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German Pages 357 [361] Year 2013
ISBN: 978-3-402-13713-0
Christoph Bruns
TRINITÄT UND KOSMOS
TRINITÄT UND KOSMOS
Zur Gotteslehre des Origenes
Christoph Bruns
Der Glaube an den dreifaltigen Gott und seinen universalen Heilswillen bildet den Kern des christlichen Bekenntnisses. In der Geschichte seiner systematischen Entfaltung kommt dem Werk des Origenes von Alexandrien (185–254) bahnbrechende Bedeutung zu. Die vorliegende Studie unternimmt erstmals den Versuch, das Trinitätsdenken dieses wohl bedeutendsten und einflussreichsten Theologen des frühen Christentums zu rekonstruieren und historisch wie theologisch zu würdigen. Sie vermag verständlich zu machen, warum der trinitätstheologische Entwurf des großen Alexandriners in den dogmatischen Auseinandersetzungen des vierten Jahrhunderts zum Gegenstand heftiger Kontroversen werden konnte. In der Trinitätslehre des Origenes begegnen wir dem ersten umfassenden Versuch einer Gesamtschau des christlichen Heilsmysteriums als eines trinitarischen Heilsmysteriums, der christliches Denken auch heute noch zu inspirieren vermag.
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Adamantiana Band 3
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Adamantiana Texte und Studien zu Origenes und seinem Erbe Texts and Studies on Origen and His Legacy Herausgegeben von / Edited by Alfons Fürst Wissenschaftlicher Beirat / Advisory Board Sarah Hutton (Aberystwyth), James Michihiko Kuyama (Tokio), Olivier Munnich (Paris), Marco Rizzi (Mailand), Martin Wallraff (Basel) Band 3
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Trinität und Kosmos Zur Gotteslehre des Origenes Von Christoph Bruns
Münster 2013
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© 2013 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54 Abs. 2 UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Gesamtherstellung: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, 2013 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ∞ ISBN 978-3-402-13713-0
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Vorwort Die vorliegende Studie über die Trinitätslehre des Kirchenvaters Origenes von Alexandrien wurde im Wintersemester 2012/2013 von der Theologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br. als Dissertation im Fach Alte Kirchengeschichte und Patrologie angenommen. Für die Drucklegung wurde sie etwas überarbeitet. So wurden die Übersetzungen revidiert, einige wenige Literaturtitel ergänzend berücksichtigt und kleinere stilistische Eingriffe vorgenommen. Inhaltlich ist die Arbeit dabei völlig unverändert geblieben. Es ist mir eine große Freude und angenehme Pflicht, in der Rückschau auf arbeitsreiche Jahre ein vielfaches Wort des Dankes sagen zu können. Unter den Professorinnen und Professoren der Theologischen Fakultät Freiburg i. Br. danke ich besonders Herrn Prof. Dr. Dr. Thomas Böhm, der die Entstehung des Manuskripts begleitet und das Erstgutachten verfasst hat. Herrn Prof. Dr. Dr. Alfons Fürst danke ich dafür, dass er das Zweitgutachten übernommen und mir im Rahmen der von ihm an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster geleiteten Forschungsstelle „Origenes“ die Möglichkeit zum fachlichen Austausch eröffnet hat. Darüber hinaus gebührt ihm mein herzlicher Dank für seine Bereitschaft, meine Arbeit in die noch junge Adamantiana-Reihe aufzunehmen, die ganz dem Werk des Origenes und seinem Nachleben gewidmet ist. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Erzdiözese Freiburg, der Diözese Hildesheim sowie der Ökumenischen Stiftung des Forums Studienjahr Jerusalem e. V. danke ich für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Die vorliegende Dissertation wäre nie geschrieben worden, wäre mir nicht das große Glück zuteil geworden, als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes am 32. Theologischen Studienjahr Jerusalem (2005/2006) teilnehmen zu dürfen. Damals erwachte mein Interesse an der Theologie des Origenes, als ich zur Vorbereitung einer Exkursion nach Cäsarea Maritima ein Referat über seine Christologie zu halten hatte. Dass ich dem großen Alexandriner auch in meiner theologischen Diplomarbeit über Origenes und Plotin treu geblieben bin, verdanke ich dem Rat meines Jerusalemer Lehrers, Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Christoph Markschies. In der dankbaren Erinnerung an die Studienzeit im Heiligen Land weiß ich mich allen verbunden, die diese Zeit ermöglicht und bereichert haben. Besonders danke ich den Mönchen der Benediktiner-Abtei Dormitio B. M. V. in Jerusalem unter ihrem damaligen Abt Benedikt M. Lindemann OSB für ihre Gastfreund-
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Vorwort
schaft während der Liturgie und weit darüber hinaus. Großer Dank gebührt sodann unserem damaligen Studiendekan, Herrn PD Dr. Joachim Negel, der mir seit den Jerusalemer Tagen zu einem treuen Freund und Wegbegleiter geworden ist. Nach dem Abschluss meines Theologiestudiums gab mir Herr Prof. Dr. Dr. Markus Enders die Möglichkeit, zwei Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Freiburger Lehrstuhl für Christliche Religionsphilosophie zu arbeiten und dabei meine Freude an der akademischen Lehre zu entdecken. Dafür weiß ich mich ihm zu herzlichem Dank verpflichtet. Danken möchte ich auch meinem damaligen Kollegen und Studienfreund Christian Botzke für die fruchtbare Zusammenarbeit während der gemeinsamen Proseminare. Im Anschluss an meine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter hat mir die Bischöfliche Studienförderung Cusanuswerk durch ein Promotionsstipendium zwei Jahre ungestörter Arbeit an der Dissertation ermöglicht. Dafür und für die ideelle Förderung sage ich herzlich Dank. Ein weiteres Wort des Dankes gebührt nicht zuletzt auch meinen Freiburger Mitdoktoranden, deren Gemeinschaft ich fachlich wie persönlich stets als Bereicherung empfunden habe: Jakob Georg Heller, Philipp Höfele, Armen Kirako syan, Maciej Małyga und Stephan Trescher sowie Christian Stoll (Wien). Dankbar bin ich auch für die Gastfreundschaft von Wiebke und Peter Kahlert sowie für die hilfreichen Gespräche, die ich während der Promotionszeit mit Herrn Weihbischof Dr. Nikolaus Schwerdtfeger und Herrn Prof. Dr. Franz-Josef Bormann führen konnte. Der größte Dank sei schließlich meinen Eltern Maria und Bernhard Bruns gesagt, die mich stets in jeder Hinsicht unterstützt haben. Mein Vater, der vor nunmehr fast vierzig Jahren selbst von der Freiburger Theologischen Fakultät promoviert wurde, hat an der Entstehung der vorliegenden Arbeit mit wachem Interesse regen Anteil genommen und keine Mühe gescheut, um mich bei der Vorbereitung der Drucklegung zu unterstützen. So sei dieses Buch meinen Eltern in Dankbarkeit gewidmet. Harsum / Freiburg i. Br., am Gedenktag des hl. Christophorus 2013
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„Denn durch deinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, und in der Kraft des Heiligen Geistes erfüllst du die ganze Schöpfung mit Leben und Gnade.“ (Drittes Eucharistisches Hochgebet)
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Inhalt
Einleitung 1. Die trinitarische Gotteslehre des Origenes – das Thema der Untersuchung und seine Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund der Trinitätslehre des Origenes . . . 20 3. Zur Denkform und Methode des Origenes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 4. Zur Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 5. Zum Aufbau der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Erster Teil: Das ewige Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist 1. Die erste Hypostase: Der Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.1 Der Vater als der Inbegriff des Seins: ᾿Εγώ εἰμι ὁ ὤν . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1.2 Der Vater als transzendenter Inbegriff aller Vollkommenheit . . . . . . . . . 45 1.3 Der Gott, ein Gott, Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 1.4 Das Problem der Erkennbarkeit des Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 2. Die zweite Hypostase: Der Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.1 Die Konstitution des Sohnes: Zeugung und Schau . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2.2 Sophia und Logos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2.3 Theos-Logos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.4 Die ontologischen Implikationen der Vater-Sohn-Relation . . . . . . . . . . . 75 2.5 Die Abgrenzung des Sohnes gegenüber den vernunftbegabten Geschöpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2.6 Die Einheit von Vater und Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 2.7 Zusammenfassende Überlegungen zum origeneischen Subordinatianismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 3. Die dritte Hypostase: Der Heilige Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3.1 Das Problem der dritten Hypostase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 3.2 Die Konstitution und der ontologische Status des Heiligen Geistes . . . . 125 3.3 Die Frage nach der Wirkweise und der Wirkmacht des Heiligen Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3.4 Zusammenfassende Überlegungen zum ontologischen Status des Heiligen Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153
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Zweiter Teil: Das Heilswirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist 1. Trinität und Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1.1 Der Vater als schöpferischer Urgrund aller geschaffenen Wirklichkeit . 160 1.2 Der Sohn als Exemplar- und Instrumentalursache der Schöpfung . . . . . 162 1.3 Die Erschaffung der Vernunftwesen κατ᾽ εἰκόνα ϑεοῦ . . . . . . . . . . . . . . . 169 1.4 Das Walten der göttlichen Vorsehung: πρόνοια und παίδευσις . . . . . . . . 178 2. Trinität und Offenbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2.1 Der Gehalt der Offenbarung: Die Unverborgenheit des Vaters in seinem Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2.2 Die transzendentale Offenbarung: „In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt“ (Joh 1,26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 2.3 Die alttestamentliche Offenbarungsgeschichte: „Und der Logos des Herrn erging an …“ (Jer 14,1par) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2.4 Die neutestamentliche Offenbarungsgeschichte: „Und der Logos ist Fleisch geworden …“ (Joh 1,14) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2.5 Die Heilige Schrift als vom Heiligen Geist inspiriertes Wort Gottes . . . . 234 3. Trinität und Erlösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3.1 Das Gebet als Antwort auf das Offenbarungswort: die trinitarischen Implikationen der Gebetstheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3.2 Heiligung durch den Heiligen Geist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 3.3 Sohnwerdung als Teilhabe an der ewigen Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 3.4 Vergöttlichung in der Schau des Vaters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322
Register 1. Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 2. Origenesstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 3. Namen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
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Einleitung
Origenes von Alexandrien (185–254) gilt unbestritten als der genialste Theologe der vornizänischen Kirche. Nicht wenige sehen in ihm „die bedeutendste Gestalt unter den griechischen Kirchenvätern überhaupt“.1 Er war der erste, der den Versuch einer zusammenhängenden Gesamtschau des christlichen Glaubens unternommen und eine vormals nicht gekannte Anzahl von Kommentaren und Homilien zur Bibel hinterlassen hat, die er in ihrer Gesamtgestalt als Wort Gottes zu begreifen und für eine umfassende Deutung der Wirklichkeit aufzuschließen suchte. Bei seinem „Bemühen, das ganze Universum vom christlichen Glauben her zu verstehen“,2 griff er in kritischer Auseinandersetzung mit dem Weltentwurf christlicher Gnostiker auf Denkformen und Interpretationsmuster aus der Tradition griechisch-hellenistischer Philosophie zurück, um diese für eine tiefschürfende Auslegung der Bibel und der kirchlichen Glaubensüberlieferung fruchtbar zu machen. Angesichts der Weite und Originalität seines theologischen Erbes nimmt es nicht wunder, dass Origenes zu allen Zeiten der Geschichte umstritten war wie kaum ein zweiter christlicher Denker. Seit den Tagen seines Zeitgenossen, des Neuplatonikers Porphyrius, nach dessen Urteil Origenes zeitlebens ein hellenistischer Philosoph war, der die christlichen Glaubenssätze vergeblich mit den Dogmen des Platonismus zu vereinbaren suchte,3 ist bis heute die Diskussion über die Frage nicht verstummt, wo der Schlüssel zur Interpretation seiner Person und seines Werks zu finden ist: Ist Origenes als systematischer Denker zu betrachten, dem es in Forschung und Lehre vor allem um die intellektuelle Durchdringung der Wirklichkeit und um eine möglichst rationale Synthese der christlichen Glaubenswahrheiten zu tun war? Oder ist er in erster Linie Philologe und Exeget? Oder sollte man ihn besser als Mystiker begreifen, dessen zentrales Anliegen darin bestand, seine Mitmenschen als Seelsorger zur spirituellen Einübung in die Erfahrung der immer größeren christlichen Heilsmysterien zu erziehen? Wie verhalten sich dementsprechend spekulative Theologie und Spiritualität in seinem Werk? Welcher Stellenwert und welches Gewicht kommt darin den großen Tra1 2 3
So das repräsentative Urteil von Ritter, Dogma und Lehre 116. Studer, Entwicklung der patristischen Trinitätslehre 88. Vgl. Porphyrius, zitiert bei Eusebius von Cäsarea, Hist. eccl. VI 19,7 f. (SC 41, 115 f.).
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Einleitung
ditionen der paganen Philosophie, allen voran dem Platonismus, für sein Wirklichkeitsverständnis zu? Und in welchem Maß hat sich Origenes demgegenüber von der Heiligen Schrift inspirieren lassen? Wie ist es schließlich um den genuin christlichen Charakter seines Werks überhaupt bestellt? Nachdem man Origenes im 19. und frühen 20. Jahrhundert vielfach, der Ansicht des Porphyrius folgend, zum Protagonisten einer „Hellenisierung des Christentums“ stilisiert hatte, ist die Forschung inzwischen dazu übergegangen, einseitige Charakterisierungen und Bewertungen aufzubrechen und ein integratives Origenesbild zu zeichnen, in dem vormals einander entgegengesetzte Aspekte nicht länger als strikte Alternativen betrachtet werden.4 Dabei ist zugleich das kritische Bewusstsein dafür gewachsen, dass das theologische Erbe des Origenes in den heftigen Kontroversen, die kurz nach seinem Tod entbrannt sind, vielfältigen Fehlinterpretationen und polemischen Verzerrungen unterlegen ist. Diese führten im sechsten Jahrhundert dazu, dass der große Alexandriner von der kirchlichen Autorität posthum zum Häretiker erklärt wurde, nachdem er schon einmal im Jahr 400 auf einer alexandrinischen Lokalsynode unter dem damaligen Patriarchen Theophilus von Alexandrien verurteilt worden war.5 Dieser Umstand konnte gleichwohl nicht verhindern, dass der vielgestaltige Aufbruch, der mit seinem Namen in der Theologiegeschichte verbunden ist, auf deren weiteren Gang einen verborgenen Einfluss ausgeübt hat, dessen gewaltiges Ausmaß noch lange nicht erforscht ist. Nach dem Urteil von Hans Urs von Balthasar jedenfalls gibt es „in der Kirche keinen Denker, der so unsichtbar-allgegenwärtig geblieben wäre wie Origenes.“6 Und Theo Kobusch konstatiert: „Wenn die Wirkungsgeschichte eines Autors ein Kriterium für seine Bedeutung ist, dann muß Origenes zu den ganz Großen der Geistesgeschichte gerechnet werden.“7 Die verschlungenen Pfade, auf denen sein Denken nicht nur die Theologiegeschichte im engeren Sinn, sondern auch die neuzeitliche und moderne Philosophie- und Geistesgeschichte befruchtet hat, harren noch weitgehend der Erkundung und Entdeckung. In dem Bemühen jedoch, Origenes selbst besser zu verstehen und immer tiefer in seine Gedankenwelt einzudringen, hat die internationale patristische Forschung der vergangenen Jahrzehnte beachtliche Ergebnisse erzielt. Davon legen vor allem die zahlreichen Monographien Zeugnis ab, die zentrale Themenkomplexe und spezielle Einzelfragen der origeneischen 4
Einen Überblick über die wichtigsten Stationen der modernen Origenesforschung bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gibt Berner, Origenes 9–98. 5 Vgl. Schär, Nachleben des Origenes 36 f. 39–48. 6 Von Balthasar, Einführung 12. 7 Kobusch, Bedeutung des Kirchenvaters Origenes 94. Ein Überblick über die Stationen der Origenes-Rezeption von der Antike bis ins 16. Jahrhundert ist das Verdienst von Max Schär, dessen Studie schwerpunktmäßig dem italienischen, französischen und deutschen Humanismus gewidmet ist (vgl. Schär, Nachleben des Origenes 86–298).
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Einleitung
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Theologie zum Gegenstand haben. So liegen teils sehr umfangreiche Beiträge vor zur Christologie8 und Pneumatologie,9 zur Anthropologie,10 zum Offenbarungsund Traditionsverständnis,11 zur Schrifthermeneutik,12 zur Ekklesiologie,13 zur Soteriologie,14 zur Kosmologie,15 zur Eschatologie,16 zur Theologie des Gebets und der Liturgie17 sowie zu Grundfragen und Einzelthemen der christlichen Spiritualität18 und Ethik19. Zur Gotteslehre, die in all diesen Themenfeldern selbstverständlich immer mehr oder weniger ausführlich mitbehandelt wird, gibt es bislang zwei monographische Abhandlungen, die dem Aspekt der Vaterschaft Gottes nachgehen.20 Wenn die metaphysische Christologie, das heißt das Verhältnis des Sohnes zum Vater, sowie die Pneumatologie, die Lehre vom Wesen und Wirken des Heiligen Geistes, auch unter verschiedenen Fragestellungen immer wieder thematisiert worden sind und mit der großen Studie von Josep Rius-Camps ein gewichtiger Beitrag zur trinitarischen Soteriologie des Origenes vorliegt,21 fehlt es bis heute doch an einer einschlägigen Studie, die den Versuch unternimmt, die trinitarische Gotteslehre des Origenes im Ganzen in den Blick zu nehmen und ihre Bedeutung als Dreh- und Angelpunkt der origeneischen Wirklichkeitsdeutung zu würdigen.22 Diese Forschungslücke zu schließen ist das Anliegen der vorliegenden Arbeit. 8
Crouzel, Théologie de l’image de Dieu; Eichinger, Verklärung Christi; Rowe, Origen’s Doctrine of Subordination; Fédou, Le Christ d’Origène. 9 Beyer Moser, Teacher of Holiness. 10 Teichtweier, Anthropologie des Origenes; Dupuis, „L’esprit de l’homme“. 11 Hanson, Origen’s Doctrine of Tradition; Harl, La fonction révélatrice du verbe incarné. 12 Zöllig, Inspirationslehre; de Lubac, Histoire et Esprit; Hanson, Allegory and Event; Gögler, Theologie des biblischen Wortes; Lomiento, Vangelo di Luca; Torjesen, Hermeneutical Procedure. 13 Vogt, Kirchenverständnis; Sgherri, Chiesa e Sinagoga. 14 Faessler, Hagiosbegriff; Drewery, Doctrine of Grace; Gruber, ΖΩΗ; Brühl, Erlösung des Menschen. 15 Koch, Pronoia und Paideusis; Tzamalikos, The Concept of Time; Tzamalikos, Cosmology and Ontology of Time; Köckert, Christliche Kosmologie. 16 Tzamalikos, Philosophy of History and Eschatology. 17 Gessel, Theologie des Gebetes; Schütz, Gottesdienst bei Origenes. 18 Völker, Vollkommenheitsideal; Lieske, Theologie der Logosmystik; Bertrand, Mystique de Jésus; Crouzel, Origène et la „connaissance mystique“; Rickenmann, Sehnsucht nach Gott. 19 Javierre Ortas, La liberdad y el sistema origenista; Teichtweier, Sündenlehre des Origenes; Stelzenberger, Syneidesis bei Origenes; Crouzel, Virginité et mariage; Kübel, Schuld und Schicksal; Schockenhoff, Freiheit. 20 Nemeshegyi, Paternité de Dieu; Widdicombe, The Fatherhood of God. 21 Rius-Camps, El dinamismo trinitario (vgl. dazu Sieben, Rezension, bes. 116). – Der Beitrag von Rius-Camps, Reflexión sobre la Trinidad war mir nicht zugänglich. 22 Der älteste mir bekannte deutschsprachige Beitrag, der sich ausdrücklich mit der origeneischen Trinitätslehre befasst, ist die kurze Abhandlung von Harrer, Trinitäts-Lehre des Origenes.
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Einleitung
1. Die trinitarische Gotteslehre des Origenes – das Thema der Untersuchung und seine Relevanz Es ist erstaunlich, dass der Trinitätslehre des Origenes bislang noch keine eingehende Studie gewidmet worden ist, obwohl, wie Christoph Markschies zutreffend feststellt, „die Trinitätstheologie einen zentralen Stellenwert in seinem Entwurf einnimmt“23 und unter den Gelehrten Konsens über die herausragende Bedeutung herrscht, die dem Alexandriner in der Geschichte der theologischen Bemühungen um das Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit zukommt.24 So ist Origenes laut Alistair H. B. Logan der erste Theologe, der es unternommen hat, ein zusammenhängendes Verständnis der Beziehungswirklichkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist zu entwickeln, wie sie im christlichen Bekenntnis vorausgesetzt ist.25 Erstmals, so konstatiert auch Marguerite Harl, hat Origenes „die großen Probleme der Trinitätstheologie dargelegt.“26 Er hat deshalb nach Franz Dünzl als „der bedeutendste Trinitätstheologe des Ostens im 3. Jh.“,27 nach Charles Kannengiesser als der erste Theoretiker der Trinität in der griechischsprachigen Christenheit überhaupt zu gelten.28 Origenes, so urteilt Reinhard M. Hübner, „hat bewirkt, daß bald fast ausnahmslos im Osten und dann auch im Westen die Trinität als das Hauptstück, der Inbegriff und die Summe des christlichen Glaubens galt,
23 Markschies, Erforschung der altkirchlichen Trinitätstheologie 297. 24 Zu den Trinitätslehren einzelner Kirchenväter liegen bislang unter anderem folgende Mo-
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nographien vor (in der Reihenfolge ihres Erscheinens): Beck, Trinitätslehre des Hilarius von Poitiers; Bilz, Trinitätslehre des Johannes von Damaskus; Slipyj, Trinitätslehre des Photios; Choppin, Trinité chez les Pères Apostoliques; Schmaus, Trinitätslehre des Augustinus; Schurr, Trinitätslehre des Boethius; Gomes de Castro, Trinitätslehre des Gregor von Nyssa; Smulders, Docrine trinitaire de S. Hilaire de Poitiers; Dorenkemper, Trinitarian Doctrine of St. Caesarius of Arles; Moingt, Théologie trinitaire de Tertullien; Ziegenaus, Trinitarische Ausprägung der göttlichen Seinsfülle nach Marius Victorinus; Beck, Ephräms Trinitätslehre; Markschies, Ambrosius und die Trinitätstheologie; Drecoll, Trinitätslehre des Basilius von Cäsarea; Strutwolf, Trinitätstheologie des Euseb von Cäsarea; Kösters, Trinitätslehre des Epiphanius von Salamis; Morales, Théologie trinitaire d’Athanase d’Alexandrie; Kany, Augustins Trinitätsdenken; Weedman, Trinitarian theology of Hilary of Poitiers; Hildebrand, Trinitarian theology of Basil of Caesarea; Ayres, Augustine and the Trinity. Logan, Development of Trinitarian Theology 424: „Origen appears to have been the first Christian theologian to develop a coherent theory of the Trinity which attempted to do justice to the reality, status and relationships of the three persons, however inadequate that theory may have seemed to later orthodoxy.“ Harl, La fonction révélatrice du verbe incarné 375: „Origène […] expose pour la première fois les grands problèmes de la théologie trinitaire.“ Dünzl, Geschichte des trinitarischen Dogmas 45. Kannengiesser, Écriture et Théologie Trinitaire 356: „le premier théoricien d’une triade divine dans les Églises de langue grecque.“
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Die trinitarische Gotteslehre des Origenes
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der sich eben darin von Judentum und Hellenentum unterschied.“29 Gegenüber der Auffassung, wonach Origenes „eine sehr ausgeprägte Trinitätslehre“ kannte,30 mit der er „auch wesentliche Voraussetzungen für das erst in späterer Zeit (im 4. Jahrhundert) ausformulierte trinitarische Dogma geschaffen hat“,31 vertritt Joseph W. Trigg jedenfalls zu Unrecht die Ansicht: „The doctrine of the Trinity, however, was not one of Origen’s major interests, and he made little contribution to the church’s understanding of it.“32 Die vorliegende Dissertation unternimmt den Versuch einer Gesamtschau des trinitarischen Denkens, wie es im weitläufigen Œuvre des Origenes zutage tritt. Zwar hat dieser uns keine auch nur annähernd systematisch geschlossene Darstellung seiner Trinitätslehre hinterlassen. Doch ist sein trinitarisches Denken in seinem Schrifttum allgegenwärtig, der Tatsache entsprechend, dass das „System“, als das sich seine Wirklichkeitsdeutung darstellt und das er ansatzweise in seinem Frühwerk Περὶ Ἀρχῶν entfaltet und zur Diskussion gestellt hat, als Subtext „hinter allen Texten“33 zu suchen ist. Origenes bringt seine Trinitätstheologie somit überwiegend implizit, im Zusammenhang mit den vielfältigen Aspekten des einen und ganzen Heilsmysteriums zur Sprache, von dem die Heilige Schrift und der Glaube der Kirche Zeugnis geben. Seiner trinitarischen Gotteslehre wird deshalb nur derjenige ansichtig, der ihre diversen Bezüge innerhalb des Ganzen seiner Theologie berücksichtigt und im jeweiligen Kontext zu interpretieren versteht, so dass unser Versuch darauf abzielen muss, Origenes’ Wirklichkeitsdeutung als ganze in ihrer trinitarischen Bestimmtheit – das heißt den universalen Zusammenhang von Trinität und Kosmos – in den Blick zu nehmen. Die methodologische Einteilung des Trinitätstraktats in eine „immanente“ und eine „ökonomische“ Trinitätslehre, wie sie als Erbe Augustins seit der Scholastik im Abendland geläufig ist, bringt Origenes zwar noch nicht zur Anwendung. Den mit dieser Differenzierung angezielten Sachverhalt hingegen kennt er sehr wohl, die Unterscheidung nämlich zwischen dem ewig bestehenden Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist einerseits und dem Heilswirken der drei göttlichen Personen gegenüber der Schöpfung andererseits.34 Es ist gera29 30 31 32 33 34
Hübner, Εἷς ϑεὸς Ἰησοῦς Χριστός 208. Kretschmar, Trinitätstheologie 7. Bienert, Stand der Origenesforschung XVII. Trigg, Origen 103. Markschies, Origenes 8. Vgl. auch Ritter, Dogma und Lehre 121 f. Grillmeier, Art. Christologie 1157 stellt zutreffend fest: Es „ist schon in Περὶ ἀρχῶν des Origenes eine Trinitätslehre (1. Buch), also eine immanente Christologie, von der Lehre der Menschwerdung getrennt, die erst spät im 2. Buch geboten wird, so daß beide durch Schöpfungs- und Sündenlehre auseinandergehalten werden. Die Gefahr einer bloß gottimmanenten Sicht der Theologia einerseits und andererseits einer Christologie, die nur noch Teilstück einer Oikonomia ist und nicht auch das Ganze von Theologia und Oi-
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Einleitung
dezu ein Charakteristikum seines Trinitätsverständnisses, dass die Ursprungsrelationen, in denen der Sohn und der Heilige Geist jeweils zum Vater stehen, nicht aus deren heilsökonomischen Funktionen resultieren, sondern dass vielmehr umgekehrt die jeweilige heilsgeschichtliche Bedeutung des Sohnes und des Heiligen Geistes ihren Grund in der ewigen Beziehungswirklichkeit hat, in der beide mit dem Vater als „immanente Trinität“ unwandelbar verbunden sind. Die Trinität ist nach Origenes also nicht von der Heilsgeschichte abhängig, wie dies in all jenen Trinitätsmodellen behauptet wird, denen zufolge entweder der Hervorgang des Sohnes und des Heiligen Geistes erst zum Zweck der Heilsökonomie erfolgt oder aber Vater, Sohn und Heiliger Geist nur als unterschiedliche Erscheinungsformen zu betrachten sind, unter denen der eine und einzige Gott sich in der Geschichte offenbart. In diesem Sinn kann man mit Adolf Martin Ritter sagen, „daß Origenes eine ‚immanente‘ (nicht ‚ökonomische‘) Trinitätslehre vertritt. D. h. es besteht nach ihm keine Trennung zwischen ‚Gott an sich‘ und Gott als dem in der ‚Heilsgeschichte‘ (οἰκονομία) sich Offenbarenden.“35 Die Bedeutung unseres Themas liegt zutage. Unter genuin theologischem Aspekt begegnen wir in unserem Bemühen, die trinitarische Gotteslehre des Origenes zu rekonstruieren, einem Trinitätsdenken, das stets im Blick auf die ganze Fülle der christlichen Heilswirklichkeit entfaltet wird und das insofern einem Anliegen Rechnung trägt, das Karl Rahner der systematischen Theologie ins Stammbuch geschrieben hat. In seinem Aufsatz „Bemerkungen zum dogmatischen Traktat ‚De Trinitate‘ “ beklagt Rahner die „Isoliertheit des Trinitätstraktats“ in der akademischen Dogmatik sowie die faktische Bedeutungslosigkeit des Trinitätsglaubens in der kirchlichen Verkündigung und der gelebten Frömmigkeit und gibt zu bedenken: „Die Trinität ist ein Heilsmysterium. […] Dann aber muß auch deutlich werden, warum sie ein solches ist. Dann aber muß auch in allen Traktaten der Dogmatik deutlich werden, daß diese darin behandelten Heilswirklichkeiten selbst nicht verständlich werden können ohne Rückgriff auf dieses Ursprungsmysterium des Christentums. Wo diese dauernde Perichorese zwischen den Traktaten nicht immer wieder deutlich wird, kann dies nur als Zeichen dafür gewertet werden, daß in dem Trinitätstraktat oder in den anderen Traktaten Zusammenhänge nicht deutlich herausgearbeitet wurden, die erst verständlich machen, daß die Trinität ein Heilsmysterium für uns ist und darum überall uns begegnet, wo von unserem Heil (eben in den anderen Traktaten der Dogmatik) gesprochen wird.“36 Wie auch immer die origeneische Trinitätstheologie aus der Perspektive des späteren nizäno-konstantinopolitanischen Dogmas konomia, zieht schon herauf “ (Herv. i. Orig.). Dass Origenes dieser Gefahr bereits erlegen ist, wird man allerdings nicht sagen können. 35 Ritter, Dogma und Lehre 129 (Herv. v. Verf.). 36 Rahner, Traktat „De trinitate“ 115 (Herv. i. Orig.).
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Die trinitarische Gotteslehre des Origenes
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zu beurteilen sein mag, in ihr begegnen wir dem ersten großen Versuch einer umfassenden Gesamtschau des einen und ganzen christlichen Heilsmysteriums als eines trinitarischen Heilsmysteriums, die zudem vom unauflöslichen Miteinander von biblischer Exegese, systematischer Spekulation und existenzieller Meditation lebt. Wie Franz Courth richtig bemerkt, stellt sich die origeneische Trinitätstheologie nämlich als „einstimmendes Nachdenken der trinitarischen Offenbarung“ dar,37 das getragen ist von der Überzeugung, die Origenes in die Worte fasst: „Das dreifache Seil, das der Trinitätsglaube ist, an dem die ganze Kirche hängt und von dem sie gehalten wird, reißt nicht.“38 Heutiger systematischer Theologie kann das Studium des origeneischen Trinitätsdenkens zu einer reichen Quelle der Inspiration werden bei dem Bemühen, sich dem von Rahner vorgetragenen Anliegen immer wieder neu zu stellen und den christlichen Glauben in seiner ganzen Weite als trinitarischen Glauben zu bezeugen und auszulegen. Neben der theologischen kommt dem Thema unserer Untersuchung erhebliche historische Relevanz zu. Denn abgesehen von der bereits erwähnten Tatsache, dass Origenes den Gang der christlichen Glaubensreflexion durch alle Jahrhunderte hindurch unter verschiedenen Gesichtspunkten im Verborgenen nachhaltig beeinflusst hat, ist es im Besonderen seine Trinitätstheologie gewesen, deren kontroverse Rezeption zu Beginn des vierten Jahrhunderts zum Ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa führen sollte. Wie die neuere kirchengeschichtliche Forschung – eine These Ferdinand Christian Baurs aus dem 19. Jahrhundert aufgreifend – gezeigt hat, resultierte die Auseinandersetzung zwischen dem alexandrinischen Presbyter Arius und seinem Bischof Alexander von Alexandrien um die Gottheit des Sohnes, die sich schnell zu einem langwierigen Konflikt ausweitete, der die gesamte Kirche erfassen sollte, im Kern aus einer „Krise der Logos-Theologie des Origenes“.39 Unter wirkungsgeschichtlichem Blickwinkel hat Origenes deshalb mit einem Wort des englischen Patrologen George L. Prestige als „the father alike of Arian heresy and of Nicene orthodoxy“ zu gelten.40 Im Streit um die fundamentale Frage nach dem ontologischen Status des Sohnes als des göttlichen Logos, für die Origenes, wie zu zeigen sein wird, noch keine systematisch kohärente und begrifflich unzweideutige Lösung gefunden hatte, nah37 Courth, Trinität 97. 38 In Ex. hom. 9,3,68–70 (SC 321, 290): Funis enim triplex non rumpitur (Koh 4,12), quae est
Trinitatis fides, ex qua pendet et per quam sustinetur omnis Ecclesia.
39 Studer, Gott und unsere Erlösung 130. Vgl. im Kontext Baur, Dogmengeschichte 107:
„Es liegen […] in der noch zu keiner Begriffseinheit durchgebildeten Lehre des Origenes die Ausgangspunkte von zwei einander entgegengesetzten Richtungen, und ihre geschichtliche Bedeutung besteht ebendarin, dass sie noch unvermittelt in sich enthält, was in der Folge in seinem bestimmten Gegensatz hervortrat.“ Vgl. neuerdings außerdem Kany, Augustins Trinitätsdenken 456–461. 40 Prestige, God 131.
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Einleitung
men Arius und Alexander einander widersprechende Positionen ein. „Arius“, so erklärt Basil Studer, „stellte in Weiterführung der Logostheologie des Origenes den Logos auf die Seite der Geschöpfe, indem er den Unterschied zwischen dem ewigen Ursprung des Sohnes und der Schöpfung aller Dinge vermischte. Alexander hingegen verteidigte ihm gegenüber die ewige Gottheit Christi.“41 Dabei stand „er selbst auch in der Überlieferung des großen Lehrers von Alexandrien“.42 Die Kontroverse zwischen Arius und Alexander „um die legitime Grenze der Subordination“43 des Sohnes gegenüber dem Vater muss man also, so stellt auch Markschies fest, zunächst und vor allem als Auseinandersetzung „um die legitime Auslegung der Trinitätstheologie des Origenes“,44 das heißt als „Streit innerhalb der origenistischen Theologie begreifen – diese Beobachtung ist für das Verständnis der ganzen Auseinandersetzung bis zum Konstantinopolitaner Konzil von 381 einschlägig“.45 Wenn in der vorliegenden Arbeit mit der Trinitätslehre des Origenes demnach „der systematische Ansatzpunkt für den schweren trinitätstheologischen Konflikt 41 Studer, Gott und unsere Erlösung 130. Zu Arius bemerkt Stead, Platonism of Arius 30:
42 43 44 45
„His theology fits naturally into place among the disputes which arose over the disposal of Origen’s effects. His main debt to Origen is a subordinationist doctrine of the Son, which he greatly intensifies and divests of its qualifications.“ Vgl. auch Böhm, Theologie des Arius 68, der feststellt: „Sowohl Alexander als auch Arius greifen auf Origenes zurück, und Arius konnte zurecht betonen, daß dies der gemeinsame Glaube sei, den er und Alexander teilten. […] Arius betonte die Differenz zwischen Gott und der Vater-Sohn-Relation im Sinne einer Unterordnung, während Alexander von der Relationalität von Vater und Sohn ausging.“ Dabei betont Böhm – im Widerspruch zu Studer –, „daß bereits in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit der arianischen Theologie – allen voran bei Athanasius – der Grundstein gelegt wurde, daß das Anliegen des Arius, nämlich die Verhältnisbestimmung von Vater und Sohn im origenistischen Kontext zu explizieren, in ein Licht gerückt wurde, das Arius selbst fremd war: Für ihn ist der Sohn bzw. der Logos gerade nicht ein Geschöpf wie alle anderen, wie dies Athanasius darzustellen versucht, sondern er gehört trotz der Unterordnung des Sohnes unter den Vater zu Gott und ist von allen anderen Geschöpfen grundsätzlich verschieden“ (Böhm, Theologie des Arius 69 f. [Herv. v. Verf.]). Studer, Gott und unsere Erlösung 131. Markschies, Erforschung der altkirchlichen Trinitätstheologie 301. Ebd. 307. Ebd. 301. Vgl. auch Oberdorfer, Art. Trinität/Trinitätslehre 604: „Der trinitarische Streit des 4. Jh. ging nicht unwesentlich um die rechte Auslegung des Origenes.“ Hanson, Influence of Origen 420 dagegen relativiert diese Sichtweise, indem er feststellt: „In conclusion, we cannot say that Origen explains or shapes the Arian Controversy. It was not a struggle between two sides of Origen’s thought. His theology did not greatly preoccupy the minds of those who took part in it. None of the participants wholly adopted his theology nor reproduced it as their main source […]. Origen contributed indirectly to both sides, in fact to more than two sides, in the dispute. Neither Arians, however, nor pro-Nicenes could justly claim him as their intellectual ancestor. Origen cannot be described as the father of the Arian Controversy nor as its cause. But it might be said that his ghost haunted it.“
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Die trinitarische Gotteslehre des Origenes
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des vierten Jahrhunderts“46 in den Blick genommen wird, aus dem schließlich die dogmatische Formulierung der christlichen Gotteslehre hervorgegangen ist, so erfolgt damit indirekt auch ein Beitrag zum besseren Verständnis der Theologiegeschichte des vierten Jahrhunderts. Es wird sich zeigen, dass man Origenes in der Tat „aufgrund der systematischen Probleme seines trinitätstheologischen Entwurfes für sehr verschiedene Richtungen in Anspruch nehmen“ konnte,47 allerdings mit mehr oder weniger großem Recht. Wer in ihm, der häresiologischen Tradition von Epiphanius von Salamis und Hieronymus über Gennadius von Marseille bis zu Thomas von Aquin folgend, den geistigen Vater des Arius und der verschiedenen Spielarten des Arianismus sehen will, der dem Sohn nicht die gleiche göttliche Wesensfülle zuerkennt wie dem Vater,48 mag sich für diese Position zwar auf die eine oder andere Passage innerhalb des origeneischen Schrifttums berufen können, in denen das Verhältnis des Sohnes zum Vater tatsächlich als seinsmäßige Unterordnung verstanden zu sein scheint. Damit wird er aber der origeneischen Trinitätstheologie in ihrer Gesamtgestalt keineswegs gerecht, wie das Ergebnis unserer Untersuchung lauten wird. Denn ungeachtet seiner systematischen Inkonsistenzen und terminologischen Unschärfen, in denen sich nur die Kehrseite der Pionierleistung manifestiert, die Origenes auf dem Feld der christlichen Gotteslehre vollbracht hat, entspricht das trinitarische Denken des Alexandriners der Sache nach und aufs Ganze gesehen durchaus dem, was das Konzil von Nizäa im Jahr 325 gemäß seiner kirchlichen Rezeption als Glaubenslehre verkündet hat.49 Zu diesem Ergebnis kann allerdings nur gelangen, wer Origenes’ Trinitätsdenken im Ganzen zu verstehen sucht und dabei die ewige Beziehungswirklichkeit von Vater und Sohn auch von den Implikationen der trinitarischen Heilsökonomie her interpretiert. Insgesamt gesehen gilt Origenes also mit gutem Grund als Ahnherr des nizänischen Glaubens, wie schon von Alexanders Nachfolger Athanasius bemerkt50 und zuletzt von Ilaria Ramelli wieder mit Nachdruck bekräftigt wurde.51
46 Markschies, Erforschung der altkirchlichen Trinitätstheologie 299. 47 Ebd. 301. Vgl. auch Markschies, Origenes 10. 48 Vgl. Epiphanius von Salamis, Pan. haer. 64,1–4 (GCS Epiph. 2, 403–413); Hieronymus,
Epist. 84,4 (CSEL 55, 125,21–126,2); Gennadius von Marseille, Def. eccl. dogm. 4,6–10 (JThS 7, 90); Thomas von Aquin, S. th. I q. 32 a 1 ad 1; q. 34 a. 1 ad 1. 49 Zur Glaubenslehre von Nizäa vgl. Kannengiesser, Art. Homo(o)usios 252 (Lit.). 50 Vgl. Athanasius von Alexandrien, De decr. Nic. syn. 27,1–3 (Athanasius Werke II, 23 f.) sowie Sokrates, Hist. eccl. VI 13,9 f. (GCS Socr. 1, 334,28–335,4), ferner Bienert, Athanasius und Origenes 363 f. 51 Ramelli ist der Auffassung, „that Origen was not the forerunner of ‚Arianism‘, as he was depicted in the course of the so-called Origenistic controversy, and as he is often still regarded to be, but the main inspirer of the Cappadocians, and especially Nyssen, in what became Trinitarian orthodoxy“ (Ramelli, Anti-Subordinationism 24 f.). Zu diesem Er-
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Erstmals bezog Origenes auch den Heiligen Geist als dritte Hypostase neben dem Vater und dem Sohn in größerem Umfang in seine Überlegungen ein. Wenn er auch noch keine explizite Pneumatologie ausgearbeitet hat, finden wir bei ihm doch schon die Fundamente, auf denen in späterer Zeit das kirchliche Lehrgebäude über den Heiligen Geist errichtet werden konnte. Vor allem in seinem heilsökonomischen Verständnis des Heiligen Geistes als Medium der offenbaren Gegenwart Gottes und der Erlösung der vernunftbegabten Kreatur sollte sich Origenes als Vordenker der Göttlichkeit des Heiligen Geistes erweisen, wie sie im Jahr 381 im Credo des Zweiten Ökumenischen Konzils von Konstantinopel zum Ausdruck gebracht wurde. Rückblickend lässt sich somit sagen: In der Trinitätslehre des Origenes nimmt der Trinitätsglaube der Kirche erstmals klarere Konturen an. Mit ihr ist der Nährboden bereitet, aus dem das trinitarische Dogma erwachsen konnte.
2. Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund der Trinitätslehre des Origenes Wenn wir an dieser Stelle das geistesgeschichtliche Umfeld auszuleuchten suchen, in dem Origenes sein trinitarisches Denken zur Sprache gebracht hat, so sollen dabei diejenigen zentralen Problemstellungen sowie theologischen und philosophischen Strömungen akzentuiert werden, die den Hintergrund seiner Trinitätslehre bilden. Damit nehmen wir deren äußere Bedingungen in den Blick, bevor wir nach der Denkform und Methode des Origenes, das heißt nach den inneren Voraussetzungen seiner Theologie, fragen. Es versteht sich von selbst, dass es sich im vorliegenden Zusammenhang jeweils nur um einen konzentrierten allgemeinen Problemaufriss handeln kann. Von Anfang an sah sich die Theologie vor die Aufgabe gestellt, das christliche Kerygma von der Gottessohnschaft Jesu Christi und vom göttlichen Heilswirken des Heiligen Geistes mit dem alttestamentlichen Erbe des Monotheismus zu vermitteln, das auch mit den Rationalitätsstandards zu harmonieren schien, wie sie sich seit langem in der paganen Metaphysik etabliert hatten.52 Angesichts dieser Herausforderung entwickelte die frühe Theologie bekanntlich zwei Modelle, die geeignet waren, das apostolische Bekenntnis zu Vater, Sohn und Heiligem gebnis kommt auch Prestige: „Origen held a species of subordinationism, but he was most certainly no Arian“ (Prestige, God 134). 52 Zu Recht stellt Thomas E. Pollard in diesem Zusammenhang fest: „Without in any way diminishing the importance of other biblical writings in the development of the church’s doctrine, it is St John’s Gospel – and the First Epistle of St John – that brings into sharpest focus the problems which created doctrinal controversy in the early church and which indeed still perplex the church today“ (Pollard, Johannine Christology 3).
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Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund der Trinitätslehre des Origenes
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Geist mit dem Glauben an die Einheit und Einzigkeit Gottes zu verbinden. So ist nach dem im Judenchristentum verwurzelten Modell des sogenannten Adop tianismus Jesus Christus ein bloßer Mensch, der von Gott bei seiner Geburt, bei seiner Taufe oder nach seiner Auferstehung als Gottessohn angenommen und, wie etwa die alttestamentlichen Propheten, wenn auch in besonders herausragender Weise, mit Gottes Geist begnadet worden ist.53 Nach dem Modell des sogenannten Modalismus hingegen sind Vater, Sohn und Heiliger Geist nur drei verschiedene Namen für drei verschiedene Erscheinungsweisen (modi), unter denen sich der eine und einzige Gott den Menschen in der Heilsgeschichte geoffenbart hat.54 In beiden Modellen liegt eine streng rationalistische Gotteslehre vor, die eine Trinitätslehre, wie sie später als Dogma formuliert werden sollte, radikal ausschließt. Während nämlich im Modalismus der Sohn und der Heilige Geist jeweils auf einen Erkenntnisaspekt und Namen des einen und einzigen Gottes reduziert werden,55 so dass die Trinität das Produkt menschlicher Reflexion, nicht aber die ewige Wirklichkeit Gottes selbst ist, geht nach dem Adoptianismus der Sohn völlig im Menschen Jesus von Nazaret auf, wobei der Heilige Geist abermals als Aspekt des einen und einzigen Gottes verstanden wird, der sich im Akt der Adoption als Vater Jesu erwiesen hat. Neben dem Adoptianismus und dem Modalismus hat die frühchristliche Theologie noch ein drittes Theoriemodell hervorgebracht, das den christlichen Trinitätsglauben zwar weitaus weniger klar und eindeutig als die beiden anderen Modelle mit dem Monotheismus zu vereinbaren wusste, sich jedoch rückblickend gerade aufgrund seiner Komplexität als geeigneter Ausgangspunkt auf dem Weg zum trinitarischen Dogma erweisen sollte, das „das christliche Gottesbild dem Zugriff logischer Erklärbarkeit ein für allemal entzogen“ hat im „Verzicht darauf, über das innergöttliche Leben letzte Aussagen zu machen“.56 Im Zentrum dieses dritten Modells steht eine vom Logosbegriff des Johannesprologs aus entfaltete Logosmetaphysik. Ihr zufolge kommt dem Sohn als dem göttlichen Logos gegenüber Gott, seinem Vater, eine eigenständige substantielle Seinswirklichkeit zu, in der er im Voraus zur Schöpfung als Sohn Gottes existiert. Sein Verhältnis zum Vater wird dabei als Unterordnung beschrieben, weshalb dieses Modell in der Dogmenhistorie als Subordinatianismus bezeichnet wird. Den Verfechtern dieses Modells, den sogenannten Apologeten, die es als ihre Aufgabe betrachteten, das Christentum im Horizont der griechisch-hellenistischen Kultur als die 53 Vgl. Grillmeier, Art. Adoptianismus 165–167 (Lit.). 54 Vgl. Walter, Art. Modalismus 356; Frohnhofen, Art. Patripassianismus 1470 f. (Lit.). 55 Die letzte Konsequenz des Modalismus hat mit unübertroffener Schärfe dessen Kritiker
Tertullian auf den Punkt gebracht, wenn er über den Modalisten Praxeas sagt: Patrem cru cifixit (Adv. Prax. 1,5 [FC 34, 100]). Ähnlich (Ps-)Hippolyt, C. Noet. 2,3 (FC 34, 262): ἆρα οὖν ἔπαϑεν Πατήρ. 56 So treffend Dassmann, Kirchengeschichte II/2 43.
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wahre Philosophie zu rechtfertigen57 und die in ihren wichtigsten Vertretern von Justin dem Märtyrer, Tatian und Athenagoras von Athen über Theophilus von Antiochien, Irenäus von Lyon, Hippolyt von Rom und Tertullian bis Clemens von Alexandrien Wegbereiter des nizänischen Glaubens waren, ging es zunächst darum, das Verhältnis des Logos zu Gott, dem Vater, zu bestimmen, während sie der Frage nach dem Heiligen Geist nur marginale Aufmerksamkeit widmeten. Von einer trinitarischen Reflexion im eigentlichen Sinn kann bei ihnen deshalb noch nicht die Rede sein,58 obgleich Athenagoras um das Jahr 177 die trinitätstheologische Problemstellung erstmals in einer solchen Weise formulierte, dass damit der weiteren theologischen und dogmatischen Entwicklung die Richtung gewiesen war: „Worin“, so fragt er, „besteht die Einheit des Sohnes mit dem Vater (ἡ τοῦ παιδὸς πρὸς τὸν πατέρα ἑνότης)? Worin die Gemeinschaft des Vaters mit dem Sohn (ἡ τοῦ πατρὸς πρὸς τὸν υἱὸν κοινωνία)? Was ist das Pneuma und worin besteht die Vereinigung der Genannten und die Differenzierung der Geeinten, des Geistes, des Sohnes und des Vaters (ἡ τῶν τοσούτων ἕνωσις καὶ διαίρεσις ἑνουμένων, τοῦ πνεύματος, τοῦ παιδός, τοῦ πατρός)?“59 Das Zentralproblem, das der Subordinatianismus der theologischen Reflexion stellte, bestand in der Frage, in welcher Hinsicht vom Sohn eine Unterordnung unter den Vater ausgesagt werden kann und muss, damit dem monotheistischen Anspruch des christlichen Glaubens Rechnung getragen wird. Erst auf dem Ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa sollte die Kirche den Weg zu einer allgemeinverbindlichen dogmatischen Lösung für diese Frage ebnen, um die freilich auch nach der Konzilsentscheidung noch vehement gerungen wurde. Indem das Nizänum – gemäß seiner kirchlichen Rezeption – erklärte, dem Sohn komme in alle Ewigkeit die gleiche göttliche Seinswirklichkeit zu wie dem Vater, aus dem er als ewiger Gottessohn gezeugt ist, konnte seine Unterordnung im rechtgläubigen Sinn nur mehr als relationale Subordination, als Unterordnung also innerhalb der einen und einzigen wahren Gottheit verstanden werden.60 Die Alternative des ontologischen Subordinatianismus, wonach der Sohn auch seinsmäßig vom Vater verschieden und ihm untergeordnet, das heißt in geringerem Maße Gott ist, war dagegen in der vorangegangenen Kontroverse um die Theologie des Arius in ihrer offenbarungstheologischen und soteriologischen Unhaltbarkeit offen zutage getreten. Arius hatte die subordinatianistische Logoslehre der Apologeten nämlich radikal auf eine ihrer möglichen Konsequenzen hin zugespitzt, indem 57 Vgl. dazu den umfassenden Überblick bei Fiedrowicz, Apologie im frühen Christen-
tum, bes. 147–315.
58 Vgl. Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 3. 6. 59 Athenagoras von Athen, Leg. pro Chr. 12,3 (SC 379, 108). 60 Vgl. z. B. Studer, Gott und unsere Erlösung 134–136. 138. 145; Ricken, Nikaia als Krisis
338; Markschies, Erforschung der altkirchlichen Trinitätstheologie 303.
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er, um die Einheit und Einzigkeit Gottes in seiner alles überragenden absoluten Transzendenz zu wahren, eine unüberbrückbare ontologische Kluft behauptet hatte, durch die der Sohn wesenhaft vom Vater getrennt und dem Bereich des Geschaffenen zugehörig ist.61 Wie Friedo Ricken überzeugend dargelegt hat, muss die Logostheologie der Apologeten ebenso wie ihre Rezeption durch Arius vor dem Hintergrund des kosmologischen Seinsverständnisses des zeitgenössischen Platonismus verstanden werden, den man seit Karl Praechter als „Mittelplatonismus“ apostrophiert.62 Diese Epoche platonischer Tradition, die von der Rückkehr der Akademie zum philosophischen Dogmatismus unter Antiochos von Askalon im ersten Jahrhundert v. Chr. bis zum Beginn des sogenannten Neuplatonismus unter Origenes’ Zeitgenossen Plotin im dritten Jahrhundert reicht, ist durch das Bestreben ihrer Vertreter gekennzeichnet, aus Platons Werken in systematisierender Exegese eine kohärente und lehrbare Metaphysik, Kosmologie und Ethik zu konstruieren. Dabei wurde die platonische Tradition als dominierende Komponente mit stoischem, peripatetischem und pythagoreischem Gedankengut verschmolzen und bisweilen außerdem mit orientalischen Traditionsbeständen durchsetzt.63 Ungeachtet der Unterschiede, die zwischen den mittelplatonischen Autoren im Einzelnen bestehen, ungeachtet auch der Tatsache, dass ihre Werke oft nur fragmentarisch überliefert sind, lässt sich der Grundriss ihrer Wirklichkeitsdeutung und ihrer darin eingebetteten Gotteslehre wie folgt beschreiben:64 Den Kern der Kosmologie bildet eine Drei-Prinzipien-Theorie, wonach Gott, die Ideen und die Materie als metaphysische Prinzipien den Kosmos konstituieren. Der Urgrund aller Wirklichkeit ist ein absolut transzendenter erster Gott (πρῶτος ϑεός), der in seiner vollkommenen Geistigkeit als νοῦς zugleich vollkommene Einheit und Inbegriff des Guten ist. Um zu erklären, wie aus dieser transzendenten Einheit, der μονάς des göttlichen Grundes, die immanente Vielheit der sinnlich wahrnehmbaren Weltwirklichkeit hervorzugehen vermag, wird ein komplexer Vermittlungszusammenhang konstruiert, dem zufolge die in sich völlig gestaltlose Materie zur Wirklichkeit der Einzelrealitäten geformt wird. Dies geschieht dadurch, dass eine kosmologische Mittlerinstanz, die ihrerseits die Ideen vom ersten Gott empfängt, die Materie diesen Ideen gemäß gestaltet. Diese Mittlerinstanz zwischen Einheit und Vielheit, Transzendenz und Immanenz, die man mit dem Demiurgen oder der Weltseele aus Platons Timaios identifizierte, ist der zweite Gott (δεύτερος 61 Vgl. Ricken, Nikaia als Krisis 340 f.; Markschies, Erforschung der altkirchlichen Trini-
tätstheologie 300 f.
62 Vgl. Ricken, Nikaia als Krisis 325–333. So z. B. auch Williams, Art. Arius/Arianismus
984.
63 Vgl. Baltes, Art. Mittelplatonismus 341. 64 Zum Folgenden vgl. das Standardwerk von Dillon, The Middle Platonists, bes. 46. 155.
159 f. 367 sowie Baltes, Was ist antiker Platonismus? 224–238.
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ϑεός), der als solcher am ersten Gott teilhat, ihm als Vermittlungsprinzip aber ontologisch untergeordnet ist. Das zweistufige Gottesmodell des Mittelplatonismus ist nicht zuletzt deshalb „von tiefgehendem Einfluß auf die Gestaltung der christlichen Gottes- und Logosmetaphysik“ geworden,65 weil einzelne Mittelplatoniker den zweiten Gott in stoischer Terminologie als Logos des ersten Gottes bestimmten, ohne dabei freilich den Materialismus zu übernehmen, der in der Stoa mit dem Logosbegriff von Anfang an verbunden war.66 Besondere Beachtung verdient in diesem Zusammenhang der jüdisch-hellenistische Exeget und Religionsphilosoph Philon von Alexandrien, der im ersten Jahrhundert den jüdischen Monotheismus philosophisch zu explizieren suchte und dabei den Logos als Schöpfungs- und Offenbarungsmittler des radikal transzendenten einen und einzigen Gottes interpretierte.67 Als kosmologische Mittlerinstanz, die die Diastase zwischen dem wahren Gott und dem Kosmos überbrückt, „als selbst nicht göttliches Bild Gottes, als dessen ältester ersterzeugter Sohn, als Vor- und Urbild […] der sichtbaren Welt“, umfasst der Logos nach Philon die Totalität der weltbildenden Ideen und Wirkkräfte, nach denen bzw. kraft derer er die Materie formt.68 Zugleich identifiziert Philon den Logos mit der Sophia Gottes, wie sie in der frühjüdischen Weisheitsliteratur besungen wird,69 ohne ihn aber als Selbstmitteilung Gottes im Sinn des späteren christlichen Trinitätsdogmas zu begreifen. Vor dem Hintergrund der johanneischen und paulinischen Präexistenzchristologie hat das philonische Logosverständnis die subordinatianistische Theologie vor allem im Raum Alexandrien nicht unerheblich geprägt. Im Unterschied zu den mittelplatonischen Autoren und auch zu Philon standen die christlichen Theologen allerdings vor der Herausforderung, ihre Logostheologie als Explikation des neutestamentlichen Christuszeugnisses zu formulieren. Wenn sie diesem Zeugnis in seiner Gesamtgestalt gerecht werden wollten, konnten sie es nicht dabei bewenden lassen, den Logos ausschließlich oder vornehmlich in seiner Funktion als kosmologische Mittlerpotenz verständlich zu machen. Vielmehr mussten sie zugleich und vor allem die revelatorische und soteriologische Dimension der christlichen Logostheologie zur Sprache bringen. Gerade diese Dimension sollte der theologischen Reflexion das nizänische Credo abverlangen, wonach der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit mit dem Vater die eine und einzige wahrhaft göttliche Wesensnatur teilt.
65 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 14. 66 Vgl. Tobin, Art. Logos 349. 67 Vgl. ebd. 350 f. 68 Enders, Art. Logos 1026. 69 Vgl. dazu Mack, Logos und Sophia 108–195.
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Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund der Trinitätslehre des Origenes
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Origenes knüpft in seiner Trinitätstheologie an die subordinatianistische Logoslehre der Apologeten an, wobei er sich in einzelnen Denkfiguren und Deutungsmustern von Philon beeinflusst zeigt, mit dem ihm der Rekurs auf die Septuaginta gemeinsam ist.70 In zwei wesentlichen Punkten geht er aber über die Apologeten hinaus. Wie bereits erwähnt, erweitert er zum einen deren auf das Vater-Sohn-Verhältnis fokussierte Perspektive, indem er erstmals wegweisende Ansätze zu einer reflektierten Pneumatologie formuliert. Wir begegnen bei ihm also zum ersten Mal in der Geschichte des Christentums einer dezidiert trinitarischen Gotteslehre.71 Mit seiner Drei-Hypostasen-Metaphysik, in der er das ewige Relationsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist zur Sprache bringt, bezieht er, auch hierin den Apologeten folgend, entschieden Stellung gegen den Modalismus, der damals vermutlich in seinem Zeitgenossen Sabellius neue Aktualität gewann. Diese antimodalistische Perspektive ist für sein trinitarisches Denken durchweg von prägender Bedeutung.72 Zum anderen ist er der erste christliche Theologe, der die Zeugung des Sohnes aus dem Vater ausdrücklich als ewigen, aller Zeit enthobenen Prozess interpretiert. Dieses Theoriestück, dessen Bedeutung für die weitere Geschichte des Trinitätsdogmas gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, lässt sich bei den Apologeten allenfalls in Ansätzen erkennen. In der Regel übernehmen diese nämlich aus der stoischen Sprachphilosophie das Begriffspaar λόγος προϕορικός und λόγος ἐνδιάϑετος, mit dem die Stoiker den Unterschied zwischen dem ausgesprochenen Wort und dem als Gedanke dem denkenden Geist innewohnenden Wort unterscheiden, um in Analogie zu dieser Unterscheidung die Zeugung des Sohnes als einen Vorgang zu illustrieren, der in Abhängigkeit von seiner heilsökonomischen Funktion als Schöpfungs- und Offenbarungswort des Vaters erfolgt. Für die Interpretation des origeneischen Trinitätsdenkens von entscheidender Bedeutung ist die Frage, wie der Alexandriner die Unterordnung des Sohnes und des Heiligen Geistes unter den Vater versteht. Diese Frage wird sich wie ein roter Faden durch unsere Untersuchung ziehen. Um sie beantworten zu können, werden wir nicht nur diejenigen Textpassagen zu berücksichtigen haben, in denen Origenes das Verhältnis des Sohnes und des Heiligen Geistes zum Vater explizit thematisiert. Darüber hinaus werden wir vielmehr auch die heilsgeschichtlichen Funktionen, die er den drei Hypostasen jeweils zuschreibt, auf ihre ontologischen Implikationen hin untersuchen müssen. Im Ergebnis wird sich zeigen, dass Origenes in der heilsökonomischen Perspektive die Vorstellung von der Wesensgleichheit aller drei Hypostasen voraussetzt, ohne aber diese Vorstellung im Blick auf das ewig unwandelbare trinitarische Beziehungsgefüge bereits hinreichend 70 Zu Origenes’ Verhältnis zu Philon von Alexandrien vgl. Runia, Philo 157–183 (Lit.). 71 Vgl. Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 9. 145. 72 Vgl. Studer, Gott und unsere Erlösung 115.
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klar und eindeutig zu artikulieren. Es wäre deshalb ein Missverständnis, seine Trinitätstheologie ausschließlich im Modell des ontologischen Subordinatianismus erfassen zu wollen, wie dies all jene Interpreten tun, die seine Drei-Hypostasen-Metaphysik als systematischen Ausdruck des zeitgenössischen Platonismus deuten.73 Der Platonismus, dessen unterschiedliche Spielarten die Überzeugung von der seinsmäßigen Stufung des Wirklichkeitsganzen und damit auch der Stufung des Göttlichen eint, wie Matthias Baltes in einem historisch-systematischen Überblick gezeigt hat,74 war damals gerade im Übergang vom Mittel- zum Neuplatonismus begriffen. Es war Origenes’ Zeitgenosse Plotin, der in den Kulturmetropolen von Alexandrien und Rom diese Entwicklung vollziehen sollte, indem er auf der Grundlage der mittelplatonischen Tradition ebenfalls eine Drei-HypostasenMetaphysik begründet und so den ersten neuplatonischen Systementwurf vorgelegt hat. Angesichts der bemerkenswerten Tatsache, dass sowohl der christliche Theologe Origenes als auch der Neuplatoniker Plotin nahezu zeitgleich eine DreiHypostasen-Lehre entwickelt haben,75 ist es verständlich, dass man immer wieder die Frage aufgeworfen hat, ob die origeneische Trinitätslehre als eine christliche Variante des aufstrebenden alexandrinischen Neuplatonismus verstanden werden muss. Diese Frage stellt sich auch deshalb, weil viele Historiker aufgrund eines Fragments aus einer antichristlichen Schrift des Porphyrius, das Eusebius von Cäsarea im sechsten Buch seiner Kirchengeschichte tradiert und kritisch kommentiert hat, davon ausgehen, dass Origenes in Alexandrien Schüler eines Philosophen namens Ammonios Sakkas gewesen ist. Dieser gilt als der eigentliche Begründer des Neuplatonismus, weil er auch der Lehrer Plotins war, der sich – so berichtet es jedenfalls Porphyrius in seiner Vita Plotini – in seinem Philosophieren den Einsichten verpflichtet wusste, die ihm Ammonios vermittelt hatte.76 So hat man verschiedentlich einen Vergleich zwischen der Drei-Hypostasen-Lehre des Origenes und der Drei-Hypostasen-Lehre Plotins durchgeführt,77 bisweilen gar in der Hoffnung, dadurch Elemente der Lehre des Ammonios rekonstruieren 73
So z. B. Ritter, Dogma und Lehre 127 f. mit Blick auf Plotin, Enn. III 5,3,1 f., wonach „eine Wirklichkeit (ὑπόστασις) und ein Wesen (οὐσία) jeweils geringer ist als das Wesen, das es (bzw. sie) hervorgebacht hat, dennoch aber existiert“ (Übersetzung nach Ritter). 74 Vgl. Baltes, Was ist antiker Platonismus?, bes. 231. 75 Vgl. Stead, Doctrine of the Trinity 583. 76 Vgl. dazu Bruns, Schüler des Ammonios Sakkas? 191–203 (Lit.). 77 Vgl. dazu vor allem die Monographie von Crouzel, Origène et Plotin (Lit.). Dieser Studie vorausgegangen sind folgende Einzeluntersuchungen: Crouzel, Il „Logos“ di Origene e il „Nous“ di Plotino; Crouzel, Seminar III: Origène et Plotin; Crouzel, Troisième hypostase; Crouzel, La connaissance dont jouit Dieu suivant Plotin et suivant Origène; Crouzel, Le Dieu d’Origène et le Dieu de Plotin. Vgl. außerdem die später erschienene Arbeit: Crouzel, Anthropologie et cosmologie d’Origène et de Plotin, ferner Schockenhoff, Origenes und Plotin.
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zu können. Diese Hoffnung hat sich allerdings nicht erfüllt,78 vielmehr hat sich gezeigt, dass beide Hypostasenlehren aus je verschiedenen Problemstellungen heraus erwachsen sind und in den Einzelheiten ihrer Entfaltung trotz mancher Parallelen in Terminologie und Gedankenführung nicht unerhebliche Divergenzen aufweisen.79 Nicht allein dieses Befundes wegen, sondern auch deshalb, weil die Interpretation der Quellen, die angeblich eine Schülerschaft des Origenes bei Ammonios Sakkas bezeugen, alles andere als unproblematisch ist,80 scheint es kaum wahrscheinlich, dass der alexandrinische Neuplatonismus im engeren Sinn als Entstehungskontext der origeneischen Trinitätslehre zu betrachten ist.81 Aus unserer Studie wird deutlich werden, in welch hohem Maße sich Origenes bei der Entfaltung seines trinitarischen Denkens an der christlichen Glaubensüberlieferung orientiert hat. Er betrachtet die Heilige Schrift und das auf dem Fundament der apostolischen Lehre gegründete kirchliche Kerygma als unhintergehbare Normen aller theologischen Reflexion. An diesen Normen haben sich für ihn deshalb auch Recht und Grenze der Rezeption von Denkfiguren und Deutungsmustern zu bemessen, die ihm vonseiten der überlieferten paganen Philosophie, vor allem des Platonismus, zur Verfügung standen. Mit der im Einzelnen sehr schwierigen Frage nach dem Verhältnis von Heiliger Schrift, kirchlichem Kerygma und Philosophie im Denken des Origenes sind wir bei der Diskussion um dessen Denkform und Methode angelangt, die es im folgenden Abschnitt kurz zu beleuchten gilt.
3. Zur Denkform und Methode des Origenes Im Vorwort zum ersten Buch seiner Grundlagenschrift erläutert Origenes, der als „Begründer der wissenschaftlichen Theologie“82 gelten kann, sein Theologieverständnis. Die Apostel, so erklärt er, haben der Kirche all jene elementaren Glaubenswahrheiten zur Verkündigung anvertraut, deren Kenntnis für alle Gläubigen heilsnotwendig ist.83 Das kirchliche Kerygma beinhaltet gewissermaßen das in78 Vgl. Bruns, Schüler des Ammonios Sakkas? 208 mit Anm. 64. 79 So das Ergebnis von Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele, bes. 139–145. 262–266. 80 Vgl. Bruns, Schüler des Ammonios Sakkas?, bes. 206 f. 81 So schon Daniélou, Origène 88–91. Vgl. dagegen Lilla, Neoplatonic Hypostases 128:
„Origen’s theology is deeply influenced both by Middle Platonism and by the hierarchical structure of the system of early Neoplatonism, reflected in the teaching of Ammonius and Plotinus“ und 136: „Small wonder […], if the Platonic tradition – including both Middle Platonism and early Neoplatonism – left deep traces on his views about the Father, the Son, the Holy Spirit and their mutual relations“ (Herv. v. Verf.). 82 Fiedrowicz, Theologie der Kirchenväter 33. 83 Vgl. Princ. I Praef. 3 (TzF 24, 86).
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haltliche Grundgerüst einer umfassenden christlichen Wirklichkeitsdeutung, in der nach Origenes die eigentliche Aufgabe des Theologen besteht. Dieser hat sich darum zu bemühen, die von den Aposteln überlieferten Glaubenslehren in ihrem Wahrheitsgehalt zu begründen, indem er ihren inneren Sinnzusammenhang aufzeigt und sie in Auseinandersetzung mit konkurrierenden Weltentwürfen in einem umgreifenden Gesamtverständnis der Wirklichkeit verortet.84 Auf diese Weise soll er ein organisches Ganzes des kirchlichen Glaubens erarbeiten.85 Theologie ist für Origenes ihrem Anspruch nach mithin stets systematische Theologie. Deshalb mag es auf den ersten Blick verwundern, dass er, soviel wir jedenfalls wissen, nur ein einziges Werk verfasst hat, das systematisch ausgerichtet ist, die Schrift Περὶ Ἀρχῶν, die aus der Frühzeit seines Schaffens stammt. Den Großteil seines Œuvres bilden demgegenüber Schriftkommentare und Homilien. Dazu kommen Abhandlungen zu verschiedenen Einzelthemen sowie die apologetische Auseinandersetzung mit der Christentumskritik des Mittelplatonikers Celsus. In all diesen Werken hat Origenes kein eigentliches, in sich geschlossenes System der Glaubenswahrheiten entfaltet.86 Selbst in Περὶ Ἀρχῶν haben seine Ausführungen oft weniger den Charakter von fertigen Behauptungen als von tas-
84 Vgl. Princ. I Praef. 3 (TzF 24, 86). 85 Vgl. Princ. I Praef. 10 (TzF 24, 98): seriem quandam et corpus ex horum omnium ratione
perficere. Nach In Ioh. comm. XIII 46,303 (SC 222, 198) ist τὸ ἓν σῶμα τῆς ἀληϑείας das Ziel allen theologischen Mühens. 86 Hans Jonas stellt die Metaphysik des Origenes als „System […] aus einem Guß“ dar, das als eine Variante der gnostischen Systembildungen zu interpretieren ist, wie sie seinem Gnosisverständnis zufolge für die spätantike Geisteswelt insgesamt charakteristisch sind (Jonas, Gnosis II 176). Im System des Origenes erfolgt nach Jonas im Gewand christlicher Glaubenslehren der Übergang von der mythologischen zur philosophisch-mystischen Gnosis (ebd. 209), wie sie im Neuplatonismus Plotins volle Gestalt angenommen habe. Die origeneische Trinitätslehre deutet Jonas dementsprechend als Systemfunktion innerhalb des gnostischen Systementwurfs (ebd. 180 Anm. 1 = Jonas, Origenes’ Περὶ Ἀρχῶν 103 f. Anm. 6), in dem der Hervorgang der geschöpflichen Vielheit aus der transzendenten göttlichen Einheit und die entsprechende Rückkehr in diese Einheit expliziert werde (Jonas, Gnosis II 204 f.). Dazu ist kritisch anzumerken, dass Jonas seine Rekonstruktion des Origenes zugeschriebenen „Systems“ vor allem auf die fünfzehn Anathematismen gründet, die das Fünfte Ökumenische Konzil von Konstantinopel gegen Origenes gerichtet hat (vgl. ebd. 176–178). Daneben zieht er noch die Grundlagenschrift in Betracht. Die Anathematismen können jedoch unmöglich als authentischer Ausdruck von Origenes’ Denken gewertet und die Grundlagenschrift, sofern sie nur in lateinischer Übersetzung überliefert ist, muss kritisch vor dem Hintergrund der griechisch erhaltenen Schriften gelesen werden, die Jonas nahezu völlig beiseite lässt. Darüber hinaus ist die Qualifizierung des origeneischen Entwurfs als gnostisch insofern irreführend, als dabei ein historisch viel zu unspezifischer Gnosisbegriff vorausgesetzt wird, der der Tatsache nicht Rechnung trägt, dass Origenes (wie bekanntlich auch Plotin) ein scharfer Kritiker der zeitgenössischen gnostischen Bewegungen war.
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tenden Versuchen und experimentierenden Hypothesen.87 Zu Recht hat Eberhard Schockenhoff daher angemahnt, bei der Deutung des origeneischen Denkens „auf einen im Sinne durchgehender Konsistenz und Einheitlichkeit interpretierten Systembegriff ganz zu verzichten“,88 ohne damit jedoch in Abrede zu stellen, dass sich im Werk des Alexandriners das „Bild eines offenen Gefüges von untereinander kommunizierenden Leitideen“ spiegelt, dessen Konturen durchaus dem Begriff eines Systementwurfs im weiteren Sinn genügen.89 Bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass sich dieser Verzicht auf ein in sich geschlossenes theologisches System als innere Konsequenz einer systematischen Leitidee des origeneischen Denkens ergibt, der Überzeugung nämlich, dass die Wahrheit des christlichen Glaubens, die der ewige Gottessohn selbst ist, in ihrer Unausschöpflichkeit über jeglichen Versuch erhaben ist, sich ihrer in einem strengen System zu bemächtigen.90 Die immer größere Wahrheit Gottes verlangt nach immer neuen Verstehensansätzen, das Wort der Heiligen Schrift – der ewige Logos des Vaters als deren einheitsstiftende Sinnmitte – will immer wieder aufs Neue gesucht und gefunden werden. Dieser Einsicht trägt Origenes praktisch dadurch Rechnung, dass er seine Theologie, nach einem Wort Henri Crouzels, als „théologie en recherche“ betreibt,91 so dass das „System“ seines Denkens nur aus einer Gesamtschau seiner literarischen Hinterlassenschaft gewonnen werden kann. Grundriss aller christlichen Theologie ist das von den Aposteln überlieferte Kerygma als alleinige inhaltliche Norm. „Allein jene Wahrheit gilt es zu glauben“, so sagt Origenes, „die in keinem Punkt von der kirchlichen und apostolischen Überlieferung abweicht (quae in nullo ab ecclesiastica et apostolica tradi tione discordat).“92 Jede theologische Lehrmeinung hat sich demnach an der Frage zu bewähren, ob und inwieweit sie sich als kohärentes Element einfügen lässt in das Gesamtgefüge des innerhalb der Kirche tradierten Glaubens, der ecclesiasti ca praedicatio per successionis ordinem ab apostolis tradita et usque ad praesens 87 Vgl. z. B. Princ. II 8,4 (TzF 24, 396): […] a nobis tamen non putentur velut dogmata esse
plorata, sed tractandi more ac requirendi discussa.
88 Schockenhoff, Freiheit 101. Vgl. in dieser Richtung auch die ausführliche Behandlung
der Frage „Origène est-il un systématique?“ bei Crouzel, Origène et la philosophie 179– 215. 89 Schockenhoff, Freiheit 102. 90 Vgl. Bruns, Christologischer Universalismus 42 f. 91 Vgl. Crouzel, Actualité d’Origène 394–398. – Dass in der systematisch ausgerichteten Exegese des Origenes, die immer zugleich „im strengsten Sinne als geistliche Übung aufzufassen ist“, ein entscheidender Grund für seine spätere Verurteilung liegt, hat Williams, Kirchenvater zwischen Orthodoxie und Häresie 62 gezeigt. Das theologische Gesamtprojekt des Alexandriners musste „in einer Zeit als heterodox erscheinen, in der die herrschende Form von Theologie von dem Druck bestimmt wird, Formulierungen zuzustimmen, die praktisch und autoritativ vermittelt werden können“ (ebd.). 92 Princ. I Praef. 2 (TzF 24, 84).
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in ecclesiis permanens.93 Dieses Orthodoxiekriterium94 legt Origenes seiner Auseinandersetzung mit der häretischen valentinianischen Gnosis und den Anhängern Markions zugrunde, deren Gotteslehren er wegen des darin vorausgesetzten Dualismus zwischen einem bösen Schöpfer- und einem guten Erlösergott strikt ablehnt. Sein eigener Systementwurf kann demgegenüber als „christliche Gnosis“ gedeutet werden,95 als Versuch, die Grundfragen und Anliegen der zeitgenössischen gnostischen Bewegungen96 entsprechend der praedicatio apostolica,97 dem κήρυγμα ἐκκλησιαστικόν,98 zu bedenken. Es sind dies die Fragen nach der Einheit und Einzigkeit Gottes, nach der Vermittlung von transzendenter ursprünglicher Einheit und immanenter kreatürlicher Vielheit, nach dem Ursprung und dem Wesen der Sünde, nach der Bedeutung der materiellen Schöpfung, nach der Freiheit und dem Schicksal des Menschen, nach dem rechten Verständnis der Inkarnation, nach dem Wesen der Offenbarung und nicht zuletzt nach der Rückkehr der erlösungsbedürftigen Kreatur in die Einheit mit Gott.99 Als entscheidende Quelle aller Wahrheitserkenntnis gilt Origenes die zweieine Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments, deren Kanon zu seiner Zeit allerdings noch nicht endgültig festgelegt war.100 Wie im zweiten Teil unserer Untersuchung gezeigt wird, begreift Origenes die Heilige Schrift als vom Heiligen Geist inspirierte Ausdrucksgestalt des göttlichen Logos, in dem die ewige Wahrheit Gottes, des Vaters, offenbar ist. Am Leitfaden des kirchlichen Kerygmas immer tiefer in die geoffenbarte Wahrheit einzudringen, darin erkennt er die Aufgabe, der sich der Theologe immer wieder neu zu stellen hat.101 Wie alle altkirchlichen Theologen weiß sich auch Origenes dem doppelten Grundsatz verpflichtet: „Christliche Theologie ist Schriftauslegung, oder sie ist nicht christliche Theologie. Christliche Schriftauslegung ist Theologie, oder sie ist nicht christliche Schriftauslegung.“102 Die Exegese der biblischen Schriften darf sich also nicht 93 Princ. I Praef. 2 (TzF 24, 84). 94 Vgl. dazu in gesamtpatristischer Perspektive Fiedrowicz, Theologie der Kirchenväter
44–96. 188–236. 365–437.
95 So Studer, Gott und unsere Erlösung 104. Vgl. auch Fiedrowicz, Theologie der Kir-
chenväter 28–33.
96 Vgl. Scholten, Art. Gnosis 804 f. 97 Princ. I Praef. 4 (TzF 24, 86). Vgl. Princ. IV 2,2 (TzF 24, 700). 98 Princ. III 1,1 (TzF 24, 462). Vgl. Princ. I Praef. 5 (TzF 24, 90). 99 Die Rezeption der valentinianischen Gnosis durch Origenes hat Holger Strutwolf nachge-
zeichnet. Sie ist „ein wesentlicher Aspekt, der zum Verständnis der origeneischen Systembildung beitragen kann“ (Strutwolf, Gnosis als System 360). 100 Vgl. In Rom. comm. III 2,35–42 (VL 16, 205) sowie Gögler, Inkarnationsglaube und Bibeltheologie 82. 101 Vgl. Markschies, Art. Origenes 659; Bienert, Logosbegriff 420 f. 102 So treffend Schockenhoff, Freiheit 23. Vgl. für die Kirchenväter allgemein Fiedro wicz, Theologie der Kirchenväter 106–125.
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darin erschöpfen, den Text philologisch-historisch exakt zu erklären, wiewohl eine solche Erklärung die elementare Voraussetzung dafür ist, zu seiner eigentlichen, tieferen Wahrheit vorzustoßen. Erst dort, wo sich der Ausleger um diese eigentliche Wahrheit der biblischen Schriften bemüht, aufgrund derer diese als göttlich inspirierte heilige Schriften in Geltung stehen, wo er versucht, ein Wort, einen Vers, eine Perikope im Blick auf den Gesamtzusammenhang der biblischen Schriften gemäß dem Richtmaß der regula fidei zu interpretieren, beginnt er, des einen und selben ewigen Gotteswortes ansichtig zu werden, das hinter dem Buchstaben verborgen gegenwärtig ist. Erst dann fängt er an, Theologie im strengen Sinn zu treiben. Das Ziel der Schriftexegese ist nach der Schrifthermeneutik des Origenes, der ersten, die die christliche Theologiegeschichte hervorgebracht hat, also die Deutung der gesamten Wirklichkeit vom Standpunkt des apostolischkirchlichen Kerygmas aus. Deshalb ist Origenes immer zugleich Exeget und systematischer Theologe.103 Um die kirchlichen Glaubenslehren im Dialog mit der Heiligen Schrift zu einem Systementwurf im dargelegten Sinn zu formen, greift Origenes Denkfiguren und Deutungsmuster aus der griechisch-hellenistischen Philosophie auf. Es ist nämlich, so erklärt er, „weitaus besser, mit Vernunft und Weisheit (μετὰ λόγου καὶ σοϕίας) den Lehrsätzen (τοῖς δόγμασιν) zuzustimmen als mit bloßem Glauben (μετὰ ψιλῆς τῆς πίστεως).“104 Er weiß sich dabei allerdings dem methodischen Grundsatz verpflichtet, das philosophische Traditionsgut nur insoweit gelten zu lassen, als es in den Gesamtzusammenhang der normativen Quellen des Glaubens eingeordnet werden kann. Obwohl er seiner Rezeption der paganen Philosophie also das kirchliche Kerygma und die Heilige Schrift als stimulierende, regulierende und korrigierende Bezugsgrößen zugrunde legt, ist ihm der Vorwurf nicht erspart geblieben, er habe den christlichen Glauben in ein philosophisches System umgedeutet und ihn auf diese Weise seiner eigentlichen Wahrheit entfremdet. Seit den Tagen des heidnischen Christengegners Porphyrius einerseits und des christlichen Bischofs Epiphanius von Salamis andererseits wird Origenes vorgeworfen, mit seiner systematisch ausgerichteten Schriftdeutung das Christentum an die griechische Philosophie verkauft zu haben.105 Diese Position machte sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert die liberale Theologie mehr oder minder nuanciert zu eigen, als im Gefolge Adolf von Harnacks unter der Voraussetzung eines gleichsam übergeschichtlichen Idealtyps von Christentum die These von 103 Vgl. Strutwolf, Gnosis als System 365: „Gerade als Interpret der Bibel ist Origenes, wo
er zum eigentlichsten kommt, Systematiker und gerade als Systematiker ist er Exeget.“ So auch Beyschlag, Dogmengeschichte I 220. 226. 104 Cels. I 13,23–25 (SC 132, 110). 105 Zu Porphyrius s. Anm. 3. Vgl. Epiphanius von Salamis, Pan. haer. 64,72,9 (GCS Epiph. 2, 523).
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dessen Hellenisierung vertreten und vor allem an Origenes exemplifiziert wurde.106 Mit besonderer Entschiedenheit hat Hal Koch 1932 Harnacks Hellenisierungsthese an Origenes zu verifizieren versucht, indem er sich im Anschluss an Eugène de Faye107 um den Nachweis bemühte, dass der systematische Entwurf des Alexandriners in seinem Lebensnerv aus dem Mittelplatonismus erwachsen sei, was sich in seiner inneren Verwandtschaft mit anderen mittelplatonischen Systementwürfen zeige.108 Faktisch habe Origenes die „Umformung des Christentums zur Philosophie“ vollzogen.109 So konstatiert Koch eine fundamentale Diskrepanz zwischen der Absicht und dem Ergebnis des origeneischen Denkens, wenn er erklärt: „Dass ein Mann jahraus jahrein die Schrift hat lesen können, ohne dadurch entschieden von biblischem Gedankengang beeinflusst zu werden, dass er die ganze griechische Religionsphilosophie in die Texte hat hineinlesen können, scheint uns undenkbar, ist aber nichtsdestoweniger der Fall […]. Sicher ist, dass Origenes selbst in vollem Ernst der Meinung ist, dass er sein ganzes System in der Schrift gefunden hat.“110 Schon seit der Antike steht dieser philosophischen Origenesdeutung allerdings die gegenteilige Sichtweise entgegen, in der Origenes nach einem Wort seines Schülers Gregor Thaumaturgos als „Hörer Gottes“,111 das heißt als theologischer Exeget, betrachtet wird, für den die pagane Philosophie nicht nur subjektiv, sondern auch faktisch von sekundärer Bedeutung war und der davon in einem souveränen Eklektizismus Gebrauch machte. Für diese Sicht sei hier exemplarisch Henri de Lubac angeführt, der den Grundtenor seiner Interpretation pointiert in dem lapidaren Satz zusammenfasst: „Zwischen dem Platonismus und Origenes liegt das ganze Evangelium.“112 So erklärt de Lubac: „Wie immer es sich mit den anderen Quellen seines Denkens verhalten mag: das Mark seiner Theologie 106 Vgl. von Harnack, Dogmengeschichte I 659. 107 Vgl. de Faye, Origène. 108 Koch, Pronoia und Paideusis 163–180. 225–235. Vgl. dazu Berner, Origenes 39–43. 109 Koch, Pronoia und Paideusis 321. Dabei setzt Koch ein Christentum „an sich“ voraus (vgl.
ebd. 317).
110 Koch, Pronoia und Paideusis 317. Zum Vorwurf der Selbsttäuschung vgl. ebd. 15. 169
Anm. 1; 175 f. 306–308. 319. Ganz vom Mittelplatonismus her hat 1984 auch R. M. Berchman Origenes interpretiert (vgl. Berchman, From Philo to Origen 113–117). Er sieht in dessen „philosophy“ eine systematische Harmonisierung von Platon und Aristoteles, hinter der die Bedeutung der biblischen Schriften wesentlich zurücktritt, und bewertet sie als „the final phase in Middle Platonic metaphysics“, in der die Bühne bereitet worden sei „for a new phase in the history of Platonic thought, the Neo Platonic“ (ebd. 116). Ausdrücklich lehnt Berchman die Auffassung ab, „that Origen was a Christian theologian whose philosophical assumptions were of secondary importance“ (ebd. 114). Bezeichnenderweise findet sich in seiner Untersuchung nicht ein einziger Hinweis auf ein Bibelzitat. 111 Gregor Thaumaturgos, Pan. orat. 15,174,13 (SC 148, 168). 112 De Lubac, Geist aus der Geschichte 281.
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hat er der Bibel entnommen. Er achtet sorgsam darauf, nichts zu behaupten, was seines Erachtens nicht in der Bibel enthalten ist […].“113 Es ist hier nicht möglich, die Bedeutung der philosophischen Tradition für Origenes’ Theologie im Einzelnen zu diskutieren und auf diese Weise den Streit zu entscheiden, der durch die beiden skizzierten Auslegungsrichtungen markiert ist und in dem es letztlich um die Frage geht, ob Origenes „im Grunde ‚Hellenist‘ oder ‚Christ‘ war.“114 Im Rahmen der vorliegenden Prolegomena genügen einige allgemeine Hinweise, die dem Bild entsprechen, das sich aus der vorliegenden Untersuchung zu dieser Frage ergibt. Es steht zunächst außer Zweifel, dass die Vorstellungsschemata und Begriffe, die Origenes aus der philosophischen Denkund Sprachwelt seiner Zeit, das heißt vor allem aus dem spätantiken Platonismus aufgreift, in einem nicht unerheblichen Maß das Vorverständnis prägen, das er an das apostolische Kerygma und die biblischen Texte heranträgt. Ebenso wenig fraglich ist, dass Origenes selbst kein anderes Ziel verfolgte, als der Wahrheit des Christentums zu dienen, und dass er subjektiv der Überzeugung war, seinen theologischen Entwurf ganz an den normativen Quellen des christlichen Glaubens auszurichten. So treten die pagane philosophische und die biblisch-kirchliche Tradition in seiner Theologie in einen spannungsvollen hermeneutischen Zirkel, dessen Problematik sich Origenes selbst bewusst gewesen zu sein scheint. Nicht selten trägt er seine Überlegungen nämlich ausdrücklich nur als Hypothesen vor, um sie zur Diskussion zu stellen.115 Schon deshalb dürfte der Deutungsansatz von Hal Koch die Komplexität der hermeneutischen Dialektik verfehlen, die die origeneische Theologie durchzieht. Koch setzt zudem einseitig voraus, das Origenes ein philosophisches System im strengen Sinn vertritt, das er entgegen seinem eigenen Selbstverständnis konsequent in die Bibel hineininterpretiert hat. Dabei übersieht er zum einen, dass sich der Systembegriff auf Origenes’ Theologie nur begrenzt anwenden lässt. Zum anderen lässt er außer Acht, dass sich dieser tatsächlich sehr viel stärker, als er es wahrhaben will, auf die Sprach- und Vorstellungswelt der biblischen Texte einlässt. Schließlich setzt Kochs Hellenisierungsthese so etwas wie eine Idealgestalt des christlichen Glaubens voraus, die bei Origenes einer Entfremdung durch die griechisch-hellenistische Philosophie zum Opfer gefallen sei.116 Damit wird jedoch dem Faktum nicht genügend Rechnung getragen, dass schon die frühjüdische Weisheitsliteratur des Alten sowie weite Teile des Neuen Testaments von der hellenistischen Geisteswelt beeinflusst sind, 113 Ebd. 93. 114 So treffend ebd. 58. 115 Darauf hat schon Pamphilus von Cäsarea in seiner Apologie für Origenes hingewiesen
(vgl. Apol. 3 [FC 80, 228]).
116 Zur Kritik dieser Prämisse der Hellenisierungsthese im Allgemeinen vgl. jüngst Essen,
Hellenisierung des Christentums? 7–11.
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so dass Origenes in der Heiligen Schrift selbst vielfältige Anknüpfungspunkte für seinen Versuch vorfand, das apostolische Glaubensgut auf der Grundlage der Heiligen Schrift im Dialog mit der spätantiken Philosophie zu einer umfassenden Deutung der Wirklichkeit zu entfalten. Mit Recht hat sich daher in der jüngeren Forschung mehr und mehr die von Henri de Lubac repräsentierte Position durchgesetzt. Danach sind die biblischen Schriften keineswegs bloß schmückendes Beiwerk, das für die Substanz des origeneischen Denkens letztlich belanglos ist, sondern grundlegende Quellen der Inspiration. In dieser Sichtweise wird nicht nur das Selbstverständnis des Origenes ernst genommen, der selbst nichts anderes zu sein beanspruchte als Exeget der Heiligen Schrift und Lehrer des überlieferten kirchlichen Christentums, sondern auch seiner theologischen Methode Rechnung getragen. Diese zeichnet sich nämlich dadurch aus, dass er die einzelnen Aspekte seines Systementwurfs stets im Blick auf das Zeugnis der Heiligen Schrift begründet und erklärt. Deshalb findet man in seinem Werk, in dem die Schriftkommentare eine herausragende Stellung einnehmen, kaum eine Seite, auf der nicht ein Bibelzitat begegnet. Freilich liest Origenes die Heilige Schrift unter bestimmten hermeneutischen Prämissen, die es ihm ermöglichen, als Exeget immer zugleich systematische Theologie zu treiben. So betrachtet er das Alte und das Neue Testament als einen umfassenden Sinnzusammenhang, dessen innere Wahrheit durch die Inspiration des Heiligen Geistes verbürgt ist und innerhalb dessen sich einzelne Texte in ihrem Aussagegehalt wechselseitig erschließen. Mit dieser Auffassung wandelt er in den Spuren der neutestamentlichen Hagiographen, die in den Schriften des Alten Bundes die Verheißung der in Christus geoffenbarten Heilswirklichkeit erblickten. Um seinen Mitchristen ein tieferes Verständnis der Glaubenswahrheiten zu vermitteln, die christlichen Häretiker überzeugend zu widerlegen und um schließlich auch gegenüber gebildeten Zeitgenossen außerhalb der Kirche Rechenschaft über das apostolische Kerygma abzulegen, weiß sich Origenes zudem gewissen Rationalitätsstandards der spätantiken Geisteswelt verpflichtet, die den hermeneutischen Horizont seiner Schriftexegese prägen. Dabei greift er allerdings nur solche Theoriestücke aus der philosophischen Tradition auf, für die ihm die biblischen Schriften einen Anhaltspunkt zu bieten und die ihm zur Auslegung der christlichen Glaubenstradition geeignet zu sein scheinen. In ihnen erkennt er Elemente der einen und einzige Wahrheit, die Christus ist und um die allein es im Christentum geht. Wiewohl nach Origenes alle Theologie im tiefsten und eigentlichen Sinn „Philo-Sophie“ zu sein hat, das heißt Liebe zur Weisheit, zur ewigen Sophia, die Christus, der eingeborene Gottessohn selbst ist,117 erkennt er der Philosophie im
117 Zum Verständnis „christlicher Philo-Sophie“ in der Alten Kirche vgl. Kobusch, Christli-
che Philosophie 26–57.
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Zur Quellenlage
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Sinne des überlieferten griechisch-hellenistischen Weisheitswissens doch kaum mehr als die Bedeutung einer ancilla theologiae zu.118 Was Origenes’ Trinitätstheologie anbelangt, so legen sich aus unseren Ausführungen über seine Denkform und Methode bereits zwei grundsätzliche Aspekte nahe, die sich im Ergebnis unserer Untersuchung wiederfinden werden: Zum einen ist seine trinitarische Gotteslehre kein funktionales Theorieelement eines metaphysischen Systementwurfs, dessen Grundriss und eigentliche Quellen außerhalb der christlichen Glaubenstradition zu suchen sind. Zum anderen lassen sich die Ambivalenzen, die sich in seinem trinitarischen Denken manifestieren, als Folge der engen Bindung seiner Theologie an die Heilige Schrift erklären, deren Zeugnis über die Beziehungswirklichkeit und das Heilswirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist in seiner Vielgestaltigkeit in hohem Maße interpretationsbedürftig ist.
4. Zur Quellenlage In der christlichen Antike galt der Umfang von Origenes’ Schrifttum als legendär. Auf uns gekommen ist allerdings nur ein Bruchteil seines Œuvres, teils in der griechischen Originalfassung, teils in lateinischer Übersetzung. Einzelne Fragmente sind zudem in Gestalt von Exzerpten und Katenen überliefert. Die schon mehrfach erwähnte Frühschrift Περὶ Ἀρχῶν ist das einzige uns bekannte Werk, das sich in Aufbau und Gedankenführung als systematische Darlegung und Problematisierung aller wesentlichen Aspekte des christlichen Kerygmas charakterisieren lässt. Vollständig liegt es nur noch in lateinischer Übersetzung unter dem Titel De Principiis vor, während das griechische Original zum letzten Mal im neunten Jahrhundert durch den Patriarchen von Konstantinopel Photius bezeugt ist. Einige Passagen daraus sind allerdings in der Philokalie tradiert, einer Anthologie, die Basilius von Cäsarea und Gregor von Nazianz in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts aus Werken des Origenes zusammengestellt haben.119 Außerdem überliefert der byzantinische Kaiser Justinian (527– 565) insgesamt 24 Zitate aus der griechischen Fassung in einem Brief, den er im Jahr 543 im Vorfeld der Verurteilung des Origenes und der Origenisten durch das
118 So das Ergebnis der grundlegenden Studie von Crouzel, Origène et la philosophie 11–
14. 65. 165. 173 f. 187. Vgl. z. B. auch Gögler, Inkarnationsglaube und Bibeltheologie 82; D orival, Art. Filosofia 173. 119 Es handelt sich um Princ. III 1,1–24 (TzF 24, 462–560) und IV 1,1–3,11 (TzF 24, 668–764), wobei mit Auslassungen zu rechnen ist.
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Einleitung
Fünfte Ökumenische Konzil an Menas richtete, den damaligen Patriarchen von Konstaninopel.120 Neben dem systematisch angelegten Grundlagenwerk des Origenes finden wir kleinere Schriften, die asketisch-spirituellen Fragen gewidmet sind: eine Schrift mit dem Titel Περὶ Εὐχῆς, in der er eine Theologie des Gebets entfaltet und das Vaterunser auslegt, eine Abhandlung Περὶ Πάσχα, die eine Exegese von Ex 12 bietet, schließlich eine Mahnrede, in der Origenes bedrohte Mitchristen in Palästina dazu ermutigt, dem Martyrium nicht auszuweichen. In diesem Zusammenhang darf auch ein Dokument nicht unerwähnt bleiben, das für die Rekonstruktion der origeneischen Trinitätslehre von nicht unwesentlicher Bedeutung ist und das man ebenso wie die Schrift Περὶ Πάσχα erst 1941 in Tura unweit von Kairo entdeckt hat. Es handelt sich um die Mitschrift eines Gesprächs, das Origenes mit einem Bischof namens Herakleides unter anderem über die rechte Deutung der Vater-Sohn-Beziehung geführt hat. Zu den an einzelnen Sachfragen orientierten Schriften ist schließlich auch das große Alterswerk des Alexandriners zu zählen, seine acht Bücher umfassende apologetische Auseinandersetzung mit der antichristlichen Polemik des Mittelplatonikers Celsus, die wie die zuvor genannten Schriften vollständig im griechischen Original auf uns gekommen ist. In diesem Werk bringt Origenes die Grundlinien seiner Theologie zur Sprache, indem er die Einwände, die Celsus mit teils bissigem Spott gegen das Christentum vorträgt, der Reihe nach zu entkräften und dabei zugleich die Überlegenheit des christlichen Glaubens gegenüber der von Celsus vertretenen platonischen Weltdeutung aufzuzeigen sucht. Neben den Schriften, in denen der christliche Glaube in seiner Gesamtgestalt oder bestimmte Einzelthemen im Vordergrund stehen, hat Origenes vor allem exegetische Kommentare und Homilien zur Heiligen Schrift hinterlassen. Sie machen den größten Teil des überlieferten Schrifttums aus. Unter trinitätstheologischem Gesichtspunkt von besonderer Wichtigkeit ist der Johanneskommentar. Ähnlich wie der Matthäuskommentar ist er zu weiten Teilen im griechischen Original erhalten, während die Kommentare zum Hohenlied und zum Römerbrief nur in lateinischer Übersetzung auf uns gekommen sind. Bei den Homilien, die meist nur noch in lateinischer Fassung vorliegen, handelt es sich um Mitschriften der Predigten, die Origenes in der Gemeinde von Cäsarea Maritima und zum Teil auch in Jerusalem gehalten hat. Die lateinischen Übersetzungen der origeneischen Werke stammen teils von Rufin von Aquileia (ca. 345–410), teils von Hieronymus (ca. 347–420). Rufin hat die vollständig erhaltene Übersetzung der Grundlagenschrift De Principiis angefertigt. Darüber hinaus stammen aus seiner Hand die lateinischen Fassungen des Hohelied- und des Römerbriefkommentars sowie der Homilien zu den Büchern 120 Zu den Hintergründen vgl. Röwekamp, Einleitung 210–213.
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Zur Quellenlage
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Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri, Josua und Richter, zum Ersten Buch Samuel und zu einigen Psalmen. Auf Hieronymus gehen die lateinischen Versionen der Homilien zum Lukasevangelium, zum Hohenlied sowie zu Jesaja, Jeremia und Ezechiel zurück. Seine Übersetzung der Grundlagenschrift ist nur höchst fragmentarisch in Gestalt einiger weniger Zitate erhalten, von denen die meisten in seinem Brief an Avitus überliefert sind. Vergleichende Studien haben ergeben, dass sich Rufin und Hieronymus im Allgemeinen einer freien Übersetzungstechnik bedienen, die bisweilen den Charakter einer Paraphrase trägt.121 Darüber hinaus steht fest, dass beide die ursprüngliche Textvorlage unter kontroverstheologischen Gesichtspunkten bearbeitet haben. Beide fertigten ihre Übertragungen nämlich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen an, die im vierten Jahrhundert um die Orthodoxie der origeneischen Theologie geführt wurden.122 In diesen Auseinandersetzungen legten sowohl die Befürworter als auch die Gegner des Origenes ihrem jeweiligen Urteil den zu ihrer Zeit gültigen dogmatischen Konsens als Bewertungsmaßstab zugrunde. Um die Trinitätslehre des Alexandriners wurde folglich unter der Fragestellung gestritten, ob sie dem Trinitätsdogma entsprach, wie es sich inzwischen in den Lehrentscheidungen der Konzilien von Nizäa und Konstantinopel herausgebildet hatte. Nachdem Hieronymus zunächst ein glühender Verehrer des Origenes gewesen war und er seine Homilienübersetzungen an einigen Stellen gemäß dem trinitarischen Dogma bearbeitet hatte,123 trat er später unter dem Einfluss des Epiphanius von Salamis als entschiedener Gegner des Alexandriners auf. In dieser Zeit verfasste er auch seine nur noch sehr fragmentarisch erhaltene Übersetzung der Grundlagenschrift, wobei es ihm nunmehr darum zu tun war, Origenes in Fragen der Trinitätslehre der Häresie zu überführen. Anders als Hieronymus war dessen ehemaliger Studienfreund Rufin zeit seines Lebens darum bemüht, die Rechtgläubigkeit des großen alexandrinischen Meisters zu verteidigen. Mit dieser Haltung folgte er Pamphilus von Cäsarea, der schon um das Jahr 308 wohl zusammen mit Eusebius von Cäsarea eine Apologie für Origenes verfasst hatte, deren erstes Buch Rufin im Zuge der Auseinandersetzungen seiner Zeit ebenfalls ins Lateinische übersetzt und überarbeitet hat.124 Nach eigenen Angaben ließ Rufin in seinen Übersetzungen dogmatisch anstößige Stellen weg oder bearbeitete sie im orthodoxen Sinn, weil er sie für nachträgliche Interpolationen hielt, die von Häretikern in die Werke des Origenes eingefügt
121 Vgl. Görgemanns/Karpp, Einführung 42–44. 122 Ein Überblick über diese Auseinandersetzungen findet sich bei Schär, Nachleben des
Origenes 28–39.
123 Vgl. dazu Peri, I passi sulla Trinità 155–180. 124 Zu Pamphilus und seiner Apologie vgl. Röwekamp, Einleitung 44–208.
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Einleitung
worden seien.125 Dabei handelt es sich vor allem um trinitätstheologische und christologische Passagen. Auf ihrer Grundlage suchte Rufin Origenes als Vordenker des nizäno-konstantinopolitanischen Trinitätsdogmas zu stilisieren.126 Die Frage, ob den Übersetzungen Rufins oder denjenigen des Hieronymus eine größere inhaltliche Authentizität zukommt, wurde in der kritischen Origenesforschung immer wieder unterschiedlich beantwortet. Wie auch immer die Antwort ausfallen mag, keinesfalls scheint es möglich, daraus eine allgemeine hermeneutische Regel abzuleiten. Vielmehr bedarf jede einschlägige lateinische Textpassage einer gesonderten kritischen Überprüfung, in der die inhaltlichen Zusätze und terminologischen Änderungen identifiziert werden, die auf die Hand des jeweiligen Übersetzers zurückgehen. Die Kriterien, denen eine solche Überprüfung grundsätzlich zu folgen hat, lassen sich im Anschluss an Basil Studers Aufsatz „Zur Frage der dogmatischen Terminologie in der lateinischen Übersetzung von Origenes’ De Principiis“ folgendermaßen umschreiben: Es ist zunächst unabdingbar, bei der Bewertung einer lateinischen Textpassage den Gesamt zusammenhang von Origenes’ Theologie sowie seinen üblichen Sprachgebrauch im Blick zu haben. „Auch wenn das nicht immer leicht sein mag, muss für jeden Fall aufgezeigt werden, wie weit eine trinitarische oder christologische Aussage seinem theologischen System, seinen grundlegenden Anschauungen vom Verhältnis von Vater, Sohn und Geist untereinander und ihrem Verhältnis zur Schöpfung, sowie seinen Grundtendenzen in der Christologie entspricht.“127 Für den Fall, dass zu fraglichen lateinischen Textpassagen noch die entsprechenden Texte der griechischen Originalfassung vorhanden sind oder sich darin andere inhaltlich verwandte Parallelstellen finden, ist die Möglichkeit eines Textvergleichs gegeben. Unverzichtbar ist nicht zuletzt immer auch die Berücksichtigung der Frage, 125 Rufin, De adult. 16 (FC 80, 422,26–29): Si quid autem inventum fuerit in his [sc. in libris
Origenis] quod cum fide catholica non consonat, hoc et ab haereticis suspicamur insertum et tam ab illius sensu quam a nostra fide ducimus alienum. Vgl. auch Princ. I Praef. Ruf. 2 (TzF 24, 76): observantes scilicet ne ea, quae in libris Origenis a se ipso discrepantia inve niuntur atque contraria, proferamus. Diesem Grundsatz folgend will Rufin das Erbe des Hieronymus antreten, der vor seiner Abkehr von Origenes bei der Übersetzung von dessen Schriften auf diese Weise verfahren sei, wie Rufin in Princ. I Praef. Ruf. 1 f. (TzF 24, 72–76) betont. Vgl. dazu Winkelmann, Übersetzungstheorie 536–538. 126 Im Vorwort zu seiner Übersetzung der Grundlagenschrift De Principiis erklärt Rufin: Si cubi ergo nos in libris eius aliquid contra id invenimus, quod ab ipso in ceteris locis pie de trinitate fuerat definitum, velut adulteratum hoc et alienum aut praetermisimus aut secun dum eam regulam protulimus, quam ab ipso frequenter invenimus adfirmatam. Si qua sane velut peritis iam et scientibus loquens, dum breviter transire vult, obscurius protulit, nos, ut manifestior fieret locus, ea quae de ipsa re in aliis eius libris apertius legeramus adiecimus explanationi studentes. Nihil tamen nostrum diximus, sed, licet in aliis locis dicta, sua tamen sibi reddidimus (Princ. I Praef. Ruf. 3 [TzF 24, 78–80]). 127 Studer, Zur Frage der dogmatischen Terminologie 413.
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Zum Aufbau der Untersuchung
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ob dem engeren Kontext des betreffenden lateinischen Textes Hinweise darauf zu entnehmen sind, dass dieser als ganzer oder in terminologischen Einzelheiten das Ergebnis späterer Überarbeitungen ist. Die genannten hermeneutischen Kriterien gelten mutatis mutandis für die Übersetzungen des Hieronymus nicht weniger als für die Übersetzungen Rufins. In einer Untersuchung wie der vorliegenden, die einem Thema gewidmet ist, das nur im Blick auf das Gesamtwerk des Origenes behandelt werden kann, muss neben der Beachtung dieser Kriterien der Grundsatz befolgt werden, wonach die lateinische Überlieferung nach Möglichkeit nur insoweit berücksichtigt und zitiert wird, wie sie nicht dem Gesamtbild widerspricht, das sich aus dem griechisch erhaltenen Schrifttum ergibt. „Um auf den echten Origenes zu stoßen“, so fordert zu Recht Henri de Lubac, „muß man viel zitieren. Die Parallelstellen berichtigen, bestimmen und kommentieren sich dann gegenseitig, besonders wenn man etwa einem Satz im Latein des Rufin einen anderen im Latein des Hieronymus und noch einen dritten, im Original erhaltenen, einander gegenüberstellen kann. Das ist nicht selten der Fall, und aus solchen Begegnungen erwächst dann der Eindruck von Einheit. Durch alle Mannigfaltigkeit seiner Werke und alle Verschiedenheit der Fassungen, in denen sie uns überliefert sind, bleibt Origenes meist in erstaunlicher Weise sich selbst gleich.“128
5. Zum Aufbau der Untersuchung Die vorliegende Studie gliedert sich in zwei Hauptteile, die thematisch zwar nicht zu trennen, wohl aber zu unterscheiden sind. So ist der erste Teil der Frage gewidmet, wie Origenes die unwandelbare Beziehungswirklichkeit expliziert, die zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit besteht. Im zweiten Teil geht es um das Heilswirken der drei Hypostasen, wie es sich nach Origenes in der Schöpfung, in der Offenbarung und in der Erlösung der vernunftbegabten Kreaturen darstellt. Damit folgt der Aufbau unserer Untersuchung der klassischen Einteilung des Trinitätstraktats in die immanente und die ökonomische Trinitätslehre. Wie bereits erwähnt, finden wir diese Einteilung bei Origenes selbst nicht. Dieser bringt die einzelnen Aspekte des trinitarischen Heilsmysteriums vielmehr in ganz unterschiedlichen Kontexten auf gänzlich unsystematische Weise zur Sprache, so dass die Gesamtgestalt seines Trinitätsdenkens nur in einer systematisierenden Zusammenschau aller einschlägigen Textpassagen sichtbar werden kann. Um diese Gesamtgestalt herauszuarbeiten, ist es gleichwohl sinnvoll, der Gliederung der umfangreichen Thematik die Unterscheidung von immanenter und 128 De Lubac, Geist aus der Geschichte 56.
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Einleitung
ökonomischer Trinitätslehre zugrunde zu legen. Denn zum einen setzt Origenes in seinen Ausführungen diese Unterscheidung der Sache nach voraus. Zum anderen birgt diese ein erhebliches analytisches Potential. Sie ermöglicht nämlich eine differenzierte Antwort auf die Frage, inwieweit es Origenes gelungen ist, die beiden Dimensionen des trinitarischen Heilsmysteriums – das ewig-unwandelbare Beziehungsgefüge der drei Hypostasen einerseits und ihr jeweiliges Wirken in der Heilsökonomie andererseits – konsistent zusammenzuschauen. Das Ergebnis der vorliegenden Studie wird lauten: Die origeneische Trinitätstheologie erweist sich als Trinitätslehre in statu nascendi. Während Origenes in der Perspektive der ökonomischen Trinitätslehre voraussetzt, dass der Vater, der Sohn und der Heilige Geist drei wesensgleiche Hypostasen sind, in denen der eine wahre Gott sich allen Vernunftgeschöpfen zu deren Heil selbst mitteilt, hat er in seinen Überlegungen zur immanenten Trinitätslehre den ontologischen Status weder des Sohnes noch des Heiligen Geistes eindeutig zu bestimmen vermocht. In Anbetracht dieser inneren Ambivalenz, die das origeneische Trinitätsdenken prägt, wird verständlich, warum der trinitätstheologische Entwurf des großen Alexandriners in den Auseinandersetzungen des vierten Jahrhunderts zum Gegenstand heftiger Kontroversen werden konnte und bis in unsere Tage Streit unter den Gelehrten hervorruft.
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E rster Teil: Das ewige Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist
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Das ewige Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist
1. Die erste Hypostase: Der Vater 1.1 Der Vater als der Inbegriff des Seins: ᾿Εγώ εἰμι ὁ ὤν Das Fundament für seine Metaphysik der ersten Hypostase findet Origenes in der göttlichen Namensoffenbarung, die nach Ex 3,14 Mose am Gottesberg Horeb zuteil wird. Nach seinem Namen gefragt, so heißt es dort, gibt ὁ ϑεός zur Antwort: ᾿Εγώ εἰμι ὁ ὤν. Weil Origenes dem neutestamentlichen Sprachgebrauch folgend unter ὁ ϑεός stets den Schöpfer des Alls und Vater Jesu Christi versteht,129 interpretiert er diesen inhaltsschweren Satz als Selbstvorstellung des Vaters, der sich in seinem Namen als ὁ ὤν offenbart. Obwohl Origenes auf Ex 3,14 nur verhältnismäßig selten zu sprechen kommt,130 misst er der göttlichen Namensoffenbarung für die metaphysische Bestimmung der ersten Hypostase und damit für sein Wirklichkeitsverständnis im Ganzen grundlegende Bedeutung bei. Bevor er in der Schrift De Oratione, die der Auslegung des Vaterunsers gewidmet ist, im Zusammenhang mit der Bitte: „Geheiligt werde dein Name“ auf die Namensoffenbarung in Ex 3,14 zu sprechen kommt, erklärt er, was er unter einem Namen versteht: „Ein Name ist eine prägnante Bezeichnung der charakteristischen Eigenschaft des Namensträgers.“131 Demnach bezeichnet ein Name das Wesen dessen, von dem er ausgesagt wird. Er ist nicht beliebig austauschbar, sondern unverwechselbar, weil in ihm die eigentümliche Wirklichkeit seines Trägers zum Ausdruck kommt. Es entspricht der Seins- und Wesensdynamik, die nach Origenes dem kreatürlichen Sein eigen ist, dass in der Schrift häufig von Namensänderungen die Rede ist. „Weil jedoch bei Menschen die charakteristischen Eigenschaften sich gleichsam verändern, verändern sich gemäß der Schrift sinnvollerweise auch die Namen. Als sich nämlich die Eigenschaft des Abram änderte, wurde er Abraham gerufen (vgl. Gen 17,5), und als sich diejenige des Simon änderte, wurde ihm der Name Petrus gegeben (vgl. Mk 3,16; Mt 16,17 f.), und als sich die Eigenschaft des Saulus, der Jesus verfolgte, änderte, nannte man ihn Paulus (vgl. Apg 13,9).“132 Für Gott jedoch, so erklärt Origenes mit Blick auf 129 Vgl. auch Rahner, Theos 385–403, der feststellt: „ὁ ϑεός bezeichnet im Neuen Testament
die erste Person der Trinität“ (ebd. 386 [Herv. i. Orig.]).
130 In den griechisch überlieferten Schriften (außer an den oben besprochenen Stellen): In
Ioh. comm. II 13,95 (SC 120, 268); In Matth. comm. XVII 36 (GCS Orig. 10, 700,29–701,5); In Eph. frg. 2,4 f. (JThS 3, 235). In den lateinisch übersetzten Schriften: In Rom. comm. IV 5,170–173 (VL 33, 308); IX 2,11–13 (VL 34, 719); X 8,54–57 (VL 34, 811); Sel. in Ps. 36,5 (PG 12, 1363D); In Regn. hom. 1,11,17–39 (SC 328, 140). 131 Orat. 24,2 (GCS Orig. 2, 353,22 f.). 132 Orat. 24,2 (GCS Orig. 2, 354,3–8). Vgl. auch Pasch. I 20 f. (AskÄ 4, 94,28–96,8). Zum biblisch-orientalischen wie platonischen Hintergrund des origeneischen Namensverständnisses äußert sich ausführlich Gögler, Theologie des biblischen Wortes 211–223.
