Unentbehrliche Vertreter: Deutsche Diplomaten in Paris, 1815-1870 9783110519563, 9783110517125

In the years between the Congress of Vienna and the Franco-Prussian War, "German" diplomats in Paris took many

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German Pages 349 [352] Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Dank
1. Einleitung : Diplomatie unter Druck
2. Widersprüche rechtfertigen: das Selbstbild der Diplomaten
3. Umstrittene Kompetenzbereiche : Grenzziehungen und Grenzverschiebungen
4. Notwendige Präsenz: die (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort
5. Legitimität stiften: die gegenseitige Anerkennung der Regierungen
6. Auf dem Prüfstein: diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen
7. Schlussbetrachtungen : Diplomatie im Aufbruch
8. Diplomatische Vertretungen in Paris
9. Abkürzungsverzeichnis
10. Abbildungsverzeichnis
11. Quellen- und Literaturverzeichnis
12. Personenregister
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Unentbehrliche Vertreter: Deutsche Diplomaten in Paris, 1815-1870
 9783110519563, 9783110517125

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Katrin Rack Unentbehrliche Vertreter

Pariser Historische Studien Herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Paris

Band 109

Katrin Rack

Unentbehrliche Vertreter

Deutsche Diplomaten in Paris 1815 – 1870

Pariser Historische Studien Herausgeber: Prof. Dr. Thomas Maissen Redaktionsleitung: Dr. Stefan Martens Redaktion: Veronika Vollmer Anschrift: Deutsches Historisches Institut (Institut historique allemand) Hôtel Duret-de-Chevry, 8, rue du Parc-Royal, F-75003 Paris

Zugl. überarb. Fassung von: Bielefeld, Univ., Diss., 2016 u. d. Titel: Rack, Katrin, Unentbehrliche Vertreter. Deutsche Diplomaten in Paris 1815–1870. Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen Lektorat: Dr. Ulrike Voigt, Stuttgart Umschlagabbildung: Smeeton, Bal donné à l’ambassade de Prusse, le 13 juin, in: L’Illustration. Journal universel, 22. 6. 1867, S. 396. Foto: Bayerische Staatsbibliothek München. Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com ISBN 978-3-11-051712-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-051956-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-051744-6 ISSN 0479-5997

Inhalt Dank 9 1. Einleitung: Diplomatie unter Druck. . . . . . . . . . . 1.1 Erkenntnisinteresse: Handlungsspielräume, Umgangsformen, Legitimitätsprobleme. . . . . 1.2 Problemfelder und Aufbau der Arbeit. . . . . . 1.3 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes. . 1.4 Quellenlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Forschungsstand. . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Widersprüche rechtfertigen: das Selbstbild der Diplomaten. . . . 33 2.1 Monarch und Staat vertreten: zum Verständnis des eigenen Amtes.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.2 Leitvorstellungen: wegweisend, traditionsbewusst, grundlegend erneuert. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.2.1 Gegenüber den Entsendenden: Ehre, Treue und Vertrauen. . . . . . . . . . . . . . 42 2.2.2 Gegenüber Frankreich: Reziprozität. . . . . . . . . 46 2.2.3 Seit dem Wiener Kongress: Egalität.. . . . . . . . . 49 2.3 Berufung und Beruf: die zunehmende Professionalisierung. 52 2.4 Familienbande: die Bedeutung der adeligen Herkunft im bürgerlichen Zeitalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.5 Geregelte Verhältnisse: die Trennung der Geschlechter. . . 63 2.5.1 Uniformiert und militärisch versiert: Männlichkeitsentwürfe bei einem entstehenden Berufsbild. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.5.2 L’ambassadrice: Ehefrauen von Diplomaten zwischen offiziellen und persönlichen Ansprüchen. 68 2.6 Divergierendes Selbstverständnisals Zeichen des Übergangs.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Umstrittene Kompetenzbereiche: Grenzziehungen und Grenzverschiebungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Sachgebiete aushandeln: Auseinandersetzungen und Ausdifferenzierungen. . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1 »Politisch« und »administrativ«: Gegenstandsbereiche diplomatischer Tätigkeit. 3.1.2 Auf den Handel konzentriert: die Ausbildung des Konsularwesens im Wechselspiel mit der Diplomatie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

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3.1.3 Etablierung von Militärattachés: die schwierige Verzahnung von Kriegs- und Außenpolitik. . . Mediale Herausforderungen. . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Das Verhältnis zur Presse: zwischen Nutzen und dem Wunsch nach Kontrolle.. . . . . . . . 3.2.2 Die Verwendung der Telegrafie: ihre Tragweite ausbauen und ausloten. . . . . . . . . . . . . . Aufgabenbewältigung: erweiterte und eingeschränkte Handlungsspielräume. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

. . 100 . . 112 . . 113 . . 125 . . 137

4. Notwendige Präsenz: die (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Räumliche Beständigkeit: der erstmalige Erwerb von Gebäuden und die Verfestigung diplomatischer Viertel. . . 4.2 Kontakte herstellenoder die Dimensionen der Verzweigung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Unter Kollegen: das diplomatische Korps. . . . . . 4.2.2 Formalisierter Austausch: Verbindungen zu offiziellen französischen Stellen. . . . . . . . . . 4.2.3 In den Salons als Gast und Gastgeber zuhause: die »Pariser Gesellschaft«. . . . . . . . . . . . . . . 4.2.4 Verstärkte Unterstützung: lokaler Einsatz für Landsleute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Auf Dauerhaftigkeit ausgelegt: Institutionalisierungstendenzen von Begegnungsformen.. 5. Legitimität stiften: die gegenseitige Anerkennung der Regierungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 Zwischen Kontinuität und Neubeginn: die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen um 1815.. 5.2 Unausweichlich, aber verzögert: die Anerkennung Louis-Philippes nach der Julirevolution von 1830. . . . . . 5.3 Abreise oder Verbleib?Die Anerkennung infolge der Revolutionen von 1848. . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Eine Frage der Formulierung: die Anerkennung Napoleons III. mit der Etablierung des Zweiten Kaiserreichs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Die letzten Tage in Paris: Abbruch diplomatischer Beziehungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Überwundene Anerkennungsproblemeund Legitimitätsdenken im Zeitalter des Europäischen Konzerts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

6. Auf dem Prüfstein: diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen. 6.1 Bedeutungsverluste abwenden: Rangerhöhungen. . . . . . 6.2 Siegel überantworten:die vorübergehende Übernahme hessen-darmstädtischer Geschäfte durch Baden. . . . . . . 6.3 Die Provisorische Zentralgewalt bewerben: der gescheiterte Etablierungsversuch eines gesamtdeutschen Diplomaten. . . . . . . . . . . . . . . . 6.4 Staatenbund und Großherzogtum umstrukturieren: landsmännischer Einsatz für die Erhaltung der hessendarmstädtischen Vertretung. . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5 Beharren auf dem Gesandtschaftsrechtals Ausdruck einzelstaatlicher Souveränität zur Zeit des Deutschen Bundes.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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7. Schlussbetrachtungen: Diplomatie im Aufbruch. . . . . . . . . . 295 8. Diplomatische Vertretungen in Paris.. . . . . . . . . . . . . . . . 303 8.1 Standorte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 8.2 Personalübersicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 9. Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 10. Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 11. Quellen- und Literaturverzeichnis. . 11.1 Archivalien. . . . . . . . . . 11.2 Gedruckte Quellen. . . . . . 11.3 Literatur. . . . . . . . . . . .

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12. Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347

Dank Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung meiner gleichnamigen Dissertation, die ich im Jahr 2016 an der Universität Bielefeld verteidigt habe. Ihre Entstehung wurde von vielen Menschen und Institutionen begleitet und unterstützt, denen ich an dieser Stelle danken möchte. Professor Willibald Steinmetz betreute nicht nur die vorliegende Studie, sondern auch meine vorangehenden Qualifikationsschriften und hat dadurch meinen akademischen Werdegang geprägt. Professorin Angelika Epple übernahm freundlicherweise die Zweitbetreuung und Professor Neithard Bulst interessierte sich immer wieder für den Fortgang der Arbeit. Die Bielefeld Graduate School in History and Sociology förderte die Promotionsvorbereitungsphase mit einem Qualifizierungsstipendium und ermöglichte mir während der anschließenden Mitgliedschaft vielfältigen Austausch. Das Evangelische Studienwerk Villigst e. V. gewährte mir durch die Aufnahme in die Promotionsförderung finanzielle und ideelle Unterstützung. Dem Deutschen Historischen Institut Paris bin ich nicht nur für die dortige Zeit als Resident Fellow, sondern auch für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe der Pariser Historischen Studien zu Dank verpflichtet: namentlich seinem Direktor Professor Thomas Maissen, seinem Stellvertreter Dr. Stefan Martens, Dr. Mareike König, die mir dort viele Möglichkeiten eröffnete, und Veronika Vollmer, die die Drucklegung umsichtig begleitete. Dr. Ulrike Voigt danke ich für das sorgfältige Lektorat meiner Arbeit. Dr. Verena Steller gab mir bei Gesprächen in Frankfurt Anregungen für eine Kulturgeschichte der Diplomatie, die in vielerlei Hinsicht vorbildgebend waren. Ferner waren für mich der interdisziplinäre Austausch mit Thomas Müller in Bielefeld wichtig sowie der beständige Kontakt zu Friederike Willasch weit über unsere Dissertationsthemen hinaus. Mein ganz persönlicher Dank gilt schließlich meiner Familie. Mainz, im Mai 2017 

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Katrin Rack

1. Einleitung: Diplomatie unter Druck »Ein Gesandter ohne Macht […] sieht recht schön aus, kostet recht viel Geld, hat aber sonst gar keinen Zweck«1. Der Abgeordnete Rudolph Bamberger äußerte diesen Satz im Darmstädter Landtag im Jahr 1867 während einer Debatte zu dem Thema, ob das großherzogliche Gesandtschaftswesen aufrechtzuerhalten sei2. Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt verfügte zu diesem Zeitpunkt wie viele deutsche Staaten über eigene Diplomaten, darunter auch und gerade in Paris. Insbesondere bei Diplomaten aus kleineren Staaten – laut Bamberger »ohne Macht« – stellte und stellt sich jedoch die Frage, ob sie nicht als dekorative Statisten ein unnötiger Kostenfaktor waren. Die Problematik ist nach wie vor relevant – bis heute wird die Lebensweise von Diplomaten oft zuerst mit aufwändigen Empfängen in eleganten Botschaftsgebäuden verbunden, womit meistens Zweifel an ihrem Nutzen einhergehen. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung stehen die deutschen Diplomaten, die in den Jahren zwischen dem Wiener Kongress von 1815 und dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 in Paris tätig waren. In der französischen Hauptstadt waren zu dieser Zeit neben Preußen und Österreich Bayern, Baden, Hannover, Hessen-Darmstadt, Hessen-Kassel, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Nassau, Sachsen, Sachsen-Weimar-Eisenach, Württemberg sowie die Freien Städte Hamburg, Bremen, Lübeck und Frankfurt diplomatisch vertreten. Als souveräne Staaten besaßen sie eigene außenpolitische Ziele, wenngleich sie dem Deutschen Bund angehörten, der infolge der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress von 1815 geschaffen worden war. Eine deutsche Botschaft entstand erst im Zuge der Gründung des Deutschen Kaiserreiches im Jahr 1871 und ging mit der Auflösung der bestehenden einzelnen Vertretungen – mit Ausnahme der bayerischen Gesandtschaft – einher. Die Vielzahl deutscher diplomatischer Vertreter in Paris in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts legt nahe, dass diese dort unentbehrlich schienen. Ihre Präsenz war jedoch hinterfragbar, denn die Diplomaten gerieten auf vielfältige Weise unter Druck. Ein Ausgangspunkt der Kritik war die Situation zur Zeit des Deutschen Bundes, als dessen Mitgliedsstaaten jeweils das aktive und passive Gesandtschaftsrecht besaßen und ausübten. Daraus ergaben sich Ressentiments, wie sie der badische Diplomat Leopold von Stetten im Jahr 1857 zum Ausdruck brachte: »Es gibt eine Anzahl Leute, welche Klasse auch unter den Staatsbeamten beträchtlich verbreitet, und der Ansicht ist, daß die Diplomatie im allgemeinen keinen besonderen Werth habe, in Deutschland aber Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen, 19. Landtag, Darmstadt 1867, Bd. 2, S. 16. 2 Für eine genaue Untersuchung dieser Debatte vgl. Kap. 6.4. 1

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1. Einleitung

namentlich in den Staaten zweiten Rangs ziemlich überflüssig sei«3. Mit der vermeintlichen Nutzlosigkeit vor allem kleinerer Vertretungen ging das Problem einher, dass jene deutschen Staaten kaum eine eigenständige Außenpolitik verfolgen konnten4. Für kleinere Staaten war es zudem sehr kostspielig, diplomatische Vertretungen zu unterhalten. Die mögliche Konsequenz, keine eigenen Diplomaten mehr nach Paris zu entsenden, schien nicht abwegig, wurde mehrfach erwogen und auch gezogen. Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt etwa wurde zeitweise vom badischen Diplomaten in Paris vertreten; im Jahr 1867 stand die hessen-darmstädtische Vertretung vor ihrer Auflösung. Eine andere Möglichkeit der Kostensenkung bestand darin, Diplomaten in mehreren Staaten zu akkreditieren oder ihren Rang herabzustufen5. Umgekehrt gab es Diplomaten an zahlreichen deutschen Standorten, was Markus Mößlang für Großbritannien untersucht hat: Er konstatiert, dass der Beitrag der Diplomaten aufgrund der marginalen Bedeutung ihres Standorts als gering einzuschätzen sei und sie mitunter mehr bei der Jagd anzutreffen gewesen seien als in der Stadt, von der aus sie über das dortige Geschehen hätten berichten sollen6. Die Zweifel an ihrem Nutzen betrafen darüber hinaus nicht nur die Diplomaten der kleineren Staaten, sondern auch ihre Kollegen der beiden großen Staaten Preußen und Österreich. Der österreichische Botschafter Hübner sah es im Jahr 1854 als beunruhigende Tendenz an, dass Staatsoberhäupter sich zunehmend unmittelbar in außenpolitische Belange einmischten: Es wäre überhaupt im diplomatischen Geschäftsverkehre gut, nicht allzu oft an die direkte Vermittlung der Herrscher zu appellieren, wie es in letzterer Zeit in Paris sowie in Wien Mode geworden ist. Macht der Minister oder der Botschafter einen Fehltritt, so kann ihn sein Herr desavouieren. Hat sich aber das Staatsoberhaupt in einer Unterredung mit einem auswärtigen Agenten geirrt, so steht ihm dieses Mittel nicht zur Verfügung. Der Souverän kann sich nicht selbst ein Dementi geben, ohne die Krone bloßzustellen7.

Leopold von Stetten, 28. 10. 1857, GLA 233/23821. Zur eingeschränkten eigenständigen Außenpolitik am Beispiel Badens vgl. Jürgen Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris, Wien, Berlin, Darmstadt … Badische Gesandte zwischen 1771 und 1945, Karlsruhe 2000, S. 10. 5 Martin Ott gibt diese Möglichkeiten der Kostenersparnis für den bayerischen Fall an, vgl. Martin Ott, Art. »Bayerische Gesandtschaften 19./20. Jahrhundert«, in: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44504 (Zugriff 26. 2. 2017). 6 Er stellt außerdem heraus, dass auf britischer Seite seit Beginn der 1850er Jahre der Nutzen der eigenen Diplomaten in den kleineren deutschen Staaten in Zweifel gezogen wurde, vgl. Markus Mösslang, Gestaltungsraum und lokale Lebenswelt. Britische Diplomaten an ihren deutschen Standorten, 1815–1914, in: Hillard von Thiessen, Christian Windler (Hg.), Akteure der Außenbeziehungen. Netzwerke und Interkulturalität im historischen Wandel, Köln u. a. (Externa, 1), S. 199–215, hier S. 199 f. 7 Joseph Alexander von Hübner, Neun Jahre der Erinnerungen eines österreichischen Botschafters in Paris unter dem Zweiten Kaiserreich, 1851–1859, 2 Bde., Berlin 1904, Bd. 1, S. 167. 3 4

1. Einleitung 

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Hübner bemühte sich, seine eigene Notwendigkeit herauszustellen, da er seinen Wirkungskreis durch das Staatsoberhaupt bedroht sah. In eine ähnliche Richtung deuten die Worte des Abgeordneten der portugiesischen Pairskammer Miguel O’Lorio aus dem Jahr 1867, die der »Preußische Staats-Anzeiger« abdruckte; über dieses Medium könnten auch die preußischen Diplomaten in Paris die Botschaft zur Kenntnis genommen haben: In diesem Jahrhundert der Eisenbahnen und Telegraphen bedarf es weder eines diplomatischen Corps, noch der Botschafter und Gesandten mehr an auswärtigen Höfen. Der Minister des Auswärtigen kann sich persönlich nach den Ländern begeben, wo seine Gegenwart zur Lösung internationaler Angelegenheiten nützlich sein wird8.

O’Lorio spricht dem Außenminister, nicht dem Staatsoberhaupt, weitreichende Kompetenzen zu, die zugleich das Amt der Diplomaten gefährden. Seine Sichtweise fußt auf tiefgreifenden Veränderungen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, die sich auf die diplomatische Ebene auswirkten. Es handelte sich um eine Phase der Transformation, die nicht gleichbedeutend mit dem Niedergang oder gar der Auflösung von Diplomatie war: Das Verständnis von Diplomatie wurde vielmehr vorübergehend mehrdeutig9. Zum einen bestanden alte dynastische Strukturen fort und das Staatsoberhaupt übte einen entscheidenden außenpolitischen Einfluss aus. Zum anderen waren auf dem Wiener Kongress neue diplomatische Prinzipien festgelegt worden und innerhalb der Diplomatie waren Tendenzen der Professionalisierung erkennbar. Neben den schnelleren Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten entstanden in den deutschen Einzelstaaten Verfassungen und Parlamente und damit neue Formen der Öffentlichkeit. Diese Entwicklungen veränderten und beeinflussten nachhaltig die Arbeitsweise und den Alltag der Diplomaten. Um genauer herauszuarbeiten, inwieweit Diplomaten unter Druck gerieten, weshalb sie aber gleichzeitig unverzichtbar waren, konzentriert sich die Untersuchung auf die deutschen Diplomaten, die zwischen 1815 und 1870 in Paris tätig waren. Der Blick auf einen Ort diplomatischen Handelns ermöglicht es, der Frage nachzugehen, was Diplomatie in diesem Zeitraum auszeichnete und wie sie funktionierte. Das Ziel ist, Diplomatie in ihren Eigenlogiken und ihrer spezifischen Ausbildung zu verstehen, um ihren Eigenwert herauszustellen.

Königlich Preußischer Staats-Anzeiger, Nr. 62, 11. 03. 1867, S. 980. Zur zeitweise vieldeutigen Rolle von Diplomaten vgl. Johannes Paulmann, Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn u. a. 2000, S. 71 und allgemein für eine Begriffsgeschichte von »Diplomatie«, die selbst erst um 1800 begann, vgl. Ders., Diplomatie, in: Jost Dülffer, Wilfried Loth (Hg.), Dimensionen internationaler Geschichte, München 2012 (Studien zur Internationalen Geschichte, 30), S. 47–64.

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1. Einleitung

1.1 Erkenntnisinteresse: Handlungsspielräume, Umgangsformen, Legitimitätsprobleme Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Diplomaten als Akteure vor Ort, die der Legitimität bedürfen und sie zugleich stiften, eine besondere Bedeutung für die Gestaltung der internationalen Beziehungen haben. Die in dieser Aussage enthaltenen Aspekte – Diplomaten als Akteure, Diplomatie vor Ort und Legitimität als diplomatisches Problem – sind im Folgenden näher auszuführen. Diplomaten sind Akteure mit eigenen Handlungsspielräumen. Diese akteurszentrierte Perspektive – wenngleich sie mit besonderen Herausforderungen einhergeht  – ermöglicht es, deren Eigenwert herauszuarbeiten. Auf den ersten Blick besaßen Diplomaten kaum eigene Gestaltungsmöglichkeiten, da sie als Vertreter eines Souveräns dessen Weisungen zu befolgen hatten. Zudem wird bei Außenpolitik oft von »Frankreich« oder »Quai d’Orsay« als handelnden Einheiten gesprochen und auf diese Weise verdeckt, dass es Menschen sind, die handeln10. Abgesehen von den nicht zu negierenden Verallgemeinerungen besteht die Aufgabe hier darin, ein vertieftes Verständnis für die Handlungsweisen von Diplomaten zu gewinnen, ihre Spielräume aufzudecken sowie die sie leitenden Vorstellungen herauszuarbeiten. Zu zeigen ist vor allem, wie sie sich immer wieder neu konstituierten und den Gegebenheiten anpassten. Außerdem ist insbesondere für den gewählten Untersuchungszeitraum noch von umfangreichen Einflussmöglichkeiten der Diplomaten auszugehen, da dieser Abschnitt als typisches Zeitalter der Außenpolitik gilt, in dem Spezialisten weitgehend ungestört von äußeren Faktoren ihre Ziele verfolgen konnten: Dynastische Verbindungen verloren gegenüber der Frühen Neuzeit an Bedeutung, während Medien wie Presse und Telegrafie sie langsam erst gewannen11. Der Blick auf Diplomaten als Akteure in Paris erlaubt eine Rekonstruktion ihres Handelns vor Ort. Die lokale Ebene ermöglicht, das individuelle Handeln von Diplomaten für den spezifischen Fall der französischen Hauptstadt zu erfassen und gleichzeitig aufzuzeigen, wie sich diplomatische Umgangsformen in Europa generell wandelten. Der Standort Paris dient zugleich als Mittelpunkt, um davon ausgehend Verflechtungen zu betrachten, etwa mit den Entsendern der Diplomaten12. Darüber hinaus erlaubt eine solche Pers Vgl. Hillard von Thiessen, Christian Windler, Einleitung: Außenbeziehungen in akteurszentrierter Perspektive, in: Dies. (Hg.), Akteure der Außenbeziehungen, S.  1–12, hier S. 5. 11 Vgl. Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, S. 721. 12 Zur Analyse von Relationen vgl. Angelika Epple, Globale Mikrogeschichte. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Relationen, in: Ewald Hiebl, Ernst Langthaler (Hg.), Im Kleinen das Große suchen. Mikrogeschichte in Theorie und Praxis, Innsbruck u. a. 2012 (Jahrbuch für Geschichte des ländlichen Raumes, 9), S. 37–47. 10

1.1 Erkenntnisinteresse

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pektive, die Vorstellungs- und die Lebenswelt der Diplomaten miteinander zu verknüpfen. Ideen und Überzeugungen, die die Diplomaten mitbrachten oder entwickelten, sowie ihre Alltagspraxis und Lebenswelt sind in ihrer wechselvollen Beziehung herauszuarbeiten. Schließlich verdient Legitimität als ein diplomatisches Problem besondere Aufmerksamkeit. »Legitimität« stellt ein Schlüsselkonzept dar, welches zunehmend Forschungsinteresse auf sich zieht. In der Geschichtswissenschaft gibt es beispielsweise neuere Arbeiten zum Verhältnis von Imperien und Legitimität sowie von Monarchie und Legitimität13. Aus politikwissenschaftlicher Sicht stellt Ian Clark Legitimität als Konzept für die internationalen Beziehungen heraus und betont, dass sich ihre Wirkung sehr komplex entfalte14. »Legitimität« bedeutet nach Peter Kielmanseggs Definition, die hier als Grundlage dienen soll, dass »soziale Geltung als rechtens« zu betrachten ist15. Er verweist darauf, dass Legitimität den Einzelnen mit einem anderen verbindet, indem sich beide gegenseitig wahrnehmen, deuten und im positiven Fall akzeptieren. Anders formuliert: Legitimität basiert auf Interaktionen16. Für den vorliegenden Fall bietet der Begriff »Legitimität« die Chance, den wie im Eingangszitat angezweifelten Nutzen von Diplomaten differenziert zu analysieren. Deshalb ist er hier als Schlüsselkonzept einzuführen, das zugleich eine analytische Kategorie und ein zeitgenössisches Prinzip darstellt. Diese Mehrdimensionalität kennzeichnet das Fallbeispiel der deutschen Diplomaten in Paris in besonderer Weise. Legitimität wird dazu wie folgt bezüglich Herrschaft, Anerkennung, den zeitgenössischen Gebrauch sowie Rechtfertigung aufgeschlüsselt. Um Legitimität analytisch näher zu fassen, führt ein Weg über die Kategorie der Herrschaft und die Diplomaten als an ihr beteiligte und in sie eingebundene Akteure. Ansatzpunkt ist die enge Beziehung von Diplomaten zu ihren Entsendenden: Sie entsteht dadurch, dass Diplomaten einen Teil des »Herrschaftsapparates« darstellen und sich als »Herrschaftsträger« bezeichnen lassen, da sie zu den Personen und Funktionen gehören, die Herrschaft Vgl. Jörn Leonhard, Wie legitimieren sich multiethnische Empires im langen 19. Jahrhundert?, in: Herfried Münkler, Eva Marlene Hausteiner (Hg.), Die Legitimation von Imperien. Strategien und Motive im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M., New York 2012, S. 70–93; Volker Sellin, Gewalt und Legitimität. Die europäische Monarchie im Zeitalter der Revolutionen, München 2011; Philip Mansel, Torsten Riotte, Introduction: Monarchical Exile, in: Dies. (Hg.), Monarchy and Exile. The Politics of Legitimacy from Marie de Médicis to Wilhelm II., Houndmills u. a. 2011, S. 1–13, hier S. 6. 14 Vgl. Ian Clark, Legitimacy in International Society, Oxford u. a. 2005. 15 Peter Kielmansegg, Legitimität als analytische Kategorie, in: Politische Vierteljahresschrift 12 (1971), S. 367–401, hier S. 367. 16 Für dieses kulturwissenschaftliche Verständnis der Definition von Kielmansegg vgl. Verena Steller, Legitimität in der Praxis oder: neue Chancen für die Diplomatiegeschichte?, Vortrag DHIP, 28. 2. 2014, http://www.dhi-paris.fr/publikationen/podcast/verena-steller.html (Zugriff 26. 2. 2017). 13

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1. Einleitung

durchsetzen17. Ihr besonderes Bestreben liegt darin, Herrschaft nicht gegenüber Untertanen im Inland, sondern gegenüber anderen Staatsoberhäuptern im Ausland akzeptiert zu wissen. Deshalb ist ihre Entsendung gleichsam als ein Verfahren zu betrachten, das der Anerkennung dient, worauf wiederum Legitimität beruht18. Zugleich ist es wichtiger Bestandteil diplomatischer Tätigkeit und Daseinsberechtigung zu vermitteln und zu repräsentieren. Dies lässt sich mit der Beobachtung verknüpfen, dass Herrschaft in besonderem Maß auf Repräsentation angewiesen ist, da sie erst durch Vermittlung legitim wird19. Für die dargestellten Zusammenhänge ist es indes notwendig, das vorliegende Verständnis und Verhältnis von Herrschaft zu Legitimität zu präzisieren. Dazu ist Herrschaft weniger als zentraler Begriff einzubringen, sondern vielmehr in seinen Wechselwirkungen mit Legitimität offenzulegen. Für die Ausübung von Herrschaft ist es erforderlich, dass sie begründet und allgemein akzeptiert ist, das heißt, sie bedarf der Legitimität20. Sie ist nicht gegeben, sondern muss kontinuierlich erneuert werden: »Eine Herrschaftsordnung ist nicht legitim, sie wird es ständig«21. Die Annahme, dass Legitimität permanent neu erzeugt wird, bedeutet, sie relational aufzufassen, wie es die mikrogeschichtlich angelegte Methodik dieser Studie vorsieht. In der Konsequenz ist davon auszugehen, dass legitime Herrschaft durch die Interaktionen der Akteure, das heißt hier vor allem der Diplomaten, immer wieder hervorgebracht wird. Aus Sicht der Diplomaten besteht eine Aufgabe darin, eine Herrschaftsordnung und die mit ihr einhergehenden Legitimitätsideen im Ausland in ihren Handlungen zu reproduzieren. Für die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts ist dazu zusätzlich eine besondere Dynamik festzustellen: Die Legitimitätsgrundlagen für die Herrschaftsausübung veränderten sich entscheidend, indem die einst exklusiven Herrschaftsansprüche von Monarchen fortan mit neu entstehenden Formen von Staatlichkeit konkurrierten. Eine besondere Rolle spielen als Legitimitätsdimension Akte der Anerkennung. Die mehrfachen französischen Regierungs- und Staatsformenwechsel im Untersuchungszeitraum legen es nahe, die mitunter problematische formale Anerkennung der Souveränität eines Staates zu untersuchen. Aus völker Zu den Begriffen »Herrschaftsapparat« und »Herrschaftsträger«, die hier auf Diplomaten Anwendung finden, vgl. Kielmansegg, Legitimität, S. 372 und 398 sowie Andreas Gestrich, Absolutismus und Öffentlichkeit. Politische Kommunikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1994 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 103), S. 24. 18 Zur Bedeutung von Verfahren vgl. Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Frankfurt a. M. 1983, v. a. S. 30–36. 19 Vgl. Jan Andres, Alexa Geisthövel, Matthias Schwengelbeck, Einleitung, in: Dies. (Hg.), Die Sinnlichkeit der Macht. Herrschaft und Repräsentation seit der Frühen Neuzeit, Frankfurt a. M., New York 2005 (Historische Politikforschung, 5), S. 9–17, hier S. 11. 20 Vgl. Kielmansegg, Legitimität, S. 367. 21 Ibid., S. 373. 17

1.1 Erkenntnisinteresse

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rechtlicher Perspektive ist es eine originäre Aufgabe von Diplomaten, daran mitzuwirken: Ihre Akkreditierung trägt dazu bei, Staaten zu legitimieren und auf diese Weise anzuerkennen22. Dazu ist hier allerdings nicht ein einzelner Akt zu fokussieren, womit die Vorstellung einherginge, dass sich jene Form der Anerkennung schlagartig im diplomatischen Alleingang vollzieht. Vielmehr wird an den Anerkennungsprozessen deutlich, wie Diplomaten daran Schritt für Schritt beteiligt waren. Es soll genauer nachvollzogen werden, wie diplomatische Einzelakteure in Verbindung mit ihren verschiedenen Gegenübern allgemein akzeptierte, das heißt legitime Lösungen für Anerkennungsprobleme fanden. In einem weiter gefassten Verständnis von Anerkennung sind die unterschiedlichen Anerkennungsgrade verschiedener Akteure zu untersuchen: Spielte ein größerer Staat wie das Königreich Preußen und infolgedessen ein preußischer Diplomat eine bedeutendere Rolle als sein Kollege aus dem kleineren Großherzogtum Hessen-Darmstadt? Der Grad der Anerkennung gibt Auskunft über die Handlungsmöglichkeiten der Diplomaten vor Ort. Legitimität ist hier nicht nur als analytische Kategorie von Interesse. Vielmehr war der Begriff im zeitgenössischen Gebrauch besonders aufgeladen. Nach der Französischen Revolution und der napoleonischen Herrschaft galt es, in Frankreich und in Europa neue friedensstiftende und zugleich legitime Regierungs- und Konsultationsformen zu entwickeln. Auf europäischer Ebene wurde das Prinzip der Legitimität auf dem Wiener Kongress von 1815 zur Leitvorstellung erhoben, und das dort aus der Taufe gehobene Europäische Konzert entwickelte konsensorientierte Verfahren, die ihm auf neue Weise Legitimität verliehen23. In Frankreich gelangten im Jahr 1814 die Bourbonen wieder auf den Thron, bis sie infolge der Julirevolution von 1830 gestürzt wurden: Anschließend entstand die politische Bewegung der Legitimisten, die den Bourbonen als den aus ihrer Sicht anerkannten Herrschern Frankreichs weiterhin anhing24. »Legitimität« geriet auf diese Weise bei den Zeitgenossen auf der Suche nach neuen Herrschaftsformen in den ersten Jahrzehnten des Diese völkerrechtliche Anerkennung durch Diplomaten thematisieren etwa zeitgenössische Lexika wie Johann Caspar Bluntschli, Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten als Rechtsbuch dargestellt, Nördlingen 1868, S. 129. 23 Vgl. Gabriele Metzler, Strukturmerkmale des europäischen Staatensystems, 1815–1871, in: Historische Mitteilungen 12 (1999), S.  161–181, hier S.  163. Zu veränderten Legitimitätsvorstellungen seit dem Wiener Kongress und während der Restauration vgl. auch Oliver Schulz, Ein Sieg der zivilisierten Welt? Die Intervention der europäischen Großmächte im griechischen Unabhängigkeitskrieg, 1826–1832, Berlin, Münster 2011, S. 77–79. Matthias Schulz nennt als neue Verfahren bspw. Botschafterkonferenzen, die wesentlich zur Friedensbewahrung beitrugen und den Kern des Europäischen Konzerts darstellten, vgl. Matthias Schulz, Normen und Praxis. Das Europäische Konzert der Großmächte als Sicherheitsrat, 1815–1860, München 2009 (Studien zur Internationalen Geschichte, 21), S. 549–553. 24 Vgl. Hugues de Changy, Le mouvement légitimiste sous la monarchie de Juillet, 1833–1848, Rennes 2004. 22

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1. Einleitung

19. Jahrhunderts zu einem ideologischen Begriff. Da Diplomaten eine Herrschaftsform im Ausland repräsentieren, stand deren Legitimitätsgrundlage ebenfalls in Frage. Um die spezifische Ausbildung und Funktionsweise von Diplomatie im Untersuchungszeitraum nachzuvollziehen, stellen Prozesse der Legitimitätssicherung und des Legitimitätsverlusts–verbunden mit einer akteurszentrierten und mikrohistorischen Perspektive  – das zentrale Erkenntnisinteresse dar. Als Akteure vor Ort standen Diplomaten von verschiedenen Seiten unter Legitimitätsdruck: gegenüber dem entsendenden Souverän und dessen Untertanen beziehungsweise Bürgern einerseits, gegenüber dem gastgebenden Land und dessen Öffentlichkeit andererseits. Außerdem waren die Diplomaten auf die Anerkennung durch die Regierungen und Diplomaten dritter Staaten angewiesen. Welche Akzeptanz besaßen die Diplomaten bei diesen verschiedenen Adressaten? Da sie darauf bedacht waren, ihre Position zu halten und ihre Legitimität zu sichern, musste außerdem Bestehendes, das durch Neuerungen nicht mehr selbstverständlich erschien, gerechtfertigt werden: Erkennbare oder drohende Legitimitätsdefizite erzeugten ein permanentes Rechtfertigungsbedürfnis. Der Blick wird deshalb auf Situationen gerichtet, in denen Legitimität fehlte oder hinterfragt wurde und infolgedessen Rechtfertigungsdruck entstand.

1.2 Problemfelder und Aufbau der Arbeit An fünf Problemfeldern lässt sich herausarbeiten, wie die deutschen Diplomaten in Paris zwischen 1815 und 1870 in mehrfacher Hinsicht unter Legitimitätsdruck gerieten. Das erste Problemfeld stellt das Selbstbild der Diplomaten dar. Dieses zeichnete sich einerseits durch Vorstellungen aus, die seit der Frühen Neuzeit erhalten geblieben waren, andererseits durch neue Denkweisen, die sich mit dem Wiener Kongress etablierten. Wie rechtfertigten die Diplomaten ihre Position, welche Auffassungen besaßen sie von ihrer Arbeit? Auftretende Kompetenzstreitigkeiten bilden das zweite Problemfeld. Im Zuge der Auseinandersetzungen um Zuständigkeiten differenzierten sich Sachgebiete aus, die unter anderem im Konsularwesen und in den Militärattachés als neuen Spezialisten institutionalisierte Gestalt annahmen. Zugleich gab es aufstrebende Medien wie die Presse und die Telegrafie, von denen Diplomaten einerseits profitierten und die andererseits Grenzziehungen erforderten. Die Entwicklungen gehen mit der Frage einher, welche Aufgaben Diplomaten erfüllten und welche Neuerungen es geboten, Veränderungen vorzunehmen. Die (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort ist das dritte Problemfeld. Warum mussten Diplomaten in Paris sein? Was machte ihre Präsenz notwen-

1.2  Problemfelder und Aufbau der Arbeit

19

dig? Relevante Aspekte bilden in dieser Hinsicht die persönlichen Verbindungen der Diplomaten, ihre geselligen Verkehrsformen sowie die Räume, in denen sie sich bewegten, etwa die Gebäude der diplomatischen Vertretungen, die unter anderem der Kontaktpflege dienten. Wie Diplomaten politische Umbrüche erlebten und mitgestalteten, zeigt sich bei der gegenseitigen Anerkennung der Regierungen. Dieser Aspekt stellt das vierte Problemfeld dar. Der Beitrag von Diplomaten zur Legitimierung neuer Regierungen lässt sich anhand der mehrmaligen Regierungswechsel in Frankreich aufzeigen, die sich im gewählten Untersuchungszeitraum ereigneten. Diese umfassen die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen infolge der Neuordnung Europas um 1815, die Anerkennung infolge der Revolutionen von 1830 und 1848 sowie der Krönung von Napoleon III. zum Kaiser 1852 und schließlich den Abbruch diplomatischer Beziehungen mit dem Kriegsbeginn 1870. Im fünften Problemfeld wird der Frage nachgegangen, wann und wie die Existenz der Diplomaten auf dem Prüfstand war oder Rangverhältnisse neu geordnet werden mussten. Rangerhöhungen dienten der Abwendung des Bedeutungsverlusts und ermöglichten es, die Relevanz der Diplomaten zu untermauern. Die Notwendigkeit, dass mehrere deutsche Staaten jeweils eigene Vertretungen unterhielten, wird anhand zweier Vorkommnisse näher beleuchtet: Zum einen an dem gescheiterten Versuch, im Jahr 1848 eine gemeinsame deutsche Vertretung in Paris zu errichten, zum anderem am Einsatz hessen-darmstädtischer Landsleute für die Erhaltung ihrer Vertretung im Jahr 1867. Der Aufbau der Arbeit orientiert sich an diesen fünf Problemfeldern. Der Gang der Untersuchung und Kapitel ist außerdem einem idealtypischen Aufenthalt eines Diplomaten in Paris nachempfunden: von den Vorstellungen, mit denen er nach Paris kam und die er dort vertrat über die Aufgaben, welche er übernahm sowie die Kontakte, die er vor Ort knüpfte, dann die Frage der gegenseitigen Anerkennung der Regierungen bis hin zur Sicherung des eigenen Postens in Relevanz- und Existenzkrisen. Die Gedankenführung wird durch Auszüge aus den Aufzeichnungen des badischen Diplomaten Franz von Andlaw unterstützt, die die Hauptkapitel jeweils einleiten und der Studie gleichsam ein Gesicht geben25. Andlaws Tagebuch eignet sich deshalb besonders, weil sich darin zu allen Themen der Hauptkapitel passende Aussagen des Autors finden.

Vgl. Franz Andlaw, Mein Tagebuch. Auszüge aus Aufschreibungen der Jahre 1811 bis 1861, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1862. Die Biographie von Franz Freiherr von Andlaw in Eckpunkten: geboren 1799, Sohn des badischen Diplomaten in Paris, Jurist, ab 1826 badischer Diplomat in Wien, 1830 in Paris, München, wieder in Paris von 1843 bis 1846 sowie wieder Wien, Ruhestand ab 1860 als Schriftsteller in Baden-Baden, gestorben 1876. Vgl. Friedrich von Weech, Art. »Franz Freiherr von Andlaw«, in: Ders. (Hg.), Badische Biographien, Karlsruhe 1881, Bd. 3, S. 5–6.

25

20

1. Einleitung

1.3 Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die deutschen Diplomaten am Standort Paris im Zeitraum von 1815 bis 1870 sind als Untersuchungsgegenstand ein interessanter Fall, der nicht repräsentativ, aber stilbildend ist: Daraus werden viele Problemkonstellationen deutlich, da sich sowohl die deutsche als auch die französische Situation zu dieser Zeit außergewöhnlich komplex und dadurch zugleich innovativ gestalteten. Frankreich war durch die mehrfachen Regierungs- und Staatsformenwechsel (1814, 1830, 1848, 1852 und 1871) geprägt, die das Land als »normalen Ausnahmefall«26 und eine »Art Versuchslaboratorium«27 erscheinen lassen. Hinzu kamen die unvergessene Französische Revolution und die napoleonische Herrschaft, die oftmals Anlass für Skepsis von europäischer und deutscher Seite gegenüber französischen Entwicklungen waren. Auf deutscher Seite gab es den Deutschen Bund, anschließend den Norddeutschen Bund sowie die souveränen Einzelstaaten und gleichzeitig Nationsbildungsprozesse. Deshalb bewegten sich deutsche diplomatische Vertretungsansprüche zwischen Vielfalt und angestrebter Einheit. In der Konsequenz waren beispielsweise die kurzzeitige französische Zweite Republik von 1848 bis 1852 oder die anvisierte deutsche Nation, die im Jahr 1848 in Form des Paulskirchenparlaments möglich erschien, Anlässe, diplomatische Formen zu hinterfragen und neu zu denken. Das klar umrissene Forschungsobjekt bedarf der weiteren Präzisierung. Paris stellte einen der wichtigsten diplomatischen Posten dar, sodass selbst kleinere Staaten Vertreter dorthin entsandten und die Vielzahl der Vertretungen die französische Hauptstadt zu einem ergiebigen Untersuchungsraum werden lässt. Aus arbeitspragmatischen Gründen ist hier eine Auswahl aus den Vertretungen zu treffen. Zum einen finden Staaten Berücksichtigung, die innerhalb des Deutschen Bundes eine hervorgehobene Stellung einnahmen und deshalb auch im Ausland nach einer angemessenen Vertretung strebten. Dazu gehören die beiden Großmächte Preußen und Österreich, wobei letzteres als Präsidialmacht im Deutschen Bund fungierte. Das Königreich Bayern nahm als größter Mittelstaat eine führende Position innerhalb des sogenannten Dritten Deutschlands ein. Darüber hinaus gibt es Staaten, deren relative Bedeutung im Deutschen Bund geringer war, die aber eine spezifische Verbindung zu Frankreich aufwiesen. Das Großherzogtum Baden als südwestdeutscher Staat besaß aufgrund der gemeinsamen Grenze eine Nähe zu Frankreich. Außerdem ist das Großherzogtum Hessen-Darmstadt insofern relevant, als viele Hessen-Darmstädter im 19. Jahrhundert infolge der dort vorherrschenden

Paulmann, Pomp und Politik, S. 295. Uwe Backes, Staatsformen im 19. Jahrhundert, in: Alexander Gallus, Eckhard Jesse (Hg.), Staatsformen von der Antike bis zur Gegenwart. Ein Handbuch, Köln u. a. 22007, S. 187–222, hier S. 221.

26 27

1.4 Quellenlage

21

Armut nach Paris emigrierten und deshalb einen beachtlichen Teil der Deutschen in Paris ausmachten. Berücksichtigung findet ferner die Provisorische Zentralgewalt als kurzzeitige deutsche Regierung mit nationalem Anspruch, die im Jahr 1848 erfolglos einen gesamtdeutschen Vertreter nach Paris ent­ sandte. Der Norddeutsche Bund fließt schließlich in die Betrachtung ein, weil er nach der Auflösung des Deutschen Bundes von 1867 bis zur Etablierung des Kaiserreichs 1871 existierte und die preußische Vertretung in ihm aufging28. Die Beschränkung auf die genannten Staaten begrenzt auch die Anzahl der zu betrachtenden agierenden Diplomaten29. Aber dennoch finden nicht nur  – wenngleich vorrangig  – die Leiter einer diplomatischen Vertretung Beachtung, sondern gegebenenfalls auch deren Ehefrauen und Angehörige sowie das weitere dort arbeitende Personal. Dieses ist von besonderer Bedeutung, weil es stetig zunahm und neue Funktionen entstanden, was Konflikte mit sich brachte. Des Weiteren gab es noch keine Bestimmungen, wie lange Diplomaten auf einem Posten verweilen durften, weshalb einzelne Diplomaten mitunter Jahrzehnte in Paris lebten; ihre Namen werden infolgedessen häufig in den folgenden Kapiteln fallen. Der badische Diplomat Ferdinand von Schweizer etwa arbeitete zunächst ab 1832 als Legationssekretär in Paris und übernahm dort 1846 bis zum Abbruch der Beziehungen 1870 die Leitung der badischen Gesandtschaftsgeschäfte30.

1.4 Quellenlage Die Quellengrundlage bilden diplomatische Akten, die heute vornehmlich in den jeweils zuständigen deutschen Staatsarchiven verwahrt werden31. Sie lassen sich in zwei zentrale Bestände unterteilen: die Korrespondenz der jeweiligen diplomatischen Vertretung in Paris einerseits und des Außenministeriums des Der preußische Diplomat war zunächst zugleich als Diplomat des Norddeutschen Bundes in Paris akkreditiert, wobei sich diese Doppelstellung erst langsam zugunsten des Bundes verschob. Zum Gesandtschaftswesen des Norddeutschen Bundes vgl. Christian Hillgruber, Die Aufnahme neuer Staaten in die Völkerrechtsgemeinschaft. Das völkerrechtliche Institut der Anerkennung von Neustaaten in der Praxis des 19. und 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. u. a. 1998 (Kölner Schriften zu Recht und Staat, 6), S. 101–105. 29 Eine Personalübersicht findet sich im Anhang 8.2. 30 Zu Schweizers Biographie vgl. Friedrich von Weech, Art. »Ferdinand Freiherr Allesina von Schweitzer«, in: Ders. (Hg.), Badische Biographien, Karlsruhe 1881, Bd. 3, S. 151–152. 31 Es bestehen folgende Archivzuständigkeiten: Baden (Generallandesarchiv Karlsruhe), Bayern (Bayerisches Hauptstaatsarchiv München), Hessen-Darmstadt (Hessisches Staatsarchiv Darmstadt), Preußen und Norddeutscher Bund (Politisches Archiv des Auswärtigen Amts und Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin), Provisorische Zentralgewalt (Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde) sowie Österreich (Österreichisches Staatsarchiv, Abteilung Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien). 28

22

1. Einleitung

entsprechenden Einzelstaates andererseits. Bei dieser Korrespondenz muss wiederum zwischen den politischen Berichten und Weisungen sowie den administrativen Schreiben unterschieden werden. Im Vordergrund steht hier die administrative Korrespondenz, da sie es ermöglicht, die diplomatische Arbeitsweise nachzuvollziehen. Der politische Schriftwechsel dominiert dagegen im Kapitel über die gegenseitige Anerkennung, weil sie Teil politischer Umbrüche und Entscheidungsprozesse war. Gleichzeitig ist die administrative Korrespondenz sehr viel weniger erforscht als die politische, obwohl den genannten Archivbeständen insgesamt gemein ist, dass sie äußerst umfangreich sind und eine gute Dokumentation bieten32. Deshalb besteht das Quellenproblem eher darin, aus den zahlreich vorhandenen Akten eine geeignete Auswahl zu treffen33. Im Sinne des Erkenntnisinteresses gilt es, vorrangig die Momente und Situationen herauszufiltern, in denen sich Konflikte auftaten und Veränderungsprozesse stattfanden. Ein Indiz für virulente Themen ist oft die Bildung eigener Aktentitel, wie sie beispielsweise bei der Anerkennungsfrage von 1852 und der Art der Berichterstattung zu beobachten ist34. Des Weiteren verwahren französische Archive Akten zu dem vor Ort geltenden Zeremoniell und die Korrespondenz mit dem diplomatischen Korps in Paris, welche hier als Ergänzung dienen35. Eine weitere wichtige Quellengattung stellen Selbstzeugnisse wie Tagebücher, Memoiren und Briefe dar. Sie sind unverzichtbar, um Erkenntnisse über Selbstkonstruktionen und informelle Abläufe zu gewinnen, welche sich in den Akten kaum wiederfinden. Neben ihrem Potential müssen jedoch ihre Risiken mitbedacht werden: Selbstzeugnisse dienen mitunter als nachträgliche Rechtfertigung des Autors für sein Handeln, weshalb die Aussagen mit Vorsicht zu lesen sind36. Außerdem verfasste nicht jeder Diplomat solche Schriftstücke, sodass die vorhandenen Exemplare ungleichmäßig auf die ausgewählten deutschen Staaten und den Untersuchungszeitraum verteilt sind37.

Zum Forschungsdesiderat hinsichtlich der administrativen Korrespondenz vgl. Andreas Fahrmeir, Europa zwischen Restauration, Reform und Revolution, 1815–1850, München 2012 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte, 41), S. 146. 33 Zu diesem allgemeinen Problem für Historiker der modernen internationalen Beziehungen vgl. Laurent Villatte, La biographie en histoire des relations internationales, in: Revue d’histoire diplomatique 117 (2003), S. 289–303, hier S. 293. 34 Als exemplarische Aktentitel zur Anerkennungsfrage 1852 vgl. BayHStA MA 83257 und zur Art der Berichterstattung vgl. GStA PK III. HA MdA I Nr. 36. 35 Die in diesem Zusammenhang zentralen Bestände liegen vor allem in den Archives du ministère des Affaires étrangères in La Courneuve und teilweise in den Archives nationales in Paris. 36 Zum kritischen Umgang mit diplomatischen Selbstzeugnissen vgl. Villatte, La biographie, S. 294 f. 37 Die herangezogenen edierten Selbstzeugnisse umfassen die Aufzeichnungen von Rudolf Apponyi, Josef Alexander Hübner und Pauline von Metternich für Österreich, von Otto von Bismarck, Joseph Maria von Radowitz und Friedrich Loë für Preußen, von Franz 32

1.5 Forschungsstand

23

Schließlich gibt es eine Reihe weiterer Quellensorten, die im Einzelfall Beachtung finden, weil mit ihnen bestimmte Themen erst verständlich untersucht werden können. Es handelt sich um normative Texte wie zeitgenössische diplomatische Handbücher und völkerrechtliche Abhandlungen. Dem Werk von Martens und Geffcken als dem Standardhandbuch mehrerer Generationen von Diplomaten im 19. Jahrhundert kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu38. Außerdem werden fallbezogen Parlamentsdebatten sowie Zeitungsartikel eingearbeitet: Sie wurden von den Diplomaten für ihr Handeln berücksichtigt, sie provozierten Reaktionen; sie lassen sich aber auch als Gegenfolie zu deren Agieren lesen.

1.5 Forschungsstand Diese Studie möchte zu einem tieferen Verständnis der Charakteristika von Diplomatie und der Rolle von Diplomaten führen. Sie versteht sich als Beitrag zur Geschichte der internationalen Beziehungen und insbesondere der deutsch-französischen Beziehungen des 19. Jahrhunderts, wobei sie sich einer Kulturgeschichte der Diplomatie verpflichtet sieht. In der Folge schreibt sie sich in ein Forschungsfeld ein, das sich seit der letzten Jahrtausendwende grundlegend erneuert und fortentwickelt. Für die Neuausrichtung der Disziplin legten Wilfried Loth und Jürgen Osterhammel mit dem Sammelband »Internationale Geschichte« aus dem Jahr von Andlaw für Baden, von Wilhelm Cahn für Bayern sowie von Friedrich von Raumer für die Provisorische Zentralgewalt. Vgl. Andlaw, Mein Tagebuch; Herbert Bismarck (Hg.), Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, Stuttgart 1900; Wilhelm Cahn, Im belagerten Paris 1870/71. Tagebuchaufzeichnungen von Wilhelm Cahn, Leipzig 1915; Ernest Daudet (Hg.), Vingt-cinq ans à Paris, 1826–1850. Journal du comte Rodolphe Apponyi, attaché de l’ambassade d’Autriche à Paris, 4 Bde., Paris 1913; Hajo Holborn (Hg.), Aufzeichnungen und Erinnerungen aus dem Leben des Botschafters Joseph Maria von Radowitz, Bd. 1: 1839–1877, ND Osnabrück 1967 (Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts, 15); Hübner, Neun Jahre; Horst Kohl (Hg.), Briefe Ottos von Bismarck an Schwester und Schwager, 1843–1897, Leipzig 1915; Friedrich Karl Walter Degenhard von Loë, Erinnerungen aus meinem Berufsleben, 1849–1867, Stuttgart, Leipzig 21906; Pauline de Metternich-Sándor, Éclairs du passé, 1859–1870, Zürich u. a. 1922; Friedrich von Raumer, Briefe aus Frankfurt und Paris, 1848–1849, 2 Bde., Leipzig 1849. 38 Es werden zwei Auflagen des Werkes herangezogen, die 1832 beziehungsweise 1866 erschienen sind und daher die Veränderungen in dieser Zeit spiegeln: Charles de Martens, Guide diplomatique, Leipzig 1832; Karl von Martens, Friedrich Heinrich Geffcken, Le Guide diplomatique. Précis des droits et des fonctions des agents diplomatiques et consulaires; suivi d’un traité des actes et offices divers qui sont du ressort de la diplomatie, accompagné de pièces et documents proposé comme exemples, Bd. 1, Leipzig 51866.

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1. Einleitung

2000 einen wichtigen programmatischen Grundstein. Als Herausgeber der Reihe Studien zur Internationalen Geschichte war und ist es ihr Anliegen, dieses Forschungsgebiet an sich in den Blick zu nehmen und weiterzuführen. So ging von ihnen ein Plädoyer aus, über »Internationale Geschichte« als historische Teildisziplin systematisch nachzudenken und entsprechende Reflektionen explizit darzustellen39. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass in diesem Teilbereich der Geschichtswissenschaft methodische und theoretische Diskussionen eher vernachlässigt worden waren. Überdies legten sie Wert darauf, dass bei den neu zu erprobenden Herangehensweisen nicht eine bevorzugt werde, sondern diese von vornherein plural angelegt sein sollten40. Außerdem traten sie dafür ein, die Untersuchungsgegenstände auszuweiten und über den bisherigen Fokus auf den »Staat« hinauszugehen: Es »sollen auch Themenfelder als solche in den Blick genommen werden, die als Bedingungen internationaler Politik oder Aspekte internationaler Geschichte identifiziert werden können«41. Die vorliegende Arbeit legt das Augenmerk auf Diplomatie, die seit jeher einen Kernaspekt in der Auseinandersetzung mit internationaler Geschichte darstellt und gleichwohl von diesen sehr grundlegenden Forderungen nicht unberührt blieb. Infolgedessen präsentiert der Aufsatz von Ursula Lehmkuhl aus dem Jahr 2001 für die Diplomatiegeschichte im Spezielleren eine wesentliche Neuorientierung42. Sie liefert vor allem einen Anstoß, interdisziplinär zu denken und kulturwissenschaftliche, soziologische sowie politikwissenschaftliche Ansätze in eine diplomatiehistorische Betrachtungsweise zu integrieren. Eine solche Vorgehensweise ist für diese Untersuchung von besonderem Interesse, da sie die Frage- und Analyseperspektive verschiebt und dadurch erst Aspekte wie in dieser Untersuchung die gesellschaftliche Einbettung der Diplomaten in den Blick geraten. Interdisziplinäre Bezüge sind ein Element, das die Disziplinerneuerung kennzeichnet und das auch Eckart Conze, Ulrich Lappenküper und Guido Müller einleitend als Herausgeber eines Sammelbands aus dem Jahr 2004 betonen43. Dieser versteht sich selbst sowohl als Bestandsaufnahme wie auch als Standortbestimmung für die Geschichte der internationalen Beziehungen44. Als einen weiteren wichtigen Punkt konstatieren die Herausgeber Vgl. Wilfried Loth, Einleitung, in: Ders., Jürgen Osterhammel (Hg.), Internationale Geschichte. Themen – Ergebnisse – Aussichten, München 2000 (Studien zur Internationalen Geschichte, 10), S. VII–XIV. 40 Vgl. ibid., S. XIII. 41 Vgl. ibid., S. VII und XIII, Zitat ibid. 42 Vgl. Ursula Lehmkuhl, Diplomatiegeschichte als internationale Kulturgeschichte. Theoretische Ansätze und empirische Forschung zwischen historischer Kulturwissenschaft und soziologischem Institutionalismus, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 394–423. 43 Vgl. Eckart Conze, Ulrich Lappenküper, Guido Müller, Einführung, in: Dies. (Hg.), Geschichte der internationalen Beziehungen. Erneuerung und Erweiterung einer historischen Disziplin, Köln u. a. 2004, S. 1–14, hier v. a. S. 5 und 10 f. 44 Vgl. ibid., S. 5. 39

1.5 Forschungsstand

25

ein neues Verständnis von Politikgeschichte, welches nicht mehr ausschließlich staatliches Handeln umfasse45. Dies wird noch genauer auszuführen sein, doch bemerkenswert ist zunächst, dass sich dieses erweiterte Politikverständnis nachhaltig auf die Untersuchung von Politik auf internationaler Ebene auswirkte. Eine bedeutende Bilanz der Disziplinentwicklung liefert weiterhin Reiner Marcowitz im Jahr 2005: Er hebt positiv die grundlegende Erneuerung hervor und bemerkt zugleich kritisch, dass die formulierten Ziele in der Praxis noch umfassender umzusetzen seien46. Infolgedessen lässt sich festhalten, dass innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit ein Umdenken hin zu Theoriediskussionen stattfand, welches sich allerdings noch empirisch zu bewähren hatte. In der Folge ist ein im Jahr 2008 erschienener Sammelband besonders relevant, da er eine kulturgeschichtliche Herangehensweise für die Diplomatie des 19. Jahrhunderts aufzeigt. Die Herausgeber Markus Mößlang und Torsten Riotte begründen in der Einleitung, warum Diplomatie als ein eigenes historisches Phänomen aufzufassen ist und Diplomaten als Individuen in ihrer Lebenswelt sowie mit ihren Praktiken zu betrachten sind47. Der Fokus einer kulturgeschichtlichen Betrachtung liegt darauf, wie diplomatische Beziehungen ausgestaltet wurden, was diese Untersuchung mit der hier gewählten akteurszentrierten und mikrogeschichtlichen Perspektive aufnimmt. Die Brücke zum eingangs vorgestellten Sammelband »Internationale Geschichte« schlägt schließlich ein Band derselben Herausgeber, der zwölf Jahre später die einstigen Forderungen aufgreift und überprüft. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass sich die einschlägige Forschungslandschaft weiterentwickelt hat und sich jetzt durch die einst gewünschte Vielfalt – sowohl hinsichtlich der Themen als auch der methodischen Konkretisierung auszeichne48. Insgesamt spielte es für die dynamische Forschungsentwicklung der letzten Jahre eine entscheidende Rolle, dass die neue Offenheit für Theorie- und Methodendiskussionen im Bereich der Geschichte der internationalen Beziehungen und der Diplomatie im Besonderen auf ein allgemein erstarkendes Interesse an Politik- und Kulturgeschichte traf. In Anbetracht dieses generellen Trends in den Geschichtswissenschaften wird einer Kulturgeschichte der Diplomatie nunmehr vielfach nachgegangen. Die vorliegende Studie gliedert sich darin ein, indem sie einerseits ihre Prämissen teilt und andererseits mit dem Fokus auf Legitimitätsproblemen neue Akzente zu setzen beabsichtigt.

Vgl. ibid., S. 8. Vgl. Reiner Marcowitz, Von der Diplomatiegeschichte zur Geschichte der internationalen Beziehungen. Methoden, Themen, Perspektiven einer historischen Teildisziplin, in: Francia 32/3 (2005), S. 75–100. 47 Vgl. Markus Mösslang, Torsten Riotte, Introduction, in: Dies. (Hg.), The Diplomats’ World, S. 1–20. 48 Vgl. Jost Dülffer, Wilfried Loth, Einleitung, in: Dies. (Hg.), Dimensionen internationaler Geschichte, München 2012 (Studien zur Internationalen Geschichte, 30), S. 1–8. 45 46

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1. Einleitung

Ausgehend von einer Kulturgeschichte der Diplomatie sind für die vorliegende Arbeit historiographische Anknüpfungspunkte zur Kulturgeschichte des Politischen sowie zur Kulturgeschichte der Verwaltung von besonderer Relevanz. Sie ergeben sich dadurch, dass Diplomatie gemeinhin einen Bereich von Außenpolitik und ihrer Administration im Ausland darstellt. Im Hinblick auf die Politikgeschichte und ihren Aufschwung sind vor allem mehrere Sonderforschungsbereiche zu nennen: Dazu zählte der in Bielefeld angesiedelte Verbund mit dem Titel »Das Politische als Kommunikationsraum in der Geschichte«, dessen beide bilanzierende Publikationen die Forschungsentwicklung der letzten Jahre reflektieren49. Eine zentrale Veränderung besteht darin, dass sich die Untersuchungsperspektive verlagerte: »Most political historians would now agree that the public uses of language and symbols are not ephemeral phenomena, but crucial factors in the process of creating political spaces, actors, and events«50. Bezogen auf Diplomatie bedeutet dies, dass etwa Verhandlungsweisen nicht als reiner »Zierrat der Politik« anzusehen sind, sondern diese erst konstituieren und deshalb der Untersuchung wert sind51. Formen sind aus dieser Sicht mindestens so bedeutend wie Inhalte, was in dieser Arbeit konsequent verfolgt wird. So ist es beispielsweise nicht nur entscheidend, was Diplomaten in ihren Berichten schrieben, sondern auch, welche Berichtsformen es überhaupt gab und wie Diplomaten sie selbst erschufen und nutzten. Erst dadurch wird deutlich, in welchem Rahmen sich Diplomatie bewegte und über welche Handlungsspielräume Diplomaten verfügten. Die Hervorbringung der Wirklichkeit gestaltete sich kommunikativ, was die gemeinsame konstruktivistische Annahme der neuen politikhistorischen Ansätze darstellt52. Zu ergänzen ist, dass auch der materielle Aspekt ernst zu nehmen ist und die gängigen Praktiken ebenfalls berücksichtigt werden müssen53. Die zu betrachtende Lebenswelt der Diplomaten lässt sich nur rekonstruieren, wenn – um beim Beispiel des Berichtswesens zu bleiben – der alltägliche Umgang im Vordergrund steht. Dazu ist gleichfalls die Materialität der Quellen, wie etwa verschiedene Nummerierungen der Berichte, zu thematisieren. In ähnlicher Weise ist die Kulturgeschichte der Verwaltung, wie sie insbesondere Stefan Haas und Mark Hengerer etabliert haben, anschluss Vgl. Ingrid Gilcher-Holtey, Heinz-Gerhard Haupt, Willibald Steinmetz (Hg.), Writing Political History Today, Frankfurt a. M., New York 2013 (Historische Politikforschung, 21); Tobias Weidner, Die Geschichte des Politischen in der Diskussion, Göttingen 2012 (Das Politische als Kommunikation, 11). 50 Heinz-Gerhard Haupt, Willibald Steinmetz, The Political as Communicative Space in History. The Bielefeld Approach, in: Gilcher-Holtey, Haupt, Steinmetz (Hg.), Writing Political History Today, S. 11–33, hier S. 20. 51 Vgl. Weidner, Die Geschichte des Politischen, S. 68 f., Zitat S. 69. 52 Vgl. ibid., S. 24. 53 Vgl. Frank Trentmann, Political History Matters: Everyday Life, Things, and Practices, in: Gilcher-Holtey, Haupt, Steinmetz (Hg.), Writing Political History Today, S. 397–408. 49

1.5 Forschungsstand

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fähig an die hier angenommenen Betrachtungsweisen. Sie nimmt ebenfalls einen Perspektivwechsel vor, indem Verwaltungen »nicht, wie die klassische Politikgeschichtsschreibung annahm, die auf der Bühne der Mächtigen getroffenen Entscheidungen ›umsetzen‹, sondern weil sie für die Organisation institutioneller Sozialsysteme ein Element sui generis sind«54. Bürokratie erhält auf diese Weise einen Eigenwert und wird als integraler Teil politischer Prozesse aufgefasst. Für Diplomaten heißt dies: Administrative Aufgaben im Ausland wurden ihnen nicht nur übertragen, sondern sie gestalteten diese selbst mit. In den Mittelpunkt rückt außerdem die Selbstbeschreibung von Verwaltung und die Frage, inwieweit Bürokraten ihre Person hinter das Amt stellten55. Das Verhältnis von Person und Amt im diplomatischen Selbstverständnis wird an erster Stelle untersucht. Aus kulturgeschichtlicher Perspektive gilt es zu zeigen, dass diplomatische Handlungsformen als konstitutiv für politische und administrative Vorgänge gelten. Die bisherigen Ausführungen beschränkten sich weitgehend auf deutsche historiographische Entwicklungen. Bemerkenswerterweise bestimmen nationale Forschungstraditionen den diplomatiehistorischen Diskurs, welcher doch aufgrund des Untersuchungsgegenstandes immer Grenzen überschreitet. Die deutsche Problematik drehte sich lange Zeit um Primatskämpfe zwischen Innen- und Außenpolitik56. Es ist hervorzuheben, dass sich eine Annäherung zwischen länderspezifischen Forschungslinien unter globalhistorischen Vorzeichen abzeichnet. Im anglo-amerikanischen Sprachraum besaß der cultural turn ebenfalls Auswirkungen auf die Beschäftigung mit Diplomatie57. Die französische Forschungsgeschichte ist zudem als Gegenstück für das gewählte deutsch-französische Beispiel besonders zu erwähnen58. Die histoire des relations internationales prägte seit ihrem Gründer Pierre Renouvin im 20. Jahrhundert mehrere seiner Schülergenerationen. Sie praktizierten bereits selbstverständlicher, was oben als Neuerung angeführt wurde, etwa ein breit ausgewähltes Themenspektrum und die interdisziplinäre Herange Stefan Haas, Mark Hengerer, Zur Einführung: Kultur und Kommunikation in politisch-administrativen Systemen der Frühen Neuzeit und der Moderne, in: Dies. (Hg.), Im Schatten der Macht. Kommunikationskulturen in Politik und Verwaltung 1600–1950, Frankfurt a. M., New York 2008, S. 9–22, hier S. 10. 55 Vgl. ibid., S. 17 f. 56 Diese Problematik wird aufgegriffen von Friedrich Kiessling, Der »Dialog der Taubstummen« ist vorbei. Neue Ansätze in der Geschichte der internationalen Beziehungen des 19. und 20. Jahrhunderts, in: Historische Zeitschrift 275 (2002), S. 651–680. 57 Zum amerikanischen Forschungsstand vgl. Thomas Zeiler, The Diplomatic History Bandwagon. A State of the Field, in: The Journal of American History 95/4 (2009), S. 1053–1073. 58 Zu Forschungsstand und Forschungsperspektiven in Frankreich vgl. Laurence Badel, Stanislas Jeannesson, Introduction: Une histoire globale de la diplomatie?, in: Monde(s) 1 (2014), S. 6–26; Robert Frank (Hg.), Pour l’histoire des relations internationales, Paris 2012. 54

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1. Einleitung

hensweise. Momentan erfährt Diplomatiegeschichte in Frankreich als histoire des pratiques diplomatiques eine Erneuerung59. Sie ähnelt der vorliegenden Vorgehensweise insofern, als sie beabsichtigt, die Praktiken der Diplomaten zu rekonstruieren. Auf diese Weise ist der deutsch-französische Austausch auch auf historiographischer Ebene angelangt. Ob die konzeptionellen Überlegungen bereits zu empirischen Untersuchungen geführt haben, die man gewinnbringend heranziehen könnte, wird im Folgenden betrachtet. Im Hinblick auf die behandelten Zeiträume lässt sich beobachten, dass Studien zur Frühen Neuzeit und zum 20. Jahrhundert dominieren, wohingegen das 19. Jahrhundert abfällt. Insbesondere die Frühneuzeitforschung erweist sich als produktiv: Die Analyse von Kulturkontakten und Grenzbewegungen, die sich im vormodernen Zeitalter oftmals jenseits fester Strukturen ergaben, spielt dort eine große Rolle, was zugleich innovative Ansätze generiert60. In der Zeitgeschichte wiederum, die sich für eine Epoche fortschreitender intensiver Vernetzung interessiert, lässt sich die internationale Dimension schwerlich vernachlässigen61. Dagegen hat für das 19. Jahrhundert vor allem Andreas Fahrmeir herausgestellt, dass dieses bisher eher vernachlässigt wurde und deshalb ein Desiderat darstellt62. Es lässt sich hinzufügen, dass insbesondere die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts und die Zeit des Deutschen Bundes bisher weniger aus diplomatiehistorischer Perspektive betrachtet worden sind. Eine Begründung mag die äußerst zerstreute Quellenlage sein, die gerade Einzelstudien allein aus arbeitspragmatischen Gründen verhindert63. Nennenswert ist gleichwohl als größeres Projekt die mehrbändige Edition britischer Diplomatenberichte von deutschen Standorten im Zeitraum von 1816 bis 1866, die heute gebündelt im Public Record Office in Kew vorliegen64. Darüber hinaus kann als vorbildgebend für die diplomatie- und kulturhistorische Analyse des 19. Jahrhunderts der bereits

Zur histoire des pratiques diplomatiques vgl. Jean-Claude Allain, Laurence Badel, L’apparail diplomatique, in: Robert Frank (Hg.), Pour l’histoire des relations internationales, Paris 2012, S. 475–510, hier S. 476. 60 Stellvertretend für die Vielzahl neuer Einzelstudien sei auf Thiessen, Windler (Hg.), Akteure der Außenbeziehungen, verwiesen. 61 Zur einschlägigen zeithistorischen Diskussion vgl. Iris Schröder, Die Wiederkehr des Internationalen. Eine einführende Skizze, in: Zeithistorische Forschungen, 8/3 (2011), S. 340–349. 62 Zur Vernachlässigung sowie zum Potential des 19. Jahrhunderts vgl. Andreas Fahrmeir, Une (im)possible nouvelle histoire culturelle du XIXe siècle?, in: Revue d’histoire du XIXe siècle 46 (2013), S. 19–32, hier S. 20 und 25 f. Zur Fokussierung der Forschung auf andere Zeiträume vgl. Ders., Europa zwischen Restauration, Reform und Revolution, S. 125. 63 Zur Aktenverteilung auf etwa 30  Archive vgl. Jürgen Müller, Der Deutsche Bund, 1815–1866, München 2006 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 78), S. 52. 64 Für den ersten Band vgl. Sabine Freitag, Peter Wende (Hg.), British Envoys to Germany, 1816–1866, Bd. 1: 1816–1829, Cambridge 2000. 59

1.5 Forschungsstand

29

genannte, von Markus Mößlang und Torsten Riotte herausgegebene Band gelten65. Sie benennen außerdem einleitend sechs zentrale Themenfelder für den Zeitraum: Adelige Tradition und Professionalisierung, Geheimdiplomatie und mediale Öffentlichkeit, politische Theatralisierung und diplomatische Symbolpolitik, hinterfragbare und erneuerte Praktiken europäischer Diplomatie, Revolutionen und gegenseitige Anerkennung von Monarchien und Republiken sowie Nebenspieler wie Konsuln66. Diese Aspekte finden sich mehr oder weniger explizit und unterschiedlich gewichtet in den oben dargelegten Problemfeldern wieder, sodass anhand der deutschen Diplomaten in Paris zu zeigen ist, inwieweit sie von Spannungen geprägt waren. Des Weiteren sind zwei grundlegende Arbeiten zur Geschichte der internationalen Beziehungen für den Untersuchungszeitraum anzuführen. Johannes Paulmanns Analyse von Monarchenbegegnungen zwischen den fünf europäischen Großmächten besitzt insgesamt Pioniercharakter: Er begründet die zunehmende Häufigkeit derartiger Zusammenkünfte im Vergleich zum 18. Jahrhundert mit der Transformation des europäischen Staatensystems im 19. Jahrhundert, zu der neugestaltete diplomatische Formen zählten67. Diplomatische Handlungsweisen berücksichtigt ebenfalls Matthias Schulz in seiner Darstellung des Europäischen Konzerts, das nach seiner Lesart als »Sicherheitsrat der Großmächte« im Untersuchungszeitraum fungierte68. Auf diese Weise ermöglichen beide Werke, die Rolle der deutschen Diplomaten in Paris in einem europäischen Rahmen zu interpretieren, wobei der Schwerpunkt auf Großmächten liegt. Darüber hinaus sind die deutsch-französischen Beziehungen ein ebenso beliebter wie aktueller Gegenstand von Untersuchungen. Karl Hammers Studie aus dem Jahr 1963 thematisiert die französischen Beziehungen zu den deutschen Staaten in der Restaurationszeit und behandelt etwa die Frage, wie diplomatische Beziehungen nach Napoleons Sturz wiederhergestellt werden konnten69. Ein Aufsatz von Hans Schmidt aus dem Jahr 1992 kommt dem Untersuchungsgegenstand am nächsten, da er einen Blick auf die deutschen diplomatischen Vertreter in Paris – allerdings des 18. Jahrhunderts – wirft70. Diese ältere Forschung berührt Aspekte, die hier problematisiert werden, sodass sie punktuell eine gute Basis darstellt, um im Sinne des Erkenntnisinteresses Vgl. Mösslang, Riotte (Hg.), The Diplomats’ World. Vgl. ibid., Introduction, S. 12–17. 67 Vgl. Paulmann, Pomp und Politik. 68 Vgl. Schulz, Normen und Praxis. 69 Vgl. Karl Hammer, Die französische Diplomatie der Restauration und Deutschland, 1814–1830, Stuttgart 1963 (Pariser Historische Studien, 2). 70 Vgl. Hans Schmidt, Die deutschen diplomatischen Vertreter bei der französischen Krone im 18. Jahrhundert, in: Jean Mondot, Jean-Marie Valentin, Jürgen Voss (Hg.), Deutsche in Frankreich, Franzosen in Deutschland, 1715–1789. Institutionelle Verbindungen, soziale Gruppen, Stätten des Austausches, Sigmaringen 1992, S. 27–38. 65 66

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1. Einleitung

darauf aufzubauen. Darüber hinaus entstanden in den letzten Jahren Studien, in denen sich die deutsch-französischen Beziehungen als Fallbeispiel äußerst ergiebig für gegenwärtige konzeptionelle Zugriffe erweisen. Einschlägig ist die Dissertation von Marion Aballéa, die die Funktionsweise der französischen Botschaft in Berlin von 1871 bis 1933 unter der Leitfrage untersucht, welchen Problemen eine diplomatische Vertretung in einer feindlichen Umgebung ausgesetzt war71. Vorbildlich ist ebenso die Dissertation von Verena Steller, die symbolisches Handeln der Diplomatie in den deutsch-französischen Beziehungen zwischen 1870 und 1919 anhand von vier Fallbeispielen analysiert72. Beide Arbeiten verfolgen neuere Ansätze, konzentrieren sich allerdings eher auf die französische Seite und auf die späteren Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts sowie das beginnende 20. Jahrhundert. Nicht unerwähnt bleiben dürfen die immer zahlreicher erscheinenden Untersuchungen, in denen ein bestimmter Sachaspekt in seinem Verhältnis zur Diplomatie epochenübergreifend neu beleuchtet wird. Für die vorliegende Studie haben sie einen hohen Stellenwert, da sie sich durch eine überwiegend systematische, nicht etwa chronologische Herangehensweise auszeichnen. So wird in einem neueren Sammelband die sich wandelnde Bedeutung der Kategorie »Geschlecht« im diplomatischen Kontext über mehrere Jahrhunderte thematisiert73. Jakob Hort widmet sich in seiner Studie der Architektur, indem er Gebäude diplomatischer Vertretungen hinsichtlich ihres Entstehungskontextes und Symbolgehalts analysiert74. Medien sind ein weiteres wichtiges Thema, anhand dessen sich ein von Frank Bösch und Peter Hoeres herausgegebener Band des schwierigen und oftmals paradoxen Verhältnisses von Öffentlichkeit und Diplomatie annimmt75. Alle drei exemplarisch genannten Werke sind richtungsweisend; ihre Aussagen werden daher für das hier untersuchte Fallbeispiel in den entsprechenden Kapiteln überprüft und gegebenenfalls präzisiert. Einen zusätzlichen Literaturkomplex bildet die Geschichte des Deutschen Bundes und der deutschen Einzelstaaten. Dieser gestaltet sich vielfältig und ist genauso über viele Untersuchungsorte zerstreut wie sein Gegenstand. Der Deutsche Bund war vom Gedanken der geteilten Souveränität geprägt, Vgl. Marion Aballéa, Un exercice de diplomatie chez l’ennemi. L’ambassade de France à Berlin, 1871–1933, Diss. Univ. Straßburg und Genf (2014). 72 Vgl. Verena Steller, Diplomatie von Angesicht zu Angesicht. Diplomatische Handlungsformen in den deutsch-französischen Beziehungen, 1870–1919, Paderborn u. a. 2011. 73 Vgl. Corina Bastian u. a. (Hg.), Das Geschlecht der Diplomatie. Geschlechterrollen in den Außenbeziehungen vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2014 (Externa, 5). 74 Vgl. Jakob Hort, Architektur der Diplomatie. Repräsentation in europäischen Botschaftsbauten, 1800–1920. Konstantinopel – Rom – Wien – St. Petersburg, Göttingen, Bristol 2014. 75 Vgl. Frank Bösch, Peter Hoeres (Hg.), Außenpolitik im Medienzeitalter. Vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Göttingen 2013 (Geschichte der Gegenwart, 8). 71

1.5 Forschungsstand

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sodass seine Mitgliedsstaaten ihre außenpolitischen Zuständigkeiten behielten. Deshalb sind Forschungsarbeiten sowohl für die Bundesebene als auch für die vorrangig fünf ausgewählten Einzelstaaten zu berücksichtigen. Den Deutschen Bund in seiner Gesamtheit hat vor allem Wolf D. Gruner eingehend erforscht76. Wie heterogen die Forschungslage des Weiteren ausfällt, lässt sich anhand der wichtigsten Studien in diesem Bereich für die vorliegende Arbeit aufzeigen: Es handelt sich um Untersuchungen über die diplomatischen Dienste, die einzelstaatlich organisiert waren; solche Studien liegen vor für Preußen, Österreich, Bayern und Baden. Für Preußen beleuchtet Dietmar Grypa das Diplomatische Korps aus verwaltungs- und sozialhistorischer Perspektive77. Die zentrale Arbeit für die österreichische Seite von Erwin Matsch rekonstruiert neben dem Verwaltungsaufbau in Wien die Leiter der diplomatischen Missionen nach Standorten in Listenform über zwei Jahrhunderte78. Die bayerischen Diplomaten untersucht Jochen Rudschies, wobei er sich an der diplomatischen Laufbahn von der Einstellung bis zum Ruhestand orientiert79. Einen anderen Zugang wählt Jürgen Schuhladen-Krämer, indem er die Entwicklung der badischen Diplomatie chronologisch betrachtet, wobei er sich in seiner Präsentationsweise an eine allgemein interessierte Leserschaft wendet80. Für Hessen-Darmstadt müsste eine derartige Untersuchung erst angestellt werden, wobei sich das Problem ergibt, dass aufgrund der geringen Anzahl an Posten der diplomatische Dienst kaum ausgebildet war. Aus historiographischer Sicht zusammengefasst ist es charakteristisch, dass sowohl wissenschaftlich fundierte Spezialliteratur als auch für ein breiteres landeshistorisch interessiertes Publikum verfasste Bücher vorliegen. Inhaltlich zeichnen sich die genannten Abhandlungen dadurch aus, dass sie Auslandsvertretungen als konstitutive Elemente des diplomatischen Dienstes berücksichtigen, aber über den Standort Paris meist nur am Rande Auskunft geben. Jedoch erhellen sie die Perspektive der Entsendenden und ermöglichen es, Rahmenbedingungen wie Ausbildungsfragen zu erfassen. Erwähnenswert sind ferner Biographien von Personen oder Familien, die sich mit diplomatischem Auftrag in Paris aufhielten. Dazu zählen die Brüder Ale­xander und Wilhelm von Humboldt, die Bankiersfamilie Rothschild, Otto von Bismarck, Heinrich Alexander von Arnim und Paul von Hatzfeldt: Da Biographien in der Regel jeweils die gesamte Lebensgeschichte behandeln, geben sie Vgl. Wolf D. Gruner, Der Deutsche Bund, 1815–1866, München 2012. Vgl. Dietmar Grypa, Der diplomatische Dienst des Königreichs Preußen, 1815–1866. Institutioneller Aufbau und soziale Zusammensetzung, Berlin 2008 (Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 37). 78 Vgl. Erwin Matsch, Der Auswärtige Dienst von Österreich(-Ungarn) 1720–1920, Wien u. a. 1986. 79 Vgl. Jochen Rudschies, Die bayerischen Gesandten 1799–1871, München 1993 (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte, 10). 80 Vgl. Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris. 76 77

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1. Einleitung

über individuelle Motive Aufschluss, berichten aber über das mitunter kurzweilige Diplomatendasein oft nur episodenhaft81. Persönliche Angaben über Diplomaten finden sich ansonsten meist in älteren biographischen Lexikonartikeln. Auf weitere relevante Spezialliteratur wird an den entsprechenden Stellen hingewiesen. Dies betrifft beispielsweise Forschungen zum Adel oder zur Telegrafie, deren Wandel für die Diplomatie bedeutend war. Auf diese Weise trägt die Untersuchung der deutschen Diplomaten in Paris zwischen 1815 und 1870 auch dazu bei, allgemeinere Transformationen in den ersten und mittleren Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.

Vgl. Lothar Gall, Wilhelm von Humboldt. Ein Preuße von Welt, Berlin 2011; Ulrich Pässler, Ein »Diplomat aus den Wäldern des Orinoko«. Alexander von Humboldt als Mittler zwischen Preußen und Frankreich, Stuttgart 2009 (Pallas Athene, 29); Herbert Lottman, Ilse Utz, Die Rothschilds in Frankreich. Geschichte einer Dynastie, Hamburg 1999; Lothar Gall, Bismarck. Der weiße Revolutionär, Berlin 42013; Albrecht von dem Bussche, Heinrich Alexander von Arnim. Liberalismus, Polenfrage und deutsche Einheit des 19. Jahrhunderts im Spiegel einer Biographie des preußischen Staatsmannes, Osnabrück 1986; Vera Niehus, Paul von Hatzfeldt, 1831–1901. Politische Biographie eines kaiserlichen Diplomaten, Berlin 2004 (Quellen und Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte, 27).

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2. Widersprüche rechtfertigen: das Selbstbild der Diplomaten Der badische Diplomat Andlaw hielt sich zweimal mit einem diplomatischen Auftrag in Paris auf. Nachdem er dort im Jahr 1830 während der Juliunruhen als Beobachter zugegen gewesen war, kam er im Jahr 1843 als neuer Diplomat für das Großherzogtum Baden nach Paris und hielt über die Ankunft in seinem Tagebuch fest: Ueber Zweibrücken, Metz und Châlons gelangte ich nach Paris, fuhr wieder zu derselben Barrière ein, bezog das gleiche Hotel, wie vor 13 Jahren, doch mit wie ganz anderen Gefühlen! Bald hatte ich eine bequeme, gut gelegene Wohnung in der Rue Lepelletier gefunden, und fühlte mich bald heimisch. […] Noch war kein Monat vergangen, seit ich mich bei dem König von Bayern verabschiedet, als ich auch schon vor Ludwig Philipp stand. Er empfing mich allein in seinem Kabinet, war in Uniform, und unterbrach meine Antrittsrede mit der Versicherung, wie er sich der freundnachbarlichen Beziehungen zu meinem Hofe freue, wie ihm aber mein Name bekannt sei, da die Mitglieder meiner in Frankreich lebenden Familie seine Jugendgespielen gewesen; die Mutter der Frau von Genlis habe sich in zweiter Ehe mit einem Herrn v. Andlaw vermählt1.

Eine diplomatische Tätigkeit an einem neuen Standort zu beginnen, war an bestimmte Vorstellungen und Abläufe geknüpft. Neben der Wohnungssuche stand für Andlaw als erster wichtiger Gang die Antrittsaudienz beim französischen Staatsoberhaupt an, um als Diplomat vor Ort anerkannt zu sein. Auffällig ist, wie sehr er seine schnelle Verbundenheit mit der neuen Aufgabe betont, indem er sich »bald heimisch« fühlte und seine verwandtschaftlichen Beziehungen zum französischen Königshaus wiedergibt. Als Diplomat war er Teil einer Elite mit eigenen und langlebigen Ritualen, die über Grenzen hinweg bestanden und die nicht nur den reibungslosen Missionsbeginn in einer anderen Stadt garantieren sollten. In diesem Kapitel steht im Mittelpunkt, wie Diplomaten ihre Mission selbst auffassten. Die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zeichneten sich auf diplomatischer Ebene dadurch aus, dass hergebrachte Vorstellungen aus der Frühen Neuzeit mit neuen Denkweisen, die vor allem der Wiener Kongress von 1815 etablierte, konkurrierten. Infolgedessen gab es Widersprüche, die ein verändertes Selbstbild der Diplomaten hervorbrachten, das alte und neue Elemente in Einklang zu bringen versuchte. Diplomaten verstanden ihren Auftrag, den sie in Paris zu erfüllen hatten, nicht mehr nur als persönliche Entsendung ihres monarchischen Souveräns, sondern zunehmend als Amt Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. 2, S. 54 und 56.

1

https://doi.org/10.1515/9783110519563-003

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2.  Selbstbild der Diplomaten

mit Vertretungsumfang für einen Staat (2.1). Die Leitvorstellungen gegenüber ihren Entsendenden und Empfangenden bewegten sich zwischen traditionsgebundenen Werten wie der Ehre und grundlegender Erneuerung, nachdem der Wiener Kongress das Prinzip der Egalität aus der Taufe gehoben hatte (2.2). Die Arbeitsauffassung der Diplomaten, die ihre Tätigkeit gerne einer Kunst gleichsetzten und als Berufung betrachteten, veränderte sich außerdem immer mehr durch Professionalisierungsmaßnahmen (2.3). Zudem gelang es Diplomaten, ihre überwiegend adelige Herkunft im bürgerlichen Zeitalter zu behaupten (2.4). Schließlich offenbart ein Blick auf Männlichkeitsentwürfe sowie die Ehefrauen von Diplomaten eine deutliche Geschlechtertrennung im diplomatischen Bereich (2.5). Zusammengenommen divergierte das Selbstverständnis der Diplomaten im Untersuchungszeitraum, was als Zeichen des Übergangs zu verstehen ist (2.6).

2.1 Monarch und Staat vertreten: zum Verständnis des eigenen Amtes Der badische Gesandte Schweizer sah sich im Jahr 1852 mit zunehmenden Ausgaben – etwa für eine Kutsche – konfrontiert, die das luxuriösere Leben am französischen Hof des neu entstandenen Zweiten Kaiserreichs mit sich brachte. Deshalb erbat er aus Karlsruhe einen finanziellen Zuschuss und beteuerte zugleich: »Ce n’est pas ma personne qui se trouve ici en jeu, c’est le représentant de Son Altesse Royale«2. Neben seinem offenkundigen Bemühen um mehr Geld offenbarte Schweizer, mit welchem Selbstverständnis er seine Position in Paris bekleidete. Er sah sich in der Funktion eines Stellvertreters, als Repräsentant des badischen Großherzogs und seiner Regierung (in demselben Schreiben sprach er von »mon gouvernement«3) und trennte eindeutig zwischen der eigenen Person und seinem Amt. Die beiden eng miteinander verknüpften Aspekte, erstens die Funktion eines Diplomaten und seine Stellvertretungsansprüche sowie zweitens das Verhältnis von Person und Amt, sind im Folgenden näher zu betrachten. Der eingangs genannte badische Gesandte bezeichnete sich selbst als représentant, das bedeutet, dass der Gedanke der Repräsentation für sein Selbstverständnis grundlegend war. Als Repräsentanten standen Diplomaten in enger Beziehung zu den Repräsentierten und zugleich zu einem legitimierenden Weltbild4. Dieses Weltbild wandelte sich um 1800: Diplomatische Beziehun-

Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 6. 12. 1852, GLA 48/3152. 3 Ibid. 4 Vgl. Andres, Geisthövel, Schwengelbeck, Einleitung, S. 13. 2

2.1  Verständnis des eigenen Amtes

35

gen basierten im Zuge der Französischen Revolution und des Wiener Kongresses auf gemeinsamen Prinzipien, auf allgemein festgelegten Umgangsformen, die völkerrechtlich garantiert und nicht mehr allein von der Person des Monarchen abhängig waren5. In der Konsequenz entwickelte sich Diplomatie zu einem eigenen Teilsystem, das unabhängig vom monarchischen Souverän gedacht werden konnte6. Der Stellvertreteranspruch war nicht mehr wie in der Frühen Neuzeit exklusiv an ihn gebunden; für Diplomaten hatte zu repräsentieren bedeutet, den abwesenden Monarchen real abzubilden7. Die Prinzipien der Stellvertretung hatten sich geändert. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war der monarchische Souverän nicht mehr der Einzige, den es zu repräsentieren galt: Gottesgnadentum und das monarchische Prinzip waren nicht mehr ausschließlich maßgebend, da neue Bezugsgrößen zur Legitimation wie Staat, Nation oder Volk an Bedeutung gewannen8. Der badische Gesandte Schweizer, der zeitweise die großherzoglich hessischen Geschäfte mit übernommen hatte, hielt in einem Neujahrsschreiben nach Darmstadt resümierend fest, dass er alles für den »service de Son Altesse Royale« getan habe und des Weiteren auf die guten Absichten des »gouvernement grand-ducal« setze9. Seine Tätigkeit für den Großherzog von Hessen-Darmstadt schloss nicht aus, dass er neben dem monarchischen Souverän die Regierung ansprach. Es war charakteristisch für diese Umbruchzeit, dass alte und neu aufkommende und auf diese Weise teilweise widersprüchliche Repräsentationsansprüche nebeneinander existierten. Damit ging einher, dass die »Rolle des Botschafters lediglich entlastet [wurde], symbolisch aber nicht entleert, sondern vorübergehend mehrdeutig bzw. langfristig anders interpretierbar [war]«10. Die Loslösung von der Alleinvertretung des monarchischen Souveräns erleichterte und verkomplizierte zugleich die Situation. Die Faktoren, die dazu beitrugen, dass sich die Stellvertretungsansprüche vervielfältigten, lassen sich anhand der Eide aufzeigen, die die Diplomaten zu leisten hatten. Der bayerische Gesandte Rechberg legte im Jahr 1818 folgenden Eid ab: »Ich schwöre Treue dem Könige, Gehorsam dem Gesetze, und Beobachtung der Staatsverfassung; so wahr mir Gott helfe um Sein heiliges Evangelium eigenhändig geschrieben und unterzeichnet einzusenden«11. Der Monarch stand an erster Stelle, wenngleich Recht, Staat und Religion als Legi Vgl. Paulmann, Diplomatie, S. 52. Vgl. ibid. 7 Vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 43 f. 8 Vgl. ibid, S. 202; Jörn Leonhard, Ulrike von Hirschhausen, Empires und Nationalstaaten im 19. Jahrhundert, Göttingen 2009, S. 21; Mansel, Riotte, Introduction, S. 8 f. 9 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Reinhard von Dalwigk, 29. 12. 1854, HStAD G 1 75/9. 10 Paulmann, Pomp und Politik, S. 71. 11 Aloys Graf von Rechberg und Rothenlöwen an Willibald Hyazinth Joseph Graf von Rechberg, 15. 6. 1818, BayHStA Ges. Paris 1143. 5 6

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2.  Selbstbild der Diplomaten

timierungsinstanzen folgten, wobei der Hinweis auf die Verfassung besonders bemerkenswert ist. Das Königreich Bayern führte, ebenso wie die Großherzogtümer Baden und Hessen-Darmstadt, als einer der ersten deutschen Staaten in den Jahren 1818 und 1820 eine Verfassung ein, während Preußen und Österreich erst später folgten12. Verfassungen dienten dazu, Souveränität zu erwerben und sie außenpolitisch sowie gegenüber neu erworbenen Territorien zu demonstrieren13. Für einige der genannten Staaten wie Baden war dies besonders relevant, da sie selbst erst in dieser Form zu Beginn des 19. Jahrhunderts infolge der Neuordnung weiter Teile Europas durch Napoleon I. entstanden waren. Der Eid auf die Verfassung besaß in dieser Hinsicht eine integrative Funktion und erhöhte das Staatsbewusstsein14. Diplomaten bekannten sich mit ihrer Eidesleistung zu Verfassung und Staat; außerdem ist daraus der Anspruch abzuleiten, diese gleichfalls zu vertreten. In konstitutionellen Staaten gab es nicht nur die Person des monarchischen Souveräns, sondern außerdem Parlamente15. Die Abgeordneten bewilligten vor allem den Staatshaushalt, weshalb eine Budgetverweigerung etwa bei den Gesandtschaftsausgaben die Daseinsberechtigung einer diplomatischen Vertretung in Frage stellen konnte16. Insofern war das Parlament direkt in die Frage der Existenz von Diplomaten involviert. Die Bedeutung neu entstehender Formen der Staatlichkeit muss allerdings relativiert werden. Der monarchische Souverän behielt eine hervorgehobene Stellung und einen ebensolchen Repräsentationsanspruch. Die süddeutschen Verfassungen sahen beispielsweise keine Gewaltenteilung vor und waren hoheitlich genehmigt worden17. Das monarchische Prinzip war gerade hinsichtlich der Verfassungen wenigstens bis zu den Revolutionen von 1848, die die Souveränität des Volkes proklamierten und die monarchische Form

Vgl. Gruner, Der Deutsche Bund, S. 41. Vgl. Helga Schnabel-Schüle, Herrschaftswechsel in Südwestdeutschland 1800–1815 als historische Tradition, in: Dieter Langewiesche, Reinhold Weber (Hg.), Der deutsche Südwesten. Regionale Traditionen und historische Identitäten. Hans-Georg Wehling zum Siebzigsten, Stuttgart 2008, S. 45–54, hier S. 49. 14 Vgl. Dennis Bock, Der Eid auf die Verfassung im deutschen Konstitutionalismus, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 123 (2006), S. 166–217, hier S. 171. 15 Vgl. ibid., S. 185. 16 Ein Beispiel ist die anvisierte Auflösung der hessen-darmstädtischen Vertretung, die im Darmstädter Landtag im Jahr 1867 kontrovers diskutiert wurde. Vgl. dazu ausführlich Kap. 6.4. 17 Zu dieser Konzeption von Verfassungsstaaten vgl. Hans Boldt, Staat und Souveränität. IX. »Souveränität«: 19. und 20. Jahrhundert, in: Otto Brunner, Werner Conze, Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Stuttgart 1990, Bd. 6, S. 129–154, hier S. 139. 12 13

2.1  Verständnis des eigenen Amtes

37

der Repräsentation infrage stellten, bedeutsam18. Außerdem bewahrte sich der monarchische Souverän weitreichende Kompetenzen in der Außenpolitik19. Er entschied maßgeblich, welche Diplomaten nach Paris zu entsenden waren, und Ernennungen, Versetzungen sowie Abberufungen erfolgten auf seinen Befehl. Der bayerische Diplomat Wendland wurde etwa im Jahr 1866 ausdrücklich durch den bayerischen König aus Paris abberufen20. Des Weiteren gehört zu neuen Formen von Staatlichkeit der Außenminister, der meistens als direkter Korrespondenzpartner der Diplomaten in Paris fungierte: Außenministerien als Institutionen mit eigenem Ressort entstanden ebenfalls erst Ende des 18. Jahrhunderts und mit Beginn des 19. Jahrhunderts21. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Art des Stellvertretungsanspruchs sich je nach Rang des Diplomaten unterschied. In einem Lexikonartikel aus dem Jahr 1847, der auf der zeitgenössischen völkerrechtlichen Literatur basiert, ist wie folgt zusammengefasst: Einzig die Botschafter, die über den höchstmöglichen diplomatischen Rang verfügten, »sind Diejenigen, die nicht nur hinsichtlich der Geschäfte, sondern auch hinsichtlich ihrer Person als Repräsentanten und Stellvertreter ihres Souverains behandelt werden«22. Alle Diplomaten mit niedrigerem Rang zeichneten sich dagegen dadurch aus, »daß sie den eigentlichen, auf die Staatswürde des Souverains bezüglichen Repräsentationscharakter nicht haben, sondern dieser sich bei ihnen mehr blos auf ihre Function, auf das Staatsoberhaupt aber nur in abstracto bezieht«23. Das Ausmaß des Repräsentationsauftrags war rangbezogen und die verschiedenen Vorstellungen von Repräsentation übersetzte das Zeremoniell in die Praxis, indem es vor allem unterschiedliche Zugangsrechte und Privilegien gegenüber dem französischen Staatsoberhaupt und seiner Regierung vorsah24. Diplomaten konzentrierten sich außerdem jeweils auf die Belange ihres Staates, also etwa den badischen oder preußischen; es bleibt die Frage, inwieweit sie sich darüber hinaus als deutsche Vertreter verstanden. Der preußische Diplo-

Vgl. Leonhard, Hirschhausen, Empires und Nationalstaaten, S. 20, zur Habsburgermonarchie insbesondere S. 32 f. 19 Vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 85; Winfried Baumgart, Europäisches Konzert und nationale Bewegung. Internationale Beziehungen 1830–1878, Paderborn u. a. 22007 (Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen, 6), S. 113. 20 Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an Ludwig II., 26. 9. 1866, BayHStA MA 75351. 21 Zur Geschichte der Außenministerien der Großmächte vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S. 113–134. 22 Sylvester Jordan, Art. »Gesandter, Gesandtschaftsrecht«, in: Carl von Rotteck, Carl Theodor Welcker (Hg.), Staats-Lexikon oder Encyklopädie der Staatswissenschaften, Bd. 5, Altona 1847, S. 625–643, hier S. 631. 23 Ibid. 24 Für die diplomatischen Rangstufen vgl. Kap. 2.2.3 und zu Rangproblemen in der Praxis vgl. Kap. 6.1. 18

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2.  Selbstbild der Diplomaten

mat Radowitz berichtete von einem Hofball im Jahr 1866, dass der »kleine deutsche Diplomat« ebenfalls anwesend gewesen sei: Er meinte damit die Vertreter aus Bayern, Württemberg, Mecklenburg-Schwerin und Hessen-Darmstadt25. Seine Formulierung zeigt, dass alle gemeinsam als deutsche Diplomaten wahrgenommen wurden, obwohl sich Radowitz als Preuße nicht zu den gemeinten Vertretern der deutschen Klein- und Mittelstaaten zählte. Es schloss sich nicht aus, sich einem Einzelstaat und dem Deutschen Bund zugehörig zu fühlen. Wolf D. Gruner spricht daher allgemein von einem »föderativen Nationalbewusstsein« für die Zeit des Deutschen Bundes26. Und Manfred Hanisch benannte besondere Maßnahmen zur »Hebung des bayerischen Nationalgefühls«27. Ein einzelner Diplomat besaß keinen offiziellen Repräsentationsanspruch für gesamtdeutsche Interessen, aber in den Vorstellungen war durchaus ein »deutsches« Bewusstsein vorhanden. Außerdem ist eine Binnendifferenzierung zu treffen, weil es innerhalb des Deutschen Bundes Klein- und Mittelstaaten sowie Großmächte gab, unter denen Bayern für sich einen Status zwischen Mittelstaat und Großmacht beanspruchte28. Die Abstufungen waren insofern für die Diplomaten in Paris relevant, als sie ihre Handlungsspielräume vor Ort maßgeblich mitbestimmten. Wie die oben zitierte Formulierung von Radowitz impliziert, war hierarchisches Denken auf diplomatischer Seite durchaus vorhanden. Es bleibt zu fragen, wem gegenüber der Stellvertreteranspruch geltend zu machen war. Die deutschen Diplomaten in Paris erhielten für den Antritt ihrer Tätigkeit in Paris ein Beglaubigungsschreiben ihrer Entsendenden, das den Empfangenden zu überreichen war29. Der österreichische Diplomat Hübner erhielt ein solches Schreiben, auch Kreditiv genannt, im Jahr 1849: Es war im Schloss Schönbrunn in Wien gezeichnet, an den Präsidenten der französischen Republik adressiert und beinhaltete folgende Aspekte: warum ein Diplomat zu entsenden war (um freundschaftliche bilaterale Beziehungen einzugehen) und wer (Hübner) auf Grund welcher Qualitäten (beispielsweise Unbescholtenheit) ausgewählt worden sei30. Das Schreiben musste der Diplomat nach seiner Ankunft dem Adressaten, in diesem Fall dem französischen Staatsoberhaupt, übergeben, wofür er eine Audienz erbat, bei der er dann außerdem eine Rede zu halten hatte. Der preußische Botschafter Goltz fasste seine sogenannte Akkreditierung im Jahr 1867 in der Kürze eines Telegramms wie folgt zusammen: »Beglaubigungsschreiben in feierli Vgl. Holborn, Aufzeichnungen und Erinnerungen, S. 91, Zitat ibid. Vgl. Gruner, Der Deutsche Bund, S. 35, Zitat ibid. 27 Vgl. Manfred Hanisch, »Für Fürst und Vaterland«. Legitimitätsstiftung in Bayern zwischen Revolution 1848 und deutscher Einheit, München 1991, S. 3, Zitat ibid. 28 Vgl. ibid., S. 103–105. 29 Für die folgenden Schritte der Beglaubigung allgemein vgl. Martens, Geffcken, Le Guide diplomatique (1866), S. 64–67. 30 Vgl. [Franz Joseph I.] an [Louis Napoléon Bonaparte], September 1849, HHStA MdÄ AR F 4 144. 25 26

2.1  Verständnis des eigenen Amtes

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cher Audienz übergeben. Antwort des Kaisers auf meine Rede sehr friedlich und freundlich«31. Es war mitunter bedeutend, welche Worte der Diplomat in seiner Rede wählte und wie die Reaktion von französischer Seite ausfiel. Im vorliegenden Fall wurde der preußische Diplomat zugleich als Diplomat des neu geschaffenen Norddeutschen Bundes akkreditiert, wobei die immer greifbarer werdende deutsche nationale Einigung in Europa und besonders in Frankreich mindestens Skepsis auslösen musste. Der Akt der Übergabe stellte gleichsam einen Gradmesser für die Qualität der Beziehungen dar; für die Diplomaten bedeutete ihre Akkreditierung, offiziell in Paris beim französischen Staatsoberhaupt anerkannt zu sein. Wenn Diplomaten entsandt und in Paris akkreditiert waren, wie sahen sie ihre eigene Person im Verhältnis zu ihrem Amt? Der österreichische Botschafter Hübner klagte im Jahr 1853 über das »harte Handwerk« des Diplomaten: Er »kenne keines, das so viel Selbstverleugnung« mit sich bringe32. Seine eigene Person, die er offenbar gerne mehr betont hätte, musste zugunsten des Auftrags in den Hintergrund treten. Das diplomatische Standardhandbuch der Zeit, der »Guide diplomatique« von Martens und Geffcken, empfahl in dieser Hinsicht eindeutig, sich selbst zurückzunehmen: »Quant aux affaires qui forment le but de sa mission, le ministre doit être constamment occupé du bien de son pays et jamais de sa personne«33. Subjektive Empfindungen und normative Vorgaben stimmten darin überein, dass die Person von ihrem Amt nicht nur zu trennen war, sondern auch zurückstehen musste. Der Vertretungsanspruch war den Diplomaten als Inhabern eines Amtes und nicht als Person zugesprochen34. Sie waren Diener und im Zuge des aufkommenden Staatsdienstes Staatsdiener, die ihre Schreiben etwa nach Wien oder Karlsruhe meist mit der Formel »ganz gehorsamster Diener«35 schlossen. Eine besondere Bedeutung ist in diesem Zusammenhang dem Eid beizumessen. Hübner hatte im Jahr 1851 wie alle österreichischen Beamten eine Eidesformel zu signieren, die unter anderem folgenden Satz enthielt: »Sie werden schwören, die Ihnen in Ihrem Amte obliegenden besonders vorgezeichneten Pflichten gewissenhaft zu erfüllen«36. Der Eid wirkte in beide Richtungen: Einerseits verpflichtete sich Hübner selbst als Amtsträger und andererseits legitimierte ihn der Eid für sein Amt37. Das Amt war Robert Heinrich Ludwig Graf von der Goltz an Otto von Bismarck-Schönhausen, 31. 12. 1867, GStA PK III. HA MdA I Nr. 105. 32 Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 103, Zitate ibid. 33 Martens, Geffcken, Le Guide diplomatique (1866), S. 151. 34 Im Hinblick auf Beamte allgemein vgl. Kielmansegg, Legitimität, S. 372. 35 Christian Friedrich Gerstlacher an Karl du Thil, 21. 12. 1842, HStAD G 1 74/1. 36 Felix Fürst zu Schwarzenberg an Josef Alexander Graf von Hübner, 29. 5. 1851, HHStA Ges. Paris 203 E 18. 37 Vgl. Bock, Der Eid, S.  185; Siegfried Weichlein, Religion und politischer Eid im 19. und 20. Jahrhundert, in: Harald Bluhm, Karsten Fischer, Markus Llanque (Hg.), 31

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2.  Selbstbild der Diplomaten

Ausdruck für den aufkommenden Staatsdienst, und im Gegensatz zur Vormoderne »fungieren moderne Staatsoberhäupter und ihre diplomatischen Repräsentanten nicht mehr als Standesvertreter, sondern Amtsträger, deren persönlicher sozialer Status unerheblich ist«38. Person und Amt waren im Staatsdienst voneinander zu trennen, wobei die Person gegenüber dem Amt zurücktrat39. Abgesehen von der Hierarchisierung beider Aspekte standen sie in einem wechselseitigen Verhältnis, das sich in dem Bild der »zwei Körper des Botschafters« manifestiert, welches Verena Steller in Anlehnung an Kantorowicz auf den Fall der Diplomatie übertragen hat: Anhand des Zeremoniells lasse sich »zwischen Person und Amt, zwischen den ›zwei Körpern des Botschafters‹ gewissermaßen« vermitteln, denn »das Zeremoniell ist auf das Individuum, dessen Person und Persönlichkeit performativ angewiesen, steht aber zugleich für das Überindividuelle des politischen Amts, der Repräsentation des Staats, der Nation«40. Die beiden Körper des Botschafters konnten sich in dieser Zeit erstmals aufgrund zweier Voraussetzungen ausbilden: Die Vorstellung, den monarchischen Souverän unmittelbar darzustellen, war nicht mehr gültig; beim Monarchen selbst wurde nicht mehr nur zwischen Person und Amt unterschieden, sondern beides war voneinander getrennt41. Wie weit bei den Diplomaten die Selbstwahrnehmung als Diener reichte, zeigen die Erinnerungen des Diplomaten Radowitz an den Besuch des preußischen Königs- und Kronprinzenpaares anlässlich der Pariser Weltausstellung im Jahr 1867: Während des hiesigen Aufenthalts des Kronprinzenpaares sind wir alle in dienstuende [sic!] Kammerherrn verwandelt; aber mir flößt das keinen Geschmack an diesem Metier ein. […] Aber in dieser permanenten Ergebenheit und dem gänzlichen Aufgehen in eine fremde Individualität, mit der Nuance des Halbgöttertums, liegt eine Zumutung, der ich mich auf die Dauer nicht gewachsen fühle […]. Vom 15.  Juni an, nach der Abreise des Königs, hatten wir mit dem »Hofdienst«, der anstrengender gewesen wie aller politischer[,] abgeschlossen42.

Ideenpolitik. Geschichtliche Konstellationen und gegenwärtige Konflikte, Berlin 2011, S. 399–420, hier S. 399 und 402. 38 André Krischer, Souveränität als sozialer Status. Zur Funktion des diplomatischen Zeremoniells in der Frühen Neuzeit, in: Ralph Kauz, Giorgio Rota, Jan Paul Niederkorn (Hg.), Diplomatisches Zeremoniell in Europa und im Mittleren Osten in der Frühen Neuzeit, Wien 2009, S. 1–32, hier S. 31. 39 Vgl. Stefan Haas, Die Kultur der Verwaltung. Die Umsetzung der preußischen Reformen 1800–1848, Frankfurt a. M., New York 2005, S. 239. 40 Steller, Diplomatie von Angesicht, S. 92; Ernst Kantorowicz, Die zwei Körper des Königs. Eine Studie zur politischen Theologie des Mittelalters, München 21994. 41 Vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 44 und 202. 42 Holborn, Aufzeichnungen und Erinnerungen, S. 144 und 151.

2.1  Verständnis des eigenen Amtes

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In der Ausnahmesituation des Monarchenbesuchs erschien der diplomatische Repräsentationsauftrag zeitweise hinfällig, da die zu vertretende Person selbst anwesend war. Indem Radowitz die Negierung seiner Person während seiner Hofdienerschaft beklagt, offenbart er, dass er sich ansonsten als Diplomat mit Distanz zu den Entsendenden freier fühlte. Er konnte offensichtlich normalerweise seine Persönlichkeit einbringen, was bei einem Monarchenbesuch nicht möglich war, da sonst in der Vorstellung der preußische Souverän zugleich am selben Ort in zweifacher Ausführung existiert hätte. Ferner verdeutlicht das Beispiel die weiterhin maßgebliche Bedeutung des monarchischen Souveräns, hinter dem die aufkommende Staatsdienerschaft zurücktrat. Neben dem besonderen Fall des Monarchenbesuchs zeigt sich in der Besorgnis um die eigene Position, wie Diplomaten ihr übertragenes Amt wahrnahmen. Der badische Diplomat Schweizer schrieb über seinen Vorgänger in Paris: »Herr Gerstlacher wohnte drei Treppen hoch und lebte so äußerst einfach, daß jeder Badenser der hierher kam sich über den Mangel des gesandtschaftlichen Anstandes und über die Stellung des Ministers der Welt gegenüber beklagte«43. Die Lebensweise der Diplomaten in Paris sollte dem Amt und dem damit verbundenen Repräsentationsauftrag entsprechen. Die Diplomaten sahen ihre Bestimmung in Relation zu den Entsendenden, die sie angemessen zu repräsentieren beabsichtigten, was wiederum vor Ort oder gar vor »der Welt« geschah. Insgesamt betrachteten sich die deutschen Diplomaten in Paris in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts als Repräsentanten. Sie vertraten ihren monarchischen Souverän und zunehmend abstraktere Gebilde wie einen Staat. Der Stellvertreteranspruch bezog sich nicht mehr einzig – wenngleich weiterhin vorrangig – auf den monarchischen Souverän, da Souveränität neu verteilt wurde, was sich in der Entstehung von Parlamenten und Verfassungen ab den Jahren 1818 und 1820 manifestierte. Die legitime Herrschaftsausübung basierte fortan auf vielfältigeren Formen, sodass die Diplomaten in Relation zu ihren verschiedenen Gegenübern sich wandelnde Legitimitätsideen zu vertreten hatten. Es handelte sich gleichwohl nicht um schlagartige Veränderungen, sondern Entwicklungen über Jahrzehnte, die teilweise in den einzelnen Staaten zeitversetzt abliefen. Die Diplomaten selbst brachten die neue Pluralität zum Ausdruck, indem sie weiterhin den Monarchen als dominant wahrnahmen und gleichzeitig ihren Eid auf die Verfassung schworen. Sie waren nun Staatsdiener, bei denen die Person hinter das Amt trat. Die Akkreditierung der Diplomaten beim französischen Staatsoberhaupt machte jene Vorstellungen offiziell deutlich und war die Grundlage ihrer Daseinsberechtigung in Paris. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 16. 12. 1852, GLA 48/3152.

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2.  Selbstbild der Diplomaten

2.2 Leitvorstellungen: wegweisend, traditionsbewusst, grundlegend erneuert Wie die vorstehenden Ausführungen über den diplomatischen Repräsentationsauftrag zeigen, gerieten mit Beginn des 19. Jahrhunderts über Jahrhunderte geläufige Prinzipien wie das Gottesgnadentum ins Wanken und es entstanden neue legitime Herrschaftsgrundlagen. Welche Vorstellungen der Diplomaten in jener Umbruchszeit ihr Handeln maßgeblich mitbestimmten und anleiteten, steht im Folgenden im Mittelpunkt. Diese Vorstellungen waren wohl meistens verinnerlicht, manchmal zudem kodifiziert und institutionell verankert und gleichzeitig neu zu bestimmen. Als Erstes sind die Beziehungen zwischen den Diplomaten als Ent­ sandten und ihrem zu vertretenden monarchischen Souverän und Staat als Entsendenden in den Blick zu nehmen. Sie waren insbesondere von den drei Aspekten Ehre, Treue und Vertrauen geprägt. Das zweite näher zu bestimmende Verhältnis zwischen Diplomaten und dem Empfangsstaat Frankreich beruhte vor allem auf Auffassungen der Reziprozität. Schließlich soll in einem dritten Teil grundlegenden Veränderungen in der diplomatischen Vorstellungswelt nachgegangen werden, wie beispielsweise dem Prinzip der Egalität, welche auf die Festlegungen des Wiener Kongresses zurückzuführen sind. 2.2.1 Gegenüber den Entsendenden: Ehre, Treue und Vertrauen Diplomaten standen in enger Beziehung zu denen, die sie entsandten, obgleich ihr Verhältnis nicht auf Augenhöhe bestand, sondern eindeutig hierarchisch geprägt war; die Entsandten waren den Entsendenden untergeben. Der preußische Kanzlist Ebert brachte seine untergeordnete Position anlässlich seiner Ernennung zum »geheimen expedirenden Secretair« wie folgt auf den Punkt: Für diese in so huldvoller Weise mir gewährte Beförderung verfehle ich nicht, Euer Excellenz den tiefgefühltesten, unterthänigsten Dank darzubringen. Stets werde ich mit innigster Dankbarkeit dieses Beweises Hochdero gnädiger Gesinnung eingedenk und aus allen Kräften bemüht sein, durch Treue und Fleiß des mir geschenkten ehrenvollen Vertrauens mich würdig zu machen44.

Macduff Ebert an [Staats- und Kabinettsminister], 2. 9. 1847, GStA PK III. HA MdA ZB Nr. 618.

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2.2 Leitvorstellungen

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Ebert nennt Treue, Ehre und Vertrauen, die er entgegenbrachte beziehungsweise entgegengebracht bekam – Vorstellungen, die nach Ute Frevert ein Untertanenverhältnis in Kontinuität zur Frühen Neuzeit weiterhin prägten45. Treue bedeutete die langfristige Bindung eines Diplomaten an seine Entsendenden, die in der Regel durch das Schwören des Eides hergestellt wurde. Im Untersuchungszeitraum handelte es sich im Zuge des aufkommenden Staatsdienstes zunehmend um Diensteide für Beamte, zu denen Diplomaten gehörten und die in Kontinuität zu vorher existierenden Formen von Huldigungen und Eiden zu sehen sind: laut Stefan Haas gelten sie »in der abendländischen Geschichte als symbolisches Zeichen der Anerkennung der Herrschaft und als Verpflichtung zur Treue ihr gegenüber«46. Die Bedeutung des Eides als Treueschwur zeigte sich beim diplomatischen Personal, wenn es seine Tätigkeit aufnahm. Der preußische Kanzlist Becker gelobte im Jahr 1820, »jederzeit treu und gehorsam« zu sein; der badische Diplomat Schweizer betonte im Jahr 1830, die ihm übertragenen Geschäfte »mit aller gebührenden und schuldigen Treue zu Fleiß zu besorgen«47. Der Treueid legitimierte die Diplomaten für ihre Aufgaben und stellte eine Verbindung her, die, einmal entstanden, nicht mehr gelöst werden durfte48. Deshalb war Treue nicht nur mit Beginn, sondern auch mit Beendigung der diplomatischen Tätigkeit von Relevanz. Mit der Versetzung eines Diplomaten in den Ruhestand ging meist der Dank für die »lang und treu geleisteten Dienste«49 einher. Eine zusätzliche Wertschätzung der Entsendenden bedeutete es, wenn die Treue eines Diplomaten mit einem Orden honoriert wurde. Der preußische König Wilhelm I. verlieh dem Diplomaten Werther einen Orden, indem er darauf verwies, »wie hoch Ich die Dienste schätze, die sie Meinem hochseligen Vater und Bruder und Mir selbst in immer gleicher Treue und Hingebung geleistet haben«50. Der Botschafter Werther hatte unter drei preußischen Königen gedient, was die Verleihung eines Ordens rechtfertigte. Wie wichtig Treue war, zeigte sich nicht zuletzt, wenn sie in das Gegenteil umschlug und es zu Unstimmigkeiten kam. Jene Gefahr begleitete beispielsweise den preußischen Diplomaten Goltz, der entgegen Bismarcks Willen zu sei Vgl. Ute Frevert, Vertrauen – eine historische Spurensuche, in: Dies. (Hg.), Vertrauen. Historische Annäherungen, Göttingen 2003, S. 7–66, hier S. 24. 46 Haas, Die Kultur der Verwaltung, S. 313. 47 Vgl. Eid von Carl Becker vom 23. 12. 1820 als Anhang zu: Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Christian Günther von Bernstorff, 6. 1. 1821, GStA PK III. MdA ZB Nr.  520, Zitat ibid.; Eid von Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, [1830], GLA 233/23811, Zitat ibid. 48 Vgl. Bock, Der Eid, S. 185; in Bezug auf Vertrauen vgl. Frevert, Vertrauen, S. 24. 49 Als Beispiel vgl. Friedrich Landolin Karl von Blittersdorf an [badisches Finanzministerium], 4. 2. 1843, GLA 76/2732. 50 Wilhelm I. an Carl Anton Philipp Freiherr von Werther, 2. 9. 1871, PA AA Personalakte Nr. 16477. 45

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2.  Selbstbild der Diplomaten

nem Nachfolger als Botschafter in Paris ernannt wurde51. Da Goltz höhere Ambitionen wie die Führung des preußischen Außenministeriums besaß, galt er in Bismarcks Augen als Konkurrent, wenngleich er seine Aufgaben in Paris offensichtlich so pflichtgemäß erfüllte, dass er seines Amtes nicht enthoben wurde52. Neben Treue galt Vertrauen als eine zentrale Leitvorstellung für die Diplomaten. Wie entscheidend die persönlichen Beziehungen und das ineinander gesetzte Vertrauen zwischen den Diplomaten in Paris und den jeweiligen Außenministern und Staatsoberhäuptern waren, zeigt der Fall des österreichischen Diplomaten Hübner. Er sah mit dem Tod des österreichischen Außenministers Schwarzenberg seine Position in Paris gefährdet: Seit dem Tode des Fürsten Felix Schwarzenberg hat sich meine persönliche Stellung in Wien bedeutend geändert. Der Fürst hatte zu mir ein unbegrenztes Vertrauen. Ich konnte ihm mit offenem Herzen sprechen (und schreiben) und wußte im voraus, daß er auf meine Ideen eingehen werde. Graf Buol kennt mich wenig, und Neider, deren Zahl Legion ist, haben mir einen geheimen, aber erbitterten Krieg erklärt. Die Zeitungen hören nicht auf, meine bevorstehende Abberufung anzukündigen, und die offiziösen Blätter des Ministeriums hüten sich, diese Gerüchte zu dementieren. Ich kann nur auf mich rechnen und vielleicht auf den Kaiser und habe keinen andern Leitstern als meine Pflicht53.

Der Außenministerwechsel in Wien offenbart, wie zerbrechlich Vertrauen war, weil es personenbezogen und nur temporär verliehen war. Entsprechend der politischen Situation konnte Vertrauen entzogen oder geschenkt werden, was im Untersuchungszeitraum von besonderer Relevanz war: Nach Ute Frevert spielte der Vertrauensbegriff erst seit dem Ende des Ancien Regime eine »aktivere politische Rolle« und war besonders in der »konfliktreichen Übergangsphase von autokratisch-absolutistischen zu parlamentarisch-konstitutionellen politischen Systemen« relevant54. Hübners Worte aus dem Jahr 1852 fallen in zweifacher Hinsicht in eine kritische Übergangszeit: In Frankreich stand der Wechsel von der Zweiten Republik zum Zweiten Kaiserreich bevor und in Österreich lag der Übergang zu einer konstitutionellen Monarchie erst vier Jahre zurück. Es war besonders schwierig, zu diesem Zeitpunkt über Distanz Vertrauen zwischen einem Diplomaten und einem neuen Außenminister herzustellen, da politische Überzeugungen teilweise erschüttert worden waren und ein Konsens neu gefunden werden musste. Als handlungsleitende Maxime in dieser schwierigen Situation sah Hübner schließlich seine Pflicht, womit er sich auf die Treue, die er einst geschworen hatte, besann.

Vgl. Karl Hammer, Hôtel Beauharnais Paris, München, Zürich 1983 (Beihefte der Francia, 13), S. 145. 52 Vgl. ibid., S. 146 f.; zum Fehlverhalten von Staatsbeamten allgemein vgl. Hanisch, Für Fürst und Vaterland, S. 207–209. 53 Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 52 f. 54 Vgl. Frevert, Vertrauen, S. 24 und 27, Zitate ibid. 51

2.2 Leitvorstellungen

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Das stetige Rechtfertigungsbedürfnis, das bei Vertrauen notwendig war, offenbarte sich auch bei einer zeitweiligen Übernahme der hessen-darmstädtischen Geschäfte in Paris durch den badischen Diplomaten Gerstlacher. Er empfand diese Aufgabe als einen Vertrauensbeweis, den es zu erfüllen galt: »Ich bitte Euer Excellenz aufs neue, überzeugt zu seyn, daß es auch fernerhin meiner ersten Anliegen seyn wird, daß [sic!] mir geschenkte Vertrauen aufs beste zu rechtfertigen, und habe die Ehre mit der ausgezeichneten Verehrung zu beharren«55. Das in ihn gesetzte Vertrauen verband er mit Ehre und Verehrung. Ehre stellt eine weitere wichtige diplomatische Leitvorstellung dar. Zunächst war es für den Diplomaten selbst eine Ehre, seiner Tätigkeit in Paris nachzugehen. Im aufkommenden Staatsdienst war sie als Selbstverpflichtung Teil der Lebensführung eines Beamten, wobei dem Ehrbegriff in dieser Bedeutung ein Wandel vorausging: Ehre war ein adelig-ständisch geprägter Begriff gewesen, der diesen Charakter im Laufe des 19. Jahrhunderts mit zunehmender Professionalisierung verlor, weil der Adel nun als Funktions- und nicht mehr als Standeselite fungierte56. In der diplomatischen Korrespondenz schlug der Begriff sich nieder; der preußische Gesandtschaftsmitarbeiter Taglioni etwa dankte im Jahr 1860 dem preußischen Außenminister Schleinitz für den Erhalt des Titels eines »Geheim-Secretairs« und beendete sein Schreiben mit den Worten: »Genehmigen Euer Excellenz bei diesem Anlaß den Ausdruck der Gesinnungen tiefster Ehrerbietung, mit welcher verharrt unterthänigster Carl Taglioni«57. Ehre war aber nicht nur Selbstverpflichtung, sondern besaß zugleich einen fremdverpflichtenden Charakter, womit sie als Bindemittel im Bereich der internationalen Beziehungen anzusehen ist58. Diplomaten hatten an die Ehre desjenigen zu denken, den es in Paris zu vertreten galt. Der österreichische Botschafter Apponyi bat im Jahr 1848 um seine Versetzung in den Ruhestand und die Zahlung eines Ruhegehaltes, das der Außenminister mit folgender Begründung befürwortete und das schließlich vom Kaiser gewährt wurde: Graf Anton Apponyi hat nach mehreren früheren Gesandtschaftsposten durch eine lange Reihe von Jahren die höchste Stufe in der Diplomatie als k. k. Botschafter zu Rom und zu Paris bekleidet und diese Stelle jederzeit nicht bloß mit Ehren und bedeutenden Opfern ausgefüllt, sondern auch dem Staate in schwierigen Momenten sehr wichtige Dienste geleistet59.

