 1263/07 – juris Rn. 21 = DÖV 2008, S. 607 (607), der Vorinstanz zum gleich darzustellenden Urteil, sei es „nicht ermessensfehlerhaft, sondern unter Umständen sogar geboten, sich zu einer Privatisierung der Aufgabenwahrnehmung zu entschließen“; deutlich auch jüngst VG Augsburg vom 26.09.2011, Az: Au 7 K 10.1951 – juris Rn. 70; bestätigt durch BayVGH NVwZ-RR 2013, S. 494 (495). 19 In der landesverfassungsrechtlichen Kommentarliteratur wird die Frage einer Verpflichtung der Gemeinden aus der Selbstverwaltungsgarantie überwiegend überhaupt nicht thematisiert; zumindest angedeutet wird die Problematik bei Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 71 Rn. 16, auch Rn. 28; bemerkenswertes Ausnahmebeispiel zur generell fehlenden Auseinandersetzung mit dieser Frage ist die Rechtsprechung zur Übertragung der Trägerschaft kommunaler Sparkassen auf den Sachsen-Finanzverband des SächsVerfGH LKV 2001, 216 ff.; vgl. dazu unten § 2 I. 2. c). 20 Insbesondere in Bezug auf Art. 72 Abs. 1 Verf. M-V; Art. 87 Abs. 2 Verf. S-A; Art. 46 Abs. 1 Verf. S-H, nach denen die Gemeinden ausdrücklich nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind; vgl. zum Bedeutungsgehalt dieser Regelungen § 5 B. III. 21 Dazu Kluth, JöR 51 (2003), S. 458 (458); exemplarisch aus der Rechtsprechung: SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99 – juris Rn. 57, sowie Urteil vom 27.01.2004 – Az.: 4 B 606/02 – juris Rn. 30, das die landesverfassungsrechtlichen Regelungen einfach kumulativ mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als rechtliche Grundlage des Selbstverwaltungsrechts heranzieht; dazu auch Hartmann, in: Articus/Schneider, Gemeindeordnung für das Land NRW, 4. Auf. 2012, Vorbemerkung §§ 1–3 S. 82 ff. 22 Siehe dazu ausführlich unten § 3 A. IV. 23 Zu weit geht aber die Aussage von Roters, in: v. Münch (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 1983, Art. 28 Rn. 32, den „verbalen Differenzen zwischen grundgesetzl. und landesverfassungsrechtl. Selbstverwaltungsgarantie [käme] keine Bedeutung zu, [. . .]“, da diese „die gefestigte Auslegung auf ein ‚gemeindeutsches‘ Niveau gehoben“ habe. 24 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris = DVBl. 2009, S. 1382 ff. (Leitsatz und Gründe).
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als Überraschung bezeichnen25. Darin hat der zuständige Senat im Rahmen einer Zulassungsstreitigkeit zu einer örtlichen Veranstaltung – zufällig die Stadt Offenbach betreffend26 – die Gelegenheit ergriffen, um fast im Stile einer Grundsatzentscheidung27 den Bedeutungsgehalt der Selbstverwaltungsgarantie im Hinblick auf seine Pflichtendimension völlig neu zu interpretieren. Da diese Entscheidung mit ihrem generalistischen Begründungsansatz den Anstoß für die vorliegende Untersuchung geliefert hat, sollen der zugrundeliegende Sachverhalt und insbesondere die Kernaussagen der Entscheidung im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden: Die Stadt Offenbach hatte längere Zeit28 einen Weihnachtsmarkt veranstaltet, bis im Jahr 1997 nach ordnungsgemäßem Gemeinderatsbeschluss die Organisation und Durchführung vertraglich einem Privaten, einer Interessengemeinschaft e. V., überlassen wurde. Mit Vereinbarung vom gleichen Tag hatte diese wiederum ihre Rechtsstellung einschließlich der vertraglichen Pflichten gegenüber der Stadt auf eine Veranstaltungs-GmbH übertragen. Gemäß den Vertragsbedingungen war der private Betreiber berechtigt, die Auswahl der Marktteilnehmer grundsätzlich eigenverantwortlich zu treffen29, allerdings unter Einhaltung gewisser, vertraglich festgelegter Rahmenvorgaben durch die Stadt30, die die Vielfältigkeit des Leistungsangebots sichern sollten. Die Bewertung des Vorgangs als materielle Privatisierung ist aufgrund der verbleibenden Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten der Stadt zweifelhaft31. Sie soll aber hier als feststehende Prämisse des Gerichts 25 Donhauser, NVwZ 2010, S. 931 (933); ebenso Troll, KommP BY 2009, S. 388 (390); von „Zeitenwende“ spricht Stein, DVBl. 2010, S. 563 (564); Lange, LKRZ 2010, S. 201 (201), nennt die Entscheidung eine „rechtsdogmatische Bombe“, die das BVerwG gezündet habe. 26 Auch die erste Entscheidung des BVerfG zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG (BVerfGE 1, 167 ff.), betraf die Stadt Offenbach und wird deshalb als „Offenbach-Urteil“ bezeichnet; vgl. etwa Stern, JR 1963, S. 202 (203); ebenso Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (215). 27 In diesem Sinne auch Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1534). 28 Das VGH Kassel, Urteil vom 17.04.2008 – Az: 8 UE 1263/07 – juris Rn. 2 = DÖV 2008, S. 607 (607), spricht von „jahrzehntelang“; nach Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (268), soll die Stadt Offenbach den Weihnachtsmarkt seit 1979 betrieben haben. 29 So die ausdrückliche Klausel Nr. 2 im „Privatisierungsvertrag“, abgedruckt in der Entscheidung HessVGH, Beschluss vom 11.11.2005 – Az: 8 TG 2798/05, S. 4 – nicht veröffentlicht bzw. VG Darmstadt, Beschluss vom 21.10.2005 – Az: 3 G 1585/05 – juris Rn. 3. 30 VGH Kassel, Beschluss vom 11.11.2005 – Az: 8 TG 2798/05 S. 5 f. – nicht veröffentlicht; Auswahlkriterien laut Ziffer 4 des Vertrages ausdrücklich abgedruckt in der Entscheidung VG Darmstadt, Beschluss vom 21.10.2005 – Az: 3 G 1585/05 – juris Rn. 6.
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für seine folgenden Ausführungen akzeptiert werden, da die vorliegende Untersuchung, wie bereits erwähnt, nicht darauf abzielt, die Richtigkeit der Entscheidung im speziellen Fall zu bewerten, sondern darauf, den der Entscheidung zugrundeliegenden Interpretationsansatz zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, dessen Aussagekraft weit über den konkreten Einzelfall hinausgeht, auf seine Validität zu überprüfen. Wirklich beachtenswert ist nämlich unter den dargestellten Vorzeichen der Annahme einer materiellen Privatisierung32, dass und vor allem mit welcher Argumentation das Gericht zur Klage eines potentiellen Marktbeschickers Stellung genommen hat, dessen Begehren darauf gerichtet war, feststellen zu lassen, dass die Veranstaltungs-GmbH zu rechtsverbindlichen Entscheidungen über die Vergabe der Standplätze nicht berechtigt sei33. Der Senat hat aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein Verbot für die Gemeinden abgeleitet, sich „ihrer gemeinwohlorientierten Handlungsspielräume zu begeben“34. Die daraus resultierende Einschränkung der Dispositionsbefugnis der kommunalen Selbstverwaltungsträger über den ihnen kraft Verfassungsrechts anvertrauten Aufgabenbereich hat er ferner dahingehend präzisiert, dass auch hinsichtlich der gesetzlich nicht als pflichtig normierten Angelegenheiten die Gemeinde nicht frei sei zu entscheiden, ob sie sich einer bestimmten Aufgabe annehmen oder diese, im Falle einer bisherigen Wahrnehmung, fortführen möchte35. Ihre verfassungsrechtliche Kompetenz sei 31 Eine Aufgabenprivatisierung wohl ablehnend Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 17 Rn. 85; Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170 f.). 32 Zur Unzulässigkeit der konkreten Form der Verantwortungsentledigung durch die Gemeinde hätte man möglicherweise auch kommen können, wenn man die Übertragung als „verkappte Privatisierung“ gewertet hätte (s. dazu oben Fn. 16); so auch ausdrücklich in erster Instanz im vorausgehenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren VG Darmstadt, Urteil vom 21.10.2005 – Az: 3 G 1585/05 – juris Rn. 31, das diese im Ergebnis aber verneint hat; eine „verkappte Privatisierung“ ebenfalls explizit in der Berufungsinstanz ablehnend HessVGH, Beschluss vom 11.11.2005 – Az: 8 TG 2798/05 S. 4 ff. – nicht veröffentlicht; sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich anschließend in erster Instanz in der Hauptsache VG Darmstadt, Urteil vom 13.03.2007 – Az: 3 E 1555/05 – juris Rn. 5, 16; eigenständig begründend nochmal HessVGH, Urteil vom 17.04.2008 – Az: 8 UE 1263/07 – juris Rn. 20 = DÖV 2008, S. 607 (607); eine „vollständige Übertragung“ nimmt das BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris Rn. 31 = DVBl. 2009, S. 1382 (1384), ohne weitere Begründung an. 33 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris, Rn. 13; gewisse inhaltliche Übereinstimmung ergeben sich diesbezüglich zu den Ausführungen von Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 228. 34 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 29 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383). 35 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 29 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383); gegenteilig die Vorinstanz des HessVGH vom 17.04.2008,
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den kommunalen Selbstverwaltungsträgern primär zum Wohle der Gemeindeangehörigen überantwortet, so dass sich die Gemeinden hinsichtlich traditioneller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zumindest ein gewisses Maß an Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten bei der Übertragung auf Dritte vorbehalten müssten. Ein totaler Rückzug aus ihrem „genuinen Verantwortungsbereich“36 sei dagegen unzulässig. Begründet wird diese Argumentation apodiktisch37 mit der Gefahr einer Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung von innen, die mit der institutionellen Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG nicht vereinbar wäre. Während sich aus dem abstrakt-dogmatischen Teil des Urteils noch nicht eindeutig ergibt, ob sich der Aussagegehalt der Ausführungen nur auf die örtlichen Angelegenheiten insgesamt im Sinne eines institutionellen Untermaßverbots38 beschränkt, wird insbesondere im Rahmen der Anwendung auf den Einzelfall klar, dass die Maßstäbe nach Auffassung des Gerichts auch in Bezug auf einzelne Aufgaben gelten sollen39. Nach Auffassung des Gerichts kann Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folglich auch der Entledigung der Verantwortung für eine konkrete Sachaufgabe bzw. Einrichtung durch die Gemeinde entgegenstehen. Bei der Beurteilung der Wahrnehmungs- bzw. Fortführungspflicht sollen sich allerdings Unterschiede abhängig davon ergeben, ob es sich um eine „öffentliche Einrichtung mit kulturellem, sozialen und traditionsbildenden Hintergrund“40 handelt oder der wirtschaftliche Charakter der Betätigung im Vordergrund steht. Diese Differenzierung nimmt das Gericht aber nicht auf der Rechtsfolgenseite vor, vielmehr soll bei einer primär wirtschaft8 UE 1263/07 = DÖV 2008, S. 607 (608): „Das der Gemeinde bei ihrer Entscheidung darüber, ob eine Aufgabe der Daseinsvorsorge durch sie selbst oder eine andere Person wahrgenommen werden soll, zustehende Ermessen wird nicht dadurch für alle Zukunft gebunden, dass sich die Gemeinde einmal dafür entschieden hat, die Aufgabe selbst durch eine öffentliche Einrichtung wahrzunehmen.“ 36 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 29 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383). 37 Donhauser, NVwZ 2010, S. 931 (933), spricht von der Statuierung eines Privatisierungsgebotes „aus heiterem Himmel ohne eingehende rechtliche Herleitung und Begründung“; Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170), verwendet die Begriffe „aus dem Hut zaubern“ bzw. „methodisch unhaltbar“; kritisch zur mangelnden Begründung auch Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1534); Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (83); der Kritik insofern zustimmend auch Krausnick, VerwArch 102 (2011), S. 359 (380). 38 Vgl. dazu unter § 4 C. II. 2. e). 39 So interpretiert die Entscheidung auch Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1534), bei der Zusammenfassung des Aussagegehalts. 40 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris Rn. 30 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383).
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lichen Betätigung eine verfassungsrechtliche Aufgabenverpflichtung der Gemeinden bereits tatbestandlich ausscheiden. Bei der Ausübung einer wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde sei nach Aussage des Gerichts zweifelhaft, ob es dabei um die Wahrnehmung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handele und so der Regelungsbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG überhaupt betroffen würde41. Eine Verpflichtung käme folglich vor allem im Bereich nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten der Gemeinde in Betracht. Hinsichtlich dieser werden neben der Länge des Zeitraums, in dem die Einrichtung betrieben wurde, die „kommunalpolitische Relevanz“ oder die kulturelle bzw. soziale Bedeutsamkeit als maßgebliche Entscheidungskriterien für die Beurteilung einer Pflicht zur Aufrechterhaltung genannt42. An der Einordnung des Weihnachtsmarktes in die Kategorie der verfassungsunmittelbar pflichtigen Einrichtungen wird deutlich, dass die inhaltlichen Anforderungen hieran nicht sehr hoch gesteckt sind. Eine weitere bemerkenswerte Konsequenz ergibt sich aus der prozessualen Konstellation des zugrundeliegenden Sachverhalts. Wie bereits erwähnt, war Kläger ein potentieller Marktbeschicker, dessen Chancen bei einer Vergabeentscheidung durch die Stadt im Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 HessGO höher gewesen wären, weil sich dann zu seinen Gunsten eventuell 41 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris Rn. 30 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383); damit weicht der Senat von der überkommenen Ansicht ab, dass auch die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden solange als Angelegenheit der öffentlichen Gemeinschaft qualifizierbar ist, als sie nicht rein erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgt; kritisch zu dieser Argumentation des BVerwG deshalb zurecht Lange, LKRZ 2010, S. 201 (204); grundlegend zu dieser Problematik bereits Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 163; ausführlicher hierzu und mit der traditionellen Bedeutung argumentierend ders., in: Stern/Püttner, Gemeindewirtschaft in Recht und Realität, 1965, S. 160 ff., nach dem die Gemeinde ohne „ihre Wirtschaftsbetätigung nicht mehr ‚sie selbst‘ wäre“ bzw. der in ihnen einen „den Typus der heutigen Gemeinde prägenden Bestandteil“ erblickt; ebenso Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/ Nipperdey, Bd. VI 2, 1962, S. 721; Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979. S. 90 m. w. N.; Hellermann, in: Epping/ Hillgruber, BeckOK GG, Art. 28, Rn. 41.5, der allerdings im Ergebnis zu weit geht, indem er auch die rein erwerbswirtschaftliche Betätigung verfassungsrechtlich für zulässig hält; Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 225 f., der sich kritisch mit der a. A. (z. B. Fischerhoff, DÖV 1960, S. 41 [44]) auseinandersetzt; nach Emmerich, Die kommunalen Versorgungsunternehmen, 1970, S. 21 f., 25 f., gehört die wirtschaftliche Betätigung zwar zu den durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, nicht aber zum Kernbereich der Selbstverwaltung. 42 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 38 = DVBl. 2009, S. 1382 (1384); gegen dieses Kriterium noch die Vorinstanz HessVGH vom 17.04.2008 – Az.: 8 UE 1263/07 – juris Rn. 21.
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ein Zulassungsanspruch, zumindest aber ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Zulassung gegen die Gemeinde hätte ableiten lassen. Die Einschlägigkeit der Norm und somit die potentielle Anspruchsentstehung setzt allerdings voraus, dass es sich (noch) um eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde handelt. Aufgrund der Tatsache, dass die Gerichte die Entscheidung der Stadt als materielle Privatisierung, d.h. vollständige Aufgabenentledigung gewertet haben, kommt eine Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 HessGO hier dem Grunde nach nicht mehr in Betracht. Die Klage war folglich nicht auf eine Feststellung des Vorliegens einer öffentlichen Einrichtung gerichtet, sondern intendierte die Feststellung, dass die Entscheidung der Gemeinde, sich dieser zu entledigen, unzulässig war. Mit der Zulassung dieses Feststellungsbegehrens wird im Ergebnis dem Berechtigten die Möglichkeit gewährt, die Aufrechterhaltung einer kommunalen Einrichtung als Voraussetzung für die Anwendbarkeit seines potentiellen Zulassungsanspruchs zu erzwingen. Das widerspricht der allgemeinen Überzeugung, dass sich die Anspruchsberechtigung aus § 20 Abs. 1 HessGO bzw. den entsprechenden Parallelvorschriften der anderen Länder43 nur auf die vorhandenen kommunalen Einrichtungen beschränkt, nicht aber einen Anspruch auf die Schaffung, Erweiterung oder Fortführung begründen kann44. Durch die Anerkennung dieser prozessualen Konstruktion45 wird 43
§ 10 Abs. 2 GO B-W; Art. 21 BayGO; § 14 Abs. 1 BbgGO; § 14 Abs. 2 KV M-V; § 4 S. 2 NdsKVG; § 8 Abs. 1 und 2 GO NRW; § 14 Abs. 2 GO R-P; §§ 5 Abs. 2, 19 Abs. 1 SaarlGO; §§ 2 Abs. 1, 10 Abs. 2 SächsGO; §§ 2 Abs. 1 S. 2, 22 Abs. 1 GO S-A; §§ 18 Abs. 1 GO S-H; §§ 1 Abs. 4, 14 Abs. 1 ThürKO. 44 HessVGH NJW 1979, S. 886 (887); BayVGH NJW 1969, S. 1978 (1078 f.); NVwZ-RR 1998, S. 193 (194); SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99, Rn. 57; SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99, Rn. 57, in Bezug auf einen Markt; OVG NRW NJW 1976, S. 820; jüngst BayVGH NVwZ-RR 2013, S. 494 (495); Donhauser, NVwZ 2010, S. 931 (934); Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (83); v. Mutius, JuS. 1976, S. 652 (656); Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 241 (Fn. 288); Seewald, Kommunalrecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 59; Widmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 21 Rn. 2; Schmidt/Kneip, HGO, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 3; daran auch nach der Entscheidung festhaltend Stein, in: Rauber/Rupp (u. a.), Hessische Gemeindeordnung, 2012, § 19 HGO, S. 192; Aker, in: Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, 2013, § 10 Rn. 6; so bereits Lange, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, § 52 S. 167; Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 273; a. A. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 248, der allerdings anerkennt, dass er sich in Widerspruch zur allgemeinen Interpretation des kommunalen Benutzungsanspruchs setzt (S. 229; 244 m. w. N.). 45 Bereits aufgrund der Subsidiarität an der Statthaftigkeit der Klage zweifelnd Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1171), nach dem die Verpflichtungsklage auf Zulassung zur Einrichtung vorrangig gewesen wäre. Allerdings würde dies vermutlich dem klä-
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folglich – obwohl der Senat hinsichtlich der Feststellungsklage ausdrücklich in analoger Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO eine Klagebefugnis fordert46 – die subjektive Rechtsposition der Einwohner bzw. weiterer potentieller Anspruchsberechtigter erheblich erweitert47 und gleichzeitig der gemeindliche Gestaltungsspielraum in problematischer Weise beschränkt. Die dargestellte Entscheidung bietet zweifelsohne, insbesondere in methodologischer Hinsicht, hinreichend Anlass zur Kritik48 und findet nach erster Erkenntnis auch bei den Instanzgerichten keine uneingeschränkte Gefolgschaft49. Jedenfalls bietet sie aber Anlass, Inhalt und Umfang der Pflichtenstellung der Gemeinden im verfassungsrechtlichen Gefüge im Allgemeinen näher zu beleuchten. Der Untersuchung bedarf zum einen die Begründbarkeit einer potentiellen Pflichtenstellung aus den Normen, die auf Ebene des Bundes- und Landesverfassungsrechts die kommunale Selbstverwaltung garantieren. In die Bestimmung einer verfassungsrechtlichen Pflichtigkeit ist aber auch der Wirkungszusammenhang des Selbstverwaltungsrechts mit anderen verfassungsrechtlichen Wertungen mit potentiellem Pflichtgehalt, wie beispielweise dem Sozialstaatsprinzip, den grundrechtgerischen Begehren nicht vollständig gerecht, das sich nicht nur auf die einmalige Zulassung beschränkt, sondern auch die Klärung der Rechtmäßigkeit der vergangenen bzw. zukünftigen Zulassungsverfahren mit einbezieht. 46 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris Rn. 24 = DVBl. 2009, S. 1382 (1382) st. Rspr.; die Frage der Erforderlichkeit einer Klagebefugnis kumulativ zum Feststellungsinteresse wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet, vgl. hierzu ausführlich Pietzcker, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, § 43, Rn. 28 ff. Als feststellungsfähiges Rechtsverhältnis sieht das BVerwG scheinbar das Verhältnis von Gemeinde und dem Privaten an (Rn. 24). Für den Fall, dass tatsächlich festgestellt würde, dass die Übertragung der Verantwortung für die Vergabeentscheidung auf den Privaten unzulässig war, wäre ein Anspruch auf Zulassung zum Markt oder zumindest ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht ausgeschlossen. 47 Die Klagebefugnis in einer vergleichbaren Konstellation klar ablehnend VG Augsburg vom 26.09.2011, Az: Au 7 K 10.1951 – juris Rn. 48 ff.; bestätigt durch BayVGH NVwZ-RR 2013, S. 494 (495 f.). 48 Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170), bezeichnet sie als methodisch unhaltbar; Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1538), schlicht als „Fehlentscheidung“; plakativ Lange, LKRZ 2010, S. 201 (201), der von einer „rechtsdogmatischen Bombe“ spricht (siehe bereits Fn. 25); Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 56. 49 So kommt das VG Augsburg vom 26.09.2011, Az: Au 7 K 10.1951 – juris Rn. 70, zu dem Ergebnis, dass der Entscheidung der Stadt Neu-Ulm, das seit über 100 Jahren veranstaltete Volksfest nicht mehr durchzuführen, Art. 28 Abs. 2 GG nicht entgegenstünde. Die Annahme der Unanwendbarkeit der Grundsätze, die das BVerwG im gerade dargestellten Urteil aufgestellt hat, und insbesondere die Differenzierung zwischen materieller Privatisierung und Nichtdurchführung der Aufgabe kann nicht überzeugen [s. zur Definition der materiellen Privatisierung unten § 1 A. II. 1. b)]; bestätigt wird diese Argumentation aber durch BayVGH NVwZ-RR 2013, S. 494 (495).
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lichen Gewährleistungen und sonstigen Verfassungsaufträgen und Zielbestimmungen, einzubeziehen. Denn im Hinblick auf diese materiellen Bindungen wird teilweise auch in der Literatur – im Ergebnis insofern übereinstimmend mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – in Bezug auf die Wahrnehmung freiwilliger Aufgaben im Einzelfall eine Reduktion des gemeindlichen Entschließungsermessens auf Null in Betracht gezogen50. Die Ableitbarkeit bestimmter Aufgabenpflichten aus der Verfassung ist dabei keinesfalls eine rein dogmatische Fragestellung. Die Gemeinden sind infolge angespannter Haushaltslagen zur Priorisierung oder zur Realisierung von Einsparungspotentialen gezwungen51. In diesem Zusammenhang ist auch die vollständige Entledigung von bestimmten Aufgaben eine zwangsläufig in Betracht zu ziehende Maßnahme52. Im Interesse der verantwortlichen Entscheidungsträger muss deshalb dringend geklärt werden, inwiefern deren Handlungsspielraum abseits der einfachgesetzlichen Pflichtaufgaben durch das Verfassungsrecht beschränkt wird53.
50 Gern, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, S. 164; ähnlich Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 536; Rauball, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, 1968, § 2 GO, S. 11, 13; jüngst in diesem Sinne Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 42; siehe dazu ausführlich unter § 7 C. I. 2. 51 Vgl. etwa dazu „Deutsche Kommunen versinken in Schulden“, Handelsblatt vom 01. November 2012, sowie „Viele Kommunen wollen Gebühren erhöhen“, Handelsblatt vom 02.11.2012, S. 3, unter Bezugnahme auf die Studie eines Wirtschaftsberatungsunternehmens; zur kritischen Lage der kommunalen Haushalte mit empirischen Belegen, auch jüngst Rauber, der gemeindehaushalt 2011, S. 200 (200); Schmidt-Jortzig, DVBl. 2007, S. 96 (97), geht davon aus, dass aufgrund der finanziellen Lage die freiwilligen Aktivitäten gegen Null tendieren, sofern diese finanziell aufwendig sind; allgemein auch Püttner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2008, § 144, Rn. 94. 52 Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (268); diesen Aspekt ins Gegenteil verkehrend Rauber, der gemeindehaushalt 2011, S. 200 (201), nach dem die Gemeinde eine Einrichtung nicht aufgeben dürfte, solange deren Nutzungsdauer nicht abgelaufen sei. 53 Zur praktischen Relevanz des Urteils als Maßstab für kommunale Privatisierungsentscheidungen auch Braun, KommJur 2009, S. 424 (426 ff.); Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (268), jetzt auch Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 56.
§ 2 Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes Den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bildet somit die Frage nach der Begründbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben der Gemeinden. Da mit der Bezeichnung „verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben“ nicht auf einen allgemein anerkannten Terminus zurückgegriffen wird, bedarf es zunächst einer Offenlegung der Begriffsdefinition, die dieser Arbeit zugrundegelegt werden soll. Mit der Begriffsbestimmung verbunden ist die Abgrenzung verwandter, aber nicht identischer Problembereiche. Diese Erläuterungen bilden gleichzeitig auch die erforderliche Grundlage für die Eingrenzung der zu untersuchenden Problematik und den Gang der Darstellung.
A. Begriffsdefinition I. Grundsätzliches Der Begriff der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben erhält durch die Verbindung zweier verschiedener Komponenten seinen eigenen Sinngehalt. Mit der auch in den Gemeindeordnungen der Länder verwandten Bezeichnung „Pflichtaufgabe“1 wird eine Aufgabe charakterisiert, derer sich die Gemeinde unabhängig von eigenen Präferenzen annehmen muss2. Dieser Kategorie gegenüber stehen die freien oder freiwilligen Angelegenheiten, deren Wahrnehmung dem Entschließungsermessen der individuellen Gemeinde unterliegt3. Durch das zweite Element – die Verfassungsunmittelbarkeit – wird der Verpflichtungsgrund spezifiziert bzw. im Vergleich zu den pflichtigen Angelegenheiten nach gängigem kommunalrechtlichem Verständnis modifiziert. Während sich im Kommunalrecht die Einordnung als Pflichtaufgabe nach überwiegender Ansicht danach bestimmt, ob der einfache Gesetzgeber die Verpflichtung zur Wahrnehmung dieser Angelegen1 Beispielsweise § 2 Abs. 2 S. 1 GO B-W; § 5 Abs. 1 Nr. 4 NdsKV; § 3 Abs. 1 GO NRW; § 2 Abs. 1 S. 2 GO R-P; § 5 Abs. 3 SaarlKSVG; § 2 Abs. 2 S. 1 SächsGO; § 4 Abs. 1 S. 1 GO S-A; § 2 Abs. 3 S. 1 ThürGO. 2 Gern, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, S. 164; Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 39; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 89; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 529. 3 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 114; so bereits Rauball, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, 1968, § 2 GO, S. 8.
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heit geregelt hat4, soll eine verfassungsunmittelbare Pflichtaufgabe bereits durch das Verfassungsrecht selbst begründet sein, ohne dass es einer konstitutiven einfachgesetzlichen Normierung bedarf. Verfassungsunmittelbare Verpflichtung meint dabei, wie bei einfachgesetzlichen Pflichtaufgaben, die Ableitbarkeit einer verbindlichen Rechtspflicht zur Wahrnehmung der konkreten Aufgabe. Der Begriff der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe nach dem hier zugrundeliegenden Verständnis setzt allerdings keine verfassungsrechtliche Spezialzuweisung einer Aufgabe voraus. Vielmehr soll dieser auch Angelegenheiten umfassen, die sich möglicherweise erst im Rahmen der Auslegung abstrakter Verfassungsbestimmungen ergeben, die geeignet sind, die Pflichtenstellung der Gemeinden mitzubestimmen. Normative Anknüpfungspunkte bilden dabei nicht nur das Grundgesetz, sondern auch die Verfassungen der Länder. Wesensmerkmal der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe ist folglich, dass sie eine Reduktion des gemeindlichen Entschließungsermessens begründet und somit das „Ob“ der Wahrnehmung einer Angelegenheit betrifft. Dadurch wird der Gegenstand der vorliegenden Untersuchung von der nachgelagerten Problematik abgegrenzt, welche verfassungsrechtlichen Vorgaben sich für die Art und Weise kommunaler Aufgabenerledigung ergeben. Insbesondere wird also nicht das grundrechtlich-demokratisch geforderte Maß an Steuerung und Ingerenz bezüglich verselbständigter Organisationseinheiten durch die kommunalen Vertretungsorgane zu bestimmen versucht, wie das im Schrifttum bereits vielfach erfolgt ist5. Im Fokus steht hier vielmehr die Frage, inwiefern sich aus dem 4 Eine Legaldefinition in diesem Sinne enthalten § 2 Abs. 2 S. 1 GO B-W; § 5 Abs. 3 SaarlKSVG; § 2 Abs. 2 S. 1 SächsGO; § 2 Abs. 3 S. 1 ThürGO; mit einer Übertragung durch Rechtsvorschrift verbunden ist der Begriff der „Pflichtaufgabe“ aber auch ausdrücklich in § 5 Abs. 1 Nr. 4 NdsKV; § 3 Abs. 1 GO NRW; § 2 Abs. 1 S. 2 GO R-P; § 4 Abs. 1 S. 1 GO S-A; so auch Stern, in: Dolzer/Kahl/ Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 142; Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 39; ebenfalls Röhl, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 1. Kap. Rn. 63, zu den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben; Rauber, der gemeindehaushalt 2011, S. 200 (200); ein weiteres Begriffsverständnis der „Pflichtaufgabe“ offenbart Gern, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, S. 164, nach dem eine freiwillige Aufgabe auch durch Ermessensreduktion zur Pflichtaufgabe werden kann; in diesem Sinne auch Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 536; Rauball, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, 1968, § 2 GO, S. 11, 13. 5 Dazu bereits Püttner, DVBl. 1975, S. 353 ff.; grundlegend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 124 ff.; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 340 ff., 410 ff.; ferner auch Brenner, AöR 127 (2002), S. 222 ff.; v. Danwitz, AöR 120 (1995), S. 595 (603 ff.); Schmidt, ZGR 1996, S. 345 (356 ff.); Spannowsky, ZGR 1996, S. 400 (408 ff.); Stober, NJW 1984,
A. Begriffsdefinition
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Verfassungsrecht eine Verpflichtung von Gemeinden ergibt, sich einer bestimmten Angelegenheit überhaupt anzunehmen bzw. zumindest deren Wahrnehmung zu gewährleisten6. In Anleihe an Begriffe aus der allgemeinen Staatsaufgabendogmatik, könnte man den Gegenstand der vorliegenden Betrachtung folglich auch als Untersuchung der Ableitbarkeit „notwendiger“7 bzw. „obligatorischer“8 Gemeindeaufgaben aus dem Verfassungsrecht umschreiben9. Damit verbunden ist die Problematik, wer eine solche verfasS. 449 (454 f.); Noack, Städte- und Gemeinderat 1995, S. 379 ff.; jüngst Mann, VBlBW 2010, S. 7 ff.; Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, insb. S. 273 ff., der allerdings die Begründung von Selbstverwaltungspflichten mehr als eine Frage des „Wie“ als des „Ob“ begreift. 6 Zum Unterschied zwischen Wahrnehmungs- und Sachaufgabe, vgl. Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 43 f. 7 Ronellenfitsch, DÖV 1999, S. 705 (708), umschreibt die notwendigen Staatsaufgaben als die Aufgaben, die „für die Staatlichkeit konstitutiv sind und deren effektive Erfüllung [Hervorhebung im Original] nur durch staatliche Organe sichergestellt werden kann“; dazu bereits Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1977, S. 99 ff.; ferner Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 157; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 179 f. 8 Von dieser Kategorie werden nach allgemeiner Auffassung über die notwendigen Staatsaufgaben hinaus zudem die Aufgaben umfasst, die grundsätzlich auch von Privaten erfüllt werden können, zu deren Erfüllung oder Gewährleistung der Staat aber (verfassungs)rechtlich verpflichtet ist, vgl. dazu Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 73 Rn. 29; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2000, S. 35; jüngst Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S. 245 f.; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999 S. 194 ff.; kritisch zu dieser Kategorisierung insgesamt Schulze-Fielitz, in: Staatsaufgabenentwicklung und Verfassung, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 11 (30). 9 Für die Modalität der Aufgabenerfüllung hat die Qualifikation einer Aufgabe als notwendige Staatsaufgabe keine unmittelbaren Konsequenzen, vgl. Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2000, S. 35; in eine ähnliche Richtung, ohne den Begriff der Staatsaufgabe zu verwenden BVerfGE 22, 180 (204), wonach ein verfassungsrechtlich vorgegebenes Ziel, wie die gerechte Sozialordnung, „für das ‚Wie‘, d.h. für die Erreichung des Ziels alle Wege offen“ lässt; anders wohl Schulze-Fielitz, in: Staatsaufgabenentwicklung und Verfassung, in: Grimm (Hrsg.), Wachsende Staatsaufgaben – sinkende Steuerungsfähigkeit des Rechts, 1990, S. 11 (20 ff.), der zwischen „materiellen Aufgaben, die sich auf die Inhalte, Gegenstände usw. des staatlichen Handelns beziehen, und den das staatliche Handeln spezifisch charakterisierenden Formen und Mitteln [Hervorhebungen im Original]“ differenziert, die unter den Begriff der formell-instrumentalen Staatsaufgaben fallen sollen; sein Verweis auf die Terminologie bei Isensee überzeugt jedoch nicht, da dieser unter „instrumentalen Staatsaufgaben“ solche Aufgaben versteht, die „nur Mittel zum eigentlichen Gemeinwohlzweck“ sind, vgl. Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 73 Rn. 32.
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sungsunmittelbare Aufgabenverpflichtung festzustellen befugt wäre. Neben den Verwaltungsgerichten kämen hier insbesondere auch die Aufsichtsbehörden in Betracht10.
II. Relevanzbereiche der zu untersuchenden Fragestellung Um die Bedeutung der Klärung der Frage nach der Anerkennungsfähigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben zu präzisieren, sollen im Folgenden Konstellationen erörtert werden, in denen sich ein positives Untersuchungsergebnis unmittelbar auswirken würde. Die Tatsache, dass es sich bei den verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben nach der soeben selbst vorgegebenen Definition um eine Problematik der Reduzierung des Entschließungsermessens in Bezug auf das „Ob“ der Aufgabenwahrnehmung handelt, beschränkt die Bereiche, in denen die Anerkennung der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe unmittelbar relevant wird. 1. Privatisierung kommunaler Aufgaben Zunächst ist somit nicht das Gesamtphänomen der Privatisierung11 von kommunalen Aufgaben von der vorliegenden Untersuchung betroffen, wenn man diesen Begriff nach dem weitesten Verständnis als „jede Form der Abgabe von Rechtsmacht durch den Staat zugunsten von Personen des Privatrechts“ definiert und dabei die Zuordnung der Anteilseigner außer Betracht lässt12.
10 Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (271); Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 187, dessen Aussage sich aber direkt nur auf die Organisationsprivatisierung bezieht. 11 Im Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Begriff der Privatisierung nur eine Umschreibung vielgestaltiger Erscheinungen sein kann, deren Formenvielfalt nicht abschließend bestimmbar ist, vgl. Isensee, VVDStRL 54 (1995), S. 303 (Diskussionsbeitrag); Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 18; Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (250); Peine, DÖV 1997, S. 353 (354); Krölls, GewArch 1995, S. 129 (130); Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2000, S. 27; zustimmend Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 15; Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 165 (166), bezeichnet den Begriff sogar als „populistische Chiffre“. 12 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 37; in diesem Sinne auch Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 165 (174); engeres Begriffsverständis bei Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 15, 23.
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a) Irrelevanz für die formelle Privatisierung Der Verzicht darauf, den Begriff des Privaten anhand materieller Kriterien einzuschränken13, führt nämlich dazu, dass auch die sogenannte formelle Privatisierung bzw. Organisiationsprivatisierung14 erfasst wird15. Für diese schwächste Form der Lockerung staatlicher Rechtsmacht16 ist kennzeichnend, dass der Hoheitsträger eine Aufgabe nicht mehr in öffentlich-rechtlicher Organisationsform wahrnimmt, sondern sich zur Erfüllung seiner Aufgaben der Rechtsformen des Privatrechts bedient17. Im Zuge dieser recht13 Als ein solch materielles Kriterium für die Einordnung in die Kategorie „Privater“ wird insbesondere die Grundrechtsberechtigung herangezogen, vgl. Weiß, DVBl. 2002, S. 1167 (1168); dazu schon Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (144 f., 203), der neben dieser positiven Abgrenzung noch eine Form der negativen Abgrenzung vorschlägt; ähnlich auch Dagtoglou, DÖV 1970, S. 532 (533 f.); diese Bestimmung führt allerdings bereits im Ansatz zu Abgrenzungsschwierigkeiten, da insbesondere die Grundrechtsberechtigung der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen äußerst umstritten ist; vgl. auch Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 20 ff., die deshalb für die Definition der Privatisierung den Begriff des Privaten dahingehend modifiziert, dass eine Beteiligung materiell Privater ausreichend sein soll; so auch Heintzen, VVDStRL 62 (2003), S. 222 (231 f.); Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 165 (174), lehnt das Kriterium der Grundrechtsberechtigung wegen der Gefahr der Zirkelschlüssigkeit insgesamt ab. 14 Vgl. zu den Begrifflichkeiten mit umfassenden Nachweisen Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 20 f. 15 Für eine Einbeziehung dieser Konstellationen in den Privatisierungsbegriff auch Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (588 Fn. 26); Möschel, Privatisierung als ordnungspolitische Aufgabe, in: Lange/Nörr/Westermann (Hrsg.), Festschrift Gernhuber, 1993, S. 905 (907); Schoch, DÖV 1993, S. 377 (378); v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 17; Bull, VerwArch 86 (1995), S. 621 (622); Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (210); Brüning, Der Private bei der Erledigung kommunaler Aufgaben, 1997, S. 83; Peine, DÖV 1997, S. 353 (354); Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 18 f.; so im Ergebnis wohl auch Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (251 f. Fn. 41), aus seiner Definition geht dies aber nicht klar hervor; Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (144, 203), verwendet nicht den Begriff der Privatisierung, sondern spricht von der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben durch Private [kritisch hierzu Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (276)]; nicht eindeutig Isensee, VVDStRL 54 (1995), S. 303 (Diskussionsbeitrag), indem er diese Form als unechte Privatisierung bezeichnet; so auch Di Fabio, JZ 1999, S. 585 (588); Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, S. 41 f.; ausdrücklich gegen eine Einbeziehung der formellen Privatisierung Püttner, LKV 1994, S. 193 (195); Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2000, S. 110, der scheinbar unter formeller Privatisierung nur den Fall der ausschließlichen Staatsbeteiligung versteht (vgl. insb. Fn. 93); auch nach der Definition von Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 20 ff., würde die formelle Privatisierung als Untersuchungsgegenstand erhalten bleiben, allerdings ohne Einbeziehung der Fälle der ausschließlichen Staatsbeteiligung (s. dazu sogleich Fn. 17). 16 Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 24.
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lichen Verselbständigung von Verwaltungseinheiten in Gestalt privatrechtlicher Gesellschaften wird die Aufgabe nicht zugunsten „echter Privater“18 preisgegeben, sondern nur die Modalität der Aufgabenerfüllung verändert19. Plakativ umschrieben wechselt der Staat dabei nur das „Rechtskleid“20 und behält grundsätzlich die Verantwortung für die betreffende Aufgabe21. Problematisch ist in diesem Zusammenhang, inwieweit der Hoheitsträger zur Wahrung der fortgeltenden Bindungen sich Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten auf die verselbständigten privatrechtlichen Organisationseinheiten vorbehalten und diese gegebenenfalls realisieren muss22. Damit ange17
Umstritten ist, wie sich die Beteiligungsquote auf die Einordnung auswirkt; teilweise wird für Konstellationen, in denen der Hoheitsträger 100% der Anteile behält der Begriff der Privatisierung insgesamt abgelehnt; so z. B. Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 24 m. w. N.; dahingegen sind nach einem Teil des Schrifttums nur die Fälle der ausschließlichen Staatsbeteiligung in die Kategorie der formellen Privatisierung einzuordnen, während die gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen generell unter den Begriff der funktionalen Privatisierung (s. dazu sogleich) fallen sollen: so etwa Hengstschläger, VVDStRL 54 (1995), S. 165 (170); Kahl/Weißenberger, JURA 2009, S. 194 (195); Püttner, LKV 1994, S. 193 (195); so scheinbar auch Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2000, S. 110 Fn. 93; Di Fabio, JZ 1999, S. 585 (588); anders Burgi, NVwZ 2001, S. 601 (603); Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (587 f.), die sowohl die Fälle der staatlichen Alleinbeteiligung als auch die der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen mit staatlicher Mehrheitsbeteiligung unter den Begriff der formellen Privatisierung fassen; unklar bei Peine, DÖV 1997, S. 353 (354), der allerdings auch die Begriffe formelle und funktionelle Privatisierung gleichsetzt. Problematisch sind darüber hinaus die Fälle staatlicher Minderheitsbeteiligung. Ein Teil des Schrifttums sieht darin einen Fall der materiellen Privatisierung, vgl. z. B. Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 25 f.; anders Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 35, der die gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen generell der Staatssphäre zuordnet; weiter differenzierend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1981, S. 9 f. 18 Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (210); den Begriff „echte Privatisierung“ verwendet auch v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 21. 19 Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 35; Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2000, S. 110; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 30; Brüning, Der Private bei der Erledigung kommunaler Aufgaben, 1997, S. 82; v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 17; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (231); Püttner, LKV 1994, S. 193 (195). 20 So schon Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 324; dieses Bild aufgreifend Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (145); Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (589); v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 17; Osterloh, VVDStRL 54 (1995), S. 204 (231); vgl. ausführlich zu diesem und ähnlichen Begrifflichkeiten Kämmerer, Privatisierung, S. 21; Isensee, VVDStRL 54 (1995), S. 303 (Diskussionsbeitrag) spricht dagegen mit negativerer Konnotation von einem Etikettenschwindel. 21 Kahl/Weißenberger, JURA 2009, S. 194 (195). 22 So schon Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (589); Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (192, 208); Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung,
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sprochen sind aber gerade ausschließlich mögliche verfassungsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung der Art und Weise der staatlichen bzw. kommunalen Aufgabenerledigung, die hier außer Betracht bleiben sollen23. Auf die Frage, ob der Gemeinde ein Entschließungsermessen in Bezug auf die Wahrnehmung der entsprechenden Sachaufgabe zusteht, kommt es im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit einer formellen Privatisierung dagegen im Grundsatz nicht an. Denn die der Modalität der Aufgabenerfüllung vorgelagerte Frage, ob sie sich der öffentlichen Aufgabe überhaupt annehmen will, hat die Gemeinde bei einer Wahrnehmung der Aufgabe in privatrechtlicher Form bereits selbst positiv entschieden. Dementsprechend ist anerkannt, dass die einfachgesetzliche Normierung einer Pflicht zur Wahrnehmung der Aufgabe einer formellen Privatisierung nicht entgegensteht24. Gleichermaßen besitzt somit auch eine potentielle Aufgabenverpflichtung der Gemeinden kraft Verfassungsrechts, die sich strukturell vergleichbar zu der einfachgesetzlichen Verpflichtung als Einschränkung der gemeindlichen Entscheidungsfreiheit hinsichtlich des „Ob“ der Aufgabenwahrnehmung darstellt, für diese Konstellation der Modifikation der Verantwortungsstruktur keine unmittelbare Relevanz25. b) Hauptanwendungsfall: materielle Privatisierung Der formellen Privatisierung diametral gegenüber steht die materielle Privatisierung, die auch als Aufgabenprivatisierung26 oder echte Privatisierung27 bezeichnet wird28. Die Beschreibung dieses Typus divergiert im Detail, wobei der sprachlichen Präzision unterschiedliche Bedeutung zugemessen wird29. Wesentliches Kriterium für die Charakterisierung eines Vor1989, S. 127; Di Fabio, JZ, S. 585 (588); Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 49 f. 23 Siehe zu der hier zugrundeliegenden Definition des Untersuchungsgegenstandes oben § 2 A. I. 1. 24 Kahl/Weißenberger, JURA 2009, S. 194 (199); Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 269 m. w. N. 25 In diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris Rn. 32 = DVBl. 2009, S. 1382 (1384), das eine formelle Privatisierung ausdrücklich als potentielle Option nennt. 26 Möschel, Privatisierung als ordnungspolitische Aufgabe, in: Lange (Hrsg.), Festschrift Gernhuber, 1993, S. 906 (907). 27 So beispielsweise Püttner, LKV 1994, S. 193 (195). 28 Ausführlich zur Terminologie und m. z. N. Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 20 (mit Fn. 55). 29 Sehr kritisch hinterfragt werden die häufig verwandten Begriffe der „Aufgabe“ und der „Übertragung“ insbesondere bei Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 29; die-
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gangs als materielle Privatisierung ist jedenfalls, dass der Hoheitsträger die Erfüllungsverantwortung für die Aufgabe umfassend aufgibt30 und folglich diesen Bereich der Betätigung Privater überlässt31. Da der Aufgabenbestand des Staates in dieser Konstellation tatsächlich dezimiert wird und der Wirkungsbereich der Privatgesellschaft sich erweitert32, wird hier auch von einer echten Entstaatlichung33 gesprochen. In diesem Fall bleibt dem Staat nur ein minimaler Rest an Steuerungspotential in Form der Möglichkeit der allgemeingesetzlichen Reglementierung der privaten Tätigkeit erhalten34. Aus diesem Grund kommt eine materielle Privatisierung nicht in Betracht, wenn der Gesetzgeber die Angelegenheit explizit als staatliche bzw. kommunale Pflichtaufgabe normiert und hierbei in verfassungsgemäßer Weise keine Öffnungsklausel vorgesehen hat35. Einer solchen vollständigen Preisgabe der Erfüllungsverantwortung würde gleichermaßen entgegenstehen, wenn sich eine Verpflichtung der Gemeinde zur Aufgabenwahrnehmung unmittelbar aus dem Verfassungsrecht ableiten ließe. Die Feststellbarkeit einer verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe wäre folglich – wie auch im einleitend dargestellten Fall – primär als Grenze für materielle Privatisierungsentscheidungen der Gemeinde beachtlich.
ser Kritik wird auch Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 30 f., bei seiner Beschreibung der materiellen Privatisierung gerecht; differenzierend bereits Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (588). 30 Burgi, NVwZ 2001, S. 601 (603); Brüning, Der Private bei der Erledigung kommunaler Aufgaben, 1997, S. 78; nach Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 79, verbleibt kein „dauerhafter Verantwortungsrest“ beim Staat; dagegen grenzt Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 30 f., formelle und materielle Privatisierung danach ab, welches Maß an Steuerungsfähigkeit und Einfluss der Staat weiterhin hinsichtlich der betreffenden Aufgabe behält, gesteht aber Abgrenzungsschwierigkeiten zu (S. 34). 31 Di Fabio, JZ 1999, S. 585 (586); dies hat, wie Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 79 ff., beschreibt, zur Folge, dass staatliche Steuerung und Leistungserbringung durch Privatautonomie und Marktmechanismen ersetzt werden. 32 Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 30. 33 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 37 m.w.N; Di Fabio, JZ 1999, S. 585 (586), setzt die Begriffe Privatisierung und Entstaatlichung sogar gleich, fasst den Privatisierungsbegriff aber auch, insofern konsequent, enger. Einfachgesetzlich wird der Begriff der Entstaatlichung in § 7 BHO allerdings neben dem der Privatsierung verwendet, vgl. zu der Problematik dieser Formulierung Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 28. 34 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 81; Kahl/Weißenberger, JURA 2009, S. 194 (196); Burgi, NVwZ 2001, S. 601 (603). 35 Osterloh, VVStRL 54 (1995), S. 204 (230, auch 223) m. w. N.; bezogen auf das Beispiel der Abfallentsorgung: Waibel, Gemeindeverfassungsrecht Baden-Württemberg, 5. Aufl. 2007, § 5 Rn. 69.
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c) Funktionelle Privatisierung als Grenze des Relevanzbereichs verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben Innerhalb des breiten Spektrums an weiteren Differenzierungen36 hat sich die funktionale Privatisierung37 als weitgehend anerkannte38, eigenständige Zwischenform herausgebildet39. Charakteristisch für diese ist, dass die grundsätzliche Aufgabenverantwortung beim Hoheitsträger verbleibt, er die operative Aufgabenerledigung aber (teilweise) auf materiell Private auslagert40. Von der formellen Privatisierung kann sie dadurch abgegrenzt werden, dass dem Privatrechtssubjekt die Durchführung bzw. die Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgabenteile im Grundsatz eigenverantwortlich überlassen ist. Maßgeblicher Unterschied zur materiellen Privatisierung ist der Vorbehalt gewisser Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten oder bestimmter Entscheidungskompetenzen des Hoheitsträgers, wodurch eine staatliche Erfüllungsverantwortung weiterhin realisiert werden kann41. Trotz 36 Im Schrifttum werden auf unterschiedliche Weise weitere Privatisierungsarten abgegrenzt, die sowohl in der Anzahl, in der Bezeichnung als auch im typologischen Ansatz variieren; vgl. eine sehr umfangreiche Darstellung bei Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 24 ff. 37 Teilweise auch als „funktionelle“ Privatisierung bezeichnet; Nachweise zu den Begrifflichkeiten bei Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 80 Fn. 176 f. 38 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 100 ff.; ders., NVwZ 2001, S. 601 (603); Di Fabio, JZ 1999, S. 585 (588 f.); HoffmannRiem, DVBl. 1996, S. 225 (226); Krölls, GewArch 1995, S. 129 (131); Schoch, DVBl. 1994, S. 962 (962 f.); ders., DÖV 1993, S. 377 (378), wo er diese Konstellation nur gesondert aufführt, ohne jedoch den Begriff der funktionalen Privatisierung zu verwenden; Möschel, Privatisierung als ordnungspolitische Aufgabe, in: Lange/Nörr/Westermann (Hrsg.), Festschrift Gernhuber, 1993, S. 905 (908), verwendet nicht die Bezeichnung funktionale Privatisierung, sondern „contracting out“; umfassende Nachweise zum Meinungsstand vgl. Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 23 Fn. 72; Kahl, DVBl. 1995, S. 1327 (1331), hält sie für einen Unterfall der materiellen Privatisierung; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 38, dagegen für eine Spielart der formellen Privatisierung (allerdings vor der Prämisse der Ablehnung des bloß formellen Staatsaufgabenbegriffs); so wohl auch Graf Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (587); Peine, DÖV 1997, S. 353 (355), setzt den Begriff der formellen Privatisierung mit der funktionalen Privatisierung gleich. 39 Zur Rechtfertigung der Eigenständigkeit dieser Form instruktiv Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 82, der auch andere Einordnungsmöglichkeiten in Betracht zieht, diese aber überzeugend ablehnt; von einer Notwendigkeit dieser Feindifferenzierung geht ebenso Di Fabio, JZ, 1999, S. 585 (588 f.), aus. 40 Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (252); Schoch, DVBl. 1994, S. 962 (962); Hoffmann-Riem, DVBl. 1996, S. 225 (226); Burgi, NVwZ 2001, S. 601 (603); Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 27 m. w. N. 41 Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 81 ff.; in diesem Sinne auch Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 29; Hellermann, Örtliche
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partieller Verantwortungsentledigung42 besteht die Aufgabenträgerschaft43 der Gemeinden in dieser Konstellation dem Grunde nach also weiter fort, weshalb sich die Charakterisierung als Pflichtaufgabe einfachgesetzlicher oder verfassungsrechtlicher Art in dieser Konstellation im Grundsatz ebenfalls nicht entscheidend auswirkt44. Anderes kann nur gelten, wenn sich die Gemeinde der Verantwortung für einen bestimmten Aufgabenteil bzw. einer bestimmten Teilaufgabe entledigt, der/die schon für sich verfassungsmittelbar pflichtig ist. 2. Pflicht zur Schaffung einer Einrichtung oder Neuaufnahme einer Aufgabe Relevant wird die Begründbarkeit von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben aber hinsichtlich der Beurteilung der Frage, inwiefern eine Gemeinde zur Schaffung oder Erweiterung einer Einrichtung bzw. zur Wahrnehmung einer Aufgabe verpflichtet ist, derer sie sich bisher nicht angenommen hat45. Zumindest war bisher allgemein anerkannt, dass das subjektive öffentliche Recht der Bürger auf kommunale Leistungen nur auf den vorhandenen Bestand beschränkt ist, nicht aber die Schaffung oder Erweiterung einer Einrichtung verlangt werden kann46. Aber auch die objektive Verpflichtung, Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, 2000, S. 4; ders., NVwZ 2001, S. 601 (603); Krölls, GewArch 1995, S. 129 (131); in diesem Sinne auch Möschel, Privatisierung als ordnungspolitische Aufgabe, in: Lange/Nörr/Westermann (Hrsg.), Festschrift Gernhuber, 1993, S. 905 (908); kritisch zur praktischen Umsetzbarkeit Osterloh, VVStRL 54 (1995), S. 204 (235 ff.). 42 Burgi, NVwZ 2001, S. 601 (603), spricht hier von einer Veränderung der Verantwortungsstruktur; teilweise wird diese Form deshalb auch als Teilprivatisierung bezeichnet, vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (252); dazu auch Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 81 m. w. N.; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 37; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 39 f., hingegen kritisiert die Willkürlichkeit der Abgrenzung von Teilaufgabe und Aufgabe als solcher. 43 Schoch, DVBl. 1994, S. 962 (963); darauf bezugnehmend Osterloh, VVStRL 54 (1995), S. 204 (223). 44 Schoch, DVBl. 1994, S. 962 (963, 971 f.). 45 So auch Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (271). 46 HessVGH NJW 1979, S. 886 (887); BayVGH NJW 1969, S. 1078 (1078 f.); BayVGH NVwZ-RR 1998, S. 193 (194); SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99, Rn. 57; SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99 – juris, Rn. 57, in Bezug auf einen Markt; OVG NRW NJW 1976, S. 820 (820); Stein, in: Rauber/Rupp (u. a.), Hessische Gemeindeordnung, 2012, § 19 HGO, S. 192; Aker, in: Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, 2013, § 10 Rn. 6; Donhauser, NVwZ 2010, S. 931 (934); Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (83); v. Mutius, JuS. 1976, S. 652 (656); Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 241 (Fn. 288); Seewald, Kommunalrecht, in: Steiner (Hrsg.),
A. Begriffsdefinition
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eine bestimmte freiwillige Aufgabe wahrzunehmen, scheint vom Bundesverwaltungsgericht bisher abgelehnt worden zu sein47. Die Ableitung von Pflichtaufgaben aus dem Verfassungsrecht könnte nicht nur zur Folge haben, dass die Gemeinde objektiv verpflichtet wird, eine bestimmte Einrichtung zu schaffen oder eine Leistung neu anzubieten. Abhängig davon, welche Verfassungsnorm als Grundlage der Verpflichtung herangezogen wird, kommt auch eine Erweiterung der Anspruchspositionen der Gemeindebürger in Betracht48. 3. Modifikationen bei der Preisgabe von Aufgabenverantwortung an andere Verwaltungsträger Als ein weiterer Bereich, in dem sich die Anerkennung einer Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung kraft Verfassungsrechts möglicherweise auswirken könnte, ist die autonome Preisgabe von Aufgabenverantwortung zugunsten anderer Verwaltungsträger. Die (teilweise) Verantwortungsentledigung kann einerseits in Form der kommunalen Kooperation, andererseits in Form der Übertragung von Aufgabenzuständigkeiten auf die unmittelbare Staatsverwaltung geschehen. Hier ist zunächst, wie bei der Privatisierung, zu bestimmen, ob noch eine Modalität der Aufgabenerledigung durch die Gemeinde vorliegt oder ob bereits die Grenze zur vollständigen Aufgabenentledigung überschritten ist. Aus der Tatsache, dass in diesen Konstellationen die Aufgabenerfüllung nicht an Private preisgegeben wird, sondern durch andere Hoheitsträger erfolgt, ergeben sich möglicherweise zudem abweichende Voraussetzungen für die Frage der Zulässigkeit einer Verantwortungsentledigung durch die Gemeinden. a) Kommunale Kooperation Anders als die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Privatisierungsmaßnahmen sind die möglichen Formen kommunaler Kooperation durch landesrechtliche Vorschriften umfassend einfachgesetzlich ausgestaltet. Diesen Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 59; Widmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 21 Rn. 2; Schmidt/Kneip, HGO, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 3; so bereits Lange, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, § 52, S. 167; a. A. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 248, der allerdings anerkennt, dass er sich in Widerspruch zur allgemeinen Interpretation des kommunalen Benutzungsanspruchs setzt (S. 229, 244 m. w. N.). 47 BVerwG GewArch 1964, S. 275 (276); ebenso VG Minden, Urteil vom 26.04.2007– Az.: K 3 600/06 – juris, Rn. 27, speziell in Bezug auf Volksfeste und Märkte (vgl. dazu bereits oben § 1 mit Fn. 17). 48 So auch Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (272).
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liegen unterschiedliche Strukturen einer Verantwortungsteilung oder Verantwortungsdelegation durch die Gemeinden zu Grunde, im Rahmen derer die Anerkennungsfähigkeit einer verfassungsunmittelbaren Aufgabenverpflichtung von vornherein überhaupt nur partiell Bedeutung entfalten kann. aa) Abstimmung und gemeinsame Erledigung von Aufgaben Eindeutig außerhalb des Relevanzbereichs der vorliegenden Untersuchung liegt die Möglichkeit zur Bildung von sogenannten Arbeitsgemeinschaften49, die vorwiegend der Sondierung und Abstimmung im Vorfeld bestimmter Vorhaben und Planungen dienen. Sie erreichen gewissermaßen eine Institutionalisierung dieser Vorgänge im Gegensatz zu informellen Absprachen50, führen aber nicht zu einer Veränderung der Zuständigkeitsstruktur. Sofern dieser Kooperationsform überhaupt eine rechtliche Bedeutung zukommt51, dann lediglich als geringfügige Modifikation der Eigenverantwortlichkeit gemeindlicher Aufgabenerfüllung52. Ebenfalls eine Frage des „Wie“ und somit nicht unmittelbar betroffen von der Frage der Begründbarkeit kommunaler Pflichtaufgaben aus dem Verfassungsrecht sind Formen der gemeinsamen Aufgabenerledigung mit anderen kommunalen Körperschaften. Die Konsequenz, dass die Alleinverantwortung der Gemeinde für die sachgerechte Aufgabenerfüllung zu einem bloßen Verantwortungsbeitrag innerhalb einer Kollektiventscheidung reduziert wird, ist allein eine Frage der zulässigen Art und Weise der kommunalen Aufgabenwahrnehmung, betrifft aber nicht die vorgelagerte Entscheidung, sich einer Angelegenheit überhaupt anzunehmen. 49
Bayern: Art. 2 Abs. 1, 1. Alt. KommZG; Brandenburg: § 1 Abs. 2, 2. Alt. GKG; Hessen: § 2 Abs. 1, 1. Alt. KGG; Nordrhein-Westfalen: § 1 Abs. 2, 1. Alt. KomGArbG; Rheinland-Pfalz: § 1 Abs. 1, S. 2, 1. Alt. KomZG; Saarland: § 1 Abs. 1 S. 1, 3. Alt. KGG; Sachsen-Anhalt: § 2 Abs. 2 GKG; Thüringen: § 2 Abs. 1, 1. Alt. KGG. 50 Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 25. 51 Regelmäßig ist das nicht der Fall, vgl. so ausdrücklich für Brandenburg: § 3 Abs. 1 GKG; Nordrhein-Westfalen: § 3 Abs. 1 KomGArbG; Sachsen-Anhalt: § 2 Abs. 2 S. 3 GKG; in Rheinland-Pfalz wird die rechtliche Unverbindlichkeit in § 14 Abs. 2 KomZG durch die Wahl des Begriffspaars „Empfehlungen und Anregungen“ zum Ausdruck gebracht. Im Saarland ordnet § 21 KGG ausdrücklich die Unzulässigkeit einer Zuständigkeits- oder Aufgabenverlagerung an; vgl. zum Ganzen auch Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 25 f. 52 So beispielsweise die besonderen Arbeitsgemeinschaften, wie sie in Bayern (Art. 5 f. KommZ) und Thüringen (§ 5 f. GKG) vorgesehen sind, deren Beschlüsse im Innenverhältnis gewisse Bindungswirkungen entfalten; die Möglichkeit der vertraglichen Vereinbarung einer Bindungswirkung existiert auch in Hessen, § 4 Abs. 1 S. 2 KGG.
A. Begriffsdefinition
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Dies gilt sowohl für die sogenannte Zweckvereinbarung53 bzw. öffentlich-rechtliche Vereinbarung54, sofern die landesrechtlichen Regelungen eine gemeinsame Aufgabenerledigung ermöglichen55, als auch für die Zusammenarbeit in öffentlich-rechtlicher Rechtsform, die synonym von den Begriffen des gemeinsamen Kommunalunternehmens56 bzw. der gemeinsamen kommunalen Anstalt57 erfasst wird58. Zwar wird in letzterem Fall eine eigenständige Rechtspersönlichkeit öffentlich-rechtlicher Natur geschaffen59, dennoch bleibt den beteiligten Gemeinden ein bestimmtes Maß an Einwirkungsmöglichkeiten, das von der konkreten Vereinbarung in der 53 Bayern: Art. 2 Abs. 1, 2. Alt. KommZG; Niedersachsen: § 1 S. 1 Nr. 3 KomZG; Rheinland-Pfalz: § 1 Abs. 1, S. 2, 4. Alt. KomZG; Sachsen: § 2 Abs. 1, 3. Alt. KomZG; Sachsen-Anhalt: § 2 Abs. 1, 1. Alt. GKG; Thüringen: § 2 Abs. 1, 2. Alt. KGG. 54 Baden-Württemberg: § 1 S. 1, 2. Alt., 25 ff. GKZ; Brandenburg: § 1 Abs. 2, 3. Alt., 23 ff. GKG; Hessen: § 2 Abs. 1, 3. Alt. KGG; Mecklenburg-Vorpommern: § 149 Abs. 1, S. 2, 2. Alt. K-V; Nordrhein-Westfalen: § 1 Abs. 2, 4. Alt. KomGArbG; Saarland: § 1 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. KGG; Schleswig-Holstein: § 1 Abs. 2 S. 1, 3. Alt. GkZ. 55 So z. B. ausdrücklich in Bayern: Art. 7 Abs. 3, 8 Abs. 2, 3 KommZG und Thüringen: § 7 Abs. 3, § 8 Abs. 2, 3 KGG. In Niedersachsen kann durch Zweckvereinbarung eine gemeinsame kommunale Anstalt eine Aufgabe übernehmen oder deren Durchführung (§ 5 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. KomZG), so dass auch hier eine Form der gemeinsamen Erledigung von Aufgaben auf Grundlage einer Zweckvereinbarung existiert. In Meckenburg-Vorpommern (§ 165 Abs. 1 S. 1, 2. Alt KV), RheinlandPfalz (§ 12 Abs. 1, S. 1, 2. Alt. KomZG), Sachsen (§ 71 KommZG) und SachsenAnhalt (§ 3 Abs. 1 S. 2 GKG) ist ausdrücklich die Mitbenutzung von Einrichtungen vorgesehen; dies ist aber regelmäßig als Spezialfall der Aufgabenübernahme und nicht der gemeinsamen Aufgabenerledigung anzusehen. 56 Bayern: Art. 2 Abs. 1, 4. Alt., Art. 49 f. KommZG; Nordrhein-Westfalen: § 1 Abs. 2, 1. Alt., § 27 ff. KomGArbG; Schleswig-Holstein: § 1 Abs. 2 S. 1, 2. Alt., § 19b ff. GkZ. 57 Niedersachsen: § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2 KomZG; Rheinland-Pfalz: § 1 Abs. 1, S. 2, 3. Alt., § 14a f. KomZG. 58 Oebbecke, Kommunale Gemeinschaftsarbeit, in: Püttner/Mann (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 29 Rn. 11, zweifelt, dass es sich tatsächlich um eine eigene Form der Zusammenarbeit handelt, und geht vielmehr von einer besonderen Form des Zweckverbandes aus. 59 Vorreiter war insofern Bayern mit seinem Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts vom 26. Juli 1995 (GVBl. S. 376 ff.); danach folgten Brandenburg, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig Hohlstein (vgl. dazu Schraml, in: Wurzel/Schraml/Becker, Rechtspraxis der kommunalen Unternehmen, 2. Aufl. 2010, Abschnitt D, Rn. 118 ff.); in den übrigen Ländern, die diese Möglichkeit nicht vorsehen, ist für den gemeinsamen Betrieb eines Unternehmens in öffentlich-rechtlicher Organisationsform die Zwischenschaltung eines Zweckverbandes erforderlich (vgl. auch Nauheim-Skrobek, in: Busse/Henneke (Hrsg.), Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, B 5, KomZG, Rn. 1).
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Unternehmenssatzung und somit in der Praxis regelmäßig von der Höhe der finanziellen Beteiligung abhängig ist. Aus dem gleichen Grund, dem Fortbestehen von Mitentscheidungsrechten, ist auch die Zulässigkeit der Gründung eines Zweck-60 oder eines Verwaltungsverbandes61, bei dem einzelne oder eine Vielzahl von Aufgaben in der Regel dauerhaft von mehreren Gemeinden an eine rechtlich verselbständigte Körperschaft übertragen werden, von der Frage der Anerkennungsfähigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben unabhängig. Selbst wenn die Zusammenarbeit nicht nur in Form der operativen Aufgabenerledigung, sondern als eine echte Zuständigkeitsübertragung ausgestaltet wird, sind für die Willensbildung innerhalb des Verbandes mit der Verbandsversammlung und dem Verbandsvorstand besondere Organe zuständig, die aus Vertretern der Mitglieder bestehen bzw. von diesen gewählt werden. Auch bei der privatrechtlichen Zusammenarbeit in Gestalt von Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, die bereits auf Grundlage der allgemeinen Vorschriften des Gemeindewirtschaftsrechts möglich sind und deren Zulässigkeit durch die besondere Normierung öffentlich-rechtlicher Kooperationsformen nicht berührt wird62, verbleibt ein gewisses Maß an Einflussmöglich60
Baden-Württemberg: §§ 1, 1. Alt., 2 ff. GKZ; Bayern: §§ 2 Abs. 1, 3. Alt., 17 ff. KommZG; Brandenburg: §§ 1 Abs. 2, 2. Alt., 4 ff. GKG; Hessen: §§ 2 Abs. 1, 2. Alt., 5 ff. KGG; Mecklenburg-Vorpommern: § 149 Abs. 1 S. 2, 1. Alt.; 150 ff. KV; Niedersachsen: §§ 1 Abs. 1 Nr. 4, Nr. 5, 7 ff. KomZG; NordrheinWestfalen: § 1 Abs. 2, 2. Alt., 4 ff. KomGArbG; Rheinland-Pfalz: §§ 1 Abs. 1 S. 2, 1. Alt.; 2 ff. KomZG; Saarland: §§ 1 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., 2 ff. KGG; Sachsen: § 2 Abs. 1, 2. Alt, 44 ff. KomZG; Sachsen-Anhalt: §§ 2 Abs. 1; 2. Alt.; § 6 ff. GKG; Schleswig-Holstein: § 1 Abs. 2, 1. Alt., §§ 2 ff. GkZ; Thüringen: §§ 2 Abs. 1, 3. Alt., §§ 16 ff. KGG. 61 Hessen: § 30 ff. KGG, Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 121, sieht darin eine Sonderform des Zweckverbandes; Sachsen: §§ 2 Abs. 1, 1. Alt., 3 ff. KomZG; dazu Gern, Sächsisches Kommunalrecht, 2. Aufl. 2000, Rn. 1028 ff.; in Bayern und Thüringen entspricht dem der Verwaltungsverband die Verwaltungsgemeinschaft gemäß Art. 4 Abs. 1 S. 1 BayVGemO bzw. § 47 ThürKO; in BadenWürttemberg wird in § 59 S. 1, 1. Alt. GO die Terminologie „Verwaltungsgemeinschaft als Verwaltungsverband“ verwandt. 62 Vgl. ausdrücklich für Bayern: Art. 1 Abs. 3 S. 1 KommZG; Brandenburg: § 1 Abs. 3 GKG; Hessen: § 2 Abs. 2 KGG; Niedersachsen § 1 Abs. 2 KomZG; Nordrhein-Westfalen: § 1 Abs. 3 KomGArbG; Rheinland-Pfalz: § 1 Abs. 1, S. 2, 3. Alt. KomZG; Saarland: § 1 Abs. 2. Alt. KGG; Sachsen: § 2 Abs. 2 KomZG; SachsenAnhalt: § 2 Abs. 3 GKG; Thüringen: § 1 Abs. 3 S. 1, 2. Alt. KGG; in BadenWürttemberg wird dies zwar nicht ausdrücklich gesetzlich normiert, allerdings beschränkt sich das Gesetz bereits nach der Überschrift des ersten Teils auf die öffentlich-rechtlichen Formen der Zusammenarbeit; in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein findet sich in § 149 Abs. 3 KV bzw. § 1 Abs. 2 S. 2 GkZ nur der allgemeine Hinweis, dass besondere Formen der kommunalen Zusammenarbeit
A. Begriffsdefinition
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keiten zugunsten der beteiligten Gemeinden. Ob es sich dabei noch um ein ausreichendes Maß an gemeindlicher Steuerungsfähigkeit handelt, ist dagegen eine von der hier zu untersuchenden Fragestellung abzugrenzende Problematik der Art und Weise der gemeindlichen Aufgabenerfüllung63. bb) Echte Delegation an andere kommunale Körperschaften Als Relevanzbereich für die vorliegende Untersuchung kommen allerdings generell die Formen der kommunalen Kooperation in Betracht, die eine echte Delegation von Aufgaben an andere Gemeinden vorsehen. Neben der gemeinsamen Erledigung wird in mehreren Landesgesetzen als eine Form der Zweckvereinbarung auch die Übertragung einer oder einzelner Aufgaben auf eine andere kommunale Gebietskörperschaft ermöglicht. Dabei sehen die Vorschriften der Länder teilweise die Konstruktion vor, dass diese die Aufgaben für die anderen Beteiligten vollständig übernimmt64. Im Fall der vollständigen Übertragung hat die Vereinbarung eine echte Zuständigkeitsverlagerung zur Folge65, bei der gesetzlich lediglich fakultativ vorgesehen ist66, eine Mitwirkung der übertragenden Gemeinde bei der Entscheidungsfindung zu vereinbaren. Zudem wird in einigen Ländern unter der Beunberührt bleiben; zur Möglichkeit der Heranziehung privatrechtlicher Organisationsformen des Gesellschaftrecht ausführlich Ehlers, DVBl. 1997, S. 137 ff. 63 Vgl. zu dieser notwendigen Abgrenzung in Bezug auf das Demokratieprinzip auch unten § 4 C. I. 4. 64 Baden-Württemberg: § 25 Abs. 1 GKZ; Bayern: Art. 7 Abs. 2 KommZG; Brandenburg: § 23 Abs. 1, 1. Alt. GKG; Hessen: § 24 Abs. 1 KGG; MecklenburgVorpommern: § 165 Abs. 1 KV; Niedersachsen: § 5 Abs. 1 KomZG; NordrheinWestfalen: § 23 Abs. 1, 1. Alt. KomGArbG. 65 Baden-Württemberg: § 25 Abs. 1 S. 2 GKZ; Bayern: Art. 8 KommZG, Brandenburg: § 23 Abs. 2 S. 1 GKG; Hessen: § 25 Abs. 1 KGG; Mecklenburg-Vorpommern: § 165 Abs. 1 S. 2 KV; Niedersachsen: § 2 Abs. 3 KomZG; Nordrhein-Westfalen: § 23 Abs. 2 KomGArbG. Die Alternative einer bloßen verwaltungstechnischen Durchführung (Bayern: Art. 7 Abs. 4 KommZG; Brandenburg: § 23 Abs. 1, 2. Alt, Abs. 2 GKG; Hessen: § 25 Abs. 1 KGG; Niedersachsen: § 5 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. KomZG; Nordrhein-Westfalen: § 23 Abs. 1, 2. Alt. KomGArbG; Sachsen-Anhalt: § 3 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GKG, der allerdings begrifflich abweichend von „besorgen“ spricht; in Rheinland-Pfalz und Thüringen kann gemäß § 13 Abs. 1 Hs. 2 KomZG bzw. § 8 Abs. 1, Hs. 2 KGG vereinbart werden, dass ein Übergang von Rechten und Pflichten nicht statt findet) bewirkt grundsätzlich keinen Übergang der Aufgabenverantwortung (Bayern: Art. 8 Abs. 2 KommZG; Brandenburg: § 23 Abs. 2 S. 2 GKG; Hessen: § 25 Abs. 2 KGG; Niedersachsen: § 2 Abs. 4 S. 2 KomZG; Sachsen-Anhalt: § 3 Abs. 2 S. 2 GKG; vgl. auch Schmidt, Kommunale Kooperation, 2005, S. 26). 66 Baden-Württemberg: § 25 Abs. 2 GKZ; Bayern: Art. 10 Abs. 2 KommZG; Brandenburg: § 23 Abs. 3 GKG; Hessen § 24 Abs. 2 KGG, Mecklenburg-Vorpommern: § 165 Abs. 2 KV.
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zeichnung Verwaltungsgemeinschaft die Konstellation vorgesehen, dass nicht eine einzelne, sondern eine Vielzahl an Aufgaben von einer oder mehreren Gemeinden auf eine andere kommunale Körperschaft verlagert wird. Anders als im Rahmen der parallelen Konstruktion des Verwaltungsverbandes67 obliegt bei der Verwaltungsgemeinschaft grundsätzlich die Entscheidungskompetenz nicht einem aus den Vertretern der Mitglieder zusammengesetzten Kollektivorgan, sondern einem Organ der fremden Gebietskörperschaft, auf dessen Entscheidungen die übertragenden Gemeinden nur in sehr eingeschränktem Maße, abhängig von den landesrechtlichen Regelungen bzw. bestimmten Regelungen unter den Beteiligten, Einfluss nehmen können. Von einer vollständigen Verantwortungspreisgabe vergleichbar zur materiellen Privatisierung unterscheiden sich diese Varianten der Aufgabenübertragung dennoch dadurch, dass die delegierende Gemeinde zumindest insofern Verantwortung für die Aufgabe übernimmt, als sie die Erledigung durch eine andere Kommune sicherstellt. Hier sind Zweifel berechtigt, ob es sich dabei tatsächlich noch um eine besondere Art und Weise der Aufgabenerfüllung68 durch die betreffende Gemeinde handelt oder sich diese der Aufgabe nicht vielmehr ebenfalls entledigt. Dennoch ergibt sich jedenfalls keine echte Kongruenz zur Ausgangsfragestellung der Anerkennungsfähigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben. Sie müsste dahingehend modifiziert werden, ob verfassungsrechtliche Aufgabenpflichten bestehen, die die Gemeinde selbst, d.h. ohne Delegation an andere Selbstverwaltungsträger, wahrnehmen muss. Durch diese Modifikation wird die Problematik der Pflichtigkeit aber durch andere Variablen angereichert, wie etwa die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der sogenannten Kooperationshoheit69. Außerdem müsste geklärt werden, inwiefern die einfachgesetzlichen Grundlagen der kommunalen Kooperation die Annahme einer Pflicht zur eigenständigen Wahrnehmung der Aufgabe 67 Baden-Württemberg: §§ 61 Abs. 7 GO; Sachsen: § 2 Abs. 1; 2. Alt., 36 ff. KomZG verweist auf §§ 7 ff. und somit auf die Zweckvereinbarung; Hessen: § 33 KGG, wo es allerdings sowohl für den Verwaltungsverband als auch für die Verwaltungsgemeinschaft nur die Modalität der Aufgabendurchführung und keine echte Zuständigkeitsverlagerung gibt; ebenso in Mecklenburg-Vorpommern (§ 167 Abs. 1 S. 2 KV) und Schleswig-Hohlstein (§ 19 a Abs. 1 S. 2 GkZ). 68 Dagegen implizit Schink, DVBl. 1982, S. 769 (776), der für den Fall der einfachgesetzlichen Normierung einer Pflichtaufgabe die Erforderlichkeit einer speziellen gesetzlichen Ermächtigung für die Übertragung von Zuständigkeiten konstatiert. 69 Vgl. dazu statt vieler Suerbaum, Verfassungsrechtliche Grundlagen kommunaler Kooperation, in: Oebbecke/Ehlers u. a. (Hrsg.), Zwischen kommunaler Kooperation und Verwaltungsreform, 2006, S. 49 ff.; sowie Schmidt-Jortzig, Kooperationshoheit der Gemeinden und Gemeindeverbände bei Erfüllung ihrer Aufgaben, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 525 ff.
A. Begriffsdefinition
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einschränken und gegebenfalls inwiefern der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Abwägung zwischen der Kooperationshoheit und der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der Gemeinden vorgenommen hat. Bei näherer Betrachtung stellt sich die Problematik einer potentiellen Limitierung der Kooperationsmöglichkeiten, auch insofern sie eine echte Zuständigkeitsverlagerung auf eine andere kommunale Körperschaft zur Folge haben, somit erst als besondere Folgefrage der Anerkennung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit dar. b) Übertragung von Aufgaben auf die unmittelbare Staatsverwaltung Besondere Voraussetzungen für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Aufgabenentledigung ergeben sich auch dort, wo die Gemeinden eigene Zuständigkeiten freiwillig auf die unmittelbare Staatsverwaltung übertragen. Soweit ersichtlich, handelt es sich hier nicht um flächendeckende Phänomene wie bei Privatisierung und kommunaler Kooperation, sondern mehr um Einzelfälle, wie beispielsweise die Übertragung der Trägerschaft kommunaler Sparkassen auf den Sachsen-Finanzverband70. Hier hat der SächsVfGH aus der Rechtsinstitutionsgarantie ein verfassungsrechtliches Prinzip der dezentralen Aufgabenverteilung abgeleitet, das seine Wurzeln im Demokratieprinzip habe und dem Gesetzgeber einen vom Willen der betroffenen Kommune unabhängigen Verteilungsmaßstab vorgebe71. Daraus folge, dass die Selbstverwaltungsträger ihrerseits daran gehindert seien, sich ihrer Verantwortung und dem Erfordernis unmittelbardemokratischer Kontrolle durch freiwillige Übertragung auf staatlich beeinflusste Träger zu entziehen72. Daraus ergibt sich aber noch keine zwingende Schlussfolgerung im Sinne einer Selbstverwaltungspflicht der Gemeinden. Dieses Verständnis zeigt auch das Gericht, das die subjektive Komponente der Selbstverwaltungsgarantie von der objektiv-rechtlichen trennt. Der Senat führt explizit aus, dass sich Art. 82 Abs. 2 S. 2 SächsVerf. von sonstigen Kompetenzvorschriften gerade dadurch unterscheide, dass er nicht zur Wahrnehmung der Selbstverwaltungsaufgaben verpflichte. Mit der Absage an eine freie Dispositionsbefugnis bringt das Gericht lediglich zum Ausdruck, dass das Selbstverwaltungsrecht nicht eine Umgehung der objektiven Zuständigkeitsverteilung schützt, die darin besteht, dass die Gemeinde die Aufgabe zwar dem Grunde nach aufgreift, dann aber auf die unmittelbare Staatsverwal70
SächsVerfGH LKV 2001, S. 216 ff. SächsVerfGH LKV 2001, S. 216 (219 ff.). 72 Hierzu interessant, aber im Ergebnis widersprüchlich Becker, LKV 2001, S. 201 ff. 71
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§ 2 Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes
tung überträgt. Über die Pflicht, sich einer Aufgabe überhaupt anzunehmen, wird dadurch nichts ausgesagt. In der vom Ansatz her überzeugenden Differenzierung des Gerichts zwischen objektiver Zuständigkeitsverteilung und subjektivem Aufgabenauswahlrecht wird deutlich, dass die Zulässigkeit einer freiwilligen Übertragung an die unmittelbare Staatsverwaltung nicht synonym eine Frage der Aufgabenwahrnehmungspflicht ist, sondern die beiden Aspekte zu trennen sind. Für die Bewertung der Zulässigkeit einer Aufgabenübertragung auf andere Verwaltungsträger ist die Ableitbarkeit einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit im Bezug auf diese Aufgabe folglich allenfalls nur ein potentieller Teilaspekt.
B. Eingrenzung der Untersuchung I. Abweichende Situation der Gemeindeverbände Wie aus dem Titel bereits ersichtlich ist, behandelt die vorliegende Untersuchung ausschließlich die Gemeinden als potentielle Adressaten verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben und klammert die übrigen kommunalen Selbstverwaltungsträger aus. Dahinter steht eine bewusste Beschränkung des Untersuchungsgegenstandes vor dem Hintergrund der besonderen verfassungsrechtlichen Stellung der Gemeinden im Vergleich zu den Gemeindeverbänden, die für die Bewertung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit ganz eigene Voraussetzungen schafft. Die entscheidende Besonderheit in der verfassungsrechtlichen Konzeption der Gemeinden liegt in der abweichenden Form der Bestimmung des Aufgabenbereichs nach dem Grundgesetz. Während ihnen in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unmittelbar kraft Verfassungsrechts ein Aufgabenbereich in Gestalt der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugewiesen wird73, sind die Gemeindeverbände gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG von der Zuweisung von Aufgaben durch den Gesetzgeber abhängig74. Wegen der Erforderlichkeit eines speziellen Kompetenztitels für die Aufgabeneröffnung zugunsten 73 Vgl. näher zum verfassungsrechtlich den Gemeinden überlassenen Kompetenzbereich unten § 3 I. 3. 74 BVerfGE 21, 117 (129); 79, 127 (150 f.); 119, 331 (353); unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte; noch deutlicher BVerfGE 83, 37 (54); 83, 363 (383); Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 168; Tettinger, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 11 Rn. 39; Schoch, in: Henneke/Maurer/Schoch (Hrsg.), Die Kreise im Bundesstaat, 1995, S. 9 (22 f.), der von „struktureller Identität bei inhaltlicher Disparität“ spricht; Blümel, VerwArch 75 (1984), S. 297 (303), beide m. w. N. und kritischer Bewertung der insbesondere von Schmidt-Jortzig vertretenen Gegenansicht, die zurecht als mit dem Wortlaut des Grundgesetzes als nicht vereinbar angesehen wird.
B. Eingrenzung der Untersuchung
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der Gemeindeverbände scheidet somit grundsätzlich auch eine Pflichtigkeit unmittelbar aus dem Verfassungsrecht aus75. Dabei wird nicht die Sonderstellung übersehen, die die Kreise oder sonstige Gemeindeverbände in diesem Punkt einnehmen, denen teilweise kraft Landesverfassungsrechts ebenfalls ein Aufgabenzugriffsrecht garantiert wird76. Zwar beschränkt sich die verfassungsunmittelbare Kompetenz der Gemeindeverbände nach grundgesetzkonformer Auslegung in diesem Fall auf die überörtlichen77 Angelegenheiten auf ihrem Gebiet78, macht aber in diesem Bereich gleichsam die Notwendigkeit einer spezialgesetzlichen Aufgabenzuweisung an die Berechtigten entbehrlich, so dass eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit dieser Gemeindeverbände dem Grunde nach denkbar ist. Als potentieller Verpflichtungsgrund kommt in dieser Konstellation die entsprechende landesverfassungsrechtliche Selbstverwaltungsgarantie und materiell-rechtliche Verfassungsnormen beider Ebenen in Betracht. Sofern den Kreisen lediglich durch einfaches Landesgesetz eine generelle Zuständigkeit für die Angelegenheiten der überörtlichen Gemeinschaft eröffnet wird79, fehlt es aufgrund der Zwischenschaltung des Gesetz75
Ausführlicher zur Begrenzung der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit auf den staatsorganisatorisch zugewiesenen Kompetenzbereich unten § 3 A. III., § 6 A. III. 1.; eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit kommt bei einer entsprechenden Aufgabeneröffung durch das Landesrecht in Betracht, vgl. dazu sogleich. 76 Vgl. beispielsweise Art. 97 Abs. 2 BbgVerf, dazu Sundermann/Miltkau, Kommunalrecht Brandenburg, 1995, S. 1995, S. 205; Falk, Die kommunalen Aufgaben unter dem Grundgesetz, 2006, S. 176; hinsichtlich anderer landesverfassungsrechtlicher Regelungen (z. B. Art. 78 Abs. 2 NRW; Art. 87 Abs. 2 Verf. S-A) wird die Tatsache, dass den Gemeindeverbänden dem Wortlaut nach bereits kraft Verfassungsrechts die Angelegenheiten auf ihrem Gebiet generell zugewiesen sind, nicht thematisiert, sondern lediglich das Verhältnis der Generalzuweisung zugunsten der Gemeindeverbände zu dem gemeindlichen Kompetenzbereich erörtert, vgl. beispielsweise Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 78 Rn. 85 ff. 77 Teilweise werden die eigenen Aufgaben der Kreise auf als „kreisörtlich“ bezeichnet, vgl. Falk, Die kommunalen Aufgaben unter dem Grundgesetz, 2006, S. 173 ff.; allerdings ist diese Bezeichnung vor dem Hintergrund der zutreffenden Aussage des BVerfG 79, 127 (152), dass eine Differenzierung von „‚lokal-örtlichen‘ (Gemeinde-) und ‚regional-örtlichen‘ (Kreis-)Aufgaben“ verfassungsrechtlich nicht vorgesehen ist, problematisch. 78 Dazu bereits Blümel, VerwArch 75 (1984), S. 197 (212) m.z.N.; grundlegend BVerfGE 79, 127 (152), das im Grundsatz aber eine Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion anerkennt; in diesem Sinne bereits BVerfGE 58, 177 (196); aus dem Schrifttum beispielsweise Schoch, in: Henneke/Maurer/Schoch (Hrsg.), Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 9 (21 f.). 79 So ausdrücklich Art. 5 Abs. 1 BayLKrO; § 1 Abs. 1 BbgLKrO; § 2 Abs. 1 KrO NRW; § 86 Abs. 1 ThürKO; kritisch Rennert, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, 2002, Art. 28 Rn. 150, 165; dazu auch BVerfGE 83, 37 (54); sowie insbesondere BVerfGE 52, 95 (118), mit umfangreichen Nachweisen zum Schrifttum, das
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§ 2 Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes
gebers an einer echten Verfassungsunmittelbarkeit der Berechtigung und somit gleichzeitig an der Voraussetzung einer verfassungsunmittelbaren Verpflichtung. Die einfachgesetzliche Gewährung des Universalitätsrechts für die nicht-örtlichen Angelegenheiten in ihrem Gebiet entbindet die Kreise aber ebenfalls vom Nachweis einer konkreten Aufgabenzuweisung80 und gewährt so gewisse Gestaltungsspielräume hinsichtlich der eigenen Agenda, die strukturell vergleichbar mit denen der Gemeinden sind81. Durch das Aufgabenauswahlermessen eröffnet sich ein Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen mit materiellem Pflichtgehalt, die sich möglicherweise dazu eignen, eine Ermessensreduktion im Sinne einer konkreten Aufgabenverpflichtung zu begründen. Auch wenn man in diesem Fall eher von mittelbar verfassungsrechtlichen Pflichtaufgaben sprechen müsste, ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich aus der konstruktiven Ähnlichkeit82 partiell Parallelwertungen ergeben. Trotz der Konstruierbarkeit einer verfassungsunmittelbaren oder einer strukturell vergleichbaren mittelbaren verfassungsrechtlichen Verpflichtung aufgrund ihrer landesrechtlichen Stellung scheidet jedoch eine analoge Bewertung von Gemeinden und Gemeindeverbänden dennoch aus. Dies beruht nicht ausschließlich darauf, dass deren entstehungsgeschichtliche Situation mit der der Gemeinden nicht vergleichbar ist83. Aufgrund der Unanwendbarkeit des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, die alle Gemeindeverbände unabhängig von deren landesrechtlicher Ausgestaltung betrifft, gelten für die Beurteilung einer verfassungsunmittelbaren Inpflichtnahme dieser größtenteils andere Vorzeichen. Insbesondere vor einer positiven Zuweisung von Aufgaben sind die Gemeindeverbände im Unterschied zu den Gemeinden84 nur sehr eingeschränkt geschützt85. Die fehlende Garantie eines universellen Zugriffsrechts auf Ebene des Grundgesetzes zugunsten der Gemeindeverbände wirkt sich mittelbar auch auf die Ableitung der Maßstäbe aus, die für die finanzielle die subsidiäre Allzuständigkeit teilweise als konstituierendes Merkmal der Gebietskörperschaft erachtet hat. 80 Falk, Die kommunalen Aufgaben unter dem Grundgesetz, 2006, S. 175 f. 81 In diesem Sinne auch BVerfGE 83, 37 (54), in Bezug auf die Kreise; ebenso Ruge, Der Landkreis 2009, S. 639 (640). 82 Eine potentielle Übertragbarkeit ebenfalls andeutend Ruge, Der Landkreis 2009, S. 639 (640). 83 Blümel, VerwArch 75 (1984), S. 197 (210); Waechter, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1997, Rn. 170; vgl. dazu schon Laforet, Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 60. 84 Vgl. dazu unten § 3 C. I. 85 So ausdrücklich BVerfGE 119, 331 (353 ff.); zur eingeschränkten Aufgabengarantie der Kreise auch bereits Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 168 f.
C. Gang der Darstellung
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Eigenverantwortung86 nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 und S. 2 GG gelten. Flankiert durch die besondere Abhängigkeit von der differenzierten Ausgestaltung unterschiedlicher Typen von Gemeindeverbänden in den einzelnen Ländern, stellt die Problematik der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit der Gemeindeverbände folglich einen eigenen Untersuchungsgegenstand dar.
II. Beschränkung auf Flächenbundesländer Eine Beschränkung des Betrachtungsgegenstandes erfolgt auch insoweit, als die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen aus der Untersuchung ausgeklammert werden. Das Land Bremen unterteilt sich zwar in die Gemeinden Bremen und Bremerhaven (Art. 143 Abs. 1 Verf. Brem), so dass dort gewisse kommunale Strukturen vorhanden sind. Selbst in Berlin und Hamburg nehmen die Bezirke Selbstverwaltungsaufgaben (Art. 66 Abs. 2, Art. 67 Verf. Berl) bzw. die eigenverantwortliche Erfüllung übertragener Aufgaben wahr (Art. 4 Abs. 2 Verf. Hbg). Dennoch lässt sich die Ausgestaltung der Organisationsstruktur nicht mit denen der Flächenstaaten vergleichen, so dass sich die zu analysierende Problematik einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit der Gemeinden bzw. Bezirke nicht in gleicher Weise stellt.
C. Gang der Darstellung Die Offenlegung einiger dogmatischer Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung und des Aufgabenbereichs ihrer Träger bildet die notwendige Basis der Untersuchung der Existenz und Reichweite verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben. Deshalb wird in § 3 zunächst die Stellung der Gemeinden im Staatsgefüge, auch unter Einbeziehung ihrer historischen Entwicklung, überblicksartig betrachtet. Sodann erfolgt eine Systematisierung des gemeindlichen Aufgabenbereichs unter Berücksichtigung von Unterschieden der Konkretisierungen der grundgesetzlichen Rahmenvorschrift des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in den Kommunalgesetzen der Länder. Als letzter Punkt der vorbereitenden Überlegungen werden die Anforderungen erörtert, die für eine gesetzliche Übertragung von Aufgaben an die Gemeinden aus der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie gelten, und es wird auf die Schutzmechanismen hingewiesen, die das Landesverfassungsrecht in dieser Konstellation vorsieht, da sich hieraus möglicherweise Parallelwertungen für die Anerkennungsfähigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben ableiten lassen. Der erste Hauptteil der Untersuchung widmet sich der Problematik der Pflichtigkeit als ein dem Selbstverwaltungsrecht innewohnendes Moment87. 86 BVerfGE 119, 331 (355 f.); vgl. allgemein zum Zusammenhang zwischen finanzieller Eigenverantwortlichkeit und Aufgabengarantie unten § 7 A. II. 2. cc).
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§ 2 Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes
Ersten Ansatzpunkt und somit Gegenstand von § 4 stellt die Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes dar. In diesem Kapitel wird die Verifizierbarkeit der vom Bundesverwaltungsgericht konstatierten These der Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG anhand der klassischen Auslegungsmethoden untersucht. Dabei wird das bisherige Meinungsspektrum zu einer potentiellen Selbstverwaltungspflicht in eine Systematik unterschiedlicher potentieller Begründungsansätze eingeordnet und bewertet. Anschließend erfolgt in § 5 eine Betrachtung des Pflichtgehalts der landesverfassungsrechtlichen Parallelvorschriften zur grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie. Dabei werden zunächst aus den Regelungen der Landesverfassungen Anknüpfungspunkte ermittelt, die möglicherweise geeignet sind, eine Erweiterung der Pflichtenstellung in den Verfassungen der Länder zu begründen. Diese werden im Folgenden auf ihren tatsächlichen Bedeutungsgehalt überprüft. Der zweite Hauptteil widmet sich der Einbindung der Gemeinden in allgemeine und besondere Verfassungspflichten. Kapitel § 6 liefert einen Überblick über weitere normative Grundlagen gemeindlicher Aufgabenpflichten und eine nähere Auseinandersetzung mit deren Bedeutungsgehalt. Die Ergebnisse werden in einem zweiten Schritt vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Funktionenordnung beleuchtet und insbesondere die Verantwortungsbereiche von Gesetzgeber und Gemeinden in Bezug auf die Erfüllung verfassungsrechtlicher Ziel- oder Auftragsbestimmungen zunächst grob abgesteckt. Daran anschließend erfolgt in § 7 eine nähere Untersuchung der Rollenverteilung zwischen Legislative und gemeindlichen Selbstverwaltungsträgern, indem die rechtlichen Rahmenbedingungen der Möglichkeit der einfachgesetzlichen Verpflichtung der Gemeinden zur Wahrnehmung bestimmter Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betrachtet werden. Anhand der Zulässigkeitsvoraussetzungen und der Konsequenzen einer einfachgesetzlichen Pflichtigmachung eigener Aufgaben werden Rückschlüsse auf das Konkurrenzverhältnis zu verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben gezogen. In Zentrum der Erörterung stehen dabei, neben den allgemeinen Funktionen des Gesetzesvorbehalts, insbesondere die Gefahr der Aushebelung finanzieller Schutzmechanismen und der Entstehung verfassungsgerichtlicher Rechtsschutzlücken zulasten der Gemeinden. Anknüpfend an die sich dort ergebenden Erkenntnisse wird die Anerkennungsfähigkeit bzw. -bedürftigkeit einer potentiellen Reserveverantwortung der Gemeinden in Bezug auf den grundrechtlich-sozialstaatlichen Verfassungsauftrag des Grundgesetzes und der Landesverfassungen thematisiert. Zum Abschluss erfolgt in § 8 eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung in Thesen. 87
Vgl. zur Urheberschaft des Begriffs und seiner Rezeption bereits oben Fn. 8 f.
§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung und gemeindlicher Aufgabenbereich Eine für die Untersuchung der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit zu klärende Vorfrage bildet zunächst die Rechtsstellung der Gemeinden im bundesstaatlichen Gefüge. Diese wird verfassungsrechtlich insbesondere durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung im Grundgesetz, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, bestimmt. Die Selbstverwaltungsgarantie ist auch deshalb zentrale Vorschrift zur Bestimmung der Rechtsstellung der Gemeinden, da sie insoweit den Maßstab für Regelungen der Landesverfassungen bildet, als hinsichtlich deren Ausgestaltung zwar nicht Identität, jedenfalls aber die inhaltliche Vereinbarkeit mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich gefordert ist1. Die einleitende Darstellung des Regelungsinhalts des grundgesetzlichen Selbstverwaltungsrechts beschränkt sich auf die Aspekte, die für den Fortgang der vorliegenden Betrachtung von besonderer Bedeutung sind. Nachdem kurz auf seine entstehungsgeschichtlichen Wurzeln eingegangen wird, steht zunächst vor allem der Garantiegehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in Bezug auf den gemeindlichen Aufgabenbereich im Fokus. Anknüpfend daran wird die Typologie kommunaler Aufgaben erörtert. Sie stellt eine notwendige Voraussetzung für die systematische Einordenbarkeit der Figur einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit dar. Abschließend wird dargestellt, inwieweit gemeindliche Pflichtaufgaben im Allgemeinen Gegenstand des Bundes- und Landesverfassungsrechts sind. Näher eingegangen wird dabei auch auf die Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG für die einfachgesetzliche Normierung von Pflichtaufgaben.
1
Vgl. näher dazu unten § 5 A.
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
A. Die Konzeption der kommunalen Selbstverwaltung nach dem Grundgesetz Die Institution der kommunalen Selbstverwaltung speist sich aus verschiedenen entstehungsgeschichtlichen Wurzeln2, die sich teilweise diametral gegenüberstehen und deren Entwicklung in den europäischen Einzelstaaten keineswegs konstant oder parallel verlaufen ist. Nur aus der Kenntnis der dogmenhistorischen Grundlagen wird die grundgesetzliche Konzeption des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG tatsächlich verständlich. Für die hier zu untersuchende Problematik der Anerkennungsfähigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben sind die verschiedenen historischen Begründungs- und Legitimationsmodelle der kommunalen Selbstverwaltung dabei von besonderer Relevanz, da sich aus ihnen ganz unterschiedliche Rahmenbedingungen für eine potentielle Verpflichtung kraft Verfassungsrechts ableiten lassen. Deshalb soll auf die unterschiedlichen entwicklungsgeschichtlichen Einflüsse kurz eingegangen werden, bevor die rechtliche Stellung der Gemeinden nach geltendem Verfassungsrecht dargestellt wird.
I. Entwicklung der Institution der kommunalen Selbstverwaltung Entstanden sind die Gemeinden in ihrer Urform aus einem freiwilligen Zusammenschluss zur gemeinsamen Verteidigung und gegenseitigen Unterstützung, wie sich bereits aus dem Wortursprung der Bezeichnung „Kommune“ ergibt3. Sie waren damit das dritte „Glied in der Kette“ Individuum, Familie4 und standen als eine in der Gesellschaft verwurzelte Institution dem Staat antagonistisch gegenüber. Auf der Gegensätzlichkeit zum Staat basierten auch die besonderen Rechte und Privilegien der Reichsstädte im 2 Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 126 m. w. N., fassen vier Wurzeln zusammen; ebenso bereits BayVerfGH 2, 143 (162). 3 Der Begriff stammt von dem lateinischen Wort „communis“ ab, was in diesem Kontext das gemeinsame Tragen von Lasten bedeutet, vgl. v. Unruh, Ursprung und Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im frühkonstitutionellen Zeitalter, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Auf. 2007, § 4 Rn. 6; Röhl, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 1. Kap., Rn. 7; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 8. 4 Preuß, Gemeinde, Staat, Reich, 1964 (Neudruck der Ausgabe 1889), S. 223; v. Rotteck, Gemeinde, in: Staats-Lexikon oder Encyklopädie der Staatswissenschaften, Bd. 6, 1838, S. 391 f.; dazu beispielsweise auch Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (323).
