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German Pages 176 Year 1977
Linguistische Arbeiten
45
Herausgegeben von Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner
Jürgen
Krause
Untersuchungen über das Verb »geschehen« Eine Vorstudie zu den Verben des Geschehens
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1977
CIP-Kurztitelaufnhame der Deutschen Bibliothek Krause, Jürgen Untersuchungen über das Verb „geschehen" : e. Vorstudie zu d. Verben d. Geschehens. - 1. Aufl. - Tübingen : Niemeyer, 1977. (Linguistische Arbeiten ; 45) ISBN 3-484-10273-X
ISBN 3-484-10273-x © Max Niemeyer Verlag Tübingen 1977 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany
VORWORT
Die ursprüngliche Fassung meiner Arbeit wurde im Satmer 1975 von Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Die vorliegende Fassung ist gekürzt und in einigen unwesentlichen Punkten verändert. Herrn Prof. Dr. Matzel und Herrn Prof. Dr. Brekle, die diese Arbeit betreuten, danke ich für zahlreiche Gespräche und ihre Unterstützung. Für Diskussionen zum Thema der Arbeit danke ich ferner Herrn Prof. Dr. Bogus^awski (Warschau), Herrn Dr. Erans, Herrn Prof. Dr. Thraede, Herrn Dr. Staudacher, Herrn Wagner und Herrn Prof. Dr. Zinmermann (alle Regensburg ) • Es war mir nur mit Hilfe der Vorarbeiten und der Hilfsbereitschaft der folgenden Forscher möglich, das Corpus zusanmenzustellen, das dieser Arbeit zugrunde liegt: Herr Prof. Dr. Eggers und die Saarbrücker Arbeitsgruppe, der Leiter der Dudenredaktion, Herr Dr. Drosdowski, und die Betreuer der Duden-Sprachkartei (Mannheim), Herr Dr. Zifonun und die Mitarbeiter des IDS Mannheim, Herr Dr. Hellmann und die Mitarbeiter des IDS Mannheim, Forschungsstelle für öffentlichen Sprachgebrauch Bonn, scwie Herr Dr. Hoppe und die Forschungsgruppe Limas (Bonn). Meinen Eltern und meiner Frau danke ich für ihre Mithilfe beim Korrekturlesen und für das Schreiben des Manuskriptes.
INHALT
VORWORT
V
ABKÜRZUNGEN UND SYMBOLE
XIII
1
ZUM UNTERSUŒUNGSGEGENSTAND UND ZUR METHODE
1
1•1
Zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
1
1.2
Zum Aufbau der Arbeit
1
1.3
Voraussetzungen
2
1.4
Adäquatheitsbedingungen und empirische Basis
3
1.4.1
Beobachtungsadäquatheit und Corpus
4
1.4.2
BeSchreibungsadäquatheit und Sprecherurteil
4
1.4.3
Sprecherurteil vs. Corpus und eigenes Vorgehen
5
1.5
Das verwendete Corpus
6
1.6
Akzeptabilität und Granmatikalität
8
1.7
Paraphrasierung
1.8
Die zugrunde gelegte Grammatiktheorie
11
1.8.1
Syntaxtheorie
11
1.8.2
Senantik und Pragmatik
12
2
DAS GS DER GVS
13
2.1
Zur Morphologie und Syntax
13
2.1.1
Beschreibung auf der Grundlage von Heringer (1973)
13
2.1.2
Syntaktische Regularitäten als Mittel zur Abtrennung der GV
9
von anderen Verbgruppen
15
2.2
Zur Semantik
17
2.2.1
Tatsache vs. Ereignis
17
2.2.1.1
Das GS als Bezeichnung eines Geschehens oder Vorgangs
17
2.2.1.2
Tatsache und Ereignis als semantische Kategorien
18
VIII
2.2.1.3
Tatsache, Ereignis und Vorgang in Bartsch (1972)
21
2.2.2
'-Zustand' und 'abgegrenzt'
24
2.2.2.1
'-Zustand'
24
2.2.2.2
'abgegrenzt'
29
2.2.2.3
Abhängigkeit von Kontext und vcm Erkenntnisinteresse des Sprachteilnehmers
31
2.2.3
Ereignis als Wechsel von Zuständen
32
2.2.3.1
Der sprachphilosophische Ansatz von Wright
32
2.2.3.2
Einige Einzelaspekte der Beschreibung von Ereignissen
33
2.2.3.2.1 pTp als Beschreibung eines Ereignisses
33
2.2.3.2.2 "total states" und sprachliche Darstellung
34
2.2.3.2.3 "set of states"
34
2.2.3.2.4 Zustand als Basisbegriff und Restriktionen
35
2.2.3.2.5 Zeitzonen
37
2.2.3.2.6 Approximation
38
2.2.4
Zusanmenfassung von 2.2
39
3
SYNTAKTISCHE EINHEITEN UNGLEICH P UND GS IN GVS
41
3.1
Zur Syntax
41
3.1.1
Arbeiten der traditionellen Grarrmatik
41
3.1.2
Steinitz (1971), Helbig/Schenkel (1969), Helbig/Schenkel (1973), Bartsch (1972)
42
3.1.2.1
Steinitz (1971)
42
3.1.2.2
Helbig/Schenkel (1969) und Helbig/Schenkel (1973)
43
3.1.2.3
Bartsch (1972)
44
3.1.3
Zusanmenfassung und Forschungsentwicklung
44
3.1.4
Analyse nach Heringer (1973)
45
3.1.4.1
E oder A
45
3.1.4.2
A in GVS und Subklassifizierung der A in Heringer (1973)
49
3.2
Zur Semantik
51
3.2.1
Adverbialklassen in Bartsch (1972) und GVS
52
3.2.2
Prääizierung über Vorgänge^ in GVS
55
3.2.3
Resultative Ereignisse und Modaladverbiale
56
3.2.4
Lokaladverbiale in GVS
57
3.2.5
Direktionale Lokaladverbiale in GVS
59
IX
3.2.6
Attribuierung des Satzsubjekts und Satzobjekts
60
3.2.7
Zur Mittel-Zweck-Relation nach Bartsch (1972)
61
3.2.8
Unakzeptable GVS mit Infinitivkonstruktionen als A
63
3.2.9
A van Typ durah ihn, an -ihm, zu mir
64
3.2.10
Zusammenfassung und Wertung von 3.2
65
4
DAS P IN GVS
66
4.1
Zur Syntax des PT
66
4.1.1
GV als Kopula (PA)
66
4.1.1.1
sein und GV als Kopula in Lyons (1971)
67
4.1.1.2
GV als PA in Heringer (1973)
70
4.1.2
GV als Funktionsverben
72
4.1.3
GV als V
76
4.1.3.1
V und VER als PT in GVS
76
4.1.3.2
Die Wertigkeit der GV
77
4.2
Zur Semantik der GV
79
4.2.1
Die bisherige Forschung
79
4.2.1.1
'inhaltsarm' - 'inhaltslos'
79
4.2.1.2
GV als "allgemeinste Geschehensbezeichnung"
80
4.2.1.3
"Vorfälle der menschlichen Umwelt"
80
4.2.1.4
'indirektes Berichten'
81
4.2.2
GV als "transitionals"
82
4.2.3
Zusammenfassung und Wertung von 4.2
85
5
ZUR VERWEISFUNKTION IN GVS
86
5.1
Definite Deskription und Verweisung
86
5.1.1
Definite Deskription als Restriktion in Bartsch (1972)
86
5.1.2
Die bisherige Forschung zur Verweisung (Wiederaufnahme) in GVS
88
5.1.2.1
Die Analysevorschläge von Polenz (1964), Kishitani (1965) und Stötzel (1966)
89
5.1.2.2
Die Verweisung in Kallmeyer et al. (1974)
91
5.1.3
Bezugselemente von Vervreisformen an der GS-Position von GVS
93
5.1.3.1
Text, Satz, Gliedsatz und Infinitivkonstruktion
93
5.1.3.2
Ausschluß einiger syntaktischen Einheiten aus dem Bezugselement Satz
94
X
5.1.3.2.1 Ausschluß von E
94
5.1.3.2.2 Ausschluß von Teilen des P und von A
95
5.2
Wiederaufnahmefunktion des GV vs. Wiederaufnahmefunktion des GS
97
6
GESAMEANALYSE DER GVS
101
6.1
Die Zuordnung der GVS zu Satzmodellen
101
6.2
Interpretationen auf der Grundlage: GV sind "Quasi-Symbole"
104
6.3
GVS als Existenzaussagen
106
6.3.1
Darstellung der GV als Existenzquantoren
106
6.3.2
Darstellung der GV als logische Prädikate
108
6.3.3
Explizite 'existenziale Zuordnung' und pragmatische Erwartung
109
6.3.4
Existenziale Zuordnung und logisches Prädikat
112
6.3.5
Existenziale Zuordnung von Ereignissen ohne GV
112
6.4
GVS als Beschreibung eines 'Vorganges an sich' und die Prädikationsstruktur von GVS
114
6.5
Drei Beobachtungen bei einer Analyse der GV als Quasi-Symbole
115
6.5.1
Das GV als alleiniger Informationsträger für 'Ereignis'
115
6.5.2
Subjekts- und Objektsattribuierung
116
6.5.3
Paraphrasen mit das Geschehen und das Sein
117
6.6
Interpretation auf der Grundlage: GV selbst drücken das bloße Ereignis aus
118
6.6.1
GVS als Approximation "of a transition"
118
6.6.2
Interpretation der Beobachtungen von 6.5
121
6.6.3
'Prädikatssätze' in Miklosich (1883), Moritz (1783) und im Japanischen
122
6.6.3.1
Miklosich (1883) und Moritz (1783)
122
6.6.3.2
'Prädikatssätze' im Japanischen
124
7
ZUR SUBKLASSIFIZIERUNG DER GV
127
7.1
Weisgerber (1964)
127
7.2
Überprüfung der Thesen von Weisgerber (1964)
131
7.3
Subklassifizierung nach der Argumentklasse
135
8
ZUSAMMENFASSUNG
137
XI
ANHANG
A1
LITERATOR
147
A2
PRIMKRQUELLEN DES CORPUS, ADS DENEN ZITIERT WURDE
155
A2.1
Maschinenlesbare Teilcorpora
155
A2.2
Duden-Sprachkartei
155
A2.3
Eigene Exzerpierung
156
A2.4
Tabelle der Beleghäufigkeiten einzelner GV
157
ABKÜRZUNGEN UND SYMBOLE
Die Abkürzungen werden nicht dekliniert. Kasus und Numerus ergeben sich aus dem Kontext (z.B. Die GVS stehen ... = Die Sätze mit einem Geschehensverb stehen
).
Abkürzungen und Symbole, die aus anderen Arbeiten stammen und dort näher erläutert werden, sind durch ein 'B' (= Bartsch 1972), 'H' (= Heringer 1973), 'S' (= Steinitz 1971) oder 'W' (= Wright 1963 oder Wright 1966) in eckigen Klammern gekennzeichnet. Zu den Abkürzungen 'D, FAZ, ND54, ND64, RDE, W54, W64* cf. A2. Abkürzungen und Symbole, die in sprachwissenschaftlichen Arbeiten allgemein üblich sind, werden nicht eigens erläutert (z.B. *, cf.). Das gleiche gilt für solche, die in Zitaten verwendet werden und dort erklärt sind. Abkürzungen Aa
= Angabe: a bezeichnet eine der acht (1-8) Subklassen von A [H]
ADV
= Adverbial, das enge, obligatorische Ko-Konstituente des Verbs
ADVB
= Adverbial, das freie, fakultative Verbergänzung ist (in
ist (in Steinitz 1971: Adv) [S] Steinitz 1971: Advb) tS] ADVB1
i> ADVB2j
= Subkategorien von ADVB (in Steinitz 1971: Advb.., Advb,) [s] ' ^
BKß
= Regel Nurtmer 0 des Konstitutionssystems von Heringer (1973) [H]
EY
= Ergänzung: Y = 1 = im Nominativ 2 = im Akkusativ 3 = im Dativ 4 = im Genitiv 5 = mit Präposition angeschlossen 6 = mit Identifikationstranslativ angeschlossen [H]
XIV
Ereignis 3 = Semantische Kategorie Ereignis im Sinne von Bartsch (1972) GS
= Grammatisches Subjekt
GV
= Geschehensverb
GVS
= Satz mit einem GV als V
Kö
= Satzadverbial: 6 bezeichnet eine der sieben (0-6) Sub-
KS
= Konstitutionssystem
Mode
= Mcdaladverbial: e bezeichnet eine der fünf (0-4) Sub-
NPy
= Ncminalphrase: y cf, E
kategorien [ß]
kategorien [B] P
= Syntaktisches Prädikat [H] (J* P als logisches Symbol)
PA
= Mjektivprädikat [H]
PTJ-
= Prädikatsteil: £ bezeichnet die Wertigkeit und besteht aus einer Folge von y (cf. EY); z.B. EVF12 = eine FVF, die eine E1 und E2 verlangt [H]
SF?
= Satzform: ? cf. PT [H]
V?
= Verb: S cf. PT [H]
VER VN^
= Verknüpfung [H] = Verbalmorphem: n = 1 = erste Person Singular 2 = zweite Person Singular 3 = dritte Person Singular 4 = erste Person Plural 5 = zweite Person Plural 6 = dritte Person Plural [H]
Vorgang,,
= Vorgang im Sinne von Bartsch (1972)
Zustand^
= Zustand in der Zustandsmenge einer Ereignisbeschreibung,
!
= Vor einem Beispielsatz mit GV: Der GVS weist semantische
der einen Zeitpunkt definiert Besonderheiten gegenüber dem entsprechenden Satz ohne GV auf
Logische Symbole E,V
= Existenzquantor, z.B. (Ex)F(x) = Es gibt mindestens ein x, das F ist
i
= Jotaoperator, z.B. (ix)F(x) = das x, das F ist
y\,.
= Konjunktion (und)
-t
= Negation (nicht)
->
= Implikation (wenn ... dann)
*-*•
= Äquivalenz
(iv) [...]* (v) = dasjenige Ereignis v, das durch ' ... ' beschreibbar ist (cf. Bartsch 1972:82) [B] < ... >
= das innerhalb der gewinkelten Klairmern stehende Prädikat ist vorausgesetzt (cf. Bartsch 1972:69) [B]
F, G
= Prädikatsvariable
P
= Prädikatskonstante 'befindet sich in1 (Ausnahme: Seite in Bierwisch 1972 ist P eine Prädikatsvariable) [B]
p, q
= Variable für Zustände
R ^
= Prädikatsvariable für lokale Relationen
r
= Variable für VorgangB
T
= Zeitkonnektiv ('and next') [W]
-V
= -Vorgang, z.B.: Schreib-V (r) = r ist ein Schreib-Vorgang
v
= Variable für Ereignis^
x, y
= Argumentvariable (Dingvariable)
1
ZUM UNTERSÜCHUNGSGEGEMSTAND UND ZUR METHODE
1.1
Zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes
Im Zentrum steht das neuhochdeutsche Verb geschehen als exanplarischer Vertreter einer Verbgruppe, zu der auch passieren, sich ereignen, stattfinden, vorgehen und vor sich gehen gehören. Ziel ist, einige grundlegende Thesen zur Syntax, Semantik und Pragmatik der GV zu erarbeiten. Die Thesen werden zum überwiegenden Teil an GVS mit geschehen entwickelt und hierfür empirisch am weitesten abgesichert (cf. 1.5 und A2.4). Der Grund: Es ist anzunehmen, daß die so gewonnenen Gesetzmäßigkeiten eine größere Verbgruppe beschreiben, was sich durch die Belege im Corpus (cf. 1.5) für passieren, sich ereignen, stattfinden, vorgehen und vor sich gehen bestätigte. Die Verben wurden zusätzlich zu geschehen ausgewählt, da a) die bisherige GV-Forschung sich mit ihnen befaßte, b) damit ein erster Versuch zur Subkategorisierung der GV möglich ist.^
1.2
Zum Aufbau der Arbeit
In 1.3 - 1.7 werden einige methodische Fragen geklärt. 2, 3 und 4 behandeln die drei syntaktischen Einheiten in GVS: GS, P und A; 2.1, 3.1 und 4.1 ihre syntaktischen, 2.2, 3.2 und 4.2 ihre semantischen Merkmale. Zweck dieser isolierten Betrachtung von GS, P und A in GVS ist, a) mit Hilfe relativ klarer syntaktischer Kriterien den jeweiligen Analysegegenstand eindeutig festzulegen, b)
zu vermeiden, daß mit Entscheidungen, die sich schon auf der Ebene der Syntax von GS, P und A treffen lassen, die wesentlich komplexere Gesamtanalyse der GVS belastet wird.
1
Eine Abgrenzung der Gesamtgruppe der GV von anderen Verben ist implizit durch die in 2 - 6 erarbeiteten Merkmale gegeben. Mit ihrer Hilfe ließe sich eine Liste der GV zusammenstellen, worauf aber vorerst verzichtet wurde, denn: Jedes einzelne GV sollte man auf breiter Materialgrundlage empirisch überprüfen, was einen erheblichen Arbeitsaufwand erfordert (cf. auch 1.5).
2 Die Ergebnisse von 2, 3 und 4 bilden die Grundlage für 5 (= die Verweisfunktion in GVS) und 6 (= Gesamtanalyse). Kapitel 5 ist Voraussetzung für 6, weil es den Schlüssel für die Frage enthält, unter welchen Bedingungen GVS vom Typ Der Mord geschah akzeptabel sind. In 6 werden einige ungeklärte Fragen beantwortet und Alternativlösungen entschieden, die sich bei den Einzeluntersuchungen in 2 - 5 zwangsläufig als Folge der isolierten Betrachtungsweise ergaben. Im Mittelpunkt steht ein Analysevorschlag, von dem aus die in 2 - 5 erarbeiteten Einzelerkenntnisse und Beobachtungen erklärbar sind. Es läßt sich auch zeigen (6.6.3), daß die in der vorliegenden Arbeit vorgeschlagene Interpretation im Grundsätzlichen bereits von Moritz (1783) gesehen wurde und daß die an den GVS ermittelten Strukturen sich auch in anderen Sprachen nachweisen lassen. Die sich in 7.3 an die Besprechung und teilweise empirische Falsifizierung von Weisgerber (1964) anschließende Subkategorisierung der GV ist nur ein erster Versuch. Verzichtet wurde auf einen isolierten Forschungsabriß. Die bisherigen Analysevorschläge werden vielmehr innerhalb der einzelnen Gliedervingspunkte besprochen.
1.3
Voraussetzungen
Eine 'Granmatik1 wird verstanden als "System von Hypothesen, die das Problem der Beschreibung einer natürlichen Sprache zufriedenstellend zu lösen versuchen" (Welte 1974:152). Zufriedenstellend heißt: a)
Die Granmatik enthält mehr als "zusammenhanglose ad-hoc-Beschreibungen" (Lewandowski 1973:242). Sie ist Beschreibung und Theorie zugleich. "Eine solche Beschreibung ist eine Theorie, wenn ihre Sätze in logischdeduktivem Zusammenhang stehen" (Lewandowski 1973:242f.).
b)
Sie beschreibt "die sprachliche Kompetenz eines (für die Konstruktion der Grammatik idealisierten) Sprecher-Hörers ... Wer eine solche Grammatik konstruiert, beschäftigt sich demnach nicht mit der Verwendung einer Sprache in aktuellen Situationen (Performanz), sondern mit dem abstrakten System von Hegeln, die der Performanz zugrunde liegen" (Kürschner 1974:51).
c)
Sie soll den Adäquatheitsbedingungen genügen, die Chcmsky (1964:62f.) formuliert (cf. 1.4). Diese Bedingungen sind zusätzlich zu den von Theorien geforderten (Explizitheit usw.) zu erfüllen, wenn es sich um Grammatiken einer natürlichen Sprache handelt.
3
Eine Grairmatiktheorie einer natürlichen Sprache enthält zumindest drei Komponenten, die aufeinander bezogen sind (cf. Brekle 1972:26): a)
Die Syntax besteht aus einem "System von Pegeln zur Angabe der statthaften ('grammatikalischen') Verknüpfungen von sprachlichen Zeichen" (Welte 1974:626).
b)
Die Semantik befaßt sich mit dem "Aufbau der Bedeutung eines Satzes aus seinen Teilen" (Heringer 1973:114).
c)
Die Pragmatik behandelt "Beziehungen von Sprechern/Hörern zu sprachlichen Strukturen" (Brekle 1972:99).
1.4
Mäquatheitsbedingungen und empirische Basis
Chomsky (1964:62f.) stellt für Grarrmatiken von natürlichen Sprachen folgende Bewertungskriterien auf: "The lowest level of success is achieved if the grammar presents the observed primary data correctly ... A second and higher level of success is achieved when the grammar gives a correct account of the linguistic intuition of the native speaker, and specifies the observed data (in particular) in terms of significant generalizations that express underlying regularities in the language. A third and still higher level of success is achieved when the associated linguistic theory provides a general basis for selecting a grammar that achieves the second level of success over other grammars consistent with the relevant observed data that do not achieve this level of success ... let us refer to these roughly delimited levels of success as the levels of observational adequacy, descriptive adequacy, and explanatory adequacy".2 Es wird versucht, erste Grundlagen zu einer beobachtungs- und beschreibungsadäquaten Theorie der GVS zu erarbeiten. Das Problem der Erklärungsadäquatheit bleibt unbehandelt. Sie ist nach Herrlitz (1973:6) dann erreicht, wenn eine Grammatik "mit einer Theorie über die Grammatik (also einer Theorie über eine Theorie über Sätze einer Sprache) verknüpft ist, die es erlaubt, aus einer Anzahl von Grammatiken die beschreibungsadäquateste auszuwählen" . Für eine solche Fragestellung fehlen beim gegenwärtigen Forschungsstand zu den GV die Grundlagen.
2
Cf. Kürschner (1974:52f.) und Herrlitz (1973:2-7); dort findet sich auch weiterführende Literatur.
4 1.4.1
Beobachtungsadäquatheit und Corpus
Herrlitz (1973:3), der Chansky (1964:62f.) zugrunde legt, nennt als Hilfsmittel, um Beobachtungsadäquatheit zu erreichen, ein 'repräsentatives Corpus1. Die Corpusgewinnung ist scmit eine Vorarbeit, die vor Beginn der Untersuchung geleistet werden muß (cf. 1.5).
1.4.2
Beschreibungsadäquatheit und Sprecherurteil
Da Beschreibungsadäquatheit auf die Fähigkeit eines Sprechers/Hörers rekurriert, neue GVS zu bilden bzw. zu verstehen, kann sie nicht allein mit Hilfe eines Corpus erreicht werden: "Von einer beschreibungsadäquaten Grammatik wird gefordert, daß sie die Kompetenz des idealen Sprecher-Hörers einer Sprache beschreibt, indem sie Regeln und Inventare angibt, die der Produktion und Interpretation grammatischer Sätze durch den Sprecher-Hörer zugrundeliegen. Allerdings verfügt der Sprecher-Hörer nicht über eine explizite Kenntnis der Regeln seiner Sprache, so daß er über diese Regeln keine Auskunft geben kann. Beurteilen kann er lediglich die Sätze, die nach diesen Regeln gebildet werden, ihre Grammatikalität, ihre Ambiguität usw. Die empirische Basis der Grammatik ist die Fähigkeit des Sprecher-Hörers, sprachliche Einheiten zu beurteilen, nicht dagegen die Fähigkeit, über die grammatischen Regeln etwas auszusagen. Um eine generative Grammatik empirisch zu überprüfen, muß man also den Output der Grammatik, die erzeugten Lautstrukturen und Bedeutungsstrukturen, kompetenten Sprecher-Hörern zur Beurteilung vorlegen. Die Grammatik hält der empirischen Überprüfung dann vollständig stand, wenn alle von ihr produzierten Sätze als grammatisch angesehen werden, wenn sie zudem alle Sätze produzieren kann, die als grammatisch gelten, wenn sie semantisch verschieden interpretierten Sätzen (und Satzteilen) verschiedene Bedeutungsstrukturen und gleich interpretierten Sätzen (und Satzteilen) gleiche Bedeutungsstrukturen zuordnet. Die Grammatik muß solange verändert werden, bis ihr Output von den Sprecher-Hörern einer Sprache in diesem Sinne akzeptiert werden kann" (Herrlitz 1973:9 im Anschluß an Chomsky 1969-.Kapitel 1). Die Uberprüfung der Granmatik durch die Sprecherurteile derer, die 'native speakers' der zu untersuchenden Sprache sind, vereinfacht Herrlitz (1973:9) folgendermaßen: "Das Problem der vielfältigen Differenzierungen innerhalb einer Sprache, z.B. innerhalb des Deutschen, klammern wir aus dieser Untersuchung aus (vgl. dazu Kanngießer 1971); wir nehmen also idealisierend an, daß alle Sprecher-Hörer, die Deutsch als erste Sprache gelernt haben, identische Beurteilungen abgeben, so daß es ausreichend ist, wenn der Linguist lediglich seine eigene Kompetenz als empirische Basis benützt. Die Vorläufigkeit dieser Annahme braucht nicht betont zu werden".
5
1.4.3
Sprecherurteil vs. Corpus und eigenes Vorgehen
Gegen die Reduzierung der empirischen Basis auf das eigene Sprecherurteil sprechen sich einige Forscher aus. So in bezug auf die Syntax Matzel/ Ulvestad
(1976:75f.) : 3
"Sowohl der Linguist, der sein eigenes Sprachgefühl als 'Corpus und Informant1 benutzt, als auch derjenige, der die Regeln eines solchen Linguisten überprüfen möchte, sind sich der syntaktischen Möglichkeiten der eigenen Sprache in hohem Grade unzureichend bewußt. Je höher der Abstraktionsgrad der an die Intuition gestellten Fragen, desto schwieriger die Beantwortung ... Die Überprüfung einer Regel durch die Intuition ist problematischer als mancher moderne Syntaktiker zu ahnen scheint. Das ist unter anderem auch die Ursache dafür, warum heutzutage so viel formalisiert und als Hypothese der geneigten Überprüfung vorgelegt, aber so wenig korrigiert und falsifiziert wird".
Das eigene Vorgehen versucht, sowohl diese Kritik als auch die Forderung 4
nach Beschreibungsadäquatheit zu berücksichtigen: Die primäre empirische Basis ist das eigene Sprecherurteil. Ein Corpus (cf. 1.5) diente dazu, daß in diesem ersten Analysevorschlag für die GV nur diejenigen eigenen Sprecherurteile als relevant zugrunde gelegt wurden, die intersubjektiv gültig sind, was eine zweifache Corpus-Uberprüfung sicherstellen sollte: a) Ein Teilcorpus half, die Schlußergebnisse zu testen (cf. 1,5 und 7.3). b) Die anderen Teilcorpora wurden schon während der Formulierung der Thesen zur Kontrolle herangezogen (cf. 1.5). Eine zusätzliche Hilfe waren die Ergebnisse informeller Informantenbefragungen. 3 4 5
Cf. auch Labov (1969:757f.), Pilch (1969), Bald (1972:14f.) , Diersch (1972:12f.) und Ulvestad (1972: 159:165:168f.). Zur Kritik an der Corpus-Linguistik cf. z.B. Chomsky (1969:Kapitel 1) und Bald (1972:15:23). Die Repräsentativität der empirischen Basis ließe sich eventuell durch methodisch abgesicherte Informantenbefragungen erhöhen. Ein Beispiel für die Durchführung derartiger Untersuchungen gibt Bald (1972) (cf. besonders 13-22 und 111-131), der die hauptsächlich von Quirk entwickelten Testverfahren benutzt (cf. Quirk/Svartvik 1966 und Greenbaum/Quirk 1970). - Negativ zum 'muttersprachlichen Gewährsmann1 nimmt Pilch (1969:23f.) Stellung. Cf. auch Matzel/Ulvestad (1976:Kapitel I).
6 1.5
Das verwendete Corpus
g Es setzt sich aus mehreren Teilcorpora (= a)-f)) zusammen (cf. auch A2.4). 7 a) Bonner IDS-Corpus Es besteht aus den vier Teilcorpora W54, W64, ND54 und ND64 und umfaßt eine repräsentative Auswahl der Jahrgänge 1954 und 1964 der Tageszeitungen 'Die Welt1 und 'Neues Deutschland' (Umfang: etwa 1,3 Millionen laufende Wörter). Das Corpus wurde nach geschehen, sieh ereignen und stattfinden abgesucht. Es enthielt 394 Belege. b)
Duden-Sprachkartei "Die Sammlung der Dudenredaktion enthält heute etwa anderthalb Millionen Karteikarten mit Belegen aus Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, teilweise auch aus Gebrauchsanweisungen, Prospekten und dergleichen" (Drosdowski 1974:122). Der Erfassungszeitraum ist das 20. Jahrhundert mit einen Schwerpunkt auf den letzten zwanzig Jahren. Für vorgehen, vor sich gehen, geschehen, passieren, sich ereignen, stattfinden ergaben sich 461 Belege, für ausbrechen, eintreten, erfolgen, sich abspielen, sich begeben, spielen, unterbleiben, vorfallen, verlaufen, widerfahren, zustande kommen, zutragen weitere 474.®
6
7
8
352 Belege zu geschehen und passieren aus der Textbibliothek für gesprochene deutsche Gegenwartssprache des IDS Mannheim, die Herr Dr. Zifonun freundlicherweise maschinell ermitteln ließ, trafen leider erst nach Abschluß der vorliegenden Arbeit ein. Eine erste Durchsicht erhärtete jedoch die gefundenen Ergebnisse. Eine Liste der in der Textbibliothek für gesprochene deutsche Gegenwartssprache enthaltenen Texte geben Berg/ Lenders (1973:65). Es wurde im Rahmen der Serviceleistungen des IDS Mannheim, Forschungsstelle für öffentlichen Sprachgebrauch Bonn, freundlicherweise auf Magnetbändern zur Verfügung gestellt und an der Universität Regensburg mit dem Basisprogramm für linguistische und philologische Fragestellungen COBAPH (cf. Krause et al. 1974) ausgewertet. In Hellmann (1968) finden sich nähere Angaben zum Auswahlverfahren und zur Entschlüsselung der Belegstellen, die in den Beispielsätzen in verschlüsselter Form belassen sind. Wie aus 1.1 zu entnehmen ist, gehören ausbrechen, eintreten usw. nicht zu den Verben, auf die explizit eingegangen wird. Eine vorläufige Untersuchung zeigte jedoch, daß sie sehr wahrscheinlich zu den GV gehören. Zitierte Belege aus der Duden-Sprachkartei sind durch ein ' D' kenntlich gemacht. So besagt die Angabe '(D, Mann 1959:59)': Der Beleg aus Mann (1959) wurde der Duden-Sprachkartei entnommen.
7 c) Limas-Corpus Das Corpus besteht aus einer repräsentativen Auswahl von Texten der neuhochdeutschen Schriftsprache der Jahre 1970 und 1971 (cf. Glas 1974). Die Forschungsgruppe Limas ermittelte aus etwa 500000 laufenden Vförtern 126 Belege zu (sich) abspielen, geschehen, passieren, sich ereignen und stattfinden. d) Saarbrücker Corpus Das Corpus setzt sich zusarrmen aus den zwei Teilcorpora FAZ und RDE. Es enthält etwa 11000 Sätze aus Rowohlts Deutscher Enzyklopädie und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (cf. Eggers et al. 1969:3-5). Das Corpus wurde in Saarbrücken nach geschehen, sich ereignen und stattfinden abgesucht. Es ergaben sich 87 Belege. e) Belegsammlung aus Popadic (1971) zu erfolgen, geschehen, stattfinden, sich vollziehen und vonstatten gehen Die insgesamt 27 Belege stammen aus der Zeitung 'Die Welt' von 1.-30. November 1965 und sind im Anhang von Popadic (1971:113-136) abgedruckt. f) Eigene Exzerpierung Im Zeitraum von 1970-1974 wurden aus etwa sechzig Ronanen und Sammlungen von Erzählungen (insgesamt etwa sechs Millionen laufende Vtörter) etwa 1000 Belege hauptsächlich zu geschehen, sich ereignen, passieren, stattfinden, vorgehen und vor sich gehen ermittelt. Ungefähr die Hälfte davon liegt exzerpiert vor. Die andere Hälfte ist durch Anstreichungen und Einmerkzettel in den Büchern selbst gekennzeichnet. Das eigene Corpus enthält auch Trivialliteratur und Übersetzungen, da diese beiden Gattungen in der Gesamtheit von'a)-e) unterrepräsentiert waren. Hinzu karren etwa fünfzig Belege, die zufällig ermittelt wurden (Zeitungslektüre, Broschüren usw.) (cf. auch A2). Es muß bemerkt werden, daß die maschinenlesbaren Texte nicht Vinter dem Gesichtspunkt ausgewählt wurden, ein repräsentatives Gesamtcorpus für GVS zu erhalten. Es erfolgte überhaupt keine gezielte Auswahl. Vielmehr wurden alle maschinenlesbaren Texte ausgewertet, die im Untersuchungszeitraum 19701974 beschafft Warden konnten. Ziel war nicht eine deskriptiv-statistische Erfassung der GV. Trotzdan kann man annehmen, daß die etwa 2100 Belege einen hohen Anteil der möglichen Verwendungsweisen der GV enthalten. Aus dem Material werden aus Platzgründen nur einige wenige Beispielsätze vorgelegt. Auf selbst gebildete Beispielsätze wird zurückgegriffen, wenn sich im Corpus für die zu behandelnde Verwendungsweise nur umfangreichere Sätze
8 fanden oder wann der Corpus-Beispielsatz weitere, in einem bestimmten Abschnitt nicht relevante Schwierigkeiten enthielt.
1.6
Akzeptabilität und Granmatikalität
In der vorliegenden Arbeit wird das metasprachliche Prädikat 'ist akzeptabel' verwandt. Dieses Prädikat bezieht sich auf die Performanz, das Prädikat 'ist grammatisch' hingegen auf die Ebene der Karpetenz (cf. Lewandowski 1973:28). Akzeptabilität ist "eine Eigenschaft von Symbolketten, deren mögliches Vorkamen in Kontexten oder Äußerungssituationen beurteilt wird" (Wunderlich 1970:325). Während das Prädikat 'ist akzeptabel' noch indifferent gegenüber der Einteilung nach Syntax, Semantik, Pragmatik usw. ist, steht 'ist grarrmatisch' innter in bezug zu einer Teilkamponente der Granrnatik. Die metasprachliche Äußerung: Der Satz Der Mord geschah ist nicht akzeptabel, weil er keinen Informationsfortschritt enthält, lautet scmit in expliziter Form: a) Mein Sprecherurteil über Der Mord geschah lautet: Der Satz ist nicht akzeptabel. Dieses Urteil erwies sich nach einer Überprüfung am Corpus und nach informellen Informantenbefragungen als intersubjektiv zutreffend. b)
Der Satz ist gramnatisch in bezug auf die Syntax- und Semantikkamponente. Er kann folglich durch die Regelsysteme dieser Komponenten erzeugt werden.
c)
Der Satz ist nicht granmatisch in bezug auf die Pragmatikkanponente. Er verstößt gegen die Regel, daß jede Äußerung einen Informationsfortschritt 9 enthalten muß.
9
Die Anwendung des Prädikats 'ist akzeptabel' enthält noch weitere Pro^ bleme: a) Akzeptabilität "schließt meist Grammatikalität ein, nicht jedoch umgekehrt, da in einer generativen Grammatik erzeugte Sätze aus stilistischen, gedächtnismäßigen, dialektalen und referentiellen Gründen nicht akzeptabel zu sein brauchen" (Lewandowski 1973:28). Die Bestimmung, wann eine nicht akzeptable Äußerung grammatisch ist, bringt Schwierigkeiten mit sich, da es nicht einfach ist, z.B. stilistische Gründe präzise anzugeben. Es wird versucht, diesem Problem vorläufig dadurch auszuweichen, daß nur akzeptable Sätze herangezogen werden. b) "Akzeptabilität ist ... kein absolut zu verstehender Begriff. Es müssen vielmehr verschiedene Grade der Akzeptabilität unterschieden werden. Stellt man eine Anzahl von sprachlichen Äußerungen uj, U2 •••, ufJ einander gegenüber, so gelangt man z.B. zu relationalen Aussagen folgender Art: u ist akzeptabler als u,,, u 3 t ^ u , ] ist akzeptabler als u, etc" (Welte 1974:52). "Die akzeptableren Satze sind diejenigen,
9 Die Anwsrriungsbedingungen für das metasprachliche Prädikat 'ist akzeptabel' und die daraus abgeleiteten Arbeitsschritte lassen sich wie folgt angeben: Ausgangspunkt ist die Grundannahme, daß ein Sprecher des Deutschen beurteilen kann, ob einer Äußerung das Prädikat 'ist abkzeptabel' zukommt. Wenn dieser Fall vorliegt, wird überprüft, ob andere Sprecherurteile (Corpus/informelle Informantenbefragung) zum gleichen Ergebnis kennen. Trifft auch dies zu, stellt sich die Aufgabe, nach Regeln zu suchen, die es ermöglichen, diese Äußerung mit Hilfe der angestrebten Grammatik der GV zu erzeugen. Sonst gilt, daß die Äußerung nicht erzeugt werden soll. Diese weitgehende Einengung auf - stark vereinfacht gesehen - akzeptable Sätze als zu beschreibender Gegenstandsbereich scheint zumindest dann praktikabel zu sein, wann nicht schon eine Basisgrarnnatik erarbeitet ist, die es zu präzisieren und zu verifizieren gilt, sondern eine solche Basis zur Beschreibung eines Teilbereichs der neuchochdeutschen Sprache erst geschaffen werden muß. Dies ist bei den GV der Fall. 1.7
Paraphrasierung
Die Bildung von Paraphrasen zu GVS ist im folgenden ein wichtiges heuristisches Hilfsnittel. Okwohl jedoch die Paraphrasierung in vielen linguistischen Arbeiten angewendet und ihr heuristischer Wert kaum bestritten wird, ist es schwierig, ihren theoretischen Status und ihre Anwendungsbedingungen zu bestinmen.
die mit höherer Wahrscheinlichkeit hervorgebracht werden, die leichter verstanden werden, weniger schwerfällig sind und in bestimmter Weise natürlicher klingen" (Chomsky 1969:22f.). Da es in der vorliegenden Untersuchung erst darum geht, einige wesentliche Grundzüge einer Grammatik der GV zu erarbeiten , erscheint es vertretbar, von einer Graduierung der Akzeptabilität abzusehen, c) " ... darf jedoch nicht vergessen werden, daß in bestimmten konkreten Sprechsituationen ungrammatische Äußerungen als akzeptabel empfunden werden können" (Welte 1974:53). Hiervon wird in der vorliegenden Arbeit abgesehen. Es wird idealiter angenommen: "Wenn A die Menge der akzeptablen Sätze einer natürlichen Sprache symbolisiere und G die Menge der grammatikalischen Sätze dieser Sprache, dann gilt: ... A ist eine (echte) Teilmenge von G" (Walte 1974:53).
10
"Viele Linguisten und Logiker scheinen nur solche Beziehungen zwischen Redestücken (meistens freilich reduziert auf Beziehungen zwischen Sätzen) als Paraphrasen akzeptieren zu wollen, die in die erste Kategorie der Naessschen Liste fallen, d.h. nur solche, deren paraphrastische Relation unabhängig von den kommunikativen Intentionen der Individuen und losgelöst von Kommunikationssituationen allein durch die syntaktische Struktur und die lexikalischen Zusammenhänge der Wörter bestimmt werden können" (Ungeheuer 1969:200). Der erste Paraphrasentyp von Naess (1966:19) ist nach Ungeheuer (1969: 199) wie folgt definiert: "Whatever the Situation, T and U [= 'expressions'] express the same
for anyone competent in the language". Ungeheuer (1969) stellt diesem Typ eine eigene Bestirnnung der Paraphrase entgegen, die zwar Fragen offen läßt, den Wert der Paraphrase als heuristisches Hilfsnittel jedoch erhält. Er definiert den Paraphrasenbegriff von den Akten der sprachlichen Kenmunikation her: "Es ist, kurz, ein Versuch, mit den einsehbaren kommunikativen Fakten beginnend, das semantische Phänomen der Paraphrase analytisch zu beschreiben" (Ungeheuer 1969:180). Dieser Versuch führt zu folgender Definition: " ... zwei Redestücke Rp und Rg sind dann Paraphrasen voneinander, wenn in der kommunikativen Intention eines Individuums I. zu einer bestimmten Zeit beide sprachliche Formulierungen ein und desselben gegliederten Stücks Ö eines Redethemas sind" (Ungeheuer 1969:187). B
Für die Zwecke der vorliegenden Arbeit genügt es, den Gebrauch des Begriffs Paraphrase anhand eines Beispiels aus Ungeheuer (1969:185f.) plausibel zu machen: "In den Veröffentlichungen zur generativen Grammatik wird z.B. von Anfang an betont, daß Aktiv- und Passiv-Form eines Satzes Paraphrasen sind ... Diese Interpretation widerspricht den bisherigen Überlegungen. Beide Sätze können Paraphrasen sein, brauchen es aber nicht ... Man stelle sich beispielsweise eine Szene vor, in der zwei menschliche Individuen A und B in eine Beziehung verwickelt sind, die man z.B. im Deutschen mit dem Verbum schlagen bezeichnen kann ... Wenn es Thema meiner Rede sein soll, jemandem mitzuteilen, die Individuen stehen in der Relation SCHLAG (A,B), so stehen mir für die sprachliche Formulierung eine Reihe von Möglichkeiten zur Verfügung: (5a) A schlägt B (5b) A verprügelt B (5c) A schlägt auf B ein (5d) B wird von A geschlagen (5e) B erhält von A Schläge mit der Hand (5f) Schläge von A treffen B Diese Reden in Form eines Satzes sind in Bezug auf das von mir bestimmte Thema Paraphrasen ... Wenn es jedoch in meiner Rede nur darauf ankommen soll, daß B in bestimmter Weise geschädigt wird, und es außerdem zum Redethema gehören soll, den Urheber der
11
Schädigung nicht zu nennen, kommen die Formulierungen (5) nicht in Frage: die Sätze (a) , (b) und (c) scheiden ganz aus, die übrigen Sätze müssen reduziert werden. Man erhält: (6d') B wird geschlagen (6e') B erhält Schläge (6f 1 ) Schläge treffen B. Ist die Redethematik jedoch nicht so scharf bestimmt, gehören die Sätze (6) zur Paraphrasenklasse (5)".
Ungeheuer (1969:186) postuliert deshalb: "Alle in einer Sprache möglichen lexikalischen und grammatischen Differenzen zweier sprachlicher Formulierungen können in kommunikativer Funktion so semantisiert werden, daß die beiden entsprechenden Reden nicht in dieselbe Klasse von Paraphrasen fallen".
Die Verwendung des Paraphrasenbegriffes von Ungeheuer (1969) führt z.B. dazu, daß (1.1) und (1.2) Paraphrasen sind, wenn das Redethema - wie z.B. in 2.2.3 - mit 'Vorliegen von Ereignissen' umschrieben werden kann. (1.1) Der Mord (1.2) Fritz
an Fritz
wurde
geschah
am Freitag
am
Freitag.
ermordet.
Wenn in 2.2.3 das metasprachliche Prädikat 'ist Paraphrase von' als für (1.1) und (1.2) gültig angenommen wird, sind (1.1) und (1.2) äquivalent in bezug auf das Redethena 'Ereignis'. Uber die Äquivalenz in bezug auf andere Redethemen ist nichts ausgesagt. Deshalb ergibt auch sich kein Widerspruch, wenn in 6.4 beide Sätze als konträr gegenübergestellt werden, da dort ein anderes Redethema vorliegt. 1.8
Die zugrunde gelegte Granmatiktheorie
1.8.1
Syntaxtheorie
Die Beschreibung der syntaktischen Komponente der GVS basiert auf dem KS von Heringer (1973). Die Wahl dieses Grammatikmodells erlaubt es, die Syntax der GVS als Teil der Syntax des Neuhochdeutschen darzustellen. Als Alternative hätte sich die Generative Transformationsgranmatik des Deutschen angeboten, die in der Reihe STODIA GRMWATICA von Mitarbeitern der Berliner Arbeitsstelle 'Strukturelle Granrnatik" entwickelt wurde. Da es sich einerseits nicht um eine geschlossene Darstellung, sondern um Ansätze zu Teilausschnitten handelt und andererseits in letzter Zeit prinzipielle Zweifel an einer an Chomsky (1969) orientierten Granmatiktheorie vorgebracht wurden (cf. Bartsch/Vennemann 1972:6-10), erschien es vernünftiger, Heringer (1973) zu wählen. Die Wahl ist auch deshalb vertretbar, weil im folgenden deutlich werden wird: Die Thesen, die über die Syntax der GVS aufgestellt wurden,
12 können im Rahmen dieses Modells diskutiert werden.
1.8.2
Semantik und Pragmatik
3jm Gegensatz zur Syntax gibt es keinen Versuch einer Gesairrtbeschreibung der Semantik und Pragmatik des Neuhochdeutschen im Rahmen einer formalen Theorie. Ausgangspunkt sind deshalb die bisher vorgenommenen Analysevorschläge zur Semantik und Pragmatik der GV. Es wird gezeigt, wo Irrtümer vorliegen, inwieweit zu präzisieren ist und wo neue Vorschläge nötig sind. Die gewählte verbale Beschreibung der bei den GVS ermittelten Regularitäten erschien als dem Forschungsgegenstand und der Forschungslage angemessen.
2
DAS GS DER GVS
2.1
Zur Morphologie und Syntax
2.1.1
Beschreibung auf der Grundlage von Heringer (1973)
Im KS von Heringer (1973) heißt das GS der traditionellen Granmatik E1. Es läßt sich am sichersten ermitteln, wenn es von einem Substantiv mit Artikel gebildet wird. Die Kasusendung ist dann eindeutiges Kennzeichen (cf. Heringer 1973:195). Nehmen sonstige Satzteile die Stelle einer E1 ein, wendet man die Kcmnutations- und Exklusionsprobe an: Zwei Satzteile exkludieren sich, wenn sie nicht gleichzeitig zusanmen im Satz vorkcnmen. Zwei "Teile t^ und t 2 " kannutleren, "wenn in jedem nicht-abweichenden Satz, der tj enthält, t2 gegen tj ausgetauscht werden kann, so daß wieder ein nicht-abweichender Satz entsteht, und umgekehrt, und wenn t. und t- sich exkludieren" (Heringer 1972:17). Auf diese Weise sei in den Beispielsätzen (2.1) - (2.11) die Kategorie E1 bestaunt (Die ermittelte syntaktische Position ist unterstrichen). (2.1) Gleichzeitig geschahen mehrere eng zusammenhängende Dinge. (Darlton 1974:23) (2.2) Hier geschieht das "Einander Mythen zusprechen" ... in einem ganz wörtlichen Sinn. (RDE, 3855) (2.3) Das Unglaubliche ist geschehen. (FAZ, 165) (2.4) ... Etwas muß doch geschehen. (FAZ, 8416) (2.5) Das ist nicht geschehen. (FAZ, 217) (2.6) Und so geschah es. (RDE, 212) (2.7) Kürzlich geschah es_ - mir ist, als wäre es gestern gewesen ... [es folgt eine Erzählung]. (Lern 1973b:183) (2.8) Es geschah kein Wunder. (W54, 0359068) (2.9) So konnte es_ leicht geschehen, daß eine an sich ganz geistig gemeinte Haltung, wie die des Sokrates, politisch mißverstanden und als gefährlich empfunden wurde. (RDE, 6675) (2. !Q)Was an ihm, dem Manne Krüger, geschehe, geschehe an Tausenden. (Feuchtwanger 1973:43) (2.11) Was soll nun geschehen? (FAZ, 286) 1
Bei der Kommutation "werden allerdings bestimmte Abweichungen zugelassen, die durch die semantische Teiltheorie beschrieben werden" (Heringer 1972:17).