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Die erste Hypostase: Der Vater
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Ex 3,14, sind solcherlei Veränderungen unmöglich. „Für Gott, der unwandelbar (ἄτρεπτος) und unveränderlich (ἀναλλοίωτος) immerdar derselbe ist – auch für ihn gibt es gewissermaßen einen Namen, der immer nur ein einziger ist: ὁ ὤν, wie er im Buch Exodus genannt wird […].“133 Mit dem Namen ὁ ὤν ist also das Wesen des Vaters umschrieben. Er ist Ausdruck seiner Seinsvollkommenheit, die den Grund und das Maß aller anderen Seinswirklichkeit darstellt.134 Im eigentlichen Sinn des Wortes kommt das Sein allein Gott selbst zu, dem Urgrund aller Wirklichkeit. Alles von ihm Verschiedene ist nur insofern, als es am göttlichen Seinsgrund teilhat.135 Allein der ursprungslose Vater hat das Sein aus sich selbst.136 Er allein ist ungeworden (ἀγένητος137) und ungezeugt (ἀγέννητος138), wie Origenes in wechselnder Terminologie feststellt. Als seinsermöglichender Seinsgrund transzendiert der Vater alles, was ist. Deshalb ist er für die endliche Vernunft unbegreiflich, kann er mit den Mitteln menschlicher Sprache unmöglich adäquat erfasst werden.139 Kein Wort, kein Begriff vermag seine Eigenschaften angemessen zum Ausdruck zu bringen.140 Nur approximative Bezeichnungen sind möglich, „um den Hörer an die Hand zu nehmen und ihm etwas über Gott erkennen zu lassen, soweit dies für die menschliche Natur überhaupt erreicht werden kann“.141 Auch kein Name vermag das Wesen Gottes im strengen Sinn zum Ausdruck zu bringen, so dass auch der Name ὁ ὤν der Tiefe der göttlichen Urwirklichkeit immer inadäquat bleibt.142 An einigen wenigen Stellen seines Werks bringt Origenes die wesenhafte Transzendenz des Vaters dadurch zur Sprache, dass er in unterschiedlichen Variationen ein berühmtes Diktum aus Platons Politeia anklingen lässt, dem zufolge 133 Orat. 24,2 (GCS Orig. 2, 354,8–11). 134 In Ioh. comm. II 17,123 (SC 120, 288). Vgl. Cels. I 21,18–23 (SC 132, 128–130); IV 14,20–30
(SC 136, 216–218); VI 62,24–29 (SC 147, 334) (jeweils mit Bezug auf Ps 101,28 und Mal 3,6 wie auch in In Regn. hom. 1,4,35–46 [SC 328, 106]). 135 Princ. I 3,6 (TzF 24, 170–172). Vgl. In Regn. hom. 1,11,20–29 (SC 328, 140). 136 Cels. VI 65,6 f. (SC 147, 342). 137 Vgl. z. B. Cels. IV 38,72 (SC 136, 282); In Ioh. comm. I 29,204 (SC 120, 160); II 2,14 (SC 120, 214); XIX 2,6 (SC 290, 48); XX 22,184 (SC 290, 250); Dial. 1,21 (SC 67, 54). 138 Vgl. z. B. Cels. VIII 14,16 (SC 150, 204); In Ioh. comm. XIII 25,149 (SC 222, 112). 139 Cels. VI 65,8–10 (SC 147, 342). Vgl. auch In Hier. hom. 1,8,29–56 (SC 232, 212–214), wo Origenes Jer 1,6 als Selbstzeugnis des präexistenten Sohnes versteht und erklärt, als Logos seines Vaters sei dieser über die Sprache der Menschen und Engel erhaben. Das Zwiegespräch, das er mit seinem Vater führe, finde in einer Redeweise statt, die in ihrer Göttlichkeit jenseits der Möglichkeiten der Sprache von Menschen und Engeln liegt. 140 Cels. VI 65,17–20 (SC 147, 342). – Dieselben erkenntnis- und sprachtheoretischen Konsequenzen aus der radikalen Transzendenz Gottes, des Vaters, zieht Novatian, De trin. 2,13 f. (Test. 2, 46). 141 Cels. VI 65,24–28 (SC 147, 342). 142 Vgl. auch Philon von Alexandrien, Mut. 11; Somn. I 230 f. sowie Novatian, De trin. 4,26 (Test. 2, 56–58).
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Das ewige Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist
die höchste Idee des Guten als ἐπέκεινα τῆς οὐσίας πρεσβείᾳ καὶ δυνάμει gedacht werden muss.143 Die deutlichste Anspielung auf dieses Diktum finden wir im Johanneskommentar, wo Origenes die δύναμις und ϕύσις Gottes als ὑπερέκεινα τῆς οὐσίας bestimmt.144 In Contra Celsum wird ὁ τῶν ὅλων ϑεός als νοῦς ἢ ἐπέκεινα νοῦ καὶ οὐσίας bezeichnet.145 Im selben Werk begegnet an anderer Stelle die Formel ἐπέκεινα οὐσίας mit dem platonischen Zusatz πρεσβείᾳ καὶ δυνάμει als untersuchungswürdiger Gegenstand der Gotteslehre, ohne dass diese Untersuchung allerdings durchgeführt würde.146 Aufs Ganze gesehen ist deshalb festzustellen, dass Origenes die platonische Formel zwar kennt, sie wohl auch in Erwägung zieht, ihr aber keine systematische Bedeutung beimisst.147 Offenbar greift er diese Formel hier und dort auf, um den in Ex 3,14 bezeugten Gottesnamen zu interpretieren und in Erinnerung zu rufen, dass es sich dabei nur um eine analoge Gottesbezeichnung handelt. Denn als der Seiende schlechthin ist der Vater in gewisser Weise immer zugleich über das Sein hinaus. In dieser Paradoxie ist seiner Selbstursprünglichkeit pointiert Ausdruck verliehen: Der Vater hat nicht teil am Sein wie alles, was sich seiner verdankt. Er ist vielmehr der „Gipfelpunkt der Wirklichkeit“,148 der als der Urgrund des Seins das Sein selbst überhaupt erst begründet. In diesem Sinn ist er immer zugleich ἐπέκεινα τῆς οὐσίας.149 Die ἐπέκεινα-Formel fügt sich auch in die Überlegungen ein, die Origenes zum VaterSohn-Verhältnis anstellt. Wenn nämlich der Sohn, den er als Exemplarursache aller geschaffenen Wirklichkeit, d. h. als idealen Inbegriff des Seins versteht, sich in allem dem Vater verdankt, hat man sich diesen folgerichtig jenseits des Seins vorzustellen.150 Indem Origenes in seiner Schrift Exhortatio ad Martyrium erklärt, der Vater sei ἐπέκεινα τῶν νοητῶν,151 also jenseits der rein geistigen Realitäten, spricht er diesen Sachverhalt implizit sogar aus, weil der Sohn als idealer Inbegriff des Seins den Kosmos aller rein geistigen Realitäten, der νοητά, in sich begreift. 143 Platon, Polit. VI 509 b 9. 144 In Ioh. comm. XIX 6,37 (SC 290, 68). 145 Cels. VII 38,1 f. (SC 150, 100). 146 Cels. VI 64,19–22 (SC 147, 340). In In Ioh. comm. XIII 21,123 (SC 222, 94–96) referiert
Origenes den Ausdruck ὑπερέκεινα οὐσίας πρεσβείᾳ καὶ δυνάμει als Teil der Gotteslehre von nicht näher bestimmten ἄλλοι, in Cels. VII 45,20–25 (SC 150, 122) als Lehrmeinung des Celsus, wobei die Formel hier nur indirekt begegnet. 147 Vgl. Widdicombe, The Fatherhood of God 35–43; Simonetti, Art. Dio 119; Markschies, Gott und Mensch 92 f. Wie Whittaker, Ἐπέκεινα νοῦ καὶ οὐσίας 103 f. zeigt, spiegelt sich in Origenes’ Rezeption von Polit. VI 509b,9 die kontroverse zeitgenössische Diskussion über den Status des ersten Prinzips (so auch Lilla, Neoplatonic Hypostases 141–143 mit entsprechendem Quellenmaterial). 148 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 262. 149 Vgl. Widdicombe, The Fatherhood of God 345. 150 Vgl. Nautin, „Je suis celui qui est“ 118 f.; Ricken, Sprache und Transzendenz 82 f. 151 Exhort. mart. 47 (OWD 22, 104,2).
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Die erste Hypostase: Der Vater
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Diese Zusammenhänge hat Origenes allerdings nirgends systematisch entfaltet, und so bleibt festzuhalten, dass der platonischen ἐπέκεινα-Formel in seiner Hypostasenlehre nur marginale Bedeutung zukommt, der gegenüber er dem göttlichen Namen aus Ex 3,14 weitaus größeres Gewicht beimisst. Dies zeigt auch die Tatsache, dass Origenes in der Wirklichkeit Gottes als ὁ ὤν das metaphysische Prinzip nicht nur der Schöpfung, sondern auch der Erlösung erkennt. Sein Seinsbegriff weist mit anderen Worten zwei aufeinander bezogene Dimensionen auf, in denen die erlösungsbedürftigen vernunftbegabten Kreaturen mit dem göttlichen Seinsgrund verbunden sind und verbunden sein sollen. Dabei handelt es sich zum einen um die schöpfungstheologische Dimension, die ihr kreatürliches Dasein im Sinne ihrer geschöpflichen Faktizität betrifft, zum anderen um die soteriologische Dimension, mit der ihre sittlich qualifizierte Teilhabe an Gott als dem Quellgrund des wahren, erlösten Lebens gemeint ist. Mit dem Dasein als Geschaffensein einerseits und mit dem Erlöstsein als heilsstiftender Teilhabe am göttlichen Heilsgrund andererseits sind gleichsam die beiden Pole benannt, innerhalb derer Origenes mit Blick auf die vernunftbegabten Kreaturen ein durch und durch dynamisches Wirklichkeitsverständnis entfaltet.152 Dieses Wirklichkeitsverständnis lebt von der Überzeugung, dass die vernunftbegabten Kreaturen nach ihrem Sündenfall dazu berufen sind, aus ihrem bloßen Dasein wieder in die Heilswirklichkeit ihres Erlöstseins hineinzuwachsen, die in der durch den Sohn im Heiligen Geist vermittelten Gemeinschaft mit dem Vater besteht und auf die sie in ihrer kreatürlichen Vernunftbegabung immer schon ausgerichtet sind.
1.2 Der Vater als transzendenter Inbegriff aller Vollkommenheit In seiner Grundlagenschrift Περὶ Ἀρχῶν bringt Origenes seinen Gottesbegriff auf eine kurze Formel: Gott, der Vater, ist intellectualis natura simplex, nihil omnino in se adiunctionis admittens.153 Gott ist natura simplex. Mit dem Wort simplex gibt Rufin in seiner lateinischen Übersetzung das griechische ἁπλοῦς wieder, wie es sich auch in Origenes’ griechisch erhaltenen Schriften als Attribut des Vaters findet.154 Gott ist also nicht nur einzig, er ist darüber hinaus in seinem Wesen schlechthin einfach, das heißt vollkommen frei von jeglicher Zusammensetzung. Darum fügt Origenes der zi152 Vgl. Noce, Il nome di Dio 42 f. 49; Nautin, „Je suis celui qui est“ 113. 153 Princ. I 1,6 (TzF 24, 110). Die folgenden Ausführungen beziehen sich vor allem auf diesen
Abschnitt. Zum platonischen Hintergrund der origeneischen Formel vgl. Ricken, Sprache und Transzendenz 84–87. 154 In Ioh. comm. I 20,119 (SC 120, 122); Cels. VII 38,2 (SC 150, 100).
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Das ewige Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist
tierten Definition als weitere Bestimmung hinzu, Gott sei ex omnino parte μονάς et ut ita dicam ἑνάς.155 Der Vater ist als absolut unteilbar zu denken und besteht als „Einsheit“, die mit dem das μονάς noch steigernden ἑνάς in ihrer Radikalität ins Wort gesetzt ist.156 Darum kann er auch nicht als ein Ganzes bezeichnet werden, denn als solches würde er aus Teilen bestehen.157 Er ist vielmehr die erste Wirklichkeit, vor der nichts besteht, weil er in seiner prinzipiellen Einfachheit vor allem anderen, was ist, gedacht werden muss und in diesem Sinn buchstäblich unvordenklich ist. Dieser philosophischen Überlegung korrespondiert die biblische Überzeugung, dass Gott der Schöpfer aller Dinge ist. Er ist der Urgrund allen Seins (initium/principium/ἀρχή), die Quelle (fons/πηγή) aller Wirklichkeit, des Sohnes und des Heiligen Geistes ebenso wie der gesamten Schöpfung. Gott ist sodann intellectualis natura. Mit diesem Terminus dürfte Rufin den Ausdruck νοητὴ ϕύσις übersetzt haben.158 Als intellectualis natura ist Gott mens (νοῦς). Sein Sein ist reine Geistigkeit. Er ist Vernunft und vollzieht als solche ein Denken, das vollkommene Bewegung ohne Ortsveränderung und ohne jede Differenzstruktur ist.159 Darum ist auch alle Zeitlichkeit aus seinem Wesen auszuschließen. Als intellectualis natura ruht Gott in ewiger Gegenwart in seinem Denken und sein Denken in ihm. Aufgrund seiner absoluten „Einsheit“ ist er mit seiner geistigen Wirklichkeit vollkommen identisch,160 so dass er ein absolutes Bewusstsein seiner selbst besitzt. Thomas Böhm hat in Anbetracht der Tatsache, dass nach der Metaphysik Plotins jede Entität, die Geist ist, bereits die Zweiheit von Denkendem und Gedachtem impliziert, im Hinblick auf die origeneische Gotteslehre darauf aufmerksam gemacht, dass „die Redeweise von einer Intelligibilität des einen Gottes nur dann 155 Vgl. auch Philon von Alexandrien, Leg. II 2 f. 156 Kannengiesser, Divine Trinity 242 will die Begriffe μονάς und ἑνάς auf den „triune
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God“ bezogen wissen: „The Three altogether are one and the same spiritual reality of a transcendent simplicity, which Origen calls a Monas, or ‚Unity‘, and a Henas or ‚Oneness‘ […].“ Diesen Bezug gibt der Text aber nicht her. Demselben Irrtum unterliegt Thümmel, Logos und Hypostasis 388. Cels. I 23,24–30 (SC 132, 134). Vgl. auch Orat. 23,3 (GCS Orig. 2, 351, 5–7). Vgl. zu diesem Ausdruck z. B. Cels. VI 70,11 (SC 147, 354). Quia autem mens non indigeat loco, ut secundum naturam suam moveatur, certum est etiam ex nostrae mentis contemplatione (Princ. I 1,6 [TzF 24, 110]). Der Unterschied zwischen der mens Gottes und derjenigen des Menschen besteht jedoch darin, dass Gottes Wesen mit seiner mens zusammenfällt, er mit seinem Denken vollkommen identisch ist, während der Mensch in einer durch seine Körperlichkeit geschwächten Geistigkeit als endliche mens existiert. Anders als Origenes verortet Plotin den Urgrund aller Wirklichkeit, das absolute Eine (vgl. Enn. VI 9,3,15f; 5,24–46; V 5,4,1–15), strikt jenseits von Sein und Geist (vgl. Enn. VI 8,16,33– 36; V 5,6,11–21; VI 7,40,24–29; V 4,1,5–13; V 6,6,29 f.), insofern es über jegliche Differenz und Vielheit erhaben (vgl. Enn. II 9,1,1–14) und auf diese Weise der Ermöglichungsgrund von Sein und Geist ist (vgl. Enn. V 1,4,29–43).
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plausibel [ist], wenn Origenes damit die Zweiheit von Denken und Gedachtem im Sinne einer ersten Vielheit ausblendet.“161 Vor dem Hintergrund des Parmenideskommentars des Turiner Palimpsests hat Böhm vorgeschlagen, den origeneischen Begriff der intellectualis natura simplex als Auslegung der ersten Hypothesis aus Platons Parmenides zu verstehen, die auf der Grundlage der ἐπέκεινα-Formel aus der Politeia erfolge. Wie Böhm meint, konzipiert Origenes den Vater in dem Sinn als eine noetische ἑνάς, dass dieser als νοῦς ein ausschließlich aus sich selbst auf sich selbst gerichtetes Denken vollzieht, das als vollkommen differenzlose absolute Selbstgegenwärtigkeit verstanden werden muss. Demgegenüber sei die zweite Hypostase des Sohnes von Origenes als ein zweiter νοῦς gedacht, der in sich differente νοητά umfasst und in seinem Denken zur All-Einheit eint. Als erster νοῦς sei der Vater nach Origenes darum zugleich als ἐπέκεινα νοῦ zu bestimmen, weil er jenseits des Sohnes als des zweiten νοῦς stehe.162 Es ist offenkundig, dass die Bestimmung des Vaters als zugleich intellectualis und simplex in platonischer Tradition steht.163 Origenes hat die systematischen Implikationen dieser Bestimmung allerdings nirgends ausdrücklich reflektiert und der Formel ἐπέκεινα νοῦ ja auch keine tragende Bedeutung beigemessen, so dass Böhms Folgerungen im Hinblick auf die zweite Hypostase des Sohnes zwar grundsätzlich auf der Linie der origeneischen Metaphysik liegen, faktisch von Origenes selbst aber nicht als solche thematisiert worden sind. Aus der Definition Gottes als intellectualis natura simplex ergibt sich für Origenes zwingend, dass Gott als unstofflich und unkörperlich zu denken ist und dass er somit kein Gegenstand sinnlicher Wahrnehmung und menschlicher Darstellung sein kann.164 Nun finden sich in der Heiligen Schrift aber vielfach Aussagen, die Gott körperlich erscheinen lassen. In seinen systematischen Ausführungen zur natura Gottes, wie wir sie in De Principiis finden, muss sich Origenes daher in besonderer Weise mit diesen Schriftstellen auseinandersetzen, um sie mit seiner philosophischen Definition Gottes als intellectualis natura simplex in Einklang zu bringen. Wie wichtig ihm eine vernunftgemäße Interpretation der betreffenden Bibelverse ist, zeigt die Tatsache, dass er diese Aufgabe in seinem umfangrei-
161 Böhm, Deutung der Kirchenväter 71 (Herv. i. Orig.). 162 Ebd. 70–75; Böhm, „Denken des Einen“ 133–139; Böhm, Unbegreiflichkeit Gottes 452–
459; Böhm, Origenes 9 f.
163 Vgl. Berchman, From Philo to Origen 102. 164 Vgl. auch Cels. III 40,7–14 (SC 136, 94); VI 64,3–6 (SC 147, 338); 69,13 f. (SC 147, 352); VII
38,2 (SC 150, 100); VIII 49,27 (SC 150, 282). An der zuletzt genannten Stelle lässt Origenes keinen Zweifel daran, dass er die von den „philosophischen Schülern des Zenon und Chrysipp“, d. h. den Stoikern, vertretene Lehre verwirft, wonach Gott körperlich verfasst ist.
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chen Werk immer wieder in Angriff nimmt.165 Dabei lässt er sich von folgendem schrifthermeneutischem Grundsatz leiten: „Alles, was über Gott (περὶ τοῦ ϑεοῦ) aufgeschrieben ist, muss man, auch wenn es auf den ersten Blick absurd erscheinen sollte, in der Weise verstehen, dass es eines guten Gottes würdig ist (ἄξια ϑεοῦ ἀγαϑοῦ).“166 Unter dieser Prämisse interpretiert er die Aussage von Dtn 4,24, Gott sei „ein verzehrendes Feuer“, als metaphorischen Ausdruck dafür, dass Gott in seiner moralisch-geistigen Kraft die bösen Gedanken und das Verlangen nach der Sünde im Menschen vernichtet.167 Die Aussage von Joh 4,24: „Gott ist Geist (πνεῦμα)“ könnte vor dem Hintergrund der stoischen Kosmologie so verstanden werden, als sei Gott ein Körper. Ein solches Verständnis weist Origenes jedoch angesichts des allgemeinen biblischen Sprachgebrauchs von πνεῦμα mit allem Nachdruck zurück und stellt mit dem exemplarischen Hinweis auf 2 Kor 3,6.17 klar: „Es ist eine Gewohnheit der Heiligen Schrift, wenn sie etwas bezeichnen will, was dem gewöhnlichen dichten und festen Körper entgegengesetzt ist, dies ‚Geist‘ zu nennen.“168 Außerdem verweist er auf den unmittelbaren Kontext dieser Aussage im Johannesevangelium, wo Jesus aus der Bestimmung Gottes als πνεῦμα Konsequenzen für dessen Anbetung zieht, wenn er zur Samariterin sagt: „Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.“ Als Korrelat zu „Wahrheit“, so erklärt Origenes, bezeichnet der Begriff „Geist“ in diesem Zusammenhang eindeutig eine unkörperliche noetische Realität.169 Bei der Interpretation des Schriftworts 1 Joh 1,5: „Gott ist Licht und keine Finsternis ist in ihm“ unterscheidet er, dem biblischen Sprachgebrauch folgend, zwischen dem körperlichen Licht (ϕῶς σωματικόν; vgl. Ex 10,23) und dem geistigen Licht (ϕῶς νοητόν; vgl. Hos 10,12) und versteht Gott als Quellgrund dieses geistigen Lichts.170 165 Vgl. etwa In Ioh. comm. XIII 21,123–24,145 (SC 222, 94–108); Cels. VI 70,1–71,28 (SC 147,
352–360).
166 In Hier. hom. 20,1,1 f. (SC 238, 250). Anhand dieser hermeneutischen Grundregel inter-
pretiert Origenes auch die zahlreichen anstößigen Anthropomorphismen, in denen die Bibel über Gott spricht (z. B. In Hier. hom. 20,1,2–49 [SC 238, 250–254]; Cels. VI 61,1–62,29 [SC 147, 330–334]; In Ioh. comm. I 38,282 [SC 120, 200]; XIII 22,131 [SC 222, 100]; In Matth. comm. XVII 18 [GCS Orig. 10, 635,30–638,11]). Dabei führt er die anhropomorphe Redeweise in der Heiligen Schrift auf die Pädagogik des gütigen Gottes zurück, der sein Wort an die Menschen in einer ihnen verständlichen Sprache richtet (In Hier. hom. 18,6,48–122 [SC 238, 198–204]). Mit seiner Hermeneutik steht Origenes in der Nachfolge Philons von Alexandrien (vgl. dazu Maas, Unveränderlichkeit Gottes 116–118. 130 f.). 167 Princ. I 1,2 (TzF 24, 102). Vgl. auch In Hier. hom. 16,6,1–12 (SC 238, 146–148). 168 Princ. I 1,2 (TzF 24, 102). Vgl. dazu Blanc, Dieu est pneuma 224–241. 169 Princ. I 1,4 (TzF 24, 106). Origenes lehnt damit die stoisch beeinflusste Ansicht von Tertullian, Adv. Prax. 7,6–8 (FC 34, 126–128) ab, dass Gott als materielles Pneuma zu bestimmen sei. Vgl. Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 275–278. 170 In Ioh. comm. XIII 22,132–23,136 (SC 222, 100–102).
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Als intellectualis natura simplex, so betont Origenes, ist Gott für die kreatürlichen Kräfte des in einen Körper aus Fleisch und Blut eingeschlossenen endlichen Geistes unbegreiflich (inconprehensibilis, inaestimabilis). Kein Gedanke vermag ihn zu ermessen, kein Begriff ihn zu fassen. „Es ist so, als ob wir es mit einem Menschen zu tun hätten, der kaum einen Lichtfunken oder das Licht der kleinsten Laterne zu erblicken vermag, und ihn, dessen Sehkraft nicht mehr Licht fassen kann als wir soeben sagten, über die Helligkeit und den Glanz der Sonne belehren wollten. Müssten wir ihm nicht sagen: Unsagbar und unermesslich größer und erhabener als all dies Licht, das du siehst, ist der Glanz der Sonne?“171 Der Vollkommenheit Gottes ist deshalb allein die analoge Rede angemessen, die stets mit dem Bewusstsein einhergeht, dass dem endlichen Geist in Gott das unbegreifliche Geheimnis begegnet, im Vergleich zu dem „alles, was wir wissen (πάντα ἃ ἴσμεν), geringer (ἐλλάτονα) ist“. „Denn größer als alles (κρείττονα πάντων), was nicht nur die Natur des Menschen weiß, sondern auch die Natur derer, die sie überragen, ist das, was Gott eigen ist.“172 Im analogen Sinn ist auch die Rede von der Güte Gottes gemeint, für die sich Origenes auf das Wort Jesu beruft: „Niemand ist gut außer der eine Gott (εἷς ὁ ϑεός)“ (Mk 10,18par). Allein dieser eine Gott, der Vater, kann im eigentlichen Sinn als gut bezeichnet werden, weil allein er in sich verwirklicht, was mit diesem Prädikat ausgesagt ist. Als Urgrund des Guten ist er allein „in Wahrheit gut (ἀληϑῶς ἀγαθός)“, während alles von ihm Verschiedene gut nur insoweit ist, als es an ihm teilhat. Wenn Origenes erklärt, nur „in abgeschwächtem Sinn (καταχρηστικῶς)“ könne dieses Prädikat „auch auf gute Werke und auf einen guten Menschen und auf einen guten Baum“ bezogen werden, bringt er den analogen Charakter dieser Redeweise zur Geltung. Denn der angesichts der geschaffenen Wirklichkeit geprägte Begriffsgehalt wird von der Wirklichkeit Gottes unendlich übertroffen. Wie der Vater als ὁ ὤν der Urgrund allen Seins und als ὁ ϑεός Urgrund der Gottheit ist, so ist er nach dem Wort Jesu in Mt 19,17 als ὁ ἀγαθός der Quell allen Gutseins.173 Wenn Origenes Gott, den Vater, als Inbegriff aller Vollkommenheit betrachtet, greift er, so können wir zusammenfassend festhalten, auf drei grundlegende Bestimmungen zurück, die zu seiner Zeit allesamt bereits in der paganen philosophischen Theologie eine lange Tradition hatten, die er selbst jedoch stets an den Aussagen der Heiligen Schrift zu verifizieren oder mit diesen in Einklang zu bringen sucht. Danach ist Gott vollkommene Einheit, vollkommener Geist und vollkommene Güte. Diese Bestimmungen bilden die Eckpfeiler seiner Gotteslehre, in die sich auch sein Verständnis der göttlichen Allmacht einfügt. Denn Gott ist 171 Princ. I 1,5 (TzF 24, 108). Ähnlich Novatian, De trin. 2,15 (Test. 2, 46–48). 172 Cels. VI 62,13–24 (SC 147, 334). Vgl. Philon von Alexandrien, Mut. 10 f. zu Ex 3,14. 173 Vgl. In Ioh. comm. XIII 25,151 f. (SC 222, 112–114); Orat. 21,2 (GCS Orig. 2, 345,19).
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in seiner Allmacht gebunden an sein eigenes Wesen. Er vermag also nichts zu tun, „was wider die Vernunft ist (παράλογον) oder seinem eigenen Wesen widerspricht (παρ᾽ ἑαυτόν)“.174 Er ist allmächtig, „soweit er sich bei dem, was er vermag, nicht von seinem Gottsein und seinem Gutsein und Weisesein entfernt“, sondern im Einklang damit handelt.175
1.3 Der Gott, ein Gott, Götter Es ist das Charakteristikum des Vaters, dass er der ursprungslose Ursprung aller Wirklichkeit ist. Er ist die Fülle des Seins und begründet alles dadurch im Dasein, dass er ihm an seiner Seinsfülle Anteil verleiht. Als vollkommene Seinsfülle ist der Vater der alles überragende Gott, dessen absolutes Gottsein die Heilige Schrift nach Origenes dadurch zum Ausdruck bringt, dass sie ihn als ὁ ϑεός bezeichnet, als Gott schlechthin. Auch an diesem seinem vollkommenen Gottsein gewährt der Vater Teilhabe, zu der die vernunftbegabte Kreatur von allem Anfang an berufen ist und die sich für sie in der beseligenden Gemeinschaft mit dem ungewordenen Gott vollendet. Der Vater ist also der Kulminationspunkt eines metaphysischen Teilhabezusammenhangs, dessen zweifache Vertikalität in den theologischen Grunddaten der Schöpfung einerseits und der Erlösung andererseits begründet ist. Von Ewigkeit zu Ewigkeit gewährt der Vater seinem Sohn Teilhabe an der unendlichen Fülle seiner Gottheit. Aufgrund dieser in ewiger Gegenwart bestehenden Beziehung zu seinem Sohn ist er auf ewig und im eigentlichen Sinn Vater. Die Grundstruktur dieser Beziehung hat Origenes vor allem anhand einer subtilen Auslegung von Joh 1,1 entwickelt.176 Hier wird der Sohn bekanntlich als ὁ λόγος bezeichnet, der ἐν ἀρχῇ und πρὸς τὸν ϑεόν und als solcher selbst ϑεός ist. Origenes beachtet sehr genau den Unterschied zwischen dem bestimmten ὁ ϑεός und dem unbestimmten ϑεός. Nach den Regeln der antiken Grammatik zum Prädikatsnomen bedeutet dieser Unterschied nämlich, dass die zweite Gottesprädikation mit der ersten nicht identisch sein kann.177 Die Gottesprädikation ὁ ϑεός kommt nur dem Vater zu, dem ungewordenen Urgrund aller W irklichkeit, der allein „Gott aus sich selbst heraus (αὐτόϑεος)“ und „wahrer Gott (ϑεὸς ἀληϑινός)“ ist. Zum Beweis für die Richtigkeit seiner Exegese von Joh 1,1 verweist Origenes auf Joh 17,3, wo der Sohn im Gebet an seinen Vater bekundet: „Das aber ist das 174 175 176 177
Cels. V 24,28 f. (SC 147, 74). Cels. III 70,8–10 (SC 136, 160). Zum Folgenden vgl. In Ioh. comm. II 2,13–18 (SC 120, 214–218). Neuschäfer, Origenes als Philologe I 203 f. II 445 Anm. 477. Vgl. auch Philon von Alexandrien, Somn. I 229 f.
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ewige Leben, dass sie dich, den einzig wahren Gott erkennen.“178 Der Sohn selbst ist zwar ϑεός. Er ist dies aber nicht aus sich selbst heraus, sondern einzig und allein vermöge seiner Teilhabe an der Gottheit seines Vaters. Ihm eignet zwar immer schon, „von Anfang an (ἀρχῆϑεν)“ göttliches Sein,179 das er aber nicht in Selbstursprünglichkeit besitzt, sondern dem Vater als seinem ursprungslosen Ursprung verdankt. Dadurch dass Origenes die Bezeichnung „wahrer Gott“ allein dem Vater vorbehält, will er dem biblischen Monotheismus Rechnung tragen.180 Denn der Sohn ist dann ein „zweiter Gott (δεύτερος ϑεός)“.181 So hält Origenes im Gegensatz zum zeitgenössischen Theoriemodell des Modalismus daran fest, dass der Sohn eine gegenüber dem Vater eigenständige Hypostase ist. Dem sogenannten Adoptianismus widerspricht er durch die Feststellung, dass dem Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit „göttliches Sein (ϑεότης)“ vom Vater, seinem ursprungslosen Ursprung, her zukommt, er also göttlicher Sohn von Ewigkeit ist.182 Ist dann aber der Sohn im Vergleich zu seinem Vater, dem wahren Gott, nicht ein Gott von geringerer Dignität? Steht Origenes also mit den Schlussfolgerungen, die er aus der Verwendung bzw. dem Fehlen des Artikels in Joh 1,1 zieht, im Widerspruch zum späteren Dogma des Konzils von Nizäa, das den Sohn als „mit dem Vater wesensgleich (ὁμοούσιος τῷ πατρί)“, als „wahren Gott aus wahrem Gott (ϑεὸν ἀληθινὸν ἐκ ϑεοῦ ἀληθινοῦ)“ bekennt? Mit dieser Frage ist das in der Forschung viel und überaus kontrovers diskutierte Problem aufgeworfen, wie die Unterordnung des Sohnes unter den Vater nach Origenes genauer zu bestimmen ist. Es kann hier vorerst lediglich als Problemanzeige für die weitere Untersuchung registriert werden. Nur angedeutet werden können an dieser Stelle auch die soteriologischen Implikationen des origeneischen Teilhabekonzepts. Denn als ϑεός kommt es dem Sohn zu, den erlösungsbedürftigen Geschöpfen die erlösende Teilhabe an Gott, dem Vater, zu vermitteln, zu der sie berufen sind. Er ist, wie Origenes sagt, „Die-
178 Vgl. auch die Zitation von 1 Kor 8,6 in Cels. IV 29,13–15 (SC 136, 252); VIII 4,17 f. (SC 150,
186). Zur Unterscheidung zwischen ὁ ϑεός und ϑεός vgl. auch Dial. 1,20–4,16 (SC 67, 54– 62). 179 Cels. III 41,6 (SC 136, 96). 180 So auch sein Zeitgenosse Novatian, De trin. 31,192 (Test. 2, 204). 181 Cels. V 39,21 (SC 147, 118). Vgl. Dial. 1,32 (SC 67, 54); In Ioh. comm. VI 39,202 (SC 157, 280), dazu Brox, „Gott“, 38 f. 182 In Ioh. comm. II 2,16 f. (SC 120, 216–218). Vgl. dazu neuerdings Bartolozzi, Divinità del Logos 73, der diese Feststellung allerdings nicht gegen den Adoptianismus gerichtet sieht, sondern der Meinung ist: „[…] credo si possa desumere che coloro i quali negavano la divinità del Figlio erano i sostenitori radicali della teologia del Logos, cioè coloro che assegnavano al Logos un prinicipio […] cronologico divdidendolo così dalla divinità del Padre.“
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ner der [sc. ihrer] Gottheit (διάκονος τῆς ϑεότητος)“.183 Während der Sohn aufgrund seiner in ewiger Gegenwart bestehenden Teilhabe am Leben Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit Gott ist, sind alle vernunftbegabten Kreaturen nach dem Sündenfall berufen, durch die Vermittlung des Sohnes und nach dessen ewigem Vorbild „Götter“ zu werden (vgl. dazu Ps 49,1; Ps 81,1.6; Ps 96,9; Ps 135,2; Ex 22,27; 1 Kor 8,5).184
1.4 Das Problem der Erkennbarkeit des Vaters Wir haben festgestellt, dass nach Origenes der Vater in seiner transzendenten Seinsfülle und noetischen Einfachheit für den endlichen Geist unbegreiflich ist und in seiner Unbegreiflichkeit die Möglichkeiten endlicher Sprache radikal übersteigt. Mit diesen erkenntnistheoretischen und sprachphilosophischen Überlegungen ist das Problem der Erkennbarkeit der ersten Hypostase für Origenes allerdings noch keineswegs erschöpfend behandelt. Denn die Gotteserkenntnis stellt ein zentrales Motiv nicht nur seiner metaphysischen Christologie, sondern auch seiner Soteriologie und Eschatologie dar, die er im Anschluss an die alt- und neutestamentliche Vorstellung einer Schau Gottes in überwiegend gnoseologischer Akzentuierung entfaltet. Das Problem der Erkennbarkeit des ursprungs losen Ursprungs aller Wirklichkeit reicht also in verschiedene Kernbereiche seines Denkens hinein. Dementsprechend kompliziert ist das Aussagengefüge, das sich in seinem Werk dazu findet und in das philosophische Überlegungen ebenso hineinspielen wie biblisch begründete Glaubensüberzeugungen. Mit dem Problem der Gotteserkenntnis ist eine Reihe von systematisch gewichtigen Fragen verbunden, die an entscheidenden Punkten der origeneischen Theologie virulent werden. Vor allem sind davon wesentliche Aspekte seiner Trinitätslehre betroffen. Es stellt sich nämlich die Frage, inwieweit nach Origenes der Vater für den Sohn und für den Heiligen Geist erkennbar ist. Die Antwort auf diese Frage betrifft das Kernproblem der Trinitätslehre, nämlich die Stellung des Sohnes und des Heiligen Geistes dem Vater gegenüber. Ob Origenes als Vordenker des späteren Dogmas zu gelten hat, wonach dem Vater, dem Sohn und dem Heilige Geist dasselbe göttliche Wesen zukommt, oder ob ihm zufolge der Sohn und der Heilige Geist als minder göttliche Hypostasen zwischen dem allein wahrhaft göttlichen Vater und den vernunftbegabten Kreaturen subsistieren, dieses Grundproblem seiner Trinitätstheologie ist wesentlich an die Frage geknüpft, ob Origenes den Vater als eine Wirklichkeit versteht, der auch noch gegenüber dem 183 In Ioh. comm. II 3,19 (SC 120, 218–220). 184 Vgl. In Ioh. comm. I 31,212–215 (SC 120, 164); II 2,17 (SC 120, 218); 3,19–24 (SC 120, 218–
222); Cels VIII 3,7–20 (SC 150, 184).
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Sohn und dem Heiligen Geist eine im Letzten unüberwindliche Transzendenz eigen ist. Auch die Interpretation des origeneischen Heilstrinitarismus ist von diesem Problem berührt. Denn nach Origenes kommt es mittelbar dem Heiligen Geist und unmittelbar dem Sohn zu, die eschatologische Gotteserkenntnis der vernunftbegabten Kreaturen zu vermitteln, in der sich deren Vergöttlichung vollzieht. Es steht deshalb auch die Frage zur Debatte, welche Art von Gotteserkenntnis Origenes den Vernunftgeschöpfen im Zustand ihrer Vollendung zuschreibt. Angesichts seiner systematischen Relevanz nimmt es nicht wunder, dass das Problem der Erkennbarkeit des Vaters ein wesentlicher Streitpunkt in den Auseinandersetzungen war, die nach Origenes’ Tod um die rechte Deutung seines Werks entbrannt sind. Es ist nicht die Aufgabe des vorliegenden Abschnitts, diesem Problem in sämtlichen Einzelheiten nachzugehen. Hier geht es nur darum, die Grundoptionen auszuloten, die Origenes seiner Deutung des christlichen Heilsmysteriums in der Frage der Erkennbarkeit Gottes zugrundelegt. So ist zunächst unbestreitbar und auch unbestritten, dass Origenes die klassische Lehre von der natürlichen Gotteserkenntnis vertritt, der zufolge es der menschlichen Vernunft möglich ist, das Dasein Gottes aus der Schöpfung heraus schlussfolgernd zu erkennen. Es ist die Ordnung des Alls, die die Vernunft untrüglich auf die Existenz des Schöpfers schließen lässt. Das zur Illustration der Unbegreiflichkeit Gottes herangezogene Bild von der Sonne und dem von ihr ausgehenden Licht verwendet Origenes auch in der Frage der natürlichen Gotteserkenntnis: „Zuweilen können unsere Augen die Natur des Lichts selbst, das heißt die Substanz der Sonne, nicht anschauen. Wenn wir aber ihren Glanz oder ihre Strahlen betrachten, die etwa durch Fenster oder kleine Lichtschächte fallen, können wir daraus schließen, wie groß die glühende Quelle des körperlichen Lichts ist. So sind auch die Werke der göttlichen Vorsehung und der kunstvolle Bau dieses Alls gleichsam Strahlen von Gottes Natur im Vergleich zu seiner Substanz (substantia) und Natur (natura) selbst.“185 Zur Frage, ob und inwieweit Gott, der Vater, über seine Existenz hinaus in seinem Wesen erkannt werden kann, bietet das Schrifttum des Origenes ein überaus komplexes Bild. Diese Komplexität rührt zum einen daher, dass Origenes zur Erkennbarkeit des Vaters keine systematisch reflektierte Terminologie ausgebildet hat, so dass begriffliche Unschärfen die Deutung erheblich erschweren. Zum anderen lassen sich im Anschluss an Rowan Williams zwei unterschiedliche Impulse unterscheiden, die in das Bild unvermittelt hineinwirken. Dabei handelt es sich einerseits um einen philosophischen Impuls, der sich aus dem Theorem der radikalen Transzendenz der ersten Hypostase ergibt: „the need to assert the uncircumscribable nature of the divine“. Andererseits ist ein theologischer Impuls 185 Princ. I 1,6 (TzF 24, 108). Vgl. Princ. I 3,1 (TzF 24, 160); Cels. VIII 38,19–22 (SC 150, 258).
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wirksam: „the need to speak of it in terms of action and love, of limitless gift and accessibility in grace.“186 Vom philosophischen Impuls sind diejenigen Aussagen und Bemerkungen getragen, denen zufolge das kreatürliche Vernunftvermögen unmöglich zu einer Wesensschau Gottes vorzudringen vermag. So spricht Origenes ganz allgemein von der „Kraft des geschaffenen Geistes, die für eine Erkenntnis Gottes zu schwach ist.“187 Dementsprechend gilt, dass „die menschliche Natur nicht ausreicht, Gott irgendwie zu suchen und ihn unverfälscht zu finden“.188 „Die Fülle dessen, was von Gott geschaut und erkannt werden kann“, so erklärt Origenes an anderer Stelle, „ist für die menschliche Natur unbegreiflich.“189 Ganz auf der Linie des philosophischen Impulses liegen auch diejenigen Äußerungen, die darauf hindeuten, dass Origenes selbst dem Sohn und dem Heiligen Geist eine vollkommene Wesenserkenntnis des Vaters abspricht und diesem somit eine letzte, unerreichbare Transzendenz auch gegenüber den beiden anderen wesenhaft göttlichen Hypostasen zuschreibt. So ergänzt er an der zuletzt zitierten Stelle lapidar, dass Gott „vielleicht auch für die übrigen Wesen, die außer Christus und dem Heiligen Geist geworden sind“, unbegreiflich ist.190 Die Auffassung, dass der Vater selbst für den Sohn in seiner tiefsten Wirklichkeit unerkennbar bleibt, finden wir besonders deutlich an einer Stelle des Johanneskommentars artikuliert, wo es heißt, die γνῶσις und die ϑεωρία, die der Vater von sich selbst besitzt, sei größer als die γνῶσις und die ϑεωρία, die der Sohn vom Vater hat.191 Mit diesem Gedanken stimmt ein Zitat überein, das Justinian aus dem vierten Buch von Περὶ 186 Williams, The Son’s knowledge of the Father 150. 187 Cels. VI 17,21 f. (SC 147, 220): διὰ τὴν βραχυτέραν δύναμιν αὐτοῦ [sc. τοῦ νοῦ] τῆς
κατανοήσεως τοῦ ϑεοῦ.
188 Cels. VII 42,28–30 (SC 150, 114): ἡμεῖς δὲ ἀποϕαινόμεϑα ὅτι οὐκ αὐτάρκης ἡ ἀνϑρωπίνη
ϕύσις ὅπωσποτανοῦν ζητῆσαι τὸν ϑεὸν καὶ εὑρεῖν αὐτὸν καϑαρῶς.
189 In Ioh. comm. II 28,172 (SC 120, 322): τὸ πλῆϑος τῶν περὶ ϑεοῦ ϑεωρημάτων καὶ γνώσεως
ἄληπτον τυγχάνον ἀνϑρωπίνῃ ϕύσει. Vgl. auch Princ. I 1,5 (TzF 24, 106–108): […] dicimus secundum veritatem quidem deum inconprehensibilem esse atque inaestimabilem. Si quid enim illud est, quod sentire vel intellegere de deo potuerimus, multis longe modis eum melio rem esse ab eo quod sensimus necesse est credi. […] Quid autem in omnibus intellectualibus, id est incorporeis, tam praestans omnibus, tam ineffabiliter atque inaestimabiliter praecellens quam deus? Cuius utique natura acie humanae mentis intendi atque intueri, quamvis ea sit purissima mens ac limpidissima, non potest. 190 In Ioh. comm. II 28,172 (SC 120, 322–324): τάχα δὲ καὶ ἑτέροις παρὰ Χριστὸν καὶ τὸ ἅγιον πεῦμα γενητοῖς. 191 In Ioh. comm. XXXII 28,350 (SC 385, 336–338). Ob Origenes für den Heiligen Geist eine durch den Sohn vermittelte oder eine unmittelbare Gotteserkenntnis annimmt, ist kaum sicher zu klären (vgl. – im Anschluss an Joh 16,14 – In Ioh. comm. II 18,127 [SC 120, 290– 292]; XX 29,263 [SC 290, 286] einerseits und Princ. I 3,4 [TzF 24, 166]; In Num. hom. 18,2,2,69–77 [SC 442, 316–318] andererseits, dazu Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 246).
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Ἀρχῶν überliefert: „Ein anderer wird fragen, ob es wahr ist, dass Gott [sc. der Vater] von sich selbst ebenso erkannt werde, wie er vom Eingeborenen erkannt wird (γινώσκεσϑαι), und er wird darauf hinweisen, dass das Wort: ‚Der Vater, der mich gesandt hat, ist größer als ich‘ (Joh 14,28; vgl. 6,44) in jeder Hinsicht wahr ist (ἐν πᾶσιν ἀληϑές). Folglich ist der Vater auch im Erkennen (ἐν τῷ νοεῖν) größer, sofern er klarer (τρανοτέρως) und vollkommener (τελειοτέρως) von sich selbst erkannt wird (νοεῖται) als vom Sohn.“192 Eine sachlich identische, weitgehend sogar wörtliche lateinische Übersetzung dieses Zitats bietet bereits Hieronymus.193 Diese Doppelüberlieferung, in der sich jeweils Joh 14,28 als Schriftbeweis für die angeführte These findet, dürfte ein überzeugendes Indiz dafür sein, dass der origeneische Gedanke von Justinian und Hieronymus authentisch bewahrt worden ist,194 zumal er ja auch im Johanneskommentar begegnet. Um diesen Gedanken in das größere Ganze des origeneischen Denkens einzuordnen, hat Rowan Williams die Deutung vorgeschlagen, dass nach Origenes allein der Vater als intel lectualis natura simplex „the simplicity of his own nature“ erkenne, so dass die Tiefendimension der radikalen Einfachheit seines Wesens selbst dem Sohn und dem Heiligen Geist verschlossen bleibt.195 Thomas Böhm hat diese Interpretation aufgegriffen und entsprechend seiner bereits skizzierten prinzipientheoretischen Deutung der origeneischen Gotteslehre die letzte Unbegreiflichkeit des Vaters auch für den Sohn und den Heiligen Geist damit begründet, dass allein der Vater in seiner vollkommen differenzlosen absoluten Selbstgegenwärtigkeit eine vollkommene Erkenntnis seiner selbst besitzt.196 Origenes’ Überlegungen zur Erkennbarkeit des Vaters werden sowohl von Williams als auch von Böhm in dem vielgestaltigen geistesgeschichtlichen Strom verortet, der vom Mittel- zum Neuplatonismus führt. So legt sich beiden Autoren eine Deutung der origeneischen Trinitätslehre im Sinne der platonischen Stufenontologie nahe. Und in der Tat 192 Justinian, Epist. ad Men., frg. 39 (ACO 3, 209,20–23 = TzF 24, 810). 193 Hieronymus, Epist. 124,13 (CSEL 56/1, 115,23–116,4 = TzF 24, 810): Curiosus lector inquirat,
utrum ita a semet ipso cognoscatur pater, quomodo cognoscitur a filio, sciensque illud, quod scriptum est: „Pater, qui me misit, maior me est“ (Joh 14,28; vgl. 6,44), in omnibus vere esse contendet, ut dicat et in cognitione filio patrem esse maiorem, dum perfectius et purius a semet ipso cognoscitur quam a filio. 194 Rufin (Princ. IV 4,8 [TzF 24, 808]) scheint die in den Zitaten bei Justinian und Hieronymus begegnende Differenzierung, für die jeweils Joh 14,28 als Beleg angeführt wird, im Sinne der kirchlichen Trinitätslehre seiner Zeit beseitigt zu haben, wenn er die je größere Selbsterkenntnis nicht nur dem Vater, sondern der ganzen göttlichen Natur (d. h. dem Wesen der Trinität) zuschreibt: Illa enim natura soli sibi cognita est. Solus enim pater novit filium, et solus filius novit patrem (vgl. Mt 11,27), et solus spiritus sanctus perscrutatur etiam alta dei (vgl. 1 Kor 2,10). 195 Williams, The Son’s knowledge of the Father 147. 150. 196 Böhm, „Denken des Einen“ 134 f.; Böhm, Unbegreiflichkeit Gottes 454 f.; Böhm, Origenes 8–10.
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scheint sich der philosophische Impuls, der Origenes’ Überlegungen zur Erkennbarkeit des Vaters durchzieht, kaum mit der Vorstellung einer Wesensgleichheit der drei göttlichen Hypostasen vereinbaren zu lassen. Wo Origenes Joh 14,28 in Übereinstimmung mit den metaphysischen Überlegungen zur Transzendenz der ersten Hypostase auf die Selbsterkenntnis des Vaters bezieht, scheint er den Sohn (ebenso wie den Heiligen Geist) dem Vater auch seinsmäßig unterzuordnen. Der theologische Impuls hingegen zeichnet in das Bild eine innige Erkenntnisgemeinschaft ein, die nicht nur zwischen dem Vater auf der einen und dem Sohn sowie dem Heiligen Geist auf der anderen Seite besteht, sondern an der teilzunehmen alle vernunftbegabten Kreaturen berufen sind, um darin ihre eschatologische Vollendung zu finden. Zum Beweis dafür beruft sich Origenes auf Schriftstellen wie Mt 11,27, 1 Kor 2,10, 1 Kor 8,2 und 1 Kor 15,28. In ewiger Gegenwart, so erklärt er, verharrt der Sohn „in der ununterbrochenen Schau (τῇ ἀδιαλείπτῳ ϑέᾳ) der väterlichen Tiefe.“197 Der Sohn, „der den Vater erkannt hat (ἐγνωκώς; vgl. Mt 11,27) […], offenbart den Vater, den er erkannt hat,“ den Vernunftgeschöpfen, die den Vater allein dadurch zu erkennen vermögen, dass der Sohn sie zu dieser Erkenntnis führt.198 Für den Sohn als seinen Logos ist also der Vater sehr wohl „erreichbar (ἐϕικτός), der nicht nur durch ihn geistig erfasst wird (καταλαμβανόμενος), sondern auch durch den, dem er den Vater offenbart“.199 Dementsprechend kann nur derjenige „die Tiefe der Lehren über Gott (τὸ βάϑος τῶν περὶ ϑεοῦ δογμάτων)“ erfassen, der den Heiligen Geist besitzt, der nach 1 Kor 2,10 alles, „auch die Tiefen Gottes [sc. des Vaters] erforscht.“200 Im Zusammenhang mit dieser Feststellung kommt Origenes auch recht ausführlich auf die innige Erkenntnisgemeinschaft zu sprechen, die nach Mt 11,27 zwischen dem Vater und dem Sohn besteht und aufgrund derer der Sohn den Geschöpfen den Vater zu offenbaren vermag: „Aber auch unser Erlöser und Herr, der Logos Gottes, stellt die Größe der Erkenntnis des Vaters (τὸ μέγεϑος τῆς γνώσεως τοῦ πατρός) vor Augen, dass sie, wie es seiner Würde entspricht (κατ᾽ ἀξίαν), in vorzüglicher Weise von ihm selbst erfasst und erkannt wird (λαμβάνεται καὶ γινώσκεται), zweitens aber von denen, die in ihrem Vernunftvermögen (ἡγεμονικόν) von ihm als dem Logos und Gott erleuchtet werden. Er sagt nämlich: ‚Niemand erkennt (ἔγνω) den Sohn außer der Vater und niemand den Vater außer der Sohn und der, dem es der Sohn offenbart‘ (vgl. Mt 11,27). Weder kann jemand den Ungewordenen (ἀγένητον) und Erstgeborenen aller gewordenen Natur (πάσης γενητῆς ϕύσεως πρωτότοκον; vgl. Kol 1,15) seiner Würde entsprechend (κατ᾽ ἀξίαν) kennen (εἰδέναι) wie der Vater, 197 In Ioh. comm. II 2,18 (SC 120, 218). 198 In Ioh. comm. I 38,277 f. (SC 120, 198–200). 199 Cels. VI 65,10–14 (SC 147, 342). 200 Cels. VI 17,27–30 (SC 147, 220). Vgl. Princ. I 3,4 (TzF 24, 166), wo sich ebenfalls der Verweis
auf Mt 11,27 und 1 Kor 2,10 findet.
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der ihn gezeugt hat, noch den Vater, wie der beseelte Logos (ἔμψυχος λόγος) und seine Weisheit und Wahrheit. Durch Teilhabe (μετοχῇ) an dem, der vom Vater die Finsternis, die dieser, wie es heißt, ‚zu seinem Versteck machte‘ (vgl. Ps 17,12) und dessen so genannten ‚Mantel‘, den Abgrund (vgl. Ps 103,6), wegnimmt und so den Vater offenbart (ἀποκαλύπτοντος), erkennt (γινώσκει) ihn [sc. den Vater], wer imstande ist, ihn zu erkennen (γινώσκειν).“201 Was nach Origenes der geschaffene Geist aus eigener Kraft nicht zu vollbringen vermag, die κατανόησις des ursprungslosen Ursprungs aller Wirklichkeit, das wird ihm im Zustand seiner eschatologischen Vollendung durch Vermittlung des Sohnes ermöglicht. „Dann nämlich“, so erklärt Origenes, „wird die einzige Tätigkeit derer, die zu Gott durch den bei ihm seienden Logos (vgl. Joh 1,1) gelangt sind, darin bestehen, Gott zu erkennen (κατανοεῖν τὸν ϑεόν), damit diejenigen, die so in der Erkenntnis (γνῶσις) des Vaters gestaltet worden sind (μορϕωϑέντες), wie jetzt allein der Sohn den Vater erkennt (ἔγνωκε; vgl. Mt 11,27), alle in vollkommener Weise (ἀκριβῶς) Sohn werden. Würde nämlich jemand sorgfältig prüfen, wann diejenigen den Vater erkennen werden (γνώσονται), denen es der den Vater erkennende Sohn offenbart (ἐγνωκώς; vgl. Mt 11,27), und sehen, dass der Sehende jetzt ‚mittels eines Spiegels und in rätselhafter Gestalt‘ (1 Kor 13,12) sieht (βλέπειν) und noch nicht so erkennt (ἐγνωκότα), ‚wie man erkennen (γνῶναι) soll‘ (1 Kor 8,2), würde er nicht fehlgehen, wenn er sagt, dass niemand den Vater erkannt hat (ἐγνωκέναι), sei er Apostel oder Prophet, sondern erst, wenn sie eins geworden sind, wie der Vater und der Sohn eins sind (vgl. Joh 17,12; 14,10).“202 In diesem Zitat interpretiert Origenes – mehr implizit als explizit – die Erkenntnisgemeinschaft, die zwischen dem Vater und dem Sohn besteht, als die Weise, in der beide miteinander eins sind. Die vernunftbegabte Kreatur ist dazu berufen, nach dem Vorbild der Sohnschaft des ewigen Sohnes selbst zum Sohn zu werden, einzutreten in die Erkenntnis des Vaters, um in dieser Erkenntnis eins mit dem Vater, dem Urgrund der Gottheit, d. h. selbst vergöttlicht zu werden. Wenn Gott, der Vater, entsprechend der paulinischen Verheißung „alles in allem“ sein wird (1 Kor 15,28), so führt Origenes aus, wird die vernunftbegabte Kreatur „wie der Sohn Augenzeuge des Vaters und der Wirklichkeit, die dem Vater eigen ist (ὁμοίως τῷ υἱῷ αὐτόπτης τοῦ πατρὸς καὶ τῶν τοῦ πατρός)“.203 Eindringlicher noch bringt Origenes diese Vision einer eschatologischen Gottesschau durch die Kreatur in seinem Frühwerk Περὶ Ἀρχῶν zum Ausdruck: „Ich glaube freilich“, so erklärt er dort, „dass der Satz, wonach Gott ‚alles in allem‘ ist (1 Kor 15,28), bedeutet, dass Gott auch in jedem einzelnen alles ist. In dem einzelnen aber wird er auf folgende Weise alles sein: Wenn der 201 Cels. VI 17,31–44 (SC 147, 222). 202 In Ioh. comm. I 16,92 (SC 120, 108). Obgleich diese Textstelle vor dem ἀκριβῶς korrum-
piert ist (s. Anm. 1099), ist doch ihre Aussage klar und deutlich.
203 In Ioh. comm. XX 7,47 f. (SC 290, 178–180).
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vernunftbegabte Geist (rationabilis mens) gereinigt ist von allem Abschaum der Sünde und aller Nebel der Bosheit ganz und gar entfernt ist, dann wird alles, was auch immer er wahrnehmen, erkennen oder denken kann (vel sentire vel intelli gere vel cogitare potest), Gott sein, und er wird nichts anderes mehr als nur noch Gott wahrnehmen (sentire), Gott denken (cogitare), Gott sehen (videre), Gott haben (tenere). Gott wird das bestimmende Maß (modus et mensura) all seiner Gedanken sein, und so wird Gott für ihn alles sein.“204 Vor diesem Hintergrund dürfte die These, wonach die Begrenztheit der Gotteserkenntnis der Menschen in deren irdischer Daseinsweise begründet liegt, in der ihr Erkenntnisvermögen „derart gebunden ist an ihren armseligen Leib“ (vgl. Phil. 3,21), dass ihnen die Gotteserkenntnis nicht möglich ist,205 als Korrektiv gegenüber den kategorisch formulierten anderslautenden Aussagen zu verstehen sein, wonach das kreatürliche Erkenntnisvermögen an sich zu einer Wesenserkenntnis Gottes nicht in der Lage ist.206 Die angeführten Zitate, in denen bereits eine Vielfalt von Gesichtspunkten zur Sprache kommt, denen wir im weiteren Verlauf unserer Untersuchung noch ausführlicher nachgehen werden, scheinen nun in unterschiedlicher Deutlichkeit das philosophische Axiom der radikalen Transzendenz des Vaters zu modifizieren, ja stellenweise sogar mit ihm zu brechen. Vor allem in Anbetracht derjenigen Textstellen, an denen Origenes über die eschatologische Gotteserkenntnis spricht, in der sich die Vergöttlichung der vernunftbegabten Kreaturen nach dem Vorbild der Gotteserkenntnis des Sohnes vollzieht, stellt sich die Frage, ob er an diesen Stellen nicht die von Williams und Böhm aufgrund anderweitiger Zitate mit guten Gründen vertretene These von der letzten Unerkennbarkeit des Vaters aufgibt. Jedenfalls scheint Origenes auf diesem Weg dem Gedanken einer Wesensgleichheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist sehr viel näher zu kommen, ohne diesen Gedanken freilich als solchen zu entfalten. Bisweilen scheint er die Vorstellung einer trinitarischen Wesensgleichheit sogar auf die Vision einer in der Apokatastasis realisierten All-Einheit hin zu überschreiten.207 So sind in den vorliegenden Ausführungen zur Hypostase des Vaters bereits wesentliche Fragen und Aspekte der origeneischen Trinitätslehre zur Sprache gekommen, wie dies der Bedeutung entspricht, die der Vater darin einnimmt. Mit 204 Princ. III 6,3 (TzF 24, 648–650). 205 Cels. VI 17,19 f. (SC 147, 220). 206 In Princ. I 1,5 (TzF 24, 108) stehen beide Positionen unvermittelt nebeneinander. 207 Vgl. dazu Princ. III 6,1 (TzF 24, 644): Ipse quoque dominus in evangelio haec eadem non
solum futura, verum etiam sui intercessione futura designat, dum ipse hoc a patre discipulis suis impetrare dignatur dicens: „Pater, volo ut ubi ego sum et isti mecum sint“ (Joh 17,24); et „Sicut ego et tu unum sumus, ita et isti in nobis unum sint“ (vgl. Joh 10,30; 17,21). In quo iam videtur ipsa similitudo, si dici potest, proficere et ex simili „unum“ iam fieri, pro eo sine dubio quod in consummatione vel fine „omnia et in omnibus deus“ est (1 Kor 15,28).
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der biblischen und der kirchlichen Tradition lehrt Origenes, dass allein der Vater Urgrund und Ziel aller Wirklichkeit ist, so dass er als Angelpunkt sowohl des ewig bestehenden trinitarischen Beziehungsgefüges als auch der trinitarischen Heilsökonomie zu gelten hat. Was das Verhältnis des Vaters zum Sohn und zum Heiligen Geist betrifft, so hat unsere Untersuchung bisher gezeigt, dass in dieser Frage bei Origenes zwei Perspektiven mehr oder weniger unvermittelt nebeneinander stehen: Einerseits neigt er dazu, den Vater in eine absolut unnahbare Transzendenz zu rücken, so dass dieser selbst für den Sohn und den Heiligen Geist letztlich unerreichbar ist und diese als in ihrem Gottsein depotenzierte Hypostasen erscheinen. Zum anderen scheint Origenes diese Sicht aber dadurch zu modifizieren, ja sogar zu korrigieren, dass er den Vater im Anschluss an zentrale Aussagen des Neuen Testaments in einer dynamischen Beziehung mit dem Sohn und dem Heiligen Geist verbunden sieht, so dass sich die trinitarische Beziehungswirklichkeit als Wesensgleichhheit darzustellen scheint. Der weiteren Untersuchung bleibt es aufgetragen, diese Aspekte weiter zu verfolgen.
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2. Die zweite Hypostase: Der Sohn 2.1 Die Konstitution des Sohnes: Zeugung und Schau Von Ewigkeit zu Ewigkeit setzt sich der über alle Wirklichkeit erhabene Gott als Vater in Beziehung zu seinem Sohn. Dadurch ist er ewig Vater und ist der Sohn, der sich ihm in allem verdankt, ewig Sohn. „Immerwährend oder ewig“, so erklärt Origenes, „nennt man im eigentlichen Sinn das, was weder einen Anfang des Seins hat noch jemals aufhören kann zu sein, was es ist.“208 Die zwischen Vater und Sohn bestehende Beziehung ist also im steten Heute der ewigen Gegenwart, die der Wirklichkeit Gottes eigen ist, aller Zeit enthoben. So ist die Konstitution des Sohnes aus der Wirklichkeitsfülle des Vaters ein für das diskursive menschliche Denken und die menschliche Sprache letztlich unbegreiflicher Vorgang. Nach Origenes besteht zwischen Vater und Sohn ein logisch-kausales Begründungsverhältnis, das die Nachordnung des Sohnes als selbständiger Hypostase zur Folge hat. Seiner Eigenart entsprechend lässt sich dieses Begründungsverhältnis nur bildhaft als „ewige und immerwährende Zeugung (aeterna ac sempiterna generatio)“ beschreiben.209 Die Metapher der ewigen Zeugung hatte zur damaligen Zeit in den Prinzipientheorien platonischer Provenienz bereits eine lange Tradition. So ist davon auszugehen, dass Origenes die Zeugungsmetapher im Horizont dieser Tradition verwendet, um die Beziehungswirklichkeit zwischen der ersten und der zweiten göttlichen Hypostase zu veranschaulichen. Die Gedankenfigur der ewigen Zeugung kann er allerdings nur deshalb aufgreifen, weil er sie im Sprachgebrauch der Heiligen Schrift begründet findet.210 Seine wichtigste biblische Referenzstelle ist der Psalmvers: „Mein Sohn bist du, heute (σήμερον) habe ich dich gezeugt (γεγέννηκά σε)“ (Ps 2,7; vgl. Hebr 1,5). Diesen Psalmvers interpretiert Origenes als Rede des Vaters an den Sohn. Er erkennt darin ein besonders tiefes Zeugnis über die „edle Abstammung des Sohnes (ἡ εὐγενεία τοῦ υἱοῦ)“. So sieht er in der Zeitangabe σήμερον die ewige, aller Zeit enthobene Gegenwart ausgedrückt, in der sich die Zeugung des Sohnes vollzieht. Das σήμερον, so erklärt er, meint die 208 Princ. I 2,11 (TzF 24, 152). 209 Princ. I 2,4 (TzF 24, 130). 210 Mit dem Theologumenon der ewigen Zeugung ist Origenes – wie übrigens auch sein Zeit-
genosse Novatian (vgl. De trin. XXXI 184–187 [Test. 2, 196–200]) – einen wesentlichen Schritt über die Logosspekulation der Apologeten hinausgegangen, die im Rückgriff auf die Logoslehre der Stoa eine Zeugung des Sohnes erst zum Zweck der Schöpfung lehrten (vgl. Vogt, Sohn Gottes – Logos des Schöpfers 254–259). Für die spätere Lehre von der ewig in sich bestehenden, sog. „immanenten“ Trinität ist dieses Theologumenon von entscheidender Bedeutung geworden. „Mit dieser Theorie hat Origenes Bahnbrechendes geleistet“, so Dünzl, Geschichte des trinitarischen Dogmas 49.
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immerwährende Gegenwart, das ἀεί, die ἀγένητος καὶ ἀΐδιος ζωή Gottes.211 Denselben Hinweis darauf, dass der Vater den Sohn „immerdar zeugt (ἀεὶ γεννᾷ)“,212 findet er im Buch der Sprichwörter. Dort bezeugt die personifizierte Weisheit über sich selbst: „Vor allen Hügeln zeugt er mich (γεννᾷ με)“ (Spr 8,25). Aus 1 Kor 1,24 weiß Origenes, dass unter der Weisheit Gottes Christus, der ewige Sohn des Vaters, zu verstehen ist, so dass er diesen Vers als Zeugnis des Sohnes über seine göttliche Zeugung interpretiert. Dabei weist er ausdrücklich darauf hin, dass der Sohn seine Zeugung als Gegenwartsgeschehen beschreibt. Weil er in ewiger Gegenwart aus dem Vater hervorgeht, „deshalb sagt er: ‚Vor allen Hügeln zeugt er mich‘, nicht aber: ‚Vor allen Hügeln hat er mich gezeugt‘, sondern: ‚Vor allen Hügeln zeugt er mich‘ “.213 Daraus schließt Origenes, dass die ewige Beziehungswirklichkeit zwischen Vater und Sohn durch ein zeitlos bestehendes, untrennbares Band geknüpft ist,214 durch das beide Hypostasen stets unzertrennlich aufeinander bezogen sind: „Der Vater hat den Sohn nicht gezeugt und ihn dann als Vater aus seiner Zeugung entlassen (ἀπέλυσεν).“215 Im Bild des Abglanzes, der seiner Lichtquelle entströmt und als solcher permanent durch das Licht begründet wird, illustriert Origenes die Eigenart dieser Ursprungsrelation, in der der Sohn „untrennbar (inseperabiliter)“, d. h. wesenhaft zu seinem Vater steht.216 Auch die Lichtmetaphorik, die ebenfalls ein klassischer Topos in der platonischen Prinzipientheorie ist, begründet Origenes mit dem Sprachgebrauch der Heiligen Schrift. In Hebr 1,3 wird der Sohn nämlich als „Abglanz der Herrlichkeit“ Gottes, des Vaters, bezeichnet. Als solcher, so sagt Origenes, wurde er „nicht bloß ein einziges Mal (οὐχὶ ἅπαξ) gezeugt, um dann nicht mehr weiter gezeugt zu werden, sondern so, wie das Licht seinen Abglanz hervorbringt, wird der Abglanz der Herrlichkeit Gottes gezeugt.“217 Außerdem verweist er auf Weish 7,26, wo es von der Weisheit, die der eingeborene Gottessohn ist, heißt, sie sei „Abglanz des ewigen Lichts“.218
211 In Ioh. comm. I 29,204 (SC 120, 160). 212 In Hier. hom. 9,4,73 (SC 232, 392). Schadel, Trinitätskonzept des Origenes 206 kommen-
tiert treffend, durch das ἀεί und das γεννᾷ werde „vom Prinzip der Gottheit eine überquellende, eine sich schwundlos verschwendende Wirklichkeitsfülle ausgesagt.“ 213 In Hier. hom. 9,4,80–83 (SC 232, 392–394). Weil der Vater den Sohn zeugt, kann Origenes unter dem Begriff ἀρχή in Joh 1,1 den Vater verstehen, den er als ἀρχὴ υἱοῦ bezeichnet (In Ioh. comm. I 17,102 [SC 120, 112–114]). 214 Vgl. In Matth. comm. XIII 19 (GCS Orig. 10, 232,28 f.): ἀχώριστός ἐστι τοῦ υἱοῦ ὁ πατήρ und Princ. I 2,2 (TzF 24, 124); 2,7 (TzF 24, 136). – Zum Gedanken der Untrennbarkeit von Vater und Sohn vgl. auch Tertullian, Adv. Prax. 8,4–7 (FC 34, 130–134); 19,8 (FC 34, 192); 22,6 (FC 34, 206). 215 In Hier. hom. 9,4,71–73 (SC 232, 392). 216 Princ. I 2,7 (TzF 24, 136). 217 In Hier. hom. 9,4,75–78 (SC 232, 392). 218 In Hier. hom. 9,4,78–80 (SC 232, 392).
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Das ewige Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist
Die Zeugung des Sohnes bedeutet, dass dieser in seiner ganzen Wirklichkeit durch den Vater begründet und fortwährend vom Vater in seinem Dasein als Sohn erhalten wird, wobei sich in ihm diejenige Wirklichkeit manifestiert, die dem Vater eigen ist.219 Der Vater, der nur aufgrund der ewigen Zeugung von Ewigkeit zu Ewigkeit Vater ist,220 hat den Sohn dazu bestimmt, die Fülle der Güter (τὰ ἀγαϑά/πλῆϑος ἀγαϑῶν) zu sein, als die ihn die Apostel nach dem Zeugnis der Schrift verkünden (Röm 10,15; vgl. Jes 52,7).221 Über den einzigartigen, geheimnisvollen Vorgang seiner permanenten Konstitution aus dem Vater spricht der Sohn zu seinen Jüngern, wenn er sie wissen lässt: „Ich habe eine Speise zu essen, die ihr nicht kennt“ (Joh 4,32). „Es ist nicht unsinnig zu sagen“, so bemerkt Origenes zu diesem Schriftwort, „dass nicht nur die Menschen und die Engel der geistigen Speisen (νοηταὶ τροϕαί) bedürfen, sondern auch der Christus Gottes. Denn er, so möchte ich sagen, stärkt sich immerdar (ἀεί) vom Vater, der allein unbedürftig und sich selbst genügend ist (ἀνενδεὴς καὶ αὐτάρκης αὑτῷ).“222 Noch ein weiteres Schriftzitat wird von Origenes für den Hervorgang des Sohnes aus dem Vater angeführt. Es ist Ps 44,2: „Ausgestoßen hat mein Herz ein gutes Wort (λόγον ἀγαϑόν).“ Origenes zieht in Erwägung, dass dieser Vers als Aussage des Vaters über die Hervorbringung des Sohnes gedeutet werden kann, der hier wie in Joh 1,1 λόγος genannt wird.223 Allerdings sieht er dieses Psalmwort der Gefahr zweier Fehldeutungen ausgesetzt. Zum einen weist er darauf hin, der Vers dürfe nicht im körperlichen Sinn verstanden werden. Das Wort Herz meint hier kein körperliches Organ, sondern ist als bildlicher Ausdruck für die „geistige Kraft (νοητικὴ δύναμις)“ des Vater zu verstehen.224 Die ewige Zeugung des Sohnes ist in Anbetracht der vollkommenen Unkörperlichkeit und Unteilbarkeit Gottes als unkörperlicher Vorgang zu denken.225 Unter dieser Voraussetzung kann die Aussage von Ps 44,2 nach Origenes aber mit Recht als tiefe Einsicht in den geistigen Konstitutionsprozess des Sohnes verstanden werden, in dem dieser in seiner ganzen noetischen Seinsfülle vom Vater als dessen Wahrheit hervor-
219 In Hier. hom. 8,2,6 f. (SC 232, 356–358): πάντα γὰρ ὅσα τοῦ ϑεοῦ τοιαῦτά ἐστιν, ὁ Χριστός
ἐστιν. Grillmeier, Jesus der Christus 271 formuliert: Im Sohn „nehmen die transzendenten Eigenschaften des Vaters Gestalt an.“ 220 Vgl. In Ioh. comm. X 37,246 (SC 157, 530). 221 In Ioh. comm. I 9,52 (SC 120, 88); 10,60–63 (SC 120, 90–92). Vgl. In Ioh. comm. XXXII 7,77 f. (SC 385, 220); 8,86 f. (SC 385, 224); 10,122 (SC 385, 240). 222 In Ioh. comm. XIII 34,219 (SC 222, 148–150). Auf die Selbstzurüstung des Sohnes zielt auch das Verb trahere in Princ. I 2,2 (TzF 24, 124); 2,9 (TzF 24, 142) ab. 223 In Ioh. comm. I 38,280 f. (SC 120, 200). 224 In Ioh. comm. I 38,281 f. (SC 120, 200). 225 Vgl. Princ. I 2,6 (TzF 24, 134); IV 4,1 (TzF 24, 782) und die Parallelüberlieferung bei Eusebius von Cäsarea, C. Marcell. I 4 (GCS Eus. 4, 21,16–22 = TzF 24, 782). Vgl. auch In Ioh. comm. XX 18,157 f. (SC 290, 232–234).
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gebracht wird.226 „Wohl nicht ohne Grund steht da: ‚er hat ausgestoßen‘ “, so erklärt Origenes. „Tausend andere Ausdrücke hätten nämlich ausgewählt werden können anstelle des: ‚er hat ausgestoßen‘ […]. Aber ebenso wie das Hervortreten (πρόοδος) eines verborgenen Hauchs (πνεύματός τινος ἀποκρύπτου) ins Offene (εἰς ϕανερόν) der Ausstoß (ἡ ἐρυγή) des Ausstoßenden ist, wodurch dieser gewissermaßen ausatmet, so stößt wohl der Vater die Erkenntnisbilder der Wahrheit (τὰ τῆς ἀληϑείας ϑεωρήματα) aus, indem er sie nicht zurückhält (οὐ συνέχων), und lässt sie Gestalt annehmen im Logos (καὶ ποιεῖ τὸν τύπον αὐτῶν ἐν τῷ λόγῳ), der deshalb auch ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) heißt.“227 Ein anderes gravierendes Missverständnis von Ps 44,2 wirft Origenes denjenigen vor, die sich auf diesen Vers berufen, um dem Sohn seine hypostatische Eigenständigkeit abzusprechen. Sehr wahrscheinlich wendet er sich mit diesem Vorwurf gegen Anhänger der valentinianischen Gnosis, die die Bezeichnung des Sohnes als Logos des Vaters in Entsprechung zum menschlichen Wort gedeutet und daraus den Schluss gezogen haben, dass der Sohn keine gegenüber dem Vater selbständige Wirklichkeit ist. Demgegenüber beharrt Origenes darauf, dass es sich bei Vater und Sohn um zwei voneinander ebenso verschiedene wie ungetrennte eigenständige Hypostasen handelt.228 Die Beziehung, in der der Sohn zum Vater steht und die Origenes vorwiegend mit der Metapher der ewigen Zeugung beschreibt, findet im Johanneskommentar eine ergänzende Explikation. In seiner Auslegung von Joh 1,1 weist Origenes auf die Reihenfolge der Aussagen in diesem Vers hin. Dem Satzglied ϑεὸς ἦν ὁ λόγος geht dort das Satzglied ὁ λόγος ἦν πρὸς τὸν ϑεόν voraus, wobei beide Satzglieder durch die Kopula καί miteinander verbunden sind. Diese Reihenfolge ist nach Origenes von großem theologischen Gewicht, sieht er dadurch doch einen besonderen Aspekt des Begründungszusammenhangs zum Ausdruck gebracht, der zwischen Vater und Sohn besteht. Denn dem Sohn wird sein Gottsein gerade dadurch zuteil, dass von ihm gilt: ἦν πρὸς τὸν ϑεόν.229 Dabei versteht Origenes die Imperfektform des Verbums ἦν als Hinweis auf die ewige Gegenwart, in der es kein Werden gibt,230 während er die Präposition πρός (mit Akkusativ) in einem 226 Schon vor Origenes hat man Ps 44,2 auf die Zeugung des Sohnes gedeutet, so Justin, Dial.
38,3 (p. 134 Goodspeed); Theophilus von Antiochien, Ad Autol. II 10,2 (FP 16, 116–118); Tertullian, Adv. Prax. 7,1 (FC 34, 124); 11,2 (FC 34, 144). Vgl. auch Novatian, De trin. 13,67 (Test. 2, 94); 15,83 (Test. 2, 104–106); 17,95 (Test. 2, 116–118). 227 In Ioh. comm. I 38,283 (SC 120, 202). 228 In Ioh. comm. I 24,151 (SC 120, 136). Vgl. Irenäus von Lyon, Adv. haer. II 28,5,140–142 (SC 294, 282), der den Valentinianern vorwirft: Vos autem generationem eius ex Patre di uinantes et uerbi hominum per linguam factam prolationem transferentes in Verbum Dei, iuste detegimini a uobis ipsis quod neque humana neque diuina noueritis. 229 In Ioh. comm. II 1,10–12 (SC 120, 212–214). 230 Vgl. In Ioh. comm. frg. I (GCS Orig. 4, 483,15–484,8). Nach In Ioh. comm. II 1,8 f. (SC 120, 212) kann vom Werden erst im Hinblick auf die Inkarnation des göttlichen Logos die Rede
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durch und durch dynamischen Sinn interpretiert: als immerwährendes, ununterbrochenes Bezogensein des Sohnes auf den Vater, als sein „Auf-Gott-hin-Sein“.231 Indem der Sohn in dem aller Zeit enthobenen Jetzt der göttlichen Gegenwart auf seinen Vater hin existiert, empfängt er von diesem sein göttliches Sein. Er ist derjenige, so sagt Origenes, „der als erster durch sein Auf-Gott-hin-Sein die Gottheit in sich hineinzieht (σπάσας τῆς ϑεότητος εἰς ἑαυτόν) und den anderen Göttern neben sich […] hilft (διακονήσας), Götter zu werden, indem er zu ihrer Vergöttlichung von Gott [sc. dem Vater] schöpft und jenen in seiner Freundlichkeit daran Anteil gibt.“232 Der Sohn ist in der Weise ewig auf den Vater bezogen, dass er den Vater ununterbrochen schaut: „Durch das Auf-Gott-hin-Sein bleibt er immer (ἀεί) Gott. Er besäße es [sc. sein Gottsein] aber nicht, wenn er nicht auf Gott hin wäre, und er bliebe nicht Gott, wenn er nicht in der unaufhörlichen Schau (τῇ ἀδιαλείπτῳ ϑέᾳ) der väterlichen Tiefe verbliebe.“233 Auch in seiner bereits erwähnten Auslegung von Joh 4,32 hebt Origenes darauf ab, dass der Sohn sich die geistige Nahrung, die ihm unaufhörlich von seinem Vater her zufließt, dadurch aneignet, dass er den Vater schaut.234 Mit Blick auf das Zeugnis des Sohnes in Joh 8,38: „Ich rede, was ich bei meinem Vater gesehen habe“ bezeichnet Origenes den Sohn deshalb als „Augenzeugen“ der Wirklichkeitsfülle, als die der Vater subsistiert.235 An dieser Stelle ist an die Ausführungen zum Problem der Erkennbarkeit der ersten Hypostase zu erinnern. Es stellt sich nämlich die Frage, ob der Sohn in seinem Auf-Gott-hin-Sein den väterlichen Urgrund so vollkommen erkennend zu durchdringen und die Fülle seines Vaters so vollkommen zu verinnerlichen vermag, dass ihm das gleiche göttliche Wesen zukommt wie dem Urgrund der Gottheit. Die Frage, in welchem Umfang der Sohn nach Origenes den Vater erkennt, lautet also mit anderen Worten: Ist der Sohn mit dem Vater dem Wesen nach eins? Eine abschließende Antwort auf diese Frage ist hier noch nicht möglich. Soviel kann hier allerdings bereits festgestellt werden: Zwar führt Origenes in der Vorstellung von der seinsbegründenden Schau, in der der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit dem Vater gegenüber verharrt, eine Gedankenfigur aus, mit der auch sein Zeitgenosse Plotin in seinem metaphysischen Entwurf die Konstitution der zweiten Hypostase des absoluten Geistes im Gegenüber zur ersten Hypostase des allem Sein und Geist radikal vorgängigen absoluten Einen zu explizieren sucht.236 sein. Vgl. außerdem In Ioh. comm. II 19,130 (SC 120, 292–294), dazu Thümmel, Ἦν ποτε ὅτε οὐκ ἦν 112 f. 231 So Vogt, Ein-Geist-Sein 264. 232 In Ioh. comm. II 2,17 (SC 120, 218). 233 In Ioh. comm. II 2,18 (SC 120, 218). 234 Vgl. In Ioh. comm. XIII 34,215–218 (SC 222, 148). 235 In Ioh. comm. XX 7,46 f. (SC 290, 178–180). 236 Vgl. Plotin, Enn. V 1,6,41–44; 2,1,9–13; 4,2,2–10; VI 7,35,19–33; 9,2,33–43.
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Diese auffällige Parallele zur plotinischen Hypostasenmetaphysik rechtfertigt es jedoch nicht, die origeneischen Ausführungen über die Schau des Sohnes ausschließlich vom neuplatonischen Gedanken her zu interpretieren und allein damit die Auffassung zu begründen, Origenes habe eine ontologische Inferiorität des Sohnes gegenüber dem Vater gelehrt, wie sie der plotinischen Stufenontologie entspricht.237 Fassen wir deshalb vorerst zusammen: Durch das Band der ewigen Zeugung sind Vater und Sohn, wiewohl in ihren Hypostasen voneinander unterschieden, unzertrennlich miteinander verbunden. Von Ewigkeit zu Ewigkeit partizipiert der Sohn an der Gottheit seines Vaters, die er durch permanente geistige Schau in sich aufnimmt. In der Hypostase des Sohnes ist so in Gestalt vielheitlicher noetischer Realitäten als Weisheit und Wahrheit verwirklicht, was der Vater in seiner vollkommenen Einheit und Einfachheit als Einheit in sich begreift. Dieses Ergebnis könnte durchaus im Sinne des nizäno-konstantinopolitanischen Dogmas und der sich daran anschließenden großkirchlichen Trinitätstlehre verstanden werden. Allerdings stellt sich die Frage, in welchem genaueren Sinn Origenes die metaphorischen Vergleiche und Analogien versteht, mit denen er das Vater-Sohn-Verhältnis illustriert. Will er damit lediglich die Ursprungsrelation zum Ausdruck bringen, in der der Sohn zum Vater steht? Oder versteht er den in den Metaphern implizierten qualitativen Unterschied zwischen Begründendem und Begründetem als Ausdruck einer ontologischen Unterordnung des Sohnes unter den Vater? Bevor wir diesem Problem in einer eingehenden Exegese des einschlägigen Textmaterials genauer nachgehen, soll im folgenden Abschnitt zunächst eine Vertiefung der Frage erfolgen, wie Origenes den Sohn als vom Vater verschiedene Hypostase charakterisiert.
2.2 Sophia und Logos Der Sohn umgreift die Seinsfülle, die der Vater in seiner radikalen Einheit und Einfachheit ist, in der Vielfalt ihrer Aspekte. Aus diesem Grund zeichnet er sich, unbeschadet der Tatsache, dass er als selbständige Hypostase einer und nur einer ist, dadurch aus, dass er unter einer ganzen Fülle von Aspekten zu betrachten ist. Diese den Sohn charakterisierende Vielheit bringt Origenes in seiner Lehre von den Epinoiai zur Sprache, dem zentralen Lehrstück seiner metaphysischen Christologie und Inkarnationstheologie.238 „Der Erlöser“, so erklärt er, „ist viele 237 Vgl. zu dieser These Arnou, Contemplation créatrice 125–130, dazu Lieske, Theologie
der Logosmystik 187–208 sowie Crouzel, Origène 244.
238 Unter einer Epinoia versteht Origenes einen spezifischen Bedeutungsaspekt einer Enti-
tät, der dementsprechend eine Vielzahl unterschiedlicher Epinoiai zukommen kann. Vgl.
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Güter (πολλὰ ὢν ἀγαϑά) und hat sie in sich als erste und zweite und dritte, wobei diese Güter als solche betrachtet werden (ἐνεπινοούμενα ἔχει ἐν αὑτῷ πρῶτα καὶ δεύτερα καὶ τρίτα).“239 Die Epinoiai, welche je verschiedene Namen sind für die Fülle des Guten, die zu sein dem Sohn von seinem guten Vater her zukommt, sind also untereinander hierarchisch gegliedert.240 Origenes unterscheidet solche Epinoiai, die dem Sohn wesenhaft, von Ewigkeit zu Ewigkeit, zu eigen sind, von solchen, die ihm aufgrund der Heilsökonomie zugewachsen sind.241 Unter den wesenhaften Epinoiai nehmen die Aspekte Sophia und Logos in seiner Christologie eine herausragende Stellung ein, deren metaphysische Bedeutung im vorliegenden Abschnitt aufgezeigt werden soll. Es war schon davon die Rede, dass Origenes den ewigen Sohn des Vaters gemäß 1 Kor 1,24 als „Gottes Weisheit (ϑεοῦ σοϕία)“ versteht. Als solche umfasst der Sohn „das Wissen der göttlichen und der menschlichen Wirklichkeiten sowie ihrer Ursachen“,242 ja er ist dieses Wissen selbst, wie Origenes an anderer Stelle formuliert, wobei er beide Male dieselbe Definition zitiert, die er aus der stoischen Tradition übernommen hat.243 Die Fülle des ursprungslosen Wirklichkeitsgrundes, die der Sohn in der ihn begründenden Schau des Vaters verinnerlicht, begreift er in sich, insofern er die Sophia ist. Als solche ist er das σύστημα ϑεωρημάτων,244 worunter der Gesamtzusammenhang aller noetischen Realitäten zu verstehen ist, die der Sohn im väterlichen Urgrund schaut. Die Sophia ist die σύστασις τῆς περὶ τῶν ὅλων ϑεωρίας καὶ νοημάτων, das geordnete Gefüge, das aus der Schau des im Vater als dem göttlichen Wirklichkeitsgrund gründenden Wirklichkeitsganzen sich aufbaut und das Geschaute je als intelligible Entität umfasst.245 Weil er als dieses Gefüge die Fülle der Wirklichkeit in intelligibler Gestalt, alles also, was wirklich und wahr ist, in sich begreift, darum nennt sich der Sohn in Joh 14,6 selbst „die Wahrheit (ἀλήϑεια)“. „Wahrheit ist der Eingeborene“, so dazu paradigmatisch In Matth. comm. XVI 6 (GCS Orig. 10, 482,12–16). Über den „Begriff der Epinoia in der altchristlichen Theologie“ nach Origenes informiert Kobusch, Sein und Sprache 48–64. 239 In Ioh. comm. I 19,112 (SC 120, 120). Vgl. In Ioh. comm. VI 19,107 (SC 157, 208–210); X 5,21 (SC 157, 396). Zu Christus als Realpersonifikation aller ἀγαϑά vgl. ausführlich In Ioh. comm. I 8,47–10,65 (SC 120, 84–92) sowie 20,119–23,150 (SC 120, 122–136). 240 In Ioh. comm. I 31,223 (SC 120, 168). Vgl. In Ioh. comm. II 23,154 (SC 120, 308). 241 In Ioh. comm. I 20,123 (SC 120, 124). 242 In Matth. comm. XVII 2 (GCS Orig. 10, 578,26 f.). 243 Cels. III 72,4–6 (SC 136, 162): ἡ σοϕία ἐπιστήμη ϑείων ἐστὶ καὶ ἀνϑρωπίνων πραγμάτων καὶ τῶν τούτων αἰτίων, ähnlich In Hier. hom. 8,2,14 f. (SC 232, 358): σοϕία = ἡ ἐπιστήμη τῶν ϑείων καὶ ἀνϑρωπίνων. Zum stoischen Ursprung dieser Weisheitsdefinition vgl. SVF II Nr. 35 f. Bei Cicero, Tusc. disp. IV 26,57 heißt es: sapientiam esse rerum divinarum et humanarum scientiam cognitionemque, quae cuiusque rei causa sit. 244 In Ioh. comm. II 18,126 (SC 120, 290). 245 In Ioh. comm. I 19,111 (SC 120, 118–120). Vgl. dazu Früchtel, Ἀρχή 141 f.
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führt Origenes aus, „weil er dem Willen des Vaters gemäß den ganzen das gesamte All betreffenden Logos (πάντα τὸν περὶ τῶν ὅλων λόγον) in vollkommener Klarheit (μετὰ πάσης τρανότητος) in sich begreift […].“246 Auf die Frage, ob es etwas gibt, was allein der Vater, nicht aber der Sohn erkennt und begreift, antwortet Origenes: „Wenn sich die Wahrheit durch unversehrte Vollkommenheit auszeichnet (ὁλόκληρός ἐστιν), dann gibt es nichts Wahres, das sie nicht erkennt, damit die Wahrheit nicht wie eine, die Mangel leidet, dem nachhinkt, was sie nicht weiß […]. Oder es soll einer aufzeigen, dass es etwas gibt, dass gewusst werden kann, aber nicht unter den Begriff der Wahrheit fällt, sondern über ihr sich befindet.“247 Es wäre mithin eine falsche Ehrfurcht vor dem Vater, wollte man um der Wahrung seiner Erhabenheit willen dem Sohn absprechen, alles Erkennbare, Denkbare, Wissbare, d. h. die ganze Fülle der intelligiblen Wirklichkeit, in sich zu fassen.248 Als Wahrheit und Weisheit des Vaters ist der Sohn jedenfalls nur dann richtig verstanden, wie Origenes nicht müde wird zu betonen, wenn man nicht vergisst, dass er eine selbständige Hypostase ist. Die Sophia Gottes besteht keineswegs „in einfachen Vorstellungen Gottes (ἐν ψιλαῖς ϕαντασίαις τοῦ ϑεοῦ), der der Vater des Alls ist, vergleichbar den Vorstellungen, die sich in menschlichen Gedanken finden“249 und denen unabhängig vom menschlichen Geist keine eigenständige Existenz zukommt.250 Vielmehr hat die Sophia ihren Selbststand als „eine unkörperliche Hypostase vielfältiger ϑεωρήματα, welche die λόγοι des Alls umfassen; sie ist lebendig und gleichsam beseelt (ζῶσα καὶ οἱονεὶ ἔμψυχος)“.251 In Anspielung auf Eph 3,10, wo die σοϕία τοῦ ϑεοῦ als πολυποίκιλος beschrieben wird, stellt Origenes ihre „mannigfaltige geistige Pracht (πολυποίκιλος νοητὸς κάλλος)“ heraus, „die allein von geistigen Augen betrachtet werden kann und die denjenigen zu himmlischer Liebe antreibt, der die göttliche Schönheit (τὸ ϑεῖον κάλλος) geistig wahrnimmt.“252 In dieser mannigfaltigen Schönheit der göttlichen Weisheit ist die Einfachheit der ursprungslosen Seinsfülle des Vaters als geeinte Vielheit entfaltet.253 In ihr finden sich die τύποι und λόγοι, die intelligiblen Vorbilder und Gestaltungskräfte, denen gemäß bzw. kraft derer das All geschaffen ist. Als Sophia begreift der Sohn also gleichsam den Bauplan der gesamten Schöpfung in sich, den der Vater einem Architekten vergleichbar in der ewigen Zeugung seines 246 In Ioh. comm. I 27,186 (SC 120, 152). Vgl. auch In Ioh. comm. II 4,40 (SC 120, 232). 247 In Ioh. comm. I 27,187 (SC 120, 152–154). 248 In Ioh. comm. I 27,187 (SC 120, 152–154). 249 In Ioh. comm. I 34,243 (SC 120, 180). 250 Ein entsprechendes Missverständnis wehrt Origenes in In Hier. hom. 20,1,11–20 (SC 238,
250– 252) auch im Blick auf die Epinoia Logos ab.
251 In Ioh. comm. I 34,244 (SC 120, 180). 252 In Ioh. comm. I 9,55 (SC 120, 88). Vgl. auch In Ioh. comm. XIX 22,147 (SC 290, 136). 253 Vgl. Hengstermann, Weltseele bei Origenes 58.
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eingeborenen Sohnes entwirft.254 Vor diesem Hintergrund bezeichnet Origenes den Sohn auch mit dem Begriff κτίσις als Schöpfung. Für diese Redeweise kann er sich auf den Wortlaut von Spr 8,22 berufen, wo die Sophia über sich selbst sagt: „Gott (ὁ ϑεός)255 hat mich geschaffen (ἔκτισέν με) als Anfang seiner Wege im Hinblick auf seine Werke.“256 Wenn Origenes den Sohn als κτίσις bezeichnet, meint er damit die ideal-urbildliche Schöpfung, den Kosmos der exemplarischen ontologischen Archetypen und kreativen Wirkkräfte, die der geschaffenen Wirklichkeit zugrunde liegen.257 In platonischer Terminologie kann er diese ewige ideale Schöpfung auch κόσμος νοητός nennen,258 wobei diese Bezeichnung, wie er selbst betont, keineswegs dahingehend missverstanden werden darf, als würde er die damit verbundene platonische Vorstellung einer realen Vielheit selbstständiger Ideen teilen.259 Denn die noetische Vielfalt des κόσμος νοητός ist in der Sophia in der Weise enthalten, dass diese als Hypostase die Einheit dieser Vielheit verbürgt. Jede von ihr umfasste intelligible Realität, jede archetypische Idee und jegliche kreative Wirkkraft ist darum ein Moment ihrer selbst, wobei jedes dieser Momente selbst die eine, ungeteilte Sophia ist.260 254 In Ioh. comm. I 19,113–115 (SC 120, 120–122); 34,244 (SC 120, 180); XIX 22,147 (SC 290, 136).
Der Architektenvergleich findet sich schon bei Philon von Alexandrien, Opif. 17–25 (vgl. dazu Früchtel, Die kosmologischen Vorstellungen bei Philo 9–18). 255 Origenes weicht hier stets von der LXX ab, die κύριος liest (vgl. z. B. In Ioh. comm. I 9,55 [SC 120, 88]; 17,101 [SC 120, 112]; 19,111 [SC 120, 118]; 31,222 [SC 120, 168]). 256 In Ioh. comm. I 34,244 (SC 120, 180). Vgl. auch In Ioh. comm. I 19,115 (SC 120, 122); Princ. I 2,2 f. (TzF 24, 126). 257 Princ. I 2,2 (TzF 24, 124–126). Für die exemplarischen ontologischen Archetypen verwendet Rufin den Begriff deformatio, für die kreativen Wirkkräfte virtus. Von ihnen wird hier eine praeformatio und dispositio, descriptio und praefiguratio in der Sophia ausgesagt. Von dieser Sophia heißt es dann weiter, sie enthalte in semet ipsa universae creaturae vel ini tia vel rationes vel species. Im Griechischen entsprechen den initia die ἀρχαί, den rationes die λόγοι und den species die εἴδη (so Crouzel, Idées et Raisons 367). Nach Köckert, Christliche Kosmologie 301 lässt Origenes an der vorliegenden Stelle „eine Kenntnis der innerplatonischen Weiterentwicklung der Ideenlehre erkennen […]. Hier klingt die Unterscheidung von ἰδέαι und λόγοι an, wie sie sich beispielsweise bei Plotin findet, der zwischen den Ideen von Gattungen und Arten und den Ursachen individueller Einzelwesen unterscheidet.“ Nach Enn V 7,1–3 versteht Plotin unter den ἰδέαι die Ideen der allgemeinen Arten, die er als Gedanken des absoluten Geistes (νοῦς) interpretiert, während er unter den λόγοι die intelligiblen Urbilder der individuellen Einzelwesen versteht, deren Immanenz im konkret existierenden Individuum die Weltseele (ψυχή) bewirkt. 258 In Ioh. comm. XIX 22,146 f. (SC 290, 134–136). Vgl. Philon von Alexandrien, Opif. 20; 24 f.; Migr. 103. 259 Vgl. SC 290, 136 f. Anm. 3. 260 Die Einheit, die die zweite Hypostase in ihrer Unkörperlichkeit auszeichnet und die sich von der nur scheinbaren Einheit körperlicher Realitäten unterscheidet, betont Origenes im Blick auf verschiedene Epinoiai in Orat. 21,2 (GCS Orig. 2, 345,17–24), wo es heißt: ἓν ἡ ἀλήϑεια […] καὶ ἓν ἡ τοῦ ϑεοῦ σοϕία […] καὶ εἷς μὲν ὁ τοῦ ϑεοῦ λόγος […].
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Aus dem Selbstzeugnis der Sophia in Spr 8,22–31 geht dem Wortlaut nach hervor, dass ihre Entstehung gewissermaßen als vorgeschöpfliche Schöpfung aufzufassen ist (vgl. auch Sir 24,9). Darum betont Origenes, dass der Sohn als Sophia „über aller κτίσις (ὑπὲρ πᾶσαν κτίσιν)“ steht.261 In dieser Aussage ist unter dem Begriff κτίσις die Schöpfung als kreatürliche Wirklichkeit im strengen Sinn zu verstehen. Dieser Bedeutungsgehalt kann dem Begriff also dann nicht zukommen, wenn Origenes ihn auf den Sohn bezieht. Denn von diesem sagt er zugleich ausdrücklich, er sei „derjenige, der alle Schöpfung überragt (ὁ πᾶσαν κτίσιν ὑπερέχων)“.262 In der metaphysischen Christologie des Origenes gewinnt das Verb κτίζειν aus Spr 8,22 somit eine schillernde Bedeutung, da der überzeitliche Konstituierungsprozess des Sohnes von der Schöpfung im strengen Sinn ebenso abgegrenzt wie auf sie bezogen ist.263 Die Konstitutierung des Sohnes ist „im übertragenen Sinn“264 Schöpfung, insofern der Vater im Sohn das ideale Urbild aller kreatürlichen Wirklichkeit hervorbringt.265 Sie ist also nicht einfach Schöpfung im eigentlichen und strengen Sinn des Begriffs,266 weil sie der Entstehung dieser eigentlichen Schöpfung als Möglichkeitsbedingung vorausgeht. Als Ausdruck dieser Differenz scheint Origenes auch den christologischen Titel in Kol 1,15 „Erstgeborener der ganzen Schöpfung“ verstanden zu haben.267 Zu der Frage, ob der Sohn als Sophia ontologisch betrachtet aber letztlich der kreatürlichen Wirklichkeit angehört, mag er darin aufgrund seiner unvergleichlichen Entstehung und Funktion auch eine einzigartige Sonderstellung einnehmen, oder ob er ganz in die Seinswirklichkeit seines Vaters hineingehört, findet sich bei Origenes ein überaus kompliziertes Aussagengefüge, das an anderer Stelle noch ausführlich zu untersuchen sein wird. Hier mag vorerst der Hinweis genügen, dass die von Epiphanius, Hieronymus und Justinian vorgetragene Behauptung, Origenes habe den Sohn κτίσμα genannt und ihn ohne jede wesentliche Differenzierung unter die Geschöpfe gezählt,268 mit Sicherheit eine polemische Vergrö261 In Ioh. comm. I 34,244 (SC 120, 180). 262 In Ioh. comm. II 3,19 (SC 120, 218). Kettler, Ewigkeit der geistigen Schöpfung 278 be-
zieht diesen Ausdruck fälschlich auf den Vater, um so seine These zu begründen, es werde von Origenes „der Sohn stillschweigend zur Schöpfung gerechnet.“ 263 Vgl. Görgemanns, Die „Schöpfung“ der „Weisheit“ 201–208. 264 Abramowski, Dionys von Rom und Dionys von Alexandrien 266. Vgl. Courth, Trinität 101. 265 So auch Rius-Camps, Subordinacianismo 169. 266 Dies versucht Origenes dadurch deutlich zu machen, dass er dem zur Beschreibung der Entstehung des Sohnes verwendeten Verb κτίζειν ein ἵν᾽ οὕτως εἴπω hinzufügt (In Ioh. comm. I 19,115 [SC 120, 122]). 267 Vgl. McDonnell, Holy Spirit 14. 268 Vgl. Epiphanius von Salamis, Pan. haer. 64,5,11 (GCS Epiph. 2, 415 = TzF 24, 162); Hieronymus, Apol. c. Ruf. II 12,2 f. (SC 303, 132); Justinian, Epist. ad Men., frg. 7; 32; 39 (ACO 3, 210,7–10. 209,11–15. 209,16–23 = TzF 24, 162. 784. 810).
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Das ewige Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist
berung seines auf die zweite Hypostase bezogenen Schöpfungsbegriffs darstellt. Denn zum einen gibt es im griechisch erhaltenen Schrifttum des Origenes keine einzige Stelle, an der dieser den Sohn als κτίσμα bezeichnet.269 Zum anderen wird sich noch zeigen, dass das Verhältnis des Sohnes zur kreatürlichen Wirklichkeit von Origenes zwar alles andere als präzise und eindeutig, aber doch erheblich differenzierter gefasst wird, als Epiphanius, Hieronymus und Justinian mit ihren pauschalisierenden Referaten insinuieren. Wie ein Bauplan den Anfang, gleichsam die Grundlage eines Bauwerks darstellt, so ist der Sohn nach Origenes als Sophia die ἀρχή der Schöpfung,270 in der Gott, der Vater, nach den ersten Worten der Genesis Himmel und Erde, d. h. alles, was ist, geschaffen hat (vgl. Gen 1,1).271 Die Identifizierung der Sophia mit der metaphysischen Kategorie der ἀρχή begründet Origenes mit Spr 8,22. Dort heißt es nämlich, Gott habe die Sophia geschaffen „als Anfang seiner Wege (ἀρχὴν ὁδῶν αὐτοῦ) im Hinblick auf seine Werke.“ Aus der prädikativen Stellung von ἀρχή schließt Origenes, dass der Sohn, insofern er unter der Epinoia Sophia betrachtet wird, ἀρχή ist.272 Als ἀρχή ist der Sohn Sophia, und nur insofern er Sophia ist, ist er ἀρχή. Die logisch primäre Epinoia des Sohnes ist folglich Sophia.273 Den für seine Schöpfungs- und Offenbarungstheologie entscheidenden Zusammenhang, in dem die Epinoia Sophia zur Epinoia Logos steht, expliziert Origenes, indem er den ersten Halbvers des Johannesprologs in ebenso kreativer wie spekulativer Weise auslegt. Seine schrifthermeneutische Prämisse, wonach das Alte und das Neue Testament eine göttlich inspirierte Einheit darstellen, innerhalb derer jeder Vers mit jedem anderen interpretiert werden kann, berechtigt ihn dazu, die aus Spr 8,22 gewonnene Erkenntnis, dass der Sohn als Sophia ἀρχή ist, als Interpretationsschlüssel für das rechte Verständnis von Joh 1,1 anzuwenden. Wenn es dort heißt: Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, ist damit in einem tieferen Sinn gemeint: „In der Sophia war = ist der Logos“.274 Dabei sind Sophia und Logos aber nicht real verschiedene Wirklichkeiten, sondern bloß logisch unterschiedene Dimensionen der einen und einzigen Wirklichkeit, als die der Sohn subsistiert.275 Die ersten Worte des Johannesevangeliums offenbaren also das innere Wesensgeheimnis 269 Der Begriff κτίσμα taucht ausschließlich in dem Passus auf, den Justinian, Epist. ad Men.,
frg. 32 (ACO 3, 209,14 = TzF 24, 784) aus dem vierten Buch von Περὶ Ἀρχῶν zitiert. Mit überzeugenden Argumenten hat Görgemanns, Die „Schöpfung“ der „Weisheit“ 208 diesen Begriff hier aber als spätere Glosse erklärt, die Justinian in seiner Textausgabe bereits vorgefunden habe (gegen Lowry, ΚΤΙΣΜΑ? 39 f.). 270 In Ioh. comm. I 19,114 (SC 120, 120). 271 Vgl. In Gen. hom. 1,1,1–12 (SC 7, 24). 272 In Ioh. comm. I 19,111 (SC 120, 118). 273 In Ioh. comm. I 19,116–118 (SC 120, 122); 31,222 (SC 120, 168); Pasch. I 33 (AskÄ 4, 100,16). 274 In Ioh. comm. I 19,111 (SC 120, 118); 39,289 (SC 120, 204–206); 292 (SC 120, 206). 275 Vgl. In Ioh. comm. I 28,200 (SC 120, 158): Μηδεὶς δὲ προσκοπτέτω διακρινόντων ἡμῶν τὰς ἐν τῷ σωτῆρι ἐπινοίας, οἰόμενος καὶ τῇ οὐσίᾳ ταὐτὸν ἡμᾶς ποιεῖν.
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des ewigen Gottessohnes: Als der Logos subsistiert er in sich selbst, insofern er die Sophia ist. So ist seine Präexistenz durch Selbstreflexivität charakterisiert, die in ewiger, aller Zeit enthobener Gegenwart sich vollzieht. Denn die Imperfektform des Prädikats ἦν versteht Origenes als Ausdruck des immerwährenden Augenblicks göttlicher Selbstgegenwart.276 Pointiert hat diese Selbstreflexivität des präexistenten Gottessohnes Rolf Gögler umschrieben: „Sofern der Logos den geistigen Kosmos in sich fasst, ist er Weisheit, sofern die Weisheit sich mitteilt, ist sie Logos.“277 Als Logos nämlich kehrt der Sohn die selbstursprüngliche, alles begründende Wirklichkeitsfülle seines Vaters, die er als Sophia schauend und begreifend verinnerlicht, aussprechend nach außen. So ist er zum einen Vermittler des im ursprungslosen Ursprung gründenden Seins, also Schöpfungsmittler, zum anderen gibt er als Offenbarungsmittler Kunde von den göttlichen Mysterien, die er, am Herzen seines Vaters ruhend (vgl. Joh 1,18), von diesem vernommen hat.278 Es wurde schon darauf hingewiesen, dass nach Origenes der Sohn als Sophia in sich die Fülle der λόγοι begreift. Auf diese Eigenart des Sohnes, Fülle der λόγοι zu sein, weist die Epinoia Logos hin, wie Origenes abermals im Rückgriff auf den tieferen Aussagegehalt von Joh 1,1 erklärt. Der Satz: Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος besagt nämlich, dass, weil die Sophia als ἀρχή sämtliche λόγοι in sich umfasst, der Logos gerade als die Fülle dieser λόγοι in ihr ewig gegenwärtig ist. Wenn Origenes feststellt: „Der Logos ist ein einziger (εἷς) und besteht aus mehreren ϑεωρήματα, von denen ein jedes ϑεώρημα Teil (μέρος) des ganzen Logos ist“, nimmt er auf diesen Sachverhalt Bezug.279 Weil der Sohn in seiner noetischen Wirklichkeit unkörperlich, also unteilbar ist, kann mit dem Begriff μέρος in diesem Zitat nur gemeint sein, dass der Logos die ϑεωρήματα als Momente seiner selbst, d. h. als mit sich selbst identisch in sich begreift. Vor dem Hintergrund unserer bisherigen Ausführungen lässt sich aus dem Zitat schließen, dass Origenes die Begriffe λόγοι und ϑεωρήματα als verschieden akzentuierte Umschreibungen der noetischen Realitäten verwendet, zu denen die archetypischen Ideen und schöpferischen Wirkkräfte ebenso gehören wie die göttlichen Offenbarungswahrheiten. Das ergibt sich aus der Weise, wie er diese Begriffe mit den Epinoiai Sophia und Logos in Verbindung bringt: Einerseits sagt er, die Sophia konstituiere sich in der unun276 Vgl. In Ioh. comm. II 1,8–10 (SC 120, 212–214); frg. 1 (GCS Orig. 4, 483,16–484,6); frg. 110
(GCS Orig. 4, 564,2–10).
277 Gögler, Theologie des biblischen Wortes 227. Nicht weniger treffend formuliert May-
dieu, La procession du Logos 12: „La Sagesse est au Logos ce que le statique est au dynamique.“ Vgl. in diesem Sinn auch Pazzini, Art. Figlio 167. 278 Vgl. In Ioh. comm. I 19,111 (SC 120, 118–120); 38,277 (SC 120, 198); Princ. I 2,3 (TzF 24, 126). 279 In Ioh. comm. V 5 (SC 120, 380). Die diesem Satz unmittelbar vorausgehende Aussage: „Der ganze τοῦ ϑεοῦ λόγος, der im Anfang auf Gott hin war, ist keine πολυλογία, nämlich keine λόγοι“ will besagen, dass der präexistente Logos als Hypostase einer ist. Die Aussage ist zu verstehen vor dem Hintergrund dessen, was im Folgenden ausgeführt wird.
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terbrochenen Schau des väterlichen Urgrunds als Gefüge vielfältiger ϑεωρήματα, während er anderseits formuliert, sie begreife in sich die Fülle der λόγοι. Entsprechendes gilt für seine Aussagen über den Logos, von dem es einerseits heißt, er bestehe aus mehreren ϑεωρήματα, während er andererseits als Fülle der λόγοι gedacht ist. Diese komplizierte Begriffsvielfalt mag denjenigen verwirren, der den Kern der origeneischen Epinoiailehre außer Acht lässt, dass nämlich ungeachtet der Vielfalt seiner Aspekte der Sohn als geeinte Vielheit immer ein und derselbe ist. Mit den Epinoiai Sophia und Logos werden nur zwei begrifflich unterschiedene Aspekte des einen und einzigen Sohnes zum Ausdruck gebracht, ohne dass dadurch die Einheit der zweiten Hypostase aufgehoben würde. Weil sich der Sohn als Sophia dadurch auszeichnet, dass er in ununterbrochener Schau (ἀδιάλειπτος ϑέα) die väterliche Wirklichkeitsfülle verinnerlicht, scheint dieser Epinoia der Begriff des ϑεώρημα zu korrespondieren. Schon die Wortetymologie weist auf diese Korrespondenz hin. Der Epinoia Logos sind demgegenüber die λόγοι zuzuordnen und zwar in dem Sinn, dass jeder einzelne λόγος Moment an dem einen und selben Logos ist. Wie aber die Sophia und der Logos ein und dieselbe Hypostase sind, so sind es auch die ϑεωρήματα und die λόγοι als ihre Momente. In den Epinoiai Sophia und Logos ist unter verschiedenen Gesichtspunkten die Einheit und in den ihnen jeweils zugeordneten Begriffen ϑεωρήματα bzw. λόγοι die Vielheit zum Ausdruck gebracht. Weil das Vielheitliche jedoch Moment des geeinten Ganzen und daher je in sich selbst dieses geeinte Ganze ist, ist die Wirklichkeit des Sohnes dialektisch zur All-Einheit vermittelt gedacht.280 Als diese All-Einheit ist der Sohn auch der Inbegriff aller Tugenden. Insofern er der Logos ist, stellt er den Urgrund aller Vernunftwirklichkeit dar, ist er „die Vernunft, die alle Vernunft umfasst (ὁ περιεκτικὸς παντὸς οὑτινοσοῦν λόγου λόγος).“281 Weil die Vernunft in praktischer Hinsicht sich als Tugend artikuliert, ist der Sohn zugleich „die Tugend, die alle Tugenden umfasst (ἡ περιεκτικὴ πασῶν ἀρετῶν ἀρετή).“282 In ihm „sind die Urbilder (παραδείγματα) [sc. der Kardinaltugenden] der Gerechtigkeit (δικαιοσύνη), Mäßigung (σωϕροσύνη), Tapferkeit (ἀνδρεία), Weisheit (σοϕία) und der Frömmigkeit (εὐσέβεια) sowie der übrigen
280 Schon Clemens von Alexandrien betrachtet den Sohn als πάντα ἕν (Strom. IV 156,2 [GCS
Clem. Alex. 2, 318,1]). Und auch nach Plotin ist die zweite Hypostase des absoluten Geistes (νοῦς) – den er auch als σοϕία bezeichnet (vgl. Enn. V 8,5,15–17) – die All-Einheit aller Wirklichkeit (vgl. Enn. III 6,6,23: ἕν πάντα; V 1,8,26: ἕν πολλά; vgl. außerdem V 3,5,43; 15,23–26; V 4,1,21; V 9,6,1–3) und insofern als κόσμος νοητός (vgl. Enn. IV 8,3,8) das noetische Urbild aller Dinge (vgl. Enn. V 9,9,6 f.: τὸ ἀρχέτυπον πᾶν). Zu Plotin vgl. ausführlich Halfwassen, Plotin und der Neuplatonismus 64–84. 281 Cels. V 39,23–25 (SC 147, 118). 282 Cels. V 39,22 f. (SC 147, 118). Vgl. In Ioh. comm. XXXII 11,127 (SC 385, 242). Nach In Rom. comm. IV 9,112 (VL 33, 341) ist Gott, der Vater, uirtutum omnium pater.
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Tugenden“.283 Wie Origenes seine christologisch fundierte Tugendlehre, als deren Vordenker er den Apostel Paulus betrachtet (vgl. 1 Kor 1,30),284 in seine Soteriologie einbindet, wird noch ausführlich darzustellen sein.
2.3 Theos-Logos In unterschiedlichen Akzentuierungen wurde bereits die Zwischenstellung angesprochen, die der Sohn zwischen dem ursprungslosen Gott, dem Vater, und der kreatürlichen Wirklichkeit einnimmt. Gegenüber der transzendenten absoluten Einheit des Vaters ist die All-Einheit des Sohnes eine geeinte Vielheit, die Origenes mit seiner Epinoiailehre zu veranschaulichen sucht. Als diese All-Einheit vermag der Sohn der heilsgeschichtliche Mittler zwischen dem schlechthin einfachen, ursprungslosen Gottvater und der Vielfalt der Schöpfung zu sein. Einen besonderen Aspekt dieser Mittlerfunktion bringt Origenes dadurch zum Ausdruck, dass er den Sohn Theos-Logos oder Logos-Theos nennt. Diese Bezeichnung beruht auf seiner Interpretation des Artikelgebrauchs in Joh 1,1. Danach ist allein der Vater durch das Prädikat ὁ ϑεός in seiner Selbstursprünglichkeit als wahrer Gott (αὐτόϑεος/ϑεὸς ἀληϑινός) ausgewiesen, in dem jegliches Gottsein seinen Grund hat. Der Sohn wird ohne Verwendung des Artikels ϑεός genannt, weil er sich vom Vater elementar unterscheidet: Er ist nicht selbstursprünglich Gott, sondern partizipiert am selbstursprünglichen Gottsein seines Vaters, von dem her ihm in ewiger Gegenwart göttliche Seinswirklichkeit zuströmt. Der Sohn wird in Joh 1,1 aber nicht nur als ϑεός, sondern auch als ὁ λόγος bezeichnet. Weil Origenes durch den Artikel den Aspekt ursprünglicher Wirklich keitsfülle ausgedrückt sieht, erkennt er im Sohn den αὐτολόγος, den Inbegriff der Vernunft, der die Quelle jeglicher in den Kreaturen vorfindbaren Vernunftwirklichkeit ist.285 Mit den αὐτο-Komposita verbindet Origenes jeweils die Vorstellung einer in sich bestehenden Wirklichkeitsfülle, der aber nur dann der Charakter der Selbstursprünglichkeit eignet, wenn sie vom Vater ausgesagt wird.286 Denn einzig und allein der Vater ist der aus sich selbst heraus Seiende, der aus sich selbst heraus Gute,287 der aus sich selbst heraus existierende Gott. Der Sohn hingegen verdankt sich in jeder Hinsicht dem Vater, so dass mit den auf ihn bezogenen αὐτοKomposita zwar eine solche Wirklichkeitsfülle, die in ihm erstmals (in einem 283 Cels. VIII 17,13–16 (SC 150, 210). 284 Cels. V 39,15–20 (SC 147, 118). 285 In Ioh. comm. II 2,14 f. (SC 120, 214–216). 286 Vgl. Nemeshegyi, Paternité de Dieu 76. 287 Vgl. Numenius, Frg. 16,14 f.: ὁ μὲν πρῶτος ϑεὸς αὐτοαγαϑόν · ὁ δὲ τούτου μιμητὴς
δημιουργὸς ἀγαϑός.