A. Die Konzeption nach dem Grundgesetz
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Mittelalter5. Insbesondere die durch steigenden Wohlstand an Einfluss gewinnenden Kaufleute sicherten sich ein gewisses Maß an Unabhängigkeit gegenüber dem Stadtherrn, so dass oktroyierte obrigkeitsstaatliche Verwaltung partiell durch bürgerlich-gesellschaftliche Organisation der eigenen Angelegenheiten abgelöst wurde6. In besonderem Maße rezipiert wurde der Gedanke der kommunalen Freiheit im Liberalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts7. Beeinflusst durch die französische Idee einer „pouvoir municipal“ bzw. „pouvoir communal“, die bereits die belgische Verfassunggebung von 1830/1831 beeinflusst hatte8, gewann auch in Deutschland die naturrechtliche Vorstellung eines vorstaatlichen Status der Gemeinden an Bedeutung9. In Verbindung mit der stärkeren Aktzentuierung des demokratischen Gedankens nahm die staatliche Obrigkeit die Selbstverwaltung auf lokaler Ebene aber zunehmend als Bedrohung wahr, was tatsächlich zu einer Zurückdrängung kommunaler Eigenständigkeit führte10. 5 Pohl, Ursprung und Grundlagen der Selbstverwaltung, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 25; Dreier, in: ders. (Hrsg), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 7; Dilcher, JuS 1989, S. 875 (876). 6 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, 5. Aufl. 2008, Rn. 58 f.; begünstigt wurde dieser Prozess der Lockerung der Herrschaftsgewalt des Stadtherrn häufig auch durch die Machtkämpfe zwischen weltlicher Herrschaft und Geistlichkeit in Gestalt der Bischöfe, vgl. Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, S. 28. 7 Menger, Entwicklung der Selbstverwaltung im Verfassungsstaat der Neuzeit, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 25 (26 ff.); Lange, Die Entwicklung des kommunalen Selbstverwaltungsgedankens und seine Bedeutung in der Gegenwart, in: Schneider/Götz (Hrsg.), Im Dienst an Recht und Staat – Festschrift Weber, 1974, S. 851 (858); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28, Rn. 9; Tettinger/ Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 126; v. Unruh, Ursprung und Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im frühkonstitutionellen Zeitalter, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 4 Rn. 14; Thiel, Die Verwaltung 35 (2002), S. 25 (41); Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 12. 8 Hierzu ausführlich Heffter, Die Deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950, S. 137 ff., 143 ff. 9 Als zeitgenössisches Beispiel, vgl. v. Rotteck, Staats-Lexikon oder Encyklopädie der Staatswissenschaften, Bd. 6, 1838, S. 391 ff.; zu dieser Entwicklung auch Thiel, Die Verwaltung, 35 (2002), S. 25 (41); v. Unruh, Ursprung und Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im frühkonstitutionellen Zeitalter, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 4 Rn. 16 ff. 10 So beispielsweise durch die revidierte Preußische Städteordnung von 1831, in der u. a. die staatsaufsichtlichen Einflussmöglichkeiten erweitert wurden, dazu Thiel, Verwaltung 35, (2002), S. 25 (31); Treffer, Der Staat 35 (1996), S. 251 (256); Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. 1987, S. 303; v. Unruh, Ursprung
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
Kommunale Selbstverwaltung war in diesen Entwicklungsphasen primär eine Plattform der Selbstbestimmung gegenüber der zentralistischen staatlichen Obrigkeit11. Deshalb wurde in diesem Zusammenhang der abwehrrechtliche Gedanke zugunsten der Gemeinden gegenüber zentralstaatlicher Einflussnahme, d.h. der „Freiheit vom Staat“, entscheidend geprägt12. In diesem Sinne war auch das Selbstverwaltungsrecht in § 184 der Paulskirchenverfassung grundrechtsanalog als negative Freiheit konzipiert. Selbst die Weimarer Reichsverfassung folgte zumindest in systematischer Hinsicht noch dieser Tradition, indem sie in Gestalt von Art. 127 WRV das Recht der Selbstverwaltung im Abschnitt über die Grundrechte regelte13. In der Zwischenzeit hatte allerdings der Freiherr vom und zum Stein in Preußen durch die Städteordnung von 180814 im Gegensatz dazu ein Konzept von kommunaler Selbstverwaltung etabliert, die die Gemeinden als staatliche Verwaltungseinheiten auf lokaler Ebene installierte. Primärer Zweck der Einräumung gewisser Entscheidungsbefugnisse zugunsten der lokalen Ebene war die Förderung der aktiven Partizipation der Bürger am Staat, die letztlich die Effektuierung des Staatshandels intendierte15. Leitgedanke seines Verständnisses von kommunaler Selbstverwaltung war nicht die Idee der Freiheit der Gemeinde, sondern vielmehr stand die dienende Funktion der lokalen Ebene zugunsten einer bestmöglichen Verwirklichung des Gemeinwohls mit Bezug auf das Staatsganze im Vordergrund. Sie basiert somit auf einer Integration der kommunalen Selbstverwaltungsträger in das Staatswesen16. Mit seiner Konzeption hat Stein einen wichtigen Beitrag und Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im frühkonstitutionellen Zeitalter, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 4 Rn. 27. 11 v. Gierke, Genossenschaftsrecht (Nachdruck der ersten Auflage von 1868), 1954, S. 759, spricht von einem „Staat im Staate“. 12 Vgl. dazu v. Rotteck, Art. Gemeinde, in: ders., Staats-Lexikon oder Encyklopädie der Staatswissenschaften, Band 6, 1838, S. 390 (392 f.); dazu auch v. Unruh, Ursprung und Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im frühkonstitutionellen Zeitalter, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 4 Rn. 16 ff.; Schefold, Selbstverwaltungstheorien: Rudolf Gneist und Hugo Preuß, in: Lehnert/Müller (Hrsg.), Vom Untertanenverband zur Bürgergenossenschaft, 2003, S. 97 (100). 13 Zur abweichenden Interpretation als institutionelle Garantie vgl. sogleich unter II. 1. a). 14 Ausführlich hierzu Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950, S. 84 ff.; v. Unruh, Stadt und Gemeinde 1995, S. 19 (20) bezeichnet diese als „Rechtsdenkmal der deutschen Selbstverwaltung“; zur Vorbildfunktion auch Treffer, Der Staat 35 (1996), S. 251 (251); Kimminich, Deutsche Verwaltungsgeschichte, 2. Aufl. 1987, S. 304. 15 Wolter, BayVBl. 1993, S. 641 (642); Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. 1987, S. 308. 16 Diese Konzeption wird als Kontrast zur vorgehend beschriebenen „Freiheit vom Staat“ als sogenannte „Freiheit im Staat“ bezeichnet, vgl. v. Unruh, Ursprung
A. Die Konzeption nach dem Grundgesetz
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für die Entwicklung der Selbstverwaltung im modernen Sinne17 geleistet, der ihm von manchen Autoren die Auszeichnung als „Vater der kommunalen Selbstverwaltung“18 eingebracht hat, obwohl der Begriff der Selbstverwaltung ihm selbst noch nicht bekannt gewesen sein soll19. Das grundgesetzliche Selbstverwaltungsverständnis, das in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG normativ verankert ist, vereinigt Elemente beider entwicklungsgeschichtlicher Positionen, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.
II. Grundsätzliches zur Rechtsstellung der Gemeinden 1. Die Gemeinden als Teil der Staatsgewalt Das Grundgesetz ist in systematischer Hinsicht nicht dem Beispiel der Weimarer Verfassung gefolgt und regelt das Recht der Gemeinden zur eigenverantwortlichen Regelung ihrer Angelegenheiten im Abschnitt über die Staatsorganisation unter dem Kapitel über den Bund und die Länder20. Die Positionierung des Selbstverwaltungsrechts im staatsorganisatorischen Teil der Verfassung belegt eine Überwindung des antagonistischen Verständnisses von Staat und kommunaler Selbstverwaltung und einer Verortung derselben in der gesellschaftlichen Sphäre21. Die Gemeinden sind nach geltenund Entwicklung der kommunalen Selbstverwaltung im frühkonstitutionellen Zeitalter, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 4 Rn. 2; Geis, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2011, § 2 Rn. 18, nennt dies das „moderne Verständnis der Gemeinde als Gebietskörperschaft“. 17 Er soll auch zum ersten Mal den Gedanken der gemeindlichen Allzuständigkeit formuliert haben, vgl. dazu Thiel, Die Verwaltung 35 (2002), S. 25 (35); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 10; auf ihn wird auch ausdrücklich im berühmten „Rastede-Beschluss“ BVerfGE 79, 127 (144) verwiesen. 18 Menger, Entwicklung der Selbstverwaltung im Verfassungstaat der Neuzeit, in: v. Mutius (Hrsg.), Die Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 25; diese trägt er nach Ansicht von Hufen, Die Zukunft kommunaler Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, S. 1177 (1179), aber zumindest teilweise zu Unrecht. 19 Heffter, Die deutsche Selbstverwaltung im 19. Jahrhundert, 1950, S. 91. 20 Dies hebt beispielsweise Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (210), als entscheidendes Faktum hervor; ders./Wehr, VerwArch 91 (2001), S. 317 (322); ebenso statt vieler Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 130; Suerbaum, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 (81). 21 Vgl. dazu auch ausdrücklich die Diskussion im Zuständigkeitsausschuss des Parlamentarischen Rates, Plenarprotokoll der 10. Sitzung 8. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
dem Verfassungsrecht als Teil der Staatsgewalt konzipiert22. Folglich ist auch das kommunale Selbstverwaltungsrecht nach fast einhelliger Meinung nicht grundrechtliche Freiheitsverbürgung, sondern eine besondere Form staatlicher Verwaltungsorganisation23. a) Institutionelle Garantie Das Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird im Anschluss an Carl Schmitts Qualifikation von Art. 127 WRV als institutionelle Garantie24 interpretiert25. Indem Schmitt das Wesen der institutionellen Garantie in seiner Verfassungslehre als nicht vom Gedanken unbegrenzter 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 3, 1986, S. 414 f.; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 85; Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, S. 1; Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1973, S. 478 Fn. 2; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 130; Knemeyer, Kommunale Selbstverwaltung im Wandel, in: Achterberg (Hrsg.), Recht im sozialen Wandel – Festschrift Scupin, 1983, S. 797 (801 ff.); ders./Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (323); Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 99; Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170); Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 68, wertet die systematische Stellung zwar ein gewichtiges, jedoch nicht als zwingendes Argument, kommt aber mit ausführlicherer Begründung zu demselben Ergebnis; ders., Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 304; anders scheinbar Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1192): „. . . hängt mit dem historischen Missverständnis zusammen, das die Gemeinden letztlich dem Staat zuordnet“. 22 BVerfGE 83, 37 (54); auch bereits BVerfGE 8, 122 (132): „sie besitzen als solche, unbeschadet ihrer ‚Autonomie‘, vom Staat, dem sie eingegliedert sind, abgeleitete Hoheitsmacht“. 23 BVerfGE 8, 256 (259); 8, 332 (359), 48, 64 (79); 79, 127 (143); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Rn. 87; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 130; anders: Maurer, DVBl. 1995, S. 1037 (1041 f.); ähnlich auch Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung, Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1192); die Frage der Grundrechtsqualität noch offenlassend BVerfGE 1, 167 (173); sowie StGH Hessen DÖV 1973, S. 524 (525). 24 Grundlegend zur Figur der institutionellen Garantie und ihrer Unterscheidung von den Grundrechten bereits Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 170 ff.; Klein, Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien, 1934, passim; Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, passim; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, passim; kritisch zur Notwendigkeit der dogmatischen Figur der Einrichtungsgarantie Waechter, Die Verwaltung 29 (1996), S. 47 ff. 25 Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Dreier/ Badura (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 2001, S. 804 (807 f.); Tettinger/ Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 130; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 87; zur Anknüpfung
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Freiheit getragen, sondern als „bestimmten Aufgaben und bestimmten Zwecken Dienendes“26 beschreibt, knüpft er in Bezug auf das kommunale Selbstverwaltungsrecht an die Vorstellungen Steins von der dienenden Funktion der Gemeinden an27. Auch die Gewährleistungen in den Landesverfassungen stimmen insofern mit dem Grundgesetz überein, als ihnen kein Grundrechtscharakter zuerkannt wird28. Zwar ist die Selbstverwaltungsgarantie in Rheinland-Pfalz (Art. 49 Abs. 1 S. 1 Verf. R-P) systematisch im Grundrechtsteil geregelt, und in der Charakterisierung der Gemeinden als ursprüngliche Gebietskörperschaften in Art. 11 Abs. 2 BayVerf. lässt sich ein weiteres Relikt eines vorstaatlichen Verständnisses der Gemeinden in geltendem Verfassungsrecht finden. Diesen landesverfassungsrechtlichen Besonderheiten kommt aber nach überwiegender Ansicht kein eigener Bedeutungsgehalt im Hinblick auf die Interpretation der Rechtsstellung der Gemeinden als Teil der Staatsgewalt zu29. an Anschütz und die Rspr. des Staatsgerichtshofs vgl. beispielsweise auch Knemeyer/Wehr, VerwArch 91 (2001), S. 317 (319 f.). 26 Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 170 f. 27 Dazu soeben § 3 A. I. 28 Maurer/Hendler, Baden-Württembergisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1990, S. 194 f.; Masson, BayVBl. 1958, S. 197 (198); Neumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 57 Rn. 5; Heusch/Schönenbroicher, Die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 2010, Art. 78 Rn. 4 f.; Schröder, in: Grimm/ Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 49 Rn. 5; v. Mutius/ Wuttke/Hübner, Kommentar zur Verfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 16; noch zur Vorgängervorschrift des heutigen Art. 46 Verf. S-H: Barschel/Gebel, Landessatzung für Schleswig-Holstein, 1976, Art. 39, S. 234; etwas anders mit dem Hinblick auf die Rechtsprechung des NdsVerfGH, der das Verhältnismäßigkeitsprinzip anwendet Ipsen, in: Brandt/Schinkel (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht für Niedersachsen, 2002, S. 90; kritisch zur institutionellen Sichtweise auch Kaplonek, in: Baumann-Hasske/Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 2011, Art. 82 Rn. 17 ff. 29 Zu Art. 11 BV: Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 11 Rn. 1; im Ergebnis ebenso, den Zusatz allerdings als eine besondere Hervorhebung der Selbstverwaltungsgarantie wertend, Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff (Hrsg.), Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 11 Rn. 12; kritisch zum Begriff der Ursprünglichkeit bereits Nawiasky/Leusser, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1948, Art. 11, S. 86; zu einer naturrechtlich, vorstaatlichen Interpretation noch ausführlich Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, 1949, S. 34 f.; in diesem Sinne auch noch BayVerfGH 2, 143 (163), mit Verweis auf die entstehungsgeschichtlichen Dokumente; BayVerfGH 7, 113 (118). Zu Art. 49 Verf. R-P: Schröder, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 49 Rn. 2; anders wohl Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift für Hartmut Maurer, 2001, S. 1177 (1179), nach dem die Verfassung die Selbstverwaltung als „natürliches Recht“ [Hervorhebung im Orginal] gewähre.
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b) Bindung an die Grundrechte und weitere Verfassungsprinzipien Neben der Ablehnung der Grundrechtsqualität des Selbstverwaltungsrechts ist für die vorliegende Fragestellung die Grundrechtsverpflichtung der Gemeinden eine wichtige Konsequenz aus ihrer Qualifikation als Teil der Staatsgewalt30. Die Grundrechte stellen in ihrer leistungs- bzw. schutzrechtlichen Dimension einen zusätzlichen potentiellen Anknüpfungspunkt für verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben der Träger des Selbstverwaltungsrechts dar31. Aus ihrer Eingliederung als Hoheitsträger folgt ferner, dass die Kommunen auch an die sonstigen Verfassungsprinzipien gebunden sind, die für jede Ausübung von staatlicher Gewalt gelten32. Sie zählen somit gleichzeitig dem Grunde nach zum Adressatenkreis allgemeiner staatlicher Verfassungspflichten. Folglich eignen sich neben dem Selbstverwaltungsrecht und den Grundrechten auch die allgemeinen verfassungsrechtlichen Strukturprinzipien, Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträge potentiell als Anknüpfungspunkte verfassungsunmittelbarer Pflichten der Gemeinden33. 2. Die Gemeinden als autonome Verwaltungseinheiten Die Träger der kommunalen Selbstverwaltung sind Teil der Exekutive34, auch wenn ihnen in beschränktem Maße originäre Legislativkompetenzen in Gestalt der gemeindlichen Satzungshoheit zustehen. Die Bezeichnung als mittelbare Staatsverwaltung35 ist nicht unumstritten36, macht aber die Ausgliederung zu rechtlich verselbständigten Körperschaften mit eigener Rechtsfähigkeit37 und so die Abgrenzung zur unmittelbaren Staatsverwaltung deutlich. 30 Siehe auch in diesem Sinne Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1973, S. 524, der betont, dass es keine Gemeindeaufgaben gibt, die nicht Staatsaufgaben sein können und vice versa. 31 Siehe dazu unten § 6 A. II. 2. b). 32 BVerfGE 56, 298 (311); dazu auch Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (324). 33 Vgl. dazu ausführlich § 6. 34 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 85; Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1987, S. 298, S. 304.; Löwer, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 8 m. w. N.; ebenso Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 3: „der moderne Staat hat sich die Gemeinde eingeordnet“. 35 Grundlegend dazu Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1973, S. 478, insbesondere auch S. 524. 36 Vgl. dazu etwa Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 5, der selbst aber die Bezeichnung für konsequent hält, wenn man die weitgehende Verselbständigung im Auge behält.
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Das Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG weist insofern eine Parallele zu Art. 127 WRV auf, als dieser die subjektiv-rechtliche Formulierung der gemeindlichen Rechtsstellung übernommen hat. Diese Tatsache indiziert, dass die kommunale Selbstverwaltung einen wesensverschiedenen Verwaltungstypus im Vergleich zur hierarchisch-organisierten staatlichen Verwaltung darstellt, also eine besondere Art der Dezentralisierungsstufe bildet38. Grundsätzlich können die kommunalen Selbstverwaltungsträger die durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistete, noch näher zu bestimmende Rechtsposition sowohl gegenüber Übergriffen durch Exekutive und Judikative als auch gegenüber dem Gesetzgeber in Stellung bringen. Da die Selbstverwaltung als Institution verfassungsrechtlich abgesichert ist, unterliegt auch die Möglichkeit der Beschränkung durch den expliziten Gesetzesvorbehalt bestimmten Grenzen. Durch diese besondere Abwehrfunktion des Selbstverwaltungsrechts gegenüber der zentralisierten Staatsgewalt des Bundes und der Länder unterscheidet sich die Rechtsstellung der Gemeinden erheblich von der anderer Verwaltungsträger, die lediglich die kompetentielle Stellung verteidigen können, wie sie der Gesetzgeber ihnen in substanzieller und modaler Hinsicht vorgegeben hat. Wesenselement der Selbstverwaltung ist folglich auch heute noch die Idee der „Freiheit“ von externer Einflussnahme, die unter den gewandelten verfassungsrechtlichen Vorzeichen besser als eine besondere Autonomie der Gemeinden bezeichnet wird. Insofern ergibt sich als erstes Zwischenergebnis der Bestimmung der Rechtsstellung der Gemeinden eine Dialektik von Einbindung in die gesamtstaatliche Verpflichtung einerseits und gemeindlichem Autonomieanspruch andererseits, die zwangsläufig gewisses Konfliktpotential birgt39.
III. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung eines eigenen Aufgabenbereichs Der Regelungsgehalt des Selbstverwaltungsrechts des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird grundsätzlich in drei Garantieebenen untergliedert. Die institutionelle Rechtssubjektsgarantie (mit beschränkt individueller Wirkung)40, durch die die Existenz der Institution der kommunalen Selbstverwaltung als besonderer Typus von Verwaltungsträgern an sich geschützt wird und die 37
Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 298. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 85. 39 In diesem Sinne auch Welti, KommJur 2006, S. 241 (241 f.), bezogen auf die kommunale Sozialpolitik und deren historische Entwicklung. 40 Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 409 f. 38
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vor allem bei Neugliederungsmaßnahmen praktische Relevanz erlangt hat41, bedarf für die vorliegende Untersuchung keiner näheren Betrachtung. Von zentraler Bedeutung ist dagegen die auch als objektive Rechtsinstitutionsgarantie bezeichnete Aufgabengarantie, die sich wiederum in das Element der Aufgabenausstattung einerseits und den Schutz einer „eigenverantwortlich[en]“ Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung andererseits unterteilt42. Flankierend zu den vorstehenden Gewährleistungsinhalten tritt als drittes Element die Garantie einer subjektiven Durchsetzbarkeit der objektiven Rechtsstellung (sog. subjektive Rechtsstellungsgarantie)43, die den Gemeinden ermöglicht, die ihnen gewährten Rechtspositionen auch gerichtlich geltend zu machen44. 1. Gemeindliche Allzuständigkeit Zentrales Element der gemeindlichen Aufgabengarantie ist, dass den Gemeinden bereits verfassungsrechtlich unmittelbar abstrakt eine Kompetenz für einen bestimmten Bereich von Aufgaben zukommt, im Rahmen dessen es keiner einfachgesetzlichen Spezialzuweisung bedarf. Dieses auch als Universalität oder Allzuständigkeit bezeichnete Prinzip entspricht überkommener deutscher Rechtstradition45 und zählt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum unantastbaren Kernbereich des Wesens der 41 BVerfGE 50, 50 (50 ff.); 50, 195 (203 f.); 86, 90 (107); BVerfG DVBl. 1995, S. 286 (287); einen Fall der Auflösung einer Gemeinde im Zuge des Braunkohleabbaus betrifft VerfGH Sachs SächsVBl 2007, S. 34 ff. 42 Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 408 f.; dazu Suerbaum, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 (87); Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 804 (817); Knemeyer, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (218), scheint dagegen die kommunale „Autonomie“ als eigenen dritten Gewährleistungsgehalt anzusehen. 43 Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 409. 44 Dazu schon Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 174 ff.; Suerbaum, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 (98) m. w. N. 45 BVerfGE 79, 127 (144 ff.); so auch bereits PrOVGE 2, 186 (189 f.); 12, 155 (158); die Urheberschaft des Gedankens der gemeindlichen Allzuständigkeit wird dem Freiherr vom Stein zugeschrieben, der diesen bereits in der Preußischen Gemeindeordnung von 1808 verwirklicht hatte; dazu Thiel, Die Verwaltung 35 (2002), 25 (35); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 10; vgl. bereits oben Fn. 17.
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kommunalen Selbstverwaltung, der selbst vor dem Gesetzgeber absolut geschützt ist46. Für die vorliegende Untersuchung ist die verfassungsunmittelbare Generalzuweisung eines Aufgabenbereichs an die Gemeinden deshalb von essentieller Bedeutung, da diese erst die logische Voraussetzung schafft, die eine Ableitbarkeit von Pflichtigaufgaben direkt aus dem Verfassungsrecht denkbar macht. Nur weil die Gemeinden hinsichtlich der Begründung von Aufgabenzuständigkeiten nicht am Tropf des Gesetzgebers hängen47, kommt auch eine Pflicht unmittelbar aus dem Verfassungsrecht in Betracht. Da die materiellen Verfassungspflichten anerkanntermaßen nur im Rahmen der Kompetenzordnung wirken48, ist die verfassungsrechtliche Aufgabenverpflichtung von vornherein auf den Umfang der kompetentiellen Berechtigung beschränkt49. 2. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Da die Reichweite des Zugriffsrechts gleichzeitig dem potentiellen Anwendungsbereich einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit entspricht, ist dessen Umfang für die vorliegende Untersuchung abzustecken. Als entscheidender Begriff zur Umgrenzung des verfassungsrechtlich den Gemeinden zugewiesenen Aufgabenbereichs wird allgemein50 unmittelbar auf den im Verfassungstext des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verwandten Terminus der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ rekurriert. Im Folgenden soll zunächst die Entstehungsgeschichte dieses Begriffs als Interpretationsquelle für dessen inhaltliche Konkretisierung ausgewertet und dabei seine Korrelation zum gemeindlichen Zugriffsrecht hinterfragt werden. Anschließend wird die gängige Begriffsdefinition, die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etabliert worden ist, dargestellt. 46
BVerfGE 79, 127 (146). Diese Terminologie in Bezug auf die Gemeindeverbände verwendend Suerbaum, Die Wirkmächtigkeit der grundgesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 (91). 48 BVerfGE 81, 310 (334); 104, 238 (246); VerfGH NRW OVGE 39, 292 (295); Merten, DÖV 1993, S. 368 (371 f.). 49 Vgl. dazu unter § 6 A. III. 1. 50 Vgl. statt vieler Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft, 1983, S. 209 (219); Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/ Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 803 (819); Suerbaum, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 (87). 47
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a) Entstehungsgeschichtliche Analyse Die Entstehungsgeschichte stellt, soweit sie dokumentiert ist, in Bezug auf die Definition der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ keine eindeutige Auslegungshilfe dar. Aus den Materialien lässt sich nur erahnen, warum durch den Parlamentarischen Rat das Recht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu regeln, anstatt dem in der Weimarer Verfassung in Art. 127 normierten „Recht der Selbstverwaltung“ verankert wurde. Im Entwurf der Verfassung von Herrenchiemsee wollte man sich vor allem im Hinblick auf die Rücksichtnahme gegenüber den Ländern nicht auf eine Regelung zur kommunalen Selbstverwaltung festlegen51. In der 10. Sitzung des Zuständigkeitsausschusses des Parlamentarischen Rates (08.10.1948) kam dann aber, nicht zuletzt infolge einer Einflussnahme des Deutschen Städtetages, die Frage der Verankerung der Selbstverwaltungsgarantie zur Sprache52. Zunächst wurde vom Abgeordneten Hoch der Vorschlag eingebracht, „die Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände durch die von der Bürgerschaft gewählten Organe“ in die Aufzählung des Art. 29 Abs. 2 aufzunehmen. Darin war bis dahin geregelt, dass die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Beachtung der Grundrechte, die Unabhängigkeit der Gerichte und der gerichtliche Schutz gegen Missbrauch der Staatsgewalt gesichert sein müssen. Der Vorschlag wurde vom Abgeordneten Laforet mit dem Hinweis abgelehnt, dass dort „die Auftragsangelegenheiten nicht darin“ seinen. Daraufhin änderte Hoch den Vorschlag in die Formulierung ab, wie sie letztlich im Grundsatz als Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verabschiedet wurde, als das Recht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft eigenverantwortlich zu regeln. Wie die Kritik Laforets am Begriff der Selbstverwaltung und die Reaktion in Form der dargestellten Abänderung der Formulierung zu deuten ist, kann nicht abschließend geklärt werden. Es liegt aber die Vermutung nahe, dass die Abgeordneten mit dem Terminus „Selbstverwaltung“ die funktionelle Bedeutung der Gemeinden nur partiell abgebildet und somit ihre Rechtsstellung nicht umfassend beschrieben sahen. Ein Verständnis, dass zwischen den Begriffen Selbstverwaltung und Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft keine Kongruenz besteht, lassen auch die Ausführungen des Vorsitzenden v. Mangoldt in der 11. Sitzung des Grund51 Faber, in: Stein/Denninger/Hoffman-Riem (Hrsg.), AK-GG, Bd. 2, Art. 28 Rn. 7; Sörgel, Konsensus und Interessen, 1969, S. 161. 52 Plenarprotokoll der 10. Sitzung 8. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 3, 1986, S. 413.
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satzausschusses (14.10.1948) vermuten, der anmerkt, dass faktisch „nicht alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft Angelegenheiten der Selbstverwaltung sind. Es gibt viele solche Angelegenheiten, die über den Bereich der örtlichen Gemeinschaft hinausgehen“53. Die logische Vereinbarkeit dieser zwei Sätze bleibt genauso unklar, wie die Anwort auf die Frage, ob die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und die Angelegenheiten der Selbstverwaltung sich lediglich überschneiden oder eine Kategorie als Teilmenge in der anderen aufgeht. Möglicherweise soll auch lediglich dem Begriff der Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft eine kompetenzabgrenzende Funktion zukommen, während sich die Bezeichnung als Angelegenheit der Selbstverwaltung auf die Modalität, d.h. die Freiheit vor staatlicher Einflussnahme bei der Wahrnehmung der Aufgabe bezieht. Danach existierten Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft, die nicht der eigenverantwortlichen Regelung der Gemeinde überlassen sind, und gleichzeitig Angelegenheiten, die die Gemeinden eigenverantwortlich regeln können, die ihrer Natur nach aber nicht solche der örtlichen Gemeinschaft sind. Im Rahmen der weiteren Beratung im Grundsatzausschuss konnten sich die Abgeordneten nicht auf eine abschließende Legaldefinition bzw. Konkretisierung des Wesens der Selbstverwaltung einigen, die dem Erfordernis der Achtung der Länderzuständigkeit für das Kommunalrecht gerecht würde, weshalb eine Begriffsbestimmung schließlich vertagt wurde54. Später, im Anschluss an die Verlesung des Vorschlags des Redaktionsausschusses, der im Wesentlichen dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in seiner heutigen Fassung entspricht55, fasste der Abgeordnete Laforet die Problematik der Umgrenzung des gemeindlichen Aufgabenbereichs im Grundgesetz zusammen, indem er einerseits die Bedeutung der „Selbstverwaltung, der selbstverantwortlichen Tätigkeit der Gemeinden“ betonte. Andererseits konstatierte er, dass daneben „die Auftragsangelegenheiten treten und daß in den Auftragsangelegenheiten, die der Staat bestimmen muss, der Wille der übergeordneten Staatsbehörde entscheidet und nicht der der Gemeinde. Aber das kann man in unserem Grundgesetz nicht ausdrücken“56. 53 Plenarprotokoll der 11. Sitzung 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 308. 54 Plenarprotokoll der 11. Sitzung 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 308 ff. 55 Im damaligen Entwurf waren im Vergleich zur heutigen Fassung noch die Gemeindeverbände gleichrangig mit den Gemeinden als Berechtigte genannt. Im Laufe des Verfassunggebungsverfahrens wurden die Gemeindeverbände aus Satz 1 der Vorschrift gestrichen und ihre Rechtsstellung, abweichend in einem eigenen Satz 2 geregelt.
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Im Folgenden entfernte sich die Diskussion vom Gegenstand des gemeindlichen Aufgabenbereichs, indem Finanzierungsfragen und die Rechtsstellung der Gemeindeverbände erörtert wurden. Kurz vor Abschluss griff aber der Abgeordnete Zimmermann die Problematik der Definition des Begriffs der Selbstverwaltung erneut auf und charakterisierte sie als rein akademische Streitfrage, während eine detailliertere Bestimmung des gemeindlichen Aufgabenbereichs letztlich nur durch die Länder erfolgen könne57. Auf die vom Abgeordneten Greve erbetene Feststellung, dass über die Auftragsangelegenheiten durch die entsprechende Formulierung nichts gesagt sei58, wurde im weiteren Verlauf nicht eingegangen. In Bezug auf die Gemeindeverbände ging der Abgeordnete Laforet vielmehr davon aus, dass diese in der Formulierung „durch die Gesetze“ enthalten seien59. Wie bereits eingangs konstatiert, lassen sich so allein aus der Entstehungsgeschichte in Bezug auf den Bedeutungsinhalt des Begriffs der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nur begrenzt eindeutige oder gar zwingende Schlüsse ziehen. Insbesondere hinsichtlich der gemeindlichen Aufgabentypologie kommt vielmehr das Verständnis der Verfassungsväter von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als einer Vorschrift mit Grundsatz- bzw. Rahmencharakter zum Ausdruck, die die nähere Ausgestaltung dem Landesrecht überlässt60. Zweifelhaft ist nach der Betrachtung der entstehungsgeschichtlichen Dokumente, ob die an der Verfassunggebung Beteiligten tatsächlich die Bezeichnung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft als Synonym zu den eigenen Angelegenheiten der Gemeinde verstanden haben, die den Kommunen zur eigenverantwortlichen Regelung überlassen sind bzw. überlassen werden müssen. Dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nach be56 Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 60. 57 Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 62. 58 Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 61 f. 59 Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 62. 60 Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 62; Plenarprotokoll der 11. Sitzung vom 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 308.
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zieht sich das Recht zur eigenverantwortlichen Regelung genauso wie das verfassungsunmittelbare Zugriffsrecht ausschließlich auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Vor dem Hintergrund der Kritik Laforets zum Ausgangsvorschlag sowie der doppeldeutigen Aussage v. Mangoldts zum Verhältnis von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und Selbstverwaltungsangelegenheiten wäre theoretisch denkbar, erstere als Überkategorie zu verstehen, die sich in die eigenen Angelegenheiten der Gemeinde und die Angelegenheiten unterteilt, die den Gemeinden durch den Staat zur eigenverantwortlichen Regelung zugewiesen sind. Wenn man aber berücksichtigt, dass das Zugriffsrecht auch nach der genetischen Interpretation die Aufgaben umfassen soll, „die im Rahmen der Gemeinschaft notwendig und zweckmäßig sind“61, ergibt sich jedenfalls in Bezug auf die Aufgabenkompetenzgarantie eine Kongruenz zwischen eigenen Angelegenheiten bzw. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft62. b) Begriffsdefinition durch das Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hat die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft früh umschrieben als „solche Aufgaben, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen“63. Trotz Kritik an der Aussagekraft und der Trennschärfe 61
Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 60. 62 Die nicht-örtlichen Aufgaben, die den Gemeinden als Auftragsangelegenheiten übertragen werden, werden nach überwiegender Ansicht grundsätzlich nicht vom Regelungsgehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG erfasst; in diesem Sinne auch BVerfGE 83, 363 (382); Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 168; Henneke, ZG 10 (1994), S. 212 (230); insbesondere in Folge entsprechender Aussagen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 83, 363 [382], 107, 1 [14], 119, 331 [362]), wird allerdings angenommen, dass sich die Eigenverantwortlichkeitsgarantie teilweise auch auf die überörtlichen Aufgaben erstrecke, sofern organisatorische Belange betroffen sind; vgl. ThürVerfGH DVBl. 2005, 443 (447); Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (336 f.); Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 32; zu weit allerdings Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 48. 63 BVerfGE 79, 127 (151 f.); 110, 370 (400 f.), in den vorhergehenden Entscheidungen (vgl. BVerfGE 8, 122 [134]; 50, 195 [201]; 52, 95 [120]) beschränkt sich die Definition auf den ersten Halbsatz, während die nähere Erläuterung der örtlichen Verwurzelung bzw. des spezifischen Ortsbezuges noch fehlt.
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
dieser Formulierung64 ist sie in Rechtsprechung und Literatur ganz überwiegend anerkannt. In der kürzeren Fassung ohne Spezifikation der örtlichen Verwurzelung bzw. des spezifischen Ortsbezugs ist die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Formel als Legaldefinition der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in § 2 Abs. 1 ThürKO einfachgesetzlich positiviert worden. Die Abgrenzung des gemeindlichen Aufgabenbereichs stützt sich folglich primär auf eine soziologisch-wertende Komponente65, der Beziehung zur örtlichen Gemeinschaft. Das anfänglich zur Einschränkung herangezogene Kriterium der Leistungsfähigkeit der Gemeinden zur Erledigung der entsprechenden Aufgabe hat das Gericht im Rastede-Beschluss explizit aufgegeben66. Ferner herrscht dem Grunde nach Einigkeit darüber, dass die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht statisch bestimmbar sind, sondern der Anpassungsfähigkeit bzw. -bedürftigkeit an sich wandelnde tatsächliche Umstände unterliegen67. Das schließt Wanderungsprozesse im Sinne einer Entörtlichung68 in Bezug auf einzelne Aufgaben sowie das Entstehen neuer gemeindlicher Aufgaben nicht aus69. Darüber hinaus kommt dem Gesetzgeber ein gewisser Einschätzungsspielraum in Bezug auf die Kategorisierung einer Aufgabe als örtlich zu70. Durch die Abgrenzung der 64 Sehr kritisch Schmidt-Jortzig, DÖV 1993, S. 973 (974), der konstatiert, dass auch der Beitrag des BVerfG kaum über Tautologien hinausginge; differenzierter Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Bürger. Richter. Staat – Festschrift für Sendler, 1991, S. 121 (129); zu Problemfällen bereits ausführlich Grawert, VVStRL 36 (1978), S. 278 (286 f.) m. w. N. 65 Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (221); mit Verweis auf Stern, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 1. Aufl. 1981, § 13 S. 205; dazu kritisch bereits Grawert, VVStRL 36 (1978), S. 278 (286). 66 BVerfGE 79, 127 (152); dazu auch Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Bürger. Richter. Staat – Festschrift Sendler, 1991, S. 121 (128); Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 139 ff. 67 BVerfGE 79, 127 (146, 152), 110, 370 (400 f.); Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Garantie des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (221 f.); ders./Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (339); aus der Literatur beispielsweise Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 803 (819); Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 497. 68 BVerwGE 67, 321 (323); übernommen in BVerfGE 79, 127 (148). 69 Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/ Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Bürger. Richter. Staat – Festschrift Sendler, 1991, S. 121 (131).
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örtlichen Angelegenheiten als besondere Kategorie der staatlichen Aufgaben wird den Gemeinden aber jedenfalls ein substantieller Bereich an eigenen Aufgaben abgeschirmt71. c) Revisionsversuche durch die funktionalen und kompensatorischen Theorien Dieser Interpretation als Aufgabensubstanzgarantie ist zum Teil durch die funktionalen oder kompensatorischen Theorien widersprochen worden. Aus dem Einfluss zahlreicher Faktoren, wie der erhöhten Mobilität der Bevölkerung, der steigenden Technisierung und Komplexität von Lebenssachverhalten und einem zunehmenden Bedürfnis an gesamtstaatlicher Planung, sei eine Differenzierung anhand des Kriteriums der Örtlichkeit in der Praxis kaum mehr möglich72. In Kombination mit der traditionellen Interpretation des Selbstverwaltungsrechts führe dies zwingend zu dem Prozess einer schleichenden Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung73. In der Konsequenz wurde die Erforderlichkeit einer grundlegenden Revision des Verständnisses von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG propagiert74. Danach solle die 70
BVerfGE 110, 370 (400 f.) Grawert, VVDStRL 36 (1978), S. 278 (292 ff.); Richter, DVBl. 1978, S. 783 (785); Rommel, DÖV 1979, S. 362 (364); Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (220 f.); ders., Kommunale Selbstverwaltung im Wandel, in: Achterberg (Hrsg), Recht und Staat im sozialen Wandel – Festschrift Scupin, 1983, S. 797 (807); kritisch zum Verständnis einer Aufgabensubstanzgarantie Faber, in: Stein/ Denninger/Hofmann-Riem (Hrsg.), AK-GG, Art. 28 Abs. 1 II, Abs. 2, Rn. 32 ff. 72 Grundlegend Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, S. 24 ff., 42, 99 m.w.N, S. 116 ff.; Richter, DVBl. 1978, S. 783 (784 f.); bereits Pappermann, DÖV 1973, S. 505 (507 f.); vgl. auch Röhl, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, Kap. 1 Rn. 27, 31. 73 Den schleichenden Substanzverlust des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung bezeichnet v. Mutius, Örtliche Aufgabenerfüllung – Traditionelles, funktionales oder neues Selbstverwaltungsverständnis?, in: ders. (Hrsg), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 227 (227) m. w. N., als allgemeinen Erkenntnisstand; als sehr bedrohlich wird die Situation dargestellt von Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, S. 72 ff. 74 Eine grundlegende Neukonzeption hat Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, vorgelegt; vor ihm bereits Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, in: Staatsrechtliche Abhandlungen, 2. Aufl. Berlin 1968, S. 119 (271); Roters, Kommunale Mitwirkung an höherstufigen Entscheidungsprozessen, 1975, S. 35, der letztlich keine Neuinterpretation, sondern aufgrund der „immanenten Inkonsistenz des Art. 28 Abs. 2“ eine Auf71
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Tätigkeitsgarantie zugunsten der Gemeinden weniger als Gewährleistung eines eigenen substantiellen Aufgabenbereichs orientiert am Kriterium der Örtlichkeit75 interpretiert werden, sondern als Garantie der Einbindung in Entscheidungsprozesse in Form von Mitsprache- und Mitentscheidungsrechten, sofern eine Aufgabe unmittelbare Auswirkungen auf die Belange der örtlichen Gemeinschaft zeitigt76. Nach dem extremsten Verständnis sind die Gemeinden unterste Vollzugsinstanz aller staatlichen Aufgaben77, die nur insoweit einen besonderen Verwaltungstypus darstellen, als sie „Freiheit vor übermäßiger Restriktion der Gestaltungsmacht über die Vollzugsmodalitäten“ geltend machen können.78 Die Neukonzeptionen sind aber zu Recht kritisiert worden79 und haben sich letztlich nicht durchsetzen können80. Nicht nur der Vorwurf, dass diehebung der Vorschrift und die Neuregelung der kommunalen Selbstverwaltung für nötig hält; ähnlich bereits Pappermann, DÖV 1973, S. 505 (508); kritisch aber zurückhaltender ders., DVBl. 1976, S. 766 ff. 75 Die Aufteilung in eigenen und übertragenen Wirkungskreis wird sogar als „Relikt[e] einer anderen Verfassungslage“ bezeichnet, vgl. Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, Vorwort S. V, S. 26; die Abschaffung der Kompetenzgarantie bei Burmeister konstatiert auch Knemeyer, Kommunale Selbstverwaltung im Wandel, in: Achterberg (Hrsg), Recht und Staat im sozialen Wandel – Festschrift Scupin, 1983, S. 797 (807). 76 So Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, S. 71: „(. . .) Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG enthält weder eine Garantie eines materiellen Substrates von Aufgaben als ‚örtliche‘ und damit den Verbleib eines Kataloges von Aufgaben in der gemeindlichen Alleinzuständigkeit, noch eine Begrenzung der gemeindlichen Zuständigkeit auf Aufgaben von alleiniger Relevanz für den lokalen Bereich; er garantiert – im wahren Sinne des Wortes – vielmehr das Recht der Kommunen, überall dort bei der Wahrnehmung von öffentlichen Angelegenheiten mit eigenen ‚Vollzugsvollmachten‘ eingeschaltet zu werden, wo unmittelbar Belange der örtlichen Gemeinschaft betroffen werden“; dem zustimmend Oebbecke, DVBl. 1987, S. 866 (870). 77 Besonders deutlich Roters, Kommunale Mitwirkung an höherstufigen Entscheidungsprozessen, 1975, S. 30; Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, S. 105; dazu Knemeyer, Kommunale Selbstverwaltung im Wandel, in: Achterberg (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel – Festschrift Scupin, 1983, S. 797 (804 f.). 78 Burmeister, Verfassungstheoretische Neukonzeption der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1977, S. 107; diesen Aspekt des Selbstverwaltungskonzepts von Burmeister betonend Knemeyer, Kommunale Selbstverwaltung im Wandel, in: Achterberg (Hrsg.), Recht und Staat im sozialen Wandel – Festschrift Scupin, 1983, S. 209 (217). 79 Blümel, VVDStRL 36 (1978), S. 209 Fn. 172, bezeichnet Burmeisters Konzeption ohne nähere Begründung als unhaltbar; sogar Richter, DVBl. 1978, S. 783 (785), der Burmeisters Prämisse von der Unmöglichkeit der Abgrenzung von örtlichen und überörtlichen Aufgaben teilt, will den „Pfeiler der Kompetenz und Funktionsgarantie“ beibehalten; Schulze-Fielitz, BayVBl. 1982, S. 479 f.; dem zustimmend auch Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 304; Knemeyer, Die verfassungs-
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ses revidierte Verständnis einen Bruch mit einem Teil der (entstehungs-)geschichtlichen Wurzeln bedeutet81, ist berechtigt. Entscheidendes Argument gegen diese Umdeutungs- bzw. Revisionsversuche ist, dass sie schlichtweg nicht mit dem Wortlaut des Grundgesetzes vereinbar sind82. Der Begriff der „Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenerfüllung“ fordert einen gewissen Umfang an Alleinentscheidungskompetenzen83 und schließt eine Beschränkung auf Mitsprache- und Entscheidungsrechte aus, die eine bloße Mitverantwortlichkeit der Gemeinden bedeuten würden84. Flankierend hierzu führt die kompensatorische Sichtweise zu Unstimmigkeiten in systematischer85 und praktischer Hinsicht86. Mitwirkungsrechte bei „höherstufigen Entscheidungsprozessen“ können folglich nur neben die Garantie der Aufgabensubstanz treten87. rechtliche Garantie des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (213, 216 ff.); kritisch ohne nähere Begründung auch Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Bürger. Richter. Staat – Festschrift Sendler, 1991, S. 121 (122); Rommel, DÖV 1979, S. 362 (363 f.); etwas differenzierter Schulte, DVBl, 1978, S. 825 (826), der an der grammatikalischen Auslegung Burmeisters zweifelt, im Ergebnis seinen Entwurf aber als einen „konsequenten und konsistenen Vorschlag“ bewertet, „der viele Gequältheiten und Ungereimtheiten der herrschenden Theorien vermeidet und auflöst“ und deswegen einen Verständniswandel in diesem Sinne im normativen Rahmen des Grundgesetzes für möglich und sogar für wünschenswert hält. 80 So auch jüngst Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 135. 81 Schulze-Fielitz, BayVBl. 1982, S. 479 (489). 82 Grawert, VVDStRL 36 (1978), S. 278 (290); auch Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (218); ebenso Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 425; Stober, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1996, S. 70; dagegen auch Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 86; zumindest Zweifel an der Vereinbarkeit hat auch Schulte, DVBl. 1978, S. 825 (826). 83 Hufen, DÖV 1997, S. 276 (278); Grawert, VVDStRL 36 (1978), S. 278 (293); so auch Stober, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1996, S. 71. 84 In diesem Sinne etwa Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Garantie des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (213, 216, 222 f.); ders., Kommunale Selbstverwaltung im Wandel, in: Achterberg (Hrsg), Recht und Staat im Wandel – Festschrift Scupin, 1983, S. 797 (805 f.). 85 Dazu Schulze-Fielitz, BayVBl. 1982, S. 479 (489). 86 Hufen, Die Zukunft der kommunale Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1184). 87 Richter, DVBl. 1978, S. 783 (784 f.).
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d) Spezifischer Ortsbezug bzw. örtliche Verwurzelung Letztlich muss auch der Prämisse widersprochen werden, dass eine Abgrenzung von örtlichen Angelegenheiten praktisch unmöglich sei. Obwohl die funktionsnotwendige Offenheit und Wandelbarkeit des Kriteriums der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft88 eine objektiv eindeutige und dauerhaft gültige Grenzziehung zwischen örtlichen und nicht-örtlichen Aufgaben unmöglich macht, lassen sich auch unter modernen Voraussetzungen Angelegenheiten ausmachen, die in der örtlichen Gemeinschaft verwurzelt sind89. Das Problem der Unabgrenzbarkeit von örtlichen Aufgaben oder die Gefahr der Entörtlichung klassischer gemeindlicher Aufgaben insbesondere im Bereich der örtlichen Daseinsvorsorge besteht nur dann, wenn man den Bezug zur bzw. die Verwurzelung in der örtlichen Gemeinschaft mit einem überwiegenden Interesse der örtlichen Gemeinschaft an der Aufgabenerfüllung gleichzusetzen versucht90. Diese Vorgehensweise ist schon vom Ansatz her problematisch, da die Gemeinden als Teil des Staates jede Angelegenheit – einschließlich der eigenen Angelegenheiten – letztlich auch im Interesse des Gesamtstaates erfüllen. Durch die technische und wirtschaftliche Entwicklung, ein gesteigertes Umweltbewusstsein91 und nicht zuletzt durch die Verpflichtung zur Umsetzung europarechtlicher Vorgaben92 hat sich das 88
BVerfGE 79, 127 (146, 152), 110, 370 (400 f.); Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Garantie des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (221 f.); ders./Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (339); Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/ Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 803 (819); Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 497 (siehe bereits Fn. 67). 89 Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 470; beispielhaft zur Wasserversorgung Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S. 145 ff.; aus der älteren Literatur etwa Grawert, VVStRL 36 (1978), S. 278 (289 f.); Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Garantie des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (221 f.). 90 In diesem Sinne aber Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Garantie des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (221 f.). 91 Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 168. 92 Der EuGH nimmt in st. Rspr. die Unentschuldbarkeit einer Nichtumsetzung von Europarecht aufgrund der Autonomie von föderalen Entscheidungsträger innerhalb der mitgliedstaatlichen Organisationsstruktur an, vgl. EuGH, C-74/89, Slg. 1990, 491 – Kommission/Belgien; EuGH, C-33/90, Slg. 1991, I-5987, Rn. 24 –
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gesamtstaatliche Koordinierungsinteresse stetig verstärkt. Auch eine schwerpunktmäßige Abgrenzung93, ob bestimmte Aufgabe primär im gesamtstaatlichen oder im Interesse der örtlichen Gemeinschaft liegt, ist deshalb tatsächlich kaum möglich bzw. birgt die Gefahr einer stetigen Verkleinerung des gemeindlichen Aktionsradius. Dennoch weisen die klassischen Daseinsvorsorgeaufgaben einen besonderen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft auf, der sich nicht allein aus der traditionellen Wahrnehmung durch die Gemeinden ergibt. Dies wird dann deutlich, wenn man bei der Präzisierung des Bezugs zur örtlichen Gemeinschaft die räumliche Komponente zumindest als Mindestsicherung miteinbezieht94. Das bedeutet konkret, dass in Bezug auf die Leistungsaufgaben der spezifische Bezug zur örtlichen Gemeinschaft jedenfalls bei allen Aufgaben angenommen werden sollte, die zwingend vor Ort erfüllt werden müssen. So sind beispielweise Energie- und Wasserversorgung der Bevölkerung örtlich gebundene Leistungen, die nach der vorangehenden Definition genuin örtliche Aufgaben wären. Klassisches Gegenbeispiel ohne relevanten räumlichen Bezug und somit als nicht-örtlich einzuordnen wären dagegen regelmäßig insbesondere monetäre Leistungen wie etwa die finanzielle Grundversorgung, die nicht lokal gebunden ist. Abzustellen ist auf den Ortsbezug der Sachaufgabe, so dass nicht allein die Tatsache ausreichen kann, dass eine dezentralisierte Verwaltungsorganisation zur Erledigung der Aufgabe Vorteile mit sich bringt. Aufgrund des Abstellens auf den Charakter der Sachaufgabe kann auf der anderen Seite eine finanzielle Leistungsgewährung dann eine Angelegenheit örtlicher Natur sein, wenn ihr Leistungsgrund in der Erfüllung einer örtlichen Aufgabe liegt95. Die Einbeziehung der räumlichen Komponente bei der Konkretisierung des Ortsbezugs gemeindlicher Leistungsaufgaben bietet den entscheidenden Vorteil, dass aufgrund der Wandlungsresistenz der Ortsgebundenheit der Leistung ein Mindestbestand an Aufgaben vor dem Phänomen der Entörtlichung geschützt wird. Ein Entzug einer solchen räumlich-ortsbezogenen Aufgabe ist zwar möglich, aber einer besonderen Begründungslast unterworfen.
Kommission/Italien; EuGH, C-87/02, Slg. 2004, I-5975, Rn. 38 – Kommission/ Italien. 93 Dies schlägt Knemeyer, Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden und Landkreise, in: v. Mutius, Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (222), vor. 94 In diese Richtung auch Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 28 Rn. 65. 95 Zutreffend den örtlichen Charakter einer Aufwendungsbeihilfe für kinderreiche Familien verneinend OVG NRW NWVBl. 1995, S. 170 (171 ff.).
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
IV. Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in den Landesverfassungen Die Gemeinden sind im zweigliedrigen Staatsaufbau organisatorisch den Ländern zugeordnet96, wie auch die Vorschriften des Art. 104a ff. GG zur Finanzverfassung indizieren97. Dementsprechend garantieren auch die Landesverfassungen die kommunale Selbstverwaltung parallel zur Normierung des Selbstverwaltungsrechts im Grundgesetz. Im Verhältnis zum Landesverfassungsrecht ist Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nach überzeugender Ansicht nicht lediglich Normativbestimmung98, sondern gehört zur sogenannten „verfassungsrechtlichen Konkordanzmasse“99. Wie in der Bezeichnung als Durchgriffsnorm zum Ausdruck kommt, bindet sie die Gewalten der Länder unmittelbar, ohne dass eine zusätzliche Transformation in Landesrecht erforderlich wäre100. In Konsequenz dieser Charakterisierung hat sich in Rechtsprechung und Literatur in Bezug auf das Konkurrenzverhältnis beider Normebenen eine Mindestgehaltsdogmatik etabliert. Nach dieser bleibt die Regelungswirkung der landesverfassungsrechtlichen Regelungen unberührt und diese treten kumulativ neben die grundgesetzliche Garantie, soweit sie über das Schutzniveau des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hinausgehen101. Folglich wird die 96 Statt vieler hierzu Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 304, noch deutlicher S. 318, der die missverständliche Bezeichnung als Dritte Ebene unter anderem darauf zurückführt, dass die Gemeinden eigene Interessenvertretungen haben und in politischen Fragen oft als aliud bzw. Gegenspieler zu Land und Bund auftreten; ebenso Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, Bd. 2, S. 803 (803); implizit auch BVerfGE 107, 1 (11). 97 BVerfGE 86, 148 (218 f.); Grawert, Die Kommunen im Länderfinanzausgleich, 1989, S. 26. 98 Anders Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 38; zum Begriff der Normativbestimmung Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 705 f.; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 59 m. w. N. und dem Hinweis auf die „unspezifische“ Verwendung des Begriff in der Rechtsprechung BVerfG 4, 178 (189). 99 Grundlegend Grawert, NJW 1987, S. 2329 (2331), der damit „die Normen, die den Staat insgesamt, in seiner funktionellen und institutionellen Vielfalt“ betreffen und folglich unmittelbar ohne Transformationsakt auch die Landesstaatsgewalt binden, bezeichnet. 100 Dazu Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 705 f.; Püttner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, § 144 Rn. 20; Tettinger, in: Püttner/Mann (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 11 Rn. 1; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 59; Maurer, DVBl. 1995, S. 1037 (1040); Vitzthum, VVDStRL 46 (1988), S. 7 (11); Kersten, DÖV 1993, S. 896 (898 f.); Röhl, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, Kap. 1 Rn. 20.
B. Einfachgesetzliche Ausformung des Aufgabenbereichs
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Rechts- und somit unter Umständen auch die Pflichtenstellung der Gemeinden gleichsam durch die Garantienormen der Landesverfassungen mitbestimmt. Aufgrund des Verhältnisses beider Garantieebenen ist es für die vorliegende Untersuchung geboten, zuerst in § 4 die grundgesetzliche Garantie zu würdigen und dann in § 5 auf die landesverfassungsrechtlichen Vorschriften im Einzelnen einzugehen.
B. Einfachgesetzliche Ausformung des gemeindlichen Aufgabenbereichs Der in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG enthaltene Gesetzesvorbehalt eröffnet grundsätzlich die Möglichkeit, durch einfaches Gesetz partiell von der verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Gemeinden abzuweichen. Zudem bleibt es dem Gesetzgeber durch die abstrakt-generelle verfassungsrechtliche Regelung überlassen, die gemeindlichen Aufgaben zu konkretisieren und zu systematisieren102. Im Folgenden sollen die sich hieraus ergebende Systematik gemeindlicher Aufgaben sowie die Voraussetzungen und Grenzen der gesetzgeberischen Regelungsbefugnis dargestellt werden, soweit sie für die Frage der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben relevant werden können.
I. Hochzonung von verfassungsrechtlich den Gemeinden zugewiesenen Angelegenheiten Die verfassungsrechtliche Zuweisung einer Angelegenheit in den Verantwortungsbereich der Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG schließt eine anderweitige Verteilung der Zuständigkeiten durch einfachgesetzliche Regelung nicht aus. Der Gesetzgeber kann eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft dem Kompetenzbereich eines anderen Hoheitsträgers zuweisen (sog. Hochzonung)103, unterliegt dabei aber dem Erfordernis einer 101 So schon Becker, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. 4/2, 1972, S. 737; Knemeyer, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (214); ebenso Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 93; vgl. näher dazu und m. w. N. unten § 5 I. 102 Vgl. aus der Entstehungsgeschichte: Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 62; Plenarprotokoll der 11. Sitzung vom 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 308.
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
sachlichen Rechtfertigung. Das Bundesverfassungsgericht vermeidet auf Rechtfertigungsebene zumindest hinsichtlich der Aufgabengarantie eine Heranziehung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, das sich insbesondere als Grenze der Einschränkbarkeit von Grundrechten etabliert hat104. Vielmehr hat es für die Überprüfung von Eingriffen in das kommunale Selbstverwaltungsrecht eine eigene Dogmatik entwickelt, die zwischen einem unantastbar geschützten Kernbereich105 und einem relativen Schutz im Randbereich trennt106. Bezogen auf die Garantie des gemeindlichen Aufgabenbereichs wird überwiegend angenommen, dass durch die Entziehung einzelner Aufgaben regelmäßig nicht der Wesenskern der Selbstverwaltung berührt wird107. Daneben hat der Gesetzgeber als relative Schranke das verfassungsrechtlich vorgegebene materielle Aufgabenverteilungsprinzip zu beachten108. Eine abweichende Regelung der Zuständigkeit kann deshalb nur erfolgen, wenn zu erwarten ist, dass die konkrete Angelegenheit durch die Gemeinden nicht sachgerecht wahrgenommen werden kann, während die Intention einer bloßen Verwaltungsvereinfachung oder Kosteneinsparung nicht ausreicht109.
103 BVerfGE 79, 127 (136); Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 804 (816). 104 Allerdings ist der Anwendungsbereich keineswegs auf die Grundrechtsdogmatik beschränkt, sondern wird auch im Bereich der Staatsorganisation von den Landesverfassungsgerichten ausdrücklich in Bezug auf staatliche Eingriffe in das kommunale Selbstverwaltungsrecht herangezogen, vgl. ausführlich hierzu m. z. N. Suerbaum, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 (94 ff.); vgl. auch bereits Krämer, Die bürgerschaftliche Selbstverwaltung unter den Notwendigkeiten des egalitären Rechtsstaates, 1970, S. 65, nach dem der Kern der Selbstverwaltungsgarantie „immer dann tangiert wird, wenn ihr Garantiebereich unter Außerachtlassung der Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit betroffen wird“. 105 Die Feststellung von Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 255 (Fn. 917), dass das BVerfG zunächst (BVerfGE 1, 167 [178]; 11, 266 [274]) im Rahmen der Rechtfertigung eines Eingriffs in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zwischen den Termini Wesensgehalt und Kernbereich differenziert hat, kann nicht verifiziert werden. 106 Dazu grundlegend BVerfGE 79, 127 (146 f.). 107 Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, 2000, S. 173 f.; in diesem Sinne bereits Stern/Püttner, Die Gemeindewirtschaft in Recht und Realität, 1965, S. 152 f.; auch aus der Argumentation in BVerfGE 79, 127 (147 ff.), lässt sich implizit ableiten, dass ausschließlich das Prinzip der Universalität in den Kernbereich der Aufgabengarantie fällt. 108 BVerfGE 79, 127 (150).
B. Einfachgesetzliche Ausformung des Aufgabenbereichs
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Die Entziehung von Aufgaben, d.h. die restriktive Beschränkung der verfassungsrechtlich umfangreicheren Kompetenz, ist für die Frage der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit nur insoweit relevant, als der Gesetzgeber davon in zulässiger Weise Gebrauch gemacht hat. Im Fall der gerechtfertigten Hochzonung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft wird den Gemeinden die kraft Verfassungsrechts zugewiesene Zuständigkeit in Bezug auf die konkrete Aufgabe entzogen, so dass auch eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit nicht mehr in Betracht kommt.
II. Positive Festlegung gemeindlicher Pflichtaufgaben Neben der Entziehung einer örtlichen Angelegenheit hat der Gesetzgeber110 aber auch die Möglichkeit, positiv Pflichtaufgaben der Gemeinden festzulegen. Daraus resultiert eine bestimmte Systematik gemeindlicher Aufgaben, die für die Einordenbarkeit einer potentiellen verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit entscheidend ist. In diesem Punkt unterscheidet sich die Ausgestaltung in den Ländern. Während einigen Kommunalgesetzen ein dualistisches Verständnis zugrunde liegt111, folgen die anderen112 nach dem Vorbild des sogenannten Weinheimer Entwurfs113 dem monistischen Modell114.
109 BVerfGE 79, 127 (149 ff.); dazu beispielsweise Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 341; Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung, 2000, S. 178, Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (329). 110 Manche Kommunalgesetze erlauben dem Wortlaut nach auch eine Pflichtigmachung aufgrund von einem Gesetz (§ 2 Abs. 3 KV M-V; § 5 Abs. 1 Nr. 4 NdsKV; § 2 Abs. 1 S. 2 GO R-P; § 5 Abs. 3 S. 1 SaarlKSVG; § 4 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GO S-A; § 2 Abs. 3 S. 1 ThürKO). 111 So in Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Ob auch das Aufgabensystem in Mecklenburg-Vorpommern dem dualistischen System zuzuordnen ist, ist strittig. Während Art. 72 Verf. M-V für ein monistisches Verständnis spricht, legt die einfachgesetzliche Ausgestaltung in §§ 2 f. KV M-V ein dualistisches Verständnis nahe. 112 So in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Schleswig-Holstein. 113 Dabei handelt es sich um einen Musterentwurf einer Gemeindeordnung, den die Vertreter von kommunalen Spitzenverbänden und die Innenminister der Länder am 2./3. Juli 1948 in Weinheim ausgearbeitet haben; abgedruckt ist der Weinheimer Entwurf bei Engeli/Haus, Quellen zum modernen Gemeindeverfassungsrecht, 1975, S. 763 ff. 114 Ein Überblick findet sich bei Schmidt-Eichstaedt, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, S. 16 ff., allerdings ist dieser teilweise veraltet.
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1. Dualistisches Modell Das dualistische Modell sieht eine Grobgliederung in eigene Angelegenheiten (= eigener Wirkungskreis) und übertragene Angelegenheiten (= übertragener Wirkungskreis bzw. Auftragsangelegenheiten) vor115. a) Übertragung überörtlicher Aufgaben Der übertragene Wirkungskreis bezeichnet die gemeindlichen Aufgaben, die nicht in den bereits verfassungsrechtlich den Gemeinden zugewiesenen Bereich fallen, der wie soeben dargestellt allgemein mit dem Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umschrieben wird. In diesen Fällen entscheidet sich der Gesetzgeber gegen eine Vollziehung dieser überörtlichen Aufgaben durch eigene Verwaltungsbehörden. Er bedient sich der bereits vorhandenen Strukturen der Kommunalverwaltung116, so dass es zu einem Auseinanderfallen von grundsätzlicher Aufgabensubstanz und der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung kommt117. Da im Falle der überörtlichen Aufgaben die verfassungsrechtliche Generalzuweisung nicht greift, setzt die Kompetenzeröffnung zugunsten der Gemeinden in diesem Fall eine ausdrückliche gesetzliche Aufgabenzuweisung voraus. Somit scheidet eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit in diesem Bereich von vornherein aus. b) Verpflichtung zur Erfüllung eigener Angelegenheiten Der eigene Wirkungskreis erstreckt sich dagegen auf die Aufgaben, die den Gemeinden bereits unmittelbar kraft Verfassungsrechts überlassen sind. Um eine Aufgabenwahrnehmungsberechtigung hinsichtlich dieser allgemein als Selbstverwaltungaufgaben bezeichneten Angelegenheiten zu begründen, ist eine konstitutive Aufgabenzuweisung kraft Gesetzes gerade nicht erforderlich. Anerkanntermaßen kann der Gesetzgeber im Bereich dieser verfassungsrechtlich den Kommunen überantworteten Angelegenheiten die Gemeinden positiv zur Erfüllung einer konkreten Aufgabe verpflichten. Daraus ergibt sich eine Binnendifferenzierung zwischen freiwilligen und pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben. Bei den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben bleibt nicht nur die Entscheidung, wie die Aufgabenwahrnehmung gestaltet wird, sondern auch die Frage, ob sie sich einer bestimmten Aufgabe über115 Art. 7 f. BayGO; §§ 2 f. KV M-V; §§ 5 f. NdsKV; § 2 GO R-P; §§ 5 f. SaarlKSVG; §§ 4 f. GO S-A; §§ 2 f. ThürGO. 116 Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 12. Aufl. 2007, Rn. 160. 117 Röhl, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 1. Kap., Rn. 63.
B. Einfachgesetzliche Ausformung des Aufgabenbereichs
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haupt annimmt, der Gemeinde überlassen118. Auch bei den pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheiten obliegt die Gestaltung der Art und Weise der Aufgabenerfüllung den Selbstverwaltungsträgern. Bei dieser Unterkategorie der eigenen Angelegenheiten ist die Entscheidung, dass die betreffende Aufgabe überhaupt wahrgenommen wird, aber gesetzlich zwingend vorgegeben und entzieht sich so dem gemeindlichen Ermessen119. c) Einordnung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben Verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben entsprächen nach der für die vorliegende Untersuchung vorausgesetzten Definition strukturell den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben120. Ließe sich die Ableitbarkeit konkreter Aufgabenpflichten aus dem Verfassungsrecht tatsächlich nachweisen, würde das Entschließungsermessen als charakteristische Besonderheit der freiwilligen Aufgaben den Gemeinden entzogen. Im dualistischen Modell könnte man die verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben folglich als Unterkategorie der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben einordnen. Die Anerkennungsfähigkeit spielt aber insbesondere im Bereich der Selbstverwaltungsaufgaben eine Rolle, hinsichtlich derer es an einer einfachgesetzlichen Verpflichtung fehlt, d.h. der Aufgaben, die nach überkommener Typologie als freiwillige Selbstverwaltungsangelegenheiten klassifiziert werden. Dort, wo eine explizite einfachgesetzliche Normierung als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe vorliegt, bedarf es eines Rekurses auf das Verfassungsrecht dagegen nicht, da der Verpflichtungsgrund sich aus dem einfachen Gesetz ergibt. Da sich das aufgabenzuweisende Gesetz an der Selbstverwaltungsgarantie messen lassen muss121, wäre die potentielle Ableitbarkeit einer Pflicht zur Aufgabenerfüllung lediglich möglicherweise in Bezug auf die Rechtfertigung der positiven Aufgabenzuweisung von Interesse. Ob die einfachgesetzlichen Pflichtaufgaben eine echte Teilmenge der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben darstellen, sich lediglich Schnittmengen ergeben oder diese vielmehr eine eigenständige Kategorie bilden, hängt von der Bestimmung des Verhältnisses zwischen einfachgesetzlicher und verfassungsunmittelbarer Pflichtigkeit ab, die unter § 7 erörtert wird. 118 Statt vieler Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 2012, Teil I Rn. 197; Seewald, Kommunalrecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, Rn. 97; Schmidt, Kommunalrecht, 2011, Rn. 231. 119 Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, 11. Aufl. 2012, Teil I Rn. 199; Seewald, Kommunalrecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, Rn. 101; Schmidt, Kommunalrecht, 2011, Rn. 231. 120 Siehe dazu auch bereits oben § 3 B II. 1. c). 121 Vgl. dazu unten § 3 C. I.
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2. Monistisches Modell In den Gemeindeordnungen, die dem monistischen Modell folgen, sind die Gemeinden entweder bereits durch das Landesverfassungsrecht122 oder in den Kommunalgesetzen123 als umfassende Träger der Verwaltung auf lokaler Ebene installiert. Eine Untergliederung der Aufgaben in der Rechtsnatur nach eigene kommunale und übertragene staatliche findet grundsätzlich nicht statt. Wie aber später noch näher zu erläutern sein wird124, reicht der Umfang des verfassungsunmittelbaren Aufgabenzugriffsrechts der Gemeinden auch im monistischen Model nicht weiter. Vielmehr sind auch hier Aufgaben anerkannt, die a priori dem Land bzw. dem Bund zustehen und hinsichtlich derer nur eine positive Spezialzuweisung eine Aufgabenberechtigung der Gemeinden begründen kann. Der Aufgabenmonismus kennt ebenfalls (mindestens) drei unterschiedliche Typen gemeindlicher Aufgaben, die ihrer Rechtsfolge nach teilweise mit den Kategorien des dualistischen Modells übereinstimmen. a) Pflichtaufgaben Der Gesetzgeber kann auch im monistischen Modell die Gemeinde einfachgesetzlich zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe verpflichten. Tut er dies, ohne sich besondere Ingerenzrechte vorzubehalten, liegt eine sogenannte weisungsfreie Pflichtaufgabe vor125. Hinsichtlich der Rechtsfolge entspricht diese Kategorie der der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, bei denen nur noch die Modalität der Aufgabenerfüllung zur Disposition des Selbstverwaltungsträgers steht, die Aufgabenwahrnehmung an sich aber zwingend vorgeschrieben ist126. Ferner eröffnen die Gemeindeordnungen die Möglichkeit, den Gemeinden Aufgaben zuzuweisen, bei deren Erfüllung sie in stärkerem Maße staatlicher Einwirkung ausgesetzt sind. Diese Varian122 Art. 71 Abs. 2 Verf. B-W; Art. 97 Abs. 2 Bbg Verf.; Art. 137 Abs. 1 HessVerf.; Art. 78 Abs. 2 Verf. NRW; Art. 49 Abs. 1 Verf. R-P; Art. 84 Abs. 1 SächsVerf.; Art. 46 Abs. 1 Verf. S-H; auch Art. 57 Abs. 3 NdsVerf. und Art. 49 Abs. 1 Verf. R-P enthalten eine solche Generalzuweisung, trotzdem wird aber in diesen Ländern wegen der einfachrechtlichen Ausgestaltung von einer dualistischen Struktur ausgegangen. 123 Vgl. § 2 Abs. 1 GO B-W, § 3 Abs. 1 BbgGO; § 2 HessGO, § 2 GO NRW, § 2 Abs. 1 SächsGO; § 2 Abs. 1 GO S-H. 124 Siehe ausführlich unten § 5 B. II. 125 Bednarz, Demographischer Wandel und kommunale Selbstverwaltung, 2010, S. 45. 126 Gern, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, S. 164; Stober, Kommunalrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, S. 39; Gönnenwein, Gemeinderecht, 1963, S. 89; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 529.
C. Gemeindliche Pflichtaufgaben
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te, die überwiegend unter der Bezeichnung der Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung firmiert, ist in den einzelnen Ländern unterschiedlich ausgestaltet und ihre Einordnung sehr umstritten127. In beiden Kategorien ist eine gesetzliche Zuweisung der Aufgabe bereits vorhanden, so dass eine verfassungsrechtliche Pflichtigkeit keine neue, eigenständige Verpflichtung schafft. Von Interesse kann eine potentielle verfassungsunmittelbare Aufgabenwahrnehmungspflicht, wie bei den pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben im dualistischen Modell, aber bei der Frage der Zulässigkeit einer Verpflichtung durch den einfachen Gesetzgeber sein. b) Freie/freiwillige Aufgaben Ist hinsichtlich einer Aufgabe, die in den Kompetenzbereich der Gemeinden fällt, keine besondere Regelung getroffen, liegt eine freie oder freiwillige Aufgabe vor. Parallel zu den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben im monistischen Modell kommen der Gemeinde bei diesem Aufgabentyp grundsätzlich sowohl ein Entschließungs- als auch ein Gestaltungsermessen zu128. Die Begründung einer Selbstverwaltungspflicht in diesem Bereich würde folglich auch hier dazu führen, dass die wesensbestimmende Rechtsfolge dieses Aufgabentypus entscheidend umgestaltet wird. Auch im Rahmen des monistischen Modells wird folglich hier eine besondere Art der Pflichtaufgaben geschaffen, die sich nur schwer in die überkommene Aufgabentypologie einordnen lässt. In Bezug auf die durch Gesetz normierten Pflichtaufgaben ergibt sich die Charakterisierung gerade aus der jeweiligen gesetzlichen Regelung, die bei den verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben fehlt.
C. Gemeindliche Pflichtaufgaben als Regelungsgegenstand des Verfassungsrechts Als letzte einleitende Überlegung vor der eigentlichen Untersuchung der Ableitbarkeit einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit soll überblicksartig zusammengestellt werden, inwieweit die Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung bestimmter Aufgaben allgemein Regelungsgegenstand des 127 Röhl, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, 1. Kap., Rn. 64 m. w. N.; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, Rn. 541; das OVG NRW hat sie zunächst als „Zwischenform“ eingeordnet (vgl. etwa OVGE 13, 356 [359]), geht aber inzwischen wohl von einer größeren Nähe zu den Selbstverwaltungsaufgaben aus (vgl. in diesem Sinne OVGE 49, 17 [19]); dazu auch Bätge, Kommunalrecht Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 2011, Rn. 66. 128 Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 8 Rn. 12, 20.
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Verfassungsrechts ist. Hierbei soll zunächst die Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG für die eben dargestellte Möglichkeit einer einfachgesetzlichen Verpflichtung der Gemeinden zur Aufgabenwahrnehmung durch einfaches Gesetz erörtert werden und dann auf landesverfassungsrechtliche Sonderregelungen hingewiesen werden, die in dieser Konstellation greifen.
I. Bedeutung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG für die einfachgesetzliche Verpflichtung der Gemeinden Inwiefern Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Bedeutung für die einfachgesetzliche Normierung von Pflichtaufgaben entfaltet, ist deswegen für die vorliegende Untersuchung von Interesse, weil sich diese Erkenntnisse möglicherweise als Parallelwertungen auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben übertragen lassen. Ferner ergeben sich aus den Vorschriften, die die Möglichkeit der Normierung von Pflichtaufgaben durch Gesetz einschränken bzw. besondere Verpflichtungen des Gesetzgebers an den Tatbestand der Normierung einer Pflichtaufgabe knüpfen, verfassungsrechtliche Wertungsgesichtspunkte, die bei der Frage der Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben zu berücksichtigen sind. 1. Eingriffsqualität gesetzlicher Pflichtaufgaben Hinsichtlich der einfachgesetzlichen Kategorisierung von Aufgaben, insbesondere auch der Möglichkeit der Begründung von Pflichtaufgaben, enthält das Grundgesetz keine ausdrückliche Regelung. Den entstehungsgeschichtlichen Materialien nach zu urteilen, wollte der Verfassunggeber die Typisierung der kommunalen Aufgaben den Ländern überlassen129. a) Verständniswandel Inzwischen kann aber als anerkannt gelten, dass neben dem Entzug auch die Übertragung einer Aufgabe auf Gemeinden einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht darstellen kann130. Zu Recht wird darauf hingewiesen, 129 Vgl. Plenarprotokoll der 11. Sitzung 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 308 f. 130 So Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 44; Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 (237); Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Rn. 50, 77; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 231; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG,
C. Gemeindliche Pflichtaufgaben
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dass aufgrund der Entwicklung der tatsächlichen Umstände von der zusätzlichen Aufgabenbelastung ein weit größeres Gefährdungspotential für das Institut der kommunalen Selbstverwaltung ausgeht als von der sogenannten Hochzonung131, die zunächst im Fokus von Rechtsprechung und Wissenschaft stand und die die Dogmatik zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG so wesentlich geprägt hat. Nicht nur die Landes-, sondern auch der Bundesgesetzgeber hat umfassend von der Möglichkeit der Normierung einfachgesetzlicher Pflichtaufgaben Gebrauch gemacht132. Neben der Einschränkung der kommunalen Handlungsfreiheit an sich hat die extensive Inanspruchnahme dieser Möglichkeit der gesetzlichen Normierung von Aufgabenpflichten vor allem im Hinblick auf die Finanzierung zu Problemen und Konflikten geführt133. Bei der Begründung der Eingriffsqualität einer positiven Aufgabenzuweisung ist dabei zwischen den Angelegenheiten zu differenzieren, die den Gemeinden kraft Verfassungsrechts überantwortet sind, und den Angelegenheiten, die nach der grundgesetzlichen Funktionenordnung grundsätzlich in den Verantwortungsbereich von Land oder Bund fallen134. Das Grundgesetz Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 59 ff.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 18; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 120; Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 29; Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 46 ff.; bereits Petz, DÖV 1991, S. 320 ff. (hinsichtlich staatlicher, d.h. überörtlicher Aufgaben); Vorreiter in der Rechtsprechung war hier der VerfGH NRW DVBl. 1993, S. 197 (198); vgl. inzwischen auch BVerfGE 119, 331 (354); zurückhaltender noch BVerfGE 83, 363 (386); 103, 332 (359 ff.); BVerfG NVwZ 1987, S. 123; BVerfG LKV 1994, S. 145, hält die Pflicht, Kindergartenplätze bereitzustellen, als vor dem Hintergrund des Gemeinwohls als gerechtfertigt und nimmt so wohl implizit einen Eingriff an; allerdings lässt VerfGH Thür NVwZ-RR 1997, S. 665 (669) die Eingriffsqualität noch offen. 131 So etwa Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 803 (825). 132 Vgl. zur begrenzten Ermächtigung des Gesetzgebers direkt die Kommunen zu verpflichten BVerfGE 22, 180 (209 ff.); 77, 288 (301). 133 Dazu beispielsweise Korioth, NVwZ 2005, S. 503 (504). 134 Zu pauschal Geis, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2011, § 7 Rn. 21 f.; Rauber, der gemeindehaushalt 2011, S. 200 (200); insgesamt wird eine Differenzierung hier in der Regel nicht ausdrücklich vorgenommen, vgl. Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 231; Pieroth, in: Jarass/ Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 18; ausschließlich auf Staatsaufgaben bezieht sich Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 59, und bemerkt in Rn. 62 im Rahmen der Beurteilung von Altfällen in Bezug auf das bundesrechtliche Durgriffsverbot auf die Gemeinden, dass für die Verpflichung zur Erfüllung örtlicher Angelegenheiten andere Grundsätze gelten; zutreffend differenzieren Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, Rn. 29; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 120.
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geht von der Prämisse der Unterscheidbarkeit von eigenen und übertragenen Aufgaben aus. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiert unabhängig von der Terminologie lediglich die Aufgabensubstanz in Bezug auf die eigenen Angelegenheiten135. b) Entwicklung in Bezug auf die Übertragung staatlicher Aufgaben Die Frage der Eingriffsqualität einer Verpflichtung der Gemeinde zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben konzentrierte sich zunächst auf die Konstellation der Zuweisung von Auftragsangelegenheiten im Sinne des dualistischen Modells136. Begründungsbedürftig ist die Qualifizierung der Übertragung einer eigentlich staatlichen Aufgabe als Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie deswegen, weil die Übertragung einer nicht bereits von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umfassten Aufgabe zumindest formell das Betätigungsfeld der Gemeinde erweitert und so scheinbar nicht unmittelbar mit der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie in Konflikt gerät137. Zur Begründung der Beeinträchtigung durch Zuweisung staatlicher Aufgaben wird teilweise vertreten, dass die Institution Selbstverwaltung als besonderer Verwaltungstypus „denatuiert“138 wird, wenn das Verhältnis zwischen Auftrags- und Selbstverwaltungsangelegenheiten deutlich zu Lasten der letzteren ausfällt139. In die gleiche Richtung geht die positive Forderung, dass die grundsätzlich zulässige Einbindung der Gemeinden in die staatliche Aufgabenerfüllung deren „verfassungsrechtlichen Grundauftrag“, der in ihrer dezentralisierenden und bürgerschaftsaktivierenden Funktion liegt, „nie verschütten“ dürfe140. Die Eingriffsqualität einer Zuweisung von Aufgaben, die nicht bereits verfassungsrechtlich den Gemeinden überantwortet sind, lässt sich aber zudem mit einer für eine Verletzung des Art. 28 135
Vgl. dazu oben § 3 A. III. Hierzu bereits Petz, DÖV 1991, S. 320 ff. 137 Vgl. schon Pünder, Die deutschen Gemeinden, 1948, S. 93, nach dem die Auftragsangelegenheiten aufgrund des Verzichts der Errichtung staatlicher Sonderbehörden als Aktivum zu verbuchen sind; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 60; Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 49; Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 127 m. w. N. 138 Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 44, 111; zur Gefahr der Denaturierung bereits Pünder, Die deutschen Gemeinden, 1948, S. 93. 139 Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 111; noch weitergehend Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 47, wonach die Selbstverwaltungsaufgaben überwiegen müssten. 140 Schmidt-Jortzig, DVBl. 2007, S. 96 (98, 100). 136
C. Gemeindliche Pflichtaufgaben
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Abs. 2 S. 1 GG ausreichenden141 mittelbaren Beeinträchtigung142 begründen. Durch die Übertragung von überörtlichen Aufgaben werden personelle und finanzielle Kapazitäten gebunden, die für die Wahrnehmung von Selbstverwaltungsaufgaben in der Folge nicht mehr zur Verfügung stehen143. Dieser Umstand berührt nicht nur ihre Finanzhoheit144, sondern wirkt sich im Ergebnis auch auf den Aufgabenbestand der Gemeinden aus. Fehlende Mittel führen dazu, dass die Gemeinden ihre eigenen, örtlichen Aufgaben, die unmittelbar von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützt sind, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt wahrnehmen können145. Folglich kann eine ausgleichslose Aufgabenübertragung faktisch-mittelbar die Wirkung eines Entzugs von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft haben146. Daneben sind häufig reflexartig auch die Personal-, Organisationshoheit und weitere Elemente der von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geschützten Eigenverantwortlichkeit betroffen147.
141
Zur Begründung vgl. Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 (242) m. w. N.; noch gegen eine Anerkennung der mittelbaren Beeinträchtigungen als Eingriff in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, vgl. BVerfG NVwZ 1987, 123. 142 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 120; Schoch/ Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 111 f.; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 55; Henneke, ZG 10 (1994), S. 212 (236); Schmidt-Aßmann, in: Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Badura/ Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 825; Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 (242); nach Hufen, DÖV 1995, S. 276 (277), soll bei chronischem Defizit die Aufgabenübertragung sogar einen unmittelbaren Eingriff darstellen. 143 Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 231; Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 (237 f.); Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 49; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 121; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 111; Hufen, DÖV 1995, S. 276 (276 f.). 144 Isensee, DVBl. 1995, S. 1 (8); Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 50. 145 Schmidt-Jortzig, DVBl. 2007, S. 96 (97), geht sogar davon aus, dass tatsächlich die selbstverantwortlichen Aktivitäten, sofern diese finanziell aufwendig sind, gegen Null tendieren. 146 Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 44; Hufen, DÖV 1995, S. 276 (280). 147 Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 112; Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 50.
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
c) Pflichtigmachung eigener Angelegenheiten Die Begründung von pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben, die bereits kraft Verfassungsrechts den Gemeinden zugeordnet sind, ist dagegen abweichend zur Übertragung von staatlichen Aufgaben zu beurteilen. Insbesondere die Grenze der Denaturierung der Selbstverwaltungsträger zu Vollzugsorganen staatlicher Aufgabenpflichten kann von vornherein nur bei Auftragsangelegenheiten Anwendung finden. Dennoch sind teilweise die Argumente, die die Eingriffsqualität der Zuweisung staatlicher Aufgaben begründen, auch auf den Tatbestand der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben übertragbar148. Eine Bindung finanzieller und personeller Mittel ergibt sich gleichermaßen, wenn der Gemeinde die Verpflichtung zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auferlegt wird149. Diese fehlen für die Aufgaben, bezüglich derer den Gemeinden tatsächlich ein echtes Entschließungsermessen zusteht. Gerade durch das Recht, neben der Art der Aufgabenerledigung auch über das „Ob“ der Aufgabenwahrnehmung entscheiden zu können, kann die Gemeinde in besonderem Maße ihre eigenständige Gestaltungskraft verwirklichen150. Der Rekurs auf die mittelbaren Wirkungen der Aufgabenübertragung ist aber bei der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben durch den Gesetzgeber gar nicht zwingend erforderlich, da ein Eingriff hier bereits in unmittelbarer Form vorliegt151. Das Recht zur eigenverantwortlichen 148 Die Pflichtigmachung von eigenen Aufgaben beziehen ein Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Rn. 77; Hufen, DÖV 1995, S. 276 (267 f.); Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, Rn. 29 f.; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 120, weist insbesondere auf den Fall der „Falschausflaggung“ einer Auftragsangelegenheit als Selbstverwaltungsangelegenheit hin, sieht die Eingriffsqualität der gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung einer Selbstverwaltungsaufgabe aber ausdrücklich nicht auf diese Fallgruppe der unechten bzw. bloß formellen Selbstverwaltungsaufgaben beschränkt; vgl. zur Problematik des Formenmissbrauchs bei der Aufgabenübertragung ausführlich Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 ff. 149 Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 111; Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 120; Henneke, ZG 10 (1994), S. 212 (235); in diesem Sinne wohl auch BVerfGE 83, 363 (383), wenn es das Gesetz, das den Gemeinden „die Vorhaltung eigener Krankenhäuser zur Pflicht“ macht, als gerechtfertigt ansieht, weil „zwingende Gründe es allgemeinen Wohls“ für den „Verlust des kommunalen Entschließungsermessens“ sprächen; VerfGH NRW, DVBl. 1993, 197 (198), lässt offen, ob es sich bei der Aufgabe um eine örtliche oder eine überörtliche Angelegenheit handelt. 150 Die eigenständige Prioritätensetzung der demokratisch legitimierten Organe ist nach Hufen, DÖV 1995, S. 276 (278 f.), gerade ein essentielles Element der Eigenverantwortlichkeit als Teil der Selbstverwaltungsgarantie.
C. Gemeindliche Pflichtaufgaben
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Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beinhaltet – wie noch näher auszuführen sein wird – grundsätzlich neben einem Freiraum für die Art und Weise der Erledigung der von ihr wahrgenommenen Aufgaben auch eine Kompetenz zur Bestimmung, ob eine konkrete Einzelaufgabe überhaupt wahrgenommen werden soll. Die Selbstverwaltungsgarantie überlässt danach grundsätzlich der Gemeinde neben dem Ausführungsermessen auch das Entschließungsermessen. Dieses wird durch die Pflichtigmachung der Aufgaben den Selbstverwaltungsträgern entzogen152. Somit entfaltet die einfachgesetzliche Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben nicht nur faktisch-mittelbare Wirkungen, wie die Übertragung von Auftragsangelegenheiten, sondern stellt einen klassischen, direkten und finalen Eingriff153 in die Selbstverwaltungsgarantie dar.
2. Materielle Rechtfertigungsanforderungen Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an die Rechtfertigung wird sowohl in Bezug auf die Übertragung staatlicher Aufgaben als auch in Bezug auf die Pflichtigmachung von eigenen Aufgaben teilweise auf die Kriterien verwiesen, die für den Aufgabenentzug entwickelt wurden154. In Bezug auf den Kernbereich bedeutet dies, Personal- und Finanzmittel dürfen nicht derart gebunden werden, dass ein Gestaltungsspielraum für freiwillige Aufgaben nicht mehr hinreichend besteht155. Auch nach Abzug der Ressourcen für die pflichtigen Aufgaben muss den Gemeinden noch eine finanzielle Grundlage bestehen bleiben, die es ermöglicht, in substantiellem Maße frei gewählte Aufgaben eigenverantwortlich wahrnehmen zu können156. Die Zuweisung einer Pflichtaufgabe zwingt zur Erfüllung dieser 151
In diesem Sinne wohl auch Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 120, der lediglich bei der Übertragung von staatlichen Aufgaben von mittelbarer Beeinträchtigung spricht. 152 Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 (239), Hartmann/Meßmann, JuS 2006, S. 246 (248). 153 So bereits Schmidt-Aßmann, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 824, der allerdings nicht zwischen pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und Fremdverwaltungsaufgaben trennt. 154 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 120; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 231. 155 Schmidt-Jortzig, DVBl. 2007, S. 96 (97). 156 Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 114; zustimmend Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 49, wonach „ein bestimmtes Minimum“ „an eigenverantwortlich verwendbaren Finanzmitteln nicht“
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
Aufgabe und steht somit bei Fehlen eines entsprechenden Ausgleichs der Wirkung nach einer Entziehung von Finanzmitteln gleich157. Die Zulässigkeit einer Aufgabenverpflichtung ist hinsichtlich dieses Erfordernisses somit über die Variable der Finanzierung, insbesondere durch eine Kostendeckung bzw. einen Ausgleich der Mehrbelastung durch den Gesetzgeber steuerbar158. Im Randbereich soll ebenfalls das sogenannte materielle Aufgabenverteilungsprinzip gelten159, nach dem vom Vorrang der gemeindlichen Aufgabenerfüllung für örtliche Angelegenheiten nur bei einer Rechtfertigung durch überwiegende Gemeinwohlgründe abgewichen werden darf160. Dieses Kriterium ist aber nur bei der Übertragung von Fremdverwaltungsaufgaben sinnvoll, die hier gerade nicht von Interesse sind. Bei der Pflichtigmachung von Angelegenheiten, die bereits kraft Verfassung den Gemeinden überlassen sind, liegt dagegen gar keine Ausnahme vom Aufgabenverteilungsprinzip vor161. Der Eingriff besteht hier nicht darin, dass den Gemeinden eine verfassungsrechtlich fremde Aufgabe zugewiesen wird, sondern darin, dass ihnen eine in ihren verfassungsrechtlich garantierten Bereich fallende Aufgabe zur Pflicht gemacht wird. Deshalb ist zu fragen, ob das Entschließungsermessen der Gemeinden zurücktreten muss, um die ordnungsgemäße Erfüllung einer bestimmten Aufgabe sicherzustellen162. Das Erfordernis eiunterschritten werden dürfte; in diesem Sinne auch Hufen, DÖV 1995, S. 276 (278 f.). 157 Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 44; Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 49. 158 In diesem Sinne wohl auch VerfGH Sachsen, Urteil vom 29.05.2009, Az.: Vf. 79 II 08, nach dem die Übertragung staatlicher Aufgaben auf die Träger der Selbstverwaltung keine Beeiträchtigung der Selbstverwaltungsgarantie sei, weil das strikte Konnexiätsprinzip eine „Schmälerung orginärer Selbstverwaltungsangelegenheiten“ nicht befürchten lässt; ähnlich VGH München NVwZ 2004, S. 1382 (1383). 159 VerfGH NRW DVBl. 1993, S. 197 (199); Petz, DÖV 1991, S. 320 (326); Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 113; Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 43, für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung Hartmann/Meßmann, JuS 2006, S. 246 (248 f.); zum Aufgabenverteilungsprinzip in Bezug auf die Eingriffssituation grundlegend BVerfGE 79, 127 (150), dazu oben § 3 B. I. 160 Petz, DÖV 1991, S. 320 (326), in Bezug auf die Übertragung von Auftragsangelegenheiten; allgemein dazu BVerfGE 79, 127 (150), 83, 363 (382); Knemeyer/ Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (342). 161 Nicht differenzierend hier Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 114. 162 VerfG NRW DVBl. 1993, S. 197 (198); auch Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 824, fordert unabhängig von der Frage der Finanzierung einen „gewichtigen Gemeinwohlgrund“; ähnlich im Ergebnis
C. Gemeindliche Pflichtaufgaben
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ner Rechtfertigung der Pflichtigmachung bedeutet nicht, dass die Entscheidung des Gesetzgebers uneingeschränkt justiziabel ist. Dem Gesetzgeber muss ein gewisser Einschätzungsspielraum und die Möglichkeit der Typisierung zugestanden werden163. Die Verfassungsgerichte können insofern lediglich überprüfen, ob die Abwägung zwischen kommunalem Autonomieanspruch und den materiellen Wertungen, die für die Erforderlichkeit der Erfüllung dieser Aufgabe sprechen, vertretbar ist. 3. Verbot der bundesgesetzlichen Aufgabenübertragung an die Gemeinden Im Zusammenhang der Darstellung verfassungsrechtlicher Regelungen, die die Verpflichtung der kommunalen Selbstverwaltungsträger zum Gegenstand haben, ist auch auf das im Rahmen der Föderalismusreform I eingefügte sogenannte Durchgriffsverbot164 vom Bund auf die Gemeinden gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG bzw. Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG hinzuweisen. Dieses schließt eine direkte gesetzliche Übertragung von Aufgaben vom Bund auf die Gemeinden ausnahmslos aus und steht folglich auch der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entgegen, die unter gewissen Voraussetzungen als sogenannte Annexkompetenz einen direkten Durchgriff auf die Gemeinden in Form einer Verpflichtung zur Erfüllung bundesrechtlich veranlasster Aufgaben für zulässig erachtet hatte165. Das Abschneiden dieser Möglichkeit zur unmittelbaren bundesrechtlichen Übertragung von Aufgaben an die Gemeinden soll insbesondere eine Lücke im System der Finanzierung gesetzlicher Pflichtaufgaben schließen, die daraus resultiert, dass die landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen166 bei einer Aufgabenübertragung durch Bundesrecht nicht greifen. Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 114, wonach die Aufgabenzuweisung auf sachliche Gründe gestützt und an einer ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgabe orientiert sein muss; so auch Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 60; in diesem Sinne auch Krämer, Die bürgerschaftliche Selbstverwaltung unter den Notwendigkeiten des egalitären Rechtsstaates, 1970, S. 67, der den Gesetzgeber zu einer „Konkordanzstiftung“ zwischen kommunaler Autonomie und materiellen Verfassungswertungen verpflichtet ansieht. 163 Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 60; beispielhaft einige Indikatoren nennt Welti, KommJur 2006, S. 240 (244); Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 114; davon geht wohl auch das BVerfGE 83, 363 (383) in seiner Subsumtion bezüglich der Aufgabenübertragung an die kreisfreien Städte aus. 164 Trute, in: Starck (Hrsg.), Föderalismusreform, 2007, Rn. 174. 165 BVerfGE 22, 180 (209 ff.) zur Sozialhilfe; 77, 288 (301) zur Jugendhilfe. 166 Siehe dazu ausführlich § 7 A. II. 2.
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§ 3 Verfassungsrechtliche Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
II. Regelungen in den Landesverfassungen Anders als auf grundgesetzlicher Ebene ist der Tatbestand der Verpflichtung zur Erledigung einer bestimmten Aufgabe landesverfassungsrechtlich zumindest implizit geregelt. Alle Landesverfassungen sehen ausdrücklich Ermächtigungen an den Gesetzgeber vor, die Gemeinden einfachgesetzlich zu verpflichten, bestimmte Aufgaben zu erfüllen, oder setzen diese Ermächtigung zumindest konkludent voraus167. Ferner sind auf Landesebene inzwischen flächendeckend Regelungen erlassen worden, die eine Pflicht des Landes vorsehen, bei einer einfachgesetzlichen Aufgabenübertragung an die Gemeinden einen finanzkraftunabhängigen Sonderausgleich zu schaffen. Auch diese sogenannten Konnexitätsregelungen sind für die Beurteilung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit im Folgenden noch näherer in den Blick zu nehmen168.
167 168
Siehe unter § 7 A. I. Siehe dazu ausführlich § 7 A. II. 2.
§ 4 Pflichtmoment des grundgesetzlichen Selbstverwaltungsrechts Einen ersten potentiellen Anknüpfungspunkt für eine verfassungsrechtliche Pflichtigkeit der Gemeinden stellt die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG dar. Der Gedanke eines verpflichtenden Moments des Rechts auf Selbstverwaltung findet sich in unterschiedlicher Ausprägung schon seit längerer Zeit in der Literatur1. In den Fokus des Interesses ist die Richtigkeit und die Konkretisierbarkeit dieser These aber durch die in der Einleitung geschilderte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Offenbacher Weihnachtsmarkt gerückt, die in ihren Aussagen zum Regelungsinhalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in vielfacher Hinsicht über das hinausgeht, was bisher als gesicherte Dogmatik gelten konnte2 und die damit auf erheblichen Widerspruch gestoßen ist3. Nachdem zunächst auf die besondere Umgehungsgefahr der Verortung des Pflichtelements in der Selbstverwaltungsgarantie selbst hingewiesen wird, soll Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Folgenden nach den klassischen Interpretationsmethoden auf seinen Pflichtgehalt untersucht werden.
1 So schon Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 92; bezugnehmend auf Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. VI 2, 1962, S. 710; v. Mutius, JuS 1976, S. 652 (657); aus neuerer Zeit ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen Tomerius/Breitkreuz, DVBl. 2003, S. 426 ff.; vgl. auch bereits § 1 (mit. Fn. 8 ff.). 2 Deutlich Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 17 Rn. 85, der dem Senat eine Ignoranz der Selbstverwaltungs- und Privatisierungsdogmatik vorwirft. 3 Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 ff.; Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 ff.; Ehlers, DVBl. 2009, S. 1456 ff.; vorsichtig zustimmend anscheinend Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 48, der im Vergleich zu den Vorauflagen einen Passus eingefügt hat, in dem er darauf hinweist, dass die Frage einer Obliegenheit der Gemeinde zur Wahrung ihres Aufgabenbestands strittig sei und in Fn. 194 ausführt, dass unter Umständen aus Art. 28 II 1 GG ein Privatisierungsverbot folgen könnte.
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§ 4 Pflichtmoment des grundgesetzlichen Selbstverwaltungsrechts
A. Umgehungspotential einer immanenten Pflichtigkeit Die Wahl des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Anknüpfungspunkt der Begründung einer Pflichtigkeit der Gemeinden stellt gewissermaßen einen dogmatischen Kunstgriff dar. Sieht man die Verpflichtung nämlich als ein der Selbstverwaltung a priori innewohnendes Moment an, greift die Schrankenregelung für die Beschränkbarkeit des Selbstverwaltungsrechts, die sich aus der Norm selbst ergibt, nicht unmittelbar. Die Gewährleistung „im Rahmen der Gesetze“ unterstellt Eingriffe in die den Gemeinden verfassungsrechtlich gewährleistete Rechtsposition grundsätzlich dem Vorbehalt des Gesetzes4, das zudem materiellen Rechtfertigungsanforderungen genügen muss5. Durch die Behauptung, die Pflichtigkeit sei Element des Selbstverwaltungsrechts, wird die verfassungsrechtliche geschützte Rechtsposition schon durch diese mitbestimmt, sie ist also von vornherein mit dem Makel der Pflichtigkeit behaftet. Auf diese Weise wird ein ähnliches Ergebnis erzielt6, wie durch die Verengung des Schutzbereiches bei den Grundrechten, die zu einer Einschränkung des Gewährleistungsbereiches führt7. Die Abwägung von Autonomieanspruch und Einbindung in die staatliche Pflichtenstellung auf Rechtfertigungsebene wird durch Vorverlagerung auf die tatbestandliche Ebene bereits einseitig in eine Richtung vorgeprägt. Vor diesem Hintergrund bedarf die Anerkennung der Pflichtigkeit aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG einer besonders tragfähigen Begründung.
4 Kritisch zu diesem Begriff Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 187; so aber ausdrücklich BVerfGE 79, 127 (143); zurückhaltender, den Begriff noch vermeidend in BVerfGE 56, 289 (312). 5 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 118; Löwer, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 60; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 49 f.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 20. 6 Ähnlich Klement, Verantwortung, 2006, S. 463, der die Ableitung von Pflichten eine „Abwägung zur Bestimmung des Schutzbereichs“ nennt; diese Tatsache positiv bewertet dagegen Faber, in: Stein/Denninger/Hoffmann-Riem (Hrsg.), AK-GG, Art. 28 Rn. 43; zum grundsätzlichen Freiraum auch Vogelgesang, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), GG, Bd. 2, Art. 28 Rn. 116. 7 Vgl. zur grundrechtlichen Problematik Kahl, Der Staat 43 (2004), S. 167 ff.; diese Tendenz befürwortend Hoffmann-Riem, Der Staat 43 (2004), S. 203 ff.; Böckenförde, Der Staat 42 (2003), S. 165 ff.; im Ergebnis ebenso Möllers, NJW 2005, S. 1973 ff.; Volkmann, JZ 2005, S. 261 ff.; ablehnend hinsichtlich der Beschränkung auf erlaubte Tätigkeiten bei Art. 12 GG Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 12 Rn. 48 ff. m. w. N.; Suerbaum, NJW 2000, S. 849 ff.
B. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG
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B. Grammatikalisch-historische Interpretation des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG I. Berechtigung zur Regelung örtlicher Angelegenheiten Die grammatikalische Auslegung spricht grundsätzlich gegen die Begründung einer Pflichtigkeit aus der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, weil dieser dem Wortlaut nach ein subjektives Recht formuliert8. Mit der Formulierung „Die Gemeinden haben das Recht . . .“ wird gerade der Gegenbegriff zu Pflicht verwandt und so eine Rechtskreiserweiterung bzw. Rechtskreissicherung der Gemeinden impliziert9. Das Selbstverwaltungsrecht als normative Grundlage für die Begründung einer Pflichtenstellung heranzuziehen kommt drastisch ausgedrückt einer „Pervertierung“10 dieser Berechtigungsnorm gleich. 1. Grundsätzliche Disponibilität subjektiver Rechte Der Berechtigte kann auf die Ausübung einer ihm eingeräumten Rechtsposition regelmäßig verzichten. So eröffnen nicht nur (zivilrechtliche) Ansprüche die Möglichkeit, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu fordern, ohne dass diese zwingend realisiert werden müssten. Auch hinsichtlich der Freiheitsgrundrechte als Prototyp der subjektiven Rechte im Bereich des öffentlichen Rechts ist im Grundsatz anerkannt, dass es der Entscheidung des Rechtsinhabers obliegt, ob er von diesen Gebrauch ma8 In diesem Sinne Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (84); etwas zurückhaltender, aber auch den subjektiv-rechtlichen Charakter betonend Battis/Kersten, LKV 2006, S. 442 (445); Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1534); kritisch auch Klement, Verantwortung, 2006, S. 462, 466; Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 38, hält bereits deswegen scheinbar eine Pflichtigkeit für ausgeschlossen; in diesem Sinne auch Butzer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 74 Rn. 48; schon Masson, BayVBl. 1958, S. 197 (199), geht davon aus, dass bereits aus dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folgt, dass den Gemeinden nur Befugnisse zugewiesen, nicht aber Pflichten auferlegt sind. 9 Vgl. Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1534 f.); Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (83); so auch Brosius-Gersdorf, AöR 130 (2005), S. 392 (S. 421); v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1992, S. 190. 10 Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (84); etwas zurückhaltender Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1534), der davon spricht, dass die Selbstverwaltungsgarantie „auf den Kopf gestellt wird“; diese Formulierung übernehmend Müller, der gemeindehaushalt, 2010, S. 268 (268); kritisch zu der Verwandlung des Selbstverwaltungsrechts in eine Selbstverwaltungspflicht auch Battis/Kersten, LKV 2006, S. 442 (445).
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chen will oder nicht11. Den Grundrechten verleiht die Anerkennung einer negativen Freiheit somit Angebotscharakter12. Die Disponibilität hat in Bezug auf die Grundrechte eine besondere freiheitssichernde Funktion. Eine Pflicht zur Wahrnehmung der Grundrechtsgewährleistungen käme einer staatlichen Oktroyierung eines „objektiv-materialen Freiheitsbegriffs“ gleich und wäre so mit deren Telos einer individuellen Freiheitssicherung nicht vereinbar13. Diese Überlegungen sind partiell auch auf die ebenfalls subjektiv-rechtlich konzipierte Selbstverwaltungsgarantie übertragbar. Eine Pflicht zur Wahrnehmung der durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleisteten Rechtsposition konterkariert partiell die positive Funktion des Selbstverwaltungsrechts, wenn den Gemeinden dadurch heteronom ein Rahmenprogramm auferlegt wird, das im Ergebnis deren Gestaltungsfreiheit verkürzt. 2. Generalklauselartige Abgrenzung des gemeindlichen Kompetenzbereichs Ferner hat das Grundgesetz, wie in den Vorüberlegungen bereits dargestellt14, gerade nicht das Modell einer Kompetenzverteilung in Form einer enumerativen Aufzählung gemeindlicher Aufgaben gewählt, sondern überlässt den Gemeinden einen abstrakt mit dem Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umschriebenen Kompetenzbereich. Dass der Verfassunggeber selbst nicht materielle Aufgaben im Verfassungstext konkretisiert, sondern es bei einer „Umgrenzung“15 des gemeindlichen Aufgabenbereichs belassen hat, spricht gegen einen aufgabenrechtlichen Pflichtgehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG. Vielmehr legt die generalklauselartige Definition des gemeindlichen Aufgabenbereichs bereits grammatikalisch16 11
Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 87, 130; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 43, 54, zum Selbstbestimmungsrecht bzw. zum Ausübungsverzicht; vgl. auch Quaritsch, Der Verzicht im Verwaltungsrecht und auf die Grundrechte, in: Selmer/v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, 1987, S. 407 ff. 12 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 87; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 288; ders., Bedeutung der Grundrechte, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), HdbVerfR, 2. Aufl. 1995, § 5 Rn. 16. 13 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 87, 130. 14 Vgl. § 3 A. III. 1. 15 Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 60; siehe zu den Hintergründen bereits oben § 3 A. II. 1. 16 Bestätigt wird dieses Wortlautargument durch die funktionell-teleologische Interpretation von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG; vgl. zum Aufgabenauswahlrecht als zwin-
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ein Auswahlrecht der Gemeinde hinsichtlich der Angelegenheiten nahe, für die in der konkreten örtlichen Gemeinschaft ein Bedürfnis besteht17.
II. Einschränkungen der Disposivität des Selbstverwaltungsrechts Die uneingeschränkte Übertragung der Bewertung der negativen Komponente, wie sie für die Grundrechte anerkannt ist, auf die Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts im Sinne einer weitgehenden Freiheit der Gemeinden, von der subjektiven Berechtigung nicht Gebrauch zu machen, scheidet allerdings aus, da die Selbstverwaltungsgarantie des Grundgesetzes nicht (ausschließlich) den Schutz der individuellen bzw. kollektiven Freiheitsausübung intendiert. Wie einleitend dargestellt, ist das Verständnis einer Gemeindefreiheit als originäres Freiheitsrecht mit geltendem Verfassungsrecht nicht vereinbar18. Ferner ist zu bedenken, dass trotz des Bestehens eines Zusammenhangs von Subjektivrechtlichkeit und Dispositionsbefugnis deren Verknüpfung im Allgemeinen nicht uneingeschränkt konditional ist, sondern gewissen Grenzen unterliegt. Aufgrund der gesteigerten Bedeutung des objektiv-rechtlichen Gehalts des Selbstverwaltungsrechts, der in seiner Charakterisierung als institutionelle Garantie zum Ausdruck kommt, gelten für eine Dispositionsbefugnis der Gemeinden strengere Maßstäbe als für klassische subjektive Rechte. 1. Allgemeine Grenzen Die freie Entscheidungsbefugnis des Rechtsinhabers über die Wahrnehmung eines subjektiven Rechts stößt dort an Grenzen, wo die subjektivrechtliche Berechtigung zugleich Ausdruck einer objektiv-rechtlichen Wertentscheidung des Verfassunggebers ist. Diese Einschränkung gilt nach überwiegender Ansicht sogar für die Freiheitsgrundrechte als genuin subjektive Rechte19. Zuzugeben ist, dass Restriktionen für die Verfügungsbefugnis des Grundrechtsinhabers primär bezogender Funktionsbedingung der kommunalen Selbstverwaltung unten § 4 C. II. 2. b) bb). 17 In diesem Sinne wohl auch Peter, Rechtliche Grenzen der kommunalen Wirtschaftstätigkeit durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 106, der von „potentiellen Selbstverwaltungsaufgaben“ spricht. 18 Siehe dazu oben § 3 A. II. 19 Vgl. weitgehend zur Beschränkung der Verfügbarkeit über die Grundrechte durch den Einzelnen als Teil der Gemeinschaft BVerwGE 14, 21 (25).
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§ 4 Pflichtmoment des grundgesetzlichen Selbstverwaltungsrechts
gen auf die Fälle des präventiv-bindenden und inhaltlich weitreichenden Verzichts herausgearbeitet wurden. Mit der Konstellation des Grundrechtsverzichts in diesem engeren Sinne20 wäre höchstens die vollständige Einstellung der Tätigkeit durch die gemeindlichen Repräsentativorgane – etwa durch Selbstauflösung – vergleichbar. Die Entledigung bzw. Nichtwahrnehmung einer bestimmten Aufgabe kommt eher der Alternative des bloßen Nichtgebrauchs21 bzw. des situativen Ausübungsverzichtes22 nahe, die geringeren Bedenken ausgesetzt ist23. Allerdings sind dem Grunde nach die Überlegungen zur Begrenzung der subjektiven Verfügungsbefugnis durch objektive Wertgehalte auch auf diese schwächere Form des Grundrechtsverzichts übertragbar. Die Grenzen der negativen Grundrechtsfreiheit bzw. der Ausübungsfreiheit grundrechtlicher Gewährleistungen müssen für die zu untersuchende Fragestellung aber auch nicht abschließend bewertet werden, da das kommunale Selbstverwaltungsrecht, wie bereits mehrfach klargestellt, kein Grundrecht darstellt24. Allerdings lässt sich eine Parallelwertung dergestalt ableiten, dass, wenn bereits bei den Grundrechten als dem klassischen Fall des subjektiven Rechts Einschränkungen der negativen Freiheit – d.h. der Dispositionsbefugnis des Rechtsinhabers – anerkannt werden, dies erst recht für das stärker objektiv-rechtlich geprägte Selbstverwaltungsrecht gelten muss. 2. Gesteigerter objektiv-rechtlicher Gehalt Die Integration der Gemeinden in die Staatsgewalt bedeutet nicht nur eine Zurückdrängung des freiheitlichen Aspekts der Selbstverwaltung, sondern kann gleichzeitig als stärkere Akzentuierung der objektiven, staatsorganisatorischen Funktion verstanden werden. Die Ausübung des Selbstverwaltungsrechts ist – wie zutreffend angemerkt wird – keine Ausübung eines natürlichen Freiheitsrechts, sondern die Ausübung einer verfassungs20 Zur Begrifflichkeit Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 52; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 130. 21 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 130. 22 Vgl. zu dieser weiteren Differenzierung Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 54. 23 Zur Zulässigkeit des Nichtgebrauchs als „bestimmte Form der Freiheitsausübung“ und die abweichenden Voraussetzungen für die Beurteilung des Grundrechtsverzichts Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Vorb. Rn. 130 f.; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 52 ff., 43. 24 BVerfGE 8, 256 (259); Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 67 ff.; Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre BVerfG, Bd. 2, 2001, S. 804 (807 f.); vgl. dazu bereits § 1 (mit Fn. 8 ff.), § 3 A. II. 1.
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rechtlich zugewiesenen Kompetenz25. Vertretbar scheint vor dem Hintergrund der Charakterisierung der institutionellen Garantie als „etwas Dienendes“26, dass die Subjektivierung des Selbstverwaltungsrechts als bloßes Mittel zu einer effektiven Durchsetzung der objektiven Wertentscheidung des Verfassunggebers gegenüber Maßnahmen der konstituierten Gewalten dient. Jedenfalls dominiert die subjektiv-rechtliche Dimension nicht in gleichem Maße wie bei den Grundrechten27. Mit diesen Überlegungen kann eine Pflichtigkeit aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht positiv begründet werden. Insbesondere ergibt sich aus der Einschränkung der Dispositionsbefugnis nicht automatisch gleichzeitig eine aktive Handlungspflicht. Aus den dargestellen Grundsätzen wird allerdings deutlich, dass die subjektiv-rechtliche Formulierung nicht zwingend eine grenzenlose Verfügungsbefugnis der Gemeinden über bzw. ein uneingeschränktes Recht des „Nichtgebrauchmachens“ von ihrem Selbstverwaltungsrecht zur Folge hat. Vor diesem Hintergrund schließt der Wortlaut ein Pflichtmoment nicht von vornherein aus.
III. Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund Ein zu berücksichtigender Aspekt für die Gewichtung der grammatikalischen Auslegung sind ferner die entstehungsgeschichtlichen Bedingungen. Wie bereits geschildert, hat sich die Erkenntnis, dass auch die Übertragung zusätzlicher Aufgaben zumindest mittelbar geeignet ist, das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden negativ zu beeinträchtigen, erst in den neunziger Jahren in Literatur und Rechtsprechung durchgesetzt28. Der Tatbestand der Aufgabenverpflichtung war bei Erlass des Grundgesetzes allenfalls im Hinblick auf den finanziellen Aspekt als problemträchtig erkannt29. Noch weni25 Katz, NVwZ 2010, S. 405 (406); Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BKGG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 92; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 52 ff.; Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (625); andeutungsweise auch Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, S. 227. 26 Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 170 f., vgl. dazu bereits oben Fn. 26. 27 Dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zumindest auch eine subjektiv-rechtliche Funktion zukommt, ist unumstritten, vgl. dazu statt vieler Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1975, S. 59 m. w. N. 28 Siehe dazu ausführlich oben § 3 C. I. 1. 29 Vgl. Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 60 ff.; zudem äußert der Abgeordnete Renner Bedenken hinsichtlich der Beeinträchtigung der Eigenverantwortlichkeit (S. 61), ohne aber die Aufgabenübertragung als solche in Frage zu stellen.
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ger war das Bewusstsein vorhanden, dass von den Gemeinden selbst eine Gefahr für das Institut der Selbstverwaltung ausgehen könnte. Der Verfassunggeber hat in der Nachkriegszeit eine rege Tätigkeit der Gemeinden vorgefunden, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge30, während das Phänomen autonomer Aufgabenentledigung etwa in Form der materiellen Privatisierung durch die Gemeinden dagegen weitgehend unbekannt war31. Folglich drängte sich die Notwendigkeit einer ausdrücklichen Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung des ihnen verfassungsrechtlich gewährten Aufgabenbereichs nicht auf32. Hauptintention für die Aufnahme einer Garantie des Rechts zur eigenverantwortlichen Regelung der örtlichen Angelegenheiten war, die Selbstverwaltung vor einer erneuten Negation, wie sie sie durch die Zentralisierungsbestrebungen der nationalsozialistischen Herrschaft erfahren hatte, zu schützen33. Das Gefahrenpotential, das es einzudämmen galt, lag folglich in der Bedrohung durch kompetenzbeschränkende Eingriffe seitens des Bundes und der Länder, gegen die Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG den Gemeinden eine wehrfähige Rechtsposition gewähren sollte. 30 Pünder, Die deutschen Gemeinden, 1948, S. 22 f.; auch v. Mutius, in: ders./ Wuttke/Hübner (Hrsg.), Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 17; ders., in: Schmalz/Ewer/v. Mutius/Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Kommunalrecht, Rn. 57; führt an, dass der Verfassunggeber die kommunale Selbstverwaltung bereits als funktionsfähige Einrichtung vorgefunden hat und diese als solche erhalten wollte. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Aussagen des Abgeordneten Schmid, der konstatiert, dass „Grundsatz der Selbstverwaltung ist, daß die Gemeinden alle auf ihrem Territorium anfallenden Aufgaben erledigen, es sei denn, dass eine andere Zuständigkeit gegeben ist.“ (vgl. Plenarprotokoll der 11. Sitzung vom 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 309). Dies könnte man als einen Beleg für Aussage werten, dass der Verfassunggeber von einer naturgemäß hohen Aktivität der Gemeinden ausgegangen ist. 31 In diesem Sinne auch Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 23; zur kommunalen Privatisierungspolitik und der Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung, 2000, S. 2 ff.; Püttner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 144 Rn. 86 ff. 32 Die Aussage des Abgeordneten von Mangoldt: „Zum Wesen der Selbstverwaltung gehört, dass die Gemeinden alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu regeln haben, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt.“ (vgl. Plenarprotokoll der 12. Sitzung vom 15. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 313), könnte man sogar so verstehen, dass eine Pflicht implizit voraussetzt ist. Der Wortlaut („zu regeln haben“) muss aber nicht zwingend im Sinne einer Pflicht der Gemeinden zu verstehen sein, sondern kann auch nur bedeuten, dass ihnen dieser Bereich überlassen wird. 33 In diesem Sinne auch Pünder, Die deutschen Gemeinden, 1948, S. 24.
C. Funktionelle Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung
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Zudem ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien eindeutig eine bewusste Zurückhaltung des Verfassunggebers hinsichtlich einer detaillierten Bestimmung des gemeindlichen Aufgabenfeldes, der sich mit einer „Umgrenzung begnügen“ wollte34. Die Typisierung unterschiedlicher Aufgabenarten und insbesondere die Festlegung von freiwilligen Aufgaben und solchen, die die Gemeinden zu erfüllen verpflichtet sind, sollte den Ländern überlassen bleiben35. Aus dieser entstehungsgeschichtlichen Dokumentation lässt sich kein unmittelbarer Gehalt hinsichtlich einer verfassungsrechtlichen Pflichtigkeit ableiten. Lediglich die Vorstellung, dass der Staat den Gemeinden Pflichtaufgaben auferlegen kann, die nicht zur freien Disposition der Selbstverwaltungsträger stehen, war danach auch vom Verfassunggeber anerkannt.
IV. Zwischenergebnis: keine eindeutige Aussagekraft des Wortlauts Insgesamt ist eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung aus dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG keineswegs begründbar. Die subjektivrechtliche Formulierung sowie die mangelnde materielle Konkretisierung des des Aufgabenbereichs der Gemeinden sprechen gegen die Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben. Berücksichtigt man neben den allgemeinen Grenzen der Disponibiliät subjektiver Rechte den besonderen objektiv-rechtlichen Gehalt der institutionellen Selbstverwaltungsgarantie sowie die Enstehungsgeschichte, steht der Wortlaut der Ableitbarkeit einer Pflichtigkeit aber auch nicht zwingend entgegen.
C. Funktionelle Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung Nachdem die grammatikalische Auslegung eine eindeutige Aussage in Bezug auf ein Pflichtelement der Selbstverwaltungsgarantie nicht zulässt, ist die Selbstverwaltung im Folgenden auf ihre funktionelle Bedeutung zu 34
Vgl. die Aussagen des Vorsitzenden von Mangoldt, Plenarprotokoll der 11. Sitzung vom 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 309; ebenso Zimmermann, Stenographisches Protokoll der 5. Sitzung des Hauptausschuss vom 18. November 1948, abgedruckt in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 62. 35 Parlamentarischer Rat, Stenographische Berichte Hauptausschuss, S. 62; Plenarprotokoll der 11. Sitzung vom 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 308.
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untersuchen. Anhaltspunkte, dass der Telos des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG über die Bedeutung einer bloßen „Schutznorm“ zugunsten der Gemeinden36 hinausgeht, bieten zum einen die besondere demokratische Funktion der Selbstverwaltung, zum anderen ihre Funktion als staatsorganisatorisches Prinzip.
I. Verpflichtung aus der demokratischen Funktion der Selbstverwaltung 1. Argumentativer Ansatz Einige Befürworter einer Selbstverwaltungspflicht aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG sehen diese als Verpflichtung der gewählten Repräsentativorgane gegenüber den von ihnen vertretenen Bürgern an, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auch tatsächlich wahrzunehmen37. Die Entledigung der Verantwortung für eine bestimmte Aufgabe durch die repräsentativen Entscheidungsträger könne unter bestimmten Umständen eine unzulässige 36 Peter, Rechtliche Grenzen der kommunalen Wirtschaftstätigkeit durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 218. 37 In diesem Sinne v. Mutius, JuS 1976, S. 652 (657); ders., Kommunalrecht, Rn. 45 (missverständlich aber dann Rn. 46, da der Zusammenhang zur materiellen Privatisierung fraglich bleibt); Tomerius, Zwischen Pflichtaufgaben und wirtschaftlicher Betätigung – kommunale Abfallentsorgung in der Kreislaufwirtschaft, 1999, S. 192; Knemeyer, WiVerw 1978, S. 65 (73); allgemein zur Bedeutung einer Aufgabenzuweisungsnorm im Verhältnis zu den „Handlungsbegünstigten ders., DÖV 1978, S. 11 (14 ff.); Thiele, GewArch 36 (1980), S. 105 (106); Gröpl, in: Hofmann/ Kromberg/Roth/Wiegand (Hrsg.), Kommunale Selbstverwaltung im Spiegel von Verwaltungs- und Verfassungsrecht, S. 99 (104 ff.); Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, S. 227; in diesem Sinne wohl auch Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 92; vorsichtig zustimmend Schink, VerwArch 1994, S. 251 (265 f.); unklar Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 42, der bei den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben eine Verpflichtung ausschließlich gegenüber den Bürgern, bei den gesetzlichen Pflichtaufgaben zusätzlich eine Verpflichtung gegenüber dem staatlichen Gemeinwesen annimmt; bei Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 53, wird nicht eindeutig klar, ob er die materielle Privatisierung tatsächlich einbezieht; ebenso bei Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (625 ff.), dessen Argumentation primär auf die Organisationsprivatisierung abzuzielen scheint, der aber auch in diesem Zusammenhang von Art. 28 Abs. 2 GG als Aufgabenzuweisungsnorm spricht; der Verweis auf Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, in: Ritterspach/Geiger (Hrsg.), Festschrift Müller, 1970, S. 379 ff., trägt aber nicht; eingeschränkt eine Pflichtigkeit anerkennend Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluss- und Benutzungszwang, 1980, S. 103 f.
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Verkleinerung des demokratischen Aktionsradius der Bürger darstellen, denen für die Zukunft die Möglichkeit der politischen Einflussnahme und der Geltendmachung öffentlich-rechtlicher Bindungen hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenerfüllung entzogen wird38. Eine solche Vorstellung klingt auch in der einleitend dargestellten Weihnachtsmarktentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.05.2009 an, wenn der Senat feststellt, dass sich die Gemeinde „nicht ihrer gemeinwohlorientierten Handlungsspielräume begeben“ darf39. Ein Verbot der Aufgabenentledigung resultiere folglich jedenfalls für Angelegenheiten, die die Gemeinde bereits über einen bestimmten Zeitraum wahrgenommen hat. Anschaulich wird diese Argumentation mit dem Terminus einer kommunalen „Pflichtigkeit kraft Ingerenz“ umschrieben40. Hierfür muss der Gemeinde – anders als teilweise im Strafrecht gefordert – kein pflichtwidriges Vorverhalten vorzuwerfen sein. Der Anknüpfungspunkt für die Begründung einer Verpflichtung der Gemeinden zur Aufrechterhaltung der Aufgabenerfüllung ist allein die Tatsache, dass sie diese Angelegenheit bisher traditionell wahrgenommen hat41. Betreffend solcher Aufgaben käme zwar eine Lockerung der Verantwortungsstruktur in Form einer formellen oder funktionalen Privatisierung in Betracht42. Da die gemeindlichen Repräsentativorgane sich aber auch weiterhin hinreichende Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten erhalten müssten, sei eine vollständige Entledigung der Verantwortung für die Aufgabenerfüllung, wie sie die materielle Privatisierung bewirkt, unzulässig43. 38 In diesem Sinne Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, S. 227 f.; Langrehr, Die Auswirkungen der Privatisierung gemeindlicher Aufgaben auf die kommunale Selbstverwaltung, in: Frank/Langrehr (Hrsg.), Die Gemeinde – Festschrift für Faber, 2007, S. 89 (103), beschreibt dies als eine Degradierung des Volkes als Inhaber der Gemeindegewalt zum Kunden bzw. Verbraucher; die Gefahr anerkennend, ein Entledigungsverbot aber ablehnend Meyer-Teschendorf/Föttinger (u. a.), Neuausrichtung kommunaler Dienstleistungen, 1999, S. 141; ebenfalls ein solches Verschlechterungsverbot in Erwägung ziehend Krölls, GewArch 41 (1995), S. 129 (139). 39 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 29 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383). 40 Klement, Verantwortung, 2006, S. 466; vgl. zu einer „Garantenstellung aus vorangegangenem Tun“ auch Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 73 Rn. 30. 41 Der Entscheidung in diesem Punkt grundsätzlich zustimmend Katz, NVwZ 2010, S. 405 (408); so scheinbar auch Rauber, der gemeindehaushalt 2011, S. 200 (202). 42 So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 Az.: 8 C 10/08, Rn. 31 ff. = DVBl. 2009, S. 1382 (1384). 43 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 Az.: 8 C 10/08, Rn. 29, 38 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383 f.); zustimmend Katz, NVwZ 2010, S. 405 (407 f.).
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Dieser auf der demokratisch-politischen Funktion der Selbstverwaltung fußende Begründungsansatz für eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ist aber in mehrerlei Hinsicht problematisch. 2. Aussagegehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Staat-Bürger-Verhältnis Bemerkenswert ist zum einen, dass der demokratische Ansatz auf das Verhältnis der Gemeindebürger zur Gemeinde, vertreten durch die gewählten Repräsentanten, rekurriert und dieses für die Ableitung einer Pflichtigkeit aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG fruchtbar zu machen versucht. Die Validität dieses Ansatzes setzt folglich voraus, dass sich der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie ein Aussagegehalt für die Beziehung der Gemeinden als Träger staatlicher Hoheitsgewalt zu den Gemeindebürgern als dieser Gewalt Unterworfene ableiten lässt44. Im Zusammenhang mit der Frage, ob Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Ermächtigungsgrundlage für Grundrechtseingriffe geeignet ist, wird überwiegend der staatsorganisationsrechtliche Charakter der Selbstverwaltungsgarantie hervorgehoben45. Ihr Telos erschöpfe sich in der besonderen Absicherung der Gemeinden gegen Übergriffe von Bund und Ländern in einen zur eigenverantwortlichen Regelung zugewiesenen eigenen Aufgabenbereich, also in der Abgrenzung der Kompetenzbereiche verschiedener Hoheitsträger untereinander46. Für das Außenverhältnis zum Bürger könne Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG folglich gerade keine Wirkung entfalten47, ins44
Darauf hinweisend auch Pautsch, DÖV 2005, S. 990 (993 f.). Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, S. 200; Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Richter. Bürger. Staat – Festschrift Sendler, 1991, S. 121 (131); Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 107; Löwer, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Rn. 36; Badura, DÖV 1998, S. 818 (823); Schink, NVwZ 2002, S. 129 (133); zu Art. 49 Verf. R-P vgl. RhPfVerfGH NVwZ 2000, S. 801 (801 f.); im Ergebnis zustimmend Ruffert, NVwZ 2000, S. 763 (764). 46 Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 177. 47 Statt vieler Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (49); Badura, DÖV 1998, S. 818 (823); Henneke, NdsVBl. 1998, S. 300 (302); Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 40; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 44 m. w. N.; in diesem Sinne auch v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 49 (m. Fn. 150); zur Gegenansicht Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, 2000, S. 140 ff. m. w. N.; Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 72; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 146. 45
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besondere nicht als normative Grundlage einer Rechtfertigung von Eingriffen in Rechte der Gemeindebürger dienen48. Eine Berechtigung der Gemeinden gegenüber den Gemeindebürgern wird somit gerade wegen des auf das staatliche Binnenverhältnis begrenzten Regelungsgehalts der Selbstverwaltungsgarantie abgelehnt. Bei den Autoren, die die Ableitbarkeit einer Aufgabenwahrnehmungsverpflichtung der gemeindlichen Vertretungsorgane aus der demokratischen Funktion der Selbstverwaltungsgarantie für möglich halten, wird die in vorangehendem Zusammenhang getroffene Feststellung der Beschränkung des Aussagegehalts des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auf das staatliche Binnenverhältnis ohne Begründung übergangen. Wird im Rahmen der Frage der Berechtigung der Gemeinden gegenüber ihren Bürgern die Begrenzung der Regelungswirkung der Selbstverwaltungsgarantie auf das Verhältnis zwischen der unmittelbaren Staatsverwaltung und den Gemeinden als besonderem Organisationstypus staatlicher Verwaltung propagiert, kann konsequenterweise bei dem konträren Fall der Verpflichtung der Gemeinden gegenüber den Bürgern keine abweichende Prämisse gelten49. Dem entspricht es auch, dass bisher überwiegend ein Anspruch der Bürger gegen die Gemeinde auf Gebrauchmachen von ihrem Selbstverwaltungsrecht aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abgelehnt wurde50. 48 Deutlich hierzu insbesondere Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Richter. Bürger. Staat – Festschrift Sendler, 1991, S. 121 (131); plakativ auch bereits ders., Zum staatsrechtlichen Prinzip Selbstverwaltung, in: Selmer/v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, 1987, S. 249 (256), nach dem es nicht „Freiräume kreativer Illegalität“ geben dürfe; Tettinger, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 11 Rn. 11; ders./Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 165; Ossenbühl, DÖV 1992, S. 1 (8); Relevanz hat diese Frage insbesondere hinsichtlich der Rechtfertigung wirtschaftlicher Betätigung der Kommunen vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) privater Konkurrenten, vgl. dazu Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (49); Papier, DVBl. 2003, S. 686 (689); Ehlers, Gutachten zum 64. DJT, 2002, E 48 m. w. N., E 69; dazu auch bereits Kluth, Grenzen kommunaler Wettbewerbsteilnahme, 1988, S. 47 f. 49 In diesem Sinne wohl auch Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 107. 50 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2, Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 107; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Art. Rn. 48; so im Ergebnis auch in Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 (Bearbeitung Mai 1977) Rn. 56, der dies aber primär in Zusammenhang mit der Ablehnung der Grundrechtsqualität des Art. 28 Abs. 2 GG konstatiert und somit weniger auf die Begrenzung der Selbstverwaltungsgarantie auf das staatliche Binnenverhältnis abstellt; in der Neufassung von Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 55, wird ein subjektiver Anspruch auf Wahrnehmung bestimmter Aufgaben ausdrücklich abgelehnt.
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3. Besondere demokratische Funktion der Selbstverwaltung Selbst wenn man das überkommene Verständnis von der fehlenden Außenwirkung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Staat-Bürger-Verhältnis aufbrechen möchte, ebnet dies noch nicht den Weg einer Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben aus der besonderen demokratischen Funktion der Selbstverwaltung. Insbesondere bedarf es für die Überprüfung der Konsistenz dieses Begründungsansatzes einer näheren Betrachtung des Funktionszusammenhangs zwischen Selbstverwaltung und Demokratieprinzip. a) Geltung des Demokratiegebots Unter der Geltung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, der die kommunalen Selbstverwaltungsträger als einen Teil der Staatsgewalt konzipiert, ist unstreitig, dass auch die Tätigkeit der Gemeinden der demokratischen Legitimation bedarf. Nach Art. 20 Abs. 2 GG ggf. i. V. m. Art. 28 Abs. 1 GG muss alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen. Somit bedürfen auch die gemeindlichen Entscheidungen der Rückführbarkeit auf den Willen eines Legitimationssubjekts, unabhängig von der noch zu klärenden Frage, wie dieses genauer zu bestimmen ist51. Positiv verfassungsrechtlich konkretisiert ist die Verpflichtung der Gemeinden durch das Demokratiegebot in Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG, wonach die Gemeindevertretung aus einer demokratischen Anforderungen genügenden Wahl hervorgehen muss. Eine Legitimation sachlich-inhaltlicher Natur erfährt die kommunale Selbstverwaltung zudem durch die Gesetzesbindung52 als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips, das nach Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG bzw. den jeweiligen landesverfassungsrechtlichen Regelungen auch für die Gemeinden gilt. Durch Gesetz ist, wie sich aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ausdrücklich ergibt, das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden beschränkbar. Organisatorisch abgesichert wird die sachlich-inhaltliche Legitimation gemeindlicher Tätigkeit durch die Staatsaufsicht53, durch die auch im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft die Rechtmäßigkeit gemeindlichen Handelns überprüft wird. 51
Vgl. hierzu sogleich unter § 4 C. I. 3. c). Zur doppelten demokratischen Legitimation der Kommunalverwaltung v. Arnim, AöR 113 (1988), S. 1 (11); Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 18; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 21; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 Rn. 128, der von dualer Legitimation spricht; den Unterschied zu sonstigen Selbstverwaltungsträgern betonend Schmidt-Aßmann, Zum staatsrechtlichen Prinzip der Selbstverwaltung, in: Selmer/v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, 1987, S. 249 (262); Burgi, VerwArch 90 (1999), S. 70 (94). 53 Vgl. dazu statt vieler Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000, S. 483. 52
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b) Selbstverwaltung als Verwirklichung des Demokratieprinzips Allein mit der Geltung des Legitimationserfordernisses für die Kommunalverwaltung ist aber der Funktionszusammenhang beider Verfassungsprinzipien noch nicht abschließend beschrieben. Einerseits ist die kommunale Selbstverwaltung nach ihrer Ausgestaltung im Grundgesetz als eine Stärkung des Demokratieprinzips im Sinne einer besonders intensiven Verwirklichung des demokratischen Gedankens zu verstehen54. In der Charakterisierung der Gemeinden als „Keimzelle der Demokratie“55 wird dieser Befund schillernd umschrieben. Ferner bringt die Formulierung in Art. 11 Abs. 4 BayVerf., die auch in Art. 3 Abs. 2 Verf. M-V übernommen wurde, die Bedeutung der Gemeinden als Basis des demokratischen Prinzips56 sogar positivrechtlich zum Ausdruck. Inhaltlich rechtfertigt dieses Verständnis, dass im gemeindlichen Legitimationskonzept die unmittelbaren Einflussmöglichkeiten des Gemeindevolkes stärker ausgeprägt sind als auf Bundesoder Landesebene57, wo der Bürgerwille durch lange Legitimationsketten vielfach mediatisiert wird. Die direktere Umsetzbarkeit des Bürgerwillens und die stärkere Partizipation58 an Entscheidungsprozessen kann einen Gewinn für das demokratische Prinzip bedeuten59. 54 Vgl. Hatschek, in: Fleischmann (Hrsg.), Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 3, 3. Aufl. 1914, S. 419 (422), der Demokratie und Selbstverwaltung für „untrennliche Verbündete“ hält, da „nur durch die Ueberwälzung einer größeren Zahl von Staatsfunktionen auf die Selbstverwaltungskörper jener Idealtypus der Demokratie möglich wird, der das Berufsbeamtentum zugunsten der durch Volkswahlen bestellten Beamten in den Hintergrund drängt; in diesem Sinne auch Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (327). 55 BVerfGE 79, 127 (149). 56 Dazu auch Frotscher, Selbstverwaltung und Demokratie, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 127 (127 f.) m. w. N.; Püttner, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 19 Rn. 8 ff.; ebenso kritisch Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1187); Bull, DVBl. 2008, S. 1 (7 f.). 57 Vergleichend sieht Kost, Direkte Demokratie, 2008, S. 35 ff., die Gemeinde als „Schrittmacherin“ der direkten Demokratie. 58 Vgl. BVerfGE 79, 127 (149 f.); 83, 71 (55): „die ‚mitgliedschaftlich-partzipatorische‘ Komponente, die aller Selbstverwaltung eigen ist“; so auch BVerfGE 107, 59 (88); Püttner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 144 Rn. 18; zum Partizipationsgedanken der Selbstverwaltung allgemein ausführlich Hendler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 143 Rn. 6 ff.; 14 ff., 28 ff., 68 ff.; Klein, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift Forsthoff, 1972, S. 165 (177 ff.). 59 Vgl. ausführlich hierzu Scheuner, in: ders. (Hrsg.) Staatstheorie und Staatsrecht, 1978, S. 567 ff.; in diesem Sinne auch Frotscher, Selbstverwaltung und Demokratie, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft –
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Versteht man die legitimatorische Konzeption der Gemeinden als intensivierte Form von Demokratie im Sinne von Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG, stellt sich die Frage, warum Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Anknüpfungspunkt für den dargestellten Ansatz der Begründung von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben ist. Dem Wortlaut der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG kann unmittelbar ein demokratischer Gehalt jedenfalls nicht entnommen werden60. Die Verpflichtung, die Vertreter der Gemeinden durch demokratische Wahl zu bestimmen, ergibt sich aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG und die Existenz direkt-demokratischer Elemente ist auf die Landesverfassungen oder besondere landesrechtliche Regelungen zurückzuführen61. In der Literatur wird diese Tatsache entweder wortlos übergangen oder salomonisch dadurch gelöst, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 GG bzw. Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG als normative Grundlage einer Verpflichtung zitiert wird62. c) Spezielles Legitimationskonzept auf kommunaler Ebene Das demokratische Element, das der grundgesetzlichen Selbstverwaltung immanent ist, stellt aber gleichzeitig eine Modifikation des einheitlich-egalitären Demokratieprinzips dar63, wie es vielen anderen VerfassungsordnunFestgabe v. Unruh, 1983, S. 127 (144 f.); Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Richter. Bürger. Staat – Festschrift Sendler, 1991, S. 121 (124); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 85; nach Klein, Demokratie und Selbstverwaltung, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift für Forsthoff, 1972, S. 165 (173), tritt die „Institution Selbstverwaltung als ein Instrument der Demokratisierung ins Spiel“; vorsichtiger Püttner, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 19 Rn. 18: „Alles in allem dürfte die Demokratie auf der kommunalen Ebene nicht schlechter funktionieren als auf der staatlichen Ebene“. 60 In diese Richtung geht die Aussage von Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 184, dass aus Art. 28 Abs. 2 GG keine Pflicht zur Wahrung ihrer eigenen Selbstverwaltungsbelange folge, diese allerdings an das Demokratieprinzip gebunden seien. 61 Vgl. überblicksartig Hartmann, DVBl. 2001, S. 776 ff.; ausführlicher Kost, Direkte Demokratie, 2008, S. 35 ff.; auch Art. 28 Abs. 1 S. 4 GG eröffnet nur die Möglichkeit einer Gemeindeversammlung, die aber einer landesrechtlichen Umsetzung bedarf. 62 So z. B. v. Mutius, JuS 1976, S. 652 (657); Katz, NVwZ 2010, S. 405 (407); Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 184. 63 Vgl. dazu Hendler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 143 Rn. 48 ff.; Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Richter. Bürger. Staat – Festschrift Sendler, 1991, S. 121 (123); Frotscher, Selbstverwaltung und Demokratie, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 127 (144 f.); ausführlich zum Verhältnis von Selbstverwaltung
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gen64 und auch dem Grundgesetz in Art. 20 Abs. 2 GG65 zugrundeliegt. Demokratie fordert danach, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, wobei der Begriff das Staatsvolk als Ganzes unabhängig von der Betroffenheit durch die Entscheidung erfasst66. Auch die Berufung der Entscheidungsträger der kommunalen Selbstverwaltung lässt sich, vermittelt durch ein demokratisches Wahlverfahren, das Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich vorschreibt, auf ein Legitimationssubjekt zurückführen. Ihre legitimatorische Basis ist aber grundsätzlich beschränkt auf einen Teilausschnitt des Legitimationssubjekts der Bundes- bzw. Landesstaatsgewalt in Gestalt der wahlberechtigten Gemeindeangehörigen67. Aufgrund der Einbeziehung von Staatsbürgern von Mitgliedstaaten der europäischen Union gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 3 GG68 ist das Gemeindevolk partiell weiter als das Staatsvolk im Sinne des Art. 20 Abs. 2 GG69. Selbstverwaltung bedeutet somit eine gewisse Abweichung zu einer zentralstaatlich ausgerichteten Demokratie70, weil die Ausübung hoheitlicher Tätigkeit durch deren Träger nicht auf Willensakte des Gesamtvolkes, sonund Demokratieprinzip Klein, Demokratie und Selbstverwaltung, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift Forsthoff, 1972, S. 165 ff.; Püttner, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 19. 64 Dazu v. Unruh, DVBl. 1975, S. 1 (2); Frotscher, Selbstverwaltung und Demokratie, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 127 (130), nennt beispielhaft den „demokratischen Zentralismus französischer Prägung“. 65 Jestaedt, Demokratie und Kondominialverwaltung, 1993, S. 207 ff.; etwas zu weitgehend Klein, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift Forsthoff, 1972, S. 165 (168), der seine Aussage nicht auf Art. 20 Abs. 2 GG beschränkt. 66 BVerfGE 83, 37 (50 f.); Hendler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 143 Rn. 49; Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Richter. Bürger. Staat – Festschrift Sendler, 1991, S. 121 (124). 67 Zur Legitmationsfähigkeit von Teilvölkern, vgl. Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 Rn. 96. 68 Hintergrund dieser Verfassungsänderung war die europarechtliche Verpflichtung zur Umsetzung der Richtline 94/80/EG vom 31.12.1994, basierend auf Art. 8b EGV in der Fassung des Vertrages von Maastricht vom 07.02.1992 (jetzt: Art. 20 Abs. 2 lit. b AEUV); vgl. zur Vereinbarkeit der Erweiterung des Kommunalwahlrechts mit dem Grundgesetz BVerfGE 83, 37 (53 ff.); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 78 ff. m. w. N. 69 So auch Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 222 f. 70 Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 53; zur Selbstverwaltung allgemein Hendler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 143 Rn. 48 ff.; Schmidt-Aßmann, Zum staatsrechtlichen Prinzip der Selbstverwaltung, in: Selmer/v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, 1987, S. 249 (256), sieht ein Spannungsverhältnis zwischen Selbstverwaltung und Demokratie; Klein,
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dern auf die eigene legitimatorische Basis zurückzuführen ist. Daraus ergibt sich aber kein Widerspruch zwischen dem Demokratieprinzip nach dem Grundgesetz und der kommunalen Selbstverwaltung71. Vielmehr hat sich der Verfassunggeber in Form von Art. 28 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 GG ausdrücklich für eine Modifikation im Sinne einer „gegliederten Demokratie“ entschieden72. Diese intendiert nach der Diktion des Bundesverfassungsgerichts eine „Zurückdrängung des bürokratisch-autoritativen Elements“73 zugunsten einer direkteren Betroffenenselbstverwaltung74. 4. Konsequenzen aus dem Funktionszusammenhang von Demokratie und Selbstverwaltung Es bleibt zu klären, welche Konsequenzen sich aus dem Funktionszusammenhang von Demokratie und Selbstverwaltung ergeben, insbesondere, wie sich dieser auf die Frage einer potentiellen Ableitbarkeit von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben auswirkt.
Demokratie und Selbstverwaltung, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift für Forsthoff, 1972, S. 165 (174, 184 f.), betont daher die Grenzen ihrer Zulässigkeit. 71 Pütter, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 144 Rn. 14; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 85; Jestaedt, Demokratie und Kondominialverwaltung, 1993, S. 212 f.; nach Ipsen, JZ 1990, S. 789 (790) ist die Selbstverwaltung „eine Symbiose mit dem Demokratieprinzip eingegegangen“; so auch Knemeyer, LKV 1991, S. 49 (52 f.); zur funktionalen Selbstverwaltung BVerfGE 107, 59 (92); die Theorie einer Gegensätzlichkeit von Selbstverwaltung und Demokratie vertretend allerdings Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd. 1, 10. Aufl. 1973, S. 536 ff. 72 Vgl. BVerfGE 52, 95 (111 f.); 79, 127 (147), 83, 37 (54); der Begriff wird bereits verwandt bei v. Unruh, DVBl. 1975, S. 1 (2). 73 BVerfGE 79, 127 (149); darauf verweist auch Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 53. 74 Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 53; kritisch zur Berücksichtigung von Betroffenenaspekten hinsichtlich der Frage der Anerkennung von Teilvölkern als Legitimationseinheiten Jestaedt, Demokratie und Kondominialverwaltung, 1993, S. 216 ff., der aber das Gemeindevolk als taugliches Legitimationssubjekt wegen der positivierten verfassungsrechtlichen Regelung des Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG ebenfalls anerkennt, vgl. auch S. 524 ff.; Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 222 f., lehnt die Charakterisierung als eine „Betroffenengemeinschaft“ ab und sieht dagegen das Gemeindevolk als eine „zur jeweiligen Selbstverwaltungseinheit zusammengeschlossene Personengruppe“ an.
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a) Legitimationsbedürftigkeit hoheitlicher Tätigkeit Da die Gemeinden als Hoheitsträger auch dem Demokratieprinzip verpflichtet sind, muss deren Tätigkeit somit letztlich auf das entsprechende Legitimationsubjekt zurückzuführen sein. Das Grundgesetz hat sich auch auf Gemeindeebene für ein Repräsentativsystem entschieden, in dem die Legitimation der Gemeindeorgane durch Wahl vermittelt wird, die gemäß Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG demokratischen Grundsätzen entsprechen muss. Um die Rückbindung an die legitimatorische Basis zu sichern, müssen sich die gemeindlichen Repräsentationsorgane maßgeblichen Einfluss auf die Erledigung der von der Gemeinde wahrgenommenen Aufgaben bewahren75. Dadurch wird die Verlagerung der Aufgabenerfüllung auf verselbständigte Träger nicht ausgeschlossen, solange die Organe der Gemeinde sich effektive Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten vorbehalten76. Aus der Bindung der Gemeinden an das Demokratiegebot lässt sich also dem Grunde nach eine Ingerenzpflicht der kommunalen Entscheidungsträger ableiten, wenn die Gemeinde sich einer bestimmten Angelegenheit angenommen hat, die Aufgabenerfüllung aber an verselbständigte Organisationseinheiten oder partiell an Dritte übertragen wurde77. b) Demokratie als Verpflichtungstatbestand Strikt davon zu unterscheiden ist die Frage, ob sich aus dem Demokratieprinzip im Allgemeinen bzw. der demokratischen Funktion der Selbstverwaltung im Besonderen auch Vorgaben hinsichtlich der Bestimmung von Aufgaben ergeben, zu deren Wahrnehmung ein Hoheitsträger – hier in Gestalt der Gemeinden – verpflichtet ist. 75 Nach Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 184, 187, folgt das aber nicht aus der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG, sondern aus dem Demokratieprinzip. 76 Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 309; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (322); Bauer, VVDStRL 53 (1995), S. 243 (277); Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971), S. 137 (159 f.); Ehlers, DVBl. 1997, S. 137; ders. Verwaltung in Privatrechtsform, 1992, S. 124 ff.; Püttner, DVBl. 1975, S. 535; Schulze-Fielitz, in: Henneke (Hrsg.), Organisation kommunaler Aufgabenerfüllung, 1998, S. 223; Knauff, Gewährleistungsstaat, 2004, S. 216 (217); jüngst ausführlich Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, insb. S. 235 ff. 77 So etwa Brenner, AöR 127 (2002), S. 223 (229); Tietje, Die Neuordnung des Rechts der wirtschaftlichen Betätigung und privatrechtlicher Beteiligung der Gemeinden, 2002, S. 125 f.; Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, 1995, S. 248; Schäfer, Mitbestimmung in kommunalen Eigengesellschaften, 1987, S. 140 f.; im Ergebnis auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, 1984, S. 128 f., der aber auf Art. 28 Abs. 1 GG abstellt.
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aa) Ausübung von Hoheitsgewalt als Anwendungsvoraussetzung des Demokratieprinzips Aus dem zutreffenden Befund, dass das Demokratieprinzip eine Sicherstellung der Einwirkungsmöglichkeiten der gemeindlichen Repräsentativorgane erfordert, wenn die Erfüllung kommunaler Aufgaben durch verselbständigte Organisationseinheiten erfolgt, werden häufig undifferenziert Folgerungen in Bezug auf Veränderungen des Aufgabenbestandes abgeleitet78. Da eine vollständige Preisgabe der Erfüllungsverantwortung, wie sie die materielle Privatisierung bewirkt, mit dem Verlust jeglicher Ingerenz- und Steuerungsmöglichkeiten der Gemeindevertreter einhergeht, wäre diese unzulässig79. Teilweise wird diese These durch die Aussage relativiert, das Demokratieprinzip i. V. m. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG stehe jedenfalls der Entledigung von bestimmten Kernbereichsaufgaben entgegen bzw. verpflichte die Gemeinde, einen quantitativ bestimmbaren Kernbereich an freiwilligen Aufgaben wahrzunehmen80. 78 Das BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 29 ff., 38 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383 f.), leitet aus der Erforderlichkeit zur Aufrechterhaltung von Ingerenzmöglichkeiten ausdrücklich ein „Gebot der Wahrung und Sicherung der Aufgabenbestandes“ ab; in diesem Sinne auch Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, S. 227 ff.; unklar Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 242 ff., der sich aber wohl primär auf die formelle bzw. funktionelle Privatisierung beschränkt, vgl. insbesondere S. 272 f. 79 In diesem Sinne Katz, NVwZ 2010, S. 405 (407); Knemeyer, WiVerw. 1978, S. 65 (73); so implizit auch BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 31 ff., das ausdrücklich eine formelle oder funktionelle Privatisierung auch bei einer verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe für zulässig hält; ähnlich Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 184, der aber aus Art. 28 Abs. 2 GG und dem Demokratieprinzip keine Verpflichtung der Gemeinden, sondern lediglich eine Pflicht des Staates ableitet, „autonom vollzogene Popularprivatisierungen liquidatorischer Art [. . .] zu unterbinden“. 80 Stein, DVBl. 2010, S. 563 (568), die sich in die Nähe eines Zirkelschlusses begibt, wenn sie diese Pflicht auf Aufgaben beschränkt, die zwingend von einem Hoheitsträger wahrzunehmen sind; im Sinne einer Pflichtigkeit der Gemeinden bezüglich des Kernbereichs im Umkehrschluss auch Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 184; 187 („außerhalb des Aufgabenkerns muss ihnen für Popularprivatisierung ein weiter Handlungsspielraum eingeräumt bleiben“); ebenso explizit S. 189, wo sich allerdings die salomonische Aussage findet, dass der materielle Kernbereich „hauptsächlich durch die pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben indiziert“ wird, in Bezug auf den sich eine Verletzung bereits aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung ergebe; Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschluss und Benutzungszwang, 1980, S. 103 f., nach dem eine Privatisierung kommunaler Leistungsbereiche vor dem Hintergrund der politisch-demokratischen Funktion unzulässig wäre; ein Entledigungsverbot für bestimmte Kernaufgaben ebenfalls nicht ausschließend Pautsch, DÖV 2005, S. 990 (993 f.).
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Diese Schlussfolgerung kann insgesamt nicht überzeugen81. Sie übergeht, dass die Anwendbarkeit des Demokratieprinzips an die Ausübung von Staatsgewalt anknüpft, diese also als notwendige Bedingung voraussetzt82. Die zwingende Verknüpfung der Ausübung von Hoheitsgewalt mit dem Erfordernis der Rückbindung der Aufgabenerfüllung an das Legitimationssubjekt lässt sich nicht im materiellen Sinne umkehren, dass ein Hoheitsträger sich einer Angelegenheit annehmen oder diese weiterführen muss, um deren demokratische Erledigung zu ermöglichen83. Wird eine Aufgabe durch Organisationseinheiten wahrgenommen, die nicht einem Träger staatlicher Gewalt zuzuordnen sind, ist der Anwendungsbereich des Demokratieprinzips a priori nicht eröffnet. Folglich ergeben sich aus dem Regelungsgehalt von Art. 20 Abs. 2 GG bzw. Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG keine Vorgaben, welche Angelegenheiten durch staatliche Organisationseinheiten erledigt werden müssen84. Sie sind insofern reine verfassungsrechtliche „Konsequenzenvorschriften“85 ohne aufgabenrechtlichen Gehalt. Nichts anderes gilt in der Situation, in der ein Hoheitsträger eine Aufgabe bisher wahrgenommen hat, sich von dieser aber vollständig entledigen will. Mit der Entscheidung, die Erfüllungsverantwortung für die entsprechende Angelegenheit völlig aufzugeben, wird der Anwendungsbereich des Demokratieprinzips verlassen. Auch gegen den Akt der Aufgabenentledigung, durch den die Gemeinde die prozedurale demokratische Verantwortlichkeit86 für die Zukunft abstreift und somit die Gemeinwohlorientierung der Aufgabenerfüllung zugunsten des Regimes privatwirtschaftlicher Interessen preisgibt87, bietet das Demokratieprinzip keinen Schutz, solange die 81
Klement, Verantwortung, 2006, S. 467; Meyer-Teschendorf/Föttinger (u. a.), Neuausrichtung kommunaler Dienstleistungen, 1999, S. 141. 82 Plakativ Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 191; vgl. zur Ausübung von Hoheitsgewalt als Voraussetzung der Eröffnung des Anwendungsbereichs des Demokratieprinzips auch Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1993, S. 225, 249; Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (293); unklar Rauber, der gemeindehaushalt 2011, S. 200 (201 f.). 83 Klement, Verantwortung, 2006, S. 467; dem entspricht auch die bisherige Rechtsprechung nach dem nur die „verkappte Flucht ins Privatrecht“, nicht aber die vollständige materielle Privatisierung unzulässig ist; so deutlich VG Freiburg NVwZ-RR 2002, S. 139 (140); dazu auch Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (293 Fn. 107); zusammenfassend aber kritisch Schalt, GewArch 58 (2002), S. 137 ff.; vgl. dazu auch bereits oben Fn. 16, 32. 84 Ausdrücklich BVerfGE 107, 59 (93); in diesem Sinne auch Gramm, Privatisierung und notwendige Staatsaufgaben, 2000, S. 65; Hofmann, VBlBW 1994, S. 121 (123); auch nach Knemeyer, WiVerw 1978, S. 65 (71), steht das Demokratieprinzip einer Privatisierung grundsätzlich nicht entgegen. 85 Zu diesem Begriff Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 57. 86 Klement, Verantwortung, 2006, S. 467.
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Entscheidung zur Aufgabe der Erfüllungsverantwortung im Rahmen eines Verfahrens getroffen wurde, das demokratischen Anforderungen gerecht wird88. Da sich der Verfassunggeber im Grundgesetz bewusst für eine grundsätzlich repräsentative Ausgestaltung entschieden hat, sind diese auch eingehalten, wenn die Aufgabenentledigung durch demokratisch legitimierte Gemeindeorgane beschlossen wird. Die Unmöglichkeit der Ableitung einer Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Aufgabenverantwortung ist allerdings keine planwidrige Regelungslücke, sondern vielmehr eine Verwirklichung des demokratischen Prinzips89. Ein Verbot der Entledigung von Angelegenheiten des Kernbereichs, derer sich die Gemeinde erst einmal angenommen hat, führt zur „Zementierung“ eines unveränderlichen Bestandes an pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben90. Dies ist aus demokratischer Sicht problematisch, da die Aufgabenagenda sich nicht entsprechend dem Willen des Legitimationssubjekts aktualisieren lässt. Der gegenwärtige gemeindliche Souverän wird durch Entscheidungen des früheren, nicht stärker legitimierten91 Souveräns gebunden. Die daraus resultierende, nicht unerhebliche Einschränkung seines Gestaltungsspielraums ist demokratietheoretisch kaum zu rechtfertigen92. Im Ergebnis können aus dem Demokratieprinzip im Allgemeinen folglich keine zwingend von den Gemeinden zu erledigenden Aufgaben abgeleitet 87 Mögliche Folgen skizziert im in der Einleitung geschilderten Fall zum Offenbacher Weihnachtsmarkt das BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 35 = DVBl. 2009, S. 1382 (1384). 88 Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Rn. 48; Klement, Verantwortung, 2006, S. 466; Meyer-Teschendorf/Föttinger (u. a.), Neuausrichtung kommunaler Dienstleistungen, 1999, S. 141; Hofmann, VBlBW 1994, S. 121 (123); in diesem Sinne auch Knauff, Gewährleistungsstaat, 2004, S. 216; zur Schließung einer Kindertagesstätte auch BbgOVG NVwZ-RR 1997, S. 555 (557); für ein Verbot der materiellen Privatisierung im Sinne eines „Funktionsvorbehalts gemeinwohlorientierter Aufgabenwahrnehmung“ gegründet auf einen Umkehrschluss aus dem gemeinderechtlichen Subsidaritätsprinzip Krölls, GewArch 51 (1995), S. 129 (139 f.). 89 In diesem Sinne auch v. Arnim, Rechtsfragen der Privatisierung, 1995, S. 48; Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (270); Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (325), nennt die Möglichkeit der Privatisierung eine Bestätigung des gemeindlichen Aufgabenzugriffsrechts. 90 Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (271); kritisch hierzu auch Pautsch, DÖV 2005, S. 990 (993 f.), die dies aber im Bereich von Kernaufgaben dennoch für möglich hält. 91 Dadurch unterscheidet sich die Konstellation von der Bindung des einfachen Gesetzgebers an Entscheidungen des Verfassunggebers bzw. verfassungsändernden Gesetzgebers. 92 Vgl. zur Bindung des Verfassunggebers an Art. 79 Abs. 3 GG statt vieler Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 79 III, Rn. 17 ff. m. w. N.
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werden. Die Ansicht, die aus der Legitimationsbedürftigkeit staatlichen Handelns eine Pflichtigkeit zur Wahrnehmung bzw. Aufrechterhaltung bestimmter Aufgaben konstruiert, unterliegt einem klassischen Fehlschluss von der Wirkung auf die Ursache und ist daher abzulehnen.93 Im Gegenteil steht einem Entledigungsverbot grundsätzlich die demokratisch gebotene Freiheit des aktuellen Souveräns entgegen. bb) Schlussfolgerungen aus dem besonderen Legitimationskonzept auf kommunaler Ebene Auch die besondere demokratische Funktion der Selbstverwaltung bedingt keine Modifikation des eben konstatierten Ergebnisses des beschränkten Regelungsgehalts des Demokratieprinzips94. Weshalb das besondere Legitimationskonzept auf kommunaler Ebene, das insbesondere durch die Möglichkeit einer stärkeren Bürgerpartizipation geprägt ist, geeignet sein soll, eine Verpflichtung der Gemeinden zu begründen, obwohl das Demokratieprinzip im Allgemeinen eine solche Ableitung nicht zulässt, ist bereits im Ansatz nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist aufgrund der Anreicherung des repräsentativen Legitimationskonzepts auf Gemeindeebene mit direktdemokratischen Elementen die Schutzbedürftigkeit des eigentlichen Souveräns vor seinen gewählten Vertretern eher als geringer einzuschätzen. In Form von Bürgerbegehren bzw. Bürgerentscheid ist nicht nur eine direkte Einflussnahme auf grundsätzlich vom repräsentativen Kollegialorgan zu treffende Sachentscheidungen im Voraus möglich. Teilweise sehen die Gemeindeordnungen der Länder auch die Möglichkeit einer Kassation bereits wirksam gefasster Beschlüsse ausdrücklich vor95. Die Konstruktion einer Verpflichtung der Repräsentativorgane gegenüber den Gemeindebürgern als Legitimationssubjekt ist folglich nicht nur dogmatisch nicht begründbar, sondern auch praktisch im Grundsatz nicht erforderlich. Die Abweichung der gemeindlichen Selbstverwaltung vom gesamtstaatlichen Demokratiemodell ist allerdings in anderer Hinsicht beachtenswert. Wie bereits erläutert, hat sich der Verfassunggeber in Art. 28 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 GG bewusst für eine gegliederte Demokratie entschieden. Als partielle 93
In diesem Sinne auch Klement, Verantwortung, 2006, S. 467. Anders Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, S. 227 f. 95 So z. B. § 26 Abs. 3 GO NRW; zum Begriff des kassatorischen Bürgerbegehrens Meyer, KommJur 2009, S. 8 (8); diese Möglichkeit des Ansichziehens der Entscheidungsgewalt durch das Gemeindevolk wird belegt durch ein praktisches Beispiel bei Langrehr, Die Auswirkungen der Privatisierung gemeindlicher Aufgaben auf die kommunale Selbstverwaltung, in: Frank/Langrehr (Hrsg.), Die Gemeinde – Festschrift für Faber, 2007, S. 89 (103). 94
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Abkehr vom Konzept der egalitären-gesamtstaatlichen Legitimation hält er für die Aufgaben, die in den Zuständigkeitsbereich der Selbstverwaltungsträger fallen, im Grundsatz eine Legitimation der Entscheidungsfindung durch die Betroffenen nicht nur für ausreichend, sondern auch für vorzugswürdig. Der Einfluss des gesamtstaatlichen Legitimationssubjekts wird sachlich-inhaltlich durch die Gesetzesbindung in Verbindung mit der Staatsaufsicht über die Gemeinden gesichert. Die Konkretisierung von Pflichtaufgaben aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bzw. den landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantien durch Gerichte oder Aufsichtsbehörden drängt dagegen die besondere Form der partizipatorischen Betroffenenlegitimation zugunsten einer Fremdbestimmung durch Entscheidungsträger zurück, die nach egalitär-gesamtstaatlichem Demokratiekonzept legitimiert sind. Die Begründung von Pflichtaufgaben aus der besonderen demokratischen Funktion der Selbstverwaltung wirkt vor diesem Hintergrund geradezu grotesk96. Ein anschauliches Beispiel für die Verifizierung dieser Überlegung liefert der vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidende Fall bezüglich des Offenbacher Weihnachtsmarkts, der im Rahmen der Einleitung dargestellt wurde. Unklar bleibt der Gewinn für die Verwirklichung der besonderen demokratischen Funktion der gemeindlichen Selbstverwaltung, wenn mit dem Bundesverwaltungsgericht ein Bundesgericht eine sieben Jahre zurückliegenden Entscheidung der gewählten gemeindlichen Repräsentativorgane rückgängig macht, gegen die sich von Seiten der Gemeindebürger – soweit ersichtlich – kein Widerspruch geregt hatte. Der propagierte Schutz der Gemeindebürger vor ihren eigenen Repräsentanten, den auch der vom Senat vertretene Ansatz bewirken soll97, stand hier nicht in Rede. Beschwerdeführer war kein Gemeindebürger, der die Beschneidung seines demokratischen Aktionsradius oder die vom Senat hypothetisch konstruierten Bedenken einer unsozialen Preisgestaltung oder der Verschlechterung der Angebotsstruktur zulasten nichtkommerzieller Veranstaltungen98 infolge der Privatisierungsentscheidung geltend gemacht hat. Abgeleitet wurde die Pflichtaufgabe Weihnachtsmarkt, wie bereits geschildert, anlässlich der Klage eines potentiellen Marktbeschickers, der sich bei einer Vergabe durch die Gemeinde selbst größere Chancen für eine Berücksichtigung erhofft hatte99. Hier wurden folglich nicht die Interessen der Gemeindebürger als demokratische Ba96
Ähnlich Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (272). BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 29 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383). 98 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08, juris, Rn. 36 f. = DVBl. 2009, S. 1382 (1384); auf die Frage, ob sich seit der Übernahme durch den privaten Betreiber die Varianz des Angebots tatsächlich verschlechtert hat bzw. die Preise tatsächlich auf ein sozial unverträgliches Maß gestiegen sind, geht der Senat nämlich nicht ein. 97
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sis gegenüber ihren Repräsentanten verteidigt, sondern eine von diesen mittelbar getragene Entscheidung von staatlicher Seite rückgängig gemacht. Unabhängig vom konkreten Einzelfall ist festzuhalten, dass aus der besonderen demokratischen Funktion der Selbstverwaltung keine gemeindlichen Pflichtaufgaben abgeleitet werden können. Weder sind die Gemeinden hieraus gegenüber dem Gemeindevolk verpflichtet, sich bestimmter Angelegenheiten anzunehmen, noch bereits wahrgenommene Aufgaben in Zukunft fortzuführen. Das verfassungsrechtlich geschützte, besondere gemeindliche Legitimationskonzept unmittelbarer Betroffenenpartizipation fordert vielmehr, dass die Beschränkung der Handlungsoptionen der kommunalen Entscheidungsträger grundsätzlich unterbleibt. Die Begründung konkreter verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben der Gemeinden aus der besonderen demokratischen Funktion der Selbstverwaltung kann somit bereits dem Ansatz nach nicht überzeugen. cc) Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG als Grenze gemeindlicher Untätigkeit Eine Grenze demokratischer Prägung für die Zulässigkeit gemeindlichen Untätigseins kann sich letztlich nur aus der verfassungsrechtlichen Institutionalisierung eines demokratisch legitimierten Organs auf Gemeindeebene durch Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG ergeben. Eine Zurücknahme der gemeindlichen Tätigkeit könnte im Extremfall zur Funktionslosigkeit des Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG und so zu einem unzulässigen Widerspruch zum Willen des Verfassunggebers führen. Wie in Zusammenhang mit der Bestimmung des Aufgabenbereichs der Gemeindeverbände festgestellt wurde, setzt die kraft Verfassungsrechts vorgeschriebene Errichtung eines staatlichen Funktionsträgers voraus, dass diesem auch tatsächlich ein gewisser Aufgabenbereich zukommt, was die Zuweisung von gewissen substantiellen Aufgaben durch den Gesetzgeber an diesen erfordert100. Für die Gemeindevertretung, die über unmittelbare demokratische Legitimation verfügt, könnte eine vollkommene Entledigung von Verantwortlichkeit folglich in besonderem Maße verfassungsrechtlich problematisch sein. Abgesehen davon, dass Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG und nicht das Selbstverwaltungsrecht des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Rechtsgrundlage für eine solche Argumentation darstellt, ist die Bedeutung eines Gebots der Gewährung eines gewissen Aufgabenbestandes für verfassungsrechtlich institutionalisierte 99
Vgl. so zum Feststellungsinteresse ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 27.05. 2009 – Az.: 8 C 10/08, Rn. 24 = DVBl. 2009, S. 1382 (1382). 100 Dazu beispielsweise Maurer, DVBl. 1995, S. 1037 (1046); Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 318 (333).
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Funktionsträger für die vorliegende Fragestellung zumindest sehr begrenzt. Dieses verpflichtet nämlich in den anerkannten Konstellationen die anderen verfassten Gewalten dazu, die verfassungsrechtlich festgelegte Funktion des Organs zu respektieren und gegebenfalls den nötigen Beitrag zu ihrer Verwirklichung in Form der Zuweisung von Aufgaben zu leisten. Aus Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG eine Schranke für die autonome Aufgabenentledigung zu entnehmen, bedeutet aber eine Inpflichtnahme des demokratisch legitimierten Organs selbst. Selbst wenn man diese konstruktiven Unterschiede außer Acht lässt, ist die Überschreitung der Grenze zur Funktionslosigkeit bei den gemeindlichen Repräsentativorganen kaum denkbar. Eine Beschränkung auf die Erfüllung der gesetzlich zugewiesenen Staatsaufgaben bzw. Aufgaben mit Weisungsmöglichkeit würde der verfassungsrechtlichen Bedeutung der legitimierten Gemeindevertretung nicht gerecht. Allerdings steht den Entscheidungsträgern der Gemeinde hinsichtlich der einfachgesetzlichen Pflichtaufgaben im Bereich der Selbstverwaltungsangelegenheiten bzw. der Pflichtaufgaben ohne Weisungsmöglichkeit ein eigenverantwortlicher Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Art und Weise der Aufgabenerfüllung zu, so dass die in Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG festgelegte Errichtung einer legitimierten Gemeindevertretung zumindest nicht völlig leerliefe. Für eine über die totale Verantwortungsaufgabe hinausgehende Ableitung konkreter Sachaufgaben eignet sich die dargestellte Argumentation jedenfalls nicht. 5. Einflussnahme des zentralstaatlichen Legitimationssubjekts Auch wenn das Demokratieprinzip in der Ausprägung als besonderes Legitimationskonzept auf kommunaler Ebene eine Verpflichtung der Gemeinde kraft Verfassungsrechts nicht begründen kann, ist es für die Frage der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit allerdings noch aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Die Entscheidungsträger der Gemeinden sind von einem eigenen Legitimationssubjekt mandatiert, das sich vom gesamtstaatlichen Legitimationssubjekt unterscheidet. Die Gewährung von Spielräumen für eine Entscheidungsgewalt von Betroffenenvertretern drängt so die Einflussmöglichkeit des ungeteilten Souveräns zurück101. Bei der kommunalen Selbstverwaltung ist dieser Gesichtspunkt in mehrfacher Hinsicht bedenklicher als in den anderen Fällen der Betroffenverwaltung. Zunächst werden durch die kommunale Selbstverwaltung nicht nur 101 Nach Schuppert, AöR 114 (1989), S. 127 (136), gerät dies in Konflikt mit dem Prinzip der grundsätzlich gleichen Teilhabe am politischen Prozess; vgl. dazu auch Hendler, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 143 Rn. 49.
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einzelne Personengruppen bestimmbar nach speziellen Eigenschaften betroffen, sondern wird letztlich aufgrund der flächendeckenden Existenz jeder Bürger erfasst102. Im Unterschied zu den sonstigen Formen der Selbstverwaltung ist das Tätigkeitsfeld der Gemeinden weit gefasst, da deren Aufgabenbereich nicht erst durch den einfachen Gesetzgeber bestimmt und somit zugleich begrenzt wird103. Den Gemeinden sind bereits kraft der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Grundsatz alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugewiesen. Die Aufgaben, die die Gemeinden erfüllen, betreffen vielfach die Befriedigung existenzieller Bedürfnisse, die vom jeweiligen Wohnort unabhängig sind. Selbst unter Einbeziehung der Wertung, dass gewisse Divergenzen in der Aufgabenerfüllung intendierte Konsequenz der verfassungsrechtlichen Entscheidung der Einräumung von Gestaltungsspielräumen an Selbstverwaltungsträger sind104, ist folglich im Bereich bestimmter kommunaler Aufgaben das Bedürfnis nach Sicherstellung eines Leistungsangebots in Form zentraler Steuerung besonderes drängend. Diese macht gleichzeitig die Begleitgefahren, die mit der grundsätzlich durch die Betroffenenverwaltung bezweckten105 eingeschränkten Distanz von Entscheidungsfindung und Betroffenheit einhergehen106, beherrschbar. Allerdings kann auch die Überlegung der „notwendigen ‚Anbindung‘ an die zentrale Demokratie“107 die Ableitung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG durch die Gerichte oder Aufsichtsbehörden aus dem Demokratieprinzip nicht rechtfertigen. Ein hinreichendes Legitimationsniveau108 durch den gesamtstaatlichen Souverän 102 Zu einer Tendenz der Nivellierung von unterschiedlichen Bedürfnissen aufgrund gestiegener Mobiliät Krämer, Die bürgerschaftliche Selbstverwaltung unter den Notwendigkeiten des egalitären Rechtsstaates, 1970, S. 51 f. 103 Im Gegensatz dazu zur funktionalen Selbstverwaltung: Hase, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 145 Rn. 7; Mann, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 146 Rn. 10 f. 104 Kritisch hierzu Klein, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift Forsthoff, 1972, S. 174, der vertritt, dass die Schaffung von autonom legitimierten Selbstverwaltungsträgern „eine Gefährdung des für die Demokratie [. . .] konstitutiven Prinzips der Legalität“ mit sich bringt. 105 BVerfGE 11, 266 (276). 106 Schmidt-Aßmann, Zum staatsrechtlichen Prinzip der Selbstverwaltung, in: Selmer/v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift Martens, 1987, S. 249 (257); Frotscher, Selbstverwaltung und Demokratie, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 127 (141); zustimmend Schuppert, AöR 114 (1989), S. 127 (137). 107 Frotscher, Selbstverwaltung und Demokratie, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 127 (147). 108 Zum Erfordernis eines hinreichenden Legitimationsniveaus grundlegend BVerfGE 107, 59 (86 ff.).
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wird sachlich-inhaltlich durch die Gesetzesbindung in Verbindung mit der Staatsaufsicht erreicht. In allen Ländern existiert die Möglichkeit zur einfachgesetzlichen Verpflichtung der Gemeinden109. Der parlamentarische Gesetzgeber kann folglich die ihm obliegende Befugnis zur Ausgestaltung des Sozialstaatsprinzips und der leistungsrechtlichen Dimension der Grundrechte grundsätzlich auch in dem Bereich durchsetzen, der verfassungsrechtlich in die Kompetenz der Gemeinden fällt110. Einer zusätzlichen Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Auftrags durch Judikative und Exekutive gegenüber den Gemeinden bedarf es daneben aus demokratischer Sicht zumindest nicht.
II. Selbstverwaltung als staatsorganisationsrechtliches Prinzip Neben der Begründung einer Pflichtigkeit aus dem Verhältnis zu den Gemeindebürgern wird eine Verpflichtung der Gemeinden teilweise ausschließlich oder kumulativ aus der staatsorganisatorischen Funktion der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abgeleitet. 1. Verpflichtung kraft Kompetenz Von manchen Vertretern einer Pflichtigkeit aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG wird hierfür einfach auf den kompetentiellen Charakter dieser Vorschrift verwiesen111. Es wird behauptet, dass die öffentliche Verwaltung innerhalb ihres Kompetenzbereiches auch zum Tätigwerden verpflichtet sei und für die Gemeinden insoweit nichts anderes gelten könne112. Kompetenz im Allgemei109
Vgl. dazu bereits oben § 3 B. II. Der Bundesgesetzgeber kann aufgrund des Durchgriffsverbots gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 7, 85 Abs. 2 S. 2 GG zwar hinsichtlich neuer Aufgaben nicht mehr unmittelbar die Gemeinden verpflichten, sondern nur noch die Länder. Diese können die bundesrechtliche Verpflichtung aber weiter an die Gemeinden delegieren. 111 So bereits Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 92; Schoch, Privatisierung der Abfallentsorgung, 1992, S. 52 ff.; Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (625); andeutungsweise auch Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, S. 227; Katz, NVwZ 2010, S. 405 (406); in eine solche Richtung auch Hellermann, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 28, Rn. 33.5. 112 Stern/Püttner, Gemeindewirtschaft und Realität, 1965, S. 154; ders., in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.); BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 92, wo er zudem vertritt, dass die Trennung von Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben in der Praxis von geringer Bedeutung sei; ebenso Korte, VerwArch. 61 (1970), S. 3 (37); Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge, 1970, S. 38 f.; Kämmerer, JZ 1998, S. 1042 (1047); vgl. dazu auch Klement, Verantwortung, 2006, S. 465; etwas vorsichtiger nimmt Krausnick, VerwArch 102 110
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nen sei anders als ein subjektives Recht nicht zur Disposition des Inhabers gestellt, sondern begründe gleichsam eine Verantwortung für die Staatsordnung113. Teilweise wird etwas zurückhaltender nur eine allgemeine Beobachtungspflicht des zugewiesenen Kompetenzbereiches angenommen114. Die Ableitung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit aus der Charakterisierung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Kompetenznorm setzt aber zweierlei voraus. Erstens müsste ein Zusammenhang von verfassungsrechtlicher Kompetenzzuweisung und Handlungsverpflichtung verifizierbar sein. Lässt sich ein solcher tatsächlich feststellen, müsste in einem zweiten Schritt überprüft werden, inwiefern das Ergebnis sich auf das gemeindliche Recht zur Selbstverwaltung übertragen lässt. (2011), S. 360 (376) an, dass Kompetenzen „regelmäßig einen pflichtigen Charakter“ haben. 113 So Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 539, nach dem „jede Zuständigkeit, jede Einrichtungsstatuierung auf reale Wirksamkeit im verfassten Gemeinwesen angelegt“ ist; auch in BVerwGE 136, 43 (47) wird zumindest in Bezug auf eine spezielle Aufgabenübertragung angenommen, dass diese „nicht nur eine formale Zuständigkeit [begründet], sondern auch die Verantwortung des in die Pflicht genommenen Hoheitsträgers für die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Aufgabe“; ähnlich Ehlers, DVBl. 1997, S. 137 (141), nach dem Verwaltungskompetenz nur als pflichtgebundener Gestaltungsspielraum, nicht aber als Freiheit zu verstehen ist; nach dem SächsVerfGH LKV 2001, S. 216 (220), ist nicht nur eine heteronome Entziehung, sondern auch eine freiwillige Aufgabenübertragung (im konkreten Fall auf einen anderen Verwaltungsträger) rechtfertigungsbedürftig; nach Wolff, Verwaltungsrecht, Bd. 2, 1. Aufl. 1962, S. 17 f., ist „die Wahrnehmungszuständigkeit nicht nur Inhalt einer Ermächtigung, sondern auch einer Verpflichtung des zuständigen Subjekts. [. . .] Auf die Wahrnehmung von Zuständigkeiten kann auch nicht verzichtet werden, [. . .]“; allerdings anerkennt dieser auch gleichzeitig, dass „[i]hre Ausübung [. . .] jedoch verschiedenen Graden der rechtlichen Bindung [unterliegt]“ und verweist auf § 31, wo er auf S. 141 eine besondere Freiheit im Bereich der „gestaltenden Verwaltung“ eingeht; eine ähnliche Vorstellung scheint allgemein bereits anzuklingen bei Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 291 f., der zunächst das juristische Wesen der Selbstverwaltung definiert als „Beziehung der Kompetenz eines subjizierten Verbandes zur staatlichen Kompetenz“ und dann, nachdem er auf die abgeleitete Herrschaftsgewalt der Gemeinden eingeht, konstatiert: „Die Selbstverwaltung hat daher das spezifische Kennzeichen, dass sie zwar ein Recht des Verbandes darstellt, dass aber der Verband die Pflicht hat, sein Recht zu üben“; ders., Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 5. Neudruck, 1928, S. 565, wo er die Verantwortung aber scheinbar nicht als konkretisierbare Rechtspflicht begreift, wenn er gleichzeitig annimmt, dass „in jeder höheren Organtätigkeit ein freies Element vorhanden ist“, das die Normierung als Befugnis notwendig macht und die eine Pflicht ausschließt; auf die Gefahr der Fehlinterpretation der Aussagen Jellineks hinweisend auch Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 22. 114 Butzer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 74 Rn. 39, sieht die verfassungsrechtlichen Kompetenzvorschriften als die Normierung bestimmter „Aufmerksamkeitsfelder“.
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a) Aufgabenrechtlicher Gehalt verfassungsrechtlicher Kompetenzvorschriften Bereits die erste Prämisse der automatischen Handlungsverpflichtung jedes Kompetenzträgers115 bedarf der Differenzierung116. Bezüglich der Gesetzgebungskompetenzen der Art. 73 f. GG ist inzwischen klargestellt, dass diese in der Regel keinen materiellen Gehalt im Sinne eines verfassungsrechtlichen Handlungsauftrages an die Legislative enthalten117. In den Bereichen der konkurrierenden Gesetzgebung gemäß Art. 72, 74 GG spricht gegen einen aufgabenrechtlichen Pflichtgehalt insbesondere, dass ein Verpflichtungsadressat durch das Grundgesetz nicht selbst bestimmt wird118. Das Gesetzgebungsrecht kann lediglich in Verbindung mit sonstigen verfassungsrechtlichen Vorgaben, sogenannten „Kompetenzausübungsregeln“, eine Gesetzgebungspflicht begründen119. Da die Selbstverwaltung exekutive Tätigkeit betrifft, hilft diese Erkenntnis für die Bestimmung der Pflichtigkeit der Gemeinden nicht unmittelbar weiter. Allerdings ist die Annahme eines grundsätzlichen Automatismus zwischen kompetentieller Berechtigung betreffend einer Aufgabe und der Verpflichtung, diese tatsächlich auszuführen, auch im Bereich der Verwaltungskompetenzen zweifelhaft120. Damit soll nicht bestritten werden, dass 115
Vgl. hierzu allgemein Knemeyer, DÖV 1978, S. 11 ff. Differenzierter zum Zusammenhang von Kompetenz und Pflicht BrosiusGersdorf, AöR 130 (2005), S. 392 (420 ff.); einen Zusammenhang von Kompetenz und Pflicht generell ablehnend Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 133 Rn. 56; kritisch zum zwingenden Zusammenhang auch Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 38; Merten, DÖV 1993, S. 368 (371); nach Heintzen, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 70 Rn. 50, lässt sich eine Kompetenzwahrnehmungspflicht „jedenfalls“ nicht bei Legislativkompetenzen annehmen. 117 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 133 Rn. 56; Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (436); Uhle, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 71 Rn. 33; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 70 Rn. 63; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 71 Rn. 33; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Art. 70 Rn. 10; Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK-GG, Art. 70 Rn. 17; zurückhaltender fomuliert bei Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 70 Rn. 23, wonach eine Verpflichtung zum Tätigwerden des Gesetzgebers „nur höchst vorsichtig“ angenommen werden kann. 118 Ähnlich Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 74 Rn. 18, 21. 119 Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 71 Rn. 33; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Vorb. v. Art. 70 Rn. 10c, Art. 70 Rn. 10; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 70 Rn. 63. 120 Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. I, 2006, § 14 Rn. 47, weist zutreffend darauf hin, dass 116
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den Art. 84, 85 GG eine die Landesverwaltung verpflichtende Wirkung121 zukommt, die vom Bund erlassenen Gesetze zu vollziehen. Diese Annahme ist zwingend, um trotz der grundgesetzlich angelegten Inkongruenz von Gesetzgebungs- und Ausführungszuständigkeit einen ordnungsgemäßen Gesetzesvollzug sicherzustellen122. Da aber verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit im hier definierten Sinne123 das Fehlen einer einfachgesetzlichen Regelung der Aufgabe voraussetzt, ist dieser Befund für die vorliegend zu untersuchende Fragestellung irrelevant. Von Interesse ist ausschließlich, ob abgesehen von dieser Vollzugsverpflichtung den grundgesetzlichen Verwaltungskompetenzen auch im Allgemeinen ein materieller Regelungsinhalt im Sinne eines Verfassungsauftrages zur Erledigung der von der Kompetenzzuweisung umfassten Aufgaben zukommt124. Teilweise wird den exekutiven Zuständigkeitsregelungen ein solcher aufgabenrechtlicher Pflichtgehalt generell attestiert, soweit diese nicht ausdrücklich fakultativ ausgestaltet sind125. Eine inhaltliche Begründie Pflicht zur Achtung der Zuständigkeit nicht gleichbedeutend ist mit der Pflicht, von dieser Gebrauch zu machen, d.h. „die Beachtenspflicht nicht ipso jure eine Wahrnehmungspflicht nach sich zieht“. 121 BVerfGE 37, 363 (385); 55, 274 (318); 108, 169 (179); inzident auch BVerfGE 75, 108, (150); Suerbaum, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 83 Rn. 24; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 83 Rn. 34; Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 83 Rn. 75; Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 8; Dittmann, in: Sachs (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 83 Rn. 8; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Art. 83 Rn. 3. 122 Suerbaum, Die Kompetenzverteilung beim Verwaltungsvollzug des Europäischen Gemeinschaftsrechts in Deutschland, 1998, S. 177; ders., in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 83 Rn. 24; Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (436). 123 Vgl. oben § 2 A. 124 Zu diesem potentiellen Regelungsgehalt primär kompetenzabgrenzender Verwaltungskompetenznormen allgemein Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 86 Rn. 7; Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 56 ff.; Jestaedt, in: Aulehner (Hrsg.), Föderalismus – Auflösung oder Zukunft der Staatlichkeit, S. 315 (333); ders., Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1992, S. 446; speziell in Bezug auf die sog. obligatorische Bundesverwaltung Suerbaum, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 87 Rn. 14; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 16; Dittmann, Bundesverwaltung, 1983, S. 85; Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (448 f.); Badura, Verwaltungskompetenz und Organisationsrecht des Bundes (Art. 87 Abs. 1 GG) im Hinblick auf die Beteiligung an Unternehmen in einer Rechtsform des privaten Rechts, betrachtet am Beispiel der Postreform von 1989, in: Pfister (Hrsg.), Festschrift Lorenz, 1989, S. 3 f., spricht im Blick auf das Post- und Fernmeldewesen von der „materiellen Entscheidung“, dass dieses eine Staatsaufgabe ist. 125 Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (436); im Grundsatz zustimmend Stettner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 70 Rn. 23; bezüglich Art. 86 f.
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dung für die Annahme dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses bleibt diese Ansicht schuldig126. Dies ist nicht verwunderlich, da hier in Wahrheit in unzulässiger Weise die verkürzte Zusammenfassung eines empirischen Befundes zum abstrakten Dogma erhoben wird. Bei den exekutiven Zuständigkeitsvorschriften, denen ein aufgabenrechtlicher Pflichtgehalt beigemessen wird, wie beispielweise der sogenannten obligatorischen Bundesverwaltung in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG, ergibt sich dieser erst aus der Interpretation der einzelnen Vorschrift, insbesondere der grammatikalischen Auslegung127. Diese Verwaltungskompetenzen sind überwiegend auf konkrete Sachaufgaben bezogen128 und zudem indikativ formuliert, so dass der in ihnen enthaltene Verfassungsauftrag zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe bereits im Wortlaut angelegt ist129. Der materielle Gehalt, dass ein Hoheitsträger die Aufgabe, für die ihm verfassungsrechtlich die Kompetenz eröffnet wird, auch tatsächlich wahrnehmen muss, ist folglich kein generell wesensimmanentes Element von verfassungsrechtlichen Exekutivkompetenzen130, sondern lässt sich erst im GG in diesem Sinne Kämmerer, JZ 1996, S. 1042 (1047), der zumindest einen Kernbereich als verpflichtend ansieht. 126 Die Verpflichtung als Ausnahmetatbestand sieht Lecheler, NVwZ 1989, S. 834 (835); gegen Pauschalierungen hinsichtlich des materiellen Gehaltes von Verwaltungskompetenzen Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87 Rn. 17; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 16; Becker, DÖV 2002, S. 397 (398); Burgi, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 75 Rn. 17. 127 Lecheler, NVwZ 1989, S. 834 (835); Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 87 Rn. 14. 128 Diese Tatsache betonen Ossenbühl, Bestand und Erweiterung des Wirkungskreises der Deutschen Bundespost, 1980, S. 29; Bull, Staatsaufgaben unter dem Grundgesetz, 1973, S. 52, 152; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG. Art. 87 Rn. 17; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 16; Burgi, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 75 Rn. 17; so wohl auch Krölls, GewArch 51 (1995), S. 129 (139), der von „bereichsspezifischen“ Kompetenzvorschriften spricht, die einer Privatisierung entgegenstehen können. 129 Zur obligatorischen Bundesverwaltung nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG, vgl. bereits Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 85; Schmidt-Aßmann/Fromm, Aufgaben und Organisation der Deutschen Bundesbahn in verfassungsrechtlicher Sicht, 1986, S. 59; so auch Suerbaum, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 87 Rn. 14; Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 87 Rn. 17; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 86 Rn. 16; im Ergebnis auch Lecheler, NVwZ 1989, S. 834 (835); zur Bedeutung des Wortlautes für die Ableitung „zuständigkeitsüberschießender Normgehalte“ auch Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1992, S. 450 f.; den obligatorischen Charakter ohne Begründung annehmend Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 87 Rn. 23; Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 111; sehr zurückhaltend Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 87 Rn. 28.
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Einzelfall durch Auslegung, insbesondere des Wortlauts der konkreten Norm, ermitteln. b) Fehlende Übertragbarkeit auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG Bei der Beurteilung, inwieweit auch die Kompetenz der Gemeinden zur Regelung aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft einen aufgabenrechtlichen Pflichtgehalt131 enthält, sind dagegen zwei grundlegende grammatikalische Unterschiede zu den eben dargestellten pflichtigen Exekutivkompetenzen zu beachten132. Zunächst spricht Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, wie bereits mehrfach betont, von einem Recht der Gemeinden. Auch wenn die subjektiv-rechtliche Formulierung vor dem Hintergrund ihrer Entstehungsgeschichte und der Grenzen der Dispositionsbefugnis subjektiver Rechte einen Pflichtgehalt nicht ausschließt133, deutet sie aber anders als der Wortlaut der als pflichtig anerkannten Verwaltungskompetenzen einen solchen nicht einmal ansatzweise an. Die isolierte grammatikalische Auslegung spricht folglich vielmehr gegen die Ableitbarkeit einer Verpflichtung der Gemeinden aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG134. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die grundgesetzliche Selbstverwaltungsgarantie keine Drittwirkung im Verhältnis zu Privaten entfaltet135, das heißt weder Schutz vor privater Konkurrenzbetätigung im Sinne einer Reservierung des Aufgabenfeldes für die Gemeinden bietet136 noch als Legitimation für eine Einschränkung der Grundrechte privater Konkurrenten ausreicht137. Die Möglichkeit einer Aufgabenerfüllung durch Private schränkt die Notwendigkeit eines Tätigwerdens der Gemeinde tatsächlich, die Recht130
Davon scheint auch Krölls, GewArch 51 (1995), S. 129 (139), auszugehen. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, 1992, S. 446. 132 Darauf nicht eingehend Kämmerer, JZ 1996, S. 1042 (1047), obwohl auch er eine Übertragung der zu Art. 86 f. entwickelten Grundsätze nur „cum grano salis“ für möglich hält. 133 Vgl. dazu bereits oben § 4 B. 134 In diesem Sinne wohl auch Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422 (434), wenn er bei der Begriffserläuterung konstatiert, dass der Begriff „Recht“ aufgrund des traditionellen Sprachgebrauchs nicht für Kompetenzen durch Gesetzgebung und Verwaltung verwendet werden soll. 135 Löwer, Energieversorgung zwischen Staat, Gemeinde und Wirtschaft, 1989, S. 217 ff.; Bethge, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 3, § 72 Rn. 37; Matthiesen, Die staatliche Einwirkung zur Sicherung der Energieversorgung und ihre Grenzen, 1987, S. 95. 136 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 185; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 65; Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 105. 131
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fertigungsbedürftigkeit bzw. Subsidarität138 gemeindlicher Betätigung ihre Zulässigkeit rechtlich ein. Vor allem unterscheidet sich aber der Bezugsgegenstand der potentiellen Handlungspflicht von den sonstigen Exekutivkompetenzen. Teilweise wird bereits die Verwendung des Begriffes der „Angelegenheit“ als Indiz gegen Pflichtigkeit angesehen, der anders als der der Aufgabe noch kein Pflichtelement enthalten soll139. Jedenfalls regelungstechnisch weicht die Kompetenzzuweisung aber entscheidend von den dargestellten Vorschriften ab. Die ausdrückliche Inbezugnahme konkreter Sachaufgaben in Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG bedeutet, dass der Verfassunggeber selbst eine bestimmte Aufgabe unmittelbar festgelegt hat, die Gegenstand der Kompetenzzuweisung ist. Damit soll die besondere, verfassungsrechtliche Bedeutung der konkreten Sachmaterie indiziert sein. In Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG werden aber keine einzelnen Sachaufgaben genannt oder die gemeindlichen Aufgaben enumerativ aufgelistet, sondern der Kompetenzbereich der Gemeinden abstrakt durch den Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umschrieben140. Somit hat der Verfassunggeber sachlich nicht bestimmte Aufgaben als der Selbstverwaltung wesensimmanent enumerativ konkretisiert141, sondern die Ausgestaltung des kommunalen Aufgabenbereichs inhaltlich offen gehalten. Damit wurde zum einen, wie das in den Gesetzesmaterialien eindeutig zum Ausdruck kommt, die gebotene Zurückhaltung im Verhältnis zum Landesgesetzgeber realisiert. Diesem sollte die nähere Präzisierung und Typisierung des kommunalen Aufgabenbereichs obliegen142. Zum anderen ermöglicht die inhaltliche Offenheit die Anpassung an sich wandelnde Bedürfnisse 137
Suerbaum, Kommunale und sonstige öffentliche Unternehmen, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2012, § 13 Rn. 33; Bethge, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 3, § 72 Rn. 37; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 107 Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 65; Matthiesen, Die staatliche Einwirkung zur Sicherung der Energieversorgung und ihre Grenzen, 1987, S. 95; vgl. zur Gegenansicht dagegen ausführlich Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung, 2000, S. 138 ff. 138 Siehe dazu ausführlicher unter § 6 A. III. 2. 139 Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 131, 40 f.; zur Aufgabe soll sie erst dann werden, wenn die Gemeinde sie freiwillig an sich zieht oder der Gesetzgeber ihr diese überträgt (vgl. S. 134). 140 Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 477, 490. 141 Anders als beispielsweise die bei Erlass des Grundgesetzes bereits existierende Bayerische Verfassung in Art. 83 Abs. 1 BV (vgl. aber zum eingeschränkten Regelungsgehalt der Vorschrift ausführlich unten § 5 B. IV). 142 Plenarprotokoll der 11. Sitzung vom 14. Oktober 1948, abgedruckt in: Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949. Akten und Protokolle, Bd. 5/1, 1993, S. 308 f.; vgl. dazu bereits oben § 3 A. III. 2. b).
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und tatsächliche Umstände143. Darin zeigt sich, dass der Verfassunggeber selbst keine Wertung hinsichtlich der Bedeutung einzelner Sachaufgaben zum Ausdruck gebracht hat. Ingesamt kann aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG also kein materiell-rechtlicher Aufgabengehalt entsprechend der Grundsätze zu den pflichtigen Exekutivkompetenzen abgeleitet werden144. Weder ist die Pflichtigkeit an sich im Wortlaut der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie angelegt, noch hat der Verfassunggeber sich unmittelbar auf konkrete Sachaufgaben festgelegt und so deren Bedeutung verfassungsrechtlich verankert. 2. Absicherung einer verfassungsrechtlich institutionalisierten Ordnungsidee Verbleibt der Einwand, dass sich der Verfassunggeber für die Selbstverwaltung als spezielle Form der Organisation der Staatsgewalt entschieden und diese in Gestalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG dem unbeschränkten Zugriff der verfassten Gewalten entzogen hat. Diese bewusste staatsorganisatorische Entscheidung könnte zugunsten der Selbstverwaltung durch deren Träger selbst konterkariert werden145. Stünde den Gemeinden eine unbeschränkte Disponibilität hinsichtlich ihres Aufgabenbestandes zu, könnten diese durch Rückzug aus der Verantwortung für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft einen Zustand schaffen, den nicht einmal der parlamentarische Gesetzgeber zu normieren berechtigt wäre146. Um die Institution Selbstverwaltung auch gegen die faktische Aushöhlung durch ihre eigenen Träger zu schützen, müsse Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auch eine Grenze 143 Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 497; so auch auch Knemeyer, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (221 f.), nach dem die Offenheit nötig ist, um „die unverminderte Normativkraft der Verfassungsvorschrift“ zu gewährleisten; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 187; in diesem Sinne auch bereits BVerfGE 79, 127 (146, 152). 144 Anders wohl Katz, NVwZ 2010, S. 405 (406), nach dem Art. 28 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 1 GG sowie das Landesrecht auch „Elemente eines materiellen Prinzips und Aufgabenverständnisses“ enthalten. 145 In diesem Sinne etwa v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1992, S. 190; Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, 1995, S. 247; eindringlich zu der im Demokratieprinzip wurzelnden, vom Willen der Gemeinde unabhängigen verfassungsrechtlichen Vorgabe einer Aufgabenverteilung durch die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung auch der SächsVerfGH LKV 2001, S. 216 (219). 146 Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 98; Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, 1995, S. 247; so auch SächsVerfGH LKV 2001, S. 216 (220).
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gegen beliebige Aufgabenreduzierung im Bereich der freiwilligen Aufgaben setzen. Daraus könnte sich eine Pflicht ableiten lassen, jedenfalls bestimmte Kernaufgaben oder einen quantitativen Umfang an freiwilligen Aufgaben im Sinne eines Untermaßverbots wahrzunehmen147. a) Objektive Funktion der Selbstverwaltung Unter dem Grundgesetz ist, wie schon mehrfach klargestellt wurde, kommunale Selbstverwaltung nicht Ausdruck einer freiheitsrechtlichen Abwehr vor staatlicher Einflussnahme gegenüber der Gesellschaft, sondern die Gemeinden leisten als Teil der Staatsverwaltung einen wesentlichen Beitrag, um das Funktionieren des Staatsganzen sicherzustellen148. Die objektivfunktionelle Bedeutung der kommunalen Tätigkeit setzt sich dabei aus mehreren Aspekten zusammen. Mit der Schaffung einer dezentralen Verwaltungsstruktur durch ausdrückliche Verankerung und Absicherung der Selbstverwaltung im Grundgesetz war vor dem Hintergrund der historischen Umstände nicht zuletzt eine Dekonzentration von Macht intendiert149. Die mit einer Aufteilung von Entscheidungsbefugnissen verbundene Balancewirkung, die vor allem für die Besatzungsmächte ein wichtiges Anliegen war150, scheint heute weniger zentral, hat aber ihre präventive Funktion trotzdem nicht eingebüßt. Vor allem ist die Entscheidung für eine Dezentralisation in Form der kommunalen Selbstverwaltung aber ein Resultat von Praktikabilitätserwägungen hinsichtlich der Ausgestaltung der staatlichen Organisationsstruktur, um eine 147 Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, 1995, S. 247, hält deswegen eine Entledigung typischer bzw. wesensbestimmender Aufgaben für unzulässig, unabhängig davon, ob diese einfachgesetzlich den Gemeinden als pflichtige Aufgaben zugewiesen sind. 148 Dazu bereits Becker, Kommuale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. IV 2, 1962, S. 710; Vogelgesang, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 28 Rn. 116. 149 Vgl. BVerfGE 79, 127 (149), nach dem die Gemeinden am ehesten diktaturresistent seien; dazu auch Suerbaum, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht, 2009, S. 75 (75); Hill, Entwicklungstendenzen und Anforderungen an die kommunale Selbstverwaltung, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 31 (39); Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl 2003, Rn. 55; SchmidtJortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 8; v. Mutius, Örtliche Aufgabenerfüllung – Traditionelles, funktionales oder neues Selbstverwaltungsverständnis?, in: ders. (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 227 (244); Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2001, S. 252. 150 Vgl. hierzu Maurer, DVBl. 1995, S. 1037 (1037 f.); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 19.
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möglichst effektive Aufgabenerfüllung zu gewährleisten151. Die eigenständige Wahrnehmung gewisser Aufgaben auf örtlicher Ebene ist in mehrerlei Hinsicht die effektivere Variante zur zentralen, hierarchischen Staatsverwaltung. So werden zum einen die Vorteile genutzt, die generell aus einer Verlagerung der Entscheidungsgewalt auf kleinere, unabhängige Entscheidungseinheiten resultieren152. Die engere örtliche Radizierung von Betroffenen geht regelmäßig mit einer geringeren Pluralität der Interessen einher und senkt somit den Abstimmungs- und Kompromissbedarf. Dies ermöglicht, verbunden mit der Beschränkung des Kreises der Entscheidungsberechtigten auf die Angehörigen der Gemeinschaft, kürzere Entscheidungswege und somit gleichzeitig eine höhere Flexibilität und Spontaneität153 hinsichtlich der Aufgabenerfüllung. Die weitgehende Kongruenz von Entscheidungsträgern und Betroffenen bewirkt zudem eine sachnahe Entscheidungsfindung154, die auf die konkreten Bedürfnisse der jeweiligen Gemeinden abgestimmt ist155. Aufgrund des gesteigerten Koordinationsbedürfnisses156 ist dagegen das Procedere einer Entscheidung bei hierarchisch organisierter, zentraler Verwaltung regelmäßig bürokratisierter und langwieriger157. Diese Besonderheiten kommunaler Entscheidungsprozesse bringen zudem weiter positive Effekte in legitimatorischer Hinsicht mit sich. Die geringere Mediatisierung des Bürgerwillens über zahlreiche Entscheidungsebenen, die 151
In diesem Sinne beispielsweise v. Unruh, DÖV 1977, S. 467 (469). Kohl, Vorwort, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 17 (24); Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1186); Hill, Entwicklungstendenzen und Anforderungen an die kommunale Selbstverwaltung, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 31 (43). 153 Statt vieler Röhl, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 15. Aufl. 2013, Rn. 16; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 86. 154 Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 302; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2001, S. 251; Hill, Entwicklungstendenzen und Anforderungen an die kommunale Selbstverwaltung, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 31 (40); Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 8. 155 Dazu schon Pünder, Die deutschen Gemeinden, 1948, S. 86. 156 Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1186). 157 Nach Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1973, S. 526, kann sich Selbstverwaltung dadurch bewusst von den bürokratischen Formen der Staatsverwaltung absetzen; so auch Hill, Entwicklungstendenzen und Anforderungen an die kommunale Selbstverwaltung, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 31 (40); dazu bereits Pünder, Die deutschen Gemeinden, 1948, S. 86. 152
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eine eigenständige lokale Verwaltung verhindert, trägt jedenfalls im Grundsatz dazu bei, eine stärkere Akzeptanz kollektiver Entscheidungen zu fördern158. Deren Folgen sind in der örtlich begrenzten Gemeinschaft unmittelbarer spürbar159 und folglich geeignet, das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Wahrnehmung der demokratischen Mitwirkungsrechte zu stärken160. Im Idealfall kann die Verantwortung im Bereich der Selbstverwaltung eindeutiger zugeordnet161 und somit konsequenter eingefordert werden. Diese besondere demokratische Funktion ist nicht überall in gleichem Maße verwirklicht, da in der Realität, abhängig von der Größe und Bevölkerungszahl der Kommune, eine steigende Professionalisierung der Gemeindeverwaltung zu verzeichnen ist, mit der sich die kommunale Selbstverwaltung immer mehr vom eben dargestellten Gedanken entfernt162. Unbestreitbar erfüllt aber die dezentrale Verwaltung durch eigenständige Gemeinden insgesamt einen Zweck, der bereits Stein163 dazu bewegte, die Beteiligten für ihre Angelegenheiten zu aktivieren164. Wie sie damals die Erfüllung von notwendigen Aufgaben, insbesondere im Bereich der Versorgung der Bevölkerung, im geschwächten preußischen Staat ermöglichten aufrecht zu erhalten, nehmen die Gemeinden auch heute noch tatsächlich eine beachtliche Bandbreite an Versorgungsaufgaben wahr und entlasten so 158 Zur Identifikationsfunktion auch BVerfGE 79, 127 (150); 82, 310 (314); ein Bewusstsein für die besondere Bedeutung der „Demokratie vor Ort“ anmahnend auch Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1184); Hill, Entwicklungstendenzen und Anforderungen an die kommunale Selbstverwaltung, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 31 (41). 159 Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1186, 1189); Kohl, Vorwort, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 17 (22). 160 In diesem Sinne auch v. Mutius, Örtliche Aufgabenerfüllung – Traditionelles, funktionales oder neues Selbstverwaltungsverständnis?, in: ders. (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 227 (244). 161 Maurer, DVBl. 1995, S. 1037 (1040); Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1186). 162 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2001, S. 251; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 493. 163 Dazu Katz/Ritgen, DVBl. 2008, S. 1525 (1529 f.). 164 In diesem Sinne bereits Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 292; darauf ausdrücklich verweisend BVerfGE 11, 266 (275 f.); dazu auch Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 303; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2. Aufl. 2001, S. 251; zum aktivierenden Staat allgemein Schuppert, Verwaltungswissenschaften, 2000, S. 920 ff.