Christian Friedrich Gerstlacher an Karl du Thil, 27. 10. 1841, HStAD G 1 75/2. Zum adelig-ständisch geprägten Ehrbegriff und dessen Auflösung vgl. Friedrich Zunkel, Art. »Ehre, Reputation«, in: Brunner, Conze, Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 2, S. 1–63, hier S. 35–39; zum Wandel in Bezug auf Ehre vgl. Steller, Diplomatie von Angesicht, S. 107. 57 Carl Daniel Alfred Taglioni an Alexander von Schleinitz, 5. 6. 1860, PA AA Personalakte Nr. 15196. 58 Vgl. Steller, Diplomatie von Angesicht, S. 109. 59 Felix Fürst zu Schwarzenberg an Friedrich Wilhelm IV., 20. 12. 1848, HHStA MdÄ AR F 4 11. 55 56

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2.  Selbstbild der Diplomaten

Bemerkenswert an den Worten des österreichischen Außenministers Schwarzenberg ist, dass er den Staat als Bezugsgröße für die Arbeit des Diplomaten Apponyi nennt. Der im vorangehenden Kapitel aufgezeigte Wandel, das heißt die Loslösung vom Alleinvertretungsanspruch eines Monarchen sowie der neue Repräsentationsauftrag für einen Staat, lässt sich hinsichtlich der Ehre ebenfalls beobachten. In der frühneuzeitlichen Vorstellung war es von zentraler Bedeutung gewesen, die königliche Ehre zu verteidigen. Die Ehrverletzung stellte eine der wesentlichen Gefahren dar, da die Positionierung des Diplomaten gegenüber seinen Kollegen auch die Bedeutung des jeweils darzustellenden Souveräns widerspiegelte60. Demgegenüber unterlag der Ehrbegriff im 19. Jahrhundert zunehmend einer Nationalisierung61. Einen bekannten Fall stellt die Beleidigung des französischen Botschafters im Jahr 1870 dar, die als Verletzung Frankreichs und auf diese Weise der nationalen Ehre galt und im Zusammenhang mit dem Ausbruch des deutschen-französischen Krieges stand62. Ehre, Treue und Vertrauen prägten das Verhältnis der Diplomaten zu den Entsendenden und sind deshalb als Leitvorstellungen anzusehen. Sie waren in der diplomatischen Korrespondenz stetig präsent und brachten dadurch gegenseitige Anerkennung und Wertschätzung zum Ausdruck, wenngleich die Beziehung hierarchisch angelegt war. Es handelte sich um althergebrachte Vorstellungen, die nun gleichwohl eine Erneuerung erfuhren, da sie sich hinsichtlich der Entsendenden nicht mehr nur vorrangig auf den monarchischen Souverän bezogen, sondern auch auf abstraktere Gebilde wie einen Staat und eine Nation. 2.2.2 Gegenüber Frankreich: Reziprozität Mindestens ebenso wichtig wie die Beziehungen zu den Entsendenden waren für die Diplomaten die Beziehungen zu den Empfangenden, bei denen sie vor Ort akkreditiert waren: Im Fall der deutschen Diplomaten in Paris handelte es sich um die französische Regierung. Den Ursprung und die Basis ihres Verhältnisses bildete die Vorstellung, dass diplomatische Beziehungen auf Reziprozität, das heißt dem Prinzip der Gegenseitigkeit, beruhen sollten. Reziprozität bestimmte die alltägliche diplomatische Praxis in vielfältiger Weise und war konstitutiv für die Handlungsformen der Diplomaten: »Auch in Kleinigkeiten wurde auf Reziprozität, etwa die Gegenseitigkeit des Gabentauschs,

Vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 49 f. Vgl. ibid., S.  104; zur nationalen Ehre allgemein vgl. Christian Koller, Die Ehre der Nation. Überlegungen zu einem Kernelement der politischen Kultur im 19. Jahrhundert, in: Saeculum 54/1 (2003), S. 87–121. 62 Vgl. Birgit Aschmann, Ehre – das verletzte Gefühl als Grund für den Krieg. Der Kriegsausbruch 1870, in: Dies. (Hg.), Gefühl und Kalkül. Der Einfluss von Emotionen auf die Politik des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2005, S. 151–174, hier S. 171; vgl. außerdem Kap. 5.5. 60 61

2.2 Leitvorstellungen

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geachtet«63. Eines der unzähligen Beispiele für einen solchen Austausch liefert der badische Diplomat Gerstlacher, der im Jahr 1834 dem französischen Außenminister Rigny zwei Exemplare eines Berichts einer Einrichtung für Taubstumme im Großherzogtum Baden weiterleitete: Die Sendung beruhte auf Reziprozität, da die badische Regierung von französischer Seite zuvor den Bericht einer gleichartigen Institution in Paris erhalten hatte64. Abgesehen von dem generellen gegenseitigen Austausch von Informationen finden im Weiteren zwei Bereiche, in denen Reziprozität von Bedeutung war, besondere Berücksichtigung: die Herstellung diplomatischer Beziehungen und die Vertragsabschlüsse. Als Quellengrundlage dient der Schriftwechsel der deutschen Diplomaten in Paris mit dem französischen Außenminister65. Reziprozität bildete die Voraussetzung, um diplomatische Beziehungen aufzunehmen, da eine Entsendung von Diplomaten gegenseitige Akzeptanz bedeutete. Nach der Entscheidung, diplomatische Beziehungen zu etablieren oder fortzusetzen, war wiederum das Prinzip der Gegenseitigkeit ausschlaggebend: Wenn beispielsweise ein bayerischer Diplomat in Paris tätig war, sollte es im Gegenzug einen französischen Diplomaten in München geben. Darüber hinaus war darauf zu achten, dass jeder Diplomat denselben Rang erhielt wie sein Gegenpart66. Es gab vornehmlich zwei Situationen, in denen Reziprozität auf diese Weise für die deutschen Diplomaten in Paris Relevanz erlangte: Nach Regierungswechseln mussten die Diplomaten bei der neuen Regierung akkreditiert werden, womit mitunter Rangveränderungen einhergingen67. Außerdem beriefen sich Diplomaten besonders auf dieses Prinzip, wenn es zur Vereinbarung von Abkommen kam. Im gesamten Untersuchungszeitraum gab es darüber zu diversen Themenbereichen Austauschbedarf zwischen deutschen Diplomaten und ihren französischen Korrespondenzpartnern. Im Jahr 1817 richtete der badische Diplomat Ferrette an den französischen Außenminister Richelieu ein Schreiben, in dem er die seit mehreren Jahren gültige Vereinbarung ansprach, dass sich beide Regierungen gegenseitig Deserteure und aufsässige Wehrpflichtige auslieferten68. Er merkte an, dass er aufgrund der französischen Verhaltensweise in einem aktuellen Jürgen Osterhammel bezieht sich hier besonders auf das Aufeinandertreffen europä­ ischer Diplomatie mit derjenigen anderer Teile der Welt, wobei sich die Einhaltung europäischer diplomatischer Regeln – wie der Reziprozität – seit dem Ende des 18. Jahrhunderts durchsetzte und als allgemeinverbindlich angesehen wurde, vgl. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, S. 712. 64 Vgl. Christian Friedrich Gerstlacher an Henri Gauthier de Rigny, 27. 11. 1834, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 694. 65 Diese Korrespondenz enthalten die Bestände »Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris« und »Correspondance politique«, die in den AMAE verwahrt werden. 66 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 165. 67 Zu beiden Aspekten vgl. jeweils ausführlich Kap. 5 und 6.1. 68 Vgl. Johann Baptist Freiherr von Ferrette an Richelieu, 5. 3. 1817, AMAE Correspon­ dance politique Bade 14. 63

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2.  Selbstbild der Diplomaten

Einzelfall Zweifel habe, ob Frankreich noch an diesem Austausch festhalten wolle, auch wenn dieser nicht vertraglich geregelt sei69. Der Diplomat äußerte Reziprozitätserwartungen, was zeigt, dass sie als eine Art ungeschriebenes Gesetz galten und einforderbar waren, wenn ihre Einhaltung in Frage stand. Ein weiteres Beispiel für die Bezugnahme auf das Prinzip der Reziprozität ist die Entstehung der Regelung des Verhaltens von Konsuln bei Schiffsbrüchen, die sich über mehrere Jahrzehnte hinzog. Es gab dazu seit dem Jahr 1829 Übereinkünfte, wobei das Versprechen einer vollständigen Reziprozität erst 1854 von österreichischer Seite eingelöst wurde: Eine Instruktion stellte nun dar, inwieweit österreichische Konsuln berechtigt waren einzugreifen, wenn österreichische Schiffe an französischen Küsten Schiffbruch erlitten70. Der österreichische Diplomat Hübner betonte in seinem Anschreiben an den französischen Außenminister Drouyn de Lhuys wiederholt die nun hergestellte Reziprozität und wies darauf hin, dass es sich um dieselben Rechte und Privilegien handele, die die französischen Konsuln in Österreich genössen71. Die beiden angeführten Fälle zeigen, dass mangelnde Reziprozität bei mehr oder weniger normierten Vereinbarungen ein Problem war, denn der Grad der Verbindlichkeit war sehr unterschiedlich oder wurde ungleich prozesshaft ausgebildet. Bemerkenswert für den Untersuchungszeitraum ist ferner der zunehmende Abschluss bi- und multilateraler Verträge sowie eine Verrechtlichung der internationalen Beziehungen im 19. Jahrhundert insgesamt, beispielsweise beim Telegrafenwesen72. Ein Vertragsabschluss regelte einen Sachverhalt im gegenseitigen Einvernehmen und fixierte die Reziprozität. Im Hinblick auf das internationale Recht entfaltete Reziprozität bei Verträgen ihre größte Bedeutung, wie Bruno Simma herausgestellt hat73. Im Rahmen bilateraler Vereinbarungen dienten Diplomaten außerdem als Mittler für ihre Regierung, indem sie durch den direkten Austausch mit der Gegenseite daran beteiligt waren. Ein zentrales Augenmerk lag dabei darauf, das Prinzip der Reziprozität einzuhalten. Diplomatische Beziehungen basierten auf einer Vorstellung von Reziprozität, die bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen und beim Abschluss Vgl. ibid. Vgl. Josef Alexander Graf von Hübner an Édouard Drouyn de Lhuys, 11. 6. 1854, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 597. 71 Vgl. ibid. 72 Vgl. Miloš Vec, Recht und Normierung in der Industriellen Revolution. Neue Strukturen der Normsetzung in Völkerrecht, staatlicher Gesetzgebung und gesellschaftlicher Selbstnormierung, Frankfurt a. M. 2006 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 200), S. 107; zur Ausbildung bi- und multilateraler Telegrafenverträge unter diplomatischer Mitwirkung vgl. Kap. 3.2.2. 73 Vgl. Bruno Simma, Art. »Reciprocity«, in: Rüdiger Wolfrum (Hg.), The Max Planck Encyclopedia of Public International Law, Bd. 8, Oxford 2012, S. 651–656, hier S. 652. 69 70

2.2 Leitvorstellungen

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von Verträgen besonders augenfällig wird. Dass Reziprozität nun zudem ernster und verbindlicher umgesetzt wurde als zuvor, verdeutlichen die biund multilateralen Verträge. Außerdem bedeutete Reziprozität, dass diplomatische Beziehungen auf Gegenseitigkeit beruhten und ein Diplomat in der Regel einen Gegenpart besaß. 2.2.3 Seit dem Wiener Kongress: Egalität Die bisher untersuchten Vorstellungen der Diplomaten basierten auf althergebrachten, grundlegenden Prinzipien, die sich mitunter auch erneuerten, wohingegen der Wiener Kongress neue Formen der Gestaltung diplomatischer Beziehungen einführte. Zunächst ist zu betrachten, welche Bedeutung der Wiener Kongress für die Entwicklung der Diplomatie besaß, welche Prinzipien er etablierte und was dort vereinbart worden war. Der Wiener Kongress stellte eine Zäsur in der Wahrnehmung der deutschen Diplomaten in Paris dar; in welchen Situationen beriefen sie sich mit welchen Gründen darauf? Die Verhandlungen des Wiener Kongresses hatten zum Ziel, Europa nach der napoleonischen Herrschaft neu zu ordnen, wozu auf diplomatischer Ebene die Einführung neuer, verbindlicher Regeln zählte. Allein die Absicht, allgemein gültige Regeln im diplomatischen Umgang miteinander anzustreben, war bereits eine Neuerung, da in der Frühen Neuzeit die Umsetzung der jeweils eigenen Rang- und Ordnungsvorstellungen im Mittelpunkt gestanden hatte74. Die Innovationsgrundlage stellte das Prinzip der Egalität dar, welches an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert allgemein Einzug hielt: »In keiner dieser Situationen frühneuzeitlichen Kulturkontakts versuchte eine der beiden Seiten, auf symbolischer Gleichheit zu bestehen. Dies änderte sich erst mit der protokollarisch entschlackten, auf Symmetrie und Gleichberechtigung beruhenden ›Neuen Diplomatie‹ des Revolutionszeitalters«75. Die Gleichberechtigung als eine revolutionäre Errungenschaft war Voraussetzung dafür, dass universal akzeptierte Vereinbarungen im Hinblick auf das bisherige Hauptproblem der Präzedenz, das heißt den Vorrang, denkbar wurden. Das Egalitätsprinzip stellte die Basis der Bestimmungen dar, die die europäischen Vertreter auf dem Wiener Kongress von 1815 und dem Nachfolgekongress in Aachen von 1818 hinsichtlich diplomatischer Rangfragen verabschiedeten. Diese bedeuteten, so Heinz Duchhardt, nichts weniger als eine »diplomatische Revolution«, indem sie die omnipräsenten frühneu-

Johannes Paulmann spricht in diesem Zusammenhang von mehreren Entwicklungsdefiziten frühneuzeitlicher Staatlichkeit, darunter das Egalitätsdefizit, vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 31 f. 75 Vgl. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, S. 712. 74

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2.  Selbstbild der Diplomaten

zeitlichen Rangstreitigkeiten beizulegen beabsichtigten76. Das Kernstück der neuen Regelungen bestand in einer diplomatischen Rangordnung mit vier Rangstufen, die in absteigender Reihenfolge Botschafter, außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister, Ministerresidenten sowie Geschäftsträger umfasste77. Innerhalb jeder Rangstufe galt das Anciennitätsprinzip, das heißt die protokollarische Rangordnung richtete sich nach dem Termin, an dem der Diplomat in Paris akkreditiert worden war: Diese, wie ich es nennen möchte, Lokalisierung des Rangs am Ort der Tätigkeit stellte m. E. eine entscheidende Veränderung dar. […] Auf zweifache Weise war so die internationale Vertretung unpersönlicher geworden: Ein willkürlicher Punkt im abstrakten Schema der Zeit bestimmte den Rang, und die Person des real anwesenden Fürsten war nicht mehr unmittelbar involviert. Dies bewirkte eine wesentliche symbolische Entlastung des diplomatischen Zeremoniells und – verglichen mit der Frühen Neuzeit – auch eine funktionale Herabstufung. Vor Ort war damit eine prinzipielle Egalität der Staaten völkerrechtlich anerkannt78.

Die Gestaltung diplomatischer Beziehungen nach funktionalen und unpersönlichen Kriterien infolge des Gleichheitsgrundsatzes bedeutete jedoch nicht, dass Hierarchien nicht mehr abgebildet werden konnten. Die verschiedenen Rangstufen und der gewählte Rang eines Diplomaten ermöglichten es weiterhin, Unterschiede zum Ausdruck zu bringen, indem etwa der höchstmögliche Rang des Botschafters einer kleinen, privilegierten Gruppe von Diplomaten vorbehalten blieb79. Trotz ihres zweifelsohne umwälzenden Charakters verhieß die neue Rationalität, die auf diplomatischer Ebene um 1815 Einzug hielt, nicht die Lösung aller Rangprobleme und blieb offen für verschiedene Handhabungen80. Entscheidend war, dass und wie sich im Untersuchungszeitraum eine Praxis ausbildete, die den Bestimmungen entsprach: Im Hinblick auf die deutschen Diplomaten in Paris sind die Situationen beachtenswert, in denen angemahnt wurde, dass neue Regelungen (noch) nicht eingehalten wurden und alte Vorstellungen weiterhin Anwendung fanden. Der österreichische Diplomat bemerkte etwa kein Jahr nach der Unterzeichnung des Wiener Regle Zur »diplomatischen Revolution«, die die Wiener Rangkommission mit den neuen Bestimmungen angesichts der frühneuzeitlichen Rangprobleme hervorbrachte, vgl. Heinz Duchhardt, Der Wiener Kongress und seine »diplomatische Revolution«. Ein kulturgeschichtlicher Streifzug, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 22–24 (2015), S. 27–32. 77 Die diplomatische Rangstufe der Ministerresidenten wurde erst auf dem Aachener Kongress von 1818 eingeführt, vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S. 134 f. Für eine zeitgenössische Darstellung vgl. Martens, Geffcken, Le Guide diplomatique (1866), S. 52–62; C. F. Wurm, Ueber den Rang diplomatischer Agenten, in: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft 10 (1854), S. 552–585, hier S. 556 f. 78 Paulmann, Pomp und Politik, S. 70 f. (Hervorh. i. Orig.). 79 Zur Bedeutung der Rangwahl anhand von Rangveränderungen vgl. Kap. 6.1. 80 Vgl. dazu auch Duchhardt, Der Wiener Kongress und seine »diplomatische Revolution«, S. 31 f. 76

2.2 Leitvorstellungen

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ments, dass sein spanischer und sein neapolitanischer Kollege der französischen königlichen Familie häufig Besuche außerhalb der Empfänge für das diplomatische Korps abstatteten81. Jene begründeten ihr Privileg mit ihrem Status als ambassadeur de famille, der durch den Wiener Kongress nicht beschnitten worden sei82. Das Prinzip der Egalität schien an diesem Punkt aus den Angeln gehoben, was bei den nicht privilegierten Diplomaten für Unmut sorgte. Letzterer war insofern gerechtfertigt, als laut den Vereinbarungen von 1815 die familiären Verbindungen nicht mehr wie in der Frühen Neuzeit Einfluss auf den diplomatischen Rang besitzen sollten83. Im Jahr 1816 existierten die neuen Prinzipien zwar bereits, ihre Anwendung befand sich aber noch im Anfangsstadium. Ein französisches Zeremoniell im Einklang mit den neuen Kongressbestimmungen entstand erst im Jahr 181884. Auch der badische Diplomat Schweizer bemerkte im Jahr 1849 einen Verstoß. Beim Neujahrsempfang des diplomatischen Korps sei die Rangordnung nicht nach dem Anciennitätsprinzip, das heißt nach der Dauer des Aufenthalts in Paris, sondern nach dem Zeitpunkt der Übergabe der Beglaubigungsschreiben seit Bestehen der Zweiten Republik im vorangegangenen Jahr eingehalten worden85. Als Verursacher dieses Zuwiderhandelns benannte er seinen britischen Kollegen, der beabsichtigt habe, dadurch gegenüber seinen gleichrangigen Kollegen eine Vorrangstellung zu erwerben86. Ob nach Neuakkreditierungen infolge eines Regierungswechsels der neue oder der vorherige Zeitpunkt der Übergabe der Beglaubigungsschreiben als Maßstab für die Anciennität galt, musste im Einzelfall erst festgelegt werden87. Die britische Anerkennung der Zweiten Republik war mit der Akkreditierung von Lord Normanby am 18. August 1848 vor vielen seiner gleichrangigen Kollegen in Paris erfolgt, sodass es für ihn erstrebenswert war, diesen Akkreditierungszeitpunkt als Richtschnur zu nehmen88. Der Vorfall verdeutlicht das absichtliche Ausreizen von Ermes-

Vgl. Protocole no 8 de la conférence des ministres, 20. 3. 1816, AMAE Mémoires et documents France 1955. 82 Vgl. ibid. 83 »Les liens de parenté ou d’alliance de famille entre les cours, ne donnent aucun rang à leurs employés diplomatiques«, Martens, Geffcken, Le Guide diplomatique (1866), S. 54. 84 Vgl. M. Dargainaratz, Cérémonial de la Cour de France pour MM. les Ambassadeurs et Ministres étrangers, 1818. 85 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Alexander von Dusch, 1. 1. 1849, GLA 48/2038. 86 Vgl. ibid. 87 Eine verbindliche Praxis bei Anerkennungen und in demselben Zuge Neuakkreditierungen von Diplomaten nach Regierungswechseln, die jene Frage geklärt hätte, gab es im Untersuchungszeitraum noch nicht. Vgl. dazu Kap. 5 und zur Anerkennungssituation von 1830 besonders Kap. 5.2. 88 Zur britischen Anerkennung der Zweiten Republik vgl. André Lefèvre, La reconnaissance de la Seconde République par l’Angleterre, in: Revue d’histoire diplomatique 82 (1968), S. 213–231, hier v. a. S. 230; siehe auch Kap. 5.3. 81

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2.  Selbstbild der Diplomaten

sensspielräumen zum eigenen Vorteil und zeigt, dass es trotz formeller Egalität Versuche gab, funktionale Kriterien gegeneinander auszuspielen, um den eigenen Status hervorzuheben. Beide Beispiele veranschaulichen, dass es bei den Diplomaten ein Bewusstsein für die neuen Prinzipien der Egalität und Anciennität gab, indem sie sie akzeptierten und einforderten, womit die Bestimmungen des Wiener Kongresses auf diplomatischer Ebene eine Zäsur darstellten. Insgesamt waren die Leitvorstellungen der Diplomaten einerseits von Kontinuitäten und andererseits von einem Umbruch um 1800 geprägt. Ehre, Treue, Vertrauen und Reziprozität waren keine neuen Vorstellungen, erfuhren aber im Untersuchungszeitraum eine Erneuerung oder Festigung. Sie unterlagen der zunehmenden Normierung, die neuen Prinzipien des Wiener Kongresses kamen hinzu. Die Ambivalenzen, die im Selbstbild dadurch entstanden, zeigen sich darin, dass es einerseits besser geregelt war, welche Vorstellungen die Diplomaten auszufüllen hatten; andererseits war aber beispielsweise Vertrauen nicht normativ herbeizuführen.

2.3 Berufung und Beruf: die zunehmende Professionalisierung Der österreichische Diplomat Hübner äußerte sich nicht nur zu den dargelegten Leitvorstellungen, sondern bemerkte im Jahr 1853 auch hinsichtlich der Eigenschaften, die es für seine Tätigkeit brauche: Der Botschafter, der den Verpflichtungen seines Standes getreu nachkommt, darf weder Müdigkeit noch Überdruß, noch Widerwillen verraten. Er muß die Gemütsbewegungen, die er empfindet, die Versuchungen von Schwäche, die ihn befallen, verhehlen. Über die bitteren Enttäuschungen, die ihm oft bevorstehen, sowie über die unerwarteten Befriedigungen, die ihm der Zufall manchmal, aber selten bringt, muß er stillschweigend hinweggehen können. Auf seine Würde eifersüchtig, darf er es sich trotzdem mit niemandem und niemals verderben, darf nie seine Heiterkeit verlieren und muß sich in den großen Krisen, wenn die Kriegsfrage aufgeworfen wird, gelassen, unempfindlich und des Erfolges sicher zeigen89.

Hübner erhebt Gelassenheit, Unempfindlichkeit und Heiterkeit zu den notwendigen Charakterstärken eines Diplomaten. Eine solche Einschätzung legt nahe, dass es sich bei der Diplomatie mehr um eine Kunst, für die jemand berufen sein musste, als um einen Beruf handelte, den jemand nach vorheriger Ausbildung ausübte. Diese Vorstellung unterlag in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts einem grundlegenden Wandel, denn der Wiener Kongress gilt gemeinhin als Geburtsstunde eines diplomatischen Berufsbildes90. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 103 f. Vgl. Steller, Diplomatie von Angesicht, S. 8.

89 90

2.3  Zunehmende Professionalisierung

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Die Professionalisierung schritt im Untersuchungszeitraum im diplomatischen Bereich entscheidend fort, wenngleich Gegentendenzen bestehen blieben. Einen Markstein bildeten Gesetze, die den Zugang zum diplomatischen Dienst erstmals regelten. Doch wie wurden die Vorgaben umgesetzt, wie verlief fortan der Aufnahmeprozess in den diplomatischen Dienst? Auch Finanzierungsfragen sind aufschlussreich, da die Einführung von Gehältern bedeutete, dass ein Diplomat nicht mehr allein auf sein Privatvermögen angewiesen war. Gleichzeitig gab es aber Grenzen der Professionalisierung: Persönliche Verbindungen und Eigenschaften, die Möglichkeiten des Quereinstiegs und die Auffassung von Diplomatie als Berufung behielten weiterhin ihre Bedeutung. Die meisten europäischen Staaten begannen während des 19. Jahrhunderts, den Zugang zum diplomatischen Dienst durch Prüfungen nach einer vorangehenden praktischen Ausbildungsphase zu kontrollieren91. Eine entsprechende gesetzliche Regelung gab es in Baden seit dem Jahr 1819, in Preußen seit dem Jahr 1827, in Bayern seit 1833 und in Österreich seit 185192. Sie benannten die Zulassungsvoraussetzungen, zu denen in der Regel eine juristische Vorbildung mit bestandener Staatsprüfung und teilweise der Nachweis über ausreichendes Vermögen sowie über (meist französische) Sprachkenntnisse zählten93. Die Bestimmungen über die praktische Ausbildung schlossen sich an, wobei sie einen mindestens sechsmonatigen Aufenthalt an einer diplomatischen Vertretung im Ausland vorsahen94. Im Anschluss konnten die Anwärter für den diplomatischen Dienst ihre Prüfungen ablegen, deren Ab Vgl. Matthew Anderson, The Rise of Modern Diplomacy 1450–1919, London 1993, S. 123 f. Forderungen nach einer Ausbildung für den diplomatischen Dienst gab es bereits im 18. Jahrhundert, doch erst im 19. Jahrhundert kam es zur Umsetzung. Vgl. Wolfgang Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt. Eine vergleichende Verfassungsgeschichte Europas von den Anfängen bis zur Gegenwart, München 1999, S. 375. 92 Für Baden vgl. Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris, S.  11 und 19 (Regelungen der Zulassung für Staatsbeamte ab 1803, Dieneredikt von 1819 für Staatsbeamte); für Preußen vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 204 (Kabinettsorder); für Bayern vgl. Rudschies, Die bayerischen Gesandten, S. 299 (Staatsdieneredikt für Staatsbeamte von 1805, durch die Verfassung von 1818 aufgehoben, Verordnung von 1833 über die Aufnahme von Anwärtern für den diplomatischen Dienst des Königreichs Bayern); für Österreich vgl. Oskar Regele, Die Entwicklung der habsburgisch(-lothringischen) Militär-Diplomatie, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchives 14 (1961), S.  300–316, hier S.  308 (Erlass). Für Hessen-Darmstadt ist keine gesetzliche Regelung bekannt. Preußen gilt zudem als erste europäische Großmacht mit einem derartigen Gesetz. Vgl. Matthias Schulz, »Defenders of the Right«? Diplomatic Practice and International Law in the 19th Century. An Historian’s Perspective, in: Luigi Nuzzo, Miloš Vec (Hg.), Constructing International Law. The Birth of a Discipline, Frankfurt a. M. 2012 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, 273), S. 251–275, hier S. 259. 93 Neben den in der vorigen Fußnote genannten Gesetzen vgl. für Preußen Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 204–206. 94 Vgl. ibid., S. 186. 91

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2.  Selbstbild der Diplomaten

lauf und Gegenstände ebenfalls festgelegt waren. Diese Prüfungen bestanden meist aus einem mündlichen und einem schriftlichen Teil und beinhalteten Fragen vor allem zum Recht (darunter insbesondere Völkerrecht) und Geschichte und mussten teilweise in französischer Sprache abgelegt werden95. Die genannten allgemeinen Bestimmungen sahen beispielsweise für den bayerischen Fall wie folgt aus: § 1 Zur Praxis im königlichen Staatsministerium des Königlichen Hauses und des Aeußern wird nur zugelassen, wer A. 1) den Staatsconcurs mit der ersten Note bestanden, oder 2) wenn er die zweite Note erhalten, den Acceß bei einer Kreisregierung oder einem Appellationsgerichte erlangt hat, B. und hinsichtlich seiner Vermögens- und sonstigen Verhältnisse zum diplomatischen Dienste geeignet erscheint. […] § 2 Nach einer mindestens sechsmonatlichen Praxis im Ministerium soll der Adspirant einer königlichen Gesandtschaft attachirt und dortselbst wenigstens ein halbes Jahr im äußern Dienste ausgebildet werden. Nach Erfüllung dieser Vorbedingungen kann sich der Adspirant zum diplomatischen Examen melden. § 3 Die diplomatische Prüfung umfaßt: 1) Völkerrecht und allgemeines Staatsrecht; 2) älteres deutsches Staats- und Fürstenrecht; 3) neuere Geschichte, neuere europäische Staatenverhältnisse, 4) praktische Ausarbeitungen in deutscher, französischer und englischer Sprache. […] § 5 Der Ministerialacceß wird von Seiner Majestät dem Könige verliehen96.

Der Eintritt in den diplomatischen Dienst schien auf juristischer Ebene eindeutig geregelt. Gleichzeitig muss jedoch die begrenzte Reichweite der Gesetze betont werden. Es gab nicht nur notwendige Nachbesserungen und infolgedessen neue Fassungen der bestehenden Regelungen; sondern es verursachte auch Probleme, dass die Gesetze erst überwiegend nur auf Papier existierten und nur langsam konsequent angewendet wurden97. Dieser Befund bestätigt sich insofern für die deutschen Diplomaten in Paris, als mitunter das Interesse, die Gesetze umzusetzen, ungenügend war. Die bayerische Gesandtschaft in Paris erhielt aus München ein Schreiben inklusive der bestehenden, oben zitierten Regelungen, da es sich »zu wiederholten Malen gezeigt hat«, dass sie »häufig in Vergessenheit gerathen«98. Hinzu kam ein gegenseitiges Interesse an der Frage, wie die Aus Vgl. ibid., S. 210 f. Verordnung, den Eintritt in den diplomatischen Dienst betreffend, im Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern Nr. 49 vom 19. Juli 1869 in BayHStA Ges. Paris 1152. 97 Zu diesem Urteil vgl. Anderson, The Rise, S. 124. Im österreichischen Fall gab es außerdem bspw. im Jahr 1868 eine gesetzliche Neufassung. Vgl. den Abdruck des Erlasses vom 11. 4. 1869 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung und Central-Anzeiger für Handel und Gewerbe Nr. 86 vom 15. 4. 1869 in HHStA MdÄ AR F 6 3. 98 Vgl. Staatsministerium des Koeniglichen Hauses und des Aeußern an Gesandtschaft in Paris, 17. 4. 1870, BayHStA Ges. Paris 1152, Zitate ibid. 95 96

2.3  Zunehmende Professionalisierung

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bildung in anderen Staaten geregelt wurde99. Außerdem enthielten die Gesetze selbst Paragraphen, die es ermöglichten, Ausnahmen zuzulassen und geeignete Kandidaten ohne Prüfungen in den diplomatischen Dienst aufzunehmen wie im österreichischen Fall: »Der Minister behält sich vor, bei Männern von bereits anerkannter, ausgezeichneter, fachwissenschaftlicher und praktischer Bildung, deren Gewinnung für den Staatsdienst von besonderer Wichtigkeit erschiene, eine Dispensirung von der Ablegung der Diplomaten-Prüfung zu gestatten«100. Des Weiteren gab es Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten: In den kleineren deutschen Staaten gab es gesetzliche Regelungen, die jedoch für alle Staatsbeamten galten, da diese Staaten weder die Größe noch den Bedarf für ein ausgeprägtes eigenes Auswahlverfahren wie Preußen oder Österreich besaßen101. Schließlich gab es Bemühungen, sogenannte diplomatische Pflanzschulen als Ausbildungsstätten für angehende Diplomaten zu errichten. Allerdings blieb es nur bei Bestrebungen beziehungsweise war solchen Einrichtungen kein dauerhafter Erfolg beschieden102. Die Einführung von gesetzlichen Regelungen zeigt, dass ihre Etablierung ein langwieriger Prozess war, wenngleich eine Zugangsregelung zum diplomatischen Dienst nach eindeutigen Kriterien nicht mehr aufzuhalten oder gar zurückzunehmen war. Neue Gesetzesregelungen im Untersuchungszeitraum sahen erstmals eine Reglementierung der Zulassung zum diplomatischen Dienst vor und müssen im Kontext allgemeiner rechtlicher und politischer Professionalisierungstendenzen gesehen werden. Auf internationalem Gebiet gab es eine zunehmende Verrechtlichung, die den diplomatischen Dienst direkt betraf103. Es gab bspw. eine bayerische Anfrage an den französischen Außenminister, wie in Frankreich die Zulassung zum diplomatischen Dienst festgelegt sei. Vgl. Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Lionel de Moustier, 10. 12. 1868, AMAE Affaires diverses politiques Bavière 11. 100 Erlass vom 21. 1. 1851 im Allgemeinen Reichs-, Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaiserthum Oesterreich vom 31. 1. 1851, HHStA MdÄ AR F 6 3. 101 In Baden stellte das Dieneredikt von 1819, das den diplomatischen Dienst mit behandelte, die Grundlage für das Staatsbeamtentum allgemein dar. Vgl. Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris, S. 11. 102 In Preußen gab es nach dem Wiener Kongress (nicht in die Praxis umgesetzte) Überlegungen, die an Traditionen aus dem 18. Jahrhundert anknüpften: Friedrich der Große hatte im Jahr 1747 nach französischem Vorbild eine »Pepinière« gegründet, die allerdings mit Unterbrechung nur wenige Jahre existierte. Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 197. Laut Jochen Rudschies wurde im bayerischen Fall im Jahr 1800 eine »diplomatische Pflanzschule« gegründet. Allerdings fehlen Nachweise über eine Ausbildung, die dort stattfand, weshalb ihre baldige Einstellung wahrscheinlich ist, vgl. Rudschies, Die bayerischen Gesandten, S. 299. Für das Großherzogtum Hessen-Darmstadt kam die Errichtung einer eigenen Ausbildungsstätte nicht in Frage, wie aus einem Schreiben aus dem Jahr 1853 hervorgeht. Vgl. Dalwigk an Ludwig III., 7. 7. 1853, HStAD G 1 74/2. 103 Vgl. Schulz, Defenders of the Right, S. 259. 99

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2.  Selbstbild der Diplomaten

Zudem professionalisierte sich Politik und Außenpolitik als eigene Sphäre und fand ihren augenfälligsten Ausdruck in der Entstehung und dem Ausbau von Außenministerien, die für Diplomaten zuständig waren104. Wie verlief die Aufnahme in den diplomatischen Dienst im Rahmen der dargelegten Gesetze im Einzelnen? Die Personalakten der preußischen Diplomaten dokumentieren die notwendigen Schritte besonders gut105. Der Schwerpunkt liegt hier auf den in Paris tätigen Attachés. Am Anfang stand die Bewerbung, die erst nach persönlicher Vorstellung beim Minister der auswärtigen Angelegenheiten und seiner Erlaubnis, die notwendigen Unterlagen unter Erfüllung der Zulassungsvoraussetzungen einzureichen, möglich war106. Die Entscheidung darüber, wer geeignet erschien und zugelassen wurde, oblag der diplomatischen Prüfungskommission107. Nach der erteilten Zulassung zum diplomatischen Examen fand die Vereidigung statt, mit dem Schwur waren die geeigneten Kandidaten zu Anwärtern im diplomatischen Vorbereitungsdienst ernannt108. Es folgte eine einjährige Ausbildung als Attaché an einer preußischen diplomatischen Vertretung im Ausland, während der die schriftlichen Prüfungsaufgaben zu bearbeiten waren109. Ein inhaltlicher Bezug der Fragen zum persönlichen Hintergrund des Kandidaten und zum Einsatzort war oft gegeben: Der Attaché Croy-Dülmen erhielt unter anderem die Aufgabe, die »Fleisch-Consumtion« in Frankreich und insbesondere in Paris statistisch zu erfassen, die Abgabe auf Fleisch in Paris in ihrer Bedeutung zu diskutieren sowie die Pariser Verhältnisse mit denen in Wien und London zu vergleichen110. Paris stellte einen wichtigen Ausbildungsort dar, da dort unter anderem die Möglichkeit bestand, die notwendigen Französischkenntnisse zu verbessern111. Der Anwärter Flemming bat darum, seine Attachézeit in Paris verbringen zu dürfen, da, wie er formulierte, »die Vervollkommnung in der

Zur Entstehung von Außenministerien vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S. 116; zur zunehmenden Professionalisierung von Politik allgemein vgl. Ulrich Meier, Martin Papenheim, Willibald Steinmetz, Semantiken des Politischen. Vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert, Göttingen 2012 (Das Politische als Kommunikation, 8), S. 77 und 84. 105 Den Ablauf der Aufnahme hat außerdem bereits Dietmar Grypa in seiner Arbeit über den preußischen diplomatischen Dienst ausführlich dargestellt, vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst. 106 Vgl. ibid., S. 204–206. 107 Die Mitglieder dieser Kommission waren meistens entweder im Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten oder als Lehrende an der Berliner Universität beschäftigt. Für eine namentliche Nennung der insgesamt 17 Mitglieder über einen Zeitraum von 1827 bis 1866 vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 206–210. 108 Vgl. ibid., S. 217 f. 109 Vgl. ibid., S. 219. 110 Vgl. ibid., S. 213–214. 111 Vgl. ibid., S. 233. 104

2.3  Zunehmende Professionalisierung

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französischen Sprache zunächst mein Hauptaugenmerk sein muß«112. In Paris lernten die Attachés den diplomatischen Alltag kennen und lebten dort wie Diplomaten in spe. Im Fall Flemming trug der Missionsleiter Arnim gegenüber seinem vorgesetzten Außenminister Bülow in Berlin dafür Sorge: Euer Excellenz beehre ich mich nunmehr gehorsamst anzuzeigen, daß der Graf von Flemming vorgestern hier eingetroffen ist. Ich habe ihm eine Wohnung im Gesandtschafts-Hotel angewiesen und bitte Euer Excellenz sich geneigtest davon überzeugt halten zu wollen, daß ich deren Empfehlung bestens angenommen, ihn zu den gesandtschaftlichen Arbeiten zulassen und mich bemühen werde ihm zu seiner politischen Ausbildung möglichst behülflich zu sein113.

Am Ende des Aufenthalts verfassten die Leiter der preußischen Vertretung in Paris für die ihnen unterstellten Attachés Gutachten, wobei der Diplomat Arnim über den Attaché Flemming im Jahr 1845 urteilte: Derselbe [Flemming] hat sich hier mit Eifer den ihm aufgetragenen gesandtschaftlichen Arbeiten unterzogen, und solche zu meiner Zufriedenheit ausgeführt. Er hat es sich besonders angelegen sein lassen, sich in der französischen Sprache auszubilden, und hat darin überraschende Fortschritte gemacht. Ich bin überzeugt, daß bei seinen Kenntnissen und Fähigkeiten er sich zu einem brauchbaren Geschäftsmanne ausbilden wird. In Betracht seiner Haltung, so ist solche ganz vorzüglich gewesen. Er ist von allen, die ihn gekannt haben, geachtet und allgemein beliebt, so daß man ihn mit Bedauern von hier abgehen sieht114.

Das Gutachten gibt einen Eindruck davon, welche Anforderungen an angehende Diplomaten gestellt wurden. Allgemein waren drei Bereiche relevant: die Erfüllung von gesandtschaftlichen Tätigkeiten wie die Ausarbeitung von Berichten, die Qualität der Französischkenntnisse und das Verhalten bei gesellschaftlichen Anlässen115. Außerdem schuf die Einführung des Attaché-Postens neue Zuständigkeiten: Die Diplomaten vor Ort in Paris waren unmittelbar in die Ausbildung des Nachwuchses, die von den Entsendenden kontrolliert wurde, involviert. Auf den Aufenthalt in Paris folgte das Einreichen der dort bearbeiteten schriftlichen Aufgaben, was die Voraussetzung dafür war, von der Prüfungskommission für die mündliche Prüfung zugelassen zu werden116. Nach einer erfolgreich absolvierten mündlichen Prüfung stellte die Prüfungskommission Albert Georg Friedrich Graf von Flemming an Heinrich von Bülow, 21. 7. 1844, PA AA Personalakte Nr. 3782. 113 Vgl. Heinrich Friedrich Freiherr von Arnim-Heinrichsdorff an Heinrich von Bülow, 28. 10. 1844, PA AA Personalakte Nr. 3782. 114 Heinrich Friedrich Freiherr von Arnim-Heinrichsdorff an Carl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz, 25. 10. 1845, PA AA Personalakte Nr. 3782. 115 Vgl. ibid.; Albert Alexander Graf von Pourtalès an Alexander Gustav Adolph Freiherr von Schleinitz, 8. 8. 1860, PA AA Personalakte Nr. 2888. 116 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 219. 112

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ein Zeugnis aus. Im Fall Dönhoff urteilte sie abschließend zustimmend: »Die Kommission steht daher nicht an, den Grafen Carl von Dönhoff als genügend vorbereitet für die diplomatische Laufbahn zu erklären«117. Nach dem bestandenen diplomatischen Examen folgte in der Regel eine Tätigkeit als Legationssekretär, die bis zum Jahr 1827, dem Jahr der Einführung des diplomatischen Examens, den Eintritt in die diplomatische Laufbahn darstellte118. Für Österreich ließe sich ein ähnlicher Ausbildungsablauf nachzeichnen, da es dort ebenfalls eine Prüfungskommission, schriftliche und mündliche Prüfungen sowie praktische Ausbildungsphasen gab119. Der skizzierte vorschriftsmäßige Weg darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass persönliche und insbesondere verwandtschaftliche Beziehungen für den Einstieg in die diplomatische Laufbahn weiterhin sehr bedeutend waren. Die Fürsprache von Personen, die dem diplomatischen Dienst bereits angehörten beziehungsweise in der Außenpolitik oder im Umfeld des Königs Einfluss besaßen, war für die Aufnahme maßgeblich120. Darüber hinaus besaß der Monarch Entscheidungsfreiheit und es war möglich, kein Examen ablegen zu müssen121. Ein Beispiel dafür ist Paul von Hatzfeldt, der als Attaché in Paris tätig gewesen war und über die Fürsprache der Prinzessin von Preußen verfügte: Ein Gutachten des preußischen Diplomaten in Paris bescheinigte daraufhin seine diplomatischen Fähigkeiten, das Examen wurde ihm erlassen122. An Finanzierungsfragen lassen sich ebenfalls ambivalente Professionalisierungstendenzen ablesen. Wie hinsichtlich der Zulassungsvoraussetzungen für den diplomatischen Dienst bereits erwähnt, war der Nachweis eines ausreichenden Vermögens nicht unwichtig. Ein wohlhabendes Elternhaus war beispielsweise bei preußischen Kandidaten Voraussetzung, da der Vater versichern musste, dass er für den Unterhalt seines Sohnes aufkommen würde, bis dieser ein Gehalt im Staatsdienst erhielt, was in der Regel fünf Jahre dau Zeugnis der diplomatischen Prüfungskommission für Friedrich Ludwig Carl Graf von Dönhoff, 16. 6. 1862, PA AA Personalakte Nr. 2888 (Hervorh. i. Orig.). 118 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 187. 119 Vgl. dazu den Abdruck des Erlasses vom 11. 4. 1869 im Amtsblatt zur Wiener Zeitung und Central-Anzeiger für Handel und Gewerbe Nr. 86 vom 15. 4. 1869 in HHStA MdÄ AR F 6 3. 120 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 201. 121 Vgl. ibid. 122 Aus biographischer Perspektive vgl. Niehus, Paul von Hatzfeldt, S. 54–56; für Preußen allgemein vgl. Johann Caspar Struckmann, Eckart Henning, Preußische Diplomaten im 19. Jahrhundert. Biographien und Stellenbesetzungen der Auslandsposten 1815 bis 1870, Berlin 2003, S. 23. Für die positive Begutachtung vgl. [Albert Alexander Graf von Pourtalès] an [Alexander von Schleinitz], 25. 10. 1860, PA AA Paris Nr. 418b; Schreiben aus Berlin an Albert Alexander Graf von Pourtalès, 17. 11. 1860, PA AA Paris Nr. 418b. 117

2.3  Zunehmende Professionalisierung

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erte123. Ausreichende Vermögensverhältnisse wurden ebenfalls in der Verordnung über den Eintritt in den diplomatischen Dienst des Königreichs Bayerns verlangt124. Die neuen gesetzlichen Regelungen stellten sicher, dass ein finanzielles Auskommen vorhanden war und der (angehende) Diplomat für sich selbst sorgen konnte. Es erschien selbstverständlich, dass ein Diplomat einen Teil seines beziehungsweise des elterlichen Vermögens für seine Ausbildung und später für seine Tätigkeit verwendete. Die Auffassung, dass ein Diplomat für seinen Dienst für den Staat zumindest nach seiner Ausbildung eine festgesetzte Besoldung erhalten sollte, setzte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts erst allmählich durch. Entsprechende Reformen vollzogen sich bis Ende der 1860er Jahre: Der »Weg zu normierten Gehältern« dauerte in Preußen bis etwa zum Jahr 1866, in Österreich sowie Bayern gab es ähnliche Entwicklungen125. Neu etablierte Besoldungssysteme führten dazu, dass fortan je nach Rang, Tätigkeit und Einsatzort verschiedene Abstufungen in der Höhe der Gehälter vorgesehen waren. Der österreichische Botschafter Hübner erhielt im Jahr 1850 neben einer Besoldung außerdem eine Repräsentationszulage und eine Entschädigung für die Mietkosten126. Neben dem Gehalt wurden allgemein verschiedene Zulagen gewährt127. Die Diplomaten empfanden die Zahlungen allerdings oft als unzureichend. Davon zeugen die immer wiederkehrenden Klagen über erhöhten notwendigen Aufwand und infolgedessen höhere Kosten, die mit der Bitte um Gehaltserhöhungen einhergingen. Eine gängige Argumentation brachte der österreichische Diplomat Hübner gegenüber dem Außenminister in Wien vor, welcher sie wiederum wie folgt an Kaiser Franz Joseph I. weitergab: Es sei schwer, in Paris mit dem gewährten Gehalt sein Auskommen zu finden, indem es dort notorisch sehr theuer und mehr als anderwärts üblich ist, die Geschäfte in den Salons abzumachen, der Gesandte daher in die Nothwendigkeit versetzt ist, ein offenes Haus zu halten, diners zu geben, und mit einem Worte einen gewissen Aufwand zu machen, wenn er auf diesem wichtigsten aller diplomatischen Posten, die Staats-Interessen des Hofes, den er dort zu repräsentiren berufen ist, gehörig vertreten und keine unterordnete Rolle spielen soll128.

Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 205 f. Vgl. Verordnung vom 12. 6. 1869 im Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern Nr. 49 vom 19. 7. 1869, BayHStA Ges. Paris 1152. 125 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 336 f., Zitat ibid. Vgl. des Weiteren die Verordnung vom 3. 3. 1870, BayHStA Ges. Paris 1152; Graf Friedrich Ferdinand von Beust an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 11. 12. 1868, HHStA MdÄ AR F 6 1. 126 Vgl. Felix Fürst zu Schwarzenberg an Franz Joseph I., 20. 7. 1850, HHStA MdÄ AR F 4 144. 127 Siehe dazu auch entsprechende Regelungen im bayerischen und im preußischen Fall. Vgl. Rudschies, Die bayerischen Gesandten, S. 300; Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 343. 128 Felix Fürst zu Schwarzenberg an Franz Joseph I., 20. 7. 1850, HHStA MdÄ AR F 4 144. 123 124

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2.  Selbstbild der Diplomaten

Um die Bitte nach einem finanziellen Zuschuss zu rechtfertigen, wurden nicht nur vermehrte Ausgaben angeführt: Auch Paris als einer der bedeutendsten diplomatischen Standorte dient als Argument, da er eine angemessene finanzielle Ausstattung erfordere129. Außerdem häuften sich die Gesuche in finanziellen Angelegenheiten infolge der Errichtung des Zweiten Kaiserreichs in Frankreich im Jahr 1852: Am französischen Hof pflegte Napoleon III. einen gehobenen Standard, dem die Diplomaten etwa durch die Anschaffung einer Kutsche oder aufwändigerer Kleidung nachkommen mussten130. Die Frage der Finanzierung und inwiefern sie gewährt wurde, hebt deutlich hervor, welcher Stellenwert Diplomaten zugesprochen wurde und wie hoch ihre Anerkennung vonseiten der Entsendenden war. Ein eigenes Vermögen war für die diplomatische Laufbahn einerseits hilfreich und notwendig, wobei Reformen zu Gehältern andererseits Tendenzen der Professionalisierung erkennen lassen. Die Wahrnehmung von Diplomatie als Beruf verstärkte sich insgesamt: Die angehenden Diplomaten erfüllten in der Regel dieselben Bedingungen, hatten sich bewusst für die Laufbahn entschieden und entwickelten sich zu einer verhältnismäßig homogenen, da vergleichbar vorgebildeten Gruppe. Ein neues Selbstverständnis war erkennbar und die Tätigkeit als Diplomat erhielt eine neue Legitimationsgrundlage. In der Praxis dauerte es gleichwohl, bis sich die Professionalisierungstendenzen durchsetzten. Da die neue staatliche Finanzierung für die Diplomaten vorteilhaft war, standen sie ihrer Einführung offen gegenüber. Hingegen zog sich die Durchsetzung der neuen Gesetze, die unter anderem die Attaché-Ausbildung in Paris regelten und für Missionsleiter zusätzlichen Aufwand bedeuteten, hin. Grundsätzlich zeigt sich, dass die Diplomaten einen Umgang mit Professionalisierungstendenzen suchten, wenngleich sie an bestehenden Mustern wie der Rekrutierung aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen festhielten.

2.4 Familienbande: die Bedeutung der adeligen Herkunft im bürgerlichen Zeitalter Trotz der zunehmenden Professionalisierung ist auffällig, dass manche Familiennamen, oft inklusive Adelstitel, unter den deutschen Diplomaten in Paris immer wieder auftreten. Für Preußen sind in diesem Zusammenhang die Na-

Der bayerische Diplomat Wendland nannte schnellere Eisenbahnverbindungen nach Deutschland als Ursache für seinen erhöhten Arbeitsaufwand, vgl. August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 29. 6. 1854, BayHStA MA 75418. 130 Vgl. bspw. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 6. 12. 1852, GLA 48/3152; August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 17. 12. 1853, BayHStA MA 75402. 129

2.4  Bedeutung der adeligen Herkunft

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men Goltz und Werther zu nennen. Welchen Einfluss besaß also die familiäre sowie meist adelige Herkunft auf die diplomatische Laufbahn? Zunächst wird dazu die Bedeutung von Familie und Verwandtschaft betrachtet, um anschließend die besondere Position des Adels im diplomatischen Kontext und im gemeinhin als bürgerlich geltenden Zeitalter herauszuarbeiten. Welche besondere Rolle die Familienzugehörigkeit spielte, lässt sich besonders anhand von zwei Lebensmomenten eines Diplomaten aufzeigen: am Einstieg in die Laufbahn als Diplomat und an der Wahl der Braut. Verwandtschaftliche Beziehungen halfen zunächst bei der Aufnahme einer diplomatischen Tätigkeit, wobei sogar eine Vererbung von Diplomatenposten ausgemacht werden kann, die in mehreren Fällen vom Vater auf den Sohn übergingen. Die preußische Vertretung in Paris leiteten im Untersuchungszeitraum gleich zweimal ein Vater und später ein Sohn. Goltz übernahm im Jahr 1862 die Gesandtschaft, nachdem er dort im Jahr 1817 geboren worden war131. Werther wurde im Jahr 1869 Botschafter in Paris, wo er bereits als Attaché unter seinem Vater gearbeitet hatte132. Des Weiteren war Andlaw, wie zuvor sein Vater im Jahr 1810, von 1843 bis 1846 als badischer Diplomat in Paris tätig133. August von Pappenheim leitete die hessen-darmstädtische Vertretung in Paris bis zu seinem Tod im Jahr 1826, woraufhin sein Sohn Emil die Aufgabe übernahm134. Neben dem Vater-Sohn-Verhältnis ist dasjenige zwischen Onkel und Neffe hervorzuheben. Der Militärattaché Loë war der Neffe des damaligen Gesandten Hatzfeldt135. Im Jahr 1840 formulierte der Pariser Legationssekretär Weiskirch den Wunsch, seinen Neffen in das Ministerium des Auswärtigen aufzunehmen136. Später verbrachte Letzterer den Urlaub bei seinem Onkel in Paris und übernahm einzelne Tätigkeiten in der Gesandtschaft, wobei er sich bewährte und nach dem Tod des Onkels seine Nachfolge antrat137. Die Aneinanderreihung von Einzelfällen zeigt, dass eine diplomatische Prägung durch den Vater oder den Onkel nicht ungewöhnlich war, wenngleich sie nicht den

Vgl. Claus von Kameke, Palais Beauharnais. Die Residenz des deutschen Botschafters in Paris, Stuttgart 1968, S. 35. 132 Der Vater selbst erwähnt in einem Schreiben, dass mit der Attachierung seines Sohnes bei ihm in Paris seinem Wunsch entsprochen wurde, vgl. Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther an Johann Peter Friedrich Ancillon, 23. 12. 1832, PA AA Perso­ nalakte Nr. 16476. Vgl. außerdem Kameke, Palais Beauharnais, S. 41. 133 Vgl. Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. 1, S. 4. 134 Vgl. [Karl von Grolman] an Damas, 3. 4. 1826, HStAD G 1 165/5; Jules de Polignac an Karl du Thil, 28. 4. 1830, HStAD G 1 165/5. 135 Vgl. Loë, Erinnerungen aus meinem Berufsleben, S. 17 f. Dietmar Grypa betont, dass dies kein Zufall gewesen sei, vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 238. 136 Vgl. Johann Nicolaus Weiskirch an Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther, 11. 12. 1840, GStA PK, III. HA MdA ZB Nr. 1103. 137 Vgl. Schreiben an die Königliche Legationskasse, 21. 10. 1843, GStA PK, III. HA MdA ZB Nr. 1103; Heinrich Friedrich Graf von Arnim an Friedrich Wilhelm IV., 22. 4. 1849, GStA PK, III. HA MdA ZB Nr. 1103. 131

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2.  Selbstbild der Diplomaten

Regelfall darstellte. Darüber hinaus ermöglichten es Heiraten, nicht selten mit Diplomatentöchtern, eine neue verwandtschaftliche Nähe zu schaffen138. Der bayerische Diplomat Wendland beabsichtigte eine Frau zu heiraten, deren Großvater Gesandter der Freien Städte in Paris und deren Vater holländischer Legationssekretär gewesen war139. Verwandtschaft war einerseits gegeben, andererseits aber auch herstellbar und trug dazu bei, die diplomatischen Netzwerke in denselben Händen zu halten und zu verdichten. Neben verwandtschaftlichen Beziehungen versprach die Zugehörigkeit zum Adel Vorteile für die diplomatische Laufbahn und stellte meistens einen Teil des diplomatischen Selbstverständnisses dar. Die enge Verknüpfung von Adel und Diplomatie blieb im 19. Jahrhundert bestehen, wenngleich unter neuen Vorzeichen: Dem Adel gelang es, das neue Verständnis von Diplomatie seit 1800 für sich in Anspruch zu nehmen. Diplomatie galt demnach als eine eigene Sphäre. Sie wurde losgelöst vom monarchischen Souverän betrachtet, was ursprünglich ein bürgerliches Bestreben war140. Darüber hinaus ist in der Forschung oft hervorgehoben worden, dass der Adel in der Diplomatie im 19. Jahrhundert vorherrschend blieb, obwohl er in vielen anderen Bereichen an Bedeutung verlor141. Ein wichtiger Grund dafür war, dass der Hof als Ort der politischen Entscheidungsfindung und als zentrale Informationsquelle für den Diplomaten weiterhin bestimmend war142. Ein Adelstitel versprach den notwendigen Zugang zum Hof, da er in der Regel mit der sogenannten Hoffä Dietmar Grypa nennt im preußischen Fall allgemein Ehen zwischen Legationssekretären und Töchtern der Missionsleiter sowie zwischen preußischen Diplomaten und Töchtern nicht-preußischer Diplomaten, vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 238. 139 August Freiherr von Wendland an [Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten], 16. 5. 1851, BayHStA MA 75418. 140 Vgl. Paulmann, Diplomatie, S. 52. 141 Zum Adel im 19. Jahrhundert vgl. Rudolf Braun, Konzeptionelle Bemerkungen zum Obenbleiben. Adel im 19. Jahrhundert, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Europäischer Adel 1750–1950, Göttingen 1990, S. 87–95, hier S. 91; Monika Wienfort, Der Adel in der Moderne, Göttingen 2006, S. 88. Demgegenüber argumentiert Dietmar Grypa, dass adelige Diplomaten an den bedeutenden europäischen Höfen eine dominierende Rolle besessen hätten, aber an Standorten innerhalb des Deutschen Bundes sowie außerhalb von Europa vorwiegend bürgerliche Diplomaten tätig gewesen seien, vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 248. 142 Vgl. William Godsey, Der österreichisch(e) (-ungarische) diplomatische Dienst zwischen Stände- und Nationalgesellschaften, in: Helmut Rumpler, Peter Urbanitsch (Hg.), Soziale Strukturen. Von der feudal-agrarischen zur bürgerlich-industriellen Gesellschaft, Wien 2010 (Die Habsburgermonarchie 1848–1918, 9/1), S. 1245–1261, hier S.  1247; Paulmann, Pomp und Politik, S.  128; Bernd Wunder, Die badische Beamtenschaft zwischen Rheinbund und Reichsgründung, 1806–1871. Dienstrecht, Pension, Ausbildung, Karriere, soziales Profil und politische Haltung, Stuttgart 1998 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen, 136), S. 648. 138

2.5  Trennung der Geschlechter

63

higkeit verbunden war, die es erlaubte, am höfisch-aristokratischen Leben teilzuhaben143. Welchen zentralen Stellenwert Adelstitel einnahmen, zeigt außerdem die gängige Praxis, Titel an Diplomaten zu vergeben144. Auf diese Weise war es möglich, Adeligkeit herzustellen oder durch höhere Titel aufzuwerten. Im Hinblick auf die deutschen Diplomaten in Paris waren die genannten Aspekte alle von Relevanz. Paris besaß im Untersuchungszeitraum ein wechselvolles, aber mit Ausnahme der vierjährigen Zweiten Republik immer existierendes Hofleben. Deshalb bildete die Hoffähigkeit der Diplomaten einen wichtigen Aspekt. Zudem war die Vergabe von Titeln immer wieder von Bedeutung: Der preußische König verlieh beispielsweise im Jahr 1841 dem preußischen Gesandten in Paris, Arnim, den Titel eines Grafen145. Insgesamt half ein adeliges Selbstverständnis den Diplomaten, ihre Tätigkeit in Paris wahrzunehmen: Es ging mit Eigenschaften einher, die es ermöglichten, in der höfischen Welt der Empfangenden gewinnbringend zu bestehen. Auf diese Weise gelang es dem Adel im bürgerlichen Zeitalter, den diplomatischen Dienst als Domäne, gerade auch in Paris, für sich zu reklamieren.

2.5 Geregelte Verhältnisse: die Trennung der Geschlechter Unter den Familienmitgliedern eines Diplomaten nahm die Ehefrau eine zentrale Position ein. Im Hinblick auf die Kategorie »Geschlecht« gilt es im Folgenden aufzuzeigen, mit welchem unterschiedlichen Selbstverständnis Männer und Frauen im diplomatischen Bereich wirkten. Professionalisierungstendenzen und diplomatische Rangfestlegungen führten zu geregelteren Verhältnissen: Sie trieben eine Trennung der Geschlechter im diplomatischen Bereich voran, die zuvor unbekannt gewesen war. Die geschlechtsspezifischen Aspekte werden erst für Männer und anschließend für Frauen herausgearbeitet. Damit wird insgesamt an das noch junge Forschungsinteresse an einer geschlechtergeschichtlich orientierten Diplomatiegeschichte angeknüpft. Dieses ist im deutschsprachigen Raum maßgeblich durch ein Projekt an der Universität Bern mit Schwerpunkt auf der Frühen Neuzeit angestoßen worden. Ein bilanzierender Sammelband beabsichtigt, das Forschungsfeld gleichwohl vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart abzustecken: Für das 19. Jahrhundert wer-

Vgl. Michael Erbe, Revolutionäre Erschütterung und erneuertes Gleichgewicht. Internationale Beziehungen 1785–1830, Paderborn u. a. 2004 (Handbuch der Geschichte der internationalen Beziehungen, 5), S. 56 und Wunder, Die badische Beamtenschaft, S. 648. 144 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 249–257. 145 Vgl. Friedrich Wilhelm IV. an Heinrich Wilhelm von Werther, 10. 2. 1841, GStA PK III. HA MdA ZB Nr. 465. 143

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2.  Selbstbild der Diplomaten

den als Kennzeichen die männlich konnotierte Professionalisierung und die herausragende Rolle der Diplomatengattin benannt, was beides aufzugreifen sein wird146. Anschlussfähig sind ferner ältere Überlegungen auf französischer Seite, die Geschichte der internationalen Beziehungen in ihren geschlechtergeschichtlichen Dimensionen zu betrachten147. Außerdem sind Impulse aus der Adelsforschung, die sich in jüngster Zeit ebenfalls geschlechtergeschichtlichen Fragestellungen öffnet, miteinzubeziehen148. Die genannten Untersuchungen haben allerdings gemeinsam, dass sie überwiegend die weibliche Perspektive berücksichtigen. Deshalb ist die Betrachtung von Männern und Frauen gleichzeitig ein Beitrag dazu, Geschlecht als relationale Kategorie ernst zu nehmen und beide Verhältnisse im diplomatischen Kontext zu präzisieren. Dies ist für den Untersuchungszeitraum in besonderer Weise möglich, da in ihm eine zunehmende Geschlechtersegregation hervortrat. 2.5.1 Uniformiert und militärisch versiert: Männlichkeitsentwürfe bei einem entstehenden Berufsbild Diplomatie im Hinblick auf Männlichkeit zu betrachten, erscheint auf den ersten Blick schwierig, da sich die ausschließlich männlichen Diplomaten nicht darüber äußerten, wie sie sich als Mann begriffen. Männlichkeit war für sie allgegenwärtig und es schien für sie nicht notwendig zu sein, dies hervorzuheben oder gar zu hinterfragen. Die Herausforderung besteht deshalb darin, »Männer als Männer sichtbar zu machen und sie aus der Selbstverständlichkeit, mit der sie das ›allgemein Menschliche‹ zu verkörpern vorgeben, herauszureißen«149. Diese Aufgabe der historischen Männlichkeitsforschung stellt für den Bereich des Diplomatischen ein Desiderat dar, das als solches erst jüngst benannt worden ist: Der Ansatzpunkt, diplomatische Männlichkeit für das 19. Jahrhundert zu untersuchen, sei demnach in der Eine diesbezügliche pointierte Einordnung liefert insbesondere der abschließende resümierende Beitrag von Jean-Claude Waquet: Jean-Claude Waquet, Schlussbetrachtung. Frauen in Verhandlungen, in: Bastian u. a. (Hg.), Das Geschlecht der Diplomatie, S. 257–273. 147 Vgl. Robert Frank, Un nouveau domaine de recherche en histoire des relations internationales, in: Yves Denéchère (Hg.), Femmes et diplomatie. France XXe siècle, Brüssel 2004, S. 187–190. 148 Vgl. Monika Kubrova, Vom guten Leben. Adelige Frauen im 19. Jahrhundert, Berlin 2011 (Elitenwandel in der Moderne, 12). 149 Thomas Kühne, Staatspolitik, Frauenpolitik, Männerpolitik. Politikgeschichte als Geschlechtergeschichte, in: Hans Medick, Anne-Charlott Trepp (Hg.), Geschlechtergeschichte und Allgemeine Geschichte. Herausforderungen und Perspektiven, Göttingen 1998 (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft, 5), S. 172–231, hier S. 212. 146

2.5  Trennung der Geschlechter

65

zunehmenden und männlich konnotierten Professionalisierung zu finden150. Diesen Grundgedanken aufgreifend soll im Folgenden anhand von Uniform und militärischem Charakter gezeigt werden, wie das entstehende Berufsbild des Diplomaten zeitgenössische Männlichkeitsentwürfe in sich aufnahm. Ein sichtbarer und neuer Ausdruck von Männlichkeit waren im Untersuchungszeitraum Diplomatenuniformen. Sie entstanden mit der Wende zum 19. Jahrhundert im Zuge des sich formierenden Staatsdienstes und sollten den Beamten in ihren verschiedenen Funktionen ein jeweils einheitliches Erscheinungsbild geben151. Zuvor hatte ein Diplomat seine Kleidung nach eigenem Ermessen ausgewählt und mit ihr seine meist adelige Herkunft oder militärische Zugehörigkeit demonstriert152. Durch die Uniform sollte nun die Person hinter das Amt zurücktreten und dem Diplomaten ein rationalisiertes – gleichsam professionelles – Auftreten verleihen153. Der entstehende Staatsdienst war also von vornherein männlich gedacht und konstruierte respektive manifestierte Geschlechterdifferenzen im politischen Bereich, die in der Frühen Neuzeit unbekannt gewesen waren: Die zunehmenden und selbstverständlich männlich konnotierten Formalisierungen drängten informelle Möglichkeiten der Einflussnahme zurück, die ebenso Frauen zugestanden hatten154. Die Uniform war Teil dieser Entwicklung, indem sie die neue Bedeutung von Männlichkeit auf anschauliche Weise vor Augen führte155. Die deutschen Diplomaten in Paris waren von der neuen Art der Uniformierung direkt betroffen. Die badische Vertretung in der französischen Hauptstadt erhielt im Jahr 1827 die Bestimmungen über die Uniformen des Vgl. Dorothea Nolde, Was ist Diplomatie und wenn ja, wie viele? Herausforderungen und Perspektiven einer Geschlechtergeschichte der frühneuzeitlichen Diplomatie, in: Peter Burschel, Birthe Kundrus (Hg.), Themenschwerpunkt Diplomatiegeschichte, Köln u. a. 2013 (Historische Anthropologie, 21/2), S. 179–198, hier S. 196 f.; Jean-Claude Waquet, Schlussbetrachtung, S. 266 f. und 272. 151 Zu Diplomatenuniformen grundlegend vgl. Thomas Lüttenberg, Der gestickte Rock. Deutsche Diplomatenuniformen im 19. Jahrhundert, in: Elisabeth Hackspiel-Mikosch, Heide Buchner (Hg.), Nach Rang und Stand. Deutsche Ziviluniformen im 19. Jahrhundert. Eine Ausstellung im Deutschen Textilmuseum Krefeld vom 24. März bis 23. Juni 2002, Krefeld 2002, S. 85–93. 152 Vgl. ibid., S. 86 und 92. 153 Vgl. ibid., S. 86 f.; zum Verhältnis von Person und Amt vgl. Kap. 2.1. 154 Für den Bereich des Politischen im Allgemeinen vgl. Ute Frevert, »Mann und Weib, und Weib und Mann«. Geschlechter-Differenzen in der Moderne, München 1995, S. 129–130; spezieller für die diplomatische Ebene vgl. Corina Bastian u. a., Einleitung, in: Dies. (Hg.), Das Geschlecht der Diplomatie, S. 7–14, hier S. 11 f. 155 Zum Verhältnis von Uniform und Männlichkeit vgl. Elisabeth Hackspiel-Mikosch, Stärke, Macht und Eleganz. Die Uniform als Symbol eines neues Ideals von Männlichkeit, in: Dies., Heide Buchner (Hg.), Nach Rang und Stand, S. 15–27; Haas, Die Kultur der Verwaltung, S. 369. 150

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2.  Selbstbild der Diplomaten

großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten aus Karlsruhe zugestellt156. Die darin beschriebenen Uniform-Ausführungen unterschieden sich je nach Anlass und Rangstufe: Gesandte waren ermächtigt, bei festlichen Gelegenheiten die große Galauniform zu tragen, während Legationsräte die kleine Staatsuniform zu wählen hatten, die für Erstgenannte bei weniger wichtigen Anlässen als angemessen galt157. Zudem war das diplomatische Personal insgesamt privilegiert, die »besonderen Chiffre-Knöpfe auf dunkelblauen Fracks«158 zu verwenden. Für Preußen gab es ähnliche Verordnungen, die sich im Untersuchungszeitraum weiterentwickelten und die Uniformierung zusehends systematisierten159. Bei der gesetzlichen Verankerung von Diplomatenuniformen zeigt sich, wie die neu konzipierten Staatsdiener von Anfang an der Normierung unterlagen und wie auf diese Weise ein neues Berufsbild entstand. Indes fragt sich, inwieweit die Diplomaten die verordneten Uniformen tatsächlich trugen. Thomas Lüttenberg geht davon aus, dass sie die Tragepflicht »nicht besonders ernst« nahmen160. Dass Diplomaten mitunter nicht einfach ihre bisherige Kleidung abzulegen gedachten, zeigt sich in den Schreiben, in denen sie darum baten, ihre adelige oder militärische Zugehörigkeit weiterhin zeigen zu dürfen. Ein Beispiel ist der hessen-darmstädtische Ministerresident Grancy, der anlässlich seiner erstmaligen Ernennung als Diplomat im Jahr 1853 den Pariser Posten erhielt und sich erbat, seine Offiziersuniform dort weiter verwenden zu dürfen161. Er erhielt dazu aus Darmstadt die Erlaubnis, da sich die Verantwortlichen bewusst waren, dass aufgrund der geringen Anzahl an Diplomaten im Dienst des Großherzogtums ein Wechsel zwischen militärischem und diplomatischem Dienst für die Betroffenen möglich bleiben sollte162. Grancy betrachtete sich selbst in erster Linie als Militär, der in seiner neuen Funktion als Diplomat jene Zugehörigkeit nicht aufzugeben gedachte. Der österreichische Botschafter Hübner stellte in dieser Hinsicht sein Gegenstück dar. Infolge seiner Rangerhöhung vom Gesandten zum Botschafter hob er in seinen Memoiren hervor, wie er das erste Mal in seiner neuen und hochgradigsten Diplomatenuniform am französischen Hof im Jahr 1857 auftrat: »Das Ganze ist einfach, elegant und ziemlich schön«163. Der Kontext dieser Bemerkung verweist außerdem darauf, wo die Kleidung eines Diplomaten ihre Relevanz entfaltete: bei Empfän Vgl. Wilhelm Ludwig Freiherr von Berstett an Großherzogliche Gesandtschaft in Paris, 23. 2. 1827, GLA 49/1359. 157 Vgl. ibid. 158 Ibid. 159 Die erste Verordnung stammt aus dem Jahr 1808, neue Versionen folgten ihr in den Jahren 1817 und 1831. Vgl. Lüttenberg, Der gestickte Rock, S. 87–89. 160 Vgl. ibid., S. 91. 161 Vgl. Reinhard von Dalwigk an Ludwig III., 7. 7. 1853, HStAD G 1 74/2. 162 Vgl. ibid.; Großherzoglich Hessisches Kriegsministerium an das Großherzogliche Ministerium des Hauses und des Äußern, 12. 8. 1853, HStAD G 1 74/2. 163 Hübner, Neun Jahre, Bd. 2, S. 1. 156

2.5  Trennung der Geschlechter

67

gen am französischen Hof. Außerdem unterlag die Kleiderwahl der Diplomaten den jeweils geltenden höfischen Richtlinien, sodass beispielsweise der badische Diplomat im Jahr 1855 Vorgaben für die Uniformierung am Hofe Napoleons III. erhielt164. Die Wahl der Uniform war situationsabhängig und weniger im Alltag, sondern vielmehr bei besonderen Anlässen relevant165. Insgesamt verdrängten Diplomatenuniformen zuvor sichtbar bestehende persönliche Zugehörigkeiten und hoben die neue Funktion des Diplomaten als Staatsdiener, der genuin männlich gedacht war, hervor. Dass die neuen normierten Uniform-Ausführungen trotzdem mit dem individuellen Kleidungsstil konkurrierten, zeugt von einem alten neuen Selbstbild der Diplomaten. Bei der Frage der Uniformierung ist die Bedeutung des Militärs bereits angeklungen. Sie soll im Folgenden eigens thematisiert werden, weil sie zum entstehenden zivilen Berufsbild des Diplomaten scheinbar im Gegensatz steht, trotzdem aber für das männliche Selbstverständnis wichtig blieb. Diplomaten verfügten teilweise über militärische Vorkenntnisse und entsprechende Dienstgrade und der Wechsel zwischen diplomatischer und militärischer Laufbahn war mitunter fließend166. Goltz stand in militärischen Diensten, bevor er die Leitung der preußischen Gesandtschaft im Jahr 1815 übernahm167. Gleichzeitig war es neu, dass es zunehmend professionell ausgebildete Diplomaten gab, die Unmut gegenüber militärischen Seiteneinsteigern hegten und diese als Konkurrenz betrachteten168. Zugleich erlangte das Militär im Rahmen des aufkommenden Staatsdienstes erneuertes Ansehen und stellte Männlichkeitsentwürfe auf eine neue Basis. Die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht führte dazu, dass breitere

Vgl. Grand-maître des cérémonies à la maison de l’empereur an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 10. 4. 1855, GLA 49/1317. 165 Am preußischen Hof galt bspw. für die Jahre ab 1800, in denen Ziviluniformen im Allgemeinen und Diplomatenuniformen im Besonderen eingeführt wurden, dass Militär­ uniformen weiterhin ein höheres Ansehen besaßen. Vgl. Haas, Die Kultur der Verwaltung, S. 369. 166 Zu »Offiziersdiplomaten« vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S. 139 und 142 f. Unter den bayerischen Diplomaten waren einstige Offiziere, wenngleich der Großteil aus Juristen bestand. Vgl. Rudschies, Die bayerischen Gesandten, S. 299; Walter Schärl, Die Zusammensetzung der bayerischen Beamtenschaft von 1806 bis 1918, Kallmünz 1955 (Münchener Historische Studien. Abteilung Bayerische Geschichte, 1), S.  308. Karl-Heinz Lutz spricht für Baden von wenigen Fällen, in denen Offiziere die diplomatische Laufbahn einschlugen, vgl. Karl-Heinz Lutz, Das badische Offizierskorps 1840–1870/71, Stuttgart 1997 (Veröffentlichungen der Kommission für Geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg Reihe B Forschungen, 135), S. 324. 167 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 366; Hammer, Hôtel Beauharnais, S. 137; Kameke, Palais Beauharnais, S. 15 f. 168 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S.  366; Regele, Die Entwicklung, S.  308; Struckmann, Preußische Diplomaten, S. 24. 164

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2.  Selbstbild der Diplomaten

und ausschließlich männliche Bevölkerungsschichten in den Militärdienst gelangten, welcher sich gleichsam zu einer »Schule der Männlichkeit« entwickelte169. Abgesehen von dem bereits ausgeführten Fallbeispiel Grancys, der als Diplomat seine militärische Zugehörigkeit beibehalten und zeigen wollte, schuf diese Entwicklung für anderes diplomatisches Personal Unannehmlichkeiten. Der im preußischen diplomatischen Dienst tätige Conrad de la Croix erwirkte zunächst, dass er seine Militärdienstpflicht aussetzen konnte und verlängerte diese Option anschließend um ein weiteres Mal170. Schließlich musste er seine Einberufung akzeptieren, wobei er später wieder in den diplomatischen Dienst zurückkehrte171. Sowohl Diplomatie als auch Militär unterlagen Professionalisierungstendenzen, was neue Männlichkeitsentwürfe hervorbrachte, die sich vor allem in den neuen Diplomatenuniformen offenbarten. Die Diplomaten nahmen die Veränderungen jedoch erst zögerlich an, indem sie oft weiterhin zwischen der zivilen Diplomatenuniform und etwa der Offiziersuniform wählten. Es gehörte zu ihrem neuen alten Selbstbild, verschiedene Zugehörigkeiten zu zeigen, weshalb das entstehende Berufsbild, obgleich mit exklusivem Anspruch, nur eine Option darstellte. 2.5.2 L’ambassadrice: Ehefrauen von Diplomaten zwischen offiziellen und persönlichen Ansprüchen Nach der Betrachtung männlicher Zuschreibungen im diplomatischen Kontext bleibt das weibliche Pendant zu untersuchen, das sich unter gänzlich anderen Voraussetzungen entfaltete: Aus zwei Gründen rücken die Ehefrauen von Diplomaten in den Blickpunkt. Zum einen gilt das allgemeine Interesse hier der Lebensweise von Diplomaten, wozu auch seine Familie und in erster Linie die Ehefrau gehören. Zum anderen stellte die Ehefrau die wichtigste weibliche Figur im diplomatischen Umfeld dar. Ehefrauen von Diplomaten waren nicht nur in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts an der Seite ihrer Gatten präsent, sondern sie traten auch im Vergleich mit anderen Formen weiblicher außenpolitischer Tätigkeit besonders hervor: Informelle Strukturen, in denen Frauen zuvor vielfältige Einflussnahme hatten ausüben

Vgl. Ute Frevert, Das Militär als »Schule der Männlichkeit«. Erwartungen, Angebote, Erfahrungen im 19. Jahrhundert, in: Dies. (Hg.), Militär und Gesellschaft im 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1997 (Industrielle Welt, 58), S. 145–173. 170 Vgl dazu die Schreiben in seiner Personalakte vom 18. 4. 1828 und 30. 4. 1828, PA AA Personalakte Nr. 2518. 171 Vgl. dazu die Schreiben in seiner Personalakte vom 17. 4. 1830 und 8. 10. 1830, PA AA Personalakte Nr. 2518. 169

2.5  Trennung der Geschlechter

69

können, verloren durch Professionalisierungstendenzen an Bedeutung, aber die aufkommende Berufsdiplomatie war noch nicht für Frauen zugänglich172. Pauline von Metternich kam im Jahr 1859 im Alter von 23  Jahren als Frau des neuen österreichischen Botschafters nach Paris, wo sie über ein Jahrzehnt während des Zweiten Kaiserreichs in Frankreich lebte. Sie schildert in ihren Erinnerungen detailliert ihren offiziellen Empfang beim französischen Kaiserpaar nach dem Amtsantritt ihres Ehemannes, wodurch sie erstmals mit dem französischen Hofleben in Berührung kam. In diesem Zusammenhang bemerkt sie über ihr Verhalten, als das zuständige Hofpersonal am Botschaftsgebäude für die Fahrt zum kaiserlichen Palast eintraf: »Tout ce beau monde me fit de profondes révérences, j’y répondis de mon mieux«173. Pauline von Metternich schien bewegt von den offiziellen Ehrerbietungen, die ihr als Ehefrau des Botschafters zuteil wurden und bemühte sich, ihnen bestmöglich zu entsprechen. Sie musste sich in ihre neue Rolle als Ehefrau des österreichischen Botschafters in Paris erst einfinden. Ehefrauen von Diplomaten wurden durch ihre Heirat beauftragt, am Einsatzort ihres Gatten mitzuwirken. Einerseits war ihre Tätigkeit von offiziellen Vorgaben geprägt, andererseits hing sie von der Bereitschaft zur persönlichen Initiative ab. Inwieweit (Ehe-)Frauen im diplomatischen Bereich Anerkennung erfuhren und stifteten, soll in vier Schritten betrachtet werden. Als Voraussetzung galt erstens die Ehe mit einem Diplomaten, für welche die Erlaubnis der entsendenden Regierung notwendig war. Der Status einer privilegierten Gruppe von Ehefrauen, den Botschaftergattinnen beziehungsweise ambassadrices, war zweitens seit dem Wiener Kongress offiziell festgeschrieben und im Zeremoniell des französischen Hofes verankert. Gesellschaftliche Anerkennung besaßen Ehefrauen von Diplomaten drittens als Gastgeberinnen und durch Aufgaben im wohltätigen Bereich. Aufschlussreich ist viertens die Frage nach der fehlenden Anerkennung, die sich bei der Absenz einer Ehefrau stellte und die man etwa mittels Stellvertretung durch eine Tochter zu lösen versuchte. Für das 18. Jahrhundert lassen sich noch vier unterschiedliche Gruppen politischer Akteurinnen mit Einfluss auf die Außenbeziehungen unterscheiden: »Begleiterinnen oder Hofdamen von Herrscherinnen, Ehegattinnen von Botschaftern (ambassadrices), Agentinnen mit unterschiedlichem formalem Status und einem spezifischen Auftrag sowie Frauen, die in einem persönlichen oder verwandtschaftlichen Verhältnis mit einem Akteur der Außenbeziehungen standen, wie etwa Mätressen oder Ehrendamen«, siehe Corina Bastian, Eva Dade, Eva Ott, Weibliche Diplomatie? Frauen als außenpolitische Akteurinnen im 18. Jahrhundert, in: Bastian u. a. (Hg.), Das Geschlecht der Diplomatie, S. 103–114, hier S. 103 f. Des Weiteren gilt als erste »offizielle« Diplomatin weltweit Aleksandra Kollontaj, die zwischen 1922 und 1945 als Vertreterin der Sowjetunion in Norwegen, Mexiko und Schweden tätig war. Vgl. Susanne Schattenberg, Ein Diplomat im Kleid. Aleksandra Kollontaj und die sowjetische Diplomatie, in: ibid., S. 215–235. 173 Metternich-Sándor, Éclairs du passé, S. 31. 172

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2.  Selbstbild der Diplomaten

Die herangezogenen Quellen sind vielfältig und spiegeln die (Un-)Sichtbarkeit der Ehefrauen von Diplomaten wieder. Die zitierte Pauline von Metternich ist in mehrfacher Hinsicht ein besonderes Beispiel, da sie eine herausragende Stellung in Paris einnahm: Sie führte einen eigenen Salon, war mit der französischen Kaiserin befreundet und übernahm Ehrenvorsitze bei Vereinen. Ihre Erinnerungen ermöglichen einen Eindruck davon, wie sich die Frau eines Botschafters selbst wahrnahm und darstellte. Gleichzeitig muss dieses Dokument als Rechtfertigung ihrer eigenen hervorgehobenen Position gelesen werden. Normative Texte und administrative Akten ergänzen die Untersuchung, um der vielseitigen Tätigkeit der Ehefrauen von Diplomaten gerecht zu werden. Durch die Heirat wurde die Frau zur Diplomatenehefrau. Die Eheschließung galt nicht nur als eine Angelegenheit zwischen Braut und Bräutigam sowie möglicherweise der weiteren Verwandtschaft. Bei Diplomaten wie bei Beamten allgemein mussten die Regierenden, die den Bräutigam entsandt hatten, ihr Einverständnis zur Eheschließung geben174. Die Erteilung des sogenannten Heiratskonsenses stellte den Weg dar, um als Ehefrau eines Diplomaten anerkannt zu werden. Die zwei zentralen Kriterien für eine Eheschließung waren die ökonomischen Verhältnisse der Braut sowie ihre Herkunft und die verwandtschaftlichen Beziehungen. Beide Aspekte bekamen sehr eindrücklich bei der Heirat des bayerischen Diplomaten Quadt Bedeutung, der seine Bitte um Bewilligung der bereits geschlossenen Ehe nach München sandte, wo sie äußerst wohlwollend aufgenommen wurde: Durch seine unlängst erfolgte Heirath mit einer Gräfin Panisse de Passis hat sich Graf Quadt in Paris eine sehr vortheilhafte Position in der Gesellschaft geschaffen, und diese Verbindung hat ihn auch in die Lage gesetzt, Euerer Koeniglichen Majestaet ohne Gehalt dienen zu können, indem er mit Allerhöchster Genehmigung seine Bezüge an den Gesandtschafts-Attaché Freiherrn von Bibra seit längerer Zeit abläßt175.

Quadts Braut, eine Gräfin mit offensichtlich hinlänglichem Vermögen, brachte ökonomisches und soziales Kapital in die Ehe mit ein, was als relevant und Vgl. allgemein Christiane Scheidemann, Frauen im Diplomatischen Dienst. Eine historische Einführung, in: Dies., Ursula Müller (Hg.), Gewandt, geschickt und abgesandt. Frauen im diplomatischen Dienst, München 2000, S. 35–79, hier S. 37; für Preußen vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 242; für Baden vgl. Wunder, Die badische Beamtenschaft, S. 382 f.; im Hinblick auf Frankreich vgl. Isabelle Dasque, Être femme de diplomate au début du XXe siècle. Pouvoir social et pouvoir d’influence, in: Yves Denéchère (Hg.), Femmes et diplomatie. France XXe siècle, Brüssel 2004, S.  23–41, hier S. 6. 175 Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an Maximilian II. Joseph, 25. 4. 1855, BayHStA MA 75402; für Quadts vorangegangenes Schreiben vgl. Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Maximilian II. Joseph, 12. 12. 1853, BayHStA 75402. 174

2.5  Trennung der Geschlechter

71

effizient angesehen wurde176. Eine andere mit Vorteilen für den Gatten verbundene Eheschließung war die des preußischen Gesandten Maximilian von Hatzfeldt mit Pauline de Castellane, durch welche er Zugang zu französischen Kreisen erhielt177. Im Fall von Preußen bedeutete die Heirat außerdem, dass Beiträge in die Allgemeine Witwen-Verpflegungs-Kasse einzuzahlen waren, sodass die Ehefrau im Todesfall ihres Ehemannes finanziell versorgt war und nicht das Ministerium für auswärtige Angelegenheiten für mögliche Ansprüche aufkommen musste178. Die Relevanz des Heiratskonsenses war schließlich am deutlichsten zu spüren, wenn er von Regierungsseite verweigert wurde. Im Jahr 1853 erhielt Grancy die Ernennung zum Ministerresidenten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt in Paris nur unter der Bedingung, ohne seine Familie dorthin zu gehen und alleine in der französischen Hauptstadt zu leben179. In seinem folgenden Bittschreiben, die Mutter seiner vier Kinder heiraten zu dürfen, argumentierte er, dass reguläre Familienverhältnisse zu seiner gesellschaftlichen Rehabilitierung beitragen würden180. Insgesamt war die Wahl der Braut bei Diplomaten wichtig, weil sie eine gesellschaftliche Tragweite besaß. Die künftige Ehefrau sollte für die entsendende Regierung keine finanzielle Last darstellen, sondern vielmehr das Ansehen ihres Gatten und des entsendenden Staates steigern. Mit der Heirat ging die Ehefrau eine mehr als private Verbindung zum Ehemann ein, ihr Status war immer relational gedacht und das Ehepaar wurde gemeinhin als Einheit wahrgenommen181. Nach erfolgter Heirat stellte sich zweitens die Frage, welche Position die Ehefrau eines Diplomaten am Einsatzort einnahm. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts handelte es sich um ein verhältnismäßig junges Problem, da es zuvor nicht selbstverständlich gewesen war, dass die Gattin mitreiste: »In den frühern Zeiten selbst der stehenden Gesandtschaften war es ungewöhnlich, daß in dem Gefolge des Gesandten seine Gemalin [sic] war. Jetzt begleitet sie

Für die verschiedenen Kapitalsorten und den Umgang mit ihnen vgl. Pierre Bour­ dieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt a. M. 8 1996, hier. v. a. S. 194. 177 Vgl. Hammer, Hôtel Beauharnais, S. 147; Kameke, Palais Beauharnais, S. 23 und 32. 178 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 242. 179 Vgl. Adolf Freiherr Senarclens von Grancy, 4. 4. 1853, HStAD G 1 74/8. Adolf Freiherr Senarclens von Grancy lebte mit der Mutter seiner Kinder, Johanna Sophie Henriette Gravelius, jahrelang in einer sog. Gewissensehe, bis er sie heiratete. Vgl. Lupold von Lehsten, »Senarclens-Grancy, Adolf Wilhelm Ferdinand Heinrich«, in: Hessische Biographie, http://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bio/id/1988 (Stand: 11. 3. 2010, Zugriff 26. 2. 2017). 180 Vgl. Adolf Freiherr Senarclens von Grancy an Reinhard von Dalwigk, 16. 8. 1854, HStAD G 1 74/8. 181 Vgl. Elinor Schweighöfer, Kategorien der Weiblichkeit. Diplomatengattinnen und Bürgerinnen in Frankfurt am Main zur Zeit des Deutschen Bundes, in: Bastian (Hg.), Das Geschlecht der Diplomatie, S. 163–180, hier S. 78; Waquet, Schlussbetrachtung, S. 267; Kubrova, Vom guten Leben, S. 216. 176

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2.  Selbstbild der Diplomaten

ihn gewöhnlich, und theilt seine Rechte und seinen Rang nach allgemeiner Sitte«182. Die nun übliche Begleitung einer Ehefrau, für die fortan eine Position bei offiziellen Anlässen zu finden war, mündete Anfang des 19. Jahrhunderts in zeremonielle Regelungen. Die Bestimmungen konzentrierten sich allerdings auf die privilegierte und zahlenmäßig geringe Gruppe der Ehefrauen von Botschaftern, den ambassadrices. Der Titel ambassadrice in der engeren Bedeutung für die Frau eines Botschafters geht auf den Wiener Kongress zurück, wenngleich er bereits zuvor uneinheitlich gebraucht wurde183. Auf dem Wiener Kongress wurde eine diplomatische Rangordnung festgelegt, wonach der Rang eines Botschafters – ambassadeur – der höchste war, den ein Diplomat erhalten konnte184. Seine Ehefrau nahm dementsprechend als ambassadrice eine herausragende Stellung unter den Gattinnen von Diplomaten ein. Mit dem Titel waren Ehren und Rechte verbunden, die der Ehefrau eines Botschafters seitdem einen festen Platz zuwiesen185. Der Status als ambassadrice manifestierte sich vorrangig in der Sitzordnung am französischen Hof. Bei Aufenthalten in Compiègne, dem Jagdsitz der kaiserlichen Familie, nahm die österreichische Botschaftergattin Pauline von Metternich den folgenden Platz ein: »En ma qualité d’Ambassadrice j’étais toujours placée à côté de l’Empereur; à sa droite, si j’étais seule de mon espèce, à Sa gauche si Lady Cowley était de la série, car son mari était accrédité comme Ambassadeur longtemps avant que mon mari ne le fût«186. Das ebenfalls seit dem Wiener Kongress gültige Anciennitätsprinzip war auf die Ehefrauen von Diplomaten übertragbar, indem sich die Platzierung der Botschaftergattinnen nach der Dauer richtete, die der Ehemann bereits als Botschafter am französischen Hof weilte. Die Memoiren von Pauline von Metternich geben außerdem Auskunft darüber, wie sie ihre offizielle Position als Botschaftergattin wahrnahm. Sie empfand die Vorgaben des Zeremoniells, das den genauen Ablauf für Empfänge von Diplomaten am französischen Hof festlegte und eigene Passagen über das Verhalten der Ehefrauen von Diplomaten enthält, als einengend und urteilte über die großen Hofbälle: Il n’y a pas grand chose à dire de ces grands bals dont le coup d’Œil était évidemment très beau, mais qui dépassaient en ennui à mes yeux du moins tout ce qu’on pouvait imaginer. Les Ambassadrices étaient clouées sur leur estrade et comme j’étais jeune à cette époque l’obligation de ne pas bouger et de ne pouvoir causer avec personne excepté avec mes collègues me semblait extrêmement pénible187.

Vgl. Theodor von Schmalz, Das europäische Völker-Recht in acht Büchern, Berlin 1817, S. 89. 183 Zur Verwendung des Titels ambassadrice in der Frühen Neuzeit vgl. Friedrich Karl von Moser, L’ambassadrice et ses droits, Berlin 1754. 184 Zur neu eingeführten Rangordnung auf dem Wiener Kongress vgl. Kap. 2.2.3. 185 Vgl. Scheidemann, Frauen im diplomatischen Dienst, S. 37; für eine zeitgenössische Beurteilung vgl. Martens, Guide diplomatique (1832), S. 113 f. und 128. 186 Metternich-Sándor, Éclairs du passé, S. 65. 187 Ibid., S. 43. Zum französischen Zeremoniell vgl. Dargainaratz, Cérémonial de la Cour. 182

2.5  Trennung der Geschlechter

73

Ihre Rolle bei offiziellen Bällen am französischen Hof war stark reglementiert, aber auch privilegiert, dennoch fühlte sie sich wie »festgenagelt auf einem Podest«. Pauline von Metternich war sich ihrer hervorgehobenen Position als Frau eines Botschafters insgesamt sehr bewusst, was ein Zwischenfall bei den lundis de l’impératrice, den Montagsempfängen der Kaiserin, verdeutlicht: Nachdem die Kaiserin als Erstes nicht wie üblich die Frauen der Botschafter begrüßt hatte, sondern fremde Damen, verzog sich Pauline von Metternich in einen Nebensalon und entgegnete der Kaiserin, als jene sie dort später aufsuchte: »Si je n’étais que la Princesse de Metternich je ne m’en offusquerais pas, mais je suis l’Ambassadrice d’Autriche, on me place comme telle et je crois qu’il est du devoir de V. M. de tenir compte de cette situation«188. Der Titel ambassadrice stand hier für die offizielle Rolle, die sie ausfüllte. Letztere betonte sie zudem, als sie über einen Empfang bei der französischen Kaiserin schrieb: »mais Elle ne manquait pas de m’appeler Madame l’Ambassadrice pour bien donner à cette audience l’empreinte d’une entrevue purement officielle«189. Pauline von Metternich pflegte einen persönlichen Umgang mit der französischen Kaiserin, mit der sie befreundet gewesen sein soll, weshalb es hier der Titel ambassadrice ermöglichte, offizielle und persönliche Gespräche voneinander zu trennen190. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass Pauline von Metternich im Besonderen und Botschaftergattinnen (ambassadrices) im Allgemeinen eine besondere Anerkennung am französischen Hof genossen, welche zeremoniell verankert war. Darüber hinaus war nicht nur dieser enge und privilegierte Kreis von Ehefrauen von Diplomaten am französischen Hof zugegen. Es gab die Empfänge des diplomatischen Korps, zu denen die Ehefrauen in der Regel separat, das heißt zu einem eigenen Termin in einem anderen Raum, empfangen wurden. Der bayerische Diplomat Luxburg erhielt beispielsweise im Jahr 1845 die Einladung zu einem Empfang des diplomatischen Korps im salon des ambassadeurs am 1. Mai um 16 Uhr, während sich die Damen am 30. April um 20 Uhr in der salle du trône einfinden sollten191. Bei anderen Anlässen traten die Ehepaare gemeinsam auf, zum Beispiel beim Neujahrsempfang im Jahr 1856, als die Diplomaten und ihre Gattinnen mit dem französischen Kaiserpaar in der salle du trône zusammentrafen192. Außerdem waren bei dieser Gelegenheit erstmals die Sekretäre und Attachés mit ihren Ehefrauen eingeladen, obgleich sie nicht am Programm in der salle du trône teilnehmen durften193.

Metternich-Sándor, Éclairs du passé, S. 45. Ibid., S. 35. 190 Zur Freundschaft zwischen den beiden Frauen vgl. Louis Girard, Napoléon III, Paris 1986, S. 214. 191 Vgl. Introducteur des ambassadeurs an Friedrich Christian Karl Graf von Luxburg, 26. 4. 1845, BayHStA Ges. Paris 922. 192 Vgl. Grand-maître des cérémonies an Josef Alexander Graf von Hübner, 30. 12. 1856, HHStA Ges. Paris 226 C 1b. 193 Vgl. ibid. 188 189

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2.  Selbstbild der Diplomaten

Festzuhalten bleibt, dass Ehefrauen von Diplomaten im Untersuchungszeitraum zunehmend offizielle Anerkennung erfuhren. Diese manifestierte sich in der diplomatischen Rangordnung, die der Wiener Kongress festgelegt hatte, sowie im französischen Zeremoniell. Die Ehefrauen bildeten zudem die hierarchische Position ihrer Gatten ab, indem am französischen Hof Botschaftergattinnen, Ehefrauen von Missionsleitern sowie schließlich denen von Sekretären und Attachés unterschiedliche Präsenzrechte in absteigender Reihenfolge zuteil wurden. Abgesehen von der offiziellen Position am französischen Hof, die den Ehefrauen zugeteilt war, konnten sie es auch als Gastgeberin und durch Wohltätigkeit zu eigener gesellschaftlicher Anerkennung bringen. So hieß es etwa: »[E]in Ball beim englischen Gesandten war ein Ball bei Lady Cowley«194. Auf ähnliche Weise wurde Pauline von Metternich sehr bekannt durch ihre Veranstaltungen im österreichischen Botschaftsgebäude, über die sie nicht ohne Stolz schrieb: »Les redoutes ›à la viennoise‹ n’ont eu lieu que chez nous; depuis notre départ on n’en a plus jamais données, et encore aujourd’hui, ceux qui s’en souviennent en parlent avec enthousiasme«195. Sie hatte in Paris eine eigene Veranstaltungsform, die redoutes à la viennoise, etabliert und pflegte sie196. Generell schufen Veranstaltungen in Gebäuden diplomatischer Vertretungen einen geselligen Rahmen, in dem sich persönliche und offizielle Begegnungen mischten und an deren Gestaltung die Frauen aktiv Anteil hatten197. Ein weiterer Gesellschaftsbereich, den Diplomatengattinnen übernahmen, waren wohltätige Aufgaben zugunsten ihrer Landsleute vor Ort. Pauline von Metternich fungierte als Präsidentin des Komitees zur Gründung eines deutschen Hospitals in Paris und leitete das Damenkomitee des Deutschen Hilfsvereins198. Die Ehefrau eines preußischen Diplomaten, Elisabeth von Arnim, die im Jahr 1846 infolge einer Krankheit in Paris starb, hatte eine besondere Verbundenheit zu ihren ansässigen Landsleuten besessen,

Zur Eigenständigkeit, die Diplomatengattinnen in diesem Bereich erlangten, vgl. Kubrova, Vom guten Leben, S. 217; Schweighöfer, Kategorien der Weiblichkeit, S. 173; Jennifer Mori, The Culture of Diplomacy. Britain in Europe c. 1750–1830, Manchester u. a. 2010, S. 74–77; Waquet, Schlussbetrachtung, S. 267, Zitat ibid. 195 Metternich-Sándor, Éclairs du passé, S. 56. 196 Die Tänze standen in der Tradition der redoutes, die durch den Wiener Kongress zu Berühmtheit gelangt waren. Vgl. Thierry Lentz, Le congrès de Vienne. Une refondation de l’Europe, 1814–1815, Paris 2013, S. 116 f. 197 Vgl. Christa Diemel, Adelige Frauen im bürgerlichen Jahrhundert. Hofdamen, Stiftsdamen, Salondamen 1800–1870, Frankfurt a. M. 1998, S. 179. 198 Vgl. Comité des deutschen Hülfs-Vereins in Paris an Franz Joseph I, 31. 10. 1867, HHStA Ges. Paris 213 F 77; Diemel, Adelige Frauen, S. 208. Zur Bedeutung des Deutschen Hilfsvereins vgl. Kap. 4.2.4. 194

2.5  Trennung der Geschlechter

75

wie die überlieferte Trauerrede zum Ausdruck bringt199. Öffentliche Wohltätigkeit, wie sie insbesondere adelige Frauen pflegten, fand bei Ehefrauen von Diplomaten eine Spezialisierung, indem sie sich auf den Einsatz für ihre Landsleute konzentrierten200. Sie konnte von den Gattinnen erwartet werden, wurde aber durch persönliche Vorstellungen geprägt. Als vornehmliche Gastgeberin und Wohltäterin lag der Schwerpunkt der Ehefrau hinsichtlich der drei typischen Aufgaben eines Diplomaten – informieren, repräsentieren und verhandeln – auf der Funktion des Repräsentierens. In diesem Zusammenhang erfuhr sie individuelle Akzeptanz und Anerkennung. Die Bedeutung von Ehefrauen lässt sich auch daran messen, wenn eine solche am Einsatzort des Diplomaten aus unterschiedlichen Gründen fehlte. Bei der Familie Arnim soll nach dem erwähnten Tod von Elisabeth von Arnim die zwölfjährige Tochter ihre Mutter bei gesellschaftlichen Veranstaltungen ersetzt haben201. Der ebenfalls verwitwete österreichische Botschafter Hübner erwähnt in seinen Memoiren mehrmals seine sechs Kinder, von denen seine Tochter Melanie ihn einmal zu einem Abendessen am französischen Hof begleitete202. Der preußische Diplomat Robert Heinrich Ludwig von der Goltz blieb hingegen ledig und führte alleine die diplomatische Vertretung203. Er verkörperte auf diese Weise den Junggesellentyp des Diplomaten, der bis Ende des 18. Jahrhunderts üblich gewesen und weiterhin geläufig war. Erst mit der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert bürgerte es sich ein, dass gegebenenfalls vorhandene Ehefrauen mitreisten und soziale Aufgaben übernahmen, die zuvor der Mann als Alleinstehender selbstverständlich ausgefüllt hatte204. Eine Ausnahme stellte deshalb Otto von Bismarck dar, der in Paris im Jahr 1862 nur wenige Monate als preußischer Diplomat weilte und den seine Ehefrau nicht

Vgl. das Heft, das u. a. die Rede des Pastors Boucher bei der Trauerfeier im temple de la Rédemption enthält: Souvenir d’Élisabeth d’Arnim. Pour ses amis, [1846], PA AA Paris Nr. 418a. 200 Zur öffentlichen Wohltätigkeit adeliger Frauen, allerdings um 1900, vgl. Monika Wienfort, Gesellschaftsdamen, Gutsfrauen und Rebellinnen. Adelige Frauen in Deutschland 1890–1939, in: Dies., Eckart Conze (Hg.), Adel und Moderne. Deutschland im europäischen Vergleich im 19. und 20. Jahrhundert, Köln u. a. 2004, S. 181–203, hier S. 83. 201 Vgl. Bussche, Heinrich Alexander von Arnim, S. 80. 202 Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 216. Seine Ehefrau Maria verstarb 34-jährig im Jahr 1844. Vgl. Walter Wieser, Art. »Hübner, Alexander Graf von«, in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 718–719, hier S. 18. 203 Vgl. Hammer, Hôtel Beauharnais, S. 147; Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode, Art. »Goltz, Robert Heinrich Ludwig Graf von der«, in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 632–634, hier S. 632. 204 Diesen Wandel hat bereits Jennifer Mori bei britischen Diplomatenehefrauen festgestellt, vgl. Mori, The Culture of Diplomacy, S. 62 f. und 79. 199

76

2.  Selbstbild der Diplomaten

begleitete, da er seine Tätigkeit in der französischen Hauptstadt lediglich als Übergangsstation betrachtete205. Die Ehefrau konnte in einem diplomatischen Haushalt fehlen; dann konnte allerdings die Tochter die Rolle ihrer verstorbenen Mutter einnehmen und versuchen, die entstandene Lücke zu füllen. In den Fällen, wo es eine Ehefrau von vornherein nicht gab, war es für einen Diplomaten gleichwohl auch möglich, seinen Pflichten ohne Frau an seiner Seite nachzukommen. Bei Ehefrauen von Diplomaten ist vor allem das Spannungsverhältnis zwischen offiziellen und persönlichen Ansprüchen im Untersuchungszeitraum bezeichnend. Einerseits führte der aufkommende Staatsdienst dazu, die Heiratsgenehmigungen ernst zu nehmen, für die Absicherung der Diplomatengattinnen zu sorgen und ihre ökonomische sowie soziale Stellung zu begutachten. Darüber hinaus erfuhr der Titel ambassadrice eine Aufwertung, indem er seit dem Wiener Kongress auf neue Weise im Zeremoniell verankert war und Botschaftergattinnen einen offiziellen Status verlieh, mit welchem Rechte und Privilegien am französischen Hof einhergingen. Andererseits besaßen Ehefrauen von Diplomaten große Handlungsspielräume, ihre Rolle nach ihrem persönlichen Ermessen auszufüllen. Pauline von Metternich nahm als Botschaftergattin eine exponierte Stellung im Pariser Gesellschafts- und Hofleben ein. Ehefrauen von Diplomaten nahmen gesellschaftliche Aufgaben in unterschiedlichem Ausmaß an, wobei sie in Kontinuität zum 18. Jahrhundert auch ersetzbar oder gar verzichtbar waren. Die Existenz einer diplomatischen Vertretung hing nicht vom Vorhandensein einer Ehefrau ab, ihr persönliches Engagement konnte aber einen Beitrag zu ihrem Ansehen leisten. Schließlich bleibt anzubemerken, dass die Verbindung von Frauen und Diplomatie bis heute vorrangig in der Bedeutung als Ehefrauen von Diplomaten präsent ist. Susanne Wasum-Rainer, die als erste Frau die deutsche Botschaft in Paris in den Jahren 2012 bis 2015 leitete, bevorzugt für sich selbst im Deutschen den Botschaftertitel in der männlichen Form: Sie möchte ihrem Gegenüber und sich selbst auf diese Weise die häufig vorkommende Unannehmlichkeit ersparen, dass sie mit der Gattin des Botschafters verwechselt wird206.

Die vorübergehende Fernbeziehung von Bismarck in seiner Pariser Zeit ist gut dokumentiert durch den Briefwechsel mit seiner Ehefrau. Vgl. Bismarck (Hg.), Fürst Bis­ marcks Briefe. 206 Vgl. Alexander Marguier, Frau Botschafter, in: Cicero. Magazin für politische Kultur 3 (2015), S. 32. 205

2.6  Divergierendes Selbstverständnis

77

2.6 Divergierendes Selbstverständnis als Zeichen des Übergangs Das 19. Jahrhundert Europas kann als widersprüchliches Jahrhundert gelten: Während sich im Gefolge der Französischen Revolution überall in Europa starke Tendenzen der Demokratisierung und Verrechtlichung der Politik bemerkbar machen, bleiben die zwischenstaatlichen Beziehungen von der Gleichzeitigkeit machtpolitischer, zeitweise kriegerischer Konflikte und Ansätzen einer Verregelung gekennzeichnet207.

Was Klaus Schlichte für den Aspekt des Rechts im internationalen Bereich benennt, lässt sich auf die Diplomatie allgemein übertragen: Die Entwicklungen in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts veränderten sie ansatzweise und führten bei den Diplomaten zu einem divergierenden Selbstverständnis. Die aufbrechenden gegensätzlichen Tendenzen zeigen sich daran, wie Diplomaten zum einen ihre hergebrachten Vorstellungen beibehielten und zum anderen Veränderungen allmählich in ihr Selbstbild einbauten. Zugespitzt gesagt stand der auf seine Herkunft bedachte adelige Diplomat, der in erster Linie seinem Monarchen in Paris zu dienen beabsichtigte, dem neu entworfenen Berufsdiplomaten gegenüber. Es zeichnet den Untersuchungszeitraum gleichwohl aus, dass alte und neue Elemente zusammenspielten: Das Selbstbild des Diplomaten divergierte als Ausdruck einer Übergangsphase. Im längerfristigen Trend verstärkten sich die Professionalisierungstendenzen, obgleich im Deutschen Kaiserreich der adelige Diplomat seine herausragende Position behielt208. Deshalb wird gemeinhin angenommen, dass Diplomaten »Teil einer rückwärtsgewandten, exklusiven Kaste« gewesen seien, die eine besondere Resistenz gegenüber Veränderungen aufwies: Diese Beobachtung nimmt Sönke Neitzel als Ausgangspunkt, um die Frage nach Generationenmerkmalen bei Diplomaten zu untersuchen209. Gleichzeitig muss jedoch weitergehend mit ihm betont werden, dass Diploma-

Klaus Schlichte, Das formierende Säkulum. Macht und Recht in der internationalen Politik des 19. Jahrhunderts, in: Ulrich Lappenküper, Reiner Marcowitz (Hg.), Macht und Recht. Völkerrecht in den internationalen Beziehungen, Paderborn u. a. 2010, S. 161–177, hier S. 161. 208 Zum diplomatischen Dienst im Deutschen Kaiserreich vgl. Lamar Cecil, Der diplomatische Dienst im kaiserlichen Deutschland, in: Klaus Schwabe (Hg.), Das Diplomatische Korps 1871–1945, Boppard am Rhein 1985 (Büdinger Forschungen zur Sozialgeschichte, 20), S. 15–39. 209 Vgl. Sönke Neitzel, Diplomatie der Generationen? Kollektivbiographische Perspektiven auf die internationalen Beziehungen, 1871–1914, in: Historische Zeitschrift 296/1 (2013), S. 84–113, hier S. 91, Zitat ibid. 207

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2.  Selbstbild der Diplomaten

ten »trotz dieses traditionsbewussten Habitus«210 aktuelle Entwicklungen aufgriffen und Neuerungen annahmen. Neitzel resümiert, dass es durchaus Paradigmenwechsel bei Deutungsmustern von Alterskohorte zu Alterskohorte gab211. Dieser Zwiespalt zwischen Beständigkeit und Anpassung prägte die Vorstellungswelt der Diplomaten und war verankert in ihrem Selbstbild.

Ibid., S. 111. Vgl. ibid.

210 211

3. Umstrittene Kompetenzbereiche: Grenzziehungen und Grenzverschiebungen Die deutschen Diplomaten waren in Paris mit vielfältigen Aufgaben betraut. Der badische Vertreter Andlaw äußerte sich in seinem Tagebuch rückblickend über seinen Arbeitsalltag in der französischen Hauptstadt, wo er von 1843 bis 1846 akkreditiert gewesen war: Meine eigene Thätigkeit war im Laufe jener Zeit durch keine besonders wichtigen Fragen in Anspruch genommen; sie beschränkte sich auf den Grenzverkehr, auf Paß-, Zoll- und andere dergleichen Angelegenheiten, und höchstens veranlaßte hie und da die Bewegung in der Schweiz eine ernstere Besprechung1.

Andlaw unterscheidet zwei Aufgabenbereiche, denen er unterschiedliche Bedeutung beimisst. Zum einen benennt er politische Fragen, die er als zentrales Element seiner Tätigkeit betrachtet, wenngleich sie ihn aufgrund mangelnder Vorkommnisse kaum forderten. Zum anderen gab es die administrativen Tätigkeiten wie Pass- und Zollangelegenheiten, die er als weniger attraktiv ansieht. Sie machten den Großteil seiner Arbeit aus, weil sie sich vorrangig aus der gemeinsamen Grenze von Baden und Frankreich ergaben. Hinter dieser persönlichen Wahrnehmung steht die grundlegende Frage, welche Aufgaben Diplomaten erfüllten und inwieweit sie ihren Einsatz in Paris rechtfertigten. Dieses Kapitel behandelt die Kompetenzbereiche der Diplomaten, welche im Untersuchungszeitraum umstritten waren und neue Grenzziehungen und Grenzverschiebungen erforderten. Die Diplomaten sahen ihr weites Aufgabenspektrum von neuer Konkurrenz bedroht, da Spezialisten für einzelne Sachgebiete wie Handel und Militär an Geltung gewannen – beziehungsweise bildeten sich solche erst heraus. Daraus resultierten gegenseitige Abgrenzungsbemühungen, die mit Auseinandersetzungen und Ausdifferenzierungen einhergingen (3.1). Darüber hinaus wurden die Diplomaten von medialen Entwicklungen wie Presse und Telegrafie herausgefordert, zu denen sie einen Umgang finden mussten und wodurch ihr Arbeitsalltag nachhaltig verändert wurde (3.2). Aufgaben waren auf neue Weise zu bewältigten, dadurch erweiterten sich die diplomatischen Handlungsspielräume einerseits – andererseits verkleinerten sie sich (3.3).

Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. 2, S. 62 (Hervorh. i. Orig.).

1

https://doi.org/10.1515/9783110519563-004

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

3.1 Sachgebiete aushandeln: Auseinandersetzungen und Ausdifferenzierungen 3.1.1 »Politisch« und »administrativ«: Gegenstandsbereiche diplomatischer Tätigkeit Es gab Abgrenzungsbestrebungen der Diplomaten gegenüber empfundenen Konkurrenten bei ihren Tätigkeiten. Welche Gegenstandsbereiche beanspruchten sie für sich selbst? Der Diplomat Andlaw benennt politische und administrative Belange, die sich historiographisch betrachtet der Verwaltungsgeschichte zuordnen lassen. In dieser historischen Teildisziplin führten Stefan Haas und Mark Hengerer den Begriff »politisch-administratives System« für Formen der Gesellschaftsorganisation von der Frühen Neuzeit bis in die Moderne ein, um die Verzahnung beider Aspekte zu betonen2. Für den Untersuchungszeitraum ist herauszustellen, dass die staatliche Verwaltung einschließlich der diplomatischen Vertretungen zum vorherrschenden »politisch-administrativen System« avancierte: Die Administration erhielt einen eigenen Stellenwert, was gleichwohl sehr eng mit politischen Aufgaben verbunden war. Inwiefern sich dadurch die Aufgabengebiete deutscher Diplomaten in Paris veränderten, gilt es im Folgenden anhand zweier zentraler Konfliktfelder aufzuzeigen. Innerhalb einer diplomatischen Vertretung gab es erstens eine zunehmende Aufgabenteilung, durch die sich das Personal vergrößerte und spezialisierte. Dies machte es erforderlich, Kompetenzbereiche neu zu definieren. Zweitens wandelte sich die Art der Berichterstattung, da die Formgebung und die Themenauswahl regelmäßig Unklarheiten hervorriefen und infolgedessen stetigen Neuerungen unterlagen. Das erste Konfliktfeld bestand in der Frage der Aufgabenteilung. Die deutschen Diplomaten in Paris benannten meistens ihre Aufgaben, wenn sie sich beim vorgesetzten Außenministerium über die Zunahme ihrer Arbeitsbelastung beklagten und infolgedessen um weiteres Personal oder ein höheres Gehalt baten. Derartige Gesuche häuften sich bei allen fünf untersuchten diplomatischen Vertretungen in den 1850er und 1860er Jahren und führten zu Auseinandersetzungen mit dem entsprechenden Außenminister. Im bayerischen Fall setzte sich der Diplomat Wendland dafür ein, neben seinem eigenen Posten und dem eines Legationssekretärs die Stelle eines Kanzlisten zu schaffen, um die laufenden Geschäftsvorgänge zu bewältigen. Die Bitte wurde zunächst im Jahr 1862 aus finanziellen Gründen abgelehnt. Anschließend im darauffolgenden Jahr wurde jedoch ein Kanzlist auf Vorbehalt eingestellt und

2

Vgl. Haas, Hengerer, Zur Einführung, S. 9.

3.1  Sachgebiete aushandeln

81

schließlich im Jahr 1866 in Erwägung gezogen, eine feste Stelle einzurichten3. Warum der Entschluss so zögerlich zustande kam, lassen die Ausführungen des bayerischen Außenministers Karl Ludwig Heinrich von der Pfordten erkennen: Auch jetzt noch halte ich an der Ihnen bekannten Ansicht fest, daß im Allgemeinen die Besorgung der Kanzleigeschäfte zu den Verpflichtungen der kgl. Gesandten gehört und bei größerer Ausdehnung unter Mitwirkung des der kgl. Gesandtschaft beigegebenen Legations-Sekretärs stattgefunden hat. Nachdem Euer Hochwohlgeboren jedoch wiederholt dargelegt haben, wie dringend nothwendig für die entsprechende Besorgung der namhaft vermehrten Geschäfte der k. Gesandtschaft der Posten eines Kanzlisten geworden ist; beabsichtige ich, in dem Budget der nächsten Finanzperiode die erforderliche Vorsorge wegen Creirung einer solchen Stelle bei der kgl. Gesandtschaft in Paris zu treffen4.

Pfordtens Position – er empfand die neue Kanzlistenstelle als Zugeständnis – lässt eine Hierarchisierung der Aufgabenbereiche vom Gesandten über den Legationssekretär bis zum Kanzlisten erkennen. Gleichzeitig waren die Kompetenzgrenzen fließend, da der Leiter einer diplomatischen Vertretung für alle Aufgaben selbst qualifiziert sein sollte. Einige Monate später, im Jahr 1867, übernahm Pergler von Perglas den bayerischen Gesandtenposten von Wendland. Nach seinem Amtsantritt in Paris schrieb er dem bayerischen Außenminister, dass er ausschließlich seine »politische Aufgabe« wahrnehmen könne und die »ganze übrige Last der Geschäfte« dem Legationssekretär Bibra überlassen werde5. Er begründete die Aufgabenteilung damit, dass die »politische Bedeutung Bayerns« infolge des Deutschen Krieges von 1866 zugenommen habe und es ihn gänzlich in Anspruch nehmen werde, ihr »unter den Verhältnissen von Paris« nachzukommen6. Gleichzeitig beantragte er weiteres Personal, um den Legationssekretär vor allem hinsichtlich der zusätzlichen Arbeit für die anstehende Weltausstellung in Paris zu entlasten, was allerdings in München abgelehnt wurde7. Stattdessen erhielt Bibra eine Zulage, die auf zehn Monate beschränkt war, und es fehlte nicht der Verweis auf die erst kürzlich geschaffene Kanzlistenstelle8. Neben der stetig wiederkehrenden Kostenfrage ist die Aufgabenverteilung, wie sie der Gesandte Pergler von Perglas vornahm, Vgl. Karl Freiherr von Schrenck von Notzing an die Koenigliche Gesandtschaft in Paris, 15. 10. 1862 und Karl Freiherr von Schrenck von Notzing an August Freiherr von Wendland, 15. 1. 1863 sowie Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an August Freiherr von Wendland, 12. 5. 1866, BayHStA Personalakte Amann 1862 Ges. Paris 1238. 4 Ibid. 5 Vgl. [Maximilian Joseph Freiherr von Pergler von Perglas] an [Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst], 12. 1. 1867, BayHStA Ges. Paris 1169, Zitate ibid. 6 Ibid. 7 Vgl. Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst an Maximilian Joseph Freiherr von Pergler von Perglas, 14. 2. 1867, BayHStA Ges. Paris 1169. 8 Vgl. ibid. 3

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

bemerkenswert. Dem Leiter einer diplomatischen Vertretung waren politische Aufgaben vorbehalten: »Politisch« meint in diesem Kontext die Beschäftigung mit aktuellen Fragen, wie sie im Jahr 1867 aufgrund des Deutschen Krieges und den sich anschließenden Neuordnungsprozessen virulent geworden waren9. Alle weiteren Tätigkeiten, die zum Gesandtschaftsalltag gehörten und administrativer Art waren, sollten von einem Sekretär und zusätzlich von einem Kanzlisten bearbeitet werden. Der Gesandte trennte eindeutig zwischen »politischen« und »administrativen« Gegenstandsbereichen und bewertete die beiden Bereiche unterschiedlich. Die ersteren Aufgaben waren so wichtig und verantwortungsvoll, dass sie ausschließlich von dem Leiter einer diplomatischen Vertretung zu bearbeiten waren. Demgegenüber war es bei allen anderen Verpflichtungen möglich, sie an das weitere Personal zu delegieren. Wie weit die Differenzierungen innerhalb einer diplomatischen Vertretung reichten, lässt sich anhand der größeren preußischen Vertretung ersehen, in der auch entsprechend mehr Personen tätig waren. Im Jahr 1868 wandte sich der Legationssekretär Solms, der zu dieser Zeit als Geschäftsträger die Botschaft vorübergehend leitete, an den preußischen Außenminister Bismarck. In seinem Schreiben bat er um weiteres Kanzleipersonal und begründete den Aufgabenzuwachs damit, dass sich der Zuständigkeitsbereich der preußischen Botschaft durch die Entstehung des Norddeutschen Bundes im vorangegangenen Jahr erheblich erweitert habe10. In diesem Zusammenhang benannte er die Aufgaben und Arbeitszeiten der Kanzlisten sowie der Sekretäre. Die beiden Kanzlisten seien während der Sprechzeit von 11 bis 15 Uhr mit mündlichen Anfragen ihrer Landsleute, die vor allem allgemeine Auskünfte sowie Beglaubigungen umfassten, weitgehend ausgelastet11. Anschließend müssten sie sich den laufenden Geschäften, insbesondere der Korrespondenz mit den Konsuln des Norddeutschen Bundes, widmen12. Außerdem komme der Kanzleivorsteher meist erst ab 17  Uhr zur Erledigung der »Cassenzuschriften«, woran er mitunter bis abends um 21  Uhr arbeite13. Gleichzeitig seien die Legationssekretäre mit folgenden Tätigkeiten betraut: Sie »haben mit Uebersetzungen aller Art, mit dem Abschreiben von Depeschen, mit Chiffriren und Dechiffriren, besonders aber mit dem sehr zeitraubenden Verkehr mit den Ministerien zum Zweck von vielfach nothwendig werdenden Erkundigungen vollauf zu thun«14. Abgesehen von Solms’ Strategie, die zunehmende Arbeit als übermäßige Belastung darzustellen, um weiteres Personal zu erhalten, zeigen die Erläuterungen, welche alltäglichen Aufgaben das Personal in einer diplomatischen Zum Deutschen Krieg, mit dem die Auflösung des Deutschen Bundes einherging, vgl. Gruner, Der Deutsche Bund, S. 96 f. 10 Vgl. Clemens Theodor Eberhardt Graf zu Solms-Sonnenwalde an Otto  von Bis­ marck-Schönhausen, 5. 8. 1868, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4823. 11 Vgl. ibid. 12 Vgl. ibid. 13 Vgl. ibid. 14 Ibid. 9

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Vertretung zu erfüllen hatte. Eine klare Arbeitsaufteilung zwischen Kanzlisten und Sekretären sowie zwischen Kanzlist und Kanzleivorsteher ist erkennbar. Der Kanzleivorsteher besaß beispielsweise im Gegensatz zum Kanzlisten die weitere Kompetenz, »Cassenzuschriften« zu bearbeiten. Jeder Funktion waren bestimmte Aufgaben mit unterschiedlicher Bedeutung zugeteilt, wodurch sich Hierarchien abbilden ließen. Außerdem besaßen die Arbeiten unterschiedliche Priorität, wie die festgelegten Zeiträume für einzelne Aufgaben nahe legen. Die eindeutig definierten Kompetenzbereiche, wie sie Solms in diesem Schreiben Ende der 1860er Jahre darlegt, entstanden in den vorangegangenen Jahrzehnten. Sie waren erst durch einen entscheidenden Personalzuwachs möglich geworden, sodass Aufgaben verteilt werden konnten. Auch für den Standort Paris lässt sich ein personeller Ausbau des preußischen diplomatischen Dienstes nachweisen15. Die erste preußische Kanzlistenstelle außerhalb des Deutschen Bundes gab es ab 1825 in Paris, wobei ab 1820 dort bereits provisorisch ein Kanzlist tätig war16. Eine zweite Kanzlistenstelle, damit einhergehend eine Aufteilung in Kanzlist und Vorstand der Kanzlei, kam in Paris 1849 hinzu17. Außerdem traten ab 1832 neben die Legationssekretäre und »ersten Legationssekretäre« in den bedeutenden preußischen diplomatischen Vertretungen in St. Petersburg, Wien, London und Paris aufgrund der zunehmenden Arbeit offiziell »zweite Legationssekretäre«18. In Paris hatte es entsprechende Überlegungen bereits ab 1814 gegeben19. Durch die Auseinandersetzungen um zusätzliches Personal waren die Diplomaten gezwungen gewesen, ihre Kompetenzbereiche neu zu rechtfertigen. Diese Konflikte waren, wenngleich mit einem unterschiedlichen Grad der Ausdifferenzierung, sowohl innerhalb der größeren als auch der kleineren diplomatischen Vertretungen zu beobachten: Parallele Entwicklungen gab es bei den weiteren untersuchten Vertretungen von Baden, Hessen-Darmstadt und Österreich20. Der laufende Geschäftsverkehr oblag zwei Personengruppen, den Sekretären und den Kanzlisten, wobei ihre Anzahl zunehmend wuchs und ihre Aufgabenbereiche aufgeteilt werden mussten, weshalb Grenz Dies hat bereits Dietmar Grypa herausgestellt, vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 177–191. 16 Vgl. ibid, S. 179; Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Christian Günther Graf von Bernstorff, 6. 1. 1821, GStA PK, III. HA MdA ZB Nr. 520. 17 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 182. 18 Vgl. Johann Peter Friedrich Ancillon an Friedrich Wilhelm III., 27. 10. 1832, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 81. 19 Vgl. [Christian Günther Graf von Bernstorff] an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 12. 4. 1814, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4816. 20 Für Baden vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 11. 11. 1852, GLA 48/3152; für Österreich vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Ministerium des Äußern, 21. 11. 1867, HHStA MdÄ AR F 6 16; für Hessen-Darmstadt vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an Außenministerium, 9. 5. 1866, HStAD G 1 74/7. 15

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ziehungen notwendig erschienen21. Gleichzeitig beanspruchte der Leiter einer diplomatischen Vertretung exklusiv »politische« im Gegensatz zu den weiteren »administrativen« Tätigkeiten für sich. Die Art der Berichterstattung als zweites Konfliktfeld ermöglicht es aufzuzeigen, wie umstritten Kompetenzbereiche waren und wie weit und in welcher Weise sie zu fassen waren. Die Diplomaten in Paris erhielten aus dem jeweiligen vorgesetzten Außenministerium immer wieder Schreiben mit Anweisungen darüber, in welcher Form die Berichterstattung zu erfolgen hatte und welche Themen sie umfassen sollte. Die Mitteilungen ergingen meistens in der Form von Rundschreiben an jeweils alle Diplomaten eines bestimmten Staates im Ausland. Sie betrafen stets wiederkehrende Aspekte, die thematisiert wurden, weil sie nicht eingehalten wurden oder geändert werden sollten. Eine fundamentale Unterscheidung zwischen zwei Arten von Berichten – politischen sowie anderweitigen Berichten – wurde in diesem Zusammenhang in der Regel mitverhandelt. Im preußischen Fall erhielt der Gesandte Goltz in Paris im Jahr 1816 die nachdrückliche Aufforderung, bei der Berichterstattung die »Trennung der rein politischen Gegenstände von denen, die zu dieser Cathegorie nicht gehören«, einzuhalten22. Berichte über »rein politische Gegenstände« seien an die »erste Section« des preußischen Außenministeriums zu richten, während alle weiteren Berichte je nach Zuständigkeit der zweiten oder dritten »Section« zugehen sollten23. Die Einteilung der anzufertigenden Berichte erfolgte entsprechend den Abteilungen des preußischen Außenministeriums, wobei die erste Abteilung sich mit »politischen Angelegenheiten« befasste24. Ein Rundschreiben des preußischen Außenministers Bülow aus dem Jahr 1843 legt eine weitere Unterscheidung zwischen Berichten an den König und solchen an den Außenminister beziehungsweise das Außenministerium im Allgemeinen dar: Was zunächst den Inhalt oder die Gegenstände anlangt, welche sich überhaupt dazu eignen, in diejenigen Berichte aufgenommen zu werden, welche an des Königs Majestät Allerhöchstselbst gerichtet werden, so sind dies: 1, rein politische Gegenstände, 2, Hof-Nachrichten, soweit sie überhaupt Interesse haben, Zum Personal zählten außerdem die Attachés, die ihre praktische diplomatische Ausbildung in Paris absolvierten, um anschließend innerhalb der diplomatischen Laufbahn eine Stelle als Sekretär und darauf folgend in der Regel eine Leitungsfunktion zu übernehmen. Zur Einführung eines diplomatischen Examens und der damit einhergehenden Entstehung der Attachés vgl. Kap. 2.3. 22 Circular an sämtliche Königliche Gesandten an auswärtigen Höfen, 2. 4. 1816, GStA PK III. HA MdA I Nr. 36, Zitat ibid. 23 Ibid. 24 Für den Aufbau des preußischen Außenministeriums, das selbst erst seit 1810 als solches existierte, vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S.  126 f.; Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 90. 21

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3, andere allgemein interessante Gegenstände, 4, solche Gegenstände, welche Sr. Majestät den König speziell und persönlich interessiren können, aber zu eigenen Separat-Berichten an das Ministerium keine Veranlassung bieten25.

Abb. 1: Politischer Bericht eines österreichischen Diplomaten (erste Seite).

Bülow benannte vier Themenbereiche, die als so bedeutend einzuschätzen waren, dass sie direkte Berichte an den König rechtfertigten. An erster Stelle standen wiederum »rein politische Gegenstände«. Gleichzeitig wies er im weiteren Verlauf des Schreibens darauf hin, dass insbesondere Themen, die dem »Verwaltungs-Fach« zuzuordnen seien, an ihn oder das Außenministe-

Heinrich von Bülow an sämtliche Königlichen Gesandten, Ministerresidenten, Residenten und Geschäftsträger im Ausland, 2. 6. 1843, GStA PK III. HA MdA I Nr. 36.

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rium zu richten seien26. Bei der Berichterstattung innerhalb des preußischen diplomatischen Dienstes war der Adressat das ausschlaggebende Kriterium dafür, welche Themen in welchen Berichten behandelt werden sollten. Eine ähnliche Unterscheidung gab es im österreichischen Fall. Dort erhielten die »politischen Berichte« arabische Zahlen, während »administrative Berichte« mit römischen Zahlen durchnummeriert waren27. Ein Beispiel für ersteren Fall stellt der »Bericht Nr. 137 B vom 25. Oktober 1852« (Abb. 1) dar, der das Anerkennungsproblem des Zweiten Kaiserreiches behandelte und in französischer Sprache verfasst war28. Dagegen beinhaltete der »Bericht Nr. XCIV C vom 27. November 1867« (Abb. 2) die Frage der Ordensverleihung an einen für die Botschaft arbeitenden Rechtsanwalt anlässlich der Pariser Weltausstellung und war auf Deutsch abgefasst29. Es gab zwei separate, parallel angefertigte Arten von Berichten, die sich nach Form und Inhalt sowie Sprache unterschieden. Allgemein erwähnenswert ist, in welcher Sprache die Berichterstattung erfolgte. Die politischen Weisungen und Berichte, die etwa der österreichische Diplomat nach Wien sandte, waren in der Regel in französischer Sprache verfasst, obwohl beide Korrespondenzpartner sich auf Deutsch hätten verständigen können. Doch Französisch stellte die offizielle und verbindende Sprache der europäischen Diplomatie damals dar: Französisch hatte Latein Mitte des 17. Jahrhunderts als dominierende diplomatische Sprache abgelöst, bis es selbst seine Monopolstellung mit Ende des Ersten Weltkrieges zugunsten des Englischen verlor30. Schriftstücke in Latein, wie die Beglaubigungsschreiben der österreichischen Diplomaten, und in Englisch, in welchem britische Diplomaten ihre Berichte verfassten, bildeten deshalb Ausnahmen, aber es gab sie31. Die administrative Vgl. ibid. Explizit erwähnt wird diese Vorgabe in einem Rundschreiben an alle österreichischen Konsulate: [Minister des Äußern] an Kais. Konsularämter, 4. 12. 1861, HHStA MdÄ AR F 6 1. Ihre Umsetzung lässt sich aber ebenso für die diplomatische Berichterstattung beobachten. Für die Ausbildung des Konsularwesens im Wechselspiel mit der Diplomatie vgl. außerdem Kap. 3.1.2. 28 Vgl. Josef Alexander Graf von Hübner an Karl Ferdinand von Buol-Schauenstein, 25. 10. 1852, HHStA MdÄ PA IX 39. Zum Anerkennungsproblem von 1852 vgl. Kap. 5.4. Der Großbuchstabe B hinter der Nummerierung Nr. 137 B bedeutet, dass es sich um den zweiten Bericht am selben Tag handelte. Die Nummerierung begann zudem mit jedem Jahresbeginn wieder von vorne. 29 Vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Ministerium des Äußern, 27. 11. 1867, HHStA MdÄ AR F 6 1. 30 Zur historischen Entwicklung der Sprache der Diplomatie vgl. Walter Rudolf, Die Sprache in der Diplomatie und internationalen Verträgen, Frankfurt a. M. 1972 (Völkerrecht und Außenpolitik, 11), S. 21–37. 31 Vgl. ein lateinisches Beglaubigungsschreiben von [Franz Joseph I.] an [Louis Napoléon Bonaparte], September 1849, HHStA MdÄ AR F 4 144. Britische Diplomaten waren seit einer Instruktion des Außenministers Canning von 1826 angehalten, ihre Berichte in ih26 27

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Korrespondenz der Diplomaten war dagegen zumeist in deutscher Sprache verfasst. Sie entzog sich auf diese Weise den offiziellen Sprachregelungen, was wiederum hinsichtlich der beiden Gegenstandsbereiche diplomatischer Tätigkeit ihren geringeren Stellenwert verdeutlicht.