14
(2.8) und (2.9) enthalten einen Sonderfall. So kamiutiert in Der Unfall geschah am Freitag mit Der Unfall auch Es ... kein Wunder aus (2.8) oder es ... daß eine an sich ganz geistig gemeinte Haltung, wie die des Sokrates, politisch mißverstanden und als gefährlich empfunden wurde aus (2.9). Es ist "Vorläufer eines Satzgliedes: eines Subjektsncminativs,... Gliedsatzes in der Rolle eines Subjekts" (Grebe et al. 1966:§ 5015) und könnte fehlen. 2 Dieses es heißt fortan 1 expletives es'. Von ihm zu unterscheiden ist das Pronatien es (z.B. in (2.6)), das mit anderen Nominalen kamiutiert. Ein Element es, das weder fehlen darf noch mit anderen Nominalen kamiutiert - wie z.B. in (2.12) -, tritt in GVS nicht auf.3 (2.12)
Es regnete
gestern.
Vergleicht man (2.1) - (2.11) mit den Möglichkeiten, die das KS von Heringer (1973) für die Belegung von E1-Positionen vorsieht, zeigen sich zwei Besonderheiten. Regel BK8 (Heringer 1973:194-196) sieht vor, daß NP, Ergänzungssätze und Infinitivkonstruktionen die E1-Position einnehmen kön4 nen. In GVS sind jedoch Infinitivkonstruktionen nicht möglich. (2.13) •In die Kirche (2.14)
In die Kirche
zu gehen, zu gehen,
geschieht ist
am
Sonntag.
wichtig.
Die NP können nach Regel BK9 (Heringer 1973:196-200) in der E1-Position entweder Nominale der ersten Art oder Nominale der zweiten Art sein. Die Belege (2.1) mit einem Nominale der ersten Art und (2.5) mit einem Nominale der zweiten Art zeigen, daß beide in GVS möglich sind. Eine Einschränkung wäre denkbar bei der Gruppe der Pronamen. Da Heringer (1973) die in traditionellen Grammatiken übliche Unterscheidung nach erster, zweiter und dritter Person in seinem Regelsystem unberücksichtigt läßt, E1 in GVS aber auf die dritte Person beschränkt sind, müßten die Plereme ich, du, wir, ihr aus der Gruppe der Pronomen, die die E1-Position von GVS einnehmen können, ausgeschlossen werden. Das ist jedoch nicht nötig, wenn man diese Restriktion in der Semantikkanponente beschreibt (cf. 2.2). 2
3
4
Zum Begriff cf. z.B. Kiparsky/Kiparsky (1971:361): " ... the expletive it, a semantically empty prop which is automatically introduced in the place of extraposed complements in sentences like It seems that both queens are trying to wriggle out of their commitments ...". Cf. auch Kiparsky/Kiparsky (1971:346) und Pütz (1975), der nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Als Ausnahmen nennt Weisgerber (1964:31) es geht her, das er für "so gut wie impersonal" hält, und es geht zu. Diese Verben werden in der vorliegenden Arbeit nicht zu den GV gerechnet. Zu einer semantischen Interpretation dieser syntaktischen Regularität in GVS cf. 6.6.1.
15
(2.9) und (2.10) zeigen, daß in GVS Ergänzungssätze als E1 stehen. Die Darstellung der GVS im KS von Heringer (1973) ergibt scmit zwsi Besonderheiten: a) Infinitivkonstruktionen sind nicht möglich. b) Pronomen der ersten und zweiten Person sind ausgeschlossen. Diese Ergebnisse sind nicht neu. Sie finden sich z.B. in Weisgerber (1964), Grebe et al. (1966), Kishitani (1965) und Erben (1972). Zu korrigieren ist lediglich Brinkmann (1971:218), der ein "infinites Feld" als GS in GVS für möglich hält. 2.1.2
Syntaktische Regularitäten als Mittel zur Abtrennung der GV von anderen Verbgruppen
Einige Vertreter der traditionellen Granmatik (Grebe et al. 1966, Grebe et al. 1973 und Brinkmann 1971) fassen die GV zu einer Gruppe zusanmen, weil sie Besonderheiten syntaktischer und morphologischer Art bei der Belegving der GS-Position von GVS feststellen. In Grebe et al. (1966) scheinen die syntaktischen Merkmale des GS von GVS auszureichen, die GV von anderen Verbgruppen abzugrenzen. Das Merkmal '-Infinitivkonstruktion1 spielt keine Rolle, so daß sich die Analyse auf das Fehlen der ersten und zweiten Person und das Element es beschränkt. Grebe et al. (1966:§ 600) teilen die Verben mit Hilfe von es in zwei Gruppen: "Die meisten Verben können in sämtlichen drei Personen gebraucht werden, manche Verben nur in der dritten Person, aber in allen drei Geschlechtern Diese Verben nennt man p e r s ö n l i c h e Verben (Personalia). Demgegenüber werden die u n p e r s ö n l i c h e n Verben (Impersonalia) nur mit dem unpersönlichen es verbunden".
Bei den Impersonalia unterscheiden Grebe et al. (1966:§ 5000) nach der Funktion von es weitere Untergruppen. Die GV gehören zu den Verben, bei denen es"Einleitewort oder ... Vorläufer eines Satzgliedes" ist (Grebe et al. 1966:§ 5015). Innerhalb dieser Gruppe bilden die GV wieder eine Untergruppe: "Eine Gruppe dieser unpersönlichen Wendungen"' bilden Ereignisverben wie geschehen, gelingen, glücken, sich ereignen, u.a." (Grebe et al. 1966:§ 5020). 5
Es wird nicht klar, ob es der Intention von Grebe et al. (1966) entspricht, zwischen Impersonalia (unpersönliche Verben) und unpersönlichen Wendungen zu unterscheiden. Da aber in § 1020 geschehen als Beispiel
16
Beispielsätze sind (2.15) und (2.16). (2.15) Es geschah (2.16) Es ereignete
etwas
Unerwartetes
sich ein Unglück
- etwas
Unerwartetes
- ein Unglück
geschah.
ereignete
sich.
In (2.15) und (2.16) kann es wegfallen. Damit entfällt aber auch das Kennzeichen der Zugehörigkeit zu den Impersonalia als übergeordneter Gruppe. Grèbe et al. (1966) geraten in einen Widerspruch, der darin besteht, daß es in (2.15) und (2.16) fakultativ und nicht wie in es regnet obligatorisch gebraucht ist. Grebe et al. (1973) korrigieren sich in § 162, der § 600 in Grebe et al. (1966) entspricht: "Unpersönliche Verben ... nennt man die Verben, die im allgemeinen mit es verbunden werden".
Die Einschränkung "im allgemeinen", die das frühere "nur" ersetzt, kann im Zusanmenhang zweierlei bedeuten: a)
"im allgemeinen" besagt soviel wie 'am häufigsten1 oder 'in der Kegel'. Das widerspricht den Befunden des Corpus.
b) Einige der unpersönlichen Verben verbinden sich mit es nur fakultativ. Eine richtige Behauptung, die jedoch zu Schwierigkeiten führt. Ordnet man aufgrund des fakultativen es zu, müßte z.B. auch grünen zu den Impersonalia gehören (cf. (2.17)). Dies schließen Grebe et al. (1966:§ 600) jedoch explizit aus. (2.17) Der Baum
grünt
- Es grünt
der
Baum.
Geht man dagegen von der Form ohne es (z.B. Der Unfall/das Unglück/'die Katastrophe ereignete sieh am vergangenen Freitag) aus, zählen die GV zu den persönlichen Verben. Dies trifft in Grèbe et al. (1973) gerade nicht zu. Es gelingt folglich nicht, die GV mit Hilfe syntaktischer Merkmale des GS zu einer Verbgruppe zusammenzufassen.
6
für unpersönliche Verben steht und andererseits in § 5020 die GV als unpersönliche Wendungen angeführt sind, wird im folgenden nicht zwischen den beiden Begriffen unterschieden. Im Gegensatz zu Grebe et al. (1966) und Grebe et al. (1973) trennt Brinkmann (1971:204) die GV von den unpersönlichen Verben. Die GV haben mit den unpersönlichen Verben gemeinsam, daß ihr GS auf die dritte Person beschränkt ist. Sie neutralisieren aber nicht wie diese die Personalform. "Verben wie geschehen, gelingen sind zwar auf die 3. Person beschränkt und können sich nicht mit einer Person als grammatischem Subjekt verbinden (sie kann nur im Dativ hinzutreten), sie sind aber in der Lage, ein Substantiv (und zwar durchweg einen Vorgangsbegriff) als Subjekt zu setzen" (Brinkmann 1971:204). Das 'Neutralisieren der Verbform' erklärt Brinkmann (1971:204) jedoch semantisch.
17
2.2
Zur Semantik
Einige Autoren verbinden Überlegungen zu den satantischen Merkmalen des GS von GVS mit Fragen, die in 2.2 noch unberücksichtigt bleiben. Es geht um folgende Probleme: a)
Man trennt nicht strikt zwischen Satz-, Verb- und GS-Inhalt (cf. 4 und 6).
b)
Semantische Merkmale des GS werden zusanmen mit der ' Wiederaufnaimefunktion' diskutiert (cf. 5).
2.2.1
Tatsache vs. Ereignis
2.2.1.1 Das GS als Bezeichnung eines Geschehens oder Vorgangs Erben (1972:§ 233) schreibt: "Bei einer Gruppe mehr oder minder inhaltsarmer Verben (verba abstracta) bezeichnet ein begriffergänzendes Nennwort, als eigentliches nomen actionis, das S e i e n d e , G e s c h e h e n d e ... Veränderungen geschehen (erfolgen, treten ein, vollziehen sich); Grundsteinlegungen und Betriebseröffnungen finden statt (gehen vor sich)". Fast genauso Griesbach/Schulz (1967:337): "[Das GS] kann die Aufgabe erhalten, ein Geschehen oder ein Sein zu beschreiben. Es ist dann Prädikatsergänzung und wird wegen seiner formalen Funktion innerhalb des Satzgefüges PRSDIKATSSUBJEKT genannt. Prädikatssubjekte treten zu Prädikaten, deren Verben von einem Geschehen oder einem Sein berichten, ohne es aber selbst zu nennen. Solche Verben sind z.B. geschehen, passieren, sich ereignen, vorkommen, stattfinden u.v.a.".
7
"Bei den persönlichen Verben besteht die Möglichkeit, die Personalform auf den Sprechenden, den Angesprochenen und den Besprochenen zu beziehen. Unpersönliche Verben haben diese Möglichkeit nicht. Insofern ist bei ihnen die Personalform neutralisiert. Sie verwenden zwar die für den Besprochenen bestimmte Form (3. Person), nehmen sie aber in einem neutralen Sinn, der die Beziehung des grammatischen Subjekts auf eine Person ausschließt. Genauer müßte noch gesagt werden: Ihr grammatisches Subjekt bleibt ungenannt; es ist ohne Nennung (durch ein Substantiv). Darum sind nicht alle Verben unpersönlich, die auf die 3. Person beschränkt sind, sondern nur solche, deren Subjekt ungenannt bleibt". Folglich ist es auch in Brinkmann (1971) nicht möglich, die GVS aufgrund syntaktischer Kennzeichen des GS zu einer Verbgruppe zusammenzufassen. Cf. Erben (1972:§ 209): "1. n o m i n a a c t i o n i s , d.h. Tätigkeitsbezeichnungen. Diese - Prozesse als dinghafte Größen darstellenden 'Prädikatsbegriffe' sind das Ergebnis einer 'Nominalisierungstransformation' ... verbaler Prädikationen: Jemand schreit-* Der Schrei (zerreißt die Stille)"- Cf. auch Anmerkung 2:Kapitel 4:Seite 69.
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Was unter "Geschehen" zu verstehen ist, zeigt die Definition in Griesbach/Schulz (1967:410): "Geschehen sind die Handlungen oder Vorgänge, die in einem Satz beschrieben werden. Sie beschreiben immer Bewegungen. Gegensatz: Sein".
Polenz (1964:5) spricht von "substantivischen Vorgangsbezeichnungen (namina actionis)", Helbig/Schenkel (1973:449) von 'Abstraktbezeichnungen', Steinitz (1971:28) von "Verbalabstrakta, und zwar Ncmina actionis". Weisgerber (1964) führt einige semantische Merkmale von Einzelverben der GV an (cf. 7). Er nennt die Suche nach den "möglichen Subjekten der Verben" als einen der Gesichtspunkte, die sich als "vertiefende und weiter ausgreifende Überlegungen" an seine Ausführungen anschließen sollten (Weisgerber 1964:33). Näheres erfährt man nicht. Grebe et al. (1966) beziehen sich bei semantischen Aussagen konsequent auf den Inhalt der GVS oder der Verben. Brinkmann (1971) und Lyons (1971) geben negative Merkmale an. Brinkmann (1971:204) nennt das Merkmal 1-Person' als Bedingung. Lyons (1971:353) beschränkt das GS auf "Nominale zweiter Ordnung", deren Merkmal '-Substanz' ist. Die GV bezeichnen außerdem "keinen Zustand" (Lyons 1971:355). Die Zusammenstellung zeigt, daß die Überlegungen kaum über eine Umschreibung der GV durch ihre Substantive hinauskommen: statt geschehen 'das Geschehen', statt vor sich gehen 'der Vorgang'. Ferner fand man heraus: Personen sind ausgeschlossen, "Geschehen" beinhaltet "Bewegungen" und steht im Gegensatz zu "Sein". Die Begriffe Geschehen, Vorgang, Zustand usw. werden dabei wie semantische Grundkategorien benutzt, die keiner weiteren Erklärung bedürfen.
2.2.1.2 Tatsache und Ereignis als semantische Kategorien Den Begriff Ereignis sprachphilosophisch zu klären, versucht Vendler (1967a). Ihm geht es darum, den Nutzen der Linguistik für die Philosophie nachzuweisen. Er gibt in Vendler (1967b) eine Bestiumung der Kategorien "fact" und "event" im Englischen, die auch für sich genarmen von großer Bedeutung ist. Für eine Analyse der GVS sind die folgenden Überlegungen wichtig: "If one asks the question ... what are facts, events, situations, states of affairs, and so on, the sensible way to start looking for an answer is to mention some particular instances that can be so qualified. The list thus obtained will show an interesting regularity. Most items on the list, if not all, will consist of a
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noun phrase containing a verb derivative, with or without its subject, object, or other complement. In technical terms, we will end up with a list of nominalized sentences" (Vendler 1967b:124).
Beispielsätze sind unter anderen: (2.18) I know that John died. The selection of the jury took up the I deny ever having seen her.
afternoon.
Solche NP mit Verbderivat zerfallen in zwei Gruppen: a) Die "perfect naminals" (z.B. der Mord): Sie erlauben einen Artikel. Subjekt und Objekt werden mit Genitiv angeschlossen, das Subjekt außerdan mit durah. Es treten nur Adjektive auf, keine Adverbiale. b) Die "imperfect ncminals" (z.B. Daß Hans Fritz ermordet hat)'. Das Verb ist hier insofern unabhängig, als es eigene Zeitbestimnungen und Auxiliarkanplexe zu sich nehmen kann. Adverbiale sind nöglich. Beide Arten von NP setzt Vendler (1967b) in "container"-Sätze ein, um Restriktionen zu beobachten. "Container"-Sätze sind z.B. (2.19) - (2.22). (2.19) It is a fact . . . (2.20) ... is gradual. (2.21) It is an event ... (2.22)
... occurs/takes
place
in the
afternoon.
Das Ergebnis im Englischen ist: Es gibt 'enge' (It is an event ... / ... occurs in the afternoon) und 'wsite' "container"-Sätze (It is a fact ... / ... is gradual). Die 'engen' lassen nur "perfect ncminals" zu, die 'weiten' außerdem 'imperfect ncminals". Steht ein "perfect nominal", läßt sich immer eine Umformung mit einem "imperfect nominal" angeben, die man als Paraphrase akzeptiert. "To mention an example in advance, the sentence The collapse of the Germans is unlikely contains a perfect nominal in a loose context. The appropriate imperfect nominal in the same context That the Germans will collapse is unlikely is accepted as a genuine paraphrase of the same sentence. If, on the contrary, the same sequence is offered in a narrow container, as in The collapse of the Germans was gradual there is not even a possibility of paraphrasing it into •That the Germans collapsed was gradual" (Vendler 1967b:132).
20 So gelingt es, (2.19) und (2.20) nach den Einsetzunganöglichkeiten von (2.21) und (2.22) zu unterscheiden. Eine weitere Stütze liefert Vendler (1967b: 141) : "container elements that fit perfect nominals are suited to each other as well. It is events, processes, and actions, and not facts or results, that occur, take place, begin, last, and end". Oberflächenstrukturell treten zwar in (2.23) und (2.24) die gleichen NP auf, kategoriell unterscheiden sie sich aber, denn (2.23) ist nach Vendler (1967b:142) "event", (2.24) ist "fact". (2.23) The collapse of the Germans was an event. (2.24) The collapse of the Germans is a fact. Auf das Neuhochdeutsche läßt sich das Verfahren nicht anwenden. Da nach Vendler (1967b) nur "perfect naninals" als GS zugelassen sind, müßten (2.25) - (2.27) unakzeptabel sein. (2.25) Daß Hans Fritz bis nach Hamburg begleitete, geschah nicht aus freien Stücken. (2.26) Er sprach und bewegte sich vor ihnen mit größter Courtoisie, aber es konnte geschehen, daß er ihnen in aller Verbindlichkeit etwas dermaßen Zotiges sagte, daß selbst der General Remchingen darüber stutzte (Feuchtwanger 1972:514). (2.27) Auch jetzt geschah es wohl, daß Süß plötzlich die Hände fallen ließ, in sich versank, in rätselvoller Gelähmtheit weitab war (Feuchtwanger 1972:579). überträgt man die Argumentation von Kiparsky/Kiparsky (1971:346) auf das Neuhochdeutsche, erklärt sich die Akzeptabilität von (2.26) und (2.27): g "For the verbs in the factive group, extraposition is optional, whereas it is obligatory for the verbs in the non-factive group. For example, the following two sentences are optional variants: That there are porcupines in our basement makes sense to me It makes sense to me that there are porcupines in our basement. But in the corresponding non-factive case the sentence with the initial that-clause is ungrammatical: •That there are porcupines in our basement seems to me It seems to me that there are porcupines in our basement". Im Neuhochdeutschen steht aber in (2.25) eine "initial that-clause" und trotzdem ist der Satz akzeptabel. Auch in Erben (1972:§ 122) stehen die Sätze aus (2.28) als Beispiele für GVS.
8
"Extraposition is a term introduced by Jespersen for the placement of a complement at the end of a sentence. For recent transformational discussion of the complexities of this rule, see Ross (1967)" (Kiparsky/Kiparsky 1971:346:Anmerkung a).
21
(2.28) Es geschieht oft, daß er spät nach Hause kommt ... Daß er spät nach Hause kommt, geschieht oft. Die am Englischen entwickelten Verfahren, den Unterschied zwischen Tatsache und Ereignis festzustellen, sind folglich im Neuhochdeutschen nicht anwendbar. Trotzdem lassen sich Ereignis und Tatsache auch im Neuhochdeutschen kategoriell unterscheiden: Es ist (2.25) möglich, nicht jedoch (2.29). (2.29) •Die Tatsache, daß Hans Fritz bis nach Hamburg begleitete, geschah nicht aus freien Stücken. Der Test beruht auf Kiparsky/Kiparsky (1971 :346). "Only factive predicates allow the noun fact with a sentential complement consisting of a that-clause or a gerund ... For example, The fact that the dog barked during the night ... can be continued by the factive predicates is significant, bothers me, but not by the nonfactive predicates is likely, seems to me". Damit läßt sich auch für das Neuhochdeutsche die semantische Kategorie Tatsache bei der Belegung des GS der GVS ausschließen. Neben Tatsache und Ereignis nennt Vendler (1967b) als dritte Kategorie, die in der Oberflächenstruktur als NP auftreten kann, "object". Sie wird nach dem Muster der beiden anderen gewonnen und läßt sich ohne Schwierigkeiten in das Neuhochdeutsche übertragen. "As for the concept of an object, I once more follow the procedure of asking what sorts of adjectives and verbs are available in talking about objects. In doing this, I have to to [! ] be selective: I choose those that are relevant to the present topic. And, since we are aware of the linguistic background, I shall avail myself of the comforts of the material mode. So I draw attention to the fact that objects have sizes and shapes, one can touch them, look at them, and see them from various angles and distances. Moreover we can push and pull them, cut them or tear them apart. This is possible because they are located at a certain place, they are somewhere" (Vendler 1967b:143). Elanente dieser Kategorie sind in GVS nicht möglich: (2.30) *Der Tisch geschieht am Freitag. Folglich bleibt das GS der GVS auf ein Element der Kategorie Ereignis beschränkt.
2.2.1.3 Tatsache, Ereignis und Vorgang in Bartsch (1972) Das Ergebnis von 2.2.1.2 scheint mit dem von Bartsch (1972:331) übereinzustimmen: "Bei Verben, die obligatorisch ... ein beliebiges Adverbial als Ergänzung verlangen, handelt es sich um solche Verben, die die
22
Existenz oder das in-ExiStenz-Kommen eines Ereignisses oder Umstands angeben ... In der logischen Analyse sind sie durch 1(Ev) (...)' repräsentiert". Der Kategorie Ereignis in Vendler (1967b) entsprechen in Bartsch (1972) jedoch zwei Kategorien: a)
Vorgang und Zustand: Das Tempus ist nicht enthalten. Bartsch (1972:77) subklassifiziert weiter nach dem Merkmal '^Handeln'.
b)
Ereignis (Geschehen) und Umstand: Auf Ereignisse können keine modalen Adverbiale angewandt werden. "Der Begriff 'Umstand' wird neben dem des Ereignisses eingeführt, weil es keine negativen Ereignisse gibt und daher negative Sätze keine Ereignisse beschreiben können: 'Peter läuft nicht.' kann kein Ereignis oder Geschehen beschreiben wie 'Peter läuft.', wohl aber beschreibt es einen Umstand (Bartsch 1972:79)". Die ganze Gruppe wird weiter nach '^Handlung' subklassifiziert. Bei a) und b) handelt es sich um "keine Unterscheidung im Bereich dessen, was da ist, also im Bereich außersprachlicher Phänomene. D.h., es ist keine einfache semantische Unterscheidung, die eine Unterscheidung in der realen Welt ist, sondern eine Unterscheidung in den Aspekten, unter denen sie gemäß funktionalen Teilen des Satzes ... aufgefaßt wird. Ein und derselbe semantische Gehalt eines Satzes kann r ..., v ... charakterisieren. In jedem Fall kommen andere Adverbiale als Prädikate von dem so Charakterisierten in Frage. Vom Inhalt des Satzes her ist keine Unterscheidung ... zu machen ... r stellt den Bezug auf den durch das Verb identifizierbaren Vorgang oder Zustand ... her und gibt damit die Identität der Referenz bei verschiedenen Prädizierungen darüber an. Alle Prädikate, die von r prädiziert werden, charakterisieren den Vorgang, Zustand ... Alle Prädikate, die von v prädiziert werden, werden von dem Stattfinden bzw. Bestehen von Vorgängen bzw. Zuständen, d.h. von Geschehen oder Umständen ausgesagt" (Bartsch 1972:322f.). "Es sind zwei verschiedene Aspekte - sprachlich bedingt in der Satzstruktur und zugleich kognitiv bedingt dadurch, daß Aussagen über Vorgänge und Zustände unterschieden werden von Aussagen über deren Stattfinden bzw. Bestehen. Der erste Aspekt in seiner Verallgemeinerung 'Vorgang oder Zustand' ist enthalten im zweiten Aspekt in setner Verallgemeinerung 'Geschehen (Ereignis) oder Umstand'. Dabei ist der Sinn von 'enthalten' so bestimmt, daß das zweite das Stattfinden bzw. das Bestehen des ersten ist" (Bartsch 1972:325). Bartsch (1972) versucht strukturelle Unterschiede, die sie zu einer
Klassifizierung der Adverbiale nutzt, durch eine generelle Erklärung zu g deuten. Sie beruft sich hierbei nicht auf ontologische Unterschiede, 9
Nach Bartsch (1972:21--27) kann man z.B. den Satz Peter wäscht sein Auto sorgfältig (mit einem Modaladverbial) nicht umformen zu Es ist sorgfältig der Fall, daß Peter sein Auto wäscht (Test (3)). Ersetzt man
23 auf verschiedene Klassen von Entitäten, sondern auf sprachliche, die kognitiv bedingt sind. Diese Erklärungen enthalten jedoch für den Leser einige Schwierigkeiten, die mit der objektsprachlichen Verwendung der Ausdrücke Vorgang einerseits und Ereignis (Geschehen) bzw. Umstand andererseits zusammenhängen. Bartsch (1972) benutzt sie als diskrete Einheiten und bezeichnet mit ihnen zwei kognitive Aspekte ein und derselben ontologischen Einheit. Stattfinden drückt aus: Der Aspekt Vorgang ist im Aspekt Ereignis (Geschehen) enthalten. Vorgänge finden statt und sind dann Ereignisse (Geschehen). Daß Bartsch (1972) die Begriffe Vorgang und Ereignis (Geschehen) als semantisch diskrete sprachliche Einheiten benutzt, läßt sich z.B. daran zeigen, daß ein Leser oder Hörer die obigen Zitate aus Bartsch (1972) als sinnlos einstuft, wenn man Vorgang jeweils durch Ereignis ersetzt. Vorgang und Ereignis werden aber im Neuhochdeutschen gerade nicht semantisch diskret im Sinne von Bartsch (1972) gebraucht. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: (2.31) Das einzige Ereignis, das am Sonntag wenigstens ein paar tausend Leute ins Freie lockte, fand am Vormittag auf dem Marienplatz statt ...(Süddeutsche Zeitung Nr. 17, 21. 1. 1974, Artikel: Trübes Wochenende mit Gaudi-Lichtblick, 9) daß das unvorstellbare, selbst (2.32) Vielleicht soll man bedauern, von George Orwell nicht vorausgeahnte Ereignis nicht stattZeitung Nr. 255, 5. 11. 1973, gefunden hat. (Süddeutsche Artikel: Das Streiflicht, 1)
Wenn ein Ereignis das Stattfinden eines Vorganges ist, dürfte nicht nochmals gesagt werden, daß es stattfindet. Vorgang und Ereignis (Geschehen) in Bartsch (1972) können demnach nur als metasprachliche Bezeichnungen für die Argumente zweier - in der semantischen Darstellung als Prädikate wiedergegebener - Adverbialgruppen gewertet werden, die sich durch strukturelle Merkmale unterscheiden. Eine über den speziellen Textzusammenhang in Bartsch (1972) hinausgehende objektsprachliche Gültigkeit der Unterschiede zwischen Vorgang und Ereignis (Geschehen) hätte aber außerdem bedeutet, daß diese Begriffe als semantische Primitive, die nicht weiter erklärt werden müssen, benutzbar wären. Ein kognitiver Aspektunterschied fände direkten Ausdruck in objektsprachlichen Begriffen. Da dies nicht zutrifft, läßt sich van GS der GVS her nicht mehr zwischen Ereignis und Vorgang unterscheiden, denn Bartsch (1972) stützt sich bei ihren Tests auf die Adverbiale. Deshalb maß eine Analyse der sorgfältig
jedoch durch heute,
ist die Umformung möglich.
24 Adverbiale in GVS vorausgehen (cf. 3). Bis dahin bleibt offen, ob sich mit Hilfe der Kategorien Ereignis,, und Vorgang,,10 die Elemente an der GS-PoD
ü
sition von GVS präziser bestimmen lassen.
2.2.2
'-Zustand' und 'abgegrenzt'
Der Nachweis der Kategorie Ereignis diente dazu, die Aussage, das GS in GVS bezeichne ein Geschehen, einen Vorgang oder ein Ereignis, zu präzisieren. Die folgenden Abschnitte behandeln das Merkmal '-Zustand' (Lyons 1971) und die Aussage, es werden "Bewegungen" beschrieben (Griesbach/ Schulz 1967). Methodisch ergibt sich hierbei eine Schwierigkeit. In 2.2.2 werden Beispielsätze mit Proncmen an der GS-Position angeführt. Um einerseits diesen Tatbestand zu berücksichtigen, andererseits aber den Aufbau der Arbeit nicht unnötig zu stören (cf. 1.2), wird nur versucht, ein minimales Vorverständnis dieses Problems zu erreichen (cf. ansonsten 5). Zunächst jedoch: Die einem GVS vorausgehenden Sätze sollen 'Vorgängersätze' heißen. Nach Kishitani (1965:126) sind Proncmen "durch die Fähigkeit charakterisiert, unter Umständen einem oder mehreren (Neben-)Sätzen entsprechen zu können", die vorausgehen oder nachfolgen. Kishitani (1965:120) spricht deshalb von 'wiederaufnehmenden Größen'. Folgt man ihr, kennt in GVS mit Proncmen an der GS-Position nicht dem Pronomen selbst das Merkmal 'Ereignis' zu, sondern dem, was durch das Proncmen wiederaufgenermen wird. 2.2.2.1 '-Zustand' (2.33)
•Das gemütliche Sitzen von Hans in seinem geschieht in seiner neuen Luxuswohnung,
Fernsehsessel
Der Gebrauch der GV - das zeigt die Unakzeptabilität von (2.33) - ist verbunden mit der Einteilung der "Wörter und Ausdrücke einer natürlichen Sprache ... in die semantischen Hauptkategorien Zustand und Vorgang" (Katz 1972:203). So oder ähnlich urteilen die bisher behandelten Autoren.
10
Im folgenden bezeichnet der Index , , die metasprachlichen Begriffe im Sinne von Bartsch (1972). "Ereignis" ohne Index bezeichnet die in 2.2.1.2 vorläufig definierte semantische Kategorie.
25
Sie stimmen auch darin überein, daß sie sich bei der Kategorie Zustand wie schon bei den Merkmalen 'Geschehen', 'Vorgang' usw. - auf die Angabe einiger objektsprachlicher Umschreibungen wie "Sein, Bestehen, Befinden, Haben, Nicht-tun eines Erwarteten" (Erben 1972:§ 96) beschränken. Es empfiehlt sich deshalb, sogleich Untersuchungen ins Auge zu fassen, in denen die Kategorie Zustand hinreichend explizit behandelt wird. Nach Katz (1972:203f.) kann man zwischen dem, was als Zustand, und den, was als Ereignis^ bezeichnet wird, intuitiv sehr deutlich unterscheiden: "Wir können das Wesen dieses Unterschiedes zum Ausdruck bringen, indem wir sagen, daß ein Zustand eine Bedingung von etwas (sei es eine Person, ein Ort, Ding oder was auch immer) zu einer gegebenen Zeit oder während eines gegebenen Zeitraums ist, während ein Vorgang ein Wechsel oder Übergang ist von einem Zustand in einen anderen über einen Gegebenen Zeitraum hinweg".
Katz (1972:204) betrachtet die beiden Begriffe "als im Grunde definierte Termini einer Semantiktheorie". Die Schwierigkeit, die bei Verwendung der Definition von Katz (1972) besteht, ist, zu erkennen, ob etwas "eine Bedingung von etwas
zu einer
gegebenen Zeit oder während eines gegebenen Zeitraums ist". Wollte man mit Hilfe dieser Formel die Zustandsverben bestürmen, wären in der Praxis manche Probleme zu erwarten. Endres (1973) umgeht diese Schwierigkeit dadurch, daß er sogenannte Testsätze heranzieht. Dieses Verfahren sei ein den Zustandsverben erläutert. Sie zerfallen in Endres (1973:141f.) in zwei Gruppen: a) die apersonalen Zustandsverben mit den semantischen Kcrponenten /¿Personalität des Subjekts/ und /Zuständlichkeit des Subjekts/, b) die personalen Zustandsverben mit den senantischen Kcmponenten /Personalität des Subjekts/ und /Zuständlichkeit des Subjekts/.12
11
12
Katz (1972) gebraucht die Begriffe 'Zustand' und 'Vorgang'. 'Vorgang' entspricht dem, was in 2.2.1 als 'Ereignis' bezeichnet wurde. 'Vorgang' in Katz (1972) hat nichts zu tun mit Vorgang in Bartsch (1972). B Enders (1973:141) zu: a) /Apersonalität des Subjekts/: "Wenn ein Sachverhalt und ein Subjekt als dessen 'Täter' oder 'Träger' genannt werden", ohne daß der Zustand "von einem bewußten menschlichen Willen getragen wird". b) /Personalität des Subjekts/: " ... wenn ein Zustand von einem bewußten menschlichen Willen aufrechterhalten wird".
26
Die Komponenten /Personalität des Subjekts/ und /Personalität des Subjekts/ der Zustandsverben haben mit dem Thema dieses Abschnitts nichts zu tun. Beide Komponenten führen vielmehr zu unakzeptablen Sätzen: (2.34) Der Mantel hing längere Zeit auf dem Kleiderhaken. »Dies geschah im Lokal. auf (2.35) »Es geschah in diesem Lokal, daß der Betrunkene dem Stuhl saß.
Folglich ist nur das Merkmal /Zuständlichkeit des Subjekts/ von Bedeutung. Ob es vorliegt, prüft Endres (1973:137) mit dem Testrahmensatz: "Die Tatsache, daß (Subjekt) (Verbalphrase+Prät), (Subj ekt+Akk/PersPron+Akk) nicht".
veränderte
Als Modifikationen sind erlaubt: "Statt 'veränderte' kann man 'veränderte die Lage, den Gesundheitszustand, die Bewegung, die Form, die Körperhaltung, das Gewicht, die Stimmung usw.' einsetzen, wobei das Subjekt im Genitiv oder impliziert in einem Possessivpronomen angefügt werden muß".
Beispiel ist der Testsatz (2.36), der aus dem Vorgängersatz in (2.34) gebildet wurde. (2.36) Die Tatsache, daß der Mantel längere veränderte seine Form nicht.
Zeit
am Haken
hing,
Da sich ein "grarrmatisch-semantisch-referentiell akzeptabler Satz" ergibt, ist hängen in (2.36) als Zustandsverb einzuordnen (Endres 1973:137) . Das Beispiel zeigt, daß es einfacher ist, das Testverfahren von Endres (1973) anzuwenden, als die inhaltliche Definition von Katz (1972). Entspricht aber der methodischen Verbesserung eine substantielle? Trägt die Klassifizierung der deutschen Verben, die Endres (1973) mit seinen Testrahmensätzen erreicht, zur Analyse der GVS bei? Die Frage läßt sich beantworten, wenn man die in Endres (1973) genannte Möglichkeit benutzt, wonach ein Verb, z.B. hängen, je nach Kontext einmal als Zustandsverb und einmal als zu einer anderen Gruppe gehörig auftritt. Er beult aus, wenn (2.37) Der Mantel ist aus schlechtem Material. er auch nur kurze Zeit auf einem Kleiderhaken hängt und nicht auf einem paßgerechten Bügel.
Steht (2.34) im Kontext (2.37), ist der Testrahmensatz (2.36) nicht mehr "granmatisch-sanantisch-referentiell" akzeptabel. Der Vorgängersatz von (2.34) kann nicht gegen (2.36) ausgetauscht werden, da ihm in diesem Kontext nicht mehr das Merkmal 'den Mantel unverändert belassen' zukamt. Hängen gehört folglich im Kontext (2.37) nicht zu den Zustandsverben. Diese Ambiguität führt auf folgende Überlegungen:
27
Nach Lyons (1971) maß dem GS der GVS das Merkmal '-Zustand' z u k a m e n . In den Beispielsätzen dieses Abschnitts sei vorausgesetzt, daß sich bei den Ergänzungssätzen an der GS-Position das Merkmal 'Zustand' aus der 13 Zuordnung des finiten Verbs zu den Zustandsverben ergibt, und daß sich bei pronominalem GS das Merlanal ' Zustand' von finiten Verb des wiederaufgenommenen Vorgängersatzes her ermitteln läßt. Demzufolge müßte der GVS in (2.34) inner dann akzeptabel sein, wenn der Kontext nach dem Muster von (2.37) so festgelegt wird, daß hängen nicht mehr Zustandsverb ist. Wie (2.38) zeigt, trifft dies aber nicht zu. (2.38) Hans kaufte sich für fünf DM einen Mantel. Sein Freund warnte ihn, daß sich der Mantel sofort ausbeulen würde, wenn er ihn länger als eine Stunde über einem Haken hängen ließe. Am Abend hatte Hans diesen Ratschlag vergessen. Er ging ins Wirtshaus und hängte den Mantel auf. Da hing der Mantel nun am Wirtshaushaken. • D i e s g e s c h a h im K a r t e n z i m m e r . Als Hans nach vier Stunden zurückkam, war der neue Mantel - wie sein Freund vorausgesagt hatte - völlig ausgebeult. Hans erkannte ihn kaum wieder und war todtraurig über diese Veränderung.
Der Testrahmensatz von Endres (1973) berücksichtigt nicht, daß Zustände Veränderungen verursachen können. Dies zeigen auch Sätze wie (2.39), wo die Veränderung durch die Beendigung eines Zustandes verhindert würde. (2.39) Der lang anhaltende Zustand der Bewußtlosigkeit das Unfallopfer dem Tod immer näher.
brachte
Die Wahl des Verbs verändern im Testrahmensatz führt dazu, daß dieses 'Verursachen durch einen Zustand' oder 'Folgen aus einem Zustand' als '-Zustand' ausgewertet wird. Da die Definition von Endres (1973) (2.38) nicht erklärt und außerdem der Begriff Zustand in Zustandsverb einen anderen semantischen Merkmalsinhalt voraussetzt als in (2.39), wird er nicht verwendet; die Methode jedoch, das Merkmal '-Zustand' durch Testrahmensätze zu ermitteln, wird Übern a m e n . Sie läßt sich mit der Feststellung von Katz (1972) verbinden, daß die Einteilung in die Kategorien Zustand und Ereignis intuitiv klar ist. Deshalb wird (2.40) als Testrahmenausdruck gewählt. Die Anwendung zeigt das Beispiel (2.41).
13
Die Beispielsätze sind so ausgewählt, daß dies zutrifft. Eine generelle Einteilung der deutschen Verben nach Merkmalen wie 'Zustand', 'Geschehen' usw. wird jedoch nicht für möglich gehalten (cf. 2.2.2.3).
28
(
'Ergänzungssatz') l 'Substantiv' •Satz' ... I
beschreiöHar ist ... (2.41) Der Zustand, der durch schreibbar ist ...
Der Mantel
hing
am Haken
be-
Weiter absichern läßt sich die Zuordnung von '-Zustand' durch zwei Merkmale in Schippan (1967:153). Sie unterscheidet bei den Verbalsubstantiven a)
zwei große Bedeutungsgruppen:
die "dynamischen Verbalsubstantive - Geschehenssubstantive" (dynamisch ist mit '-Zustand' gleichzusetzen),
b)
die nicht-dynamischen Verbalsubstantive, die ein Sein bezeichnen. "Für die dynamischen Substantive ist im jeweiligen Kontext der Einsatz des Zustandspassivs ausgeschlossen ... Die dynamischen Substantive reagieren positiv auf die Temporalpräpositionen (während, seit, nach, bei(m)) ".16
Auf (2.40) kann trotz dieser Merkmale nicht verzichtet werden: a)
Nicht alle Verben lassen sich in Verbalsubstantive transformieren, ohne daß sie die semantische Kategorie wechseln (z.B. von Ereignis nach "object" wie in (2.42) und (2.43)). Dies wäre jedoch notwendig, wenn man auch GVS mit prononinalem GS erfassen will. (2.42) Der Bauer kreuzte mit den Ackerfurchen, die seine Pflugmaschine tief in den weichen Boden zog, den Zufahrtsweg zu seinem Nachbarn. Dies geschah nicht aus Gehässigkeit, sondern Notwendigkeit. aus bitterer (2.43) *Die Kreuzung geschah ...
b)
Das Merkmal '-Zustand' muß sich nicht direkt aus dem Verb des Vorgängersatzes ergeben. (2.44) Hans Dies
saß neben dem Herd. Plötzlich lag er tot am geschah innerhalb von drei Sekunden.
Boden.
Hans saß neben dem Herd bezeichnet den Anfangszustand, Plötz lieh lag er tot am Boden den Endzustand eines Ereignisses, über das mit Dies geschah innerhalb von drei Sekunden eine Zeitaussage gemacht wird (cf. 2.2.3). 14 15 16
In Anwendungsfällen wie (2.38) stehen hier mehrere Sätze, die einzelne Phasen des Gesamtereignisses beschreiben (cf. auch 2.2.3). Zur Verwendung des Begriffes Verbalsubstantiv cf. Schippan (1967:2). Der Zeittest schließt z.B. Liebe in Die Liebe ist eine Himmelsmacht von der Gruppe der dynamischen Verbalsubstantive aus. Er erfaßt - für sich allein genommen - das Merkmal 'Zustand' jedoch nicht (z.B. während des Schlafens).
29
2.2.2.2 'abgegrenzt' (2.45) •Daß die Blumen am Verblühen waren, geschah am Samstag. (2.46) Daß die Blumen verblühten, geschah am Samstag. (2.45) und (2.46) zeigen: Die Analyse der GVS muß die Aktionsarten
17
des Verbs berücksichtigen. "Die besondere A k t i o n s a r t , d.h. die Verlaufsweise des Vorgangs, die Art, wie dieser vor sich geht, genau zu kennzeichnen, wird der Sprecher in der Regel bestrebt sein. Vor allem sieht er sich oft genötigt, das Einsetzen oder Enden eines Vorgangs festzustellen, die p u n k t u e l l e oder p h a s e n h a f t e E r ö f f n u n g eines Verbalprozesses bzw. die Herbeiführung eines neuen Zustands ... auszudrücken oder aber die eigentliche V e r l a u f s p h a s e ... betonend hervorzuheben. Nicht in allen Fällen, meist nur wenn es gilt, die V o l l e n d u n g eines Vorgangs oder einer Handlung zu bezeichnen, stehen ihm dafür besondere Wörter zur Verfügung, vor allem 'punktuelle' Verben wie finden (Schlußakt des erfolggekrönten Suchens), treffen, fassen, platzen (Abschluß des Schlagens, Greifens, Dehnens u. dgl.) und Bewirkungsverben wie teilen, töten, öffnen, fällen, sprengen (in Teile zerlegen; tot, offen, fallen, springen machen ... ) ... Die Mehrzahl der einfachen (nicht zusammengesetzten) Verben ist hingegen ' d u r a t i v ' (imperfektiv), d.h. sie bezeichnen einen, sich über eine unbestimmte Zeit erstreckenden Vorgang ohne Begrenzung seiner Dauer, ohne nähere Bestimmung seines Einsetzens, Auslaufens oder Erfolgs - eigentlich 'neutrale' (aktional nicht differenzierte) Verben ... Doch ist dem Sprecher hier weithin die Alternative eines aktionsdifferenzierenden Gebrauchs gegeben, die Anwendung dieser Verben in Verbindung mit bestimmten Präfixen oder syntaktisch kombinierten Ergänzungsbestimmungen, so daß dann der verbale Prozeß nicht mehr einfach als 'durativ' und 'kursiv' (ohne Ergebnis verlaufend), sondern als zeitlich begrenzt ('limitativ') und zielbestimmt ('terminativ') oder zielführend ('transitorisch' und 'effektiv') hingestellt, d.h. der Ausdruck einer ' p e r f e k t i v e n ' Aktionsart erreicht wird" (Erben 1972:§ 107). Will man in konkreten Beispielsätzen die Aktionsart eines Verbs bestirnten, treten Schwierigkeiten auf: "Auf Grund der Vielfalt der tatsächlichen Geschehensabläufe bestehen bei der begrifflichen Erfassung und Gliederung relativ unbegrenzte Möglichkeiten zur fortschreitenden Differenzierung der Geschehensmerkmale. 'Beginnt man erst einmal mit der Einteilung nach dem Inhalt, dann gibt es für die Genauigkeit und damit für die Anzahl der Untergruppen keine Grenze mehr' ... Die Gesichtspunkte der begrifflichen Gliederung erscheinen ... oft subjektiv und willkürlich" (Flämig 1965:7). 17 18
Zur Behandlung der Aktionsarten cf. auch IsaCenko (1962) . Als Quelle dieses Zitats nennt Flämig (1965) in einer Fußnote Schlachter (1961).
30
"Zur s p r a c h l i c h e n B e z e i c h n u n g der objektiven Sachverhalte des Geschehensverlaufs stehen relativ unterschiedliche sprachliche Mittel zur Verfügung: Bedeutungselemente von Verbstäiranen, Elemente der Wortbildung (Affixe) und syntaktische Fügungen (Umschreibungen). Diese verschiedenen Merkmalsträger der Vorgangsabstufung haben u n t e r s c h i e d l i c h e G r a d e der S y s t e m a t i s i e r u n g erreicht, d.h. aber auch, unterschiedliche Grade der grammatischen Verallgemeinerung ... " (Plämig 1965:7).
In diesen Zusanmenhang zitiert Flämig (1965:9) Brinkmann (1962a:258): "Weder im Formensystem noch bei der Ableitung mit Suffixen noch bei der Anwendung von Vorsilben kommt es primär auf die Unterscheidung von Aspekten [= Aktionsarten in Flämig (1965)] an".
Flämig (1965:9) kennt zu dem Ergebnis: "Da keine durchgehenden Paradigmen bestehen, fehlt die Möglichkeit, zu beliebigen Verben beliebige Aktionsartformen zu bilden".
In einem kleinen Teilbereich der Grammatik könnt Schippan (1967:250-264) zu einem anderen Schluß. Sie zeigt bei den Verbalsubstantiven, daß in einigen Fällen durch die Wahl eines entsprechenden Funktionsverbs die Aktionsart der Furiktionsverbfügung analytisch festgelegt werden kann (z.B. verblühen = 19 'konklusiv1, im Verblühen sein = 'durativ1 ). Die Auswirkung der Aktionsart des Ereignisses, das durch das Element an der GS-Position der GVS beschrieben wird, läßt sich scmit isoliert betrachten. Wird bei gleichem Kontext z.B. verblühen gegen am Verblühen sein ausgetauscht, können Veränderungen nur auf einem Wechsel der Aktionsart beruhen. Dieser Test führt bei der durativen Aktionsart zu einem klaren Ergebnis. So läßt sich die Unakzeptablität von (2.45) auf das Merkmal 'durativ' des finiten Verbs im Ergänzungssatz an der GS-Position zurückführen. Versuche mit anderen Aktionsarten zeigen keine weiteren Restriktionen. Folglich ist für die GVS nur der Unterschied zwischen 'durativ' und allen anderen Aktionsarten relevant. Dies drückt das Merkmalspaar 'abgegrenzt' und '-abgegrenzt' aus. 'abgegrenzt', das '-durativ' entspricht, erlaubt eine positive Benennung des Merkmals, das vorliegen muß, damit ein Element, das ein Ereignis beschreibt, an der GS-Position in GVS stehen kann.