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die unmittelbare Staatsverwaltung in einem Maße, dass eine Kompensation der gemeindlichen Tätigkeit kaum vorstellbar ist. Vor dem Hintergrund dieser sich aus mehreren Teilaspekten zusammenfügenden objektiven Funktion der Selbstverwaltung liegt der Schluss nahe, dass die Verwirklichung dieser staatsorganisationsrechtlichen Ordnungsidee nicht dem Belieben der durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG subjektiv-berechtigten Gemeinden preisgegeben werden kann, sich mithin aus der Selbstverwaltungsgarantie tatsächlich ein gewisses Moment der Pflichtigkeit ergibt165. b) Beeinträchtigung der Institution Selbstverwaltung durch autonomen Aufgabenverzicht Die Ableitung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit der Gemeinden im Sinne eines Aufgabenentledigungsverbots bzw. eines Aufgabenwahrnehmungsgebots kann aus ihrer verfassungsrechtlichen Institutionalisierung aber nur gelingen, wenn die institutionelle Garantie tatsächlich durch eine autonome Entscheidung einer Gemeinde, sich bestimmter Aufgaben zu entledigen bzw. diese von vornherein nicht wahrzunehmen, beeinträchtigt werden kann. aa) Vollständige Einstellung der freiwilligen Tätigkeit als verfassungswidriger Zustand Jedenfalls für den hypothetischen Extremfall, in dem eine Gemeinde ihre freiwillige Tätigkeit vollkommen einstellt, wird teilweise von einer Beeinträchtigung der institutionellen Garantie ausgegangen166. Dem ist im Ergeb165 So bereits Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 92; bezugnehmend auf Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. VI 2, 1962, S. 710; v. Mutius, JuS 1976, S. 652 (657); Vogelgesang, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 28 Rn. 116; als zu pauschal könnte man folglich die Aussage von Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 38, werten, dass Art. 28 Abs. 2 GG „ausschließlich Kompetenzen vermittelt, aber keine Pflichten auferlegt“. 166 Einen Verfassungsverstoß bei der vollständigen Aufgabenentledigung nimmt Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 10, an; etwas weiter noch Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 55, der auch im Falle eines „offensichtlichen Nichtausschöpfen[s] der Leistungsfähigkeit und eines mehr oder weniger völligen Entziehens aus der Verantwortung durch kommunale Mandatsträger“ eine Verletzung des Selbstverwaltungsrechts annimmt, dies aber auch eher für eine theoretische Überlegung hält, enger aber dann in Rn. 56, wo er konstatiert, dass ein Pflichtenver-
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nis auch zuzustimmen. Zwar ist in der Eingriffssituation die lediglich beschränkt individuelle Wirkung der Selbstverwaltungsgarantie anerkannt, die die einzelne Gemeinde nicht in ihrem Bestand schützt167. Da im Falle der Auflösung einer Gemeinde die Selbstverwaltungstätigkeit aber nicht vollständig zum Erliegen kommt, sondern nur durch eine neue, regelmäßig größere gemeindliche Gebietskörperschaft erfüllt wird, ist diese Wertung auf die Frage der Aushöhlung durch Untätigkeit einer bestehenden Gemeinde nicht übertragbar. Der objektiven Organisationsentscheidung des Verfassunggebers, die Gemeinden als besonderen Funktionstypus von Verwaltungsträger zu institutionalisieren und sie mit verfassungsunmittelbarer Kompetenz auszustatten, widerspricht es, wenn die Gemeinden ihre Tätigkeit ausschließlich auf den Vollzug gesetzlicher Aufgabenpflichten beschränken. bb) Auswahlrecht als Funktionsbedingung Andererseits kann aber auch die Reichweite der materiellen Handlungspflicht nicht der der verfassungsrechtlichen Kompetenz der Selbstverwaltungsträger entsprechen168. Die Konzeption der Selbstverwaltung nach dem Grundgesetz setzt ein Auswahlrecht hinsichtlich der Sachaufgaben voraus169, die unter den Begriff der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft subsumiert werden können. Müsste die Gemeinde jede Sachaufgabe erfüllen, die sie unmittelbar gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ohne einfachgesetzliche Zuweisung wahrnehmen darf, würde das die einfachgesetzliche Systematisierung in pflichtige und freiwillige Aufgaben ad absurdum führen. Vor allem wäre damit aber auch das Recht der gemeindlichen Spontaneität in Frage gestellt, das die verfassungsrechtlich intendierte Pluralität und Individualität kommunaler Betätigung ermöglicht. Ein Aufgabenfindungs- bzw. Aufgabenerfindungsrecht setzt eine gewisse inhaltliche Auswahlmöglichkeit innerhalb des Spektrums von verfassungsrechtlich zulässiger Betätigung voraus170. Diese Berechtigung, grundsätzlich in eigenem stoß allenfalls bei völligem Ausfall von freiwilligen Selbstverwaltungsausgaben in Betracht käme. 167 BVerfGE 50, 50 (50); 59, 216 (227); 86, 90 (107). 168 Deutlich in diesem Sinne auch Klement, Verantwortung, 2006, S. 465. 169 Lange, LKRZ 2010, S. 201 (201); zur Notwendigkeit eines gewissen „Spielraums“ auch v. Mutius, Gutachten zum 53. DJT, 1980, S. 10 f.; Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1152). 170 So schon deutlich Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 88, der eine „steter Enfaltung zugängliche kommunale
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Ermessen punktuell von der verfassungsrechtlichen Generalkompetenz Gebrauch zu machen, ist Hintergrund bzw. Bedeutungsgehalt der subjektivrechtlichen Formulierung der Selbstverwaltungsgarantie. Aufgrund der Institutionalisierung der Gemeinden als Hoheitsträger ist sie zwar nicht mehr Ausdruck echter Freiheitssicherung, sie normiert aber einen Autonomieanspruch in dem ihr verfassungsrechtlich überlassenen Kompetenzbereich als staatsorganisatorische Funktionsentscheidung. Nur durch eine eigene Aufgabendefinitionskompetenz kann die oben dargestellte objektiv-rechtliche Funktion der Institution Selbstverwaltung verwirklicht werden. Die Gemeinden sind schließlich auf einem eigenen demokratischen Legitimationskonzept aufgebaut, das in Art. 28 Abs. 1 S. 2 GG ausdrücklich verfassungsrechtlich gefordert ist171. Die Konstituierung unmittelbar legitimierter Organe impliziert aber auch ein besonderes Maß an eigenständiger Entscheidungsgewalt172. Deshalb muss man die explizit normierte Erforderlichkeit der unmittelbaren Wahl der Entscheidungsträger der Kommunalverwaltung als Korrelat einer umfassenden materiellen Definitionshoheit hinsichtlich des Begriffs der Angelegenheiten der konkreten örtlichen Gemeinschaft verstehen. Nur durch die Respektierung der Individualität der Gemeinde bei der Ermittlung und Bewältigung der eigenen Bedürfnisse kann die Förderung der Mitwirkung an demokratischen EntscheidungsproAktionsvollmacht“ fordert; in diesem Sinne auch Schoch, DVBl. 2010, S. 1533 (1535); Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (270); Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 129; Püttner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 144 Rn. 37; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 112; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 232; grundsätzlich auch Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 496; Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 18 f.; Hartmann, in: Articus/Schneider (Hrsg.), Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl. 2009, § 3, S. 93; Wansleben, in: Held/Winkel (Hrsg.), Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 2009, § 3 S. 107; nach Rennert, Die Verwaltung 35 (2002), S. 319 (325), bestätigt sie dadurch ihr Aufgabenzugriffsrecht; dies anerkennend auch bereits Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. VI 2, 1962, S. 717; zum Aufgabenerfindungsrecht auch Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 48, der aber im Vergleich zur Altauflage einen Passus eingefügt hat in dem er die „Obliegenheit der Gemeinden [. . .], ihren Aufgabenbereich zu sichern“ als str. bezeichnet, und in Fn. 194 darauf hinweist, dass unter Umständen daraus ein Privatisierungsverbot folgt. 171 Dies betonend Faber, Die Macht der Gemeinden, 1982, S. 14; ihm zustimmend Langrehr, Die Auswirkungen der Privatisierung gemeindlicher Aufgaben auf die kommunale Selbstverwaltung, in: Frank/Langrehr (Hrsg.), Die Gemeinde – Festschrift Faber, 2007, S. 89 (102); ebenso Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1187). 172 Hufen, DÖV 1997, S. 276 (278).
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zessen und die Akzeptanz der daraus resultierenden Ergebnisse gesteigert werden173. Auch in Art. 3 der Europäischen Charta über die kommunale Selbstverwaltung wird der Begriff der kommunalen Selbstverwaltung ausdrücklich als Regelung und Gestaltung der örtlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter definiert. Der einzelne kommunale Selbstverwaltungsträger hat im Bereich der gesetzlich nicht determinierten Angelegenheiten somit prinzipiell das Recht, seine individuelle Aufgabenagenda zu kreieren174. Das Entschließungsermessen in Bezug auf konkrete Sachaufgaben stellt dabei ein Wesenselement kommunaler Selbstverwaltung dar175. Aus dem funktionsnotwendigen Auswahlrecht folgt zugleich, dass die Gemeinde sich einer Aufgabe, die sie freiwillig wahrnimmt, auch wieder entledigen kann, weil sie ihre Schwerpunkte fortan anders setzt. c) Anwendbarkeit der Kern-/Randbereichsdogmatik Fraglich bleibt jedoch, ob vom Grundsatz der kommunalen Dispositionsbefugnis über die freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht partiell Ausnahmen anzunehmen sind, das heißt die Freiheit, bei der Entschei173
Anschaulich Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/ Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1183, 1186), nach dem eine verstärkte staatliche Einflussnahme generell dazu führt, dass den Bürger nicht mehr das „demokratische Kribbeln“ überkommt; Ehlers, DVBl. 1998, S. 498 (504 Fn. 59), bezeichnet die Selbstbetroffenenverwaltung als konstitutives Prinzip. 174 Ausdrücklich die Selbstgestaltung hervorhebend BVerfGE 82, 310 (314); dazu auch eindringlich Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/ Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1189); ders., DÖV 1997, S. 276 (278); Meyer-Teschendorf/Föttinger (u. a.), Neuausrichtung kommunaler Dienstleistungen, 1999, S. 141; hinsichtlich der Berechtigung so auch Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 88. In diesem Sinne auch die Ausführungen des Abgeordneten Lacherbauer bei der Erörterung der Bedeutung von Art. 83 BV, vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Verfassungsausschuss der bayerischen verfassunggebenden Landesversammlung, Bd. 1, S. 146: Danach ergibt sich aus der Selbstverwaltungsgarantie nach „Auffassung aller großen Theoretiker“ eine „staatsfreie Domäne“, so dass eine enumerative Aufzählung von Pflichtaufgaben dem Wesen der Selbstverwaltung, insbesondere dem gemeindlichen Auswahlrecht, widersprechen würde [angedeutet auch bei Masson, BayVBl. 1958, S. 161 (161)]; vgl. dazu näher unten § 5 B. VI. 175 VerfGH Thür NVwZ 1997, S. 665 (666); in diesem Sinne auch BVerwG GewArch 1964, S. 275 (276); VG Minden, Urteil vom 26.04.2007 – Az.: K 3 600/06 – juris, Rn. 27, speziell in Bezug auf Volksfeste und Märkte; auch nach Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 55, liegt das „Aufgreifen freiwilliger Selbstverwaltungsaufgaben [. . .] notwendigerweise im Ermessen der jeweiligen Gemeinde“.
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dung von ihrer kompetentiellen Berechtigung Gebrauch zu machen, auch hinsichtlich einzelner Aufgaben begrenzt ist. Einen potentiellen Anhaltspunkt liefert die Ansicht, nach der die Dispositionsbefugnis der Gemeinden nicht weitergehen kann als die des Gesetzgebers176. aa) Kein Randbereichsschutz Für den Gesetzgeber gilt allgemein ein Rechtfertigungsbedürfnis für die zulässige Aufgabenentziehung, die das Bundesverfassungsgericht als materielles Aufgabenverteilungsprinzip bezeichnet177. Danach muss der Gesetzgeber für einen Entzug von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft gewichtige Gründe des Allgemeinwohls anführen, die über bloße Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitserwägungen hinausgehen178. Klärungsbedürftig ist folglich zunächst, ob auch der Verzicht der Gemeinde auf die Aufgabenerfüllung einer besonderen Rechtfertigung bedarf. Die These, nach der die Dispositionsbefugnis der Gemeinde nicht weiter gehen kann179 als die gesetzgeberische Regelungsbefugnis, ist allerdings schon im Ansatz fragwürdig180. Sie vergleicht einen rechtsförmigen Eingriff von außen mit einem autonomen Verzicht auf das Gebrauchmachen von einer dem Berechtigten gewährten Handlungsbefugnis181. Der Inhaber eines Rechts kann typischerweise freiwillig eine Beeinträchtigung zulassen oder sogar selbst herbeiführen, die in Form eines heteronomen Eingriffs nicht zulässig wäre. Auch wenn die subjektiv-rechtliche Formulierung der Selbstverwaltungsgarantie einen objektiven Kern im Sinne eines verpflichtenden 176 Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 98 ff.; Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, 1995, S. 247; im Ansatz auch SächsVerfGH LKV 2001, S. 216 (220); vgl. bereits oben Fn. 146. 177 BVerfGE 79, 127 (150), siehe dazu bereits oben § 3 B. I. 178 BVerfGE 79, 127 (149 ff.); dazu Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (329). 179 Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 98; so wohl auch SächsVerfGH LKV 2001, S. 216 (220). 180 Dies konstatiert auch Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170); einen Unterschied zwischen kompetentieller Berechtigung und materieller Verpflichtung der Gemeinden ergibt sich beispielsweise auch aus der Interpretation des Art. 83 Abs. 1 BV durch die Rechtsprechung und Literatur in Bayern. Danach darf nach einer Ansicht keiner der dort aufgezählten Gegenstände den Gemeinden durch den Gesetzgeber entzogen werden (inhaltlicher Mindestbestand des eigenen Wirkungskreises). Eine Verpflichtung der Gemeinden zur Wahrnehmung dieser Aufgaben ergibt sich allerdings nicht, vgl. ausführlich dazu unten § 5 B. IV. 181 Vgl. zu diesem Unterschied auch BVerwG DÖV 2007, S. 752 (753), hinsichtlich einer Konstellation der freiwilligen Übertragung (pflichtiger) Selbstverwaltungsaufgaben auf eine Verwaltungsgemeinschaft.
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Moments nicht a priori ausschließt182, so indiziert doch bereits der Wortlaut, dass der autonomen Verzichtsentscheidung der Gemeinden hinsichtlich der Wahrnehmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft jedenfalls weitere Grenzen gesteckt sind als der heteronomen Eingriffsbefugnis des Gesetzgebers183. Offensichtlich wird der Wertungsunterschied, wenn man sich vor Augen führt, dass die gesetzgeberische Hochzonung örtlicher Aufgaben die Abweichung von einem verfassungsrechtlich als Regelfall normierten Zustand darstellt, der Verzicht der Gemeinde, eine bestimmte örtliche Angelegenheit wahrzunehmen, hingegen ein regelfallkonformer Zustand ist, der durch die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichten durchbrochen wird. Da den kommunalen Selbstverwaltungsträgern im Grundsatz durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein eigener Entscheidungsspielraum im Sinne eines Auswahlrechts zulässiger Betätigung gewährt wird, weil dieses funktionsnotwendiges Wesenselement dieses flexiblen Verwaltungstypus ist, ist nicht die gemeindliche Disposition, sondern die potentielle Verpflichtung rechtfertigungsbedürftig. Ein Randbereichsschutz im Sinne einer besonderen Rechtfertigungslast hinsichtlich der Entscheidung einer Aufgabenentledigung oder dem Verzicht, eine freiwillige örtliche Aufgabe wahrzunehmen, existiert folglich nicht. bb) Indisponibler Kernbereich Eine Einschränkung des gemeindlichen Entschließungsermessens könnte sich aber zumindest in Bezug auf Kernaufgaben oder einen Kernbereich insgesamt ergeben184. Nach überkommener Ansicht existiert ein substantieller Aufgabenbereich, der absolut gegen Eingriffe des Gesetzgebers geschützt ist185. Strukturell entspricht diese institutionelle Sicherung der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, die mangels Grundrechtsqualität auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aber nicht anwendbar ist186. Der Bereich, der 182
Dazu oben § 4 B. In diesem Sinne wohl auch Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (270), der die Frage nach der Anerkennungsfähigkeit von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben von vornherein auf einen kleineren Kreis innerhalb des „Abwehrrings“ beschränkt, der gegenüber Übergriffen durch den Gesetzgeber gilt; noch weitergehend v. Unruh, DÖV 1977, S. 467 (470 Fn. 9), nach dem die Gemeinden nach dem Wortlaut des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG „zum Untätigsein“ berechtigt sind. 184 In diesem Sinne v. Mutius, JuS 1976, S. 652 (657); Knemeyer, WiVerw 1978, S. 65 (73); Vitzthum, AöR 104 (1979), S. 580 (626); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 307; ders., Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, § 6 Rn. 10; Thiele, GewArch 36 (1980), S. 105 (106); Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 187; Pautsch, DÖV 2005, S. 990 (993 f.). 185 Siehe dazu bereits oben § 3 A. III. 2. 186 Hierzu ausführlich Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 28, Rn. 52 m. w. N. 183
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das Wesen der Selbstverwaltung ausmacht, könnte auch für die Gemeinden im Rahmen des autonomen Verzichts unantastbar sein. Zur Ableitung verfassungsunmittelbar pflichtiger, wesensbestimmender Aufgaben müsste aber der Kernbereich der objektiven Rechtsinstitutionsgarantie in ihrer Ausprägung als Aufgabengarantie konkret in Bezug auf einzelne Sachaufgaben bestimmbar sein. Der früher insbesondere vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Subtraktionsmethode187, wonach eine Kernbereichsverletzung durch Aufgabenentziehung nur in Betracht kommt, wenn die Gesamtbetrachtung des noch verbleibenden Aufgabenbestandes die Unterschreitung eines Minimumstandards ergibt, hat das Bundesverfassungsgericht im Rastede-Beschluss eine klare Absage erteilt188. Aber auch nach seiner Rechtsprechung gewährleistet Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in Bezug auf die Aufgabengarantie unantastbar primär nur das Prinzip der Allzuständigkeit für die örtlichen Angelegenheiten an sich189, während konkrete Sachaufgaben regelmäßig nicht absolut vor der Entziehung durch den Gesetzgebers geschützt sind190. Abhängig ist die Bestimmung des unentziehbaren Kernbereichs von einer historischen Betrachtungsweise191, so dass eine Berührung des indisponiblen Kernbereichs umso mehr in Betracht kommt, als es sich um eine traditionell von den Gemeinden wahrgenommene Aufgabe handelt. Zum anderen soll aber auch dessen Bestimmung der Wandelbarkeit im Rahmen neuer gesellschaftlicher und sonstiger tatsächlicher Entwicklungen unterworfen sein192. 187
BVerwGE 6, 19 (25), 342 (345 f.). BVerfG 79, 127 (148); zustimmend Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 125; Schoch, VerwArch 81 (1990), S. 18 (31); plakativ kritisch bereits Knemeyer, Die Garantie der kommualen Selbstverwaltung, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (212); in diesem Sinne auch Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 417; Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, 1979, S. 40 f. 189 BVerfG 79, 127 (146 ff.); da echte gemeindliche Gestaltungsspielräume nur noch sehr begrenzt vorhanden sind, soll diese Grenze zur Aushöhlung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidung aus heutiger Sicht nach Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 101, sehr schnell erreicht sein. 190 BVerfG 79, 127 (146); Clemens, NVwZ 1990, S. 834 (838); vorsichtig hierzu Erlenkämper, NVwZ 1991, S. 325 (326); Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 518 ff.; dazu auch Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170); Gern, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 79; Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 135. 191 BVerfGE 1, 167 (178); 7, 358 (364); 17, 172 (182) 22, 180 (205); 79, 127 (146); VerfGH R-P NVwZ 2000, S. 801 (804), stellt darauf ab, was den Kernbereich „in seinen historischen und regionalen Erscheinungsformen durchlaufend und entscheidend prägt“; zur historischen Betrachtungsweise auch Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 125. 192 Maunz, in: ders./Dürig, GG, Art. 28, Rn. 53. 188
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Die Festlegung bestimmter gemeindlicher Kernaufgaben ist folglich bereits in der Konstellation der Entziehung hinreichend problematisch193, eine Übertragung der Wertungen auf die gemeindliche Verpflichtungssituation aber jedenfalls unmöglich, in der es nicht um die formelle Kompetenzabgrenzung im Rahmen eines positiven Kompetenzkonflikts geht. Während im Fall der Entziehung eine negative Begrenzung des gemeindlichen Gestaltungsspielraums erfolgt, wird bei der Ableitung verfassungsunmittelbar pflichtiger Kernbereichsaufgaben positiv das gemeindliche Aufgabendefinitionsrecht heteronom durch andere Hoheitsträger ausgeübt. Die Frage, ob die funktionsgerechte Erfüllung einer bestimmten Sachaufgabe allgemein der gemeindlichen Erfüllung überlassen bleiben kann oder ob diese eine Verlagerung auf andere Verwaltungsträger erfordert, ist der heteronomen und objektiven Beurteilung durch den Gesetzgeber dem Grunde nach zugänglich. Bei der Ableitung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe ist aber zu beurteilen, für welche Leistungen in der konkreten Gemeinde ein Bedürfnis besteht. Genau diese Kompetenz soll aber nach den Funktionsbedingungen der Selbstverwaltung im Bereich der freien Angelegenheiten im Grundsatz der einzelnen örtlichen Gemeinschaft selbst überlassen bleiben und kann nur unter Umständen durch den Gesetzgeber korrigiert werden. Während der historisch-typisierende Ansatz für die Bestimmung des Kernbereichs in der Konstellation der Entziehung somit möglicherweise taugliches Kriterium ist, sind die ihm zugrundeliegenen Definitionskriterien für die Beurteilung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit im Bereich der nicht gesetzlich determinierten Selbstverwaltungsaufgaben sinnwidrig. Beschränkt man die vom Gericht vorgeschlagene traditionell-historische Betrachtung auf die konkrete Gemeinde, würden gerade die Gemeinden benachteiligt, die sich langfristig um eine möglichst rege Betätigung bemüht haben. Begründet die Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe über einen bestimmten Zeitraum eine faktische Bindung im Sinne eines Entledigungsverbotes, führt dies zu einer „Versteinerung“194 des jeweiligen Aufgabenbestandes, die mit der auf Anpassungsfähigkeit angelegten generalklauselartigen Kompetenzzuweisung unvereinbar ist195. Müssten die Gemeinden fürchten, sich eine solche Bindung aufzuladen, kann sich die Annahme einer Fortführungspflicht traditionell wahrgenommener Aufgaben als Hemmnis eines freiwilligen Engagements auswirken. Die in Bezug auf die Hoch193 So auch Däubler, Privatisierung als Rechtsproblem, 1980, S. 99 f.; Müller, der gemeindehaushalt, 2010, S. 268 (268). 194 Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1538). 195 Dazu etwa Knemeyer, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (221 f.), vgl. bereits oben § 3 Fn. 66 m. w. N.
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zonung entwickelten Maßstäbe sind für eine Übertragung auf die Verpflichtungssituation also insgesamt ungeeignet. d) Untauglichkeit der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe zur Verwirklichung des Selbstverwaltungsprinzips Im Ergebnis kann aber auch eine von der Konstellation der Entziehung unabhängige, eigenständige Bestimmung verfassungsrechtlich notwendiger Gemeindeaufgaben im Ergebnis nicht zielführend sein. Die Anerkennung einer verfassungsrechtlichen Pflichtigkeit aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, konkretisierbar in Gestalt bestimmter Sachaufgaben der Gemeinden196, die die Gerichte oder die Aufsichtsbehörden festzustellen befugt sind, bewirkt generell eine Verschiebung der Entscheidungsgewalt von den Gemeinden zugunsten der zentralen Staatsgewalt. Diese steht nicht nur offensichtlich bereits dem Zweck der Machtdekonzentration diametral entgegen. Die Ingerenzmöglichkeit der zentralen Staatsgewalt stellt zudem die wesensimmanenten Vorteile einer eigenständigen, dezentralen Verwaltung in Frage. Schwer vereinbar ist diese Fremdbestimmung jedenfalls mit der angesprochenen Intention, dass sachnahe Entscheidungsträger die individuellen Bedürfnisse der konkreten örtlichen Gemeinschaft ermitteln sollen197. Das Verbot zur Entledigung von bisher traditionell wahrgenommen gemeindlichen Aufgaben, das das Bundesverwaltungsgericht als Mittel zum Schutz der Institution der Selbstverwaltung vor Aushöhlung entwickelt hat, ist nicht nur untauglich, sondern wendet sich vielmehr gegen das Schutzobjekt selbst. Die durch sie bewirkte „Zementierung“198 kommunaler Aufgaben nimmt der Selbstverwaltung ihre charakteristische Flexibilität, Spontaneität und Individualität199 196
Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 539. So auch Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1152); in diesem Sinne bereits Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 472, 477, nach dem Angelegenheiten der örtlichen gerade solche Belange sind, die sich aus dem Zusammenleben der konkreten Gemeinschaft ergeben, während vom Staat herrührende Anliegen ausgeschlossen seien; zur Notwendigkeit einer bürgerorientierten Kommune auch Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/ Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1186); ähnlich auch Kohl, Vorwort, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 17 (22). 198 Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (271). 199 Auf die Gefahr durch „gleichmachende Tendenzen“ weist bereits hin Hill, Entwicklungstendenzen und Anforderungen an die kommunale Selbstverwaltung, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 31 (40). 197
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und die Möglichkeit der „wirksamen Teilnahme“200, durch die sie sich von der zentral-hierarchischen Verwaltung unterscheidet201. Das Ordnungsprinzip Selbstverwaltung wird somit keinesfalls dadurch verwirklicht, dass aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben abgeleitet werden202. Die heteronom erzwungene Wahrnehmung bestimmter Aufgaben kann einen potentiellen Verfassungsverstoß durch die Gemeinden in Form einer Aushöhlung der Institution Selbstverwaltung von innen, d. h. durch die Selbstverwaltungsträger selbst, nicht heilen203. Sie bedeutet gerade eine Einschränkung des Prinzips des sich Selbstverwaltens, frei von zentralstaatlicher Einflussnahme204 und der damit intendierten Modalität staatlicher Aufgabenwahrnehmung. Zutreffend hat Burgi formuliert, dass „die Entscheidung des Grundgesetzes zugunsten der kommunalen Selbstverwaltung [. . .] auf dem Vertrauen in ein Konzept beruht“, das nur dann die erforderliche Konsistenz behält, wenn sich ihr „Mehrwert“, der im Vorgehenden bereits dargestellt wurde, umfassend verwirklichen kann205. Folglich ist die Vorstellung, aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG müsse sich eine Pflichtigkeit im Sinne konkreter Pflichtaufgaben ableiten lassen, um die institutionell garantierte Selbstverwaltung zu schützen, ein Widerspruch in sich.
200
BVerfGE 91, 228 (238). So schon Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1973, S. 526. 202 Eine Einschränkung des Prinzips des Selbstverwaltens sieht hierin auch Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 734; zu einem anderen Ergebnis würde möglicherweise Korte, VerwArch 61 (1970), S. 3 (38), kommen, nach dem sogar eine gesetzliche Pflichtigmachung von Aufgaben wegen der ohnehin bestehenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung nur deklaratorischer Natur wäre; der Verweis auf Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. VI 2, 1962, S. 717, überzeugt nicht, da dieser keine echte rechtsverbindliche Pflichtigkeit, sondern eine faktische Notwendigkeit beschreibt; in diesem Sinne auch Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 20. 203 Vgl. kritisch zu „diktierten Selbstverwaltungsaufgaben“ im Allgemeinen Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 495. 204 Zu diesem wesentlichen Aspekt der Eigenständigkeit der Selbstverwaltung auch Hufen, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, in: Geis/Lorenz (Hrsg.), Staat, Kirche, Verwaltung – Festschrift Maurer, 2001, S. 1177 (1186); Hill, Entwicklungstendenzen und Anforderungen an die kommunale Selbstverwaltung, in: Blümel/Hill, Die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung, 1991, S. 31 (39); Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 477. 205 Burgi, DVBl. 2007, S. 70 (73); Krämer, Die bürgerschaftliche Selbstverwaltung unter den Notwendigkeiten des egalitären Rechtsstaates, 1970, S. 65, nach dem eine „effektive Kompetenz zur Bestimmung sozialstaatlicher Leistungen“ erforderlich ist, um die demokratische Beteiligung der Bürger zu sichern. 201
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e) Institutionelles Untermaßverbot Somit bleibt zu untersuchen, ob der gemeindlichen Dispositionsbefugnis zumindest eine quantitative Grenze im Sinne eines Untermaßverbotes206 der gemeindlichen Untätigkeit durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gesetzt wird. Auch der Begriff des Untermaßverbots ist eine Anleihe aus der Grundrechtsdogmatik, die zur Bestimmung des Umfangs der staatlichen Tätigkeitsverpflichtung aus der leistungsrechtlichen Funktion der Grundrechte, dem sogenannten status activus, dient207. Im grundrechtlichen Zusammenhang wird den Grundrechtsverpflichteten durch das Untermaßverbot die Pflicht gegenüber dem grundrechtsberechtigten Bürger auferlegt, ein Mindestmaß an Regelungen zu treffen, um die Ausübung der Grundrechtsberechtigung zu ermöglichen208. Verpflichtungsadressat ist dabei die staatliche Gewalt, regelmäßig der Gesetzgeber209. Die Ableitung eines Untermaßverbotes in Bezug auf die gemeindliche Tätigkeit unterscheidet sich davon aber in konstruktiver Hinsicht wesentlich. Sieht man die Gemeinde als verpflichtet an, einen quantitativen Mindeststandard an freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben wahrzunehmen, bedeutet dies dagegen, den Berechtigten des Selbstverwaltungsrechts gegenüber dem Staat als Adressaten in die Pflicht zu nehmen. Nur zur Klarstellung sei nochmals darauf hingewiesen, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nach allgemeiner Ansicht gerade keine Wirkung im Verhältnis der Gemeinde zum Bürger entfaltet210, dieser also nicht Berechtigter der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie ist. 206 Ehlers, DVBl. 2009, S. 1456 (1456); Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (84); Krölls, GewArch 41 (1995), S. 129 (142); diese Überlegung hält auch Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 56, für möglich, ohne ihr aber selbst zuzustimmen; ähnlich Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (272); Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 272, sieht eine Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als absolute Grenze, deren Überschreitung „durch eine Fülle materieller Privatisierungen potentiell möglich erscheint.“; für eine „Garantie der kulturellen Grundversorgung“, Scheytt, Kommunales Kulturrecht, 2005, Rn. 130. 207 Beispielsweise BVerfGE 88, 203 (254); 121, 317 (380); dazu statt vieler Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 99 Rn. 58; Dietlein, Die Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, 1992, S. 131 ff.; ders., ZG 1995, S. 131 ff.; w.N. bei Suerbaum, NJW 2000, S. 849 (851); einen ausführlichen Überblick bieten auch Rassow, ZG 2005, S. 262 ff.; Klein, JuS 2006, S. 960 ff. 208 BVerfGE 88, 203 (254); 121, 317 (380). 209 Vgl. dazu ausführlich unten § 6 B. I. 2. 210 Suerbaum, Kommunale und sonstige öffentliche Unternehmen, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2012, § 13 Rn. 33; Bethge, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 3, § 72 Rn. 37;
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Selbst wenn man diese strukturelle Abweichung außer Acht lässt, bleibt die Konkretisierbarkeit und die praktische Tauglichkeit des Untermaßverbotes gemeindlicher Tätigkeit zum Schutz der institutionellen Garantie problematisch. Bereits im Allgemeinen ist die Wirkmächtigkeit einer quantitativen Untergrenze211 äußert fragwürdig. Ein feststehender prozentualer Mindestanteil, den die freiwilligen Aufgaben am Gesamtvolumen der Gemeindeaufgaben ausmachen müssen, lässt sich aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht ableiten212. Erst recht muss dies im Hinblick auf die Verpflichtungssituation gelten, wo eine solche Relation zudem empirisch kaum ermittelbar ist213. Stellt man für eine Bewertung, ob die freiwillige Tätigkeit einer Gemeinde der Institution Selbstverwaltung gerecht wird, ausschließlich die Verwendung der finanziellen Mittel für die unterschiedlichen Aufgabenarten gegenüber, lässt man unbeachtet, dass die Qualität und auch die Quantität der Bewältigung der eigenen Angelegenheiten nicht zwangsläufig mit der Summe der eingesetzten Mittel korrespondieren muss. Besonders effizient wirtschaftende Gemeinden könnten beim bloßen Abgleich der Ausgaben möglicherweise falsch bewertet werden. Eine heteronome inhaltliche Qualitätsprüfung verbietet sich vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomie der Selbstverwaltungsträger. Die Fehleranalyse obliegt im Grundsatz alleine dem Legitimationssubjekt der Gemeindebürger, denen als Instrument hierfür Wahlen und gegebenenfalls Abstimmungen zur Verfügung stehen. Eine fremdbestimmte Standardisierung ist aus der Selbstverwaltung als Ordnungsidee folglich gerade nicht begründbar, sondern muss sich vor ihrem Hintergrund rechtfertigen lassen.
Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 28 Rn. 107; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 65; Matthiesen, Die staatliche Einwirkung zur Sicherung der Energieversorgung und ihre Grenzen, 1987, S. 95; siehe dazu bereits oben § 4 C. I. 2. 211 In diesem Sinne mit Bezug auf den Aufgabenentzug BVerfGE 79, 127 (148); s. dazu oben § 3 B. I. 212 Dies zeigt sich auch anhand des Streites bezüglich des verfassungsrechtlichen Umfangs an freien Mitteln: VerfGH Thür NVwZ-RR 2003, S. 249 (252); Volkmann, DÖV 2001, S. 487 (501); ausführlich dazu unten § 7 A. II. 2. b). 213 Zur Problematik der Bestimmung der Grenze bis zu der noch von ausreichender „politische Selbstdarstellung“ bzw. „Funktion von gewissem politischem Gewicht“ auszugehen ist v. Mutius, in: Schmalz/Ewer/v.Mutius/Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Kommunalrecht, Rn. 70.
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3. Selbstverwaltungsrecht als Ermittlungs-, Befassungs- und Priorisierungspflicht Der objektive Pflichtgehalt, der sich tatsächlich aus der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie aufgrund der Institutionalisierung der Gemeinden als staatliche Funktionsträger ableiten lässt, ist deshalb beschränkt auf eine abstrakte Verpflichtung, die man als Befassungspflicht bezeichnen kann. Sie besteht darin, „virtuelle“ Gemeindeaufgaben ggf. zu „aktuellen“ Gemeindeaufgaben zu machen214. Das bedeutet, dass der Gemeinde eine Pflicht zur Beobachtung und Überprüfung der Erforderlichkeit staatlicher Intervention zukommt215. Die gewählten Repräsentativorgane müssen stetig ermitteln, welche Bedürfnisse in der konkreten Gemeinschaft bestehen, die nicht allein durch die gesellschaftlichen Kräfte, sondern nur durch gemeindliches Tätigwerden befriedigt werden können216. Insofern wohnt Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG tatsächlich ein Moment der Pflichtigkeit inne217, das man als eine abstrakte Verpflichtung218 der Gemeinden umschreiben kann, sich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen. Trotz Fehlens eines konkreten materiellen Pflichtgehalts ist zu beachten, dass die Selbstverwaltungsgarantie ein formell-staatsorganisatorisches Prinzip darstellt, das im Wertungszusammenhang mit sonstigen verfassungsrechtlichen Normen steht. Staatsaufgaben können sich unter Umständen aus materiellen verfassungsrechtlichen Wertungen, wie beispielsweise den Grundrechten oder dem Sozialstaatsprinzip, ergeben. Die Zuständigkeitsvorschrift des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, die den Gemeinden einen ausschließlichen Kompetenzbereich abschirmt, wirkt dann als Zuteilungsnorm innerhalb der staatlichen Organisation.
214 Zu dieser Terminiologie hinsichtlich der Staatsaufgaben im Allgemeinen Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 73 Rn. 13. 215 Eine solche „Reservefunktion“ annehmend auch Hünnekens, Rechtsfragen der wirtschaftlichen Infrastruktur, 1995, S. 248; Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 22; in diesem Sinne auch Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (272); Fröhler, Die Gemeinde im Spannungsfeld des Sozialstaates, 1970, S. 29, zur vergleichbaren Rechtslage in Österreich. 216 In diesem Sinne Butzer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 74 Rn. 39; ähnlich im Ergebnis aber noch weitergehend Katz, NVwZ 2010, S. 405 (406). 217 Dies entspräche wohl der Vorstellung von Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl., 5. Neudruck, 1928, S. 565, dass Organzuständigkeiten eigentlich „berechtigende Pflichten“ seien. 218 Kritisch zur Bedeutung einer solchen abstrakten Pflicht Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 539, 734.
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D. Ergebnis: lediglich abstrakt-formelles Pflichtmoment Im Ergebnis ist auf Basis der bisherigen Untersuchung folgender Befund zu konstatieren, der nach der Beschreibung mancher Autoren als Dilemma bewertet werden muss219. Unbestreitbar hat der Verfassunggeber die Gemeinden als einen wichtigen Funktionsträger im Staatsgefüge vorgesehen. Die Reduzierung oder der weitgehende Verzicht auf die Wahrnehmung von freiwilligen, nicht gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben widerspricht der Idee der Selbstverwaltung, die auch nach dem Grundgesetz als „tätige Freiheit“220 konzipiert ist. Ein materieller Gehalt im Sinne eines Katalogs von Aufgaben, deren Wahrnehmung die Institution Selbstverwaltung wesensnotwendig voraussetzt und die durch die verfassten Gewalten hinsichtlich der einzelnen Gemeinde konkretisierbar sind, ist aber bereits aufgrund seines rein formellen Charakters aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht ableitbar221. Die Ordnungsidee der Selbstverwaltung, die auf dem Prinzip der Eigenständigkeit gegenüber der zentralen Staatsgewalt basiert, fordert vielmehr im Grundsatz ein echtes Entschließungsermessen der Gemeinden in Bezug auf die Wahrnehmung konkreter Aufgaben222. Den eigens legitimierten Entscheidungsträgern der Gemeinden ist durch die grundgesetzliche Selbstverwaltungsgarantie also prinzipiell die Definitionshoheit hinsichtlich der Angelegenheiten ihrer eigenen örtlichen Gemeinschaft überlassen. Einschränkungen in Form einer Inpflichtnahme der Gemeinden für konkrete Aufgaben schließt das dem Grundgesetz zu Grunde liegende Selbstverwaltungsverständnis nicht aus, Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nimmt sie aber selbst nicht vor. Weder aus dem Wortlaut oder der Entstehungsgeschichte ergeben sich Anhaltspunkte für eine Ableitung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben, noch lassen diese sich aus der teleologischen Interpretation begründen. Aus der staatsorganisatorischen, kompetentiellen Funktion der Selbstverwaltung ergibt sich in Gestalt einer Befassungspflicht mit den Angelegen219 In diesem Sinne zum Auseinanderfallen der rechtlichen Pflichtigkeit und des tatsächlichen Notwendigkeit des gemeindlichen Handelns Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. VI 2, 1962, S. 717; ebenso Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge, 1970, S. 58 f. 220 Dazu § 4 C. II. 2. sowie § 3 A. 221 So im Ergebnis auch Stahl, Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht und die Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungspflicht durch eigenes Verwaltungshandeln und durch Unterlassen der Gemeinde, 1969, S. 88, dessen Aussagen aber wohl primär auf die bayerische Verfassung bezogen sind. 222 Im Hinblick auf die Berechtigung Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 88.
D. Ergebnis: lediglich abstrakt-formelles Pflichtmoment
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heiten der örtlichen Gemeinschaft tatsächlich ein abstraktes Moment der Pflichtigkeit223. Dieser verpflichtet die Gemeindevertreter, Bedürfnissituationen innerhalb der örtlichen Gemeinschaft zu ermitteln und zu überprüfen, inwieweit gemeindlicher Interventionsbedarf besteht. Zu klären bleibt, ob sich aus anderen verfassungsrechtlichen Vorschriften eine materielle Verpflichtung zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe ergibt. Dann könnte sich die abstrakte Befassungspflicht möglicherweise zur konkreten Handlungspflicht verdichten und über die kompetentielle Weiche des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG an die Gemeinden adressiert sein224.
223 So auch Reusch, Gemeindliche Rechtspflichten auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge, 1970, S. 64. 224 Vgl. dazu ausführlich unten §§ 6, 7.
§ 5 Inpflichtnahme durch die landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen zur kommunalen Selbstverwaltung Wie bereits mehrfach angedeutet wurde, ist die kommunale Selbstverwaltung nicht nur Regelungsgegenstand des Grundgesetzes. Parallel dazu enthalten auch die Verfassungen der Länder, denen die Gemeinden staatsorganisatorisch zugeordnet sind, Vorschriften zur Rechtsstellung der Gemeinden. Auch diese Bestimmungen sind im Folgenden, nachdem ihr Verhältnis zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG näher beleuchtet worden ist, auf ihren Pflichtgehalt zu untersuchen.
A. Das Verhältnis von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zum Landesverfassungsrecht Um die Bedeutung der landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantien bewerten zu können, muss grundsätzlich ihr Verhältnis zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geklärt werden. Wie bereits in den einleitenden Überlegungen dargestellt wurde, handelt es sich bei der grundgesetzlichen Garantie der Selbstverwaltung nach überzeugender Ansicht um eine echte Durchgriffsnorm1, durch die auch die Landesstaatsgewalt unmittelbar gebunden wird2. Für das Konkurrenzverhältnis beider Normebenen gilt nach allgemeiner Ansicht der Grundsatz, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG einen Mindestgehalt vorgibt, der von den Landesverfassungen zwar erweitert, nicht aber unterschritten werden darf3. Ob die Unterschreitung des grundgesetzlichen 1
Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 704; Dreier, in: ders. (Hrsg.), Bd. 2, 2. Aufl. 2006, GG, Art. 28 Rn. 92; Nierhaus, in: Sachs (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 28 Rn. 2; Tettinger, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 1, 3. Aufl. 2007, § 11 Rn. 1; ders., in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Landesverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Vorb. Art. 1–3 Rn. 5, Art. 78 Rn. 12; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu-Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Auf. 2011, Art. 28, Rn. 11; für eine Kategorisierung als bloße Normativbestimmung dagegen Löwer, in: v. Münch/ Kunig, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 35 f. 2 So auch Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Landesverfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 78 Rn. 12, nach dem aber dennoch allein die landesverfassungsrechtliche Regelung als Prüfungsmaßstab für die Landesverfassungsgerichte gelten soll.
A. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und Landesverfassungsrecht
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Standards der Aufgabenberechtigung, die bisher ein theoretisches Beispiel geblieben ist, die Nichtigkeit der landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie zur Folge hat4 oder diese nur durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aufgefüllt wird5, muss hier nicht entschieden werden. Aus dem Blickwinkel einer potentiellen Parallelität von Berechtigung und Verpflichtung der Gemeinden durch das Selbstverwaltungsrecht erweist sich allerdings diese Mindestgehaltsdogmatik bereits vom Ansatz her als problematisch. Das gilt nicht nur, weil sich ihre Maßstäbe kaum auf die Verpflichtungskonstellation übertragen lassen, sondern auch, weil aus dieser Sicht ihre uneingeschränkte Validität erschüttert wird. Wenn die Landesverfassungen den Gemeinden auch ein „maius“6 in Bezug auf den ihnen überlassenen Kompetenzbereich gewähren können7 und die Berechtigung mit ei3 VerfG S-A, Urteil vom 31.05.1994 – LVG 2/93 – juris Rn. 119; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1975, S. 64; Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. VI 2, 1962, S. 737; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 93; v. Mutius, in: ders./ Wuttke/Hübner (Hrsg.), Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 2; ders., Örtliche Aufgabenerfüllung, in: ders. (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 227 (241); Schmidt-Jortzig, LKV 1992, S. 65 (68); Knemeyer, LKV 1991, S. 49 (52); ders., Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts für Gemeinden und Kreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (214); Meyer, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 72 Rn. 1; Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, 2004, § 12, S. 385 (386); Zinn/ Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 47. 4 Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. IV 2, 1962, S. 737; so wohl auch Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 93, nach dem die Nichtigkeit direkt aus Art. 28 Abs. 2 GG folgt; für eine Nichtigkeit aus Art. 31 GG bei Übereinstimmung oder Widerspruch der landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie zu Art. 28 Abs. 2 GG Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 2. Aufl. 1967, S. 36 f. 5 Stern, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 28 (Zweitbearbeitung 1964) Rn. 178; Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1975, S. 63 f.; Meyer, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 72 Rn. 1; gegen eine unmittelbare Berechtigung und für eine ergänzende Interpretation der Landesverfassung durch den Inhalt des Art. 28 Abs. 2 GG nach Maßgabe der Interpretation durch das BVerfG dagegen, v. Mutius, in: Schmalz/Ewer/ v.Mutius/Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Kommunalrecht, Rn. 34. 6 Knemeyer, Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts für Gemeinden und Kreise, in: v. Mutius (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 209 (214). 7 Der Inhalt der Möglichkeit über den grundgesetzlichen Garantiegehalt hinauszugehen (siehe Fn. 532) wird regelmäßig nicht weiter spezifiziert, vgl. beispielsweise v. Mutius, Örtliche Aufgabenerfüllung, in: ders. (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 227 (241).
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
ner abstrakten oder sogar konkreten Verpflichtung korrespondiert, kann sich daraus gleichzeitig Einschränkung der autonomen Gestaltungsmacht der Gemeinden ergeben. Durch eine Erweiterung des Aufgabenbereichs, die als Kehrseite eine Ausweitung oder Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung zur Folge hat, wird das dem Universalitätsrecht des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG immanente Aufgabenauswahlrecht mittelbar oder sogar unmittelbar8 beeinträchtigt. Enthält die jeweilige landesverfassungsrechtliche Regelung durch die Erweiterung der Pflichtenstellung einen mit der Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unvereinbaren Normbefehl, der nicht im Wege der grundgesetzkonformen Auslegung ausgeräumt werden kann, müsste dies grundsätzlich zur Nichtigkeit der Norm führen9. Dies setzt aber voraus, dass der Pflichtgehalt der landesverfassungsrechtlichen Vorschriften tatsächlich über den der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie hinausgeht und sich dabei nicht mehr im Rahmen einer verfassungskonformen Ausgestaltung auf Grundlage des in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalts bewegt.
B. Bestimmung des Pflichtgehalts der Regelungen zur Selbstverwaltung in den Landesverfassungen Um Wiederholungen und Redundanzen zu vermeiden, werden die landesverfassungsrechtlichen Normen nicht einzeln erörtert, sondern zur Untersuchung ihres Pflichtgehalts in Gruppen kategorisiert.
I. Indikative Umschreibung des gemeindlichen Kompetenzbereichs Im Unterschied zur subjektiven Formulierung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, der den Gemeinden das Recht gewährleistet, ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln, greifen einige Landesverfassungen auf eine in8
In diesem Sinne auch Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 182. 9 Im Allgemeinen nur bei Unvereinbarkeit die Nichtigkeit annehmend Pagenkopf, Kommunalrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1975, S. 64 [nicht verifiziert werden kann dessen Verweis auf BVerfGE 3, 45 (49), weil dort nicht die Vereinbarkeit der landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG in Rede stand, sondern die eines einfachen Landesgesetzes mit der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie]; v. Mutius, in: ders./Wuttke/Hübner (Hrsg.), Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 2; Meyer, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 72 Rn. 1.
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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dikative Formulierung zurück. In Art. 117 Abs. 2 SaarlVerf. wird festgestellt, dass die Gemeinden zur Förderung des Wohls ihrer Einwohner alle öffentlichen Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft erfüllen und gemäß Art. 117 Abs. 3 SaarlVerf. ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung regeln. Die Landesverfassung von Brandenburg kombiniert eine subjektiv-rechtliche Gewährleistung (Art. 97 Abs. 1 BbgVerf.) der Selbstverwaltung mit dem festellenden Element, dass die Gemeinden und Gemeindeverbände in ihrem Gebiet alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft erfüllen, soweit diese nicht anderen Stellen obliegen (Art. 97 Abs. 2 BbgVerf.). Hinsichtlich des gegenständlichen Umfangs des Aufgabenbereichs der Gemeinden ergibt sich keine Abweichung zur grundgesetzlichen Regelung, da der Begriff der „Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft“ synonym zu den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG verstanden wird10. Fraglich ist allerdings, wie sich die indikative Bestimmung des Zuständigkeitsbereichs der Gemeinden anstatt bzw. kumulativ zur Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie als subjektives Recht der Gemeinden auswirkt11. Gerade die feststellende Formulierung bestimmter exekutiver Kompetenznormen dient, wie dargestellt, als grammatikalisches Argument für die Ableitung eines verpflichtenden Normgehalts12. Anders als diese beziehen sich aber sowohl Art. 117 Abs. 2, 3 SaarlVerf. als auch Art. 97 Abs. 2 BbgVerf. gegenständlich nicht auf konkrete Sachaufgaben, sondern umschreiben den Aufgabenbereich entsprechend Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nur abstrakt mit den Begriffen „Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft“ bzw. „ihrer Angelegenheiten“. Folglich fehlt es auch hier an der Voraussetzung der inhaltlichen Festlegung konkreter Sachaufgaben durch den Verfassunggeber. Beiden Regelungen kommt somit jedenfalls kein materieller Pflichtgehalt im Sinne der Ableitbarkeit bestimmter Aufgabenpflichten zu. Der Wortlaut indiziert hier lediglich eine abstrakte Pflichtigkeit13, die sich auch in Bezug auf das grundgesetzliche Selbstver10 VerfG Bbg LVerfGE 2, 183 (188); 5, 79 (85); Lieber/Iwers/Ernst (Hrsg.), Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 97, S. 406, 409. 11 Gar nicht eingehend auf diesen Unterschied Grupp, in: Wendt/Rixecker (Hrsg.), Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 117 Rn. 2, der einfach konstatiert, dass in Art. 117 Abs. 3 SaarlVerf. der Inhalt der gemeindlichen Selbstverwaltung generell nach dem Vorbild von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG umschrieben wird; auch Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 97, S. 409, konstatieren schlicht das „Recht“ der Allzuständigkeit, ohne auf die vom Grundgesetz abweichende landesverfassungsrechtliche Formulierung einzugehen. 12 Vgl. dazu oben § 4 C. II. 1. 13 Etwas missverständlich Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 97, S. 410.
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
waltungsrecht aus der staatsorganisationsrechtlichen Funktion der Selbstverwaltung ableiten lässt14. Eine Besonderheit der verfassungsrechtlichen Regelung im Saarland ist ferner, dass die kommunale Tätigkeit explizit gemäß Art. 117 Abs. 2 SaarlVerf. dem Zweck der Förderung des Wohls ihrer Einwohner dient. Nahe liegt, dass mit dem Zusatz lediglich die verfassungsrechtlich geforderte Selbstverständlichkeit der Gemeinwohlverpflichtung staatlicher Tätigkeit deklaratorisch zum Ausdruck gebracht wird15. Für die Annahme, dass sich aus der Vorschrift abweichend zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eine Verpflichtung der Gemeinde gegenüber ihren Einwohnern ergibt, die in ihrem Regelungsgehalt über die Bestätigung der bereits konstatierten, abstrakten Befassungspflicht hinausgeht, bleibt der Wortlaut zu vage. Vielmehr ist der Ansicht zuzustimmen, nach der die Definitionshoheit hinsichtlich der konkreten Aufgaben, die der Förderung des Wohls der jeweiligen örtlichen Gemeinschaft dienen, den gemeindlichen Repräsentativorganen selbst zusteht16. Die Anerkennung einer Überprüfungsmöglichkeit hinsichtlich der Aufgabenwahl der Gemeinde zugunsten heteronomer Entscheidungsträger wäre dagegen eine begründungsbedürftige Ausnahme vom Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung. Für eine derartige, vor dem Hintergrund des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG problematische Interpretation des Zusatzes in Art. 117 Abs. 2 SaarlVerf. bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Folglich ergibt sich auch aus dem ausdrücklichen Förderungsauftrag für das Wohl ihrer Bürger kein abweichendes Ergebnis hinsichtlich der Pflichtenstellung der Gemeinden.
II. Die Gemeinden als Träger der öffentlichen Verwaltung auf ihrem Gebiet Einige Länder stellen zur Umschreibung des Aufgabenbereichs der Gemeinden nicht auf den Terminus der Angelegenheiten bzw. Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft ab, sondern institutionalisieren die Gemeinden als (ausschließliche) Träger der (gesamten) Verwaltung auf ihrem Gebiet.
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Dazu oben § 4 C. II. So auch Grupp, in: Wendt/Rixecker (Hrsg.), Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 117 Rn. 8. 16 Grupp, in: Wendt/Rixecker (Hrsg.), Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 117 Rn. 8, sieht für die Ausfüllung des Begriffes des Wohls der Einwohner ebenfalls die Gemeinden berufen und hält deren Entscheidung für nur sehr eingeschränkt überprüfbar. 15
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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1. Die landesverfassungsrechtlichen Regelungen im Einzelnen Die Aussage, dass die Gemeinden Träger der öffentlichen Aufgaben auf ihrem Gebiet sind, die nicht sondergesetzlich einem anderen Verwaltungsträger zugeordnet werden, ist auf unterschiedliche Weise in den Kontext der Bestimmung der Rechtsstellung der Gemeinden in den Landesverfassungen eingebunden. In Niedersachsen wird gemäß Art. 57 Abs. 3 NdsVerf. die ausschließliche gemeindliche Trägerschaft aller öffentlichen Aufgaben im Anschluss an die Feststellung normiert, dass die Gemeinden ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung verwalten (Art. 57 Abs. 1 NdsVerf.). Die Verfassung Baden-Württembergs sowie die Verfassung Sachsens kombinieren die Formulierung der Rechtsstellung der Gemeinden als Träger der öffentlichen Aufgaben mit der subjektiv-rechtlichen Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts (Art. 71 Abs. 1, 2 Verf. B-W bzw. Art. 82 Abs. 2 S. 2, 84 Abs. 1 S. 1 SächsVerf.). Auch in der Verfassung von Nordrhein-Westfalen (Art. 78 Abs. 1, 2 Verf. NRW), von Rheinland-Pfalz (Art. 49 Abs. 1, 3 Verf. RP) und deren landesverfassungsrechtlichem Paten17, der hessischen Verfassung (Art. 137 Abs. 1, 3 HessVerf.), findet sich eine solche Kombination mit dem Unterschied, dass die Trägerschaft der Gemeinden zusätzlich als ausschließliche bzw. alleinige bezüglich der (gesamten) öffentlichen Verwaltung in ihrem Gebiet bezeichnet wird. In Art. 49 Abs. 1 S. 2 Verf. R-P und Art. 137 Abs. 1 S. 2 HessVerf. wird diese Rechtsstellung noch dahingehend präzisiert, dass die Gemeinden jede öffentliche Aufgabe übernehmen können, soweit sie nicht ausdrücklich durch gesetzliche Vorschrift anderen Stellen im dringenden öffentlichen Interesse ausschließlich zugewiesen wird. 2. Überschießender Garantiegehalt Trotz der weitgehenden Kongruenz der sprachlichen Gestaltung werden den dargestellten Regelungen in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Bedeutungsgehalte beigemessen. Nachdem zunächst einige Auslegungsvarianten ausgegrenzt werden, die sich für die Erörterung der verfassungsunmittelbaren Pflichtenstellung der Gemeinden nicht unmittelbar auswirken, wird anschließend insbesondere die Frage der gegenständlichen Erweiterung des verfassungsrechtlichen Zugriffsrechts auf unbesetzte öffentliche Aufgaben untersucht.
17 Schröder, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 49 Rn. 3.
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
a) Bedeutungsgehalte ohne unmittelbare Pflichtenrelevanz aa) Vorgaben hinsichtlich der gesetzlichen Übertragung staatlicher Aufgaben In einigen Ländern wird die Konstituierung der Gemeinden als Träger der öffentlichen Verwaltung auf ihrem Gebiet als Einschränkung der Freiheit der Legislative hinsichtlich der Organisation des Vollzugs staatlicher Aufgaben verstanden18. Diese Interpretation wird teilweise missverständlich damit umschrieben, dass die Regelung in der Landesverfassung abweichend zum Grundgesetz den Grundsatz der Allzuständigkeit der Gemeinden prinzipiell unbegrenzt gewährleiste19. Zum Ausdruck gebracht werden soll damit lediglich, dass der Garantiegehalt der landesverfassungsrechtlichen Vorschrift insofern über Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG20 hinausgeht, als dieser auch unmittelbare Vorgaben für den Landesgesetzgeber enthält, in welcher Form er die Vollziehung nicht-örtlicher Angelegenheiten regeln darf. Für Aufgaben, die zwar nicht solche der örtlichen Gemeinschaft sind, die aber auf Ortsebene erledigt werden sollen21, ist demzufolge die einfachgesetzliche Zuweisung zugunsten der Gemeinden als Pflichtaufgabe die im Verhältnis zur Errichtung staatlicher Sonderbehörden vorrangige Alternative22. Die Überlegungen spielen für die Untersuchung der verfas18 Vgl. zu Art. 78 Abs. 2 Verf. NRW: Heusch/Schönenbroicher, Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 2010, Art. 78 Rn. 1, 15 m. w. N.; in diesem Sinne wohl auch bereits Vogels, Die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen, 1951, Art. 78 Anm. 2; zu Art. 49 Abs. 1 S. 1 Verf. R-P: Schröder, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 49 Rn. 8; zu Art. 137 Abs. 1 S. 1 HessVerf.: Groß, in: Hermes/Groß (Hrsg.), Landesrecht Hessen, 6. Aufl. 2008, § 4 Rn. 28; Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 36; zu Art. 84 SächsVerf.: Kaplonek, in: Baumann-Hasske/Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 3. Aufl. 2011, Art. 84 Rn. 3. 19 Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 25; in diesem Sinne auch Groß, in: Hermes/Groß (Hrsg.), Landesrecht Hessen, 6. Aufl. 2008, § 4 Rn. 28. 20 Einen über Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG hinausgehenden Schutz durch Art. 137 Abs. 1 HessVerf. stellt auch das BVerfG im Rastede-Beschluss, BVerfGE 79, 127 (143) fest, bezieht sich dabei aber wohl auf die erschwerten Voraussetzungen für die Hochzonung, bei der der Landesgesetzgeber ein dringendes öffentliches Interesse geltend machen muss. 21 Zu der Regelung des Art. 137 Abs. 1 HessVerf.: Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 29 f., 34; ausdrücklich bestätigend hinsichtlich der Staatsaufgaben, vgl. S. 36; auch Groß, in: Hermes/Groß (Hrsg.), Landesrecht Hessen, 6. Aufl. 2008, § 4 Rn. 28, geht von einer Zuständigkeit unabhängig vom örtlichen Bezug aus. 22 Zu Art. 49 Abs. 1 S. 1 Verf. R-P: Schröder, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 49 Rn. 8; ebenso Groß, in: Hermes/Groß
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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sungsunmittelbaren Pflichtigkeit im Ergebnis jedoch keine Rolle, da es hier lediglich um die Wahl zwischen dem Vollzug durch die unmittelbare Staatsverwaltung und der einfachgesetzlichen Zuweisung der Aufgabe an die Gemeinden geht. Auch die Formulierung, mit der der Niedersächsische Staatsgerichtshof den erweiterten Schutzgehalt des Art. 57 Abs. 3 NdsVerf. umschreibt, scheint nur auf den ersten Blick für die vorliegende Fragestellung von Relevanz. Die Einrichtung der Gemeinden als Träger der gesamten öffentlichen Verwaltung in ihrem Gebiet sei im Sinne einer Bestätigung und Bestärkung der gemeindlichen Allzuständigkeit, unabhängig von der örtlichen Radizierung der Aufgabe, zu verstehen23. Die weiteren Ausführungen zeigen aber, dass sich in Wirklichkeit lediglich das modale Garantieelement der Eigenverantwortlichkeit nicht nur auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränken soll, sondern im Grundsatz auch auf die einfachgesetzlich übertragenen, der Rechtsnatur nach staatlichen Aufgaben erstreckt wird24. bb) Verbot der Doppelverwaltung Teilweise wird dem Adjektiv „ausschließlich“ die Bedeutung als ausdrückliches Verbot der Doppelverwaltung25 zugemessen, das insbesondere im Sparkassenwesen praktische Bedeutung erlangt hat. Damit umschrieben wird die Unzulässigkeit einer Konkurrenztätigkeit der Gemeindeverbände zur Betätigung der Gemeinden im Bereich ihrer Angelegenheiten. Das Verbot der Doppelverwaltung könnte theoretisch dann gewisse Bedeutung für die Problematik der gemeindlichen Pflichtigkeit erlangen, wenn nach dem Grundgesetz eine konkurrierende Zuständigkeit von Gemeinden und Gemeindeverbänden in Betracht käme. Dann würde im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts möglicherweise nur eine gesamt- oder teilschuldneri(Hrsg.), Landesrecht Hessen, 6. Aufl. 2008, § 4 Rn. 28; in diesem Sinne betont Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 36, dass die Zuweisung in Hessen nach Art. 137 Abs. 1 S. 2 HessVerf. nur dann ausscheidet, wenn ein dringendes öffentliches Interesse dies erfordert; vgl. so schon Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 2. Aufl. 1967, S. 49 ff. 23 NdsStGH NVwZ 1997, S. 58 (59). 24 NdsStGH NVwZ 1997, S. 58 (59); so kann man möglicherweise auch die etwas unklaren Aussagen von Naumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 57 Rn. 13, deuten. 25 Hierzu OVG NRW OVGE 36, 60 (64); nachgehend dazu noch Keller, in: Articus/Schneider, Gemeindeordnung für das Land NRW, 2. Aufl. 2004, Vorbemerkung §§ 1–3 GO, S. 70; nicht mehr ausdrücklich darauf eingegangen wird in der Neubearbeitung von Hartmann, in: Articus/Schneider, Gemeindeordnung für das Land NRW, 4. Aufl. 2012.
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
sche verfassungsunmittelbare Verpflichtung der Gemeinden mit den Gemeindeverbänden bestehen. Allerdings ist hier zu bedenken, dass gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 2 GG die Kompetenz der Gemeindeverbände erst durch die einfachgesetzliche Zuweisung einer Aufgabe eröffnet wird. Sofern die Landesverfassungen auch den Gemeindeverbänden ein Universalitätsrecht verleihen, muss dieses zur Wahrung der Grundgesetzkonformität als auf die überörtlichen Angelegenheiten beschränkt interpretiert werden26. Folglich ist eine konkurrierende verfassungsunmittelbare Zuständigkeit bzw. Pflichtigkeit von Gemeinden und Gemeindeverbänden nicht möglich. b) Potentielle gegenständliche Erweiterung des verfassungsrechtlich den Gemeinden überlassenen Kompetenzbereichs Möglicherweise wird durch die Charakterisierung der Gemeinden als Träger der gesamten Verwaltung auf Ortsebene aber auch der verfassungsunmittelbare Kompetenzbereich, d.h. der Umfang an Aufgaben, derer sich die Gemeinden ohne einfachgesetzliche Zuweisung annehmen dürfen, im Vergleich zum Grundgesetz erweitert. Mit der Ausdehnung des Aktionsradius, der den Gemeinden durch die Verfassung selbst überlassen und vor dem Übergriff durch andere Hoheitsträger geschützt wird, verbreitert sich gleichzeitig der Verantwortungsbereich der Gemeinden. Dadurch würde der gegenständliche Umfang der gemeindlichen Befassungspflicht erweitert, die sich möglicherweise in Verbindung mit materiellen verfassungsrechtlichen Wertungen zu einer konkreten Handlungspflicht verdichten kann. aa) Restriktive Interpretation im Sinne einer Beschränkung der Aufgaben auf den grundgesetzlichen Umfang Eine Abweichung im Umfang der Aufgaben, die den Gemeinden bereits kraft Verfassung überlassen sind, kommt insbesondere in Nordrhein-Westfalen in Betracht, da die nordrhein-westfälische Landesverfassung (als einzige) konsequent auf die Differenzierung von staatlichen und kommunalen Aufgaben verzichtet und so Raum für eine eigene, möglicherweise erweiterte Zuständigkeitsabgrenzung ließe. Von der Landesrechtsprechung und der Kommentarliteratur wird aber zur Bestimmung der Verbandskompetenz 26 Vgl. Art. 97 Abs. 2 BbgVerf., dazu Sundermann/Miltkau, Kommunalrecht Brandenburg, 1995, S. 205; Falk, Die kommunalen Aufgaben unter dem Grundgesetz, 2006, S. 176; Art. 78 Abs. 2 NRW, dazu Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 78 Rn. 85 ff.; Art. 87 Abs. 2 Verf. S-A.
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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nach Art. 78 Abs. 1, 2 Verf. NRW ohne weitere Erläuterung das Kriterium der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG herangezogen27 und dadurch das gemeindliche Zugriffsrecht begrenzt28. Eine Erweiterung des verfassungsunmittelbaren Zugriffsrechts legt auch die Regelung in Art. 49 Abs. 1 S. 2 Verf. R-P nahe, nach der die Gemeinden berechtigt sind, jede öffentliche Aufgabe zu übernehmen, ohne dass der Wortlaut – im Unterschied zu Art. 49 Abs. 1 S. 1 Verf. R-P – eine Beschränkung auf örtliche Angelegenheiten vorsieht. Der Verfassungsgerichtshof in Rheinland-Pfalz hat jedoch bereits früh grundlegend zur Bedeutung dieser besonderen landesverfassungsrechtlichen Vorschrift Stellung genommen29. Art. 49 Abs. 1 S. 2 Verf. R-P erweitere die bereits aus Art. 49 Abs. 1 S. 1 Verf. R-P folgende Rechtsstellung der Gemeinden als Träger der bereits vorhandenen Gemeindeangelegenheiten lediglich insoweit, als diese berechtigt würden, auch neu entstehende örtliche öffentliche Aufgaben zu übernehmen30. Somit wird die Vorschrift lediglich als eine positivrechtliche Umschreibung des gemeindlichen Aufgabenerfindungsrechts interpretiert31. Trotz der fehlenden Beschränkung im Wortlaut des S. 2 bezieht der VerfGH in dieser Entscheidung das Universalitätsprinzip explizit auf „örtliche“ öffentliche Aufgaben32. Auch der anschließende systematische Vergleich zur Möglichkeit der Übertragung staatlicher Aufgaben in Art. 49 Abs. 4 Verf. R-P offenbart, dass die Allzuständigkeit sich nach der Vorstellung des Ge27 Vgl. bereits VerfGH NRW OVGE 9, 74 (75 f.); 42, 279 (273); VerfGH NRW DVBl. 2001, S. 1595 (1597); Heusch/Schönenbroicher, Die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 2010, Art. 78 Rn. 64; Hartmann, in: Articus/Schneider, Gemeindeordnung für das Land NRW, 4. Aufl. 2012, Vorbemerkung §§ 1–3 GO, S. 77; so auch in der Vorauflage Keller, in: Articus/Schneider, Gemeindeordnung für das Land NRW, 2. Auf. 2004, Vorbemerkung §§ 1–3 GO, S. 70; dazu auch Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 180. 28 OVG NRW DVBl. 1976, S. 395 f.; OVGE 44, 234 (235); Tettinger, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 78 Rn. 18; Heusch/Schönenbroicher, Die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 2010, Art. 78 Rn. 16, 30; Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 183; anders scheinbar Henneke, in: Praxis der Kommunalverwaltung Bund, L 17 Bu, Rn. 54, nach dem sich in BadenWürttemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein das Zugriffsrecht für gesetzlich unbesetzte Aufgaben auf alle öffentlichen Aufgaben erstrecken soll. 29 VerfGH R-P AS 3, 34 ff. 30 VerfGH R-P AS 3, 34 (41 f.). 31 Schröder, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 49 Rn. 8. 32 VerfGH R-P AS 3, 34 (42).
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richts nur auf Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft erstreckt33. Dies hat der Verfassungsgerichtshof in seiner späteren Rechtsprechung bestätigt34. bb) Ansätze einer Ausweitung des Aufgabenzugriffsrechts der Gemeinden Zur Regelung des Art. 137 Abs. 1 HessVerf., die mit Art. 49 Abs. 1 Verf. R-P wortlautidentisch ist, hat sich die hessische Rechtsprechung nicht derart dezidiert geäußert. Hier findet sich in der Literatur die Aussage, dass sich neben dem Universalitätsprinzip35 auch das gemeindliche Zugriffsrecht nicht nur auf Selbstverwaltungsangelegenheiten, sondern auf alle öffentlichen Aufgaben36 im zuvor definierten Sinne erstrecke. Danach schließe der Begriff der öffentlichen Aufgaben neben den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auch staatlich geregelte Aufgaben ein, „soweit sie administrative Vollziehungsakte im örtlichen Verwaltungsbereich notwendig machen“37. Auch in Niedersachsen wurde insbesondere noch von der älteren Literatur erwogen, den Anwendungsbereich der gesetzlich widerlegbaren Zuständigkeitsvermutung38 auf alle öffentlichen Aufgaben ohne Beschränkung auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu erweitern39. Ebenso wurde in Bezug auf die baden-württembergische Regelung (Art. 71 Abs. 2 Verf. B-W) teilweise ausdrücklich vertreten, dass der Kompetenzbereich, der den Gemeinden kraft Verfassung überlassenen ist, auch alle Aufgaben umfasst, die örtlich vollziehungsbedürftig sind40. 33 Für diesen eingeschränkten Anwendungsbereich des Universalitätsgrundsatzes plädiert auch Schröder, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 49 Rn. 8, der allerdings dem VerfGH unzutreffenderweise eine Erweiterung des Wirkungskreises der Gemeinden vorwirft. 34 VerfGH R-P DÖV 2000, S. 682 (682). 35 Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 26. 36 Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 34. 37 Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 25 ff., 29 f.; 34. 38 Rebe/Korte, Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, 2. Aufl. 1986, S. 414; vgl. so schon Weber, Staats- und Selbstverwaltung in der Gegenwart, 2. Aufl. 1967, S. 48 f., nach dem eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Gemeinden besteht, die den Dualismus zwar nicht aufhebt, aber eine Tendenz zur Kommunalisierung staatlicher Verwaltungsaufgaben enthält. 39 So Faber, in: Faber/Schneider (Hrsg.), Niedersächsisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1985, S. 241 f.; nach Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, 1989, S. 32, deutet zumindest die Entstehungsgeschichte auf eine solche Erweiterung hin; Rebe/Korte, Verfassung und Verwaltung des Landes Niedersachsen, 2. Aufl. 1986, S. 414, lassen dies offen. 40 Kunze/Bronner/Katz/v. Rotberg, Gemeindeordnung für Baden-Württemberg, § 2 Rn. 2; eine Erweiterung der Allzuständigkeit nimmt ausdrücklich auch Aker, in:
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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Der Vorschrift des Art. 84 Abs. 1 SächsVerf., die der baden-württembergischen Regelung nachgebildet ist, wird größtenteils anscheinend weder von der Literatur noch der Rechtsprechung irgendein eigenständiger Regelungsgehalt im Verhältnis zur grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie bzw. der Garantie des Rechts zur Selbstverwaltung in Art. 82 Abs. 2 SächsVerf. beigemessen41. Üblicherweise werden die drei Vorschriften kumulativ als normative Grundlage des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden herangezogen und inhaltlich übereinstimmend zu den vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG entwickelten Grundsätzen interpretiert42. Bei den Autoren, die auf den abweichenden Wortlaut eingehen, bleiben die Aussagen hinsichtlich seiner Bedeutung meistens äußerst vage43. Die einzige Kommentierung, die sich näher mit dem Regelungsgehalt des Art. 84 Abs. 1 HS. 1 SächsVerf. auseinandersetzt, kommt zu dem Schluss, dass zumindest dem Wortlaut nach die verfassungsunmittelbare Zuständigkeit alle öffentlichen Aufgaben umfasst44. cc) Verfassungsrechtlich gebotene Restriktion Allerdings vertritt aber auch die soeben erwähnte Kommentierung zur sächsischen Regelung übereinstimmend mit der h. M.45 im Ergebnis eine Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, 2013, § 2 Rn. 2 f., an, der genaue Bedeutungsgehalt dieser Extension bleibt bei ihm aber unklar. 41 Kaplonek, in: Baumann-Hasske/Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 3. Aufl. 2011, Art. 84 Rn. 1, konstatiert, dass die Bedeutung, die der Verfassungsgerichtshof Art. 84 Abs. 1 SächsVerf. bemisst bisher nicht klar geworden ist. 42 SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – Az.: 3 D 315/99 – juris, Rn. 57; SächsOVG LKV 2004, S. 272 (273); Seyb/Lahme, in: Stober (Hrsg.), Handbuch des Sächsischen Staats- und Verwaltungsrechts, 1996, § 4 Rn. 2; Kunzmann, Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 1993, Art. 84 Rn. 1. 43 Meissner, in: Degenhart/Meissner, Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, 1997, § 14 Rn. 71; Müller, Verfassung des Freistaates Sachsen, 1993, Art. 84, S. 397, konstatiert einfach, dass Art. 84 Abs. 1 insofern über Art. 28 GG hinausgeht, dass er den Gemeinden „alle öffentlichen Aufgaben (nicht nur die der örtlichen Gemeinschaft) überträgt“, ohne aber weiter auf die Bedeutung dieser Aussage einzugehen. 44 So ist wohl die Aussage von Kaplonek, in: Baumann-Hasske/Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 3. Aufl. 2011, Art. 84 Rn. 3, zu verstehen, der von einer Erweiterung des „materiellen Totalitätsprinzips“ spricht. 45 Meissner, in: Degenhart/Meissner, Handbuch der Verfassung des Freistaates Sachsen, 1997, § 14 Rn. 71; eine örtliche Beschränkung wohl ebenfalls voraussetzend SächsOVG LKV 2005, S. 455 (455); dies scheinbar als zwingend ansehend Schmidt-Aßmann, Kommunale Selbstverwaltung „nach Rastede“, in: Franßen/Redeker/Schlichter/Wilke (Hrsg.), Richter. Bürger. Staat – Festschrift für Sendler, 1991, S. 121 (131) m. w. N.
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
Beschränkung des verfassungsrechtlich überlassenen Kompetenzbereichs auf die örtlichen Aufgaben und verweist dafür auf die systematischen Erwägungen, die in Bezug auf die gleichlautende Vorschrift der baden-württembergischen Verfassung angeführt werden46. Denn auch in Baden-Württemberg (Art. 71 Abs. 2 Verf. B-W) haben sich die Ansätze einer Erweiterung des verfassungsunmittelbaren gemeindlichen Zugriffsrechts auf überörtliche Angelegenheiten letzlich nicht durchgesetzt47. Problematisch wäre diese in systematischer Hinsicht im Hinblick auf die Formulierung einer Übertragungsmöglichkeit von Aufgaben gemäß Art. 71 Abs. 3 Verf. B-W sowie vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte der Norm48. Abgelehnt wird eine Ausweitung des verfassungsrechtlich den Gemeinden eröffneten Kompetenzbereichs inzwischen auch einhellig in Niedersachsen49, wo eine derartige Interpretation des Art. 57 Abs. 3 NdsVerf. insbesondere mit der einfachgesetzlichen, dualistischen Ausgestaltung der gemeindlichen Aufgabentypologie in Konflikt geriete50. 46
Kaplonek, in: Baumann-Hasske/Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 3. Aufl. 2011, Art. 84 Rn. 4 f. 47 Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden Württemberg, 1984, Art. 71 Rn. 30 ff.; Gern, Kommunalrecht Baden-Württemberg, 9. Aufl. 2005, Rn. 50; auch Maurer, in: ders./Hendler, Baden-Württembergisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1990, S. 200, beschränkt die verfassungsunmittelbare Kompetenz auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, geht auf eine mögliche Erweiterung aber gar nicht ein; nach Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1987, Art. 71 Rn. 3, kommt der abweichenden Begriffswahl gar kein Regelungsgehalt, also auch nicht der einer Allzuständigkeit im Sinne eines Vorrangs kommunaler Inpflichtnahme vor der Errichtung staatlicher Sonderbehörden mehr zu. 48 Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden Württemberg, 1984, Art. 71 Rn. 31; mit einer überzeugenden Darstellung der Entstehungsgeschichte auch bereits Spreng/Birn/Feuchte, Die Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1954, Art. 71, S. 247 f.; Feuchte, Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1987, Art. 71 Rn. 4, fasst den Wortlaut von Art. 71 Verf. B-W in problematisch verkürzter Form zusammen; ohne echte Begründung auch StGH B-W ESVGH 18, 1 (2). 49 Blum/Baumgarten u.a. (Hrsg.), Praxis der Kommunalverwaltung Niedersachsen, B 1 Nds, NKomVG, § 2 Rn. 9 (zur Problematik des Art. 57 Abs. 3 NdsVerf. bzw. § 2 Abs. 1 NdsGO, insbesondere vor deren entstehungsgeschichtlichem Hintergrund, vgl. Rn. 1 ff.); Hagebölling, Niedersächsische Verfassung, 1996, S. 145; Naumann, Die Niedersächsische Verfassung, 3. Aufl. 2000, Art. 57 Rn. 7; im Ergebnis auch Ipsen, in: Brandt/Schinkel, Staats- und Verwaltungsrecht für Niedersachsen, 2002, S. 86 ff.; ders., Niedersächsisches Kommunalrecht, 1989, S. 32, zur gleichlautenden Vorgängervorschrift des Art. 44 Abs. 3 VNV; Saipa, in: Thieme/Schäfer, Niedersächsische Gemeindeordnung, 2. Aufl. 1994, § 4 Rn. 5. 50 Ipsen, Niedersächsisches Kommunalrecht, 1989, S. 32, geht davon aus, dass nach dieser Interpretation wesentliche Teile des niedersächsischen Kommunalrechts verfassungswidrig wären. Ein zwingendes Argument gegen eine bestimmte Auslegung der Verfassung stellt dies aufgrund der Normenhierarchie allerdings nicht dar.
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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Eine Eingrenzung des den Gemeinden überlassenen Aufgabenbereichs ist ohne Rücksicht auf landesrechtliche Besonderheiten bundesverfassungsrechtlich geboten. So muss jedenfalls der Annahme einer verfassungsunmittelbaren Kompetenz der Gemeinden für jede Verwaltungsaufgabe, die nur eines Vollzugs auf Gemeindeebene bedarf, widersprochen werden51. Erstens wäre dies mit einer problematischen Einengung der Gestaltungsmöglichkeit des Gesetzgebers hinsichtlich des Aufgabenbereichs der Gemeindeverbände verbunden52. Entscheidender aber noch spricht gegen eine derartige Erweiterung des gemeindlichen Kompetenzbereichs die beschränkte Legitimation der Gemeindeorgane. Da diese nur von den Gemeindebürgern mandatiert sind, muss deren hoheitliche Kompetenz auch inhaltlich einen Ortsbezug aufweisen53. Eine Erweiterung des Zugriffsrechts auf alle auf Ortsebene vollziehungsbedürftigen Aufgaben wäre mit dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 2 GG, dem über Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG auch die Landesverfassungen in seinen Grundsätzen entsprechen müssen, jedenfalls nicht vereinbar und ist deshalb abzulehnen. Ein verfassungskonformer Ansatz einer abweichenden Bestimmung ist dagegen bisher nicht vorgelegt worden. Folglich muss im Ergebnis konstatiert werden, dass keine der Regelungen in den Landesverfassungen, in der die Gemeinden als (ausschließliche) Träger der (gesamten) öffentlichen Aufgaben auf ihrem Gebiet bezeichnet werden, den verfassungsunmittelbar den Gemeinden überlassenen Kompetenzbereich erweitert. Die gegenständliche Reichweite der abstrakten Befassungspflicht54 erweist sich folglich als kongruent zu der aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG.
III. Explizite Pflichtigkeit Von besonderem Interesse für die vorliegende Untersuchung einer Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben sind die landesverfassungsrechtlichen Vorschriften, die ausdrücklich eine Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung normieren. 51 Im Sinne einer Beschränkung des gemeindlichen Zugriffsrechts auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auch VGH Hessen, Urteil vom 13.09.2006 – Az.: 6 UE 1927/05 – juris, Rn. 39 f.; widersprüchlich zu den Aussagen des Gerichts Zinn/Stein, Verfassung des Landes Hessen, Art. 137, S. 34, aber im Ergebnis übereinstimmend auf S. 36. 52 Vgl. zum Verhältnis zwischen Zuständigkeit der Gemeindeverbände („Universalität der Gemeindeverbände“ aus Art. 137 Abs. 2 HessVerf) und gemeindlicher Allzuständigkeit ausführlich VGH Hessen, Urteil vom 13.09.2006 – Az.: 6 UE 1927/05 – juris Rn. 39 ff.; eine Hochzonung kommt gemäß Art. 137 Abs. 1 HessVerf. nur bei dringendem öffentlichen Interesse in Betracht. 53 Vgl. dazu bereits BVerfGE 8, 122 (134 f.). 54 Vgl. dazu oben § 4 D.
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
1. Formulierung einer Selbstverwaltungspflicht Drei Landesverfassungen enthalten kumulativ zur verfassungsunmittelbaren Zuständigkeitseröffnung der Gemeinden auch ausdrücklich eine positive Verpflichtung der Gemeinden im selben Umfang. Als einzige von den alten Bundesländern und somit als erste Landesverfassung überhaupt wählte die Verfassung von Schleswig-Holstein die Formulierung, dass die Gemeinden nicht nur berechtigt, sondern im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit auch verpflichtet sind, in ihrem Gebiet alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit die Gesetze nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmen. Der Wortlaut des heutigen Art. 46 Abs. 1 Verf. S-H wurde identisch von der Vorgängervorschrift, Art. 39 Abs. 1 Landessatzung des Landes Schleswig-Hohlstein55, übernommen. Entsprechend der Normierung in Schleswig-Holstein konstituiert die Verfassung Sachsen-Anhalts eine Kombination aus Berechtigung und Verpflichtung der Gemeinden in Bezug auf alle öffentlichen Aufgaben in ihrem Gebiet und schließt damit an die Feststellung an, dass die Gemeinden ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung verwalten (Art. 87 Abs. 1 und 2 Verf. S-A). Art. 72 Abs. 1 Verf. M-V stimmt insofern mit den Parallelvorschriften in Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein überein, als die Gemeinden nicht nur zum Tätigwerden berechtigt, sondern im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit auch verpflichtet sind. Abweichend von diesen Regelungen wird als Gegenstand von Selbstverwaltungsrecht bzw. -pflicht der Begriff der „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“ verwandt. Die unterschiedliche Umschreibung des Bezugsgegenstandes der Berechtigung bzw. Verpflichtung der Gemeinden hat aber im Ergebnis keine Bedeutung. Denn der Anwendungsbereich des verfassungsunmittelbaren Zugriffsrechts wird sowohl nach Art. 46 Abs. 1 Verf. S-H als auch nach Art. 87 Abs. 2 Verf. S-A auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt56. Folglich kommt ausschließlich bezüglich dieser eine Pflichtigkeit ohne einfachgesetzliche Zuweisung in Betracht.
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Neufassung vom 07. Februar 1984, GVBl. 1984, Nr. 5, S. 53 ff. So v. Mutius, in: Schmalz/Ewer/v.Mutius/Schmidt-Jortzig, Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Kommunalrecht, Rn. 34; ders., in: ders./ Wuttke/Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46 Rn. 2, 4. 56
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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2. Bedeutung ausdrücklicher Pflichtigkeit a) Interpretation als Konkretisierung der Pflichtenstellung Das Meinungsspektrum bezüglich der Frage, welche Bedeutung der ausdrücklichen Formulierung der Pflicht der Gemeinden zur Regelung der ihnen verfassungsrechtlich überlassenen Aufgaben zukommt, ist weit gestreut57. Nach der wohl weitestgehenden Ansicht lässt sich aus der expliziten Normierung einer Pflichtigkeit ein echter, sozialstaatlicher Anspruch der Bürger ableiten, der auf eine möglichst umfassende und zu anderen Gemeinden vergleichbare Grundausstattung kommunaler Einrichtungen gerichtet ist58. Beispielhaft zur Konkretisierung des Anspruchsinhalts der notwendigen Einrichtungen werden gegenständlich Schulen, Versorgungsunternehmen oder Freizeiteinrichtungen genannt59. Damit wird der landesverfassungsrechtlichen Regelung nicht nur ein echter aufgabenrechtlicher Pflichtgehalt zugesprochen60, sondern diese Verpflichtung zur Erfüllung konkreter Sachaufgaben zugleich als subjektives Recht interpretiert. Darüber hinaus soll sich die einzelne Gemeinde nach dieser Ansicht mit dem Leistungsangebot anderer Gemeinden messen lassen müssen. Überwiegend wird die verfassungsunmittelbare Pflicht restriktiver interpretiert und insbesondere grundsätzlich ein Recht der Gemeinden zur eigenen Schwerpunktsetzung anerkannt61. Allerdings lässt sich den Ausführungen häufig keine eindeutige Aussage hinsichtlich der Ableitbarkeit einer konkreten Pflichtigkeit im Sinne verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben 57 Teilweise wird auf die ausdrückliche Normierung der Selbstverwaltungspflicht auch überhaupt nicht eingegangen z. B. v. Mutius, in: ders./Wuttke/Hübner, Kommentar zur Landesverfassung Schleswig-Holstein, 1995, Art. 46. 58 Noch zum gleichlautenden Art. 39 Landessatzung Schleswig-Holstein Barschel/Gebel, Landessatzung für Schleswig-Holstein, 1976, Art. 39, S. 244. 59 Barschel/Gebel, Landessatzung für Schleswig-Holstein, 1976, Art. 39, S. 244. 60 In diesem Sinne zumindest wohl auch Röper, Der Staat 37 (1998) S. 249 (253), wonach die entsprechenden Regelungen die Gemeinden verpflichten sollen, alle öffentlichen Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, soweit nichts anderes geregelt ist. 61 Groth, in: Caspar/Ewer/Nolte/Waack (Hrsg.), Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 46 Rn. 38; Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 87 Rn. 2, auch Art. 2 Rn. 5, anerkennt einen „Freiraum in der staatlichen Verfassungs- und Verwaltungssphäre“; etwas eingeschränkter Conrad/ Welti, Praxis der Kommunalverwaltung Schleswig-Holstein, A 3 SH, LV, Art. 46 Rn. 53; Mahnke, Die Verfassung des Landes Sachsen Anhalt, 1993, Art. 87 Rn. 5; Manssen/Schütz (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht Mecklenburg-Vorpommern, 1999, Art. 72 Anm. e) bb).
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aus der Selbstverwaltungsgarantie entnehmen62. Die Gestaltungsfreiheit soll höchstens bis zur Grenze der vollständigen Vernachlässigung „einer“ Aufgabe reichen63. Damit kann nicht jede potentielle Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft gemeint sein, zu deren Wahrnehmung die Gemeinden berechtigt sind64. Ob sich aber nach dieser Ansicht aus der Selbstverwaltungsgarantie selbst ein Kreis von Pflichtaufgaben ableiten lässt, von denen sich die Gemeinden keiner einzigen entledigen dürfen, oder ob sich eine Erfüllungspflicht lediglich aus selbstverwaltungsexternen verfassungsrechtlichen Wertungen ergeben soll, bleibt unklar65. Unabhängig vom Verpflichtungsgrund deuten einige Aussagen jedenfalls darauf hin, dass die Möglichkeit, die Gemeinden zu einer Selbstverwaltungsaufgabe zu verpflichten, die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben nicht ausschließt, sondern lediglich eine Alternative zur gesetzlichen Normierung einer Aufgabenpflicht darstellt, bei der der Vorbehalt der Leistungsfähigkeit nicht greift66. 62 Besonders vage Manssen/Schütz (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht Mecklenburg-Vorpommern, 1999, Art. 72 Anm. e) bb), wonach falls in Art. 72 Abs. 1 S. 1 Verf. M-V ein unzulässiger Eingriff in die finanzielle und inhaltliche Autonomie der Gemeinden gesehen werden sollte, dies jedenfalls durch den Vorbehalt der Leistungsfähigkeit entschärft sei; völlig unklar die Aussage von Meyer, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Art. 72 Rn. 7: „Schließlich enthält die Selbstverwaltungsgarantie des GG und der LV als objektive Rechtsinstitutionsgarantie verpflichtende Vorgaben materieller wie formeller Natur“. 63 Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 87 Rn. 2, S. 347; identisch Groth, in: Caspar/Ewer/Nolte/Waack (Hrsg.), Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 46, Rn. 38, dem widerspricht ausdrücklich als zu restriktiv Conrad/Welti, Praxis der Kommunalverwaltung Schleswig-Holstein, A 3 SH, LV, Art. 46 Rn. 53. 64 Dadurch würde das Entschließungsermessen hinsichtlich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben völlig negiert und so die Unterscheidung von den pflichtigen Aufgaben völlig eingeebnet, die aber auch von dieser Ansicht grundsätzlich anerkannt wird, vgl. Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 87 Rn. 3, der sogar ausdrücklich die materielle Definitionskompetenz hinsichtlich der Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft in Art. 2 Rn. 5 anerkennt; nach Conrad/Welti, Praxis der Kommunalverwaltung Schleswig-Holstein, A 3 SH, LV, Art. 46 Rn. 48, haben die Gemeinden ausdrücklich das Recht, ihre Aufgaben „zu definieren und zu finden“; ebenso Groth, in: Caspar/Ewer/Nolte/Waack (Hrsg.), Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 46 Rn. 38. 65 In letzterem Sinne vermutlich Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 87 Rn. 2; Groth, in: Caspar/Ewer/Nolte/Waack (Hrsg.), Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 46, Rn. 38; unklar Conrad/Welti, Praxis der Kommunalverwaltung Schleswig-Holstein, A 3 SH, LV, Art. 46 Rn. 53, nach denen die Selbstverwaltungsgarantie nur verletzt ist, „wenn eine den Gemeinden ausdrücklich zugehörige Aufgabe nicht wahrgenommen oder vernachlässigt wird“. 66 Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 87 Rn. 2, konstatiert, dass „im Übrigen“ Pflichtaufgaben nach Abs. 3 übertragen werden kön-
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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b) Bewertung Jedenfalls zu weit geht die erstgenannte Ansicht, die aus der abstrakten verfassungsrechtlichen Normierung einer Pflicht zur Wahrnehmung der örtlichen Angelegenheiten einen objektiv-rechtlichen Aufgabenpflichtgehalt in Bezug auf ein optimales und mit anderen Gemeinden vergleichbares Leistungsangebot ableitet und diesen zugleich als Anspruchsgrundlage des Bürgers charakterisiert67. Durch dieses Verständnis wird im Ergebnis ein eigenes Aufgabenauswahlrecht der Gemeinden in Frage gestellt. Der Vergleich mit anderen Gemeinden widerspricht eklatant der Intention des Selbstverwaltungsrechts, durch eigene Schwerpunktsetzung gerade bedarfsadäquat die Bedürfnisse der konkreten örtlichen Gemeinschaft zu befriedigen. Eine derart weitgehende Interpretation der Selbstverwaltungspflicht wäre mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht vereinbar und widerspricht somit der Pflicht zur bundesverfassungsrechtskonformen Auslegung, die im Grundsatz auch für landesverfassungsrechtliche Regelungen gilt68. Insgesamt kann der Normierung einer Pflicht zur Regelung der örtlichen Angelegenheiten aber nur ein beschränkter Bedeutungsgehalt zugemessen werden. Insbesondere Vorgaben zur Reduktion des gemeindlichen Entschließungsermessens in Bezug auf konkrete Selbstverwaltungsaufgaben lassen sich nicht ableiten69. Wie bei Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ergeben sich aus dem Wortlaut der landesverfassungsrechtlichen Regelungen keine Anhaltpunkte hinsichtlich inhaltlich bestimmbarer Sachaufgaben, zu deren Wahrnehmung die Gemeinden verbindlich verpflichtet sein sollen. Auch einen Kernbereich von Aufgaben, die die Selbstverwaltung nach Ansicht des Landesverfassunggebers ausmachen70 und die somit als Mindeststandard gewährleistet sein müssen, geben die Vorschriften nicht vor. Der abstrakte Zusatz einer Selbstverwaltungspflicht genügt nicht, um eine Beschränkung nen; in diesem Sinne auch Mahnke, Die Verfassung des Landes Sachsen Anhalt, 1993, Art. 87 Rn. 9, nach dem „neben den typischen Aufgaben der kommunalen Selbstverwaltung“ den Kommunen auch zusätzliche Aufgaben zur Erfüllung in eigener Verantwortung zugewiesen werden können. 67 Dieser Ansicht widerspricht auch ausdrücklich Groth, in: Caspar/Ewer/Nolte/ Waack (Hrsg.), Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 46 Rn. 38. 68 Giegerich, Europäische Verfassung und deutsche Verfassung im transnationalen Konstitutionalisierungsprozeß: Wechselseitige Rezeption, konstitutionelle Evolution und föderale Verflechtung, 2003, S. 1390; etwas differenzierter aber im Ergebnis ebenso Dittman, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.) HbdStR, Bd. 5, 3. Aufl. 2008, § 127 Rn. 32 ff. 69 In diesem Sinne auch Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 72 Rn. 4. 70 Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, 2004, § 12, S. 385 (391).
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
der der Selbstverwaltung wesensimmanenten Definitionshoheit der eigenen Entscheidungsträger hinsichtlich der Konkretisierung des Begriffs der Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft zu rechtfertigen71. Für die Annahme, dass der Verfassunggeber das Recht zur Aufgabenauswahl bzw. zur eigenen Schwerpunktsetzung gerade nicht einschränken wollte, spricht die Tatsache, dass dieser die Selbstverwaltungspflicht ausdrücklich unter den Vorbehalt der Leistungsfähigkeit gestellt hat. Damit konstituiert er nicht nur einen Ausnahmebestand der Pflichtigkeit eines potentiell strikten Normbefehls, sondern weicht diesen durch die Anreicherung mit prognostischen Elementen auf. Inwieweit die individuelle Gemeinde tatsächlich im Stande ist, die betreffende Aufgabe zu erfüllen, ist nur eine eingeschränkt heteronom überprüfbare Entscheidung72. Lediglich die zuständigen Gemeindeorgane sind umfassend in der Lage, Sparpotentiale in anderen Bereichen ihrer Tätigkeit aufzudecken und zu bewerten, was insbesondere erforderlich ist, wenn, wie im Regelfall, ein finanzieller Überschuss nicht vorhanden ist. Die Einschränkung durch den Vorbehalt der Leistungsfähigkeit ist deshalb als Ausdruck einer bewussten Entschärfung der Pflichtigkeit zu verstehen73. Im Gesamtzusammenhang lässt sich folglich die Schlussfolgerung ziehen, dass durch die Normierung der Pflicht zur Regelung der eigenen Angelegenheiten grundsätzlich keine Einschränkung des gemeindlichen Gestaltungsspielraums hinsichtlich der eigenen Agenda an freien Aufgaben intendiert war. Folglich könnte sich eine verfassungsunmittelbare Pflicht zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben nur aus sonstigen verfassungsrechtlichen Wertungen ergeben. Dieses Verständnis scheint auch den Aussagen des Verfassungsgerichts Sachsen-Anhalt zu Grunde zu liegen, nach dem Art. 87 Abs. 1–4 Verf. S-A die Funktion einer „eher formelle[n] Abgrenzung zum staatlichen Bereich“ zukommt, während sonstige Verfassungsgrundsätze, 71 Ausdrücklich VerfG S-A LKV 2000, S. 32 (33); in diesem Sinne auch VerfG S-A LKV 2002, S. 328 (330); Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 2 Rn. 5. Dies setzt aber auch einen echten politischen Aktionsraum voraus, so v. Mutius, in: Schmalz/Ewer/v. Mutius/Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Kommunalrecht, Rn. 70; zur den Funktionen bzw. Vorteilen der kommunalen Selbstverwaltung auch Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 2 Rn. 5; v. Mutius, in: ders./Wuttke/Hübner (Hrsg.), Kommentar zur Landesverfassung SchleswigHolstein, 1995, Art. 46 Rn. 4; zur Dezentralisation als wichtigem entstehungsgeschichtlichen Leitmotiv für die rechtliche Verankerung der Selbstverwaltung in Sachsen-Anhalt, vgl. Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch SachsenAnhalt, 2004, § 12, S. 385 (386). 72 So auch Krausnick, VerwArch 102 (2011), S. 360 (376). 73 Manssen/Schütz (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht Mecklenburg-Vorpommern, 1999, Art. 72 Anm. e) bb).
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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wie beispielsweise das Sozialstaatsprinzip, „den kommunalen Bereich mit Inhalt“74 füllen. Die kontroverse Frage, ob pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben sich tatsächlich unmittelbar aus materiellen Verfassungsaufträgen ergeben können oder diese erst durch den Gesetzgeber konkretisiert werden müssen75, soll ausführlich im folgenden Kapitel erörtert werden. Als Zwischenergebnis festzuhalten bleibt, dass aus der ausdrücklichen Formulierung einer Pflicht zur Wahrnehmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft keine abweichende Ausgestaltung der Pflichtenstellung der Gemeinden zum Grundgesetz folgt76. Der Bedeutungsgehalt der Regelung erschöpft sich vielmehr in der Klarstellung einer Verpflichtung der Gemeinden, sich der örtlichen Angelegenheiten anzunehmen, ohne einen konkreten Handlungsauftrag zu formulieren77. Dies entspricht der abstrakten Befassungspflicht, die bereits aus der staatsorganisatorischen Funktion des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abgeleitet wurde78. Durch die explizite Formulierung der Pflicht in den landesverfassungsrechtlichen Regelungen wird die sozialpolitische Bedeutung der Gemeinden besonders zum Ausdruck gebracht79. Nur vermutet werden kann, dass in den Ländern, die die Pflicht zur Selbstverwaltung ausdrücklich verfassungsrechtlich verankert haben, das Bedürfnis nach funktionsfähigen Gemeinden besonders dringend war80.
