Umweltverträgliches Wirtschaften als Problem von Wissenschaft und Politik: Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, in Oldenburg 1992 [1 ed.] 9783428477715, 9783428077717


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German Pages 167 Year 1993

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Umweltverträgliches Wirtschaften als Problem von Wissenschaft und Politik: Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, in Oldenburg 1992 [1 ed.]
 9783428477715, 9783428077717

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Schriften des Vereins für Socialpolitik Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Neue Folge Band 224

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SCHRIFTEN DES VEREINS FÜR SOCIALPOLITIK Gesellschaft für Wirtschafts· und Sozialwissenschaften Neue Folge Band 224

Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Oldenburg vom 30. September - 2. Oktober 1992

Duncker & Humblot · Berlin DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-47771-5 | Generated on 2023-09-11 12:11:16 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Oldenburg 1992

Umweltverträgliches Wirtschaften als Problem von Wissenschaft und Politik

Herausgegeben von

Heinz König

Duncker & Humblot · Berlin DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-47771-5 | Generated on 2023-09-11 12:11:16 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Umweltverträgliches Wirtschaften als Problem von Wissenschaft und Politik : [in Oldenburg vom 30. September - 2. Oktober 1992] I hrsg. von Heinz König. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschaftsund Sozialwissenschaften ; N. F., Bd. 224) (Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften : Beiheft ; 2) (Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik, Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften ; 1992) ISBN 3-428-07771-7 NE: König, Heinz [Hrsg.]; Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: Schriften des Vereins . .. ; Zeitschrift für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften I Beiheft; Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften: Jahrestagung des Vereins ...

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0505-2777 ISBN 3-428-07771-7

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Vorwort Mit dem Thema "Umweltverträgliches Wirtschaften als Problem von Wissenschaft und Politik" hat sich der Verein für Socialpolitik bei seiner Jahrestagung 1992 einer Problemstellung angenommen, die in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft kontrovers diskutiert wird. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Giftmüllskandale, Sondermülltourismus, Atommüllagerung, Luft- und Wasserverschmutzung, Anreicherung des Bodens mit Schadstoffen, die Bedrohung der Artenvielfalt von Flora und Fauna und damit der Verlust von genetischem Material oder der Treibhauseffekt in den Medien thematisiert werden. Die Dramatisierung von Einzelereignissen hat zwar den Vorteil, das Umweltbewußtsein der Öffentlichkeit zu schärfen, aber es birgt auch die Gefahr, die globale Problematik in den Hintergrund zu drängen. "Wenn sich die gegenwärtigen Entwicklungstrends fortsetzen" - so der Bericht der Kommission Global 2000 an den amerikanischen Präsidenten-, "wird die Welt im Jahre 2000 noch überbevölkerter, verschmutzter, ökologisch noch weniger stabil und für Störungen anfälliger sein als die Welt, in der wir heute leben. Ein starker Bevölkerungsdruck, ein starker Druck auf Ressourcen und Umwelt lassen sich deutlich voraussehen. Trotz eines größeren materiellen Outputs werde.n die Menschen auf der Welt in vieler Hinsicht ärmer sein, als sie es heute sind." Vertreter einer ökologischen Realpolitik wie Ernst-Ulrich von Weizsäcker sind daher der Meinung, daß die schönen Tage eines naiven ökonomischen Konsenses gezählt seien, in dem kurz- und mittelfristige Nutzenmaximierung des einzelnen in Verbindung mit der "unsichtbaren Hand" Adam Smiths dem Gesamtwohl diene. Demgegenüber sind die Anhänger einer neoklassischen Ökonomie der Auffassung, daß die Lösung dieser Probleme auch im traditionellen Modellrahmen möglich ist. Die nachfolgenden Beiträge verdeutlichen dieses Spannungsfeld. Die Jahrestagung 1992 ist nunmehr die zweite Veranstaltung in neuer Form: Kernthemen einerseits und offene Tagung andererseits, wobei sich beide Teile in weiten Teilen überschneiden und ergänzen. Diese neue Form hat eine positive Resonanz insbesondere bei den jüngeren Mitgliedern gefunden, die nunmehr in einem größeren Umfange die Möglichkeit haben, ihre Forschungsergebnisse einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Ich danke den Mitgliedern der Vorbereitungskommission zum Kernthema, Frau Christiane Busch-Lüty, Bundeswehrhochschule München, und den Herren Klaus Conrad, Universität Mannheim, Erich Streissler, Universität Wien, sowie den Mitgliedern der Vorbereitungskommission für den offenen Teil der

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Vorwort

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Tagung, den Herren Joachim Starbatty, Universität Tübingen (Vorsitz), Egbert Dierker, Universität Wien, Alfred Kieser, Universität Mannheim, Horst Zimmermann, Universität Marburg. Besonderen Dank schulde ich Herrn Wolfgang Ströbele, Universität Oldenburg für die hervorragende örtliche Vorbereitung und -last but not least - Frau Doris Lechner, die mit großer Sorgfalt die Drucklegung dieses Bandes vorbereitet hat. Im Frühjahr 1993

Heinz König

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Inhalt I. Referate zum Tagungsthema 1. Plenumssitzung: Ökologische Herausforderungen an Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspolitik Einleitung zum Vortrag von Christiane Busch-Lüty und Hans-Peter Dürr Von Hans-Christoph Binswanger, St. Gallen ... . . ... .. .. .. .... .. .. ..... .. .. ...... ..

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Ökonomie und Natur: Versuch einer Annäherung im interdisziplinären Dialog Von Christiane Busch-Lüty, Neubiberg, und Hans-Peter Dürr, München

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Einleitung zum Vortrag von Klaus Töpfer Von Hans-Christoph Binswanger, St. Gallen . . . .. .. . . . .. .. .. ... .. .. .. ... .. . .. .. ... .

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Umweltpolitik im Spannungsfeld von Ökologie und Ökonomie Von Klaus Töpfer, Bonn . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . .. . . .. .. . . .. . .. .. .. .

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2. Plenumssitzung: Umweltpolitik: Instrumente und ihre Implementierung Einleitung zu den Vorträgen von Karl-Heinrich Hansmeyer und Erich Streissler Von Holger Bonus, Münster .. . . . . .. . .. . .. . .. . .. .. . . . .. . . .. . . . .. . .. .. .. . . . . . .. .. . .. . .

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Das Spektrum umweltpolitischer Instrumente Von Karl-Heinrich Hansmeyer, Köln

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Das Problem der Internalisierung Von Erich Streissler, Wien . .. .. . . . . .. .. ... ... .. . . . . . ... .... .. ... .. ... .. .. ... . .. .. . ...

87

3. Plenumssitzung: Ökologische Anforderungen an die Energie- und Unternehmenspolitik Einleitung zu den Vorträgen von Ulrich Stegerund Carl Christian v. Weizsäcker Von Bertram Schefold, Frankfurt a. M. .. ....... .. ... .. .. . . .... .. ... .. .. .. ..... .. . ..

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Inhalt

Was heißt umweltorientierte Untemehmenspolitik? Von Ulrich Steger, Oestrich-Winkel .... .. . . .. ... . .. .... . . .. . . . ... ... ... ... . .. .. . . . . .. .

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Strategien der Energienutzung zwischen Ökonomie und Ökologie Von Carl Christian von Weizsäcker, Köln .. .. . ... ..... .. . . . . . . . .. . .. . ... .. . . . . . . . . .

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II. Johann-Heinrich-von-Thünen Vorlesung Wissenschaftsökonomie Von Martin Beckmann, München . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . ..