19
Das Beispiel stammt von Schippan (1967:251).
31
2.2.2.3 Abhängigkeit vcm Kontext und van Erkenntnisinteresse des Sprachteilnehmers (2.47) bestätigt nochmals das Ergebnis von 2.2.2.1: Elemente mit dem Merkmal 'Zustand' nehmen die GS-Position von GVS nicht ein. (2.47) Hans
schlief
tief.
*Dies
geschah
am achten
Mai.
Diese Regel scheint durch die Akzeptabilität des GVS in (2.48) durchbrochen. Die Mverbialbestinmung zwei Stunden lang deutet auf das Merkmal 'abgegrenzt' hin. Als Interpretation bietet sich an: Elemente mit dem Merkmal 'Zustand' nehmen die GS-Position von GVS ein, wenn sie das Merkmal 'abgegrenzt' haben. (2.48) Er schlief zwei Stunden lang. Dies er völlig erfrischt aufwachte.
geschah
so tief,
daß
Kontrastiert man aber (2.49) mit (2.48), zeigt sich, daß diese Interpretation nicht stinnrt. (2.49) Hans saß zwei am Freitag.
Stunden
lang auf der Bank.
»Dies
geschah
Die in 2.2.2.1 aufgestellte Hegel läßt sich jedoch auf (2.47) und (2.48) anwenden, wenn man sieht, daß schlafen in (2.47) zu den Zustandsverben, in (2.48) aber zu den Vorgangsverben gehört, wobei in (2.48) Zustandsänderungen (z.B. tief einatmen, ausatmen usw.) im Vordergrund stehen. Daß der Unterschied zwischen Vorgang und Zustand van Kontext und van Erkenntnisinteresse des Sprachteilnehmers abhängig ist, verdeutlichen auch Ausdrücke wie Kriegszustand in Vietnam. Von einer abstrakteren Betrachtungsweise aus gesehen, findet keine Zustandsänderung statt, da z.B. die Einzelvorgänge, die sich durch Sprengbomben abwerfen, Dörfer anzünden, Geiseln erschießen wiedergeben lassen, alle unter Krieg führen subsumierbar sind. Von dieser Warte aus liegt ein gleichbleibender Zustand vor, der sich z.B. durch Krieg führen beschreiben läßt. Krieg führen läßt sich aber auch als eine Reihe von Zustandsänderungen auffassen. Dann wird ein Ereignis wiedergegeben. Eine Aufteilung der neuhochdeutschen Verben in zwei diskrete Kategorien (Vorgangs- und Zustandsverben) kann es folglich nicht geben.
32
2.2.3
Ereignis als Wechsel von Zuständen
2.2.2.1 enthielt eine Erklärung von (2.44), die besagte: Die Vorgängersätze des GVS beschreiben den Anfangs- und Endzustand eines Ereignisses, das durch das Pronomen an der GS-Position im GVS wiederaufgeronnen wird. Damit wurden Zusammenhänge zwischen den semantischen Kategorien Zustand und Ereignis vorausgesetzt, die noch zu explizieren sind. Hierzu werden sprachphilosophische Lösungsvorschläge (vor allan die in der Diskussion im Anschluß an Davidson (1966) und Wright (1966) geäußerten) denen von Katz (1972), Bierwisch (1972) und Järborg (1973), die an der englischen Sprache gewannen wurden, gegenübergestellt. 2.2.3.1 Der sprachphilosophische Ansatz von Wright^ Wright (1966:121f.) benutzt Zustand (state of affairs) als Basisbegriff, den er nicht weiter untersucht. Die Zeit betrachtet er als "discrete medium of 'time-points' ('mcments', 'occasions') in a linear order". Er bezieht sich hierauf, wenn er mit dem Konnektiv T (zu lesen als "and next") zwei Zustände p und g verbindet. Die Formel pTq gibt den Wechsel (change) von einem Zustand p in den Zustand q in der Zeit wieder und beschreibt ein Ereignis (event). "The event 'itself' is the change or transition from the state of affairs which obtains on the earlier occasion, to the state which obtains on the later occasion ... The event, for example, which we call the opening of a window, consists in a change or transition from a state of affairs when this window is closed, to a state when it is open" (Wright 1963:28).
Der Zustand links van Konnektiv T ist der Anfangszustand (initial state), der Zustand rechts von T der Endzustand (end-state) des Wechsels in der Zeit. Dieses Verfahren eignet sich nicht nur zur Beschreibung von Einzelereignissen:
20
Wright (1963) und Wright (1966) liegen 2.2.3.1 zugrunde. In bezug auf die im folgenden angesprochenen Punkte besteht zwischen beiden Arbeiten kein Unterschied. Aus diesem Grund steht im folgenden, wenn kein expliziter Bezug auf den Wortlaut einer bestimmten Arbeit von Wright beabsichtigt ist, nur der Name des Autors.
33
"Let us assume that the total state of the world on a given occasion can be completely described by indicating for every one of a finite number n of states p^,..., p wether it obtains or does not obtain on that occasion. A description of this kind is called a state-description. As is well known, the number of possible total states is 2 if th'e number of ('elementary') states is n. We can arrange them in a sequence and refer to them by means of state-descriptions: s^, ..., s^ . A world which satisfies the above assumption could be called a Wittgenstein-world ... Our study of changes and actions will throughout employ this model ... 's.Ts.' says that the total state of the world is now s. [=s.] l j 1 1 and next (at the next moment) s.. If we write out the statedescriptions in terms of the unäerlying (elementary) states p., ..., p we can ... tell exactly in which features the world will change ..." (Wright 1966:122).
piTq beschreibt - und diese Formulierung steht alternativ zur oben gebrauchten - "a transformation of a world ... Vilich contains the initial state, into a world ... viiich contains the end-state" (Wright 1963:28). Als "useful generalization" bezeichnet es Wright (1963:29), auch dann von Ereignissen zu sprechen, wenn "the world remains unchanged in the feature described by p on both occasions", d.h. wenn pffp zugrunde liegt, "although it strictly speaking is a ' ncrt-event' or a ' rot-transformation'". Das Modell von Wright ist auf (2.44) anwendbar. Hans saß neben dem Herd bezeichnet den Anfangszustand p, Plötzlich lag er tot am Boden den Endzustand q eines Ereignisses. Die Formel pffg zeigt weiter, daß innerhalb der linear angeordneten Zeitpunkte p früher als q stattfindet. Der sprachphilosophische Ansatz von Wright ist aber noch zu erklärungsarm, um als wirkungsvolles linguistisches Beschreibungsinstrument zu dienen. Dies zeigt die folgende Besprechung der Einwände gegen Wright. Es geht dabei allerdings nicht um eine sprachphilosophische Würdigung von Wright. Die Schlußfolgerungen von 2.2.3 zielen allein auf eine Verwertbarkeit der besprochenen Lösungsvorschläge als linguistische Beschreibungsmittel. 2.2.3,2 Einige Einzelaspekte der Beschreibung von Ereignissen 2.2.3.2.1 pTp als Beschreibung eines Ereignisses Für die Untersuchung der GVS ist es nicht vorteilhaft, die Generalisierung von Wright zu übernehmen. Der in 2.2.2 ermittelte Unterschied zwischen Zustand und Ereignis würde terminologisch wieder verunklart.
34
Deshalb wird in der vorliegenden Arbeit eine Beschreibung nach dem Muster pTp als Zustandsbeschreibung bezeichnet. Ereignisbeschreibungen liegt folglich immer die Formel pTq zugrunde.
2.2.3.2.2 "total states" und sprachliche Darstellung Järborg (1973:1) nennt im Hinblick auf Dahl (1973) ein Argument, das auch auf Wright zutrifft: "Here we will be concerned with what Dahl calls state-types, as opposed to 'total states'; This latter concept does not seem to be of primary linguistic interest, since the language-user seldom attempts to describe a situation in all its details". Das Fehlen eines primär linguistischen Interesses scheint Järborg (1973:4) "rather self-evident when considering the description of change in natural language. There, one is not concerned with describing the transition of the universe from one total state to another; rather, one describes the transition of states of predications holding of the same object".
2.2.3.2.3 "set of states" Davidson (1966:88) kritisiert, daß Wright ein Ereignis durch ein geordnetes Paar von Anfangs- und Endzustand beschreibt und von möglichen Zwischenzuständen abstrahiert: "Von Wright is interested in exploring the logic of change and action, and not, at least primarily, in giving the logical form of our common sentences about acts or events. For the purposes of his study, it may be very fruitful to think of events as ordered pairs of states. But I think it is also fairly obvious that this does not give us a standard way of translating or representing the form of most sentences about acts and events. If I walk from San Francisco to Pittsburgh, for example, my initial state is that I am in San Francisco and my terminal state is that I am in Pittsburgh; but the same is more pleasantly true if I fly". Hinzu kaimL "that most action sentences do not yield a non-trivial description of the initial state (try 'He circled the field,' ...)" (Davidson 1966:88). Järborg (1973:6) vermeidet diese Nachteile. Er ersetzt das geordnete Paar aus Anfangs- und Endzustand durch eine Zustandsmenge (a set of states):
35
"The argument is simply that a process of change is not described with sufficient accuracy by initial and final states alone and this is recognized in natural language ... the use of the verb ¿urn rather than something like change presupposes (in a general sense of the term) not only initial and final states ... but also a number of intermediate states like ... Part of the house, with smoke and flame around it, and some ash exist at time t.".
l Die Schwierigkeit, daß sich z.B. in He circled the field der Anfangszustand nicht bestimmen läßt, tritt nicht auf, da er bei einer Zustandsmenge fehlen kann.
2.2.3.2.4 Zustand als Basisbegriff und Restriktionen Wright analysiert den Begriff Zustand nicht weiter. Anders Katz (1972:203f.), der als Zustand "eine Bedingung von etwas (sei es eine Person, ein Ort, Ding oder was auch inner) zu einer gegebenen Zeit oder während eines gegebenen Zeitraums" bezeichnet (cf. 2.2.2.1). Bierwisch (1972:38) gibt - an Katz (1967) anknüpfend - folgende Darstellungen als gleichwertig an: (2.50) [P.A. . . A p
]x ...x
t.
,
(2.51) [rj( tPJA.".APn]xJ..fxJc;ti Alle P sind Prädikate und alle X sowie das Zeitintervall t^ Argumente. Die Argumente hinter den eckigen Klarrmem beziehen sich auf den Prädikatskcmplex aus P^ ... P^. Drückt (2.50) die Abhängigkeit eines Zustandes von der Zeit dadurch aus, daß t^ als zusätzliches Argument des Prädikatskcmplexes auftritt, so wird in (2.51) "eine abstrakte Relation der Zeitfestsetzung, 'T" , geschaffen, die Propositionen mit Zeitintervallen verknüpft ... Die Frage, ob (I) [= (2.50)] und (II) [= (2.51) ] nur Schreibvarianten sind oder, ob es zwischen ihnen linguistisch interessante Unterschiede gibt, muß hier offen gelassen werden" (Bierwisch 1972:38).
Järborg (1973) stellt die Kategorie Zustand ebenfalls durch Prädikationen über Objekte dar. Notwendig ist diese weitergehende Analyse deshalb, weil sich nur so einige Restriktionen formulieren lassen, die beachtet werden müssen, damit man zeitlich aufeinanderfolgende Zustände als Ereignis bezeichnen kann. a)
21
"Wenigstens ein Argument 'X', nämlich das, das den einen oder mehrere Objekte bezeichnet, die einem Wechsel unterwarfen sind, muß in allen 1 SM.. ' gleich sein" (Bierwisch 1972:40). SM. = Zustandsmarker; cf.
(2.50) und
(2.51).
36
Der gleiche Grundgedanke liegt Chisholm (1966:138) zugrunde: "Bringing about a change in the world is always a matter of bringing about a change in some thing x, or some collection of things x. Hence 'He brings it about that p' will always imply a statement of the form 'There is an x such that he brings it about that x is F". Järborg (1973:5) zeigt an (2.52), daß diese Restriktion nicht ausreicht. (2.52) The house burnt to ashes. " ... the object is fully present only in the 'early' states" (Järborg 1973:14). Deshalb ändert Järborg (1973:5) die Forderung nach "sameness ob object" zu "sameness (better perhaps partial sameness) of substance in the objects". " ... it is not neccessary that the substance is recoverable in the form of any well-defined object" (Järborg 1973:14). Er verschiebt allerdings die Behandlung des Begriffs "substance" auf 22 später und begnügt sich mit einem Hinweis: "There are some difficulties connected with the concept of substance which have to be passed over in this connection. It should be borne in mind that the concept is used here merely as a descriptive device ... For ordinary physical objects, the concept of substance approximates to some extent the physical notion of matter; the analogy should not be pushed too far, however" (Järborg 1973:2). b)
Järborg (1973:4f.) zeigt, daß die Zustandsbeschreibungen (2.53) und (2.54) nicht Teile einer Ereignisbeschreibung sein können. (2.53) The rose is red at time t . (2.54) The rose is in the vase at time t "These two states cannot be part of a change that is expressible in natural language categories, in spite of holding of the same object at consecutive points of time. Thus we will need a notion of comparable states. The exact formulation of such a notion must await a fuller treatment of states and/or predications. For this paper we will assume that states can be divided into three sub-groups: states of existence of objects, states of localizations of objects and states of properties holding of objects ... Then, two states are comparable if concerning the same object and if beloning 1= belonging] to the same sub-group of states" (Järborg 1973:5).
22 23
Cf. Järborg (1973:24 :Anmerkung 2): "I hope to be able to return to the notion of substance in some future paper. If so, the philosophic implications of this notion will be briefly treated in that connexion". Zum Begriff "transition" cf. 2.2.3.2.6.
37
Diese Untergruppierung reicht nicht aus, wie schon das Beispiel von Bierwisch (1972:40) zeigt: "Die Prädikate, die die besonderen Bedingungen in den verschiedenen Zuständen spezifizieren, müssen auf irgendeine Art, die ich nicht in Einzelheiten bestimmen kann, begrifflich miteinander verbunden sein. Es sollte natürlich nicht erlaubt sein, z.B. einen Wechsel vom Zustand 'orange-sein^zum Zustand 'drei-Beine-haben' als einen Vorgang darzustellen". Beide Zustände gehören aber in der Einteilung von Järborg (1973) zur Untergruppe "states of properties". Die Untergruppierung müßte deshalb weiterentwickelt werden.
2.2.3.2.5 Zeitzonen Lauten (1966:97) versucht die von Davidson (1966) erkannten Probleme (cf. 2.2.3.2.3) dadurch zu lösen, daß er Zeitzonen einführt. "I conclude ... that a tense-logic rich enough to draw the contrast requires, in addition to the semantic notion of truth at a moment t, the further notion of truth over a period of time. Crudely, we need a logic of time-stretches as well as of time-moments. For example, the sentence 'He was mowing the lawn when I entered the garden' should mean something like 'There is a period of time z earlier than now and a moment of time t within z such that over z 'he is mowing the lawn' is true and at t 'I enter the garden' is true". Zeitzonen, in denen Ereignisse stattfinden, können unterbrochen werden: "A battle may stop while the participants have tea, and later be resumed" (Lemmon 1966:99). Sie bestehen aus einzelnen Zeitpunkten: "It will ... always make sense to say that a moment of time falls within the temporal stretch of the zone; I shall say then that moment t belongs to zone z. Thus to say that event e occurred at t will mean that t belongs (fairly centrally) to the zone z constituted by e. It will further always make sense to say, of a physical object o, or even of an entity such as a person p closely linked to a physical object o (his body), that a temporal slice of o is included wholly within a zone z; I shall say then that o (or p) is a participant in z (or the event e which constitutes z)" (Lemmon 1966:99).
24
Bierwisch (1972) benutzt die Begriffe 'Zustand' und 'Vorgang'. 'Vorgang' entspricht dem, was in 2.2.1 als 'Ereignis' bezeichnet wurde, 'Vorgang' in Bierwisch (1972) hat nichts zu tun mit Vorgang in Bartsch (1972) .
38
Lemon (1966) vermeidet folglich die Schwierigkeiten, derentwegen Davidson (1966) das Modell von Wright ablehnt. Er stellt jedoch den Unterschied zwischen Zustand und Ereignis, auf den es bei den GVS ankarmt, nicht mehr explizit dar. He was sitting in the garden when I entered the garden wäre umzusetzen in "there is a period of time x earlier than now and a ironent of time t within z such that over z he is sitting in the garden is true and at t J enter the garden is true'. Der Unterschied zwischen Zustand und Ereignis ist implizit in he is sitting in the garden und he was mowing the lam. enthalten. Beide Begriffe treten aber nicht mehr als Beschreibungskategorien auf. Deshalb ist Järborg (1973) vorzuziehen, der das Paar aus Anfangs- und Endzustand durch eine Zustandsmenge ersetzt. In dieses Konzept läßt sich auch der Zeitbegriff Im Sinne von Latmon (1966) integrieren: "Consider a set of states. Any such set possesses a natural order, as every state defines a point of time and time is postulated to be linearly ordered. Suppose now that in some set of states this natural time-order is total; i.e. that of any two states in the set, one always precedes the other. Sets of states with this property will be called consecutive" (Järborg 1973:6).
Zu fordern ist nun nicht, daß die Zeitpunkte, die durch die Zustände der Zustandsmenge einer Ereignisbeschreibung definiert sind, ununterbrochen aufeinanderfolgen, sondern daß sie eine Zeitzone im Sinne von Latmon (1966) bilden. Dann kann auch das oben angeführte Beispiel von Latmon (1966:99) als Ereignis beschrieben Verden.
2.2.3.2.6 Approximation Järborg (1973) führt den für die GVS wichtigen Begriff der Approximation ein. Er definiert die semantische Kategorie Ereignis als "any approximation of a transition" (Järborg 1973:12). "Transition is introduced as a technical term in order to be a formalization and generalization of the common-sense notion of a change. To some extent it is also an idealization, in that there are no natural-language expressions directly corresponding to it" (Järborg 1973:6).
Der Begriff "transition" ist definiert als "a set of consecutive, carparable states" (Järborg 1973:12).
39
"This definition has two important consequences. Firstly, there can be no question of a natural language sentence describing a transition in detail, the more so as the set in the definition mostly must be assumed to be infinite. Secondly, an approximate description of a transition must proceed along two dimensions: some object must be given, in order to delimit the possible comparable states to those involving that object and a (point of) time must be given, in order to delimit the intervals of time containing the possible consecutive states to those involving that time. The minimum approximation seems to consist of just two restrictions on the transitional: 1) a restriction on the object, such that at least one possible object is excluded from the indicated transition, and 2) a restriction on the time such that the time interval of the indicated transition is related in some way to the time t of the speech situation" (Järborg 1973:12). (2.56) wäre folglich die minimale Approximation zu (2.55). (2.55) The ball rolled. (Järborg 1973:10) (2.56) Something rolled. (Järborg 1973:13) (2.57) wäre eine weitere Approximation "of the same transition" (Järborg 1973:13). (2.57) The ball rolled into the corner. (Järborg 1973:13) (2.56) könnte die erste Antwort auf die Frage sein Was geschah gerade? und (2.55) die Antwort auf die nach (2.56) neu formulierte Frage Was genau geschah gerade? In (2.57) wäre dann zusätzlich zu (2.55) der Endzustand angegeben. "As the approximation is improved, the transition will be approached asymptotically" (Järborg 1973:13). "In this way, one may construct an infinite class of events which are approximations to the same transition" (Järborg 1973:13).
2.2.4
Zusammenfassung von 2.2
Der Abschnitt 2.2 führt somit zu folgenden Aussagen über die Semantik des GS von GVS: a) b)
Die Elemente an der GS-Position von GVS gehören zur Kategorie Ereignis. Sie sind außerdem durch die Merkmale '-Zustand' und 'abgegrenzt' restringiert.
c)
Ereignisse lassen sich beschreiben als eine geordnete Menge von Zuständenp. Jeder dieser Zustände^ definiert einen Zeitpunkt. Die Menge der Zeitpunkte, die Bestandteil einer Ereignisbeschreibung sind,
bildet eine Zeitzone. Die so beschriebenen Ereignisse werden als Approximationen "of a transition" verstanden. Erst diese Erklärung der semantischen Kategorie Ereignis ermöglicht 25 eine befriedigende Analyse von GVS wie (2.44).
Offen bleibt in 2.2, wie die semantische Kategorie Handlung bei der Analyse von GVS einzuordnen ist. In einem ersten Ansatz wird davon ausgegangen, daß sie eine Untergruppe der Kategorie Ereignis ist. Diese Annahme findet sich sowohl in sprachwissenschaftlichen als auch in sprachphilosophischen Arbeiten (cf. z.B. Grebe 1966:§ 590:§ 595:§ 596, Griesbach/Schulz 1967:410:418, Fodor 1972:51). Das folgende Beispiel zeigt, daß der Begriff der Intention bei einer genaueren Analyse von GVS mit einem Element der Kategorie Handlung an der GS-Position eine wichtige Rolle spielt. (i) John verharrte auf seinem Stuhl, ohne daß er lange überlegte. Dies geschah, um Fritz noch mehr in Wut zu bringen. Der Wechsel von Zuständen in der Zeit, der ein Ereignis nach der in 2.2 gegebenen Definition konstituiert, kommt in (i) darin zum Ausdruck, daß sich Johns Einstellung zu seinem 'Sitzen auf dem Stuhl' verändert hat. Zuerst sitzt er, vielleicht, um sich auszuruhen; dann, um zu verhindern, daß Fritz sich setzen kann. Dies zeigt, daß auf den Handelnden als 'Handelnden' rekurriert werden muß.
3
SYNTAKTISCHE EINHEITEN UNGLEICH P UND GS IN GVS
3.1
Zur Syntax
Nach Heringer (1973:151) sind syntaktische Einheiten der ersten Teilungsstufe, die nicht zum P gehören (cf. 4.1), E oder A. Es stellt sich die Frage, zu welcher Kategorie syntaktische Einheiten in GVS gehören, die nicht E1 und nicht Teil des P sind. Zu untersuchen ist, welche syntaktischen Einheiten überhaupt möglich sind und ob für GVS typische syntaktische Regularitäten auftreten.
3.1.1
Arbeiten der traditionellen Grammatik
Erben (1964:§ 44) und Erben (1972:§ 122) behandeln nur GVS vcm Typ E1+PT+VM, Weisgerber (1964:33) und Brinkmann (1971:547) zusätzlich GVS mit Dativobjekt. Auch Kishitani (1965:62) wählt von den prinzipiell in Sätzen mit geschehen möglichen Elementen nur sechs als relevant aus:^ "Alle anderen sprachlichen Elemente, die nicht an den ... sechs Stellen - Subjekt, Prädikat, Mensch im Genitiv, im Dativ, im Akkusativ und Mensch im Genitiv an der S-Stelle [ = attributive Genitivergänzung zum GS ] - stehen, sind für unsere Klassifizierung irrelevant".
Grebe et al. (1966:§ 5260 urri § 5300) beschreiben bei den "Grundformen deutscher Sätze" GVS mit "Raum- und Zeitergänzungen" (= (3.1)) und mit "Begründungsergänzungen" (= (3.2) - (3.4)). (3.1) (3.2) (3.3) (3.4)
Das Unglück ereignete sich am Bahnhof. Mancher Mord geschieht aus Eifersucht. Viele Unfälle ereignen sich infolge Übermüdung des Fahrers. Der Brand entstand aus Unachtsamkeit.
Polenz (1964:6) nennt Angaben der Zeit, des Ortes, der Art und Weise, der Bedingung und des Unstandes als Elemente, die in GVS möglich sind. 1
Zu den Auswahlkriterien cf. Kishitani (1965:62-65).
42
3.1.2
Steinitz (1971), Helbig/Schenkel (1969), Helbig/Schenkel (1973), Bartsch (1972)
3.1.2.1 Steinitz (1971) Steinitz (1971) basiert auf Chcmsky (1969) (cf. Steinitz 1971:10-12). Jeder lexikalischen Kategorie ist eine Matrix syntaktisch-semantischer Merkmale zugeordnet, die die Basis für die Definition von Subkategorien bildet. Chcmsky (1969) unterscheidet dabei die strikten Subkategorisierungsmerkmale, die auf kategoriale Kontexte referieren, von den selektiven, die sich auf Merkmale von Kategorien beziehen. Deshalb klassifiziert Steinitz (1971:12) in einem ersten Schritt die Verben danach, ob sie ein Adverbial als obligatorische Ko-Konstituente des Verbs fordern oder nicht. Dieses Kriterium teilt außerdem die Adverbiale selbst in zwei Kategorien: a) die ADV, die als enge, obligatorische Ko-Konstituenten des Verbs dessen Subkategorisierung bestimmen. b) die ADVB, die als freie, fakultative Verbergänzungen ohne Einfluß auf die Verbsubkategorisierung bleiben. Sie stehen bei Verben verschiedener Unterklassen. Steinitz (1971:13f.) beobachtet zwischen ADV und Verb bestimmte Unverträglichkeiten und subklassifiziert deshalb in ADV,.. Dir, ADV,. Loe und ADV., Moa, (= direktianale, lokale und modale Adverbiale). Die ADVB unterteilt Steinitz (1971:47-62) aufgrund ihres syntaktischen Verhaltens in ADVBI^^, ADVBI^, ADVB1TOTp, ADVB1Iter, ADVB2ltod, ADVB2Instr und ADVB2loc (= kau-S sale, durative, temporale, iterative, modale, instrumentale und lokale Adverbiale) . 2 Dabei stellt Steinitz (1971:26f.) folgende Besonderheit der GV fest: (3.5) (3.6) (3.7) (3.8)
Der Unfall mit der Rehgruppe geschah aus Unachtsamkeit. »Der Unfall mit der Rehgruppe geschah. Der Unfall mit der Rehgruppe geschah freitags. Der Unfall mit der Rehgruppe geschah auf der Regensburger Landstraße.
GV fordern zwar obligatorisch ein ADVB, die Auswahl der Subklasse ist aber nicht festgelegt (cf. (3.5), (3.7) und (3.8)). 2
Steinitz (1971:26f.) nennt stattfinden, entstehen, eintreten, sich abspielen, sich ereignen und sich
geschehen, zutragen.
ausbrechen,
43
3.1.2.2 Helbig/Schenkel (1969) und Helbig/Schenkel (1973) Helbig/Schenkel (1969:307) bilden für sich erezgnen den Lexikoneintrag: "
3
I. sich ereignen^ II. sich ereignen -» Sn, (pS) III. Sn-* Abstr (Der Unfall ereignete sich.) p = an, in, wegen, unter ... (ohne Beschränkung), pS-»1. Temp (Der Mord ereignete sich an einem Montag.) 2. Loc (Der Mord ereignete sich im Nachbardorf .) 3. Caus (Der Mord ereignete sich wegen Eifersucht.) 4. Mod (Der Mord ereignete sich unter strenger Geheimhaltung.)".
an einem Montag, im Nachbardorf usw. sind folglich fakultative Mitspieler des Verbs. " Beide - sowohl die obligatorischen als auch die fakultativen Mitspieler - sind vom Verb abhängig, sind in Zahl und Art im Stellenplan des Verbs verankert und deshalb auch zahlenmäßig begrenzt und genau festlegbar ••• Von diesen obligatorischen und fakultativen Mitspielern müssen solche freien Angaben geschieden werden, die so wenig fest an das Verb gebunden sind, daß sie nahe2U beliebig in jedem Satz hinzugefügt und weggelassen werden können und deshalb auch zahlenmäßig unbegrenzt und nicht fixierbar sind" (Helbig/Schenkel 1969:31). Der Unterschied zwischen obligatorischen und fakultativen Mitspielern besteht darin, daß erstere "auftreten müssen", letztere "nur auftreten können" (Helbig/Schenkel 1969:32). Interessant an dieser Einordnung ist, daß daraus die Akzeptabilität von Der Unfall ereignete sich folgt. Neben Kürschner (1974) (cf. Anmerkung 2:Kapitel 5:Seite 88) sind Helbig/Schenkel (1969) somit die einzigen, die GJS mit einer definiten NP an der GS-Position (Der Mord) und ohne Adverbialbestimmungen als akzeptabel bezeichnen. Helbig/Schenkel (1973:449) ändern diesen Standpunkt (cf. den Hinweis auf Steinitz 1971 in Helbig/Schenkel 1973:46:Anmerkung 171). gestern, an einem Montag usw. sind jetzt obligatorische Mitspieler. Anstelle von Der Unfall ereignete sieh steht Der Unfall ereignete sieh gestern. 3
Der Index auf Stufe I gibt die Valenz an. Die Anzahl der obligatorischen Mitspieler steht ohne Klammer. Die Zahl in der Klammer bezieht die fakultativen Mitspieler mit ein. Sn = Substantiv im Nominativ; pS = präpositionales Substantiv; p = Präposition; Temp = Zeitbestimmung; Loc = Ortsbestimmung; Caus = Bestimmung des Grundes; Mod = Artbestimmung (aus: Helbig/Schenkel 1969:72-74). Zum Aufbau des Wörterbuches in drei Stufen ( I, II, III) cf. Heibig/ Schenkel (1969:35-37).
44
"Wenn Adverbialbestimmungen als notwendige (= valenzgebundene) Glieder auftreten, so sind zwei Fälle unterscheidbar: ... 1. Es ist nicht nur das Vorkommen, sondern auch die Art der Adverbialbestimmung durch die Valenz des Verbs determiniert ... 2. Es ist nur das Vorkommen, nicht auch die Art der Adverbialbestimmung durch die Valenz des Verbs determiniert: Nach einigen Verben (stattfinden, sich ereignen, geschehen, ausbrechen u.a.) können verschiedene Arten der Adverbialbestimmung stehen, von denen eine jedoch obligatorisch ist: Der Unfall geschah in der Hauptstraße. Der Unfall geschah gestern abend. Der Unfall geschah aus fehlender Vorsicht. »Der Unfall geschah" (Helbig/Schenkel 1973:46).
Sie vertreten folglich den gleichen Standpunkt wie Steinitz (1971). 3.1.2.3 Bartsch (1972) Bartsch (1972:331f.) stellt zu Steinitz (1971) kritisch fest, daß zwar (3.9), nicht aber (3.10) und (3.11) ungranmatisch sind. (3.9) *Der Unfall mit der Rehgruppe geschah. (3.10) Ein Unfall mit der Rehgruppe geschah. (3.11) Ein Tumult brach aus.
Im Rahmen der Fragestellung von 3.1 interessiert an dieser Beobachtung, daß GVS ohne Mverbialbestimnungen unter bestirrmten, noch zu klärenden Bedingungen akzeptabel sind. 5.1 wird ergeben, daß diese Bedingungen im außersyntaktischen Bereich zu suchen sind. 3.1.3
Zusammenfassung und Forschungsentwicklung
3.1.1 und 3.1.2 zeigen, daß die 'obligatorischen Mverbialbestimnungen1 eine wichtige Rolle in der bisherigen Forschung zu den GVS spielen. Forschungsgeschichtlich ist eine deutliche Weiterentwicklung zu erkennen: Grebe et al. (1966) nennen obligatorische Raum-, Zeit- und Begründungsergänzungen, Polenz (1964) Angaben der Zeit, des Ortes, der Art und Weise, der Bedingung und des Umstandes. Letzterer könnt der Aussage in Steinitz (1971) nahe, es müsse obligatorisch ein beliebiges ADVB stehen. Auffallend ist, daß in dem Maße, in dem sich der Blick auf die obligatorischen Adverbiale richtet, die Erkenntnis von der Möglichkeit der GVS ohne Adverbiale verloren geht, ofcwohl die traditionellen Grarmatiken (z.B. Grebe et al. 1966, Erben 1972) hierfür leicht zugängliche Beispiele enthalten. Erst als Steinitz (1971) das Problem der Obligatheit irgendeines Adverbials
45
als Besonderheit dieser Verbgruppe erkennt, entdeckt Bartsch (1972) die GVS ohne Adverbiale erneut. Das Gebiet, in dan eine Lösung des Problems zu suchen ist, verlagert sich dabei. Die Syntax k a m t hierfür nicht mehr in Frage (cf. 5 und 6). Damit ist jedoch die Untersuchung der syntaktischen Einheiten ungleich P und GS nicht abgeschlossen. Die eingangs gestellte Etage, welche von ihnen in GVS möglich sind, beantwortet Steinitz (1971) am klarsten: alle sieben der Subklassen der ADVB, die sie syntaktisch gewinnt (genauso Helbig/Schenkel 1973 und Bartsch 1972). Diese These soll im Rahmen von Heringer (1973) überprüft werden. Zuvor jedoch stellt sich die Frage: Sind die syntaktischen Einheiten außerhalb von P und E1 als E oder A zu analysieren (z.B. aus Unaahtsamkeit in (3.5))?
3.1.4
Analyse nach Heringer (1973)
3.1.4.1 E oder A Nach Heringer (1973:152) Warden E van PT als notwendige Glieder gefordert, während A frei hinzufügbar sind. Diesen grundsätzlichen Unterschied relativiert Heringer (1973:152-154) allerdings selbst: " ... es gibt Fälle, wo ein E gar nicht im strengen Sinn notwendig ist. So kann (2) ein nicht-abweichender Satz bleiben, wenn wir den E weglassen: (2) Er bedankte sich für das Geschenk.
I
E
1
(2a)Er bedankte sich. ... Offenbar besteht ein regelmäßiger Zusammenhang zwischen Sätzen der Art (2) und (2a) ... wäre es ... für (2) und (2a) nicht sinnvoll, zwei verschiedene PT mit verschiedenen Indexen anzunehmen, denn dann müßten für alle Verben, die solche Auslassungen zulassen, mehrere Lexikoneinträge vorgesehen sein. Darum ist hier die Unterscheidung von E und A auf einem semantischen Unterschied im Beitrag zur Satzbedeutung begründet, der nicht parallel geht mit dem Kriterium der Notwendigkeit. Die Konsequenz daraus ist, daß es nicht-notwendige E geben kann".
Andresen (1973:51), die sich auf Heringer (1970a) und Heringer (1970b) bezieht, kritisiert: "Die Konsequenz aus HERINGERS Darstellung ist, daß er sein einziges ursprünglich angegebenes Unterscheidungskriterium selbst als unbrauchbar verwirft, kein anderes an dessen Stelle setzt und seine Grammatik auf eben der Unterscheidung in E und A aufbaut".
46
Folgt man Andresen (1973) und Heringers eigener Ansicht, daß es sich bei der Abgrenzung von E und A
um ein semantisches Problem handle, wäre
eine denkbare Kosequenz für die syntaktische Untersuchung der GVS, nicht zwischen E und A zu unterscheiden, sondern nur von einer syntaktischen Kategorie E/A auszugehen, die erst innerhalb der semantischen Kanponente der Granmatik wsiter unterteilt wird. Man könnte auch nach neuen Kriterien 4
suchen, E von A zu unterscheiden. Eine solche Fragestellung wäre jedoch zu weit vom eigentlichen Untersuchungsgegenstand entfernt. Ein Neuansatz auf der Grundlage der GV - ist auch deshalb angreifbar, weil diese Verbgruppe einen Sonderstatus hat."' Aber auch eine Diskussion des Forschungsstandes zu den E und A ist wegen des notwendigen Umfanges in einer Arbeit über die GV nicht ratsam. Die syntaktischen Einheiten ungleich P und E1 in GVS weisen jedoch Kennzeichen auf, die Heringer (1973) zur Abgrenzung der A von den E verwendet und die nicht zum kritischen Bereich der fakultativen E gehören. Es scheint deshalb vertretbar, im eingeschränkten Rahmen der Analyse der GVS mit der Unterscheidung von E und A zu arbeiten. Folgende Argumente sprechen dafür, z.B. aus Unachtsamkeit, freitags, auf der Regensburger Landstraße in den GVS (3.5), (3.7) und (3.8) als A zu bezeichnen: a) Das Kriterium der Notwendigkeit läßt sich auf die GVS anwenden. (3.10) zeigt: Alle syntaktischen Einheiten ungleich P und E1 sind 'nicht notwendig'. (3.9) braucht man nicht als Gegenbeispiel zu werten, da - wie in 5.1 ausgeführt - die Gründe hierfür im außersyntaktischen Bereich liegen und nicht mit der Unterscheidung in E und A verbunden sind. 4
5 6
Cf. auch die Rezension von Ludwig (1971). - Daß Heringer sich der Unzulänglichkeit seiner Unterscheidung von E und A selbst bewußt ist, zeigt der folgende Ausschnitt aus einer Diskussion Heringers mit Apel, Gipper, Glinz, Grebe und Stötzel ("Zur Terminologie", in: Moser et al. 1972:284-287). "Sie dürfen eben die Termini, wie sie da stehen, im Grunde nicht so lesen, wie Sie sie lesen, sondern Sie müssen sie so lesen, wie sie in der Theorie erklärt sind. Auch so ein Ding wie 'Angabe' ist in der Theorie erklärt - das ist nun gerade schlecht erklärt, es stimmt noch etwas nicht bei dem Unterschied von E und A. Aber Sie müssen den Impetus dahinter sehen ..."(Moser et al. 1972:285). Cf. z.B. die Kritik der Arbeitsgruppe Marburg (1973:19f.) an Stötzel (1970). Man muß sich bei dieser Argumentation darüber im klaren sein, daß man das Kriterium der Notwendigkeit als Kennzeichen für E ('Ein Element ist immer eine E, wenn es notwendig ist') relativiert und 'notwendige A'
47
b)
Die 'Notwendigkeit' ist nicht das 'einzige ursprünglich angegebene Unterscheidungskriterium' (cf. Andresen 1973:51) von Heringer (cf. auch Heringer 1970a:36): "Jedes PT fordert einmal eine bestimmte Zahl von E und zum andern auch bestimmte Arten von E. Bildet man deshalb einen Satz mit dem Prädikat gestand zu und berücksichtigt nicht, daß es drei E fordert, so wird dieser Satz abweichend: (11) *Man gestand ihm zu. Das gleiche tritt ein, wenn man die Art der geforderten E nicht berücksichtigt, etwa statt El, E2, E3 wählt El, E2, E4: (IIa)»Man gestand ihm eines Dienstwagens zu. Da es diese Selektion bei den A nicht gibt, haben wir hier ein weiteres Kriterium für die Unterscheidung von E und A" (Heringer 1973:156).
c)
Betrachtet man die E und A nach dem "Bau ihrer Elemente" (Heringer 1973: 244), lassen sich Unterschiede feststellen (cf. auch 3.1.4.2). Nach BK8 treten als E auf: "Nominalphrasen (NP), Ergänzungssätze (ES)und Infinitivkonstruktionen (IK)" (Heringer 1973:194). Als A sind nach BK20 möglich: "Nominalphrasen, Angabesätze (AS), Partizipialkonstruktionen (PK), Infinitivkonstruktionen besonderer Art (IKA) und Adverbialgruppen (ADG)" (Heringer 1973:244). E und A unterscheiden sich folglich teilweise in ihrem formalen Aufbau. Ein Gegenbeweis zu der These, die syntaktischen Einheiten ungleich P und E1 in GVS seien A, wäre es scmit, wenn in GVS Infinitivkonstruktionen oder Ergänzungssätze an einer anderen als der E1-Position auftreten würden. (3.12) Hans bemühte sich, daß alle zufrieden waren. (3.13) Es pressierte ihm an diesem Tag, weil er Durst hatte. (Heringer 1973:245) Ergänzungssätze unterscheiden sich von Angabesätzen durch ihr Translativ. Angabetranslative sind z.B. wo, weil, wenn, obwohl, damit, falls, wie, indem usw. Als Ergänzungstranslative stehen daß, wer usw. (Heringer 1973:134f.) .
zuläßt. A sind sie trotz der Notwendigkeit, weil sich für die Notwendigkeit dieser Elemente eine andere Erklärung als die der Valenznotwendigkeit geben läßt (cf. 5 und 6). Ein anderes Beispiel für 'notwendige A' ist der sogenannte Pertinenzdativ (cf. auch Weisgerber 1963a: 262-294, Polenz 1969). Die entgegengesetzte These, daß alle notwendigen Elemente als E zu werten sind, vertritt z.B. Zifonun (1972).
"ANT [= Angabetranslative] und ET [= Ergänzungstranslative] sind disjunkte Mengen. Darum wird die Unterscheidung im heutigen Deutsch genau beachtet ... " (Heringer 1973:247).
Folglich läßt sich (3.12) durch daß als Satz mit Ergänzungstranslativ bestirnten und (3.13) durch weil als Satz mit Angabetranslativ. (3.14) und (3.15) sind Beispiele dafür, daß in GVS Ergänzungssätze nur an der E1-Position stehen. Angabesätze sind dagegen möglich. (3.14) Hans bemühte sich mit großem Eifer. »Dies geschah, daß alle zufrieden waren. (3.15) Freilich fragt man sich besorgt, was wirklich geschehen wird, wenn die Steuervorschläge erst einmal zwischen die Mühlsteine der Gesetzgebung und der Gruppeninteressen geraten werden. (RDE, 6972) "Infinitivkonstruktionen, die als A stehen, unterscheiden sich von denen, die als E stehen, in ihrem Bau dadurch, daß sie noch zusätzliche Translative enthalten (IKT)" (Heringer 1973:252).
Mögliche Translative von Infinitivkonstruktionen als A sind um, ohne, anstatt usw. (Heringer 1973:135). Somit läßt sich (3.16) durch das Fehlen eines Infinitivkonstruktionstranslativs als Satz mit Infinitivkonstruktion als E bestirnten und (3.17) durch im als Satz mit Infinitivkonstruktion als A. (3.16) Man soll nicht vergessen, (Heringer 1973:194)
alle Federreste
(3.17) Er tat alles, um das zu erreichen.
abzubrennen.
(Heringer
1973:244)
Für Infinitivkonstruktionen als E in GVS fand sich im Corpus kein Beleg (cf. in bezug auf die E1-Position: 2.1.1). Infinitivkonstruktionen als A scheinen prinzipiell möglich zu sein. Dies zeigt (3.18). Sie ließen sich jedoch durch das Corpus nicht belegen. (3.18) Am dritten August wurde der Konsul ermordet. Der mord geschah, um die Regierung zu erpressen.
Meuchel-
Unakzeptabel scheint dagegen (3.19) zu sein (cf. Heringer 1973:252). (3.19) Herr Karl geht ins Wirtshaus. gessen .
*Dies geschieht,
um zu ver-
Wärum (3.19) im Gegensatz zu (3.18) unakzeptabel ist, behandelt 3.2.8. Das Ergebnis dieses Abschnitts ist folglich: Aus dem unterschiedlichen Bau von E und A ergeben sich keine Gründe gegen die Einordnung der syntaktischen Einheiten ungleich P und E1 in GVS als A. Heringer (1973:154) benutzt den Unterschied zwischen E und A dazu, um die Polysemie von Sätzen wie (3.20) aufzuzeigen: (3.20) Er verzichtet
auf
Verdacht.
49
" ... wo auf Verdacht einmal als E und einmal als A verstanden werden kann, wodurch der Satz jeweils eine andere Bedeutung bekommt: einmal 'er verzichtet darauf, irgendjemand zu verdächtigen', zum andern 'er leistet auf Verdacht hin Verzicht'".
Diese Interpretation beruht auf der Annahme von Heringer (1973:154), daß "man A im Gegensatz zu E als eine Art Prädikation über den Restsatz auffassen kann". Folgt man der Auffassung, daß (3.20) im obigen Sinne anibig ist, läßt sich die Möglichkeit, eine Paraphrase mit einem GVS zu bilden, als Kennzeichen für A benutzen. (3.21) Er verzichtet.
Dies geschieht auf
Verdacht.
(3.21) läßt nur noch die Interpretation zu: Er leistet auf Verdacht hin Verzicht. Der Grund für die Wirksamkeit dieses Tests liegt darin, daß in GVS alle syntaktischen Einheiten ungleich P und E1 zu
den A
gehören. Er ist allerdings nur anwendbar, wenn Ereignisse beschrieben Warden (cf. 2.2). a) - d) zeigen, daß im Rahmen der Syntax von Heringer (1973) die syntaktischen Einheiten in GVS, die nicht E1 sind oder zum P gehören, der Gruppe der A zuzuordnen sind. Dies trifft dann auch auf die unterstrichenen Elemente in (3.22) - (3.26) zu (cf. 3.2.9). (3.22) Wahrscheinlich war es ihm gelungen, sich rechtzeitig zu verbergen, weil man ihn gewarnt hatte. Doch wie und durch wen das geschah - das blieb ein Geheimnis. (Puschkin 1972:90) (3.23) Wenn du mir alles gestehst, dann ... Sonst aber geschieht mit dir, was du dir nicht vorstellen kannst. (Puschkin 1972:109) (3.24) Und nur auf diesem Hintergrund, auf dem Hintergrund dessen, was im deutschen Namen Europa zugefügt oder zugedacht worden ist, werden wir, was uns selbst geschehen ist, in der richtigen Perspektive sehen können. (RDE, 8916) (3.25) ... Mädchen kann niemand vor dem bewahren, was jetzt mit ihr geschieht. Brutal reißt der Fremde das Mädchen weg vom Wagen ... (Limas-Corpus,077*002043) (3.26) Was sollte mit den reichen Gütern in Machanajim geschehen, die Gilead der toten Ammoniterin geschenkt hatte.... (Feuchtwanger 1957:18)
3.1.4.2 A in GVS und Subklassifizierung der A in Heringer (1973) Es wird - entsprechend dem Vorgehen bei der E1 - überprüft, ob alle Subkategorien der A in GVS möglich sind. Heringer (1973:244) unterteilt die A in BK20 nach dem Bau ihrer Elemente in NP, Angabesätze, Partizipialkonstruktionen, Infinitivkonstruktionen als A und Adverbialgruppen.