74 LVerfG S-A, Urteil vom 31.05.1994 – Az.: LVG 1/94 – juris, Rn. 185; Urteil vom 21.04.2009 – Az.: LVG 12, 27, 58/08 u. a. – juris, 2.2.2.2.1. 75 Dafür Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 72 Rn. 4; so auch Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 87 Rn. 3, allerdings nicht völlig widerspruchsfrei zu seinen vorangehenden Aussagen (Art. 87 Rn. 2); in Richtung der Konkretisierungsbedürfigkeit deutet auch die Gesetzesbegründung zu Art. 87 SächsVerf. [„Die Kommunen erledigen in ihrem Gebiet grundsätzlich alle Aufgaben eigenverantwortlich. Durch Gesetz kann ihnen die Erledigung bestimmter Aufgaben zur Pflicht gemacht werden (Pflichtaufgaben)“, vgl. LT-Drs. 1/1222, S. 57]. 76 Zu Art. 87 Verf. S-A: VerfG S-A NVwZ 1999, S. 760 (761); allgemein zur Kongruenz der landesverfassungsrechtlichen zur grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 2 Rn. 5; zu Art. 72 Verf. MV: Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 72 Rn. 1. 77 Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 72 Rn. 4. 78 Vgl. oben § 4 C. 79 Groth, in: Caspar/Ewer/Nolte/Waack (Hrsg.), Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 46, Rn. 38. 80 In Sachsen war laut Kilian, LKV 1993, S. 73 (77), die Funktionsfähigkeit des Staates ein besonderes Leitbild der Verfassunggebung.
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
IV. Inhaltliche Konkretisierung von Aufgaben in Bayern Einen Sonderfall bezüglich der Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie stellt in mehrfacher Hinsicht die bayerische Verfassung dar. Vor dem Grundgesetz entstanden, bezeichnet sie die Gemeinden in Art. 11 Abs. 2 S. 1 BayVerf. noch als ursprüngliche Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts, die gemäß S. 2 das Recht haben, ihre Angelegenheiten selbst zu ordnen und zu verwalten. Die geringfügigen Divergenzen des Wortlauts hinsichtlich des Gegenstandes („ihre Angelegenheiten“ anstatt „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft“) und der Tätigkeitsbeschreibung („selbst zu ordnen und verwalten“ anstatt „in eigener Verantwortung zu regeln“) bewirken keine inhaltliche Abweichung der Interpretation durch die Rechtsprechung und Literatur81. Eine echte Besonderheit der bayerischen Verfassung ist allerdings die Konkretisierung des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden in Gestalt des Aufgabenkatalogs des Art. 83 Abs. 1 BayVerf. Aus dieser beispielhaften Aufzählung gemeindlicher Aufgaben könnte sich möglicherweise eine inhaltliche Konkretisierung eines Bestandes an Aufgaben ableiten lassen, die nach dem bayerischen Verfassunggeber für die Institution Selbstverwaltung wesensimmanent sind und somit auch nicht für die Selbstverwaltungsträger zur Disposition stehen82. Die genetische Interpretation spricht allerdings eindeutig gegen ein solches Verständnis. Denn die Auslegungsvariante als Mindestpflichtprogramm wurde bereits bei der Diskussion über den Verfassungsentwurf (dort Art. 53 Abs. 1) erkannt und entschieden abgelehnt83. Auch der Verfassungsgerichts81 Masson, BayVBl. 1958, S. 161 (161); Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 11 Rn. 29; Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 11 Rn. 8 f.; 13; Schweiger, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 11 Rn. 5; zur Bedeutung der Charakterisierung der Gemeinden als „ursprüngliche Gebietskörperschaften“, vgl. unten § 5 C. 82 In diese Richtung geht andeutungsweise Winkler, JZ 2009, S. 1169 (1170); dazu auch Knauff, WiVerw 2011, S. 79 (82); auf diese Interpretationsmöglichkeit eingehend, sie im Ergebnis aber ablehnend Knemeyer, Kommunalrecht, 12. Aufl. 2007, Rn. 153. 83 So eindringlich der Abgeordnete Lacherbauer, vgl. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Verfassungsausschuss der bayerischen verfassunggebenden Landesversammlung, Bd. 1, 1946, S. 146; die folgenden Ausführungen des Abgeordneten Hoegner sind nicht derart eindeutig, deuten aber auch in Richtung einer bloßen konkretisierenden Absicherung des bereits durch Art. 11 Abs. 2 BV gewährten Selbstverwaltungsrechts; die Entstehungsgeschichte wird zusammengefasst wiedergegeben bei Masson, BayVBl. 1958, S. 161 (161).
B. Pflichtgehalt der Regelungen zur Selbstverwaltung
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hof hat sich früh festgelegt, dass aus der Vorschrift jedenfalls kein subjektives Recht für den Bürger ableitbar ist, weil sie Rechtswirkung nur im Verhältnis von Staat und Gemeinden entfaltet84. Für die Richtigkeit der Ablehnung einer Drittrichtung spricht insbesondere die systematische Stellung des Art. 83 Abs. 1 BayVerf. im staatsorganisatorischen Teil der Verfassung85. Unabhängig von der Ableitbarkeit einer Anspruchsqualität der Vorschrift kann die Verfassungssystematik auch gegen die Annahme eines objektiven Pflichtgehalts bzw. für die These des ausschließlich positiv „garantierenden Charakter[s]“86 der Vorschrift angeführt werden. Die Bayerische Verfassung spricht teilweise ausdrücklich eine Verpflichtung der Gemeinden für Aufgaben aus, die unter die Aufzählung des Art. 83 Abs. 1 BayVerf. fallen87. Käme Art. 83 Abs. 1 BayVerf. eine Verpflichtungswirkung bezüglich der dort erwähnten Aufgaben zu, wäre die konkrete Anordnung der Inpflichtnahme der Gemeinden für einzelne Gegenstände des Aufgabenkatalogs, wie sie die Verfassung an anderer Stelle vornimmt, überflüssig88. Dazu kommt, dass die Annahme einer Verpflichtung zur Erfüllung aller in Art. 83 Abs. 1 BayVerf. genannten Aufgaben zumindest kleinere Gemeinden überfordern würde89. Mit der Auflistung bestimmter Aufgaben bezweckte der Verfassunggeber, den Begriff der Selbstverwaltung bzw. des eigenen Wirkungskreises insofern mit Inhalt zu füllen, als dass nun im Grundsatz der status quo des Selbstverwaltungsrechts und somit das Recht zur Wahrnehmung der Ange84 Ausdrücklich BayVerfGH BayVBl. 1971, S. 63 (64); zustimmend Schweiger, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Art. 83 Rn. 3; Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 83 Rn. 6; Ehlers, DVBl. 2009, S. 1456 (1456). 85 Masson, BayVBl. 1958, S. 161 (162); vgl. zur entsprechenden Argumentation zu Art. 28 Abs. 2 GG oben § 4 C. I. 2. 86 Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 83 Rn. 14, der dies als inhaltlichen Unterschied zu Art. 57 GO hervorhebt; ebenso gegen einen Pflichtgehalt Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 83 Rn. 1; Schweiger, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Art. 83 Rn. 3; Widmann/Grasser, GO, Art. 57 Anm. 2; Einigkeit hinsichtlich der Tatsache, dass Art. 83 Abs 1 BV keine Pflichtaufgaben begründet konstatiert auch Stahl, Das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht und die Verletzung der gemeindlichen Selbstverwaltungspflicht durch eigenes Verwaltungshandeln und durch Unterlassen der Gemeinde, 1969, S. 87. 87 Masson, BayVBl. 1958, S. 161 (164). 88 Überzeugend hierzu Masson, BayVBl. 1958, S. 161 (164), der die Gewährleistungspflicht für die Totenbestattung (Art. 149 Abs. 1 S. 1 BV) als Beispiel anführt; weitere Beispiele sind der Wohnungsbau (Art. 106 Abs. 2 BV), die Kulturpflege bzw. -förderung (Art. 140 Abs. 3 BV). 89 Diese stellten noch 1957 den Regelfall in Bayern dar, vgl. dazu die statistischen Angaben bei Masson, BayVBl. 1958, S. 161 (162 Fn. 6).
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§ 5 Inpflichtnahme durch landesverfassungsrechtliche Bestimmungen
legenheiten, die von den Gemeinden bisher bereits wahrgenommen wurden, ausdrücklich geschützt werden soll90. Bereits in der Abwehrkonstellation, d.h. bei der Frage, ob eine der in Art. 83 Abs. 1 BayVerf. genannten Aufgaben der Gemeinde gegen ihren Willen heteronom entzogen werden kann, ist die Widerlegbarkeit dieser Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Gemeinden umstritten91. Aufgrund der eindeutigen Ergebnisse der genetischen und systematischen Auslegung ist die Annahme, Art. 83 Abs. 1 BayVerf. konkretisiere inhaltlich indisponible Kernaufgaben der Selbstverwaltung, die die Gemeinden wahrzunehmen haben, aber jedenfalls abzulehnen92. Folglich ergibt sich aus der Selbstverwaltungsgarantie, wie sie in der bayerischen Verfassung normiert ist, keine abweichende Ausgestaltung der gemeindlichen Pflichtenstellung im Sinne konkreter Pflichtaufgaben.
C. Betonung des Autonomiegedankens in den Landesverfassungen In einigen Landesverfassungen wird nicht die Pflichtigkeit, sondern im Gegenteil der Autonomiegedanke der Gemeinden in besonderem Maße betont. In Nordrhein-Westfalen wird das Selbstverwaltungsrecht beispielsweise durch das Modaladverb „durch ihre gewählten Organe“ ergänzt. Die Intention des Verfassunggebers war nach überwiegender Ansicht, den demokratischen Aspekt der Selbstverwaltung als Aufgabenerfüllung durch eigens le90
BayVerfGH VerfGH 4, 251 (252, 276); Schweiger, in: Nawiasky/Schweiger/ Knöpfle, Art. 83 Rn. 3, bezeichnet die Intention als „Wahrung eines vorrechtlichen Gesamtbildes, das sich ihm bot“. 91 Nach der Rechtsprechung ist es dem einfachen Gesetzgeber verwehrt, eines der genannten Aufgabengebiete den Gemeinden vollständig zu entziehen, vgl. ausdrücklich BayVerfGH VerfGH 10, 113 (121); darauf bezugnehmend BayVerfGH VerfGH 41, 140 (146); dazu Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 83 Rn. 7; ebenso Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 11 Rn. 6, etwas zurückhaltender in Art. 83 Rn. 1, wonach jedes genannte Aufgabengebiet den Gemeinden grundsätzlich erhalten bleiben soll. Dass aus der Aufzählung keine Festlegung in negativer Hinsicht im Sinne einer Beschränkung des eigenen Wirkungskreises auf die aufgezählten Angelegenheiten folgt, ergibt sich schon aus dem Wortlaut („insbesondere“), vgl. auch Schweiger, in: Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Art. 83 Rn. 3; so schon die Aussagen des Abgeordneten Hoegener, Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Verfassungsausschuss der bayerischen verfassunggebenden Landesversammlung, Bd. 1, 1946, S. 146. 92 Anders wohl Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 39, der sich aber mit dem Bedeutungsgehalt der Vorschrift nicht näher auseinandersetzt.
C. Betonung des Autonomiegedankens in den Landesverfassungen
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gitimierte Entscheidungsträger im Gegensatz zu weisungsgebundenen Verwaltungseinheiten ausdrücklich hervorzuheben93. In Rheinland-Pfalz und Hessen wird durch die Formulierung „können [. . .] übernehmen“ in Art. 137 Abs. 1 S. 2 HessVerf. bzw. Art. 49 Abs. 1 S. 2 Verf. R-P das Entschließungsermessen der Gemeinden in Bezug auf konkrete Sachaufgaben deutlich zum Ausdruck gebracht. Ein solches nimmt offensichtlich auch der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz an, der in systematischer Hinsicht zudem auf den Unterschied zu Art. 49 Abs. 4 Verf. R-P eingeht94. Ausdrücklich gegen eine Verpflichtung zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe hat sich auch das Oberverwaltungsgericht in Sachsen ausgesprochen. Die Entscheidung, „ob und wie eine öffentliche Aufgabe im Interesse des Wohls der Einwohner erledigt wird“, obliege allein der Gemeinde, sofern eine gesetzliche Regelung nicht besteht. Bereits eine objektive Pflicht, eine bestimmte Leistung oder Einrichtung bereitzustellen, sei aus Art. 82, 84 SächsVerf. nicht ableitbar und folglich erst Recht kein subjektives Recht der Gemeindebürger, ein solch konkretes Tätigwerden der Gemeindeorgane einzufordern95. Ein Anhaltspunkt für eine besondere Akzentuierung oder Bekräftigung des Autonomiegedankens ist auch die bereits angesprochene Charakterisierung der Gemeinden als ursprüngliche Gebietskörperschaften in Art. 11 Abs. 2 BayVerf., welcher im Ergebnis nach allgemeiner Ansicht aber kein eigener rechtlicher Bedeutungsgehalt zukommt96.
93 Heusch/Schönenbroicher, Die Landesverfassung Nordrhein-Westfalen, 2010, Art. 78 Rn. 25; ausführlich zur Bedeutung dieser Norm bereits VerfGH NRW OVGE 9, 74 (75 ff.). 94 Vgl. dazu auch die Entscheidung des VerfGH R-P AS 3, 34 (42), wo aus dem Vergleich mit Art. 49 Abs. 4 Verf. R-P, der eine Verpflichtung enthält, Art. 49 Abs. 1 S. 2 Verf. RP dagegen als Recht charakterisiert wrd. 95 SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – Az.: 3 D 315/99 – juris, Rn. 57. 96 Ausführlich zur Bedeutung der „Ursprünglichkeit“ Lissack, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht nach bayerischem Verfassungs- und Verfassungsprozessrecht, 2000, S. 173 ff., der im Ergebnis von einer „verfassungshistorisierenden Deklamation“ ausgeht, aus der sich besondere Rechtsfolgen nicht ableiten lassen (S. 185); den Zusatz ebenfalls als eine besondere Hervorhebung der Selbstverwaltungsgarantie wertend Wolff, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 11 Rn. 12; gegen einen rechtlichen Bedeutungsgehalt auch Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 11 Rn. 2; kritisch zum Begriff der Ursprünglichkeit bereits Nawiasky/Leusser, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1948, Art. 11, S. 86; zu einer naturrechtlich, vorstaatlichen Interpretation noch ausführlich Hoegner, Lehrbuch des Bayerischen Verfassungsrechts, 1949, S. 34 f.; in diesem Sinne auch noch BayVerfGH VerfGH 2, 143 (163); 7, 113 (118).
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D. Ergebnis Im Ergebnis lässt sich auch aus den Selbstverwaltungsgarantien in den Landesverfassungen kein abweichender Umfang oder eine Konkretisierung der Inpflichtnahme der Gemeinden ableiten. Auch wenn den Regelungen in Bezug auf die gemeindliche Aufgabenberechtigung teilweise Garantiegehalte zuerkannt werden, die über den grundgesetzlichen Mindeststandard hinausgehen, beschränken sich die Angelegenheiten, deren sich die Gemeinde ohne einfachgesetzliche Zuweisung unmittelbar kraft Verfassungsrechts annehmen darf, ausschließlich auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, wie sie durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Bezug auf Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG definiert wurden97. Sofern einige Landesverfassungen neben dem Recht ausdrücklich auch eine Pflicht zur Regelung aller örtlichen Angelegenheiten normieren, wird dadurch lediglich die gemeindliche Befassungspflicht positiv-rechtlich klargestellt, die sich bei der grundgesetzlichen Garantie und den übrigen landesverfassungsrechtlichen Regelungen aus der staatsorganisatorischen Funktion der Gemeinden als Selbstverwaltungsträger ergibt. Im Vergleich zum Grundgesetz enthalten einige Landesverfassungen vielmehr zusätzliche Elemente, die die Autonomie der Gemeinden in Bezug auf die Aufgabenauswahl im Bereich der gesetzlich nicht determinierten Selbstverwaltungsaufgaben besonders betonen. Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass auch die landesverfassungsrechtlichen Regelungen als Grundlage für die Begründung konkreter Handlungsverpflichtungen der Gemeinden kraft Verfassungsrechts ausscheiden.
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Siehe dazu oben § 3 A. III. 2. b).
§ 6 Sonstige Verfassungsnormen als Grundlage gemeindlicher Aufgabenpflichten Als Anknüpfungspunkt einer verfassungsunmittelbaren Verpflichtung der Gemeinden kommen neben den verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der kommunalen Selbstverwaltung weitere Verfassungsvorschriften auf Ebene des Bundes- und Landesverfassungsrechts in Betracht. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im ersten Band betont, dass jede Verfassungsvorschrift in einem Wirkungszusammenhang mit anderen verfassungsrechtlichen Normen steht1. Diesen Gedanken haben die Landesverfassungsgerichte aufgegriffen und nennen das Sozialstaatsprinzip sowie weitere verfassungsrechtliche Staatszielbestimmungen und Verfassungsaufträge2 ausdrücklich als Normen, durch die die Gemeinden verpflichtet würden3. Diese Regelungen sollen die institutionelle Gewährleistung mit Inhalt füllen4 und eignen sich somit potentiell auch für die Begründung von verfassungsunmittelbaren Gemeindeaufgaben5. Im Folgenden sollen im Anschluss an die Klärung einiger Rahmenbedingungen einer Pflichtenzuweisung an die Gemeinden durch Verfassungsgesetz zunächst der Inhalt und die Grenzen verfassungsrechtlicher Pflichten allgemein erörtert werden, bevor auf die Besonderheiten eingegangen wird, die für die Gemeinden als Adressaten gelten.
1
BVerfGE 1, 14 (32 ff.). Zur Abgrenzung der unterschiedlichen Begriffe Merten, DÖV 1993, S. 368 (370). 3 LVerfG S-A, Urteil vom 31.05.1994, LVG 1/94 – juris, Rn. 184; übernommen durch OVG S-A NVwZ-RR 2011, S. 75 (77); ebenso VerfG S-A NVwZ 1999, S. 760 (761); NdsStGH DÖV 1996, S. 657 (658); StGH B-W ESVGH 25, S. 1 (7), der aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG bzw. Art. 23 Abs. 1 Verf. B-W eine Pflichtigkeit der kommunalen Selbstverwaltung dergestalt ableitet, sich auf eine bestmögliche Daseinsvorsorge zugunsten aller Einwohner auszurichten. 4 LVerfG S-A, Urteil vom 31.05.1994, LVG 1/94 – juris, Rn. 185; OVG S-A NVwZ-RR 2011, S. 75 (77); in gleichem Sinne auch Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, 2004, § 12, S. 385 (400). 5 So zur Aufgabe der Verwirklichung der Gleichberechtigung von Mann und Frau NdsStGH DÖV 1996, S. 657 (658), darauf bezugnehmend LVerfG S-A NVwZ 1999, S. 760 (761). 2
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
A. Materielle Verpflichtungstatbestände im Grundgesetz, in den Landesverfassungen sowie im supranationalen Recht I. Allgemeine Vorüberlegungen 1. Anforderungen an eine Verpflichtungsnorm Die verfassungsrechtlichen Regelungen, die als Grundlage einer Aufgabenverpflichtung der Gemeinden in Betracht kommen, müssen kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllen. Erstens muss sich aus ihnen generell ein objektiv verpflichtender Gehalt ableiten lassen. Der Bedeutungsgehalt solcher Normen erschöpft sich nicht darin, einen Eingriff des Staates in die Rechtsstellung seiner Bürger abzuwehren, sondern fordert ein aktives Tätigwerden der staatlichen Gewalt, um die Rechtsposition der Bürger zu erhalten oder sogar zu erweitern6. Eine objektive Verpflichtung der Hoheitsträger kann gleichzeitig mit einem Leistungsrecht zugunsten der Betroffenen verknüpft sein, durch das der Einzelne subjektiv berechtigt wird, staatliches Handeln einzufordern. Zweitens muss die betreffende Verfassungsrechtsnorm gerade auch an die Gemeinden adressiert sein. Unproblematisch gilt dies für die allgemeinen und besonderen landesrechtlichen Verfassungspflichten, die die kommunalen Selbstverwaltungsträger als Teil der Landesstaatsgewalt unmittelbar binden. Dagegen gelten nur bestimmte Vorschriften des Grundgesetzes für die Gemeinden direkt. 2. Zulässigkeit des bundesverfassungsrechtlichen Durchgriffs Eine konkrete verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung durch das Grundgesetz an die Gemeinden ist auch nach Einführung des sogenannten Durchgriffsverbotes7 des Bundes auf die Gemeinden (Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG bzw. 85 Abs. 1 S. 2 GG)8 dogmatisch nicht ausgeschlossen. 6 Klein, DVBl. 1994, S. 489 (491), bezogen auf die „‚objektiv-rechtlichen Gehalte‘ der grundrechtsgewährleistenden Normen“; Horn, Die grundrechtsunmittelbare Verwaltung, 1999, S. 151, allerdings beschränkt auf die grundrechtliche Schutzpflicht. 7 Trute, in: Starck (Hrsg.), Föderalismusreform, 2007, Rn. 174. 8 Dazu ausführlich Knitter, Das Aufgabenübertragungsverbot des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, 2008, passim; Semmler, Die Kommunen nach der Föderalismusreform 2006, 2011, S. 65 ff.
A. Materielle Verpflichtungstatbestände
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Seit Inkrafttreten dieser Regelungen ist zwar eine direkte Aufgabenzuweisung vom Bund an die Gemeinden durch einfaches Gesetz entgegen der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts9 generell unzulässig10. Eine Aufgabenverpflichtung durch das Grundgesetz wird dadurch aber weder gegenwärtig noch für die Zukunft zwingend verhindert. Aufgrund der normhierarchischen Gleichrangigkeit des Aufgabenübertragungsverbotes ist dieses nicht Prüfungsmaßstab für eine Aufgabenzuweisung unmittelbar durch Verfassungsgesetz. Zwar stellt die Zuweisung einer Aufgabe durch den Bund an die Gemeinden gleichzeitig auch einen Eingriff in die Verwaltungshoheit der Länder dar11, der Grundsatz der Bundesstaatlichkeit selbst wäre aber durch einen rein punktuellen Aufgabendurchgriff auf die Gemeinden nicht betroffen12. Selbst wenn man berücksichtigt, dass Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG bzw. Art. 85 Abs. 1 S. 2 GG gleichzeitig eine Schutzverstärkung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG darstellt, ändert dies nichts an der Annahme der Zulässigkeit einer konkreten Aufgabenzweisung vom Bund an die Gemeinden durch das Grundgesetz, da auch die Selbstverwaltungsgarantie, wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 79 Abs. 3 GG ergibt, nicht an der Ewigkeitsgarantie teilnimmt13. Wie sogleich dargestellt wird, ist Art. 91e GG nur ein bedingt taugliches Beispiel, um die Anerkennung der Zulässigkeit eines bundesverfassungsunmittelbaren Durchgriffs auch unter der Geltung des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG zu belegen. Bereits der obligatorische Charakter der Aufgabenzuweisung der Vorschrift an die Gemeinden ist strittig, da die Aufgabenverpflichtung der Gemeinden und Gemeindeverbände nach dem Wortlaut unter dem Vorbehalt der landesrechtlichen Regelung steht14.
9 Grundlegend BVerfGE 77, 288 (301) zur Jugendhilfe; ähnlich bereits BVerfGE 22, 180 (209 ff.) zur Sozialhilfe. 10 Dazu und zur Problematik der Fortgeltungsvorschrift des Art. 125a Abs. 1 S. 1 GG bzw. zur Abgrenzung von Neu- und Altfällen: Knitter, Das Aufgabenübertragungsverbot des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, 2008, passim; Henneke, Bundesstaat und Kommunale Selbstverwaltung nach den Föderalismusreformen, 2008, S. 35 ff.; Semmler, Die Kommunen nach der Föderalismusreform 2006, 2011, S. 65; Trute, in: Starck (Hrsg.), Föderalismusreform, 2007, Rn. 174. 11 Vgl. zum diesem Schutzzweck von Art. 84 Abs. 1 S. 1, Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 3, 2. Aufl. 2008, Art. 84 Rn. 9; Wieland, Der Landkreis 2009, S. 556 (557). 12 Siehe zur Grenze der Befugnis des verfassungsändernden Gesetzgebers auch Wieland, Der Landkreis 2009, S. 556 (557 f.). 13 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 37, Art. 79 III Rn. 61, der zudem ausführt, dass die Selbstverwaltung auch nicht durch die als unabänderlich normierten Grundsätze „mitgeschützt“ wird. 14 Vgl. dazu sogleich § 6 A. I. 3.
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
3. Konkrete Aufgabenzuweisungen an die Gemeinden im Grundgesetz Die Suche nach konkreten Aufgabenzuweisungen zugunsten der Gemeinden im Grundgesetz bleibt im Ergebnis weitgehend erfolglos, was als Ausdruck der grundsätzlichen Anerkennung der Eigenständigkeit der Verwaltungsorganisation der Länder durch den Verfassunggeber gewertet werden kann. Als Beispielsfall einer konkreten Aufgabenübertragung an die Gemeinde kann man Art. 91e GG in Betracht ziehen, der in Abs. 1 eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern bzw. den nach Landesrecht zuständigen Gemeinden im Bereich der Grundsicherung vorsieht. Dieser wird ergänzt durch Abs. 2, der den Bund ermächtigt, bestimmte Gemeinden als sogennannte Optionskommunen, d.h. als alleinige Träger der Grundsicherung zuzulassen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Ermächtigung ergibt, erfolgt die Zulassung als Optionskommune auf (freiwilligen) Antrag der jeweiligen Gemeinde. Die Regelung in Art. 91e Abs. 2 GG stellt folglich keine obligatorische Aufgabenzuweisung dar15. Aber auch der unmittelbar verpflichtende Gehalt des Abs. 1 der Norm ist zweifelhaft16, jedenfalls aber in Bezug auf die Gemeinden abzulehnen. Die Einführung des Art. 91e GG war primär dadurch bedingt, dass das Bundesverfassungsgericht die einfachgesetzlich vorgesehene Mischverwaltung in Form der gemeinsamen Arbeitsgemeinschaften von Bund und Ländern mit dem Grundgesetz in seiner bis dahin geltenden Fassung für unvereinbar erklärt hatte17. Folglich liegt es nahe, die Vorschrift nicht als konstitutive Aufgabenzuweisung, sondern als die nachträgliche verfassungsrechtliche Legalisierung einer bereits existenten einfachgesetzlichen Regelung zu interpretieren. Ferner wird die Einbeziehung der Gemeinden in die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern nach dem Wortlaut des Art. 91e Abs. 1 Hs. 2 15 Auch in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/1554, S. 4) wird ausdrücklich betont, dass es sich lediglich um eine „Kann-Regelung“ handelt. 16 Dagegen Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 91e Rn. 14; anders wohl Mehde, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG Art. 91e, Rn. 11; Mager, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 6 f.; nach Pieroth, in: Jarass/Pieroth, 12. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 1, verpflichtet Art. 91e „zu einem regelmäßigen Zusammenwirken von Bund und Ländern“; Volkmann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 5. 17 BVerfGE 119, 331; vgl. zu dieser Intention auch ausdrücklich die Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/1554, S. 4; zu den Hintergründen auch ausführlich Volkmann, in: v. Mangold/Klein/Starck (Hrsg.), GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 91e Rn. 1 ff.; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl., Supplementum 2010, Art. 91e Rn. 5 ff.
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GG den Ländern überlassen. Im Grundsatz erfolgt die Übertragung der Aufgabe an die Gemeinden somit erst durch den Landesgesetzgeber18. Aufgrund der Tatsache, dass die einfachgesetzlichen landesrechtlichen Zuweisungsvorschriften existieren, ergeben sich eine Vielzahl der noch zu erörternden Probleme einer verfassungsunmittelbaren Aufgabenpflicht, die gerade aus dem Fehlen eines konkreten Zuweisungsgesetzes resultieren, in dieser Konstellation von vornherein nicht.
II. Inhalt der staatlichen Leistungspflicht Neben der Suche nach ausdrücklichen Aufgabenzuweisungen gilt es aber ferner zu klären, inwiefern sich aus den Bindungen an die allgemeinen Strukturprinzipien, Staatszielbestimmungen, Verfassungsaufträge und grundrechtlichen Gewährleistungen möglicherweise eine staatliche bzw. kommunale Leistungspflicht ergibt19. 1. Kongruenz von Bundes- und Landesverfassungsrecht in Bezug auf allgemeine Verfassungspflichten Die in Art. 20 Abs. 1 GG enummerierten Staatsstruktur- und Staatszielbestimmungen gelten nicht unmittelbar für die Landesstaatsgewalt20. Durch die Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG sind sie aber insofern Vorgabe für die Landesverfassungen, als diese den genannten Prinzipien in ihren Grundsätzen entsprechen müssen. Die Landesverfassungen werden dieser Normativbestimmung21 gerecht, indem sie flächendeckend inhaltlich kongruente Vorschriften enthalten. Die Auslegung dieser landesverfassungsrechtlichen Regelungen stimmt ganz überwiegend mit der Interpretation der grundgesetzlichen Parallelvorschriften überein. Einige Landesverfassungsgerichte ziehen in ihrer Rechtsprechung sogar ausdrücklich neben den landesverfassungsrechtlichen Bestimmungen die grundgesetzlichen Normen als Prüfungsmaßstab mit heran und greifen im Rahmen einer einheitlichen Interpretation auf die in Bezug auf letztere entwickelten Grundsätze zu18 In diesem Sinne Mehde, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG Art. 91e, Rn. 11; Mager, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 6 f.; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 91e Rn. 1. 19 Zur Definition und Abgrenzung der einzelnen Begriffe, vgl. Merten, DÖV 1993, S. 368 (370). 20 Etwas undifferenziert bezüglich des Sozialstaatsprinzips daher VerfGH S-A, Urteil vom 31.05.1994, LVG 1/94 – juris, Rn. 184; OVG S-A NVwZ-RR 2011, S. 75 (77). 21 Zu diesem Begriff statt vieler: Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Rn. 12 m. w. N.
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rück22. Der Umwelt- und Tierschutz in Art. 20a GG wird, wie sich aus der grammatikalischen Auslegung ergibt, nicht von der Homogenitätsklausel erfasst, sondern soll die Länder und Gemeinden als Teil des Gesamtstaates nach der Auffassung des verfassungsändernden Gesetzgebers direkt binden23. Unabhängig von der Art der Bindungswirkung lässt sich auch hinsichtlich dieses Sachbereichs eine inhaltliche Übereinstimmung zwischen der grundgesetzlichen und den landesverfassungsrechtlichen Vorschriften feststellen. Die grundrechtlichen Gewährleistungen im Grundgesetz verpflichten dagegen auch die Gemeinden als Teil der Landesstaatsgewalt unmittelbar über Art. 1 Abs. 3 GG24. Daneben treten die Grundrechtsgewährleistungen in den Landesverfassungen gemäß Art. 142 GG, soweit sie denen des Grundgesetzes entsprechen25. Vor dem Hintergrund der weitgehenden Kongruenz von Landes- und Bundesverfassungsrecht in Bezug auf die genannten Vorschriften werden, um Wiederholungen zu vermeiden, beide Normebenen in Bezug auf die allgemeinen Strukturprinzipien, Zielbestimmungen sowie die Grundrechte gemeinsam behandelt. Auf die spezielleren Verfassungsaufträge oder potentiell weitreichendere grundrechtliche Gewährleistungen in den Verfassungen der Länder wird im Anschluss daran noch besonders eingegangen26. 2. Insbesondere staatlicher Versorgungsauftrag Die angesprochenen allgemeinen verfassungsrechtlichen Prinzipien oder Zielbestimmungen sind für die Untersuchung einer Pflichtigkeit der Gemeinden kraft Verfassungsrechts von vornherein von unterschiedlicher Relevanz. Sofern sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ein aufgabenrechtlicher Gehalt ableiten lässt27, sind die Gemeinden aufgrund ihres eingeschränkten Kompetenzbereichs regelmäßig nicht direkte Verpflichtungsadressaten. Eine 22 So in Bezug auf das Sozialstaatsprinzip StGH B-W ESVGH 25, S. 1 (7); VerfGH S-A, Urteil vom 31.05.1994, – Az.; LVG 1/94 – juris, Rn. 184; OVG S-A NVwZ-RR 2011, S. 75 (77). 23 Eine Erstreckung des Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG wurde von der gemeinsamen Verfassungskommission von Bund und Ländern als nicht erforderlich angesehen, vgl. dazu Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20a Rn. 63 m. w. N. 24 BVerfGE 42, 312 (325), 97, 298 (313 f.); 103, 332 (347 f.); Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 Rn. 93. 25 Dazu bereits BVerfG NJW 1952, S. 865 (865); ausführlich zur näheren Bestimmung des Begriffs der Landesgrundrechte Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 142 Rn. 8 ff. 26 Siehe unten § 6 A. II. 4.
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zentrale potentielle Grundlage für eine verfassungsunmittelbare Aufgabenverpflichtung stellt dagegen das Sozialstaatsprinzip dar, dessen Pflichtgehalt durch die Grundrechte ergänzt und teilweise konkretisiert wird. In ihm wird der Versorgungsgedanke positiviert, d.h. der Auftrag, die Deckung der Grundbedürfnisse der Bürger sicherzustellen, die diese allein nicht zu decken in der Lage sind28. Darin soll „eine jedem Staat vorgegebene Aufgabe“29 liegen. a) Sozialstaatsprinzip als Verpflichtungstatbestand Das Sozialstaatsprinzip ist nach allgemeiner Ansicht nicht als bloßer Programmsatz zu charakterisieren, sondern hat die Rechtsnatur von objektiv bindendem Verfassungsrecht30. Auf eine Präzisierung konkreter Pflichtaufgaben oder ausdrücklicher Leistungsansprüche der Bürger gegen den Staat hat der Verfassunggeber des Grundgesetzes aber weitgehend verzichtet31. Eine nicht unerhebliche Rolle haben hierbei zum einen die genetischen Entstehungsbedingungen gespielt32. Der Prozess der Verfassunggebung sollte nicht an politisch bedingten, inhaltlich abweichenden sozialen Ansichten scheitern, vor allem, da das Grundgesetz zu diesem Zeitpunkt nicht als endgültige Lösung, sondern nur als Provisorium bis zu einer Einigung Deutschlands gedacht war33. Wichtiges Element der Grundrechtskonzeption des Grundgesetzes war zudem, die Grundrechte als zwingend und unbedingt durchsetzbare Rechte 27 Insbesondere wird ein aufgabenrechtlicher Gehalt aus dem staatlichen Gewaltmonopol abgeleitet, vgl. statt vieler Burgi, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 75 Rn. 19 ff. 28 Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, S. 796; zur historischen Entwicklung beispielsweise Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 9 ff. 29 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 1, mit Verweis auf Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1964, S. 796, der allerdings davon spricht, dass „die Wohlfahrt der Staatlichkeit wesentlich“ ist. 30 In diesem Sinne bereits BVerfGE 1, 99 (105); 3, 377 (381) st. Rspr.; aus der Literatur statt vieler Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 877 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 6. 31 Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 880; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 47; Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 21; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 28. 32 Weber, Der Staat 4 (1965), S. 409 (411 ff., 421); Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 81; Cremer, Freiheitsgrundrechte, 2003, S. 366 f.; die Gefahr der Desintegrierung nennt auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 21, als ein Hemmnis für die Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips. 33 Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), S. 8 (22 f.); Weber, Der Staat 4 (1965), S. 409 (413 f.); Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 879.
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auszugestalten34. Die Normierung von Leistungsgrundrechten hätte die Durchsetzbarkeit in ihrer Absolutheit in Frage gestellt, da die Realisierbarkeit von sozialen Grundrechten in besonderem Maße von der Variable der staatlichen Leistungsfähigkeit abhängt35. Vor diesem Hintergrund geht die überwiegende Ansicht davon aus, dass es grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen bleibt, das sozialstaatliche Prinzip durch subjektive Leistungsansprüche auszugestalten36. Aber auch die objektive sozialstaatliche Verpflichtung lässt sich nicht in Form konkreter, unabänderlicher Aufgabenpflichten aus der Verfassung präzisieren37. Dass sich die Bedürfnissituation der Bürger auch objektiv nicht statisch bestimmen und so für die Zukunft festlegen lässt, hatten bereits die Abgeordneten im Parlamentarischen Rat klar betont38. Zudem muss der Staat eine öffentliche Aufgabe nicht zwingend selbst erbringen39. Er kann einer potentiellen Verantwortung auch in Form der Gewährleistung gerecht werden40. Das sozialstaatliche Prinzip erweist sich somit nicht nur in subjektiv-rechtlicher Hinsicht als ausgestaltungsbedürftig, sondern auch sein objektiver Pflichtgehalt als funktionsnotwendig unbestimmt41. Die Offen34 Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 879; dazu auch Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 28, ferner Rn. 50. 35 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 23. 36 BVerfGE 1, 97 (105); 53, 164 (184); 125, 175 (223 f.); Martens, VVDStRL 30 (1971), S. 8 (17 m. w. N. Fn. 48); Schachtschneider, Das Sozialstaatsprinzip, 1974, S. 71 ff.; Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 66, 70, 82; Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 887; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 50; Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 32. 37 In diesem Sinne Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 47, nach dem sich der Gehalt des Sozialstaatsprinzips „kaum zu definitiven Einzelkonsequenzen verdichten lässt“; ähnlich Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (17); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 20; etwas zurückhaltender Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 16, nach dem „Tätigkeit für das öffentliche Wohl [ist] dem Staat wie allen Trägern öffentlicher Verwaltung [. . .] in einem sehr allgemeinen und schwer zu konkretisierenden Sinne aufgegeben“ ist; so auch speziell in Bezug auf die kommunalen Pflichtaufgaben Mehde, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 55. 38 Ausführlich mit Nachweisen aus der Entstehungsgeschichte Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 879; dazu auch Weber, Der Staat 4 (1965), S. 409 (412 f.). 39 BVerfGE 22, 180 (204), in Bezug auf die Jugendhilfe; Butzer, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 74 Rn. 44; so auch v. Heimburg, Verwaltungsaufgaben und Private, 1982, S. 25. 40 Zur Voraussetzungen und Inhalt der Gewährleistungsverantwortung statt vieler Knauff, Der Gewährleistungsstaat, 2004, passim. 41 Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 66, 70, zum dynamischen Element der So-
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heit des sozialstaatlichen Auftrages bezweckt insgesamt, eine gewisse Anpassungsfähigkeit an die sich wandelnden Bedürfnisse des jeweiligen Souveräns im Rahmen der finanziellen Leistungsfähigkeit des Staates zu bewahren42. Aus dieser Intention folgt gleichzeitig die Erkenntnis, dass sich konkrete Staatsaufgaben aus dem abstrakten Prinzip der Sozialstaatlichkeit grundsätzlich nicht ableiten lassen43. Eine inhaltliche Konkretisierung hat vielmehr durch die verfassten Gewalten zu erfolgen44. Zentrale Frage für die Bestimmung der verfassungsunmittelbaren Verpflichtung der Selbstverwaltungsträger ist dabei die Abgrenzung zum Verantwortungsbereich des Gesetzgebers45. b) Grundrechtlicher Leistungsauftrag Zur inhaltlichen Konturierung des Sozialstaatsprinzips tragen unmittelbar auf Ebene des Verfassungsrechts die Grundrechte sowie die Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG bei46. Den Grundrechten kommt anerkanntermaßen neben der rein abwehrrechtlichen auch eine objektive Funktion im Sinne der Konstituierung einer Werteordnung zu47, die unter bestimmten zialstaatsklausel; ebenso Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 892; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 46. 42 BVerfGE 125, 175 (222 ff.); so bereits Weber, Der Staat 4 (1965), S. 409 (415); Merten, DÖV 1993, S. 368 (371); Zacher, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 2, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 65; zum Wandel der Kommunalaufgaben auch Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (271). 43 BVerfGE 59, 231 (263); Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (17); Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 916; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 47; Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 32; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 22; zur Ausgestaltungsbedürftigkeit von Staatszielbestimmungen allgemein Merten, DÖV 1993, S. 368 (371, 376). 44 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 22; Kirchhof, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 99 Rn. 110; abstrakt zur „Offenheit der Verfassung“ ders., Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts: Die Idee des Rechts, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71 (73 ff.). 45 Vgl. dazu unten § 6 B. I. sowie § 7 A. 46 Ob der Menschenwürdegarantie Grundrechtsqualität zukommt ist umstritten, vgl. zum Meinungsstand hierzu ausführlich Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997, S. 91 ff.; dafür beispielsweise BVerfGE 1, 332 (343); 109, 133 (149f.); Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 21 ff. m. w. N.; dagegen Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 1 Rn. 124 ff. 47 Dazu grundlegend BVerfGE 7, 198 (205); anschließend BVerfGE 39, 1 (41 f.); 53, 30 (57); zur Entwicklung und unterschiedlichen Begründungsansätzen ausführlich bereits Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (25).
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Umständen durch eine leistungsrechtliche Dimension ergänzt wird48. Die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten ist unter modernen Lebensbedingungen teilweise nur möglich, wenn die erforderlichen materiellen Voraussetzungen zur Verfügung gestellt werden49. Demzufolge ist allgemein anerkannt, dass der Staat gegebenenfalls bestimmte Voraussetzungen aktiv schaffen muss, um eine effektive Grundrechtswahrnehmung zu ermöglichen50. Die nähere Bestimmung der grundrechtlichen Leistungsverpflichtung kann nicht isoliert vorgenommen werden, sondern muss in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip erörtert werden51. aa) Anspruch auf Gewährleistung eines Existenzminimums Unmittelbar verfassungsrechtlich abgesichert ist durch das Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG die Pflicht des Staates zur Sicherstellung des existenziell Notwendigen52. In 48
Sachs, in: ders. (Hrsg.), 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 28, 31, 46 ff. m. w. N. und kritisch zum Begriff der „objektiven Grundrechtsgehalte“; Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 912, spricht von einem „status positivus socialis“; auch nach Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (112), geht die objektiv-rechtliche Verpflichtung weiter als die subjektive Berechtigung zugunsten der Bürger. 49 Ramm, JZ 1972, S. 137 (145); Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (28 f.); Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Sozialstaat), Rn. 21, 27; speziell in Bezug auf die kommunalen Einrichtungen Lange, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, § 52, S. 167; Knauff, Gewährleistungsstaat, 2004, S. 187; zurückhaltender Dreier, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Vorb. Rn. 81: vom BVerfG würde diese „Umdeutung orginärer Freiheitsrechte im sogenannten „Numerus clausus-Urteil“ [BVerfGE 33, 303 ff.] als denkbare Konstruktion in Betracht gezogen. 50 Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 21 m. w. N., bezeichnet dies als objektive Sozialstaatsdimension der Freiheitsgrundrechte; zur „Grundrechtsermöglichungspflicht“ auch Knauff, Gewährleistungsstaat, 2004, S. 186; bereits Klein, DVBl. 1994, S. 489 (491); Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 893, 933 ff. 51 Plakativ beschreiben Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VIII Rn. 20, das Verhältnis von Sozialstaatspinzip und Menschenwürde als „aus einem Guß“; in diesem Sinne auch Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 879, 933 ff.; Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 70 ff.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 121, Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 47 f.; auch das BVerfG bezieht sich insbesondere seit den 70iger Jahren auf ein Kombination von Sozialstaatsprinzip und Menschenwürde, vgl. beispielsweise BVerfGE 45, 187 (228), dazu Neuman, NVwZ 1995, S. 426 (427). 52 Angedeutet bereits BVerfGE 40, 121 (133), 44, 353 (375); ausdrücklich zum Existenzminium BVerfGE 82, 60 (85 ff.) st. Rspr.; vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung Neuman, NVwZ 1995, S. 426 ff.; aus der Literatur statt vieler und mit unterschiedlichen Begründungsansätzen Zacher, Sozialpolitik und Verfassung im
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diesem Umfang korrespondiert die objektive Pflichtigkeit des Staates gleichzeitig mit einer subjektiven Berechtigung des Einzelnen53. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die Gewährleistung eines finanziellen Existenzminimums gefordert sein kann, sondern auch der Bestand bestimmter Leistungen und Einrichtungen, die für eine menschenwürdige Existenz erforderlich sind54. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu den Hartz IV-Sätzen klargestellt, dass der Garantiegehalt des Sozialstaatsprinzips sich nicht nur auf die Gewährleistung der materiellen Grundlage für die „physische Existenz“ beschränkt, sondern auch „ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben“ umfasst55. Diese Aussage ist von besonderer Relevanz, weil die im Zusammenhang von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben der Gemeinden in Betracht kommenden Bereiche in vielen Fällen über die Grenzen des für die physische Existenz Notwendigen hinausgehen. bb) Variabilität der Bestimmung des existenziell Notwendigen Die Problematik einer Konkretisierung des verfassungsrechtlich Geforderten besteht allerdings darin, dass die Beurteilung, ob eine bestimmte Leistung oder Einrichtung als existenziell notwendig angesehen wird, stark wertungsabhängig ist und einigen Variablen unterliegt. So werden Inhalt und Reichweite des Existenzminimums auch von der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung mitbestimmt56. Selbst im Rahmen der Definition des Umfangs des existenziell Notwendigen soll die Leistungsfähigkeit des Staates berücksichtigungsfähig sein57. Darüber hinaus kann das Vorhandenersten Jahrzehnt der Bundesrepublik Deutschland, 1980, S. 731 f.; aus jüngerer Zeit Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 121 ff. 53 BVerfGE 125, 175 (222); in diesem Sinne auch Welti, KommJur 2006, S. 240 (242). 54 Beispielsweise zur Energieversorgung BVerfG 66, 248 (258), wo das Gericht die Daseinsvorsorge als ein „Fundament der sozialen Ordnung bezeichnet“. 55 BVerfGE 125, 175 (223). 56 BVerfGE 125, 175 (224); 91, 93 (111 f.); Zacher, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 2, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 25; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 121; Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2006, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 21, 55; allgemein zur Wandelbarkeit von „Freiheitsbedingungen und Gerechtigkeitserwartungen“ Kirchhof, Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts: Die Idee des Rechts, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71 (81 f.). 57 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 121; in diesem Sinne zur Begrenzung der staatlichen Leistungspflicht auch Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 918 ff., nach dem insbesondere eine „[e]ine Selektion nach Kriterien allgemeiner Unerlässlichkeit und gruppenspezifischer Wünschbarkeit“ immer dringlicher wird (S. 920); in diesem Sinne auch BVerfGE 125, 175 (224); allgemeiner zur Beschrän-
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sein eines hinreichenden privaten Leistungsangebots jedenfalls faktisch die Erforderlichkeit staatlicher Intervention begrenzen58. Auf diese Weise wird die Definition des Existenzminimums mit prognostischen Elementen angereichert, die notwendigerweise einen nur beschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum des Staates mit sich bringt59. Dessen Grenzen weiten sich, je mehr sich die entsprechende Leistung vom physischen Existenzminimum in Richtung der Sicherung der gesellschaftlichen Teilhabe geht60. Somit ist selbst die Pflicht zur Sicherstellung eines Existenzminimums nur dem Grunde nach, nicht aber ihr konkreter Umfang unmittelbar aus der Verfassung ableitbar61. Demnach verbleibt den verfassten Gewalten selbst für die Definition des existenziell Notwendigen ein gewisser Gestaltungsspielraum. Offen bleibt nach dem reinen Wortlaut der verfassungsrechtlichen Wertungen ferner auch die Frage, wem innerhalb der staatlichen Organisation dieser Ausgestaltungsspielraum zusteht bzw. welchen Hoheitsträger die Pflicht zur Konkretisierung der grundrechtlich-sozialstaatlichen Leistungsverpflichtung im Allgemeinen und zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im Besonderen trifft. 3. Keine direkten Leistungspflichten aus dem Europarecht Das europäische Recht, dem grundsätzlich Anwendungsvorrang vor dem nationalen Verfassungsrecht zukommt62, nimmt mehrfach ausdrücklich den sozialstaatlichen Gedanken auf. Insbesondere wird der soziale Schutz ausdrücklich als Zielvorgabe der Union genannt (Art. 3 Abs. 3 EUV)63 und im Rahmen der allgemeinen Handlungsdirektiven, die für alle Unionspolitiken kung durch die staatliche Leistungsfähigkeit Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 49; Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (109). 58 Zur rechtlichen Zulässigkeit staatlicher Betätigung neben privater Konkurrenz vgl. unten § 6 A. III. 2. 59 BVerfGE 125, 175 (222), spricht von „unausweichlichen Wertungen“; zum gesetzgeberischen Gestaltungspielraum auch Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 73 f. 60 BVerfGE 125, 175 (225). 61 BVerfGE 125, 175 (224); 91, 93 (111 f.); Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 48; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 121. 62 Grundlegend zum allgemeinen Vorrang des Europarechts EuGH, C-6/64, Slg. 1964, 1251 ff. – Costa/ENEL; insbesondere zum Vorrang des Europarechts vor nationalem Verfassungsrecht EuGH, C-11/70, Slg. 1970, 1125 (1135) – Internationale Handelsgesellschaft. 63 Dazu Terhechte, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der europäischen Union, Bd. 1, Art. 3 EUV Rn. 51.
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gelten, erneut aufgegriffen (Art. 9 AEUV)64. In Kapitel IV der Charta der Grundrechte der Europäischen Union65, der seit dem Vertrag von Lissabon66 gemäß Art. 6 Abs. 1 EUV verbindlicher Charakter als den Verträgen gleichrangiges Primärrecht zukommt, sind ferner einzelne soziale Rechte normiert. Darüber hinaus wird die Bedeutung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, die eine große Schnittmenge mit den Daseinsvorsorgeaufgaben nach deutschem Verständnis aufweisen67, in Art. 14 AEUV sowie Art. 36 der Grundrechte-Charta hervorgehoben. Allerdings wirkt die abstrakte Verpflichtung zur Verfolgung und Berücksichtigung sozialer Zielsetzungen sowie die Bindung an die sozialen Rechte der Charta anerkanntermaßen nur im Rahmen der allgemeinen Kompetenzverteilung68. Es lassen sich aus diesen Normen regelmäßig keine konkreten Leistungspflichten der Mitgliedstaaten69 – respektive der Gemeinden – oder justiziable subjektive Rechte der Bürger gegen diese ableiten70. Insbeson64
Dazu Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 9 AEUV Rn. 1 ff.; Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der europäischen Union, Bd. 1, Art. 9 AEUV Rn. 1 ff. 65 ABl. EG 2000/C 364/01. 66 Vgl. statt vieler Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 8; zu weiteren Quellen sozialer Rechte auf Unionsebene ferner Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 27 EU-GRCharta Rn. 1. 67 Nach Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl. 2010, § 7 Rn. 26, soll dieser Begriff inhaltlich dem der Daseinsvorsorgeaufgaben entsprechen; differenzierter Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 152 f. m. w. N., nach dem sich eine generelle Gleichsetzung beider Begriffe verbiete, die Gemeinden aber mit der Erfüllung der klassischen Daseinsvorsorgeaufgaben gleichzeitig auch Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen würden; auf die funktionellen Unterschiede weist auch hin Rüfner, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 11. 68 Dazu Calliess, EuZW 2001, S. 261 (264 f.); Ludwig, EuR 2011, S. 715 (720). 69 Pache/Rösch, EuZW 2008, S. 519 (520); Schorkopf, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der europäischen Union, Bd. 1, Art. 9 AEUV Rn. 20; Ruffert, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 3 EUV Rn. 7 ff., 14; etwas zu weit geht deshalb die Aussage von Voßkuhle, VVDStRL 62 (2003), S. 266 (289), zu Art. 36 EuGR-Charta, nach dem damit eine „positive Verpflichtung [. . .] zur Gewährleistung funktionierender Strukturen der Daseinsvorsorge“ geregelt wurde. 70 Krebber, RdA 2009, S. 224 (229) m.N. zu möglichen Anhaltspunkten für eine mangelnde Justiziablität in der Rechtsprechung des EuGH; ähnlich ders., in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 27 EU-GRCharta Rn. 4; Pache/ Rösch, EuZW 2008, S. 519 (520); ebenso die in den Beiträgen von Knöll, NVwZ 2001, S. 392 (394) sowie Losch/Radau, NVwZ 2003, S. 1440 (1445), die sich beide allerdings noch auf die Rechtslage vor der Inkorporierung der Grundrechtecharta ins europäische Primärrecht beziehen; weitergehend scheinbar Riedel, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, Vorb. zu Titel IV (Solidarität) Rn. 36 f.
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dere die in Art. 36 der Grundrechte-Charta normierte Anerkennung und Achtung des Zugangs zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, die für die Gemeinden als Verpflichtungstatbestand zuvörderst in Betracht kommt, steht bereits ausweislich des Wortlauts unter dem Vorbehalt der mitgliedstaatlichen Regeln. Darüber hinaus ergibt sich aus der Genese der Regelung, dass sie weder Leistungsansprüche noch objektive Pflichten begründen soll, die über das hinausgehen, was die jeweilige Rechtsordnung in den Mitgliedstaaten gewährleistet71.
4. Spezielle landesrechtliche Verfassungsaufträge a) Überblick und Systematisierung In den Landesverfassungen finden sich neben den allgemeinen Verfassungsprinzipien und den Grundrechten überwiegend konkretere Verfassungsaufträge, die teilweise die Gemeinden ausdrücklich als (Mit-)Adressat nennen. Klassische Bezugsgegenstände einer verfassungsrechtlichen (Mit-) Verpflichtung der Gemeinden sind das Schulwesen72 und der Jugendschutz73, die Wirtschaftsförderung74 und der Wohnungsbau75. Teilweise 71
Mann, in: Heselhaus/Nowak (Hrsg.), Handbuch der Europäischen Grundrechte, § 34 Rn. 26; Jarass, Charta der EU-Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 36 Rn. 3; Ruffert: in Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 36 Eu-GRCharta Rn. 3. 72 Beispielsweise Art. 11 Abs. 3 Verf. B-W; Art. 133 BayVerf.; Art. 27 Abs. 2 Verf. R-P Art. 30 Abs. 5 BbgVerf.; Art. 8 Abs. 3 Verf. NRW; Art. 26 Verf. S-A; nicht nachvollziehbar hierzu Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 26 Rn. 1: „Ist die Nennung des Landes nur eine Inaussichtstellung, wird die Erwähnung der Kommunen zu einer Verpflichtung der Kommunen, dem Anspruch des Bürgers zu entsprechen“; gegen diese Sichtweise mit dem entstehungsgeschichtlichen Hintergrund argumentierend Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, 2004, § 4, S. 127 (144 ff.). 73 Art. 13 Verf. B-W; Art. 126 Abs. 3, Art. 83 Abs. 1 BayVerf.; Art. 27 Abs. 6 BbgVerf.; Art. 14 Verf. M-V; Art. 25 Abs. 2 Verf. R-P; Art. 25 Abs. 1 SaarlVerf.; Art. 24 Abs. 1 S. 1 Verf. S-A; nach Art. 6a Verf. S-H stehen Kinder und Jugendliche unter dem Schutz des Staates und der Gemeinden; die Verpflichtung in Art. 19 Abs. 3, 4 ThürVerf. ist nach dem Wortlaut inhaltlich auf Kindertagesstätten und den vorbeugenden Gesundheitsschutz für Kinder und Jugendliche beschränkt; lediglich an den Staat adressiert ist die Verpflichtung zur Gewährleistung altersgerechter Lebensbedingungen in Art. 4a Abs. 2 NdsVerf.; Art. 6 Abs. 2 Verf. NRW; ebenfalls nur das Land allgemein wird in Art. 9 Abs. 3 SächsVerf. verpflichtet. 74 Beispielsweise Art. 36 ThürVerf.; zur Förderung des Mittelstandes Art. 153 BayVerf., Art. 28 Verf. NRW. 75 Art. 106 Abs. 2 BayVerf.; Art. 17 Abs. 2 Verf. M-V; Art. 63 Verf. R-P; Art. 40 Verf. SA; Art. 15 ThürVerf.
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sind im Zusammenhang mit diesen Verfassungspflichten auch subjektive Rechte der potentiell Betroffenen formuliert76. Fast alle Landesverfassungen enthalten ferner die Pflicht zur Kulturförderung77. Nachträglich eingefügt wurde in einigen Ländern zudem ausdrücklich der Sport als vom Staat und den Gemeinden förderungswürdiger Belang78. Das abstrakte Prinzip des Umweltschutzes konkretisieren einzelne landesverfassungsrechtliche Vorschriften, in Bayern sogar bis hin zur Pflicht zur Anlegung von Wanderwegen und Erholungsparks79. b) Bedeutungsgehalt Der verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Errichtung eines Schulwesens, in die ein Großteil der Landesverfassungen auch die Gemeinden ausdrücklich einbezieht80, wird grundsätzlich eine objektiv-rechtliche Wirkung als Staatsziel oder Verfassungsauftrag zugesprochen81. Nicht nachvollziehbar ist eine in Bezug auf die Regelung der Verfassung Sachsen-Anhalts vertretene Ansicht, die hinsichtlich der Verpflichtungswirkung zwischen dem Land und den Gemeinden differenziert und nach der lediglich die Gemeinden Adressat eines leistungsrechtlichen Anspruches der Bürger seien82. Gegen diese Sichtweise spricht nicht nur der entstehungsgeschichtliche Hin76 In Bezug auf das Schulwesen beispielsweise: Art. 11 Abs. 1 Verf. B-W; Art. 128 Abs. 1 BayVerf.; Art. 29 Abs. 1 BbgVerf.; Art. 4 Abs. 1 NdsVerf.; Art. 8 Abs. 1 S. 1 Verf. NRW; Art. 25 Verf. SA; Art. 20 ThürVerf.; in Bezug auf das Recht auf angemessenen Wohnraum beispielsweise: Art. 106 Abs. 1 BayVerf.; Art. 7 Abs. 1 ThürVerf. 77 Lediglich die hessische Verfassung enthält keinen allgemeinen Kulturauftrag, sondern nur eine Schutzpflicht zugunsten von Kulturdenkmälern (Art. 62 HessVerf.); in Art. 11 Abs. 2 SächsVerf. und Art. 36 Abs. 3 Verf. S-A werden einzelne Einrichtungen sogar explizit aufgezählt. 78 So in Art. 3c Abs. 1 Verf. B-W; Art. 140 Abs. 3 BayVerf.; Art. 35 BbgVerf.; Art. 62a HessVerf.; Art. 16 Abs. 1 Verf. M-V; Art. 6 NdsVerf.; Art. 18 Abs. 3 Verf. NRW; Art. 40 Abs. 4 Verf. R-P; Art. 34a SaarlVerf.; Art. 36 Abs. 1, Abs. 3 Verf. S-A; Art. 9 Abs. 3 Verf. S-H; Art. 30 Abs. 3 ThürVerf.; nur an das Land im Allgemeinen adressiert ist Art. 11 Abs. 1, Abs. 2 SächsVerf. 79 In Art. 141 Abs. 3 S. 3 BayVerf. ist eine Mitverpflichtung der Gemeinden normiert, den Zugang zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten und Wanderwege und Erholungsparks anzulegen; ähnlich Art. 40 Abs. 3 BbgVerf. 80 Beispielsweise Art. 11 Abs. 3 Verf. B-W; Art. 133 BayVerf.; Art. 8 Verf. NRW; Art. 27 Abs. 2 Verf. R-P; Art. 30 Abs. 5 BbgVerf.; Art. 8 Abs. 3 Verf. NRW; Art. 26 Verf. S-A. 81 Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 11 Rn. 2 ff.; Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Rn. 8. 82 So Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 26 Rn. 1.
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tergrund83, sondern auch der Wortlaut, der für eine solche Differenzierung nichts hergibt. In den Ländern, in denen die Verfassung nach der grammatikalischen Auslegung ein Recht bzw. einen Anspruch auf Schulbildung gewährt, ist streitig, ob daraus tatsächlich ein subjektives Leistungsrecht abgeleitet werden kann84. Selbst die Befürworter eines originären Teilhaberechts schränken dieses im Ergebnis stark ein85. Auch die Regelungen in Bezug auf den Schutz von Kindern und Jugend86 oder die Behindertenförderung87, durch die die Gemeinden ausdrücklich mitverpflichtet werden, begründen nach überwiegender Ansicht eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Staates, erforderliche Maßnahmen zu ergreifen und notwendige Einrichtungen zu schaffen. Ein leistungsrechtlicher Anspruch lässt sich diesen Normen nach allgemeiner Ansicht dagegen nicht entnehmen88. 83 Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, 2004, § 4, S. 127 (144 ff.). 84 Ausführlich auch mit Einbeziehung der Entstehungsgeschichte der bayerischen Regelung und im Ergebnis die Subjektivrechtlichkeit bejahend Möstl, in: Lindner/ Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 128 Rn. 5; in diesem Sinne aber etwas zurückhaltender und überwiegend auf den Wortlaut gestützt Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 8 Rn. 6 ff., 13; dafür auch Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 29, S. 138; dagegen Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 11 Rn. 7. 85 OVG NRW NWVBl. 1995, S. 478 (480); VGH B-W VBlBW 1996, S. 148 (149); VerfG Bbg NVwZ 2001, S. 912 (912); Ipsen, in: Brand/Schinkel (Hrsg.) Staats- und Verwaltungsrecht Niedersachsen, 2002, S. 83 f.; insbesondere soll aus der Norm keine Garantie des Fortbestandes einer bestimmten Schule oder Schulform ableitbar sein, vgl. Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Rn. 13, 23. 86 So beispielsweise in Art. 13 Verf. B-W; Art. 14 Verf. M-V; Art. 24 Abs. 1 S. 1 Verf. SA. 87 Eine Mitverantwortung wird den Gemeinden in wenigen Landesverfassungen ausdrücklich verfassungsrechtlich auch im Bereich der Behindertenförderung zugewiesen, vgl. Art. 64 Verf. R-P; Art. 17a Verf. M-V; hier gilt das im Folgenden Ausgeführte entsprechend, da auch diese Vorschriften als Staatsziele interpretiert werden (vgl. Sauthoff, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 17a Rn. 4), die allerdings weitgehend durch einfachgesetzliche Regelung (SGB IX) determiniert sind. 88 Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 13 Rn. 6; Feuchte, Verfassung des Landes-Baden Württemberg, 1987, Art. 13 Rn. 3, bezeichnet die entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Vorschiften als „Appell“; Pirsch, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 14 Rn. 1; unklar Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 24 Rn. 3, S. 170; dagegen Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, 2004, § 4, S. 127 (144 ff.); in Sachsen-Anhalt existiert ein einfachgesetzlicher Anspruch aus § 3 KiFöG gegen den Trä-
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Die landesverfassungsrechtlichen Regelungen, nach denen neben dem Land auch die Gemeinden auf die Schaffung eines ausreichenden Umfangs an Arbeitsplätzen für alle Bürger hinwirken sollen89, werden allgemein als Staatszielbestimmungen90 ohne subjektiv-rechtlichen Gehalt91 eingeordnet. Gleiches gilt für den Auftrag zur Schaffung von Wohnraum beziehungsweise zum Engagement im Bereich der Wohnungsbauförderung, der in einigen Landesverfassungen als eine Gemeinschaftsaufgabe von Land und Kommunen vorgesehen ist92. Selbst aus dem in Art. 106 Abs. 1 BayVerf normierten Recht auf die Versorgung mit angemessenem Wohnraum93 lässt sich entgegen seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im Grundrechtsteil nach überwiegender Ansicht kein subjektives Recht ableiten94. Die Norm wird entsprechend den anderen landesverfassungsrechtlichen Regelungen betreffend der Förderung sozialen Wohnraums lediglich als objektiv verpflichtendes Gebot interpretiert95. ger der örtlichen Jugendhilfe (Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt vom 05.03.2003, GVBl. 2003, S. 48 ff.). 89 Vgl. z. B. Art. 53 Abs. 2 Verf. R-P; gemäß Art. 39 Abs. 1 Verf. S-A ist die Ermöglichung, den Lebensunterhalt durch frei gewählte Arbeit zu verdienen, dauernde Aufgabe des Landes und der Kommunen; ähnlich auch Art. 36 ThürVerf. 90 So bereits der Wortlaut Art. 36 ThürVerf.; so auch zu Art. 39 Verf. S-A: Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 39 Rn. 1. 91 VerfG Bbg LKV 1994, S. 443 (444), mit Nachweisen zur Entstehungsgeschichte; Sauthoff, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 17 Rn. 7; Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 17 Rn. 6; Jutzi, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2011, Art. 63 Rn. 1, mit entstehungsgeschichtlichen Nachweisen; Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 40 Rn. 1; allgemein zu den landesverfassungsrechtlichen Regelungen Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 13 Rn. 7. 92 Art. 106 Abs. 2 BayVerf.; Art. 17 Abs. 2 Verf. M-V; Art. 63 Verf. R-P; Art. 40 Verf. SA; Art. 15 ThürVerf. 93 Ähnlich Art. 7 Abs. 1 SächsVerf, wonach jedem Menschen ein Recht auf angemessenen Wohnraum zusteht. Allerdings wird die Qualität dieser Norm als subjektives Recht gleichsam dadurch in Frage stellt, dass von einer Anerkennung dieses Rechts als Staatsziel gesprochen wird. 94 Ausführliche Auseinandersetzung auch mit der Entstehungsgeschichte in der Entscheidung des BayVerfGH VerfGH 15, 49 (Ls., 52 ff.); ohne Begründung VerfGH 42, 28 (32), 58, 94 (104); anders noch VerfGH 5, 122 (125); offengelassen VerfGH 8, 52 (58); 11, 81 (88); wie hier bereits Nawiasky/Leusser, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1948, Art. 106, S. 187; zustimmend Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 4. Aufl. 1992, Art. 106 Rn. 1; ausführlich und kritisch zur dieser Ansicht Lindner, in: ders./Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 106 Rn. 1 f., der im Ergebnis für eine Charakterisierung als Grundrecht mit weitem „Erfüllungsspielraum“ plädiert (Rn. 3), jedenfalls aber hinsichtlich Abs. 2 der Einordnung als Programmsatz zustimmt (Rn. 4).
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Die Kategorisierung als Fördergebot gilt auch für die in einigen Ländern mit dem Umweltschutz verbundene Aufgabe der Sicherung des Zugangs zur Natur einschließlich der Pflicht zur Anlegung von Wanderwegen und Erholungsparks96. Den landesverfassungsrechtlichen Vorschriften zum Umweltschutz im Allgemeinen kommt, wie Art. 20a GG, zwar keine subjektivrechtliche Qualität zu97, wohl aber objektive Bindungswirkung, an der die Adressaten und somit auch die Gemeinden „zu messen sind“98. Die Aufgabenverpflichtung von Ländern und Kommunen im Bereich der Kultur-99 und Sportförderung wird überwiegend als Staatszielbestimmung qualifiziert100. Folglich sollen sich aus ihr in der Regel keine Ansprüche des Einzelnen ableiten lassen101. Es ergibt sich zwar eine Komponente abstrakter 95
Eindringlich BayVerfGH VerfGH 15, 49 (56). Nach dem BayVerfGH NuR 1991, S. 184 (184 f.), beschränkt sich das Recht auf Genuss der Naturschönheiten auf ihren jeweiligen Bestand. 97 Eine subjektiv-rechtliche Rechtsposition kommt aber in Betracht, sofern der Umweltschutz erforderlich ist, um Gesundheitsverletzungen oder -gefährdungen zu verhindern. Auch Art. 39 Abs. 2 BbgVerf., der diesen Gedanken ausdrücklich normiert, soll das allgemeine Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und die entsprechende Schutzpflicht des Staates nicht erweitern, sondern diese nur besonders betonen, vgl. Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 39, S. 173 f.; dazu und zur grundrechtlichen Relevanz des Umweltschutzes insgesamt und m. w. N. Steinberg, NJW 1996, S. 1985 ff. 98 BayVerfGH VerfGH 38, 112 (116); 39, 17 (26); 44, 41 (54); Möstl, in: Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2009, Art. 141 Rn. 8. 99 Art. 3c Verf. B-W; Art. 140 Abs. 3 BayVerf. (in Art. 83 Abs. 1 BayVerf. wird zwar die örtliche Kulturpflege ebenfalls erwähnt, allerdings hat diese Vorschrift, wie bereits unter § 5 B. IV. dargestellt lediglich eine formell-kompetenzabgrenzende Funktion); Art. 34 Abs. 3 BbgVerf.; Art. 16 Verf. M-V; Art. 6 NdsVerf.; Art. 18 Abs. 1, Abs. 2 Verf. NRW; Art. 40 Abs. 1, Abs. 3 Verf. R-P; Art. 36 Abs. 1 Verf. S-A; Art. 9 Abs. 3 Verf. S-H; Art. 30 Abs. 1, Abs. 2 ThürVerf.; nur an den Staat im Allgemeinen gerichtet sind Art. 34 SaarlVerf.; Art. 1 bzw. Art. 11 SächsVerf.; die hessische Verfassung enthält keinen allgemeinen Kulturauftrag, sondern lediglich eine Schutzpflicht zugunsten von Kulturdenkmälern (Art. 62 HessVerf.). 100 Zum nachtäglich eingeführten Art. 3c Verf. B-W, vgl. ausdrücklich Gesetzentwurf SPD-Fraktion LT-Drs. 12/1966, S. 7; Beschlussempfehlung des Ständigen Ausschusses Drs. 12/2671, S. 5; Begründung der Änderungsanträge LT-Drs. 12/5193, S. 2; zu Art. 36 Abs. 1, 3 Verf. S-A als Staatsziel unter doppeltem, d. h. finanziellen als auch institutionellen Vorbehalt Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, 2. Aufl. 2004, Art. 36 Rn. 3; Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 16 Rn. 1; Kohl, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 16 Rn. 4; Wiegand, LKV 1994, S. 204 (205). 101 Helle-Meyer, in: Caspar/Ewer/Nolte/Waack (Hrsg.), Verfassung des Landes Schleswig-Holstein, 2006, Art. 9 Rn. 4; v. Mutius, in: Schmalz/Ewer/v. Mutius/ Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Kommunalrecht, Rn. 33; Thiele, in: Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Die Verfassung des 96
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objektiver Pflichtigkeit, die aber auf die Entscheidung einer Gemeinde, eine bestimmte Aufgabe wahrzunehmen oder eine bestimmte Sportanlage zu schließen, wohl keine hindernde Wirkung entfalten kann102. c) Partielle Konkretisierung des staatlichen Leistungsauftrags Insgesamt ergibt die Zusammenschau, dass die Landesverfassungen partiell die objektive Pflichtenstellung von Land und Kommunen stärker sachlich konkretisieren als das Grundgesetz, indem sie bestimmte Bereiche ausdrücklich als verfassungsrechtlich relevante und zu fördernde Belange aufgreifen. Sie entfalten zumindest insofern Direktionswirkung, als der Staat insgesamt sich aus den ausdrücklich verfassungsrechtlich geregelten Bereichen grundsätzlich nicht völlig zurückziehen darf103. Soweit die Verfassungspflichten unter den Vorbehalt der Leistungsfähigkeit gestellt sind, gilt aber selbst diese Grenze der völligen Aufgabenvernachlässigung nicht absolut. Dass die dargestellten landesverfassungsrechtlichen Vorschriften die Gemeinden regelmäßig explizit aufnehmen, unterstreicht deren (Mit-)Verantwortung für die Erfüllung des staatlichen Leistungsauftrags. Diese Normen bringen damit grammatikalisch eindeutig zum Ausdruck, dass die Selbstverwaltungsträger verfassungsrechtlich nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet sind, einen Beitrag für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens zu leisten. Sofern wie beispielweise in Art. 27 Abs. 6 BbgVerf. eine Pflicht zur Förderung von Einrichtungen zum Jugendschutz auch an die GemeinLandes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 16 Rn. 4; Kohl, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 16 Rn. 4; Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1154 f.); lediglich bei Ermessensreduktion auf Null Wiegand, LKV 1994, S. 204 (205), in Betracht ziehend. 102 So ist wohl auch die Aussage von Möllers, in: Groth, Staatsziel aus der Mottenkiste, FAZ vom 28. September 2012, S. 29, zu verstehen, der die rechtliche Bedeutung einer Aufnahme des Sports als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz kritisch danach hinterfragt, ob diese etwa dazu führen solle, dass eine Gemeinde ihren Sportplatz nicht mehr schließen dürfe. 103 Nach Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, 2004, § 4, S. 127 (145), war insbesondere die Frage, ob sich aus den entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Vorschriften besondere Handlungs- bzw. Erhaltungspflichten ableiten lassen, die der Institution Selbstverwaltung wesensimmanent sind, schon Thema bei den Verfassungsberatungen zur Verf. S-A; so in Bezug auf die kommunale Kulturarbeit Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1155).
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den adressiert ist, resultiert daraus ein objektiv verbindlicher Auftrag, sich in diesem Aufgabenbereich zu betätigen104. Regelungstechnisch beziehen sich die dargestellten Vorschriften aber, wie das Beispiel zeigt, lediglich auf weite Aufgabenfelder oder geben abstrakte Ziele vor, ohne explizit die Art und Weise der Umsetzung näher zu bestimmen. Diese rein finale Programmierung durch die Verfassung führt dazu, dass auch aus ihnen unmittelbar keine konkreten objektiven Aufgabenpflichten und erst recht keine originären Leistungsrechte abgeleitet werden können. Der negative Befund hinsichtlich der Ableitbarkeit konkreter Pflichtaufgaben wird flankiert durch die Tatsache, dass die genannten Verfassungspflichten kumulativ an die Gemeinden und den Staat adressiert sind. Die formelle Unbestimmtheit indiziert, dass der Verfassunggeber unterschiedliche Wege zur Verwirklichung des Verfassungsauftrages für möglich oder sogar erforderlich hält, die gerade nicht einer bestimmten Ebene zugeordnet werden können.
III. Allgemeine Grenzen einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit Die kommunalen Selbstverwaltungsträger werden folglich als Teil der staatlichen Hoheitsgewalt teils implizit, teils ausdrücklich durch das Sozialstaatsprinzip und die konkreteren Verfassungsaufträge in den Landesverfassungen mitverpflichtet. Gleichzeitig gelten aber auch für sie grundsätzlich die allgemeinen Grenzen einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit. Diese ergeben sich insbesondere aus dem Umfang der verfassungsrechtlichen Berechtigung. 1. Beschränkung auf den eigenen Kompetenzbereich Eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung eines Hoheitsträgers kommt nur im Rahmen des ihm zugewiesenen Kompetenzbereichs in Betracht105. Wie der VerfGH NRW treffend in Bezug auf das Sozialstaatsprinzip formuliert, sind materielle Verfassungsvorgaben „nicht geeignet, die Unterbrechung demokratischer Legitimations- und Verantwortungsstränge zu rechtfertigen“106 . 104
Ähnlich zu Art. 29 Abs. 2 BbgVerf. auch Merten, DÖV 1993, S. 368 (370). Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Vor Art. 1 Rn. 35; Merten, DÖV 1993, S. 368 (371 f.). 106 VerfGH NRW OVGE 39, 292 (295); ebenso eine Begründung oder Erweiterung von Kompetenzen durch die Grundrechte ablehnend BVerfGE 81, 310 (334); 104, 238 (246); deutlich hierzu bereits Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (35). 105
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Das Aufgabenzugriffsrecht der Gemeinden nach dem Grundgesetz ist, wie bereits dargestellt wurde, auf den Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt107. Aber auch die Landesverfassungen, die die Gemeinden allgemein als Träger der örtlichen Verwaltung institutionalisieren, bestimmen den Umfang des gemeindlichen Aufgabenzugriffsrechts entsprechend der Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht und die Literatur zu Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG aufgestellt haben108. Eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung kann folglich ebenso nur auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt sein. 2. Subsidiarität im Verhältnis zur Tätigkeit Privater Ein weiterer Faktor für die Eingrenzung verfassungsunmittelbarer gemeindlicher Aufgabenpflichten folgt aus dem Umstand, dass Aufgaben, die der Staat wahrnimmt, regelmäßig auch Gegenstand einer Betätigung materiell Privater sind oder sein können. Insbesondere zählen hierzu die für die kommunale Ebene so zentralen Leistungen und Einrichtungen im Bereich der Versorgung der Bevölkerung109. Die öffentlichen Aufgaben, die teilweise als ausschließliche110 oder notwendige111 Staatsaufgaben gekennzeichnet werden, spielen im begrenzten Kompetenzbereich der Gemeinden dagegen keine echte Rolle. Kommunale Aufgaben sind nach der Terminologie Jellineks folglich in aller Regel den konkurrierenden Staatsaufgaben112 zuzuordnen113. Die Alternative der privaten Leistungserbringung entbindet den staatlichen Kompetenzträger unter Umständen nicht nur faktisch von einer eigenen Handlungspflicht, sondern wirkt sich gleichzeitig auch beschränkend 107
Vgl. oben § 3 A. III. Dazu oben § 5 B. II. 2. b). 109 Gegen ein „staatliches oder kommunales Monopol“ für Daseinsvorsorgeleistungen beispielsweise Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 9. 110 Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 73 Rn. 27; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 180. 111 Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1977, § 7, S. 99 ff.; ferner Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 157; Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 179 f.; Ronellenfitsch, DÖV 1999, S. 705 (708). 112 Jellinek, Allgemeine Staatslehre, Unveränderter Nachdruck des 5. Neudrucks der 3. Aufl. 1966, S. 263; vgl. dazu Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 73 Rn. 27. 113 Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge regelmäßig als konkurrierend einordnend Burgi, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 75 Rn. 11 m. w. N.; ebenso Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 73 Rn. 27. 108
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auf die Zulässigkeit der staatlichen bzw. kommunalen Betätigung aus114. Soweit sich dogmatisch ein Vorrang privater Betätigung aus dem Verfassungsrecht ableiten lässt, kommt eine staatliche Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung beziehungsweise ein Verbot der Aufgabenentledigung aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht. Eine Aufnahme bzw. Fortführung der staatlichen Tätigkeit wäre in diesem Fall unzulässig und kann so erst recht nicht gefordert sein115. a) Kein europarechtliches Privatisierungsgebot Das Europarecht, das in besonderem Maße auf das Ziel der Schaffung eines unverfälschten Wettbewerbs im Rahmen des Binnenmarktes ausgerichtet ist (vgl. Art. 3 EUV, Art. 32 ff., 101 f.; 107 f. AEUV), drängt sich als erster Anknüpfungspunkt einer Subsidiarität staatlicher gegenüber privater Tätigkeit auf. Jede Form der staatlichen Einwirkung auf den Markt und somit auch die eigene Teilnahme als Anbieter von Leistungen steht damit zumindest potentiell in Konflikt. Das primäre Gemeinschaftsrecht hat dabei, wie bereits oben erwähnt116, grundsätzlich Anwendungsvorrang, auch vor nationalem Verfassungsrecht117. Streitig ist lediglich der Geltungsgrund des Vorrangs und die damit verbundene Frage, ob dieser absolut gilt oder ob zumindest die Grundsätze, die durch Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG geschützt werden, eine unüberwindbare Grenze bilden118. Der 114 Grundlegend zur Unterscheidung von öffentlichen Aufgaben und Staatsaufgaben als Teilmenge hiervon bereits Peters, Öffentliche und staatliche Aufgaben, in: Dietz/Hübner (Hrsg.), Festschrift für Nipperdey, Bd. 2, 1965, S. 877 (879); dazu auch Brehme, Privatisierung der Wasserversorgung, 2010, S. 16 m. w. N. 115 Vgl. HessVGH, vom 17.04.2008 – Az.: 8 UE 1263/07 – juris, Rn. 21 (als Vorinstanz im einleitend dargestellten Verfahren zum Offenbacher Weihnachtsmarkt): „Besteht bei freien Selbstverwaltungsaufgaben – wie der Durchführung eines Weihnachtsmarkts – kein öffentliches Interesse an der eigenen Aufgabenwahrnehmung (mehr), weil ein privater Unternehmer die Aufgabe ebenso gut oder besser wahrnehmen kann, ist es nicht ermessensfehlerhaft, sondern unter Umständen sogar geboten, sich zu einer Privatisierung der Aufgabenwahrnehmung zu entschließen.“ 116 Vgl. oben § 6 A. II. 3. 117 Grundlegend hierzu EuGH, C-11/70, Slg. 1970, 1125 (1135) – Internationale Handelsgesellschaft; EuGH, C-213/89, Slg. 1990 I-2433 (2473) – Factortame; allgemein zum Vorrang des Gemeinschaftsrechts bereits EuGH, C-6/64, Slg. 1964, 1251 ff. – Costa/ENEL. 118 Zur Ansicht, die von einer Geltung des Vorrangs des Unionsrechts kraft verfassungsrechtlichem Anwendungsbefehl und somit von einer Beschränkung durch die Grundsätze des Art. 79 Abs. 3 GG ausgeht, statt vieler Hillgruber, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 2, 3. Aufl. 2004, § 32 Rn. 93 ff. m. w. N.; dies entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, grundlegend BVerfGE 37, 271 (279); 73, 339 (375), jüngst bestätigt, durch die Entscheidung zum Vertrag von Lissabon,
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Streit könnte hier tatsächlich relevant werden, wenn sich für staatliche Leistungen, die aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG gefordert sind, eine europarechtliche Privatisierungspflicht ergäbe119. Ein zwingendes Privatisierungsgebot lässt sich allerdings aus dem Europarecht nicht ableiten120. Art. 106 AEUV (ex Art. 86 EGV) normiert in Abs. 1 ein Privilegierungsverbot zugunsten öffentlicher Unternehmen, setzt somit aber gleichzeitig deren Existenz voraus. Diese wird teilweise zusätzlich mit Verweis auf Art. 345 AEUV (ex Art. 295 EGV) gerechtfertigt, nach dem die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten unberührt bleibt121. Ein zusätzliches Indiz für die grundsätzliche Zulässigkeit staatlicher Versorgungstätigkeit bietet Art. 37 AEUV (ex Art. 31 EGV), wonach staatliche Monopole nicht aufgegeben, sondern nur umgebildet werden müssen, um eine zwischenstaatliche Diskriminierung zu vermeiden122. Nach Art. 106 Abs. 2 AEUV (Art. 86 Abs. 2 EGV) ist für Unternehmen, die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erbringen123, unter Umständen sogar eine partielle Entbindung von der Einhaltung der wettBVerfGE 123, 267 ff.; allgemein zum Vorbehalt eines integrationsfesten Kerns in der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte der Mitgliedstaaten ausführlich v. Bogandy/Schill, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. 1, Art. 4 EUV Rn. 21 ff.; zur europarechtlichen Sichtweise, die einen unbedingten Anwendungsvorrang kraft Autonomie der Unionsrechtsordnung annimmt, statt vieler Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 288 AEUV Rn. 49 ff. 119 Implizit diese Frage aufwerfend Burgi, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 75 Rn. 14, der sie aber unmittelbar verneint. 120 Burgi, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 75 Rn. 14; Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. 1, Art. 345 AEUV (2012), Rn. 18; Püttner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 144 Rn. 88; Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (82). 121 Wernicke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. 1, Art. 345 AEUV, Rn. 18; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 95, ob den Normen tatsächliche eine institutionelle Garantie der Staatswirtschaft. bzw. eine Legalitätsvermutung für öffentliche Unternehmen entnehmen ist, wie dieser im Folgenden annimmt (S. 141), ist allerdings zweifelhaft. 122 Kingreen, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 37 AEUV Rn. 2; Leible/Streinz, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Art. 37 AEUV Rn. 10. 123 Vgl. zu diesem Begriff etwa Jung, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 4. Aufl. 2011, Art. 106 AEUV Rn. 36 ff., wonach darunter unter anderem jedenfalls Daseinsvorsorgeaufgaben fallen sollen; Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 152 f. m. w. N., geht von einer Schnittmenge von Daseinsvorsorgeaufgaben und Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse aus; Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 11, weißt dagegen auf die funktionellen Unterschiede beider Begriffe hin (siehe dazu bereits oben Fn. 67).
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
bewerbsrechtlichen Vorschriften möglich, wenn nur so die rechtliche oder tatsächliche Erfüllbarkeit ihrer öffentlichen Aufgabe gewährleistet werden kann. Folglich sind weite Bereiche gemeindlicher Tätigkeit durch das europäische Primärrecht sogar privilegiert. Insgesamt ergibt sich aus dem Europarecht jedenfalls keine zwingende Rechtspflicht zur Privatisierung kommunaler Aufgaben124. Aus diesem Grund kommt den europarechtlichen Vorgaben auch unmittelbar keine restringierende Wirkung für die Bestimmung einer Verpflichtung des Staates zur Erfüllung bestimmter Leistungsaufgaben zu. b) Verfassungsrechtliche Vorgaben Normative Grundlagen einer Subsidiarität staatlicher im Verhältnis zu privater Tätigkeit und somit auch rechtliche Grenzen für die Zulässigkeit kommunaler Betätigung ergeben sich allerdings aus dem Verfassungsrecht selbst. aa) Staatliche Tätigkeit als Grundrechtseingriff Soweit der Gegenstand der staatlichen Betätigung zugleich Gegenstand privatwirtschaftlicher Tätigkeit sein kann oder tatsächlich ist, kommt ein Konflikt mit den Grundrechten privater Konkurrenten in Betracht. Für die Beurteilung der Eingriffsqualität setzt die Rechtsprechung hierbei allerdings sehr restriktive Maßstäbe an. Danach soll Art. 12 Abs. 1 GG grundsätzlich „nicht vor Konkurrenz, auch nicht vor dem Wettbewerb der öffentlichen Hand“ schützen125. Eine Ausnahme gilt dann, wenn es zu einem Verdrängungswettbewerb kommt126. Diese Einschränkung der Anerkennung der Eingriffsqualität faktischer Beeinträchtigungen auf Extremfälle ist zu recht dem Vorwurf der Inkonsequenz ausgesetzt. Indem sie eine Überschreitung der Eingriffsschwelle erst bei Verdrängung der privaten Konkurrenz annimmt, verengt diese Rechtsprechung den Schutzumfang der Berufsfreiheit ausschließlich auf das Teilelement Berufswahl, während der 124 Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 664, nach dem aus Art. 86 EGV kaum mehr als ein Privatisierungsimpuls ausgeht, mit Verweis auf Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 18; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 141 nennt Art. 86 EG [jetzt Art. 106 AEUV] aber einen „Geburtshelfer“ mitgliedstaatlicher Privatisierungen. 125 BVerwGE 39, 329 (336). 126 Ansatzweise bereits BVerwGE 39, 329 (336 f.); BayVGH JZ 1976, S. 641 (642); VGHB-W VBlBW 1995, S. 99; Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (47).
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Berufsausübung faktisch jeglicher Schutz verwehrt wird127. Darüber hinaus ist die analoge Behandlung von öffentlicher und privater Konkurrenz mangels Vergleichbarkeit der Interessenlagen abzulehnen128. Wettbewerb ist dem Art. 12 Abs. 1 GG tatsächlich wesensimmanent, sofern private Grundrechtsträger untereinander konkurrieren. Der Staat kann sich als Grundrechtsverpflichteter anerkanntermaßen nicht auf die Berufsfreiheit berufen, auch wenn er als Markteilnehmer auftritt129. Dieser ist anders als die Grundrechtsberechtigten auf die wirtschaftliche Betätigung nicht angewiesen, da er über das Finanzierungsinstrument der Steuererhebung verfügt130. Beim dem Wettbewerb zwischen Staat und Privaten handelt es sich von vorherein nicht um ein paritätisches Konkurrenzverhältnis131. Hoheitsträgern kommt bereits aus ihrer Insolvenzunfähigkeit naturgemäß ein besonderer Wettbewerbsvorteil zu132, der möglicherweise durch weitere Aspekte, wie etwa einen erleichterten Informationszugang133, ergänzt wird134. Aus diesen Gründen ist die private Konkurrenz auch bereits im Vorfeld der Verdrängung, nämlich schon bei jeder erheblichen Beeinträchtigung der privaten Wettbewerbsteilnehmer dem Grunde nach schützenswert, sofern diese nicht gerechtfertigt werden kann135.
127 So schon Ehlers, JZ 1990, S. 1089 (1096); Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (47 f.). 128 Ehlers, Der Landkreis 2003, S. 22 (23); Selmer, in: Stober/Vogle (Hrsg.), Wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand, 2000, S. 75 (81). 129 Grundlegend BVerfGE 21, 362 (369 ff.); 45, 63 (80), zur Geltung dieses Grundsatzes auch bei der Betätigung öffentlicher Träger in privatrechtlicher Organisationsform; ebenso BVerfG NJW 1980, S. 1093 (1093); dazu auch Ehlers, JZ 1990, S. 1089 (1096); jetzt BVerfGE 126, 228 (244 ff.), zur Geltung öffentlicher Bindungen für die privatrechtlich organisierte, mehrheitlich öffentlich getragene Betreiberin des Frankfurter Flughafen (Fraport); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 122. 130 Zum Vorrang zur Steuerfinanzierung siehe auch Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (45 f.) m. w. N. 131 Scharpf, GewArch 2005, S. 1 (5 Fn. 46) m. w. N. 132 Dazu bereits Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, S. 231; Storr, Der Staat als Unternehmer, 2001, S. 397; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 122; Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Art. 12 Rn. 66. 133 Scharpf, GewArch 2005, S. 1 (5 Fn. 47). 134 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 122. 135 Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, Art. 12 Rn. 66; Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Rn. 122; Poppen, in: Gloy/Loschelder/Erdmann (Hrsg.), Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2010, § 66 Rn. 24; Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (45 f.); Brohm, NJW 1994, S. 281 (286); Ehlers, JZ 1990, S. 1089 (1096), seiner Meinung nach wird diese im Normalfall aber kaum erreicht.
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
bb) Rechtfertigungslast aus dem Rechtsstaatsprinzip Ein Rechtfertigungsbedürfnis für staatliche Betätigung besteht zudem unabhängig von der Beurteilung ihrer Grundrechtsrelevanz in Bezug auf potentielle Konkurrenten. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt eine generelle Verpflichtung jeglichen Staatshandelns auf einen Gemeinwohlzweck, der sich von der bloßen Gewinnerzielungsabsicht unterscheiden muss136. Folglich ergibt sich eine Rechtfertigungslast für staatliche Versorgungstätigkeit richtigerweise nicht nur aus grundrechtlicher, sondern auch aus rechtsstaatlicher Sicht137. Sofern ein privates Engagement vorhanden ist, kann eine staatliche Leistungserbringung nur dann einem legitimen Zweck dienen, wenn sie gegenüber der Aufgabenwahrnehmung durch die Privaten Vorteile hat. In Betracht kommt hier insbesondere die Sicherstellung einer dauerhaften Versorgungssicherheit zu sozial verträglichen Preisen, auch in den Bereichen, in denen eine Tätigkeit nicht gewinnversprechend und folglich für Private regelmäßig uninteressant ist138. Diese Intentionen können unter Umständen aber nicht nur durch eigene operative Betätigung des Hoheitsträgers selbst verwirklicht werden, sondern auch, indem der Staat die private Leistungserbringung reglementiert und sich so auf die Rolle des Gewährleistenden beschränkt. Die Wahl zwischen beiden Optionen ist aber keine unbeschränkt überprüfbare Entscheidung. Ihr kommt der Charakter einer prognostischen Risikobewertung zu, so dass dem kompetentiell berechtigten Hoheitsträger eine Einschätzungsprärogative bezüglich der Erforderlichkeit der eigenen Betätigung eingeräumt werden muss139. cc) Einfachgesetzliche Ausgestaltung des Subsidiaritätsgedankens Bei der Bestimmung der Grenzen einer Zulässigkeit konkurrierender staatlicher Aufgabenwahrnehmung ist allerdings zudem das einfache Recht zu berücksichtigen, das die verfassungsrechtlichen Wertungen konkretisiert bzw. ausgestaltet. Positivrechtliche Anhaltspunkte für einen Vorrang privater im Verhältnis zu staatlicher Tätigkeit ergeben sich aus dem Gemeindewirtschaftsrecht sowie aus einzelnen Vorschriften im Landeshaushaltsrecht. 136 Ehlers, JZ 1990, S. 1089 (1091); Röhl, VerwArch 86 (1995), S. 531 (571); Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (45). 137 Ehlers, JZ 1990, S. 1089 (1091); Röhl, VerwArch 86 (1995), S. 531 (571); Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (45). 138 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 30. 139 Noch weiter Knauff, Gewährleistungsstaat, 2004, S. 185.
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Die Gemeindeordnungen der meisten Länder stellen die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden bzw. die Erfüllung ihrer Aufgaben durch kommunale Unternehmen unter den Vorbehalt, dass Private die Aufgabe nicht ebenso gut und wirtschaftlich erfüllen können140. Manche landesrechtlichen Vorschriften gehen nicht schon bei Gleichwertigkeit der Aufgabenerfüllung von einer Unzulässigkeit der gemeindlichen Tätigkeit aus, sondern erst bei einer Höherwertigkeit der privaten Aufgabenerfüllung141. In ähnlicher Weise setzen auch die Haushaltsordnungen der Ländern (jeweils § 65 HO) für die Gründung oder Beteiligung an privatrechtlich organisierten Unternehmen ein wichtiges Interesse voraus und, dass sich der angestrebte Zweck nicht besser und wirtschaftlicher auf andere Weise erreichen lässt. Aus den Subsidiaritätsregeln und der Verpflichtung auf den öffentlichen Zweck ergibt sich folglich grundsätzlich ein einfachgesetzliches Gebot, die Aufgabenerfüllung in die Verantwortung Privater zu entlassen, sofern durch diese ein hinreichendes Leistungsniveau gesichert wird. Der Regelungsgehalt der haushaltsrechtlichen Vorschriften beschränkt sich gegenständlich allerdings auf eine Betätigung in privatrechtlicher Organisationsform. Vom Anwendungsbereich der gemeinderechtlichen Vorschriften werden teilweise einzelne Sachgebiete oder sogar die Daseinsvorsorge insgesamt ausgenommen (Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BayGO). Zudem ergibt sich in Bayern die Besonderheit, dass die Subsidiarität nur bei der Errichtung des Unternehmens vorliegen muss, danach eine Überprüfung des Fortbestehens des Bedürfnisses der Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinde aber nicht mehr gefordert ist142. Folglich zeigt sich, dass die Vorschriften zwar partiell einen Vorrang Privater Tätigkeit konstruieren, ein allgemeines einfachgesetzliches Privatisierungsgebot sich aufgrund des gegenständlich beschränkten Regelungsgehalts hieraus aber nicht ableiten lässt. Ein weiterer Anwendungsbereich kommt den einfachgesetzlichen Vorschriften zu, die die staatlichen Hoheitsträger auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit verpflichten143. Teilweise findet sich in sys140 § 102 Abs. 1 Nr. 3 GO B-W; Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BayGO; § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HessGO; § 136 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NdsKVG; § 85 Abs. 1 Nr. 3 GO R-P, § 108 Abs. 1 Nr. 3 SaarlKSVG, § 116 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GO S-A; § 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ThürKO; § 100 Abs. 3 BbgGO regelt dagegen eine Übertragungspflicht. 141 § 107 Abs. 1 Nr. 3 GO NRW; § 68 Abs. 1 Nr. 3 KV M-V; § 97 Abs. 1 Nr. 3 SächsGO, § 101 Nr. 3 GO S-H. 142 Kritsch dazu Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (40); ders., Kommunale und sonstige öffentliche Unternehmen, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2012, § 13 Rn. 57. 143 Speziell in Bezug auf die Gemeinden: § 77 Abs. 1, 2 GO B-W; Art. 61 Abs. 2 S. 1 BayGO; § 74 Abs. 1, 2 BbgGO; § 92 Abs. 1, 2 HessGO; § 90 Abs. 1, 2 GO S-A; § 43 Abs. 1–4 KV M-V; § 110 Abs. 2 NdsKV; § 75 Abs. 1 GO NRW;
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tematischem Zusammenhang zu diesen Regelungen zudem ausdrücklich die Pflicht zur Ermittlung und Analyse des Privatisierungspotentials der von den Hoheitsträgern wahrgenommenen Aufgaben144. Aus diesen Vorschriften soll aber kein rechtlich zwingendes Privatisierungsgebot abgeleitet werden können145. Ihr Bedeutungsgehalt erschöpfe sich in einer Überprüfungspflicht, während die Entscheidung für oder gegen die Aktivierung des Privatisierungspotentials eine nicht überprüfbare Zweckmäßigkeitsentscheidung darstelle146. Diese vollständige Negierung einer Regelungswirkung der genannten Normen ist aber äußerst fragwürdig. Völlig sinnwidrig erscheint es, dass der Gesetzgeber zwar einfachgesetzlich eine Pflicht zur Überprüfung des Privatisierungspotentials normiert, der Hoheitsträger sich aber dann sehenden Auges und ohne Rechtfertigungsbedürfnis über das Ergebnis seiner Analyse hinwegsetzen darf. Diese Konsequenz wäre mit dem allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebot unvereinbar, das die dargestellten Regelungen systematisch ergänzen. Ein Hoheitsträger ist folglich schon unmittelbar aus diesem verpflichtet, erkanntes Einsparpotential zu realisieren, wenn dem keine sachlichen Gründe entgegenstehen147. Stellt er fest, dass durch eine Privatisierung der betreffenden Aufgabe eine Kostenentlastung zu erwarten ist, ohne dass entsprechende nachteilige Wirkungen hinsichtlich der Qualität der Aufgabenerfüllung zu erwarten sind, ist er somit auch verpflichtet, diese Verantwortung in den Bereich Privater zu entlassen. Bei der Abwägung von Kostenersparnis mit potentiellen Negativfolgen der materiellen Aufgabenprivatisierung wird dem Entscheidungsträger ein nicht unerheblicher Beurteilungsspielraum einzuräumen sein, mit dem eine Beschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit korrespondiert. Eine Charakterisierung der Privatisierungsentscheidung als reine Zweckmäßigkeitserwägung ohne jegliche Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfbarkeit überschreitet dagegen das Maß an Gestaltungsspielraum, das dem staatlichen Handlungssubjekt vor dem Hintergrund der Legitimationsbedürftigkeit kommunaler Tätigkeit und der Verpflichtung durch das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in verfassungsrechtlich zulässiger Weise eingeräumt werden darf. § 93 Abs. 1, 3 GO R-P; § 82 Abs. 1, 2 SaarlKSVG; § 72 Abs. 1, 2 SächsGO; § 75 Abs. 1, 2 S-H; § 53 Abs. 1, 2 ThürKO. 144 Vgl. mit Beispielen Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (86 Fn. 85). 145 Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 89. 146 So Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl. 2011, Rn. 639, zu § 7 BHO, der den landesrechtlichen Regelungen entspricht; mit übereinstimmendem Ergebnis Kämmerer, Privatisierung, 2001, S. 354. 147 Gern, DÖV 2009, S. 269 (273); zustimmend Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (86), der die Regeln als nur deklaratorisch bezeichnet; Hahn, GewArch 2007, S. 1 (5).
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c) Ergebnis: relative Beschränkungswirkung Bei der Bestimmung einer verfassungsunmittelbaren Verpflichtung stellt die konkurrierende Tätigkeit durch materiell Private folglich einen zu berücksichtigenden Aspekt dar. Zwar ergibt sich ein generelles Privatisierungsgebot weder aus supranationalem Recht noch aus dem Verfassungsrecht, und die einfachgesetzlichen Vorschriften gestalten zudem die verfassungsrechtlichen Wertungen zur Subsidiarität zugunsten eines weiten Betätigungsspielraums für die Gemeinden aus148. Eine Verpflichtung der kommunalen Selbstverwaltungsträger eine konkurrierende Staatsaufgabe wahrzunehmen, kommt aber von vornherein nur dann in Betracht, wenn ein qualitativ oder quantitativ hinreichendes Leistungsangebot durch Private nicht vorhanden oder nicht allgemein zugänglich ist.