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logischen, nicht zeitlichen Sinn), d. h. ursprünglich gegeben ist, niemals aber der Aspekt der Selbstursprünglichkeit zum Ausdruck gebracht ist.288 Als αὐτολόγος ist der Sohn die Urvernunft, die ihren gleichsam übervernünftigen Quell im allein selbstursprünglichen göttlichen Urgrund aller Wirklichkeit besitzt.289 Als ϑεός einerseits und als αὐτολόγος andererseits steht der Sohn zwischen dem selbstursprünglichen αὐτόϑεος auf der einen und den λογικά, den vernunftbegabten Kreaturen, auf der anderen Seite: „Die Vernunft in jedem einzelnen Vernunftwesen (ὁ ἐν ἑκάστῳ λόγος τῶν λογικῶν) steht nämlich zu dem LogosTheos, der im Anfang als Logos auf Gott [sc. den Vater] hin war, in demselben Verhältnis wie der Theos-Logos zu Gott.“290 Damit will Origenes sagen, dass der Vater und der Sohn in ihrer Eigenart als αὐτόϑεος bzw. als αὐτολόγος jeweils die Bedeutung einer Quelle haben: Wie der Vater Quelle des Gottseins (πηγὴ ϑεότητος) ist, in der die ewige Gottheit des Sohnes ebenso begründet liegt wie die Vergöttlichung der Kreatur, so ist der Sohn Quelle der Vernunft (πηγὴ λόγου), an der die vernunftbegabten Kreaturen in ihrer Vernunftbegabung partizipieren. Als Quelle der Vernunftwirklichkeit ist der Sohn darum über jegliche vernunftbegabte Kreatur erhaben.291 Ohne sie systematisch zu entfalten, lässt Origenes in diesem Zusammenhang die Urbild-Abbild-Metaphorik anklingen, die nicht nur für seine metaphysische Christologie, sondern auch für seine Anthropologie und Soteriologie von grundlegender Bedeutung ist. Wie nämlich der Sohn als ϑεός das Bild (εἰκών) seines Vaters, des αὐτόϑεος, darstellt (vgl. 2 Kor 4,4; Kol 1,15),292 so ist er selbst, insofern er der αὐτολόγος ist, Urbild der vernunftbegabten Kreaturen, die diesem Urbild gemäß geschaffen sind (vgl. Gen 1,26 f.) und die Origenes deshalb als „Bilder des Bildes (εἰκόνες τῆς εἰκόνος) bezeichnet.293 Die in dieser Formulierung zum Ausdruck gebrachte Mittelposition, die dem Sohn zwischen dem ursprungslosen
288 Deshalb ist Strutwolf, Gnosis als System 218 im Unrecht, wenn er sagt: „Man muß […]
beim Sohn zwischen seinem λόγος-Sein, das ihm an sich zukommt, und seinem Gott-Sein unterscheiden, denn der Sohn ist in erster Linie Logos und erst in zweiter Linie ‚Gott‘. […] Wie dem Vater das Gott-Sein und das Gut-Sein an und für sich zukommen, so gebühren dem Sohn wiederum die Titel αὐτοσοϕία, αὐτοαλήϑεια, αὐτολόγος und αὐτοζωή, d. h. die Eigenschaften der Weisheit, Wahrheit, Vernünftigkeit und des Lebens kommen ihm qua eigener Hypostase und nicht durch Teilhabe am Vater zu“ (Herv. v. Verf.). 289 Vgl. in diesem Sinn Cels. V 24,24–28 (SC 147, 74): „Der Logos des Alls (ὁ τῶν πάντων λόγος) ist nach Celsus Gott selbst, nach uns aber sein Sohn.“ Vgl. auch In Ioh. comm. II 4,41 (SC 120, 232); 23,151 (SC 120, 306). 290 In Ioh. comm. II 3,20 (SC 120, 220). 291 Vgl. In Ioh. comm. II 3,20 (SC 120, 220) sowie In Matth. comm. XVI 16 (GCS Orig. 10, 527,22–33). 292 Vgl. entsprechend Philon von Alexandrien, Conf. 147; Fug. 101. 293 In Ioh. comm. II 3,20 (SC 120, 220). Vgl. Philon von Alexandrien, Spec. I 81.
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Gott und den vernunftbegabten Geschöpfen zukommt, ist in dem christologischen Titel Theos-Logos prägnant zusammengefasst.294
2.4 Die ontologischen Implikationen der Vater-Sohn-Relation Die Eigenart der Beziehung von Vater und Sohn ist in der bisherigen Darstellung in unterschiedlichen Zusammenhängen zur Sprache gekommen. Vor allem mit der Metapher der ewigen Zeugung, so hat sich gezeigt, beschreibt Origenes das zeitlos bestehende Ursprungsverhältnis, in dem der Sohn zu seinem Vater steht. Angedeutet wurde auch schon, dass Origenes zur Illustration dieser Zeugung auf Bilder zurückgreift, in denen die Heilige Schrift über den Sohn spricht, wenn sie ihn z. B. als „Abglanz der Herrlichkeit“ Gottes (Hebr 1,3) oder als „Widerschein des ewigen Lichts“ (Weish 7,26) charakterisiert. Diese Bilder bringen nach Origenes zum Ausdruck, dass der Sohn dem Vater nachgeordnet ist. Es wurde auch bereits die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dieser Nachordnung nur um ein lo gisches Nacheinander oder aber um eine seinsmäßige Unterordnung handelt. Diese Frage stellte sich auch im Hinblick auf die Differenzierung, die Origenes bei seiner Auslegung von Joh 1,1 zwischen dem Vater als αὐτόϑεος und dem Sohn als ϑεός vornimmt. Wenn er dabei den Sohn im Rückgriff auf 2 Kor 4,4 und Kol 1,15 als „Bild“ des αὐτόϑεος beschreibt, stellt sich die Frage, ob die Bildmetapher nur im Sinne einer logischen Abkünftigkeit verstanden ist oder ob sie nach dem Muster der platonischen Urbild-Abbild-Metaphysik eine Seinsminderung des Sohnes gegenüber dem Vater als seinem Urbild impliziert.295 Die Frage, in welchem Sinn Origenes die Nach- oder Unterordnung des Sohnes versteht, soll nun im Folgenden ausführlich untersucht werden. Dabei gilt es herauszuarbeiten, welche Schriftstellen er zu diesem Thema heranzieht, welche ontologischen Implikationen seine Interpretationen erkennen lassen und mit welchen Formulierungen er die Stellung des Sohnes dem Vater gegenüber beschreibt. 294 Die umfassendste Logos-Titulatur bei Origenes lautet: ὁ ἐν ἀρχῇ πρὸς τὸν ϑεὸν υἱὸς αὐτοῦ
ϑεὸς λόγος (In Ioh. comm. XX 42,398 [SC 290, 348]).
295 In letzterem Sinn hat Justinian, Epist. ad Men., frg. 4 (ACO 3, 209,25–27 = TzF 24, 136)
folgenden Passus aus dem ersten Buch von Περὶ Ἀρχῶν verstanden: „Indem wir also dem Bild gemäß (κατ᾽ εἰκόνα) geworden sind (vgl. Gen 1,26 f.), haben wir den Sohn als Urbild (πρωτότυπον), gleichsam als Wahrheit der schönen Abbilder (ὡς ἀλήϑειαν τῶν καλῶν τύπων) in uns. Das gleiche aber, was wir im Verhältnis zum Sohn sind, ist er im Verhältnis zum Vater, der die [sc. eigentliche Ur-]Wahrheit ist.“ Den hier zugrundeliegenden Gedanken hat Theophilus von Alexandrien in seiner Synodica Epistula ad Palaestinos et ad Cyprios Episcopos missa polemisch total vergröbert, wenn er Origenes die Behauptung unterstellt, quod filius nobis conparatus esset veritas et patri conlatus mendacium (= Hieronymus, Epist. 92,2 [CSEL 55, 148,27–149,1 = TzF 24, 136]).
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Um den Unterschied zwischen dem Vater und dem Sohn schriftgemäß zu begründen, beruft sich Origenes immer wieder auf das Herrenwort: „Der Vater ist größer als ich (μείζων μου)“ (Joh 14,28). Wo Origenes dieses Herrenwort zitiert, erweitert er es stets um den Relativsatz ὁ πέμψας με aus Joh 6,44, den er dem Subjekt ὁ πατήρ hinzufügt.296 Damit unterstreicht er, dass er Joh 14,28 vom ewigen Gottessohn versteht, so dass er den Komparativ μείζων als Ausdruck der Überlegenheit deutet, die den Vater von Ewigkeit zu Ewigkeit gegenüber dem Sohn auszeichnet. Dieses Verständnis von Joh 14,28 kann zwar, muss für sich genommen aber noch keineswegs eine ontologische Subordination des Sohnes implizieren. Schon die Tatsache, dass auch noch maßgebliche Theologen der nizänischen Großkirche wie Athanasius von Alexandrien, Hilarius von Poitiers, Basilius von Cäsarea, Gregor von Nazianz oder Johannes Chrysostomus dieses Herrenwort auf das innertrinitarische Verhältnis von Vater und Sohn bezogen haben,297 zeigt, dass man Joh 14,28 durchaus im Sinne der nizänischen Orthodoxie deuten kann, indem man nämlich den Komparativ μείζων vom Vater nicht im Hinblick auf seine göttliche Wesensnatur, sondern nur bezüglich der innergöttlichen Hypo stasenrelation versteht. Dieser Relation zufolge wird der Sohn in allem vom Vater begründet und kann dieses Begründungsverhältnis niemals umgekehrt werden. Nach dieser Deutung ist der Vater deshalb „größer“ als der Sohn, weil er dessen ursprungsloser Ursprung ist.298 Nun stellt sich die Frage, ob sich eine solche mit dem nizänischen Dogma kompatible Interpretation von Joh 14,28 schon bei Origenes nachweisen lässt. Dieser rekurriert auf das Schriftwort in unterschiedlichen Zusammenhängen, wobei er die Eigenschaft des Vaters, „größer“ zu sein als der Sohn, unter ganz verschiedenen Gesichtspunkten thematisiert. Zum einen betrachtet er die jeweilige Wirkmacht und die jeweilige Reichweite des Wirkens, zum anderen die Quantität und Qualität des jeweiligen Erkennens. Mehrfach bringt er Joh 14,28 auch mit Mk 10,18par in Verbindung, um die Überlegenheit des Vaters unter dem Aspekt des Gutseins zu explizieren. An vielen Stellen stellt er diese Überlegenheit aber auch nur ganz allgemein und unspezifisch fest. Die folgenden Ausführungen versuchen, eine Bestandsaufnahme und Interpretation all jener Stellen zu bieten, an denen Origenes auf Joh 14,28 Bezug nimmt. Zahlreich sind die Stellen, an denen er aufgrund dieses Herrenworts die Überlegenheit des Vaters in einem unspezifischen Sinn herausstellt. Gleichsam 296 Vgl. Pollard, Johannine Christology 95; Cignelli, Giovanni 14,28 140, Anm. 14. 297 Vgl. Pollard, Johannine Christology 156; Schnackenburg, Johannesevangelium III
97 f.
298 Zum Begriff des ursprungslosen Ursprungs vgl. Cels. II 51,54 (SC 132, 406): ἡ ἀγένητος τοῦ
ϑεοῦ τῶν ὅλων ἀρχή. So schon Tatian, Orat. ad Graec. 4,3 (BHTh 165, 94); Theophilus von Antiochien, Ad Autol. I 4,1 f. (FP 16, 66); Clemens von Alexandrien, Strom. IV 162,5 (GCS Clem. Alex. 2, 320,16 f.).
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programmatisch nimmt er im achten Buch von Contra Celsum auf das johanneische Logion Bezug, um die Unterstellung als irrig zurückzuweisen, der Sohn werde von den Christen als „der größte, über allem waltende Gott (ὁ μέγιστος ἐπὶ πᾶσι ϑεός)“ verehrt. Dabei erklärt er: „Wir vertreten eine derartige Ansicht nicht. Denn wir vertrauen ihm, wenn er sagt: ‚Der Vater, der mich gesandt hat, ist größer als ich‘. Darum dürften wir wohl auch nicht denjenigen, den wir ja Vater nennen, dem Sohn Gottes unterordnen (ὑποβάλοιμεν), wie Celsus uns in verleumderischer Absicht vorwirft.“299 Im Blick auf Joh 1,9, wonach der Sohn „das wahre Licht“ ist, führt Origenes im Johanneskommentar aus: „In demselben Verhältnis, wie Gott (ὁ ϑεός) als Vater der Wahrheit mächtiger (πλείων) und größer (μείζων) als die Wahrheit und als Vater der Sophia stärker (κρείττων) als diese und verschieden (διαϕέρων) von ihr ist, überragt er den Sohn, insofern dieser das wahre Licht ist (ὑπερέχει τοῦ εἶναι ϕῶς ἀληϑινόν).“300 Dass hier Joh 14,28 im Hintergrund steht, ist unschwer zu erkennen. Deutlicher noch ist die Anspielung darauf in Origenes’ Auslegung von Joh 14,6: „Christus ist das Leben. Der aber größer (μείζων) ist als Christus, ist größer als das Leben.“301 An beiden Stellen begegnen wir derselben Gedankenfigur: Der Vater, insofern er der Vater des Sohnes ist, überragt jede einzelne Wirklichkeit aus der Fülle all jener Wirklichkeiten, die der Sohn als All-Einheit ist. Dieses Argumentationsmuster ist bereits zur Sprache gekommen, als wir festgestellt haben, dass nach Origenes der Sohn als Urvernunft seinen gleichsam übervernünftigen Quell im Vater hat. Diese Gedankenfigur muss für sich genommen nicht mehr besagen, als dass der Vater den Sohn in der Weise überragt wie der Verursachende das von ihm Verursachte, die Quelle den ihr entströmenden Fluss. Auf die Quelle-Fluss-Metaphorik greift Origenes denn auch im Matthäuskommentar zurück, wenn er zum Messiasbekenntnis des Petrus in Mt 16,16 in betont antimodalistischer Stoßrichtung erklärt: „Und Leben wie aus der Quelle des Lebens, nämlich aus dem Vater (ὡς ἀπὸ πηγῆς ζωῆς τοῦ πατρός; vgl. Ps 35,10; Jer 2,13), ist derjenige, der gesagt hat: ‚Ich bin das Leben‘ (Joh 14,6). Bedenke sorgfältig, ob nicht, wie die Quelle eines Flusses und der Fluss nicht dasselbe sind, so auch nicht die Quelle des Lebens und das Leben. Die vorstehenden Ausführungen haben wir gemacht, weil dem Bekenntnis: ‚Du bist der Christus, der Sohn Gottes‘ noch beigefügt ist: ‚des lebendigen‘. Etwas Besonderes musste nämlich in dem, was über den Gott und Vater des Alls gesagt wurde, zum Ausdruck gebracht werden, der ja neben der αὐτοζωή [sc. dem Sohn] lebt (ὡς ζῶντος παρά τε τὴν αὐτοζωήν) und neben all dem, was an
299 Cels. VIII 14,32–38 (SC 150, 204). 300 In Ioh. comm. II 23,151 (SC 120, 306). 301 In Ioh. comm. XIII 3,19 (SC 222, 44).
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dieser [sc. αὐτοζωή] teilhat (καὶ τὰ μετέχοντα αὐτῆς).“302 Über die Beschreibung einer bloßen Kausalrelation muss auch die ganz allgemein gehaltene Feststellung nicht hinausgehen, mit der Origenes die Überlegungen zusammenfasst, in denen er seine Theorie einer gestuften Teilhabe am allein selbstursprünglichen Gottsein des Vaters vorstellt: Wie er meint, „gibt es nämlich ὁ ϑεός und ϑεός, sodann in zweifacher Hinsicht ϑεοί, deren größere Ordnung [sc. die vergöttlichten Vernunftgeschöpfe] der Theos-Logos überragt (ὑπερέχει), der seinerseits überragt wird vom Gott des Alls (ὑπερεχόμενος ὑπὸ τοῦ τῶν ὅλων ϑεοῦ).“303 In all diesen Zitaten kann die vornehmlich mit dem Verb ὑπερέχειν beschriebene Überlegenheit des Vaters durchaus im Sinn späterer nizänischer Trinitätstheologie verstanden werden, wonach der Vater einfach deshalb „größer“ ist als der Sohn, weil er der Vater ist, der den Sohn im Sein begründet. Wenn Origenes den Gedanken anklingen lässt, das Größersein des Vaters zeige sich auch daran, dass der Sohn vom Vater gesandt worden ist,304 so lässt sich auch diese Aussage ganz auf der Linie der späteren nizäno-kontantinopolitanischen Orthodoxie verstehen: Weil der Sohn sich in allem dem Vater verdankt, kann nur der Vater ihn senden. Gleichwohl ist eine solche Interpretation weder für diese Aussage noch für die übrigen Zitate zwingend. Denn die unspezifische Rede von der Überlegenheit des Vaters, die sich darin zeigt, dass er den Sohn zeugt und sendet, könnte für Origenes ihren Grund auch darin haben, dass der Sohn dem Vater nicht nur im Hinblick auf die Ursprungsbeziehung, sondern auch seinsmäßig untergeordnet, d. h. ein Gott ontologisch niederen Ranges ist. Die bisher untersuchten Zitate jedenfalls lassen nicht klar erkennen, in welcher Hinsicht vom Vater gesagt wird, er überrage den Sohn. Mit diesem Mangel an Eindeutigkeit sind auch einzelne For mulierungen behaftet, die sich bei Origenes zum Vater-Sohn-Verhältnis finden. Wenn der Sohn z. B. ὁ μετὰ τὸν πατέρα τῶν ὅλων ϑεὸς λόγος genannt305 oder als δεύτερος ϑεός apostrophiert wird,306 will Origenes dann mit der Präposition μετά bzw. mit der Ordinalzahl δεύτερος mehr zum Ausdruck bringen als die Tatsache, dass der Sohn als Sohn dem Vater nachgeordnet und in diesem Sinn „gleichsam der zweite nach diesem“307 ist? An Schärfe scheinen seine Ausführungen über das Vater-Sohn-Verhältnis dort zu gewinnen, wo Origenes Joh 14,28 mit Mk 10,18par in Verbindung bringt, um einen Zusammenhang herzustellen zwischen der Größe und dem Gutsein 302 In Matth. comm. XII 9 (GCS Orig. 10, 83,11–25). Vgl. auch das Zitat von Joh 5,26 in In Ioh.
comm. XX 44,420 (SC 290, 358).
303 In Ioh. comm. II 3,32 (SC 120, 226). Vgl. auch Cels V 11,21 f. (SC 147, 40). 304 In Ioh. comm. VI 39,200 (SC 157, 278). 305 In Ioh. comm. I 9,57 (SC 120, 90). Vgl. auch In Ioh. comm. XXXII 28,351 (SC 385, 338). 306 Vgl. Cels. VI 61,27 (SC 147, 332). 307 In Ioh. comm. VI 39,202 (SC 157, 280); ebenso Pasch. I 53 (AskÄ 4, 108,8 f.). Vgl. auch No-
vatian, De trin. 11,57 (Test. 2, 84); 26,145 f. (Test. 2, 166–168); 31,187 (Test. 2, 198–200).
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des Vaters. So erklärt er im Johanneskommentar: Weil der Sohn um die Güte seines Vaters weiß, „sagt er zu dem, der den Eingeborenen ‚guter Meister‘ nennt: ‚Was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer der eine Gott, der Vater‘ (Mk 10,18par). Das gleiche haben wir auch schon andernorts aufgezeigt, nämlich im Hinblick darauf, dass einer größer ist als der Demiurg – wobei wir unter dem Demiurgen Christus verstanden haben –, nämlich der Vater, der größer ist als dieser (Joh 14,28).“308 Auch an einer weiteren Stelle seines Johanneskommentars kombiniert Origenes Mk 10,18par und Joh 14,28, wenn er sagt, der Vater, der den Sohn gesandt hat, sei μόνος ἀγαϑὸς καὶ μείζων τοῦ πεμϕϑέντος.309 Im Matthäuskommentar thematisiert er den inneren Zusammenhang, in dem diese beiden Schriftstellen wechselseitig aufeinander verweisen, vor dem Hintergrund der Urbild-Abbild-Metaphysik, innerhalb derer der Sohn, wie bereits dargestellt, eine Mittelstellung einnimmt, insofern er Abbild und Urbild zugleich ist. Diese Mittelstellung macht Origenes an Weish 7,26 fest, wonach die Sophia, d. h. der Sohn, „Bild der Güte“ des Vaters ist. „Wie der Erlöser“, so erklärt er, „‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) ist, so ist er auch ‚Bild seiner Güte‘ (Weish 7,26). Für alles Geringere, auf das der Begriff ‚gut‘ zutrifft, hat das, was von demselben gesagt wird, eine andere Bedeutung. Im Verhältnis zum Vater (πρὸς τὸν πατέρα) ist er nämlich ‚Bild der Güte‘, im Verhältnis zu den übrigen Wesen (πρὸς τὰ λοιπά) aber das, was die Güte des Vaters im Verhältnis zu ihm ist. Eher kann man auch eine Ähnlichkeit (ἀναλογίαν) sehen zwischen der Güte, die Gott ist, und dem Erlöser, der ‚Bild seiner Güte‘ ist, als zwischen dem Erlöser und einem guten Menschen oder einem guten Werk oder einem guten Baum. Größer (πλείων) ist der Vorrang (ἡ ὑπεροχή), der dem Erlöser gegenüber den geringeren guten Dingen (τὰ ὑποδεέστερα ἀγαϑά) zukommt, insofern er ‚Bild der Güte‘ Gottes selbst ist, als der Vorrang (ἡ ὑπεροχή) Gottes, der der gute Seiende ist, gegenüber dem Erlöser, der sagt: ‚Der Vater, der mich gesandt hat, ist größer als ich‘ (Joh 14,28) und der im Verhältnis zu allen anderen auch ‚Bild der Güte‘ Gottes ist.“310 In diesem Zitat kommt dem Bildbegriff zentrale Bedeutung zu. Origenes greift die christologische Titulatur „Bild des unsichtbaren Gottes“ aus Kol 1,15 auf und verbindet sie mit der Charakterisierung der Sophia als „Bild der Güte Gottes“ in Weish 7,26. Der Vater, so lautet der Gedanke, der hinter dem zitierten Text steht, bringt den Sohn in der ewigen Zeugung als sein eigenes Bild hervor. In diesem seinem Bild stellt der Vater seine eigene Wirklichkeit sich selbst gegenüber. So ist der Sohn die vielheitlich-geeinte, abbildhafte Fülle dessen, was der Vater in seiner absoluten Einheit und Einfachheit in sich begreift. Und so ist er auch das Bild der Güte seines Vaters, der allein in seiner Selbstursprünglichkeit der Gute selbst, der 308 In Ioh. comm. I 35,254 f. (SC 120, 186). 309 In Ioh. comm. VI 39,200 (SC 157, 278). 310 In Matth. comm. XV 10 (GCS Orig. 10, 375,20–376,13).
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αὐταγαϑός, ist. Im Hinblick auf sein Gutsein steht der Sohn also zum Vater in demselben Verhältnis, in dem ein Abbild zu seinem Urbild steht. Darum überragt der Vater den Sohn, ist er „größer“ als dieser, wobei der Sohn seinerseits alles Gute innerhalb der geschaffenen Wirklichkeit überragt. Den Hintergrund dieser Überlegungen bildet der origeneische Teilhabegedanke, demzufolge der Sohn als „Bild des unsichtbaren Gottes“ in seinem Gutsein ebenso am allein selbstursprünglichen Vater teilhat wie in seinem Dasein als ϑεός oder αὐτολόγος. Innerhalb des Teilhabezusammenhangs nimmt der Sohn die Position eines Teilhabemittlers ein. Als „Bild des über allem waltenden Gottes“311 vermittelt er der Kreatur zum einen die seinsbegründende Teilhabe an der in sich bestehenden Seinsfülle seines Urbilds, zum anderen die heilstiftende Teilhabe an dessen selbstursprünglichem Gottsein. Des Weiteren, so lässt sich aus dem vorliegenden Zitat schließen, ist er als „Bild der Güte Gottes“ das Urbild für die Güte der Kreatur, vermittelt er das selbstursprüngliche Gutsein des αὐταγαϑός an die Geschöpfe. Für die hier zu verhandelnde Frage, in welchem Sinn der Vater nach Origenes „größer“ ist als der Sohn, ist nun aber zu prüfen, ob der Alexandriner mit der Urbild-Abbild-Terminologie, für deren Unterscheidung er sich stets ausdrücklich auf den Sprachgebrauch der Heiligen Schrift beruft, die Stufenontologie des Platonismus übernimmt, der zufolge das Abbild im Vergleich zu seinem Urbild in geringerem Maße seiend, gut und göttlich ist.312 Origenes hat die platonische Stufenontologie nirgends explizit als Grundlage seines Teilhabedenkens thematisiert. Für die These, dass er den Sohn als ontologisch depotenziertes Bild des Vaters betrachtet,313 könnte man allerdings auf die Sätze in dem oben zitierten 311 Cels. IV 85,24 (SC 136, 396). 312 So z. B. Früchtel, Ἀρχή 133, der von einem „Depravationsschema“ spricht, „dem platoni-
sche Tradition zugrunde liegt.“
313 So jedenfalls hat Justinian, Epist. ad Men., frg. 6 (ACO 3, 210,2–6 = TzF 24, 154) den fol-
genden Passus verstanden, den er aus dem ersten Buch von Περὶ Ἀρχῶν zitiert und der inhaltlich mit dem obigen Zitat aus dem Matthäuskommentar zusammenstimmt: „So glaube ich nun also, dass es vom Erlöser auch ganz richtig heißt, er sei das ‚Bild der Güte Gottes‘ (Weish 7,26), aber nicht das Gute selbst (οὐκ αὐταγαϑόν). Wohl ist auch der Sohn gut, aber nicht gleichsam einfachhin gut (οὐχ ὡς ἁπλῶς ἀγαϑός). Und wie er das ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) ist und insofern Gott (κατὰ τοῦτο ϑεός), nicht aber derjenige, von dem Christus selber sagt: ‚dass sie dich, den einzig wahren Gott erkennen‘ (Joh 17,3), so ist er auch das ‚Bild der Güte‘ (Weish 7,26), aber nicht wie der Vater unwandelbar gut (οὐχ ὡς ὁ πατὴρ ἀπαραλλάκτως ἀγαϑός).“ An der betreffenden Stelle (Princ. I 2,13 [TzF 24, 154–156]) hat Rufin in seiner Übersetzung die auch für ihn anstößige Stufungsvorstellung beseitigt und versucht, den zugrundeliegenden Gedanken in eine dem Nicaeno-Constantinopolitanum entsprechende Formulierung zu kleiden, in der der Bild begriff unzweideutig nur noch zur Illustration der relationalen Herkünftigkeit fungiert (vgl. TzF 24, 155–157 Anm. 45–48): Non enim alia aliqua secunda bonitas existit in filio praeter eam, quae est in patre. Unde et recte ipse salvator in evangelio dicit quoniam „Nemo bonus nisi unus deus“ pater (Mk 10,18par), quo scilicet per hoc intellegatur filius non esse alterius
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Passus aus dem Matthäuskommentar verweisen. In ihnen vergleicht Origenes den Vorrang des Vaters gegenüber dem Sohn mit dem Vorrang des Sohnes gegenüber den guten Geschöpfen und stellt fest, dass der Sohn diese Geschöpfe in höherem Maße überragt, als er selbst vom Vater überragt wird. Stellt Origenes den Sohn hier nicht als mindergöttliches Wesen dar, das, mag es in seiner Güte auch noch so erhaben sein über alle guten Geschöpfe, an die seinsmäßige Güte des Vaters eben doch nicht heranreicht? Diese Frage drängt sich auf, obwohl Origenes mit dieser Feststellung offenbar eine Position modifiziert, die er einige Jahre zuvor im dreizehnten Buch seines Johanneskommentars vertreten hat. Hier findet sich nämlich ebenfalls eine Stelle, an der er das Vater-Sohn-Verhältnis mit dem Sohn-Geschöpf-Verhältnis in Beziehung setzt, wobei er aber das Gegenteil von dem behauptet, was er später im Matthäuskommentar feststellen sollte. Diese Stelle lautet: „Wir aber lassen uns vom Erlöser überzeugen, der sagt: ‚Der Vater, der mich gesandt hat, ist größer als ich‘ (vgl. Joh 14,28; 6,44) und der es deshalb nicht geduldet hat, die Bezeichnung ‚gut‘ anzunehmen, die ihm im eigentlichen, wahren und vollen Sinn zugelegt worden war, sondern der diese Bezeichnung dankend auf seinen Vater bezogen hat mit einem Tadel demjenigen gegenüber, der den Sohn über die Maßen verherrlichen wollte (vgl. Mk 10,18par). Und wir sagen, dass der Erlöser […]314 alles Gewordene (πάντα τὰ γενητά) überragt (ὑπερέχειν), nicht vergleichsweise, sondern durch eine überragende Überlegenheit (οὐ συγκρίσει ἀλλ᾽ ὑπερβαλλούσῃ ὑπεροχῇ), dass er selbst aber überragt wird vom Vater (ὑπερεχόμενος ἀπὸ τοῦ πατρός) in dem Maße und noch mehr, als
bonitatis, sed illius solius, quae in patre est; cuius recte imago appellatur, quia neque aliunde est nisi ex ipsa principali bonitate, ne altera bonitas quam ea quae in patre est videatur in filio, neque aliqua dissimilitudo aut distantia bonitatis in filio est. Propter quod non debet velut blasphemiae aliquod genus putari in eo quod dictum est quia „Nemo bonus nisi unus deus“ pater, ut propterea putetur vel Christus vel spiritus sanctus negari quod bonus sit; sed, ut superius diximus, principalis bonitas in deo patre sentienda est, ex quo vel filius natus vel spiritus sanctus procedens sine dubio bonitatis eius naturam in se refert quae est in eo fonte, de quo vel natus est filius vel procedit spiritus sanctus. Iam vero si qua alia bona in scripturis dicuntur, vel angelus vel homo vel servus vel thesaurus vel cor bonum vel arbor bona, haec omnia abusive dicuntur, accidentem, non substantialem in se continentia boni tatem. Ob und inwieweit Hieronymus, Epist. 124,2 (CSEL 56/1, 97,20–23 = TzF 24, 154) in folgender Paraphrase einen authentischen Gedanken unverfälscht tradiert, lässt sich kaum entscheiden: Deum patrem omnipotentem appellat bonum et perfectae bonitatis; filium non esse bonum, sed auram quandam et imaginem bonitatis, ut non dicatur absolute bonus, sed cum additamento „pastor bonus“ et cetera. 314 Hier findet sich der Zusatz „wie auch der Heilige Geist“, von dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass er eine spätere Glosse darstellt.
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er […]315 alles das Übrige überragt […].“316 Diese These spitzt Origenes schließlich zu der kategorischen Behauptung zu, der Sohn sei „in keiner Hinsicht mit dem Vater vergleichbar (οὐ συγκρίνεται κατ᾽ οὐδὲν τῷ πατρί).“317 Damit scheint die Frage, inwieweit der Sohn vom Vater unterschieden ist, eine Antwort zu finden, die alle bisher betrachteten diesbezüglichen Aussagen in den Schatten stellt. Denn hier erklärt Origenes, der Sohn sei dem Vater κατ᾽ οὐδέν, d. h. in keinerlei Hinsicht, vergleichbar. Mit dieser apodiktischen Formulierung, mag sie aufs Ganze gesehen auch singulär sein, dürfte nun aber wohl eine Überlegenheit des Vaters gegenüber dem Sohn zur Sprache gebracht sein, die kaum eine andere Deutung zuzulassen scheint, als dass Origenes die Unvergleichlichkeit des Vaters auch im ontologischen Sinn verstanden wissen wollte. Eine seinsmäßige Unterordnung des Sohnes könnte Origenes auch im Blick haben, wenn er zur Begründung der radikalen Unvergleichlichkeit des Vaters die bildhaften Bezeichnungen der Sophia in Weish 7,25 f. und Hebr 1,3 in einer betont subordinierenden Akzentuierung interpretiert, die durchaus ein ontologisches Verständnis nahelegt: „Er ist nämlich Bild seiner [sc. des Vaters] Güte (εἰκὼν τῆς ἀγαϑότητος αὐτοῦ) und Abglanz nicht Gottes, sondern seiner Herrlichkeit und seines ewigen Lichts (ἀπαύγασmα τῆς δόξης αὐτοῦ καὶ τοῦ ἀϊδίου ϕωτὸς αὐτοῦ), und Dunsthauch (ἄτμις) nicht des Vaters, sondern seiner Kraft (δύναμις), und reiner Ausfluss (ἀπόρροια εἰλικρινής) seiner allherrscherlichen Herrlichkeit und fleckenloser Spiegel seines Wirkens (ἔσοπτρον ἀκηλίδωτον τῆς ἐνεργείας).“318 Mit den die biblischen Bilder pointiert ausdeutenden Formulierungen „Abglanz nicht Gottes, sondern seiner Herrlichkeit und seines ewigen Lichts“ und „Dunsthauch nicht des Vaters, sondern seiner Kraft“ könnte Origenes aussagen wollen, dass sich der Vater im Sohn nicht das vollkommene Bild seiner eigenen Seinswirklichkeit, das Ebenbild also seines göttlichen Wesens, gegenüberstellt, sondern nur ein ontologisch depotenziertes Derivat seiner Eigenschaften.319 Doch scheint eine solche Interpretation dadurch konterkariert zu werden, dass Origenes an dersel315 Auch hier findet sich der Zusatz „und der Heilige Geist“, für den die in Anm. 314 getroffene
Feststellung gilt. Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 247 f. hält den Zusatz an beiden Stellen für ursprünglich und leitet daraus Konsequenzen für die metaphysische Stellung des Heiligen Geistes ab. 316 In Ioh. comm. XIII 25,151 (SC 222, 112–114). Vgl. dazu Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 282. 317 In Ioh. comm. XIII 25,152 (SC 222, 114). Auch bei Novatian, De trin. 31,182 (Test. 2, 196) heißt es vom Vater, er sei unus deus, cuius neque magnitudini neque maiestati neque uirtuti quicquam, non dixerim praeferri, sed nec comparari potest. 318 In Ioh. comm. XIII 25,153 (SC 222, 114). 319 Zu diesem Verständnis des Sohnes vgl. Jonas, Origenes’ Περὶ Ἀρχῶν 103 = Jonas, Gnosis II 179 sowie Stead, Divine Substance 213: „[…] Origen interprets the verse [sc. Weish 7,25] in a strongly subordinationist sense. […] It seems that God’s glory, light, and power are conceived as attributes which in some way mediate between the Father and the Son.“
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ben Stelle unvermittelt fortfährt: „Durch diesen Spiegel [sc. den Sohn] schauen Paulus und Petrus und die ihnen ähnlich sind Gott (vgl. 1 Kor 13,12), denn er [sc. der Spiegel, d. h. der Sohn] sagt: ‚Wer mich sieht, sieht den Vater, der mich gesandt hat‘ (vgl. Joh 12,45; 14,9).“320 Legt sich von diesem Zitat her nicht doch nahe, dass der Sohn in seinem Sein die Wirklichkeit des Vaters in solcher Weise vergegenwärtigt, dass das Geschöpf in der Begegnung mit ihm es wirklich mit dem wahren Gott selbst zu tun bekommt und nicht mit einem irgendwie halbgöttlichen Wesen? Ohne diesen Gedanken selbst auszuführen, zitiert Origenes an der vorliegenden Stelle nur die Spitzenaussage der johanneischen Christologie, die er auf den präexistenten Gottessohn bezieht. In seinen eigenen Worten formuliert er denselben Gedanken allerdings an einer anderen Stelle seines Johanneskommentars, wo er erklärt: „Im Logos nämlich, der ‚Gott‘ (Joh 1,1) und ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) ist, wird der Vater geschaut, der ihn gezeugt hat. Denn derjenige, der in das Bild des unsichtbaren Gottes hineinschaut, vermag zugleich auch in den Vater, das Urbild (πρωτότυπος) des Bildes, hineinzuschauen.“321 Ist hier einer ontologischen Depotenzierung des Sohnes nicht unzweideutig widersprochen? Es finden sich außerdem mehrere Stellen, an denen Origenes Weish 7,25 f. weitaus weniger pointiert auslegt. So begegnet er z. B. dem Einwand des Celsus, der Vater habe gar keinen eingeborenen Sohn, die Christen verehrten diesen also völlig zu Unrecht, mit den Worten: „Da wir nun gelernt haben, wer der Sohn Gottes ist, dass er nämlich ‚Abglanz seiner Herrlichkeit und Abbild seines Wesens‘ (Hebr 1,3) und ‚Dunsthauch der Kraft Gottes‘ sowie ‚reiner Ausfluss der allherrscherlichen Herrlichkeit‘, ferner ‚Abglanz des ewigen Lichts‘ und ‚fleckenloser Spiegel des Wirkens Gottes‘ sowie ‚Abbild seiner Güte‘ ist (Weih 7,25 f.), so wissen wir, dass dieser der Sohn aus jenem und jener dessen Vater ist. Und nichts ist unangemessen an dieser Lehre oder ziemt sich nicht für Gott, die einen solchen eingeborenen Sohn vor Augen stellt.“322 An dieser Stelle leitet Origenes aus der christologischen Metaphorik jedenfalls bloß die Kausalrelation ab, in der der Sohn durch den Vater als Sohn begründet wird.323 Es ist also zwar offenkundig, dass der Alexandriner die Verse Weish 7,25 f. und Hebr 1,3 als Belege für das Ableitungsverhältnis versteht, in dem der Sohn in ewiger Gegenwart zum Vater steht und das er an anderen Stellen der Bibel als ewige Zeugung beschrieben findet. Seine Exegese dieser Verse lässt jedoch aufs Ganze gesehen nicht eindeutig 320 In Ioh. comm. XIII 25,153 (SC 222, 114). 321 In Ioh. comm. XXXII 29,359 (SC 385, 342). Auch hier ist diese Aussage bezogen auf das
Mischzitat aus Joh 14,9 und 12,45: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen, der mich gesandt hat.“ Vgl. auch Cels. VII 43,17–19 (SC 150, 114), wo Origenes abermals Kol 1,15 mit diesem Mischzitat kombiniert. 322 Cels. VIII 14,6–16 (SC 150, 202–204). 323 So auch in Princ. I 2,5 (TzF 24, 130).
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erkennen, ob er in den biblischen Metaphern „Bild“, „Abglanz“, „Dunsthauch“ und „Spiegel“ mehr als nur eine kausale Abhängigkeit des Sohnes gegenüber dem selbstursprünglichen Vater, nämlich zugleich auch eine Minderung seines Gottseins ausgesagt findet. Die Stellen, an denen Origenes mit Joh 14,28 die These begründet, der Vater sei dem Sohn auch im Hinblick auf das Erkenntnisvermögen überlegen, sind im Abschnitt über die Erkennbarkeit der ersten Hypostase bereits zitiert und besprochen worden. Die Untersuchung dieser Stellen hat ergeben, dass diese These von dem philosophischen Impuls getragen ist, der die origeneische Gotteslehre durchzieht. Unter diesem Blickwinkel betrachtet Origenes den Vater in seiner hypostatischen Eigenständigkeit und damit in seiner Unterschiedenheit vom Sohn. Insofern in dieser Perspektive nur dem Vater als der ersten, allein selbstursprünglichen und allein ihrer selbst mächtigen Hypostase die Transzendenz des ursprungslosen Ursprungs eigen ist, kann Origenes ihm ein Erkenntnisvermögen zusprechen, das dasjenige des Sohnes übertrifft. Denn in seiner radikalen Transzendenz ist dem Vater jedenfalls eine Erkenntnis möglich, die dem Sohn als der zweiten Hypostase nach ihm unerreichbar bleibt, die Erkenntnis seiner selbst nämlich. Diese prinzipientheoretische Deutung des Erkenntnisproblems in der Vater-Sohn-Relation und ihre Begründung mit Joh 14,28 könnte, so wurde bereits ausgeführt, im Sinn einer ontologischen Subordination des Sohnes unter den Vater verstanden werden. Weil Origenes jedoch in der Frage der Erkennbarkeit des Vaters durch den Sohn neben dem besagten philosophischen Impuls einen theologischen Impuls zur Geltung bringt, der einen ontologischen Subordinatianismus in der Vater-Sohn-Relation aufzusprengen und zu korrigieren scheint, kann auch diese Interpretation keine Gewissheit für sich in Anspruch nehmen. Wie einleitend erwähnt, verweist Origenes auch dort auf Joh 14,28, wo er Art und Umfang des Wirkens betrachtet, worin sich der Vater und der Sohn voneinander unterscheiden. So erklärt er im Blick auf Joh 1,3, dass, „wenn alles durch (διά) den Logos geworden ist, es nicht vom Logos geworden ist (οὐχ ὑπὸ τοῦ λόγου ἐγένετο), sondern von einem, der stärker und größer ist als der Logos (ἀλλ᾽ ὑπὸ κρείττονος καὶ μείζονος παρὰ τὸν λόγον). Wer anders“, so fragt er, „könnte dieser sein als der Vater?“324 Die Wahrheit von Joh 14,28 liegt für Origenes in diesem Zusammenhang darin, dass der Vater als der ursprungslose Ursprung aller Wirklichkeit der Urgrund der Schöpfung ist, an deren Hervorbringung der Sohn als Logos nur vermittelnd mitwirkt. Die Tatsache, dass allein der Vater die Schöpfungswirklichkeit zu begründen vermag, rechtfertigt es nach Origenes, ihn mit Joh 14,28 gegenüber dem Sohn als „größer“ zu bezeichnen. Demselben Gedankengang begegnen wir auch in Contra Celsum, wo Origenes sich dem Vorwurf ausgesetzt sieht, die Christen behaupteten vom Sohn, er sei stärker als der 324 In Ioh. comm. II 10,72 (SC 120, 252).
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über allem waltende Gott. Zu diesem Vorwurf bemerkt er: „Wenn wir sagen, auch der sinnlich wahrnehmbare Kosmos gehöre dem Vater, der das alles geschaffen hat (τοῦ πάντα κτίσαντος καὶ τὸν αἰσϑητὸν κόσμον εἶναι), so erklären wir damit unmissverständlich, dass der Sohn nicht stärker, sondern schwächer ist als der Vater (οὐκ ἰσχυρότερον τοῦ πατρὸς ἀλλ᾽ ὑποδεέστερον). Dies sagen wir, da wir ihm vertrauen, wenn er sagt: ‚Der Vater, der mich gesandt hat, ist größer als ich‘ (Joh 14,28). […] Wir behaupten, dass der Erlöser, gerade wenn wir ihn als TheosLogos und als Sophia, Gerechtigkeit und Wahrheit betrachten, zwar insofern er dies ist, mächtiger ist als alles, was ihm unterworfen ist, keineswegs aber mächtiger als der ihn übertreffende Vater und Gott (ἀλλ᾽ οὐχὶ καὶ τοῦ κρατοῦντος αὐτὸν πατρὸς καὶ ϑεοῦ).“325 Auch an dieser Stelle sieht Origenes die Wahrheit des johanneischen Logions in der Tatsache begründet, dass einzig und allein der Vater der allmächtige Schöpfer des Alls ist, so dass der Sohn, dem es nicht zukommt, Urgrund der Schöpfungswirklichkeit zu sein, der sich vielmehr selbst in allem dem Vater verdankt, nicht „stärker“ ist als dieser, sondern „schwächer“. Die Wirkmacht des Vaters ist danach unvergleichlich umfassender als die Wirkmacht des Sohnes. Sie allein ist ursprungsetzend, sie allein wirkt aus sich selbst heraus. Die Wirkmacht des Sohnes dagegen ist von derjenigen des Vaters in Art und Umfang verschieden. Der Sohn ist einerseits vermittelndes Prinzip der Schöpfung, andererseits wirkt er in vielfältiger Weise gegenüber den vernunftbegabten Kreaturen, und zwar kraft derjenigen Wirklichkeiten, als deren Fülle er aus dem Vater gezeugt wird: Die Weisen macht er weise, weil er die Weisheit ist; die Gerechten gerecht, insofern er die Gerechtigkeit ist; wo die Wahrheit erkannt wird, ist es der Sohn, die Wahrheit schlechthin, der die wahre Erkenntnis bewirkt; wenn die vernunftbegabte Kreatur ihre eschatologische Vergöttlichung erfährt, ist diese durch den Sohn, der von Ewigkeit her ϑεός ist, vermittelt. In Anbetracht von Joh 4,34, wo es heißt, der Sohn sei gesandt, das Werk seines Vaters zu vollenden, stellt sich Origenes die Frage: „Wie wird das Werk Gottes vollendet von dem, der gesagt hat: ‚Der Vater, der mich gesandt hat, ist größer als ich‘ (Joh 14,28)?“326, um darauf zu antworten: „Die Vollendung des Werks war die Vollendung der vernunftbegabten Kreatur (ἡ τοῦ λογικοῦ τελειῶσις).“327 Mit dieser Antwort spielt Origenes auf die spezifische Wirksamkeit des Sohnes an. Im vorliegenden Zusammenhang handelt es sich um seine Wirksamkeit als Logos, d. h. als Fülle der Vernunft, kraft derer er die vernunftbegabte Kreatur auf dem Weg eines vernunftbestimmten Lebenswandels zu Gott und so das Schöpfungswerk seines Vaters zur Vollendung führt. Die Differenzierung zwischen der Wirkmacht des Vaters einerseits und der des Sohnes andererseits, wie sie in den bisher betrachteten Zitaten zum Ausdruck 325 Cels. VIII 15,22–32 (SC 150, 206–208). 326 In Ioh. comm. XIII 37,237 (SC 222, 158). 327 In Ioh. comm. XIII 37,237 (SC 222, 158).
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kommt, findet sich auch in einem Passus, den Kaiser Justinian aus dem ersten Buch von Περὶ Ἀρχῶν überliefert. Darin ist auch die Wirkmacht des Heiligen Geistes mit in die Betrachtung einbezogen. Der Passus beginnt mit der Feststellung, „dass Gott, der Vater, der das All umfasst, zu jedem Seienden hindurchdringt und einem jeden aus seiner Wirklichkeit ermöglicht zu sein, was es ist. Weniger weit (ἐλλατόνως) als der Vater wirkt der Sohn, der nur zu den vernunftbegabten Geschöpfen hindurchdringt, denn er steht an zweiter Stelle nach dem Vater (δεύτερος γάρ ἐστι τοῦ πατρός), noch weniger weit (ἡττονῶς) der Heilige Geist, der nur bis zu den Heiligen dringt.“ An diese Feststellung schließt sich die Schlussfolgerung an: „Insofern also (ὥστε κατὰ τοῦτο) ist die Macht des Vaters größer (μείζων ἡ δύναμις τοῦ πατρός) als die des Sohnes, weitreichender (πλείων) sodann die des Sohnes als die des Heiligen Geistes, und die Macht des Heiligen Geistes ihrerseits ist ausgezeichneter (διαϕέρουσα μᾶλλον) als die von allem, was sonst heilig ist.“328 Die δυνάμεις von Vater, Sohn und Heiligem Geist sind demnach im Hinblick auf ihren jeweiligen Wirkbereich hierarchisch gestuft. Eine wörtliche lateinische Entsprechung hat die zitierte Schlussfolgerung in einer Paraphrase des Hieronymus.329 In der Forschung geht man deshalb gemeinhin davon aus, dass sie der Sache nach als authentisch zu gelten hat. Henri Crouzel dagegen hat diese Sichtweise bestritten. Er möchte die Schlussfolgerung im Blick auf die quantitative Stufung der δυνάμεις vielmehr als Interpretation des Hieronymus verstehen, von der er vermutet, dass sie bis in Justinians Florilegiensammlung hinein tradiert worden ist.330 Die Frage, ob Origenes selbst die besagte Schlussfolgerung formuliert hat oder nicht, können wir an dieser Stelle auf sich beruhen lassen. Es mag hier genügen, auf die zwei folgenden Gesichtspunkte hinzuweisen: Die Vorstellung, dass die Wirkbereiche von Vater, Sohn und Heiligem Geist ver-
328 Justinian, Epist. ad Men., frg. 9 (ACO 3, 208,27–32 = TzF 24, 168). 329 Hieronymus, Epist. 124,2 (CSEL 56/1, 98,1–6 = TzF 24, 168): […] filium quoque minorem a
patre, eo quod secundus ab illo sit, et spiritum sanctum inferiorem a filio in sanctis quibusque versari atque hoc ordine maiorem patris fortitudinem esse quam filii et spiritus sancti, et rursum maiorem filii fortitudinem esse quam spiritus sancti et consequenter ipsius sancti spiritus maiorem esse virtutem ceteris, quae sancta dicuntur. 330 Vgl. Crouzel, Les personnes de la Trinité 115–123. Folgenden Traditionszusammenhang hält Crouzel für wahrscheinlich: Hieronymus hat Περὶ Ἀρχῶν in Bethlehem übersetzt und in Palästina auch seine Epistula ad Avitum verfasst, in der die in Anm. 329 zitierte Paraphrase steht. Nach Liberatus, Brev. 23 (ACO 2/5, 139,33–140,12) waren es palästinische Mönche, die eine antiorigenistische Florilegiensammlung erstellt und diese Kaiser Justinian durch Vermittlung des späteren Papstes Pelagius I. vorgelegt haben. Crouzel vermutet nun, dass die Mönche mit dem Schrifttum des Hieronymus vertraut waren und auch auf die interpretierende Schlussfolgerung zurückgegriffen haben, die Hieronymus in seiner Paraphrase formuliert hatte, so dass diese in griechischer Übersetzung schließlich Eingang in die Florilegiensammlung fand (vgl. Crouzel, Les personnes de la Trinité 122 f.).
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schiedenen Umfangs sind, findet sich auch in Rufins De Principiis.331 Somit kann der erste Teil des von Justinian überlieferten Abschnitts der Sache nach durchaus zum authentischen Gedankengut des Origenes gerechnet werden. Zu der im zweiten Teil daraus abgeleiteten Schlussfolgerung, dass die Wirkkräfte der drei Hypostasen hierarchisch gestuft sind, lässt sich vor dem Hintergrund unserer bisherigen Ausführungen festhalten, dass eine solche Schlussfolgerung zumindest nicht außerhalb des origeneischen Vorstellungshorizonts liegt. Selbst wenn man also mit Crouzel davon ausgehen wollte, dass Origenes diese Schlussfolgerung nicht selbst formuliert hat, kann kaum bestritten werden, dass Origenes diese sehr wohl hätte formulieren können. Es sei also dahingestellt, ob Hieronymus die in Frage stehende Schlussfolgerung explizit in der Grundlagenschrift gelesen und daraus exzerpiert oder ob er selbst sie erst als interpretierende Zusammenfassung formuliert hat. Klar ist jedenfalls, dass er die darin artikulierte These als häretisch bewertet hat. Dies gilt auch für Justinian. Hieronymus und Justinian waren der Auffassung, die Vorstellung einer hierarchischen Stufung der Hypostasenwirkkräfte sei nicht mit den trinitätstheologischen Lehraussagen der Konzilien von Nizäa und Konstantinopel zu vereinbaren, wonach dem Sohn und dem Heiligen Geist dasselbe göttliche Wesen und damit auch dieselbe Allmacht eigen ist wie dem Vater. Jenseits der anachronistischen polemischen Streitigkeiten um die Orthodoxie des Origenes stellt sich aber die Frage, ob die besagte Vorstellung auch für den Alexandriner eine ontologische Wesensdifferenz zwischen den Hypostasen implizieren musste.332 Aus den bisherigen Ausführungen ist unter verschiedenen Gesichtspunkten deutlich geworden, dass Origenes in kompromissloser Frontstellung gegen den zeitgenössischen Modalismus sehr darauf bedacht ist, die drei Hypostasen in ihrer Eigenständigkeit voneinander abzugrenzen. Dem entspricht es, dass er im Anschluss an bestimmte Aussagen der Heiligen Schrift jeder Hypostase einen eigenen Wirkungsbereich und eine eigene Wirkmächtigkeit zuschreibt. Weil er stets auf die Selbständigkeit der Hypostasen bedacht ist und das spätere trinitätstheologische Axiom noch nicht kennt, wonach die Wirkungen des dreifaltigen Gottes nach außen ungeteilt erfolgen,333 führt er eine schriftgemäße Stufung des Wirkbereichs und des Wirkvermögens der jeweiligen Hypostasen ein. Da allein der Vater der ursprungslose Ursprung aller Wirklichkeit ist, kommt es ihm allein 331 Princ. I 3,8 (TzF 24, 178–180). Vgl. auch die Überlieferung bei Athanasius von Alexan-
drien, Epist. ad Serap. 4,10 (PG 26, 649C–652A) und bei Photius, Bibl. Cod. 8 (p. 3b,39–41 Henry = TzF 24, 168). 332 Dies bejahen z. B. Cignelli, Giovanni 14,28 137–139 und Lilla, Neoplatonic Hypostases 139. – Dillon, Doctrine of the Trinity 19–23 unternimmt den wenig überzeugenden Versuch, die Vorstellung von der hierarchischen Stufung der Hypostasenwirkkräfte innerhalb des zeitgenössischen Platonismus zu verorten. 333 So z. B. Augustinus, In Ioh. comm. XX 3,20–33 (CChr.SL 36, 204).
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zu, als Schöpfer aller Dinge allem das Sein zu verleihen. An dieser schöpferischen Wirkweise ist der Sohn gemäß Joh 1,3 nur als Mittler beteiligt, während die ihm eigentümliche Funktion darin besteht, in der Fülle der Wirklichkeiten, die er ist, auf die vernunftbegabten Kreaturen einzuwirken. Dem Heiligen Geist kommt es zu, die Heiligung dieser Kreaturen zu bewirken, wie noch zu zeigen sein wird. Es könnte also die Stufung der Wirkmächtigkeit von Vater, Sohn und Heiligem Geist auch ganz einfach dahingehend verstanden werden, dass jede Hypostase eine jeweils andere, ihrer jeweiligen hypostatischen Relation entsprechende heilsökonomische Funktion erfüllt, ohne dass damit aber eine Differenz im Hinblick auf ihre jeweilige göttliche Wesensnatur behauptet ist. Es zeigt sich also, so können wir als Ergebnis dieses Abschnitts festhalten, dass es den Ausführungen, die Origenes über die Vater-Sohn-Relation vorträgt, im Hinblick auf deren ontologische Implikationen an Eindeutigkeit mangelt. Seine diesbezüglichen Ausführungen ergeben im Ganzen ein ambivalentes Bild. Einerseits legen sie stellenweise einmal mehr, einmal weniger deutlich die Vermutung nahe, dass er mit der Mittelstellung des Sohnes auch dessen seinsmäßige Subordination unter den Vater verbindet. Andererseits scheint es doch nicht ausgeschlossen, Origenes als Vordenker der nizänischen Gotteslehre zu betrachten, der davon überzeugt war, dass der Sohn in seinem göttlichen Wesen dem Vater gleich und nur im Hinblick auf die Ursprungsrelation und die daraus resultierende heilsökonomische Funktion ihm untergeordnet ist, der aber diese Überzeugung noch nicht klar und deutlich zu formulieren wusste. Das Grundproblem, das Origenes’ Überlegungen zur Vater-Sohn-Relation durchzieht, besteht jedenfalls darin, dass er begrifflich noch nicht zwischen der jeweiligen relationalen und funktionalen Eigentümlichkeit der Hypostasen, ihrer Proprietät, und der ihnen eigenen Wesensnatur unterscheidet. Ohne diese Unterscheidung, die erstmals sein Zeitgenosse Tertullian mit den Begriffen persona und substantia auf den Weg gebracht hat,334 muss sein Versuch, in enger Anlehnung an die in sich selbst ambivalenten Aussagen der Heiligen Schrift den biblischen Monotheismus mit einer antimodalistischen metaphysischen Christologie zu vermitteln, geradezu zwangsläufig in das Dunkel führen, dessen Grundproblematik im vorliegenden Abschnitt aufgezeigt werden sollte.335 Im übernächsten Abschnitt sollen Origenes’ Ausführungen zur Vater-SohnRelation im Blick auf die Frage weiterverfolgt werden, wie er die johanneischen 334 Vgl. Tertullian, Adv. Prax. 12,6 f. (FC 34, 152). 335 Vgl. Cignelli, Giovanni 14,28 153: „Se non erriamo, a Origene fa difetto ciò che costituisce
invece il punto forte di Tertulliano: una chiara e precisa distinzione tra natura e persona. Nonostante il suo antimodalismo e antiadozionismo, egli non mantiene ben distinti i due ordini, per cui nel suo discorso trinitario la sfera ipostatica e quella ontologica a ppaiono fuse, e l’alterità personale tutt’uno con quella essenziale.“
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Aussagen über die Einheit von Vater und Sohn interpretiert. Zunächst aber soll im Folgenden noch der Frage nachgegangen werden, inwieweit Origenes den Sohn von den vernunftbegabten Kreaturen abgrenzt, die seiner Kosmologie zufolge gegenüber der materiellen Schöpfungswirklichkeit präexistent sind. Auf diese Weise soll die Zwischenstellung präziser in den Blick treten, die der Sohn zwischen dem Vater auf der einen und den Vernunftgeschöpfen auf der anderen Seite einnimmt. So soll die folgende Untersuchung weiter klären helfen, wohin der Sohn nach Origenes eigentlich und im Letzten gehört: in die Seinswirklichkeit Gottes, seines Vaters, oder auf die Seite der Kreatur.
2.5 Die Abgrenzung des Sohnes gegenüber den vernunftbegabten Geschöpfen Dass sich der Sohn nach Origenes in signifikanter Weise von den vernunftbegabten Geschöpfen unterscheidet, ist in der bisherigen Darstellung unter verschiedenen Gesichtspunkten bereits zur Sprache gekommen. Besonders augenscheinlich tritt diese Unterschiedenheit darin zutage, dass der Sohn dem Vater auch bei der Schöpfung der Vernunftwesen als exemplarisches und instrumentelles Vermittlungsprinzip dient. Als Logos ist er darüber hinaus in besonderer Weise das Urbild, nach dem die vernunftbegabten Kreaturen geschaffen sind, wie Origenes im Blick auf Gen 1,26 f. ausführt. Denn der Sohn verleiht den Vernunftwesen Anteil an der Fülle der Vernunftwirklichkeit, als die er selbst subsistiert, insofern er der αὐτολόγος ist. Ins Sittliche gewendet bedeutet dies, dass er als Inbegriff aller Tugenden die vernunftbegabten Geschöpfe auf den Weg zu einem vernunftgemäßen, sittlichen Lebenswandel führt. Schließlich vermittelt er als ϑεός ihre eschatologische Vergöttlichung. Kraft seiner ewigen unmittelbaren Teilhabe an der selbstursprünglichen Gottheit des Vaters ist der Sohn Gott und zwar in einer Weise, die ihn deutlich von den vernunftbegabten Geschöpfen abhebt.336 Der Sohn ist in seinem Gottsein nämlich unwandelbar. Er bewahrt sein Gottsein stets in der ursprünglichen Fülle, in der sein Vater es ihm mitteilt. Darum nennt Origenes den Sohn „in jeder Hinsicht ehrwürdiger (πάντως τιμιώτερος)“ als jede Kreatur, die durch seine Vermittlung der Gottheit teilhaftig wird.337 Anders als der Sohn sind die vernunftbegabten Geschöpfe wandelbar338 und durch den Missbrauch ihrer Freiheit im Sündenfall erlösungsbedürftig geworden, wenn auch in je verschiedenem Grad. Ihre Erlösung wird ebenfalls durch den Sohn vermittelt.
336 Bueno Ávila, „Plenitud“ y „participación“ 32 f. 337 In Ioh. comm. II 2,17 (SC 120, 218). 338 Cels. III 70,18–20 (SC 136, 160); Princ. I 2,4 (TzF 24, 128); 6,2 (TzF 24, 218–220).
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Ob der Sohn in seiner Eigenschaft als universaler Mittler nach Origenes ontologisch ganz der Wirklichkeit Gottes, seines Vaters, angehört, wie es das nizänische Dogma lehrt, oder ob er doch eher den Kreaturen zuzurechnen ist, auch wenn er unter diesen aufgrund seiner exklusiven Unmittelbarkeit zum ursprungslosen Ursprung aller Wirklichkeit und aufgrund seiner seinsmäßigen Unwan delbarkeit eine einzigartige, unvergleichlich erhabene Stellung einnimmt, diese Frage scheint mit alledem aber noch nicht hinreichend klar entschieden zu sein. Dass Origenes den Sohn unter die Kreaturen zählt, bleibt insofern möglich, als er, wie aus der bisherigen Darstellung deutlich geworden ist, immer wieder und mitunter sogar sehr dezidiert dazu neigt, allein den Vater als den einzig wahren Gott zu betrachten. Mit dieser Tendenz könnte Origenes die Vorstellung verbunden haben, dass alle vom wahren Gott verschiedene Wirklichkeit im letzten Grund ihres Wesens Schöpfung ist.339 Außerdem ist daran zu erinnern, dass das Verb κτίζειν aus Spr 8,22 in seiner metaphysischen Christologie einen Bedeutungsgehalt gewinnt, der im Hinblick auf den ontologischen Status des Sohnes nicht eindeutig ist. Zwar grenzt Origenes den Sohn als Schöpfungsmittler von der durch ihn vermittelten Schöpfung ab. Wie diese Abgrenzung aber ontologisch zu bewerten ist, lässt er offen: Unterscheidet sich der Sohn von der sich seiner Vermittlung verdankenden Schöpfung möglicherweise nur darin, dass er allein unvermittelt und unwandelbar aus dem göttlichen Wirklichkeitsgrund hervorgeht, wobei er jedoch seinsmäßig selbst der kreatürlichen Wirklichkeit angehört? Einmal mehr stellt sich diese Frage angesichts der Vorstellung einer zweifa chen Schöpfung, die Origenes seiner Schöpfungslehre zugrundelegt, indem er eine primäre, rein geistige von einer sekundären, materiell-körperlichen Schöpfung unterscheidet. Überwiegend wird in der Forschung die These vertreten, er habe die primäre Schöpfung der vernunftbegabten Kreaturen als einen vorzeitlichen, ewigen Akt begriffen, in dem diese Kreaturen aus ihrem schöpferischen Urgrund durch Vermittlung des Sohnes konstituiert werden.340 Sollte diese These zutreffen, fiele ein fundamentales Merkmal weg, durch das sich der Sohn von den vernunftbegabten Geschöpfen unterscheidet, der Umstand nämlich, dass allein der Sohn in ewiger Gegenwart vom Vater begründet wird.341 Aber selbst wenn 339 So Kettler, Ewigkeit der geistigen Schöpfung 272 f. 278. 281. 340 So z. B. von Harnack, Dogmengeschichte I 676; Daniélou, Origène 253 f.; Jonas, Ori-
genes’ Περὶ Ἀρχῶν 104 = Jonas, Gnosis II 181; Kettler, Ewigkeit der geistigen Schöpfung 287–297; Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 87; Widdicombe, The Fatherhood of God 72–75; Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 256. – Die Auffassung, dass sich die Welt einer ewigen Schöpfung verdankt, begegnet im Anschluss an Aristoteles auch in den meisten kosmologischen Entwürfen des kaiserzeitlichen Platonismus, die sich als Auslegungen von Platons Timaios verstehen. Zur antiken Timaiosinterpretation vgl. die einschlägige Studie von Baltes, Die Weltentstehung des platonischen Timaios, bes. 210–216. 341 Vgl. Wiles, Eternal Generation 287 f.
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dies der Fall sein sollte, müsste daraus allein noch keineswegs gefolgert werden, dass Origenes den Sohn als Geschöpf und seine Zeugung als einen, wenn auch unvergleichlichen, Akt der Schöpfung betrachtet. Dies jedenfalls kann ein Blick auf die Kontroverse zwischen Thomas von Aquin und Bonaventura lehren. Im Unterschied zu diesem vertritt der Aquinate bekanntlich die Auffassung, der Gedanke einer ewigen Schöpfung sei nicht nur philosophisch denkbar, sondern auch mit der grundlegenden ontologischen Differenz vereinbar, die zwischen der geschaffenen Wirklichkeit und dem dreifaltigen Gott bestehe.342 Warum sollten derartige Überlegungen nicht auch Origenes zuzutrauen sein? Somit stellt der Nachweis dafür, dass Origenes die primäre Schöpfung der vernunftbegabten Kreaturen als ewige Schöpfung begreift, noch kein hinreichendes Argument für die These dar, dass er auch den Sohn ontologisch auf der Ebene der Kreatur ansiedelt. Sofern sich das Gegenteil zeigen ließe, dass nämlich die Vernunftgeschöpfe nach Origenes nicht von Ewigkeit zu Ewigkeit Bestand haben, sondern dass sie vielmehr einen zeitlichen Anfang genommen haben,343 wäre ein gewichtiges Argument dafür erbracht, dass Origenes auch eine ontologische Differenz zwischen diesen Geschöpfen und dem in ewiger Gegenwart gezeugten Sohn annimmt. Diese Differenz wäre dann in dem fundamentalen Unterschied zwischen Ewigkeit und Zeitlichkeit begründet, wie er nach der späteren Glaubenslehre zwischen dem trinitarischen Gott und der Schöpfung gegeben ist. Der Nachweis einer solchen Differenzierung lässt sich für Origenes jedoch schwerlich erbringen. Es ist vielmehr eher wahrscheinlich, dass der Alexandriner tatsächlich eine ewige Schöpfung der Vernunftwesen gelehrt hat, so sehr er sich der Problematik einer solchen Annahme bewusst gewesen zu sein scheint.344 Doch selbst wenn ein unzweifelhafter Nachweis des Gegenteils möglich wäre, stellte sich immer noch die Frage, ob der in diesem Fall zwischen dem Sohn und den Vernunftkreaturen bestehende Unterschied wirklich als ontologische Differenz oder nur als Ausdruck der graduell unvergleichlichen, exklusiven Position zu deuten wäre, die dem Sohn gegenüber den Vernunftgeschöpfen unbestritten zukommt. Der Versuch, 342 Vgl. dazu Schönberger, Ewigkeit der Welt XVII–XXVII. 343 So z. B. Nemeshegyi, Paternité de Dieu 111–126; Crouzel, Origène 268 f.; Crouzel,
Idées et Raisons 366; Tzamalikos, The Concept of Time 77–107; Bendinelli, Problema della creazione 32 f. 40. 344 Vgl. Princ. I 4,3–5 (TzF 24, 188–192) in Verbindung mit 2,10 (TzF 24, 144–146) sowie Justinian, Epist. ad Men., frg. 10 (ACO 3, 210,26 f. = TzF 24, 192). Vgl. außerdem die Behauptung des Antipater von Bostra, überliefert bei Johannes von Damaskus, Sacr. Parall. (PG 96, 501D = TzF 24, 266), Origenes habe in Περὶ Ἀρχῶν gelehrt: ὅτιπερ οὐκ ἤρξατο ὁ ϑεὸς δημιουργεῖν καὶ τοὺς νόας. In diesem Sinn ist auch das Referat des Methodius bei Photius, Bibl. Cod. 235 (p. 302b,4 Henry = TzF 24, 144) zu verstehen: ἄναρχον καὶ συναΐδιον τῷ ϑεῷ τὸ πᾶν. Vgl. auch Justinian, Epist. ad Men., frg. 5 (ACO 3, 210,21–24 = TzF 24, 146). Näheres zum Problem bei Strutwolf, Gnosis als System 235–237 und Köckert, Christliche Kosmologie 300–303.
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die Frage, inwieweit Origenes den Sohn von den vernunftbegabten Geschöpfen abgrenzt, durch eine Analyse der origeneischen Schöpfungskonzeption zu lösen, wirft also eine ganze Reihe neuer komplizierter Probleme auf. Deshalb soll im Folgenden ein anderer Weg beschritten werden, um diese Frage zu erhellen. Es soll untersucht werden, mit welchen Formulierungen und in welchen Ideenzusammenhängen Origenes das Verhältnis thematisiert, in dem der Sohn und die vernunftbegabten Kreaturen zueinander stehen und inwieweit er dabei beide voneinander abgrenzt. Dazu lassen sich zunächst solche Textstellen anführen, aus denen deutlich hervorgeht, dass die Grenze zwischen dem Sohn und den vernunftbegabten Kreaturen bei Origenes mitunter sehr zu verschwimmen droht. So nennt er im sechsten Buch von Contra Celsum den Sohn als „zweiten Gott“ ohne jede weitere Differenzierung in einem Atemzug mit anderen irgendwie göttlichen Wesen. Dort widerspricht Origenes dem Vorwurf des Celsus, die Christen würden in ihrer Schöpfungslehre vom obersten Gott, d. h. vom Vater, unsinnigerweise behaupten, dieser arbeite mit seinen Händen. Auf diesen Vorwurf entgegnet er: „Versteht man den Ausdruck ‚mit der Hand verrichten‘ wörtlich, dann verrichtet auch weder der zweite Gott [sc. der Sohn] noch irgendein anderes der göttlicheren Wesen (ἄλλο τι τῶν ϑειοτέρων) etwas mit der Hand.“345 Hier reiht Origenes den Sohn also in die Schar derer ein, die die Heilige Schrift „Götter“ nennt. Gewiss setzt er dabei unausgesprochen voraus, was er andernorts mehrfach deutlich hervorgehoben hat: dass sich nämlich der Sohn von den anderen „Göttern“ dadurch unterscheidet, dass er allein sein Gottsein unmittelbar aus dem väterlichen Wirklichkeitsgrund empfängt, während alle anderen „Götter“ an der Gottheit nur infolge seiner Vermittlung teilhaben, und dass nur er sein Gottsein unwandelbar besitzt. Trotzdem zeigt die undifferenzierte Redeweise im vorliegenden Zitat, dass Origenes die zweite göttliche Hypostase des Sohnes begrifflich nicht klar und deutlich von den vernunftbegabten Kreaturen abgrenzt. Wie sehr er die Grenze zwischen dem Sohn und den Vernunftwesen terminologisch bisweilen im Unscharfen belässt, zeigt sich auch, wenn er die Vernunftwesen dem Sohn unter dem Begriff ἡ λοιπὴ παρ᾽ αὐτὸν γεννητὴ ϕύσις346 gegenüberstellt oder sie als ἕτεροι παρὰ Χριστὸν γενητοί347 apostrophiert. Mit dieser inkludierenden Redeweise schließt Origenes den Sohn zweifellos in die γεννητὴ ϕύσις bzw. in die Schar der γενητοί ein. Wer allerding daraus Rückschlüsse hinsichtlich der Frage nach dem ontologischen Status des Sohnes ziehen wollte, würde den terminologischen Problemgehalt dieser Rede unzulässig vereinfachen. Denn nach allem, was die bisherige Untersuchung ergeben hat, besteht die Mög345 Cels. VI 61,26 f. (SC 147, 332). 346 In Ioh. comm. II 18,126 (SC 120, 290). 347 In Ioh. comm. II 28,172 (SC 120, 322–324).
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lichkeit, dass Origenes mit solchen Formulierungen zunächst nichts weiter als die Tatsache aussagen will, dass der Sohn, in gleicher Weise wie auch die Geschöpfe, den Grund seines Daseins nicht in sich selbst, sondern außerhalb seiner selbst, nämlich in der Hypostase des Vaters hat, die allein ursprungslos, ungezeugt und ungeworden ist. Weil Origenes die Entstehung sowohl des Sohnes als auch der Geschöpfe mit dem Verb γεννᾶσϑαι ebenso beschreiben kann wie mit γίγνεσϑαι, er also die spätere Sprachregelung noch nicht voraussetzt, wonach der Hervorgang des Sohnes aus dem Vater als Zeugung ausschließlich mit γεννᾶσϑαι umschrieben und solchermaßen von der Schöpfung abgegrenzt wird,348 kann er den Sohn zusammen mit den Geschöpfen unter den Begriff der nicht aus sich selbst heraus existierenden Realitäten, also der γεννητὴ ϕύσις oder der γενητοί subsumieren. Über den ontologischen Status des Sohnes ist damit aber noch nicht entschieden. Es wurde ja schon darauf hingewiesen, dass Origenes die Stellung des Sohnes gegenüber dem Vater nicht so sehr unter dem Aspekt der Wesensnatur, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt der hypostatischen Relationalität betrachtet. Diese Perspektive leitet seine Überlegungen auch im vorliegenden Zusammenhang: Weil der Sohn, als eigenständige Hypostase betrachtet, mit den Geschöpfen darin übereinkommt, sich in allem dem Vater zu verdanken, kann Origenes ihn zusammen mit den Geschöpfen gegenüber dem Vater abgrenzen. Beide, der Sohn wie die Geschöpfe, stehen zur ersten Hypostase in einer Relation der Abkünftigkeit. Es ist möglich, dass Origenes mit den hier zur Diskussion stehenden Formulierungen nur auf diese Gemeinsamkeit abzielt, ohne damit aber den Sohn zugleich ontologisch als Geschöpf qualifizieren zu wollen. Nur sehr undeutlich ist der Sohn von den vernunftbegabten Kreaturen auch dort unterschieden, wo Origenes ihn, 1 Kor 1,24 folgend, als Macht (δύναμις) bezeichnet und zu anderen Mächten (δυνάμεις) in Beziehung setzt, um gegenüber den Modalisten den Nachweis zu führen, dass wie diesen Mächten so auch dem Sohn eine eigenständige hypostatische Existenz (ἰδία περιγραϕή) eigen ist. So sagt er: „Oft steht geschrieben: ‚Dies spricht der Herr der Mächte‘ (vgl. Jer 22,6; Ps 23,10; 58,6; 79,5.8), wobei irgendwelche vernunftbegabten göttlichen Lebewesen als Mächte bezeichnet werden (λογικῶν τινων ϑείων ζῴων δυνάμεων ὀνομαζωμένων). Höher als diese steht und besser als diese ist Christus, der nicht nur als σοϕία ϑεοῦ, sondern auch als δύναμις ϑεοῦ (1 Kor 1,24) bezeichnet wird (ὧν ἡ ἀνωτέρω καὶ κρείττων Χριστὸς ἦν, οὐ μόνον σοϕία ϑεοῦ ἀλλὰ καὶ δύναμις προσαγορευόμενος).“349 Im folgenden Satz heißt es dann in einer Nebenbemerkung, der Sohn unterscheide (διαϕέρει) sich von den „vielen Mächten Gottes“.350 Worin dieser Unterschied genau besteht, führt Origenes allerdings nicht weiter 348 Vgl. zu diesem Problem Prestige, God 37–54. 349 In Ioh. comm. I 39,291 (SC 120, 206). 350 In Ioh. comm. I 39,292 (SC 120, 206).
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aus, so dass sich der Leser auf die vorgängige Aussage verwiesen sieht, der Sohn sei eine Macht, die „höher“ und „besser“ sei als die anderen Mächte. Ein Mangel an Präzision haftet auch folgender Aussage über den Sohn an: „Als πρεσβύτατον πάντων τῶν δημιουργημάτων kennen ihn die heiligen Schriften und wissen, dass Gott im Blick auf die Erschaffung des Menschen (περὶ τῆς τοῦ ἀνϑρώπου δημιουργίας) zu ihm gesagt hat: ‚Lasst uns einen Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis‘ (Gen 1,26).“351 Dieser Satz steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem christologischen Titel „Erstgeborener der ganzen Schöpfung“ aus Kol 1,15, den Origenes hier wie auch sonst immer auf den präexistenten Gottessohn bezieht.352 Welche Bedeutung hat in dieser Aussage das Adjektiv πρέσβυς? Es kann sowohl „ehrwürdig“ oder „wichtig“ heißen als auch den zeitlichen Aspekt des Älteren, Früheren anzeigen. Weil Origenes sich im vorliegenden Textzusammenhang gegen die Behauptung des Celsus zur Wehr setzt, die Christen hätten den Sohn als neuen Gott erfunden, denn vor seiner angeblichen Erscheinung auf der Erde habe es ihn noch gar nicht gegeben, ist klar, dass Origenes mit dem Superlativ πρεσβύτατον auf die vorzeitliche Existenz des Gottessohnes abzielt. Er will zum Ausdruck bringen, dass der Sohn durchaus nicht „neu“ ist, dass er vielmehr längst vor seiner Erscheinung auf Erden als Sohn Gottes existiert. Mit dem Adjektiv πρέσβυς ist darum zunächst die allen Geschöpfen zumindest logisch vorausgehende Existenz des Sohnes ausgesagt,353 damit verbunden aber freilich auch seine unvergleichliche Erhabenheit und Würde, die ihn gegenüber diesen Geschöpfen auszeichnet, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil er als Mittler ihrer Schöpfung fungiert.354 Die Wendung πρεσβύτατον πάντων 351 Cels. V 37,38–41 (SC 147, 114). Vgl. auch die Wendung: ὁ πρεσβύτατος δὲ καὶ υἱὸς μὲν τοῦ
ϑεοῦ πάντων δὲ τῶν ὑποκειμένων βασιλεύς in Cels. IV 81,19 f. (SC 136, 386).
352 Cels. V 37,36–38 (SC 147, 114). Vgl. z. B. In Ioh. comm. I 17,104 (SC 120, 114); 18,108 (SC 120,
116–118); 19,117 f. (SC 120, 122); 26,175 (SC 120, 146); 27,188 (SC 120, 154). – Seit den Auseinandersetzungen mit Arius und seinen Anhängern im Umfeld des Konzils von Nizäa wurde der Titel πρωτότοκος πάσης κτίσεως von den Anhängern des nizänischen Symbols nur noch auf den Inkarnierten bezogen, um auf diese Weise den präexistenten Sohn in aller Deutlichkeit von der Schöpfung abzugrenzen. Vgl. dazu Vogt, Sohn Gottes – Logos des Schöpfers 261 f. 353 So auch In Ioh. comm. II 4,36 (SC 120, 230). Die Bedeutung „vorgängig, früher“ hat der Komparativ πρεσβύτερος auch in In Ioh. comm. I 32,236 (SC 120, 176); II 30,181 (SC 120, 330); X 29,179 (SC 157, 492). Vgl. auch Philon von Alexandrien, Leg. III 175: καὶ ὁ λόγος δὲ τοῦ ϑεοῦ ὑπεράνω παντός ἐστι τοῦ κόσμου καὶ πρεσβύτατος καὶ γενικώτατος τῶν ὅσα γέγονε (weitere Stellen bei Mack, Logos und Sophia 143 Anm. 61). 354 So heißt es in In Matth. comm. XVII 14 (GCS Orig. 10, 623,2–17) über den Sohn: „Sein Vorrang (ὑπεροχή) bestand nicht darin, Prophet zu sein, sondern Sohn Gottes, ‚Erstgeborener der ganzen Schöpfung‘, ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘, ‚in dem alles geschaffen wurde im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare‘ usw. (vgl. Kol 1,15 f.). Und mehr noch bestand sein Vorrang darin, die Sophia zu sein, die spricht: ‚Der Herr besaß mich [ἐκτήσατό με; zu dieser Lesart vgl. Vogt, Anmerkungen zu Buch XVII 308 Anm.
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τῶν δημιουργημάτων dürfte somit als eine Abwandlung des biblischen Christustitels πρωτότοκος πάσης κτίσεως zu verstehen sein, den Origenes dahingehend interpretiert, dass die Konstituierung des ewigen Gottessohnes aller Schöpfung vorausgeht.355 Selbstverständlich trägt diese Konstituierung nach Origenes aber nicht den Charakter der Zeitlichkeit. Denn der Sohn ist in ewiger Gegenwart aus seinem Vater gezeugt. Dass Origenes ihn an der vorliegenden Stelle aber unmissverständlich von den δημιουργήματα abgrenzen würde, davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil, die Bezeichnung des Sohnes als πρεσβύτατον πάντων τῶν δημιουργημάτων kann man mit Marcel Borret zwar in dem Sinn übersetzen, dass der Sohn allen Geschöpfen gegenüber vorgängig ist.356 In ihrem Wortlaut unverkürzt interpretiert ist diese Bezeichnung aber erst dann, wenn man berücksichtigt, dass es sich bei den Geschöpfen um alle anderen Geschöpfe neben dem Sohn selbst handelt.357 Jedenfalls subsumiert Origenes den Sohn an dieser Stelle unter den Begriff des δημιούργημα und hebt ihn nur durch den Superlativ πρεσβύτατον von den anderen δημιουργήματα ab. Deutlichere Konturen gewinnt der sachliche Gehalt des Superlativs πρεσβύ τατον und mit ihm die Unterscheidung des Sohnes gegenüber den übrigen δημιουργήματα dort, wo Origenes den Sohn selbst als δημιουργός bezeichnet. „In gewisser Weise (πώς)“, so erklärt er, „ist Christus nämlich δημιουργός, zu dem der Vater sagt: ‚Es werde Licht‘ und ‚Es werde ein Firmament‘ (Gen 1,4.6). Δημιουργός aber ist Christus als ἀρχή, insofern er die Sophia ist, denn deshalb, weil er die Sophia ist, wird er ἀρχή genannt (vgl. Spr 8,22).“358 Mit dem Begriff δημιουργός kann Origenes die Funktion des Sohnes als Schöpfungsmittler umschreiben, dem es deshalb zukommt, als der unmittelbare Schöpfer zu agieren, weil der Vater in seiner Transzendenz sein Schöpfertum immer nur vermittelt durch den Sohn ausübt.359 Zugleich ist diese Bezeichnung ein sprechendes Beispiel dafür, wie uneinheitlich Origenes’ Terminologie bisweilen ist. Wenn er den 39] als Anfang seiner Wege im Hinblick auf seine Werke‘, bevor er etwas machte, und ‚vor der Weltzeit gründete er mich im Anfang, bevor er die Erde machte‘ usw. (vgl. Spr 8,22 f.).“ 355 So auch Novatian, De trin. 21,123 (Test. 2, 142): Quodsi et „primogenitus omnis creaturae“ (Kol 1,15) ab apostolo dictus sit Christus, quomodo omnis creaturae primogenitus esse potuit, nisi quoniam secundum diuinitatem ante omnem creaturam ex patre deo sermo processit? 356 Borret übersetzt: „Les divines Écritures le savent bien antérieur à toutes les créatures […]“ (SC 147, 115). 357 Dieser Aspekt kommt in der Übersetzung von Borret (s. Anm. 356) zu kurz. 358 In Ioh. comm. I 19,110 f. (SC 120, 118). Vgl. auch In Ioh. comm. I 35,255 (SC 120, 186): δημιουργὸν μὲν ἐκλαβόντες τὸν Χριστόν sowie Cels. VI 47,14–17 (SC 147, 298), wo Origenes erklärt, schon aus dem 7. Brief (Ps-)Platons könne man lernen, ὅτι ὁ μὲν δημιουργὸς τοῦδε τοῦ παντὸς υἱός ἐστι τοῦ ϑεοῦ, ὁ δὲ πρῶτος καὶ έπὶ πᾶσι ϑεὸς πατήρ ἐστιν αὐτοῦ. 359 Cels. VI 60,15–19 (SC 147, 328): „Wir sagen, dass der unmittelbare Schöpfer (τὸν μὲν προσεχῶς δημιουργόν) der Sohn Gottes ist, Logos und gleichsam eigenhändiger Schöpfer des Kosmos (λόγον καὶ ὡσπερεὶ αὐτουργὸν τοῦ κόσμου), der Vater des Logos aber, indem
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Sohn sowohl als δημιουργός als auch als δημιούργημα bezeichnet, bringt er mit diesem paradoxen Vokabular die charakteristische Mittelstellung des Sohnes zum Ausdruck: Indem dieser sich in allem dem Vater verdankt, indem er also auf den Vater als den Urgrund seines Seins bezogen ist, ist er wie alle weitere nicht aus sich selbst heraus existierende Wirklichkeit ein δημιούργημα, ein Gebilde oder Erzeugnis des Vaters. Indem er aber dem Vater bei der Schöpfung als Vermittlungsprinzip dient, indem er also zusammen mit dem Vater auf die anderen δημιουργήματα bezogen ist, ist er zugleich grundlegend von diesen unterschieden, ist er πρεσβύτατον πάντων τῶν δημιουργημάτων. Auch in diesem Zusammenhang fällt auf, dass Origenes den Sohn in seiner hypostatischen Selbständigkeit und relationalen Eigenart betrachtet, die sich eben dadurch auszeichnet, dass er in der einen Hinsicht dem Vater und in der anderen Hinsicht den anderen δημιουργήματα zugeordnet ist. Weil also auch an dieser Stelle die relationale Betrachtung im Vordergrund steht, findet sich abermals keine klare Aussage über den ontologischen Status des Sohnes. Die bisher angeführten Zitate zeigen, dass Origenes den Sohn aufgrund seiner Herkünftigkeit aus dem Vater zumindest begrifflich unter die Kreaturen subsumiert. Dabei versäumt er es gleichwohl niemals, dem Sohn eine unvergleichlich exponierte Stellung einzuräumen, wie bereits angeklungen ist und wie sich anhand einer Reihe weiterer einschlägiger Textstellen nachweisen lässt. So deutlich Origenes darin aber auch die zwischen dem Sohn und den Geschöpfen bestehende Differenz immer wieder herausstreicht, so vage bleibt bei alledem der ontologische Status, den er dem Sohn letztlich zuspricht. Charakteristisch für diesen Mangel an Präzision ist auch eine Stelle im Johanneskommentar, wo er den Sohn als ϑεός bezeichnet und diese Bezeichnung mit dem für unsere Fragestellung wenig aussagekräftigen Zusatz ὁ ὑπὲρ πάντα τὰ γενητά versieht.360 An einer anderen Stelle des Johanneskommentars begegnet die Aussage, die ϑειότης des Sohnes sei „überragend und größer als der gesamte Kosmos (ὑπερβάλλουσα καὶ μείζων παντὸς τοῦ κόσμου)“.361 Damit dürfte gemeint sein, dass der Sohn in seinem Gottsein die vernunftbegabten Kreaturen hinsichtlich des ihnen möglichen Gottseins übertrifft. Derselbe Sachverhalt ist in der bisherigen Darstellung bereits in der Aussage angeklungen, wonach der Sohn als ϑεός „die höhere Ordnung der ϑεοί“, d. h. die vergöttlichten vernunftbegabten Kreaturen, überragt.362 In diesem Sinn heißt es auch in Contra Celsum, der eingeborene Sohn des Vaters überrage in seiner Gottheit τὰ λοιπά (τοῦ μονογενοῦς αὐτοῦ ὑπερέχοντος τὰ λοιπά), worunter er seinem Sohn als Logos aufgetragen hat, den Kosmos zu schaffen, der Anfang setzende Schöpfer (πρώτως δημιουργόν) ist.“ 360 In Ioh. comm. II 34,202 (SC 120, 346). 361 In Ioh. comm. VI 32,164 (SC 157, 352). 362 In Ioh. comm. II 3,32 (SC 120, 226).
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auch die vernunftbegabten Geschöpfe zu zählen sind.363 Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch an Origenes’ bereits zitierte Feststellung, „dass der Erlöser […] alles Gewordene (πάντα τὰ γενητά) übertrifft, nicht nur vergleichsweise, sondern durch eine überragende Überlegenheit (οὐ συγκρίσει ἀλλ᾽ ὑπερβαλλούσῃ ὑπεροχῇ).“364 Dieser Aussage zufolge sieht Origenes die Differenz zwischen dem Sohn und den vernunftbegabten Geschöpfen nicht nur in einer graduellen, rela tiven Überlegenheit begründet, sondern in einer absoluten Unvergleichlichkeit, die er mit dem Pleonasmus ὑπερβαλλούση ὑπεροχή ins Wort setzt. Sollte er den Sohn damit von der geschöpflichen Seinswirklichkeit in einer solchen Radikalität absetzen, dass dieser für ihn nur noch als Gott im ontologischen Vollsinn des Wortes denkbar ist? Dieser naheliegenden Folgerung indes steht entgegen, dass Origenes an derselben Stelle zu der nicht weniger radikalen These übergeht, der Sohn sei „in keiner Hinsicht (κατ᾽ οὐδέν) dem Vater vergleichbar“.365 Wer diese apodiktische Aussage nicht nur auf die relationale Überlegenheit des Vaters beziehen will, wird kaum umhin können, sie in dem Sinn zu interpretieren, dass Origenes den Sohn auch ontologisch vom Vater nicht minder scharf getrennt sieht als von den Vernunftgeschöpfen. Um die Stellung des Sohnes speziell gegenüber den Engeln zu bestimmen, greift Origenes vornehmlich auf den christologischen Hymnus zurück, der am Anfang des Hebräerbriefs steht. Im Mittelpunkt steht dabei Hebr 1,4, wonach der Sohn „um so viel erhabener (κρείττων) als die Engel geworden ist (γενόμενος), wie der Name, den er geerbt hat, ihren Namen überragt.“ Origenes bezieht diesen Vers auf den präexistenten Sohn, der in zeitloser Gegenwart aus dem Vater gezeugt und in diesem Sinn „geworden“ ist. So erklärt er in einer Jeremiahomilie unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Hebr 1,4, der Sohn, der Logos „im Anfang bei Gott“ (Joh 1,2), sei „größer als die Engel“. Dabei verwendet er anstelle von κρείττων das Adjektiv μείζων.366 Bei der christologischen Auslegung des Verses Jer 1,6: „Ich verstehe nicht zu sprechen“, den er auf den präexistenten Gottessohn bezieht,367 erklärt Origenes, dass der Sohn als Logos des Vaters nicht nur die Sprache der Menschen überragt, sondern „auch größer (μείζων) als die Sprache der Engel“ ist, von der in 1 Kor 13,1 die Rede ist.368 Damit ist der Überlegenheit des Sohnes sehr pointiert Ausdruck verliehen. Als Logos und Sophia des Vaters, als Inbegriff der Wahrheit, hat der Sohn einen Zugang zum Urgrund aller Wirklichkeit, der selbst den heiligen Engeln als den erhabensten vernunftbegabten Krea363 Cels. V 11,21 f. (SC 147, 40). 364 In Ioh. comm. XIII 25,151 (SC 222, 114). 365 In Ioh. comm. XIII 25,152 (SC 222, 114). 366 In Hier. hom. 1,8,34–36 (SC 232, 214). 367 In Hier. hom. 1,8,25–27 (SC 232, 212). 368 In Hier. hom. 1,8, 29–37 (SC 232, 212–214).
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turen verschlossen ist.369 Zwar sind, wie Origenes an einer einschlägigen Stelle in Contra Celsum erklärt, auch die Engel „göttlich“, so dass die Heilige Schrift verschiedentlich von „Göttern“ spricht.370 Daraus dürfe aber mitnichten der Schluss gezogen werden, „dass uns vorgeschrieben würde, die dienenden Engel, die uns die Botschaften Gottes überbringen, anstelle Gottes zu verehren (σέβειν) und anzubeten (προσκυνεῖν).“371 Im Anschluss daran bringt Origenes die Superiorität des Sohnes über die Engel mit den Worten zum Ausdruck: „Denn jede Bitte und Anbetung und Fürbitte und Danksagung (vgl. 1 Tim 2,1) muss zu dem über allem waltenden Gott durch den über alle Engel erhabenen Hohenpriester [sc. den Sohn; vgl. z. B. Hebr 2,17], den beseelten Logos und Gott, emporgeschickt werden.“372 Der Sohn zeichnet sich gegenüber den vernunftbegabten Geschöpfen dadurch aus, dass er, weil ihm ein exklusiver Zugang zum Vater offensteht, der einzige Mittler ihrer Gebete ist. Der trinitarische Charakter des Gebets wird zwar weiter unten noch ausführlich zu besprechen sein. An dieser Stelle ist aber bereits zu n otieren, dass Origenes das neutestamentliche Theologumenon, wonach alle Gebete an den Vater durch den Sohn vermittelt sind, ebenfalls für die exklusive Position des Sohnes ins Feld führt. Dieser exklusiven Stellung des Sohnes entspricht es, dass nur er allein zusammen mit dem Vater verehrt wird, so sehr es für Origenes denkbar ist, auch den Engeln, die zwar im wahren Sinn Diener Gottes (οἱ ἀληϑῶς ὑπηρέται τοῦ ϑεοῦ), dem eingeborenen Sohn jedoch nachgeordnet sind (μετὰ τὸν μονογενῆ τοῦ ϑεοῦ), in einem bestimmten Sinn Ehre zu erweisen.373 „Wir verehren (σέβομεν)“, so erklärt er, „deshalb den einen Gott und seinen einen Sohn, der sein Logos und sein Bild ist, so gut wir können, mit Flehrufen und Bitten, indem wir dem Gott des Alls die Gebete durch seinen Eingeborenen vortragen. […] Wir verehren (σέβομεν) den Vater, indem wir seinem Sohn unsere Hochschätzung bekunden (ϑαυμαζόντες), welcher Logos und Sophia und Wahrheit und Gerechtigkeit und all das ist, was, wie wir gelernt haben, der Sohn Gottes ist. Und so verehren wir in der Tat auch den von einem solchen Vater Gezeugten.“374 Die Verehrung des Sohnes erfolgt dadurch, dass die vernunftbegabten Geschöpfe sich mit ihren Bitten an ihn wenden, auf dass er die Bitten vor seinen Vater trage, den über allem waltenden Gott. Sie ist somit konstitutives Moment der Verehrung des Vaters, weil die Anliegen der Kreatur nur dann an das Ohr ihres himmlischen Vaters gelangen können, wenn sie zunächst ehrfürchtig 369 370 371 372 373
Vgl. In Ioh. comm. II 8,60 (SC 120, 242). Cels. V 4,14–17 (SC 147, 20). Cels. V 4,18 f. (SC 147, 20). Cels. V 4,19–22 (SC 147, 20–22). Cels. VIII 13,1–10 (SC 150, 200–202). Der hier in der Präposition μετά artikulierte, aber nicht näher spezifizierte Aspekt der Rangordnung ist wörtlich in dem Ausdruck οἱ ἑξῆς γενητοί enthalten, der sich in In Ioh. comm. II 8,60 (SC 120, 242) findet. 374 Cels. VIII 13,18–30 (SC 150, 202).
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vor den Sohn gebracht worden sind. Wie der Sohn also einerseits aktiv beteiligt ist an der anbetenden Verehrung, die die Kreatur dem Vater erweist, indem er diese Verehrung vermittelt, so hat er anderseits zugleich passiv daran teil, insofern er als Mittler der Verehrung selbst verehrt wird, ja werden soll und werden muss und in diesem Sinn auch selbst Adressat von Dank- und Bittgebeten sein kann.375 In diesem zweiseitigen Beziehungsgefüge manifestiert sich noch einmal die Stellung des Sohnes als Mittler zwischen den vernunftbegabten Geschöpfen und dem transzendenten göttlichen Urgrund.376 Der passiven Teilhabe des Sohnes an der Verehrung des Vaters entspricht es, wenn Origenes den Sohn zusammen mit dem Vater und dem Heiligen Geist als „angebetete Dreiheit (προσκυνητὴ τριάς)“ apostrophiert.377 Damit grenzt er den Sohn deutlich von den vernunftbegabten Kreaturen ab. Man kann und soll zwar zum Sohn beten, niemals aber zu einer vernunftbegabten Kreatur wie z. B. zur Sonne, zum Mond oder zu den Sternen,378 weil nur der Sohn unmittelbaren Zugang zum Vater hat und nur er die Gebete zum Urgrund der Gottheit hin vermitteln kann. So eindrucksvoll diese Erwägungen aber auch der unvergleichlichen Mittlerposition des Sohnes Ausdruck verleihen, so wenig lässt sich aus ihnen auf die ontologischen Voraussetzungen schließen, auf denen diese Position beruht. Dass der Sohn ganz in die Seinswirklichkeit Gottes, seines Vaters, hineingehört, weil er andernfalls die Gebete der Kreatur nicht vermitteln könnte, diesen Gedanken führt Origenes ebenso wenig explizit aus wie die entgegengesetzte Vorstellung, dass der Sohn, weil er nur Mittler der Gebete ist, dem Vater gegenüber von seinsmäßig niederem Rang ist. Es ist also festzuhalten, dass sich bei Origenes vielfältige Ansätze finden, die von seinem Bemühen Zeugnis geben, den Sohn von den vernunftbegabten Geschöpfen abzugrenzen. Danach nimmt der Sohn diesen Geschöpfen gegenüber eine unvergleichlich erhabene Stellung ein, die vor allem darin begründet ist, dass er allein über einen unmittelbaren Zugang zum Urgrund aller Wirklichkeit verfügt. Diese unmittelbare Beziehung zu seinem Vater ist die Bedingung dafür, dass der Sohn die spezifischen Funktionen zu übernehmen vermag, die ihm gegenüber den Vernunftwesen obliegen. Ausdruck seiner herausragenden Stellung ist auch die Unwandelbarkeit seines Gottseins und seines Gutseins sowie all derjenigen Wirklichkeiten, die er in der Fülle seiner Epinoiai ist. Die Frage aber, ob der Sohn den kreatürlichen Wirklichkeitsbereich deswegen seinsmäßig transzendiert, hat Origenes begrifflich nicht klar beantwortet. Wenn sich in seinen Ab375 Cels. V 4,22–25 (SC 147, 2); 11,39 f. (SC 147, 42). 376 In Cels. III 34,23 f. (SC 136, 80) charakterisiert Origenes den Sohn als Gebetsmittler, indem
er sagt, dieser sei zu betrachten ὡς μεταξὺ ὢν τῆς τοῦ ἀγεννήτου καὶ τῆς τῶν γενητῶν πάντων ϕύσεως. 377 In Ioh. comm. VI 33,166 (SC 157, 254–256). 378 Cels. V 11,22–39 (SC 147, 40–42). Die Gestirne gelten Origenes als vernunftbegabte Kreaturen (vgl. dazu Scott, Life of the Stars 113–164).
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grenzungsversuchen auch Aussagen finden, die geeignet waren, von nizänischen Trinitätstheologen aufgegriffen und weiterentwickelt zu werden, so kann doch nicht übersehen werden, dass solche Ideen bei ihm noch mit einer undifferenzierten Terminologie einhergehen. Origenes hat also die ontologischen Implikationen weder der Vater-Sohn-Relation noch des Sohn-Kreatur-Verhältnisses begrifflich zu klären vermocht. Den Begriff eines trinitarischen Gottes, der durch eine radikale ontologische Differenz von aller Schöpfung verschieden ist, kennt Origenes noch nicht. Er betrachtet den Sohn vielmehr in seiner heilsökonomisch so gewichtigen Mittlerposition und damit in der Schwebe zwischen den erhabensten Vernunftwesen auf der einen und dem Vater als dem radikal transzendenten Urgrund der Wirklichkeit auf der anderen Seite. Man könnte vor diesem Hintergrund versucht sein, die These zu wagen, dass der Sohn nach Origenes weder der geschöpflichen Wirklichkeit noch der Wirklichkeit des wahren Gottes zuzuordnen ist, sondern gewissermaßen einer dritten, mittleren Wirklichkeitsebene angehört.379 Angesichts der folgenden Sätze aus der schon öfter zitierten Passage des Johanneskommentars mag sich eine solche Deutung jedenfalls nahe legen. Dort sagt Origenes mit Blick auf Kol 1,16, Eph 1,21 und Hebr 1,4: „Wie großer Lobpreis dem [sc. Sohn] gebührt, der die Throne, die Herrschaften, die Mächte und Gewalten und jeden Namen, der nicht nur in diesem, sondern auch im kommenden Äon genannt wird, außer diesen (πρὸς τούτοις) auch die heiligen Engel und geistigen Mächte und die gerechten Seelen überragt (ὑπερέχειν), was muss man das schon sagen? Wie sehr er aber auch so Großes und Bedeutendes überragt an οὐσία und an πρεσβεία, an δύναμις und an ϑεότης – beseelt (ἔμψυχος) nämlich ist der Logos – sowie an σοϕία, so ist er doch in keiner Hinsicht dem Vater vergleichbar (οὐ συγκρίνεται κατ᾽ οὐδὲν τῷ πατρί).“380 Bei der Untersuchung sowohl des Vater-Sohn-Verhältnisses als auch des Sohn-Geschöpf-Verhältnisses stand der Sohn als eigenständige Hypostase im Mittelpunkt der Betrachtung. Dabei ist deutlich geworden, dass Origenes seine Überlegungen ganz auf die Frage fokussiert, wie die eigentümlichen Relationen zu bestimmen sind, in denen der Sohn zum Vater einerseits und zu den Vernunftwesen andererseits steht. Diese Perspektive ist der theologiegeschichtlichen Stunde geschuldet, in der sich Origenes vor allem mit dem Modalismus auseinandersetzen musste, der dem Sohn keine vom Vater verschiedene, eigenständige Hypostase zuerkennt. Eine ontologische Wesensbestimmung des Sohnes nimmt er dabei noch nicht vor.
379 So z. B. Daniélou, Origène 251: „S’il est donc d’un autre ordre que le Père, il est aussi d’un
autre ordre que les λογικοί.“
380 In Ioh. comm. XIII 25,151 f. (SC 222, 114).
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Bei aller Betonung der Eigenständigkeit der Hypostasen sieht sich Origenes durch das biblische Zeugnis allerdings herausgefordert, zugleich die Einheit von Vater und Sohn zu explizieren. Diese Einheit tut der Sohn nämlich selbst kund, wenn er seine Jünger wissen lässt: „Ich und der Vater sind eins (ἕν ἐσμεν)“ (Joh 10,30).381 Später wird die nizänische Trinitätstheologie die Einheit von Vater und Sohn in der beiden gemeinsamen göttlichen Wesensnatur begründet sehen, deren Begriff Origenes, wie wir festgestellt haben, noch nicht kennt. Welches alternative Erklärungsmodell er für die trinitätstheologische Grundfrage nach der Einheit von Vater und Sohn erarbeitet, soll im folgenden Abschnitt aufgezeigt werden. Dabei wird zu klären sein, ob Origenes bereits die Idee einer göttlichen Konsubstantialität, wenn auch nicht dem Begriff, so doch der Sache nach kennt, so dass also auch im Folgenden die Frage nach dem ontologischen Status des Sohnes weiterverfolgt wird.
2.6 Die Einheit von Vater und Sohn Zwar nehmen die Überlegungen, die Origenes zur Frage der Einheit von Vater und Sohn vorträgt, aufs Ganze gesehen nur einen bescheidenen Raum ein, verglichen mit der schier unüberschaubaren Vielfalt seiner Ausführungen über den Vater und den Sohn als in sich selbständige Hypostasen. Gleichwohl stellt er an den wenigen Stellen seines immensen Werks, an denen er zu diesem Problem Stellung nimmt, einen originellen Lösungsvorschlag vor, der sich in seinem gedanklichen Gehalt ganz auf das Zeugnis der Bibel, vor allem auf die christologischen Spitzenaussagen des Johannesevangeliums, stützt. Worum es ihm geht, ist der Versuch, die Einheit von Vater und Sohn als eine ewig bestehende dynamische Beziehungseinheit zu deuten, die dadurch konstituiert wird, dass der Sohn sich mit seinem Willen ganz in den Willen seines Vaters hineinbegibt und in seinem Handeln vollkommen das Handeln seines Vaters widerspiegelt. Es kommt also auch bei seinem Versuch, die Einheit von Vater und Sohn zu explizieren, der Kategorie der Relation eine tragende Bedeutung zu. Zugleich vertieft Origenes den Gedanken, dass der Beziehungswirklichkeit, die zwischen Vater und Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit obwaltet, ein durch und durch dyna mischer Charakter eigen ist. Dieser Gedanke ist in den bisherigen Darlegungen schon zur Sprache gekommen: Durch die ewige Zeugung des Sohnes aus dem Vater ist zwischen beiden in zeitloser Gegenwart ein ewiges Band geknüpft, so dass der Vater niemals ohne den Sohn und der Sohn niemals getrennt vom Vater ist. Außerdem, so wurde bereits ausgeführt, konstituiert sich der Sohn dadurch 381 Einen Überblick über die Geschichte der Exegese von Joh 10,30 in den ersten vier Jahrhun-
derten bietet Pollard, Exegesis of John X. 30 334–349.
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als ewiger Gottessohn, dass er in ewiger Schau auf seinen väterlichen Urgrund bezogen ist und so dessen Wirklichkeitsfülle erkennend verinnerlicht. Die Vorstellung einer zwischen Vater und Sohn ewig bestehenden relationalen Dynamik vertieft Origenes nun bei seinem Versuch, dem biblischen Zeugnis entsprechend Vater und Sohn als Einheit zu denken. Die diesbezüglich aussagekräftigste Stelle findet sich im achten Buch seiner großen Apologie gegen Celsus. Dort setzt sich Origenes mit dem Vorwurf auseinander, die Christen seien Polytheisten, weil sie neben dem einen Gott auch noch denjenigen über alle Maßen als Gott verehrten, „der erst vor kurzem erschienen ist“. Irrigerweise, so Celsus, seien sie dabei auch noch überzeugt, „sich gar nicht an Gott zu vergehen, wenn auch dessen Diener verehrt wird“.382 Origenes bestreitet nicht, dass man meinen könnte, mit diesem Vorwurf habe Celsus „etwas Überzeugendes“ gegen die Christen vorgebracht.383 Er sieht also deutlich den Erklärungsbedarf, dem die Christen gegenüber dem gebildeten Heidentum in ihrer Gotteslehre Rechnung zu tragen hatten, vor allem deshalb, weil sie selbst als die schärfsten Kritiker des paganen Polytheismus auftraten. Der Versuch, den Origenes an dieser Stelle unternimmt, um den Polytheismusvorwurf abzuwehren und überzeugend darzulegen, dass mit der metaphysischen Christologie keineswegs eine Aufhebung des Monotheismus verbunden ist, liest sich wie ein Florilegium aus dem Johannesevangelium: „Hätte Celsus“, so erklärt er, „wirklich das Wort verstanden: ‚Ich und der Vater sind eins‘ (Joh 10,30) und das im Gebet vom Sohn Gottes gesprochene Wort, das lautet: ‚wie ich und du eins sind‘ (vgl. Joh 17,21), so würde er nicht meinen, dass wir noch einen anderen (ἄλλον) neben dem über allem waltenden Gott verehrten. ‚Denn der Vater‘, sagt er, ‚ist in mir, und ich bin im Vater‘ (vgl. Joh 10,38; 14,10 f.; 17,21).“384 Dass die zitierten johanneischen Herrenworte auf keinen Fall als Ausdruck eines trinitätstheologischen Modalismus gedeutet werden dürfen, wonach die Einheit Gottes in der Existenz einer einzigen göttlichen Hypostase verbürgt ist und Vater und Sohn nur zwei verschiedene Aspekte oder Ausdrucksgestalten dieser einen und einzigen Hypostase sind, stellt Origenes sogleich unmissverständlich klar: „Sollte aber jemand dadurch in Verwirrung geraten [und befürchten], wir könnten etwa zu denjenigen überlaufen, die leugnen, dass es zwei Hypostasen, Vater und Sohn, gibt, soll er das Wort bedenken: ‚Alle Gläubigen waren ein Herz und eine Seele‘ (vgl. Apg 4,32), um das Wort zu verstehen: ‚Ich und der Vater sind eins‘ (Joh 10,30).“385 Wie das Zeugnis des Sohnes über seine Einheit mit dem Vater zu deuten ist, ohne dass dabei der modalistischen Häresie das Wort geredet wird, 382 383 384 385
Cels. VIII 12,2–6 (SC 150, 198). Vgl. dazu Lona, Die „Wahre Lehre“ des Kelsos 433 f. Cels. VIII 12,1 f. (SC 150, 198). Cels. VIII 12,7–11 (SC 150, 198). Cels. VIII 12,12–16 (SC 150, 198–200).
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erklärt Origenes folgendermaßen: „Als einen einzigen Gott, wie wir dargelegt haben, verehren wir also den Vater und den Sohn (ἕνα οὐν ϑεὸν, ὡς ἀποδεδώκαμεν, τὸν πατέρα καὶ τὸν υἱὸν ϑεραπεύομεν), und es bleibt uns die den anderen [sc. den Modalisten] gegenüber unantastbare Lehre (ὁ ἀτενὴς λόγος). Wir verehren auch nicht über Gebühr den, der erst vor kurzem erschienen ist, so als ob er vorher nicht gewesen wäre. Denn wir glauben ihm, wenn er sagt: ‚Ehe Abraham wurde, bin ich (ἐγὼ εἰμί)‘ (Joh 8,58), und wenn er spricht: ‚Ich bin die Wahrheit‘ (Joh 14,6). Keiner von uns ist ein solcher Idiot, dass er glaubte, die Hypostase (οὐσία) der Wahrheit [sc. der Sohn] sei in den Zeiten vor der Erscheinung Christi nicht gewesen. Wir verehren also den Vater der Wahrheit und den Sohn, die Wahrheit. Sie sind zwei Wirklichkeiten der Hypostase nach (δύο τῇ ὑποστάσει πράγματα),386 eins jedoch in der Übereinstimmung und dem Einklang und der Selbigkeit des Wil lens (ἓν δὲ τῇ ὁμονοίᾳ καὶ τῇ συμϕωνίᾳ καὶ τῇ ταὐτότητι τοῦ βουλήματος).387 Wer daher den Sohn gesehen hat, der ‚Abglanz der Herrlichkeit und Abbild der Hypostase Gottes‘ (Hebr 1,3) ist, der hat in ihm (ἐν αὐτῷ), der das ‚Bild Gottes‘ ist (2 Kor 4,4; vgl. Kol 1,15), Gott gesehen (ἑωρακέναι τὸν ϑεόν; vgl. Joh 14,9).“388 Es ist deutlich, dass Origenes die zitierten johanneischen Herrenworte allesamt als Aussagen über die Beziehung des präexistenten Gottessohnes zum Vater versteht. Die in Joh 10,30 bezeugte Einheit von Vater und Sohn besteht demnach von Ewigkeit zu Ewigkeit. Den Interpretationsschlüssel für die rechte Deutung 386 Vgl. auch den antimodalistischen Passus in In Matth. comm. XVII 14 (GCS Orig. 10,
624,12–16), wo Origenes die Ansicht derer scharf zurückweist, „die den Begriff (ἔννοιαν) von Vater und Sohn vermischen und behaupten, Vater und Sohn seien der Hypostase nach (τῇ ὑποστάσει) nur einer (ἕνα), wobei sie nur dem Aspekt und nur den Namen nach (τῇ ἐπινοίᾳ μόνῃ καὶ τοῖς ὀνόμασι μόνοις) die eine zugrundeliegende Wirklichkeit (τὸ ἓν ὑποκείμενον) unterscheiden.“ Eine weitere einschlägige antimodalistische Passage ist In Ioh. comm. X 37,246 f. (SC 157, 530). 387 Schadel, Trinitätskonzept des Origenes 208 will diesen Satz pneumatologisch deuten: Der Heilige Geist ist der „vollendete und vollendende Kommunikations- und Liebesaustausch“ zwischen Vater und Sohn. – Man vergleiche in diesem Zusammenhang die Argumentation, die Novatian, De trin. 27,149 f. (Test. 2, 170) gegen die Modalisten zu Joh 10,30 vorträgt: Et quia dixit ‚unum‘, intellegant haeretici, quia non dixit unus. Unum enim neutraliter positum societatis concordiam, non unitatem personae sonat. ‚Unum‘ enim, non unus esse dicitur, quoniam nec ad numerum refertur, sed ad societatem alterius expromitur. Denique adicit dicens ‚sumus‘, non sum, ut ostenderet per hoc, quod dixit ‚sumus‘, ‚et pater‘, duas esse personas, ‚unum‘ autem quod ait, ad concordiam et eandem sententiam et ad ipsam caritatis societatem pertinere, ut merito ‚unum‘ sit pater et filius per concordiam et per amorem et per dilectionem. Et quoniam ex patre est, quicquid illud est, filius est, ma nente tamen distinctione, ut non sit pater ille, qui filius, quia nec filius ille, qui pater est. Nec enim ‚sumus‘ addidisset, si unum se et solitarium patrem filium factum esse meminisset. Vgl. außerdem De trin. 27,151 (Test. 2, 172), wo Novatian die concordiae unitas […] cum perso narum tamen distinctione, die es von Vater und Sohn gemäß Joh 10,30 auszusagen gilt, an Paulus und Apollos illustriert, von denen es in 1 Kor 3,8 heißt: ἕν εἰσιν. 388 Cels. VIII 12,16–29 (SC 150, 200).
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dieser Einheit findet er in Apg 4,32. In dem gemeinschaftlichen Miteinander der ersten Christen, die „ein Herz und eine Seele“ waren, erkennt er ein Modell, mit dem er in analoger Weise auch die Einheit von Vater und Sohn meint deuten zu können: Vater und Sohn sind deshalb eins, weil sie in einer vollkommenen willentlichen Übereinstimmung aufeinander bezogen, weil gewissermaßen auch sie von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit „ein Herz und eine Seele“, d. h. in inniger Liebe miteinander verbunden sind. Die Vorstellung einer willentlichen Übereinstimmung von Vater und Sohn drückt Origenes mit den Begriffen ὁμόνοια (Eintracht), συμϕωνία (Einklang)389 und ταὐτότης (Selbigkeit) aus.390 Vor allem der Begriff ταὐτότης zeigt an, dass Origenes die Einheit der beiden Hypostasen im Sinne einer vorbehaltlosen, voll kommenen Übereinstimmung versteht, die durch den Terminus ὁμόνοια, in dem das Verbum νοεῖν steckt, in ihrer ganzen geistig-noetischen Tiefe ausgelotet wird: Der Sohn sieht genau dasselbe ein, was auch der Vater einsieht, er zieht ein und dasselbe in Erwägung wie der Vater, und er fasst ein und denselben willentlichen Entschluss wie dieser. So klar Origenes den Vater und den Sohn als Hypostasen voneinander unterscheidet, so deutlich hält er an dieser Stelle fest, dass beide ein und dieselbe geistige Welt miteinander teilen. Diese eine geistige Welt gründet wie alle Wirklichkeit in der ersten Hypostase des Vaters, ja der Vater selbst ist diese geistige Welt. Von Ewigkeit zu Ewigkeit ist der Sohn immer schon in diese geistige Welt hineingenommen,391 indem er nämlich, wie Origenes an einer bereits zitierten Stelle im Anschluss an Joh 4,32 erklärt, als ewig aus dem Vater Gezeugter immerfort aus dem väterlichen Urgrund mit geistiger Speise, d. h. mit der göttlichen Wirklichkeit seines Vaters, genährt wird. In diesem Sinn gilt das Wort Joh 10,38par, dass der Sohn im Vater und der Vater im Sohn ist.392 Die so verstandene Einheit von Vater und Sohn impliziert die These, dass Origenes die nizänische Lehre einer ontologischen Wesensgleichheit von Vater und 389 (Ps-)Hippolyt, C. Noet. 14,4 (FC 34, 296) beschreibt das Heilswirken von Vater und Sohn
als οἰκονομία συμϕωνίας.