Abb. 2: Administrativer Bericht eines österreichischen Diplomaten (erste Seite).

Ein Vorfall aus dem Jahr 1842 zeigt die Handhabung der Berichterstattung im bayerischen diplomatischen Dienst. Als der bayerische König aufgrund einer Reise nach Franken vorübergehend nicht in München weilte, sollte der Ge-

rer Muttersprache abzufassen. Vgl. Rudolf, Die Sprache, S. 33 f. Die britische Regelung von 1826 traf an anderen Orten wie Berlin auf Widerstand, der allerdings ergebnislos blieb. Vgl. Christian Günther von Bernstorff an Bogislaw von Maltzan, [1826], GStA PK I. HA Rep. 89 Nr. 13034.

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

sandte Wendland in Paris seine »politischen Berichte« unter Umständen direkt an den König senden32. Dagegen sollte er mit den »nicht politischen Berichten« wie üblich verfahren33. Die Anweisung verdeutlicht erneut, welche besondere Bedeutung politischen gegenüber anderen Themen beigemessen wurde. Darüber hinaus gab es im Untersuchungszeitraum immer wieder Schreiben, in denen angemahnt wurde, diese zwei Arten der Berichte voneinander zu trennen34. Es handelte sich um eine grundlegende Unterscheidung, die gleichzeitig, wie die wiederholten Aufforderungen zeigen, schwer umzusetzen war. Zwei unterschiedliche Arten von Berichten, jeweils fortlaufend nummeriert, sollten auch die badischen Diplomaten verfassen. Laut einem Rundschreiben der Regierung in Karlsruhe aus dem Jahr 1817, mit dem formal einheitliche Berichte aller badischen diplomatischen Missionen angestrebt wurden, seien »Geschäftsberichte« von der »bloßen Correspondenz« zu unterscheiden35. Im Jahr 1867 finden sich in einem Rundschreiben noch präzisere Ausführungen zu dieser Trennung: Auch wollen solche Berichte, welche eine in geschäftsmäßige Behandlung genommene oder zu nehmende Angelegenheit betreffen, als Gesandtschaftsberichte, als politische Berichte nur solche bezeichnet u. numerirt werden, welche von einer allgemeineren politischen Bedeutung sind. Die den Zollverein, den Abschluß oder die Ausführung von Verträgen betreffende Schriftstücke würden beispielsweise zu den ersteren zu rechnen sein. Eine genaue Grenze ist selbstverständlich nicht im Allgemeinen anzugeben; in der Regel wird die Bezeichnung u. Nummer des entsprechenden Ministerialerlasses einen Anhalt bieten36.

Eine Einteilung in »Gesandtschaftsberichte« und »politische Berichte« erschien notwendig, auch wenn es problematisch war, welche Themen worin behandelt werden sollten. Eine besondere Aufmerksamkeit galt den »Gesandtschaftsberichten«, da ein bedeutender Anteil der Arbeit der badischen Diplomaten Fragen wie die Auswanderung betraf, die ständig geschäftsmäßiger Absprachen bedurften und nicht die aktuellen politischen Entwicklungen in Frankreich tangierten. Bei der Art der Berichterstattung ist schließlich allen untersuchten diplomatischen Diensten gemein, dass zwischen politischen und anderweitigen Berichten unterschieden werden sollte. Gleichzeitig war es schwierig, eindeutige Grenzziehungen zu treffen. Daher mussten die formalen Vorgaben, wie verschiedene fortlaufende Nummerierungen und Adressaten, gegebenenfalls Vgl. Friedrich August Freiherr von Gise an August Freiherr von Wendland, 10. 7. 1842, BayHStA Ges. Paris 1505, Zitat ibid. 33 Ibid. 34 Vgl. bspw. die Schreiben von Joseph Ludwig Graf von Armansperg an Christian Hubert Freiherr von Pfeffel, 14. 2. 1830, und Karl Freiherr von Schrenck von Notzing an Königliche Gesandtschaft in Paris, 11. 6. 1861, BayHStA Ges. Paris 1159. 35 Vgl. Rundschreiben des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten in Karlsruhe, 20. 5. 1817, GLA 233/9244, Zitate ibid. 36 Rundschreiben des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten in Karlsruhe, 1. 12. 1867, GLA 233/9244. 32

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mit Änderungen durch die (Rund-)Schreiben den Diplomaten immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Die beiden behandelten Konfliktfelder verdeutlichen, dass Diplomaten ein sehr weites Kompetenzspektrum beanspruchten  – und es wurde ihnen auch zugeschrieben. Die Gegenstandsbereiche diplomatischer Tätigkeit lassen sich unter die beiden Leitbegriffe »politisch« und »administrativ« subsumieren. Charakteristisch war, dass beide Bereiche zunehmend voneinander getrennt wurden: der administrative Bereich wuchs im aufkommenden Staatsdienst zu einem Tätigkeitsfeld mit eigenem Geltungsanspruch an. Gleichzeitig erfuhren beide Kompetenzfelder eine unterschiedliche Wertschätzung, da die Kernkompetenz im Bereich des Politischen lag, wohingegen die weiteren Kompetenzen nach dem Ausschlussprinzip der aufstrebenden Administration zuzurechnen waren. Was genau unter »politisch« und »administrativ« zu verstehen war, ist jedoch schwierig zu fassen. Die explizite Verwendung des Politikbegriffs bezog sich in der Regel auf aktuelle politische Entwicklungen wie Krisenherde, die sich in einen diplomatischen Kompetenzbereich wie folgt übersetzten. Im Hinblick auf das erste Konfliktfeld der Aufgabenteilung gehörte das Politische in die alleinige Kompetenz des Leiters, der den politischen Vertretungsanspruch der Entsendenden besaß. Hinsichtlich der Art der Berichterstattung gab es die eigene Form der »politischen Berichte«, die sich mit der aktuellen politischen Situation auseinandersetzten. Im Gegensatz dazu umfasst »administrativ« alle anderen untergeordneten Belange, die sich in Quellenbegriffen wie »Geschäfte«, mitunter »Verwaltung« oder nach dem Ausschlussprinzip »nicht politisch« niederschlagen. Die unterschiedlichen Begriffe verdeutlichen, dass ein zweiter Kompetenzbereich vorhanden war, der aber noch weit weniger umrissen war und sich zudem im Auf- und Ausbau befand. Angesichts der Aufgabenteilung handelte es sich um alle Arbeiten mit zuarbeitendem und kontinuierlichem Charakter, die keine Brisanz wie aktuelle politische Entwicklungen besaßen. Im badischen Fall waren etwa Grenzangelegenheiten immer relevant. Außerdem fallen darunter alle Belange der diplomatischen Selbstorganisation wie die Bitten um weiteres Personal oder Vorgaben zur Art der Berichterstattung. Die Aufgabenteilung und die Vorgaben zur Berichterstattung blieben allerdings so vage, dass es in den Ermessensspielräumen der Diplomaten lag, wie sie ihren Zuständigkeiten entsprachen. Die dargelegten Auseinandersetzungen zeigen, dass es einer ständigen Diskussion darüber bedurfte. Bestehende Grenzziehungen waren nicht immer eindeutig umzusetzen oder neue Kompetenzgrenzen entstanden dadurch, dass neue Funktionen geschaffen wurden und Aufgabenbereiche neu definiert werden mussten. Deutsche Diplomaten waren in Paris notwendig, um eine wachsende Anzahl an Aufgaben zu erfüllen und eine kontinuierliche Berichterstattung zu gewährleisten. Zugleich machten vor allem zwei aufstrebende Spezialistengruppen, Konsuln und Militärattachés, den Diplomaten ihre Kompetenzbereiche zunehmend streitig. Die mit ihnen geführten Auseinandersetzungen verdeutlichen, was Diplomaten in Abgrenzung zu weiteren Bereichen leisteten.

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

3.1.2 Auf den Handel konzentriert: die Ausbildung des Konsularwesens im Wechselspiel mit der Diplomatie »Paris ist kein Seehafen, wo täglich Waaren aus- und eingehen«37. Diesen Satz entgegnete der badische Diplomat Schweizer im Jahr 1861 auf die Frage, ob ein badisches Konsulat in der französischen Hauptstadt notwendig sei. Er stand den Bestrebungen nach einem Konsulat am Standort Paris skeptisch gegenüber und verwies auf Hafenstädte als Hauptwirkungsstätte von Konsuln. Dort waren jene ursprünglich für die Unterstützung ihrer Landsleute und ihrer Handelsinteressen, die sich aus dem grenzüberschreitenden Austausch über den Seeweg ergaben, zuständig. Das seit der Antike bestehende Konsularwesen war älter als die Einrichtung permanenter diplomatischer Beziehungen, wodurch es bereits seit Jahrhunderten parallel zur Diplomatie existierte38. Im 19. Jahrhundert erlebte es jedoch seine Blüte: Die Anzahl an Konsulaten erreichte ihren Höchststand; Konsuln waren mit ihrem umfangreichsten Aufgabenspektrum betraut. Konsulate entstanden in dieser Zeit an neuen Standorten, ihre Tätigkeitsbereiche weiteten sich aus und ihre Professionalisierung setzte ein. Der Grund dafür waren insbesondere die zunehmenden Handelsbeziehungen, die gesteigerte Vernetzung zwischen den Kontinenten aufgrund neuer Kommunikations- und Reisemöglichkeiten sowie die neuen Massenauswanderungen. Diese grundlegenden Entwicklungen des Konsularwesens im 19. Jahrhundert hat vor allem Jörg Ulbert herausgestellt39. Charakteristisch für diesen Band und die bisherige Forschung insgesamt ist, dass sie sich in Aufsatzform auf das Konsularwesen einzelner Staaten konzentriert. So gibt es Untersuchungen über das österreichische oder bayerische Konsularwesen, in denen mehr die staatliche Gesamtperspektive als einzelne Standorte im Zentrum steht40. Dagegen wird hier die Genese eines Konsularstandorts nachgezeichnet, denn Paris fand bisher kaum Beachtung. In konsularischen Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Franz Freiherr von Roggenbach, 10. 7. 1861, GLA 48/3206. 38 Vgl. Allain, Badel, L’apparail diplomatique, S. 495. 39 Vgl. vor allem die Einleitung bei Jörg Ulbert, Introduction: La fonction consulaire au XIXe siècle, in: Ders., Lukian Prijac, (Hg.), Consuls et services consulaires au XIXe siècle­/­ Die Welt der Konsulate im 19. Jahrhundert/Consulship in the 19th  Century, Hamburg 2010, S. 9–18, v. a. S. 9. 40 Für Bayern vgl. Gerhard Hetzer, Die bayerischen Konsulate und ihre archivische Überlieferung, in: Archivalische Zeitschrift 80 (1997), S. 139–155, hier S. 144; für Österreich vgl. Leopold Kammerhofer, Das Konsularwesen der Habsburgermonarchie, 1752–1918. Ein Überblick mit Schwerpunkt auf Südosteuropa, in: Harald Heppner (Hg.), Der Weg führt über Österreich … Zur Geschichte des Verkehrs- und Nachrichtenwesens von und nach Südosteuropa, Wien u. a. 1996, S. 7–35. 37

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Zusammenhängen wird die Stadt allenfalls in einem Zug mit bekannten Personen wie Rothschild erwähnt, die sich dort nebenbei als Konsuln betätigten41. Die Ausdehnung des Konsularwesens betraf die deutschen Diplomaten in Paris unmittelbar, da in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts Konsulate in der französischen Hauptstadt entstanden. Im Untersuchungszeitraum etablierten alle fünf näher betrachteten Staaten Konsuln in Paris oder dachten zumindest darüber nach: Nach Österreich (1821) folgten Bayern (1854), Preußen (1858), Hessen-Darmstadt (1859) sowie Baden (1861/186542). Der Gang der Untersuchung richtet sich nach dem Auf- und Ausbau einzelstaatlicher Konsulate in Paris in der genannten chronologischen Reihenfolge. Ihre Entstehung erfolgte im Wechselspiel mit der Diplomatie, da eine Tätigkeit von Diplomaten und Konsuln in derselben Stadt einerseits Kooperation voraussetzte und andererseits Konkurrenzverhalten schürte. Neben der grundsätzlichen Frage nach ihrer Notwendigkeit ist vor allem zu untersuchen, wie die jeweiligen Kompetenzbereiche bestimmt wurden. Den Beginn stellt der österreichische Fall mit der Ernennung von James von Rothschild zum Generalkonsul im Jahr 1821 dar. Seine Berufung war eine individuelle Entscheidung, wobei seine Herkunft, seine Tätigkeit und sein Einfluss eine entscheidende Rolle gespielt haben mögen. Als Spross der bekannten Bankiersfamilie Rothschild strebte er dieselbe Position an, die sein Bruder Na­ than in London hatte; sie wurde ihm aufgrund der engen Geschäftsbeziehungen des Bankhauses zu Österreich und zu dessen Staatskanzler Metternich gewährt. Von der unbezahlten Tätigkeit im Dienste Österreichs versprach er sich vor allem eine höhere soziale Anerkennung in den gesellschaftlichen Kreisen von Paris43. James von Rothschild blieb österreichischer Generalkonsul in Paris bis zu seinem Tod im Jahr 186844. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten im österreichischen Generalkonsulat ein Kanzleidirektor, ein Kanzler, ein Kanzlist und ein Kanzleibeamter45. Rothschilds Position wurde in der Folge nicht neu besetzt, obwohl einer seiner Söhne bereit gestanden hätte, sondern der bisherige Kanzleidirektor Schwarz wurde zum »Commerz-Kanzlei-Director bei der dortigen Vgl. bspw. Lottman, Utz, Die Rothschilds, S. 75. Im badischen Fall gab es in den beiden genannten Jahren zumindest intensive Diskussionen und konkrete Absichten, Konsuln zu ernennen. 43 Zu den Hintergründen der Ernennung von Rothschild vgl. ausführlich Egon Caesar Conte Corti, Der Aufstieg des Hauses Rothschild 1770–1830, Leipzig 1927, S. 273–279. 44 Vgl. [Minister des Äußern] an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 25. 11. 1868, HHStA Ges. Paris 245 P 3. 45 Vgl. Meysenbug an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 21. 11. 1867, HHStA Ges. Paris 245 P 3. 41 42

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

k. u. k. Botschaft, und zum General-Consuls-Stellvertreter daselbst« ernannt46. Dadurch entstand eine Kommerz-Kanzlei als neue Unterabteilung der österreichischen Botschaft, sodass konsularische Aufgaben in einen diplomatischen Rahmen eingegliedert wurden. Gleichzeitig gewährte die zweite Funktion Schwarz als Generalkonsul weiterhin eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber Diplomaten47. Rothschilds Tod gab in Paris den Anlass, das österreichische Konsularwesen vor Ort neu zu ordnen und den generellen Professionalisierungstendenzen seit der Jahrhundertmitte anzupassen48. Jene hatten sich mit dem zunehmenden Kanzleipersonal im Generalkonsulat bereits abgezeichnet und manifestierten sich nun im Aufstieg des Kanzleidirektors Schwarz. Für ihn bedeutete dies eine ihn umfänglich ausfüllende Verwaltungstätigkeit und nicht, wie bei Rothschild, einen vorrangig schmückenden Ehrentitel. Auf bayerischer Seite stand die Errichtung eines Konsulats in Paris im Jahr 1854 an. Bereits zuvor, im März 1848, hatte sich der bayerische Außenminister Waldkirch an die bayerischen diplomatischen Vertreter im Ausland – darunter in Paris – gewandt: Er kündigte Reformen im Konsularwesen an und bat um Begutachtung für den jeweiligen Standort49. Sie besaßen für Paris keine Auswirkungen, da dort noch kein eigenes Konsulat bestand, zeigen aber das staatliche Bemühen, das Konsularwesen ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu systematisieren. Konsularähnliche Aufgaben nahm in Paris ab 1826 ein Rechtsanwalt wahr, der bayerische Landsleute in privaten Angelegenheiten vertrat50. Das folgende Gesuch löste schließlich die Frage aus, ob ein Konsulat in Paris zu errichten sei. Eine Anfrage des Kaufmanns Weisweiler in Paris ging im Januar 1854 über den dortigen Diplomaten nach München, wo sein Bedarf durch das Handelsministerium evaluiert wurde51. Nach offensichtlich positiver Begutachtung und königlicher Zustimmung erhielt die diplomatische Vertretung in Paris das Ernennungspatent für Weisweiler im Mai 185452. Der bayerische Diplomat stellte in diesem Fall den Kontakt zwischen dem potentiellen Konsul und seiner Regierung in München her. Vgl. [Minister des Äußern] an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 25. 11. 1868 und 26. 7. 1869, HHStA Ges. Paris 245 P 3, Zitat ibid. 47 Zu dieser österreichischen Doppelfunktion eines Generalkonsuls und Kommerzdirektors am Beispiel Istanbuls vgl. Kammerhofer, Das Konsularwesen, S. 18. 48 Zum österreichischen Konsularwesen, das ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend aus Wien normiert wurde, vgl. Kammerhofer, Das Konsularwesen. 49 Vgl. Klemens August Graf von Waldkirch an August Freiherr von Wendland, 12. 3. 1848, BayHStA Ges. Paris 1147. Zum bayerischen Konsularwesen und zu den genannten Reformbestrebungen vgl. Hetzer, Die bayerischen Konsulate, S. 144. 50 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an die Königliche Gesandtschaft in Paris, 11. 11. 1853, BayHStA Ges. Paris 1286; Hetzer, Die bayerischen Konsulate, S. 140. 51 Vgl. Ministerium des Königlichen Hauses und des Äußern an Königliche Gesandtschaft in Paris, 31. 1. 1854, BayHStA Ges. Paris 1286. 52 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an die Königliche Gesandtschaft in Paris, 11. 5. 1854, BayHStA Ges. Paris 1286. 46

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Ein Jahrzehnt später, im Jahr 1863, erhielt Salomon von Rothschild, ein Sohn von James, die Ernennung zum bayerischen Konsul in Paris53. Er starb jedoch wenige Monate später im Alter von nur 29  Jahren54. Rothschilds Nachfolge trat Friedrich Schwab, gebürtiger Bayer und ein seit 15  Jahren in Paris lebender Händler, im Jahr 1865 an55. Anhand seiner Dienstinstruktion aus München lässt sich ersehen, mit welchen eingeschränkten Handlungsspielräumen ein Konsul gegenüber Diplomaten zu Beginn seiner Tätigkeit und gegen Ende des Untersuchungszeitraums ausgestattet war56. Die ­Instruktion definiert seinen Wirkungsbereich, der sich nicht wie bei Diplomaten auf einen oder mehrere Staaten erstreckte, sondern vielmehr »zunächst auf die Stadt Paris, sodann auf alle diejenigen Theile Frankreichs, welche dieser Stadt näher liegen, als dem Sitze eines anderen k. Consulates«57. Darüber hinaus unterstand er dem bayerischen Diplomaten in Paris: Er hatte »den dienstlichen Weisungen der kgl. Gesandtschaft in Paris Folge zu leisten und sich allen denjenigen Geschäften zu unterziehen, welche ihm von derselben im Interesse des allerhöchsten Dienstes oder bayer. Unterthanen übertragen werden«58. Bei feierlichen Gelegenheiten war er außerdem gehalten, die Uniform eines Legationssekretärs zu tragen59. Er trat dadurch nach außen als Mitglied der diplomatischen Vertretung auf. Insgesamt zeichnete den bayerischen Konsul in Paris ein direktes Abhängigkeitsverhältnis zum Diplomaten aus. Die eindeutige Hierarchie am selben Ort stellte einen grundlegenden Unterschied zu bayerischen Konsuln etwa in Übersee dar, die Martin Ott untersucht hat: Ihm zufolge konnten Konsuln beispielsweise in New Orleans aufgrund eines entfernt agierenden Diplomaten einen diplomatenähnlichen Status annehmen60.

Vgl. Patent für Salomon von Rothschild in Paris von Maximilian II., 16. 12. 1863, BayHStA Ges. Paris 1286. 54 Vgl. Lottman, Utz, Die Rothschilds, S. 63. 55 Ein ausführlicher Lebenslauf von Friedrich Schwab findet sich in französischen Akten, da das französische Außenministerium infolge seiner Ernennung seine Tauglichkeit als Konsul routinemäßig überprüfen ließ: Préfet de la Seine an [französischen Außenminister], 10. 4. 1865, AMAE Protocole Série B 36. 56 Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an Friedrich Schwab, 25. 2. 1865, BayHStA Konsulat Paris 1. 57 Ibid. Sein unklarer Wirkungskreis jenseits der Hauptstadt zeigt, dass keine festen Bezirke bestanden. Vgl. dazu auch Hetzer, Die bayerischen Konsulate, S. 141. 58 Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an Friedrich Schwab, 25. 2. 1865, BayHStA Konsulat Paris 1. Zum unanfechtbaren Unterordnungsverhältnis zur Gesandtschaft vgl. Hetzer, Die bayerischen Konsulate, S. 141. 59 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an Friedrich Schwab, 25. 2. 1865, BayHStA Konsulat Paris 1. 60 Vgl. Martin Ott, Crossing the Atlantic. Bavarian Diplomacy and the Formation of Consular Services Overseas, 1820–1871, in: Mösslang, Riotte (Hg.), The Diplomats’ World, S. 381–405, hier S. 405. 53

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

Die Idee, ein preußisches Konsulat in Paris zu errichten, nahm im Jahr 1858 von Berlin aus Formen an. Der preußische Diplomat Hatzfeldt erhielt von dort über den Außenminister und auf Initiative des Handelsministers folgende Überlegung zur Stellungnahme: Nach dem Vorbild Londons sei die Einstellung eines kaufmännischen unbesoldeten Generalkonsuls in Paris aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Handelsbeziehungen angedacht61. Hatzfeldt reagierte ablehnend und argumentierte, dass im zentralistisch verwalteten Frankreich die Regierungsstellen, mit denen nur Diplomaten in Kontakt treten könnten, auch in Handelsfragen die wichtigsten Instanzen seien62. Nachdem mit diesem negativen Urteil offensichtlich weitere Bemühungen erst einmal eingestellt worden waren, gewann die Frage unter Hatzfeldts Nachfolger Pourtalès im Jahr 1860 wieder an Bedeutung. Unter ihm sollte Alphonse von Rothschild, ältester Sohn von James und Bruder von Salomon, auf Initiative seines Vaters zum preußischen Generalkonsul in Paris ernannt werden63. Pourtalès’ Nachfolger Goltz kritisierte jedoch, dass Rothschilds konsularische Tätigkeiten »gleich null« gewesen seien und forderte angesichts der feindlichen Haltung des Hauses Rothschild gegenüber Preußen im Krieg von 1866 seine Absetzung64. Erst mit dem Kriegsausbruch im Juli 1870 legte jener jedoch sein Amt als Konsul nieder65. Daraus lässt sich schließen, dass Alphonse von Rothschild als Nachfolger seines Vaters in der Führung des Pariser Bankhauses den Titel als preußischer Konsul behielt, solange er ihm nutzte. Der Hintergrund waren die staatlichen Geldgeschäfte des Bankhauses, die durch Kriege neue Wendungen erfuhren66. Rothschild blieb in den 1860er Jahren nicht der Einzige mit einem preußischen konsularischen Titel in Paris. Neben ihm als Generalkonsul erhielt Felix Bamberg im Jahr 1862 den Titel eines Vizekonsuls, der ein Jahr später in den eines Konsuls umgewandelt wurde67. Bamberg war Publizist und agierte vor allem in pressepolitischen Belangen zugunsten der preußischen Vertretung68. Im Hinblick auf die Pariser Weltausstellung von 1867 sollte er allerdings ausdrücklich von politischen Aufgaben entbunden werden, um sich Handelsfragen zu widmen69. Infolge der Entstehung des Vgl. Otto Theodor Freiherr von Manteuffel an Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt, 14. 2. 1858, PA AA Paris Nr. 399a. 62 Vgl. Promemoria, [um 1874], PA AA R 251836. 63 Vgl. ibid.; Édouard Thouvenel an Albert Alexander Graf von Pourtalès, 4. 7. 1860, PA AA Paris Nr. 399a. 64 Vgl. Promemoria, [um 1874], PA AA R 251836, Zitat ibid. 65 Vgl. ibid. 66 Zur Niederlegung des Amtes durch Alphonse von Rotschild infolge des Krieges vgl. Lottman, Utz, Die Rothschilds, S. 75. 67 Vgl. Otto von Bismarck-Schönhausen an Robert Heinrich Ludwig Graf von der Goltz, 4. 6. 1863, PA AA Paris Nr. 399a und Promemoria, [um 1874], PA AA R 251836. 68 Zu seinen pressepolitischen Aktivitäten vgl. Kap. 3.2.1. 69 Vgl. [Otto von Bismarck-Schönhausen] an Robert Heinrich Ludwig Graf von der Goltz, 19. 2. 1867, PA AA Paris Nr. 399a. 61

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Norddeutschen Bundes hatte das neue Bundeskonsulat in Paris außerdem Geschäfte von der Botschaft zu übernehmen, etwa als Auskunftsstelle für deutsche Kaufleute und Industrielle in Handelsfragen70. Zusammengenommen bleibt die tatsächliche Wahrnehmung konsularischer Aufgaben durch Rothschild und Bamberg für Preußen in Paris fragwürdig, da beide andere Schwerpunkte setzten. Die Ernennung eines Konsuls von Hessen-Darmstadt in Paris erfolgte im Jahr 1859 nach ausdrücklichen Bitten des dortigen Diplomaten Grancy, die er nach Darmstadt richtete, wo er Gehör fand: Ausschlaggebend war, dass er alleine in Paris für alle hessen-darmstädtischen Belange zuständig war und sich Unterstützung sowie einen möglichen Stellvertreter erhoffte71. August Ewald sollte diese Funktion übernehmen, da er als gebürtiger Hesse seit langem als Fabrikant in Paris ansässig war und ein eigenes Vermögen besaß. Seine Wahl fand sowohl auf hessen-darmstädtischer Seite als auch auf französischer Seite Zustimmung. Aus Darmstadt erhielt er seine Instruktion sowie ein von Großherzog Ludwig III. ausgestelltes Patent72. In Paris bat der Diplomat Grancy den französischen Außenminister Walewski mit der oben genannten Begründung darum, einen hessen-darmstädtischen Konsul im Allgemeinen und die Person Ewald im Besonderen zu akzeptieren, was jener mit dem Exequatur zuerkannte73. Das Patent und das Exequatur waren die beiden wichtigen Schriftstücke für die Ernennung eines Konsuls, die seine Anerkennung von beiden Seiten bezeugten74. Die Notwendigkeit von Ewalds Einsetzung und deren weitreichende Bedeutung zeigte sich besonders in den Momenten, in denen ein Diplomat des Großherzogtums in Paris fehlte. Während Grancys Abwesenheit im Herbst 1860 führte er zumindest die Kanzleigeschäfte weiter75. Als Konsul besaß er nicht wie Diplomaten die Berechtigung, in politischen Angelegenheiten aktiv zu werden. Als nach Grancys Tod im Jahr 1863 der Posten vakant war, kümmerte sich Ewald um seinen Nachlass; mit Amtsantritt von Grancys Nachfolger Wambolt setzte er Routineaufgaben wie beim Passwesen fort76. Ewalds Vgl. Maximilian Carl Alexander von Philipsborn an Carl Anton Philipp Freiherr von Werther, 29. 2. 1870, PA AA Paris Nr. 399a. 71 Vgl. [Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern] an [Großherzog von Hessen-Darmstadt], 21. 1. 1859, HStAD G 1 91/8. 72 Vgl. Patent für August Ewald von Ludwig III., 3. 6. 1859, HStAD G 1 91/8. 73 Vgl. Adolf Freiherr Senarclens von Grancy an Alexandre Walewski, 20. 4. 1859 und 21. 7. 1859, AMAE Protocole Série B 36, AMAE. 74 Zum Verfahren bei der Ernennung von Konsuln vgl. Martens, Guide diplomatique (1832), S. 229 f. 75 Vgl. Adolf Freiherr Senarclens von Grancy an Édouard Thouvenel, 17. 9. 1860, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 585. 76 Vgl. August Ewald an Großherzoglich Hessisches Ministerium des Äußern, 25. 10. 1863, HStAD G 1 74/2; Franz Freiherr Wambolt von Umstadt an [Reinhard von Dalwigk], 30. 1. 1864, HStAD G 1 74/2. 70

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

Tätigkeit endete erst im Jahr 1872, als sein Posten infolge der Reorganisation des Konsularwesens im Deutschen Kaiserreich aufgelöst wurde77. Im badischen Fall dominierte die ablehnende Haltung des Diplomaten Schweizer in Paris die Diskussionen in den 1860er Jahren darüber, ob dort ein Konsulat einzuführen sei. Schweizer lehnte noch im Jahr 1860 das Gesuch einer Privatperson in Paris, die um ihre Ernennung zum Konsul bat, ab und fand dafür Zustimmung in Karlsruhe78. Ein Jahr später erhielt er jedoch auf Initiative des badischen Handelsministeriums aus dem dortigen Außenministerium ein Gesuch, das um sein Gutachten zur Notwendigkeit eines Konsulats bat: Die Anfrage entspreche dem Wunsch vieler Handeltreibender nach einem eigenen Ansprechpartner in Paris, zumal der bevorstehende Handelsvertrag zwischen Frankreich und dem Deutschen Zollverein erhöhte grenzüberschreitende Aktivitäten erwarten ließe79. Schweizer reagierte mit einer negativ urteilenden Antwort, die, wie er betonte, auf seiner fast 30-jährigen Erfahrung als badischer Diplomat in Paris fuße80. Zunächst verwies er darauf, dass während seiner Zeit in der französischen Hauptstadt nie »wirklich bedeutende Handelsbeziehungen zwischen Paris und dem Großherzogthum bestanden hätten« und eine dahingehende Änderung durch den Handelsvertrag »abzuwarten« sei81. Es folgte seine Einschätzung der Konsulate anderer deutscher Staaten in Paris, denen er weitgehende »Wirkungslosigkeit« bescheinigte: Es gehe dort hauptsächlich um »Titel, Uniform und Aussicht auf Ehrenzeichen« und insbesondere bei Rothschilds sei »keine große individuelle Thätigkeit« gegeben82. Abschließend bestand er darauf, dass alle potentiellen konsularischen Aufgaben wie der »Schutz der Landsleute«, die »Jurisdiction jeder Art« oder das »Paßwesen« von Diplomaten ausgeführt werden müssten83. Falls der Handelsvertrag neue Herausforderungen mit sich bringe, sollten jene am ehesten von einem gemeinsamen Konsul des Deutschen Zollvereins übernommen werden84. Insgesamt sah Schweizer in dem Handelsvertrag keine entscheidende Neuerung, die das Bedürfnis nach einem badischen Konsul in Paris gerechtfertigt hätte, sondern vielmehr Gefahr für seinen eigenen Kompetenzbereich. Der Anlass für die Anfrage aus Karlsruhe war der preußisch-französische Handelsvertrag von 1862 gewesen, der zugleich den Deutschen Zollverein er Vgl. August Ewald an Friedrich von Lindelof, 5. 6. 1872, HStAD G 1 91/8. Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Anton Stabel, 28. 7. 1860, GLA 48/3206; Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten an Gesandtschaft in Paris, 4. 8. 1860, GLA 48/3206. 79 Vgl. [Ministerium des Großherzoglichen Hauses und der Auswärtigen Angelegenheiten] an [Gesandtschaft in Paris], 17. 6. 1861, GLA 48/3206. 80 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Franz Freiherr von Roggenbach, 10. 7. 1861, GLA 48/3206. 81 Ibid. 82 Ibid. 83 Ibid. 84 Ibid. 77 78

3.1  Sachgebiete aushandeln

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neuern sollte85. Im Deutschen Zollverein, der seit 1834 existierte und dezentral von Beamten geführt wurde, hatten sich seine souveränen Mitgliedsstaaten in Zoll- und Handelsfragen zusammengeschlossen. Seine Basis stellten zeitlich befristete zwischenstaatliche Verträge dar, wobei Preußen ihre Verlängerung nun an die Annahme des neuen Abkommens mit Frankreich durch die anderen Zollvereinsmitglieder band86. Abgesehen von der Organisationsstruktur des Vereins ist es wichtig festzustellen, dass es Beamte des Zollvereins gab, die überstaatlich agierten und in den 1850er und 1860er Jahren zunehmend national dachten87. Der gesamtdeutsche Charakter des Zollvereins machte es für Schweizer möglich, einen einzigen Konsul in Paris vorzuschlagen88. Wie Markus Mößlang für britische Diplomaten an deutschen Standorten untersucht hat, sahen sich Diplomaten mit ab 1860 geschlossenen zwischenstaatlichen Handelsabkommen in diesen Bereich involviert89. Insofern war der preußisch-französische Vertrag ein Ausdruck wachsender westeuropäischer Zusammenarbeit in Handelsfragen, mit der sich der badische Diplomat Schweizer konfrontiert sah und welcher die Anfrage aus dem badischen Handelsministerium rechtfertigte. Beigelegt war die Frage nach einem Konsulat nach Schweizers negativem Urteil nicht, da weiterhin Gesuche von Privatpersonen eintrafen und Kandidaten für das Amt zur Diskussion standen, zu denen er Stellung beziehen musste90. Er wich allerdings weiterhin nicht von seiner ablehnenden Grundhaltung ab. Im Gegensatz zu den anderen betrachteten deutschen Staaten sollte Baden während des Untersuchungszeitraums keinen eigenen Konsul in Paris ernennen. Zum Deutschen Zollverein vgl. Marko Kreutzmann, Die höheren Beamten des Deutschen Zollvereins. Eine bürokratische Funktionselite zwischen einzelstaatlichen Interessen und zwischenstaatlicher Integration 1834–1871, Göttingen 2012. 86 Diese Forderung war problematisch, weshalb der preußisch-französische Handelsvertrag von 1862 eine »Zollvereinskrise« verursachte. Zu ihren Hintergründen vgl. Kreutzmann, Die höheren Beamten, S. 181–199. 87 Auslöser waren vor allem die zunehmenden preußisch-österreichischen Rivalitäten um die deutsche Vorherrschaft, wobei Österreich nicht Mitglied des Deutschen Zollvereins war. Zur Bedeutung der Beamten des Zollvereins im Nationsbildungsprozess nach 1848 vgl. Kreutzmann, Die höheren Beamten, S. 216–219. 88 Schweizer war mit seiner Forderung nach Zollvereins-Konsuln nicht allein. Die mehrfachen Versuche ihrer Etablierung, vor allem im Zuge der Entstehung des Norddeutschen Bundes, scheiterten jedoch. Vgl. Inge Bianka von Berg, Die Entwicklung des Konsularwesens im Deutschen Reich von 1871 bis 1914 unter besonderer Berücksichtigung der außenhandelsfördernden Funktionen dieses Dienstes, Diss. Univ. Köln (1995), S. 7. 89 Der Cobden-Vertrag zwischen England und Frankreich war bereits 1860 abgeschlossen worden. Vgl. Markus Mösslang, »Side by Side with Sound Commercial Principles«. Deutscher Zollverein und deutsche Nation in der Wahrnehmung britischer Diplomaten, in: Hans-Werner Hahn, Marko Kreutzmann (Hg.), Der Deutsche Zollverein. Ökonomie und Nation im 19. Jahrhundert, Köln u. a. 2012, S. 229–254, hier S. 249. 90 Ein Beispiel ist die Frage der Ernennung von Jacques Reinach zum Konsul in den Jahren 1865 und 1866. Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Franz Freiherr von Roggenbach, 2. 4. 1865, 9. 4. 1865 und 19. 4. 1866, GLA 48/3206. 85

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

Wie lässt sich die Entstehung des deutschen Konsularstandorts Paris im Wechselspiel mit der Diplomatie zusammenfassend charakterisieren? Ein Bedürfnis nach eigenen Konsuln in Paris entstand dadurch, dass sich der zwischenstaatliche Handel ab Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr auf Hafenstädte konzentrierte, sondern insgesamt und insbesondere in der französischen Hauptstadt einen aufkommenden Sektor darstellte91. Davon zeugen die Pariser Weltausstellung von 1867, die zahlreiche Händler anzog, sowie der preußisch-französische Handelsvertrag von 1862. In den deutschen Staaten entstanden zudem Handelsministerien und der Deutsche Zollverein fungierte als zwischenstaatlicher Zusammenschluss in Zoll- und Handelsfragen. Hauptstädte wurden als Standorte für Konsulate relevant, wobei London Vorbildcharakter besaß. Die Ausgangssituation für Konsuln war grundsätzlich eine andere als für Diplomaten. Erstere waren in der Regel vor Ort langjährig ansässige, immigrierte Händler, die sich nebenberuflich zugunsten Angehöriger aus ihrer Herkunftsregion zu engagieren beabsichtigten. Auffällig ist die vorstehende dreimalige Nennung des Namens Rothschild: Vater James war für Österreich, seine Söhne Alphonse waren für Preußen sowie Salomon für Bayern tätig. Die gehäufte und unterschiedliche Titelvergabe an die jüdische Bankiersfamilie lag in ihrer Herkunft und ihrer aufsteigenden Bedeutung im 19. Jahrhundert begründet: Als Bankhaus in Frankfurt am Main ansässig, bildete es europaweite Zweige wie in Paris unter Familienführung aus und stieg zum größten Geldinstitut auf dem Kontinent auf, indem es unter anderem Staaten finanzierte92. Konsulate in anderen französischen Städten, die schon länger bestanden und mit denen die Diplomaten in Paris gleichfalls in Kontakt standen, sind zugunsten der Untersuchung des neuen Konsularstandorts Paris, der die direkte Auseinandersetzung mit den Diplomaten vor Ort mit sich brachte, hier nicht Gegenstand der Untersuchung. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass im Untersuchungszeitraum die Standorte Le Havre als Auswandererhafen in die Vereinigten Staaten von Nordamerika und das nordafrikanische sowie ab 1830 französische Algier, in das deutsche Auswanderer über Frankreich abgeworben wurden, eine neue, hervorgehobene Bedeutung erlangten. Zur letztgenannten Auswanderungsbewegung vgl. Kurt Hochstuhl, Die badische Auswanderung nach Algerien. Auswandererbriefe aus Afrika, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 155 (2007), S. 333–392. Die Verbreitung von deutschen Konsulaten in Frankreich zeigt sich zum Beispiel darin, dass 1858 preußische Konsuln in folgenden Orten tätig waren: Paris, Dunkerque, Calais, Caen, Abbeville, Saint-Valery-sur-Somme, Dieppe, Rouen, Cherbourg, Le Havre, Boulogne-sur-Mer, Brest, Nantes, Noirmoutiers, Saint-Martin, Île d’Oléron, La Rochelle, Rochefort, Lorient, Saint-Malo, Bordeaux, Montpellier, Sète, Marseille, Toulon und Algier. Vgl. Annuaire diplomatique de l’Empire français pour l’année 1858, publié d’après les documents communiqués par le ministère des Affaires étrangères, Straßburg, Paris 1858, S. 67. 92 Zur Bankiersfamilie Rothschild mit einem Fokus auf dem Pariser Zweig vgl. Lottman, Utz, Die Rothschilds. 91

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Die Familienangehörigen verstanden sich infolgedessen je nach Generation sowie Herkunfts- und Wohnort als Weltbürger und Nationsangehörige93. Darüber hinaus bewarben sich potentielle Konsuln vorrangig selbst um das Amt, indem sie Gesuche an staatliche Stellen, darunter diplomatische Vertretungen, richteten. Die gängige Praxis von Einzelfallentscheidungen führte dazu, dass in Paris zunächst weniger das Konsulat als neue Einrichtung, sondern vielmehr einzelne Personen mit dem Titel als Konsul gewürdigt wurden. Insofern galt es nicht einen feststehenden Posten wie die Leitung einer diplomatischen Vertretung immer wieder neu zu besetzen. Somit lassen sich Mehrfachernennungen oder lückenhafte Besetzungen erklären. Institutionalisierungsversuche gab es erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts, indem Reformen aus den Außenministerien und auf Initiative der Handelsministerien angestoßen wurden. Die Grundlage bei der Ernennung waren die Instruktionen, das Patent und das Exequatur. In Paris gab es Generalkonsule und Konsule, die diese Funktion meist unentgeltlich ausübten. Insgesamt blieb der Status als Konsul allerdings facettenreich und weitgehend unreguliert94. Bei der Aufgabenzuteilung war maßgeblich, dass Konsuln für Handelsfragen in einem begrenzten Gebiet, hier der Hauptstadt Paris, zuständig waren, während Diplomaten den politischen Vertretungsanspruch für einen Staat besaßen. In der Praxis ergab sich gleichwohl ein großes Aufgabenspektrum für Konsuln. Sie übernahmen Kanzleiaufgaben, bearbeiteten Rechtsfragen sowie vornehmlich das Passwesen und unterstützten dadurch ihre Landsleute vor Ort. Gleichzeitig wurde kritisiert, dass sie keine konsularischen Tätigkeiten ausübten, sondern allein auf den Titel bedacht seien. Die konsularischen Kompetenzbereiche führen zu der Frage, wie sich die deutschen Diplomaten in Paris ihnen gegenüber verhielten. Der hessen-darmstädtische Diplomat Grancy sah die Ernennung von August Ewald zum Konsul als willkommene Unterstützung an. In seinem Fall lag der Fokus darauf, Landsleute vor Ort zu unterstützen, wofür ein Konsul hilfreich war. Ansonsten dominierte bei den Diplomaten Ablehnung und Zurückhaltung gegenüber Vorstößen, eigene Konsulate in Paris zu errichten. Ihre Furcht davor, eigene Kompetenzen zu verlieren, äußerte sich vorrangig darin, sich auf ihr Monopol bei Vertretungsansprüchen zu berufen und die Untätigkeit mancher Konsuln zu betonen. Gleichzeitig wirkten sie dadurch am Entstehungs-

Zu diesem Selbstverständnis vgl. Rainer Liedtke, N M Rothschild & Sons. Kommunikation im europäischen Bankenwesen des 19. Jahrhunderts, Köln u. a. 2006, S. 30 f. 94 Konsularische Ränge, wie für Diplomaten infolge des Wiener Kongresses von 1815 festgelegt, wurden bspw. erst mit der Wiener Konvention von 1963 definiert. Vgl. Halvard Leira, Iver Neumann, Judges, Merchants and Envoys. The Growth and Development of the Consular Institution, in: Dies. (Hg.), International Diplomacy. Diplomatic Institutions, Los Angeles u. a. 2013, Bd. 1, S. 113–131, hier S. 114. 93

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

prozess von Konsulaten in Paris mit, dass sie den Kontakt zu den Kandidaten besaßen und ihre Notwendigkeit begutachteten. Inwieweit stellten die Reibungen zwischen Diplomaten und Konsuln in Paris nur ein Übergangsphänomen dar? An der Wende zum 20. Jahrhundert entstanden in Handelsattachés Spezialisten innerhalb einer diplomatischen Vertretung, die zur weiteren Ausdifferenzierung beitrugen und dem Bedürfnis nach Expertise nachkamen95. Für das Verhältnis zwischen Diplomaten, Handelsattachés und Konsuln bedeutete dies, dass die Spezialisierung weiter voranschritt. 3.1.3 Etablierung von Militärattachés: die schwierige Verzahnung von Kriegs- und Außenpolitik Abgesehen von Konsuln sahen sich die Diplomaten in Paris nun mit dem neuen Typus des Militärattachés konfrontiert. Es handelte dabei sich um Offiziere, die dauerhaft den diplomatischen Vertretungen angehören sollten, um von dort regelmäßig über das militärische Geschehen zu berichten. Dadurch, dass sie neu waren, mussten die Kompetenzgrenzen zwischen ihnen und den Diplomaten erst ausgelotet werden; dies betraf das Verhältnis zwischen Militär und Diplomatie sowie allgemeiner die Verzahnung von Kriegs- und Außenpolitik. Dieser Vorgang war problematisch und traf im Kern die Frage nach der Stellung der Militärattachés. Der preußische Gesandte Hatzfeldt brachte sie im Jahr 1852 hinsichtlich der Position des Hauptmanns Loos in Paris wie folgt auf den Punkt: »Ich glaube, daß wenigstens officiell nicht zugegeben werden darf, daß der g[enannte] von Loos etwas anderes sei, als ein diplomatischer Attaché, der zufällig Militair ist und in der Armee fortavancirt«96. Militärattachés waren im Ausland in Kontakt mit Personen und Informationen, die als besonders vertraulich einzustufen waren, weshalb sie oft dem Verdacht der Spionage unterlagen. Deshalb zog Hatzfeldt es in Betracht, ihren Status zu verschleiern. Gleichzeitig deutet er an, dass Militärattachés einer doppelten Zugehörigkeit gerecht werden mussten, die nach außen hin eine Tarnung ermöglichte, aber auch –  nach innen gewendet  – den Ursprung für Kompetenzkonflikte bildete. Einerseits hatten Militärattachés alltäglichen Umgang mit Diplomaten, da sie mit ihnen unter einem Dach arbeiteten und als Angehörige der Vertretung galten, weshalb jene über ihre Tätigkeit informiert sein wollten. Andererseits waren sie Offiziere, die nicht wie die Diplomaten dem Außen-, sondern dem Kriegsministerium unterstanden und ihre Berichte dorthin sandten. Nach einer Skizze der militärischen Entwicklungstendenzen folgen die Fallbeispiele für Preußen, Zur Entstehung von Handelsattachés vgl. Jan Melissen, Introduction: The Consular Dimension of Diplomacy, in: Ders., Ana Mar Fernández (Hg.), Consular Affairs and Diplomacy, Leiden u. a. 2011 (Diplomatic Studies, 7), S. 1–17, hier S. 9; Aballéa, Un exercice, S. 287–290; Allain, Badel, L’apparail diplomatique, S. 501. 96 Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Otto Theodor von Manteuffel, 20. 2. 1852, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 95

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Österreich und Bayern, da Militärattachés vorrangig von großen Staaten eingesetzt wurden. Im bayerischen Fall handelte es sich allerdings nur um einen kurzfristigen Versuch, sie zu etablieren; in Baden und Hessen-Darmstadt sind sie nicht bekannt. Die bisherige Forschung konzentriert sich auf einzelstaatliche Entwicklungen in Aufsatzform und ist überwiegend älteren Datums. Sie betont gleichwohl oft die schwierige Position von Militärattachés zwischen militärischen und diplomatischen Belangen. Paris kommt dabei aufgrund seines Pioniercharakters im preußischen Fall eine gewisse Bedeutung zu, ohne dass aber bisher genauer auf die Entstehungsprozesse eingegangen wurde. Im 19. Jahrhundert entwickelten sich die Waffentechnik sowie die Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten entscheidend weiter: Diplomaten besaßen als Generalisten die wichtiger werdenden militärischen Fachkenntnisse nicht zwangsläufig und die schnelleren möglichen Truppenbewegungen bedurften der zusätzlichen Beobachtung der Armee, sodass Militärattachés dem Bedarf nach Spezialisierung nachkamen97. Ihre Expertise gewann in den Momenten an Relevanz, in denen militärische (Vorsorge-)Maßnahmen gegenüber fremden Übergriffen als unabdingbar galten. Deshalb entsprach ihre Entstehung und Verbreitung der Bedeutung des Militärs für die Außenbeziehungen, die maßgeblich vom Ausmaß und Umgang mit Krieg und Frieden geprägt war98. Die Idee, diplomatischen Vertretungen dauerhaft Militärs beizugeben, entstand in der napoleonischen Zeit, die von umfangreichen Kriegserfahrungen gekennzeichnet war und dem Militärischen eine besondere Bedeutung beimaß99. Die Versuche, Militärattachés zu etablieren, blieben jedoch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts unsystematisch. Das infolge des Wiener Kongresses von 1815 etablierte Europäische Konzert ging mit der Grundidee der kollektiven Sicherheit einher und bot in vergleichsweise kriegsarmen Zeiten kaum Anlass zu militärischen Aufrüstungen100. Ein Beweggrund waren jedoch Revolutionen: Eine gleichfalls singuläre Erscheinung stellt der preußische Fall dar: Die Ernennung von Cler zum Militärattaché in Paris infolge Vgl. Gordon Alexander Craig, Military Diplomats in the Prussian and German Service. The Attachés 1816–1914, in: Political Science Quarterly 64 (1949), S. 65–94, hier S. 66; Heinrich Otto Meisner, Militärattachés und Militärbevollmächtigte in Preußen und im Deutschen Reich. Ein Beitrag zur Geschichte der Militärdiplomatie, Berlin 1957 (Neue Beiträge zur Geschichtswissenschaft, 2), S. 8; Regele, Die Entwicklung, S. 301. 98 Krieg und Frieden sind als komplementäre Zustände in der Figur des Diplomaten bzw. des Soldaten verkörpert oder gespiegelt. Vgl. dazu Raymond Aron, Paix et guerre entre les nations, Paris 1962, S. 17 f. 99 Vgl. Alfred Vagts, The Military Attaché, Princeton 1967, S.  15 f.; Manfred Messerschmidt, Die politische Geschichte der preußisch-deutschen Armee, München 1975, S.  327; Marie-Pierre Rey, Diplomatie et diplomates sous le règne d’Alexandre Ier, in: Yves Bruley, Thierry Lentz (Hg.), Diplomaties au temps de Napoléon, Paris 2014, S. 305–316, hier S. 311. 100 Zur Bedeutung des Militärischen in den internationalen Beziehungen vor und ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 160 f. 97

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der Julirevolution von 1830 gilt als erste ihrer Art überhaupt101. Die Institutionalisierung von militärischen Experten in diplomatischen Vertretungen setzte in mehreren großen europäischen Staaten erst ab den 1850er Jahren ein. Ab diesem Zeitpunkt fand eine »Aufwertung des Militärischen« in den zwischenstaatlichen Beziehungen statt, weil realpolitische Vorstellungen und nationalstaatliche Interessen an Bedeutung gewannen102. Der Bedarf an militärischen Vorkehrungen stieg und der erstmalige Einsatz von Militärattachés hing oftmals mit Kriegsausbrüchen auf dem europäischen Kontinent zusammen: Der erste österreichische Militärattaché kam im Jahr 1859 anlässlich der italienischen Einigungskriege nach Paris103. Militärattachés waren außerdem Elemente des sich wandelnden Verhältnisses von Politik und Militär im 19. Jahrhundert, weil sich ihre Einbindung in den sich erst ausbildenden Staatsdienst vollzog. Als Offiziere befanden sie sich in einer ähnlichen Situation wie Diplomaten. Sie standen in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis zum monarchischen Souverän, das im Untersuchungszeitraum von zentraler Bedeutung blieb. Die Fokussierung auf den Monarchen lockerte sich jedoch zunehmend zugunsten neuer bindender staatlicher Instanzen: Kriegsministerien als Fachressorts entstanden, Offiziere mussten einen Eid auf die Verfassung, die sich die zunehmend konstitutionell verfassten Staaten gaben, schwören104. Diplomaten und Militärattachés erprobten ihre Koexistenz innerhalb einer Vertretung am Standort Paris, als dort von preußischer Seite die erstmalige Ernennung eines Militärattachés erfolgte. Der preußische Hauptmann Cler befand sich nach seiner Teilnahme am französischen Algerienfeldzug im Sommer 1830 in Paris, wo die Julirevolution den Anlass bot, die militärischen Maßnahmen in Frankreich in der Folge dauerhaft im Blick zu behalten105. Er war in einem Krisenmoment am entscheidenden Ort und besaß die notwen-

Vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S. 143; Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 379; Anderson, The Rise, S. 129; Vagts, The Military Attaché, S. 19. 102 Vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 161, Zitat ibid. 103 Vgl. Vagts, The Military Attaché, S. 24. Großbritannien ernannte seinen ersten Militärattaché während des Krimkriegs im Jahr 1855. Vgl. Lothar Hilbert, L’origine du service des attachés militaires en Grande-Bretagne, 1855–1874, in: Revue d’histoire diplomatique 65 (1961), S. 155–160, hier S. 155. Frankreichs erster Militärattaché wurde im Jahr 1860 entsandt, vgl. Allain, Badel, L’apparail diplomatique, S. 499. 104 Zum Verhältnis von Militär und Staat im 19. Jahrhundert vgl. Ralf Pröve, Militär, Staat und Gesellschaft im 19. Jahrhundert, München 2006 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 77), v. a. S.  27 und 31; ferner zur rechtlichen Stellung von bayerischen Offizieren und ihrem militärischen Verfassungseid vgl. Gundula Gahlen, Das bayerische Offizierskorps 1815–1866, Paderborn u. a. 2011, S. 115–122. 105 Zur Beunruhigung, die die Julirevolution 1830 in Europa hervorgerufen hatte, vgl. Kap. 5.2. 101

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digen Erfahrungen und Kontakte zu französischen Militärkreisen, um dort seine neue Aufgabe auszuführen. Sie lautete auf königlichen Befehl wie folgt: Er wird durch die Militär-Behörde angewiesen werden, über die oben erwähnten Verhältnisse [militärische Veränderungen] besondere Berichte zu erstatten, welche er indessen offen an den Gesandten einzureichen hat, durch den sie, mit den übrigen Berichten, auf dem gewöhnlichen Wege zu mir gelangen. Sie haben hiernach das Nöthige an die Gesandtschaft zu erlassen, welche dabei mit der gehörigen Vorsicht verfahren wird106.

Die von Cler zu erstellenden Berichte sah erst der Diplomat in Paris ein; sie sollten anschließend denselben Weg wie die diplomatischen Berichte nach Berlin nehmen. So schienen die Anfänge seiner Tätigkeit unproblematisch. Jedenfalls sandte der preußische Diplomat Werther in Paris die ersten Berichte von Cler mit seinem persönlichen Anschreiben dorthin, womit er selbst die Oberhand über die preußische Berichterstattung aus Paris behielt107. Clers Ansprechpartner in Berlin war die »Militär-Behörde«, wobei sich mit der Zeit ausbildete, dass Militärattachés den Generalstabschef als ihren Vorgesetzten sowie das im Jahr 1809 entstandene Kriegsministerium und das Militärkabinett als ihre höchsten Dienstbehörden betrachteten108. Dadurch bestand für ihn – zusätzlich zum Außenministerium – ein dreifaches Abhängigkeitsverhältnis gegenüber militärischen Einrichtungen in der preußischen Hauptstadt. Inhaltlich reichten Clers Berichte von Angaben über Truppenbewegungen vor allem in Grenzregionen über Berechnungen der Armeestärke bis hin zu Ausführungen über Gesetzesvorhaben mit Militärbezug109. Außerdem unternahm Cler jährlich im Sommer eine bis zu zwei Monate dauernde Reise durch Frankreich. Er deckte Themen ab, die in Friedenszeiten nicht im Fokus der diplomatischen Berichterstattung standen und die zudem besondere Informationskanäle erforderten. Seine Berichterstattung lebte von äußerst sensiblen Informationen, weshalb er neben seinem Sitz in der preußischen Gesandtschaft mehrmals private Räumlichkeiten hatte anmieten müssen, »weil viele Personen, mit welchen er im Interesse seiner Leistungen in Berührung kommen müsse, aus sehr natürlichen Gründen sich scheuten das Gesandtschafts-Hotel zu betreten«110. Die genannte Begründung lieferte er über den preußischen Diplomaten nach Berlin, um entstandene Zusatzkosten erstattet zu bekommen. Sie lässt erah Friedrich Wilhelm III. an Christian Günther Graf von Bernstorff, 28. 8. 1830, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 107 Vgl. Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther an Christian Günther Graf von Bernstorff, 21. 10. 1830, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4844. 108 Zur militärischen Behördenorganisation in Preußen vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 380; Meisner, Militärattachés und Militärbevollmächtigte, S. 53 f. 109 Clers Berichte sind in einer Akte erhalten: GStA PK III. HA MdA I Nr. 4978. 110 Leopold Hermann Ludwig von Boyen an Heinrich von Bülow, 17. 5. 1842 und 23. 8. 1843 (Zitat ibid.), GStA PK III. HA MdA I Nr. 4844. 106

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nen, welche Sicherheitsvorkehrungen und Netzwerke vor Ort notwendig waren, um an Informationen zu gelangen. Gleichzeitig schlagen sich derartige informelle und geheime Begegnungen kaum im offiziellen Schriftwechsel nieder. Wesentliche Vorgänge über die Arbeitsweise des Militärattachés Cler können daher aus Mangel an Quellen hier nicht untersucht werden. Hatten sich die ersten Jahre seit Clers Tätigkeitsbeginn in Paris zwischen den Diplomaten und ihm offensichtlich weitgehend kooperativ in demselben Gebäude abgespielt, so kam es mit dem Amtsantritt des Diplomaten Arnim in Paris im Jahr 1846 zum offenen Konflikt. Der Auslöser war, dass Arnim ein angeblich unzureichend adressiertes Paket für Cler geöffnet hatte, letzterer schloss eine ungenügende Kennzeichnung aus111. Das Verhältnis war zudem bereits vorher angespannt gewesen, seitdem Arnim versucht hatte, mit seiner Ankunft die gesamten Räume im Gesandtschaftspalais für seine Familie, seine Privatbediensteten und sich selbst zu reklamieren: Cler hatte infolgedessen seine Wohnung dort aufgegeben und nur sein Büro behalten112. Es kam nun erneut zu einer heftigen Auseinandersetzung, die in gegensätzlichen Darstellungen der beiden festgehalten ist und während welcher Arnim mit Clers Abberufung gedroht haben soll113. Die Angelegenheit landete beim Außen- und beim Kriegsminister und bot für letzteren die Gelegenheit, die Existenz eines Militärattachés an sich zu bestätigen. Auf der Sachebene argumentierte er vor allem, dass Clers Beobachtungen zum französischen Armeeverhalten in den Grenzregionen Lothringen und Elsass unabdingbar seien und von keinem Diplomaten zusätzlich geleistet werden könnten. Sein Kollege im Außenressort beendete den Streit schließlich ohne negative Konsequenzen für den Militärattaché-Posten114. Abgesehen von den persönlichen Differenzen und der erstrebenswerten vertrauensvollen Zusammenarbeit zeigt der Vorfall, dass die Position des Militärattachés auch 16 Jahre nach ihrer Einführung noch der Rechtfertigung bedurfte. Der Tod von Cler im März 1848 stellte daher eine Zäsur dar, weil die von ihm ausgefüllte Stelle nicht nur wieder besetzt, sondern auch neu geregelt werden musste. Es offenbarte sich, wie sehr Clers 18-jährige Tätigkeit als Militärattaché in Paris von seinen persönlichen Voraussetzungen abhängig gewesen war, auf die ein neu angereister preußischer Offizier nicht aufbauen konnte. Während Cler vor Ort inkognito gelebt hatte und aufgrund seiner vielfältigen Beziehungen in Frankreich keine Probleme bei der Informationsbeschaffung gehabt hatte, bat sein Nachfolger Loos darum, seine militärische Vgl. Heinrich Alexander Freiherr von Arnim-Suckow an Carl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz, 16. 8. 1846, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844; Ignaz Heinrich Freiherr von Cler an Carl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz, 21. 8. 1846, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 112 Vgl. ibid. Zur Wohnungssituation vgl. Kap. 4.1. 113 Vgl. Ignaz Heinrich Freiherr von Cler an Carl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz, 21. 8. 1846, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 114 Vgl. Leopold Hermann Ludwig von Boyen an Carl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz, 16. 9. 1846 und 29. 10. 1846, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 111

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Zugehörigkeit offiziell zeigen zu dürfen, etwa durch das Tragen einer Uniform, um leichter Kontakte knüpfen zu können115. Sein Anliegen fand keine Zustimmung, vor allem mit der Begründung, dass aus Gründen der Reziprozität in Berlin ebenfalls ein französischer Militär offiziell hätte akzeptiert werden müssen und damit der geheime Charakter seines Amtes abhanden gekommen wäre116. Stattdessen entstand – einer Empfehlung des Gesandten Hatzfeldt folgend – eine Übereinkunft, die in den künftigen Instruktionen an seine Amtsnachfolger enthalten war und den eingangs zitierten Schlüsselsatz beinhaltete: Der Militärattaché sollte sich als Offizier, der in den diplomatischen Dienst gewechselt sei, ausweisen117. Allerdings machte der Militärattaché Hanenfeldt ein Jahr nach der Vereinbarung deutlich, dass er darüber hinaus beim Knüpfen von Kontakten Unterstützung durch die Gesandtschaft benötige118. Der Gesandte Hatzfeldt antwortete daraufhin zurückhaltend, dass er grundsätzlich bei der Anbahnung »allgemeiner geselliger Verbindungen« helfen, aber keine besonderen Empfehlungen aussprechen könne119. Die Instruktion räumte somit nicht alle Schwierigkeiten aus, die mit dem verschwiegenen Charakter der Tätigkeit zusammenhingen. Darüber hinaus regelte sie nicht nur das öffentliche Auftreten der Militärattachés. Im ganzen Wortlaut umfasste die preußische Militärattaché-Instruktion, wie sie beispielsweise Burg zu seinem Amtsantritt in Paris im Jahr 1867 erhielt, folgende Bestimmungen: Sie haben sich im Allgemeinen stets nur als ein in den diplomatischen Dienst übergetretener, jedoch der Armee noch angehöriger Offizier zu geriren. Es ist Ihnen gestattet, bei festlichen Gelegenheiten als Mitglied der Königlichen Botschaft, im Gefolge des Chefs derselben, Ihre Uniform anzulegen und im geselligen Verkehr Ihren militairischen Charakter insoweit geltend zu machen, daß Sie Ihre Eigenschaft als Offizier nicht zu verheimlichen brauchen; jedoch haben Sie mit der größten Vorsicht alle Schritte und Beziehungen zu vermeiden, die Ihre Stellung kompromittiren könnten. Aus Vorstehendem ergiebt sich von selbst, daß Sie als Attaché der Botschaft dem Herrn Botschafter untergeordnet sind und keine selbstständigen Verbindungen mit französischen Militairbehörden offiziell anknüpfen dürfen; daß Ihre Berichte durch die Hand des Botschafters gehen müssen und Sie sich in Ihren Berichten auf die militairischen Gegenstände zu beschränken haben, sofern diese nicht mit politischen Gegenständen in näherem Zusammenhange stehen, in welchem letzteren Falle das politische Gebiet nicht ganz auszuschließen ist120.

Vgl. Arnim an Otto Theodor von Manteuffel, 25. 1. 1852, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 116 Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Otto Theodor von Manteuffel, 20. 2. 1852,GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 117 Vgl. ibid.; Arnim an Otto Theodor von Manteuffel, 17. 3. 1852, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 118 Vgl. Karl Konrad Ludwig von Hanenfeldt an Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt, 10. 2. 1853, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844. 119 Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Otto Theodor Freiherr von Manteuffel, 25. 2. 1853, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4844, Zitat ibid. 120 Vgl. Albrecht Theodor Emil Graf von Roon an Ernst Engelbert Oskar Wilhelm von Burg, 18. 3. 1867, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4846. 115

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Die Instruktion betont ferner das Abhängigkeits- und Unterordnungsverhältnis von Militärattachés gegenüber Diplomaten und definiert Kompetenzbereiche, indem sie auf dem Hoheitsrecht von letzteren über offizielle und politische Angelegenheiten insistiert. Die Dienstinstruktion, die sich durch die notwendige Nachfolgeregelung von Cler ausbildete, war das neue wichtige Dokument, das den Militärattaché-Posten verstetigte und die nun häufiger wechselnden Militärattachés anleitete121. Sie definierte ihre Stellung und ihre Aufgaben so klar wie nötig und blieb so vage wie möglich. Einen besonderen Einblick in die Tätigkeit eines Militärattachés sowie seinem Verhältnis zu Diplomaten gewähren schließlich die autobiographischen Aufzeichnungen von Loë. Er verbrachte zunächst als Neffe des Gesandten Hatzfeldt die Jahre 1852/1853 in Paris, wo er für ihn verschiedenste Aufgaben, darunter mit Militärbezug, erledigte122. Dorthin kehrte er zehn Jahre später zurück, um unter dem Diplomaten Goltz von 1863 bis 1867 als Militärattaché zu fungieren. Auffällig ist, wie sehr er sein freundschaftliches Verhältnis zu Goltz betont: Auf diesem Wege [dem Botschafter seine Schriftstücke zu zeigen] gelang es mir, das volle Vertrauen des Botschafters mir während meiner ganzen Kommandozeit zu erhalten; und wenn es mir vergönnt war, auch die Allerhöchste Zufriedenheit zu erwerben und zu bewahren, so war das Vertrauen des Botschafters, der mir bis zu seinem Tode nahe befreundet geblieben ist, der Hauptfaktor dieses Erfolges123.

Das Vorlegen seiner Schreiben stellte er als gemeinsame Vertrauensbasis dar, obgleich er dazu nicht verpflichtet gewesen sei, da er als abkommandierter Flügeladjutant direkt dem König und nicht dem Diplomaten unterstellt gewesen sei124. Demgegenüber soll er laut einem Schreiben aus Berlin damit begonnen haben, seine Berichte nicht mehr »durch die Hand des Königlichen Botschafters« gehen zu lassen und an den preußischen König zu senden, was auch den Außenminister ausschloss125. Festzustellen ist, dass Loë seine Privilegien als Nach Cler folgten als preußische Militärattachés in Paris: Loos (1848–1852), Hanenfeldt (1852–1854), Loë (1852–1853), Croy-Dülmen (1853–1854), Tresckow (1854–1856), Reuss (1855–1857), Thile (1856–1860), Kaminski (1860–1863), Loë (1863–1867) und Burg (1867–1870). Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S.  471. Für die Daten von Militärattaché Burg vgl. Wilhelm I. an Otto von Bismarck-Schönhausen, 10. 3. 1867 und 13. 1. 1870, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4846. Zur preußischen Militärattaché-Instruktion, ohne dass allerdings ihre Entstehungszusammenhänge in Paris erläutert werden, Messerschmidt, Die politische Geschichte, S. 330; vgl. Meisner, Militärattachés und Militärbevollmächtigte, S. 50. 122 Vgl. Loë, Erinnerungen aus meinem Berufsleben, S. 17 und 24. 123 Ibid., S. 61. 124 Vgl. ibid. 125 Vgl. Otto von Bismarck-Schönhausen an Otto Theodor von Manteuffel, 17. 7. 1863, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4845, Zitat ibid. 121

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Flügeladjutant, wo er als Offizier im persönlichen Umfeld des Königs agierte, auf seine neue Mission im Ausland übertrug, was jedoch mit seiner Instruktion als Militärattaché kollidierte. In letzterer Funktion war er in Paris dem Diplomaten untergeordnet, was das Konfliktpotential von militärischen Zugehörigkeiten in einem diplomatischen Kontext aufzeigt. Des Weiteren unterhielt Loë laut eigener Aussage persönliche Verbindungen zu seinen russischen, britischen, italienischen und österreichischen Militärattaché-Kollegen vor Ort126. Demgegenüber war Cler mangels äquivalenter Positionen ein Einzelgänger gewesen. Im Kleinen bildete sich ähnlich dem corps diplomatique ein corps des attachés militaires in Paris aus127. Insgesamt verdeutlichen Loës Ausführungen zwei Tendenzen hinsichtlich militärischer Experten in den 1850er und 1860er Jahren. Seine erste Arbeitsphase in Paris zeigt, dass Offiziere mithilfe verwandtschaftlicher Beziehungen sowohl für diplomatische als auch militärische Belange nach Paris abkommandiert werden konnten, was darauf schließen lässt, dass die Rekrutierungsmechanismen noch kaum professionalisiert waren128. Gleichzeitig institutionalisierte sich der Posten des Militärattachés, die zusammen eine Art Korps in der französischen Hauptstadt bildeten. Auf österreichischer Seite setzte die Einstellung eines Militärattachés in Paris erst später ein. Der österreichische Botschafter Hübner bedachte sie in seinem Tagebucheintrag vom 25. Dezember 1858 mit folgendem Satz: »Heute stellte sich mir Oberst Löwenthal, der neue Militär-Attaché, der erste seiner Gattung, vor«129. Löwenthals Neuartigkeit bezog sich auf österreichische Militärattachés insgesamt, da nach ihm außerdem erstmals um 1860 systematisch Offiziere nach Berlin und St. Petersburg entsandt wurden130. Zum selben Zeitpunkt trat eine neue Dienstinstruktion in Kraft, die nicht wie im preußischen Fall aus einem Bedürfnis am Standort Paris heraus entstanden war, sondern dem nun österreichischen Botschafter Metternich zentral aus Wien zugestellt

Vgl. Loë, Erinnerungen aus meinem Berufsleben, S. 62 und 131. Zum corps des attachés militaires vgl. Meisner, Militärattachés und Militärbevollmächtigte, S. 51. 128 Auch vor und nach der Einführung von Militärattachés war es üblich gewesen, immer wieder zeitweise Offiziere an diplomatische Vertretungen zu entsenden. Oft war damit die Absicht verbunden, dass sie sich dort weiterbildeten, etwa im Hinblick auf Fremdsprachenkenntnisse und/oder als künftige Diplomaten. Vgl. ibid., S. 7. 129 Hübner, Neun Jahre, Bd. 2, S. 149. 130 Vgl. Johann Christoph Allmayer-Beck, Die Archive der k. u. k. Militärbevollmächtigten und Militär-Adjoints im Kriegsarchiv Wien. Ein Beitrag zur militärgeschichtlichen Quellenkunde, in: Österreich und Europa. Festgabe für Hugo Hantsch zum 70. Geburtstag, hg. v. Institut für Österreichische Geschichtsforschung, Graz u. a. 1965, S. 351–378, hier S. 353. Weitere Standorte kamen erst 1869 mit Konstantinopel, 1882 mit Belgrad und 1884 mit Bukarest hinzu. Vgl. William Godsey, Officers vs. Diplomats. Bureaucracy and Foreign Policy in Austria-Hungary, 1906–1914, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 46 (1998), S. 43–66, hier S. 50. 126 127

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wurde131. Sie war wesentlich umfänglicher als ihr preußisches Pendant und umfasste 15 Paragraphen. Zusammengefasst legte sie ausführlich dar, worin die Aufgaben eines Militärattachés bestanden und regelte darüber hinaus seine Stellung wie folgt: § 2 Diese Stabsoffiziere sind als zugetheilte Militärs der k. k. Gesandtschaften, wirkliche Mitglieder derselben, daher in allen politischen und diplomatischen Beziehungen dem Chef der k. k. Mission untergeordnet. In militärischer Hinsicht dependiren dieselben vom Armee-Ober-Kommando, von wo sie ihre Instruktionen erhalten, und an welches allein sie ihre militärischen Berichte und Informationen im Dienstwege der k. k. Gesandtschaften einzusenden haben. § 15 Schließlich muß man von einem mit einer so wichtigen Aufgabe betrauten Stabsoffizier voraussetzen, daß er in seiner zweifachen Dienstesstellung – als Berichterstatter des k. k. Armee-Ober-Kommandos und als militärischer Beirath des politischen Missions-Chef [–] stets mit loyalem und taktvollem Eifer zu Werke gehen, sich in seinen äußeren Beziehungen mit geselliger Unbefangenheit, Klugheit und Bescheidenheit zu benehmen, und sich vor jeder Kompromittirung seiner Person oder Dienstesstellung zu wahren wissen werde132.

Die beiden Paragraphen bestimmen vor allem die mehrfachen Abhängigkeitsverhältnisse der Militärattachés. Ihr Verhalten gegenüber den Diplomaten vor Ort sollte von klarer Unterordnung und Zurückhaltung geprägt sein. Gleichzeitig sollte ihre Expertise nicht nur in Wien von Nutzen sein, sondern auch in Paris den Diplomaten zur Verfügung stehen. Die Instruktion ließ jedoch weiterhin Spielräume offen, denn Löwenthal fragte im Wiener Kriegsministerium nach, welche Stellung er innerhalb der Botschaft bei offiziellen Auftritten einnehmen solle: Dort erfolgte die Weiterreichung der Anfrage an das Außenministerium, das wiederum seine Entscheidung von den am französischen Hof für Militärattachés geltenden Praktiken abhängig machte und dazu den österreichischen Botschafter Metternich in Paris konsultierte133. Die Anfrage kehrte somit an ihren Ursprungsort zurück, was die Kompetenzverschränkungen zwischen diplomatischen und militärischen Belangen aufzeigt. Sie betraf Löwenthals Status vor Ort, der sich für österreichische Militärattachés in Paris wie folgt ausgestaltete. Löwenthal blieb bis zum Jahr 1868 Militärattaché in Paris, wobei er schon früh Unterstützung durch einen weiteren Im Jahr 1810 war bereits eine Dienstinstruktion erlassen worden, in deren Folge Offiziere immer wieder zu diplomatischen Vertretungen entsandt wurden. Es handelte sich aber nicht um institutionalisierte Posten und somit noch nicht um Militärattachés. Nach 1860 folgten weitere Instruktionen in den Jahren 1868 und 1873. Vgl. Allmayer-Beck, Die Archive, S. 353. Oskar Regele bestimmt dagegen den Beginn von österreichischen Militärattachés für das Jahr 1810, vgl. Regele, Die Entwicklung, S. 301 und 312. Dies ist zwar insofern zutreffend, als die Instruktion den Charakter von Militärattachés bereits umreißt, aber in der Praxis ihr dauerhafter Einsatz noch nicht vollzogen war. 132 Vgl. Johann Bernhard von Rechberg und Rothenlöwen an Richard Fürst von Metternich-Winneburg; 29. 10. 1860, HHStA Ges. Paris 205. 133 Vgl. Johann Bernhard von Rechberg und Rothenlöwen an Richard Fürst von Metternich-Winneburg; 10. 3. 1862, HHStA Ges. Paris 218. 131

3.1  Sachgebiete aushandeln

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Offizier erhielt134. Sein erster Kollege Kopfinger verließ Paris nach vierjähriger Tätigkeit, für die er höchste Lobesworte vom österreichischen Botschafter Metternich erhielt. Dieser hob hervor: »[il] n’a cessé de me donner des preuves de ce tact et de ce zèle éclairé qui ont toujours facilité la tâche qui m’est échue«135. Militärattachés erscheinen aus dieser Wahrnehmung als willkommene Unterstützung und nicht als Konkurrenten. Außerdem wies Metternich in demselben Schreiben darauf hin, dass Kopfinger zum Offizier der französischen Ehrenlegion ernannt worden sei. Diese Auszeichnung eines Militärattachés zeigt, dass diese Funktion auf französischer Seite akzeptiert war und um ihre Existenz kein Geheimnis gemacht wurde. Es war bekannt, dass Kopfinger nicht nur ein österreichischer Offizier, sondern jetzt auch in einer diplomatischen Vertretung tätig war. Kopfingers Nachfolge wurde auch durch einen Militärattaché, Querlonde, dem französischen Kaiserpalast offiziell gemeldet136. Während die frühen preußischen Bemühungen vor allem darauf zielten, ihre Tätigkeit möglichst zu verschleiern, waren sie hier als Mitglieder der diplomatischen Vertretung und in ihrer Funktion als Militärattachés am Hof des Zweiten Kaiserreichs zugegen. Im bayerischen Fall gab es zumindest kurzzeitig die Bereitschaft, militärische Experten in der diplomatischen Vertretung in Paris zu etablieren. Im Oktober 1851 fragte der bayerische Außenminister Pfordten dort an, wie hoch die Kosten dafür veranschlagt werden müssten137. Die Idee war, einen neuen Posten zu schaffen und den Königlichen Gesandtschaften in Petersburg, Paris, Wien und Berlin wissenschaftlich gebildete, mit der Militärformation, Taktik, administrativen Comptabilität und Militär-Statistik vollkommen vertraute Offiziere zu dem Ende beizugeben, daß sie sich mit den dortigen Militär-Einrichtungen bekannt machen, alle Veränderungen und neuen Erfindungen beobachten und darüber berichten138.

Die Antwort des bayerischen Gesandten Wendland fiel kurz aus: Er nannte einen Geldbetrag139. Das Vorhaben nahm ungefähr zehn Monate später, das heißt im August 1852, Form an, indem für die genannten Standorte Personen berufen wurden und der Hauptmann Rudolf von der Tann nach Paris reisen sollte. Es handelte sich um Kopfinger (1860–1864), Querlonde (1864–1866) und Welserheimb (1866–1870), letzterer war nach Löwenthals Weggang im Jahr 1868 alleiniger Militärattaché in Paris. Vgl. Allmayer-Beck, Die Archive, S. 365. 135 Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Alexander von Mensdorff-Pouilly, 20. 1. 1865, HHStA MdÄ PA IX 81. 136 Vgl. Adjutant-général du palais des Tuileries an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 26. 1. 1865, HHStA Ges. Paris 265 Q 1. 137 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an die Königliche Gesandtschaft in Paris, 27. 10. 1851, BayHStA Ges. Paris 1149. 138 Ibid. 139 Vgl. August Freiherr von Wendland an Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten, 6. 11. 1851, BayHStA Ges. Paris 1149. 134

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

Im darauffolgenden Monat erhielt Wendland Tanns neu geschaffene Instruktion mit dem Hinweis, dass damit »die Stellung dieser Offiziere zu den Königl. Gesandtschaften als geregelt erscheint« sowie mit der Bitte, dem Offizier »jede Unterstützung zur Erreichung und Erfüllung der ihm gesetzten Aufgabe angedeihen zu lassen«140. Die Instruktion thematisierte das Verhältnis von Diplomatie und Militär in vier Punkten. Erstens waren die Offiziere »dem jeweiligen Chef der betreffenden Gesandtschaft untergeordnet«141. Sie hatten sich zweitens an dessen »Vorschriften zu halten, in allen zweifelhaften Fällen sich dessen Rath und Belehrung zu erbitten, und da wo es die Vorsicht gebietet, nur durch dessen Vermittlung die zur Erfüllung ihrer Aufgabe ihnen wünschenswerthen Aufschlüße zu verschaffen«142. Drittens erfolgte die Berichterstattung an das Kriegsministerium, wobei »sie jedoch gehalten [sind], dieselben vorher der Einsicht des k. Gesandten zu unterbreiten«143. Und viertens erreichten sie »die Aufträge von dem Kriegsministerium auf dem gesandtschaftlichen Wege«144. Wie im preußischen und österreichischen Fall unterstand er dem Diplomaten in Paris und war gleichzeitig gegenüber dem Kriegsministerium weisungsgebunden. Darüber hinaus wird weniger betont, dass er  den Diplomaten vielmehr um Hilfe bitten als ihn – wie im Wiener Pendant festgehalten – unterstützen solle. Wie sich ein solches Verhältnis ausgestaltete, zeigt ein Schreiben aus dem bayerischen Kriegsministerium an den Hauptmann von der Tann in Paris, das der bayerische Außenminister dem Gesandten in Paris zur Kenntnisnahme zustellte: Es enthält Anweisungen, mit welchen Gegenständen – vor allem militärischer Fachliteratur – er sich zu beschäftigen habe, wobei er sich dafür die Unterstützung vom Gesandten suchen solle145. Darüber hinaus verdeutlicht das Schreiben die Kommunikationswege: Diplomaten erhielten Informationen über ihren Außenminister in München, sodass der diplomatische Weg auch für militärische Angelegenheiten beibehalten wurde. Die Fragen nach Kompetenzbereichen und Zuständigkeiten waren allerdings nach etwa zwei Jahren hinfällig. In einer kurzen Nachricht des bayerischen Außenministers vom Oktober 1854 heißt es, dass der Offizier von der Pariser Gesandtschaft, wie seine Kollegen an anderen Standorten, aus Kostengründen wieder abberufen werde146. Beginn und Ende der Initiative hatten auch finanzielle Gründe und bezogen sich nicht allein auf Paris, sondern [Bayerischer Außenminister] an August Freiherr von Wendland, 12.  8.  1852 und 10. 9. 1852, BayHStA Ges. Paris 1149. 141 Ibid. 142 Ibid. 143 Ibid. 144 Ibid. 145 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an August Freiherr von Wendland, 6. 1. 1853, BayHStA Ges. Paris 1149. 146 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an die Königliche Gesandtschaft in Paris, 3. 10. 1854, BayHStA Ges. Paris 1149. 140

3.1  Sachgebiete aushandeln

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verliefen aus München gesteuert parallel für die vier relevanten europäischen Standorte147. Die zweijährige Episode verdeutlicht einerseits das Scheitern und andererseits das Bedürfnis eines Staates nach militärischen Experten im Ausland, auch wenn er nicht auf der Großmachtebene spielte. Dazu passt, dass im bayerischen Schriftwechsel nicht der Begriff »Militärattaché« zu finden ist, sondern vielmehr die Umschreibung »Zutheilung von Offizieren zu den Königlichen Gesandtschaften an den großen Höfen«148. Es handelte sich um einen Etablierungsversuch, der nicht in eine Institutionalisierung mündete, wie es der Militärattaché-Begriff suggeriert hätte149. Die Entwicklung des Militärattachés lässt sich anhand des Standorts Paris auf besondere Weise nachvollziehen. Paris besaß Pioniercharakter, da preußische und österreichische Militärattachés jeweils zuerst dorthin entsandt wurden. Beide Fallbeispiele verdeutlichen zugleich zwei Entwicklungsstufen: Durch Clers preußischen Einsatz ab 1830 entstand aus der besonderen Situation heraus ein neues Berufsbild, das sich dort und europaweit mit systematischen Entsendungen an mehrere Standorte gleichzeitig um die Mitte des 19. Jahrhunderts institutionalisieren sollte. Für Diplomaten waren die neuen militärischen Experten Attachés, die ihnen in ihrer Vertretung unterstellt waren. Gleichzeitig konnten diese eine gewisse Unabhängigkeit entwickeln, da sie als dem Kriegsministerium Unterstellte ihre militärische Zugehörigkeit herausstellten. Auch wenn die persönlichen Beziehungen zwischen Diplomaten und Militärattachés oftmals wohlwollend waren und sie sich im Idealfall gegenseitig unterstützten, blieben die Instruktionen so vage, dass immer wieder Abstimmungsbedarf bestand. Es handelte sich um ein Problem, das in der Entstehungsphase nicht mit Nachbesserungen beizulegen war, sondern anscheinend der Position inhärent war; »irgendeine eindeutige Fixierung der Stellung der Militärattachés hat man bis heute nicht gefunden«150. Außen- und Kriegspolitik zu verzahnen, gestaltete sich schwierig, da klare Grenzziehungen zwischen ihren Belangen aufgrund der gegenseitigen Abhängigkeit in Paris sowie multiplen Zuständigkeiten in Berlin, Wien oder München nicht zu treffen waren. Besonders heikel war die neue Aufgabenstellung durch den Spionageverdacht. Er zeigt sich vor allem im preußischen Fall in Clers heimlicher Zur schwierigen Finanzsituation des bayerischen Heers Mitte des 19. Jahrhunderts vgl. Wolf D. Gruner, Das bayerische Heer 1825 bis 1864. Eine kritische Analyse der bewaffneten Macht Bayerns vom Regierungsantritt Ludwigs I. bis zum Vorabend des deutschen Krieges, Boppard am Rhein 1972, S. 211 und 235 f. 148 Vgl. [Bayerischer Außenminister] an August Freiherr von Wendland, 10.  9.  1852, BayHStA Ges. Paris 1149. 149 Der Begriff »Militärattaché« ist generell jünger als der dazugehörige Posten. Erst die dritte österreichische Dienstinstruktion von 1868 beinhaltet ihn, wenngleich er vorher inoffiziell verwendet wurde, vgl. Allmayer-Beck, Die Archive, S. 353. Für Preußen ist er erstmals für das Jahr 1854 belegt, vgl. Meisner, Militärattachés und Militärbevollmächtigte, S. 49. 150 Regele, Die Entwicklung, S. 311. Sein Aufsatz erschien im Jahr 1961. 147

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

Arbeitsweise. Außerdem wurde der Status in der anschließenden Instruktion gezielt verschleiert. Die österreichischen und bayerischen Anweisungen beinhalten gleichfalls Bemerkungen hinsichtlich eines vorsichtigen Vorgehens. Militärattachés und Konsuln erschlossen als Spezialisten immer wichtiger werdende Sachgebiete, während Diplomaten als Generalisten den weiten und zentralen Gegenstandsbereich des Politischen für sich beanspruchten. Darüber hinaus stellten die Diplomaten nicht nur neue Posten innerhalb der diplomatischen Vertretung oder am selben Standort auf die Probe. Mediale Entwicklungen hatten ebenso Auswirkungen auf ihre Kompetenzbereiche.

3.2 Mediale Herausforderungen Im Dezember 1863 erhielt der für die staatlich verwalteten Telegrafenverbindungen zuständige Generaldirektor in Frankreich ein Schreiben aus der österreichischen Botschaft in Paris, mit dem ihn die Diplomaten auf Verspätungen bei der Zustellung ihrer Korrespondenz aufmerksam machten. Die Verzögerungen sorgten bei ihnen für Unmut, was sie anhand von Beispielen verdeutlichten. In einem Fall handelte es sich um eine telegrafische Depesche, die sich mit der Eröffnungsrede des französischen Kaisers anlässlich der neuen Sitzungsperiode des Parlaments befasste: Sie soll ihren Zielort Wien erst erreicht haben, nachdem die dortigen Zeitungen die Rede bereits in Gänze abgedruckt hatten. Die Schilderung des Vorfalls endet mit dem Satz, dass es bedauerlich sei, wenn »les journaux devaient avoir la priorité sur les communications diplomatiques«151. Aus Sicht der Diplomaten musste es untragbar sein, wenn die Presse Neuigkeiten längst verbreitet hatte, bevor sie selbst über ihre eigenen Kommunikationskanäle davon erfuhren. Diplomaten sahen sich also auf neue Weise mit den beiden genannten Medien, das heißt der Telegrafie und der Presse, konfrontiert. Nachrichten telegrafisch zu übermitteln, war erst eine technische Erfindung des 19. Jahrhunderts. Diese machte es möglich, falls es denn keine Störungen gab, den Informationsaustausch zwischen Entsandten und Entsendenden zu beschleunigen. Die Presse wiederum war teilweise um dieselben Informationen – wie die gerade erwähnte Eröffnungsrede zeigt – bemüht wie die Diplomaten. Im Gegensatz zu letzteren bestand ihr Interesse allerdings vorrangig darin, sie für die Öffentlichkeit aufzubereiten. Die öffentliche Wahrnehmung von Geschehnissen wurde dadurch zu einem immer wichtigeren Faktor, denn die Presse avancierte zum Leitmedium der Zeit. Bei den Diplomaten mussten die neuen Österreichische Botschaft in Paris an Generaldirektor der Telegrafenverbindungen in Frankreich, 17. 12. 1863, HHStA Ges. Paris 249 T 5.

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3.2  Mediale Herausforderungen

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Optionen der »Mediengesellschaft des 19. Jahrhunderts«152 auf große Skepsis stoßen, denn durch sie wurden, wie die befürchtete Priorisierung der Presse verdeutlicht, ihre Kompetenzen infrage gestellt. Die Medien drohten weitgehend arkane Entscheidungsprozesse zu unterlaufen und diplomatische Handlungsspielräume zu verringern, indem etwa Journalisten und insbesondere Auslandskorrespondenten als neue professionelle Akteure auftraten; die eigene Unabhängigkeit wurde durch die schnellere Kommunikation mit den Entsendenden eingeschränkt. Die mediale Präsenz nahm gleichwohl erst langsam zu und gewann insbesondere ab Mitte des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Für den Umgang der Diplomaten mit den Medien bedeutete dies jedoch nicht, dass sie sie (noch) einfach weitgehend ignorieren konnten. Dieses Urteil wird in der Forschung gerne aus der Perspektive des späten 19. Jahrhunderts gefällt; ein Zeitpunkt, ab dem Medien als Massenmedien zu einem unübersehbaren Faktor geworden seien153. Besonders für das frühe und mittlere 19. Jahrhundert gibt es aber bisher kaum systematische Studien zum Verhältnis von Diplomatie und Außenpolitik zu Medien154. Für die Diplomaten handelte es sich um eine mediale Herausforderung, weil sie sich mit neuen Logiken der Informationsübertragung und -verbreitung konfrontiert sahen, mit denen sie erst den Umgang lernen mussten. Auf welche Weise sie dies taten und inwiefern sich die diplomatische Tätigkeit dadurch veränderte, soll in einem ersten Schritt anhand der Presse, in einem zweiten anhand der Telegrafie verdeutlicht werden. 3.2.1 Das Verhältnis zur Presse: zwischen Nutzen und dem Wunsch nach Kontrolle Die Presse erlebte in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts einen entscheidenden Aufschwung: Revolutionsbewegungen (Französische Revolution, 1830 und 1848) hatten diesen herbeigeführt und prägten ihn, da die Presse für die Revolutionäre ein Medium der freien Meinungsäußerung darstellte. Mithilfe neuer technischer Möglichkeiten entstanden zudem zahlreiche Zei Jörg Requate bezeichnet das 19. Jahrhundert als »Mediengesellschaft« und damit als Übergangsphase zwischen der »Kommunikationsrevolution« der Frühen Neuzeit und dem Zeitalter der Massenmedien, vgl. Jörg Requate, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Das 19. Jahrhundert als Mediengesellschaft, München 2009 (Ateliers des Deutschen Historischen Instituts Paris, 4), S. 7–18, hier S. 10. 153 Vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S.  101; Leopold Kammerhofer, Diplomatie und Pressepolitik 1848–1918, in: Peter Urbanitsch, Adam Wandruszka (Hg.), Die Habsburgermonarchie im System der internationalen Beziehungen, Wien 1989 (Die Habsburgermonarchie 1848–1918, 6/1), S. 459–495, hier S. 459. 154 Als gleichwohl wegweisend in dieser Hinsicht, allerdings auch erst mit einem Betrachtungszeitraum ab 1900, vgl. Bösch, Hoeres (Hg.), Außenpolitik im Medienzeitalter. 152

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tungen in immer größerer Auflage sowie verschiedene Zeitungstypen. Sie trugen ebenfalls dazu bei, dass der Journalismus ein eigenständiger Beruf wurde. Die wachsende Bedeutung der Presse ging jedoch mit massiven Einschränkungen der Pressefreiheit einher. In den Staaten des Deutschen Bundes galten die Karlsbader Beschlüsse von 1819. Das hierdurch eingeführte, äußerst repressive Presserecht sowie eine gezielte Pressepolitik entsprachen den staatlichen Vorstellungen, die Presse kontrollieren zu können. Damit verbunden war das Ziel, die öffentliche und unabhängige Meinungsbildung in Zaum zu halten. In Frankreich waren staatliche Kontrollmaßnahmen zwar auch vorhanden, demgegenüber aber weit weniger ausgeprägt. Diese Entwicklungen hat vor allem Jörg Requate hinsichtlich des entstehenden Journalistenberufs im deutsch-französisch-britisch-amerikanischen Vergleich herausgearbeitet155. Das Verhalten der Diplomaten gegenüber der Presse war, so soll im Folgenden aufgezeigt werden, von den beiden gegenläufigen Tendenzen, das heißt, der Presseentfaltung einerseits sowie ihrer Zensur und Kontrolle andererseits, geprägt. Die Presse diente den Diplomaten als Informationsquelle und sie ermöglichte es ihnen, die öffentliche Wahrnehmung von Geschehnissen in Frankreich einzufangen und teilweise auch zu ihren Gunsten zu nutzen. Gleichzeitig besaßen sie den Wunsch, die Presse zu kontrollieren, um in eigenen Belangen die Oberhand zu behalten. Für die deutschen Diplomaten in Paris lassen sich drei Umgangsformen mit der Presse identifizieren. Diese war für sie erstens von Nutzen, indem sie Zeitungen bezogen, lasen und Exemplare oder Ausschnitte als Teil der diplomatischen Berichterstattung weitersandten. Zweitens übten Diplomaten Einfluss auf die Presse aus, indem sie selbst Zeitungsartikel schrieben oder Informationen gezielt weitergaben. Schließlich mussten sie drittens lernen, mit Presseanfragen und -artikeln umzugehen, die ihre Person oder Tätigkeit betrafen. Die erste und alltägliche Kontaktform der Diplomaten mit der Presse bestand darin, sie zu studieren, relevante Informationen herauszufiltern und weiterzugeben. Dass es sich um eine diplomatische Routineaufgabe handelte, lässt sich an ihrem ›Endprodukt‹ – das heißt, die Presse wurde fester Bestandteil der Berichterstattung – ersehen. Dabei gab es mehrere Möglichkeiten, wie Diplomaten die Presse in ihre Berichte einbauten. Sie legten einzelne Artikel bei, zitierten sie in ihrem Bericht oder gaben sie in indirekter Rede wieder. Damit verbunden waren in der Regel eigene Einschätzungen, die zugleich die Auswahl der Zeitungsmeldungen rechtfertigten. Im extremsten und eher seltenen Fall bestand der gesamte Bericht aus ausgewählten Zeitungsartikeln, die sich mit einem aktuellen politischen Problem befassten. Als Beispiel sei ein Bericht des preußischen Diplomaten Goltz aus dem Jahr 1866 über eine Vgl. Jörg Requate, Journalismus als Beruf. Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert, Göttingen 1995 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 109).

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anstehende Konferenz hinsichtlich der Donaufürstentümer angeführt: Er benennt kurz einführend die vier von ihm ausgewählten Zeitungsartikel, welche als Anlage ausgeschnitten und eingeklebt folgen156.

Abb. 3: Auszug aus einem diplomatischen Bericht mit eingeklebten Zeitungsausschnitten.

Zeitungen zu lesen, zu exzerpieren und mit den Berichten einzusenden, war eine gängige diplomatische Praktik, die außerdem selbst zum Gegenstand von Reflexionen wurde. Der bayerische Fall ermöglicht dazu Aussagen, da ein Schriftwechsel zwischen Paris und München existiert, der thematisierte, welche Zeitungen auf wessen Kosten von wem bezogen werden sollten und wie der Vgl. Robert Heinrich Ludwig Graf von der Goltz an Otto von Bismarck-Schönhausen, 3. 3. 1866, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 135 Vol. II.

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Austausch von Zeitungen stattfinden sollte. Bereits bei der Wiedereinrichtung der bayerischen Gesandtschaft in Paris im Jahr 1816 bat der Legationssekretär Schöpff darum, wie der Vorgänger den »Moniteur« auf Kosten der bayerischen Regierung wieder beziehen zu dürfen157. Mitte des 19. Jahrhunderts war das Einsenden von Zeitungsexemplaren mit den Berichten anscheinend so üblich geworden, dass es aus Sicht der Regierung überhand nahm, weshalb es folgenden Regulierungsversuch gab: Laut königlichem Beschluss sollte das Exemplar nicht mehr selbst mitgeschickt werden, um Portokosten zu sparen, sondern es sollte nur noch auf die entsprechende Ausgabe verwiesen werden, zumindest auf die Zeitungen, die auch im bayerischen Außenministerium vorhanden waren158. Im Jahr 1863 hatte es aus der bayerischen Gesandtschaft in Paris den Vorstoß gegenüber der Regierung in München gegeben, die Kosten für zwei Zeitungen – »Journal de l’Europe« und »Bayerische Zeitung« – zu übernehmen. Dort wurde der Bitte unter der Bedingung stattgegeben, dass dafür von den fünf bisher auf Staatskosten bezogenen Zeitungen ein oder zwei Abonnements zu kündigen seien159. Darüber hinaus wies der bayerische Außenminister darauf hin, dass die Kosten für die Zeitungen grundsätzlich zu den eigenen Ausgaben des Diplomaten zählten. Als im Jahr 1868 die »Süddeutsche Presse« nicht mehr als bayerisches Regierungsorgan fungierte, bat der bayerische Außenminister Hohenlohe darum, auf ein oder zwei andere Zeitungen auf Kosten der Regierung auszuweichen, da bei Diplomaten die »Kenntniß eines oder mehrerer bayerischer Blätter wünschenswerth erscheint«160. Aus den dargestellten Schreiben wird ersichtlich, dass die bayerischen Diplomaten in Paris bayerische, deutsche und französische Zeitungen lasen. Eine hervorgehobene Rolle spielten die beiden Regierungsorgane, »Le Moniteur«161 und die »Süddeutsche Presse«, die für die Diplomaten eine ergänzende Informationsquelle zu ihren persönlichen Kontakten zu Regierungskreisen darstellten. Außerdem war der Nutzen der Zeitung je nach dem Vgl. Ferdinand von Schoepff an Maximilian I. Joseph, 7. 6. 1816, BayHStA MA 9368. Neben bayerischen und weiteren 14 deutschsprachigen Blättern handelte es sich um: »Journal des débats«, »Moniteur universel«, »National«, »La Presse« und »Revue des deux mondes«. Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an die Königliche Gesandtschaft in Paris, 24. 3. 1850, BayHStA Ges. Paris 5758. 159 Es handelte sich um »Constitutionel«, »Journal des débats«, »Moniteur«, »Indépen­ dance belge« und »Allgemeine Zeitung«. Vgl. Karl Freiherr von Schrenck von Notzing an die Königliche Gesandtschaft in Paris, 13. 2. 1863, BayHStA Ges. Paris 1151. 160 Zur Auswahl aus bayerischen Zeitungen gestellt wurden die »Bayerische Landeszeitung«, die »Süddeutsche Presse«, der »Correspondent« und die »Augsburger Abendzeitung«. Vgl. Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst an die Königliche Gesandtschaft in Paris, 15. 11. 1868, BayHStA Ges. Paris 1151. 161 Zum »Moniteur« vgl. Daniel Rader, Art. »Le Moniteur«, in: Edgar Leon Newman (Hg.), Historical Dictionary of France from the 1815 Restoration to the Second Empire, London 1987, Bd. 2, S. 717. 157 158

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jeweiligen Herkunftsort unterschiedlich für die Diplomaten. Die französische Presselandschaft studierten sie, um ihrem Informationsauftrag gegenüber der Regierung in München nachzukommen. Umgekehrt ermöglichte es ihnen die deutsche und insbesondere die bayerische Presse, über die Geschehnisse in dem Gebiet, welches sie vertraten, auf dem Laufenden zu bleiben. Die Frage der Kostenübernahme verdeutlicht zudem die verschiedenen Interessen der beiden Parteien. Aus der Perspektive der Diplomaten war es wünschenswert, dass ihre Regierung – als Teil ihrer diplomatischen Aufgabe – die Kosten für die Zeitungen übernahm. Die staatlichen Reaktionen zeigen, dass die Regierung in München einerseits durch die Kostenübernahme einer begrenzten Anzahl an Zeitungen ein Mindestmaß an Lektüre sicherstellen wollte. Andererseits war die Regierung sehr auf Effizienz bedacht, was etwa das Sparen der Portokosten zeigt. Insgesamt handelte es sich beim Bezug und der Lektüre von Zeitungen um eine unumgängliche und anerkannte Praktik. Die Diplomaten nutzten die Presse zweitens, indem sie Zeitungen für ihre eigenen Zwecke zu gewinnen beabsichtigten. Sie versuchten, gezielt Informationen in Zeitungen zu platzieren oder selbst geschriebene Artikel darin zu veröffentlichen. Die Grenzen zwischen diplomatischer und journalistischer Tätigkeit waren dabei fließend. Eine herausragende Figur in diesem Kontext stellt Konrad Engelbert Oelsner dar, der von 1818 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1825 formal als Legationsrat in der preußischen Gesandtschaft in Paris beschäftigt, aber dort nicht mit den üblichen diplomatischen Tätigkeiten betraut war. Er sollte vielmehr in der französischen Hauptstadt die Presse beobachten, darüber monatlich Bericht direkt an den preußischen Außenminister erstatten und die Zeitungen mit eigenen Artikeln versorgen162. Oelsners Aufgaben ergaben sich daraus, dass er in Berlin als Redakteur und zugleich als Legationsrat im preußischen Außenministerium für die in der Entstehung befindliche »Allgemeine Preußische Staatszeitung« hätte arbeiten sollen163. Diesem Auftrag sollte er in Paris weiterhin – neben den genannten Tätigkeiten – nachkommen und als dortiger Korrespondent dieser Zeitung fungieren164. Er war dafür prädestiniert, da er während der französischen Revolutionsjahre in Paris gelebt, bereits diplomatische Missionen wahrgenommen und sich vor allem als Publizist hervorgetan hatte165. Dass es sich bei Oelsners Tätigkeit innerhalb der preußischen Gesandt So lautete der Auftrag, mit dem Oelsner nach Paris geschickt und worüber der preußische Diplomat Goltz in einem Schreiben informiert wurde. Vgl. [Karl August von Hardenberg] an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 3. 7. 1818, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4816. 163 Vgl. ibid. 164 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 98. Zu Oelsners Rolle bei der Entstehung und Entwicklung der »Allgemeinen Preußischen Staatszeitung« vgl. Johann Caspar Struckmann, Staatsdiener als Zeitungsmacher. Die Geschichte der Allgemeinen Preußischen Staatszeitung, Berlin 1981, v. a. S. 68 und 80. 165 Vgl. Uwe Meier, Art. »Oelsner, Konrad Engelbert«, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1998), S. 442–443. 162

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schaft um etwas Neues handelte, zeigt sich daran, dass die Kompetenzgrenzen zwischen dem dortigen leitenden Diplomaten Goltz und ihm erst bestimmt werden mussten. Goltz sah offensichtlich seinen eigenen Kompetenzbereich gefährdet und bat deshalb in Berlin um Klärung des Verhältnisses zwischen Oelsner und ihm, woraufhin Oelsner folgende Instruktion erhielt: [Sie haben] alle politischen oder auf Politik sich beziehenden Aufsätze, welche Sie gesonnen sind, in Pariser Zeitungen oder Journale einrücken zu lassen, vorher von dem Königl. Gesandten zur Prüfung und Gutheißung vorzulegen; die an mich zu erstellenden monatlichen Berichte aber[,] insofern sie politischen Inhalts sind[,] ihm ebenfalls zur beliebigen Kenntnisnahme mitzutheilen sein werden. Sind diese bloß literarisch und wissenschaftlich, so können Sie solche gerade an mich richten166.

Aus der Weisung wird deutlich, dass Goltz’ Kernkompetenz in politischen Belangen nicht in Frage stand, da Oelsner ihn über seine Tätigkeit zu unterrichten hatte167. Oelsners Stellung in Paris blieb jedoch ein Einzelfall, der gleichwohl das Verhältnis zwischen Diplomatie und Presse in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts offenbaren kann. Jenes war auf der Ebene der Akteure noch nicht von Professionalität gekennzeichnet, da sich Diplomat und Journalist erst langsam zu eigenständigen Berufen entwickelten. Aus diplomatischer Sicht besaß Oelsner auf den ersten Blick Ähnlichkeiten mit den späteren Presseattachés, die innerhalb einer diplomatischen Vertretung auf den Umgang mit der Presse spezialisiert waren. Die Funktion von Presseattachés entstand erst mit der Institutionalisierung der Pressearbeit im außenpolitischen Bereich ab dem späteren 19. Jahrhundert und vor allem im 20. Jahrhundert, was bislang kaum erforscht ist168. Aus journalistischer Perspektive war dieser ein Korrespondent, der sich aufgrund seiner vorangegangenen publizistischen Tätigkeiten für das Verfassen von Artikeln qualifizierte169. Insgesamt lotete er Grenzen aus in einer Zeit, als es noch keine klaren Ausdifferenzierungen gab. Ein anderer Weg der gezielten Einflussnahme auf die Presse von diplomatischer Seite lässt sich für den bayerischen Fall aufzeigen. Im Herbst 1850 erhielt der bayerische Diplomat Wendland in Paris diesbezüglich zwei Schreiben von Außenminister Pfordten in München. Mit dem ersten kam [Karl August von Hardenberg] an Karl Engelbert Ernst Oelsner, 30. 11. 1818, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4816. Eine ähnlich lautende Antwort erhielt auch Goltz: [Karl August von Hardenberg] an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 30. 11. 1818, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4816. 167 Zum Politischen als zentralem Gegenstandsbereich eines Diplomaten vgl. Kap. 3.1.1. 168 Vgl. Heinz-Dietrich Fischer, Der Presseattaché – Kommunikator oder Mediator?, in: Ders. (Hg.), Kommunikations-Diplomaten im internationalen Dialogsystem. Presseattachés an Auslandsmissionen zwischen Informationspolitik und publizistischen Rahmenfaktoren, Bochum 1985, S. 7–44. 169 Zur Herausbildung eines Arbeitsmarktes für Journalisten und Schriftsteller ab dem Ende des 18. Jahrhunderts vgl. Requate, Journalismus als Beruf, S. 125. 166

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die Aufforderung, »so viel als möglich ist, Bayerns Interessen in den einflußreichsten Blättern der Pariser Preße zu vertreten«, wobei es dem Diplomaten überlassen wurde, wie er den Auftrag – »ob direkt oder indirekt, durch Vermittlung dritter Personen«, umzusetzen gedachte170. Einen Monat später weitete Pfordten die Anweisung noch aus: Es sei »zu erwägen, ob nicht auf die beßten englischen Journale, als Times und Morning Chronicle, durch deren in Paris befindliche und nicht unbekannt sein sollende Correspondenten im bayerischen Sinne einzuwirken wäre«171. Wendland sollte sich darum bemühen, Kontakte zu französischen und britischen Journalisten herzustellen. Im Prinzip erweiterte sich sein Kompetenzbereich, indem er bayerische Interessen nun auch gegenüber der Presse zu vertreten hatte. Dass dazu im Jahr 1850 die Initiative von München ausging, entsprach der bayerischen Pressepolitik nach den Revolutionen von 1848. Die Presse wurde nun innerhalb der staatlichen Stellen als Faktor ernst genommen und nicht mehr nur wie im Vormärz mit staatlicher Vorzensur bedacht. Dies schlug sich darin nieder, dass in der Verwaltung pressespezifische Institutionen zur Kontrolle und Lenkung der Berichterstattung entstanden, etwa ein stetiges Pressereferat im Ministerium des Äußern172. Gleichzeitig ging es darum, mit den Zeitungen zusammenzuarbeiten und die Presse systematisch mit Informationen und Artikeln zu versorgen173. Die Schreiben von Pfordten im Herbst 1850 können als Bemühungen gedeutet werden, die bayerischen Staatsinteressen durch den Diplomaten in der ausländischen Berichterstattung zur Geltung zu bringen. Dass Wendland zudem die britischen Korrespondenten bedeutender Zeitungen in der französischen Hauptstadt ansprechen sollte, zeugt von der Vorreiterrolle der englischen Presse, für die insbesondere die »Times« stand174. Die aktive Betätigung von Diplomaten im Hinblick auf die Presse wurde jedoch nicht durchgängig vonseiten der Entsendenden gefördert beziehungsweise gefordert oder positiv gewertet. Der österreichische Fall zeigt, dass diplomatische Einflussnahme nicht grundsätzlich gutgeheißen wurde; sie wurde deshalb selbst zum Gegenstand der Kontrolle aus Wien. Wie jene aussehen sollte, offenbart ein Rundschreiben des Außenministers Buol aus Wien an den österreichischen Diplomaten Hübner vom Oktober 1852. Das gesamte Personal einer diplomatischen Vertretung war dazu angehalten, sofern es nicht ausdrücklich dazu aufgefordert war, sich »jede[r] Betheiligung an der

 

Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an August Freiherr von Wendland, 4. 10. 1850, BayHStA Ges. Paris 5760. 171 Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an August Freiherr von Wendland, 10. 11. 1850, BayHStA Ges. Paris 5760. 172 Zur bayerischen Pressepolitik unter Maximilian II. vgl. Stefan Spiegel, Pressepolitik und Presspolizei in Bayern unter der Regierung von König Maximilian II., München 2001 (Materialien zur bayerischen Landesgeschichte, 14), hier v. a. S. 36 f. 173 Vgl. ibid., S. 67 und 70. 174 Zum Ruf der englischen Presse vgl. Requate, Journalismus als Beruf, S. 44. 170

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Redakt­ion ausländischer oder inländischer politischer Zeitschriften durch Correspondenzen, Aufsätze oder anderweitige Mittheilungen strengstens zu enthalten«175. Wenn es doch dazu kommen sollte, »so hat der Missionschef jedes mal den betreffenden Artikel, wenn er denselben aus eigener Autorität schleunig einrücken zu laßen für nothwendig hielt, ohne Zeitverlust dem Kaisl. Ministerium des Äußern zur Kenntnißnahme einzusenden«176. Diese Maßgaben seien dadurch gerechtfertigt, dass Diplomaten wie allen Beamten seit 1835 »Nebengeschäfte« wegen möglicher Befangenheit untersagt waren, es diesbezüglich aber immer wieder zu »Unzukömmlichkeiten« gekommen sei. Es handelte sich um ein Verbot für österreichische Diplomaten, journalistisch tätig zu werden, sofern sie nicht ausdrücklich aus Wien dazu autorisiert waren. Die bisherigen Verstöße, die zu dieser Ermahnung geführt hatten, zeigen, dass Diplomaten den Umgang mit der Presse erst erlernen mussten; sie hatten sich eigene Handlungsspielräume ausgedacht, die von den Entsendenden nicht gewünscht waren und nun beschnitten wurden. Mit dem Beamtenstatus argumentierend, suggeriert Außenminister Buol hier, dass eine klare Trennung zwischen diplomatischen und journalistischen Aufgaben erforderlich sei und Pressearbeit im Widerspruch zu den Tätigkeiten eines Staatsdieners stehe177. Jene Grenzziehungen galten jedoch nur für die Diplomaten im Hinblick auf ihr eigenes Vorgehen: Wenn es aus Wien eine Weisung gab, auf die Presse einzuwirken, war sie von ihnen zu befolgen, sodass die Grenzen in diesem entscheidenden Ausnahmefall aufgehoben waren. Diese Verhaltensmaßgaben zeugen von einem distanzierten, spannungsgeladenen, möglichst zu kontrollierenden Verhältnis des Staates, verkörpert durch die Diplomaten, zur Presse, die gleichwohl ernst genommen werden musste. Es handelte sich zudem um eine Lenkung der Lenkung: Diplomaten wurden nun auch hinsichtlich ihrer pressepolitischen Maßnahmen kontrolliert. Diplomatie und Pressepolitik wurden in Österreich zu »korrespondierenden Elementen der Außenpolitik«178, indem die Presse nach 1848 immer wichtiger wurde und die Zusammenarbeit zwischen Diplomaten und Journalisten erforderlich machte. Inwieweit Diplomaten die Presse aktiv nutzten oder, wie eben erwähnt, auch nicht nutzen sollten, führt nach der Betrachtung von Konrad Engelbert Oelsner noch einmal zum preußischen Fall zurück. Die Klammer schließt Bismarcks Pressepolitik, die in Paris namentlich durch den Konsul Felix Bamberg betrieben wurde. Sie ist bereits detailliert von Eberhard Naujoks untersucht worden und gehört zu den bekannteren Fällen gezielter diplomatischer

Graf Karl Ferdinand von Buol-Schauenstein an Josef Alexander Graf von Hübner, 4. 10. 1852, HHStA Ges. Paris 210 Z 21. 176 Ibid. (Hervorh. i. Orig.). 177 Zum Verständnis als Staatsdiener vgl. Kap. 2.1. 178 Vgl. Kammerhofer, Diplomatie und Pressepolitik, S. 459. 175

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Einflussnahme auf die Presse in den 1860er Jahren179. Die Zeit zunehmender preußisch-österreichischer Rivalitäten um die Vorherrschaft im deutschsprachigen Raum schlug sich pressepolitisch darin nieder, dass jede Seite die französischen Zeitungen für sich zu gewinnen beabsichtigte. Interessant ist hier kurz zu rekapitulieren, auf welche Weise es Bamberg und dem damaligen Diplomaten Goltz gelang, die Presse für sich einzunehmen. Die Absicht der Einflussnahme war zwar formuliert, aber es lagen noch keine Erfahrungen vor, weshalb Wege erprobt werden mussten. Der preußische Diplomat Goltz wandte sich beispielsweise als Erstes an seinen italienischen Kollegen Nigra, da jener seit dem österreichischen-italienischen Krieg von 1859 in pressepolitischen Belangen geübt war180. Außerdem stellte das preußische Außenministerium Geldsummen zur Verfügung, wenngleich im dortigen Pressereferat Unklarheit darüber herrschte, wie hoch sie veranschlagt werden sollten181. Goltz veranlasste schließlich die Subventionierung einzelner Zeitungen, die fallbezogene Verteilung von Gratifikationen sowie Ordensverleihungen für französische Journalisten182. Die ausführende Person war gleichwohl Bamberg: Er stellte die persönlichen Beziehungen zu den Journalisten her, gab ihnen Material bis hin zu vorgefertigten Texten und arrangierte zeitweise die Kooperation mit der Zeitschrift »Revue contemporaine«183. Bamberg steht somit für die aufkommende Praxis, von diplomatischer Seite und nicht zuletzt mithilfe monetärer Anreize bewusst Einfluss auf die Presse zu nehmen. Seine Tätigkeit stellte gleichsam die »Schule für die publizistischen Bemühungen der preußischen Diplomatie«184 dar. Als dritte und letzte Umgangsform mit der Presse gilt, dass Diplomaten Zeitungen nicht nur von sich aus nutzten, sondern sich auch mit Anfragen

Vgl. Eberhard Naujoks, Bismarcks auswärtige Pressepolitik und die Reichsgründung, 1865–1871, Wiesbaden 1968. Bezugnahmen auf Bambergs Tätigkeit finden sich auch bei Baumgart, Europäisches Konzert, S. 110 und bei Jörg Requate, Kommunikationswege und -bedingungen zwischen Deutschland und Frankreich. Konjunkturen in der wechselseitigen Berichterstattung beider Länder, in: Étienne François u. a. (Hg.), Marianne – Germania. Deutsch-französischer Kulturtransfer im europäischen Kontext, 1789–1914, Leipzig 1998 (Deutsch-Französische Kulturbibliothek, 10), Bd. 1, S. 71–91, hier S. 87. 180 Vgl. Naujoks, Bismarcks auswärtige Pressepolitik, S. 39. 181 Vgl. ibid., S. 42. 182 Vgl. ibid., S. 42, S. 57 und v. a. S. 73. 183 Die Wahl dieser Halbmonatsschrift begründete Bamberg selbst damit, dass sie zu den wichtigsten französischen Zeitschriften gehöre, weil sie von den Entscheidungsträgern gelesen werde und als einzige mit der noch bekannteren »Revue des deux mondes« konkurrieren könne: Da Letztere gegenüber Berlin negativ gesinnt sei, wollte er im Gegenzug in der »Revue contemporaine« eine propreußische Linie etablieren. Vgl. Naujoks, Bismarcks auswärtige Pressepolitik, S. 35, 43, 57 und 70. 184 Ibid., S. 34. 179

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und Artikeln über sich selbst und ihre Tätigkeit konfrontiert sahen. Im für die Diplomaten gelegensten Fall handelte es sich um Gesuche, denen einfach nachzukommen war. Im Jahr 1867 bat beispielsweise ein britischer Journalist bei der österreichischen Botschaft darum, eine Zugangsberechtigung für den Empfang des Kaisers Franz Joseph bei dessen Ankunft im Pariser Ostbahnhof zu erhalten185. Journalisten konnten damit bei von Diplomaten organisierten Veranstaltungen präsent sein. Ferner kam im Jahr 1869 eine Anfrage aus dem Pressereferat des französischen Innenministeriums anlässlich der Ernennung von Karl von Werther zum preußischen Botschafter in Paris: Der Pressekorrespondent Denis bat den preußischen Kanzleivorsteher Gasparini darin um genaue biographische Angaben Werthers für eine Zeitungsmitteilung. Dieser Bitte kam dieser offensichtlich nach, denn im Anschluss sandte Denis ihm den Text, der in zahlreichen französischen Zeitungen, vor allem auch in der Provinz, erschienen war186. Das Interesse an Werthers Person und die mediale Verbreitung der Nachricht seines Amtsantritts zeigen zunächst, wie weit und wie schnell mittels der Presse der Diplomat in den Fokus rückte und wie seiner Person Bedeutung beigemessen wurde. Die preußischen Diplomaten waren in die Entstehung der Mitteilung eingebunden gewesen, indem sie die gewünschten Informationen bereitstellten. Bemerkenswert ist ferner, dass der Konsul Bamberg einen eigenen Artikel in einer französischen Zeitung mit einem Porträt Werthers platzierte, was für die Einflussnahme auf die Presse auch in Bezug auf den Amtsantritt spricht187. Die öffentliche Aufmerksamkeit in Frankreich für die Postenbesetzung erklärt sich mit dem Zeitpunkt von Werthers Ernennung. An der Zeitungsmitteilung ist auffällig, dass mehrfach die friedliche Gesinnung Werthers hervorgehoben wird. Im Jahr 1869 lag ein Konflikt in der Luft, der wenige Monate später im Deutsch-Französischen Krieg eskalierte188. Die Diplomaten hatten sich jedoch nicht nur mit freundlichen Anfragen und wohlwollenden Darstellungen ihrer Person, sondern auch mit persönlichen Anschuldigungen in der Presse auseinanderzusetzen. In einem Fall sah sich der preußische Gesandte Goltz im Jahr 1820 gezwungen zu erklären, warum sein Name im Zusammenhang mit einer Tabakdose in einem Artikel Galignani’s Messenger. English Daily Newspaper an österreichische Botschaft in Paris, 22. 10. 1867, HHStA Ges. Paris 213 F 77. Der österreichische Kaiser reiste 1867 anlässlich der Pariser Weltausstellung nach Paris. 186 Denis an Adolph Joseph Gasparini de Fabrini, 25. 10. 1869, 6. 11. 1869 und 11. 11. 1869, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris I Nr. 26. 187 Vgl. Felix Bamberg an Otto von Bismarck-Schönhausen, 14. 11. 1869, PA AA Personalakte Nr. 16477. 188 Zur Bedeutung der öffentlichen Meinung für die Eskalation des Konflikts vgl. Birgit Aschmann, Preußens Ruhm und Deutschlands Ehre. Zum nationalen Ehrdiskurs im Vorfeld der preußisch-französischen Kriege des 19. Jahrhunderts, München 2013 (Beiträge zur Militärgeschichte, 72), S. 417–421. 185

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des »Journal de Paris« gefallen war189. Unabhängig vom Vorfall an sich ist es bemerkenswert, dass sich Goltz gegenüber dem preußischen Außenminister unter Rechtfertigungsdruck fühlte und erläutern wollte, warum sein Name genannt worden war. Ausschlaggebend mag dabei gewesen sein, dass die Zeitung als ministériel galt, was der Angelegenheit einen offiziellen Charakter verlieh.

Abb. 4: Zeitungsporträt zum Amtsantritt des preußischen Diplomaten Werther im Jahr 1869 (erste Seite).

Schwerwiegenderen Anschuldigungen sah sich der bayerische Diplomat Wendland im Jahr 1859 durch deutsche Zeitungsartikel ausgesetzt. Stein des Anstoßes waren zwei Meldungen im bayerischen »Volksboten« gewesen: Sie hatten verbreitet, dass ein deutscher Diplomat in Paris infolge finanzieller Schwierigkeiten Geld von Napoleon III. angenommen und daraufhin Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Christian Günther von Bernstorff, 18. 11. 1820, GStA PK III. HA I Nr. 4841.

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zu dessen Gunsten auf seine eigene Regierung eingewirkt haben soll190. Der Vorwurf wog so schwer, dass sich die bayerische Regierung veranlasst sah, eine Gegendarstellung in der »Neuen Münchener Zeitung« und der »Augsburger Allgemeinen Zeitung« abzudrucken. Zwei Entwürfe einer solchen Mitteilung legte der bayerische Außenminister Schrenck König Maximilian II. vor191. Darin brachte er zum Ausdruck, dass eine Untersuchung eingeleitet und der verantwortliche Redakteur Ernst Zander gerichtlich vernommen worden sei, dieser aber mit Berufung auf das Pressegesetz Aussagen zu seiner Informationsquelle verweigert habe. Außerdem sei Wendlands diplomatische Berichterstattung »wahrheitsgetreu« gewesen, weshalb Beschuldigungen hinsichtlich seiner Integrität zurückgewiesen werden könnten. Im Umgang mit der Presse lassen sich anhand dieses Falls mehrere Aspekte aufzeigen. Die Pressemeldungen ließen sich hier nicht ignorieren, brachten Diplomaten und Regierungskreise unter Rechtfertigungsdruck und beschäftigten selbst den König. Jene reagierten darauf, indem sie sich den neuen Formen der Informationsverbreitung anpassten und eine Gegendarstellung ebenfalls in der Presse veröffentlichten. Um sich gegen die Anschuldigungen zu wehren, setzten sie außerdem auf eine justizielle Aufarbeitung, die sich auf das Zustandekommen des Zeitungsartikels bezog. Beleidigungen in der Presse konnten geahndet und Journalisten vor Gericht gestellt werden, was jedoch nicht automatisch erfolgsversprechend war192. Ernst Zander war mit seinem »Volksboten« dafür bekannt, dass er die Auseinandersetzung nicht scheute und die Pressegesetzgebung kannte193. Der vorliegende Fall wurde schließlich strafrechtlich nicht weiter verfolgt, da die Untersuchung zu keinem Ergebnis geführt hatte194. Diplomaten (und ihre Entsendenden) gerieten folglich auch in Konflikt mit Journalisten und kämpften gegen Dif-

Vgl. Der Volksbote für den Bürger und Landmann, Nr.  86, 15. 04. 1859, S.  374 und Nr. 88, 17. 04. 1859, S. 382. Beim »Volksboten« handelte es sich um die wichtigste katholisch-konservative Tageszeitung in Bayern in den 1850er Jahren. Sie ließ sich nicht für die staatliche Pressepolitik gewinnen. Vgl. Elmar Roeder, Der konservative Journalist Ernst Zander und die politischen Kämpfe seines »Volksboten«, München 1972 (Miscellanea Bavarica Monacensia, 41), S. 39; Spiegel, Pressepolitik und Presspolizei, S. 396 f. 191 Vgl. Karl Freiherr von Schrenck von Notzing an Maximilian II. Joseph, 18. 5. 1859, BayHStA MA 75418. 192 In den 1850er und 1860er Jahren stand die Rechtssprechung tendenziell aufseiten der Presse. Vgl. Jörg Requate, Kennzeichen der deutschen Mediengesellschaft des 19. Jahrhunderts, in: Ders. (Hg.), Das 19. Jahrhundert als Mediengesellschaft, S. 30–42, hier S. 32 f. 193 Im Jahr 1853 hatte er sich bspw. bereits mit dem britischen Diplomaten in München angelegt, wogegen gerichtlich nicht angegangen werden konnte. Zu den von Ernst Zander geführten Auseinandersetzungen im Rahmen des »Volksboten« vgl. Roeder, Der konservative Journalist, hier v. a. S. 205–207. 194 Vgl. ibid., S. 207 f.; Karl Freiherr von Schrenck von Notzing an das bayerische Ministerium der Justiz, 21. 11. 1859, BayHStA MA 75418. 190

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famierungen, die im öffentlichen Raum stattfanden und damit an bisher weitgehend arkane Strukturen und Entscheidungsprozesse rührten. Wie lässt sich der Umgang der Diplomaten mit der Presse zusammenfassend einordnen? Das Verhältnis der Diplomaten zur Presse im Untersuchungszeitraum war einerseits von ihrer Nutzung und andererseits vom Wunsch nach Kontrolle geprägt. Mithilfe der Presse konnten die Diplomaten ihrer Aufgabe, zu informieren, auf neue Weise und mit Gewinnn nachkommen: Sie beobachteten die Presse des Gastlandes für ihre Berichterstattung, schätzten sie ein und erweiterten dadurch ihren Kompetenzbereich. Darüber hinaus versuchten sie, selbst Informationen in der Presse unterzubringen, womit sie ihrem Auftrag nachkamen, die Interessen ihrer Regierung nun auch in Zeitungen zu vertreten. Dass sie erst Erfahrungswerte sammeln mussten, zeigt das preußische Vorgehen von Bamberg in den 1860er Jahren, womit die Neuheit der Aufgabe verdeutlicht wird. Das erweiterte Aufgabenspektrum vergrößerte die diplomatischen Handlungsspielräume, indem die Diplomaten nun ihren Einsatz und ihren Einfluss auf die Presse und damit auf den von ihr erzeugten öffentlichen Raum ausdehnten. Zugleich entwickelte die durch die Presse verursachte öffentliche Aufmerksamkeit eine Eigenmächtigkeit, die bei den Diplomaten den Wunsch nach Kontrolle hervorrief. Deshalb adaptierten sie die staatlichen Kontrollmaßnahmen, die gleichzeitig ihre erweiterten Handlungsspielräume wieder begrenzten. Insgesamt standen die Diplomaten im Umgang mit der Presse am Beginn eines Lernprozesses, der vor allem nach der Zäsur von 1848 einsetzte195. Die Presse gewann langsam an Relevanz. Die dominierende Ansicht war, dass man sie durch pressepolitische Maßnahmen regulieren könne. Bei allem Nutzen, den die Presse mit sich brachte, überwog dadurch die grundlegende Skepsis gegenüber einem Medium, das diplomatische Belange nach eigenem Ermessen immer breitenwirksamer aufgriff. Für die Jahrhundertwende um 1900 hat Dominik Geppert demgegenüber herausgestellt, dass pressepolitische Maßnahmen nicht mehr griffen und »Pressekriege« mit Auswirkungen auf die Diplomatie beziehungsweise Außenpolitik unvermeidbar waren196. 3.2.2 Die Verwendung der Telegrafie: ihre Tragweite ausbauen und ausloten Neben der Presse bedeutete die elektrische Telegrafie, also eine technisch mögliche Art der Nachrichtenübermittlung ab den 1830er Jahren, eine Herausforderung für die Diplomaten. David Paull Nickles formuliert dazu in seiner

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Die meisten der hier behandelten Fallbeispiele entstammen den 1850er und 1860er Jahren. Vgl. Dominik Geppert, Pressekriege. Öffentlichkeit und Diplomatie in den deutsch-britischen Beziehungen, 1896–1912, München 2007 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, 64), S. 427 f.