IV. Zwischenergebnis: Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Verpflichtungstatbestände als gestalterische Aufgabe Die Untersuchung hat folglich bisher ergeben, dass sowohl das Grundgesetz als auch die Landesverfassungen Anknüpfungspunkte für eine verfassungsunmittelbare objektive Verpflichtung der Gemeinden enthalten. Konkrete Aufgaben oder Handlungspflichten lassen sich aber im Rahmen der grammatikalischen Auslegung der Vorschriften nicht ermitteln. Vielmehr sind die Regelungen vom Verfassunggeber bewusst wertungsoffen gestaltet worden, um eine Anpassungsfähigkeit staatlichen Handelns an sich wandelnde Bedürfnissituationen sowie die staatliche Leistungsfähigkeit zu erhalten. Die Verfassung enthält nicht einmal in Bezug auf den Inhalt und Umfang des Existenzminimums konkrete Vorgaben, sondern überantwortet auch dieses grundsätzlich der Ausgestaltung der verfassten Gewalten149. Diese haben dabei die grundgesetzliche Kompetenzordnung sowie den Grundsatz der Subsidarität zu beachten, wie er verfassungsrechtlich vorgegeben ist. Dass sich nach den klassischen Auslegungsmethoden aus den potentiellen verfassungsrechtlichen Verpflichtungstatbeständen keine konkreten staatlichen Aufgaben ableiten lassen, ist für die im Folgenden zu klärende Frage, 148
Kritisch zur Verfassungskonformität Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (45 f.). 149 Papier, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 2, 2006, § 30 Rn. 8; so auch Merten, DÖV 1993, S. 368 (376), der durch die verfassungsrechtliche Festlegung konkreter Aufgabenpflichten die Gefahr einer „politischen Selbstverstümmelung“ gegeben sieht.
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auf welche Weise und in welcher Form die Konkretisierung von gemeindlichen Pflichtaufgaben erfolgen kann und insbesondere wie sich die Verantwortungsteilung zwischen den Gerichten oder Aufsichtsbehörden und dem Gesetzgeber darstellt, aber ein entscheidender Faktor. Sobald nämlich positiv-rechtliche Vorgaben korrigiert oder ergänzt werden, stellt dies nach überkommener Kategorisierung keine Gesetzesinterpretation mehr dar, sondern einen Vorgang der Rechtsfortbildung bzw. -schöpfung150. Diese überwiegend anerkannte151 Abgrenzung von Auslegung und Gestaltung, die notwendig ist „um dem Richter seine unterschiedliche Rechtsverantwortung bewusst zu machen“152, ist freilich keinesfalls trennscharf153. Zudem ist ihre Anwendbarkeit auf das prinzipienorientierte Verfassungsrecht bestritten154. Da dieses von vornherein nicht vergleichbare Schranken setzte155, sollen hier nur allgemeine „Strukturen“ juristischer Methodik als Grenzen gelten156, ohne dass diese freilich klar definiert sind. Die Limitierung gerichtlicher Verfassungsinterpretation ist somit, wie die Frage der Legitimität richterlicher Rechtsetzung157, ein äußerst kontrovers diskutiertes Problem150
Grundlegend dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 322; die Abgrenzung zwischen Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung geht bereits auf Savigny zurück der noch von „Fortbildung des Rechts“ spricht, vgl. zur geschichtlichen Entwicklung ausführlich Fischer, Topoi verdeckter Rechtsfortbildung im Zivilrecht, 2007, S. 67 ff., insb. S. 88 f.; aus jüngerer Zeit etwa Schenke, Rechtsfindung im Steuerrecht, 2007, S. 58 f.; ders., DStR-Beih 2011, S. 54 (54). 151 So etwa aus jüngerer Zeit Schenke, DStR-Beih 2011, S. 54 (54); Jachmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 95 Rn. 13; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 62; Geis, NVwZ 1992, S. 1025 (1027); Gusy, DÖV 1992, S. 461 (463), der zwischen Rechtsprechung „inter legem“ und „praeter legem“ unterscheidet. 152 Kirchhof, Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts: Die Idee des Rechts, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71 (75); auch Rüthers, NJW 2011, S. 434 (434), fordert eine klare „Etikettierung“. 153 Von einer fließenden Grenze gehen aus Hirsch, ZRP 2009, S. 253 (254); in diesem Sinne wohl auch Kriele, ZRP 2008, S. 51 (52); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 VII Rn. 36. 154 In diesem Sinne etwa Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 67 Rn. 57 m. w. N., in Bezug auf die Verfassungsinterpretation durch das BVerfG; zur Abgrenzung von „authentischer“ und „autorativer“ Interpretation und einer Ablehnung der Ersteren aufgrund ihres Charakters als verdeckte Verfassungsgesetzgebung Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, 1999, S. 372 ff.; zur mangelnden Begrenzungswirkung der Auslegungsmethoden für die Verfassungsgerichtsbarkeit Rollecke, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, Bd. 3, 3. Aufl. 2005, § 67 Rn. 34. 155 Korioth, in: Schlaich/Korioth (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht, 9. Aufl. 2012, Rn. 14, 506. 156 In diesem Sinne Rollecke, in: Isensee/Kirchhof, HbStR, Bd. 3, 3. Aufl. 2005, § 67 Rn. 34 ff.
B. Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung
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feld158, das im Rahmen der vorliegenden Arbeit abstrakt nicht erschöpfend behandelt werden kann, sondern nur in Bezug auf die konkrete Konstellation der Ableitung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben erörtert wird. Auf Grundlage der im Vorstehenden gewonnenen Erkenntnis, dass der Verfassunggeber die Konkretisierung des staatlichen Versorgungsauftrages ganz bewusst dem demokratischen Prozess überlassen hat, geht die Definition konkreter Leistungspflichten aber über den Tatbestand der Rechtserkenntnis klar hinaus und besitzt vielmehr gestalterischen Charakter159.
B. Determinanten für die Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung Im Folgenden werden die Grundsätze für die Abgrenzung der Verantwortungsbereiche von Gesetzgeber und kommunalen Selbstverwaltungsträgern erörtert, die sich aus materiellem Recht ergeben. Inwiefern den Gesetzgeber eine Ausgestaltungspflicht zum Schutz des kommunalen Selbstverwaltungsrechts trifft, ist dagegen Gegenstand des folgenden Kapitels. Im zweiten Schritt wird die besondere Stellung der Gemeinden im Bereich der Daseinsvorsorge dargestellt, die sich möglicherweise als intensivierender oder sogar extensivierender Faktor einer Pflichtigkeit erweisen könnte.
I. Restriktion aus dem Verhältnis zum Gesetzgeber 1. Vorrang der gesetzlichen Ausgestaltung Macht der Gesetzgeber in zulässiger Weise von seinem Ausgestaltungsrecht hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Wertungen Gebrauch, ergibt 157 Vgl. dazu instruktiv Picker, Richterrecht und Rechtsdogmatik, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 85 ff.; Kriele, ZRP 2008, S. 51 ff.; Hirsch, ZRP 2009, S. 253 ff.; Rüthers, NJW 2011, S. 434 ff. 158 Vgl. dazu statt vieler etwa Korioth, in: Schlaich/Korioth (Hrsg.), Das Bundesverfassungsgericht, 9. Aufl. 2012, Rn. 502 ff. m. zahlreichen N. 159 In diesem Sinne Weber, Der Staat 4 (1965), S. 409 (416); Burgi, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 75 Rn. 16; Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (32), sieht jedenfalls bei einer Erweiterung der Grundrechte um eine soziale Dimension die Grenzen der Verfassungsinterpretation überschritten, bezieht sich dabei aber primär auf die Ableitung von subjektiven Rechten; die Frage nach der Überschreitung der Grenze zur Rechtsschöpfung offengelassen bei Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 80; ganz allgemein konstatiert Gusy, DÖV 1992, S. 461 (463), dass Rechtsanwendung nur dann vorliegt, wenn „aus den abstrakten Gesetzesaussagen konkrete Fallaussagen hergeleitet werden“ können.
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
sich aus dem Vorrang des Gesetzes eine Ausschlusswirkung in Bezug auf eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit der Gemeinden. a) Ausgestaltungsrecht des demokratisch legitimierten Gesetzgebers hinsichtlich staatlicher Leistungsaufgaben Die Befugnis zur Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrages steht gemäß der Organisation der Staatsgewalt nach dem Grundgesetz primär dem Gesetzgeber zu160, während eine eigene Gestaltungsbefugnis der Gerichte grundsätzlich nicht anzunehmen ist161. Neben dem 160
BVerfGE 1, 99 (105); 59, 231 (263); 125, 175 (223 f.); etwas vorsichtiger BVerfGE 22, 180 (204), wonach der Staat das Ziel für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen „in erster Linie im Wege der Gesetzgebung zu erreichen suchen“ wird; in diesem Sinne auch Kirchhof, Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts: Die Idee des Rechts, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71 (75), nach dem die Verfassung die „Beantwortung [der von der Verfassung offen gelassenen Fragen] von den gesetzgebenden Organen“ erwartet; Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (14); Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinden und Kreisen, 1973, S. 21; Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 66, 70, 74; Merten, DÖV 1993, S. 368 (371); in diesem Sinne wohl auch Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 157; Sachs, in: ders. (Hrsg.), GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 47; nach Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 912, soll bei richterlicher Rechtsschöpfung in Bezug auf das Sozialstaatsprinzip Zurückhaltung geboten sein, worauf sich die obersten Bundesgerichte sowie das Bundesverfassungsgericht auch verständigt hätten; ferner S. 938, wo er der die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Ausformung des Sozialstaatsprinzips zusätzlich noch damit begründet, dass zur Verwirklichung regelmäßig Eingriffe in die Grundrechtspositionen Dritter erforderlich seien; Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (108), speziell zur Ausgestaltung des Art. 12 GG. 161 Vgl. so ausdrücklich BVerfG 125, 175 (256); in diesem Sinne zum Sozialstaatsprinzip bereits Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37 (42, 53), gegen eine „selbstschöpferische Entwicklung von Rechtsnormen“; deutlich auch Weber, Der Staat 4 (1965), S. 409 (416); ebenfalls geht Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 83, von einer „mangelnde[n] Befähigung der Rechtsprechung aus, eigene Initiative zur Lösung kontroverser Fragen zu entwickeln“; Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (33 f.), mahnt andernfalls die „Gefahr einer Beliebigkeit“ an, „die nur durch die Phantasie des jeweiligen Grundrechtsinterpreten begrenzt wird“; großzügiger in Bezug auf eine Befugnis der Richter zu „schöpferischer Rechtsfindung“ BVerfGE 34, 269 (287), wo es aber im Unterschied zur vorliegenden Konstellation um eine Fortbildung des einfachen Rechts ging; in einer jüngeren Entscheidung zum Unterhaltsanspruch geschiedener Ehegatten vertritt das BVerfG NJW 2011, S. 836 (837), dagegen wieder eine restriktivere Auffassung in Bezug auf die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung, was Rüthers, NJW 2011, S. 1856 (1857), als eine „eindeutige Tendenzwende“ ansieht.
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besonderen Legitimationsniveau spricht hierfür die Budgethoheit des Parlaments162. Diese drohte leerzulaufen, wenn den Gerichten die Befugnis zuerkannt würde, objektive Pflichten – gegebenfalls sogar verbunden mit subjektiven Rechtspositionen – zu definieren, die mit erheblichen Kosten verbunden sein können. Aus diesen Gründen beschränkt sich auch die Interventionsbefugnis der Verfassungsgerichte im Wesentlichen auf die Kompetenz, die Ausgestaltung durch das einfache Recht auf Systemgerechtigkeit und Methodik zu überprüfen sowie das gesetzgeberische Ergebnis darauf, ob es „evident unzureichend“ ist163. Selbst im Fall eines Verstoßes gegen diese Anforderungen wird angenommen, dass der Gesetzgeber zur Nachbesserung verpflichtet bzw. berechtigt ist und nicht etwa die Judikative die gesetzgeberische Entscheidung selbst ergänzen oder modifizieren kann164. Daraus folgt, dass der Legislative als zentralem Willensbildungsorgan die Hoheit übertragen ist165, aktuelle soziale Problemlagen bzw. konkreten staatlichen Handlungsbedarf zu erkennen und konstitutiv unter dem Vorbehalt der verfügbaren staatlichen Mittel als regelungsbedürftig festzulegen166. Mit der sachlichen Ausgestaltungsbefugnis geht gleichzeitig auch einher, dass dem Gesetzgeber eine gewisse Einschätzungsprärogative hinsichtlich der Entscheidung zu162 BVerfGE 125, 175 (224); Starck, VVDStRL 34 (1974), S. 43 (83), nach dem die „haushaltspolitische Entscheidungskompetenz der Parlamente“ als „funktionsrechtliche Grenze der richterlichen Rechtsfortbildung“ wirkt; darauf Bezug nehmend Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 921; Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 99, Rn. 110; auf die Gefahr der Schwächung des Parlaments weist auch Merten, DÖV 1993, S. 368 (376), hin. 163 BVerfGE 125, 175 (225 f.); so bereits BVerfGE 82, 60 (91 f.); zur eingeschränkten Überprüfbarkeit der gesetzgeberischen Ausgestaltung auch Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 73. 164 BVerfGE 125, 175 (256); Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 61 f.; Geis, NVwZ 1992, S. 1025 (1027). 165 BVerfGE 125, 175 (222); in diesem Sinne auch bereits Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 910. 166 In diese Richtung bereits BVerfGE 1, 97 (105), wonach nur der Gesetzgeber „das Wesentliche zur Verwirklichung des Sozialstaates tun kann“; deutlicher in BVerfGE 59, 231 (263) st. Rspr.; jüngst BVerfGE 125, 175 (223 ff.); in diesem Sinne auch Kirchhof, Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts: Die Idee des Rechts, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71 (75), nach dem die Verfassung dem „Ideal [folgt], das jeweils in der Verantwortlichkeit eines Parlaments für seine Zeit, seine Wählerschaft, seinen Generationenvertrag zu verwirklichen ist“; einen „legislatorischen Gestaltungsauftrag“ betonend auch deutlich Papier, Grundrechte und Sozialordnung, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 2, 2006, § 30 Rn. 8; zum Gestaltungsspielraum auch bereits Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 895; ebenfalls in diesem Sinne Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), S. 8 (20).
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steht, auf welcher Ebene eine Sachaufgabe am effektivsten erfüllt werden kann167. Sowohl bei der Organisation der Zuständigkeiten als auch bei der materiellen Ausgestaltung hat der einfache Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere die grundsätzliche Zuweisung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Gemeinden zur eigenverantwortlichen Erfüllung zu beachten. Eine Abweichung hiervon ist aufgrund der Einschränkbarkeit des Selbstverwaltungsrechts im Rahmen der Gesetze möglich, sachlich aber rechtfertigungsbedürftig168. b) Beschränkungswirkung einer einfachgesetzlichen Ausgestaltung Existiert eine ausdrückliche einfachgesetzliche Kompetenzzuweisung an staatliche Behörden oder die höheren Kommunalverbände und ist diese mit der Selbstverwaltungsgarantie vereinbar, kann und darf für die Begründung einer gemeindlichen Verpflichtung nicht unmittelbar das Verfassungsrecht bemüht werden. In diesem Fall ist die verfassungsunmittelbare Zuständigkeit den Gemeinden für diesen Bereich entzogen, so dass auch eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit ausscheiden muss. Aber nicht nur durch ausdrückliche Kompetenzzuweisung an bestimmte Hoheitsträger kann der Anwendungsbereich verfassungsunmittelbarer Pflichtigkeit beschränkt werden, sondern auch durch eine umfassende inhaltliche Ausgestaltung der Materie169. In materieller Hinsicht ist der Gesetzgeber nicht darauf beschränkt, das verfassungsrechtlich Geforderte lediglich nachzuzeichnen. Vielmehr kommt ihm im Grundsatz ein echter Gestaltungsspielraum zu, welche Aufgaben er als formelle Staats- bzw. Kommunalaufgaben normiert. Auch diese sachliche einfachgesetzliche Determinierung ist solange unproblematisch, als sie nicht aus dem abwehrrechtlichen Blickwinkel das Recht auf eigenverantwortliche Regelungen der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in nicht rechtfertigbarer Weise einschränkt. Hat der Gesetzgeber von seinem materiellen Ausgestaltungsrecht in verfassungskonformer Weise umfassend Gebrauch gemacht, ist eine gemeindliche Tätigkeit zwar insofern zulässig, als diese dem gesetzgeberischen Konzept nicht entgegensteht. Sichert die gesetzliche Ausgestaltung die Er167 BVerfGE 79, 127 (153); 83 363 (383); 110, 370 (400 f.); dazu auch Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (333); Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 2011, S. 146 f. 168 Siehe dazu oben § 3 B. I. 169 In diesem Sinne auch Welti, KommJur 2006, S. 241 (244), der in diesem Zusammenhang aber missverständlicherweise von einer Grenze eigenständiger Sozialpolitik „im Gesetzesvorbehalt“ spricht.
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füllung des entsprechenden Verfassungsauftrages aber bereits in umfassendem Maße ab, wird den Gemeinden allerdings faktisch ein großer Teil der (Mit-/Eigen-)Verantwortung für die Verwirklichung des jeweiligen Verfassungsauftrages abgenommen, wie unten noch in Bezug auf konkrete Aufgabenbereiche dargestellt wird170. Das gemeindliche Engagement hat daneben lediglich eine Ergänzungsfunktion, die für die Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Auftrages aber nicht unmittelbar gefordert ist. 2. Materielle Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers Der Anwendungsbereich für die Ableitung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben wird aber nicht nur durch die Grenzen der gemeindlichen Kompetenz, die Subsidiarität im Verhältnis zur Privatwirtschaft und den Vorrangs des Gesetzes beschränkt. Einen weiteren Aspekt der Eingrenzung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit stellt auch der Vorbehalt des Gesetzes dar, der sich auch aus dem materiellen Recht ergeben kann171. Die Umsetzung des grundrechtlichen Schutz- oder Leistungsauftrages fordert unter Umständen eine gesetzliche Regelung und schließt somit eine unmittelbare Verpflichtung der Gemeinden kraft Verfassungsrechts aus. a) Gewährleistungspflicht bezüglich der Versorgung mit grundrechtlich geforderten Leistungen Ein Bereich, in dem die gesetzliche Ausgestaltung von besonderer Bedeutung ist, sind die Leistungen, die grundrechtlich fundiert bzw. gefordert sind. Diesbezüglich kann sich in Verbindung mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip eine Verpflichtung des Gesetzgebers ergeben, „die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen selbst zu treffen“172. aa) Objektive Funktion des Gesetzesvorbehalts Die inhaltliche Festlegung grundrechtsrelevanter Leistungen ist aus legitimatorischer Sicht eine wesentliche Entscheidung, die das Parlament zu treffen hat und die nicht unterschiedlicher Verwaltungspraxis preisgegeben werden darf173. Aufgrund der fehlenden Determiniertheit durch das Verfas170
Dazu unten § 6 B. I. 4. Zum Gesetzesvorbehalt aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vgl. unten § 7 A. 172 BVerfGE 61, 260 (275); 83, 130 (142); 108, 282 (311); 125, 175 (223); allgemeiner zur Ausgestaltungspflicht bereits BVerfGE 49, 89 (126). 173 In diesem Sinne auch Klein, Demokratie und Selbstverwaltung, in: Schnur (Hrsg.), Festschrift Forsthoff, 1972, S. 174. 171
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sungsrecht würde die vollständige Übertragung der Gewährleistungsverantwortung für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft auf die Gemeinden dazu führen, dass die Hoheit zur Definition des grundrechtlich Geforderten abschließend dem jeweiligen kommunalen Selbstverwaltungsträger zukommt. Alternativ – wenn man eine strengere fachgerichtliche Prüfungsdichte als gegenüber dem Gesetzgeber annimmt – müssten diese174 die Befugnis zur Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Wertungen in Anspruch nehmen. Die Gerichte sind aber primär zur Gesetzesauslegung berufen, während eine Rechtsfortbildung nur in sehr engen Grenzen zulässig ist175. Die Festlegung von Leistungspflichten unmittelbar aus offenen, verfassungsrechtlichen Wertungen, wie dem Sozialstaatsprinzip oder den Grundrechten, ist deswegen in besonderem Maße problematisch, weil nicht die Korrektur des einfachen Rechts, sondern die unmittelbare Ausgestaltung des Verfassungsrechts in Frage steht, die jedenfalls über die verfassungsmäßige Funktion der Fachgerichtsbarkeit hinausgeht176. Ferner ist eine Definitionskompetenz für essentielle Versorgungsaufgaben aber auch aus grundrechtlicher Sicht problematisch. Die Entscheidungsträger der Gemeinden verfügen zwar über eine besondere demokratische Legi174 Eine verfassungsgerichtliche Überprüfung scheidet hier nach bisher überwiegender Ansicht aus, vgl. unten § 7 A. III. 3. 175 Großzügiger noch BVerfGE 34, 269 (287); in BVerfG NJW 2011, S. 836 (837), vertritt das BVerfG dagegen eine deutlich restriktivere Auffassung; diese „eindeutige Tendenzwende“ befürwortend etwa Rüthers, NJW 2011, S. 1856 (1857); ders., NJW 2009, S. 1461; dagegen für eine extensivere Interpretation der richterlichen Kompetenz zur Rechtsfortbildung Hirsch, JZ 2007, S. 853 ff.; ders., ZRP 2009, S. 253 ff.; vermittelnd Wenzel, NJW 2008, S. 345 ff.; nach Kirchhof, Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts: Die Idee des Rechts, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71 (75), „ist die Verfassung zunächst Maßstab der Gesetzgebung als Erstinterpret der Verfasssung, erst danach Maßstab der Rechtsprechung als deren Zweitinterpret“. 176 BVerfGE 125, 175 (256); in Bezug auf das Sozialstaatsprinzip auch bereits Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37 (42, 53), gegen eine „selbstschöpferische Entwicklung von Rechtsnormen“; deutlich ebenso Weber, Der Staat 4 (1965), S. 409 (416); auch Kirchhof, Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts: Die Idee des Rechts, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71 (78), präzisiert seine Aussage zur Berechtigung der Rechtsprechung als Zweitinterpret (Fn. 175) in diesem Sinne, indem er sie auf das BVerfG beschränkt; Hillgruber, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 92 Rn. 62; deutlich hierzu bereits Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (35), nach dem das „ohnehin problematische und sinnvariierende Postulat der Grundrechtseffektuierung nicht mit der Auflösung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung erkauft werden“ darf; plakativ zur „Gefahr sujektiver Verirrung des Richters in der Weite der verfassungsgesetzlichen Grundentscheidung“ für das Sozialstaatsprinzip Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 80; siehe zur Abgrenzung oben § 6 A. IV.
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timation. Diese ermächtigt sie nach allgemeiner Ansicht aber dennoch nicht zu Grundrechtseingriffen177. Folgerichtig darf ihnen grundsätzlich auch nicht die eigenverantwortliche Bestimmung überlassen werden, ob und in welchem Umfang bestimmte Leistungen grundrechtlich gefordert sind bzw. ob diese Art von Leistungen erfüllt werden sollen. Denn wie im Hinblick auf den Gesetzesvorbehalt im Bereich der Leistungsverwaltung bereits allgemein festgestellt wurde, ist das Vorenthalten einer grundrechtsrelevanten Leistung regelmäßig eine vergleichbar intensive Beeinträchtigung wie der Eingriff in eine vorhandene Rechtsposition178. In Bezug auf die durch Grundrechte begründbaren Pflichten haben die charakteristischen Funktionsmechanismen der Kommunalverwaltung auch nur sehr eingeschränkte Bedeutung. Grundrechtlich ableitbare Bedürfnisse bestehen aus der Natur der Sache im Grundsatz in jeder Gemeinde in vergleichbarer Weise, ohne von der Individualität der örtlichen Gemeinschaft abhängig zu sein. Ein gemeindliches Entschließungsermessen wäre diesbezüglich folglich gerade nicht funktionsgerecht. Der Zweck der Dezentralisation existenzieller Versorgungsaufgaben zugunsten einer verfassungsunmittelbaren Zuständigkeit der Gemeinden beschränkt sich hinsichtlich grundrechtlich zwingend geforderter Leistungen darauf, für die Art und Weise der Aufgabenerfüllung gewisse Gestaltungsspielräume offen zu lassen. Im Hinblick auf die grundrechtliche Fundierung muss dagegen die Aufgabenerfüllung an sich abgesichert sein und darf nicht zur Disposition der einzelnen Gemeinde, d.h. des demokratischen Teilvolks, stehen. Die grundrechtlich geforderte Einheitlichkeit und Rechtsverbindlichkeit der Leistungsberechtigung dient gleichzeitig als Rechtfertigungsgrund für die Deklarierung als Pflichtaufgabe oder die Zuweisung an andere Hoheitsträger179.
177 Suerbaum, Kommunale und sonstige öffentliche Unternehmen, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2012, § 13 Rn. 33; Bethge, in: Merten/Papier (Hrsg.), Handbuch der Grundrechte, Bd. 3, § 72 Rn. 37; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 28 Abs. 2 Rn. 107 Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 65; Matthiesen, Die staatliche Einwirkung zur Sicherung der Energieversorgung und ihre Grenzen, 1987, S. 95; Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 938; siehe hierzu bereits oben § 4 Fn. 48. 178 In diese Richtung bereits Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 43 (70); die Notwendigkeit einer Abkehr von der allgemeinen Eingriffsdogmatik anmahnend Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (13 ff.). 179 Zum Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers dabei Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 113 f.; sehr weit Petz, DÖV 1991, S. 320 (326); kritisch dazu Hufen, DÖV 1995, S. 276 (281).
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bb) Subjektiv-rechtliche Dimension Ebenso wie die Rechtssicherheit kann auch die einheitlich rechtsverbindliche Durchsetzbarkeit nur durch eine gesetzliche Normierung erreicht werden180. Nach bisheriger Dogmatik ist deshalb ein Anspruch auf Schaffung oder Erweiterung einer bestimmten Einrichtung überhaupt nur dann denkbar, wenn es sich um eine gesetzlich normierte Pflichtaufgabe handelt181. Selbst wenn man die Möglichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung auch hinsichtlich der verfassungsunmittelbaren Aufgaben zuließe, wären die Erfolgsaussichten einer Klage unsicherer und die Gefahr einer uneinheitlichen Rechtsprechung evident, da es an konkreten normativen Vorgaben für die Entscheidungsfindung fehlt. Da die fachgerichtliche Entscheidung keine „inter omnes“- Wirkung entfaltet, kann sie die Funktion des Gesetzes keinesfalls ersetzen. Die Regelungspflicht für grundrechtlich geforderte Leistungen obliegt also aus demokratisch-rechtsstaatlichen Gründen dem Gesetzgeber, unabhängig davon, ob es sich um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft handelt oder nicht. Aufgrund der Annahme einer Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers für grundrechtlich geforderte bzw. besonders grundrechtsrelevante Leistungen ist die Begründung einer verfassungsunmittelbaren gemeindlichen Pflichtaufgabe mit dem grundrechtlichen Leistungsauftrag deshalb grundsätzlich ausgeschlossen. Die Gewährleistungspflicht zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für die Grundrechtsverwirklichung trifft den Gesetzgeber182. b) Weitergehende Koordinierungspflichten Über den Bereich der grundrechtlich geforderten Leistungen hinaus sind noch weitere Aufgaben denkbar, bezüglich derer dem Gesetzgeber eine Koordinierungs- bzw. Ausgestaltungspflicht hinsichtlich verfassungsrechtlicher 180 BVerfGE 125, 175 (223 f.); Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (30 f.); dazu auch Gerstenmaier, Die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren, 1975, S. 72; in diesem Sinne bereits Bachof, VVDStRL 12 (1954), S. 37 (45); ebenso Kirchhof, Rechtsphilosophische Fundierung des Richterrechts: Die Idee des Rechts, in: Bumke (Hrsg.), Richterrecht zwischen Gesetzesrecht und Rechtsgestaltung, 2012, S. 71 (75). 181 Siehe dazu sogleich unten § 6 B. I. 3. 182 Seewald, Kommunalrecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 59; anders Ehlers, DVBl. 2009, S. 1456 (1456 f.), der unter Umständen bei lebenswichtigen Dienstleistungen eine Gewährleistungspflicht der Gemeinden anerkennen will; bereits allgemein zur Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers aus der subjektiv-rechtlichen Dimension Martens, VVDStRL 30 (1972), S. 7 (31).
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Wertungen zukommt. Dabei gilt es nicht aus dem Blick zu verlieren, dass die Entscheidung183, welcher Ebene innerhalb der staatlichen Organisation die Verantwortung für eine bestimmte Aufgabe zukommt, letzlich eine Frage der funktionsgerechten Staatsorganisation ist184. Die Tatsache, dass das Gesetz eine einheitliche, rechtsverbindliche und demokratisch in besonderem Maße legitimierte Regelung einer Vielzahl von Sachverhalten ermöglicht, spricht für einen Vorrang der gesetzlichen Regelung im Verhältnis zu einer verfassungsunmittelbaren Inanspruchnahme der Gemeinden für weitere Bereiche, die koordinierungsbedürftige Angelegenheiten oder einheitlich bestimmbare Bedürfnisse betreffen. Ergibt sich ein Koordinationsbedürfnis oder eine allgemeine Bedürfnissituation, wird regelmäßig die Örtlichkeit der Aufgabe zu verneinen sein, so dass eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit der Gemeinden bereits mangels kompetentieller Berechtigung ausscheidet. Darüber hinaus denkbar bleiben aber Fälle, in denen die zu regelnde Problematik zwar einen Bezug zur örtlichen Gemeinschaft aufweist, eine gesetzliche Rahmenregelung oder Gewährleistung einer konkreten Aufgabe aber aufgrund vergleichbarer Problemlagen in den Gemeinden möglich und gleichzeitig funktionsgerecht erscheint. Bei Aufgaben, die weder dem Grunde nach noch hinsichtlich der Art und Weise ihrer Erfüllung auf die Flexibilität und Variabilität der kommunalen Ausgestaltung angewiesen sind, ist es somit nicht gerechtfertigt, dass das Land auf eine verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit der Gemeinden verweist. 3. Ausgestaltung des subjektiven Rechtsschutzes Das bisherige Ergebnis – die Erforderlichkeit eines formellen Gesetzes, um eine rechtsverbindliche Aufgabenwahrnehmungspflicht der Gemeinden annehmen zu können – fügt sich gleichzeitig in die bisher gängige Systematik des subjektiven Rechtsschutzes der Bürger in Bezug auf die Schaffung kommunaler Einrichtungen ein, nach der die Geltendmachung eines Anspruchs durch die Bürger auf Schaffung oder Erweiterung der Einrichtung grundsätzlich nicht oder allenfalls bei gesetzlichen Pflichtaufgaben in Betracht kommt185. 183 In diese Richtung etwa BVerfGE 1, 99 (105), wonach das „Wesentliche für die Verwirklichung des Sozialstaates“ nur der Gesetzgeber tun könne. 184 Grundlegend zur „funktionsgerechten Organisationsstruktur“ Küster, AöR 75 (1949), S. 397 ff.; ferner Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 60 f. m. w. N. 185 Dazu HessVGH NJW 1979, S. 886 (887); BayVGH Bay NJW 1969, S. 1978 (1078 f.); NVwZRR 1998, S. 193 (194); SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99 – juris, Rn. 57; SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99 – juris, Rn. 57, in Bezug auf einen Markt; OVG NRW NJW 1976, S. 820; Stein, in: Rau-
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Durch die zusätzliche Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichten müsste man dagegen die bisherige Rechtsschutzsystematik in Zweifel ziehen. Im in der Einleitung beschriebenen Fall186 wurde über die vermeintliche Verpflichtung der Gemeinde, die Aufgabe Weihnachtsmarkt zu erfüllen, inzident im Rahmen eines fingierten Zulassungsstreites der bereits privatisierten Einrichtung entschieden und somit eine Klagebefugnis unter der Umgehung der bisher geltenden Grundsätze konstruiert. Mit dieser erheblichen Erweiterung der subjektiven Rechtsstellung wird prozessual die Tür geöffnet, generell das Auswahlermessen der Gemeinden in Frage zu stellen, das als Prämisse hinter der bisher vertretenen Beschränkung eines Zulassungsanpruches auf vorhandene Einrichtungen steht.
4. Rechtstatsächlicher Befund: weitgehende Determination des gemeindlichen Aufgabenbereichs Tatsächlich hat der Gesetzgeber sein Ausgestaltungsrecht extensiv in Anspruch genommen und somit praktisch den Anwendungsbereich einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit der Gemeinden erheblich eingeschränkt. a) Einfachgesetzliche Ausgestaltung der landesverfassungsrechtlichen Aufträge Inbesondere die besonderen Verfassungsaufträge, die die Landesverfassungen auch an die Gemeinden adressieren, sind größtenteils materiell und auch formell durch das einfache Recht ausgeformt.
ber/Rupp (u. a.), Hessische Gemeindeordnung, 2012, § 19 HGO, S. 192; Aker, in: Aker/Hafner/Notheis, Gemeindeordnung Baden-Württemberg, 2013, § 10 Rn. 6; Donhauser, NVwZ 2010, S. 931 (934); Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (83); v. Mutius, JuS 1976, S. 652 (656); Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 241 (Fn. 288); Seewald, Kommunalrecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 59; Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 21 Rn. 2; Schmidt/Kneip, HGO, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 3; so bereits Lange, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, § 52 S. 167; a. A. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 248, der allerdings anerkennt, dass er sich in Widerspruch zur allgemeinen Interpretation des kommunalen Benutzungsanspruchs setzt (S. 229, 244 m. w. N.). 186 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris = DVBl. 2009, S. 1382 ff. (Leitsatz und Gründe).
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aa) Schulwesen Die verfassungsrechtliche Teilverantwortung für das Schulwesen wurde in allen Ländern durch den einfachen Gesetzgeber konkretisiert und dabei dezidiert zwischen Ländern und Kommunen aufgeteilt. Üblicherweise werden die Gemeinden insbesondere zur Tragung des Schulaufwands der staatlichen Schulen verpflichtet187. Unter Einhaltung bestimmter Vorgaben können die Gemeinden auch eigene Schulen errichten188. Diese einfachgesetzlich differenzierte Ausgestaltung der Arbeitsteilung zwischen Land und Gemeinden lässt aber wenig Spielraum und beschränkt folglich den Anwendungsbereich einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit der Gemeinden erheblich. Aus dem einfachen Recht lässt sich vielmehr ableiten, dass gemeindliche Eigeninitiative in Bezug auf die Errichtung von Schulen zwar unter Umständen zulässig, aber nicht gefordert ist. Würde tatsächlich wegen einer Unterschreitung des verfassungsrechtlich objektiv geforderten und gegebenenfalls subjektiv-rechtlich einforderbaren Mindeststandards an Schulangebot ein Handlungsbedarf erkennbar, wären dadurch nach einfachrechtlichem Rahmen insbesondere die Länder, nicht direkt die Gemeinden angesprochen. bb) Kinder- und Jugendhilfe Die Kinder- und Jugendhilfe ist materiell detailliert durch Bundesrecht insbesondere in Form des SGB VIII geregelt. Von diesem Regelungskomplex werden inhaltlich unter anderem die Jugendhilfe, der Jugend- und Kinderschutz und die Unterbringung in Kindertageseinrichtungen umfasst, die organisatorische Bestimmung der Zuständigkeiten allerdings dem Landesgesetzgeber überlassen189. Ein Großteil der Aufgaben ist durch die Ausführungsgesetze der Länder den kreisfreien Städten bzw. den (Land-)Kreisen 187 Beispielsweise Art. 8 BaySchFG (Bayerisches Schulfinanzierungsgesetz vom 31. Mai 2000, GVBl. 2000, S. 455); § 65 SchulG (Schulgesetz des Landes SachsenAnhalt vom 11. August 2005, GVBl. 2005, S. 520 ff.); § 102 Abs. 1 SchulG (Schulgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 10. September 2010, GVOBl. 2010, S. 462). 188 Eine Rechtsgrundlage hierfür ist beispielsweise in Bayern Art. 27 BayEUG (Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen vom 31. Mai 2000, GVBl. 2000, S. 414). 189 Vgl. § 69 SGB VIII (Sozialgesetzbuch – Achtes Buch vom 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163; § 69 neugefasst durch Bek. v. 14. Dezember 2006, BGBl. I S. 3134); § 69 a. F. enthielt noch eine direkte Zuweisung der Aufgabe an die Kreise und kreisfreien Städte, die aber in Folge der Einführung des Durchgriffsverbotes des Bundes auf die Gemeinden (Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG bzw. Abs. 2 S. 2 GG) gestrichen wurde.
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als Träger der örtlichen Jugendhilfe ausdrücklich zugewiesen190. Als potentielle Kompetenz verbleibt den kreisangehörigen Gemeinden lediglich der Bereich der Kindertagesstätten, die aber teilweise ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Subsidiarität im Verhältnis zu sonstigen privaten oder kirchlichen Trägern steht191. Folglich kann den Gemeinden verfassungsrechtlich allenfalls eine Gewährleistungsverantwortung obliegen, die sich nur bei Fehlen eines hinreichenden Angebots in eine Erfüllungspflicht verwandeln kann. Eine derartige Pflichtenstellung ist in den Landesgesetzen zum Teil ausdrücklich vorgesehen192. Sofern der Gesetzgeber aber auch diese Gewährleisterrolle den Trägern der örtlichen Jugendhilfe zuweist193, kommt bezüglich der kreisangehörigen Gemeinden nicht einmal eine verfassungsrechtliche Auffangverpflichtung in Betracht194. Hinsichtlich der kreisfreien Städte ist in diesen Fällen die Begründbarkeit einer Gewährleistungspflicht direkt aus dem Verfassungsrecht aufgrund der einfachgesetzlichen Zuweisung als pflichtige Aufgabe nicht konstitutiv. Zusammenfassend ist der Bereich, in dem die Ableitbarkeit einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit der Gemeinden tatsächlich ergebnisrelevant wird, bezüglich der im SGB XIII geregelten Aufgabenfelder gering. 190 Beispielsweise § 1 AG KJHG-Org (Gesetz zur Ausführung des Achten Buches Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe – vom 23. Februar 1993, GVOBl. M-V S. 158). 191 So etwa § 4 Abs. 3 BayKiBiG; § 30 Abs. 4 HKJGB (Hessisches Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch vom 18. Dezember 2006, GVBl. I S. 698), dazu Hofmeister, Praxis der Kommunalverwaltung Hessen, J 3, HKJGB, § 30 Rn. 4. 192 So etwa § 10 KiFöG (Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt vom 05. März 2003, GVBl. 2003, S. 48 ff.). Neben den Gemeinden gibt es nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KiFöG auch nicht-staatliche Träger, die nach § 9 Abs. 3 KiFöG unterstützt werden sollen. 193 Nach § 12 Abs. 1 S. 1 BbgKitaG (Zweites Gesetz zur Ausführung des Achten Buches des Sozialgesetzbuches – Kinder- und Jugendhilfe vom 27. Juni 2004, GVBl. I S. 384) obliegt die Gewährleistungspflicht den Trägern der örtlichen Jugendhilfe; die kreisangehörigen Gemeinden können diese nach S. 2 vertraglich übernehmen. Ebenso § 14 Abs. 1 KiföG M-V (Gesetz zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen und in Kindertagespflege vom 1. April 2004, GVOBl. 2004, S. 146); § 12 NdsKiTaG (Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder, GVBl. 2002, S. 57); dazu de Wall, Praxis der Kommunalverwaltung Niedersachsen, G 2 Nds, KiTaG, § 12 Rn. 2. 194 In diesem Sinne BbgOVG NVwZ-RR 1997, S. 555 (556); unklar die Regelung des § 3 KiTaG B-W (Gesetz über die Betreuung und Förderung von Kindern in Kindergärten, anderen Tageseinrichtungen und der Kindertagespflege vom 19. März 2009, GBl. 2009, S. 161); da der Wortlaut nur von einer Heranziehung der Gemeinden zur Förderung der Kindertagesstätten und einer Hinwirkungspflicht spricht, obliege die Gewährleistungsverantwortung auch hier dem Träger der örtlichen Jugendhilfe, vgl. hierzu Dürr, Praxis der Kommunalverwaltung Baden-Württemberg, G 2 BW, KiTaG, § 3 Rn. 2.
B. Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung
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Zulässig sind gemeindliche örtliche Initiativen abseits der im SGB XIII geregelten Bereiche, die mit den dort getroffenen Regelungen nicht in Konflikt stehen, wie beispielweise die Einrichtung von Jugendzentren oder das Anbieten von Ferienprogrammen. cc) Schaffung von Arbeitsplätzen/Wirtschaftsförderung Die Arbeitsvermittlung ist eine bundesrechtlich durch das SGB III determinierte Aufgabe, die grundsätzlich durch die örtlichen Arbeitsagenturen erbracht werden soll (§ 9 Abs. 1 SGB III). Nach § 9a SGB III ist lediglich eine Kooperation mit den Trägern der Grundsicherung nach dem SGB II vorgesehen, zu denen unter Umständen auch einzelne Gemeinden gehören können (sog. Optionskommunen, § 6a SGB II). Folglich kann ein orginärer Beitrag der Gemeinden zur Staatszielverwirklichung nur mittelbar durch geeignete Maßnahmen zur Förderung der Ansiedlung bzw. Erweiterung wirtschaftlicher Betriebe geleistet werden, was nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine allgemein anerkannte Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellt195. dd) Wohnraumförderung Untersucht man die einfachgesetzliche Konkretisierung im Bereich der Wohnraumförderung, lässt sich feststellen, dass die Materie teilweise noch auf Grundlage der Kompetenzverteilung vor der Föderalismusreform I bundesrechtlich geregelt ist196. Einige Länder haben dagegen von der Möglichkeit der Ersetzung durch Landesrecht gemäß Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG nach dem Entfallen der Bundeskompetenz Gebrauch gemacht und eigene Regelungen getroffen. Doch auch diese Vorschriften beauftragen insbesondere die Länder mit der finanziellen Wohnungsbauförderung, während eine kommunale Beteiligung nur fakultativ vorgesehen ist197. Im Rahmen der 195 Zur Wirtschaftsförderung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft BVerwG NVwZ 1990, S. 665 (666); vgl. auch § 107 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GO NRW; zur Bedeutung der kommunalen Wirtschaftsförderung auch Stober, BB 1996, S. 1845 (1850). 196 Gesetz über die soziale Wohnraumförderung vom 13. September 2001, BGBl I 2001, S. 2376 (WoFG). 197 Beispielsweise Art. 9 BayWoFG (Bayerisches Wohnraumförderungsgesetz vom 10. April 2007, GVBl S. 260); in Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen gilt das WoFG des Bundes fort, das in § 3 Abs. 3 WoFG auch von einer fakultativen Beteiligungsmöglichkeit der Gemeinden ausgeht; vgl. dazu auch Rücker/Dieter u. a., Praxis der Kommunalverwaltung Thüringen, B 1
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
derzeitigen einfachgesetzlichen Konkretisierung des Verfassungsauftrages zur Wohnungsbauförderung ist eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit der Gemeinden vergleichbar zu der des Landes nicht anzunehmen. Allerdings ist die gemeindliche Mitwirkung bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus durch die Inanspruchnahme bauleitplanerischer Möglichkeiten198 oder durch Nutzung eigener Wohnungsbestände199 auch heute noch praktisch für die Verwirklichung des Staatsziels der sozialen Wohnraumförderung von großer Bedeutung200. Die Gemeinden sind wegen ihrer Sachnähe und des konkreten Problembewusstseins als Akteur der Wohnraumförderung prädestiniert201. Das gilt auch oder besonders unter der geänderten Zielsetzung, die nicht mehr primär auf die Schaffung von neuem, sondern auf die Erhaltung sozialverträglichen Wohnraums und die Sicherung einer ausgewogenen Siedlungsstruktur gerichtet ist202. Diese Erkenntnis legt gleichzeitig eine gewisse verfassungsrechtliche Mitverantwortung nahe, die die Dispositionsfreiheit der Gemeinden hinsichtlich der Entäußerung der Aufgabe Wohnraumförderung begrenzen könnte203.
Th, ThürKO, § 1 Rn. 37, nach dem die Verantwortung für die Wohnraumversorgung in erster Linie dem Land obliegt; ebenso Schumacher/Augustesen u. a., Praxis der Kommunalverwaltung Brandenburg, B 1 Br, Rn. 4. 198 Beispielsweise zum Modell des städtebaulichen Vertrages mit einem Mindestprozentsatz an Sozialwohnungen und zur Beeinflussung der Grundstückspreise durch Ausweisung von Bauland Feulner, Praxis der Kommunalverwaltung Bayern, F 4 Bay, Rn. 13; Schumacher/Augustesen u. a., Praxis der Kommunalverwaltung Brandenburg, B 1 Br, Rn. 5. 199 Vgl. zur besonderen Situation in den neuen Ländern aufgrund des Übergangs der ehemals volkseigenen Betriebe in das Eigentum der Gemeinden Rücker/Dieter u. a., Praxis der Kommunalverwaltung Thüringen, B 1 Th, Rn. 37 f. 200 Altenmüller/Kessler, Praxis der Kommunalverwaltung Baden-Württemberg, F 4 BW, 11.2.3. 201 Feulner, Praxis der Kommunalverwaltung Bund, F 4 Bu, Rn. 5; die „Nähe der Kommunen zum Wirtschaftsfaktor Boden“ betonend Welti, KommJur 2006, S. 241 (241). 202 Feulner, Praxis der Kommunalverwaltung Bund, F 4 Bu, Rn. 5. 203 In diesem Sinne meldet auch Sauthoff, in: Litten/Wallerath, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 2007, Art. 17 Rn. 8, Bedenken gegen eine vollständige Veräußerung von Anteilen an den eigenen Wohnungsgesellschaften; Jutzi, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2011, Art. 63 Rn. 8, deutet eine Verpflichtung der Gemeinden zur Ausweisung eines angemessenen Umfangs von Bauland an.
B. Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung
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ee) Umweltschutz Aufgrund der umfangreichen Determinierung durch bundes- und landesrechtliche Vorgaben204 bleibt für eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit im Bereich der Umweltschutzaufgaben kein echter Anwendungsbereich. Teilweise sind den Gemeinden ausdrücklich bestimmte Aufgaben zugewiesen205. Darüber hinaus müssen diese den Umweltschutz insbesondere als Handlungsdirektive bei der Ausübung ihrer Tätigkeit in den unterschiedlichen Aufgabenfeldern berücksichtigen. Doch selbst diese Berücksichtigungspflicht ist in wichtigen Bereichen, wie etwa der Bauleitplanung, bereits unmittelbar einfachgesetzlich konkretisiert (vgl. insbesondere § 1a BauGB). Eine orginäre Verantwortlichkeit der Gemeinden im Bereich des Umweltschutzes wird zudem regelmäßig an der fehlenden örtlichen Radizierung der Aufgabe scheitern. Eigenständige Sachaufgaben der Gemeinden im Bereich des Umweltrechts, die die Gemeinden kraft Verfassungsrechts ohne einfachgesetzliche Zuweisung wahrnehmen müssen, sind somit weitgehend ausgeschlossen. b) Grundrechtsrelevante Leistungen Der Gesetzgeber ist seiner Ausgestaltungspflicht auch in Bezug auf existenzielle Leistungen in der Praxis in vielen Bereichen nachgekommen. So normieren die Rechtsordnungen der Länder flächendeckend die Abwasserentsorgung als Pflichtaufgabe der Gemeinden206 oder sehen die Gemeinden oder Gemeindeverbände als Träger der Abfallentsorgung vor207. In Bayern, wo auch die örtliche Polizei grundsätzlich als eigene Angelegenheit in Betracht kommt (Art. 83 Abs. 1 BayVerf.)208, ist diese durch das Sicherheitsrecht umfassend einfachgesetzlich ausgestaltet. Für eine originäre verfassungsunmittelbare Verantwortlichkeit der Gemeinden bleibt in diesen Bereichen de lege lata folglich kein Raum. Soweit 204 Vgl. zu den verschiedenen Regelungsbereichen ausführlich Becker, Das neue Umweltrecht 2010, 2010, passim. 205 Als originäre Umweltaufgabe können die Gemeinden auch bestimmte Landschaftsteile schützen (§ 29 BNatSchG i. V. m. der jeweiligen landesrechtlichen Regelung, z. B. Art. 51 Abs. 1 Nr. 5 BayNatSchG). 206 Vgl. z. B. § 45b WG B-W; Art. 34 Abs. 1 BayWG, § 66 BbWG; § 53 WG NRW; § 63 SächsWG; § 30 WG S-H. 207 Vgl. z. B. § 6 AbfG B-W; Art. 3 BayAbfG; § 3 AbfG S-A; § 5 SaarlAbfG. 208 Dazu etwa Lange, Kommunale Selbstverwaltung im Recht der Gefahrabwehr, in: Hendler/Ibler/Soria (Hrsg.), Für Sicherheit für Europa – Festschrift Götz, 2005, S. 437 (443 f.).
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
den Gesetzgeber eine Ausgestaltungspflicht trifft, ist es ihm auch für die Zukunft verwehrt, sich etwa durch Aufhebung der gesetzlichen Regelungen seiner Verantwortlichkeit zu entziehen und diese vollständig auf die Gemeinden zu übertragen. c) Soziale und kulturelle kommunale Einrichtungen Des Weiteren bestimmen die meisten Gemeindeordnungen, dass die Gemeinden im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit öffentliche Einrichtungen schaffen bzw. schaffen sollen209. Die nicht eindeutig verpflichtende Formulierung, der Vorbehalt der Leistungsfähigkeit und die gegenständliche Unbestimmtheit der Vorschriften führt dazu, dass ihnen nicht der Charakter spezialgesetzlicher Pflichtaufgaben zuerkannt werden kann210. Aus ihnen lassen sich nach bisher herrschender Auffassung im Grundsatz keine konkreten Pflichten zur Schaffung bestimmter Einrichtungen ableiten, und auch der Anspruch der Bürger auf Zugang zu kommunalen Einrichtungen ist nach der Rechtsprechung auf die vorhandenen Kapazitäten beschränkt211. 209 § 10 Abs. 2 GO B-W; Art. 21 BayGO; § 14 Abs. 1 BbgGO; § 4 S. 2 NdsKVG; § 8 Abs. 2 GO NRW; §§ 5 Abs. 2 SaarlGO; §§ 2 Abs. 1, 10 Abs. 2 SächsGO; §§ 2 Abs. 1 S. 2 GO S-A; §§ 1 Abs. 4 ThürKO; in § 2 Abs. 1 KV M-V sind die öffentlichen Einrichtungen lediglich bei der Definition des eigenen Wirkungskreises genannt; § 1 GO S-H und § 1 GO R-P enthalten nur eine allgemeine Förderungspflicht. 210 So bereits Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinden und Kreisen, 1973, S. 21; Pappermann, DVBl. 1980, S. 701 (704 f.); Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (271); Rauber, der gemeindehaushalt 2011, S. 200 (201), dessen Ausführungen im Folgenden aber missverständlich sind; nach Stein, in: Rauber/ Rupp (u. a.), Hessische Gemeindeordnung, 2012, § 19 HGO, S. 192, „erschöpft sich der Regelungsgehalt“ der hessischen Regelung „in einer Aufgabenzuweisung“; in diesem Sinnne in Bezug auf die Kulturarbeit auch Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1150). 211 HessVGH NJW 1979, S. 886 (887); BayVGH NJW 1969, S. 1978 (1078 f.); NVwZ-RR 1998, S. 193 (194); SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99, Rn. 57; SächsOVG, Urteil vom 27.02.2001 – 3 D 315/99, Rn. 57, in Bezug auf einen Markt; OVG Münster NJW 1976, S. 820; Stein, in: Rauber/Rupp (u. a.), Hessische Gemeindeordnung, 2012, § 19 HGO, S. 192; Donhauser, NVwZ 2010, S. 931 (934); Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (83); v. Mutius, JuS. 1976, S. 652 (656); Franz, Gewinnerzielung durch kommunale Daseinsvorsorge, 2005, S. 241 (Fn. 288); Seewald, Kommunalrecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 8. Aufl. 2006, S. 59; Widmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, Art. 21 Rn. 2; Schmidt/Kneip, HGO, 2. Aufl. 2008, § 2 Rn. 3; Peter, Rechtliche Grenzen der gemeindlichen Wirtschaftsbetätigung durch die kommunale Selbstverwaltungsgarantie, 2012, S. 273; a. A. Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleis-
B. Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung
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Selbst bei einzelnen Angelegenheiten, die der Gesetzgeber geregelt hat – wie beispielsweise der Erwachsenenbildung oder dem Denkmalschutz212 – hat dieser sich hinsichtlich der Normierung konkreter Pflichtgehalte zurückgehalten213. In Sachsen214 ist die kulturelle Förderung der Einwohner im Allgemeinen den Gemeinden vom Landesgesetzgeber zwar abstrakt als Pflichtaufgabe zugewiesen. Aus der Normierung der Kulturarbeit als Pflichtaufgabe folgt in Bezug auf die Konkretisierbarkeit von Pflichtaufgaben nach überwiegender Ansicht aber ebenfalls kein wesentlich abweichendes Ergebnis, was das Aufgabenauswahlrecht in Bezug auf konkrete Aufgaben betrifft215. Der Bereich der kommunalen Einrichtungen sozialer und kultureller Art ist folglich das Betätigungsfeld, das den Gemeinden mangels konkreter gesetzlicher Determination einen besonderen Spielraum zu eigener Gestaltung eröffnet. 5. Zwischenergebnis: begrenzter Anwendungsbereich verfassungsrechtlicher Pflichtaufgaben Die Tatsache, dass eine Verpflichtung der Gemeinden sowohl durch die zulässige Inanspruchnahme des gesetzgeberischen Ausgestaltungsrechts als tungen, 1982, S. 248, der allerdings anerkennt, dass er sich in Widerspruch zur allgemeinen Interpretation des kommunalen Benutzungsanspruchs setzt (S. 229; 244 m. w. N.); siehe bereits oben Fn. 185. 212 Hinsichtlich des Denkmalschutzes ist problematisch, ob es sich aufgrund der regelmäßig überörtlichen Bedeutung von Kulturdenkmälern nicht insgesamt um eine Staatsaufgabe und nicht eine kommunale Selbstverwaltungsaufgabe handelt; so jedenfalls im Grundsatz Hönes, DÖV 1979, S. 286 ff. 213 Beispielsweise § 1 Abs. 3 S. 2 f. ErwBiFÖ (Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung im Lande Sachsen-Anhalt vom 25. Mai 1992, GVBl. 1992, 379), wonach die kommunalen Gebietskörperschaften gehalten sind, im Zusammenwirken mit anderen Trägern für ein bedarfsgerechtes Angebot an Erwachsenenbildung zu sorgen; als echte Pflichtaufgabe ist die Errichtung von Volksschulen aber beispielsweise normiert in Hessen § 9 HWBG (Hessisches Weiterbildungsgesetz vom 25. August 2001, GVBl. I S. 370); zu weiteren Beispielen auch Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1149). 214 Nach § 2 SächsKRG (Gesetz über die Kulturräume in Sachsen vom 18. August 2008, GVBl. S. 539) ist die Kulturpflege eine Pflichtaufgabe der Gemeinden, dazu Wiegand, LKV 1994, S. 204 (205 ff.). 215 Nach Wiegand, LKV 1994, S. 204 (207), hält sich das Gesetz mit „einer weitreichenden inhaltlichen Gestaltung der kommunalen Kulturarbeit zurück“; Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1149).
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
auch durch das Vorhandensein einer materiellen Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers begrenzt ist, verengt folglich den praktischen Anwendungsbereich verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben. Berücksichtigt werden muss selbst in den Bereichen, die nicht gesetzlich ausgestaltet sind, zumindest grundsätzlich der relative Vorrang privatwirtschaftlicher Tätigkeit216. Nicht umfassend determiniert ist der Bereich kommunaler Einrichtungen sozialer und kultureller Art. Folglich kommt dort eine originäre verfassungsunmittelbare Verpflichtung der Gemeinden im Grundsatz in Betracht. In Bezug auf Aufgabenfelder, wie etwa der Wohnraum- und Wirtschaftsförderung, ist zudem möglicherweise eine ergänzende verfassungsrechtliche Verantwortlichkeit der Gemeinden denkbar.
II. Besondere Stellung der Gemeinden im Bereich der örtlichen Versorgungsleistungen Neben den restringierenden Determinanten ist bei der Bestimmung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der Gemeinden zu beachten, dass diese für die örtliche Daseinvorsorge eine besondere Verantwortung tragen217. Ein Anhaltspunkt für eine besondere Verpflichtung der kommunalen Selbstverwaltungsträger ist dabei einerseits die historische Bedeutung der Gemeinden als Versorgungsträger. Aber auch positivrechtlich lässt sich die besondere Stellung der Gemeinden auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge durch die eingeschränkte Subsidiarität gegenüber privatrechtlicher Betätigung belegen. Die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben der kommunalen Selbstverwaltungsträger kommt in diesem Bereich auch insbesondere deswegen in Betracht, weil – wie bereits dargestellt218 – die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers in Bezug auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft vor dem Hintergrund des gemeindlichen Autonomieanspruchs eingeschränkt ist. 1. Historisches Mandat zur Daseinsvorsorge Den Gemeinden wird im Allgemeinen das „historische Mandat zur Daseinsvorsorge“ zugesprochen219 bzw. die Gewährleistung der Daseinsvor216 Siehe dazu, insbesondere auch zu den Einschränkungen des Subsidaritätsgebots in Bezug auf die kommunale Tätigkeit, oben § 6 A. III. 2. 217 Püttner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 144 Rn. 84; in diesem Sinne bereits Krämer, Die bürgerschaftliche Selbstverwaltung unter den Notwendigkeiten des egalitären Rechtsstaates, 1970, S. 56; dazu allgemein auch Knauff, WiVerw 2011, S. 79 ff. 218 Dazu § 3 C. I. 1., 2.
B. Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung
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sorge sogar als primärer Rechtfertigungsgrund der Einrichtung der Kommunalverwaltung genannt220. Über die präzise Definition und den Gehalt des von Forsthoff geprägten Begriffs der Daseinsvorsorge221 besteht trotz der Tatsache, dass er inzwischen Eingang in das positive Recht gefunden222 und sich die rechtswissenschaftliche Literatur umfasssend mit ihm beschäftigt hat, keine Einigkeit223. Näherungsweise beschrieben werden kann sie als Bereitstellung oder Gewährleistung notwendiger Dienste und Güter224. Der Radius des Begriffes wurde über die ursprüngliche Bedeutung hinaus insoweit erweitert, dass er sich nicht nur auf überlebensnotwendige Leistungen beschränkt, sondern sich auf einen gewissen sozialen Lebenstandard bezieht225. Unter die kommunale Daseinsvorsorge fallen insbesondere die Versorgung Strom und Wasser, aber auch Sport-, Freizeit und Erholungseinrichtungen226. Empirisch-historisch ist die besondere soziale Funktion der Kommunen unbestreitbar. Die Gemeinde ist, wie oben bereits dargelegt227, zunächst als Versorgungsgemeinschaft entstanden, die auf gegenseitige Verantwortung und Unterstützung angelegt war. Auch die Erfüllung der in Folge der Industrialisierung entstehenden Aufgaben und sich wandelnder Bedürfnisse lag typischerweise in der Hand der Städte und Gemeinden228. 219
Köttgen, Die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden, 1960, S. 595. Dazu bereits Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey, Bd. VI 2, 1962, S. 677; v. Mutius, in: Schmalz/Ewer/v.Mutius/Schmidt-Jortzig (Hrsg.), Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Kommunalrecht, Rn. 30, 48, Blümel, VVDStRL 36 (1978), 171 (192 ff.); nach Scholz, DÖV 1976, S. 441 (446), ist die Versorgungsfunktion traditionell wesensbestimmendes Merkmal. 221 Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938, S. 4 ff. 222 Vgl. beispielsweise Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BayGO. 223 Püttner, Das grundlegende Konzept der Daseinsvorsorge, in: Hrbeck/Nettesheim (Hrsg.) Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, 2002, S. 35 f. 224 Zacher, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 2, 3. Aufl. 2004, § 28 Rn. 65; Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 493. 225 Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung, 2000, S. 1, nach dem die von Forsthoff zunächst intendierte Beschränkung auf lebensnotwendige Bedürfnisse mit der Zeit auf die Befriedigung von Bedürfnissen für eine „normale, dem jeweiligen Lebensstandard entsprechende Lebensführung“ erweitert wurde; in diesem Sinne auch Rüfner, in: Isensee/Kirchhof, HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 3. 226 Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 7; eine positiv-rechtliche beispielhafte Aufzählung von Daseinsvorsorgeaufgaben findet sich zudem etwa in Art. 83 Abs. 1 BayVerf. 227 Siehe oben § 3 A. I. 228 Forsthoff, Verwaltungsrecht, 10. Aufl. 1973, S. 526; angedeutet ist die Bedeutung der Gemeinden als Träger der Leistungsverwaltung in der Nachkriegszeit bei 220
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
2. Erweiterung des gemeindlichen Aktionsradius im Verhältnis zu privatwirtschaftlicher Betätigung Für eine besondere Verantwortung für eine soziale und kulturelle Versorgung der Bürger spricht rechtsnormativ, dass die Gemeinden teilweise ausdrücklich von der Rechtfertigungslast gegenüber konkurrierender Tätigkeit Privater entbunden sind. Den Regelungen des Gemeindewirtschaftsrechts kommt nicht nur die Funktion ausdrücklicher Schrankenregelungen zu. Gleichzeitig wirken diese Normen auch als Ermächtigungsgrundlage gemeindlicher Daseinsvorsorgetätigkeit229. In den meisten Ländern werden gewisse Tätigkeitsbereiche als nicht-wirtschaftlich fingiert und so ausdrücklich von der Rechtfertigungslast der Subsidiaritätsregelungen und dem Erfordernis eines öffentlichen Zwecks befreit230. Ausgenommen von einem Rechtfertigungsbedürfnis werden dadurch allgemein Aufgaben sozialer und kultureller Art, die typischerweise dem Bereich kommunaler Daseinsvorsorge zugeordnet werden231. Die organisationsformbezogenen Regelungen in Bayern und Thüringen, die eine Differenzierung von wirtschaftlicher und nicht-wirtschaftlicher Tätigkeit nicht kennen, kommen in Bezug auf den Vorrang privater Leistungserbringung zu übereinstimmenden Ergebnissen, indem sie eine Betätigung auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Subsidiaritätsregelungen ausnehmen232. Aufgrund der begrifflichen Weite umfasst diese Ausnahme den Großteil der zulässigen gemeindlichen TätigStern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, S. 898; vgl. ausführlich zur Entwicklung der kommunalen Daseinsvorsorge auch Hellermann, Örtliche Daseinsvorsorge und kommunale Selbstverwaltung, 2000, S. 16 ff. 229 Suerbaum, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 3. Aufl. 2012, § 13 Rn. 24 m. w. N. 230 § 102 Abs. 4 GO B-W; § 121 Abs. 2 HessGO; § 136 Abs. 3 NdsKVG; § 107 Abs. 2 GO NRW; § 85 Abs. 4 GO R-P; § 108 Abs. 2 SaarlKSVG; § 101 Abs. 4 GO S-H. Verwirrend ist die Neuregelung des § 68 KV M-V, der in Abs. 1 S. 2 auch die kommunalen Einrichtungen nach Abs. 3 ausdrücklich als wirtschaftliche Betätigung kennzeichnet. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen aber Einrichtungen nach Abs. 3 im Gegensatz zu Unternehmen nicht den Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Abs. 2 unterliegen (vgl. LT-Drs. 5/4173, S. 147). In der Regelung in Brandenburg fehlt zwar die Fiktion der Nichtwirtschaftlichkeit, allerdings wird dasselbe Ergebnis konstruktiv dadurch erreicht, dass gewisse Tätigkeiten unabhängig von der Erfüllung der Voraussetzungen des § 100 BbgGO alternativ zulässig sind, wenn sie einem der in § 101 Abs. 2 BbgGO genannten Bereiche unterfallen. 231 Lediglich in § 97 Abs. 2 SächsGO beschränkt sich die Fiktion der Nichtwirtschaftlichkeit auf gesetzliche Pflichtaufgaben und Betätigungen zur Deckung des Eigenbedarfs. 232 § 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BayGO; § 71 Abs. 1 Nr. 4 ThürKO.
B. Konkretisierung der gemeindlichen Pflichtenstellung
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keit233. In Bayern spricht Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO ferner die Vermutung aus, dass solche Unternehmen, mit denen die Gemeinde Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft i. S. v. Art. 83 Abs. 1 BayVerf. bzw. Art. 57 GO erfüllt, ein öffentlicher Zweck erfordert234. Einem Rechtfertigungsbedürfnis entgeht das kommunale Unternehmen somit weitgehend235. 3. Eingeschränktes Ausgestaltungsrecht des Gesetzgebers Der Gesetzgeber darf aufgrund der selbstverwaltungsbeschränkenden Wirkung gesetzlicher Determinierung gemeindlicher Aufgabenerfüllung im Bereich der örtlichen Angelegenheiten schließlich nicht uneingeschränkt tätig werden, sondern ihm obliegt bei Inanspruchnahme des Gesetzesvorbehalts in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG vielmehr eine Rechtfertigungslast gegenüber den Gemeinden. Da den Selbstverwaltungsträgern grundsätzlich ein Auswahlrecht hinsichtlich der örtlichen Angelegenheiten zusteht, darf der Gesetzgeber eine Aufgabe nur dann als Pflichtaufgabe deklarieren, wenn er die Erforderlichkeit einer einheitlichen Aufgabenerfüllung geltend machen kann bzw. darf er die Aufgabe nur an sich ziehen, wenn eine ausreichende Erfüllung durch die Gemeinden nicht zu erwarten ist236. Die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers ist folglich im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zugunsten der Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden beschränkt. Möglicherweise geht aber mit der partiellen Abschirmung eines eigenen Kompetenzbereichs gleichzeitig eine Verlagerung der Verantwortung im Sinne einer Verpflichtung einher. Schließlich haben die Landesgesetzgeber in den Gemeindeordnungen sogar flächendeckend den 233
Der Begriff der Daseinsvorsorge erfasst derart weite Bereiche der wirtschaftlichen Tätigkeit, so dass der eigenständige Anwendungsbereich von Art. 87 Abs. 1 Nr. 4 GO fragwürdig bleibt. Übrig bleibt eigentlich nur die wirtschaftliche Tätigkeit, die der Gewinnerzielung dient. Diese ist aber schon nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO unzulässig, wie Art. 87 Abs. 1 S. 2 GO klarstellt, vgl. dazu auch kritisch Bauer/Böhle/Masson/Samper, Art. 87 GO, Rn. 27; Hölz/Hien/Huber, GO, Art. 87, S. 7 f. 234 Bauer/Böhle/Masson/Samper, Art. 87 GO, Rn. 21; Hölz/Hien/Huber, GO, Art. 87, S. 5, spricht von einer „gesetzlichen Fiktion, die auch verfassungsrechtlich geboten ist“; er rekurriert dabei auf eine zweifelhafte Argumentation in einer Entscheidung des bayerischen Verfassungsgerichtshofs zur Vorgängerregelung es Art. 75 GO, wo ausgeführt worden ist, dass „die gemeindliche Tätigkeit in dem ihr durch die Verfassung garantierten Umfang nicht durch den einfachen Gesetzgeber wieder eingeschränkt werden kann“. 235 Kritisch zur Verfassungskonformität Suerbaum, Die Verwaltung, Bd. 40 (2007), S. 29 (45 f.); siehe bereits oben § 6 A. III. 2. b) cc), § 6 A. IV. 236 Dazu oben § 3 C. I.
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§ 6 Sonstige Verfassungsnormen
Auftrag formuliert, dass die Gemeinden die erforderlichen Einrichtungen schaffen sollen237.
C. Ergebnis: gemeindliche Daseinsvorsorgeverantwortung Als Ergebnis der Untersuchung des Pflichtgehalts der grundgesetzlichen und landesverfassungsrechtlichen Verfassungsnormen lässt sich festhalten, dass sich sowohl der grundgesetzlich-sozialstaatliche Versorgungsauftrag als auch dessen Konkretisierungen in den Landesverfassungen dem Grunde nach als Anknüpfungspunkte einer materiellen verfassungsunmittelbaren staatlichen Verpflichtung eignen. Aus keiner der dargestellten Vorschriften lassen sich aber unmittelbar feststehende Aufgaben ableiten, die zwingend von staatlicher Seite erfüllt werden müssen. Die Erforderlichkeit staatlicher Leistungserbringung unterliegt der Variable sich wandelnder Bedürfnisse sowie der des Vorhandenseins eines gesellschaftlichen Leistungsangebots und der Realisierbarkeit unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Staates. Insofern herrscht Übereinstimmung mit dem formellen Staatsaufgabenverständnis, wonach die Staatsaufgaben die Teilmenge der öffentlichen Aufgaben ausmachen, deren sich der Staat in zulässiger Weise annimmt238. Partiell wird sogar die rechtliche Zulässigkeit negativ durch die Subsidiarität im Verhältnis zu privatrechtlicher Tätigkeit beschränkt. Zur Bestimmung der Verpflichtung der kommunalen Selbstverwaltungsträger als Teil der Exekutive sind folglich deren begrenzter Kompetenzbereich sowie das Verhältnis zum Gesetzgeber und zu privater Konkurrenz zu beachten. Dem Gesetzgeber kommt auch in dem Bereich, der den Gemeinden kraft Verfassungsrechts zugewiesen ist, ein Ausgestaltungsrecht und partiell sogar eine Ausgestaltungspflicht hinsichtlich der materiellen verfassungsrechtlichen Wertungen zu. Insbesondere gilt dies für grundrechtsrelevante Leistungen, die aus legitimatorischen Gründen und zum Zwecke der subjektiven Realisierbarkeit einfachgesetzlich normiert sein müssen. Insoweit ist eine 237 § 10 Abs. 2 GO B-W; Art. 21 BayGO; § 14 Abs. 1 BbgGO; § 4 S. 2 NdsKVG; § 8 Abs. 2 GO NRW; §§ 5 Abs. 2 SaarlGO; §§ 2 Abs. 1, 10 Abs. 2 SächsGO; §§ 2 Abs. 1 S. 2 GO S-A; §§ 1 Abs. 4 ThürKO; zur Bedeutung dieser Regelungen bereits oben § 6 B. I. 4. c). 238 Stober, NJW 2008, S. 2301 (2304); Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, 1999, S. 42 m. w. N.; ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 75 Rn. 8; aus der Rechtsprechung grundlegend BVerfGE 12, 205 (243); Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 35, der explizit den Bezug zu den öffentlichen Einrichtungen herstellt.
C. Ergebnis: gemeindliche Daseinsvorsorgeverantwortung
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orginäre verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit der Gemeinden für grundrechtlich geforderte Leistungen ausgeschlossen. De lege lata ist ein erheblicher Teil der gemeindlichen Aufgabenfelder einfachgesetzlich geregelt, und insbesondere in Bezug auf existenzielle Leistungen sind die Gemeinden durch einfachgesetzliche Vorschriften zur Aufgabenwahrnehmung verpflichtet. Praktisch ist der Anwendungsbereich einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit folglich nach geltendem Recht begrenzt. Soweit den Gesetzgeber eine Ausgestaltungspflicht trifft, kommt auch die Entstehung einer unmittelbaren Verfassungspflicht der Gemeinden für die Zukunft nicht in Betracht. Auf der anderen Seite ergibt sich bereits aus der traditionellen Bedeutung der Gemeinden ein Indiz dafür, dass die Gemeinden hinsichtlich der Verwirklichung des grundrechtlich-sozialstaatlichen Verfassungsauftrags eine besondere Stellung innehaben. Dies wird bestätigt durch die einfachgesetzlichen Regelungen, die den Subsidaritätsgrundsatz zugunsten weiter Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorgetätigkeit ausgestalten, und die Vorschriften, die den Auftrag zur Schaffung öffentlicher Einrichtungen normieren. Es ist folglich davon auszugehen, dass die objektive sozialstaatliche Verpflichtung der Gemeinden über die bloße Erfüllung gesetzlich vorgegebener Aufgaben hinausgeht. Dies gilt vor allem auch vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomie der Gemeinden, die mit einer Beschränkung der Interventionsbefugnis des Gesetzgebers in Bezug auf die Determinierung kommunaler Betätigung korrespondiert.
§ 7 Verfassungsrechtliche Konzeption der besonderen Daseinsvorsorgeverantwortung der Gemeinden In folgendem Kapitel bleibt zu klären, wie die besondere Daseinsvorsorgeverpflichtung der Gemeinden konzeptionell durch das Verfassungsrecht umgesetzt ist. Untersucht wird dafür zunächst die grundsätzliche Anerkennungsfähigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben, die die Fachgerichte oder Aufsichtsbehörden kumulativ zu den einfachgesetzlichen Pflichtaufgaben zu definieren befugt sind. Dabei spielt die Schutzfunktion des Gesetzes zugunsten der Gemeinden bei der Begründung konkreter gemeindlicher Pflichtaufgaben eine zentrale Rolle. In einem zweiten Schritt werden potentielle Schutzlücken in der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrages eingegrenzt bevor anschließend eine verbleibende Reserveverantwortung der kommunalen Selbstverwaltungsträger erörtert wird.
A. Begründung und Reichweite des institutionellen Gesetzesvorbehalts für die Festlegung gemeindlicher Pflichtaufgaben Anhaltspunkte für die Geltung eines Gesetzesvorbehalts für die Definition konkreter Aufgabenpflichten der Gemeinden stellen zum einen die Regelungen dar, die die Möglichkeit der einfachgesetzlichen Normierung gemeindlicher Pflichtaufgaben vorsehen, weil diese möglicherweise Ausdruck einer Exklusivität der gesetzlichen Aufgabenbegründung im Verhältnis zu einer Festlegung von Aufgaben durch Aufsichtbehörden oder Gerichte sein könnten. Darüber hinaus ist eine Beschränkung auf die Rechtsform des Gesetzes direkt aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu entnehmen, soweit die Verpflichtung der Gemeinden zur Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe einen Eingriff in das Recht zur eigenverantwortlichen Regelung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft darstellt.
A. Begründung des institutionellen Gesetzesvorbehalts
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I. Keine explizite Normierung der Exklusivität der einfachgesetzlichen Verpflichtung im Verfassungsrecht Unter den Voraussetzungen, die in den Vorüberlegungen bereits dargestellt wurden1, kann der Gesetzgeber auch im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, in beschränktem Umfang sein Ausgestaltungsrecht dadurch ausüben, dass er bestimmte Aufgaben als Pflichtaufgaben deklariert. Zu klären bleibt, ob die gesetzliche Pflichtigmachung nur ein oder das einzige staatliche Instrument im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft darstellt, die Gemeinden zu der Erfüllung einer bestimmten Aufgabe zu verpflichten. Mit anderen Worten stellt sich die Frage, ob die Möglichkeit der einfachgesetzlichen Normierung einer Pflichtaufgabe eine Konkretisierung der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit durch aufsichtsbehördliche Maßnahmen oder im Rahmen gerichtlicher Urteile ausschließt. 1. Regelungsinhalt der landesrechtlichen Vorschriften In den Gemeindeordnungen ist die einfachgesetzliche Pflichtigmachung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft flächendeckend vorgesehen. Entweder ist die Variante der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben gesondert normiert2 oder von der allgemeinen Ermächtigung umfasst, die Gemeinden zur Erfüllung von bestimmten öffentlichen Aufgaben zu verpflichten3. Das Grundgesetz enthält dagegen keine explizite Regelung hierzu, sondern sieht in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nur allgemein einen Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in das kommunale Selbstverwaltungsrecht vor. Ein differenzierteres Bild ergibt sich auf landesverfassungsrechtlicher Ebene. Zwar enthalten die Landesverfassungen inzwischen ohne Ausnahme ausdrücklich eine Rechtsgrundlage für die Möglichkeit, den Gemeinden gewisse Aufgaben gesetzlich als Pflichtaufgaben aufzuerlegen. Wie im Folgenden dargestellt wird, regeln aber nicht alle landesverfassungsrechtlichen Vorschriften explizit auch die Pflichtigmachung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die bereits kraft Verfassungsrechts der Kompetenz der Gemeinden zugewiesen sind. Der Regelungsgehalt einiger Vorschriften 1
Siehe § 3 B. II., C. I. Art. 57 Abs. 1 S. 2 BayGO; § 3 Abs. 4 S. 2 BbgGO; § 2 Abs. 3 KV M-V; § 5 Nr. 4 NdsKV; § 2 Abs. 1 S. 2 GO R-P; § 5 Abs. 3 SaarlKSVG; § 4 Abs. 1 S. 1 GO S-A; § 2 Abs. 2 GO S-H; § 2 Abs. 3 S. 1 ThürGO. 3 § 2 Abs. 2 GO B-W; § 3 S. 1 HessGO; § 3 Abs. 1 GO NRW; § 2 Abs. 2 S. 1 SächsGO. 2
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§ 7 Verfassungsrechtliche Konzeption
beschränkt sich auf Aufgaben mit staatlichem bzw. überörtlichem Charakter, hinsichtlich derer eine einfachgesetzliche Zuweisung die Kompetenz der Gemeinden erst begründet. Im monistischen Modell, das eine Unterscheidung in staatliche und kommunale Aufgaben im Grundsatz nicht kennt, verzichten die entsprechenden Normen freilich regelmäßig auf eine Differenzierung. Soweit die landesverfassungsrechtlichen Vorschriften lediglich die Zuweisung überörtlicher Aufgaben regeln, haben sie für die Frage der Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben keine echte Maßstabsfunktion oder Ausschlusswirkung, weil für die Zulässigkeit der Pflichtigmachung örtlicher Aufgaben und die Zuweisung überörtlicher Aufgaben unterschiedliche Prämissen gelten4. a) Eindeutige Beschränkung auf die Zuweisung staatlicher Aufgaben Offensichtlich in diesem Sinne beschränkt sind Art. 11 Abs. 3 BayVerf., Art. 120 Abs. 1 SaarlVerf. und Art. 91 Abs. 3 ThürVerf. Dass der Anwendungsbereich dieser Vorschriften auschließlich nicht-örtliche Aufgaben betrifft, wird bereits durch den Wortlaut indiziert5 und bestätigt sich durch die systematische Auslegung. Dem Gesetzgeber ist die Option eröffnet, sich bei der Übertragung der Aufgabe ein Weisungsrecht vorzubehalten. Im Rahmen der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben wäre ein solcher uneingeschränkter Weisungsvorbehalt verfassungsrechtlich nicht zulässig6. Die Wahl des Begriffs der „staatlichen Aufgaben“ in Art. 137 Abs. 4 HessVerf. ist nicht eindeutig, da dieser im Rahmen der Regelung der Konnexitätspflicht in Art. 137 Abs. 7 HessVerf. ebenfalls verwendet wird und dabei missverständlicherweise sowohl Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft als auch überörtliche Aufgaben erfasst7. Allerdings greift auch hier das systematische Argument des Weisungsvorbehalts, der für eigene Angelegenheiten nicht gelten kann. Aus diesem Grund ist auch die Rege4
Dazu bereits oben § 3 C. I. 1. Alle drei Regelungen verwenden den Begriff der Übertragung von Aufgaben, die streng genommen ausschließlich bei den Angelegenheiten in Betracht kommt, die nicht bereits verfassungsrechtlich den Gemeinden überlassen sind. Art. 120 Abs. 1 SaarlVerf. verwendet zudem ausschließlich den Begriff der „staatlichen Aufgabe“, der üblicherweise verwandt wird, um den Gegensatz zu den eigenen Angelegenheiten der Gemeinden darzustellen, vgl. Grupp, in: Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 120 Rn. 2. 6 In diesem Sinne bereits BVerfGE 6, 104 (116 f.); Rennert, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2002, Art. 28 Rn. 181; Lange, Kommunale Selbstverwaltung im Recht der Gefahrabwehr, in: Hendler/Ibler/Soria (Hrsg.), Für Sicherheit, für Europa – Festschrift Götz, 2005, S. 437 (443). 7 Siehe dazu unten § 7 A. II. 2. a) aa). 5
A. Begründung des institutionellen Gesetzesvorbehalts
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lung in Brandenburg (Art. 97 Abs. 3 BbgVerf.) als auf staatliche Aufgaben beschränkt zu interpretieren, auch wenn sie sich gegenständlich – insoweit nicht eindeutig – auf den Begriff der „Aufgaben des Landes“ bezieht8. Trotz des Fehlens einer expliziten Ermächtigung zur Pflichtigmachung von örtlichen Angelegenheiten in den dargestellten Ländern, ist diese Möglichkeit gesetzgeberischer Intervention dennoch auch dort verfassungsrechtlich anerkannt. Im Zusammenhang mit den Konnexitätsregelungen wird in den Landesverfassungen von Bayern, dem Saarland und Hessen die Möglichkeit der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben offensichtlich vorausgesetzt9. b) Ausdrückliche Regelungen zur Pflichtigmachung von örtlichen Angelegenheiten Lediglich in Rheinland-Pfalz10, Niedersachsen11 und Sachsen-Anhalt12 ist der Tatbestand der Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung von eigenen Aufgaben neben der Übertragung staatlicher Aufgaben explizit geregelt. In Nordrhein-Westfalen13 und Mecklenburg-Vorpommern14 wird durch die Verwendung des Begriffes der öffentlichen Aufgabe diese Variante implizit mit eingeschlossen. Ferner hat der verfassungsändernde Gesetzgeber in Schleswig-Holstein die Formulierung „Landesaufgaben“ nachträglich durch die Formulierung „öffentliche Aufgaben“ ersetzt, um auch den Tatbestand der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben zu erfassen15. 8
Lieber/Iwers/Ernst, Verfassung des Landes Brandenburg, Art. 97, S. 414; von dieser Unterscheidung scheint auch auszugehen Jahn, Kommunale Selbstverwaltung, in: Simon/Franke/Sachs (Hrsg.), Handbuch der Verfassung des Landes Brandenburg, 1994, Rn. 33. 9 Art. 83 Abs. 3 BayVerf.; Art. 137 Abs. 6 HessVerf.; Art. 120 Abs. 2 SaarlVerf. 10 Die Verfassung in Rheinland-Pfalz sah bis 2004 keine ausdrückliche Regelung zur Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben vor, sondern regelte in Art. 49 Abs. 4 Verf. R-P nur die Übertragung von staatlichen Aufgaben. Durch das 35. Landesgesetz zur Änderung der Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 14.06.2004 (GVBl. S. 321), wurde die Regelung entsprechend erweitert. 11 Art. 57 Abs. 4 S. 1 NdsVerf. 12 Art. 87 Abs. 3 Verf. S-A. 13 Art. 78 Abs. 3 Verf. NRW. 14 Art. 72 Abs. 3 Verf. M-V. 15 In den Beratungen zur Einführung des Konnexitätsprinzips zeigte sich, dass man sich gar nicht sicher war, ob der Begriff der „Landesaufgaben“ in Art. 46 Abs. 4 a. F. LV (vorher Art. 39 Abs. 4 Landessatzung) sich ausschließlich auf staatliche Aufgaben im Sinne des dualistischen Modells bezieht oder auch die eigenen Angelegenheiten der Gemeinde einschließt; vgl. hierzu den Stenographischen Bericht zur öffentlichen Anhörung im Sonderausschuß „Verfassungsreform“ 3. Sitzung (9. Juni 1997), S. 6, LT-Drs. 14/1245.
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§ 7 Verfassungsrechtliche Konzeption
c) Einschränkung des Aussagegehalts einiger landesverfassungsrechtlicher Normen aus ihrem spezifischen systematischen Zusammenhang In der sächsischen Verfassung ist in Art. 85 Abs. 1 S. 1 die Möglichkeit geregelt, den Gemeinden bestimmte Aufgaben zu übertragen, und sogleich im folgenden Satz mit der Aufforderung verknüpft, von dieser Ermächtigung Gebrauch zu machen, sofern die Angelegenheit von den Gemeinden zuverlässig und zweckmäßig erfüllt werden kann. Auch wenn hier die Begriffswahl hinsichtlich des Bezugsgegenstandes der Verpflichtung nicht eindeutig ist, indiziert doch bereits der Begriff der „Übertragung“, dass sich der Regelungsgehalt auf überörtliche Aufgaben, die nicht bereits kraft Verfassungsrechts in den Kompetenzbereich der Gemeinden fallen, beschränkt16. Zwingend ist diese restriktive Interpretation vor dem Hintergrund des systematischen Zusammenhangs mit S. 2 der Vorschrift, die sich nur auf staatliche Aufgaben beziehen kann. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft „sollen“ nicht den Gemeinden übertragen werden, sondern sind ihnen bereits von Verfassungs wegen überlassen und können nur beim Vorliegen überwiegender Gemeinwohlinteressen durch Gesetz entzogen werden17. Weiteres Argument für die Beschränkung des Regelungsgehalts auf die überörtlichen Aufgaben ist auch hier die Tatsache, dass in Abs. 3 für die Aufgabenübertragung die Option des Vorsehens eines Weisungsvorbehalts eröffnet ist. Grammatikalisch nicht eindeutig ist auch die Regelung in Baden-Württemberg18. Sie verwendet einerseits den Oberbegriff der öffentlichen Aufgabe, der eine Einbeziehung der Verpflichtung zur Erfüllung von Aufgaben, die den Gemeinden bereits kraft Verfassungsrechts überlassen sind, einzuschließen scheint. Andererseits wählt sie die Formulierung „können übertragen werden“, die das Gegenteil nahe legt. Insbesondere widerspricht der weiten Interpretation aber die Anordnung in S. 4, dass die Finanzierungs16 Kaplonek, in: Baumann-Hasske/Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 3. Aufl. 2011, Art. 85 Rn. 2; ders., LKV 2004, S. 150 (154). Die von ihm angeführte Literatur und Rechtsprechung des SächsVerfGH stützt seine Aussage nicht zwingend, da sie sich primär auf die Interpretation des Art. 85 Abs. 2 SächsVerf, d.h. auf die Frage der Erstreckung der Konnexitätsregelungen auf die Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben, bezieht. Vor dem Hintergrund des systematischen Zusammenhangs von Abs. 2 und Abs. 1 SächsVerf. liegt eine einheitliche Bestimmung des Anwendungsbereichs zwar nahe, eine abweichende Auslegung ist allerdings nicht ausgeschlossen, da für eine Extension der Vorschrift des Art. 84 Abs. 2 SächsVerf. teleologische Erwägungen sprechen, die auf Abs. 1 nicht übertragen werden können [in diesem Sinne auch SächsVGH LKV 2001, S. 223 (224)]. 17 Ähnlich auch Kaplonek, LKV 2004, S. 150 (154). 18 Art. 71 Abs. 3 S. 1 Verf. B-W.
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anforderungen der Sätze 2 und 3 für die Variante der Verpflichtung zur Wahrnehmung bestimmter Selbstverwaltungsaufgaben analog gelten sollen. Wäre die Variante der Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben bereits von S. 1 umfasst, müsste die Anwendung der Konnexitätsregeln nicht noch einmal explizit und vor allem nicht nur analog angeordnet werden. Folglich sprechen die besseren Argumente auch hier dafür, den Regelungsgehalt der Vorschrift auf die Übertragung staatlicher Aufgaben zu beschränken19. Zusammenfassend ist die Möglichkeit, die Gemeinden zur Erfüllung bestimmter Angelegenheiten zu verpflichten, die ihnen bereits kraft Verfassungsrechts abstrakt zugewiesen sind, primär einfachgesetzlich geregelt. Auf verfassungsrechtlicher Ebene ist dieser Tatbestand explizit lediglich in sechs landesverfassungsrechtlichen Vorschriften normiert. In den übrigen Landesverfassungen wird die Ermächtigung zur Festlegung von Pflichtaufgaben im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Konnexitätsregelungen lediglich implizit vorausgesetzt. 2. Ausschlusswirkung gegenüber einer Verpflichtung unmittelbar kraft Verfassungsrechts Sofern die Möglichkeit der Normierung einer Pflicht zur Wahrnehmung der bereits verfassungsrechtlich den Gemeinden überlassener Aufgaben landesrechtlich vorsehen ist, bleibt die Frage zu klären, ob die entsprechenden Regelungen unmittelbar Ausschlusswirkung in Bezug auf die Anerkennungsfähigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben der Gemeinden entfalten. a) Verfassungsrechtliche Vorgaben Keine der landesverfassungsrechtlichen Vorschriften, die die Variante der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben (mit-)regeln, formuliert ausdrücklich, dass diese Verpflichtung „nur“ durch Gesetz erfolgen könne. Eine Exklusivität der Möglichkeit der einfachgesetzlichen Pflichtigmachung von eigenen Angelegenheiten gegenüber der Kategorie der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben ergibt sich folglich nicht bereits aus der grammatikalischen Auslegung20. Der Wortlaut der Normen lässt isoliert be19 So im Ergebnis wohl auch bereits Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 71 Rn. 48, missverständlich aber Rn. 3 erster Spiegelstrich. 20 So interpretiert wird die Vorschrift in der rheinland-pfälzischen Verfassung aber bei Grupp, in: Wendt/Rixecker, Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 120
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trachtet auch die Interpretation zu, dass eine verfassungsrechtliche Verpflichtung in einem Alternativverhältnis zum speziellen Instrument der einfachgesetzlichen Pflichtigmachung steht. Die Normierung von pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben ermöglicht, für alle Gemeinden eine einheitliche, rechtlich durchsetzbare und dauerhafte Aufgabenwahrnehmung sicherzustellen. Dabei kommt dem Gesetzgeber hinsichtlich der Bewertung der Notwendigkeit einer flächendeckenden Aufgabenerfüllung durch die Gemeinden eine gewisse Einschätzungsprärogative zu. Im Verhältnis zu den verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben könnte die Möglichkeit zur einfachgesetzliche Normierung von Pflichtaufgaben folglich potentiell lediglich eine besondere Form der Eingriffsbefugnis durch die Legislative sein, die dem Gesetzgeber Typisierungen erlaubt und die Begründungs- und Nachweisbedürftigkeit einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit für den Rechtsanwender im Einzelfall erleichtert. Der Wortlaut der landesverfassungsrechtlichen Regelungen, die den Gesetzgeber zur Festlegung von Pflichtaufgaben im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berechtigen, liefert folglich kein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich der Frage der Exklusivität einer Pflichtigmachung kraft Gesetzes gegenüber einer Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben. b) Einfachgesetzliche Wertungen Als weniger interpretationsoffen erweisen sich dagegen einige der Regelungen auf einfachgesetzlicher Ebene. Insbesondere § 3 Abs. 1 GO NRW sieht eine Begründung durch Gesetz ausdrücklich als einzig zulässige Form für die Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe vor. Der Begriff des Gesetzes im Sinne der Vorschrift beschränkt sich, wie die Systematik deutlich macht, auf formelle Gesetze21. In Bayern lässt sich der Gesetzesvorbehalt für die Begründung gemeindlicher AufgabenRn. 7; nach Schröder, in: Grimm/Caesar (Hrsg.), Verfassung für Rheinland-Pfalz, 2001, Art. 49 Rn. 15, wurde Art. 49 Abs. 4 Verf. R-P als Einschränkung der Aufgabenverpflichtung auf besondere Übertragungsformen verstanden, die dem Schutze der Gemeinden dienen sollte, indem sie „exekutiver Zweckmäßigkeit“ entzogen wird; ursprünglich bezog sich die Vorschrift zwar lediglich auf die Übertragung von überörtlichen Angelegenheiten, allerdings kann diese Wertung auch auf die Alternative der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben übertragen werden, die nun ausdrücklich geregelt ist (in diesem Sinne wohl auch Lahmann/Hans/Korger, Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, A 3, Rn. 8 f. 21 Hartmann, in: Articus/Schneider (Hrsg.), Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 4. Aufl. 2012, § 3, S. 93; Wansleben, in: Held/Winkel (Hrsg.), Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 2009, S. 107.
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pflichten aus Art. 57 Abs. 1 S. 2 BayGO ableiten, wonach sich eine Verpflichtung der in S. 1 beispielhaft genannten Aufgaben des eigenen Wirkungskreises nach „den besonderen gesetzlichen Verpflichtungen“ bestimmt. Teilweise wird der Gesetzesvorbehalt22 gegenständlich auf die Begründung neuer Pflichten beschränkt23. Diese Einschränkung auf neue Pflichtaufgaben stellt allerdings nur klar, dass die nach alter Rechtslage noch zulässigerweise durch Rechtsverordnung begründeten Aufgaben von der Neuregelung nicht berührt werden sollten24. Die dargestellten gemeinderechtlichen Regelungen schließen also inzwischen ausdrücklich die Definition einer konkreten Aufgabenverpflichtung durch Behörden und Gerichte abseits der gesetzlich geregelten Pflichtaufgaben grundsätzlich aus. Die Ableitung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit begegnet im Geltungsbereich dieser Normen folglich besonderen Bedenken. Die Regelungen sind positivierter Ausdruck dafür, dass nach der Auffassung des Gesetzgebers selbst allein das Gesetz zulässiges Mittel für die Begründung einer konkreten Aufgabenpflicht der Gemeinde sein soll. Eine verbindliche Ausschlusswirkung kann die einfachgesetzliche Normierungen eines Gesetzesvorbehalts für verfassungsunmittelbare gemeindliche Pflichten im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aber nicht entfalten, da diese einfachgesetzlichen Regelungen ihrerseits wiederum dem Vorbehalt der Verfassungsmäßigkeit unterliegen. Sofern sich aber nachweisen ließe, dass die Grundrechte oder Verfassungspflichten des Grundgesetzes bzw. der jeweiligen Landesverfassung die Wahrnehmung einer konkreten Aufgabe unmittelbar fordern, wäre infolge der Normhierarchie ein einfachgesetzlicher Gesetzesvorbehalt unbeachtlich.
II. Besondere Schutzfunktion des Gesetzes hinsichtlich des kommunalen Selbstverwaltungsrechts Der Vorbehalt des Gesetzes für die Begründung konkreter gemeindlicher Pflichtaufgaben lässt sich aber möglicherweise dennoch unmittelbar durch Wertungen aus dem Verfassungsrecht begründen. Ein Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie ist grundsätzlich nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig. Dies ist in einigen Landesgesetzen ausdrücklich nor22 Saipa, in: Thieme/Schäfer, Niedersächsische Gemeindeordnung, 2. Aufl. 1994, § 4 Rn. 14 f. 23 § 3 S. 1 HessGO; § 4 Abs. 1 S. 2 GO S-A. 24 Dies wird teilweise bereits aus dem Gesetzestext deutlich, vgl. § 4 Abs. 1 S. 1 GO S-A.
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miert25. In Bezug auf die grundgesetzliche Garantie wird ein Gesetzesvorbehalt als Voraussetzung zur Rechtfertigung von Eingriffen in die Selbstverwaltungsgarantie aus der Formulierung „im Rahmen der Gesetze“ abgeleitet26. Klärungsbedürftig ist deshalb, inwiefern der Feststellung einer Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung bestimmter Aufgaben Eingriffsqualität zukommt. Als Parallelwertung werden hierbei wiederum die Grundsätze herangezogen, die für die einfachgesetzliche Pflichtigmachung von Aufgaben entwickelt worden sind. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage, inwieweit die Schutzmechanismen, die eine Aufgabenverpflichtung kraft Gesetzes auslöst, durch die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben umgangen werden. 1. Eingriffsqualität der Verpflichtung zur Erfüllung eigener Aufgaben Die Tatsache, dass die einfachgesetzliche Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung bestimmter Aufgaben einen Eingriff in die Selbstverwaltungsgarantie darstellt, wie sie das Grundgesetz und auch die Landesverfassungen gewährleisten, scheint vor dem Hintergrund der vorangehenden Ausführungen zur wesensbestimmenden Autonomie der Gemeinden hinsichtlich der Aufgabenwahl im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft27 eigentlich als eine Selbstverständlichkeit. Wird der Selbstverwaltungsträger zur Erfüllung einer konkreten Sachaufgabe verpflichtet, wird ihm sein Entschließungsermessen diesbezüglich entzogen und auf diese Weise seine Gestaltungsfreiheit partiell beschränkt. Deshalb ist die gesetzliche Pflichtigmachung einer bestimmten örtlichen Angelegenheit auch nicht ausschließlich eine Frage der Übernahme der finanziellen Verantwortung, sondern zudem sachlich rechtfertigungsbedürftig28. Im verfassungsrechtlich den Selbstverwaltungsträgern überlassenen Kompetenzbereich hat sich der Verfassunggeber grundsätzlich zugunsten der Vorzüge einer örtlichen, potentiell divergierenden Aufgabenerfüllung und gegen zentrale Steuerung entschieden. Aus diesem Grund muss der Gesetzgeber einen hinreichend gewichtigen legitimen Zweck anführen können, wenn er das Prinzip des ge25 Beispielsweise § 2 Abs. 4 S. 1 GO B-W; § 3 Abs. 3 S. 3 GO NRW; § 2 Abs. 4 KV M-V; § 2 Abs. 4 SächsGO; die Landesverfassungen enthalten dagegen keinen entsprechenden ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt. 26 So ausdrücklich BVerfGE 79, 127 (143) st. Rspr.; kritisch zum Begriff des Gesetzesvorbehalts Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Abs. 2 Rn. 187. 27 Dazu oben § 4 C. II. 2. b) bb). 28 Vgl. ausführlich dazu oben § 3 C. I.