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111. Liste der Referate der Offenen Tagung

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I. Referate zum Tagungsthema

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1. Plenumssitzung Ökologische Herausforderungen an Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspolitik Einleitung zum Vortrag von Christiaue Busch-Lüty und Hans-Peter Dürr Von Hans Christoph Binswanger, St. Gallen (CH) Wir stehen vor einer Herausforderung, ja in gewissem Sinn sogar vor einer Zumutung. Bisher wurde "Umweltökonomie" im allgemeinen nur als eine der vielen Ergänzungen zur Ökonomie, als eine Art Anhängsel verstanden. Wir beginnen nun unsere Tagung mit dem Postulat, daß sie zu einer tragenden Grundlage der allgemeinen Ökonomie werden soll. Daraus würde folgen, daß die Umweltanliegen konsequent in die Rahmenordnung der Wirtschaft, die allgemeine Wirtschaftspolitik und die einzelnen Wirtschaftspolitiken integriert und zu ihrem Bestandteil werden, und so an die Stelle einer bloß nachsorgenden Umweltpolitik der Versuch zum Aufbau einer im ganzen ökologisch orientierten Ökonomie tritt. Was bedeutet dies für die Nationalökonomie? Vielleicht darf ich zwei allgemeine Überlegungen zur Einführung vortragen. In erster Linie geht es darum, daß die Natur in der ökonomischen Theorie verstärkt wahrgenommen werden muß. Das heißt, man muß von der Unverzichtbarkeit der Natur im ökonomischen Prozeß ausgehen, oder- in unserem ökonomischen Jargon ausgedrückt - von der Nicht-Substituierbarkeit der Natur bzw. positiv von der Komplementarität zwischen Arbeit und Kapital auf der einen Seite und Natur auf der anderen Seite. Diese Komplementarität ist zwar nicht 100% ig, gilt aber in den fundamentalen Bereichen. Die Ausrichtung der Wirtschaft auf die Carryingcapacity der Erde bzw. der Natur gewinnt damit eine entscheidende Bedeutung. Absolute Mengengrößen erhalten einen Vorrang vor relativen Preisgrößen. Eine andere wichtige Konsequenz dieser neuen Betrachtungsweise ist die Zeitgerichtetheit der Wirtschaft unter dem Aspekt der Entropie, also der Entwertung durch den ökonomischen Prozeß. Das heißt: neben der Wertbildung ist im ökonomischen Prozeß auch die Entwertung ins Kalkül zu ziehen. Die Idee des Optimums, auf die ja unsere Wissenschaft im Sinne des ökonomischen Prinzips ohnehin ausgerichtet ist, erhält damit eine noch wesentlich

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Hans Christoph Binswanger

umfassendere Bedeutung: es geht darum, in der Wirtschaft das Optimum zwischen Wertbildung und Entwertung, zwischen Einkommenssteigerung und Verknappung der natürlichen Produktions- und Lebensgrundlagen zu suchen. Bei einem solchen umfassenden Ansatz ist die Kooperation mit den Naturwissenschaften unausweichlich. Darum wird neben der Nationalökonomin Frau Busch-Lüty, die Ansätze für eine ökologisch ausgerichtete Ökonomie aufzeigt, auch Herr Dürr zu Wort kommen, der sich als Physiker schon seit langem mit dem Ineinandergreifen von Physik und Ökonomie befaßt hat. Beide werden sich im Vortrag abwechseln- sozusagen im Wechselgesang vortragen-, um auch auf diese Weise die Notwendigkeit der Interdisziplinarität zu verdeutlichen.

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Ökonomie und Natur: Versuch einer Annäherung im interdisziplinären Dialog Von Christiane Busch-Lüty (CBL), Neubiberg, und Hans-Peter Dürr (HPD), München

Vorbemerkungen (CBL) Eine kurze Vorbemerkung zum Novum eines "Duett-Vortrags" als Einleitung dieser Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik ist wohl unerläßlich: Obgleich Hans-Peter Dürr und mich seit nunmehr fast 4 Jahren gemeinsame Arbeit - insbesondere im Rahmen des von ihm gegründeten Global Challenges Network- verbindet, können wir hier, zumal angesichtsder Kürze der Zeit und der Uferlosigkeit des Themas, wohl kaum wirklich einen "interdisziplinären Dialog" führen, wohl aber gewisse Ergebnisse eines solchen langjährigen Dialogprozesses präsentieren. Es sind also eher aufeinander bezogene und miteinander abgestimmte Perspektiven und Denkansätze aus der Sicht des Elementarteilchenphysikers (als Naturwissenschaftler) einerseits und der Ökonomin {als Sozialwissenschaftlerin) andererseits, die wir holzschnittartig als die uns besonders relevant erscheinenden Kernaussagen zu unserem Thema hier im Wechsel vortragen werden. Daß dabei Verkürzungen und Einseitigkeiten unvermeidlich sind, ist uns bewußt und macht unsere Ausführungen sicherlich im herkömmlichen wissenschaftlichen Sinne "unkonventionell". Ich meinerseits betrachte mich als Ökonomin - ähnlich wie es der Österreichische Kollege Kurt Rothschild einmal für sich ausgedrückt hat- als Vertreterin einer "Common-sense-Ökonomik" sozialwissenschaftlicher Prägung, die grundsätzlich die Ökonomie im Kontext ihrer sozialen, politischen und ökologischen Interdependenzen sieht und deren Ausblendung als "Störfaktoren" aus der wissenschaftlichen Analyse nicht akzeptieren mag, - eben weil Relevanz der Analyse nun einmal vor deren formaler Eleganz und Exaktheit rangieren muß! (Aus diesem Wissenschaftsbild ergibt sich als Vorgehensweise, daß es besser ist, eine wichtige Frage zu stellen, als eine unwichtige zu beantworten, und daß es besser ist, eine Frage ungefähr richtig als präzise falsch zu beantworten!) Dieser ,Codex' ist es u. a. auch, der uns in gemeinsamen Arbeiten am Brükkenschlag zwischen unseren Wissenschaften und zur wirtschaftlichen und politischen Praxis verbindet. Daß wir unsere Positionen über unsere Fachdiszipli-

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Christiane Busch-Lüty und Hans-Peter Dürr

nen hinaus als die "verantwortungsgeleiteter" Wissenschaftler verstehen, (- und insofern uns hier auch für die ökologischen Herausforderungen sowohl der Wirtschaftswissenschaft als auch der Wirtschaftspolitik "zuständig" fühlen, ohne dabei dem Umweltminister Töpfer sein Thema streitig machen zu wollen!)- hat sicher auch damit zu tun, daß wir einer Generation angehören, deren Kindheit und Jugend noch durch das Erleben des Dritten Reichs geprägt wurde, und die ihre Eltern und Lehrer danach häufig gefragt haben, warum sie das Geschehenjener Jahre eigentlich zugelassen hätten, ohne selbst etwas dagegen zu tun. Nach all dem kann die heute viel beschworene "Generationenverantwortung" angesichts der weltweiten ökologischen Krise von uns nicht mehr nur als wissenschaftliche Denkfigur gesehen werden. Und es ergibt sich fast zwangsläufig daraus, daß wir- in Kategorien der Zeit-Wissenschaftsjournalistin Nina Grunenberg gesprochen - unter den Wissenschaftlern eher zu den "Alarmisten" als zu den "Beschwichtigern" zählen, - und zählen wollen! Verantwortungsgeleitete Wissenschaftler haben auch diesen altehrwürdigen Verein für Socialpolitik vor 120 Jahren ins Leben gerufen, angesichts der drängenden sozialen Herausforderungen der industriellen Ökonomie und Gesellschaft in jener Zeit. Ich bin froh (und wer die Vorgeschichte dieser Tagung kennt, wird mir außerdem eine gewisse persönliche Genugtuung zugestehen), daß der Verein für Socialpolitik sich nun- wenn auch spät- der ökologischen Herausforderung unserer Zeit stellt, durch die ja gerade die Ökonomen ganz zentral zum Überdenken bisheriger Positionen gedrängt sind. Dieses Überdenken und Neudenken hat vielerorts in unserer Wissenschaft bereits begonnen,- nicht nur bei den Jungen. Vor zwei Monaten habe ich an einem Internationalen Kongreß der "International Society for Ecological Economics (ISEE)" in Stockholm teilgenommen (bei dem allerdings neben den Ökonomen und Ökologen aus dem angelsächsischen und skandinavischen Raum die deutschsprachigen Kolleginnen noch sehr in der Minderzahl waren). Wir hatten die Hoffnung gehabt, Herman Daly als einen der Vordenker und Gründungsväter dieser ,Ecological Economics' auch hier für unsere Tagung zu gewinnen. Leider hat sich das nicht realisieren lassen. Aber er hat mir aufgetragen, hier sein persönliches Bedauern darüber zum Ausdruck zu bringen und zugleich gewissermaßen "für ihn mit" vorzutragen (- was ganz sicher zwar meine Möglichkeiten überfordert, aber dennoch Mut macht und Inspiration bedeutet). Als "Wandererin zwischen zwei Welten" , der des VfS und der des ISEE, versuche ich demnach hier, Positionen einer ökologisch kultivierten Ökonomie zu skizzieren; der transdisziplinäre Ansatz einer solchen "Ökologischen Ökonomie" kann aus unserem heutigen Wissenschaftssystem heraus aber sicher nur im interdisziplinären Dialog mit Naturwissenschaftlern entwickelt werden.