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maßgeblichen Studie zum Einfluss der Telegrafie auf die Diplomatie: »Telegraphy, a technology that recast long-distance communication, had the potential to transform diplomacy«197. Der neue, schnellere Kommunikationsweg für den Austausch mit ihrer Regierung stand ab der Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend zur Verfügung. Mit der Revolution von 1848 hatten staatliche Entscheidungsträger den Telegrafen für ihre Belange entdeckt und förderten den Aufund Ausbau von Telegrafenverbindungen198. In den 1850er und 1860er Jahren folgten zahlreiche Vertragsabschlüsse, die darauf zielten, die zwischenstaatliche Vernetzung zu ermöglichen und zu normieren199. Für die deutschen Diplomaten in Paris bedeutete die neue mögliche Verwendung der Telegrafie zweierlei: Ihre Tragweite mussten sie zum einen im Rahmen grenzüberschreitender Abkommen persönlich mit ausbauen und zum anderen für sich selbst ausloten. Das Augenmerk liegt deshalb auf den Wechselwirkungen zwischen Telegrafie und Diplomatie, die sich in zwei Schritten betrachten lassen. Diplomaten beteiligten sich erstens am Aufbau einer telegrafischen Infrastruktur und gestalteten Vertragsabschlüsse über Telegrafenverbindungen und gemeinsame Standards auf bi- und multilateraler Ebene mit. Umgekehrt veränderte die Telegrafie zweitens diplomatische Handlungsformen und Denkweisen, indem telegrafische Depeschen den bisherigen Weg über Träger zwar nicht ersetzten, aber ergänzten und dadurch partiell beschleunigten. Wie wirkten deutsche Diplomaten in Paris an zwischenstaatlichen Kooperationen im Hinblick auf Frankreich sowie auf eine europäische Vereinbarung mit? Der Aufbau einer telegrafischen Infrastruktur ist insgesamt gut erforscht: Der Fokus liegt allerdings auf Organisationsgeschichten, in denen die Akteurs­ebene kaum und die Rolle von Diplomaten keine Beachtung findet200. David Paull Nickles, Under the Wire. How the Telegraph Changed Diplomacy, Cambridge 2003 (Harvard Historical Studies, 144), S. 2. 198 David Paull Nickles datiert 1848 als Beginn des »Goldenen Zeitalters« der Telegrafie, das bis 1918 angedauert habe, vgl. Nickles, Under the Wire, S. 4 f. Zur Nutzung der Telegrafie von Regierungsseite in den deutschen Staaten vgl. Josef Reindl, Telegrafie, Regierung und Verwaltung in den Ländern des Deutschen Bundes, 1848–1871, in: Erk Volkmar Heyen, Bernd Wunder (Hg.), Informations- und Kommunikationstechniken der öffentlichen Verwaltung, Baden-Baden 1997 (Jahrbuch für europäische Verwaltungsgeschichte, 9), S. 121–140, hier v. a. S. 128. 199 Zu zwischenstaatlichen Kooperationen auf deutscher und europäischer Ebene im Hinblick auf den Aufbau eines globalen Telegrafennetzwerks vgl. Roland Wenzlhuemer, Connecting the Nineteenth-Century World. The Telegraph and Globalization, Cambridge 2012, S. 105 f. 200 Vgl. Andreas Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union. Organisation und Funktion einer Weltorganisation im Wandel, Baden-Baden 1994 (Wirtschaftsrecht der internationalen Telekommunikation, 21); Josef Reindl, Der Deutsch-Österreichische Telegraphenverein und die Entwicklung des deutschen Telegraphenwesens, 1850–1871. Eine Fallstudie zur administrativ-technischen Kooperation deutscher Staaten vor der Gründung des Deutschen Reiches, Frankfurt a. M. 1993 (Münchner Studien zur neueren und neuesten Geschichte, 2). 197

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Die Basis stellten bilaterale, teilweise parallel laufende Verhandlungen über direkte Telegrafenverbindungen zwischen Frankreich und den deutschen Nachbarstaaten in den 1850er Jahren dar. Naheliegend war eine Verbindung von Frankreich mit Baden über Kehl und Straßburg, aber auch mit Bayern über die dazugehörige Pfalz bei Weißenburg und Worms sowie mit Preußen über Saarbrücken und Metz. Die Gespräche darüber führten von jeweils beiden Seiten die Regierungen, Diplomaten sowie Direktoren der einzelstaatlichen Telegrafendirektionen. Für Baden war der Diplomat Schweizer zusammen mit dem dafür nach Paris reisenden Direktor der badischen Telegrafenverwaltung Zimmer beauftragt, die Verhandlungen mit der französischen Regierung beziehungsweise ihren Bevollmächtigten zu führen201. Ausgestattet mit den notwendigen Vollmachten und Instruktionen war es außerdem Schweizer, der im Jahr 1859 neben dem französischen Außenminister Walewski den badisch-französischen Telegrafenvertrag in Paris unterzeichnen sollte202. Im badischen Fall hatte die notwendige Zusammenarbeit auf Gegenseitigkeit beruht. Dagegen mussten der bayerische Diplomat Wendland und sein Stellvertreter Quadt in Paris länger bei der französischen Regierung für eine eigene direkte Verbindung mit Bayern werben. Die Anweisung aus München bestand zunächst darin, die französische Bereitschaft zu eruieren und ihre Verhandlungen zur Telegrafie mit anderen Staaten zu beobachten, um darüber zu berichten203. In eine aktive Phase traten die Verhandlungen ein, als ein Vertrag Bayerns mit dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt vorlag, welcher die telegrafische Verbindung des bayerischen Kernlands mit seiner Provinz Pfalz und damit bis zur französischen Grenze herstellte: Die Diplomaten sollten den Vertrag »zur erneuerten Anregung dieser Angelegenheit bei dem französischen Gouvernement« nutzen und »den Abschluß eines Vertrages über eine Verbindung der beiderseitigen Telegraphenleitungen« voranbringen204. Dem kamen sie

Vgl. Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 8. 6. 1854, GLA 49/1464; Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Édouard Drouyn de Lhuys, 8. 12. 1854, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 585. 202 Wilhelm Freiherr Rivalier von Meysenbug an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 9. 9. 1859, GLA 49/1465. Ein badisch-französischer Telegrafenvertrag bestand seit 1852 provisorisch und sollte im Jahr 1859 einen definitiven Charakter erhalten. Zu Telegrafenvereinbarungen zwischen Baden und Frankreich vgl. auch Kaspar Löffler, Geschichte des Verkehrs in Baden. Insbesondere der Nachrichten- und Personenbeförderung (Boten-, Post-, Telegraphenverkehr) von der Römerzeit bis 1872, Heidelberg 1910, S. 461–466. 203 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an die Königliche Gesandtschaft in Paris, 26. 11. 1851, BayHStA Ges. Paris 6759. 204 BayHStA, Ibid. Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt findet ansonsten in diesem Kapitelteil zum Ausbau der telegrafischen Infrastruktur keine weitere Beachtung, weil seine Telegrafenverbindungen auf vertraglicher Basis von anderen Regierungen übernommen worden waren. Vgl. Bericht von Franz Freiherr Wambolt von Umstadt, 3. 4. 1865, HStAD G 1 174/3. 201

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nach und der Diplomat Quadt konnte dem französischen Außenminister ankündigen, dass der Direktor der bayerischen Postverwaltung Brück nach Paris kommen wolle, um auch über einen Telegrafenvertrag zu sprechen205. Im darauffolgenden Jahr 1853 durfte der Diplomat Quadt als bayerischer Bevollmächtigter den bayerisch-französischen Telegrafenvertrag in Paris unterzeichnen206. Neben den badischen und bayerischen Diplomaten engagierte sich der preußische Diplomat Hatzfeldt für eine Verbindung über Metz und Saarbrücken, indem er die Vorschläge seiner Regierung dem französischen Außenminister unterbreitete207. Der direkte Telegrafenanschluss zwischen Preußen und Frankreich kam daraufhin im Jahr 1854 zustande. Demgegenüber scheiterte im österreichischen Fall eine kurzzeitig erwogene Direktverbindung zwischen Wien und Paris im Jahr 1861. Der Direktor der französischen Telegrafenverwaltung hatte über den österreichischen Botschafter Metternich in Paris eine dahingehende Anfrage nach Wien gerichtet, die im dortigen Außenministerium auf Ablehnung stieß: Für sie gebe es keinen Bedarf, da die Auslastung zu gering sei208. Österreich und Frankreich besaßen keine gemeinsame Grenze, die wie in den vorigen Fällen ein unmittelbares Bedürfnis nach einem direkten Anschluss gerechtfertigt hätte. Direkte Telegrafenverbindungen zwischen Nachbarstaaten herzustellen, zeichnete die 1850er Jahre aus. Die dafür notwendige Koordination lief über die Diplomaten nicht nur über Distanz zwischen den Regierungen, sondern auch vor Ort, da sie die Verhandlungen in Paris führten und durch ihre Unterschrift die Verträge besiegelten. Hinzu kamen die Direktoren der einzelstaatlichen Telegrafenverwaltungen, die dafür nach Paris reisten. Sie besaßen die Kenntnisse über die neuartige Technologie, was eine Zusammenarbeit nicht nur über Staatsgrenzen, sondern zwischen Diplomaten und ihnen auch über Fachgrenzen hinaus erforderlich machte. Neben dem vorherrschenden Anliegen der Kooperation schürten die mehrfachen, parallel laufenden bilateralen Verhandlungen gleichfalls ein Konkurrenzverhalten. Die bayerischen Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Édouard Drouyn de Lhuys, 1. 11. 1852, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 604. 206 Vgl. Vollmacht von Maximilian II. für Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny, 13. 4. 1853, BayHStA Ges. Paris 6759; Édouard Drouyn de Lhuys an Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny, 25. 7. 1853, BayHStA Ges. Paris 6759. 207 Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Édouard Drouyn de Lhuys, 24. 5. 1853, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 675. Vorher existierte bereits eine Verbindung über Belgien und seit 1852 ein trilateraler Vertrag zwischen Preußen, Belgien und Frankreich. Vgl. Reindl, Der Deutsch-Österreichische Telegraphenverein, S. 170–173. 208 Vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Graf Johann Bernhard von Rechberg und Rothenlöwen, 26. 2. 1861, HHStA St Abt F Dipl Korr 341; Österreichischer Minister des Äußern an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 25. 4. 1861, HHStA Ges. Paris 209 T 13. 205

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Diplomaten beobachteten andere französische Verhandlungen und forcierten eine eigene Verbindung mit Frankreich, die dort nicht oberste Priorität besaß. Die bilateralen Telegrafenvereinbarungen boten den deutschen Diplomaten in Paris insgesamt die Gelegenheit, sich in ihrer Vermittlerrolle zu profilieren und neuartige Kooperationen aufzubauen. Die Vernetzung auf bilateraler Ebene stellte nur einen Schritt dar, denn es entstanden dadurch zahlreiche Verträge und verschiedene Richtlinien, was in der Praxis für den zwischenstaatlichen telegrafischen Austausch ungenügend war: Bei den Telegrafenverträgen ging es nicht nur, wie bisher hervorgehoben, um den Streckenverlauf und direkte Anschlüsse, sondern es gab auch Abstimmungsbedarf bei der Tarifgestaltung und dem Diensteangebot. Infolgedessen bildeten sich je nach Vertrag und Strecke unterschiedliche Bestimmungen aus209. Das Bedürfnis nach Angleichungen erfüllten deshalb im gleichen Zuge zwei regionale Zusammenschlüsse: der 1850 gegründete Deutsch-Österreichische Telegrafenverein und die seit 1855 bestehende Westeuropäische Union210. Ihr Ziel war es jeweils, Telegrafenverträgen eine einheitliche Grundlage zu geben. Auf der Suche nach einer europaweiten Lösung kam auf französische Initiative hin schließlich im Jahr 1865 eine Telegrafenkonferenz mit 20 Teilnehmerstaaten in Paris zustande. Aus ihr sollte die Internationale Telegrafenunion hervorgehen, die damit eine der ältesten internationalen Organisationen ist211. Die Telegrafenkonferenz in Paris betraf die deutschen Diplomaten vor Ort; sie wirkten daran mit. Zunächst galt es zu klären, welche und wie viele deutsche Vertreter daran teilnehmen sollten. Die französische Absichtserklärung, eine Telegrafenkonferenz einzuberufen, erging im Januar 1865 an die preußische Regierung, die daraufhin die anderen Mitglieder des Deutsch-Österreichischen Telegrafenvereins informierte212. Auf preußischer Seite bestand die Absicht, die Vereinsmitgliedsstaaten wie in anderen bisherigen Fällen mit zu vertreten, was Bayern ablehnte213. Auf einer deshalb einberufenen Vorkonferenz der Mitgliedsstaaten Ende Februar 1865 in Frankfurt am Main setzte sich die bayerische Position insofern durch, als kein gemeinsamer, sondern einzelstaatliche Vertreter Zum Abschluss bilateraler Telegrafenverträge und den damit einhergehenden Problemen vgl. Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 30 f. 210 Die Gründungsmitglieder des Deutsch-Österreichischen Telegrafenvereins waren Preußen, Österreich, Bayern und Sachsen. In den folgenden Jahren traten weitere deutsche Staaten dem Verein bei, darunter im Jahr 1852 Baden. Zur Organisationsgeschichte vgl. Reindl, Der Deutsch-Österreichische Telegraphenverein. 211 Es handelt sich um die Gründungskonferenz der heutigen Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union). Zur Organisationgeschichte und hier besonders zu ihren Anfängen vgl. George Codding, Anthony Rutkowski, The International Telecommunication Union in a Changing World, Dedham 1982, S. 4–6; Tegge, Die Internationale Telekommunikations-Union, S. 28–32. 212 Vgl. Reindl, Der Deutsch-Österreichische Telegraphenverein, S. 183. 213 Vgl. ibid., S. 184. 209

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benannt werden sollten214. Für die deutschen Diplomaten in Paris stellte sich deshalb die Frage, wer französische Konferenzeinladungen erhielt beziehungsweise wie man Einfluss darauf nehmen könnte. Der bayerische Diplomat hatte bereits Mitte Februar aus München die Aufforderung erhalten, eine eigenständige bayerische Teilnahme zu erwirken, selbst wenn gleichzeitig ein gemeinsamer Vertreter des Deutsch-Österreichischen Telegrafenvereins zugegen sein sollte: Als Begründung führte der bayerische Außenminister Pfordten an, dass Bayern neben seiner Vereinsmitgliedschaft unabhängigen telegrafischen Verkehr sowie eine direkte Verbindung mit Frankreich unterhalte215. Zur selben Zeit hatte der österreichische Botschafter Metternich »eine direkte Einladung zur unmittelbaren Theilnahme« in Paris einzuholen, da die österreichische Regierung zwar einen gemeinsamen Vereinsvertreter in Paris akzeptiert hätte, aber zugleich selbst vertreten sein wollte216. Vorbehalte gegenüber einer alleinigen Vertretung durch Preußen gab es sowohl auf bayerischer als auch auf österreichischer Seite. Bei der Konferenz waren deshalb einzelstaatliche Vertreter zugegen, obwohl mit dem Telegrafenverein eine gesamtdeutsche Option vorhanden gewesen wäre. Zwischen der Frankfurter Entscheidung vom 26.–27. Februar und dem Konferenzbeginn in Paris am 1. März 1865 blieb nur wenig Zeit, um mehrere deutsche Bevollmächtigte zu ernennen. Auf bayerischer Seite hatten die Teilnehmer bereits vor der Frankfurter Konferenz festgestanden. Der bayerische Diplomat Wendland erfuhr am 23. Februar aus München, dass von dort der Ministerialrat Weber aus dem Außenministerium sowie Direktor Dyck aus der Telegrafenverwaltung nach Paris reisen sollten217. Darüber hinaus nahm Wendland selbst an den Verhandlungen teil, womit Bayern auf eine dreifache Vertretung setzte. Preußen und Österreich bestimmten mit Goltz und Metternich ihre Diplomaten in Paris sowie mit Chauvin und Wattenwyl die Direktoren der einzelstaatlichen Telegrafenverwaltungen zu ihren Repräsentanten218. Preußen, Österreich und Bayern hatten ihre Teilnahme an der Telegrafenkonferenz von Anfang an beabsichtigt und waren auf eigene Vertreter rechtzeitig vorbereitet. Dagegen überraschte die kurzfristige einzelstaatliche Lösung Baden und den französischen Gastgeber. Am ersten Konferenztag in Paris am 1. März 1865 war kein badischer Vertreter anwesend219. Erst einen Tag später Ein prinzipiell konzertiertes Vorgehen wurde gleichwohl in Frankfurt verabredet. Vgl. ibid., S. 184 f. 215 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an die königliche Gesandtschaft in Paris, 15. 2. 1865, BayHStA Ges. Paris 6765. 216 Vgl. Alexander von Mensdorff-Pouilly an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 12. 2. 1865, HHStA Ges. Paris 249 T 8, Zitat ibid. 217 Vgl Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an die königliche Gesandtschaft in Paris, 23. 2. 1865, BayHStA Ges. Paris 6765. 218 Vgl. Documents diplomatiques de la conférence télégraphique internationale de Paris, Paris 1865, S. 73 und 75. 219 Dies lässt sich aus der Teilnehmerliste im Protokoll des ersten Sitzungstages ersehen. Vgl. Documents diplomatiques, S. 73–75. 214

3.2  Mediale Herausforderungen

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kam per telegrafischer Depesche die Nachricht aus Karlsruhe, dass der dortige französische Diplomat der badischen Regierung eine Konferenzeinladung überreicht habe220. Der badische Diplomat Schweizer in Paris sollte daraufhin an den folgenden Sitzungen teilnehmen. Als zweiter, technischer Bevollmächtigter für Baden konnte der Leiter der Telegrafenverwaltung Zimmer gesundheitsbedingt nicht anreisen221. Infolgedessen erachtete die badische Regierung nur eine Vollmacht für ihren Diplomaten als ausreichend, woraufhin Schweizer darauf insistierte, dass zumindest ein provisorischer technischer Bevollmächtigter ernannt wurde222. Im Verlauf der Konferenz musste jedoch auch letzterer nach Karlsruhe zurückkehren, weil er dort gebraucht wurde, so dass der württembergische technische Vertreter diesen Zuständigkeitsbereich mit übernehmen sollte223. Für die Konferenzteilnahme waren sowohl diplomatische als auch technische Vertreter unabdingbar. Schweizer selbst bestand auf einem technischen Experten an seiner Seite, der über Kompetenzen verfügen musste, die er als Diplomat nicht besaß beziehungsweise sich nicht schnell hätte aneignen können. Gleichzeitig war es denkbar, die Aufgabe an Württemberg abzugeben, sodass nachbarschaftliche Zusammenarbeit möglich war. Die kleineren deutschen Staaten waren überhaupt von einer kooperativen, gesamtdeutschen Vertretung ausgegangen, was sich daran zeigt, dass auch andere deutsche Teilnehmer erst später in die Sitzungen einstiegen224. Eine doppelte oder gar dreifache Vertretung je Teilnehmerstaat auf der Telegrafenkonferenz in Paris legte zudem der zweiteilige Verhandlungsmodus nahe225. Die Konferenz bestand aus drei Sitzungstagen am 1. März, 13. April und 17. Mai, die unter dem Vorsitz des französischen Außenministers Drouyn de Lhuys in dessen Ministerium stattfanden. Am ersten Verhandlungstag hatten sich die Teilnehmer auf eine Kommission geeinigt, die aus den technischen Bevollmächtigten bestand. Sie sollte in 16 Sitzungen zwischen Anfang März und Mitte April unter der Leitung des Direktors der französischen Telegrafenverwaltung Vougy in dessen Amtssitz ein Abkommen ausarbeiten. Der dort erarbeitete Entwurf kam am zweiten Verhandlungstag zur Vorlage und fand einen Monat später am dritten und letzten Verhandlungstag seine Unterzeichnung. Die diplomatische Beteiligung beschränkte sich somit auf Vgl. Franz Freiherr von Roggenbach an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 2. 3. 1865, GLA 49/1465. 221 Vgl. Badisches Ministerium der äußeren Angelegenheiten an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 5. 3. 1865, GLA 49/1465. 222 Vgl. ibid. Es handelte sich mit Poppen und Schwerd sogar zunächst um zwei provisorische badische Vertreter, die neben Schweizer an den Sitzungen teilnahmen. Vgl. Documents diplomatiques, S. 121. 223 Vgl. Freiherr von Roggenbach an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 25. 3. 1865, GLA 49/1465. 224 Die technischen Vertreter Sachsens und Württembergs nahmen erst ab 8. März 1865 an den Sitzungen in Paris teil. Vgl. Documents diplomatiques, S. 133. 225 Zum folgenden Ablauf vgl. Documents diplomatiques. 220

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drei Sitzungstage. Dort waren die vorangegangenen Auseinandersetzungen zwischen den deutschen Telegrafenvereinsmitgliedern, vorrangig zwischen Preußen und Bayern, weiterhin zu spüren. Sie betrafen die Diplomaten vor Ort: Wendland berichtete nach München über seinen preußischen Kollegen Goltz vom ersten Sitzungstag: «À la Conférence télégraphique d’hier, j’ai aussi remarqué que le Comte de Goltz a raconté avec une certaine agitation à Monsieur Drouyn de Lhuys les détails de la dernière conférence de Francfort et qu’il a observé: c’est la Bavière qui a tout gâté«226. Abgesehen von der gescheiterten gesamtdeutschen Vertretung war das wichtigste Moment aus diplomatischer Sicht die Vertragsunterzeichnung in der letzten Sitzung am 17. Mai 1865. Ausgestattet mit der Vollmacht und dem Siegel ihrer jeweiligen Regierung sowie unter Teilnahme des diplomatischen Korps in Paris unterzeichneten Diplomaten 20 europäischer Staaten eine Vereinbarung über gemeinsame Standards im Telegrafenwesen227. Der Auf- und Ausbau einer telegrafischen Infrastruktur über deutsche Grenzen hinaus und vor allem in Richtung Frankreich war eine staatliche Angelegenheit, an der die Diplomaten maßgeblich mitwirkten228. Die Verwendung der Telegrafie galt auf staatlicher Seite trotz hoher Kosten als notwendig und förderlich229. Die Diplomaten teilten diese Auffassung offenbar, denn in der untersuchten Korrespondenz ließ sich zumindest kein Anzeichen für Widerstand gegenüber ihren Entsendenden finden. Sie waren vielmehr darauf bedacht, in den Vertragsverhandlungen ihre Regierung in ihrem Vorhaben voranzubringen. Darüber hinaus gilt es zu betonen, wie neuartig die Aufgabe für die deutschen Diplomaten in Paris war. Gemeinsame Standards für den entstehenden Telegrafenverkehr zu entwickeln, erforderte die Kooperation mit technischen Experten. Kompetenzkonflikte schien es aufgrund einer klaren Aufgabenteilung und fehlendem Spezialwissen auf diplomatischer Seite nicht gegeben zu haben. Diplomaten waren dafür verantwortlich, dass die Vertragsverhandlungen zustande kamen und mit ihrer Unterschrift erfolgreich endeten. Demgegenüber waren die Leiter der Telegrafendirektionen für die Inhalte der Verträge zuständig. Darüber hinaus bot den Diplomaten die erste Telegrafenkonferenz in der französischen Hauptstadt, die zu einer der frühesten internationalen Vereinbarungen führte, herausragende Gestal Bericht von August Freiherr von Wendland, 2. 3. 1865, BayHStA MA 2123. Die vertragsunterzeichnenden Staaten waren Preußen, Österreich, Baden, Bayern, Hannover, Sachsen, Hamburg, Württemberg, Griechenland, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande, Portugal, Russland, Schweden und Norwegen, Schweiz und Türkei. Vgl. Documents diplomatiques, S. 73–75, 303 und 309 f. 228 Die Verknüpfung von Staat und Telegrafie war geläufig, aber nicht selbstverständlich: In Großbritannien war das Telegrafenwesen in privater Hand, weshalb das Land von der Teilnahme an der Pariser Telegrafenkonferenz ausgeschlossen worden war. Vgl. Reindl, Der Deutsch-Österreichische Telegraphenverein, S. 185. 229 Vgl. ibid., S. 222. 226 227

3.2  Mediale Herausforderungen

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tungsmöglichkeiten. Der Verhandlungsmodus erinnert an das von ihnen für politische Konfliktfälle eingeübte Europäische Konzert, das sie auf technische Belange übertrugen230. Bei aller erforderlichen und möglichen Kooperation zeigen die bilateralen Verträge und das einzelstaatliche Vorgehen gleichwohl die fortdauernde Resistenz gegenüber einer gesamtdeutschen Zusammenarbeit. Zugleich machte diese Zusammenarbeit es weiterhin notwendig, dass mehrere deutsche Diplomaten in Paris existierten. Außerdem nutzten Diplomaten die von ihnen mit ausgebaute, neue Technologie der Telegrafie für ihre eigenen Belange. In der Forschung wird gemeinhin angenommen, dass mit der Erfindung der Telegrafie das Zeitalter des autonomen Diplomaten vorbei gewesen sei, da jener nun schnell und jederzeit mit Weisungen seiner Regierung versorgt werden konnte. Dies stellen etwa allgemein formuliert Jürgen Osterhammel und Winfried Baumgart sowie ausführlich David Paull Nickles heraus231. Eine Gegenposition vertritt Matthew Anderson, indem er anzweifelt, dass der Telegraf das Verhältnis der Diplomaten zu ihren Entsendenden im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit verändert habe232. Die These soll im Folgenden anhand der deutschen Diplomaten in Paris geprüft werden: Die Diplomaten testeten die Tragweite der Telegrafie in den 1850er und 1860er Jahren noch und loteten aus, welche Vorund Nachteile sie mit sich brachte. Die Verwendung der Telegrafie durch die Diplomaten betraf in erster Linie nicht ihre Beziehungen vor Ort, die sie weiterhin persönlich pflegten, sondern diejenige zu ihrer mitunter weit entfernten Regierung. Ihre Berichte und umgekehrt Weisungen ließen sich mithilfe von Telegrafenverbindungen schneller übermitteln. Für den Untersuchungszeitraum ist jedoch grundlegend zu beobachten, dass telegrafische Depeschen die bisherigen Berichte nicht ersetzten, sondern ergänzten. Ein Beispiel ist die aus vier Sätzen bestehende, hier dechiffrierte Nachricht, die der österreichische Diplomat Mülinen am 4. Juli 1866 um 10.20  Uhr in Paris aufgab und die in Wien um 17.10 Uhr eintraf: »Reçu télégramme à 9 heures. Prince Metternich chez l’Empereur. Tout va bien. Détails suivent«233. Die telegrafische Nachricht war die schnelle Reaktion auf eine vorangegangene Weisung, beinhaltete einen prägnanten Stimmungsbericht und verwies auf spätere, ausführlichere Lageschilderungen. Jene folgten in der Regel in der gewohnten Berichtsform über den Botenweg. Mit telegrafischen Depeschen einerseits und der herkömmlichen Berichterstattung andererseits gingen unterschiedliche Ziele einher. Der telegrafische Weg war nicht für den regelmäßigen

Zum europäischen Konzert und seiner Entstehung um 1815 vgl. Kap. 5.1. Vgl. Osterhammel, Die Verwandlung der Welt, S.  1027; Baumgart, Europäisches Konzert, S. 140; Nickles, Under the Wire, S. 31–61. 232 Vgl. Anderson, The Rise, S. 118 f. 233 Mülinen an Alexander von Mensdorff-Pouilly, 4. 7. 1866, HHStA MdÄ PA IX 83. 230 231

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und umfassenden Informationsaustausch, der weiterhin durch meist seitenlange Berichte erfolgte, gedacht. Er gewann vielmehr in außergewöhnlichen Situationen und vor allem in Krisenmomenten, wie hier im Jahr 1866 angesichts des preußisch-österreichischen Krieges, an Relevanz. Das Medium der Telegrafie brachte zugleich neue Logiken der Informationsübermittlung mit sich, die die Diplomaten adaptierten. Die telegrafische Depesche revolutionierte nicht nur die Geschwindigkeit, mit der Nachrichten übertragen werden konnten und welche durch die vermerkten Aufgabe- und Eingangszeiten dauerhaft überprüfbar war. Sie brach außerdem mit den üblichen Gestaltungsformen diplomatischer Berichte, indem sie ohne Höflichkeitsformen auskam, auf Kürze setzte und oftmals aus Sicherheitsgründen gänzlich chiffriert war.

Abb. 5: Entwurf einer telegrafischen Depesche mit Chiffrierung.

3.2  Mediale Herausforderungen

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Schriftstücke vollständig oder teilweise zu chiffrieren, um sensible Informationen vor unerwünschten Mitlesern zu schützen, war eine Praktik, die nicht nur, aber auf besondere Weise den telegrafischen Schriftverkehr betraf. Chiffrieren bedeutete, den zu übersendenden Text am Entstehungsort des Schreibens in Zahlenkolonnen zu verschlüsseln, die am Empfangsort wieder in Text zurückübersetzt werden mussten234. Für die Verschlüsselung mussten Entsender und Empfänger über dieselben Zahlencodes verfügen, die zudem regelmäßig erneuert mussten, um sie vor Ausspähern zu schützen: Für die deutschen Diplomaten in Paris galten die Zahlencodes, die sie aus ihrem jeweiligen Außenministerium erhielten235. Der zusätzliche Arbeitsaufwand des Chiffrierens war für Schreiben gerechtfertigt, in denen Informationen enthalten waren, die nicht von Dritten gelesen werden sollten. Telegrafische Depeschen fielen darunter, weil sie leicht abzufangen waren, meist in Krisenmomenten wichtige Nachrichten übermittelten und der Chiffrieraufwand bei ihnen aufgrund ihrer Kürze begrenzt war236. Im Gegenzug waren Berichte, die über den Botenweg versandt wurden, selten in Gänze, sondern wenn überhaupt hinsichtlich einzelner Passagen, Sätze oder Namen chiffriert237. Abgesehen von der Technik des Chiffrierens versandten Diplomaten telegrafische Depeschen in einer anderen Frequenz als ihre üblichen Berichte. Die diplomatische Zurückhaltung gegenüber dem neuen Medium für ihre kontinuierliche Berichterstattung entsprach Regulierungsversuchen von staatlicher Seite, wie der bayerische Fall zeigt. Nach einem Rundschreiben aus München aus dem Jahr 1854 waren die bayerischen Diplomaten dazu angehalten, »in besonders wichtigen Fällen« und genauer über »Ereignisse, welche eine politische Tragweite und insbesondere Einfluß auf Maßnahmen der Königlichen Regierung haben können, in telegraphischem Wege kurz und bündig zu berichten«238. Einerseits war der Anlass für diese immer wiederkehrenden Aufforderungen, dass Anzahl und Länge telegrafischer Nachrichten so gering wie möglich zu halten waren, um Aufwand in den Telegrafenverwaltungen und Kosten einzusparen239. Andererseits sahen sich die Diplomaten ermuntert, die neuen Möglichkeiten der Telegrafie effizient zu nutzen, da bei herausragenden Geschehnissen der telegrafische Einsatz ausdrücklich erwünscht Beispielhaft vgl. [Reinhard von Dalwigk] an Gustav Adolf Graf von Enzenberg, 16. 7. 1870, HStAD G 1 74/4. 235 Für eine interne Gebrauchsanleitung des Chiffrewesens im badischen Fall vgl. GLA 48/83. 236 Zur notwendigen Codierung von telegrafischen Depeschen vgl. Nickles, Under the Wire, S. 97. 237 Für einen solchen Bericht vgl. beispielhaft Emil Freiherr von Pappenheim an [Karl du Thil], 9. 12. 1830, HStAD G 1 167/2. 238 [Bayerischer Außenminister] an Königliche Gesandtschaft in Paris, 4. 4. 1854, BayHStA Ges. Paris 1159. 239 Zu diesem Motiv vgl. Reindl, Telegrafie, Regierung und Verwaltung, S. 138 f. 234

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3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

war. Der starke Rückgriff auf den Telegrafen in Krisenmomenten ist bereits mehrmals untersucht worden, wobei allgemein anerkannt ist, dass er erstmals beim Kriegsausbruch im Juli 1870 prominent zutage trat. Ausführlicher legt vor allem Tobias Nanz aus medienhistorischer Perspektive dar, wie sich in dieser Situation ein Medienübergang vollzog und die neuen Logiken des Telegrafen etablierte Umgangsformen herausforderten240. Die telegrafische Depesche veränderte darüber hinaus die Zeit- und Raumvorstellungen der Diplomaten. Nachrichten überwanden große Distanzen nicht mehr innerhalb von Tagen, sondern von Stunden. Diplomaten mussten jetzt jederzeit, das heißt auch nachts, mit neuen Nachrichten aus der Ferne rechnen. Ständig und uneingeschränkt erreichbar wie verfügbar vor Ort zu sein, traf jedoch bei ihnen auf Widerstand. Im Mai 1861 erhielt der österreichische Botschafter eine Anfrage vom Leiter der französischen Telegrafenverwaltung, ob er, wie von einigen seiner Diplomatenkollegen vorgeschlagen, zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens auf die Zustellung telegrafischer Depeschen verzichten möchte241. Er antwortete darauf grundsätzlich zustimmend: »[J]e n’ai aucune objection à ne plus recevoir à l’avenir avant six heures du matin les télégrammes qui arriveraient après minuit, en tant qu’ils ne porteraient toutefois pas l’inscription ›pressé‹ ou ›urgent‹«242. Am Standort Paris gab es ein kollektives Aufbegehren, das zeigt, dass Diplomaten Handlungsspielräume besaßen, weil sie nicht uneingeschränkt ihren Lebensrhythmus durch den Telegrafen diktieren lassen wollten. Dass der österreichische Botschafter in dringlichen Fällen trotzdem unterrichtet werden wollte, torpedierte die Bemühungen im gleichen Zuge wiederum. Diese Differenzierung zeigt außerdem, dass der Einsatz telegrafischer Depeschen Informationen auf neue Weise priorisierte243. Schließlich muss betont werden, dass sich die telegrafische Infrastruktur, wie im ersten Teil des Kapitels gesehen, erst im Auf- und Ausbau befand. Den Prozesscharakter hinsichtlich der diplomatischen Verwendung der Telegrafie hat Yves Bruley für die französische Diplomatie des Zweiten Kaiserreichs herausgestellt: Während zu Beginn der 1850er Jahre den herkömmlichen Berichten vor den telegrafischen Depeschen der Vorzug gegeben worden sei, Vgl. Tobias Nanz, Grenzverkehr. Eine Mediengeschichte der Diplomatie, Zürich, Berlin 2010, S. 169–189 und hier vor allem S. 175 sowie S. 189. Darüber hinaus zur Bedeutung des Kriegsausbruchs von 1870 im Hinblick auf die telegrafische Nutzung vgl. Nickles, Under the Wire, S.  7; Yves Bruley, Le Quai d’Orsay impérial. Histoire du ministère des Affaires étrangères sous Napoléon III, Paris 2012, S. 431 f.; siehe ferne Kap. 5.5. Im Hinblick auf die Kriege von 1859 und 1866 vgl. Reindl, Telegrafie, Regierung und Verwaltung, S. 137. 241 Vgl. Directeur général des lignes télégraphiques Vougy an ambassadeur d’Autriche, 18. 5. 1861, HHStA Ges. Paris 209 T 13. 242 Ambassade d’Autriche an Directeur général des lignes télégraphiques Vougy, 20. 5. 1861, HHStA Ges. Paris 209 T 13. 243 Zur Nachtarbeit von Diplomaten aufgrund eintreffender telegrafischer Depeschen vgl. Nickles, Under the Wire, S. 96 f. 240

3.3 Aufgabenbewältigung

137

habe sich bis 1870 die zunehmend schnellere telegrafische Übermittlungsgeschwindigkeit zu Gunsten der Letzteren verlagert244. Dazu passt, dass technische Störungen, die für Verspätungen oder gar Unterbrechungen des Telegrafenverkehrs sorgten, von den Diplomaten als problematisch wahrgenommen wurden und aus ihrer Sicht der Abhilfe bedurften. Infolgedessen stellte der Telegraf für die Diplomaten ein als notwendig erachtetes Hilfsmittel dar. Noch mehr als bei der Presse begannen die Diplomaten erst nach und nach, mit dem Telegrafen umzugehen, da es sich für sie um ein vollkommen neues Medium handelte. Seine Entfaltung förderten sie durch den Abschluss von Telegrafenverträgen. Die aufgeworfene These, dass die Autonomie der Diplomaten durch den Telegrafen eingeschränkt worden sei, lässt sich für diese frühe Phase der telegrafischen Entwicklung insoweit verfestigen, als vorrangig in Krisenmomenten die Abstimmung mit der Regierung schneller möglich, damit aber auch von einer größeren Abhängigkeit geprägt war. Damit einhergehend erweiterte sich die Berichterstattung um eine neue Form: Telegrafische Depeschen stellten eine Ergänzung zum bisherigen Weg dar. Telegrafie und Presse forderten die Diplomaten medial heraus, was von ihnen zunächst nur zögerlich angenommen wurde. Sie mussten jedoch einen Umgang mit den Medien finden und entwickelten verschiedene Formen. Kompetenzbereiche veränderten sich, standen aber nicht grundsätzlich infrage: »[T]elegraphy, and the telecommunications technologies that have succeeded it, while substantially changing the lives of diplomats, have not destroyed their profession«245. Die Existenzberechtigung von Diplomaten blieb trotz oder gerade wegen neuer Medienentwicklungen bestehen.

3.3 Aufgabenbewältigung: erweiterte und eingeschränkte Handlungsspielräume Die Aufgaben der Diplomaten wuchsen, sie wurden daher teilweise an Spezialisten abgegeben und mussten auf neue Weise bewältigt werden. Diese Vorgänge verliefen nicht ohne Schwierigkeiten, da die Diplomaten tendenziell darauf bedacht waren, ihre Aufgabenbereiche und Arbeitsweisen zu bewahren. Gleichzeitig mussten sie Veränderungen hinnehmen und sich ihnen anpassen. In der Konsequenz führten die Entwicklungen einerseits zu erweiterten und andererseits zu eingeschränkten Handlungsspielräumen der Diplomaten. Mehr Handlungsmöglichkeiten ergaben sich dadurch, dass sich aus diplomatischer Sicht das Aufgabenvolumen und die Zuständigkeiten erweiterten. Für den einzelnen Diplomaten nahmen vor allem die administrativen Tätigkeiten zu, weshalb sich zumindest größere diplomatische Vertretungen Vgl. Bruley, Le Quai d’Orsay impérial, S. 432. Vgl. Nickles, Under the Wire, S. 61.

244 245

138

3.  Grenzziehungen und Grenzverschiebungen

von Ein-Personen-Unternehmen zu solchen mit mehreren Mitarbeitern entwickelten. Sekretäre und Kanzlisten fingen den Zuwachs an Aufgaben auf, wodurch bestehende Kompetenzbereiche zunächst gefestigt wurden. Darüber hinaus besetzte das diplomatische Personal jedoch neue Themen, indem es etwa die aufstrebende Presse im Blick behielt und neuartige Telegrafenkonventionen unterzeichnete. Es zeichnete sich der Trend ab, dass sich die diplomatischen Kompetenzen mit noch offener Bestimmung ausdehnten, sodass Grenzverschiebungen zunächst Ausweitungen bedeuteten. Im gleichen Zuge muss einschränkend betont werden, dass die Handlungsmöglichkeiten der Diplomaten beschnitten wurden. Spezialisten übernahmen Teile des bisherigen und erweiterten Aufgabenspektrums beziehungsweise besetzten neue Themengebiete von vornherein. In diesen Fällen mussten Grenzen zwischen Diplomaten und Konsuln sowie Militärattachés erstmals gezogen oder verschoben werden, was mit den ausgeführten Auseinandersetzungen einherging. Allgemeiner betrachtet handelte es sich um »die Ausdifferenzierung in verschiedene Politikfelder« in Form von »Bereichs-Politiken« wie Handelspolitik, die »Abgrenzungs- und Primatskämpfe zwischen der Politik und Autonomieansprüchen anderer Felder« hervorriefen246. Unterverhältnisse im Bereich des Politischen waren erstmals oder neu zu bestimmen, wovon Diplomaten als Hüter politischer Interessen im Ausland direkt betroffen waren. Des Weiteren veränderten sich diplomatische Arbeitsweisen, indem die Telegrafie zumindest in Krisenmomenten die Berichterstattung beschleunigte. Ferner bleibt einzuordnen, inwiefern die dargestellten Prozesse kennzeichnend für den Untersuchungszeitraum waren. Wie schon öfters betont, steckten viele untersuchte Entwicklungen erst in ihren Anfängen. Die bereichsgebundene Spezialisierung fand eher noch unabhängig von Diplomaten statt, da Konsulate in Paris an eigenen Standorten entstanden und Militärattachés sich in erster Linie den Kriegsministerien verpflichtet fühlten. Allerdings begründeten letztere jene Gruppe der Attachés, die einzelne Sachgebiete innerhalb einer diplomatischen Vertretung bearbeiteten und in weiteren Ausprägungen erst Ende des 19. Jahrhunderts und im 20. Jahrhundert entstanden: Dazu gehörten Presse- und Handelsattachés, um nur diejenigen zu nennen, deren Vorentwicklungen hier in Form der zunehmenden Pressebedeutung und des expandierenden Konsularwesens nachgezeichnet worden sind247. Infolgedessen blieben diplomatische Kompetenzbereiche umstritten und unwiderbringlich der Spezialisierung unterworfen.

So in Bezug auf den semantischen Wandel des Politischen vgl. Meier, Papenheim, Steinmetz, Semantiken des Politischen, S. 80 (die ersten beiden Zitate) und 86 (drittes Zitat). 247 Zur Ausbildung des Attachéwesens im Hinblick auf Frankreich vgl. Allain, Badel, L’apparail diplomatique, S. 499–508. 246

4. Notwendige Präsenz: die (Un-) Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort Um den untersuchten Aufgaben in Paris nachgehen zu können, mussten die Diplomaten über vielfältige Kontakte verfügen. Ein wichtiger Gesprächspartner waren die Kollegen vor Ort, deren Umgang untereinander der badische Diplomat Andlaw für die 1840er Jahre in Paris in seinem Tagebuch beschrieb: Das diplomatische Corps nahm von jeher eine eigenthümliche Stellung in Paris ein. Es bildete, wie in kleinen Residenzen, da weder den Kern der Gesellschaft, noch eine besondere Cotterie. Die Mitglieder zerstreuten sich daher nach allen Seiten, suchten Umgang nach eigener Wahl, und fanden sich zu vertrauten Besprechungen mehr in kleinen Pariser Zirkeln, als unter sich zusammen. Die Botschafter, ohnehin schon durch ihren Rang abgesondert, hielten sich zurück, und selbst die Gesandten größerer Staaten waren, bei der unausgesetzten Jagd nach Neuigkeiten, sparsam in Mittheilungen, vorsichtig in Aeußerungen. So kam es, daß zu jener Zeit das wohl gegen 100 Personen umfassende Corps sich nur bei feierlichen Anlässen vollständig versammelte, und sich einige Mitglieder, kaum mehr als dem Namen nach, kannten1.

Andlaw geht zum einen davon aus, dass die Diplomaten in Paris gemeinsam ein Korps mit einem gewissen Zusammengehörigkeitsgefühl bildeten. Für den Standort Paris betont er zum anderen die Heterogenität, denn sie kamen zum Beispiel orts- und rangabhängig zusammen, um Informationen auszutauschen. Er zeichnet ein vielschichtiges Bild hinsichtlich der Zusammensetzung des diplomatischen Korps. Im Mittelpunkt steht in diesem Kapitel die Präsenz der Diplomaten vor Ort. Andlaws Ausführungen legen die Frage nahe, wie sich die Diplomaten in Paris bewegten und wie (un-)sichtbar sie und ihre Arbeit vor Ort waren. Eine Antwort eröffnen Räume wie die Gebäude, in denen die diplomatischen Vertretungen untergebracht waren, aber auch der Stadtraum, den die Diplomaten nutzten (4.1). Darüber hinaus knüpften die Diplomaten vielfältige Kontakte: vom Kollegenkreis über die offiziellen französischen Stellen und die gesellschaftlichen Verpflichtungen, die oft in Salons stattfanden, bis hin zur Unterstützung der ansässigen Landsleute (4.2). Insgesamt zeichnen sich die Formen und Orte der Begegnung dadurch aus, dass sie auf Dauerhaftigkeit ausgelegt waren und Institutionalisierungstendenzen unterlagen (4.3). Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. 2, S. 63.

1

https://doi.org/10.1515/9783110519563-005

140

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

4.1 Räumliche Beständigkeit: der erstmalige Erwerb von Gebäuden und die Verfestigung diplomatischer Viertel Otto von Bismarck schrieb am 16. Juni 1862 in einem Brief an seine Schwester über sein neues Domizil, das Palais Beauharnais, das er im Monat zuvor als preußischer Diplomat in Paris bezogen hatte: Das Haus liegt sehr schön, ist aber dunkel, feucht und kalt. Die Sonnenseite mit Treppen und non-valeurs verbraucht, alles liegt nach Norden, riecht dumpfig und kloakig. Kein einziges Möbel auf, kein Winkel, in dem man gern sitzen möchte; ¾ vom Haus ist als »gute Stube« verschlossen, überzogen, und ohne große Umwälzung der Einrichtung für den täglichen Gebrauch nicht vorhanden2.

Bismarck besaß einen negativen Eindruck vom Palais Beauharnais, in dem er im Jahr 1862 nur wenige Wochen verbrachte, bis er sein neues Amt als Ministerpräsident Preußens in Berlin antrat3. Er machte kaum Anstrengungen, sich in seiner neuen Umgebung einzuleben, da er seinen Aufenthalt in Paris in Erwartung der höheren Aufgaben verbrachte. Beim Palais Beauharnais handelte es sich gleichwohl um ein prachtvolles Gebäude aus dem frühen 18. Jahrhundert, das Eugène de Beauharnais –Stiefsohn Napoleons I. – im Jahr 1803 gekauft, grundlegend renoviert und innen aufwändig ausgestattet hatte4. Der Bau wurde ein Jahrzehnt später von preußischer Seite zunächst requiriert, angemietet und im Jahr 1818 schließlich gekauft5. Der Kauf des Palais Beauharnais durch den preußischen König im Jahr 1818 markierte einen Wendepunkt. Erstmals besaß Preußen mit dem erworbenen Gesandtschaftshotel einen festen Sitz für seine diplomatische Vertretung in Paris. Zuvor war es üblich gewesen, und, wie bei den Vertretungen der meisten anderen Staaten weiterhin gebräuchlich, temporär in der französischen Hauptstadt Räumlichkeiten nach Bedarf anzumieten. Nach Großbritannien, das im Jahr 1814 das Palais Borghese erworben hatte, war Preußen der zweite Staat, der in Paris ein Gebäude für die diplomatische Vertretung kaufte6. Kohl, Briefe Ottos von Bismarck, S. 138. Zu Bismarcks Aufenthalt in Paris als preußischer Diplomat vgl. Kameke, Palais Beauharnais, S. 31–34. 4 Vgl. ibid., S. 7 f. 5 Vgl. Jörg Ebeling, Ulrich Leben, Das Palais Beauharnais. Residenz des deutschen Botschafters, Paris 2010, S. 6. 6 Vgl. Robert de Courcel, Les demeures diplomatiques du faubourg Saint-Germain, in: Bulletin de la Société d’histoire et d’archéologie des VIIe et XVe arrondissements de Paris 37 (1938), S. 16; Élisabeth Martin de Clausonne, Les ambassades à Paris, Paris 2009, S. 77 und 81. 2 3

4.1  Räumliche Beständigkeit

141

Der Kauf von Gebäuden für diplomatische Vertretungen war auf Beständigkeit ausgerichtet, was eine neue Form der Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort schuf und zur Verfestigung diplomatischer Viertel beitrug. Die fortschreitende Institutionalisierung von Diplomatie manifestierte sich in der Schaffung von »Eigen-Räumen«, was sich allgemein nach Susanne Rau wie folgt vollzog: Wenn sich soziale Prozesse oder soziale Beziehungen verräumlichen, ist dies meistens ein Zeichen dafür, dass sich etwas etabliert oder auf Dauer einrichtet. Indem sich die soziale Gruppe oder Institution eine räumliche Ordnung gibt oder einen Eigen-Raum bildet, ist dies auch ein Versuch, dem ständigen Wandel zu entgehen. […] Eigen-Räume von Gruppen zeigen dadurch umgekehrt den Grad ihrer Institutionalität oder Präsenz-Macht an7.

Die beginnende »Verräumlichung« im diplomatischen Bereich, um an Raus Formulierung anzuknüpfen, kennzeichnete diese Zeit. Der Einzug in ein eigenes Gebäude ist außerdem nicht nur für Paris zu beobachten. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden Botschaftsgebäude von mehreren europäischen Staaten an verschiedenen Orten erstmals erworben oder neu gebaut8. Ausgehend von der skizzierten Entwicklung soll im Folgenden herausgearbeitet werden, welche Rolle Räume für die Funktionsweise von Diplomatie spielten. Aus der Perspektive eines in Paris neu ankommenden Diplomaten nähert sich die Untersuchung der Problematik mit einem differenzierten Raumbegriff an. Die im Folgenden verwendeten Begriffe »Raumdynamiken«, »Raumpraktiken« und »Raumrepräsentationen« sind von Susanne Rau inspiriert9. Die Frage, wo sich die Diplomaten niederließen, bildet den ersten Teil der Untersuchung. Welche Gebäude oder Wohnungen suchten sich die Diplomaten in welcher Straße und in welchem Viertel aus? Im Mittelpunkt stehen in diesem Zusammenhang der Stadtraum und Raumdynamiken: Wie konstituierten sich diplomatische Räume in der Stadt und welchen Veränderungen waren sie beispielsweise durch Standortwechsel der Diplomaten unterworfen? Darüber hinaus rücken Diskussionen über Mietprobleme, ständige Umzüge und anvisierte Ankäufe in den Blick – also auf welche Weise die Handelnden sich den Raum aneignen wollten. Der zweite Teil behandelt Raumpraktiken innerhalb der diplomatischen Vertretungen: Wie wurde der bezogene Raum genutzt und möglicherweise umgenutzt, wenn die Räumlichkeiten erstmals oder wieder als diplomatische Vertretung dienten? Der dritte Teil widmet sich Susanne Rau, Räume. Konzepte, Wahrnehmungen, Nutzungen, Frankfurt a. M., New York 2013 (Historische Einführungen, 14), S. 170. 8 Jakob Horts maßgebliche Studie zeichnet in diesem Zusammenhang ein differenziertes Bild einer diplomatischen Architektur im Entstehungsprozess. Er untersucht allerdings nicht den Standort Paris, sondern französische, preußisch-deutsche und britische Botschaftsarchitektur in Konstantinopel, Rom, Wien und St. Petersburg im 19. Jahrhundert, vgl. Hort, Architektur der Diplomatie. 9 Dazu vgl. Rau, Räume, S. 164–186. 7

142

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

schließlich Raumrepräsentationen, das heißt den Zeichen und Sonderrechten, welche vermittelten, dass es sich um eine diplomatische Vertretung handelte. Die Zeit um 1815 stellte einen Neubeginn hinsichtlich der Raumsituation für die Diplomaten in Paris dar. Mit der Kapitulation Napoleons  I. zogen im Jahr 1814 die Alliierten aus Russland, Preußen und Österreich in Paris ein, was mit einer Besetzung der Stadt und einem dortigen Aufenthalt der siegreichen Monarchen einherging10. Der Zar wohnte aus diesem Anlass im Elyseepalast, der preußische König im Palais Beauharnais und der österreichische Kaiser im Palais Borghese11. Es handelte sich dabei um Gebäude, die die französische kaiserliche Familie zuvor verlassen hatte12. Das Palais Beauharnais und das Palais Borghese sollten anschließend die ersten Gebäude sein, die als diplomatische Vertretungen in der französischen Hauptstadt käuflich erworben wurden. Die Präsenz der Alliierten in Paris hatte dazu geführt, dass die in der Besatzungszeit bewohnten Gebäude danach als diplomatische Vertretungen in Betracht kamen. Österreich

2, rue d‘Angoulême

Bayern

43, rue d‘Anjou

Großbritannien

Hessen-Darmstadt

39, rue du FaubourgSaint-Honoré

5, rue Richepanse

Baden

11, rue Saint-Florentin

Preußen

78, rue de Lille

Seine

Viertel Saint-Honoré

Tuilerienpalast

Viertel Saint-Germain

Abb. 6: Standorte der diplomatischen Vertretungen in Paris im Jahr 1820.

Vgl. Volker Wacker, Die alliierte Besetzung Frankreichs in den Jahren 1814 bis 1818, Hamburg 2001 (Schriftenreihe Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit, 20), S. 37 f. 11 Vgl. Martin de Clausonne, Les ambassades, S. 79 f. 12 Vgl. Kameke, Palais Beauharnais, S. 10; Robert de Courcel, L’ambassade d’Autriche à Paris, in: Bulletin de la Société d’histoire et d’archéologie des VIIe et XVe arrondissements de Paris 38 (1939), S. 228–308, hier S. 276; Martin de Clausonne, Les ambassades, S. 79. 10

4.1  Räumliche Beständigkeit

143

Baden

62, rue Blanche

Elyseepalast

Großbritannien

39, rue du FaubourgSaint-Honoré

Viertel Saint-Honoré

Nationalversammlung

Außenministerium

Preußen

Seine

Tuilerienpalast

78, rue de Lille

Viertel Saint-Germain

Österreich

101, rue de Grenelle

Bayern

107, rue de Grenelle

Hessen-Darmstadt 112, rue de Grenelle

Abb. 7: Standorte der diplomatischen Vertretungen in Paris im Jahr 1862.

Das Palais Beauharnais, in das die preußischen Diplomaten einzogen, liegt bis heute in der Rue de Lille Nr. 78, die vor 1792 und zwischen 1815 und 1830 Rue de Bourbon hieß13. Die Kaufverhandlungen führte in den Jahren 1816 und 1817 der preußische Gesandte Goltz. Sie waren mit dem 6. Februar 1818, an dem das Palais in den Besitz des preußischen Königs überging, abgeschlossen14. Weil das Gesandtschaftsgebäude dem preußischen König gehörte, oblag ihm die Art der Bewohnung. Der preußische Diplomat wandte sich deshalb im Jahr 1830 in einer Krisensituation, in der er das Palais Beauharnais verlassen musste, wie folgt nach Berlin: »Comme cependant l’hôtel que j’habite appartient au Roi, je me permets de demander la permission de Votre Excellence de laisser ici Mr Weiskirch avec les archives«15. Er bat um eine reduzierte Weiternutzung des Gebäudes, wobei es sich um ein neues Problem handelte, das mit dem Kauf des Gebäu Vgl. Jacques Hillairet, Dictionnaire historique des rues de Paris, Paris 101997, Bd. 2, S. 45 und 47. 14 Vgl. Ebeling, Leben, Das Palais Beauharnais, S. 6. 15 Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther an Christian Günther von Bernstorff, 1. 8. 1830, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4912. Mit dem Sturz des französischen Königs Karl X. im Jahr 1830 endete automatisch die Mission der Diplomaten, da sie beim französischen Staatsoberhaupt, dessen Posten nun vorübergehend vakant war, akkreditiert waren. Vgl. dazu Kap. 5.2. 13

144

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

des einherging. Bei angemieteten Räumlichkeiten stellte sich das Problem der Weiternutzung nicht, da sie aufgegeben werden konnten. Andererseits musste dafür das Palais Beauharnais nicht geräumt werden, sodass das Archiv darin bleiben konnte16. Im Gegensatz zur preußischen diplomatischen Vertretung wechselte die österreichische Botschaft in Paris von 1814–1889 mindestens achtmal ihren Standort17. Außer in den ersten Jahren lebten die österreichischen Diplomaten trotz mehrfacher Umzüge immer im Viertel Saint-Germain und davon am längsten und mehrfach in der Rue de Grenelle18. Im Jahr 1814 hatte sich Karl von Vincent als neuer österreichischer Diplomat zunächst in der Rue d’Angoulême im Viertel Champs-Élysées niedergelassen19. Die Wahl mag davon beeinflusst gewesen sein, dass während der Besatzung der österreichische Kaiser unweit von dort im Palais Borghese residierte20. Vincents Nachfolger, Anton Apponyi, verließ dagegen im Jahr 1826 das Viertel ChampsÉlysées und zog in das Viertel Saint-Germain21. Im Jahr 1838 musste er das Quartier in der dortigen Rue Saint-Dominique jedoch zwangsweise verlassen, da es verkauft werden sollte22. Das Wohnen zur Miete brachte erzwungene oder notwendige Standortwechsel für die österreichischen Diplomaten in der französischen Hauptstadt mit sich. Die Problematik veranschaulicht ein weiterer Umzug im Jahr 1848: Bei der Suche nach geeigneten Räumen sollte sich die Größe nicht nur auf das Nötigste beschränken und der Preis möglichst gering ausfallen, sondern auch die Art des Mietvertrags war zu klären23. Der Mietvertrag musste möglichst schnell wieder auflösbar sein, da im Juli 1848 aufgrund der instabilen Regierungsverhältnisse auf beiden Seiten eine »plötzliche Abreise« des diplomatischen Personals denkbar erschien24. Darüber hinaus zeigen die verschiedenen Mietverträge, dass die Mietbe-

So Willson Beckles, der diesen Umstand unter Hinzuziehung eines Zitats von Bismarck als einen Grund für den Ankauf von Gebäuden im Hinblick auf die britische diplomatische Vertretung anführt. Vgl. Willson Beckles, L’ambassade d’Angleterre à Paris 1814–1920. Un siècle de relations diplomatiques franco-britanniques, Paris 1929, S. 7 f. 17 Es handelte sich um mindestens acht Standorte, da es möglich war, dass die österreichischen Diplomaten übergangsweise an weiteren Orten lebten – etwa, wenn sie ihr zukünftiges Domizil noch nicht beziehen konnten. Für diesen Fall im Jahr 1838 vgl. Courcel, L’ambassade d’Autriche, S. 282 f. Für die Standorte siehe Anhang 8.1. 18 Vgl. Abb. 7, S. 143. 19 Vgl. Abb. 6, S. 142; Courcel, L’ambassade d’Autriche, S. 276. 20 Vgl. ibid. 21 Vgl. ibid., S. 278. 22 Vgl. ibid., S. 282 f. 23 Johann Philipp von Wessenberg-Ampringen an Ludwig von Thom, 7. 7. 1848, HHStA Ges. Paris 276 B 1c. 24 Ibid. Zur gegenseitigen Anerkennung der Regierungen im Jahr 1848 vgl. Kap. 5.3. 16

4.1  Räumliche Beständigkeit

145

rechtigung immer nur auf wenige Jahre ausgelegt war25. Das Problem der prekären Raumsituation kulminierte im Jahr 1870, als eine plötzliche Räumung des angemieteten Botschaftsgebäudes anstand26. Die sehr kurzfristige Kündigung, die der österreichische Diplomat Metternich vom französischen Finanzminister erhielt, nannte als Grund den Eigenbedarf für das Ministère des Beaux Arts27. Abgesehen von den Mietproblemen hatte es bereits Mitte der 1860er Jahre einen Versuch gegeben, in den Besitz eines Botschaftsgebäudes zu gelangen, indem ein Tausch zwischen dem von der französischen Regierung an Österreich vermieteten Botschaftsgebäude und einem Gelände in Wien angedacht war28. Die Bemühungen, ein Gebäude als österreichische Botschaft anzukaufen, waren allerdings erst im Jahr 1889 erfolgreich, als das Palais Matignon als österreichisch-ungarische Botschaft erworben wurde29. Die Schwierigkeiten des Wohnens zur Miete kannten die bayerischen Diplomaten ebenfalls30. Im Jahr 1816 befand sich der bayerische Diplomat Rochemont in Paris auf Wohnungssuche und unterbreitete dem bayerischen König aus diesem Anlass zwei Vorschläge31. Als »anständige Wohnung« kamen »Appartements« oder »Hotels« aufgrund ihrer Möblierung und deshalb zu hohen Miete nicht in Frage. Als Kriterien galten für Rochemont die Lage, die Miethöhe, der Zustand der Räume sowie gegebenenfalls die Einrichtung. Außerdem wies er auf die starke Konkurrenz bei geeignetem Wohnraum hin, die eine schnelle Entscheidung erforderlich machte. Bei einem weiteren Umzug im Jahr 1817 kam die Problematik verschärft zum Tragen und es wurde über folgenden Lösungsweg nachgedacht: Um häufige und kurzfristige Ausund Umzüge zukünftig zu vermeiden, seien nun längerfristige Mietverträge anzustreben32. Dennoch blieben Standortwechsel weiterhin üblich33.

Zu den Vermietern zählte neben französischen offiziellen Stellen auch James von Rothschild. Vgl. Mietvertrag zwischen James von Rothschild und Ludwig von Thom, 9. 9. 1848, HHStA Ges. Paris 276 B 1c [befristet auf 14 Monate]; Mietvertrag zwischen Richard Fürst von Metternich-Winneburg und dem Secrétaire général de la préfecture du département de la Seine Badereau, 15. 4. 1861, HHStA Ges. Paris 276 B 1c. 26 Vgl. Rudolf Agstner, Das Hôtel Matignon als k. u. k. Botschaft in Paris 1889–1914, in: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 41 (1990), S. 215–263, hier S. 216. 27 Vgl. [Französischer Finanzminister] an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 29. 1. 1870, HHStA Ges. Paris 276 B 1c. 28 Vgl. Graf Alexander von Mensdorff-Pouilly an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 20. 6. 1865, HHStA Ges. Paris 276 B 1c; Agstner, Das Hôtel Matignon, S. 216. 29 Es diente bis zum Ersten Weltkrieg als Botschafterresidenz. Vgl. ibid., S. 217. 30 Die bayerischen Diplomaten wohnten nicht nur in Paris, sondern generell zur Miete. Vgl. Rudschies, Die bayerischen Gesandten, S. 301. 31 Vgl. Charles René Pictet de Rochemont an Maximilian I. Joseph, 3. 5. 1816, BayHStA MA 9368. 32 Vgl. Ferdinand von Schoepff an Maximilian I. Joseph, 9. 4. 1817, BayHStA MA 9368. 33 Für die Standorte der bayerischen Vertretung in Paris siehe Anhang 8.1. 25

146

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

Für kleine Staaten wie das Großherzogtum Hessen-Darmstadt stellte sich vor allem die Kostenfrage bei der Suche nach geeignetem Raum. Der Diplomat Grancy stellte im Jahr 1853 deshalb folgende Überlegungen an: Das Leben in einem sogenannten Hôtel garni übersteigt bei weitem meine sehr geringen Mitteln. Meine jetzige Wohnung, die kaum genügend ist, in einem Hôtel garni welche [sic!] zu den kleinsten gehört, würde mir, wollte ich sie behalten, auf jährlich 2090 fr. kommen. Ich muss mich also billiger einrichten, und habe eine andere Wohnung ohne Meubel in demselben Hause gemiethet, in welchem Herr von Schweitzer wohnt; was mir den großen Vortheil darbietet, daß ich, mit der gütigen Erlaubnis dieses Ministers, Gebrauch von dessen Canzlei werde machen können34.

Grancys Lösung, in demselben Gebäude wie sein badischer Kollege Schweizer zu wohnen, brachte den Vorteil mit sich, die Kanzlei gemeinsam nutzen zu können. Es handelte sich um eine kostensparende Maßnahme, die zugleich den diplomatischen Austausch vereinfachte und eine Kooperation bekundete, die sich auch auf räumlicher Ebene niederschlug. Diplomaten suchten räumlich die Nähe zueinander, die bis hin zur gemeinsamen Nutzung von Räumen reichte. Eine solche räumliche Nähe suchten die Diplomaten jedoch nicht nur zu den direkten Kollegen. In welcher Nachbarschaft sich ein Diplomat insgesamt niederließ, war ein wichtiges Kriterium für die Standortwahl. Grancy beschrieb die Lage der diplomatischen Vertretung des Großherzogtums – nach weiteren Umzügen – im Jahr 1855 wie folgt: La Légation Grandducale est établie au premier étage d’une maison située entre le Ministère de l’Instruction publique et l’Ambassade ottomane, en face du Ministère de l’Intérieur et presque de l’Ambassade d’Autriche, ainsi dans une position fort convenable, ce qui à Paris n’est pas toujours facile à trouver35.

Die Diplomaten suchten in der Regel eine Unterkunft, die in der Nähe des Regierungssitzes des Gastlandes, seiner Ministerien (vor allem des Außenministeriums) und des Kollegenkreises lag: Nicht nur hatten die Diplomaten selbst dadurch kurze Wege, um ihren Aufgaben nachzukommen, sondern es entsprach auch dem Bedürfnis, ihren Staat in angemessener Lage zu repräsentieren36. Hervorzuheben bleibt, dass Standort- und Personalwechsel oft miteinander einhergingen: Ein neuer Leiter einer diplomatischen Vertretung bezog oft Adolf Freiherr Senarclens von Grancy an Reinhard von Dalwigk, 10. 10. 1853, HStAD G 1 74/2. 35 Adolf Freiherr Senarclens von Grancy an Reinhard von Dalwigk, 27. 3. 1855, HStAD G 1 74/2. Zu diesem Zeitpunkt befand sich die diplomatische Vertretung des Großherzogtums Hessen-Darmstadt in der Rue de Grenelle Nr. 112 im Viertel Saint-Germain. Vgl. dazu 3e liste de MM. les membres du corps diplomatique dans l’ordre de la remise de leurs lettres de créance, 5. 2. 1855, AMAE Protocole Série A 115. 36 Vgl. Courcel, Les demeures diplomatiques, S. 5; Mösslang, Gestaltungsraum und lokale Lebenswelt, S. 208. 34

4.1  Räumliche Beständigkeit

147

auch neue Räumlichkeiten. Das Wohnen zur Miete entsprach der Vorstellung, dass der Diplomat für die Dauer einer Mission entsandt worden war und nur für einen bestimmten Zeitraum eine Unterkunft benötigte37. Wenn er abberufen wurde, gab er seine Wohnung auf, verkaufte das meiste Mobiliar, übergab sein Abberufungsschreiben dem französischen Staatsoberhaupt und verließ schließlich Paris38. Das Streben nach einer dauerhaften Residenz vor allem auf österreichischer Seite zeigt jedoch, dass diese Praxis zunehmend als unbefriedigend empfunden wurde und obsolet zu werden schien. Mit dauerhaften diplomatischen Beziehungen korrespondierte der Wunsch nach festen Standorten für die diplomatischen Vertretungen und nach Stabilität auf räumlicher Ebene. Zugleich muss darauf hingewiesen werden, dass diese Tendenz vorrangig für diplomatische Vertretungen im höchsten Rang einer Botschaft galt. Insbesondere kleinere Staaten, die keine umfangreichen Räumlichkeiten benötigten und wie das Großherzogtum Hessen-Darmstadt nicht konstant diplomatische Beziehungen unterhielten oder die Geschäfte an Baden übertrugen, präferierten das Wohnen zur Miete bis hin zur Teilung von Räumlichkeiten. Trotz der häufigen Standortwechsel lässt sich mit einem Blick auf die Karte von Paris schnell ersehen, dass die deutschen Diplomaten in einem leicht zu umreißenden, engen Bereich der französischen Hauptstadt blieben39. Die diplomatischen Vertretungen befanden sich im Zentrum der Stadt, links und rechts entlang der Seine sowie vorzugsweise entweder im Viertel Saint-Germain oder in den Vierteln Champs-Élysées und Saint-Honoré40. Die Diplomaten konnten entscheiden, ob sie als Sitz das rechte oder das linke Seineufer bevorzugten. Der hessen-darmstädtische Diplomat Grancy verglich in diesem Zusammenhang seine Wahl mit der seines Kollegen aus Hannover wie folgt: Le Ministre de Hanovre paye 2.300 fr. un appartement absolument de la même contenance, mais situé entre la rue St Honoré et les Champs Elisées [sic!]. C’est cette en considération qui m’a engagé à place la Légation dans le Faubourg St Germain, ce qui a le désavantage de rendre les courses que j’ai à faire beaucoup plus longues41.

Neben den Fragen der Kosten und der weiten Wege, die für Grancy eine wichtige Rolle spielten, deutet der Vergleich an, in welchem Territorium sich die Diplomaten bewegten. Die Karten aus den Jahren 1820 und 1862 veranschaulichen die Situation. Im Jahr 1820 waren die österreichische Gesandtschaft im Viertel Champs-Élysées und die bayerische, badische sowie hessen-darmstädtische Vgl. Hort, Architektur der Diplomatie, S. 580. Für die bayerischen Gesandten vgl. Rudschies, Die bayerischen Gesandten, S. 301. 39 Vgl. Abb. 6 und Abb. 7, S. 142f. 40 Es gibt Ausnahmen, die die Regel bestätigen: Die badische Vertretung befand sich etwa in den 1860er Jahren in der Rue Blanche Nr. 62 und damit nördlich des Viertels Saint-Honoré. Vgl. Abb. 7, S. 143. 41 Adolf Freiherr Senarclens von Grancy an Reinhard von Dalwigk, 27. 3. 1855, HStAD G 1 74/2. 37 38

148

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

Vertretung im Viertel Saint-Honoré auf der rechten Seineseite angesiedelt, während die preußische Gesandtschaft im soeben gekauften Palais Beauharnais am linken Seineufer zu finden war42. Vier Jahrzehnte später hatten sich neben den preußischen Diplomaten auch die Kollegen aus Österreich, Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt auf der linken Seineseite im Viertel Saint-Germain niedergelassen43. Vergleicht man die beiden Karten aus den Jahren 1820 und 1862, hatten sich die fünf hier untersuchten Vertretungen von den Vierteln ChampsÉlysées und Saint-Honoré in das Viertel Saint-Germain verlagert. Ein Wechsel zwischen den beiden Flussufern und eine gewisse Fluktuation innerhalb dieses engen Territoriums waren jederzeit möglich44. Zentral ist die Beobachtung, dass die Diplomaten sich in ganz bestimmten Vierteln niederließen. Inwieweit machte die Präsenz der Diplomaten in den Vierteln Saint-Germain und Saint-Honoré aus diesen Gegenden diplomatische Viertel  – und welchen Veränderungen unterlagen sie45? Dass Diplomaten insbesondere diese beiden Viertel in der französischen Hauptstadt bevorzugten, war keine neue Entwicklung, sondern eine der vorangegangenen Jahrzehnte gewesen: Bereits im frühneuzeitlichen sowie im napoleonischen Paris hatten die Diplomaten während ihres Aufenthalts bevorzugt in diesen Gegenden gelebt46. Ein wesentliches Kriterium damals wie im beginnenden 19. Jahrhundert war die Nähe zu den französischen politischen Entscheidungsträgern gewesen. Während der Restauration bezeichnete »Faubourg Saint-Germain« nicht nur das Viertel, sondern in einem übertragenen Sinne auch die französische Aristokratie, die es sich leisten konnte, im Umkreis des französischen Hofes zu residieren, der sich in den Tuilerien am gegenüberliegenden Ufer befand: »Il n’y a que la Seine à traverser; ainsi peut-on dire que la Cour est dans le Faubourg et le Faubourg dans la Cour«47. Das Viertel Saint-Germain, die dort Vgl. Abb. 6, S. 142. Vgl. Abb. 7, S. 143. 44 Die österreichische Vertretung, die sich überwiegend im Viertel Saint-Germain in der Rue de Grenelle befand, wechselte ihren Standort und die Flussseite immer wieder zeitweise. Siehe dazu Anhang 8.1. 45 Für den Bereich rechts der Seine steht das Viertel Saint-Honoré im Zentrum des Interesses, daher wird das ebenfalls dort gelegene Viertel Champs-Élysées hier kaum berücksichtigt. 46 Seit dem Jahr 1621 gab es als mögliche Unterkunft das Hôtel des Ambassadeurs extraordinaires, in dem Diplomaten für temporäre Missionen von französischer Seite untergebracht wurden. Es befand sich über ein Jahrhundert im Viertel Saint-Germain. Vgl. Robert de Courcel, L’hôtel des Ambassadeurs extraordinaires à Paris, in: Bulletin de la Société de l’histoire de Paris et de l’Île-de-France 66 (1939); Ders., Les demeures diplomatiques, S. 5 f. Für eine Lageübersicht der diplomatischen Vertretungen in Paris zu napoleonischer Zeit vgl. Chantal Prévot, Les résidences des ambassadeurs et des ministres des puissances étrangères à Paris en 1810, in: Bruley, Lentz (Hg.), Diplomaties au temps de Napoléon, S. 121–126. 47 Guillaume de Bertier Sauvigny, Aristocratie et monarchie dans la vie culturelle au temps de Louis XVIII et de Charles X, in: Karl Ferdinand Werner (Hg.), Hof, Kultur und Politik im 19. Jahrhundert, Bonn 1985 (Pariser Historische Studien, 21), S. 61–75, hier 42 43

4.1  Räumliche Beständigkeit

149

ansässige Aristokratie sowie der französische Hof im Viertel Saint-Honoré waren eng miteinander verzahnt. In dieses Geflecht, zu dem die Salons als wesentlicher Ort des Austauschs gehörten, fügten sich die Diplomaten ein. Beide Viertel blieben die Zentren des Austauschs, wenngleich sich die Situation in den folgenden Jahren durch die Regierungswechsel in Frankreich immer wieder änderte48. In der Konsequenz residierten Diplomaten stetig in denselben Vierteln und waren dort unter ihresgleichen, wie Marion Aballéa für die französischen Diplomaten in Berlin zwischen 1871 und 1930 gezeigt hat: [I]ls [les diplomates français à Berlin entre 1871 et 1930] ne rencontrent et ne vivent dans ces quartiers qu’avec leurs semblables et alter ego, fonctionnaires ministériels, députés allemands ou membres du corps diplomatique. Cela n’a certainement rien de spécifique au Berlin du tournant du siècle, et l’on retrouve des »quartiers des ambassades et ministères« dans toutes les capitales de la planète49.

Nicht nur in Berlin oder Paris, sondern generell suchten Diplomaten in den Hauptstädten der Welt die räumliche Nähe zueinander sowie zu ihren wichtigsten alltäglichen Bezugspersonen wie dem Außenminister des Gastlandes50. Der Stadtraum, in dem sich die Diplomaten vorwiegend bewegten, war übersichtlich und begrenzt. Innerhalb dieses Territoriums standen sie in Interaktion mit ihren wichtigsten Kontaktpersonen, wobei für außenstehende Beobachter diese in sich offenen und fluiden Verbindungen meist exklusiv blieben. Für Paris charakteristisch war die Konzentration auf zwei Viertel, Saint-Germain und Saint-Honoré, die nur durch den Fluss voneinander getrennt waren. Der Erwerb von Gebäuden an beiden Flussseiten im Untersuchungszeitraum verfestigte die Standortwahl der Diplomaten: Die britischen Diplomaten ließen sich als Erste dauerhaft im Viertel Saint-Honoré nieder, während die preußische Gesandtschaft wenige Jahre später in ein Palais im Viertel Saint-Germain einzog51. Nachdem der Standort gewählt und der Kauf- oder Mietvertrag unterzeichnet waren, fragt sich zweitens, wie die Diplomaten den ihnen zur Verfügung stehenden Raum nutzten. Ein erstes Indiz bilden die Raumaufteilungen. Das Stockwerk, das dem Großherzogtum Hessen-Darmstadt in Paris als diplomaS. 63. Vgl. auch Anne Martin-Fugier, La vie élégante ou la formation du Tout-Paris 1815–1848, Paris 1990, S. 97 und 109. 48 Zu den verschiedenen Kontaktgruppen, die mit den Diplomaten einen Umgang pflegten, vgl. Kap. 4.2. 49 Marion Aballéa, Le Berlin des diplomates français, 1871–1930. D’un discours sur la ville à la pratique d’un espace, in: Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande 44/3 (2012), S. 309–323, hier S. 319 (Hervorh. i. Orig.). 50 Dies betrifft vor allem die großen Hauptstädte. Wie Markus Mößlang für die britischen Diplomaten an deutschen Standorten herausgearbeitet hat, residierten sie etwa in Frankfurt am Main oder München zwar in repräsentativen Gegenden, die aber nicht unbedingt in der Stadtmitte liegen mussten, vgl. Mösslang, Gestaltungsraum und lokale Lebenswelt, S. 209. 51 Vgl. Martin de Clausonne, Les ambassades, S. 82.

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4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

tische Vertretung diente, umfasste dem Diplomaten Grancy zufolge im Jahr 1855 folgende Räume: »Cet étage se compose d’un salon, cabinet de travail, sale [sic] à manger, deux chambres à coucher, deux chambres de domestiques, antichambre, grand escalier et escalier de service«52. Die Vertretung mit ihren acht Räumen war, abgesehen von einem Arbeitszimmer, mit den Wohn-, Ess- und Schlafzimmern auf das dortige Wohnen des Diplomaten und seines Dienstpersonals ausgerichtet. Das Palais Beauharnais, feste Residenz der preußischen Diplomaten in Paris, bestand dagegen aus mehreren Gebäudekomplexen und Ebenen53. Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes befanden sich vornehmlich die Arbeitsräume: das Arbeitszimmer des Gesandten, das Kabinett der Sekretäre, die Kanzlei und die Bibliothek. Die Haupttreppe führte in das 1. Stockwerk, das hauptsächlich den Repräsentationsräumen, das heißt den Salons, vorbehalten war. Dagegen waren die entresols unter und über dem 1. Stockwerk, das 2. und 3. Stockwerk sowie der Pavillon an der Straße der Dienerschaft und dem Gesandtschaftspersonal als Wohnraum vorbehalten. Diese Raumaufteilung offenbart, dass die diplomatischen Vertretungen zugleich Arbeits-, Wohn- und Gesellschaftsort waren. In ihrer Funktion als Arbeitsort dienten sie dem diplomatischen Personal nicht nur für dessen zentrale Aufgaben wie die Berichterstattung54. Sie standen zugleich Landsleuten offen, die etwa in Passangelegenheiten Auskunft suchten: Es gab Öffnungszeiten von in der Regel zwei bis drei Stunden pro Tag, die meist um die Mittagszeit herum lagen55. Darüber hinaus wohnten die Diplomaten, ihre Mitarbeiter und das Dienstpersonal in der Regel am selben Ort. Die Frage der Wohnberechtigung war jedoch Verhandlungssache und barg Konfliktpotential, wie die Diskussion um die partielle Räumung des Palais Beauharnais um das Jahr 1846 verdeutlicht. Im Jahr 1845 adressierte der zukünftige preußische Gesandte in Paris, Arnim, ein Schreiben an den preußischen Außenminister Canitz. Er konstatierte darin, dass »das dortige gesandtschaftliche Hôtel gegenwärtig so von Bewohnern eingenommen, daß nur zwei schlechte Zimmer ohne Meubles

Vgl. Adolf Freiherr Senarclens von Grancy an Reinhard von Dalwigk, 27. 3. 1855, HStAD G 1 74/2. 53 Zum Aufbau des Palais Beauharnais vgl. Bismarck (Hg.), Fürst Bismarcks Briefe, S. 477–480. 54 Vgl. Heinrich Alexander Freiherr von Arnim-Suckow an Carl Ernst Wilhelm von Canitz und Dallwitz, 17. 12. 1845, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4849. 55 Die Öffnungszeiten bspw. für das Jahr 1862 lauteten wie folgt: Österreich 13–15  Uhr, Baden 13–15 Uhr, Bayern 13–15 Uhr, Hessen-Darmstadt 12–15 Uhr und Preußen 12– 13.30  Uhr. Vgl. Annuaire diplomatique de l’Empire français pour l’année 1862, Paris, Straßburg 1862, S. 54, 55, 65 und 71. 52

4.1  Räumliche Beständigkeit Seine

Gesamtansicht

Quai d‘Orsay

Garten

Haus

Hof Ställe

Portier Rue de Lille

Erdgeschoss

Gartenseite Empfangszimmer

Ankleide- Arbeitszimmer zimmer Treppe

Schlafzimmer

Garderobe

Schlafzimmer von PourBad talès

Vorhaus

Kanzlei Kabinett der Sekretäre

1. Stockwerk Toilettzimmer

Treppe

Esszimmer

Korridor

Treppe

Treppe

Bibliothek und Durchgang zum Garten

Haupttreppe

Treppe

Hofseite

Gartenseite Schlafzimmer

Korridor Klabouse Badezimmer

Salon

Salon

Kabinett und Schlafzimmer von Bismarck

Salon

Salon

Vorzimmer Vorzimmer

Treppe

Treppe

Hofseite

Entresols

für die Dienerschaft unter und über dem 1. Stockwerk Wohnung des Leibjägers über dem Schlafzimmer von Bismarck, verbunden mit einer Klingel

2. Stockwerk

Ostseite: Wohnungen für die Gesandtschaftsbeamten Reuß, Gasperini und Taglioni Westhälfte: acht Zimmer für Kinder, Garderobe etc.

3. Stockwerk

Dienerzimmer

Abb. 8: Aufbau des Palais Beauharnais als preußische Vertretung in Paris.

151

152

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

zur Wohnung disponibel bleiben«56. Er wies darauf hin, dass möglicherweise sein bevorstehender Einzug in das Gesandtschaftshotel mit seiner eigenen Familie und dem Personal zu einer Überfüllung führen werde. Deshalb bat er darum, dass die dort lebenden Gesandtschaftsangehörigen teilweise ausziehen sollten und dafür Entschädigungen erhielten57. Die Anfrage wurde jedoch zurückgewiesen, indem die folgende, bisher allgemein akzeptierte Übereinkunft bestätigt wurde: Aufgrund der reichlich vorhandenen Zimmer sei dem Gesandtschaftspersonal freie Wohnung zu gewähren, weshalb auch keine Miet­ entschädigungen gezahlt werden müssten58. Neben der Dienerschaft hatte Arnim dem Gesandtschaftspersonal Wohnraum zu gewähren59. Ein weiterer, wenn auch eher Besucher als Bewohner des Palais Beauharnais war der preußische König. Er lebte dort während seiner Aufenthalte in der französischen Hauptstadt60. Ein Anlass war die Weltausstellung in Paris im Jahr 1867, weshalb außerdem ein Ball im Palais Beauharnais stattfand61. Das Gebäude war nicht nur Arbeits- und Wohnort, sondern ebenso ein Ort für gesellschaftliche Veranstaltungen. Die Salons, durch deren außergewöhnliche Ausstattung sich das Palais Beauharnais auszeichnete, boten dafür einen idealen Rahmen62. Ein weiterer Aspekt ist damit angesprochen: die Einrichtung. Das Palais Beauharnais war bis in das frühe 19. Jahrhundert ein adeliger Wohnsitz gewesen, sodass mit dem Einzug der preußischen Diplomaten eine Umnutzung zur diplomatischen Vertretung stattfand. Der deutsch-französische Architekt Hittorff führte außerdem regelmäßig Umbauarbeiten durch63. Beim Wohnen zur Miete wie im Fall der meisten anderen diplomatischen Vertretungen war die Frage nach dem Mobiliar bereits bei der Anmietung ein maßgebliches Kriterium gewesen: Möblierte Räume waren praktischer, aber Vgl. Heinrich Alexander Freiherr von Arnim-Suckow an Carl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz, 17. 12. 1845, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4849. 57 Vgl. ibid. 58 Vgl. Johann Carl Heinrich Philipsborn, Promemoria, 26. 3. 1846, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4849; Friedrich Wilhelm IV. an Carl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz, 1. 7. 1846, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4849. 59 Dies hieß allerdings nicht, dass alle Bediensteten dieses Angebot wahrnahmen. Ein Kanzlist suchte sich bspw. angesichts der Schwangerschaft seiner Frau eine eigene Wohnung. Vgl. Heinrich Alexander Freiherr von Arnim-Suckow an Carl Ernst Wilhelm Freiherr von Canitz und Dallwitz, 12. 1. 1847, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4849. 60 Vgl. Ebeling, Leben, Das Palais Beauharnais, S. 8. 61 Vgl. ibid., S. 9. Vgl. die Ballszene auf dem Umschlagbild. 62 Für die einzelnen Räume, darunter die Salons, aus kunsthistorischer Perspektive vgl. Ebeling, Leben, Das Palais Beauharnais. 63 Vgl. Jörg Ebeling, Jacob Ignaz Hittorff und die preußische Gesandtschaft, in: Isabelle Jansen, Friederike Kitchen, Gitta Ho (Hg.), Dialog und Differenzen 1789–1870. Deutsch-französische Kunstbeziehungen, Berlin 2010 (Passagen, 34), S.  43–56, hier S. 44–47. 56

4.1  Räumliche Beständigkeit

153

auch wesentlich teurer. Das mitgebrachte Gepäck der Diplomaten variierte daher im Umfang. Der zukünftige hessen-darmstädtischen Ministerresident Drachenfels hatte im Jahr 1843 im Wesentlichen Gebrauchsgegenstände dabei64. Der künftige preußische Gesandte Arnim brachte außerdem noch eigene Möbel in das bereits möblierte Palais Beauharnais mit65. Hinsichtlich der Raumpraktiken lässt sich also eine Dreiteilung in Arbeits-, Wohn- und Repräsentationsbereiche, die teilweise ineinander übergingen, festhalten. Es handelte sich um semiöffentliche und private Räume: Wie Markus Mößlang für die britischen Diplomaten an deutschen Standorten im 19. Jahrhundert herausgearbeitet hat, entwickelte sich die britische Botschaft in Berlin zum »semiöffentlichen Raum«, während die weiteren Gesandtschaften vorrangig als Privatwohnungen dienten66. Ein vergleichbarer Unterschied lässt sich hier erkennen: Die Räumlichkeiten der kleineren deutschen Staaten waren nicht für gesellschaftliche Anlässe ausgelegt, während die preußische und insbesondere die österreichische Vertretung in ihren Salons wichtige Veranstaltungen ausrichteten. Die Räume diplomatischer Vertretungen besaßen schließlich nicht nur einen praktischen Nutzen, sondern verfügten drittens über symbolische Dimensionen. Der Eintritt in eine diplomatische Vertretung war nicht nur ein einfacher Schritt über die Türschwelle. Es handelte sich zugleich um einen imaginären Übertritt in fremdes Terrain, wo innerhalb von Frankreich ein anderer Monarch und Staat repräsentiert wurde. Für die Diplomaten und ihre Gebäude waren damit Privilegien verbunden. Es existierten Zeichen und Sonderrechte auf der Ebene der räumlichen Repräsentationen, um zu verdeutlichen, dass es sich um eine diplomatische Vertretung handelte. Die Privilegien, die Diplomaten genossen, werden allgemein unter der Bezeichnung »diplomatische Immunität« subsumiert. Auf einem antiken Konzept fußend sollte sich die diplomatische Immunität im 19. Jahrhundert unter den neuen Leitvorstellungen der Funktionalität und der Reziprozität auf das Nötigste beschränken67. Was trotzdem weiterhin unter diplomatischer Immunität im Hinblick auf Gebäude zu verstehen war, fasst das zeitgenössische diplomatische Standardhandbuch unter dem Begriff der Exterritorialität zusammen: »[L]a maison qu’il habite jouit d’une entière franchise, en ce qu’elle n’est pas accessible aux officiers de justice du pays, elle est considérée comme Es zählten dazu »argenterie, plaqué, livres, gravures, habits, linge, toile«. Vgl. Christian Friedrich Gerstlacher an François Guizot, 14. 1. 1843, AMAE Protocole Série A 83. 65 Vgl. [Heinrich Alexander Freiherr von Arnim-Suckow] an François Guizot, 9. 2. 1846, AMAE Protocole Série A 83. 66 Vgl. Mösslang, Gestaltungsraum und lokale Lebenswelt, S. 210. 67 Zur Geschichte diplomatischer Immunität im 19. Jahrhundert vgl. Linda Frey, Marsha Frey, The History of Diplomatic Immunity, Columbus 1999, S. 336–383. Zu den neuen Leitvorstellungen der Funtionalität und Reziprozität vgl. auch Kap. 2.2.2 und 2.2.3. 64

154

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

étant hors du territoire, aussi bien que la personne du ministre«68. Die Gebäude diplomatischer Vertretungen waren unter einen besonderen Schutz gestellt. Ein anderes Privileg, das hier genannt sei, war die Zollfreiheit: Dieses Sonderrecht schlug sich in der Korrespondenz der Diplomaten mit den französischen Behörden nieder, indem etwa die zollfreie Weineinfuhr immer wieder zu genehmigen war69. Die Außenwirkung diplomatischer Vertretungen lässt sich besonders gut an Illuminationen, einer gängigen Praxis, Gebäude bei bestimmten Gelegenheiten zu beleuchten, aufzeigen. Die künstliche Beleuchtung stellte damals noch eine Besonderheit dar, denn erst mit der Gasbeleuchtung in Paris seit 1819 und Petroleumlampen ab den 1860er Jahren wurde sie zunehmend allgegenwärtig. Illuminationen kam nach der Definition von Jan Garnert folgende Bedeutung zu: Als Illumination bezeichnete man spezielle Lichtarrangements, die gelegentlich öffentlich aufgestellt wurden. Eine Illumination konnte aus hundert oder noch mehr kleinen Öllampen bestehen, die dekorativ an Hausfassaden, in Fenstern oder auf besonderen Gerüsten angeordnet wurden. Stets sollten sie die Signifikanz feierlicher oder festlicher Gelegenheiten hervorheben. Illuminationen lockten gewöhnlich zahlreiche Zuschauer herbei, welche die strahlenden Ausschmückungen bewunderten. In einer Gesellschaft, in der die Dunkelheit den Alltag beherrscht, wird das künstliche Licht bei besonderen Festen und Feiern eine der effektivsten Methoden, um den Gegensatz zum Alltag hervorzuheben70.

Krisensituationen boten kontrovers diskutierte Anlässe für Illuminationen. Sie ermöglichen es aufzuzeigen, wie die Gebäude diplomatischer Vertretungen selbst als Repräsentationsraum fungierten. Im August 1830, kurz nach den revolutionären Geschehnissen in Paris, sollten beispielsweise anlässlich des Tages, an dem die französischen Kammern zusammentrafen, Illuminationen stattfinden. Das diplomatische Korps traf die Vereinbarung, sich daran zu beteiligen, mit folgender Begründung: »[Q]ue ces sortes de signes exté­ rieures ou devant être considérées que comme des mesures de police municipale, pouvaient devoir lieu sans préjuger en rien les résolutions des cours relativemment à la reconnaissance du nouveau Gouvernement français«71. Die Illuminationen stünden nicht im Zusammenhang mit den unsicheren französischen Regierungsverhältnissen und der laufenden Frage der Anerkennung einer neuen französischen Regierung, sodass eine Illumination nicht als Zu-

Martens, Geffcken, Le Guide diplomatique (1866), S. 90. Vgl. exemplarisch [Ministre des Finances] an [Ministre des Affaires étrangères], 26. 5. 1843, AMAE Protocole Série A 83. 70 Jan Garnert, Über die Kulturgeschichte der Beleuchtung und des Dunkels, in: Historische Anthropologie 5/1 (1997), S. 62–82, hier S. 66. 71 Christian Hubert Freiherr von Pfeffel an Ludwig I., 10. 8. 1830, BayHStA MA 2097/2. 68 69

4.1  Räumliche Beständigkeit

155

stimmung zu letzterer gewertet werden könne72. Allein aber der Umstand, dass eine Illumination als solche interpretiert werden könnte, verweist auf ihre symbolischen Dimensionen. Als äußere Zeichen wurden Illuminationen öffentlich wahrgenommen und als Zustimmung oder als Ablehnung gegenüber französischem Regierungshandeln gedeutet. Ein weiterer Vorfall aus dem Jahr 1848 verdeutlicht die Auslegungsmöglichkeiten. Die Beleuchtung des sardischen Botschaftsgebäudes in Paris Anfang Juni 1848 löste beim österreichischen Diplomaten Thom folgende Reaktion aus: Mr l’Ambassadeur de Sardaigne, qui, à l’occasion de ces événemens, a fait illuminer son hôtel, a voulu, dit-on, donner à entendre par là que le Roi son maître était par lui-même assez fort pour soutenir la lutte contre l’Autriche, et comme une sorte de protestation tacite contre toute intervention de la France en Italie73.

Aus österreichischer Sicht war die sardische Illumination ein eindeutiges Zeichen des Protests gegen jegliche französische Einflussnahme in bestehende Konflikte in Italien74. Die Illumination beinhaltete nach Wahrnehmung des österreichischen Diplomaten eine eindeutige politische Botschaft in einer Konfliktsituation. Während beim ersten Beispiel ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen des diplomatischen Korps angestrebt wurde, handelte es sich hierbei offensichtlich um das bewusst abweichende Verhalten eines Diplomaten, das Protest bekundete. Bei der bevorstehenden Proklamation des Zweiten Kaiserreichs im Jahr 1852 und den damit einhergehenden Illuminationen hatte es dagegen sogar Priorität, dass das diplomatische Korps sich einheitlich verhielt: Par contre, si la proclamation de l’Empire donnait lieu à des démonstrations publiques telles que la décoration ou l’illumination des maisons, vous auriez, quant à votre hôtel, à suivre la règle général d’autant plus qu’en faisant exception vous risqueriez peut être de provoquer quelque désordre que nous tenons avait tout à éviter75.

Der österreichische Botschafter betonte, dass ein nicht konformes Vorgehen unnötige Spekulationen hervorrufen könne. Der bayerische Gesandte setzte sich ebenfalls mit dieser Frage auseinander und berichtete von einem Treffen der deutschen Diplomaten beim österreichischen Gesandten:

Zur Anerkennungsfrage im Jahr 1830 vgl. Kap. 5.2. Ludwig von Thom an Lebzeltern, 7. 6. 1848, HHStA Wien St Abt F Dipl Korr 337. 74 Zum sardisch-österreichischen Krieg und zur französischen Haltung in der italienischen Frage vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 164–178. 75 [Graf Karl Ferdinand von Buol-Schauenstein] an Josef Alexander Graf von Hübner, 18. 11. 1852, HHStA Wien MdÄ PA IX 41. 72 73

156

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

Der österreichische Gesandte Herr von Hübner hat sich heute mit den hiesigen deutschen Representanten ins Benehmen gesetzt, um ein gleichförmiges Verfahren bei Anlaß der Illumination, welche morgen Abends dahier, als am Tage der Kaiser-Proklamation statt findet, zu verabreden. Derselbe bemerkte, daß zwar in Folge der Proklamation des Kaiserreichs die offizielle Stellung der Diplomaten dahier bis zum Eintreffen ihrer neuen Creditive aufhört – es erscheine indeß angemessen, sich an der Illumination durch Beleuchtung der gesandtschaftlichen Hotels zu betheiligen, indem einerseits der englische Botschafter Lord Cowley, welcher vorgestern Abends wieder dahier eingetroffen, mit großem Empressement beschloßen hat, sein Hotel zu beleuchten, und es wünschenswerth sei, daß das ganze diplomatische Corps ein gleiches Verfahren beobachte. Ueberdieß würde er, nachdem die meisten Bewohner der Stadt Paris beleuchten, zur Mißdeutung Anlaß geben und erscheine ihm paßend vom Standpunkte als Privatbewohner von Paris, daß die Gesandten der allgemeinen Sitte der Stadtbewohner sich anschließen76.

Für die deutschen Diplomaten war ein vorsichtiges und konzertiertes Verhalten unabdinglich, da sie sich in einer prekären Stellung in Paris befanden: Mit der Proklamierung des Kaiserreichs gab es eine neue französische Regierung, bei der sie erst nach der Übergabe ihrer Beglaubigungsschreiben wieder offiziell anerkannt waren77. Die Diplomaten folgten schließlich den Einwohnern von Paris, die ihre Gebäude ebenfalls aus diesem Anlass illuminierten. In dieser heiklen Lage waren Abstimmungen unter den Diplomaten im Allgemeinen sowie den deutschen Diplomaten im Besonderen notwendig. Darüber hinaus beschränkten sich Illuminationen nicht auf diplomatische Vertretungen, aber sie waren bei ihnen besonders bedeutungsvoll. Wenn das Gebäude einer diplomatischen Vertretung erleuchtet wurde, handelte es sich um mehr als das Erhellen eines Hauses: Illuminationen wurden als leuchtende Zeichen der Zustimmung oder des Protests eines Staates und seines Monarchen gegenüber Frankreich gelesen. Selbst wenn Illuminationen ausdrücklich nicht eine symbolische Aufladung erfahren sollten, zeigen die notwendigen Diskussionen darüber, dass verschiedene Interpretationsmöglichkeiten immer vorhanden waren. Insbesondere bei Illuminationen erfuhren die Gebäude diplomatischer Vertretungen eine öffentliche Wahrnehmung, die weit über die engen diplomatischen Zirkel hinausreichte. Insgesamt lässt sich Räumen auf verschiedenen Ebenen eine besondere Bedeutung für die Funktionsweise von Diplomatie beimessen. Der Stadtraum Paris reduzierte sich für die Diplomaten im Wesentlichen auf zwei bestimmte Viertel, in denen sie zunehmend bestrebt waren, sich nicht nur zur Miete, sondern dauerhaft in käuflich erworbenen Gebäuden niederzulassen. Spezifisch für Paris ist, dass diese Entwicklung um 1815 begann, da die Alliierten nach der napoleonischen Niederlage in der von ihnen besetzten französischen Hauptstadt Gebäude requirierten. Für andere Standorte lässt sich diese Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Maximilian II. Joseph, 1. 12. 1852, BayHStA MA 2109. 77 Zur Anerkennungsfrage des Zweiten Kaiserreichs vgl. Kap. 5.4. 76

4.2  Kontakte herstellen

157

Tendenz im Untersuchungszeitraum ebenfalls beobachten, wenngleich die jeweiligen Motive und einzelnen Zeitpunkte variierten78. Die französische Regierung erwarb etwa seit dem Zweiten Kaiserreich Gebäude als diplomatische Vertretungen im Ausland79. Preußen besaß Ende der 1860er Jahre abgesehen von Paris noch in London und Rom erworbene Gebäude als diplomatische Vertretungen; zusätzlich war in Konstantinopel ein Neubau in Planung, der in den 1870er Jahren vollendet sein sollte80. Neubauten konzipierten einzelne europäische Staaten im 19. Jahrhundert erstmals für ihre diplomatischen Vertretungen, worunter der Standort Konstantinopel eine Vorreiterrolle einnahm81. Bei Neubauten war es schließlich möglich, die angeführten symbolischen und praktischen Aspekte, die ein dauerhaftes Gebäude und ein fester Standort mit sich brachten, in der Architektur von vornherein zu berücksichtigen.

4.2 Kontakte herstellenoder die Dimensionen der Verzweigung 4.2.1 Unter Kollegen: das diplomatische Korps Der bayerische Diplomat Wendland meldete sich im Jahr 1858 nach seiner Rückkehr von einer Reise nach Bayern wie folgt beim bayerischen König aus Paris zurück: »Sobald ich den Grafen Walewski und meine hiesigen Collegen gesehen, überhaupt, nachdem ich mich über den Stand der hiesigen Verhältnisse orientiert habe, werde ich nicht unterlaßen, in meinen amtlichen Berichten fortzufahren«82. Aus seinen Personennennungen geht hervor, dass für ihn neben dem französischen Außenminister Walewski die anderen Diplomaten vor Ort, seine Kollegen, die wichtigsten Gesprächspartner in Paris darstellten. Die Diplomaten, die an einem Standort wie im vorliegenden Fall in Paris akkreditiert waren, bildeten zusammengenommen das sogenannte diplomatische Korps83. Dessen Charakter ist schwierig zu fassen, da es kaum Bestimmungen unterlag und überwiegend auf informellen Beziehungen basierte. Vgl. Hort, Architektur der Diplomatie. Vgl. Yves Bruley, L’ambassade idéale au XIXe siècle: étude comparative des prix de Rome d’architecture de 1841 et 1869, in: Livraisons d’histoire de l’architecture 4 (2002), S. 9–26, hier S. 9. 80 Vgl. Hort, Architektur der Diplomatie, S. 149. 81 Als Ursache führt Jakob Hort neben lokalen Besonderheiten vor allem den spezifischen Umgang der europäischen Großmächte mit dem Osmanischen Reich an, vgl. dazu ausführlich Hort, Architektur der Diplomatie, hier v. a. S. 27 f. 82 August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 21. 12. 1858, BayHStA MA 75418. 83 Der Begriff selbst existierte seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Vgl. Geoffrey R. Berridge, The Origins of the Diplomatic Corps. Rome to Constantinople, in: Paul Sharp, Geoffrey 78 79

158

4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

Politikwissenschaftliche Studien betonen oft die Einheit und Bedeutung des diplomatischen Korps als soziale Institution, an der sich die Existenz einer internationalen Gemeinschaft ablesen lasse84. Zeitgenössische völkerrechtliche Schriften umreißen wiederum seine Legitimität wie folgt: Die gleichzeitig bei einer Regierung beglaubigten Gesanten aller Classen bilden zusammen den diplomatischen Körper (corps diplomatique). Derselbe ist nicht eine juristische oder politische Person, sondern ein freier Verein verschiedener Personen, aber er stellt die völkerrechtliche Gemeinschaft der Staten dar und ist berechtigt, den gemeinsamen Empfindungen und Meinungen einen Ausdruck zu geben85.

Beiden angeführten Konzeptionen ist gemein, dass das diplomatische Korps für sie mehr als die Summe seiner Mitglieder darstellt, weil es mit einer Stimme vor Ort sprach und etwas Übergeordnetes abbildete. Bei einer historischen Herangehensweise ist dabei jedoch Skepsis angebracht, vielmehr ist von seiner Heterogenität auszugehen sowie der Akzent auf den Veränderungsprozessen zu setzen86. Zu nennen sind hier die Rivalitäten zwischen Diplomaten aufgrund von Rangstreitigkeiten in der Frühen Neuzeit, die durch die diplomatischen Rangregelungen des Wiener Kongresses von 1815 und des Aachener Kongresses von 1818 hätten beseitigt sein müssen87. Die Rangregelungen stehen für ein verändertes Miteinander der Diplomaten, das mehr die Kollegialität als die Rivalität betont, wenngleich hierarchische Rangordnungen weiterhin bestanden88. Außerdem umfassten sie nur eines der neuen oder geänderten Dokumente betreffend das diplomatische Korps: Ab Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen erstmals in und für Frankreich diplomatische Jahrbücher, in denen das ansässige diplomatische Personal detailliert verzeichnet war. Sie zeugen von einer erhöhten Sichtbarkeit des diplomatischen Korps in Paris, wobei im Folgenden herauszuarbeiten ist, wie das Korps diese erlangte, da für seine Mitglieder seit 1815 rangbezogene Gleichheit galt und es zunehmend institutionalisiert wurde. Dazu werden erst die Beziehungen der Diplomaten untereinander betrachtet, danach soll die Erscheinungsweise des diplomatischen Korps gegenüber der französischen Seite dargestellt werden.

Wiseman (Hg.), The Diplomatic Corps as an Institution of International Society, Basingstoke u. a. 2007, S. 15–30, hier S. 15. 84 Vgl. vor allem Sasson Sofer, The Diplomatic Corps as a Symbol of Diplomatic Culture, in: Sharp, Wiseman (Hg.), The Diplomatic Corps, S. 31–38, hier S. 31. 85 Bluntschli, Das moderne Völkerrecht, S. 133. 86 Aus dieser historischen Perspektive betrachtend vgl. Aballéa, Un exercice, 381 f.; Mösslang, Riotte, Introduction, S. 19. 87 Vgl. Kap. 2.2.3. 88 Beides gab es gleichfalls weiterhin. Vgl. James Mayall, Introduction, in: Sharp, Wiseman (Hg.), The Diplomatic Corps, S. 1–12, hier S. 5.

4.2  Kontakte herstellen

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In bestimmten Situationen organisierten sich Diplomaten untereinander an einem Standort. Dazu zählen ihre Zusammentreffen bei Angelegenheiten des diplomatischen Korps, die besondere Rolle, die der Nuntius als ihr Doyen hatte, und die Frage einer eigenen Korpsprägung unter den deutschen Diplomaten in Paris. Das diplomatische Korps kam zunächst zusammen, wenn es eigene Angelegenheiten zu besprechen oder zu begehen gab. Im Januar 1818 traf es sich beispielsweise beim sardischen Botschafter, um Forderungen hinsichtlich seiner als unangemessen empfundenen Behandlung durch das französische Zeremoniell zu formulieren89. Im Wesentlichen ging es um die Kutschenvorfahrten zu höfischen Veranstaltungen nach Präzedenz- und Rangfolgen: Aus diplomatischer Sicht sollten die Botschafter und Gesandten direkt nach den Prinzen ankommen und nicht erst hinter den Abgeordneten der Kammern, wie von französischer Seite anvisiert. Hierbei ging es um mehr als Vorfahrtsregelungen, die den Verkehrsfluss wahren sollten. Bis 1818 entstanden nicht nur die festgeschriebenen diplomatischen Rangstufen, sondern auch ein restauriertes Zeremoniell für den Hof Ludwigs XVIII., das mit ersteren in Einklang zu bringen war90. Von Relevanz ist, dass das diplomatische Korps sein eigenes Gewicht zur Geltung zu bringen beabsichtigte, den Widerspruch wagte und auf ein abgesprochenes diplomatisches Vorgehen setzte, wenngleich es nur die obersten beiden diplomatischen Rangstufen betraf. Die Diplomaten besaßen ein Korpsbewusstsein und ein gemeinsames Anliegen, das sie zusammen vorbrachten. Eine andere Art der Zusammenkunft des diplomatischen Korps in eigenen Belangen offenbarte sich bei Trauerfeiern für ansässige verstorbene Diplomaten. Der österreichische Diplomat Hübner schrieb in seinem Tagebucheintrag vom 7. Mai 1853 über die Beerdigung des spanischen Diplomaten: »Heute morgen haben wir unserem teueren Donoso Cortès in St. Philippe du Roule die letzten Ehren erwiesen. Alle Minister des Kaisers und das gesamte diplomatische Korps folgten in Uniform seinem Sarge«91. Er bringt seine Trauer über den Verlust eines Kollegen zum Ausdruck, der ein Teil von ihnen als diplomatischem Korps gewesen war. Neben aller Verbundenheit gab es jedoch auch Trauerfeiern, die im Eklat mündeten, wie diejenige für den preußischen Gesandten Goltz in Paris im Jahr 1822. Goltz’ provisorischer Nachfolger Maltzahn gab darüber seinen Unmut in einem Schreiben nach Berlin kund, indem er berichtete, dass die katholischen Diplomaten inklusive des österreichischen Vertreters Vincent nicht am Trauerzug zur lutherischen Kirche und am dortigen Trauergottesdienst teilgenommen hätten92. Er schrieb unter anderem über die Verhaltensweisen der Diplomaten:

Notiz betreffend Versammlung des diplomatischen Korps inklusive Resolutionen, 30. 1. 1818, AN O 3 223. 90 Vgl. Dargainaratz, Cérémonial de la Cour, S. 3. 91 Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 76. 92 Vgl. Bogislav Helmuth von Maltzahn an [Christian Günther von Bernstorff], 19. 10. 1822, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4817. 89

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4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

L’intolérance dont la partie catholique du corps diplomatique a fait preuve à cette occasion a également scandalisé les autres membres de ce corps. L’Ambassadeur d’Angleterre s’est nommément prononcé d’une manière très-énergique à ce sujet. Le Nonce Apostolique, dont la position particulière comme Représentant du Souverain Pontife ne saurait lui permettre d’assister à des cérémonies religieuses du culte luthérien, a eu la politesse de faire agréer d’avance ses excuses à Madame la Comtesse de Goltz93.

Während die Beerdigung des spanischen und katholischen Diplomaten im überwiegend katholischen Frankreich keinerlei Anlass zu Unmut gegeben hatte, war es jetzt bei Goltz die abweichende evangelisch-lutherische Konfession. Ein allgemein akzeptierter Abwesenheitsgrund schienen die unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten jedoch nicht gewesen zu sein. Die empörten Reaktionen zeigen, dass außer dem entschuldigten vatikanischen Vertreter die katholischen Diplomaten dadurch nicht entlastet waren, zumal sie ihre Absenz offensichtlich nicht im Vorhinein kundgetan hatten. Das diplomatische Korps konnte je nach Anlass die Reihen schließen oder sich spalten, auch wenn der Fall genauso zeigt, dass ein Zusammenstehen der Diplomaten gewünscht und gefordert war. Der erwähnte päpstliche Gesandte, gemeinhin als Nuntius bezeichnet, besaß unter den Diplomaten eine Sonderstellung in Paris. Er nahm in katholisch geprägten Ländern wie Frankreich die Rolle des Doyens ein, der dem diplomatischen Korps vorstand94. Seine herausragende Position wurde im Untersuchungszeitraum dadurch gestärkt, dass sie durch die Vereinbarungen der Kongresse von Wien 1815 und Aachen 1818 garantiert war, die Nuntien in der obersten Rangstufe eines Botschafters anerkannten sowie vom Anciennitätsprinzip befreiten95. In seinem Rollenverständnis sollte der Doyen zudem als Erster unter Gleichen agieren96. In der Praxis koordinierte er in Paris vor allem die gemeinsamen Auftritte der Diplomaten. Wenn der preußische König oder Kronprinz in Paris weilte, erfragte der Nuntius beispielsweise im Namen des diplomatischen Korps beim preußischen Diplomaten die Empfangszeiten der gekrönten Häupter97. Umgekehrt gab er die erhaltenen Informationen an die Diplomaten weiter, indem er etwa den österreichischen Diplomaten im Jahr 1855 die Empfangszeiten der britischen Königin für das diplomatische Korps anlässlich ihres Aufenthaltes im Elyseepalast wissen ließ98. Der Nuntius übernahm eine Schnittstellenfunktion, war nach außen ein Ansprechpartner für das gesamte diplomatische Korps und zeugt so von institutionalisierten Formen. Ibid. Vgl. Erbe, Revolutionäre Erschütterung, S. 56. 95 Vgl. Robert Andrew Graham, Vatican Diplomacy. A Study of Church and State on the International Plane, Princeton 1959, S. 164. 96 Vgl. Sofer, The Diplomatic Corps, S. 32. 97 Vgl. Nuntius an Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther, 24. 9. 1825, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris VI Nr. 53; Nuntius an Robert Heinrich Ludwig Graf von der Goltz, 26. 5. 1867, GStA PK, I. HA Rep. 81 Paris VI Nr. 109. 98 Schreiben des Nuntius, 19. 8. 1855, HHStA Ges. Paris 226 C 1b. 93 94

4.2  Kontakte herstellen

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Schließlich ist zu klären, inwieweit die deutschen Diplomaten in Paris über eine eigene Korpsbildung verfügten. Dafür spricht die gebräuchliche Verwendung der Begriffe corps diplomatique allemand und corps germanique, wobei letzterer weiter gefasst ist und alle deutschsprachigen Mitglieder umfasst, weshalb es nicht überrascht, dass er auch von österreichischen Diplomaten verwendet wurde99. Deutsche Diplomaten in Paris hatten, wenn sie an andere Diplomaten am selben Ort dachten, als erste Referenzgröße den kleineren Kreis der deutschen Kollegen im Blick. Wie gestalteten sich die Beziehungen zwischen dem diplomatischen Korps und der französischen Seite? Relevante Aspekte bilden in dieser Hinsicht die diplomatische Teilnahme an offiziellen Veranstaltungen, die Diplomatentribüne im Parlament sowie die Einführung von jährlich publizierten Verzeichnissen der bei der französischen Regierung akkreditierten Diplomaten. Das diplomatische Korps hatte seine wichtigsten Auftritte bei offiziellen Veranstaltungen der französischen Regierung. Sie umfassten etwa die Teilnahme an der Eröffnung einer neuen Sitzungsperiode im französischen Parlament100. Angesichts der verschiedenen Wechsel der Regierungs- und Staatsform in Frankreich gab es immer wieder neue Anlässe mit geänderten Ritualen. Der österreichische Vertreter Hübner schrieb in seinem Tagebucheintrag vom 15. August 1853: »Maria Himmelfahrt. Es ist das Napoleonsfest. Um 1 Uhr Empfang in den Tuilerien. Der Kaiser empfängt das diplomatische Korps, indem er es an sich vorbei defilieren läßt. Es ist dies eine Neuerung, die den Diplomaten mißfällt. Diese murren, aber sie defilieren; murmurantes te salutamus«101. Napoleon  III., der seit Ende 1852 Frankreich als Kaiserreich regierte, beging den 15. August nicht nur wegen Maria Himmelfahrt als Feiertag, es handelte sich gleichzeitig um den Geburtstag Napoleons I.102 Derselbe Kaiser evozierte vergleichbaren kollektiven diplomatischen Unmut beim wenige Monate später folgenden Neujahrsempfang für das diplomatische Korps im Januar 1854, worüber Hübner berichtete: »Heute vormittags um halb zwölf Uhr empfing der Kaiser, als er von der Messe kam, das diplomatische Korps, indem er dieses abschritt. […] Dieser Empfang ›im Vorübergehen‹ hat der edlen Körperschaft mißfallen, die darüber empört, Monsignore Sacconi, den neuen Doyen, beauftragte, die Sache zu ordnen«103. Vgl. Josef Alexander Graf von Hübner an Karl Ferdinand von Buol-Schauenstein, 29. 10. 1854, HHStA MdÄ PA IX 46; Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ale­xander von Dusch, 26. 3. 1848, GLA 48/2036; Adolf Freiherr Senarclens von Grancy an [Reinhard von Dalwigk], 20. 10. 1853, HStAD G 1 74/2. 100 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Wilhelm Freiherr Rivalier von Meysenbug, 18. 1. 1858, GLA 48/2894. 101 Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 85. 102 Zu diesem Feiertag im Zweiten Kaiserreich vgl. Rosemonde Sanson, Le 15 août. Fête nationale du Second Empire, in: Alain Corbin (Hg.), Les usages politiques des fêtes aux XIXe–XXe siècles, Paris 1994 (Histoire de la France aux XIXe et XXe siècles, 33), S. 117–136. 103 Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 115. 99

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4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

Beide zitierten Szenen offenbaren das Verhältnis zwischen dem neuen Kaiser und dem diplomatischem Korps. Letzteres fühlte sich durch die auferlegte Geste des Vorbeiziehens gedemütigt und in seinem Wert als »edle Körperschaft« nicht angemessen geschätzt, zumal der Neujahrsempfang ihm eigens gewidmet war. Mit den erwähnten Einladungen zu den französischen Parlamentssitzungen ging für die Diplomaten zudem einher, dass sie im Parlament eine eigene Diplomatentribüne besetzten, um die dortigen Sitzungen von für sie reservierten Plätzen gemeinsam zu verfolgen. Die Belegungspraktiken der Tribüne unterlagen im Untersuchungszeitraum jedoch Veränderungen. Im Jahr 1824 umfasste die Diplomatentribüne 54 Plätze, die nach der diplomatischen Rangfolge vergeben waren, das heißt zum Beispiel, dass die Botschafter die erste Reihe belegten104. Als Maßstab für die Sitzverteilung galten die noch kein Jahrzehnt alten Rangregelungen. Mitte des 19. Jahrhunderts gab es während der Zweiten Republik eine Neuerung, indem persönliche Platzkarten für die Diplomaten eingeführt wurden, die sie jeweils an einen von ihnen bestimmten Vertreter weitergeben konnten: Sie sollten verhindern, dass – wie wiederholt vorgekommen – unbefugte Personen das Platzkontingent des diplomatischen Korps ausschöpften105. Im Zweiten Kaiserreich bestand jene Praxis fort, allerdings gab es eine neue Problematik. Der österreichische Botschafter Metternich beschwerte sich im Jahr 1864 beim französischen Außenminister Drouyn de Lhuys, dass zu wenige Plätze für das diplomatische Korps reserviert seien106. Er erhielt daraufhin folgende Antwort: [M]ais pendant treize ans, aucune d’elles [Ambassades et Légations étrangères] n’est venue occuper les places qui avaient été réservées au Corps diplomatique, et c’est seulement depuis un ou deux ans que quelques membres de ce Corps ont manifesté le désir d’assister aux premières Séances de chaque session. Ces séances passées, la tribune est restée vide107.

Drouyn de Lhuys führt eine geringe Nutzung der angebotenen Plätze an, weshalb jene nun reduziert worden seien und in der Reihenfolge des Erscheinens vergeben wurden. Das Problem der mangelnden Auslastung zog sich weiter hin und der bayerische Diplomat Wendland erhielt im Jahr 1866 die Information, dass neuerdings Frauen die Plätze einnehmen könnten108. Ein Jahr später ging es schließlich um den Missbrauch der persönlichen Platzkarten, sodass Diplo Notiz des Secrétaire du roi an Conduite des ambassadeurs, 24. 10. 1824, AN O 3 525. Vgl. Questeur de l’Assemblée nationale an Chargé d’affaires de Bavière, 26. 5. 1850, BayHStA Ges. Paris 923. 106 Vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Édouard Drouyn de Lhuys, 14. 1. 1864, HHStA Ges. Paris 226 C 1d. 107 Édouard Drouyn de Lhuys an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 27. 1. 1864, HHStA Ges. Paris 226 C 1d. 108 Vgl. Présidence du corps législatif an August Freiherr von Wendland, 14. 3. 1866, BayHStA Ges. Paris 923. 104 105

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maten fortan ausschließlich ihre Sekretäre oder Attachés stellvertretend zu den Sitzungen schicken durften109. Insgesamt zeugen die französischen Maßnahmen von einer geringen diplomatischen Präsenz im Parlament. Mit Ausnahme der wichtigen Eröffnungssitzung waren sie selbst kaum vor Ort und schickten gegebenenfalls Stellvertreter. Auf ihre persönlichen Platzkarten wollten sie gleichwohl nicht verzichten und beschwerten sich über unbefugte Okkupierungen. Die Diplomatentribüne besaß einen hohen symbolischen Wert, denn durch sie wurde das diplomatische Korps als fester Akteur in der französischen Hauptstadt anerkannt, wenngleich in der Praxis ihre Auslastung fraglich blieb. Eine Neuerung stellten außerdem diplomatische Jahrbücher dar, die erstmals im Zweiten Kaiserreich herausgegeben wurden. Das Personal der diplomatischen Vertretungen in Frankreich hatte bereits gleichwohl zuvor namentlich Erwähnung in den französischen Hof- und Staatshandbüchern gefunden. Diese erschienen jährlich, hießen Almanach und trugen je nach aktueller Staatsform den Zusatz royal, national oder impérial110. Außerdem führte das Außenministerium im Zweiten Kaiserreich seit seinem Bestehen mit Ende des Jahres 1852 eine Liste über die Mitglieder des diplomatischen Korps in der Reihenfolge ihrer Akkreditierung111. Das erste diplomatische Jahrbuch, »Annuaire diplomatique«, erschien jedoch erst für das Jahr 1858112. Im Gegensatz zu den Almanachen, die alle Staatsorgane verzeichneten, konzentrierten sich die diplomatischen Jahrbücher auf außenpolitische Belange. Ihren größten Teil machten die Angaben zum diplomatischen Personal aus, sowohl Diplomaten in Frankreich als auch französische Diplomaten im Ausland, aber beispielsweise wurden darin auch neu abgeschlossene internationale Verträge publiziert113. Als Nachschlagewerk sind sie bis heute hilfreich und zeigen vor allem den neuen Stellenwert des diplomatischen Korps. Mit dem Erscheinen diplomatischer Jahrbücher ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in den meisten europäischen Staaten wurde das diplomatische Korps als Gruppe von außen identifizierbar114. Daran waren die Diplomaten selbst beteiligt, indem sie die notwendigen Angaben zur Überprüfung auf ihre Richtigkeit erhielten115. Vgl. Rundschreiben des Ministère des Affaires étrangères an Chefs de missions diplomatiques accrédités à Paris, 13. 3. 1867, BayHStA Ges. Paris 923. 110 Vgl. bspw. Almanach royal, pour l’an MDCCCXVII, présenté à Sa Majesté, Paris 1817; Almanach royal et national pour l’an MDCCCXLVI, présenté a leurs Majestés et aux Princes et Princesses de la famille royale, Paris 1846; Almanach impérial pour MDCCCLXII présenté à Leurs Majestés, Paris 1862. 111 Vgl. Première liste de MM. les membres du corps diplomatique dans l’ordre de la remise de leurs lettres de créance, décembre 1853, AMAE Protocole Série A 115. 112 Vgl. Anderson, The Rise, S. 114. 113 Vgl. zum Beispiel Annuaire diplomatique 1862. 114 Vgl. Anderson, The Rise, S. 114; Berridge, The Origins, S. 15. 115 Vgl. Protocole des Ministère des Affaires étrangères an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 31. 10. 1865, GLA 49/1359. 109

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4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

Ausgangspunkt der Überlegungen zur Beschaffenheit des diplomatischen Korps war seine zunehmende Sichtbarkeit. Zunächst ist zu konstatieren, dass es ein Korpsbewusstsein gab, das seine Mitglieder sowie die des französischen Gegenparts anerkannten. Neu waren im Untersuchungszeitraum die diplomatischen Jahrbücher, die erstmals garantierte herausragende Position des Nuntius sowie die diplomatische Rangordnung, die in vielen Situationen für seine innere Hierarchie von Bedeutung war. All dies beweist, dass das diplomatische Korps einen zunehmend festgeschriebenen und institutionalisierten Eigenwert besaß, der zugleich zu seiner Sichtbarwerdung beitrug. Wenn hier hinsichtlich des diplomatischen Korps mehr seine Einheit als seine Heterogenität im Fokus stand, so darf der Blickwinkel nicht darüber hinwegtäuschen, dass es aus vielen unterschiedlichen Personen und Kreisen bestand. Differenzen traten beispielsweise anlässlich der Trauerfeier für den preußischen Diplomaten bei den unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten auf und die deutschen Diplomaten stellten gleichsam eine Untergruppierung darin dar. Dass keine weiteren Fälle bekannt sind, mag der Quellenlage geschuldet sein: Persönliche Begegnungen vor Ort fanden nicht automatisch einen schriftlichen Niederschlag wie die Kommunikation über Distanz zwischen Entsandten und Entsendenden. Nicht zuletzt betont jedoch die gängige Praxis, dass die Diplomaten sich untereinander als Kollegen bezeichneten, ein Zusammengehörigkeitsgefühl, wie es einen sich konstituierenden Berufsstand mit zunehmend professionellem Auftreten kennzeichnet. 4.2.2 Formalisierter Austausch: Verbindungen zu offiziellen französischen Stellen Wenn ein Diplomat in Paris zur Zeit des Zweiten Kaiserreichs ein Schreiben mit dem Absender »Maison de l’empereur. Service du grand-maître des cérémonies« erhielt, wusste er, dass es um höfische Angelegenheiten ging116. Der Schriftwechsel kam zustande, weil Diplomaten Informationen für ihre Berichterstattung benötigten und dafür den Austausch mit offiziellen französischen Stellen suchten. Diese wiederum ließen sie in gewissem Umfang an ihren Neuigkeiten und Veranstaltungen teilhaben und zeigten sich an ihrer fremden Perspektive interessiert. Charakteristisch für ihren Austausch waren dessen formalisierte Formen, die sich im Zeremoniell sowie in der sich ausdifferenzierenden Bürokratie zeigten. Da alle für die Diplomaten relevanten Stellen und Personen in der Hauptstadt Paris ansässig waren, erfolgte ihre Kommunikation zudem am selben Ort und im Wesentlichen auf zwei Ebenen. Mit den leitenden Funktionsträgern, 116

Als eines der zahlreichen Schreiben vgl. Maison de l’empereur. Service du grand-maître des cérémonies an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 26. 12. 1864, GLA 49/1316.

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das heißt vor allem dem Staatsoberhaupt und dem Außenminister, sprachen die Diplomaten in der Regel von Angesicht zu Angesicht, sodass sich ihre Gespräche nur indirekt in der diplomatischen Berichterstattung und in der Memoirenliteratur niederschlagen. Dagegen verlief ein Großteil des Austauschs mit den weiteren Mitarbeitern am Hof, in den Ministerien und anderen offiziellen Stellen auf schriftlichem Weg. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sich die französische Verwaltung im Ausbau befand und die mehrfachen Regierungs- und Staatsformwechsel in Frankreich immer wieder neue oder geänderte institutionelle Formen hervorbrachten. Die vier wichtigsten offiziellen französischen Stellen, mit denen die Diplomaten in Paris verkehrten, waren die Tuilerien beziehungsweise der Elyseepalast als Sitz der Exekutive, das Außenministerium, die Assemblée nationale als Sitz der Legislative und das Pariser Rathaus sowie die Verwaltung des Seine-Departements als Behörden auf kommunaler und regionaler Ebene. Auf höchster Ebene begegneten die Diplomaten dem Monarchen beziehungsweise dem Präsidenten Frankreichs. Sein Sitz lag zwischen 1814 und 1870 überwiegend in den Tuilerien, da der dortige Palast den königlichen Hof während der Restauration und der Julimonarchie sowie den kaiserlichen Hof unter Napoleon III. beherbergte. Der Präsident der Zweiten Republik residierte dagegen im Elyseepalast, nutzte aber nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 und auf seinem Weg, Frankreich in ein Kaiserreich zu transformieren, zugleich den Tuilerienpalast. Infolgedessen sahen sich die Diplomaten in Paris vornehmlich mit einem Hofleben in Frankreich konfrontiert. Frankreich war überhaupt die einzige europäische Großmacht, die bis 1870 zeitweilig über keinen Hof verfügte117. Die »Beharrlichkeit höfischer Verhaltensmuster in den zwischenstaatlichen Verkehrsformen«118 bedeutete, dass der Tuilerienpalast für die Diplomaten die bedeutendste französische Anlaufstelle vor Ort darstellte. Zudem beanspruchte der Monarch weiterhin umfangreiche Befugnisse – darunter außenpolitische – für sich119. Während der Restauration bedeutete das Hofleben für die Diplomaten vor allem, dass König Ludwig  XVIII. sie wöchentlich gemeinsam empfing, woran sich Andlaw folgendermaßen erinnerte: Die Gesandten stellten sich nach ihrem Range in einem großen Halbzirkel auf, hinter ihnen die Legationssekretäre, sowie die vorzustellenden Fremden. Nun wurde der unförmliche König, in voller Uniform, auf einem Rollstuhle hereingeführt. Der geistreiche Monarch wußte aber bei solchen Anlässen nichts anderes zu sagen, als sich regelmäßig, von seinem Sitze aus, nach dem Befinden der Fürsten zu erkundigen, die da vertreten waren120.

Vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 205. Ibid., S. 214. 119 Vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S. 113. 120 Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. 1, S. 91. 117 118

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4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

Die diplomatischen Audienzen beim König folgten einem geregelten Ablauf, der von Hofbediensteten vorbereitet und begleitet wurde. Die maison du roi und hier vor allem der service du grand-maître des céremonies, zu dem der secrétaire du roi à la conduite des ambassadeurs gehörte, waren für die reibungslose und vorschriftsmäßige Durchführung verantwortlich: Mit der Restauration des französischen Königtums im Jahr 1814 hatten sie ihren Dienst aufgenommen121. Eine weitere Form von Hofveranstaltungen mit diplomatischer Beteiligung stellten Bälle dar, wie sie der österreichische Diplomat Hübner unter verschiedenen französischen Regimen erlebte. Er beschrieb im Januar 1852, das heißt im republikanischen Frankreich, das von seinem Präsidenten allmählich in ein Kaiserreich transformiert wurde, wozu es gehörte, den Tuilerienpalast wiederzubeleben: Ball in den Tuilerien, die ich seit der Regierung Louis Philipps mit keinem Fuße mehr betreten hatte. Daselbst habe ich 1837 und 1838, bei Beginn meiner diplomatischen Laufbahn, getanzt und gespeist und während des Winters 1846 und 1847 hatte ich oftmals den Hofbällen und Hofkonzerten beigewohnt. […] Es war mir ein heller Traum, der mir gestattete, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu vergleichen. Die Gegenwart, das waren die Tuileriensäle, die mir einer Reinigung und Auffrischung sehr bedürftig schienen. […] Zweimal zog mich der Prinzpräsident, wie man ihn seit dem Staatsstreiche nennt, beiseite, um mit mir über die Lage Frankreichs zu sprechen. Er scheint es nicht erwarten zu können, seinem Werke die Krone aufzusetzen122.

In der Julimonarchie unter König Louis-Philippe waren Hofveranstaltungen fester Bestandteil des diplomatischen Lebens gewesen: In der Zweiten Republik hatten sie gefehlt und sollten nun wieder im Hinblick auf das anvisierte Zweite Kaiserreich dazugehören. Außerdem bot ein Ball die Möglichkeit zum persönlichen Gespräch zwischen Hübner und dem Präsidenten Louis Bonaparte – dem späteren Napoleon III. –, bei dem sich bereits andeutete, wie jener sein Kaiserreich außenpolitisch zu führen beabsichtigte: im direkten Kontakt mit den Diplomaten. Nach der Etablierung des Kaisertums im darauf folgenden Jahr äußerte sich Hübner deshalb über eine krankheitsbedingte Abwesenheit des Kaisers wie folgt: »Der Kaiser ist immer noch unnahbar. Trotzdem hat er die Senatoren und die Deputierten des Gesetzgebenden Körpers empfangen, aber die Diplomaten sehen ihn nicht, was ich bedauere, denn die Geschäfte lassen sich nur mit ihm abwickeln«123. Napoleon III. zeichnete sich weit mehr als andere Monarchen dadurch aus, dass er diplomatische Angele-

Zum neuen Zeremoniell im Hinblick auf die Diplomaten vgl. v. a. Art. 16 aus: Règlement du Service du grand-maître des cérémonies, [1814], AN O 3 518; zur maison du roi vgl. Jean Baillou, Pierre Pelletier, Les affaires étrangères et le corps diplomatique français, Bd. 1: De l’Ancien Régime au Second Empire, Paris 1962, S. 531. 122 Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 32 f. 123 Ibid., S. 76. 121

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genheiten in den eigenen Händen behielt124. Darüber hinaus galt das Hofleben im Zweiten Kaiserreich als besonders ausgedehnt und prachtvoll. Es fand nicht nur in den Tuilerien, sondern auch je nach Jahreszeit in den Schlössern von Saint-Cloud, Fontainebleau und Compiègne, die im Pariser Umland lagen, sowie in Kurorten statt125. Diplomaten waren oft Teil der ausgewählten Kreise, die an jenen Orten zugegen sein durften126. Es oblag der maison de l’empereur, die die Hofangelegenheiten organisierte, ihnen Einladungen und Bekanntmachungen zu senden127. Der Hof blieb für die Diplomaten die wichtigste offizielle französische Stelle in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, obwohl für sie der Außenminister die engere Zuständigkeit besaß und sein Ministerium im Untersuchungszeitraum einen veritablen Aufschwung erlebte. Das französische Außenministerium entstand im 18. Jahrhundert, wobei es zunächst aus vergleichsweise wenigen Personen bestand und an wechselnden Orten beherbergt wurde128. Ein eigenes Gebäude wurde erst in den 1850er Jahren am linken Seineufer im Viertel Saint-Germain am Quai d’Orsay, von dem es seine bis heute übertragene Bezeichnung erhält, errichtet. Der österreichische Diplomat Hübner hielt seinen ersten Eindruck von dem Bau in seinem Tagebuch unter dem Eintrag vom 9. Februar 1854 fest: »Bei Drouyn de Lhuys, der zum ersten Male im neuen Ministerium am Quai d’Orsay empfängt. Es ist ein prächtiges, ich möchte fast sagen, dünkelhaftes Palais im Geschmack der falschen Renaissance«129. Die Diplomaten besaßen auf diese Weise eine neue Anlaufstelle für ihre regelmäßigen Besuche und Gespräche mit dem französischen Außenminister. Insbesondere die preußischen Diplomaten, die seit Ende der 1810er Jahre im unweit gelegenen Palais Beauharnais ansässig waren, mussten nur wenige Meter bis dorthin zurücklegen130. Die neuen Räumlichkei Vgl. Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S.  695 f.; Baumgart, Europäisches Konzert, S. 114. 125 Zum Hofjahr mit den vom Kaiser präferierten Aufenthaltsorten im Jahresverlauf vgl. Girard, Napoléon III, S. 200–205. 126 Der preußische Legationssekretär Radowitz gibt bspw. einen detaillierten Einblick in den Tagesablauf eines Aufenthalts in Compiègne sowie in kaiserliche Reisen nach Biarritz, vgl. Holborn, Aufzeichnungen und Erinnerungen, S. 78–80 und 126–129. 127 Exemplarisch sei eine Jagdeinladung nach Saint-Cloud genannt. Vgl. Premier veneur an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 5. 1. 1866, HHStA Ges. Paris 226 C 1c. Zu den Bekanntmachungen gehörten zudem zum Beispiel nach Todesfällen die Weitergabe von Trauerzeiten und entsprechenden Kleidungsvorschriften am Hof. Vgl. Grand-maître des cérémonies an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 29. 8. 1865, GLA 49/1316. 128 Zur Geschichte des französischen Außenministeriums unter besonderer Berücksichtigung seiner Standorte vgl. Courcel, Les demeures diplomatiques, S.  6–34 und v. a. S. 23–34; im Hinblick auf die revolutionäre und napoleonische Zeit vgl. Emma­nuel Pénicaut, Les lieux de la négociation. L’hôtel de Galliffet, in: Yves Bruley, Thierry Lentz (Hg.), Diplomaties au temps de Napoléon, Paris 2014, S. 69–79. 129 Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 123. 130 Vgl. Abb. 7, S. 143. 124

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4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

ten bedeuteten weiterhin, dass die wachsende Bürokratie, die sich in der seit 1825 bestehenden Organisationsform gleichwohl im 19. Jahrhundert nur wenig ändern sollte, einen festen Platz erhielt131. Dies war in Frankreich umso wichtiger, als die Außenminister häufig wechselten: Allein in den 16 Jahren der Restaurationszeit bekleideten zehn Personen das Amt132. Die persönliche Begegnung zwischen dem Außenminister und den Diplomaten fand regelmäßig zu dessen Empfangszeiten statt, wie Hübner im Jahr 1857 festhielt: »Bei Walewski, der nun wieder das diplomatische Korps an den Freitagen von ein bis drei Uhr empfängt«133. Neben den politischen Gesprächen unter den leitenden Funktionsträgern war das Außenministerium der Ansprechpartner der diplomatischen Vertretungen in vielfältigen Angelegenheiten. Die engen Verbindungen verdeutlicht der badische Fall vor allem aufgrund der gemeinsamen Grenze. Die Handelsabteilung in der Konsulatsdirektion des französischen Außenministeriums beschäftigte im Jahr 1853 zum Beispiel der Bau des Straßburger Bahnhofs, wofür die badischen und die französischen Schienen angepasst werden mussten134. Außerdem vermittelte das Außenministerium für die Diplomaten in Angelegenheiten, die nicht unbedingt in dessen Zuständigkeitsbereich fielen, von diesem aber auf französischer Seite intern weitergegeben wurden. Der badische Diplomat Schweizer hatte sich etwa fälschlicherweise mit einer Anfrage direkt an das Kriegsministerium gewandt, das ihn daran erinnerte, solche Schreiben seien über den Außenminister an das Ministerium zu richten135. Insgesamt verdeutlicht das Verhältnis zwischen französischem Außenminister und Diplomaten schon mehrfach betonte Gegensätze dieser Zeit. Einerseits waren der Außenminister und sein Ministerium, das intern wuchs und sich professionalisierte, die zentralen Ansprechpartner für die Diplomaten. Das Außenministerium war baulich erneuert und dadurch auf Dauer ausgelegt, so konnte es auch mit seinen größer werdenden Abteilungen und Unterabteilungen Anfragen immer differenzierter beantworten. Andererseits stand der Außenminister im Schatten des jeweiligen Staatsoberhaupts, das gerade in der Außenpolitik die hergebrachten Gestaltungsspielräume zu behalten gedachte. Neben dem Außenministerium am Quai d’Orsay lag ferner ein Bau, den die Diplomaten zumindest gelegentlich aufsuchten: das Palais Bourbon, in dem

Zur Organisation des französischen Außenministeriums vgl. Erbe, Revolutionäre Erschütterung, S. 46. 132 Vgl. Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 522; für die Zeit ab 1830 vgl. Baumgart, Europäisches Konzert, S. 118. 133 Hübner, Neun Jahre, Bd. 2, S. 42. 134 Vgl. Drouyn de Lhuys an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 16. 11. 1853, GLA 49/1464. 135 Vgl. Ministre Secrétaire d’Etat de la Guerre an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 26. 6. 1858, GLA 49/1466. 131

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die Abgeordnetenversammlung tagte136. Die Diplomaten waren zu den französischen Parlamentssitzungen ausdrücklich geladen. Die Leiter der diplomatischen Vertretungen schickten allerdings in der Regel Vertreter dorthin und waren nur bei Beginn einer neuen Sitzungsperiode persönlich zugegen. Der Eröffnungssitzung kam eine besondere Bedeutung zu, die Thomas Mergel im Hinblick auf den Reichstag in der Weimarer Republik wie folgt charakterisiert: Die Eröffnungssitzung war Teil eines Übergangsritus, der die Kontinuität der Institution unter gewandelten Bedingungen  – mit neuer Besetzung und Mehrheitsverhältnissen  – sicherstellte. Solche Übergangsriten standardisierten Handlungsweisen und lassen damit die auftretenden Probleme kalkulierbarer erscheinen. […] Die Veranstaltung beinhaltete keinerlei materialen Aktivitäten; trotzdem war sie vollbesucht; die Diplomatenloge war besetzt, und auch der Reichspräsident war anwesend137.

Die erste Sitzung besaß eine symbolische Funktion, die die Diplomaten durch ihre Präsenz noch unterstrichen. Eine Einladung zur Eröffnungssitzung erhielt der bayerische Diplomat im Jahr 1845 vom introducteur des ambassadeurs und nicht von einem Parlamentsbediensteten138. Letztere waren allerdings bei anderen Anlässen, wie bei der teilweise problematischen Platzverteilung auf der Diplomatentribüne, involviert139. Der Austausch von Sitzungsprotokollen, wie von Baden an Frankreich, erfolgte zudem direkt zwischen Parlamentsangestellten und Diplomaten140. Die persönlichen Platzkarten für die Diplomatentribüne erhielten die Diplomaten weiterhin jedoch jährlich aus dem französischen Außenministerium141. Die angeführten Schreiben benennen insgesamt drei Ansprechpartner für die Diplomaten in Angelegenheiten, die das Parlament betrafen und zeugen von verschiedenen Zuständigkeiten: Eine neue Sitzungsperiode im Parlament eröffnete das Staatsoberhaupt, weshalb die dazugehörige Einladung vom Hof kam. Die Platzkarten jährlich für die Diplomaten auszustellen, war eine Routineaufgabe für das Außenministerium, zumal dort verwaltet wurde, welche Diplomaten gerade in Paris Zum Palais Bourbon als Ort des Parlaments vgl. Jean Garrigues, Histoire du parlement de 1789 à nos jours, Paris 2007, S. 153–155. Zur Lage des Palais Bourbon vgl. Abb. 7, S. 143. 137 Thomas Mergel, Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag, Düsseldorf 22005 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 135), S. 139 und 141. 138 Vgl. Introducteur des ambassadeurs an Friedrich Christian Karl Graf von Luxburg, 24. 12. 1845, BayHStA Ges. Paris 923. 139 Vgl. Présidence du corps législatif an August Freiherr von Wendland, 14. 3. 1866, BayHStA Ges. Paris 923. 140 Vgl. Président du corps législatif an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 22. 8. 1860, GLA 49/1313. 141 Rundschreiben aus dem französischen Außenministerium an alle diplomatischen Missionsleiter in Paris, 19. 11. 1867, GLA 49/1316. 136

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weilten. Schließlich nahmen die Parlamentsbediensteten bisweilen direkt mit den Diplomaten Kontakt auf, wenn es um Angelegenheiten ging, die interne Abläufe betrafen. Ein weiterer offizieller französischer Korrespondenzpartner für die Diplomaten waren schließlich die regionalen und kommunalen Instanzen. Der Anlass für ihre Schriftwechsel waren oft lokale Bälle, die vor allem im Rathaus, dem Hôtel de Ville, stattfanden und zu denen die Diplomaten Einladungen erhielten142. Da Paris nicht nur eine Kommune darstellte, sondern auch zum Departement de la Seine gehörte, gingen diese auch vom zuständigen Präfekten aus. Diplomaten waren infolgedessen nicht nur in Bezug auf ihr Gastland, sondern auch in Bezug auf ihre Gaststadt in das Leben vor Ort eingebunden, was im zentralistisch verwalteten Frankreich von besonderer Bedeutung war. Insgesamt war der Austausch mit den französischen offiziellen Stellen weit mehr formalisiert als zum Beispiel in den im Folgenden zu betrachtenden Salons. Der Kontakt vor allem zum jeweiligen Staatsoberhaupt und Außenminister in Frankreich war für die Diplomaten unabhängig von persönlichen Affinitäten oder Differenzen immer wichtig. Die dargestellten Austausch- und Korrespondenzwege wie Empfangszeiten und Zuständigkeitsregelungen garantierten deshalb, dass ständig ein angemessener Informationsfluss existierte. 4.2.3 In den Salons als Gast und Gastgeber zuhause: die »Pariser Gesellschaft« Abgesehen von den offiziellen französischen Stellen gab es in Paris die informellen Salons, die für die Diplomaten einen hohen Stellenwert hatten. Der österreichische Diplomat Hübner schrieb unter seinem Tagebucheintrag vom 23. Februar 1854 über das einstweilige Ende des Salons der Fürstin Lieven, Gattin eines verstorbenen russischen Diplomaten: Die Fürstin Lieven ist nach Brüssel abgereist. Mit ihrem Salon schließen sich die Pforten des letzten Vereinigungszentrums für alte Staatsmänner, Politiker, ehemalige Parlamentarier, für Diplomaten ersten Ranges und die hohe ausländische Eleganz und wahrscheinlich, um sich nicht mehr zu öffnen. Im Grunde genommen aber war es doch nur ein Tratschnest. […] Hatzfeld [preußischer Diplomat in Paris] und ich gingen fast täglich hin, um ein bis zwei Stunden dort zu verbringen143.

Vgl. Secrétaire général de la préfecture de la Seine an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 10. 1. 1854, GLA 49/1356; Maire de la Ville de Paris an bayerischen Diplomaten, 17. 2. 1868, BayHStA Ges. Paris 3962. 143 Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 126. Fürstin Lieven verließ nur vorübergehend Paris und führte ihren Salon dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1857 weiter. 142

4.2  Kontakte herstellen

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Hübners Zeilen klingen wie ein Abgesang auf die Pariser Salonkultur, die er seit Jahrzehnten kannte. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bildeten die Salons den zentralen Treffpunkt der »Pariser Gesellschaft«, wenngleich sie nicht mehr an ihre Blütezeit im Ancien Régime anzuknüpfen vermochten. Die mehrfachen Regimewechsel in Frankreich hatten zu einer Zersplitterung der Eliten geführt, die sich nun nicht mehr in den gleichgesinnten aristokratischen Salons des 18. Jahrhunderts, sondern in den verschiedensten Kreisen trafen. Im 19. Jahrhundert blieb es gleichwohl eine soziale Pflicht, in den einschlägigen Salons angemessen aufzutreten, um seinen Status zu verdeutlichen und mitreden zu können144. Für die Diplomaten waren Salons nicht nur ein Ort des Zeitvertreibs, sondern, wie es Hübners Ausführungen nahelegen, vor allem ein Zentrum des Informationsaustauschs. Um in der Pariser Gesellschaft die notwendige Anerkennung zu erlangen, mussten sich Diplomaten nicht nur dort zeigen, sondern auch selbst Abendessen und Bälle ausrichten, wodurch sich insbesondere einzelne Diplomatengattinnen wie Fürstin Lieven einen Namen machten. Diplomaten waren als Gast und Gastgeber in den Pariser Salons zuhause. Da die Salonkultur maßgeblich von dem jeweiligen französischen Regime geprägt war, werden im Folgenden die Restauration, die Julimonarchie, die Zweite Republik und das Zweite Kaiserreich als Zeitabschnitte betrachtet. Während der Restauration erlebte die Pariser Salonkultur zunächst eine »Scheinblüte«145, da die französische Aristokratie, die im Faubourg Saint-Germain lebte, und die am Hof wieder eingesetzten Bourbonenkönige dieselbe Gesinnung hatten: Das Hof- und Salonleben wurde von denselben Personen gestaltet, wobei der Königspalast das gemeinsame Zentrum bildete146. Zugleich stellte die Pariser Gesellschaft, die sich jenseits des Hofes in den Salons traf, zunehmend etwas Eigenes dar, das sich in dem Begriff des »Tout-Paris« niederschlug: Um 1820 entstanden, bezeichnete dieser eine soziale Gruppierung, die nicht unbedingt politische, sondern vielmehr zivilisatorische Führungsansprüche für sich deklarierte147. In dem gesellschaftlichen Rahmen begannen in der Restaurationszeit unter den Pariser Diplomaten vor allem zwei Vertretungen herauszuragen: die britischen Granvilles und die österreichischen Apponyis148. Rudolf Apponyi, Cousin und Sekretär des österreichischen Botschafters, berichtete über einen Abend in der britischen Botschaft im Jahr 1826: »J’ai été Vgl. Philip Mansel, Paris Between Empires 1814–1852, London 2001, S. 123. Johannes Willms, Paris. Hauptstadt Europas 1789–1914, München 1988, S. 240. 146 Zur Pariser Gesellschaft der Restauration vgl. Martin-Fugier, La vie élégante, S.  97 und 100. 147 Vgl. ibid., S. 25. 148 Anton Apponyi war österreichischer Diplomat in Paris von 1826 bis 1848. Vgl. Courcel, L’ambassade d’Autriche, S. 278. Granville Leveson-Gower war von 1824 bis 1828 sowie von 1831 bis 1834 und von 1835 bis 1841 britischer Diplomat in Paris, vgl. Daudet, Vingt-cinq ans, Bd. 1, S. 10. Zur hervorgehobenen gesellschaftlichen Position der beiden in Paris vgl. Mori, The Culture of Diplomacy, S. 75. 144 145

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hier chez l’ambassadrice d’Angleterre; elle a donné son dernier bal de la saison. Ce n’est qu’au mois de septembre que sa maison sera derechef ouverte. Ce bal a été superbe et a duré jusqu’à six heures du matin. […] Il y avait sept cents personnes invitées. Comme cela va sans dire, il y a eu un très grand souper«149. In der britischen Botschaft trafen mehrere Hundert Personen zusammen, wobei die Diplomatengattin Lady Granville als Gastgeberin galt, die sich als Salondame einen Ruf erarbeitet hatte. Die britische Botschaft lag auf dem rechten Seineufer wie der Königspalast, während Apponyis wie die französische Aristokratie den Faubourg Saint-Germain bevorzugten150. Die beiden großen diplomatischen Vertretungen lagen im Zentrum des Geschehens und verfügten darüber hinaus über die räumlichen Kapazitäten, solche Abende auszurichten. Darüber hinaus besaßen die Salons allgemein nicht nur während der Restauration für die Diplomaten als dortige Gäste einen unschätzbaren Wert als Gerüchteküche. Dort wurde etwa bei Wechseln der Regierungsmitglieder über künftige Namen der Nachfolger spekuliert: »Le public des salons d’ici met le plus grand intérêt à deviner sur qui le Roi fera tomber son choix«151, wie der preußische Diplomat Werther im Jahr 1826 in seiner Berichterstattung nach Berlin weitergab. Mit der Thronbesteigung Louis-Philippes nach der Julirevolution im Jahr 1830 war die bisherige Salonkultur jedoch plötzlich beendet. Die französische Aristokratie im Faubourg Saint-Germain bildete fortan eine Opposition zum Hof des Bürgerkönigs und das gesellschaftliche Leben in Paris zersplitterte insgesamt zunehmend: Neben dem Adel, der in sich gespalten den verschiedenen Monarchien vom Ancien Regime bis zum herrschenden Herzog von Orléans anhing, gab es das aufstrebende Bürgertum sowie neben den alteingesessenen Vermögenden die neuen mächtigen Bankhäuser152. Für diese neue Epoche stand vor allem das expandierende Bankhaus Rothschild in Paris, das unter seinem Namen zugleich ein neues gesellschaftliches Zentrum in der französischen Hauptstadt ausbildete153. Wie Apponyis Tagebucheinträge verdeutlichen, waren dort bis hin zum regierenden Herzog von Orléans alle wichtigen Personen bei den Bällen zugegen154. Trotz der Veränderungen blieben die Granvilles und Apponyis die diplomatischen Mittelpunkte der Pariser Gesellschaft. Rudolf Apponyi selbst schrieb über den ersten Ball in der österreichischen Botschaft nach dem Umsturz von 1830:

Daudet, Vingt-cinq ans, Bd. 1, S. 10. Für Österreich vgl. Courcel, L’ambassade d’Autriche, S. 279; für Großbritannien vgl. Martin de Clausonne, Les ambassades, S. 82. 151 Vgl. Depesche Nr. 18 von Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther, 9. 4. 1826, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4907. 152 Vgl. Martin-Fugier, La vie élégante, S. 100. 153 Vgl. ibid., S. 102. 154 Vgl. Daudet, Vingt-cinq ans, Bd. 1, S. 423 f. 149 150

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Notre bal a été des plus animés; c’était la première grande fête donnée depuis les journées de Juillet; les mêmes personnes qu’autrefois [sic!] s’y retrouvaient et paraissaient avoir oublié pour quelques moments la révolution qui a passé devant nos fenêtres; il fallait être bien initié dans les secrets de la société pour y remarquer des changements155.

Neben den neuen Orten behielten die etablierten Zusammenkünfte ihre Existenzberechtigung, was mit der Zersplitterung einherging. Die Diplomaten mussten allerdings darauf achten, wie sie sich durch die Wahl ihrer Gäste sowie der von ihnen selbst besuchten Salons positionierten, was unter den folgenden beiden Regimes von noch größerer Relevanz sein sollte. Während der Zweiten Republik gestaltete sich das gesellschaftliche Leben in Paris noch komplizierter, da nicht nur ein Hof fehlte, sondern auch die Regierungen sehr instabil waren und Minister häufig wechselten. Die Problematik schildert der österreichische Diplomat Hübner, der oft gesellschaftliche Abende bei sich ausrichtete, in seinem Tagebucheintrag vom 30. April 1851: Nach der Bildung eines Ministeriums gibt es nichts schwierigeres, als die Listen seiner Gäste zusammenzustellen. So groß ist die Zahl der durch Abgründe getrennten Kategorien, der Koterien, die, obgleich sie dieselben Farben tragen, sich dennoch von allen Seiten anfeinden und die so exklusiv sind, daß die Anwesenheit eines einzigen outsider die ganze Gesellschaft aufscheucht. Da gibt es den eigentlichen Faubourg St. Germain, es gibt den Faubourg St. Honoré, es gibt die Unversöhnlichen und jene, die in Louis Napoleon den Retter erblickt haben, den »Monk«, wie man sagt. Andre wieder, die von diesem Irrtum bereits abzulassen beginnen. Hütet Euch sie zusammen zu einer kleinen Gesellschaft zu laden. Da sind die Führer der Majorität, die Burggrafen, von denen jeder der erste sein will, und deren man daher nicht zu viele auf einmal laden darf. Da sind die Herzöge, die Pairs von heute. Da sind die jungen Deputierten, die rising-men, die sich den Botschaftern nützlich zu machen verstehen und meist unterhaltender sind, als die politischen Spitzen. Da sind die Intimen des Elysées, Herren und Damen, letztere alle sehr schön und elegant, darunter auch einige Weltdamen, die aber mit den strengen Tugenden des nobeln Faubourgs nicht in Berührung zu bringen, der Hausherr gut tun dürfte. Die Fremden von Distinktion sind eine große Hilfe, denn man kann sie mit jedermann laden156.

Neue republikanische Formen in ihrer ganzen Vielfalt trafen auf die verschiedenen bestehenden Kreise und machten ein harmonisches Zusammentreffen geradezu unmöglich. Hieran zeigt sich, was die im Niedergang begriffene Salonkultur einst ausgemacht hatte: Es hatte ein gewisser Konsens unter den Gästen bestanden, der gegenseitiges Vertrauen schuf und informelle Gespräche ermöglichte. Dagegen verwandelten sich die Salons in der Zweiten Republik in das Gegenteil, indem gesellschaftliche Abendessen nach Hübners Aussage »Schlachten«157 glichen. Insbesondere in politisch explosiven Situationen, wie im Dezember 1851 angesichts des präsidialen Staatsstreichs, konnten sie aber Ibid., S. 399. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 9 f. 157 Ibid., S. 27. 155 156

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auch ein nützliches Zentrum des Austauschs sein. Der eingangs zitierte Salon der Fürstin Lieven mutierte aus diesem Anlass, wie Hübner schrieb, »in ein förmliches Hauptquartier«, in dem »sich die von verschiedenen Parlamentariern einlaufenden Informationen mit denen ihrer Freunde aus dem Elysée [kreuzten]«158. Der Salon hatte den Vorzug, dass dort aufgrund der Position der Gastgeberin unterschiedliche Informationen zusammenflossen. Im Zweiten Kaiserreich, in dem der bisherige Präsident Louis Bonaparte als Kaiser regierte, führte nicht nur Fürstin Lieven, sondern auch der österreichische Diplomat Hübner seine gesellschaftlichen Abende im Botschaftsgebäude fort. Allerdings stellte seine von ihm beibehaltene Gästeliste fortan ein Problem dar: Meine Kollegen, mit Ausnahme von Hatzfeld, der schüchtern ist und selten die alte Gesellschaft, der seine Frau angehört, empfängt, laden nur die offizielle Welt. Meinesteils habe ich meine Einladungslisten, sowie sie vor dem Staatsstreiche waren, beibehalten. Bei den alten Höfen wäre dies unmöglich und unschicklich, in einem Lande aber, wo, seitdem die großen Errungenschaften von 1789 in Fleisch und Blut übergegangen sind, die Regierungsformen mit der Regelmäßigkeit einer Uhr wechseln und auf einander folgen, scheint mir die Freiheit, die ich mir erlaube, vollkommen gerechtfertigt zu sein. Übrigens ist das Prinzip der Legitimisten das unsrige, und es würde mir als Österreichs unwürdig erscheinen, ihnen die Häuser seiner Vertreter zu verschließen. In den Tuilerien mißfiel meine Haltung. Einige Hofschranzen, sei es aus persönlichem Übereifer, sei es auf Anordnung des Kaisers, der in derlei Dingen sehr empfindlich ist, hielten sich für verpflichtet, mir in den höflichsten Formen Bemerkungen hierüber zu machen, die ich aber einfach nicht verstand159.

Hübner zog bewusst den Unmut des französischen Kaisers auf sich, indem er dezidiert hofkritische Personen zu sich einlud. Für die Legitimisten, welche die Herrschaftsansprüche der Bourbonen hochhielten, besaß der konservative Hübner ausdrücklich Sympathien. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und Österreich gestalteten sich zudem in den 1850er Jahren zunehmend schwierig und endeten einstweilig mit dem Kriegsausbruch zwischen Österreich und Italien im Jahr 1859, als Frankreich auf der Seite Italiens stand und Hübner den Pariser Posten verlassen musste160. Bis zu diesem Zeitpunkt blieb Hübner seiner Linie trotzdem oder gerade deswegen treu und lud weiterhin zu seinen »Faubourg St. Germain-Dinern«161 ein, womit die Legitimisten aufgrund ihres Wohnortes assoziiert wurden. Der Name führt zudem zurück zur Salonkultur der Restauration, in denen das Viertel glanzvolle Zeiten erlebt hatte, welche zumindest bei Hübners gesellschaftlichen Zusammenkünften wiederauflebten. Hübners Nachfolger Metternich setzte die herausragende österreichische Salonkultur in Paris in den 1860er Jahren fort, wozu insbesondere seine Frau

Ibid., S. 19. Ibid., S. 142. 160 Vgl. Courcel, L’ambassade d’Autriche, S. 287 und 291. 161 Hübner, Neun Jahre, Bd. 2, S. 74. 158 159

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Pauline von Metternich beitrug: »man mußte dort den Fuß haben, um mitzuzählen, und gerade unsere jüngere Botschaft war in ihm gut aufgenommen«162, schrieb der preußische Legationssekretär Radowitz. Einen gesellschaftlichen Höhepunkt in Metternichs Zeit als Diplomat in Paris bildete außerdem die dortige Weltausstellung im Jahr 1867, die nicht nur den österreichischen Kaiser anzog und Anlass zu Festlichkeiten in der Stadt und in den diplomatischen Vertretungen gab163. Der preußische Kronprinz lehnte bei seinem Aufenthalt in Paris in dem Jahr einen eigenen Empfang für die dort anwesenden Diplomaten ab, da es genug Gelegenheit für Begegnungen in den Salons geben werde164. Anlässlich des Besuchs des preußischen Königs gab es dagegen einen großen Ball in der preußischen Botschaft, sodass auch das Palais Beauharnais einmal im Zentrum des gesellschaftlichen Geschehens stand165. Insgesamt besaßen Salons für die Diplomaten eine wichtige, aber zwiespältige Funktion. Diplomaten erhielten als Salongäste wertvolle Informationen in einem informellen Rahmen. Herausragende diplomatische Gastgeber waren Briten und Österreicher, unter denen wiederum einzelne Namen wie Apponyi, Hübner und Metternich herausstechen166. Die niedergeschriebenen Erinnerungen zeigen eine Selbststilisierung zu ›Salonlöwen‹, die das gesellschaftliche Leben mitgestalteten und so auch der Nachwelt im Gedächtnis bleiben wollten. Gleichzeitig bestand eine zentrale Herausforderung für die Diplomaten darin, wie sie sich angesichts der wechselnden Salonkulturen unter den verschiedenen Regimes verhalten sollten. Salons und ihre Langlebigkeit überbrückten einerseits die mitunter raschen Wechsel. Andererseits mussten die Diplomaten darauf achten, wo sie hingingen und wen sie einluden. Für sie war es erstrebenswert, eine Nähe zum französischen Regenten, gegenüber dem sie akkreditiert waren, zu wahren. Diese handlungsleitende Vorstellung zeigt sich nicht zuletzt an dem von Hübner berichteten offenkundigen Dissens, den er mit der Einladung von Kritikern des Hofes bekundete und wodurch er den Unmut des französischen Kaisers auf sich zog. Des Weiteren ist zu bemerken, dass hier vor allem die bekannten Namen und die hochrangigen Diplomaten Beachtung fanden. Für die Diplomaten aus Holborn, Aufzeichnungen und Erinnerungen, S. 71. Die Bezeichnung als »junge Botschaft« ist darauf zurückzuführen, dass die preußische Vertretung erst im Jahr 1862 von einer Gesandtschaft zur Botschaft heraufgestuft worden war. Vgl. dazu Kap. 6.1. 163 Zum erhöhten Aufwand wegen vermehrter gesellschaftlicher Veranstaltungen im Jahr 1867 vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Ministerium des Äußern in Wien, 3. 4. 1867, HHStA MdÄ AR F 4 215. 164 Vgl. Robert Heinrich Ludwig Graf von der Goltz an den Nuntius in Paris, 26. 5. 1867, GStA PK, I. HA Rep. 81 Paris VI Nr. 109. 165 Vgl. Hammer, Hôtel Beauharnais, S. 147–149. Vgl. dazu auch die Ballszene auf dem Umschlagbild. 166 Für sie liegt Memoirenliteratur vor, doch wird der Befund dadurch nicht verzerrt: Zwar gibt es etwa für Preußen keine gleichartigen Quellen, dadurch wird jedoch den anderen keine überhöhte Position zugeschrieben. 162

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kleineren Staaten war es genauso wichtig, wenn nicht noch bedeutender, in den Salons Informationen zu sammeln, da sie weit weniger oft die Gelegenheit zum Gespräch mit den offiziellen französischen Ansprechpartnern besaßen. Außerdem richteten sie in der Regel selbst keine Veranstaltungen aus, da sie dafür gar nicht die Räumlichkeiten besaßen. Schließlich gewannen neben den Salons neue Orte an Relevanz: Der hessen-darmstädtische Diplomat Enzenberg zahlte ein einmaliges Eintrittsgeld und einen jährlichen Mitgliedsbeitrag für den Club de l’Union als »dem Rendez-vous der auswärtigen Gesandten« in Paris, den er besuchen müsse, um auf dem Laufenden über das Hauptstadtgeschehen zu bleiben167. Die im Jahr 1828 gegründete »Union« stand für die neue Form organisierter Geselligkeit in Clubs beziehungsweise Zirkeln (cercles): Jene waren selektiv und gebührenpflichtig, wobei die »Union« den elitärsten Club in Paris darstellte, weil der Zugang Aristokraten und Diplomaten vorbehalten war168. Insofern setzte sich die Zersplitterung des gesellschaftlichen Lebens in Paris fort. 4.2.4 Verstärkte Unterstützung: lokaler Einsatz für Landsleute Die Diplomaten hielten außerdem Verbindungen zu ihren Landsleuten vor Ort, wobei sie sich selbst in der Rolle des Unterstützers sahen. Ein Weg ihrer Anteilnahme bestand darin, bei spezifischen Veranstaltungen zugegen zu sein, wie der hessen-darmstädtische Diplomat im Jahr 1866 an einer evangelischen Weihnachtsfeier: »Le 26 au soir, j’ai assisté à la paroisse Protestante des Batignolles à la fête de l’arbre de Noel offert aux enfants de nos nationaux qui vont à école«169. Bemerkenswert ist, dass die gemeinsame Feier unter dem Weihnachtsbaum stattfand, der als deutscher Brauch hochgehalten wurde: Die kirchlichen Initiativen hatten neben den eigenen Vereinen und den diplomatischen Vertretungen eine identitätsstiftendende Funktion für die Deutschen in Paris im 19. Jahrhundert170. Abgesehen von der besser gestellten deutschen Bevölkerung in der französischen Hauptstadt gab es einen großen Teil, der in ärmlichen Verhältnissen lebte und um den sich vorrangig Vgl. Reinhard von Dalwigk an Ludwig III., 18. 1. 1866, HStAD G 1 74/3, Zitat ibid. Die selektiven Aufnahmebedingungen zeigen sich weitergehend daran, dass James von Rothschild dort als Konsul und nicht als Bankier aufgenommen wurde, was wiederum dafür spricht, dass das Konsulamt ein Ehrentitel war, um zu gesellschaftlicher Anerkennung zu gelangen. Weitere Pariser Zirkel waren bspw. der Jockey-Club und der Cercle agricole. Vgl. Martin-Fugier, La vie élégante, S. 338 f. 169 Bericht von Gustav Adolf Graf von Enzenberg, 1. 1. 1866, HStAD G 1 174/4. 170 Zur identitätsstiftenden Funktion und zur Bedeutung des Weihnachtsbaums vgl. Katrin Rack, Friedrich von Bodelschwingh in Paris, 1858–1864. Eine Schlüsselfigur für das dortige deutsche evangelische Leben, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 95 (2010), S. 101–110. Vgl. auch Kap. 6.4. 167 168

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Pastoren, Vereine sowie die Diplomaten kümmerten171. Der lokale Einsatz der Diplomaten wurde zu der Zeit relevanter und verstärkte sich. Armutsbedingte Auswanderungen, etwa aus den süddeutschen Staaten, verliefen nicht nur über Frankreich in die Vereinigten Staaten von Nordamerika oder, was weniger bekannt ist, nach Algerien, sondern endeten teilweise bereits in der französischen Hauptstadt172. Eine besondere Gruppe stellten in diesem Zusammenhang diejenigen Hessen-Darmstädter dar, die seit den 1850er Jahren vor allem als Straßenkehrer temporär in Paris arbeiteten173. Neben dem damaligen Zuwachs an deutschen Einwanderern stellten die Revolutionen von 1848 sowie der Deutsch-Französische Krieg von 1870/1871 Einschnitte dar, in deren Folge viele Deutschstämmige aufgrund der politischen Differenzen und der feindlichen Stimmung Paris auch verließen174. Angesichts wachsender deutscher Nationsbildungsbestrebungen ist ferner zu berücksichtigen, wie sich Diplomaten hierzu positionierten: War die Feier unter dem Weihnachtsbaum in erster Linie »hessen-darmstädtisch« und darüber hinaus »deutsch«? Welche Umgangs- und Unterstützungsformen die Diplomaten gegenüber ihren Landsleuten entwickelten, steht im Folgenden im Mittelpunkt. Ein wesentlicher Teil der diplomatischen Arbeit zugunsten der Landsleute bestand in ihrer monetären sowie ehrenamtlichen Unterstützung. Ein neuer institutioneller Mittelpunkt stellte in dieser Hinsicht der Deutsche Hilfsverein dar, der im Jahr 1844 in Paris gegründet wurde175. Der badische Diplomat Andlaw beschrieb die Anfänge: Während meines Aufenthalts hatten einige deutsche Gesandten, Gelehrte und Aerzte einen Hülfeverein für die zahlreichen deutschen Arbeiter und ihre Familien in Paris gegründet. Es freut mich immer, an dem Entstehen wie an dem Gedeihen dieser ebenso nothwendigen als heilsamen Einrichtung Theil genommen zu haben. Dem Verein flossen reichliche Gaben zu; Unterstützungen durch Sammlungen, Concerte, großmüthige Beiträge, auch von deutschen Fürsten, setzten ihn bald in den Stand, für den bei jener Klasse so sehr vernachlässigten Gottesdienst zu sorgen, auf den Schulunterricht verbessernd einzuwirken, Kranke in Spitälern unterzubringen u. dgl. m. Wer das Elend kennt, welchem die armen deutschen

Zu den Charakteristika der deutschen Einwanderer in Paris im 19. Jahrhundert vgl. Mareike König, Brüche als gestaltendes Element. Die Deutschen in Paris im 19. Jahrhundert, in: Dies. (Hg.), Deutsche Handwerker, Arbeiter und Dienstmädchen in Paris. Eine vergessene Migration im 19. Jahrhundert, München 2003 (Pariser Historische Studien, 66), S. 9–26. 172 Zu diesen Auswanderungsbewegungen vgl. Kurt Hochstuhl, Auswanderung aus Baden und Württemberg im 19. Jahrhundert, in: Auswanderung, Flucht, Vertreibung, Exil im 19. und 20. Jahrhundert, hg. v. Haus der Geschichte Baden-Württemberg, Berlin 2003, S. 59–71. 173 Vgl. König, Brüche als gestaltendes Element, S. 18 f. 174 Vgl. ibid., S. 9. 175 Zum Deutschen Hilfsverein in Paris vgl. Franz Menges, Die deutschen Hilfsvereine in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg, in: Francia 3 (1975), S. 359–377. 171

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Einwanderer, mit der Sprache, den Sitten unbekannt, in ihren Erwartungen getäuscht, ohne Verdienst, oft entgegengehen, wie sie die Straßen von Paris mit Kindern hungernd und trostlos durchziehen, wird dem noch immer aufblühenden, wohltätigen Hülfsverein Theilnahme, vielleicht auch thätige Mitwirkung nicht versagen176.

Diplomaten waren nicht nur an der Gründung des Vereins beteiligt, sondern fungierten fortan in wechselnder Besetzung als seine Präsidenten, wobei sich der bayerische Diplomat Wendland ab 1853 und sein sächsischer Kollege Seebach ab 1859 engagierten177. Darüber hinaus waren sie bei den Generalversammlungen zugegen und erhielten die Jahresberichte178. Nicht minder wichtig waren die finanziellen Zuschüsse, die die Diplomaten mithilfe ihrer Regierungen dem Verein regelmäßig gewährten179. In Bayern wurden gar mit Genehmigung des Königs Spenden zugunsten des Vereins gesammelt180. Da der Hilfsverein die staatliche Armenfürsorge entlastete, zeigten sie sich auf diese Weise verpflichtet181. Ein weiteres Projekt des Hilfsvereins war Mitte der 1860er Jahre der Bau eines deutschen Krankenhauses in Paris, das jedoch nicht realisiert werden sollte182. In seinem Rahmen hatte sich die österreichische Botschaft besonders engagiert, indem Pauline von Metternich die Präsidentschaft eines eigens gebildeten Komitees übernommen hatte; Wohltätigkeitsveranstaltungen hatten zur Spendensammlung im Botschaftsgebäude stattgefunden183. Insgesamt bündelte der Hilfsverein viele Maßnahmen auf neue Weise, welche von deutscher staatlicher Seite gemeinsam unterstützt wurden. Abgesehen vom Deutschen Hilfsverein besaßen die diplomatischen Vertretungen ein Budget, um einzelne Landsleute finanziell zu unterstützen. Das Geld stellten zum einen die jeweiligen Regierungen bereit; zum anderen kam es aus den Gebühren, welche die Diplomaten für Visen und Beglaubigungen einzogen184. Im bayerischen Fall erhielt der Diplomat mit der Gewährung ei Vgl. Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. 2, S. 85. Vgl. Menges, Die deutschen Hilfsvereine, S. 361. 178 Vgl. Einladung zur Generalversammlung vom Sekretär des Deutschen Hilfsvereins, 17. 3. 1870, BayHStA Ges. Paris 3969; Dritter Jahresbericht des Deutschen Hilfsvereins in Paris für das Jahr 1847/48, HStAD G 1 76/1. 179 Vgl. zum Beispiel Josef Alexander Graf von Hübner an Ministerium des Äußern, 21. 1. 1858, HHStA St Abt F Dipl Korr 341. 180 Vgl. Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an Königliche Gesandtschaft in Paris, 27. 8. 1865, BayHStA Ges. Paris 3969. 181 Vgl. Menges, Die deutschen Hilfsvereine, S. 360. 182 Vgl. ibid., S. 362. 183 Vgl. Bericht Nr. 18 aus Paris, 17. 1. 1865, BayHStA Ges. Paris 5876. 184 Vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, 4. 9. 1869, HStAD G 1 76/1; Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 22. 5. 1855, GLA 49/1397; Chlodwig Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst an Königliche Gesandtschaft in Paris, 18. 7. 1868, BayHStA Ges. Paris 3981. 176 177

4.2  Kontakte herstellen

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nes festen Postens im Jahr 1868 zudem genaue Anweisungen, für wen – unter den unschuldig in Not geratenen Bayern in Paris – die finanzielle Unterstützung gedacht war185. Die individuellen finanziellen Zuschüsse und die Beteiligung am Deutschen Hilfsverein zeigen, dass es ein staatliches Fürsorgeinteresse für betroffene Landsleute im Ausland gab, das über die Diplomaten ausgeübt wurde. Inwiefern war diese Hilfe zeittypisch und entsprach ihrem Pendant in den Herkunftsstaaten? Der Untersuchungszeitraum umfasst die Frühphase der Industrialisierung, die mit einer Massenarmut  – dem Pauperismus  – einherging und die Lösungen für neue soziale Probleme am Übergang von der Stände- zur Industriegesellschaft erforderte186. In der Folge basierte die Armenfürsorge auf zwei Säulen, die auch in Paris zum Tragen kamen: zum einen kollektiver Selbsthilfe, vor allem in der neuen Form des Vereins, und zum anderen einer beginnenden sozialen Politik. Der Verein als »typische Handlungsform der Privatwohltätigkeit im 19. Jahrhundert« bot aufgrund seiner inneren Organisation den neuartigen Vorteil, verschiedene Personengruppen an seinem Wirken zu beteiligen187. In Paris stellte deshalb der Deutsche Hilfsverein für die Diplomaten die zeitgemäße Möglichkeit dar, staatliche Fürsorge einzubringen. Außerdem zeichneten sich die Staaten des Deutschen Bundes dadurch aus, dass sie in den 1850er Jahren multilaterale Abkommen zur Armenfürsorge schlossen: Die Kooperation in diesem Bereich ließ sie etwa im Gegensatz zu Frankreich, wo staatliche Armenhilfe vergleichsweise unterentwickelt war, zu einer »allerdings nur rudimentäre[n] Sozialgemeinschaft« werden188. Die grenzüberschreitende deutsche Armenfürsorge zeigte sich in Paris auf besondere Weise, indem die deutschen Diplomaten im Deutschen Hilfsverein an einem Standort in einem gemeinsamen Zusammenschluss verantwortungsvoll zusammenarbeiteten. Gleichzeitig gab es unabhängig vom Verein die individuellen einzelstaatlichen Zuschüsse, die lediglich die Anfänge sozialer Politik widerspiegeln. Neben einem eingeschränkten Budget blieb es den Diplomaten überlassen, Pass- und Visagebühren abzuzweigen und dieses Geld ihren Landsleuten wieder zukommen zu lassen. Die besondere Situation der Armenfürsorge für Landsleute im Ausland war noch weitge-

Vgl. ibid. Vgl. Gerhard A. Ritter, Der Sozialstaat. Entstehung und Entwicklung im internationalen Vergleich, München 32010, S. 47. 187 Als Personengruppen kamen neben Pfarrern und Angehörigen des Großbürgertums auch Kommunal- und Staatsbeamte infrage. Vgl. Christoph Sachsse, Florian Tenn­ stedt, Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg, Stuttgart 1980, S. 238 f., Zitat S. 238. 188 Es handelte sich um das Gothaer Übereinkommen von 1851, das sich der Heimatlosen annahm, und die Eisenacher Übereinkunft von 1853, die die Sorge um Kranke und Verstorbene regelte. Vgl. Ritter, Der Sozialstaat, S. 49, Zitat ibid. 185 186

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4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

hend von privatem und kirchlichem Engagement geprägt, obgleich sich Diplomaten darum zunehmend kümmerten. Ein herausragendes Beispiel dafür, wie verschränkt die Hilfsmaßnahmen vor Ort waren, ist der Arzt Ferdinand Kolb. Der österreichische Diplomat Metternich setzte sich gegenüber seiner Regierung in Wien dafür ein, dass jener für seine Verdienste einen Orden erhielt: Als Begründung führte er an, dass der gebürtige Bayer seit mehreren Jahren als Botschaftsarzt fungiere und mittellose Österreicher in Paris kostenlos behandele189. In diesem Fall setzte der Diplomat sich dafür ein, dass besser gestellte Landsleute eine Würdigung ihres uneigennützigen Einsatzes erfuhren. Neben den aufgeführten Unterstützungsleistungen, die trotz ihrer wachsenden Bedeutung immer wieder der Rechtfertigung bedurften, gab es die feststehenden administrativen Dienstleistungen, die die diplomatischen Vertretungen zugunsten ihrer Landsleute ausführten. Dazu gehörte es, Pässe und Beglaubigungen auszustellen sowie in entscheidenden Lebensmomenten wie Heirat und Tod die notwendigen Dokumente aufzusetzen. Da die Betroffenen und Angehörigen ihre jeweilige diplomatische Vertretung vor Ort in der Regel persönlich aufsuchten, haben sich diese Vorgänge kaum schriftlich niedergeschlagen. Eine Ausnahme bildet die Korrespondenz mit dem französischen Außenministerium, das sich in Deutsche betreffenden Fällen an die Diplomaten und umgekehrt wandte. Sie behandelt vor allem Einzelschicksale in Angelegenheiten wie Naturalisationen und deutsch-französischen Ehen, aber auch neuere Entwicklungen wie zunehmende Auswanderungsbestrebungen und die politische Flüchtlingswelle aufgrund der Revolutionen von 1848190. Eine andere Form der Unterstützung leisteten die Diplomaten für Landsleute, indem sie sie am französischen Hof vorstellten, wobei es sich um eine Gepflogenheit mit festem Ablauf handelte. Die Diplomaten erhielten regelmäßig von französischer Seite Anfragen, wen von ihren gerade in Paris weilenden Landsleuten sie für eine Vorstellung zu Hofe vorzuschlagen hätten191. Anschließend begleiteten sie diese Personen dorthin192. Darüber hinaus durf Vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Ministerium des Äußern, 19. 5. 1863, HHStA MdÄ AR F 6 1. 190 Vgl. Karl Freiherr von Vincent an Richelieu, 8. 8. 1816, AMAE Affaires diverses politiques Autriche 3; Johann Baptist Freiherr von Ferrette an Richelieu, 12. 10. 1816, AMAE Correspondance politique Bade 14; Jenison-Walworth an Franz Olivier Graf, 8. 4. 1836, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 604; Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Jules Bastide, 14. 11. 1848, AMAE Affaires diverses politiques Bade 8; August Freiherr von Wendland an Édouard Drouyn de Lhuys, 14. 6. 1854, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 604. 191 Vgl. Grand chambellan an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 10. 6. 1855, GLA 49/1356. 192 Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 106. 189

4.3  Institutionalisierungstendenzen von Begegnungsformen

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ten vorgestellte Landsleute an offiziellen französischen Veranstaltungen teilnehmen: Der österreichische Diplomat Metternich erhielt beispielsweise im Jahr 1865 die Bitte aus dem Tuilerienpalast, für die dortigen Einladungen die österreichischen Teilnehmerlisten zu erstellen193. Insgesamt versuchten die Diplomaten auf vielfältige Weise, als offizielle Vertreter ihrer Herkunftsregionen ihren Landsleuten unterstützend zur Seite zu stehen. Neben der obligatorischen Dokumentenausstellung und den offiziellen Vorstellungen bei Hofe bildete die Sorge um Hilfsbedürftige einen weiteren Schwerpunkt. Sie erlangte in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts neue Sichtbarkeit und Wichtigkeit durch den Deutschen Hilfsverein. Dass die deutschen Diplomaten in ihm zusammenarbeiteten, offenbart ein Zusammengehörigkeitsgefühl über die engeren Grenzen des eigenen Einzelstaates hinaus, zugunsten des übergeordneten Zweckes der Nothilfe.

4.3 Auf Dauerhaftigkeit ausgelegt: Institutionalisierungstendenzen von Begegnungsformen Die in diesem Kapitel untersuchten Begegnungsformen der Diplomaten zeichnen sich dadurch aus, dass sie sichtbar waren oder unsichtbar blieben, je nachdem, ob sie mehr oder weniger institutionalisiert waren. Übergreifend spielen deshalb Institutionen eine wichtige Rolle. Den Ausgangspunkt bildet hier Gerhard Göhlers Definition von »sozialen Institutionen« als »relativ auf Dauer gestellte, durch Internalisierung verfestigte Verhaltensmuster und Sinngebilde mit regulierender und orientierender Funktion«194. Er benennt drei Wesensmerkmale von Institutionen: Sie sind stabil, weisen verinnerlichte und begrenzte Handlungsoptionen auf und geben Halt. Demgegenüber bezeichnet Institutionalisierung den Prozess, während dem sich jene Eigenschaften herausbilden. Diese Differenzierung trifft auch auf die Diplomatie zu: Zum einen handelt es sich um eine soziale Institution, die sich historisch inhaltlich wandelt; zum anderen unterliegt sie der Institutionalisierung, wenn sie ein neues Niveau der Festigung entwickelt195. Vgl. Grand chambellan an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 22. 12. 1865, HHStA Ges. Paris 226 C 1c. 194 Gerhard Göhler, Der Zusammenhang von Institution, Macht und Repräsentation, in: Ders. (Hg.), Institution – Macht – Repräsentation. Wofür politische Institutionen stehen und wie sie wirken, Baden-Baden 1997, S. 11–62, hier S. 15. 195 Zur Diplomatie als sozialer Institution und zu ihren verschiedenen Institutionalisierungsniveaus vgl. Christer Jönsson, Martin Hall, Essence of Diplomacy, Houndmills u. a. 2005, v. a. S. 26 und 40. 193

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4.  (Un-)Sichtbarkeit der Diplomaten vor Ort

Diese Vorüberlegungen finden sich in diesem Kapitel mehrfach wieder. Zunächst veränderte sich die Institution der Diplomatie, die schon weit vor 1815 bestanden hatte, weil eine diplomatische Rangordnung nach neuen Prinzipien eingeführt wurde. Außerdem wurden die festgelegten Verhaltensmuster des französischen Zeremoniells an die neuen Prinzipien (der diplomatischen Rangordnung) sowie bei den Regierungswechseln angepasst. Ein besonderes Augenmerk gilt weiterhin den Aspekten, bei denen eine Institutionalisierung festzustellen ist. Am besten wird dies anhand der Orte sichtbar. Erstmals wurden in dieser Zeit Gebäude für diplomatische Vertretungen in Paris von britischer und preußischer Seite erworben sowie der Bau des französischen Außenministeriums am Quai d’Orsay veranlasst. Alle drei Gebäude existieren bis heute in derselben Funktion an demselben Ort; der Vorgang aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war auf Langlebigkeit ausgelegt. Darüber hinaus zeigte sich das neue Niveau der Festigung des diplomatischen Korps durch mehr Sichtbarkeit. Schließlich gibt es die Phänomene, die sich einer Institutionalisierung entzogen. Die Salonkultur zerfiel nach und nach und wurde durch neue informelle Begegnungsformen ersetzt. Insgesamt besaßen informelle, oft gleichsam unsichtbare Aspekte weiterhin eine große Bedeutung. Diese Institutionalisierungsdefizite stellten ein frühneuzeitliches Erbe dar196. Gleichzeitig zeigt sich eine institutionalisierte Präsenz der Diplomaten vor Ort.

Vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 85.

196

5. Legitimität stiften: die gegenseitige Anerkennung der Regierungen In Frankreich erlebten die Diplomaten mehrere politische Umbrüche. Der badische Vertreter, Andlaw, war bei der Julirevolution im Jahr 1830 in Paris zugegen. Laut seinem Tagebuch erkundete er während der Unruhen die französische Hauptstadt und beobachtete, dass seine Kollegen »bei jener Katastrophe […] abwesend, andere unsichtbar geworden«1 seien. Anschließend habe sie beschäftigt, »ob und wer von ihnen zuerst wieder bei der neuen Regierung akkreditiert oder abberufen werden würde; sie mußten jedoch ihren Höfen weitere Entschließung überlassen«2. Der Sturz des Bourbonenkönigs Karl X., die Julirevolution und das Einsetzen der Julimonarchie unter Louis-Philippe brachten die Diplomaten in eine prekäre Situation. Der Regierungswechsel bedeutete für sie die vorläufige Entbindung von ihrer Stellung, die an das jeweilige Staatsoberhaupt geknüpft war und erst wieder durch die Anerkennung der neuen französischen Regierung wiederhergestellt werden konnte. Diese war allerdings davon abhängig, ob und wie die Veränderungen vom Ausland akzeptiert werden konnten. Im vorliegenden Fall war es unter anderem deshalb so problematisch, weil die gestürzte Bourbonendynastie von den europäischen Großmächten selbst im Jahr 1814 zur legitimen Nachfolge Napoleons I. eingesetzt worden war. Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen Anerkennungsprobleme, in welche die Diplomaten direkt involviert waren. Wie gingen sie mit ihnen um und welche diplomatischen Praktiken waren für den Akt der Anerkennung relevant? Eine solche Untersuchung ist aufschlussreich, weil in jenen Momenten für die Diplomaten einerseits ihre eigene Legitimität infrage stand und andererseits durch einen erfolgreichen Anerkennungsprozess und ihre Neuakkreditierung den geänderten Verhältnissen selbst erst Legitimität verliehen wurde. Außerdem handelte es sich bei Anerkennungsproblemen nicht um ein einseitiges Phänomen, sondern die französischen Diplomaten mussten in den deutschen Staaten ebenfalls wieder akkreditiert werden. Anerkennungsfragen finden in der historischen Forschung zwar Erwähnung, stellten aber bisher selten einen eigenen Untersuchungsgegenstand dar. Da sie mit politischen Umbrüchen wie Revolutionen zusammenfielen, werden sie vielmehr meist in ihrem Zusammenhang explizit angesprochen, wobei das allgemeine staatliche Agieren

Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. 1, S. 231. Ibid., S. 232.

1 2

https://doi.org/10.1515/9783110519563-006

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

und nicht die diplomatischen Verhaltensweisen im Vordergrund stehen3. Dagegen gibt es spezifische Beiträge aus politik- und rechtswissenschaftlicher Perspektive, an deren Erkenntnisse zum Wesen der Anerkennung die hier zu untersuchenden fallbezogenen Anerkennungspraktiken rückzubinden sein werden. Die politikwissenschaftliche Forschung im ›Bereich der internationalen Beziehungen‹ konzentriert sich allerdings eher auf die Anerkennung neuer Staaten und behandelt weniger Anerkennungsprobleme zwischen bereits existierenden Staaten nach Regierungs- und Staatsformwechseln4. Aus zeitgenössischer Perspektive sind zudem staats- und völkerrechtliche Lexika von Interesse. Sie widmen dem Thema der Anerkennung oft eigene Einträge5. Die Frage der gegenseitigen Anerkennung aufgrund des Wechsels von Regierungs- und Staatsform stellte sich in den fünf folgenden Situationen. Um 1815 mussten die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und den deutschen Einzelstaaten wiederhergestellt werden, nachdem die napoleonische Ära in Europa beendet und die Restauration der Bourbonen in Frankreich erfolgt war (5.1). Die Revolutionen in den Jahren 1830 und 1848 gingen mit Veränderungen einher, die die europäischen Regierungen teilweise erst zögerlich akzeptierten (5.2 und 5.3). Des Weiteren stellte die Thronbesteigung von Napoleon III. im Jahr 1852 eine Herausforderung dar, da die Kaiserwürde eines Napoleoniden in Europa seit Beginn des 19. Jahrhunderts negative Erinnerungen weckte (5.4). Schließlich zeigen die Wochen vor dem sich anbahnenden Kriegsausbruch im Jahr 1870, wie fragil diplomatische Beziehungen waren und wie schnell sie enden konnten (5.5). Abgesehen vom letzten Fallbeispiel, das mehr die Ab- als die Anerkennung in den Vordergrund stellt, ist bemerkenswert, dass und wie die genannten Anerkennungsprobleme trotz mancher Verzögerungen überwunden werden konnten. Handlungsleitend war das Legitimitätsdenken der politischen Entscheidungsträger, darunter Diplomaten: Es basierte im Zeitalter des Europäischen Konzerts auf der Wiener Vertragsordnung von 1815 und bewältigte Anerkennungsprobleme auf der Grundlage von Konsens und Kooperation (5.6). Vgl. zum Beispiel Schulz, Normen und Praxis, S.  104, S.  152 und 293; exemplarisch für die Anerkennungssituation von 1830 vgl. Wolf D. Gruner, Europa in der Krise von 1830/31. Entscheidungsprozesse zwischen Systemstabilisierung und Eigeninteressen, in: Ders., Markus Völkel (Hg.), Region – Territorium – Nationalstaat – Europa. Beiträge zu einer europäischen Geschichtslandschaft, Rostock 1998 (Rostocker Beiträge zur deutschen und europäischen Geschichte, 4), S. 199–244, hier S. 217. 4 Vgl. Martha Peterson, Recognition of Governments. Legal Doctrine and State Practice, 1815–1995, Houndmills u. a. 1997; Mikulas Fabry, Recognizing States. International Society and the Establishment of New States Since 1776, Oxford u. a. 2010. 5 Vgl. Siegfried Brie, Art. »Anerkennung, staatsrechtliche und völkerrechtliche«, in: Edgar Löning (Hg.), Bluntschli’s Staatswörterbuch in drei Bänden, Zürich 1869, Bd. 1, S. 76–82; Karl Theodor Welcker, Art. »Anerkennung«, in: Ders., Carl von Rotteck (Hg.), Das Staats-Lexikon. Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, Leipzig 1856, Bd. 1, S. 513–540. 3

5.1  Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen

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5.1 Zwischen Kontinuität und Neubeginn: die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen um 1815 Die Situation in Europa um 1815 war gekennzeichnet durch das Ende tiefgreifender Erschütterungen, die der Kontinent angesichts der Französischen Revolution und der kriegerischen napoleonischen Ära während etwa eines Vierteljahrhunderts erlebt hatte. Nach dem Sturz Napoleons I. sollte auf dem Wiener Kongress der Grundstein für eine neuartige europäische »Friedenskultur«6 gelegt werden. Dazu gehörte eine Reorganisation im mitteleuropäischen Raum in Form des Deutschen Bundes, der auf demselben Kongress aus der Taufe gehoben wurde. Im Hinblick auf die inneren Verhältnisse des postnapoleonischen Frankreichs musste ein legitimer Nachfolger gefunden werden, was durch die Restauration der Bourbonen und die Ernennung von Ludwig XVIII. zum französischen König erfolgte. Was die skizzierte Umbruchszeit auf europäischer, französischer und deutscher Ebene für die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und den deutschen Staaten bedeutete, steht im Mittelpunkt dieses Kapitels. Wie und wann waren gegenseitige diplomatische Kontakte infolge der Neuordnungen auf beiden Seiten wiederherzustellen beziehungsweise fortzusetzen? Und ging es auf diplomatischer Ebene überhaupt um einen Bruch? Es handelte sich vielmehr um eine Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kontinuität und Neubeginn. Die nachstehende Betrachtung befasst sich zuerst mit der Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen sowie mit Österreich ab 1814. Anschließend ist die diplomatische Reorganisation von Frankreich mit den kleineren deutschen Staaten ab 1816 in den Blick zu nehmen. Die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen war, dass Frankreich über einen Souverän verfügte, gegenüber dem ein Diplomat ernannt werden konnte. Für Frankreich musste nach dem Sturz Napoleons I. erst ein Weg gefunden werden, um nach innen und außen wieder Handlungsfähigkeit zu erlangen. Dies konnte nur unter Beteiligung der siegreichen vier Hauptalliierten, namentlich Russland, Österreich, Preußen und Großbritannien, geschehen und ist auf die Art des Endes der napoleonischen Herrschaft zurückzuführen. Im Frühjahr 1814 hatten jene Alliierten, die seit Beginn desselben Jahres auf französisches Terrain vordrangen, Napoleon I. durch den Kongress von Châtillon zu einem Friedensschluss zu bewegen versucht, was jedoch an unvereinbaren Ansichten über die Grenzen des

Matthias Schulz, Macht, internationale Politik und Normenwandel im Staatensystem des 19. Jahrhunderts, in: Lappenküper, Marcowitz (Hg.), Macht und Recht, S. 117.

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

französischen Territoriums scheiterte7. Infolgedessen vereinbarten die vier Verbündeten mit dem Vertrag von Chaumont vom 1. März 1814 eine dauerhafte antinapoleonische Koalition, die Quadrupelallianz, die auf 20  Jahre ausgelegt war, einen Separatfrieden einer der Signatarmächte mit Frankreich ausschloss und die Bereitstellung von Truppenkontingenten vorsah8. Ende März 1814 zogen die Alliierten schließlich in die französische Hauptstadt ein, die sie daraufhin besetzt hielten; am 6. April 1814 musste Napoleon I. in Fontainebleau nahe Paris seine Abdankung unterzeichnen9. Mit Napoleons Absetzung stellte sich die Frage, wer als neuer französischer Souverän in Betracht kam, wer Legitimität für sich beanspruchen und friedlichere Zeiten gewährleisten konnte. Die Alliierten hatten sich bereits vor ihrer Besetzung von Paris am 19. März 1814 formell darauf geeinigt, dass das französische Königsgeschlecht der Bourbonen wieder auf den Thron gelangen sollte10. Die Restauration der Bourbonen schien aus europäischer Sicht ein allgemein akzeptierbarer Kompromiss zu sein11. Sie erschien insofern möglich und legitim, als die Kriege gegen Napoleon I., aber nicht gegen die Bourbonen oder das französische Volk gerichtet gewesen waren12. Auf französischer Seite wurde diese Wahl von den Bourbonen selbst sowie von der neuen provisorischen Regierung unter der Leitung von Talleyrand forciert. Talleyrand argumentierte vor allem mit der Legitimität der Bourbonen, indem er ihnen aufgrund ihrer früheren Position als Könige einen höheren Stellenwert im Vergleich zu anderen Familien einräumte. Nach seiner Ansicht würde dies auch beim französischen Volk auf Akzeptanz stoßen13. Darüber hinaus sah sich der Thronanwärter Ludwig XVIII. selbst als Nachfolger des 1795 verstorbenen Bourbonen Ludwig XVII. und somit in seinem 19. Regierungsjahr: Sein Legitimitätsanspruch fußte auf dem dynastischen Prinzip; er beabsichtigte, an den monarchischen Geltungsanspruch des Ancien Regime Die Alliierten forderten, zu den Vorkriegsgrenzen des Ancien Régime zurückzukehren, was Napoleon I. ablehnte. Vgl. Reiner Marcowitz, Großmacht auf Bewährung. Die Interdependenz französischer Innen- und Außenpolitik und ihre Auswirkungen auf Frankreichs Stellung im europäischen Konzert 1814/15–1851/52, Stuttgart 2001 (Beihefte der Francia, 53), S.  25. Zur zunehmenden Besetzung Frankreichs durch die Alliierten seit Jahresbeginn 1814 vgl. Emmanuel de Waresquiel, Benoît Yvert, Histoire de la Restauration, 1814–1830. Naissance de la France moderne, Paris 1996, S. 24 f. 8 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 25 f.; Schulz, Normen und Praxis, S. 56 f. 9 Vgl. Wacker, Die alliierte Besetzung, S. 38; Waresquiel, Yvert, Histoire de la Restauration, S. 31 f. und 44. 10 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 27. 11 Vgl. ibid. 12 Zu diesem Legitimitätsverständnis vgl. Clark, Legitimacy in International Society, S. 100. 13 Vgl. Volker Sellin, Die geraubte Revolution. Der Sturz Napoleons und die Restauration in Europa, Göttingen 2001, S. 280 f. 7

5.1  Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen

187

anzuknüpfen14. Im Unterschied zum Ancien Regime sollte seine Herrschaft allerdings – insofern hatten die vorangegangenen, vor allem revolutionären Jahre ein Umdenken hervorgerufen – an eine Verfassung, die Charte constitutionelle, gebunden sein15. Es handelte sich um die neue Form einer konstitutionellen Monarchie, die mit der Proklamation der Charte am 4. Juni 1814 und der Inthronisation von Ludwig XVIII., der im Mai aus dem britischen Exil nach Paris zurückgekehrt war, vollzogen wurde16. Notwendige Voraussetzung dafür war der erst wenige Tage zuvor geschlossene Erste Pariser Frieden vom 30. Mai 1814: Der Friedensvertrag zwischen Frankreich und den Alliierten sah unter anderem eine Wiederherstellung der französischen Grenzen von 1792 vor und beendete zugleich die alliierte Besatzung17. Wichtig festzuhalten ist hier insgesamt, dass im Frühjahr 1814 infolge des Sturzes von Napoleon I. und mit der Restauration der Bourbonen neue Legitimitätsgrundlagen in Bezug auf Frankreich geschaffen worden waren. Innen- und außenpolitische Dimensionen sowie französische und europäische Perspektiven waren dabei auf das Engste miteinander verbunden gewesen. Anfang Juni 1814 besaß Frankreich mit Ludwig XVIII. einen neuen König, der von den Alliierten gewollt und daher akzeptiert war und mit dem es nun möglich sein sollte, diplomatische Kontakte aufzunehmen. In die dargestellte Übergangszeit im Frühjahr 1814 fiel die Initiative auf preußischer Seite, einen Diplomaten in Paris zu etablieren. Karl Heinrich von der Goltz war neben dem russischen diplomatischen Vertreter Pozzo di Borgo der Erste, der Anfang Juni 1814 zum Diplomaten in Frankreich ernannt wurde18. Goltz, Jahrgang 1772, war zu diesem Zeitpunkt ein profilierter Offizier mit dreijähriger diplomatischer Erfahrung und stammte aus einer angesehenen preußischen Familie19. Zahlreiche seiner Vorfahren waren im preußischen Militär- und Staatsdienst tätig gewesen, darunter sein Onkel Bernhard Wilhelm von der Goltz als preußischer Diplomat in Paris von 1768 bis 1792. Vgl. ibid., S.  276–281; Klaus Malettke, Die Bourbonen. Von Ludwig XVIII. bis zu Louis Philippe, 1814–1848, Stuttgart 2009, S. 41; Bertrand Goujon, Monarchies postrévolutionnaires, 1814–1848, Paris 2012, S. 26–28. 15 Volker Sellin bezeichnet die Definition von Legitimität des Bourbonen als »restaurativ« während sich auf institutioneller Ebene maßgeblich das revolutionäre Erbe durchgesetzt habe, vgl. Sellin, Die geraubte Revolution, S. 279. 16 Vgl. Goujon, Monarchies postrévolutionnaires, S. 44 f.; Malettke, Die Bourbonen, S. 40 f. 17 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 28 f.; Malettke, Die Bourbonen, S. 42. 18 Vgl. Liste du corps diplomatique à Paris, 1819, AMAE Protocole Série C 90. 19 Zu den biographischen Angaben vgl. Hammer, Hôtel Beauharnais, S.  137; Kameke, Palais Beauharnais, S.  15 f.; Otto Friedrich Winter, Repertorium der diplomatischen Vertreter aller Länder seit dem Westfälischen Frieden 1648, Bd. 3: 1764–1815, Graz u. a. 1965, S. 327; Hugo Schramm-Macdonald, Art. »Goltz, Karl Heinrich Friedrich«, in: Allgemeine Deutsche Biographie 9 (1879), S. 358. 14

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Er selbst schlug zunächst die militärische Laufbahn ein und erhielt bereits als 17-Jähriger die höchste militärische Auszeichnung, den Orden »pour le Mérite«. Seine ersten Erfahrungen als Diplomat sammelte er von 1810 bis 1813 als Vertreter Preußens in Bayern. Mit der Wiederaufnahme des Krieges der Alliierten gegen Napoleon I. kehrte er jedoch in den militärischen Dienst zurück und gelangte auf diese Weise bis in die französische Hauptstadt: Goltz stand während der alliierten Besatzung von Paris dem preußischen Sektor vor. Bei Goltz’ Nominierung für die Position des preußischen Vertreters in Paris handelte es sich um eine pragmatische, zunächst als provisorisch angesehene Lösung, da sie an seine damalige Tätigkeit anknüpfte. Nach dem Abzug des Militärs sollte er auf Wunsch des preußischen Königs in Paris verbleiben, um die Verhandlungen über die ausstehenden Angelegenheiten, etwa hinsichtlich der Kranken und Kriegsgefangenen, zu führen20. Neben dem militärischen Auftrag sollte er Preußen interimistisch in Paris diplomatisch vertreten: Dafür schickte ihm der preußische Außenminister Hardenberg das notwendige Beglaubigungsschreiben zu21. Das Schreiben war zu seiner »Legitimation« gedacht, indem es ihn zum »Gesandten und bevollmächtigten Minister am Hofe Ludwig des 18ten« ernannte; es sollte dazu dem französischen König überreicht werden22. Goltz entsprach dieser Aufforderung und bat beim nun zum Außenminister ernannten Talleyrand um einen Termin bei Ludwig  XVIII., wobei eine Antwort auf sich warten ließ: Wohl, um die Verzögerung zu erklären und zugleich seine bereits vorhandene Akzeptanz auf französischer Seite zu unterstreichen, fügte Goltz hinzu, dass er eine Einladung zur Teilnahme an der Sitzung des corps législatif am Tag der Proklamation der Charte erhalten habe23. Seine Audienz zur Übergabe des Beglaubigungsschreibens fand schließlich zwei Tage später, am 6. Juni 1814, statt24. Im Gegenzug erfolgte im darauffolgenden Monat, im Juli 1814, die Ernennung von Caraman zum französischen Diplomaten in Berlin, sodass das Prinzip der Reziprozität gewährleistet war25. Die Staatsmänner und Diplomaten auf beiden Seiten besaßen offensichtlich übereinstimmende handlungsleitende Grundannahmen darüber, wie eine gegenseitige Ernennung von Diplomaten zu erfolgen hatte. Es war ein Gerüst an diplomatischen Praktiken vorhanden, auf das ungeachtet der fundamen Friedrich Wilhelm III. an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 25. 5. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4816. 21 Karl August von Hardenberg an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 3. 6. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4816. 22 Ibid. 23 Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Karl August von Hardenberg, 5. 6. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4883. Vgl. auch Goujon, Monarchies postrévolutionnaires, S. 45. 24 Vgl. Liste du corps diplomatique à Paris, 1819, AMAE Protocole Série C 90. 25 Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Karl August von Hardenberg, 17. 7. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4883. 20

5.1  Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen

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talen Veränderungen auf französischer Seite zurückgegriffen werden konnte, um die gegenseitige Kontaktaufnahme zu gewährleisten. Jene diplomatischen Verhaltensweisen waren schriftlich fixiert in den zeitgenössischen diplomatischen Handbüchern sowie in den zeremoniellen Handlungsanweisungen verankert26. Dennoch hatte die Situation dadurch etwas Provisorisches, dass die diplomatische Kontaktaufnahme von preußischer Seite parallel zum Ende der alliierten Besetzung von Paris und der Proklamation der Charte verlief und die inneren französischen Verhältnisse sich erst konstituieren mussten. Es gab zum Zeitpunkt der Audienz von Goltz bei Ludwig XVIII. beispielsweise noch keinen introducteur des ambassadeurs, der am französischen Hof für die diplomatischen Empfänge zuständig war27. Auf österreichischer Seite stand die Ankunft von Karl von Vincent als künftigem österreichischem Diplomaten in Paris wenige Wochen später an. Vincent, wie Goltz aus der militärischen Laufbahn kommend, hatte Österreich bereits im Jahr 1806 diplomatisch gegenüber dem napoleonischen Frankreich vertreten und war in den beiden darauffolgenden Jahren mit Missionen zu Napoleon I. betraut worden28. Er traf im Spätsommer 1814 in Paris ein, wenngleich seine offizielle Ernennung erst verzögert im November des Jahres stattfinden sollte29. Die Verspätung erklärte sich aus der Sicht des preußischen Diplomaten Goltz wie folgt: Le Général Vincent a prétexté hier une indisposition pour ne point aller aux Tuileries. C’est en vertu d’une lettre dans laquelle le Prince de Metternich lui avait dit que Monsieur de La Tour du Pin ayant pris le titre de Ministre plénipotentiaire à la Cour de Vienne, il pourrait maintenant déployer, le même caractère à la Cour de France, que Sa Majesté Très-Chrétienne avait resolu de le recevoir en cette qualité; mais le Comte de Jancourt ayant cru devoir observer maintenant au Général Vincent qu’il serait cependant nécessaire qu’il eut des lettres formelles de créance, celui-ci se voit dans le cas de ne pas pouvoir aller à la Cour jusqu’à ce qu’elles lui seront parvenues30.

Vgl. bspw. Martens, Guide diplomatique (1832), S. 64–67. Ein introducteur des ambassadeurs wurde am 12. Juni 1814 von Ludwig XVIII. ernannt, sechs Tage später, sodass er im Nachhinein rekonstruieren musste, wann die Ernennung von Goltz stattgefunden hatte. Vgl. Liste du corps diplomatique à Paris, 1819, AMAE Protocole Série C 90. Zur Tätigkeit eines introducteur des ambassadeurs vgl. Auguste Boppe, Les introducteurs des ambassadeurs, 1585–1900, Paris 1901. Dagegen hatte sich Goltz, wie oben erwähnt, Anfang Juni direkt an den französischen Außenminister Talleyrand gewandt. 28 Vgl. Courcel, L’ambassade d’Autriche, S.  276; Winter, Repertorium der diplomatischen Vertreter, S. 275. 29 Robert Courcel spricht von einer Ankunft von Vincent im September, während Goltz diese laut einem Schreiben vom 19. August für den darauf folgenden Tag erwartete. Vgl. Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Karl August Fürst von Hardenberg, 28. 11. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4883; Courcel, L’ambassade d’Autriche, S. 276. 30 Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Karl August Fürst von Hardenberg, 2. 11. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4883. 26 27

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Der Grund für Verzögerungen war, dass man sich noch über grundlegende diplomatische Verhaltensweisen verständigen musste. Zunächst fand das Prinzip der Reziprozität besondere Beachtung: Vincents französischer Gegenpart in Wien, La Tour du Pin, sollte nicht nur ungefähr zeitgleich seine Position antreten, sondern entscheidend war hier auch der äquivalente Titel. Offensichtlich hatte es diesbezüglich noch Abstimmungsbedarf gegeben, der mit der Entscheidung für den Titel eines ministre plénipotentiaire, dem zweithöchsten nach dem eines Botschafters, beigelegt war31. Ein weiterer damit einhergehender Aspekt war die Form des Beglaubigungsschreibens, das mit dem richtigen Titel erst noch für Vincent in Wien ausgestellt und ihm zugeschickt werden musste. Für Vincent ergab sich daraus die Situation, dass er bis zum Erhalt jenes Schreibens den Veranstaltungen am französischen Hof, den Tuilerien, fern bleiben musste32. Seine Absenz bei offiziellen Anlässen lässt sich dadurch erklären, dass ihm trotz seiner Präsenz in Paris noch die formelle Anerkennung als Diplomat fehlte und ihm erst das übergebene Beglaubigungsschreiben gleichsam die Zugangsrechte zum französischen Hof verlieh33. Der offizielle Akt, die Überreichung des Beglaubigungsschreibens in einer Audienz an den französischen König Ludwig XVIII., fand schließlich am 29. November 1814 statt34. Die Präsenz eines preußischen und österreichischen Vertreters in der französischen Hauptstadt sollte sich alsbald für die Pariser Botschafterkonferenz als notwendig erweisen. Jene Konferenz stellte ein neuartiges Instrument des sich in der Entstehung befindlichen Europäischen Konzerts dar. Das Europä­ ische Konzert konstituierte sich um 1815 vor dem Erfahrungshintergrund der napoleonischen Herrschaft sowie aus Furcht vor erneuten Revolutionen und ist in Abkehr vom Gleichgewichtssystem des 18. Jahrhunderts, das von den Rivalitäten zwischen den Mächten geprägt gewesen war, zu sehen35. Es handelte

Dass die Entscheidung für den zweithöchsten Titel im Rahmen der um 1815 stattfindenden Neuordnungsprozesse nur als vorläufig angesehen werden kann, zeigt die Ernennung von Botschaftern im Jahr 1821. Zur Rangaufwertung vgl. Kap. 6.1. 32 Goltz betonte mehrmals die Abwesenheit von Vincent. Neben dem oben zitierten Beispiel vom 2. November 1814 stellte er dies in einem etwa drei Wochen später verfassten Bericht heraus. Vgl. Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Karl August Fürst von Hardenberg, 21. 11. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4883. 33 Es handelte sich um das übliche Verhalten eines Diplomaten, offizielle Empfänge zu vermeiden, solange die Art der diplomatischen Beziehungen noch ungeklärt beziehungsweise informell war. Vgl. Peterson, Recognition of Governments, S. 104. 34 Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Karl August Fürst von Hardenberg, 28. 11. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4883. 35 Zum Begriff »Konzert der Mächte« vgl. Heinz Duchhardt, Konzert der Mächte, in: Pim den Boer u. a. (Hg.), Europäische Erinnerungsorte, Bd. 2: Das Haus Europa, München 2011, S. 619–623, hier S. 620. Zum Paradigmenwechsel in den internationalen Beziehungen vom 18. zum 19. Jahrhundert maßgeblich Paul Schroeder, The Transformation of European Politics, 1763–1848, Oxford 1994. 31

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sich um eine Art Sicherheitsrat der europäischen Großmächte, der – den Konzertgedanken aufgreifend  – auf dem Erreichen von Konsensentscheidungen anstatt auf dem Ringen um die jeweilige Vorherrschaft basierte und dafür neue Kooperationsformen ausbildete36. Den Grundstein hierfür legte der Wiener Kongress, der von September 1814 bis Juni 1815 tagte und bereits in seiner Art als Gesandtenkongress ein Novum darstellte37. Er regelte eine Vielzahl offener Fragen, welche vor allem territorialer Art waren, aber beispielsweise auch im Hinblick auf das Wesen der Diplomatie die Einführung diplomatischer Ränge. Die letzten Wochen des Kongresses waren gleichwohl durch Napoleons »Hundert Tage«, seine Rückkehr aus dem Exil auf Elba im März 1815 und seine erneute Abdankung infolge der von ihm verlorenen Schlacht von Waterloo im Juni 1815 geprägt gewesen. Auf die endgültige Niederlage Napoleons folgten die zweite Restauration des Bourbonen Ludwig XVIII. sowie ein erneuter Friedensschluss mit Frankreich, der Zweite Pariser Frieden vom 20. November 1815. Letzterer sah eine militärische Besatzung von Frankreich sowie die Zahlung von Kriegsentschädigungen vor38. Angesichts der wiederholten Gefahr, die von Frankreich aufgrund der kurzzeitigen Rückkehr Napoleons ausgegangen war, wurden außerdem zwei Abkommen geschlossen, die den Frieden und die kollektive Sicherheit in Europa garantieren sollten und die sich von ihrem Wesen her sehr unterschieden: die Heilige Allianz und die Quadrupelallianz in erneuerter und erweiterter Form. Mit der Proklamation der Heiligen Allianz am 26. September 1815 erklärten der Zar Alexander, der österreichische Kaiser Franz sowie Friedrich Wilhelm III. von Preußen, sich als Monarchen in ihrem politischen Handeln an christlichen Prinzipien zu orientieren und dadurch die neue Friedensordnung zu festigen39. Zum gleichen Zeitpunkt wie der Zweite Pariser Frieden wurde die Quadrupelallianz der vier antinapoleo-

Hervorzuheben ist, dass sich das Europäische Konzert auf die Großmächte, namentlich die Pentarchie  – Russland, Österreich, Preußen, Großbritannien und ab 1818 Frankreich  – beschränkte. Die Bezeichnung des Europäischen Konzerts als »Sicherheitsrat« geht auf Matthias Schulz zurück. Vgl. Schulz, Normen und Praxis; vgl. außerdem Duchhardt, Konzert der Mächte, S. 620. 37 Als neue Gesamtdarstellungen des Wiener Kongresses vgl. Ders., Der Wiener Kongress. Die Neugestaltung Europas 1814/15, München 2013; Lentz, Le congrès de Vienne; Mark Jarrett, The Congress of Vienna and its Legacy. War and Great Power Diplomacy After Napoleon, London u. a. 2013. 38 Vgl. Duchhardt, Der Wiener Kongress, S. 28; Schulz, Normen und Praxis, S. 60. 39 Heinz Duchhardt bezeichnet die auf einem Vertrag basierende Heilige Allianz als eines der »merkwürdigsten Dokumente des gesamten 19. Jahrhunderts«, da sie aus der Zeit gefallen zu sein schien, weil sie sich entsprechend vormoderner Vorstellungen auf religiöse Normen im Bereich des Politischen berief und an die Person des Monarchen gebunden war, vgl. Duchhardt, Der Wiener Kongress, S. 31; darüber hinaus Schulz, Normen und Praxis, S. 60 f.; Philipp Menger, Die Heilige Allianz. Religion und Politik bei Alexander I., 1801–1825, Stuttgart 2014 (Historische Mitteilungen, Beiheft 87). 36

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nischen Alliierten erneuert und ergänzt: Zum einen sollte die bonapartistische Dynastie für immer vom französischen Thron ausgeschlossen werden, weshalb im Fall der Rückkehr eines Napoleoniden oder einer erneuten Revolution die sofortige Abstimmung unter den Alliierten vorgesehen war40. Zum anderen vereinbarten die vier Siegermächte, was als Artikel VI des Vertrags die Grundlage des Europäischen Konzerts darstellen sollte, sich fortan hinsichtlich der Friedenserhaltung in Europa gemeinsam über Maßnahmen zu verständigen, indem sich Souveräne, Außenminister respektive Botschafter nach Bedarf zu Konferenzen zusammenfinden sollten41. Wichtig hervorzuheben ist hier im Hinblick auf die Transformationen auf europäischer Ebene, dass mit dem Europäischen Konzert ein neuer »Legitimitätsstandard«42 geschaffen worden war: Es galt als legitimes Verhalten der europäischen Staaten bei künftigen Krisenmomenten, so die Leitidee, auf welches sich die Großmächte einigten. Die Basis dafür bildete das genannte Paket an Vereinbarungen, das heißt die Wiener Schlussakte, die Heilige Allianz, die Quadrupelallianz und die ergänzenden Bestimmungen des Aachener Kongresses. Wenn Diplomaten in der Folge bei Anerkennungsfragen »die Verträge von 1814/1815« als Argument für existierende handlungsleitende und einzuhaltende Vereinbarungen vorbringen sollten, rekurrierten sie auf diese gemeinsame Grundlage. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine »solidarische, aber nicht interventionistische Kooperation der Mächte«43 handelte. Damit ist das Problem der Intervention angesprochen. Bei den untersuchten Anerkennungsproblemen war von zentraler Bedeutung, inwieweit in die sich verändernden und hier vorrangig zu betrachtenden französischen Verhältnisse eingegriffen werden sollte. Dieser Punkt musste immer erst geklärt sein, bevor eine Anerkennung möglich war. Über den Aspekt, inwieweit und auf welcher Grundlage Interventionen möglich waren, hatte sich der Wiener Kongress ausgeschwiegen44. Erst die Folgekongresse ab 1820 (Troppau 1820, Laibach 1821, Wien und Verona 1822) thematisierten das Interventionsrecht der Großmächte, indem sie kollektive Interventionen als Prinzip legitimierten und im Sinne des Konzerts auf das Gleichgewicht der Mächte sowie vorherige Vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 61 f. Vgl. ibid., S. 62 f. 42 Im englischen Original spricht Ian Clark von »standard of legitimacy«, vgl. Clark, Legitimacy in International Society, S. 102. 43 Anselm Doering-Manteuffel, Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815–1871, München 32010 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, 15), S. 9. 44 Zu den folgenden Ausführungen zum Interventionsrecht um 1815/1820 vgl. Georges-Henri Soutou, Napoléon dans l’histoire de la diplomatie européenne, in: Yves Bruley, Thierry Lentz (Hg.), Diplomaties au temps de Napoléon, Paris 2014, S. 355–372, hier S.  369 f.; Miloš Vec, Intervention/Nichtintervention. Verrechtlichung der Politik und Politisierung des Völkerrechts im 19. Jahrhundert, in: Lappenküper, Marcowitz (Hg.), Macht und Recht, S. 135–160; Menger, Die Heilige Allianz, S. 349–352; Schulz, Normen und Praxis, S. 35 und 82–84. 40 41

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gegenseitige Absprachen setzten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das protocole préliminaire vom 19. November 1820, das auf dem Kongress von Troppau von den drei östlichen Großmächten der Heiligen Allianz verabschiedet wurde: Anlässlich revolutionärer Unruhen in Neapel besiegelte es Interventionen als gerechtfertigtes Mittel gegen Revolutionen. Die Interventionspraxis war folglich vor allem durch antirevolutionäre Vorstellungen der Heiligen Allianz angetrieben gewesen, während die britische Seite Vorbehalte besaß und sie öffentlich artikulierte. Es handelte sich jedoch nicht um kohärente Praktiken, da sich das Völkerrecht zu diesem Zeitpunkt selbst erst auszubilden begann und keine universalisierenden Normen existierten. Die europäischen Transformationsprozesse bekamen die Diplomaten in Paris nicht nur zu spüren, sondern sie gestalteten sie selbst mit. Die bereits erwähnte Pariser Botschafterkonferenz ging aus dem genannten Artikel VI des Vertrags der Quadrupelallianz zur Einberufung von Konferenzen hervor. Ihre Aufgabe bestand nach dem Zweiten Pariser Frieden und der erneuten Besatzung von Paris darin, die französische Umsetzung der Friedensverträge zu überwachen45. Das Gremium setzte sich aus den Diplomaten der vier Siegermächte in Paris zusammen – das heißt Goltz für Preußen, Vincent für Österreich, Stuart für Großbritannien und Pozzo di Borgo für Russland – und tagte in der Residenz des britischen Botschafters in Paris in insgesamt 307 Sitzungen über einen Zeitraum von drei Jahren46. Seine Berechtigung erhielt es dadurch, dass es die Kommunikation zwischen der alliierten Militärführung unter dem Oberkommandierenden Wellington einerseits und den französischen dienstlichen Stellen andererseits gewährleistete47. Die neue Herausforderung für die vier Diplomaten bestand vor allem darin, in den Sitzungen eine gemeinsame Vorgehensweise zu entwickeln. Wie vage darüber die Vorstellungen zu Beginn der Einrichtung der Konferenz waren, offenbart die Instruktion, die der preußische Diplomat Goltz am 20. November 1815 vom preußischen Außenminister Hardenberg erhielt: Neben den zwei feststehenden Leitthemen, der inneren Stabilität Frankreichs sowie der Friedenswahrung in Europa, wurde es Goltz überlassen, sich mit Wellington und seinen Diplomatenkollegen über die Art der Verhandlungsführung – »le meilleur mode de réaliser le concert dont il s’agit«48 – zu verständigen. Den Diplomaten wurde weitreichende Entscheidungsfreiheit darüber zugesprochen, wie die Idee des kollektiven Um Grundlegend zu Botschafterkonferenzen im Allgemeinen und zur Pariser Botschafterkonferenz im Besonderen vgl. Wolfram Pyta, Konzert der Mächte und kollektives Sicherheitssystem. Neue Wege zwischenstaatlicher Friedenswahrung in Europa nach dem Wiener Kongress 1815, in: Jahrbuch des Historischen Kollegs (1996), S. 133–173. 46 Vgl. Lentz, Le congrès de Vienne, S. 253. 47 Vgl. Pyta, Konzert der Mächte, S. 151. Wolfram Pyta misst Wellington eine wichtige Bedeutung bei und sieht ihn in der Funktion eines »Konzertbevollmächtigten«, der über die notwendigen Eigenschaften für die schwierigen Absprachen verfügte. Vgl. ibid., S. 159. 48 Karl August Fürst von Hardenberg an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 20. 11. 1815, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 30. 45

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gangs mit dem besiegten Frankreich in der Praxis der Sitzungsarbeit umzusetzen war. Dass die kontinuierlichen Treffen die Erwartungen erfüllten, hob der preußische Teilnehmer Goltz hervor: »[L]a conférence des ministres des quatre cours alliées a produit des résultats bien plus heureux qu’on ne l’avait même espéré«49. Seine Worte, mit denen er sicherlich seine eigene Tätigkeit positiv darzustellen beabsichtigte, fielen im Jahr 1818 angesichts der Frage, ob die Pariser Botschafterkonferenz fortzusetzen sei. Ihr Ende war schließlich beschieden durch den Kongress von Aachen, auf dem die alliierte Besatzung für beendet erklärt und Frankreich in das Europäische Konzert und damit in den Kreis der Großmächte aufgenommen wurde, indem es Artikel VI der Quadrupelallianz beitrat50. Die Pariser Botschafterkonferenz besaß jedoch nachhaltige Folgen: Ihr experimenteller und wegweisender Charakter wird daran deutlich, dass sie als die »stilbildende politische Keimzelle«51 des Typus der Botschafterkonferenz gelten kann. Botschafterkonferenzen sollten anschließend das »Herzstück des Europäischen Konzerts«52 bilden, indem sie in kontinuierlicher diplomatischer Sitzungstätigkeit europäische Konfliktfälle bearbeiteten. Neben den Kongressen, auf denen Souveräne und Außenminister präsent waren, erhielten dadurch Diplomaten mit den Botschafterkonferenzen entscheidende Kompetenzen53. Die vier Diplomaten der Großmächte in Paris übten somit von 1815 bis 1818 ein, was für das Europäische Konzert charakteristisch werden sollte: Problemlösungskompetenz durch konsensorientierte Verhandlungen zu zeigen, die im Rahmen fallbezogener Konferenzen stattfanden. Im Zuge der Schaffung neuer Grundlagen auf europäischer Ebene war im Jahr 1816 ebenfalls der Zeitpunkt gekommen, die lediglich provisorische Ernennung des preußischen Diplomaten Goltz in Paris zu überdenken und seinen dortigen Aufenthalt zu verstetigen. Es muss dabei berücksichtigt werden, dass seine Berufung von Anbeginn nur eine Übergangslösung darstellte, weil für den Posten Wilhelm von Humboldt vorgesehen gewesen war54. Humboldt

Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an Friedrich Wilhelm III. von Preußen, 26. 8. 1818, AMAE Mémoires et documents France 1957. 50 Vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 64–67. 51 Pyta, Konzert der Mächte, S. 150. 52 Schulz, Normen und Praxis, S. 552. 53 Vgl. ibid. 54 Vgl. Karl August Fürst von Hardenberg an Wilhelm von Humboldt, 2. 6. 1814, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4816; Hammer, Hôtel Beauharnais, S. 139. Seinem Bruder Alexander von Humboldt war der Posten wohl ebenfalls – zumindest als Übergangsvertretung für Wilhelm – angeboten worden, da er schon in Paris lebte. Er soll ihn jedoch zugunsten seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten abgelehnt haben. Vgl. Rudolf Haym, Wilhelm von Humboldt. Lebensbild und Charakteristik, Berlin 1856, S. 369. In den 1810er Jahren entfremdeten sich aber die Brüder Humboldt; Alexander nahm mehr die französische Lebensweise an, während Wilhelm sein Deutschsein politisch aktiv vertrat. Für eine Doppelbiographie, ohne allerdings die Pariser Postenfrage zu erwähnen, vgl. Manfred Geier, Die Brüder Humboldt. Eine Biographie, Reinbek bei Hamburg 2010, S. 271. Später, wäh49

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hatte sich bis dahin im preußischen Staatsdienst als Bildungsminister hervorgetan und besaß Erfahrungen als Diplomat in Rom und Wien55. Wie fest eingeplant seine Ankunft in Paris bereits im Frühjahr 1814 gewesen war, lässt sich daran ablesen, dass ihm Geldsummen für seine dortige Einrichtung in Aussicht gestellt worden waren und Goltz sich mit ihm über die vorübergehende Art seiner Gesandtschaftsführung verständigen sollte56. Humboldt hatte allerdings noch die Aufgabe, Preußen als zweiter Bevollmächtigter neben Hardenberg auf dem Wiener Kongress zu vertreten57. Nach Kongressende hatte sich für ihn mit der Teilnahme an der Territorialkommission, die in Frankfurt am Main angesichts noch verbleibender Gebietsstreitigkeiten zwischen den süddeutschen Staaten tagte, eine weitere Tätigkeit angeschlossen58. Deshalb verlängerte sich der Aufenthalt von Goltz in Paris, der bereits vorsorglich seine Abberufungsschreiben erhalten hatte und nach Humboldts Ankunft in Paris die preußische Vertretung in München, die er schon einmal wahrgenommen hatte, antreten sollte59. Also wurde im Herbst 1815 weiterhin fest mit Humboldt für den Pariser Posten gerechnet. Ein weiteres Jahr später erhielt Goltz allerdings seine definitive Ernennung zum preußischen Gesandten in Paris, während Humboldt den Posten in London übernehmen sollte60. Diese Änderung war darauf zurückzuführen, dass es auf französischer Seite massive Einwände gegen Humboldts erwogene Präsenz in Paris gab, da er dort aufgrund seiner Mitwirkung rend der Julimonarchie von 1830 bis 1848, übernahm Alexander von Humboldt jedoch mehrmals diplomatische Missionen zwischen Berlin und Paris parallel zum bestehenden preußischen Gesandtschaftsposten in Paris. Vgl. Pässler, Ein Diplomat, S. 168–191. 55 Wilhelm von Humboldt entstammte einer preußischen Beamtenfamilie, sein Vater war bis zu seinem Ruhestand unter anderem königlicher Kammerherr gewesen. Seine eigene Laufbahn im preußischen Staatsdienst begann im Jahr 1790, als er sein Jurastudium abschloss und den Titel »Legationsrat« erhielt. Nach Rom kam Humboldt im Jahr 1802, um dort Preußen beim Heiligen Stuhl zu vertreten. Er übernahm außerdem die Vertretung gegenüber dem Königreich Neapel-Sizilien und wurde zusätzlich von Hessen-Darmstadt und Fulda-Oranien mit deren dortiger diplomatischer Vertretung betraut. Anschließend übernahm er im Jahr 1809 die Leitung der Sektion des Kultus und öffentlichen Unterrichts in Berlin, bevor er im Jahr 1810 als preußischer Diplomat nach Wien ging, vgl. Gall, Wilhelm von Humboldt, S. 16 f., 55, 102 f., 138 und 226. 56 Vgl. Karl August Fürst von Hardenberg an Wilhelm von Humboldt, 2. 6. 1814, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4816; Karl August von Hardenberg an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 3. 6. 1814, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4816. 57 Vgl. Gall, Wilhelm von Humboldt, S. 279. 58 Vgl. ibid., S. 297 f. Humboldt selbst sah in dem Auftrag die Absicht, ihn in Frankfurt mit weiteren Tätigkeiten festzuhalten, falls Goltz seine Aufgabe in Paris zufriedenstellend erledigte. Vgl. Anna von Sydrow (Hg.), Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Bd. 5: Diplomatische Friedensarbeit 1815–1817, ND Osnabrück 1968, S. 100. 59 Vgl. Schreiben an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 9. 10. 1815, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4816. 60 Vgl. Karl August von Hardenberg an Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz, 22. 11. 1816, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4816; Gall, Wilhelm von Humboldt, S. 303.

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an den Friedensabschlüssen mit Frankreich negative Erinnerungen hervorrief61. Gleichzeitig hatte sich Goltz auf dem Pariser Posten bewährt. Die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und Preußen beziehungsweise Österreich erfolgte zum frühestmöglichen Zeitpunkt, das heißt nach der Restauration des Bourbonen Ludwig  XVIII. im Frühjahr 1814. Zugleich besaß sie einen provisorischen Charakter, indem nicht nur die Ernennung von Goltz als vorübergehend angesehen wurde, sondern sich auch die französischen und europäischen Verhältnisse durch die zweimalige Abdankung Napoleons neu begründeten. Gerade deshalb waren aber Diplomaten der Großmächte in Paris notwendig geworden: Sie führten die Verhandlungen mit der französischen Seite vor Ort in der Besatzungszeit und gestalteten die Neuordnungen mit, was an der Pariser Botschafterkonferenz am augenscheinlichsten wird. Die diplomatische Reorganisation der kleineren deutschen Staaten mit Frankreich setzte dagegen erst später, nach dem Wiener Kongress von 1814/1815, ein62. Es ist bemerkenswert, dass von französischer Seite im Jahr 1815 zunächst ein Beobachter nach Frankfurt geschickt wurde63. Dort formierte sich gerade der Deutsche Bund, der die deutschen Einzelstaaten in Form eines Staatenbundes zu vereinen beabsichtigte64. Der Deutsche Bund war aus den Verhandlungen des Wiener Kongresses über den mitteleuropäischen Raum hervorgegangen und seine Gründungsrichtlinien stellten einen Teil der Wiener Schlussakte dar, weshalb von einer »europäischen Schöpfung« gesprochen werden kann. Da der Bund den Charakter eines lockeren Staatengefüges besaß, behielten seine Mitgliedsstaaten weitgehend ihre Souveränitätsrechte, sodass sie im Bereich der auswärtigen Beziehungen vor allem über das aktive und passive Gesandtschaftsrecht verfügten65. Diplomatische Beziehungen mit dem Ausland zu unterhalten, oblag damit primär den Einzelstaaten und nicht dem Deutschen Bund. Eine

Eine Rolle spielte zudem das Verhältnis zwischen dem preußischen Staatskanzler Hardenberg, der bei der Postenvergabe einen nicht unwesentlichen Einfluss besaß, und Humboldt; es war von zunehmender Konkurrenz um höhere Posten im preußischen Staatsdienst geprägt. Vgl. Gall, Wilhelm von Humboldt, S. 302–305; Haym, Wilhelm von Humboldt, S. 370. 62 Die Ernennungsdaten von deutschen Diplomaten in Paris waren: Hannover 1815, Sachsen 2. 10. 1815, Hamburg 15. 10. 1815, Mecklenburg-Schwerin 30. 1. 1816, Sachsen-Weimar 2. 7. 1816, Kurhessen 11. 11. 1816, Bayern 5. 8. 1817, Württemberg 2. 12. 1817, Baden 22. 1. 1819, Hessen-Darmstadt 23. 3. 1819. Vgl. Liste du corps diplomatique à Paris, 1819, AMAE Protocole Série C 90. 63 Vgl. Hammer, Die französische Diplomatie, S. 45; Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 6 f.; Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 541. 64 Wichtigstes Organ des Deutschen Bundes war die Bundesversammlung, die sich aus den Gesandten und bevollmächtigten Ministern der Mitgliedsstaaten zusammensetzte und in Frankfurt tagte. Vgl. Gruner, Der Deutsche Bund, S. 128. 65 Vgl. ibid., S. 24; aus juristischer Perspektive vgl. dazu Sven Jansen, Die Souveränität der Gliedstaaten im Deutschen Bund, Frankfurt a. M. 2014, S. 107 f. 61

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gesamtdeutsche diplomatische Vertretung, wie sie die schnelle französische Entsendung nach Frankfurt nahelegt, war deshalb kaum von Relevanz66. Aus französischer Sicht drängte sich vielmehr die Frage auf, mit welchen der zahlreichen deutschen Staaten außer den beiden Großmächten Preußen und Österreich es wann notwendig war, diplomatische Beziehungen aufzunehmen67. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich die deutschen Staaten hinsichtlich ihrer inneren Verhältnisse teilweise neu konstituierten. Zum einen kam es zu territorialen Veränderungen, die sich ebenfalls auf die Verhandlungen des Wiener Kongresses zurückführen lassen68. Zum anderen gaben sich einzelne Staaten, zumindest zunächst im süddeutschen Raum, Verfassungen und wurden zu konstitutionellen Monarchien, die sich damit eine neue Form staatlicher Legitimation nach französischem Vorbild aneigneten69. Neuordnungsprozesse fanden somit um 1815 nicht nur im französischen und europäischen, sondern auch im deutschen Rahmen statt, gleichwohl waren sie miteinander verzahnt. Anfang des Jahres 1816 gab es Bemühungen, die badisch-französischen Beziehungen wiederzubeleben. Die Initiative ging vom badischen Großherzog aus: »[Afin de] voir se consolider de plus en plus les relations réciproques de bonne intelligence & de bon voisinage entre les deux Gouvernements, [le grand-duc de Bade] désirerait le prochain rétablissement des missions mutuelles comme un des moyens les plus sûrs pour parvenir à ce but«70. Ein wichtiges Motiv war die unmittelbare Nachbarschaft zu Frankreich. Aufgrund der aneinandergrenzenden Territorien bestanden zahlreiche Verbindungen, die das Bedürfnis nach einem guten Verhältnis und nach der Entsendung diplomatischer Vertreter rechtfertigten. Bei dem Es gab gleichwohl mit Reinhard (offiziell ab 1817) einen französischen Vertreter beim Deutschen Bundestag in Frankfurt. Derselbe war dort bereits ab 1815 und dann zugleich bei der Freien Reichstadt akkreditiert gewesen. Vgl. Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S.  541; Sylvia Krauss, Die politischen Beziehungen zwischen Bayern und Frankreich 1814/15–1840, München 1987, S. 60; Ina Ulrike Paul, Art. »Reinhard, Karl Friedrich Graf von«, in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 355–357. Er besaß allerdings kein Pendant in Paris, da der Deutsche Bund nur missionsgebundene Diplomaten entsandte. Zur Wahrnehmung diplomatischer Missionen durch den Deutschen Bund vgl. Gruner, Der Deutsche Bund, S. 24. Zur Problematik einer gesamtdeutschen Vertretung vgl. Kap. 6.3. 67 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 76 f.; Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 541 f. 68 Für Hessen-Darmstadt vgl. Dagobert Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung in Hessen-Darmstadt unter Ludewig I., 1790–1830, Darmstadt 1964 (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, 20), S.  84–88; Ilse Spangenberg, Hessen-Darmstadt und der Deutsche Bund, 1815–1848, Darmstadt 1969, S. 7 f.; für Baden vgl. Hansmartin Schwarzmaier, Baden. Dynastie – Land – Staat, Stuttgart 2005, S. 195; für Bayern vgl. Wilhelm Volkert, Geschichte Bayerns, München 2001, S. 63 f. 69 Für Hessen-Darmstadt vgl. Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung, S.  97–102; Spangenberg, Hessen-Darmstadt, S.  40–57; für Baden vgl. Schwarzmaier, Baden, S. 203; für Bayern vgl. Volkert, Geschichte Bayerns, S. 64 f. 70 Karl Freiherr von Hacke an Richelieu, 6. 1. 1816, AMAE Correspondance politique Bade 14. 66

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verbindenden Anspruch nach einer »bon voisinage« muss jedoch beachtet werden, dass es sich um ungleiche Nachbarn handelte. Baden war der kleinere Partner, der gleichwohl insbesondere zur Zeit des Deutschen Bundes Wert auf eine eigene diplomatische Präsenz legte71. Außerdem geht aus den zitierten Worten hervor, dass die Wiederherstellung gegenseitiger Beziehungen einen Prozess darstellte, in dem die Etablierung diplomatischer Vertretungen einen Baustein bildete. Diplomatische Beziehungen waren demnach nur ein, wenn auch wesentliches Instrument (moyen) der gegenseitigen Anerkennung von Regierungen. Das badische Gesuch wurde von französischer Seite begrüßt, denn wie der französische Außenminister Richelieu antwortete, stehe schon seit einiger Zeit mit dem Comte de Montlezun eine Person für die Vertretung am badischen Hof in Karlsruhe fest72. Die Reziprozität war folglich gewährleistet, wenngleich auf badischer Seite keine personelle Veränderung zu verzeichnen war: Johann Baptist von Ferrette war bereits seit 1810 mit der Vertretung Badens betraut, hatte schon zuvor in der französischen Hauptstadt gelebt und dort bis 1803 als Diplomat des Malteserordens fungiert73. Er besaß diplomatische Erfahrung mit verschiedenen Vertretungsansprüchen, war verwurzelt in Paris und in den relevanten Kreisen bestens bekannt. Außerdem sah er sich selbst seit langem als Teil des diplomatischen Korps und konnte sich augenscheinlich ungeachtet der veränderten Lage in Paris als Diplomat halten74. Ferrettes Ernennung bestätigte seine Position in Paris75. Die Etablierung eines bayerischen Diplomaten in Paris um 1815 ist bereits von Sylvia Krauss untersucht worden76. Da sie bedeutende Mechanismen für die Wiederherstellung diplomatischer Beziehungen offenlegt, soll diese reka Siehe dazu Jürgen Schuhladen-Krämers Gesamteinschätzung der badischen Diplomatie ab 1815: »Die selbstbewusste Haltung als Mittelstaat mit der Würde eines Großherzogtums beanspruchte im neu konstituierten Deutschen Bund nach wie vor die weiterhin anerkannte völkerrechtliche Souveränität mittels aktivem und passivem Gesandtschaftsrecht auszudrücken. Hinzu trat die Bedrohung des Fortbestands Badens infolge bayerischer Territorialansprüche und der Verwicklungen wegen des Übergangs der Thronfolge auf die morganatische Hochberglinie. Es war eine Zeit mit ausgedehnter diplomatischer Aktivität«. Im europäischen Ausland war Baden neben Paris, wenngleich teilweise auch nur kurzzeitig, in St. Petersburg, London, Bern, Brüssel und Den Haag vertreten. Vgl. Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris, S. 21. 72 Richelieu an Karl Freiherr von Hacke, 24. 1. 1816, GLA 233/9331. 73 Vgl. Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris, S. 12 und 72; Winter, Repertorium der diplomatischen Vertreter, S. 12. 74 Vgl. Johann Baptist Freiherr von Ferrette an [Richelieu], 14. 11. 1815, AMAE Correspondance politique Bade 14. 75 Zu seiner Ernennung vgl. [Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten], 9. 2. 1816, GLA 76/2732; Johann Baptist Freiherr von Ferrette an [Richelieu], 26. 1. 1816, AMAE Correspondance politique Bade 14. 76 Das relevante Kapitel trägt den Titel »Die ersten bayerischen Gesandten in Paris«, vgl. Krauss, Die politischen Beziehungen, S. 31–40. 71

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pituliert werden. Ein Anzeichen für das Interesse von bayerischer Seite, die Kontakte bald wiederaufzunehmen, gab es bereits im Verlauf des Jahres 1815, als die Friedensverhandlungen mit Frankreich noch liefen. Mit Alois von Rechberg war ein bayerischer Vertreter bei den Verhandlungen des Zweiten Pariser Friedens präsent gewesen. Er sollte zugleich ein Glückwunschschreiben des bayerischen Königs an Ludwig XVIII. anlässlich dessen zweiter Rückkehr nach Napoleons »Hundert Tagen« überbringen77. Damit zeugt das Schreiben von der bayerischen Akzeptanz der neuen französischen Verhältnisse und stellt einen Verständigungsversuch dar, der zunächst zwischen den Souveränen erfolgte. Erst auf dieser Grundlage sollte auch personell die diplomatische Ebene in Angriff genommen werden, indem Rochemont im Januar 1816 zum bayerischen Geschäftsträger in Paris ernannt wurde. Diese Praxis zeigt ein zwei­ stufiges Vorgehen: Erst erfolgte die Anerkennung der neuen Regierung von Ludwig XVIII. in Schriftform und anschließend die Entsendung eines Diplomaten. Rochemont, ein erst 28-jähriger gebürtiger Genfer, verdankte seinen nur 15-monatigen Aufenthalt in Paris vor allem zwei Fürsprechern: zum einen dem französischen Außenminister Richelieu und zum anderen dem bayerischen Außenminister Montgelas. Da Rochemont nur den provisorischen Charakter eines Geschäftsträgers in Paris besaß, bemühte er sich, einen vollwertigen Titel zu erhalten und damit seinen dortigen Aufenthalt zu verstetigen. Richelieu setzte sich dafür persönlich in einem Schreiben an den bayerischen König ein, indem er seine Freundschaft (amitié) und langjährige Verbundenheit zu Rochemont hervorhob, auf das Prinzip der Reziprozität abhob und auf die Gleichstellung mit dem französischen Diplomaten in München pochte78. Dieser Initiative war jedoch kein Erfolg beschieden, denn im Zuge des Wechsels im bayerischen Außenministerium im Jahr 1817 schied Montgelas aus dem Amt, während Alois von Rechberg den Ministerposten übernahm und seinen Bruder, Willibald von Rechberg, als Diplomaten in Paris einsetzte79. Letzterem wurde nun auch der Rang eines Gesandten zuteil, den Rochemont erfolglos angestrebt hatte80. Die Bedeutung, die der Wiederaufnahme bayerisch-französischer Beziehungen beigemessen werden kann, zeigt sich in dem Modell des »allié naturel«81, das nach 1815 oftmals beschworen wurde. Dass es sich bei Bayern und Frankreich um natürliche Verbündete handeln sollte, ergab sich daraus, dass Allianzen für beide Seiten Vorteile mit sich brachten. Aus bayerischer Sicht war die selbstbeanspruchte Führungsrolle unter den deutschen Mittel- und

Vgl. ibid., S. 31. Vgl. den Abdruck des Schreibens ibid., S. 415. Rochemont und Richelieu kannten sich aus einem vorangegangen gemeinsamen Aufenthalt in Russland. Vgl. Des bergeries familiales d’Odessa à la légation royale de Bavière à Paris. Charles René Pictet de Rochemont, 1787–1856, hg. v. Fondation des archives de la famille Pictet, Genf 2011. 79 Vgl. Krauss, Die politischen Beziehungen, S. 33. 80 Vgl. ibid. 81 Vgl. ibid., S. 63 f. 77 78

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Kleinstaaten von Frankreich in der Vergangenheit durch verschiedene Bündnisse unterstützt worden82. Im Gegenzug musste aus französischer Perspektive die Unterstützung eines bedeutenden Mittelstaates wie Bayern vorteilhaft sein, um aus der Isolation in der postnapoleonischen Ära herauszufinden83. Im März 1819 erhielt August von Pappenheim seine Ernennung zum Diplomaten des Großherzogtums Hessen-Darmstadt in Paris. Es kann in diesem Fall von einer Fortsetzung seiner Tätigkeit gesprochen werden, denn er hatte, aus der Offizierslaufbahn kommend, seit 1798 Hessen-Darmstadt in der französischen Hauptstadt mit Unterbrechungen vertreten84. Damit hatte er bereits vielfältige Umbrüche als Diplomat in Paris erlebt: Er kannte Frankreich als Republik, Kaiserreich und nun Königreich; er hatte dort Hessen-Darmstadt in Form einer Landgrafschaft zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation vertreten, das 1806 Teil des Rheinbundes wurde, zum Großherzogtum aufstieg sowie ab 1815 zum Deutschen Bund gehörte85. Die einzelnen Schritte seiner Ernennung in den Märztagen des Jahres 1819 sind in einem »Legationsjournal« sowie einem seiner Berichte nach Darmstadt präzise, bis auf den Tag genau, festgehalten86. Bemerkenswert ist vor allem, wie Pappenheim die zeremoniellen Einzelheiten bei seiner Ernennung mit seinen bisherigen Erfahrungen abglich. Zum einem fiel ihm auf, dass »man in Allem so viel wie möglich die alte Hof Etiquette vor der Revolution zur Richtschnur nimt«87. Zum anderen schrieb er über seinen neuen Platz innerhalb des diplomatischen Korps, dass »keine andere Etiquette als die Anciennität der Übergabe ihrer Beglaubigungs-Schreiben«88 von Relevanz gewesen sei. Aus seiner Sicht vereinte das französische Zeremoniell Elemente, die einen Rückgriff auf die Zeit des Ancien Regime darstellten,

Der bayerische König Max IV. Joseph musste sich etwa zu besonderem Dank gegenüber der französischen Seite verpflichtet sehen, da er infolge der Allianz mit Napoleon territoriale Zuwächse, die Erhebung zum erblichen Königtum und die staatliche Souveränität verzeichnen konnte. Vgl. ibid., S. 63. 83 Vgl. ibid., S. 62 f. 84 Seine Diplomatentätigkeit besaß vor allem anfangs den Charakter einer Mission, weil er sich zunächst für bestimmte Verhandlungen in Paris aufhielt. Zur Biographie Pappenheims vgl. Uta Ziegler, Eckhart Franz, Diplomatie im Zeichen des revolutionären Umbruchs. Die Berichte des hessen-darmstädtischen Gesandten August Wilhelm von Pappenheim aus Paris und Rastatt 1798–1803 und 1806, Darmstadt, Marburg 2007 (Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte, 117), S. VIII–X. 85 Zu den Umbrüchen aus hessischer Perspektive vgl. Eckhart Franz, Das Haus Hessen. Eine europäische Familie, Stuttgart 2005, S. 116–139. 86 Vgl. August Wilhelm Freiherr von Pappenheim, 24. 3. 1819, HStAD G 1 164/5; Legationsjournal, Bd. 1, HStAD G 3 25/1. 87 August Wilhelm Freiherr von Pappenheim, 24. 3. 1819, HStAD G 1 164/5. 88 Ibid. 82

5.1  Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen

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mit solchen wie der Anciennität, die erst seit dem Wiener Kongress galten. Tatsächlich existierte seit 1818 ein festgeschriebenes Zeremoniell des französischen Königtums für Diplomaten, in dessen Vorwort die Spannung zwischen alten und neuen Elementen benannt und wie folgt aufgelöst wurde: «Tout ce qui était d’usage à la Cour de France avant la Révolution a été religieusement conservé, hors les cas où ces usages se sont trouvés en opposition avec les circonstances présentes et les décisions du Congrès du Vienne«89. Im Jahr 1819, bei der Ernennung von Pappenheim, waren die Neuordnungsprozesse soweit fortgeschritten, dass ein restauriertes und angepasstes Zeremoniell existierte, nach welchem neue Diplomaten ernannt werden konnten. Zum gleichen Zeitpunkt wurde Pappenheims französischer Gegenpart in Darmstadt, Salignac-Fénélon, ernannt90. Die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Frankreich und den kleineren deutschen Staaten zog sich über ein halbes Jahrzehnt hin. Ein wesentlicher Grund waren die Neuordnungen auf beiden Seiten, die die Fortsetzung diplomatischer Beziehungen an sich jedoch nicht in Frage stellten. Aus französischer und europäischer Perspektive besaßen die deutschen Mittel- und Kleinstaaten eine bedeutende Gleichgewichtsfunktion, weshalb diplomatische Beziehungen, etwa im Hinblick auf künftige Bündnisse, für sie von Bedeutung waren. Aus Sicht der deutschen und insbesondere süddeutschen Staaten waren sie selbst mit Frankreich nicht nur durch die neuartige konstitutionelle Ausprägung vereint, sondern sie waren auch auf ihre Eigenständigkeit gegenüber preußisch-österreichischen Führungsansprüchen bedacht91. Diplomatische Beziehungen waren ein Ausdruck ihrer Souveränität, wobei Paris als ein zentraler Standort in der diplomatischen Landkarte galt. Inwieweit handelte es sich insgesamt um 1815 um eine Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kontinuität und Neubeginn? Dass die diplomatischen Beziehungen von Kontinuität geprägt waren, zeigt sich am deutlichsten an der Personalauswahl. Im Fall von Baden und Hessen-Darmstadt gab es mit Ferrette beziehungsweise Pappenheim Diplomaten, die ihre jahrzehntelange Tätigkeit in Paris nur fortsetzen mussten, indem sie ihre neuen Beglaubigungsschreiben gegenüber dem neuen französischen König präsentierten. Der österreichische Diplomat Vincent besaß ebenfalls Vorerfahrungen in Paris, als er dort im Jahr 1814 akkreditiert wurde. Im preußischen Fall hatte zumindest Goltz’ Onkel einige Jahre zuvor die Position ausgefüllt, die sein Neffe nun einnehmen sollte. Der bayerische Fall mit dem schnellen Rückzug des jungen Rochemont verdeutlicht, dass

Dargainaratz, Cérémonial de la Cour, S. 3. Salignac-Fénélon an Jean Dessolle, 20.  3.  1819, AMAE Correspondance politique Hesse-Darmstadt 7. 91 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 84 f. 89 90

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Erfahrung bei der Postenbesetzung geschätzt wurde. Die Rekrutierungsmechanismen waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch nicht von Professionalität gekennzeichnet, was auch daran deutlich wird, dass der Wechsel aus der militärischen in die diplomatische Laufbahn fließend war. Dazu hatten die Zeitumstände insofern beigetragen, als während der napoleonischen Ära vielfältige Missionen mit diplomatischem oder militärischem Auftrag – sei es für Vertragsverhandlungen oder in Kriegszeiten im Hauptquartier der Alliierten – die Lebensläufe der hier (wieder)ernannten Diplomaten geprägt hatten. Das diplomatische Zeremoniell stellt wiederum einen Aspekt dar, anhand dessen Kontinuität und Neubeginn zugleich sichtbar werden. Einerseits überbrückte es die vielfältigen Umbrüche der Zeit, indem übereinstimmende Vorstellungen der relevanten Akteure über den grundlegenden Ablauf einer Ernennung vorhanden waren, was die gegenseitige Kontaktaufnahme auf diplomatischer Ebene gewährleistete. Andererseits entstanden gerade in den Jahren 1815 bis 1818 neue diplomatische Formen, die der Wiener und Aachener Kongress festschrieben und die sich in einem angepassten Zeremoniell niederschlugen. Schließlich ist zu fragen, welche alten und neuen Vorstellungen über die Art der Anerkennung und die Gestaltung der diplomatischen Beziehungen um 1815 vorherrschten. Die Anerkennung der neuen Situation in Frankreich, das heißt von Ludwig XVIII. als König, stellte an sich kein Problem dar, da er selbst erst mit Genehmigung der europäischen Mächte auf den Thron gelangt war. Im Hinblick auf die diplomatischen Praktiken war dafür die neue Ernennung von Diplomaten erforderlich, weil es sich um einen Wechsel des Staatsoberhauptes handelte, gegenüber dem neue Beglaubigungsschreiben zu überreichen waren. Insofern handelte es sich um eine auf Kontinuität basierende Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen nach einer Unterbrechung durch einen Regierungs- und Systemwechsel. Gleichzeitig waren jedoch in der postnapoleonischen Ära mit dem Europäischen Konzert, dem Deutschen Bund und der Restauration der Bourbonen neue Grundlagen entstanden, die die diplomatische Ebene nachhaltig veränderten. Ein neues, gemeinsames Legitimitätsverständnis bildete sich aus, das nicht nur, aber auch die Diplomaten betraf und das auf der Wiener Vertragsordnung von 1815 basierte. Die Diplomaten wirkten daran wie bei der Pariser Botschafterkonferenz mit. Insgesamt handelte es sich um einen Prozess, was an dem in den Blick genommenen Zeitraum von 1814 bis 1819 deutlich wird. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und den deutschen Staaten standen auf einem neuen Fundament, das sich im Sommer 1830 angesichts der Julirevolution und ihrer Folgen erstmals ernsthaft bei Anerkennungsfragen bewähren musste.

5.2  Anerkennung Louis-Philippes

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5.2 Unausweichlich, aber verzögert: die Anerkennung Louis-Philippes nach der Julirevolution von 1830 Am 20. August 1830 schrieb Rudolf Apponyi, Cousin des gleichnamigen österreichischen Botschafters in Paris und ebendort als Sekretär tätig, in sein Tagebuch: »Nous ne pourrons faire autrement que de reconnaître ce gouvernement, tout misérable qu’il soit«92. Nach der Julirevolution von 1830 schien es für ihn trotz aller Bedenken unausweichlich, Louis-Philippe als neuen französischen König zu akzeptieren. Die Anerkennung der Julimonarchie verzögerte sich jedoch, da sie die europäischen Regierungen sowie ihre Diplomaten kurzzeitig auf eine Bewährungsprobe stellte. Nach der Etablierung eines europäischen Staatensystems, das seit dem Wiener Kongress auf Gleichgewichtsvorstellungen und Friedensabsichten basierte, waren es erneut revolutionäre Umwälzungen in Frankreich, die in ganz Europa äußerste Beunruhigung hervorriefen. Sie stellten die bestehenden vertraglichen Vereinbarungen auf europäischer Ebene infrage, da sie um 1815 gerade aus Furcht vor weiteren Revolutionen geschlossen worden waren. Darüber hinaus bereiteten den europäischen Mächten der Sturz des Bourbonenkönigs Karl  X. und die Thronbesteigung von Louis-Philippe, Herzog von Orléans, Probleme. Der Fall der Bourbonendynastie, die von den europä­ ischen Mächten nach der napoleonischen Herrschaft in Frankreich eingesetzt worden war, verletzte das geltende Prinzip der monarchischen Legitimität93. Den Auslöser der Problemlage stellte die Julirevolution dar, welche sich innerhalb von drei Tagen  – den sogenannten Trois Glorieuses vom 27. bis 29. Juli 1830  – vollzogen hatte. Sie brachte die Abdankung von Karl  X. am 2. August 1830, welcher seit dem Tod seines älteren Bruders Ludwig XVIII. im Jahr 1824 die französische Königskrone innegehabt hatte. Infolge der Unruhen zog sich Karl X. erst ins Pariser Umland zurück und ging Mitte August 1830 ins britische Exil, während Louis-Philippe zum neuen König auserkoren wurde. Er war prädestiniert für die Nachfolge, da er als Herzog von Orléans in der Revolution von 1789 mitgekämpft hatte und infolgedessen monarchische und revolutionäre Elemente in sich vereinte. Am 30. Juli 1830 traf er aus seinem Sommersitz in Neuilly in Paris ein, wo er einen Tag später von den Abgeordneten zunächst zum Generalleutnant, das heißt in das Amt eines Reichsverwesers, gewählt wurde. Die Fortsetzung des Königtums unter den neuen Vorzeichen der Volksverbundenheit war besiegelt, als am 7. August 1830 die beiden

Daudet, Vingt-cinq ans, Bd. 1, S. 310. Zur europäischen Problemlage anlässlich der französischen Situation nach der Julirevolution von 1830 vgl. ausführlich Gruner, Europa in der Krise; ferner Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 107–112; Schulz, Normen und Praxis, S. 103 f.

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Kammern einer überarbeiteten Charte zustimmten und in ihrer gemeinsamen Sitzung am 9. August 1830 die Monarchie des Hauses Orléans proklamierten, und Louis-Philippe bestieg als König der Franzosen den Thron94. Die Frage seiner Anerkennung durch das Ausland stellte sich auf diese Weise ab August 1830 und sollte bis Ende Oktober 1830 erfolgreich beigelegt sein. Die revolutionären Unruhen trafen die Diplomaten in Paris, wie die europäischen Regierungen insgesamt, unerwartet und riefen bei ihnen zunächst Bestürzung und Ratlosigkeit hervor95. Der österreichische Diplomat Apponyi sprach von einer »catastrophe«96, während sein bayerischer Diplomatenkollege Pfeffel von einer »destruction du travail de quinze années de restauration«97 sprach. Außerdem urteilte Andlaw über seine Diplomatenkollegen: »[A]lle fanden sich aber unbehaglich [sowie] die Frage der Zukunft in einer nicht zu enträthselnden Weise verwirrt«98. Die Diplomaten waren nicht in der Lage, die neue Situation einzuschätzen oder gar Prognosen anzustellen. Die noch unklare französische Ordnung Anfang August stellte die Diplomaten als Erstes selbst vor das Problem, welchen Status sie vorübergehend einnehmen sollten. Nach den Worten des badischen Diplomaten Gerstlacher befanden sie sich in einer doppelten Wartestellung gegenüber französischen Stellen einerseits sowie ihrer jeweiligen Regierung andererseits: La position du Corps diplomatique commence à devenir craintement critique. La rapidité des évènements et l’absence du Roi de Paris n’auraient pas permis aux Ministres étrangers de le suivre. D’ailleurs personne n’a reçu aucune invitation à cet égard. Toutes les missions paraissent attendre les instructions de leurs Gouvernemens respectifs. Mr de Ferrette ne pourra dans aucun cas quitter Paris et moi, qui dans le fait ne sait plus rien, je me conformerai également aux ordres qu’on voudra me donner99.