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meindlichen Auswahlrechts durchbrechen will. Für eine Definition durch Aufsichtsbehörden gilt grundsätzlich das Vorstehende entsprechend, so dass vor diesem Hintergrund die Annahme des Eingriffscharakters einer konkreten Aufgabenverpflichtung im Allgemeinen nahe liegt, unabhängig von der Form ihres Begründungsakts. 2. Finanzielle Schutzmechanismen An die Gesetzesform sind aber in Bezug auf die Definition von Aufgabenpflichten zudem noch besondere Schutzmechanismen geknüpft. Wie bereits einleitend beschrieben29 wurde der Problematik der Anerkennung der Eingriffsqualität der positiven Zuweisung von Aufgaben erst aufgrund tatsächlicher Entwicklungen, insbesondere der Verschlechterung der Finanzsituation der Gemeinden gesteigerte Aufmerksamkeit beigemessen30. Demzufolge standen auch nachdem sich diese Erkenntnis grundsätzlich durchgesetzt hatte weniger die Voraussetzungen einer sachlichen Rechtfertigung, als vielmehr die Suche nach einer Lösung zur finanziellen Absicherung der Gemeinden bei der Normierung von Aufgabenpflichten im Vordergrund31. Der Finanzierungsproblematik gemeindlicher Pflichtaufgaben haben sich sowohl die verfassungsändernden Gesetzgeber auf Landesebene als auch 29
Vgl. oben § 3 C. I. BVerfGE 119, 331 (354); VerfGH NRW DVBl. 1993, S. 197 (198); Schoch/ Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 44; Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 (237); Petz, DÖV 1991, S. 320 ff.; Henneke, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), GG, 12. Aufl. 2011, Rn. 50, 77; Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 28 Rn. 231; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 18; Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 120; Burgi, Kommunalrecht, 4. Aufl. 2012, Rn. 30; Unseld, Die Rechtsstellung kommunaler und funktionaler Selbstverwaltungskörperschaften bei ihrer Inspruchnahme für staatliche Aufgaben, 2008, S. 46 ff.; Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 825, schätzt das Gefahrenpotential der Aufgabenverpflichtung sogar als größer ein als das der Aufgabenentziehung; VerfGH Thür NVwZ-RR 1997, S. 665 (669), lässt dagegen die Eingriffsqualität insbesondere der Verpflichtung zur Erfüllung eigener Angelegenheiten noch offen; auch Kirchhof, in: Ipsen (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise, 1995, S. 55, bestätigt, dass bis zu diesem Zeitpunkt, Art. 28 Abs. 2 GG „ausschließlich eine Rolle“ hinsichtlich des staatlichen Entzugs von Aufgaben spielte. 31 In diesem Sinne Faber, in: Stein/Denninger/Hofmann Riem (Hrsg.), AK-GG, Bd. 2, Art. 28 Abs. 2 S. 1 Rn. 38; etwas zu weit geht möglicherweise die Aussage von Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 (238), nach dem die gesetzliche Zuweisung einer Aufgabe „allein die Funktion hat, die Kommunen vor der Statuierung neuer pflichtiger Selbstverwaltungsaufgaben mit den aus der Aufgabenwahrnehmung resultierenden Kosten zu schützen“; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung, 1995, S. 114 f.; kritisch dazu Schmidt-Jortzig, DVBl. 2007, S. 96 (98). 30
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§ 7 Verfassungsrechtliche Konzeption
die Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung im Rahmen der Föderalismusreform I angenommen32. Durch das Zusammenspiel von bundes- und landesverfassungsrechtlichen Regelungen wurde ein finanzielles Schutzkonzept konstruiert, das vom Ansatz her durchaus geeignet erscheint, die angespannte Haushaltssituation der Gemeinden nicht weiter zu verschärfen33. Die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben könnte die Errungenschaften dieser Konzeption konterkarieren34. Kern der ergänzenden finanziellen Absicherung sind die sogenannten Konnexitätsregelungen, die die Landesverfassungen inzwischen flächendeckend vorsehen35. Diese beruhen auf dem Gedanken der Verknüpfung von Aufgabenverantwortung und Finanzierungslast36 und normieren verallgemeinernd dargestellt eine Pflicht des Landes, im Zuge der einfachgesetzlichen Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung von Aufgaben die Finanzierungsfrage zu regeln und im Falle zusätzlicher Kosten auf Seiten der Gemeinden finanzkraftunabhängig einen Ausgleich zu schaffen. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass den Gemeinden genügend finanzieller Spielraum für die Erfüllung der freiwilligen Aufgaben verbleibt und nicht ein Großteil der Mittel durch Pflichtaufgaben gebunden wird37. Die Einführung einer Konnexitätsregelung im Verhältnis von Bund zu den Gemeinden, d.h. bei der Übertragung einer Aufgabe durch Bundesgesetz, wurde ebenfalls erwogen38, im Ergebnis jedoch insbesondere aufgrund der Intention der Entflechtung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern und der Zugehörigkeit der Gemeinden zur Landesstaatsgewalt verworfen39. 32
Vgl. dazu bereits überblicksartig oben § 3 C. I. 3., § 3 C. II. Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 32. 34 Dies mahnen beispielsweise auch Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (86), an. 35 Die erste Konnexiätsregelung wurde in Baden-Württemberg in Gestalt von Art. 71 Abs. 3 Verf. B-W mit Geltung ab dem 11. November 1953 eingeführt (GBl. S. 173), vgl. zu dieser Norm als „Musterregelung“ Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 113; Henneke, Der Landkreis 2005, S. 255 f. 36 Schoch, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Aufgaben, 1995, S. 38 f. 37 Dazu beispielsweise SächsVerfGH LKV 2001, S. 223 (225); VerfGH NRW NVwZ 1985, S. 820 (820 ff.); Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 121 f.; Ziekow, DÖV 2006, S. 489 (491) m. w. N. 38 Vgl. Gesetzesentwurf der FDP-Bundestagsfraktion BT-Drs. 16/1247; hierzu Schmidt-Jortzig, DVBl. 2007, S. 96 (97). 39 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte Henneke, NdsVBl. 2007, S. 57 (59) m.z.N., insbesondere auch der partiellen Wiedergabe der entsprechenden Kommissionsmaterialien; in diesem Sinne schon Isensee, DVBl. 1995, S. 1 (7); die teilweise 33
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Stattdessen wurde der Weg gewählt, dem Bund eine direkte Aufgabenübertragung an die Gemeinden zu verbieten (vgl. Art. 84 Abs. 1 S. 7, 85 Abs. 1 S. 2 GG). a) Regelungsbereich und Reichweite der Konnexitätsregelungen Für die Beurteilung, inwiefern dieser finanzielle Sicherungsmechanismus wertungsmäßig einer Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben entgegensteht, muss zunächst näher auf den Regelungsgehalt der entsprechenden Vorschriften eingegangen werden. Zudem muss insbesondere begründet werden, warum die ergänzenden und überwiegend nachträglich eingefügten landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen dogmatisch überhaupt als Wertungsmaßstab gegen die Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben herangezogen werden können. aa) Pflichtigmachung von örtlichen Angelegenheiten als konnexitätsauslösender Tatbestand Damit den landesrechtlichen Vorschriften über die Finanzierung von gemeindlichen Aufgaben Maßstabsfunktion für die Bewertung der Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben zukommen kann, müsste sich ihr Regelungsgehalt auf eine wertungsmäßig vergleichbare Interessenkonstellation beziehen. Da der Anwendungsbereich der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt ist, wäre eine Umgehungsgefahr grundsätzlich nur dann begründbar, wenn sich der Bezugsgegenstand der Konnexitätsregelungen nicht nur auf die Übertragung überörtlicher Aufgaben beschränkt, sondern sich auch auf die Verpflichtung zur Erfüllung örtlicher Aufgaben erstreckt. Während die Finanzierungspflicht für Fremdverwaltungsaufgaben umittelbar einsichtig ist, weil diese nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung grundsätzlich der Verantwortung des Staates obliegen, gilt dies bezüglich der pflichtig gemachten Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht gleichermaßen, da diese kraft Verfassungsrechts im Grundsatz den Gemeinden überantwortet sind40. Folglich muss geklärt werden, inwiefern die unangestellte Überlegung, das aus Art. 104a GG folgende Konnexitätsprinzip auf das Bund-Kommunen-Verhältnis zu erstrecken, wurde im Ergebnis zu Recht abgelehnt, z. B. Hufen, DÖV 1995, S. 276 (279) m. w. N.; Schmidt-Aßmann, Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, in: Badura/Dreier (Hrsg.), Festschrift 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, Bd. 2, 2001, S. 823; Hartmann/Meßmann, JuS 2006, S. 246 (250). 40 Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch (Hrsg.), Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139 (152); für eine Beschränkung des Konnexitätsprinzips auf die übertra-
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terschiedlichen landesrechtlichen Regelungen auch die Variante der Pflichtigmachung von eigenen Angelegenheiten erfassen. Ausweislich des Wortlautes eindeutig für eine Einbeziehung der Pflichtigmachung von eigenen Angelegenheiten haben sich die verfassungsändernden Gesetzgeber in Bayern41, dem Saarland und Baden-Württemberg entschieden. In letzterem Falle wurde 2008 die bestehende Regelung – u. a. als Reaktion auf die restriktive Interpretation des Verfassungsgerichtshofs – erweitert42. Im Rahmen dieser Änderung wurde Art. 71 Abs. 3 S. 4 Verf. B-W eingeführt, der ausdrücklich die entsprechende Anwendbarkeit der Konnexitätsregelungen auf die Umwandlung von freiwilligen in pflichtige Aufgaben anordnet43. Auch im Saarland schreibt Art. 120 Abs. 2 SaarlVerf. ausdrücklich vor, dass die Kostendeckungspflicht nach Abs. 1 für die Übertragung staatlicher Aufgaben gleichermaßen auch dann gilt, wenn das Land Aufgaben, die es bisher selbst wahrgenommen hat, den Gemeinden zur Pflicht macht. Da aber bereits Abs. 1 der Vorschrift die Finanzierungspflicht für staatliche Aufgaben umfassend normiert, kann sich Abs. 2 nur auf der Rechtnatur nach gemeindliche Aufgaben beziehen, die bisher hochgezont waren. Problematisch hinsichtlich dieser Regelung ist, dass sie die Ausgleichspflicht dem Wortlaut nach an die vorherige Wahrnehmung der Aufgabe durch das Land anknüpft und somit nicht anwendbar ist, sofern die Aufgabe bisher entweder gar nicht oder von den Gemeinden freiwillig wahrgenommen wurde44.
genen Fremdverwaltungsaufgaben auch SaarlVerfGH NVwZ-RR 1995, S. 153 (153 f.); Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 202. 41 Art. 3 Abs. 3 S. 1 BayVerf. 42 Nach der Rechtsprechung war die Anwendbarkeit bis dahin insbesondere davon abhängig, dass die Aufgabe vorher durch das Land wahrgenommen wurde (vgl. StGH B-W VBlBW 1999, S. 294 [299]), so dass die Konnexität bisher nicht ausgelöst wurde, wenn die Aufgabe vorher von keinem staatlichen Träger wahrgenommen wurde (vgl. ausdrücklich den Gesetzesentwurf zur Verfassungsänderung LTDrs. 14/2442, S. 1). 43 Bereits die Vorgängerregelung in diesem Sinne interpretierend StGH B-W VBlBW 1999, S. 18 (20) 1999, S. 294 (299); zustimmend Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (125); Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, S. 202; Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 121 f. 44 Diese Einschränkung findet sich auch im Bericht der Enquêtekommission, LTDrs. 11/2043, Rn. 146, S. 62, der zudem im Allgemeinen von einer Erweiterung über die vorgeschlagenen Fälle ausdrücklich abrät (Rn. 151, S. 64); dem folgt auch ausdrücklich unter Kenntnisnahme der abweichenden Regelungen in den anderen Bundesländern der VerfGH Saarl, Beschluss vom 13.03.2006 – Az.: Lv 2/05 – juris, Rn. 81 f.; vgl. zur Würdigung dieser Regelung sogleich unten dd).
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Eingeschlossen wird die Variante der Pflichtigmachung von örtlichen Angelegenheiten grundsätzlich auch von den Konnexitätsregelungen der Länder, die bereits bei der Normierung der Möglichkeit der einfachgesetzlichen Verpflichtung nicht zwischen örtlichen und überörtlichen Angelegenheiten unterscheiden45 oder beide Konstellationen nennen46, da die Finanzierungsregelungen sich systematisch unmittelbar auf diese beziehen. Die unglückliche Wahl des Begriffes „Übertragung“47, die genau genommen auf die bereits kraft Verfassungsrechts den Gemeinden überlassenen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht passt48, führt indessen nach zustimmungsbedürftiger Ansicht nicht zu einer Einschränkung ihres Anwendungsbereichs. Hier überwiegen teleologische49 und genetische Argumente50 den missverständlichen Wortlaut. 45 So inzwischen die Regelungen in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern (anders noch Art. 72 Abs. 3 Verf. M-V a. F., vgl. dazu Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 141), und Nordrhein-Westfalen (vgl. dazu ausdrücklich die Gesetzesmaterialien LT-Drs. 13/5515, S. 23 und die Klarstellung in dem zur Ausgestaltung der Verfassungsnorm erlassenen Ausführungsgesetz, § 2 Abs. 1 S. 2 KonnexAG). 46 Nach Art. 57 Abs. 4 NdsVerf. a. F. war die Konnexitätsregelung noch auf die auf die Konstellation der Übertragung staatlicher Aufgaben beschränkt, inzwischen ist sie aber auf den Fall der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben erstreckt worden, was sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, vgl. dazu Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 177, 141; der Hinweis auf die abweichende Auffassung des Niedersächsischen Verfassungsgerichtshofs zu Art. 57 Abs. 4 NdsVerf., den auch die Entscheidung des SächsVerfGH LKV 2001, 223 (224) enthält, ist deswegen ungenau, weil zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die Beschränkung auf staatliche Aufgaben im Verfassungstext ausdrücklich vorgesehen war. Zur Regelung in Sachsen-Anhalt, vgl. VerfGH S-A DVBl. 2004, S. 434 (435). 47 Art. 49 Abs. 5 Verf. R-P; Art. 78 NdsVerf.; ebenso noch Art. 71 Abs. 3 Verf. B-W a. F. 48 Kaplonek, LKV 2004, S. 150 (153 ff.), der die direkte Anwendung des Art. 85 Abs. 2 SächsVerf. ablehnt und anstatt dessen für eine analoge Anwendung der Vorschrift plädiert; Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 122, behilft sich dadurch das er die Pflichtigmachung als qualitative Übertragung bezeichnet; Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch (Hrsg.), Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139 (152), hält den Wortlaut zumindest für nicht eindeutig. 49 SächsVerfGH LKV 2001, S. 223 (224 f.); VerfG S-A NVwZ-RR 1999, S. 93 (98); StGH BW ESVGH 49, 5 (8 f.); Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 202 f.; Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 122, 165, der lediglich auf die zur Pflicht gemachte Aufgabe selbst, nicht aber auf die Verengung des finanziellen Gestaltungsspielraums für die noch freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben eingeht; speziell zur Regelung in Rheinland-Pfalz, vgl. Lahmann, KommJur 2005, S. 127 (128). 50 Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 121 f.
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Problematischer ist dagegen die Regelung in Brandenburg, wenn man – wie hier vertreten51 – eine Einschränkung des Regelungsgehalts der Norm zur Möglichkeit der einfachgesetzlichen Verpflichtung (Art. 97 Abs. 3 S. 1 BbgVerf.) auf staatliche Aufgaben annimmt. Der systematische Zusammenhang des Art. 97 Abs. 3 S. 2 BbgVerf. mit S. 1 legt nahe, auch die Konnexitätsfolgen ausschließlich auf die Übertragung überörtlicher Aufgaben zu beschränken. Allerdings wird in S. 2 als konnexitätsauslösender Tatbestand die einfachgesetzliche Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben genannt und somit hinsichtlich des Bezugsgegenstandes ein abweichender Begriff verwandt. Dies rechtfertigt, den Anwendungsbereich des Art. 97 Abs. 3 S. 2 BbgVerf. weiter zu interpretieren als den des S. 1 und folglich auch eine Konnexitätspflicht im Falle einer Verpflichtung zur Erfüllung eigener Angelegenheiten anzunehmen52. Sehr missverständlich ist die hessische Regelung (Art. 137 Abs. 6 S. 1 HessVerf.), die die Kostenregelungspflicht dem Wortlaut nach auf staatliche Aufgaben beschränkt. Die Kostenausgleichspflicht erstreckt sich nach Art. 137 Abs. 6 S. 2 HessVerf. aber ausdrücklich auch auf eine Mehrbelastung oder Entlastung durch die Übertragung neuer oder die Veränderung bestehender eigener Aufgaben53. Richtigerweise muss man auch hier insgesamt eine Erstreckung von Kostenregelungs- und Kostenausgleichspflicht auf die Verpflichtung zur Erfüllung eigener Angelegenheiten annehmen54. Klar gegen eine Einbeziehung dieser Konstellation in die Konnexitätsanforderungen sprechen Wortlaut und Systematik der Regelungen in Sachsen und Thüringen. Sie nehmen Bezug auf die Vorschriften, die die Möglichkeit zur einfachgesetzlichen Verpflichtung regeln und die sich, wie oben dargestellt55, auf die Übertragung überörtlicher Aufgaben beschränken, während die Verpflichtung zur Erfüllung eigener Angelegenheiten nicht explizit geregelt ist. Trotzdem erstreckt der SächsVerfGH die Konnexitätsregelungen insbesondere aus teleologischen Überlegungen auch auf die Variante der Pflichtigmachung von Selbstverwaltungsaufgaben56. Er stellt 51
Vgl. soeben § 7 A. I. 1. a). So auch Kühne, LKV 2005, S. 58 (58); Schumacher, LKV 2005, S. 41 (42); Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 145, der dies aber ohne nähere Begründung als Selbstverständlichkeit darstellt; ausdrücklich stellt der Beschluss des Landtages LT-Drs. 2/6179-B fest, dass unter den Begriff der öffentlichen Aufgaben sowohl übertragene staatliche als auch pflichtige Selbstverwaltungsaufgaben fallen sollen. 53 Zusätzlich erschwert wird die Interpretation durch die missverständliche Gesetzesbegründung, vgl. dazu Henneke, Der Landkreis 2005, S. 378 (383). 54 Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 155. 55 Vgl. soeben § 7 A. I. 1. a). 52
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zutreffend fest, dass durch die Normierung von Pflichtaufgaben im Allgemeinen unabhängig von ihrer Charakterisierung als örtlicher oder überörtlicher Angelegenheit finanzielle Mittel gebunden werden und sich dadurch der gemeindliche Gestaltungsspielraum im Hinblick auf freiwillige Aufgaben verkleinert57. Somit wird auch durch die Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung von Aufgaben, die ihnen bereits kraft Verfassungsrechts überlassen sind, ein Resultat erzielt, das nach der Intention der Konnexitätsregelungen gerade verhindert werden soll58. Abweichend hierzu interpretiert der ThürVerfGH die Konnexitätsregelungen getreu ihrem Wortlaut und ihrem systematischen Zusammenhang und schränkt ihren Anwendungsbereich folglich auf die Übertragung von Fremdverwaltungsaufgaben ein59. Im Ergebnis ist der Tatbestand der Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung von bestimmten Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ausschließlich in Thüringen nicht von den die Selbstverwaltung flankierenden finanziellen Schutzmechanismen umfasst. In allen anderen Ländern ist inzwischen auch diese Art gemeindlicher Pflichtaufgaben entweder kraft ausdrücklicher Anordnung oder in Folge systematischer oder teleologischer Interpretation der entsprechenden Vorschrift konnexitätsauslösend. Die Ableitung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben ist somit dem Grunde nach geeignet, die landesverfassungsrechtlichen Sicherungen finanzieller Art, die bei der gesetzlichen Begründung von Aufgabenpflichten auch im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft greifen, zu umgehen60. Die Interessenlage ist mit der Konstellation der gesetzlichen 56
SächsVerfGH LKV 2001, S. 223 (224 f.). Ausdrücklich SächsVerfGH LKV 2001, S. 223 (224 f.): es kommt nicht darauf an „ob den kommunalen Selbstverwaltungsträgern eine – im Sinne des hergebrachten Aufgabendualismus – ursprünglich staatliche Aufgabe übertragen wird“; so bereits Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 202; der Hinweis auf die abweichende Auffassung des Niedersächsischen Verfassungsgerichtshofs zu Art. 57 Abs. 4 NdsVerf. trägt nicht, weil zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die Beschränkung auf staatliche Aufgaben im Verfassungstext ausdrücklich vorgesehen war. 58 SächsVerfGH LKV 2001, S. 223 (225); VerfGH NRW NVwZ 1985, S. 820 (820 ff.); Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 121 f.; Ziekow, DÖV 2006, S. 489 (491) m. w. N.; zur Ansicht, dass es allein darauf ankommen kann, dass die Aufgabenwahrnehmung heteronom veranlasst wurde vgl. Kirchhof, Gutachten zum 61. DJT, 1996, D 93. 59 VerfGH Thür NVwZ-RR 2005, S. 665 (667, 669), obwohl nach eigener Aussage der von der Konnexität intendierte Zweck des Schutzes des Selbstverwaltungsrechts durch die Verhinderung einer Schmälerung der Ressourcen für die freiwilligen Aufgaben (S. 669) in Bezug auf die pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben gleichermaßen gilt; kritisch zu der Regelung deshalb Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 133. 60 Andeutungsweise bei Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (86). 57
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Pflichtigmachung insofern vergleichbar, als auch bei der Feststellung einer Verpflichtung durch Gerichte oder Aufsichtsbehörden gleichermaßen eine heteronome Fremdbestimmung hinsichtlich der Verwendung der Finanzmittel eintritt. Lediglich in Thüringen kann von einer echten Umgehung der Konnexitätsregelung durch die Ableitung von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben wegen ihres auf die Übertragung staatlicher Angelegenheiten beschränkten Regelungsgehaltes nicht gesprochen werden. bb) Konnexitätspflicht in Bezug auf bereits wahrgenommene Aufgaben Zu klären ist ferner, inwiefern für die Bewertung des Umgehungspotentials zusätzlich danach zu differenzieren ist, ob und von wem die Aufgabe bisher wahrgenommen wurde. Dass Bundesverwaltungsgericht hat im Rahmen der in der Einleitung dargestellten Weihnachtsmarkt-Entscheidung61 eine Aufgabe beurteilt, die die Gemeinde zuvor freiwillig wahrgenommen hat. Sofern die Anwendbarkeit der Konnexitätsregelungen in Fällen der bisher freiwilligen Wahrnehmung ohnehin ausgeschlossen ist, ergibt sich durch die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben im durch das Bundesverwaltungsgericht definierten Sinne kein Wertungswiderspruch. Dass die Ausgleichspflicht nur bei einer Verpflichtung zur Erfüllung einer kommunalen Aufgabe greift, die vorher durch einen anderen Verwaltungsträger wahrgenommen worden ist, regelt die saarländische Verfassung sogar ausdrücklich62. Nach überzeugender Ansicht muss aber die tatbestandliche Eröffnung der Konnexitätsregelungen auch dann gelten, wenn die Gemeinden die pflichtig gemachte Aufgabe bereits freiwillig erfüllt haben63, da sich die Rechtsposition der Gemeinde durch die Pflichtigmachung jedenfalls wesentlich verändert64. Die einfachgesetzliche Verpflichtung entzieht der Gemeinde ihr 61
BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris = DVBl. 2009, S. 1382 ff. (Leitsatz und Gründe). 62 Vgl. insbesondere den Wortlaut des Art. 120 Abs. 2 SaarlVerf. (dazu näher sogleich); noch zur alten Rechtslage in Baden-Württemberg, vgl. StGH B-W VBlBW 1999, S. 294 (299); durch der Erweiterung der Konnexitätsregelung durch Gesetzesänderung vom 30. April 2008 (LT-Drs. 14/2682) soll diese Einschränkung nach ausdrücklichem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers nun aber nicht mehr gelten (LT-Drs. 14/2442, S. 1). 63 Deutlich Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (126), der insbesondere die abweichende Rechtsprechung des StGH B-W scharf kritisiert. 64 Lahmann, KommJur 2005, S. 127 (128); zur Pflichtigmachung als wesentliche Qualitätsveränderung der Aufgabe auch Wendt/Elicker, VerwArch 93 (2002), S. 187 (192 f.).
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Entschließungsermessen hinsichtlich der Wahrnehmung der Aufgabe, so dass eine vollständige Entledigung dann nicht mehr zulässig ist65. So tritt auch im Falle einer bisher freiwilligen Wahrnehmung eine Verengung des gemeindlichen Handlungsspielraums ein. Durch die gesetzliche Verpflichtung entzieht der Gesetzgeber die Aufgabenverantwortung den Gemeinden zumindest partiell und trifft anstatt der Gemeinde die Entscheidung über das „Ob“ der Aufgabenerfüllung, so dass auch nach dem Grundgedanken des Konnexitätsprinzips, der Kongruenz von Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung66, eine Kostentragung des Landes gefordert ist67. Auch die Tatsache, dass die finanziellen Sicherungsmechanismen sich teilweise ausdrücklich auf neue Aufgaben beschränken, steht dem nicht entgegen. Diese Einschränkung bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Regelungen keine Rückwirkung auf bereits begründete Verpflichtungen haben sollen68. Die Einbeziehung der Pflichtigmachung bereits freiwillig wahrgenommener Selbstverwaltungsaufgaben ist lediglich schwer mit dem Wortlaut des Art. 120 Abs. 2 SaarlVerf. in Einklang zu bringen, der eine Kostenübernahme für die Verpflichtung zur Wahrnehmung einer örtlichen Angelegenheit ausdrücklich nur dann fordert, wenn diese bisher das Land wahrgenommen hat69. Nimmt man die wortlautgetreue Rechtsprechung des saarländischen Verfassungsgerichtshofs70 hierzu hin, beschränkt sich das Umgehungspotential der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe bezüglich der saarländischen Regelung lediglich auf den Fall der Kommunalisierung einer bisher staatlicherseits wahrgenommenen Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft. Gegen eine Ableitung einer verfassungsunmittelbaren Fortführungspflicht, wie sie das Bundesverwaltungsgericht in der Ent65
Wendt/Elicker, VerwArch 93 (2002), S. 187 (192 f.). Schoch, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Aufgaben, 1995, S. 38 f. 67 Wohl anders Maurer, in: Henneke/Maurer/Schoch (Hrsg.), Die Kreise im Bundesstaat, 1994, S. 139 (152). Allerdings kann die bereits freiwillig erfolgte Wahrnehmung sich bei der Ermittlung der Mehrbelastung niederschlagen, vgl. dazu Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 123. 68 Den Schutzzweck der Konnnexitätsregelung als Stabilisierung eines vorhandenen Zustands umschreibend Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 120 m. w. N.; Henneke, Der Landkreis 2005, S. 255 (262); zur Regelung in Schleswig-Holstein, LT-Drs. 14/1245, S. 18; kritisch zur Praxis des StGH BW, der auch vorkonstitutionelle Gesetze anhand von Art. 71 Abs. 3 Verf. B-W a. F. geprüft hat, Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, Art. 71 Rn. 65. 69 Vgl. den Bericht der Enquêtekommission, LT-Drs. 11/2043, S. 66 Rn. 162; dieses Ergebnis konstatiert und kritisiert auch Henneke, Der Landkreis 2001, S. 120 (129). 70 VerfGH Saarl, Beschluss vom 13.03.2006 – Az.: Lv 2/05 – juris, Rn. 81 f. 66
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scheidung zum Offenbacher Weihnachtsmarkt71 angenommen hat, lässt sich vor diesem Hintergrund im Saarland dagegen das Argument der Umgehung der landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelung nicht anführen. Da das Land auch im Fall der gesetzlichen Normierung einer bisher freiwillig durch die Gemeinden wahrgenommenen Aufgabe keine Finanzierungspflichten trifft, ergibt sich aus der Anerkennung einer verfassungsunmittelbaren Pflicht eine Aufgabe fortzuführen kein unmittelbarer Wertungswiderspruch. cc) Anwendbarkeit der Konnexitätsregelungen auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben Unproblematisch wäre die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben in finanzieller Hinsicht aber unabhängig von der Reichweite der Konnexitätsregelungen dann, wenn auch durch die verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben die finanzielle Ausgleichspflicht ausgelöst würde, da eine Schutzlücke in diesem Fall von vorherein nicht zu befürchten wäre. Trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung der Regelungen im Einzelnen lässt sich diese Frage aber einheitlich negativ beantworten. Gemeinsamer Nenner fast aller Vorschriften ist, dass sie als Voraussetzung für das Eingreifen der Kostendeckungspflicht die Übertragung einer konkreten Aufgabe durch Landesgesetz72 vorsehen. Eine Auslösung der landesverfassungsrechtlichen Konnexitätspflicht durch die Begründung von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben scheitert jedenfalls an dem Fehlen eines Übertragungsaktes durch Gesetz als einer zurechenbaren Entscheidung des Landesparlaments73. Unabhängig davon, ob der Gesetzesbegriff in diesem Zusammenhang auf formelle Gesetze beschränkt ist74 oder auch Rechtsverordnungen umfasst75, lässt sich die Einbeziehung von Verfassungsgesetzen, 71 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az: 8 C 10/08 – juris = DVBl. 2009, S. 1382 ff. (Leitsatz und Gründe). 72 Zur Ausnahme in Bayern, wo sich dem Wortlaut nach explizit keine Beschränkung der Konnexitätspflicht auf die Übertragung durch gesetzliche Regelung findet, vgl. näher sogleich. 73 Vgl. zur Einschränkung auf Verpflichtungen, die der Entscheidungsgewalt des Landesgesetzgebers unterstehen VerfG Bbg NVwZ-RR 2009, S. 185 (185), bezugnehmend auf die Gesetzesentstehung (LT-Drs. 2/6133, Anlage 1 S. 2 bzw. Erläuterung zur Änderung des Art. 97 Abs. 3 durch Beschluss des Landtages von 18.03.1999 LT-Drs. 2/6179-B). 74 So Art. 71 Abs. 3 S. 1 Verf. B-W, Art. 85 Abs. 1 SächsVerf.; dazu Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 114 f. 75 So ausdrücklich Art. 49 Abs. 2 Verf. S-H, Art. 97 Abs. 3 BbgVerf, aufgrund ihrer systematischen Inbezugnahme Art. 73 Verf. M-V; Art. 78 Abs. 3. S. 2 Verf.
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die Grundlage der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit sind, weder mit dem Wortlaut noch dem Normzweck der Konnexitätsregeln vereinbaren. Aus der teleologischen Auslegung ergibt sich ferner, dass auch in Bayern, wo das Konnexitätsprinzip nicht an eine Verpflichtung durch Gesetz anknüpft, sondern dem Wortlaut nach rechtsformunabhängig ausgestaltet ist, eine Erstreckung des Art. 83 Abs. 3 S. 1 BayVerf. auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben nicht in Betracht kommt, obwohl ausweislich der Gesetzesbegründung auch andere Rechtsformen als das Gesetz die entsprechenden Rechtsfolgen auslösen können sollen76. Die Kostenregelungs- und Kostendeckungspflicht hat primär Disziplinierungsfunktion gegenüber dem Gesetzgeber77. Ihm steht grundsätzlich im Rahmen seines verfassungsrechtlichen Gestaltungspielraums das Wahlrecht zu, eine örtliche Aufgabe der Autonomie der Selbstverwaltung zu überlassen oder die einheitliche Aufgabenerfüllung durch gesetzliche Verpflichtung sicherzustellen. Durch die Konnexitätsregelungen soll dem Gesetzgeber nur die komfortable Möglichkeit abgeschnitten werden, dass er seine politischen Wünsche auf Kosten der Gemeinden erfüllt78. Bei der Ableitung von Pflichtaufgaben aus der Verfassung durch Aufsichtsbehörden oder Gerichte trifft aber der Gesetzgeber, unabhängig davon, ob man auf die Verfassung als Rechtsquelle oder den Akt der erkennenden Organe abstellt, keine solche ihm zurechenbare Entscheidung79. Mit der Erstreckung des Konnexitätsprinzips auf unmittelbar aus dem Verfassungsrecht abgeleitete Aufgaben würde ihm folglich die Finanzierungspflicht für eine Aufgabe aufgebürdet, deren Begründung er selbst nicht einmal mittelbar zu verantworten hat. Ansatzpunkt für die KostentragungsNRW, dazu auch Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 146 f., S. 171. 76 Vgl. Begründung zu Art. 1 § 1 Nr. 3a „Gesetz über den Zusammentritt des Landtags nach der Wahl, über die Parlamentsinformation und zur Verankerung eines strikten Konnexitätsprinzips“, LT-Drs. 14/12011, S. 6. 77 Dazu auch Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (127 f.), sowie zu den weiteren Funktionen des Konnexitätsprinzips; ebenso bereits Wolff, BayVBl. 2004, S. 129 (130), zur Verschärfung des Konnexitätsprinzips in der Bayerischen Verfassung. 78 VerfG M-V KommJur 2010, S. 292 (294); Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (127 f.); in Bezug auf die Gesamtkonzeption von Konnexitätsregelungen und Durchgriffsverbot Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 32. 79 Die Erforderlichkeit eines eigenen Verantwortungsbeitrags des Landesgesetzgebers wurde auch problematisiert bei der nach alter Rechtslage noch eingeschränkt möglichen Aufgabenzuweisung durch Bundesrecht im Zusammenhang mit der Begründung einer Verpflichtung aus dem Europarecht (vgl. dazu ausführlich mit weiteren Nachweisen Ziekow, DÖV 2006, S. 489 ff.); auch die Begründung zu Art. 1 § 1 Nr. 3a „Gesetz über den Zusammentritt des Landtags nach der Wahl, über die Parlamentsinformation und zur Verankerung eines strikten Konnexitätsprinzips“, LTDrs. 14/12011, S. 6, stellt ausdrücklich auf das „Verursacherprinzip“ ab.
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pflicht ist nach dem Prinzip der Konnexität aber gerade die Verantwortlichkeit für die entsprechende Aufgabe80. Mit einer Ausweitung der Konnexitätsanforderungen auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben ginge folglich ein erheblicher Eingriff in das parlamentarische Budgetrecht einher. Diese Konsequenz wäre von der Intention der Konnexitätsregelungen aber nicht mehr gedeckt, so dass eine teleologische Extension ihres Anwendungsbereiches auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben abzulehnen ist81. Im Ergebnis greifen im Falle einer Ableitung gemeindlicher Pflichtaufgaben unmittelbar aus dem Verfassungsrecht die landesrechtlichen Konnexitätsregelungen nicht. Vor diesem Hintergrund besteht die Gefahr, dass der finanzielle Schutzmechanismus, den die Landesverfassunggeber geschaffen haben, durch die Anerkennung der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe untergraben wird. b) Finanzielle Absicherung als Ausgestaltung der Selbstverwaltungsgarantie Es bleibt aber – selbst wenn man die landesverfassungsrechtlichen Vorschriften mit eingeschränktem Regelungsgehalt ausblendet – die Frage offen, ob die Umgehung der Konnexitätsregelungen im Fall der verfassungsunmittelbaren Begründung einer Aufgabe tatsächlich als valides Argument gegen die Anerkennung der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe angeführt werden kann. aa) Einwände gegen eine Maßstabsfunktion der Konnexitätsregelungen Der Argumentation könnte als Schwäche unterstellt werden, dass es sich bei den Konnexitätsregelungen lediglich um landesverfassungsrechtliche Vorschriften handelt, die zumindest einer Ableitung von Pflichtaufgaben aus dem höherrangigen Bundesverfassungsrecht nicht entgegenstehen können. Die überkommene Mindestgehaltsdogmatik hinsichtlich Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Verhältnis zu der Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung in den Landesverfassungen, die ein höheres Schutzniveau auf Landesebene zulässt, kann den Einwand gegen die fehlende Maßstabsfunktion landesver80
Schoch, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste Aufgaben, 1995, S. 38; die Beeinflussbarkeit sieht Grundlach, LKV 1999, S. 201 (203), als entscheidendes Kriterium an; ebenso Meyer, LKV 2000, S. 1 (3); Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 123. 81 Zur potentiellen Erweiterung infolge einer grundgesetzkonformen Interpretation vor dem Hintergrund des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG, vgl. unten § 7 A. II. 2. c).
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fassungsrechtlicher Regelungen nicht widerlegen bzw. erweist sich hier wiederum als problematisch82. Dass die Landesverfassungen den Gemeinden in finanzieller Hinsicht einen über den grundgesetzlichen Standard hinausgehenden Schutz gewährleisten, ist danach zwar im Grundsatz zulässig. Im mittelbaren Konflikt, der sich zwischen einer potentiellen bundesverfassungsunmittelbaren Verpflichtung und der Umgehung der besonderen landesverfassungsrechtlichen Schutzvorschriften durch diese ergibt, bietet die Mindestgehaltsdogmatik allerdings keinen tauglichen Maßstab. Entsprechend der allgemeinen Normenkollisionsregeln müssten auch hier im Ergebnis die landesverfassungsrechtlichen Wertungen hinter einer grundgesetzlich begründeten Pflichtigkeit zurücktreten, so dass die Umgehung der Konnexitätsregelungen nicht als gewichtiges Gegenargument gegen die Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe angeführt werden könnte. Die Aushebelung der finanziellen Schutzmechanismen wäre folglich lediglich im Rahmen einer gesamtsystematischen Interpretation der jeweiligen Landesverfassung als ein einer Verpflichung aus den landesverfassungsrechtlichen Vorschriften entgegenstehender Wertungsgesichtspunkt beachtlich. Dieses Ergebnis kann aber nur überzeugen, wenn es sich bei den besonderen finanziellen Schutzmechanismen lediglich um überobligatorische Ergänzungen der allgemeinen verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtspositionen der Gemeinden, wie sie in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiert werden, handeln würde. Stellte die konkrete Finanzierungspflicht für gesetzlich begründete Pflichtaufgaben nur eine besondere Privilegierung der Gemeinden dar, ohne dass für diese eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit bestünde, wäre ein eng gefasster Anwendungsbereich bzw. die Unanwendbarkeit auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben nicht nur aus bundesverfassungsrechtlicher Sicht hinnehmbar, sondern würde möglicherweise auch in Bezug auf eine landesverfassungsrechtlich begründete Aufgabenverpflichtung keine zwingende Ausschlusswirkung entfalten. Tatsächlich sind die Konnexitätsregelungen aber vor dem Hintergrund der Entwicklung der finanziellen Situation der Gemeinden und des Funktionszusammenhangs von Finanz- und Aufgabengarantie83 verfassungsrechtlich als Schutzverstärkung zu den allgemeinen Garantien auf Bundes- und Landesebene entwickelt worden, um die Selbstverwaltung gegen weitere Aushöhlung zu schützen84. Die Konnexitätsregelungen in den Landesverfas82 Zur Problematik der Mindestgehaltsdogmatik in Bezug auf die Verpflichtungssituation bereits oben § 5 A. 83 Vgl. dazu bereits oben § 3 C. I. 1. b) sowie ausführlich unten § 7 B. II. 2. b) bb). 84 Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 32 ff.; zum Reformbedarf bereits Henneke, in: Ipsen (Hrsg.), Kommunale Auf-
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sungen sind deshalb richtigerweise – wie im Folgenden ausgeführt wird – als eine bereits durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geforderte Konkretisierung der kommunalen Finanzhoheit anzusehen, die gleichzeitig untrennbar mit der Aufgabengarantie verknüpft ist. bb) Inhalt der kommunalen Finanzhoheit nach der Rechtsprechung Abstrakt wird die kommunale Finanzhoheit bereits als Teilelement der landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantien und des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährleistet, was im Grundgesetz gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 GG inzwischen ausdrücklich klargestellt ist85. Auf welche Art und Weise die Verwirklichung der finanziellen Eigenverantwortlichkeit konstruktiv gesichert werden muss, lässt sich nach der bisherigen Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht in der Literatur unmittelbar aus der Selbstverwaltungsgarantie nicht ableiten und somit auch nicht die Pflicht, dass die Zuweisung einer Aufgabe zwingend mit einer besonderen Deckung der finanziellen Belastung korrespondieren muss86. Das Bundesverfassungsgericht hat nach eigenem Bekunden bisher sogar ausdrücklich die Frage offen gelassen, ob in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG überhaupt ein Anspruch auf eine „insgesamt zureichende Finanzausstattung mitgarantiert“ ist87. gabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise, 1995, S. 81 (95 ff.) m. w. N.; Hufen, DÖV 1998, S. 276 (280); Diskussionsbeitrag Fromme, in: Ipsen (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise, 1995, S. 47; Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (122); sowie Bericht des 61. Deutschen Juristentags, NJW 1996, S. 2987 (2990 f.). 85 Dazu statt vieler Tettinger/Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 180, 243 ff. 86 VerfGH NRW NVwZ 1985, S. 820 (820 f.); VerfGH R-P NVwZ 1993, S. 163 (163); SaarlVerfGH NVwZ-RR 1995, S. 153 (153 f.); Birk/Inester, DVBl. 1993, S. 1281 f.; Gorte, JZ 1996, S. 832 (840 f.); in diesem Sinne auch Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 116, gestützt auf eine ältere Entscheidung des VerfGH B-W; Glauben, DÖV 1994, S. 821 (823); in die Richtung einer aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geforderten Konnexität geht aber Hufen, DÖV 1998, S. 276 (279). 87 BVerfGE 83, 363 (386); BVerfG NVwZ-RR 1999, S. 417; ebenfalls ausdrücklich die Frage nach einer „angemessenen Finanzausstattung“ oder finanziellen „Mindestausstattung“ offenlassend BVerfGE 71, 25 (36), missverständlich ist dann allerdings, dass der Senat im Folgenden (38) annimmt, Art. 106 Abs. 5 GG stelle „insofern eine Konkretisierung des Art. 28 Abs. 2 GG dar, als die in ihr vorgesehene, aber nicht näher bezifferte kommunale Steuerbeteiligung in ihrer Ausgestaltung nicht zu einer Unterschreitung des durch Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Gesamtumfangs der gemeindlichen Finanzausstattung führen darf.“ (Hervorhebung hinzugefügt).
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cc) Funktionszusammenhang von Finanzhoheit und Aufgabengarantie Dagegen wird in der Literatur und der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte der Anspruch auf eine angemessene Finanzaustattung ganz überwiegend bejaht88. Richtigerweise kann sich kommunale Selbstverwaltung im Sinne des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nur dann verwirklichen, wenn den Gemeinden neben der Erfüllung der gesetzlich determinierten Aufgaben zumindest ein gewisser Anteil an Mitteln für die freiwilligen Kommunalaufgaben verbleibt (sog. freie Spitze)89. Es ergibt somit ein zwingender Funktionszusammenhang von Finanzierung und Aufgabengarantie90. Insbesondere das Recht autonomer Aufgabenfindung im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, das ein Wesenselement der Selbstverwaltung ausmacht, wird praktisch wertlos, wenn die finanziellen Möglichkeiten fehlen, dieses zu realisieren91. 88 StGH B-W EStGH 44, 1 (5); BayVerfGH BayVBl. 1996, S. 462, BayVBl. 1996, S. 496; BayVBl. 1997, S. 303; BayVBl. 1997, S. 336; jüngst VerfGH NRW DVBl. 2011, S. 1155 (1155); Tettinger/Schwarz, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 28 Rn. 244 m. w. N.; vgl. auch Isensee, DVBl. 1995, S. 1 (7); für einen Anspruch auf aufgabenadäquate Finanzausstattung Hufen, DÖV 1998, S. 276 (276); Isensee, DVBl. 1995, S. 1 (7); Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, 1998, S. 35; Glauben, DÖV 1994, S. 821 (824); Hartmann/Meßmann, JuS 2006, S. 246 (248). 89 ThürVerfGH NVwZ-RR 2005, S. 665 (667), in diesem Sinne bereits NVwZ-RR 2003, S. 249 (252); VerfG Bbg NVwZ-RR 2000, S. 129 (134 f.); NdsStGH StGHE 3, 299 (314 f.), darauf bezugnehmend NdStGH NVwZ-RR 2001, S. 553 (557); SächsVerfGH SächsVbl. 2001, S. 67 (70); nur unter dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes NdsStGH LVerfGE 12, 255 (286); ebenso StGH B-W LVerfGE 10, 3 (26); BayVerfGH, VerfGHE 60, 184 (202). Dazu aus der Literatur bereits Grawert, VVDStRL 36 (1978), S. 277 (300); nachdrücklich Schoch/ Wieland, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Aufgaben, 1995, S. 189; Hufen, DÖV 1998, S. 276 (278, 280); Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 71; deutlich auch Maas, Die verfassungsrechtliche Entfaltung kommunaler Finanzgarantien, 2004, S. 143 f. 90 Hufen, DÖV 1998, S. 276 (278), der sich dabei kritisch zur Haltung des „Offenlassens“ durch das BVerfG äußert; in diesem Sinne auch ThürVerfGH NVwZ-RR 2005, S. 665 (667); vgl. auch ausdrücklich die landesverfassungsrechtliche Regelung in Art. 73 Abs. 1 Verf. B-W; Art. 137 Abs. 5 S. 1 HessVerf.; Art. 58 NdsVerf.; Art. 119 Abs. 2 SaarlVerf.; Art. 87 Abs. 1 SächsVerf.; Art. 88 Abs. 1 Verf. S-A; Art. 93 Abs. 1 S. 1 ThürVerf. 91 VerfG M-W KommJur 2010, S. 292: „Schutz der Finanzkraft der Kommunen als Kernstück der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie“; ThürVerfGH ThürVBl. 2005, S. 228 (229); StGH B-W VBlBW 1994, 52 (56); VBlBW 1999, S. 294 (300); vgl. auch Thiele/Pirsch/Wedemeyer, Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, 1995, Art. 72 Rn. 13; Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (122).
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Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in den oben angeführten Entscheidungen zur kommunalen Finanzausstattung zumindest in Betracht gezogen, dass eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG dann vorliegt, wenn die Gemeinden die ihnen obliegenden Aufgaben nicht mehr erfüllen können92. Ob sich der Umfang an frei verfügbaren Mitteln, der zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Ordnungsidee der Selbstverwaltung erforderlich ist, prozentual beziffern lässt, ist umstritten93. Wenn man dies verneint, ist entsprechend der allgemeinen Dogmatik jedenfalls die Aushöhlung der institutionellen Garantie absolute Grenze94. Auch wenn man anerkennt, dass auch die finanzielle Mindestausstattung der kommunalen Ebene dem Vorbehalt der Leistungsfähigkeit des Landes unterliegt95, erschüttert dies nicht etwa die Validität der Grundlage der hier vertretenen Argumentation, weil „freie“ Mittel aufgrund der allgemeinen Haushaltslage insgesamt nicht vorhanden sind. Zwar ist zutreffend, dass bei der Verteilung der Gesamtmittel den kommunalen Aufgaben kein Vorrang gegenüber den staatlichen Aufgaben zukommt96 und Unmögliches vom Land nicht gefordert werden kann. Im Ergebnis kann aber durch den Verweis auf die Grenzen der Leistungsfähigkeit den Gemeinden das Recht auf ein gewisses Maß an finanziellem Handlungspielraum in Gestalt der freien Spitze nicht abgesprochen werden97. Vielmehr muss im Rahmen der Frage der Anerkennungsfähigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben glei92 BVerfGE 71, 25 (37); in diesem Sinne wohl auch BVerfGE 83, 363 (386); BVerfG NVwZ-RR 1999, S. 417. 93 Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlasste kommunale Aufgaben, 1995, S. 189, setzt den Mindestanteil bei 5–10% an; Hufen, DÖV 1998, S. 276 (278, 280), stellt auf eine Mindestgrenze von 5% ab; zustimmend Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 28 Rn. 156; kritisch Volkmann, DÖV 2001, S. 487 (501); nach dem VerfGH Thür NVwZ-RR 2003, S. 249 (252), findet zumindest die 10% Marge keine Stütze in der Rechtsprechung. 94 StGH B-W VBlBW 1994, S. 52 (56); VBlBW 1999, S. 294 (300); NdsStGH StGHE 3, 299 (314 f.), darauf bezugnehmend NVwZ-RR 2001, S. 553 (557). 95 Zur Berücksichtigungspflicht der Leistungsfähigkeit des Landes für die Bemessung der kommunalen Finanzzuweisung VerfGH NRW DVBl. 2011, S. 1155 (Ls., 1155 f.); NdsStGH, Beschluss vom 3. März 2008 – Az.: StGH 2/05 – juris, Rn. 63 ff. m. w. N., Rn. 67; BayVerfGH, Entscheidung vom 28. November 2007 – Az.: Vf. 15-VII-05 – juris, Rn. 204 ff.; a. A. ThürVerfGH NVwZ-RR 2005, S. 665 (668). 96 Dazu deutlich VerfGH NRW DVBl. 2011, S. 1155 (1156). 97 In diesem Sinne auch Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1159); inzident erkennt dies auch der VerfGH NRW DVBl. 2011, S. 1155 (1156), an, wenn er ausführt, dass aufgrund der schlechten Finanzsituation des Landes (nur) eine Reduktion der freien Mittel in Betracht kommt.
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chermaßen die Grenze der Leistungsfähigkeit sowie der „impossibilium nulla est obligatio“-Grundsatz98 zugunsten der Gemeinden Berücksichtigung finden. Mit der Pflichtigmachung von Aufgaben fordert der Gesetzgeber eine Leistung, die nur erfüllbar ist, wenn die dafür erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen. Ist die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Haushalts insgesamt so schwach, dass eine aufgabenadäquate Finanzausstattung der Gemeinden nicht möglich ist, kann das Land dieses Problem nicht allein der Ebene der kommunalen Selbstverwaltung zuschieben, indem eine Inkongruenz von Aufgabenlasten und den finanziellen Mitteln auf kommunaler Ebene hingenommen wird99. In diesem Falle muss das Land unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit Prioritäten setzen und gegebenfalls auf die kommunale Wahrnehmung einzelner Aufgaben und somit auf die Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung dieser verzichten. dd) Verwirklichung der Interdependenz von Aufgaben- und Finanzgarantie durch die Konnexitätsregelungen und das bundesrechtliche Durchgriffsverbot Konnexität zwischen Aufgabenverantwortung und Aufgabenfinanzierung ist dabei keine Problematik die ausschließlich das Landesverfassungsrecht betrifft. In der Realität war der finanzielle Gestaltungsspielraum der Gemeinden durch die umfassende Regelungstätigkeit von Bundes- und Landesgesetzgebern zunehmend verengt worden100. Nach Ansicht kommunaler Interessenvertreter und auch sonstiger Autoren tendierte die Entwicklung bedrohlich in die Nähe der Gefährdung des indisponiblen Kernbereichs, der von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG absolut geschützt wird101. Folglich bestand auch unmittelbar vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts Handlungsbedarf. Der Schutz gegen die weitere Neubegründung kostenverursachender Aufgabenpflichten ohne finanziellen Ausgleich wurde lediglich zuerst auf Lan98
D. 50, 17, 185. Kritisch zu dieser Konsequenz der Entscheidung auch Kahl/Weißenberger, LKRZ 2010, S. 81 (86); in diesem Sinne bereits vorher Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (124 f.); sowie Wolff, BayVBl. 2004, S. 129 (130). 100 Hufen, DÖV 1998, S. 276 (280), führt statistische Erhebungen des Deutschen Städtetags an, wonach der Anteil der frei verfügbaren Mittel bei 5–7% liegen soll; Schmidt-Jortzig, Gemeinde- und Kreisaufgaben, DÖV 1993, S. 973 (978), nimmt einen Anteil von wenigen, höchtens 10% an. 101 Hufen, DÖV 1998, S. 276 (280, Fn. 42); Diskussionsbeitrag Fromme, in: Ipsen (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise, 1995, S. 47; Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (122); Reformbedarf wurde bereits allgemein anerkannt beim 61. Deutscher Juristentag, NJW 1996, S. 2987 (2990 f.). 99
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desebene durch die Schaffung oder Verstärkung der vorgehend dargestellten Konnexitätsregelungen umgesetzt102. Aufgrund der Unanwendbarkeit der Konnexitätsvorschriften auf bundesgesetzlich begründete Pflichtaufgaben103 wurde diese Form der finanziellen Sicherung allerdings bald überwiegend als unzureichend bewertet und so im Rahmen der Föderalismusreform I durch Einführung des bundesrechtlichen Durchgriffsverbots zu einem umfassenderen Schutzkonzept ergänzt. Bundes- und Landesverfassungsrecht greifen insofern ineinander104, dass, wenn die Gemeinden Adressaten einer neuen Vollzugsverpflichtung werden sollen, die Zuweisung nur noch durch Landesgesetz erfolgen kann105. Dieser Tatbestand löst dann im Grundsatz106 die Konnexitätsfolgen, d.h. die Deckungspflicht des Landes für entsprechende Mehrkosten aus. Durch das Zusammenwirken von grundgesetzlichem Durchgriffsverbot und den Konnexitätsregelungen wurde somit ein Gesamtkonzept geschaffen, das insgesamt umfassenden Schutz vor einer Überbordung mit Pflichtaufgaben ohne entsprechenden finanziellen Ausgleich konstruiert, der einen Gestaltungsspielraum für die freiwilligen Kommunalaufgaben absichern soll107. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Konnexitätsregelungen nicht eine überobligatorische finanzielle Besserstellung der Gemeinde durch die Landesverfassungen darstellen, sondern einen essentiellen Beitrag zur Absicherung der verfassungsrechtlich durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG geforderten Finanzhoheit der Selbstverwaltungsträger leisten108. Selbst wenn die Selbstverwaltungsgarantie grundsätzlich keine konkreten Vorgaben hinsicht102 Lediglich die Regelung in Baden-Württemberg besteht bereits seit 1953; zu ihrer Vorbildfunktion, vgl. Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 113; Henneke, Der Landkreis 2005, S. 255 f. (dazu bereits oben Fn. 35). 103 StGH B-W DÖV 1994, S. 297 (298 f.); dazu auch Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (125). 104 Söbbeke, KommJur 2006, S. 402 (405) bezeichnet dies plakativ als „Kaskadenprinzip“. 105 Dass der verfassungsändernde Gesetzgeber bewusst an die vorhandene Struktur der Konnexitätsregeln anknüpften wollte, macht deutlich Henneke, NdsVbl. 2007, S. 57 (59), der ausführlich auf die Entstehungsgeschichte des Art. 87 Abs. 1 S. 7 GG eingeht. 106 Problematisch ist allerdings, dass die einzelnen landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen kein identisches Schutzniveau bieten, vgl. dazu Söbbeke, KommJur 2006, S. 402 (405); dies andeutend auch Ipsen, NJW 2006, S. 2801 (2805); Knitter, Das Aufgabenübertragungsverbot des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, 2008, S. 96 f. 107 Oebbecke, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 6, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 32 ff. 108 Nach Hufen, DÖV 1998, S. 276 (279), ist das Konnexitätsprinzip „Bestätigung des Grundsatzes, der schon in Art. 28 Abs. 2 GG selbst enthalten ist“ (er be-
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lich der Art und Weise der Umsetzung der kommunalen Finanzhoheit enthält und folglich auch nicht die Konnexität von Aufgabenveranlassung und finanzkraftunabhängigem Ausgleich zwingend vorschreibt, bringt die positive Normierung in den Landesverfassungen in Verbindung mit dem Verbot des Aufgabendurchgriffs durch Bundesgesetz einen generellen Verständniswandel zum Ausdruck. Dieser besteht darin, dass die abstrakte Gewährleistung der finanziellen Eigenverantwortlichkeit aufgrund des status quo der Einengung des freien Gestaltungsspielraums durch heteronom begründete Aufgaben- und Finanzierungspflichten nicht mehr ausreicht, um der Institution Selbstverwaltung adäquaten Schutz zu gewährleisten109. Demzufolge sind die zusätzlichen Finanzgarantien keine eigenständigen Ergänzungen, sondern das vom verfassungsändernden Gesetzgeber aufgrund empirischer Erkenntnisse als notwendig erachtete Mittel zum Zweck der Schutzverstärkung der allgemeinen Selbstverwaltungsgarantie110. Aus dieser teleologischen Betrachtung folgt aber gleichzeitig, dass sich der Regelungsbereich der Konnexitätsregelungen nicht ausschließlich auf deren tatbestandlichen Anwendungsbereich beschränkt111. Vielmehr lässt sich aus diesen die allgemeine Wertung ableiten, dass die kommunalen Selbstverwaltungsträger vor weiterer Minimierung ihrer frei verfügbaren Mittel durch heteronom vorgegebene Aufgabenpflichten umfassend geschützt werden sollen112. Dazu steht die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben in Widerspruch, da auch durch diese Mittel gebunden und so der freien Disposition der Gemeinden entzogen werden. zieht es sogar auf die bundesgesetzliche Aufgabenübertragung); zur alten Regelung in Nordrhein-Westfalen noch VerfGH NRW NVwZ 1985, S. 859 (860). 109 Ausführlich zu Erforderlichkeit eines Sonderlastenausgleichs für heteronom determinierte Aufgaben bereits Henneke, in: Ipsen (Hrsg.), Kommunale Aufgabenerfüllung im Zeichen der Finanzkrise, 1995, S. 81 (95 ff.) m. w. N. 110 In diesem Sinne auch Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 203, der deshalb für eine weite Auslegung plädiert; so bereits Maurer, in: ders/Hendler (Hrsg.), Baden-Württembergisches Staatsund Verwaltungsrecht, 1989, S. 173 (189) m. w. N. 111 Eine ähnliche Argumentation findet sich in Bezug auf die bundesgesetzliche Übertragung von Aufgaben bei Hufen, DÖV 1998, S. 276 (279), der anmerkt, dass, wenn der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete eigenständige Aufgabenbereich durch die Zuweisung von Aufgaben gefährdet wird, die Konnexitätspflicht bereits „unabdingbare Komplementärgarantie für die Selbstverwaltung als solche“ ist, ohne dass es einen Umweg über die positiv-rechtlich normierten Konnexitätsregelungen bedürfte. 112 Für die Kostentragungspflicht auf die Beeinflussbarkeit abstellend Grundlach, LKV 1999, S. 201 (203); Meyer, LKV 2000, S. 1 (3); zwingenden Verknüpfung von jeglicher Verpflichtung der Gemeinden zur Aufgabenwahrnehmung mit einer Finanzierungspflicht ausgehend auch Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 123.
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In Anbetracht dessen liegt die Überlegung nahe, im Rahmen der verfassungskonformen Auslegung eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Konnexitätsregelungen über den Wortlaut der Vorschriften hinaus zuzulassen und eine finanzielle Ausgleichspflicht auch bei der Begründung einer Aufgabenpflicht kraft Verfassungsrechts anzunehmen. Wie aber bereits oben dargestellt wurde, muss eine Extension der Konnexitätsfolgen auf Pflichtaufgaben, die durch Aufsichtsbehörden oder Gerichte unnmittelbar aus dem Verfassungsrecht abgeleitet werden, daran scheitern, dass es in diesem Fall an einem Verursachungsbeitrag des Gesetzgebers fehlt. Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Ausgleichspflicht auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben würde deshalb einen Übergriff durch Exekutive und Judikative in das Budgetrecht der Legislative darstellen113. ee) Unzulänglichkeit der tatbestandlich eingeschränkten Konnexitätsregeln Da die Notwendigkeit des ergänzenden finanziellen Schutzes in der Sicherung der durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abstrakt gewährleisteten Rechtsposition fundiert ist und diese unmittelbar als Mindeststandard auch die Länder bindet114, kann das Argument der Bedrohung der kommunalen Finanzautonomie auch in Thüringen gegen die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben angeführt werden, obwohl dort die Pflichtigmachung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft tatbestandlich nicht von der entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Konnexitätspflicht erfasst ist115. Ganz in diesem Sinne hat der thüringische VerfGH ausdrücklich betont, dass den Gemeinden nach Erfüllung ihrer Pflichtaufgaben noch Finanzmittel zur Verfügung stehen müssen, um freiwillige Selbstverwaltungsaufgaben wahrnehmen zu können, weil sonst von „Selbstverwaltung im eigentlichen Sinne“ nicht mehr gesprochen werden könne bzw. die Gemeinden zu „staatlichen Filialunternehmen“ degradiert würden116. Da – wie er selbst feststellt – sich kommunale Eigeninitiative und die damit verbundene Aktivierungsfunktion der Gemeinden aber in vollem Maße nur abseits der staatlich übertragenen und pflichtigen eigenen Angelegenheiten verwirklichen kann117, ist auch ein Schutz vor verfassungsunmittelbar pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben geboten118.
113 114 115 116 117
Vgl. zum Vorstehenden ausführlich oben § 7 A. II. 2. a) cc). Siehe dazu bereits oben § 5 A. Vgl. oben § 7 A. II. 2. a) aa). Thür VerfGH NVwZ-RR 2005, S. 665 (668). Thür VerfGH NVwZ-RR 2005, S. 665 (668).
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Aufgrund dieser Überlegungen ist auch die Differenzierung in Art. 120 Abs. 2 SaarlVerf. zweifelhaft119, wonach die Kostentragungspflicht voraussetzt, dass ein echter Fall der Kommunalisierung vorliegt, d. h. die den Gemeinden als pflichtig zugewiesene Aufgabe vorher durch das Land wahrgenommen wurde. Für die Bewertung der Einschränkung der kommunalen Handlungsfähigkeit spielt es keine Rolle, ob die Aufgabe vorher von einem anderen Hoheitsträger oder überhaupt nicht wahrgenommen wurde120. Vor dem Hintergrund, dass aus der bestehenden Aufgabenbelastung der Gemeinden bereits eine Beeinträchtigung der Finanzautomie folgt, die sich an der Schwelle zu einem Eingriff in den absoluten Kernbereich bewegt, ist ein lediglich partieller Schutz der Gemeinden, wie ihn Art. 93 Abs. 1 S. 1 ThürVerf. und Art. 120 Abs. 2 SaarlVerf. vorsehen, aus Sicht von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bedenklich. Um der Gefahr einer weiteren Verengung des gemeindlichen Gestaltungsspielraums zu begegnen, ist deshalb zu befürworten, den Anwendungsbereich dieser Konnexitätsregelungen im Wege der grundgesetzkonformen Auslegung allgemein auf den Tatbestand der Pflichtigmachung von örtlichen Aufgaben zu erweitern. Jedenfalls kann aber auch in diesen Ländern das Argument der weiteren Verengung des finanziellen Gestaltungsspielraums gegen die Anerkennung der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe angeführt werden, da eine solche schon vor dem Hintergrund der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bedenklich ist. 3. Zwischenergebnis: Gefahr der Umgehung der finanziellen Schutzkonzeption Im Ergebnis wird durch die Anerkennung von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben, das gemeinsame Konzept von grundgesetzlichem Durchgriffsverbot und landesverfassungsrechtlicher Konnexität umgangen. Dieser Befund gilt unmittelbar, sofern die landesverfassungsrechtlichen Regelungen eine allgemeine Ausgleichspflicht für die Pflichtigmachung von örtlichen Angelegenheiten vorsehen. 118 So auch Mückl, Finanzverfassungsrechtlicher Schutz der kommunalen Selbstverwaltung, 1998, S. 203; Glauben, DÖV 1994, S. 821 (823); Hufen, DÖV 1998, S. 276 (277). 119 Sehr kritisch zu dieser Regelung Henneke, Der Landkreis, 2001, S. 120 (128 ff.), der insbesondere ausführlich auf die „skurrile“ Entstehungsgeschichte eingeht; Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 149; Grupp, in: Wendt/Rixecker (Hrsg.), Verfassung des Saarlandes, 2009, Art. 120 Rn. 7, geht auf diese Problematik nicht ein. 120 Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (126).
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Vor dem Hintergrund der stetig zunehmenden Verengung der Finanzierungsspielräume der Gemeinden ist ein Automatismus zwischen der Pflichtigmachung einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft und der Zurverfügungstellung der entsprechenden Mittel aber bereits zum Schutze der durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantierten Rechtsposition angezeigt, da nur auf diese Weise dem funktionellen Zusammenhang von Finanzhoheit und institutioneller Aufgabengarantie hinreichend Rechnung getragen wird. Den Gemeinden im Bereich der eigenen Angelegenheiten zusätzliche Pflichtaufgaben kraft Verfassungsrechts aufzuerlegen, bedeutet unter den Ausgangsvoraussetzungen mittelbar einem Angriff auf das absolut geschützte Aufgabenfindungsrecht der Gemeinden. Aus der Fundierung der Notwendigkeit einer umfassenden Absicherung der Gemeinden gegen die heteronome Begründung von Aufgabenpflichten ohne entsprechenden Ausgleich in der allgemeinen Selbstverwaltungsgarantie folgt gleichzeitig, dass auch in den Ländern, in denen aufgrund des begrenzten Anwendungsbereichs der Konnexitätsregelungen eine wertungswidersprüchliche Umgehung dieser nicht unmittelbar begründbar ist, gegen die Anerkennung der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe dennoch das Bedrohungspotential für die gemeindliche Handlungsfähigkeit angeführt werden kann.
III. Inkonsistenzen der Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben aus rechtsstaatlicher, demokratischer und funktionaler Sicht Durch die Zulassung der Ableitung von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben durch Gerichte oder Aufsichtsbehörden unmittelbar aus dem Verfassungsrecht würde ferner die allgemeine rechtsstaatliche und demokratische Funktion der gesetzlichen Regelung preisgegeben. Eine besondere Problematik ergibt sich zudem in Bezug auf den Rechtsschutz der Gemeinden, der in besonderer Weise mit der Rechtsform des Gesetzes verknüpft ist. 1. Verlust von Rechtssicherheit und Planbarkeit Durch die ausdrückliche Normierung von Pflichtaufgaben in Gesetzesform werden Publizität, Rechtssicherheit und -verbindlichkeit gewährleistet121. Diese rechtsformspezifischen Vorteile der gesetzlichen Regelung kön121 Petz, DÖV 1991, S. 320 (323), in Bezug auf die Übertragung von Auftragsangelegenheiten.
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nen sich bei der Feststellung von Pflichtaufgaben kraft Verfassungsrechts durch Exekutive oder Judikative nicht verwirklichen. Selbst die Annahme einer verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe durch ein Verwaltungsgericht beschränkt sich auf einen konkreten Einzelfall und bindet rechtlich nur die Parteien des gerichtlichen Verfahrens. Inwieweit sich Wertungen auf vergleichbare Gemeinden oder vergleichbare Aufgaben übertragen lassen, bleibt unklar. Der Leitsatz des in der Einleitung dargestellten Urteils formuliert zumindest in Bezug auf einen kulturell, sozial und traditionsmäßig bedeutsamen Weihnachtsmarkt ein allgemeines Verbot einer materiellen Privatisierung122. Auch die in der Entscheidungsbegründung aufgestellten Kriterien der traditionellen Wahrnehmung der Aufgabe und der kommunalpolitischen Relevanz sind abstrakt-generell formuliert. Tatsächlich wird sich aber ihre Beurteilung stark an den konkreten Umständen des Einzelfalls orientieren müssen, so dass eine Konturierung der verfassungsrechtlichen Regelungen nicht zu erwarten ist, die in anderen Bereichen die fehlende Bestimmtheit der Rechtsgrundlage ausgleichen kann123. Sowohl der „traditionsbildende“124 bzw. „traditionelle“125 Charakter einer Aufgabe als auch die „kommunalpolitischen Relevanz“126 hängt entscheidend von individuellen Faktoren ab, wie etwa der spezifischen Art und Ausgestaltung der Einrichtung oder ihrer Popularität. Das Ergebnis einer Subsumtion unter diese beiden Tatbestandsmerkmale kann folglich bereits vom Ansatz her nur für die einzelne Gemeinde gelten. Anhand welcher Kriterien eine Bewertung in Bezug auf die konkrete Aufgabe zu erfolgen hat, wird auch im Urteil nicht abstrakt definiert. Im konkreten Fall wird zur Bejahung der kommunalpolitischen Relevanz unter anderem auf den Charakter des Weihnachtsmarktes als Plattform der Kommunikation und als Instrument zur Förderung eines Zusammengehörigkeitsgefühls unter den Gemeindebürgern abgestellt127.
122 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris = DVBl. 2009, S. 1382 (1382). 123 Ähnlich in Bezug auf die Ableitung konkreter Aufgaben aus dem Sozialstaatsprinzip Weber, Der Staat 4 (1965), S. 409 (418). 124 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 30, 34, 36, 38 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383 ff.). 125 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 22, 35, 36 = DVBl. 2009, S. 1382 (1383 f.); teilweise wird in der Entscheidung auch von traditioneller Prägung gesprochen, vgl. Rn. 31. 126 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 38 = DVBl. 2009, S. 1382 (1384 f.). 127 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris, Rn. 35 f. = DVBl. 2009, S. 1382 (1384).
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Dies erschwert es für die einzelne Gemeinde zu beurteilen, welche Aufgabe sie erfüllen oder beibehalten muss, um sich (verfassungs-)rechtstreu zu verhalten128. Die Voraussehbarkeit und Kalkulierbarkeit von Pflichtaufgaben ist aber von großer Bedeutung, da die Gemeinden die entsprechenden Mittel hierfür einplanen und im Haushalt bereitstellen müssen129. Hier gewährleistet nur das formelle Gesetz die erforderliche Planungssicherheit. 2. Legitimatorisches Ungleichgewicht Die Anerkennung der Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben durch Aufsichtsbehörden oder Gerichte gerät ferner in zweifacher Hinsicht mit dem Demokratieprinzip in Konflikt. Durch den Gesetzesvorbehalt wird allgemein eine besondere demokratische Legitimität von Entscheidungen sichergestellt. Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Grundlage für einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gewährleistet darüber hinaus den notwendigen Ausgleich dafür, dass die Entscheidungsgewalt der ebenfalls unmittelbar legitimierten Gemeindeorgane beschränkt wird. a) Einschränkung des örtlichen Souveräns Den Gerichten oder Aufsichtsbehörden eine Feststellungsbefugnis hinsichtlich der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben einzuräumen, ist besonders kritisch zu bewerten, weil eine sachlich-inhaltliche Steuerung kaum vorhanden ist. Insbesondere die Konkretisierung der sozialstaatlichen oder funktionellen Verpflichtung der Gemeinden ist in hohem Maße wertungsanfällig. Die Gefahr der gerichtlichen Bevormundung wird dann evident, wenn man, wie das Bundesverwaltungsgericht in der dargestellen Weihnachtsmarktentscheidung130, für die Annahme einer potentiellen Pflichtigkeit auf 128
In diesem Sinne auch Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1152), nach dem erst durch die „gesetzliche[n] Konkretisierung rechtlicher Pflichten [. . .] für die Kommunen in rechtsstaatlich befriedigender Weise klargestellt [wird], wozu sie rechtlich verpflichtet sind“. 129 Vgl. hierzu BVerfGE 26, 228 (244): „Die aus der Selbstverwaltungsgarantie abzuleitende Finanzhoheit gewährt den Gemeinden die Befugnis zu einer eigenverantwortlichen Einnahmen- und Ausgabenwirtschaft im Rahmen eines gesetzlich geordneten Haushaltswesens. Hieraus folgt auch, daß die Gemeinde sich in eigenverantwortlicher Regelung ihrer Finanzen auf die ihr obliegenden Verpflichtungen einstellt“.
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die sozial-kulturelle Bedeutsamkeit für die konkrete örtliche Gemeinschaft abstellt. Die Bewertung, ob eine bestimmte Einrichtung eine wichtige Institution für das Gemeinschaftsleben in der Gemeinde ist, kann kaum heteronom, sondern nur von den Gemeindebürgern bzw. deren Repräsentanten entschieden werden. Die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben eröffnet die Möglichkeit, dass die Gerichte das genuin den Selbstverwaltungsträgern zustehende Recht zur individuellen Prioritätensetzung im Bereich der eigenen Angelegenheiten in unzulässiger Weise an sich ziehen. Insbesondere Traditionalität kann kein Argument für eine Aufrechterhaltung von bestimmten Aufgaben sein131. Die Entstehung einer Tradition basiert im Allgemeinen auf einem freiwilligen Entschluss, eine bestimmte Verhaltensweise weiterzugeben bzw. eine Einrichtung für eine gewisse Dauer zu erhalten. Mit einem demokratischen Staatsverständnis jedenfalls nicht vereinbar ist es, Hoheitsträgern die Befugnis zuzuerkennen, die Fortführung einer Tradition den Gemeindebürgern entgegen deren demokratisch gebildeten Willen zu oktroyieren. Dies ist umso problematischer, als die Fortdauer einer Aufgabenwahrnehmungspflicht grundsätzlich unbestimmt ist132. b) Übergriff der Gerichte und Aufsichtsbehörden in die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers Durch die Ableitung von Pflichtaufgaben unmittelbar aus der Verfassung greifen Verwaltung und Gerichte gleichzeitig in die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers ein und setzen sich damit über den Willen des demokratischen Souveräns hinweg. In vielen Fällen hat der Gesetzgeber bewusst auf eine Nichtregelung der Aufgabe verzichtet. Die Motive können entweder darin liegen, dass ein gesellschaftlicher Konsens für die Erforderlichkeit der Leistung nicht vorhanden ist, oder aber die finanzielle Situation einen Aufgabenabbau bzw. einen Verzicht auf die Aufgabenwahrnehmung notwendig macht. Zwar greifen wie oben dargestellt133 die Konnexitätsregelungen für die verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben nicht, so dass die Länder keine direkte Finanzierungsverantwortung trifft. Diese laufen aber Gefahr mittelbar über den allgemeinen Finanzausgleich die Folgen gerichtlich oder behördlich vor130 BVerwG, Urteil vom 27.05.2009 – Az.: 8 C 10/08 – juris = DVBl. 2009, S. 1382 ff. (Leitsatz und Gründe). 131 In diesem Sinne auch Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HbStR Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 72 Rn. 30. 132 Siehe dazu sogleich unter d). 133 Vgl. oben § 7 A. II. 2. a) cc).
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geschriebener Pflichtaufgaben letztlich tragen zu müssen. Indem die Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit die Konnexität von Aufgabenbegründungs- und Aufgabenfinanzierungsverantwortung durchbricht, stellt sie somit auch eine Beeinträchtigung des Budgetrechts des Gesetzgebers sowie einen Störfaktor für die rationale Sparpolitik in Zeiten knapper Kassen dar134. Dieser Eingriff in das Gestaltungsrecht des Gesetzgebers wird ebenfalls durch die fehlende Anpassungsmöglichkeit behördlicher oder gerichtlich definierter Pflichtaufgaben an sich wandelnde Umstände bzw. den aktuellen Willen des Souveräns verschärft. Selbst wenn man dem Gesetzgeber theoretisch die Kompetenz zugestehen würde, eine als verfassungsunmittelbar pflichtig festgestellte Aufgabe aufzuheben, ist nicht ersichtlich, wie eine solche Aufhebung praktisch umsetzbar wäre. 3. Entstehung einer verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzlücke zulasten der Gemeinden Eine weitere Problematik ergibt sich aus der Verknüpfung des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzes zugunsten der Gemeinden mit der Rechtsform des formellen Gesetzes. Die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben führt aus diesem Grund zur Entstehung einer planwidrigen Regelungslücke. a) Verfassungsgerichtliche Überprüfung gesetzlicher Pflichtaufgaben Das Grundgesetz hat die Gemeinden in Gestalt der Kommunalverfassungsbeschwerde mit einer besonderen Möglichkeit der verfassungsgerichtlichen Geltendmachung ihres Selbstverwaltungsrechts ausgestattet135. Im 134 Dazu im Hinblick auf die kommunale Kulturarbeit Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1156 ff.); interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass in Hessen inzwischen eine von der Exekutive erlassene „Leitline zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte und Handhabung der kommunalen Finanzaufsicht über Landkreise, kreisfreie Städte und kreisangehörige Gemeinden“ existiert (Hessischer Staatsanzeiger vom 06.05.2010, S. 1470), durch die die Gemeinden angehalten werden, die Notwendigkeit der von ihnen freiwillig wahrgenommenen Aufgaben und die Finanzierungsmöglichkeit neuer freiwilliger Aufgaben vor der Übernahme kritisch zu prüfen; vgl. dazu Rauber, der gemeindehaushalt 2011, S. 200 (200). 135 Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. Aufl. 2006, Kap. 1 Rn. 119; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 13 Rn. 49;
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Rahmen der in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG geregelten Verfahrensart können die Kommunen eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts durch eine Rechtsnorm formeller oder materieller Natur geltend machen, sofern nicht bei Landesgesetzen der Vorrang des landesverfassungsrechtlichen Rechtsschutzes greift136. Auch in den Landesverfassungen sind überwiegend besondere Verfahrensarten vorgesehen bzw. die Gemeinden im Rahmen der allgemeinen verfassungsgerichtlichen Verfahren berechtigt, eine Verletzung ihres Selbstverwaltungsrechts durch Landesgesetz geltend zu machen137. Im Falle einer einfachgesetzlichen Zuweisung von Pflichtaufgaben an die Gemeinden können diese folglich umfassend gegen die gesetzliche Grundlage im Wege eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens vorgehen138. In dieser Konstellation muss das Landes- oder Bundesverfassungsgericht überprüfen, ob der Gesetzgeber unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums den Ausgleich zwischen gemeindlicher Autonomie und materieller Pflichtigkeit in verfassungskonformer Weise ausgestaltet hat. Der verfahrensrechtliche Schutz der Selbstverwaltungsgarantie gegen die Oktroyierung einer Pflicht zur Wahrnehmung einer Aufgabe schließt folglich einen wirksamen verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz ein, sofern die Zuweisung der Aufgabe durch Gesetz erfolgt. b) Rechtsschutz gegen verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben aa) Grundsätzlich kein verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz Die Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG ist grundsätzlich als reine Rechtssatzverfassungsbeschwerde ausgestaltet, d.h. auf Gesetze und sonstige Rechtsnormen als Beschwerdegegenstand beschränkt139. Fachgerichtliche Entscheidungen, die sich auf die Auslegung Maurer, Der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz von Gemeinden, Parteien und Kirchen, in: Grote (Hrsg.), Die Ordnung der Freiheit – Festschrift Starck, 2007, S. 335 (339). 136 Dazu ausführlich statt vieler Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/ Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 91 Rn. 69 ff.; Maurer, Der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz von Gemeinden, Parteien und Kirchen, in: Grote (Hrsg.), Die Ordnung der Freiheit – Festschrift Starck, 2007, S. 335 (338). 137 Siehe eine Übersicht bei Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 840 ff. 138 Insbesondere zur Überprüfung der Finanzausgleichsgesetze der Länder Leisner-Egensperger, DÖV 2010, S. 705 ff. 139 Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 1991, § 12 Rn. 58; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 91 Rn. 53 f.; Zuck, Das Recht der Verfassungsbeschwerde, 3. Aufl. 2006, Kap. 1 Rn. 119; Maurer, Der verfassungsgerichtliche Rechtsschutz von Gemeinden, Parteien und Kirchen, in:
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von Gesetzesvorschriften beschränken, können folglich vor dem Bundesverfassungsgericht nicht überprüft werden140. In einigen Ländern ist die Möglichkeit eröffnet, gegen Einzelfallmaßnahmen verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz wegen der Verletzung der landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie vor den Landesverfassungsgerichten zu ersuchen141. In der Praxis ist dies im Fall der Feststellung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben in der Regel aber keine effektive Rechtsschutzoption. Die Entscheidungsgewalt der Landesverfassungsgerichte beschränkt sich auf Maßnahmen der Landesstaatsgewalt. Bestätigt oder konstatiert das Bundesverwaltungsgericht als letzte Instanz eine verfassungsunmittelbare Pflicht der Gemeinden, scheidet folglich eine Überprüfung durch die Landesverfassungsgerichte aus. Eine Überprüfung der erst- bzw. zweitinstanzlichen Verwaltungsgerichtsurteile durch die Landesverfassungsgerichte ist zwar prinzipiell möglich, insoweit gegen diese keine weiteren Rechtsmittel eingelegt werden. Wegen des Grundsatzes des Vorrangs des fachgerichtlichen Rechtsschutzes, der auch in Bezug auf die Landesverfassungsgerichtsbarkeit gilt142, kommt aber eine landesverfassungsrechtliche Beschwerdemöglichkeit nur dann in Betracht, wenn das entscheidungserhebliche Recht nicht revisibel und damit der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Im Falle einer Ableitung von Pflichtaufgaben aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG steht den Gemeinden der Weg zum Bundesverwaltungsgericht offen, so dass eine Anrufung des jeweiligen Landesverfassungsgerichts wegen des Grundsatzes der Rechtswegerschöpfung ausscheidet. Selbst wenn die Ableitung einer konkreten Aufgabenpflicht aus Grote (Hrsg.), Die Ordnung der Freiheit – Festschrift Starck, 2007, S. 335 (338); Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 91 Rn. 29 ff. 140 BVerfGE 71, 25 (35f.); 76, 107 (113); BVerfG NVwZ-RR 1999, S. 417 (417); Anger, in: Pieroth/Silberkuhl (Hrsg.), Die Verfassungsbeschwerde, 2008, § 91 Rn. 12; Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge (Hrsg.), BVerfGG, § 91 Rn. 54. 141 So beispielsweise in Bayern durch Erhebung der Verfassungsbeschwerde nach Art. 120 BV (dazu ausführlich Lissack, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht nach bayerischem Verfassungs- und Verfassungsprozessrecht, 2000, S. 133 ff.; Gern, Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 342; Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 12. Aufl. 2007, Rn. 30); so auch in Thüringen Art. 80 Abs. 1 Nr. 2 ThürVerf, dazu Jutzi, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Landes Thüringen, Art. 80 Rn. 14. 142 Dies ergibt sich in Bayern implizit aus Art. 51 Abs. 2–4 VGHG; dazu auch Pestalozza, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 1991, § 23 Rn. 78 ff.; Lissack, Das kommunale Selbstverwaltungsrecht nach bayerischem Verfassungs- und Verfassungsprozessrecht, 2001, S. 124; Gleiches gilt gemäß Art. 80 Abs. 1 Nr. 2 ThürVerf., vgl. Jutzi, in: Linck/Jutzi/Hopfe (Hrsg.), Die Verfassung des Landes Thüringen, 1994, Art. 80 Rn. 14; Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Aufl. 2003, Rn. 851.
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einer anderen verfassungsrechtlichen Rechtsgrundlage erfolgt, ist die Irrevisibilität dieser Entscheidung vor dem Hintergrund der weitgehenden Kongruenz von Landes- und Bundesverfassungsrecht in Bezug auf die materiellen Verpflichtungstatbestände und der Charakterisierung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Durchgriffsnorm143 nur schwer denkbar. Aufgrund seiner unmittelbaren Bindungswirkung auch gegenüber der Landesstaatsgewalt kommt die grundgesetzliche Selbstverwaltungsgarantie subsidär auch als Maßstab für die Überprüfung der Entscheidung der Verwaltungsgerichte in rechtlicher Hinsicht in Betracht. Somit wäre im Falle der Feststellung oder Bestätigung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe durch ein Gericht die Möglichkeit verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen regelmäßig komplett abgeschnitten144. bb) Richterrecht als Beschwerdegegenstand Etwas anderes könnte nur gelten, wenn auch Richterrecht als Beschwerdegegenstand der grundgesetzlichen Kommunalverfassungsbeschwerde zulässig wäre und gleichzeitig das Bundesverfassungsgericht die hier vertretene Auffassung teilte, dass die Ableitung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe die Voraussetzungen einer über die bloße Rechtserkenntnis hinausgehenden Rechtsfortbildung erfüllt145. Das Bundesverfassungsgericht hat die erste Frage in einer älteren Entscheidung ausdrücklich offengelassen146. Sofern in der Literatur auf die Tauglichkeit von Richterrecht als Gegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde tatsächlich separat eingegangen wird, wird diese überwiegend abgelehnt147. Als ein Gegenargument wird neben dem Wortlaut148 angeführt, dass die Gefahr der Rechtsschutzumgehung nicht drohe, weil in die143
Siehe dazu oben § 5 A. Dies konstatiert auch Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (272). 145 Zur Abgrenzung vgl. oben § 6 A. IV. 146 BVerfG NVwZ 1987, S. 124 (124); dies konstatieren ohne eigene Stellungnahme auch Anger, in: Pieroth/Silberkuhl (Hrsg.), Die Verfassungsbeschwerde, 2008, § 91 Rn. 12; Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), VerfGG, 2. Aufl. 2005, § 91 Rn. 31. 147 Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 91 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 93 Rn. 74; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, § 20, Rn. 647, deren Verweis auf BVerfGE 119, 331 (357) allerdings nicht nachvollziehbar ist, da die Ausführungen des Gerichts dort den Prüfungsmaßstab und nicht den Beschwerdegegenstand betreffen; a. A.: Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Rn. 198, der auf Rechtsschutzerwägungen verweist, die er aber nicht näher ausführt. 148 Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 3. Aufl. 2012, § 20 Rn. 647. 144
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ser Konstellation gerade die unabhängige richterliche Gewalt tätig würde, was eine gezielte Einflussnahme der staatlichen Gewalt ausschließe149. Diese Argumentation übersieht aber, dass die Bedrohung für die Verwirklichung effektiven Rechtsschutzes nicht zwingend unmittelbar oder mittelbar von der Legislative oder Exekutive ausgehen muss. Die Gefährdung kann, wie der in der Einleitung dargestellte Weihnachtsmarktfall zeigt, auch direkt von der Rechtsprechung ausgehen. Bilden die Fachgerichte nicht einfachgesetzliches Recht, sondern Verfassungsrecht weiter, tritt neben der Beeinträchtigung der kommunalen Selbstverwaltung zudem die Gefahr, dass die Gerichte das gesetzgeberische Ausgestaltungsrecht in Bezug auf die verfassungsrechtliche Abwägung von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und den verpflichtenden verfassungsrechtlichen Wertungen konterkarieren sowie die Grenzen zum Kompetenzbereich des Bundesverfassungsgerichts überschreiten. Deswegen wäre die Anerkennung von Richterrecht als zulässiger Beschwerdegegenstand im grundgesetzlichen Kommunalverfassungsbeschwerdeverfahren jedenfalls dann geboten150, wenn die Fachgerichte nicht nur einfachgesetzliche Normen weiterentwickeln, sondern Verfassungsrecht aktiv ausgestalten151. Dies gilt vor allem, wenn man den Begriff des Gesetzes im Rahmen des Eingriffsvorbehalts des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG im Sinne einer Einbeziehung von Richterrecht interpretiert152. Mangels einer eindeutigen Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts und aufgrund der überwiegenden Ablehnung dieser weiten Auslegung des Begriffs des Gesetzes in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG in der Literatur bleibt aber ungewiss, ob diese Ansicht sich in der Praxis durchsetzen kann. Vor diesem Hintergrund kann die Gefahr der Entstehung einer Rechtsschutzlücke folglich hier nicht ausgeschlossen werden.
149 So noch Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 91 Rn. 32; in der aktuellen Kommentierung konstatiert Magen, in: Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), VerfGG, 2. Aufl. 2005, § 91 Rn. 31, lediglich, dass das BVerfG die Frage bisher offen gelassen hat. 150 So auch Voßkuhle, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b Rn. 198. 151 Zum sogenannten Richterverfassungsrecht, allerdings mit Bezug auf die Ausgestaltung von Verfassungsrecht durch das Bundesverfassungsgericht Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 91 Rn. 37; Umbach/Clemens, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 91 Rn. 32. 152 In diesem Sinne Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 91 Rn. 34 m. w. N., der allerdings diese Inkongruenz nicht für problematisch hält.
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cc) Planwidrigkeit der Rechtsschutzlücke Damit die potentielle Entstehung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzlücke als Argument gegen die Anerkennung der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben angeführt werden kann, muss allerdings auch deren Planwidrigkeit begründet werden. Auch dies gelingt durch einen Vergleich mit der Konstellation der einfachgesetzlichen Aufgabenzuweisung an die Gemeinden. Die Beschränkung der gemeindlichen Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Einzelakte auf den verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg ist, sofern sie sich auf die Definition von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben bezieht, keine notwendige Konsequenz, die in der verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzsystematik angelegt ist153. Zwar ist die Situation, dass das Bundesverwaltungsgericht letzte Instanz in einer einzelfallbezogenen Streitigkeit zwischen Gemeinden und Exekutive oder Judikative ist, nicht atypisch, sondern folgt aus dem Charakter des Verfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG als reine Rechtssatzverfassungsbeschwerde. Allerdings unterscheidet sich die Rechtsschutzsituation bei der Feststellung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben von sonstigen Konstellationen der Einzelfallentscheidung dadurch, dass letztere auf Grundlage von einfachen Gesetzen erfolgen, durch die der demokratische Gesetzgeber bereits konkrete Wertungsdirektiven vorgegeben hat. Den Aufsichtsbehörden sowie Verwaltungsgerichten, die über Streitfälle zu entscheiden haben, sind so engere Maßstäbe an die Hand gegeben. Vor dem Hintergrund der oben konstatierten Problematik, dass die Ableitung konkreter Pflichtaufgaben aus abstrakten Verfassungssätzen mehr ein Vorgang der Gestaltung ist154 und erhebliche Gefahr einer gerichtlichen Bevormundung birgt, sind diese Konstellationen nicht vergleichbar. Zudem haben die Selbstverwaltungsträger in den sonstigen Fällen der einzelaktbezogenen Streitigkeit gerade die Möglichkeit gegen die gesetzliche Grundlage vorzugehen, so dass verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz nicht völlig ausgeschlossen wird. Bei einer Ableitung von Pflichtaufgaben direkt aus dem Verfassungsrecht bleibt die Möglichkeit eines erfolgreichen Vorgehens gegen die Rechtsgrundlage dagegen verschlossen. Dies gilt unabhängig davon, ob unter den 153
Denkbar wäre ein solcher Einwand, weil die Möglichkeit einer Berufung der Gemeinden auf Art. 19 Abs. 4 GG ganz überwiegend abgelehnt wird, vgl. SchmidtAßmann, in: Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 4 Rn. 43; Huber, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Bd. 1, 6. Aufl. 2010, Art. 19 Abs. 4 Rn. 383; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Art. 19 Abs. 4 Rn. 83 m. w. N.; a. A. beispielsweise Schenke, in: Dolzer/Kahl/Waldhoff (Hrsg.), BK-GG, Art. 19 Abs. 4 Rn. 87 m.w.N. 154 Vgl. dazu oben § 6 A. IV.
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Begriff des Gesetzes im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG bzw. der landesverfassungsrechtlichen Regelungen auch Verfassungsgesetze fallen und welcher der potentiellen Anknüpfungspunkte einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit herangezogen wird. Entweder fehlt es, wie bei dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG sowie Art. 1 Abs. 1 GG, aufgrund der Teilnahme der verfassungsrechtlichen Rechtsgrundlage an der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG bereits an einem tauglichen Prüfungsmaßstab. Die Geltendmachung der Verfassungswidrigkeit der grundrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes und der Landesverfassungen scheidet ebenfalls von vornherein aus. Bei den sonstigen landesverfassungsrechtlichen Regelungen ist aufgrund ihrer offenen bzw. finalen Formulierung ein Angriff gegen die Rechtsgrundlage der Pflichtigkeit, unabhängig von der zeitlichen Beschränkung der Möglichkeit zur Kommunalverfassungsbeschwerde, ebenfalls aussichtslos. Die Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe ermöglicht somit letztlich, dass die Fachgerichte das Verfassungsrecht konkretisieren, ohne dass das Ergebnis durch die Verfassungsgerichte, als zur letztverbindlichen Interpretation des Verfassungsrechts berufene Stellen, in irgendeiner Weise überprüfbar ist. Eine solche abschließende Definitionskompetenz der Verwaltungsgerichte stellt eine erhebliche, nicht hinnehmbare Gefährdung der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie und gleichzeitig eine Ausweitung der fachgerichtlichen Kompetenz im Verhältnis zum Bundesverfassungsgericht dar. 4. Fortdauer einer Aufgabenpflicht Fraglich bleibt darüber hinaus rein praktisch, wie lange die verwaltungsgerichtliche Feststellung einer Aufgabenpflicht fortgilt bzw. wie ein Fortfall der Aufgabenpflicht festgestellt werden kann. Entfällt das Bedürfnis einer gemeindlichen Betätigung in einem bestimmten Bereich – etwa aufgrund des Markteintritts privater Anbieter oder mangels Interesses der Bürger an einer bestimmten Leistung – kann der Gesetzgeber bei gesetzlichen Pflichtaufgaben reagieren, indem er die gesetzliche Grundlage der Verpflichtung aufhebt. Bei einer verfassungsunmittelbaren, durch die Verwaltungsgerichte definierten Pflicht dagegen kann eine konstitutive Entscheidung über den Fortfall der Aufgabenverpflichtung in der Praxis nur in einem weiteren gerichtlichen Verfahren in Folge eines erneuten Versuchs der Gemeinde, sich der Aufgabe zu entledigen, erfolgen. Dies ist aber mit einem erheblichen und wenig kalkulierbaren Risiko der Gemeinde verbunden. Das Bundesverwaltungsgericht hat im in der Einleitung dargestellten Weihnachtsmarktfall keine Aussagen zu einem möglichen zukünftigen Fort-
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fall der verfassungsunmittelbaren Pflicht zum Betrieb des Weihnachtsmarktes gemacht. Da die „Tradition“ sich durch das Urteil weiter fortsetzt, könnte lediglich das Entfallen der kommunalpolitischen Relevanz eine Befreiung von der Fortführungspflicht bewirken. Da dieses aber nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts der Überprüfungsbefugnis der Fachgerichte unterliegt, muss befürchtet werden, dass die Gemeinde verpflichtet ist, die Aufgabe Weihnachtsmarkt zeitlich unbegrenzt zu betreiben. Abstrakt formuliert ist auf diese Weise bei einer gerichtlich als verfassungsunmittelbar pflichtig festgestellten Aufgabe eine besondere Versteinerungsgefahr gegeben155.
IV. Generalklauseln als unzureichende Grundlage der Feststellung einer Aufgabenwahrnehmungspflicht Der vorgehend beschriebenen Gefahr der Umgehung der Schutzfunktion des Gesetzes und den dargestellten Inkonsistenzen in Bezug auf Rechtssicherheit, Demokratieprinzip, Rechtsschutz sowie der Unbestimmtheit der Fortdauer der Aufgabenpflicht kann auch nicht dadurch begegnet werden, dass in den Gemeindeordnungen Generalklauseln normiert sind, nach denen die Gemeinden die für das Wohl ihrer Bürger erforderlichen Einrichtungen schaffen (sollen)156. Diese Regelungen eignen sich aufgrund ihrer offenen Formulierung auf Tatbestands- und Rechtfolgenseite nicht als taugliche einfachgesetzliche Rechtsgrundlage einer verfassungsrechtlichen Pflichtigkeit157. Der Konkretisierungsgrad dieser Vorschriften und damit der Bindungsgrad für die Rechtsanwendung ist im Regelfall gegenüber den verfassungsrechtlichen Normen allenfalls um Nuancen höher, so dass die Gefahr einer unkalkulierbaren Extension der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe durch Aufsichtsbehörden und Gerichte nicht wesentlich einge155 Zur allgemeinen Versteinerungsgefahr, die aus der Anerkennung von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben resultiert, vgl. oben § 4 C. II. 2. c), dd) sowie bereits Schoch, DVBl. 2009, S. 1533 (1538). 156 § 10 Abs. 2 GO B-W; Art. 21 BayGO; § 14 Abs. 1 BbgGO; § 4 S. 2 NdsKVG; § 8 Abs. 2 GO NRW; §§ 5 Abs. 2 SaarlGO; §§ 2 Abs. 1, 10 Abs. 2 SächsGO; §§ 2 Abs. 1 S. 2 GO S-A; §§ 1 Abs. 4 ThürKO; § 1 GO S-H und § 1 GO R-P enthalten nur eine allgemeine Förderungspflicht; in § 2 Abs. 1 KV M-V werden öffentliche Einrichtungen lediglich bei der Definition des eigenen Wirkungskreises genannt. 157 Anders möglicherweise Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben – untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 223, der diese Vorschriften als Konkretisierung des Selbstverwaltungsbegriffs und als „Ausdruck materieller Grundrechtseffektuierung“ sieht.
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dämmt wird. Auch die verfassungsrechtlichen Rechtsschutzlücken werden durch den Umweg über die Generalklauseln nicht geschlossen, weil an deren Vereinbarkeit mit der Selbstverwaltungsgarantie gerade aufgrund ihrer Offenheit158 kein Zweifel besteht. Die Auslegung durch die Gerichte ist, wie oben festgestellt159, nicht überprüfbar. Aus dem Umstand, dass die Gemeinden durch die dargestellten Regelungen über gemeindliche Einrichtungen nicht unmittelbar zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe verpflichtet werden, folgt ferner, dass diese nach überwiegender Ansicht nicht geeignet sind, die landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen auszulösen160. Folglich bleibt die Problematik der Umgehung der finanziellen Schutzmechanismen auch bei der Anerkennung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit im Rahmen der einfachgesetzlichen Generalklauseln erhalten. Die Vorschriften in den Gemeindeordnungen, die die Gemeinden allgemein zur Schaffung der erforderlichen Einrichtungen verpflichten, sind somit offensichtlich ungeeignet, die Schutzfunktion des Gesetzesvorbehalts zu erfüllen oder die negativen Konsequenzen seiner Umgehung entscheidend abzumildern.
V. Zwischenergebnis: grundsätzlicher Vorbehalt des speziellen Gesetzes für die Begründung konkreter Aufgabenpflichten Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass jede Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe einen Eingriff in die ihnen durch die Selbstverwaltungsgarantie garantierte Rechtsposition darstellt, so dass für sie grundsätzlich der Gesetzesvorbehalt gilt161. Begründen lässt sich die Eingriffsqualität der Definition einer Aufgabenverpflichtung insbesondere anhand der Wertungen, die in den Konnexitätsregelungen und dem bundesrechtlichen Durchgriffsverbot verfassungsrechtlich positiviert sind und die die verfassungsrechtliche Notwendigkeit zum 158
Vgl. dazu ausführlich oben § 6 B. I. 4. c). Dazu soeben § 7 A. III. 3. b) aa). 160 Differenzierend Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 165, der die Anwendung der Konnexitätsregelungen grundsätzlich für angebracht hält, Art. 57 Abs. 1 S. 1 BayGO aufgrund der Ablehnung der Charakterisierung als „Soll-Vorschrift“ als nicht für konnexitätsauslösend einordnet. 161 Nach Saipa, in: Thieme/Schäfer, Niedersächsische Gemeindeordnung (Hrsg.), 2. Aufl. 1994, § 4 Rn. 14 f., folgt der Gesetzesvorbehalt für die Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung bestimmter Aufgaben bereits aus Art. 57 Abs. 1, Abs. 2 NdsVerf. bzw. Art. 28 Abs. 2 GG. 159
A. Begründung des institutionellen Gesetzesvorbehalts
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Ausdruck bringen, den Gemeinden ihren noch verbleibenden finanziellen Handlungsspielraum abzuschirmen, indem sie vor der heteronomen Begründung von Pflichtaufgaben ohne entsprechenden Ausgleich umfassend geschützt werden. Aber auch die fehlende Bestimmtheit und Kalkulierbarkeit spricht gegen die Anerkennung verfassungsrechtlicher Pflichtaufgaben ohne einfachgesetzliche Konkretisierung. Die Figur der Pflichtaufgabe kraft Verfassungsrechts droht aufgrund der Kombination aus fehlender sachlich-inhaltlicher Determination der Fachgerichte und der Lücken in Bezug auf den verfassungsgerichtlichen Rechtsschutz zu einer unkalkulierbaren Größe für die Beschränkung der gemeindlichen Autonomie zu werden. Diese Gefahr lässt sich auch nicht dadurch minimieren, dass man die landesrechtlichen Regelungen über die kommunalen Einrichtungen zur Ausfüllung des Gesetzesvorbehalts heranzieht. Sie tragen weder wesentlich zu einer Verbesserung der Bestimmtheit bei, noch sind sie geeignet, die Problematiken des lückenhaften Rechtsschutzes oder der Umgehung der finanziellen Schutzmechanismen zu lösen. Aus Sicht eines effektiven Schutzes des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts muss die Anerkennung von verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben folglich prinzipiell ausscheiden. Die grundsätzliche Geltung des Gesetzesvorbehalts, die sich als Ergebnis der Erörterung aus der Sicht des Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung ergibt, muss aber im verfassungsrechtlichen Gesamtzusammenhang auf ihre Allgemeingültigkeit überprüft werden. Es bedarf der Gegenprobe mit den Wertungen des materiellen Rechts. Möglicherweise ist eine Reserveverantwortung der Gemeinden unter bestimmten Umständen insofern anzuerkennen, als „die vom Sozialstaatsprinzip geprägte verfassungsrechtliche Verpflichtung, die realen Voraussetzungen zur Verwirklichung der Freiheitsgrundrechte zu schaffen [,] andernfalls eklatant mißachtet würde“162. Zu klären gilt, ob sich Konstellationen ergeben können, in denen ausnahmsweise ein direkter Ausgleich der gegensätzlichen verfassungsrechtlichen Wertungen von gemeindlicher Autonomie und materiellen Verfassungspflichten unter Verzicht auf eine einfachgesetzliche Konkretisierung unerlässlich ist oder wie sich die besondere objektive Daseinsvorsorgeverantwortung sonst verwirklichen kann.
162 Lange, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, § 52 S. 167 m. w. N.; eine solche Reserveverantwortung in Bezug auf lebenswichtige Leistungen nicht ausschließend auch Ehlers, DVBl. 2009, S. 1456 (1456 f.).
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B. Eingrenzung potentieller Schutzlücken bei der Verwirklichung des staatlichen Leistungsauftrages Um die Anerkennungsfähigkeit einer verfassungsunmittelbaren Verpflichtung als Ausnahmetatbestand zur grundsätzlichen Geltung des Gesetzesvorbehalts für die Begründung konkreter Aufgabenpflichten prüfen zu können, muss zunächst ermittelt werden, inwiefern durch die Beschränkung auf die Rechtsform des Gesetzes die Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrages negativ beeinträchtigt werden kann. Potentielle Schutzlücken bei der Verwirklichung des staatlichen Leistungsauftrages können sich insbesondere dort ergeben, wo die Rechtsform des abstrakten Gesetzes an seine Funktionsgrenzen stößt.