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Ökonomie und Natur

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I. Zur Bestandsaufnahme der ökologischen Krise der industriellen Ökonomie a) Aus der Sicht des Physikers (HPD)

Umweltverträgliches Wirtschaften ist nicht nur ein Problem einerseits der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, welche die dafür notwendigen Einsichten erlangen und angemessene Schlußfolgerungen daraus ziehen müssen, und andererseits der Politik, die diese wissenschaftlichen Ergebnisse dann in geeigneter Form praktisch umsetzen soll, sondern ist auch ein Problem, das zunächst und vor allem zusammen mit den Naturwissenschaften diskutiert werden muß, weil die Umwelt sehr viel mit "Natur" im engeren Sinne zu tun hat. Es ist meine Vorstellung, daß dieser interdisziplinäre Dialog zwischen einer Ökonomin und einem Naturwissenschaftler- einem Physiker in diesem Falle- zum Auftakt Ihrer Jahrestagung diesem wichtigen Zweck dienen soll. Obgleich solche interdisziplinären Dialoge im Hinblick auf die komplexe Problematik zweifellos wesentlich sind und deshalb auch von vielen als dringend gefordert werden, so besteht doch, wegen der Unterschiedlichkeit der Inhalte, Vorstellungen, Sprachen und Begriffe in den verschiedenen Disziplinen, die große Gefahr, sich mißzuverstehen oder einfach völlig aneinander vorbeizureden. Wir kennen dies alle aus leidvollen Erfahrungen. Die Konsequenz sollte jedoch nicht sein, solche Versuche aufzugeben, sondern vielmehr durch Wiederholung solcher Gespräche allmählich eine "horizontale" Sensibilität zu entwickeln, wenn ich unsere Fachkompetenz einmal kurz als "vertikal" charakterisiere. Als Außenseiter in Ihrem Kreise fällt mir in diesem Dialog die Rolle des Grenzgängers aus den Naturwissenschaften zu, der an seine Kollegen im Bereich der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften dort Fragen richtet, wo sein eigenes Gebiet betroffen ist und, wie er glaubt, unzureichend oder gar fehlerhaft wahrgenommen wird. Ich werde deshalb versuchen, meine Fragen und Aussagen holzschnittartig zu formulieren und sie grob zu begründen, soweit dies überhaupt in der Kürze der Zeit möglich ist. Ich freue mich, daß ich diesen Gedankenaustausch hier mit Christiane Busch-Lüty führen kann, mit der ich seit Jahren im Global Challenges Network zusammenarbeite und mit der ich insbesondere zwei Arbeitstagungen von Vor-, Nach- und Querdenkern über "Ökologisch Nachhaltiges Wirtschaften" organisiert und bestritten habe, deren Ergebnisse in zwei Sonderheften der Politischen Okologie (1990, 1992) publiziert wurden. Aus naturwissenschaftlicher Sicht resultiert die ökologische Krise der industriellen Ökonomie, soweit sie überhaupt rational faßbar und wissenschaftlich zugänglich ist, vor allem aus 1. einer Fehldeutung der Beziehung zwischen Mensch und Natur.

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Christiane Busch-Lüty und Hans-Peter Dürr

2. einem mangelhaften oder fehlerhaften Verständnis von Naturgesetzlichkeit. 3. einer Überbewertung und Verabsolutierung der Gültigkeit ökonomischer Gesetzmäßigkeiten. 4. einer unzulässigen Verallgemeinerung der nur unter bestimmten Bedingungen gültigen Vorstellung, die Ökonomie lasse sich in ihrem Verhalten im wesentlichen ohne eine detaillierte Einbeziehung des Funktionszusammenhangs der Natur beschreiben und betreiben. Ad 1.: Zur Beziehung Mensch und Natur Nach heutiger naturwissenschaftlicher Erkenntnis ist der Mensch Teil einer umfassenden Natur, in die er auf nichtabtrennbare, hochkomplexe Weise eingeflochten ist. Mit dieser Einbettung in die umfassende Natur ist der Mensch auch ihren allgemeinen Gesetzen unterworfen. Der traditionelle prinzipielle Gegensatz zwischen einerseits, einer Natur, die als eine willenlose, unproduktive, strengen Naturgesetzen bedingungslos unterworfene Umwelt des Menschen angesehen wird, und, andererseits, dem mit Geist beseelten, freischaffenden, schöpferischen Menschen, der sich nicht nur als "Krone der Schöpfung", sondern vor allem auch als ihr "Herr und Meister" betrachtet, besteht nach modernen Vorstellungen im wesentlichen nicht mehr. Die Aufhebung oder Verminderung der Kluft zwischen Mensch und Natur oder auch zwischen der belebten und unbelebten Natur rührt dabei von einem neuen, nichtmechanistischen Verständnis der Materie her. Die Grundverfaßtheil der Materie hat nach den Vorstellungen der modernen Physik, wie sie sich aus dem Studium des Mikrokosmos zu Beginn unseres Jahrhunderts entwikkelt haben, nur noch wenig mit dem gemein, was wir in unserer täglichen Erfahrung, in unserer Lebenswelt, als tote Materie begreifen. Sie trägt, ähnlich wie das Geistige, deutlich ganzheitliche Züge. Ad 2.: Zur Naturgesetzlichkeit Nach der Erkenntnis der modernen Physik ist die Naturgesetzlichkeit ihrem Charakter nach nicht mehr deterministisch, also nicht mehr eindeutig in ihrer Festlegung des Zukünftigen, sondern nurmehr statistisch, und dies prinzipiell und nicht etwa nur als Folge einer subjektiven Unkenntnis. Die Zukunft ist offen, der Schöpfungsprozeß nicht abgeschlossen. Die Wirklichkeit ist im Grunde nicht objekthaft, sie besitzt eine ganzheitliche Struktur, sie ist nicht "Realität" in der ursprünglichen Bedeutung dieses Begriffes als dingliche Wirklichkeit, sondern gewissermaßen nurmehr gewichtete "Potentialität" , Möglichkeit für zukünftige Realisierungen, die mit bestimmten Wahrscheinlichkeilen auftreten. Die uns geläufige Vorstellung, daß Wirklichkeit zerlegt werden kann und in ihrem zeitlichen Verhalten determiniert ist, ergibt sich

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Ökonomie und Natur

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hierbei nur bei großen Systemen unter gewissen Bedingungen im statistischen Mittel. Das Naturgeschehen spielt sich in einem dreidimensionalen Raum als eindimensionale, zeitliche Abfolge ab, bei der deutlich zwischen der Zukunft, als dem noch Unbekannten, und der Vergangenheit, als dem wenigstens im Prinzip Bekannten unterschieden wird, mit der jeweiligen Gegenwart als gemeinsamen Schnittpunkt, in der allein Erfahrung unmittelbar möglich ist. Das zeitliche Verhalten eines Systems ergibt sich als Folge von nicht veränderbaren Naturgesetzen, welche aufeinanderfolgende Zeitschichten miteinander verknüpfen, und der im allgemeinen frei wählbaren, manipulierbaren Anfangsbedingungen und räumlichen Randbedingungen. In der alten Physik galt die naturgesetzliche Verknüpfung als eindeutig. Dies hatte zur Folge, daß bei genauer Kenntnis des gegenwärtigen Zustands durch diese gesetzliche, "ursächliche" Verknüpfung nach rückwärts und vorne in der Zeit, das Vergangene eindeutig reproduziert und das Zukünftige eindeutig prognostiziert werden kann. Die Natur stellte sich bei dieser Sichtweise als ein großes mechanisches Uhrwerk dar, das auf Grund seiner Eigengesetzlichkeit mit absoluter Exaktheit und voll determiniert abläuft. Die Zeit verliert hierbei ihre besondere Qualität, sie wird zu einer Art vierter Raumdimension degradiert, bei der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft nicht mehr prinzipiell verschieden sind, sondern sich nur noch in unserer eigentümlichen partiellen Unkenntnis widerspiegeln. Jegliche Wissenschaft zielt darauf ab, die leidige Unkenntnis der Zukunft und auch der Vergangenheit nach Möglichkeit zu beseitigen, also Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen wie die Gegenwart in die direkte Erfahrung einzubeziehen. Praktisch erfordert dies eine möglichst genaue Erforschung des vielfältigen und komplizierten Zustands der Welt "jetzt" (kontingente Anfangsbedingung), und eine genaue EntschlüsseJung der (allgemeinen) Naturgesetze, welche die zeitlichen Veränderungen beschreiben. Die eigentümliche indeterminierte Wirkungsverknüpfung der Materie im Mikrokosmos, die eine Prognostizierbarkelt künftigen Geschehens prinzipiell vereitelt, tritt jedoch, wegen der AusmitteJung der Unbestimmtheiten bei größeren Systemen, im allgemeinen in unserer Lebenswelt nicht in Erscheinung. Bei stark auf sich selbst zurückwirkenden Systemen kann jedoch dieses indeterminierte Verhalten im Mikroskopischen auch auf die makroskopische Ebene durchschlagen. Man spricht in der Physik in diesem Zusammenhang dann vom "deterministischen Chaos". (Demonstration mit dem Tripelpendel). Ursache dieses unvorhersehbaren Verhaltens liegt in gewissen Instabilitäten des makroskopischen Systems, die zu einer supersensiblen Abhängigkeit der Folgen von der speziellen ursächlichen Anfangskonfiguration führen. 2 Schriften d. Vereins f. Socialpolitik 224