Im Bereich des Erwartbaren hatte es gelegen, dass die Diplomaten den bisherigen König Karl X. aufsuchten, da sie gegenüber ihm einst akkreditiert worden waren. Jener hatte sich jedoch in seine Residenzen nach Saint-Cloud und anschließend nach Rambouillet in der Nähe von Paris zurückgezogen100. Dass sie dort nicht zugegen waren, rechtfertigte Gerstlacher mit praktischen und Zu den skizzierten französischen Abläufen vgl. Michael Erbe, Louis-Philippe 1830–1848, in: Claus Hartmann (Hg.), Französische Könige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498–1870, München 2006, S. 402–421, hier S. 408 f.; Waresquiel, Yvert, Histoire de la Restauration, S. 464–474. 95 Zur spontanen europaweiten Reaktion vgl. Gruner, Europa in der Krise, S. 215. 96 Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 2. 8. 1830, HHStA Ges. Paris 8. 97 Christian Hubert Freiherr von Pfeffel an Ludwig I., 2. 8. 1830, BayHStA MA 2097/2. 98 Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. X, S. 232. 99 Christian Friedrich Gerstlacher, 1. 8. 1830, GLA 48/2023. 100 Vgl. dazu ausführlicher Guillaume de Bertier Sauvigny, La Révolution de 1830 en France, Paris 1970, S.  238–240; Henry Contamine, Diplomatie et diplomates sous la Restauration, 1814–1830, Paris 1970, S. 250. 94

5.2  Anerkennung Louis-Philippes

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formellen Gründen. Er setzte vielmehr darauf, dass ihn die Regierung mit Instruktionen versorgte. Solange bestand aus Sicht der Diplomaten vorrangig die Option, die französische Hauptstadt zu verlassen. Diese Möglichkeit äußerte nicht nur Gerstlacher, sondern der preußische Gesandte Werther fragte in Berlin ebenfalls nach, wohin er sich gegebenenfalls mit seinem Personal zurückziehen solle101. Und auch Darmstadts Vertreter Pappenheim dachte daran, sich in sein Landhaus zu begeben, falls die Mehrheit der Diplomaten Paris verlassen sollte, wenngleich es den Anschein habe, dass einige Diplomaten als »simples particuliers étrangers« in Paris verbleiben wollten102. Der angedachte Rückzug der Diplomaten in Paris war notwendig geworden, weil der Fall von Karl X. für sie bedeutete, dass ihre Beglaubigungsschreiben, die sie ausschließlich ihm gegenüber legitimierten, ihre Gültigkeit verloren hatten103. Der Status der Diplomaten war nun prekär, sie betrachteten sich teilweise nur noch als einfache Privatleute; sie befanden sich in einer Zeit des Übergangs, die erst wieder mit einer neuen französischen Regierung beendet sein würde, die zudem noch anerkennungwürdig sein musste. Bis zur möglichen Anerkennung von Louis-Philippe gab es gleichwohl Situationen, in denen die Diplomaten als solche agieren mussten. Eine Reaktion erforderte das Schreiben Jourdans, in dem dieser ihnen seine provisorische Ernennung zum französischen Außenminister vom 1. August 1830 bekannt gab. Die Postenbesetzung war darauf zurückzuführen, dass der gerade gewählte Generalleutnant Louis-Philippe die Ministerien neu verteilte104. Die Diplomaten kamen daraufhin beim britischen Botschafter zusammen, um sich auf eine gemeinsame Antwort zu verständigen: Sie einigten sich, dass heikle Themen wie die Abdankung des bisherigen Königs zu vermeiden seien und dass eine einfache Empfangsbestätigung mit dem Hinweis, die Nachricht ihren Regierungen weiterzugeben, ausreichen müsse105. In der Folge versandten die Diplomaten ähnliche Antworten an Jourdan, die nicht wortgleich waren, aber den vereinbarten Inhalt besaßen106. Darüber hinaus beschloss das beim britischen Vgl. Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther an Christian Günther von Bernstorff, 30. 7. 1830, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4912. 102 Vgl. Emil Freiherr von Pappenheim, 31. 7. 1830, HStAD G 1 167/2, Zitat ibid. 103 So lautete Werthers Erklärung nach Berlin. Vgl. Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther an Christian Günther von Bernstorff, 1. 8. 1830, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4912. 104 Auf die provisorische Ernennung Jourdans folgte nur elf Tage später, nach der Proklamation der Julimonarchie, Molés Übernahme des Außenministerpostens am 11. August 1830, bei der wie im vorliegenden Fall verfahren wurde. Aus diplomatischer Sicht vgl. Pappenheim, 15. 8. 1830, HStAD G 1 167/2; zur Bedeutung der Außenminister unter Louis-Philippe vgl. Guy Antonetti, Louis-Philippe, Paris 1994, S. 614. 105 Vgl. dazu die Berichte von Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 6. 8. 1830, HHStA Ges. Paris 8; Christian Hubert Freiherr von Pfeffel an Ludwig I., 2. 8. 1830, BayHStA MA 2097/2. 106 Vgl. die preußische und die österreichische Antwort von Anton Graf Apponyi an Jean-Baptiste de Jourdan, 5.  8.  1830, AMAE Correspondance politique Autriche 101

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Botschafter versammelte diplomatische Korps, dass es sich von offiziellen Veranstaltungen einstweilen fernhalten werde107. Die Umsetzung dieser Entscheidung schien zu gelingen, da beispielweise Pfeffel einem seiner Berichte nach München eine Einladung vonseiten der französischen Kammern beilegte, die er wie das gesamte diplomatische Korps ausgeschlagen hatte108. Bei der Veranstaltung handelte es sich um die Proklamation der Julimonarchie am 9. August 1830, bei der die Diplomaten demnach nicht zugegen waren109. In den ersten Augusttagen ist das gemeinsame Vorgehen der Diplomaten vor Ort bemerkenswert. Sie besaßen von ihren Regierungen noch keine Instruktionen über ihr generelles weiteres Vorgehen, sodass sie sich auf Absprachen untereinander verließen110. Im Hinblick auf die diplomatischen Praktiken zeugt die Versammlung des diplomatischen Korps von einem konzertierten Handeln im Lokalen, wie es seit um 1815 oberste Priorität besaß. Es ersetzte die noch fehlenden fallspezifischen Maßgaben ihrer Regierungen für nicht aufschiebbare Entscheidungen. Dazu zählte die Frage ihrer Präsenz beziehungsweise Absenz bei offiziellen französischen Anlässen, was zugleich ihr Bewusstsein für ihren prekären Status offenbart, indem sie nicht offiziell in Erscheinung treten durften. Außerdem reagierten sie einheitlich auf das Schreiben von Jourdan und gingen sehr vorsichtig vor, da sich eine neue französische Regierung erst konstituierte und eine europäische Linie gegenüber den Entwicklungen in Frankreich so schnell noch gar nicht vorhanden war. Über die Art eines gemeinsamen europäischen Vorgehens begannen die Diplomaten, nach dem ersten Schock, den raschen Wechsel sowie ihre ad-hoc-Entscheidungen vor Ort zu reflektieren. Der österreichische Botschafter Apponyi zog in einem Bericht einen direkten Vergleich zwischen der Französischen Revolution und den Unruhen von 1830 und stellte Parallelen fest111. Die allgemeine Lage schätzte er so ein, dass weitgehend Konsens darüber bestehe, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Frankreichs einzumischen und die neue Monarchie möglichst bald anzuerkennen112. In einer Weisung, die drei Tage später aus Wien erfolgte, erhielt die Bewertung große 412; Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther an Jean-Baptiste de Jourdan, 6. 8. 1830, AMAE Correspondance politique Prusse 274. 107 Vgl. den Bericht von Emil Freiherr von Pappenheim, 3. 8. 1830, HStAD G 1 167/2. 108 Vgl. Christian Hubert Freiherr von Pfeffel an Ludwig I., 9. 8. 1830, BayHStA MA 2097/2. 109 Zur Abwesenheit der Diplomaten bei diesem Anlass vgl. auch Antonetti, Louis-­ P ­ hilippe, S. 610  f. 110 Der bayerische Diplomat bemerkte, dass bisher nur der Vertreter von Hannover vorläufige Instruktionen erhalten habe. Vgl. Christian Hubert Freiherr von Pfeffel an Ludwig I., 9. 8. 1830, BayHStA MA 2097/2. 111 Vgl. Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 19. 8. 1830, HHStA Ges. Paris 8. 112 Vgl. ibid.

5.2  Anerkennung Louis-Philippes

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Zustimmung: «J’approuve votre conduite dans tous les points. Continuez à marcher sur la ligne d’une sévère prudence; veillez à ce que la conduite de vos collègues coincide de plus possible avec la vôtre; le reste de la force de l’Europe se trouve dans la démonstration de l’union des grandes Cours«113. Handlungsleitend war ein einheitliches Vorgehen im Rahmen des Europäischen Konzerts, das in Paris im gleichförmigen Auftreten der Diplomaten sichtbar werden sollte. Die Strategie der Großmächte bestand darin, sich zurückzuhalten und auf eine Intervention zu verzichten: Ausschlaggebend dafür war, dass der Regimewechsel als innerfranzösischer Gegenstand betrachtet wurde und aus dieser Sicht keine europäischen Auswirkungen besaß, denen es entgegenzutreten galt114. Dafür nahmen sie in Kauf, dass das dynastische Legitimitätsprinzip durch die Vertreibung der Bourbonen vom französischen Thron gebrochen worden war. Darüber hinaus gab es gleichwohl divergierende Einstellungen unter den europäischen Großmächten. Großbritannien besaß als liberale Westmacht weit weniger Bedenken gegenüber den französischen Entwicklungen als die drei Ostmächte Preußen, Österreich und Russland, die in der Heiligen Allianz zusammengeschlossen waren und besonders revolutionäre Übergriffe fürchteten115. Außerdem nahmen sie hin, dass ihr Legitimitätsdenken verletzt worden war, weil die Vertreibung von Karl X. vom französischen Thron dem dynastischen Legitimitätsprinzip widersprach116. Grundsätzlich galt, dass die Problemaspekte, das heißt der Sturz der legitimen Bourbonen sowie die erneute Revolutionsgefahr aus Frankreich, hinter der Leitidee der Friedenswahrung in Europa zurücktreten sollten. Neben der Konzertierung der Großmächte war die Anerkennungsfrage akut ab dem 19. August 1830, als ein Schreiben des neuen Königs Louis-Philippe vorlag, in dem dieser den europäischen Monarchen seine Thronbesteigung bekannt gab117. Der Schritt erfolgte erst zehn Tage nach der Proklamation der Julimonarchie, da der neue König hatte warten müssen, bis sein Vorgänger Karl X. Frankreich Mitte August verlassen hatte, um fortan im Exil zu leben118. Für die Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg an Anton Graf Apponyi, 22. 8. 1830, HHStA Ges. Paris 36. 114 Vgl. Gruner, Europa in der Krise, S. 217 f.; Schulz, Normen und Praxis, S. 103 f.; Kurt Hoffmann, Preußen und die Julimonarchie 1830–1834, Berlin 1936 (Historische Studien, 288), S. 15 f. 115 Zu den unterschiedlichen Sichtweisen der europäischen Großmächte vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 107–110. 116 Vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 103 f.; Gruner, Europa in der Krise; Alexander Gauland, Das Legitimitätsprinzip in der Staatenpraxis seit dem Wiener Kongreß, Berlin 1971, S. 43 f. 117 Für das Schreiben an den preußischen König als Beispiel vgl. Louis-Philippe an Friedrich Wilhelm III., 19. 8. 1830, AMAE Mémoires et documents France 724. 118 Vgl. Antonetti, Louis-Philippe, S. 617. 113

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

ausländischen Regierungen war es nun möglich, auf die Nachricht nicht nur zu antworten, sondern ihren Diplomaten auch neue Beglaubigungsschreiben auszustellen, um sie damit bei dem neuen französischen Staatsoberhaupt zu akkreditieren. Aus Sicht der betroffenen Diplomaten vor Ort ging es darum, sich aus dem prekären Status zu befreien und wieder offiziell Handlungsfähigkeit zu erlangen, weshalb sie seit den letzten Augusttagen genau das Verhalten ihrer Diplomatenkollegen beobachteten. Als Erstes beschäftigte sie die schnelle Anerkennung Großbritanniens: Der britische Diplomat übergab Louis-Philippe am 1. September 1830 seine Beglaubigungsschreiben, nachdem der britische König ihm am 27. August auf die Nachricht der Thronbesteigung geantwortet hatte119. Während die britische Seite zügig und im Alleingang gehandelt hatte, gab es auf deutscher Seite Verzögerungen und zahlreiche Absprachen. Die erste notwendige Reaktion auf die Nachricht Louis-Philippes erfolgte innerhalb eines Monats, das heißt von Anfang September bis Anfang Oktober 1830120. Auf der Ebene der Staatsoberhäupter war auf diese Weise eine Anerkennung hergestellt. Gleichzeitig war für die Diplomaten aber von Relevanz, ihre Beglaubigungsschreiben zu erhalten und zu übergeben. Im österreichischen Fall gab es Probleme, weil Apponyi aus Wien die Weisung erhalten hatte, dass er seine Beglaubigungsschreiben aus zwei Gründen noch nicht bekomme: erstens bestehe das Gerücht, dass es in Frankreich aus finanziellen Gründen keine diplomatischen Vertretungen im Rang einer Botschaft mehr geben solle; zweitens sei noch nicht bekannt, wer französischer Diplomat in Wien werde121. Deshalb sollte er über beide Aspekte ein Gespräch mit dem neuen französischen Außenminister Molé führen, wofür ihm die Kontaktaufnahme trotz seines prekären Status ausdrücklich gestattet wurde122. Eine Woche später berichtete Apponyi nach Wien über das erfolgte Gespräch, in dem Molé ihm zugesichert habe, einen Botschafter nach Wien zu schicken, den er auch namentlich nannte123.

Vgl. Wilhelm IV. an Louis-Philippe, 27. 8. 1830, AMAE Protocole Série ancienne 12; aus Sicht der deutschen Diplomaten in Paris vgl. Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 1. 9. 1830, HHStA Ges. Paris 8; Christian Hubert Freiherr von Pfeffel an Ludwig I., 1. 9. 1830, BayHStA MA 2097/2. Zur Einschätzung der schnellen britischen Anerkennung in der Forschung vgl. Gruner, Europa in der Krise, S. 220; Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 107. 120 Für Österreich vgl. Franz I. an Louis-Philippe, 8. 9. 1830, AMAE Protocole Série ancienne 12; für Preußen vgl. Friedrich Wilhelm III. an Louis-Philippe, 9. 9. 1830, AMAE Mémoires et documents France 724; für Bayern vgl. Ludwig I. an Louis-Philippe, 12. 9. 1830, und für Baden vgl. Leopold an Louis-Philippe, 15. 9. 1830 sowie für Hessen-Darmstadt vgl. Ludwig II. an Louis-Philippe, 8. 10. 1830, AMAE Protocole Série ancienne 12. 121 Vgl. Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg an Anton Graf Apponyi, 12. 9. 1830, HHStA Ges. Paris 36. 122 Vgl. ibid. 123 Vgl. Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 21. 9. 1830, HHStA Ges. Paris 8. 119

5.2  Anerkennung Louis-Philippes

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Sein Bericht beinhaltet zudem eine Darstellung der österreichischen Position, wie er sie in direkter Rede gegenüber Molé geäußert hatte: L’Empereur [autrichien], dès qu’Il a appris les evenemens affligeans qui se sont passés en France, s’est décidé à ne pas vouloir intervenir dans les affaires intérieures de votre pays, mais il a déclaré en même tems, qu’il n’entendrait pas et qu’il ne souffrirait jamais qu’on s’immisce dans les siennes. L’Empereur respectera constamment et observera réligieusement les traités existans qui règlent les rapports entre la France et les puissances étrangères, et qui fixent en même tems l’état térritorial de la France. Il y a solidarité d’opinion, et il y aura solidarité d’action /: si jamais le cas s’en présentait:/ entre toutes les grandes Cours pour la stricte observation de ces traités. Aussi longtems que Votre Gouvernement sera animé des mêmes sentimens, rien ne pourra troubler le maintien de la paix politique en Europe124.

Für das europäische und hier insbesondere österreichische Vorgehen stellte die Vertragsordnung von 1815 die entscheidende Referenz dar125. Dazu gehörten das konzertierte Handeln der europäischen Großmächte und der Appell an die Einhaltung der französischen Grenzen infolge der Quadrupelallianz sowie die religiöse Grundhaltung der Heiligen Allianz, die in dieser krisenhaften Situation wieder aktiviert wurden. Sie sollten die Furcht vor französischen Übergriffen, die aus den Worten spürbar wird, bannen. Die österreichischen Bedenken schlugen sich darüber hinaus in den diplomatischen Praktiken nieder, wo Rang- und Reziprozitätsfragen für Verzögerungen sorgten. Ähnliches ist für das preußische Vorgehen zu konstatieren: Dort dauerte der Anerkennungsprozess an, weil in Berlin darüber nachgedacht wurde, Werther in Paris durch eine andere Person zu ersetzen126. Die Verzögerungen auf österreichischer und preußischer Seite wirkten sich zudem auf das Vorgehen der anderen deutschen Diplomaten in Paris aus. Der bayerische Diplomat Pfeffel besaß bereits seine Beglaubigungsschreiben, durfte sie aber erst nach seinem preußischen oder seinem österreichischen Kollegen übergeben, weshalb er mit beiden einzeln sprach und auf diese Weise von den Bedenken erfuhr127. Der österreichische Diplomat Apponyi berichtete wiederum zwei Tage später an Metternich, dass sein bayerischer Kollege im Besitz seiner Beglaubigungsschreiben sei und sich nach dem Verhalten Preußens oder Ibid. Vgl. im Kap. 5.1. Zur herausragenden Bedeutung der Vertragsordnung von 1815 für die Situation von 1830 vgl. Gruner, Europa in der Krise, S. 221 und 237. 126 So die französischen Diplomaten aus Berlin und München, wobei letzterer die österreichischen und preußischen Gründe als Vorwand (prétexte) bezeichnete. Vgl. Mortier an Molé, 24. 9. 1830, AMAE Correspondance politique Prusse 274; Rumigny an Molé, 2. 10. 1830, AMAE Correspondance politique Bavière 201. 127 Vgl. Joseph Ludwig Graf von Armansperg an Christian Hubert Freiherr von Pfeffel, 14. 9. 1830, BayHStA Ges. Paris 1200; Christian Hubert Freiherr von Pfeffel an Ludwig I., 22. 9. 1830, BayHStA MA 2097/2. 124 125

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Österreichs richten solle128. Dieselbe Nachricht meldete der preußische Vertreter Werther nach Berlin und ergänzte, dass auf österreichischer Seite Bedenken bestünden129. Auch der Vertreter von Hessen-Darmstadt hatte erfahren, dass sein bayerischer Kollege seine Beglaubigungsschreiben besaß und mit der Übergabe noch warten musste130. Die diplomatischen Berichte zeigen, wie sich Diplomaten vor Ort gegenseitig über die aktuelle Lage und ihren Informationsstand in Kenntnis setzten und ihn in der Folge an ihre Regierungen weitergaben. Darüber hinaus wird deutlich, dass Absprachen untereinander in Paris gerade für die Vertreter der kleineren deutschen Staaten notwendig waren, da sie eher einen Beobachterstatus einnahmen und sich am Verhalten der beiden deutschen Großmächte Preußen und Österreich orientieren mussten131. Der Anerkennungsprozess erreichte Anfang Oktober 1830 eine neue Stufe, als der preußische Diplomat Werther seine Beglaubigungsschreiben erhielt und somit in Paris bleiben durfte. Die Übergabe an Louis-Philippe fand am 5. Oktober 1830 statt132. Bereits einen Tag später berichtete der bayerische Diplomat Pfeffel, dass er ebenfalls diesen Schritt vollzogen habe133. Er handelte somit konform zu Weisungen, wobei seine schnelle Reaktion zeigt, wie dringlich und wichtig ihm seine Anerkennung war, sodass er auch nicht mehr die weiteren Entwicklungen bei seinem österreichischen Diplomatenkollegen Apponyi abwartete. Dessen Situation spitzte sich immer weiter zu, obgleich Mitte Oktober 1830 eine Weisung aus Wien mit den neuen Beglaubigungsschreiben erfolgte, die allerdings fast eine Woche nach Paris unterwegs waren134. Zwischenzeitlich hatten viele seiner Kollegen – darunter die Vertreter aus Baden und Hessen-Darmstadt – ihre Akkreditierung bereits vollzogen, weshalb die abwartende Haltung Österreichs von französischer Seite ungeduldig verfolgt wurde135. Apponyi berichtete, wie er sich gegenüber französischen Vorbehalten rechtfertigen musste:

Vgl. Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 24. 9. 1830, HHStA Ges. Paris 8. 129 Vgl. Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther, 22. 9. 1830, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4913. 130 Vgl. Emil Freiherr von Pappenheim, 25. 9. 1830, HStAD G 1 167/2. 131 Zur bayerischen Sicht der Situation von 1830 inklusive des Verhaltens ihres Diplomaten Pfeffel in Paris vgl. ausführlich Krauss, Die politischen Beziehungen, S. 232–250. 132 Vgl. Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther 6. 10. 1830, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4913. 133 Vgl. Christian Hubert Freiherr von Pfeffel an Ludwig I., 6. 10. 1830, BayHStA MA 2097/2. 134 Vgl. Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg an Anton Graf Apponyi, 13. 10. 1830, HHStA Ges. Paris 36; Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 21. 10. 1830, HHStA Ges. Paris 36. 135 Zu den österreichischen Problemen vgl. Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 16. 10. 1830, HHStA Ges. Paris 8. Der badische Vertreter Gerstlacher und Pappenheim für Hessen-Darmstadt wurden in der niedrigsten diplo128

5.2  Anerkennung Louis-Philippes

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Je me suis constamment expliqué dans le sens de la partie ostensible de la depêche N° 1 du 12 Septembre, en rejettant toute supposition d’une arrière pensée dans la marche de notre Cabinet, et en partant de la Conviction, que du moment où V. A. aurait appris la nomination du nouvel Ambassadeur français, Elle me ferait parvenir aussitôt mes lettres de créance, dont l’arrivée retardée ne pouvait dépendre que de circonstances imprévues, secondaires, et nullement motivées par un changement ou par une modification quelconques de la détermination prise et anoncée par notre Cabinet. […] Je désire vivement Mon Prince que ces derniers obstacles au rétablissement des rélations officielles entre les deux Cours soient promptement levés. Il est d’une haute importance dans le moment actuel, que les deux Cabinets puissent entrer dans des explications franches et non reservées, et qu’un simple défaut de formalité faussement interpreté ne devienne pas un pretexte de refroidissement et de méfiance, qui porteraient un grand prejudice à la marche des affaires, et qui placeraient en même tems le représentans de l’Empereur dans une position des plus pénibles136.

Apponyis Argumentationsstrategie offenbart die Bedeutung diplomatischer Praktiken, das heißt hier der problematischen Rang- und Reziprozitätsfragen, für die Wahrnehmung der österreichisch-französischen Beziehungen. Einerseits versuchte er das Problem auf eine Formalität zu reduzieren, andererseits war ihm bewusst, dass es als Ablehnung der neuen französischen Ordnung gewertet werden konnte. Zugleich sah er seine eigene Position in Paris gefährdet und bemühte sich vor Ort darum, besorgte Gemüter zu beschwichtigen. Dazu zählte nicht nur die französische Seite, sondern auch sein preußischer Kollege, der ungeduldig die baldige Akkreditierung eines österreichischen wie auch eines russischen Diplomaten, die ebenfalls noch nicht erfolgt war, erwartete137. Sie drängte insofern, als sich die Situation im benachbarten, nach Unabhängigkeit strebenden Belgien zuspitzte und das Pariser diplomatische Korps ohne anerkannte Vertreter aus Österreich und Russland nur eingeschränkt handlungsfähig war138. Schließlich berichtete Apponyi am 21. Oktober 1830 erleichtert, dass er seine Beglaubigungsschreiben erhalten hatte und weitere drei Tage später, dass er vom französischen Königspaar empfangen worden sei, um sie zu überreichen139. Eine ähnliche Erlösung sprach aus den Zeilen des preußischen Diplomaten Werther: matischen Rangstufe eines Geschäftsträgers akkreditiert. Vgl. Emil Freiherr von Pappenheim, 17. 10. 1830, HStAD G 1 167/2. 136 Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 16. 10. 1830, HHStA Ges. Paris 8. 137 Vgl. Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther, 6. 10. 1830, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4913. 138 Zur Situation in Belgien und ihrer Beschleunigungsfunktion für die französische Anerkennungsfrage vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 112; ferner Schulz, Normen und Praxis, S. 105–114. 139 Vgl. Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 21. 10. 1830, HHStA Ges. Paris 36; Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 24. 10. 1830, HHStA Ges. Paris 36.

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Mr le Comte d’Appony a reçu hier ses nouvelles lettres de créance qu’il présentera demain au Roi. Le retard que mettait la Cour d’Autriche à accréditer ici son Ambassadeur a été vivement ressenti par le Roi. Aussi la position du Comte d’Apponyi était elle devenue très-pénible et je suis de toute manière bien aise qu’il en ait été tiré140.

Kollegiales Mitgefühl war eines, aber es war essentiell, als diplomatisches Korps aufzutreten, wozu die Akkreditierung gegenüber Louis-Philippe notwendig war. Was den Akkreditierungsablauf an sich betrifft, hatte der Regimewechsel hinsichtlich des dazu zu beachtenden französischen Zeremoniells sowie der bestehenden diplomatischen Praktiken offensichtlich keine großen Probleme bereitet. Der eingangs zitierte Rudolf Apponyi, der bei der österreichischen Akkreditierungszeremonie zugegen war, bemerkte, dass sich außer der Person des Königs die Räumlichkeiten in keinster Weise geändert hätten141. Die von französischer Seite aufgeworfene Frage, ob durch die neuen Akkreditierungen nun die Reihenfolge von 1830 oder der vorherige Akkreditierungszeitpunkt für die Ordnung innerhalb des diplomatischen Korps ausschlaggebend sei, löste letzteres wie folgt: Das Korps entschied sich für die zweite Option, worin es keinen Bruch bei diesem Aspekt durch den Regimewechsel sah und ein Bewusstsein für das seit 1815/1818 geltende Anciennitätsprinzip zeigte142. Bis Ende Oktober 1830 waren die Akkreditierungen im Wesentlichen erfolgt, die diplomatische Ordnung in Paris war wieder hergestellt. Louis-Philippes Anerkennung durch das Ausland hatte nach den revolutionären Unruhen Ende Juli 1830 und dem wenige Tage später erfolgten Thronwechsel insgesamt drei Monate bis Ende Oktober 1830 gedauert. Der Anerkennungsprozess der neuen Julimonarchie in Frankreich zeugt davon, dass es sich eher um eine Frage der Modalitäten handelte und ihre Akzeptanz an sich nicht in Frage stand. Die diplomatische Anerkennung war trotz leichter Verzögerungen schnell vollzogen, wenngleich der revolutionäre Charakter, der den Veränderungen in Frankreich innewohnte, die anderen europäischen Staaten zutiefst beunruhigt hatte. Als Schlüsselmechanismus, um die Problemlage zu überwinden, erwies sich das nun etablierte Europäische Konzert: Das konzertierte europäische Großmachthandeln auf Basis der Vertragsordnung von 1815 schuf einen Grundkonsens gegenüber der französischen Angelegenheit. Gleichzeitig war es flexibel genug, um Abweichungen wie die schnelle britische Anerkennung zuzulassen143. Insgesamt war die Anerkennung Louis-Philippes, wenngleich mit Verzögerungen versehen, unausweichlich gewesen.

Heinrich August Alexander Wilhelm von Werther, 21. 10. 1830, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4913. 141 Vgl. Daudet, Vingt-cinq ans, Bd. 1, S. 354. 142 Vgl. Note sur le rang des Ministres étrangers entre eux, 7. 10. 1830, AMAE Protocole Série C 90. 143 Zur erfolgreichen Bewährungsprobe des Europäischen Konzerts im Jahr 1830 vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 118; Schroeder, The Transformation, S. 666. 140

5.3  Abreise oder Verbleib?

213

Im Hinblick auf die diplomatischen Praktiken ist bei der Anerkennung von 1830 ein Verfahren in zwei Schritten erkennbar. Louis-Philippe veranlasste erst eine gegenseitige Anerkennungsbekundung auf schriftlichem Weg zwischen den Staatsoberhäuptern. Anschließend war es möglich, die Diplomaten in Paris wieder zu akkreditieren, indem sie neue Beglaubigungsschreiben erhielten und übergaben. Die Verzögerungen vor allem auf österreichischer Seite, die der zweite Schritt mit sich brachte, waren einerseits auf notwendige Anpassungen an die Veränderungen, etwa durch einen möglichen Personenwechsel, zurückzuführen. Andererseits brachten sie die Bedenken gegenüber der Problemlage zum Ausdruck. Die Diplomaten selbst wurden durch die revolutionären Unruhen zunächst in eine unerwartete Krise gestürzt, mit der ihr vorübergehender Statusverlust einherging. Aus ihren Reaktionen wird ersichtlich, dass es für eine solche Situation keine einheitlichen und feststehenden Verhaltensregeln gab, aber handlungsleitende Vorstellungen: Sie manifestierten sich etwa in der baldigen Zusammenkunft des diplomatischen Korps, wo Absprachen getroffen wurden. Tonangebend waren dort entsprechend dem Europäischen Konzert die Vertreter der Großmächte, an denen sich die kleineren Staaten orientierten. Letztendlich stellten die Diplomaten mit ihrer jeweiligen Akkreditierung nicht nur ihren eigenen offiziellen Status wieder her, sondern verliehen der neuen Monarchie unter Louis-Philippe ihre Legitimität. Seine Regentschaft sollte erst fast 20 Jahre später mit den Revolutionen von 1848 enden, womit die Anerkennungsfrage sich erneut stellte.

5.3 Abreise oder Verbleib?Die Anerkennung infolge der Revolutionen von 1848 Am 23. Februar 1848 musste der österreichische Botschafter Apponyi einen Ball im Botschaftsgebäude kurzfristig absagen, da seit dem Vortag Straßenkämpfe in Paris stattfanden. Nicht ohne offensichtlichen Unmut über die geplatzte Veranstaltung entfuhren ihm in seinem Bericht nach Wien die Worte: »C’est un de ces embarras dans lequel on ne peut se trouver qu’à Paris«144. Nach der Julirevolution von 1830 erlebte Apponyi, der die französische Hauptstadt als österreichischer Diplomat seit dem Jahr 1826 kannte, erneut revolutionäre Unruhen in Frankreich. Die Situation für die Diplomaten in Paris im Februar 1848 mutet auf den ersten Blick ähnlich an wie im Juli 1830. Es gab wieder Aufstände in Frankreich, die die Zeitgenossen unerwartet trafen und innerhalb weniger Tage das Ende der bisherigen Regierung herbeiführten: Louis-Philippe dankte als Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 23. 2. 1848, HHStA Wien St Abt F Dipl Korr 337.

144

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

König ab, es folgte die Ausrufung der Zweiten Republik145. Aus Sicht der europäischen Regierungen stellte sich erneut die Frage, wie sie auf diesen Bruch reagieren sollten und inwieweit er mit den vertraglichen Vereinbarungen von 1815 konform lief146. Im Unterschied zu 1830 galt der Staatsformwechsel hin zur Republik jedoch als umfänglichere Veränderung147. Hinzu kam, dass die Februarrevolution in Paris den Anstoß für eine Revolutionswelle in Europa gab148. Die Märzrevolutionen in Berlin und Wien, die Unruhen in weiteren deutschen Staaten, vor allem in Baden, sowie die Bildung einer Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche stellten auch auf deutscher Seite die bestehenden Staatsgefüge grundsätzlich infrage149. Bezeichnend ist in dieser Situation das Repertoire an Möglichkeiten, das im Jahr 1848 in Zeiten provisorischer Regierungsverhältnisse auf beiden Seiten genutzt wurde, um eine diplomatische Präsenz aufrechtzuerhalten. Die Wahl zwischen Abreise und Verbleib stellte für die Diplomaten nur eine Option dar. Die Unruhen im Februar 1848 brachten die Diplomaten wie 1830 in eine prekäre Situation. Doch in diesem Fall gab es keinen neuen König, der wenige Tage später den Thron bestieg und den man anerkennen musste. Die angestrebte Staatsform einer Republik erforderte eine demokratische Legitimierung, die nur in mehreren Etappen zu erreichen war und die sich bis Ende des Jahres 1848 hinzog. Die Konstituierung der Zweiten Republik lässt sich in mehrere Phasen unterteilen150. Die Absichtserklärung, eine Republik infolge der revolutionären Unruhen und der Abdankung des Königs Louis-Philippe zu errichten, fiel bereits am 24. Februar mit Beginn der provisorischen Regierung. Ihre Regierungszeit und infolgedessen die heiße revolutionäre Phase endete am 4. Mai mit dem Zusammentreten der Nationalversammlung, die entsprechend den Wahlen vom 23. April besetzt war. Neben dieser verfas-

Zum französischen Umbruch und seinem plötzlichen Auftreten vgl. Pierre Lévêque, Die revolutionäre Krise von 1848 bis 1851 in Frankreich. Ursprünge und Ablauf, in: Dieter Dowe, Heinz-Gerhard Haupt, Dieter Langewiesche (Hg.), Europa 1848. Revolution und Reform, Bonn 1998, S. 85–125, hier v. a. S. 85. 146 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S.  187; Schulz, Normen und Praxis, S. 151 f. 147 Vgl. ibid., S. 151. 148 Die Februarrevolution in Paris war nicht die erste Revolution im Jahr 1848, da es bereits Aufstände in Neapel und im Königreich beider Sizilien gegeben hatte, aber sie gab den entscheidenden Anstoß für die weitere revolutionäre Ausbreitung. Vgl. Rüdiger Hachtmann, Die europäischen Hauptstädte in der Revolution von 1848, in: Dowe, Haupt, Langewiesche (Hg.), Europa 1848, S. 455–491, hier S. 455 f. 149 Zu den deutschen Revolutionsbewegungen vgl. Dieter Langewiesche, Revolution in Deutschland. Verfassungsstaat – Nationalstaat – Gesellschaftsreform, in: Dowe, Haupt, Langewiesche (Hg.), Europa 1848, S. 167–195. 150 Die folgende Phaseneinteilung richtet sich nach Maurice Agulhon, 1848 ou l’apprentissage de la République, 1848–1852, Paris 1992, S. 36 f., 70 f., 78, 86, 94 und 100. 145

5.3  Abreise oder Verbleib?

215

sunggebenden Nationalversammlung, die die Republik zum zweiten Mal proklamierte, existierte fortan eine exekutive Kommission, die nach weiteren Aufständen im Juni von einer Regierung unter der Führung von Cavaignac abgelöst wurde. Schließlich folgte die Proklamation der Verfassung am 4. November und am 10. Dezember die Wahl eines Präsidenten, die Louis Bonaparte für sich entschied. Mit Beginn seiner Präsidentschaft am 20. Dezember 1848 setzte die reguläre Funktionsweise der Republik ein. Der monatelange provisorische Zustand in Frankreich verhinderte eine schnelle Anerkennung, da die europäischen Regierungen die Veränderungen, solange sie in Fluss waren, nicht akzeptieren konnten. Die handlungsleitende Vorstellung bestand deshalb darin, die Anerkennung der Zweiten Republik »nach ihrer definitiven Constituirung«151 zu ermöglichen, wie es der bayerische Diplomat wenige Tage nach den Februarunruhen formulierte. Dass der grundlegende Regime- und Systemwechsel an sich kein Problem darstellte, lässt sich auf die weiterhin wirksamen Verhaltensregeln des Europäischen Konzerts zurückführen152. In den Reaktionen der vier übrigen Großmächte war ein gemeinsames Vorgehen erkennbar: Es bestand wie 1830 aus Gründen der Friedenswahrung darin, nicht zu intervenieren und sich gegenüber den inneren Angelegenheiten Frankreichs zurückzuhalten. Die Quadrupelallianz stellte in diesem Zusammenhang einen wichtigen Bezugspunkt dar, obwohl sie nach ihrer 20-jährigen Gültigkeit bereits abgelaufen war. Außerdem verstieß die Wahl von Louis Bonaparte, Neffe von Napoleon I., zum Präsidenten der Republik noch nicht dagegen153. Angesichts dieser Situation kam die erste nennenswerte Reaktion der deutschen Diplomaten in Paris von preußischer Seite. Der preußische Gesandte Arnim verließ bereits Anfang März 1848 die französische Hauptstadt. Sein letzter Bericht aus Paris datiert vom 3. März 1848, seine Abreise fand vier Tage später statt154. Er hatte, wie er in einem Brief an einen Freund schrieb, »den Befehl erhalten, de me rendre incessament à Berlin«155. In der preußischen Hauptstadt sollte er nicht nur persönlich von den Februarereignissen in Paris berichten, sondern auch das Amt des preußischen Außenministers übernehmen: Arnim war ein Befürworter der neuen provisorischen französischen Regierung und formulierte im Anblick der beginnenden deutschen Revolutionen in einer Denkschrift August Freiherr von Wendland an Ludwig I., 4. 3. 1848, BayHStA 2105. Reiner Marcowitz betont, dass die Situation derjenigen von 1830 hinsichtlich der Entscheidungslage und der Reaktionen sehr ähnlich gewesen sei, vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 187 f. Für die Einschätzung von Schulz vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 161. 153 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 216. 154 Vgl. Struckmann, Preußische Diplomaten, S. 46; Bussche, Heinrich Alexander von Arnim, S. 104 f. 155 Heinrich Alexander Freiherr von Arnim-Suckow an Bunsen, 4. 3. 1848, GStA PK VI. HA NI Alexander Heinrich v. Arnim B III Nr. 2. 151 152

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

die Idee eines deutschen Kaiserreichs unter preußischer Führung156. Infolge der Einführung einer sogenannten Märzregierung in Berlin, die Reformer wie ihn durch den Erwerb staatlicher Macht einbinden sollte, gelangte er an die Spitze des Außenministeriums157. Die revolutionären Ereignisse in Paris und Berlin und der sich damit ankündigende Umschwung ließen ihn als Vertreter liberaler Ideen, wenn auch nur kurzzeitig, zum Außenminister aufsteigen. Nach der Abreise Arnims führte der bisherige Legationssekretär Hatzfeldt die Geschäfte der preußischen Vertretung in Paris weiter. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Frage nach seinem Status. Wie Hatzfeldt aus Berlin mitgeteilt wurde, nehme er keine offizielle Funktion ein, da eine solche gleichbedeutend mit einer preußischen Anerkennung gewesen wäre, die zu diesem Zeitpunkt aufgrund der noch provisorischen französischen Verhältnisse ausgeschlossen war158. Die anderen deutschen Diplomaten in Paris, die über Arnims Abreise berichteten, bemerkten vielmehr, dass es sich nicht um eine Abberufung, sondern um eine momentane Abwesenheit von Arnim handele, in der Hatzfeldt auch nicht die offizielle Funktion eines Geschäftsträgers innehabe159. Hatzfeldt nahm folglich eine offiziöse und nicht offiziell legitimierte Stellung in Paris ein. Eine ähnliche, wenn auch etwas anders gelagerte Art, Diplomaten einerseits abzuziehen und andererseits vor Ort zu belassen, lässt sich für den österreichischen Fall beobachten. In Wien führte die Märzrevolution zum Sturz des Staatskanzlers Metternich160. Sowohl in Frankreich als auch in Österreich herrschten damit provisorische Regierungsverhältnisse, die die Position des österreichischen Diplomaten in Paris auf doppelte Weise prekär erschienen ließen. Infolgedessen übernahm der Botschaftsrat Thom, ähnlich wie Hatzfeldt im preußi-

Vgl. Bussche, Heinrich Alexander von Arnim, S.  103 und 105; Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 195. 157 Zu den sogenannten Märzministerien vgl. allgemein Langewiesche, Revolution in Deutschland, S. 160–170; zum spezifischen Fall vgl. Eva Maria Werner, Die Märzministerien. Regierungen der Revolution von 1848/49 in den Staaten des Deutschen Bundes, Göttingen 2009 (Schriften zur politischen Kommunikation, 2), S. 50. 158 Vgl. Carl Ernst Wilhelm von Canitz und Dallwitz an Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt, 1. 3. 1848 und 12. 3. 1848, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 33. 159 Vgl. Anton Graf Apponyi an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 5. 3. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337; August Freiherr von Wendland an Ludwig I., 7. 3. 1848, BayHStA MA 2105. Zum Außenminister wurde Arnim erst zwei Wochen später berufen. Fraglich ist allerdings, inwiefern es sich überhaupt um eine Abberufung handeln konnte, wenn die offizielle Stellung der Diplomaten bereits mit dem Sturz des Königs erloschen war. 160 Vgl. Hachtmann, Die europäischen Hauptstädte, S. 455; zu den Revolutionen in der Habsburgermonarchie und insbesondere Wien vgl. ausführlicher Jiri Koralka, Revolutionen in der Habsburgermonarchie, in: Dowe, Haupt, Langewiesche (Hg.), Europa 1848, S. 197–230, v. a. S. 226. 156

5.3  Abreise oder Verbleib?

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schen Fall, die Geschäfte in Paris161. Der bisherige österreichische Botschafter Apponyi verblieb jedoch zunächst in Paris, bat dann aber um Urlaub, der ihm mit folgender Begründung gewährt wurde, woraufhin er Anfang Mai abreiste: Der k. k. Botschafter zu Paris, Graf Apponyi, hat das Ansuchen um einen Urlaub gestellt und ich erlaube mir, auf dessen Allergnädigste Gewährung anzutragen, da in diesem Augenblicke die diplomatischen Verbindungen mit Frankreich sich blos auf laufende Geschäfte beziehen, welche von dem dortigen Botschaftsrathe besorgt werden. Des Anstandes wegen scheint es selbst angemessener, daß der k. k. Botschafter dermalen nicht in Paris verbleibe, um bloß einen unthätigen Beobachter abzugeben, während auch kein französischer Botschafter hier [in Wien] verweilt und die Republik noch nicht förmlich anerkannt ist162.

Die Abreise von Apponyi, die als Urlaubsgesuch keine Abberufung darstellte, ließ sich dadurch rechtfertigen, dass der Verbleib des Botschafters der Situation einen offiziellen Charakter gegeben hätte, die sie aufgrund der provisorischen Regierungsverhältnisse noch nicht besaß. Gleichzeitig ermöglichte die Präsenz von Thom die Fortführung der Gesandtschaftsgeschäfte. Damit nahmen Hatzfeldt und Thom als Vertreter der beiden großen deutschen Staaten in Paris zunächst eine offiziöse Stellung in Paris ein, während die bisherigen Leiter der Vertretungen Paris verlassen hatten. Im weiteren Verlauf des Jahres 1848 stellte das Zusammentreten der verfassunggebenden Nationalversammlung in Paris am 4. Mai das diplomatische Korps vor ein Problem. Ihm waren Plätze für die Teilnahme zugesichert, sodass die Frage im Raum stand, in welcher Weise es dort präsent sein konnte, wenn es als solches nicht offiziell existierte163. Zu diesem Zeitpunkt verharrten die in Paris anwesenden Diplomaten – mit Ausnahme des nordamerikanischen Diplomaten, der bereits akkreditiert war – in offiziöser Stellung164. Die Zwischenlösung bestand darin, nicht in Diplomatenuniform, sondern in Straßenkleidung – das heißt mit schwarzem Frack und schwarzer Krawatte – zu erscheinen165. Die Diplomaten bekundeten dadurch einerseits ihre Anteilnahme an den fran Vgl. Ludwig von Thom an Franz Freiherr von Lebzeltern, 22. 3. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337. 162 Graf Karl Ludwig von Ficquelmont an Franz Joseph I, 10. 4. 1848, HHStA MdÄ AR F 4 11. 163 Vgl. Ludwig von Thom an Graf Karl Ludwig von Ficquelmont, 4. 5. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337. 164 Die schnelle Anerkennung der Vereinigten Staaten von Nordamerika ist darauf zurückzuführen, dass diese sich mit den Revolutionären und Republikanern in Frankreich aufgrund ihres eigenen, ähnlichen Ursprungs identifizierten. Vgl. David Paull Nickles, US Diplomatic Etiquette During the Nineteenth Century, in: Mösslang, Riotte (Hg.), The Diplomats’ World, S. 287–316, hier S. 309. 165 Vgl. Ludwig von Thom an Graf Karl Ludwig von Ficquelmont, 4. 5. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337; August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 4. 5. 1848, BayHStA MA 2105; Adolph Freiherr von Drachenfels, 4. 5. 1848, HStAD G 1 170/3; Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Alexander von Dusch, 4. 5. 1848, GLA 48/2037. 161

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

zösischen Entwicklungen und entsprachen andererseits ihrer inoffiziellen Position, die keine diplomatischen Privilegien gestattete. Gleichzeitig nahmen die Diplomaten die Eröffnung der Nationalversammlung, mit der die feierliche Erklärung der Republik verbunden war, als möglichen Wendepunkt für ihre als unbefriedigend empfundene Situation wahr. Wie der hessen-darmstädtische Diplomat Drachenfels in einem Bericht nach Darmstadt schrieb, seien aus seiner Sicht sowie aus der einiger seiner Diplomatenkollegen die Anerkennung der Republik und die Aufnahme geregelter diplomatischer Beziehungen nun möglich166. Die bisherige Linie, in der die europäischen Großmächte eine gewisse Einigkeit zeigten und an der sich die kleineren Staaten in der Regel orientierten, hatte darin bestanden, eine vorläufige Nichtanerkennung aufgrund der provisorischen Verhältnisse hinzunehmen167. Doch das Argument des Provisoriums behielt seine Berechtigung, weshalb der vorgebrachte Wunsch der Diplomaten nach Anerkennung Anfang Mai noch nicht in Erfüllung ging. Das fortbestehende Dilemma für die Diplomaten verdeutlicht die Situation, in der sich der französische Vertreter Arago in Berlin im Juni 1848 befand168. Er hatte bereits sein Beglaubigungsschreiben erhalten, das er jedoch noch nicht hatte übergeben können, da nach Unruhen in Berlin Mitte Juni 1848 die Spitze der preußischen Märzregierung wechselte169. Als die Krise in Berlin überwunden war und Arago sein Beglaubigungsschreiben hätte übergeben können, war es jedoch nicht mehr gültig, da es wiederum von den Ereignissen in Paris überholt worden war. Dort hatte die exekutive Kommission, von der das Beglaubigungsschreiben als Nachfolgeorgan der provisorischen Regierung ausgestellt worden war, infolge der Juniaufstände ihre Existenz zugunsten einer neuen Regierung unter der Führung von Cavaignac aufgeben müssen170. Arago benötigte in der Folge ein neues Beglaubigungsschreiben und musste sich dazu erst des Wohlwollens der neuen französischen Regierung versichern. Sowohl auf preußischer als auch auf französischer Seite waren die Regierungsverhältnisse im Juni 1848 noch fragil und torpedierten die Bemühungen, diplomatische Beziehungen herzustellen. Um den Beginn des Monats August 1848 setzte im Wesentlichen die Anerkennung der Zweiten Französischen Republik durch das Ausland ein. Sie erfolgte durch die Akkreditierung von Diplomaten in Paris sowie umge Vgl. Adolph Freiherr von Drachenfels, 9. 5. 1848, HStAD G 1 170/3. Vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 154. 168 Vgl. Emmanuel Arago an [französischen Außenminister], 30. 6. 1848, AMAE Correspondance politique Prusse 302. Zur Wahl von Arago aus französischer Sicht vgl. Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 671 f. 169 Zu den Unruhen in Berlin im Juni 1848 vgl. Dieter Hein, Die Revolution von 1848/49, München 52015, S. 87. 170 Zur Situation in Frankreich im Juni 1848 vgl. Agulhon, 1848 ou l’apprentissage, S. 70, 78 und 86. 166 167

5.3  Abreise oder Verbleib?

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kehrt durch die Entsendung und Akkreditierung französischer Diplomaten. Eine wichtige Rolle besaß Preußen, das als erste europäische Großmacht einen französischen Diplomaten der Zweiten Republik akkreditierte. Deshalb konnte Arago mit der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens, das ihn offiziell zum Gesandten in Berlin ernannte, sagen: »C’est la reconnaissance officielle de la République Française«171. Im Gegenzug erhielt Hatzfeldt in Paris zum selben Zeitpunkt sein Beglaubigungsschreiben, das ihn allerdings nur als Geschäftsträger akkreditierte172. Damit hatte er sich aus seiner offiziösen Stellung befreit und nahm nun eine offizielle Funktion ein, besaß jedoch noch nicht den höheren Rang eines Gesandten wie sein Gegenpart Arago. Dieses Ungleichgewicht lässt sich dadurch erklären, dass der französischen Seite an einer sofortigen vollwertigen Anerkennung ihrer Republik und ihrer Diplomaten lag. Demgegenüber setzte Preußen zwar mit der Geschäftsträgerfunktion ein Zeichen und gab seinem Diplomaten seine Handlungsfähigkeit wieder, unterstrich aber zugleich die provisorischen Verhältnisse. Die zögerliche Vorgehensweise zeigt sich noch deutlicher im österreichischen Fall. Der österreichische Diplomat Thom legte seinen unbefriedigenden Status noch Anfang September dar: Er sei formal nicht akkreditiert, unterhalte nur offiziöse Beziehungen, wodurch die Republik noch nicht anerkannt sei, sein französischer Kollege in Wien sei in derselben Situation173. Daraufhin erhielt er eine Weisung aus Wien über die aktuellen und zukünftigen diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Frankreich: Les rapports que nous avons entretenus jusqu’ici par notre organe avec le Gouvernement français étaient purement officieux. Chargé comme vous l’avez été de declarer au Ministère français que l’Emp. notre Auguste Maitre était pret à reconnaitre la Republique et à retablir les rapports diplomatiques entre les deux Etats, il m’a semblé convenable, en attendant que la nomination des Ministres puisse reciproquement avoir lieu de vous attribuer formellement le caractère de chargé d’affaires d’Autriche comme première marque ostensible de notre reconnaissance. Vous recevez à cet effet dans l’annexe une lettre pour vous accrediter dans les formes usuelles près du Gouvernement français174.

Emmanuel Arago an [französischen Außenminister], 26. 7. 1848, AMAE Correspondance politique Prusse 302. Nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, die wie bereits erwähnt die Ersten waren, hatten allerdings kleinere Staaten die französische Republik bereits anerkannt, darunter Belgien und die Schweiz. Vgl. Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 659. 172 Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an [preußischen Außenminister], 31. 7. 1848, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 39. 173 Vgl. Ludwig von Thom an Baron Johann Philipp von Wessenberg-Ampringen, 2. 9. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337. 174 [Baron Johann Philipp von Wessenberg-Ampringen] an Ludwig von Thom, 10. 9. 1848, HHStA MdÄ AR F 4 351. Vgl. auch Matsch, Der Auswärtige Dienst, S. 251. 171

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Bei der anvisierten etappenweisen Anerkennung stellte die Akkreditierung von Thom als Geschäftsträger einen ersten Schritt dar, wobei für das weitere Vorgehen entscheidend war, dass das Verfahren reziprok verlief. Auf österreichischer Seite hatte es für zusätzliche Irritation gesorgt, dass Frankreich keine Diplomaten mehr im höchsten Rang eines Botschafters entsandte175. Der im Frühjahr abgereiste Apponyi hatte allerdings ebenjenen Rang besessen, weshalb Thom genau berichtete, welchen Rang seine Diplomatenkollegen in Paris bei ihrer Akkreditierung nun annahmen und welche Ausnahmeregelungen getroffen wurden. Der britische Diplomat Lord Normanby fungierte etwa wieder als Botschafter, allerdings mit dem Zusatz einer »mission spéciale«, was seinen Status wiederum einschränkte176. Im Herbst 1848 war eine gewisse Anerkennung der französischen Republik erreicht, aber immer noch nicht endgültig vollzogen. Die französischen Verhältnisse nahmen einen beständigen Charakter durch die Promulgation der Verfassung im November sowie die Proklamation des Präsidenten im Dezember an. In diesem Zusammenhang ist eine Entwicklung aufzugreifen, die bisher nicht Berücksichtigung fand, aber vor allem die Art der diplomatischen Beziehungen der kleineren deutschen Staaten beeinflusste: Es handelt sich um die Bestrebungen der neu entstandenen Provisorischen Zentralgewalt, einen gesamtdeutschen Vertreter zu etablieren, welche Ende Dezember 1848 nach der endgültigen Konstituierung der Republik erfolglos endeten. Solange hatte die Diplomaten der kleineren deutschen Staaten vorrangig interessiert, inwieweit ihre Vertretungen an sich fortbestehen würden. Während der bayerische und der badische Vertreter nun in Paris verblieben, war es deswegen im Fall von Hessen-Darmstadt bereits im Juni 1848 zur Abberufung des Vertreters Drachenfels gekommen177. Mit Ende des Jahres 1848 war der Prozess der Anerkennung weiterhin nicht vollständig abgeschlossen, denn für Preußen und Österreich fungierten Hatzfeldt und Thom in Paris nach wie vor nur als Geschäftsträger. Im preußischen Fall erhielt Hatzfeldt seine Ernennung zum Gesandten im Mai 1849178. Für ihn persönlich war es durch den Fortgang von Arnim ein Aufstieg auf der diplomatischen Karriereleiter am selben Standort. Auf österreichischer Seite Vgl. Ludwig von Thom an Baron Johann Philipp von Wessenberg-Ampringen, 20. 8. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337. Zu den französischen Rangveränderungen im Zuge der Schaffung einer Republik vgl. Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 656. 176 Vgl. Ludwig von Thom an Baron Johann Philipp von Wessenberg-Ampringen, 2. 9. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337. Zur britischen Anerkennung vgl. ferner Lefèvre, La reconnaissance. 177 Vgl. dazu ausführlich Kap. 6.3. 178 Vgl. Struckmann, Preußische Diplomaten, S. 118; Hammer, Hôtel Beauharnais, S. 141. 175

5.3  Abreise oder Verbleib?

221

gab es dagegen einen Personenwechsel, indem Josef Alexander Hübner im September 1849 zum Gesandten ernannt wurde, nachdem er in Paris neben Ludwig Thom bereits seit März des Jahres zugegen war179. Die offiziellen und vollwertigen Ernennungen erfolgten erst im Laufe des Jahres 1849, da sich nicht nur in Frankreich, sondern auch in Preußen und Österreich die Verhältnisse erst stabilisieren mussten180. Zusammenfassend lässt sich im Hinblick auf den Status der Diplomaten für das vorliegende Fallbeispiel ein Repertoire an Möglichkeiten ausmachen: Abreise als Abberufung, Abreise als momentane Abwesenheit, Abreise als Urlaub, offiziöse Geschäftsführung, offizielle Funktion in der niedrigsten möglichen diplomatischen Rangstufe als Geschäftsträger sowie die offizielle Funktion als Gesandter. Zumindest für den preußischen und österreichischen Fall ist ein dreistufiges Vorgehen zu beobachten: erst die Abreise der bisherigen Missionsleiter und die Einsetzung von offiziösen Geschäftsübernehmern, dann die Übernahme der offiziellen Funktion durch Geschäftsträger und schließlich die Ernennung zu Gesandten. Als offizielle Anerkennung galt der zweite Schritt, da mit ihm die Übergabe von Beglaubigungsschreiben verbunden war. Sie geschah zu einem Zeitpunkt, als die Regierungsverhältnisse auf beiden Seiten noch instabil waren, dennoch war es notwendig, auf diplomatischer Ebene wieder Handlungsfähigkeit zu erlangen. Der wesentliche Unterschied zu 1830 bestand darin, dass auf beiden Seiten Umwälzungen stattfanden, sodass das Argument des Provisoriums vorherrschend war. Die Diplomaten persönlich beunruhigte der Schwebezustand, sie waren mit ihrem Status unzufrieden und sahen ungeduldig Veränderungen entgegen. Zu ihrer Verunsicherung trug außerdem bei, dass der Prozess, die Staatsform einer Republik in Frankreich zu etablieren, die diplomatischen Praktiken zu verändern drohte. Der Versuch, republikanische Formen auf diplomatischer Ebene durchzusetzen, zeigte sich am deutlichsten daran, den höchsten Rang eines Botschafters, der mitunter als monarchisch galt, zu vermeiden181. Allerdings waren dahingehende Bemühungen nur von kurzer Dauer und mit der Errichtung des Zweiten Kaiserreichs in Frankreich, das im Jahr 1852 erneut Anerkennungsprobleme mit sich brachte, bereits wieder obsolet geworden.

Vgl. Felix Fürst zu Schwarzenberg an Josef Alexander Graf von Hübner, 23. 9. 1849, HHStA MdÄ AR F 4 144; ferner vgl. Matsch, Der Auswärtige Dienst, S. 251. 180 Der preußische König hatte im April 1849 die deutsche Kaiserkrone abgelehnt, was den Anfang vom Ende der Nationalversammlung und der deutschen Einigungsbestrebungen bedeutet hatte. Vgl. Hein, Die Revolution, S. 122–125. 181 Zu den Rangverhältnissen vgl. Kap. 6.1. 179

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

5.4 Eine Frage der Formulierung: die Anerkennung Napoleons III. mit der Etablierung des Zweiten Kaiserreichs Die im Jahr 1848 errichtete Zweite Republik hatte nicht lange Bestand, da ihr Präsident Louis Bonaparte Frankreich in ein Kaiserreich transformierte und sich Ende des Jahres 1852 als Napoleon III. zum Kaiser krönte. Für das Ausland waren die französischen Entwicklungen wiederum problematisch. Die Reaktion brachte der österreichische Außenminister Buol in einem privaten Schreiben an den Diplomaten Hübner in Paris im November 1852 wie folgt auf den Punkt: »Nous ne ferons pas la guerre pour un chiffre, et on ne nous la fera pas, je pense, parce que nous entendons l’ignorer«182. Das Hauptproblem stellte der Kaisertitel mit der Zahl III dar, da er eine Traditionslinie zur napoleonischen Herrschaft des frühen 19. Jahrhunderts herstellte. Aus Buols Worten sprach gleichwohl die Bereitschaft, die Veränderungen zu akzeptieren und aus diesem Grund keinen Krieg zu beginnen – was aber zeigt, dass die Kriegsgefahr immerhin im Raum stand. Mit der Errichtung des Kaisertums musste Europa vier Jahre nach Einführung der Republik erneut mit einem Staatsformwechsel in Frankreich umgehen. Im Gegensatz zu den Situationen um 1815, 1830 und 1848 handelte es sich 1852 nicht um einen Bruch, der mit dem Sturz des bisherigen Herrschers einherging, sondern vielmehr um seinen Aufstieg. Louis Bonaparte hatte während seiner Präsidentschaft in Schritten, wozu der Staatsstreich vom Dezember 1851 und eine neue Verfassung vom 14. Januar 1851 zählen, darauf hingearbeitet, ein Kaiserreich zu etablieren. Der Vorgang war mit dem Senatsbeschluss vom 7. November 1852, der die Kaiserwürde wiederherstellte, dem Plebiszit vom 20. November 1852, das den Regimewechsel ratifizierte und der offiziellen Proklamation des Zweiten Kaiserreichs am 2. Dezember 1852 abgeschlossen183. Die Frage der Anerkennung stellte sich infolgedessen akut seit November 1852 und war im Januar 1853 im Wesentlichen erfolgreich beigelegt. Wenngleich drei Monate kurz erscheinen, so wog das Problem der Anerkennung durch das Ausland doch schwer. Aus europäischer Sicht musste die erbliche Kaiserwürde eines Bonaparte auf Ablehnung stoßen, denn die Vertragsordnung von 1815 richtete sich gerade gegen die Möglichkeit, dass jemals wieder ein Napoleonide den französischen Thron bestieg. Der Stein

Karl Ferdinand von Buol-Schauenstein an Josef Alexander Graf von Hübner, 8. 11. 1852, HHStA MdÄ PA IX 41. 183 Zu den Etappen der Etablierung eines Kaiserreichs vgl. Agulhon, 1848 ou l’apprentissage, S.  242 f.; Michael Erbe, Napoleon III., in: Hartmann (Hg.), Französische Könige und Kaiser der Neuzeit, S. 422–452, hier S. 430 und 434 f.; Johannes Willms, Napoleon III. Frankreichs letzter Kaiser, München 2008, S. 82 und 106–108. 182

5.4  Anerkennung Napoleons III.

223

des Anstoßes war der Titel Napoleon III., der die Anerkennungsfrage für kurze Zeit in den Fokus des europäischen Interesses rückte. Dass das Anerkennungsproblem an sich im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, stellt einen wesentlichen Unterschied zu den vorher untersuchten Situationen dar, in denen mehr die Umbrüche, zum Beispiel Revolutionen, im Mittelpunkt standen und in denen die Anerkennungsfrage gleichsam eine Begleiterscheinung darstellte. Die Anerkennungssituation von 1852 wird daher in der Forschung ausführlich eigens thematisiert und untersucht184. Der Fokus liegt hierbei allerdings auf dem allgemeinen Handeln der europäischen Großmächte und nicht auf diplomatischen Verhaltensweisen. Im Hinblick auf letztere soll im Folgenden genauer herausgearbeitet werden, dass und wie es sich bei der Anerkennung letztendlich um eine Frage der Formulierung handelte. Die Diplomaten in Paris begannen Anfang November 1852, ihr Verhalten gegenüber dem sich konstituierenden Kaiserreich zunehmend zu thematisieren. Den Anlass bot der französische Senatsbeschluss vom 7. November 1852, der die Kaiserwürde sowie die Erblichkeit des Throns wiederherstellte und Louis Napoleon Bonaparte zum Kaiser der Franzosen unter dem Namen Napoleon III. bestimmte185. Es handelte sich um den ersten entscheidenden Schritt zur Etablierung des Kaiserreichs, der zugleich den neuen Kaisertitel festsetzte. Dieser forderte von den vier anderen europäischen Großmächten, eine eigene Haltung gegenüber den französischen Veränderungen zu entwickeln. Es ist nicht nur von Relevanz, die jeweilige Haltung zu beschreiben, sondern vor allem zu zeigen, wie sie infolge gemeinsamer Absprachen zu Stande kam. Die Diplomaten der beiden großen deutschen Staaten, das heißt Hatzfeldt für Preußen und Hübner für Österreich, waren direkt in diesen Abstimmungsprozess involviert. Sie bildeten in der französischen Hauptstadt ein Duo, das sich oft zum Austausch traf: Sie redeten über ihre Gespräche vor Ort und verglichen ihre Instruktionen aus Berlin respektive Wien. Derartige informelle Begegnungen dokumentiert das Tagebuch des österreichischen Diplomaten Hübner, das Auskunft über die Problematik der Anerkennung gibt. Hübners Worte offenbaren vor allem das Dilemma, in dem sich die beiden deutschen Diplomaten hinsichtlich ihrer Verhaltensweise vor Ort befanden: Groß ist die Aufregung bei uns [in Wien], in Berlin, in St. Petersburg; sie ist um so größer, als man zur vollen Einsicht gekommen ist, daß man sich fügen müsse. Daher der gemäßigte Ton in den Vorlagedepeschen und die Heftigkeit im Privatschreiben des Grafen Buol.

Bspw. widmet Matthias Schulz dem Aspekt einen eigenen Abschnitt, vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 291–293. Ferner vgl. v. a. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 216–224. Die besondere Aufmerksamkeit zeigt sich darüber hinaus in der Quellensituation, da ergänzend zur fortlaufenden diplomatischen Korrespondenz eigene Aktentitel zum Anerkennungsproblem von 1852 vorhanden sind. Als Beispiel für eine solche problemspezifische Akte vgl. BayHStA MA 83258. 185 Vgl. Agulhon, 1848 ou l’apprentissage, S. 243. 184

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Unsere Rolle als Vertreter dieser Höfe ist keine leichte; denn wenn wir vorsichtig handeln, wird man uns der Lauheit oder der Zaghaftigkeit zeihen; gehen wir aber energisch vor, so riskieren wir, unsere Höfe in eine unhaltbare und verwickelte Lage zu bringen. […] Sie [die österreichischen Instruktionen bezüglich der Anerkennung des Kaiserreichs] zeichnen sich durch einen Mangel an Klarheit aus, der einen zur Verzweiflung bringen könnte. Die Depeschen sind in gemäßigtem Tone gehalten; das Privatschreiben hingegen speit Feuer und Flammen. Das ist aber nichts im Vergleiche zu den verworrenen und widersprechenden Befehlen des Berliner Kabinetts (aus denen Zorn und Furcht spricht), und die unaufhörlich auf meinen unglücklichen preußischen Kollegen herabregnen186.

In diesem Krisenmoment schien es aufgrund widersprüchlicher Aussagen unmöglich, die sprachlich verfassten Anweisungen in diplomatisches Handeln vor Ort umzusetzen. Allgemein demonstrieren die zitierten Worte den unlösbaren Konflikt, dem Sprache im diplomatischen Kontext gerecht werden musste: Es galt das Ziel, die eigene mit der mitunter gegensätzlichen Sichtweise des Gegenübers zu vereinbaren, um den Frieden zu wahren und ein Mindestmaß an Kommunikation sicherzustellen187. Anhand der Korrespondenz lässt sich im vorliegenden Fall ersehen, dass im November 1852 zunächst als Richtschnur galt, auf der Einhaltung der Vertragsordnung von 1815 zu insistieren und auf diese Weise die europäischen Dimensionen der französischen Entwicklungen zu betonen188. Vorrangig musste aber erst einmal das Problem, das heißt die Legitimität von Napoleon III., benannt und entfaltet werden189. Der Problemzusammenhang bestand darin, dass der künftige Kaiser als Neffe von Napoleon  I. und Cousin von Napoleon  II. mit dem Titel Napoleon III. eine Traditionslinie zur napoleonischen Herrschaft herzustellen beabsichtigte190. Napoleon III. begründete seinen Herrschaftsanspruch im Gegensatz zu seiner bisherigen Präsidentschaft in der Zweiten Republik mit seiner Herkunft und versah ihn zugleich mit dem Prinzip der Erblichkeit191.

Es handelt sich um Ausschnitte der Tagebucheinträge vom 11. und vom 23. November 1852. Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 46–48. 187 Vgl. Sivan Cohen-Wiesenfeld, Le discours diplomatique dans la correspondance franco-allemande, 1871–1914, in: L’analyse du discours au prisme de l’argumentation 1 (2008), http://aad.revues.org/413 (Zugriff 26. 2. 2017), Abs. 17. 188 Vgl. Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein an Josef Alexander Graf von Hübner, 8. 11. 1852, HHStA MdÄ PA IX 41. 189 Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Friedrich Wilhelm IV., 25. 11. 1852, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 59 Vol. IV; Josef Alexander Graf von Hübner an Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein, 5. 11. 1852, HHStA MdÄ PA IX 39; Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 47 f. 190 Napoleon II. war König von Rom und der einzige legitime Sohn Napoleons I., zu dessen Gunsten dieser abgedankt hatte, was um 1815 allerdings keine weitere Bedeutung mehr besessen hatte. Vgl. Agulhon, 1848 ou l’apprentissage, S.  243; Willms, Napoleon III., S. 284. 191 Deshalb hatte umgekehrt seine Person bei der Wahl zum Präsidenten im Jahr 1848 noch kein Anerkennungsproblem dargestellt, da seine Amtsausübung zeitlich und durch 186

5.4  Anerkennung Napoleons III.

225

Außerdem warfen die französischen Entwicklungen bei den Diplomaten die Frage auf, was diese für ihren eigenen Status bedeuteten. Es herrschte Eindeutigkeit darüber, dass der Staatsformwechsel von der Republik zum Kaiserreich neue Beglaubigungsschreiben notwendig machte und Verhaltensweisen, wie das offizielle Auftreten als Diplomat, wieder vor allem untereinander abgesprochen werden mussten192. Die Statusüberlegungen gewannen mit der Note des Außenministers Drouyn de Lhuys an die Diplomaten in Paris vom 1. Dezember 1852 an Relevanz, da er mit ihr die französischen Veränderungen selbst bekanntgab: Er benannte den Senatsbeschluss, seine Ratifizierung und die bevorstehende Thronbesteigung, womit die diplomatischen Beziehungen erneuert werden müssten193. Die Note erforderte eine Antwort der Diplomaten, wobei wieder vor allem interessant ist, wie sie zustande kam. Am Folgetag der Note, dem 2. Dezember 1852 und gleichzeitig Tag der Proklamation des Kaiserreichs, trafen sich die Vertreter der vier Großmächte Österreich, Preußen, Russland und Großbritannien, um eine gemeinsame Vorgehensweise zu erzielen194. Darüber hinaus kamen die Vertreter der deutschen Staaten unter der Ägide von Preußen und Österreich zusammen, um nicht nur zu einer inhaltsähnlichen, sondern auch wortgleichen Antwort zu gelangen, die wie 1830 eine einfache Empfangsbestätigung darstellen sollte195. Sie lautete wie folgt: J’ai l’honneur d’accuser réception à Votre Excellence de la lettre officielle qu’Elle m’a adressée en date du 1er Decembre courant pour notifier par mon intermédiaire au Gouvernement de Son Altesse Royale le Prince Régent mon auguste Maître le changement opéré dans la Constitution politique de la France. L’événement que Votre Excellence m’annonce fait naturellement cesser mes fonctions diplomatiques, mais je me ferai un vrai plaisir, en attendant que je recoive les ordres de Son Altesse Royale le Prince Régent mon auguste Maître, d’entretenir avec Elle, à titre officieux, des rapports conformes à la bonne intelligence qui existe entre nos deux Gouvernements196.

die Verfassung begrenzt gewesen war. Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S.  216. Zu Louis Bonapartes neuem Herrschaftsanspruch im Jahr 1852 vgl. Backes, Staatsformen im 19. Jahrhundert, S. 202 f. 192 Vgl. Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein an Josef Alexander Graf von Hübner, 18. 11. 1852, HHStA MdÄ PA IX 41. 193 Vgl. Édouard Drouyn de Lhuys, Note adressée aux agens diplomatiques accrédités à Paris, 1. 12. 1852, GLA 48/2892, AMAE Correspondance politique Bavière 230, AMAE Correspondance politique Prusse 312. 194 Zum entsprechenden Bericht des preußischen Diplomaten vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Friedrich Wilhelm IV., 2. 12. 1852, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 59 Vol. IV. 195 Aus Sicht des badischen Diplomaten vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 2. 12. 1852 und 3. 12. 1852, GLA 48/2892. 196 Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Édouard Drouyn de Lhuys, 3. 12. 1852, GLA 48/2892.

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Nach dem Umbruch auf französischer Seite sollte mit offiziösen Beziehungen ein Mindestmaß an diplomatischer Präsenz in Paris aufrechterhalten werden. Bemerkenswert ist hier das gemeinsame Vorgehen in zwei Schritten, bei dem erst eine richtungsweisende Entscheidung im Rahmen des Europäischen Konzerts auf lokaler Ebene getroffen wurde, die anschließend auf deutscher Ebene einheitlich umgesetzt wurde. Inhaltlich sagte die Antwort gleichwohl noch nichts über die Akzeptanz der französischen Veränderungen durch das Ausland aus. Ab Anfang Dezember war die Anerkennung mit der außenministeriellen Note und der Proklamation des Kaiserreichs möglich. Nach der Antwort auf die Note gab es in demselben Monat jedoch zunächst verschiedene Abstimmungsprozesse und verschiedene Entwicklungen. Als Erstes zog wieder die schnelle Anerkennung durch einzelne Staaten, vor allem Großbritanniens, die Aufmerksamkeit auf sich. Der österreichische Diplomat Hübner berichtete mit Bedauern nach Wien, dass sein britischer Kollege Lord Cowley trotz der Vorbehalte der drei Ostmächte Preußen, Österreich und Russland sehr bald neue Beglaubigungsschreiben übergeben werde197. Großbritannien war am 6. Dezember 1852 die erste Großmacht, die das Zweite Kaiserreich in Frankreich anerkannte198. Während die liberale Großmacht wie 1830 bei der Anerkennung vorausgeeilt war, trafen die Ostmächte erst weitere Absprachen, die ihre Diplomaten in Paris in eine Wartestellung versetzten199. Die wahrnehmbaren Verzögerungen sorgten auf französischer Seite für Unmut, dem die Diplomaten in Paris ausgesetzt waren und worüber sie berichteten. Der bayerische Diplomat meldete nach München: Die Verstimmung der französischen Regierung über die Verzögerungen der Anerkennung wächst mit jedem Tage und hört man bereits selbst im Publikum ernste Bedenken hierüber aussprechen. Die intime Umgebung des Kaisers äußert unverholen ihr preisliches Befremden […]. Man behauptet sogar allgemein, daß der Kaiser dem Herrn Drouyn de Lhuys ernste Vorwürfe gemacht haben soll, ihm vor der Proclamation des Kaiserthums vom 2ten Dezember die urthümliche Meinung beigebracht zu haben, daß Europa mit Empressement das Kaiserthum aufnehmen würde. Wie es damit auch immerhin sein mag, soviel ist gewiß, daß man dahier eine große Empfindlichkeit kundgibt, welche sich mitunter nur in kleinen Vorkommnissen, die an und für sich unbedeutend erscheinen, äußert, aber woraus nichts desto weniger hervorgeht, daß man dahier sorgfältig das Verfahren eines jeden Hofes beobachtet200.

Vgl. Josef Alexander Graf von Hübner an Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein, 5. 12. 1852, HHStA MdÄ PA IX 39. 198 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 221. 199 Vgl. Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein an Josef Alexander Graf von Hübner, 11. 12. 1852, HHStA MdÄ PA IX 41. 200 Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Maximilian II. Joseph, 24. 12. 1852, BayHStA MA 83258. Für Österreich vgl. außerdem Josef Alexander Graf 197

5.4  Anerkennung Napoleons III.

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Seine allgemeinen Beobachtungen ergänzten persönliche Begegnungen zwischen Diplomaten und französischen Regierungsmitgliedern, in denen auf der Sachebene die verschiedenen Positionen zu Tage traten: Der preußische Diplomat Hatzfeldt berichtete über ein Gespräch mit Außenminister Drouyn de Lhuys, dass jener die Wahrung der Verträge zugesagt habe, wohingegen er selbst angemerkt habe, dass die Anerkennungssituationen von 1830 sowie von 1848 ebenfalls schwierig gewesen und nicht sofort gelöst worden seien201. Die Argumentationen verdeutlichen, dass die französische Seite die Bedenken hinsichtlich der bestehenden Vertragsordnung, die nach wie vor die handlungsleitende Basis für Staatsmänner und Diplomaten darstellte, ernst nahm und ihnen durch Friedensabsichten entgegenzutreten versuchte. Zudem zeigt Hatzfeldts Erinnern an die beiden vorangegangenen Problemfälle ein Denken in Präzedenzfällen als zweite Richtschnur neben der Vertragsordnung von 1815 bei den Diplomaten auf. Beide Sichtweisen waren miteinander verschränkt, da das grundlegende Problem, die Verletzung der Vertragsordnung von 1815 durch Frankreich, erneut auftrat und die Situation von 1852 erst mit 1830 und 1848 vergleichbar machte. In Paris sahen sich die noch nicht akkreditierten Diplomaten gezwungen, die zögerlichen Verhaltensweisen ihrer Regierungen gegenüber einem selbstbewussten französischen Auftreten zu rechtfertigen. Darüber hinaus war für die kleineren deutschen Staaten weiterhin das Vorgehen Preußens und Österreichs maßgeblich. Ihre Diplomaten in Paris sollten dem preußischen Vertreter Hatzfeldt und seinem österreichischen Kollegen Hübner folgen, welche ihrerseits auf einem gemeinsamen Vorgehen bestanden202. Ein Insistieren auf den geradezu schon selbstverständlichen und erprobten gleichförmigen Verhaltensweisen war notwendig, da einzelne deutsche Staaten auszuscheren drohten. Der bayerische und der badische Diplomat wussten zu berichten, dass etwa Württemberg und Sachsen Verständnis für den französischen Unmut über die Verzögerungen zeigten und der sächsische Diplomat in Paris angehalten war, dies an Drouyn de Lhuys zu übermitteln203. Eine baldige Anerkennung musste auch Baden aufgrund der verwandtschaftlichen Nähe zum französischen Kaiserhof befürworten, da von Hübner an Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein, 17. 12. 1852, HHStA MdÄ PA IX 39; für Baden vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 23. 12. 1852, GLA 48/2047. 201 Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Otto Theodor von Manteuffel, 30. 12. 1852, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 60 Vol. V. 202 Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Otto Theodor von Manteuffel, 16. 12. 1852, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 60 Vol. V; Karl Ludwig Heinrich Freiherr von der Pfordten an Maximilian II. Joseph, 18. 12. 1852, BayHStA MA 83258. 203 Vgl. Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Maximilian II. Joseph, 16. 12. 1852, BayHStA MA 83258; Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 25. 12. 1852, GLA 48/2892.

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Großherzogin Stephanie eine Adoptivtochter Napoleons I. und somit Napoleon III. ihr Neffe war204. Trotzdem blieb die vorübergehende Zurückhaltung der drei östlichen Großmächte hinsichtlich der Anerkennungsfrage zu Jahresende 1852 richtungsweisend für die kleineren deutschen Staaten. Beim üblichen Neujahrsempfang des französischen Staatsoberhauptes, der erstmals von Napoleon III. am 1. Januar 1853 ausgerichtet wurde, waren nur die Diplomaten zugegen, die ihm gegenüber bereits akkreditiert waren205. Bei allen dargestellten Bedenken ist von Interesse, wie es im Januar 1853 schließlich doch gelang, die diplomatische Anerkennung des Zweiten Kaiserreichs durch die deutschen Staaten herbeizuführen. Die formelle Lösung des Problems erhielt der österreichische Diplomat Hübner noch Ende Dezember 1852 als Weisung mit seinen neuen Beglaubigungsschreiben aus Wien, wobei die Argumentationsstrategie derjenigen von 1830 ähnelte: Der Staatsformwechsel sei eine innere Angelegenheit Frankreichs, weswegen sich Österreich offizieller Bekundungen seiner Bedenken enthalte206. Wie in den eingangs zitierten Worten von Buol bereits benannt, bestand die Taktik darin, nicht zu intervenieren und die Veränderungen zu akzeptieren. Dazu trugen die ausdrücklichen Friedensabsichten der neuen französischen Regierung bei, die es aus europäischer Sicht ermöglichten, auf ein Eingreifen zu verzichten207. Außer dem österreichischen Diplomaten sollten um die Jahreswende 1852/1853 die Vertreter Russlands und Preußens in Paris ihre Beglaubigungsschreiben erhalten, womit der Anerkennungsprozess entscheidend fortgeschritten war. Allerdings rief der Vorgang wiederum eine Krise hervor, die ihren Ursprung in der Bedeutung diplomatischer Formen besaß: Der russische Kaiser Nikolaus hatte das Beglaubigungsschreiben für seinen Vertreter Kisselef in Paris an Napoleon III. mit »Sire und guter Freund« und nicht wie unter Monarchen üblich mit »Mein Herr Bruder« adressiert208. Auf diese Weise verweigerte er ihm die gebräuchliche Etikette, die seine symbolische Aufnahme in

Zu den Verwandtschaftsverhältnissen vgl. Rudolf Haas, Stephanie Napoleon. Großherzogin von Baden. Ein Leben zwischen Frankreich und Deutschland, 1789–1860, Mannheim 21978, S. 7 und 86. 205 Es handelte sich um die Vertreter des Vatikans, Großbritanniens, der Niederlande, Schwedens, Dänemarks, Belgiens, Neapels, Spaniens, Portugals, Griechenlands, Sardiniens und der Schweiz. Vgl. Josef Alexander Graf von Hübner an Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein, 2. 1. 1853, HHStA MdÄ PA IX 41. 206 Vgl. Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein an Josef Alexander Graf von Hübner, 29. 12. 1852, HHStA MdÄ PA IX 41. Ein vergleichbares und zeitgleiches Vorgehen und Argumentieren lässt sich im preußischen Fall erkennen. Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an Otto Theodor von Manteuffel, 28. 12. 1852, AMAE Correspondance politique Prusse 312. 207 Vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 293. 208 Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 50 f.; ferner Schulz, Normen und Praxis, S. 293. 204

5.4  Anerkennung Napoleons III.

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den Kreis der gekrönten Staatsoberhäupter bedeutet hätte209. Für Preußens und Österreichs Vertreter Hatzfeldt und Hübner, deren Beglaubigungsschreiben die Form wahrten, stellte sich die Frage, inwieweit ein konformes Vorgehen der drei Ostmächte noch möglich war und ob und wie die russische Abweichung auf französischer Seite angenommen wurde. Hübner berichtete von einem Gespräch mit Drouyn de Lhuys: Sie werde dort nicht als Affront gewertet, da Russland sowie Österreich und Preußen ihre grundsätzliche Zustimmung zum Ausdruck gebracht hätten210. Dementsprechend überreichte der russische Diplomat seine Beglaubigungsschreiben am 5. Januar 1853211. In der Folge stellte die erfolgreiche russische Übergabe gleichsam den Startschuss für denselben Akt durch die Vertreter der kleineren deutschen Staaten dar. Diese überreichten ihre Beglaubigungsschreiben, nachdem sie von Hatzfeldt und Hübner dazu autorisiert worden waren: Die Anerkennung des Zweiten Kaiserreichs durch Bayern erfolgte am 7. Januar 1853, diejenige Badens einen Tag später. Preußen sowie Österreich vollzogen den Schritt am 11. Januar 1853212. Die kurzzeitigen russischen Unstimmigkeiten zeigen, dass grundlegende diplomatische Anerkennungspraktiken vorhanden waren und ein Verstoß gegen sie krisenrelevant war. Die Anerkennung geriet 1852/1853 zu einer Frage der Formulierung, die weit mehr als ein Sprachspiel war, da sie in der brisanten Situation um die Jahreswende als russisches Dementi hätte ausgelegt werden können. Dass die Vertreter der kleineren deutschen Staaten noch vor Preußen und Österreich ihre Beglaubigungsschreiben übergaben, lässt sich darauf zurückführen, dass mit der russischen Akzeptanz auch die der anderen beiden Ostmächte gegeben war. Darüber hinaus zeigt das schnelle Agie Zur Problematik vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 109–111. Demnach war die Abweichung von der Etikette als Protestzeichen eine Vereinbarung der drei Ostmächte gewesen, die Preußen und Österreich nur nicht umgesetzt hatten. Allgemeiner zur Bedeutung von Anreden unter Monarchen im Schriftgebrauch des 18. Jahrhunderts, der sich aber auch noch für das 19. Jahrhundert als relevant erweist, vgl. Nadir Weber, Gute Miene zum bösen Spiel? Freundschaft, Kooperation und Vertrauen in den französisch-preußischen Beziehungen des 18. Jahrhunderts, in: Bertrand Haan, Christian Kühner (Hg.), Freundschaft. Eine politisch-soziale Beziehung in Deutschland und Frankreich 12.–19. Jahrhundert, 2013 (Discussions, 8), http://www.perspectivia.net/content/publikationen/discussions/8–2013/weber_freundschaft (Zugriff 26. 2. 2017), Abs. 9 f. 210 Vgl. Josef Alexander Graf von Hübner an Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein, 5. 1. 1853, HHStA MdÄ PA IX 41. 211 Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 56 f. 212 Vgl. August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 5. 1. 1853, BayHStA MA 83258; Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 5. 1. 1853, GLA 48/2892; Josef Alexander Graf von Hübner an Karl-Ferdinand von Buol-Schauenstein, 11. 1. 1853, HHStA MdÄ PA IX 41. Das Großherzogtum Hessen-Darmstadt spielt hier keine Rolle, da seine Vertretung im relevanten Zeitraum durch den badischen Diplomaten Schweizer wahrgenommen wurde. Vgl. dazu Kap. 6.2. 209

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

ren, für wie notwendig und dringlich sie die Beilegung der Anerkennungsfrage erachteten, ohne gleichwohl ein gesamtdeutsches Vorgehen zu verletzen. In der Anerkennungssituation von 1852 hatte ein gemeinsames Vorgehen auf wackeligen Beinen gestanden. Schließlich erfolgte von preußischer Seite Mitte Januar ein ausdrücklicher Dank, dass sie die Verzögerungen mit ihrem Abwarten mitgetragen hatten: Allein es ist von hohem moralischem Gewicht und bekundet in erfreulichster Weise das die deutschen [Regierungen] umschließende Band und die demselben entsprechende Haltung ihrer Vertreter, daß während der Dauer der Crisis, die durch die Form des Russischen Beglaubigungsschreibens hervorgerufen war, und das Verhalten der Gesandten Preußens und Oesterreichs im Ungewissen ließ, auch Seitens der übrigen deutschen Repräsentanten Schritte zur Uebergabe ihrer Creditive nicht gethan wurden. Die [Königliche Regierung] erkennt im vollsten Maaße die Bedeutung einer solchen Haltung an, und es ist mir ein Bedürfnis zu ersuchen, dies in aufrichigster verbindlichster Weise, unter Verlesung des gegenwärtigen Erlasses dem [Herrn] … auszudrücken213.

Die gemeinsame Vorgehensweise in dieser schwierigen Situation auf deutscher Seite offenbart ein Bewusstsein, das über einzelstaatliche Interessen hinausging. Zusammenfassend charakterisierte der österreichische Diplomat Hübner den diplomatischen Umgang mit dem Anerkennungsproblem von 1852 in seinem Tagebuch mit den Worten: »gute Miene zum bösen Spiel machen«214. Aus seiner Sicht stellte die Transformation Frankreichs zum Kaiserreich und der Aufstieg von Louis Bonaparte zu Napoleon III. das »böse Spiel« dar, zu dem die drei Ostmächte sowie die kleineren deutschen Staaten durch ihre wenn auch verzögerte Anerkennung eine »gute Miene« machten. Insgesamt handelte es sich um die friedliche Lösung einer potentiell eskalierenden Konfliktsituation, wenngleich sie, was es zu betonen gilt, auf beiden Seiten mit Verletzungen einherging. Die europäische Anerkennung des Zweiten Kaiserreichs lief der Wiener Vertragsordnung von 1815 zuwider, da sie die Akzeptanz eines Napoleoniden auf dem französischen Thron bedeutete. Der Prinzipienbruch entsprach dem Zustand des Europäischen Konzerts fast 40 Jahre nach seiner Entstehung. Die Wiener Vertragsordnung von 1815 war zwar als handlungsleitende Grundlage weiterhin omnipräsent, aber ihre Einhaltung musste deswegen nicht mehr unter allen Umständen befolgt werden und war bereits mehrmals in anderen Situationen gebrochen worden; außerdem gewann die Durchsetzung nationaler Interessen zunehmend an Bedeutung215. Zugleich zeigt die Anerkennungssituation von 1852, dass und wie Konsultati-

Vgl. Otto Theodor von Manteuffel an Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt, 16. 1. 1853, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 62 Vol. 1. Die Punkte befinden sich im Original und waren im Einzelfall durch den entsprechenden Namen zu ersetzen. 214 Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 110. 215 Vgl. Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 217 und 221 f. 213

5.5  Abbruch diplomatischer Beziehungen

231

onsmechanismen weiterhin griffen216. Ausschlaggebend war ein gemeinsames Vorgehen zum einem der drei Ostmächte und zum anderen der deutschen Staaten, sodass die französische Seite die Protestbekundungen hinnehmen musste. Indes empfand die französische Regierung das zögerliche Verhalten von Preußen, Österreich und Russland als Kränkung, wovon nicht nur die überlieferten Gespräche zwischen den Diplomaten und Außenminister Drouyn de Lhuys zeugen: Letzterer zog mit der Annahme des russischen Beglaubigungsschreibens gar persönliche Konsequenzen und reichte seinen Rücktritt ein, den der Kaiser jedoch nicht annahm217. Die französische Seite trat bestimmt für ihre Anerkennung ein und wusste gleichzeitig durch Friedensabsichten die (ost-)europäischen Bedenken in Zaum zu halten. Im Hinblick auf die diplomatischen Praktiken erforderte die veränderte Situation eine neue Anerkennung, da zwar die Person an Frankreichs Spitze nicht gewechselt hatte, aber ihr Legitimitätsanspruch und die Staatsform. Die Anerkennung bestand wie in den bisher untersuchten Situationen im Wesentlichen in dem Akt, Beglaubigungsschreiben auszustellen und zu übergeben. Die Beglaubigungsschreiben mussten jedoch in ihrer Form und ihrem Inhalt an die jeweiligen Transformationen angepasst werden. Indem der russische Kaiser Nikolaus Napoleon III. die gebräuchliche monarchische Anrede verweigerte, signalisierte er, dass er die neue Augenhöhe mit dem Kaiser ablehnte. Insofern handelte es sich bei der Anerkennung des Zweiten Kaiserreichs um eine Frage der Formulierung. Ein Krieg, der um die Jahreswende 1852/1853 gedanklich nicht ausgeschlossen war, sollte erst im Jahr 1870 nachhaltige Konsequenzen für die deutschen Diplomaten in Paris entwickeln.

5.5 Die letzten Tage in Paris: Abbruch diplomatischer Beziehungen Im Juni 1870 reichte der bayerische Diplomat Quadt einen Urlaubsantrag ein und begründete ihn wie folgt: »Voraussichtlich wird im Verlaufe des Monats Juli die Session legislative geschlossen, wonach alsdann die morte saison beginnt und auch die Mehrzahl meiner Collegen einen Urlaub antreten wird«218. Die Diplomaten brachen üblicherweise in ihren Sommerurlaub auf, wenn die parlamentarischen Sitzungen in Frankreich beendet waren und in Paris die tote Jahreszeit begann. Der bayerische Gesandte ahnte zu diesem Zeitpunkt offensichtlich noch nicht, dass die deutschen Diplomaten einen Monat später

Vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 293–295. So Hübner in seinem Tagebuch, vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 57. 218 Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Otto Graf von Bray-Steinburg, 18. 6. 1870, BayHStA MA 75402. 216 217

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

ihren Urlaub zwangsweise würden nehmen müssen: Infolge des Kriegsausbruchs zwischen Frankreich und Preußen hatten sie – mit Ausnahme des österreichischen Kollegen – Paris zu verlassen. Dass für das Jahr 1870 eine Aberkennungs- und keine Anerkennungssituation zu betrachten ist, ist zunächst auf europäische und insbesondere deutsch-französische Entwicklungen der vorangegangenen Jahre zurückzuführen. Die konsensorientieren Grundregeln des Europäischen Konzerts hatten maßgeblich dadurch an Bedeutung verloren, dass vor allem Napoleon  III. in Frankreich und Bismarck in Preußen realpolitisch handelten, indem sie jeweils ihre Macht zu steigern beabsichtigten219. In dieser Zeit des »gestörten Konzerts« lag Konfliktpotential darin, dass auf deutscher Seite die anvisierte nationale Einheit noch unerreicht war und einzelne Staaten ihre Position im internationalen Staatensystem als unzureichend betrachteten220. Angesichts einer solchen Lage entzündete sich Anfang Juli 1870 ein Konflikt an der Frage der Kandidatur des preußischen Prinzen Leopold für den vakanten spanischen Thron. Die französische Seite sah sich dadurch bedroht, da ein hohenzollernscher Thronfolger in Spanien das weitere Erstarken von Preußen bedeutet hätte, nachdem dieses bereits erfolgreich Kriege gegen Dänemark im Jahr 1864 und gegen Österreich im Jahr 1866 geführt hatte221. Es bestand aus französischer Sicht die Gefahr, von Süden und Osten durch Hohenzollern eingekreist zu werden, weshalb der französische Kaiser Napoleon III. einen Thronverzicht forderte222. Mit der Verzichtsforderung waren weitergehende Garantieforderungen Frankreichs verbunden, zukünftig eine solche Thronkandidatur nicht mehr in Erwägung zu ziehen223. Die Mitteilung und die ablehnende Aufnahme dieser Forderungen auf preußischer Seite gingen in der Folge mit diplomatischen Zerwürfnissen einher, die in die berühmt gewordene »Emser Depesche« mündeten224. Bismarck verfälschte darin bewusst die Situation und ließ sie eskalieren, indem er eine gegenseitige Beleidigung inszenierte225. Dies konnte die französische Seite nicht auf sich sitzen lassen und eine französische Kammererklärung vom 15. Juli 1870 nahm praktisch vorweg, was am 19. Juli 1870 offiziell erklärt wurde: der Krieg226. Genauso wie die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen nach Regierungs- und Regimewechseln ging der Abbruch der diplomatischen Präsenz, wie beispielsweise in Kriegen, mit bestimmten Verhaltensweisen der Diplomaten einher. Bevor die betroffenen Diplomaten notgedrungen auf Vgl. Henry Kissinger, Die Vernunft der Nationen. Über das Wesen der Außenpolitik, Berlin 1996, S. 106 f. 220 Vgl. Aschmann, Preußens Ruhm, S. 289, Zitat ibid. 221 Zur Genese der Thronkandidatur vgl. ibid., S. 367–375. 222 Vgl. Charlotte Tacke, Von der Zweiten Republik bis zum Ersten Weltkrieg, in: Ernst Hinrichs (Hg.), Kleine Geschichte Frankreichs, Stuttgart 2006, S. 311–360, hier S. 329 f. 223 Vgl. Matthias Schulz, Das 19. Jahrhundert 1789–1914, Stuttgart 2011, S. 188 f. 224 Vgl. Aschmann, Preußens Ruhm, S. 444. 225 Vgl. ibid., S. 452. 226 Vgl. ibid., S. 453. 219

5.5  Abbruch diplomatischer Beziehungen

233

brachen, musste nicht nur offiziell der Kriegszustand zwischen den Staaten, die sie vertraten, erklärt sein. Sie hatten sich ebenso darum zu kümmern, dass ein anderer Diplomat vor Ort die Geschäfte und den Schutz der verbleibenden eigenen Landsleute übernahm. Die gegenseitige Entziehung der diplomatischen Anerkennung lässt sich nicht auf ein punktuelles Ereignis wie eine Kriegserklärung reduzieren, sondern stellte vielmehr einen Prozess dar. In der Praxis standen die Diplomaten vor der Herausforderung, »ihrer Rolle als (Ver)Mittler an der Grenze zwischen Krieg und Frieden«227 gerecht zu werden. Der Kriegsausbruch im Jahr 1870 wird nun dahingehend untersucht, was er für die Diplomaten in Paris vor Ort und ihr Verhalten bedeutete. Die letzten Tage der Diplomaten in Paris sind im Folgenden in vier Phasen zu unterteilen. Die Diplomaten fungierten zunächst als Beobachter und Interpreten des sich zuspitzenden preußisch-französischen Konflikts und nahmen ihn als Problem wahr. Die vorrangig betroffenen preußischen Diplomaten in Paris stellten sich zweitens als besondere Zielscheibe heraus, da sie sich öffentlichen Anfeindungen und vorzeitigen Abberufungen ausgesetzt sahen. Die dritte Phase bestand in der Abreise und deren Vorbereitung durch die Diplomaten. Die prekäre Situation setzte sich für die Diplomaten viertens nach Kriegsausbruch fort, wie die Frage ihres persönlichen Verbleibs zeigt. Im Juli 1870 waren in der französischen Hauptstadt für Preußen Werther, für Österreich Metternich, für Bayern Quadt, für Baden Schweizer und für Hessen-Darmstadt Enzenberg diplomatisch tätig. Ihr Schriftwechsel ermöglicht es, die diplomatischen Verhaltensweisen angesichts des sich zuspitzenden Konflikts zwischen Preußen und Frankreich nachzuvollziehen. Auf bayerischer Seite geben neben den Berichten des Diplomaten Quadt die Tagebuchaufzeichnungen des Kanzlisten Cahn Aufschluss über die Phase der Kriegsvorbereitungen und des Kriegsausbruchs228. Außerdem liegt ein Tagebuch von Washburne, dem Diplomaten der Vereinigten Staaten von Nordamerika vor, der nach dem Kriegsausbruch unter anderem die Geschäfte von Preußen und Hessen-Darmstadt übernahm229. Es kann ferner die Forschungsliteratur zum Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 herangezogen werden230.

Zu dieser Rolle von Diplomaten, allerdings im Hinblick auf die Wiederaufnahme deutsch-französischer Beziehungen nach 1870/71, vgl. Steller, Diplomatie von Angesicht, S. 30 f. 228 Cahn, Im belagerten Paris. 229 A. Hepner, Der Schutz der Deutschen in Frankreich 1870 und 1871. Briefwechsel des außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Ministers der Vereinigten Staaten für Frankreich E. B. Washburne in Paris vom 17. Juli 1870 bis zum 29. Juni 1871. Aus den diplomatischen Akten der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Stuttgart 1907. 230 Neben der verwendeten Literatur sei auf folgenden Band hingewiesen: Mareike König, Élise Julien, Verfeindung und Verflechtung. Deutschland und Frankreich, 1870–1918 (Deutsch-Französische Geschichte, 7) [in Vorbereitung]. 227

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Die Diplomaten konstatierten in einer ersten Phase die schlagartig veränderte Situation in der französischen Hauptstadt in der ersten Julihälfte 1870. Das bayerische Gesandtschaftsmitglied Cahn notierte etwa Anfang Juli in seinem Tagebuch: »Welche Umwaelzung in der Stimmung der Pariser seit einer Woche! Wer haette vor acht Tagen auch nur entfernt an irgendwelche politische Verwicklungen gedacht! Ueberall war Sonne und frohe Lebenslust!«231 Der Auslöser für die plötzliche Stimmungsänderung in der französischen Öffentlichkeit war die Thronkandidaturfrage232. In der Wahrnehmung der Diplomaten war dadurch schon bald die Option eines Krieges präsent, wenngleich die Einschätzungen fast täglich schwankten. Der preußische Außenminister Bismarck ließ seinen Diplomaten in Paris am 10. Juli wissen: »Wenn die Leute Ihnen von Krieg sprechen, so bitte ich trocken und kurz zu antworten, wenn man ihn uns erklärt, so würden wir ihn führen. Wir sind bereit und im Stande uns zu wehren und wollen Sie darüber Niemand im Zweifel lassen, der Sie darüber anredet«233. Der österreichische Diplomat ging jedoch noch am 11. Juli davon aus, dass sich ein Krieg abwenden lasse234. Doch vier Tage später, am 15. Juli 1870, schrieb auch er, dass ein Krieg nicht mehr zu verhindern sei235. Der badische Gesandte Schweizer berichtete ebenfalls über einen potentiellen Krieg, allerdings eher aus der Beobachterposition. Am 11. Juli 1870 schrieb er, dass die in Paris eintreffenden Telegramme aus Ems, wo sich König Wilhelm I. von Preußen aufhielt, auf eine »große Wahrscheinlichkeit des Krieges« schließen ließen236. Einen Tag später meldete er, dass die »Kriegs-Gefahr um etwas nachgelassen« habe, da Preußen für eine Antwort an die französische Regierung einen Tag länger Zeit eingeräumt worden sei. Allerdings spitzte sich die Lage wieder zu: »Alles wendet sich zum Krieg«237 schrieb Schweizer am 14. Juli 1870. In den genannten Julitagen ging es um den von französischer Seite geforderten Verzicht auf die Thronkandidatur. Während der österreichische Botschafter Metternich und die Diplomaten der kleineren deutschen Staaten eher Beobachter und Interpreten des sich zuspitzenden preußisch-französischen Konflikts waren, wurden die preußischen Botschaftsangehörigen bald selbst Teil der Auseinandersetzungen. Vgl. Cahn, Im belagerten Paris, S. 12. Zur emotional höchst aufgeladenen, öffentlichen Stimmung in Frankreich, die vorrangig ein städtisches und vor allem ein hauptstädtisches Phänomen war, vgl. Aschmann, Preußens Ruhm, S. 409 f.; Willms, Paris, S. 409. 233 Otto von Bismarck-Schönhausen an Königlich-Preußischen Botschafter in Paris, 10. 7. 1870, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 151. 234 Vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 11. 7. 1870, HHStA MdÄ PA IX 95. 235 Vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Graf Friedrich Ferdinand von Beust; 15. 7. 1870, HHStA MdÄ PA IX 95. 236 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Rudolf Freydorf, 11. 7. 1870, GLA 49/1430, Zitat ibid. 237 Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Rudolf Freydorf, 12. 7. 1870 und 14. 7. 1870, GLA 49/1430. 231 232

5.5  Abbruch diplomatischer Beziehungen

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Um die Vertretung von Preußen in Paris drehte sich die zweite Phase. Mitte Juli kulminierte die besonders prekäre Situation für die preußischen Diplomaten in einem Vorfall vor dem Botschaftsgebäude, der Abberufung des Botschafters Werther sowie wenig später der weiteren Botschaftsangehörigen. Am 14. Juli 1870 schrieb Werther an den französischen Außenminister Gramont, dass eine Menschenmasse vor der Tür des Botschaftsgebäudes protestiere und Beschimpfungen wie »à bas la Prusse« oder »guerre à la Prusse« fielen238. Er beklagte, dass die Polizei nicht eingegriffen habe und bat beim französischen Außenminister darum, erneute derartige Vorfälle zu verhindern: »Je viens réclamer de Votre Excellence la protection que tout représentant d’une nation étrangère a le droit d’exiger«239. Werther forderte seinen besonderen Schutz ein und rechtfertigte ihn damit, dass er der Vertreter einer fremden Nation sei. Seine Begründung ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Er berief sich erstens auf sein Sonderrecht als Diplomat, nach dem ihm beschützende Maßnahmen vonseiten des Empfangslandes zustanden240. Er rekurrierte auf völkerrechtliche Vereinbarungen, die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts allmählich verfestigt hatten und die im Jahr 1870 offensichtlich soweit entwickelt und akzeptiert waren, dass sie selbstverständlich als Rechtfertigungsgrund herangezogen werden konnten241. Darüber hinaus betrachtete sich Werther als Repräsentant einer Nation und die erwähnten Beschimpfungen gegenüber Preußen zeigen, dass sich die Proteste an die preußische Nation und nicht an den preußischen Diplomaten als Person richteten. Der sich abzeichnende Konflikt bestand in der Wahrnehmung nicht nur zwischen einzelnen Monarchen, sondern zwischen Nationen. Die Nation hatte sich als Projektions- und Angriffsfläche etabliert und es entstand eine Deutschfeindlichkeit, die sich in erster Linie gegen alles Preußische richtete242. Das preußische Botschaftsgebäude, als sichtbarer Ausdruck für das

Carl Anton Philipp Freiherr von Werther an Antoine Alfred Agénor de Gramont, 14. 7. 1870, AMAE Correspondance politique Prusse 379, Zitate ibid. 239 Ibid. Der französische Polizeipräfekt berichtete hingegen, dass ausreichend Schutzmaßnahmen getroffen wurden, wie aus dem polizeilichen Bericht hervorgeht, den der französische Außenminister anforderte. Vgl. Préfet de Police an Antoine Alfred Agénor de Gramont, 15. 7. 1870, AMAE Correspondance politique Prusse 379. 240 Vgl. dazu in der zeitgenössischen völkerrechtlichen Literatur: »Der Stat, bei welchem die Gesanten beglaubigt sind, ist nicht bloß verpflichtet, sich jeder Gewaltübung gegen dieselben zu enthalten, sondern auch dieselben vor jeder Vergewaltigung zu schützen, welche ihnen von andern Bewohnern des Landes droht«, Bluntschli, Das moderne Völkerrecht, S. 135. 241 Zur Internalisierung von Regeln und Normen durch Diplomaten und Entscheidungsträger seit dem Wiener Kongress bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vgl. Schulz, Defenders of the Right, S. 274. 242 Zur Frage der verletzten nationalen Ehre als Kriegsauslöser vgl. Aschmann, Ehre, v. a. S. 171 f.; zur Nationalisierung der Kriegsdeutung vgl. Ute Daniel, Gerd Krumeich, 238

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Königreich Preußen in Paris, erfuhr eine symbolische Aufladung und inkarnierte aus französischer Sicht den Feind. Für die Eskalation des Konflikts maßgeblich war seine Stilisierung zu einer Frage der nationalen Ehre, wozu eine mediale Aufbereitung in der Presse sowie öffentliche Verbreitung und Erregung beitrugen243. Die Julikrise beschränkte sich nicht auf diplomatische und politische Kreise, sondern löste ebenfalls heftige öffentliche Reaktionen aus, wie der Vorfall an der preußischen Botschaft verdeutlicht. Der 14. Juli 1870 war jedoch nicht nur der Tag des Vorfalls vor dem preußischen Botschaftsgebäude. Für den preußischen Botschafter Werther überschlugen sich die Ereignisse, weil Bismarck ihn am selben Tag aufgrund ›fehlerhaften‹ Verhaltens urlaubsweise aus Paris abberief. Stein des Anstoßes für Bismarck war, dass Werther mit einem Bericht an den preußischen König vom 12. Juli über ein Gespräch mit dem französischen Außenminister Gramont falsch reagiert habe. Werther hatte über ein Gespräch zwischen Gramont und ihm berichtet, in dem dieser ihm die Idee eines Briefes des preußischen Königs an den französischen Kaiser unterbreitet habe244. In dem Brief sollte es um den Verzicht auf die Thronkandidatur sowie weitere französische Garantieforderungen gehen. Gramont habe, laut Werther, außerdem angekündigt, falls er die Mitteilung dieses Gedankens unterlasse, werde er den französischen Diplomaten Benedetti mit der Übermittlung beauftragen, weshalb Werther wie folgt reagierte: »Unter diesen Umständen hielt ich es für das Beste zu rathen, den Grafen Benedetti davon auszuschliessen und es mir zu überlassen, darüber unterthänigst zu berichten«245. Bismarck interpretierte diese Entscheidung Werthers als Fehlverhalten, indem er ihm in einer telegrafischen Depesche vom 14. Juli vorwarf, »sich zum Organ des Herzogs von Gramont für Aufträge desselben an Seine Majestät den König zu machen«246. Aus preußischer Sicht

Einleitung, in: Dies. (Hg.), Frankreich und Deutschland im Krieg, 18.–20. Jahrhundert. Zur Kulturgeschichte der europäischen »Erbfeindschaft«, Braunschweig 2005, S.  4–18, hier S.  7 f.; zum nationalen Selbstverständnis vgl. Michael Jeismann, Das Vaterland der Feinde. Studien zum nationalen Feindbegriff und Selbstverständnis in Deutschland und Frankreich, 1792–1918, Stuttgart 1992 (Sprache und Geschichte, 19), S. 173; zur Deutschfeindlichkeit vgl. Mareike König, Les immigrés allemands à Paris 1870/71: entre expul­ sion, naturalisation et lutte sur les barricades, in: Migrance 35 (2010), S. 60–71, hier S. 60. 243 Vgl. Aschmann, Preußens Ruhm, S. 420. 244 Das Gespräch fand unmittelbar nach Werthers Rückkehr aus Ems statt, wo er – wie bereits im Juni geplant – eine Woche (vom 5. bis 12. Juli 1870) beim preußischen König geweilt hatte. Vgl. Carl Anton Philipp Freiherr von Werther an Otto von Bismarck-Schönhausen, 24. 6. 1870, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4823; Josef Becker, Spanische »Diversion«, »Emser Depesche« und die Reichsgründungslegende bis zum Ende der Weimarer Republik, 12. Juli 1870–1. September 1932, Paderborn 2007, S. 8 f. und 161–163. 245 Ibid, S. 9. 246 Otto von Bismarck-Schönhausen an Carl Anton Philipp Freiherr von Werther, 14. 7. 1870, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 151.

5.5  Abbruch diplomatischer Beziehungen

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handelte es sich bei Gramonts Forderung nach einem Brief um eine Zumutung, da er eine Art Entschuldigung hinsichtlich der Thronkandidatur bedeutet hätte: Werther war vorzuhalten, dass er darauf eingegangen war und die Idee nicht sofort zurückgewiesen hatte247. Nach Werthers retrospektiver Version des Geschehens vom Juli 1870, die als nachträgliche Rechtfertigung seines Verhaltens gelesen werden muss, hatte es sich bei seinem Bericht vom 12. Juli lediglich um eine Wiedergabe seines Gesprächs mit Gramont gehandelt, die mit keinerlei Ratschlägen verbunden gewesen sei248. Er hob außerdem hervor, dass sein Bericht vom 12. Juli dem Reichstag mitgeteilt wurde und »dadurch eine allgemeine und gleichsam geschichtliche Publikation erhalten« habe249. Des Weiteren hatte Bismarck Werther auf den Verstoß diplomatischer Konventionen hingewiesen: »Mittheilungen der Art können an Sie [Werther] nur schriftlich, sonst an mich durch den Vertreter Frankreichs gelangen«250. Gramont hätte Werther nicht im Gespräch, sondern schriftlich die französischen Forderungen unterbreiten müssen oder Werthers französischer Gegenpart Benedetti hätte direkt auf preußischer Seite intervenieren sollen. Die zweite Option, ein Eingreifen des französischen Diplomaten Benedetti, sollte entgegen Werthers ursprünglicher Absicht mit seinem Bericht eintreten. Ein entscheidender Faktor in diesen Julitagen war die Übermittlungsdauer diplomatischer Schriftstücke. Nach heutigem Kenntnisstand erhielt der preußische König den Bericht von Werther vom 12.  Juli erst nach seiner Begegnung mit dem französischen Diplomaten Benedetti auf der Emser Promenade am 13. Juli251. Dort hatte ihn Benedetti über die französischen Garantieforderungen in Kenntnis gesetzt, sodass der preußische König bereits davon wusste, als er Werthers Worte vom Vortrag las. Mit der Emser Depesche an die französische Presse machte Bismarck schließlich das Gespräch in Ems, in dem der preußische König die französischen Garantieforderungen abgelehnt hatte, in einer verkürzten und verschärften Version öffentlich252. In diesem Zusammenhang sind die verschiedenen Deutungen hinsichtlich Werthers Handlungsspielraum in dieser Situation hervorzuheben, da sie die Auffassungen von der Rolle eines Diplomaten offenbaren. Werther argumentierte, dass er allein seiner diplomatischen Pflicht nachgekommen sei, über Gespräche mit dem französischen Außenminister zu berichten. Er habe über die Gramont’sche Forderung eines Briefes nur informieren, nicht

Vgl. Herman von Petersdorff, Art. »Werther, Heinrich«, in: Allgemeine Deutsche Biographie 42 (1897), S. 111–113; Aschmann, Preußens Ruhm, S. 443 f. 248 Becker, Spanische »Diversion«, S. 163 f. 249 Ibid., S. 163. 250 Vgl. Otto von Bismarck-Schönhausen an Carl Anton Philipp Freiherr von Werther, 14. 7. 1870, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 151. 251 Siehe dazu den Kommentar von Becker, Spanische »Diversion«, S. 6. 252 Vgl. Aschmann, Preußens Ruhm, S. 444. 247

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

aber selbst eine dahingehende Entscheidung treffen wollen. Werther sah seine Entscheidung vielmehr darin, über die Forderung zu berichten und dies nicht seinem Gegenpart Benedetti zu überlassen. Er betrachtete sich in erster Linie als Berichterstatter, der erst in Rücksprache mit seiner Regierung eingreift. Nach Bismarcks Argumentation hätte Werther dagegen im direkten Gespräch mit Gramont die preußische Position sofort deutlich machen müssen und sich nicht von letzterem mit dem Bericht für französische Forderungen einspannen lassen sollen. In der angespannten Lage bestanden zwei unterschiedliche Auffassungen über die Handlungskompetenzen des Diplomaten. Sie divergierten zwischen reiner Berichterstattung einerseits und aktiver Vertretung preußischer Interessen gegenüber der französischen Regierung andererseits. Die Beurlaubung von Werther erfolgte schließlich am 14. Juli schnell und unverzüglich mit zwei telegrafischen Depeschen Bismarcks im Abstand von drei Stunden253. Der Aufforderung, bei Gramont um einen »Urlaub zum Gebrauch einer Kur« nachzusuchen, kam Werther nach eigener Aussage noch am selben Tag nach254. Außerdem übergab er seine Aufgaben an das Botschaftsmitglied Solms; dieser fungierte fortan als preußischer Geschäftsträger in Paris255. Der Vorgang, ein Urlaubsgesuch einzureichen und einen Geschäftsträger einzusetzen, entsprach dem üblichen Vorgehen bei Suspendierungen256. Der preußische Botschafter Werther, der am 16. Juli in Berlin eintraf, war noch vor der offiziellen Ausrufung des Kriegszustands, der zu diesem Zeitpunkt aber bereits feststand, von preußischer Seite abgezogen worden257. Nach der Abberufung von Werther führte Solms die Geschäfte der preußischen Botschaft in der französischen Hauptstadt fort. Allerdings sollten er und das weitere Gesandtschaftspersonal nicht mehr lange in Paris bleiben. Bei ihnen griff jedoch ein anderes Verfahren der Abberufung als bei Werther. Mit einem Schreiben vom 16. Juli 1870 erhielt Solms vom französischen Außenminister seinen Pass sowie die Pässe der weiteren Botschaftsmitglieder258. Die Begründung lautete, dass preußische Truppen entgegen völkerrechtlicher Vereinbarungen französisches Gebiet ohne vorherige Anzeige betreten hätten, was auf französischer Seite als Beginn des Kriegszustandes gewertet wurde259. Einen Tag zuvor hatte es eine französische Kammererklärung gegeben, die noch nicht offiziell den Krieg deklariert hatte, aber bereits als solche gewertet wurde und Truppenmobilisierung auf deutscher Seite veranlasste, Vgl. Otto von Bismarck-Schönhausen an Carl Anton Philipp Freiherr von Werther, 14. 7. 1870, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 151. 254 Vgl. Becker, Spanische »Diversion«, S. 165. 255 Vgl. ibid. 256 Vgl. ibid., S. 160. 257 Vgl. Carl Anton Philipp Freiherr von Werther an Otto von Bismarck-Schönhausen, 17. 7. 1870, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4823. 258 [Ministre des Affaires étrangères de Sa Majesté l’Empereur des Français] an [Chargé d’affaires de Prusse], 16. 7. 1870, AMAE Guerre de 1870 51. 259 Vgl. ibid. 253

5.5  Abbruch diplomatischer Beziehungen

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worauf die gleichwohl überzogene französische Begründung offenbar anspielte260. Der Erhalt der Pässe zeigte an, dass die nun aus ihrer Sicht gegnerischen preußischen Vertreter das Land zwangsweise verlassen mussten261. Das übliche Verfahren, Abberufungsschreiben für die Diplomaten auszustellen, galt nicht beim Abbruch diplomatischer Beziehungen262. Die französische Regierung hatte sich nach geltenden völkerrechtlichen Regelungen dennoch darum zu kümmern, dass die Diplomaten das Land sicher verlassen konnten263. Die offizielle Kriegserklärung Frankreichs an Preußen erfolgte am 19. Juli 1870 und bedeutete den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Preußen264. Für die kleineren deutschen Staaten und ihre Vertreter stellte sich gleichfalls die Frage, inwieweit sie als Verbündete Preußens in den Krieg zogen und ob die betroffenen Diplomaten Paris verlassen mussten. Der badische Gesandte Schweizer erfuhr als Grund seiner Abreise, dass mit der Kriegserklärung Frankreichs an Preußen der Bündnisvertrag zwischen Preußen und Baden in Kraft trete, wonach sich Baden nun im Krieg gegen Frankreich befinde265. Von französischer Seite gab es dagegen nochmals Bemühungen, die Neutralität Bayerns zu erwirken. Der Kanzlist Cahn reiste am 17. Juli 1870 – zwei Tage vor der Kriegserklärung – von Paris nach München, da er

Zur preußischen Mobilmachung am 15. Juli 1870 vgl. Becker, Spanische »Diversion«, S. 109. Allgemeiner zur Mobilmachung auf deutscher Seite, die vier Tage vor der offiziellen Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 begann und bei Trier, Mainz und Landau an der Grenze, aber noch nicht über sie hinweg stattfand, vgl. Heidi Mehrkens, Statuswechsel. Kriegserfahrung und nationale Wahrnehmung im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, Essen 2008 (Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte N. F., 21), S. 40 f. 261 In der zeitgenössischen völkerrechtlichen Literatur heißt es dazu: »Quand, pour infraction aux lois du pays ou aux convenances de sa charge, pour menées politiques occultes, ou en conséquence de mesures reprochées à son gouvernement, le souverain auprès duquel il réside lui envoie ses passe-ports sans attendre son rappel, quelquefois même en fixant un terme à son séjour, et, selon la gravité du cas, en le faisant conduire sous escorte jusqu’aux frontières«, Martens, Guide diplomatique (1832), S. 187. 262 »Wenn es zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Absende- und Empfangsstaat kommt, werden hinsichtlich der beiderseitigen diplomatischen Vertreter Abberufungsschreiben und Rekreditive nicht ausgefertigt. Vielmehr werden ihnen dann von der Regierung des Empfangsstaats die Pässe zugestellt«, Hermann Meyer, Das politische Schriftwesen im deutschen auswärtigen Dienst. Ein Leitfaden zum Verständnis diplomatischer Dokumente, Tübingen 1920, S. 14. 263 »Unter allen Umständen, selbst nach einer Kriegserklärung, hat der Empfangstat [sic!] die Pflicht, dafür zu sorgen, daß der scheidende Gesante unversehrt das Statsgebiet verlassen könne«, Bluntschli, Das moderne Völkerrecht, S. 149 f. 264 Vgl. Déclaration faite au Sénat et au corps législatif dans la séance du 20 juillet 1870, 20. 7. 1870, AMAE Guerre de 1870 51. Zum Abbruch diplomatischer Beziehungen vgl. Heidi Mehrkens, Entscheidungsträger: Deutsch-Französischer Krieg 1870/71, in: Daniel, Krumeich (Hg.), Frankreich und Deutschland im Krieg, S. 33–42, hier S. 34. 265 Vgl. Rudolf Freydorf an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 22. 7. 1870, GLA 49/1430. 260

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

dort einen Brief des französischen Kaisers Napoleon III. überreichen sollte: »Aus den Andeutungen des Grafen [Quadt] entnehme ich, daß Napoleon im Falle der Neutralitätserklaerung Bayerns dessen territoriale Integritaet garantiert!«266 Allerdings scheiterte der französische Versuch, Bayern mit diesem Schreiben im bevorstehenden Krieg zur Neutralität zu bewegen. Bayern erkannte den Bündnisfall an und zog an der Seite Preußens in den Krieg267. Die dritte Phase umfasst die erzwungene Abreise der Diplomaten sowie ihre dazu notwendigen Vorkehrungen. Bevor die betroffenen Diplomaten die Stadt verließen, beschäftigte sie noch eine vor Ort zu lösende Frage: Welcher ansässige Diplomat übernahm jeweils ihre Geschäfte und gewährleistete den Schutz der verbleibenden Staatsangehörigen? Trotz des Endes direkter diplomatischer Beziehungen war ein Mindestmaß an diplomatischer Vertretung in Paris weiterhin möglich und nötig. Die Wahl fiel im badischen und bayerischen Fall auf den schweizerischen Gesandten Kern, während der Diplomat der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Washburne, die Geschäfte von Preußen und Hessen-Darmstadt übernahm268. Aus der Sicht von Washburne sah der Aufbruch von Solms und dem weiteren Botschaftspersonal wie folgt aus: Während ich diese Depesche schreibe, kommt Graf Solms, der Chargé d’Affaires des Norddeutschen Bundes, zu mir, um mir zu sagen, daß Bismarck ihm telegraphiert habe, die Kriegserklärung sei in Berlin angekommen, und er weise ihn an, seine Archive unserer Gesandtschaft zu übergeben und mit dem ganzen Personal Paris zu verlassen. Sie reisen morgen alle ab und werden den wertvollsten Teil ihrer Archive an unsere Gesandtschaft senden, und ich werde das Siegel darauf legen269.