50
(3.21) zeigt, daß Nctninalphrasen und (3.18), daß Infinitivkonstruktionen als A in GVS stehen können. Auch Angabesätze und Adverbialgruppen treten in GVS auf (cf. (3.27) und (3.28)). (3.27) Hans ermordete seine Frau. Dies geschah, weil er eifersüchtig war. (3.28) Hans vergaß, was er verbrochen hatte. Dies geschah sehr schnell. Für Partizipialkonstruktionen nennt Heringer (1973:250) (3.29) als Beispiel. (3.29) Gelassen seinen Bauch betrachtend kam er ins Staunen. Ob Partizipialkonstruktionen in GTS möglich sind, bleibt offen. Bele7 ge dazu ließen sich nicht ermitteln. Bei den A entspricht die Subklassifizierung nach dem Bau ihrer Elemente nicht ihrer Subkategorisierung: "Die A-Kategorien sind ... nicht wie die E durch den Bau ihrer Elemente zu beschreiben ... So kann nicht eine A-Kategorie durch den Kasus der NP bestimmt werden, weil NP verschiedener Kasus kommutieren: (7) Er besuchte sie diese Woche. ' A[NP2 ] 1 (8) Er besuchte sie in dieser Woche. I A[NP5] 1 Es kommutieren auch NP mit Adverbialgruppen und gehören darum zur gleichen Position: (9) Er kam mit großer Geschwindigkeit. (10) Er kam sehr schnell. Die Kategorien der A sind am besten durch die Translative der AS [= Angabesätze] bestimmbar ... Wir können aufgrund der Angabetranslative acht Arten von A unterscheiden" (Heringer 1973:244f.). Alle acht Subkategorien von A (cf. die Liste der acht Arten von Angabetranslativen in Heringer 1973:134) lassen sich in GVS nachweisen: (3.30) Geschieht dies in der Mitose eines Zellkerns ... dann ... (AI) (RDE, 7189) (3.31) Geschieht das wirklich, weil ich es gesagt habe, Mr. Bulero? (A2) (Dick 1971:183) (3.32) Das geschah aber hauptsächlich unter den Habsburgern ... (A3) (FAZ, 3418) 1
(i) Er kam ins Staunen. Dies geschah, gelassen seinen Bauch betrachtend. Den Grund für die Unsicherheit in der Beurteilung der Partizipialkonstruktion im GVS von (i) nennt Heringer (1973:250f.) selbst: "Partizipialkonstruktionen (PK) sind im heutigen Deutsch selten ... Die A-Kategorie, zu der PK gehören, ist nicht leicht zu ermitteln, weil die meisten Sätze mit PK sowieso schon am Rande der Akzeptabilität stehen". Deshalb lassen sich aus (i) keine Schlüsse für die Analyse der GVS ziehen.
51
(3.33) (3.34) (3.35)
(3.36) (3.37)
Und das geschieht, obwohl wir doch vieltausendfache Beweise haben ... (A4) (RDE, 3053) Hans arbeitete schnell. Dies geschah, damit er früher heimgehen kann. (A5) Was würde geschehen, wenn alle Leute gleichzeitig zur (A6) Bank liefen, um ihr Geld vom Konto abzuheben? (Gernsback 1973:63) Als er schließlich wieder sprach, geschah es in scheuem, beschämtem Ton. (A7) (Steinbeck: 109) Das kann auch durch eine geeignete Zeitschrift geschehen. (A8) (FAZ, 1870)
Die A in (3.22) - (3.26) kann man allerdings in keine der acht Untergruppen einordnen, da sie keine dieser A exkludieren. Für A wie durch wen, mit dir, uns selbst usw. müßten zusätzliche Subklassen eingeführt werden. Die Beispielsätze in 3.1.4.2 zeigen außerdem, daß diese zwaite Subkategorisierung der A stark semantisch bestinrnt ist. So kammutiert z.B. weil er eifersüchtig war in (3.27) (=A2) mit wegen seiner Eifersucht,weil beide Formen den gleichen Inhalt ausdrücken. Die mit A1 - A8 erfaßte Kategor isierung wäre deshalb besser in die semantische Ebene zu verlagern, was für die Analyse der GVS allerdings gleichgültig ist. Das Ergebnis von 3.1 lautet folglich: Das syntaktische Minimum eines GVS bilden das P und die E1. A können hinzutreten. Sie sind wsder auf eine der Subkategorien nach dem Bau der syntaktischen Einheiten noch auf eine Untermenge der A1 - A8 beschränkt.
3.2
Zur Semantik
In 3.1 wurde versucht, bei den syntaktischen Einheiten ungleich P und GS eventuelle Restriktionen des Vorkcrmens in GVS aufzudecken. Dasselbe Verfahren soll nun für die Senantik der A angewandt vrerden. Ausgangspunkt ist Bartsch (1972): a) Die Arbeit ist im Augenblick die grundlegende Monographie für das Neuhochdeutsche zu dieser Fragestellung. b) Bartsch.(1972) stellt die GV als Existenzquantoren für Ereignisseg dar. Die daraus ableitbare Feststellung, daß als Elemente an der GS-Position keine Vorgänge^ in Frage kcmmen, läßt sich nur auf diesem Hintergrund überprüfen (cf. 2.2.1.3). Die Adverbiale, die Bartsch (1972) analysiert, sind nicht identisch mit den in 3.1 als A klassifizierten syntaktischen Einheiten. Angabesätze, Partizipialkonstruktionen und Infinitivkonstruktionen als A behandelt
52
sie nicht, vrohl aber NP und Mverbialgruppen. Bartsch (1972:5) weist jedoch darauf hin, daß den Angabesätzen die gleiche logisch-semantische Struktur zukamen kann wie etwa einer NP. "Z.B. ist die zugrundeliegende logisch-semantische Struktur für die folgenden Texte ... die gleiche. (1) Peter geht zum Arzt wegen seiner Krankheit. (2) Peter geht zum Arzt, weil er krank ist".
Folglich liegt keine prinzipielle Einschränkung vor. Die angeführten Mverbialgruppen können als Untermengen mit Beispielcharakter einer entsprechenden Einteilung der A aufgefaßt werden. Die A in den Beispielen (3.22) - (3.26) lassen sich allerdings auch in Bartsch (1972) nirgends einordnen. Sie werden deshalb vorerst ausgeklammert (cf. 3.2.9). 3.2.1
Adverbialklassen in Bartsch (1972) und GVS
Bartsch (1972) geht von einer Einteilung der Adverbiale in vier Hauptkategorien aus, die kurz angeführt werden. Die Angabe einiger signifikanter Merkmale soll die Unterteilung deutlicher machen. Genaueres findet sich in Bartsch (1972:13-20). a) Satzadverbiale (z.B. Harry mußte bedauerlicherweise abreisen): Sie lassen eine ] * (v) ) [= Objektsbezug] (3.108) R ((ir) (P((x ),r).F-V(r)),y) [= Vorgang in lokaler Beziehung] (3. 109) R
( (iv)[F(x, ...)]*(v),y)
[= Ereignis in lokaler
Beziehung]
(3.66) zeigt: Objektsbezug ist in GVS nicht möglich. (3.110) soll verdeutlichen, daß auch in (3.64) die Analyse vorzuziehen ist, im Bett vrerde über das Ereignis, das durch Hans sieht den Abendstern beschrieben wird, prädiziert und nicht über das Subjekt Hans. (3.110) Hans telephoniert
mit Fritz in Paris.
(3.110) läßt sich zweifach interpretieren (= (3.111) und (3.113) mit den logisch-semantischen Analysen (3.112) und (3.114)), wenn man telephog meren als beidseitiges Handeln auffaßt. (3.111) Hans telephoniert mit Fritz, während Hans in Paris ist. (3.112) gleichzeitig ((iv)[Hans telephoniert mit Fritz]* (v),(iv) [Hans ist in Paris]* (v)) (3.113) Das Ereignis, daß Hans mit Fritz telephoniert, findet in Paris statt. (3.114) in, ( (iv)[Hans telephoniert mit Fritz] *(v) , Paris) loc
Bei der Interpretation (3.111) kann Hans Fritz z.B. in New York anrufen. Bei (3.113) handelt es sich um ein Stadtgespräch. Der Vergleich von (3.111) - (3.114) mit dem GVS in (3.115) zeigt, daß für den GVS nur die Interpretation 'Stadtgespräch' zutrifft. (3.115) Das Telephongespräch in Paris.
zwischen Hans und Fritz
geschieht
Folglich können in GVS nur Ereignisse in lokaler Relation stehen. (3.116) ist deshalb auch nicht Paraphrase von (3.64) . (3.116) Hans sieht den Abendstern,
während Hans im Bett ist.
Die Existenz des Zustandes, der durch Hans ist im Bett beschreibbar ist, wird mit (3.64) nicht ausgesagt, sondern sie ist daraus zu folgern, daß das Ereignis, das durch Hans sieht den Abendstern beschreibbar ist, in lokaler Relation zu das Bett steht.
9
Man darf nicht den, der die Nummer des anderen zuerst wählt, als alleinigen Agens ansehen. Dies drückt z.B. anrufen oder antelephonieren aus.
59
Sanit gilt für Lokaladverbiale in GVS: Sie werden über Ereignisse prädiziert. 3.2.5
Direktionale lokaladverbiale in GVS
(3.72) zeigt: Direktionale Lokaladverbiale sind in GVS nicht möglich. Warum sind aber lokale Adverbiale in GVS möglich, direktionale jedoch nicht? Die logisch-semantische Analyse von Bartsch (1972) enthält keine erklärenden Strukturunterschiede (vergleiche (3.117) für (3.71) und (3.119) für (3.118)). (3.117) in,. , .( (ir) (P(Hans,r) .Lauf-V(r)), „ dir (zu), , Sprunggrube) (3.118) Hans läuft im Stadion. (3.119) in, ( (iv) [Peter läuft] *(v), Stadion) loc
Daß einmal über einen Vorgang^ und einmal über ein Ereignis,, prädiziert D
£>
wird, kann nicht ausschlaggebend sein, da über Vorgänge^ in GVS prädiziert werden kann (cf. 3.2.2). Erklären läßt sich die Unakzeptabilität von GVS mit direktionalen Adverbialen jedoch, wenn man von der These ausgeht: In (3.118) ist bereits ein unbestimnter Zielpunkt des Laufvorganges und eine unbestimmte Richtungsangabe enthalten. Dafür spricht die Paraphrase (3.120). (3.120) Hans läuft im Stadion
irgendwohin.
Erweitert man (3.120) um ein direktionales Adverbial, wird der mit der Nennung des Verbs unbestimmt angegebene Zielpunkt näher bestiimrt und die Richtung des Laufvorganges festgelegt. Diese Interpretation verdeutlicht (3.121). (3.121) Hans läuft im Stadion Sprunggrube.
irgendwohin,
und zwar in die
Für GVS bedeutet dies: In Sätzen wie (3.72) ist in der Beschreibung des Ereignisses an der GS-Position bereits eine unbestinmte Zielpunkt- und Richtungsangabe enthalten. Diese Angaben können in GVS nicht näher bestiimrt werden, da sich Adverbiale in GVS nur über das Ereignis an der GS-Position prädizieren lassen. 10
In 3.2.4 wird davon ausgegangen, daß die Analyse der Lokaladverbiale in Bartsch (1972) richtig ist. Krause (1975b) untersucht diese These genauer und zeigt, daß einige Gründe gegen die Annahme von Subjektsund Objektsbezug bei der Analyse von Lokaladverbialen sprechen. Auch zum Typ (3.108) findet sich Widersprüchliches in Bartsch (1972). Am Ergebnis von 3.2.4 ändern diese Einwände jedoch nichts.
60
3.2.6
Attribuierung des Satzsubjekts und Satzobjekts
11
(3.74) und (3.76) zeigen: In GVS ist keine nähere Bestürmung des Subjekts oder Objekts eines Ereignisses möglich. Deshalb läßt der GVS in (3.125) nur die Interpretation von still als Modalangabe zu, otwohl still in (3.122) als Modalangabe über einen Vorgang., (= (3.124)) oder als Attribuierung des D
Subjekts (= (3.123)) interpretiert werden kann. (3.122) Mona Lisa lächelt still. (3.123) Mona Lisa lächelt. Zugleich ist sie still. (3.124) Das Lächeln der Mona Lisa ist still. (3.125) Mona Lisa lächelt. Dies geschieht
still.
Die Auflösung der Ambiguität von (3.122) ist ein starkes Argument für die These, daß Subjektsattribuierung in GVS nicht möglich ist. Dem scheint aber (3.126) zu widersprechen. (3.126) Hans lief wutentbrannt
in den Wald.
Bartsch (1972:140-145) analysiert (3.126) entsprechend (3.128) für (3.127). (3.127) Hans flüchtete krank, aus dem Lager. (3.128) während ((iv) [Hans flüchtete aus dem Lager]* (v), (iv) [krank (Hans) ]*(v)) (3.129) Er flüchtete aus dem Lager.
Dies geschah
krank.
Trotzdem ist (3.130) im Gegensatz zu (3.129) akzeptabel. (3.130) Hans lief in den Wald. Dies geschah
wutentbrannt.
Der Unterschied zwischen (3.126) und (3.127) scheint darin zu bestehen, daß wutentbrannt in (3.126), nicht aber krank in (3.127), sich als Sonderfall einer Madalangabe interpretieren läßt. In (3.126) und (3.130) wird indirekt über den VorgangB, der durch Hans lief in den Wald beschrieben ist, prädiziert, was (3.131) verdeutlicht.
11
Bartsch (1972) verwendet für die Beziehungen, in denen verärgert und heiß nach (i), (ii) für (3.73) und (3.75) zu anderen Elementen des Satzes stehen, die terminologisch problematische Bezeichnung "Attributionen zum Satzsubjekt und Satzobjekt". (i) während ((iv) [Hans kehrt heim]* (v), (iv) [verärgert Hans)] (v)) (ii) während((iv) [Der Kellner trägt die Suppe herein] *(v), (iv) [heiß(Suppe) ]*(v)) Die Begriffe 'Subjekt' und 'Objekt' beziehen sich auf die syntaktische Struktur. Auf welche Ebene ist aber der Begriff 'Attribution' anzusiedeln? Grebe et al. (1966:§ 5660-5665) z.B. gehen bei der Gruppe der Attribute klar vom Satzgliedbegriff aus, also von der Ebene der Syntax: Attribute gehören mit ihrem Bestimmungswort zu einem Satzglied (z.B. die heiße Suppe). Gerade das ist bei heiß und verärgert in (3.73) und (3.75) nicht der Fall. Von 'Attributionen' spricht Bartsch (1972) wohl deshalb, weil heiß und verärgert eine charakterisierende Funktion
61
(3.131) Hans war voller Wut, als er auf eine Art und Weise in den Wald lief, die aus seiner Wut resultierte/die seine Wut erkennen ließ. Folglich sind Adverbiale immer darin in GVS möglich, wann man sie in irgendeiner Weise als Prädizierung über das Ereignis an der GS-Position versteht. 3.2.7
Zur Mittel-Zweck-Felation nach Bartsch (1972)
Bei der Untergruppe der Mittel-Zweck-Relation in Bartsch (1972:109f.), in der der Zweck vorausgesetzt und das Mittel ausgesagt wird, tritt eine Besonderheit bei dem GVS in (3.54) auf. Nach Bartsch (1972:110:117) liegt eine logisch-semantische Struktur zugrunde, die sich an (3.53) und (3.132) verdeutlichen läßt. (3.132) daher/weshalb(v ^fV^) .v=(iv) [Hans beabsichtigt: Er verkauft ein Abonnement]*(v).v^=(iv)[Hans macht einen Hausbesuch] (v) haben: ein inhaltliches Argument (cf. Bartsch 1972:140f.). 'Attribution ' versteht sie auf semantisch-logischer Stufe als eine spezielle Art der Prädikation, als 'charakterisierende Prädikation1. Hinzu kommt, daß Bartsch (1972) die Klasse der Adverbien, von denen die Attributionen zum Satzsubjekt/Satzobjekt Unterklassen sind, nirgends explizit definiert (cf. auch Steinitz/Lang 1976:140). Man fragt sich, warum sie diese Gruppen als Adverbien bezeichnet. Blau (1971/1972) z.B. kennt nur Prädikat-Adverbien (singt miserabel), Satzadverbien (Orts- und Zeitadverbien, ev. bekanntlich usw.) und Adverb-Adverbien (Hans schreibt sehr nachlässig). Adverbien, die über Individuenbezeichnungen prädiziert werden, schließt er aus (Blau 1971/1972:Teil 1:36). Seine Adverbiallogik könnte man allerdings so erweitern, daß sich (i) und (ii) unproblematisch darstellen lassen. Hierfür bieten sich (iii) und (iv) an. (iii) heimkehren(verärgert(Hans)) (iv) hereintragen (Kellner (heiß (Suppe) ) ) Auch wenn man verärgert und heiß in (iii) und (iv) nicht als Adverbien bezeichnen will, muß doch ein Unterschied zu der verärgerte Hans, die heiße Suppe gemacht werden. Kunze (1975:127) spricht im Falle von (i) und (ii) von "prädikativen Ergänzungen", Bondzio (1974:249) von "prädikativen Attributen". Die semantischen Strukturbeziehungen deuten sie entsprechend Bartsch (1972). Die angeführten terminologischen Schwierigkeiten sind als Hinweis darauf zu werten, daß dem Sonderstatus dieser Gruppe weiter nachzugehen ist. Da heiß, verärgert usw. in GVS jedoch ausgeschlossen sind, bleibt die Antwort auf die Frage, ob es sich überhaupt um Adverbien handelt, ohne Folgen für eine Analyse der GVS. Die Entscheidung, den Terminus Attributionen (zum Satzsubjekt/Satzobjekt) im folgenden nicht durch den wohl korrekteren Begriff 'prädikatives Attribut* zu ersetzen, ist rein praktischer Natur. Sie soll eine mögliche weitere Verwirrung, die jede Umbenennung mit sich bringen kann, verhindern.
62
Nach Bartsch (1972) bilden 1 daher/weshalb' zusanmen mit v 2 das oberste Prädikat von (3.53) und werden behauptet, v^ ist präsupponiert. Im GVS von (3.54) scheint dagegen die Interpretation als Mittel-Zweck-Relation nicht möglich. Dies zeigt (3.133). (3.133)
Hans »Dies
beabsichtigte geschah,
ein Abonnement
weshalb
er einen
zu
verkaufen.
Hausbesuch
machte.
Warum lassen sich aber semantische Strukturen wie (3.132) nicht mit Hilfe eines GVS ausdrücken? (3.134)
Hans wollte mir gestern mittels eines Hausbesuches ein verkaufen. Das Abonnement verkaufte er mir Abonnement dann auf der Straße, weil er doch keine Zeit gefunden hatte, den Hausbesuch zu machen.
Im zweiten Satz von (3.134) wird ausgesagt, daß das Abonnement auf der Straße verkauft wurde. Dies müßte aufgrund der logisch-semantischen Analyse des ersten Satzes von (3.134) (= (3.132)) zu einem Widerspruch führen, da nach Bartsch (1972) im ersten Satz behauptet wird, daß Hans einen Hausbesuch machte und im zwsiten Satz, daß er dies nicht tat. Das trifft jedoch auf (3.134) nicht zu. Denn der erste Satz von (3.134) ist mit (3.132) falsch analysiert: Es wird das 'Wollen' von Hans behauptet, mittels eines Hausbesuches gibt das Mittel an, mit dem Hans sein Wollen realisieren möchte. Im Unterschied zu Bartsch (1972) muß man deshalb mittels eines Hausbesuches als nähere Bestimmung des Infinitivsatzes Abonnement verkaufen, der an Objektstelle steht, interpretieren, nicht aber als Mittel-Zweck-Relation im Sinne von (3.132). In (3.53) bzw. dem ersten Satz von (3.134) ist Hans verkauft ein Abonnement mit Hans macht einen Hausbesuch relational verbunden, und dieser Relation ist Hans will übergeordnet. (3.135) kann man deshalb nicht - entsprechend Bartsch (1972:109f.) - als Paraphrase von (3.53) auffassen. (3.135)
Hans wollte ein Abonnement einen Hausbesuch.
verkaufen.
Daher
machte
er
Im ersten Satz von (3.135) ist das Wollen von Hans darauf beschränkt, ein Abonnement zu verkaufen. Im zweiten Satz von (3.135) wird ausgesagt, daß Hans einen Hausbesuch machte, um sein 'Wollen' zu realisieren. In (3.53) dagegen schließt das Wollen von Hans den Hausbesuch als Mittel zum Zweck des beabsichtigten Verkaufs mit ein. Mit (3.135) behauptet der Sprecher das Machen eines Hausbesuches in der realen Welt, mit (3.53) nicht, wsshalb wie in (3.136) fortgefahren werden kann.
63
(3.136)
Hans wollte mittels eines Hausbesuches ein Abonnement verkaufen. Daher wachte er einen Hausbesuch..
In (3.136) ist Daher machte er einen Hausbesuch nicht redundant, da das Machen eines Hausbesuches in der realen Welt noch nicht behauptet wurde. Nun läßt sich erklären, warum (3.53) bzw. der erste Satz von (3.134) nicht durch (3.54) paraphrasierbar ist. Der Vorgängersatz Hans wollte ein Abonnement verkaufen besagt, daß der Satz Hans verkauft ein Abonnement in der Welt des 'Wollens von Hans' wahr ist. Fährt man nun fort mit Dies geschah ... wie in (3.54), spricht man nicht mehr über ein Ereignis in der 'Welt des Wollens von Hans', sondern über ein Ereignis in der realen Welt. Damit wird jedoch etwas anderes ausgesagt als in (3.53). (3.53) läßt sich deshalb nicht mit (3.54) paraphrasieren, aber mit (3.137). (3.137)
Hans wollte ein Abonnement verkaufen. eines Hausbesuches geschehen.
Dies
sollte
mittels
sollte in (3.137) stellt sicher, daß weiterhin über ein Ereignis in der 'Welt des Wollens von Hans' gesprochen wird und nicht über eines der realen Welt. Deshalb kann das Ereignis auch durch mittels eines Hausbesuches näher bestimmt werden (cf. auch 6.3).
3.2.8
Unakzeptable GVS mit Infinitivkonstruktionen als A
In 3.1.4.1 wurde beobachtet, daß bestinmte Infinitivkonstruktionen als A in GVS den Satz unakzeptabel machen. Als Beispiel stand der GVS in Herr Karl geht ins Wirtshaus. •Dies geschieht, im zu vergessen (= (3.19)). Der Inhalt von (3.19) läßt sich - ohne ein GV zu verwenden - durch (3.138) oder (3.139) ausdrücken. (3.138)
Herr
Karl
geht
ins Wirtshaus,
um zu
(3.139)
Herr
Karl
geht
ins Wirtshaus,
damit
vergessen. er
vergißt.
Das in der Infinitivkonstruktion als A des GVS in (3.19) unausgedrückt vorhandene Subjekt müßte folglich aus der E1-Position des Vorgängersatzes entncnmen werden, was in GVS nicht möglich ist. Wird das Subjekt dagegen im Angabesatz explizit genannt, ist auch ein GVS möglich: (3.140)
Herr Karl vergißt.
geht
ins Wirtshaus.
Dies
geschieht,
damit
er
64
3.2.9
A vom Typ durah ihn, an ihm, zu mir
Die semantische Erklärung der syntaktischen Einheiten durah wen, mit dir, uns selbst usw. in (3.22) - (3.26) wurde zurückgestellt, da sie sich in keine der Adverbialklassen von Bartsch (1972) einordnen lassen. Andere Forscher behandeln nur das Dativobjet in GVS: Griitm (1893:Band 4: 265) nennt es als mögliches Satzglied, befaßt sich aber nicht weiter damit. Brinkrann (1971:547) spricht von einer Variante des Satzmodelles, wenn eine Bestimnung im Dativ hinzutritt. "Die Person, für die das Geschehnis zutrifft, steht im Dativ". Kishitani (1965) unterscheidet mit seiner Hilfe zwischen einwertigen! geschehen A und zweiwertigem geschehen B (zur Wertigkeit cf. 4.1.3.2). "Durch das zweistellige Verbum geschehen B wird der Vorgang nicht nur von Seiten des Vorgangs selber her, sondern auch in bezug auf den daran teilnehmenden Menschen aufgefaßt" (Kishitani 1965:170).
An dieses Zitat anknüpfend läßt sich die Semantik der GVS in (3.22) (3.26) damit beschreiben, daß man Relationen zwischen Lebewesen oder Gegenständen und Ereignissen anninmt. Ereignisse stehen in der Relation 'Betroffen-sein-von1 (= (3.23) - (3.26)) oder 'Verursacht-werden' (= (3.22)) zu einer Person oder zu einer Gruppe von Personen, zu anderen Lebewesen oder Gegenständen. Entsprechend der Behandlung der Lokaladverbiale bilden das Argument der Relation, das z.B. eine Person benennt, zusammen mit der Präposition bzw. dem Kasus, wodurch die Relation selbst bezeichnet wird, die A. Nach dem gleichen Muster läßt sich (3.141) erklären. (3.141)
Der Jüngling wird zum Künder berufen. Das Zeugnis seiner Berufung beginnt: "SEINE Rede geschah zu mir, es sprach: /Ehe ich dich bildete im Mutterleib ... ". (Leist 1965:9)
Als Relation kann man ansetzen 'Adressat-von'. Die Ergebnisse von 3.2 deuten darauf hin, daß - über die bisher genannten hinaus - all die Relationen vorkamen, die Ereignisse mit Lebewesen oder Gegenständen verbinden können. Wesentlich für die vorliegende Untersuchung der GVS ist vor allem, daß sich die A in (3.22) - (3.26) und (3.141) als Prädikationen über Ereignisse darstellen lassen.
65
3.2.10 Zusammenfassung und Wertimg von 3.2 Wahrscheinlich sind die in 3.2.3 - 3.2.9 gemachten Einzelbeobachtungen zur Semantik der A nicht vollständig: a) Aus jeder Adverbialgruppe wurden nur einige Adverbiale in GVS überprüft und vorausgesetzt, daß sich die anderen Elemente dieser Gruppe gegenüber den GVS entsprechend verhalten (cf. aber 3.2.6). Es ist nicht auszuschließen, daß eine differenziertere Subklassifizierung für die GVS signifikante Unterschiede erbringt. b) Die Einteilung der Adverbiale nach Bartsch (1972) ist nicht die allein nögliche. Eine nach anderen Prinzipien durchgeführte Klassifizierung mit anderen Untergruppen könnte zusätzliche Besonderheiten der GVS aufdecken. Außerdem sind in Bartsch (1972) grundsätzliche Fehlanalysen nicht auszuschließen (cf. 3.2.7). Eine fundierte Überprüfung von Bartsch (1972), die in 3.2 nur sehr beschränkt und vereinzelt durchgeführt wurde, ist sicher notwendig. Trotz aller Einschränkungen spricht aber die einheitliche Grundlage, auf der sich die Probleme der Einzeluntersuchungen in 3.2.3 - 3.2.9 klären ließen, dafür, daß der eingeschlagene Lösungsweg sinnvoll war und die gewonnenen Ergebnisse nicht nur in bezug auf die Einteilung in Bartsch (1972) Gültigkeit haben. Grundlegend für die Einzeluntersuchungen in 3.2.3 - 3.2.9 (mit Ausnahme von 3.2.7, wo zusätzliche Schwierigkeiten auftraten) war die Annahme, daß Adverbiale in GVS über Ereignisse prädiziert werden. Sie kann unabhängig von Bartsch (1972) als gesichert angesehen werden.
4
DAS P IN GVS
Nach BK2 in Heringer (1973:151) besteht das P aus dem ungesättigten PT und dem VM. Das VM ist eine Endkategorie und erhält zur Bezeichnung von Person und Numerus den Index 'pers ß'. (VM1 = erste Person Singular, VM2 = zweite Person Singular, ... VM6 = dritte Person Plural). Wegen der Kongruenz, die zwischen dem GS und dem P besteht, sind in GVS nur VM3 und VM6 zugelassen. Ansonsten zeigt das VM weder syntaktische noch sanantische Besonderheiten, die wesentlich für die Analyse der GV bzw. der GVS sind. Deshalb behandeln die folgenden Abschnitte nur noch das PT.
4.1
Zur Syntax des PT
Heringer (1973:161) subklassifiziert das PT in BK3 in vier Adjunkte: "Verballexeme (V), Adjektivprädikate (PA), das sind PT, die neben dem finiten Verb adjektivische Teile enthalten, Verknüpfungen (VER), das sind PT, die neben dem finiten Verb noch infinite verbale Teile enthalten und Funktionsverbfügungen (FVF)".
Zu untersuchen ist, welche Elemente in GVS zum PT gehören. Die angestrebte Trennung zwischen syntaktischer und semantischer Analyse (cf. 1.2) muß dabei öfters durchbrochen werden, da einige Forscher semantische Merkmale zur Motivation syntaktischer Lösungen heranziehen.
4.1.1
GV als Kopula (PA)
Heringer (1973:163) beschreibt (4.1) mit dem Graphen (4.2). (4.1) Otto
ist
(4.2)
SF1
/
PTl
I
klug
I \
VM3
El
PAl
Diese Behandlung entspricht
67
"auch der traditionellen Auffassung, in der prädikative Adjektive ohne weitere Diskussion als Teile des Prädikats angesehen werden" (Heringer 1973:16a).1 Gibt es nun Gründe, geschah am Freitag in (4.3) parallel zu ist klug in (4.1) als P zu behandeln? am Freitag wäre dann nicht A - wie in 3.1.4 -, sondern Teil des P. (4.3) Jemand tötete Herbert. Dies geschah am Freitag. Die Fragestellung ergibt sich daraus, daß Lyons (1971:352f.) Sätze von Typ (4.1) genauso analysiert wie die van Typ des GVS in (4.3). Beide gehören bei ihm in die Gruppe von Sätzen mit Kopulaverben.
4.1.1.1 sein und GV als Kopula in Lyons (1971) Lyons (1971:340) geht von folgenden Voraussetzungen aus: "Ein fundamentaler Grundsatz der traditionellen Grammatik und weitgehend auch der modernen Syntaxtheorie lautet, daß jeder einfache Aussagesatz aus zwei obligatorischen Hauptkonstituenten besteht, nämlich einem Subjekt und einem Prädikat, und daß er zusätzlich ein oder mehrere Adjunktionen enthalten kann. Adjunktionen (des Ortes, der Zeit ...) sind fakultative bzw. strukturell entbehrliche Satzkonstituenten ... Wie diese Termini verwendet werden, wird anhand des folgenden Satzes gezeigt: Jemand tötete Herbert am Sonntag im Stadtpark. Das Subjekt ist jemand, das Prädikat ist tötete Herbert; im Stadtpark und am Sonntag sind Adjunktionen des Ortes bzw. der Zeit ... Wir sagen, Subjekt und Prädikat zusammen bilden den Nukleus des Satzes. Subjekt und Prädikat sind daher nukleare und Adjunktionen extranukleare Konstituenten" . Als weiteren Begriff führt Lyons (1971:352) den des 1Kcmplements' ein. "In der traditionellen Grammatik ... bezeichnet 'Komplement' alle jene Wörter oder Wortgruppen, die (ausgenommen das Verb selbst) obligatorische Konstituenten des Prädikats sind ... Das prädikative Komplement ist syntaktisch zur 'Vervollständigung' der Prädikatsstruktur notwendig ... Insbesondere wird 'Komplement' für 'Adverbialausdrücke' wie im Stadtpark oder am Sonntag in Sätzen wie ... Die Demonstration war am Sonntag verwendet • • • Der Unterschied zwischen einer Adjunktion und einem Komplement ist im Prinzip ziemlich klar: Erstere ist eine fakultative ... und letztere eine obligatorische ... Satzkonstituente". Der Unterschied zwischen dem P von Maria ist schön und dem P von 1
Zur Behandlung des prädikativen Adjektivs bei anderen Autoren cf. Heringer (1973:163f.), Heringer (1973:164:Anmerkung l)und 2)) und Heibig/Schenkel (1973:55-58).
68
Jemand tötete Herbert am Sonntag im Stadtpark besteht nach Lyons (1971: 327f.) darin, daß sein "Kopula" ist and töten Vollverb. "Es ist bekannt, daß in vielen Sprachen die Sätze ... Maria ist schön und ... Maria ist ein Kind so aussehen würden: ... 'Maria schön' und ... 'Maria Kind'; d.h. das prädikative Adjektiv oder Nomen ist unmittelbar, ohne Kopula, mit dem Subjektnomen verbunden.-.. Dies deutet darauf hin, daß die Hauptfunktion des kopulativen 'Verbums sein' im Russischen, Griechischen und Lateinischen darin besteht, in der Oberflächenstruktur den locus für die Markierung von Tempus, Modus und Aspekt anzugeben. ('locus' ist kein üblicher Fachausdruck. Wir führen ihn hier ein zur Bezeichnung jenes Elements der Oberflächenstruktur, welches 'Träger' eines syntaktischen, distinkten Merkmals ist.) Mit anderen Worten, sein ist von sich aus nicht eine Konstituente der Tiefenstruktur, sondern ein semantisch leeres 'Quasi-Verb', welches ... erzeugt wird, um gewisse Merkmale (die gewöhnlich vom Verbum 'getragen' werden) angeben zu können, wenn kein anderes verbales Element da ist, das diese-Aufgabe übernehmen kann ... Dieser Überblick über die Leistung der Kopula ... gilt verallgemeinernd auch für das Deutsche ...". Lyons (19.71:352f.) kommt zu dem Schluß, daß die GV ebenfalls Kopula sind und deshalb zusanmen mit sein in eine Gruppe gehören. ",,, betrachten wir nun einen Satz wie Die Demonstration fand am Sonntag statt. In traditionellen Grammatiken des Englischen und Deutschen wird occux/stattfinden als intransitives Verb angesehen (das sich definitionsgemäß mit einem Nominalausdruck zur Bildung eines Satznukleus verbindet und kein Komplement erfordert). Aus dieser Klassifikation von occur/stattfinden geht hervor, daß The demonstration occured/Die Demonstration fand statt (nicht aber »The demonstration was/*Die Demonstration war) ein vollständiger Satz und daß on Sunday/am Sonntag eine Adjunktion ist. Andererseits würde die semantische Verwandtschaft zwischen ... Die Demonstration war am Sonntag und ... Die Demonstration fand am Sonntag statt wohl nahelegen, daß was/war und occured/fand statt gleichwertige Elemente sind und daß on Sunday/am Sonntag daher in beiden Fällen prädikatives Komplement ist ... es scheint nichts dagegen zu sprechen, 'Verben' wie ... stattfinden, sich ereignen u.s.w. ... nicht auch als temporale und lokative Kopulae zu behandeln". Die Gründe dafür, eine Gruppe der Kopulaverben sein, werden, geschehen usw. zu bilden, sind: a)
Ein konstrastiver Sprachvergleich zeigt, daß die Kopula sein in einigen Sprachen weglaßbar ist (cf. Lyons 1971:327f.).
b)
"Welcher tiefenstrukturelle Unterschied, so fragen wir, besteht eigentlich zwischen Die Demonstration fand am Sonntag statt und
69
Sie demonstrierten am Sonntag bzw. Sie hielten die am Sonntag ab u.s.w." (Lyons 1971:354)? c)
Demonstration
"Wichtiger noch ist, daß das 'Verb sein' ... in Sätzen wie Maria ist schön im Gegensatz zum Verb kochen in Maria kocht Fisch nur mit einer beschränkten Anzahl anderer 'Verben', insbesondere mit werden ... kontrastiert" (Lyons 1971:328).
a) - c) lassen sich als Auswirkung ein und desselben Merkmals interpretieren: sein ist 'inhaltsarm' und kann deshalb in einigen Sprachen weggelassen werden. Aus dem gleichen Grund sieht Lyons (1971) keinen semantischen Unterschied zwischen den Sätzen in b). Einleuchtend ist auch, daß jede Präzisierung des Verbinhalts eine größere Möglichkeit der Kontrastierung eröffnet. So kontrastiert z.B. laufen mit gehen, fahren usw., eohnell laufen mit langsam laufen, gehen, fähren usw. Umgekehrt trifft dies natürlich auch zu. Folglich ist der Grund, die Verben sein, geschehen usw. in einer Gruppe zusammenzufassen, das Merkmal ' inhaltsarm'. Es motiviert die Eliminierung von sein, geschehen usw. aus der "dem Deutschen ... zugrundeliegenden Konstituentenstruktur" (Lyons 1971:328). Lyons (1971) ist in zwei Punkten zu korrigieren: a) Die traditionellen Grammatiken des Deutschen enthalten Die Demonstration fand statt nicht als vollständigen Satz. Auffallend ist dagegen, daß dort in GVS, die sich nur aus finitem Verb und GS zusammensetzen, entweder kein Artikel oder der unbestimmte verwendet wird. Steht der bestimmte Artikel, wird jenreils eine weitere syntaktische Einheit hinzugefügt (cf. z.B. Erben 1972:§ 233, Grebe et al. 1966:§ 5020:§ 5260). Dieser Unterschied zeigt sich allerdings nur in den Beispielsätzen. Erst Bartsch (1972) zieht ihn zur Analyse der GV heran (cf. 3.1.2.3 urxä 3.1.3), ohne aber auf die traditionellen Grammatiken zu verweisen. 2
Lyons (1971) schneidet damit auch die Frage an, ob man das Element an der GS-Position von GVS als Ergebnis einer syntaktischen Transformation betrachten soll (= transformationalistische Hypothese) oder ob Elemente wie Demonstration in das Lexikon aufzunehmen sind (= lexikalistische Hypothese) . Eng mit dieser Frage ist das Problem verbunden, wie die 'mitgedachten' oder 'eingesparten Mitspieler' (im Beispiel von Lyons (1971) Sie) zu behandeln sind. Hinweise zu diesen Problemen in Verbindung mit einer Analyse der GVS finden sich vor allem in Lyons (1971:353f.), in Stötzel (1966:296:299:308) und in Kishitani (1965:53:126f.:153). Immler (1974:182---186) gibt einen Überblick über die Behandlung der Verbalabstrakta bei Vertretern der GTG und der Generativen Semantik. Da es sich hier um keine spezielle Problemstellung der GVS handelt, sondern die GVS nur insofern betroffen sind, als Verbalahstrakta an der GS-Position von GVS auftreten, bleiben diese Fragen unbehandelt.
70
b) Die GV sind nicht auf "nominale Subjekte zweiter Ordnung mit sowohl temporalen als auch lokativen Prädikaten beschränkt" (Lyons 1971: 354f.) (cf. 3.1.2.1 zu Steinitz 1971). Lyons (1971) niinnt dies deshalb an, weil er nur Satzadjunktionen der Zeit und des Ortes, die er für besonders interessant hält (Lyons 1971:351), behandelt, a) und b) betreffen aber das Argument nicht, die GV gehören zusanmen mit sein wegen des Merkmals 'inhaltsarm' in eine Gruppe.
4.1.1.2 GV als PA in Heringer (1973) Im KS von Heringer (1973) könnten die GV und sein prinzipiell auf drei Arten zusammengefaßt werden: a) Man korrigiert die in 3.1.4 ganachte Annahme, syntaktische Einheiten wie z.B. am Freitag in (4.3) seien A, und versucht, sie als Bestandteil des P zu analysieren. Dies ist deshalb noch zu diskutieren, weil in 3.1.4 nur die Alternative E oder A behandelt wurde. b)
schön in Maria ist sahön wird als A analysiert.
c) Sowohl sahön in Maria ist sahön als auch am Freitag in (4.3) werden als E analysiert. c) ist deshalb nicht möglich, weil in 3.1.4 gezeigt wurde, daß am Freitag in (4.3) bei der Alternative E oder A nur als A bewertet werden kann.^ Gegen b) spricht: sahön in Maria ist sahön ist nicht weglaßbar. Es läßt sich auch kein Kontext finden, in dan dies bei PA möglich ist, ohne daß sich die Verbsemantik verändert. Folglich bleibt nur a) zu überprüfen. Läßt man GV als PA zu, muß das KS von Heringer (1973) erweitert werden. Als PA dürfen nicht nur syntaktische Einheiten mit prädikativem Adjektiv zugelassen werden, sondern auch solche mit all den Elementen, die in GVS bisher als A analysiert wurden. Dies würde prinzipiell zu keinen Schwierigkeiten führen. Lassen sich aber die in Heringer (1973) für die Analyse von syntaktischen Einheiten wie ist sahön als P genannten Argumente auf Ausdrücke wie gesahah am Freitag übertragen?
3
Zum Vorschlag, schön als E zu analysieren, cf. Heringer
(1973:163f.).
71
a)
"Wir können nun aber feststellen, daß das Adjektiv einen Einfluß auf die Zahl der E eines Satzes hat: (10) Otto ist einig mit Emil. 1 El E5 1 Dieser Satz enthält bedingt durch das Adjektiv einig einen E mehr als (6) [= Otto ist klug], weshalb wir auch dem Adjektiv eine Wertigkeit zusprechen" (Heringer 1973:165).
Die Wertigkeit des PT kann folglich durch das prädikative Adjektiv beeinflußt werden. Für die GV trifft dies nicht zu. b)
"Außerdem könnte man bei der zweiten Lösung [= die Deutung der prädikativen Adjektive als E] nicht erklären, daß sich adverbiale Angaben auf das ganze zusammengesetzte Prädikat beziehen, da es eine solche Position ja dann nicht gäbe. (11) Sie waren sich schnell einig. A Die adverbiale Angabe in (11) bezieht sich semantisch auf das Adjektivprädikat. Sie sagt etwas über das Einigsein aus, weder allein über Sein noch allein über die Einigkeit" (Heringer 1973:165f.).
Bei den GV besteht diese Notwendigkeit nicht: (4.4) Der Mord geschah lautlos im
Stadtpark.
im Stadtpark läßt sich auf geschehen beziehen. Es ist nicht unsinnig zu sagen: Das Geschehen war im Stadtpark, im Gegensatz zu * Das Sein war schnell. c)
"Es ist darauf hinzuweisen, daß prädikative Adjektive nicht Prädikationen über den Satz sind. So heißt zwar x. läuft schnell so viel wie, daß sein Laufen schnell ist, nicht aber analog x scheint schnell, daß sein Scheinen schnell ist" (Heringer 1973:166).
Auch hier verhalten sich die GV anders als die PA. So ist z.B. in (4.5) und (4.6) keine verschiedene Verwendungsweise von schnell festzustellen. (4.5) Hans läuft schnell in das Stadion
hinein.
(4.6) Hans läuft in das Stadion hinein. Dies geschieht
schnell.
a) - c) zeigen, daß die Argumente, die Heringer (1973) zur Begründung der PA nennt, sich nicht auf GVS übertragen lassen. Darüberhinaus sprechen weitere Argumente gegen eine Behandlung der in 3.1 als A analysierten syntaktischen Einheiten als prädikative Adjektive. a)
Unlösbar scheint bei diesem Vorschlag das Problem, welche syntaktischen Einheiten in (4.7) als A zu interpretieren sind und welche syntaktische Einheit Bestandteil des P sein soll. (4.7) Der Mord geschah am Freitag im Landhaus aus Eifersucht.
Jede mögliche Festlegung wirkt willkürlich.
des Grafens
72 b) Die in 2.1 genannten Restriktionen für die Elemente an der GS-Position in GVS sind andere als bei sein (z.B. sind Infinitivkonstruktionen bei sein möglich). c) Analysiert rran wegen seiner Sahmerzen in (4.8) als Bestandteil des P, müßte es möglich sein, weil er Durst hatte als A hinzuzufügen. Da aber beide syntaktischen Einheiten zu A2 gehören, exkludieren sie (cf. Heringer 1973:245). (4.8) * Daß Hans Fritz anschrie, weil er Durst
geschah wegen seiner
Schmerzen,
hatte.
Es ist folglich nicht sinnvoll, GV und die Kopula sein als gemeinsame syntaktische Kategorie zu behandeln.
4.1.2
GV als Funktionsverben
Polenz (1964) untersucht erfolgen, das er zu den GV zählt, "als Funktionsverb substantivischer Geschehensbezeichnung" (Polenz 1964:1). Nach Polenz (1964:6) hat erfolgen "weniger eine lexikalische 'Bedeutung' als vielmehr eine grammatische Funktion; es ist ein ' F u n k t i o n s v e r b ' ..., kein Vollverb. Eine 'Bedeutung' hat es immer nur in Verbindung mit dem Verbalabstraktum, in dem der eigentliche Vorgangsbegriff aufgehoben ist. Das Funktionsverb allein bezeichnet nur die funktionale Seite des Vorgangs, nicht seinen Inhalt. Es ist völlig das gleiche, ob man sagt gezahlt wird durch Überweisung oder die Zahlung erfolgt durch Uberweisung. Der Unterschied zwischen Grundverbverwendung und substantivischer Funktionsverbformel ist rein syntaktischer Art".
Polenz (1964:1:6) bezeichnet erfolgen als Funktionsverb. Da er es außerdan zu den GV zählt, sind die GV eine Untergruppe der Funktionsverben. Den Begriff Funktionsverb bindet Polenz (1964:6:Anmerkung 8) explizit an die in Polenz (1963) gegebenen Erläuterungen. Polenz (1963) behandelt fast ausschließlich Funktionsverben mit Präposition (z.B. zum Abschluß bringen). Hinweise finden sich außerdem auf andere "Arten der nominalisierenden Verbaufspaltung ..., bei denen das Substantiv als Akkusativobjekt mit dem Verbum verbunden ist: eine Entscheidung treffen ..." (Polenz 1963:11).
Die GV werden nicht angesprochen. Grundlegendes Kennzeichen für alle drei der genannten Gruppen ist, daß das Verb durch eine Wörtgruppe ersetzt wird,
73
"in der der sachliche Kern des Vorgangsbegriffs durch ein Abstraktsubstantiv und die formale Satzfunktion des Verbums durch ein anderes Verbum ausgedrückt wird" (Polenz 1963:11).
Diese allgemeine Definition spricht Polenz (1964) an, wenn er erfolgen zu den Funktionsverben zält. Popadic (1971:4f.) entspricht Polenz (1964): "Analytische Verbalverbindungen ... sind keine neue, auch keine nur für das Deutsche gültige Erscheinung. Man versteht darunter im allgemeinen die Verbindung eines Verbalsubstantivs oder Adjektivabstraktums mit einem (mehr oder weniger) bedeutungsarmen Verbum. Entscheidend ist dabei, daß das Verbum nur noch Funktionselement ist ..., weil es seinen Inhaltswert an das mit ihm verS i n n e n t l e e r t bundene Substantiv abgetreten hat ... scheint es nur noch Hilfsverb zu sein ... Wir behandeln hier: a) den präpositionalen Typ der Verbaufspaltung ..., z.B. in Ordnung bringen . . . b) ... Gefügearten aus Verb+Akkusativobjekt ... z.B. eine Entscheidung treffen ... c) eine kleinere Gruppe von Verba abstracta+begriffsergänzendes Nomen im Nominativ ... z.B. erfolgen, stattfinden, vonstatten gehen, vor sich gehen, sich vollziehen etc.".
Bei oberflächlicher Betrachtung stimmt die Analyse mit der von Lyons (1971) überein, der die GV wegen ihrer rein syntaktischen Funktion als Kopula bezeichnet. Die Unterschiede zeigen sich jedoch, wenn man versucht, die GV im KS von Heringer (1973) als Funktionsverben zu analysieren. Ist bei einer Definition der GV als Kopula z.B. geschah am Freitag in (4.3) zu einer syntaktischen Einheit zusammengefaßt, muß bei der Deutung als Funktionsverb Dies geschah als Einheit angesehen werden. Die Auswirkung einer solchen Lösung auf das KS von Heringer (1973) ist insofern interessant, als dann die GVS keine E1 mehr enthalten würden. Heringer (1973) lehnt diese Lösung aber explizit ab. Er berücksichtigt bei den Funktionsverbfügungen nur E2 und E5. "Dagegen werden andere Verben wie erfolg, durchführ im KS als einfache V beschrieben. Denn bei ihnen enthalten die PT keine anderen Teile" (Heringer 1973:186).