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Christiane Busch-Lüty und Hans-Peter Dürr

Dadurch werden solche Systeme letztlich von winzigen, nicht mehr einstellbaren und kontrollierbaren Schwankungen gesteuert. ("Der Flügelschlag eines Schmetterlings kann letztlich einen Taifun auslösen!"). Bei Systemen, die stark auf sich selbst zurückwirken, werden die an sich ursprünglich kontingenten Anfangsbedingungen im Laufe der Entwicklung des Systems durch seine Dynamik immer mehr eingeschliffen, so daß diese Bedingungen selbst ein Ausdruck der Dynamik werden. Es findet eine Selbstorganisation statt. In diesen Systemen werden die uns aus der Mechanik geläufigen, übersichtlichen, linearen Ursache-Wirkung-Verknüpfungen durch hochkomplexe Kausalvernetzungen ersetzt, bei denen die Frage, was Ursache und was Wirkung ist, unerheblich wird. Biologische und soziale Systeme und damit auch wirtschaftliche Systeme sind vornehmlich solche selbstbezügliche, selbstorganisierte Systeme. Ihre relative zeitliche Beständigkeit ergibt sich aus einem geregelten dynamischen Zusammenspiel von sich ausbalancierenden Kräften und Gegenkräften fern vom statischen (thermodynamischen) Gleichgewicht. Systeme in der Nähe eines statischen Gleichgewichts zeichnen sich durch hohe Beständigkeit, Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit aus. Wir bevorzugen sie deshalb in unserer Technik, um ihre Manipulationsfähigkeit, Prognosefähigkeit, hohe Effizienz in Bezug auf vorgegebene Ziele zu nutzen und maximale Sicherheit zu gewährleisten. Sie sind starr, unbelebt, willenlos, sklavisch und folgen den Gesetzen der klassischen Physik. Auch die Ökonomik orientiert sich in ihren Vorstellungen fälschlicherweise an solchen Systemen in der Nähe von statischen Gleichgewichtslagen. Systeme im dynamischen Gleichgewicht sind beweglich, belebt. Sie können auf veränderte äußere Einwirkungen flexibler reagieren und sind deshalb anpassungsfähiger. Obgleich bei speziellen Anforderungen weniger effizient und verläßlich und deshalb kurzfristig etwas benachteiligt gegenüber den auf diese direkt getrimmten Systeme, zeigen diese Systeme wegen ihrer optimalen Kombination von Beweglichkeit und Beständigkeit langfristig eine wesentlich bessere ÜberlebensfähigkeiL Die Ausschaltung der Gegenkräfte in einem dynamischen Gleichgewicht- und dies ist im Hinblick auf die Ökonomie wichtig- führt zu einer Destabilisierung des Systems und zur Zerstörung der bestehenden Ordnungsstruktur. Solche Destabilisierungen zeigen in gewissen Parametern enorme Wachstumsraten. Sie führen zu rasanten Entwicklungen mit katastrophalen Endzuständen, da letztlich das vorherrschende dynamische Gleichgewicht zum Kippen gebracht wird. Ad 3.: Zu den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten Die Gesetzmäßigkeiten, mit denen die Ökonomik arbeitet, entsprechen mehr "Regeln" im Sinne der Terminologie der Naturwissenschaften, da sie von einer Reihe als gültig angenommenen Bedingungen abhängen. Die Gültigkeit dieser Voraussetzungen in der realen Welt ist- wenigstens nach natur-

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Ökonomie und Natur

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wissenschaftlichen Maßstäben - empirisch meist nicht hinreichend überprüft, in vielen Fällen mehr als fraglich und oft sogar reines Wunschdenken. Im Gegensatz zu den objektivierbaren naturwissenschaftlichen Gesetzen, können sich solche fraglichen Gesetzmäßigkeiten jedoch, aufgrund der "kognitiven Rückkopplung" im Sinne einer "self-fulfilling-prophecy", im nachhinein durchaus in einem gewissen Umfange bewahrheiten, wenn ihre Proponenten über genügend Macht und Einfluß verfügen. Der Mächtige hat und behält letztlich immer recht! Die Verifizierung physikalischer Theorien verlangt genaue Beobachtungen und im allgemeinen darüber hinaus speziell dafür angelegte, wiederholbare Experimente. In der Ökonomik sind vergleichsweise relevante Beobachtungen äußerst lückenhaft und mangelhaft, da Wiederholungen unter vergleichbaren Bedingungen kaum möglich sind und die vorhandenen Daten für andere Zwecke als zur Überprüfung spezieller Theorien gesammelt werden. Die Wirtschaftstheoretiker geraten deshalb leicht in die Versuchung, mit ihren Theorien einfach vorzugeben, wie die Welt eigentlich funktioniert oder funktionieren sollte, anstatt sie möglichst angemessen zu beschreiben. Ich denke hierbei z. B. an die Behauptung, daß die Verfolgung der Eigeninteressen freier Individuen zur optimalen Allokation von Ressourcen führe, oder auch, daß der Einkommensunterschied von Leuten- etwa eines Investmentbankiers und einer Lehrerin für behinderte Kinder - mit der erbrachten Leistung oder gar mit Angebot und Nachfrage zu tun habe. Ganz wesentlich ist in der Ökonomik die Annahme, daß das Teilsystem der Ökonomie, in guter Näherung, als offenes System aufgefaßt werden kann, das in eine passive, beliebig auf- und abnahmefähige und bezüglich aller Anforderungen beliebig willfährige, d. h. kurzzeitig reaktionsfähige Umwelt eingebettet ist. Obgleich für die Ökonomie als Teilsystem der Natur alle Naturgesetze gelten müssen- insbesondere auch die, welche besagen, daß gewisse Quantitäten, wie etwa Masse und Energie, zeitlich weder vermehrt noch vermindert werden können -, lassen sich durch ein immer weiteres Hinausschieben der Grenzen des Systems diese Zwänge scheinbar außer Kraft setzen- z. B. durch Einbeziehung immer weiterer Rohstoff- und Energiereservoire in den ökonomischen Kreislauf. Wo die Beschränktheit einer beliebigen Erweiterung der physischen und materiellen Grenzen offensichtlich ist, wird zuversichtlich auf den im Laufe der Zeit ständig steigenden Erkenntnisgewinn der Menschen durch Wissenschaft gesetzt, durch den, wie man uneingeschränkt hofft, auch heute unlösbar erscheinende Probleme letztlich lösbar werden sollen. Der unendliche Phantasiereichtum des schöpferischen Menschen wird hier also, mit Hinweis auf bisherige sehr erfolgreiche praktische Erfahrungen, als letztlich verläßliches Instrument zur Überwindung aller denkbaren jetzigen und zukünftigen Engpässe gesehen. 2*

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Diese Betrachtungsweise übersieht, daß viele der naturwissenschaftlichtechnischen Kniffe nicht eigentlich zu einer Lösung der Probleme führen, sondern vielmehr diese nur in die Zukunft verschieben, wo sie uns in verschärfter Form wieder entgegentreten. Ad 4.: Zur relativen Unabhängigkeit der Ökonomie Die relative Unabhängigkeit und Eigenständigkeil der Ökonomie als einer Aktivität des Menschen ist nur so lange gerechtfertigt, als die Einwirkungen des Menschen auf das Ökosystem der Erde als vernachlässigbar im Vergleich zu den "natürlichen" Einflüssen betrachtet werden können. Dies ist heute nicht mehr gegeben. Ein Einfluß gilt in der Regel als vernachlässigbar, wenn seine Größe klein ist relativ zu entsprechenden natürlichen Einflußgrößen. Dies gilt jedoch im allgemeinen nur für "robuste" Systeme, also Systeme mit einer ausreichend stabilen Gleichgewichtslage. Das Ökosystem unserer Erde ist jedoch nicht diese tote, beliebig austauschbare "Umwelt" der Ökonomen, die es mit höchster Effizienz auszubeuten gilt, sondern es ist ein äußerst lebendiges, durch seine Milliarden Jahre lange stetige Entwicklung optimal ausgetestetes, aber trotz alledem ein verwundbares, nicht beliebig und grenzenlos belastbares System, das durch ein komplexes Wechselspiel von Kräften und Gegenkräften in einem dynamischen Gleichgewicht gehalten wird. Seine Robustheil hängt empfindlich von der Art des äußeren Einflusses ab. Selbst winzig kleine Störungen - ähnlich wie bestimmte Infektionen bei einem Körper mit intaktem Immunsystem- können u. U. extreme und unerwartete Konsequenzen haben. Die Einwirkung des Menschen auf die ihn einbettende Natur hat sich in diesem Jahrhundert quantitativ und qualitativ extrem verstärkt und verändert, so daß in der Vergangenheit bewährte Betrachtungsweisen großenteils ungültig geworden sind. Wir laufen heute Gefahr, unsere eigene Lebensgrundlage zu zerstören. b) Aus der Sicht der Ökonomin (CBL)