390 Die Begriffe ὁμόνοια und συμϕωνία begegnen zusammen mit dem Begriff ἁρμονία auch
in In Matth. comm. XIV 16 (GCS Orig. 10, 323,16–22). An dieser Stelle charakterisiert Origenes das eheliche Ein-Fleisch-Sein von Mann und Frau gemäß Gen 2,24, das ihm als Analogie für die Vater-Sohn-Einheit gilt, wie folgt: „Wo Eintracht und Einklang und Harmonie zwischen Mann und Frau und zwischen Frau und Mann bestehen, indem er gewissermaßen herrscht, sie hingegen dem Gebot: ‚Er wird über dich herrschen‘ (Gen 3,16) gehorsam ist, da lässt sich von solchen in Wahrheit sagen: ‚Sie sind nicht mehr zwei‘ (Mt 19,6).“ 391 In In Ioh. comm. XX 18,153 f. (SC 290, 230–232) hält Origenes es für möglich, vom Vater zu sagen, er sei „gewissermaßen Ort (οἱονεὶ τόπος)“ des Sohnes, von dem es in Phil 2,6 heißt: ἐν μορϕῇ ϑεοῦ ὑπάρχων. 392 Vgl. auch Cels. VIII 17,38–40 (SC 150, 212) und In Hier. hom. 10,7,5 f. (SC 232, 410), jeweils mit Bezug auf Joh 14,10 f., sowie Princ. I 2,5 (TzF 24, 130–132).
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Sohn zwar nicht dem Begriff, wohl aber der Sache nach voraussetzt.393 Nur unter dieser Prämisse scheint eine ὁμόνοια denkbar, wie sie Origenes im Anschluss an die Aussagen der Heiligen Schrift zwischen dem Vater und dem Sohn annimmt. Der andernorts begegnenden Vorstellung, nach der dem Vater eine derart radikale Transzendenz eigen ist, dass seine Wirklichkeit selbst für den Sohn undurchdringlich ist, ist an dieser Stelle jedenfalls eindeutig widersprochen.394 Auch mit der Idee, dass zwischen Vater und Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit eine unvergleichlich innige Gemeinschaft besteht, relativiert Origenes in erheblicher Weise das prinzipientheoretische Dogma der radikalen Transzendenz des Vaters. An der vorliegenden Stelle seines Werks Contra Celsum nun artikuliert er diese Vorstellung in einer kaum zu überbietenden, jedenfalls bisher nicht gekannten Deutlichkeit: Nicht allein der Vater ist in seiner radikalen Transzendenz der eine einzig wahre Gott, sondern als diesen einen Gott (ἕνα ϑεόν) betrachtet Origenes im vorliegenden Zusammenhang expressis verbis den Vater und den Sohn.395 Denn letzterer, so lautet seine Begründung, ist in ewiger Gegenwart ganz in den Willen, d. h. ganz in die geistige Wirklichkeit und damit ganz in das Sein seines göttlichen Vaters hineingenommen.396 Dementsprechend führt Origenes im Anschluss an Joh 14,9 aus, dass, wer den Sohn schaut, der das Bild des Vaters ist, den Vater selbst schaut. Wie Origenes wieder und wieder betont, ist der Sohn als Bild des Vaters in seiner hypostatischen Eigenständigkeit aber vom Vater verschieden. Unmöglich will er also sagen, dass der Vater deshalb im Sohn geschaut wird, weil 393 So auch Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 248 f. Vgl. Hofrichter, „Eingebore-
ner“ bei Origenes 189 f.; Studer, Gott und unsere Erlösung 111; Dinsen, Homoousios 28; Crouzel, L’image de Dieu 196; von Harnack, Dogmengeschichte I 671 f. Damit bereitet Origenes die Argumentation vor, die im vierten Jahrhundert Athanasius von Alexandrien gegen die arianische Auslegung von Joh 10,30 vorbringen wird (vgl. Pollard, Exegesis of John X. 30 341–344). 394 Vgl. dagegen Williams, Art. Origenes/Origenismus 410: „Origenes bewegt sich noch strikt innerhalb einer Theologie der absoluten Transzendenz des ersten Prinzips […].“ 395 So auch in Dial. 4,9–16 (SC 67, 62), wo ein Gedankengang zum Abschluss kommt, dem wir im vorliegenden Abschnitt noch nachgehen werden. Vgl. auch In Rom. comm. VII 11,140–142 (VL 34, 615): Unus autem uterque est Deus quia non est aliud filio diuinitatis initium quam pater; sed ipsius unius paterni fontis, sicut sapientia dicit (Weish 7,25), puris sima est manatio filius. Fédou, Christianisme et religions païennes 287 f. bemerkt zu Cels. VIII 12,16 f. (SC 150, 200): „La réponse d’Origène à Celse n’implique donc aucune hérésie subordinatianiste. Elle confirmerait plutôt l’orthodoxie de notre auteur, et l’on serait même tenté de dire que celui-ci […] s’oppose par avance aux doctrines d’Arius ou d’Eunome qui s’appuieront à leur tour sur une conception élevée de la transcendance divine et trouveront là un argument pour rabaisser le Christ au rang des créatures.“ Vgl. auch sein allgemeines Urteil: „Le Contre Celse invite nettement à préciser […] que le monothéisme chrétien est un monothéisme trinitaire“ (Fédou, Christianisme et religions païennes 572). 396 Lowry, Origen as Trinitarian 235 trifft im Blick auf Cels. VIII 12 zu Unrecht die Unterscheidung, „that the unity which Origen has in mind is a moral and spiritual, not an essential, oneness.“ Dasselbe gilt für Pollard, Exegesis of John X. 30 337–339.
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beide ein und dieselbe Hypostase sind. Denn mit einer solchen Interpretation von Joh 14,9 würde er die modalistische Position vertreten. Darum lässt sich sein Rückgriff auf das johanneische Logion, dem im vorliegenden Zusammenhang die Funktion zukommt, den vorangehenden Gedankengang zu begründen und abzurunden, nur in dem Sinn deuten, dass im Sohn die göttliche Wirklichkeit des Vaters geschaut wird. Im Sohn, so will Origenes sagen, bekommt es der Betrachter mit dem wahren Gott selbst zu tun, weil der Sohn immer schon von Ewigkeit zu Ewigkeit in die Wirklichkeit des Vaters hineingenommen ist. Im vorliegenden Gesamtzusammenhang gewinnt dieser Gedanke eine derart luzide Gestalt, dass man kaum umhin kann, Origenes aufgrund seiner Ausführungen an dieser Stelle als Vordenker des nizänischen Dogmas zu betrachten, so sehr es zugleich wahr bleibt, dass sich bei ihm in der Bestimmung des Verhältnisses von Vater und Sohn Tendenzen finden, die dem nizänischen Dogma zuwiderlaufen. Derselbe Gedankengang begegnet uns auch im dreizehnten Buch des Johanneskommentars. Auch hier deutet Origenes die Einheit von Vater und Sohn als Willenseinheit. Mit Bezug auf Joh 4,34 sagt er: „Angemessene Nahrung hat der Sohn Gottes, wann immer er zum Vollstrecker des väterlichen Willens wird (ποιητὴς γίνεται τοῦ πατρικοῦ ϑελήματος). Denn damit verwirklicht (ποιεῖν) er das Wollen in sich, das ja immer schon auch im Vater ist (ἦν), so dass der Wille des Vaters im Willen des Sohnes ist und der Wille des Sohnes nicht zu unterscheiden ist (ἀπαράλλακτον) vom Willen des Vaters, so dass es nicht mehr zwei Willen gibt, sondern einen einzigen Willen (ἓν ϑέλημα). Eben dieser eine Wille war der Grund dafür, dass der Sohn sagte: ‚Ich und der Vater sind eins‘ (Joh 10,30). Und wegen dieses Willens hat derjenige, der ihn sieht, den Sohn gesehen; er hat aber auch den gesehen, der ihn gesandt hat (vgl. Joh 12,45; 14,9).“397 Im Folgenden weist Origenes darauf hin, dass der Sohn, wenn er den Willen seines Vaters tut, nichts vollbringt, was ihm selbst äußerlich bliebe. Denn der Sohn verinnerlicht von Ewigkeit zu Ewigkeit in seinem Wollen den Willen seines Vaters in nicht zu überbietender Weise und in vollumfänglicher Gestalt.398 Nicht zuletzt darin liegt seine gegenüber allen vernunftbegabten Kreaturen ganz und gar unvergleichliche Stellung begründet. „Einzig der Sohn“, so heißt es, „tut den ganzen Willen des Vaters, weil er ihm umfassend in sich Raum gibt (χωρήσας). Aus diesem Grund ist er auch dessen Bild (vgl. 2 Kor 4,4). […] Die übrigen Heiligen (τὰ λοιπὰ ἅγια) werden nichts gegen den Willen Gottes tun, sondern alles, was sie tun werden, tun sie gemäß dem Willen Gottes. Aber das reicht nicht aus, dem ganzen Willen gemäß geformt zu werden (τυπωϑῆναι). […] Den ganzen und vollumfänglichen
397 In Ioh. comm. XIII 36,228 (SC 222, 154). 398 In Ioh. comm. XIII 36,229 f. (SC 222, 154–156).
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Willen Gottes aber wird nur der erfüllen, der sagt: ‚Meine Speise ist es, dass ich den Willen dessen tue, der mich gesandt hat‘ (Joh 4,34).“399 Der Einheit von Vater und Sohn im Wollen entspricht die Einheit im Handeln. So fährt Origenes im vorliegenden Zusammenhang fort: „Danach sagt er über Gott voller Dankbarkeit: ‚Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn. Der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was er selbst tut‘ (Joh 5,19 f.). Und wohl (τάχα) deshalb ist er ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15).“400 In der erkennenden Schau des väterlichen Urgrunds verinnerlicht der Sohn in ewiger Gegenwart den Willen seines Vaters,401 und zwar in so vollkommener Weise, dass er gleichsam als der Wille des Vaters selbst subsistiert.402 Darum ist er in der Umsetzung seines Willens der „Nachahmer“403 seines Vaters, 399 In Ioh. comm. XIII 36,231 f. (SC 222, 136). 400 In Ioh. comm. XIII 36,233 f. (SC 222, 156). 401 Vgl. In Matth. comm. XVI 7 (GCS Orig. 10, 487,1–17): „Wie es eine Speise des Erlösers
gibt, über die er sagt: ‚Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen‘ (Joh 4,34), so gibt es auch einen Kelch (vgl. Mt 20,22 f.; 26,39), der dieser Speise entspricht. Es ist zwar gewagt, diesen von der Speise zu unterscheiden und ihn ihr auf derselben Bedeutungebene an die Seite zu stellen (παραστῆσαι πραγματικῶς). Trotzdem möge, wer dazu imstande ist, überlegen, ob nicht die Speise das ist, was sich auf das Tun (τὸ πρακτικόν), der Trank aber das, was sich auf die erkennende Schau (τὸ ϑεωρητικόν) bezieht. Wie nämlich Christus Speise zu sich nimmt, indem er ‚den Willen dessen, der ihn gesandt hat‘, tut (ποιεῖν) und ‚sein Werk zu Ende führt‘, so nimmt er Trank zu sich, indem er ‚den Willen dessen, der ihn gesandt hat‘, einsieht (νοεῖν) und die Kenntnis (γνῶσις) über ihn vollendet.“ – Vgl. auch Nemeshegyi, Paternité de Dieu 89: „C’est l’évidence: un acte de volonté qui n’est pas voulu activement par le sujet qui le participe, n’est pas paticipé réellement comme acte de volonté. Or, le Fils participe réellement au vouloir paternel, c’est pour cela qu’il doit nécessairement devenir lui-même l’artisan actif de cette volonté.“ 402 Vgl. In Eph. frg. 1,12–18 (JThS 3, 235) sowie Princ. I 2,6 (TzF 24, 132–134): Si enim „omnia quae facit pater, haec et filius facit similiter“ (vgl. Joh 5,19), in eo quod omnia ita facit filius sicut pater, imago patris deformatur in filio, qui utique natus ex eo est velut quaedam volun tas eius ex mente procedens. Et ideo ego arbitror quod sufficere debeat voluntas patris ad sub sistendum hoc, quod vult pater. Volens enim non alia via utitur, nisi quae consilio voluntatis profertur. Ita ergo et filii ab eo subsistentia generatur. Pamphilus von Cäsarea, Apol. 106 (FC 80, 324,4 f.) zitiert aus dem fünften Buch des Johanneskommentars: Natus autem est ex ipsa Patris mente sicut voluntas ex mente (vgl. auch Princ. IV 4,1 [TzF 24, 784]). Vgl. zur Willensmetapher bereits Justin, Dial. 61,1 (p. 166 Goodspeed); 100,4 (p. 215 Goodspeed); 128,4 (p. 250 Goodspeed); Tatian, Orat. ad Graec. 5,2 (BHTh 165, 96); Tertullian, De orat. 4,5,27 (CChr.SL 1, 260); (Ps-)Hippolyt, C. Noet. 13,4 (FC 34, 294); Clemens von Alexandrien, Paed. III 98,1 (GCS Clem. Alex. 1, 289, 28). Noch Athanasius von Alexandrien, Orat. II c. Arian. 31,4 (Athanasius Werke I,1, 208) wird den Sohn den „Willen des Vaters (ἡ τοῦ πατρὸς βουλή)“ nennen. Vgl. auch Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 93; Dinsen, Homoousios 31; Letellier, Logos 596 f. 403 In Ioh. comm. VI 4,17 (SC 157, 142). In Princ. I 2,12 (TzF 24, 152) erklärt Origenes mit Bezug auf Weish 7,26, wonach der Sohn als Sophia „fleckenloser Spiegel der Wirkkraft Gottes“
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steht er stets voll und ganz in Handlungseinheit mit diesem.404 Wenn Origenes im vorliegenden Zusammenhang die christologische Bildmetapher aus dem Kolosserbrief aufgreift, deren Rezeption an vielen Stellen seines Werks im Hinblick auf die Frage nach der Wesensnatur des Sohnes ambivalent bleibt, ja bisweilen sogar ein ontologisches Verständnis der Subordination zu implizieren scheint, so dürfte er damit hier nur die Abkünftigkeit des Sohnes vom Vater zum Ausdruck bringen wollen. Indem er die biblische Vorstellung betont, dass der Sohn das Bild seines Vaters ist, stellt Origenes gegen den Modalismus unmissverständlich klar, dass der Sohn zwar denselben Willen, nicht jedoch dieselbe Hypostase hat wie der Vater. In der Abkünftigkeit vom Vater wird der Sohn vielmehr als eine zweite Hypostase konstituiert, die nach dem vorliegenden Zitat mit dem Vater das wahre Gottsein teilt.405 Wie der Wille des Vaters der Ursprungsrelation nach dem ist: Sicut ergo in speculo omnibus motibus atque omnibus actibus, quibus is qui speculum intuetur movetur vel agit, isdem ipsis etiam ea imago, quae per speculum deformatur, actibus et motibus commovetur vel agit, in nullo prorsus declinans: ita etiam sapientia de se vult intellegi, cum „speculum immaculatum paternae virtutis“ inoperationisque nominatur; sicut et dominus Iesus Christus, qui est sapientia dei, de semet ipso pronuntiat dicens quia „Opera quae facit pater, haec etiam filius facit similiter“ (vgl. Joh 5,19). Et iterum dicit quoniam „Non potest a se filius facere quicquam, nisi quod viderit patrem facientem“ (ebd.). Quoniam ergo in nullo prorsus filius a patre virtute operum inmutatur ac differt, nec aliud est opus filii quam patris, sed unus atque idem, ut ita dicam, etiam motus in omnibus est: idcirco „specu lum“ eum „immaculatum“ nominavit, ut per hoc nulla omnino dissimilitudo filii intellegatur ad patrem. – Auch Novatian sagt: imitator est filius omnium operum paternorum (De trin. 28,157 [Test. 2, 178]. 404 Vgl. auch Tertullian, Adv. Prax. 22,13 (FC 34, 210): Per opera ergo erit Pater in Filio et Filius in Patre. Et ita per opera intellegimus unum esse Patrem et Filium (vgl. Joh 10,38). 405 Nach Princ. I 2,6 (TzF 24, 132) ist die christologische Bezeichnung ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ in Kol 1,15 in Analogie zu der Aussage von Gen 5,3, Adam habe seinen Sohn Seth nach seinem Bild und nach seiner Art gezeugt (secundum imaginem suam et secundum speciem suam), zu verstehen: In dem Sinn, wie ein Mensch als Bild seines Erzeugers bezeichnet wird (vgl. In Ioh. comm. XX 5,35 [SC 290, 174], wo Origenes sagt, der Gezeugte sei ὅμοιος gegenüber seinem Erzeuger), trifft diese Bezeichnung auch auf den Sohn Gottes zu. Mit dieser Interpretation der christologischen Bildmetapher ist die nizänische ὁμοούσιοςLehre der Sache nach vertreten (so auch Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 101). In Anbetracht der Ausführungen im vorliegenden Kapitel (vgl. auch den Ansatz in Cels. VI 69,6–12 [SC 147, 350], dazu Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 119) besteht kein Anlass, die Authentizität der ὁμοούσιος-Vorstellung in Princ. I 2,6 zu bestreiten, zumal auch hier im Anschluss an Gen 5,3 auf Joh 5,19 Bezug genommen wird, einen Vers, der in Origenes’ Überlegungen zur Einheit von Vater und Sohn ja eine zentrale Rolle spielt. Auf den Eingriff Rufins dürfte lediglich der Satz: Quae imago etiam naturae ac substantiae patris et filii continet unitatem zurückzuführen sein, der dem Zitat von Gen 5,3 unmittelbar folgt. In diesem Satz ist nämlich ein Vokabular vorausgesetzt, das nicht zum Sprachgebrauch des Origenes passt. Da der Satz im Zusammenhang keine sinntragende Funktion innehat, sich stilistisch sogar wie ein Fremdkörper ausnimmt, kann er ohne weiteres als Glosse Rufins betrachtet werden.
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Willen des Sohnes gegenüber primär ist, so geht auch das Gottsein des Vaters dem Gottsein des Sohnes im logischen Sinn voraus und erweist sich in dieser seiner Selbstursprünglichkeit als das wahre Gottsein. „Denn der Wille in ihm [sc. im Sohn]“, so formuliert Origenes diesen Gedanken, „ist Bild des ersten Willens (εἰκὼν τοῦ πρώτου ϑελήματος), und die Gottheit in ihm ist Bild der wahren Gottheit (εἰκὼν τῆς ἀληϑινῆς ϑεότητος).“406 Und er fügt hinzu: „Derjenige, der Bild auch der Güte des Vaters ist (vgl. Weish 7,26), fragt: ‚Was nennst du mich gut?‘ (Mk 10,18par). Dieser Wille [sc. des Vaters] ist ja die Nahrung des Sohnes, die ihm eigen ist (βρῶμά ἐστιν τοῦ υἱοῦ ἴδιον αὐτοῦ). Durch diese Speise ist er, was er ist.“407 In der bisherigen Untersuchung sind verschiedene Textstellen besprochen worden, die die Deutung nahe zu legen, ja mitunter sogar zwingend zu erfordern scheinen, dass Origenes die auch hier zitierten Schriftverse Weish 7,26 und Mk 10,18par im Sinne der platonischen Stufenontologie interpretiert. Vor dem Hintergrund seiner Ausführungen über die Willenseinheit von Vater und Sohn ist diese Deutung im vorliegenden Zusammenhang aber ausgeschlossen. Denn wenn der Sohn so vollkommen und vollumfänglich den Willen seines Vaters verinnerlicht, dass er dessen Wille selbst ist, kann er ontologisch betrachtet unmöglich weniger gut sein als der Vater. Andernfalls könnte er ja dessen Güte in seinem eigenen Willen, d. h. in seiner noetischen Seinswirklichkeit nicht vollkommen widerspiegeln. Wohl bleibt bei alledem wahr, dass der Sohn wie sein Gottsein so auch sein Gutsein restlos dem Vater verdankt. Denn dessen guter Wille ist es, den er immerfort sich einverleibt. Unter diesem relationalen Aspekt – darauf scheint Origenes im vorliegenden Zusammenhang abzuzielen – ist der Sohn das getreue Spiegelbild der Güte des Vaters, der in seiner Selbstursprünglichkeit allein der Gute schlechthin, der αὐταγαϑός, ist. Auf eine letzte einschlägige Textpassage muss in diesem Abschnitt noch näher eingegangen werden. Sie findet sich im Gesprächsprotokoll über eine Disputation, die Origenes mit einem Bischof namens Herakleides unter anderem über strittige Fragen der Trinitätstheologie geführt hat. In diesem Protokoll, das man erst 1941 in Tura wiederentdeckt hat, ist wohl kaum der Wortlaut, sicher aber der Gedanke des Origenes authentisch überliefert. Denn die Position, die dieser gegenüber Herakleides, der mit einer modalistischen Trinitätslehre sympathisiert zu haben scheint,408 offenbar vertreten hat, fügt sich ganz in die Überlegungen ein, die er andernorts über die Einheit von Vater und Sohn vorträgt. Auch hier deutet er diese Einheit nämlich als eine Einheit, die durch dynamische Relationalität konstituiert wird. Die Heilige Schrift, so erklärt er, bezeugt an mehreren 406 In Ioh. comm. XIII 36,234 (SC 222, 156). 407 In Ioh. comm. XIII 36,234 (SC 222, 156–158). 408 Vgl. Scherer, Introduction 20. 28 f.; ähnlich Früchtel, Anmerkungen 51.
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Stellen die Einheit von zwei verschiedenen Entitäten. Als Beispiele verweist er auf Gen 2,24, wo es heißt, Mann und Frau würden ein Fleisch (σάρξ μία), sowie auf 1 Kor 6,17, wonach derjenige, der sich Christus verbindet, mit diesem ein Geist (ἓν πνεῦμα) ist.409 „Ebenso ist nun unser Erlöser und Herr mit dem Vater und Gott des Alls (πρὸς τὸν πατέρα καὶ ϑεὸν τῶν ὅλων)“, so argumentiert er, „zwar nicht ein einziges Fleisch, nicht ein einziger Geist, sondern vielmehr das, was höher steht als Fleisch und Geist, nämlich ein einziger Gott (εἷς ϑεός). Man musste nämlich für die eng miteinander verbundenen Menschen die Bezeichnung Fleisch wählen, für den mit Christus verbundenen gerechten Menschen die Bezeichnung Geist, für den mit dem Vater geeinten Christus aber ist weder die Bezeichnung Fleisch noch die Bezeichnung Geist zu verwenden, sondern eine Bezeichnung, die würdiger ist als diese, nämlich Gott. Daher wollen wir das Wort: ‚Ich und der Vater sind eins‘ (Joh 10,30) in diesem Sinn verstehen.“410 Die Einung der beiden Hypostasen hat in ewiger Gegenwart ihren Grund darin, dass der Sohn beständig auf den Vater hin existiert. So wie Origenes den Gedanken der einheitstiftenden Dynamik im vorliegenden Zusammenhang formuliert, spielt er offenkundig auf die Präposition πρός in Joh 1,1 an. Auch im Johanneskommentar interpretiert er diese Präposition in ihrem unmittelbaren Kontext als Hinweis darauf, dass der Sohn ϑεός nur deshalb ist, weil er von Ewigkeit zu Ewigkeit permanent auf seinen Vater bezogen ist. Mit dem exemplarischen Hinweis auf Gen 2,24 und 1 Kor 6,17 will Origenes illustrieren, wie aus dem dynamischen Zueinander zweier unterschiedener Realitäten eine neue Wirklichkeit erwächst:411 Mann und Frau werden in der geschlechtlichen Begegnung ein Fleisch, bleiben aber sehr wohl als Mann und Frau voneinander unterschieden. Der Gläubige und Christus werden ein Geist, ohne dass dabei aber der Gläubige seine Individualität preisgibt. Es wäre nun allerdings ein Missverständnis, wollte man aus diesen biblisch bezeugten Analogien den Gedanken herleiten, dass in der Einung von Vater und Sohn gleichsam eine neue Wirklichkeit entstünde, die vorher noch nicht gegeben wäre. So können Origenes’ Überlegungen unmöglich gedeutet werden, und zwar nicht nur deshalb, weil die Einheit von Vater und Sohn in ewiger Gegenwart besteht, sie also 409 Dial. 2,28–3,20 (SC 67, 58–60). 410 Dial. 3,20–4,2 (SC 67, 60). 411 Es geht nicht an, mit Vogt, Ein-Geist-Sein 251 den Bezug auf Gen 2,24 und 1 Kor 6,17 nicht
in dem Sinn verstehen zu wollen, „daß die Einheit Gottes von der Art sei wie die Fleischeseinheit von Mann und Frau und die Geisteseinheit von Christus und dem Gerechten“, sondern lediglich als Rückverweis „auf die Tatsache, daß die Schrift ja verschiedene Beispiele dafür gibt, daß zwei eins sind.“ Vogt verfehlt also den Sinn der biblischen Analogien, die Origenes in seiner Argumentation gegenüber Herakleides bemüht, wenn er die Intention des Alexandriners wie folgt paraphrasiert: „Die Einheit Gottes ist nicht so zu denken wie die beiden anderen Einheiten, sondern sie ist ebenso schriftgemäß wie diese.“
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nur im logischen Sinn konstituiert wird, sondern vor allem auch aus dem Grund, weil die Wirklichkeit der Einheit von Vater und Sohn die Seinswirklichkeit des ursprungslosen Vaters selbst, das Wesen also des einen wahren Gottes ist. In der Seinswirklichkeit des Vaters liegt die Einheit ewig begründet, in die der Sohn sich von Ewigkeit zu Ewigkeit hineinbegibt. Die Einheit von Vater und Sohn ist somit hier der Sache nach – ganz im Sinn des späteren nizänischen Dogmas – als eine Einheit der göttlichen Wesensnatur verstanden.412 Diese göttliche Seinswirklichkeit ist über alle andere Wirklichkeit unendlich erhaben, denn es handelt sich dabei um die Wirklichkeit des wahren Gottes selbst. Die Argumentation, die Origenes vor Bischof Herakleides vertreten hat, entspricht also ganz dem Gedanken, den er an den wenigen anderen Stellen seines Werks über die Einheit von Vater und Sohn vorträgt. Dieser Gedanke besagt der Sache nach dasselbe, was die Kirche im vierten Jahrhundert als Kernaussage des trinitarischen Dogmas formuliert hat: Vater und Sohn sind zwei voneinander verschiedene Hypostasen, denen aber ein und dieselbe göttliche Wesensnatur eigen ist, die ihren ewigen Grund in der ersten Hypostase des Vaters hat.413
2.7 Zusammenfassende Überlegungen zum origeneischen Subordinatianismus Die Frage, welchen ontologischen Status Origenes dem Sohn zuschreibt, wurde im vorliegenden Kapitel aus unterschiedlichen Perspektiven einer eingehenden Betrachtung unterzogen. Zunächst ging es um die Frage, welche ontologischen Implikationen seine Ausführungen zum Vater-Sohn-Verhältnis erkennen lassen. In Anbetracht der charakteristischen Mittlerstellung, die der Sohn in seiner Wirklichkeitsdeutung innehat, wurde die Fragestellung dahingehend vertieft, 412 Vgl. dagegen Pollard, Johannine Christology 100 f. sowie Simonetti, Note sulla teolo-
gia trinitaria 304 f.: „La dimonstrazione della unità di Cristo col Padre è condotta soltanto in maniera esterna, meramente analogica: come a livello carnale Adamo ed Eva sono una cosa sola e a più elevato livello spirituale chi aderisce a Cristo è una sola cosa con lui, a livello ben più elevato Cristo e il Padre costituiscono un solo Dio. Impressiona non soltanto la mancanza di qualsiasi chiarimento circa il modo in cui il Padre e Cristo costituiscono un solo Dio, ma anche la totale assenza di quella terminologia tecnica (ousia, hypokei menon, hypostasis, physis, perigraphè), che abbiamo rilevato in tanti passi del Commento a Giovanni e del Contro Celso.“ Simonetti erklärt die Eigenart der vorliegenden Argumentation, der ein Mangel an begrifflicher Präzision und gedanklicher Tiefe anhafte, mit der Gesprächssituation, in der Origenes vor versammelter Ortskirche gegenüber Bischof Herakleides zur trinitätstheologischen Problematik Stellung beziehen musste (vgl. Dial. 1,17 f. [SC 67, 54]; Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 305–307). 413 So z. B. auch Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 104 f. und Nemeshegyi, Paternité de Dieu 84–95. Vgl. auch Denis, De la philosophie d’Origène 130.
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inwieweit Origenes den Sohn von den vernunftbegabten Geschöpfen abgrenzt. Schließlich galt es, diejenigen Textpassagen einer ausführlichen Analyse zu unterziehen, in denen er die biblisch bezeugte Einheit von Vater und Sohn zu deuten sucht. Dabei wurde jeweils der Versuch unternommen, das einschlägige Quellenmaterial im Licht der Problemstellung zu interpretieren, inwieweit Origenes bereits die spätere nizänische Trinitätslehre der Sache nach vertreten hat. Diese Problemstellung war geeignet, den Blick für die eigentümliche Gestalt zu schärfen, die das Vater-Sohn-Verhältnis in seinen Überlegungen gewinnt. Ihr kam in der vorliegenden Untersuchung also eine heuristische Funktion zu,414 nachdem sie seit den Auseinandersetzungen um die Lehre des Konzils von Nizäa über Jahrhunderte hinweg im Dienst häresiologischer Polemik stand.415 Die Dogmenhistorie verhandelt das Deutungsmodell, in dem Origenes das Verhältnis des Sohnes zum Vater zu fassen sucht, bekanntlich unter dem Schlagwort Subordinatianismus. Mit diesem Begriff ist zum Ausdruck gebracht, dass der Sohn dem Vater untergeordnet ist. Die Frage, in welcher Hinsicht diese Unterordnung von Origenes gemeint ist, wird dabei nach wie vor kontrovers diskutiert. In den Antworten, die in der modernen Forschung darauf gegeben werden, spiegeln sich die beiden Alternativen wider, die im Großen und Ganzen schon die antike Origenesdeutung bestimmt haben.416 So verstehen die einen Historiker die origeneische Bestimmung des Vater-Sohn-Verhältnisses in unterschiedlichen Akzentuierungen als den Versuch einer trinitätstheologischen Transformation platonischer Stufenontologie und qualifizieren den origeneischen Subordinatianismus dementsprechend als ontologischen Subordinatianismus.417 Die anderen 414 So u. a. auch bei Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 98–110 und Nemeshegyi, Pater-
nité de Dieu 55.
415 Ausdrücklich sei an dieser Stelle den Überlegungen zugestimmt, die Brox, Spiritualität
und Orthodoxie 145–154 im exemplarischen Blick auf die origeneische Christologie zur theologiegeschichtlichen Hermeneutik vorträgt. 416 Einen Abriss der Deutungsgeschichte bietet Nemeshegyi, Paternité de Dieu 55–62. 417 So Schüler, Vorstellungen von der Seele 181; de Faye, Origène 123; Lowry, Origen as Trinitarian 235–238; Daniélou, Origène 258; Jonas, Origenes’ Περὶ Ἀρχῶν 103 f. Anm. 6 (in erweiterter Fassung Jonas, Gnosis II 179 f. mit Anm. 1); Aeby, Les missions divines 159–161; Rist, Eros und Psyche 213 f.; Krämer, Ursprung der Geistmetaphysik 286 f.; Kettler, Ewigkeit der geistigen Schöpfung 277 f. 281 f.; Pollard, Johannine Christology 92 f.; Cignelli, Giovanni 14,28 137 f. 145 f.; Brox, Spiritualität und Orthodoxie 141 f. 145; Trigg, Origen 98 f.; von Ivánka, Origenes 137 f. Anm. 1; Berchman, Origen on The Categories 235–244; Lilla, Neoplatonic Hypostases 144; Bendinelli, Problema della creazione 23 Anm. 17; O’Leary, Christianisme et philosophie 171. Die Position von Holger Strutwolf ist widersprüchlich: Einerseits meint er, die Unterschiedenheit des Sohnes vom Vater werde von Origenes „als ontologische Unterordnung verstanden“ (Strutwolf, Gnosis als System 218 [Herv. v. Verf.]); andererseits sagt er im Blick auf alle drei Hypostasen: „Trotz der Subordination sind […] Vater, Sohn und Geist als eine Einheit begriffen, die als naturhafte, unzerstörbare Willenseinheit aller drei Personen beschrieben werden muss. So
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dagegen vertreten die Ansicht, nach Origenes resultiere die Unterordnung des Sohnes ausschließlich aus der Ursprungsrelation, in der dieser zum Vater steht. Ihrer Interpretation zufolge handelt es sich also nur um einen relationalen Sub ordinatianismus, der das Beziehungsgefüge zwischen der ersten und der zweiten Hypostase innerhalb der einen und einzigen wahrhaft göttlichen Wesensnatur beschreibt.418 Das Bild, das die vorliegende Untersuchung vom Vater-Sohn-Verhältnis und dem darin implizierten ontologischen Status des Sohnes gezeichnet hat, erweist sich als überaus vielschichtig und facettenreich. Als grundlegendes Ergebnis lässt sich zunächst festhalten, dass sich bei Origenes aus dem Grund keine terminologisch präzisen Aussagen über die Ontologie der zweiten Hypostase ausmachen lassen, weil er seiner Betrachtung von Vater und Sohn noch nicht den Begriff der Wesensnatur als Vergleichskriterium zugrundelegt. Vielmehr hat sich gezeigt, dass er die Hypostasen aus einem antimodalistischen Blickwinkel vorwiegend in relationaler Hinsicht voneinander abgrenzt. Obwohl Origenes den Begriff der göttlichen Wesensnatur also noch nicht als Kriterium für die Bestimmung des kann Origenes z. B. einmal, wenn er die innertrinitarische Unterscheidung im Auge hat, sagen, allein der Vater dürfe angebetet werden, weil er allein ungeworden ist. Ein anderes Mal kann er aber, wenn er die Göttlichkeit aller drei Personen zusammenschaut, die drei Hypostasen den Geschöpfen gegenüber zur προσκυνητὴ τριάς zusammenschließen. Hierin zeigt sich, daß die Subordination im Sinne des Origenes keine Deutung zuläßt, die die Einheit der Hypostasen auseinanderreißt“ (Strutwolf, Gnosis als System 233 [Herv. v. Verf.]). Es stellt sich die Frage, wie diese Einheit anders als im Sinn einer ontologischen Einheit verstanden werden kann. Eine ähnlich widersprüchliche Position, die dieselbe Frage provoziert, vertritt Lieske, Theologie der Logosmystik 172: Die Zeugung des Sohnes aus dem Vater und seine „Ebenbildlichkeit“ bedeuten „Wesensvereinigung oder Wesenseinheit des Sohnes mit dem Vater. Dabei ist unter dieser Wesenseinheit bei Origenes nicht strenge Wesensgleichheit oder Wesensidentität zu verstehen.“ Angesichts der „zahlreichen Vergleiche und subordinatianistischen Erklärungsversuche der Abhängigkeit des Sohnes vom Vater“ besteht, so meint Lieske, nach Origenes zwischen Vater und Sohn wohl „engste Wesensvereinigung“, aber „keine absolute Wesensgleichheit […]. Wie also die trinitarische Zeugung Abbildsein und Wesensvereinigung vermittet, so auch zugleich Unterordnung des Abbildes oder Lichtglanzes unter den Energiekern des Lichtes selbst, den Vater“ (ebd. 174). 418 So z. B. Prat, Origène 50–67; Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 121; Nemeshegyi, Paternité de Dieu 99; Marcus, Subordinatianismus 156–163; Holz, Begriff des Willens und der Freiheit 68; Crouzel, Le Christ Sauveur 66 f.; Blanc, Fils de Dieu 9 f.; Schadel, Trinitätskonzept des Origenes 206 f.; Fédou, Christianisme et religions païennes 573 Anm. 35; Letellier, Logos 600; Crouzel, Origène et Plotin 127–133; Kannengiesser, Écriture et Théologie Trinitaire 360. Unter den antiken Autoren vertreten diese Sicht z. B. Pamphilus von Cäsarea, Apol. 108–112 (FC 80, 324,15–328,6); Athanasius von Alexandrien, De decr. Nic. syn. 27,1–3 (Athanasius Werke II, 23 f.). Vgl. auch Sokrates, Hist. eccl. IV 26,9 (GCS Socr. 1, 260,29–261,1; zu Basilius von Cäsarea und Gregor von Nazianz); VI 12,5 (GCS Socr. 1, 334,1–4; zu Theotimus von Skythien); VI 13,8–11 (GCS Socr. 1, 334,24–335,6; zu Sokrates selbst).
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Verhältnisses von Vater und Sohn in Anschlag bringt, ist er von der Sache her, um die es ihm zu tun ist, aber doch gezwungen, zur Frage nach dem ontologischen Status des präexistenten Gottessohnes Stellung zu beziehen, in welch impliziter Form auch immer. Denn vor diese für den christlichen Glauben im Ganzen schlechthin fundamentale Problemstellung sieht sich jeder Versuch gestellt, das christliche Bekenntnis schriftgemäß auszulegen, wonach der Sohn in der Weise Gott ist, dass er sich einerseits von Gott, dem Vater, unterscheidet, andererseits aber mit diesem selbst eins ist.419 Die vorstehende Untersuchung hat deutlich gezeigt, dass der Standpunkt, den Origenes in der Frage nach dem ontologischen Status des Sohnes einnimmt, unter der Oberfläche eines hochdiffizilen Aussagengefüges zu suchen ist und mit pauschalisierenden Interpretationen nicht sachgerecht erfasst werden kann. Die Komplexität dieses Aussagengefüges ist zunächst durch Origenes’ methodisches Vorgehen bedingt, in dem philosophische Spekulation und biblische Exegese dialektisch ineinander greifen. Auf die in der Methodik angelegten Spannungen sind in inhaltlicher Hinsicht zwei gegenläufige Tendenzen zurückzuführen, angesichts derer die strikte Alternative, die Unterordnung des Sohnes entweder als ontologische oder als bloß relationale Subordination zu interpretieren, sich als zu schematisch erweist, als dass sie dem historischen Befund in seiner ganzen Komplexität gerecht werden könnte. Denn einerseits hat die Analyse von Origenes’ Versuch, die nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift bestehende Einheit von Vater und Sohn zu explizieren, zu dem Ergebnis geführt, dass er in seinen diesbezüglichen Überlegungen den sachlichen Gehalt des nizänischen Dogmas erreicht. Angesichts dieses Ergebnisses scheint die Annahme berechtigt, dass er die ontologischen Implikationen seiner metaphysischen Christologie in der Formulierung des nizänischen Dogmas adäquat ausgesagt gefunden hätte.420 Andererseits korrespondiert diesem Befund aber dort, wo Origenes die Hypostasen in ihrer Eigenständigkeit voneinander abgrenzt, nicht ein solches Theoriemodell, das sich unzweideutig als relationaler Subordinatianismus identifizieren ließe. Vielmehr finden sich in seinen diesbezüglichen Ausführungen Aussagen, die sich kaum anders als im Sinn eines ontologischen Subordinatianismus interpretieren lassen. 419 Während nach Brox, Spiritualität und Orthodoxie 150 die Fragestellung des dritten Jahr-
hunderts – also auch die des Origenes – gelautet hat: „Ist nur der Vater Gott oder auch der Logos?“, habe sich die Diskussion im vierten Jahrhundert um die Frage gedreht: „Ist der Logos Gott wie der Vater und mit ihm wesenseins, oder ist er geringer als der Vater?“ So sehr diese Unterscheidung geeignet sein mag, die historisch bedingte Verlagerung des primären Fragehorizonts zu verdeutlichen, so wenig können beide Fragestellungen inhaltlich voneinander getrennt werden. Die zweite Frage stand jedenfalls prinzipiell auch schon im dritten Jahrhundert zur Debatte. 420 Diese Position hat jüngst mit Nachdruck Ramelli, Anti-Subordinationism 30 vertreten: „I think that […] the main inspirer of the Nicene formula was precisely Origen.“
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Dieser ambivalente Befund421 findet seine Erklärung in den geschichtlichen Umständen, unter denen Origenes sich der in die Wesensmitte des Christentums zielenden Herausforderung zu stellen hatte, die gleichermaßen biblisch bezeugte wie philosophisch unaufgebbare Einheit und Einzigkeit Gottes mit der Annahme einer zweiten Hypostase zu vermitteln, die ebenfalls von Ewigkeit zu Ewigkeit Gott ist. Die christliche Tradition hatte zu dieser Zeit noch keine spezifische Terminologie ausgebildet. In seinem Bemühen, das christliche Gottesbild in ein Vorstellungsmodell zu fassen, das nicht nur den Vorgaben der Heiligen Schrift Rechnung trug, sondern das auch geeignet war, sich im Diskurs mit den paganen philosophischen Wirklichkeitsentwürfen als konkurrenzfähig zu behaupten, blieb Origenes gar nichts anderes übrig, als auf Sprachfiguren und Deutungsmuster zurückzugreifen, die ihm in der spätantiken Geisteswelt zur Verfügung standen, ohne dass diese aber bereits eine genuin christliche Prägung erfahren hatten. Wenn es darum ging, eine Hypostasenlehre zu konzipieren, die der strengen Norm des Monotheismus gerecht zu werden vermochte, drängte sich das stufenontologische Modell, das zu den Fundamenten der Ontologie des spätantiken Platonismus gehörte, als geeignetes Ausdrucksmittel geradezu auf. Denn zum einen ließ sich in diesem Modell die hypostatische Eigenständigkeit von Vater und Sohn gegen den Modalismus behaupten. Zum anderen war bei einer ontologischen Stufung der Hypostasen der monotheistische Glaube unverkürzt gewahrt. Der Rekurs auf die Tradition platonischer Prinzipientheorie und Ontologie bot sich für Origenes vor allem auch deshalb an, weil er den Kernbestand der in dieser Tradition verwurzelten Deutungsmuster und Begriffe auch in der Heiligen Schrift finden oder sie zumindest an deren Sprachgebrauch und Vorstellungswelt anbinden konnte. Vor diesem Hintergrund ist es nur zu verständlich, wenn er die in seiner konsequent antimodalistischen Betonung der hypostatischen Eigenständigkeit von Vater und Sohn stets mitschwingende Relativierung des Monotheismus immer wieder dadurch aufzufangen versuchte, dass er das Modell einer ontologischen Stufung der Hypostasen aus der platonischen Tradition auf seine christliche Problemstellung applizierte. In diesem Sinn greift Origenes, wenn er den Vater als selbständige Hypostase in den Blick nimmt, durchgängig auf die in der platonischen Tradition beheimatete Vorstellung zurück, dass sich das erste Prinzip, der ursprungslose Ursprung aller Wirklichkeit, aufgrund seiner radikalen Transzendenz von allem Seienden fundamental unterscheidet, das sich in seinem Dasein und Sosein seiner Wirklichkeitsmacht verdankt. Vor diesem Hintergrund sieht er konsequenterweise auch den Sohn durch einen tiefen Hiatus vom Vater getrennt, so dass er ihn zu den nicht aus sich selbst heraus bestehenden Entitäten zählt, ohne ihn dabei in 421 Lieske, Theologie der Logosmystik 165 spricht im Blick auf den origeneischen Subordina-
tianismus von „Krise“ (vgl. auch ebd. 180: „subordinatianistische Krise“).
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terminologischer Eindeutigkeit von den vernunftbegabten Geschöpfen abzusondern. Als transzendenter Urgrund aller Wirklichkeit ist der Vater der Kulminationspunkt des vielschichtigen metaphysischen Teilhabezusammenhangs, der die gesamte Wirklichkeit bestimmt. Ihm allein kommt es deshalb zu, der höchste In begriff aller Vollkommenheit zu sein, der unaussprechlich ist und sich im Letzten aller Erkenntnis entzieht, die nicht seine eigene Selbsterkenntnis ist. Nur dem Vater ist es in seiner Ursprungslosigkeit vorbehalten, reine Einheit (μονάς), ja radikale Einsheit (ἑνάς) zu sein. Als solche ruht er vollkommen in sich. Erst dem Sohn als der zweiten Hypostase kommt es zu, die im väterlichen Urgrund gründende Wirklichkeitsfülle als geeinte Vielheit zu umgreifen, so dass er als Mittler der Schöpfung, Offenbarung und Erlösung zu fungieren vermag. In der Bestimmung des Verhältnisses von Vater und Sohn thematisiert Origenes also den Zusammenhang von Einheit und Vielheit, ein Problem, das die Grundfrage der platonischen Metaphysik seit ihren Anfängen bei Platon selbst darstellt. Im Stufensystem der platonischen Ontologie wird vorausgesetzt, dass einer Entität umso weniger Wirklichkeitsfülle eigen ist, je mehr sie in sich Vielheit ist: Je größer also der Einheitsgrad einer Wirklichkeit, desto vollkommener ist das Maß, in dem diese Wirklichkeit seiend, gut und göttlich ist. Dieser stufenontologische Gedanke schlägt sich auch in der Gotteslehre des Origenes nieder, wenn dieser im Anschluss an einschlägige Passagen der Heiligen Schrift allein den Vater als den Seienden im eigentlichen Sinn (vgl. Ex 3,14: ὁ ὤν), als den ein zig wahren Gott (vgl. Joh 1,1: ὁ ϑεός; Joh 17,3: ὁ μόνος ἀληϑινὸς ϑεός; 1 Kor 8,6: ἡμῖν εἷς ϑεὸς ὁ πατήρ) und als denjenigen bezeichnet, der allein vollkommen und wahrhaft gut ist (vgl. Mk 10,18/Lk 18,19: οὐδεὶς ἀγαϑὸς εἰ μὴ εἷς ὁ ϑεός; Mt 19,18: εἷς ἐστιν ὁ ἀγαϑός).422 Wenn Origenes im Johanneskommentar mit dem Hinweis darauf, dass allein die erste Hypostase des Vaters aufgrund des Prädikats ὁ ϑεός als der einzig wahre Gott ausgewiesen ist, den Polytheismusvorwurf meint parieren zu können, gibt er damit zu erkennen, wie sehr er bisweilen der Logik der Stufenontologie folgt. Denn die Tatsache, dass ihm dieser Hinweis an der besagten Stelle ausreicht, um den monotheistischen Anspruch des christlichen Bekenntnisses zu verteidigen, zeigt, dass in seiner Bestimmung des Vater-SohnVerhältnisses durchaus die Vorstellung einer ontologischen Unterordnung des Sohnes mitschwingen kann.423
422 Vgl. dazu Ricken, Sprache und Transzendenz 87–92; Ricken, Nikaia als Krisis 327. 423 Vgl. Brox, „Gott“ 33: „Christologie konnte bis mindestens ins hohe 3. Jh. hinein nur sub-
ordinatianisch konzipiert werden; Monotheismus bzw. Monarchianismus ließen nichts anderes zu. Dazu passt nun der ‚reduzierte‘ ϑεός-Begriff optimal. Es ist mit ihm eine Kategorie gefunden gewesen, die das denkbar Höchste von Christus sagt, ihn (wegen der reduzierten Semantik des Begriffs) aber nicht in konkurrierende Nähe zu Gott (dem Vater) geraten ließ.“
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Auch den Begriff des Bildes, der an mehreren Stellen der Heiligen Schrift auf den ewigen Gottessohn angewendet wird, kann Origenes im Geist der platonischen Ontologie auslegen, der zufolge das Abbild in geringerem Maße wirklich ist als sein Urbild.424 Mithilfe der Urbild-Abbild-Metaphorik kann er auch den Teilhabezusammenhang begrifflich strukturieren, den alle Wirklichkeit in vielfältiger Hinsicht mit der transzendenten Urwirklichkeit des Vaters verbindet. Auch wenn Origenes sich dabei ausdrücklich nur auf das Zeugnis der Heiligen Schrift beruft, hat es zumindest stellenweise den Anschein, dass er die Mittelposition, die der Sohn innerhalb des universalen Teilhabezusammenhangs einnimmt, vor dem ideengeschichtlichen Hintergrund des platonischen Stufendenkens expliziert, das mit dem Transzendenztheorem korrespondiert. Eine stufenontologische Deutung des Bildbegriffs musste sich ihm auch insofern nahelegen, als er dem Buch der Weisheit entnehmen konnte, dass der Sohn als Sophia das „Bild der Güte“ des Vaters ist. Es entspricht dem platonischen Zusammenhang von Abbildhaftigkeit und vermindertem Gutsein, wenn Origenes die im Bildbegriff implizierte Überlegenheit des Vaters, den er mit dem Prädikat αὐταγαϑός bezeichnet, im ontologischen Sinn versteht und ihr mitunter einen entsprechend pointierten Ausdruck verleiht. Wenn Origenes allein den Vater als radikal transzendentes, absolut einfaches, in jeglicher Hinsicht schlechthin vollkommenes erstes Prinzip betrachtet, den Sohn dagegen als ontologisch depotenziertes Bild des Vaters und seiner Güte, in dem die absolute Einheit und Einfachheit des ursprungslosen Ursprungs als geeinte Vielheit verwirklicht ist, dann folgt er mit diesen Überlegungen der Logik einer Prinzipientheorie und Ontologie, die in der Tradition des Platonismus die Geisteswelt seiner Zeit prägte.425 Diese Logik erscheint dabei allerdings stets eingekleidet in das Gewand des Sprachgebrauchs und der Vorstellungswelt der Bibel, die für Origenes die maßgebliche Bezugsgröße seines Denkens darstellt. In dieser Perspektive ist allein der Vater der einzig wahre Gott, während der Sohn als ein seinsmäßig untergeordneter „zweiter Gott (δεύτερος ϑεός)“ erscheint, der als solcher den Monotheismus nicht zu gefährden vermag und über den Origenes an einer Stelle seines überlieferten Schrifttums sogar kategorisch sagen kann, er sei „in keiner Hinsicht (κατ᾽ οὐδέν) mit dem Vater vergleichbar“426. Nun hat unsere Untersuchung allerdings ergeben, dass Origenes keineswegs konsequent dem platonischen Stufengedanken folgt. Wer also seine Hypostasen424 Auch Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 120 übersieht nicht, dass Origenes bisweilen
dazu neigt, den Sohn als „reproduction affaiblie de son modèle, à la manière des platoniciens“ zu betrachten. Vgl. auch ebd. 112 f. 425 Vgl. in diesem Kontext die systematischen Parallelen zwischen der jeweils zweiten Hypostase bei Origenes einerseits und Plotin andererseits, wie sie Lilla, Neoplatonic Hypostases 144–146 aufgelistet hat. 426 In Ioh. comm. XIII 25,152 (SC 222, 114).
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lehre pauschal als ontologischen Subordinatianismus deutet, verkennt die Komplexität seiner Gotteslehre.427 Darin tritt nämlich, durchaus verhalten zwar, aber im Ganzen doch deutlich erkennbar, noch ein anderer Aspekt hervor, der von zentralen Aussagen der Heiligen Schrift motiviert und inspiriert ist. Diese Aussagen liest Origenes nicht länger in der Perspektive eines traditionellen philosophischen Auslegungsschemas, weil in ihnen ein neuer Gedanke aufleuchtet, der in den überkommenen Vorstellungsmustern nicht zu fassen ist. Von diesem neuen Gedanken lässt sich Origenes in der Weise leiten, dass er der Sache nach zum Gehalt des späteren nizänischen Dogmas vordringt, das den definitiven Bruch mit der Logik des platonischen Stufenmodells in der christlichen Gotteslehre vollziehen sollte.428 Es sind vor allem die christologischen Spitzenaussagen des Johannesevangeliums, die Origenes veranlassen, die Einheit von Vater und Sohn als Einheit in der einen und einzigen wahrhaft göttlichen Wesensnatur zu begreifen, die ihren ewigen Grund in der Hypostase des Vaters hat und in die der Sohn hineingenommen ist durch das unzertrennliche Band seiner unmittelbaren Zeugung aus dem Vater im ewigen Heute der göttlichen Gegenwart. Origenes formuliert diesen Gedanken, ohne die Vorstellung einer statischen Wesensnatur begrifflich zu explizieren.429 Implizit bringt er diese Vorstellung jedoch sehr wohl zum Ausdruck, wenn er im Anschluss an das biblische Zeugnis die Einheit von Vater und Sohn im Modell einer dynamischen Beziehung zu verstehen sucht, aufgrund derer Vater und Sohn in der Wirklichkeit ihres geistigen Lebens und willentlichen Strebens unzertrennlich miteinander eins sind.430 Dabei denkt er aber die Wirklichkeit des einen wahren Gottes niemals losgelöst von der ersten Hypostase des Vaters, in der diese Wirklichkeit selbstursprünglich gegeben ist.431 Im Anschluss an die johanneische Offenbarungstheologie, deren Kernaussagen er stets auf den präexis tenten Gottessohn bezieht, versteht Origenes den Sohn schließlich als denjenigen,
427 In diesem Sinn trifft das Urteil, das Kannengiesser, Divine trinity 247 über Berchman,
From Philo to Origen, gefällt hat, auf viele Versuche zu, das Vater-Sohn-Verhältnis bei Origenes konsequent vom Stufenschema der platonischen Ontologie her zu interpretieren: „In reality, Berchman’s Origen looks like an Middle Platonic travesty, more precisely like a hypothetical philosopher, stripped of his theological identity […].“ 428 Vgl. Ricken, Nikaia als Krisis 341: „Nikaia bricht mit der naiven Rezeption des spätantiken Seinsverständnisses zur Deutung des christlichen Kerygmas.“ Vgl. ebenso Meijering, Wie platonisieren Christen? 27; Hübner, Der Gott der Kirchenväter 16–21; LutzBachmann, Hellenisierung des Christentums? 92–95. 429 Vgl. Dünzl, Geschichte des trinitarischen Dogmas 46 f. 430 So auch Crouzel, Origène 244: „De nombreux textes, sous de multiples images, sous des formes plus dynamiques qu’ontologiques, obligent à reconnaître qu’Origène exprime l’équivalent de l’homoousios nicéen.“ 431 Vgl. Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 127 f.
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in dem die Wirklichkeit des Vaters selbst gegenwärtig ist und als das Wesen des einen wahren Gottes in der Andersheit des Bildes geschaut werden kann. Es zeigt sich somit, dass in den Ambivalenzen und Inkonsistenzen, die Origenes’ Überlegungen zum Vater-Sohn-Verhältnis durchziehen, sich die zwei gegenläufigen Tendenzen widerspiegeln, die bereits in den einschlägigen biblischen Aussagen enthalten sind. Beide Tendenzen greift Origenes auf, ohne sie jedoch bereits in ein konsistentes und terminologisch reflektiertes Gesamtbild zu integrieren.432 Diejenigen Stellen, an denen die Schrift die Differenz und Disparität von Vater und Sohn betont, deutet er zwar nicht immer deutlich, aber mitunter doch sehr pointiert in der Weise, dass er den darin angelegten Subordinatianismus im Rückgriff auf die Logik der platonischen Stufenontologie als ontologischen Subordinatianismus auslegt. In Anbetracht derjenigen Stellen jedoch, an denen die Schrift die Einheit und wechselseitige Immanenz von Vater und Sohn bezeugt, durchbricht Origenes diese Logik.433 Darin zeigt sich, in welchem Maß er bereit war, sich in seinem metaphysischen Denken von den Vorgaben der Heiligen Schrift bestimmen zu lassen. Am Ende dieser zusammenfassenden Überlegungen zum origeneischen Subordinatianismus wollen wir noch einen vergleichenden Blick auf die Formulierung des nizänischen Credos werfen. Wenn es dort vom Sohn heißt, er sei ὁμοούσιος τῷ πατρί, so handelt es sich dabei um eine Wendung, deren sachlichem Gehalt Origenes seine Zustimmung vermutlich nicht verweigert hätte, wenn ihm die darin verwendete Terminologie vertraut gewesen wäre, um deren rechte Auslegung bekanntlich auch die nizänische Kirche noch zu ringen hatte. Origenes selbst hat das Wort ὁμοούσιος als Attribut des Sohnes allerdings nicht verwendet. Wo sich dieses Wort in seinen Schriften auf den Sohn bezogen findet, verdankt es sich gewiss späterer Interpolation.434 Dies hat Richard Hanson sowohl mit textkritischen 432 Vgl. Prestige, God 134: „The texts chosen were sometimes convenient in certain respects
for the work of supporting orthodox arguments, while in other respects they presented decided difficulties.“ 433 Auch Aeby, Les missions divines 161 kommt schließlich zu diesem differenzierten Urteil, wenn er erklärt: Origenes „n’est jamais parvenu à concilier les textes scripturaires qui affirmaient l’égalité du Fils avec le Père avec ceux qui marquaient une certain subordination. C’est pourquoi nous trouvons chez lui un côté parfaitement orthodoxe et un autre subordinatien […].“ Crouzel, L’image de Dieu 197 urteilt zu Recht: „Il s’agit plutôt d’une insuffisance théologique, bien excusable à cette époque, incapable d’arriver à une solution satisfaisante entre les textes évangéliques qui témoignent de la supériorité du Père, et ceux qui professent l’égalité et même l’unité des deux Personnes.“ Vgl. auch von Balthasar, Einführung 29, der feststellt, man dürfe die „Unterordnung der göttlichen Personen nicht übertreiben. Origenes ist sogar in dieser Beziehung der orthodoxeste der vornicänischen Theologen.“ 434 Das Wort ὁμοούσιος ist gnostischer Herkunft (vgl. Dinsen, Homoousios 4–11; Stead, Divine Substance 190). Es begegnet bei Origenes nur in seiner Auseinandersetzung mit
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Erwägungen als auch unter Berücksichtigung der Bedeutung, die diesem Wort von späteren Origenisten beigemessen wurde, überzeugend nachgewiesen.435 Weil Origenes terminologisch noch nicht zwischen οὐσία und ὑπόστασις differenziert, er beide Begriffe vielmehr oft synonym verwendet, um die Eigenständigkeit der göttlichen Hypostasen herauszustellen,436 hätte er das Wort ὁμοούσιος unmöglich gebrauchen können, ohne dabei selbst der modalistischen Häresie zu verfallen. Aufgrund dieser terminologischen Voraussetzungen verwirft Origenes im zwanzigsten Buch seines Johanneskommentars auch die Aussage, der Sohn sei gezeugt ἐκ τῆς οὐσίας τοῦ πατρός. Damit lehnt er genau diejenige Formulierung ab, die im nizänischen Credo in der ersten auf den Sohn bezogenen Prädikation auftaucht und den Begriff ὁμοούσιος vorbereitet. In seinem Verständnis impliziert diese Formulierung nämlich, dass die οὐσία (= ὑπόστασις) des Vaters teilbar und folglich körperlich ist, eine Annahme, die sowohl der vollkommenen Einheit der ersten Hypostase wie auch ihrer rein noetischen Natur widerspricht und in
dem Valentinianer Herakleon (und immer nur in seinen Kommentaren; vgl. Stead, Divine Substance 209), so in In Ioh. comm. XIII 25,149 (SC 222, 112), wo er dessen Lehre zurückweist, dass die Pneumatiker in ihrer ϕύσις wie Gott πνεῦμα und dementsprechend ὁμοούσιοι τῇ ἀγεννήτῳ ϕύσει καὶ παμμακαρίᾳ seien. Außerdem findet sich das Wort ὁμοούσιος in In Ioh. comm. XX 20,170 (SC 290, 240), wo Origenes Herakleons These anführt und ablehnt, einige Menschen, die sog. Hyliker, seien ὁμοούσιοι τῷ διαβόλῳ, ferner in In Ioh. comm. XX 24,205 f. (SC 290, 258). An der einzigen Stelle, an der das ὁμοούσιος vom Sohn Gottes ausgesagt wird, nämlich in einem bei Pamphilus von Cäsarea, Apol. 99 (FC 80, 320,3) überlieferten Zitat aus dem verlorengegangenen Hebräerbriefkommentar, handelt es sich höchstwahrscheinlich um eine Interpolation Rufins, der Pamphilus’ Apologie ins Lateinische übersetzt hat (so Röwekamp, Einleitung 122–126; vgl. auch Dinsen, Homoousios 29–31; dagegen will Stead, Divine Substance 212 f. eine Authentizität nicht völlig ausschließen). Ob Origenes in In Ioh. comm. X 37,246 (SC 157, 530) mit der Wendung ἕν οὐ μόνον οὐσίᾳ das ὁμοούσιος im Blick auf den Sohn der Sache nach bejaht, lässt sich nicht zweifelsfrei entscheiden (vgl. Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 273 f. mit Anm. 5). Zum Ganzen vgl. Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 248 f. Anm. 218. 435 Hanson, Homoousios 295–303. Zur Gegenposition vgl. Edwards, Homoousios 658–670; Ramelli, Anti-Subordinationism 25–45. 436 Diese Bedeutung hat der Begriff οὐσία an folgenden Stellen: In Ioh. comm. I 28,200 (SC 120, 158); II 2,16 (SC 120, 216); 10,74 (SC 120, 254); 23,149 (SC 120, 304); Orat. 15,1 (GCS Orig. 2, 334,4 f.). Ob οὐσία bei Origenes bisweilen auch so viel wie Sosein und Wesen bedeuten kann (vgl. z. B. In Ioh. comm. I 24,151 [SC 120, 136]; VI 14,85 (SC 157, 190); 30,154 (SC 157, 246); X 37,246 (SC 157, 530); XIII 21,123 f. (SC 222, 94–96); 25,152 (SC 222, 114); XX 24,205–207 (SC 290, 258); 24,219 (SC 290, 264); 29,262 (SC 290, 284); In Hier. hom. 16,6,4 [SC 238, 146]), wird in der Forschung kontrovers diskutiert (vgl. Hammerstaedt, Der trinitarische Gebrauch des Hypostasenbegriffs 13–16). Vgl. im Übrigen Dörrie, Ὑπόστασις 76–78; Hanson, Ek tēs ousias 201; Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 228 f. 233; Williams, Art. Origenes/Origenismus 408.
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Die zweite Hypostase: Der Sohn
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der die Zeugung des Sohnes aus dem Vater irrigerweise nach dem Modell des animalischen Geburtsvorgangs vorgestellt wird.437 Wenn das Nizänum den Sohn ϑεὸς ἐκ ϑεοῦ, ϕῶς ἐκ ϕωτός nennt, so handelt es sich dabei um Wendungen, denen zweifellos auch Origenes grundsätzlich hätte zustimmen können, wenngleich er wahrscheinlich die antimodalistische Abgrenzung zwischen dem Sohn und dem Vater stärker akzentuiert hätte, indem er die johanneische Unterscheidung der Prädikate ϑεός und ὁ ϑεός und vielleicht auch die Differenzierung in Anschlag gebracht hätte, der gemäß der Vater Licht ist, in dem sich keinerlei Finsternis befindet (1 Joh 1,5), während der Sohn als Licht ausgewiesen ist, das aufgrund seiner Inkarnation in der Finsternis scheint, von dieser jedoch nicht erfasst wird (Joh 1,5).438 Gegen die arianische Christologie gewendet findet sich im nizänischen Symbol schließlich die Aussage, der Sohn sei ϑεὸς ἀληϑινὸς ἐκ ϑεοῦ ἀληϑινοῦ. Damit will das Konzil zum Ausdruck bringen, dass dem Sohn keine andere als die eine und selbe wahrhaft göttliche Wesensnatur zukommt, die auch dem Vater eigen ist, womit der ontologische Subordinatianismus definitiv ausgeschlossen wird. Auch Origenes, so hat die vorstehende Untersuchung gezeigt, stößt in seinen Überlegungen zum Vater-Sohn-Verhältnis, mögen diese aufs Ganze gesehen auch noch so ambivalent bleiben, stellenweise zu dem Gedanken vor, dass Vater und Sohn dasselbe göttliche Wesen eigen ist. Das Prädikat ϑεὸς ἀληϑινός behält er jedoch stets ausschließlich dem Vater vor. Anders als das Konzil folgt er damit konsequent dem Sprachgebrauch des johanneischen Jesus, der erklärt, ϑεὸς ἀληϑινός sei einzig und allein (μόνος) der Vater (vgl. Joh 17,3). Abgesehen davon, dass Origenes mit dieser Sprachregelung stellenweise durchaus eine seinsmäßige Unterordnung des Sohnes zu verbinden scheint, muss das Prädikat ϑεὸς ἀληϑινός in seinen Ausführungen immer auch vor dem Hintergrund seiner antimodalistischen Frontstellung verstanden werden. In dieser Perspektive geht es ihm vornehmlich darum zu betonen, dass allein der Vater sein Gottsein selbstursprüng437 In Ioh. comm. XX 18,157 f. (SC 290, 232–234). Vgl. auch Princ. I 2,6 (TzF 24, 134) sowie das
Referat bei Hieronymus, Epist. 124,14 (CSEL 56/1, 117,4–6 = TzF 24, 134). Dass die beiden Textstellen, wonach der Sohn aus dem Wesen (οὐσία/substantia) des Vaters stammt (In Ioh. frg. 9 [GCS Orig. 4, 490,20 f.]; In Rom. comm. IV 10,18 f. [VL 33, 346]), nicht auf Origenes zurückgehen, hat Hanson, Ek tēs ousias 201 f. nachgewiesen. 438 Zu dieser Differenzierung vgl. in ausdrücklich antimodalistischer Akzentuierung In Ioh. comm. II 23,149–152 (SC 120, 304–306). – Die Wendung ϑεὸς ἐκ ϑεοῦ findet sich bereits in einem Glaubensbekenntnis des Origenesschülers Gregor Thaumaturgos (Exp. fid. = ACO 3, 3,4), ebenso – erweitert um die Formulierungen ϕῶς ἐκ ϕωτός sowie ζωὴ ἐκ ζωῆς – im Credo der Kirche von Cäsarea in Palästina aus der Mitte des dritten Jahrhunderts, das deren Bischof Eusebius, ein Enkelschüler des Origenes, überliefert (DH40 Nr. 40). Mit Dassmann, Kirchengeschichte II/2 38 kann darum im Blick auf das nizänische Symbol vermutet werden, „dass das ‚Gott aus Gott …‘ eine Formel aus der Logostheologie des Origenes darstellt.“
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lich besitzt. Diese Perspektive bleibt dort, wo er die Einheit von Vater und Sohn der Sache nach als Einheit in der göttlichen Wesensnatur konzipiert, insofern vorausgesetzt, als er die einende Wirklichkeit der göttlichen Wesensnatur stets in der ersten Hypostase des Vaters verankert sieht. Wenn er die Einheit von Vater und Sohn also mit der Vorstellung zu veranschaulichen sucht, dass der Sohn in ewiger Gegenwart sich ganz in die Seinswirklichkeit seines Vaters hineinbegibt, ist darin implizit ausgesagt, dass der Sohn, ontologisch betrachtet, ϑεὸς ἀληϑινός ist wie der Vater. Origenes wäre aber wohl niemals auf den Gedanken gekommen, diese Folgerung auch mit diesen Worten zu formulieren. Als kundigem Exegeten war ihm bewusst, dass er mit einer solchen Redeweise gegen das Herrenwort in Joh 17,3 verstoßen hätte.
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Die dritte Hypostase: Der Heilige Geist
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3. Die dritte Hypostase: Der Heilige Geist 3.1 Das Problem der dritten Hypostase Dass es neben dem Vater und dem Sohn mit dem Heiligen Geist noch eine dritte Hypostase gibt, die zu den beiden anderen in einer unauflöslichen Beziehung steht, diese Wahrheit, so betont Origenes, ist dem christlichen Theologen durch die biblische Offenbarung und die kirchliche Glaubensüberlieferung vorgegeben. Aus diesem und nur aus diesem Grund bemüht er sich als erster Theologe in der Geschichte des Christentums um den Versuch einer systematischen Pneumatologie.439 Die Dreizahl der Hypostasen ist bei ihm also, anders als im metaphysischen Weltentwurf des zeitgenössischen Neuplatonikers Plotin, nicht einer systemimmanenten Notwendigkeit geschuldet. Sehr wahrscheinlich muss sein Versuch, eine Drei-Hypostasen-Lehre zu entfalten, als Reaktion auf die Position des Sabellius verstanden werden, der den durch Noët und Praxeas grundgelegten Modalismus auch auf den Heiligen Geist bezogen hatte, so dass sich Origenes zu einer explizit trinitarischen Metaphysik veranlasst sah.440 Als der ungewordene Gott, in dem alle Wirklichkeit ihren Grund und ihr Maß hat, ist der Vater, wie Origenes feststellt, auch allen heidnischen Philosophen bekannt, „die in irgendeiner Weise an eine Vorsehung glauben.“441 Selbst die zweite Hypostase des Sohnes ist dem vielgestaltigen Traditionsbestand der paganen Metaphysik nicht völlig fremd, insofern sich darin nämlich die Vorstellung eines Logos findet, der als Schöpfungsmittler fungiert.442 Origenes lässt aber nicht den geringsten Zweifel daran, dass eine umfassende Lehre über den Sohn nur auf der Grundlage der Heiligen Schrift und der kirchlichen Tradition entfaltet werden kann. Während sich nun im überkommenen philosophischen Gedankengut durchaus gewisse Entsprechungen zur ersten und zweiten Hypostase ausmachen lassen, wird die dritte Hypostase des Heiligen Geistes ausschließlich durch das Alte und das Neue Testament bezeugt: „Von dem Dasein (subsistentia) des Heiligen Geis439 Das wird immer wieder hervorgehoben, z. B. von Hauschild, Gottes Geist und der
Mensch 135; Courth, Trinität 105; Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 10. 192. 236. 261; McDonnell, Holy Spirit 25; Dünzl, Pneuma 367 f. 376–395; Simonetti, Art. Trinità 464 f.; Markschies, Der Heilige Geist 118. 126. 440 Zu Sabellius vgl. Kannengiesser, Art. Sabellius, bes. 1408. – Eine Übersicht über die Stellen, wo der Heilige Geist als Teil der Trias Vater – Sohn – Heiliger Geist erscheint, findet sich bei Garijo, Espíritu Divino 339–343. 354–358. 441 Princ. I 3,1 (TzF 24, 158). 442 Nach Crouzel, Troisième hypostase 205 setzt Origenes den Vater in Analogie zur ersten und den Sohn zur zweiten Hypostase des Mittelplatonismus, wobei er dem Sohn den stoischen Logos zuordnet. Vgl. in diesem Zusammenhang auch den Bezug zu (Ps-)Platon, Epist. 6,323 d 2–6 in Cels. VI 8,30–38 (SC 147, 196–198); 47,11–17 (SC 147, 298).
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tes aber konnte niemand auch nur die geringste Ahnung haben, außer denen, die im Gesetz und in den Propheten bewandert sind, und denen, die bekennen, an Christus zu glauben.“443 In der Kirche wird in aller Deutlichkeit (manifestis sime) verkündigt, „dass dieser Heilige Geist einen jeden von den Heiligen, den Propheten und den Aposteln inspiriert hat (inspiraverit) und dass kein anderer Geist in den Alten war als in denen, die bei der Ankunft Christi inspiriert wurden (in adventu Christi inspirati).“444 Mögen die Existenz und das Wirken des Heiligen Geistes in der Heilsgeschichte aufgrund der biblischen Offenbarung und der kirchlichen Überlieferung aber auch unbezweifelbar feststehen, so sieht sich Origenes doch gerade in der Pneumatologie mit zahlreichen Problemen konfrontiert. Klärungsbedarf sieht er nach Ausweis der programmatischen Vorrede zum ersten Buch seiner Grundlagenschrift vor allem in der im apostolischen Kerygma selbst offen gelassenen Frage, ob der Heilige Geist, der eine unkörperliche, unteilbare, rein intelligible Wirklichkeit ist,445 als geworden oder als ungeworden446 zu gelten hat und ob auch er als Sohn Gottes zu bezeichnen ist.447 Die entscheidende Aufgabe der Pneumatologie besteht für Origenes also darin, das metaphysische Beziehungsgefüge zu erhellen, in dem der Heilige Geist zum Vater und zum Sohn steht. Obwohl er seine Lehre vom Heiligen Geist unter der schrifthermeneutischen Prämisse erarbeitet, dass sämtliche Stellen sowohl des Alten wie auch des Neuen Testaments, an denen ohne nähere Bestimmung vom „Geist (πνεῦμα)“ die Rede ist, als Aussagen über die dritte Hypostase zu verstehen sind,448 muss doch festgehalten werden, dass Origenes „sich über den metaphysischen Status des Heiligen 443 Zum gesamten vorliegenden Abschnitt vgl. Princ. I 3,1 (TzF 24, 158). 444 Princ. I Praef. 4 (TzF 24, 90). Vgl. auch Princ. II 7,1 (TzF 24, 372–374). 445 Cels. VI 70,7 (SC 147, 354); Princ. I 1,3 (TzF 24, 104). 446 Hieronymus, Epist. 124,2 (CSEL 56/1, 97,23–98,1 = TzF 24, 162) überliefert innerhalb
e iner Paraphrase die Frage: utrum factus sit an infactus, während es in Rufins Fassung von Princ. I Praef. 4 (TzF 24, 90) heißt: utrum natus aut innatus. Mit Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 199 Anm. 22 ist dazu zu sagen: „Da Origenes wie überhaupt die vornizänische Theologie nicht mit semantischer Eindeutigkeit zwischen den Ausdrücken γενητός/γεννητός (factus/natus) und ἀγένητος/ἀγέννητος (infactus/innatus) unterschieden hat, ist es nicht eindeutig zu unterscheiden, welche Ausdrücke im griechischen Original gestanden haben mögen. […] Die Varianten machen aber sachlich, wenn man hier nicht die nachnizänische Problematik einträgt, keinen Unterschied.“ 447 Princ. I Praef. 4 (TzF 24, 90). 448 Princ. I 3,4 (TzF 24, 164): Quidam sane ex praecessoribus nostris in novo testamento obser varunt quod, sicubi spiritus nominatur sine adiectione ea, quae designet qualis sit spiritus, de sancto spiritu deberet intellegi, ut puta: „Fructus autem spiritus est caritas, gaudium, pax“ (Gal 5,22) et cetera. Item et ibi: „Cum coeperitis spiritu, nunc carne perficimini?“ (Gal 3,3). Nos vero etiam in veteri testamento putamus distinctionem istam posse servari, sicut cum dicit: „Qui dat spiritum populo, qui est super terram, et spiritum his, qui calcant eam“ (Jes 42,5).
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Geistes nur sehr knapp geäußert hat.“449 Seine diesbezüglichen Ausführungen können in Ausführlichkeit und Genauigkeit „keinesfalls mit seiner Logos- und Gotteslehre verglichen werden.“450 Dies bedeutet für die folgende Untersuchung, dass sie sich einerseits auf wenige Textpassagen konzentrieren kann, sich aber andererseits einer noch größeren begrifflichen Unschärfe gegenübergestellt sieht, als dies schon im Blick auf die zweite Hypostase der Fall war.
3.2 Die Konstitution und der ontologische Status des Heiligen Geistes In seinem Johanneskommentar kommt Origenes in einer gleichermaßen kurzen wie präzisen Überlegung auf das pneumatologische Kernproblem zu sprechen, die Frage nämlich, wie das Verhältnis des Heiligen Geistes zum Vater und zum Sohn näher zu bestimmen ist. Dabei lautet seine Ausgangsfrage, ob die Mittlerschaft, die der Sohn nach Joh 1,3 ausübt, sich auch auf den Heiligen Geist erstreckt. Auf diese Frage, so erklärt er, gibt es drei mögliche Antworten. Erstens: Wer den Heiligen Geist als γενητόν bezeichnet, ihn mithin unter die „gewordenen“ Entitäten rechnet und sich dabei an den Wortlaut von Joh 1,3 hält, muss zwangsläufig die Auffassung vertreten, dass auch der Heilige Geist durch den Sohn geworden ist, so dass dieser im Vergleich mit jenem als πρεσβύτερος zu gelten hat (πρεσβυτέρου παρ᾽ αὐτὸ τοῦ λόγου τυγχάνοντος). Zweitens: Wer bestreitet, dass der Heilige Geist durch den Sohn geworden ist, muss ihn konsequenterweise „ungeworden (ἀγένητον451)“ nennen, sofern er nicht in Widerspruch zu Joh 1,3 geraten will.452 Schließlich drittens: Die modalistische Anschauung, wonach der Heilige Geist nicht als eigenständige, von Vater und Sohn verschiedene Hypostase existiert (μηδὲ οὐσίαν τινὰ ἰδίαν ὑϕεστάναι τοῦ ἁγίου πνεύματος ἑτέραν παρὰ τὸν πατέρα καὶ τὸν υἱόν), ist nach Origenes allenfalls in dem Sinn denkbar, dass der Heilige Geist mit der Hypostase des Vaters identisch ist, da aus Mt 12,32par seine reale Verschiedenheit (διαίρεσις) gegenüber dem Sohn eindeutig hervorgeht.453 449 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 224. 450 Ebd. 451 Blanc (SC 120) liest ἀγέννητον, ebenso Drecoll, Hypostasis bei Origenes 481 mit Anm.
8, der die Stelle als Beleg dafür heranzieht, „daß ἀγέννητος als Oppositum zu γενητός angesehen wird, zwischen γενητός (< γίνομαι) und γεννητός (< γεννάω) also nicht strikt unterschieden wird.“ Vor dem Hintergrund des gesamten Kontextes (vgl. das ἐγένετο in Joh 1,3, auf das sich Origenes durchweg bezieht) ist es aber viel wahrscheinlicher, dass Origenes hier als Gegenbegriff zu γενητόν auch ἀγένητον gewählt hat und das ἀγέννητον folglich als Abschreibfehler zu betrachten ist, der sich in In Ioh. comm. II 10,74 (SC 120, 254) wiederholt. Damit sei allerdings nicht in Abrede gestellt, dass die später so wichtige Unterscheidung zwischen γενητός und γεννητός bei Origenes noch nicht vollzogen ist. 452 In Ioh. comm. II 10,73 (SC 120, 252). 453 In Ioh. comm. II 10,74 (SC 120, 254).
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Interessanterweise widerlegt Origenes die in der dritten Antwort formulierte modalistische These, dass eine hypostatische Identität zwischen dem Vater und dem Heiligen Geist besteht, nicht. Vielmehr geht er unmittelbar dazu über, seine eigene Sicht auszuführen, wobei er allerdings zugleich seinen unmissverständlichen Widerspruch gegen den Modalismus anmeldet. „Wir freilich“, so betont er, „sind überzeugt, dass es drei Hypostasen (τρεῖς ὑποστάσεις) gibt, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, wobei wir glauben, nichts anderes außer dem Vater sei ungeworden (ἀγένητον). Als der rechten Frömmigkeit entsprechend und als Wahrheit nehmen wir die Lehre an, dass, insofern alles durch den Logos geworden ist, der Heilige Geist ehrwürdiger ist als alles (πάντων τιμιώτερον) und dem Rang nach das Erste von all dem, was vom Vater durch Christus geworden ist (τάξει πρῶτον454 πάντων τῶν ὑπὸ τοῦ πατρὸς διὰ Χριστοῦ γεγενημένων). Dies ist sogleich455 auch der eigentliche Grund, nicht auch ihn Sohn Gottes zu nennen.456 Denn allein der Eingeborene (μονογενής) ist Sohn von Natur seit Anbeginn (ϕύσει ἀρχῆϑεν). Seiner scheint der Heilige Geist zu bedürfen (χρῄζειν ἔοικε), dessen hypostatischer Verwirklichung (ὑπόστασις457) er dient, nicht nur im Hinblick auf das Dasein (οὐ μόνον εἰς τὸ εἶναι), sondern auch im Hinblick auf das Weise-, Vernünftig- und Gerechtsein (ἀλλὰ καὶ σοϕὸν εἶναι καὶ λογικὸν καὶ δίκαιον) und im Hinblick auf all das, was er, wie wir denken müssen, aufgrund seiner Teilhabe (κατὰ μετοχήν) an den von uns erwähnten Epinoiai Christi besitzt.“458 Diesem einschlägigen Passus, in dem Origenes auf das Beziehungsgefüge der drei Hypostasen so ausführlich und grundsätzlich zu sprechen kommt wie an keiner anderen Stelle seines überlieferten Gesamtwerks, lassen sich folgende wesentliche Punkte entnehmen: Zunächst unterscheidet Origenes ganz klar zwischen 454 Das πρῶτον ist eine Konjektur, an der gegen Drecoll, Hypostasis bei Origenes 482 Anm.
11 festzuhalten ist. Seine Erklärung – „καὶ τάξει präzisiert πάντων τιμιώτερον = ‚und zwar auch der τάξις nach‘“ – ist wegen der Satzstellung kaum zutreffend. Bei Auslassen des πρῶτον müsste sich die folgende Formulierung πάντων τῶν ὑπὸ τοῦ πατρὸς διὰ Χριστοῦ γεγενημένων auf τάξις beziehen (so Markschies, Der Heilige Geist 114 mit Anm. 42), was keinen rechten Sinn ergibt. 455 Diese Übersetzung folgt Drecoll, Hypostasis bei Origenes 482 Anm. 12, der erklärt: „Τάχα bezeichnet den raschen Übergang zu einem weiteren möglichen Gedanken […], oft ist τάχα ein Signal dafür, daß jetzt die entscheidende Interpretation folgt.“ Blanc (SC 120, 257) hingegen übersetzt τάχα im Sinne der bei Origenes in der Tat sehr häufigen, aber im vorliegenden Kontext (vgl. die nachfolgende im genitivus absolutus formulierte Begründung) nicht zutreffenden Bedeutung von „peut-être.“ 456 Drecoll, Hypostasis bei Origenes 482 übersetzt χρηματίζειν mit einer Sinnakzentuierung, die dem Wortlaut des Textes nicht angemessen ist: „Und sogleich ist das auch der Grund dafür, daß nicht auch er [sc. der Geist] es nötig hat, Sohn Gottes zu sein.“ 457 Zu dieser Übersetzung vgl. Hammerstaedt, Der trinitarische Gebrauch des Hypostasisbegriffs 19; Drecoll, Hypostasis bei Origenes 485. 458 In Ioh. comm. II 10,75 f. (SC 120, 254–256).
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der Hypostase des Vaters und der Hypostase des Heiligen Geistes. Damit weist er die modalistische Vorstellung zurück, beide seien ein und dieselbe Hypostase. Die Begründung dafür erfolgt jedoch bloß implizit. Sie ergibt sich nur aus dem Gesamtzusammenhang des Gedankens, den Origenes im vorliegenden Zitat entfaltet. So stellt er fest, dass einzig und allein der Vater ungeworden und der Sohn als Logos gemäß Joh 1,3 das Vermittlungsprinzip aller Wirklichkeit ist. Zu den Entitäten, die durch den Logos in die Existenz getreten sind, gehört folgerichtig auch der Heilige Geist. In seinem Dasein und Sosein geht dieser durch die Vermittlung des Sohnes aus dem Vater hervor.459 Von den drei möglichen Antworten, die Origenes zuvor im Blick auf die Frage referiert hat, ob auch der Heilige Geist durch den Sohn geworden ist, entspricht die erste also seinem eigenen Standpunkt.460 Weil der Heilige Geist durch die Vermittlung des Logos geworden ist, kann er selbst nicht Sohn Gottes sein. Sohn Gottes ist allein der Einziggeborene, dessen wesensgemäße Bestimmung es ist, als einzige Hypostase unvermittelt aus dem Vater gezeugt zu sein. Und weil der Sohn an der Entstehung des Heiligen Geistes mitwirkt, ist er im Vergleich zu diesem πρεσβύτερος. Die Vokabel πρέσβυς ist uns bereits begegnet, und zwar in der auf den Sohn bezogenen Wendung πρεσβύτατον πάντων τῶν δημιουργημάτων.461 Diese Charakterisierung des Sohnes, so zeigte sich, stellt für Origenes eine Variation des Christustitels „Erstgeborener der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15) dar, wobei das Adjektiv πρέσβυς neben dem Aspekt der Vorgängigkeit auch den der Würde und Erhabenheit impliziert. Unter die δημιουργήματα, deren Entstehung gemäß Joh 1,3 durch den Sohn vermittelt ist und zu denen im weitesten Sinn sämtliche Entitäten gehören, die nicht aus sich selbst heraus Bestand haben, ist auch der Heilige Geist zu zählen. Selbst den Sohn kann Origenes ja in die Schar der δημιουργήματα rechnen, innerhalb derer diesem allerdings eine so herausragen de Stellung zukommt, dass er allen anderen und mithin auch dem Heiligen Geist gegenüber πρεσβύτερος ist. Weil Origenes betont, der Heilige Geist sei, anders als die übrigen vernunftbegabten δημιουργήματα, wie der Vater und der Sohn in seinem Sein unwandelbar,462 kann mit dem Adjektiv πρεσβύτερος im pneumatologischen Zusammenhang keine zeitliche Bedeutung zukommen, mit der die Vorstellung einer Veränderlichkeit einhergehen würde. Vielmehr ist damit nur eine logische Vorgängigkeit sowie der Gedanke zum Ausdruck gebracht, dass dem Wirkenden eine größere Würde und Mächtigkeit zukommt als dem Bewirk-
459 So wohl erstmals Tertullian, Adv. Prax. 4,1 (FC 34, 112): Spiritum non aliunde puto quam a
Patre per Filium.
460 Gegen Markschies, Der Heilige Geist 114 f. 461 Cels. V 37,38 f. (SC 147, 114). 462 Vgl. Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 284.
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ten.463 An einer weiteren Stelle seines Johanneskommentars, an der er seine hier behandelten Überlegungen resümiert, beschreibt Origenes den Heiligen Geist dementsprechend als ἓν τῶν πάντων τυγχάνον ὑποδεέστερον τοῦ δι᾽ οὗ ἐγένετο νοούμενον, als eine Entität aus dem Gesamt des Alls, das durch die Vermittlung des Sohnes ins Dasein getreten ist, die darum, weil sie sich dem Wirken des Sohnes verdankt, im Vergleich mit diesem als ὑποδεέστερον zu betrachten ist, als „geringer – schwächer – von geringerer Herkunft“.464 Mit den Adjektiven πρεσβύτερος und ὑποδεέστερος sind zwei Stichwörter gefallen, die uns auch in der Pneumatologie vor die Frage stellen, ob Origenes die Nachordnung des Heiligen Geistes gegenüber dem Vater und dem Sohn bloß als relationale Abkünftigkeit oder darüber hinaus auch als seinsmäßige Unterordnung versteht. Die ontologischen Implikationen des Sohn-Geist-Verhältnisses hat Origenes weit weniger noch als die ontologischen Implikationen des Vater-SohnVerhältnisses systematisch reflektiert. Daher ist kaum zu entscheiden, welchen metaphysischen Bedeutungsgehalt er mit den Komparativen πρεσβύτερος bzw. ὑποδεέστερος verbindet. Es ist allerdings auffällig, dass er das Wort ὑποδεέστερος auch zur Beschreibung des Verhältnisses verwenden kann, in dem der Sohn zum Vater steht, wozu er sich durch Joh 14,28 berechtigt, ja verpflichtet weiß.465 Wenn Origenes darüber hinaus den Heiligen Geist als „ehrwürdiger (τιμιώτερον)“ im Vergleich zu allem bezeichnet, was sonst noch durch die Mittlerschaft des Sohnes ins Dasein tritt, und ihn „die erste Entität in der Rangfolge (τάξει πρῶτον)“ der vom Vater durch den Sohn begründeten Wirklichkeiten nennt, könnte er mit diesen Formulierungen auf die Vorstellung einer von oben nach unten abfallenden Kette abzielen, deren Glieder auch in ihrer seinsmäßigen Beschaffenheit voneinander abgesetzt sind.466 Die Vorstellung einer solchen Kette könnte nicht zuletzt dadurch evoziert werden, dass Origenes mit dem Adjektiv τιμιώτερος nicht nur 463 Vgl. McDonnell, Holy Spirit 17 f. In Princ. I Praef. 4 (TzF 24, 90) heißt es: Tum deinde
honore ac dignitate patri ac filio sociatum tradiderunt spiritum sanctum. Nach dem hier Gesagten muss man diesen Satz als Interpolation Rufins betrachten. Diese Sicht legt auch Hieronymus, Epist. 124,2 (CSEL 56/1, 97,23 f. = TzF 24, 162) nahe, wenn er als Position des Origenes wohl zuverlässig referiert: Tertium dignitate et honore post patrem et filium ad serit spiritum sanctum. 464 In Ioh. comm. II 11,86 (SC 120, 262). 465 Cels. VIII 15,24–26 (SC 150, 206). 466 Loofs, Dogmengeschichte 196 stellt in diesem Sinne fest: „Das System des Origenes ist dynamisch-emanatistisch, wie das neuplatonische.“ Vgl. auch Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 292: „Data la posizione subordinata che, nella Trinità, occupa il Figlio rispetto al Padre, il rapporto di subordine dello Spirito santo rispetto al Figlio completa lo schema di una Trinità organizzata, per così dire, in senso verticale, col Padre al primo posto, il Figlio al secondo e lo Spirito santo al terzo […].“ Vgl. außerdem Krämer, Ursprung der Geistmetaphysik 288; Balas, Idea of Participation 260 f.; Beyschlag, Dogmengeschichte I 229. 296; Lilla, Neoplatonic Hypostases 138. 141.
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den Heiligen Geist von den vernunftbegabten Geschöpfen, sondern auch den Sohn als ϑεός von den übrigen ϑεοί abgrenzt. Der Sohn, so heißt es im zweiten Buch des Johanneskommentars,467 ist πάντως τιμιώτερος im Vergleich zu all denen, die durch seine Vermittlung an der Gottheit teilhaben, τιμιώτερος also auch im Vergleich zum Heiligen Geist, der seinerseits τιμιώτερον ist als alles, was außer ihm selbst in seinem Dasein durch die Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes begründet wird.468 Nach dieser Deutung wäre der Heilige Geist als dritte Hypostase in das ontologisch gestufte Gefüge integriert, das sich bei Origenes als ein mögliches Modell für die Bestimmung des Vater-Sohn-Verhältnisses zu finden scheint. So naheliegend diese Interpretation auf den ersten Blick auch erscheinen mag, so wenig wird sie dem komplexen Quellenbefund im Ganzen gerecht. Denn es steht überlieferungskritisch außer Frage, dass Origenes den Heiligen Geist dem Sohn nicht nur nach-, sondern auch beiordnen kann. Sowohl in Rufins De Princi piis als auch in einem Exzerpt Justinians ist bezeugt, dass Origenes in den beiden sechsflügeligen Seraphim, die nach Jes 6,2 f. den Thron Gottes umgeben, den Sohn und den Heiligen Geist symbolisiert sieht und beide auch mit den zwei Lebewesen aus Hab 3,2 identifiziert, inmitten derer Gott, der Vater, erkannt wird.469 Auch in zwei Jesajahomilien, die in der lateinischen Übersetzung des Hieronymus auf uns gekommen sind, werden die Seraphim aus Jes 6 als Symbole für den Sohn und den Heiligen Geist gedeutet.470 Manlio Simonetti hat darum im Blick auf das Verhältnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist ein „schema verticale“ und ein „schema triangolare“ unterschieden und letzteres auf judenchristlichen Einfluss zurückgeführt, den Origenes selbst erkennen lässt, wenn er sich für die Deutung
467 In Ioh. comm. II 2,17 (SC 120, 218). 468 Vgl. Kettler, Ewigkeit der geistigen Schöpfung 272 f. Anm. 3. 469 Princ. I 3,4 (TzF 24, 164–166). Vgl. auch Princ. IV 3,14 (TzF 24, 776–778); Justinian, Epist.
ad Men., frg. 8 (ACO 3, 210,10–14 = TzF 24, 164).
470 In Is. hom. 1,2 f. (OWD 10, 198,7–200,16. 202,4–10); IV 1 (OWD 10, 228,3–232,14). Eine
überzeugende Analyse der spekulativen Interpretation, die Origenes in seinen Jesajapredigten zu Jes 6,2 f. vorträgt, hat Hengstermann, Theologie der Jesajahomilien 132–158 vorgelegt: Wenn Origenes die Vison Jesajas dahingehend deutet, dass Gott vom Menschen allein an seiner „Mitte“, nicht jedoch an seinem Anfang und an seinem Ende erkannt werden könne – was für ihn aus der Tatsache hervorgeht, dass die Seraphim sowohl das Gesicht als auch die Füße Gottes mit ihren Flügeln verhüllen –, so versteht er dabei vor dem Hintergrund platonischer Kosmologie (vgl. Platon, Nom. IV 715 e 7 – 716 a 3, dazu Hengstermann, Theologie der Jesajahomilien 136–138) unter dem medium Dei das Gesamt der geschöpflich-geschichtlichen Wirklichkeit, in der sich der eine Gott als Vater im Medium von Sohn und Heiligem Geist zum Heil der gefallenen Vernunftgeschöpfe offenbart. Diesen „Heilstrinitarismus“ (ebd. 158 Anm. 684) deutet Hengstermann als Selbstmitteilung des einen wahren Gottes im Sohn und im Heiligen Geist (vgl. ebd. 140. 143 f. 154 f. 158–160). Es wird sich zeigen, dass die vorliegende Studie im Blick auf das origeneische Gesamtwerk diese Analyse bestätigt.
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der Jesajastelle auf die Autorität eines „hebräischen Lehrers (ὁ Ἑβραῖος /Hebraeus magister/Hebraeus doctor)“ beruft.471 Kaiser Justinian hat aus der Tatsache, dass Origenes die zwei Seraphim bei Jesaja und die zwei Lebewesen bei Habakuk auf den Sohn und den Heiligen Geist bezieht, den Schluss gezogen, der Alexandriner habe beide als Geschöpfe betrachtet, da er den Sohn und den Heiligen Geist in geschöpflichen Gestalten symbolisiert sieht: „Dass er zusammen mit dem Sohn auch den Heiligen Geist als Geschöpf (κτίσμα) bezeichnet und unter die anderen Geschöpfe (κτίσματα) gezählt hat – deshalb nennt er sie auch dienstbare Lebewesen (λειτούργικα ζῷα; vgl. Jes 6,2 f.; Hab 3,2) – ergibt sich aus dem ersten Buch seines Werkes Περὶ Ἀρχῶν.“472 Als Beleg zitiert Justinian daraus folgenden Satz: „Dass nun außer dem Vater, dem Gott des Alls (παρὰ τὸν πατέρα καὶ ϑεὸν τῶν ὅλων), alles, was auch immer es sei, geworden (γενητόν) ist, nehmen wir aufgrund logischer Schlussfolgerung an.“473 Dieses Zitat darf als Indiz dafür angesehen werden, dass Origenes in Περὶ Ἀρχῶν dieselben schlussfolgernden Erörterungen vorgenommen hat wie in dem weiter oben zitierten Passus aus dem Johanneskommentar, wonach als Konsequenz aus Joh 1,3 auch der Heilige Geist aus dem Vater durch Vermittlung des Sohnes „geworden“ und folglich als γενητόν zu betrachten ist.474 Die entsprechende Passage hat Rufin in seiner Übersetzung der Grundlagenschrift nachweislich bewusst ausgelassen.475 471 Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 292–295; Simonetti, Art. Trinità 463. Vgl. auch
Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 244–248. Weitere einschlägige Belegstellen für das „schema triangolare“ sind z. B. In Cant. comm. III 1,11 (SC 376, 496); In Ios. hom. 15,7 (SC 71, 356); In Num. hom. 27,5,1,266 f. (SC 461, 292). – Zur Traditionsgeschichte der trinitarischen Exegese von Jes 6,2 f., von der Origenes sich möglicherweise hat inspirieren lassen, vgl. Kretschmar, Trinitätstheologie 62–94 und Fürst, Jesajaexegese 83–97. 472 Justinian, Epist. ad Men., frg. 7 (ACO 3, 210,7 f. = TzF 24, 162). Zur Kritik an dieser Deutung vgl. Fürst, Jesajaexegese 77 f. 473 Justinian, Epist. ad Men., frg. 7 (ACO 3, 210,9 f. = TzF 24, 162). 474 Vgl. auch In Ioh. comm. II 11,79 (SC 120, 256–258). 475 In De adult. 1 (FC 80, 398,5–11 = TzF 24, 162) gibt Rufin dafür folgende Begründung: In der Fassung der Grundlagenschrift, die ihm selbst vorlag, habe Origenes gelehrt, inter ce teras creaturas factum esse Spiritum Sanctum. Aber nur wenige Zeilen zuvor habe er noch festgestellt, es finde sich in der ganzen Bibel keine Stelle, wo der Heilige Geist als factus vel creatus bezeichnet werde (vgl. Princ. I 3,3 [TzF 24, 162]: nullum sermonem in scriptu ris sanctis invenire potuimus, per quem spiritus sanctus factura esse vel creatura diceretur […]). Hier hat Rufin einen Widerspruch gesehen, den er in seiner Übersetzung offenbar dadurch zu beseitigen suchte, dass er die Erörterungen als verfälschende Interpolation weggelassen hat, die in der Grundlagenschrift zu demselben Ergebnis geführt haben müssen wie die Überlegungen im Johanneskommentar, dass nämlich der Heilige Geist ein γενητόν ist (vgl. Cocchini, Spirito Sancto 600 f.). Vgl. auch Hieronymus, Epist. 124,2 (CSEL 56/1, 97,24–98,1 = TzF 24, 162): De quo [sc. de spiritu sancto] cum ignorare se dicat, utrum factus sit an infactus, in posterioribus, quid sentiret, expressit nihil absque solo deo patre infactum esse confirmans.
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Justinian hält die von ihm zitierte Aussage, wonach außer Gottvater alles „geworden (γενητόν)“ ist, deshalb für häretisch, weil so auch der Sohn und der Heilige Geist der Sphäre des kreatürlichen Seins zugeordnet würden. Dabei legt er seiner Interpretation jedoch diejenigen terminologischen Standards zugrunde, die zu seiner Zeit in der Theologie in Geltung waren. Im sechsten Jahrhundert war es nicht mehr möglich, das Verb γίγνεσϑαι auf den Sohn oder den Heiligen Geist zu beziehen. Denn dieses Verb war damals in seinem Bedeutungsgehalt bereits in dem Sinn definiert, dass es ausschließlich vom geschöpflich-endlichen Sein ausgesagt werden konnte. Deshalb musste Justinian zu dem Schluss kommen, dass Origenes den Sohn und den Heiligen Geist unter die Geschöpfe (κτίσματα) zählt. Diese Interpretation findet sich schon im vierten Jahrhundert bei Epiphanius von Salamis, der Origenes vorwirft, „er habe den Heiligen Geist als das Geschöpf eines Geschöpfs betrachtet.“476 Zu welchen häresiologischen Vergröberungen die auf Joh 1,3 gegründete Überzeugung des Origenes, auch der Heilige Geist sei durch die Vermittlung des Sohnes „geworden“, im Laufe der Zeit geführt hat, zeigt schließlich ein Referat des Patriarchen Photius von Konstantinopel aus dem neunten Jahrhundert, der mit Bezug auf das erste Buch der Grundlagenschrift erklärt: „Darin lästert er am meisten, indem er die Auffassung vertritt, dass der Sohn vom Vater, der Geist aber vom Sohn gemacht worden sei (πεποιῆσϑαι).“477 Dem kritischen Blick des Historikers, der die Wortwahl eines Autors nicht an anachronistischen Maßstäben bemisst, kann aber nicht entgehen, dass Origenes das Partizip γενητόν aus dem Grund nicht nur auf den Heiligen Geist, sondern auch auf den Sohn bezieht, weil er damit ausnahmslos alle Entitäten bezeichnet, die nicht aus sich selbst heraus bestehen, wie dies allein für den Vater, den ursprungslosen Ursprung, zutrifft, dem allein das Prädikat ἀγένητος gebührt.478 Außerdem sieht sich Origenes durch den johanneischen Sprachgebrauch dazu berechtigt, das Verb γίγνομαι vom Heiligen Geist auszusagen. Denn die Aussage πάντα δι᾽ αὐτοῦ ἐγένετο in Joh 1,3 ist so umfassend formuliert, dass sie nach Origenes auch die Entstehung des Heiligen Geistes einschließt. Es geht ihm also keineswegs darum, „den Geist als Geschöpf zu erklären, sondern die Wahrheit der Aussage in Joh 1,3 […] auch an der Frage des Geistes zu bewähren.“479 Gleichwohl ist mit alledem die Frage nicht geklärt, ob die Charakterisierung des Heiligen 476 Vgl. Epiphanius von Salamis, Pan. haer. 64,5,11 (GCS Epiph. 2, 415 = TzF 24, 162): ὅτι τὸ
πνεῦμα τὸ ἅγιον κτίσμα κτίσματος εἰσηγήσατο. In der modernen Forschung sind z. B. Kettler, Ewigkeit der geistigen Schöpfung 275 oder Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 141–144 der Ansicht, Origenes habe die Geschöpflichkeit des Heiligen Geistes vertreten. 477 Photius, Bibl. Cod. 8 (p. 3b,37–39 Henry = TzF 24, 162). 478 Vgl. Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 240 Anm. 189; Garijo, Pneumatología Origeniana 303–305. 479 Drecoll, Hypostasis bei Origenes 480 f.
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Geistes als γενητόν für Origenes nicht doch impliziert, dass die dritte Hypostase, ontologisch betrachtet, ein Geschöpf ist. Geklärt ist lediglich, dass diese Schlussfolgerung entgegen der Meinung späterer Häresiologen nicht zwingend aus diesem Sprachgebrauch abgeleitet werden kann. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass der ontologische Status des Heiligen Geistes bei Origenes in noch tieferes Dunkel gehüllt ist als der des Sohnes. So ist der Heilige Geist viel weniger noch als der Sohn von den vernunftbegabten Geschöpfen abgegrenzt.480 Wenn der Sohn diesen Geschöpfen gegenüber schon allein deshalb eine unvergleichliche Sonderstellung einnimmt, weil er deren Dasein vermittelt, so trifft dieses Merkmal für den Heiligen Geist nicht zu. Vielmehr geht dieser, ebenso wie alle anderen vernunftbegabten Geschöpfe, durch die Vermittlung des Sohnes aus dem Vater hervor und hat er wie diese Anteil an der Fülle der Vernunft- und Tugendwirklichkeit, als die der Sohn subsistiert. In seiner hypostatischen Relationalität unterscheidet sich der Heilige Geist von den vernunftbegabten Kreaturen also nicht. Trotzdem bezeichnet Origenes ihn im Vergleich mit diesen Kreaturen als τιμιώτερον und räumt ihm unter ihnen den ersten Rang (τάξει πρῶτον) ein. Diese Redeweise ist zweifellos durch das Zeugnis der Heiligen Schrift motiviert, wonach der Heilige Geist und nur er in einer unlöslichen trinitarischen Einheit mit dem Vater und dem Sohn verbunden ist. Diesem Zeugnis trägt Origenes auch dadurch Rechnung, dass er den Heiligen Geist als unwandelbare Hypostase betrachtet, dem die Heiligkeit wesenhaft eigen ist. Mit diesem exklusiven Prädikat unterscheidet er ihn deutlich von den vernunftbegabten Geschöpfen.481 In der Tatsache, dass er dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist die Eigenschaft zuschreibt, unwandelbar zu sein, kann man sogar eine Vorstufe zur nizäno-konstantinopolitanischen Trinitätslehre erkennen, der zufolge allen drei Hypostasen ein und dieselbe göttliche Wesensnatur eigen ist und die Hypostasenordnung nur aus den je unterschiedlichen Relationen herrührt, in denen der Vater, der Sohn und der Heilige Geist innerhalb des einen wahren göttlichen Seins zueinander stehen.482 480 Vgl. das Urteil von Simonetti, Art. Trinità 466: „[…] nello Spirito Santo Trinità e creazi-
one interferiscono in modo difficilmente conciliabile.“
481 Vgl. Garijo, Pneumatología Origeniana 306. 482 So Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 249 f.: „Indem er [sc. Origenes] das Prädi-
kat der Unwandelbarkeit exklusiv auf alle drei trinitarischen Personen anwendet, findet er einen theoretischen Ansatzpunkt, um von einer gemeinsamen Natur der Trinität zu sprechen.“ Vgl. auch ebd. 224. 254. 257–259 und bereits Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 281–285. Ziebritzki und Simonetti verweisen für ihre Interpretation vor allem auf einschlägige Stellen aus De Principiis, die sie in ihrem sachlichen Gehalt für authentisch halten (Princ. I 5,3 [TzF 24, 200]; 5,5 [TzF 24, 212]; 6,2 [TzF 24, 220]; 8,3 [TzF 24, 258]), daneben auf Cels. VI 44,1 f. (SC 147, 286). Vgl. auch den berechtigten Widerspruch von Strutwolf, Gnosis als System 233 gegen Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 88,
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An einer Stelle seines Johanneskommentars stößt Origenes vielleicht sogar noch deutlicher zu der Ansicht vor, dass auch der Heilige Geist mit dem Vater und dem Sohn wesensgleich ist. Diese Ansicht scheint sich nämlich aus einem Gedankengang zu ergeben, der große Ähnlichkeit aufweist zu der Überlegung, aufgrund derer Origenes die biblisch bezeugte Einheit von Vater und Sohn der Sache nach als Einheit im göttlichen Wesen auslegt. Ihren Ausgang nimmt seine Argumentation von einer Stelle im apokryphen Hebräerevangelium, wo der Heilige Geist als „Mutter Christi“ apostrophiert wird.483 Auf den ersten Blick scheint diese Bezeichnung der Feststellung eklatant zu widersprechen, wonach auch der Heilige Geist sich der Mittlerschaft des Sohnes verdankt. Darum fragt Origenes: Was bedeutet es, „Mutter Christi“ zu sein? Die Antwort findet er in Mt 12,50: „Wer den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ Dieses Wort gilt keineswegs nur für die Menschen. Es gilt nach Origenes auch und gerade für den Heiligen Geist, der mehr als jede vernunftbegabte Kreatur den Willen seines himmlischen Vaters vollbringt. Deshalb kommt es ihm in eminenter Weise zu, „Mutter Christi“ zu sein.484 Mit dieser mehr oder weniger assoziativen Argumentation verfolgt Origenes vordergründig lediglich die Absicht, seine pneumatologische Schlussfolgerung aus Joh 1,3 gegen den Einwand zu verteidigen, sie stehe im Widerspruch zu dem besagten Zitat aus dem Hebräerevangelium. Unausgesprochen scheint darin jedoch derselbe Gedanke lebendig zu sein, der auch seinen Ausführungen über die biblisch bezeugte Einheit von Vater und Sohn zugrunde liegt. Im Anschluss an zentrale christologische Aussagen des Johannesevangeliums sucht Origenes diese Einheit ja im gemeinsamen geistigen Leben und willentlichen Streben von Vater und Sohn zu verorten. Wenn er nun im Anschluss an Mt 12,50 erklärt, auch der Heilige Geist vollbringe in hervorragender Weise den Willen des Vaters, und wenn man bedenkt, dass nach Origenes der Heilige Geist wie der Sohn und anders als die vernunftbegabten Geschöpfe in einer unwandelbaren Beziehung zum Vater steht,485 dann ist die Deutung keineswegs abwegig, dass wie der Sohn so auch der Heilige Geist zusammen mit dem Vater ein und dieselbe geistige Welt der meint, nach Origenes könne vor dem präkosmischen Sündenfall „zwischen Gott und Geschöpfen eigentlich keine scharfe Grenze gezogen werden.“ 483 Die Stelle lautet nach In Ioh. comm. II 12,87 (SC 120, 262): Ἄρτι ἔλαβέ με ἡ μήτηρ μου, τὸ ἅγιον πνεῦμα, ἐν μιᾷ τῶν τριχῶν μου καὶ ἀπήνεγκέ με εἰς τὸ ὄρος τὸ μέγα Θαβώρ. 484 In Ioh. comm. II 12,87 f. (SC 120, 262). Vgl. auch In Hier. hom. 15,4,21–26 (SC 238, 122) sowie Rius-Camps, El dinamismo trinitario 187–189. Nach In Rom. comm. IV 6,148–167 (VL 33, 318 f.) sind die tugendhaften Menschen, die in ihren Seelen Christus Gestalt annehmen lassen, – gemäß Mt 12,50 – seine „Mütter“ (vgl. dazu Aeby, Les missions divines 175 mit weiteren Stellen). 485 Dass der Hervorgang des Heiligen Geistes aus dem Vater sich in ewiger Gegenwart vollzieht, geht auch hervor aus dem Fragment bei Eusebius von Cäsarea, C. Marcell. I 4 (GCS Eus. 4, 22,18). Vgl. Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 284; Crouzel, Origène et
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bewohnt oder, in der Terminologie des späteren Trinitätsdogmas formuliert, dass er mit dem Vater und dem Sohn ein und dasselbe göttliche Wesen teilt, das seinen Grund und sein Maß in der selbstursprünglichen Wirklichkeitsfülle der ersten Hypostase hat. Es sei an dieser Stelle allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Origenes selbst derartige Folgerungen nirgends explizit anstellt.486 Dieser Befund dürfte seinen Grund darin haben, dass die Heilige Schrift zwar die Einheit von Vater und Sohn eigens bezeugt, sie aber nirgends von einer solchen Einheit auch im Blick auf den Heiligen Geist spricht. Der hier unternommene Versuch, bei Origenes die Vorstellung einer dynamisch konstituierten Beziehungseinheit auch in pneumatologischer Perspektive aufzuweisen, steht gleichwohl im Einklang mit den Grunddaten seiner Lehre vom Heiligen Geist. Danach bildet der Heilige Geist zusammen mit dem Vater und dem Sohn in ewiger Gegenwart ein untrennbares Beziehungsgefüge, so dass ihm eine unvergleichliche Stellung gegenüber den wandelbaren vernunftbegabten Kreaturen zukommt, die ihren Ausdruck nicht zuletzt darin findet, dass er sich von Ewigkeit zu Ewigkeit in vollkommener Weise den Willen seines himmlischen Vaters zu eigen macht.487 Weil Origenes die Einheit des Sohnes mit dem Vater als eine Einheit des Willens deutet, die sich der Sache nach als Einheit in der göttlichen Seinswirklichkeit darstellt, legt sich die Annahme nahe, dass er aufgrund einer solchen Willenseinheit auch den Heiligen Geist als mit dem Vater wesensgleich betrachtet hat. Die Einheit des Geistes mit dem Vater begrifflich zu fassen, ist Origenes allerdings weit weniger noch als im Blick auf die Einheit von Vater und Sohn gelungen. Seine Pneumatologie stellt gleichwohl einen ersten großen Schritt dar auf dem langen Weg, den die Kirche zurückzulegen hatte, um das Geheimnis der göttlichen Trinität im Gewand endlicher Begrifflichkeit auszusagen.
Plotin 213; Berthold, Holy Spirit 446 f.; Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 240– 242. 486 Bemerkenswerterweise folgt in In Ioh. comm. XIII 36,231 (SC 222, 156) genau in dem Kontext, in dem Origenes die in Joh 10,30 bezeugte Einheit von Vater und Sohn im Anschluss an Joh 4,34 als Einheit des Willens zu verstehen sucht, auf die Aussage: „Einzig der Sohn tut den ganzen Willen des Vaters, weil er ihm umfassend in sich Raum gibt. Aus diesem Grund ist er auch dessen Bild“ der Satz: „Aber auch über den Heiligen Geist muss man dies untersuchen (ἐπισκεπτέον)“, ohne dass diese Untersuchung hier durchgeführt würde. 487 Vgl. auch In Num. hom. 11,8,1,572–577 (SC 442, 58): Puto ergo quod Sanctus Spiritus ita sanctus sit ut non sit sanctificatus; non enim ei extrinsecus et aliunde accessit sanctificatio, quae ante non fuerat, sed semper fuit sanctus, nec initium sanctitas eius accepit. Similique modo de Patre et Filio intellegendum est.
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3.3 Die Frage nach der Wirkweise und der Wirkmacht des Heiligen Geistes Das Problem, welcher ontologische Status nach Origenes dem Heiligen Geist zukommt, hängt aufs engste mit der Frage zusammen, welche Wirkweise und welche Wirkmacht diesem eigen ist. Im vorliegenden Abschnitt soll dieser Frage nachgegangen werden, ohne dass dabei schon eine ausführliche Darstellung der heilsökonomischen Dimension der Pneumatologie beabsichtigt wäre. Hier geht es vorerst nur darum, die ontologischen Voraussetzungen in den Blick zu bekommen, die nach Origenes dem ökonomischen Wirken des Heiligen Geistes zugrundeliegen. Zu diesem Problemkomplex müssen wir uns vor allem dem dritten Kapitel des ersten Buchs der Grundlagenschrift zuwenden. Die inhaltliche Authentizität von Rufins Übersetzung ist allerdings gerade an dieser Stelle überaus problematisch. Sie gibt ihren Interpreten sowohl in literarkritischer wie auch in inhaltlicher Hinsicht eine Reihe schwieriger Fragen auf, die sich nur Schritt für Schritt erhellen lassen. Um ein solides Fundament für diese Untersuchung zu gewinnen, ziehen wir zunächst einen zweifellos authentischen Passus aus dem Johanneskommentar heran, in dem Origenes sich in grundsätzlicher Weise nicht nur über das spezifische Wirken des Heiligen Geistes äußert, sondern in dem er zugleich auch die Möglichkeitsbedingung dieses Wirkens in den Relationen zu begründen sucht, in denen der Heilige Geist zum Vater und zum Sohn steht. An der betreffenden Stelle, die unmittelbar an die im vorigen Abschnitt besprochene Passage anschließt, in der expressis verbis von den drei Hypostasen die Rede ist, führt Origenes aus: „Ich glaube aber, dass der Heilige Geist sozusagen das Material der von Gott stammenden Gnadengaben denen verleiht (τὴν ὕλην τῶν ἀπὸ ϑεοῦ χαρισμάτων παρέχειν), die durch ihn und durch die Teilhabe an ihm (δι᾽ αὐτὸ καὶ τὴν μετοχὴν αὐτοῦ) Heilige heißen, wobei das besagte Material der Gnadengaben gewirkt wird von Gott (ἐνεργουμένης μὲν ἀπὸ τοῦ ϑεοῦ), vermittelt wird durch den Dienst Christi (διακονουμένης δὲ ὑπὸ τοῦ Χριστοῦ) und in sich selbst Bestand hat gemäß dem Heiligen Geist (ὑϕεστώσης δὲ κατὰ τὸ ἅγιον πνεῦμα; vgl. 1 Kor 12,8 f.). Zu der Annahme, dass dies sich so verhält, veranlasst mich Paulus, der irgendwo über die Gnadengaben Folgendes schreibt: ‚Es gibt Unterscheidungen der Gnadengaben (διαιρέσεις χαρισμάτων), aber der Geist ist derselbe. Und es gibt Unterscheidungen der Dienste (διαιρέσεις διακονιῶν), aber der Herr ist derselbe. Und es gibt Unterscheidungen der Wirkkräfte (διαιρέσεις ἐνεργημάτων), aber derselbe Gott ist es, der alles in allem wirkt (ὁ ἐνεργῶν)‘ (1 Kor 12,4–6).“488 Origenes erklärt dazu, dass das spezifische Wirken des Heiligen Geistes in der Heiligung der vernunftbegabten Geschöpfe besteht. Der Heilige Geist gewährt 488 In Ioh. comm. II 10,77 f. (SC 120, 256).