Die Begründung von Heringer (1973) ist allerdings Unverstand]ich. Interpretiert man die GV als Funktionsverben, dann enthalten die PT von GVS den Teil, der bis jetzt als E1 bezeichnet wurde. Dies entspricht dem Unterschied, der sich bei einer Analyse von (4.9) nach Heringer (1972) im Gegensatz zu Heringer (1973) ergibt.
74
(4.9) Hans bringt die Suppe zum Kochen,
(cf. Heringer
1973:188)
Nach Heringer (1972:34f.), wo die Funktionsverbfügung als Adjunkt des PT fehlt, muß man zum Kochen als E5 und bringt als P analysieren. In Heringer (1973) ist bringt zum Kochen das P. Die Frage, ob die GV in Heringer (1973) als Funktionsverben betrachtet werden können, ist folglich weiterhin offen. Deshalb wird - wie schon bei den PA - versucht, die Gründe, die Heringer (1973) angibt, wenn er eine syntaktische Einheit als Funktionsverbfügung klassifiziert, bei der Analyse von GVS anzuwenden. a)
Heringer (1973:169f.) waist darauf hin, daß die Nanina actionis in Funktionsverbfügungen auch als E analysiert werden könnten. "Daß auch Funktionsverbfügungen als zusammengesetzte Prädikate eingeführt sind, könnte als unnötige Komplizierung des Regelsystems angesehen werden, da sie nach ihrer Konstitution auch als einfache Verben mit den jeweiligen E gedeutet werden könnten. In diesem Fall wären sie schon im Konstitutionssystem enthalten, es müßten nur noch bestimmte Restriktionen formuliert werden. Solche Restriktionen der FVF [= Funktionsverbfügungen] sind: (i) als nominale Teile der FVF sind nur NOMl zugelassen und darin nur eine Untermenge von N [ = Nomen] , die sonst im KS nicht vorkommt. Diese Untermenge sind die sog. Nomina actionis. (ii) Als Artikel sind nur wenige Arten und Kasus zugelassen, (iii) Die Präpositionen in der FVF kommutieren fast nicht".
(ii) und (iii) entfallen bei den GVS. (i) trifft im beschränkten Umfang zu. Es treten Nominale der ersten Art und eine Untermenge von Nominalen der zweiten Art auf (cf. 2.1). Da sich aber mit Hilfe einer semantischen Bedeutungsbeschreibung die Pronanen ich, du, wir, ihr ausschließen und sich die Ncminale der ersten Art auf Elemente beschränken lassen, die ein Ereignis beschreiben (cf. 2.2), müssen die GV nicht zwangsläufig als Funktionsverben beschrieben werden. b)
Funktionsverbfügungen bilden eine enge semantische Einheit (Heringer 1973:170:Anmerkung 1 verweist auf Polenz 1963): "Diese semantische Einheit bedingt nämlich, daß sie in der Inhaltssyntax als Ausnahme zu behandeln wären. Es empfiehlt sich, da ihre Zahl sehr groß ist, ... dies durch Einführung als Prädikate wenigstens schon zum Teil zu lösen. Wir können feststellen, daß FVF [= FunktionsverbfügungenJ oft mit V kommutieren: (23) X^ entscheidet das. (23a)Xi bringt das zur Entscheidung. Dieser Zusammenhang wäre in der Inhaltssyntax als Ausnahme zu beschreiben, wenn man in (23a) ein einfaches V mit NP5 ansetzen würde" (Heringer 1973:170).
Auf die GVS trifft das nicht zu. Dies geschah in (4.3) kaimutiert nicht mit einem einfachen Verb. "Eine Behandlung der FVF [= Funktionsverbfügung] als einfaches Verb ... würde aber zu einer überflüssigen Aufschwellung des Lexikons führen. Überflüssig deshalb, weil wir sehr viele FVF als grammatische Fügungen weiter analysieren können. Damit wird ein großer Teil sog. Phraseologismen grammatisch erklärbar und das Lexikon erleichtert" (Heringer 1973:170). Bei den GV tritt keine Entlastung des Lexikons durch ihre Erklärung als Funktionsverben auf. "Die Einführung einer eigenen Position für FVF bewährt sich semantisch dadurch, daß damit der Bezug von adverbialen Angaben auf die ganze FVF darstellbar wird: ... (24) Xbringt das deutlich zum Ausdruck. Die Annahme, deutlich beziehe sich nur auf bringt, die bei der Beschreibung als V + E5 notwendig wäre, scheint mir nicht sehr sinnvoll" (Heringer 1973:170). Anders bei den GV: Es ist durchaus sinnvoll, z.B. in (4.10) sahneil auf geschehen zu beziehen. (4.10) Hans schrieb einen Brief. Dies geschah schnell. "Weiter unterscheiden sich die nominalen Teile der FVF in ihrer Bedeutung von andern nominalen Teilen der ersten Stufe. Dieser Unterschied, der sich in Polysemien niederschlägt, wird mit FVF auch beschreibbar. Dem Satz (25) Der Maler bringt sein Bild zur Versteigerung. waren nämlich zwei Strukturen zuzuordnen: (25a) PT125
VM
bring
t
(25b)
E5 der Maler
i
sein
zur
Bild
Steigerung
Ver-
SF12
FVF12
t
der Maler
bring zur Versteigerung II (Heringer 1973:170f.).
sein Bild
76
Ähnliche Polysemien treten in den GVS nicht auf. Aus a) - e) ergeben sich folglich keine Gründe, die GV zu den Funktionsverben zu zählen. Stötzel (1966:308) k a m t für mittelhochdeutsch beschehen/gesohehen zum gleichen Ergebnis: "Es kommen nämlich in mystischer Prosa Ausdrücke vor, die bisher zu den Funktionsverbfügungen gezählt wurden, die aber grammatische Verbalabstrakta darstellen, z.B. zitiert v. Polenz [= Polenz 1964: 16] ... aus Meister Eckharts 'Von Abegescheidenheit1: 'Leget an iuch J§sum Kristum ... unde daz anlegen mac niht beschehen danne mit einförmicheit mit KristS . . . ' . Eine Parallele findet sich bei Seuse [= Seuse 1907:258:Zeile 10ff.] ...: ' si mag als wol in den edlen schätz mines verdienten lones kunnen grifen ... Der grif beschiht also ... : ' In beiden Fällen handelt es sich offenbar um kontextuelle Satzwörter und grammatische Verbalabstrakta: Eckhart erspart das Objekt zu 'anlegen' (Jesum Kristum), Seuse das Präpositionalobjekt (in den edlen Schatz) zu 'grifen'. Am Beispiel von Eckhart wird besonders deutlich, daß im engeren Kontext fungierende Verbalabstrakta oft durch Pronomen ersetzt werden können, innerhalb bestimmter Lexikonregeln also eine freie lexikalische Füllung der betreffenden Satzgliedstelle möglich ist. Es könnte bei Eckhart also auch stehen: Leget an iuch Jesum Kristum . .. unde daz (bzw. diz) mac niht beschehen danne ... Diese Ersatzprobe macht deutlich, daß beschehen/geschehen hier nicht anders als andre Vollverben fungiert ... Auf Grund dieser Eigenschaften (Verbalabstraktum plus Vollverb) können wir also in diesen Fällen nicht von Funktionsverbfügungen sprechen". Weitere Unterschiede zwischen GV und Funktionsverben sind: a)
Der Ausdruck aus Funktionsverb und E1 ist bei Vervendung der GV nach Polenz (1964:6) mit dem entsprechenden Satz mit Vollverb bedeutungsgleich, während die Funktionsverbfügung mit Präposition und die Furiktionsverbfügung mit Akkusativobjekt gegenüber dem entsprechenden Ausdruck mit Vollverb einen semantischen Mehrwert aufweisen (Polenz 1963: 13).
b)
Die Funktionsverben treten in Verbindung mit anderen Substantiven als Vollverben auf.
4.1.3
GV als V
4.1.3.1 V und VER als PT in GVS Die Entscheidung, die GV innerhalb des KS von Heringer (1973) weder als Funktionsverb noch als PA zu analysieren, führt zur Bestimnung der GV als V (Ein Mord geschah am Freitag) bzw. als infiniter verbaler Teil
77
in VER (Dies hätte geschehen können). Da die Beschreibung des Passivs in Heringer (1973) als VER erfolgt, ist an dieser Stelle als Restriktion zu nennen: Die GV bilden kein Passiv (cf. z.B. auch Weisgerber 1964:31). Ansonsten wurden bei VER mit GV als infinitem verbalen Teil keine Besonderheiten festgestellt.
4.1.3.2 Die Wertigkeit der GV Auf der Grundlage der bisher gegebenen Teilanalysen müssen die GV als einwertig (V1) bezeichnet werden. Eine andere Meinung vertreten Heibig/Schenkel (1973), Brinkmann (1971) und Kishitani (1965). a) Helbig/Schenkel (1973:449) führen bei sich ereignen zwei obligatorische Mitspieler an. Die Gründe, die gegen diese Analyse sprechen, wurden in 3.1 behandelt. b) Brinkmann (1971:218) bezeichnet die GV als "beschränkt einstellig" und ordnet sie seiner 'zweiten Verbschicht1 zu. Er unterscheidet sie von nullwertigen Verben wie regnen, die er als "unpersönliche Verben" zu einer gesonderten Gruppe zusammenfaßt. Als Kriterium dienen Kennzeichen der Verfcmorphologie und die Art der Besetzung der GS-Position (cf. auch Anmerkung 6:Kapitel 2:Seite 16:17 und Brinkmann 1971:546f.). "Verben wie geschehen, gelingen sind zwar auf die 3. Person beschränkt und können sich nicht mit einer Person als grammatischem Subjekt verbinden (sie kann nur im Dativ hinzutreten), sie sind aber in der Lage, ein Substantiv (und zwar durchweg einen Vorgangsbegriff) als Subjekt zu setzen" (Brinkmann 1971:204).
Die Argumentation in Brinkmann (1971) basiert darauf, daß nur bestürmte Elemente an der GS-Position von GVS auftreten können. Es besteht jedoch kein substantieller Gegensatz zu der in diesem Abschnitt vertretenen Ansicht. Im KS von Heringer (1973:161f.) werden die notwendigen Einschränkungen jedoch anders wiedergegeben. "So bestimmt der Index von V direkt den Index von PT und damit das Satzmuster, das es als unmittelbaren Teil enthält. Das jeweilige Adjunkt ist jedoch nicht nur dafür verantwortlich, welche Wertigkeit der PT hat, es werden vielmehr auch noch andre Eigenschaften auf PT übertragen. Wichtig ist hierbei die Einschränkung der E-Füllungen beim Prädikat. Nehmen wir einmal an, der El eines Satzes sei ein NPl, enthielte also ein Nomen, der PT des Satzes enthalte ein einfaches Verballexem: (1) Der Löwe brüllt. Das Verballexem brüll läßt nicht alle möglichen Nomina als El zu ..., z.B. nicht Sonne:
78
(2)
*Die Sonne
brüllt.
Wir nehmen an, daß diese Abweichungen mit einer semantischen Unverträglichkeit der beiden Teile zusammenhängen, und beschreiben sie durch Klasseme • • . Durch weitergehende Einschränkungen der Klasseme werden echte reflexive Verben und unpersönliche Verben charakterisiert. Echte Reflexiva lassen in einer Leerstelle nur Reflexivpronomina zu, Impersonalia nur nicht-kommutierendes es".
c) Kishitani (1965) unterscheidet das "einstellige geschehen A" und das "zweistellige geschehen B". Es bleibt jedoch unklar, welchen Sachverhalt die Termini 'einstellig' und 'zweistellig' beschreiben sollen. Kishitani (1965:133) definiert Wertigkeit als "Zahl der Stellen, wo das Verbum mit anderen Elementen kombiniert wird, um syntaktisch zu funktionieren". Der Begriff 'syntaktisch funktionieren' kann sinnvoll nur so interpretiert werden, daß in GVS mit geschehen B die zweite Stelle, der "Mensch im Dativ", syntaktisch notwendig ist. Läßt man sie wag, entsteht ein unakzeptabler Satz, oder es tritt eine semantische Veränderung auf, die über das vreggelassene Element hinausgeht. Für das Neuhochdeutsche trifft dies nicht zu (cf. 3 und 5.1). Hinzu kaimt, daß Kishitani (1965) im späteren Verlauf ihrer Untersuchung folgende Peststellung macht: Alle Elemente, die an der GSPosition von GVS mit geschehen B auftreten, können ebenfalls die GSPosition von GVS mit geschehen A einnehmen. Der Unterschied zwischen beiden Gruppen läßt sich auf das Element "Mensch im Dativ" zurückführen, das den Vorgang explizit auf den dort genannten Menschen bezieht. "Durch das zweistellige Verbum geschehen B wird der Vorgang nicht nur von Seiten des Vorgangs selber her, sondern auch in bezug auf den daran teilnehmenden Menschen aufgefaßt ... Da das Verbum geschehen B jede mögliche Daseinsweise des Menschen bezeichnen kann, bleibt es inhaltlich beinahe leer, genauso wie das Verbum geschehen A ..." (Kishitani 1965:170).
Die Beispielsanmiungen von Kishitani (1965) zeigen, daß die Einteilung in einstelliges geschehen A und zvrei stelliges geschehen B sich allein nach den empirischen Befunden richtet. Alle Belegstellen bei Hartmann von Aue, die einen "Menschen im Dativ" bei sich haben, werden geschehen B zugeordnet, die anderen geschehen A. Folglich kann man in Kishitani (1965) geschehen A und geschehen B zu einem einwertigen geschehen zusammenfassen.
79
4,2.
Zur Semantik der GV
4,2.1
Die bisherige Forschung
4.2.1.1 'inhaltsarm' - 'inhaltslos' In Abschnitt 4.1 wurde bereits das semantische Merkmal 'inhaltsarm' bzw. 'inhaltslos' genannt. Es diente als Grundlage, die GV auf syntaktischer Ebene entweder als Kopula (Lyons 1971) oder als Funktionsverb (Polenz 1964, Popadic 1971) einzustufen. Auch die Aussage von Kishitani (1965:170) geschehen bleibe "inhaltlich beinahe leer", wurde bereits in 4.1.3.2 zitiert. Zum gleichen Ergebnis könnt Erben (1972:§ 233) bei der Behandlung der Nennwörter (Substantive). "Bei einer Gruppe mehr oder minder inhaltsarmer Verben (verba abstracta) bezeichnet ein begriffergänzendes Nennwort, als eigentliches nomen actionis, das S e i e n d e , G e s c h e h e n d e ... Veränderungen geschehen (erfolgen, treten ein, vollziehen und Betriebseröffnungen finden statt sich); Grundsteinlegungen (gehen vor sich)".
Ähnlich Steinitz (1971:27): "Die Verben von (45) [= GV] gleichen sich darin, daß sie eine wenig spezifizierte Eigenbedeutung haben . .. Die Besonderheit ... besteht darin, daß sie durch ein Klassenmerkmal wie 'inchoativ' in ihrer Semantik weitgehend ausgeschöpft sind".
Bartsch (1972:331) reduziert die Bedeutimg der GV darauf, "die Existenz oder das in-Existenz-Kcrrmen eines Ereignisses oder Umstands" anzugeben. Sie "sind
ohne prädikativen Informationsgehalt" (Bartsch 1972:
331). Die Lösungsvorschläge zeigen eine Unsicherheit, ob das Merkmal 'inhaltslos' oder 'inhaltsarm' zur Charakterisierung der GV benutzt werden soll. So meint Polenz (1964:6), erfolgen habe "weniger eine lexikalische 'Bedeutung' als vielmehr eine gramnatische Funktion", um kurz darauf jede Bezeichnung eines Inhalts durch die GV zu verneinen. "Das Funktionsverb allein bezeichnet nur die funktionale des Vorgangs, nicht seinen Inhalt" (Polenz 1964:6).
Seite
Popadic (1971:4) stellt "bedeutungsam" neben "sinnentleert". Am klarsten definiert Lyons (1971:352f.): Die GV sind Platzhalter für Tempus-, Modus- und Aspektangaben, also selbst 'inhaltslos'. 'Restbedeutung' der GV ist die in Steinitz (1971:27) angegebene Aktionsart inchoativ. Entsprechend Bartsch (1972:331) : Die GV beschreiben
80
die Existenz oder das in-Existenz-Karmen eines Ereignisses oder Umstandes. Polenz (1964:6) schreibt dem GV
erfolgen
in Verbindung mit einer
Zeitangabe die Aktionsart resultativ zu. Kishitani (1965:136f.) niitint die Analyse der GV als " (Ev) (...)" in Bartsch (1972) in etwa vorweg: "Das Verbum geschehen A füllt nur die Prädikat-Stelle aus, ohne etwas mehr als die R e a l i s i e r u n g desjenigen zu prädizieren, das durch den an der Subjekt-Stelle stehenden Ausdruck formuliert wird".
Ähnlich Kishitani (1965:170): "Durch das Verbum geschehen B wird das potentielle Prädikat, das jeweils die ez-Stelle (die Subjekt-Stelle) ausfüllt, realisiert; aber es wird dadurch nicht mehr prädiziert als die Realisierung desjenigen, was durch das potentielle Prädikat an der SubjektStelle formuliert wird".
Ihre Überlegungen bleiben jedoch für die Analyse der GV ungenutzt. 4.2.1.2 GV als "allgemeinste Geschehensbezeichnung" Schon Grinirt (1893) verbindet die Analyse der GV mit dem Begriff Ereignis. "Ohne abhängiges pron. stehn auch gewöhnlich die impersonalia, welche das bloße ereignis ausdrücken: es geschieht ..., es begegnet, es kommt vor, es ereignet sich [fügt sich], trägt sich zu ... begibt sich ... Wiederum darf aber auch der dat. ... hinzutreten ... es ... geschieht mir ..." (Grimm 1893:Band 4:265).
Erben (1972:§ 122) übernimmt die Charakterisierung von Griitm (1893) wörtlich: "'Geschehensverben 1 ,
...' welche das bloße Ereignis
ausdrücken'".
Er verwickelt sich jedoch in einen Widerspruch, da er die GV gleichzeitig als inhaltsarm bezeichnet (cf. 4.2.1.1). Stötzel (1966:308) zu mittelhochdeutsch
besohehen/gesohehen
(cf. auch
4.1.2): "Seine Besonderheit gegenüber anderen Verben ist lediglich, daß es rein lexikalisch die allgemeinste Geschehensbezeichnung darstellt".
4.2.1.3 "Vorfälle der menschlichen Umwelt" Erben (1964) unterscheidet sich von Erben (1972) in bezug auf eine Angabe zur Semantik der GVj In Erben (1964:§ 44) bezeichnen die Impersonalia
81
"Vorgänge ..., die weder im Bereiche des Ich noch des Du liegen, noch überhaupt eine persönliche Ansatzstelle haben".
Speziell für die GV gilt, daß sie "Vorfälle der menschlichen Unweit" bezeichnen. Es bleibt unklar, warum diese inhaltliche Charakterisierung nur für Sätze mit geschehen, nicht aber für solche mit Witterungsimpersonalia wie Es regnete am Freitag in mein Wohnzimmer gelten soll. Versteht man unter "Vorfälle der menschlichen Unweit" nur diejenigen, die in einem Zeit-Qrt-Kontinuum anzusiedeln sind, in dem die menschliche Spezies anzutreffen ist, müßte jede Beschreibung der Erde vor dem ersten Auftreten des Menschen auf die GV verzichten. (4.11) wäre danach unakzeptabel. (4.11) Nach dem Bericht der Bibel schuf Gott die Erde in sieben Tagen. Was aber wirklich geschah, bevor die ersten Menschen die Erde bevölkerten, wird auch die Wisschenschaft nicht ergründen.
Versteht man dagegen "Vorfälle der menschlichen Unweit" abstrakter als 'auf irgendeine Weise bezogen auf den Menschen', ist zu fragen, ob Wendungen wie diese überhaupt restringieren.
4.2.1.4 'indirektes Berichten* Griesbach/Schulz (1967:337) unterscheiden klar zwischen dem semantischen Inhalt von GS und GV in GVS. Das GS beschreibt ein Geschehen oder Sein. Das GV benennt dieses Geschehen oder Sein nicht direkt. Es berichtet nur darüber. "Auch der Funktionsteil SUBJEKT kann die Aufgabe erhalten, ein Geschehen oder ein Sein zu beschreiben. Es ist dann Prädikatsergänzung und wird wegen seiner formalen Funktion innerhalb des Satzgefüges PRÄDIKATSSUBJEKT 4 genannt. Prädikatssubjekte treten zu Prädikaten, deren Verben von einem Geschehen oder Sein berichten, ohne es aber selbst zu nennen. Solche Verben sind z.B. geschehen, passieren, sich ereignen, vorkommen, stattfinden u. v. a. " (Griesbach/Schulz 1967:337).
Offen bleibt in Griesbach/Schulz (1967), walchen Status das 'Berichten' des Verbs haben soll.
4
Prof. Dr. Vater (Köln) wies mich brieflich auf die Unsinnigkeit des Begriffs 'Prädikatssubjekt' in Griesbach/Schulz (1967) hin: " ... schließlich sind Subjekte immer Subjekte zu Prädikaten; die Interpretation 'Subjekt als Teil des Prädikats' wäre noch unsinniger".
82
4.2.2
GV als "transitionals"
In 2.2.3 wurde Järborg (1973) bei, der Analyse der semantischen Kategorie Ereignis behandelt und sein Standpunkt an Sätzen expliziert. Eines der Hauptanliegen von Järborg (1973:8) ist es aber, die Semantik von "nonstative, non-causative verbs" darzustellen. Deshalb soll überprüft werden, ob sich die GV nach Järborg (1973) analysieren lassen. Hierzu ist ein neuer Begriff einzuführen, der des "transitional". Järborg (1973:11) definiert "transitional" als "classes of transitions, obeying certain restrictions". Er unterscheidet obligatorische und fakultative Restriktionen. "The obligatory restrictions on transitionals is that they must be included in one type only of those defined by the following two distinctions: a)
The distinction between transitions of existence, properties and localization, respectively
b)
The distinction between constant and non-constant transitions, a transition being constant when all its states contain the same predication.
Besides these obligatory restrictions, transitionals may and usually do conform with optional restrictions of the following types ... - The initial state of a member must be of a certain type. - The final state of a member must be of a certain type. (These conditions of course imply that there must exist an initial/final state.) - There must exist intermediate states of certain types" (Järborg 1973:8).
Die unter a) angeführte Restriktion wird in der vorliegenden Arbeit 'erste obligatorische Restriktion' und die unter b) angeführte 'zweite obligatorische Restriktion1 genannt. Am Beispiel der Verben move, voll und remain zeigt Järborg (1973:9), wie sich durch Restriktionen die Semantik von Verben wiedergeben läßt. "As an example, consider the minimally restricted transitional TrLj, having the properties: a) b)
All transitions of TrL^ are transitions of localization. All transitions of TrL^ are non-constant.
This transitional seems to correspond to the English verb move in its non-causative sense ... It does show, however, that the notion of a transitional at least is capable of formalizing the semantic character of the very general verb move. We may note in passing that there also exists a verb corresponding to the
83
neutral transitional of localization, namely remain. This verb also happens to be able to fill the neutral function for the types other than localizations. Now let us add some further restrictions to those of TrL^. Suppose that the localizations all have the character of the object being on some surface, with only a part, of its own surface in contact with the ground. Suppose further that there must be a change in localization between subsequent states und that this change must include a change in orientation and a change in the area of contact with the ground. The verb corresponding to a transitional with these restrictions seems to be roll (again in the non-causative sense)".
Versucht man die GV nach obigem Muster darzustellen, treten bei den obligatorischen Restriktionen Schwierigkeiten auf. Die Unterscheidung der ersten obligatorischen Restriktion ist schon in der Definition von "transition" als "set of consecutive, comparable states" (Järborg 1973:12) enthalten, weshalb man auf die erste obligatorische Restriktion verzichten könnte. Tut man dies und bezieht sich auf die Unterscheidung zwischen "transitions of existence, properties and localization" nur durch "canparable" in der Definition von "transition", wird das Modell von Järborg (1973) in einem Punkt verändert. Die Annahme der ersten obligatorischen Restriktion von Järborg (1973) hat zur Folge, daß kein "transitional" darstellbar ist, bei dem die Unterscheidung zwischen "transition of existence" oder "transition of properties" oder "transition of localization" noch offen ist und erst durch den Kontext festgelegt wird. Jedes Verb ist bezüglich dieses Merkmals markiert. Unmarkiertheit ist ausgeschlossen. Dies trifft bei GV nicht zu: (4.12) Daß das Haus niederbrannte, geschah am Freitag. Unachtsamkeit. (4.13) Daß der Ball in die Ecke rollte, geschah aus (4.14) Daß Fritz
errötete,
geschah,
weil
er sich schuldig
fühlte.
GVS können gleichermaßen Ereignisse beschreiben, die sich definieren lassen als Approximationen von "transitions of existence" (z.B. (4.12)), "transitions of localization" (z.B. (4.13)) und "transitions of properties" (z.B. (4.14)). Die Semantik der GV läßt sich folglich nicht mit dieser obligatorischen Restriktion beschreiben. Daß aber "canparable states" vorliegen müssen, ist durch die Definition von "transition" bereits gewährleistet. Die zweite obligatorische Restriktion teilt die "transitionals" in zwei Gruppen: in solche mit "constant transitions" und "non-constant
84
transitions", Wie verhalten sich nun "constant transition" und "state" zueinander? Um diese Frage zu klären, muß man auf den Begriff Ereignis zurückgehen. In Järborg (1973) scheinen Ereignisse, die durch Approximationen von "constant transitions" dargestellt werden können, mit dem identisch zu sein, was in 2.2.2 als Zustand bezeichnet wurde. Diese Annahme läßt sich den folgenden Überlegungen entnehmen. (4.15) Das Buch liegt
schon lange auf dem
Tisch.
Legt man bei (4.15) die Aussage zugrunde "every State defines a point of time" (Järborg 1973:6), muß man eine Zustandsmenge annehmen, um (4.15) zu beschreiben. Da "a transition being constant when all its states contain the same predication"
(Järborg
1973:8),
beschreibt (4.15) die Approximation "of a constant transition". Andererseits bezeichnet Järborg (1973:1) (4.16) als Repräsentation der semantischen Einheit "state". (4.16) The sundial
is in the
gaiden.
Folglich unterscheidet Järborg (1973) in dem Sinn zwischen Zustand und Ereignis, daß z.B. (4.15) einen Zustand und (4.12) ein Ereignis beschreibt. Es ist anzunehmen, daß Järborg (1973) nicht meint, (4.16) sei auf einen Zeitpunkt begrenzt, wie dies die Aussage "every State defines a point of time" (Järborg 1973:6) fordert. Dann ist (4.16) entsprechend (4.15) zu interpretieren. Auch (4.16) ist dj.e Repräsentation eines Ereignisses, das sich durch eine Approximation "of a constant transition" darstellen läßt. Den Begriff "state" im Zusanmenhang mit (4.16) kann man als Synonym zu diesem Typ eines Ereignisses verstehen. Järborg (1973) gebraucht "state" folglich ambig. In der Definition von "transition" als "a set of ... states" bindet er "state" an einen Zeitpunkt. Bleibt innerhalb einer Zeitzone (cf. 2.2.3.2.5) die Prädikation jedes Zustandes der Zustandsmenge gleich, spricht er von "a constant transition", deren Approximation als Beschreibung eines bestimrrten Ereignistyps z.B. durch (4.16) darstellbar ist. Diesen Ereignistyp kann man als Zustand bezeichnen und ihn in Opposition zu Ereignis gebrauchen. Der Grund dafür, an dieser terminologischen Unterscheidung festzuhalten, wurde bereits in 2.2.3.2.1 genannt. Damit der zu Ereignis in Opposition stehende Begriff Zustand von Zustand in der Zustandsmenge zu unterscheiden ist, der immer einen Zeitpunkt definiert, wird letzterer mit
85
dem Index 'p' (Zustand^) versehen. Semit bezeichnet der Begriff Zustand iir. weiteren Verlauf der Untersuchung eine Approximation "of a constant transition". Für den Begriff Ereignis gilt dann umgekehrt, daß er nur eine Approximation "of a non-constant transition" benennt. Um den Beschreibungsapparat zu vereinfachen, soll von "non-constant transitionals" gesprochen werden, statt von der Klasse der "transitionals", die definiert sind als "classes of non-constant transitions, obeying certain optional restrictions". Es ist weiter nur noch von "optional restrictions" die Rede, da die erste obligatorische Restriktion sich bei den GV nicht anwenden läßt und die zweite obligatorische Restriktion durch die in der vorliegenden Arbeit benutzte Terminologie hinfällig wird. Damit lassen sich die GV beschreiben als "non-constant transitionals". Möglich wäre es natürlich auch, die zweite obligatorische Restriktion bestehen zu lassen und auf den Sprachgebrauch der "non-constant transitionals" zu verzichten. Die GV ließen sich dann durch folgende Restriktion beschreiben: Alle "transitions" sind "non-constant" (obligatorische Restriktion). 4.2.3
Zusanmenfassung und Wertung von 4.2
4.2 zeigt, daß die bisherige Forschung zwei Ansätze enthält, von denen man bei einer isolierten Betrachtung des P in GVS - und dies ist das Ziel von 4 - nicht entscheiden kann, welcher Ansatz adäquater ist: a) Die GV sind 'inhaltslos' oder 'inhaltsarm'. b) Die GV selbst drücken das "bloße Ereignis" aus. Der Ansatz b) ließ sich mit Hilfe des Beschreibungsapparates von Järborg (1973) präzisieren und weiterentwickeln: GV sind beschreibbar als "non-constant transitionals". Da zwischen a) und b) in 4.2 nicht zu entscheiden ist, müssen beide Alternativen im Rahmen einer Gesamtanalyse der GVS in 6 behandelt werden. Zuvor klärt Kapitel 5 noch ein Problem, das für eine Gesamtanalyse der GVS wichtig ist.
5
ZUR VERWEISUNGSFUNKTION IN GVS
In 2, 3 und 4 wurden einzelne Aspekte einer Analyse der GVS mit Hilfe einer Untersuchung der einzelnen syntaktischen Einheiten aufgezeigt. Dieses Verfahren läßt sich in 5 nicht mehr anwenden. Eine Erklärung der 'Verweisung' und der 'definiten Deskription1 fordert ein Hinausgehen über die Grenzen der syntaktischen Einheiten und des Satzes. Es bleibt jedoch auch in 5 bei der Analyse eines eng umgrenzten Problemkreises, Erst in 6 lassen sich die Einzelbeobachtangen aus 2 - 5 zu einer Gesamtanalyse der GVS zusammenführen.
5.1
Definite Deskription und Verweisung
5.1.1
Definite Deskription als Restriktion in Bartsch (1972)
Bartsch (1972:331) gibt GV in der logisch-semantischen Analyse durch Existenzquantoren wieder ("(Ev)(...)"). (5.1) ist mit (5.2) darzustellen und zu lesen als: Es gibt ein Ereignis und dieses Ereignis ist ein Mord. (5.1) Ein Mord 15.2)
geschah,
(Ev) (Mord(v))
An die Stelle von "..." in "(Ev)(...)" treten Prädikationen über ein Ereignis v. Nur dann liegt ein wDhlgeformter Ausdruck vor und damit die Beschreibung eines granmatischen Satzes. Diese Bedingung ist - nach Bartsch (1972:331) - in den folgenden Sätzen nicht erfüllt, (5.3) «Die Einweihung des Denkmals fand statt. (5.4) •Das Feuer im Keller war entstanden. (5.5) •Der Brand
brach
aus.
Da definite Deskription (die Einweihung, das Feuer usw.) vorliegt, entsteht - nach Bartsch (1972:331f.) - z.B. für (5.3) die logisch ungeklärte Form (5.6), die (5.7) umschreibt. (5.6)
*(Ev) ((iv) Einweihung
des
Denkmals(v))
(5. 7) Es gibt ein Ereignis v, und dasjenige Einweihung des Denkmals ist ...
Ereignis,
das
die
87
"Diese Sätze [=(5.3), (5.4), (5.5) und andere] hätten die logisch nicht erklärte Form - d.h. sie sind gemäß den Formationsregeln aus 1. im XX. Abschnitt nicht erzeugbar - •(Ev) ((iv)G(v)). Im Bereich des Existenzquantors steht hier keine Prädikation über v, sondern nur ein Individuenterm, in dem v schon gebunden ist. Man braucht die Existenz gar nicht weiter zu explizieren, da sie schon in der definiten Deskription (iv)G(v) vorausgesetzt ist. Wenn man sie dennoch nochmals explizit aussagt, so gibt man keine weitere Information, die bereits über das im Satzsubjekt Vorausgesetzte hinausginge" (Bartsch 1972:332).
(5.3) - (5.5) sind nur akzeptabel, wenn sie - wie z.B. (5.8) - mindestens ein Adverbial enthalten. (5.8) Die Einweihung
des Denkmals
fand
am Freitag
statt.
Bartsch (1972) ordnet (5.3) die Form (5.6) zu, indem sie aus dem bestinmten Artikel des GS abliest, daß definite Deskription vorliegt. Sie geht folglich davon aus, daß sich (5.3) - (5.5) auf der Grundlage der Beschreibung des Satzes erklären lassen und daß (5.3) - (5.5) generell unakzeptabel sind. Es läßt sich zeigen, daß dies nicht zutrifft. Der erste Schritt hierzu besteht darin, deutlich zu machen, daß zwischen der definiten Deskription im logischen Sinn und der Definitheit einer NP an der GS-Position der GVS unterschieden werden muß. Nicht nur Adverbiale machen (5,3) - (5.5) akzeptabel, sondern auch Negationen: (5.9) Die Einweihung des Denkmals fand nicht (5.10) Das Feuer im Keller entstand nicht. (5.11) Der Brand
brach
nicht
statt.
aus.
Verwendet man die Notation von Bartsch (1972), ist man versucht, den Jotaoperator zur Darstellung der definiten NP an der GS-Position der GVS (5.9) - (5.11) zu benutzen. Damit ergäbe sich die logisch ungeklärte Form (5.12). (5.12)
•~l((Ev)((iv)G(v)))
Da (5.9) - (5.11) aber akzeptabel sind, muß (5.12) (5.9) - (5.11) falsch wiedergeben, was sich an (5.13) zeigen läßt. (5.13) Am Freitag sollte (auf Wunsch des Präsidenten) das mal eingeweiht werden. Die Einweihung des Denkmals (aber) nicht statt. Es regnete stark.
Denkfand
(5.13) besagt, daß der in der Wunsch-Welt des Präsidenten wahren Aussage Das Denkmal wird am Freitag eingeweiht nicht auch in der aktualen Welt der Wahrheitswert 'wahr' zukcnmt (cf. auch 6.3). Dies drückt (5.12) jedoch nicht aus. Der Fehler von (5.12) ist, für die definite NP an der
88
GS-Position der GVS (5.9) - (5.11) den Jotaoperator zu verwenden, der nur gerechtfertigt wäre, wenn er ein Objekt der aktualen Welt identifizieren würde. Dann ergäbe sich jedoch in (5.9) - (5.11) ein Widerspruch, da sowohl die Existenz als auch die Nicht-Existenz des Ereignisses ausgesagt wäre. Der Widerspruch tritt jedoch nicht auf, wenn - wie in (5.13) - das Ereignis in der aktualen Welt noch nicht behauptet wurde. (5.9) ist deshalb in einem entsprechenden Kontext - wie z.B. in (5.13) - durchaus kommunikativ sinnvoll. Oberflächenstrukturell zeigt sich dies daran, daß in (5.13) die Einweihung des Denkmals durch eine Einweihung des Denkmals ersetzt werden kann. Es besteht nun kein obligatorischer Zusanmenhang zwischen nioht in 2 GVS ohne A und dem Fehlen der definiten Deskription. (5.14) A: Fritz ist unschuldig. Ausführung. B: Der Mord ist
Der Mordplan kam gar nicht zur
Das war alles nur
geplant.
geschehen.
Auch im GVS von (5.14) liegt trotz definlter NP keine definite Deskription vor. Der GVS ist akzeptabel, ofcwohl er - wie in (5.3), (5.4) und (5.5) - nur aus GS und P besteht. Folglich ist eine definite NP an der GS-Position der GVS nicht gleichzusetzen mit der definiten Deskription im logischen Sinn. Ob eine Übereinstimmung besteht, hängt vcm textuellen Zusanmenhang ab. Das hat zur Folge, daß GVS wie (5.3) - (5.5) nicht schon wegen ihrer Oberflächenstruktur unakzeptabel sind. Sie sind es nur, wenn definite Deskription vorliegt. 5.1.2 Die bisherige Forschung zur Verweisung (Wiederaufnahme) in GVS (5.15) Hans ermordete Fritz. Dies geschah am
Freitag.
Das in (5.3) - (5.5), in (5.14) und (5.15) zu beobachtende sprachliche Phänomen läßt sich im Rahmen eines textlinguistischen Ansatzes
1 2
Cf. auch 6.3. Cf. auch Kürschner (1974:140), der an der Ungrammatikalität von Sätzen wie (5.3) - (5.5) zweifelt: "(4.91) (a) Der Tumult war vor dem Kino ausgebrochen (b) »Der Tumult war ausgebrochen Nach meinem Dafürhalten ist (4.91b) nicht ungrammatisch, sicher aber weniger grammatisch als (4.91a)". Kürschner (1974) analysiert jedoch die Gründe für sein Sprecherurteil nicht.
89
als Verweisung charakterisieren. Das Element an der GS-Position von GVS verweist auf etwas, das außerhalb des Satzes selbst liegt. Diese recht ungenaue Formulierung, die das Problem nur einführen soll, gilt es zu präzisieren.
5.1.2.1 Die Analysevorschläge von Polenz (1964), Kishitani (1965) und Stötzel (1966) a)
Polenz (1964)3 "[erfolgen ist verbunden mit] substantivischen Vorgangsbezeichnungen (nomina actionis) .. ., die als Satzsubjekte stehen und meist auf einen vorhergegangenen Satz mit dem Grundverbum oder auf einen als bekannt vorausgesetzten Vorgangsbegriff zurückverweisen" (Polenz 1964:5). 4 Die Vervrendung von 'Satzvörtem' hat den Vorteil, "daß der inhaltliche Kern des Ausgangssatzes in ihnen enthalten ist und deshalb dem neuen Satz als Mitgedachtes nutzbar gemacht werden kann. Diese zusammenfassende Wiederaufnahme kann nur das Substantiv leisten" (Polenz 1964:4). "Der verbale Ausdruck dient der Neugründung eines den Vorgangsbegriff selbst nennenden Satzes, während der substantivische nach dem sprachökonomischen Gesetz der Kürze die Ergänzung dazu in Form eines neuen Satzes, aber mit gedanklicher Rückverweisung auf den vorangegangenen, also unter Einsparung bereits genannter Glieder des Gedankengangs, bringen kann" (Polenz 1964:5). Als Satzsubjekt kann außerdem ein Proncmen (z.B. dies) stehen, das einen vorausgehenden Satz wiederaufnimmt (Polenz 1964:6f.). Die Ansicht, daß Teile des P - wie z.B. Modalverben - nicht zum wiederaufgenommenen 'inhaltlichen Kern' gehören, läßt sich dem Begriff Satzvrort nicht entnehmen (cf. auch 5.1.3.2.2).
3
4
Der Aufsatz untersucht erfolgen "als Funktionsverb substantivischer Geschehensbezeichnung" (Polenz 1964:1). Nach Polenz (1964:17) bestehen jedoch zwischen den GV geschehen, sich ereignen, sich zutragen usw. und erfolgen kaum Bedeutungsnuancen, weshalb man die von Polenz (1964) für erfolgen aufgestellten Regularitäten zumindest versuchsweise auf die GV übertragen kann. Polenz (1964:3:Anmerkung 5) verweist auf Brinkmann (1962b:107) und Porzig (1950:372ff.). Ein Überblick über die Äußerungen von Porzig zu den Abstrakta gibt Franck (1958:42-56) (cf. auch Stötzel 1966).
90
b)
Kishitani (1965) Sie teilt die Elemente, die das GS von GVS bilden können, in Elemente mit und Elemente ohne Nennfunktion ein. Im Neuhochdeutschen wären z.B. dies/das
oder es Elemente ohne Nennfunktion. Sie sind nach
Kishitani (1965:126) "durch die Fähigkeit charakterisiert, unter Umständen einem oder mehreren (Neben-)Sätzen entsprechen zu können ... Der Umfang des Kontextes, auf den sich ez bezieht, ist von Fall zu Fall verschieden; unter Umständen kann das Element ez eine lange Erzählung einschließen" . Kishitani (1965:120) nennt es deshalb eine "wiederaufnehmende Größe". Der Kontext kann dabei vorausgehen oder nachfolgen (cf. Kishitani 1965:126f.). c)
Stötzel (1966) Stötzel (1966:308) behandelt das mittelhochdeutsche Verb
geschehen
besahehen/
im Zusammenhang mit der Frage, ob es als Funktionsverb ana-
lysiert werden kann (cf. 4.1.2). Die Substantive in der GS-Position von Sätzen mit besehehen/geschehen
ordnet er den Verbalabstrakta zu,
die er von den Nomina actionis unterscheidet:^ "Für die Nominalbildungen, die hier untersucht werden sollen, werden wir den Terminus V e r b a l a b s t r a k t a beibehalten. Der Terminus weist darauf hin, 1. daß es sich um Bezeichnungen für Geschehensbegriffe (Verbalbegriffe) handelt, 2. daß eine sprachliche Abstraktion vorliegt. Diese Abstraktion soll rein äußerlich verstanden werden, sie soll sich auf den Wegfall der syntaktischen Mitspieler im sprachlichen Ausdruck beziehen, die beim Verb aus formalsyntaktischen Gründen stehen müssen. Wir haben damit die Ersparnis von Redeteilen als Abstraktion in dem Terminus Verbalabstraktum definiert, weil wir darin die wichtigste Funktion dieser Nominalbildungen erblicken. Wo diese Abstraktion nicht vorliegt, sprechen wir von N o m i n a a c t i o n i s bzw. s u b s t a n t i v i e r t e m I n f i n i t i v . . . " (Stötzel 1966:296). Was unter "Ersparnis", "Abstraktion" und Verwaisung zu verstehen sei, verdeutlicht Stötzel (1966:299): "... daß man nämlich nach Einführung von Personen und Dingen, die an einem Geschehen beteiligt sind, beim Zurückgreifen auf dieses Geschehen die syntaktischen Mitspieler nicht mehr ausdrücklich zu nennen braucht, da sie bekannt, vorgegeben ... sind. Diese Art von Ersparnis wollen wir also g r a m m a t i s c h e o d e r synt a k t i s c h e A b s t r a k t i o n nennen."^ 5 6
Diese terminologische Unterscheidung darf man nicht auf die anderen in der vorliegenden Untersuchung angeführten Arbeiten übertragen. Zum Problem der Ersparnis von Mitspielern in GVS cf. Anmerkung 2: Kapitel 4:Seite 69.
91
5.1.2.2 Die Verweisung in Kallmeyer et al. (1974) Kallmeyer et al. (1974) versuchen, auf der Grundlage neuerer Forschungs7 ansätze zur Verweisung, einen eigenen Ansatz zu entwickeln. "Das sprachliche Element eines Textes, auf das verwiesen wird ... nennen wir Bezugselement; das sprachliche Element, das verweist ... nennen wir Verweisform" (Kallmeyer et al. 1974:177). Die Einweihung des Denkmals in (5.13) und Dies in (5.15) sind somit Verweisfonrven, der Vorgängersatz von (5.15) ist Bezugselement zu Dies. "Die Verweisformen können je nach Verweisungsrichtung in zwei Gruppen eingeordnet werden: rückwärtsverweisende (anaphorische) Verweiformen verweisen auf ein Bezugselement im vorangegangenen Kontext; vorwärtsverweisende (kataphorische) Elemente verweisen auf ein Bezugselement im nachfolgenden Kontext" (Kallmeyer et al. 1974:180). In GVS treten beide Verweisungsrichtungen auf (cf. auch Kishitani 1965:127): (5.16) ... Andern Tages geleitete Jefta selber ihn zurück in die Enge, wo er ihm zuerst begegnet war. Dort warteten bereits die fremdartigen Tiere ..., und unter fröhlichem Lärm setzte der Zug des Prinzen Gudea seinen Weg fort ins Jordanland. Dies geschah im sechsten Jahre, das Jefta in der Wildnis verbrachte. (Feuchtwanger 1957:155) (5.17) Unversehens - er wußte selbst nicht, warum - ergriff er das Antennenkabel und riß es aus dem Kontakt. Und es geschah etwas Verblüffendes: Der "Schmetterling", isoliert von den äußeren Impulsen, fächelte weiter, anstatt zu erstarren ... (Lern 1973a:103) Kallmeyer et al. (1974) unterteilen die Verweisformen weiter in referentielle (z.B. Die Einweihung des Denkmals in (5.13)) und nicht-referentielle (z.B. Dies in (5.16)). Referentielle Verweisformen sind solche, "die neben ihren Konnexionsanweisungen eigene Anweisungen auf der Ebene der Referenz geben" (Kallmeyer et al. 1974:230). Sie geben dem Leser/Hörer die Anweisung, "sein Wirklichkeitsnodell nach Elementen abzusuchen", die mit der Verweisform in Verbindung gebracht werden können (Kallmeyer et al. 1974:215). "[Sie stellen] meistens 'Teilaktivierungen' von Referenzanweisungen dar, die im Gesamt der Referenzanweisungen der im Text vorangegangenen Elemente enthalten sind" (Kallmeyer et al. 1974:230). Elemente wie erstere, letztere, dies, er, es usw. geben dagegen "keine Referenz-, sondern nur Konnexionsanweisungen"
(Kallmeyer et al. 1974:
245). 7
Ausführlicher besprochen sind Bellert (1970), Harweg (1968), Isenberg (1971), Steinitz (1958), Weinrich (1969), Weinrich (1973) und Wunderlich (1972).
92
"In einem Textstück wie (30) Gestern kauften wir einen Tisch. Heute schon wackelt er. ließe sich die Konnexionsanweisung ... etwa so umschreiben: 'Bezüglich der Referenzanweisungen, mit der die Referenzanweisungen der Aussagen (Prädikationen) über er kombiniert werden sollen, suche eine im vorangehenden Kontext stehende Nominalgruppe, die mit er hinsichtlich Genus und Numerus kongruiert! 1 Die Referenzanweisungen der Prädikationen über er, nämlich heuder Verweisform er, te schon wackelt, werden v e r m i t t e l s die ja selbst keine Referenzanweisungen gibt, mit den Referenzanweisungen von Tisch kombiniert" (Kallmeyer et al. 1974:216). Oft ist es jedoch - im Gegensatz zum obigen Beispiel - nicht möglich, "das Zustandekommen von Verweisung über die alleinige Betrachtung der in Beziehung zueinander stehenden Elemente, d.h. des Bezugselementes und der Verweisform zu erklären" (Kallmeyer et al. 1974: 182) .