In ökonomischer Sicht und Terminologie beruht die ökologische Krise der industriellen Ökonomie auf der systematischen, anthropozentrisch betriebenen Nutzungsoptimierung einer als "fertig" und "leer" interpretierten, "warenförmigen" NaturweiL Sie folgt aus der- globalen wie lokalen- Übernutzung des Ökosystems Erde durch das expansive und intensive Wirtschaftssystem des Industrialismus. Die Naturblindheit der Ökonomik als der begleitend und im Gefolge der industriellen Revolution entstandenen Wirtschaftswissenschaft spiegelt und perpetuiert das (natur)wissenschaftliche Weltbild wie auch die gesellschaft-

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liehe Ordnungs- und Interessenkonstellationen ihrer Geburts- und Entwicklungsphase im 18./19. Jahrhundert. Man kann (mit Malte Faber, 1988) diese Genesis der Ökonomik als einer quasi "Naturwissenschaft vom menschlichen Glück" gewissermaßen "familiengeschichtlich" erklären: die Ökonomik ist gleichsam das jüngste, die Physik das älteste Kind innerhalb der Familie, in der die Eltern Philosophie und Theologie heißen, die von ihren Kindern mitsamt ihren Prinzipien der Weltbetrachtung in der Neuzeit aufs Altenteil gesetzt und durch das wissenschaftliche Ideal der Weltbeherrschung qua Technik abgelöst worden sind. Um in Fabers Bild zu bleiben: dieses "jüngste Kind", die Wissenschaft der Ökonomik, zeigt bis zum heutigen Tag deutliche Spuren seiner "frühkindlichen Prägung" insbesondere in seinem Ideal der Exaktheit und seiner Methodik, und es hat offenkundig Mühe, Schritt zu halten in seiner Weltsicht und Problemwahrnehmung mit dem Erkenntnis- und Erfahrungswandel seines "großen Bruders", der Physik (wie er von Hans-Peter Dürr in aller Kürze hier gekennzeichnet wurde). Um seine fortdauernde und angesichtsder ökologischen Krise überlebensgefährdende Naturblindheit zu überwinden, müßte dieses Kind sich nur auf das Erbe seines "Stammvaters" Aristoteles zurückbesinnen: sich wieder als "Oikonomia" verstehen, nämlich als die Lehre vom "guten Leben im Haus des Menschen", das in den umfassenden "Haushalt der Natur" (die Ökologie) und letztendlich den ganzen Kosmos eingebettet ist, und in deren Rahmen die Erwerbskunst ( = Chrematistik) neben der naturalen Versorgungswirtschaft, in den von der Ethik gesetzten Grenzen, nur ein Mittel zum Zweck darstellt. Statt dessen haben die Ökonomen seit Adam Smith's "natürlicher Ethik des Gewährenlassens" die Ethik mehr und mehr durch die "Tugend des Marktes" -unter Regie des menschlichen Eigennutzes - substituiert und damit ihre Wissenschaft als eine weitestgehend moralunabhängige "Naturwissenschaft vom menschlichen Glück" im Sinne Fabers entwickelt. In ihr wurde das- privatisierte- Wohl des Individuums zum quantitativerfaßbaren "Nutzen" reduziert (in strikter Analogie zum Begriff der "Energie" in der klassischen Physik), der sich bemißt nach der Verfügung über Güter und Dienstleistungen, soweit sie über das Medium des Geldes vermittelt werden. Seit dem 18. Jahrhundert ist somit der Ökonomik das ganzheitliche aristotelische Verständnis des Wirtschaftens mehr und mehr verlorengegangen. Die durch monetäre Tauschwertrationalität über Märkte gesteuerte Erwerbswirtschaft hat sich von ihrer früheren ergänzenden Funktion zur naturalen Versorgungswirtschaft zum Inbegriff und alleinigen Maßstab und fast ausschließlichen Thema von Wirtschaftswissenschaft und -politik entwickelt. Die Naturblindheit dieser Ökonomik des Industrialismus, durch Ausblendung der grundlegenden Interaktionsformen zwischen Mensch und Natur als

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Erkenntnisperspektive, in Verfolgung anthropozentrischer Herrschaftsinteressen über die Natur, kommt insbesondere in einigen besonders charakteristischen "Familienmerkmalen" zum Ausdruck: - Die totale Monetarisierung der Ökonomie - gewissermaßen als deren "zweite Natur"- unterbindet die Wahrnehmung der Wirtschaft als Prozeß physischer Transformation und vermittelt damit die grundlegende Illusion der "Produktion aus dem Nichts" und der Substituierbarkeit aller physischen Natur und ihrer Gesetze durch menschengemachte Technik und Wirtschaft, die die rasante Eigendynamik des industriellen Wirtschaftsprozesses begründet und ausmacht (Binswanger 1991). - Bei Reduzierung der Ökonomie auf die der monetären Tauschwertrationalität unterworfene Erwerbswirtschaft kommt die Natur nur im "Datenkranz" des Marktgeschehens vor: dieses vermag zwar die Allokation der Produktionsfaktoren selbstorganisierend zu optimieren, berücksichtigt aber nicht mögliche Wechselwirkungen mit Veränderungen des Datenkranzes, z. B. im Bereich der Ökologie. - Die Ökonomik- zumindest der letzten 100 Jahre- arbeitet mit einer volkswirtschaftlichen Produktionsfunktion, die nur den in Geld bewerteten Einsatz von Arbeit und Kapital sowie als Sammelbegriff für alles, was sich darüber hinaus nicht identifizieren läßt, den technischen Fortschritt umfaßt. Die lgnorierung der Natur als Produktionsfaktor spiegelt die Auffassung wider, daß die Natur nach Beendigung des Schöpfungsprozesses "fertig" und zudem "unerschöpflich verfügbar" sei, daher keinen Beitrag zum Wirtschaftswachstum liefern und insofern auch keine Berücksichtigung bei der Berechnung des Produktionsergebnisses in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung finden kann. - Die Alleinherrschaft des tauschwertbildenden Marktgeschehens konstituiert zugleich die "Wertlosigkeit" der Natur als "freies Gut" im ökonomischen Denken und Handeln, mit allen Konsequenzen für den verschwenderischen Umgang mit ihr in der industriellen Produktions- und Konsumweise; sie erklärt zugleich das Unterbleiben ihrer Reproduktion bzw. Regeneration, wie sie für den Produktionsfaktor Kapital berechnet und getätigt und auch für den Produktionsfaktor Arbeit zugestanden wird (allerdings hier unter Ausblendung eines Teils der in den Familienhaushalten v. a. von den Frauen erbrachten naturalen Reproduktions- und Regenerationsleistungen) . - Auch der neuerliche teilweise Einbezug des Faktors Natur in das Marktgeschehen durch Setzen von Knappheits-Schattenpreisen folgt linear-kausalen marginalen Denkmustern einer "Newtonschen Ökonomik", die die prinzipielle Irreversibilität und Komplexität physischer Prozesse der natürlichen Lebenswelt verkennt.