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den Heiligen die Gadengaben, von denen Origenes sagt, sie hätten im Heiligen Geist selbst Bestand. Diese Gnadengaben gehen aus dem Vater durch die Vermittlung des Sohnes hervor und haben ihre Subsistenz im Heiligen Geist. Die Gnade also ist der Heilige Geist selbst.489 Begnadet werden heißt in Beziehung treten zum Heiligen Geist, Anteil erhalten an seiner heiligen und heiligenden Wirklichkeit. In wenigen Worten umreißt Origenes an der vorliegenden Stelle also ein in zweifacher Hinsicht relationales Gnadenverständnis: Zum einen ist die Wirklichkeit der Gnade in dem trinitarischen Relationengefüge selbst verankert. Denn Gnade ist die Wirklichkeit des Heiligen Geistes selbst, die vom Vater begründet und durch den Sohn vermittelt ist. Zum anderen wirkt die Gnade, wirkt der Heilige Geist in der Weise, dass die begnadete Kreatur an ihm selbst Anteil gewinnt und dadurch in das trinitarische Relationengefüge hineingenommen wird. Ungeachtet der Tatsache, dass Origenes in Ermangelung einer geeigneten Terminologie noch ganz unbeholfen vom „Material (ὕλη) der Gnadengaben“ spricht, geht seinem Gnadenverständnis also jegliche Statik und Gegenständlichkeit ab. Um seine gnadentheologischen Überlegungen als schriftgemäß auszuweisen, beruft sich Origenes auf 1 Kor 12,4–6. Auf den ersten Blick ist kaum ersichtlich, inwiefern diese Verse den Gedankengang begründen können, den er hier verfolgt. Der von ihm hergestellte Zusammenhang mutet jedenfalls zunächst überaus assoziativ an. So viel ist aber deutlich: Origenes interpretiert diese Schriftstelle ganz unter der Perspektive, die er sich durch den Terminus χαρίσματα in 1 Kor 12,4 vorgeben lässt. Danach gibt es unterschiedlich verteilte χαρίσματα, aber nur den einen Heiligen Geist, der stets ein und derselbe ist. Daraus schließt er, dass die verschiedenen χαρίσματα eine Vielzahl von gnadenhaften Manifestationen darstellen, in denen immer der eine und selbe Heilige Geist seine heiligende Wirkmacht entfaltet, so dass der Heilige Geist selbst als die Hypostase der χαρίσματα zu betrachten ist. Parallel dazu interpretiert er die Begriffe διακονίαι und ἐνεργήματα in 1 Kor 12,5 f., die dort mit dem Sohn bzw. dem Vater verbunden sind. Der Sohn ist danach in eminenter Weise als διάκονος und der Vater als ἐνεργῶν schlechthin ausgewiesen, der in allem alles bewirkt. Gemäß der Perspektive, die seine Deutung der paulinischen Verse bestimmt, bezieht Origenes nun die universale διακονία des Sohnes zusammen mit dem ebenso universalen ἐνέργημα des Vaters auf die χαρίσματα, deren Hypostase der Heilige Geist darstellt. Durch den Gesamtkontext ist klar, dass er diesen Bezug vor dem Hintergrund der pneumatologischen Schlussfolgerungen herstellt, die er zuvor aus Joh 1,3 gezogen hat: Der Heilige Geist, die Hypostase der χαρίσματα, ist selbst begründet im ἐνέργημα des Vaters, in dem alle Wirklichkeit ihren Grund hat, und zugleich durch die διακονία des Sohnes (vgl. Joh 1,3: δι᾽ αὐτοῦ) vermittelt. 489 Vgl. Crouzel, Origène 261: „Les charismes sont donc l’Esprit Saint en personne.“
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Zusammenfassend lässt sich also sagen: Nach der vorliegenden inhaltlich authentischen Passage aus dem Johanneskommentar besteht das Wirken des Heiligen Geistes in der Heiligung der vernunftbegabten Geschöpfe. Dabei ist der Heilige Geist selbst die Wirklichkeit der heiligmachenden Gnade, die ihren Grund in der universalen Wirkmacht des Vaters hat und aus diesem durch Vermittlung des Sohnes hervorgeht. In seiner Grundlagenschrift thematisiert Origenes die Frage nach der Wirkweise und der Wirkmacht des Heiligen Geistes ausgehend von der Theologie der Taufliturgie. Die Taufformel in Mt 28,19, in der „mit dem ungewordenen Gottvater und seinem eingeborenen Sohn auch der Name des Heiligen Geistes verknüpft wird“,490 stellt für ihn den Beweis dafür dar, dass es der Anrufung aller drei Hypostasen bedarf, damit die heiligende Taufgnade wirksam wird. Die Anrufung des Heiligen Geistes ist somit die konstitutive Voraussetzung für die gnadenhafte Wiedergeburt aus dem Wasser der Taufe. Denn es ist unmöglich, so erklärt Origenes, „des Vaters oder des Sohnes [sc. in gnadenhafter Weise] teilhaftig zu werden ohne den Heiligen Geist.“491 Aus diesem Zitat wird deutlich, dass für Origenes die in der Taufe vermittelte Heiligung letztlich darauf abzielt, Anteil an der göttlichen Urwirklichkeit des Vaters zu vermitteln. Warum jedoch bedarf es dazu des Heiligen Geistes? Um diese Frage zu beantworten, muss Origenes das spezifische Wirken der dritten Hypostase gegenüber dem Wirken des Vaters und des Sohnes näher charakterisieren. Der Grundgedanke, den er in diesem Zusammenhang entwickelt, dürfte, wenn auch kaum dem Wortlaut, so doch dem Inhalt nach authentisch in dem Textfragment bewahrt sein, das Kaiser Justinian in seinem Brief an den Patriarchen Menas seinen eigenen Angaben zufolge aus dem ersten Buch von Περὶ Ἀρχῶν zitiert und das bereits Gegenstand unserer Untersuchung gewesen ist, als es um die Frage nach der Wirkmächtigkeit des Sohnes im Verhältnis zum Vater ging.492 Diesem Abschnitt zufolge hat Origenes gelehrt, dass der Vater als der Seiende schlechthin mit seiner Macht zu allem vordringt, was ist, indem er jedes Seiende als solches in seinem Dasein begründet. Der Sohn dagegen erreicht in seinem ihm eigentümlichen Wirken nur die vernunftbegabten Geschöpfe, indem er ihnen Anteil an der Vernunftwirklichkeit gewährt, als die er subsistiert, insofern er der Logos ist. Der Heilige Geist wiederum wirkt nur an den Heiligen, denen er die Gnade der Heiligkeit verleiht. Es wurde schon darauf hingewiesen, 490 Princ. I 3,2 (TzF 24, 160). 491 Princ. I 3,5 (TzF 24, 168). Kretschmar, Trinitätstheologie 128 mit Anm. 2 verkennt die
Bedeutung der Tauftradition für die origeneische Trinitätslehre, auf deren Genese vielmehr „das spätjüdische Schema zweier oberster himmlischer Parakleten“ im Anschluss an Jes 6,2 f. den entscheidenden Einfluss ausgeübt habe (ebd. 219; vgl. auch 94. 220). Vgl. dazu die Kritik von Dünzl, Pneuma 370 Anm. 18. 376 Anm. 54. 492 Zum Folgenden siehe S. 85–87.
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dass sich an einer Stelle im dritten Abschnitt des ersten Kapitels im ersten Buch von Rufins Übersetzung der Grundlagenschrift dieselbe Ausdifferenzierung der Wirkbereiche von Vater, Sohn und Heiligem Geist findet wie in dem von Justinian überlieferten Passus. Daher kann davon ausgegangen werden, dass Origenes eine solche Ausdifferenzierung tatsächlich vorgenommen und dabei dem Heiligen Geist diejenigen vernunftbegabten Kreaturen als eigentümliches Wirkobjekt zugewiesen hat, die sich der Heiligung würdig erwiesen haben. Letzteres entspricht ja auch ganz der Position, die Origenes im Johanneskommentar vertritt. Wie ebenfalls bereits dargelegt wurde, ist dem von Justinian überlieferten Passus zufolge aus dem je unterschiedlichen Wirken und den je verschiedenen Wirkbereichen der drei Hypostasen eine hierarchische Stufung ihrer jeweiligen Wirkpotenz (δύναμις) zu folgern: Die δύναμις des Vaters ist, weil sie sich auf das Sein im Ganzen erstreckt, größer (μείζων) als diejenige des Sohnes, die δύναμις des Sohnes wiederum ist umfangreicher (πλείων) als die des Heiligen Geistes, dem seinerseits eine ausgezeichnetere (διαϕέρουσα μᾶλλον) δύναμις zukommt als allen anderen Heiligen. Dieselbe Schlussfolgerung findet sich in wortgetreuer lateinischer Entsprechung in einer Paraphrase des Hieronymus, die als ganze auf den von Justinian tradierten Gedankengang Bezug zu nehmen scheint. In der Übersetzung des Rufin hingegen begegnet diese Schlussfolgerung nicht. Wie ist dieser Befund zu erklären? Man könnte zum einen mit Henri Crouzel die Auffassung vertreten, dass die in Frage stehende Schlussfolgerung überhaupt nicht zum ursprünglichen Textbestand von Origenes’ Grundlagenschrift gehörte, sondern eine interpretierende Notiz des Hieronymus darstellt, die später in griechischer Übersetzung in Justinians Florilegiensammlung Eingang gefunden hat.493 Unter dieser Voraussetzung wäre ohne weiteres verständlich, dass die Schlussfolgerung in der von Rufin angefertigten Übersetzung der Grundlagenschrift nirgendwo zu finden ist. Diese traditionskritische Hypothese ist denkbar, beweisbar ist sie nicht. Keinesfalls ist es allerdings möglich, mit dieser Hypothese die Behauptung zu verbinden, dass Origenes die in Frage stehende Schlussfolgerung niemals hätte formulieren können, weil diese außerhalb seines trinitätstheologischen Vorstellungshorizonts gelegen habe. Unsere bisherige Untersuchung dürfte nämlich gezeigt haben, dass die Vorstellung einer hierarchischen Stufung der den Hypostasen eigenen Wirkkräfte durchaus auf der Linie der antimodalistischen Hypostasenkonzeption liegt, wie Origenes sie vertritt. An verschiedenen Stellen seines griechisch erhaltenen Schrifttums lässt sich nachweisen, dass ihm sowohl die Vorstellung einer Stufung der Hypostasen im Allgemeinen als auch
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eine quantitative Differenzierung ihrer jeweiligen δύναμις im Besonderen keineswegs fremd ist.494 Eine andere Erklärung könnte lauten, dass Rufin die von Hieronymus und Justinian inhaltlich korrekt tradierte Schlussfolgerung in seiner Übersetzung absichtlich unterdrückt hat. Als Argument für diese Erklärung ließe sich die Beobachtung ins Feld führen, dass sich bei ihm im weiteren Textverlauf eine Passage findet, in der die Vorstellung einer quantitativen Stufung innerhalb der Trinität expressis verbis abgelehnt wird.495 Diese Beobachtung könnte nämlich dahingehend interpretiert werden, dass Rufin die betreffende trinitätstheologische Passage in seine lateinische Übersetzung der Grundlagenschrift interpoliert und dabei zugleich eine Streichung der von Hieronymus und Justinian bezeugten Schlussfolgerung vorgenommen hat, weil er diese ihrem Wortlaut nach als Widerspruch zu dem von ihm selbst interpolierten Passus verstanden hat. Geht man nun vor diesem Hintergrund davon aus, dass der von Justinian überlieferte Passus als ganzer im ursprünglichen Text von Origenes’ Grundlagenschrift sehr wohl eine Entsprechung hatte, so stellt sich die Frage, an welcher genauen Stelle dieser sich in das erste Buch einfügen lässt, in dem Justinian ihn, wie er versichert, gelesen hat. Paul Koetschau hat in seiner kritischen Textausgabe von 1913 das justiniansche Fragment unmittelbar auf die Erklärung zu Beginn des fünften Paragraphen im dritten Abschnitt folgen lassen, wo in den weiteren Ausführungen das spezifische Wirken (die operatio specialis) des Heiligen Geistes vom spezifischen Wirken des Vaters und des Sohnes unterschieden werden soll.496 Durch diese Lokalisierung 494 Wenn Crouzel, Les personnes de la Trinité 113 f. meint, in Cels. VIII 15,24 f. (SC 150, 205:
ϕαμὲν τὸν υἱὸν οὐκ ἰσχυρότερον τοῦ πατρὸς ἀλλ᾽ ὑποδεέστερον) handle es sich nicht um eine Unterordnung des Sohnes hinsichtlich seiner δύναμις, wird er der griechischen Terminologie schwerlich gerecht. Und wenn er aus In Ioh. comm. XIII 36,230–233 (SC 222, 154–156), wonach allein der Sohn den ganzen Willen des Vaters vollbringt, den Schluss zieht, dass aufgrund der darin vorausgesetzten Gleichheit der Wirkmächtigkeit von Vater und Sohn der Stufungsgedanke im Zitat bei Justinian und in der Paraphrase des Hieronymus unmöglich authentisch sein könne (vgl. Crouzel, Les personnes de la Trinité 114), lässt er außer Acht, dass bei Origenes grundsätzlich zwei Sichtweisen unvermittelt nebeneinander stehen: die an mehreren einschlägigen Stellen ontologisch verstandene Unterordnung des Sohnes unter den Vater einerseits und die in der Beziehungseinheit gründende ontologische Gleichheit beider andererseits. 495 Vgl. Princ. I 3,7 (TzF 24, 178). 496 GCS Orig. 5, 55 f. – In Princ. I 3,8 (TzF 24, 178–180) wird die Feststellung: Deus pater om nibus praestat ut sint, participatio vero Christi secundum id, quod verbum vel ratio est, facit ea esse rationabilia. Ex quo consequens est ea vel laude digna esse vel culpa, quia et virtutis et malitiae sunt capacia. Propter hoc consequenter adest etiam gratia spiritus sancti, ut ea quae substantialiter sancta non sunt, participatione ipsius sancta efficiantur, in der dieselbe Differenzierung der Wirkbereiche begegnet wie im justinianschen Fragment, mit folgendem Satz eingeleitet: […] redeamus nunc ad eum ordinem, quem disserere coeperamus. Sollte daraus gefolgert werden dürfen, dass ganz am Anfang der großen Passage über die
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ergeben sich nun allerdings neue Probleme. Denn in Rufins Übersetzung folgt auf die besagte Erklärung unmittelbar die Feststellung, das Wirken von Vater und Sohn erstrecke sich gleichermaßen auf die Heiligen und die Sünder, auf die vernunftbegabten Menschen ebenso wie auf die vernunftlosen Geschöpfe und sogar auf das Unbelebte, ja auf schlechthin alles, was ist.497 Eben dieser Textzusammenhang findet sich auch in dem ebenfalls von Rufin übersetzten ersten Buch der Apologie, die Pamphilus von Cäsarea zur Verteidigung der origeneischen Theologie in Gestalt einer Sammlung von Zitaten aus Περὶ Ἀρχῶν verfasst hat.498 Diese Übereinstimmung könnte man als ein gewichtiges Indiz dafür werten, dass Rufin in seiner Übersetzung der Grundlagenschrift den ursprünglichen Textzusammenhang integer bewahrt hat. Andererseits scheint Rufin den entsprechenden Passus in seiner Übersetzung der „Apologie“ in derselben Weise überarbeitet zu haben wie in seiner Übersetzung der Grundlagenschrift.499 Offenkundig ist jedenfalls, dass sich in dem Textzusammenhang, den die beiden von Rufin angefertigten Übersetzungen bieten, eine gegenüber dem justinianschen Fragment signifikant veränderte Ausdifferenzierung der jeweiligen Wirkbereiche und Wirkweisen von Vater und Sohn findet. Wer davon ausgeht, dass Koetschau den von Justinian überlieferten Passus im ersten Buch der Grundlagenschrift an der richtigen Stelle lokalisiert hat, versucht den daraus resultierenden widersprüchlichen Befund zumeist mit folgenden literarkritischen Erwägungen zu erklären: Rufin habe das bei Justinian erhaltene Fragment in seiner Übersetzung ausgelassen,500 weil er den darin artikulierten Stufungsgedanken nicht mit dem zu seiner Zeit bereits formulierten trinitarischen Dogma glaubte vereinbaren zu können. Im ursprünglichen Textzusammenhang sei auf den Satz des justinianschen Fragments die Feststellung gefolgt, das Wirken des Vaters und des Sohnes erstrecke sich sowohl auf die Heiligen als auch auf die Sünder, wobei mit dieser Feststellung aus der Ausdifferenzierung der jeweiligen Wirkweisen und Wirkbereiche von Vater und Sohn die Schlussfolge-
Ausdifferenzierung der Hypostasenkräfte ursprünglich tatsächlich die Aussage aus dem justinianschen Fragment stand, wie Koetschau vermutet? Zum Problem der Lokalisierung vgl. auch Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 20 Anm. 10. 497 Princ. I 3,5 (TzF 24, 168–170). 498 Pamphilus von Cäsarea, Apol. 78 (FC 80, 294,19–296,22). Bezüglich der minimalen Textabweichungen vgl. den textkritischen Apparat in TzF 24, 170. 499 Vgl. Bardy, Recherches 106–111; Röwekamp, Einleitung 101–103. Vgl. dagegen Crouzel, Les personnes de la Trinité 117 f. 500 Für eine Auslassung plädieren neben Koetschau (GCS Orig. 5, 55) z. B. Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 16 f. und Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 208 f. Dagegen ist Bardy, Recherches 137 der Auffassung, Rufin habe den von Justinian tradierten Passus umformuliert.
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rung501 gezogen worden sei, dass beider Wirken sich auf die Vernunftgeschöpfe bezöge, insofern diese nämlich sowohl existent als auch vernunftbegabt sind, sie also in den speziellen Wirkbereich der ersten ebenso wie der zweiten Hypostase fallen. Eben diese Feststellung, so wird weiterhin vermutet, habe Rufin dahingehend verallgemeinert, dass sich das Wirken des Vaters und des Sohnes letztlich auf alles, was ist, bezieht,502 indem er den Sohn als universalen Schöpfungsmittler in das seinsbegründende Wirken des Vaters einbezogen habe.503 Wie auch immer man mit dem komplizierten literarkritischen Problem umzugehen sucht, sämtliche Lösungsvorschläge bleiben voraussetzungsreiche Hypothesen. Daher wollen wir an dieser Stelle nur noch einmal zusammenfassen, was sich mit einiger Sicherheit sagen lässt: Erstens gehört die Differenzierung der Wirkbereiche und Wirkweisen von Vater, Sohn und Heiligem Geist zweifelsohne 501 Sollte die schlussfolgernde Konjunktion igitur, die Koetschaus Lokalisierungsvorschlag
zufolge in Rufins Übersetzung auf das justiniansche Fragment folgt, als von Rufin nicht getilgte Reminiszenz dieses ursprünglichen Textzusammenhangs zu interpretieren sein? Das Wirken von Vater und Sohn gegenüber allen vernunftbegabten Kreaturen bestimmt dann auch den gesamten folgenden Abschnitt Princ. I 3,6 (TzF 24, 170–174), in dem dieses Thema anhand einschlägiger Schriftzitate abgehandelt wird. 502 Der textkritische Vorschlag von Koetschau (GCS Orig. 5, 56), den Text in der Weise wiederherzustellen, dass allein das Wirken des Vaters (und nicht auch dasjenige des Sohnes) sich auf die nicht vernunftbegabte Kreatur erstreckt (operationem quidem esse patris et filii in omnibus rationabilibus, tam in sanctis quam in peccatoribus, patris autem et in mutis animalibus etc. [Herv. v. Verf.]), würde die Annahme einer solchen Ergänzung durch Rufin zwar überflüssig machen. Der Vorschlag hat jedoch zum einen keinerlei Anhalt in den Handschriften, zum anderen steht ihm die Textfassung in der Apologia pro Origene entgegen, die hier dieselbe Version bietet wie der lateinische Text der Grundlagenschrift. Zur weiteren Kritik vgl. Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 17–19. 503 Vgl. Strutwolf, Gnosis als System 226 f. Anm. 107; Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 210 f. Als Schöpfungsmittler in das Schöpfungswirken des Vaters einbezogen ist der Sohn auch gemäß folgender Aussage (anders Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 211 Anm. 68 und Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 19): Hoc ergo pacto operatio virtutis dei patris et filii indiscrete super omnem protenditur creaturam, spiritus vero sancti participationem a sanctis tantummodo haberi invenimus (Princ. I 3,7 [TzF 24, 176]). Dieser Satz stört nun aber offenkundig den Zusammenhang Princ. I 3,6 f. (TzF 24, 170–176). Dort ist zwar die Rede davon, dass sowohl der Vater als auch der Sohn in ihren je spezifischen Wirkungen gegenüber allen vernunftbegabten Kreaturen, den Sündern gleichermaßen wie den Heiligen, wirken, nicht jedoch davon, dass beide gemeinsam gegenüber der gesamten Schöpfung wirken. Dieser Gedanke taucht (außer in Princ. I 3,5 [TzF 24, 170]) nur in dem vorliegenden Satz auf, was dafür spricht, dass auch er auf die Hand Rufins zurückzuführen ist. Nicht zuletzt erscheint dieser Satz auch innerhalb seines unmittelbaren Kontextes als Fremdkörper, weil durch ihn eine Reihung von Bibelzitaten unterbrochen wird, die sich allesamt nur auf den Heiligen Geist beziehen (in Fortführung der überwiegend christologischen Schriftzitate in Princ. I 3,6 [TzF 24, 172–174]). Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass es sich dabei um eine Interpolation Rufins handelt.
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zum authentischen Gedankengut des Origenes. Und zweitens lässt sich auch die Schlussfolgerung, die sich nur in Hieronymus’ Paraphrase und in dem von Justinian tradierten Fragment, nicht hingegen in Rufins Übersetzung findet und derzufolge aus den unterschiedlichen Wirkbereichen und Wirkweisen der Hypostasen eine hierarchische Stufung ihrer Wirkkräfte abzuleiten ist, der Sache nach durchaus mit der origeneischen Trinitätskonzeption vereinbaren. Nach diesen problemreichen Ausführungen können wir unsere Untersuchung nun vorerst auf literarkritisch sichererem Gebiet fortsetzen. Rufins Übersetzung zufolge warnt Origenes im weiteren Verlauf des dritten Kapitels vor einer Fehldeutung des bisher Gesagten mit den Worten: „Keiner möge im Ernst die Meinung vertreten, dass wir deshalb, weil wir gesagt haben, der Heilige Geist werde allein den Heiligen verliehen (praestari), das wohltätige Wirken (beneficia vel inoperationes) des Vaters und des Sohnes hingegen erstrecke sich (pervenire) auf Gute und Böse, auf Gerechte und Ungerechte (vgl. Mt 5,45), den Heiligen Geist dem Vater und dem Sohn vorgezogen hätten (praetulisse) oder behaupten würden, die Würde (dignitatem) des Heiligen Geistes sei größer (maiorem). Das ist eine völlig unzulässige Schlussfolgerung (utique valde inconsequens).“504 Als Begründung dafür, dass es sich bei einer solchen Interpretation um ein Missverständnis handelt, findet sich in Rufins Übersetzung im unmittelbaren Anschluss an dieses Zitat folgender Satz über den Heiligen Geist: „Denn wir haben [sc. nur] die Eigentümlichkeit seiner Gnade und seines Wirkens (proprietatem gratiae eius operisque) beschrieben.“505 In dieser knappen Begründung stellt Origenes fest, dass nicht notwendig aus dem eigentümlichen Wirken einer Hypostase auf deren Würde und Rang geschlossen werden kann. Es ist unumstritten, dass die Warnung vor dem besagten Mißverständnis zur authentischen Fassung von Περὶ Ἀρχῶν gehörte, sie also nicht als Interpolation Rufins anzusehen ist.506 Auf ihre kurze Begründung folgt bei Rufin ein längerer 504 Princ. I 3,7 (TzF 24, 176). 505 Princ. I 3,7 (TzF 24, 176–178). 506 Crouzel, Les personnes de la Trinité 115 f. versucht sogar, die inhaltliche Authentizität
der betreffenden Zeilen als Argument für seine These anzuführen, dass die Vorstellung einer quantitativen Hierarchie der Wirkkräfte von Vater, Sohn und Heiligem Geist, wie sie sich im Gewand einer Schlussfolgerung in dem justinianschen Fragment und in der entsprechenden lateinischen Paraphrase des Hieronymus findet, unmöglich zum authentischen Gedankengut des Origenes gehören kann. Crouzel vertritt die Meinung, dass das Missverständnis, vor dem Origenes seine Leser bewahren möchte, gar nicht auftreten könnte, wenn dieser zuvor tatsächlich die Superiorität der δύναμις des Vaters einerseits und des Sohnes andererseits gegenüber der δύναμις des Geistes so klar herausgestellt hätte, wie dies nach Justinian und Hieronymus der Fall gewesen sei. Gegen diese Argumentation lässt sich einwenden: Origenes warnt keineswegs davor, seine Ausführungen in dem Sinn zu verstehen, dass der Heilige Geist eine größere Wirkmacht habe als der Vater und der Sohn. Nur in diesem Fall wäre der Widerspruch gegeben, den Crouzel geltend macht.
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Abschnitt, der uns nicht nur erneut vor überaus komplizierte literarkritische Fragen stellt, sondern der auch in seiner vorliegenden inhaltlichen Gestalt kaum verständlich sein dürfte. Weil dieser problematische Abschnitt für die origeneische Trinitätskonzeption von eminenter Bedeutung zu sein scheint, ist seine eingehende Analyse unerlässlich. Er sei deshalb zunächst in seinem ganzen Umfang zitiert: „Man darf nun aber in der Trinität nichts größer oder kleiner nennen (nihil in trinitate maius minusve dicendum est), weil der eine Quell der Gottheit (unus deitatis fons; sc. der Vater) mit seinem Logos (verbo ac ratione sua; sc. dem Sohn) das All umfasst, mit dem ‚Geist seines Mundes‘ [sc. dem Heiligen Geist] aber heiligt, was der Heiligung würdig ist, wie es im Psalm geschrieben steht: ‚Durch den Logos des Herrn (verbo domini) sind die Himmel befestigt und durch den Geist seines Mundes all ihre Macht‘ (Ps 32,6). Denn es gibt auch (etiam) eine gewisse inope ratio praecipua507 Gottvaters abgesehen von jener (praeter illam508), die er allen natürlicherweise (naturaliter) gewährt hat, so dass sie sind (ut essent). Es gibt auch (et) ein gewisses praecipuum ministerium509 des Herrn Jesus Christus denjenigen gegenüber, denen er natürlicherweise (naturaliter) gewährt, dass sie mit Vernunft begabt sind (ut rationabiles sint). Durch diesen Dienst (per quod) wird ihnen zu dem hinzu, dass sie sind (ad hoc quod sunt), gewährt, dass sie sich gut verhalten (ut bene sint). Dann gibt es auch noch die Gnade des Heiligen Geistes (est alia quoque etiam spiritus sancti gratia), die den Würdigen gewährt wird. Sie ist zwar vermittelt durch den Dienst Christi (ministrata quidem per Christum), gewirkt aber vom Vater (inoperata autem a patre) entsprechend dem Verdienst derer, die dafür bereitet worden sind, sie zu empfangen. Dies lässt der Apostel Paulus in aller Deutlichkeit (manifestissime) erkennen, indem er die Wirkmacht der Trinität Vielmehr warnt Origenes davor, aus der Tatsache, dass der Heilige Geist nur an denjenigen vernunftbegabten Kreaturen wirkt, die sich durch einen sittlichen Lebenswandel der Heiligung würdig erwiesen haben, sein spezifisches Wirken also das würdigste Ob jekt hat, zu folgern, dass aus diesem Grund dem Heiligen Geist auch eine größere Würde als den beiden anderen Hypostasen zukomme. Warum soll es nicht vorstellbar sein, dass Origenes, obwohl er zuvor eine proportionale Stufung der Hypostasenwirkkräfte gelehrt hat, es wenig später gleichwohl noch einmal für geboten erachtet hat, darauf hinzuweisen, man solle ja nicht auf den Gedanken kommen, dass dem Heiligen Geist mit der Aussage, dieser wirke exklusiv an den Heiligen, irgendeine Vorrangstellung gegenüber den beiden anderen Hypostasen eingeräumt werden solle, und zwar auch nicht im Hinblick auf seine dignitas? 507 Der Begriff bleibt hier unübersetzt, weil sich seine Bedeutung erst aus der Gesamtinterpretation des vorliegenden Abschnitts ergeben kann. 508 Görgemanns/Karpp (TzF 24) 834 halten das praeter illam, quam für „eine falsche Übersetzung von παρ᾽ ἥν“ und wollen den Ausdruck im Sinne von secundum quam mit „kraft derer“ übersetzen. Diese Konjektur begründen sie folgendermaßen: „Es ist unerfindlich, was denn die zweite Wirksamkeit Gott Vaters sei.“ 509 S. Anm. 507.
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als ein und dieselbe (virtutem trinitatis unam eandemque) darstellt an derjenigen Stelle, an der er sagt: ‚Es gibt aber Unterscheidungen der Gnadengaben (divisiones donorum), aber der Geist ist derselbe. Und es gibt Unterscheidungen der Dienste (divisiones ministeriorum), aber der Herr ist derselbe. Und es gibt Unterscheidungen der Wirkkräfte (divisiones operationum), aber derselbe Gott ist es, der alles in allem wirkt (qui operatur omnia in omnibus). Einem jeden aber wird die Offenbarung (manifestatio) des Geistes gegeben, wie es nützlich ist (secundum id quod expedit) (1 Kor 12,4–7).‘ Dadurch wird überaus klar und deutlich zum Ausdruck gebracht (manifestissime designatur), dass es in der Trinität keine Unterscheidung gibt (quod nulla est in trinitate discretio), sondern dass das, was Gabe des Geistes genannt wird, durch den Dienst des Sohnes vermittelt (ministratur per filium) und durch Gottvater bewirkt wird (inoperatur per deum patrem). ‚Alles aber wirkt ein und derselbe Geist, der einem jeden zuteilt, wie er will‘ (1 Kor 12,11).“510 Der unmittelbar sich anschließende Abschnitt beginnt dann mit dem Resümee: his igitur de unitate patris et filii ac spiritus sancti protestatis. Seit jeher wird kontrovers diskutiert, ob wir es im vorliegenden Zitat mit den authentischen Formulierungen oder zumindest mit den authentischen Gedanken des Origenes zu tun haben. Vielfach wird die Meinung vertreten, die Formulierungen nihil in trinitate maius minusve, una eademque virtus trinitatis und nulla est in trinitate discretio sowie die Wendung unitas patris et filii ac spiritus sancti würden ein trinitätstheologisches Denken und eine entsprechende Terminologie widerspiegeln, die nicht zum Reflexionsstand passen, den Origenes in seiner Gotteslehre erreicht hat. Daher wird der vorliegende Abschnitt von vielen Forschern in der einen oder anderen Weise auf Rufin zurückgeführt.511 Bevor wir uns dem Authentizitätsproblem widmen, um abschließend unsere Ausgangsfrage nach den ontologischen Implikationen wieder aufzugreifen, die dem von Origenes beschriebenen Wirken des Heiligen Geistes zugrunde liegen, müssen wir zunächst versuchen, die Aussageabsicht des Textabschnitts in seiner vorliegenden Gestalt zu erfassen, die alles andere als klar und deutlich zu sein scheint. Einem Interpretationsvorschlag von Manlio Simonetti folgend hat zuletzt Henning Ziebritzki versucht, den vorliegenden Abschnitt als kohärentes Ganzes auszulegen. Ungeachtet der Frage, wie Ziebritzki dessen Authentizität bewertet, stellt sich der von ihm vorgetragene Deutungsansatz als ein beachtenswerter Versuch dar, die „genaue Argumentationsintention“512 zu erschließen, die der Text in 510 Princ. I 3,7 (TzF 24, 178). 511 Vgl. Denis, De la philosophie d’Origène 431 Anm. 1; Loofs, Dogmengeschichte 196;
Koetschau (GCS Orig. 5, 60); Kettler, Dogmatik des Origenes 37 Anm. 156; Studer, Zur Frage der dogmatischen Terminologie 408 Anm. 40; Strutwolf, Gnosis als System 229 Anm. 121. 512 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 214. Vgl. Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 29.
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seiner vorliegenden Gestalt verfolgt. So orientieren sich die folgenden Ausführungen an diesem Deutungsansatz,513 wobei die Frage, wessen Aussageabsicht damit erschlossen wird – die des Origenes oder diejenige seines Übersetzers Rufin – vorerst außer Acht bleiben soll. Weil Origenes der irrigen Annahme, aus seinen Darlegungen gehe hervor, dass er dem Heiligen Geist eine größere Würde zuschreibe als dem Vater und dem Sohn, mit dem Hinweis begegnet, er habe lediglich die spezifische Wirksamkeit (proprietas) des Heiligen Geistes bestimmt, muss nach Ziebritzki der gesamte hier zur Diskussion stehende Abschnitt, der sich unmittelbar an diesen Hinweis anschließt, von der Aussageabsicht her verstanden werden, „daß im Hinblick auf die spezifische heiligende Wirkung des Heiligen Geistes keiner der mitwirkenden trinitarischen Personen eine Superiorität zukommt.“514 Unter diesem Gesichtspunkt muss nach Ziebritzki auch die sich direkt an den besagten Hinweis anschließende prinzipielle Feststellung, man dürfe in der Trinität überhaupt nichts größer oder kleiner nennen, gedeutet werden. Seines Erachtens soll damit nur gesagt sein, „daß die heiligende Wirksamkeit des Heiligen Geistes ebenso wenig eine Überlegenheit des Heiligen Geistes impliziert wie eine Überlegenheit der beiden anderen Personen bei diesem Akt.“515 Der folgende Vers aus Ps 32 diene offenbar der Begründung dieses Sachverhalts.516 Es leuchtet jedoch zunächst schwerlich ein, wie das Psalmwort diese Begründungsfunktion zu übernehmen vermag. Ziebritzki schlägt vor, zwei Voraussetzungen zu machen, unter denen dies möglich erscheint: „Einmal muß die Aussage von den Wirkungen der trinitarischen Personen hier so gedeutet werden, daß sie die einheitliche Gleichför migkeit der Wirkungen meint. […] Sodann muß vorausgesetzt werden, daß das einheitliche Zusammenwirken der Trinität auf ein- und denselben Gegenstand, nämlich die Heiligen, ausgerichtet ist. Nur wenn beide Implikationen bei jener Aussage, daß der eine Quell der Gottheit durch sein Wort das All hält und durch den Geist seines Mundes die Heiligen heiligt, mitgedacht werden, kann sie als
513 Die überaus vertrakten, in weiten Teilen kaum nachvollziehbaren Überlegungen, die Saa-
ke, Tractatus pneumatico-philosophicus 91–114 über den Abschnitt Princ. I 3 vorträgt, sind für dessen sachgerechte Auslegung unergiebig. 514 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 215. Vgl. Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 27. 515 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 215 (Herv. v. Verf.). Vgl. Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 21. 516 Diesen Psalmvers zitiert Origenes auch in In Ioh. comm. I 39,288 (SC 120, 204), wo er die Interpretation einiger Theologen referiert, die diesen Vers auf den Sohn und den Heiligen Geist beziehen. Dieser Interpretation widerspricht Origenes hier nicht. Abgesehen von dieser Stelle wird Ps 32,6 sonst nur noch in zwei von Rufin übersetzten Passagen zitiert: Princ. IV 4,3 (TzF 24, 790); In Lev. hom. 5,2,87–90 (SC 286, 212).
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Begründung der Behauptung fungieren, daß nichts in der Trinität größer oder kleiner zu nennen sei.“517 Im Blick auf die folgenden Aussagen über das Wirken des Vaters und des Sohnes legt Ziebritzki nun sein besonderes Augenmerk auf das Adjektiv praecipuus, durch das die Begriffe inoperatio und ministerium näher bestimmt sind. Mit diesem Adjektiv sieht er jeweils „eine vorzügliche Wirksamkeit des Vaters und des Sohnes“ hervorgehoben, „die von ihrer allgemeinen operatio specialis unterschie den ist und gemeinsam mit dem Wirken des Heiligen Geistes auf die Heiligung des Menschen zielt.“518 Neben ihrer je eigentümlichen Wirksamkeit im Blick auf den geschöpflichen Zustand, ihrer jeweiligen operatio specialis, der gemäß der Vater das Seiende im Dasein begründet, während der Sohn die vernunftbegabten Kreaturen mit Vernunft begabt, üben beide Hypostasen nach Ziebritzki jeweils „eine sogenannte operatio praecipua aus, die auf eine besondere Qualifizierung dieses geschöpflichen Zustandes gerichtet ist.“519 Für die Unterscheidung zwischen einer operatio praecipua und einer operatio specialis im Blick auf Vater und Sohn kann Ziebritzki die Präposition praeter geltend machen, wodurch die inoperatio praecipua des Vaters von dessen operatio specialis abgegrenzt werde,520 die ihrerseits mit dem Adverb naturaliter in ihrer Eigenart qualifiziert sei. Daraus kann nach Ziebritzki geschlossen werden, dass die inoperatio praecipua des Vaters als übernatürliches Gnadenwirken zu deuten ist, das zu unterscheiden ist von seiner auf die Schöpfung bezogenen operatio specialis, mittels derer er jedes Seiende natürlicherweise in seinem Sein begründet.521 Durch das Adverb naturaliter ist für Ziebritzki auch mit Blick auf den Sohn die Unterscheidung zweier verschiedener Wirkweisen, einer natürlichen und einer übernatürlichen, evident.522 Nur für den 517 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 215 (Herv. v. Verf.). 518 Ebd. (Herv. v. Verf.). Vgl. zum Folgenden Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del
De Principiis 23–26.
519 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 216. 520 Weil er zwei Wirksamkeiten des Vaters unterscheidet, kann Ziebritzki, Heiliger Geist
und Weltseele 216 Anm. 87 auf die Konjektur von Görgemanns/Karpp (TzF 24) 834 (s. Anm. 508) verzichten. 521 Nach Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 26 zielt die opera tio praecipua des Vaters darauf ab, die vernunftbegabten Kreaturen moralisch zu vervollkommnen („che l’inoperatio praecipua del Padre, distinta da quella naturalis con cui egli dà l’essere alle creature, e non esplicitamente determinata, sia anch’essa pertinente al perfezionamento morale delle creature“). Aus dem Kontext geht hervor, dass Simonetti die moralische Vervollkommnung als „santificazione delle creature razionali“ versteht. 522 Vgl. dazu Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 217 Anm. 89, der zur Unterscheidung „natürlich – übernatürlich“ mit Recht selbst zu bedenken gibt, es scheine „das Schema von Natur und Übernatur ungeeignet zu sein, um die Intention des Origenes zum Ausdruck zu bringen. Für ihn wird durch die operationes praecipuae offensichtlich nicht eine Art Supernatur in der rationalen Kreatur installiert, sondern die ursprüngliche schöpfungstheologische Bestimmtheit wird restituiert.“ Nach Simonetti, Sull’ interpretazione di un
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Heiligen Geist „gibt es keine derartige Unterscheidung von operatio specialis und operatio praecipua. Er übt mit der Heiligung der Heiligen nur eine einzige Wirksamkeit aus.“523 Nach Ziebritzki ist es nun „für das Verständnis dieses ganzen Paragraphen entscheidend“, dass es darin von der Wirkung des Heiligen Geistes, der spiritus sancti gratia, heißt, sie sei vom Vater gewirkt (inoperata) und durch den Sohn vermittelt (ministrata). „Denn dadurch“, so erklärt er, „kommt es zu der Pointe, dass sich das Wirken des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes im Akt der Hei ligung in völliger Konformität befindet. Die trinitarischen Personen ziehen, wenn man so sagen darf, an einem Strang.“524 In diesem „und nur in diesem Sinne“525 ist nach Ziebritzki die Aussage zu verstehen, dass nichts in der Trinität größer oder kleiner genannt werden dürfe. Dies geht seines Erachtens auch daraus hervor, dass der vorliegende Gedankengang mit 1 Kor 12,4–7 begründet wird, wo Paulus, wie es heißt, die virtus trinitatis als una eademque darstellt. „Genau das aber“, so führt Ziebritzki aus, „ist mit der Aussage gemeint, daß nichts in der Trinität größer oder kleiner sei. Denn […] daß es in der Trinität keine Unterscheidung gibt, heißt nichts anderes, als daß im Akt der Heiligung das Wirken des Geistes auf den Vater als seinen Urheber zurückgeht und durch den Sohn vermittelt wird […].“526 Im folgenden Abschnitt kommt Origenes auf seine Ausgangsfrage zurück, warum zur wirksamen Vermittlung der Taufgnade die Anrufung aller drei Hypostasen erforderlich sei.527 Zu ihrer abschließenden Beantwortung, so erklärt Ziebritzki, entwickelt Origenes die Vorstellung, „daß das Zusammenwirken der trinitarischen Personen seinem Inhalt nach auf die stufenweise Heiligung der ra-
523 524
525 526 527
passo del De Principiis 24 weist das Adjektiv alia, das auf den Ausdruck spiritus sancti gra tia bezogen ist, darauf hin, dass bereits das praecipuum ministerium des Sohnes ebenso wie die inoperatio praecipua des Vaters als ein Gnadenwirken zu verstehen sind. Wie die gnadenhafte operatio praecipua des Vaters zielt auch die gnadenhafte operatio praecipua des Sohnes nach Simonetti auf die moralische Vervollkommnung der Vernunftgeschöpfe (vgl. die Wendung ut bene sint, dazu ebd. 24 f.: „azione pedagogica esercitata constantemente dal Figlio sul mondo creato“; „azione provvidenziale in ordine al riscatto delle creature razionali“; „azione di Cristo in ordine al perfezionamento morale delle creature razionali“). Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 217 (Herv. v. Verf.). Vgl. Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 24 f. Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 217 f. Vgl. Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 26 f. Ausdrücklich weist Simonetti darauf hin, dass die durch das Adjektiv praecipuus gekennzeichneten Wirkweisen des Vaters und des Sohnes – die inoperatio bzw. das ministerium – terminologisch dort wieder aufgegriffen werden, wo die spiritus sancti gratia charakterisiert wird als ministrata quidem per Christum, inoperata autem a patre (ebd. 26 mit Anm. 33). Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 218 (Herv. i. Orig.). Ebd. (Herv. v. Verf.). Vgl. Princ. I 3,8 (TzF 24, 178–184).
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tionalen Kreatur zielt.“528 Zu Beginn dieses Abschnitts rekurriert Origenes zunächst noch einmal auf die operationes speciales von Vater, Sohn und Heiligem Geist, wobei in Übereinstimmung mit dem von Justinian tradierten Fragment dem Vater die Begründung des Seins im Ganzen, dem Sohn die Vermittlung der Vernunftbegabung und dem Heiligen Geist die Heiligung derer zugeschrieben wird, die sich sittlich bewährt haben.529 Kraft der heiligenden Gnade des Heiligen Geistes, so erklärt Origenes weiter, wird nun ein gnadenhafter Teilhabeprozess initiiert, der sich in der Teilhabe am Vater als dem Urgrund der Gottheit vollendet. Dasjenige Vernunftgeschöpf, das des Heiligen Geistes teilhaftig geworden ist, erhält aufgrund dieser Teilhabe Anteil an der Gnadenwirklichkeit des Sohnes, durch die es zu einem erlösten Dasein in der Teilhabe an der göttlichen Urwirklichkeit gelangt, für das es immer schon bestimmt ist.530 Die durch den Heiligen Geist vermittelte soteriologisch qualifizierte Teilhabe am Sohn und schließlich am Vater bedeutet nun nach Ziebritzki, dass dem geheiligten Geschöpf die ope rationes praecipuae des Sohnes bzw. des Vaters zuteil werden.531 „Das Ziel des heiligenden Zusammenwirkens der Trinität ist es offensichtlich, durch die permanente Heiligung die kreatürliche Freiheit, die den Grund der Wandelbarkeit des Geschöpfs darstellt, stabilisierend zu bewahren“532 bis hinein in die Gemeinschaft mit der göttlichen Urwirklichkeit des Vaters. Mit seiner Deutung glaubt Ziebritzki gezeigt zu haben, dass es sehr wohl möglich ist, „den Abschnitt [sc. Princ. I 3,5–8] im Zusammenhang als kohärent zu interpretieren, ohne wesentlich in Rufins Übersetzung eingreifen zu müssen.“533 Mit Simonetti ist er der Meinung, dass sich seine Interpretation ohne weiteres auch mit der Annahme vereinbaren lässt, dass der bei Justinian und Hieronymus überlieferte Stufungsgedanke zum authentischen Gedankengut des Origenes gehört.534 Während andere Forscher aus genau dieser Annahme den Schluss ziehen, dass die von Rufin gebotene Textfassung auf Interpolation beruht, sieht Ziebritzki also keinen Grund, sie Origenes abzusprechen. So bemerkt er zu den in ihrer Authentizität umstrittenen Formulierungen, seinen Deutungsvorschlag pointiert zusammenfassend: „Kurz gesagt: die umstrittenen Ausdrücke ‚nihil in trinitate maius minusve‘, ‚una et eadem virtus trinitatis‘ und ‚nulla est in trinitate discretio‘ 528 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 219. Vgl. Simonetti, Sull’ interpretazione di un
passo del De Principiis 28 f.
529 Princ. I 3,8 (TzF 24, 178–180). Dort heißt es zusammenfassend: Cum ergo primo ut sint
habeant ex deo patre, secundo ut rationabilia sint habeant ex verbo, tertio ut sancta sint habeant ex spiritu sancto […]. 530 Princ. I 3,8 (TzF 24, 180–182). 531 Vgl. Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 219 Anm. 97. 532 Ebd. 221. 533 Ebd. 222. 534 Vgl. ebd. 218 f.; Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 27.
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meinen alle denselben einen Sachverhalt, daß bei der Heiligung die Wirkungen der drei trinitarischen Personen dergestalt völlig konform sind, daß die Wirksamkeit des Heiligen Geistes über die Vermittlung des Sohnes vom Vater selbst herstammt. Unter diesem Aspekt gibt es in der Trinität keine Unterscheidung.“535 Fragen wir zunächst: Vermag der Deutungsvorschlag, den Ziebritzki im Anschluss an Simonetti vorgetragen hat, von seiner inneren Sinnlogik her zu überzeugen? Ohne Zweifel ist er als respektabler Versuch zur Erschließung des Gedankengangs zu würdigen, der in der vorliegenden Gestalt dieses vieldiskutierten Textabschnitts entfaltet wird. Man wird aber kaum behaupten können, dass mit ihm sämtliche Probleme widerspruchsfrei gelöst sind, die uns dieses sperrige Textkorpus aufgibt. Der eigentliche Grund dafür liegt allerdings weniger in Zie britzkis Interpretation als vielmehr in dem erklärungsbedürftigen Text selbst. Es gibt Texte, die sich in ihrer Verworrenheit dem Zugriff einer in sich konsistenten Interpretation entziehen. Ziebritzki sucht hier als ein widerspruchsfreies Ganzes zu erfassen, was, so scheint es, als ein solches nicht zu erfassen ist.536 So dürfte sich seine Hauptthese, dass sich die Sätze nihil in trinitate maius mi nusve dicendum est und nulla est in trinitate discretio ausschließlich auf die durch alle drei Hypostasen kooperativ bewirkte Heiligung beziehen, schwerlich mit der offenkundigen Tatsache vertragen, dass diese beiden apodiktischen Formulierungen jeweils eine generelle Aussage enthalten, die durch keinerlei einschränkende Zusätze näher bestimmt ist. Im Übrigen muss darauf hingewiesen werden, dass diese grundsätzlichen Formulierungen in einer unlösbaren Spannung zu dem Zitat aus 1 Kor 12 stehen, auf das die gesamte Argumentation hinausläuft. Denn dieses Zitat wird von Origenes im vorliegenden Kontext in dem Sinn ausgelegt, dass die Heiligung eine Unterscheidung zwischen den Hypostasen gerade als Bedingung ihrer Möglichkeit voraussetzt, insofern es heißt, die Gnadengabe des Geistes sei vom Vater gewirkt und durch den Sohn vermittelt. Damit scheint implizit sogar eine Gewichtung der Hypostasenwirkkräfte vorgenommen zu sein. Jedenfalls wird mit der Differenzierung zwischen der grundlegenden inoperatio des Vaters und dem vermittelnden ministerium des Sohnes bei dem in besonderer Weise dem Heiligen Geist zukommenden Akt der Heiligung sehr wohl eine Unterscheidung innerhalb der Trinität vorgenommen. Diese innere Spannung, die den Gedankengang des Textabschnitts grundlegend bestimmt, vorschnell zu harmonisieren, muss als Schwäche von Ziebritzkis Deutungsversuch registriert werden.537 Die von Ziebritzki außerdem vertretene These, dass die Termini in 535 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 218 (Herv. v. Verf.). 536 Vgl. auch Garijo, Pneumatología Origeniana 197 f. 537 Auch die folgenden Ausführungen von Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 222 f.
können den genannten Widerspruch nicht auflösen: „Man wird sagen können, daß die Unterschiedslosigkeit in der Trinität sich nur auf die heiligende Handlung erstreckt, die
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operatio praecipua und praecipuum ministerium das gnadenhaft-übernatürliche Mitwirken des Vaters bzw. des Sohnes an der Heiligung der vernunftbegabten Kreatur bezeichnen, erscheint auf den ersten Blick zwar als geeigneter Schlüssel zum Verständnis der Logik, der die weitere Argumentation zu folgen scheint. Wenn es aber darum geht aufzuzeigen, in welchem Sinn die inoperatio praecipua und das praecipuum ministerium näherhin aufzufassen sind, fordern Ziebritzkis Ausführungen zur kritischen Rückfrage heraus. Er scheint hier abermals der Versuchung zu erliegen, einen kohärenten Sinnzusammenhang in den Text hineinzulesen und die damit verbundenen Inkonsistenzen zu überspielen. So bezieht er die inoperatio praecipua des Vaters und das praecipuum ministerium des Sohnes zum einen auf die spiritus sancti gratia. Von dieser heißt es im Blick auf 1 Kor 12,4–6 ja auch ausdrücklich, sie sei ministrata quidem per Christum, inoperata autem a patre. In dieser Aussage begegnet exakt diejenige Vorstellung, die Origenes im Ausgang von Joh 1,3 auch in seinem Johanneskommentar entfaltet: Der Heilige Geist selbst ist die Hypostase der Gnade, die vom Vater gewirkt und durch den Sohn vermittelt ist. Darüber hinaus bezieht Ziebritzki beide Wirkweisen aber auch auf die soteriologische Vervollkommnung der Vernunftgeschöpfe. Diesen gegenüber, so erklärt er, führen der Vater und der Sohn unmittelbar in übernatürlicher Weise die durch die Gnade des Heiligen Geistes grundgelegte Heiligung fort, indem der Vater kraft seiner inoperatio praecipua und der Sohn kraft seines praecipuum ministerium jeweils eine soteriologisch qualifizierte Teilhabe an sich selbst ermöglichen. Folgt man Ziebritzkis Deutung, haben die gnadenhaft-übernatürlichen operationes praecipuae des Vaters bzw. des Sohnes also jeweils zwei verschiedene Objekte: zum einen den Heiligen Geist, zum anderen die geheiligten vernunftbegabten Kreaturen. Ziebritzki gelingt es nun aber nicht, seine These plausibel zu begründen, wonach die inoperatio des Vaters und das ministerium des Sohnes bei der Hervorbringung der Gnade des Heiligen Geistes dasselbe Wirken darstellen wie die inoperatio praecipua bzw. das praecipuum ministerium bei der Begnadigung der Vernunftgeschöpfe. Vielmehr erklärt er, dass das gnadenhafte Wirken des Vaters und des Sohnes an den Vernunftgeschöpfen die spiritus sancti gratia voraussetzen.538 In der inoperatio, die der Vater, und in dem ministerium, das der Sohn zur Hervorbringung des Heiligen Geistes vollbringt, schaffen beide demnach gleichsam die Voraussetzung für ihr jeweiliges Wirken an den vernunftdie drei göttlichen Personen in völliger Konformität vollziehen. Auch bei dieser konformen Handlung der Trinität wird ja ihre innere hierarchische Stufung gewahrt, wenn es heißt, daß der letzte Urheber dieser Handlung der Vater ist und daß der Sohn sie an den Heiligen Geist vermittelt. So gesehen, bleibt die Hierarchie der trinitarischen Personen auch gerade bei derjenigen Handlung bestehen, die aufgrund der Konformität des Zusammenwirkens der Trinität ihre Unterschiedslosigkeit begründet.“ Vgl. auch Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 27. 538 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 220 f. 223. 257. 264.
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begabten Geschöpfen, in dem sie das gnadenhafte Wirken des Heiligen Geistes vertiefend fortführen. Beiderlei Wirkungen des Vaters und des Sohnes können dann aber nicht widerspruchsfrei miteinander identifiziert werden, wie Ziebritzki dies tut.539 Dieser Widerspruch lässt sich nur dann vermeiden, wenn man die inoperatio praecipua des Vaters und das ministerium praecipuum des Sohnes, die sich beide auf die vernunftbegabten Kreaturen richten, nicht identifiziert mit der inoperatio und dem ministerium, mittels derer die Gnade des Heiligen Geistes hervorgebracht wird. Das Argument, beide Wirkungen seien durch den Wortgebrauch des Textes (inoperatio – inoperata; ministerium – ministrata) als identisch ausgewiesen, erweist sich bei genauerem Zusehen als nicht stichhaltig. Denn dieser Wortgebrauch ist sehr viel offener, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.540 Vor diesem Hintergrund ist es somit durchaus fraglich, ob das Adjektiv
539 Etwas anders gelagert begegnet derselbe Widerspruch bei Simonetti, Sull’ interpretazio-
ne di un passo del De Principiis 26. Anders als Ziebritzki interpretiert Simonetti die ope rationes praecipuae des Vaters bzw. des Sohnes als solche Gnadenwirkungen, die auf das Wirken des Heiligen Geistes nicht erst folgen, sondern diesem bereits vorangehen: „[…] il Padre ed il Figlio, all’infuori delle loro operationes naturales, cooperano al fine del perfezionamento morale di tutte le creature razionali, sia buone sia cattive, il Padre come punto di avvio dell’azione, il Figlio come realizzatore di essa; in un ambito ristretto, cioè soltanto a beneficio delle creature degne, coopera all’azione anche lo Spirito Santo: in tale ambito, quindi, l’azione santificatrice è esplicata dalla intera Trinità, con mansioni diverse, ma in fondamentale unità di intenti: il dono dello Spirito viene elargito dal Padre per mezzo del Figlio.“ 540 So werden im besagten Textabschnitt die Substantive inoperatio und operatio als synonyme Begriffe verwendet. Mit beiden kann das unterschiedslos auf die Guten wie die Bösen bezogene gemeinsame Wirken des Vaters und des Sohnes bezeichnet werden (vgl. Princ. I 3,6 [TzF 24, 170] mit 3,7 [TzF 24, 176]), das nach Ziebritzki als „natürliches“ Wirken zu betrachten ist. In Princ. I 3,8 (TzF 24, 180) wird der Begriff inoperatio ebenfalls zur Bezeichnung desjenigen Wirkens des Vaters verwendet, das Ziebritzki als „natürlich“ bezeichnet. Dort wird die inoperatio patris nämlich als eine Tätigkeit charakterisiert, quae esse praestat omnibus. Interessanterweise wird der Terminus inoperatio nicht allein im Blick auf den Vater verwendet. Er kann vielmehr auch das Gnadenwirken des Heiligen Geistes bezeichnen (Princ. I 3,8 [TzF 24, 180]: secundum virtutem inoperationis spiritus dei). Vor dem Hintergrund dieser terminologischen Uneinheitlichkeit ist es mehr als problematisch, mit Ziebritzki einen Unterschied zwischen operatio specialis und inoperatio praecipua bzw. ministerium praecipuum gemäß den Kategorien „natürlich – übernatürlich“ zu machen. Ziebritzki kann sich dafür zwar auf die adverbiale Bestimmung praeter illam stützen, die auf zwei Handlungsdimensionen des Vaters zu verweisen scheint. Allerdings ist ein paralleler Hinweis darauf, dass auch für den Sohn zwei Handlungsdimensionen, eine „natürliche“ und eine „übernatürliche“, zu unterscheiden sind, wenn überhaupt, so jedenfalls nur mit allergrößter Mühe aus dem Text Princ. I 3,7 (TzF 24, 178) herauszulesen. Ob das zweimalige naturaliter als Gegenbegriff zu „übernatürlich“ fungiert, wie Ziebritzki meint, ist vor diesem Hintergrund ebenfalls nicht eindeutig zu klären.
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praecipuus überhaupt als gnadentheologischer Gegenbegriff zu specialis fungiert, wie Ziebritzki und Simonetti meinen.541 Wenn also die Deutung von Ziebritzki und Simonetti letztlich nicht zu überzeugen vermag, stellt sich das Authentizitätsproblem mit verschärfter Dringlichkeit. Methodisch gesehen kommt damit die Literarkritik zum Zug: In welchem Umfang ist in dem besagten Textabschnitt mit Eingriffen des Übersetzers Rufin zu rechnen? Zu dieser Frage ist zunächst festzustellen, dass der Satz: nihil in tri nitate maius minusve dicendum est in seiner absoluten Formulierung unmöglich von Origenes selbst stammen kann, wie ein Blick in sein griechisch erhaltenes Œuvre bestätigt. Wie unsere bisherige Untersuchung gezeigt hat, spricht Origenes im Anschluss an Joh 14,28 immer wieder davon, dass der Vater „größer“ ist als der Sohn, dessen Unterordnung er mit variierenden Adjektiven beschreibt. Daneben begegnet allenthalben auch eine Abgrenzung des Heiligen Geistes gegenüber den beiden anderen Hypostasen in einer Terminologie, die deutlich eine quantitative Differenz innerhalb der Hypostasentrias zum Ausdruck bringt. Außerdem ist in dem Satz: nihil in trinitate maius minusve dicendum est ein sachlicher Gehalt des Begriffs trinitas vorausgesetzt, wie er dem origeneischen Trinitätskonzept fremd ist. Zwar kennt Origenes den Begriff τριάς (trinitas), mit dem er aber nur die numerische Dreizahl der göttlichen Hypostasen, die Dreifaltigkeit, bezeichnet. Dagegen impliziert der Begriff im vorliegenden Satz die Vorstellung einer Drei einigkeit, das Konzept also eines einzigen in sich bestehenden trinitarischen Gottes, das Origenes aufgrund seiner antimodalistischen Perspektive in dieser Weise aber noch nicht ausgebildet hat.542 Auch aus diesem Grund dürfte die Formulierung: nihil in trinitate maius minusve dicendum est auf eine Interpolation Rufins zurückzuführen sein, ebenso wie die Wendung una eademque virtus trinitatis, der ebenfalls das Dreieinigkeitsmodell zugrunde liegt. Vor diesem Hintergrund dürfte auch der Ausdruck unitas patris et filii ac spiritus sancti kaum auf Origenes zurückgehen. Was den Satz nulla est in trinitate discretio betrifft, so ist gegen seine Authentizität zum einen wieder die unorigeneische trinitas-Konzeption ins Feld zu führen. Zum anderen ist darauf zu verweisen, dass dieser Satz der antimodalistischen Hypostasenkonzeption des Origenes eklatant widerspricht, der zufolge es innerhalb der Hypostasentrias sehr wohl eine discretio gibt. So zieht Origenes aus Mt 12,32par ausdrücklich den Schluss, dass es eine Unterscheidung, Trennung, Differenz zwischen dem Heiligen Geist und dem Sohn gibt (διαίρεσις τοῦ ἁγίου πνεύματος παρὰ τὸν υἱόν).543 Damit stellt sich nun die Frage, wie der diskutierte Abschnitt in seiner ursprünglichen Gestalt ausgesehen haben könnte. Sie lässt sich nicht mehr beant541 Vgl. auch Strutwolf, Gnosis als System 229 Anm. 122. 542 Vgl. Studer, Zur Frage der dogmatischen Terminologie 404 f. 543 In Ioh. comm. II 10,74 (SC 120, 254).
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worten. Wie die Interpolationen Rufins im einzelnen von der ursprünglichen Textfassung abgesetzt werden müssten, kann mit Sicherheit nicht mehr ausgemacht werden.544 Mit guten Gründen lässt sich nur vermuten, dass die innere Sinnlogik des vorliegenden Textzusammenhangs sich ursprünglich in etwa folgendermaßen dargestellt hat: Um die Vorstellung, wonach dem Heiligen Geist eine größere Würde zukommt als dem Vater und dem Sohn, als widersinnige Schlussfolgerung aus seinen vorangehenden Überlegungen zurückzuweisen, hat Origenes im Rückgriff auf 1 Kor 12,4–7 denselben Gedanken entfaltet, den er auch im zweiten Buch seines Johanneskommentars im Anschluss an dieses Schriftzitat ausführt. Danach ist die Annahme einer größeren Würde des Heiligen Geistes deshalb utique valde inconsequens, weil der Heilige Geist, in dem die Gnade subsistiert, in seinem Dasein und Sosein vom Vater und vom Sohn abhängig ist. Den Heiligen Geist gibt es überhaupt nur deshalb, weil er in ewiger Gegenwart vom Vater durch die Vermittlung des Sohnes begründet wird. Wenn daher der Heilige Geist die entsprechend disponierten Vernunftgeschöpfe mit seiner Gnade heiligt, wirken darin der Vater und der Sohn notwendig immer schon mit. Die Hauptthese der Interpretation von Ziebritzki und Simonetti, dass nämlich bei der Heiligung alle drei Hypostasen zusammenwirken, dürfte somit in der Tat die innere Sinnlogik des vorliegenden Abschnitts in seiner ursprünglichen Gestalt adäquat erfassen.545 Es genügt indes, diese These an der Exegese des Zitats aus dem Korintherbrief festzumachen. Der Annahme, dass der Textabschnitt in seiner vorliegenden Fassung auf die Autorschaft des Origenes zurückgeht, bedarf es dazu nicht.
3.4 Zusammenfassende Überlegungen zum ontologischen Status des Heiligen Geistes Die ontologischen Implikationen der von Origenes vertretenen Pneumatologie weisen eine noch größere Ambivalenz auf als die ontologischen Implikationen seiner metaphysischen Christologie. Nicht zuletzt deshalb, weil Origenes den 544 Die folgenden v. Verf. hervorgehobenen Formulierungen könnten allerdings problemlos
als Interpolationen aus ihrem Kontext ausgeschieden werden: Quod manifestissime indicat apostolus Paulus, unam eandemque virtutem trinitatis exponens in eo cum dicit […]. Ex quo manifestissime designatur quod nulla est in trinitate discretio, sed hoc, quod donum spi ritus dicitur, ministratur per filium et inoperatur per deum patrem […]. His igitur de unitate patris et filii ac spiritus sancti protestatis redeamus nunc ad eum ordinem, quem disserere coeperamus. 545 Vgl. Simonetti, Sull’ interpretazione di un passo del De Principiis 21: „Nel suo complesso il passo è abbastanza chiaro per la sua affermazione che nell’attività dello Spirito Santo opera l’intera Trinità […].“
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Heiligen Geist anders als den Sohn nirgendwo als Gott bezeichnet,546 ist die Frage, ob er der dritten Hypostase wenn auch nicht dem Begriff, so doch der Sache nach dieselbe göttliche Wesensnatur zuerkennt wie dem Vater, mit besonders großen interpretatorischen Schwierigkeiten verbunden. Grundsätzlich gilt es zu beachten, dass für Origenes auch in der Pneumatologie die antimodalistische Perspektive leitend ist, in der er den Heiligen Geist als vom Vater und vom Sohn unterschiedene selbständige Hypostase in den Blick nimmt. Im Anschluss an Joh 1,3 erklärt er, der Heilige Geist werde vom Vater durch die Vermittlung des Sohnes in seinem Dasein begründet und erhalte dabei Anteil an der Fülle der Vernunft- und Tugendwirklichkeit, als die der Sohn subsistiert. Damit stellt Origenes die Unterschiedenheit der dritten Hypostase gegenüber den beiden anderen Hypostasen unmißverständlich heraus. Zugleich interpretiert er die Konstituierung des Heiligen Geistes nach dem Schema des allgemeinen Schöpfungsprozesses, so dass sich die Frage auftut, ob der Heilige Geist nach Origenes als bloßes Geschöpf zu begreifen ist.547 Diese Frage, so haben wir festgestellt, darf nicht schon deshalb bejaht werden, weil Origenes das Verbum γίγνομαι aus Joh 1,3 auch auf den Heiligen Geist bezieht. Dass er vom Heiligen Geist als einem γενητόν spricht, erklärt sich ganz einfach daraus, dass er mit dieser Vokabel jede abkünftige Entität bezeichnen kann, die nicht wie der göttliche Urgrund aller Wirklichkeit, als der allein der Vater subsistiert, aus sich selbst heraus Bestand hat. Für die These, dass der Heilige Geist ein Geschöpf oder dass er den beiden anderen Hypostasen zumindest in ontologischer Hinsicht subordiniert ist, kann man mit größerem Recht auf diejenigen Passagen verweisen, nach denen Origenes die Relation der drei Hypostasen im Modell einer von oben nach unten verlaufenden Kette zu interpretieren scheint, in der auf die dritte Hypostase – in mehr oder weniger nahtlosem Übergang – die vernunftbegabten Kreaturen folgen, wobei der Heilige Geist diesen Kreaturen gegenüber die Stellung desjenigen Wesens einnimmt, das Origenes als τιμιώτερον und als τάξει πρῶτον bezeichnet.548 Dem entsprechen auch solche Aussagen, nach 546 Vgl. McDonnell, Holy Spirit 18. So erst Epiphanius von Salamis, Anc. 6,6 (GCS Epiph.
1, 12) und Gregor von Nazianz, Orat. 31,10,1 f. (SC 250, 292); 41,6,1–6 (SC 358, 326).
547 Vgl. von Harnack, Dogmengeschichte I 675, der, obwohl er von einer Wesensgleichheit
aller drei Hypostasen ausgeht, feststellt: „An dem h. Geist haftet bereits stärker als an dem des Logos der Begriff des Geschöpfes.“ 548 Zu dieser Sicht vgl. Jonas, Origenes’ Περὶ Ἀρχῶν 103 f. = Jonas, Gnosis II 179–181: Der Sohn ist „Abglanz“ Gottes, „und hier dient dies Bild dazu, in die Verhältnisse der Dreifaltigkeit einen entschiedenen Subordinationismus zu bringen, der sich im Verhältnis des Hl. Geistes zum Sohne noch einmal wiederholt: Eine durchaus vertikale Ordnung der göttli chen Naturen entsteht so, die dem Aufriß des übrigen Seins angepaßt und äußerst charakteristisch für den ganzen Denktypus, seine Ordnungs- und Erzeugungsgesetze ist. Beide Hypostasen sind κτίσματα, aber von Ewigkeit her, wie es dem ‚Licht‘-Vergleich entspricht: ewige Ausstrahlungen des ewigen Lichtes. […] Mit ihnen beginnt in der Tat schon die
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denen sich der Vater in seiner radikalen Transzendenz der Erkenntnis durch den Heiligen Geist letztlich entzieht. Gegenüber der pointiert antimodalistischen Sichtweise, in der er den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist als in ihrer Eigenständigkeit voneinander unterschiedene Hypostasen in den Blick nimmt, gibt es bei Origenes allerdings auch vereinzelt Ansätze, die drei Hypostasen als geeinte Trias zu betrachten. Diese „Ansätze einer expliziten Pneumatologie“549 konnten sich im Blick auf das spätere trinitarische Dogma als ausbaufähig erweisen. Danach steht der Heilige Geist in einer ewigen, unwandelbaren Beziehung zum Vater und zum Sohn. Die drei Hypostasen bilden von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit ein unzertrennliches Beziehungsgefüge. Wie der Sohn in ewiger Gegenwart aus dem Vater gezeugt wird, so geht auch der Heilige Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit durch die Vermittlung des Sohnes aus dem Vater hervor. Dem ewigen Beziehungsgefüge entsprechend ist der Heilige Geist wie der Vater und der Sohn wesenhaft gut und heilig, wenngleich Güte und Heiligkeit im Modus der Selbstursprünglichkeit nach Origenes gemäß biblischem Zeugnis nur dem Vater, dem Urgrund der Gottheit, zukommen. Anders als die vernunftbegabten Kreaturen ist der Heilige Geist in seiner seinsmäßigen und moralischen Beschaffenheit somit jeglichem Wandel enthoben. In der Tatsache, dass Origenes dem Heiligen Geist zusammen mit dem Vater und dem Sohn die Wesenseigenschaft der Unwandelbarkeit und der substantiellen Güte zuschreibt, um auf diese Weise alle drei Hypostasen von der übrigen Wirklichkeit abzugrenzen, kann man durchaus einen rudimentären Ansatzpunkt für das spätere kirchliche Dogma sehen, dem zufolge alle drei Hypostasen ein und dieselbe göttliche Wesensnatur miteinander teilen.550 Diese Feststellung findet eine Bestätigung darin, dass Origenes den Heiligen Geist im Blick auf seine metaphysische Stellung dem Sohn auch beiordnen kann. Außerdem, so haben wir festgestellt, begegnet an einer Stelle seines Johanneskommentars, wenn auch mehr implizit als explizit, die Vorstellung einer dynamisch konstituierten Beziehungseinheit, worin der Heilige Geist mit dem Vater eins ist. Diese Vorstellung, die Origenes aus einem Wort des Hebräerevangeliums ableitet, wonach der Heilige Geist „Mutter Christi“ ist, entspricht in ihrer inneren Sinnlogik progressiv abnehmende Reihe der Schöpfung […]; ihr wesentlicher ontologischer Unterschied von den folgenden Wesen ist, daß sie nicht des Gegensatzes fähig, d. h. daß sie unwandelbar gut sind […]. ‚Nach‘ ihnen, aber immer noch im Bezirk der ewigen Schöpfung, beginnt dann sogleich das Reich der Wandelbarkeit“ (Herv. v. Verf.). Vgl. auch Brox, Spiritualität und Orthodoxie 142: „das [sc. ontologische] Gefälle setzt sich vom Sohn zum Geist konsequent fort und von ihm zu den geschaffenen Geistwesen.“ 549 Dünzl, Geschichte des trinitarischen Dogmas 126. 550 So z. B. auch Berthold, Holy Spirit 447; McDonnell, Holy Spirit 18; Markschies, Erforschung der altkirchlichen Trinitätstheologie 298 mit Anm. 54; Tite, The Holy Spirit’s Role 144.
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ganz derjenigen Überlegung, mit der er die biblisch bezeugte Einheit von Vater und Sohn zu verstehen sucht. Weil er in dieser Überlegung der Sache nach bis zu der Vorstellung einer Konsubstantialität von Vater und Sohn vorstößt, besteht die Vermutung nicht ohne Grund, dass er der Sache nach auch den Heiligen Geist als eine Hypostase verstanden wissen will, die mit dem Vater und dem Sohn die eine und einzige wahrhaft göttliche Wesensnatur teilt. Die antimodalistische Hypostasenkonzeption bringt es mit sich, dass Origenes dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist einen je eigentümlichen Wirkbereich und eine je eigentümliche Wirkmacht zuschreibt. Das spezifische Handlungsfeld des Heiligen Geistes besteht in der Heiligung der vernunftbegabten Kreaturen. In seinem spezifischen Wirken verleiht der Heilige Geist diesen Kreaturen Anteil an der Gnadenwirklichkeit des Sohnes und, durch diesen vermittelt, an der Gnadenwirklichkeit des Vaters. Durch die Gnade des Heiligen Geistes, die dieser selbst ist, erlangt die vernunftbegabte Kreatur in ihrer Beziehung zum Urgrund der Gottheit ihre Vollendung, zu der sie von Anfang an berufen ist. Die so bestimmte Wirkweise des Heiligen Geistes lässt nun aber grundlegende Rückschlüsse auf seine ontologische Beschaffenheit zu. Sie setzt voraus, dass der Heilige Geist anders als die wandelbaren Vernunftgeschöpfe nicht nur wesenhaft gut und heilig, sondern auch wesenhaft göttlich ist. Wenn der Heilige Geist Anteil am Leben Gottes, des Vaters, zu vermitteln imstande ist, dann muss ihm die wahre göttliche Seinswirklichkeit selbst zukommen. Als Hypostase der Gnade wird der Heilige Geist nach Origenes in zeitloser Gegenwart vom Vater durch den Sohn begründet, so dass, wer Anteil am Heiligen Geist erhält, hineingenommen wird in die ewige Gegenwart der trinitarischen Hypostasenrelation, deren Seinswirklichkeit wahrhaft göttlich ist. „Origenes“, so lässt sich daher mit Henning Ziebritzki resümieren, „setzt bei dieser Explikation des Zusammenwirkens der trinitarischen Personen also die Gültigkeit des Arguments voraus, das auch im vierten Jahrhundert noch die Grundlage für die Annahme der Göttlichkeit des Heiligen Geistes bildete: wenn der Heilige Geist die Teilhabe an der göttlichen Natur vermitteln können soll, dann muss ihm diese Natur selbst zu eigen sein.“551 Es zeigen sich in der Frage nach der Ontologie des Heiligen Geistes also dieselben ambivalenten Tendenzen, wie sie uns bereits im Blick auf den ontologischen Status des Sohnes begegnet sind: Für die Betrachtung leitend ist die antimodalistische Perspektive, in der der Heilige Geist als eigenständige Hypostase vom Vater und vom Sohn unterschieden ist. In dieser Perspektive neigt Origenes bisweilen dazu, die dritte Hypostase den beiden anderen Hypostasen in einer Weise unterzuordnen, die durchaus ontologische Implikationen aufzuweisen scheint. Daneben bricht sich bei ihm aber in ersten Ansätzen durchaus eine konkurrie551 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 258 mit Verweis auf Athanasius von Alexan-
drien, Epist. ad Serap. 1,23 f. (PG 26, 584B–588B).
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rende Sichtweise Bahn, in der er die Vorstellung der einen und einzigen, in sich trinitarisch differenzierten Wirklichkeit Gottes zwar nicht dem Begriff, wohl aber der Sache nach zu erreichen scheint.552
552 Diese Sichtweise lässt sich mit Crouzel, Origène et la „connaissance mystique“ 81 so
zusammenfassen: „Origène, comme la théologie grecque qui l’a suivi, montre plutôt le Fils et l’Esprit intérieurs à l’essence du Père, sans distinguer la question de l’unité de nature de celle de l’origine.“ – Die origeneische Pneumatologie erfuhr schon im vierten Jahrhundert durch Basilius von Cäsarea, De spir. sanct. 29,73,1–19 (SC 17, 506–508) eine recht differenzierte Beurteilung: Einerseits seien die Überlegungen des Alexandriners über den Heiligen Geist nicht völlig orthodox (Basilius nennt Origenes ἄνδρα οὐδὲ πάνυ τι ὑγιεῖς περὶ τοῦ Πνεύματος τὰς ὑπολήψεις ἐν πᾶσιν ἔχοντα), zum anderen fänden sich in dessen Werk vielfach aber auch solche Aussagen über die dritte göttliche Hypostase, die der rechten Frömmigkeit durchaus entspechen (πολλαχοῦ καὶ αὐτὸς […] τὰς εὐσεβεῖς ϕωνὰς ἀϕῆκε περὶ τοῦ Πνεύματος).
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1. Trinität und Schöpfung 1.1 Der Vater als schöpferischer Urgrund aller geschaffenen Wirklichkeit Wie Origenes im Vorwort zum ersten Buch seiner Grundlagenschrift feststellt, gehört das Bekenntnis, „dass ein Gott ist, der alles geschaffen und geordnet und der das All ins Sein gerufen hat, als nichts war“, zu den grundlegenden Aussagen des apostolischen Kerygmas.553 Es entspricht dem ersten Vers der Genesis, in dem es heißt: „Im Anfang (ἐν ἀρχῇ) hat Gott (ὁ ϑεός) den Himmel und die Erde gemacht“ (Gen 1,1). Zur Auslegung dieses Bekenntnisses entwickelt Origenes in kreativer Rezeption der paganen Kosmologie eine umfassende Schöpfungstheologie, deren Mitte das Theologumenon von der Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes bildet. Nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift und der einhelligen Tradition der kirchlichen Glaubensverkündigung ist allein der Vater schöpferischer Urgrund aller geschaffenen Wirklichkeit. Er hat das gesamte Universum im Dasein begründet. Als ὁ ὤν ist „der über alles erhabene Vater“554 der Ursprung alles dessen, was ist. Alles von ihm selbst Verschiedene ruft er dadurch ins Dasein, dass er ihm Anteil verleiht an seiner selbstursprünglichen Seinsfülle. So ist der Schöpfer nicht nur der Vater seines eingeborenen Sohnes, sondern „Vater und Schöpfer aller Wirklichkeit (τῶν ὅλων πατὴρ καὶ δημιουργός)“.555 Obwohl Origenes Spr 8,22 entnimmt, dass der Sohn, insofern er die Sophia ist, als ἀρχή betrachtet werden muss, um aufgrund dieses Befunds die zentrale Bedeutung zu entfalten, die ihm für die Begründung und Erhaltung der Schöpfung zukommt, lässt er doch keinen Zweifel daran, dass allein der ungewordene Vater die ἀρχή schlechthin ist, in der alles Seiende seinen Grund hat (ἁπαξαπλῶς ἀρχὴ τῶν ὄντων ὁ ϑεός).556 Dieser Wahrheit trägt der christliche Glaube dadurch Rechnung, dass er von der Schöpfung sagt, sie sei aus dem Nichts erfolgt. Die Lehre von der creatio ex nihilo sieht Origenes vor allem durch das Glaubenszeugnis der Mutter der sieben Märtyrer in 2 Makk 7,28 verbürgt. Dabei folgt er einer Lesart, aus der unzweideutig hervorgeht, dass Gott (ὁ ϑεός) das All „aus Nicht-Seiendem (ἐξ οὐκ ὄντων)“ geschaffen hat.557 Um die Wirklichkeit in ihrer Gesamtheit hervorzubrin553 Princ. I Praef. 4 (TzF 24, 86). Dabei bezieht sich Origenes auf den „Hirten des Hermas“,
z. B. in In Ioh. comm. XXXII 16,187 (SC 385, 268) oder Princ. I 3,3 (TzF 24, 162).
554 In Ioh. comm. XXVIII 4,24 (SC 385, 70). Vgl. Orat. 23,5 (GCS Orig. 2, 353,9–11). 555 In Ioh. comm. I 6,35 (SC 120, 78). 556 In Ioh. comm. I 17,102 (SC 120, 112–114). 557 In Ioh. comm. I 17,103 (SC 120, 114). Dagegen lautet die LXX-Version: οὐκ ἐξ ὄντων. – Die
Lehre von der creatio ex nihilo, die nach May, Schöpfung aus dem Nichts 85 „in eindeutiger Gestalt zuerst bei einem gnostischen Theologen“ namens Basilides um die Mitte des zweiten Jahrhunderts begegnet, findet sich vor Origenes bei Tatian, Orat. ad Graec. 5,6 f.
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gen, bedurfte es nichts außer des einen und einzigen göttlichen Seinsgrundes, als der der allmächtige Vater von Ewigkeit her subsistiert. Damit schließt Origenes jeglichen kosmologischen Dualismus aus. Ausdrücklich verwirft er deshalb die platonisch-stoische Vorstellung einer ungewordenen Urmaterie, die in derselben Weise selbstursprünglich und ewig ist wie der Schöpfergott.558 Weil alles Geschaffene seinen Grund in der selbstursprünglichen Wirklichkeitsfülle des Vaters hat, der der Inbegriff des Guten ist, ist es im tiefsten Grund seines Wesens selbst gut. Alles hingegen, was im strengen Sinn des Begriffs nicht gut ist, ist überhaupt nicht (οὐκ ὄν), wie Origenes im Einklang mit der platonischen Ontologie erklärt.559 Denn es entbehrt mit der Teilhabe am Guten zugleich der Teilhabe am Sein, „ist“ – nicht-seiend! – völlig unbestimmtes Nichts, reine Nichtigkeit.560 Die gute Schöpfung dagegen besteht als ein in sich wohlgeordnetes Gefüge (εὐταξία), dessen jeweiliger Zustand im Ganzen stets vollkommen ist. Dies ergibt sich nicht nur aus der Allwissenheit des Schöpfers, der über allem seine gütige Vorsehung walten lässt, sondern vor allem auch daraus, dass der alles begründende Ursprung aller Wirklichkeit ein einziger ist, wie Origenes gegenüber den polytheistischen Kosmogonien der antiken Mythologie feststellt.561 Das gesamte All, so erklärt er im Anschluss an den Apostel Paulus, hat seinen Bestand in dem einen und einzigen göttlichen Wirklichkeitsgrund, durch den es als einheitliches, in sich geordnetes Gefüge zusammengehalten wird und in dem es zugleich sein Endziel findet.562 „Unser Paulus sagt: ‚Aus ihm und durch ihn und auf ihn hin sind alle Dinge‘ (Röm 11,36) und bezeichnet so den Ursprung des Bestands des Universums (τὴν ἀρχὴν τῆς τῶν πάντων ὑποστάσεως) mit der
(BHTh 165, 96–98); Theophilus von Antiochien, Ad Autol. I 4,5 (FP 16, 68); 8,3 (FP 16, 78); II 4,4–9 (FP 16, 98–100); 10,1 (FP 16, 116); 13,1 (FP 16, 126); Irenäus von Lyon, Adv. haer. II 10,4,53–61 (SC 294, 90); Tertullian, Adv. Hermog. 17,1,1–10 (SC 439, 122–124); Hippolyt, Refut. X 32 (GCS Hipp. 3, 288,7–12). 558 In Ioh. comm. I 17,103 (SC 120, 114); Princ. I 3,3 (TzF 24, 160); II 1,4 (TzF 24, 292–294). Vgl. ausführlich Köckert, Christliche Kosmologie 278–293. 559 Vgl. Baltes, Was ist antiker Platonismus? 231 f. mit Anm. 87. 560 Im Blick auf die Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes erklärt Origenes: Weil das Nichts (οὐδέν) als „Auch-Nicht-Eines“ (οὐδὲ ἕν; zu dieser Etymologie vgl. auch Platon, Polit. V 478 b 3–12; Plotin, Enn. V 2,1,1) nicht ist, ist es auch nicht durch den Logos geworden, weshalb es in der zweiten Satzhälfte von Joh 1,3 heißt: „Und ohne ihn ist geworden auch nicht eines (οὐδὲ ἕν)“ (In Ioh. comm. II 13,96 [SC 120, 268–270]; 13,99 [SC 120, 270]). Wie die ältesten Textzeugen bezieht Origenes den Relativsatz ὃ γέγονεν in Joh 1,3 nicht auf den Ausdruck οὐδὲ ἕν, sondern als Subjektsatz auf die Aussage von Joh 1,4. Nur dadurch wird seine Interpretation des οὐδὲ ἕν möglich. Origenes scheint diese Lesart jedoch nicht aus inhaltlichen Erwägungen gewählt zu haben; sie war vielmehr die einzige Version, die er zu dieser Stelle kannte (vgl. dazu Aland, Untersuchung zu Joh 1,3.4 193 f.). 561 Cels. I 23,16–20 (SC 132, 132). 562 Vgl. Orat. 23,1 (GCS Orig. 2, 349,28–350,1).
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Formulierung ‚aus ihm‘ (ἐξ αὐτοῦ), den Zusammenhalt (τὴν συνοχήν) mit ‚durch ihn‘ (δι᾽ αὐτοῦ) und das Ziel (τὸ τέλος) mit ‚auf ihn hin‘ (εἰς αὐτόν).“563 Gemäß der heilsgeschichtlichen Perspektive des biblischen Zeugnisses ist der Schöpfer der Welt, in dessen Namen auch die alttestamentlichen Propheten aufgetreten sind, kein anderer als der Vater Jesu Christi.564 Auf dieser Identität insistiert Origenes gegenüber Gnostikern und Markioniten immer wieder mit aller Entschiedenheit.565 Seine gesamte Schöpfungstheologie liest sich deshalb als eindrucksvoller Versuch, diesen Zusammenhang auch in seiner kosmologischen Notwendigkeit einsichtig zu machen. Denn es ist ihm darin wesentlich um den Nachweis zu tun, dass der Vater nur darum Schöpfer des Alls zu sein vermag, weil er von Ewigkeit zu Ewigkeit immer schon Vater seines eingeborenen Sohnes ist. Damit sind wir bei der Frage angelangt, welche spezifische schöpfungstheologische Bedeutung der zweiten Hypostase zukommt.
1.2 Der Sohn als Exemplar- und Instrumentalursache der Schöpfung Der Vater vermag der eine und einzige Urgrund aller geschaffenen Wirklichkeit allein deshalb zu sein, weil er sich gegenüber allen Geschöpfen durch eine radikale Transzendenz auszeichnet. Als Prinzip aller Wirklichkeit ist er über die Schöpfung so sehr erhaben, dass es einer Vermittlungsinstanz bedarf, die geeignet ist, die Kluft zwischen dem transzendenten Schöpfungsgrund auf der einen und der Schöpfungswirklichkeit auf der anderen Seite zu überbrücken. Diese Vorstellung steht in der Tradition platonischer Prinzipientheorie, für die seit den Tagen der Alten Akademie bis hin zu den zeitgenössischen kosmologischen Entwürfen im sogenannten Mittelplatonismus und in der Gnosis die Überzeugung von gleichsam axiomatischer Bedeutung ist, dass das erste Prinzip die vielheitliche Wirklichkeit nicht unvermittelt hervorzubringen vermag. Dieses Unvermögen ist dabei aber nicht als ein Mangel aufzufassen, vielmehr artikuliert sich darin die absolute Vollkommenheit des ersten Prinzips. Wenn Origenes eine kosmologische Vermittlungsinstanz annimmt, folgt er damit allerdings keineswegs in erster Linie den Grundanschauungen des Platonismus. Er beruft sich dafür auf die Heilige Schrift, die bezeugt, dass der Vater das All durch die Vermittlung seines Sohnes begründet hat (vgl. Ps 32,6; Weish 9,1; Spr 3,19; Joh 1,3; 1 Kor 8,6; Kol 1,16; Hebr 1,2). Dieses biblische Zeugnis sucht Origenes dahingehend zu explizieren, dass er die zweite Hypostase sowohl als Exemplar- wie auch als Instrumentalursache der Schöpfung begreiflich zu machen 563 Cels. VI 65,2–6 (SC 147, 340–342). 564 In Ioh. comm. XIX 5,29–32 (SC 290, 64–66). 565 Vgl. z. B. Princ. II 4,1 (TzF 24, 328–332).
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sucht. Entscheidende Bedeutung kommt dabei den beiden zentralen Epinoiai des Sohnes zu, deren metaphysischer Fundierung wir bereits nachgegangen sind: So phia und Logos. Mit der Epinoia Sophia verbindet Origenes den Aspekt der Exemplar-, mit der Epinoia Logos den der Instrumentalursächlichkeit. Wie wir bereits ausgeführt haben, stellt der Sohn, insoweit er die Sophia ist, nach Origenes gewissermaßen den Bauplan für die gesamte Schöpfungswirklichkeit dar, den der Vater dadurch hervorbringt, dass er den Sohn in ewiger Gegenwart zeugt. Einem Architekten vergleichbar, entwirft der Vater im Akt der Zeugung die den geschaffenen Entitäten zugrundeliegenden idealen Urbilder und kreativen Urkräfte, indem er diese aus seiner transzendenten, schlechthin einfachen Wirklichkeitsfülle hervorgehen und in der Hypostase seines Sohnes Gestalt annehmen lässt. Was der Vater in seiner radikalen Transzendenz als absolute Einheit in sich begreift, subsistiert in der Hypostase seines Sohnes als zur All-Einheit vermittelte Vielheit noetischer Realitäten, die der Sohn dadurch verinnerlicht, dass er die Wirklichkeitsfülle seines Vaters ununterbrochen schaut. Die noetischen Realitäten sind die exemplarischen Archetypen (τύποι) und kreativen Wirkkräfte (λόγοι), denen gemäß bzw. kraft derer das aus geistigen wie körperlichen Kreaturen bestehende Universum geschaffen ist. Weil der Sohn als Sophia die Exemplarursache der Schöpfung ist, preist der Psalmist Gott, den Vater, mit dem Bekenntnis: „Alles hast du ἐν σοϕίᾳ gemacht“ (Ps 103,24). Dazu erklärt Origenes: „Ich glaube nämlich, dass ebenso, wie nach den Entwürfen eines Architekten (κατὰ τοὺς ἀρχιτεκτονικοὺς τύπους), ein Haus und ein Schiff gebaut bzw. gezimmert wird – wobei das Haus und das Schiff die im Handwerker vorhandenen Urbilder (τύπους) und Gestaltungskräfte (λόγους) als Grundlage (ἀρχήν) haben –, auch das All entstanden ist gemäß der von Gott in der Sophia vorausentworfenen Wirkkräfte (λόγους) der zukünftigen Realitäten.“566 Wie der Bauplan dem Bau eines Hauses oder Schiffs zugrunde liegt, so ist der Sohn als Inbegriff der exemplarischen Archetypen und rationalen Strukturprinzipien die Grundlage, die ἀρχή der Schöpfung. Davon legt nach Origenes die Sophia selbst Zeugnis ab, wenn sie im Buch der Sprichwörter von sich bekennt: „Der Herr hat mich geschaffen als Anfang seiner Wege (ἀρχὴν ὁδῶν αὐτοῦ) im Hinblick auf seine Werke (εἰς ἔργα αὐτοῦ)“ (Spr 8,22). Bevor Gott, der Vater, den Weltenlauf, bevor er die Erde, die Meerestiefe und die Wasserquellen, bevor er die Berge und die Hügel erschuf, so deutet Origenes den Zusammenhang von Spr 8,22–25,567 hat er kraft seines ewigen Ratschlusses als Anfang seiner schöpferischen Unternehmungen seinen Sohn als Sophia gezeugt und in ihm den Grund für seine künf-
566 In Ioh. comm. I 19,114 (SC 120, 120). Vgl. auch In Ioh. comm. I 39,288 (SC 120, 204). 567 Vgl. auch Sir 1,1–4.
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tigen Schöpfungswerke gelegt (vgl. auch den christologischen Titel in Offb 3,14: ἡ ἀρχὴ τῆς κτίσεως τοῦ ϑεοῦ).568 Die Schöpfung erfolgt gemäß dem Sohn, insofern dieser als Sophia von Ewigkeit zu Ewigkeit die Schöpfungswirklichkeit in ihrer idealtypischen Urform in sich darstellt. Sie erfolgt durch den Sohn, insofern dieser zugleich der Logos ist. Wie wir bereits ausgeführt haben, kommt in der Epinoia Logos nach Origenes der Sachverhalt zum Ausdruck, dass der Sohn in sich die Fülle der λόγοι, das Gesamt der gestaltenden Urkräfte, begreift, als das er den ewigen Schöpfungsplan seines Vaters realisiert. Was der Sohn als Sophia exemplarursächlich als All-Einheit in sich umfasst, begründet er instrumentalursächlich als real-vielheitliche Wirklichkeit außerhalb seiner selbst, insofern er als Logos die schöpferische Wirkkraft ist, vermittels derer der Vater die kreatürliche Welt hervorbringt.569 Die schöpferische Wirkmacht des Sohnes, die er nach Art der platonisch-stoischen Vorstellung einer das All begründenden und zusammenhaltenden Weltseele expliziert,570 scheint Origenes dabei darin zu sehen, dass dieser als Logos die archetypischen Urbilder (νοήματα/τύποι), die er als Sophia in sich begreift, im Modus der λόγοι zu geschaffenen Entitäten substantialisiert.571 Den für die Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes grundlegenden inneren Zusammenhang der Epinoiai Sophia und Logos572 sieht Origenes im Eingangsvers 568 Soweit ersichtlich, ist Theophilus von Antiochien, Ad Autol. II 10,2–10 (FP 16, 116–120) der
erste, der im Blick auf den ἀρχή-Begriff Spr 8,22–30 mit Gen 1,1 in Verbindung bringt und die ἀρχή christologisch deutet. Vgl. Nautin, Genèse 1,1–2 72 f. 93. 569 Vgl. auch Philo von Alexandrien, Cher. 127; Leg. III 96; Spec. I 81. 570 Vgl. die auf den Sohn bezogene Rede von der ἔμψυχος σοϕία in In Ioh. comm. I 19,115 (SC 120, 122); 34,244 (SC 120, 180), vom ἔμψυχος λόγος in In Ioh. comm. II 8,60 (SC 120, 242); XIII 25,152 (SC 222, 114); XIX 8,45 (SC 290, 76); In Matth. comm. X 14 (GCS Orig. 10, 17,27), von der ζῶσα καὶ ἔμψυχος ὁδός in In Ioh. comm. XXXII 7,83 (SC 385, 222) und von der ἔμψυχος καὶ ζῶσα ἀρετή in In Ioh. comm. XXXII 11,127 (SC 385, 242). Explizit begegnet das Theorem der Weltseele in Princ. II 1,3 (TzF 24, 288): et universum mundum velut animal quoddam inmensum atque inmane opinandum puto, quod quasi ab una anima vir tute dei ac ratione teneatur. Zum Problem vgl. Köckert, Christliche Kosmologie 245–247. 571 Weil mit den Epinoiai Sophia und Logos nur verschiedene Aspekte des Sohnes zur Sprache gebracht werden, dieser dabei aber immer ein und derselbe ist und bleibt, kann Origenes den instrumentalursächlichen Aspekt der Schöpfungsmittlerschaft auch unter dem Aspekt Sophia (statt unter dem Aspekt Logos) verhandeln. So heißt es in In Ioh. comm. I 19,115 (SC 120, 122): „Man muss sagen, dass Gott, der eine sozusagen beseelte Sophia geschaffen hat (κτίσας ἔμψυχον σοϕίαν), es dieser aufgetragen hat, von den in ihr vorhandenen τύποι den Seienden (τοῖς οὖσι) und der Materie (τῇ ὕλῃ) sowohl die Gestalt (πλάσιν) als auch die Urbilder (εἴδη) zuteil werden zu lassen (παρασχεῖν), wobei ich es dahingestellt sein lasse, ob auch das jeweilige Verwirklichtsein (τὰς οὐσίας).“ Vgl. auch In Ioh. comm. XIX 22,147 (SC 290, 136). 572 Diesem Zusammenhang von Sophia und Logos entspricht in struktureller Parallele die „modalistische“ Differenzierung zweier funktional verschiedener Aspekte des zweiten Gottes, wie sie in den kosmologisch ausgerichteten Zwei-Götter-Lehren der Platoniker
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des Johannesprologs zum Ausdruck gebracht, den er vor dem Hintergrund von Spr 8,22 folgendermaßen umformulieren kann: „In der Sophia war der Logos.“ Der Sohn als Logos subsistiert in ewiger Gegenwart in sich selbst, insofern er die Sophia ist. Und nur kraft dieser Selbstreflexivität vermag er für die gesamte geschaffene Wirklichkeit Exemplar- und Instrumentalursache zugleich zu sein. Als Logos nämlich spricht er die idealen Wirklichkeiten, die er als All-Einheit selbst ist, in der Weise aus, dass diese als reale Wirklichkeiten außerhalb seiner selbst zu eigenständigem Dasein gelangen.573 Dementsprechend lautet der Deutungsvorschlag, den Origenes in komprimierter Form seinem Leser zum ersten Vers des Johannesprologs unterbreitet: „Überlege, ob wir den Satz ‚Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος‘ vielleicht dahingehend verstehen können, daß gemäß der Sophia und den Urbildern sämtlicher in ihm [sc. im Logos] vereinigter noetischer Realitäten das All entsteht (ἵνα κατὰ τὴν σοϕίαν καὶ τοὺς τύπους τοῦ συστήματος τῶν ἐν αὐτῷ νοημάτων τὰ πάντα γίνηται).“574 In ähnlicher Weise erklärt er an einer anderen Stelle: „Und ‚alles ist durch ihn [sc. den Logos] geworden‘ (Joh 1,3), indem dieser ἐν ἀρχῇ war (Joh 1,1 f.). ‚Alles‘ nämlich hat Gott (ὁ ϑεός) David zufolge ‚ἐν σοϕίᾳ gemacht‘ (Ps 103,24).“575 Dass die exemplar- und instrumentalursächliche Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes auch die Erhaltung der gesamten Schöpfung umfasst, erklärt Origenes im Blick auf den Logos folgendermaßen: „Dieser durchdringt die ganze Schöpfung, so dass immerfort das Werdende durch ihn wird und in Wahrheit für jedes Werdende – was es auch sei – immer der Satz: ‚Alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ist geworden auch nicht eines‘ (Joh 1,3) ebenso gilt wie das Wort des Psalmisten: ‚Alles hast du in der Sophia gemacht‘ (Ps 103,24).“576 Nur durch die permanente kreative Immanenz des universalen Schöpfungsmittlers also hat die Schöpfung dauerhaft Bestand.577 Sie ist bleibend auf ihre archetypische Grundlegung in der Sophia und auf das daseinsbegründende Wirken des Logos angewiesen, ohne die sie im radikalen Nichts versinken müsste. Weil die Schöpfung aber nur deshalb zu bestehen vermag, weil sie teilhat am Vater, dem Urgrund allen Seins, ist es der Vater, der den Erhalt der Schöpfung im Letzten garantiert. Wir haben bereits gesehen, dass Origenes im Anschluss an Röm 11,36 den Vater als denjenigen betrachtet, dem das All seinen inneren Zusammenhalt (τὴν Alkinoos und Numenios begegnet. Vgl. dazu die gründliche Analyse von Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 44–92. 573 Vgl. Platon, Tim. 28 a 6 – 29 b 1, wonach der sichtbare Kosmos vom Demiurgen geschaffen wird im Hinblick auf die ewigen Ideen. 574 In Ioh. comm. I 19,113 (SC 120, 120). 575 In Ioh. comm. I 39,290 (SC 120, 206). 576 In Ioh. comm. VI 38,188 (SC 157, 268). Vgl. auch Princ. II 11,6 (TzF 24, 454). 577 Für die These von der Immanenz des Logos in der Schöpfung beruft sich Origenes auch auf Joh 1,10, wo es heißt: ἐν τῷ ϰόσμῳ ἦν (so in In Ioh. comm. VI 39,195 [SC 157, 274]).
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συνοχήν) verdankt. Dabei ist aber immer vorausgesetzt, dass das schöpfungsbewahrende nicht weniger als das schöpfungsbegründende Wirken des Vaters durch die Vermittlung des Sohnes erfolgt. Wo der Vater wirkt, wirkt immer auch der Sohn, wie für Origenes aus dem Herrenwort Joh 5,17 hervorgeht: „Mein Vater ist bis jetzt am Werk, und auch ich bin am Werk.“ Dass der Sohn seinem Vater aber nicht in solcher Weise als Schöpfungsinstrument dient, dass er ihm dabei äußerlich bleibt – wie das Werkzeug dem Handwerker, der es in die Hand nimmt – ergibt sich für Origenes auch aus Joh 10,38, wo der Sohn sein Wirken auf das Wirken des Vaters zurückführt, indem er erklärt, dass er die Werke seines Vaters vollbringt, weil der Vater in ihm und er selbst im Vater ist. Der Vater wirkt also deshalb im Sohn und durch den Sohn, weil er mit seiner göttlichen Seinswirklichkeit im Sohn gegenwärtig ist, in dem, wie wir gesehen haben, sein Wille subsistiert.578 So sehr für Origenes feststeht, dass der Sohn seiner Hypostase nach vom Vater verschieden ist, und so sehr aus seinem kosmologischen Entwurf hervorgeht, dass der jeweiligen Eigentümlichkeit beider Hypostasen eine grundlegende funktionale Bedeutung in der Schöpfungsökonomie zukommt, so wenig lässt er einen Zweifel daran aufkommen, dass dem Sohn trotz seiner hypostatischen Eigenart als Sophia und Logos keine geringere Wirklichkeitsfülle zukommt als dem Vater, so dass in diesem Sinn wirklich der Vater in ihm und durch ihn zu wirken vermag. Wenn der Vater also absolute Einheit, der Sohn als Sophia hingegen eine zur All-Einheit vermittelte Vielheit ist, so impliziert das Verhältnis beider Hypostasen für Origenes doch keine seinsmäßige Unterordnung des Sohnes unter den Vater. Vielmehr ist die gleiche Wirklichkeit, die im Vater im Modus absoluter Einheit subsistiert, im Sohn als All-Einheit realisiert, ohne dabei jedoch aufzuhören, die eine und einzige göttliche Wirklichkeit zu sein, die ihren Urgrund allein in der Hypostase des selbstursprünglichen Vaters hat. An dieser Stelle bestätigt sich die im ersten Teil unserer Untersuchung getroffene Feststellung, dass Origenes die Logik der platonischen Prinzipientheorie und Ontologie, wonach einer Entität umso mehr Seinswirklichkeit zukommt, je mehr sie Einheit ist, dort hinter sich lässt, wo er sich durch das biblische Zeugnis in eine andere Richtung gewiesen weiß. Indem die gesamte Schöpfung ihren exemplarischen Grund in der All-Einheit der Sophia besitzt,579 indem sie nur durch diese ideal-urbildhafte Schöpfung, den 578 Vgl. In Ioh. comm. VI 39,202 f. (SC 157, 280–282). Vgl. dazu Crouzel, Théologie de
l’image de Dieu 91–93.
579 Gegen den Valentinianer Herakleon, der die Ansicht vertreten zu haben scheint, das
Schöpfungshandeln des Logos beschränke sich auf die sichtbare Welt, die der Korruption verfallen sei, besteht Origenes auf der Universalität der Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes. Aus dem Begriff πάντα in Joh 1,3 (vgl. Ps 103,24; Kol 1,16 f.), so erklärt er, darf nichts ausgeschlossen werden (In Ioh. comm. II 14,100 f. [SC 120, 270–272]; vgl. dazu Wucherpfennig, Heracleon Philologus 117–132).
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κόσμος νοητός, zu bestehen vermag, ist sie „nicht ohne Anteil an der göttlichen Sophia, der gemäß sie entstanden ist (οὐκ ἀνένδοχος οὖσα ϑείας σοϕίας, καϑ᾽ ἣν γεγένηται)“.580 In der Teilhaberelation, in der die sinnlich erfahrbare Schöpfungswirklichkeit zum ewigen Gottessohn steht, erkennt Origenes den ontologischen Grund für die analogia entis, auf die er an einer Stelle seines Johanneskommentars eher beiläufig, aber in grundsätzlicher Weise zu sprechen kommt, wenn er erklärt: „Das sinnlich Wahrnehmbare vermag nämlich eine Entsprechung (ἀναλογίαν) zum Geistigen (πρὸς τὸ νοητόν) zu haben.“581 Weil sämtliche sinnlich wahrnehmbaren Entitäten in der Hypostase des Sohnes in rein geistiger exemplarischer Vollkommenheit vorgebildet sind, verweist die Schöpfung in ihrer ganzen Vielfalt abbildhaft auf die in sich vollkommene Wirklichkeitsfülle, als die der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit subsistiert.582 Dass der Sohn, insofern er der Logos ist, seinem Vater bei der Schöpfung als „Gehilfe (ὑπηρέτης)“ zur Seite steht,583 bezeugen in hymnischer Dichtung schon die ersten Seiten der Heiligen Schrift. Dort wird nämlich geschildert, wie Gott, der Vater, an jedem Schöpfungstag einen Befehl erteilt, auf den hin die einzelnen Geschöpfe ins Dasein treten. Ebenso bekennt der Psalmist vom Vater: „Denn er sprach, und sie [sc. die Geschöpfe] sind geworden. Er gebot, und sie wurden geschaffen“ (Ps 32,9; 148,5). Nach Origenes ist der Adressat der schöpferischen Befehle Gottes dessen eingeborener Sohn, der den Willen seines Vaters getreulich ins Werk setzt.584 Dies vermag der Sohn deshalb, weil er vermöge der wirklichkeitsbegründenden Kraft seines Vaters, die in ihm ist, handelt. Unsere Untersuchung der Frage, wie Origenes die vor allem in der Christologie des Johannesevangeliums bezeugte Einheit von Vater und Sohn interpretiert, hat ja ergeben, dass er diese Einheit als eine ewig bestehende Beziehungseinheit versteht, die darin begründet ist, dass der Sohn sich mit seinem Willen immer schon ganz dem Willen seines Vaters angleicht und in seinem Wirken einen getreuen Spiegel des Wirkens seines 580 In Ioh. comm. I 34,244 (SC 120, 180). 581 In Ioh. comm. I 26,167 (SC 120, 144). 582 Vgl. In Cant. comm. II 8,19 (SC 375, 416–418): ista autem, quae in terris sunt visibilia et
corporea, exemplaria verorum dicuntur esse, non vera. Vgl. auch In Cant. comm. III 13,27 (SC 376, 640), außerdem Hengstermann, Weltseele bei Origenes 64 f. 583 In Ioh. comm. II 14,104 (SC 120, 274). Diese Feststellung ist gegen den Gnostiker Herakleon gerichtet, der in seiner Schöpfungslehre von der Annahme ausgegangen zu sein scheint, dass der Logos einen anderen als seinen Gehilfen zur Schöpfung bewogen habe, nämlich den ebenso vom unbegreiflichen höchsten Gott wie vom Logos verschiedenen Demiurgen (vgl. In Ioh. comm. II 14,102–104 [SC 120, 272–274] sowie Irenäus von Lyon, Adv. haer. III 11,2,47–56 [SC 211, 144–146]). Zu Herakleons Interpretation und ihrer Begründung vgl. Wucherpfennig, Heracleon Philologus 147–160, bes. 149 f. 152. 159. 584 Cels. II 9,32–46 (SC 132, 302–304); V 37,39–41 (SC 147, 114); In Matth. comm. XII 2 (GCS Orig. 10, 72,11–14); In Ioh. comm. I 19,110 (SC 120, 118); II 14,104 (SC 120, 274); XXVIII 3,19 (SC 385, 66–68); In Gen. hom. 13,4,29 f. (SC 7, 328).
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Vaters darstellt. Unsere Analyse hat dabei gezeigt, dass die solchermaßen konstituierte Beziehungseinheit der Sache nach die spätere nizänische Lehre impliziert, wonach dem Sohn die gleiche göttliche Seinswirklichkeit zukommt wie dem Vater. Weil dem so ist, weil also dem Sohn in seiner Hypostase der Wille und die Wirkkraft des Vaters als seine eigene Wirklichkeit immanent ist, darum vermag er auch das Instrument der Schöpfung zu sein, in dem letztlich der Vater selbst als Schöpfer am Werk ist. Insofern der Sohn als Schöpfungsmittler die Schöpfung unmittelbar hervorbringt, bezeichnet Origenes ihn „gleichsam als eigenhändigen Schöpfer des Kosmos (ὡσπερεὶ αὐτουργὸν τοῦ κόσμου)“.585 Dabei betont er, dass das Schöpfertum des Sohnes – im logischen Sinn – bloß ein abgeleitetes, sekundäres ist, weil im primären und eigentlichen Sinn Schöpfer des Universums allein der Vater zu sein vermag, der durch seinen Logos die Geschöpfe ins Sein ruft.586 Wenn Origenes im Blick auf Spr 8,22 erklärt, der Sohn sei als Sophia „ἀρχή des Seienden (τῶν ὄντων)“ – wofür er auch Offb 22,13 als Belegstelle anführt –,587 will er also keineswegs in Abrede stellen, dass der absolute Urgrund aller Schöpfungswirklichkeit der selbstursprüngliche Vater ist, in dem ja auch die Hypostase des Sohnes ihren Grund hat. Vielmehr will er mit dieser Redeweise den Sachverhalt zum Ausdruck bringen, dass der Vater in der ewigen Zeugung seines Sohnes einen im Hinblick auf die gesamte Schöpfung relativen Anfang gesetzt hat, der in seiner Exemplarund Instrumentalursächlichkeit für das gesamte Schöpfungswerk von konstitutiver Bedeutung ist. Wenn es im Schöpfungshymnus der Genesis von jedem einzelnen Geschöpf heißt: „Gott (ὁ ϑεός) sah (εἶδεν), dass es schön (καλόν) war“ (Gen 1,4par), so besagt dieser Satz nach Origenes, „dass Gott Einsicht nahm in die λόγοι einer jeden Kreatur und sah, wie jedes der Geschöpfe schön ist entsprechend den λόγοι, denen gemäß es geworden ist.“588 Weil jede Kreatur nur dadurch ins Dasein tritt, dass der göttliche Logos in ihr das entsprechende archetypische Urbild verwirklicht, hat jede Kreatur Anteil an der vollkommenen Gestalt ihres jeweiligen Archetyps. Und weil jedes archetypische Urbild in der göttlichen Sophia mit allen anderen Urbildern zur All-Einheit vermittelt präexistiert, insofern das Einzelne Moment am Ganzen und deshalb selbst das Ganze – die eine und einzige, unteilbare Sophia – ist, hat die Schönheit des sinnlich wahrnehmbaren Kosmos ihren
585 S. Anm. 359. 586 Vgl. auch In Ioh. comm. II 10,72 (SC 120, 252): εἰ πάντα διὰ τοῦ λόγου ἐγένετο, οὐχ ὑπὸ
τοῦ λόγου ἐγένετο, ἀλλ᾽ ὑπὸ κρείττονος καὶ μείζονος παρὰ τὸν λόγον. Τίς δ᾽ ἂν ἄλλος οὗτος τυγχάνῃ ἢ ὁ πατήρ;. 587 In Ioh. comm. I 19,116 (SC 120, 122). 588 In Ioh. comm. XIII 42,280 (SC 222, 180–182). Vgl. auch In Ioh. comm. XIII 42,282 f. (SC 222, 182).
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Grund darin, dass dieser als ganzer ein Abbild der „vielfältigen geistigen Schönheit“ darstellt, die der göttlichen Sophia eigen ist.589 Im Blick auf die Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes stimmt Origenes auch mit der Grundüberzeugung der platonischen Ontologie überein, dass alles Seiende wahr ist. Denn nach Joh 14,6 hat sich der Sohn seinen Jüngern als die Wahrheit geoffenbart, als die Wahrheit seines Vaters, aus dem er gezeugt ist. Insofern er die gesamte kreatürliche Wirklichkeit in idealer Gestalt in sich begreift, ist der Sohn die wesenhafte Wahrheit aller Kreatur, die sich in ihrem Dasein und Sosein nur deshalb zu bewahrheiten vermag, weil sie an der Wahrheit teilhat, die der Sohn selbst ist. Mit Rolf Gögler lässt sich daher im Blick auf den platonischen Exemplarismus, wie ihn Origenes in seiner Schöpfungstheologie rezipiert,590 von einer „Realpräsenz der Wahrheit in der irdischen Schöpfung“ sprechen.591 Alles kreatürliche Sein ist denn auch nur deshalb in seinem Wesen wahr nehmbar, d. h. erkennbar als dasjenige, was es ist, weil in ihm seine ontologische Wahrheit aufscheint, der eingeborene Sohn des Vaters. So vermag Origenes auf seine Metaphysik der zweiten Hypostase eine Erkenntnistheorie zu gründen, die auf eine Erkenntnis des Wesens der Dinge abzielt. Der Sohn ist aber nicht nur die Wahrheit jeder einzelnen Kreatur. Er ist nach Origenes zugleich auch das Medium aller Erkenntnis. Als αὐτολόγος, so haben wir gesehen, ist er ja die Quelle aller Vernunftwirklichkeit. Daher ist es der vernunftbegabten Kreatur gegeben, das Wesen der Dinge im Licht eben derjenigen Wirklichkeit zu erfassen, die diese Dinge als das konstituiert, was sie sind, um in der Erkenntnis der noetischen Urbilder der Schöpfung sich aufzuschwingen zur Schau Gottes, des Vaters, der der göttliche Urgrund allen Seins ist.592 Damit sind wir an einem weiteren Punkt angelangt, dem innerhalb der trinitarischen Heilsökonomie, wie Origenes sie entfaltet, fundamentale Bedeutung zukommt, der Tatsache nämlich, dass die vernunftbegabten Geschöpfe ihre Vernunftbegabung der Teilhabe am Sohn verdanken.
1.3 Die Erschaffung der Vernunftwesen κατ᾽ εἰκόνα ϑεοῦ Origenes geht davon aus, dass die geschaffene Wirklichkeit aus zwei Bereichen besteht, die sich wesenhaft voneinander unterscheiden. Danach umfasste die von Gott ursprünglich gewollte und realisierte Schöpfung ausschließlich rein geis tige Vernunftwesen (νόες/λογικοί/λογικά), die alle mit dem gleichen Vernunft589 In Ioh. comm. I 9,55 (SC 120, 88). 590 Vgl. Gögler, Theologie des biblischen Wortes 224 f. 591 Ebd. 227. 592 Vgl. Cels. VII 46,34–46 (SC 150, 124–126); In Cant. comm. III 13,16 f. (SC 376, 632–634).