"(31)
... Als sie sich der Schonung näherten, an welcher der getroffene Fasan niedergegangen sein mußte, ließ der Förster^ den wild an der Leine zerrenden Hund los. Er..
Je nachdem, wie dieses abgebrochene Textstück nun fortgeführt wird, verweist er auf der Förster oder auf den Hund als Bezugselement, wie in den folgenden Textstücken durch die Indices bei er gekennzeichnet: (31i)
... Er^ drang mit lautem Gebell in das dichte Unterholz ein.
(31ii) ... Er^ hatte nach dieser langen Nacht auf dem Anstand einfach keine Kraft, diesem Zerren . . . widerstand entgegenzusetzen. ... In den beider Beispielen (31 i) und (31ii) sind es jeweils die Referenzanweisungen der Prädikationen über er, die dem Leser/Hörer eine Entscheidung darüber erlauben, welche der beiden vorangegangenen Nominalgruppen als Bezugselement zu er fungiert" (Kallmeyer et al. 1974:217). Kallmeyer et al. (1974:226-228) zeigen, daß es nicht genügt, sich auf die Prädikation über das Bezugselement zu beziehen, die als letzte genannt wurde. Es kann das "Gesamt der bis dahin gegebenen Referenzanweisungen" (Kallmeyer et al. 1974:228) zur Bestimmung des Bezugselementes herangezogen vrerden. Kallmeyeretal. (1974) kritisieren an Steinitz (1968), Isenberg (1971) und Wunderlich (1972), daß sie sich auf Ncmina bzw. Ncminalgruppen als Bezugselemente beschränken. Doch auch Kallmeyer et al. (1974) behandeln andere Bezugselemente nur am Rande, überzeugend ist allein die Einbeziehung der Pragmatik:
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"Nach einem längeren Streit fordert Herr X seine Frau auf, den Raum zu verlassen, indem er sagt: 'Ich glaube, du kümmerst dich lieber wieder um deine Arbeit!1 Frau X antwortet darauf: 'Das werde ich dir nie verzeihen!' Die Verweisform das bezieht sich dabei nun nicht auf die Äußerung als solche, sondern auf die mit dieser Äußerung gegebene Konsequenzanweisung, d.h. den Akt des Rauswurfs" (Kallmeyer et al. 1974:185). Dies in (5.15) läßt allerdings nicht die Interpretation zu, das Pronomen beziehe sich auf den Akt des Behauptens: (5.18) Die Behauptung 'Hans ermordete Fritz' geschah am Freitag. Außerdem werden als Bezugselemente zugelassen: der Satz und Gliedsatz (Kallmeyer et al. 1974:179f. und 240f.), der Text (Kallmeyer et al. 1974: o 240f.), eine Äußerung "größeren Umfangs" (Kallmeyeretal. 1974:218f.) und das P (Kallmsyer et al. 1974:243). Ob sie als Bezugselemente von Verweisformen an der GS-Position von GVS vorkatmen und ob diese Liste erweitert werden maß, klärt 5.1.3. 5.1.3
Bezugselemente von Vervreisformen an der GS-Position von GVS
5.1.3.1 Text, Satz, Gliedsatz und Infinitivkonstruktion Texte als Bezugselement der Verweisform in GVS sind möglich (cf. auch Kishitani 1965:126): (5.19) Kürzlich geschah es - mir ist, als wäre es gestern gewesen. Zwei Bewohner des Aldebaran, von vernunftbegabter Rasse, die im Jahre 2685 entdeckt werden und die Neirarch, der Linné des 30. Jahrhunderts, als Untertyp der Gruppe Coelestiaca in der Ordnung Megalopterygia klassifizieren wird - kurzum, die beiden Vertreter der Gattung Megalopteryx Ambigua Flirx, die durch die Synctialversammlung des Aldebaran (auch Oberste Ratschaft genannt) zur Untersuchung der kolonisatorischen Möglichkeiten der Planeten im Bereich des VI. Partiellen Peripherischen Liquefaktion (PPL) ausgesandt wurden, waren zunächst in die Gegend des Jupiter gelangt, wo sie Proben von dessen Andromedakulastern nahmen. Als sie feststellten ... (Lern 1973b:183) 8
Kallmeyer et al. (1974:24) erklären den Terminus 'Text' wie folgt: " ... wurde Linguistik allgemein charakterisiert als die Wissenschaft, die zum Ziele hat, die menschliche Sprache zu beschreiben. Diese Zielsetzung gilt auch für die Textlinguistik. Die Textlinguistik zielt jedoch in erster Linie auf das natürliche Vorkommen von Sprache, um möglichst alle kommunikativ relevanten Faktoren zu erfassen und zu beschreiben. Natürliches Vorkommen von Sprache heißt aber stets: in Handlungszusammenhängen stehende Sprechhandlungen. Die in solchen Sprechhandlungen vorkommende Sprache nennen wir Text". - Cf. auch Kallmeyer et al. (1974:44f. und 90-96).
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Beispiele für das Bezugselanent Satz wurden bereits gegeben (z.B. (5.15)). (5.20) und (5.21) belegen, daß als Bezugselemente auch Gliedsätze (cf. Kishitani 1965:126) und Infinitivkonstruktionen stehen. (5.20) Die innerstaatlichen Bestimmungen mit einer Verjährung für Mordtaten zum 9. Mai 1965 hatten zur Grundlage, daß am 9. Mai 1945 die Hemmungen gegen eine Strafverfolgung von NS-Mordtaten tatsächlich zu diesem Zeitpunkt fortfielen. Das geschah aber nicht schon im Mai 1945 ... (W64, 1143019) (5.21) Die Aufgabe besteht darin, im Zusammenhang mit der Anwendung des neuen ökonomischen Systems einen größeren Nutzeffekt in der Versorgung der Bevölkerung zu erreichen. Das geschieht durch die Entwicklung neuer planmäßiger ökonomischer Beziehungen zwischen Industrie, Landwirtschaft und Handel. (ND64, 0074224) Die Tatsache, daß das Bezugselanent ein Ereignis beschreiben muß, entscheide^ in Beispielen wie (5.22), ob der Gliedsatz oder der Satz als Bezugselanent in Frage kctuuL. (5.22) Hans liebte es, jeden Sonntag ins Wirtshaus zu gehen. Dies geschah immer nach dem Kirchgang. Da in (5.22) nur der Gliedsatz, nicht aber der Vorgängersatz des GVS selbst, ein Ereignis beschreibt, steht in (5.22) das Bezugselement fest. Beschreiben aber - wie im Vprgängersatz des GVS in (5.23) und (5.24) Gliedsatz und Satz gleichermaßen ein Ereignis, kann die im GVS enthaltene Prädikation - oder können auch mehrere Prädikationen - darüber entscheiden, ob der Satz oder der Gliedsatz als Bezugselanent fungiert (cf. auch Kallmeyer et al. 1974:217): (5.23) Hans weinte in der Gerichtsverhandlung, weil er seinen Freund ermordet hatte. Dies war nur deshalb geschehen, weil er zuviel getrunken hatte. (5.24) Hans weinte in der Gerichtsverhandlung, weil er seinen Freund ermordet hatte. Dies geschah, nachdem der Staatsanwalt sein Plädoyer gehalten hatte.
5.1.3.2 Ausschluß einiger syntaktischer Einheiten aus dem Bezugselanent Satz 5.1.3.2.1 Ausschluß von E (5.25) Ein Angehöriger der kommunistischen Vietkong-Rebellen wird mit verbundenen Augen in die Gefangenschaft abgeführt. Jeden Tag und auf jeder Seite der ineinander verschlungenen Fronten geschieht dasselbe. (W64, 0724219)
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Die Verweisform dasselbe im GVS der Bildunterschrift (5.25) kann als Bezugselement nicht den Vorgängersatz des GVS in (5.25) haben, wenn man davon ausgeht, daß auf der einen Seite der Front Südvietnamesen und auf der anderen Seite Nordvietnawesen mit verbundenen Augen in die Gefangenschaft abgeführt werden. Vom GS des Vorgängersatzes ist in diesem Beispiel abzusehen, wenn man das Bezugselement angeben will. (5.25) ist allerdings der einzige Beleg, der im Corpus gefunden wurde. Informelle Infonrantenbefragungen ergaben eine große Unsicherheit bei Beispielen dieser Art. Es muß deshalb offenbleiben, ob bei Bezugselementen von Verwsisformen an der GS-Position in GVS vcm GS des Bezugselementes Satz abstrahiert werden kann.
5.1.3.2.2 Ausschluß von Teilen des P und von A (5.13) zeigte: Bei einigen GVS muß beim Bezugselament der Verweisform an der GS-Position von Teilen des P abstrahiert werden, was Polenz (1964), Kishitani (1965) und Stötzel (1966) nicht vorsehen (cf. 5.1.1 und 5.1.2.1). Nach Kallmeyer et al. (1974:215) gibt die Einweihung des Denkmals in (5.13) dati Leser/Hörer eine Anweisung, sein Wirklichkeitsmodell nach Elementen abzusuchen, die mit dieser Form in Verbindung gebracht werden könnten. Damit man das in diesem Abschnitt zu behandelnde Problem formulieren kann, muß das Wirklichkeitsnodell des Lesers/Hörers weiter differenziert werden. So nennt Wunderlich (1972) neben der realen Welt auch die Welt der Erinnerung usw.. Bei ihm sind Referenzmittel "spezifische Mittel ..., die dem Sprecher erlauben, sich auf die wahrnehmbare Umwelt oder auf erinnerte, vorweggenommene oder vorgestellte Welten zu beziehen" (Wunderlich 1972:93).
Die Einweihung des Denkmals ist dann nicht als Anweisung an den Leser/ Hörer zu verstehen, sein Modell der realen Welt nach Elementen abzusuchen, die mit dieser Form in Verbindung gebracht werden könnten. Dies würde zu keinem Ergebnis führen. Um das im Vorgängersatz von (5.13) beschriebene Ereignis zu finden, müßte der Leser/Hörer das Modell der 'Wünschwelt des Präsidenten' absuchen. Geht man von einer solchen Anweisung aus, ergibt sich eine Schwierigkeit bei der Erklärung, über was eine mögliche Adverbialbestimmung prädiziert wird. Legt man Referenzidentität von Bezugselanent und Verweisform zugrunde und versteht unter Referenz die Bezugnahme auf eine Welt (cf. Wunderlich 1972:93 und Kallmeyer et al. 1974:206), kann man z.B.
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im Vorgängersatz von (5.26) nicht von einer Hochzeit in der Traumwelt und im GVS von (5.26) von derselben Hochzeit in der realen Welt sprechen. (5.26) Hans sah sich im Traum mit Birgitt verheiratet. In Wirklichkeit wird diese Hochzeit erst geschehen. (5.26) zeigt weiter, daß von syntaktischen Einheiten wie im Traum, die nach Heringer (1973) als A zu analysieren wären, und vcm Tempus abstrahiert werden kann. Sie gehören nicht zum Bezugselement im oben beschriebenen Sinn. Brekle (1970:57:58) enthält den Ansatz zu einer Lösung: "Jeder aktualisierte Aussagesatz behauptet das Bestehen eines bestimmten Sachverhalts, d.h. ein Satz läßt sich zerlegen in einen semantischen Kern, den wir Satzbegriff nennen, und eine Anzahl von modalen Relationen wie Assertion, ... die den Satzbegriff bzw. einzelne Teile desselben in Beziehung zu bestimmten Ebenen der Kommunikation bringen ... Ein Satzbegriff ist ... neutral in bezug auf Wahrheit oder Falschheit des durch ihn bezeichneten Sachverhalts" . "Die Spezialisierung dieser Satzbegriffsstrukturen zu aktualen Satzstrukturen erfolgt mittels besonderer Modalkonstituenten, wie Assertion ..., die auf die Satzbegriffsstruktur einwirken". Brekle (1970) und Brekle (1973) verwenden den Begriff "Satzbegriffsstruktur" hauptsächlich bei der Analyse der Naninalkanposita des Englischen. Es wird jedoch die Ansicht vertreten, daß Satzbegriffsstrukturen prinzipiell auch bei Ncminalgruppen die Basis einer Beschreibung bilden sollten (cf. Brekle 1973:14). Dann kann aber von Modalangaben wie sollte auf Wunsch des Präsidenten in (5.13) und vom Tsnpus des P abstrahiert werden. Dies scheint die Voraussetzung zu sein, um das Bezugselanent der Verweisform - z.B. im GVS von (5.13) - beschreiben zu können. Geht man allerdings davon aus, daß auch von E abstrahiert werden kann (cf. 5.1.3.2.1), reicht eine Analyse, die nur bis zum Satzbegriff zurückgeht, nicht aus, da nicht mehr von einem Satzbegriff im Sinne von Brekle (1970) und Brekle (1973) gesprochen werden kann, wenn 10 eine E wegfällt. 9
Brekle (1973:12) präzisiert: " daß ich 'Assertion' als pragmatisch zu definierende Kategorie verstehe, also als das konstituierende Moment eines Sprachakts - unter anderen wie Frage, Befehl etc. - das über die Syntax und Semantik von Sätzen im engeren linguistischen Sinne hinausgreift in den Bereich von Sprechhandlungen". Cf. auch Brekle (1970:57:Anmerkung 19) 10 Cf. Brekle (1970:70-73). BogusZawski (1973:7) verdeutlicht den Problemkreis in einem anderen Zusammenhang äußerst anschaulich: "Another explanation will refer to the variables x, y ... It would be misleading to treat the variables as separate components of the semantic structure. The intrinsic property of a predicate is to have an object referred
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Deshalb soll die sich aus 5.1 ableitbare Anforderung an ein BeSchreibung smodell für GVS allgemein und unabhängig von speziellen Lösungsvorschlägen formuliert werden: Eine Beschreibungskategorie ist nötig, die von Tempus und Modusangaben usw. abstrahiert. Dann bezieht sich z.B. die Verweisform Die Einweihung des Denkmals in (5.13) auf diese Beschreibungskategorie. Die 'Zuordnung zu einer bestimmten Welt1 gehört nicht zu ihr (cf. 6.3.3). (5.13) repräsentiert allerdings nur eine bestimnte Klasse vcn Verweisungen in GVS. Nicht einleuchtend wäre es, auch in (5.27) einen Bezug auf die Satzbegriffsstruktur des Vorgängersatzes anzunehmen. (5.27) Hans ermordete Fritz. Dies geschah am Freitag. Als ersten Erklärungsversuch akzeptiert man eher: Im GVS wird auf ein Ereignis verwiesen, das durch den Vorgängersatz bereits beschrieben ist. Inwieweit sich dieser Vorschlag in eine Gesamtanalyse der GVS einfügt, zeigt Kapitel 6.
5.2
Wiederaufnahmefunktion des GV vs. Wiederaufnahmefunktion des GS
In 5.1.2.1 b) wurde angeführt: Nach Kishitani (1965) hat das Element es an der GS-Position von GVS eine Wiederaufnahmefunktion: ez vertritt Satzinhalte. Da Kishitani (1965:126f.) dieselbe Funktion auch geschehen zuschreibt, widerspricht sie sich: "Aber die beiden Verben geschehen und tuon interessieren uns • • • weil sie beide durch eine besondere Fähigkeit charakterisiert sind ... durch die Fähigkeit, etwas schon sprachlich Formuliertes wiederaufzunehmen". to ... the object being single or a set of a definite power. In other words, the predicate is one-, two-, three-place and the places have definite properties of their own. All of this is inherent in the predicate itself. The expression exchanged in its normal usage does not differ from the expression: A person has exchanged a thing for another thing with another person (provided no particular objects are meant). The situation described could be compared to that of a pipe: the wall and the hole do not exist separately. Neither does inlet or outlet. There exists no pipe without an inlet, nor an inlet outside the pipe. Exactly in the same way we cannot have the verb exchanged as such, deprived of any of its four 'positions'. If, then we use the symbols of variables in the place of possible arguments of the relation we do not do that with the purpose to designate any separate and mysterious semantic entities (these do not occur in the language) but in order to specify intrinsic properties of the predicate (which, to a certain extent, make up the predicate)".
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Wegen dieser Fähigkeit bezeichnet Kishitani (1965:130) geschehen als "Pro-Satz". "Man könnte eventuell Einwände erheben wie diese: ... bei 'geschehen' wird der vorausgehende Satz inhaltlich durch 'das' als Subjekt von 'geschehen' wiederaufgenommen. Trotz dieser Einwände kann man doch diesen zwei Verben [ =geschehen und tuon ] die Wiederaufnahmefunktion zuerkennen, da sie an der Prädikat-Stelle eines neuen Satzes auftreten können, ohne etwas Neues zu prädizieren". Steinitz (1971:27) zur Wiederaufnahmefunktion der GV: "Wenn - als eine mögliche Verfahrensweise - Pronomina beschreibbar sind als Einheiten, die für Klassen von Nomina stehen können ... dann könnten analog dazu die Verben in (45) [ =GV ] als eine Art von Pro-Formen für Verbklassen erklärt werden". Der Begriff 'stehen für' ist - nach Steinitz (1971:144) - zweifach zu interpretieren: "Für die in der traditionellen Grammatik übliche Erklärung 'ein Pronomen steht für ein Nomen' gibt es in der generativen Grammatik mehrere Explikationsmöglichkeiten. Als zutreffendere Ausgangsformulierung nehmen wir aber an: 'Ein Pronomen steht an der Stelle einer NP'. Die Ambiguität in dieser Ausdrucksweise ist beabsichtigt. Eine Pro-Form steht a n s t e l l e einer unveränderten ReOkkurrenz eines Vorgänger-Nomens, nur insofern e r s e t z t sie die 'volle Form1. Andererseits steht sie auch in der syntaktischen P o s i t i o n von NP, als Träger der Referenz-Kennzeichnung". Steinitz (1971) stimnt scmit mit Kishitani (1965) darin übetein, daß GV in GVS als Vervreisformen zu betrachten sind. Sie behandelt allerdings hauptsächlich andere "Pro-Elemente" (cf. Steinitz 1971:143-153). Für die Pro-Verben hält sie analoge oder ähnliche Regularitäten für möglich (cf. Steinitz 1971:145 und Steinitz 1971:200: Anmerkimg 51). Weiterführend ist ein Hinweis in Steinitz (1971:200:Anmerkung 51) auf IsaCenko (1965:172f.), der ebenfalls Verben als Pro-Formen behandelt. "Das Verb des F-Satzes kann unter bestimmten Voraussetzungen im A-Satz durch ein pronominales Verb-Substitut ersetzt werden, und zwar unabhängig davon, ob der F-Satz eine Entscheidungs- oder eine Ergänzungsfrage enthält: (42) F A'
Turnt Peter? Ja, er tut es/Ja, das tut er.
(43) F A'
Wo turnt Peter? Er tut es im Garten.
Als Verb-Substitute fungieren hier die Verbindungen es tun bzw. das tun". Welte (1974:456) nennt tun in der folgenden Definition als Vertreter der Pro-Verben.
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"Pro-Formen ... sind sprachliche Einheiten mit Stellvertreterfunktion ('Substitute'); zu ihnen zählen u.a. 'Pro-Nomina' ..., 'ProVerben' (Stellvertreter für Verben)".
Als Beispiel führt Welte (1974:457) ein Textstück aus Frage- und Antvrortsatz an: "A: Fährt Ihr Mann immer noch jedes Wochenende in die Berge? schon lange nicht mehr ti
Dressler (1972:25) gehraucht den Begriff Pro-Form entsprechend. Er stellt die Regel auf: "Uberhaupt gibt es keine Sätze als Pro-Formen; etwa (34a) Sie tat es ist keine einzige Pro-Form, sondern besteht aus zwei oder drei Pro-Formen, wie man bei Vertauschproben sofort sieht, z.B. (34b) Die Frau tat es/dies/das. (34c)
Sie kochte das Fleisch/es"
(Dressler
1972:27).
Die Feststellung von Isaöenko (196511-73), daß die "Verbindungen es tun bzw. das tun" als "Verb-Substitute" fungieren, macht allerdings klar, daß die Ersetzung von es durch dies, das nicht als Beweis für die These angesehen werden kann, (34a) in Dressler (1972:27) bestehe aus drei ProFormen, da dies, das selbst Pro-Formen sind und inner nur der Komplex aus E2+PT ersetzbar ist, nicht aber die einzelne syntaktische Einheit. (5.28) Die Frau kochte
es.
(5.28) ist kein Gegenbeispiel, da es in (5.28) ein Dingargument (das Fleisch, die Suppe) ersetzt, das in (34b) in Dressler (1972:27) nicht anstelle von es stehen kann. (5.29) •Die Frau
tat das
Fleisch.
Es ist deshalb sinnvoll, von zwei Pro-Formen zu sprechen, wobei sich die eine (E2+PT) aus zwei Elementen konstituiert. Kallmeyer et al. (1974:243) führen das - im Vergleich zu Pro-Formen für NP - unterschiedliche Verhalten der Pro-Verben machen und tun ebenfalls an: "... verweisen die Formen macht und tut nicht isoliert, sondern nur in Kombination mit einem als Verweisform realisierten Zweitaktanten, z.B. das bzw. diesen Unsinn. Genaugenommen müßte die Eintragung ... lauten: machen + nicht-referentielle/referentielle Verweisform, bzw. tun + nicht-referentielle/referentielle Verweis form" .
Die an machen und tun gewonnenen Ergebnisse lassen sich für die GVS auswerten.
100
(5.30) (5.31) (5.32) (5.33)
Die Frau kochte das Fleisch ungern. Die Frau kochte das Fleisch. Sie tat es ungern. Hans ermordete Fritz, obwohl es dafür kein Motiv gab. Hans ermordete Fritz. Dies geschah, obwohl es dafür kein Motiv gab.
Genauso wie man in (5.31) den Kcmplex aus E2+PT als Pro-Form bezeichnen kann, die sich aus zwei Elementen konstituiert, kann ran Im GVS in (5.33) von einer Pro-Form aus GS+PT sprechen. Dies hebt den Widerspruch in Kishitani (1965) auf, zwsi Pro-Formen - die eine an der GS-Positian, die andere ein der PT-Positian - in GVS anzunehmen, die beide das gleiche Bezugselement haben. Andererseits wäre Dies geschah als Pro-Form ein Satz, was nach Dressler (1972:27) nicht möglich ist. überprüft man jedoch, unter welchen Bedingungen GVS von Typ Dies geschah akzeptabel sind, zeigt sich, daß zwischen GVS wie in (5.33) und GVS wie in (5.35) zu unterscheiden ist. (5.34) Hans wohl (5.35) Hans Dies
sollte Fritz um 15 Uhr am Hauptbahnhof ermorden, obes dafür kein Motiv gab. sollte Fritz um 15 Uhr am Hauptbahnhof ermorden. geschah, obwohl es dafür kein Motiv gab.
(5.32) kann als Paraphrase zu (5.33) verstanden werden, nicht aber (5.34) zu (5.35). Im GVS von (5.35) ist es nur möglich, das Element an der GS-Position zu ersetzen (= (5.36)), nicht das PT (= (5.37)) und auch nicht den Komplex aus GS+PT (= (5.34)). (5.36) Der Mord geschah, obwohl es dafür kein Motiv gab. (5.37) •Dies ermordete, obwohl es dafür kein Motiv gab.
Die Kontrastierung von (5.34), (5.35) mit (5.32), (5.33) zeigt eine weitere Besonderheit. Im GVS von (5.35) ist die A weglaßbar, ohne daß (5.35) unakzeptabel wird (= (5.38)). Im GVS von (5.33) ist sie nicht weglaßbar (= (5.39)). (5.38) Hans sollte Fritz um 15 Uhr am Hauptbahnhof Dies geschah.
ermorden.
(5.39) Hans ermordete Fritz. •Dies geschah.
Folglich gibt es zwei Arten von GVS. In GVS von Typ (5.33) ist das GV zusanmen mit dem Element an der GS-Position Pro-Porm. Sie steht für pinen oder mehrere Sätze, die mit Hilfe einer syntaktischen Transformation an die Stelle von GS+GV treten können. Kennzeichen dieser GVS ist, daß sie eine A enthalten müssen. Ein GVS der zweiten Art liegt in (5.35) vor. In diesem GVS ist das GV nicht Element einer Pro-Form aus GS+PT, Die A kann entfallen. Diese Beobachtung spielt in der sich anschließenden Gesamtanalyse der GVS eine wichtige Bolle.
6
dSAMEANALYSE DER GVS
6.1
Die Zuordnung der GVS zu Satzmodellen
In einigen Arbeiten der traditionellen Grammatik (z.B. Grete et al. 1966, Erben 1972, Brinkmann 1971) wird die Verbeinteilung auf der Grundlage der "Zahl der notwendigen Ergänzungen zum Verb ... häufig exemplifiziert anhand der Darstellung typischer Satzstrukturen (an sog. 'Satzmodellen', 'Grundformen deutscher Sätze' bzw. 'Satzplänen')" (Stötzel 1970:106f,). Diesen Satzmodellen sind inhaltliche Interpretationen zugeordnet.1 Gegen dieses Verfahren und gegen die konkret aufgestellten Satzbaupläne bringt Stötzel (1970:Kapitel 5) Einwände vor: Er kritisiert hauptsächlich, daß "wenig über die
G e w i n n u n g
der Klassifikationska-
tegorien" (Stötzel 1970:149) zu erfahren ist und daß "Inhalts- und ausdruckssyntaktische Typologien, die an sich gleichen Wert haben und sich kcrplementär verhalten" (Stötzel 1970:147), nicht sauber voneinander getrennt sind. Nach Stötzel (1970:147) werten die " j V A
B e o u
egriffe der S a t z g l i e d l e h r e , w i e Subkt und O b j e k t . . . m e i s t u n t e r der r a u s s e t z u n g v e r w e n d e t , daß sich s d r u c k s - und I n h a l t s s e i t e decken".
"Somit besteht im Augenblick die Gefahr, daß in Fortsetzung des altehrwürdigen Streits um Subjekt- und Objektbegriff auch die von der deutschen Syntaxforschung als wichtig erkannten Valenztypologien nach Ausdrucks- und Inhaltsseite vereinseitigt oder vermischt werden, d.h. daß Ausdrucks- als Inhaltseinheiten interpretiert werden" (Stötzel 1970:151). Ähnlich Heibig (1971:45):
1
Z.B. in Brinkmann (1971:522): "Unsere Sprache verfügt über eine begrenzte Anzahl von Modellen, nach denen Sätze gebildet und verstanden werden. Diese Satzmodelle sind g r a m m a t i s c h gekennzeichnet durch die Kombination der Wortklassen und Wortformen, die sie fordern oder zulassen [Querverweis auf Erben (1968:§ 148)] ; ... i n h a l t l i c h durch eine je besondere Weise, die zugrunde liegende Situation zu interpretieren [Querverweis auf Weisgerber (1963a:117)]".
102
"Das Modell [ = Valenzmodell von Heibig ] liefert eine einheitliche Basis für die Aufstellung von Satzmodellen im Unterschied zu den bisher angebotenen Arten von Satzmodellen, Satzmustern, Satztypen, Satzbauplänen usw., bei denen in den meisten Fällen Ansatzpunkte verschiedener Ebenen in unzulässiger Weise vermischt worden sind und von Termini wie Handlungs-, Vorgangssatz usw. ausgegangen worden ist, die außerlinguistischer Art sind, denen keine eindeutigen syntaktischen Kriterien entsprechen und unter denen verschiedene Linguisten nicht immer dasselbe verstehen ... Die - vor allem in den inhaltbezogenen und funktionalen Grammatiken - weitverbreitete Satztypologie ... stützt sich außerdem auf die unbegründete Annahme von einem invarianten Inhaltswert der einzelnen Kasus".
Dieser Kritik wird - soweit sie in keinem direkten Bezug zu den GVS steht - nicht weiter nachgegangen. Die Beobachtungen, die bei der Zuordnung der GVS zu den einzelnen Satzmodellen gemacht werden können, rechtfertigen sie jedoch für diesen Bereich der Grarnretik. Die Zuordnung richtet sich nach der Wertigkeit der GV, die aufgrund syntaktischer Überlegungen (cf. z.B. Erben 1964:§ 273 und Anmerkung 4: Seite 232) oder auch aufgrund ihrer Semantik (z.B. Brinkmann 1971) unterschiedlich festgelegt wird (cf. 4.1.3.2). Semit findet man die GVS in mehreren Satzmodellen als Beispielsätze wieder. Da den einzelnen Satzmodellen unterschiedliche inhaltliche Interpretationen beigegeben werden, muß es auch zu verschiedenen inhaltlichen Interpretationen der GVS kommen, was sich als unzutreffend erweist. Besprochen werden Grebe et al. (1966) und Brinkmann (1971), die beide über die Formel, die GVS beschreiben ein Ereignis, hinausgehen, a) Grebe et al. (1966) Die GVS treten - ohne daß eine Verbindung hergestellt würde - in zwei verschiedenen Satzmodellen auf. a.|) GVS vcm Typ Ein Mord geschah zählen zur Grundform der ergänzungslosen Sätze. "Gemeinsam ist den Sätzen ..., daß wir bei ihnen vor in sich ruhenden Zuständen, Vorgängen oder Tätigkeiten stehen" (Grebe et al. 1966:§ 5115).
Innerhalb dieser Einordnung gehören sie nach Grebe et al. (1966: § 5115) zu denen, die "durch eine Subjektsbeschränkung ... gekennzeichnet sind", was sich inhaltlich dahingehend auswirkt, daß das "Subjekt als Geschehensträger neutralisiert ist und daß dadurch das Geschehen selbst zum eigentlichen Inhalt der Setzung wird" (Grebe et al. 1966:§ 5115).
103
a G V S van Typ Das Unglück ereignete sich am Bahnhof (Grebe et al. 1966:§ 5260) und Mancher Mord geschieht aus Eifersucht (Grebe et al. 1966:§ 5300) treten in der Grundform der "Sätze mit eingliedriger Ergänzung" auf. Der hier angeführten Gruppe mit "Raum- und Zeitergänzung" (Grebe et al. 1966:§5260) ordnen (Grebe et al. 1966:§ 5275) die inhaltliche Deutung zu: "Zustands-, Vorgangs- und Tätigkeitssätze, in denen das Verhalten des Subjekts räum- oder zeitgebunden ist".
Sätze der Gruppe mit "Begründungsergänzung" stehen, "wenn ein Vorgang - von Raum und Zeit gelöst - einmal an sich betrachtet werden soll: ... Wir sprechen in diesen Fällen von Vorgängen, die notwendig kausalbestimmt sind" (Grebe et al. 1966: § 5300).
Die Definitionen erweisen sich für die GVS in manchen Punkten als unbrauchbar. Besteht ein GVS nur aus P, GS und Raum- oder Zeitergänzung, so sagt die Feststellung, das GS sei "räum- oder zeitgebunden" praktisch nichts aus. Das gleiche gilt für GVS mit Begründungsergänzungen, die weder Raum- noch Zeitangaben bei sich haben. Der Grund ist, daß Grebe et al. (1966) die Kriterien, die über die Feststellung hinausgehen, es handle sich um einen Vorgang, ein Geschehen usw., direkt aus den A entnehmen. Da die A jedoch nur wenigen Beschränkungen unterliegen (cf. 3.1), erscheinen Definitionen dieser Art nicht sinnvoll. Die 'Neutralisierung des Subjekts', die Grebe et al. (1966) bei den "ergänzungslosen" GVS feststellen, ist in dem Merkmal '-Person' enthalten, das auch Brinkmann (1971) nennt (cf. 2.2.1.1). In der Analyse von 2.2 findet es sich in der Zuordnung der Elemente an der GS-Position zur semantischen Kategorie Ereignis wieder. Folglich erweist sich in Grebe et al. (1966) allein als weiterführend, daß "das Geschehen seilst ... zum eigentlichen Inhalt der Setzung" wird, b) Brinkmann (1971) Die GV (= die beschränkt einwertigen Verben cf.4.1.3.2) bilden die Grundlage eines Satzmodelles, das Brinkmann (1971:546) unter der Überschrift "Das Leben als Schicksal" behandelt. Das Geschehen wird "unabhängig von den Gesprächspartnern" dargestellt. Er spricht von einer Variante, wenn eine Bestinnung Im Dativ hinzutritt. "Die Person, für die das Geschehnis zutrifft, steht im Dativ" (Brinkmann 1971:547). Eine ähnliche Auffassung vertritt schon Brinknann (1962b: 121) (die
104
beschränkt einwertigen Verben erscheinen als vierte Schicht der Verbeinteilung) : "Eine vierte Schicht von Verben, die nicht sehr umfangreich ist, schließt einen Bezug auf Personen aus (geschehen). Das bedeutet, daß sie das Leben immer außerhalb des Gespräches halten, weil weder Sprecher noch Hörer verantwortlich sein können für das, was sich in ihnen darstellt. In ihnen kommt das Leben als Geschehen zu Wort (gelingen, mißlingen, sich ereignen, passieren)".
Diese Interpretation ist zu korrigieren. Zur Verantwortlichkeit des Sprechers oder Hörers hinsichtlich des in einsn GVS geäußerten Inhaltes besteht - wie (6.1) zeigt - kein Bezug. (6.1) Gestern erschlug ich meinen Freund mit dem Beil. Dies geschah wohlüberlegt. Ich wußte sehr wohl, welche Verantwortung ich mir dadurch auferlegte.
Heranzuziehen ist im Zusanmenhang von 6.1b auch eine Beobachtung, die Brinkmann (1971:209) bei der Behandlung der Reflexiva macht. "Während persönliche Reflexiva einen Prozeß subjektivieren können, treten sachliche Reflexiva in den Dienst einer Objektivierung, die den Vorgängen ein vom Menschen unabhängiges Dasein zuspricht: Da tut sich etwas - das gibt sich - Das trifft sich gut. Geschehen kann so gefaßt werden: (es) ereignet/begibt
sich, trägt sich zu, spielt sich ab.
Vor allem wissenschaftliche Sprache bedient sich solcher Objektivierung, die Vorgänge und Erkenntnisse nach eigenem Gesetz ablaufen läßt".
Es hat sich scmit gezeigt, daß die bisherigen Versuche, den GVS auf der Grundlage der Satzmodelle eine inhaltliche Interpretation zuzuordnen, problematisch sind. Wichtig erscheint: In GVS wird der 'Vorgang an sich' betrachtet (cf. 6.4).
6.2
Interpretationen auf der Grundlage: GV sind "Quasi-Symbole"
4.2.1.1 zeigte: Einige Forscher fassen aufgrund des Merkmals 'inhaltsarm' bzw. 'inhaltslos' die GV entweder mit der A zu einer Einheit zusanmen (= Lyons 197-1) oder mit dem GS (= Erben 1964, Erben 1972, Polenz 1964, Griesbach/Schulz 1967 und Popadic 1971): a)
Erben (1964:§ 115) (entspricht Erben 1972:§ 233): "Bei einer Gruppe mehr oder minder inhaltsarmer Verben (verba abstracta) bezeichnet ein begriffergänzendes Nennwort, als eigentliches nomen actionis, das S e i e n d e , G e s c h e h e n d e ".
105
b)
Griesbach/Schulz (1967:337) (cf. auch 4.2.1.4): "Auch der Funktionsteil SUBJEKT kann die Aufgabe erhalten, ein Geschehen oder ein Sein zu beschreiben. Es ist dann Prädikatsergänzung und wird wegen seiner formalen Funktion innerhalb des Satzgefüges PRÄDIKATSSUBJEKT genannt". Polenz (1964), Popadic (1971) und Lyons (1971) wurden bereits in 4.1
zitiert, wo es um die Folgen dieser Entscheidung für die syntaktische Einordnung der GV ging. Gemeinsam ist allen, daß immer die A über das GS prädiziert wird. Entsprechend Bartsch (1972:332): "Daher ist in den Sätzen mit einer definiten Deskription als Satzsubjekt eine adverbiale Ergänzung notwendig, die nichts weiter ist als die notwendige Prädikation, die zu erfolgen hat, wenn man einen Individuenterm - z.B. eine definite Deskription oder einen Eigennamen - äußert. D.h. '(iv)G(v)' - z.B. 'der Unfall mit der Rehgruppe' - ist nicht als gemäß den FormationsregeIn als alleinstehender Ausdruck erzeugbar, sondern nur in einer Prädikation zu gebrauchen ... Diese Prädikation kann insbesondere eine adverbiale Ergänzung sein". Wie sind nun die 1Restbedeutungen' der GV in eine Gesamtanalyse zu integrieren? Polenz (1964:3) nennt für erfolgen folgendes Anwendungsschema: Zuerst wird "ein Vorgangsbegriff verbal ausgedrückt ... und dann in substantivischer Form wiederaufgenommen ... Diese Substantivierung ergibt sich jedesmal aus der Notwendigkeit, den vorher verbal bezeichneten Vorgang noch einmal ganz kurz, also in einem Wort zu wiederholen, um ihn selbst zum Subjekt eines neuen Satzes zu machen • . . Diese substantivierende Wiederaufnahme des Vorgangsbegriffs verlangt nach einem neuen Verbum, das den im Satzwort aufgehobenen Vorgangsbegriff im neuen Satz wieder aktiviert; denn von dem im Substantiv vergegenständlichten Vorgang ... muß jetzt wieder gesagt werden, daß er 'geschieht"'. Polenz (1964) befaßt sich ausschließlich mit GVS van Typ Der Mord geschah am Freitag, bei denen sich das GS als definite Deskripticn verstehen läßt. Warum muß dann aber von dem Ereignis an der GS-Positicn erneut gesagt werden, daß es 'geschieht'? Da es bereits vor der Äußerung des GVS 'verbal' ausgedrückt wurde, würde eine bereits genochte Aussage wiederholt. Die gleiche Schwierigkeit tritt in Kishitani (1965) auf: Wie in 5.2 gezeigt, widersprechen sich Aussagen über die Funktion der Elemente an der GS-Position und Aussagen über die Funktion des P. Versucht man die als feilsch erkannten herauszulösen, bleibt als Analyse bestehen: ez nimmt
106
den Inhalt des vorausgehenden bzw. nachfolgenden Satzes bzw. Kontextes wieder auf. geschehen fügt die "Realisierung" hinzu. Vermeidet man die erkannten Fehler, ergibt sich für GVS mit A: Die A wird über das GS prädiziert. Man erhält den Satzbegriff (prqposition). Äußert ein Sprecher Der Mord, geschah, am Freitag^ behauptet er das Zutreffen des Prädikats am Freitag auf der Mord. Die Existenz des Ereignisses, das durch Mord beschreibbar ist, wird nicht behauptet, sie ist präsuppo2 niert. Modus, Aspekt usw. sind weitere Relationen, "die den Satzbegriff bzw. einzelne Teile desselben in Beziehung zu bestimmten Ebenen der Kommunikation bringen" (Brekle 1970:57). Folglich wären alle 1Restbedeutungen' der GV zu deuten als Komponenten, die nicht zum Satzbegriff gehören. Dies stützt die Auffassung, die GV seien in der semantischen Analyse Quasi-Symbole im Sinne von Lyons (1971). 6.3
GVS als Existenzaussagen
Interpretiert man das GV in GVS als Quasi-Symbol mit der Funktion, die Kanponenten Assertion, Modus, Aspekt usw. oberflächenstrukturell darzustellen, treten in GVS van Typ Ein Mord geschah Schwierigkeiten auf. Im Gegensatz zu Der Mord geschah am Freitag ist Mord nicht mehr präsupponiert, und das Prädikat ist entfallen.
6.3.1
Darstellung der GV als Existenzquantoren
Der Vorschlag von Bartsch (1972:331 f.) scheint die Schwierigkeiten zu beheben. Das GV in Ein Mord geschah wäre als Existenzquantor für Ereignisse zu deuten (cf. 5.1.1). Ein Nachteil wurde bereits in 5.1.1 diskutiert: Eine definite NP, die nicht gleichzeitig eine definite Deskription darstellt, ist von einer indefiniten NP nicht zu unterscheiden. In beiden Fällen muß (6.2) als logisch-semantische Strukturbeschreibung gewählt werden. (6.2)
2
(Ev)Mord(v)
Dies trifft hier deshalb zu, weil beide Autoren nur GVS behandeln, in denen das GS als definite Deskription anzusehen ist (cf. aber 5).
107
Weitere Schwierigkeiten zeigen sich, wenn iran die Diskussion um die Existenzaussagen von Lebewesen und Sachen in der Sprachphilosophie heranzieht: "Da für ihn [= Russell] logische Eigennamen per definitionem Namen von Existierendem sind - eine Aussage wie 'Dies existiert1 wäre demzufolge sinnlos -, muß sie nur für solche Aussagen vorgenommen werden, deren grammatische Subjekte definite oder indefinite Beschreibungen oder unechte Eigennamen (z.B. Pegasus), d.h. verkappte Kennzeichnungen (das geflügelte Pferd, das von Bellerophon erbeutet wurde) sind. Sowohl allgemeine Existenzaussagen wie etwa (1) 'Schwarze Schafe existieren1, als auch singulare wie etwa (2) 'Der Entdecker des Krebserregers existiert nicht' sind in eine logisch korrekte Standardform zu bringen, wenn sich die eigentliche, d.i. die logische Bedeutung von Existenz entdecken soll. Für (1) ergibt sich dann folgende Umformulierung (l'):Vx (x ist ein schwarzes Schaf) ... Eine definite Beschreibung ist nach Russell ein unvollständiges Zeichen, da es rein für sich genommen nichts bezeichnet, sondern nur in einem umfassenderen Kontext sinnvoll ist. Aussagen (sowohl Prädikationen als auch Existenzaussagen), in denen solche Beschreibungen vorkommen, sind daher jeweils durch eine äquivalente Konjunktion von Aussagen zu ersetzen, die keine Beschreibung mehr enthält ... (2) muß daher wie folgt umfonnuliert werden (21): 'Es gibt kein x, für das gilt: x entdeckte den Krebserreger, und jedes y, das den Krebserreger entdeckte, ist mit x identisch'" (Schirn 1974:19f.). Diesem Verfahren folgt Bartsch (1972:331f.). Danach steht (6.2) für (6.3). (6.3) Ein Mord
geschieht.
(6.2) für (6.3) hat dieselbe Struktur, die nach dem Vorschlag von Rüssel auch (6.4) zukcnmt (= (6.5)). (6.4) Ein Stuhl (6.5)
existiert.
(Ex)Stuhl(x)
Der einzige Unterschied besteht darin, daß Bartsch (1972) auch Ereignisse^ Vorgänge^ usw. als Argumente verwendet. Was bedeutet aber der Existenzquantor in diesem Zusartmenhang? Schirn (1974:20) erklärt es am Beispiel Sahwarze Schafe existieren (= (1) im Zitat), dem die Beschreibung "(Vx) (x ist ein schwarzes Schaf)" zugeordnet wird und nacht die Grenzen dieser Iösung deutlich: "... d.h. 'es gibt etwas, das ein schwarzes Schaf ist' oder 'x ist ein schwarzes Schaf' ist manchmal wahr'. Durch die so interpretierte Existenzbehauptung wird deutlich, daß sich Existenz nicht von Individuen (Partikulärem), sondern nur von Satzfunktionen (offenen Sätzen) bzw. Klassen (Individuenbereichen) aussagen läßt. Die Behauptung, daß eine gegebene Satzfunktion manchmal wahr ist, ist äquivalent mit der Behauptung, daß die entsprechende Klasse erfüllt ist, d.h. mindestens ein Element enthält, d.h. nicht identisch mit der Nullklasse ist".
108
Danach ist (6.6) die Umschreibung für (6.3). (6.6) x [=Sprecher des Satzes: Ein Mord geschieht] behauptet: v ist ein Mord ist manchmal wahr.
In der natürlichen Sprache wird aber mit (6.3) nicht behauptet, daß die Klasse der Ereignisse, die durch Mord beschreibbar sind, in der realen Welt mindestens ein Element enthält. Die Interpretation wäre noch eher möglich für (6.7). (6.7) Morde geschehen. (6.8) X Q [=Sprecher des Satzes: Morde geschehen] behauptet: v ist ein Mord ist manchmal wahr.
Diese Schwäche der Analyse und der bereits in 5.1 fannulierte Einwand erscheinen Grund genug, den Rahmen des erweiterten prädikatenlogischen Modells von Bartsch (1972) zu verlassen und eine Darstellung der GVS außerhalb dieses Modells zu versuchen. Der Grundgedanke, der präzisiert wsrden soll, ist: In GVS wie Ein Mord geschieht wird die Existenz des Ereignisses Mord behauptet im Gegensatz zu GVS wie Der Mord geschieht am Freitag, in dem die Existenz des Ereignisses, das durch Mord beschreibbar ist, in der realen Welt präsupponiert und das Zutreffen des Prädikats am Freitag behauptet wird. Was heißt aber die Formel 'die Existenz wird behauptet'?
6.3.2
Darstellung der GV als logische Prädikate
Syntaktisch gesehen besteht zwischen dem P in Ein Mord geschieht und dem in (6.9) kein Unterschied. (6.9) Ein Stuhl
zerbricht.
Es liegt deshalb nahe, die gleiche logisch-semantische Struktur zu benutzen. (6.10) (Ev)Mord(v) .gescheh-(v) (6.11)
(Ex)Stuhl(x).zerbrech-(x)
geschehen in GVS von Typ Ein Mord geschieht wäre dann Prädikat mit der Bedeutung 'existieren'. Die GV würden aufgeteilt in die Klasse der Hilfsverben - der Quasi-Symbole - und die der Vollverben (Grundbedeutung 'existieren'). Die Einwände sind die gleichen, die gegen die Darstellung von existieren in Ein Stuhl existiert als logisches Prädikat erhoben werden: "Wenn man von irgendeinem Gegenstand etwas prädiziert, so setzt man dadurch, daß man mit Hilfe eines singulären Terminus'
109
(Eigenname, definite Beschreibung) oder eines Pronomens identifizierend auf ihn Bezug nimmt, implizit voraus, daß der betreffende Gegenstand existiert; in symbolischer Schreibweise: Fa-»Vx(x=a). Damit würde eine affirmative singulare Existenzbehauptung zu einer tautologischen Feststellung werden, da man mit dem Wort 'existiert' in der Aussage 'a existiert' dem durch 'a' bezeichneten Gegenstand lediglich das zuspräche, was durch den Gebrauch von 'a' bereits impliziert ist. Eine negative singulare Existenzaussage würde dagegen einen Widerspruch darstellen, da man einem Gegenstand offenbar nicht etwas implizit zusprechen und zugleich explizit absprechen kann" (Schirn 1974:19). Folglich können in einem prädikatenlogischen Modell der Art, wie es in Bartsch (1972) und im obigen Zitat vorausgesetzt ist, GV nicht als logische Prädikate dargestellt werden. Die in 5.1.3.2.2 diskutierten Beispiele machen außerdem deutlich, daß in der natürlichen Sprache nicht inmer die Existenz eines Gegenstandes oder Ereignisses in der realen Welt vorausgesetzt ist, wann man mit einem Pranonen oder einer definiten Beschreibung darauf Bezug nimtit. Gerade aus diesem Grunde gibt es Kontexte, in denen GVS ohne A akzeptabel sind.