Solms stellte sich bei der Frage der Geschäftsübernahme als Weisungsübermittler Bismarcks heraus; seine Aufgabe bestand darin, als letzten notwendigen Akt vor seiner Abreise das preußische Archiv dem Kollegen zu übergeben. Anschließend konnte er Paris verlassen270. Der hessen-darmstädtische Gesandte Enzenberg betrachtete dagegen verschiedene Möglichkeiten der Übergabe und zeigte seine Handlungsoptionen auf, die sich am Verhalten seiner Kollegen orientierten: Nachdem er sich zunächst für die belgische Vertretung ausgesprochen habe, sei eine Anfrage an den schwei Vgl. Cahn, Im belagerten Paris, S. 34. Vgl. Aschmann, Preußens Ruhm, S. 464; Volkert, Geschichte Bayerns, S. 71. 268 Insgesamt übernahm die Schweiz die Geschäfte von Baden und Bayern, Württemberg wandte sich an Russland und der US-Diplomat kümmerte sich um die Angelegenheiten von Preußen/Norddeutscher Bund, Sachsen, Hessen-Darmstadt sowie Coburg. Vgl. Daniela Caglioti, Waging War on Civilians. The Expulsion of Aliens in the Franco-Prussian War, in: Past & Present 221/1 (2013), S. 161–195, hier S. 167 f. 269 Gesandter der Vereinigten Staaten Washburne in Paris an den Staatssekretär Fish in Wash­ington, Paris am 19. 7. 1870, abgedruckt in Hepner, Der Schutz der Deutschen, S. 2. 270 Clemens Theodor Eberhardt Graf zu Solms-Sonnewalde an das Auswärtige Amt des Norddeutschen Bundes, 22. 7. 1870, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4823. 266 267

5.5  Abbruch diplomatischer Beziehungen

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zerischen Kollegen möglich, wobei sich dieser bisher zögerlich gezeigt habe; mittlerweile habe der nordamerikanische Diplomat die Vertretung Preußens übernommen und Kurhessen könne sich dem anschließen, weshalb die Frage sei, ob er sich ebenfalls dort erkundigen solle; eine andere Variante sei es, den niederländischen Kollegen zu bitten, der schon mit den bayerischen Geschäften beauftragt worden sei271. Schließlich übergab Enzenberg – wie im preußischen Fall – seine Geschäfte an die nordamerikanische Vertretung272. Die Diplomaten folgten bei der Wahl der Geschäftsübernahme den Weisungen ihrer Regierungen und konnten nur insofern Einfluss nehmen, als sie auf das Verhalten der Kollegen anderer betroffener Länder aufmerksam machten. Die Diplomaten thematisierten die Geschäftsübernahme, benannten jedoch nicht den Grund, aus dem sie sich für jemanden entschieden: Was zeichnete die Vertreter der Schweiz und der Vereinigten Staaten von Nordamerika für Geschäftsübernahmen aus? In beiden Fällen handelte es sich um Vertreter von Staaten, die sich im Krieg von 1870/1871 neutral verhielten und infolgedessen als Schutzmacht infrage kamen273. Darüber hinaus waren beide Staaten mit noch verhältnismäßig junger diplomatischer Tradition: Ein schweizerischer diplomatischer Dienst bestand erst wenige Jahre und die US-Diplomaten mussten gleichfalls ihre Rolle erst noch finden274. Die Geschäftsübernahme von Baden und Bayern durch den schweizerischen Diplomaten Kern kann deshalb als Testfall für den neu etablierten schweizerischen diplomatischen Dienst angesehen werden, der auf diese Weise seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellte und damit Glaubwürdigkeit gewann275. Ein weiterer Faktor waren die spezifischen Beziehungen zwischen zwei Staaten zu

Vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an Reinhard von Dalwigk, 20. 7. 1870, HStAD G 1 74/4. Die letzte Aussage ist falsch, da die bayerischen Geschäfte an den schweizerischen Vertreter übergeben wurden. 272 Vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an Reinhard von Dalwigk, 28. 7. 1870, HStAD G 1 74/4. 273 Zur Neutralität der Schweiz, die seit dem Wiener Kongress international anerkannt war, vgl. Duchhardt, Der Wiener Kongress, S.  94; Peter Stadler, Die Schweiz und die Wende von 1870/71, in: Eberhard Kolb, Elisabeth Müller-Luckner (Hg.), Europa vor dem Krieg von 1870. Mächtekonstellation – Konfliktfelder – Kriegsausbruch, München 1987 (Schriften des Historischen Kollegs. Kolloquien, 10), S. 113–118, hier S. 113. Für den US-amerikanischen Fall vgl. Henry Mason Adams, Die Beziehungen zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten 1775–1870, Würzburg 1960, S. 93. 274 Erst seit der Ernennung von Kern zum Gesandten in Paris im Jahr 1856 besaß die Schweiz vollwertige Diplomaten im Ausland. Vgl. Claude Altermatt, On Special Mission. Switzerland and its Diplomatic System, in: Mösslang, Riotte (Hg.), The Diplomats’ World, S. 317–346, hier S. 326 f. und 330. Zur Entwicklung der US-Diplomatie im 19. Jahrhundert vgl. Nickles, US Diplomatic Etiquette. 275 Vgl. Altermatt, On Special Mission, S. 326 f. 271

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

diesem Zeitpunkt. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika habe im Juli 1870 eine bismarckfreundliche, gleichzeitig antinapoleonische Stimmung geherrscht276. Interessant ist ferner der Umstand, dass sich Württemberg – vom Verhalten der anderen deutschen Staaten abweichend  – aufgrund dynastischer Verbindungen durch Russland vertreten ließ277. Parallel zur Frage der Geschäftsübernahme mussten die Diplomaten klären, wann sie wohin abreisen sollten. Neben der Rückkehr an den Ort des jeweiligen Regierungssitzes (das heißt Berlin, Karlsruhe respektive München) stand vor allem, wie im Fall von Hessen-Darmstadt, die Option Brüssel im Raum. Der hessen-darmstädtische Diplomat Enzenberg erhielt die Instruktion, dorthin zu gehen, sobald die diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Norddeutschen Bund abgebrochen würden, wobei er sich vorher noch mit seinen deutschen Kollegen absprechen sollte278. Der badische Gesandte Schweizer bekam zur gleichen Zeit aus Karlsruhe die Anweisung, sich auf eine mögliche Abreise vorzubereiten und sich über die Weisungen seiner deutschen Kollegen zu informieren279. Zwei Tage später und einen Tag nach der erfolgten Kriegserklärung berichtete er von der Abreise des preußischen Geschäftsträgers und zog selbst in Erwägung, wie seine sächsischen und hessischen Kollegen, nach Brüssel zu gehen280. Nachdem der badische Außenminister letzteres abgelehnt hatte, erhielt Schweizer zwei Tage später die Nachricht, er solle nach Karlsruhe zurückkehren281. Auch wenn Schweizer sich schließlich der Weisung aus Karls­ ruhe beugen musste, schien Brüssel für ihn eine interessante Option zu sein. Brüssel bot sich wahrscheinlich aufgrund seiner räumlichen Nähe an und we Vgl. Adams, Die Beziehungen, S. 92. Für das württembergische Verhalten, das in dieser Arbeit jedoch nicht Gegenstand genauerer Untersuchungen ist, und die engen dynastischen Verbindungen zwischen Württemberg und Russland (wie die Ehe zwischen dem im Jahr 1870 regierenden württembergischen König Karl mit der Zarentochter Olga) vgl. Sten Martenson, Württemberg und Russland im Zeitalter der deutschen Einigung, Göppingen 1970 (Göppinger akademische Beiträge, 4), v. a. S. 8 f. und 13–20. 278 Vgl. Reinhard von Dalwigk an Gustav Adolf Graf von Enzenberg, 16. 7. 1870, HStAD G 1 74/4; Schreiben aus Darmstadt an Gustav Adolf Graf von Enzenberg, 17. 7. 1870, HStAD G 1 74/4. 279 Vgl. Rudolf Freydorf an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 17. 7. 1870, GLA 49/1430. 280 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Rudolf Freydorf, 20. 7. 1870, GLA 49/1430. 281 Vgl. Rudolf Freydorf an Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 22. 7. 1870, GLA 49/1430. Nach Aussage des hessen-darmstädtischen Diplomaten sei sein badischer Kollege Schweizer darüber missgestimmt gewesen, dass er entgegen der ersten Weisung nach Karlsruhe abreisen musste und zudem zwei Wochen zunächst nichts aus Karlsruhe gehört hatte, was er als »politisches Misstrauen« ihm gegenüber vonseiten der badischen Regierung wertete. 276 277

5.5  Abbruch diplomatischer Beziehungen

243

gen des Umstands, dass die Diplomaten teilweise an mehreren Orten gleichzeitig – etwa Paris, Brüssel und Den Haag – akkreditiert waren282. Bei der Abreise musste außerdem das Prinzip der Reziprozität beachtet werden. Der preußische Diplomat Solms beabsichtigte, wie er an den französischen Außenminister schrieb, den kürzesten Weg in Richtung Aachen zu nehmen283. In Berlin überreichte währenddessen sein französischer Gegenpart Le Sourd Bismarck die Kriegserklärung und plante – parallel zum Vorgehen des preußischen Diplomaten in Paris – anschließend abzureisen284. Des Weiteren hatte der bayerische Diplomat Quadt die französische Hauptstadt in Richtung München zu verlassen; sein Kanzlist Cahn kehrte jedoch nach seinem kurzen Aufenthalt als Bote in München (im Hinblick auf die erwähnte Neutralitätserklärung) wieder nach Paris zurück285. Mit der Frage des Verbleibs der Diplomaten war die vierte Phase erreicht. Zum einen ist darunter zu verstehen, welche Form der Vertretung während des Krieges in Paris bestehen blieb und zum anderen, welche persönlichen Konsequenzen der Abbruch der diplomatischen Beziehungen für die abgereisten Diplomaten besaß. Als bayerischer Kanzlist sollte Cahn während des Krieges den schweizerischen Diplomaten Kern in Paris unterstützen, der den Schutz der bayerischen Staatsangehörigen für die Dauer des Krieges übernommen hatte286. Während folglich die Leiter der deutschen diplomatischen Vertretungen Frankreich verließen, sollte Cahn als Kanzlist im Rahmen seiner Tätigkeit für die schweizerische Vertretung in Paris verbleiben. Er befand sich jedoch in einer nicht ungefährlichen Situation: Ein Ausweisungsbefehl konnte abgewendet werden, da sein Verbleib in Paris dadurch gerechtfertigt war, dass im Gegenzug ein französischer Kanzlist in München dieselbe Funktion erfüllte287. Hieran zeigt sich die unterschiedliche Behandlung von Diplomaten und von in Paris ansässigen deutschen Landsleuten. Die Diplomaten hatten einerseits im Zuge der Kriegserklärung Frankreich sofort verlassen müssen. Andererseits konnte Cahn als Kanzlist eine Sonderbehandlung erreichen und fiel nicht unter die Dekrete hinsichtlich der allgemeinen Ausweisung von Deutschen, da er sich auf das Prinzip der Reziprozität berufen konnte. Für Angehörige der deutschen Staaten änderte sich dagegen die Situation nicht mit Kriegsbeginn im Juli, sondern erst im August 1870 infolge der Dekrete, die ihre Ausweisung Vgl. [Reinhard von Dalwigk] an Adolf Freiherr Senarclens von Grancy, 17. 8. 1853, HStAD G 1 74/2. 283 Vgl. Clemens Theodor Eberhardt Graf zu Solms-Sonnewalde an Antoine Alfred Agénor de Gramont, 19. 7. 1870, AMAE Correspondance politique Prusse 379. 284 Vgl. George Le Sourd an Antoine Alfred Agénor de Gramont, 25. 7. 1870, AMAE Correspondance politique Prusse 379. 285 Vgl. Cahn, Im belagerten Paris, S. 42. 286 Vgl. ibid. 287 Vgl. ibid., S. 47 f. 282

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

verfügten288. Beim Verlassen des Landes standen ihnen nun die für sie zuständigen Diplomaten wie der nordamerikanische Vertreter Washburne zur Seite. Außer den Tagebuchaufzeichnungen des Kanzlisten Cahn liegt ein Rückblick des bayerischen Diplomaten Quadt vor, der im September berichtete, wie er auf Anweisung des bayerischen Außenministers Bray Paris am 21. Juli überstürzt und »unfreiwillig« verlassen habe, wobei er »den Anschein einer definitiven Abberufung zu vermeiden« versucht habe289. Im Herbst 1870 schrieb Quadt diese Zeilen vor dem Hintergrund, dass nach seiner eiligen Abreise im Juli nach wie vor die Frage im Raum gestanden habe, auf welche Weise er weitere Verwendung finden könnte. Nachdem zunächst sein Urlaub aufgrund des Kriegszustands verlängert worden war, trat er ein Jahr später in den Ruhestand290. Im Jahr 1871 war nicht nur die Rückkehr von Quadt, sondern der Fortbestand der bayerischen Gesandtschaft an sich fraglich geworden291. Letztendlich bestand die bayerische Gesandtschaft in Paris fort, wenngleich im Jahr 1871 viele kleinere deutsche Staaten, die nun als Länder Teil des deutschen Kaiserreichs waren, ihre diplomatischen Vertretungen im Ausland aufgaben292. Darüber hinaus unterlag der preußische Botschafter Werther demselben Verfahren und wurde nach dem Krieg im Jahr 1871 in den Ruhestand versetzt: Dass der preußische König bei dieser Gelegenheit beabsichtigte, ihm den höchsten preußischen Orden zu verleihen, muss gleichwohl als Versuch, ihn von seinem vermeintlich fehlerhaften Verhalten zu rehabilitieren, gesehen werden293. Die preußische Vertretung ging nach 1870/1871 in die Vertretung des deutschen Kaiserreichs über294. Der österreichische Botschafter Metternich befand sich in einer anderen Situation. Während die deutschen Kollegen innerhalb weniger Tage Paris ver-

Zum Verbleib von Deutschen in Paris während des Krieges 1870/71 und zur Frage ihrer Ausweisung vgl. König, Les immigrés allemands; Caglioti, Waging War. 289 Vgl. Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Otto Graf von Bray-Steinburg, 18. 9. 1870, BayHStA MA 75402, Zitate ibid. 290 Vgl. [Staats-Ministerium des Koeniglichen Hauses und des Aeussern] an Ludwig II., 26. 9. 1870, BayHStA MA 75402. 291 [Staats-Ministerium Koeniglichen Hauses und des Aeussern] an Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny, 17. 9. 1871, BayHStA MA 75402. 292 Zur Außenpolitik der deutschen Länder zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs vgl. Holger Berwinkel, Martin Kröger, Janine Preuss (Hg.), Die Außenpolitik der deutschen Länder im Kaiserreich. Geschichte, Akteure und archivische Überlieferung 1871–1918, München 2012. 293 Bismarck legte jedoch Widerspruch ein, vgl. Becker, Spanische »Diversion«, S.  8. Bereits zuvor hatte Werther verächtliche Kritik von Bismarck einstecken müssen, der ihn aufgrund seiner besorgten und verunsicherten Haltung als feige bezeichnete. Vgl. Aschmann, Preußens Ruhm, S. 430. Werther wurde trotzdem 1874 noch einmal Botschafter, in Konstantinopel. Vgl. Petersdorff, Art. »Werther, Heinrich«. 294 Zur Wiederaufnahme deutsch-französischer Beziehungen nach 1870/71 vgl. Steller, Diplomatie von Angesicht, S. 61–78. 288

5.5  Abbruch diplomatischer Beziehungen

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ließen, wartete Metternich auf Instruktionen295. Er hatte in Gesprächen mit dem französischen Außenminister Gramont die Position Österreichs angesichts des beginnenden Krieges darzustellen296. Wie verhielt sich die Großmacht Österreich angesichts des sich zuspitzenden preußisch-französischen Konflikts? Inwieweit war die österreichische Seite bereit, sich auf Bündnisse einzulassen? Es lief von österreichischer Seite her auf ein »programme de neutralité attentive«297 hinaus. Die Neutralitätserklärung Österreichs bedeutete, dass der österreichische Diplomat im Gegensatz zu seinen bisher betrachteten Kollegen in Paris bleiben konnte und der Krieg für ihn auf diplomatischer Ebene keinen Bruch darstellte. Im Juli 1870 waren die Diplomaten Beobachter und Interpreten des sich zuspitzenden Konflikts zwischen Preußen und Frankreich. Sie lieferten Informationen und Einschätzungen an ihre Regierungen aus der Pariser Perspektive. Zugleich werden hinsichtlich ihrer Arbeitsweise und der Funktionsweise von Diplomatie allgemein Faktoren sichtbar, die im Untersuchungszeitraum neue Herausforderungen darstellten: die Telegrafie, die öffentliche Meinung und der Parlamentarismus. Diese neuen Faktoren für die Funktionsweise von Diplomatie, die sich in der Julikrise besonders herauskristallisierten, nennt bereits Yves Bruley, der die Julikrise aus französischer Sicht und insbesondere des französischen Außenministeriums untersucht hat298. Im Vergleich zu den bereits ausgeführten Anerkennungsproblemen früherer Jahrzehnte ist auffällig, dass nicht mehr lange Berichte die diplomatische Korrespondenz der Diplomaten dominierten, sondern telegrafische Depeschen, die kurz und schnell zu übermitteln waren299. Vgl. Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Graf Friedrich Ferdinand von Beust, 22. 7. 1870, HHStA MdÄ PA IX 96. 296 Ibid. Zuvor berichtete der österreichische Diplomat Metternich über Gespräche mit dem französischen Außenminister Gramont sowie mit Kaiser Napoleon III., aus denen deutlich wird, dass sich die französischen Gesprächspartner Unterstützung von österreichischer Seite erhofften. Im Gegenzug äußerte sich der österreichische Außenminister Beust über seine Vermittlerposition: Er habe bereits in Berlin und in Madrid versucht, die französische Sichtweise darzustellen. Vgl. Bericht Nr. 37 B von Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Graf Friedrich Ferdinand von Beust, 8. 7. 1870, HHStA MdÄ PA IX 95; Bericht Nr. 37 E von Richard Fürst von Metternich an Graf Friedrich Ferdinand von Beust, 8. 7. 1870, HHStA MdÄ PA IX 95; [Graf Friedrich Ferdinand von Beust] an Richard Fürst von Metternich-Winneburg, 9. 7. 1870, HHStA MdÄ PA IX 97. 297 Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Graf Friedrich Ferdinand von Beust, 27. 7. 1870, HHStA MdÄ PA IX 96. 298 Vgl. Bruley, Le Quai d’Orsay impérial, S. 423–433. 299 Es handelte sich um eine Frage der Zeit. Im diplomatischen Alltag gab es zwei parallel laufende Formen der Berichterstattung: Zum einen telegrafierte Depeschen, die schnell kurze Informationen bereitstellten; zum anderen die weiterhin existierenden, aber später eintreffenden ausführlichen Berichte, die der Beurteilung der Situation und dem anschließendem Handeln dienten. Im Juli 1870 war neu, dass die Entscheidungsbildung 295

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

Die parallele Existenz beider Berichtsformen und ihre Auswirkungen zeigten sich beispielsweise bei der Beurlaubung beziehungsweise Abberufung von Werther: Während sein Bericht vom 12. Juli einige Stunden brauchte, um nach Ems zu gelangen, ging seine Suspendierung mittels telegrafischer Depeschen innerhalb eines Nachmittags vonstatten. Beide Formen der Berichterstattung hatten Vor- und Nachteile: einerseits die schnelle, gestraffte telegrafierte Information, andererseits die mit längerer Zeitdauer zu übermittelnden, dafür aber ausführlicheren Situationsschilderungen und Analysen. Neben der Telegrafie hatte auch die öffentliche Meinung in Frankreich eine neue Dimension, die die Diplomaten betraf. Die aufgeheizte Stimmung in Paris bekam besonders der preußische Botschafter durch den Anschlag auf das Botschaftsgebäude zu spüren. Die Öffentlichkeit hatte als Faktor an Bedeutung gewonnen, indem sie diplomatische Arbeits- und Entscheidungsprozesse direkt beeinflusste. Was sich anhand der Julikrise 1870 außerdem aufzeigen lässt, ist die Bedeutung des Parlamentarismus. Diplomatische Berichte konnten sofort ins Parlament gelangen und öffentlich werden, wie der Bericht von Werther vom 12. Juli, der wenig später dem Bundesrat des Norddeutschen Bundes vorlag. Außerdem basierten die französische Kriegserklärung sowie die Kriegsbeitritte der deutschen Staaten auf parlamentarischen Entscheidungen und beendeten zwangsweise den Aufenthalt der betroffenen Diplomaten in Paris300. In der Julikrise 1870 entfalteten drei verhältnismäßig neue Faktoren ihre Wirkmacht und beeinflussten die Funktionsweise von Diplomatie nachhaltig301. Retrospektiv nahmen die Diplomaten ihre Abreise oft als überstürzt wahr, wie ihre ausführlichen Berichte über ihre letzten Tage in Paris zeigen, die sie erst nach ihrer Abreise verfassen konnten302. Es gab gleichwohl bei den Vorkehrungen, die sie für ihre Abreise trafen, einen bestimmten Ablauf. Ihre Handlungsspielräume bestanden darin, Einfluss auf die Wahl der geschäftsübernehmenden Kollegen und ihren eigenen Rückkehrweg zu nehmen, indem sie Vorschläge machten und ihr Verhalten mit ihren Kollegen absprachen, die ebenfalls abreisen mussten.

aufgrund von telegrafierten Depeschen erfolgte. Vgl. Bruley, Le Quai d’Orsay impérial, S. 432; zum Einsatz der Telegrafie in der Diplomatie allgemein Kap. 3.2.2. 300 Vgl. bspw. zur Frage des bayerischen Kriegseintritts, der eine parlamentarische Entscheidung war, Aschmann, Preußens Ruhm, S. 464. 301 Es handelte sich auf diplomatischer Ebene um einen Prozess der Aneignung neuer Techniken (der Telegrafie) und der Anpassung an neue Entwicklungen (Öffentlichkeit, Parlamentarismus), der im Juli 1870 sichtbar wurde, aber noch nicht abgeschlossen war. Für eine Beurteilung von französischer Seite vgl. Bruley, Le Quai d’Orsay impérial, S. 431 f. 302 Vgl. Friedrich Wilhelm Hermann Graf von Quadt-Wykradt-Isny an Otto Graf von Bray-Steinburg, 18. 9. 1870, BayHStA MA 75402.

5.6  Überwundene Anerkennungsprobleme

247

5.6 Überwundene Anerkennungsprobleme und Legitimitätsdenken im Zeitalter des Europäischen Konzerts Zunächst wurden vier Situationen skizziert, in denen die Anerkennungsfrage erfolgreich beigelegt werden konnte. Das letzte Fallbeispiel zeigt jedoch, dass die Abreise der Diplomaten mit nachfolgendem Abbruch der Beziehungen nicht immer vermeidbar war, wobei auch in solchen Fällen ein Minimum an diplomatischer Präsenz durch die Vertretung von Kollegen erhalten blieb. Insgesamt ist hervorzuheben, dass es gelang, Anerkennungsprobleme zu überwinden. Maßgeblich war das Europäische Konzert, das erst Hürden für die Anerkennung schuf und dann alternative Lösungswege fand, um sie zu überwinden. Die Problematik bestand darin, dass die handlungsleitenden Vorstellungen der Wiener Vertragsordnung von 1815 den ihr folgenden politischen Veränderungen oftmals entgegenstanden: Insbesondere der Sturz des Bourbonen Karl X. im Jahr 1830 und der Aufstieg von Napoleon III. im Jahr 1852 führten zum Bruch mit dem vorherrschenden Legitimitätsdenken. Dennoch waren es gerade die neu etablierten Konsultationsmechanismen, die die Anerkennungen ermöglichten. Letztendlich vermied das Ausland in den Situationen von 1830, 1848 und 1852 eine Intervention; die Argumentation lautete generell, dass es sich bei den Veränderungen um eine innere Angelegenheit Frankreichs handele. In der Zusammenschau der fünf untersuchten Situationen spiegelt sich zudem die Entwicklung des Europäischen Konzerts wider: um 1815 seine Entstehung, 1830 und 1848 sowie 1852 als seine Prüfsteine und 1870 seine zunehmende Wirkungslosigkeit aufgrund dominierender nationalstaatlicher Interessen. In der Konsequenz waren Anerkennungsprobleme und das Europäische Konzert untrennbar miteinander verknüpft303. Abgesehen von zeittypischen Merkmalen ist zum Wesen der Anerkennung festzuhalten, dass nicht jeder Regierungswechsel automatisch Schwierigkeiten für alle mit sich brachte304. Beispielsweise führte der Tod von Ludwig XVIII. im Jahr 1824 dazu, dass sein Bruder Karl X. die Bourbonenmonarchie fortführte, womit es eine unkomplizierte und legitime Nachfolge gab. Die Untersuchung der Situation um 1815 hat außerdem gezeigt, dass es sich bei ihr nicht um ein Anerkennungsproblem des neuen Monarchen handelte, da die neuen französischen Verhältnisse erst unter der Ägide der europäischen Großmächte zustande gekommen waren. Zudem offenbart die schnelle britische Anerkennung in den Jahren 1830 und 1852, dass es trotz

Zu dieser charakteristischen Verbindung für den Betrachtungszeitraum vgl. auch Fabry, Recognizing States, S. 80. 304 Vgl. Peterson, Recognition of Governments, S. 13. 303

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

der Bedenken der drei östlichen Großmächte möglich war, die französische Julimonarchie beziehungsweise das Zweite Kaiserreich zügig anzuerkennen. Auf der Akteursebene ist zu sehen, wie die deutschen Diplomaten in Paris die Anerkennungsprozesse mitgestalteten und welche Vorstellungen und Praktiken für sie in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts maßgeblich waren. Grundsätzlich neu war ihre Orientierung an der Wiener Vertragsordnung von 1815, die sie nicht nur als ein Bündel an einzuhaltenden Texten betrachteten, sondern die sie auch immer wieder im Hinblick auf ihre konsens­ orientierten Verhaltensweisen einbrachten. Gleichzeitig zeichneten sich die Diplomaten dadurch aus, dass sie auf ihre Routinen bedacht waren, möglichst keine neuen Wege einschlugen, in Präzedenzfällen dachten und Musterverläufe anstrebten. Deshalb riefen bei ihnen die raschen Veränderungen infolge der Revolutionen von 1830 und 1848 zunächst große Ratlosigkeit hervor, der sie erst im nächsten Schritt mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu begegnen versuchten. Zugleich lässt sich keine einheitliche diplomatische Anerkennungspraxis für die untersuchten Situationen erkennen, obgleich es möglich ist, ähnliche Abläufe zu identifizieren. Die Frage der Anerkennung stellte sich ab dem Zeitpunkt, in dem eine neue Regierung sowie ein neues Staatsoberhaupt offiziell existierten. Um 1815 gab es neben dem Akkreditierungsprozess der einzelnen Diplomaten, der sich über Jahre hinzog, einen Schriftwechsel zwischen Staatsoberhäuptern wie Ludwig XVIII. und dem bayerischen König. Eindeutig war das Vorgehen im Jahr 1830, als von französischer Seite erst die Notifikation des Außenministers über seine Ernennung an die Diplomaten und anschließend – noch wichtiger – am 19. August 1830 das Schreiben des neuen Königs Louis-Philippe über seine Thronbesteigung an die Staatsoberhäupter erfolgte. In der Situation von 1848 handelte es sich ebenfalls um einen mehrmonatigen Prozess, da auf beiden Seiten erst wieder geordnete Verhältnisse hergestellt werden mussten. Im Jahr 1852 sandte die Note des Außenministers Drouyn de Lhuys über die französischen Veränderungen vom 1. Dezember 1852 gegenüber dem Ausland ein eindeutiges Signal aus. Im Juli 1870 war der Abbruch der Beziehungen vom Zeitpunkt der Kriegserklärung abhängig. Insgesamt zeugen die fünf untersuchten Situationen von verschiedenen möglichen Wegen. Es war teilweise wichtig, aber nicht geregelt, wann und wie das Ausland von der Einsetzung eines neuen Staatsoberhauptes schriftlich unterrichtet wurde. Der schriftliche Austausch unter den Staatsoberhäuptern oder Außenministern, meist unter Beteiligung der Diplomaten, galt als Zeichen der Anerkennung im 19. Jahrhundert305. Martha Peterson unterscheidet vier Arten expliziter Anerkennung im 19. Jahrhundert, die unterschiedliche Abstufungen dieses schriftlichen Austauschs darstellen. Für das 20. Jahrhundert benennt sie zudem die aufkommende Praxis, die Anerkennung

305

5.6  Überwundene Anerkennungsprobleme

249

Abgesehen von den unterschiedlichen Situationen blieb es immer bedeutsam, neue Beglaubigungsschreiben für die Diplomaten auszustellen. Die Betroffenen konnten den Vorgang in Paris nur passiv und mitunter ungeduldig verfolgen, da er in Berlin, Wien, München, Karlsruhe respektive Darmstadt ablief. Schließlich bestand der entscheidende Schritt darin, die erhaltenen Beglaubigungsschreiben in einer Audienz je nach Rang dem Staatsoberhaupt oder dem Außenminister in Paris zu übergeben. Dieser letzte Akt der Akkreditierung war gleichbedeutend mit der Anerkennung der neuen Verhältnisse. Im Zusammenhang mit Anerkennungsproblemen ist außerdem deutlich geworden, dass Herrschaftsansprüche eine bedeutende Rolle spielten. Alle fünf Situationen werden dadurch charakterisiert, dass es sich um Momente handelte, in denen die Herrschaftsausübung fragil erschien. Insbesondere die Situation um 1815 war geprägt davon, dass die Zeitgenossen nach neuen legitimen Herrschaftsträgern suchten, da die vorherigen obsolet geworden waren. Für die Situationen von 1830, 1848 und 1852 gilt zudem, dass bisherige und neue Herrschaftsformen, das heißt Monarchie und Republik, miteinander konkurrierten. Die vorübergehend brüchig wirkende Herrschaftsausübung ließ sich erst dadurch wieder stabilisieren, dass diejenigen, die Herrschaft künftig auszuüben beabsichtigten, sich bei verschiedenen Gegenübern legitimieren mussten. Diplomaten gehörten dazu: Ihnen waren die französischen Veränderungen zu vermitteln, damit diese im Ausland akzeptiert wurden. Gleichzeitig handelte es sich um einen wechselseitigen Prozess: die Diplomaten reagierten und artikulierten ihre Positionen, womit manchmal Verzögerungen einhergingen. In der Konsequenz stellt diese Form der Anerkennung immer eine auf Gegenseitigkeit beruhende Akzeptanz von Herrschaftsverhältnissen dar. Die dargestellten diplomatischen Anerkennungspraktiken lassen sich schließlich auf einer allgemeineren politischen und rechtlichen Ebene wie folgt einordnen: Zunächst ist herauszustellen, dass Diplomaten einen integralen Bestandteil des Anerkennungsprozesses darstellten. Eines der maßgeblichen zeitgenössischen Staatslexika, das dreibändige Staatslexikon auf der Grundlage von Bluntschli, definiert »völkerrechtliche Anerkennung« als ein »Versprechen«, das nicht »ausdrücklich ausgesprochen« werden müsse, sondern sich durch »bestimmte Akte« wie »den Empfang eines von dem Souverän des einen Staates bei dem des andern Staates beglaubigten Gesandten« vollziehen könne306. Zu der Frage, wie die Anerkennung erfolge, bemerkt außerdem der damals einflussreiche Staatsrechtler Welcker, dass sie »ausdrücklich oder in der Form von Glückwünschen, oder durch Annahme, Abneuer Regierung durch Parlaments- oder Presseerklärungen zu bekunden. Vgl. Peterson, Recognition of Governments, S. 86 f. 306 Brie, Art. »Anerkennung, staatsrechtliche und völkerrechtliche«, S. 80.

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5.  Gegenseitige Anerkennung der Regierungen

sendung oder neue Beglaubigung von Gesandten gewöhnlich besonders er­ theilt«307 werde. Auf diese Weise war die Anerkennung die Voraussetzung, um diplomatische Beziehungen aufzunehmen oder fortzuführen308. Der Akt der (Wieder-)Ernennung von Diplomaten stellte mehr noch selbst neben anderen Erklärungen wie Glückwunschschreiben an eine neue Regierung die Anerkennung dar. Zugleich können Diplomaten sowohl als Indikator wie auch als Faktor der völkerrechtlichen Anerkennung gelten. Sie zeigten einerseits an, dass geregelte diplomatische Beziehungen bestanden und verkörperten insofern Legitimität. Andererseits hatten sie erst dazu beigetragen, dass geregelte Beziehungen entstehen konnten und besaßen dadurch eine legitimitätsstiftende Funktion. Es handelte sich außerdem um ein relationales Phänomen, denn nicht nur mussten die deutschen Regierungen etwa die französische Regierung akzeptieren, sondern auch umgekehrt: »In der Annahme des Gesanten liegt die Anerkennung des Absendestats, beziehungsweise der Statsregierung, welche denselben bevollmächtigt, durch den Empfangstat [sic!]«309. Abschließend ist hervorzuheben, dass sich regelhafte Anerkennungspraktiken im Untersuchungszeitraum erst konstituierten. Die »völkerrechtliche Legitimität«, das heißt die »Anerkennung seitens dritter Staaten«, stellte erst seit etwa Mitte des 19. Jahrhunderts eine eigene juristische Kategorie dar310. Die untersuchten Anerkennungspraktiken, die einerseits ansatzweise fallübergreifende Problemlösungen kennzeichneten und andererseits noch weitgehend uneinheitlich und unreguliert waren, waren Teil einer sich erst ausbildenden grenzüberschreitenden Staats- und Rechtspraxis.

Welcker, Art. »Anerkennung«, S. 514. Vgl. Fabry, Recognizing States, S. 2 f. 309 Bluntschli, Das moderne Völkerrecht, S. 129. 310 Als weitere neue Bedeutungsebenen des Legitimitätsbegriffs nennt Würtenberger die staatsrechtliche und die privatfürstrechtliche Legitimität, vgl. Thomas Würtenberger, Art. »Legitimität, Legalität«, in: Brunner, Conze, Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3, S. 677–740, hier S. 717. 307 308

6. Auf dem Prüfstein: diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen Der Aufenthalt eines Diplomaten in Paris endete in der Regel entweder dadurch, dass er an einen anderen Standort wechselte oder dass er im Amt verstarb. Der badische Diplomat Andlaw erhielt den Ruf auf einen neuen Posten nach dreijährigem Aufenthalt in Paris. Er sollte im Jahr 1846 die Nachfolge des verstorbenen großherzoglichen Diplomaten in Wien, Leutnant Tettenborn, antreten. Über seine Versetzung urteilte er: Sonach sah ich mich in einer mir zusagenden Geschäftsthätigkeit plötzlich unterbrochen, wie viel hatte ich überdies auch zu erlernen, zu beobachten, und der immer gehegte Wunsch, länger in Paris bleiben, vielleicht, wie mein Vorgänger Ferrette, meine diplomatische Laufbahn allda beschließen zu können, ging leider nicht in Erfüllung1.

Andlaw empfand seine Arbeit in Paris als eine große Bereicherung und hätte gegenüber seinem neuen Zielort Wien einen längeren Aufenthalt in Paris bevorzugt. Sein Umzug verlief auf reguläre Weise, da es zu seiner Tätigkeit gehörte, den Posten zu wechseln. Neben dem Ausscheiden eines einzelnen Diplomaten aus seiner Tätigkeit in Paris gab es jedoch Situationen, in denen die Relevanz oder gar die Existenz einer gesamten diplomatischen Vertretung in Frage stand. Im Mittelpunkt dieses Kapitels stehen diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen. Die Betrachtung solcher Momente ist besonders aufschlussreich, weil sich in ihnen die Legitimität von Diplomatie kristallisiert: Der Nutzen von Diplomaten stand dabei auf dem Prüfstein. Im Folgenden werden mehrere Abstufungen des Krisenausmaßes nacheinander untersucht: die Änderung des Status über eine zeitweilige Abgabe bis hin zur Frage der Auflösung einer diplomatischen Vertretung. Der Status einer diplomatischen Vertretung wurde bei Rangerhöhungen, wie der Aufwertung der preußischen Gesandtschaft zur Botschaft im Jahr 1862, problematisiert und neu definiert (6.1). Die Geschäfte temporär an einen Kollegen zu übertragen, war insbesondere in politischen Krisensituationen ein übliches Verfahren (6.2). Die Auflösung bestehender Vertretungen stand vor allem in zwei Situationen zur Diskussion. Es handelt sich um den gescheiterten Versuch, im Jahr 1848 einen gemeinsamen deutschen Vertreter in Paris zu etablieren (6.3) und um den Einsatz hessen-darmstädtischer Landsleute für das Fortbestehen ihrer Vertretung im Jahr 1867 (6.4). Insgesamt verdeutlichen die Fallbeispiele ein Beharren auf dem Gesandtschaftsrecht, das die einzelstaatliche Souveränität zur Zeit des Deutschen Bundes zum Ausdruck bringt (6.5). Andlaw, Mein Tagebuch, Bd. 2, S. 92 f.

1

https://doi.org/10.1515/9783110519563-007

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

6.1 Bedeutungsverluste abwenden: Rangerhöhungen Im Jahr 1821 erfuhren der österreichische und der russische Diplomat in Paris eine Erhöhung ihres Ranges: Sie waren nicht mehr Gesandte, sondern in die höchste diplomatische Rangstufe eines Botschafters aufgestiegen. Der preußische Diplomat Goltz, bestrebt, es ihnen nachzutun, beantragte in Berlin seine eigene Rangerhöhung und argumentierte gegenüber dem preußischen König, daß nur in Paris, jetzt beynahe mehr Botschafter als Gesandte sind, daß daselbst eine auffallende Scheiden-Linie zwischen den erstern, und den letzern gezogen ist, daß ein sogenannter Introducteur des Ambassadeurs sie bey allen öffentlichen Gelegenheiten, durch das dazwischen -treten oder -sitzen seiner Person von einander absondert; daß die Botschafter selbst, nur zu erst aus Ehrgeiz und Eigenliebe, den Unterschied zwischen beyde diplomatische Rang-Stufen noch merklicher zu machen suchen und daß dieses gegenwärtig am französischen Hofe noch bey weitem mehr als bisher geschehen wird; daß ich nun, in den häufig vorkommenden Etiquette-Streitigkeiten, die Gerechtsame der wenigen Gesandten kleinerer Mächte, mit welchen ich in einer Cathegorie bleibe, sogar gegen die Botschafter der verbündeten Höfe zu verfechten haben würde2.

Die Wahl der diplomatischen Rangstufe besaß unmittelbare Auswirkungen auf den Umgang mit den Diplomaten vor Ort. Trotz der Unzulänglichkeiten, die Goltz Anfang der 1820er Jahre für Paris benannte, wurde sein Antrag jedoch abgelehnt. Einer Rangerhöhung der preußischen Diplomaten in Paris wurde erst 40 Jahre später stattgegeben. Rangstreitigkeiten waren in der Frühen Neuzeit ein omnipräsentes Problem gewesen, welches das Wiener Reglement von 1815, ergänzt durch die Vereinbarungen des Kongresses in Aachen von 1818, auf europäischer Ebene zu beheben gedachte: Es beinhaltete die Einführung von vier diplomatischen Rangstufen und beruhte auf den Prinzipien der Egalität und Anciennität3. In der Folge existierten allgemein gültige, einheitliche und verbindliche Regeln auf diplomatischer Ebene in Europa. Doch wie Goltz’ Ausführungen offenbaren, bestanden in der neu geschaffenen, scheinbar eindeutigen diplomatischen Rangordnung Konfliktpotentiale fort. Sie entfalteten sich insbesondere bei Rangerhöhungen, die im Folgenden im Mittelpunkt des Interesses stehen. So eröffneten sich innerhalb der neu gegebenen diplomatischen Rangordnung durch Rangerhöhungen Handlungsspielräume, mithilfe derer es möglich erschien, Bedeutungsverluste abzuwenden. Während Rangfragen als allgegenwärtiges Problem für die Forschung zur Frühen Neuzeit ein nahelie Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an [Karl August Fürst von Hardenberg], 25. 7. 1821, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4817. 3 Vgl. dazu Kap. 2.2.3. 2

6.1 Rangerhöhungen

253

gender Untersuchungsgegenstand sind, gelten sie für die Zeit nach 1815 als weitgehend gelöst und ziehen deshalb weit weniger Forschungsinteresse auf sich. Bemerkenswert ist beispielsweise, wie differenziert Daniel Legutke frühneuzeitliche Rangfragen in seiner Studie analysiert4. Weiterführend hat Miloš Vec die Bedeutungsverschiebungen von Rängen vom 18. zum 19. Jahrhundert betont5. In der Konsequenz werden diplomatische Rangveränderungen für das 19. Jahrhundert zwar oftmals thematisiert, aber kaum hinterfragt und begründet. Ein typisches Beispiel ist die hier zu untersuchende Rangerhöhung der preußischen Gesandtschaft zur Botschaft in Paris im Jahr 1862: Sie wird vielfach benannt, ohne dass ihre Hintergründe erläutert würden; ihre Entstehungszusammenhänge werden lediglich angerissen6. Bei Rangerhöhungen stellt sich die Frage, warum sie aus welchem Anlass und von wem ausgehend sie zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfanden. Drei Fallbeispiele werden dazu in chronologischer Reihenfolge untersucht. Die Erhebung der österreichischen Diplomaten von Gesandten zu Botschaftern fand im Jahr 1821 statt, außerdem gab es eine zeitweise Rangherabsetzung zwischen den Jahren 1848 und 1856. Die badischen Diplomaten waren seit dem Jahr 1852 nicht mehr Ministerresidenten, sondern Gesandte; auf preußischer Seite stand im Jahr 1862 die Rangerhöhung von Gesandten zu Botschaftern an. Am 9. Mai 1821 erhielt der österreichische Geschäftsträger in Paris, Binder, eine Weisung aus Laibach, wo der österreichische Kaiser für einen Kongress weilte: Sie teilte ihm mit, dass der momentan in Paris abwesende Diplomat Vincent zum Botschafter erhoben werden sollte7. Die Begründung lautete, dass der österreichische Kaiser die Beziehungen zu Frankreich »sur un pied de parfaite reciprocité« zu stellen beabsichtige8. Der französische Diplomat in Wien, Caraman, fungierte dort bereits seit seiner Ernennung im Jahr 1816 als Botschafter9. Der Aufschub lässt sich damit begründen, dass Paris als diplomatischer Standort nach 1815 erst wieder in die höchste Rangstufe aufsteigen musste. Die Entscheidung fiel im Rahmen der Neuordnung Europas, die seit Vgl. Daniel Legutke, Diplomatie als soziale Institution. Brandenburgische, sächsische und kaiserliche Gesandte in Den Haag, 1648–1720, Münster u. a. 2010 (Niederlande-­ ­Studien, 50), S. 251–293. 5 Vgl. Miloš Vec, »Technische« gegen »symbolische« Verfahrensnormen? Die Normierung und Ausdifferenzierung der Gesandtenränge nach der juristischen und politischen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.), Vormoderne politische Verfahren, Berlin 2001 (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft 25), S. 559–587. 6 Vgl. Kameke, Palais Beauharnais, S. 35; Hammer, Hôtel Beauharnais, S. 145; Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 158 f.; Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 725. 7 Vgl. [Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg] an Binder, 9. 5. 1821, HHStA St Abt F Dipl Korr 244. 8 Ibid. 9 Vgl. Karl Freiherr von Vincent an Richelieu, 7. 3. 1816, AMAE Correspondance politique Autriche 397. 4

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

dem Wiener Kongress auf mehreren Nachfolgekongressen besiegelt wurde: »Après avoir rendu la paix à l’Italie, les derniers moments de Leur réunion ont été consacrés à regler, dans le meme accord Leur sollicitude et Leur prévoyance, pour le maintien de la tranquillité générale et pour affermir de plus en plus en Europe, l’ordre légal sanctionné par les derniers Traités généraux«10. Der Kongress von Laibach hatte sich mit den Verhältnissen in Europa und insbesondere in Italien befasst11. Die Zusammenkunft der Monarchen diente zugleich dazu, die Verbindlichkeit von Verträgen zu bekräftigen und das neue konzertierte europäische Vorgehen zu betonen. Rangerhöhungen galten auf diplomatischer Ebene als Teil der europäischen Neuordnung, indem sie Bedeutungsveränderungen ausglichen. Österreich als eine der fünf Großmächte des Europäischen Konzerts wollte in Frankreich, das erst 1818 in den Kreis der Großmächte aufgenommen worden war, mit der höchsten diplomatischen Rangstufe vertreten sein. Die Ernennung des österreichischen Diplomaten Vincent zum Botschafter bereitete in der Praxis vor Ort in Paris jedoch Schwierigkeiten und stellte das neue Wiener Reglement auf die Probe. Einen Monat nach der Nachricht von der Rangerhöhung berichtete Vincent, dass er gleichzeitig mit dem russischen Diplomaten Pozzo di Borgo zum Botschafter ernannt werden sollte, wodurch zwei Probleme auftraten, die der Wiener Kongress noch nicht im Blick gehabt hatte12. Erstens waren Pozzo di Borgo und Vincent zur gleichen Zeit von Laibach nach Paris zurückgekehrt –wer also durfte dem französischen König zuerst sein neues Beglaubigungsschreiben überreichen13? Laut Anciennitätsprinzip erhielt der zuerst anwesende Diplomat den Vorzug, was in diesem Fall nicht zu ermitteln war. Der österreichische Diplomat überließ schließlich dem russischen Kollegen den Vortritt, womit die bereits bestehenden Verhältnisse aus der Zeit als Gesandter als Richtschnur dienten14. Zweitens sollte Pozzo di Borgo laut seinem Beglaubigungsschreiben als ambassadeur extraordinaire akkreditiert werden, wohingegen für Vincent der Rang eines ambassadeur ordinaire vorgesehen war. Nach dem französischen Hofzeremoniell waren sie deshalb verschieden zu behandeln, wobei folgende Definitionen zugrunde lagen: Ein ambassadeur extraordinaire reiste für eine zeitlich befristete Mission aus einem besonderen Anlass an, während sich ein ambassadeur ordinaire am Residenzort des französischen Monarchen niederließ15. Allerdings konnte auch [Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg] an Binder, 9. 5. 1821, HHStA St Abt F Dipl Korr 244. 11 Zum europäischen Kongresssystem Anfang der 1820er Jahre und insbesondere zum Kongress in Laibach vgl. Schulz, Normen und Praxis, S. 81–84. 12 Vgl. Karl Freiherr von Vincent an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 9. 6. 1821, HHStA St Abt F Dipl Korr 243. 13 Vgl. ibid. 14 Vgl. ibid. 15 Vgl. Dargainaratz, Cérémonial de la Cour, S. 12 und 35. Im Vorwort wird außerdem auf den Einschnitt, den das Wiener Reglement darstellte, Bezug genommen. 10

6.1 Rangerhöhungen

255

letztere Kategorie von Botschaftern den erst genannten Titel tragen und erfuhr in diesem Fall keine andere zeremonielle Behandlung16. Sowohl nach dieser Regelung als auch nach dem Wiener Reglement war für beide dasselbe Protokoll zu wählen, sodass die verschiedenen Titel obsolet erschienen. Gleichzeitig handelte es sich um eine althergebrachte Unterscheidung, die noch verankert war und im vorliegenden Fall Ungleichbehandlungen befürchten ließ. Vincent setzte sich mit den Wiener Vereinbarungen durch, wonach Diplomaten derselben Klasse denselben Empfang erhielten17. In der Rede, die Vincenz bei der Audienz zur Übergabe der Beglaubigungsschreiben gegenüber dem französischen König hielt, sagte er: L’Empereur, mon Souverain, en me nommant Son Ambassadeur près de Votre Majesté, au moment où des évènemens qui menaçaient l’Europe de nouveaux troubles viennent d’être reprimés plus encore par l’effet d’un concours moral que par celui d’un appareil militaire, a jugé devoir donner plus d’évidence aux rapports qui existent entre les deux Cours et aux sentimens que l’Empereur porte à Votre Majesté18.

Der neue österreichische Botschafter bekräftigte, dass es sich bei der Erhebung um eine Entscheidung des Kaisers handelte, die im Rahmen der europäischen Entwicklungen zu sehen sei. Im Zuge des Kongresses von Laibach im Jahr 1821 war seine Ernennung einvernehmlich erfolgt, obgleich die Umsetzung der Rangerhöhung in Paris einen Testfall für das Wiener Reglement darstellte. Ferner bedeutete die Rangerhöhung nicht, dass sich die österreichischen Diplomaten in Paris ihres Botschafterranges auf Dauer sicher sein konnten. Im Jahr 1848 hatte die französische Regierung im Zuge der Revolution und des Wechsels der Staatsform von der Monarchie zur Republik alle ihre Botschaften im Ausland zu Gesandtschaften herabgestuft19. Die Rangabstufung von französischer Seite zog diejenige des österreichischen Botschafters in Paris nach sich, da nach dem Reziprozitätsprinzip dieselbe Rangstufe zu vergeben war20. Erst im Jahr 1856 erlangten die österreichischen Diplomaten in Paris wieder den Rang von Botschaftern, wie aus den Tagebuchaufzeichnungen des damaligen Diplomaten Hübner und dem dortigen Eintrag vom 2. Mai 1856 hervorgeht: Vgl. ibid. Vgl. Karl Freiherr von Vincent an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 9. 6. 1821, HHStA St Abt F Dipl Korr 243. 18 Vgl. Karl Freiherr von Vincent an Klemens Wenzel Fürst von Metternich-Winneburg, 12. 6. 1821, HHStA St Abt F Dipl Korr 243. 19 Vgl. Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 656. 20 Vgl. Johann Ludwig Klüber, Europäisches Völkerrecht, Schaffhausen 21851, S. 214. Die Einhaltung dieses Grundsatzes, der aus Gründen gegenseitigen Respekts allgemein wünschenswert erschien, war jedoch nicht zwangsläufig notwendig. Wie zu Beginn dieses Fallbeispiels angeführt, wurde die Reziprozität zwischen dem österreichischen Diplomaten in Paris und seinem Gegenpart in Wien erst im Jahr 1821 hergestellt. Vgl. dazu auch Bluntschli, Das moderne Völkerrecht, S. 132. 16 17

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

Ein großer Tag für mich und meine Kinder! Der Kurier Uhl überbringt mir die Nachricht, daß der Kaiser beschlossen habe, seine Botschaft in Paris wieder herzustellen und mich zu seinem Botschafter zu ernennen. Melanie, der ich dieses Geheimnis anvertraute, ist reizend. Für mich bedeutet dieses Ereignis den auf dem Schlachtfelde errungenen Marschallstab. Obwohl die Wiederherstellung unserer Botschaft in Paris eine absolute Notwendigkeit geworden war, hatte ich Buol gegenüber diese brennende Frage niemals zur Sprache gebracht, und er verließ Paris, ohne mit mir darüber gesprochen zu haben. Aber kaum in Wien angekommen, brachte er die Sache in Ordnung. Dies war sehr gentlemenlike21.

Hübners Aufwertung zum Botschafter erfolgte aufgrund seiner Verdienste im Rahmen der Pariser Friedenskonferenz von 1856, die den Krimkrieg beendete und im gleichen Zuge die österreichisch-französischen Beziehungen konsolidierte: Hübner hatte neben dem österreichischen Außenminister Buol als österreichischer Delegierter daran teilgenommen, woraufhin sich ersterer in Wien für dessen Ernennung eingesetzt hatte22. Die Rangerhöhung verlief außerdem reziprok, da François-Adolphe de Bourqueney, der ebenfalls an der Konferenz teilgenommen hatte, im Juni 1856 zum französischen Botschafter in Wien ernannt wurde23. Noch einige Monate später schien Hübner von der Rangerhöhung sehr angetan, da er hinsichtlich des Neujahrsempfangs des diplomatischen Korps in Paris im Januar 1857 in seinem Tagebuch festhielt: »Ich benütze zum ersten Male meine Botschafter-Equipagen. Die Dienerschaft hat ihre Galalivree an. Das Ganze ist einfach, elegant und ziemlich schön«24. Die Rangerhöhung besaß für die Diplomaten vor Ort einen unmittelbar transformierenden Charakter. Sie ließ sich mittels der Kleidung demonstrieren und äußerte sich auf persönlicher Ebene durch Hübners Hochstimmung. Es handelte sich nach den Rangher­absetzungen des Jahres 1848 um einen sichtbar wiedererlangten Gewinn an Bedeutung, mit dem ein empfundenes Defizit an Anerkennung beseitigt wurde.

Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 1, S. 247. Vgl. Graf Karl Ferdinand von Buol-Schauenstein an Franz Joseph I., 6. 5. 1856, HHStA MdÄ AR F 4 144. Winfried Baumgart wertet die Rangerhöhung »als besonderes Zeichen für den eben abgeschlossenen Frieden und der gegenseitigen Wertschätzung der beiden Souveräne«, Baumgart, Europäisches Konzert, S. 134. Zur österreichischen Haltung während des Krimkrieges und der Pariser Friedenskonferenz vgl. Klaus Koch, L’Autriche au congrès de Paris, in: Gilbert Ameil, Isabelle Nathan, Georges-Henri Soutou (Hg.), Le congrès de Paris 1856. Un événement fondateur, Brüssel u. a. 2009, S. 61–65; Anselm Doering-Manteuffel, Vom Wiener Kongress zur Pariser Konferenz. England, die deutsche Frage und das Mächtesystem 1815–1856, Göttingen, Zürich 1991 (Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London, 28), S. 319–322; Schulz, Normen und Praxis, S. 352. 23 Vgl. Art. »Bourqueney, François-Adolphe de«, in: Gaston Cougny, Adolphe Robert (Hg.), Dictionnaire des parlementaires français, Paris 1889, Bd. 1, S. 449. 24 Vgl. Hübner, Neun Jahre, Bd. 2, S. 1. 21 22

6.1 Rangerhöhungen

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Für die badischen Diplomaten, das zweite Fallbeispiel, brachte die Anerkennung des Zweiten Kaiserreichs um den Jahreswechsel 1852/1853 eine Rangänderung: Der damalige Diplomat Schweizer wurde vom Ministerresidenten zum Gesandten erhoben. Die Bitte um eine Rangerhöhung ging von Schweizer aus, der in seiner vertraulichen Korrespondenz mit dem badischen Außenminister Rüdt die neue Situation in Frankreich anführte: »[E]n ce moment il est un certain discours intérieur auquel tout agent diplomatique doit se conformer, et qui varie selon les temps et les usages du pays où l’on réside«25. Worin bestand dieser angestoßene »innere Diskurs«, dem die Diplomaten stattgeben mussten? Schweizer betonte, dass er wisse, dass seine Aufgabe als Ministerresident nicht im Repräsentieren bestehe, aber momentan Veränderungen im Gange seien, denen sich ein Diplomat anpassen müsse26. Während zur Zeit der Julimonarchie Schlichtheit gefragt gewesen sei, hätten die Audienzen für das diplomatische Korps aus Anlass der Übergabe der Beglaubigungsschreiben gezeigt, dass nun ein anderes, in jedem Fall aufwändigeres Zeremoniell je nach Rang vorherrsche27. Unter der Julimonarchie sei es noch möglich gewesen, per kleiner Kutsche oder Pferd am Hof anzukommen, während nun Folgendes festgelegt sei: 1° que les Ambassadeurs seraient cherchés par les Maîtres des Cérémonies dans deux voitures à quatre chevaux, précédées des piqueurs. 2° que les Envoyés extraordinaires et Ministres plénipotentiaires, ainsi que les Ministres plénipotentiaires tout court, seraient cherchés par les Maîtres des Cérémonies dans une voiture à deux chevaux, précedés d’un piqueur. 3° et enfin que les Ministres résidents se rendraient de leur côté aux Tuileries sans cérémonial28.

Die Wahl des Transportmittels und die Art des Empfangs durch französische Hofangestellte ermöglichten es im Zweiten Kaiserreich, mittels verschiedener Rangstufen Hierarchien abzubilden. Die Ministerresidenten gerieten dadurch laut Schweizer zunehmend ins Hintertreffen, was sich durch die Einführung einer neuen Klasse – den ministres plénipotentiaires – noch verstärke: Zu diesen gehörten etwa die Vertreter der Toskana und kleinerer amerikanischer Staaten, die der zweiten diplomatischen Rangstufe zugeordnet wurden29. Auf diese Weise bewegten sie sich noch vor den Ministerresidenten, die der dritten Rangstufe angehörten30. Hinzu komme, so Schweizer, dass in Paris nur Schein und Eitelkeit zähle. In weiteren Schreiben wies er darauf hin, dass die finanziellen Ausgaben sich erhöhen würden, da nun Wert auf luxuriöse

Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 4. 12. 1852, GLA 48/3152. 26 Vgl. ibid. 27 Vgl. ibid. 28 Ibid. 29 Vgl. ibid. 30 Für diese Einordnung vgl. auch Martens, Geffcken, Le Guide diplomatique (1866), S. 60. 25

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

Kleidung, Fahrzeuge etc. gelegt werde31. Gleichzeitig trennte er eindeutig zwischen seiner Person und dem Amt: »Ce n’est pas ma personne qui se trouve ici en jeu, c’est le représentant de Son Altesse Royale«32. Er wollte kein persönliches Interesse an diesen gehobenen Ansprüchen bekunden, sondern sah vielmehr das Ansehen des Großherzogtums gefährdet. Schweizers Beurteilung der Situation war mehrschichtig. Er führte sowohl harte Argumente als auch weiche Faktoren an: Das Zeremoniell demonstriere den Rang, die Bedeutung von moralischen Kategorien wie der Eitelkeit habe zugenommen. Außerdem ging er sprachstrategisch geschickt vor, indem er betonte, dass für ihn persönlich eine Rangerhöhung nicht erforderlich sei, aber die Situation und der gefährdete Status von Baden erforderten Veränderungen. Der Wechsel der Staatsform von der Republik zur Monarchie brachte für die Diplomaten vor Ort Änderungen mit sich. Im Zweiten Kaiserreich erlangte das Zeremoniell am französischen Hof neue Wichtigkeit: Für Napoleon III., zuvor als Louis Napoleon Präsident der Zweiten Republik, unterstrichen die demonstrativ monarchischen Formen seine neue hervorgehobene Bedeutung als Kaiser, womit er zugleich eine Restauration des Kaiserreichs von Napoleon I. durchführte33. Im Hinblick auf die diplomatischen Rangstufen war der Rang des Ministerresidenten, wie ihn Schweizer besaß, untragbar geworden. Mit jeder Rangstufe waren bestimmte Verhaltensregeln verbunden, die verschieden auslegbar und veränderbar waren. Am prunkvollen französischen Hof des Zweiten Kaiserreichs wurde beispielsweise, wie gesehen, der Empfang neu geregelt. Außerdem spielte es eine Rolle, welche Rangstufe die Diplomaten anderer Staaten wählten. Die Verschiebungen in der Bedeutung von Ministerresidenten machten eine Rangerhöhung erforderlich und ließen die praktischen Konsequenzen in Form erhöhter Ausgaben notwendig erscheinen. Die badische Rangerhöhung war insgesamt eine Anpassungsmaßnahme und eine Reaktion auf die veränderten Verhältnisse durch einen Staatsform- und Regierungswechsel. Letzterer war zugleich eine günstige Gelegenheit für Rangveränderungen, da alle diplomatischen Vertreter in Paris neue Beglaubigungsschreiben überreichen mussten, mit denen unter anderem die diplomatische Rangstufe festgelegt wurde34. Die preußische diplomatische Vertretung in Paris, das dritte und letzte Fallbeispiel, besaß lange den Rang einer Gesandtschaft. Der eingangs angeführte Versuch des preußischen Diplomaten Goltz, wie im Fall von Österreich und Russland eine Rangerhöhung im Jahr 1821 herbeizuführen, war zunächst gescheitert: Der Antrag stieß in Berlin auf Ablehnung, »da es schon

Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 4. 12. 1852 und 6. 12. 1852, GLA 48/3152. 32 Ibid. 33 Vgl. Willms, Napoleon III., S. 108. 34 Vgl. dazu Kap. 5.4. 31

6.1 Rangerhöhungen

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so lange Manier ist, keine Botschafter zu haben«35. Goltz hatte selbst darauf in seinem Antrag hingewiesen: »Unser Hof hatt freylich noch nicht dergleichen Repräsentanten bey fremden Höfen gehabt«36. Das Königreich Preußen verfügte bis zu Beginn der 1860er Jahre generell über keine diplomatischen Vertreter im Rang eines Botschafters im Ausland37. Die französische Gegenseite in Berlin entsprach den Vorstellungen, wenngleich dort mitunter Unmut über die preußische Praxis herrschte. Um 1800 beschwerte sich der französische Diplomat Beurnonville in Berlin darüber, dass er nicht als Botschafter am dortigen Hof, wo kein Diplomat diesen Titel trug, akkreditiert worden sei38. In der bisherigen Forschung wird betont, dass die französische Seite bei der europäischen Neuordnung um 1815 absichtlich keine Botschafter in Berlin eingesetzt habe. Reiner Marcowitz wertet den Verzicht als Ausdruck der »schlechten Beziehungen Frankreichs zu Preußen«39, und Karl Hammer stellt heraus: »Obwohl Preußen seit Friedrich dem Großen als Großmacht galt und jetzt nach 1814 zu den Siegermächten zählte, verzichtete man bewußt darauf, der Stellung Preußens als Großmacht durch Rangerhöhung der diplomatischen Vertretung besondere Anerkennung zu verleihen«40. Abgesehen von diesen Motiven waren die diplomatischen Praktiken ausschlaggebend dafür, dass beide Seiten die höchste Rangstufe eines Botschafters zu diesem Zeitpunkt vermieden. Aus preußischer Sicht bestand keine Notwendigkeit, mit dem bisherigen Gebrauch zu brechen; die französische Seite schien dies zu akzeptieren, indem sie keinen Diplomaten im Rang eines Botschafters nach Berlin entsandte. Ranganpassungen fanden deshalb auf preußisch-französischer Ebene zu Beginn des Untersuchungszeitraums noch nicht statt. Der entscheidende neue Anlauf, preußische Botschafter im Ausland zu etablieren, ging im Juli 1862 wieder von Paris aus, wo Otto von Bismarck seit zwei Monaten die diplomatische Vertretung leitete41. Er beanstandete in ei-

Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an [Karl August Fürst von Hardenberg], 25. 7. 1821, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4817; Notiz von Karl August Fürst von Hardenberg, ohne Datum, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 4817. 36 Karl Heinrich Friedrich Graf von der Goltz an [Karl August Fürst von Hardenberg], 25. 7. 1821, GStA PK, III. HA MdA I Nr. 4817. 37 Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 158. 38 Vgl. Michel Kerautret, L’année 1800 vue de Berlin. L’ambassade de Beuronville, in: Revue d’histoire diplomatique 117 (2003), S. 101–132, hier S. 116. 39 Marcowitz, Großmacht auf Bewährung, S. 81. 40 Hammer, Die französische Diplomatie, S. 43. 41 Für die folgende Betrachtung ist zu beachten, dass Bismarck während seiner nur wenige Monate dauernden Mission in Paris im Jahr 1862 oft abwesend war und im Sommer des Jahres mehrere Wochen in Biarritz verbrachte, sodass der Legationssekretär Reuss viele Geschäfte in der französischen Hauptstadt führte. Dass das hier betrachtete Gesuch jedoch von Bismarck ausging, zeigt der Umstand, dass er darin die Situation in Paris mit seinem vorherigen Posten in St. Petersburg vergleicht, wo Reuss erst im Jahr 1867 Diplomat werden sollte. Zu Bismarcks oftmaliger Abwesenheit vgl. Gall, Bismarck, S. 267; zur Biographie 35

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

nem Schreiben an Außenminister Bernstorff in Berlin die Empfangspraxis des französischen Außenministers gegenüber den in Paris ansässigen Diplomaten: [Es sei dort] seit einigen Jahren der Gebrauch aufgekommen, daß die Botschafter sofort bei ihrem Eintritt empfangen werden und den sämtlichen, schon stundenlang wartenden, Gesandten vorgehen. […] Sind die festgesetzten 2 Stunden abgelaufen, so werden die bis dahin nicht empfangenen Missions-Chefs durch den Huissier benachrichtigt, daß der Herr Minister bedauert sie nicht mehr sehen zu können42.

Aufgrund dieser Praxis und eines konkreten Vorfalls – der türkische Botschafter hatte trotz Bismarcks langen Wartens sofort Einlass erhalten  – habe er in der Folge die Problematik gegenüber dem französischen Außenminister angesprochen. Jener habe Verständnis gezeigt, aber sich nicht zuständig gefühlt, »er selbst aber habe nicht den Beruf ›de faire la police du corps diplomatique‹«43. Außerdem führte Bismarck an, dass die sechs Botschafter aus Österreich, Russland, Großbritannien, Spanien, der Türkei und dem Vatikan ebenfalls nicht entscheidend weiterhelfen könnten44. Aus seiner Sicht gebe es zudem keinen Grund, Botschaftern aus Rangfragen den Vortritt zu lassen, da es sich um ein »geschäftliches rendez-vous« handele und »solle dabei der Rang entscheiden, so müßte auch der früher accreditirte seinen jüngere Collegen in derselben Woche vorgehen«45. Er argumentierte mit dem Anciennitätsprinzip, das dem Wiener Reglement eigen war und wonach sich die protokollarische Rangordnung innerhalb jeder Rangstufe nach dem Termin richtete, an dem der Diplomat vor Ort akkreditiert worden war. Auf diese Weise deckte er vermeintliche Inkohärenzen in der Anwendung des Wiener Reglements auf, wobei er selbst die Empfänge beim Außenminister nicht darunter zählen wollte. Nach der Schilderung der Situation sowie seiner Versuche, sie zu ändern, appellierte er an Berlin, mit dem Hinweis, »wie verletzend für den Vertreter Preußens die Unterschiede sind, welche namentlich in London und hier zwischen Botschaftern und dem Gesandten gemacht werden«46. Schließlich argumentierte er, dass die Unterschiede zwischen den beiden Rangstufen bei einem anderen Aspekt, dem Kostenaufwand, von Reuss vgl. James Stone, Winfried Baumgart (Hg.), Heinrich VII. Prinz Reuß, Botschafter unter Bismarck und Caprivi. Briefwechsel 1871–1894, Paderborn u. a. 2015, S. 24. 42 [Otto von Bismarck-Schönhausen] an Albrecht Graf von Bernstorff, 24. 7. 1862, GStA PK, I. HA Rep. 81 Paris I Nr. 14. 43 Ibid. 44 Seine Begründung lautete, dass der russische, spanische und englische Botschafter momentan abwesend seien, wobei letzterer »die Vorrechte der Botschafter mit einiger Leidenschaftlichkeit vertrete«. Den Nuntius und den türkischen Botschafter kenne er nicht gut genug und der österreichische Botschafter habe gute Vorschläge gemacht, nämlich die Empfangszeiten anzupassen. Vgl. ibid. 45 Ibid. 46 Ibid.

6.1 Rangerhöhungen

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wiederum nicht schwer zu tragen kämen, wobei er seine Erfahrungen in Paris sowie auf seinem vorherigen Posten in St. Petersburg anführte. Bismarcks Kritik und ihr Zeitpunkt lassen sich darauf zurückführen, dass er als neuer preußischer Diplomat in Paris einen frischen Blick auf die dortige Situation besaß und nicht gedachte, empfundene Unzulänglichkeiten fortzuführen. Den Anlass und das Kernstück seiner Argumentation bildete die Empfangspraxis des französischen Außenministers, die dem dort geltenden Zeremoniell zuzuordnen ist. Das Zeremoniell war schriftlich fixiert und von den Gegebenheiten vor Ort abhängig, weshalb es sich etwa, wie im badischen Fall gesehen, bei Regierungs- und Staatformwechseln ändern konnte. Dieser Umstand lag aber nun nicht vor und der französische Außenminister nahm zwar das Problem wahr, wies aber jedwede Schuld daran von sich, indem er es als interne diplomatische Angelegenheit darstellte. Dass die bestehenden Verhältnisse von den betroffenen Diplomaten in Paris bisher akzeptiert worden waren, lag daran, dass die Botschafterkollegen ob ihrer Privilegien keinen Grund zur Beschwerde sahen und der restliche, weniger einflussreiche Kollegenkreis sie offensichtlich hingenommen hatte. Entscheidend war deshalb, dass der Handlungsbedarf, den Bismarck gegenüber seinen Vorgesetzten in Berlin darlegte, bei ihnen auf Resonanz stieß und von dort aus in eine Rangerhöhung mündete. Bismarcks Gesuch fand in Berlin große Zustimmung und veranlasste die preußische Regierung zum Handeln: Depuis que toutes les Grandes Puissances, à l’exception de la Prusse, et même quelques Puissances de second ordre, se font représenter à Paris par des Ambassadeurs, les inconvenients qui résultent pour la Prusse de cette position exceptionnelle, n’ont pu nous échapper. Comme, de l’autre côté, le Gouvernement français nous a confidentiellement fait savoir par M. le Marquis de Cadore, qu’il serait disposé à élever sa Mission à Berlin au rang d’Ambassade, si le Gouvernement du Roi jugeait à propos de se faire représenter par un Ambassadeur auprès du Gouvernement de l’Empereur, je viens charger aujourd’hui Votre Altesse de faire connaître à M. le Ministre des affaires étrangères que nous avons l’intention d’élever notre Ministre à Paris au rang d’Ambassadeur, dès que nous serons officiellement instruits de la même intention de la part du Gouvernement Impérial à l’égard de son Représentant à Berlin47.

Für die Rangerhöhung waren zwei Kriterien ausschlaggebend. Erstens sei es üblich geworden, dass Großmächte Botschafter in der französischen Hauptstadt akkreditieren ließen, weshalb das Königreich Preußen nicht länger zurückstehen könne. In Paris waren auf diese Weise der Großmachtstatus und der Botschafterrang unmittelbar miteinander verknüpft. Gleichzeitig war der Botschafterrang kein Privileg der Großmächte, da Staaten »zweiten Rangs« diesen ebenfalls für sich in Anspruch nähmen. Die Positionen im europäischen Staatensystem  – wie der Großmachtstatus, die Rangstufe und die 47

Vgl. Albrecht Graf von Bernstorff an Heinrich VII. Prinz Reuss, 16. 9. 1862, GStA PK, I. HA Rep. 81 Paris I Nr. 14.

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

geltende Praxis vor Ort – waren miteinander verzahnt. Zugleich war dieses Dreiecksverhältnis dynamisch, wie der Schritt von preußischer Seite, den Botschafterrang für seine Diplomaten in Paris einzuführen, verdeutlicht. Er muss als Maßnahme gewertet werden, sich der neueren Praxis in der französischen Hauptstadt zu beugen und sich ihr in Form der Rangerhöhung anzupassen, um selbst den errungenen Status als Großmacht angemessen abgebildet zu wissen. Das zweite wichtige Kriterium war ein reziprokes Vorgehen: Eine preußische Rangerhöhung in Paris musste mit einer französischen Rangerhöhung in Berlin einhergehen. Dazu waren Abstimmungen erforderlich, die im vorliegenden Fall aufgrund des nun beiderseitig bestehenden Interesses an dieser Rangerhöhung offensichtlich unproblematisch verliefen48. Die preußische Rangerhöhung in Paris im Jahr 1862 fand auf Initiative des dortigen Diplomaten statt und die Umstände zwangen die preußische Regierung dazu, mit ihrem bestehenden Verfahren zu brechen, nur Gesandte ins Ausland zu entsenden. Die einvernehmliche Reziprozität und der Zeitpunkt der Rangaufwertung lassen sich darüber hinaus mit dem preußisch-französischen Handelsvertrag von 1862 erklären, der die Beziehungen intensivierte: Die Erhebung der französischen Gesandtschaft zur Botschaft in Berlin wurde anlässlich der Vertragsunterzeichnung begangen49. In demselben Jahr wurde zudem ein preußischer Botschafter in London ernannt, sodass die neue preußische Rangregelung nicht auf den Standort Paris bezogen blieb50. Die grundlegende preußische Skepsis gegenüber dem Botschafterrang bestand jedoch fort. Bismarck schrieb in einem Brief an seine Ehefrau vom 21. September 1862 aus Berlin, wo er weilte, um seine dortigen Aufstiegsmöglichkeiten zu evaluieren: Unsre dortige [Pariser] Gesandtschaft wird jetzt zur Botschaft erhoben, und wenn Du hinkommst, so wirst Du als ambassadrice Deinen Empfang vor einem leeren Throne abhalten und allerhand andre lästige Ceremonien durchmachen müssen, wie die Montebello und die Napier. Viel Ehre wenig Vergnügen, aber im Ganzen doch viel angenehmer als hier51.

Bismarck, der selbst zur Rangerhöhung in Paris beigetragen hatte, kritisierte die zusätzlichen Verpflichtungen und Privilegien einer Botschaftergattin. Seine hier offenkundige persönliche Abneigung gegenüber dem Botschafterrang stand jedoch nicht im Widerspruch zu seinen vorherigen Ambitionen, ihn zu

Vgl. [Heinrich VII. Prinz Reuss] an [Minister für Auswärtige Angelegenheiten in Berlin], 26. 9. 1862, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris I Nr. 14. 49 Vgl. Baillou, Pelletier, Les affaires étrangères, S. 725. 50 Weitere Rangerhöhungen gab es erst im Jahr 1871, als die Vertretungen in Wien und St. Petersburg – dann aber für das deutsche Kaiserreich – zu Botschaften erhoben wurden. Vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 159 f. 51 Bismarck (Hg.), Fürst Bismarcks Briefe, S. 512. 48

6.1 Rangerhöhungen

263

etablieren52. In seinem Appell hatte er nicht den zusätzlichen Aufwand, der mit der höchstmöglichen diplomatischen Rangstufe einherging, gutgeheißen. Seine Sorge hatte vielmehr der angemessenen Repräsentation Preußens gegolten, die seiner Ansicht nach nur mit dem Botschafterrang würdig abgebildet war, wovon der Umgang mit dem Diplomaten vor Ort abhing. Da Bismarck außerdem alsbald seine neue Aufgabe als Ministerpräsident Preußens in Berlin antrat, wurde die beschlossene Rangerhöhung auf preußischer Seite an seinem Nachfolger auf dem Pariser Posten vollzogen: Goltz war mit seiner Akkreditierung am 17. Januar 1863 der erste preußische Botschafter in der französischen Hauptstadt53. Insgesamt hatte das Wiener Reglement von 1815 die frühneuzeitlichen Rangkonflikte insofern gelöst, als es auf den Prinzipien der Egalität und Anciennität basierte. Die drei Fallbeispiele zeigen jedoch, dass die angestrebte Gleichheit nur eingeschränkt existierte: Ungleichheiten ließen sich durch das vorhandene Spektrum an diplomatischen Rangstufen weiterhin abbilden. Nur wenige Diplomaten in Paris besaßen den höchsten Rang eines Botschafters, wohingegen die rangniedrigeren Diplomaten dominierten54. Zudem lässt sich anhand der fünf untersuchten Staaten ersehen, wie das Rangspektrum ausgeschöpft wurde. Österreich bevorzugte den Botschafterrang und ließ sich nur vorübergehend vor 1821 und nach 1848 durch Gesandte in Paris vertreten. Preußen entsandte vergleichsweise lange Gesandte und verwendete erst ab den 1860er Jahren den Botschafterrang. Bayerns Vertreter in Paris besaßen kontinuierlich den Rang eines Gesandten, Badens Ministerresidenten stiegen in den 1850er Jahren zu Gesandten auf und hessen-darmstädtische Diplomaten blieben stets im Rang eines Ministerresidenten. Der Rang eines Geschäftsträgers kam schließlich immer wieder temporär, vor allem bei provisorischen Regierungsverhältnissen, zum Tragen55. Welcher Rang aber galt für einen Diplomaten als angemessen und welche Funktion übernahmen in diesem Zusammenhang Ranganpassungen? Folgende fallübergreifende Faktoren lassen sich für die Wahl des adäquaten Ran Zur Abneigung Bismarcks gegenüber dem Botschafterrang vgl. Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 160. 53 Vgl. Hammer, Hôtel Beauharnais, S. 145; Struckmann, Preußische Diplomaten, S. 107. 54 Insgesamt waren bspw. im Jahr 1870 in Paris Diplomaten mit folgenden Rängen ansässig: 7  Botschafter (Heiliger Stuhl, Österreich, Türkei, Großbritannien und Irland, Russland, Spanien, Preußen und Norddeutscher Bund), 19 Gesandte (Sachsen, Baden, Honduras, Württemberg, Schweiz, Schweden und Norwegen, Nicaragua, Dänemark, Italien, Argentinien, Belgien, San-Salvador, Niederlande, Brasilien, Bayern, Griechenland, Vereinigte Staaten von Nordamerika, Portugal, Chile), 4  Ministerresidenten (Ecuador, Sachsen-Coburg-Gotha, Hessen-Darmstadt, Kolumbien) und 8 Geschäftsträger (Monaco, Hawaii, Luxemburg, Paraguay, Dominikanische Republik, Peru, Guatemala, Persien). Vgl. 31e liste de MM. les membres du corps diplomatique dans l’ordre de la remise de leurs lettres de créance, 15. 4. 1870, AMAE Protocole Série A 115. 55 Für die Ränge der einzelnen Diplomaten siehe die Personalübersicht im Anhang 8.2. 52

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ges identifizieren. Ein Grund bestand in der Gewohnheit. Bei preußischen Diplomaten war es üblich, dass sie bis in die 1860er Jahre generell höchstens den Rang von Gesandten besaßen. Eine ähnliche Praxis verfolgte die US-Diplomatie56. Ausschlaggebend war ferner die Ansicht, dass Diplomaten von Großmächten der höchste Rang eines Botschafters zustehe, während für kleinere Staaten Diplomaten im Rang von Gesandten, Ministerresidenten und Geschäftsträgern ausreichend seien57. Daran schließt an, dass die diplomatische Rangstufe der politischen Bedeutung eines Staates und seiner Stellung im Staatensystem entsprechen sollte. Im Zeitalter des Europäischen Konzerts besaß die Pentarchie, also Russland, Österreich, Preußen, Frankreich und Großbritannien, einen Hegemonialanspruch, wodurch Ungleichheiten trotz des neuen Egalitätsprinzips fortbestanden58. Die Rangerhöhungen auf österreichischer und russischer Seite im Zuge des Kongresses von Laibach müssen im Rahmen dieser Neuordnung des europäischen Staatensystems gesehen werden, auch Großbritannien bestand auf dem Botschafterrang in Paris59. Gleichzeitig waren der Botschafterrang und der Großmachtstatus nicht notwendigerweise aneinander gekoppelt; Preußen wandte erst ab den 1860er Jahren die höchste diplomatische Rangstufe an und Staaten, die nicht zur Pentarchie gehörten, waren ebenfalls im Rang einer Botschaft in Paris vertreten. Eine weitere Rolle spielte die Staatsform: Der Botschafterrang galt mitunter als monarchisch, im republikanischen Frankreich wurde er im Jahr 1848 abgeschafft; während der Julimonarchie stand der Rang von Ministerresidenten oder Geschäftsträgern nur den Vertretern von Großherzogtümern oder Herzogtümern zu60. Auf diese Weise erfordeten insbesondere die Rangverhältnisse in Frankreich mit seinen Wechseln der Staatsform immer wieder Anpassungen, wie die zeitweise österreichische Rangherabsetzung zeigt. Finanzielle Möglichkeiten waren zudem insbesondere bei kleineren Staaten nicht zu vernachlässigen: Je höher die Rangstufe, desto höher waren Aufwand sowie damit verbundene Kosten, wie der badische Fall zeigt61. Ein entschei In den republikanischen Vereinigten Staaten von Nordamerika galten Botschafter zumindest im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert als teuer, überflüssig und monarchisch. Wie im preußischen Fall wurde jedoch der bevorzugte Zugang von Botschaftern zu den Entscheidungsträgern wahrgenommen und problematisiert, ebenfalls festgemacht am Standort Paris. Zum ersten US-Botschafter wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts Thomas Bayard in Großbritannien ernannt. Vgl. Nickles, US Diplomatic Etiquette, S. 289 f. und 292–294. 57 Vgl. Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris, S. 17; Baumgart, Europäisches Konzert, S. 134 f.; Duchhardt, Der Wiener Kongress, S. 99. 58 Vgl. Paulmann, Pomp und Politik, S. 68 f.; Schulz, Normen und Praxis, S. 542. 59 Ein eindrückliches britisches Beispiel findet sich in Kap. 5.3. 60 Vgl. Wurm, Ueber den Rang, S. 576 und 578; Bluntschli, Das moderne Völkerrecht, S. 130. 61 Nach Jürgen Schuhladen-Krämer kostete im badischen Fall der Gesandtenrang 15 000 Gulden pro Jahr, während der finanzielle Aufwand für einen Geschäftsträger vielleicht 6000 Gulden betrug, vgl. Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris, S. 18. Au56

6.2  Übernahme hessen-darmstädtischer Geschäfte durch Baden

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dender Aspekt waren schließlich die relativen Rangverhältnisse, das heißt der stetige Blick auf die Rangpraktiken der anderen Staaten und ihrer diplomatischen Vertreter vor Ort in Paris. Der badische Diplomat legte deutlich dar, wie sich die Position von Ministerresidenten am französischen Hof um das Jahr 1852 verändert hatte. Außerdem wies der preußische Vertreter Anfang der 1860er Jahre darauf hin, dass auch Staaten zweiten Ranges sich bereits durch Botschafter in Paris vertreten ließen. Neben den genannten Faktoren, die zusammengenommen die Wahl des Rangs mitbestimmten, bewiesen sich die Diplomaten in Paris bei Ranganpassungen als Gestalter internationaler Beziehungen vor Ort. Die badische und die preußische Rangerhöhung kamen auf Initiative der Diplomaten hin zustande, und wenngleich der Impuls zur österreichischen Rangerhöhung vom Kongress in Laibach ausging, zeigte sich der betroffene Diplomat in Paris ebendort aktiv bemüht, das Wiener Reglement in Einklang mit dem französischen Zeremoniell zu bringen. Letzteres Problem sollte sich als neu und grundlegend erweisen, da es erst im Untersuchungszeitraum durch die europaweite Einführung diplomatischer Rangstufen mit dem Wiener Reglement von 1815 aufkam: Einheitliche und verbindliche Regelungen auf diplomatischer und europäischer Ebene standen nun der Praxis vor Ort sowie dem französischen Zeremoniell und seiner Auslegung gegenüber. Dieses Dilemma trat bei Rangerhöhungen zum Vorschein, ließ sich aber zugleich durch sie lösen. Rangerhöhungen fungierten als Mittel der Anpassung an veränderte Verhältnisse wie etwa im europäischen Staatengefüge oder durch Staatsform- und Regierungswechsel. Es gilt gleichwohl zu betonen, dass trotz des grundlegenden Prinzips der Reziprozität zeitversetzt gehandelt werden konnte, indem eine Ranganpassung zunächst einseitig stattfand. Durch Rangerhöhungen ließ sich eine als ungenügend empfundene Anerkennung des jeweiligen Diplomaten vor Ort verbessern oder – bei vorhergehenden Rangherabsetzungen – wieder herstellen. Im Selbstverständnis der Diplomaten sowie ihrer Entsendenden ermöglichten sie es, Bedeutungsverluste abzuwenden. Eine Lösung diplomatischer Relevanzkrisen bestand darin, den Status durch Ranganpassungen zu ändern.

6.2 Siegel überantworten:die vorübergehende Übernahme hessen-darmstädtischer Geschäfte durch Baden Eine andere Form der Relevanzkrise offenbart der doppelte Vertretungsauftrag, den der Diplomat Ferdinand von Schweizer in den Jahren 1848 bis 1853 in ßerdem gab es im 19. Jahrhundert eine neue Sensibilität in Kostenfragen, die im Kontext der Rationalisierung diplomatischer Formen gesehen werden muss. Vgl. Vec, Technische gegen symbolische Verfahrensnormen, S. 581.

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

Paris besaß und den er auf folgende Weise in seiner Unterschrift zu vereinen versuchte: »[L]e Ministre de Bade, Chargé provisoirement des Affaires de Hesse Grand Ducale«62. Der zweite Titelteil ist hier von besonderem Interesse, da er einen Status widergibt, der per se vorübergehend und deshalb schwer zu fassen war. Er rührte daher, dass Schweizer als badischer Diplomat von hessen-darmstädtischer Seite gebeten worden war, ihre Geschäfte nach Abzug ihres Diplomaten Drachenfels aus Paris zeitweise mit auszuführen. Aus badischer Sicht handelte es sich um eine Geschäftsübernahme, mit der eine zusätzliche diplomatische Verantwortung einherging. Demgegenüber bedeutete aus hessen-darmstädtischer Perspektive die Übergabe der eigenen Geschäfte, Pflichten abzugeben – quasi die Siegel zu überantworten –, ohne die diplomatische Präsenz vollständig aufzugeben. Dadurch, dass ein eigener Vertreter von Hessen-Darmstadt eingespart wurde, stellte der Vorgang zugleich die Existenz eines Diplomaten an sich zumindest temporär infrage. In der Forschung scheint diese Form der diplomatischen Vertretung bisher keine spezielle Beachtung zu finden, was ihrer vermeintlich geringen Bedeutung und ihrem schwer fassbaren Charakter geschuldet sein mag. Deshalb dient das vorliegende Fallbeispiel gleichfalls dazu, sie im Folgenden näher systematisch zu betrachten. Die Voraussetzung für eine provisorische Geschäftsübergabe war, dass es einen Anlass gab, weshalb der bisherige hessen-darmstädtische Diplomat Drachenfels aus Paris abreisen musste. Drachenfels sollte die französische Hauptstadt im Jahr 1848 aufgrund von Regierungswechseln auf beiden Seiten in revolutionären Zeiten sowie der Aussicht, dass ein gesamtdeutscher Diplomat in Paris seine Tätigkeit aufnehmen könnte, verlassen63. Die veränderten, erst einmal unklaren Verhältnisse ließen die diplomatischen Beziehungen provisorisch erscheinen, wobei das deutsche Gesandtschaftswesen in seiner bisherigen Form in Frage stand. Von hessen-darmstädtischer Seite wurden deshalb Konsequenzen gezogen, die nicht nur ihre Diplomaten in Paris betrafen, sondern auch diejenigen in Wien und Berlin, da diese ihre Tätigkeit ebenfalls niederlegen mussten64. Die Ursachen für die Abreise von Drachenfels lagen somit in Entwicklungen, auf die an anderer Stelle genauer eingegangen wird65. Hier ist relevant, dass Drachenfels mit seinem Abreisebefehl den Auftrag aus Darmstadt erhielt, die »einstweilige Fortsetzung der nöthigen Geschäfte« an die badische Gesandtschaft abzugeben66. Die Wahl von Baden für diese Aufgabe, die nicht weiter begründet wurde und deshalb selbstverständlich erschien, lässt sich nicht nur auf die räumliche Nähe der Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 11. 11. 1852, GLA 48/3152. 63 Vgl. Konrad Wilhelm Hallwachs an Adolph Freiherr von Drachenfels, 26. 6. 1848, HStAD G 3 26/8. 64 Vgl. ibid. 65 Vgl. dazu die Kap. 5.3 und 6.3. 66 Vgl. Konrad Wilhelm Hallwachs an Adolph Freiherr von Drachenfels, 26. 6. 1848, HStAD G 3 26/8. 62

6.2  Übernahme hessen-darmstädtischer Geschäfte durch Baden

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beiden Territorien, sondern auch auf die engen Verwandtschaftsbeziehungen zurückführen: Auch im Jahr 1845, als die hessen-darmstädtische Geschäftsführung schon einmal kurzzeitig wegen eines Urlaubs an Baden ging, waren die »rapports d’amitié et de famille« hervorgehoben worden67. Der damalige hessische Großherzog Ludwig II. war mit Wilhelmine von Baden, Tochter des Erbprinzen Karl Ludwig von Baden, verheiratet gewesen68. In der Praxis bestand die Geschäftsübernahme im Wesentlichen darin, dass der badische Diplomat Schweizer im Juli 1848 von seinem Kollegen Drachenfels die Akten der hessen-darmstädtischen Vertretung erhielt69. Gleichzeitig bekam Schweizer jedoch »weder hessische Originalpässe, noch Siegel oder Stempel«, wie selbiger hervorhob, weshalb er auf die eingangs erwähnte Unterschrift zurückgriff70. Darüber hinaus bat ihn Drachenfels, seine politische Berichterstattung in Teilen nach Darmstadt zu senden, damit weiter Kenntnisse über die Geschehnisse in Paris dorthin gelangten. Schweizer kam dem Wunsch nach71. Zugleich musste die französische Regierung über die Veränderung informiert werden, was nach Schweizers Aussage wie folgt geschah: Drachenfels teilte dem französischen Außenministerium auf offiziösem, nicht offiziellem Weg mit, dass fortan der badische Diplomat »provisorisch und bis zur Ernennung eines Nachfolgers die hessischen Geschäfte übernehmen« werde72. Der Akt der Geschäftsübernahme verdeutlicht bereits, welche Bedeutung dieser diplomatischen Vertretungsform beigemessen wurde. Einerseits stellte die Aktenübergabe einen wichtigen Schritt dar, indem sie im Hinblick auf den Vertretungsanspruch Kontinuität gewährleistete und einen Vertrauensbeweis an Baden darstellte. Zudem war die auszugsweise politische Berichterstattung eine Aufgabe, die die Fortführung der Geschäfte notwendig erscheinen ließ  – entgegen etwa einer ersatzlosen Streichung der Vertretung. Andererseits gab es keine Siegel oder ähnliches, die dem hessen-darmstädtischen Vertretungsanspruch einen offizielleren Charakter verliehen hätten, weshalb Schweizers Status in dieser Hinsicht prekär war. Gleichzeitig zeigt Schweizers Feststellung, Drachenfels habe ihm keine Siegel überantwortet, dass er Erwartungen an den Status knüpfte, die sehr flexibel

Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Alexander von Dusch, 9. 6. 1845, GLA 233/23811. 68 Vgl. Eckhart Franz, Art. »Ludwig II.«, in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 397. 69 Vgl. die Bescheinigung von Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer, 13. 7. 1848, HStAD G 1 75/5; Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Konrad Wilhelm Hallwachs, 18. 7. 1848, HStAD G 1 170/3. 70 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 11. 11. 1852, GLA 48/3152. 71 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Konrad Wilhelm Hallwachs, 18. 7. 1848, HStAD G 1 170/3; Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 11. 11. 1852, GLA 48/3152. 72 Vgl. GLA ibid. 67

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auslegbar waren. Die Art der Geschäftsübertragung, die nichts Halbes und nichts Ganzes war, entsprach dem provisorischen Zustand. Ein Jahr nach der Geschäftsübernahme stand zur Diskussion, auf welche Weise Schweizer für seine zusätzliche diplomatische Aufgabe entschädigt werden sollte. Den Anstoß dazu gab die großherzogliche Regierung in Darmstadt, indem sie ihren vorigen Diplomaten auf dem Pariser Posten, Drachenfels, um eine Einschätzung bat. Drachenfels, der im Juli 1849 als Vertreter der Provisorischen Zentralgewalt in Brüssel tätig war, antwortete, dass »in Anerkennung der Dienste welche er [Schweizer] fortwährend leistet wohl nur von einem Orden und von einer Geldrenummeration die Rede seyn« könne73. Er machte ferner konkrete Vorschläge zur Art des Ordens sowie zur Geldsumme und sprach darüber mit Schweizer während eines Aufenthalts in Paris. Schweizer wandte sich daraufhin an die großherzogliche Regierung in Darmstadt, der gegenüber er wie folgt begründete, weshalb ihm vorrangig an einem Orden liege: «je tiendrais avant tout à recevoir un témoignage honorifique de satisfaction, ostensible pour mes collègues et qui précieux pour moi en tout temps me serait surtout utile aussi longtemps que je resterai dans la carrière active«74. Dass Geld allerdings ebenso eine Rolle spielte, unterstreicht der Umstand, dass mit Ende seiner Tätigkeit im Jahr 1853 eine jährliche Auszahlung von 4000 Franken eingestellt wurde75. Die skizzierte Entschädigungsfrage bei einer vorübergehenden Geschäftsübernahme ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Dass sie erst zur Sprache kam, als Schweizer die zusätzliche Tätigkeit bereits ein Jahr ausgeführt hatte, zeigt, dass es nicht selbstverständlich war, überhaupt eine Entschädigung zu leisten. In der Frage bestanden große Handlungsspielräume, in die die Diplomaten durch ihre Beurteilung einbezogen waren, da sie einschätzen konnten, mit welchem Aufwand die Tätigkeit verbunden war. Gleichzeitig bestand offenbar Konsens darüber, dass nur zwei miteinander kombinierbare Optionen, nämlich einen Orden zu verleihen und/oder einen Geldbetrag auszuzahlen, in Betracht kamen. Orden betonten den ehrenhaften Charakter der Aufgabe und besaßen, wie Schweizers Argumentation zeigt, für einen Diplo-

Vgl. Adolph Freiherr von Drachenfels an [Konrad Wilhelm Hallwachs], 1. 7. 1849, HStAD G 1 75/3. 74 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an [Konrad Wilhelm Hallwachs], 17. 10. 1849, HStAD G 1 75/3. 75 Vgl. Großherzogliches Hessisches Ministerium des Hauses und des Äußern an die Großherzogliche Hauptstaatskasse, 11. 8. 1853, HStAD G 1 75/3. Dass weiterhin, wenn auch stark reduzierte Kosten für die Pariser Vertretung anfielen, legt die Kostenaufstellung für die auswärtigen Angelegenheiten dar, die dem Parlament in Darmstadt vorgelegt wurde. Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogthums Hessen, Darmstadt 1854, S. 163. 73

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maten prestigehebende und karrierefördernde Funktionen76. Die Bedeutung von Orden aus zeitgenössischer Perspektive unterstreicht zudem ein Fall aus dem Jahr 1857, als der österreichische Generalkonsul in Algier dort ungefragt hessen-darmstädtische Tätigkeiten mit ausführte, obwohl damit ein anderer Konsul bereits beauftragt war: Der hessen-darmstädtische Diplomat in Paris, Grancy, vermutete dahinter die Absicht, dass jener »mit einem Orden bedacht zu werden« hoffte77. Daraus lässt sich schließen, dass die Übernahme diplomatischer Mehrfachvertretungsansprüche ein gängiger Weg war, um sein Ansehen durch einen Orden zu heben. Neben der Akkumulierung von Orden spricht die regelmäßige Auszahlung einer Geldsumme dafür, dass jene diplomatische Vertretungsform der provisorischen Geschäftsübertragung unter die Professionalisierungstendenzen fiel, da Gehaltszahlungen im Untersuchungszeitraum zunehmend üblich wurden78. Die Problematik der Entschädigung verdeutlicht, welcher Vorteil mit einer provisorischen Geschäftsübernahme für den beauftragten Diplomaten verbunden war. Dass jene diplomatische Vertretungsform zugleich von dem betroffenen Diplomaten als Last empfunden wurde, lässt sich an Schweizers Haltung angesichts der Aussicht, seine zusätzliche Aufgabe im Jahr 1852 beenden zu können, erkennen. Aus einem Schreiben von ihm an die badische Regierung sprach Erleichterung darüber, dass ab November 1852 ein Anlass gegeben war, mit dem sich »diese Sache […] von selbst lösen werde«79. Der Grund war der Regierungswechsel in Frankreich, mit dem die Etablierung des Zweiten Kaiserreichs in Frankreich einherging und der die Gelegenheit bot, die diplomatischen Verhältnisse neu zu ordnen80. Nach Absprache mit der badischen Regierung wandte sich Schweizer deshalb mehrmals an die hessen-darmstädtische Regierung, um sie davon zu überzeugen, dass sie wieder einen eigenen Diplomaten in Paris beschäftigen müsse81. Er argumentierte zunächst damit, dass im Hinblick auf die neuen, nun stabilen französischen Regierungsverhältnisse der Zustand des Provisoriums nach der Phase der transitorischen Regierungen der Zweiten Republik beendet sei. Infolgedessen sei sein offiziöses Vertretungsverhältnis für Hessen-Darmstadt nicht länger hinreichend Zur Bedeutung von Ehre und Orden vgl. auch Kap. 2.2.1. Vgl. Adolf Freiherr Senarclens von Grancy, 27. 5. 1857, HStAD G 1 91/9 und [Reinhard von Dalwigk] an die Großherzoglich Hessische Gesandtschaft in Paris, 3. 6. 1857, HStAD G 1 91/9. 78 Vgl. dazu Kap. 2.3. 79 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 11. 11. 1852, GLA 48/3152. 80 Zur Anerkennung des Zweiten Kaiserreichs und ihrer Bedeutung für die diplomatischen Beziehungen vgl. Kap. 5.4. 81 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Reinhard von Dalwigk, 22. 11. 1852 und 12. 12. 1852, HStAD G 1 75/3. 76 77

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und könne für ihn gar zu einem Interessenkonflikt führen: Aufgrund der Empfangspraxis in Paris müsse er als badischer Diplomat auftreten, wenn er hessen-darmstädtische Belange gegenüber der französischen Regierung zur Geltung bringen sollte. Der Hintergrund war, dass mit der Anerkennung des Zweiten Kaiserreichs die Diplomaten neu akkreditiert werden mussten, womit sich die Frage stellte, auf welche Weise dies für Hessen-Darmstadt geschehen sollte. Wäre Schweizer mit der niedrigsten möglichen diplomatischen Rangstufe eines Geschäftsträgers versehen worden, hätte er in dieser Funktion nur mit dem französischen Außenminister in Kontakt treten können, nicht aber mit dem künftigen Kaiser Napoleon  III. als Souverän82. Deshalb fürchtete Schweizer eine unrechtmäßige Vermischung seiner beiden Funktionen, die mit unterschiedlichen Ansprüchen und daraus abgeleiteten Konsultationspraktiken verbunden waren. Dass sich dieses Problem bisher nicht gestellt hatte, lässt sich dadurch erklären, dass »Unregelmäßigkeiten« im diplomatischen Verkehr infolge der revolutionären Verhältnisse seit 1848 nicht ungewöhnlich gewesen waren83. Mit der bevorstehenden Neuordnung bot sich für Schweizer die Gelegenheit, auf die Abgabe der provisorischen Geschäftsübernahme zu drängen und nicht etwa den offiziellen, wenn auch niedrigsten Posten eines Geschäftsträgers für Hessen-Darmstadt mit zu übernehmen. Ferner argumentierte Schweizer mit dem Prinzip der Reziprozität, wonach die Sendung eines französischen Diplomaten nach Darmstadt die Erwartung wecke, dass wieder ein hessen-darmstädtischer Diplomat in Paris tätig werde. Ein weiteres Motiv für ein baldiges Ende seiner provisorischen Aufgabe sah Schweizer darin, dass »eine getheilte Vertretung das Ansehen des Vertretenen so wie die Bedeutung des Landes selbst [mindere]«. Ein doppelter Vertretungsanspruch verringerte demnach die diplomatische Relevanz von Baden und war nur bedingt mit dem diplomatischen Amtsverständnis vereinbar84. Zu dieser Zeit verkörperte ein Diplomat zwar in der Vorstellung nicht mehr seinen Souverän, was eine Zweiteilung des Amtes erschwert hätte, sondern vertrat ihn. Ein mehrfacher Repräsentationsauftrag in einer Person barg jedoch ebenso Konfliktpotential, da der betroffene Diplomat gleichzeitig oder wechselweise zwei verschiedene Regierungen und Interessenlagen bei seinem Handeln berücksichtigen musste. Bei einer provisorischen Geschäftsübernahme gab es gleichwohl eine eindeutige Hierarchie der Vertretungsansprüche, da Schweizer  – wie seine eingangs genannte Unterschrift zum Ausdruck bringt – in erster Linie der Repräsentant von Baden in Paris Zur Position eines Geschäftsträgers vgl. Martens, Geffcken, Le Guide diplomatique (1866), S. 61 f. 83 Schweizer hatte nach eigener Aussage selbst erst drei Jahre nach dem Umsturz von 1848 sein reguläres Kreditiv erhalten. Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Ludwig Freiherr von Rüdt von Collenberg-Bödigheim, 11. 11. 1852, GLA 48/3152. 84 Vgl. Kap. 2.1. 82

6.2  Übernahme hessen-darmstädtischer Geschäfte durch Baden

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war. Zusammengenommen zielte Schweizers Argumentation darauf, dass die hessen-darmstädtische Geschäftsübernahme von badischer Seite bisher als Provisorium akzeptiert worden war, aber nach vier Jahren aufgrund der veränderten Regierungsverhältnisse der Rechtfertigungsgrund weggefallen war und eine Verstetigung des Vertretungsanspruchs seinem vorübergehenden Charakter zuwider lief. Die Initiative, die provisorische Geschäftsübernahme zu beenden, war von badischer Seite ausgegangen. Dass sie auf hessen-darmstädtischer Seite nur zögerlich auf Resonanz stieß, unterstreicht ein erneutes Schreiben Schweizers, in dem er darlegt, warum er »auf einem Beschluss beharren zu müssen« glaubte85. Die Notifikation der Thronbesteigung von Napoleon III. in Frankreich im Dezember 1852 erforderte schließlich, dass die großherzogliche Regierung in Darmstadt darauf reagierte und ihre Absichten hinsichtlich der künftigen Art der diplomatischen Beziehungen darlegte: Ministerpräsident Dalwigk kündigte bei dieser Gelegenheit an, wieder einen Diplomaten nach Paris schicken zu wollen, ohne allerdings bereits einen Namen nennen zu können86. Die Umsetzung ließ noch etwas auf sich warten und erfolgte erst im August 1853, indem Grancy zum neuen hessen-darmstädtischen Diplomaten ernannt wurde87. Eine Ursache für die Verzögerung war, dass Hessen-Darmstadt aufgrund seiner Größe und seiner geringen Anzahl an diplomatischen Vertretungen weder über umfangreiches Personal noch eigenen Nachwuchs verfügte, sodass Grancy direkt aus dem Militärdienst rekrutiert werden musste88. Insgesamt wurde die diplomatische Vertretungsform der provisorischen Geschäftsübernahme hier vorrangig aus der Perspektive des betroffenen Diplomaten Schweizer betrachtet. Diese Vorgehensweise ist bedingt durch die Quellenlage und die Situation, da aufgrund eines fehlenden hessen-darmstädtischen Diplomaten in Paris die Korrespondenzwege vornehmlich über ihn führten. Aus badischer Sicht wird deutlich, dass es sich um einen problembehafteten Status handelte. Er entzog sich aufgrund seines provisorischen Charakters eindeutigen Bestimmungen und war flexibel auslegbar, sodass Schweizer in der Praxis einen angemessenen Weg finden musste, um seine zusätzliche Aufgabe auszufüllen. Aus hessen-darmstädtischer Perspektive han Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Reinhard von Dalwigk, 12. 12. 1852, HStAD G 1 75/3. 86 Vgl. Édouard Lefebvre an Édouard Drouyn de Lhuys, 12. 12. 1852, AMAE Correspondance politique Hesse-Darmstadt 22. 87 Vgl. Großherzogliches Hessisches Ministerium des Hauses und des Äußern an die Großherzogliche Hauptstaatskasse, 11. 8. 1853, HStAD G 1 75/3. 88 Vgl. Reinhard von Dalwigk an Ludwig III., 7. 7. 1853, HStAD G 1 74/2; ferner vgl. Michael Simon, Die Außenpolitik Hessen-Darmstadts während des Krimkrieges, Frankfurt a. M. 1975, S. 13. 85

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

delte es sich um eine pragmatische Lösung, einen Diplomaten einzusparen, solange die Regierungsverhältnisse als unklar angesehen wurden. Die provisorische Geschäftsübernahme überbrückte eine vorübergehende Unterbrechung der direkten diplomatischen Beziehungen und stellte die Notwendigkeit eines hessen-darmstädtischen Diplomaten an sich auf Dauer nicht in Frage.

6.3 Die Provisorische Zentralgewalt bewerben: der gescheiterte Etablierungsversuch eines gesamtdeutschen Diplomaten Eine Existenzgefährdung lag für die deutsch-einzelstaatlichen Diplomaten im Jahr 1848 vor, als die konkrete Absicht bestand, einen gesamtdeutschen Vertreter in Paris zu etablieren: Infolge der revolutionären Umwälzungen war die Provisorische Zentralgewalt mit Sitz in Frankfurt am Main entstanden, die alsbald anstrebte, eigene Diplomaten ins Ausland und darunter nach Paris zu entsenden. Doch diese Absicht traf auf Widerstände, da mehrere der etablierten deutschen Diplomaten um ihren Posten fürchteten und die französische Regierung den Vertreter einer vorläufigen Regierung nicht anerkennen wollte. Sollte sich eine Vertretung der Provisorischen Zentralgewalt in Paris als eine »idée métaphysique«89 herausstellen, als welche sie der badische Diplomat Schweizer im Dezember 1848 bezeichnete? Tatsächlich bemühte sich Friedrich von Raumer, der im August desselben Jahres von Frankfurt nach Paris entsandt worden war, erfolglos darum, als diplomatischer Vertreter anerkannt zu werden. Er trat deshalb in den letzten Tagen des Jahres 1848 die Rückreise an. Der Versuch, einen diplomatischen Vertreter für gesamtdeutsche Interessen in Paris im Jahr 1848 zu etablieren, muss als gescheitert angesehen werden. Es lohnt sich gleichwohl, ihn genauer zu untersuchen, da in dieser Situation die Existenz mehrerer deutscher diplomatischer Vertretungen in Paris grundsätzlich in Frage stand. Die etablierten deutschen Diplomaten vor Ort waren gezwungen, sich mit ihrer eigenen Legitimität auseinanderzusetzen. Wie verhielten sie sich gegenüber dem Entsandten der Provisorischen Zentralgewalt? Waren sie bereit, ihren Posten zugunsten einer einzigen deutschen Vertretung aufzugeben oder versuchten sie zu demonstrieren, dass ihre Anwesenheit trotzdem erforderlich war? Die Reaktionen fielen sehr unterschiedlich aus. Das Spektrum reichte von der sofortigen Bereitschaft, Paris zu verlassen, bis dahin, den Vorstoß möglichst zu ignorieren. Die Reaktionen geben den diplomatischen Umgang mit Legitimitätsproblemen wieder, der je nach Einzelstaat variierte.

Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an [Alexander von Dusch], 24. 12. 1848, GLA 48/2037.

89

6.3  Etablierungsversuch eines gesamtdeutschen Diplomaten

273

Im Mittelpunkt des Interesses steht im Folgenden das Verhalten der ansässigen deutschen Diplomaten. Ihr Vorgehen wird jedoch erst im Zusammenspiel mit dem der Provisorischen Zentralgewalt und ihres Entsandten in Paris einerseits sowie der Haltung der französischen Regierung andererseits verständlich. Um die verschiedenen Argumentationslinien verfolgen zu können, dienen als Quellen die Korrespondenz der Diplomaten der Einzelstaaten und der Provisorischen Zentralgewalt, die edierten Selbstzeugnisse von Friedrich von Raumer, dem Kandidaten für das Amt, sowie ausgewählte Parlamentsdebatten90. Anzumerken ist, dass trotz der umfangreichen Forschung zu den Revolutionen von 1848 der Provisorischen Zentralgewalt und ihrer Außenpolitik als eigener Untersuchungsgegenstand bisher kaum Aufmerksamkeit zuteil wurde. Ralf Heikaus’ Studie bietet gleichwohl einen hilfreichen Überblick über die Etablierungsbemühungen in der zweiten Jahreshälfte 184891. Außerdem erarbeitet eine Projektgruppe an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt eine Edition der Akten der Provisorischen Zentralgewalt, in deren Rahmen bereits Ausführungen zu ihrem institutionellen Aufbau erschienen sind92. Die nachstehende Betrachtung folgt der Chronologie der Geschehnisse. Im Juni 1848 vermuteten deutsche Diplomaten in Paris, dass alsbald Veränderungen im Gefüge der vorhandenen deutschen diplomatischen Vertretungen anstanden. Der preußische Gesandte Hatzfeldt sah voraus, dass deutsche Diplomaten kleinerer Staaten mit der Bitte auf ihn zukommen würden, ob er ihre Geschäfte übernehmen könne. Deshalb erbat er Anfang Juni Instruktionen, wie er sich in diesem Fall verhalten sollte93. Dass er mit diesem Verdacht richtig lag, zeigt eine Weisung an den hessen-darmstädtischen Diplomaten, seinem badischen Kollegen die Unterlagen zu übergeben und selbst Paris zu verlassen94. Der Hauptgrund für diesen Schritt war allerdings nicht die neu entstehende Provisorische Zentralgewalt, sondern die unsicheren französischen Regierungsverhältnisse seit den revolutionären Geschehnissen vom Februar 1848, die den Verbleib der Diplomaten in Paris fraglich erschienen ließen. Dem französischen Außenminister Bastide missfiel es sehr, dass mehrere deutsche Diplomaten ihre Abreise erwogen oder bereits Neben den Akten aus den Staatsarchiven der fünf ausgewählten deutschen diplomatischen Vertretungen handelt es sich um die Akten der Provisorischen Zentralgewalt aus dem Bundesarchiv und Auszüge aus Parlamentsdebatten sowie aus Briefen von Friedrich von Raumer. 91 Vgl. Ralf Heikaus, Die ersten Monate der provisorischen Zentralgewalt für Deutschland. Juli bis Dezember 1848, Frankfurt a. M. u. a. 1997. 92 Vgl. Thomas Stockinger, Ministerien aus dem Nichts. Die Einrichtung der Provisorischen Zentralgewalt 1848, in: Jahrbuch der Hambach-Gesellschaft 20 (2013), S. 59–84. 93 Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an [Heinrich Alexander Freiherr von Arnim-Suckow], 6. 6. 1848, GStA PK III. HA MdA I Nr. 36. 94 Vgl. Konrad Wilhelm Hallwachs an Adolph Freiherr von Drachenfels, 26. 6. 1848, HStAD G 3 26/8. 90

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

vollzogen hatten: Nicht nur äußerte er im Juli 1848 gegenüber dem preußischen Gesandten sein Bedauern darüber, sondern er betonte zudem einen Monat später, dass er es vorziehe, mehrere deutsche Diplomaten anstatt eines Entsandten der Provisorischen Zentralgewalt in Paris akkreditiert zu wissen, da außerdem auch noch unklar sei, wie ein solcher zu empfangen sei95. Die Ausgangslage war demzufolge, dass einerseits die kleineren deutschen Staaten den Abzug ihrer Diplomaten aufgrund der instabilen französischen Regierungsverhältnisse erwogen, andererseits aber war vonseiten der französischen Regierung die Existenz mehrerer deutscher Diplomaten erwünscht. Mitte August 1848 stand die Ankunft des neuen Vertreters in Paris unmittelbar bevor, nachdem die Vorabläufe in Frankfurt stattgefunden hatten. Die Provisorische Zentralgewalt existierte zu diesem Zeitpunkt erst wenige Wochen. Die revolutionären Geschehnisse in den deutschen Staaten im März des Jahres hatten es ermöglicht, einen deutschen Nationalstaat mit entsprechender Verfassung anzustreben. Die Provisorische Zentralgewalt sollte als gesamtdeutsche Regierung solange bestehen, bis eine Verfassung ausgearbeitet war, wozu der zum Reichsverweser gewählte österreichische Erzherzog Johann den Vorsitz übernahm96. Seine Wahl erfolgte durch die Frankfurter Nationalversammlung, die sich durch Volkswahlen legitimierte und sich als einziger Souverän des deutschen Volkes verstand. Gleichzeitig ersetzte sie die bisher bestehende Bundesversammlung, das zentrale Gremium des seit 1815 existierenden Deutschen Bundes. Die deutschen Einzelstaaten waren von dem Prozess, eine Verfassung zu erarbeiten, ausgeschlossen, womit Konflikte absehbar waren97. Im Hinblick auf die Außenpolitik sollten alsbald Vertreter ins Ausland entsandt werden98. In der Sitzung der Nationalversammlung in Frankfurt vom 3. Juli 1848 betonte Oskar von Wydenbrugk, Mitglied des völkerrechtlichen Ausschusses, welche Hoffnung mit der Entsendung eines Vertreters nach Paris verbunden sei: Wenn die Provisorische Zentralgewalt die französische Regierung, die selbst noch nach diplomatischer Anerkennung durch das Ausland strebe, schnell anerkenne, sei im Gegenzug derselbe Schritt von französischer Seite zu erwarten99. Die Argumentation lässt erkennen, wel Vgl. Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt an [Rudolf von Auerswald], 20. 7. 1848, GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 41; Ludwig von Thom an Johann Philipp von Wessenberg-Ampringen, 12. 8. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337. 96 Zu Person und Amt des Reichsverwesers vgl. Tobias Hirschmüller, »Freund des Volkes«, »Vorkaiser«, »Reichsvermoderer«. Erzherzog Johann als Reichsverweser der Provisorischen Zentralgewalt von 1848/1849, in: Jahrbuch der Hambach-Gesellschaft 20 (2013), S. 27–57. 97 Zu dieser Einschätzung vgl. Gruner, Der Deutsche Bund, S. 64–66. 98 Die diplomatischen Aktivitäten lagen in der Hand des neu erschaffenen Außenministeriums der Provisorischen Zentralgewalt. Vgl. Stockinger, Ministerien aus dem Nichts, S. 71. 99 Vgl. Franz Wigard, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deutschen Constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 1848, Bd. 1, S. 654 f.; vgl. auch Heikaus, Die ersten Monate, S. 152. 95

6.3  Etablierungsversuch eines gesamtdeutschen Diplomaten

275

che Bedeutung Diplomaten zukam: Sie waren diejenigen, die der neuen Regierung Legitimität verleihen sollten, was umso wichtiger war, als sich die Provisorische Zentralgewalt mit vielfältigen Legitimitätsproblemen konfrontiert sah. Wie umfassend war ihre Souveränität, solange sie als Provisorium für die Dauer der Ausarbeitung einer Verfassung berufen war und solange Einzelstaaten mit eigenen Kompetenzen existierten? Die Frage der Souveränität war für die etablierten deutschen Diplomaten in Paris entscheidend, da ein möglicher deutscher Nationalstaat ihre weitere Präsenz unnötig erscheinen ließ. Die angekündigte Ankunft von Friedrich von Raumer in Paris im August 1848 war aufseiten der deutschen Diplomaten von vielen Fragen begleitet: Mit welchem Auftrag war er nach Paris gekommen? Welche Stellung beabsichtigte er dort einzunehmen? Und wie würde die französische Regierung ihn empfangen? Der bayerische Diplomat Wendland, der die Ankunft Raumers am 19. August 1848 erwartete, berichtete von dem kursierenden Gerücht, wonach dieser zum »ständigen Gesandten des Deutschen Reichs bei der französischen Republik« ernannt werden sollte, wohingegen es später hieß, dass es sich nur um eine außerordentliche Mission handele100. Die Spekulationen verdeutlichen, dass den Diplomaten in Paris keine genauen Informationen über die Absichten der Provisorischen Zentralgewalt vorlagen. Letztere entsandte Vertreter ins Ausland, ohne vorher mit den deutschen Einzelstaaten Absprachen über die zukünftige Form der deutschen diplomatischen Vertretung getroffen zu haben101. Raumer hatte die eindeutige Instruktion aus Frankfurt erhalten, seine offizielle Anerkennung bei der französischen Regierung anzustreben102. Die Begründung lautete, die Provisorische Zentralgewalt habe »die völkerrechtliche Vertretung Deutschlands auszuüben und zu diesem Ende Gesandte und Consuln zu ernennen«103. Der bayerische Gesandte Wendland erwähnte in seinem Bericht an den bayerischen König außerdem, dass es sich bei Raumer um den einstigen Lehrer des Königs an der Universität in Berlin handele104. Raumer war Historiker, Professor an der Berliner Universität sowie liberaler Abgeordneter der Nationalversammlung105. Generell entsandte die Provisorische Zentralgewalt prominente Abgeordnete der Nationalversammlung, hohe Offiziere oder Standesherrn ins Ausland, die in der Regel keine diplomatische Erfahrung mitbrachten106. Diplomaten, die Vgl. August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 19. 8. 1848, BayHStA MA 2105, Zitat ibid. 101 Vgl. Heikaus, Die ersten Monate, S. 149. 102 Vgl. Johann Gustav Wilhelm Moritz Heckscher an Friedrich von Raumer, 20. 8. 1848, BArch DB 60/27. 103 Johann Gustav Wilhelm Moritz Heckscher an Friedrich von Raumer, 18. 8. 1848, BArch DB 60/27. 104 Vgl. August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 19. 8. 1848, BayHStA MA 2105. 105 Vgl. Heikaus, Die ersten Monate, S. 154 f. 106 Vgl. ibid., S. 155. 100

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

bei den deutschen Einzelstaaten beschäftigt waren, konnten nicht rekrutiert werden, da ihr Verhältnis zur Provisorischen Zentralgewalt noch ungeklärt war107. Zusammengefasst muss dieser Vorstoß der Provisorischen Zentralgewalt provozierend auf die in Paris ansässigen deutschen Diplomaten gewirkt haben. Die Provisorische Zentralgewalt missachtete gezielt diplomatische Gewohnheiten, indem sie auf den Kontakt mit den Etablierten verzichtete und selbst unqualifizierte Personen entsandte. Dieses Vorgehen war ein wesentlicher Grund dafür, dass ihre Bemühungen scheitern mussten. Die entscheidende Frage für die deutschen Diplomaten in Paris bestand anschließend darin, wie sich die französische Regierung gegenüber Raumer verhalten würde, da sein weiterer Verbleib davon maßgeblich abhängig war. Ende August 1848 berichtete der bayerische Gesandte von einem Gespräch mit dem französischen Außenminister Bastide: »Auf meine Frage, ob er [Bastide] ihn [Raumer] schon empfangen, antwortete er mir mit nein, und setzte hinzu, daß er auch gar nicht wiße, ob und wie er ihn empfangen werde; Frankreich wisse nicht was das deutsche Reich sei, wo seine Grenzen anfangen, wo aufhören sollten«108. Auf französischer Seite herrschte große Skepsis gegenüber der Provisorischen Zentralgewalt, weshalb es Zweifel gab, ob Raumer zu empfangen sei. Darüber hinaus interessierte es den bayerischen Gesandten, wie sich die französische Regierung gegenüber den etablierten deutschen Diplomaten verhalten wolle. Wendland vernahm erleichtert, dass die bestehenden diplomatischen Beziehungen nicht gefährdet seien, solange die deutschen Einzelstaaten nicht selbst ihre Vertretungen aufgeben wollten109. Bastide erhoffte sich im Gegenteil besondere Unterstützung von Preußen und Bayern »als den Staaten, die eine eigene Politik in Deutschland haben könnten«110. Gleichzeitig bat Wendland darum, gegenüber Raumer nicht  – wie Bastide vorschlug – zu erwähnen, dass er erst mit den hiesigen deutschen Diplomaten sprechen müsse111. Der bayerische Gesandte befürchtete, dass sonst die deutschen Diplomaten der Einflussnahme beschuldigt werden würden, weshalb er eine unabhängige Haltung Frankreichs nach außen befürwortete. Dadurch sei die Provisorische Zentralgewalt gezwungen, selbst das Gespräch mit den deutschen Einzelstaaten zu suchen112. Sowohl der bayerische Gesandte als auch der französische Außenminister wollten an deutschen einzelstaatlichen Vertretungen festhalten und reagierten zurückhaltend auf den Vorstoß der Provisorischen Zentralgewalt und ihres Entsandten. Dennoch gewährte Bastide Raumer an demselben Tag, an dem Wendland den Bericht schrieb,

Vgl. ibid. August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 27. 8. 1848, BayHStA MA 2105. 109 Vgl. ibid. 110 Ibid. 111 Vgl. ibid. 112 Vgl. ibid. 107 108

6.3  Etablierungsversuch eines gesamtdeutschen Diplomaten

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eine Audienz113. Die Gespräche mit der französischen Regierung waren allerdings aus Raumers Sicht entmutigend. Als Begründung für ihre zögerliche Haltung führte die französische Seite unter anderem die noch bestehenden Verträge und Verpflichtungen gegenüber den deutschen Einzelstaaten an114. Kaum einen Monat nach seiner Ankunft in Paris empfand Raumer seine Lage als so aussichtlos und war mit dem Führungsstil seiner Entsendenden so unzufrieden, dass er am 10. September 1848 um Entlassung bat, wozu es aber (noch) nicht kommen sollte115. Die offiziöse Position, die ihm die französische Regierung gewährte, ließ ihn weiterhin eine offizielle Vertretung anstreben116. Hatte die Provisorische Zentralgewalt den Kontakt mit den deutschen Einzelstaaten bisher nicht gesucht, so änderte sich dies mit einem Rundschreiben an die deutschen Einzelstaaten vom 20. September 1848. Darin forderte sie diese auf, ihre Diplomaten aus dem Ausland abzuziehen oder zumindest ihre politischen Kompetenzen abzugeben117. Der Anlass war, dass ausländische Regierungen die Anerkennung wegen des bisher ungeklärten Verhältnisses zu den bestehenden deutschen diplomatischen Vertretungen verweigert hatten118. Das Rundschreiben, das nach dem damaligen Außenminister als »Projekt Schmerling« bezeichnet wurde, zwang die deutschen Diplomaten in Paris dazu, Stellung zu beziehen, und stellte insofern einen Prüfstein für die bestehenden deutschen diplomatischen Verhältnisse dar. Der österreichische Diplomat Thom fand deutliche Worte für das »Projekt Schmerling« und lehnte es offen ab: Le projet de Mr Schmerling ne tend à rien moins qu’à substituer les Légations du futur Empire d’Allemagne à celles de l’Autriche, où, du moins, à n’établir celles ci, là où elles n’au­ raient pas été formellement supprimées, que comme une superfétation aussi vaine qu’inutile, à créer incessamment entre les unes et les autres un conflit d’autorité et de pouvoir, et, enfin, à dépouiller Sa Majesté l’Empereur d’un des droits les plus précieux et les plus éclatans de la Souveraineté. Je n’ai pas pu m’empêcher de dire à Mr Raumer que j’espérais bien que le projet Schmerling n’aurait aucun succès119.

Thom sah die Souveränitätsrechte des österreichischen Kaisers gefährdet und Konflikte vor allem für den Fall entstehen, falls österreichische Vertretungen mit eingeschränkten Kompetenzen bestehen bleiben sollten. Die Vgl. Friedrich von Raumer an Johann Gustav Wilhelm Moritz Heckscher, 27. 8. 1848, BArch DB 53/64. 114 Vgl. ibid. 115 Vgl. Raumer, Briefe aus Frankfurt, Bd. 1, S. 333 f. 116 Der Grund für die veränderte Lage war der erreichte Waffenstillstand von Malmö. Vgl. Friedrich von Raumer an [Anton von Schmerling], 19. 9. 1848, BArch DB 53/64. 117 Vgl. Provisorische Centralgewalt für Deutschland an Ministerien der auswärtigen Angelegenheiten der deutschen Einzelstaaten, 20. 9. 1848, BArch DB 60/27. 118 Vgl. ibid. 119 Ludwig von Thom an Johann Philipp von Wessenberg-Ampringen, 30. 9. 1848, HHStA St Abt F Dipl Korr 337. 113

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

andere Großmacht Preußen wies die Forderungen ebenfalls zurück: Der preußische Gesandte Hatzfeldt hatte aus Berlin die Weisung erhalten, dass die diplomatische Vertretung in Paris unter keinen Umständen aufzugeben sei120. Auf bayerischer Seite fand der Appell ebenfalls keinen sofortigen Zuspruch. Der französische Außenminister Bastide brachte die bayerische Haltung gegenüber dem bayerischen Gesandten auf den Punkt, indem er äußerte, dass er »jedoch nicht glauben könne, daß das Königreich Bayern den Anfang machen wolle, seine Gesandtschaft von Paris zurückzuziehen«121. Weiterhin ist die badische Position aufschlussreich, weil sie das Resultat parlamentarischer Verhandlungen war und sich deshalb in den in Karlsruhe hervorgebrachten Argumenten niederschlägt. Die zweite Kammer der badischen Ständeversammlung beschäftigte sich in ihrer Sitzung vom 19. Oktober 1848 mit der Frage, ob der badische Diplomat Paris verlassen sollte122. Zunächst legte der badische Außenminister Dusch in seiner Erklärung dar, dass nur noch eine Vertretung durch die Provisorische Zentralgewalt notwendig sei und deshalb die wenigen noch existierenden Gesandtenposten aufgelöst würden, wobei der Standort Paris noch bestehen bleibe. Darin äußerte sich der Wunsch nach einem einheitlichen Auftreten in Paris. Auf Nachfragen nach dem genauen Zeitpunkt der Abberufung aus Paris erwiderte Dusch: »Was den Gesandten in Paris betrifft, so sind die Beziehungen des badischen Staats als Grenznachbar zu Frankreich so zahlreich, daß eine Unterbrechung des diplomatischen Verkehrs auch nicht für einen Tag möglich wäre, ohne daß diese Interessen darunter leiden würden«123. Der badische Außenminister betonte die Notwendigkeit ständiger diplomatischer Beziehungen zwischen Baden und Frankreich, wenngleich er bereit war, die eigene Souveränität in außenpolitischen Belangen früher oder später abzugeben. Eine weitere Position vertrat der Abgeordnete Bissing, indem er ausführte, dass nur Landsleute einen Ansprechpartner vor Ort bräuchten, sich um sie sowieso meistens ein Sekretär und nicht der Gesandte selbst kümmere, weshalb nur der Sekretär in Paris belassen und dem Gesandten der Provisorischen Zentralgewalt beigegeben werden könne124. Der Exkurs nach Karlsruhe in das badische Parlament zeigt: Auf badischer Seite war die Bereitschaft, die eigene Gesandtschaft aufzulösen und die Aufgaben an eine gesamtdeutsche Vertretung abzugeben, vorhanden. Gleichzeitig war der Pariser Posten besonders bedeutend, da über andere Standorte nicht debattiert Vgl. August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 11. 10. 1848, BayHStA MA 2105. 121 August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 1. 10. 1848, BayHStA MA 2105. 122 Vgl. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Großherzogthums Baden in den Jahren 1847–49. Enthaltend die Protokolle der zweiten Kammer nebst deren Beilagen, 7. Protokollheft, Karlsruhe 1850, S. 62. 123 Ibid., S. 65. 124 Vgl. ibid., S. 67. 120

6.3  Etablierungsversuch eines gesamtdeutschen Diplomaten

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wurde und die parlamentarische Öffentlichkeit in die Frage der Verfasstheit der badischen Diplomatie entscheidend involviert war. Mitte November 1848 trug die Provisorische Zentralgewalt die Antworten, die sie von den verschiedenen Regierungen auf ihr Rundschreiben erhalten hatte, in einem Resümee zusammen125. Die preußische Regierung sah darin keine Möglichkeit, ihren völkerrechtlichen Status aufzugeben, solange es sich bei der Provisorischen Zentralgewalt um eine provisorische Regierung handelte, aber sie unterstützte die nationalstaatlichen Bestrebungen. Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt waren unter Bedingungen bereit, ihre diplomatischen Kompetenzen an einen gesamtdeutschen Vertreter abzugeben. Eine Antwort aus Österreich war auf das Rundschreiben nicht gekommen. Das Resultat zeigt, dass die beiden deutschen Großmächte auf den Vorstoß kaum eingingen beziehungsweise ihn ignorierten, während die kleineren deutschen Staaten zu Kompromissen bereit waren. Bei den Antworten handelte es sich um die offiziellen Stellungnahmen der Regierungen auf das Rundschreiben. Die Reaktionen vonseiten der deutschen Diplomaten am Standort Paris fielen teilweise deutlicher aus, wie die zitierte Ansicht des österreichischen Diplomaten Thom gezeigt hat. Neben dem dargestellten deutschen Austausch aufgrund des Rundschreibens müssen das Verhalten der französischen Regierung und Friedrich von Raumers Berücksichtigung finden. Sie entschieden maßgeblich, inwieweit es möglich war, in der Frage der Anerkennung weiterzukommen. Raumer sah sich weiterhin in einer ausweglosen Situation: So unpassend es erscheint bei Erörterung großer Gegenstände, seiner eigenen geringen Person zu gedenken, mag ich doch die Bemerkung nicht unterdrücken, daß ich (trotz all meines Bemühens) in zwei Monaten eigentlich wenig oder nichts ausgerichtet habe, und daß man dies überall als Folge der Ungeschicklichkeit des alten Professors darstellen wird126.

Er befürchtete, dass die kaum vorhandenen Fortschritte in seinem Vorhaben, als Vertreter der Provisorischen Zentralgewalt akkreditiert zu werden, seiner Person angelastet würden. Es zeigt sich erneut, dass die diplomatische Unerfahrenheit von Raumer für seine Mission in Paris ein ständiger Gegenstand von Diskussionen war. Die Bedenken Raumers entkräftete der französische Außenminister Bastide jedoch, indem er gegenüber dem bayerischen Gesandten versicherte, dass die ablehnende Haltung Frankreichs nicht der Persönlichkeit von Raumer, sondern vielmehr dem provisorischen Status geschuldet sei127.

Vgl. Promemoria von der Provisorischen Zentralgewalt für Deutschland, 14. 11. 1848, BArch DB 53/8. 126 Friedrich von Raumer an Anton von Schmerling, 15. 10. 1848, BArch DB 53/64. 127 Vgl. August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 20. 10. 1848, BayHStA MA 2105. 125

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

Mitte Dezember 1848 schienen weitere Bemühungen von Raumer, sich offiziell anerkennen zu lassen, nicht mehr erfolgsversprechend, weshalb Raumer abreisen sollte. Am 18. Dezember 1848 schrieb Außenminister Gagern aus Frankfurt, dass Raumer die als Urlaub deklarierte Rückreise antreten solle, da bald offiziell die französische Republik proklamiert werde und der badische Gesandte Schweizer die Geschäfte übernehme128. Die bevorstehende Regierungsbildung in Frankreich machte weitere Versuche aussichtslos. Wenige Tage später berichtete der bayerische Gesandte Wendland von der bevorstehenden Abreise Raumers: »H von Raumer hat gestern aus Frankfurt seine Abberufung von hier erhalten, oder wie er sich ausdrückt, die Bewilligung eines längst verlangten Urlaubs«129, und »H von Schweitzer badischer Ministerresident in Paris soll inzwischen die deutschen Reichsgeschäfte übernehmen, wenn deren überhaupt vorkommen sollten«130. Wendland brachte zum Ausdruck, dass er nicht an ein Urlaubsgesuch und eine Rückkehr Raumers glaubte. Der angekündigte Urlaub war vielmehr ein vorgeschobenes Argument, um Paris zu verlassen. Außerdem schätzte Wendland, dass sich die Arbeiten für die Provisorische Zentralgewalt, die nun der badische Gesandte verwalten sollte, in Grenzen halten würden. Die wenige Monate dauernde Anwesenheit von Raumer in Paris war nicht mehr erforderlich. Die Übernahme der Geschäfte durch den badischen Gesandten Schweizer bedeutete, dass er die laufenden Angelegenheiten, die die weiterhin existierende Provisorische Zentralgewalt betrafen, fortführte. Schweizer erhielt beispielsweise im Jahr 1849 vom französischen Außenminister Drouyn de Lhuys eine Dokumentensammlung, die Raumer noch erbeten hatte und die Schweizer nach Frankfurt weiterleitete131. Die zu erledigenden Geschäfte verringerten sich allerdings schnell, und als Schweizer zum Jahreswechsel 1849/1850 seine Tätigkeit für die Provisorische Zentralgewalt beenden sollte, gab es bereits keine laufenden Angelegenheiten mehr132. Im April 1850 erhielten schließlich der preußische und der österreichische Diplomat in Paris die Bitte, sich noch aufkommender Belange anzunehmen133. Die abgetretenen Repräsentationsansprüche entsprachen der sich im Niedergang befindlichen Provisorischen Zentralgewalt: Sie hörte endgültig mit Vgl. Heinrich von Gagern, 18. 12. 1848, GLA 49/1328; Heinrich von Gagern an Friedrich von Raumer, 18. 12. 1848, BArch DB 60/27. 129 August Freiherr von Wendland an Maximilian II. Joseph, 24. 12. 1848, BayHStA MA 2105. 130 Ibid. 131 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Édouard Drouyn de Lhuys, 6. 2. 1849, AMAE Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 585. 132 Vgl. Ferdinand Allesina Freiherr von Schweizer an Bundescentralkommission, 23. 1. 1850, BArch DB 62/44. 133 Alexander von Schleinitz an Maximilian Friedrich Carl Graf von Hatzfeldt, 9. 4. 1850, BArch DB 62/44. 128

6.3  Etablierungsversuch eines gesamtdeutschen Diplomaten

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dem 20. Dezember 1849 auf zu existieren, da der Reichsverweser und seine verbliebenen Minister ihre Kompetenzen an die Bundeszentralkommission übergaben, nachdem die Nationalversammlung bereits im Mai 1849 aufgelöst worden war134. Insgesamt machte Friedrich von Raumer als Entsandter der Provisorischen Zentralgewalt in der zweiten Jahreshälfte 1848 den deutschen Diplomaten in Paris ihre bisherige Position streitig. Angesichts seiner Bemühungen um eine offizielle Anerkennung stellte sich als maßgebliches Problem die (Neu-)Verteilung von Souveränität. Wieviel Souveränität konnte einerseits die Provisorische Zentralgewalt für sich beanspruchen, und wieviel Souveränität waren andererseits die deutschen Einzelstaaten bereit abzugeben? Sollte es eine geteilte Souveränität geben, indem die etablierten diplomatischen Vertretungen bestehen blieben, aber gleichzeitig Kompetenzen an eine mögliche Vertretung der Provisorischen Zentralgewalt abtraten? Oder konnte eine der beiden Seiten die vollen Souveränitätsrechte für sich einnehmen? Die Konfliktlinien verliefen entlang der aufgeworfenen Fragen. Die Provisorische Zentralgewalt forderte selbstbewusst, ihre Souveränität durch einen eigenen Vertreter im Ausland auszuüben. Das Rundschreiben vom 20. September 1848 beinhaltete aber explizit die Möglichkeit der geteilten Souveränität: Die etablierten Vertretungen konnten bestehen bleiben, sollten aber zugleich dem gesamtdeutschen Diplomaten die entscheidenden politischen Kompetenzen übertragen. Die unterschiedlichen Reaktionen von Seiten der deutschen Diplomaten zeigen, wie sehr sie bereit waren, Souveränitätsrechte abzugeben. Die Großmächte Preußen und Österreich gingen auf die Forderungen kaum oder gar nicht ein, da es für sie nicht in Betracht kam, ihre diplomatischen Vertretungen und ihre Souveränitätsrechte aufzugeben. Dass die Vertreter der kleineren deutschen Staaten dagegen in Paris verblieben, war nicht selbstverständlich. Sie waren durchaus bereit, ihre Souveränitätsansprüche zugunsten einer gesamtdeutschen Vertretung aufzugeben. Ihre Abreise war in Aussicht genommen, sobald die Provisorische Zentralgewalt eine stabilere Gestalt angenommen hätte und infolgedessen eine Akkreditierung durch die französische Regierung aussichtsreicher gewesen wäre. Weil die Provisorische Zentralgewalt ihre geforderte Souveränität schnell wieder verlor, waren die Absichten jedoch bald hinfällig geworden. Ralf Heikaus sieht in der Bereitschaft einiger kleinerer deutscher Staaten, ihre Diplomaten gegebenenfalls abzuziehen, »mehr als nur einen Achtungserfolg, der immerhin erstmalig die damals durchaus reale Möglichkeit für einen mittelfristigen Ausbau der diplomatischen Beziehungen des entstehenden Deutschen Reiches mit den ausländischen Regie Die Bundeszentralkommission bestand aus je zwei österreichischen und preußischen Mitgliedern. Vgl. Stockinger, Ministerien aus dem Nichts, S. 63 f.