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vermögen begabt waren. Erst nachdem diese Vernunftwesen aus freier Wahl ihrer schöpfungsgemäßen Bestimmung – der durch den Sohn im Heiligen Geist vermittelten Gemeinschaft mit Gott, dem Vater – untreu geworden waren, rief der Schöpfer den materiell-körperlich verfassten Kosmos ins Dasein, um mit ihm einen Raum zu schaffen, der geeignet war, die abgefallenen Vernunftgeschöpfe nicht nur für ihren Sündenfall in gerechter Weise zu bestrafen, sondern vor allem darauf hin zu erziehen, dass sie zu ihrer ursprünglichen Bestimmung, der Einheit mit Gott, zurückfinden. Mit seiner Lehre von der doppelten Schöpfung entspricht Origenes zwar der dualistischen Anschauung des Platonismus, wonach die Seelen gegenüber den Körpern präexistent sind und ihr körperliches Dasein als ein Zustand zu betrachten ist, den es zu überwinden gilt.593 Er begründet diese Lehre aber damit, dass sich in der Bibel zwei Schöpfungsberichte finden, die seiner Ansicht zufolge ihrem tieferen Aussagegehalt nach von den beiden unterschiedlichen Bereichen der Schöpfung handeln. So bezieht er den ersten Schöpfungsbericht (Gen 1,1–2,4a) auf die Erschaffung des sogenannten inneren Menschen, der seinem Wesen nach594 ein unkörperliches, rein geistiges595 Vernunftgeschöpf ist. Demgegenüber sieht er im zweiten Schöpfungsbericht (Gen 2,4b–25) die Erschaffung des Menschen aus dem Erfahrungshorizont der gegenwärtigen Weltzeit heraus thematisiert, in der sich der Mensch als ein materiell-körperlich verfasstes Geschöpf vorfindet.596 Der aus der Erde des Ackerbodens geformte Mensch (vgl. Gen 2,7) veranschaulicht für Origenes also die conditio humana nach dem Sündenfall, während der „gemäß dem Bild Gottes (κατ᾽ εἰκόνα ϑεοῦ)“ geschaffene Mensch (vgl. Gen 1,26 f.) seiner Meinung nach der eigentliche Mensch, ein reines Vernunftwesen, ist.597 Wenn es vom inneren Menschen heißt, er sei „gemäß dem Bild Gottes“ geschaffen – eine Aussage, die Origenes auf alle präexistenten Vernunftgeschöpfe be593 Vgl. Baltes, Was ist antiker Platonismus? 225–228 mit reichem Quellenmaterial. 594 Cels. VII 38,15 f. (SC 150, 100). 595 Es gibt im lateinisch überlieferten Werk des Origenes Stellen, nach denen die Vernunftwe-
sen immer schon körperlich verfasst sind (z. B. In Ex. hom. 6,5,21–23 [SC 321, 184]; Princ. I 6,4 [TzF 24, 230]; II 2,2 [TzF 24, 298]; IV 3,15 [TzF 24, 778–780]), während die Eigenschaft der Unkörperlichkeit allein der Trinität zugesprochen wird. „Diese Stellen aber stehen im Verdacht, nicht origeneisch zu sein“ (so Strutwolf, Gnosis als System 238 f.; vgl. auch 240 f.). 596 Vgl. In Gen. hom. 1,13,6–18 (SC 7, 56–58); In Matth. comm. XIV 16 (GCS Orig. 10, 321,34– 322,22). – Mit der Auslegung des doppelten Schöpfungsberichts bei Philon von Alexandrien, Opif. 76; 134–139; Leg. II 4, zu der Origenes’ Deutung mancherlei Parallele erkennen lässt, beschäftigen sich Früchtel, Die kosmologischen Vorstellungen bei Philo 27–36 und Früchtel, Anmerkungen 64 f. 597 Dial. 11,19–12,14 (SC 67, 78–80); 15,28–16,10 (SC 67, 88). Vgl. auch In Ioh. comm. XX 22,182 (SC 290, 248): καὶ ἡμῶν δὲ ἡ προηγουμένη ὑπόστασίς ἐστιν ἐν τῷ κατ᾽ εἰκόνα τοῦ κτίσαντος.
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zieht –,598 so stellt sich die Frage, was damit eigentlich gemeint ist. Auf diese Frage antwortet Origenes mit einer subtilen exegetischen Interpretation. Er bezieht den Ausdruck „Bild Gottes“ in Gen 1,26 f. auf den eingeborenen Sohn des Vaters und beruft sich dafür auf 2 Kor 4,4 und Kol 1,15, wo mit den Bezeichnungen εἰκὼν τοῦ ϑεοῦ bzw. εἰκὼν τοῦ ϑεοῦ τοῦ ἀοράτου kein anderer gemeint ist als der Sohn, den der Vater von Ewigkeit zu Ewigkeit zeugt. Die vernunftbegabten Kreaturen sind folglich – darin sieht Origenes die tiefere Wahrheit von Gen 1,26 f. – gemäß dem ewigen Gottessohn geschaffen.599 Dieser schöpfungstheologische Sachverhalt ist der Grund für ihre Vernunftbegabung, die daraus resultiert, dass sie immer schon wesenhaft teilhaben an der vollkommenen Vernunftwirklichkeit, als die der ewige Logos von Ewigkeit zu Ewigkeit subsistiert.600 Bevor wir im Folgenden den weitverzweigten Implikationen nachgehen, die im origeneischen Denken mit dieser Vorstellung verbunden sind, gilt es vorerst, auf ein Verständnisproblem aufmerksam zu machen, das sich in diesem Kontext auftut: Wie wir bereits ausgeführt haben, betrachtet Origenes den Sohn, insofern dieser die Sophia ist, als Exemplarursache der gesamten Schöpfungswirklichkeit. So gilt auch für die Vernunftwesen der primären Schöpfung, dass sie im göttlichen Sohn ihre Exemplarursache haben. Auch sie sind gemäß der ihnen entsprechenden idealen Urwirklichkeit ins Dasein getreten, die der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit in sich begreift.601 Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage: Interpretiert Origenes die Verse Gen 1,26 f. nur als Zeugnis für diesen allgemeinen schöpfungstheologischen Sachverhalt, der in diesen Versen eben von den vernunftbegabten Kreaturen ausgesagt wird? Oder zielt die Genesisstelle in seinem Verständnis überhaupt nicht auf den Aspekt der Exemplarursächlichkeit, sondern auf einen anderen Gesichtspunkt ab, durch den die kreatürliche Wirklichkeit der Vernunftwesen in einer ganz spezifischen Weise bestimmt wird? Origenes hat dieses Problem an keiner Stelle seines Werks explizit thematisiert. Aus den einschlägigen Textpassagen, in denen er sein Verständnis von Gen 1,26 f. entfaltet, geht jedoch eindeutig hervor, dass er an dieser Stelle eine schöpfungs598 Vgl. In Ioh. comm. II 23,148 (SC 120, 304); Cels. VII 66,26–28 (SC 150, 168); In Hier. hom.
2,1,17–20 (SC 232, 240).
599 In Ioh. comm. I 17,104 f. (SC 120, 114–116). Vgl. In Gen. hom. 1,13,49–62 (SC 7, 60). – Zur
Auslegung von Gen 1,26 f. bei Philon von Alexandrien vgl. Merki, ὉΜΟΙΩΣΙΣ ΘΕΩ 75–83. Zur Deutung des Clemens von Alexandrien in Protr. 10,98,4 (GCS Clem. Alex. 1, 71,24–29), mit dem Origenes übereinstimmt, vgl. Merki, ὉΜΟΙΩΣΙΣ ΘΕΩ 83–91. 600 Princ. I 3,6 (TzF 24, 170–172); In Matth. comm. XII 4 (GCS Orig. 10, 75,5). 601 In Princ. I 2,2 (TzF 24, 124–126) wird von der Hypostase der Sophia (sapientiae subsisten tia) gesagt, dass in ihr das Urbild (virtus ac deformatio) der künftigen Schöpfung enthalten war: vel eorum [sc. creaturarum] quae principaliter exsistunt vel eorum quae accidunt consequenter. Es ist offenkundig, dass mit dem Ausdruck ea quae principaliter existunt die primäre Schöpfung der Vernunftwesen gemeint ist (vgl. nämlich Princ. II 2,2 [TzF 24, 298]: principaliter quidem creatas esse rationabiles naturas).
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theologische Wahrheit zum Ausdruck gebracht sieht, die über die bloße Feststellung einer allgemeinen Exemplarursächlichkeit des Sohnes hinausgeht. Denn das Geschaffensein gemäß dem Sohn, das in diesen Versen seiner Ansicht nach von den vernunftbegabten Geschöpfen ausgesagt wird, spricht er den vernunftlosen Kreaturen ausdrücklich ab. Wenn es also heißt, dass die Vernunftwesen gemäß dem eingeborenen Sohn Gottes geschaffen worden sind, so zielt diese Aussage in seinem Verständnis auf ein ontologisches Spezifikum der vernunftbegabten Krea turen. Es handelt sich dabei, wie noch näher zu erläutern ist, um die wesenhafte Ausrichtung eines jeden Vernunftgeschöpfs auf den ewigen Gottessohn, um eine ontologische Beziehung zum göttlichen Logos, in die jede vernunftbegabte Kreatur als solche immer schon hineingestellt ist. Mit seinen Überlegungen zu Gen 1,26 f. nimmt Origenes eine metaphysische Grundlegung seiner Anthropologie vor, die für seine Ethik, seine Offenbarungstheologie und seine Soteriologie gleichermaßen fundamental ist. Im weiteren Verlauf des vorliegenden Abschnitts sowie in den folgenden Kapiteln wird zu zeigen sein, wie Origenes, ausgehend von der biblischen Aussage, dass der Mensch „gemäß dem Bild Gottes“ geschaffen ist, die Eigentlichkeit des Menschen in dessen wesenhafter personaler Gottesbeziehung begründet sieht, in die der Mensch als vernunftbegabte Kreatur hineingeschaffen ist, berufen, Gottes ewiges Wort zu vernehmen, das Gute zu tun und teilzunehmen am Leben Gottes selbst. Der ausführlichste Text, den Origenes der systematischen Auslegung von Gen 1,26 f. gewidmet hat, findet sich im sechsten Buch seiner Auseinandersetzung mit Celsus. Hier betont er die von Celsus nicht beachtete „Unterscheidung zwischen den Ausdrücken ‚gemäß dem Bild Gottes‘ und ‚sein Bild‘ “, um zu erklären, „dass ‚Bild Gottes‘ der ‚Erstgeborene der ganzen Schöpfung‘ (Kol 1,15) ist, der Logos schlechthin (αὐτολόγος) und die Wahrheit schlechthin (αὐτοαλήϑεια) sowie die Weisheit schlechthin (αὐτοσοϕία), die ‚Bild seiner [sc. des Vaters] Güte‘ ist (vgl. Weish 7,26), der Mensch aber ‚gemäß dem Bild Gottes‘ gemacht ist.“602 Des Weiteren gibt Origenes in diesem Zusammenhang auf die Frage, „in welchem Teil des Menschen das Merkmal ‚gemäß dem Bild Gottes‘ gegeben ist“, zur Antwort: „in der Seele, die entweder ‚den alten Menschen mit seinen Taten‘ (Kol 3,9) nicht gehabt hat oder nicht mehr hat und weil sie dies nicht hat, auf sie die Bezeichnung ‚nach dem Bild‘ des Schöpfers (vgl. Kol 3,10) angewendet wird.“603 Damit deutet er bereits an, dass die Erschaffung des Menschen „gemäß dem Bild Gottes“ einen normativen Anspruch impliziert: Wenn faktisch auch jeder Mensch als Vernunftwesen „gemäß dem Bild Gottes“, d. h. gemäß dem ewigen Gottessohn, geschaffen 602 Cels. VI 63,1–6 (SC 147, 334–336). Vgl. auch Cels. VII 66,28–31 (SC 150, 168). 603 Cels. VI 63,8–12 (SC 147, 336). Vgl. auch Cels. VII 66,25–28 (SC 150, 168). Dass die gemäß
dem Bild Gottes erfolgte Schöpfung sich auf die Seele bezieht, geht auch hervor aus Dial. 23,2–4 (SC 67, 100).
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ist, so ist die Bildgemäßheit doch nur in derjenigen vernunftbegabten Seele volle Realität, die sich durch einen sittlichen Lebenswandel auszeichnet. Sie ist also nicht nur Gabe, sondern auch Aufgabe. Mit dem Indikativ ist unlösbar der Imperativ verknüpft. Nachdem Origenes im Folgenden noch einmal die von einigen Theologen vertretene Auffassung, wonach das Geschaffensein „gemäß dem Bild Gottes“ sich nur auf den menschlichen Leib oder aber auf den ganzen, aus Seele und Leib bestehenden Menschen bezieht, mit dem Argument zurückgewiesen hat, dass diese Deutung die Körperlichkeit Gottes bzw. seine Zusammensetzung aus Teilen zur Voraussetzung hätte,604 stellt er abschließend fest: „Es bleibt also nur übrig, das Sein ‚gemäß dem Bild Gottes‘ in dem, wie wir sagen, ‚inneren Menschen‘ (ἐν τῷ ἔσω ἀνϑρώπῳ; vgl. Röm 7,22; 2 Kor 4,16; Eph 3,16) zu erkennen, der ‚erneuert wird‘ und geeignet ist, ‚gemäß dem Bild des Schöpfers‘ zu werden (πεϕυκότι γίνεσϑαι κατ᾽ εἰκόνα τοῦ κτίσαντος; vgl. Kol 3,10). Dies geschieht, wenn jemand vollkommen wird, ‚wie der himmlische Vater vollkommen ist‘ (Mt 5,48), und er auf das Wort hört: ‚Ihr sollt heilig sein, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig‘ (vgl. Lev 11,45). Und wenn er das Wort beherzigt: ‚Werdet Nachahmer Gottes!‘ (Eph 5,1), nimmt er in seine tugendhafte Seele die Charakterzüge Gottes auf (τοὺς χαρακτῆρας τοῦ ϑεοῦ). Dann ist auch ein Tempel Gottes (vgl. 1 Kor 3,16; 6,19; 2 Kor 6,16) der Körper dessen, der in dem Gemäß-dem-Bild-Gottes-Sein die Eigenschaften Gottes (τὰ τοῦ ϑεοῦ) angenommen hat und der eine solche Seele und in der Seele wegen der Gestaltung ‚gemäß dem Bild‘ Gott (τὸν ϑεόν) besitzt.“605 Aus diesem Zitat lässt sich bereits in Grundzügen erschließen, wie Origenes seine Ethik und Soteriologie aus der Prämisse heraus entwickelt, dass der innere Mensch, der Mensch, insoweit er ein reines Vernunftwesen ist, „gemäß dem Bild Gottes“ geschaffen ist. So geht aus dem zitierten Text deutlich hervor, dass er in diesem schöpfungstheologischen Faktum eo ipso den Anspruch begründet sieht, dass der Mensch auch wirklich diesem Bild gemäß leben soll. Der Mensch, dessen Seelengrund als innerster Kern seines geistigen Selbst „der eigentliche Träger des Logosabbilds“ ist,606 soll nach sittlicher Vollkommenheit streben, indem er sich um einen tugendhaften Lebenswandel bemüht. Denn ein tugendhafter Lebenswandel bedeutet für Origenes ein Leben nach dem Vorbild des ewigen Gottessohnes, der ja der vollkommene Inbegriff aller Tugenden ist. In einem solchen Leben gestaltet sich der innere Mensch immer mehr dem Sohn als seinem Urbild gleich, der als die Fülle der Vernunft und als die Summe aller Tugenden subsistiert, und 604 Cels. VI 63,14–25 (SC 147, 336). Vgl. auch Cels. VIII 49,26 f. (SC 150, 282). Diese Position
vertritt auch Philon von Alexandrien, Opif. 69.
605 Cels. VI 63,25–36 (SC 147, 336–338). 606 Lieske, Theologie der Logosmystik 103. Vgl. auch Crouzel, Théologie de l’image de
Dieu 156–160.
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tritt auf diese Weise ein in die Gemeinschaft, die von Ewigkeit her zwischen dem eingeborenen Gottessohn und seinem Vater besteht. Darin erkennt Origenes die in der Schöpfung grundgelegte Bestimmung des Menschen, der von Anfang an berufen ist, durch den Sohn und mit ihm und in ihm zur Teilhabe an der Gottheit des Vaters und darin zur erlösenden Vergöttlichung zu gelangen. Versuchen wir, die hier in groben Zügen umrissenen Zusammenhänge anhand einschlägiger Textpassagen noch weiter zu vertiefen. Offensichtlich sind nach Origenes im Geschaffensein des Menschen „gemäß dem Bild Gottes“ zwei komplementäre Gesichtspunkte ineinander verflochten: zum einen der Aspekt, dass in der kreatürlichen Bildgemäßheit der Vernunftwesen deren prinzipielle Befähigung zum Vernunftgebrauch angelegt ist, zum anderen der Gedanke, dass diese Bildgemäßheit in vollkommener Weise nur in denjenigen Vernunftgeschöpfen realisiert ist, die entsprechend der darin angelegten Befähigung leben. Nehmen wir zunächst diejenigen Textstellen in den Blick, die Aufschluss darüber geben, dass die „gemäß dem Bild Gottes“ erfolgte Erschaffung der Vernunftwesen von Origenes im Sinn einer prinzipiellen Befähigung zum Vernunftgebrauch und zum sittlichen Freiheitsvollzug verstanden wird und deshalb auch einen moralischen Anspruch impliziert. Als eine solche Stelle kommt ein Passus aus dem vierten Buch von Contra Celsum in Betracht. Dort setzt Origenes der These, die ihm Celsus im Anschluss an Platon zu vertreten scheint, dass nämlich „jede Seele gleichartig (ὁμοειδής) ist und dass die Seele der Menschen sich in nichts von der Seele der Ameisen und Bienen unterscheidet“,607 energischen Widerspruch entgegen. Er sagt: „Davon werden sich die Christen nicht überzeugen lassen, die längst begriffen haben, dass die menschliche Seele ‚gemäß dem Bild Gottes‘ geworden ist, und einsehen, dass die ‚gemäß dem Bild Gottes‘ geschaffene Natur unmöglich ganz und gar ihre Charakterzüge (χαρακτῆρας) auslöschen und andere annehmen kann, die sich in den – ich weiß nicht, nach wessen Bildern entstandenen – unvernünftigen Kreaturen befinden.“608 Später fährt er fort: „Denn der vom Himmel herab Blickende wird in den unvernünftigen Kreaturen, wie groß auch ihre Körper sein mögen, doch kein anderes Prinzip (ἀρχή) sehen als sozusagen die Unvernunft (τὴν ἀλογίαν), in den vernünftigen Kreaturen (ἐν τοῖς λογικοῖς) hingegen die Vernunft, die die Menschen mit den göttlichen und himmlischen Wesen, ja vielleicht sogar mit dem über allem waltenden Gott selbst gemein haben (λόγον τὸν κοινὸν ἀνϑρώπων πρὸς τὰ ϑεῖα καὶ ἐπουράνια τάχα δὲ καὶ αὐτὸν τὸν ἐπὶ πᾶσι ϑεόν). Deswegen heißt es von ihnen ja auch, dass sie ‚gemäß dem Bild Gottes‘ geschaffen worden sind. Denn Bild des über allem waltenden Gottes ist sein Logos.“609 607 Cels. IV 83,37–41 (SC 136, 392). 608 Cels. IV 83,43–48 (SC 136, 392). 609 Cels. IV 85,18–24 (SC 136, 396).
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In der Tatsache, dass die Vernunftgeschöpfe gemäß dem Sohn, dem Bild Gottes, geschaffen sind, der in alle Ewigkeit als Urvernunft subsistiert, sieht Origenes also den ontologischen Grund für ihre prinzipielle Vernunftbegabung und ihre Befähigung zur Sittlichkeit.610 Diese wesenhafte Grundausstattung kann zwar auf vielerlei Weise überlagert und verdeckt, niemals aber zur Gänze ausgelöscht werden.611 Sie stellt gleichsam den character indelebilis eines jeden Vernunftgeschöpfs dar, das deshalb niemals zum unvernünftigen Tier entarten kann.612 Die vernunftbegabte Kreatur ist grundsätzlich immer in der Lage, sich nach den Regeln der praktischen Vernunft in Freiheit zu einem sittlichen Lebenswandel zu entschließen und ganz dem ewigen Gottessohn gemäß zu leben,613 der als Inbegriff der Vernunft, der Weisheit und der Tugend der innere Maßstab für jedes vernünftige Verhalten ist. Doch auch wenn ein Vernunftwesen sich zur Abkehr von der Sittlichkeit entschließt, wenn es nicht Maß nimmt an dem, der von Ewigkeit zu Ewigkeit das vollkommene Bild des Vaters ist, und auf diese Weise in sich ein „schlechtes Bild“ ausprägt, bleibt in ihm dennoch die kreatürliche Bildgemäßheit als Anlage und Begabung erhalten, weil diese nämlich „in allen [sc. vernunftbegabten Geschöpfen] älter (πρεσβύτερον) ist als das schlechte Bild“, wie Origenes in einer Jeremiahomilie betont.614 In dieser Anlage und Begabung hat nach Origenes alle Ethik ihren Ermöglichungsgrund. Indem der Vater denjenigen Geschöpfen, die er seinem ewigen Sohn gemäß geschaffen hat, Anteil an ihm als dem Inbegriff der Vernunft verleiht, konfrontiert er sie zugleich mit seinen sittlichen Forderungen, stellt er dem inneren Menschen immer schon den Plan vor das geistige Auge, nach dem dieser leben soll.615 Das Vernunftgeschöpf ist aufgrund seiner Vernunftbegabung immer schon in den Horizont eines Anrufs hineingestellt, eines Anrufs, der vonseiten des Sohnes ergeht, der das Urwort seines Vaters ist. Es ist die später bei Augustinus wiederkehrende Vorstellung, dass der ewige Gottessohn als innerer Lehrer 610 Vgl. Lieske, Theologie der Logosmystik 103–105. 611 Vgl. In Gen. hom. 13,4,29–35 (SC 7, 328): Haec ergo imago est de qua dicebat Pater ad filium:
„Faciamus homines ad imaginem et similitudinem nostram“ (Gen 1,26). Filius Dei est pictor huius imaginis. Et quia talis et tantus est pictor, imago eius obscurari per incuriam potest, deleri per malitiam non potest. Manet enim semper in te imago Dei, licet tu tibi ipse su perducas imaginem terreni. Istam picturam tu tibi ipse depingis. Epiphanius von Salamis, Pan. haer. 64,4,9 (GCS Epiph. 2, 412) verzerrt die Position des Origenes also in ihr exaktes Gegenteil, wenn er behauptet: „Er sagt, dass Adam das κατ᾽ εἰκόνα verloren hat.“ Vgl. dazu ausführlich Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 206–211. 612 Cels. IV 25,16–31 (SC 136, 242–244). 613 Vgl. Orat. 6,1 f. (GCS Orig. 2, 311,16–312,30). 614 In Hier. hom. 2,1,23 f. (SC 232, 240). 615 Vgl. Cels. V 16,25–27 (SC 147, 54), wo Origenes erklärt, aufgrund ihrer Schöpfung „gemäß dem Bild Gottes“ sei den Vernunftwesen gleichsam ein Plan des Schöpfergottes (τὸ βούλημα τῆς κατ᾽ εἰκόνα ϕύσεως) eingeschrieben, dem entsprechend sie leben sollen.
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im Seelengrund gegenwärtig ist, für die Origenes hier die ontologische Begründung liefert.616 Dass der Anruf niemals verstummt, den der Vater durch den Sohn im Modus der Vernunft an jedes Geistwesen richtet, um diesem seinen heiligen Willen vernehmbar zu machen, hat seinen Grund darin, dass das „gemäß dem Bild Gottes“ geschaffene Vernunftwesen seine seinsmäßige Teilhabe am ewigen Gottessohn niemals verlieren kann. Jedes Vernunftwesen ist nach Origenes als solches immer schon – und bleibend durch alle Irrungen und Wirrungen hindurch – ein Hörer des Wortes, des vernunft-, weisheits- und wahrheitsgesättigten Urwortes, als das der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit von seinem Vater gezeugt wird. Die wesenhafte Prägung jeder vernunftbegabten Kreatur als Hörer des Wortes, ihr unaufhebbarer „Transzendenzbezug“,617 ist der ontologische Grund dafür, dass die Vernunftgeschöpfe unter dem Anspruch des Sittlichen stehen, dessen Inbegriff im Gottessohn ewige Wirklichkeit ist. Wenn der Anspruch des Sittlichen in der Hypostase des Sohnes realisiert ist, dann ist der Imperativ, diesem Anspruch gemäß zu leben, gleichbedeutend mit der Aufgabe, dem Sohn immer ähnlicher zu werden und so die in der Schöpfung angelegte passive Teilhabe an ihm durch aktive Teilnahme mehr und mehr zu vertiefen. Die kreatürliche Bildgemäßheit ist auf Bildwerdung angelegt, die sich im Bildsein – im existenziell vollzogenen Neusein „gemäß dem Bild des Schöpfers“, wie Origenes im Blick auf Kol 3,10 erklärt – vollendet. Wer sich in Freiheit zum Bild Gottes, zum Bild seines Vaters, macht, der gestaltet sich nach dem Vorbild dessen, der der Sohn schlechthin ist, und nimmt so teil an der Beziehung, in der dieser von Ewigkeit zu Ewigkeit zum Vater steht. Diese Teilnahme an der metaphysischen Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes bedeutet nach Origenes Erlösung im Sinne der Vergöttlichung der vernunftbegabten Kreatur, die von der Schöpfung her immer schon auf diese Erlösung hin angelegt ist.618 Für die soteriologische Kategorie der Vergöttlichung beruft sich Origenes auf eine terminologische Unterscheidung, die er im ersten Schöpfungsbericht vorfindet. Dort heißt es zwar, Gott habe den Menschen gemäß seinem Bild und Gleich nis (κατ᾽ εἰκόνα καὶ ὁμοίωσιν) schaffen wollen (Gen 1,26), ihn aber tatsächlich nur seinem Bild gemäß im Dasein begründet (Gen 1,27). Daraus schließt er, dass das Gleichnis-Sein der Vernunftwesen in der Schöpfungsordnung zwar angelegt, aber nicht auch immer schon vollendet ist, so dass ihre Aufgabe darin besteht, in einem dynamischen Prozess der Angleichung an den Urgrund der Gottheit das Gleichnis-Sein zu verwirklichen, um schließlich ganz Gleichnis Gottes zu werden. Deshalb weist er die Unterstellung des Celsus, die Christen behaupteten, sie 616 Vgl. Augustinus, De mag. 11,38,46–51 (CChr.SL 29, 19); Conf. XI 8,10,5–20 (p. 116–118
Simonetti); In Ioh. comm. XX 3,9–16 (CChr.SL 36, 204).
617 So Markschies, Gott und Mensch 103. 618 Vgl. Crouzel, Origène 135–137.
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seien Gott „in allem gleich“, mit den Worten zurück: „Hätte er den Unterschied gekannt zwischen dem Satz, dass der Mensch ‚gemäß dem Bild‘ Gottes geworden ist, und dem Ausdruck ‚gemäß seinem Gleichnis‘ und hätte er bemerkt, dass Gott, wie geschrieben steht, gesprochen hat: ‚ Lasst uns einen Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis‘, dass aber Gott den Menschen zwar ‚gemäß dem Bild‘ Gottes, keineswegs jedoch auch schon ‚gemäß seinem Gleichnis‘ gemacht hat, so würde er uns nicht die Behauptung unterstellen, dass wir in allem Gott gleich sind (πάντῃ ὅμοιοι).“619 Gleichwohl stellt Origenes nicht in Abrede, dass die vernunftbegabte Seele, der innere Mensch, aufgrund der kreatürlichen Bildgemäßheit „eine gewisse Verwandtschaft mit Gott (τι συγγενὲς ϑεῷ)“ besitzt.620 „Denn beide“, so erklärt er, „sind rein geistige Wesen und unsichtbar und, wie die vorherrschende Lehre aufzeigt, unkörperlich.“621 Der ontologische Grund für diese Verwandtschaft liegt in der kreatürlichen Teilhabe am Sohn, der das vollkommene Bild des Vaters ist. Diese Teilhabe impliziert ja immer schon eine wesenhafte Beziehung zum Vater selbst, dem Urgrund der Gottheit. Darin sieht Origenes auch das Verlangen nach Gott begründet, das jedes Vernunftwesen in sich verspürt. „Warum“, so fragt er, „hätte uns wohl unser Schöpfer ein Verlangen nach gottgefälliger Gemeinschaft mit ihm (πόϑον τῆς πρὸς αὐτὸν εὐσεβείας καὶ κοινωνίας) eingestiftet – ein Verlangen, das auch in den Irrenden noch gewisse Spuren des göttlichen Willens bewahrt –, wenn es für die Vernunftwesen unmöglich oder unerreichbar wäre, dieses natürliche Verlangen zu befriedigen? Wie jedem unserer Glieder“, so fährt er fort, „von Natur aus eine Vertrautheit (οἰκειότης) mit diesem oder jenem dauerhaft eigen ist, den Augen mit dem Sichtbaren, den Ohren mit dem Hörbaren, so offenkundig auch dem Geist (νοῦς) mit dem Geistigen und mit Gott, der jenseits des Geistigen ist (πρὸς τὰ νοητὰ καὶ τὸν ἐπέκεινα τῶν νοητῶν ϑεόν).“622 Weil aber die kreatürlich grundgelegte Gottesbeziehung der Vernunftwesen wandelbar ist, kann man keineswegs mit Celsus behaupten, dass die Vernunftwesen Gott „in allem gleich“ seien. Wohl aber sind sie von allem Anfang an berufen, Gott gleich zu werden. Denn Schöpfung ist Heilseröffnung.
619 Cels. IV 30,4–11 (SC 136, 254). 620 Exhort. mart. 47 (OWD 22, 102,18). Vgl. auch Cels. III 40,15 (SC 136, 94); IV 25,22–24
(SC 136, 242) sowie Princ. III 1,13 (TzF 24, 508): ἄϕϑαρτον γὰρ ϕύσιν πεποίηκε τὴν νοερὰν καὶ αὐτῷ συγγενή. – Auf die latenten Gefahren einer Synthese der aus der Bibel stammenden Vorstellung der Gottebenbildlichkeit des Menschen „mit der platonischen Rede von einer Verwandtschaft zwischen Gott und Mensch“ macht zu Recht Markschies, Gott und Mensch 101 f. aufmerksam, wenn er feststellt, in dieser Synthese drohe der kategoriale Unterschied zwischen Gott und Mensch verwischt zu werden. 621 Exhort. mart. 47 (OWD 22, 102,18 f.). 622 Exhort. mart. 47 (OWD 22, 102,19–104,2).
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1.4 Das Walten der göttlichen Vorsehung: πρόνοια und παίδευσις Der Gedanke, dass Schöpfung Heilseröffnung ist, stellt den Grundakkord der von Origenes vertretenen Schöpfungstheologie dar. Ursprünglich und eigentlich, so lehrt er im Geist platonischer Metaphysik, zielte Gottes Schöpferwille allein auf das Dasein reiner Geistwesen ab, die er als vernunft- und freiheitsbegabte Kreaturen erschuf und die in ihrer reinen Geistigkeit jeglicher Materialität und Körperlichkeit entbehrten. Mit ihnen wollte der Schöpfer Gemeinschaft haben. Deshalb hat der Sohn ihnen Anteil an seiner göttlichen Sohnschaft verliehen, so dass sie durch ihn und mit ihm und in ihm teilhaben sollten am Vater, dem schöpferischen Urgrund aller Wirklichkeit.623 Wie wir im vorhergehenden Abschnitt festgestellt haben, hat die Teilhabe an der Sohnschaft der zweiten Hypostase ihren ontologischen Grund in der Vernunftbegabung der Vernunftwesen, die sich für Origenes als prinzipielle Befähigung zur Gemeinschaft mit Gott darstellt. Gerade darin besteht ja die wesenhafte Ausrichtung der Vernunft, dass sie als theoretische Vernunft auf den Urgrund aller Wirklichkeit und als praktische Vernunft auf den Inbegriff des Guten ausgerichtet ist. In ihrer Freiheit kann sich die vernunftbegabte Kreatur ihrer schöpfungsgemäßen Bestimmung allerdings jederzeit versagen.624 Und so währte der paradiesische Schöpfungsmorgen nicht lange. Die Vernunftgeschöpfe lehnten das ihnen zugedachte Heil alsbald ab, weil sie „die göttliche Schau satt hatten“625 und sich von Gott abwandten. Ihr eigenmächtiger Abfall von ihrem Schöpfer führte nach Origenes dazu, dass dieser eine neue Initiative ergreifen musste, um die gefallenen Kreaturen zu einer dauerhaften Rückkehr in das ihnen ursprünglich zugedachte Heil zu bewegen.
623 Princ. II 6,3 (TzF 24, 360). 624 Die geschaffenen Vernunftwesen sind nicht wesenhaft, d. h. unwandelbar gut wie der Va-
ter, der Sohn und der Heilige Geist. Vgl. In Ioh. comm. II 18,124 f. (SC 120, 288–290); Cels. VI 44,1 f. (SC 147, 286) sowie Princ. I 8,3 (TzF 24, 256): Secundum nos vero nihil est in omni rationabili creatura, quod non tam boni quam mali sit capax. 625 So eine der Sache nach origeneische Formulierung bei Justinian, Epist. ad Men., Anath. 1 (ACO 3, 213,13–15 = TzF 24, 822): προϋπάρχειν τὰς τῶν ἀνϑρώπων ψυχὰς οἷα πρώην νόας οὔσας καὶ ἁγίας δυνάμεις, κόρον δὲ λαβούσας τῆς ϑείας ϑεωρίας καὶ πρὸς τὸ χεῖρον τραπείσας καὶ διὰ τοῦτο ἀποψυγείσας μὲν τῆς τοῦ ϑεοῦ ἀγάπης. Vgl. entsprechend den Canon II contra Origenem sive Origenistas des Konzils von Konstantinopel (TzF 24, 824– 826). Den Begriff κόρος übersetzt Rufin mit satietas (Princ. I 3,8 [TzF 24, 182; 184]). Darüber hinaus finden sich in der lateinischen Überlieferung Begriffe wie neglegentia (Princ. I 3,8 [TzF 24, 184]; 4,1 [TzF 24, 184]; 6,2 [TzF 24, 220]; II 9,2 [TzF 24, 404]; 9,6 [TzF 24, 412]; IV 4,9 [TzF 24, 816]; Hieronymus, C. Ioh. Hieros. 16 [PL 23, 368A = TzF 24, 202]; Epist. 124,3 [CSEL 56/1, 98,7–12 = TzF 24, 202]), desidia (Princ. II 9,2 [TzF 24, 404]; Hieronymus, Epist. 124,3 [CSEL 56/1, 98,7–12 = TzF 24, 202]), taedium und aversio (Princ. II 9,2 [TzF 24, 404]). Ausführlich befasst sich mit der Thematik Harl, La „satiété“ 373–405.
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In seinem Bemühen, den ursprünglichen Heilszustand wiederherzustellen, lässt Gott das ontologische Fundament seiner geistigen Schöpfung unangetastet. Weil er ein Gott der Freiheit ist, der seine Gemeinschaft mit den Vernunftgeschöpfen auf deren freies Ja gründet, kann er diese unmöglich zu ihrem Heil zwingen.626 Denn auf diese Weise würde er ihre Vernunft- und Freiheitsbegabung und damit, weil sie in ihrer reinen Geistigkeit überhaupt nur als Vernunft und Freiheit subsistieren, sie selbst, seine ursprünglich und eigentlich gewollte Schöpfung, zunichte machen. Mit seinem anfänglichen Schöpfungsratschluss, seine Geschöpfe mit Vernunft und Freiheit zu begaben, ist Gott nach Origenes also von Anfang an das Risiko eingegangen, die in Sünde und Schuld pervertierte Kreatur nicht ohne deren freie Zustimmung zu ihrer ursprünglichen Bestimmung zurückführen zu können.627 An dieser Stelle gilt es, mit allem Nachdruck die fundamentale Bedeutung herauszustreichen, die Origenes in seiner Lehre von Gott und den Vernunftwesen dem Freiheitsbegriff beimisst. Gott selbst ist in sich absolute „ungewordene Freiheit“.628 Es ist der Vater, dem allein in seiner Selbstursprünglichkeit das Vermögen eignet, einen schlechthin freien Anfang zu setzen. Deshalb wurzeln sowohl die Relationen der drei Hypostasen als auch die Schöpfung in ihrer gesamten Vielfalt in der Wirklichkeit der Freiheit. Freiheit ist nach Origenes die Urwirklichkeit allen Seins, sein Denken im Ganzen „eine Philosophie der mensch lichen Freiheit“,629 die Theo Kobusch in historischer Perspektive als entscheidende Quelle des modernen Subjektivitätsgedankens aufgewiesen hat.630 Im entschiedenen Widerspruch zur deterministischen Anthropologie der Gnosis631 und zum paganen Fatalismus erklärt Origenes, die vom Schöpfer eigentlich gewollte primäre Schöpfung zeichne sich dadurch aus, dass sie freie Schöpfung ist, in der ausnahmslos alles, was ist, frei ist. Für ihn ist Freiheit die „universale Sinnbestimmung allen geistigen Seins“.632 Die ursprünglich intendierte Schöpfungswirklichkeit umfasst nicht eine einzige Entität, die nicht frei wäre. Alles primäre Sein ist ja aufgrund seiner kreatürlichen Teilhabe am Sohn vernunftbegabt und in seiner Vernunftbegabung zur Sittlichkeit fähig, d. h. frei in seinem
626 Vgl. Cels. IV 3,39–55 (SC 136, 192–194). 627 Vgl. Orat. 29,13 (GCS Orig. 2, 387,26–388,3). 628 Vgl. den Begriff libertas ingenita in In Lev. hom. 16,6,18 (SC 287, 288). – In In Ex. hom. 629 630 631 632
4,1,6 f. (SC 321, 116) bedeutet ingenita libertas so viel wie „angeborene, ursprüngliche Freiheit“. Kobusch, Bedeutung des Kirchenvaters Origenes 99. Vgl. ebd. 102–105. Vgl. z. B. In Matth. comm. X 11 (GCS Orig. 2, 12,8–13,20). Schockenhoff, Freiheit 106.
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Tun und Lassen.633 Daher muss der Schöpfer mit der Möglichkeit rechnen, dass es ihm nicht gelingen wird, die ursprüngliche Gemeinschaft mit seinen Geschöpfen vollständig wiederherzustellen.634 Er selbst hat sich am Schöpfungsmorgen ja dazu bestimmt, der freien Kreatur in alle Ewigkeit die Möglichkeit zu belassen, sich der Gemeinschaft mit ihrem Schöpfer radikal zu verweigern. „Gott“, so sagt Origenes, „ist kein Tyrann, sondern König, und als König übt er keinen Zwang aus, sondern er überzeugt und will, dass die ihm Untergebenen sich seiner Heilsordnung (τῇ οἰκονομίᾳ αὐτοῦ) aus freien Stücken überlassen, damit die gute Tat eines Menschen nicht durch Zwang, sondern aus seiner Freiheit heraus geschieht […] (vgl. Phm 14).“635 Zugleich hat Gott der geschaffenen Freiheit allerdings ein inneres Sinnziel eingestiftet, das er selbst ist als der Inbegriff des Guten. Darum ist die Freiheit der Vernunftgeschöpfe in ihrer inhaltlichen Ausrichtung keine Willkürfreiheit, keine selbstreferenzielle Autonomie. Sie ist endliche Freiheit und als solche wesenhaft auf den Grund bezogen, dem sie sich verdankt. Ihr ist also bleibend ihre ursprüngliche Dynamik auf den Vater eingeschrieben, die durch die Teilhabe am Sohn ermöglicht ist. Denn nur aufgrund dieser Teilhabe sind die Vernunftgeschöpfe mit Vernunft begabt. In ihrer Vernunftbegabung aber liegt die innere Sinnorientierung des endlichen Freiheitsvollzugs, seine inhaltliche Theonomie, begründet, wie wir im vorherigen Abschnitt aufgezeigt haben. Deshalb kann der Schöpfer hoffen, dass sein Projekt einer freien Schöpfung einstmals für immer zu dem von ihm intendierten Ziel findet, in dem der eigentlich gewollte und ursprünglich verwirklichte Anfang vollständig wiederhergestellt sein wird. Vor dem Hintergrund seiner Freiheitsmetaphysik kann Origenes das Verhältnis des Schöpfers zu seinen Geschöpfen als echte Geschichte begreifen, in der der freie Gott „aus übergroßer Menschenliebe“636 um das freie Ja seiner Kreatur wirbt. Deshalb ist nach Origenes alle Geschichte wesenhaft Heilsgeschichte, deren innere Dramatik daraus erwächst, dass sich die vernunftbegabte Kreatur ihrer Berufung in alle Ewigkeit verweigern könnte und die Wiederherstellung aller Dinge (ἀποκατάστασις πάντων) nur erhofft werden kann.637 Dass solche Hoffnung je633 Wie Kobusch zeigt, hat Origenes mit seinem Freiheitsbegriff „zum erstenmal den Uni-
versalitätsanspruch der griechischen Wesensphilosophie zurückgewiesen und gegenüber dem Wesensmäßigen das Willensmäßige, gegenüber der Natur die Freiheit, gegenüber dem Kategorialen das Gnadenhafte zur Geltung gebracht“ (Kobusch, Bedeutung des Kirchenvaters Origenes 97 [Herv. v. Verf.]). Auf diese Weise hat Origenes die Grundüberzeugung des griechischen Denkens geradezu auf den Kopf gestellt, insofern er die Auffassung vertritt: „Die Freiheit ist nicht von einem Wesen abhängig, sondern sie bestimmt das Wesen selbst“ (ebd. 98 [Herv. v. Verf.]). Vgl. auch Holz, Begriff des Willens und der Freiheit 77 f. 634 Vgl. In Hier. hom. 6,2,59–74 (SC 232, 334) im Anschluss an Jer 5,3: „Du wolltest sie zur Vollendung führen, doch sie wollten die Erziehung nicht annehmen.“ 635 In Hier. hom. 20,2,19–22 (SC 238, 256). Vgl. auch Orat. 29,15 (GCS Orig. 2, 390,23–391,4). 636 In Ioh. comm. VI 58,300 (SC 157, 358). 637 Vgl. Roukema, „Die Liebe kommt nie zu Fall“ 20.
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doch nicht ohne Grund besteht, davon ist Origenes zutiefst überzeugt.638 Von dieser Überzeugung ist seine Geschichtstheologie getragen, nach der die Geschichte als eine zyklische Abfolge verschiedener raumzeitlicher Welten zu betrachten ist, in denen der gütige Gott seinen universalen Heilswillen immer wieder von Neuem durchzusetzen sucht.639 Um die göttliche Heilsökonomie zu explizieren, greift Origenes auf zwei Vorstellungsmuster zurück, die bereits für die biblische Geschichtstheologie charakteristisch sind und für die auch das platonische und das stoische Traditionsgut mannigfache Anknüpfungspunkte bieten. Es handelt sich dabei um die Vorstellung, dass der allwissende Schöpfergott über allem seine gütige Vorsehung (πρόνοια/providentia) walten lässt, „kraft derer er verwaltet (procurat), ordnet (dispensat) und Sorge trägt (prouidet) für das, was geschieht.“640 Mit dieser Idee ist bei Origenes ein weiterer Gedanke unlöslich verbunden: Gott lässt jedem einzelnen gefallenen Vernunftgeschöpf genau diejenige Erziehung (παίδευσις) angedeihen, derer es bedarf, um aufs Neue in die beseligende Gemeinschaft mit seinem Schöpfer hineinzuwachsen. Indem Origenes das Schicksal einer jeden vernunftbegabten Kreatur unter der Vorsehung des gütigen und allmächtigen Schöpfergottes weiß, kann er mit gutem Grund darauf vertrauen, dass keines der gefallenen Geschöpfe jemals sich selbst überlassen bleibt, mag es auch noch so verschlungenen Irrwegen gefolgt sein. Denn der liebende Vatergott weiß in seiner Allwissenheit zugleich um die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft seiner Kinder, für die er in seiner grenzenlosen Liebe unaufhörlich Sorge trägt. Nach Origenes ist das Schicksal der Vernunftwesen trotz der bis ins Kleinste sich erstreckenden Vorsehung Gottes641 aber keineswegs determiniert. Denn die fürsorgliche Zuwendung Gottes zu den Geschöpfen wird von ihm als Dialog zwi schen der unendlichen göttlichen und der endlichen kreatürlichen Freiheit verstanden.642 Dabei ist Gott das zukünftige Schicksal jedes einzelnen Vernunftwesens als dessen in Freiheit gelebte Geschichte immer schon bekannt.643 Ohne selbst der Veränderung zu unterliegen, greift Gott, der Vater, „der sich der unmündigen
638 Dabei ist er sich zugleich bewusst, dass sich seine eschatologische Hoffnung im Grunde
auf Unvorstellbares richtet: quod perfectio omnium non intra unum saeculum concludi tur sed in multa protenditur et uix aliquando adimplenda speratur (In Rom. comm. VIII 12,123–125 [VL 34, 709 f.]). 639 Vgl. Cels. IV 69,16–30 (SC 136, 354–356). 640 In Gen. hom. 3,2,1–8 (SC 7, 114–116). Zur Bedeutung der Vorsehungsthematik für Origenes vgl. auch Gregor Thaumaturgos, Pan. orat. 13,152,11–19 (SC 148, 158). 641 Vgl. In Lev. hom. 9,8,33 f. (SC 287, 108), wo die providentia Dei als minutissima et subtilissi ma charakterisiert wird. 642 Vgl. Schockenhoff, Freiheit 131–137. 643 Vgl. Gessel, Theologie des Gebetes 149–171.
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Kinder annimmt“,644 immer wieder in den Verlauf dieser Geschichte ein,645 um der freien Kreatur stets von Neuem die Möglichkeit zu eröffnen, in sein Heilsangebot einzuwilligen und sich mit ihm versöhnen zu lassen.646 In seiner einflussreichen Monographie über die Vorsehungslehre des Origenes hat Hal Koch den inneren Zusammenhang von Vorsehung und Erziehung als das „Grundmotiv“ und den „Grundnerv“ der origeneischen Theologie herausgestellt.647 Koch bemüht sich aber nicht allein um den Nachweis, dass die origene ische Wirklichkeitsdeutung ihre Mitte in der Vorstellung von der erziehenden Vorsehung Gottes hat, sondern zieht aus dieser inhaltlichen Beobachtung darüber hinaus einen für die formale Charakterisierung und geistesgeschichtliche Einordnung des origeneischen Denkens weitreichenden Schluss, indem er behauptet, der Kern von Origenes’ Christentum sei Platonismus.648 Mit der Vorstellung von der göttlichen Heilspädagogik habe Origenes eine Deutungskategorie aus dem zeitgenössischen Platonismus zur bestimmenden Grundidee seiner christlichen Wirklichkeitsdeutung erhoben und auf diese Weise – wenn auch gegen seine eigentliche Intention und ohne es selbst gemerkt zu haben – das biblische Kerygma in ein philosophisches System, einen „pädagogischen Idealismus“, umgedeutet.649 Die weitere Forschung hat inzwischen klargestellt, dass Kochs Schlussfolgerungen auf problematischen Voraussetzungen beruhen und in ihrem Ergebnis zu einseitig sind.650 Von bleibender Gültigkeit jedoch ist die Erkenntnis, dass der Vorsehungs- und Erziehungsgedanke für Origenes’ Verständnis der göttlichen Heilsökonomie von grundlegender Bedeutung ist. Er prägt seine schöpfungsund geschichtstheologische Theorie von den periodisch aufeinanderfolgenden Weltzyklen ebenso wie sein Offenbarungsverständnis und seine vieldiskutierte Vision der Apokatastasis. So manifestiert sich in den periodischen Weltzyklen die Strafe für den präkosmischen Fall der Vernunftwesen. Zugleich sind sie Mittel der göttlichen Erziehung. Die alttestamentliche Prophetie und die Inkarnation des eingeborenen Gottessohnes sind herausragende Ereignisse der Heilsgeschichte, weil sie besondere erzieherische Maßnahmen darstellen, die Gott, der Vater, um 644 645 646 647 648 649
Orat. 5,2 (GCS Orig. 2, 309,4–8). Vgl. Cels. VI 62,26–29 (SC 147, 334). Vgl. Orat. 6,3 (GCS Orig. 2, 313,1–15). Koch, Pronoia und Paideusis 18 f. Ebd. 180. 234. 305. Ebd. 160. Nach Koch ist Origenes „der Überzeugung, dass sein Plan immer die Auslegung der Schrift und nur dies gewesen, dass der Ausgangspunkt die Genesis und der Endstein die Apokalypse war. Dass dies ein Selbsttrug ist, liegt klar auf der Hand. Origenes hat ein System, und dieses ist nicht aus der Bibel heraus-, sondern in die Bibel hineingelesen“ (ebd. 15; vgl. 175. 317. 319. 321). Mit Berner, Origenes 42 „kann man überspitzt sagen, daß Koch Origenes als christlichen Vertreter der zeitgenössischen Philosophie darstellt.“ 650 Vgl. z. B. Daniélou, Origène 86 f. 264 f.; Nemeshegyi, Paternité de Dieu 138–141; de Lubac, Geist aus der Geschichte 283.
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der verirrten Geschöpfe willen initiiert. Die Apokatastasis schließlich ist das Ziel der göttlichen Heilspädagogik, in dem der paradiesische Urzustand wiederhergestellt und Gott alles in allem sein wird. An dieser Stelle gilt es, die Vorstellung von den periodisch aufeinanderfolgenden Weltzyklen noch ausführlicher in den Blick zu nehmen, die in der origeneischen Vorsehungslehre eine hervorragende Rolle spielt und seine Schöpfungs- und Geschichtstheologie ganz wesentlich prägt. Zur gerechten Bestrafung der Vernunftgeschöpfe und zu ihrer heilsamen Erziehung651 hat der Schöpfergott die materielle Schöpfungswirklichkeit begründet. Dabei ließ er einem jeden Vernunftgeschöpf jeweils diejenige körperliche Verfassung zuteil werden, die dem Maß seiner Abkehr aus der ursprünglichen Heilsgemeinschaft entsprach. Dass Gott seine Strafe nach der Schwere des jeweils frei gewählten Sündenfalls bemisst, schuldet er seiner Gerechtigkeit, die ihm wesenhaft zu eigen ist. Der göttlichen Gerechtigkeit entspricht es auch, dass Gott von einer Bestrafung nicht einfach absieht. Denn sonst würde er selbst den sittlichen Anspruch verfehlen, auf den er die vernunftbegabten Kreaturen verpflichtet hat. Die Verantwortung dafür, dass es zu einer zweiten Schöpfung kommen musste, tragen also einzig und allein die Vernunftgeschöpfe, die ihrem Schöpfer und Erhalter aus freier Wahl die Ehre verweigert haben, zu der geschaffen zu sein ihre eigentliche Würde ausmacht. Dass Gottes Strafe auf einem gerechten Urteil beruht, zeigt, dass er kein unberechenbarer Willkürgott ist. „Denn die Macht, ungerecht zu handeln (ἡ τοῦ ἀδικεῖν δύναμις)“, so erklärt Origenes, „widerspricht seiner Göttlichkeit und der ihr gemäßen Allmacht.“652 Gott ist wesenhaft gerecht. Seine unbestechliche Gerechtigkeit ist Ausdruck seiner göttlichen Seinsvollkommenheit. Dazu bringt Origenes folgenden Vergleich: „Wie das, was von Natur aus süß macht, durch sein Süßsein nicht bitter zu machen vermag wegen der ihm eigenen Ursächlichkeit oder das, was von Natur aus leuchtet, durch sein Lichtsein nicht dunkel zu machen vermag, so ist auch Gott nicht imstande, ungerecht zu handeln.“653 Doch auch als der gerechte Richter bleibt Gott der gütige Vater seiner Kinder, die er ins Dasein gerufen hat. Seine allumfassende Vaterschaft ist der tragende Grund seines heilvollen Handelns an der Kreatur.654 Deshalb verfolgt er mit seiner Strafe auch kein anderes Ziel als die Erziehung zum Guten, um deretwillen er so viele Welten im zyklischen Nacheinander zu schaffen bereit ist, wie nötig sind, damit ausnahmslos jedes Geschöpf den Weg zurück ins göttliche Vaterhaus findet. Origenes bestreitet also mit Nachdruck jeglichen Dualismus zwischen dem 651 Über den engen Zusammenhang von Strafe und Erziehung vgl. Koch, Pronoia und Pai-
deusis 137–139.
652 Cels. III 70,16–18 (SC 136, 160). 653 Cels. III 70,13–16 (SC 136, 160). 654 Vgl. In Hiez. hom. 1,2,1–94 (SC 352, 38–46).
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gerechten Schöpfergott auf der einen und dem gütigen Vatergott auf der anderen Seite. Für ihn steht fest, dass das Gottesbild des Markion und seiner Anhänger auf einer falschen Alternative beruht, und zwar nicht nur deshalb, weil es die Einheit der beiden Testamente auseinanderreißt und so dem Wort Gottes Gewalt antut. Nach seiner festen Überzeugung kann Gott nur dann der gütige Vater sein, wenn er zugleich auch der gerechte Richter ist.655 Denn wahre Güte kann niemals im Widerspruch zur Gerechtigkeit stehen, die als Tugend ja ihrerseits selbst ein Gut ist: „Aus all dem folgt, dass der gerechte und gute Gott des Gesetzes und der Evangelien ein und derselbe ist […], weil weder das Gute ohne das Gerechte noch das Gerechte ohne das Gute die Würde des göttlichen Wesens kennzeichnen kann.“656 Die sekundäre Schöpfung der materiell-körperlich verfassten Wirklichkeit ist nach alledem also kein Selbstzweck, sondern Notbehelf. Sie ist ein Mittel, mit dem der zugleich gute und gerechte göttliche Vater nach dem Sündenfall der Vernunftgeschöpfe seinem unwiderrufenen Heilswillen zum Ziel verhelfen will. Auch die sekundäre Schöpfung ist also Heilseröffnung. Sie ist Gottes Versuch, auf der Grundlage der Gerechtigkeit mit der gefallenen Kreatur einen neuen Anfang zu wagen.657 In der Schärfe, mit der Origenes die primäre rein geistige Schöpfung von der materiell-körperlichen Realität der sekundären Schöpfung trennt, zeigt sich deutlich der platonische Grundzug seines Denkens: Die eigentliche Wirklichkeit ist geistig, mit Vernunft begabt und darum, wie Origenes in einem vorher kaum gekannten Pathos betont, frei. Der eigentliche Mensch ist der innere Mensch, ein reines Vernunftwesen, dessen Würde darin besteht, auf Gott hin geschaffen zu sein. Die Materie und die aus ihr bestehende vergängliche Welt der Körper in ihrer Mannigfaltigkeit sind Folge des Abfalls von Gott, Produkt der Sünde.658 Sie sollen nicht sein. Sie müssen vielmehr sein als vorübergehendes Mittel zum Zweck. Dieses Wirklichkeitsverständnis, in dem das Geistige den Primat über das Materielle innehat, legt Origenes seiner Deutung des christlichen Kerygmas zugrunde. Dabei unterlässt er es gleichwohl niemals, sich immer wieder auf das Zeugnis der Heiligen Schrift zu besinnen und an ihm die Zulässigkeit seiner systematischen Überlegungen zu prüfen. 655 656 657 658
Princ. II 5,1–4 (TzF 24, 340–354); In Hier. hom. 4,4,13–21 (SC 232, 266). Princ. II 5,3 (TzF 24, 350). Vgl. auch In Hier. hom. 16,5,34–54 (SC 238, 144–146). Vgl. Cels. IV 99,12–34 (SC 136, 432–434). Für diese Sicht macht Origenes auch den Sprachgebrauch in Joh 17,24, Eph 1,4 und 1 Petr 1,20 geltend, wo die Schöpfung der bestehenden sichtbaren Welt als καταβολὴ κόσμου bezeichnet wird. Darin sieht er zum Ausdruck gebracht, dass die materiell-körperlich verfasste Welt Folge der Tatsache ist, dass die präexistenten Vernunftwesen aus der Gemeinschaft mit ihrem göttlichen Vater herausgefallen und deshalb in die Körperlichkeit „hinabgeworfen“ sind (κατα-βάλλειν). Vgl. dazu In Ioh. comm. XIX 22,149 f. (SC 290, 138), Princ. III 5,4 (TzF 24, 628–630) sowie Tzamalikos, The Concept of Time 75–77.
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Ganz aus dem Geist der biblischen Überlieferung erwächst das Bild, das Origenes vom gütigen Vater zeichnet, dessen ganze Sorge dem Heil seiner Kinder gilt. In diesem Zusammenhang wagt er das Paradox auszusprechen, Gott „verlange es nach gar nichts außer nach dem Heil der Menschen und eines jeden Vernunftwesens“.659 Was vom Standpunkt der philosophischen Gotteslehre als widersinnig erscheinen muss, wird Origenes in der Begegnung mit dem Gottesbild der biblischen Schriften zur Gewissheit: Der in seinem Sein in jeglicher Hinsicht vollkommene Gott wartet so lange auf die Vollendung seines unwiderrufenen Heilsplans, bis alle vernunftbegabten Kreaturen in sein Heilsangebot eingewilligt haben. Auch mit dem Motiv der Gerechtigkeit Gottes, das Origenes zum Angelpunkt seiner Theodizee macht,660 nimmt er eine biblische Vorstellung auf, die bei ihm zugleich eine christologische Ausprägung erfährt. Nach Paulus nämlich ist Christus Gottes Gerechtigkeit (1 Kor 1,30; vgl. Röm 1,17; 3,21 f. u. ö.). Alles also, was der Vater in seiner Gerechtigkeit tut, vollbringt er in seinem Sohn.661 Dieser ist das Medium der göttlichen Heilspädagogik. Denn nur durch ihn und mit ihm und in ihm ist es den gefallenen Vernunftgeschöpfen möglich, aufs Neue Zugang zum Vater zu finden und so in das Heil einzutreten, das ihnen von allem Anfang an bereitet ist.
659 Cels. VIII 62,32 f. (SC 150, 316). 660 Zur Theodizee vgl. Princ. II 9,6 (TzF 24, 412) sowie Koch, Pronoia und Paideusis 96–159. 661 Vgl. In Ioh. comm. I 35,253 (SC 120, 184).
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2. Trinität und Offenbarung 2.1 Der Gehalt der Offenbarung: Die Unverborgenheit des Vaters in seinem Sohn In seinem Kommentar zum Römerbrief gibt Origenes eine kurze Definition seines Offenbarungsbegriffs: „Was offenbart wird“, so erklärt er dort, „wird aus dem Dunklen und Verborgenen zur Kenntnis gebracht (de obscuris et reconditis ad no titiam proferuntur).“662 Was jene Wirklichkeit betrifft, die nach dem christlichen Glauben in und durch Jesus Christus enthüllt worden ist, so kann Origenes diese in verschiedene Begriffe fassen und in unterschiedlichen Deutungsmustern beschreiben. Trotz der vielfältigen Variationen in ihrer äußeren Gestalt lassen seine Ausführungen seinen offenbarungstheologischen Grundansatz klar hervortreten. Mag er diesen Grundansatz auch begrifflich oft nur unzureichend artikulieren, so ist dieser in einer Gesamtschau seiner Ausführungen zum Offenbarungsinhalt doch deutlich zu erkennen. Origenes ist letztlich davon überzeugt, dass im Gottmenschen Jesus Christus der wahre Gott selbst gegenwärtig war – „und nicht ein Mittelwesen, wie Arius meint“663 –, dass den Menschen durch den inkarnierten Gottessohn also nicht nur diese oder jene Satzwahrheit über Gott, sondern eben Gott selbst mitgeteilt worden ist. Die christliche Offenbarung interpretiert Origenes mithin als Selbstaussage Gottes. Mit dieser Grundüberzeugung knüpft er an den einen Strang seiner aufs Ganze gesehen ambivalenten Reflexionen zum ontologischen Status der zweiten Hypostase an, wonach der Sohn als Sohn die wahrhaft göttliche Seinswirklichkeit seines Vaters in sich begreift. Weil der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit als „die vollkommenste Selbstoffenbarung Gottes“,664 seines Vaters, subsistiert und weil der Vater immer schon dadurch aus seiner transzendenten Verborgenheit heraustritt, dass er den Sohn zeugt, um sich in diesem „das integrierende Bild, das [er] sich in seinem Selbsterkennen von sich selbst macht,“665 gegenüberzustellen, vermag der Sohn für die vernunftbegabte Kreatur wirklich die Offenbarung des wahren Gottes zu sein. Die von Ewigkeit zu Ewigkeit erfolgte Offenbarung des Vaters in seinem Sohn, die Origenes mit der Metapher der ewigen Zeugung beschreibt, ist also die Bedingung der Möglichkeit dafür, dass sich in Jesus Christus der wahre Gott selbst als anwesend bezeugen kann. Dass die offenbarungstheologische Grundüberzeugung des Origenes in dieser kurzen Skizze zutreffend erfasst ist, lässt sich anhand folgender Textstellen unter 662 In Rom. comm. I 19,12 f. (VL 16, 81). 663 Hübner, Der Gott der Kirchenväter 15. Vgl. auch Courth, Trinität 110–113. 664 Zöllig, Inspirationslehre 60. 665 Gögler, Theologie des biblischen Wortes 249.
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Beweis stellen. So erklärt er im Matthäuskommentar ausdrücklich, der Sohn „of fenbare den Vater (ἀποκαλύπτει τὸν πατέρα).“666 In Contra Celsum stellt er fest, der Logos Gottes sei „imstande, […] kundzutun und zu offenbaren (γνωρίσαι καὶ ἀποκαλύψαι) den vor seiner Ankunft nicht erkannten Vater (τὸν πατέρα πρὸ τῆς παρουσίας αὐτοῦ οὐχ ὁρώμενον).“667 Im Johanneskommentar erläutert er, jedes der vier Evangelien „belehre uns über die Gegenwart des guten Vaters im Sohn für alle, die ihn aufnehmen wollen (διδάσκων τὴν τοῦ ἀγαϑοῦ πατρὸς ἐν υἱῷ τοῖς βουλομένοις παραδέξασϑαι ἐπιδημίαν)“.668 Für diese und ähnliche Aussagen kann sich Origenes auf einschlägige Schriftzitate berufen, zum Beispiel auf die Herrenworte: „Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“ (Joh 12,45; vgl. 14,9) oder: „Wer einen aufnimmt, den ich sende, nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat“ (Joh 13,20; vgl. Mt 10,40).669 Wie aber kann gedacht werden, dass im Sohn, dem „Apostel des Vaters“670, der Vater selbst offenbar ist? Zur Beantwortung dieser Frage greift Origenes zu einem einprägsamen Vergleich. Er veranschaulicht die metaphysische VaterSohn-Relation an der Beziehung, die zwischen dem denkenden Geist und dem gesprochenen Wort besteht, in dem ein vom Geist gedachter Gedanke geäußert wird: „Der Logos kann auch deshalb der Sohn sein“, so sagt er, „weil er die verborgenen Wahrheiten seines Vaters verkündet (παρὰ τὸ ἀπαγγέλλειν τὰ κρύϕια τοῦ πατρὸς ἐκείνου), welcher Geist ist in Entsprechung zu dem Sohn genannten Logos (ἀνάλογον τῷ καλουμένῳ υἱῷ λόγῳ νοῦ τυγχάνοντος). Wie nämlich das Wort bei uns (ὁ παρ᾽ ἡμῖν λόγος) Bote dessen ist, was vom Geist erkannt wird (ἄγγελός ἐστι τῶν ὑπὸ τοῦ νοῦ ὁρωμένων), so offenbart (ἀποκαλύπτει) auch der Logos Gottes, der den Vater erkannt hat, den Vater, den er erkannt hat, wobei kein gewordenes Wesen ohne Führer zu diesem gelangen kann. ‚Keiner nämlich hat den Vater erkannt außer der Sohn und der, dem der Sohn ihn offenbart‘ (Mt 11,27).“671 Origenes versteht die Offenbarungsökonomie also in Analogie zur menschlichen Mitteilung im Wort, die den im Geist gedachten Gedanken zur Voraussetzung hat. In dieser Analogie korrespondiert der Vater dem denkenden Geist und 666 In Matth. comm. XII 4 (GCS Orig. 10, 74,19). 667 Cels. VI 68,3–6 (SC 147, 348). Vgl. auch Cels. VI 65,12–14 (SC 147, 342) sowie In Ioh. comm.
XIII 24,146 (SC 222, 110): „Wem kommt es zu, uns zu sagen, wer Gott ist, wenn nicht dem Sohn? ‚Denn niemand kennt den Vater außer der Sohn‘ (Mt 11,27), damit auch wir durch die Offenbarung des Sohnes (ἀποκαλύπτοντος τοῦ υἱοῦ) erkennen, inwiefern Gott Geist ist (vgl. Joh 4,24), und unsere Ehre daran setzen, im lebendig machenden Geist und nicht im tötenden Buchstaben Gott zu verehren […].“ 668 In Ioh. comm. I 5,28 (SC 120, 74). Vgl. auch In Gen. hom. 1,17,66–70 (SC 7, 74). 669 Vgl. In Ioh. comm. XXXII 17,213–216 (SC 385, 276–278); Cels. VII 43,14–36 (SC 150, 114– 116). 670 In Ioh. comm. XXXII 17,203 (SC 385, 274) im Anschluss an Hebr 3,1. 671 In Ioh. comm. I 38,277 f. (SC 120, 198).
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der Sohn dem geäußerten Wort, in dem ein Mensch ausspricht, was er denkt.672 Als Logos ist der eingeborene Sohn demnach das Wort, in dem sich der Vater vernehmbar macht. Wie der Vater mit dem denkenden Geist und der Sohn als Logos mit dem gesprochenen Wort zu vergleichen ist, so entsprechen die „verborgenen Wahrheiten“ des Vaters, die vom Sohn verkündet werden,673 den vom denkenden Geist hervorgebrachten und im Wort artikulierten Gedanken. Dabei geht aus dem Gesamtzusammenhang des vorliegenden Zitats klar hervor, dass unter den „verborgenen Wahrheiten“ nicht irgendwelche Wahrheiten über den Vater zu verstehen sind, sondern der Vater selbst. Denn nachdem Origenes erklärt hat, dass der Sohn als Logos „die verborgenen Wahrheiten seines Vaters“ verkündet, präzisiert er im folgenden Satz denselben Sachverhalt mit der Feststellung, der Sohn offenbare „den Vater, den er erkannt hat“. Diese Präzisierung zeigt, dass Origenes mit dem Ausdruck „die verborgenen Wahrheiten“ die Wirklichkeit des Vaters umschreibt, und zwar – darauf kommt es an –, insofern diese kommunizierbar ist. Was damit gemeint ist, wird einsichtig, wenn man die von Origenes gewählte Analogie weiter entfaltet: Wie der menschliche Geist prinzipiell alles Denkbare in sich begreift, seine Gedanken aber immer bloß insoweit mitteilbar sind, als sie zuvor explizit gedacht, d. h. aus der Fülle des Geistes, in die alles Denkbare eingefaltet ist, als eben diese oder jene Gedanken hervorgetreten sind, so ist auch der Vater als der transzendente Urgrund von allem die Fülle der göttlichen Wirklichkeit, die jedoch nur insoweit im Logos kommuniziert wird, als sie sich aus ihrer transzendenten Einheit und Einfachheit heraus in den göttlichen Sinnzusammenhang entfaltet hat, der durch den Logos und in ihm nach außen mitgeteilt werden kann. Diesen göttlichen Sinnzusammenhang hat Origenes im Blick, wenn er von den „verborgenen Wahrheiten“ des Vaters spricht, die der Sohn offenbart.
672 Diese Analogie klingt schon bei Ignatius von Antiochien, Magn. 8,2 (SC 10, 86) und Cle-
mens von Alexandrien, Protr. 10,98,4 (GCS Clem. Alex. 1, 71,25 f.) an. Nach demselben Muster bestimmt Plotin das Verhältnis zwischen der zweiten und der dritten Hypostase: Ihm zufolge ist die dritte Hypostase, die ψυχή, der λόγος der zweiten Hypostase, des νοῦς. Dabei vergleicht auch Plotin das Hervorgehen der ψυχή als Bild (εἰκών) des νοῦς mit der sprachlichen Äußerung eines Gedankens, der zunächst in die Einheit des menschlichen Geistes eingefaltet ist und in seiner Verbalisierung aus dieser Einheit des Denkens herausgelöst, verselbständigt und gleichsam substantialisiert wird (vgl. Enn. V 1,3,6–9). „So ist der sprachlich geäußerte Gedanke das Außer-Sich-Sein des Gedankens. Ebenso ist die Seele das Außer-Sich-Sein des Geistes, in dem die Vielheit der Ideen zu einer eigenen, dem Geist gegenüber selbständigen Wirklichkeit wird. Diese eigene Existenz der Seele ist wie ein Niederschlag des inneren Wesens des Geistes […]“ (Halfwassen, Plotin und der Neuplatonismus 98 [Herv. i. Orig.]). 673 Vgl. auch Cels. II 71,5 f. (SC 132, 454), wo Origenes im Anschluss an Joh 1,18 über den Sohn sagt: Ἐκεῖνος ϑεολογῶν ἀπήγγειλε τὰ περὶ ϑεοῦ τοῖς γνησίοις αὐτοῦ μαϑηταῖς.
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Der vorliegende Gedankengang, der für Origenes’ Offenbarungstheologie von grundlegender Bedeutung ist, lässt sich in seiner metaphysischen Tiefe noch genauer ausloten, wenn wir eine andere Stelle aus dem ersten Buch des Johanneskommentars in unsere Betrachtung einbeziehen, an der Origenes konstatiert, der Logos verkünde die Sophia.674 Als Logos spricht der Sohn aus, was er als Sophia in sich begreift. Es ist auffällig, dass Origenes in der vorliegenden Aussage dasselbe Verb für „verkünden“ verwendet wie im obigen Zitat, nämlich ἀπαγγέλλειν. Hieß es dort, als Logos „verkünde“ der Sohn „die Wahrheiten seines Vaters“, so lesen wir hier, als Logos „verkünde“ er sich selbst, insofern er die Sophia ist. Aus dieser Variante können wir erschließen, dass die Wahrheiten des Vaters im Sohn subsistent sind, insofern dieser die Sophia ist, dass also, um die von Origenes verwendete Analogie aufzugreifen, der Sohn als Sophia die Fülle der Gedanken umfasst, die der Vater, einem denkenden Geist vergleichbar, hervorbringt. Wie der menschliche Geist im Vollzug des Denkens eine Vielfalt von Gedanken aus sich entlässt, die erst nachdem sie gedacht sind, ausgesprochen werden können, so entlässt der Vater im Akt der ewigen Zeugung aus sich seinen eingeborenen Sohn, der als Sophia die Fülle der geheimnisvollen göttlichen Urwirklichkeit in entfalteter Form umfasst, um sie als Logos mitzuteilen.675 Somit ist der Sohn die Wahrheit im etymologischen Sinn des Wortes ἀλήϑεια: die Unverborgenheit der verborgenen Wirklichkeitsfülle des Vaters (vgl. Joh 14,6), das „Person gewordene Sich-Selbst-Denken Gottes“.676 Als Logos – „in der Offenheit zu uns hin“677 – legt er das innerste Wesen, gleichsam das Herz des wahren Gottes offen, ist er „die Selbstmitteilung und das Sich-Aussprechen Gottes“,678 wie sich aus der Deutung nahelegt, die Origenes zu Ps 44,2 vorträgt. Wenn es in diesem Vers heißt: „Ausgestoßen hat mein Herz ein gutes Wort“, so lautet seine Erklärung dazu, dass der Vater „die Erkenntnisbilder der Wahrheit ausstößt […] und im Logos Gestalt annehmen lässt, der deshalb auch ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) heißt.“679 Deshalb vermag der Logos das Organ zu sein, das die im Innern des 674 In Ioh. comm. I 39,289 (SC 120, 206): καὶ ἕστι προεπινοουμένη ἡ σοϕία τοῦ αὐτὴν
ἀπαγγέλλοντος λόγου. Vgl. auch In Ioh. comm. II 4,40 (SC 120, 232): καὶ λόγος ὁ ἀπαγγέλων τὴν ἀληϑείαν καὶ τὴν σοϕίαν ἁπλῶν καὶ ϕανερῶν εἰς τοὺς χωρητικοὺς εἷς ἂν τυγχάνοι. 675 Vgl. auch Princ. I 2,3 (TzF 24, 126): Quali autem modo intelleximus sapientiam „initium viarum dei“ esse, et quomodo „creata“ esse dicitur (Spr 8,22), species scilicet in se et rationes totius praeformans et continens creaturae: hoc modo etiam „verbum dei“ eam esse intellegen dum est per hoc, quod ipsa ceteris omnibus, id est universae creaturae, mysteriorum et arca norum rationem, quae utique intra dei sapientiam continentur, aperiat; et per hoc verbum dicitur, quia sit tamquam arcanorum mentis interpres. 676 Gögler, Theologie des biblischen Wortes 251. 677 Ebd. 229. 678 Heither, Origenes’ „Mystikverständnis“ 480. 679 In Ioh. comm. I 38,283 (SC 120, 202).
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wahren Gottes eingefaltete Wahrheit verkündet (τῶν ἐν ἐκείνῃ [sc. τῇ καρδία τοῦ ϑεοῦ] τὸ ἀπαγγελτικόν).680 Dabei ist der Wille (βουλή) des Vaters der Inbegriff der praktischen Wahrheit. Diesen Willen vermag der Sohn deshalb zu verkünden (ἀπαγγέλλειν),681 weil er von Ewigkeit zu Ewigkeit selbst als dieser Wille subsistiert. In anderer inhaltlicher Akzentuierung begegnet uns derselbe Vorstellungskomplex noch an einer weiteren Stelle im ersten Buch des Johanneskommentars. Im Blick auf die verschiedenen Epinoiai, unter denen der Sohn dem biblischen Zeugnis zufolge betrachtet werden muss,682 erklärt Origenes dort, dass der Sohn in seiner Hypostase die Fülle aller Güter vereinigt, als die ihn sein Vater, der αὐταγαϑός, in ewiger Gegenwart konstituiert.683 Als diese Güterfülle, so heißt es weiter, „verkündet der Sohn Gottes sich selbst“; er selbst ist Inhalt der Offenbarung, „weil die [sc. von ihm verkündeteten] Güter nichts anderes als er selbst sind“.684 Bedenkt man, dass nach dem biblischen Credo des Origenes im Sohn die Offenbarung des Vaters erfolgt, so muss man den vorliegenden Gedankengang dahingehend interpretieren, dass der Sohn als die Fülle der Güter die Entfaltung der Urgüte seines Vaters ist und als solche die Mitteilung eben dieser Urgüte ermöglicht.685 In diesem Sinn kann Origenes in einer Jeremiahomilie im Blick auf die Epinoiai des Sohnes sagen: „Christus ist nämlich die Fülle der Eigenschaften Gottes (πάντα γὰρ ὅσα τοῦ ϑεοῦ τοιαῦτά ἐστιν, ὁ Χριστός ἐστιν): Er ist die Weisheit Gottes, er ist die Kraft Gottes, er ist die Gerechtigkeit Gottes, er ist die Heiligung, er ist die Erlösung (vgl. 1 Kor 1,24.30). So ist er auch die Einsicht Gottes (vgl. Jer 10,12). Das Subjekt (τὸ ὑποκείμενον) ist ein einziges, die Epinoiai aber haben vielerlei Bezeichnungen für verschiedene Sachverhalte.“686 Wenn daher Jesus nach Joh 8,20 bei der Schatzkammer des Jerusalemer Tempels lehrt, so hat er diesen Ort, wie Origenes meint, ganz bewusst ausgewählt, um eine tiefsinnige Zeichenhandlung zu vollziehen. Indem er sich gerade an diesen Ort begibt, um sich den Pharisäern als das Licht der Welt zu offenbaren, gibt er nämlich zu verstehen, dass er selbst die wahre Schatzkammer ist, und zwar deshalb, weil er die Sophia ist, die von Ewigkeit zu Ewigkeit aus dem Urgrund 680 In Ioh. comm. I 38,282 (SC 120, 200). Vgl. auch In Ioh. comm. X 15,85 (SC 157, 434). 681 In Ioh. comm. I 38,283 (SC 120, 202). 682 Vgl. In Ioh. comm. I 9,52–59 (SC 120, 88–90). 683 In Ioh. comm. I 10,62 (SC 120, 92). 684 In Ioh. comm. I 10,65 (SC 120, 92). Vgl. auch In Ioh. comm. XIII 28,165 (SC 222, 124), dazu
SC 222, 124 Anm. 1.
685 Vgl. in diesem Sinn auch die Anspielung auf Kol 1,19 und 2,9 in In Ioh. comm. I 10,60
(SC 120, 90): ἐν αὐτῷ, εἰς ὃν εὐδόκησεν ἅπαν τὸ πλήρωμα τῆς ϑεότητος κατοικῆσαι σωματικῶς sowie den Rekurs auf Kol 2,9 im Kontext der Epinoiailehre in Princ. IV 4,1 (TzF 24, 784–786). 686 In Hier. hom. 8,2,6–12 (SC 232, 356–358).
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der Gottheit hervorgeht. Die Schätze seiner göttlichen Weisheit, mit denen verglichen alles Gold dieser Welt wie Staub erscheint und alles Silber wie Lehm (vgl. Weish 7,9), offenbart Jesus in seinen Worten, in denen er als die Sophia des Vaters sich selbst ausspricht. In sämtlichen λόγια, die Jesus seinen Zuhörern mitteilt, ist er selbst vernehmbar, das göttliche Urwort, der eine und einzige Logos, der ausspricht, was er als Sophia in sich begreift, und der in sich begreift, was er immer schon von seinem Vater empfangen hat: das „unsagbare und verborgene Mysterium“,687 die geheimnisvolle Wirklichkeitsfülle Gottes selbst.688 Fassen wir zusammen: Insofern der Sohn die Sophia ist, subsistiert er als die Wirklichkeit seines Vaters in mitteilbarer Gestalt; insofern er der Logos ist, subsistiert er als dieselbe Wirklichkeit in mitgeteilter Gestalt.689 Beide Aspekte, die in sachlicher Parallele zum stoischen Begriffspaar λόγος ἐνδιάϑετος und λόγος προϕορικός zu sehen sind,690 lassen sich allerdings nur gedanklich auseinanderhalten. Denn als Inbegriff der göttlichen Offenbarung ist und bleibt der Sohn eine einzige Hypostase. So zeigt sich, dass für die Offenbarungsmittlerschaft des Sohnes dieselben Epinoiai konstitutiv sind wie für seine Schöpfungsmittlerschaft: Sophia und Logos. Als Sophia ist der Sohn in schöpfungstheologischer Hinsicht das Urbild der Schöpfung und in offenbarungstheologischer Hinsicht der Gehalt der Offenbarung. Als Logos wirkt er kommunikativ nach außen, indem er zum einen 687 In Matth. comm. XI 7 (GCS Orig. 10, 45,8). 688 Zur Auslegung von Joh 8,20 vgl. In Ioh. comm. XIX 9,53–56 (SC 290, 80–82). Gögler,
Theologie des biblischen Wortes 276–278 trifft den Gedankengang des Origenes, wenn er sagt: „Es gibt kein totales Wort unserer Sprache für die Ganzheit (μονάς) Gottes, weil menschliche Begrifflichkeit endlich, Gott aber unendlich ist. Wenn Gott sich uns offenbaren will, muß er sein Urwort (αὐτολόγος) auflösen in möglichst viele uns begreifliche Aspekte […]. Alle Wahrheit, jeder Sinn und alle Worte, soweit sie wahr sind, haben im Urlogos ihre Quelle und führen auf ihn zurück. […] Die Wort-Offenbarung ist universal. Sie umschließt alle Wahrheit überhaupt.“ 689 Vgl. Gögler, Theologie des biblischen Wortes 253 f.; von Harnack, Dogmengeschichte I 669. 690 Vgl. Pollard, Johannine Christology 97; Rius-Camps, Subordinacianismo 172; O’Leary, Christianisme et philosophie 149. Dies übersieht Mühl, Der λόγος ἐνδιάϑετος und προϕορικός 52 f. Vgl. Philon von Alexandrien, Mos. II 127. Theophilus von Antiochien sagt: „Da Gott seinen Logos inwendig in seinem Innern beschlossen trug (ἐνδιάϑετον ἐν τοῖς ἰδίοις σπλάγχνοις), zeugte er ihn zusammen mit seiner Sophia, indem er ihn vor allen Dingen aus sich ausgoss (ἐξερευξάμενος; vgl. Ps 44,2)“ (Ad Autol. II 10,2 [FP 16, 116–118]) und: „Die Wahrheit stellt den Logos dar als immerfort im Herzen Gottes beschlossen (διηγεῖται τὸν λόγον τὸν ὄντα διὰ παντὸς ἐνδιάϑετον ἐν καρδίᾳ ϑεοῦ; vgl. Ps 44,2). Denn bevor irgendetwas wurde, hatte er [sc. Gott] diesen zum Ratgeber, da er seine eigene Vernunft und Einsicht ist. Als aber Gott schaffen wollte, was er zu schaffen beschlossen hatte, zeugte er diesen Logos, ihn aus sich hervorbringend (προϕορικόν), als den ‚Erstgeborenen aller Schöpfung‘ (Kol 1,15). Dabei ist er selbst nicht des Logos entleert worden. Vielmehr zeugte er den Logos und bleibt mit seinem Logos immerfort in Verbindung“ (Ad Autol. II 22,3 f. [FP 16, 152–154]).
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die Geschöpfe ins Dasein ruft und zum anderen der vernunftbegabten Kreatur den wahren Gott offenbart. An diesen Parallelen wird noch einmal deutlich, dass Origenes auch die Schöpfung als Offenbarung begreift, weil sich in der kreatürlichen Wirklichkeit deren Urbild, die göttliche Sophia, als Logos ausspricht. In diesem ersten Abschnitt über seine Offenbarungstheologie galt es herauszuarbeiten, wie Origenes die Offenbarung, die gemäß christlichem Kerygma in Jesus Christus ergangen ist, inhaltlich bestimmt. Dabei hat sich gezeigt, dass der geschichtlichen Offenbarungsökonomie nach Origenes eine metaphysische Uroffenbarung zugrunde liegt, die mit dem ewigen Hervorgang des Sohnes aus dem Vater zusammenfällt. In der Zeugung seines Sohnes teilt der Vater sich in seiner Gottheit diesem so vollkommen mit, dass der Sohn wirklich als die Offenbarung seines Vaters, als die Selbstaussage des einen wahren Gottes, subsistiert,691 ohne dass er dabei aufhört zu sein, was er ist: der eingeborene Sohn des Vaters. Nur als der Sohn kann er ja die Selbstaussage seines Vaters sein, der seinerseits den Sohn zeugen, sich in ihm aussprechen muss. Und nur als der Sohn kann er den Vater verkünden. Denn dessen transzendente Wirklichkeitsfülle ist erst im Sohn als Sophia in solcher Gestalt gegeben, dass sie an die vernunftbegabten Kreaturen mitgeteilt werden kann. So gelingt es Origenes, im Sohn Identität in der Differenz zu denken: Im Sohn sagt sich der Vater so aus, dass in ihm die Wirklichkeit des wahren Gottes gegeben ist, ohne dass dadurch jedoch die Verschiedenheit beider Hypostasen aufgehoben wird. Was die Ontologie der zweiten Hypostase betrifft, so liegt dieser Offenbarungskonzeption letztlich dieselbe Überzeugung zugrunde, wie sie später im nizänischen Glaubensbekenntnis entsprechend seiner kirchlichen Rezeption ihren Niederschlag gefunden hat: Dem Sohn kommt das gleiche Gottsein zu wie dem Vater. Er ist kein mehr oder weniger kreatürliches Zwischenwesen, keine dem höchsten Gott seinsmäßig untergeordnete Vermittlungspotenz. Allein deshalb vermag er der vernunftbegabten Kreatur das Wesen Gottes zu offenbaren, sie in das Innerste, in das Herz seines Vaters zu führen, weil er selbst von Ewigkeit zu Ewigkeit aus diesem Innersten hervorgeht und die Wirklichkeit dieses Innersten vollkommen in sich bewahrt.692 Das Offenbarungsverständnis des Origenes beruht somit auf demselben ontologischen Fundament wie der Gedankengang, den er entwickelt, um die biblisch bezeugte Einheit von Vater und Sohn verständlich zu machen. Vor diesem Hintergrund verdient die Tatsache besondere Beachtung, dass seine Auffassung, wonach der Vater als vollkommene Einheit, der Sohn hingegen als eine zur All-Einheit vermittelte Vielheit subsistiert, in seiner Offenba691 Dies übersieht Harl, La fonction révélatrice du verbe incarné 338 f. 692 Diesen wesentlichen Zusammenhang lässt Aeby, Les missions divines 164 außer Acht,
wenn er davon ausgeht, dass nach Origenes der Sohn einerseits dem Vater ontologisch subordiniert ist, andererseits aber als dessen Offenbarer fungiert.
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rungsmetaphysik, wie wir sie im vorliegenden Abschnitt rekonstruiert haben, keine ontologische Subordination der zweiten unter die erste Hypostase zur Folge hat. Der Sohn umfasst als all-einheitliche Vielheit keine andere Seinswirklichkeit als eben die Seinswirklichkeit seines Vaters. In diesem Sinn ist in den Kategorien der Einheit und der Vielheit nur die jeweilige Eigentümlichkeit der beiden Hypostasen, nicht dagegen auch ihre seinsmäßige Differenz zum Ausdruck gebracht. Daran wird wiederum deutlich, dass Origenes bereit ist, mit einem Grunddogma platonischer Rationalität zu brechen, wo sich ihm das christliche Kerygma einer Deutung unter den Vorzeichen dieser Rationalität zu entziehen scheint. In unseren einleitenden Bemerkungen haben wir darauf hingewiesen, dass Origenes in seinen vielfältigen Äußerungen über den Inhalt der Offenbarung die metaphysische Tiefendimension seines Offenbarungsbegriffs keineswegs immer und überall mit solcher Klarheit artikuliert, wie sie sich bei einer interpretierenden Zusammenschau der oben analysierten Textpassagen einstellt. Wenn er über die Offenbarungsökonomie spricht, bedient er sich vielmehr überwiegend solcher christologischer Titel und Deutungsmuster, die mehr oder weniger hinter der Vorstellung von der Selbstoffenbarung Gottes zurückbleiben. Wenn er den inkarnierten Gottessohn als Propheten darstellt – an dessen exklusiver Stellung in der Geschichte der Prophetie er gleichwohl nicht den geringsten Zweifel lässt –,693 wenn er ihn als Lehrer des authentischen Christentums und als Erzieher charakterisiert, der die Menschen zur rechten Gottesverehrung anleitet,694 oder wenn er ihn als Führer zum Vater apostrophiert (vgl. Joh 14,6; 1 Petr 3,18; Eph 3,12),695 so knüpft er mit diesen Topoi an das neutestamentliche Christuszeugnis an. Bei der Interpretation dieser Deutungsmuster wird man in Anbetracht unserer Ausführungen nicht fehlgehen, wenn man sie nicht losgelöst von der Grundüberzeu693 In Ioh. comm. VI 15,88–92 (SC 157, 194–196); 17,96 (SC 157, 200): Nach Origenes gebührt
der Titel ὁ προϕήτης nur dem Sohn (vgl. Joh 4,19; 6,14; 7,40; 9,17; Lk 24,19). Er allein ist der Prophet schlechthin, der durch sein Erscheinen als Mensch von seinem göttlichen Vater Kunde gebracht hat (vgl. Joh 1,18). Deshalb verneint Johannes der Täufer unmissverständlich die Frage der Jerusalemer Priester und Leviten: „Bist du der Prophet?“ (Joh 1,21). Der Täufer ist nur ein Prophet (προϕήτης) in der langen Reihe der Propheten (vgl. Lk 1,76; 20,6; Mt 11,9), in der er als unmittelbarer „Vorläufer Jesu“ gleichwohl eine herausgehobene Stellung einnimmt (In Ioh. comm. II 37,224 [SC 120, 360–362]). Zur Unterscheidung zwischen ὁ προϕήτης und προϕήτης vgl. auch Neuschäfer, Origenes als Philologe I 205. II 445 Anm. 477. 694 Cels. I 30,14–17 (SC 132, 158); 33,20–24 (SC 132, 166); 37,18 f. (SC 132, 176); 61,25 f. (SC 132, 242); 68,33–45 (SC 132, 268); II 71,15 f. (SC 132, 454); III 28,6–11 (SC 136, 66); 31,14–17 (SC 136, 74); 34,19–22 (SC 136, 80); 60,25 (SC 136, 140); 62,8–10 (SC 136, 142); IV 3,27–30 (SC 136, 192); V 51,19–24 (SC 147, 144); VI 66,11–24 (SC 147, 344); VII 41,22–32 (SC 150, 110); VIII 29,7–10 (SC 150, 236). 695 In Ioh. comm. XIX 12,74 (SC 290, 92); XXXII 3,35 (SC 385, 202); Cels. VI 66,19–21 (SC 147, 344); 66,28–31 (SC 147, 344–346); 68,6–8 (SC 147, 348); VII 17,4–14 (SC 150, 50–52).
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gung des Origenes zu verstehen sucht, dass der wahre Gott als Vater sich in seiner göttlichen Wirklichkeitsfülle selbst immer schon in seinem eingeborenen Sohn ausgesagt hat. Im Folgenden geht es nun darum, im Horizont dieses Grunddogmas die verschiedenen systematischen Dimensionen und geschichtlichen Etappen der göttlichen Offenbarungsökonomie, wie Origenes sie entfaltet, zu besprechen.
2.2 Die transzendentale Offenbarung: „In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt“ (Joh 1,26) Gemäß seiner Lehre von der doppelten Schöpfung besteht für Origenes das eigentliche Wesen des Menschen darin, ein reines Vernunftgeschöpf zu sein. Durch seine Vernunftbegabung hat der Mensch immer schon Anteil an der allumfassenden Urvernunft, die alle kreatürliche Vernunftwirklichkeit begründet und die im Sohn subsistiert. Das Wesen des Menschen ist somit bestimmt durch seine geschöpfliche Teilhabe an der zweiten Hypostase, dem eingeborenen Sohn des Vaters, wodurch er in grundlegender, anfanghafter Weise auch immer schon in die ewige Vater-Sohn-Beziehung hineingenommen ist. Wie wir im Rahmen der Schöpfungslehre ausgeführt haben, bildet die ontologische Logosteilhabe, die auch durch den Sündenfall nicht völlig zerstört werden konnte, das metaphysische Fundament der origeneischen Ethik. Weil sich der Mensch im Bewusstsein seiner selbst unausweichlich in den Horizont des göttlichen Logos hineingestellt erfährt, kann Origenes ihm ein Gewissen zusprechen. Denn nur dadurch ist sich der Mensch bleibend des Guten gewiss, dass er im Logos immerfort den heiligen Willen seines Schöpfers vernimmt, welcher der Gute schlechthin ist. Hier zeigt sich, dass die origeneische Ethik offenbarungstheologisch fundiert ist. So wahr es ist, dass der Mensch aufgrund seiner Vernunftbegabung das Vermögen besitzt, sich in Freiheit selbst zu bestimmen, so wahr ist und bleibt doch zugleich, dass er in seiner Autonomie seine sittliche Berufung verfehlt, wenn er sich dem Imperativ verweigert, der im Logos des Vaters immer schon an ihn ergeht. Bei aller Autonomie, die als ihr Formalprinzip zu gelten hat, erweist sich die origeneische Ethik, was ihren Inhalt angeht, als durch und durch theonom. Sie gründet in einem Ruf, der vom Vater durch den Sohn an das sittliche Subjekt ergeht. Seine kreatürliche Logosteilhabe macht den Menschen also wesenhaft zum Hörer des vernunft-, wahrheits- und weisheitserfüllten Urwortes des Vaters. So existiert der Mensch als vernunftbegabte Kreatur immer schon als Adressat göttlicher Offenbarung, findet er sich immer schon im Horizont des Wortes vor, als das sich der Vater in seinem Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit ausspricht. Die Offenbarungsökonomie, in der sich der Vater durch seinen Sohn den vernunftbegabten Geschöpfen mitteilt, besteht also seit Anbeginn der primä-
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ren Schöpfung. „Der eingeborene Sohn Gottes, durch den ‚alles geschaffen ist, das Sichtbare und das Unsichtbare‘ (Kol 1,16) […]“, so erklärt Origenes in seiner Grundlagenschrift, „hat gemäß biblischem Zeugnis alles gemacht und ‚liebt‚ was er gemacht hat‘ (Weish 11,24). Denn weil er selbst das unsichtbare ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) ist, hat er allen vernunftbegabten Geschöpfen in unsichtbarer Weise Anteil an sich gewährt (participationem sui universis rationabili bus creaturis invisibiliter praebuit), und zwar so, dass ein jeder so viel Anteil von ihm bekam (ut tantum ex eo unusquisque participii sumeret), wie es dem Maß der Liebe entsprach, mit der er sich ihm fest verbunden hatte.“696 In der Tatsache, dass jedes vernunftbegabte Geschöpf nach Gen 1,26 f. „gemäß dem Bild Gottes“, d. h. gemäß dem eingeborenen Gottessohn, geschaffen ist, auf die Origenes im vorliegenden Zitat anspielt, liegt die kreatürliche Logosbeziehung begründet, durch die jedes einzelne Vernunftwesen als das konstituiert ist, was es ist. In dieser kreatürlichen Logosbeziehung ereignet sich nach Origenes immer schon Offenbarung, der gegenüber das vernunftbegabte Geschöpf zur Stellungnahme berufen ist.697 Weil die vernunftbegabte Kreatur ihre wesenhafte Logosbeziehung niemals ganz verlieren kann, da sie andernfalls aufhörte zu sein, was sie ist, ist auch die damit einhergehende Offenbarung für sie immer schon vernehmbar. Mit einem Begriff aus der Theologie Karl Rahners kann diese Offenbarung als „transzendentale Offenbarung“ in dem Sinn bezeichnet werden,698 dass sie das Dasein einer jeden vernunftbegabten Kreatur immer schon umfängt und sich auf diese Weise als für ihr Wesen konstitutiv erweist.699 Um seine Auffassung von der so verstandenen transzendentalen Offenbarung mit der Heiligen Schrift zu begründen, verweist Origenes vor allem auf Joh 1,26 f., Röm 10,8 und Mt 28,20. In den Deutungen, die er in unterschiedlichen Kontexten zu diesen Schriftversen vorträgt, kommen auch die verschiedenen Aspekte seines Offenbarungsbegriffs zum Vorschein: Neben der transzendentalen Offenbarung, die das Dasein der Vernunftgeschöpfe apriori immer schon bestimmt, sind hier – als Höhepunkt der Heilsgeschichte – die Inkarnation des Logos in Jesus von Nazaret sowie seine bleibende Gegenwart kraft des Heiligen Geistes in der Gemeinschaft der Glaubenden zu nennen. Wenn Johannes der Täufer den Pharisäern die Christusbotschaft mit den Worten verkündet: „In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt und der nach mir kommt“ (Joh 1,26 f.), so darf nach Origenes die darin bezeugte Gegenwart Christi nicht im körperlich sichtbaren Sinn verstanden werden, wie Herakleon 696 Princ. II 6,3 (TzF 24, 360). 697 Vgl. Crouzel, Origène 134. 698 Gögler, Theologie des biblischen Wortes 258 spricht einerseits von „natürlicher Offenba-
rung“, verwendet andererseits aber auch den Begriff „transzendental“ (ebd. 259).
699 Vgl. Bruns, Hörer des Wortes 51–55.
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meint. Dieser Deutung kann Origenes schon deshalb nicht zustimmen, weil darin im Grunde unterstellt wird, dass Christus als Sophia und Logos nicht jederzeit und allerorten gegenwärtig ist. Dagegen aber spricht die in Joh 1,10 bezeugte fortwährende Immanenz des Logos im Kosmos. Deshalb kann das Zeugnis des Täufers unmöglich in dem Sinn verstanden werden, als wolle dieser die Pharisäer lediglich von der leibhaftigen Gegenwart Christi im näheren Umkreis Betaniens in Kenntnis setzen.700 Der Sinn seiner Worte ist vielmehr, dass der Logos, der fortwährend das All durchdringt, als eben derselbe auch im Innern der Menschen gegenwärtig ist, zu denen der Täufer spricht. Bei dieser Interpretation bringt Origenes die Vorstellung von der transzendentalen Offenbarung ins Spiel, wenn er die Aussage des Täufers wie folgt paraphrasiert: „In eurer Mitte, in der Mitte von euch Menschen, steht er [sc. den ihr nicht kennt], und zwar deshalb, weil ihr ver nünftig (λογικοί) seid. Denn es lässt sich zeigen, dass sich in der Mitte des ge samten Körpers das ἡγεμονικόν befindet, das den Schriften zufolge im Herzen angesiedelt ist.“701 Nach Origenes bezieht sich das Zeugnis des Täufers also auf die ständige Gegenwart des ewigen Gottessohnes im inneren Menschen. Weil jeder Mensch vernunftbegabt ist, ist in jedem Menschen der Logos, der eingeborene Sohn des Vaters, immer schon präsent,702 mag sich der Mensch dieser Präsenz auch kaum oder gar nicht bewusst sein. Um die Gegenwart des Logos im Menschen zu lokalisieren, greift Origenes den Begriff des Hegemonikon auf, mit dem in der stoischen Anthropologie das Vernunftvermögen bezeichnet wird.703 Nach Origenes ist das Hegemonikon die höchste Seelenpotenz, in der sich das eigentliche Wesen des Menschen manifestiert, das in der schöpfungsgemäßen Teilhabe am göttlichen Logos besteht.704 Es bildet die innere Wesensmitte des Menschen, den Kern der menschlichen Person, den nicht nur Platon, sondern auch Paulus den inneren Menschen genannt hat. So ist das Hegemonikon der Ort der transzendentalen Offenbarung, in der sich der Logos vernehmbar macht, seit der Mensch als vernunftbegabte Kreatur 700 Zur Auseinandersetzung mit Herakleons Deutung vgl. In Ioh. comm. VI 39,194–197
(SC 157, 274–276), zum philologischen Hintergrund Wucherpfennig, Heracleon Philologus 239 f. – Princ. IV 4,3 (TzF 24, 792) zufolge lässt sich die in Joh 1,26 f. vom Täufer bezeugte Gegenwart Christi schon deshalb nicht im physischen Sinn verstehen, weil sich Jesus – wie aus Joh 1,29 hervorgeht – zu dem betreffenden Zeitpunkt gar nicht in der Volksmenge befand, an die sich der Täufer wendet (cum corporaliter absente Iesu dicebat ad turbas). Vgl. dazu auch Cels. II 9,52–59 (SC 132, 304). 701 In Ioh. comm. VI 38,189 (SC 157, 270). Vgl. auch In Ioh. comm. II 35,215 (SC 120, 354). 702 In Ioh. comm. VI 30,154 (SC 157, 246): παρὼν πάντι ἀνϑρώπῳ. 703 Vgl. SVF II Nr. 834–849 sowie Kobusch, Art. Hegemonikon 1030. 704 Das Hegemonikon (principale cordis) als der kostbarste Seelenteil ist nach In Ex. hom. 9,4,75–80 (SC 321, 300) „der vernünftige Sinn (rationabilis sensus) oder die erkennende Substanz (intellectualis substantia) oder wie man sonst jenen Teil von uns nennen mag, durch den wir Gottes teilhaftig (capaces Dei) werden können.“
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ins Dasein getreten ist. Dabei ist der Logos, der sich dem inneren Menschen immer schon offenbart, nicht eine apersonale, absolute Vernunft. Er ist kein anderer als der ewige Gottessohn, der in der Fülle der Zeiten Mensch geworden ist.705 Auch davon legt der Täufer Zeugnis ab, wie Origenes in subtiler Exegese zu begründen weiß: „Damit nicht jemand meint, der unsichtbare [sc. Logos], der jeden Menschen und den ganzen Kosmos durchdringt (διήκων ἐπὶ πάντα ἄνϑρωπον καὶ ἐπὶ ὅλον τὸν κόσμον), sei ein anderer als der, welcher Mensch geworden und auf der Erde erschienen ist und mit den Menschen Umgang gepflegt hat, verknüpft er den Satz: ‚In eurer Mitte steht der, den ihr nicht kennt‘ mit der Aussage: ‚Er kommt nach mir‘. Dies bedeutet: Nach mir wird er in Erscheinung treten.“706 Wenn der Sohn im Johannesprolog „das Licht der Menschen“ (Joh 1,4) und „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 1,9) genannt wird, wenn er nach Jesaja „Licht der Völker“ heißt (Jes 49,6) und wenn er selbst sich als „das Licht des Kosmos“ offenbart (Joh 8,12; 9,5; vgl. 12,46),707 so ist mit all diesen Bezeichnungen nach Origenes der Tatsache Ausdruck verliehen, dass der Sohn „die Hegemonika der Menschen, ja überhaupt aller vernunftbegabten Kreaturen erleuchtet und erhellt (ϕωτίζειν καὶ καταλάμπειν τὰ ἡγεμονικὰ τῶν ἀνϑρώπων ἢ ἁπαξαπλῶς τῶν λογικῶν).“708 „Der Erlöser erleuchtet die Vernunftwesen und ihre Hegemonika (ἐλλάμπων τοῖς λογικοῖς καὶ ἡγεμονικοῖς), so dass ihr Geist die ihm eigentümlichen Objekte betrachten kann (ἵνα αὐτῶν ὁ νοῦς τὰ ἴδια ὁρατὰ βλέπῃ) […].“709 Auf diese Weise ist der Sohn das rein geistige, wahre Licht der rein geistigen, eigentlichen Welt, wie die Sonne das körperliche Licht der materiellen Welt ist.710 „Der Erlöser‚ der ‚das Licht des Kosmos‘ ist, erleuchtet nicht Körper, sondern mit unkörperlicher Kraft den unkörperlichen Geist, auf dass jeder von uns wie von der Sonne erleuchtet auch die übrige noetische Wirklichkeit betrachten kann.“711 Indem der Logos den vernunftbegabten Kreaturen mit ihrer Vernunftbegabung eo ipso Anteil an sich verliehen hat, vollziehen diese ihr Dasein immer schon im Licht der Wahrheit.712 Der eingeborene Sohn des Vaters ist in ihnen 705 So völlig zu Recht Lieske, Theologie der Logosmystik 111. 114. 706 In Ioh. comm. VI 30,156 (SC 157, 248). 707 In Ioh. comm. I 25,158 f. (SC 120, 138–140). 708 In Ioh. comm. I 27,181 (SC 120, 148). 709 In Ioh. comm. I 25,161 (SC 120, 140). 710 Vgl. In Ioh. comm. I 25,160 f. (SC 120, 140); 26,167 (SC 120, 142–144); 26,179 (SC 120, 148).
Wenn Origenes die rein geistige Welt an der erstgenannten Stelle νοητὸς κόσμος nennt, so ist damit nicht der Ideenkosmos gemeint, als welcher der Sohn subsistiert, sondern das Gesamt der reinen Vernunftwesen, wofür Crouzel, Idées et Raisons 380 zur klareren Unterscheidung vom Ideenkosmos die Bezeichnung κόσμος νοερός vorgeschlagen hat. 711 In Ioh. comm. I 25,164 (SC 120, 142). 712 Vgl. In Ioh. comm. XX 28,246 (SC 290, 278): „Diejenigen, die an ihm teilhaben, haben nämlich teil an ihm, auch insofern er Wahrheit ist (vgl. Joh 14,6), und deshalb ist Wahrheit in ihnen.“ Vgl. in diesem Sinn auch In Hier. hom. 14,10,5–10 (SC 238, 84–86).
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immer schon als innerer Lehrer zugegen. Wenn sie auf sein Wort hören, „lassen sie sich unterrichten durch das erstgezeugte Licht selbst (αὐτῷ τῷ πρωτογεννητῷ ϕωτί)“, das Licht ist vom Licht des Vaters.713 Die Lehre, dass jeder Mensch am Logos teilhat, findet Origenes auch in Röm 10,6–8 bezeugt. Dort paraphrasiert Paulus Dtn 30,12–14 mit den Worten: „Sag’ nicht in Deinem Herzen: ‚Wer wird in den Himmel hinaufsteigen?‘ Das bedeutet: Christus herabholen. Oder: ‚Wer wird in den Abgrund hinabsteigen?‘ Das bedeutet: Christus von den Toten heraufführen. Was aber sagt die Schrift? ‚Das Wort (ρῆμα) ist dir ganz nahe in Deinem Mund und in Deinem Herzen.‘ “ Mit der Begründung, „dass Christus und das gesuchte Wort dasselbe sind“, interpretiert Origenes auch diese Textstelle als Zeugnis über die Logosgegenwart im Innern eines jeden Menschen. Paulus will sagen, so erklärt er, dass der Logos „nicht außerhalb der Suchenden zu suchen sei von denen, die entschlossen sind, ihn zu finden.“714 Dabei stört sich Origenes offenbar nicht daran, dass im vorliegenden Passus gar nicht der Begriff λόγος begegnet, sondern von ρῆμα die Rede ist. Die Tatsache, dass von dem ρῆμα gesagt wird, es sei dem Menschen in seinem Herzen ganz nahe, ist für ihn Anlass, auch in Röm 10,8 bzw. Dtn 30,14 eine biblische Referenzstelle für seine Vorstellung von der transzendentalen Offenbarung im Hegemonikon zu sehen. Auf die fundamentale ethische Bedeutung der transzendentalen Offenbarung kommt Origenes im unmittelbaren Anschluss an seine Interpretation des Römerbriefzitats zu sprechen. Dabei verwendet er ein Herrenwort aus dem Johannesevangelium als Beweis dafür, dass der Mensch überhaupt nur deshalb schuldfähig ist, weil er aufgrund seiner kreatürlichen Teilhabe am Logos sich immer schon unter den Anspruch des Sittlichen gestellt weiß. Sündigen kann nur, wer vernunftbegabt ist. Vernunftbegabt aber ist nur, wer teilhat am Logos. Deshalb erklärt Origenes: „Die Aussage, die der Herr selbst gemacht hat: ‚Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen gesprochen hätte, hätten sie keine Sünde. Jetzt aber haben sie keine Entschuldigung für ihre Sünde‘ (Joh 15,22), kann man nicht anders verstehen als in dem Sinn, dass der Logos sagt, dass diejenigen, die er noch nicht erfüllt hat (οἷς οὐδέπω συμπεπλήρωται), keine Sünde haben, dass aber all diejenigen der Sünde unterworfen sind, die bereits Anteil an ihm erhalten haben, aber trotzdem den Grundsätzen zuwiderhandeln, mit denen er uns erfüllt (παρὰ τοῖς ἐννοίας τὰς ἐξ ὧν οὗτος ἐν ἡμῖν συμπληροῦται). Und nur in diesem Sinn ist der Satz wahr: ‚Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen gesprochen hätte, hätten sie keine Sünde‘.“715 Die Auffassung, der Herr wolle mit diesem Satz behaupten, all jene Menschen, die vor seiner Inkarnation gelebt haben, seien 713 In Ioh. comm. I 25,165 (SC 120, 142). 714 In Ioh. comm. I 37,269 (SC 120, 194). 715 In Ioh. comm. I 37,270 (SC 120, 194).
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schuldunfähig gewesen, kann ja niemand im Ernst vertreten. Denn eine solche Deutung würde die Fundamente einer universalen Ethik untergraben. Dieser völlig absurden Konsequenz entgeht Origenes dadurch, dass er Joh 15,22 auf die transzendentale Logosoffenbarung bezieht, in der die Moralfähigkeit eines jeden Menschen gründet.716 In der bisherigen Untersuchung ist schon verschiedentlich angeklungen, dass die vernunftbegabte Kreatur ihre geschöpfliche Logosteilhabe nach Origenes als Auftrag begreifen muss. Das Vernunftgeschöpf ist von seinem innersten Wesen her aufgefordert, sich zur transzendentalen Offenbarung des ewigen Gottessohnes in der rechten Weise zu verhalten. Darin besteht der eigentliche Sinn seines Daseins. Mit dieser Dimension der transzendentalen Offenbarung werden wir uns im nächsten Kapitel noch ausführlich zu beschäftigen haben, wenn wir die trinitätstheologischen Implikationen der origeneischen Soteriologie in den Blick nehmen. Im vorliegenden Zusammenhang soll abschließend nur kurz das Grundproblem aufgerissen werden, um das es dabei geht. Wenn sich der Sohn jedem vernunftbegabten Geschöpf immer schon offenbart, dann erfolgt die Annahme dieser transzendentalen Offenbarung dadurch, dass das Geschöpf sich in umfassender Weise auf die Wirklichkeit des Sohnes einlässt, um so schließlich immer tiefer in die Beziehung hineinzuwachsen, die von Ewigkeit zu Ewigkeit zwischen dem Sohn und seinem Vater besteht. Wer sich dagegen dem Sohn verweigert, indem er der rechten Vernunft zuwider (παρὰ τὸν ὀρϑὸν λόγον) lebt, sich um die Weisheit nicht kümmert, die Wahrheit missachtet, den Pfad der Gerechtigkeit verlässt und den Frieden nicht bewahrt, dem gilt das Wort, das der Herr zu jeder Zeit und an allen Orten über all jene spricht, die sich seinem Ruf zur Nachfolge verschließen: „Ihr verachtet mich!“ (Joh 8,49). Denn der Sohn ist die Vernunft, die Weisheit, die Wahrheit, die Gerechtigkeit
716 Vgl. auch In Ioh. comm. I 37,271–274 (SC 120, 196) und Princ. I 3,6 (TzF 24, 172–174), wo
Origenes auf Joh 15,22 ebenfalls im unmittelbaren Anschluss an Röm 10,6–8 zu sprechen kommt: Ostendit sane et apostolus Paulus quod omnes habeant participium Christi dicens: „Ne dixeris in corde tuo […]. Sed quid dicit scriptura? Prope te est verbum valde in ore tuo et in corde tuo“. Ex quo in corde omnium esse significat Christum secundum id, quod verbum vel ratio est, cuius participio rationabiles sunt. Sed et illud, quod in evangelio dictum est: „Nisi venissem […]“ his, qui rationem norunt, usque ad quod tempus peccatum homo non habeat et ex qua aetate obnoxius peccato sit, manifestum est et patet quomodo ex participa tione verbi vel rationis homines peccatum habere dicuntur: videlicet ex quo intellectus atque scientiae capaces effecti, cum iam eis boni vel mali discretionem ratio intrinsecus inserta suggesserit; et cum scire iam coeperint quid sit malum, si faciunt illud, peccato efficiuntur obnoxii. Et hoc est quod dixit quia „excusationem non habent homines pro peccato suo“, ex quo eis divinus sermo vel ratio ostendere coeperit in corde discretionem boni ac mali, ut per hanc debeant refugere et cavere quod malum est, et quia „scienti bonum et non facienti“ inquit „peccatum est illi“ (vgl. Jak 4,17).
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und der Friede in Person (vgl. Eph 2,14).717 Vor dem Hintergrund seiner Lehre von der transzendentalen Logosteilhabe der Vernunftgeschöpfe interpretiert Origenes auch das Herrenwort Joh 8,21, wenn er erklärt: „In dem Maße, wie wir die in unsere Seele eingestreuten Samenkörner (σπέρματα) der Wahrheit und ihre Prinzipien (ἀρχαί) bewahren, hat uns der Logos noch nicht verlassen. Aber wenn wir uns von dem Ausguss der Lasterhaftigkeit zugrunde richten lassen, dann wird er zu uns sagen: ‚Ich gehe fort‘, so dass wir, auch wenn wir ihn suchen, ihn nicht finden, sondern in unserer Sünde sterben, weil wir in ihr ertappt und durch sie in Besitz genommen werden von denen, die dazu bestimmt sind, die Seele zurückzufordern gemäß seinem Ausspruch: ‚Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man deine Seele von dir zurückfordern‘ (Lk 12,20).“718 Aufgrund der transzendentalen Offenbarung ist jeder vernunftbegabten Kreatur aber immer und überall auch die Möglichkeit gegeben, von neuem mit dem ewigen Gottessohn in Beziehung zu treten. Wenn Origenes erklärt: „In dem Maße, in dem ein jeder der Weisen die Weisheit in sich aufnimmt, in dem Maße hat er Anteil an Christus, weil dieser die Weisheit ist“,719 so gilt dies mutatis mutandis im Blick auf alle Dimensionen, in denen ein Vernunftgeschöpf zur Teilhabe am Sohn berufen ist. „Wie der Erlöser die Gerechtigkeit, die Wahrheit und die Heiligung in Person ist (αὐτοδικαιοσύνη, vgl. 1 Kor 1,30; αὐτοαλήϑεια, vgl. Joh 14,6; αὐτοαγιασμός, vgl. 1 Kor 1,30), so ist er auch die Erwartung in Person (αὐτοϋπομονή; vgl. Jer 17,13). Und man kann weder gerecht sein ohne Christus noch heilig sein ohne ihn noch eine Erwartung in sich tragen, ohne Christus zu haben.“720 Wer aber gerecht handelt, wer heilig lebt und wer zuversichtlich in die Zukunft schaut, der vollbringt all dies allein dadurch, dass er sich einlässt auf die Wirklichkeit des Sohnes, in deren Horizont er unausweichlich sein Dasein immer schon vollzieht.721 Im Blick auf die beiden folgenden Abschnitte, in denen die geschichtliche Dimension des origeneischen Offenbarungsbegriffs behandelt wird, kann schon jetzt festgehalten werden, dass Origenes in der kategorial-geschichtlichen Offenbarung kaum mehr erkennen kann als eine verdeutlichende Objektivation der transzendentalen Offenbarung. Auch nach der Inkarnation, die den Höhepunkt der geschichtlichen Offenbarungsökonomie darstellt, lebt der Christ, lebt die Kirche wesentlich im Horizont der transzendentalen Gegenwart des Herrn. So erklärt Origenes unmissverständlich: „Der Sohn Gottes (ὁ τοῦ ϑεοῦ παῖς) war nicht bloß 717 Vgl. In Ioh. comm. XIX 23,155–158 (SC 290, 142–144); XX 37,344–347 (SC 290, 324–326). 718 In Ioh. comm. XIX 12,78 (SC 290, 94). Vgl. auch In Ioh. comm. XIX 12,76 (SC 290, 94) mit
der Rezeption von Röm 10,6–8.