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II. Die ökologische Herausforderung der ökonomischen Wissenschaft a) Wissenschaftsmethodische Grundlagen und Anforderungen (HPD)

Die heutigen Vorstellungen der Ökonomie sind noch stark von den naturwissenschaftlichen Theorien des letzten Jahrhunderts geprägt, in denen davon ausgegangen wurde, die Naturwissenschaft könne eine wahrheitsgetreue Beschreibung der Wirklichkeit entwerfen. Wegen der komplexen, nicht-zerlegbaren Struktur der Wirklichkeit erzwingt jedoch jede Beschreibung eine Projektion der Wirklichkeit, die von der besonderen Wahrnehmung und der Interessenlage, der daraus sich ergebenden speziellen Fragestellung und den zu ihrer Überprüfung notwendigen Methoden abhängt. Die Wissenschaft ermöglicht auf diese Weise, durch Reduktion von Komplexität auf einfache Ursache-Wirkung-Verknüpfungen und Sachverhalte, tiefere Einsichten in die Struktur der Natur und eröffnet mannigfache Möglichkeiten zu ihrer Manipulation. Durch Gleichsetzung ihrer Abbilder mit der Wirklichkeit selbst, läuft die Wissenschaft jedoch Gefahr, die Komplexität der Wirklichkeit zu unterschätzen und die mannigfachen Ausprägungen der Wirklichkeit - mit Hilfe der von ihr entwickelten Technik - auf ihre primitiveren Vorstellungen hin zu deformieren und zu reduzieren. Durch die Möglichkeit, Rahmenbedingungen für Entwicklungen in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen vorzugeben oder wesentlich zu beeinflussen, eifert hier die Ökonomik der Technik in ungehemmter Weise nach. Ich verwende zur Veranschaulichung dieses Prozesses gerne eine Parabel des englischen Astrophysikers Artbur Eddington. Er vergleicht einen Naturwissenschaftler mit einem Ichthyologen, einen Fischsachkundigen, der das Leben im Meer erforschen will. Nach jahrelangem Fischfang mit einem Netz gelangt er zum ersten Grundgesetz der Ichthyologie: Alle Fische sind größer als fünf Zentimeter. Einem Freund, dem Metaphysiker, der ihn darauf aufmerksam macht, daß dies kein Grundgesetz sei, weil sein Netz eine Maschenweite von Sem habe, entgegnet er mit Bestimmtheit: "In der Ichthyologie ist ein Fisch definiert als etwas, was man mit einem Netz fangen kann." Vom praktischen Standpunkt aus ist ja diese Definition auch recht vernünftig, weil für einen Fischesser ein Fisch, den man nicht essen kann, uninteressant ist. Das Netz in dieser Parabel steht hier nicht nur als Gleichnis für die spezielle wissenschaftliche Methode, sondern auch für unsere Art des Denkens. In dieser grundsätzlichen Form spiegelt die Eddingtonsche Parabel die Kantsche Aussage wider, daß grundlegende allgemeine Aussagen in der Physik sich deshalb in der Erfahrung bewähren, weil sie notwendige Bedingungen für die Erfahrung aussprechen. Bezogen auf die Methode·lassen sich selbstverständlich durch eine Verfeinerung der Fangmethode mit immer engmaschigeren Netzen wichtige Fortschritte erzielen, obgleich - soweit man sich, wie in

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diesem Bilde, auf Netze beschränkt- die Fangbarkeit mit dem Parameter der Größe verbunden bleibt, sich also z. B. Stoffe, die im Meerwasser gelöst sind, nicht feststellen lassen. Auf die Ökonomie bezogen ist die Frage berechtigt, inwieweit ihre Netze, z. B. den Wert eines Gutes nur als Tauschwert über Märkte feststellen zu lassen, einer auf das ganze System bezogenen Struktur angemessen ist. Dies ist hierbei nicht nur eine erkenntnistheoretische Frage, sondern hat für die menschliche Gesellschaft wesentliche Konsequenzen, da wir entsprechend dieser Bewertung die zukünftige Entwicklung ja aktiv auszurichten versuchen. Dies könnte ähnlich katastrophale Folgen haben, wie wenn etwa der Eddingtonsche Ichthyologe nicht nur passiver Beobachter wäre, sondern auch aktiv in das Leben des Meeres eingreifen könnte und etwa versuchen würde, durch geeignete Maßnahmen seine fangbaren Fische zu vermehren, und dabei aus Unkenntnis die Mikroorganismen zerstört, die am Anfang der Nahrungskette seiner Fische stehen und für diese deshalb langfristig unentbehrlich sind. Im Gegensatz zum Wertesystem der Marktwirtschaft, das sich an einem durch Geld bemessenen Tauschwert auf einem als frei angenommenen Markt orientiert, hat die Ökosphäre unserer Erde ihr eigenes, eingeprägtes Wertesystem. Dieses Wertesystem bemißt positiv, multidimensional und unendlich vieldeutig die Fähigkeit des Gesamtsystems, sich im Sinne der bisherigen Evolution auf der Erde zu immer höheren und Vielfältigeren Strukturen weiterentwickeln zu können. In der Natur gilt ein wichtiges Grundgesetz, das in der Physik als "Entropiesatz" oder "Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik" bekannt ist. Dieses Grundgesetz besagt, daß in jedem isolierten, also sich selbst überlassenen System eine unwahrscheinlichere Konfiguration (mit kleiner Entropie) sich im Laufe der Zeit von selbst in eine wahrscheinlichere Konfiguration (mit größerer Entropie) verwandelt. Da hochdifferenzierte Ordnungsstrukturen in einem System, statistisch betrachtet, immer unwahrscheinlicher sind als Ordnungsstrukturen mit geringerem Differenzierungsgrad, hat dies die enorm wichtige praktische Folge, daß jegliche höhere Ordnungsstruktur, jede Besonderheit, jedes Ausgezeichnetsein im Laufe der Zeit, dieser eingeprägten Tendenz folgend, von alleine abgebaut und zerstört wird. Um so erstaunlicher ist es deshalb, daß mit der Evolution des Lebens auf der Erde sich ein Prozeß abspielt, der diesem "natürlichen" Ablauf allen Geschehens entgegengerichtet zu sein scheint. Dies konnte nur geschehen, weil die Erde nicht isoliert ist, sondern im Strahlungsfeld der Sonne liegt. Das stetig einfallende Sonnenlicht führt der Erde dauernd Ordnungsenergie, Syntropie (negative Entropie) zu und wird dadurch zum wesentlichen Motor aller natürlichen Aufbauprozesse. Die Evolution zielt nicht aus Zufall oder aus Übermut auf eine hohe Mannigfaltigkeit von Erscheinungsformen, sondern diese ist Ausdruck und Ergeb-

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nis einer langfristig erprobten Überlebensstrategie angesichts der ständigen Bedrohung, "abzustürzen" in Folge sich dauernd verändernder äußerer Bedingungen. Denn Überlebensfähigkeit verlangt nicht nur die Fähigkeit, vorgegebene Situationen für sich möglichst vorteilhaft zu auszunutzen, sondern auch hohe Flexibilität, um sich neuen Gegebenheiten optimal anpassen zu können. Hohe Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erfordert hochdimensionale Aktionsräume, die durch Vielfalt geschaffen werden, und die Möglichkeit, in diesen erweiterten Räumen Gestalten, also Ordnungsstrukturen, auf verschiedenen Ebenen zu bilden, ähnlich wie wir auf der Grundlage einer Vielzahl von Buchstaben eines Alphabets durch spezielle Anordnungen in Worten, Sätzen, Gedichten immer genauer spezielle Situationen charakterisieren können. Das Wertesystem der irdischen Natur ist wegen seiner Ordnungsstruktur notwendigerweise hochdimensionaL Es ist außerdem nicht objektivierbar, da sich keine Normen als Bezugsgrößen vorgeben lassen. Es gibt mannigfache Versuche, um die Differenziertheit von Ordnungsstrukturen und ihre Angemessenheit im Zusammenspiel der irdischen Natur zu objektivieren und quantitativ zu fassen, d. h. auf eine eindimensionale Zahlengerade abzubilden, also ähnlich wie dies der Ökonomie durch den Trick des Tauschwerts gelingt. Ein grober Versuch wäre etwa, dafür die Syntropie (oder negative Entropie) zu verwenden, die ein Maß für die Unwahrscheinlichkeit einer Anordnung und damit auch seiner Besonderheit und Differenziertheit ist. Die Syntropie eines Systems kann in der Tat eine notwendige Voraussetzung für seinen Wert sein; hinreichend bestimmt ist er selbstverständlich jedoch dabei nicht, so wenig wie die Differenziertheit der Zähne meines Sicherheitsschlüssels seinen eigentlichen Wert garantieren kann, nämlich meine Haustüre zu öffnen. Noch deutlicher läßt sich dieser Mangel ersehen, wenn wir etwa den Wert eines Gedichtes durch seine Syntropie zu ermessen versuchen. (s. Dürr, 1990, 60) Eine stetige Vermehrung der "Werte" im Sinne einer dem irdischen Ökosystem augepaßten Wertordnung läßt sich nicht direkt und konkret ansteuern, weil solche Werte nicht absolut definiert sind, sondern sich gewissermaßen nur durch Selbstorganisation unter bestimmten Bedingungen selbst herausbilden. Zu diesen Bedingungen gehört eine stetige Zufuhr von Ordnungsenergie, von Syntropie, um Teilsysteme in einem dynamisch metastabilen Gleichgewichtszustand anzuheben und ihnen in einem freien Spiel nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum" die selbständige Bildung neuer Ordnungsstrukturen zu ermöglichen. Dies ist ein delikates Spiel, da die Syntropiezufuhr genügend schwach sein und genügend langsam erfolgen muß, um bestehende Vernetzungen der Teilsysteme zu höheren Ordnungsstrukturen nicht allzu stark zu zerstören oder durch ihre Versklavung unter ein bewußtes Ordnungsprinzip die Flexibilität zur Bildung dieser Ordnungsstrukturen zu beeinträchtigen.