6.3.3
Explizite 1existenziale Zuordnung' und pragmatische Erwartung
Nach Pears (1974:133) spricht man in Existenzaussagen - genauso wie in solchen, in denen über ein Individuum prädiziert wird (z.B. Tiger sind gestreift) - über etwas und fügt etwas hinzu. "... denn zu sagen, daß ein Begriff auf Fälle in der Wirklichkeit zutrifft, bedeutet gewiß, ihm etwas hinzuzufügen, selbst wenn das Hinzugefügte sonderbar ist. Und es ist sonderbar, weil es davon verschieden ist, was dem Begriff 'Tiger' durch die Behauptung, daß Tiger gestreift sind, hinzugefügt wird ... In ähnlicher Weise ist es zu ungenau zu sagen, daß, wenn ich die Existenz von Tigern behaupte, ich überhaupt nichts über Tiger sage. Denn auch dies ist insofern falsch, als jemand, der gefragt würde, worüber ich gesprochen habe, ganz korrekt antworten könnte: 'Tiger'". Außerdem treten die in 6.3.2 angesprochene Tautologie und der Widerspruch nicht in allen Existenzaussagen auf. Sie entfallen z.B., wenn der Gegenstand bzw. das Individuum in der Existenzaussage mit der Präsupposition verbunden ist, das Element existiere in einer fiktiven Welt, wohingegen die Existenz in der reellen Welt behauptet wird. "Z.B. könnte ich auf eine Person in 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit' verweisen und sagen, daß sie im wirklichen Leben existierte, Xn diesem Fall würde der Subjektausdruck meiner
110
Auasage - der Name der Person - Existenz allein in der von Proust geschaffenen Welt implizieren; und wenn ich ferner behauptete, daß jene Person auch im wirklichen Leben existierte, würde ich folglich etwas Neues hinzufügen" (Pears 1974:135). Angevrendet auf die GVS ohne A heißt das: (6.12) •Der Mord (6.13) Ein Mord
geschieht. geschieht.
Liegt in (6.12) definite Deskription vor, wird die Existenz des Ereignisses in der realen Welt, das durch das Element an der GS-Position wiedergegeben ist, präsupponiert. Durch geschieht wird die Existenz des Ereignisses, das Mord beschreibt, behauptet. Die Existenz in der realen Welt ist folglich präsupponiert und wird gleichzeitig behauptet, was einer pragmatischen Erwartung widerspricht: "Wenn also ein Text gar keine neue Information bringt, so erfüllt er die Erwartungen des Hörers/Lesers vollständig bis auf eine, nämlich die pragmatische Erwartung, daß ein Text neue Information bringen soll (vgl. II.3.1.2.). Wir werden also schon deshalb zwischen semantischen und pragmatischen Erwartungen unterscheiden müssen. Letztere beziehen sich auf den Charakter des Sprechers oder des Texttyps" (Dressler 1972:56). In (6.13) wird dagegen die Existenz des Ereignisses 'Mord' in der realen Welt behauptet, ein Informationsfortschritt. Die Formulierung 'die Existenz eines Ereignisses behaupten' läßt sich nun wie folgt erklären: Dem Ereignis an der GS-Position wird in GVS ohne A explizit eine existenziale Zuordnung beigegeben. Die mögliche Welt (reale Welt, Fiktion usw.), in der das Ereignis an der GS-Position anzusiedeln ist, wird damit bestinmt. Erst nach dieser Zuordnung ist es möglich, die Aussage als wahr oder falsch zu interpretieren.
Setzt man voraus, daß in (6.12) kei-
ne definite Deskription vorliegt, ist die Existenz des Ereignisses in der realen Welt, das durch Mord beschrieben wird, auch nicht präsupponiert. (6.12) ist dann genau wie (6.13) akzeptabel, da die existenziale Zuordnung eine neue Information bringt.
3
Cf. Schirn (1974:24) in bezug auf Pears (1974): "Pears sieht zwar, daß und inwiefern sich dieses vollständige Existenzial der Gefahr einer Tautologie entzieht ..., erkennt jedoch nicht, daß 'existiert' nicht mehr als Bestimmung an etwas auftritt, sondern sich in seiner Zuordnungsfunktion zu erkennen gibt". Cf. auch Schirn (1974:25): "Existenziale sind Basissätze des Verstehens, da sich jede Prädikation nur auf der Basis einer existenzialen Zuordnung (implizit oder explizit) von Grund auf verstehen läßt". Schirn (1974:25;Anmerkung 22) verweist auf Marten (1972:86ff.).
111
Der Unterschied zu Existenzaussagen von Gegenständen besteht darin, daß Sätze wie (6.14) nur sehr selten - wenn überhaupt - geäußert werden. (6.14) ? Ein Stuhl existiert. Ich sitze auf ihm. Die existenziale Zuordnung von Gegenständen erfolgt meist implizit, d.h. sie tritt als Präsupposition auf, ohne zuvor behauptet vrorden zu sein. Dies nacht auch die Künstlichkeit der Beispiele in der Diskussion um die Existenzaussagen bei Russell und anderen aus (cf. Schirn 1974:19-22). Bei Existenzaussagen über Ereignisse steht dagegen mit den GVS ein Mittel zur Verfügung, die existenziale Zuordnung explizit vorzunehmen. Im Textabschnitt (6.15) wird diese Funktion der GVS sehr deutlich. (6.15) "Es war ein Traum", sagte sie. Ihre Stimme klang automatisch, mechanisch, beängstigend. Der Rabbiner dachte an die Intuition des Kindes und war sich klar, daß er sehr vorsichtig vorgehen mußte. Denn er kannte aus einer psychotherapeutischen Ausbildung die Gefahren der leidenschaftlichen Verneinung. Er wußte ungefähr, was er tun mußte, aber was er nicht wußte, war, wie weit Theresa gegangen war. Aber wenn er sie nur so weit bekommen konnte, daß sie sagte, daß das, was sie zu träumen geglaubt hatte, tatsächlich geschehen war ... Er ließ sie sich setzen. "So etwas Ähnliches ist mir auch einmal geschehen." "Geschehen?" "Ich bin mir nicht sicher, welches Kort ich gebrauchen sollte. Ich bin mir nicht sicher, daß 'Traum' wirklich das richtige Wort ist. Es ist so verwirrend, nicht wahr, wenn wir mit unheimlichen Phänomenen konfrontiert werden? Automatisch schrecken wir vor der Möglichkeit zurück, daß etwas vollkommen Unerklärliches geschehen könnte. Es wäre viel besser, wenn wir es träumten! Wir möchten in einer heilen Welt leben. Alles was in Widerspruch dazu steht, prüfen wir und lehnen es ab. Ich wünschte, ich wäre mir sicher, daß meine Sache nur ein Traum war. Wohlgemerkt es gibt Leute, die guten Grund haben, mich überzeugen zu wollen, daß es ein Traum war!" Theresa sah ihn forschend an. "Sie müssen es doch bestimmt wissen?" Er war so vorsichtig, sie seinerseits nicht anzusehen. "Ich bin mir nicht sicher, daß ich das wirklich tue • • • Ich glaube be, daß es manchmal schwer ist, den Unterschied zwischen Phantasie und Wirklichkeit zu erkennen • •• Sie sah ihn an. "Sie versuchen, mir etwas zu sagen." "Ist es Ihnen noch nicht eingefallen, daß wir beide Opfer der gleichen Sache sein könnten? Es gibt ein Wort, Schwester, das wir gelegentlich hören ... gewöhnlich, wenn wir es am wenigsten erwarten. Ich habe es auch schon geschrieben gesehen: Auf der Wand eines zertrümmerten Telefonhäuschens, ich habe es in den öligen Schmutz auf dem Boden einer Fabrik gekritzelt gesehen ... nach einem Arbeits-
112
Unfall, bei dem es keine Ursache zu geben schien." Er sprach es ruhig aus. "Servex." Theresas Augen waren voller Tränen. Flüsternd sagte sie: "Das Glaubensbekenntnis derer, die Gott nicht dienen können ...! Wo war mein Glaube, Rabbiner, daß ich an einem tatsächlichen Ereignis Zweifel hegte, das all das, was ich achte, entweiht?" Fest legte der Rabbiner seine Hand auf ihre Schulter. "Lassen Sie mich aussprechen! Glauben Sie nicht, daß ich auf ein ähnliches Ereignis zurückblicken kann und dann Zweifel hege? Es gibt keinen so großen Unterschied, abgesehen von der Form, Schwester, zwischen dem Kruzifix und dem Stern von Zion." "Und so ist das ... wirklich geschehen? - Bei Ihnen auch?" Er nickte. "Genauso." (Hodder-Williams 1969:196f.)
6.3.4
4
Existenziale Zuordnung und logisches Prädikat
Geht man aus von möglichen Entitäten als 1universe of discourse' und nicht von Entitäten der realen Welt als Grundlage einer Beschreibung der Semantik einer Äußerung, läßt sich die existenziale Zuordnung als logisches Prädikat darstellen. In solch einer Logik würde die definite und indefinite Deskription nur beinhalten, daß die Entitäten in irgendeiner Welt existieren. Durch ein Existenzprädikat würde dann, ohne daß sich eine Tautologie oder ein Widerspruch ergäbe, die Existenz in einer bestiimrten Welt (Traumwelt, Rcmanwelt usw.) ausgesagt. Es ist folglich prinzipiell möglich, die Kategorie existenziale Zuordnung in eine logische Beschreibungssprache zu integrieren. Für eine Analyse der GVS in einigen ihrer Grundzüge - wie sie in der vorliegenden Arbeit angestrebt wird - genügt jedoch die in 6.3.3 gegebene verbale Verdeutlichung. 6.3.5
Existenziale Zuordnung von Ereignissen ohne GV
Ist aus 6.3.1 - 6.3.4 zu folgern, daß die Existenz eines Ereignisses zu behaupten, eine Eigenschaft ist, die die GVS von Äußerungen ohne GV unterscheidet? Eine Bejahung dieser Frage hieße, den Unterschied zwischen der Prädikationsstruktur einer Äußerung und der Assertion mißzuverstehen. 4
Den Hinweis auf die in 6.3.4 angeführte Möglichkeit verdankt der Verfasser Herrn Dr. Peter Staudacher (Regensburg). Überlegungen zu einer Logik dieser Art finden sich z.B. in Montague (1970).
113
(6.16) Hans ermordete (6.17) Hans ermordete (6.18) Ein Mord
Fritz. Fritz. Der Mord
geschah
am
Freitag.
geschah.
In (6.16) liegt die Prädikationsstruktur 'ermord- (Hans, Fritz)' vor. Man kann sagen, daß das Zutreffen des Prädikats ermord- auf Hans und Fritz behauptet wird. Gleichzeitig damit wird jedoch die Existenz des Ereignisses, das durch (6.16) beschreibbar ist, ausgesagt. Beide Aussagen beinhalten in bezug auf die Existenz von Ereignissen das gleiche. Dies zeigt sich z.B. darin, daß im GVS von (6.17) die Existenz des in (6.16) beschriebenen Ereignisses in der realen Welt präsupponiert ist. Der Unterschied zwischen (6.16) und (6.18) liegt nicht auf der Ebene der Assertion, sondern auf der der Prädikation. In (6.18) wird das Ereignis, das durch den GVS beschrieben wird, nicht - wie in (6.16) - als Relation zu den daran beteiligten Individuen aufgefaßt. Folglich handelt es sich bei der Funktion der Zuordnung eines Existenz ials - ähnlich der Kopulafuriktion und der Assertion bei sein - um eine Komponente, die allen Verben, die zu Ereignisbeschreibungen verwendet werden, zukamen kann. Die GV wären deshalb nicht durch das Vorhandensein dieser Komponente, sondern durch das Fehlen anderer charakterisiert. Somit lassen sich die GV weiterhin als Quasi-Symbole darstellen. Die Anzahl der Komponenten, deren Darstellung mit Hilfe der GV ermöglicht wird, hat sich nur um eine erhöht. Die Einschränkung auf die existenziale Zuordnung von Ereignissen widerspricht dem nicht, da diese Information in dem Element an der GS-Position der GVS enthalten ist (cf. 2.2).
5
Dieser möglichen Eigenschaft von Sätzen, die ein Ereignis beschreiben, trägt Bartsch (1972:86) durch die Gebrauchsdefinition 2 Rechnung: "Def. 2: (Ev) [p] * (v)«->p Daraus folgt insbesondere: (Ev) [F(x.,... ,x ) ] *(VK->f(XJ, . ..,x n ). Dabei ist 'v' eine Variable über dem Bereich der Ereignisse, Geschehen und Umstände". Da (v) somit äquivalent zu (iv) ist, läßt sich auch für (iii) die Existenz des Ereignisses durch "(Ev)(...)" - wie in (ii) für (i) - wiedergeben . (i) Ein Mord geschah. (ii) (Ev) Mord (v) (iii) Hans ermordete Fritz. (iv) ermord-(Hans,Fritz) (v) (Ev)[ermord-(Hans,Fritz)]*(v)
114
GVS als Beschreibung eines 'Vorganges an sich1 und die
6.4
Prädikationsstruktur von GVS Mit Hilfe der bisher gemachten Beobachtungen kann man eine erste Präzisierung der in 6.1 genannten Feststellung versuchen, in GVS werde ein 'Vorgang an sich' beschrieben. Die Grundlage dieses Analyseversuches bildet weiterhin die Interpretation der GV als Quasi-Symbole. 6.3.5 zeigte: Bei GVS vom Typ Ein Mord geschah wird nicht das Zutreffen eines Prädikats auf ein Argument behauptet, im Gegensatz zu Ereignisbeschreibungeti wie (6.16). Anders bei GVS mit A: Genauso wie in (6.16) das Zutreffen des Prädikats ermord- auf seine Argumente Hans, Fritz behauptet wird 'und dabei' die Existenz des Ereignisses in der realen Welt, das durch Hans ermordete Fritz, beschrieben ist, wird in (6.17) das Zutreffen des Prädikats am Freitag auf das Ereignis 'Mord' behauptet 'und dabei' die Existenz des Ereignisses in der realen Welt, das durch Der Mord geschah am Freitag beschrieben ist. Der Unterschied wird deutlich, wenn man (6.19) als Folgesatz von (6.16) betrachtet. (6.19) Er ermordete
ihn am
Freitag.
Will man (6.16) nicht wie in (6.17) fortsetzen, sondern auf Konstruktionen mit GV verzichten, muß man - wie in (6.19) - die Prädikation über die Argumente wiederholen, ofcsrohl sie in (6.16) schon enthalten ist. Erst dann kann in (6.19) am Freitag über das Ereignis prädiziert werden, das durch Er ermordete ihn beschrieben ist. Folglich kommt es nicht darauf an, daß die Behauptung des Zutreffens eines Prädikats auf ein Argument unterbleibt, sondern darauf, daß das durch das GV in GVS bezeichnete Ereignis nicht als Relation zu den daran beteiligten Individuen oder Gegenständen aufgefaßt wird. Diese Eigenschaft haben GVS mit und ohne A. In GVS ohne A katntt sie am klarsten zum Ausdruck, wsil sie hier das Fehlen der Argument-Prädikat-Struktur zur Folge hat. Deutlich wird sie auch irtnter dann, wann Individuen, die in Sätzen ohne GV an der GS-Position stehen würden, in dem GVS als A hinzugefügt werden (cf. 3.2.9): (6.20)
Daß der Zug nach kaum einer Minute Aufenthalt ... den Bahnhof verließ schien mir kennzeichnend für eine Beschleunigung, die weniger von den Menschen hervorgerufen wurde, als daß sie ihnen geschah ... (D, Kaschnitz 1963:31 f.)
115
(6.21) Eine rätselhafte Auflegung (D, Mann 1959:29)
geschah
in Unrat
...
Die Analyse, in GVS das Ereignis nicht als Relation zu den daran beteiligten Individuen oder Gegenständen aufzufassen, kann man als Präzisierung der Formulierung ansehen, GVS beschreiben den Vorgang an sich. Diese Eigenschaft teilen die GVS mit Sätzen, die Witterungsimpersonalia oder das unpersönliche Passiv enthalten: (6.22) Es blitzt. (6.23) Es wird gehungert.
6.5
Drei Beobachtungen bei einer Analyse der GV als Quasi-Symbole
6.2 - 6.4 enthielten für einige Probleme Lösungsvorschläge, die von der Grundannahme ausgehen, die GV seien Quasi-Symbole (cf. auch 4.2.3). In 6.5.1 - 6.5.3 werden jedoch drei Beobachtungen angeführt, die sich überzeugender erklären lassen, wenn man diese Grundannahme aufgibt, was in 6.6 geschieht.
6.5.1
Das GV als alleiniger Informationsträger für 'Ereignis'
Ausgangspunkt ist der Beispielsatz (6.24). (6.25) - (6.28) nehmen auf ihn durch Dies als Zustands-, Ereignis- oder Tatsachenbeschreibung Bezug. (6.24) Die Industrieabwässer verschmutzten die Stadt. (6.25) Dieser Zustand brachte alle Bürger auf die Beine. Dies brachte alle Bürger auf die Beine. (6.26) Dieses Ereignis brachte alle Bürger auf die Beine. Dies brachte alle Bürger auf die Beine. (6.27) Diese Tatsache brachte alle Bürger auf die Beine. Dies brachte alle Bürger auf die Beine. (6.28) Dies
brachte
alle
Bürger
auf die
Beine.
In (6.28) kann mit der Verweisform Dies ein Zustand, ein Ereignis oder eine Tatsache wiederaufgenommen werden (= (6.25) - (6.27)), was aber nur deshalb möglich ist, weil man in (6.28) auf die Beine bringen sowohl über Zustände und Ereignisse als auch über Tatsachen prädizieren kann. Andere Prädikate - z.B. schnell - lassen sich dagegen nicht über Zustände und Tatsachen prädizieren, weshalb (6.29) und (6.30) unakzeptabel sind. (6.29) •Dieser Zustand (6.30) •Diese Tatsache 6
Cf. auch Weisgerber
ist ist
(1963b:34).
schnell. schnell.
116
Ist das Prädikat nun eine A, d.h. kann es nach den in 6.2 - 6.4 gemachten Voraussetzungen oberflächenstrukturell nur mit Hilfe eines QuasiSymbols prädiziert werden, sind in Abhängigkeit vcm gewählten Quasi-Symbol bestimmte semantische Kategorien an der GS-Position nicht mehr möglich. (6.31) Dies war in Berlin. (6.32) »Die Tatsache, daß die Industrieabwässer die Stadt verschmutzen, war in Berlin. (6.33) Der Zustand, daß die Industrieabwässer die Stadt verschmutzen, war in Berlin. (6.34) Das Ereignis, daß die Industrieabwässer die Stadt verschmutzen, war in Berlin. (6.35) Dies geschah in Berlin. (6.36) •Die Tatsache, daß die Industrieabwässer die Stadt verschmutzen, geschah in Berlin. (6.37) •Der Zustand, daß die Industrieabwässer die Stadt verschmutzen, geschah in Berlin. (6.38) Das Ereignis, daß die Industrieabwässer die Stadt verschmutzen, geschah in Berlin.
(6.24) soll der Vorgängersatz von (6.31) und (6.35) sein. Je nachdem, ob nun sein oder ein GV als Quasi-Symbol benutzt wird, kann von einen Zustand (= (6.33)) oder Ereignis (= (6.34)) bzw. nur von einem Ereignis (= (6.38)) die Rede sein. Da sich Lokalangaben wie in Berlin nicht über Tatsachen - was (6.32) und (6.36) erklärt
aber über Zustände und Ereignisse prädizieren las-
sen, muß man die Einengung auf die semantische Kategorie Ereignis auf die Verwendung von geschehen zurückführen. Folglich gibt es GVS, in denen - wegen der Beschaffenheit ihres GS und ihres Prädikats - die Information, daß an der GS-Positian ein Element der Kategorie Ereignis steht, nur aus dem GV selbst entnommen werden kann. Bei einer Analyse der GV als Quasi-Symbole müßte man somit davon ausgehen, daß die syntaktische Regel, die das GV als Platzhalter einführt, nur dann angewendet wird, wenn das Element an der GS-Position zur semantischen Kategorie Ereignis gehört.
6.5.2
Subjekts- und Objektsattribuierung
Das Ergebnis von 3.2 war: Adverbiale in GVS werden über Ereignisse prädiziert. Subjekts- und Objektsattribuierungen sind z.B. nicht möglich (cf. auch Anmerkung 11:Kapitel 3:Seite 60). Als Beispielsätze stehen (6.39) (6.42) (cf. auch (3.73) - (3.76)).
117
(6.39) (6.40) (6.41) (6.42)
Der Kellner Der Kellner Der Kellner Der Kellner herein.
trägt trägt trägt trägt
die die die die
Suppe Suppe Suppe Suppe
heiß herein. herein, während sie heiß ist. herein. *Dies geschieht heiß. herein. Er trägt sie heiß
Legt man die in 6.2 - 6.4 gewonnene Analyse der GVS zugrunde, macht es Schwierigkeiten zu erklären, warum (6.41) im Gegensatz zu (6.42) unakzeptabel ist. In beiden Sätzen ist das Ereignis, das durch Der Kellner trägt die Suppe herein beschrieben wird, präsupponiert und heiß wird behauptet. Der Unterschied liegt allein darin, daß der Rückbezug auf den Vorgängersatz einmal durch Wiederholung der Prädikation (= (6.42)) und einmal mit Hilfe eines GVS (= (6.41)) erfolgt. Diese Feststellung kann man natürlich als Regel formulieren. Subjekts- und Objektsattribuierung wäre dann nur möglich, wenn die Prädikation im gleichen Satz explizit wiederholt würde. Es wird sich jedoch in 6.6 zeigen, daß sich diese Restriktion allgemeiner und auch überzeugender erklären läßt.
6.5.3
Paraphrasen mit das Geschehen und das Sein
Lyons (1971) bildet eine Verbgruppe der Quasi-Symbole, zu der sowohl geschehen als auch sein gehört (cf. 4.1.1), otarohl unter anderem der folgende Unterschied besteht: Prädikative Adjektive lassen sich nicht über das Sein prädizieren, die A in GVS aber über das Geschehen (cf. 4.1.1.2): (6.43) (6.44) (6.45) (6.46) (6.47) (6.48) (6.49) (6.50) (6.51)
Die Rose ist rot. *Das Sein (der Rose) ist rot. Heins ist Lehrer. * Das Sein (von Hans) ist Lehrer. Dieser Zustand ist unhaltbar. * Das Sein (des Zustands) ist unhaltbar. Der Mord geschah am Nachmittag. Das Geschehen war am Nachmittag. Der Mord geschah ohne Hast.
(6.52) Das Geschehen war ohne Hast.
(6.43) - (6.52) zeigen, daß weder das prädikative Adjektiv noch die zweite E1 (Gleichsetzungsnaminativ) über Sein prädiziert werden können, wohl aber die A in GVS über Geschehen. Will man das Element Mord auch in (6.50) und (6.52) verwanden, nüssen (6.53) und (6.54) gewählt werden. (6.53) (6.54) (6.55) (6.56)
Das Das Ein Ein
Geschehen, das ein Mord war, war am Nachmittag. Geschehen, das ein Mord war, war ohne Hast. Mord geschah. Geschehen, das ein Mord war, geschah.
118
Es ist einleuchtend, daß sich (6.53), (6.54) und (6.56) vrohl kaum in einem Corpus nachweisen lassen. Um diesen Inhalt auszudrücken, stehen die GVS zur Verfügung. Wichtig ist nur, daß sie verständlich bleiben. Dies kann man für (6.44), (6.46) und (6.48) jedoch nicht in Anspruch nehmen. 6.6
Interpretation auf der Grundlage: GV selbst drücken das bloße Ereignis aus
6.6.1
GVS als Approximation "of a transition"
In 4.2.2 wurden die GV als "non-constant transitionals" beschrieben. Dieser Ansatzpunkt soll in erweiterter Form für eine Gesamtanalyse der GVS und speziell für eine Interpretation der Beobachtungen von 6.5 genutzt werden. (6.57) The ball rolled
(Jäiborg
1973:10).
"It seems thus natural to assume that the root of the verb indicates the transitional ... The root of the verb indicates a certain class of transitions" (Järborg 1973:11).
Da in (6.57) nicht von Klassen von Ereignissen, sondern von einem Singulären Ereignis die Rede ist, führt Järborg (1973:11 f.) einen Operator ein: "Accordingly, we can postulate a special definite operation with the meaning 'the one and only member of the class such that ... " In English, the marker of this proposed operation must be considered to be amalgamated with the tense morpheme proper".
Elemente wie ball in (6.57) interpretiert Järborg (1973:11) als "linguistic entities corresponding to classes of 'objects'". Der bestürmte Artikel schränkt die Klasse auf ein bestimntes Mitglied ein. "There is a verb form rolled, giving us with its root roll a certain class of transitions ... and with its suffix -ed the operator meaning 1 the one and only one member of the class such that ...' and the time restriction 'before t 1 . Then there is a noun phrase the ball, restricting the object to a certain member of the class of balls. Thus, (21) [= (6.57)] easily meets the conditions on an approximation of a transition. We conclude that (21) in fact describes an event" (Järborg 1973:12).
Auf dieser Grundlage läßt sich das Zusammenwirken von GS und P in GVS erklären und der Zusammenhang zwischen (6.58) und (6.59) deuten.
7
Järborg
(1973) verweist an dieser Stelle auf Dahl (1973).
1
(6.58)
Ein Mord
(6.59) Der Mord
geschah. geschah
am
Freitag.
Die GV-Wurzel kennzeichnet ein "non-constant transitional". Das Element an der GS-Position dient dazu, diesen Typ weiter einzuschränken (z.B. Angabe des Endzustandes usw.). Wegen der in 2.2.2.2 genannten Gründe ist generell das Merkmal 'abgegrenzt1 als Restriktion anzusetzen. Das Zeitmorphem kennzeichnet weiter "the one and only one mariber of the class such that ... " und bindet das Ereignis an die Sprechaktzeit. Folglich sehen die GV nur eine obligatorische syntaktische Position für weitere Restriktionen vor, aber keine Position, um die Anzahl der möglichen Objekte einzuschränken. Das geschieht nur indirekt über die im GS enthaltenen Restriktionen, die auch die Objektklasse einengen. Deshalb ist ein GVS mit einem Element an der GS-Position, das Gegenstände oder Lebewesen beschreibt, unakzeptabel. Der GVS in (6.60) bildet hierzu eine Ausnahme, die diese Regularität allerdings bewußt ausnutzt. Die Werbetexter vrollen die Begriffe 'Berlin' und 'Ereignis' (= Wechsel von Zuständen) möglichst eng verknüpfen. (6.60) Sie rücken nieder zusammen, die Berliner. Lange Zeit lebten ersie auf Distanz, jeder für sich ... Die Geselligkeit starb ... Nur widerwillig folgte man Einladungen ... Seit dem Berlin-Abkommen, scheint so etwas wie eine Amüsiergier zu sein ... Ganz Berlin ist unterin die Stadt eingezogen wegs, sich Spaß zu bereiten ... Der Berliner Senat begriff, sofort, daß aus dieser neuen Melle des Amüsements scheint's, politisches Kapital zu schlagen ist. Er kurbelte eine WerbeAktion an: "Weltstadt in action". Die Prospekte verheißen: "Berlin findet täglich statt". (Süddeutsche Zeitung Nr. 191 21. 8. 1974, Artikel: Man hat wieder "wahnsinnig viel Zukunft", 3)
Obwohl in dem GVS von (6.60) die Regel verletzt wird, daß an der GSPosition keine Elemente stehen dürfen, die Gegenstände oder Lebewesen beschreiben, bleibt der GVS verständlich, da das Interpretationsschena für GVS ansonsten erhalten bleibt. Das Element an der GS-Position restringiert ein "non-constant transitional", das mit Hilfe der GV-Wurzel stattfindet
ausgedrückt wird, durch die Angabe des Ortes (cf. auch 6.6.2). 8
In diesen Zusammenhang gehört auch der Satz Gottes Wille geschehe. Das Element an der GS-Position beschreibt zwar kein Ereignis, es restringiert aber ein "non-constant transitional", das mit Hilfe der GV-Wurzel ausgedrückt wird: Das Ereignis geschehe, das nach dem Willen Gottes geschehen soll.
120
2.1 zeigte: An der GS-Position von GVS darf keine Infinitivkonstruktion stehen. Man kann versuchen, dies mit Hilfe von Järborg (1973:14) zu deuten: "We have left unanswered the question of what the meaning of the infinitive is. As before, the root gives us a class of transitions ... we postulate an indefinite operator with an indefinite marker (which in English reduces to the sign of the infinitive, to) with the meaning 'some member(s) of the class 1 ".
Ein GVS mit einer Infinitivkonstruktion an der GS-Position ist dann unakzeptabel, weil der Satz zwei "marker" enthält, die sich gegenseitig ausschließen. Man kann nicht gleichzeitig von "the one and only one member of the class such that ..." und von "same member(s) of the class ..." sprechen. Ebenfalls darstellen läßt sich der mögliche Zusammenhang zwischen GVS mit und GVS ohne A. Hierzu sind die in 5 gemachten Beobachtungen heranzuziehen. Zwischen (6.58) und (6.59) kann folgende Beziehung bestehen: (6.59) ist zu verstehen als gegenüber (6.58) verbesserte Approximation "of the same transition", wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: a)
(6.58) ist der Vorgängersatz von (6.59).
b) Der Komplex aus GS+PT von (6.59) steht als Pro-Form für den vorausgegangenen Satz (cf. 5.2). In diesem Fall maß auch Tempus- und Modusübereinstimnung vorliegen. Prinzipiell gilt, daß man GVS mit A als verbesserte Approximationen derjenigen Approximation "of a transition" ansehen kann, die das an der GS-Position des GVS mit A stehende Ereignis wiedergibt. Voraussetzung ist, daß sich der Komplex aus GS+PT als Pro-Form interpretieren läßt (cf. 5.2). Dieser Zusaitmenhang - z.B. zwischen (6.58) und (6.59) - besteht nicht nur zwischen GVS. Er kann auch zwischen anderen Ereignisbeschreibungen vorliegen, z.B. zwischen dem ersten und zweiten Satz von (6.61). (6.61) Hans ermordete Fritz. Er ermordete ihn am
Freitag.
Im zweiten Satz von (6.61) ist man allerdings gezwungen, die Prädikation über die Argumente von ermord- zu wiederholen, ofcwahl sie im ersten Satz von (6.60) schon enthalten ist. Dann kann am Freitag über das Ereignis, das durch Er ermordete ihn beschrieben ist, prädiziert werden. Erst damit wird auch die pragmatische Erwartung, daß Sätze einen Informationsfortschritt enthalten, erfüllt.
121
6.6.2
Interpretation der Beobachtungen von 6.5
Auf der Grundlage von 6.6.1 lassen sich die Beobachtungen von 6.5 einfach erklären. Die GV können allein Träger der Information sein, daß das Element an der GS-Position zur semantischen Kategorie Ereignis gehört, weil die GV 'allgemeinste Geschehensbezeichnungen' sind (cf. 4.2.1.2). Die Verbindung des GV zum GS ist die einer näheren Bestimnung zum Grundelement. Das GV ist "allgemeinste Geschehensbezeichnung", das GS bestiinrrt sie näher, was auch die Möglichkeit von Paraphrasen wie Das Geschehen ist ein Mord erklärt. Da man andererseits das Verb sein z.B. in (6.43) nicht als allgemeinste Seinsbezeichnung interpretieren kann, ist (6.44) unakzeptabel. Daß zwischen GS und GV in GVS ein Verhältnis der näheren Bestimnung besteht, erklärt auch, warum A nur über das Ereignis selbst prädiziert werden können. Subjekts- und ObjektsattrIbuierung im Sinne von Bartsch (1972) z.B. ist prinzipiell unzulässig, wenn die näher zu bestimmenden Elemente nicht mehr allein die Subjekts- oder Objekts-Position einnehmen, sondern selbst attributiv zu Elementen dieser Position vervrandt werden: (6.62)
»Der Kellner, der die Suppe hereinträgt, den Ballsaal.
kommt heiß in
Bühler (1934) (im folgenden zitiert mit der Interpretation und in der Zusammenfassung von Brekle 1973:3f.) macht an den Ncminalkcmposita eine Beobachtung, die sich auf die GVS übertragen läßt: "Es geht um die Beziehungen, die zwischen einem Kompositum bzw. seinen Konstituenten und anderen Konstituenten in dem jeweiligen Satz, in den das Kompositum eingebettet ist, ... anzunehmen sind. Bühler bezieht zu dieser Frage folgendermaßen Stellung: 'Das symbolgefügte Wort [sc. Kompositum] verhält sich im Satzfeld im ganzen genau so wie ein Simplex; alle syntaktischen Relikte in seinem Schöße sind wie verschluckt und bleiben unberührt, wo dies Gebilde seine 'grammatische Verwendbarkeit' im konkreten Fall beweist und selbst mit Feldzeichen [flexivischen Kennzeichen] versehen wird. Die Sprache selbst befolgt die Parole Brugmanns und bringt am Kompositum neue Feldzeichen an, gleichgültig, 'ob ein Typus in vorhistorischer oder in historischer Zeit aufgekommen ist' und wie wenig oder wieviel der ehemaligen Feldzeichen es noch in sich enthalten mag.' (340) Weiterhin erblickt Bühler einen 'Feldbruch', der 'zwischen der wortimmanenten Fügung eines Kompositums und dem Satzfeld, in das dieses Kompositum eingeht' (341) besteht. Dieser 'Feldbruch 1 eine scharfe Trennung zwischen den strukturellen Beziehungen innerhalb eines Kompositums und dem syntaktischen Gefüge, das ein
122
Satzfeld konstituiert ^ betrachtet Bühler als 'streng gesetzlich' (341). Ein letztes Zitat in Bühlers farbiger Diktion mag seine Position vollends verdeutlichen: das determinierende Glied eines Kompositums greife nicht über die Nennfunktion des Determinatums hinaus und 'in das Satzfeld ein, sondern ist ganz und gar mit der sozusagen internen (häuslicheren) Angelegenheit einer definierenden oder explizierenden Bestimmung des begrifflichen oder anschaulichen Gehaltes seiner Bedeutung befaßt ... in Angelegenheiten des Satzaufbaues schweigt jedes echt attributive Sprachmittel.' (336)". Die GVS zeigen einen ähnlichen "Feldbruch". Der Komplex aus GS und P tritt als abgeschlossene Einheit auf. 6.4 muß wegen 6.6.1 nicht als Ganzes widerrufen werden. Zu ändern ist nur: Man darf das GS nicht mehr als das Element ansehen, das ein Ereignis in GVS ohne A allein beschreibt. Diese Funktion kaimt dem GS und GV gemeinsam zu. Gültig bleibt, daß ein Ereignis in GVS nicht als Relation zu den daran beteiligten Individuen oder Gegenständen aufgefaßt wird. Die Lösung in 6.6.1 erlaubt außerdem, nicht nur die Gemeinsamkeit zwischen Sätzen, die Witterungsimpersonalia oder das unpersönliche Passiv enthalten, und den GVS zu benennen (cf. 6.4), sondern auch den Unterschied zwischen ihnen anzugeben: In GVS wird das GS zur näheren Bestürmung des GV genutzt, während z.B. Es in (6.22) und (6.23) die GS-Position rein formal ausfüllt.
6.6.3
'Prädikatssätze' in Miklosich (1883), Moritz (1783) und im Japanischen
6.6.3.1 Miklosich (1883) und Moritz (1783) Die Analyse, die in 6.6.1 für die GVS gefunden wurde, ist - zumindest im Grundsätzlichen - bereits sehr früh belegt. Miklosich (1883) zu Sätzen wie 9 Es regnet/rauscht (cf. 6.4): "Als nothwendige Bestandtheile des Satzes erklärt man das Subject, d.i. dasjenige, von dem etwas ausgesagt wird, und das Prädicat, d.i. dasjenige, was ausgesagt wird. Diese Ansicht ist in der Sprache nicht begründet, indem es Sätze gibt, denen das Subject fehlt. Dergleichen Sätze nennen wir subjectlos und fassen hier das Wort Subject im grammatischen Sinne auf, in welchem es mit dem SubjectNominativ zusammenfällt: in dem Satze 'pluit' wird das Subject nicht nur nicht ausgedrückt, sondern nicht einmal gedacht. Nach einem 9
Cf. auch Beck (1922:21-24).
123
solchen Subjecte kann nicht gefragt werden, und die Frage kann bei solchen Sätzen nur lauten: was geschieht? In allen solchen Sätzen wird ein Vorgang ausgedrückt, ohne dass das wirkende Subject genannt wird: das Verbum tritt völlig subjectlos auf. Es ist daher unrichtig, wenn man meint, das Subject von dergleichen Verben sei unbestimmt ..." (Miklosich 1883: lf.). "... wir nehmen Erscheinungen wahr und sprechen unsere Wahrnehmungen aus, ohne nach dem Urheber der Erscheinung zu fragen: 'es rauscht' im Gegensatze zu 'der Bach rauscht' ..." (Miklosich 1883:21). "Die subjectlosen Sätze sind dem Gesagten zufolge Sätze, die nur aus dem Prädicate bestehen, aus dem, was in einer grossen Anzahl von Sätzen in der natürlichen Gedankenbildung als das Prius anzusehen ist, wozu das Subject gesucht werden kann, aber nicht gesucht werden muss, Wird es nicht gesucht oder zwar gesucht, jedoch nicht gefunden, dann kann nur das Prädicat gedacht und ausgesprochen werden, und wir erhalten ein subjectloses Urtheil, einen subjectlosen Satz, wofür man auch Prädicatsurtheil, Prädicatssatz sageh könnte: es rauscht, der Bach rauscht. Im subjectlosen Satze gelangt ein Vorgang oder ein Zustand zum Ausdrucke ohne Bezeichnung des wirkenden Gegenstandes. Diese Bezeichnung unterbleibt, weil man den wirkenden Gegenstand nicht kennt oder weil man sich damit begnügt, die wahrgenommene Erscheinung zum Ausdrucke zu bringen" (Miklosich 1883:25). Er selbst stellt allerdings die Verbindung zu den GVS nicht her. Den GVS "es geschieht" bezeichnet er explizit als "keinen subjectlosen Satz" (Miklosich 1883:31). GVS lassen sich auch keiner der Unterabteilungen des Klassifikationsschemas der "subjectlosen Sätze" in Miklosich (1883:33f.) zuordnen. Die Verbindung zu den GVS findet sich aber - zumindest in den Beispielsätzen - in Moritz (1783), den Beck (1922:20f.) als Vorläufer von Miklosich nennt. "Die Impersonalien drücken die erste Empfindung aus, nach welcher irgend jemand etwas nicht für eine freie Handlung hält ... sondern für etwas von dem Willen des Menschen Unabhängiges. Ihren Namen haben sie erhalten, weil man sich unter ihnen eine bloße Veränderung, ohne eine handelnde Person, denkt. Darum stelle ich mir in 'Es donnert.' nichts weiter vor als den Donner selber ... 'es donnert' heißt also so viel wie 'das Donnern geschieht', darum sage ich nie 'der Himmel donnert'" (Moritz 1783, zitiert nach Beck 1922:20:Anmerkung 2). das Donnern gesoh-Leht ist allerdings unakzeptabel. Witterungsereignisse werden zwar 'subjektlos', aber nicht mit GVS dargestellt. Verwendet wird die Form es donnert/blitzt usw. .
124
6.6.3,2 'Prädikatssätze' im Japanischen Die Analyse, daß das GS in GVS in der Funktion einer näheren Bestimmung zum GV steht, wird auch dadurch gestützt, daß das Japanische Strukturen dieser Art enthält. Hartmann (1952:16), der Eigentümlichkeiten des japanischen verbalen Ausdrucks (cf. Hartmann 1952:13f.) untersucht, geht davon aus, daß bei der Darstellung von Vorgängen im Indogermanischen eine Zergliederung stattfindet "in ein auslösendes Subjekt und in den Vorgang als Tat eben dieses Subjektes". "... ein indogermanischer Verbalausdruck [kann] keine Feststellung wiedergeben , ohne ihren Akt als solchen so mit einem Subjekt zu verbiegen, daß er garnicht ohne diesen Bezug ... gedacht werden kann". "Die Beziehung einer Handlung zu dem sie ausführenden Tätersubjekt ist für abendländisches Denken so wichtig, daß es uns schwerfällt, ein Denken nachzuvollziehen, in dem gerade dieser Bezug einmal nicht als unbedingter Tatzusammenhang gesehen und zum anderen für so sekundär gehalten wird, daß er unerwähnt bleiben kann" (Hartmann 1952:71). Gerade diese Auffassung zeigt Hartmann (1952) im japanischen Verbalsystem (speziell an den Verben des Sehens) auf: "Die vorliegende Untersuchung soll zeigen, daß die Vorstellung des Subjektes nicht in allen Sprachen die gleiche zu sein braucht und daß die in einer Sprache vorliegende Subjektvorstellung unter Umständen nur negative Folie bzw. nicht zutreffende Voraussetzung sein kann, die Angehörige einer bestimmten Sprachgemeinschaft an eine fremde Sprache herantragen" (Hartmann 1952:17). "Der zweite Teil legt dar, daß diese für uns mit dem Begriff des Sehens notwendig verbundene Vorstellung eines Subjektes im Japanischen in allen begrifflichen Abarten des Sehens fehlt, diese vielmehr unpersönlich und tätersubjektlos sind - eine Tatsache, die auch für alle anderen Vorgangsbezeichnungen im weitesten Sinne gilt" (Hartmann 1952:19).
10
Diese Aussage ist natürlich zu relativieren, was die GVS und z.B. auch Sätze mit Witterungsimpersonalia (Es regnet) zeigen. 11 Hartmann (1952:119f.) sieht diese Interpretationsweise nicht auf das Japanische beschränkt. "Man geht daher nicht fehl, wenn man die Subjektlosigkeit aller Aussagen als hervorstechendes Merkmal der Sprachen des ganzen ostasiatischen Raumes ansieht ... Hier wird eine Scheidung von Subjekt und Objekt nicht vollzogen bzw. möglichst vermieden" .
125
Er faßt zusanmen: "1. Die Vorgangsbezeichnung ist stets der hauptsächliche Inhalt des japanischen Satzes ... Alle übrigen Satzglieder können als Attribute zu dieser Vorgangsbezeichnung angesehen werden. 2. Auch das den Vorgang auslösende Subjekt erscheint im Satz ... nicht im Nominativ, sondern im Genitiv. Dadurch wird ausgedrückt, daß es nicht willentlicher Täter eines Vorgangs ist, sondern daß dieser vielmehr nur im Bereich des Agens stattfindet ... In der Wahrnehmung eines Geschehens ist die Vorstellung eines Urhebers dieses Geschehens nicht mit einbegriffen. Die Frage nach dem Woher wird erst in zweiter Linie gestellt ... 3. Das außerhalb des Geschehenszusammenhanges ... Liegende bildet in seiner Gesamtheit die außerprädikative Objektspäre^211 der ein Vorgang in Beziehung stehen kann" (Hartmann 1952:96). Zu ähnlichen Ergebnissen wie Hartmann (1952) kommt Whorf (1956) für die Sprache der Hopi und Nootka. Im folgenden wird eine Zusammenfassung von Kutschera (1971:308f.) zitiert: "In unseren Erfahrungen ist das Erfahrene immer schon in gewisser Weise interpretiert ... Wir isolieren zunächst nach Whorf in der Erfahrung einzelne Ereignisse und interpretieren diese Ereignisse in der Form, daß da ein oder mehrere Dinge (oder Personen) sind, die in einem Prozeß oder in einer Tätigkeit (oder einem Zustand) begriffen sind ... Die Hopi dagegen können Verben ohne Subjekte verwenden, d.h. es sind auch grammatikalisch unpersönliche Konstruktionen möglich und die Menge der unpersönlichen Sätze ist gegenüber den europäischen Sprachen wesentlich größer ... In der Sprache der Nootka aber fehlen nach Whorf sogar Substantive und Prädikate völlig: aus einfachen Sätzen als Grundkonstanten der Sprache werden dort komplexe Sätze mit Suffixen gebildet". Cf. auch Kutschera (1971:319f.): "Das Subjekt-Prädikat-Schema unserer Sätze ist das allgemeinste und damit im Sinne Whorfs auch das wirksamste Interpretationsschema unserer Sprache. Die weitaus meisten einfachen Sätze unserer Sprache haben Subjekt-Prädikat-(Objekt-)Struktur, d.h. sie bestehen aus Eigennamen, die für bestimmte Objekte ... stehen, und aus einem Prädikat, das diesen Objekten ein Attribut zuschreibt (seien es Eigenschaften, Beziehungen, Zustände, Prozesse oder Handlungen) . Dabei werden die Objekte aufgefaßt als mehr oder minder dauerhafte Gegebenheiten, die durch ihre verschiedenen momentanen Zustände hindurch, im Wechsel ihrer Attribute ihre Identität bewahren, ... an denen sich das Geschehen vollzieht und die als Träger der Zustände fungieren. In diesem Sinn interpretieren wir gewöhnlich alle Ereignisse und Sachverhalte in einer Objekt-Attribut-Struktur. Daß diese Interpretation nicht selbstverständlich ist, daß man dieses sprachliche Prädikationsschema nicht naiv in die Ontologie projizieren kann, das wird schon deutlich an den Fällen, in denen wir diese sprachliche Form verwenden, obwohl von identifizierbaren Gegenständen keine Rede sein kann. In diesem Sinn sagen wir z.B. 'Der Wind wehtT, ... 'Der Regen fällt' ... In den unpersönlich gebrauchten Verben haben wir zudem ein Mittel, ein Geschehen anders als in der Objekt-Attribut-Form darzustellen ... hier ist ganz deutlich, daß das Pronomen "es1 nicht für bestimmte Objekte steht, daß man diese Sätze nicht als Aussagen über Objekte deuten kann
126
Ein Beispiel von Herrfahrdt (1938:168) (zitiert nach Hartmann 1952: 32:Anmerkung 19), verdeutlicht die Parallele zur attributiven Funktion des GS zum Verb in GVS: "Es wird (in sakura ga saita) nicht über Kirschbäume ausgesagt, daß sie blühen, sondern es wird das Erlebnis des Blühens berichtet und dann näher erklärt als ein Kirschbaumblühen. Kirschbaum steht zu Blühen im Verhältnis eines Attributs, nicht eines Subjekts" . Dieser Sprachvergleich soll nicht allzu weit getrieben werden. Er stützt nur die Argumentation der vorausgegangenen Abschnitte und zeigt, daß das Interpretationsschema, das den GVS zugrunde gelegt wurde, im Rahmen einer vergleichenden Sprachwissenschaft keine Randerscheinung ist.
... In dem Satz 'Es klopft' wird ein Vorgang geschildert, in dem selbst von Personen oder Dingen nicht die Rede ist, und dieser Vorgang wird näher beschrieben durch die Angabe des Urhebers, wenn man z.B. sagt 'Es wird geklopft von Fritz' ... Die Möglichkeit, unpersönliche Sätze zu bilden, zeigt, daß nicht alles Geschehen im Objekt-Attribut-Schema interpretiert werden muß".
