158 94 2MB
German Pages 31 [32] Year 1916
KORPORATION
DER
KAUFMANNSCHAFT
VON
HANDELS-HOCHSCHULE
BERLIN
BERLIN
Umgestaltung und Neuorientierung des Handels infolge des Krieges Festrede bei Übernahme des Rektorats und zur Eröffnung des 11. Studienjahres gehalten in der Aula der Handels - Hochschule Berlin von
Professor Dr. Johann Friedrich Schär zurzeit Rektor der Handels-Hochschule
Berlin Druck
1916
und Verlag von Georg Reimer
Hochangesehene Festversammlung l Nachdem ich durch meinen Amtsvorgänger offiziell in mein neues Amt als Rector Magnificius der HandelsHochschule Berlin eingesetzt worden bin, wende ich mich an Sie, hochverehrte Herren und Damen, an die Herren Ä l t e s t e n , die die Handels-Hochschule ins Leben gerufen, an die V e r t r e t e r d e s Ministeriums f ü r H a n d e l u n d G e w e r b e , unsere oberste Aufsichtsbehörde, an den großen K r e i s unserer Gönner und Freunde, an meine Herren K o l l e g e n und an Sie, liebwerte K o m m i l i t o n e n , um in ernster Zeit ein ernstes Wort mit Ihnen zu sprechen. Vergessen wir es nicht: während wir hier eine Friedensfeier begehen, ist die große Mehrzahl der Studenten mit Millionen ihrer Kriegskameraden draußen auf der Wacht, in Ost und West, in Süd und Nord. Sie leiden, kämpfen, bluten, sterben f ü r uns; denn es geht ums Ganze, um Sein oder Nichtsein des deutschen Eeiches und der germanischen Kultur. Damit ist auch das Thema unserer Betrachtung von selbst gegeben. Es heißt: Krieg und Handels-Hochschule, von dem ich das Teilthema herausgreife: ..Umgestaltung und N e u o r i e n t i e r u n g H a n d e l s i n f o l g e d e s K r i e g e s."
des
Auch nur ein oberflächlicher Blick auf die Zustände der Gegenwart belehrt uns, daß das ganze wirtschaftliche Leben während des Krieges und durch den Krieg, wenn nicht aus den Fugen gegangen, so doch vollständig verrenkt ist, und daß es der heroischen Anstrengungen aller
—
4
—
Glieder und Teile des deutschen Volkes bedarf, um die Friedenswirtschaft wieder um und neu zu gestalten, insbesondere die Handelsbeziehungen nicht nur im Innern, sondern hauptsächlich im internationalen Verkehr wieder anzuknüpfen, wenn anders das deutsche Volk aus dem ungeheuren Weltkrieg wie ein Phönix aus der Asche neu erstehen soll. Nicht bloß die W i e d e r a u f r i c h t u n g , sondern in erster Linie d i e Neuorientierung der g e s a m t e n P r i v a t w i r t s c h a f t muß die allgemeine Losung sein. Hierbei hat die Handels-Hochschule eine um so größere Aufgabe zu erfüllen, als sie die n e u e w i r t schaftliche Pflegestätte der Privatw i r t s c h a f t überhaupt ist. Dabei müssen wir uns zum vornherein d a g e g e n v e r w a h r e n , daß die Privatwirtsdhaftslehre neben der Nationalökonomie eine gesonderte selbständige Existenz beanspruche, oder gar in Gegensatz zu d e r s e l b e n als eine P r o f i t l e h r e aufgefaßt werden könne. Demgegenüber haben wir stets die sozialökonomische Verkettung als Fundament und Ausgangspunkt jeder privatwirtschaftlichen Forschung und Disziplin bezeichnet und stimmen der Definition unseres verstorbenen Schülers Prof. Dr. Schönitz 1) bei: „Die Privatwirtschaftslehre ist diejenige Teildisziplin der Nationalökonomie, die zum Objekt hat die Betätigung privater für sich selbst besorgter Wirtschaftssubjekte zur Erzielung eines Ertrages, und die im Gegensatz zur sozial-ökonomischen Betrachtung im engen Sinne diese Betätigung unter dem Gesichtspunkte der S e l b s t e r h a l t u n g dieser Privatwirtschaften gesondert nach ihren einzelnen Typen betrachtet." Wie die Familie zum Staate, so verhält sich die einzelne Privatwirtschaft zum Ganzen der Nationalwirtschaft. Die Privatwirtschaft ist gleich der lebendigen Einzelzelle, aus deren Beziehungen und Verkettungen sich der Organismus der sozialen Wirtschaftsgemeinde zusammensetzt 2 ).
Nach dieser grundlegenden Erörterung über die Privatwirtschaftslehre, als deren w i s s e n s c h a f t liche Pflegestätte die Hande1s-Hochs c h u l e gegründet worden ist, halte ich es für zweckmäßig, mich über die allgemeinen Aufgaben dieser Anstalten auszusprechen. Die Handels-Hochschule soll ihrem Namen und den Intensionen ihrer Gründer und Förderer entsprechend, eine Bildungsstätte für Kaufleute, für die Träger des Handels im weitesten Sinne des Wortes sein. Sie ist als eine selbständige Bildungsanstalt neben