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Es erscheint, daß die Evolution des organischen Lebens auf der Erde sich auf die tägliche Syntropiezufuhr von der Sonne optimal eingependelt hat. Alle höheren Energieumsätze, wie sie in den letzten 150 Jahren durch die Ausbeute der über Hunderte von Jahrmillionen aufgebauten SonnensyntropieSpeicher in Form fossiler Brennstoffe möglich wurden, beschwören große Gefahren für die Stabilität des bestehenden irdischen Ökosystems herauf. Die Problematik eines hohen Primärenergieverbrauchs liegt also nicht nur in der Begrenztheit nicht-erneuerbarer Ressourcen und deshalb ihrer endlichen zeitlichen Verfügbarkeit, sondern im mangelhaften Abschluß der spezifischen Stoffkreisläufe, was heute in der Entsorgungsproblematik deutlich in Erscheinung tritt. (Ich möchte etwa an die COrProblematik erinnern.) Als Hauptproblem dabei erscheinen weniger die Veränderungen an sich,- das Jahrmilliarden Jahre gebeutelte und erprobte irdische Ökosystem ist ja gegenüber äußeren Änderungen relativ robust,- sondern die enorme Schnelligkeit dieser Veränderungen und die Erzeugung neuer chemischer Verbindungen oder ungewöhnlicher Konzentrationen, die dramatische Umbrüche in der Ordnungsstruktur der irdischen Natur erzwingen und damit die Lebensgrundlage der Menschen gefährden und zerstören können. Da die Ökonomie ein Teilsystem des irdischen Naturhaushalts darstellt, muß strenggenommen das ökonomische Wertesystem dem natürlichen eingepaßt und untergeordnet werden. Auf diese Unterordnung könnte nur dann verzichtet werden,- und dies ist der Standpunkt der heute herrschenden Ökonomie, - wenn die Umwelt jederzeit über beliebig große und zeitgerecht zugängliche Quellen und Senken verfügen würde, um die immer weiter anwachsenden Inputs und Outputs des ökonomischen Systems - die erforderlichen Ressourcen und Abfallprodukte voll zu kompensieren. Die Umwelt wird hierbei als ein unspezifisches Kompensationsmedium, als universeller Steinbruch und beliebig schluckfähige Müllkippe betrachtet, und nicht als jene raffiniert strukturierte, hochdifferenzierte Natur, in der wir als Menschen auf komplexe und existenzielle Weise verwurzelt sind. Trotz der heutigen massiven Eingriffe in das Ökosystem geht die derzeitig herrschende Ökonomie weiterhin davon aus, daß diese Annahme eine angemessene und ausreichende Näherung darstellt, weil sie die Robustheit (viability) und die Wiederherstellungskraft (resilience) des Ökosystems überschätzt, die Gefahren einer Zerstörung seiner Ordnungsstrukturen durch immer weitere Beschleunigung natürlicher Prozesse, wie sie durch Verminderung der Artenvielfalt deutlich wird, unterschätzt, und weil sie ungebrochen dem alten Glauben anhängt, die unerschöpfliche Phantasie des Menschen, der Fortschritt naturwissenschaftlicher Erkenntnis und die damit verbundene Erweiterung technischer Möglichkeiten könnten letztlich alle vermeintlichen Grenzen

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für weitere Expansion sowohl auf der Input- als auf der Outputseite beliebig hinausschieben oder überlisten. Um dramatische Verschiebungen des ökologischen Gleichgewichts der Erde mit katastrophalen Folgen für die Menschheit zu vermeiden, ist es unerläßlich, die Ökonomie als Teil eines - bis auf die entscheidend wichtige Syntropiezufuhr durch die Sonnenstrahlung - abgeschlossenen, endlichen physischen Systems "Erde" zu betrachten. Die Rahmenbedingungen der Ökonomie müssen also so gestaltet werden, daß die bisherige Evolutionsfähigkeit der Biosphäre, ihre Vitalität und Kreativität, nicht ernstlich behindert und die Lebensgrundlagen des Menschen langfristig nicht beschädigt oder zerstört werden. Dies entspricht der Forderung nach einem ökologisch nachhaltigen Wirtschaften im Sinne der ,sustainability'. So gut und überzeugend eine Forderung nach einem "Nachhaltigen Wirtschaften" auch klingen mag, so bereitet dieses doch -wie jeder weiß, der sich einmal mit den damit verbundenen Fragen befaßt hat - erhebliche Schwierigkeiten, wenn wir präzise beschreiben sollen, was wir nun eigentlich praktisch darunter verstehen. Ein breitgefächerter, nachbessernder Umweltschutz, wie dies heute allgemein als ausreichende Maßnahme propagiert wird, reicht hier nicht aus, schon allein weil er zusätzliche Aktivitäten und damit, aufgrund des Entropiesatzes notwendig, -mit Ausnahme einer Verbesserung der Sonnensyntropie-Nutzung, - wieder irgendwo zusätzliche Zerstörungen nach sich zieht. Es erscheint prinzipiell unmöglich, den Begriff der "Nachhaltigkeit" genügend zu konkretisieren, um ihn etwa in Form eines allgemeinen Rezeptbuches für alle Interessenten anwendbar zu machen. Das hat nicht nur mit einer augenblicklichen Unkenntnis zu tun, die etwa durch weitere Forschung und Expertisen ausgeräumt werden könnten, sondern ist von prinzipieller Art. Genau betrachtet sind wir dabei als Menschen in keiner schlechteren Situation als die "Natur" selbst: Denn die "Natur auf der Erde" versucht ja (unserer heutigen Kenntnis nach) nicht ihre langfristigen, nach immer weiterer Differenzierung strebenden Ordnungsstrukturen aufgrund eines umfassenden Superplanes (mit einem bestimmten Ziel im Auge) zu verwirklichen, sondern muß diese nach dem Prinzip von "Versuch und Irrtum", gewissermaßen spielerisch, aber unter optimaler Ausnützung synergetischer Vorteile - also durch konstruktives Zusammenwirken schon existierender Lebensformen - herausfinden. Nachhaltigkeit wird also nicht in der genauen Befolgung ganz bestimmter Rezepte, sondern durch eine offene, aufmerksame, umsichtige Lebenseinstellung erreicht. Es ist offensichtlich, daß die geforderten neuen Rahmenbedingungen notwendig die bisher "äußere Natur" in geeigneter Form in die Wirtschaft einbeziehen muß, wobei jedoch verhindert werden sollte, daß dabei das vielfältige Wertesystem der "natürlichen Ordnungsstrukturen" nicht der "einfältigen"

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eindimensionalen Werteskala der Wirtschaft, nämlich dem durch Geld bemessenen Tauschwert, geopfert wird. b) Elemente einer ökologischen Ökonomik (CBL)