719 In Ioh. comm. I 34,246 (SC 120, 182). 720 In Hier. hom. 17,4,17–20 (SC 238, 166–168). 721 Vgl. auch die Ansätze zu dieser Art von „anonymem Christentum“ bei Clemens von Ale-
xandrien, Strom. IV 25–41 (GCS Clem. Alex. 2, 259–267).
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damals, sondern ist überhaupt immer (ἀλλὰ καὶ ἀεί) bei seinen Jüngern (μετὰ τῶν ἰδίων μαϑητῶν) und erfüllt so seine Verheißung: ‚Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt‘ (Mt 28,20).“722 Und er fährt fort: „Wenn nämlich ‚die Rebe keine Frucht bringen kann, wenn sie nicht am Weinstock bleibt‘ (Joh 15,4), so können offenkundig auch die Jünger des Logos, die geistigen Reben (τὰ νοητὰ κλήματα) des wahren Weinstocks, des Logos, die Früchte der Tugend nicht bringen, wenn sie nicht am wahren Weinstock bleiben, dem Christus Gottes, der auch bei uns ist, die wir unseren Ort unten auf der Erde haben. Er ist überall bei denen, die mit ihm verwachsen sind, und immer schon (ἤδη) auch überall bei denen, die ihn nicht kennen. Das verkündet der Evangelist Johannes durch Johannes den Täufer, der spricht: ‚ Mitten unter euch steht der, den ihr nicht kennt, der nach mir kommt‘ (Joh 1,26 f.).“723 In ähnlicher Weise erklärt Origenes in einer Jeremiahomilie – wo er Jer 1,5 auf das Prophetentum hin interpretiert, das der Sohn in der transzendentalen Offenbarung ausübt –,724 Gott, der Vater, habe aus dem Grund Gnade auf die Lippen seines Sohnes ausgegossen (vgl. Ps 44,3), „damit dieser nicht bloß, als er im Körper anwesend war (παρῆν), sondern auch jetzt (καὶ νῦν), da er in der Kraft und im Geist gegenwärtig ist (πάρεστι), bei allen Völkern als Prophet wirkt, so dass er in allen Völkern seine Prophetie vollendet und die Menschen zur Erlösung führt.“725 Die angeführten Zitate belegen zur Genüge, dass Origenes in der transzendentalen Offenbarung des ewigen Gottessohnes die alles entscheidende Dimension der Offenbarungsökonomie erblickt. Wie der eigentliche, der innere Mensch ein reines Vernunftwesen ist, so hat die transzendentale Offenbarung als die eigentliche Offenbarung zu gelten, die sich wesenhaft an den inneren Menschen richtet. Wie die körperlich verfasste Welt als Raum der irdischen Geschichte ein sekundäres Schöpfungsdatum darstellt, so ist auch die Offenbarung in der Geschichte des Alten Bundes und in der Inkarnation letztlich von sekundärer Bedeutung. Worin diese Bedeutung für Origenes näherhin besteht, wird in den folgenden Abschnitten zu klären sein.
722 Cels. V 12,2–5 (SC 147, 42). Vgl. auch Cels. II 9,59–65 (SC 132, 304–306), wo nicht nur auf
Mt 28,20, sondern auch auf Mt 18,20 Bezug genommen wird.
723 Cels. V 12,5–16 (SC 147, 42–44). 724 In Hier. hom. 1,12,8–19 (SC 232, 220–222). 725 In Hier. hom. 1,12,20–24 (SC 232, 222).
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2.3 Die alttestamentliche Offenbarungsgeschichte: „Und der Logos des Herrn erging an …“ (Jer 14,1par) Wie es seinem Offenbarungsbegriff entspricht, wonach das offenbarende Wort des wahren Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit als der eingeborene Sohn des Vaters subsistiert, deutet Origenes die alttestamentliche Offenbarungsgeschichte konsequent von der zweiten Hypostase her.726 Die Propheten des Alten Bundes, so lautet seine Überzeugung, verkünden in allem, was ihre eigentliche Botschaft ausmacht, Christus, den ewigen Gottessohn, das weisheits- und wahrheitserfüllte Urwort des Vaters. Der göttliche Logos selbst spricht durch die Propheten und deshalb auch durch die Schriften des Alten Testaments, die das Logoszeugnis der Propheten enthalten. Auf dieser Wahrheit beruht die innere Einheit der ganzen Heiligen Schrift, die Origenes in all ihren Teilen als integrale Ausdrucksgestalt des einen und einzigen göttlichen Logos versteht. Dieses Schriftverständnis stellt er mit Nachdruck der Position des Markion gegenüber, der das Alte Testament deshalb verworfen hat, weil er in ihm kein Zeugnis über den ewigen Gottessohn und dessen gütigen Vater glaubte erkennen zu können. Wie aber kann gedacht werden, dass die alttestamentlichen Propheten schon vor der Inkarnation des göttlichen Logos diesen authentisch verkündet haben, so dass sich ihr prophetisches Wirken als wirksames Mittel zur Verwirklichung des Heilsplans verstehen lässt, den der gute und gerechte Vater zur Erlösung der Vernunftgeschöpfe beschlossen hat? Bei der Beantwortung dieser Frage geht Origenes vom Theologumenon der transzendentalen Offenbarung aus. Der springende Punkt seiner Argumentation liegt in der Feststellung, dass sich die Propheten des altbundlichen Gottesvolkes in besonderer Weise der Gegenwart des Sohnes geöffnet haben, in deren Horizont alle Vernunftgeschöpfe immer schon ihr Dasein vollziehen. Auf diese Weise konnten die Propheten die Wahrheit, die der Sohn ist, kraft dieser Wahrheit selbst verkünden. Prophet Christi zu sein, so lässt sich die Grundthese des Origenes pointiert zusammenfassen, die es im Folgenden anhand einschlägiger Textstellen zu illustrieren gilt, ist eine Daseinsgestalt, die 726 Zum Folgenden vgl. Harl, La fonction révélatrice du verbe incarné 160–171. Vgl. au-
ßerdem Aeby, Les missions divines 147–150, der in knappen Ausführungen darlegt, dass Origenes auch die alttestamentlichen Theophanien als Offenbarungen des Sohnes interpretiert. Wenn Aeby meint, diesbezüglich zwei Deutungsmodelle unterscheiden zu müssen – einerseits die Deutung, dass die in den Erzählungen des Alten Testaments begegnenden Engel mit dem Sohn identisch sind („Il s’agit donc d’une mission bien réelle du Fils de Dieu“), andererseits die Deutung, wonach diese Engel nur Mittler der unsichtbaren Gegenwart des Sohnes sind („le Verbe apparaît par l’intermédiaire d’un ange en qui il est invisiblement présent“) –, so fragt sich, ob diese Unterscheidung sachgerecht ist (vgl. ebd. 148. 149 f.). Wie die nachfolgenden Ausführungen illustrieren, dürfte es sich hierbei weniger um sachlich verschiedene Deutungsmodelle, sondern lediglich um unterschiedlich akzentuierte Ausdrucksgestalten ein und derselben Anschauung handeln.
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grundsätzlich jedem Vernunftgeschöpf möglich ist. Weil jedes Vernunftgeschöpf immer schon Hörer des Wortes ist, vermag es in seiner Freiheit auch immer schon zum Künder des Wortes zu werden. Mit dem unterschiedlichen Freiheitsgebrauch begründet Origenes graduelle Unterschiede in der Wahrheitserkenntnis der einzelnen Propheten.727 Aus dem einschlägigen Quellenmaterial geht außerdem hervor, dass die Prophetie in seinem Denken aufs engste mit seinem Verständnis von Heiligkeit, d. h. mit seinem soteriologischen Theoriemodell verbunden ist,728 das es im nächsten Kapitel in seiner trinitarischen Grunddimension eingehend zu thematisieren gilt. Denn die Propheten sind Menschen, die des Heiligen Geistes teilhaftig sind und die in der Kraft des Heiligen Geistes von der Wahrheit des Sohnes Zeugnis geben. Die prophetische Offenbarungsökonomie stellt sich nach Origenes somit als trinitarisches Ereignis dar: Aufgrund ihrer Teilhabe am Heiligen Geist sind die Propheten authentische Zeugen des Sohnes, in dem die Wahrheit des Vaters offenbar ist.729 Vor diesem Hintergrund wird die Interpretation der Offenbarungsgeschichte verständlich, wie Origenes sie im vierten Buch von Contra Celsum entfaltet. Dort muss er einen Einwand entkräften, den der heidnische Platoniker gegen den christlichen Inkarnationsglauben erhebt. Celsus findet die Vorstellung reichlich verwunderlich, dass es Gott erst recht spät eingefallen sein sollte, sich um das Heil der Menschen zu kümmern und sich den Menschen bekannt zu machen.730 Origenes weist dieses Argument als ein grobes Missverständnis des christlichen Offenbarungsverständnisses mit aller Entschiedenheit zurück, indem er erklärt, dass Gott „indem er Gelegenheiten zur Tugend gab, immer schon (ἀεί) eifrig darauf bedacht war, das Vernunftwesen wieder auf den rechten Weg zu bringen. Denn in jedem Geschlecht“, so fährt er mit den Worten von Weish 7,27 fort, „tritt die Sophia Gottes in Seelen ein, die sie heilig (ὁσίας) vorfindet, und schafft Freunde Gottes und Propheten (ϕίλους ϑεοῦ καὶ προϕήτας κατασκευάζει). Auch könnten in den heiligen Büchern Menschen gefunden werden, die in jeder Generation
727 Vgl. ausführlich Gögler, Theologie des biblischen Wortes 289–291. 728 Vgl. dazu die terminologische Studie von Faessler, Hagiosbegriff 62–143. 729 Vgl. Gögler, Theologie des biblischen Wortes 285 f.: „Der Logos als Ebenbild des Va-
ters vermittelt Gott, aber das Pneuma gibt den Zugang zum Logos frei und führt uns ein in seine hohen und tiefen Geheimnisse. […] Inspiration ist jene Erleuchtung durch das Pneuma, die in den Propheten und Aposteln das Verstehen der vom Vater ausgehenden und vom Logos gewirkten Offenbarung schafft und die Hagiographen zum Zeugnis der erkannten Offenbarungswahrheit anregt.“ 730 Cels. IV 7,1–8 (SC 136, 202). Vgl. dazu Lona, Die „Wahre Lehre“ des Kelsos 220–226.
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heilig (ὅσιοι) und empfänglich waren für den göttlichen Geist (δεκτικοὶ τοῦ ϑείου πνεύματος) […].“731 Aus diesem Zitat wird zunächst deutlich, dass das Auftreten der Propheten nach Origenes Teil der umfassenden heilsökonomischen Unternehmungen ist, die der Vater zum Heil seiner vernunftbegabten Geschöpfe veranstaltet, seit diese die paradiesische Gemeinschaft mit ihm aufgekündigt haben. Seine Heilsinitiativen beschränken sich also entgegen der Behauptung des Celsus keineswegs nur auf das enge Zeitfenster der Inkarnation.732 Vielmehr beruft der stets auf das Heil seiner Geschöpfe bedachte Vater durch alle Zeiten der Geschichte hindurch Menschen zu Propheten, indem er seinen Sohn in ihre Seelen eingehen lässt, damit sie ihren Mitmenschen die göttliche Wahrheit und Weisheit, die der Sohn selbst ist, verkündigen und ihnen auf diese Weise ihre eigentliche Bestimmung aufzeigen. Allerdings ist die prophetische Teilhabe an der Wirklichkeit des Sohnes auf Seiten des Menschen keineswegs voraussetzungslos. Allein diejenigen Menschen nämlich, die sich in ihrem Freiheitsvollzug als Heilige erwiesen haben und die deshalb des Heiligen Geistes teilhaftig sind, kommt die Würde zu, in solcher Weise Anteil am ewigen Gottessohn zu erhalten, dass sie authentische Zeugen seiner Wahrheit zu sein vermögen.733 Deshalb weist Origenes im vorliegenden Zusammenhang auch sogleich darauf hin, dass die charismatischen Begabungen unter den Propheten unterschiedlich verteilt sind: „Es ist aber überhaupt nicht sonderbar, dass in bestimmten Generationen Propheten aufgetreten sind, die in der Annahme der Göttlichkeit (ἐν τῇ παραδοχῇ τῆς ϑειότητος) wegen ihres besonders eifrigen und standhaften Lebenswandels andere Propheten überragten, von denen einige zu ihrer Zeit, andere aber früher oder später lebten.“734 Im folgenden Satz kommt Origenes schließlich im Sinn einer Klimax auf die Inkarnation zu sprechen: „Ebensowenig ist es verwunderlich, dass es auch eine bestimmte Zeit gegeben hat, an dem ein besonders auserlesenes Wesen (ἐξαίρετόν τι
731 Cels. IV 7,10–16 (SC 136, 204). Vgl. auch Cels. IV 3,24–27 (SC 136, 192): „Immer (ἀεί) näm-
lich bringt Gott mit seinem Logos, ‚der in allen Generationen in heilige Seelen eintritt und Freunde Gottes und Propheten schafft‘ (Weish 7,27), diejenigen auf den rechten Weg, die auf die Worte (τὰ λεγόμενα; sc. des Logos) hören.“ 732 Vgl. Cels. VI 47,7–11 (SC 147, 296–298). 733 Nach Princ. IV 2,7 (TzF 24, 720) erleuchtet der Heilige Geist unter der Vorsehung Gottes, des Vaters (προνοίᾳ ϑεοῦ), durch Vermittlung des Sohnes (διὰ τοῦ ἐν ἀρχῇ πρὸς τὸν ϑεὸν λόγου) die Propheten und Apostel als Diener der Wahrheit. In In Ioh. comm. VI 6,35 f. (SC 157, 154–156) geht Origenes davon aus, dass den Propheten des Alten Bundes, unter ihnen Johannes dem Täufer, eine besondere prophetische Gnade zuteil geworden war. Vgl. dazu Bruns, Christologischer Universalismus 29 f., außerdem In Ioh. comm. VI 3,15 (SC 157, 140–142). 734 Cels. IV 8,1–5 (SC 136, 204).
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χρῆμα735) zum Menschengeschlecht gekommen ist und sich bei ihm aufgehalten hat (ἐπιδεδήμηκε), das sich in ausgezeichneter Weise von denen unterschied, die früher oder später lebten.“736 Dabei interpretiert Origenes die Menschwerdung des eingeborenen Gottessohnes, wie aus dem weiteren Kontext hervorgeht, als unvergleichlichen Höchstfall des Prophetentums. Christus, der ewige Sohn des Vaters, ist „das Haupt der Prophetie (ἡ κεϕαλὴ τῆς προϕητείας)“ und „die Hauptsache aller Prophetie (τὸ κεϕάλαιον πάσης προϕητείας)“, wie es im Matthäuskommentar heißt.737 Für diese Interpretation kann Origenes auch den biblischen Sprachgebrauch geltend machen, wonach einzig der Sohn Gottes nicht nur ein, sondern der Prophet schlechthin ist, der alle anderen Propheten überragt.738 Die hier dargelegte Sichtweise führt Origenes in besonderer Deutlichkeit auch in einer seiner Homilien zum Jeremiabuch aus, und zwar ausgehend von der für die alttestamentlichen Prophetensprüche typischen Einleitungsformel: „Der Logos des Herrn erging an …“. Nachdem er zunächst an die Ankunft und Anwesenheit (ἐπιδημία) des Sohnes im menschlichen Fleisch Jesu von Nazaret erinnert hat, fährt er fort: „Man muss jedoch wissen, dass er auch schon vorher anwesend war (ἐπεδήμει), wenn auch nicht in körperlicher Gestalt (σωματικῶς), sondern in einem jeden Heiligen, und dass er auch nach dieser seiner sichtbaren Anwesenheit (ἐπιδημίαν βλεπομένην) von neuem für uns anwesend ist (ἐπιδημεῖ). Wenn du dafür einen Beweis haben willst, so richte dein Augenmerk auf den Vers: ‚Der Logos, der vom Herrn an Jeremia erging und sprach: Hört usw.‘ (Jer 11,1). Wer nämlich ist ‚der Logos, der vom Herrn erging‘ – sei es an Jeremia oder an Jesaja oder an Ezechiel oder an irgendjemanden sonst –, wenn nicht derjenige, der ‚im Anfang bei Gott war‘ (Joh 1,2)? Ich kenne keinen anderen Logos des Herrn als diesen, über den der Evangelist gesagt hat: ‚Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott und Gott war der Logos‘ (Joh 1,1).“739
735 Wie Strutwolf, Gnosis als System 298 Anm. 160 richtig bemerkt, ist damit nicht der
Logos, sondern die Seele Jesu gemeint, die in der Inkarnationstheologie des Origenes eine zentrale Rolle spielt. 736 Cels. IV 8,5–8 (SC 136, 204). 737 In Matth. comm. X 22 (GCS Orig. 10, 30,19 f.). Zur Übersetzung vgl. Vogt, Anmerkungen zu Buch X 106 Anm. 48. 738 S. Anm. 693. 739 In Hier. hom. 9,1,8–19 (SC 232, 376). Vgl. In Ioh. comm. II 1,1–10 (SC 120, 208–214); 3,28 (SC 120, 224); XX 42,398 (SC 290, 348); In Is. hom. 1,5 (OWD 10, 206,4–12), dazu Aeby, Les missions divines 156 f. Im Prolog zum ersten Buch der Grundlagenschrift heißt es: Christi autem verbis dicimus non his solum, quae homo factus atque in carne positus docuit; et prius namque Christus dei verbum in Moyse atque in prophetis erat. Nam sine verbo dei quomodo poterant prophetare de Christo? Ad cuius rei probationem non esset difficile ex divinis scrip turis ostendere, quomodo vel Moyses vel prophetae spiritu Christi repleti vel locuti sunt vel gesserunt omnia quae gesserunt […] (Princ. I Praef. 1 [TzF 24, 82]).
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Auch an dieser Stelle unterscheidet Origenes also die inkarnatorische Anwesenheit des Sohnes in Jesus von Nazaret von seiner Anwesenheit in der Seele eines jeden Heiligen, wobei er aber beide Gegebenheitsweisen aufs Engste dadurch miteinander in Beziehung setzt, dass er die eine wie die andere als ἐπιδημία bezeichnet.740 Darin bestätigt sich, dass für Origenes die Inkarnation den einmaligen und unüberbietbaren Höchstfall dessen darstellt, was sich in gewisser Weise immer dann ereignet, wenn der ewige Gottessohn einer heiligen Seele Anteil an seiner göttlichen Wirklichkeit und Wahrheit gewährt. Wenn es von den alttestamentlichen Propheten in der Heiligen Schrift stereotyp heißt, der Logos des Herrn sei an sie ergangen, so sieht Origenes darin das zum Ausdruck gebracht, was er an einer anderen Stelle „Christi geistige Anwesenheit (ἐπιδημία νοητή)“741 nennt, mit der jene heiligen Glieder des altbundlichen Gottesvolkes erfüllt wurden, die als Propheten aufgetreten sind. Dabei geht auch aus dem vorliegenden Zitat klar hervor, dass das Prophetentum für Origenes nicht ein temporäres Phänomen darstellt, das auf einen bestimmten Abschnitt der Menschheitsgeschichte beschränkt wäre. Propheten Christi gab es vor wie nach der Inkarnation, und es wird sie auch weiterhin geben. Aufgrund der transzendentalen Offenbarung nämlich ist die den Propheten als solchen konstituierende Gegenwart des Sohnes im Heiligen Geist grundsätzlich zu jeder Zeit und an jedem Ort für jeden Menschen möglich. Hier zeigt sich die enge Verschränkung, in der die Theorie des Prophetentums bei Origenes mit der Soteriologie verbunden ist: Wer heilig lebt, ist des Sohnes in einer solchen Weise teilhaftig, dass er dadurch zugleich als dessen Prophet qualifiziert ist. Pointierter noch als im zitierten Abschnitt aus der Jeremiahomilie bringt Origenes diesen Gedanken in einer Predigt zum Lukasevangelium mit den eindringlichen Worten zum Ausdruck: „Was nützt es dir, wenn Christus einst im Fleisch gekommen ist, wenn er aber nicht auch in Deine Seele kommt? Beten wir darum, dass seine Ankunft täglich für uns stattfindet und wir sagen können: ‚Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir‘ (vgl. Gal 2,20). Wenn nämlich Christus in Paulus lebt, aber nicht in mir, welchen Nutzen habe ich davon?“742 Weil es stets derselbe ewige Sohn des Vaters ist, der sich, wenn auch in unterschiedlicher Weise und Intensität, in der Offenbarungsgeschichte aussagt – sei es durch den Mund der Propheten, Evangelisten und Apostel oder durch deren Schriften, sei es durch seine unüberbietbare Gegenwart im Menschen Jesus von Nazaret –, ist diese Offenbarungsgeschichte nach Origenes als eine zusammen740 So z. B. in In Ioh. comm. I 7,37 f. (SC 120, 80). Für die weitere Terminologie vgl. Aeby, Les
missions divines 167.
741 In Ioh. comm. I 7,37 (SC 120, 80). 742 In Luc. hom. 22,3 (SC 87, 302). Vgl. auch In Hier. hom. 9,1,20–25 (SC 232, 378). Zu Gal 2,20
vgl. auch In Luc. hom. 15,5 (SC 87, 236): Ille habet Iesum, qui audet loqui: vivo, iam non ego, vivit autem in me Christus sowie In Iud. hom. 2,1,6–11 (SC 389, 72–74); 1,20–26 (SC 389, 74). Vgl. außerdem In Is. hom. 1,5 (OWD 10, 206,12–19).
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hängende Einheit zu betrachten: „So darf ich wohl sagen, dass Christus an Mose erging, an Jeremia, an Jesaja und an jeden Gerechten. Und sein an die Jünger gerichtetes Wort: ‚Seid gewiß, ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt‘ (Mt 28,20) wurde in der Tat auch vor seiner [sc. leiblichen] Anwesenheit (πρὸ τῆς ἐπιδημίας αὐτοῦ) bewahrheitet und verwirklicht. Denn er war bei Mose, er war bei Jesaja und er war bei einem jeden der Heiligen. Wie hätten jene ein Wort Gottes verkünden können, wenn der Logos Gottes bei ihnen gar nicht anwesend gewesen wäre (μὴ ἐπιδημήσαντος αὐτοῖς)?“743 Gegen den von Markion und seinen Anhängern vertretenen heilsgeschichtlichen Dualismus fügt Origenes hinzu: „Dies aber muss besonders von uns, die wir der Kirche angehören, erkannt werden. Denn wir wollen, dass der Gott des Gesetzes und des Evangeliums derselbe ist, derselbe Christus damals, jetzt und für alle Zeiten. Es werden aber Leute auftreten, die die Gottheit, die es ihrer Ansicht nach vor der Ankunft des Heilands gab, von der durch Jesus Christus verkündigten Gottheit trennen. Wir aber kennen nur einen einzigen Gott (ἕνα ϑεόν) wie damals so auch jetzt, nur einen einzigen Christus (ἕνα Χριστόν) wie damals so auch jetzt.“744 In seiner Grundlagenschrift bezieht Origenes auch den Heiligen Geist in diese heilsgeschichtliche Sicht ein: „Wie es nämlich ein und derselbe Gott und ein und derselbe Christus ist, so auch ein und derselbe Heilige Geist, der sowohl in den Propheten als auch in den Aposteln war, d. h. sowohl in denen, die vor der Ankunft Christi an Gott geglaubt haben, wie in denen, die durch Christus ihre Zuflucht bei Gott genommen haben.“745 Die Einheit der Heilsgeschichte hat ihren metaphysischen Grund also darin, dass es nur einen einzigen Gott und eine einzige Offenbarung gibt, den eingeborenen Sohn, in dem sich der Vater immer schon ausgesagt hat und in dem er sich in der Kraft des Heiligen Geistes auch in die Menschheitsgeschichte hinein ausspricht. Deshalb kann Origenes das Herrenwort in Joh 5,46 schlussfolgernd in folgender Weise verallgemeinern: „Wie sie [sc. die Juden], wenn sie Mose geglaubt hätten, auch Jesus geglaubt hätten, so hätten sie auch, wenn sie den Propheten geglaubt hätten, den angenommen, der [sc. von diesen] geweissagt worden war.“746 Denn bereits die Propheten haben Christus, den ewigen Gottessohn, wirklich erkannt. „Was ist denn verwunderlich daran“, so fragt Origenes, „wenn 743 In Hier. hom. 9,1,25–33 (SC 232, 378). Vgl. Princ. II 6,1 (TzF 24, 358): Qui etiam ante prae
sentiam suam hanc, quam ostendit in corpore, praecursores et nuntios adventus sui misit prophetas; post ascensionem vero suam in caelos sanctos apostolos divinitatis suae virtute repletos homines vel ex publicanis vel ex piscatoribus imperitos et indoctos circumire fecit orbem terrarum, ut ex omni gente atque ex omnibus populis piorum plebem in se credentium congregarent. 744 In Hier. hom. 9,1,33–41 (SC 232, 378). 745 Princ. II 7,1 (TzF 24, 372–374). 746 In Matth. comm. X 22 (GCS Orig. 10, 31,7 f.).
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ebenso, wie viele der wahren Jünger Christi dadurch zu Ehren gekommen sind, dass sie Zeugen Christi waren, auch schon die Propheten, die Christus im Voraus zu verkünden im Sinn hatten, ihn als Geschenk von Gott empfingen, so dass sie nicht nur diejenigen, die nach Christi Ankunft gelebt haben, lehrten, was es über den Sohn Gottes zu beherzigen gilt, sondern auch die, welche in früheren Geschlechtern als jene gelebt haben?“747 Die Heiligen der Vorzeit haben bereits „die geheimnisvolle Wirklichkeit der Gottheit (τὰ τῆς ϑεότητος μυστήρια)“ erkannt, die in mitteilbarer Gestalt von Ewigkeit zu Ewigkeit im Logos gegeben ist. Denn sie sind vom Logos selbst, noch bevor dieser in Jesus menschliche Gestalt annahm (πρὸ τῆς σωματικῆς ἐπιδημίας τοῦ Ἰησοῦ), darin unterrichtet worden.748 Deshalb gilt bereits für Mose und die Patriarchen, was der Apostel Paulus von sich selbst bezeugt hat: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).749 Wenn Jesus seinen Jüngern sagt, es hätten sich „viele“ Propheten und Gerechte danach gesehnt zu sehen, was sie selbst sehen durften (vgl. Mt 13,17), so ist es für das rechte Verständnis dieses Satzes nach Origenes notwendig, die einschränkende Formulierung zu beachten. Denn nach diesem Herrenwort „haben nicht alle Propheten, sondern viele sich danach gesehnt zu sehen, was die Apostel gesehen haben. Denn wenn es eine Verschiedenheit unter den Propheten gab, so sehnten sich die vollkommenen und vorzüglichsten nicht danach zu sehen, was die Apostel sahen. Denn sie haben es geschaut. Diejenigen aber, die nicht so früh wie diese bis auf den Gipfel des Logos hinaufsteigen konnten, lebten im Verlangen (ἐν ὀρέξει γεγόνασι) nach dem, was den Aposteln durch Christus bekannt gemacht worden ist.“750 Bei aller Differenzierung im Einzelnen lässt Origenes also nicht den geringsten Zweifel daran, dass es den heiligen Propheten schon vor der Inkarnation möglich war, die Wahrheit des ewigen Gottessohnes in einer solchen Weise zu schauen, wie es den Aposteln erst nach dessen Menschwerdung möglich war.751 Hier zeigt sich in signifikanter Weise, wie sehr die inkarnatorische Offenbarung für Origenes gegenüber der transzendentalen Offenbarung von untergeordneter Bedeutung ist. 747 In Ioh. comm. II 34,207 (SC 120, 348). Weiter heißt es: „Die Schar der Propheten der größ-
ten Gnade berauben will nun gewiss derjenige, der behauptet, dass sie nicht Zeugnis über Christus ablegen mussten. Was hat denn schon die prophetische Verkündigung, die aus der Inspiration des Heiligen Geistes stammt, so Großes, wenn man aus ihr all das streicht, was sich auf die οἰκονομία unseres Herrn (κύριος) bezieht?“ (In Ioh. comm. II 34,208 [SC 120, 348]). 748 In Ioh. comm. VI 4,17 (SC 157, 142). 749 In Ioh. comm. XX 12,92 f. (SC 290, 204–206). 750 In Ioh. comm. VI 3,16 (SC 157, 142). Vgl. In Ioh. comm. VI 4,24 f. (SC 157, 146–148). 751 Vgl. Princ. IV 2,3 (TzF 24, 706): „dass schon zu den Menschen vor der Ankunft Christi die Wahrheit gelangt war (παρὰ τοῖς πρὸ τῆς ἐπιδημίας τοῦ Χριστοῦ τὴν ἀλήϑειαν τυγχάνειν).“
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Nur deshalb, weil die Heiligen der Vorzeit den Sohn erkannt haben, konnten sie auch zur Erkenntnis des Vaters gelangen, die auch vor der Inkarnation allein vermittels der Wahrheit, die der Sohn ist, möglich war: „Wie derjenige, der den Sohn nicht erkannt hat, jetzt auch nicht den Vater hat (vgl. Joh 12,45; 1 Joh 2,23), so galt das auch früher schon [sc. vor der Inkarnation]. Deshalb ‚jubelte Abraham, dass er den Tag Christi sehen sollte, und er sah ihn und freute sich‘ (vgl. Joh 8,56). […] Wie nämlich die Gottesverehrung derjenigen, die durch einen Mittler und Hohenpriester (vgl. Hebr 7,26–28) und Parakleten (1 Joh 2,1) und mit Einsicht zum Gott des Alls hintreten, nur dann in der rechten Ordnung ist und wohl hinken würde, wenn jemand nicht durch die Tür [sc. durch den Sohn; vgl. Joh 10,9] zum Vater käme, so war auch die Gottesverehrung der Menschen füherer Zeiten nur durch die Erkenntnis Christi und den Glauben an ihn und die Hoffnung auf ihn (τῇ νοήσει καὶ πίστει καὶ προσδοκίᾳ Χριστοῦ) heilig und Gott wohlgefällig.“752 Als authentische Zeugen der Wahrheit, als die der eingeborene Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit aus dem Vater, dem Urgrund der Gottheit, hervorgeht, hatten also auch schon die alttestamentlichen Propheten den Auftrag und die Vollmacht, den Menschen den Weg zu ihrer eigentlichen Bestimmung aufzuzeigen, die darin besteht, als Vernunftwesen durch die Vermittlung des Sohnes zurück in die ursprüngliche Gemeinschaft mit dem Vater zu finden (vgl. Joh 14,6). Welche Bedeutung innerhalb der göttlichen Heilsökonomie nach Origenes der Menschwerdung des Sohnes zukommt und worin deren unvergleichlicher Charakter als Höhepunkt der geschichtlichen Offenbarung besteht, soll im folgenden Abschnitt untersucht werden.
2.4 Die neutestamentliche Offenbarungsgeschichte: „Und der Logos ist Fleisch geworden …“ (Joh 1,14) Wenn es in Joh 1,14 heißt: „Und der Logos ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“, so vermag Origenes sein grenzenloses Staunen und seine tiefe Ergriffenheit über dieses heilsgeschichtliche Datum kaum in Worte zu fassen: „Aber von allen Wundern und Großtaten, die von ihm berichtet werden, übersteigt jenes Wunder ganz und gar die Bewunderung des menschlichen Geistes, und es findet die sterbliche Einsicht in ihrer Hinfälligkeit keinen Weg, wie sie zu denken und zu verstehen vermag, dass jene so große Macht der göttlichen Majestät (tanta illa potentia divinae maiestatis), nämlich der Logos des Vaters schlechthin (ipsum illud patris verbum) und die Sophia Gottes schlechthin (ipsa sapientia dei), in der ‚geschaffen ist alles Sichtbare und Unsichtbare‘ (vgl. Kol 1,16), in den engen Grenzen jenes Menschen, der in Judäa erschienen ist, zugegen war, wie es im Glau752 In Ioh. comm. II 34,208 f. (SC 120, 348–350).
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ben festzuhalten gilt; und dass die Sophia Gottes eingegangen ist in den Schoß einer Frau und geboren wird als kleiner Knabe und wimmernde Laute von sich gibt nach Art weinender Kinder; ferner, dass er den Berichten zufolge im Tod erschüttert wird, wie er selbst bekennt mit den Worten: ‚Meine Seele ist zu Tode betrübt‘ (vgl. Mt 26,38); und schließlich dass er zu einem Tod geführt wurde, der unter den Menschen als der schmachvollste gilt, wenn er auch am dritten Tag auferstanden ist. Weil wir somit manches an ihm finden, das so menschlich ist, dass es sich nicht von der allgemeinen Gebrechlichkeit der Sterblichen zu unterscheiden scheint, und anderes, das so göttlich ist, dass es keinem anderen als nur dem ersten und unaussprechlichen Wesen der Gottheit zukommt, gerät der beschränkte menschliche Verstand ins Stocken und weiß, vor Staunen erschüttert, nicht, wohin er sich neigen, woran er sich festhalten, wohin er sich wenden soll. Wenn er Gott denkt, sieht er den Sterblichen. Wenn er den Menschen meint, erblickt er den, der nach dem Sieg über das Reich des Todes mit Beute von den Toten zurückkehrt.“753 Die heilsgeschichtliche Tatsache der Inkarnation, die Origenes vorwiegend mit den Begriffen „Fleischwerdung (σάρκωσις)“, „Menschwerdung (ἐνανϑρώπησις)“ und „Einkörperung (ἐνσωμάτωσις)“ umschreibt754 und die bedeutet – wie er gegenüber der doketistischen Häresie betont755 –, dass der Sohn „einen ganzen Menschen (ὅλον ἄνϑρωπον)“ angenommen hat,756 muss dem menschlichen Verstand als ein undurchdringliches Paradox erscheinen. Für Origenes offenbart sich darin nur die Kehrseite der unaussprechlichen Erhabenheit dieses Mysteriums, das zu begreifen seiner Ansicht nach „selbst das Fassungsvermögen (mensuram) der heiligen Apostel übersteigt.“757 Mit dieser Einschätzung macht er deutlich, dass die Inkarnation des ewigen Gottessohnes ein einzigartiges, völlig unvergleichliches Ereignis darstellt, das es weder in früheren Tagen dieser Weltzeit je gegeben hat noch in Zukunft jemals geben wird. Auf diese Weise markiert er in aller Klarheit den großen Unterschied, der zwischen der Inkarnation des Sohnes auf der einen und seiner Gegenwart in den Propheten auf der anderen Seite besteht. Ist damit also unsere These hinfällig, dass Origenes die Inkarnation letztlich als Höchstfall der Prophetie begreift? In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, dass dem keineswegs so ist. Origenes versucht nämlich, sich das Mysterium der Menschwerdung des eingeborenen Gottessohnes unter denselben systematischen Prämissen begreiflich zu machen, die er auch seiner Theorie des Prophetentums 753 Princ. II 6,2 (TzF 24, 358). 754 Vgl. Uhrig, Rezeption von Joh 1,14a 356 f. 755 Vgl. Cels. IV 19,3–5 (SC 136, 228); In Matth. comm. ser. 92 (GCS Orig. 11, 208,15–17). 756 In Ioh. comm. XXXII 18,225 (SC 385, 282). Vgl. auch In Cant. hom. 2,12 (SC 37, 146); Princ.
IV 2,7 (TzF 24, 722).
757 Princ. II 6,2 (TzF 24, 360).
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zugrundelegt, wobei er die absolute Unvergleichlichkeit der Inkarnation dadurch wahrt, dass er die Gegenwart des ewigen Gottessohnes in Jesus von Nazaret als schlechterdings einzigartig und unüberholbar qualifiziert. Weil Origenes in seiner Anthropologie den platonischen Seele-Körper-Dualismus voraussetzt, ist dadurch auch sein Vorstellungsmodell bestimmt, in dem er allen Schwierigkeiten zum Trotz das Mysterium der Menschwerdung einsichtig zu machen sucht. Danach ist die Annahme einer vollständigen menschlichen Natur durch den eingeborenen Gottessohn als ein Vorgang zu denken, an dem es zwei Phasen zu unterscheiden gilt. Zunächst geht Origenes im Rahmen seiner Lehre von der Präexistenz der vernunftbegabten Kreaturen davon aus, dass die Seele Jesu wie jedes andere geschaffene Vernunftwesen vor der Erschaffung des materiell-körperlichen Kosmos in einem Zustand der Körperlosigkeit existierte. In diesem Zustand ist nur sie allein ihrer im Schöpfungsplan des Vaters immer schon verfügten Bestimmung vollkommen gerecht geworden. Anders als alle anderen geschaffenen Vernunftwesen, so lehrt Origenes, hat einzig und allein die präexistente Seele Jesu ihre in der Schöpfung angelegte Teilhabe am ewigen Gottessohn so vollkommen bewahrt, dass sie niemals aus der paradiesischen Gemeinschaft mit dem Vater herausgefallen ist, in der sie sich in ihrer Kreatürlichkeit durch die Vermittlung des Sohnes immer schon vorfindet. Als einzige vernunftbegabte Kreatur758 ist sie ihrer Berufung von allem Anfang an stets und vollkommen treu geblieben. Denn sie hat verwirklicht, wozu jedes freiheitsbegabte Vernunftgeschöpf als solches immer schon berufen war, nach wie vor berufen ist und auf immer und ewig berufen sein wird: die durch den Logos vermittelte Gemeinschaft mit Gott, dem Vater. „Jene Seele“, so erklärt Origenes, „von der Jesus gesagt hat: ‚Niemand nimmt meine Seele von mir‘ (vgl. Joh 10,18), die seit der Schöpfung für immer unzertrennlich und unauflöslich mit ihm [sc. dem Sohn] verbunden ist, und zwar mit ihm als der Sophia und dem Logos Gottes und der Wahrheit sowie dem wahren Licht, und die als ganze ihn ganz aufnimmt und selbst in sein glanzvolles Licht eingeht, ist von Anfang an mit ihm ein Geist geworden, so wie es auch der Apostel denen, die sie nachahmen sollen, verheißt: ‚Wer sich an den Herrn bindet, ist ein Geist‘ (1 Kor 6,17).“759 758 Vgl. Strutwolf, Gnosis als System 243 f. Anm. 204. 254 f. Anm. 268. 759 Princ. II 6,3 (TzF 24, 362). Vgl. auch Cels. V 39,25–28 (SC 147, 118–120). Dieselbe Argu-
mentation begegnet in Cels. VI 47,18–31 (SC 147, 298), wo Origenes neben 1 Kor 6,17 auch Gen 2,24 in christologischem Kontext verwendet: „Wenn wir sagen, die Seele Jesu sei mit dem so erhabenen Sohn Gottes durch die größtmögliche Teilhabe (τῇ ἄκρᾳ μετοχῇ) an ihm vereint worden, und wir sie deshalb nicht mehr von ihm trennen, so ist das nichts Verwunderliches. Denn es kennen die heiligen Worte der göttlichen Schriften auch andere Dinge, die ihrer Natur nach (ϕύσει) zwei sind, aber mit Bezug aufeinander für eins gehalten werden und eins sind. So ist z. B. über Mann und Frau gesagt: ‚Nicht mehr sind sie zwei, sondern ein Fleisch‘ (vgl. Gen 2,24). Über den Vollkommenen aber, der sich an
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Wie das Zitat aus dem Ersten Korintherbrief in diesem Text zum Ausdruck bringen soll, verwirklicht die Seele Jesu nach Origenes in vollkommener und für alle anderen vernunftbegabten Kreaturen vorbildlicher Weise ihre kreatürliche Bestimmung.760 Sie verbindet sich von Anfang an derart intensiv mit dem eingeborenen Sohn des Vaters, dass sie unablässig teilnimmt an seiner Sohnschaft, indem sie mit dem, der der Sohn schlechthin ist, immer schon „ein Geist“ ist. Weil die Teilnahme an dieser göttlichen Sohnschaft das gemeinsame Ziel darstellt, zu dem in gleicher Weise alle anderen Vernunftgeschöpfe auch nach ihrem präkosmischen Sündenfall berufen sind, ist die Seele Jesu diejenige vernunftbegabte Kreatur, deren Vorbild es für alle anderen nachzuahmen gilt.761 Hier zeigt sich bereits, dass für die Christologie des Origenes dieselben Deutungsmuster von tragender Bedeutung sind wie für seine Soteriologie. So ist die Seele Jesu der Inbegriff der erlösten Kreatur, weil sie die ihr in ihrer Vernunftbegabung eo ipso angebotene Gemeinschaft mit dem ewigen Logos immer schon vorbehaltlos angenommen hat und auf diese Weise vollkommen in die Teilhabe an der Sohnschaft hineingenommen ist, in welcher der eingeborene Gottessohn von Ewigkeit den wahren Herrn, den Logos und die Sophia und die Wahrheit, bindet, heißt es: ‚Wer sich an den Herrn bindet, ist ein Geist‘ (1 Kor 6,17). Wenn aber derjenige, der sich an den Herrn bindet, ein Geist [sc. mit ihm] ist, wer hat sich dann mehr als die Seele Jesu oder auch nur auf gleiche Weise an den Herrn gebunden, den Logos und die Sophia und die Wahrheit und die Gerechtigkeit schlechthin? Wenn sich dies so verhält, dann sind auch die Seele Jesu und der ‚Erstgeborene der ganzen Schöpfung‘ (Kol 1,15), der Theos-Logos, nicht zwei.“ In Cels. VI 48,22–26 (SC 147, 300) heißt es:, „Was ist denn schwierig daran, dass durch die größtmögliche und unübertreffliche Gemeinschaft (τῇ ἄκρᾳ καὶ ἀνυπερβλήτῳ κοινωνίᾳ) mit dem Logos schlechthin die Seele Jesu, ja überhaupt Jesus nicht getrennt ist von dem Eingeborenen und ‚Erstgeborenen der ganzen Schöpfung‘ (Kol 1,15) und nicht noch ein anderes Wesen als dieser ist.“ Zu 1 Kor 6,17 in christologischem Zusammenhang vgl. ausführlich Vogt, Ein-Geist-Sein 251–260. 760 Cels. VII 17,17–19 (SC 150, 52). 761 Vgl. Princ. II 6,7 (TzF 24, 370); IV 4,4 (TzF 24, 796–798); In Cant. comm. II 6,12 f. (SC 375, 388–390). Wenn Völker, Vollkommenheitsideal 115 „nach dem Frömmigkeitsinteresse“ fragt, das Origenes zur Ausbildung seiner Lehre von der Vereinigung der Seele Jesu mit dem Logos veranlasst hat, und zur Antwort gibt: „Christi Seele gilt unserem Alexandriner als das Muster aller Vollkommenheit, ihr gleichgestaltet zu werden, ist die hohe Aufgabe aller, die nach Vollkommenheit streben“, so deshalb, weil er der Meinung ist, „das enge Verhältnis von Christi Seele zum Logos“ sei von Origenes’ „eigenen mystischen Erlebnissen aus im einzelnen gestaltet“ (ebd. 116). Eine solche Deutung steht aber mindestens in der Gefahr, das christologische und soteriologische Theorem der Vereinigung von Seele und Logos „zur reinen metaphysischen Projektion eigener oder fremder mystischer Erlebnisse“ zu erklären und dabei „die tieferen ontologischen Voraussetzungen“ zu verkennen, die diesem Theorem bei Origenes zugrunde liegen. Darauf hat völlig zu Recht Lieske, Theologie der Logosmystik 120 Anm. 18 hingewiesen, der in seiner Studie die Logosabbild theologie des Alexandriners in ihrer Bedeutung als ontologisches Fundament von dessen sogenannter „Logosmystik“ (vgl. dazu Völker, Vollkommenheitsideal 98–116) darstellt.
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zu Ewigkeit zu seinem Vater steht. Auch der innere Zusammenhang zwischen Origenes’ Christologie und seiner Theorie des Prophetentums lässt sich an dieser Stelle bereits gut erkennen: Nicht anders als jedes andere Vernunftwesen auch ist die Seele Jesu immer schon Hörer des Wortes, so dass sie wie alle anderen grundsätzlich dazu befähigt ist, zum Künder des Wortes zu werden. Hierin unterscheidet sich die Seele Jesu überhaupt nicht von allen anderen Vernunftwesen. Als einzige vernunftbegabte Kreatur hat sie jedoch die Wirklichkeit und Wahrheit des eingeborenen Sohnes so vollkommen in sich aufgenommen, dass sie allein in unübertrefflicher Weise das Medium der Logosoffenbarung zu sein vermochte. Nicht andere Voraussetzungen sind es demnach, durch die sich das einzigartige, absolute Prophetentum Jesu nach Origenes vom Prophetentum aller anderen Logoszeugen unterscheidet. Der Unterschied liegt vielmehr im jeweiligen Freiheitsvollzug begründet. Als einzige geschaffene Freiheit ist die Freiheit Jesu dem ihr von ihrem Schöpfer immer schon eingeschriebenen Sinnziel ununterbrochen treu geblieben.762 Aufgrund seiner in Freiheit unablässig verwirklichten Liebe zum ewigen Gottessohn ist Jesus der Prophet schlechthin, der die Wahrheit des Logos in unvergleichlicher Authentizität zu offenbaren vermochte. Der freie Gehorsam Jesu gegenüber seiner kreatürlichen Bestimmung ist nach Origenes echtes Verdienst und der Grund dafür, warum der Mensch Jesus von Nazaret ohne jede Sünde war.763 In diesem Sinn ereignet sich in der Inkarnation der einmalige, unvergleichliche Höchstfall des Prophetentums.764 Mit seiner Lehre von der vollkommen verwirklichten Freiheit Jesu vermag Origenes eine Antwort auf die Frage zu geben, warum gerade Jesus von Nazaret zum Medium der definitiven und unüberbietbaren Logosoffenbarung für die Menschen wurde. In Ps 44,8 findet er einen biblischen Beleg für diese Auffassung: „Zum Beweis dafür, dass vollkommene Liebe und lautere Zuneigung ihr [sc. der Seele Jesu] diese unzertrennliche Einheit mit Gott verschafft hat, so dass die Annahme dieser Seele [sc. durch Gott] nicht zufällig und ‚unter Ansehen der Person‘ (vgl. 1 Petr 1,17) geschah, sondern ihr aufgrund ihrer Tugenden verliehen wurde, höre, wie der Prophet zu ihr spricht: ‚Du hast Gerechtigkeit geliebt und Ungerechtigkeit gehasst. Deshalb hat dich Gott, dein Gott, gesalbt mit dem Öl der Freude mehr als Deine Gefährten‘ (Ps 44,8). Sie wird also“, so kommentiert Origenes diesen Psalmvers, „um ihrer Liebe willen mit dem Öl der Freude gesalbt, d. h. die Seele wird in Einheit mit dem Logos Gottes zu Christus [sc. „dem Gesalbten“]. Denn gesalbt zu werden mit dem Öl der Freude, bedeutet nichts anderes als mit 762 Vgl. auch In Luc. hom. 19,1 (SC 87, 272). 763 Vgl. Princ. II 6,4 (TzF 24, 366), wo die Sündelosigkeit Jesu mit Jes 53,9, Joh 8,46 und Hebr
4,15 begründet wird. Vgl. auch Cels. I 69,6–14 (SC 132, 270).
764 Vgl. Cels. IV 18,34–46 (SC 136, 226–228), dazu Aeby, Les missions divines 151 und Strut-
wolf, Gnosis als System 301.
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dem Heiligen Geist erfüllt zu werden. Der Ausdruck: ‚mehr als Deine Gefährten‘ aber weist darauf hin, dass die Gnade des Geistes ihr nicht so wie den Propheten geschenkt wurde, sondern die wesenhafte Fülle des Logos Gottes selbst in ihr war, wie der Apostel gesagt hat: ‚In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig (corporaliter)‘ (Kol 2,9).“765 Abgesehen davon, dass die unzertrennliche Einheit der Seele Jesu und des Logos diesem Zitat zufolge auch eine pneumatologische Dimension hat – insofern diese Einheit nämlich in der Kraft des Heiligen Geistes durch den Vater (vgl. Ps 44,8: ὁ ϑεὸς ὁ ϑεός σου) konstituiert ist –, geht daraus erneut mit aller Deutlichkeit die unübertreffliche Stellung hervor, die Jesus gegenüber allen anderen Propheten in der Offenbarungsökonomie einnimmt. Die anderen Propheten sind nach Ps 44,8 als seine Gefährten zu betrachten. Sie sind heilige Menschen, die Zeugen der Wahrheit Gottes, des Vaters, sind, als die der Sohn subsistiert. Aber ihre Teilhabe an dieser Wahrheit ist nicht von solch unvergleichlicher, unüberbietbarer Intensität und Qualität wie die Teilhabe der Seele Jesu, der deshalb als einziger den Sohn in vollkommener Gestalt zu vergegenwärtigen vermag. Nur über Jesus konnte daher der Apostel Paulus im Kolosserbrief sagen, in ihm wohne die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig, als die sich der Vater von Ewigkeit zu Ewigkeit in seinem Sohn aussagt. In diesem Sinn greift Origenes Ps 44,8 im weiteren Verlauf seiner Überlegungen noch einmal auf und erklärt: „Denn das Wort: ‚Gesalbt hat dich Gott, dein Gott, mit dem Öl der Freude mehr als Deine Gefährten‘, zeigt, dass diese Seele in anderer Weise mit dem Öl der Freude, d. h. mit dem Logos Gottes und der Sophia, gesalbt wird als ihre Gefährten, d. h. die heiligen Propheten und Apostel. Von jenen heißt es nämlich, sie seien ‚im Duft seiner Salböle gelaufen‘ (vgl. Hld 1,3 f.). Diese Seele aber war ein Gefäß des Salböls selbst, an dessen Wohlgeruch die Würdigen Anteil empfingen und so Propheten und Apostel wurden. Wie also der Duft des Salböls etwas anderes ist als die Substanz des Salböls, so unterscheidet sich auch Christus von seinen Gefährten. Und wie das Gefäß, das die Substanz des Salböls enthält, auf keinen Fall Gestank annehmen kann, die aber, die an seinem Duft Anteil haben, wenn sie sich etwas weiter von seinem Wohlgeruch entfernen, von außen in sie eindringenden Gestank annehmen können, so konnte Christus als eben das Gefäß, in dem die Substanz des Salböls war, unmöglich den entgegengesetzten Geruch annehmen, während seine Gefährten, je nachdem wie nahe sie am Gefäß sind, Anteil am Duft erhalten und empfänglich dafür werden.“766 765 Princ. II 6,4 (TzF 24, 364–366). Vgl. Princ. IV 4,4 (TzF 24, 794–796) sowie In Rom. comm.
III 5,127 f. (VL 16, 241): haec anima Deo plena in qua complacuit habitare omnem plenitudi nem deitatis. 766 Princ. II 6,6 (TzF 24, 368–370). Der Ausdruck participes tui (μέτοχοί σου) in Ps 44,8, den wir mit „deine Gefährten“ übersetzt haben, ist im vorliegenden Zitat mit dem philosophischen Begriff der Teilhabe (participatio/μετοχή) konnotiert.
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Wie ein Gefäß also, das kostbares Salböl enthält, dessen Duft je länger, desto intensiver in sich aufnimmt, so öffnet sich auch die Seele Jesu von allem Anbeginn an so vorbehaltlos der Gegenwart des ewigen Gottessohnes, dass sie von dessen göttlicher Wirklichkeit in einer Weise durchdrungen wird, die sie selbst durch und durch göttlich sein lässt. „Die Seele Jesu“, sagt Origenes, „hat sich so sehr dafür entschieden, ‚die Gerechtigkeit zu lieben‘ (vgl. Ps 44,8), dass sie wegen ihrer unermesslichen Liebe unwandelbar und unzertrennlich fest an ihm hing, und zwar in solcher Weise, dass ihr fester Entschluss und ihre unermessliche Zuneigung sowie ihre unauslöschlich heiße Liebe jeglichen Gedanken an Abfall und Veränderung ausschlossen. Was ursprünglich ins freie Ermessen gestellt war, ist so durch die lange geübte Zuneigung schon zur Natur geworden. So muss man zwar glauben, dass in Christus eine menschliche Vernunftseele war, darf aber nicht meinen, dass diese einen Gedanken an Sünde oder irgendeine Möglichkeit dazu hatte.“767 Zur Illustration der einzigartigen Beziehung, die die Seele Jesu zum ewigen Gottessohn unterhält, verwendet Origenes noch eine andere Metapher, die stärker noch als das Bild vom Ölgefäß die Dynamik der Liebe zum Ausdruck bringt, mit der sich die Seele Jesu aus freier Wahl auf die Wirklichkeit des Sohnes einlässt: „Um den Sachverhalt noch ausführlicher zu erklären, scheint es nicht verkehrt, einen Vergleich zu gebrauchen, obwohl es nicht gerade einfach ist, in dieser überaus schwierigen Materie passende Beispiele zu verwenden. Dennoch wollen wir, ohne etwas voreilig zu entscheiden, sagen: Das Metall Eisen vermag sowohl Kälte als auch Wärme aufzunehmen. Angenommen, ein Stück Eisen würde immer im Feuer liegen, es würde mit all seinen Poren und Adern das Feuer aufnehmen und ganz Feuer werden, weder wäre das Feuer jemals von ihm gewichen noch hätte es selbst sich vom Feuer getrennt, würden wir dann etwa sagen, dass dieses Stück, das zwar seiner Natur nach ein Stück Eisen ist, aber ins Feuer gelegt wurde und unaufhörlich glüht, irgendwann einmal Kälte in sich aufnehmen kann? Nein, richtiger ist es zu sagen, es sei, wie wir es in den Öfen oft mit eigenen Augen geschehen sehen, ganz Feuer geworden. Denn man nimmt an ihm nichts als Feuer wahr. Wenn man es aber anzufassen und in die Hand zu nehmen versucht, wird man nicht die Wirkung des Eisens, sondern die des Feuers spüren. Ebenso verhält es sich auch mit jener Seele, die sich wie das Eisen im Feuer immerfort im Logos, immerfort in der Sophia, immerfort in Gott befindet: Alles, was sie tut (agit), was sie wahrnimmt (sentit), was sie erkennt (intellegit), ist Gott. Darum kann sie nicht als veränderlich und wandelbar bezeichnet werden. Sie besitzt Unveränderlichkeit, weil sie aufgrund ihrer Einheit mit dem Logos Gottes unaufhörlich am Glühen ist. Zu allen Heiligen, so muss man annehmen, ist schließlich etwas von der Wärme des Logos Gottes gelangt. In dieser Seele aber hat sich, so muss man 767 Princ. II 6,5 (TzF 24, 366–368).
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glauben, das göttliche Feuer selbst wesenhaft niedergelassen, von dem zu den übrigen nur mehr oder weniger viel Wärme gedrungen ist.“768 Dieser Text veranschaulicht noch einmal deutlich, dass nach Origenes die Seele Jesu durch ihre Vereinigung mit dem ewigen Gottessohn ganz und gar vergöttlicht ist. Sie lässt sich immer schon in solchem Maß von der Gottheit des Sohnes durchglühen, die diesem in ewiger Gegenwart von seinem Vater her zuströmt, dass sie die Gottheit ganz in sich begreift, so dass diese ihr gewissermaßen zur zweiten Natur wird. Ihre Einheit mit dem eingeborenen Sohn des Vaters ist unwandelbar, weil sie sich in ihrer Freiheit immerfort dazu bestimmt, diese Einheit vollkommen zu verwirklichen. Wenn Origenes in dem eben zitierten Text aus der Grundlagenschrift erklärt, alles, was die Seele Jesu tut (agere), was sie wahrnimmt (sentire) und was sie erkennt (intellegere), sei Gott, so verweisen diese Formulierungen auf eine andere Stelle desselben Werks, wo er auf die eschatologische Vision des Apostels Paulus in 1 Kor 15,28 zu sprechen kommt. Die Verheißung, dass Gott, der Vater, bei der Vollendung der Welt „alles in allem“ sein wird, bedeutet nach Origenes, dass Gott in jedem einzelnen der erlösten Vernunftwesen alles sein wird, weil es im Zustand der eschatologischen Vollendung für das Vernunftwesen „nichts anderes mehr gibt, als Gott wahrzunehmen (sentire), Gott zu denken (cogitare), Gott zu sehen (videre), Gott festzuhalten (tenere).“769 Dieser intertextuelle Zusammenhang innerhalb der Grundlagenschrift zeigt, auch wenn uns die Texte nicht im griechischen Original, sondern in der rufinschen Übersetzung vorliegen, dass Origenes in der Seele Jesu das Urbild der erlösten Kreatur erkennt, die aus freier Wahl die in der Schöpfung begründete und im Heiligen Geist durch den Sohn vermittelte Gemeinschaft mit dem Vater stets vollkommen bewahrt und daher immer schon vergöttlicht ist. Die Seele Jesu entspricht vollkommen dem Bild, dem gemäß sie geschaffen ist, weil sie sich nach dem Vorbild des Sohnes gestaltet, der das vollkommene Bild seines Vaters ist, und so immer schon Anteil an seiner Sohnschaft hat. An der Seele Jesu lässt sich deshalb paradigmatisch die eschatologische Heilswirklichkeit ablesen, die der ursprünglich intendierten paradiesischen Schöpfungswirklichkeit entspricht: die Ver göttlichung des vernunftbegabten Geschöpfs aufgrund seiner im Heiligen Geist durch den Sohn vermittelten Teilhabe am Vater, dem grundlosen Urgrund der Gottheit.770 Im Menschen Jesus von Nazaret, so lässt sich deshalb sagen, tritt nach Origenes dem gefallenen Menschen der Inbegriff des neuen Menschen, das „Bild vollkommener Freiheit“,771 gegenüber, d. h. diejenige in Freiheit vollzogene Da-
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Princ. II 6,6 (TzF 24, 368). Princ. III 6,3 (TzF 24, 648). So auch Roukema, „Die Liebe kommt nie zu Fall“ 22 f. Schockenhoff, Freiheit 125.
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seinsgestalt der vernunftbegabten Kreatur, zu der der Schöpfer alle Vernunftwesen von Anfang an berufen hat und auch nach ihrem Sündenfall weiterhin beruft. Obwohl die Seele Jesu von jeglicher Sünde frei ist, hat sie doch einen menschlichen Körper angenommen, um den gefallenen Menschen den Logos zu offenbaren, der die Offenbarung des Vaters ist. Die Annahme des menschlichen Körpers stellt dem von Origenes vorausgesetzten Seele-Körper-Dualismus entsprechend die zweite Phase der Menschwerdung des ewigen Gottessohnes dar. Indem der Logos sich menschliches Fleisch zu eigen macht, nimmt er die Natur des gefallenen Menschen an.772 Dabei kommt nach Origenes der Seele Jesu fundamentale Bedeutung zu. Denn allein sie vermag zwischen der göttlichen Wirklichkeit des Logos und der materiellen Wirklichkeit des menschlichen Körpers gewissermaßen als Verbindungsglied zu fungieren. Für die Seele „war es nicht wider die Natur, einen Körper anzunehmen. Aber andererseits war es für jene Seele als vernünftiger Substanz ebenso wenig widernatürlich, Gott aufzunehmen, in den sie, wie oben gesagt, als Logos und Weisheit und Wahrheit schon ganz und gar eingegangen war.“773 Während also die erste Phase der Menschwerdung in der innigsten Vereinigung der Seele Jesu mit dem göttlichen Logos besteht, stellt die Annahme des menschlichen Fleisches, die Inkarnation im engeren Sinn, eine zweite Phase dar, in der sich die vom Logos durchglühte Seele Jesu mit einem menschlichen Körper verbindet. Durch die Inkarnation wird dem Logos eine solche menschliche Natur zu eigen, wie sie sich bei den gefallenen Menschen in dieser Weltzeit findet. Jesus, so sagt Origenes, „hat bei seinem Eintritt ins menschliche Dasein einen menschlichen und der menschlichen Sterblichkeit unterworfenen Körper angenommen, wie er eben von einer Frau stammt“.774 Weil sich der Logos in der Inkarnation die Wirklichkeit des gefallenen Menschen vorbehaltlos zu eigen gemacht hat, betont Origenes die Integrität der menschlichen Natur ebenso deutlich wie die Integrität der göttlichen Natur. Damit erweist er sich als Vertreter der Zweinaturenlehre: Jesus Christus ist ganz Gott und ganz Mensch.775 772 Vgl. Cels. III 28,37–45 (SC 136, 68). 773 Princ. II 6,3 (TzF 24, 362). Vgl. auch In Rom. comm. III 5,57–113 (VL 16, 238–240). 774 Cels. I 69,4–6 (SC 132, 268–270). Vgl. Cels. II 23,10–18 (SC 132, 346–348); III 25,36–38
(SC 136, 60); Princ. I Praef. 4 (TzF 24, 88–90), dazu Eichinger, Verklärung Christi 74–78.
775 Vor dem Hintergrund seiner Zweinaturenlehre kann Origenes von dem einen Subjekt als
Träger beider Naturen Göttliches und Menschliches zugleich aussagen. Eine solche Idiomenkommunikation (zum Begriff vgl. Forster, Art. Idiomenkommunikation 607) liegt in der Aussage vor: „So ist es wahr, ihn Mensch und nicht Mensch zu nennen, Mensch nämlich gemäß seiner Todverfallenheit, nicht Mensch aber gemäß dem, was göttlicher ist als ein Mensch“ (In Ioh. comm. X 6,23 [SC 157, 396]). Vgl. außerdem Cels. II 25,1–7 (SC 132, 352); In Lev. hom. 3,1,11–22 (SC 286, 120–122); In Rom. comm. I 8,13–19 (VL 16, 62), dazu Studer, Art. Incarnazione 227. 229. Sofern man Rufins Übersetzung in Princ. II 6,3 (TzF 24, 362) trauen darf, hat Origenes als erster den Inkarnierten deus-homo genannt
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Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass seiner Christologie unverkennbar eine Tendenz zum Monophysitismus innewohnt.776 Origenes vertritt nämlich die Auffassung, dass auch für den Inkarnationsleib grundsätzlich die Möglichkeit der Vergöttlichung gegeben ist. Wie die Seele Jesu im Zustand der körperlosen Präexistenz ganz und gar von der göttlichen Wirklichkeit des Logos durchdrungen wird, so vermag gewissermaßen auch der Körper, in den sich der Logos durch Vermittlung der Seele inkarniert hat, die Eigenschaften Gottes anzunehmen.777 Diese Vorstellung stellt zwar eine Modifikation der Zweinaturenlehre dar, hebt diese aber keineswegs auf, und zwar deshalb nicht, weil sie auf einem ganz bestimmten Materiebegriff basiert. Danach ist die Materie des in der Inkarnation angenommenen Körpers wie die Materie eines jeden Körpers an und für sich eigenschaftslos und daher für alle denkbaren Eigenschaften empfänglich, die ihr der Schöpfer verleiht.778 Aus diesem Grund konnte der Logos den in der Inkar(so auch nach der Übersetzung des Hieronymus in In Hiez. hom. 3,3,17 [SC 352, 130]). Seiner dualistischen Anthropologie entsprechend, wonach der eigentliche Mensch ein reines Vernunftwesen ist, kann Origenes allerdings auch allein die präexistente Seele Jesu als „Mensch“ bezeichnen. So heißt es in In Ioh. comm. I 32,236 (SC 120, 176), dass „der Mensch (ἄνϑρωπος) des Sohnes Gottes, der mit dessen Gottheit verbunden ist (ἀνακεκραμένος), schon vor seiner Geburt aus Maria existiert (πρεσβύτερος τῆς ἐκ Μαρίας γενέσεως).“ 776 Lieske spricht einerseits zwar von „einer schweren monophysitischen Krise“, konstatiert andererseits jedoch die „Tendenz […], bei der größtmöglichen Vereinigung der Naturen zugleich doch wieder ihre Verschiedenheit zu wahren. Von einem göttlichen Subjekt wird darum Göttliches und Menschliches ausgesagt. Damit ist praktisch das logische Fundament für die Idiomenkommunikation geschaffen […]“ (Lieske, Theologie der Logosmystik 122 f.). Vgl. auch von Harnack, Dogmengeschichte I 688 f. 777 Vgl. Cels. III 41,5–11 (SC 136, 96): „Der, von dem wir glauben und überzeugt sind, dass er von Anfang an (ἀρχῆϑεν) Gott und Gottes Sohn ist, dieser ist der Logos schlechthin und die Sophia schlechthin und die Wahrheit schlechthin. Sein sterblicher Körper aber und die menschliche Seele in ihm haben nicht nur durch die Gemeinschaft (κοινωνίᾳ), sondern auch durch die Vereinigung (ἑνώσει) und Vermischung (ἀνακράσει) mit ihm das Höchste, so sagen wir, vorweg [sc. früher als andere] erlangt und sind, indem sie an seiner Göttlichkeit Anteil erhalten haben (τῆς ἐκείνου ϑειότητος κεκοινωνηκότα), in Gott verwandelt worden (εἰς ϑεὸν μεταβεβληκέναι).“ Vgl. auch Orat. 26,4 (GCS Orig. 2, 361,25–362,3). Zum Begriff ἀνάκρασις in Origenes’ Christologie vgl. van den Hoek, Christological Language 45–50. – Wenn Origenes in Cels. II 9,11–13 (SC 132, 302) erklärt: „Auch wir sind nicht der Auffassung, dass der damals gesehene, sinnlich wahrnehmbare Körper Jesu Gott ist“, so hat er dabei die Ontologie des Körpers im Blick, der eine kreatürliche Entität ist und bleibt. Dasselbe gilt für die Seele Jesu, wenn er fortfährt: „Ja, was rede ich bloß vom Körper? Auch die Seele war es nicht [sc.Gott], über die gesagt ist: ‚Meine Seele ist zu Tode betrübt‘ (Mt 26,38)“ (Cels. II 9,13–15 [SC 132, 302]). 778 Vgl. Cels. III 41,11–19 (SC 136, 96–98; unmittelbare Fortsetzung des Zitats in Anm. 777): „Wenn aber jemand daran Anstoß nimmt, dass wir dies auch von seinem [sc. Jesu] Körper sagen, so bedenke er, was von den Griechen über die Materie (ὕλη) gesagt wird, die an sich (τῷ ἰδίῳ λόγῳ) eigenschaftslos (ἄποιος) ist, sich aber mit den Eigenschaften bekleidet, die der Schöpfer ihr verleihen will, und oft die früheren ablegt und andere, die besser, ja ganz
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nation angenommenen menschlichen Körper als Medium seiner Offenbarung nutzen.779 Er konnte ihn stets diejenigen Eigenschaften annehmen lassen, derer er bedurfte, um sich den verschiedenen Menschen jeweils in der ihrem individuellen Fassungsvermögen entsprechenden Weise und Gestalt zu offenbaren. So ließ der fleischgewordene Logos den in der Inkarnation angenommenen Körper umso mehr auf seine göttliche Wirklichkeit hin durchsichtig werden, je stärker bei seinen Adressaten die Fähigkeit ausgebildet war, mit dem geistigen Auge des inneren Menschen die ganze Tiefe des Logosmysteriums zu erfassen, wie Origenes in seiner Deutung der Verklärungsperikope (Mt 17,1–9par) an verschiedenen Stellen seines Werks ausführt: „Es gibt nämlich gewissermaßen verschiedene Gestalten (μορϕαί) des Logos, je nachdem, wie der Logos sich einem jeden von denen zeigt, die zur Erkenntnis (εἱς ἐπιστήμην) geführt werden, entsprechend dem Zustand des Anfängers oder des mehr oder weniger Fortgeschrittenen oder des bereits nahe an die Tugend Herangekommenen oder des in der Tugend sich Befindenden. Daher wurde […] unser Gott verwandelt und zeigte sich, als er auf den hohen Berg hinaufgestiegen war, dort in einer anderen und weit besseren Gestalt, als es jene war, die die unten Gebliebenen, die ihm auf den Berg nicht folgen konnten, zu sehen gewohnt waren. Denn diejenigen, die unten geblieben waren, hatten keine Augen, die die Verwandlung (μεταμόρϕωσιν) des Logos ins Herrliche und Göttlichere zu schauen vermochten.“780 vorzüglich sind, annimmt. Wenn nämlich solche Überlegungen zutreffend sind, was ist dann daran absonderlich, dass die Eigenschaft des Sterblichen an dem Körper Jesu durch die Vorsehung Gottes, der es so wollte, sich in eine himmlische und göttliche Eigenschaft verwandelte?“ Vgl. auch Cels. III 42,6–12 (SC 136, 98–100); IV 57,1–32 (SC 136, 328–332); In Ioh. comm. XIII 21,127 (SC 222, 98). Zum stoischen Hintergrund der Lehre von der eigenschaftslosen Materie vgl. Pohlenz, Die Stoa 66. 779 Zur Besonderheit des Körpers Jesu äußert sich ausführlich Eichinger, Verklärung Christi 78–108. 780 Cels. IV 16,1–11 (SC 136, 220). Zur Verklärungsperikope bemerkt Origenes in In Matth. comm. XII 36 (GCS Orig. 10, 152,9–13): „Verschiedene Gestalten (μορϕάς) hat nämlich der Logos, und er zeigt sich einem jeden, wie es für den Sehenden angemessen ist, und keinem erscheint er über das Maß hinaus, das der Sehende fassen kann.“ Nach In Matth. comm. XII 30 (GCS Orig. 10, 133,15–134,5) besitzt der Logos für die Anfänger Knechtsgestalt (vgl. Phil 2,7; Jes 53,2), für die Vollkommenen hingegen kommt er in der Herrlichkeit seines Vaters, „so dass diese sagen werden: ‚Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit‘ (Joh 1,14).“ In diesem Sinn erklärt Origenes auch in Cels. VI 77,1–21 (SC 147, 370–372): „Wenn nun Celsus wieder von neuem einwendet: ‚Da ja nun [sc. angeblich] ein göttlicher Geist (ϑεῖον πνεῦμα) im Körper war, musste dieser sich in jeder Hinsicht von den anderen unterscheiden, sei es in seiner Größe oder Stimme oder Kraft oder furchterregenden Erscheinung oder in seinem überzeugenden Auftreten‘, wieso erkannte er nicht das Außerordentliche seines [sc. Jesu] Körpers im Hinblick auf das, was den Sehenden möglich und deshalb nützlich war, dass nämlich der Körper als solcher in Erscheinung trat, wie er von einem jeden gesehen werden konnte. Es ist auch nicht absonderlich, dass die von Natur wandelbare und veränder-
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Dieses einschlägige Zitat könnte den Eindruck erwecken, als sei die heilbringende Erkenntnis des Sohnes nach Origenes ganz und gar vom Menschen und seinen Augen, d. h. von seinem Vermögen abhängig, den Sohn zu erfassen.781 Dem steht allerdings entgegen, dass Origenes an anderer Stelle die Erkenntnis des Sohnes ausdrücklich als ein Geschenk göttlicher Gnade auffasst. So bemerkt er im Matthäuskommentar zum Messiasbekenntnis des Petrus: „Wenn wir wie Simon Petrus sagen, was dieser zur Antwort gab: ‚Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes‘ (Mt 16,16) – wobei nicht Fleisch und Blut uns dies geoffenbart haben, sondern Licht vom Vater im Himmel unser Herz erleuchtet hat –, dann werden vielleicht auch wir selbst, was auch Petrus war, nämlich so wie er selig gepriesen, weil auch uns widerfahren ist, was bei diesem der Grund der Seligpreisung war. Denn dann haben nicht Fleisch und Blut uns geoffenbart, dass Jesus der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes ist, sondern der Vater im Himmel vom Himmel her […] hat uns eine Offenbarung geoffenbart, die diejenigen in den Himmel hinaufführt, die jede Hülle von ihrem Herzen entfernen (vgl. 2 Kor 3,15), nachdem sie den Geist der Weisheit Gottes und der Offenbarung empfangen haben (vgl. Eph 1,17).“782 Um wie Petrus in Jesus den erkennen zu können, der in ihm gegenwärtig ist, d. h. den eingeborenen Sohn des lebendigen Gottes, bedarf der Mensch der Erleuchtung durch Gott selbst. Zu dieser Erkenntnis ist eine Offenbarung nötig, die vom Vater ausgeht und im „Geist der Weisheit Gottes und der Offenbarung“, d. h. im Heiligen Geist, Bestand hat. Die Erkenntnis des Sohnes in seiner göttlichen Wahrheit und Wirklichkeit ist also ein trinitarisch vermitteltes Geschehen, in dem der Vater den menschlichen Geist mit seinem Heiligen Geist erleuchtet, damit der Sohn erkannt werden kann als der, der er von Ewigkeit zu Ewigkeit ist. Es mag an dieser Stelle genügen, darauf hinzuweisen, liche und zu allem, was der Schöpfer will, formbare und für jegliche Eigenschaft, die der Handwerker will, empfängliche Materie (ὕλη) bald die Eigenschaft hat, von der es heißt: ‚Er hatte weder Gestalt noch Schönheit‘ (Jes 53,2), bald so herrlich und furchterregend und wunderbar ist, dass die mit Jesus [sc. auf den Berg] hinaufgestiegenen drei Apostel als Augenzeugen dieser so großartigen Schönheit sich ‚mit dem Gesicht zu Boden warfen‘ (vgl. Mt 17,6). […] Der Bericht enthält aber auch noch etwas Geheimnisvolleres, wenn er erklärt, dass die verschiedenen Gestalten (μορϕάς) Jesu auf die Natur (ϕύσιν) des göttlichen Logos zurückgehen, der sich nicht in gleicher Weise den Vielen zeigt wie denen, die, wie wir erwähnt haben, ihm auf den hohen Berg zu folgen imstande sind.“ 781 Für Origenes erschließt sich der tiefere Sinn der Verklärungsperikope erst, wenn man beachtet, dass Jesus dem Schriftzeugnis zufolge vor den Augen seiner Jünger, d. h. nicht unabhängig von ihrem Fassungsvermögen verklärt wird (vgl. Mt 17,2par: μετεμορϕώϑη ἔμπροσϑεν αὐτῶν). Dementsprechend heißt es in In Matth. comm. XII 37 (GCS Orig. 10, 153,1–6): „Und folglich wirst du sagen, es sei möglich, dass Jesus vor einigen bei dieser Verklärung verklärt, vor anderen aber zum selben Zeitpunkt nicht verklärt wird.“ 782 In Matth. comm. XII 10 (GCS Orig. 10, 84,24–85,13). Vgl. auch In Ioh. comm. XIII 53,352– 354 (SC 222, 228–230), dazu Völker, Vollkommenheitsideal 87–90 und Lieske, Theologie der Logosmystik 108 f.
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dass die beiden scheinbar konkurrierenden Ansichten, wonach die heilbringende Erkenntnis des Sohnes zum einen von bestimmten Voraussetzungen aufseiten des Menschen abhängt, zum andern aber in der Gnade Gottes gründet, sich für Origenes keineswegs ausschließen. Denn für ihn ist die Freiheit des Menschen, weil sie aus der wesenhaften Logosbeziehung herrührt, in die jeder Mensch als Vernunftgeschöpf hineingestellt ist, immer schon begnadete Freiheit. Davon wird im Soteriologie-Kapitel noch eingehend zu handeln sein. Mit allem Nachdruck betont Origenes in seiner Inkarnationstheologie die wesenhafte Unveränderlichkeit des göttlichen Logos. Auch wenn dieser sich die Natur des gefallenen Menschen zu eigen macht, ist und bleibt er dabei doch stets derjenige, der er von Ewigkeit zu Ewigkeit ist,783 nämlich „der unsterbliche TheosLogos (ἀϑάνατος ϑεὸς λόγος) […], der seinem Wesen nach (τῇ οὐσία) Logos bleibt und nichts von dem erleidet, was der Leib oder die Seele erleiden, zuweilen aber zu dem herabsteigt, der seine Strahlen und den Glanz der Gottheit nicht anzuschauen vermag, und gewissermaßen (οἱονεί) Fleisch wird, der leibhaftig verkündet wird (σωματικῶς λαλούμενος), bis derjenige, welcher ihn als solchen aufgenommen hat, allmählich vom Logos emporgehoben wird und schließlich seine sozusagen vorzügliche Gestalt zu schauen vermag […].“784 Der eingeborene Sohn des Vaters wird in der Menschwerdung also mitnichten auf die Ebene des Kreatürlichen herabgesetzt. Er nimmt nicht die Eigenschaften eines Geschöpfs an. Weder geht er in der Seele noch im Körper Jesu auf. Vielmehr bleibt er der ewige Gottessohn, der in ewiger Gegenwart aus dem Vater gezeugt wird. Immer wieder stellt Origenes daher fest, dass es ein Missverständnis wäre zu meinen, der göttliche Logos sei bei seiner Menschwerdung in einem räumlichen Sinn in den Körper des Menschen Jesus von Nazaret eingeschlossen worden. Denn der Logos gibt die Beziehung, in der er von Ewigkeit zu Ewigkeit zu seinem Vater steht, in der Inkarnation keineswegs auf. Als der Inkarnierte bleibt er der ewige Sohn des Vaters, dem die Beziehung zu seinem ursprungslosen Ursprung wesentlich ist und bleibt. Nur als solcher vermag er ja die Offenbarung seines Vaters zu sein.785 783 Vgl. In Hier. hom. 14,6,39–42 (SC 238, 80); Cels. VII 16,1–31 (SC 150, 48–50); In Hiez. hom.
1,5,22–28 (SC 352, 64–66).
784 Cels. IV 15,19–27 (SC 136, 220). 785 Vgl. dazu die auf Joh 8,29 und 17,21 Bezug nehmenden Andeutungen in In Ioh. comm.
XX 18,154 f. (SC 290, 230–232 mit Anm. 2). Origenes sagt in In Ioh. comm. II 11,83 (SC 120, 260), dass nur der Sohn, nicht jedoch der Heilige Geist sich inkarnieren konnte. Mit dieser Aussage trägt er der Tatsache Rechnung, dass allein der Sohn als der Logos die Selbstaussage des Vaters ist. In diesem Sinn lässt sich mit Aeby, Les missions divines 159 feststellen: „Le fondement de la mission du Verbe est sa procession éternelle comme Image révélatrice du Père. Il est envoyé parce que, avant d’être envoyé, il est déjà le révélateur du Père“ (Herv. v. Verf.). Der Sohn vermag der Offenbarer des Vaters allerdings nur dann zu sein, wenn er dem Vater – anders als Aeby behauptet, ohne dabei das komplizierte Quellenmateri-
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Auch wenn der ewige Logos allein im Fleisch des Jesus von Nazaret in einzigartig vollkommener Weise gegenwärtig gewesen ist, so bedeutet dies nicht, dass seine Gegenwart nicht zugleich auch außerhalb der Person Jesu grundsätzlich immer und überall Realität war und ist. Hier zeigt sich ganz deutlich, dass Origenes seine Inkarnationstheologie von seinem transzendentalen Offenbarungsbegriff her konzipiert. Danach vollzieht jede vernunftbegabte Kreatur ihr Dasein als Hörer des Wortes immer schon im Horizont des ewigen Gottessohnes, der Uroffenbarung des Vaters. In dem Maße, wie sich eine solche Kreatur auf diesen Horizont einlässt, ist in ihr der Logos gegenwärtig, ohne dass dieser dabei aber aus seiner ewig bestehenden Einheit mit dem Vater gleichsam herausfiele. Die Aufnahme des Logos, so könnte man sagen, führt zu einer Veränderung aufseiten der vernunftbegabten Kreatur, nicht jedoch aufseiten des ewigen Gottessohnes. Dieser ist und bleibt immer und überall zugleich allen vernunftbegabten Kreaturen als derjenige gegenwärtig, der er wesenhaft ist.786 Auf dieser Grundlage versucht Origenes nun die Wahrheit von Joh 1,14 verständlich zu machen: Allein die Seele Jesu öffnet sich immer schon in solch intensiver Weise der transzendentalen Offenbarung, dass ihre Teilhabe am ewigen Gottessohn schlechterdings vollkommen ist.787 Indem die Seele Jesu einen menschlichen Körper annimmt, lässt sie den Logos im Menschen Jesus von Nazaret ganz anwesend sein.788 Weil es nach Origenes aber jeder vernunftbegabten Kreatur prinzipiell immer und überall möglich ist, nach dem Vorbild der Seele Jesu – und das bedeutet, wie im folgenden Kapitel über die origeneische Soteriologie noch weiter auszuführen sein wird: auf dem Pfad eines tugendhaften Lebens – in die Teilhabe am ewigen Gottessohn hineinzuwachsen, kann die Inkarnation des Logos unmöglich in dem Sinn verstanden werden, als sei dieser infolge seiner Fleischwerdung nirgends sonst zu finden als in den körperlichen Grenzen des Menschen Jesus von Nazaret.789 al differenziert genug zu interpretieren (vgl. ebd. 159–161) – nicht im ontologischen Sinn subordiniert ist. 786 Vgl. in diesem Sinn Princ. IV 4,2 (TzF 24, 788–790). 787 Vgl. Studer, Art. Rivelazione 409. 411. 788 Wie aus Cels. II 9,15–28 (SC 132, 302) indirekt hervorgeht, hat sich der Logos in seiner Inkarnation der Seele und des Körpers Jesu als Werkzeuge für seine Selbstoffenbarung bedient. Aufschlussreich ist die Parallele zum Propheten des Alten Bundes, dessen „Seele und Körper“, wie Origenes hier ausdrücklich bemerkt, Gott auch nach dem Glauben der Juden als Werkzeug benutzt hat, um sich seinem Volk zu offenbaren. 789 In Cels. IV 5,1–34 (SC 136, 196–200) entlarvt Origenes die Schlussfolgerung, die Celsus aus dem christlichen Inkarnationsglauben zieht, dass nämlich Gott bei der Menschwerdung „seinen Wohnsitz verlässt“, als eklatantes Missverständnis: „Er sieht nicht, dass nach der Lehre der Christen wir alle ‚in ihm leben, uns bewegen und sind‘ (Apg 17,28), wie auch Paulus in seiner Rede an die Athener gelehrt hat. Wenn also der Gott des Alls [sc. der Vater] durch seine Macht [sc. durch seinen Logos; vgl. 1 Kor 1,24] mit Jesus in die Lebens-
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Die Offenbarung des Sohnes in Jesus stellt den Höhepunkt der göttlichen Heilspädagogik gegenüber der gefallenen Menschheit dar. Aus Liebe zu den Menschen hat der Vater seine Wahrheit, die sein Sohn ist, unter den Menschen bekannt gemacht,790 damit diese in dieser Wahrheit zurück in die Gemeinschaft mit ihm finden können, die das Ziel der Schöpfung ist. Angesichts der Tatsache, dass Origenes mit der platonischen Schultradition dem in jeglicher Hinsicht vollkommenen Gott wesenhafte Leid- und Leidenschaftslosigkeit zuspricht,791 mag das Pathos erstaunen, in dem er an einigen wenigen Stellen im Blick auf das göttliche Heilshandeln nicht nur die übergroße Menschenliebe, sondern auch das Mitleid Gottes gegenüber den gefallenen Menschen herausstellt. Das wohl aussagekräftigste Beispiel dafür finden wir in einer Homilie zum Buch Ezechiel. Hier legt Origenes seinen Hörern in eindringlichen Worten dar, dass die Inkarnation des ewigen Gottessohnes letztlich darin begründet ist, dass dieser in der Ewigkeit seiner göttlichen Herrlichkeit Mitleid mit den gefallenen Menschen empfunden hat, von dem sich auch der Vater in seiner Liebe zu seinem Sohn und zu den Menschen hat affizieren lassen. Der Sohn, so sagt Origeweise der Menschen hinabsteigt, wenn der Logos, der im Anfang bei Gott war und der selbst Gott ist (vgl. Joh 1,1 f.), sogar zu uns kommt, so wird er weder von seinem Wohnsitz vertrieben noch verlässt er ihn, so dass irgendein Ort leer ist und ein anderer von ihm ausgefüllt wird, den er vorher nicht hat. Die Macht und Göttlichkeit Gottes ist zugegen (ἐπιδημεῖ), durch wen sie will und in wem sie eine Stätte findet, ohne einen Ort zu wechseln oder seine Stätte leer zurückzulassen und eine andere auszufüllen. Denn wenn wir auch sagen, dass er [sc. Gott] jemanden verlässt und einen anderen erfüllt, wollen wir eine derartige Aussage nicht auf einen Ort beziehen. Vielmehr werden wir sagen, dass die Seele des schlechten und in die Bosheit versunkenen [sc. Menschen] von Gott verlassen wird, dagegen werden wir behaupten, dass die Seele dessen, der der Tugend gemäß leben will oder darin schon Fortschritte macht oder sogar schon tugendhaft lebt, mit göttlichem Geist erfüllt wird oder seiner teilhaftig wird. Nicht erforderlich ist also für das Hinabsteigen Christi oder die Hinwendung Gottes zu den Menschen, dass ein besserer Wohnsitz verlassen und der Zustand hier [auf Erden] verändert wird, wie Celsus meint, wenn er sagt: ‚Denn wenn du nur ein einziges Ding in dieser Welt, und sei es das geringste, verändern wolltest, so würden dir alle Dinge umstürzen und zugrunde gehen‘ [zu diesem Satz vgl. den Kommentar von Lona, Die „Wahre Lehre“ des Kelsos 221 f.]. Wenn man aber sagen muss, dass sich durch die Gegenwart (παρουσίᾳ) der Macht Gottes und die Ankunft (ἐπιδημίᾳ) des Logos in Menschen etwas verändert, so werden wir keine Bedenken haben zu sagen, dass derjenige sich wandelt von einem Bösen zu einem Rechtschaffenen und von einem Zügellosen zu einem Besonnenen und von einem Abergläubischen zu einem Gottesfürchtigen, der die Ankunft des Logos Gottes in seine Seele angenommen hat.“ Vgl. auch In Ioh. comm. XX 18,159 (SC 290, 234); Princ. IV 4,3 (TzF 24, 790–792). 790 Vgl. In Ioh. comm. I 27,190 (SC 120, 154); II 31,187 (SC 120, 332–334); VI 36,181 (SC 157, 264); 58,300 (SC 157, 358); Cels. IV 15,2.11 (SC 136, 218); In Matth. comm. X 23 (GCS Orig. 10, 33,3 f.). 791 Vgl. z. B. In Num. hom. 23,2,6,123–127 (SC 461, 116); In Iud. hom. 2,4,3–7 (SC 389, 86–88); Princ. II 4,4 (TzF 24, 338–340).
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nes, „stieg auf die Erde herab aus Mitleid mit dem Menschengeschlecht (miserans humanum genus). Er hat unsere Leiden gelitten (passiones perpessus est nostras), bevor er das Kreuz erlitt und bevor er sich unser Fleisch anzunehmen entschloss. Denn hätte er nicht gelitten, so wäre er nicht in den Wandel des menschlichen Lebens eingetreten. Zuerst (primum) hat er gelitten, dann (deinde) stieg er herab und wurde sichtbar. Was ist das für ein Leiden, das er für uns erlitt? Es ist das Leiden der Liebe (Caritatis est passio). Auch der Vater selbst, der Gott des Alls (Deus uni versitatis), der langmütig, reich an Erbarmen und Mitleid ist (vgl. Ps 102,8), leidet er etwa nicht auf gewisse Weise? Weißt du nicht, dass er menschliches Leid erleidet (passionem patitur humanam), wenn er menschliche Angelegenheiten ordnet? Denn der Herr, dein Gott, hat Deine Daseinsweise ertragen, wie ein Mensch seinen Sohn erträgt (vgl. Dtn 1,31). Also erträgt Gott unsere Daseinsweise (mores nostros), so wie der Sohn Gottes unsere Leiden trägt. Der Vater selbst ist nicht leidensunfähig (ipse Pater non est impassibilis). Wenn man ihn bittet, erbarmt er sich und leidet mit (condolet). Er leidet durchaus an Liebe (patitur aliquid carita tis) und begibt sich in Empfindungen, welche er gemäß der Größe seiner Natur nicht haben kann, und erträgt unseretwegen menschliche Leiden (humanas sus tinet passiones).“792 Man mag fragen, wie sich diese Ausführungen mit dem Transzendenz- und Apathieaxiom vereinbaren lassen, das die origeneische Gotteslehre dominiert.793 Die Spannung, die sich hier auftut, mag vordergründig ihre Lösung darin finden, dass der vorliegende Passus seinen Sitz im Leben in einer Gemeindepredigt hat und nicht in einem systematischen Traktat oder in einem gelehrten Kommentar.794 Das Problem reicht jedoch tiefer. In ihm verbirgt sich die grundsätzliche Spannung zwischen dem Gottesbegriff der griechisch-hellenistischen Metaphysik und dem Gottesbild der Bibel. Wenn Origenes im vorliegenden Zusammenhang in leuchtenden Farben das Bild eines für die Menschen aus Liebe zutiefst engagierten Gottes entwirft, so bringt er darin einen elementaren Wesenszug des biblischen Gottesverständnisses zur Geltung. Die Frage, wie sich dieses Bild in systematisch konsistenter Weise in den größeren Rahmen der Apathielehre ein-
792 In Hiez. hom. 6,6,35–52 (SC 352, 228–230). 793 Die für die Patristik insgesamt repräsentative Auffassung vertritt z. B. Tertullian: Ergo nec
compassus est Pater Filio. […] Quid est enim compati quam cum alio pati? Porro si impassi bilis Pater, utique et incompassibilis; aut si compassibilis, utique passibilis. […] Tam autem incompassibilis Pater est quam impassibilis etiam Filius ex ea condicione qua Deus est (Adv. Prax. 29,5 f. [FC 34, 248]). 794 Vgl. dazu Frohnhofen, Apatheia tou theou 202–204.
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fügt, hat Origenes nicht weiter reflektiert.795 Er wählt vielmehr, um mit Henri de Lubac zu sprechen, „in vollem Bewusstsein den paradoxen Ausdruck“.796 Obwohl der „garstig breite Graben“, der später Lessing zum Problem werden sollte, für Origenes grundsätzlich deshalb nicht existiert, weil aufgrund der transzendentalen Offenbarung jeder vernunftbegabten Kreatur ja immer und überall die Möglichkeit offen steht, dem göttlichen Logos im tiefsten Grund des eigenen Selbst zu begegnen, misst der Alexandriner dem raumzeitlichen Ereignis der Inkarnation doch eine grundlegende soteriologische Bedeutung zu, wie es vom biblischen Offenbarungszeugnis her gefordert ist. Um zu verstehen, worin diese Bedeutung für Origenes besteht, soll an dieser Stelle in aller Kürze der Kerngedanke seiner Soteriologie vorgestellt werden. Danach besteht die Erlösung des gefallenen Menschen darin, dass dieser über die Erkenntnis des Sohnes zur Erkenntnis des Vaters gelangt, die nach Joh 17,3 das ewige Leben bedeutet. Auf diese Erkenntnis hin ist die gefallene Kreatur aufgrund ihrer Vernunftbegabung wesenhaft ausgerichtet. Sie ist von ihrem Wesen her immer schon berufen, dem Sohn gleichförmig zu werden, der das Bild des Vaters ist, nach dem sie geschaffen ist, um auf diese Weise an der Erkenntnis teilzunehmen, in der der ewige Gottessohn den Vater von Ewigkeit zu Ewigkeit erkennt. Vor diesem Hintergrund nun sieht Origenes den Sinn der Menschwerdung des Logos darin, den gefallenen Menschen eine Hilfestellung zu bieten, die sie dazu befähigen soll, schrittweise zu der erlösenden Erkenntnis vorzudringen. Der ewige Gottessohn nimmt die Gestalt des gefallenen Menschen an, damit die gefallenen Menschen in ihm nach und nach denjenigen erkennen können, der er seinem innersten Wesen nach ist: den göttlichen Logos, die Wahrheit und Weisheit des Vaters.797 Wenn Celsus dem Offenbarungsglauben der Christen ein Zitat aus Platons Timaios entgegenhält, das lautet: „Den Bildner und Vater dieses Alls zu finden, ist mühevoll, ihn aber allen mitzuteilen, wenn man ihn gefunden hat, ist unmöglich“,798 so stellt Origenes diesem Einwand, dem zufolge die Gotteserkenntnis einer geistig-geistlichen Elite vorbehalten ist, den universalen 795 Maas, Unveränderlichkeit Gottes 138 stellt richtig fest: „Die biblische Offenbarung der
Liebe Gottes durchbricht mit Vehemenz den sonst gewohnten griechisch-philosophischen Verstehenshorizont einer leidenslosen, unveränderlichen, beziehungslosen, nicht reagierenden Gottheit. […] Dieser Gedanke eines mitleidenden, reagierenden, in diesem Sinne veränderlichen Gottes ist allerdings nur ein punktueller Durchbruch biblischen Denkens geblieben, er ist nicht zum tragenden Verstehenshorizont origenistischer Gotteslehre geworden. Die Diktatur des Apathie- und Unveränderlichkeitsaxioms blieb bestehen.“ 796 De Lubac, Geist aus der Geschichte 285. Vgl. auch Frohnhofen, Apatheia tou theou 205 f.; Kobusch, Kann Gott leiden? 328–333; Fédou, La „souffrance de Dieu“ 249. 797 Vgl. als Zusammenfassung der im Folgenden dargestellten Überlegungen In Ioh. comm. I 18,107 (SC 120, 116). Vgl. außerdem In Is. hom. 7,1 (OWD 10, 280,12–17). 798 Platon, Tim. 28 c 3–5. Vgl. Cels. VII 42,1–5 (SC 150, 110). Zur Stelle vgl. den Kommentar von Lona, Die „Wahre Lehre“ des Kelsos 409–412.
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Heilswillen des von den Christen verehrten Gottes gegenüber, der von allen Menschen erkannt werden will und sich deshalb in der Menschwerdung seines Sohnes in einer solchen Weise offenbart hat, dass auch wirklich alle Menschen Zugang zu seiner Offenbarung finden können: „In erhabener und nicht zu verachtender Weise trägt Platon zwar das besagte Wort vor. Bedenke aber“, so erklärt Origenes, „ob nicht die göttliche Botschaft (ὁ ϑεῖος λόγος) als einen größeren Freund der Menschen den Theos-Logos vorstellt, der im Anfang bei Gott war und Fleisch geworden ist, damit der Logos zu allen (εἰς πάντας) gelangen kann, von dem Platon behauptet, dass auch wer ihn gefunden hat, ihn unmöglich allen mitzuteilen vermag.“799 Weiter führt er aus: „Wir dagegen sind der Auffassung, dass die menschliche Natur nicht ausreichend in der Lage ist, Gott in welcher Weise auch immer (ὁπωσποτανοῦν) zu suchen und ihn unverfälscht zu finden, wenn sie keine Hilfe erfährt von dem, der gesucht wird und sich finden lässt von denen, die, nachdem sie das ihnen Mögliche getan haben, bekennen, dass sie seiner bedürfen, und der denen erscheint, von denen er mit gutem Grund annimmt, dass er von ihnen so gesehen wird, wie Gott von einem Menschen erkannt werden kann und eine noch im Körper befindliche menschliche Seele Gott zu erkennen vermag. […] Wir sagen also, dass es schwierig ist, den Bildner und Vater des Alls zu erkennen. Er wird aber gesehen nicht nur gemäß dem Wort: ‚Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen‘ (Mt 5,8), sondern auch gemäß dem vom ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) stammenden Ausspruch: ‚Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen, der mich gesandt hat‘ (Joh 14,9). Dabei dürfte wohl kein vernünftiger Mensch behaupten, dass Jesus dies auf seinen sinnlich wahrnehmbaren und von den Menschen gesehenen Körper bezogen hat, als er sagte: ‚Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen, der mich gesandt hat‘. Denn es würden sonst zu denen, die Gott, den Vater, gesehen haben, auch alle gehören, die riefen: ‚Kreuzige, kreuzige ihn!‘ (Lk 23,21), sowie Pilatus, der Vollmacht über das, was menschlich an ihm war, erhalten hatte, was absurd ist. Dass das Wort: ‚Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen, der mich gesandt hat‘ sich nicht auf das ganz gewöhnliche Verständnis bezieht, ergibt sich aus dem, was Philippus gesagt wurde: ‚Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus?‘ (Joh 14,9). Dies sagte er ihm auf seine Bitte hin: ‚Zeig uns den Vater; das genügt uns!‘ (Joh 14,8). Wer also erkannt hat, auf welche Weise man [sc. die Kunde] über den Eingeborenen Gottes (vgl. Joh 1,18), den Sohn Gottes, den ‚Erstgeborenen aller Schöpfung‘ (Kol 1,15), vernehmen muss, insofern ‚der Logos Fleisch geworden ist‘ (Joh 1,14), der wird verstehen, wie jemand, der das ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) gesehen hat, den Vater und Bildner des gegenwärtigen Weltalls erkennt.“800 799 Cels. VII 42,15–20 (SC 150, 112). 800 Cels. VII 42,28–43,36 (SC 150, 114–116).
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Wenn nach dem Fall der Vernunftgeschöpfe die universale göttliche Heilspädagogik darauf abzielt, diese Geschöpfe zur Rückkehr in die ursprüngliche Einheit mit Gott zu bewegen, so stellt die Inkarnation des Logos in Jesus von Nazaret die entscheidende erzieherische Maßnahme gegenüber den gefallenen Menschen dar. In seiner Fleischwerdung nimmt der ewige Sohn des Vaters, der allein die erlösende Erkenntnis des ursprungslosen Gottes zu vermitteln imstande ist, die äußere Daseinsgestalt der gefallenen Menschen an, um sich bei einem jeden von ihnen vernehmbar zu machen. Darin besteht der soteriologische Kerngedanke der origeneischen Inkarnationstheologie: dass der Logos als die ewige, wesenhafte Offenbarung des Vaters erst dann von allen gefallenen Menschen vernommen werden kann, wenn er selbst sich deren äußere Gestalt zu eigen gemacht hat. So wahr es ist, dass das vollkommene Bild des Vaters, das der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit in sich darstellt, unmöglich in der körperlichen Physiognomie des Menschen Jesus von Nazaret geschaut werden kann, so wahr ist es für Origenes doch zugleich, dass die Erkenntnis des ewigen Gottessohnes für alle gefallenen Menschen so lange unmöglich ist, wie dieser sich ihnen nicht in derjenigen Daseinsgestalt zeigt, die ihnen selbst infolge ihres Sündenfalls zuteil geworden ist. Origenes interpretiert die Fleischwerdung des Logos also als conditio sine qua non dafür, dass nicht nur einige, sondern alle gefallenen Menschen Zugang zur Offenbarung des Vaters bekommen.801 Darin erkennt er die unübertreffliche Liebe Gottes, dass er allen erlösungsbedürftigen Menschen die Möglichkeit gibt, ihn zu finden. Gewiss haben Origenes zufolge zahlreiche Propheten auch schon vor der Inkarnation den Sohn und in ihm den Vater erkannt. Einigen dieser Propheten spricht Origenes sogar denselben Grad an Erkenntnis zu wie den Aposteln. Die heilspädagogische Notwendigkeit der Inkarnation besteht also keineswegs darin, dass der Logos als die Offenbarung des Vaters überhaupt vernommen, sondern darin, dass er wirklich von allen Menschen vernommen werden kann. Weil alle gefallenen Menschen berufen sind, in die Einheit mit Gott zurückzukehren, soll auch allen die Wahrheit kundgetan werden, die der einzige Weg ist, auf dem der Mensch zur Erlösung, zur Schau des Vaters gelangen kann. Weil die überwältigende Mehrheit der gefallenen Menschen aber außerstande ist, den Logos unvermittelt in seiner göttlichen Herrlichkeit zu schauen, müssen sie erst schrittweise an diese Erkenntnis herangeführt werden. Dieser heilspädagogischen Notwendigkeit trägt der Logos in seiner Inkarnation Rechnung. Er nimmt menschliches Fleisch an, um sich den gefallenen Menschen in der Gestalt zu offenbaren, die ihnen als ihre eigene vertraut ist.802 Die Offenbarung ist nach Origenes parado801 Vgl. Bueno Ávila, „Plenitud“ et „Participación“ 51–53. 802 Vgl. Cels. VI 68,6–16 (SC 147, 348): „Wer sonst vermag des Menschen Seele zu erretten und
zu dem über allem waltenden Gott zu führen als der Theos-Logos? Er, der ‚im Anfang bei
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xerweise zunächst eine Verbergung und Verhüllung. Der Logos „war nicht nur gesandt worden, damit er erkannt wird (ἵνα γνωσϑῇ), sondern auch damit er verborgen bleibt (ἵνα καὶ λάϑῃ).“803 Nur in dem Maße, in dem seine Adressaten imstande waren, seine eigentliche göttliche Wirklichkeit zu erfassen, konnte er aus seiner inkarnatorischen Verborgenheit heraustreten: „Jesus wollte seine göttliche Macht einem jeden zeigen, der sie schauen konnte, und in dem Maß, als er dies konnte.“804 Um allen gefallenen Menschen die Wahrheit Gottes zu offenbaren, die er selbst ist, nimmt der Logos eben diejenige Gestalt an, die für sie zunächst einmal die größte Evidenz besitzt: ihre eigene, die Gestalt des gefallenen, des erlösungsbedürftigen Menschen.805 Um zur erlösenden Erkenntnis vorzudringen, müssen die Menschen diese Gestalt allerdings Schritt für Schritt überschreiten, um mit den Augen des Geistes nach und nach die unkörperliche eigentliche Wirklichkeit des Sohnes zu erfassen. Nur in dem Maße, wie ihnen dies gelingt, vermögen sie schließlich in die Schau des Vaters einzutreten, die für sie die Vollendung ihrer kreatürlichen Geistigkeit bedeutet. Es gilt, so erklärt Origenes mit Bezug auf Joh 14,9 (vgl. 12,45), „aufzusteigen von der Erkenntnis des Sohnes zur Erkenntnis des Vaters […]. Es ist unmöglich, anders als vom Logos her Gott zu schauen. Und wer die Sophia schaut, die Gott vor den Äonen im Hinblick auf seine Werke geschaffen hat, der steigt von der Erkenntnis der Sophia zu deren Vater auf. Es ist aber unmöglich, ohne die Sophia als Führerin den Gott der Sophia zu erkennen. Dasselbe gilt auch von der Wahrheit. Denn niemand erkennt Gott oder schaut Gott‘ war (Joh 1,1), ist um derer willen Fleisch geworden, die mit dem Fleisch verbunden und geworden sind, was Fleisch ist, um von denen erfasst zu werden, die ihn nicht zu schauen vermochten, insofern er Logos und bei Gott und Gott war. Und er, von dem in körperlicher Weise gesprochen (σωματικῶς λαλούμενος) und der gleichsam als Fleisch verkündet wird (ὡς σὰρξ ἀπαγγελλόμενος), ruft zu sich, die Fleisch sind, um zunächst zu bewirken, dass sie dem fleischgewordenen Logos nachgebildet werden (μορϕωϑῆναι κατὰ λόγον τὸν γενόμενον σάρκα), und sie daraufhin emporzuheben, so dass sie ihn schauen als das, was er war, ehe er Fleisch wurde.“ Was es bedeutet, dem fleischgewordenen Logos gleichgestaltet zu werden, erläutert Origenes in In Ioh. comm. I 9,58 (SC 120, 90): „Auch wenn im übrigen einer ein Korinther ist und Paulus sich dafür entscheidet, für ihn nichts zu kennen als Jesus Christus und zwar als Gekreuzigten (vgl. 1 Kor 2,2), so lernt er doch denjenigen kennen, der unseretwegen Mensch geworden ist, und nimmt ihn an und gelangt auf diese Weise zum Anfang der Güter, indem er durch den Menschen Jesus ein Mensch Gottes wird und durch den Tod Jesu für die Sünde stirbt, denn ‚durch sein Sterben ist er ein für allemal gestorben für die Sünde‘ (Röm 6,10).“ Vgl. dazu ausführlicher Harl, La fonction révélatrice du verbe incarné, 238–242 sowie Eichinger, Verklärung Christi 39 f. 177–179. 803 Cels. II 67,21 f. (SC 132, 444). 804 Cels. II 67,14–17 (SC 132, 444). 805 Vgl. In Matth. comm. XII 4 (GCS Orig. 10, 74,16 f.): Der Logos „ist Fleisch geworden für diejenigen, die im Fleisch leben.“
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ihn und erst danach die Wahrheit, sondern zuerst die Wahrheit, um dadurch zur Einsicht in das Sein und in die jenseits des Seins liegende Macht und Natur Gottes zu gelangen.“806 Die vielen verschiedenen Aspekte, unter denen Origenes dem biblischen Zeugnis folgend in seiner Epinoiailehre den Sohn betrachtet, stellen sich in soteriologischer Perspektive wie Stufen dar, auf denen der gefallene Mensch Schritt für Schritt zur Schau Gottes, des Vaters, aufzusteigen vermag. Der Sohn vermittelt diesen Aufstieg in der Weise, dass das erlösungsbedürftige Geschöpf mehr und mehr zur Teilhabe an denjenigen Dimensionen seiner Wirklichkeit gelangt, die ihn wesenhaft als ewigen Sohn des Vaters auszeichnen. Weil die Epinoia Sophia die Wirklichkeit des Sohnes in ihrer primären, schlechthin fundamentalen Gestalt charakterisiert, ist es letztlich die Teilhabe am Sohn, insofern dieser die Sophia, die Weisheitsfülle seines Vaters, ist, die den Eintritt in die Schau des ursprungslosen Gottes ermöglicht. Seinen soteriologischen Grundgedanken illustriert Origenes im Johanneskommentar anhand eines einprägsamen Vergleichs: „Wie es am Tempel einige Stufen gab, über die man in das Allerheiligste eintrat, so ist der Eingeborene Gottes alle unsere Stufen. Und wie von den Stufen die erste Stufe sich gleich über dem Boden befindet, die zweite sodann höher liegt als diese und es so der Reihe nach fortgeht bis zur höchsten Stufe, so stellt der Erlöser alle Stufen dar. Gleichsam die unterste erste ist sein Menschsein (τὸ ἀνϑρώπινον αὐτοῦ). Indem wir diese Stufe betreten, gehen wir den gesamten Stufenweg gemäß dem, was er der Reihe nach alles ist […].“807 Wie eine Treppe mehrere Stufen hat, so sind auch an der einen und einzigen Hypostase des Sohnes verschiedene Aspekte zu unterscheiden, denen Origenes für die Vollendung der vernunftbegabten Kreatur eine gestufte Bedeutung beimisst. Die menschliche Daseinsgestalt, die der ewige Gottessohn in der Inkarnation angenommen hat, stellt gleichsam die unterste dieser Stufen dar. Als solcher kommt ihr eine basale Bedeutung zu. Denn wie man eine Treppe nur dann bis obenhin begehen kann, wenn man auf ihrer ersten Stufe Tritt gefasst hat, so vermag auch der erlösungsbedürftige Mensch zur Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit des Sohnes nur dann aufzusteigen, wenn er den Erlöser zuvor in seinem Menschsein erkannt hat. Und wie derjenige, der die ganze Treppe hinaufsteigen will, die erste Stufe hinter sich lassen muss, so muss auch der Mensch, der den Weg der erlösenden Erkenntnis bis hin zur Schau des ursprungslosen Gottes beschreiten will, das Auge seines Geistes über die fleischliche Gestalt des Logos erheben, um den Sohn mit allen Sinnen seines inneren Menschen in seiner eigentlichen Wahrheit und Wirklichkeit zu erfassen: als die Sophia des Vaters, als die 806 In Ioh. comm. XIX 6,35–37 (SC 290, 66–68). 807 In Ioh. comm. XIX 6,38 (SC 290, 68–70). Im Blick auf die origeneische Ethik vgl. zu dieser
Stelle Schockenhoff, Freiheit 205 f.
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der Sohn gewissermaßen die Schwelle ist, über die allein die gefallene Kreatur in das Vaterhaus der eschatologischen Gottesgemeinschaft zurückzukehren vermag. Der steile Weg, den der innere Mensch, die vernunftbegabte Kreatur, erkennend beschreiten muss, um schließlich in die Schau des Vaters einzutreten, führt somit vom λόγος ἔνσαρκος zum λόγος ἄσαρκος. Die Heiligen der Vorzeit, die den Logos schon vor seiner Inkarnation erkannt haben,808 brauchten diesen Weg nicht von Anfang an zurückzulegen. Sie hatten die Hilfestellung nicht nötig, die der Logos mit seiner Menschwerdung gegeben hat. Auch unabhängig von diesem Heilsereignis sind sie zu derselben Erkenntnis des Sohnes gelangt, wie sie den Jüngern und Aposteln infolge ihrer Begegnung mit dem menschgewordenen Logos zuteil wurde. Grundsätzlich war eine derartige Erkenntnis den Menschen zu allen Zeiten möglich. Erst durch die Menschwerdung des ewigen Gottessohnes jedoch ist nach Origenes auch faktisch allen Menschen der Zugang zur göttlichen Wahrheit eröffnet. Erst dadurch, dass der Logos Fleisch geworden ist, vermögen grundsätzlich alle Menschen denjenigen zu finden, der sich ihnen im tiefsten Grund ihres eigenen Selbst immer schon mitteilt.809 Wenn der Völkerapostel Paulus über sich sagen kann: „Allen bin ich alles geworden“ (1 Kor 9,22), so gilt dies nach Origenes in ungleich höherem Maß vom ewigen Gottessohn. Dieser ist nicht nur den Menschen ein Mensch, sondern ebenso den Engeln ein Engel geworden, wie Origenes mit Bezug auf Ex 3,2 und
808 Zu berücksichtigen ist gleichwohl die modifizierende Bemerkung in In Ios. hom. 3,2
(SC 71, 130): quod et illi priores, qui per legem agebantur, contigerint quidem scientiam tri nitatis, non tamen integre et perfecte, sed ex parte. Deerat enim illis in trinitate etiam de unigeniti incarnatione cognoscere. Nam licet de adventu eius crederent et de reliquis eius dispensationibus non solum crederent, sed etiam praedicarent, non tamen etiam videre et adipisci ea quae crediderant, potuerunt; sicut et Dominus discipulis suis dicit de iis quia: „Multi prophetae et iusti cupierunt videre, quae vos videtis, et non viderunt, et audire, quae vos auditis, et non audierunt“ (Mt 13,17). Erat enim fides eorum non integra pro eo quod nondum in Christo fuerat dispensatio carnis impleta; et quod nos nunc factum iam credimus et impletum, illi tantummodo futurum credebant. Wenig später gibt Origenes zu bedenken: Ego puto quod fortasse nec in adventu Iesu et incarnatione eius adhuc quod perfectum est et integrum discimus; sed nec si ad crucem ducatur iam et consummetur in omnibus nec si a mortuis resurrexerit, cuncta nobis per semet ipsum, quae perfecta sunt, pandet. Alio adhuc opus habemus, qui nobis aperiat et revelet universa. Audi ipsum Dominum in evangeliis dicentem: „Multa adhuc habeo, quae vobis loquar, sed non potestis illa modo audire. Veniet autem spiritus veritatis, qui a patre procedit, et de meo accipiet; et ille vobis indicabit omnia“ (Joh 16,12–14). Vides quia […] et Iesus dicit discipulis suis: nondum potestis audire, nisi ille paracletus veniat, spiritus veritatis, quia per ipsum et in ipso adimpletur perfectio trinitatis (In Ios. hom. 3,2 [SC 71, 132]). 809 Vgl. In Ioh. comm. X 6,26 (SC 157, 398–400).
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Jes 9,5 erklärt.810 Dass der Sohn als Erlösungsmittler „allen alles“ zu werden vermag, ist der Kerngedanke der origeneischen Epinoiailehre: Den einen ist er „der Arzt“ (Mt 9,12; vgl. Ex 15,26), den anderen „der Weg“ (Joh 14,6) oder „die Tür“ (Joh 10,9), „das Brot des Lebens“ (Joh 6,35par) oder „der wahre Weinstock“ (Joh 15,1), wieder anderen „das wahre Licht“ (Joh 1,9). Den am tiefsten in seine wesenhafte Wirklichkeit Vorgedrungenen schließlich gewährt er Anteil an sich, insofern er „der Logos“ (Joh 1,1), „die Wahrheit“ (Joh 14,6), ja „die Weisheit“ seines Vaters ist (1 Kor 1,24; vgl. Spr 8,22). Die Tatsache, dass der ewige Gottessohn sich in der Gestalt eines Menschen offenbart hat, stellt somit nicht nur die äußerste Konsequenz von Gottes universalem Heilswillen dar, sondern in seiner menschlichen Gestalt besteht gewissermaßen auch seine für die menschlichen Sinne konkreteste Epinoia. Wir haben schon ausgeführt, dass für Origenes der Körper Jesu deshalb das Medium der Logosoffenbarung sein kann, weil ihm natürlicherweise eine Wandlungsfähigkeit eigen ist, die es dem Inkarnierten ermöglicht, sich den Menschen jeweils in derjenigen Gestalt zu offenbaren, die ihrem individuellen Fassungsvermögen entspricht. Bei dieser Vorstellung von der „Polymorphie Christi“811 handelt es sich im Grunde „um eine Variante der Epinoiailehre, um eine Anwendung derselben auf den fleischgewordenen Christus als solchen“, wie Hermann Josef Sieben zu Recht bemerkt.812 Den engen Zusammenhang beider Lehrstücke entfaltet Origenes im zweiten Buch seiner Apologie gegen Celsus. Im Blick auf die Epinoiailehre führt er zunächst aus: „Obgleich Jesus ein einziger war (εἷς ὤν), war er doch der Epinoia nach eine Vielheit (πλείονα τῇ ἐπινοίᾳ ) und wurde nicht in gleicher Weise von allen, die ihn sahen, geschaut. Dass er gemäß der Epinoia eine Vielheit war, erhellt deutlich aus den Worten: ‚Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben‘ (Joh 14,6) und: ‚Ich bin das Brot‘ (Joh 6,35.48.51) und: ‚Ich bin die Tür‘ (Joh 10,9) und aus unzähligen anderen Schriftversen.“813 Nach diesen Ausführungen geht Origenes unmittelbar dazu über, seine Theorie von der Polymor phie des Inkarnierten zu entfalten, wobei er auch hier wieder von der Verklärungsperikope ausgeht: „Dass er aber auch, wenn er gesehen wurde, denen gegenüber, die ihn sahen, nicht in derselben Weise in Erscheinung trat, sondern wie die Sehenden ihn erfassen konnten, wird deutlich, wenn man sich klarmacht, weshalb er, als er auf dem hohen Berg verwandelt werden sollte, nicht alle Apostel mit sich nahm, sondern nur Petrus, Jakobus und Johannes, weil nämlich nur sie fähig waren, seine damalige Herrlichkeit zu schauen, und auch nur sie die in Herrlichkeit 810 In Ioh. comm. I 31,216–218 (SC 120, 164–166); In Gen. hom. 8,8,19–21 (SC 7, 228). Vgl. dazu
Fürst, Jesajaexegese 80 f.