134

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

rungen auf breiter Grundlage bot«135. Der dargestellten Situation um 1848 kann eine besondere Bedeutung beigemessen werden, weil sie vor allem im Hinblick auf Fragen der Souveränität und Legitimität ein Schlüsselmoment darstellte. Beide waren nicht gegeben, sondern mussten immer wieder neu verhandelt werden. Grundsätzlich war die Existenz der Diplomaten hinterfragbar, wenngleich der Versuch im Jahr 1848 gescheitert war und keine nachhaltigen Konsequenzen mit sich zog.

6.4 Staatenbund und Großherzogtum umstrukturieren:landsmännischer Einsatz für die Erhaltung der hessen-darmstädtischen Vertretung Auf andere Weise existenzgefährdet sah sich der hessen-darmstädtische Diplomat Enzenberg im Jahr 1867. Im Juli des Jahres betonte er gegenüber der großherzoglichen Regierung in Darmstadt, »daß hier in Paris eine Behörde absolut nöthig ist, welche alle diese verschiedenen Intereßen wahr nimmt und alle dadurch entstehenden Geschäfte, die die Arbeitskraft mindestens eines Mannes vollkommen in Anspruch nehmen, zu besorgen hat«136. Mit »Behörde« meinte Enzenberg die diplomatische Vertretung des Großherzogtums und als »Mann« sich selbst, nachdem er aufgezählt hatte, welche Aufgaben er in der französischen Hauptstadt wahrnahm. Im Sommer 1867 stand er sichtlich unter Druck, seinen eigenen Posten zu rechtfertigen, denn genau der stand zur Diskussion. Ausgangspunkt für Enzenbergs angespannte Situation waren die üblichen Verhandlungen wegen der Ausgaben für Gesandtschaften und Konsulate im Parlament des Großherzogtums in Darmstadt gewesen. In der Sitzung der Zweiten Kammer vom 14. Mai 1867 hatten sie zu vehementer Kritik am Bestehenlassen der Gesandtschaften des Großherzogtums geführt137. Das Problem waren nicht nur die Kosten, sondern zu diesem Zeitpunkt vor allem die deutschen Einigungsbestrebungen, die das Fortbestehen einzelstaatlicher Gesandtschaften fraglich erschienen ließen: Nach dem preußischen Kriegserfolg gegenüber Österreich im Jahr 1866 war der Norddeutsche Bund entstanden, zu dem die bisherige hessen-darmstädtische Provinz Oberhessen gehörte138. Die Umstrukturierungen auf der Ebene des Bundes und des Großherzogtums Heikaus, Die ersten Monate, S. 385. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, 15. 7. 1867, HStAD G 1 75/4. 137 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 4–54. 138 Zur Angliederung der Provinz Oberhessen zum Norddeutschen Bund und zum Krieg von 1866 aus hessischer Sicht vgl. Franz, Das Haus Hessen, S. 152–154. 135 136

6.4  Einsatz für die Erhaltung der hessen-darmstädtischen Vertretung

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waren im Darmstädter Landtag Anlass, die weitere Existenz der Pariser Gesandtschaft zur diskutieren, was bis in die französische Hauptstadt vordrang: Dort unterzeichneten insgesamt 660 der ansässigen Hessen im Juni 1867 zwei Petitionen zugunsten des diplomatischen Postens139. Die beiden Petitionen gelangten anschließend durch das oben zitierte Begleitschreiben des Diplomaten Enzenberg Mitte Juli von Paris nach Darmstadt140. In der Folge erging ein Erlass der Großherzoglichen Regierung vom 2. August 1867, in dem aufgrund der noch unklaren weiteren Entwicklungen auf deutscher Ebene ein vorläufiges Fortbestehen der Gesandtschaften befürwortet wurde141. Die sich anschließenden Kammerbeschlüsse, die eine Budgetbewilligung vorsahen, ermöglichten es schließlich, die kontrovers diskutierte Frage beizulegen142. Der skizzierte Konflikt, der vier Monate lang von Mai bis August 1867 schwelte, stellt ein aufschlussreiches Beispiel für eine diplomatische Existenzund Relevanzkrise dar. Er berührt die grundlegende Frage, inwieweit eine Gesandtschaft des Großherzogtums Hessen-Darmstadt in Paris notwendig war. Gleichzeitig bietet er verschiedene Perspektiven auf das genannte Problem: hier die zentrale Sichtweise des ansässigen Diplomaten Enzenberg in Paris, die durch die Sicht der Regierungsmitglieder und Abgeordneten in Darmstadt einerseits und die der in Paris ansässigen Hessen andererseits ergänzt und erst verständlich wird. Die Quellen, die aus diplomatischer Korrespondenz, Parlamentsdebatten und den beiden Petitionen bestehen, ermöglichen es, den Konflikt auf dreifache Weise in den Blick zu nehmen. Die darin hervorgebrachten Argumente gestatten es, drei existenzrelevante Faktoren im Folgenden exemplarisch zu untersuchen. Erstens offenbart das Problem der Kosten nicht nur die Kompetenzen der Kammern in Finanzfragen, sondern auch die generelle Bedeutung, die der Diplomatie in einem parlamentarisch verfassten Staat kleinerer Größenordnung beigemessen wurde. Zweitens begründeten die anfallenden Aufgaben in Paris die notwendige Präsenz eines Diplomaten vor Ort, für den der Einsatz für seine Landsleute einen wesentlichen Bestandteil seiner Arbeit darstellte. Schließlich stand drittens zur Diskussion, die Gesandtschaft aufzulösen oder etwa durch ein Konsulat zu ersetzen. Diese Optionen gingen mit der Frage einher, auf welche Weise das großherzogliche Gesandtschaftsrecht infolge des aufgelösten Deutschen Bundes und nun sichtbarer Anzeichen für eine nationale Einigung noch auszuüben blieb. Vgl. Adresse I. und II. der in Paris lebenden Hessen an die Großherzogliche Regierung in Darmstadt, Juni 1867, HStAD G 1 75/4. 140 Vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, 15. 7. 1867, HStAD G 1 75/4. 141 Für den Erlass, der als Beilage Nr. 53 zum 16. Protokoll erschien, vgl. Verhandlungen der Ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, Beilagen zum 19. Landtag, Darmstadt 1868, S. 1–3. 142 Zu den Details der Konfliktbeilegung vgl. ibid., S. 406f. 139

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Ein Themenfeld sind die Ausgaben, die für den Unterhalt einer Gesandtschaft anfielen und die die Abgeordneten des aus zwei Kammern bestehenden Landtags in Darmstadt regelmäßig zu bewilligen hatten. Die Ausübung der Finanzgewalt stellte die wichtigste Kompetenz des Landtags dar, indem ihm das Steuerbewilligungs- und das Budgetrecht zufielen143. Die parlamentarische Mitbestimmung war für die Abgeordneten in diesem Bereich am größten, was ihnen Handlungsspielräume eröffnete144. Die Ausgaben für die Gesandtschaften und Konsulate des Großherzogtums stellten einen Teil des von der Regierung vorgelegten Haushaltplans dar, den zunächst die Zweite Kammer zur Vorlage erhielt und der von der Ersten Kammer nur vollständig angenommen oder abgelehnt werden konnte145. In der relevanten Diskussion in der Zweiten Kammer vom 14. Mai 1867 ging es wie zumeist um mögliche Einsparungen, insofern stellte die Situation im Jahr 1867 noch keine Ausnahme dar. Ein Abgeordneter betitelte die Kostenfrage als »eine ganz brennende, grundsätzlich höchst wichtige«146 Angelegenheit, die schon mehrere Landtage beschäftigt habe. Die pauschalen Vorbehalte der Abgeordneten bestanden darin, dass Gesandtschaftsausgaben weder »nothwendig« noch »nützlich« sowie selbstständige Gesandte ein »unnöthiger Luxus« seien147. Die Kritik war insofern begründet, als Gesandtschaften eine Last für den Finanzhaushalt des Großherzogtums darstellten148. Spezifischer war die Frage, wofür und wie die Ausgaben zu bewilligen und zu verteilen waren. Bei der Abstimmung in der Sitzung der Zweiten Kammer vom 14. Mai 1867 gewährten die Abgeordneten für die Jahre 1867 und 1868 jeweils Summen für die Gesandtschaft in Berlin, Vgl. Siegfried Büttner, Die Anfänge des Parlamentarismus in Hessen-Darmstadt und das du Thilsche System, Darmstadt 1969, S. 53; Klaus-Dieter Rack, Bernd Vielsmeier, Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biographische Nachweise für die Erste und Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1820–1918 und den Landtag, Darmstadt 2008 (Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen, 19), S. 44 f. 144 Allerdings muss einschränkend hinzugefügt werden, dass die Budgetgewalt des Landtags verfassungsmäßig dadurch reduziert wurde, dass sie nicht mit politischen Forderungen verbunden werden durfte. Vgl. Büttner, Die Anfänge des Parlamentarismus, S. 55. Außerdem war gerade die Außenpolitik ein Bereich, in dem die Entscheidungsgewalt beim Großherzog lag. Vgl. Simon, Die Außenpolitik Hessen-Darmstadts, S. 5. 145 Zu den unterschiedlichen Kompetenzen der beiden Kammern im Hinblick auf die Bewilligung des Haushaltplans vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 44. 146 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 3, S. 16, Zitat ibid. Das Zitat stammt von Friedrich Bernhard Dernburg, Jurist und Hofgerichtsadvokat. Vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 230. 147 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 5 und 52, Zitate ibid. Das erste Zitat stammt wieder von Friedrich Bernhard Dernburg und das zweite Zitat von Konrad Alexis Dumont, Jurist und an verschiedenen Gerichten tätig. Vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 249 f. 148 So die allgemeine Einschätzung von Simon, Die Außenpolitik Hessen-Darmstadts, S. 11. 143

6.4  Einsatz für die Erhaltung der hessen-darmstädtischen Vertretung

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für nichtständige Gesandtschaften sowie für Konsulate149. Eine Bewilligung der Kosten für die beiden weiteren noch existierenden Gesandtschaften in Wien und Paris verweigerten sie jedoch zunächst150. Das Abstimmungsverhalten lässt erkennen, dass die Abgeordneten ihren Dissens gegenüber dem vorgelegten Haushaltsplan äußerten, indem sie ihn nur teilweise bewilligten. Auf diesem Weg bewiesen sie Handlungskompetenz und stellten unter anderem den Fortbestand des Pariser Gesandtschaftspostens infrage. Die in der Zweiten Kammer gefassten Beschlüsse gingen anschließend in die Erste Kammer, die ihnen nicht entsprach und nach kurzer Diskussion am 25. Juni 1867 das Fortbestehen der beanstandeten Gesandtschaftsposten in Paris und Wien befürwortete. Dass die Diskussion in der Ersten Kammer im Gegensatz zur Zweiten Kammer zugunsten der Pariser Gesandtschaft verlief und ohne große Kontroversen auskam, lässt sich auf die unterschiedliche Zusammensetzung der beiden Kammern zurückführen. Die Mitglieder der Ersten Kammer saßen dort aufgrund ihrer Herkunft, ihres Amtes oder ihres Grundbesitzes, wohingegen die Zweite Kammer die gewählte Volksvertretung darstellte151. Daraus ergaben sich verschiedene Interessenlagen, die oftmals gegensätzlich erschienen152. Im vorliegenden Fall und im Hinblick auf die Kosten stilisierte etwa der Abgeordnete Dumont die Zweite Kammer zur Stimme des Volkes, das den Sparwillen bei Gesandtschaften gut heiße153. Rivalitäten durch die unterschiedlichen Prägungen und Kompetenzzuweisungen der beiden Kammern lassen sich auch im weiteren Verlauf des Konflikts erkennen, welcher wegen der abweichenden Ansicht der Ersten Kammer erneut in der Zweiten Kammer verhandelt werden musste154. Hinzu kamen die beiden Petitionen der Hessen in Paris, worauf die Regierung mit einem Erlass reagierte und die dem Geschäftsgang folgend zuerst der Ersten Kammer zur Vorlage gekommen waren, aber der Zweiten Kammer anschließend weiterge-

Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 53 f. 150 Vgl. ibid., S. 5 und 53 f. 151 Zur Ersten Kammer gehörten u. a. die Prinzen des großherzoglichen Hauses und der Kanzler der Landesuniversität, während in der Zweiten Kammer oftmals juristisch ausgebildete Beamte saßen. Vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 16, 21 f. und 27. Die Redner der relevanten Debatten besaßen ebenfalls vorrangig eine juristische Ausbildung. Vgl. ibid. die Biographien der Abgeordneten. 152 Vgl. ibid., S. 44; Büttner, Die Anfänge des Parlamentarismus, S. 60. 153 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 3, S. 22. Zur Biographie des Juristen Konrad Alexis Dumont vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 249 f. 154 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 3, S. 16. 149

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leitet werden sollten155. Hatten die Petitionen somit der Ersten Kammer bei der Diskussion bereits vorgelegen, war dies bei der Zweiten Kammer noch nicht der Fall gewesen. Daraus ergab sich der Vorwurf, dass die Erste Kammer auf dem Pariser Posten beharre und Rücksicht auf Petitionen nehme, die der Zweiten Kammer bis dahin nicht zur Kenntnis gelangt seien156. Schließlich nahm in der Zweiten Kammer die Kontroverse ein gütliches Ende, weil der Beschluss so gefasst wurde, dass eine Gesamtsumme für alle Gesandtschaften und Konsulate bewilligt wurde und der Pariser Posten nicht einzeln Erwähnung fand, wofür die Mehrheit stimmte157. Die Landtagsdebatten über das Budget der Gesandtschaften und Konsulate bildeten im parlamentarisch verfassten Großherzogtum den Rahmen, in dem die Relevanz von Diplomaten diskutiert wurde und öffentlich hinterfragbar war. Die Abgeordneten besaßen einen gesamtheitlichen Blick auf das Budget des Großherzogtums, das der Gesandtschaften und Konsulate im Allgemeinen sowie jedes einzelnen Postens im Besonderen. Darunter stachen die drei verbliebenen Gesandtschaftsstandorte Berlin, Wien und Paris hervor. Die letztendliche Bewilligung des Budgets lässt sich jedoch nicht nur mit parlamentarischen Verfahrensweisen und dem Kostenproblem erklären, sondern erfordert die Betrachtung weiterer Argumente, die für und wider eine Pariser Gesandtschaft ins Feld geführt wurden. Das zentrale Argument für ein Bestehenbleiben der Pariser Gesandtschaft des Großherzogtums bestand in den Aufgaben, die dort für einen Diplomaten aufgrund des Einsatzes für seine Landsleute anfielen. In Paris war zu dieser Zeit eine bedeutende Anzahl an Hessen-Darmstädtern ansässig, die dort hauptsächlich temporär als Arbeitsmigranten in ärmlichen Verhältnissen lebten158. Die Abgeordneten im Darmstädter Landtag, der Diplomat Enzenberg in Paris sowie die zahlreichen dort ansässigen Hessen-Darmstädter waren sich weitgehend einig, dass der Posten eines Diplomaten in Paris dadurch gerechtfertigt sei. Sie unterschieden sich jedoch je nach Perspektive in ihren Argumentationsweisen. Für die Darmstädter Abgeordneten stand im Vordergrund, sich um ihre Staatsangehörigen im Ausland zu kümmern. Sie sprachen vom »Schutz unserer Nationalen«159 und davon, »wie unendlich wichtig die Gesandtschaft in Vgl. Verhandlungen der Ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1868, S. 407. 156 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 3, S. 19. 157 Vgl. ibid., S. 32. 158 Zu dieser Migration vgl. König, Brüche als gestaltendes Element, S. 17; vgl. ferner Kap. 4.2.4. 159 Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 5. Der Abgeordnete Dumont kritisierte dieses Argument als Vorwand. Zu seiner Biographie vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 249 f. 155

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Paris für unsere Hessischen Landsleute ist«160. Die verwendete Bezeichnung »unser« bringt eine Verbundenheit und ein Pflichtgefühl gegenüber den eigenen Landsleuten in Paris zum Ausdruck. Insbesondere an diesem Standort schien es ihnen notwendig, Verantwortung für die zahlreichen, auf Unterstützung angewiesenen Landsleute in der Ferne zu übernehmen. Des Weiteren nutzten die in Paris lebenden Hessen-Darmstädter die Petition als Weg, um in zwei Ausführungen darzulegen, wie unerlässlich der Gesandtschaftsposten sei161. In der ersten Petition, die 102 der besser gestellten Hessen in Paris unterschrieben hatten (darunter Juristen, Kaufleute und Fabrikanten), bezeichneten sie die diplomatische Vertretung als »die einzige einen heimischen Mittelpunkt bildende Behörde für die zahlreichen, über ganz Paris zerstreuten, meist armen und der Landessprache unkundigen Heßen«162. Darüber hinaus sei sie erhaltenswert, da sie »auch in der Fremde die heimischen Gefühle, die Liebe zu Fürst und dem engeren Vaterlande nährt und rege hält« und ihr »Ansehen ein traditionelles« sowie ihre »Autorität eine völkerrechtlich geheiligte« sei163. Die zweite Petition, die über 550 Unterschriften umfasste, war im Namen der Arbeiterbevölkerung verfasst und stellt in einem ähnlichen Tenor heraus: »[W]ir sprechen diese Bitte im Namen und in Vertretung von mehreren Tausend Heßen aus, die es schmerzlich empfinden würden, wenn das Band, das durch die heßische Gesandtschaft gebildet wird, zwischen ihnen und ihrer Heimath zerrissen werden sollte«164. Die Petitionäre unterstrichen die besondere Bedeutung, die die Gesandtschaft für sie besaß, indem sie in ihr den zentralen Ort einer gemeinsamen Identitätsbildung sahen. Da die meisten von ihnen nur temporär in Paris weilten und in ihren hessischen Herkunftsort zurückzukehren beabsichtigten, war es für sie wichtig, ihre Bindung dorthin nicht zu verlieren. Sie appellierten an das Verantwortungsbewusstsein der Darmstädter Abgeordneten, an die sie ihre Forderung nach dem Fortbestand der Vertretung richteten und die in ihren Augen ihre Landsleute im Ausland zu vernachlässigen drohten.

Verhandlungen der Ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1868, S. 133. Das Zitat stammt von Justus Joseph Georg Friedrich Carl Zimmermann, studierter Theologe und Superintendent sowie Pfarrer. Vgl. Rack, Vielsmeier, Abgeordnete, S. 1001 f. 161 Zur Petition als Weg der Beschwerde in einem parlamentarisch verfassten Staat, allerdings für den bayerischen Fall mangels äquivalenter hessen-darmstädtischer Edition, vgl. Dirk Götschmann, Die Beschwerden an die Kammer der Abgeordneten des Bayerischen Landtags 1819–1918, Bd. 1: 1819–1848, München 1997, S. 11–34. 162 Vgl. Adresse I. der in Paris lebenden Hessen an die Großherzogliche Regierung in Darmstadt, Juni 1867, HStAD G 1 75/4. 163 Ibid. 164 Vgl. Adresse II. der in Paris lebenden Hessen an die Großherzogliche Regierung in Darmstadt, Juni 1867, ibid. 160

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Der betroffene Diplomat Enzenberg in Paris, der die Petitionen nach Darmstadt weiterleitete, wählte in seinem Begleitschreiben eine weitere Art der Argumentation165. Er schilderte die Situation der Hessen-Darmstädter in Paris und benannte ihre zunehmende Größe, die er augenblicklich auf 6000  Tagelöhner und 1000 besser gestellte Landsleute bezifferte. Außer auf Zahlen berief er sich auf namhafte Petitionäre und Unterstützer, darunter etwa die deutschen evangelischen Pastoren, die einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der hilfsbedürftigen Landsleute leisteten166. Des Weiteren legte er seine Aufgaben dar, die sich aus der spezifischen landsmännischen Zusammensetzung ergaben und seinen Einsatz erforderten: Immer aber bleiben diese Leute mit ihrer Heimath in regem Contakt, selbst wenn sie schon in der zweiten Generation hier leben; meist besitzen sie dort noch ein Häuschen und ein paar Aecker, und alle auf ihr Vermögen bezüglichen Geschäfte laßen sie Vollmachtsweise besorgen. Durch diesen steten Verkehr, welchen die Großherzogliche Gesandtschaft als Urkundsbehörde vermittelt, erwachsen derselben die meisten Geschäfte und Arbeiten: sie hat alle Civilstands-Akten (Tauf-, Trau- u. Todesscheine) zu beglaubigen, damit sie in die Register des Heimaths-Ortes eingetragen werden können, sie hat täglich drei bis vier Vollmachten zu legalisiren, welche sie nicht selten auch erst nah aufsetzt, […] nicht weniger hat die Gesandtschaft schon Streitigkeiten sowohl der Heßen unter sich (bes. in Erbschaftssachen) als auch mit Anderen auf gütlichem Wege geschlichtet, und sie war öfters in der Lage offiziell die verletzten Intereßen dieser Großh. Unterthanen hier mit Erfolg zu wahren. […] Ich kann mit gutem Gewißen sagen, daß alle diese Geschäfte, wenn sie ordentlich geführt werden sollen, die Zeit und Arbeitskraft mindestens eines Mannes in Anspruch nehmen, und daß das Bestehen der Großherz. Gesandtschaft allein schon von diesem Standpunkte aus gerechtfertigt sein würde167.

Enzenbergs Argumentation basierte auf seinen eigenen Erfahrungswerten und der von ihm vor Ort aufgenommenen Faktenlage. Er sah sich gleichsam als Interessenwächter seiner Landsleute in Paris, womit er den Vertretungsanspruch seiner großherzoglichen Regierung auszufüllen beabsichtigte. Alle drei Argumentationsweisen verdeutlichen, inwiefern eine Vertretung des Großherzogtums Hessen-Darmstadt in Paris von Relevanz war. Der Staat kleinerer Größenordnung besaß einen eigenen Diplomaten in der französischen Hauptstadt, weil dieser von allen genannten Parteien als wichtig wahrgenommen wurde und besonderen Rückhalt bei den Landsleuten fand. Enzenbergs Existenzberechtigung bestand weniger auf politischer Ebene, wo er kaum aktiv an Verhandlungen teilnehmen konnte, sondern ergab sich aus den Migrationsbewegungen zwischen Hessen-Darmstadt und Paris.

Vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, 15. 7. 1867, HStAD G 1 75/4. 166 Zur Bedeutung kirchlicher Initiativen vgl. Kap. 4.2.4. 167 Gustav Adolf Graf von Enzenberg an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, 15. 7. 1867, HStAD G 1 75/4. 165

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Es gilt schließlich genauer zu betrachten, warum zu diesem Zeitpunkt die üblichen Budgetverhandlungen im Darmstädter Landtag in eine Grundsatzdiskussion über das Fortbestehen der Gesandtschaftsposten mündeten. Ausschlaggebend war die prekäre Situation des Großherzogtums im Jahr 1867. Die »deutsche Frage«, das heißt die Bestrebungen nach einer nationalen Einheit sowie der preußisch-österreichische Dualismus um die deutsche Vorherrschaft hatte in den Jahren 1866/1867 erneut an Aktualität gewonnen. Die Rivalität zwischen den beiden Großmächten war im Deutschen Krieg von 1866 eskaliert, wobei Hessen-Darmstadt wie Bayern, Württemberg, Hannover, Sachsen, Baden und Kurhessen auf österreichischer Seite gestanden und den Krieg gegen Preußen sowie dessen verbündete norddeutsche Kleinstaaten mit verloren hatte168. Der Kriegsausgang bedeutete, dass sich die Führungsansprüche der beiden deutschen Großmächte entscheidend verschoben und der Deutsche Bund aufgelöst wurde: Österreich verlor seine hegemoniale Stellung in Mitteleuropa, während Preußen mit dem Norddeutschen Bund nördlich der Mainlinie einen Bundesstaat unter seiner Führung schuf169. Im gleichen Zuge gliederte es unter anderem die Provinz Oberhessen an, die bisher zum Großherzogtum Hessen-Darmstadt gehört hatte170. Aus staatsrechtlicher Perspektive handelte es sich um eine Angliederung und nicht um eine Annexion, was bedeutete, dass das Großherzogtum sich nun gespalten und in seiner Souveränität stark eingeschränkt befand171. Einerseits stand die Provinz Oberhessen nun unter dem Einfluss Preußens im Norddeutschen Bund. Andererseits sah sich das reduzierte Großherzogtum südlich des Mains, ebenso wie die süddeutschen Staaten, durch den Wegfall des Deutschen Bundes insbesondere dem Einfluss von Österreich und Frankreich ausgesetzt. Der erzwungene Verlust bewirkte in Hessen-Darmstadt in der Öffentlichkeit sowie bei den meisten Parteien und vor allem bei der Regierung unter Ministerpräsident Dalwigk eine ablehnende Haltung gegenüber Preußen und dem Norddeutschen Bund172. Die zerrissene Situation des Großherzogtums ließ seine existierende Form des Gesandtschaftswesens fraglich erscheinen, da sie einige Unklarheiten und neue Optionen im Hinblick auf den diplomatischen Vertretungsanspruch hervorbrachte. Zunächst gab es die Stimmen, die den bisherigen Zustand trotz oder gerade wegen der geänderten Lage verteidigten. Der Diplomat Enzenberg betrachtete das Gesandtschaftsrecht als Ausdruck der Souveränität des Vgl. Jürgen Dauernheim, Kurzgefasste Geschichte Oberhessens, in: Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen 89 (2004), S.  1–34, hier S.  24; Doering-Manteuffel, Die deutsche Frage, S. 45. 169 Vgl. Gruner, Der Deutsche Bund, S. 96–98. 170 Vgl. Dauernheim, Kurzgefasste Geschichte, S.  26; Franz, Das Haus Hessen, S.  154; Torsten Haarmann, Das Haus Hessen. Eine europäische Familie des Hochadels, Werl 2014, S. 34. 171 Vgl. Franz, Das Haus Hessen, S. 154. 172 Vgl. Adalbert Hess, Die Landtags- und Reichstagswahlen im Großherzogtum Hessen, 1865–1871, Oberursel 1958, S. 55. 168

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Großherzogtums, das es zu wahren gelte – sicherlich nicht zuletzt, um seinen eigenen Posten zu retten173. Im Darmstädter Landtag gab es teilweise ähnliche Ansichten. Von Minister Dalwigk kamen die Worte, dass das Gesandtschaftsrecht den »Ausfluß eines wesentlichen Rechts des Souveräns, des Repräsentanten des Staates«174 darstelle. Gesandtschaftsrecht, Souveränität und Staatlichkeit waren auf das engste miteinander verbunden. Doch blieb nach der Einverleibung Oberhessens in den Norddeutschen Bund fraglich, ob das geschwächte Hessen-Darmstadt noch einen eigenen Diplomaten benötigte. Eine diskutierte Möglichkeit bestand darin, die anfallenden Aufgaben dem in Paris weilenden Konsul Ewald zu überlassen, was im Darmstädter Landtag zu kontroversen Debatten führte175. Die Befürworter der Idee argumentierten, dass die vorrangig administrativen Leistungen, die der Diplomat Enzenberg für seine Landsleute in Paris erbringe, ebenso von einem Konsul zu bewältigen seien176. Die Gegner erwiderten, dass Konsulate keine diplomatischen Vertretungen ersetzen könnten: Sie besäßen einen anderen Status, denn ein Konsul besitze keinen politischen Vertretungsanspruch und infolgedessen gestalte sich etwa seine Kontaktaufnahme zu französischen Behörden schwierig177. Darüber hinaus fungiere Ewald bisher als unbesoldeter sowie nebenamtlicher Honorarkonsul, sodass sein Status bei Ersatz für einen Diplomaten zu überdenken sei: Er müsste für die zusätzlichen Aufgaben finanziell entschädigt werden, was keine Kostenersparnis bedeute, und größere zeitliche Ressourcen aufbringen178. Auf ähnliche Weise argumentierte der Diplomat Enzenberg, indem er bekräftigte, dass Ewald seine Tätigkeit unter anderen Voraussetzungen

Vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, 15. 7. 1867, HStAD G 1 75/4. 174 Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 9. Zur Biographie Dalwigks vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 221 f. 175 Zur Tätigkeit des Konsuls Ewald für Hessen-Darmstadt in Paris vgl. Kap. 3.1.2. 176 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 16, 21 und 49. Zu den Befürwortern dieser Idee zählten die Abgeordneten Rudolph Bamberger, Kaufmann und Bankier, Carl Georg Ferdinand Volhard, Jurist und Anwalt, und der bereits zitierte Dumont. Zu ihren Biographien vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 139, 249 f. und 918. 177 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 19 und 24 sowie 36. Die Gegenposition vertraten Minister Dalwigk und Ludwig Moritz Hermann Hallwachs. Zu ihren Biographien vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 221 f. und 385 f. 178 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 11 und 41; Verhandlungen der Ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1868, S. 134. So die Ansicht von Dalwigk und Wilhelm Heinrich August von Gagern, Diplomat und Reichsminister in den Jahren 1848/1849. Zu den Biographien vgl. Rack, Vielsmeier, Hessische Abgeordnete, S. 221 f. und 325 f. 173

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erfülle179. Insgesamt war die Idee, nur noch ein Konsulat des Großherzogtums Hessen-Darmstadt in Paris zu belassen, naheliegend. Im spezifischen Fall beschränkten sich die diplomatischen Aufgaben weitgehend auf die landsmännische Unterstützung, welche auch und gerade in den Kompetenzbereich eines Konsuls fiel. Allerdings schuf die angedachte Umstrukturierung neue Probleme, indem sich die Statusfrage für den dort anwesenden Konsul stellte. Seine Stellung war weitgehend unreguliert und deshalb war es unklar, inwieweit er eine hinreichende Betreuung seiner Landsleute hätte gewährleisten können. Als weitere Option kam in Frage, die diplomatische Vertretung an Preußen abzugeben, was von hessen-darmstädtischer Seite infolge der Angliederung Oberhessens weniger erwünscht, aber befürchtet wurde180. Der Diplomat Enzenberg berichtete, dass einige Hessen-Darmstädter in Paris die Petitionen nicht hätten unterzeichnen wollen, da sie meinten, sie »müßten dann preußisch werden«181. Er selbst argumentierte, dass die hessen-darmstädtischen Belange in der preußischen Vertretung ins Hintertreffen geraten würden und untermauerte seine Bedenken wie folgt: Die hiesigen deutschen Pfarrer, die zum größten Theil selbst Preußen sind, haben mir diesbezüglich ihre traurigen Erfahrungen vertraulich mitgetheilt (und ich gebe sie ebenso vertraulich wieder) und sie versicherten, auf der Preußischen Botschaft würden sie kaum mit ihren Anliegen vorgelaßen, sie setzten durch unsere Vermittelung fünf Personalsachen durch, bis es gelinge eine durch die Preuß. Botschaft durchzuführen182.

Enzenberg begründete seine Ansicht wieder mit Erfahrungen aus der lokalen Praxis und betonte zugleich seine aus seiner Sicht erfolgreiche Unterstützungsarbeit in Paris. Im Darmstädter Landtag diskutierten die Abgeordneten hingegen die Übergabeoption in ihrer ganzen Vielfalt. Die Vertretung Preußen zu überlassen, bedeutete für den Abgeordneten Volhard, dass hessen-darmstädtische Interessen mehr zur Geltung kämen183. Demgegenüber antwortete Minister Dalwigk, dass eine gemeinsame Vertretung eher mit einem Staat ähnlicher Größenordnung als mit Preußen anzustreben sei184. Des Weiteren schien es in Darmstadt die wünschenswerteste Möglichkeit, das Vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, 15. 7. 1867, HStAD G 1 75/4. 180 Zur Art der diplomatischen Beziehungen des Norddeutschen Bundes, die in Kontinuität zu denjenigen Preußens zu sehen sind, vgl. Hillgruber, Die Aufnahme neuer Staaten, S. 101–105. 181 Vgl. Gustav Adolf Graf von Enzenberg an das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und des Äußern, 15. 7. 1867, HStAD G 1 75/4, Zitat ibid. 182 Ibid. 183 Vgl. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1867, Bd. 2, S. 21. 184 Vgl. ibid., S. 22. 179

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

Gesandtschaftsrecht an einen gesamtdeutschen Vertreter zu übergeben185. Letztere Auffassung, die im Landtag überwog, war aber (noch) nicht zu realisieren, da es im Jahr 1867 den Norddeutschen Bund auf der einen Seite und die süddeutschen Staaten auf der anderen Seite gab. Dass die Option im Raum stand, zeigt gleichwohl, wie sehr sich die Abgeordneten bewusst waren, in einem Übergangsstadium zu leben. Der Kompromiss lautete deshalb, eine gesamtdeutsche Vertretung abzuwarten und solange die bisherige Form des großherzoglichen Gesandtschaftswesens beizubehalten. Im dargestellten Konflikt offenbaren sich die verschiedenen Haltungen der beteiligten Akteure in einer Relevanz- und Existenzfrage einer diplomatischen Vertretung. Im Parlament war Kritik am Gesandtschaftswesen möglich und seine Form konnte mitbestimmt werden. Allerdings zeugen die Landtagsdebatten genauso von Unsicherheiten und Unkenntnis der Abgeordneten. Denn diese wussten selbst nicht, wie eine adäquate Vorgehensweise bei der unübersichtlichen und vielfältig auslegbaren Faktenlage aussehen sollte. Argumente liefen durcheinander und drehten sich um den problematischen Status des Großherzogtums, insbesondere seiner Provinz Oberhessen. Aus Darmstädter Perspektive entbrannte der Konflikt bei den Gesandtschaften, weil sie unmittelbarer Ausdruck der nun fragilen Souveränität des Großherzogtums waren. Die diplomatische Eigenständigkeit aufzugeben, schien im Jahr 1867 im Bereich des Möglichen. Sie sollte jedoch nicht nur während des Deutschen Bundes, sondern auch des Norddeutschen Bundes bestehen bleiben und erst mit der nationalen Einheit im Kaiserreich fallen. Aus Sicht des Diplomaten Enzenberg ging es vorrangig darum, den eigenen Posten zu retten und seine Wichtigkeit zu rechtfertigen. Er hatte die Situation vor Ort in Paris im Blick und argumentierte vor allem mit seinen Erfahrungswerten, die er den Darmstädter Abgeordneten und Regierungsmitgliedern voraushatte. Bemerkenswert ist an der Situation von 1867 schließlich der landsmännische Einsatz in Form der Petitionen. Sie offenbaren, dass Diplomaten nicht nur Unterstützung leisteten, sondern ihre Landsleute umgekehrt bereit waren, sich für sie einzusetzen und sie als unentbehrliche Vertreter wahrnahmen.

6.5 Beharren auf dem Gesandtschaftsrechtals Ausdruck einzelstaatlicher Souveränität zur Zeit des Deutschen Bundes Die hier untersuchten Situationen sind durch ihren krisenhaften Charakter vergleichbar, in ihnen war die Relevanz oder gar die weitere Existenz eines Vgl. ibid., S. 21 und 31. So explizit die bereits erwähnten Angeordneten Volhard und Gagern.

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6.5  Beharren auf dem Gesandtschaftsrecht

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Diplomaten in Frage gestellt. Deshalb soll hier der Krisenbegriff rekapitulierend aufgegriffen werden. Krisen allgemein beginnen in der Regel dadurch, dass an bestehenden Verhältnissen Kritik geübt wird und neue Realitäten entstehen, die sich mit Ersteren reiben und zu konkurrierenden Deutungsmustern führen. In den nun unsicheren Verhältnissen werden Repräsentationen instabil, wobei einerseits Routinen unterbrochen werden und andererseits Rituale helfen, sie noch aufrechtzuerhalten. In der Konsequenz gehen aus Krisen häufig geänderte Repräsentationen hervor186. Dieses Krisenverständnis lässt sich auf die dargelegten Fallbeispiele anwenden. Relevante bestehende Verhältnisse sind, dass die Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes über einzelstaatliche Souveränität beim Gesandtschaftsrecht verfügten, das heißt jeweils eigene Diplomaten entsandten. Charakteristisch ist auch, dass der Rang eines Diplomaten im Verhältnis zu den Rängen seiner Kollegen aus anderen europäischen Staaten stand und außerdem das französische Zeremoniell Rechte von Diplomaten nach Rangstufen staffelte. In die Kritik gerieten jene Verhältnisse dadurch, dass auf deutscher Ebene das Ziel einer nationalen Einigung zunehmend an Gewicht gewann. Darüber hinaus strebte das postnapoleonische Europa nach Frieden und Stabilität und in Frankreich gab es mehrmalige Regierungswechsel. In der Folge schufen die Provisorische Zentralgewalt von 1848, der Norddeutsche Bund von 1867, die Zweite Republik von 1848 und das Zweite Kaiserreich von 1852 sowie das Europäische Konzert ab 1815 neue Realitäten. Deutungsmuster konkurrierten fortan, da Einzelstaaten mit eigenem Gesandtschaftsrecht und hergebrachtem diplomatischen Rang neuen Optionen gegenüber standen: das einzelstaatliche Gesandtschaftsrecht (temporär) abzugeben, es in einem nationalen Gesandtschaftsrecht aufgehen zu lassen oder Rangveränderungen vorzunehmen. Die entfachten Repräsentationskrisen zeichneten sich dadurch aus, dass diplomatische Beziehungen fortgeführt und das einzelstaatliche Gesandtschaftsrecht beibehalten wurde. Zugleich wurde Souveränität neu bewertet beziehungsweise teilweise neu verteilt, was sich etwa an der Person von Raumer als potentiellem gesamtdeutschem Vertreter in Paris im Jahr 1848 festmachen lässt. Im Ergebnis blieb das Gesandtschaftsrecht in seiner bisherigen Form bestehen. Es war jedoch im Untersuchungszeitraum temporär übertragbar sowie im Rang modifizierbar und die deutsche nationale Einigung als Ziel existierte bis zu ihrer Realisierung im Jahr 1871. Das Gesandtschaftsrecht existierte nach 1871 für die Bundesstaaten im Deutschen Kaiserreich weiter, wurde aber nur noch in Ausnahmefällen ausgeübt187. Ins Zu diesem kulturwissenschaftlichen Krisenverständnis vgl. Thomas Mergel, Einleitung: Krisen als Wahrnehmungsphänomene, in: Ders. (Hg.), Krisen verstehen. Historische und kulturwissenschaftliche Annäherungen, Frankfurt a. M., New York 2012 (Eigene und fremde Welten, 21), S. 9–22. 187 Eine der Ausnahmen stellt Bayern dar, das einen eigenen Diplomaten in Paris im Kaiserreich behielt. Vgl. Gerhard Hetzer, Außenpolitik als deutscher Bundesstaat. Das 186

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6.  Diplomatische Relevanz- und Existenzkrisen

gesamt verdeutlichen die vorstehenden Krisensituationen ein Beharren auf dem Gesandtschaftsrecht, was Ausdruck einzelstaatlicher Souveränität zur Zeit des Deutschen Bundes sowie des Norddeutschen Bundes gelten kann.

Königreich Bayern, 1871–1918, in: Berwinkel, Kröger, Preuss (Hg.), Die Außenpolitik der deutschen Länder, S. 25–56, hier S. 27 und 40.

7. Schlussbetrachtungen: Diplomatie im Aufbruch Die Untersuchung der diplomatischen Vertreter von Preußen, Österreich, Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt in Paris für die Zeit von 1815 bis 1870 verdeutlicht, was Diplomatie damals auszeichnete und wie sie funktionierte. Die fünf behandelten Problemfelder zeigen das widersprüchliche Selbstbild der Diplomaten, die umstrittenen Kompetenzbereiche, die dauerhafte Präsenz vor Ort, die zu überwindenden Anerkennungsprobleme und das fortwährende einzelstaatliche Gesandtschaftsrecht trotz Relevanz- und Existenzkrisen auf. Sie bilden die Kristallisationspunkte einer Diplomatie, die unter Druck und zugleich im Aufbruch war. Zusammengenommen ergeben sich zwei Beobachtungsfelder in dieser Arbeit, die abschließend zu resümieren sind. Die Transformation auf diplomatischer Ebene bestand in den Jahrzehnten zwischen 1815 und 1870 erstens darin, dass im Ansatz ein Eigenprofil der Diplomatie entstand. Diese Entwicklung betraf zweitens die Diplomaten vor Ort und insbesondere die deutschen Diplomaten in Paris. Hinsichtlich des ersten Beobachtungsfeldes entstand ein Eigenprofil der Diplomatie, welches sich hauptsächlich in fünf Entwicklungen manifestierte. 1) Die durch den Wiener Kongress festgelegten Prinzipien der Egalität und Anciennität sowie die darauf aufbauende diplomatische Rangordnung durchzogen die Tätigkeit der Diplomaten in neuer, mannigfacher Weise. Das Ziel, frühneuzeitliche Rangkonflikte mit der neuen Rangordnung beizulegen, zeigt sich am deutlichsten im Umgang der Diplomaten miteinander: das diplomatische Korps setzte auf Kollegialität anstatt auf Rivalität. Gleichzeitig bildete die Rangordnung die Bemessungsgrundlage, um Hierarchien abzubilden: die Zugangsrechte zu französischen Hof- und Staatsstellen, beispielsweise der Platz auf der Diplomatentribüne im Parlament, der Status der Ehefrau, die Ausführung der Diplomatenuniform oder die Höhe des Gehalts richteten sich nach dem Rang des Diplomaten. Deshalb war die Wahl des Rangs bedeutungsvoll und blieb mitunter problematisch: Vor allem nach Staatsform- und Regierungswechseln musste die Stellung neu festgelegt werden und zeigte sich in Rangerhöhungen. Insgesamt gab sich die Diplomatie mit der Rangordnung ein eigenes System, das Ungleichheiten darstellte und sie zugleich in Zaum zu halten beabsichtigte. 2) Die zu beobachtenden Professionalisierungstendenzen zeigen sich vorrangig in den erstmaligen Gesetzen für den Zugang zum diplomatischen Dienst und in der Einführung von Gehältern. Es entstand ein eigenes Berufsbild für Diplomaten, das vorherige informellere Regelungen zurückdrängte. Eine Konsequenz war eine deutlichere Geschlechtertrennung im diplomatischen Bereich, denn der neue Beruf des Diplomaten war ausschließlich Mänhttps://doi.org/10.1515/9783110519563-008

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7. Schlussbetrachtungen

nern vorbehalten. Die Professionalisierung änderte außerdem das Verhältnis zwischen interaktiver und schriftlicher Kommunikation, wie es Stefan Haas und Mark Hengerer für Verwaltungsprozesse allgemein formuliert haben: »Es hat den Anschein, dass Interaktion in der schriftfixierten Verwaltung des 19. Jahrhunderts an Bedeutung verliert. Sie sichert nicht mehr primär Formalität, sondern erschließt im Gegenteil der Verwaltung Grenzräume einschließlich informeller Vergemeinschaftung«1. Abgesehen davon, dass diplomatische Amtsträger »Interaktionsspezialisten«2 blieben, gewann die zunehmend ausgeprägte Schriftlichkeit auch im diplomatischen Kontext an Bedeutung. Sie garantierte Formalität, wie die ausdifferenzierteren Formen und Inhalte im Berichtswesen zeigen. Die Professionalisierung betraf neben der Diplomatie viele weitere Bereiche wie das Konsularwesen, das vor allem hinsichtlich diplomatischer Abgrenzungsbestrebungen für die Untersuchung relevant war. 3) Abgrenzungsbestrebungen verdeutlichen, dass Diplomaten ihren Tätigkeitsbereich als etwas Eigenes wahrnahmen. Sie steckten ihren Kompetenzbereich gegenüber Kooperationspartnern und Konkurrenten wie Konsuln, Militärattachés, Journalisten oder technischen Bevollmächtigten der Telegrafenverwaltungen ab. Diese Akteursgruppen verdeutlichen außerdem, wie Diplomatie als sozusagen klassischer Bereich der internationalen Beziehungen in größere Zusammenhänge eingebettet war. Gleichzeitig mussten die Diplomaten implizit oder explizit wissen, welche Kompetenzen sie in Abgrenzung zu anderen besaßen. Sie sind neben Regierenden und Parlamentariern zentrale Akteure im Bereich des Politischen3. In diesem Geflecht positionierten und legitimierten sich die Diplomaten neu. Der Vertretungsauftrag gegenüber den Entsendenden erweiterte sich vor allem um den Staat; Parlamente bildeten einen neuen Faktor bei der Entscheidung über Art und Umfang der Auslandsvertretungen. Darüber hinaus war es wichtig festzustellen, was überhaupt als »politisch« galt. Bei Diplomaten scheint es selbstverständlich, sie im Bereich der Politik und insbesondere der Außenpolitik zu verorten, weshalb diese Zugehörigkeit kaum hinterfragt wird. Dazu passt, dass die Diplomaten den Begriff »politisch« meist selbst eher unreflektiert verwendeten. Die Untersuchung des Wortgebrauchs zeigt gleichwohl auf, wie sie vor allem »politische« von »administrativen« Tätigkeiten abgrenzten und dadurch indirekt ihr aufkommendes ausdifferenzierteres Berufsverständnis definierten. 4) Wachsende rechtliche Verbindlichkeiten schärften das Eigenprofil der Diplomatie, wobei diese in verschiedenen Formen fixiert waren. Für Diplomaten relevante Rechte manifestierten sich im Zeremoniell, das die Abläufe am Hof festlegte sowie in der erwähnten diplomatischen Rangordnung, die eine abgestufte Rechtezuteilung ermöglichte. Außerdem besaßen diplomatische Ver Haas, Hengerer, Zur Einführung, S. 16. Ibid. 3 Vgl. Weidner, Die Geschichte des Politischen, S. 20. 1

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7.  Diplomatie im Aufbruch

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tretungen eine Rechtsbasis, indem ihre Existenz auf den Souveränitätsrechten der Entsendenden, ihrem Gesandtschaftsrecht sowie diplomatischen Sonderrechten im Rahmen der Immunität fußte. Ein neuer Aspekt war die staatliche Gesetzgebung, die vor allem zum ersten Mal den Zugang zum diplomatischen Dienst regelte. Von besonderer Bedeutung war die beginnende Verrechtlichung auf internationalem Gebiet durch die Entstehung des Völkerrechts: Sie zeigte sich im zunehmenden Abschluss bi- und multilateraler Verträge sowie in der sich ausbildenden Rechtspraxis der völkerrechtlichen Anerkennung. Anerkennungsprobleme verdeutlichen außerdem die interdisziplinäre Dimension. Die rechts- und politikwissenschaftliche Literatur, die Anerkennungsfragen über längere Zeiträume systematisch untersucht, gelangt oft zu umfassenden Thesen. In diesem Zusammenhang ist an das bereits erwähnte Ergebnis von Mikulas Fabrys Forschungen zu erinnern, dass die Prinzipien des Europäischen Konzerts im Untersuchungszeitraum wegweisend waren4. Die vorliegende Studie wird hier präziser und zeichnet auf der Akteursebene nach, wie sich die Anerkennungspraktiken unter den handlungsleitenden Vorstellungen des Europäischen Konzerts wandelten. Es stellt sich heraus, dass die gegenseitige Anerkennung aus historischer Perspektive ein ebenso zentrales Spannungsfeld war, wie es Markus Mößlang und Torsten Riotte für die Diplomatie des 19. Jahrhunderts benannt haben.5 Weiter mussten sich Diplomaten vermehrt und auf neue Weise mit Recht beschäftigen: Völkerrecht war als Prüfungsfach Teil ihrer neuen Ausbildung; Rechtsfragen gehörten zu ihrem Tätigkeitsbereich. 5) Als letzter Faktor ist die fortschreitende Institutionalisierung zu nennen, die auf mehreren Ebenen stattfand. Auf politischer Ebene allgemein entstanden neue Bereichs-Politiken und mit ihnen Ressortministerien wie das Außenministerium, das den Zuständigkeitsbereich für Diplomatie einschloss. Orte und Begegnungsformen erreichten auf diplomatischer Ebene einen neuen Institutionalisierungsgrad, wie der erstmalige Erwerb von eigenen Gebäuden für diplomatische Vertretungen und die Verhaltensweisen des diplomatischen Korps zeigen. Schließlich gab es eine Institutionalisierung von mit der Diplomatie konkurrierenden Bereichen. Es entstanden einzelstaatliche Konsulate in Paris, Militärattachés wurden systematisch entsandt. Institutionalisierung bedeutete die Schaffung spezifischer Ansprechpartner, eigener Räume und Umgangsformen sowie engerer Zuständigkeiten, die dazu beitrugen, dass Diplomatie ein eigenes Profil ausbildete. Das Eigenprofil der Diplomatie bildete sich allerdings zunächst nur in Konturen aus. Neue Regelungen wurden zunächst lediglich ansatzweise umgesetzt und diplomatische Formen aus der Frühen Neuzeit bestanden fort. Es ergab sich daraus eine Spannung zwischen Norm und Praxis. Ein gutes Beispiel sind die Gesetze, die den Zugang zum diplomatischen Dienst regelten. Sie konnten Vgl. Kap. 5.6. Vgl. Kap. 1.5.

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7. Schlussbetrachtungen

sich erst zögerlich durchsetzen, weil neue Diplomaten immer noch oft über persönliche Beziehungen rekrutiert wurden. Wo lassen sich darüber hinaus Zäsuren in den betrachteten Jahrzehnten feststellen? Den markantesten Einschnitt gab es in der Mitte des 19. Jahrhunderts, besonders in den Jahren 1848 und 1852. Die Revolutionen von 1848, in deren Folge die Zweite Republik in Frankreich und die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt am Main entstanden, waren ein allgemeiner Umbruch auf europäischer, französischer und deutscher Ebene. Er wirkte sich vielfältig auf die Diplomatie aus. Zunächst folgten daraus rasch Änderungen: In der neuen französischen Republik gab es keinen Botschafterrang mehr, in Paris war ein gesamtdeutscher Vertreter anwesend und Hessen-Darmstadt übergab seine diplomatische Vertretung in Paris temporär an Baden. Außerdem gab es längerfristige Folgen, mit denen die Diplomaten umzugehen lernen mussten. Dazu zählen die Telegrafie und ihre staatliche Nutzung, die notwendige Auseinandersetzung mit der Presse sowie Militärattachés und Konsulate in Paris, die sich systematisch etablierten. Alle fünf untersuchten Staaten besaßen ab diesem Zeitpunkt Verfassungen, da nun auch Preußen und Österreich solche einführten. Auf diese Weise wurde endgültig erreicht, dass die Diplomaten nicht nur einen Monarchen, sondern auch einen Staat vertraten. Weitere einschneidende Veränderungen brachte das Jahr 1852, in dem sich das Zweite Kaiserreich in Frankreich etablierte. Dies erwies sich als konsolidierend, da beispielsweise Hessen-Darmstadt die vorübergehende Übergabe der Geschäfte an Baden beendete. Zugleich war das neue, aufwändigere Hofleben unter Napoleon  III. Anlass für die Diplomaten, sich darüber bei ihren Entsendenden zu beklagen. Sie äußerten sich zu Kostenproblemen und dem erhöhten Repräsentationsaufwand. Dies zeigt vor allem die Rangerhöhung des badischen Diplomaten vom Ministerresidenten zum Gesandten. Interessant ist hier auch, dass der Diplomat selbst die Veränderung initiierte, denn in der Regel gingen Neuerungen von den deutschen Entsendenden und den französischen Empfangenden aus. Diplomaten waren dann gezwungen, darauf zu reagieren. Andere Zäsuren sind schwieriger zu benennen, weil sie nicht denselben umwälzenden Charakter besaßen. Anlass für Veränderungen gaben oft weitere politische Brüche: Beispiele sind die Julirevolution in Paris im Jahr 1830, der erstmalige Einsatz eines Militärattachés sowie die Entstehung des Norddeutschen Bundes im Jahr 1867 und die Infragestellung der hessen-darmstädtischen Vertretung. Eine weniger punktuelle, eher schleichende Veränderung lässt sich für die 1820er Jahre beobachten, als der aufkommende Staatsdienst Einzug in diplomatische Belange hielt. In den nun konstitutionellen Staaten Bayern, Baden und Hessen-Darmstadt galt es Eide auf die Verfassung zu schwören, womit sich der Repräsentationsauftrag der Diplomaten erweiterte. Die Gesetze für den Zugang zum diplomatischen Dienst wurden 1819 in Baden, 1827 in Preußen und 1833 in Bayern eingeführt. In der wachsenden preußischen Vertretung gab es außerdem die erste preußische Kanzlistenstelle außerhalb des Deutschen Bundes.

7.  Diplomatie im Aufbruch

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Neben Einschnitten, welche mit Neuerungen einhergingen, müssen die Kontinuitätslinien hervorgehoben werden. Die frühneuzeitlichen Traditionslinien betont bereits Johannes Paulmann im Hinblick auf Monarchenbegegnungen, weshalb sie hier immer wieder herangezogen wurden. Außerdem legt diese Studie für Diplomaten genauer dar, dass und wie ihre Handlungsformen im frühen 19. Jahrhundert bei allen neuen Herausforderungen auf Beständigkeit ausgelegt waren. Darunter sind Aspekte, die fortbestanden beziehungsweise erst allmählich verschwanden. Dazu gehört die Vorstellung, dass der diplomatische Auftrag für eine Mission verliehen worden war. Dies bedeutete zugleich, dass die diplomatische Präsenz an einem Standort immer temporär und prekär war. Die Idee war obsolet, wirkte aber in der Praxis noch nach, indem Diplomaten überwiegend an wechselnden Orten zur Miete wohnten. Fortan wechselte zwar der einzelne Diplomat in seiner Laufbahn immer wieder die Standorte; dort etablierten sich nun jedoch feste Vertretungssitze, die nicht mehr von einzelnen Missionen abhängig waren. Es ist ferner zu unterstreichen, dass dynastische Verbindungen für die Gestaltung diplomatischer Beziehungen relevant blieben. Die verwandtschaftliche Nähe war etwa bei der Wahl eines temporären Vertretungsdiplomaten ausschlaggebend, wie beispielsweise im Jahr 1848 Hessen-Darmstadt Baden wählte und im Jahr 1870 Württemberg für Russland votierte. Dass dieser Beweggrund meist nicht explizit gemacht wurde, offenbart, dass es sich um eine althergebrachte Praktik handelte, die selbstverständlich erschien. Insgesamt zeigt sich das Ringen um ein Eigenprofil, bei dem europäische und hier insbesondere französische sowie deutsche Entwicklungen zusammenspielten. Gleichzeitig stießen alte und neue Tendenzen aufeinander: Sie bewirkten, dass auf diplomatischer Ebene bestehende Muster hinterfragt und nach Neuerungen ausgerichtet werden mussten, was die Legitimität von Diplomatie kurzzeitig infrage stellte, aber langfristig ihre Unentbehrlichkeit festigte. Im Hinblick auf das zweite Beobachtungsfeld und das Handeln vor Ort praktizierten die Diplomaten einen Spagat zwischen großer Beständigkeit und aufkommenden Neuerungen, die erforderten, dass sie sich im Alltag und in ihrer Arbeitsweise anpassten. Die Handlungsspielräume der Diplomaten erweiterten sich einerseits durch vermehrte Aufgaben und wurden andererseits durch zunehmende Vorgaben und vereinfachte Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt. Gleichzeitig waren die Diplomaten eher darauf bedacht, bestehende Formen zu wahren. Die parallele Existenz mehrerer deutscher Diplomaten in der französischen Hauptstadt verweist zudem auf ein einzelstaatliches Vorgehen, wenngleich immer wieder ein gesamtdeutsches Bewusstsein erkennbar ist: Die Diplomaten arbeiteten im Deutschen Hilfsverein zusammen, indem sie dort gemeinsam Verantwortung für ihre Landsleute übernahmen. Mit einer Stimme für den Deutsch-Österreichischen Telegrafenverein zu sprechen, war für die Pariser Telegrafenkonferenz von 1865 anvisiert; auch war es denkbar, einen Konsul des Deutschen Zollvereins als gemeinsamen Vertreter in Paris vorzuschlagen. Augenfälligster Aus-

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7. Schlussbetrachtungen

druck dieser gesamtdeutschen Ambitionen stellte der Versuch der Provisorischen Zentralgewalt dar, im Jahr 1848 einen Vertreter in Paris zu etablieren. Die letzten drei genannten Möglichkeiten gingen auf Zusammenschlüsse auf deutscher Ebene zurück, die jedoch in diplomatischen Belangen in Paris nicht umzusetzen waren und scheiterten. Die wesentliche Ursache dafür war das Festhalten an einzelstaatlichen Ansprüchen. Sie mussten im Zusammenspiel der deutschen Diplomaten in Paris deutlich werden und unterschieden sich je nach Größe und Bedeutung des Einzelstaates. Die Großmächte Preußen und Österreich tolerierten gesamtdeutsche Ambitionen nicht oder nur, wenn sie gleichzeitig eigene Vertreter beibehalten konnten. Österreich hätte beispielsweise eine preußische Vertretung im Namen des Deutsch-Österreichischen Telegrafenvereins bei der Telegrafenkonferenz von 1865 akzeptiert, obgleich es selbst auf jeden Fall vertreten sein wollte. Bei den deutschen Klein- und Mittelstaaten ist die Lage komplizierter, weil sie unterschiedliche Verhaltensweisen pflegten. Zum einen orientierten sie sich etwa bei Anerkennungsproblemen deutlich am preußischen und österreichischen Vorgehen und waren in verschiedenen Situationen wie etwa im Jahr 1848 teilweise bereit, Kompetenzen abzugeben. Andererseits hielten sie doch meistens an ihrem Gesandtschaftsrecht fest, wie vor allem der untersuchte Fall der hessen-darmstädtischen Vertretung im Jahr 1867 verdeutlicht. Eine Sonderrolle nahm schließlich Bayern ein, das in der Regel auf eigenen Vertretungsansprüchen bestand, wo andere Mittelstaaten bereit gewesen wären, sie abzugeben, etwa bei der Pariser Telegrafenkonferenz von 1865. In diesem Zusammenhang konzentriert sich die bisherige Forschung meist auf jeweils eine einzelstaatliche Sicht, wie Sylvia Krauss’ Arbeit über die Beziehungen zwischen Bayern und Frankreich von 1814/1815 bis 18406. Diese Studie geht hier weiter, da sie multiperspektivisch angelegt ist und Diplomaten größerer, mittlerer und kleinerer Entsendestaaten in Interaktion untersucht. Sie stellt so gleichsam ein Bindeglied zwischen einzelstaatlich und national geprägten Untersuchungen dar, indem sie genau den Zeitraum untersucht, in dem diese beiden Vertretungsansprüche erstmals möglich erschienen. Es ist deutlich geworden, dass und wie die Diplomaten einerseits als deutsches diplomatisches Korps gemeinsam agierten und andererseits jeweils spezifische Schwerpunkte verfolgten. Neben einzelstaatlichen und gesamtdeutschen Ambitionen ist für den Standort Paris hervorzuheben, dass die Diplomaten dort teilweise eine Vorreiterposition einnahmen, weil sie vor Ort notwendige Anpassungsmaßnahmen und Neuerungen infolge von Regierungs- und Staatsformwechseln herausforderten. Bei der Pariser Botschafterkonferenz von 1815 bis 1818 erprobten die vier beteiligten Diplomaten beispielsweise den Typus der Botschafterkonferenz, die in der Folge ein Kernstück des Europäischen Konzerts darstellte und im vorliegenden Fall einen friedlichen Umgang mit dem be Krauss, Die politischen Beziehungen.

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7.  Diplomatie im Aufbruch

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siegten Frankreich gewährleistete. Der erste Militärattaché überhaupt fand außerdem seinen Einsatz im Jahr 1830 infolge der Julirevolution für Preußen in Paris, sodass sein Verhältnis zu den Diplomaten dort erstmals zu erproben war. Insgesamt wurden Diplomaten im Untersuchungszeitraum nicht überflüssig, sondern modifizierten vielmehr ihre Denk- und Arbeitsweisen, wobei sich das Bild einer Diplomatie im Aufbruch zeichnen lässt: Sie entwickelte zunehmend, wenn auch erst ansatzweise ein Eigenprofil und bei den deutschen Diplomaten in Paris war ein gesamtdeutsches Bewusstsein bei gleichwohl überwiegenden einzelstaatlichen Vertretungsansprüchen erkennbar. Den neueren Betrachtungsweisen von Diplomatie konnte eine weitere Facette hinzugefügt werden: Legitimität dient als erkenntnisleitende Kategorie. Dass Legitimitätsprobleme vorhanden waren und sind, klingt in vielen diplomatiehistorischen Studien an, aber diese Probleme stehen selten im Fokus des Interesses. Infolgedessen sind sie kein spezifisches Phänomen des Untersuchungszeitraums, sondern vielmehr epochenübergreifend relevant. Systematisch zu verfolgen, wie Legitimität gestiftet, in Frage gestellt oder entzogen wurde, ermöglicht Aussagen darüber, wie Diplomatie verfasst war und sich wandelte. Nach 1870 behielten im Deutschen Kaiserreich die einzelnen Länder die Möglichkeit, eigene Diplomaten zu entsenden. Vor allem Bayern machte davon in Paris Gebrauch: Die Frage, ob es notwendig war, dass Bayern eine eigene Vertretung behielt, obwohl zugleich eine gemeinsame deutsche Botschaft in der französischen Hauptstadt existierte, stellt sich noch viel stärker als im hier betrachteten Zeitraum7. Umgekehrt kannte die französische Seite das Bedürfnis nach Rechtfertigung ihrer diplomatischen Vertretungen auf deutschem Gebiet: Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 stand die französische Botschaft in Berlin in einer feindlichen Umgebung, es gab weiterhin eine französische Gesandtschaft in München in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik mussten sich die französischen Diplomaten auf den neuen Standort Bonn einlassen sowie gleichzeitig Beziehungen zur DDR pflegen8. Auf diplomatischer Ebene allgemein geriet außerdem seit dem Zur Außenpolitik der deutschen Länder im Kaiserreich vgl. Berwinkel, Kröger, Preuss (Hg.), Außenpolitik; zu bayerischen Vertretern im Ausland u. a. in Paris während des Kaiserreichs vgl. Konrad Reiser, Bayerische Gesandte bei deutschen und ausländischen Regierungen, 1871–1918. Ein Beitrag zur Geschichte der Teilsouveränität im Bismarckreich, München 1968 (Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München, 26). 8 Es liegen zu den genannten Fallbeispielen jeweils Untersuchungen vor. Vgl. Aballéa, Un exercice; Andrea Müller, Die französische Gesandtschaft in München in den Jahren der Weimarer Republik. Französische Politik im Spiegel der diplomatischen Berichterstattung, München 2010 (Miscellanea Bavarica Monacensia, 184); Matthieu Osmont, Les ambassadeurs de France à Bonn, 1955–1999, Diss. Institut d’études politiques Paris (2011); Christian Wenkel, Auf der Suche nach einem anderen Deutschland. Das Verhältnis Frankreichs zur DDR im Spannungsfeld von Perzeption und Diplomatie, München 2014 (Studien zur Zeitgeschichte, 86). 7

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7. Schlussbetrachtungen

Ersten Weltkrieg die »alte Diplomatie« als Geheimdiplomatie in die Kritik und stand einer sich ausbildenden »neuen Diplomatie« gegenüber9. Schließlich sind Legitimitätsprobleme deutscher Repräsentanzen heutzutage weiterhin vorhanden oder es ist zumindest möglich, solche Fragen aufzuwerfen. Aktuell unterhalten die deutschen Bundesländer jeweils eigene Vertretungen beim Bund in Berlin sowie bei der Europäischen Union in Brüssel. Sie stehen in der Tradition deutscher einzelstaatlicher Souveränität, die sich in der jetzigen föderalen Ordnung der Bundesrepublik niederschlägt10. Dass ihre Existenzberechtigung nach wie vor hinterfragt wird, zeigt das Beispiel der hessischen Landesvertretung in Brüssel, die im Jahr 2013 nach dem Bezug eines neuen Gebäudes wiedereröffnet wurde: In der Kritik der Presse wurde vor allem das Kostenargument prominent behandelt11. Auf diese Weise schließt sich der Kreis zur Aussage des hessen-darmstädtischen Abgeordneten Bamberger aus dem Jahr 1867 am Beginn dieser Studie. Die Frage nach der Legitimität mehrerer deutscher Vertretungen an einem Standort sowie nach der Notwendigkeit von Repräsentanten an sich hat nicht an Relevanz verloren. Zugleich scheinen Diplomaten bis heute letztendlich dies zu sein: unentbehrliche Vertreter.

Schlagwörter für die »Neue Diplomatie« sind Woodrow Wilsons Vierzehn Punkte-Programm und die Pariser Friedenskonferenz von 1919. Vgl. hierzu ausführlich Steller, Diplomatie von Angesicht, S. 361–470. 10 Zu den Vertretungen der Bundesländer in Berlin vgl. »Länder machen Staat«. Ein Plädoyer für den deutschen Föderalismus, hg. v. Hessische Landesvertretung, Baden-Baden 2013 (Schriftenreihe des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung, 41); zu den Vertretungen der Bundesländer in Brüssel, die es dort seit Mitte der 1980er Jahre gibt, vgl. Wolfgang Renzsch, Thomas Wobben, 20 Jahre ostdeutsche Landesvertretungen in Brüssel. Eine Bilanz der Interessenvertretung der Länder aus unterschiedlichen Blickwinkeln, Baden-Baden 2013 (Schriftenreihe des Europäischen Zentrums für Föderalismus-Forschung, 39). 11 Vgl. Ralf Euler, Hessische Landesvertretung eröffnet. Das EU-Parlament immer im Blick, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 5.6.2013, http://www.faz.net/hessische-landesvertretung-eroeffnet-das-eu-parlament-immer-im-blick-12211370.html (Zugriff 26.2.2017). 9

8. Diplomatische Vertretungen in Paris 8.1 Standorte Aufgeführt sind im Folgenden alle Standorte der fünf ausgewählten deutschen diplomatischen Vertretungen in Paris, die im Untersuchungszeitraum zu ermitteln waren. Die Übersicht ist nach den Entsendestaaten geordnet, richtet sich jeweils nach der Chronologie und enthält folgende Angaben: Adresse, Zeitraum/ Zeitpunkt und Nachweise. Baden 11, rue Saint-Florentin (um 1817/1820) Almanach royal von 1817 und von 1820 26, rue de la Ville-l’Évèque (um 1846) Almanach royal von 1846 17, rue Joubert (um 1853–1858) AMAE Protocole Série A 115: Listen 12/1853, 5/1854, 12/1856, 12/1857, 3/1858 17, rue Boursault (um 1859) AMAE Protocole Série A 115: Liste 1/1859 62, rue Blanche (1861–1870) AMAE Protocole Série A 115: Listen 12/1861, 11/1864, 12/1865, 1/1868, 3/1869, 4/1870

Bayern 43, rue d’Anjou (um 1816/1817) Schreiben vom 7. 6. 1816; BayHStA MA 9368; Almanach royal von 1817 19, place Vendôme (um 1846) Almanach royal von 1846 15, rue d’Aguesseau (1851–1860) Schreiben vom 14. 1. 1851; BayHStA Ges. Paris 1157; AMAE Protocole Série A 115: Listen 12/1853, 5/1854, 12/1856, 12/1857, 1/1859 107, rue de Grenelle (1860–1865) Schreiben vom 10. 2. 1860; BayHStA Ges. Paris 1157; AMAE Protocole Série A 115: Listen 3/1860, 12/1861, 11/1864, 12/1865 16, place de la Madeleine (1866) Schreiben vom 11. 12. 1866; BayHStA Ges. Paris 1157 9, avenue de la Reine-Hortense (1867) Schreiben vom 29. 3. 1867; BayHStA Ges. Paris 1157; AMAE Protocole Série A 115: Listen 12/1866, 5/1867 https://doi.org/10.1515/9783110519563-009

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8.  Diplomatische Vertretungen in Paris

21, rue du Cirque (1868) Schreiben vom 5. 1. 1868; BayHStA Ges. Paris 1157 9, rue Bayard (1868) AMAE Protocole Série A 115: Liste 1/1868 5, rue de Berri (1869–1870) Schreiben vom 1. 1. 1869; BayHStA Ges. Paris 1157; AMAE Protocole Série A 115: Listen 3/1869 und 1870

Hessen-Darmstadt 5, rue Richepanse (um 1820) Almanach royal von 1820 36, rue de la Ferme-des-Mathurins (um 1846) Almanach royal von 1846 Rue Laffitte (um 1853) Schreiben vom 17. 8. 1853; HStAD G 1 74/2 10, rue Saint-Georges (um 1853) AMAE Protocole Série A 115: Liste 12/1853 112, rue de Grenelle (ab 1854) AMAE Protocole Série A 115: Listen 5/1854, 12/1856, 1/1859, 12/1861, 12/1862 20, rue de Courcelles (um 1864) AMAE Protocole Série A 115: Liste 11/1864 29, rue de Luxembourg (um 1866) AMAE Protocole Série A 115: Listen 1/1866, 05/1867 8, rue de Milan (1868–1870) Schreiben vom 8. 1. 1868; HStAD G 1 75/10; AMAE Protocole Série A 115: Listen 1/1868, 3/1869, 4/1870

Österreich 2, rue d’Angoulême (1814–1826) Almanach royal von 1817 und von 1820 Rue Saint-Dominique (1826–1838) Courcel, L’ambassade d’Autriche, S. 282 f. 121, rue de Grenelle (1838–1848) Almanach royal von 1846; Schreiben vom 11. 4. 1848; HHStA Ges. Paris 276 B 1c 2, rue Saint-Florentin (1848–1850) Schreiben vom 9. 9. 1848; HHStA Ges. Paris 276 B 1c 87, rue de Grenelle (ab 1850) AMAE Protocole Série A 115: Listen 12/1853, 5/1854, 12/1856, 12/1857, 1/1859, 3/1860

8.2 Personalübersicht

305

101, rue de Grenelle (1861–1869) AMAE Protocole Série A 115: Listen 7/1861, 12/1861, 11/1864, 12/1865, 1/1868, 3/1869 Rue Laffitte (ab 1869) Schreiben vom 1. 6. 1870; HHStA Ges. Paris 276 B 1c

Preußen 78, rue de Lille (ab 1816)

8.2 Personalübersicht Aufgeführt sind im Folgenden alle Personen, für die im Untersuchungszeitraum eine Tätigkeit in einer der fünf ausgewählten deutschen diplomatischen Vertretungen in Paris zu ermitteln war. Die Übersicht ist nach den Entsendestaaten geordnet, richtet sich jeweils in alphabetischer Reihenfolge nach dem Nachnamen und enthält pro Person folgende Angaben: Name, Vorname, Funktion, Zeitraum, ggf. vorherige Funktionen in Paris und Zeitraum. Die Nachweise sind jeweils für die Einzelstaaten angegeben: Da sie sich mit Ausnahme eines vollständigen Verzeichnisses für Preußen ausschließlich auf die Leiter der Vertretungen beziehen, finden sich gegebenenfalls für darüber hinaus identifiziertes Personal Einzelnachweise bei der jeweiligen Personenangabe. Für die Angaben zu Konsuln vgl. Kap. 3.1.2. Baden Nachweise: Schuhladen-Krämer, Akkreditiert in Paris, S. 58 f. und S. 72; Bringmann, Handbuch der Diplomatie 1815–1963, S. 23 f. Andlaw-Birseck, Franz Freiherr von, Ministerresident, 1843–1846; diplomatische Sonderstellung, 1830 Ferrette, Johann Baptist Freiherr von, Geschäftsträger/außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1810–1831; Gesandter des Malteserordens, 1793–1808 Gerstlacher, Christian Friedrich, Ministerresident, 1833–1843; Geschäftsträger, 1830–1833; Legationsrat ab 1811 Stetten, Leopold von, Attaché, 1856–1860 (Nachweis: Personalakte GLA 233/23821) Schweizer, Ferdinand Allesina Freiherr von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1853–1871 und 1857–1871 zugleich in Brüssel; Ministerresident, 1846–1853; Legationssekretär ab 1832

306

8.  Diplomatische Vertretungen in Paris

Bayern Nachweise: Repertorium Gesandtschaft Paris; BayHStA. Bray, Franz Gabriel Graf von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1823–1827 Cahn, Wilhelm, Kanzleivorsteher, 1868–1874; Privatsekretär bei der badischen Gesandtschaft, 1863–1865; Privatsekretär bei der sächsischen Gesandtschaft, 1863–1865 (Nachweis: Dvorak, Wilhelm Cahn, S. 161) Jenison-Walworth, Franz Olivier Graf von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1836–1839 Luxburg, Friedrich Christian Karl Graf von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1840–1846 Öttingen-Wallerstein, Ludwig Fürst zu, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1846–1848 Pergler von Perglas, Maximilian Joseph Freiherr von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1866–1867 Pfeffel, Christian Hubert Freiherr von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1828–1834 Pictet de Rochemont, Charles René, Geschäftsträger, 1816–1817 Quadt-Wykradt-Isny, Friedrich Wilhelm Hermann Graf von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1868–1870; Legationssekretär ab 1850 (Nachweis: Schreiben vom 30. 9. 1850; BayHStA MA 75402) Rechberg, Willibald Hyazinth Joseph Graf von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1817–1821 Rothschild, Salomon von, Konsul, 1863 Schoepff, Ferdinand von, Geschäftsträger, 1834–1836 Schwab, Friedrich, Konsul, 1865–1869 Tann, Rudolf von der, abkommandierter Offizier, 1852–1854 (Nachweis: Schreiben vom 12. 8. 1852 und 3. 10. 1854, BayHStA Ges. Paris 1149) Weisweiler, Daniel, Konsul, 1854–1855 Wendland, August Freiherr von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1850–1866

Hessen-Darmstadt Nachweis: Bringmann, Handbuch der Diplomatie, S. 220. Drachenfels, Adolph Freiherr von, Ministerresident, 1843–1849 Enzenberg, Gustav Adolf Graf von, Ministerresident, 1865–1870 Ewald, August, Konsul, 1859–1872

8.2 Personalübersicht

307

Pappenheim, August Wilhelm Freiherr von, Ministerresident, 1819–1826 Pappenheim, Emil Freiherr von, Ministerresident, 1826–1842; Legationssekretär ab 1819 (Nachweis: Schreiben vom 24. 5. 1819; HStAD G 1 164/5) Senarclens von Grancy, Adolf Freiherr, Ministerresident, 1853–1864 Wambolt von Umstadt, Franz Freiherr, Ministerresident, 1864–1865

Österreich Nachweise: Matsch, Der Auswärtige Dienst, S.  114 f.; Allmayer-Beck, Die Archive, S. 365 (für Militärattachés). Apponyi, Anton Graf, Botschafter, 1826–1848 Apponyi, Rudolf Graf, Sekretär, 1826–1850 (Nachweis: Daudet, Vingt-cinq ans, Bd. 1, S. I und V) Hübner, Josef Alexander Graf von, Botschafter, 1856–1859; außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1849–1856 Löwenthal, Johann Ritter von, Militärattaché, 1859–1868 Kopfinger von Trebienau, Eugen, Militärattaché, 1860–1864 Metternich-Winneburg, Richard Fürst von, Botschafter, 1859–1871 Querlonde, Du Hamel de, Emanuel Chevalier, Militärattaché, 1864–1866 Rothschild, James von, Konsul, 1821–1868 Schwarz, Ritter von, Generalkonsul und Kommerzdirektor, ab 1868 Soudan, Franz, 1. Kanzleidiener, 1846–1869 (Nachweis: Schreiben vom 16. 4. 1869; HHStA MdÄ AR F 6 3) Thom, Ludwig von, Geschäftsträger, 1848 Vincent, Karl Freiherr von, Botschafter, 1821–1825; außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1814–1821 Welser von Welserheimb, Zeno Graf, Militärattaché, 1866–1870

Preußen Nachweis: Grypa, Der diplomatische Dienst, S. 469–471. Arnim-Heinrichsdorff, Heinrich Friedrich Freiherr von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1837–1845; 1. Legationssekretär, 1825–1832 Arnim-Suckow, Heinrich Alexander Freiherr von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1846–1848 Bamberg, Felix, Konsul, 1863–1870; Vize-Konsul, 1862–1863 Becker, Carl, Legationskanzlist, 1821–1823 Bernstorff, Albrecht Graf von, 1. Legationssekretär, 1838–1840 und 1841–1842

308

8.  Diplomatische Vertretungen in Paris

Bismarck-Schönhausen, Otto von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1862 Brandenburg, Gustav Graf von, 1. Legationssekretär, 1853–1855; Attaché, 1850–1851; 2. Legationssekretär, 1851–1853 Burg, Ernst Engelbert Oskar Wilhelm von, Militärattaché, 1867–1870 (Nachweise: Schreiben vom 10. 3. 1867 und 13. 1. 1870, GStA PK III. HA MdA I Nr. 4846) Canitz und Dallwitz, Julius Carl August Freiherr von, Attaché, 1842–1843 Cler, Ignaz Heinrich Freiherr von, Militärattaché, 1830–1848 Coulon, Georg Eduard, Legationskanzlist, 1830–1838 Croix, Conrad Albert Alexander de la, Legationskanzlist, 1825–1830 Croy-Dülmen, Alexander Prinz von, Militärattaché, 1853–1854 Croy-Dülmen, Georg Victor Prinz von, Legationssekretär, 1856–1858; Attaché, 1853–1856 Dönhoff, August Heinrich Herrmann Graf von, 1. Legationssekretär, 1824–1825 Dönhoff, Friedrich Ludwig Carl Graf von, Attaché, 1859–1862 Ebert, Macduff, Legationskanzlist, 1846–1849 Flemming, Albert Georg Friedrich Graf von, Attaché, 1844–1845 Fürstenstein, Adolph Karl Alexander Alexis Graf von, Attaché, 1847–1848 Gasparini de Fabrini, Adolph Joseph, Vorstand der Gesandtschaftskanzlei, 1858–1866; Legationskanzlist, 1849–1858 Goltz, Karl Heinrich Friedrich Graf von der, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1815–1822 Goltz, Robert Heinrich Ludwig Graf von der, Botschafter, 1862–1866 Hanenfeldt, Karl Konrad Ludwig von, Militärattaché, 1852–1854 Hatzfeldt, Maximilian Friedrich Carl Graf von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1849–1859; Legationssekretär, 1839–1843; 1.  Legationssekretär, 1843–1849 Hatzfeldt, Paul Gustav Hubert Graf von, 2. Legationssekretär, 1863–1865; Attaché, 1859–1860; Legationssekretär, 1860–1862 Henckel von Donnersmarck, Hermann Lazarus Gotthard Graf, Attaché, 1845–1846 Humboldt, Alexander von, diplomatischer Sonderbeauftragter, temporär Jeltsch, Johann Anton Octavian Freiherr Saurma von der, Legationssekretär, 1864–1865 Jouffroy, Carl George, 1. Legationssekretär, 1819–1821 Kaminski, Oskar Wilhelm Stein von, Militärattaché, 1860–1863 Kusserow, Heinrich Adolph Albrecht von, Legationssekretär, 1864–1865 Ladenberg, Adalbert Carl Stanislaus, Legationssekretär, 1853–1854 Liebermann, August Carl Friedrich von, 1. Legationssekretär, 1823–1824 Loos, Woldemar Emil Moritz von, Militärattaché, 1848–1852 Lynar, Alexander Ernst Manderup Graf zu, Legationssekretär, 1863–1864 Lynar, Ernst Ottokar Graf zu, Legationssekretär, 1853–1854 Loë, Friedrich Karl Walther Freiherr von, Militärattaché, 1852–1853 und 1863–1867 Loë, Otto Freiherr von, Attaché, 1864–1865

8.2 Personalübersicht

309

Maltzahn, Bogislav Helmuth von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1822–1823 Maltzahn, Otto Friedrich Helmuth von, Attaché, 1818–1819 Normann, Wilhelm Helmuth Theodor von, Attaché, 1830–1831 Oelsner, Konrad Engelbert Ernst Karl, Legationssekretär/literarischer Korrespondent, 1818–1825 Porcher de Lafontaine, Rechtskonsulent, 1816–1858 Pourtalès, Albert Alexander Graf von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1859–1861 Radowitz, Joseph Maria Friedrich von, 2. Legationssekretär, 1865–1866 Reuss, Heinrich VII. Prinz, 1. Legationssekretär, 1863, Legationssekretär, 1854–1859; 2. Legationssekretär, 1859–1863 Reuss, Heinrich XIII. Prinz, Militärattaché, 1855–1857 Rosenberg, Adalbert Ernst Freiherr von, 1. Legationssekretär, 1855–1859 Rothschild, Alphonse von, Generalkonsul, 1860–1870 Schöll, Maximilian Samson Friedrich, 1. Legationssekretär, 1815–1817 Schulenburg-Priemern, Carl Ernst Gustav von der, 1. Legationssekretär, 1849–1852 Solms-Sonnenwalde, Clemens Theodor Eberhardt Graf zu, 1. Legationssekretär, 1863–1866 Saint-Simon, Maria Anton Joseph von Brassier de, 1. Legationssekretär, 1833–1838 Taglioni, Carl Daniel Alfred, Legationskanzlist, 1858–1866 Thile, Ludwig Otto Hugo von, Militärattaché, 1856–1860 Tresckow, Hermann Hans Theodor von, Militärattaché, 1854–1856 Weiskirch, Johann Nicolaus, 2. Legationssekretär, 1819–1849 Weitlich, Carl Adolph, Legationskanzlist, 1839–1846 Werther, Carl Anton Philipp Freiherr von Werther, Botschafter, 1869–1870; Attaché, 1832– 1834; 1. Legationssekretär, 1840–1841 Werther, Heinrich August Alexander Wilhelm von, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister, 1824–1837 Wirsch, Johann Nicolaus, Vorstand der Gesandtschaftskanzlei, 1849–1857 Wustrow, Albert Ferdinand, 1. Legationssekretär, 1818–1819

9. Abkürzungsverzeichnis AN AMAE BArch BayHStA GLA GStA PK HHStA HStAD PA AA

Archives nationales, Paris Archives du ministère des Affaires étrangères, La Courneuve Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München Generallandesarchiv, Karlsruhe Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien Hessisches Staatsarchiv, Darmstadt Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin

https://doi.org/10.1515/9783110519563-010

10. Abbildungsverzeichnis  1

Josef Alexander Graf von Hübner an Karl Ferdinand von BuolSchauenstein, 25. 10. 1852; HHStA MdÄ PA IX 39. . . . . . . . .  85

2

Richard Fürst von Metternich-Winneburg an Ministerium des Aeußern, 27. 11. 1867; HHStA MdÄ AR F 6 1. . . . . . . . . . . .  87

3

Robert Heinrich Ludwig Graf von der Goltz an Otto von Bismarck-Schönhausen, 3. 3. 1866; GStA PK I. HA Rep. 81 Paris II Nr. 135 Vol. II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  115

4

L’Illustration. Journal universel vom 13. 11. 1869, S. 305; Bayerische Staatsbibliothek München. . . . . . . . . . . . . . .  123

5

[Reinhard von Dalwigk] an Gustav Adolf Graf von Enzenberg, 16. 7. 1870; HStAD G 1 74/4. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  134

6

Die Karte wurde von der Autorin erstellt. Das Straßennetz orientiert sich am »Nouveau plan de Paris divisé en 12 arrondissements« (1820). Für die Adressen siehe »Almanach royal« (1820; die preußische Adresse ist dort fehlerhaft und Bayern ohne Adressangabe). Für die bayerische Adresse, nachgewiesen für die Jahre 1816 und 1817, vgl. Ferdinand von Schoepff an Maximilian I. Joseph, 7. 6. 1816; BayHStA MA 9368; Almanach royal 1817.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  142

7

Die Karte wurde von der Autorin erstellt. Das Straßennetz orientiert sich an Vuillemin, Paris nouveau. Für die Adressen siehe »Annuaire diplomatique de l’Empire français pour l’année 1862«.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  143

8

Die Zeichnungen wurden von der Autorin erstellt. Die Angaben über die Raumaufteilung wurden entsprechend eines Briefes von Bismarck an seine Frau vom 18. Juni 1862 zusammengestellt: Bismarck (Hg.), Fürst Bismarcks Briefe, S. 477–480.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  151

https://doi.org/10.1515/9783110519563-011

11. Quellen- und Literaturverzeichnis 11.1 Archivalien Archives du ministère des Affaires étrangères, La Courneuve (AMAE) Affaires diverses politiques Autriche 3 (u. a.) Passeports: M. de Vincent demande qu’on fasse de nouveaux règlements pour la prompte délivrance des passeports en faveur des courriers de cabinet, 1816; Papiers et documents: Le ministre d’Autriche demande la liberté d’entrer en France des papiers adressés de Milan et nécessaires pour les liquidations, 1816, 1815–1816

Bade 8 Réfugiés allemands – affaires particulières (u. a.): correspondance de la légation de Bade relative aux réfugiés badois, 1850–1851

Bavière 11 (u. a.) Règlement concernant la carrière diplomatique, 1868–1869; célébration des fêtes d’église en France: demande de renseignements par la légation de Bavière; (Pièces diverses), 1869–1875

Correspondance avec le corps diplomatique étranger à Paris 585 Légations étrangères en Allemagne. Bade – Hesse-Darmstadt – Hesse Cassel (minutes et dépêches), 1816–1870 597 Autriche – Minutes et dépêches, 1815–1855 604 Bavière – Minutes et dépêches, 1824–1881 675 Prusse – Dépêches et minutes, 1814–1855 694 Divers: d’Angleterre à Wurtemberg, 1820–1874

Correspondance politique Autriche 397 Le chevalier de Los Rios, chargé d’affaires; le comte de Caraman, ambassadeur, 1816 412 Rayneval, ambassadeur; Schwebel, chargé d’affaires; le comte Belliard, chargé de mission, 1830 https://doi.org/10.1515/9783110519563-012

316

11.  Quellen- und Literaturverzeichnis

Bade 14 Le comte de Monlezun, ministre, 1814–1817

Bavière 201 Rumigny, ministre, 1830 230 Ségur, Méneval, 1852

Hesse-Darmstadt 7 Le comte de Salignac-Fénelon, ministre plénipotentiaire, 1818–1819 22 Le comte de Sercey, le comte de Marescalchi, le comte de Damrémont, ministres plénipotentiaires, 1848–1853

Prusse 274 Mortier, chargé d’affaires, 1830 302 Brunet-Denon, chargé d’affaires; Arago, ministre plénipotentiaire, 1848 312 Burignot de Varenne, 1852 379 Le Sourd; Benedetti, 1870

Guerre de 1870 51 Le déclenchement de la guerre: correspondance avec l’ambassadeur de France à Berlin (9–15 juillet 1870), Benedetti, envoyé auprès du roi de Prusse Guillaume Ier (9–14 juillet 1870); double de cette correspondance (15–21 juillet 1870); déclaration de la guerre, notification aux administrations (27 juillet 1870–9 février 1871); notes de Rothan, ancien envoyé à Hambourg, sur l’Allemagne (synthèses de la presse, notes historiques…) et de Benedetti, 1870–71

Mémoires et documents France 724 (u. a.) Lettres aux souverains et chefs d’État pour leur annoncer l’avènement de Louis-Philippe, et réponses, 1830. Mémoire sur les conséquences des événements de juillet en Europe, août 1830, 1820–1834 1955 Lettres interceptées: Prusse, notamment correspondance de la cour de Berlin avec ses ministres à Paris, lettres de Humboldt, Goltz, Hardenberg, Ancillon, Bernstorff, etc. Papiers Mounier, 1816 1957 Lettres interceptées: Prusse, notamment correspondance de la cour de Berlin avec ses ministres à Paris, lettres de Humboldt, Goltz, Hardenberg, Ancillon, Bernstorff, etc. Papiers Mounier, 1818–1819

11.1 Archivalien

317

Protocole Série ancienne Cérémonial. Ancien Régime, Restauration et monarchie de Juillet 12 Avènement de Louis-Philippe, 1830 Série A: corps diplomatique 83 Franchises du corps diplomatique à Paris, 1841–1847 115 Listes des membres du corps diplomatique à Paris dans l’ordre de la remise de leurs lettres de créance, 1855–1896 Série B: corps consulaire 36 Consulats supprimés suite à la constitution de l’empire d’Allemagne: Bade-Wurtemberg, 1871 Série C: cérémonial–cérémonies 90 Étiquette et préséance. Anciens dossiers 1819–1888

Archives nationales, Paris (AN) O 3 Maison du roi, Restauration Grand chambellan. Chambre du roi 223 Lettres reçues par les premiers gentilshommes de la chambre du roi: réponses à des placets transmis, à des recommandations, à des demandes de lettres de: chancelier Barentin, grand chancelier de la Légion d’honneur, ministre des Affaires étrangères, ambassadeurs, ministre des Finances, directeurs des ministères et des différents services, 1814–1830 Grand-maître des cérémonies 518 Grand-maître. Organisation, règlements, cérémonial, correspondance, cérémonies diverses: »Les fonctions de la charge de grand-maître des cérémonies de France étaient anciennement comprises dans les attributions du grand-maître de France«, 1816–1823 525 Papiers de Mr Vacherol – secrétaire des cérémonies versés aux Archives nationales en 1872: Service des cérémonies: Réclamations, mémoires, Légion d’honneur, réceptions, hérauts d’armes. Mémoires sur les différentes charges du service des cérémonies; ordre de la Toison d’or, ordre du Lys, audiences aux ambassadeurs, voyage en France de souverains étrangers. Affaire de la chartreuse Bourbon. Serments, ouverture des chambres, séance royales, poses de premières pierres, Rosière de Suresnes, plans (édifices divers avec indication des emplacements pour les cérémonies), fête de l’Hôtel de Ville, etc., 1816–1823

Bayerisches Hauptstaatsarchiv, München (BayHStA) Bayerische Gesandtschaft Paris 922 Die offiziellen Empfänge des französischen Hofes und des Präsidenten der Republik für das diplomatische Korps, 1843–1913

318

11.  Quellen- und Literaturverzeichnis

923 Die Zustellung der Einladungskarten zur Eröffnung und zum Besuch der französischen Kammern und der Nationalversammlung, 1845–1914 1143 Die Mitteilung der bayerischen Verfassungsurkunde und die neue Eidesleistung, 1818 1147 Die allgemeine Handhabung des Konsulatswesens, 1848 1149 Die Zuteilung von bayerischen Offizieren zu den bayerischen Gesandtschaften in Petersburg, Paris, Wien und Berlin, sowie die Weisungen für den nach Paris kommandierten Hauptmann Rudolf Freiherrn von der Tann, 1851–1854 1151 Empfohlene Zeitungen zum Dienstgebrauch der bayerischen Gesandten, 1863–1885 1152 Verordnungen über den diplomatischen Dienst, 1869–1870 1157 Das Gebäude der Gesandtschaft und der Wechsel ihres Sitzes, 1802–1910 1159 Anordnungen zum gesandtschaftlichen Geschäftsbetrieb und zur Berichterstattung, sowie Beschwerde über die Öffnung von versiegelten Briefen (1828), 1819–1913 1169 Die Vermehrung des Gesandtschaftspersonals, 1867 1200 Pfeffel, Hubert von, seit 1828 Freiherr von, Gesandter, Staatsrat, Ernennung, neue Beglaubigung 1830, Erkrankung, Ableben, Geschäftsführung durch Legationssekretär von Schoepff und dessen Bezüge, Pension für die Witwe Pfeffels, Testamentseröffnung und Nachlaß, 1827–1836 1238 Amann, Anton Pius, aus Pörnbach in Oberbayern, Kanzleifunktionär, Verleihung einer Kanzlistenstelle, Vergütung, Entlassung und Übernahme einer Erzieherstelle (1866), Übermittlung eines Briefes des Benefiziaten Johann Baumann (1867), Auskunft über Verhältnisse in Paris und Ausweisungsentschädigung (1871), Übersendung und Herausgabe eines Handbuchs der deutschen Sprache (1879/80), 1855–1880 1286 Das bayerische Konsulat in Paris und seine Führung durch den Grundbesitzer Daniel Weisweiler (1854/1855), durch Salomon Freiherrn von Rothschild (1863/1864) und den Kaufmann Friedrich Schwab (1865/1869): Ernennungen, Bestätigungen, Enthebungen, Orden, sowie die Verdienste des Geschäftsagenten Gittard (1853) und die Bewerbungen von Ladé, päpstlicher Generalkonsul (1861), Calon, Paul, Bankier (1861), Rothschild, Gustav Freiherr von (1864), Adelsdorfer, Sigmund, Kaufmann (1864), 1853–1869 1505 Politischer Schriftwechsel, 1842 3962 Die Unterstützung von verschiedenen französischen Wohltätigkeitsveranstaltungen und -vereinen seitens der Gesandtschaft, 1847–1913 3969 Der deutsche Hilfsverein in Paris, ferner die bayerischen Beiträge für den deutschen Hilfsverein in Marseille (1901/1914), die deutsche evangelische Armenschule in Paris (1903), die deutsche Hilfskasse in Lyon (1906/1914) und den Schillerverein in Brüssel (1901/1911), 1864–1914 3981 Die Unterstützung hilfsbedürftiger Bayern im Ausland, 1868 5758 Die Vorlage von Zeitungsartikeln, 1850 5760 Die Vertretung der bayerischen Interessen in der französischen und englischen Presse, 1850 5876 Eine Lotterie für den Bau eines Krankenhauses für arme Deutsche in Paris, 1865 6759 Die Herstellung einer telegraphischen Verbindung mit Frankreich und die Telegraphenverträge zwischen Bayern und Frankreich, 1851–1864 6765 Der internationale Telegraphenkongreß in Paris im Jahre 1865 und der Abschluß eines internationalen Telegraphenvertrages, sowie von Zusatzverträgen, 1865–1867

11.1 Archivalien

319

Konsulat Paris 1

Korrespondenz des Konsuls Friedrich Schwab mit dem Außenministerium, seine Ernennung und Vertretung, Beziehungen zu anderen Gesandtschaften und Vertretungen, 1865–1870

Ministerium des Königlichen Hauses und des Äußern 2097/2 2105 2109 2123 9368 75351 75402 75418 83257

Fortlaufende Berichte, 1830 Fortlaufende Berichte, 1848 Fortlaufende Berichte, 1852 Fortlaufende Berichte, 1865 Die Wohnung der königl. Gesandtschaft in Paris, 1815–1821 Pergler von Perglas, Freiherr von Maximilian Quadt-Wickradt Isny, Friedrich Wilhelm Graf v. Wendland, August Die französische Kaiserfrage respect. Die Anerkennung des franzoesischen Kaiserreiches durch die europäischen Mächte, 1852 83258 Die Anerkennung des französischen Kaiserreichs durch die europäischen Mächte, und die von denselben erlassenen Notificationen an den nunmehrigen Kaiser der Franzosen Napoléon III, so wie die offizielle Beglaubigung des K. bayeris. Gesandten am Kaiserl. französischen Hofe, und die französ. Beglaubigung des kais. französischen Gesandten am Königl. bayerischen Hofe, 1852–1853

Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde (BArch) DB 60 Diplomatische Vertretungen 60/27 Reichsgesandtschaft in Paris, 1848–1850 DB 62 Bundeszentralkommission 62/44 Bundes-Central-Commission. Abtheilung für die Verhältnisse zum Auslande. Vertretung nach Aussen. Abberufung der Reichsgesandten, 1849–1850 DB 53 Reichsministerium der Auswärtigen Angelegenheiten 53/8 Provisorische Zentralgewalt: Vertretung der Einzelstaaten im Auslande durch Reichsgesandte, 1848–1849 53/64 Reichsgesandtschaft in Paris: Bestallung und Abberufung des RG. von Raumer, 1848, Berichte des RG. von Raumer 1848

Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Berlin (GStA PK) I. HA Rep. 81 Gesandtschaft Paris nach 1807 Personalia und Verwaltungssachen I Nr. 14 Die Erhebung der Gesandtschaft zur Botschaft, 1862

320 I Nr. 26

11.  Quellen- und Literaturverzeichnis Die Übernahme der Botschaft durch v. Werther und die Antworten des diplomatischen Corps auf die Anzeige von seiner Accreditirung

Politische Korrespondenz mit dem Ministerium des Auswärtigen II Nr. 30 Einzelne Erlasse an v. d. Goltz und Concepte von Berichten desselben, 1815– 1817, 1820 II Nr. 33 Erlasse an Hatzfeldt und einzelne andere Schriftstücke, 1848 II Nr. 39 Concepte der politischen Berichte an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Juni–Juli 1848 II Nr. 41 Concepte der vertraulichen Berichte an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, Juli–September 1848 II Nr. 59 Concepte der Berichte an den König, November–Dezember 1852 Vol. IV II Nr. 60 Concepte der vertraulichen Berichte an den Ministerpräsidenten von Vol. V Manteuffel, Dezember 1852 II Nr. 62 Erlasse, Depeschen und Telegramme des Ministerpräsidenten Vol. I v. Manteuffel an Hatzfeldt und einzelne andere Schriftstücke an denselben, Januar–April 1853 II Nr. 135, Conzepte der politischen Berichte der Botschaft, März 1866 Vol. II II Nr. 151 Eingegangene Telegramme, 1870 Angelegenheiten des Königlichen Hauses und Hofes VI Nr. 53 Correspondenz mit dem Cabinet des Königs, mit den franzoesischen B e hörden u. a. über die Reise des Königs, die Empfänge etc., 1825 VI Nr. 109 Die Reise des Kronprinzen und der Kronprinzessin nach Paris, 1867 I. HA Rep. 89 Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode Nr. 13034 Gebrauch der französischen Sprache in den gesandtschaftlichen Noten, 1820– 1826 III. HA Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, Zentralbüro Nr. 465 Arnim-Heinrichsdorff, Heinrich Friedrich, 1816–1858 Nr. 520 Becker, Carl, 1821–1841 Nr. 618 Ebert, Macduff, 1833–1861 Nr. 1103 Wirsch, Johann Nicolaus, 1840–1862, 1893 III. HA Ministerium der Auswärtigen Angelegenheiten, I. Politische Abteilung Nr. 36 Bestimmungen über die Form der Berichterstattung der preußischen diplomatischen Vetretungen im Ausland. Allgemeine Verfügungen über den diplomatischen Verkehr und den Geschäftsbetrieb der diplomatischen Vertretungen, Bd. 1, 1815–1850 Nr. 81 Anstellung zweiter Legationssekretäre bei den preußischen diplomatischen Vertretungen in Petersburg, Paris, Wien und London, 1832 Nr. 105 Diplomatische Vertretung des Norddeutschen Bundes durch die preußischen Diplomaten, 1867–1870 Nr. 4816 Preußische diplomatische Vertretung in Paris, 1814–1819 Nr. 4817 Preußische diplomatische Vertretung in Paris, 1820–1824 Nr. 4823 Preußische diplomatische Vertretung in Paris, 1865–1870 Nr. 4841 Veröffentlichung von Anekdoten über den Verlust einer Dose des preußischen Gesandten in Paris, Graf von der Goltz in einem Pamphlet gegen die Pariser Polizeipräfektur, 1820

11.1 Archivalien Nr. 4844 Nr. 4845 Nr. 4846 Nr. 4849 Nr. 4883 Nr. 4907 Nr. 4912 Nr. 4913 Nr. 4978

321

Attachierung des Hauptmanns von Cler bei der preußischen diplomatischen Vertretung in Paris. Attachierung anderer Offiziere nach seinem Tode, 1830– 1854 Attachierung des Hauptmanns von Cler […], 1854–1865 Attachierung des Hauptmanns von Cler […], 1864–1872 Räumung des Gesandtschaftsgebäudes in Paris durch das Gesandtschaftspersonal. Bewilligung einer Entschädigung an das Personal für den Verlust der freien Wohnung, 1845–1887 Schriftwechsel mit der preußischen diplomatischen Vertretung in Paris, Juni– Dezember 1814 Schriftwechsel mit der preußischen diplomatischen Vertretung in Paris, 1826 Schriftwechsel mit der preußischen diplomatischen Vertretung in Paris, Januar–August 1830 Schriftwechsel mit der preußischen diplomatischen Vertretung in Paris, 1830– 1831 Berichte des bei der preußischen diplomatischen Vertretung in Paris attachierten Hauptmanns von Cler, 1830–1848

VI. HA Familienarchive und Nachlässe, Nl Alexander Heinrich v. Arnim B III Nr. 2 Briefe von Arnim, 1842–1848

Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA) 48 Haus- und Staatsarchiv: III. Staatssachen 48/65–84 Chiffren 48/83 Chiffre-Schlüssel, welcher vom Jahre 1864 bis zum 1. Oktober 1893 im Dienst des Ministeriums des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten im Gebrauch gewesen ist, 1864–1893 48/1851–2866 Diplomatische Korrespondenz 48/2023, 48/2036, 48/2037, 48/2038, 48/2047 48/2867–2998 Diplomatische Spezialakten 48/2892 Die Erhebung des Präsidenten der frz. Republik, Prinzen Louis Napoléon Bonaparte zum Kaiser der Franzosen und die Anerkennung dieses Titels, 1852– 1853 48/2894 Reisen 48/3114–3156 Gesandtschaften 48/3152 Vertrauliche Korrespondenz des Ministers von Rüdt mit dem Ministerresidenten von Schweizer in Paris, dessen Enthebung von der offiziösen Geschäftsführung für das Großherzogtum Hessen und seine Ernennung zum außerordentlichen badischen Gesandten, 1852 48/3159–3218 Konsulate Die Errichtung eines badischen Konsulats in Paris, die Bewerbungen um den 48/3206 Posten und darüber geführte Verhandlungen betreffend, 1860–1867

322

11.  Quellen- und Literaturverzeichnis

49 Haus- und Staatsarchiv: IV. Gesandtschaften 49/1290–1535 Frankreich, 1791–1871. Großh. Gesandtschaft in Paris 49/1313 Bücher, 1856–1870 49/1316 Ceremoniell, 1843–1870 49/1317 Ceremoniell, 1855 49/1328 Diplomatische Correspondenz, 1848 49/1356 Festlichkeiten, 1852–1855 49/1359 Gesandtschaftssache, 1827–1869 49/1397 Kanzleisache, Okt. 1849–1856 49/1430 Kriegssache, 1870 49/1464 Post und Telegraphen, 1854–1856 49/1465 Post und Telegraphen, 1858–1869 49/1466 Polizei, 1805–1867

76 Badische Diener-Akten 76/2732

Diener. Gerstlacher, Christian Friedrich. Geheimer Legationsrat und Ministerresident, 1850–1851

233 Staatsministerium 233/9244 Die Form der Gesandtschaftsberichte, 1817–1870 233/9331 Die Badische Gesandtschaft in Paris, 1803–1869 233/23811 Personalakten. Schweizer, Ferdinand Allesina Freiherr von. Geschäftsträger und Ministerresident in Paris, 1830–1877 233/23821 Personalakten. Stetten, Leopold von, 1844–1887

Hessisches Staatsarchiv Darmstadt (HStAD) G 1 Staatsministerium Auswärtige Vertretungen. Gesandtschaften. Frankreich G 1 74/1 Die Sendung des Großherzoglichen Obristen, Freiherrn von Drachenfels, als Ministerresidenten in Paris, Fortsetzung der diplomatischen Beziehungen mit der Französischen Republik, sowie die Freiherrn von Drachenfels, von der Zentralgewalt Deutschlands anvertraute Mission nach Brüssel, dessen Pensionierung und Schlussrechnung, 1842–1850 G 1 74/2 Großherzogliche Gesandtschaft in Paris, hier Ernennung des Oberstleutnants von Grancy zum Ministerresidenten in Paris, Brüssel und Den Haag, dann Ernennung des Freiherrn von Wambolt, 1853–1865 G 1 74/3 Die Großherzogliche Gesandtschaft in Paris, Ernennung des Grafen Enzenberg zum Ministerresidenten, 1865–1894 G 1 74/4 Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Frankreich, 1870–1871

11.1 Archivalien

323

G 1 74/7 Annahme eines Kanzlers bei der Großherzoglichen Gesandtschaft zu Paris, 1864–1868 G 1 74/8 Heirat des Herrn von Grancy und Gesuch seiner Witwe um Niederschlagung einer Forderung der Staatskasse, sowie varia, 1853–1864 G 1 75/2 Verwaltung der Großherzoglichen Mission zu Paris durch Herrn von Gerstlacher G 1 75/3 Die gesandtschaftlichen Verhältnisse zu Paris, Vertretung durch den Badischen Gesandten, Freiherrn von Schweitzer und Ordensverleihung an denselben, 1849–1853 G 1 75/4 Adresse der in Paris ansässigen Großherzoglich Hessischen Untertanen an die Großherzogliche Regierung mit der Bitte um Bestehenlassen der Großherzoglichen Gesandtschaft zu Paris, 1867 G 1 75/5 Das gesandtschaftliche Archiv zu Paris, 1841–1850 G 1 75/9 Herr von Schweitzer zu Paris, 1845–1855 G 1 75/10 Die Gesandtschaft in Paris: Varia, 1845–1876 G 1 76/1 Armenfonds der Großherzoglichen Gesandtschaft zu Paris, sowie Entrichtung von Legalisationsgebühren von Großherzoglichen Untertanen, 1864–1872 G 1 164/5 Wiederanstellung des Freiherrn August Wilhelm von Pappenheim als Gesandter am französischen Hofe, Anstellung seines Sohnes Emil als Legationssekretär daselbst sowie dessen Ernennung zum Legationsrat, 1818–1824 G 1 165/5 Ableben des Gesandten am französischen Hofe, Freiherrn August Wilhelm v. Pappenheim, und Ernennung des Legationsrates Freiherrn Emil v. Pappenheim zum dortigen Geschäftsträger und späteren Ministerpräsidenten sowie dessen Pensionierung und Ableben, 1826–1850 Auswärtige Vertretungen. Konsulate. Einzelfälle G 1 91/8 Errichtung eines Großherzoglichen Konsulats zu Paris, 1855–1872 G 1 91/9 Vertretung der Großherzoglichen Untertanen durch den Österreichischen Generalkonsul in Algier, 1857–1858 Auswärtige Vertretungen. Berichte der Gesandten. Frankreich G 1 167/2 Berichte des Geschäftsträgers am französischen Hofe, Freiherrn Emil v. Pappenheim, aus Paris, 1830 G 1 170/3 Berichte des Ministerresidenten am französischen Hofe, Freiherrn v. Drachenfels (bis 15. Juli), und des nach Drachenfels’ Abberufung einstweilig mit der Führung der Geschäfte betrauten badischen Ministerresidenten, Freiherrn v. Schweizer, aus Paris, 1848 G 1 174/3 Berichte des außerordentlichen Gesandten in Frankreich, Belgien und den Niederlanden, Freiherrn Wambold v. Umstadt, aus Paris und Den Haag, 1865 G 1 174/4 Berichte des neuen Ministerresidenten in Frankreich, Belgien und den Niederlanden, Grafen v. Enzenberg, aus Paris, Den Haag und Brüssel, 1866

G 3 Gesandtschaften Gesandtschaft Paris G 3 25/1–3 Legationsjournal [Geschäftstagebuch] der Gesandtschaft zu Paris, 1819–1831 G 3 26/8 Gesandtschaftswesen im Allgemeinen, hier nur: Auflösung der hessischen Gesandtschaft in Paris und einstweilige Übertragung der Geschäfte auf den badischen Ministerresidenten, Baron Schweizer, 1848

324

11.  Quellen- und Literaturverzeichnis

Österreichisches Staatsarchiv, Abt. Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (HHStA) Diplomatie und Außenpolitik vor 1848. Staatenabteilungen. Frankreich Diplomatische Korrespondenz 243 Berichte, Januar–Oktober 1821 244 Berichte, Weisungen, 1821 337 Berichte, administrative Berichte, 1848 341 Administrative Berichte, 1858–1871

Diplomatie und Außenpolitik 1848–1918. Ministerium des Äußern Administrative Registratur. Fach 4. Personalia und Geheime Personalia 11 Angyal–Apponyi 144 Hubicki–Hügel 215 Metternich–Meyer 351 Thoemel–Thror Administrative Registratur. Fach 6. Missionen 1 Generalia A–V, 1850–1870 Generalia D, 1850–1870 3 16 Missionssitze C–W, 1850–1870 Politisches Archiv. IX. Frankreich 39 Berichte 1852 41 Berichte, Weisungen, Varia, 1852–1853 46 Berichte 1854 81 Berichte, Varia, 1865 83 Berichte 1866 95 Berichte 1870 96 Berichte, Varia, 1870 97 Weisungen, Varia, 1870–1871

Diplomatie und Außenpolitik 1848–1918. Gesandtschaftsarchiv Paris 1806–1914 8 36 203 205 209 210 213 218 226 245

Politische Berichte, 1830 Weisungen, 1830–1831 Administrative Akten D–F, 1850–1861 Administrative Akten L, M, 1850–1861 Administrative Akten S, T, 1850–1861 Administrative Akten T–Z, 1850–1861 Administrative Akten, Personalia F, 1862–1873 Administrative Akten, Personalia H–M, 1862–1873 Administrative Akten, Realia C, 1862–1873 Administrative Akten, Realia P, 1862–1873

11.2  Gedruckte Quellen

325

249 Administrative Akten, Realia T, U, 1862–1873 265 Administrative Akten, Personalia P, Qu, R, 1874–1892 276 Administrative Akten, Realia B, 1874–1892

Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin (PA AA) Deutsche Botschaft Paris Paris Nr. 399a Generalkonsulat in Paris: Errichtung und Organisation des Gen.konsulats. Personalien: Frhr. v. Rothschild, Generalkonsul; Dr. Bamberg, Konsul, 1857–1871 Paris Nr. 418a Personalakten Paris Nr. 418b Personalakten

Personalakten Nr. 2518 Croix, Conrad Albert Alexander de la, 1825–1876 Nr. 2888 Dönhoff, Friedrich Ludwig Carl Graf von, 1858–1876 Nr. 3782 Flemming, Friedrich Georg Albert Graf von, 1844–1876 Nr. 15196 Taglioni, Carl Daniel Alfred Philipp, 1853–1873 Nr. 16476 Werther, Carl Anton Philipp, 1831–1841 Nr. 16477 Werther, Carl Anton Philipp, 1842–1873

Konsulate R 251836 Paris, 1869–1885

11.2 Gedruckte Quellen Almanach royal, pour l’an MDCCCXVII, présenté par Sa Majesté, Paris 1817. Almanach royal, pour l’année bissextile MDCCCXX, présenté à Sa Majesté, Paris 1820. Almanach royal et national pour l’an MDCCCXLVI, présenté à Leurs Majestés et aux princes et princesses de la famille royale, Paris 1846. Almanach impérial pour MDCCCLXII présenté à leurs Majestés, Paris 1862. Andlaw, Franz, Mein Tagebuch. Auszüge aus Aufschreibungen der Jahre 1811 bis 1861, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1862. Annuaire diplomatique de l’Empire français pour l’année 1858, publié d’après les documents communiqués par le ministère des Affaires étrangères, Straßburg, Paris 1858. Annuaire diplomatique de l’Empire français pour l’année 1862, Paris, Straßburg 1862.

326

11.  Quellen- und Literaturverzeichnis

Becker, Josef, Spanische »Diversion«, »Emser Depesche« und die Reichsgründungslegende bis zum Ende der Weimarer Republik, 12. Juli 1870–1. September 1932, Paderborn 2007. Bismarck, Herbert (Hg.), Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, Stuttgart 1900. Bluntschli, Johann Caspar, Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten als Rechtsbuch dargestellt, Nördlingen 1868. Brie, Siegfried, Art. »Anerkennung, staatsrechtliche und völkerrechtliche«, in: Edgar Löning (Hg.), Bluntschli’s Staatswörterbuch in drei Bänden, Zürich 1869, Bd. 1, S. 76–82. Cahn, Wilhelm, Im belagerten Paris 1870/71. Tagebuchaufzeichnungen von Wilhelm Cahn, Leipzig 1915. Dargainaratz, M., Cérémonial de la Cour de France pour MM. les Ambassadeurs et Ministres étrangers, 1818. Daudet, Ernest (Hg.), Vingt-cinq ans à Paris, 1826–1850. Journal du comte Rodolphe Apponyi, attaché de l’ambassade d’Autriche à Paris, 4 Bde., Paris 1913. Documents diplomatiques de la conférence télégraphique internationale de Paris, Paris 1865. Hepner, A., Der Schutz der Deutschen in Frankreich 1870 und 1871. Briefwechsel des außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Vereinigten Staaten für Frankreich E. B. Washburne in Paris vom 17. Juli 1870 bis zum 29. Juni 1871. Aus den diplomatischen Akten der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika, Stuttgart 1907. Holborn, Hajo (Hg.), Aufzeichnungen und Erinnerungen aus dem Leben des Botschafters Joseph Maria von Radowitz, Bd. 1: 1839–1877, ND Osnabrück 1967 (Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts, 15). Hübner, Joseph Alexander von, Neun Jahre der Erinnerungen eines österreichischen Botschafters in Paris unter dem Zweiten Kaiserreich, 1851–1859, 2 Bde., Berlin 1904. Jordan, Sylvester, Art. »Gesandter, Gesandtschaftsrecht«, in: Carl von Rotteck, Carl Theodor Welcker (Hg.), Staats-Lexikon oder Encyklopädie der Staatswissenschaften, Bd. 5, Altona 1847, S. 625–643. Klüber, Johann Ludwig, Europäisches Völkerrecht, Schaffhausen 21851. Kohl, Horst (Hg.), Briefe Ottos von Bismarck an Schwester und Schwager, 1843–1897, Leipzig 1915. Königlich Preußischer Staats-Anzeiger, Nr. 62, 11. 03. 1867. Loë, Friedrich Karl Walter Degenhard von, Erinnerungen aus meinem Berufsleben, 1849– 1867, Stuttgart, Leipzig 21906. Martens, Charles de, Guide diplomatique, Leipzig 1832.

11.3 Literatur

327

Martens, Karl von, Geffcken, Friedrich Heinrich, Le Guide diplomatique. Précis des droits et des fonctions des agents diplomatiques et consulaires; suivi d’un traité des actes et offices divers qui sont du ressort de la diplomatie, accompagné de pièces et documents proposé comme exemples, Bd. 1, Leipzig 51866. Metternich-Sándor, Pauline de, Éclairs du passé, 1859–1870, Zürich, Leipzig, Wien 1922. Moser, Friedrich Karl von, L’ambassadrice et ses droits, Berlin 1754. Raumer, Friedrich von, Briefe aus Frankfurt und Paris, 1848–1849, 2 Bde., Leipzig 1849. Schmalz, Theodor von, Das europäische Völker-Recht in acht Büchern, Berlin 1817. Sydrow, Anna von (Hg.), Wilhelm und Caroline von Humboldt in ihren Briefen, Bd. 5: Diplomatische Friedensarbeit 1815–1817, ND Osnabrück 1968. Verhandlungen der Ersten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen-Darmstadt, Beilagen zum 19. Landtag, Darmstadt 1868. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogthums Hessen, Darmstadt 1854. Verhandlungen der Zweiten Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen, 19. Landtag, Darmstadt 1867, Bd. 2 und 3. Verhandlungen der Stände-Versammlung des Großherzogthums Baden in den Jahren 1847–49. Enthaltend die Protokolle der zweiten Kammer nebst deren Beilagen, 7. Protokollheft, Karlsruhe 1850. Der Volksbote für den Bürger und Landmann, Nr. 86, 15. 4. 1859 und Nr. 88, 17. 4. 1859. Vuillemin, Alexandre Aimé, Paris nouveau, 1862. Welcker, Karl Theodor, Art. »Anerkennung«, in: Ders., Carl von Rotteck (Hg.), Das Staats-Lexikon. Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, Leipzig 1856, Bd. 1, S. 513–540. Wigard, Franz, Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der Deutschen Constituirenden Nationalversammlung zu Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 1848. Wurm, C. F., Ueber den Rang diplomatischer Agenten, in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 10 (1854), S. 552–585.

11.3 Literatur Aballéa, Marion, Le Berlin des diplomates français, 1871–1930. D’un discours sur la ville à la pratique d’un espace, in: Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande 44/3 (2012), S. 309–323. –, Un exercice de diplomatie chez l’ennemi. L’ambassade de France à Berlin, 1871–1933, Diss. Univ. Straßburg u. Genf (2014).

328

11.  Quellen- und Literaturverzeichnis

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12. Personenregister Kursiv gesetzte Seitenzahlen verweisen auf eine Nennung in den Anmerkungen. Andlaw-Birseck, Franz, Freiherr von  19, 23, 33, 61, 79, 80, 139, 165, 177, 183, 204, 251 Apponyi, Anton, Graf  45, 46, 144, 204, 206, 208, 209, 210, 211, 213, 217, 220 Apponyi, Rudolf, Graf  22, 171, 172, 203, 212 Arago, Emmanuel  218, 219 Arnim, Elisabeth von  74, 75 Arnim-Heinrichsdorff, Heinrich Friedrich, Freiherr von  57, 63 Arnim-Suckow, Heinrich Alexander, Freiherr von  31, 104, 150, 152, 153, 215, 216, 220 Bamberger, Rudolph  11, 290, 302 Bamberg, Felix  94, 95, 120, 121, 122, 125 Bastide, Jules  273, 276, 278, 279 Beauharnais, Eugène de  140 Becker, Carl  43 Benedetti, Vincent, Graf  236, 237, 238 Beurnonville, Pierre Riel de  259 Bismarck-Schönhausen, Otto von  31, 43, 44, 75, 82, 120, 140, 232, 234, 236, 237, 238, 240, 242, 243, 259, 260, 261, 262, 263 Bonaparte, Louis  166, 174, 215, 222, 230 Bourqueney, François-Adolphe de  256 Bülow, Heinrich von  57, 84, 85 Buol-Schauenstein, Karl-Ferdinand, Graf von  44, 119, 120, 222, 223, 228, 256 Burg, Ernst Engelbert Oskar Wilhelm von 105, 106 Cahn, Wilhelm  23, 233, 234, 239, 243, 244 Canitz und Dallwitz, Carl Ernst Wilhelm von 150 Caraman, Victor Louis Charles de Riquet, duc de  188, 253 Castellane, Pauline de  71 Cavaignac, Louis-Eugène  215, 218 https://doi.org/10.1515/9783110519563-013

Cler, Ignaz Heinrich, Freiherr von  101, 102, 103, 104, 106, 107, 111 Croix, Conrad Albert Alexander de la  68 Croy-Dülmen, Alexander, Prinz von  106 Croy-Dülmen, Georg Victor, Prinz von 56 Dalwigk, Reinhard von  271, 289, 290, 291 Dönhoff, Friedrich Ludwig Carl, Graf von 58 Drachenfels, Adolph, Freiherr von  153, 218, 220, 266, 267, 268 Drouyn de Lhuys, Édouard  48, 131, 132, 162, 167, 225, 227, 229, 231, 248, 280 Ebert, Macduff  42, 43 Enzenberg, Gustav Adolf, Graf von  176, 233, 240, 241, 242, 282, 283, 286, 288, 289, 290, 291, 292 Ewald, August  95, 99, 290 Ferrette, Johann Baptist, Freiherr von  47, 198, 201, 204, 251 Flemming, Albert Georg Friedrich, Graf von  56, 57 Franz Joseph I.  59, 122 Gagern, Heinrich von  280 Gasparini de Fabrini, Adolph Joseph  122 Gerstlacher, Christian Friedrich  41, 45, 47, 204, 205, 210 Goltz, Karl Heinrich Friedrich, Graf von der  67, 84, 118, 122, 123, 143, 159, 160, 187, 188, 189, 193, 194, 195, 196, 252, 258, 259 Goltz, Robert Heinrich Ludwig, Graf von der  38, 43, 44, 61, 75, 94, 106, 114, 121, 130, 132, 263 Gramont, Antoine Alfred Agénor de  235, 236, 237, 238, 245

348

12. Personenregister

Hanenfeldt, Karl Konrad Ludwig von 105, 106 Hardenberg, Karl August von  188, 193, 195, 196 Hatzfeldt, Maximilian Friedrich Carl, Graf von  61, 71, 94, 100, 105, 106, 128, 216, 217, 219, 220, 223, 227, 229, 273, 278 Hatzfeldt, Paul Gustav Hubert, Graf von  31, 58 Hittorff, Jacob Ignaz  152 Hübner, Josef Alexander, Graf von  12, 13, 38, 39, 44, 48, 52, 59, 66, 75, 107, 119, 159, 161, 166, 167, 168, 170, 171, 173, 174, 175, 221, 222, 223, 226, 227, 228, 229, 230, 255, 256 Humboldt, Alexander von  31, 194, 195 Humboldt, Wilhelm von  31, 194–195 Johann, Erzherzog von Österreich  274 Jourdan, Jean-Baptiste de  205, 206 Kaminski, Oskar Wilhelm Stein von  106 Karl X.  183, 203, 204, 205, 207, 247 Kern, Johann Konrad  240, 241, 243 Kolb, Ferdinand  180 Kopfinger von Trebienau, Eugen  109 La Tour du Pin Gouvernet, Frédéric-Séraphin de  190 Le Sourd, George  243 Lieven, Dorothea Fürstin von  170, 171, 174 Loë, Friedrich Karl Walther, Freiherr von  22, 61, 106, 107 Loos, Woldemar Emil Moritz von  100, 104, 106 Louis-Philippe  166, 172, 183, 203, 204, 205, 207, 208, 210, 212, 213, 214, 248 Löwenthal, Johann Ritter von  107, 108, 109 Ludwig III. von Hessen-Darmstadt  95 Ludwig XVIII. von Frankreich  159, 165, 185, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 196, 199, 202, 203, 247, 248 Ludwig XVII. von Frankreich  186 Luxburg, Friedrich Christian Karl, Graf von 73

Maltzahn, Bogislav Helmuth von  159 Maximilian II. von Bayern  124 Metternich, Pauline von  22, 69, 70, 72, 73, 74, 76, 175, 178 Metternich-Winneburg, Klemens Wenzel Fürst von  91, 209 Metternich-Winneburg, Richard Fürst von  107, 108, 109, 128, 130, 145, 162, 174, 175, 180, 181, 233, 234, 244, 245 Molé, Louis-Mathieu  205, 208, 209 Montgelas, Maximilian, Graf von  199 Napoleon I.  36, 140, 142, 161, 183, 185, 186, 187, 188, 189, 191, 215, 224, 228, 258 Napoleon III.  19, 60, 67, 123, 161, 165, 166, 184, 222, 223, 224, 228, 230, 231, 232, 240, 245, 247, 258, 270, 271, 298 Normanby, Constantine Phipps Lord  51, 220 Oelsner, Konrad Engelbert Ernst Karl  117, 118, 120 O’Lorio, Miguel  13 Pappenheim, August Wilhelm, Freiherr von  61, 200, 201 Pappenheim, Emil, Freiherr von  61, 205, 210 Pergler von Perglas, Maximilian Joseph, Freiherr von  81 Pfeffel, Christian Hubert, Freiherr von  204, 206, 209, 210 Pfordten, Karl Ludwig Heinrich, Freiherr von der  81, 109, 118, 119, 130 Pictet de Rochemont, Charles René  145, 199, 201 Pourtalès, Albert Alexander, Graf von  94 Pozzo di Borgo, Carlo Andrea Graf  187, 193, 254 Quadt-Wykradt-Isny, Friedrich Wilhelm Hermann, Graf von  70, 127, 128, 231, 233, 243, 244 Querlonde, Du Hamel de  109

12. Personenregister Radowitz, Joseph Maria Friedrich von  22, 38, 40, 41, 167, 175 Raumer, Friedrich von  23, 272, 273, 275, 276, 277, 279, 280, 281, 293 Rechberg, Willibald Hyazinth Joseph, Graf von  35, 199 Reuss, Heinrich VII. Prinz  259 Reuss, Heinrich XIII. Prinz  106 Richelieu, Kardinal Armand-Jean du Plessis, duc de  47, 198, 199 Rigny, Henri Gauthier de  47 Rothschild, Alphonse von  94, 95, 98 Rothschild, Familie  31, 91, 94, 96, 98, 172 Rothschild, James von  91, 92, 93, 94, 98 Rothschild, Salomon von  93, 94, 98 Rüdt von Collenberg-Bödigheim, Ludwig, Freiherr von  257 Schleinitz, Alexander Gustav Adolf, Graf von 45 Schöpff, Ferdinand von  116 Schrenck von Notzing, Karl, Freiherr von 124 Schwab, Friedrich  93 Schwarzenberg, Felix Fürst zu  44, 46 Schwarz, Ritter von  91, 92 Schweizer, Ferdinand Allesina, Freiherr von  21, 34, 35, 41, 43, 51, 90, 96, 97, 127, 131, 146, 168, 233, 234, 239, 242, 257, 258, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 280 Senarclens von Grancy, Adolf, Freiherr  66, 68, 71, 95, 99, 146, 147, 150, 269, 271 Solms-Sonnenwalde, Clemens Theodor Eberhardt, Graf zu  82, 83, 238, 240, 243 Stetten, Leopold von  11

349

Taglioni, Carl Daniel Alfred  45 Talleyrand, Charles-Maurice de  186, 188, 189 Tann, Rudolf von der  109, 110 Thile, Ludwig Otto Hugo von  106 Thom, Ludwig von  155, 216, 217, 219, 220, 221, 277, 279 Tresckow, Hermann Hans Theodor von  106 Vincent, Karl, Freiherr von  144, 159, 189, 190, 193, 201, 253, 254, 255 Waldkirch, Klemens August, Graf von  92 Walewski, Alexandre  95, 127, 157 Wambolt von Umstadt, Franz, Freiherr 95 Washburne, Elihu Benjamin  233, 240, 244 Weiskirch, Johann Nicolaus  61, 143 Weisweiler, Daniel  92 Welser von Welserheimb, Zeno, Graf  109 Wendland, August, Freiherr von  37, 60, 62, 80, 81, 88, 109, 110, 118, 119, 123, 124, 127, 130, 132, 157, 162, 178, 275, 276, 280 Werther, Carl Anton Philipp, Freiherr von  43, 61, 122, 233, 235, 236, 237, 238, 244, 246 Werther, Heinrich August Alexander Wilhelm von  103, 172, 205, 209, 210, 211 Wilhelm I.  43, 234 Wydenbrugk, Oskar von  274 Zander, Ernst  124