Das (Fragen-)"Netz" des ökologischen Okonomen: Hans-Peter Dürr hat die ökologische Herausforderung der Ökonomik in seiner Sicht als Naturwissenschaftler vor allem aus der wissenschaftsmethodischen Perspektive formuliert. Bevor ich darauf mit einigen inhaltlichen Orientierungen für eine ökologische Ökonomik zu reagieren versuche, möchte ich noch kurz an seine "Netz-Parabel" von Eddington anknüpfen: In der Tat erscheint es mir für die Überwindung der der industriellen Ökonomie in Theorie und Praxis eigenen Naturblindheit entscheidend zu sein, auf welcher Ebene der Erkenntnisprozeß für eine Kursänderung ansetzt, - in dem ja nur das berücksichtigt werden kann, was sich auch zuvor im "Netz der Fragen" verfangen hat. Angesichts der ungeheuren Komplexität der Zusammenhänge von Ökonomie und Ökologie bedarf es hier sicherlich sehr vielfältig dimensionierter "Frage-Netze" in systemischer Verknüpfung, - die Herausfilterung allein dessen, was mit dem Netz der marktwirtschaftliehen Tauschwertrationalität zu fangen ist, reicht sicher nicht aus. Unser interdisziplinärer Dialog zielt ja auf ein Überdenken der eigenen Grundannahmen der Ökonomik und deren Anpassung an das gewandelte Bild unserer Welt heute in Wissenschaft und Realität, mit dem Ziel der Abwendung der offenkundig gewordenen negativen Folgen des ausbeutenden Zugriffs der industriellen Ökonomie auf die Natur und ihre Potentiale. Es wird also nötig, hier auf einer Ebene anzusetzen, die Joseph Schumpeter (1954, 41ff.) als "pre-analytic vision" bezeichnet hat (in der deutschen Übersetzung umständlicher: "voranalytischer Erkenntnisakt als Vision") , und die Herman Daly (Daly 1991a, 33) im Anschluß daran "pre-analytic vision of Ecological Economics" nennt. Er meint damit so etwas wie Vorverständnis, das Bild, das die rechte der linken Hirnhälfte für die wissenschaftliche Analyse unterlegt: was darin nicht vorkommt, geht auch nicht ein in diese Analyse. Im Ergebnis Ähnliches leistet die von Malte Faber (1992, 18 ff.) der Biologie entlehnte Unterscheidung zwischen dem Phänotyp (Erscheinungsbild) und dem Genotyp einer Wirtschaft (die zugrundeliegenden Strukturen ihrer natürlichen, geistigen und sittlichen Basierung). Er verweist auf die vorherrschende Neigung, mit Kursänderungen auf der Ebene des Phänotyps anzusetzen, weswegen die bisherigen Umweltschutzmaßnahmen - trotz aller punktuellen Erfolge - prinzipiell "zu kurz greifen", und stellt fest: " ... Solange der Genotyp der Wirtschaft konstant bleibt, werden immer wieder phänotypische Muster mit der gleichen Zerstörerischen Dynamik erzeugt." (Faber selbst

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wählt angesichts der Schwierigkeiten, die einzelnen Momente des Genotyps der Wirtschaft in ihrem Zusammenwirken in der Gesamtheit wissenschaftlich zu erfassen, den Zugang dazu deshalb über die ganzheitliche Veranschaulichung der Kunst, in Gestalt von Goethes Darstellung der "faustischen Welt" , -wie vor und mit ihm auch H. C. Binswanger (1985)). Für meine Darstellung gehe ich mit Daly von der Schumpeterschen ,preanalytic vision' aus, weil sie die zu vollziehende- genotypische- "Internalisierung" der Ökonomie in die Natur explizit zu spiegeln vermag, in deutlicher Unterscheidung zum gängigen - phänotypischen - Internalisierungskonzept für die externen ökologischen Effekte in die Ökonomie. Damit werden zugleich auch die unterschiedlichen Ansätze von "Ökologischer Ökonomie" und "Umweltökonomie" in der Tendenz deutlicher. Die ,pre-analytic vision' einer ökologischen Ökonomik sieht - die menschliche Ökonomie als offenes Subsystem des endlichen und materiell geschlossenen globalen Ökosystems, welches sich zwar qualitativ ("evolutionär") entwickelt, quantitativ aber nicht wächst. Folgerichtig wird das ökonomische System nicht mehr nur verengt auf das herkömmliche Kreislaufbild der Wertströme zwischen Unternehmen und Haushalten, sondern wesentlich auch in seiner physischen Dimension gesehen und als gerichteter Transformationsprozeß von Energie und Materie verstanden. Daly veranschaulicht diesen Sichtwandel mit dem Vergleich, daß etwa auch Biologen ihre Vorstellungen vom Tier nicht nur aus seinem Blutkreislauf, unter Ignorierung seines Stoffwechsels (mit der Umwelt) gewinnen können, da sie sonst davon ausgehen müßten, daß sie es mit einem "perpetuum mobile" zu tun haben!

- Daß Quantität und Qualität, Grenzen und Gesetze des natürlichen Ökosystems damit gebieterisch den Spielraum der menschlichen Ökonomie vorgeben, diese also alles andere als "autonom" ist und sich mit ihren Spielregeln diesen natürlichen Bedingungen einzufügen hat, mahnen seit mehr als einem Vierteljahrhundert querdenkende Außenseiter der ökonomischen Wissenschaft an: von K. William Kapp über Kenneth Boulding, Nicolas Georgescu-Roegen bis Herman Daly, um hier nur einige zu nennen. - Eben dieses globale Ökosystem, die lebende Natur, die "als Schöpfung nicht abgeschlossen ist" (HPD), gilt es auch für die Ökonomen als "Mutterboden" zu erkennen und anzuerkennen, in ihrer Doppelrolle als alleinige und umfassende Produktions- und Wertschöpfungskraft und -bedingung allen menschlichen Wirtschaftens, und zugleich als Lebenswelt aller Lebewesen einschließlich der menschlichen Spezies. Deshalb gilt es, dieses "Naturkapital" erhaltend nutzen zu lernen, also dem Leitbild einer "nachhaltigen Wirtschaftsweise" zu folgen, einer ,sustainable economy' . Das Nachhaltigkeitsprinzip, das gerade im deutschsprachigem Raum eine viele Jahrhunderte alte Tradition hat, als "erhaltende Nutzung der natür-

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Christiane Busch-Lüty und Hans-Peter Dürr

liehen Lebensgrundlagen durch den Menschen",- v. a. in der Forstwirtschaft und Agrikultur (Busch-Lüty 1992)- ist zur Leitmetapher einer Ökologisierung der Ökonomie geworden, weil es als physisches Prinzip höchst plastisch den langfristigen und umfassenden Substanzerhalt der natürlichen Produktionspotentiale verkörpert, und zwar quantitativ-statisch ("nicht mehr Holz einschlagen als nachwächst"), aber auch qualitativ-dynamisch (z. B. Mehrung und Entwicklung des Humuspotentials als Produktionsgrundlage des Waldes). - Die Ökonomik insgesamt muß "internalisieren", daß wir heute nicht mehr in einer ,empty' sondern einer ,full world economy' leben (siehe Schema), in der die Größenordnung eines explosiv angewachsenen und noch weiter wachsenden ökonomischen Subsystems in Relation zum begrenzten ökologischen Obersystem dringend in einer ökologischen Makroökonomik thematisiert werden muß, auf die ich mich im Folgenden im wesentlichen konzentrieren möchte (Daly 1990, 1991, 1992). Elemente einer ökologischen Makroökonomik: Die Makroökonomie als offenes Subsystem des Ökosystems "lebt" von diesem sowohl was die Quellen seiner "Syntropie-Inputs" als auch die Senken zur Aufnahme des Outputs seiner entropischen Transformationsprozesse angeht. Deswegen kann in einer ,full world economy' die Größenordnung der Weltwirtschaft insgesamt im Verhältnis zum globalen Ökosystem nicht beliebig weiter wachsen. Die Optimierung der Größenordnung der physischen Transaktionen zwischen beiden Systemen ist aber offenkundig nicht ein Problem der optimalen Allokation der Naturgüter und-diensteinnerhalb des ökonomischen Systems, das über veränderte Preisrelationen an Märkten zu lösen wäre; es ist vielmehr ein Problem der Beachtung von Belastungsgrenzen quantitativer und qualitativer Art bei der Inanspruchnahme dieses Ökosystems durch die Ökonomie. Daly gebraucht hier zur Veranschaulichung ein Bild: auch die noch so optimale Verteilung der Ladung auf einem Boot(= Allokation) könne nicht verhindern, daß dieses untergeht, wenn seine obere Ladegrenze (in der Seemannsprache: "Plimsoll-line" oder ,.Freibord-Marke") nicht beachtet wird.

Es besteht also ein ,scale problem' . Deswegen muß die "Tragfähigkeit" ,Carrying Capacity' - des Ökosystems in Relation zu seiner ökonomischen Nutzung nicht nur physisch bestimmt, sondern zugleich auch deren Respektierung im Prozeß des Wirtschaftens sichergestellt werden. Ökologen der Stanford University (Vitousek 1986) haben Berechnungen angestellt, denenzufolge der menschengenutzte Anteil an der gesamten terrestrischen Produktion von Biomasse durch Photosynthese auf unserem Plane-

DOI https://doi.org/10.3790/978-3-428-47771-5 | Generated on 2023-09-11 12:11:16 OPEN ACCESS | Licensed under CC BY 4.0 | https://creativecommons.org/about/cclicenses/

Ökonomie und Natur

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