I. Temporäre Übergangsverantwortlichkeit Ein erster Fall, in dem die Koordinationsfähigkeit des Gesetzes eingeschränkt ist, sind neu entstandene oder entstehende öffentliche Aufgaben im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, auf die der Gesetzgeber noch nicht reagieren konnte. Auch unter diese Gruppe fällt die Konstellation, dass privates Engagement bezüglich der öffentlichen Aufgabe entfällt. Das für die gesetzliche Regelung durchzuführende Verfahren nimmt eine nicht unerhebliche Vorlaufzeit für die Regelung einer neuen Problemlage in Anspruch. Tendenziell kann gemeindliche Initiative aufgrund der Verkürzung von Entscheidungswegen schneller greifen163. Während dieser Zeit könnte eine verfassungsunmittelbare temporäre Übergangsverantwortlichkeit der Gemeinden die Erfüllung des staatlichen Versorgungsauftrages effektuieren164. Bei näherer Betrachtung ist dieser Übergangszeitraum allerdings nicht als planwidrige Lücke der staatlichen Daseinsvorsorge zu werten, sondern vielmehr als ein planmäßiger Zustand. Die Entstehung neuer Bedürfnissituationen stellt einen Prozess dar, innerhalb dessen eine konstitutive Feststellung der Notwendigkeit staatlicher Regelungstätigkeit erforderlich ist. Bei dieser Entscheidung darf der Staat unter anderem auch berücksichtigen, ob er sich die entsprechende Aufgabe tatsächlich leisten will165. In welchem Umfang, 163
In diesem Sinne Becker, Kommunale Selbstverwaltung, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. VI 2, 1962, S. 717. 164 Vgl. zum „Recht des ersten Zugriffs“ der Exekutive, das sich unter Umständen zur Pflicht verdichten kann auch Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 75; insbesondere zur Fallgruppe der „fehlenden Regelungsreife“ Rn. 78.
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mit welchem Inhalt und in welcher Form eine staatliche Intervention gewollt ist und wie die Finanzierung der Aufgabe erfolgen soll, muss nach demokratischen Spielregeln ermittelt werden. Diese Ermittlung des Volkswillens geschieht gerade durch das Gesetzgebungsverfahren, im Rahmen dessen die entsprechende Angelegenheit als gemeindliche Pflichtaufgabe normiert werden kann. Die Berechtigung von Gerichten oder Aufsichtsbehörden, bereits im Vorfeld eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung der Gemeinden festzustellen, greift dem Gesetzgeber und so dem demokratischen Verfahren vor. Anders als dem Gesetzgeber steht den Gerichten und Aufsichtsbehörden weder ein Budgetrecht zu noch die Kompetenz zu entscheiden, auf welche Weise oder auf welcher Ebene eine Aufgabe zu lösen ist. Die Anerkennung einer Definitionsbefugnis von Gerichten und Aufsichtsbehörden wäre vor allem deshalb problematisch, weil dem Gesetzgeber, wie bereits dargestellt, trotz der verfassungsrechtlichen Kompetenzregelung in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG ein gewisser Entscheidungsspielraum auch im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verbleibt. Eine mögliche und gleichzeitig die einzig zulässige Alternative ist – sofern es sich um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt –, dass die Gemeinde freiwillig tätig wird, solange der Gesetzgeber keine entgegenstehende Regelung getroffen hat. Auch in diesem Fall erfolgt die Festlegung der Notwendigkeit einer staatlichen bzw. gemeindlichen Intervention auf Grundlage eines demokratischen Verfahrens durch die Entscheidungsträger und auf der Ebene, die die unmittelbaren finanziellen Folgen ihrer Entscheidung selbst zu tragen hat. Die Kosten für die freiwillige Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe werden den Gemeinden nicht gesondert erstattet, sondern müssen aus den allgemeinen staatlichen Zuweisungen gedeckt werden. Im Rahmen der kompetentiellen Berechtigung können die Bürger mit den Mitteln von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid die Schaffung einer bestimmten Einrichtung oder die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe von ihren Repräsentativorganen unter Umständen erzwingen. Darüber hinaus besteht auch bei Ablehnung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit keine Gefahr einer existenzbedrohlichen Unterversorgung. Für die Bewältigung plötzlich auftretender Notfallsituationen, d.h. bei tatsächlicher Gefährdung von grundrechtlich geschützten Gütern, entsteht kein Schutzvakuum166, weil hier die sicherheitsrechtlichen Vorschriften 165 VerfG M-V KommJur 2010, S. 292 (294); zur dieser Funktion des Konnexitätsprinzips auch Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (124); Wolff, BayVBl. 2004, S. 129 (130).
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greifen. Hier kann aufgrund besonderer Umstände das Entschließungsermessen anerkanntermaßen reduziert und somit die Gemeinde als Sicherheits- bzw. Ordnungsbehörde zur Gefahrabwendung verpflichtet sein167. In den meisten Ländern wird die Gefahrabwehr indes nicht als örtliche Angelegenheit qualifiziert168.
II. Unterschiedliche Bedarfs- und Versorgungsdichte Eine weitere potentielle Unzulänglichkeit legislativer Gestaltungsmacht ergibt sich aus der eingeschränkten Möglichkeit des Gesetzgebers zur Differenzierung. Problembereiche könnten somit Fälle von Unterversorgung mit bestimmten Leistungen in einzelnen Gemeinden sein, hinsichtlich derer aber im Allgemeinen typischerweise flächendeckend ein ausreichendes privates Angebot besteht, das die Notwendigkeit staatlicher Intervention ausschließt. 1. Potentieller Anwendungsbereich einer Reserveverantwortung Insbesondere in ländlichen Gebieten kann aufgrund der mangelnden wirtschaftlichen Rentabilität privater Wirtschaftstätigkeit die Situation entstehen, dass eine ortsnahe Versorgung mit bestimmten Leistungen nicht vorhanden ist. Davon können vor allem hilfsbedürftige und ältere Menschen negativ betroffen sein. Teilweise bereits reelle oder zumindest für die Zukunft denkbare Beispiele einer Unterversorgung im ländlichen Raum sind etwa Ärztemangel oder das fehlende Vorhandensein von Post- und Bankfilialen oder Einkaufsmöglichkeiten. Eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung der Gemeinden zur Ergreifung von Abhilfemaßnahmen in dieser Konstellation der strukturellen Unterversorgung hätte den Vorteil, dass so eine zielgenaue Bewältigung ausschließlich bezogen auf die tatsächlich un166 So bereits Salzwedel, in: Loschelder/Salzwedel (Hrsg.), Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1964, S. 217 (228 f.): „Es gibt für die staatlichen Behörden keine Möglichkeit, die Gemeinden zur Übernahme von solchen freiwillig zu übernehmenden Selbstverwaltungsaufgaben zu zwingen. Abgesehen wird dabei von den Ausnahmefällen, in denen bestimmte Einrichtungen dieser Art zur Vermeidung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung geschaffen und unterhalten werden müssen. Was der Gesetzgeber nicht zur Pflichtaufgabe erklärt hat, kann die Gemeinde auch dann auf sich beruhen lassen, wenn dies ganz unvernünftig erscheint“. 167 Dazu auch Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 22. 168 Götz, Allgemeines Polizei und Ordnungsrecht, 14. Aufl. 2013, § 20 Rn. 3 f., der auch auf die Ausnahme in Bayern eingeht.
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terversorgten Gemeinden erfolgen könnte, während bei gesetzlicher Regelung Generalisierungen und Pauschalierungen hinzunehmen sind. 2. Kompetentielle und demokratische Verantwortung Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ein Großteil der genannten Leistungen keine Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind. Offensichtlich bestätigt wird dies etwa hinsichtlich des Post- und Telekommunikationswesens, das gemäß Art. 73 Abs. 1 Nr. 7 GG der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes zuwiesen und für das in Art. 87f GG sogar ausdrücklich eine Gewährleistungsverantwortung des Bundes normiert ist169. Die Gemeinden haben folglich in diesen Bereichen gar kein verfassungsunmittelbares Zugriffsrecht auf die entsprechende Aufgabe, was gleichzeitig die verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit ausschließt170. Eine hinreichende ärztliche Versorgung ist derart grundrechtsrelevant, dass man hier, wie oben bereits erläutert, von einer Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers ausgehen muss171. Auch in Bezug auf die Angelegenheiten, die nicht (eindeutig) aus dem verfassungsrechtlich den Gemeinden zugewiesenen Kompetenzbereich herausfallen oder nicht der materiellen Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers unterliegen, muss die Grenze einer reglementierungsbedürftigen Unterversorgung erst im demokratischen Prozess definiert und inhaltlich ausgestaltet werden. Dies kann aber nicht durch Gerichte und Aufsichtsbehörden, sondern entweder freiwillig durch die demokratisch legitimierten Gemeindeorgane, unmittelbar initiiert durch die Gemeindebürger oder rechtsverbindlich durch den Gesetzgeber erfolgen. 3. Gesetzgeberische Gestaltungsmöglichkeiten Es handelt sich in den beschriebenen Fällen um allgemeine Grundbedürfnisse der Bevölkerung, die weitgehend unabhängig von individuellen Faktoren sind. Eine potentiell divergierende Bewertung einer staatlichen Interventionsnotwendigkeit in Bezug auf die einzelnen Gemeinden ergibt sich in diesem Fall nur aus Unterschieden im Ausmaß der gesellschaftseigenen Bedürfnisbefriedigung. Deshalb sind diese Konstellationen im Grundsatz abstrakt-generell regelbar. 169 Dazu beispielsweise auch Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 4, 3. Aufl. 2006, § 96 Rn. 18. 170 Vgl. dazu oben § 3 A. III. und § 6 A. III. 1. 171 Vgl. dazu oben § 6 B. I. 2.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei der Normierung einer gemeindlichen Aufgabenverpflichtung hinsichtlich unterschiedlicher Gemeinden beispielsweise in Bezug auf die Größe differenzieren kann. Es besteht daneben grundsätzlich die Möglichkeit, eine konkrete Gewährleistungsverantwortung der Gemeinden im Bereich der eigenen Angelegenheiten zu normieren. Diese Regelungstechnik nutzen einige Landesgesetzgeber bereits in Bezug auf die Kreise und die kreisfreien Städte, z. B. im Bereich der Kinderförderung in § 10 Abs. 1 KiFöG S-A172. Die Normierung einer Verpflichtung der Gemeinden, eine hinreichende Versorgung in Bezug auf konkrete Einrichtungen sicherzustellen, muss allerdings mit einer entsprechenden Übernahme der finanziellen Mehrbelastung einhergehen. Aus teleologischen Erwägungen173 ist die in den Konnexitätsvorschriften normierte Ausgleichspflicht auch auf eine Gewährleistungspflicht in Bezug auf eine konkrete Einrichtung zu erstrecken. Da die Erfüllungspflicht nur unter dem Vorbehalt eines nicht hinreichend vorhandenen privaten Angebotes steht, bietet sich bezüglich solcher Gewährleistungsaufgaben eine Spitzabrechnung an, d.h. eine Erstattung der Kosten in dem Umfang, in dem sie tatsächlich anfallen174.
III. Förderaufgaben und kommunale Einrichtungen Wie bereits dargestellt, ist etwa die Förderung von Wohnraum- und Arbeitsplätzen oder der Kinder- und Jugendschutz weitgehend gesetzlich ausgestaltet, so dass eine primäre verfassungsunmittelbare Verantwortlichkeit der Gemeinden für diese Aufgaben ausscheidet175. Denkbar wäre in diesen Bereichen aber eine ergänzende verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit der Gemeinden anzunehmen, sofern die diesen zustehenden Instrumente und die besonderen Funktionsbedingungen der Selbstverwaltung besondere Vorteile mit sich bringen. Mit anderen Worten könnte aufgrund der Sach- und Problemnähe der Gemeinde zu den individuellen Bedürfnissen der Gemeindebürger gemeindliches Engagement zwingend geboten und deshalb insoweit eine Ergänzungspflicht der Gemeinden aus dem Verfassungsrecht abzuleiten sein. 172
Gesetz zur Förderung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege des Landes Sachsen-Anhalt (KiFöG) vom 5. März 2003, GVBl. S. 48. 173 Vgl. dazu oben § 7 A. II. 2. b). 174 Zu dieser Berechnungsmethode beispielsweise eingehend OVG Bbg LKV 2005, S. 69 (70 ff.), nach dem sich im Allgemeinen eine Pflicht zur Spitzabrechnung aus dem entsprechenden landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzip nicht ergibt. 175 Siehe dazu oben § 6 B. I. 4. a) bb).
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Einen echten Sonderfall stellen daneben die kommunalen Einrichtungen dar. Im Vergleich zu den materiellen Existenzvoraussetzungen unterscheidet sich die Bedürfnissituation im Bereich des kulturellen Angebots bzw. des Angebots an sonstigen Freizeit- und Erholungseinrichtungen insbesondere dadurch, dass diese sich kaum allgemein bestimmen lässt, sondern hinsichtlich der konkreten örtlichen Gemeinschaft variieren kann. Gesellschaftsstrukturelle Unterschiede oder schlicht individuelle Präferenzen bestimmen hier entscheidend den Bedarf an einer konkreten Einrichtung oder Leistung. Aufgrund der mangelnden Verallgemeinerungsfähigkeit solcher Leistungen wird zu Recht ein Eingreifen des Gesetzgebers folglich als „dysfunktional“ angesehen176. Insbesondere kulturelles Angebot sei gerade auf Differenziertheit angelegt und eigne sich somit nicht als Gegenstand einer abstrakt-generellen Normierung. Demzufolge ist das Gesetz in diesem Bereich nicht nur ein in der faktischen Tauglichkeit äußerst beschränktes, sondern regelmäßig auch ein unzulässiges Mittel. Der Gesetzgeber muss sich, wenn er die Gemeinden einfachgesetzlich zur Wahrnehmung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft verpflichten will, rechtfertigen. Das gelingt ihm, wenn er im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative begründen kann, dass für die betreffende Aufgabe in den Gemeinden ein gleichartiges Bedürfnis besteht, dessen Befriedigung allgemein sichergestellt werden muss. Aufgrund der besonderen Funktionsbedingungen im Bereich des kulturellen Angebotes, das wesensimmanent auf Variabilität angelegt ist, wird die Rechtfertigung einer abstrakten Festlegung einer Aufgabe, die durch alle Gemeinden gleichermaßen erfüllt werden muss, aber regelmäßig ausscheiden177. Auch hinsichtlich anderer sozialer Einrichtungen, wie etwa hinsichtlich der Errichtung von Sportstätten, wird sich die allgemeine Pflicht zum Vorhalten einer bestimmten Leistung kaum begründen lassen178. Vor dem Hintergrund, dass im Bereich der kulturellen Betätigung bzw. der Freizeit- und Erholungseinrichtungen die Gestaltungsfähigkeit und die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers eingeschränkt ist, könnte hier eine verfassungsunmittelbare Inpflichtnahme der Gemeinden geboten sein. Diese wäre zumindest eine Form der Reservesicherung, die an Stelle der nicht erfüllbaren gesetzlichen Gewährleistungsverantwortung tritt.
176 Ditges, Rechtsprobleme kommunaler Kulturarbeit, 1986, S. 89; Hufen, NVwZ 1983, S. 516 (521); Pappermann, DVBl. 1980, S. 701 (701) m. w. N. 177 In diesem Sinne auch Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. 5, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 80. 178 So sind wohl auch die Aussagen von Möllers, in: Groth, Staatsziel aus der Mottenkiste, FAZ vom 28. September 2012, S. 29, zu interpretieren.
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IV. Zwischenergebnis: Ausschluss genereller verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben Zusammenfassend ist in den meisten der genannten Konstellationen die Entscheidung über eine staatliche oder gemeindliche Intervention dem Prozess der demokratischen Willensbildung überlassen. Überwiegend ist dem Gesetzgeber auch durch besondere Regelungstechniken eine differenzierte Ausgestaltung möglich. Die Gefahr der Entstehung von Schutzlücken bei der Verwirklichung des staatlichen Leistungsauftrages ist folglich von vornherein auf die Aufgaben beschränkt, für die eine generalisierende Regelung aufgrund ihrer funktionsnotwendigen Variablität ausscheiden muss. Gleichzeitig kann es sich deshalb aber bei den verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgaben nicht um eine Art Pflichtenkatalog handeln, der alle bzw. eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmbare Vielzahl von Gemeinden betrifft. Solche Pflichtaufgaben sind auch mittels des Instruments des abstrakt-generellen Gesetzes regelbar, so dass diesbezüglich für die Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit kein Bedarf besteht. Im Bereich des einfachgesetzlich Normierbaren ist somit eine Exklusivität der Möglichkeit der einfachgesetzlichen Verpflichtung der Gemeinden anzunehmen. Die Festlegung einheitlich zu erfüllender Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft obliegt also dem Landesgesetzgeber, der durch die Konnexitätsregelungen gezwungen ist, sich zu entscheiden, ob er sich die flächendeckende Sicherstellung der Aufgabe tatsächlich leisten will179.
C. Gemeindliche Reserveverantwortung im Einzelfall Möglicherweise lässt sich allerdings eine Form der gemeindlichen Reserveverantwortung konstruieren, die sich mit der grundsätzlichen Geltung des Gesetzesvorbehalts für konkrete Aufgabenpflichten der Gemeinden vereinbaren lässt. Von der einfachgesetzlichen Verpflichtung könnte sich die verfassungsunmittelbare Pflichtaufgabe insbesondere dadurch abgrenzen, dass sie lediglich einzelfallbezogen gilt180. Eine partielle Anerkennung einer solchen 179 VerfGH M-V, KommJur 2010, S. 292 (294); in diesem Sinne auch Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (124); Wolff, BayVBl. 2004, S. 129 (130). 180 Eine Differenzierung zwischen Pflichtaufgabe im kommunalrechtlichen Sinne und konkreter Einzelfallverpflichtung etwa bei Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 23 f.; so schon SchmidtJortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 535 ff., nach dem unter Umständen eine faktische Handlungspflicht zur Rechtspflicht werden kann; so auch Lange, in: Püttner
C. Gemeindliche Reserveverantwortung im Einzelfall
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konkreten verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit einer einzelnen Gemeinde, d.h. die ausnahmsweise direkte Abwägung ihres Aufgabenbestimmungsrechts und ihrer verfassungsrechtlichen Pflichtenstellung durch die Gerichte am Maßstab des Verfassungsrechts, könnte insbesondere vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen besonderen Daseinsvorsorgeverpflichtung der Gemeinden in bestimmten Fällen geboten und erforderlich sein.
I. Unmittelbarer Ausgleich verfassungsrechtlicher Wertungen Zurückgegriffen werden kann für die Argumentation zugunsten einer verfassungsunmittelbaren Beschränkung bzw. Beschränkbarkeit des gemeindlichen Handlungs- und Entscheidungsspielraums durch andere Verfassungsnormen des Grundgesetzes auf die allgemeinen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zum Ausgleich verfassungsrechtlicher Wertungen181. Übertragen auf die grundgesetzliche Selbstverwaltungsgarantie wird konstatiert, dass es Teil des Gebotes systematischer oder harmonisierender Verfassungsinterpretation sei, dass die gemeindliche Autonomie nicht nur durch förmliche Gesetze, sondern auch vorn vornherein durch die anderen Verfassungswertungen eingeschränkt wird182. Mit diesen müsse es unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Einheit der Verfassung und dem Prinzip praktischer Konkordanz in der Weise ausgeglichen werden, dass „ein Optimum an Effektivität in der Verfassungswirklichkeit erziel[t]“ wird183. 1. Dogmatische Grundlagen einer punktuellen Einschränkung des Gesetzesvorbehalts Im Folgenden sollen deshalb die Voraussetzungen und Grundsätze eines Ausgleichs der Selbstverwaltungsgarantie mit den verfassungsrechtlichen Wertungen, die für die Ableitung einer gemeindlichen Pflichtigkeit in Be(Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, § 52 S. 167; Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 211, S. 42. 181 BVerfGE 1, 14 (32 f.). 182 So beispielsweise v. Mutius, Örtliche Aufgabenerfüllung – Traditionelles, funktionales oder neues Selbstverwaltungsverständnis?, in: ders. (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 227 (249) m. w. N. 183 v. Mutius, Örtliche Aufgabenerfüllung – Traditionelles, funktionales oder neues Selbstverwaltungsverständnis?, in: ders. (Hrsg.), Selbstverwaltung im Staat der Industriegesellschaft – Festgabe v. Unruh, 1983, S. 227 (249); ders., in: Schmalz/Ewer/v. Mutius/Schmidt-Jortzig, Staats- und Verwaltungsrecht für Schleswig-Holstein, 2002, Kommunalrecht, Rn. 6.
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tracht kommen, in einem ersten Schritt abstrakt entwickelt werden. Als wertungsmäßiger erster Anhaltspunkt dient hier zunächst eine Parallelproblematik aus dem grundrechtlichen Bereich. Im Weiteren müssen aber die besonderen Funktionsbedingungen der institutionellen Garantie der Selbstverwaltung einbezogen werden. a) Parallele Problemkonstellation im grundrechtlichen Bereich Konstruktiv vergleichbar sind die Überlegungen einer partiellen Einschränkbarkeit des Gesetzesvorbehalts zum Schutze der Autonomie der Selbstverwaltungsträger mit einer Parallelproblematik aus der Grundrechtsdogmatik. Dort stellt sich die Frage, inwieweit Grundrechte, die unter ausdrücklichem Gesetzesvorbehalt stehen, im Einzelfall unmittelbar durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden können184. Die Erkenntnis, dass selbst vorbehaltlose Grundrechte durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden können, führt hier nicht weiter, da nach allgemeiner Ansicht die Einschränkung in diesem Falle grundsätzlich erst recht185 einer Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber bedarf186. Die entscheidende Problematik besteht darin, ob ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände von einer Lösung des Konfliktfalls durch den Gesetzgeber abgesehen und unmittelbar das Verfassungsrecht selbst als Ausgleichsmaßstab widerstreitender Wertungen herangezogen werden kann. Eine solche Lockerung der grundsätzlich bestehenden Koordinierungspflicht des parlamentarischen Gesetzgebers wird im grundrechtlichen Bereich teilweise ausnahmsweise für zulässig gehalten, wenn aufgrund der praktischen Grenzen der abstrakt-generellen Handlungsmöglichkeit ein Tätigwerden des Gesetzgebers unmöglich187 oder per se untauglich ist188. Danach sollen insbesondere Fälle denkbar sein, in denen eine Ausgleichung der Verfassungsgüter durch Exekutive und insbesondere die Rechtspre184 Insgesamt für eine Anwendung des kollidierenden Verfassungsrechts neben grundrechtlichem Gesetzesvorbehalt Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 12. Auf. 2012, Vorb. vor Art. 1 Rn. 48, 50. 185 Dazu BVerfGE 83, 130 (142) m. w. N.; sowie BVerfGE 108, 282 (97); so auch Dreier, in: ders. (Hrsg.), Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Vorb. vor Art. 1 Rn. 141. 186 Deutlich hierzu BVerfGE 111, 147 (158 f.); Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 45; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, 12. Auf. 2012, Vorb. vor Art. 1 Rn. 51. 187 Zur Unmöglichkeit der Konkretisierung einer Ermächtigungsgrundlage für die staatliche Informationstätigkeit BVerfG, NJW 2002, S. 2626 (2629). 188 Vgl. abweichende Meinung Jentsch, Di Fabio, Mellinghoff zum Kopftuchfall, BVerfGE 108, 282 (335), in dem es mit Art. 4 GG um ein vorbehaltloses Grundrecht ging.
C. Gemeindliche Reserveverantwortung im Einzelfall
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chung189 aufgrund der Möglichkeit der Herstellung von Einzelfallgerechtigkeit sogar freiheitsfördernder als eine abstrakt-generelle Regelung wirken kann190. Inwieweit diese Überlegungen auch die Einschränkung des Gesetzesvorbehalts aus Sicht des Schutzes der kommunalen Selbstverwaltung rechtfertigen können, ist differenziert zu betrachten. Im Hinblick auf das im Vorstehenden konstatierte Gefährdungspotential der Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben im Einzelfall für die gemeindliche Entscheidungsgewalt wirken diese nicht autonomiefördernder zugunsten der Selbstverwaltungsträger als die gesetzgeberische Festlegung. Denkbar ist aber, dass die Selbstverwaltungsgarantie im Einzelfall aufgrund gewichtigerer verfassungsrechtlicher Wertungen zurücktreten muss, weil die Koordinierungfähigkeit der gesetzgeberischen Regelung an praktische Grenzen stößt. b) Individuelle Wirkung der institutionellen Gewährleistung der Selbstverwaltung Als Rahmenbedingung für diese verfassungsrechtliche Abwägung muss aber von vornherein klargestellt werden, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG generell auch individuelle Wirkung entfaltet, d.h. im Grundsatz jede einzelne Gemeinde einen ungerechtfertigten Eingriff abwehren kann191. Das gilt insbesondere für die Aufgabengarantie und die finanzielle Absicherung, die nach der Rechtsprechung der Landesverfassungsgerichte zu Gunsten jeder einzelnen Kommune192 unabhängig von ihrer Finanzkraft gilt193. Eine Beeinträchtigung der Selbstverwaltungsgarantie durch die Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe ist folglich nicht schon deshalb zu verneinen oder ihre Intensität als geringer einzustufen, weil diese als einzelfall189
Dreier, in: ders. (Hrsg.), Bd. 1, 2. Aufl. 2004, Vorb. vor Art. 1, Rn. 141. Vgl. abweichende Meinung Jentsch, Di Fabio, Mellinghoff zum Kopftuchfall, VerfGE 108, 282 (335). 191 Selbst in Bezug auf die institutionelle Rechtssubjektsgarantie sichert die Selbstverwaltungsgarantie zwar nicht den Bestand jeder einzelnen Gemeinde, dem Staat obliegt aber in diesem Fall zumindest eine Rechtfertigungslast für die Einschränkung des Selbstverwaltungsrechts der einzelnen Gemeinde Knemeyer/Wehr, VerwArch 92 (2001), S. 317 (340 f.). 192 VerfG Bbg LKV 2002, S. 323 (325); NdsStGH NdsVBl. 2001, S. 184 (184, Ls.); ThürVerfG ThürVBl. 2005, S. 228 (235); Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (122, 125). 193 Schoch, VBlBW 2006, S. 122 (125); problematisch ist vor diesem Hintergrund, dass die Konnexitätsregelung des Art. 137 Abs. 6 S. 2 HessVerf. ausdrücklich nur vor einer finanziellen Mehrbelastung der Kommunen insgesamt schützen soll, vgl. dazu die Erläuterung LT-Drs. 15/3553, S. 5; dazu auch Ammermann, Das Konnexitätsprinzip im kommunalen Finanzverfassungsrecht, 2006, S. 159. 190
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bezogene Konkretisierung der abstrakten Befassungspflicht konstruiert wird194. Darüber hinaus werden durch die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben auch die Kompetenzabgrenzung innerhalb der drei Staatsgewalten sowie demokratische und rechtsstaatliche Grundsätze betroffen. Auch deswegen ist jede einzelfallbezogene Konkretisierung einer Aufgabenpflicht gleichermaßen rechtfertigungsbedürftig. 2. Verfassungskonforme Interpretation der gemeinderechtlichen Generalklauseln im Einzelfall Der Weg, mit dem einige Autoren die Pflicht der Gemeinden zur Schaffung oder Aufrechterhaltung bestimmter Einrichtungen konstruieren wollen, führt über die bereits mehrfach erwähnten Generalklauseln in den Gemeindeordnungen der Länder, nach denen die Gemeinden die erforderlichen sozialen und kulturellen Einrichtungen schaffen sollen195. Den Gerichten und gegebenenfalls den Aufsichtsbehörden könnte die Befugnis zuerkannt werden, im Einzelfall eine Reduzierung des grundsätzlichen Gestaltungsermessens „auf Null“ kraft Verfassungsrechts festzustellen196. Wie bereits dargestellt197, vermeidet aber auch der Rekurs auf diese Vorschriften nicht die Umgehung der verfassungsrechtlichen Schutzmechanismen finanzieller und prozessualer Art zugunsten der Gemeinden. Es müssten folglich auch im Rahmen dieser einfachgesetzlichen Konstruktionsmög194 So könnte man allerdings die Aussagen von Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Kreis und kreisangehörigen Gemeinden, 1973, S. 23 f., werten. 195 § 10 Abs. 2 GO B-W; Art. 21 BayGO; § 14 Abs. 1 BbgGO; § 4 S. 2 NdsKVG; § 8 Abs. 2 GO NRW; §§ 5 Abs. 2 SaarlGO; §§ 2 Abs. 1, 10 Abs. 2 SächsGO; §§ 2 Abs. 1 S. 2 GO S-A; §§ 1 Abs. 4 ThürKO. 196 So schon Schmidt-Jortzig, Kommunalrecht, 1982, Rn. 535 ff., nach dem unter Umständen eine faktische Handlungspflicht zur Rechtspflicht werden kann; in diesem Sinne ebenfalls Lange, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, § 52 S. 167; Braun, KommJur 2009, S. 424 (427); Eggers, Die Verzonung von Aufgaben, Zuständigkeiten, Kompetenzen und Befugnissen, 211, S. 42; ähnlich wohl auch bei Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1982, S. 221 ff.; unklar ist die Rechtsverbindlichkeit bei Schnapp, Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinden und Kreisen, 1973, S. 22 f.; ähnlich Gestrich, Der Landkreis 1984, S. 366 (367); nicht eindeutig Häberle, Kulturpolitik in der Stadt – Ein Verfassungsauftrag, 1979, S. 26 f., der zwischen Pflichtaufgaben in der Terminologie des neueren Kommunalrechts und juristisch normierbarer Pflichtaufgabe differenziert; kritisch zu der Konstruktion der Ermessensreduktion Müller, der gemeindehaushalt 2010, S. 268 (271). 197 Siehe dazu oben § 7 A. IV.
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lichkeit gewichtige Gründe anzuführen sein, die rechtfertigen, dass die Abwägung zwischen materieller Verpflichtung und dem verfassungsrechtlich garantierten Aufgabenwahlrecht der Gemeinden ausnahmsweise zugunsten der Anerkennungsbefugnis einer konkreten Aufgabenpflicht durch die Gerichte oder Behörden ausfällt.
II. Keine rechtsverbindlich-konkrete gemeindliche Ergänzungsverantwortung In keinem der oben genannten Aufgabenbereiche, in denen eine Ergänzungsverantwortung der Gemeinden in Betracht kommt198, ist im Ergebnis nach diesen Maßstäben eine rechtsverbindliche Ergänzungsverpflichtung zu bejahen. Hinsichtlich einer solchen fehlt es teilweise bereits an der Geeignetheit zur Effektuierung des staatlichen Leistungsauftrages. Jedenfalls wäre aber die Erforderlichkeit oder die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne in Anbetracht der Schwere des Eingriffs in die staatliche Funktionenordnung zu verneinen199. 1. Wirtschaftsförderung Einen Beitrag zur Förderung von Arbeitsplätzen können die Gemeinden abseits der bundesrechtlichen Regelungen im Rahmen allgemeiner gemeindlicher Wirtschaftsförderung leisten. Dem Verfassungsauftrag, der auch an sie gerichtet ist, können die Gemeinden dabei auf unterschiedliche Weise, insbesondere im Rahmen der Bauleitplanung, in Form der Ausweisung geeigneter Gewerbegebiete oder durch die Zurverfügungstellung einer ausreichenden Infrastruktur, gerecht werden. Direkte Förderung ist nur unter Umständen und in begrenztem Umfang zulässig, darf aber jedenfalls nicht in Widerspruch zu staatlichen Förderprogrammen oder gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben stehen und ist somit rechtlich eher begrenzt als gefordert200. Insbesondere im Bereich der Wirtschaftsförderung tragen die Gemeinden allerdings den Wettbewerb untereinander mit allen Effizienz- und Innovationsvorteilen aus, die ein solcher mit sich bringt201. Vor diesem Hinter198
Vgl. oben § 7 B. III. Vgl. zur Anwendbarkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch im staatlichen Binnenbereich und insbesondere im Rahmen der Einschränkung der Selbstverwaltungsgarantie ausführlich Suerbaum, in: Dreier (Hrsg.), Macht und Ohnmacht des Grundgesetzes, 2009, S. 75 (94 ff.) m. w. N. 200 Stober, BB 1996, S. 1845 (1850). 201 Vgl. dazu beispielsweise Hillebrand, BWGZ 1997, S. 756 ff. 199
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grund ist gemeindliche Betätigung im Bereich der Wirtschaftsförderung aber a piori auf Unterschiedlichkeit und ein großes Maß an autonomem Handlungsspielraum angelegt. Deshalb muss eine eigenständige Gestaltung der Aufgabenerledigung in der jeweiligen Gemeinde ermöglicht und eine heteronome Einflussnahme durch Exekutive und Judikative verhindert werden. Die Gefahr einer signifikanten Untätigkeit der Gemeinden in diesem Bereich besteht zudem nicht, da diese durch den Standortwettbewerb unter den Gemeinden gerade verhindert wird. 2. Wohnraumförderung Auch hinsichtlich der Wohnraumförderung ist eine Mindestsicherung der Aufgabenerfüllung durch die gesetzlich geregelte finanzielle Förderung gewährleistet. Darüber hinaus sind die Gemeinden gerade deshalb als Aufgabenträger prädestiniert, weil sie neben der gesetzlich geregelten, finanziellen Förderung zielgenau auf die lokalen Besonderheiten eingehen können202. Dies liefert aber wiederum gleichzeitig das Argument dafür, warum heteronome Fremdbestimmung durch die Vorgabe konkreter Handlungspflichten in Bezug auf die ergänzende Verantwortlichkeit der Gemeinden im Bereich der Wohnraumförderung nicht funktionsgerecht ist. 3. Kinder- und Jugendschutz Ebenso hat der Gesetzgeber die Erfüllung der essentiellen Aufgaben für die Verwirklichung des Staatsziels der Kinder- und Jugendhilfe bereits verbindlich abgesichert. Daneben kann gemeindliches Engagement eine wichtige und wünschenswerte Ergänzung sein. Sie ist aber lediglich Zusatzleistung neben dem verfassungsrechtlich geforderten Mindeststandard. Diese Auffassung widerspricht auch nicht der ausdrücklichen Einbeziehung der Gemeinden in den Adressatenkreis der jeweiligen landesrechtlichen Verfassungsaufträge, wenn man die partielle Vollzugszuständigkeit betrachtet und zudem ihre Erwähnung vielmehr als Indiz einer positiven Berechtigung interpretiert203.
202
Zur Abhängigkeit von den örtlichen Verhältnissen auch Kniepe/Kraemer/Sommer, in: Mann/Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 2, 3. Aufl. 2011, § 58 Rn. 10. 203 In diesem Sinne Braun, Kommentar zur Verfassung des Landes Baden-Württemberg, 1984, Art. 13 Rn. 6.
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III. Pflicht zur Vorhaltung bestimmter kommunaler Einrichtungen Verbleibt als letzter Bereich einer gemeindlichen Reserveverantwortung die potentielle verfassungsunmittelbare Pflicht, bestimmte kommunale Einrichtungen vorzuhalten. Angesprochen sind hier Einrichtungen kultureller Art sowie sonstige Erholungs- und Freizeiteinrichtungen. Basierend auf der Erkenntnis, dass dieser Bereich kommunaler Kompetenz nicht durch einfachgesetzliche Regelung steuerbar ist, wurden in der Vergangenheit und werden immer wieder204 insbesondere im Bereich der kulturellen Betätigung andere Möglichkeiten der Konstruktion einer gemeindlichen Pflichtigkeit diskutiert. Diese Versuche stehen unter der Prämisse, dass das Entschließungsermessen der kommunalen Selbstverwaltungsträger, auf diesem Gebiet tätig zu werden, nicht frei von jeglicher Bindung sein könne, da ansonsten dieser Bereich aufgrund der Beschränktheit der finanziellen Mittel vernachlässigt zu werden drohe205. 1. Insbesondere kommunale Kulturarbeit als Pflichtaufgabe Insbesondere Ende der 70iger bis in die 80iger Jahre war die Begründung der Kulturarbeit als kommunale „Pflichtaufgabe“ und deren inhaltliche Konkretisierung ein in der Literatur diskutiertes Thema206. Die damals unternommenen Versuche, das Fehlen einer gesetzlichen Regelung für die Begründung von Pflichtaufgaben auf andere Weise zu korrigieren, sind nicht nur konstruktiv angreifbar207. Teilweise gehen sie im Ergebnis ohnehin nicht über die allgemeine Befassungspflicht hinaus und führen nicht zu einer Anerkennung konkreter verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben im hier definierten Sinne. Insbesondere fragwürdig ist die Anerkennung von „Pflichtaufgaben“ kraft „communis opinio“ neben den einfachgesetzlichen Aufgabenpflichten, für deren Herleitung kumulativ auf empirische Tatsachen und rechtliche Indizien rekurriert wird208. Daraus sollen sich sogar konkrete Pflichten zur Vor204 Scheytt, Kommunales Kulturrecht, 2005, Rn. 130 f.; Sturhan, Kunstförderung zwischen Verfassung und Finanzkrise, 2002, S. 90 ff.; Kadelbach, NJW 1997, S. 1114 ff. 205 Pappermann, Verwaltungsrundschau 1983, S. 41 (43) m. w. N.; ähnlich Gestrich, Der Landkreis 1984, S. 366 (366). 206 Pappermann, DVBl. 1980, S. 701 (705 ff.); knapper ders., Verwaltungsrundschau 1983, S. 41 (44). 207 Dazu überzeugend Henneke, Der Landkreis 2000, S. 20 (25 f.); ähnlich bereits Ditges, Rechtsprobleme kommunaler Kulturarbeit, 1986, S. 98 f., 138. 208 Pappermann, DVBl. 1980, S. 701 (705 ff.).
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haltung bestimmter kultureller Einrichtungen ableiten lassen, wenn sich bei einem Vergleich von Gemeinden der gleichen Größenordnung eine signifikante Übereinstimmung hinsichtlich des vorhandenen Bestandes ergibt209. Diese Begründung einer Pflichtaufgabe aus einer Gesamtbetrachtung des tatsächlichen Engagements vergleichbarer Gemeinden setzt sich offensichtlich in Widerspruch zur selbst propagierten Ablehnung einer gesetzgeberischen Intervention als Resultat aus der funktionsnotwendigen Gestaltungsfreiheit und Variabilität und der damit einhergehenden mangelnden Verallgemeinerungsfähigkeit im Bereich kultureller Betätigung210. Dem wird scheinbar gewissermaßen dadurch abgeholfen, dass diesen durch gemeinsame Überzeugung begründeten Pflichtaufgaben die Rechtsverbindlichkeit und somit die aufsichtsrechtliche Durchsetzbarkeit abgesprochen wird211. Diese Einschränkung, die auf den ersten Blick als inkonsequent erscheint212, macht auf den zweiten Blick deutlich, dass hier in Wirklichkeit gar keine pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben im herkömmlichen Sinne begründet werden sollen213. Wenn sich die Pflicht zur Errichtung oder Aufrechterhaltung einer bestimmten Einrichtung allein im Rahmen der gemeindlichen Willensbildungsprozesse erzwingen lassen soll214, unterscheiden sich die „Pflichtaufgaben“ kraft „communis opinio“ der Rechtsfolge nach im Grundsatz nicht von der Kategorie der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben215. 209 Pappermann, DVBl. 1980, S. 701 (706), führt als Beispiel an, dass 97% aller Städte einer gewissen Größenordnung über eine bestimmte kulturelle Einrichtung, wie z. B. eine Bibliothek, ein Museum oder eine Musikschule verfügen. 210 Pappermann, DVBl. 1980, S. 701 (701, 704 f.); Häberle, Kulturpolitik in der Stadt – Ein Verfassungsauftrag, 1979, S. 24; dazu auch Gestrich, Der Landkreis 1984, S. 366 (366); zu Zweifeln an der Vereinbarkeit von einfachgesetzlicher Verpflichtung der Gemeinden zur Errichtung bestimmter Kultureinrichtungen Hufen, NVwZ 1983, S. 516 (521); eindringlich die staatliche Intervention und Unitarisierung ablehnend Steiner, VVDStRL 42 (1984), S. 1 (22 ff.). 211 Pappermann, Verwaltungsrundschau 1983, S. 41 (44). 212 In diesem Sinne Ditges, Rechtsprobleme kommunaler Kulturarbeit, 1986, S. 98 f. 213 Zur Differenzierung des Begriffs der Pflichtaufgabe im kommunalrechtlichen und im verfassungsrechtlichen Sinne, vgl. Gestrich, Der Landkreis 1984, S. 366 (367); etwas unklar Häberle, Kulturpolitik in der Stadt – Ein Verfassungsauftrag, 1979, S. 26 f., der einerseits von Pflichtaufgabe in der Terminologie des neueren Kommunalrechts, andererseits von juristisch normierbarer Pflichtaufgabe spricht. 214 Häberle, Kulturpolitik in der Stadt – Ein Verfassungsauftrag, 1979, S. 25; Pappermann, Verwaltungsrundschau 1983, S. 41 (44). 215 Dies konstatiert auch Hellermann, Städtische Kulturarbeit als Pflichtaufgabe auch unter den Bedingungen leerer Kassen?, in: Heckmann/Schenke/Sydow (Hrsg.), Verfassungsstaatlichkeit im Wandel – Festschrift Würtenberger, 2013, S. 1147 (1155); Gleiches gilt für die Annahme einer „politischen Pflichtaufgabe“ bei Scheytt, Kommunales Kulturrecht, 2005, Rn. 131.
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Letztlich kommt also auch diese Ansicht zu dem Ergebnis eines weitgehenden Gestaltungsspielraums der Gemeinden hinsichtlich der Art und Weise der Erfüllung des verfassungsrechtlichen Kulturauftrags216. 2. Allgemeine Funktionswidrigkeit heteronom determinierter Pflichtaufgaben Abgesehen von den konstruktiven Ungereimtheiten dieses Ansatzes ist eine heteronome Definition konkreter Pflichtaufgaben darüber hinaus insgesamt abzulehnen. Sie beschränkt nicht nur einen der letzten Freiräume echter kommunaler Gestaltungsmacht, sondern erweist sich auch in materieller Hinsicht als „dysfunktional“217. a) Aushöhlung kommunaler Autonomie Gerade der Bereich der kommunalen Einrichtungen ist eines der letzten Aufgabenfelder bzw. das letzte Aufgabenfeld, das von einer weitgehenden gesetzlichen Determinierung verschont wurde. Die freie Entscheidung, welche Einrichtungen die Gemeinde errichten will, soll deshalb in besonderer Weise durch das Selbstverwaltungsrecht geschützt sein218. Die offene Ausgestaltung der einfachgesetzlichen Regelungen bzw. die Formulierung von Sollvorschriften in Bezug auf die Schaffung gemeindlicher Einrichtungen ist deshalb keine Form der überobligatorischen Rücksichtnahme gegenüber den kommunalen Selbstverwaltungsträgern, sondern durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bzw. die landesverfassungsrechtlichen Gewährleistungen vorgegeben. Gerade im Kultursektor eröffnet sich noch die Möglichkeit der Gemeinde, eine individuelle Eigenart herauszubilden, um nicht ein „in allen Punkten genormter ‚Markenartikel‘ zu sein“219. Dieser Rest an originärer Gestaltungsmacht220 würde durch eine Erweiterung der aufsichtsbehörd216 Pappermann, DVBl. 1980, S. 701 (707 ff.), der allerdings auch gewisse, teilweise zu weit gehende Ermessensschranken konstruiert. 217 Ditges, Rechtsprobleme kommunaler Kulturarbeit, 1986, S. 89 m. w. N. 218 So etwa Lange, in: Püttner (Hrsg.), HbKWP, Bd. 3, 2. Aufl. 1983, § 52 S. 167, der die konkrete Umsetzung der Aufgabe der Schaffung kommunaler Einrichtungen als wesentlichen Bestandteil der verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltung bezeichnet. 219 Stern/Püttner, Gemeindewirtschaft in Recht und Realität, 1965, S. 155. 220 Dazu v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1992, S. 191, mit Verweis auf Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Aufgaben, 1979, S. 89; Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung öffentlicher Aufgaben – untersucht am Beispiel kommunaler Dienstleistungen, 1982, S. 226.
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lichen und gerichtlichen Interventionsmöglichkeiten in Form der Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe bedroht. Die autonome Selbstbestimmung in Bezug auf einen Bereich von Aufgaben ist aber durch die demokratische Legitimation der kommunalen Entscheidungsträger gleichzeitig gefordert und gerechtfertigt221. Kommunale Eigenverantwortung setzt schon isoliert betrachtet nicht nur einen Schutz vor dem Gesetzgeber voraus, sondern fordert vielmehr auch bzw. besonders die Freiheit von heteronomer Zielvorgabe durch die Aufsichtsbehörden und (Fach-)Gerichte222. Die Gefahr der extensiven Interpretation einer ausnahmsweisen verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit ist vor dem Hintergrund der fehlenden Anerkennung einer verfassungsgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit besonders drängend. b) Materielle Dysfunktionalität Aber auch in materieller Hinsicht in eine Konkretisierungsbefugnis hinsichtlich bestimmter Sachaufgaben abzulehnen. Aus grundrechtlicher Sicht ist die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben als Ersatz der fehlenden gesetzlichen Determinierbarkeit im Bereich der Einrichtungen kultureller Art nicht gefordert. Unmittelbar aus den grundrechtlichen Gewährleistungen lassen sich konkrete, inhaltlich bestimmbare Pflichtaufgaben im Kulturbereich bzw. dem Bereich der sonstigen kommunalen Einrichtungen gerade nicht, auch nicht bezogen auf den Einzelfall, begründen. Denn auch, wenn man ein Mindestmaß an kulturellem Angebot als Voraussetzungen einer menschenwürdigen Existenz ansieht, lässt sich dieses nicht inhaltlich qualifizieren. Würde man unmittelbar aus der grundrechtlichen Gewährleistung die Verpflichtung ableiten, bestimmte kulturelle Leistungen anzubieten, drohte die negativ-abwehrrechtliche Funktion der entsprechenden Freiheitsrechte durch eine Überbetonung der positiv-leistungsrechtlichen Komponente preisgegeben zu werden. Die kommunale Autonomie, die eine inhaltlich und zeitlich flexiblere Ausrichtung ermöglicht, ist in besonderem Maße als organisatorische Schutzverstärkung zur Gewährleisung eines pluralistischen Kulturangebotes geeignet223. Eine einheitliche Angebotsstruktur kann in diesem Bereich gar 221
Schmidt-Jortzig, DVBl. 2007, S. 96 (110); dazu bereits oben § 4 C. II. 2. b)
bb). 222 Schmidt-Jortzig, DVBl. 2007, S. 96 (99 f.): „Eigenverwantwortlichkeit meint Freisein von staatlichem bzw. überhaupt dritten Einflussnahmen bei der Zielprojektion . . .“; ähnlich Schwarz, NVwZ 1997, S. 237 (242). 223 Zur kommunalen Selbstverwaltung „als Element grundrechtskonformer Kulturorganisation“, vgl. Hufen, NVwZ 1983, S. 516 (520).
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nicht gewollt sein224. Angesprochen sind hier Aufgabengebiete, in denen die Qualität der Zielverwirklichung gerade von der Möglichkeit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung225 und der Verwirklichung von Experimentierpotential226 profitiert. Vor diesem Hintergrund betrachtet entstehen aus der Allokation der Entscheidungsgewalt bei den Gemeinden als dezentrale, eigenverantwortliche Verwaltungsträger keine Schutzlücken in Bezug auf eine effektive Verwirklichung des grundrechtlichen und sozialstaatlich fundierten Kulturförderungsauftrags. Vielmehr ist die gemeindliche Autonomie in diesem Bereich eine besondere Form der funktionsgerechten und gleichzeitig grundrechtseffektuierenden Staatsorganisation227. Staatliche Reglementierung wirkt hier folglich in kompetentieller aber auch in materieller Hinsicht als Fremdkörper228. Eine Definitionshoheit der Aufsichtbehörden und Gerichte wird gerade nicht der eigenen Forderung gerecht, dass in diesem Bereich die Gemeinden und nicht der Staat die Prioritäten setzen müssen229. Es besteht die Gefahr, dass den Bürgern auf diese Weise von staatlicher Seite ein Rahmenprogramm oktroyiert wird. Wonach ein Bedürfnis besteht, soll aber in diesen individualitätsgeprägten Bereichen grundsätzlich der autonomen Auswahlentscheidung der Grundrechtsträger selbst obliegen. Durch die Verlagerung der Entscheidungszuständigkeit auf die Gemeinden, wird diese freiheitliche Komponente organisatorisch abgesichert. Im Rahmen der örtlichen Gemeinschaft ist nämlich die Kongruenz von Entscheidungsträgern und Entscheidungsbetroffenen in höherem Maße garantiert230. Jede Form von heteronomen Vorgaben schränkt den Gestaltungsspielraum und so auch die grundrechtliche 224
Ditges, Rechtsprobleme kommunaler Kulturarbeit, 1986, S. 89. In diesem Sinne wohl auch Henneke, ZG 10 (1994), S. 212 (245), nach dem „lückenhafte Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ auch Vorteile haben könne; er verweist auf das Sachverständigengutachten zur Neubestimmung der kommunalen Selbstverwaltung beim Institut für Kommunalwissenschaften der Konrad-AdenauerStiftung, Staat und Gemeinden, 1980, S. 45 ff.; in diesem Sinne auch v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1992, S. 193, 195. 226 Salzwedel, in: Loschelder/Salzwedel (Hrsg.), Verfassungs- und Verwaltungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen, 1964, S. 217 (228): „Selbstverwaltung heißt das Recht haben auf eigene Kosten auch ‚Dummheiten‘ machen zu können“. 227 Naumann, in: Kilian (Hrsg.), Verfassungshandbuch Sachsen-Anhalt, 2004, § 12, S. 385 (390); vgl. allgemein zum Grundsatz der „funktionsgerechten Organisationsstruktur“ Küster, AöR 75 (1949), S. 397 ff. 228 Deshalb ist auch die Ansicht verfassungsrechtlich problematisch, die aus Art. 11 Abs. 2 SächsVerf. eine Einrichtungsgarantie in Bezug auf die genannten Einrichtungen ableiten will, vgl. Kunzmann, in: Baumann-Hasske/Kunzmann (Hrsg.), Die Verfassung des Freistaates Sachsen, 3. Aufl. 2011, Art. 11 Rn. 13. 229 Pappermann, DVBl. 1980, S. 701 (704). 225
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Freiheit in ihrer Abwehrfunktion ein. Kein anderes Ergebnis ergibt sich aus der kumulativen Heranziehung der sozialstaatlichen Wertungen. Auch diese können auf unterschiedlichem Wege, etwa durch Förderung gesellschaftlicher Initiativen oder durch die Errichtung eigener Einrichtungen, verwirklicht werden. 3. Zusammenfassung Durch die Zuerkennung einer Feststellungsbefugnis konkreter verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben zugunsten von Fachgerichten und Aufsichtsbehörden würden somit nicht nur Sicherungen zulasten der Autonomie der Selbstverwaltung ausgehebelt, sondern auch die funktionsadäquate Aufgabenerfüllung mehr geschwächt als gestärkt. Wenn die grundrechtsberechtigten Bürger schon vor einer Bevormundung durch den Gesetzgeber geschützt werden sollen, dann erst recht vor einer solchen durch Behörden und Gerichte. Gemeindliche Autonomie und effektive Verwirklichung des kulturstaatlichen Auftrages stehen sich nicht konträr gegenüber, sondern bedingen sich wechselseitig. Die Anerkennung der Befugnis der Gerichte oder Aufsichtsbehörden zur Feststellung einer Ermessensreduktion stellt eine besondere Bedrohung der kommunalen Eigenverantwortung dar, die sich aus den verfassungsrechtlichen Wertungen mit verpflichtendem Charakter selbst im Sinne einer „Ausnahmekompetenz“ nicht rechtfertigen lässt. Aus dem Sozialstaatsprinzip und den landesverfassungsrechtlichen Förderungspflichten insgesamt lässt sich folglich nur eine abstrakte Befassungspflicht ableiten231. Diese ist, sofern es sich um örtliche Angelegenheiten handelt, folglich gezielt sowohl aus der gesetzgeberischen Gewährleistungsverantwortung als auch aus den sonstigen Mechanismen zentralstaatlicher Steuerung weitgehend ausgegliedert. Die Verfassungsaufträge in den Landesverfassungen konkretisieren die abstrakte Befassungspflicht in dem Sinne, dass ein vollständiger Rückzug in diesem Bereich unzulässig wäre232. Die charakteristische Autonomie der Gemeinden hinsichtlich ihrer Aufgabenfindung wird dabei durch die Offenheit der Begriffe 230 Dazu v. Hagemeister, Die Privatisierung öffentlicher Aufgaben, 1992, S. 193; ähnlich auch Krämer, Die bürgerschaftliche Selbstverwaltung unter den Notwendigkeiten des egalitären Rechtsstaates, 1970, S. 90, nach dem die Selbstverwaltung geeignet ist, die „drei Konstitutionsmaximen“ Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat „gleichzeitig zur optimalen Effizienz zu bringen“. 231 So auch Gestrich, Der Landkreis 1984, S. 366 (366 f.); Häberle, Kulturpolitik in der Stadt – Ein Verfassungsauftrag, 1979, S. 35; differenzierend bezüglich der unterschiedlichen landesverfassungsrechtlichen Regelungen und im Ergebnis zu eng Ditges, Rechtsprobleme kommunaler Kulturarbeit, 1986, S. 123 ff., 138. 232 Ennuschat, in: Löwer/Tettinger, Kommentar zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen, 2002, Art. 17 Rn. 8.
D. Verwirklichung durch eigene Gestaltungsmacht
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Kultur bzw. Sport etc. gewahrt, unter die sich eine Vielzahl unterschiedlicher gemeindlicher Betätigungen subsumieren lassen233. Aus der abstrakten Umschreibung und dem Verzicht auf eine gegenständliche Präzisierung in Bezug auf einzelne Einrichtungen, sind aber aus diesen gerade keine konkreten Aufgaben ableitbar.
D. Verwirklichung der besonderen Daseinsvorsorgeverpflichtung durch eigene Gestaltungsmacht Trotz der Ablehnung der Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben besteht nicht die Gefahr, dass die besondere Verantwortung der Gemeinden im Bereich der kulturellen und sonstigen Einrichtungen zum bloßen Programmsatz degradiert wird.
I. Überantwortung an den gemeindlichen Willensbildungsprozess Die abstrakte gemeindliche Befassungspflicht wird im Rahmen der demokratischen Willensbildungsprozesse innerhalb der Gemeinde durchgesetzt234. Hauptinstrument ist hierbei die unmittelbare Wahl ihrer Entscheidungsträger, wodurch der Entstehung einer Inkongruenz von örtlicher Bedürfnissituation und gemeindlicher Tätigkeit präventiv vorbeugt werden kann oder auf die die Bürger repressiv durch Abwahl reagieren können235. Auf Gemeindeebene werden die Einwirkungsmöglichkeiten der Gemeindebürger auf die konkrete Sachentscheidung aber zudem erweitert. Anders als auf Bundesebene, wo die Wahl der Repräsentativorgane die einzige Form 233 Vgl. dazu auch ausdrücklich den Wortlaut des Art. 3c Verf. B-W, der die Verwirklichung des Staatsziels ausdrücklich nur unter der Wahrung der Autonomie der Träger gewährleistet; in der Begründung hierzu heißt es: „Dies ist im Wortlaut besonders hervorgehoben, weil eine staatliche Steuerung autonomer Trägerentscheidungen gerade auf den Gebieten des kulturellen Lebens und des Sports, auf denen Autonomie besonders ausgeprägt und schützenswert ist, mit dem neuen Staatsziel nicht angestrebt wird“ (LT-Drs. 12/5193, S. 2); dies gilt dem Wortlaut nach zwar nur für eine Autonomie vor den Gemeinden; die Wertung lässt sich aber auch auf die Freiheit der Gemeinden vor staatlicher Steuerung übertragen. 234 Henneke, ZG 10 (1994), S. 212 (245): „Welche Vor-, aber auch angesichts knapper Kassen auch Nachrangigkeiten die Kommunen vornehmen, ist dann Ausdruck kommunaler, den Bürgern gegenüber zu legitimierender Eigenverantwortung“; so auch Fröhler, Die Gemeinde im Spannungsfeld des Sozialstaates, 1970, S. 29, zur vergleichbaren Rechtslage in Österreich. 235 In diese Richtung auch Henneke, ZG 10 (1994), S. 212 (238 f.).
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der Einflussnahme ist, und weitergehend als auf Landesebene sind auf kommunaler Ebene flächendeckend im Bereich der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft direkt-demokratische Elemente normiert. Mit dem Bürgerentscheid können jedenfalls in Bezug auf die freiwilligen Aufgaben auch konkrete Entscheidungen der Vertretungsorgane erzwungen bzw. gegebenenfalls verhindert werden236. Dies ist im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben ein ausreichender und auch der einzig sachgerechte Weg, um die Verantwortung der kommunalen Selbstverwaltungsträger zu aktualisieren. Schließlich muss festgestellt werden, was nach dem Mehrheitswillen der Bürger eine Aufgabe darstellt, der sich die Gemeinde annehmen soll. Nur durch den Ausschluss heteronomer Einflussnahme kommen die besonderen Vorteile der dezentralen Selbstverwaltung, d.h. die Flexibilität, die Anpassungsfähigkeit und das geringere Abstimmungsbedürfnis vollkommen zum Tragen. Fraglich ist aber, wie sich der Wille der Mehrheit auf andere Weise als durch die gesetzlich konstituierten Entscheidungsprozesse ermitteln lassen soll. Jedenfalls ist nicht sachgerecht, wenn einem Gericht oder der Aufsichtsbehörde die Befugnis eingeräumt wird, festzustellen, für welche Leistung oder Einrichtung tatsächlich ein Bedürfnis in der konkreten örtlichen Gemeinschaft besteht. Auch bei dem Streit um die Ablehnung von Bürgerbegehren beschränkt sich die Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte in materieller Hinsicht auf Gesetzesverstöße sowie darauf, ob die gesetzlich vorgesehenen formellen Anforderungen eingehalten sind237. Diese dienen als die prozedurale Sicherung dafür, dass den Bürgern eine hinreichende Entscheidungsgrundlage angeboten wird und dass sich der tatsächliche Willen der Mehrheit durchsetzt und nicht etwa Partikularinteressen. Liegen die Voraussetzungen vor, haben die Gemeindeorgane oder Verwaltungsgerichte keinen Entscheidungsspielraum hinsichtlich der Zulassung, eine inhaltliche Überprüfung der Sachentscheidung auf ihre „Zweckmäßigkeit oder Wünschbarkeit“ findet nicht durch diese, sondern durch die Gemeindebürger im Rahmen ihrer Abstimmung statt238. 236 In diesem Sinne Langrehr, Die Auswirkungen der Privatisierung gemeindlicher Aufgaben auf die kommunale Selbstverwaltung, in: Frank/Langrehr (Hrsg.), Die Gemeinden – Festschrift für Faber, 2007, S. 103, der als Beispiel einen Bürgerentscheid in Freiburg anführt, durch den der Verkauf des städtischen Wohnungsbestandes verhindert wurde. 237 Ritgen, NwVZ 2000, S. 129 (134). 238 BayVGH NVwZ-RR 1999, 600 (600); Mückl, NVwZ 1997, S. 223 (225) m. w. N., der auch auf die Gesetzesbegründung zu nordrhein-westfälischen Regelung (LT-Dr 11/4983, S. 8) verweist; dazu auch Beckmann/Hagmann, KommJur 2011, S. 89 (90).
E. Ergebnis
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II. Förderung kommunalen Engagements durch hinreichende Finanzausstattung Wirklich zu einer Förderung des kommunalen Engagements im Bereich der gesetzlich nicht determinierten Aufgabenfelder trägt vielmehr eine hinreichende Ausstattung der Gemeinden mit finanziellen Mitteln bei239. Der Staat kann die Aushöhlung der verfassungsrechtlichen Entscheidung für die Institution Selbstverwaltung, die sich insbesondere durch die Tätigkeit auf dem Gebiet der freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben verwirklicht, folglich aktiv selbst beeinflussen. Stehen den Gemeinden genügend freie Mittel zur Verfügung, die nicht durch gesetzliche Aufgabenpflichten gebunden werden, besteht die Gefahr einer Untätigkeit nicht. Tauglicher Ansatzpunkt zur Verhinderung dieser ist also die transparente und gerechte Mittelverteilung zwischen den staatlichen Hoheitsträgern. Wichtige Schritte zur Sicherung der sogenannten freien Spitze sind bereits durch das bundesrechtliche Durchgriffsverbot und die flächendeckende Einführung der Konnexitätsregelungen in den Landesverfassungen gemacht. Deren praktische Wirksamkeit hängt allerdings von einigen Unsicherheiten, insbesondere der Behandlung bei Veränderungen von Altfällen ab240.
E. Ergebnis: Systemwidrigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben Aus der in § 6 und § 7 entwickelten Funktionsverteilung ergibt sich im Ergebnis ein stimmiges Konzept des Ausgleichs zwischen verfassungsrechtlichem Leistungsauftrag und Wahrung der kommunalen Autonomie. Die Erfüllung der Aufgaben, die auf Basis grundrechtlicher bzw. sozialstaatlicher Wertungen verfassungsrechtlich zwingend gefordert sind – insbesondere das notwendige Existenzminimum – kann und muss alleine der Gesetzgeber sicherstellen. Darüber hinaus verfügt dieser auch in dem Bereich der örtlichen Daseinsvorsorge über einen gewissen Gestaltungsspielraum zu definieren, welche Aufgaben von staatlicher bzw. kommunaler Seite erfüllt werden sollen. Das Instrumentarium, das ihm hier zur Verfügung steht, reicht von der Reglementierung privater Tätigkeit über die einfachgesetzliche Pflichtigmachung bis zum Ansichziehen der entsprechenden Aufgabe oder eventuell der einfachgesetzlichen Normierung einer Gewährleistungspflicht. Die ver239
Die Bedeutung freier finanzieller Mittel für eine „wirklich selbstverwaltende Sozialpolitik“ hebt auch Welti, KommJur 2006, S. 240 (244), hervor. 240 Dazu statt vieler Knitter, Das Aufgabenübertragungsverbot des Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, 2009, passim.
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fassungsrechtlichen Wertungen, die im Sozialstaatsprinzip, den Grundrechten sowie sonstigen Zielbestimmungen und Verfassungsaufträgen zum Ausdruck gebracht werden, dienen gleichzeitig als Rechtfertigungsgrund für den Eingriff in das kommunale Selbstverwaltungsrecht, sofern die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nicht überschritten werden. Den Gemeinden kommt neben der Erledigung der gesetzlich festgelegten Pflichten die Funktion zu, die Verwirklichung des staatlichen Leistungsauftrages dadurch zu optimieren, dass sie über das verfassungsrechtlich geforderte Maß hinaus individuelle Bedürfnisse der konkreten örtlichen Gemeinschaft erkennt und sich ihrer annimmt. Die gesetzesfreie Tätigkeit tritt also ergänzend neben den durch den Gesetzgeber zu gewährleistenden Standard. Diese Ergänzungsfunktion erlaubt es aber nicht nur, den Gemeinden einen echten Gestaltungsspielraum zuzugestehen. Vielmehr ist diese Unabhängigkeit gerade Voraussetzung für die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, die die Gemeinden für eine zielgenaue Erfüllung nicht verallgemeinerungsfähiger Bedürfnisse prädestiniert241. Die Einmischung durch die Gerichte und Behörden bedeutet eine heteronome Definition der lokalen Bedürfnissituation und führt somit neben der Einschränkung des staatsorganisatorischen Prinzips der Selbstverwaltung zugleich zur Konterkarierung des grundgesetzlich vorgegebenen Systems der effektiven Bedürfniserkennung und -befriedigung. Die effektive Verwirklichung des sozialstaatlich-grundrechtlich begründeten Versorgungsauftrages fordert somit auch nicht die ausnahmsweise Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben, sondern steht ihr vielmehr entgegen. Folglich ist die Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe insgesamt abzulehnen. Es besteht weder eine objektive Pflicht der Gemeinde, eine bestimmte Einrichtung zu schaffen oder eine bestimmte Aufgabe aufzunehmen, noch ist sie daran gehindert, sich einer bisher wahrgenommenen Aufgabe zu entledigen, sofern diese nicht einfachgesetzlich als Pflichtaufgabe normiert ist und die Entscheidung hierzu im Rahmen des demokratischen Willensbildungsprozesses innerhalb der Gemeinde erfolgt.
F. Ausblick: Rechtsschutz gegen unzulässigerweise definierte verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben Das Ergebnis dieser Untersuchung steht offensichtlich im Widerspruch zu den eingangs dargestellten Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts in der Entscheidung zum Offenbacher Weihnachtsmarkt. Die Gemeinde wäre 241
Stober, Kommunalrecht, 3. Aufl. 1996, S. 73.
F. Ausblick
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nach der hier vertretenen Auffassung berechtigt gewesen, sich der Verantwortung für den Weihnachtsmarkt vollständig zu entledigen242, da sich weder aus Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG noch aus anderen Vorschriften auf Landesoder Bundesebene eine verfassungsunmittelbare Fortführungspflicht für Aufgaben ergibt, deren Wahrnehmung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist. Diese Streitfrage der Auslegung des Verfassungsrechts, die ein Großteil der Rezensenten der Entscheidung ebenfalls abweichend zum Bundesverwaltungsgericht beurteilt243, scheint aber vor dem Bundesverfassungsgericht nie geklärt werden zu können. Vor dem Hintergrund der Beschränkung der grundgesetzlichen Kommunalverfassungsbeschwerde auf Rechtssätze als Beschwerdegegenstand sind dieses Urteil und potentiell vergleichbare Entscheidungen durch die Fachgerichtsbarkeit nach der bisher überwiegenden Auffassung nicht vor dem Bundesverfassungsgericht angreifbar244. Damit exemplifiziert dieser Fall eindrucksvoll die Rechtsschutzlücke, die sich ergibt, wenn man Richterrecht generell als tauglichen Gegenstand der Kommunalverfassungsbeschwerde ablehnt. Zumindest eine Verfassungsrechtsfortbildung, die vergleichbar wie eine gesetzliche Regelung wirkt, muss, auch um die Auslegungshoheit des Bundesverfassungsgerichts über das Verfassungsrecht zu wahren, im Rahmen des Verfahrens nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b GG angefochten werden können. Wie oben dargestellt245 sind im Falle einer fachgerichtlichen oder aufsichtsbehördlichen Definition verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben die Grenzen der Auslegung überschritten. Dieser gesetzesgleiche Eingriff in die Rechtsstellung der einzelnen Gemeinde, der gleichzeitig zu einer Verschiebung der staatlichen Funktionsordnung führt, ist einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht zu unterstellen.
242
Ob dagegen die konkrete Form der Verantwortungsverlagerung zulässig war, soll damit nicht beurteilt werden. Im Hinblick auf die noch verbleibenden Einwirkungs- und Steuerungsmöglichkeiten ist, wie bereits dargestellt, zweifelhaft, ob es sich um eine echte materielle Privatisierung oder möglicherweise lediglich um eine formelle oder funktionelle Privatisierung handelt, für die andere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen gelten, vgl. dazu bereits oben § 1 Fn. 31. 243 Siehe dazu ausführlich oben § 1. 244 Siehe dazu oben § 7 A. III. 3. 245 § 6 A. IV.
§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse A. Koordinaten der Bestimmung einer verfassungsunmittelbaren Verpflichtung der Gemeinden I. Die Stellung der Gemeinden im Staatsgefüge 1. Die Gemeinden sind nach dem Grundgesetz einerseits als Verwaltungsträger institutionalisiert, gleichzeitig wird ihnen aber das Recht zur Selbstverwaltung verfassungsrechtlich gewährleistet. Daraus ergibt sich eine Dialektik zwischen der Einbeziehung in die allgemeine staatliche Pflichtenstellung und der besonderen kommunalen Autonomie. 2. Den Gemeinden ist durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG eine materielle Aufgabensubstanz überlassen. Eine bloße Beteiligung oder Mitwirkung an mehrstufigen Entscheidungsprozessen ist weder grammatikalisch oder entstehungsgeschichtlich noch teleologisch mit der grundgesetzlichen Gewährleistung des Selbstverwaltungsrechts vereinbar. 3. Die Definition des Begriffs der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ist zentral für die Frage der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit. Indem dieser den Umfang der verfassungsunmittelbaren Berechtigung nach dem Grundgesetz beschreibt, bildet er gleichzeitig die Grenze einer Verpflichtung unmittelbar kraft Verfassungsrechts. 4. Das Bundesverfassungsgericht stellt zur Bestimmung des örtlichen Charakters einer Aufgabe auf die Verwurzelung in der örtlichen Gemeinschaft ab. Die abstrakte Definition erhält die notwendige Flexibilität und Anpassungsfähigkeit an sich wandelnde Bedürfnisse und Gegebenheiten, schützt aber gleichzeitig nicht davor, dass bestimmte Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft entwachsen. 5. Inwiefern eine örtlich gebundene Aufgabe vorliegt, muss allerdings als wesentliches Kriterium für die Charakterisierung einer Aufgabe etabliert werden. Die räumliche Komponente kann so als Mindestsicherung der Gefahr einer zunehmenden Entörtlichung entgegenwirken.
A. Koordinaten der verfassungsunmittelbaren Verpflichtung der Gemeinden 287
II. Der gemeindliche Aufgabenbereich 1. Nach bisheriger Aufgabensystematik steht der einzelnen Gemeinde in Bezug auf die Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch spezielles Gesetz als Pflichtaufgabe normiert sind, ein Entschließungsermessen zu, ob sie diese tatsächlich wahrnehmen will. 2. Die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben durchbricht diese Systematik, indem sie das Recht der Gemeinden, über die Frage der Aufgabenwahrnehmung zu entscheiden, in bestimmten Fällen negiert.
III. Pflichtaufgaben als Regelungsgegenstand des Verfassungsrechts 1. Der Tatbestand bzw. die Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung einer konkreten Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft sind im Grundgesetz nicht explizit geregelt. 2. Die gesetzliche Pflichtigmachung einer bestimmten Aufgabe wird aber anerkanntermaßen als Eingriff in Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG qualifiziert und ist deswegen auch materiell rechtfertigungsbedürftig. 3. Für die Beurteilung der Verfassungskonformität der Pflichtigmachung von Aufgaben kann dabei funktionslogisch nicht auf die in Bezug auf die Hochzonung entwickelte Kern-/Randbereichsdogmatik zurückgegriffen werden. Vielmehr muss der Gesetzgeber eine vertretbare Abwägung zwischen kommunaler Autonomie und materiell verpflichtenden verfassungsrechtlichen Vorschriften vornehmen. 4. Eine Reaktion des verfassungsändernden Gesetzgebers auf die Anerkennung des Eingriffscharakters einer Aufgabenverpflichtung in das kommunale Selbstverwaltungsrecht war die nachträgliche Einführung des Verbotes der unmittelbaren Aufgabenzuweisung des Bundes an die Gemeinden in Art. 84 Abs. 1 S. 7, Art. 85 Abs. 2 S. 2 GG. Die Intention dieses Durchgriffsverbotes liegt in der Vermeidung einer Aufgabenbelastung der Gemeinden ohne entsprechenden finanziellen Ausgleich, womit es die landesverfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen komplettiert.
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§ 8 Zusammenfassung der Ergebnisse
B. Pflichtigkeit als immanentes Element des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG I. Grammatikalisch-historische Auslegung 1. Die Ableitung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit aus der Garantie der Selbstverwaltung selbst ist eine problematische dogmatische Konstruktion. Durch die Behauptung, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG bereits ein Pflichtelement innewohnt, wird die Rechtsposition der Gemeinden bereits tatbestandlich eingeschränkt und ihre Bestimmung somit einer objektiven Abwägung zwischen gemeindlicher Autonomie und materiellen Verfassungspflichten auf Rechtfertigungsebene entzogen. 2. Die subjektiv-rechtliche Formulierung der Selbstverwaltungsgarantie spricht eher gegen die Ableitbarkeit einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit. Aufgrund der Entstehungsgeschichte der Norm, der Systematik und der besonderen objektiven Funktion des Selbstverwaltungsrechts schließt der Wortlaut eine solche Interpretation aber auch nicht völlig aus.
II. Demokratische Funktion der Selbstverwaltung 1. Aus der demokratischen Funktion der Selbstverwaltungsgarantie lassen sich keine Pflichtaufgaben ableiten. Das Demokratieprinzip setzt als Anknüpfungspunkt die Ausübung von Staatsgewalt voraus, lässt sich aber nicht als Begründung für eine Aufgabenverpflichtung oder als Verbot einer Aufgabenentledigung heranziehen. 2. Nichts anderes gilt für die besondere demokratische Funktion der Selbstverwaltung. Neben der Tatsache, dass Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nach überwiegender und überzeugender Ansicht keine Wirkungen im GemeindeBürger-Verhältnis entfaltet, steht das eigenständige demokratische Legitimationssystem auf gemeindlicher Ebene einer heteronom begründeten Verpflichtung zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe oder einer Fortführungspflicht entgegen. 3. Auch für die Wahrung des Einflusses des gesamtstaatlichen Legitimationssubjekts aus Art. 20 Abs. 2 GG ist die Anerkennung einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit nicht erforderlich, weil die Rückbindung in Form der sachlich-inhaltlichen Bindung durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers grundsätzlich gesichert werden kann.
B. Pflichtigkeit als immanentes Element des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG
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III. Objektiv-staatsorganisatorischer Gehalt 1. Allein die Charakterisierung des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG als Kompetenznorm kann für sich eine verfassungsunmittelbare Aufgabenverpflichtung nicht begründen, da ein Junktim zwischen Kompetenz und Pflichtigkeit im Allgemeinen und insbesondere in Bezug auf die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung an die Gemeinden nicht besteht. 2. Eine Grenze der Disponibilität des Selbstverwaltungsrechts ergibt sich allerdings daraus, dass der Verfassunggeber mit der Selbstverwaltung gleichzeitig eine Ordnungsidee institutionalisiert hat, deren objektive Funktion auch von den Berechtigten nicht konterkariert werden darf. 3. Allerdings ist die Aushöhlung der Selbstverwaltung von innen schwer erfass- und beherrschbar. Eine vollkommene Einstellung der freiwilligen Tätigkeit ist zwar nicht mit dem Bild der Selbstverwaltung des Grundgesetzes vereinbar. Andererseits sind das Aufgabenauswahlrecht und die Möglichkeit, auf die Ausübung einzelner Aufgaben zu verzichten, aber notwendige Funktionsbedingungen der Idee der Selbstverwaltung. 4. Die vom Bundesverfassungsgericht auf Rechtfertigungsebene entwickelte Kern-/Randbereichsdogmatik hat bereits in der Konstellation der Entziehung einer Aufgabe nur eingeschränkte Aussagekraft, eignet sich aber jedenfalls nicht für die Bestimmung der gemeindlichen Pflichtigkeit. In diesem Fall geht es nicht um einen positiven Kompetenzkonflikt, sondern um die positive Ermittlung einer Bedürfnissituation in einer Gemeinde. 5. Eine Ableitung konkreter Pflichtaufgaben aus der Ordnungsidee der Selbstverwaltung muss letztlich insgesamt daran scheitern, dass diese Figur zu Verwirklichung der Idee der Selbstverwaltung nicht geeignet ist. Sie erweitert heteronome Einflussmöglichkeiten auf die Gemeinden, was dem der Selbstverwaltung wesensimmanten Autonomieprinzip gerade entgegensteht. 6. Auch ein institutionelles Untermaßverbot begegnet bereits konstruktiven Bedenken. Selbst wenn man ein solches dogmatisch für konstruierbar hielte, wäre es für die praktische Anwendung untauglich, da ein Mindeststandard an freiwilliger Tätigkeit, die die Gemeinden wahrnehmen müssen, nicht bestimmbar ist. 7. Somit beschränkt sich das der Selbstverwaltung innewohnende Moment der Pflichtigkeit auf eine abstrakte Befassungspflicht der gewählten Repräsentativorgane mit den Angelegenheiten der konkreten örtlichen Gemeinschaft.
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C. Pflichtgehalt der landesverfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantien I. Verhältnis von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG zu landesverfassungsrechtlichen Parallelregelungen 1. Einige landesverfassungsrechtliche Regelungen definieren die Rechtsstellung und den Aufgabenbereich der Gemeinden abweichend zur kommunalen Selbstverwaltungsgarantie im Grundgesetz, was sich auch in Bezug auf eine potentielle Pflichtigkeit auswirken kann. 2. Für die Beurteilung der Zulässigkeit einer erweiterten Pflichtenstellung auf Ebene des Landesverfassungsrechts ist die überkommene Dogmatik vom Mindeststandard der grundgesetzlichen Selbstverwaltungsgarantie nicht geeignet. Vielmehr muss geklärt werden, ob die landesverfassungsrechtlichen Regelungen einen mit Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unvereinbaren Normbefehl enthalten.
II. Keine erweiterte Inpflichtnahme der Gemeinden 1. Der Anwendungsbereich verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben ist potentiell in den Ländern erweitert, in denen die Gemeinden kraft Verfassungsrechts als Träger der gesamten Verwaltung auf örtlicher Ebene eingesetzt werden. Allerdings wird auch hier im Ergebnis das Aufgabenzugriffsrecht auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt. 2. Soweit in einigen Ländern neben dem Selbstverwaltungsrecht ausdrücklich eine Selbstverwaltungspflicht in gleichem Umfang vorgesehen ist, wird damit nur die in der staatsorganisatorischen Funktion der Selbstverwaltung begründete abstrakte Befassungspflicht klargestellt. 3. Die beispielhafte Umschreibung des eigenen Wirkungskreises der Gemeinden in der Verfassung des Freistaats Bayern ist nach genetischer und systematischer Auslegung nicht als materielle Konkretisierung im Sinne eines Pflichtenkatalogs zu verstehen. Die Aufzählung materieller Aufgabenbereiche hat lediglich indiziellen Charakter für die Beruteilung des örtlichen Charakters einer Angelegenheit. 4. Teilweise ist in den Landesverfassungen der Autonomiegedanke besonders hervorgehoben, etwa indem die Willensbildung durch eigene Organe explizit normiert wird.
D. Sonstige Verfassungsnormen
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D. Sonstige Verfassungsnormen als Grundlage gemeindlicher Aufgabenpflichten I. Bedeutung und Inhalt materieller Verpflichtungstatbestände 1. Die Gemeinden sind als Hoheitsträger (Mit-)Adressat allgemeiner Verfassungsaufträge und Zielbestimmungen, insbesondere des grundrechtlichsozialstaatlichen Versorgungsauftrages. 2. Inhaltlich sind sowohl die bundes- als auch die landesverfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkte einer staatlichen Verpflichtung durch die verfassten Gewalten konkretisierungsbedürftig. Dies bewahrt die Anpassungsfähigkeit der Aufgabenagenda an sich wandelnde tatsächliche Bedürfnissituationen und die Leistungsfähigkeit des Staates. 3. Aus der Konkretisierungsbedürftigkeit der materiellen Verpflichtungstatbestände folgt gleichzeitig, dass die Festlegung einer Verpflichtung zur Erfüllung bestimmter Aufgaben über die bloße Verfassungsinterpretation hinausgeht und vielmehr einen gestalterischen Vorgang darstellt.
II. Vorrang der einfachgesetzlichen Ausgestaltung 1. Die sachliche Ausgestaltungsbefugnis hinsichtlich der unbestimmten verfassungsrechtlichen Wertungen steht im Grundsatz primär dem demokratisch-legitimierten und budgetberechtigten Gesetzgeber zu und umfasst auch eine gewisse Einschätzungsprärogative bei der Bestimmung des zur Aufgabenwahrnehmung geeigneten Kompetenzträgers im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben. 2. Soweit der Gesetzgeber von seinem Ausgestaltungsrecht in formeller oder materieller Hinsicht abschließend Gebrauch gemacht hat, greift der Vorrang des Gesetzes, der eine verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit der Gemeinden ausschließt. 3. Sofern es sich um grundrechtlich geforderte Leistungen handelt, ist aufgrund der Funktion des Gesetzes als verbindlicher Interessenausgleich und subjektive Anspruchsgrundlage eine gesetzliche Ausgestaltung nicht nur möglich, sondern zwingend. Eine Ausgestaltungspflicht ist auch hinsichtlich anderer sachlich koordinierungsbedürftiger Angelegenheiten anzunehmen. 4. Tatsächlich werden weite Bereiche des gemeindlichen Aufgabenspektrums einfachgesetzlich formell und materiell determiniert. Insbesondere gilt dies für die existenziellen Versorgungsleistungen sowie die Ausgestal-
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tung der konkretisierten landesrechtlichen Verfassungsaufträge, die auch an die Gemeinden adressiert sind. 5. Einen echten Ausnahmefall stellen dagegen die kulturellen und vergleichbaren Freizeiteinrichtungen dar, da die Bedürfnissituation in diesem Bereich regelmäßig nicht abstrakt bestimmbar ist.
III. Allgemeine Grenzen der verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit 1. Da die materiellen Verfassungsnormen keine Kompetenzverschiebung bewirken, wird der Anwendungsbereich der verfassungsunmittelbaren Aufgabenpflichten von vorherein durch den Umfang der verfassungsunmittelbaren Berechtigung begrenzt und ist folglich auf die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft beschränkt. 2. Weitere Einschränkungen für die verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit ergeben sich aus dem Grundsatz der Subsidarität im Verhältnis zur Tätigkeit Privater. Aufgrund der Ausgestaltung im einfachen Recht, die inbesondere die gemeindliche Daseinsvorsorgetätigkeit privilegiert, hat dieser in Bezug auf die gemeindliche Betätigung nur limitierte Beschränkungswirkung.
IV. Besondere Daseinsvorsorgeverantwortung der Gemeinden 1. Für den Bereich der Daseinsvorsorge sind die Gemeinden aber allerdings auch in besonderer Weise verantwortlich. Ein Anhaltspunkt dafür ergibt sich bereits aus ihrer historischen Bedeutung als Versorgungsträger. 2. Positivrechtlich kommt die besondere Daseinsvorsorgeverantwortung der Gemeinden darin zum Ausdruck, dass erstens die Subsidiarität der gemeindlichen Betätigung im Verhältnis zu Privaten partiell eingeschränkt ist. Zweitens enthalten die Gemeindeordnungen ausdrücklich den Auftrag an die Gemeinden, die erforderlichen öffentlichen Einrichtungen zu schaffen.
E. Vorbehalt des Gesetzes
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E. Vorbehalt des Gesetzes für die Begründung gemeindlicher Pflichtaufgaben I. Möglichkeit einfachgesetzlicher Verpflichtung 1. Die Möglichkeit einfachgesetzlicher Verpflichtung der Gemeinden zur Erfüllung bestimmter eigener Aufgaben ist allgemein anerkannt, aber nur in einigen Landesverfassungen ausdrücklich normiert. Diese Regelungen bringen allerdings nicht ausdrücklich eine Exklusivität der gesetzlichen Begründung von Pflichtaufgaben zum Ausdruck. 2. Die Erforderlichkeit einer gesetzlichen Normierung konkreter Aufgabenpflichten kann allerdings aus dem Gesetzesvorbehalt für Eingriffe in die Selbstverwaltungsgarantie abgeleitet werden. Dieses Ergebnis resultiert aus einer vergleichenden Betrachtung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen, die im Rahmen einer einfachgesetzlichen Verpflichtung der Gemeinden gelten.
II. Inkonsistenzen der Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben aus finanzrechtlicher, demokratischer, rechtsstaatlicher und funktioneller Sicht 1. Durch die Figur einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit wird aufgrund der Unanwendbarkeit der Konnexitätsregelungen das finanzielle Schutzkonstrukt ausgehebelt, das im Bundes- und Landesverfassungsrecht umgesetzt wurde, um eine weitere Verengung des finanziellen Gestaltungsspielraums der Gemeinden zu verhindern. 2. Aufgrund der vergleichbaren Interessenlage mit der gesetzlichen Pflichtigmachung ergäben sich bei der Anerkennung der Ableitbarkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben folglich Wertungswidersprüche zum ausdrücklichen Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers. 3. Durch den Verzicht auf die gesetzgeberische Konkretisierung werden mit Rechtssicherheit und Planbarkeit ferner allgemeine rechtsformspezifische Vorteile des Gesetzes preisgegeben. 4. Die Verlagerung der Entscheidungsbefugnis auf die Gerichte und Aufsichtsbehörden ist im Hinblick auf die fehlende sachlich-inhaltliche Determination und die eigene demokratische Legitimitation der gemeindlichen Entscheidungsorgane problematisch. Sie stellt gleichzeitig einen Übergriff der Judikative bzw. Exekutive in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers sowie eine erhebliche Beschränkung des örtlichen Souveräns dar.
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5. Verstärkt wird die Gefahr der aufsichtsbehördlichen bzw. (fach-)gerichtlichen Bevormundung der Gemeinden dadurch, dass verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz nach überwiegender Ansicht nicht erreicht werden kann.
III. Grundsätzliche Erforderlichkeit einer spezialgesetzlichen Regelung 1. Aufgrund des erheblichen Bedrohungspotentials für die kommunale Autonomie darf die Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe jedenfalls nicht als gleichwertiger Verpflichtungsgrund im Verhältnis zur einfachgesetzlichen Verpflichtung, d.h. als Möglichkeit einer Ableitung allgemeiner Pflichtaufgaben aller oder einer Vielzahl von Gemeinden, interpretiert werden. 2. Die kommunalrechtlichen Generalklauseln, die die Gemeinden verpflichten, die erforderlichen Einrichtungen zu schaffen, sind überwiegend nicht geeignet, die Gefahr der Umgehung der Schutzvorschriften in Bezug auf den Rechtsschutz und der finanziellen Ausgleichsmechanismen zulasten der Gemeinden einzudämmen. Auch zur Schaffung von Rechtssicherheit können die offen formulierten Vorschriften nicht beitragen. 3. Folglich ist im Ergebnis grundsätzlich vom Erfordernis einer spezialgesetzlichen Grundlage für die Begründung einer bestimmten Aufgabenpflicht auszugehen, sofern eine solche abstrakt regelbar ist. Im Ansatz denkbar ist eine ausnahmsweise Verdichtung der abstrakten Befassungspflicht auf eine konkrete Handlungspflicht, die sich von gesetzlichen Pflichtaufgaben insbesondere durch die Einzelfallbezogenheit unterscheidet.
IV. Potentielle Schutzlücken bei der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrages 1. Die partielle Durchbrechung des grundsätzlichen Gesetzesvorbehalts für die Begründung konkreter Aufgabenpflichten der Gemeinden könnte zur effektiven Verwirklichung des grundrechtlich-sozialstaatlichen Leistungsauftrages geboten sein, wo das Gesetz an seine Funktionsgrenzen stößt. 2. Allerdings sind überwiegend echte Schutzlücken hinsichtlich der Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrages nicht feststellbar. Sowohl in Bezug auf temporäre Schutzlücken als auch im Falle unterschiedlicher Bedarfs- und Versorgungsdichte obliegt es dem Gesetzgeber, Zeitpunkt und Art und Weise einer staatlichen Interventionsbedürftigkeit festzulegen.
F. Gemeindliche Reserveverantwortung im Einzelfall
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3. Das Bedürfnis einer konkreten Inpflichtnahme der Gemeinden kraft Verfassungsrechts kommt folglich nur dort in Betracht, wo eine abstakt-generelle Regelung nicht funktionsadäquat ist, weil gerade eine Anpassung an konkrete örtliche Gegebenheiten oder individuelle Bedürfnissituationen ermöglicht werden soll. 4. Denkbar ist deshalb grundsätzlich, neben einer ergänzenden Verpflichtung in gesetzlich determinierten Bereichen, eine verfassungsunmittelbare Pflicht zur Vorhaltung bestimmter Einrichtungen kultureller Art bzw. sonstiger Freizeit- und Erholungseinrichtungen in Betracht zu ziehen.
F. Gemeindliche Reserveverantwortung im Einzelfall I. Unmittelbarer Ausgleich verfassungsrechtlicher Wertungen 1. Ein unmittelbarer Ausgleich verfassungsrechtlicher Wertung unter Verzicht auf die Mediatisierung durch einfaches Gesetz wird auch im Kontext der Grundrechte unter sehr restriktiven Voraussetzungen für zulässig erachtet. 2. In Bezug auf gemeindliche Pflichtaufgaben stellen die kommunalrechtlichen Regeln, die einen abstrakten Auftrag zur Schaffung von erforderlichen kommunalen Einrichtungen normieren, ein potentielles Einfallstor für verfassungsrechtliche Wertungen dar.
II. Pflicht zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben oder Vorhaltung bestimmter Einrichtungen 1. Die Annahme konkreter Aufgabenpflichten im Rahmen der Ergänzungsverantwortung der Gemeinden, wie hinsichtlich der Wohnraumförderung, der kommunalen Wirtschaftsförderung oder des Kinder- und Jugendschutzes, ist allerdings weder geeignet noch erforderlich, den verfassungsrechtlichen Leistungsauftrag zu effektuieren. 2. Die Kulturarbeit ist keine echte Pflichtaufgabe der Gemeinden. Insbesondere die Argumentation mit einer „opino communis“ kann eine rechtsverbindliche Aufgabenpflicht nicht begründen. 3. Im Allgemeinen ist die Ableitung von konkreten Aufgabenpflichten im Bereich der kulturellen und sonstigen Freizeit- und Erholungseinrichtungen ein schwerwiegender Übergriff in den letzten Aufgabenbereich, der noch im originären Verantwortungsbereich der Gemeinden verbleibt, und
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somit vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Selbstverwaltungsrechts bedenklich. 4. In den beschriebenen Aufgabenfeldern, die auf Flexiblität, Individualität und Innovativität angelegt sind, erweist sich die Figur der verfassungsunmmittelbaren Pflichtaufgabe zudem in materieller Hinsicht als dysfunktional. Denn die Verlagerung auf autonome Entscheidungsträger ist hier eine Form der funktionsgerechten Staatsorganisation, die durch jede Form der heteronomen Beeinflussung konterkariert zu werden droht.
G. Ergebnis und Ausblick I. Verwirklichung der besonderen Daseinsvorsorgeverpflichung durch eigene Gestaltungsmacht 1. Effektive staatliche Aufgabenerfüllung im orginären Verantwortungsbereich kann folglich nur dadurch erreicht werden, dass die Entscheidungsgewalt den Willensbildungsprozessen in der jeweiligen Gemeinde überlassen wird. 2. Ein tauglicheres Mittel als die Anerkennung konkreter verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben ist vielmehr, die gemeindliche Tätigkeit durch eine angemessene Finanzausstattung zu fördern.
II. Systemwidrigkeit verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben 1. Die Figur der verfassungsunmittelbaren Pflichtaufgabe ist insgesamt abzulehnen. Die Gemeinden sind also weder verpflichtet, bestimmte Aufgaben neu aufzunehmen noch gehindert, sich Aufgaben zu entledigen, sofern diese nicht gesetzlich normiert sind und die Entscheidung hierzu im Rahmen des demokratischen Willensbildungsprozesses in der Gemeinde gefallen ist. 2. Gegen die unzulässige Definition von verfassungsunmittelbaren Aufgabenpflichten durch das Bundesverwaltungsgericht muss den Gemeinden die Möglichkeit der Kommunalverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht offenstehen. Die Verfassungsrechtsfortbildung durch das Gericht hat vergleichbare Wirkungen wie die gesetzliche Normierung einer Pflichtaufgabe und ist deshalb aus Rechtsschutzgründen als tauglicher Beschwerdegegenstand im Verfahren nach Art. 93 Nr 4b GG anzuerkennen.
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Sachverzeichnis Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft – Bedeutung 59, 286 – Definition 65, 69 – Hochzonung 73 – örtliche Verwurzelung 286 Aufgabenauswahlrecht 211 – als Funktionsbedingung der Selbstverwaltung 128, 289 – Beeinträchtigung durch landesverfassungsrechtliche Regelungen 142, 157–158, 164 – Eingriff durch Aufgabenzuweisung 227 – Einschränkbarkeit durch den Gesetzgeber 215 – grammatikalische Auslegung 91 – Rechtfertigungsbedürfnis einer Einschränkung 130 – und Zulassungsanspruch 204 Aufgabenrechtlicher Pflichtgehalt – Art. 83 Abs. 1 BayVerf. 162, 290 – Demokratieprinzip 107 – grundgesetzliche Selbstverwaltungsgarantie 90, 121 – Kompetenzvorschriften allgemein 119 Aufgabensubstanzgarantie 67, 286 Aufgabenübertragung auf andere Verwaltungsträger – kommunale Kooperation 43 – staatliche Verwaltung 44 Aufgabenverzicht 126, 131 Ausgestaltungspflicht des Gesetzgebers 203, 291
Ausgestaltungsrecht des Gesetzgebers 198, 291 Befassungspflicht 138, 289 Daseinsvorsorge – Ausnahme von der einfachgesetzlichen Subsidiarität 191, 215 – örtliche Verwurzelung 68–69 – Verhältnis zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse 177 Daseinsvorsorgeverantwortung 217, 292 – historisches Mandat 213 Demokratieprinzip – auf kommunaler Ebene 104 – Pflichtgehalt 109 Dualistische Aufgabenstruktur 75 Durchgriffsnorm 19, 140, 255 Durchgriffsverbot – Anwendbarkeit auf verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben 167 – Intention 85, 287 – Schutzfunktion 260 – Teil eines finanziellen Schutzkonzepts 245 – Umgehungsgefahr 247 Entschließungsermessen 287 Entschließungsermessen siehe auch Aufgabenauswahlrecht Existentielle Leistungen 176 Gemeinden
Sachverzeichnis – als Verpflichtungsadressaten 166, 169, 216, 286, 291 – Autonomieanspruch 57, 127, 286, 290 Gemeindeverbände 47 Gemeindliche Autonomie – Abwägung mit verfassungsrechtlichen Pflichten 85, 88 – als funktionsgerechte Staatsorganisation 278–279, 296 – Funktionszusammenhang mit effektiver Grundrechtsverwirklichung 280 Gemeindlicher Aufgabenbereich – einfachgesetzliche Determinierung 211, 291 – Erweiterung in den Landesverfassungen 153, 290 – Typologie 77 – verfassungrechtliche Garantie 69 Gemeindlicher Autonomieanspruch – Aufgabenverpflichtung als Eingriff 226 – Ausgleich mit verfassungsrechtlichen Pflichten durch den Gesetzgeber 253 – Aushöhlung 278 – Bedrohung durch die Anerkennung verfassungsunmittelbarer Pflichtaufgaben 261 – direkter Ausgleich mit verfassungsrechtlichen Verpflichtungen 261 – kollidierendes Verfassungsrecht 270 – landesverfassungsrechtliche Regelungen 163 – und Untermaßverbot 136 Grundrechtliche Leistungspflichten, Gewährleistungspflicht des Gesetzgebers 202 Grundrechtliche Leistungsverpflichtung des Staates 174
– Aufgabengarantie 72 – Aufgabenübertragung 85 Kernbereichsaufgaben 106, 122 Kommunale Einrichtungen – Anspruch auf Schaffung oder Fortführung 24, 36 – konkretisierte Einzelfallverpflichtung 275, 295 – landesrechtliche Generalklauseln 210, 259, 292, 294 – landesrechtliche Regelungen als Einfallstor verfassungsrechtlicher Wertungen 295 – objektive Verpflichtung der Gemeinden 36 – sozialer und kultureller Art 211, 295 Kommunale Finanzhoheit – Inhalt 240 – Interdependenz mit der Aufgabengarantie 81, 243, 248 – Pflichtaufgabe als Eingriff 81 Kommunale Kooperation 43 Kommunale Selbstverwaltung – als Ordnungsidee 125 – demokratische Funktion 104, 288 – Entstehungsgeschichte 53 – objektive Funktion 125 – Rechtsstellung 57 Konnexitätsregelungen 228 – Anwendbarkeit auf örtliche Angelegenheiten 234 – Einbeziehung bestehender Aufgaben 236 – Maßstabsfunktion 240 – teleologische Extension 247 – Umgehungsgefahr 248 Monistische Aufgabenstruktur 77
Kern-/Randbereichsdogmatik – Anwendbarkeit auf die Verpflichtungssituation 108, 133, 289
321
Pflichtaufgaben – Definition 27
322
Sachverzeichnis
– Exklusivität der gesetzlichen Verpflichtung 225, 293 – grundsätzliche Geltung des Gesetzesvorbehalts 293 – im dualistischen Modell 75 – im monistischen Modell 77 – verfassungsrechtliche Vorgaben 86, 287 – Vorbehalt des speziellen Gesetzes 294 Pflichtigmachung von örtlichen Angelegenheiten, als Abwägungsvorgang 287 Privatisierung – formelle 33 – funktionelle 36 – materielle 34 Reserveverantwortung der Gemeinden 273, 295 Schutzfunktion des Gesetzes – Bedeutung für die Aufgabenfinanzierung 86, 227, 238 – demokratische Funktion 252, 293 – Modifizierbarkeit 259 – Rechtsschutz 204, 258, 294 – Rechtssicherheit 250 – rechtsstaatlich-demokratische Funktion 198 – subjektiv-rechtliche Funktion 202 Schutzfunktionen des Gesetzes, Rechtssicherheit 293 Selbstverwaltungsgarantie – als Kompetenznorm 115, 121, 289 – Disposivität 93 – in den Landesverfassungen 71, 164 – indikative Formulierung 144 – individuelle Wirkung 126, 272 – institutioneller Charakter 55 – kein Freiheitsrecht 15, 54, 91–92, 122
– landesverfassungsrechtliche Regelungen 290 – objektiv-rechtlicher Gehalt 93 – subjektiv-rechtliche Formulierung 288 – subjektiv-rechtlicher Charakter 90, 119, 127, 129 Selbstverwaltungsrecht, Disponibilität 289 Sozialstaatsprinzip – Konkretisierung in den Landesverfassungen 184 – Pflichtgehalt 173 Staatliche Leistungspflichten – aus dem Sozialstaatsprinzip 173 – aus den Grundrechten 176 – Grenzen 193 – Inhalt 184 – Konkretisierungsbedürftigkeit 195 Staatliche Leistungsverpflichtung – aus dem Europarecht 178 – Konkretisierungsbedürftigkeit 291 – potentielle Schutzlücken 268, 294 Subsidiarität – als Grenze einer verfassungsunmittelbaren Pflichtigkeit 193, 292 – als Grenze kommunaler Pflichtigkeit 186 – einfachgesetzliche Regelungen 192 – europarechtliche Vorgaben 188 – verfassungsrechtlicher Rahmen 190 Untermaßverbot 22, 136, 289 Verfassungsunmittelbare Pflichtaufgaben – Anwendbarkeit der Konnexitätsregelungen 238 – Begriff 30 – Dysfunktionalität 134, 280, 289 – Einordnung 75, 287
Sachverzeichnis – Rechtsschutz 258, 285 – Relevanzbereiche 44 – Umgehung finanzieller Schutzmechanismen 293 – Umgehungsgefahr 288 – Versteinerungsgefahr 133, 259 Verfassungsunmittelbare Pflichtigkeit, Grenzen 292
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Weihnachtsmarkturteil 25, 249 – demokratische Funktion der Selbstverwaltung 110 – Fortdauer der Aufgabenpflicht 258 – gerichtliche Bevormundung 256 – Klagebefugnis 204 – Pflichtigkeit kraft Ingerenz 97