ZUR SUBKLASSIFIZIERUNG DER GV1
7
Die GV lassen sich in bestimmten GVS nicht beliebig gegeneinander austauschen (cf. Weisgerber 1964:23): (7.1) Das Konzert (7.2)
findet
«Das Konzert
am Freitag
ereignet
sich
am
statt. Freitag.
Deshalb müssen Restriktionen und Regularitäten formuliert werden, die nicht die GV als Ganzes betreffen (wie in Kapitel 2 - 6), sondern einzelne Untergruppen. Ausgangspunkt ist Weisgerber (1964). 7.1
Weisgerber (1964)
Seine wichtigsten Thesen zur Subkategorisierung der GV werden kurz zusammengefaßt. Die Verweise auf die Substantive und Adjektive des Geschehens kann man ausklammern, ohne die Problenistellung von Weisgerber (1964) zu verfälschen: "Sodann zeigen beide Sammlungen, daß die spürbarste Ordnung vom verbalen Bereich ausgeht ..." (Weisgerber 1964:27). "Wir sahen ... daß die sprachliche Gestaltung des Geschehens primär in der verbalen Wortart verläuft, und daß deshalb die Grundgliederung des Feldes (oder Sinnbezirkes) von dort aus gesucht ... werden muß" (Weisgerber 1964:42). "Mehr der Vollständigkeit wegen seien schließlich noch die Probleme der Adjektive gestreift" (Weisgerber 1964:44).
a) Ausgangspunkt Es geht Weisgerber (1964:23) um "das Aufweisen feldartiger Zusanmenhänge aus innersprachlichen Bezügen heraus". Ansatzpunkt ist stattfinden, zu dem er sich ereignen in Opposition setzt. "... bei stattfinden es bei sich ereignen
ist menschliches Zutun eingerechnet, während ausgeschlossen ist" (Weisgerber 1964:23).
Ähnlich bereits Weisgerber (1951/52:140): 1
Das Kapitel enthält eine Präzisierung und Weiterentwicklung von Thesen, die in Krause (1975a) erstmals vorgelegt wurden.
128
"Dieses verhältnismäßig junge Wort [ = stattfinden] nimmt eine deutliche Stellung ein im Felde der Wörter des Geschehens: in der Reihe von geschehen, sich ereignen, sich abspielen, stattfinden, erfolgen usw. hat stattfinden wesentlich dort seinen Platz, wo ein Geschehen als durch menschliche Absicht herbeigeführt gesehen wird (im Abstand etwa zum Naturgeschehen, das sich ereignet: ein Erdbeben kann sich nur ereignen, aber nicht stattfinden, so wie eine Tagung nur stattfinden, nicht aber sich ereignen kann)".
Als drittes Verb zieht Weisgerber (1964) geschehen heran. b) Rohmaterial Da die mit a) eingeschlagene Strategie, auf einem " [innersprachlichen] Weg, in reiner Lenkung durch sprachliche Befunde von Feld zu Feld weiterzukommen" (Weisgerber 1962:206; cf. auch Weisgerber 1964:24),
nicht zum Erfolg führt, benützt Weisgerber (1964:25) den "Ansatz der klassischen Feldbetrachtung". Er stellt etwa vierzig Verben (cf. Weisgerber 1964:25-27) aus den Wörterbucheinträgen der Begriffswörterbücher von Dornseiff (1959) und Wehrle/Eggers (1961) zusammen und ergänzt sie durch einige weitere. Auswahlkriterien gibt er nicht an, doch ist deutlich, daß - wie schon in a) - das intuitive Erfassen möglicher Zusammenhänge den Ausschlag gibt. 2 c) Gestaltbezogene Betrachtung Weisgerber (1964:29f.) gliedert in einem ersten Schritt die "begrenzteren Formen inhaltlicher Bestirrnitheit" aus und zwar: c^)
"veraltende Formeln" (z.B. sich begeben),
c.^) "stehende Wendungen" (z.B. der Fall sein), c^)
"sehr eng begrenzte Subjektsbereiche" (z.B. aufstoßen) .
Davon sind jedoch nur wenige Verben betroffen. Ergebnislos bleibt auch der Versuch, die Verben nach dem Kriterium ihrer Zugehörigkeit zu einzelnen Stamnverben zu subklassifizieren. Dort, wo formal einfachere Stammverben (z.B. spielen bei sich abspielen, finden bei stattfinden) zugrunde liegen, "ist rasch zu sehen, daß diese Weiterbildungen durchweg keinen inhaltlichen Zusammenhang mit den Stammwörtern haben" (Weisgerber 1964:30).
d) Anteil an den Formenkreisen der Wortart Verb Bei seinem nächsten Schritt geht Weisgerber (1964) davon aus, daß ein wechselnder Anteil an den Formenkreisen inhaltlich relevant ist. 2
Cf. Weisgerber (1964:28). - Weisgerber (1964:28:Anmerkung unter anderem auf Weisgerber (1963a:97).
10) verweist
129
Er erkennt im wesentlichen folgende Merkmale, in denen sich die GV untereinander unterscheiden: d^) Eine Gruppe der GV (sich ereignen, passieren, geschehen) läßt an der GS-Position einen daß-Gliedsatz zu, eine andere (stattfinden, sich vollziehen, vor sieh gehen) nicht (Weisgerber 1964: 32). d2)
Die zusammengesetzten Verbformen werden einmal mit haben gebildet (hat stattgefunden) und einmal mit sein (ist geschehen) (Weisgerber 1964:31).
d_j) Hinsichtlich des Dativobjekts gibt es drei Gruppen (Weisgerber 1964:33): d^)
Das Dativobjekt ist obligatorisch (z.B. zustoßen, unterlaufen) .
d^)
Das Dativobjekt ist fakultativ (z.B. passieren, geschehen).
d^)
Es ist kein Dativobjekt zulässig (z.B. sich ereignen, stattfinden) .
d^) Fast ein Drittel der Verben sind Reflexiva (Weisgerber 1964:33). Weisgerber (1964) stellt anschließend die Frage nach der Gewichtung dieser Kriterien, da sich noch keine Gliederung anbietet, die neben den syntaktisch-morphologischen Unterschieden die semantische Opposition zwischen stattfinden und ereignen (cf. 7.1a)) und dem Umstand Rechnung trägt, "daß geschehen selbst nicht als Kennwort eines solchen Feldes dienen kann: geschehen umfaßt nicht den Bereich stattfinden; ein Konzert, das stattfindet, geschieht nicht" (Weisgerber 1964:33).
Er kcrmt zu dem Schluß, "daß mit einer 'einfachen' Felduntersuchung kaum durchzukommen ist" (Weisgerber 1964:33) und entscheidet sich, d^) als Grundlage einer Klassenbildung auszuwerten. "Bei aller Ungeklärtheit der Zuordnung und Auswertung können wir eine geschehen-Gruppe und eine stattfinden-Gruppe nebeneinanderstellen mit der dauerhaften Möglichkeit der Korrektur ..." (Weisgerber 1964:36).
Innerhalb der geschehen-Gcuppe kristallisieren sich sechs Wörter heraus: "Sich begeben, begegnen, sich ereignen, sich ergeben, geschehen, vorkommen haben Anteil an den meisten Eigenarten, die uns bei der Übersicht über den Rohstoff auffielen" (Weisgerber 1964:39).
130
Hinzu kcmmt passieren, das zum "Bereich des Unerwünschten, Merkwürdigen, Schädlichen [gehört] , vor allem, wo ein Dativobjekt obligatorisch ist ... In der Größenordnung wiegt das Alltägliche vor, aber es kann auch Unglücke jeden Umfangs einschließen (allerdings nicht konkret als Explosion usw.), wobei es volkstümlicher ist als sich ereignen; dagegen kann es die natürlichen Ereignisse (Erdbeben usw.) nicht umfassen, ebenso wie es klare Grenzen gegen die stattfinden-Sphäre hat" (Weisgerber 1964:40f.). "Diese Gruppe scheint sich nach zwei Seiten hin abzuheben: einmal über es begab sich ... zu noch stärker 'impersonalen1, in Wirklichkeit von neutralen es, das u.a. Konstruktionen beherrschten Verben (es geht vor, es ist los); anderseits zu dem schon stärker begriffenen und durchschauten Geschehen, das zunehmend mit substantivischen Subjekten einsetzen und schließlich auf die eine es-Andeutung ausführenden Subjektsätze ganz verzichten kann " (Weisgerber 1964:39). Nach Weisgerber (1964:40) enthält die geschehen- Gruppe "Gemeinsamkeiten und Oppositionen genug, um eine Feldgliederung zu begründen und zu tragen ... Es wären also anzuschließen inchoative und perfektive Verben ..., auch die (in mir begegnet etwas) vorgeformte Variante des nötigen Dativs usw.". " [Das ] Zentralwort bleibt geschehen, das Verläufe vielfältiger Art einbeziehen kann ... aber sie als solche, als Abläufe, ins Auge faßt, ohne die Frage nach den Urhebern, nach den Bedingungskomplexen zu stellen". e)
Energetische Betrachtungsweise Weisgerber (1964:41) versucht, hergehen, vorgehen und zugehen in die stattfinden-Groppe einzuordnen und entdeckt dabei, "daß das Fehlen von Subjektsätzen auf zwei ganz verschiedene geistige Situationen hinweisen kann: eine, die noch zu komplex ist, um überhaupt beschrieben zu werden, und eine, die so durchschaut und beherrscht ist, daß sie in deutlichen substantivischen Subjekten vorgestellt werden kann". Mit Hilfe dieses Kriteriums bildet er drei Gruppen: e^)
Die Gruppe der "Verben des Vorgehens", "die auf neutrale es-Subjekte angewiesen ist" (Weisgerber 1964:41).
e2)
Die Gruppe der "Verben des geschehens", "die die neutralen Subjekte bereits als 'Scheinsubjekte1 in Subjektsätzen aufgliedern und bis zu sächlichen Subjektssubstantiven verdichten kann" (Weisgerber 1964:41). Zu ihr gehören auch sich ereignen und passieren.
e^)
Die Gruppe der "Verben des stattfindens", "die weder neutrale Subjekte noch umständliche Subjektsätze nötig hat, sondern durchschaute Abläufe substantivisch vorstellt" (Weisgerber 1964:41).
131
Der Unterschied der drei Gruppen "müßte energetisch ausgelegt werden als dreifacher Ansatz des Begreif ens. Das wäre ... systematisch zu verstehen: ein verschieden klares Herausarbeiten der 'Vorgänge', sei es der Absicht oder der Möglichkeit nach" (Weisgerber 1964:42).
7.2
Überprüfung der Thesen von Weisgerber (1964)
Weisgerber (1964) stellt auf drei Ebenen der Grammatik ein unterschiedliches Verhalten einzelner GV-Gruppen fest. a)
Seine Thesen auf der syntaktisch-morphologischen Ebene (cf. 7.1 d)) bestätigen sich am Corpus. Die wichtigste Restriktion ist, daß die vorgehen-Gruppe - im Gegensatz zur gesohehen-Gruppe - keinen da/3-Gliedsatz an der GS-Position zuläßt. Es finden sich zwar Belege für geschehen, sich ereignen und passieren, nicht aber für stattfinden und vorgehen. Himer tritt ein es als Vorläufer des da/3-Gliedsatzes auf. Dieses es kann jedoch entfallen (cf. 2.1). (7.3) Zu schnell könnte es passieren, daß man diese Ideen ... für "verrückt" erklären und die entsprechenden Folgerungen ziehen würde. (ND54, 0408037) ereignet (7.4) Nur die Computer können noch helfen. Aber leider es sich nur zu oft, daß solch ein verläßlich und kostspieRezept dann gar nicht angewenlig ermitteltes perfektes det wird ... (Limas-Corpus, 603*018780) (7.5) So geschah es, daß die Schüsse eines einzelnen Unbekannten einen Krieg zu entfesseln vermochten. (W54, 0571046)
Informelle Informantenbefragungen mit selbstgebildeten GVS kamen zum gleichen Ergebnis. Die Unterschiede von d^) - d^) bedürfen keiner weiteren Überprüfung. Sie sind offensichtlich. b)
Nicht bestätigen ließ sich die These auf der Ebene der 'energetischen Betrachtungsweise': Beispiele aus dem Corpus zeigen, daß sich die drei Verben, die Weisgerber (1964) als Hauptvertreter der GV-Untergruppen nennt, nicht danach unterscheiden, wie klar die in den GVS beschriebenen Ereignisse herausgearbeitet sind. So werden in (7.6) und (7.7) die GV vorgehen und sich ereignen für dasselbe Ereignis abwechselnd gebraucht, obwohl seine Schilderung zwischen (7.6) und (7.7) nicht vergenauert wird.
132
(7.6) "Gern", sagte Joe. "Sag mal, Ella, hast du gehört, was am Samstagabend in der Cannery Row vorgegangen ist?" "Nö. Was denn?" "Ich weiß nicht. Da war eine Abendgesellschaft. Ich wollte hingehen. Als ich hinkam, war schon alles vorbei. Kein Mensch hat Lust, darüber zu sprechen." (Steinbeck:292f.) (7.7) Er [= Joe] hätte gern gewußt, was sich ereignet hatte, fürchtete sich jedoch zu fragen. (Steinbeck:316) In (7.8) läßt sich geseh.eh.en durch vor sieh, gehen ersetzen. (7.8) Während die Blutgefäße anscheinend gesund blieben, wurde Ralph durch die Entwicklung alarmiert, die in den Atmungsorganen vor sich ging. Da geschah etwas, was er sich nicht erklären konnte. Er wußte, daß es sich um die Reaktion auf das Armagatol handelte, dessen Wirkung auf den menschlichen Körper noch unbekannt war ... (Gernsback 1973:121) In (7.9) kann man wohl nur davon sprechen, daß das Ereignis 'klar herausgearbeitet' ist. (7.9) Der Koffer, den er immer noch hielt, sagte nun: "Was Monika sagt, ist wahr, Mr. Bulero." "Woher wissen Sie das?" fragte er, über ihn verärgert. "Weil ich auch unter Prox-Einfluß stehe", erwiderte der Koffer, "deshalb habe ich ... " "Nichts haben Sie", sagte Leo. Er stellte den Koffer ab. "Verdammt dieses Chew-Z", sagte er zu dem Koffer und dem Mädchen. "Es hat alles durcheinander gebracht; ich weiß nicht, was zum Teufel gespielt wird. Du bist nicht Zoe - du weißt nicht einmal, wer sie ist. Und Sie - Sie sind nicht Dr. Smile, und Sie haben Barney nicht angerufen, und er hat nicht mit Roni Fugate gesprochen; es ist alles nur drogen-induzierte Halluzination. Es sind meine eigenen Befürchtungen wegen Palmer Eldritch, die verzerrt zu mir zurückkommen, dieser Unsinn über ihn, er stünde unter Prox-Einfluß, und auch Sie. Wer hat jemals von einem Koffer gehört, der durch den Willen eines fremden Sternensystems beherrscht wird?" Höchst indigniert entfernte er sich. Ich weiß, was vor sich geht, dachte er. Das ist Palmer Eldritchs Verfahren, Herrschaft über meinen Geist zu gewinnen; das ist eine Art Gehirnwäsche, wie sie es zu nennen pflegten. Er hat mich in Angst versetzt. Vorsichtigen Schrittes ging er weiter, ohne sich umzusehen. (Dick 1971:82) (7.10) zeigt: stattfinden und geschehen lassen sich nicht danach trennen, wie klar das Ereignis herausgearbeitet ist (jetzt stattfindende Ehrung kann man durch Ehrung, die jetzt stattfand ersetzen). (7.10) Noch vor Jahrhunderten hatten sich Leute auf einem Platz oder in einer großen Halle versammelt, wenn sie jemanden eine Ovation darbringen wollten. Der Gefeierte mußte persönlich erscheinen ... Die jetzt stattfindende Ehrung geschah auf Betreiben eines Telezeitungs-Konzerns ... (Gernsback 1973:18)
133
Auch in (7.11) ist stattgefunden hatte durch geschehen war ersetzbar. (7.11) Der König durfte es nicht einmal wahrhaben, daß der Uberfall stattgefunden hatte. (Feuchtwanger 1957:140) Folglich hält die 'energetische Auslegung' der Unterschiede zwischen einzelnen GV-Gruppen einer empirischen Überprüfung nicht stand. c)
Weisgerber (1964) stellt Oppositionen semantischer Merkmale innerhalb der GV fest. c^)
sich ereignen schließt menschliches Zutun aus (Vfeisgerber 1964:23). Die Behauptung läßt sich empirisch falsifizieren: (7.12) Wenn sich ein Verbrechen ereignet, dann weiß der Polizeiwachtmeister in der Regel, wer es nicht begangen hat, und öfters auch, wer es begangen hat. (Steinbeck:58) (7.13) Eine Messerstecherei von drei Jugendlichen ereignete sich in der Nacht zum Sonntag bei einem Sommerfest ... (ND64, 0304016)
c^)
stattfinden schließt menschliches Zutun ein (Weisgerber 1964:23). (7.14) - (7.16) und die Überschrift (7.17) zeigen: Dies trifft nicht zu. (7.14) Eltern, die sich eine Tochter wünschen, sollten die Zeugung zwei Tage vor dem frühestmöglichen Eisprung-Termin vornehmen (und von da an keinen Geschlechtsverkehr mehr haben, bis durch Temperaturmessung nachgewiesen ist, daß der Eisprung stattgefunden hat). (Eltern Nr. 5, Mai 1974, 22)
(7.15) Man kontrolliert ... ob ein Follikelsprung stattfindet und ob die Hormonproduktion in den Eierstöcken normal ist. (Döring 1974:83) (7.16) In dieser Höhlung nun, eben weil dies die einzige Möglichkeit ist für das, was stattgefunden hat [= Haie griffen Menschen an], hat das Delphinenweibchen ... ihre übertölpelte Mannschaft, jene sechs Haie, 'bereitgestellt'. (Altendorf 1973:88) (7.17) In Badehosen Untergang erwartet. Von einem Hellseher prophezeites Erdbeben in Australien fand nicht statt. (Süddeutsche Zeitung Nr. 17, 21. 1. 1976, 24) c^)
geschehen umfaßt nicht den Bereich von stattfinden (Vfeisgerber 1964:33). Richtig ist, daß eine Reihe von Substantiven wie Konzert, Fußrballspiel, Konferenz> Gottesdienst, Beerdigung usw. nicht an der GS-Position von GVS mit geschehen vorkamen, stattfinden läßt jedoch andere Substantive zu (cf. auch (7.11)): (7.18) Die Durchsuchung fand auf Anweisung des Bundeskriminalamtes statt. (»54, 0752049)
134
In (7.11) und (7.18) ist stattfinden durch geschehen ersetzbar (cf. auch 7.3). c^) passieren steht nicht bei natürlichen Ereignissen (Weisgerber 1964:41). Im Corpus ließ sich kein Gegenbeispiel finden. (7.19) wurde jedoch bei informellen Informantenbefragungen als akzeptabel bezeichnet. in unserem Dorf ein fürchterliches (7.19) Heute passierte Ein Deich brach, und die eindringenden Massermassen Häuser. störten alle
Unglück. zer-
c^) passieren verweist in den Bereich des Unerwünschten (Weisgerber 1964:40). Die anpirsche Überprüfung ergibt, daß die Zusanmenhänge komplizierter sind, als sie Weisgerber (1964) darstellt, passieren läßt sich nicht nur bei unerwünschten Ereignissen benutzen: (7.20)
"Irgend
etwas
ist passiert.
Was
gutes?'
(Liz Taylor zu Richard Burton in dem Fernsehspiel 'Seine Scheidung, ihre Scheidung' von John Hopkins, Sendung des Deutschen Fernsehens (ARD) vom 19. 5. 1974 , 21.15 Uhr)
In (7.21) muß man wohl von einer - gegenüber dem Merkmal '± unerwünschtes Ereignis' - neutralen Verwendung von passieren sprechen. (7.21) Genau in diese leichte, schwierige Kerbe haut dies siegreiche Komödchen von Neil Simon. Passieren tut weiter nichts, als daß ein blutjunges Paar eben geheiratet hat. Sie ziehen in eine idiotisch unmögliche in ihrer Liebe und Wohnungsnot Kleinwohnung unters Dach, juchhei. (W64, 1158032,
Andererseits zeigt (7.22) - die Überschrift und der Anfang eines Zeitungsberichtes -, daß man passieren bewußt für etwas Negatives benutzen kann. (7.22) Nichts passiert - doch viel ereignet Hilfe nicht nur bei Unfällen, sondern in jeder Notlage 36 Stunden im Einsatz Nichts Ernsthaftes "passierte", doch es ereignete sich manches an der Autobahnausfahrt St. Ingbert-Ost, als dort ... (Saarbrücker Zeitung Nr. 168, 24. 7. 1974, 9)
Die Ergebnisse der Überprüfungen in b) und c) machen deutlich, daß bei Aussagen zur Subklassifizierung der GV eine umfangreiche empirische Überprüfung unerläßlich ist. Das Corpus, das für die vorliegende Untersuchung verfügbar war, reichte aus, um einige Irrtümer nachzuweisen. Darüberhinaus zeigte sich ein Gliederungsgesichtspunkt, der die in Weisgerber (1964)
135
vorgeschlagene Einteilung der GV in drei Gruppen mit anderen Argumenten stützt.
7.3
Subklassifizierung nach der Argumentklasse
3.2 ergab: Adverbiale können in GVS nur über Ereignisse (= EreigniSg und Vorgang,, in Bartsch 1972) prädiziert werden. Bei bestimmten GV lassen sich o jedoch weitergehende Restriktionen beobachten. a) geschehen Tenporale, lokale, modale und instrumentale Adverbiale vcm Typ Peter arbeitet mit dem Messer sind zugelassen. (7.23) Der Einbrecher tötete den zu Hilfe gerufenen Dies geschah lautlos am Freitag im Flur des ses mit einem Küchenmesser.
Polizisten. Geschäftshau-
b) vorgeheny vor sich gehen Modale, temporale und lokale Adverbiale kamen vor, nicht aber instrumentale vcm Typ Peter arbeitet mit dem Messer. c) stattfinden Weder modale noch instrumentale Adverbiale sind möglich, wohl aber temporale und lokale. Deshalb ist z.B. (7.24) unakzeptabel. (7.24) »Das Konzert
fand
lautstark
statt.
Wie ist dieses Ergebnis zu interpretieren? Die Grundtendenz scheint klar hervorzutreten. In GVS kann man ein Adverbial nur über bestimmte Argumente projizieren; nicht über solche der Kategorie "object" und nicht über solche der Kategorie Tatsache (cf. 2.2). Die Untergliederung der GV richtet sich nun bei a) und c) ebenfalls nach dem Argument: In Sätzen mit geschehen wird das Mverblal über Ereignisse^ oder Vorgängeg prädiziert, bei stattfinden nur über Ereignisse^. Die Abgrenzung von vor sich gehen gegenüber geschehen wird deutlich, wenn man die semantische Struktur betrachtet, die nach Bartsch (1972) dem Satz (7.25) zugrunde liegt (= (7.26)). (7.25) Peter arbeitet mit dem Küchenmesser. (7.26) r¡ = (ir) (P(Peter,r) .arbeiten-V(r) .Handlungsvollzug(r)) benutzt zu (Peter,Küchenmesser,r )
.
Der Teilausdruck 'benutzt zu (Peter, Küchenmesser, r^)' zeigt: Nicht nur der Vorgangß selbst ist beteiligt, sondern zusätzlich der Handelnde. Die in Bartsch (1972) angegebene Paraphrase mit wobei/wozu kennzeichnet diesen Typ:
136
(7.27) Peter arbeitet, wozu er ein Messer
benutzt.
Die Überprüfung der Thesen in 7.3 anhand der Duden-Sprachkartei (cf. 1.4.2) erbrachte allerdings zu stattfinden ein Gegenbeispiel. (7.28) Sie betrachtete die Verwandlungen des Lichtes, die da drüben so lautlos stattfanden. (D, Hausmann 1961:161)
stattfinden in (7.28) läßt sich jedoch durch geschehen ersetzen, womit ein Unterscheidungskriterium gegeben wäre. Ob sich dieser Gliederungsversuch nach der Klasse der Argumente, über die Adverbiale in GVS prädiziert werden können, bewährt, wenn man weitere GV heranzieht, muß sich in zukünftigen Arbeiten zeigen. Mit Hilfe des in dieser Untersuchung benutzten Corpus waren gesicherte Aussagen, die über die in 7.2 und 7.3 geäußerten hinausgehen, nicht zu erreichen.
8
ZUSAMMENFASSUNG
Die Untergliederving von 8 folgt der Gliederung von 1 - 7. So wird z.B. unter 8.2.1 das Ergebnis von 2.1 zusammengefaßt. Auch die Überschriften entsprechen sich (8.2.1 hat z.B. die gleiche Überschrift wie 2.1). Beispielsätze aus 1 - 7 , die in 8 wiederholt werden, behalten ihre ursprüngliche Numerierung.
8.1
Zum Untersuchungsgegenstand und zur Methode
Es geht um einige Aspekte der Syntax, Semantik und Pragmatik einer Gruppe neuhochdeutscher Verben, die als GV bezeichnet werden (geschehen, passieren, sich ereignen, stattfinden, vorgehen, vor sich gehen und andere). Im Zentrum steht geschehen. Es wird angenommen, daß auf der Grundlage der - vor allem beim Gebrauch von geschehen - festgestellten Gesetzmäßigkeiten eine aufgrund ihres Sonderstatus wichtige Gruppe neuhochdeutscher Verben beschreibbar ist. Die vorliegende Arbeit erhält somit den Status einer exemplarischen Untersuchung.
8.2
Das GS der GVS
8.2.1
Zur Morphologie und Syntax
Das GS der GVS zeigt zwei Besonderheiten: a) Infinitivkonstruktionen sind nicht möglich, b) Pronanen der ersten und zweiten Person sind ausgeschlossen. Für eine Abgrenzung der GV von anderen Verbgruppen reichen syntaktische und morphologische Kennzeichen des GS nicht aus.
138
8.2.2
Zur Semantik
8.2.2.1 Tatsache vs. Ereignis a)
Eine Zusammenstellung der Forschungsergebnisse zeigt: Die Überlegungen zur Semantik der GV kennen kaum über eine Umschreibung der GV durch ihre Substantive hinaus (statt geschehen 'das Geschehen', statt vor sich gehen 'der Vorgang'). Ferner hat man ermittelt: Personen sind ausgeschlossen (Brinkmann 1971), "Geschehen" beinhaltet "Bewegung" und steht im Gegensatz zu "Sein" (cf. unter anderen Griesbach/Schulz 1967). Das Ziel von 2.2 ist es, mehr über die Semantik des GS in GVS herauszufinden.
b) Auf der Grundlage von Vendler (1967b) und Kiparsky/Kiparsky (1971) lassen sich die semantischen Kategorien Tatsache und "object" bei der Belegung der GS-Position von GVS ausschließen. Das GS in GVS ist folglich auf die Kategorie Ereignis beschränkt. c)
In Bartsch (1972) entsprechen Vorgangß und Ereignisß der Kategorie Ereignis in Vendler (1967). Sie stützt sich bei dieser Unterscheidung auf das Verhalten bestirnter Adverbialgruppen. Deshalb muß in 2.2 noch offen bleiben, ob sich mit Hilfe der Kategorien von Bartsch (1972) die Elemente an der GS-Position von GVS präziser bestimmen lassen (cf. 3.2).
8.2.2.2 '-Zustand' und 'abgegrenzt' Die kritische Erörterung der Auffassungen von Schippan (1967), Bierwisch (1972), Katz (1972) und Endres (1973) ergibt, daß die Elemente an der GSPosition von GVS zusätzlich zu 'Ereignis' durch '-Zustand' und 'abgegrenzt' (entspricht '-durativ') restringiert werden müssen. Beide Merkmale sind nicht allein von Lexikon her bestimmbar. Unter anderem entscheidet der Kontext und das Erkenntnisinteresse der Sprachteilnehmer.
8.2.2.3 Ereignis als Wechsel von Zuständen Die in den vorangegangenen Abschnitten behandelten Analysemethoden reichen in einigen Fällen nicht aus. Der GVS in (2.44) kann z.B. nicht erklärt werden. (2.44) Hans Dies
saß neben dem Herd. Plötzlich lag er tot am geschah innerhalb von drei Sekunden.
Boden.
139
Deshalb muß man die Kategorien Zustand und Ereignis genauer untersuchen. Dazu werden sprachphilosophische Ansätze denen von Bierwisch (1972), Katz (1972) und Järborg (1973) gegenübergestellt. Das Ergebnis läßt sich wie folgt zusaitmenfassen: Ereignisse kann man beschreiben als eine geordnete Msnge von Zuständen (cf. Davidson 1966, Järborg 1973). Jeder dieser Zustänr de^ definiert einen Zeitpunkt. Die Menge der Zeitpunkte, die Bestandteil einer Ereignisbeschreibung sind, bildet eine Zeitzone (cf. Latmon 1966). Die so beschriebenen Ereignisse werden als Approximation "of a transition" verstanden (cf. Järborg 1973). 8.3
Syntaktische Einheiten ungleich P und GS in GVS
8.3.1
Zur Syntax
Eine Analyse auf der Grundlage von Heringer (1973) ergibt: Die syntaktischen Einheiten ungleich GS und P sind als A zu klassifizieren. Sie sind weder auf eine der Subkategorien nach dem Bau der syntaktischen Einheiten noch auf eine Untermenge der A1 - A8 beschränkt. 8.3.2
Zur Semantik
Geht man von einer Analyse der GV als Existenzquantoren für Ereignisse^ aus (cf. Bartsch 1972), dürfen in GVS nur bestimmte Adverbiale (z.B. keine Modaladverbiale, die über Vorgänge^ prädiziert werden) auftreten. Eine Uberprüfung dieser These führt zu zwei Ergebnissen: a) In GVS sind Adverbiale möglich, die über Vorgängeg prädiziert werden. Die Unterteilung von Bartsch (1972) in Vorgänge^ und Ereignisse^ ergibt folglich keine zusätzliche Restriktion für die Elemente an der GS-Position (cf. 2.2.1.3). GV lassen sich deshalb nicht ausschließlich als Existenzquantoren für Ereignisse^ darstellen. b) Die unakzeptablen GVS, die durch das Hinzufügen von Adverbialen der einzelnen in Bartsch (1972) angegebenen Adverbialklassen entstehen, sind durch folgende Regel zu erklären: Adverbiale in GVS werden über Ereignisse prädiziert. Deshalb läßt sich z.B. (3.75) nicht zu (3.76) umformen. (3.75) Der Kellner trägt die Suppe heiß herein. (3.76) Der Kellner trägt die Suppe herein. »Dies geschieht
heiß.
140
8.4
Das P in GVS
8.4.1
Zur Syntax des PT
Die VM der GV sind auf die dritte Person beschränkt (Kongruenz). Folglich sind auch die Formen des Imperativs der zweiten Person Singular/Plural ausgeschlossen. GV lassen sich auf syntaktischer Ebene nicht als Funktionsverben (cf. Polenz 1964) und auch nicht als andere Prädikatsbestandteile (cf. Lyons 1971) deuten. GV sind einwertig und bilden keine Passivformen.
8.4.2
Zur Semantik der GV
Die bisherige Forschung enthält zwei Ansätze, die weiter verfolgt werden: a) GV sind 'inhaltslos' oder 'inhaltsarm' (cf. unter anderem Lyons 1971, Polenz 1964, Kishitani 1965). b) GV selbst drücken das "bloße Ereignis" aus (cf. Grirrm 1893, Stötzel 1966, Erben 1972). Der Ansatz b) läßt sich mit Hilfe des Beschreibungsapparates von Järborg (1973) präzisieren und weiterentwickeln: GV sind beschreibbar als "non-constant transitionals".
8.5
Zur Verweisungsfunktion in GVS
8.5.1
Definite Deskription und Verweisung
Eine definite NP an der GS-Position von GVS ist nicht gleichzusetzen mit der definiten Deskription im logischen Sinn. Die Entscheidung, bb Sätze von Typ Der Mord geschah akzeptabel sind oder nicht, kann nur vcm textuellen Zusammenhang her getroffen werden. Eine Besprechung der Verweisung in GVS von Polenz (1964), Kishitani (1965), Lyons (1971) und Stötzel (1966) und der Verweisung in Kallmeyer (1974) zeigt: Für die Analyse einer Gruppe von GVS ist eine Beschreibungskategorie notwendig, die von Tempus- und Modusangaben usw. abstrahiert. Es wird diskutiert, unter welchen Voraussetzungen sich die Beschreibungskategorie Satzbegriff - Im Sinne von Brekle (1970) und Brekle (1973) - verwenden läßt. Uberninmt man sie, sind Äußerungen wie (5.13) analysierbar: Die Verweisform Die Einweihung an der GSPosition des GVS bezieht sich dann auf die dem Vorgängersatz zugrunde liegende Satzbegriffsstruktur.
141
(5.13) Am Freitag sollte (auf Wunsch des Präsidenten) das Denkmal eingeweiht werden. Die Einweihung fand (aber) nicht statt. Es regnete stark.
8.5.2
Wiederaufnahmefunktion des GV vs. Wiederaufnahmefunktion des GS
Es lassen sich zwei Arten von GVS unterscheiden. In GVS vcm Typ (5.33) ist das GV zusammen mit dsn Element an der GS-Position Pro-Form. (5.33) Hans ermordete Fritz. Dies geschah, obwohl es dafür kein Motiv gab.
Kennzeichen ist, daß immer eine A steht. Die Pro-Form verweist auf einen oder mehrere Sätze. Einen GVS der zweiten Art enthält (5.35): Das GV ist nicht Element einer Pro-Form aus GS+PT. Die A kann entfallen. (5.35) Hans sollte Fritz um 15 Uhr am Hauptbahnhof ermorden. Dies geschah, obwohl es dafür kein Motiv gab.
8.6
Gesamtanalyse der GVS
8.6.1
Die Zuordnung der GVS zu Satzmodellen
Die vorgencnmenen Zuordnungen erweisen sich als problematisch. Wichtig erscheint: In GVS wird der 'Vorgang an sich' betrachtet (cf. Weisgerber 1964, Grebe et al. 1966, Brinkmann 1971).
8.6.2
Interpretationen auf der Grundlage: GV sind "Quasi-Symbole"
Die A eines GVS wird über das Element an der GS-Position prädiziert. Man erhält den Satzbegriff. Äußert ein Sprecher Der Mord geschah am Freitag, behauptet er das Zutreffen des Prädikats am Freitag auf der Mord. Die Existenz des Ereignisses 'Mord' wird nicht behauptet, sie ist präsupponiert. Modus, Aspekt usw. sind weitere Relationen, "die den Satzbegriff bzw. einzelne Teile desselben in Beziehung zu bestürmten Ebenen der Konrunikation bringen" (Brekle 1970:57). Folglich wfiren alle 'Restbedeutungen' der GV zu deuten als Komponenten, die nicht zum Satzbegriff gehören.
142
8.6.3
GVS als Existenzaussagen
Die Interpretation von 6.2 bereitet Schwierigkeiten bei Sätzen des Typs Ein Mord geschah. Im Gegensatz zu Der Mord geschah am Freitag ist Mord nicht mehr präsupponiert, und die A als Prädikat ist entfallen. 8.6.3.1 Darstellung der GV als Existenzquantoren Der Vorschlag von Bartsch (1972) bringt zwei Schwierigkeiten mit sich: a) Es ist nicht möglich, eine definite NP, die nicht gleichzeitig eine definite Deskription darstellt, von einer indefiniten NP zu unterscheiden (cf. 5.1). b) Die Deutung der GV als Existenzquantoren bewährt sich nicht bei einer singulären Existenzaussage wie Ein Mord geschieht: Sie ist nicht mit der Aussage gleichzusetzen, daß die Klasse der Ereignisse 'Mord' in der realen Welt mindestens ein Element enthält. a) und b) erscheinen Grund genug, den Rahmen des erweiterten prädikatenlogischen Systems von Bartsch (1972) zu verlassen und eine Darstellung der GVS außerhalb dieses Modells zu versuchen.
8.6.3.2 Darstellung der GV als logische Prädikate Benutzt man ein prädikatenlogisches Modell der Art, wie es in Bartsch (1972) vorausgesetzt ist, führt die Darstellung der GV als logische Prädikate bei GVS ohne Satznegation zu einer Tautologie und bei GVS mit Satznegation zu einem Widerspruch. Dies liegt an der Grundannahme, daß die Existenz eines Gegenstandes oder Ereignisses in der realen Welt vorausgesetzt ist, vrenn man sich mit einan Proncmen oder einer definiten Beschreibung darauf bezieht. In der natürlichen Sprache muß das nicht zutreffen. Deshalb gibt es Kontexte, in denen z.B. Der Mord geschah akzeptabel ist.
8.6.3.3 Explizite 'existenziale Zuordnung' und pragmatische Erwartung Im GVS Der Mord geschah liegt keine Tautologie vor, wenn z.B. die Existenz des Ereignisses 'Mord' in einer fiktiven Welt (Traum, Vermutung usw.)
143
präsupponiert ist und in der realen Welt behauptet wird (cf. Pears 1974). Die 'pragmatische Erwartung', daß jeder Text bzw. Satz einen Informationsfortschritt enthalten muß, wird durch die existenziale Zuordnung erfüllt (cf. Dressler 1972). Für GVS ohne A ergibt sich folglich die Interpretation: Dem Satzbegriff wird mit Hilfe des GV eine existenziale Zuordnung beigegeben. Sie legt die mögliche Welt fest (reale Welt, Fiktion usw.), in der das Ereignis anzusiedeln ist. Mit den GVS steht ein sprachliches Mittel zur Verfügung, die existenziale Zuordnung eines Ereignisses explizit vorzunehmen.
8.6.3.4 Existenziale Zuordnung und logisches Prädikat Geht man aus von möglichen Entitäten als 'universe of discourse1 und nicht von Entitäten der realen Welt als Grundlager einer Beschreibung der Semantik einer Äußerung, läßt sich die existenziale Zuordnung als logisches Prädikat darstellen. Für eine Analyse der GVS in einigen ihrer Grundzüge genügt aber die in 6.3.3 gegebene verbale Verdeutlichung.
8.6.3.5 Existenziale Zuordnung von Ereignissen ohne GV In Sätzen von Typ Hans ermordete Fritz wird das Zutreffen des Prädikats auf Hans und Fritz behauptet, gleichzeitig jedoch die Existenz des Ereignisses in der realen Welt, das durch Hans ermordete Fritz beschreibbar ist, ausgesagt. Bei der Funktion der Zuordnung eines Existenzials handelt es sich folglich um eine Kanponente, die allen Verben, die zu Ereignisbeschreibungen verwendet werden, zukamen kann. GV sind nicht durch diese Kanponente definiert, sondern durch das Fehlen anderer.
8.6.4
GVS als Beschreibung eines 'Vorganges an sich' und die Prädikationsstruktur von GVS
Mit Hilfe von GVS kann die Existenz eines Ereignisses in einer bestimmten Welt behauptet Warden, ohne daß das Ereignis als Relation zu den daran beteiligten Individuen oder Gegenständen aufgefaßt wird. Diese Analyse kann als Präzisierung der Fonnulierung angesehen werden, GVS beschrieben den
144
Vorgang an sich. Sie ist auch anwendbar auf Sätze, die Witterungsimpersonalia und das unpersönliche Passiv enthalten (cf. 6.6.2).
8.6.5
Drei Beobachtungen bei einer Analyse der GV als Quasi-Symbole
6.2 - 6.4 enthielten für einige Probleme Lösungsvorschläge, die von der Grundannahme ausgehen, die GV seien Quasi-Symbole. In 6.5 werden drei Beobachtungen angeführt, die sich überzeugender erklären lassen, wenn man diese Grundannahme aufgibt, was in 6.6 geschieht.
8.6.6
Interpretation auf der Grundlage: GV selbst drücken das bloße Ereignis aus
8.6.6.1 GVS als Approximation "of a transition" GVS von Typ Ein Mord geschah/Der Mord geschah am Freitag lassen sich mit Hilfe des Beschreibungsapparates von Järborg (1973) wie folgt darstellen: Die GV-Wurzel kennzeichnet ein "non-constant transitional". Das Element an der GS-Position der GVS dient zur Angabe weiterer Restriktionen. Das Zeitmorphem kennzeichnet "the one and only one member of the class such that ...". Mit dieser Analyse kann man einen möglichen Zusaitmenhang zwischen GVS ohne A (z.B. Ein Mord geschah) und GVS mit A (z.B. Der Mord geschah am Freitag) beschreiben: Ein GVS mit A ist als die verbesserte Approximation "of the same transition" zu werten, die im GVS ohne A vorliegt. Das Kennzeichen dieser Gruppe ist den Beobachtungen zu entnehmen, die in 5.2 gemacht wurden: a) Der GVS ohne A ist Vorgängersatz des GVS mit A. b) Der Komplex aus GS+PT steht als Pro-Form für den vorangegangenen Satz. Prinzipiell gilt, daß man GVS mit A als verbesserte Approximation derjenigen Approximation "of a transition" ansehen kann, die das an der GSPosition des GVS mit A beschriebene Ereignis wiedergibt. Voraussetzung ist, daß sich der Komplex aus GS+PT als Pro-Form interpretieren läßt (cf. 5.2).
145
8.6.6.2 Interpretation der Beobachtungen von 6.5 Auf der Grundlage von 6.5 und 6.6.1 läßt sich die Verbindung des GS zum GV in GVS als die einer näheren Bestimmung zum Grundelement deuten, womit man die Beobachtungen in 6.5 einfach erklären kann. Darüber hinaus läßt sich der Unterschied zwischen GVS und Sätzen wie Es regnet angeben: In GVS wird die GS-Position zur näheren Bestimmung des GV genutzt, während z.B. Es in Es regnet die GS-Position rein formal ausfüllt. 8.6.6.3 1Prädikatssätze' in Miklosich (1883), Moritz (1783) und im Japanischen 8.6.6.3.1 Miklosich (1883) und Moritz (1783) Die in 6.6.1 vorgeschlagene Analyse der GVS läßt sich - zumindest im Grundsätzlichen - bereits sehr früh belegen. Einen Zusammenhang zwischen Sätzen vom Typ Es donnert und GVS stellt schon Moritz (1783) in seinen Beispielsätzen her.
8.6.6.3.2 'Prädikatssätze' im Japanischen Strukturen, wie sie den GVS zugeschrieben wurden, lassen sich nach den Aussagen von Hartmann (1952) im Japanischen und anderen ostasiatischen Sprachen nachweisen. Dies zeigt, daß das Interpretationsschema, das den GVS zugrunde gelegt wurde, innerhalb einer vergleichenden Sprachwissenschaft keine Randerscheinung ist.
8.7
Zur Subklassifizierung der GV
Die Thesen von Weisgerber (1964) werden überprüft und teilweise erpirisch falsifiziert. Es schließt sich in 7.3 der Versuch an, eine Subklassifizierung der GV vorzunehmen, die von der Klasse der in GVS möglichen Adverbiale ausgeht. Ob sich der in 7.3 vorgetragene Vorschlag bewährt, kann sich erst in detaillierteren Untersuchungen zur Subklassifizierung der GV zeigen.
A1
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A2
PRIMKRQUELLEN DES CORPUS, AUS DENEN ZITIERT WURDE
Nähere Angaben zu den einzelnen Teilcorpora enthält 1.4.1 A2.1
Maschinenlesbare Teilcorpora
Sie sind im Text durch eine der folgenden Abkürzungen gekennzeichnet: FAZ
= Auswahlmenge aus der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' (Saarbrücken)
Liraas-Corpus = Auswahlmenge aus Texten der neuhochdeutschen Schriftsprache der Jahre 1970 und 1971 ND54
= Auswahlmenge aus der Tageszeitung 'Neues Deutschland', Jahrgang 1954 (IDS Bonn)
ND64
= Auswahlmenge aus der Tageszeitung 'Neues Deutschland', Jahrgang 1964 (IDS Bonn)
RDE
= Auswahlmenge aus 'Rowohlt' s Deutsche Enzyklopädie'
W54
= Auswahlmenge aus der Tageszeitung 'Die Welt', Jahrgang
W64
= Auswahlmenge aus der Tageszeitung 'Die Welt', Jahrgang
(Saarbrücken) 1954 (IDS Bonn) 1964 (IDS Bonn) Bei Zitaten steht die interne Satzkennzeichnung - durch ein Kemna getrennt - hinter der Abkürzung. A2.2
Duden-Sprachkartei
Belege, die mit Hilfe der Duden-Sprachkartei ermittelt wurden, sind im Text durch ein 'D' gekennzeichnet. Hausmann, Manfred.
1961. Abel mit der Mundharmonika. Hamburg.
156
Kaschnitz, Marie Luise. 1963. Wohin denn ich. Hamburg. Mann, Heinrich. 1959. Professor Unrat. Hamburg. Musil, Robert. 1960. Der Mann ohne Eigenschaften. Hamburg.
A2.3
Eigene Exzerpierung
Altendorf, Wolfgang. 1973. Die Rache des Delphins. Süddeutsche Zeitung Nr. 189, 18./19. 8., 88. Darlton, Clark. 1974. Im Zeit-Gefängnis. (= Perry Rhodan, der Erbe des Universums Nr. 64.) München. Dick, Philip K. 1971. LSD-Astronauten. Frankfurt (aus dem Englischen). Döring, Gerhard. 1974. Was ich den Frauen zu sagen habe. Eltern Nr. 4, April, 83. Eltern. Monatszeitschrift. Feuchtwanger, Lion. 1957. Jefta und seine Tochter, Berlin. 1972. Jud Süß. In: -. Die häßliche Herzogin Margarete Maultausch. Jud Süß. Zwei Romane. Berlin, Weimar. 257-775. 1973. Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz. Berlin, Weimar. Gernsback, Hugo. 1973. Ralph 124C 41+. München (aus dem Amerikanischen). Hodder-Williams, Christopher. 1969. Der große summende Gott. Hamburg, Düsseldorf (aus dem Englischen). Hopkins, John. Seine Scheidung, ihre Scheidung. Fernsehspiel. Sendung des Deutschen Fernsehens (ARD) vom 19. 5. 1974, 21.15 Uhr. Leist, Fritz (Hg.). 1965. SEINE Rede geschah zu mir. Einübung in das alte Testament. München. Lern, Stanislaw. 1973a. Der bedingte Reflex. In: -. Test. Phantastische Erzählungen. Frankfurt am Main, 39-107 (aus dem Polnischen). 1973b. Invasion vom Aldebaran. In: Test. Phantastische Erzählungen. Frankfurt am Main, 183^193 (aus dem Polnischen). Puschkin, Alexander. 1972. Dubrowski. Leipzig (aus dem Russischen). Saarbrücker Zeitung. Tageszeitung. Steinbeck, John Jahresangabe fehlt . Wonniger Donnerstag, Hamburg, Deutscher Bücherbund (aus dem Amerikanischen). Süddeutsche Zeitung. Tageszeitung.
157
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