811 Sieben, Vom Heil in den vielen „Namen Christi“ 8. 812 Ebd. 813 Cels. II 64,1–5 (SC 132, 434).
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erschienenen Mose und Elija zu erkennen und sie miteinander sprechen und die himmlische Stimme aus der Wolke zu hören vermochten (vgl. Mt 17,1–5par).“814 In der Vorstellung von der Polymorphie des Inkarnationsleibes artikuliert sich der Grundgedanke, von dem sich Origenes bei seiner Auslegung von Joh 1,14 leiten lässt: Die Fleischwerdung des göttlichen Logos ist dem defizitären Fassungsvermögen der überwältigenden Mehrheit der gefallenen Menschen geschuldet, die in ihrer körperlichen Verfassung tatsächlich nur dadurch zur Erkenntnis des eingeborenen Sohnes geführt werden können, dass sich dieser ihnen in ihrer eigenen Gestalt offenbart. Nach Origenes stellt die Menschwerdung des Logos so etwas wie ein Propädeutikum dar für all jene Menschen, die noch der sinnlichen Wahrnehmung bedürfen, um schrittweise zur heilbringenden, rein geistigen Erkenntnis aufzusteigen.815 Auf dem Weg zu dieser Erkenntnis gilt es, das menschliche Fleisch, das der ewige Gottessohn angenommen hat, mit den Augen des Geistes zu transzendieren. Der gefallene Mensch muss sich in sein Inneres kehren, sich auf den tiefsten Grund des eigenen Selbst zurückziehen, um aus der Wirklichkeit des inneren Menschen heraus mit den geistigen Sinnen den ewigen Gottessohn zu erfassen. Durch diesen geistigen Selbstvollzug gestaltet sich der gefallene Mensch mehr und mehr nach dem Bild Gottes, gemäß dem er geschaffen wurde und das der eingeborene Sohn des Vaters ist. Auf diese Weise wächst er immer tiefer in die Wirklichkeit des Sohnes hinein, so dass er diesen mehr und mehr in seiner eigentlichen Gestalt wahrzunehmen vermag, die die Gestalt Gottes ist (vgl. Phil 2,6).816 In dem Maße, wie der gefallene Mensch diese innere Selbstwerdung vollzieht, kann der Logos ihm gegenüber seine körperliche Gestalt transparent werden lassen auf seine göttliche Herrlichkeit hin.817 Wer schließlich zur Erkenntnis dieser Herrlichkeit gelangt ist, dem muss Christus nicht länger als
814 Cels. II 64,5–14 (SC 132, 434). Der Auferstehungsleib Christi stellt eine irreversible Kon-
kretion der Polymorphie, d. h. eine definitive Verklärung dar: „Sofern wir nun über Jesus, der so erhaben war, berichten, nicht nur was seine inwendige, den Vielen verborgene Gottheit, sondern auch was seinen Körper betrifft, der sich, wann und vor wem er wollte, verwandelte, sagen wir: Alle waren imstande, Jesus zu sehen, als er noch nicht ‚die Fürsten und Gewalten entwaffnet hatte‘ (vgl. Kol 2,15) und noch nicht ‚für die Sünde gestorben‘ war (vgl. Röm 6, 10). Als er aber ‚die Fürsten und Gewalten entwaffnet‘ und nichts mehr an sich hatte, was von den Vielen gesehen werden konnte, waren die nicht fähig, ihn zu schauen, die ihn früher alle gesehen hatten. Weil er sie schonte, erschien er nicht allen, nachdem er von den Toten auferstanden war“ (Cels. II 64,32–42 [SC 132, 436]). 815 Nach Cels. VI 68,17 (SC 147, 348) ist der Sinn der Inkarnation ἡ κατὰ σάρκα εἰσαγωγή auf dem Weg zur Erkenntnis des Logos. 816 Vgl. Dial. 1,25–27 (SC 67, 54). 817 Vgl. dazu Strutwolf, Gnosis als System 292 f. 296 f. sowie den weiteren Kontext bei Eichinger, Verklärung Christi 31–47.
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der Gekreuzigte verkündigt werden (vgl. 1 Kor 1,23; 2,2),818 der kein schönes Aussehen hat (vgl. Jes 53,2).819 Vielmehr kann ein solcher Mensch mit Paulus sagen: „Wenn wir auch Christus gemäß dem Fleisch gekannt haben, so kennen wir ihn jetzt nicht mehr so“ (2 Kor 5,16).820 Und mit Johannes kann er bekennen: „Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit gleichsam des Einziggeborenen vom Vater voll Gnade und Wahrheit“ (Joh 1,14).821 Die Vorstellung von der Polymorphie Christi ergibt sich aus der Mitte des origeneischen Offenbarungsverständnisses, wonach die eigentliche, die tiefste Offenbarung des Logos nicht im menschlichen Fleisch, ja überhaupt nicht in der sinnlich wahrnehmbaren Welt erfolgt, sondern in der Geistseele einer jeden vernunftbegabten Kreatur. Die Fleischwerdung des ewigen Gottessohnes, so können wir mit Matthias Eichinger zusammenfassend festhalten, hat für Origenes dementsprechend „keine bleibende Bedeutung im Offenbarungsgeschehen“.822 Darin manifestiert sich die ontologische Grundprämisse seines Wirklichkeitsverständnisses, dass nämlich die vergängliche Welt der materiellen Körper nicht die ursprünglich intendierte, sondern nur die sekundäre Schöpfung ist, die nach dem präkosmischen Fall der vernunftbegabten Kreaturen als Mittel zu deren Bestrafung und Erziehung nötig geworden ist. Auf dieser Grundprämisse beruht auch Origenes’ Anthropologie und folglich ebenso sein Inkarnationsverständnis. Wie das eigentliche Wesen des Menschen nur in Absehung von seiner körperlichen Existenz richtig erkannt wird, so lässt sich auch die eigentliche Wirklichkeit des ewigen Gottessohnes nur dadurch erfassen, dass man seine körperliche Gestalt mit den Augen des Geistes transzendiert. Auch wenn der Logos in der Inkarnation die äußere Gestalt des gefallenen Menschen angenommen und sich auf diese Weise in die Welt der gefallenen Schöpfung bis in den Tod am Kreuz hin ein entäußert hat,823 ist seine körperliche Verfassung nach Origenes doch nur ein 818 Vgl. In Ioh. comm. I 7,43 (SC 120, 84); 9,58 (SC 120, 90); 18,107 (SC 120, 116); II 3,29 (SC 120,
819 820 821
822 823
224); XIX 11,68 (SC 290, 88–90); Cels. II 66,1–7 (SC 132, 442); In Lev. hom. 4,6,40–52 (SC 286, 182–184); In Num. hom. 26,7,1,420–429 (SC 461, 260); In Rom. comm. II 10,141– 146 (VL 16, 183). Vgl. Cels. IV 16,12–16 (SC 136, 220–222); VI 77,10–42 (SC 147, 372–374); In Matth. comm. XII 29 f. (GCS Orig. 10, 133,3–24); XII 32 (GCS Orig. 10, 140,1–14). Cels. VI 68,18 f. (SC 147, 348); In Ex. hom. 12,4,33–64 (SC 321, 366–368). Cels. VI 68,19–31 (SC 147, 348–350); In Matth. comm. XII 30 (GCS Orig. 10, 133,24–134,17). Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass das Kreuzesopfer Christi für Origenes „nicht ein wesentliches Element seiner Theologie“ darstellt (Brox, Spiritualität und Orthodoxie 144; vgl. auch Markschies, Art. Origenes 661). Eichinger, Verklärung Christi 200. „Die äußerste Kenose ist die in den Tod am Kreuz. Das ist der wichtigste Aspekt des Kreuzes in der origeneischen Soteriologie: Gott geht dem Menschen nach bis in dessen erbärmlichste Tiefe, in den Tod, weil der auf der Stufe der Sünde Stehende mit der Wahrheitserkenntnis nicht bei der Größe der Gottheit anfangen kann. Er kann Christus nicht anders erkennen
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pädagogisches Kommunikationsmittel, dessen einziger Zweck darin besteht, sich selbst überflüssig zu machen.824 Denn die entscheidende Dimension der Offenbarungsökonomie stellt für Origenes die transzendentale Offenbarung dar, die in der primären Schöpfung wurzelt. Hier liegt die wesenhafte Logosteilhabe begründet, die die vernunftbegabten Kreaturen immer schon zu Hörern des Wortes Gottes macht.825 Die durch den Sündenfall nötig gewordene inkarnatorische Offenbarungsökonomie ist deshalb nach Origenes ganz auf diese primäre und eigentliche transzendentale Offenbarung hin ausgerichtet. Ihr Ziel besteht mit anderen Worten darin, den inneren Menschen, d. h. den Menschen, insofern er ein reines Vernunftwesen ist, zur Erkenntnis des Logos zu führen. Der gefallene Mensch soll dem Vorbild der Seele Jesu folgen, die die transzendentale Offenbarung des Logos von allem Anfang an vorbehaltlos sich zu eigen gemacht hat.826
2.5 Die Heilige Schrift als vom Heiligen Geist inspiriertes Wort Gottes Zur Offenbarungstheologie des Origenes gehört schließlich sein Verständnis der Heiligen Schrift als Wort Gottes. Mit der kirchlichen Glaubenstradition ist er zutiefst davon überzeugt, dass das eine göttliche Urwort in den vielen Worten und vielerlei Wörtern der Bibel gegenwärtig ist. Sowohl die Bücher des Alten wie auch denn als den für uns zur Sünde gewordenen Gekreuzigten“ (Gögler, Inkarnationsglaube und Bibeltheologie 91 [Herv. v. Verf.]). Vgl. auch Trigg, Origen 101 und Studer, Gott und unsere Erlösung 112 f. Einen konzisen Überblick über die origeneische Kreuzestheologie, die sich weitgehend an den soteriologischen Topoi des Neuen Testaments orientiert, bieten Simonetti, La morte di Gesù 3–41, Crouzel, Le Christ Sauveur 75–79 und Studer, Art. Croce 102–107. 824 Harl, La fonction révélatrice du verbe incarné 204 bemerkt dazu treffend: „On en arrive à cette conclusion paradoxale, qui est la conséquence des idées d’Origène sur le Christ: le Verbe fait chair est révélateur dans la mesure où il cesse, pour nous, d’être chair.“ 825 O’Leary, Le destin du Logos johannique 288–290 sieht darin eine fundamentale Verschiebung gegenüber dem johanneischen Offenbarungsverständnis. Vgl. auch O’Leary, The invisible mission of Son 612: „Is there a danger that the universal presence of the Logos, which already ensures ‚quod omnes homines non sunt extra communionem Dei‘ [vgl. Princ. I 3,6 (TzF 24, 174)], anticipates the incarnational economy and renders it superfluous? […] Given Origen’s stress on the remedial status of the incarnation and the higher dignity of unmediated reception of the Logos, there is a danger that a Platonizing model of mystical knowledge may rob the incarnational economy of its centrality.“ Neuerdings hat O’Leary die Differenzen gegenüber dem johanneischen Offenbarungsverständnis noch entschiedener herausgestellt (vgl. O’Leary, Christianisme et philosophie 137–193, dazu Bruns, Rezension 451–454). 826 Aus dem vorliegenden Abschnitt dürfte deutlich geworden sein, dass das Urteil von Jonas, Origenes’ Περὶ Ἀρχῶν 116 f. = Jonas, Gnosis II 201, wonach Origenes’ „eigentümliche Christologie […] fast gänzlich außerhalb der Trinitätslehre liegt, nur durch einen dünnen Faden mit ihr verbunden“ (Herv. v. Verf.), völlig an der Sache vorbeigeht.
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des Neuen Testaments gelten ihm als authentisches Zeugnis der ewigen Wahrheit und Weisheit des Vaters, die der Sohn wesenhaft ist.827 „Es ziemt sich aber zu glauben“, so sagt er, „dass es in den heiligen Schriften kein einziges Iota gibt, das die Weisheit Gottes nicht enthält.“828 Bis in den letzten Buchstaben hinein von Gottes Wahrheit erfüllt, stellt sich die Heilige Schrift als „eine Anhäufung von Geheimnissen“, als „ein weiter Ozean voller Mysterien“ dar.829 Dabei ist der buchstäbliche Text der biblischen Schriften für Origenes lediglich das sinnlich greifbare Medium, in dem sich der göttliche Logos in seiner eigentlichen göttlichen Wirklichkeit als Weisheit und Wahrheit des Vaters vernehmbar macht.830 „Wir unterscheiden dem Begriff nach (τῇ ἐπινοίᾳ)“, so sagt er im Johanneskommentar, „ein sinnlich wahrnehmbares (αἰσϑητόν) und ein geistig erkennbares, pneumatisches Evangelium (νοητὸν καὶ πνευματικὸν εὐαγγέλιον).“831 Der ewige Sohn Gottes, das ewig gezeugte Urwort des Vaters, offenbart sich im buchstäblichen Wortlaut des Alten und Neuen Testaments, wenn auch in verborgener, in pneumatischer Weise. Denn im Wortlaut der Heiligen Schrift hat die Logosbotschaft der Propheten, der Apostel und Evangelisten ihren Niederschlag gefunden. Schon aus diesem kurzen Abriss ist leicht ersichtlich, dass dem origeneischen Schriftverständnis derselbe Kerngedanke zugrunde liegt wie der Inkarnationstheologie: die Vorstellung von der Offenbarung des Logos im Verborgenen. „Wie er sich dort unter dem Schleier des Fleisches, so verhüllt er sich hier unter dem Schleier des Buchstabens (litterae velamine), so dass der Buchstabe gleichsam als das Fleisch (caro) betrachtet, der darin verborgene innere geistliche Sinn (latens vero intrinsecus spiritalis sensus) aber gleichsam als die Gottheit (divinitas) verstanden wird“, sagt Origenes in einer Levitikushomilie.832 Analog zum Fleisch des Menschen Jesus von Nazaret stellt also das Textkorpus der Bibel für Origenes auf seine Weise den Leib Christi dar: „Ich bin der Überzeugung, wie Christus [sc. das Wort Gottes] verborgen kam im Körper (celatus venit in corpore), […] so hat auch die ganze göttliche Schrift [sc. als Wort Gottes] einen Körper angenommen (sic est et omnis divina scriptura incorporata) […].“833 Nach der Auferstehung und Himmelfahrt des fleischgewordenen Gottessohnes bleibt das ewige Wort des 827 Vgl. dazu den konzisen Überblick bei Gögler, Inkarnationsglaube und Bibeltheologie
91–94.
828 In Hier. frg. 1 (GCS Orig. 3, 195,23 f.). Vgl. auch Sel. in Ps. 1,4 (PG 12, 1081A–B). 829 In Gen. hom. 9,1,1–10 (SC 7, 236). Vgl. In Gen. hom. 10,2,20 (SC 7, 260): Mysteria sunt
cuncta quae scripta sunt.
830 Cels. VI 70,26 f. (SC 147, 354). Vgl. dazu ausführlich de Lubac, Geist aus der Geschichte
115–167. 393–404 sowie Cignelli, Il tema „logos-dynamis“ 239–272.
831 In Ioh. comm. I 8,44 (SC 120, 84). Vgl. Gögler, Theologie des biblischen Wortes 320–331. 832 In Lev. hom. 1,1,8–10 (SC 286, 66). 833 In Matth. comm. ser. 27 (GCS Orig. 11, 45,19–24). Einen Überblick über „Die Schrift als
Leib des Wortes“ bei den Kirchenvätern gibt Fiedrowicz, Theologie der Kirchenväter 125–133.
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Vaters im Gewand des biblischen Schrifttextes gegenwärtig, so dass Origenes sagen kann: „Du wirst finden, dass in den heiligen Schriften Gott spricht (τὸν ϑεὸν λέγοντα) […]“.834 Schon lange vor seiner Inkarnation war das göttliche Urwort in den Schriften des altbundlichen Gottesvolkes verborgen zugegen, wenngleich es sich als solches der großen Mehrheit der Gläubigen erst aus der Rückschau, vom inkarnatorischen Christusereignis her im Horizont des apostolischen Kerygmas erschlossen hat und erschließt.835 So wie der Schatz im Acker (vgl. Mt 13,44) ist der göttliche Logos im Wortlaut beider Testamente zugegen.836 Deshalb muss ihn der Schriftausleger behutsam aus dem Acker des bloßen Wortlauts, aus den irdischen Gefäßen der Buchstaben und Redewendungen herausheben (vgl. 2 Kor 4,7),837 um ihn in seiner ganzen göttlichen Wesenstiefe zu erfassen.838 Als Medium der göttlichen Logosoffenbarung steht der Buchstabe der Heiligen Schrift nicht nur in einer Reihe mit dem Fleisch Jesu, das der ewige Gottessohn in der Inkarnation angenommen hat, sondern auch mit der Schöpfung, die Origenes als Ausdrucksgestalt der göttlichen Weisheit begreift. „Der Logos hat das Buch der Schöpfung und das der Bibel geschrieben. In beide hat er die Gedanken der Weisheit eingetragen. Aus beiden ‚spricht‘ er. Die Schöpfung ist gestaltetes, die Bibel geschriebenes Wort Gottes“, so lässt sich mit Rolf Gögler der innere Zusammenhang beschreiben, in dem die Theologie der Schöpfung und die Theologie der Heiligen Schrift im Denken des Origenes wechselseitig aufeinander verweisen.839 Die geschaffene Wirklichkeit als ganze, die menschliche Daseinsgestalt Jesu und der Text der Heiligen Schrift bilden eine Offenbarungseinheit. Sie alle sind Medien der einen Offenbarung, in denen der ewige Logos sich selbst und in sich selbst die geheimnisvolle Wahrheit und Wirklichkeit seines Vaters ausspricht. 834 In Hier. hom. 16,6,22 (SC 238, 148). 835 Princ. IV 1,6 (TzF 24, 686–688). Vgl. In Ioh. comm. I 6,33 (SC 120, 76–78); XIII 46,305–
47,308 (SC 222, 198–202), dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 310. 326.
836 In In Matth. comm. X 5 (GCS Orig. 10, 5,15–21) bemerkt Origenes zu Mt 13,44: „Es scheint
mir nun in diesem Zusammenhang der Acker die Schrift zu sein, die bepflanzt ist mit dem, was an den Worten der Geschichte, des Gesetzes und der Propheten sowie der anderen Gedanken auf den ersten Blick verständlich ist […], der im Acker verborgene Schatz aber scheint die verborgenen und hinter dem, was unmittelbar einsichtig ist, liegenden Gedanken der Weisheit (νοήματα τῆς σοϕίας) darzustellen, die ‚im Geheimnis verborgen‘ sind (1 Kor 2,7), d. h. in Christus, ‚in dem die Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind‘ (Kol 2,3).“ 837 In Ioh. comm. I 4,24 (SC 120, 72). Vgl. In Gen. hom. 10,2,8–19 (SC 7, 260); XIII 3,14–29 (SC 7, 318–320). 838 Vgl. In Gen. hom. 8,1,6–9 (SC 7, 212) sowie die Ausführungen von Schockenhoff, Freiheit 26–33 über „Die christologische Mitte der Schrift“. 839 Gögler, Theologie des biblischen Wortes 261. Vgl. In Ioh. comm. XIII 42,284 (SC 222, 182–184); In Cant. comm. III 13,27–29 (SC 376, 640).
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Stets ist die Offenbarung des Sohnes nach Origenes also durch kreatürliche Realitäten vermittelt.840 Dabei eignet ihr aber durchaus nicht immer und überall dieselbe Qualität. Weil die Schöpfungswirklichkeit in allen Einzelheiten von Ewigkeit zu Ewigkeit in der göttlichen Sophia idealtypisch vorgebildet ist, stellt ausnahmslos jede Kreatur in ihrer Abbildhaftigkeit einen Verweis auf die ewige Weisheit des Vaters dar. In diesem Sinn kann Origenes die gesamte geschaffene Wirklichkeit als Epiphanie des Logos begreifen. Von ungleich größerer Intensität als seine Offenbarung in der Schöpfung allerdings ist die offenbare Gegenwart des Logos in den Propheten und schließlich in Jesus von Nazaret, der der Offenbarungsträger schlechthin ist. Jesus ist nach Origenes nicht nur irgendein kreatürliches Verweiszeichen unter unzähligen anderen, sondern in seinem Dasein bringt sich der göttliche Logos in unüberbietbarer Weise zum Ausdruck. Denn allein durch Jesus erfolgt die vollkommene Aneignung und damit die vollkommene Vergegenwärtigung dessen, was wir die transzendentale Logosoffenbarung genannt haben, so dass das Leben Jesu, d. h. seine kreatürliche Daseinsgestalt im Ganzen, als Ort der vollkommenen und definitiven Selbstmitteilung Gottes, als „Spiegel des Logos“,841 verstanden werden muss. Weil der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit als Offenbarung seines Vaters, d. h. als die frohe Botschaft schlechthin, als das ewige Evangelium subsistiert (vgl. Offb 14,6),842 kann Origenes sagen, dass „der Erlöser bei seiner [sc. leiblichen] Ankunft das Evangelium einen Körper hat annehmen lassen.“843 Wenn die Heilige Schrift nach Origenes in all ihren Teilen als Wort Gottes zu gelten hat, so deshalb, weil sich hinter dem Schleier ihres Wortlauts, d. h. hinter dem vordergründigen buchstäblichen Textzusammenhang, eine Botschaft verbirgt, die der Sohn als Wort und Wahrheit des Vaters selbst ist. Diese Botschaft ist nach Origenes dadurch ermöglicht, dass sich die Verfasser der heiligen Schriften so wie Jesus, wenn auch weitaus weniger vollkommen als dieser, der transzendentalen Logosoffenbarung geöffnet haben.844 So vermag das gesprochene, geschriebene oder gelesene Menschenwort der Propheten, Apostel und Evangelisten in seiner Kreatürlichkeit ein Zeugnis für den Sohn, die ewige Wahrheit Gottes, zu sein.845 840 Vgl. dazu Gögler, Theologie des biblischen Wortes 305 f. 841 So Hengstermann, Theologie der Jesajahomilien 122. 842 Vgl. In Rom. comm. I 6,1–6 (VL 16, 54); 6,32–46 (VL 16, 55 f.); 16,16–20 (VL 16, 79). 843 In Ioh. comm. I 6,33 (SC 120, 78): ὁ δὲ σωτὴρ ἐπιδημήσας καὶ τὸ εὐαγγέλιον
σωματοποιηϑῆναι ποιήσας. Vgl. dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 258 f.
844 Vgl. Studer, Art. Rivelazione 411: „[…] la presenza del Logos nella carne assunta è supe-
riore a quella negli scritti sacri.“
845 Zu Origenes’ Verständnis der Heiligen Schrift als Gotteswort im Menschenwort bemerkt
Gögler, Theologie des biblischen Wortes 292: „Unter göttlicher Leitung wählen die Hagiographen die von der göttlichen Weisheit bereiteten und in der Kreatur angebotenen
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Die Theologie der Heiligen Schrift sowie die Bibelhermeneutik, die sich daraus ergibt, sind bei Origenes aufs engste mit seiner trinitarischen Gotteslehre verbunden. Sowohl die Abfassung der Schrift als auch ihre sachgerechte, auf ihre eigentliche Wahrheit als Wort Gottes zielende Interpretation stellt sich ihm als Manifestation der trinitarischen Heilsökonomie dar.846 Weil Origenes die trinitätstheologische Dimension seines Schriftverständnisses an mehreren Stellen seines Werks in schärferen Konturen zur Sprache bringt, als dies bei den anderen Aspekten seiner Offenbarungstheologie der Fall ist, kann ihr sogar eine exemplarische Bedeutung für die Erfassung der trinitätstheologischen Implikationen seines Offenbarungsverständnisses insgesamt beigemessen werden.847 Dass die Konstituierung der Heiligen Schrift als Wort Gottes sich nach Origenes dem Zusammenwirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist verdankt, geht aus einem im griechischen Original erhaltenen Passus seiner Grundlagenschrift ausdrücklich hervor. Danach weiß er sich mit allen einig, „die überzeugt sind, dass die heiligen Bücher nicht [sc. bloß] von Menschen verfasst, sondern aus der Eingebung des Heiligen Geistes (ἐξ ἐπιπνοίας τοῦ ἁγίου πνεύματος) nach dem Wil len des Vaters des Alls (βουλήματι τοῦ πατρὸς τῶν ὅλων) durch Jesus Christus (διὰ Ἰησοῦ Χριστοῦ) aufgeschrieben und überliefert sind“.848 Anders als in diesem Zitat, wo Origenes expressis verbis herausstellt, dass an der Inspiration der Heiligen Schrift alle drei Hypostasen in je eigenständiger Weise mitwirken, bringt er denselben Sachverhalt meistens in verkürzter Form dadurch zum Ausdruck, dass er die Inspiration der biblischen Schriften einfach nur auf den Heiligen Geist zurückführt.849 Die heiligen Schriften sind durch den Geist Gottes eingegeben, so erklärt Origenes, indem er den Begriff ϑεόπνευστος aus 2 Tim 3,16 aufgreift.850 Der Heilige Geist hat die Verfasser der heiligen Bücher dazu angeleitet, dieses und Zeichen und Worte, in denen sie ihre mystische Erkenntnis zum Ausdruck bringen. Diese Wahl ihrer Ausdrucksmittel ist vom Hl. Geist geleiteter, doch persönlich schöpferischer Akt des Hagiographen, der die reine Wahrheit geschaut hat.“ 846 Vgl. zum Folgenden de Lubac, Geist aus der Geschichte 347–357. 847 Zu den trinitätstheologischen Implikationen des origeneischen Offenbarungsbegriffs vgl. auch Crouzel, Origène et la „connaissance mystique“ 114–126. 848 Princ. IV 2,2 (TzF 24, 700). Die Version in Rufins Übersetzung lautet: qui credunt scrip turas sanctas non per humana verba aliqua esse conpositas, sed spiritus sancti inspiratione conscriptas et voluntate dei patris per unigenitum filium suum Iesum Christum nobis quoque esse traditas et conmissas. Vgl. dazu und zum Folgenden Zöllig, Inspirationslehre 59–62. 849 Den Themenkomplex „Pneuma und Heilige Schrift“ in der christlichen Literatur vor Origenes behandelt Dünzl, Penuma 318–353. Aus seiner Analyse ergibt sich, dass Origenes mit seiner trinitarisch entfalteten Theologie der Heiligen Schrift die vorangehende Tradition aufgreift und vertieft. 850 Vgl. Princ. IV 1,6 (TzF 24, 686): συναποδείκνυμεν ϑεοπνεύστους εἶναι τὰς προϕηϑευούσας περὶ αὐτοῦ [sc. Ἱησοῦ] γραϕάς; In Ioh. comm. VI 48,248 (SC 157, 316); X 39,266 (SC 157, 544–546).
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jenes in dieser oder jener Form niederzuschreiben.851 Er ist der Garant dafür, dass sich im Buchstaben der Heiligen Schrift das Urwort, die Weisheit und Wahrheit des Vaters verbirgt. Deshalb ist er auch das einheitstiftende Band, das das Alte mit dem Neuen Testament verbindet. Auf diese Weise verbürgt er die Einheit der Heiligen Schrift als Wort Gottes, auf die Origenes auch das Herrenwort beziehen kann: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Denn in der einen und ganzen Heiligen Schrift sind die zwei Testamente dadurch eines, dass beiden ein und dieselbe Wahrheit innewohnt, als die der Vater den Sohn in ewiger Gegenwart zeugt.852 In seiner eigentlichen Wahrheit kündet ja auch das Alte Testament in allem von Christus, dem eingeborenen Gottessohn, wie Origenes im Blick auf Joh 5,39 und Ps 39,8 feststellt.853 Der Heilige Geist ist Bürge dafür, dass schon in den von ihm inspirierten Schriften des altbundlichen Gottesvolkes die Wahrheit, die der Sohn ist, verborgen zugegen ist. Denn „wenn er redet“, so erklärt Origenes im Anschluss an Joh 16,12–15, „dann redet er nicht aus Eigenem, sondern vom Wort der Wahrheit und der Weisheit her“854, d. h. aus der Wahrheitsfülle des Sohnes. Indem also der Heilige Geist die eine und ganze Heilige Schrift inspiriert,855 setzt er unter der äußeren Hülle des buchstäblichen Wortsinns den Sohn als Selbstmitteilung des Vaters gegenwärtig, so dass die Heilige Schrift wirklich das vom Heiligen Geist verbürgte Wort des Vaters ist. Zwar ist es nach Origenes dem Heiligen Geist eigentümlich, die Heilige Schrift als Wort Gottes zu konstituieren. Doch wie schon der Begriff des Wortes Gottes in seinen systematischen Implikationen erkennen lässt, vermag der Heilige Geist dies nur deshalb, weil er selbst in seinem Dasein und in seinem Wirken wesenhaft auf den Vater und den Sohn bezogen ist. Wenn Origenes die Schriftinspiration als Werk des Heiligen Geistes darstellt, dann setzt er dabei unausgesprochen immer voraus, dass der Vater und der Sohn mit dem Heiligen Geist zusammenwirken, wie dies ja auch aus dem oben zitierten Passus der Grundlagenschrift hervorgeht. Dort führt Origenes die Inspiration, mit der der Heilige Geist auf die Verfasser der heiligen Schriften einwirkt (ἐξ ἐπιπνοίας τοῦ ἁγίου πνεύματος), auf den Willen des Vaters (βουλήματι τοῦ πατρὸς τῶν ὅλων) und auf die Vermittlung des Sohnes 851 Vgl. z. B. In Matth. comm. XII 35 (GCS Orig. 10, 150,11–14); In Ioh. comm. X 18,107 (SC 157,
446); In Hier. hom. 19,11,16 f. (SC 238, 218); Cels. V 60,3 f. (SC 147, 162); In Num. hom. 2,1,2,24 f. (SC 415, 56); 26,3,2,157–179 (SC 461, 238); In Ios. hom. 8,6 (SC 71, 232); In Regn. hom. 5,4,10 f. (SC 328, 180); In Luc. hom. 19,1 (SC 87, 272); Princ. I Praef. 8 (TzF 24, 94). 852 In Matth. comm. XIV 4 (GCS Orig. 10, 280,23–281,27). Vgl. ausführlich de Lubac, Geist aus der Geschichte 200–214. 853 Vgl. In Cant. comm. III 11,10 (SC 376, 602). 854 In Ioh. comm. XX 29,263 (SC 290, 286). 855 Vgl. In Lev. hom. 13,4,25–27 (SC 287, 212): Nos autem in lege et Evangeliis unum atque eun dem inesse sanctum Spiritum dicimus […].
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(διὰ Ἱησοῦ Χριστοῦ) zurück.856 Der Heilige Geist ist demnach diejenige Hypostase, die die Schriftinspiration unmittelbar bewirkt. Sein inspirierendes Wirken ist jedoch durch den Sohn vermittelt und im Willen des Vaters begründet. Wir begegnen hier demselben trinitarischen Grundschema wie in dem bereits besprochenen Text aus dem zweiten Buch des Johanneskommentars, wonach der Heilige Geist vom Vater durch den Sohn als diejenige Hypostase hervorgebracht wird, die das „Material der Gnadengaben (ὕλη τῶν χαρισμάτων)“ in sich begreift.857 Diesen Text haben wir im Kontext der Grundlagenschrift dahingehend interpretiert, dass die Heiligung der vernunftbegabten Kreatur unmittelbar vom Heiligen Geist bewirkt wird, der die heiligende Gnade selbst ist, dass der Vater und der Sohn an dieser Heiligung jedoch stets dadurch mitwirken, dass sie den Heiligen Geist in ewiger Gegenwart in seinem Dasein und Sosein begründen. Dem entspricht es, dass Origenes auch die Inspiration der Heiligen Schrift unmittelbar auf den Heiligen Geist, mittelbar jedoch zugleich auf den Vater und den Sohn zurückführt. Und wie der Heilige Geist die vernunftbegabten Kreaturen dadurch heiligt, dass er ihnen Anteil an der göttlichen Wirklichkeit des Sohnes und dadurch an der ursprungslosen Gottheit des Vaters verleiht, so inspiriert er die Heilige Schrift, indem er darin den Sohn und durch ihn, mit ihm und in ihm die Wahrheit und Weisheit des Vaters gegenwärtig setzt. Die aufgezeigten Parallelen zwischen den beiden Wirkweisen des Heiligen Geistes, der Heiligung der vernunftbegabten Kreaturen einerseits und der Inspira tion der Heiligen Schrift andererseits, führen uns in aller Deutlichkeit vor Augen, dass es sich dabei letztlich um ein und dasselbe Wirken der dritten Hypostase handelt.858 Origenes begreift mit anderen Worten die Schriftinspiration als Heiligung, durch die der Gesamtzusammenhang des Alten und Neuen Testaments als Heilige Schrift konstituiert wird. Die biblischen Schriften werden ja nur deswegen zur Heiligen Schrift, in der das Urwort des Vaters unter der Hülle des buchstäblichen Textes verborgen gegenwärtig ist, weil sie von heiligen Menschen verfasst worden sind, von Menschen also, die im Heiligen Geist Anteil am göttlichen Logos erhalten haben und die deshalb dem Gotteswort in der kreatürlichen Gestalt ihres Menschenworts Ausdruck zu verleihen vermochten. Sehr deutlich zeigt sich vor diesem Hintergrund, dass nach Origenes grundsätzlich jeglichem Offenbarungsgeschehen eine trinitarische Dimension eigen ist, auch wenn er diese Dimension nicht immer deutlich artikuliert.859 Wenn Offenba856 Vgl. auch In Ioh. comm. XIII 49,321 (SC 222, 210). 857 In Ioh. comm. II 10,77 f. (SC 120, 256). 858 Dieser Einsicht trägt Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 225–228 nicht genügend
Rechnung.
859 In diesem Sinn heißt es in Princ. I 3,4 (TzF 24, 166) mit Blick auf Hab 3,2: Omnis enim
scientia de patre relevante filio in spiritu sancto cognoscitur, ut ambo haec, quae secundum prophetam vel animantia vel vitae dicuntur, causa scientiae dei patris existant. Sicut enim
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rung die Gegenwart des göttlichen Logos bedeutet, der von Ewigkeit zu Ewigkeit als die Uroffenbarung seines Vaters subsistiert, ist sie immer durch den Heiligen Geist vermittelt. Denn der Heilige Geist ist es, der den vernunftbegabten Geschöpfen die Wahrheit des ewigen Gottessohnes eröffnet. Er ist „der göttliche Vermittler der im Logos hypostasierten Wahrheit des Vaters an die Menschheit.“860 So haben bereits die heiligen Propheten der Vorzeit ihr Zeugnis über den göttlichen Logos ebenso im Heiligen Geist abgelegt wie die heiligen Apostel und die heiligen Evangelisten. Als Inbegriff des heiligen, vom Heiligen Geist inspirierten Propheten hat Jesus von Nazaret zu gelten, weil in ihm der göttliche Logos in schlechthin unüberbietbarer Weise zugegen war. Da der Heilige Geist den göttlichen Logos vermittelt, diese Vermittlung aber gemäß der sittlichen Würdigkeit der Vernunftwesen und damit in unterschiedlicher Intensität erfolgt, kennt Origenes ein Spektrum verschiedener Offenbarungsgrade, innerhalb dessen die Offenbarung des Logos in Jesus von Nazaret eine unvergleichliche, unüberbietbare Stellung einnimmt.861 Das folgende Kapitel über die trinitätstheologischen Implikationen der origeneischen Soteriologie wird zeigen, dass die Erlösung der vernunftbegabten Kreatur, d. h. ihre endgültige Heiligung in der Gnade des Heiligen Geistes, einhergeht mit der vollkommenen Offenbarung Gottes in der Schau des Vaters, die durch den Sohn im Heiligen Geist vermittelt ist. Wie die Inspiration der Hagiographen erfolgt auch die Inspiration der Schriftinterpreten durch das Zusammenwirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Bekanntlich unterscheidet Origenes im Blick auf Spr 22,20 im Einklang mit seiner trichotomischen Anthropologie drei Sinndimensionen der Heiligen Schrift, nämlich den fleischlich-buchstäblichen, den seelisch-moralischen und den geistig-pneumatischen Schriftsinn.862 Oft finden wir anstelle der Dreiteilung auch lediglich die grundlegende Differenzierung zwischen dem wortwörtlichen (fleischlichen) Sinn des buchstäblichen Textzusammenhangs auf der einen und dem übertragenen (geistigen) Sinn auf der anderen Seite, in dem sich die Schrift in ihrem eigentlichen Sinngehalt als Wort Gottes erschließt. Origenes ist überzeugt: „Wer die Schrift liest und sie auf andere Weise, als sie geschrieben ist, versteht, de filio dicitur quia „nemo novit patrem nisi filius et cui voluerit filius revelare“ (Mt 11,27), haec eadem etiam de spiritu sancto dicit apostolus, cum ait: „Nobis autem revelavit deus per spiritum suum; spiritus enim omnia scrutatur, etiam alta dei“ (1 Kor 2,10). 860 Zöllig, Inspirationslehre 63. 861 Vgl. von Harnack, Dogmengeschichte I 665 f. 862 Vgl. Princ. IV 2,4 (TzF 24, 708–710). Hier heißt es: „Wie nämlich der Mensch besteht aus Leib (σῶμα) und Seele (ψυχή) und Geist (πνεῦμα), so auch die von Gott nach seinem Heilsplan zur Erlösung der Menschen gegebene Schrift“ (TzF 24, 710), und in In Lev. hom. 5,1,50 (SC 286, 206) wird von Gott gesagt: fecit Scripturae animam et corpus et spiritum, corpus quidem his, qui ante nos fuerunt, animam vero nobis, spiritum autem his, qui in futuro haereditatem vitae aeternae consequentur (vgl. Lk 18,30.18), per quam perveniant ad regna caelestia. Vgl. bereits Philon von Alexandrien, Migr. 93.
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der betrachtet sie falsch. Wer dagegen die Schrift so hört, wie es dem Verständnis der Wahrheit (veritatis intellectus) entspricht, und sie auf diese Weise deutet, der schaut die Wahrheit (videt veritatem).“863 Um die Heilige Schrift richtig, also so zu verstehen, wie sie eigentlich gemeint ist, muss sich der Exeget darum bemühen, den pneumatisch-geistigen Schriftsinn, den ureigentlichen „Willen des Gotteswortes (τὸ βούλημα τοῦ λόγου τοῦ ϑεοῦ)“864 zu erfassen, der letztlich nicht weniger unerschöpflich ist als die Wahrheit und Weisheit des Vaters, die in ihm entfaltet ist. Die Feststellung, dass derjenige die Bibel missversteht, der sie anders liest, als sie eigentlich gemeint ist, betrifft aber nicht allein ihre inhaltliche, sondern ebenso auch ihre formale Seite als Wort Gottes. Weil der eigentliche Sinngehalt der Heiligen Schrift vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist konstituiert ist, kann er vom Ausleger auch nicht anders erfasst werden als dadurch, dass sich dieser von den drei göttlichen Hypostasen in ein pneumatisches Verständnis ihres buchstäblichen Textzusammenhangs einführen lässt. Nicht von ungefähr beginnt Origenes die Auslegung des Johannesevangeliums mit einem Gebet, das lautet: „Nun wollen wir Gott [sc. den Vater] darum bitten, durch Christus (διὰ Χριστοῦ) uns im Heiligen Geist (ἐν ἁγίῳ πνεύματι) beizustehen bei der Entfaltung des mystischen Sinns (μυστικοῦ νοῦ), der in den Redewendungen (ἐν ταῖς λέξεσιν) aufbewahrt wird.“865 In der Auslegung des mystischen Sinns, in der Enthüllung des pneumatischen Gehalts der Heiligen Schrift, der intelligentia spiritus,866 besteht für Origenes die eigentliche Aufgabe des Theologen, der dem Menschen so weit wie möglich das ewige Evangelium zu erschließen hat, das sich im Buchstaben der Schrift verbirgt.867 Dazu muss er sich in derselben Weise vom Heiligen Geist 863 In Hiez. hom. 2,5,19–22 (SC 352, 116): Qui Scripturam legit, et aliter eam quam scripta est
accipit, Scripturam mendaciter videt; qui vero audit Scripturam et, ut se veritatis intellectus habet, sic eam interpretatur, videt veritatem. 864 In Hier. hom. 20,3,88 f. (SC 238, 266). 865 In Ioh. comm. I 15,89 (SC 120, 104). 866 In Num. hom. 5,1,1,7. 867 Vgl. Simonetti, Art. Scrittura Sacra 424. Für Origenes setzt jede theologische Untersuchung das Bemühen um eine pneumatische Schriftdeutung voraus, so dass dazu immer auch das inspirierende Zusammenwirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist erforderlich ist. Dies betont er am Ende der Einleitung zu seinem Werk De Oratione: „Da es also ein so großes Unterfangen ist, sich mit dem Gebet auseinanderzusetzen, dass es dazu der Erleuchtung des Vaters (τοῦ ϕωτίζοντος πατρός) und der Belehrung seitens seines erstgebo renen Logos (αὐτοῦ τοῦ πρωτοτόκου λόγου διδάσκοντος) und der Einwirkung des Geistes (τοῦ πνεύματος ἐνεργοῦντος) bedarf, um einen so wichtigen Gegenstand in rechter Weise zu erkennen und darzustellen, bete ich, da ich als Mensch – ich maße mir nicht an, das Gebet zu begreifen – es für richtig halte, vor der Erklärung des Gebets den Geist zu empfangen, damit uns eine ganz vollständige und geistliche Darstellung (λόγος πληρέστατος καὶ πνευματικός) geschenkt werde und die in den Evangelien aufgeschriebenen Gebete zuverlässig erläutert werden“ (Orat. 2,6 [GCS Orig. 2, 303,17–304,1]).
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inspirieren lassen, wie es die Hagiographen bei der Abfassung der biblischen Bücher getan haben.868 Denn nur im Heiligen Geist erschließt sich ihm das in den heiligen Büchern verborgene Urwort des Vaters.869 „Wenn also der Herr und Gott Geist ist (Joh 4,24: πνεῦμα; 2 Kor 3,17: τὸ πνεῦμα), dann müssen wir, was der Geist spricht, auch im Geist (spiritaliter) vernehmen“, erklärt Origenes.870 Dabei ist die pneumatische Schriftauslegung für ihn nicht denkbar ohne die ihr eigene ekklesiologische Dimension. Denn die Kirche ist die Gemeinschaft der Glaubenden, in denen der Heilige Geist mit seiner Gnade wirkt, so dass man sagen kann: Der Geist schenkt der Kirche den pneumatischen Sinn.871 So ist der überlieferte Glaube der Kirche die normative Richtschnur, an der sich die geistige Schriftauslegung zu orientieren hat.872 Im Zusammenhang mit der pneumatischen Interpretation der biblischen Schriften zitiert Origenes immer wieder den Satz des Apostels Paulus: „Wir aber haben den Sinn Christi (νοῦν Χριστοῦ)“ (1 Kor 2,16). So versichert er im Blick auf die biblische Beschreibung des Jerusalemer Tempels, die er allegorisch auf die Kirche hin auslegt: „Wir aber haben den Sinn Christi, so dass wir jedes Wort geistlich (πνευματικῶς) deuten entsprechend dem Willen dessen, der dies zu schreiben angeordnet hat.“873 Bei Origenes erfährt der paulinische Begriff des νοῦς Χριστοῦ, der in diesem Zitat als hermeneutisches Prinzip der pneumatischen Exegese er868 In Num. hom. 16,9,4,588–591 (SC 442, 264): ut in spiritu considerantes, quae per Spiritum
scripta sunt, et „spiritalibus spiritalia comparantes“ (1 Kor 2,13) digne Deo et Sancto Spiri tu, qui haec inspirauit, quae scripta sunt explicemus; In Matth. comm. ser. 40 (GCS Orig. 11, 78,7–9): Vere quidem conprehendere sermones Danielis nullius est alterius, nisi spiritus sancti qui fuit in Daniele […]; In Hiez. hom. 2,2,14–17 (SC 352, 102): Quomodo habebat opus Spiritu sancto qui haec dicere iubebatur, sic eodem Spiritu opus est ei qui exponere cupit ea quae sunt latenter significata […]. Dementsprechend stellt Gögler, Theologie des biblischen Wortes 297 f. treffend fest: So „wie das Entstehen der Hl. Schrift in lebendigem Zusammenwirken von göttlicher Inspiration und menschlicher Verfasserschaft in gläubigem Gehorsam und gestaltender Freiheit geschah, […] kann diese Schrift auch fernerhin nur zur Rede kommen durch das Zusammenwirken des fortdauernden Beistandes desselben Hl. Geistes und des gläubig forschenden Hörens der Menschen.“ 869 Vgl. In Matth. comm. XIV 6 (GCS Orig. 10, 288,10–289,6); In Gen. hom. 9,1,1–13 (SC 7, 236); In Lev. hom. 6,6,89–97 (SC 286, 296); XIII 6,28–32 (SC 287, 224); In Num. hom. 26,3,5,226–232 (SC 461, 244). 870 In Lev. hom. 4,1,9 f. (SC 286, 162). 871 Vgl. In Lev. hom. 5,5,11 f. (SC 286, 228): secundum spiritalem sensum, quem Spiritus donat Ecclesiae. 872 Vgl. z. B. Princ. IV 2,2 (TzF 24, 700), ferner von Balthasar, Parole et Mystère 55–57, der feststellt: „Ce qu’on appelle son allégorisme n’est […] rien d’autre que le développement du dogme chrétien par l’enseignement des docteurs de l’Église, enseignement qui est luimême l’Écriture en acte“ (ebd. 57). Vgl. außerdem den Abschnitt „Kirche und hl. Schrift“ bei Vogt, Kirchenverständnis 264–281 sowie Williams, Art. Regola di fede 399 f. 873 In Ioh. comm. X 41,286 (SC 157, 560). Vgl. In Ioh. comm. I 4,24 (SC 120, 72); XIII 6,35 (SC 222, 50).
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Das Heilswirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist
scheint, eine trinitarische Konzentration, die den trinitätstheologischen Implikationen seiner Lehre von der Schriftinspiration und Schrifthermeneutik Rechnung trägt. Der νοῦς Χριστοῦ stellt diejenige Wirklichkeit dar, die der Heilige Geist vergegenwärtigt.874 Darauf weist Origenes bei der Auslegung des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1–16) ausdrücklich hin. Nachdem er festgestellt hat, „dass niemand über dieses Gleichnis sachgerecht sprechen kann außer derjenige, der in Wahrheit sagen kann: ‚Wir haben den Sinn Christi‘ “, stellt er die rhetorische Frage: „Wer also hat den Sinn Christi in diesem Gleichnis erkannt, außer dem, der sich dem Beistand [sc. dem Heiligen Geist] anvertraut, über den der Erlöser sagt: ‚Jener wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe‘ (Joh 14,26)?“875 Aus diesem Text geht außerdem hervor, dass Origenes unter dem νοῦς Χριστοῦ das Prinzip nicht nur der Schriftauslegung, sondern auch der Schriftinspiration versteht. Der νοῦς Χριστοῦ ist diejenige Wirklichkeit, in deren Horizont die Heilige Schrift gedeutet werden will, weil sie zugleich deren pneumatische Aussageabsicht darstellt,876 die Origenes auch mit dem Begriff μυστικὸς νοῦς umschreiben kann.877 Weil die unausschöpfliche Geheimnistiefe der Heiligen Schrift unmittelbar durch den Heiligen Geist konstituiert wird, kann Origenes statt vom νοῦς Χριστοῦ ohne weiteres auch vom νοῦς τοῦ ἁγίου πνεύματος, von der Aussageintention des Heiligen Geistes, sprechen. „Wie kann von jemandem gesagt werden, er glaube wirklich (κυρίως) der Schrift“, fragt er, „wenn er den in ihr enthaltenen νοῦς τοῦ ἁγίου πνεύματος nicht betrachtet, dem man nach Gottes Willen mehr Glauben schenken soll als dem Sinn des Buchstabens?“878 Das wechselseitige Ineinander von Sohn und Heiligem Geist, das hier vorausgesetzt ist,879 bringt Origenes auch dort zum Ausdruck, wo er erklärt, für das rechte Verständnis der Heiligen Schrift müsse der Exeget sowohl den νοῦς Χριστοῦ als auch Augen haben, die wie die Augen der Braut im Hohenlied Tauben vergleichbar sind (vgl. Hld 1,15). Denn die Taube ist das Symbol des Heiligen Geistes, der die Augen der Seele, der Braut des göttlichen Logos,880 mit dem νοῦς Χριστοῦ erleuchtet, so dass der innere Mensch mit dem Auge seines Geistes den 874 Vgl. auch die Formulierung in In Matth. comm. XVII 32 (GCS Orig. 10, 678,22–24): „Gott,
der unseren νοῦς in Christus erleuchtet.“
875 In Matth. comm. XV 30 (GCS Orig. 10, 440,23–441,3). 876 Vgl. Princ. IV 2,3 (TzF 24, 704), wonach der νοῦς Χριστοῦ der ἀκριβὴς νοῦς (sensus inte
rior) nicht nur der alttestamentlichen Schriften, sondern auch der Evangelien ist.
877 Vgl. In Ioh. comm. I 15,89 (SC 120, 104). 878 In Ioh. comm. X 43,300 (SC 157, 566–568). 879 Vgl. Gögler, Theologie des biblischen Wortes 285: „Das Pneuma ist Gabe aus Christi
Innerlichkeit, und es gibt selbst diese Innerlichkeit, die uns ohne das Pneuma fremd und unmitteilbar bliebe. Es ist Gottes und Christi Innerlichkeit, die der Vater und der Sohn austauschen. Darum gewährt es uns die Anteilnahme am göttlichen Innern.“ 880 Vgl. In Num. hom. 20,2,1,109–135 (SC 461, 22–26).
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νοῦς Χριστοῦ hinter dem Buchstaben der Schrift zu entdecken vermag.881 Dass im Heiligen Geist sich die Gegenwart des göttlichen Sohnes ereignet, zeigt auch die neutestamentliche Rede vom „Geist Christi“, dem πνεῦμα Χριστοῦ (vgl. Röm 8,9; Phil 1,19; 1 Petr 1,11), die Origenes beispielsweise in seinem Matthäuskommentar aufgreift, wenn er erklärt: „Niemand – abgesehen von Gott – versteht, was Christus in dunklen Andeutungen und Gleichnissen gesagt hat, nur der Geist Christi. Wer an ihm teilhat, und zwar nicht nur, insofern er der Geist Christi, sondern vielmehr insofern er der Geist des als Weisheit und als Logos zu verstehenden Christus ist, der wird wohl begreifen können, was ihm hier offenbart wird.“882 Der Heilige Geist ist im Verständnis des Origenes also „die Sphäre des Lichtes, in der sich Vermittlung, Empfang und Verstehen von Offenbarung in der Weise der Inspiration ereignet.“883 Im Heiligen Geist, dem „Geist der Wahrheit“ (Joh 15,26; 16,13), ist die Heilige Schrift geschrieben worden, im Heiligen Geist muss sie deshalb auch gedeutet werden.884 Das ist der Leitgedanke der von Origenes vertretenen Schrifttheologie und Schrifthermeneutik.885 Ihr liegt das auf Empedokles zurückgehende und vor allem von Platon weiterentwickelte Axiom zugrunde, wonach Gleiches nur durch Gleiches erkannt werden kann.886 Für den Interpreten der Heiligen Schrift bedeutet dies, dass er sich ganz dem Gnadenwirken des Heiligen Geistes öffnen muss. Denn nur wenn er nicht „gemäß dem Fleisch (κατὰ σάρκα)“, sondern „gemäß dem Geist (κατὰ πνεῦμα)“ lebt (vgl. Röm 8,4 f.), wird er in der Heiligen Schrift den pneumatischen νοῦς, die Wirklichkeit des göttlichen Urwortes, das ewige Evangelium entdecken, das alle Wahrheit in sich birgt.887 Eine anschauliche Zusammenfassung dieser abstrakten Ausführungen und zugleich ein einschlägiges Beispiel pneumatischer Exegese hat uns Origenes in einer längeren Passage seiner Schrift Über das Pascha hinterlassen, in der er die in Ex 12 aufgeführten Vorschriften für den Verzehr des Paschalamms allegorisch
881 Vgl. In Ioh. comm. X 28,172 f. (SC 157, 488); In Cant. comm. III 1,4 f. (SC 376, 494). Vgl.
ferner die allegorische Auslegung von Mt 20,29–34 in In Matth. comm. XVI 10 f. (GCS Orig. 10, 504,20–509,28). 882 In Matth. comm. XIV 6 (GCS Orig. 10, 288,17–25). Auch im Ausdruck πνεῦμα σοϕίας (vgl. Jes 11,2) sieht Origenes das Ineinander von Sohn und Heiligem Geist ausgedrückt, aufgrund dessen der Heilige Geist den Sohn zu offenbaren vermag. Vgl. dazu Lieske, Theologie der Logosmystik 141 f. 883 Gögler, Theologie des biblischen Wortes 286. 884 Vgl. Pasch. II 5 (AskÄ 4, 134,19 f.). 885 Vgl. Berthold, Holy Spirit 444. Vgl. auch die heilsgeschichtliche Perspektive in Princ. II 7,2 (TzF 24, 374–376). 886 Die Geschichte dieses erkenntnistheoretischen Axioms in der griechischen Philosophie und in der Patristik zeichnet Schneider, Erkenntnis des Gleichen durch Gleiches, 65–76 nach. 887 Vgl. Fiedrowicz, Theologie der Kirchenväter 100–102.
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als Anweisung zur pneumatischen Lektüre der Heiligen Schrift interpretiert:888 „Wenn das Lamm Christus und Christus der Logos ist“, so heißt es dort, „was sind dann die Fleischstücke der göttlichen Worte, wenn nicht die göttlichen Schriften?889 Es war geboten, diese weder roh noch in Wasser gekocht zu verzehren (vgl. Ex 12,9). Wenn nun einige sich an den bloßen Wortlaut hielten, würden sie die Fleischstücke des Erlösers roh verzehren, und weil sie an seinen rohen Fleischstücken Anteil bekämen, würden sie sich den Tod und nicht das Leben erwerben, indem sie seine Fleischstücke auf tierische und nicht auf menschliche Weise essen würden, da uns der Apostel belehrt, dass der Buchstabe tötet, der Geist hingegen lebendig macht (vgl. 2 Kor 3,6). Wenn uns nun der Geist (τὸ πνεῦμα) von Gott gegeben wird, Gott aber ‚verzehrendes Feuer‘ ist (Dtn 4,24; Hebr 12,29), ist auch der Geist selbst Feuer, was der Apostel voraussetzt, wenn er uns ermahnt, uns ‚vom Geist entflammen‘ zu lassen (vgl. Röm 12,11). Mit Recht wird der Heilige Geist (τὸ ἅγιον πνεῦμα) als Feuer bezeichnet, das wir empfangen müssen, um mit den Fleischstücken Christi umgehen zu können, das heißt mit den göttlichen Schriften, damit wir sie, wenn wir sie durch dieses geistige Feuer gebraten haben, als im Feuer gebraten verzehren (vgl. Ex 12,8 f.). Denn die Worte werden durch ein derartiges Feuer verwandelt, und wir werden verstehen, was an ihnen süß und nahrhaft ist […].“890 Wenn Origenes die Inspiration der Verfasser und Ausleger der Heiligen Schrift in der dargestellten Weise als Wirkung und Manifestation der t rinitarischen Heils ökonomie begreift, so wirft dieser Sachverhalt erhellendes Licht auf die ontologischen Implikationen seiner Trinitätslehre. Denn der Gedankengang, auf dem er seine Theologie der Heiligen Schrift aufbaut, ist nur unter der ontologischen Prämisse verständlich, dass wie dem Sohn so auch dem Heiligen Geist dasselbe göttliche Wesen eigen ist wie dem Vater. Wie der Sohn von Ewigkeit zu Ewigkeit als die wesenhafte Selbstaussage seines Vaters subsistiert, so dass er die Wahrheit des Vaters authentisch zu offenbaren vermag, so ist im Heiligen Geist die Wirklichkeit und Wahrheit des Sohnes manifest. Im Sohn ist die göttliche Wirklichkeit des Vaters in mitteilbarer Gestalt subsistent, während sich im Heiligen Geist die Wirklichkeit des Sohnes erschließt. Der Heilige Geist vergegenwärtigt den Sohn, der Sohn vergegenwärtigt den Vater. Dabei ist es immer die eine und selbe göttliche Wirklichkeit, die im Sohn und im Heiligen Geist mitgeteilt wird und die ihren ursprungslosen Ursprung in der Hypostase des Vaters hat. In seiner Theologie 888 Zu dieser allegorischen Deutung vgl. Buchinger, Pascha 229–233. 499–501. 889 Zur Deutung der biblischen Schriften als Fleischteile Christi vgl. auch In Ioh. comm. X
18,103–111 (SC 157, 444–448); In Hier. hom. 12,13,15–20 (SC 238, 44–46); In Gen. hom. 10,3,44–54 (SC 7, 264–266); In Num. hom. 16,9,3,578–581 (SC 442, 264); 23,6,285–304 (SC 461, 130). 890 Pasch. I 77–81 (AskÄ 4, 118,1–21).
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der Heiligen Schrift, ja in seiner Offenbarungstheologie insgesamt lässt Origenes erkennen, dass er im Blick auf die göttliche Heilsökonomie der Sache nach von derselben Überzeugung getragen ist, wie sie die Kirche fast hundertfünfzig Jahre nach seinem Tod auf den Konzilien von Nizäa und Konstantinopel als Glaubensbekenntnis formulieren sollte: Allen drei Hypostasen ist ein und dieselbe göttliche Wesensnatur zu eigen. Wie im ersten Teil unserer Untersuchung dargelegt wurde, ist es Origenes noch nicht gelungen, das so verstandene ewige Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist in begrifflicher Klarheit zu artikulieren. Nur ganz am Rand lassen sich in seinen Ausführungen vereinzelt Ansätze ausmachen, die in diese Richtung weisen. Von terminologischen Unschärfen ist insbesondere die Frage nach dem ontologischen Status des Heiligen Geistes betroffen. Wenn Origenes in seiner Offenbarungstheologie jedoch lehrt, dass der Heilige Geist den Sohn als die Selbstaussage des Vaters vergegenwärtigt und auf diese Weise im Werk der Heiligung die Wirklichkeit Gottes an die vernunftbegabte Kreatur mitteilt, markiert er damit deutlich die ontologische Differenz, die den Heiligen Geist von den Vernunftgeschöpfen trennt. Wenn auch der Heilige Geist in seinem Dasein und Sosein wie diese vom Vater durch den Sohn hervorgebracht ist, so hat er an der Wirklichkeit des Sohnes doch von Ewigkeit zu Ewigkeit in derart vollkommener Weise teil, dass in seiner Hypostase die Seinswirklichkeit des Sohnes ganz gegenwärtig ist. Auf dieser metaphysischen Grundlage beruht das wechselseitige Ineinander der drei Hypostasen, das Origenes in seiner Offenbarungstheologie zur Sprache bringt. In der Rückschau auf die origeneische Theologie der Offenbarung gilt es, abschließend noch eine grundlegende Frage zu bedenken: Welche Bedeutung hat für den Alexandriner die geschichtliche Offenbarungsökonomie? Diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund seiner offenbarungstheologischen Konzeption in besonderer Dringlichkeit. Denn diese hat ihre systembildende Mitte in der Vorstellung einer transzendentalen Offenbarung, von der her die verschiedenen Aspekte und Etappen der geschichtlichen Offenbarungsökonomie gedeutet werden. Nach dieser Vorstellung hat nun aber jede vernunftbegabte Kreatur immer schon, d. h. im Voraus zu aller Geschichte, teil am göttlichen Logos, ist sie immer schon verwiesen auf die Selbstmitteilung des einen wahren Gottes, in deren Horizont sie ihr Dasein vollzieht. Die vernunftbegabte Kreatur existiert niemals anders denn als Hörer des Wortes, in dem sich der göttliche Vater von Ewigkeit zu Ewigkeit ausspricht. Dieses „übernatürliche Existential“ – um erneut einen Begriff aus der Theologie Karl Rahners aufzugreifen891 – ist mit ihrer Vernunftbegabung un891 In seinem Beitrag über die Bußlehre des Origenes aus dem Jahr 1950 stellt Karl Rahner
fest: „Natürlich darf vor allem die unverlierbare Logosabbildlichkeit und die Logosinexistenz im ἡγεμονικόν des Menschen, die ja der Ausgangspunkt für alle Heilsmöglichkeit
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widerruflich gegeben, so sehr sich jedes Vernunftgeschöpf in seiner Freiheit dem Anruf Gottes verweigern kann. Weshalb bedarf es also überhaupt noch der kategorialen Offenbarung des Logos im Medium von Schöpfung und Geschichte? Anders gefragt: Was wird dem Menschen in der geschichtlichen Offenbarungsökonomie Neues mitgeteilt, das er nicht immer schon wüsste oder doch zumindest wissen könnte? Soweit ersichtlich hat Origenes diese Frage, die für das Verständnis seiner Theologie im Ganzen von fundamentaler Bedeutung ist, nirgends ausdrücklich reflektiert. Aus der inneren Sinnlogik seiner Wirklichkeitsdeutung kann man die Antwort darauf jedoch erschließen: In der geschichtlichen Offenbarungsökonomie wird dem Menschen nichts mitgeteilt, was er nicht immer schon wissen könnte. Denn darin tut sich ihm ja kein anderer Logos kund als eben der eingeborene Sohn des Vaters, der auch Geber und Gabe der transzendentalen Offenbarung ist.892 Allerdings wird dem Menschen durch die kreatürlich-geschichtlich vermittelte Offenbarung die göttliche Wirklichkeit, auf die er in seiner Geistigkeit immer schon hingeordnet ist, explizit zu Bewusstsein gebracht.893 Diese explizite Bewusstmachung ist erforderlich, weil sich der Mensch im Sündenfall von der Wirklichkeit des Logos mehr oder weniger weit entfernt hat, ohne dass dabei das Band vollständig zerrissen wäre, das ihn in seiner Vernunftbegabung mit dem Logos verbindet. Die göttliche Heilspädagogik, durch die der Vater die zerbrochene Heilsgemeinschaft mit der gefallenen Menschheit wiederherzustellen sucht, zielt darauf ab, die Menschen aufs Neue in die Wahrheit des göttlichen Urworts hineinzuführen, durch die allein sie wieder das Heil erlangen können, für das sie geschaffen sind.894 Damit die gefallenen Menschen sich in ihrer Freiheit von Neuem dem und für allen Heilserwerb des Menschen sind, nicht einfach im Sinne einer bloßen ‚Natur‘ gedeutet werden. Auch heute muß schließlich die Theologie im Menschen, so wie er tatsächlich existiert, ein Existential anerkennen, das einerseits übernatürlich ist und doch andererseits zu den unverlierbaren real-ontologischen Bestimmungen seines wirklichen Wesens gehört“ (Rahner, Bußlehre 111; vgl. auch den Begriff „das übernatürliche Existential der Logosinexistenz“ ebd. 114 f. 124). Dagegen meint Williams, Kirchenvater zwischen Orthodoxie und Häresie 56 ohne weitere Begründung, „daß es falsch ist, Origenes so zu lesen, als nehme er so etwas wie Rahners Lehre vom ‚übernatürlichen Existential‘ vorweg“. Der Versuch einer solchen Origenes-Lektüre ist erstmals durchgeführt bei Bruns, Hörer des Wortes 46–72. 892 Vgl. Tzamalikos, The Concept of Time 268–270. 893 Treffend formuliert de Lubac, Geist aus der Geschichte 406 mit Blick auf die Offenbarungsökonomie in der Heiligen Schrift: „Je tiefer ich in den Sinn der Schrift eindringe, desto mehr verstehe ich den verborgenen Sinn meines Daseins.“ Vgl. auch ebd. 408: „Die Betrachtung der Heiligen Schrift soll uns helfen, allmählich das göttliche Geheimnis auf dem Grund unseres Herzens zu entdecken.“ 894 Im Blick auf Origenes’ Inkarnationslehre trifft von Harnack, Dogmengeschichte I 690 den springenden Punkt, wenn er sagt: „Dass die Gottheit sich herabgelassen hat, die ganze
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göttlichen Logos zuwenden, tut sich ihnen dieser im Medium der materiellen Schöpfung und der raumzeitlichen Geschichte kund. Dabei führt er ihnen ihre wesenhafte Bestimmung vor Augen, die darin besteht, ganz in und aus seiner Wirklichkeit – der Wirklichkeit der Vernunft und der Tugend, der Wahrheit und der Weisheit – zu leben. In der Begegnung mit dem eingeborenen Gottessohn, der sich in der Schöpfung, im gesprochenen und geschriebenen Wort der heiligen Propheten, der heiligen Evangelisten und der heiligen Apostel und unüberbietbar im Leben des heiligen Jesus von Nazaret mitgeteilt hat, wird der gefallene Mensch also zu sich selbst gerufen, sieht er sich vor diejenige Wirklichkeit gestellt, die sein eigentliches Wesen als Vernunftgeschöpf ausmacht und seine Berufung zur Teilnahme am Leben Gottes begründet. Indem der göttliche Logos dem gefallenen Menschen im Medium kreatürlicher Wirklichkeit entgegentritt, verweist er ihn auf seinen innersten Wesenskern, in dem derselbe Logos ihm kraft seiner Logosbegabung immer schon innewohnt. Dass der gefallene Mensch dahin gelangt, sich mit all seinen geistigen Sinnen in seinem Innern auf die Wirklichkeit des Logos zu besinnen – dass er ihn mit dem Auge des Geistes als „die Wahrheit“ (vgl. Joh 14,6) betrachtet, ihn mit dem Ohr seines inneren Menschen als das ewige Gotteswort vernimmt, dass er ihn mit dem inneren Geruchssinn als den „Wohlgeruch Christi“ (vgl. 2 Kor 2,15) in sich aufnimmt und mit den Händen seiner Seele ergreift (vgl. 1 Joh 1,1), um ihn im geistigen Mahl als das „Brot des Lebens“ (vgl. Joh 6,35) und als den „wahren Weinstock“ (vgl. Joh 15,1) zu verkosten (vgl. Ps 33,9) –, dazu soll die geschichtlich vermittelte Logosoffenbarung dem gefallenen Menschen verhelfen, darin liegt ihr heilspädagogischer Sinn.895 Die eigentliche Kommunikation zwischen dem göttlichen Offenbarungswort und dem gefallenen Menschen ist für Origenes also mitnichten gebunden an die Bedingungen und Gegebenheiten der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Denn diese Welt wurde erst als Folge des Sündenfalls geschaffen. Die Realitäten der materiellen Schöpfung sind daher nichts weiter als bloße Mittel, durch die sich der göttliche Logos in der gefallenen Schöpfung vernehmbar macht. Als der materiellen Schöpfung zugehörig können sie seine eigentliche Wahrheit aber nie adäquat zum Ausdruck bringen. Das Fleisch des Menschen Jesus von Nazaret und der äußere Wortlaut der biblischen Schriften stellen nur „die Einführung (ἡ εἰσαγωγή)“ in die eigentliche Wirklichkeit des ewigen Gottessohnes, in das rein geistige ewige Evangelium dar, als das der Logos wesenhaft subsistiert.896 Innerhalb der göttliFülle ihres Wesens in einem Menschen zur Erscheinung zu bringen, und wiederum, dass ein Mensch uns geschenkt ist, der zeigt, dass der menschliche Geist fähig ist, ganz Gottes zu werden, darin liegt für Origenes der höchste Werth der Person Christi“ (Herv. i. Orig.). 895 Vgl. In Cant. comm. II 9,12–14 (SC 132, 302), dazu die im Kontext der origeneischen Logosmystik genannten Arbeiten von Karl Rahner und Theresia Heither. 896 Cels. VI 68,16–19 (SC 147, 348). Vgl. In Ioh. comm. XIII 5,27–6,37 (SC 222, 46–50) mit Verweis auf Joh 21,25, Offb 10,4 und 2 Kor 12,4; Cels. VI 6,11–31 (SC 147, 192); In Ios. hom. 23,4
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chen Heilspädagogik, so könnte man sagen, übernehmen sie eine propädeutische Funktion. Sie sind dem faktischen Wirklichkeitsverständnis des gefallenen Menschen angemessen, der sich im Missbrauch seiner Freiheit aus der primären Schöpfungswirklichkeit des reinen Geistes herausbegeben hat. Um dem Logos in seiner göttlichen Herrlichkeit zu begegnen, muss der Mensch mit allen Fasern seines inneren Menschen die sinnlich wahrnehmbaren Medien der Offenbarung transzendieren.897 Er muss sich abwenden von der sinnlich wahrnehmbaren Welt. Dies geschieht, indem er sich in sein Inneres kehrt. In dem Maße, wie er diese Kehre vollzieht, tritt er ein in die Beziehung zum göttlichen Logos, in die hinein er in seiner kreatürlichen Vernunftbegabung im Voraus zu aller sinnlich wahrnehmbaren Schöpfungswirklichkeit immer schon gestellt ist.898 Das Ziel der göttlichen Heilspädagogik besteht nach Origenes darin, dass die vernunftbegabte Kreatur zur Schau des Vaters gelangt, um darin selbst vergöttlicht zu werden. So vollendet sich die Offenbarung in der Erlösung.
(SC 71, 466). Vgl. dazu de Lubac, Geist aus der Geschichte 327–345 und Grillmeier, Jesus der Christus 272 f. 897 Vgl. Crouzel, Le Christ Sauveur 79–82. 898 Vgl. Exhort. mart. 47 (OWD 22, 104,2–11).
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3. Trinität und Erlösung 3.1 Das Gebet als Antwort auf das Offenbarungswort: die trinitarischen Implikationen der Gebetstheologie Bevor wir uns im vorliegenden Kapitel der trinitarischen Vermittlung der Erlösung zuwenden, soll mit der Gebetstheologie zunächst das Lehrstück in den Blick genommen werden, in dem Origenes die Frage nach der rechten Weise des Betens zu klären sucht. Dieses Vorgehen empfiehlt sich deshalb, weil nach Origenes im Gebet die Erlösungswirklichkeit im Hier und Heute antizipiert wird.899 Er ist davon überzeugt, dass das rechte Gebet, in dem der Mensch Gott Antwort auf das Offenbarungswort gibt, einzig und allein aus der Erlösungswirklichkeit zu erwachsen vermag, die der vernunftbegabten Schöpfung in der transzendentalen Offenbarung grundsätzlich immer schon eröffnet ist.900 Indem er seine Gebetstheologie im Kontext einer präsentischen Eschatologie – als „Eschatologie im Vollzug“ gewissermaßen –901 entfaltet, sind darin bereits sämtliche grundlegenden Aspekte seiner Soteriologie enthalten, deren inneres Zentrum das trinitätstheologische Theologumenon von der Gottessohnschaft darstellt. In seiner Schrift De Oratione unterscheidet Origenes im Anschluss an 1 Tim 2,1 vier Arten des Gebets: die δέησις, die προσευχή, die ἔντευξις und die εὐχαριστία.902 Die Vollgestalt des christlichen Gebets erblickt er in der προσευχή. Darunter versteht er dasjenige Gebet, „das unter Lobpreis um größerer Güter willen in besonders feierlicher Form von jemandem [sc. zu Gott] emporgesendet wird“.903 Die προσευχή besteht mit anderen Worten in der anbetenden Verherrlichung Gottes, in der der Beter Gott nicht um materieller Dinge, sondern um größerer, geistiger Güter willen anruft, derer er bedarf, um immer tiefer in die Beziehung zu Gott hineinzuwachsen.904 Im Unterschied zur δέησις und zur ἔντευξις, die Origenes unter die Kategorie des Bittgebets fasst, sowie zur εὐχαριστία, der Danksagung, stellt die προσευχή schon vom allgemeinen griechischen Sprachgebrauch her diejenige Form des Gebets dar, die, wie Wilhelm Gessel bemerkt, von Origenes 899 Vgl. dazu auch Schockenhoff, Freiheit 300–308. 900 Vgl. Gessel, Theologie des Gebetes 213. 901 Ebd. 249. 253. 902 Vgl. dazu Orat. 14,2 (GCS Orig. 2, 330,21–331,11). 903 Orat. 14,2 (GCS Orig. 2, 331,6 f.). 904 Vgl. dazu Orat. 16,2 f. (GCS Orig. 2, 336,21–338,5). Den Inhalt des rechten Bittgebets er-
blickt Origenes in der Bitte um geistige Güter und verweist dazu auf die außerkanonischen Jesusworte (vgl. auch Mt 6,33; Lk 12,31): „Bittet um das Große, und das Kleine wird euch dazugegeben werden“ sowie: „Bittet um das Himmlische, und das Irdische wird euch dazugegeben werden“(vgl. Orat. 2,2 [GCS Orig. 2, 299,19–21]; 14,1 [GCS Orig. 2, 330,7–9]). Dazu ausführlich Gessel, Theologie des Gebetes 172–177.
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„ausschließlich und von vornherein nur religiös verstanden werden“ konnte.905 Als Vollgestalt des Gebets kann die προσευχή ebenso ein Bitt- wie ein Dankgebet sein.906 Stets ist mit ihr der Lobpreis Gottes verbunden.907 Nach Origenes ist der προσευχή eine ganz bestimmte Ausdrucksgestalt eigen, in der sich die trinitätstheologische Dimension des rechten Betens manifestiert. Während die δέησις, die ἔντευξις und die εὐχαριστία auch an Menschen und erst recht an Christus, den ewigen Gottessohn, gerichtet werden können,908 hat die προσευχή einzig und allein den Vater zum Adressaten, an den sich der Beter durch die Vermittlung des Sohnes im Heiligen Geist wenden muss.909 „Wenn wir nun verstehen, was denn eigentlich προσευχή bedeutet“, so sagt Origenes, „dann darf man wohl zu keinem der Gezeugten [sc. der Kreaturen] beten und auch nicht zu Christus selbst, sondern allein zum Gott des Alls, dem Vater, zu dem auch unser Erlöser selbst betete […] und zu dem er uns beten lehrt. Als er nämlich die Bitte: ‚Lehre uns beten‘ vernommen hat (Lk 11,1), lehrt er uns nicht, zu ihm selbst zu beten, sondern zum Vater, indem wir sprechen: ‚Vater unser im Himmel‘ usw. (Mt 6,9). Denn wenn […] der Sohn der Hypostase nach ein anderer ist als der Vater (ἕτερος κατ᾽ οὐσίαν καὶ ὑποκείμενόν ἐστιν ὁ υἱὸς τοῦ πατρός), so muss man entweder zum Sohn und nicht zum Vater beten oder zu beiden oder zum Vater allein. Zum Sohn und nicht zum Vater, das wird jeder, wer es auch sei, für ganz und gar unsinnig und dem gesunden Menschenverstand widersprechend erklären; wenn aber zu beiden, so ist offensichtlich, dass wir unsere Bitten im Plural (πληϑυντικῶς) vortragen […]. Es bleibt also nur übrig, allein zu Gott, dem Vater des Alls, zu beten, aber nicht ohne den Hohenpriester, der vom Vater ‚durch einen Eid‘ eingesetzt wurde gemäß dem Wort: ‚Er hat geschworen, und nie wird es ihn reuen: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedek‘ (Ps 109,4; vgl. Hebr 7,21).“910
905 Gessel, Theologie des Gebetes 88. 906 Vgl. ebd. 95. 907 Vgl. Orat. 14,4 (GCS Orig. 2, 332,11 f.). Den liturgischen Hintergrund der origeneischen
Gebetstheologie sucht Driscoll, Trinitarian Theology 85–100 zu beleuchten.
908 Orat. 14,6 (GCS Orig. 2, 333,11–25). Vgl. dazu Faessler, Hagiosbegriff 101–103. 909 In Orat. 33,1 (GCS Orig. 2, 401,14–26) sagt Origenes: „Am Anfang und in der Einleitung
des Gebets muss man nach Kräften Lobpreisungen Gottes (δοξολογίας τοῦ ϑεοῦ) vortragen durch Christus, der mitgepriesen wird, im Heiligen Geist, der mitbesungen wird (διὰ Χριστοῦ συνδοξολογουμένου ἐν τῷ ἁγίῳ πνεύματι συνυμνουμένῳ). […] Und zu alledem ist das Gebet in eine Lobpreisung Gottes durch Christus im Heiligen Geist ausklingen zu lassen.“ In Orat. 33,6 (GCS Orig. 2, 402,32–35) heißt es: „Wohlbegründet aber ist es, dass der Beter das mit einer Lobpreisung begonnene Gebet in eine Lobpreisung ausklingen lässt, indem er den Vater des Alls besingt und preist durch Jesus Christus im Heiligen Geist, ‚dem die Ehre sei in alle Ewigkeit‘ (Röm 16,27; Hebr 13,21).“ 910 Orat. 15,1 (GCS Orig. 2, 333,26–334,16).
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Dass einzig und allein der Vater Adressat der προσευχή, der Vollgestalt des Gebets ist, wie sie im Vaterunser begegnet,911 diese Erkenntnis sieht Origenes also vor allem durch die Lehre und das vorbildliche Verhalten des Sohnes selbst verbürgt, der nicht nur seine Jünger unterwiesen hat, zum Vater zu beten, sondern der seinerseits als Sohn selbst sich im Gebet an seinen Vater wandte (vgl. Mk 1,35; Lk 6,12; 11,1; Joh 17,1). „Wieso sollte es aber nicht im Sinn dessen sein, der gesagt hat: ‚Was nennst du mich gut? Niemand ist gut außer dem einen Gott, dem Vater‘ (Mk 10,18par), etwa zu sagen: ‚Was betest du zu mir? Nur zum Vater darf man beten, zu dem auch ich bete, wie ihr doch aus den heiligen Schriften lernt‘.“912 Diesem Sachverhalt trägt auch die Kirche in ihrer Gebetspraxis Rechnung, wenn sie den Adressaten der προσευχή stets im Singular anspricht, weil die προσευχή allein an den Vater gerichtet ist. Der Sohn dagegen ist nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift vom Vater als ewiger Hoherpriester eingesetzt, damit er die Gebete der Gläubigen wie Opfergaben vor den Vater hintrage.913 Jedes Gebet, das an den Vater gerichtet ist, bedarf seiner Vermittlung, wie aus seiner Verheißung hervorgeht: „Amen, Amen ich sage euch: Wenn ihr den Vater in meinem Namen um etwas bittet, wird er es euch geben“ (Joh 16,23).914 Diese Vermittlung erfolgt nach Origenes dadurch, dass der Sohn dem Betenden Teilhabe an dem ewigen Gebet gewährt, durch das er selbst den Vater fortwährend verherrlicht. Der Beter „wird durch sein Gebet am Gebet des Theos-Logos teilhaben, der auch inmitten [sc. im Innern] derer steht, die ihn nicht kennen (vgl. Joh 1,26), der niemanden allein lässt und mitbetet zum Vater mit demjenigen, für den er als Mittler eintritt.“915 Diese Ausführungen über die Gebetsmittlerschaft des Sohnes werfen zwangsläufig die Frage auf, ob Origenes mit diesem Theologumenon nicht doch die Vorstellung einer nicht nur relationalen, sondern auch seinsmäßigen Unterordnung des Sohnes unter den Vater verbindet. Im ersten Teil unserer Untersuchung sind wir dieser Frage bereits nachgegangen, als es darum ging, die ontologischen Implikationen der Mittlerstellung zu diskutieren, die der Sohn zwischen dem Vater auf der einen und den Vernunftgeschöpfen auf der anderen Seite einnimmt. Dabei ergab sich, dass Origenes die ontologischen Bedingungen, die dieser Mittlerstellung zugrunde liegen, begrifflich nicht eindeutig geklärt hat. Auch im vorliegenden Zusammenhang stellt er keinerlei Überlegungen über die ontologischen 911 In Cels. V 4,24 (SC 147, 22) sagt Origenes allerdings, auch der Sohn könne Adressat der 912 913 914 915
προσευχή sein, „wenn wir genau zu unterscheiden vermögen zwischen dem rechten und falschen Gebrauch der προσευχή.“ Orat. 15,4 (GCS Orig. 2, 335,16–19). Orat. 10,2 (GCS Orig. 2, 320,20–22); 15,4 (GCS Orig. 2, 335,19–24).Vgl. auch Cels. III 34,19– 26 (SC 136, 80–82); V 4,19–22 (SC 147, 20–22); VIII 13,21–24 (SC 150, 202); 26,17–22 (SC 150, 232); Dial. 4,24–27 (SC 67, 62); In Matth. comm. XII 39 (GCS Orig. 10, 155,30–157,7). Vgl. Orat. 15,2 (GCS Orig. 2, 334,17–335,27). Orat. 10,2 (GCS Orig. 2, 320,17–20).
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Prämissen der Mittlerfunktion an, die der Sohn für das Gebet übernimmt. Wenn er auch den Sohn in aller Deutlichkeit vom Vater als dem Adressaten des Gebets unterscheidet und wenn er auch davon spricht, dass der Sohn selbst dem Vater gegenüber in ewigem Gebet verharrt, muss für ihn damit doch nicht zwingend die Vorstellung einer seinsmäßigen Inferiorität des Sohnes einhergehen. Denn in erster Linie will er damit dem biblischen Befund gerecht werden, wonach der Sohn die Jünger gelehrt hat, die προσευχή ausschließlich an den Vater zu richten, und der Sohn als ewiger Hoherpriester die an den Vater gerichteten Gebete der Gläubigen vermittelt. Diese klare Unterscheidung von Vater und Sohn in der Gebetstheologie fügt sich ein in den antimodalistischen Gesamtrahmen, der für die origeneische Trinitätslehre im Ganzen charakteristisch ist. In dieser Perspektive ist es für Origenes selbstverständlich, dass das Gebet seinen Adressaten erst im Vater als dem Urgrund der Gottheit erreicht, während der Sohn das Beten der Kreatur zum Vater hin vermittelt, so wie er für die Schöpfung und für die Offenbarung die Funktion des Mittlers vom Vater her übernimmt. Die Analyse der origeneischen Offenbarungstheologie hat nun aber ergeben, dass die Offenbarungsmittlerschaft des Sohnes nicht dessen ontologische Inferiorität, sondern vielmehr die Wesensgleichheit von Vater und Sohn zur Voraussetzung hat. Deshalb besteht kein Anlass, in diesem Sinn nicht auch Origenes’ Ausführungen über die Gebetsmittlerschaft des Sohnes zu interpretieren.916 Für diese Deutung spricht darüber hinaus der soteriologische Gesamtzusammenhang, in dem Origenes seine Gebetstheologie verortet. Für ihn ist das Gebet im eigentlichen Sinn ja nur in dem Maße möglich, wie der Beter bereits im Hier und Jetzt in der Wirklichkeit erlösten Daseins lebt. Das erlöste Dasein aber besteht darin, dass der innere Mensch in der Teilhabe am Heiligen Geist geheiligt wird, um teilzunehmen an der Sohnschaft des ewigen Gottessohnes. Auf diese Weise wird der Mensch selbst im eigentlichen Sinn zum Sohn Gottes. Und erst als solcher ist er disponiert, den Urgrund der Gottheit im eigentlichen Sinn als „Vater“ anzurufen. Weil Origenes’ Soteriologie jedoch, wie in den folgenden Abschnitten noch eingehender zu zeigen sein wird, der Sache nach die Wesensgleichheit aller 916 Gessel, Theologie des Gebetes 95–101 kommt zwar in der Sache zum selben Ergebnis,
jedoch mit einer Begründung, die nicht zu überzeugen vermag (und die er mehr oder weniger wörtlich von Marcus, Subordinatianismus 158 übernommen hat): Die in Orat. 15,1–16,2 „zum Ausdruck kommende Depotenzierung des Sohnes gegenüber dem Vater stellt sich vor allem als von dem Menschen Jesus ausgesagt dar und ist damit im Sinne der später von den Kappadokiern entwickelten Trinitätslehre kein trinitarischer Subordinatianismus. […] Wenn daher in unseren Texten […] eine Subordination Jesu Christi (als Mensch) aufscheint, so korrespondiert diese Tatsache mit dem Sachverhalt, daß auch der innertrinitarische Logos in einer Subordination zum Vater steht. Nur ist diese Subordination keine solche der Gottheit, sondern eine der relationalen Vorbildlichkeit für die seinshaft spätere heilsgeschichtliche Subordination des Logos und des Menschen Jesus unter den Vater […]“ (Gessel, Theologie des Gebetes 98 f. [Herv. v. Verf.]).
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drei Hypostasen impliziert, geht man in der Annahme nicht fehl, dass auch die trinitarische Dimension seiner Gebetstheologie in diesem Sinn gedeutet werden will. Wie Origenes diese Dimension im Einzelnen entfaltet, soll nun in Grundzügen dargestellt werden. Im Anschluss an die einschlägigen Verse Röm 8,26, wonach der Heilige Geist für die gläubigen Beter vor Gott „mit unaussprechlichen Seufzern eintritt“, lehrt Origenes, dass nicht allein der Sohn als Gebetsmittler fungiert, sondern dass ebenso der Heilige Geist „im Herzen der Heiligen betet“,917 indem er „in seiner großen Menschenliebe und seinem großen Mitleid (διὰ τὴν πολλὴν ϕιλανϑρωπίαν καὶ συμπάϑειαν) unsere Seufzer auf sich nimmt.“918 Die Teilhabe am Heiligen Geist geht dabei einher mit der sittlichen Vollkommenheit des Beters, dessen heiliges Leben im Ganzen ein einziges Gebet an den Vater darstellt, man könnte sagen: ein Vaterunser der Tat.919 Mit Röm 8,14 f. sieht Origenes in der Teilhabe am Heiligen Geist die Gottessohnschaft des Menschen begründet. „Denn alle“, so heißt es dort, „die sich von Gottes Geist leiten lassen, sind Söhne Gottes. Ihr habt nämlich nicht einen Geist der Knechtschaft empfangen, so dass ihr euch noch immer fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist der Sohnschaft (πνεῦμα υἱοϑεσίας) empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!“ In diesem Geist der Sohnschaft, im Heiligen Geist, den Paulus in Gal 4,6 „den Geist des Sohnes“ nennt, so betont Origenes, muss der Mensch Gott nicht länger als „Gott“ und „Herrn“, sondern darf er ihn freimütig als „Vater“ anrufen.920 Auf diese Weise stimmt er ein in das immerwährende Gebet, in den ewigen Abba-Ruf des eingeborenen Gottessohnes, an dessen unwandelbarer Sohnschaft ihn der Heilige Geist teilhaben lässt. In diesem Sinn belehrt der Sohn die Samariterin, dass die einzig wahre anbetende Verherrlichung Gottes sich an Gott als „Vater“ richtet und „im Geist und in der Wahrheit“ erfolgt (vgl. Joh 4,23), d. h. kraft der Teilhabe am Heiligen Geist und kraft der Teilhabe am Sohn, der die ewige Wahrheit ist.921 Sich in der rechten Weise betend an den Vater zu wenden, bedeutet nach Origenes somit, teilzunehmen am immerwährenden Beten des Sohnes und des Heiligen Geistes. 917 Orat. 2,5 (GCS Orig. 2, 303,3 f.). 918 Orat. 2,3 (GCS Orig. 2, 301,14 f.). Origenes fährt fort: „Da er aber gemäß der in ihm woh-
nenden Weisheit (vgl. Jes 11,2) unsere ‚in den Staub‘ (vgl. Ps 43,26) erniedrigte und in den ‚Leib der Erniedrigung‘ (vgl. Phil 3,21) eingesperrte Seele sieht, so tritt er bei Gott nicht mit gewöhnlichen, sondern mit gewissen ‚unaussprechlichen Seufzern (στεναγμοῖς ἀλαλήτοις)‘ (Röm 8,26) kräftig für uns ein, die mit den ‚unsagbaren Worten (ἄρρητα ρήματα)‘ zusammenhängen, ‚die ein Mensch nicht aussprechen kann‘ (vgl. 2 Kor 12,4).“ 919 Orat. 12,2 (GCS Orig. 2, 324,25–325,19); 22,3 (GCS Orig. 2, 347,17–348,17); 22,5 (GCS Orig. 2, 349,16–23), dazu Gessel, Theologie des Gebetes 245–249. 920 In Ioh. comm. XIX 5,28 (SC 290, 62–64). Vgl. auch Rius-Camps, El dinamismo trinitario 223–238. Näheres zu Origenes’ Begriff des Freimuts bei Gessel, Theologie des Gebetes 118–122. 921 In Ioh. comm. XIII 18,109 (SC 222, 88).
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In seinem heiligen, vom Heiligen Geist getragenen Leben gestaltet sich der Christ in allen Dimensionen seines inneren Menschen ganz gemäß dem Bild, nach dem er Gen 1,26 f. zufolge als Vernunftwesen geschaffen ist. In Gedanken, Worten und Werken ahmt er das „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15) nach, als das der ewige Gottessohn von Ewigkeit zu Ewigkeit subsistiert. „Da nun die Heiligen“, so erklärt Origenes, „Bild des Bildes, d. h. des Sohnes, sind, ahmen sie die Sohnschaft nach, indem sie nicht nur ‚dem Leib der Herrlichkeit‘ Christi (vgl. Phil 3,21) gleichgestaltet werden, sondern auch dem, der im Leib ist. Sie werden aber dem, der im Leib der Herrlichkeit ist, dadurch gleichgestaltet, dass sie verwandelt werden ‚durch Erneuerung des Denkens‘ (vgl. Röm 12,2).“922 Auf diese Weise bricht im Heiligen schon im Hier und Heute der gefallenen Schöpfung das erlöste Dasein an, das in der Gottessohnschaft besteht. Je tiefer der heilige Mensch kraft des Heiligen Geistes in die Teilhabe am Sohn hineinwächst, die in seiner Logosbegabung grundgelegt ist, desto mehr wird er im wahren Sinn zum Sohn des einen Vaters und damit zugleich zum Bruder dessen, der von Ewigkeit zu Ewigkeit der Sohn schlechthin, das Urbild aller wahren Sohnschaft ist.923 So gilt vom Heiligen das Herrenwort: „Ich und der Vater, wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (vgl. Joh 14,23).924 Weil der Heilige zum ewigen Gottessohn in ein brüderliches Verhältnis tritt,925 soll er sein Gebet auch nicht an diesen selbst richten, sondern vielmehr durch ihn und mit ihm und in ihm allein zu dem beten, der der gemeinsame Vater aller wahren Söhne ist.926 Der Weg in die Teilhabe an der ewigen Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes ist an sich zwar jedem Vernunftgeschöpf immer schon durch die transzendentale Offenbarung eröffnet. Im Anschluss an das Zeugnis der Heiligen Schrift betont Origenes jedoch, dass der Freimut, Gott im Gebet Vater zu nennen, allen gefallenen Menschen faktisch erst durch die Inkarnation geschenkt worden ist. So stellt er im Johanneskommentar fest, dass „es in den Psalmen und den Propheten, aber auch im Gesetz unzählige Gebete gibt“, sich im gesamten Alten Testament aber kein Gebet findet, in dem der Beter „zu Gott ‚Vater‘ sagt, wohl weil sie den Vater nicht kannten.“927 Dieselbe Feststellung trifft Origenes auch in De Oratione,928 ohne damit behaupten zu wollen, „dass Gott [sc. im Alten Testament] überhaupt nicht Vater genannt worden sei oder dass diejenigen, die als Gottgläubige gelten, nicht Söhne Gottes genannt worden seien, sondern dass wir in einem Gebet die vom Erlöser verkündete Freiheit, Gott Vater zu nennen, dort nicht ge922 Orat. 22,4 (GCS Orig. 2, 348,23–349,3). 923 Vgl. In Ioh. comm. XX 37,340 (SC 290, 322–324). 924 Vgl. Orat. 20,2 (GCS Orig. 2, 344,26–28). 925 Vgl. Orat. 15,4 (GCS Orig. 2, 335,24–336,4). 926 Orat. 15,4 (GCS Orig. 2, 335,24–336,4). Vgl. In Ioh. comm. XIII 16,100–17,101 (SC 222, 84). 927 In Ioh. comm. XIX 5,28 (SC 290, 62). 928 Orat. 22,1 (GCS Orig. 2, 346,12–15).
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funden haben. Dass aber Gott Vater genannt wird und Söhne diejenigen, die sich dem Logos Gottes angeschlossen haben, ist an vielen Stellen zu sehen […].“929 Für diese Beobachtung verweist Origenes auf die Schriftstellen Dtn 32,6.18.20; Jes 1,2 und Mal 1,6, um fortzufahren: „Wenn also auch Gott Vater und die durch den Logos des Glaubens an ihn Gezeugten Söhne genannt werden, so kann man doch das sichere und unveränderliche Fundament der Sohnschaft bei den Alten nicht finden. Gerade die angeführten Stellen lassen erkennen, dass die genannten Söhne schuldig sind. Denn nach dem Apostel gilt: ‚Solange der Erbe unmündig ist, unterscheidet er sich in keiner Hinsicht von einem Sklaven, obwohl er Herr über alles ist; er steht unter Vormundschaft und sein Erbe wird verwaltet bis zu der Zeit, die sein Vater festgesetzt hat‘ (Gal 4,1 f.). Die ‚Fülle der Zeit‘ aber tritt ein mit der Ankunft (ἐπιδημία) unseres Herrn Jesus Christus, wenn diejenigen die Sohnschaft empfangen, die es wollen (vgl. Gal 4,4), wie Paulus es mit folgenden Worten lehrt: ‚Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, in dem wir rufen: Abba, Vater!‘ (Röm 8,15).“930 Für den paulinischen Gedanken, dass durch die Menschwerdung des ewigen Gottessohnes all jene, die an ihn glauben, den Geist der Sohnschaft empfangen, vermag Origenes im Kontext seiner Offenbarungstheologie eine plausible Begründung zu geben. Seine offenbarungstheologische Grundannahme besagt ja, dass alle kategorial-geschichtlichen Vermittlungsformen der Logosoffenbarung gemäß der göttlichen Heilspädagogik grundsätzlich darauf abzielen, den gefallenen Menschen zur Aneignung der transzendentalen Offenbarung zu bewegen, die ihm als Vernunftwesen immer schon angeboten ist. Auch, ja vor allem die Inkarnation des göttlichen Logos, die „den Brennpunkt der ganzen Offenbarungsökonomie“931 darstellt, dient diesem Ziel. In ihr hat sich der eingeborene Gottessohn auf unüberbietbare Weise in der Welt der gefallenen Menschheit offenbar gemacht, indem er selbst die Daseinsgestalt des gefallenen Menschen angenommen hat. Dadurch ist tatsächlich allen gefallenen Menschen die Möglichkeit eröffnet, sich angesichts des fleischgewordenen Logos in der Wirklichkeit ihres inneren Menschen auf die transzendentale Logosoffenbarung zu besinnen und auf diese Weise im Heiligen Geist in die Teilhabe an der Sohnschaft des ewi929 Orat. 22,1 (GCS Orig. 2, 346,16–20). 930 Orat. 22,2 (GCS Orig. 2, 346,29–347,9). Im Anschluss daran heißt es: „Und im Johannes-
evangelium steht: ‚Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben‘ (Joh 1,12). Und in Anbetracht dieses Geistes der Sohnschaft haben wir im katholischen Brief des Johannes über die aus Gott Gezeugten gelernt: ‚Jeder, der aus Gott gezeugt ist, tut keine Sünde, weil dessen Same in ihm bleibt. Er kann nicht sündigen, weil er aus Gott gezeugt ist‘ (1 Joh 3,9).“ 931 Zöllig, Inspirationslehre 49.
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gen Gottessohnes hineinzuwachsen. In diesem Sinn kann Origenes mit Paulus sagen, dass der ewige Gottessohn in der Fülle der Zeiten Mensch geworden ist, „damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,5). Weil allerdings nach Origenes die transzendentale Logosoffenbarung der entscheidende Ermöglichungsgrund dafür ist, dass die vernunftbegabte Kreatur an der Sohnschaft des ewigen Gottessohnes teilzunehmen vermag, vertritt er die Auffassung, dass es auch schon in den Tagen des Alten Bundes im Voraus zur inkarnatorischen Offenbarungsökonomie heilige Menschen gab, die den Geist der Sohnschaft, den Heiligen Geist, empfangen und Gott in ihren Gebeten als Vater angerufen haben. Für diese Menschen hat „die geistige Ankunft Christi (ἡ νοητὴ ἐπιδημία Χριστοῦ) bereits stattgefunden, und sie haben als damals schon Vollendete den Geist der Sohnschaft bereits empfangen“.932 Im Begriff der νοητὴ ἐπιδημία Χριστοῦ bringt Origenes dabei die Vorstellung von der transzendentalen Offenbarung zum Ausdruck, durch deren Annahme all denjenigen Menschen, die bereits vor der Inkarnation als Heilige lebten, die Gottessohnschaft zuteil wurde. Als Söhne Gottes, in der durch den Heiligen Geist vermittelten Teilhabe an der Sohnschaft des ewigen Logos, so haben wir bereits im Offenbarungskapitel ausgeführt, vermochten diese heiligen Menschen deshalb auch schon vor der Inkarnation als Künder des Wortes, d. h. als Logospropheten zu wirken. „Sie nannten und beschrieben Gott als Vater mit dunklen Worten und nicht erkennbar für alle, um die Gnade nicht vorwegzunehmen, die durch Jesus ausgegossen ist für die ganze Welt, der alle zur Sohnschaft ruft, um den Namen Gottes seinen Brüdern zu verkünden und mitten in der Gemeinde den Vater zu preisen gemäß dem Schriftwort: ‚Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen‘ (Ps 22,23; vgl. Hebr 2,12).“933 Wenn Origenes seine Gebetstheologie auch als präsentische Eschatologie entfaltet, weiß er doch darum, dass nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift der schon gegenwärtigen Stunde, da die wahren Anbeter den Vater „im Geist und in der Wahrheit“ anbeten (vgl. Joh 4,23), die Stunde folgen wird, in der „die Anbetung in der Wahrheit stattfinden wird, die ‚von Angesicht zu Angesicht‘ und nicht mehr
932 In Ioh. comm. XIX 5,28 (SC 290, 64). Vgl. auch In Matth. comm. XVII 36 (GCS Orig. 10,
700,6–703,30).
933 In Ioh. comm. XIX 5,28 (SC 290, 64). Vgl. vor diesem Hintergrund die Ausführungen in
Princ. II 7,2 (TzF 24, 374) über den Heiligen Geist, der der Geist der Sohnschaft ist: Video tamen quod praecipuus spiritus sancti adventus ad homines post ascensionem Christi in cae los magis quam ante adventum eius declaretur. Antea namque solis prophetis et paucis, si qui forte in populo meruisset, donum sancti spiritus praebebatur; post adventum vero salvatoris scriptum est adimpletum esse illud, quod dictum fuerat in propheta Iohel, quia „erit in no vissimis diebus, et efundam de spiritu meo super omnem carnem, et prophetabunt“ (Joël 3,1); quod utique tale est sicut illud: „Omnes gentes servient ei“ (Ps 71,11).
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‚in einem Spiegel‘ geschaut wird (vgl. 1 Kor 13,12).“934 Diese Stunde wird die Stunde des Endheils sein, wenn die vernunftbegabten Geschöpfe in der durch den Sohn vermittelten Schau des Vaters in die Vollendung eintreten werden, auf die hin sie von allem Anfang an geschaffen sind.
3.2 Heiligung durch den Heiligen Geist Bevor wir die trinitätstheologischen Implikationen der origeneischen Soteriologie untersuchen, bedarf es der Klärung zweier grundsätzlicher Fragen, die die Stunde des Endheils betreffen, von der soeben die Rede war: Versteht Origenes diese Stunde des Endheils als endgültige ἀποκατάστασις πάντων, d. h. als vollständige, auf ewig irreversible Wiederherstellung der ursprünglichen Einheit aller Vernunftgeschöpfe mit dem Vater? Oder vertritt er die Ansicht, die Abfolge der einzelnen raumzeitlich verfassten Weltalter werde niemals ein definitives Ende finden, weil nicht jede vernunftbegabte Kreatur für immer der Sünde entsagen und darum jedweder Heils- und Vollendungszustand letztlich immer nur vorübergehend Bestand haben wird? Mit dieser Frage eng verknüpft ist das weitere Problem, ob nach Origenes die Vernunftwesen im Zustand ihrer – sei es endgültigen, sei es vorübergehenden – eschatologischen Vollendung frei von aller Körperlichkeit oder aber in pneumatischen Körpern existieren werden. Beide Fragen sind für das Verständnis des origeneischen Systementwurfs von fundamentaler Bedeutung. An ihnen entscheidet sich nicht nur, wie man seine geschichtstheologische Konzeption, insbesondere seinen Freiheitsbegriff zu verstehen, sondern auch wie man sich die eschatologische Einheit aller Vernunftwesen mit dem Vater genauer vorzustellen hat, von der er im Anschluss an Joh 17,21 spricht. Beide Fragen hat Origenes im größeren systematischen Zusammenhang seiner Grundlagenschrift mehrfach erörtert. Die Deutung der einschlägigen Stellen935 erweist sich allerdings als überaus schwierig, weil Origenes seine Überlegungen nach eigenem Bekunden nur tastend und versuchsweise in Gestalt von Hypothesen vorträgt und weil darüber hinaus immer wieder mit Interpolationen Rufins zu rechnen ist, der im Verdacht steht, den ursprünglichen Text im Sinn späterer dogmatischer Festlegungen korrigiert zu haben. Diesem komplizierten Überlieferungsbefund entspricht die Vielfalt der Interpretationen, die der origeneischen Eschatologie seit der Antike zuteil geworden sind. Ob in der Frage nach der Endgültigkeit der Apokatastasis oder in der Frage nach der eschatologischen Beschaffenheit der Geschöpfe, hier wie dort stehen sich die Deutungen zumeist 934 In Ioh. comm. XIII 18,113 (SC 222, 92). 935 Princ. I 6 (TzF 24, 214–230); II 2 f. (TzF 24, 296–326); 10 f. (TzF 24, 418–456); III 6 (TzF 24,
642–666).
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kontradiktorisch gegenüber. Jüngst hat Charlotte Köckert die These vorgetragen, Origenes habe in seiner Grundlagenschrift für das Problem der eschatologischen Beschaffenheit der Vernunftwesen bewusst zwei verschiedene Lösungsvorschläge nebeneinander gestellt und sich so einer definitiven Entscheidung enthalten.936 Der eine Lösungsvorschlag laufe „auf eine Theosis der rationalen Geschöpfe hinaus, bei der in der Körperlosigkeit und Zeitlosigkeit Gottes der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf aufgehoben wird“, während der andere mit der an 1 Kor 15,44 anknüpfenden Lehre von der pneumatischen Körperlichkeit der Vernunftwesen im Endheil zwar an der grundlegenden Schöpfer-Geschöpf-Differenz festhalte, dabei aber in die Schwierigkeit gerate, „dass damit die geschaffene eschatologische Dauer der Geschöpfe von der Zeitlosigkeit Gottes unterschieden ist und dabei Gefahr läuft, als Ewigkeit zweiter Ordnung zu erscheinen.“937 Aus dem ersten Ansatz ergibt sich nach Köckert „die Einheit der rationalen Geschöpfe mit Gott als Wesenseinheit“; im zweiten dagegen werde eine solche Wesenseinheit verneint, weil diese „den körperlichen Geschöpfen nicht möglich“ sei.938 Vor knapp zwei Jahrzehnten hat nun allerdings Holger Strutwolf in einer eingehenden Analyse der origeneischen Eschatologie das verwickelte Aussagengeflecht der Grundlagenschrift bereits überzeugend dahingehend interpretiert, dass Origenes unbeschadet seiner zetetischen Methode letztlich doch nicht nur eine definitive Apokatastasis gelehrt, sondern damit auch die Vorstellung verbunden hat, dass im endgültigen, irreversiblen Heilszustand sämtliche vernunftbegabten Kreaturen ganz und gar körperlos existieren.939 Wenn Origenes im ursprünglichen Zusammenhang seiner Grundlagenschrift von einem pneumatischen Körper spricht, der den Vernunftwesen dereinst zuteil wird, so handelt es sich dabei nach Strutwolf um den verklärten Auferstehungsleib, der allerdings nur in der relativen Eschatologie von Bedeutung sei, in der Origenes das Ende eines einzelnen Weltalters als Gericht thematisiere, aus dem „eine erneute Verschiedenheit unter den Vernunftwesen“940 in einer neuen Welt hervorgehe.941 In der absoluten Eschatolo gie dagegen, wonach die gesamte Weltenfolge endgültig in die totale Vollendung der ἀποκατάστατσις πάντων einmünden werde, beschreibe der Alexandriner die Einheit aller Vernunftgeschöpfe mit Gott, dem Vater, als völlig körperlose Wirklichkeit, in der Gott „alles in allem“ (1 Kor 15,28) sei und die deshalb nicht noch einmal durch einen weiteren Sündenfall zerstört werden könne.942 „Durch die 936 Vgl. Köckert, Gott, Welt, Zeit und Ewigkeit 275–297. 937 Ebd. 296. 938 Ebd. 292. 939 Vgl. Strutwolf, Gnosis als System 308–356. Vgl. auch Tzamalikos, The Concept of
Time 420–437.
940 Strutwolf, Gnosis als System 334. 941 Vgl. ebd. 309–323. 942 Vgl. ebd. 334–356.
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verschiedenen Läuterungsstufen hindurch“, so stellt auch Harald Holz fest, „kehrt am absoluten Ende, der schlechthin letzten Apokatastasis, jedes intelligible Geschöpf seiner – dann summativ richtigen – Gesamtentscheidung zufolge in den ursprünglichen Zustand zurück.“943 Wie Strutwolf darlegt und wie sich auch aus unserer bisherigen Untersuchung ergibt, entspricht die Vorstellung einer körperlosen Existenz der Vernunftwesen in der definitiven Apokatastasis ganz der inneren Logik des origeneischen Wirklichkeitsverständnisses.944 Man wird deshalb kaum fehlgehen, wenn man in dieser Vorstellung die Lehrmeinung erblickt, von der Origenes als systematischer Denker letztlich überzeugt war, mag er sie auch nur in Gestalt einer Hypothese vorgetragen haben. Für ihn ist die körperliche Verfassung der Vernunftwesen ja keineswegs Ausdruck des ursprünglichen und eigentlichen Schöpferwillens Gottes, sondern eine Folge des Sündenfalls, ein vorübergehend notwendiges Mittel zur Bestrafung und Erziehung. Weil Origenes davon ausgeht, dass das Ende dem Anfang entspricht, die vollständige Apokatastasis also eine Wiederherstellung des paradiesischen Urzustands darstellt, ist es nur folgerichtig, dass die Vernunftwesen wie am Schöpfungsmorgen so auch in der absoluten eschatologischen Vollendung ihrem Wesen gemäß als reine Vernunftgeschöpfe existieren.945 Und wenn er darüber hinaus die definitive Apokatastasis mit Paulus als Zustand beschreibt, in dem der vollkommen unkörperliche Gott „alles in allem“ sein wird, nachdem sich ihm der Sohn zusammen mit allen vernunftbegabten Kreaturen unterworfen hat (vgl. 1 Kor 15,27 f.), korrespondiert auch dieser Vorstellung die Annahme, dass der Zustand des Einsseins aller Vernunftwesen mit dem Vater ganz und gar körperlos zu denken ist. Wir haben es bei Origenes also gewissermaßen mit einer „Zwei-PhasenEschatologie“ zu tun, in der „die verklärte Leiblichkeit der Auferstehung zum Durchgangsstadium auf dem Weg zur vollkommenen Körperlosigkeit der Apokatastasis“ wird.946 Weil es der schöpfungsgemäßen Berufung einer jeden vernunftbegabten Kreatur entspricht, vereint mit allen anderen Vernunftwesen in die einzig beseligende Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, einzutreten, stellt die definitive Apokatastasis das große Endziel dar, zu dem die Vernunftgeschöpfe in ihrem geistig-geistlichen Leben unterwegs sind. Die Erlösung hat nach Origenes Wegcharakter. Wie bisher schon gelegentlich angeklungen ist, sind die vernunft943 Holz, Begriff des Willens und der Freiheit 79. Vgl. Schockenhoff, Freiheit 144–146.
Dass Origenes von der Endgültigkeit der totalen Apokatastasis überzeugt war, hat auch Nemeshegyi, Paternité de Dieu 217–224 überzeugend nachgewiesen. Vgl. außerdem Prinzivalli, Art. Apocatastasi 26 f. 944 Vgl. Strutwolf, Gnosis als System 341–346. Vgl. auch Schendel, Herrschaft und Unterwerfung Christi 106–108. 945 So auch Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 90 f. 946 Strutwolf, Gnosis als System 357.
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begabten Kreaturen dazu berufen, in der Kraft des Heiligen Geistes auf dem Weg, der der eingeborene Sohn selbst ist (vgl. Joh 14,6), in die Einheit mit dem Vater zurückzukehren, um in der Teilhabe am Urgrund der Gottheit vergöttlicht zu werden. Auf diesem trinitarischen Grundschema – im Heiligen Geist durch den Sohn zum Vater – ruht die Soteriologie des Origenes, sowohl was den Prozess, als auch was den definitiven Endzustand der Erlösung betrifft. Systematisch entfaltet hat Origenes dieses trinitarische Grundschema im ersten Buch seiner Grundlagenschrift, und zwar als Antwort auf die für die Theologie der Taufe grundlegende Frage, „aus welchem Grund jemand, der durch Gott zum Heil wiedergeboren wird, sowohl des Vaters als auch des Sohnes als auch des Heiligen Geistes bedarf “.947 Er gibt darauf zur Antwort, dass die vernunftbegabten Kreaturen, die nicht wesenhaft heilig sind, die Heiligung durch den Heiligen Geist nötig haben, weil sie einzig und allein in der Teilhabe am Heiligen Geist „fähig werden, Christus aufzunehmen, insofern er Gottes Gerechtigkeit ist. Und wer durch die Heiligung des Heiligen Geistes (per sanctificationem spiritus sancti) es verdient hat, diese Stufe zu erreichen (in hunc gradum proficere),“ so fährt er fort, „erlangt nichtsdestoweniger (nihilominus) auch die Gabe der Weisheit entsprechend der Einwirkung des Geistes Gottes (secundum virtutem inoperationis spiritus dei).“948 Als Schriftbeweis für diese Ansicht dient ihm 1 Kor 12,8, wo Paulus seiner Meinung nach genau dies sagen will, „wenn er erklärt, einigen ‚werde das Wort der Weisheit verliehen, einem anderen das Wort der Erkenntnis gemäß demselben Geist‘.“ Und im Einklang mit 1 Kor 12,6 führt er alle Gaben, die der Heilige Geist vermittelt, auf den einen Gott, den Vater, zurück, „der alles in allem wirkt“. Wie der Vater der „Quell aller Wirklichkeit (universitatis fons)“ ist,949 so ist er als Urgrund der Gottheit auch der Quell aller Heiligkeit, die in der Hypostase des Heiligen Geistes subsistiert. Als Quell aller Heiligkeit ist es letztlich der Vater, in dem sich alle Heiligung vollendet. Im vorliegenden Zusammenhang der Grundlagenschrift führt Origenes diesen Gedanken in folgender Weise aus: „Vor diesem Hintergrund erscheint auch das Wirken des Vaters, das allen das Sein verleiht, strahlender und erhabener, wenn ein jeder durch die Teilhabe an Christus (per participationem Christi), insofern dieser die Weisheit und insofern er die Erkenntnis und die Heiligung ist, fortschreitet und zu den höheren Stufen der Vervollkommnung gelangt (proficit et in altiores profectuum gradus venit). Und dadurch, dass jemand durch die Teilhabe am Heiligen Geist (participatione spiri tus sancti) geheiligt ist, empfängt er, reiner und lauterer geworden, würdiger die Gnade der Weisheit und der Erkenntnis, so dass er, nachdem alle Flecken der 947 Die Frage wird gestellt in Princ. I 3,5 (TzF 24, 168), die Antwort erfolgt in Princ. I 3,8 (TzF
24, 178–184).
948 Princ. I 3,8 (TzF 24, 180). 949 Princ. I 3,8 (TzF 24, 180).
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Unreinheit und des Unwissens entfernt und abgewaschen sind, einen so großen Fortschritt in der Lauterkeit und Reinheit erzielt (tantum profectum sinceritatis ac puritatis), dass das Sein, das er von Gott empfangen hat, so beschaffen ist, wie es Gottes würdig ist, der ihm ja das Sein in reiner und vollkommener Weise verliehen hat, so dass das, was er ist, so würdig ist wie jener ist, der es geschaffen hat. Denn so wird derjenige es von Gott erhalten, dass seine Tugend für immer besteht und auf ewig bleibt, der so beschaffen ist, wie sein Schöpfer ihn wollte. Damit dies eintrifft und damit unablässig und unzertrennlich bei dem, ‚der ist‘ (vgl. Ex 3,14), seine Geschöpfe sind, hat die Weisheit die Aufgabe, sie zu unterweisen und zu erziehen und zur Vollkommenheit zu führen durch die Stärkung und unablässige Heiligung des Heiligen Geistes (spiritus sancti confirmatione atque indesinenti sanctificatione), durch die allein (solum) sie Gott zu fassen vermögen (deum capere possunt).“950 Die Antwort, die Origenes hier auf seine Ausgangsfrage formuliert, ist so weit klar und eindeutig: Nur durch die Gnade des Heiligen Geistes erhält die vernunftbegabte Kreatur Anteil an der Gnadenwirklichkeit des Sohnes, die Origenes im vorliegenden Zusammenhang mit den Epinoiai „Gerechtigkeit“, „Weisheit“, „Heiligung“ (vgl. 1 Kor 1,30) und „Erkenntnis“ (vgl. Kol 2,3) umschreibt. Und nur wenn die vernunftbegabte Kreatur teilhat an der Gnadenwirklichkeit des Sohnes, gelangt sie zur Vergöttlichung in der gnadenhaften Teilhabe am Vater.951 Henning Ziebritzki hat den soteriologischen Teilhabezusammenhang, den Origenes hier entfaltet, als „stufenweise Heiligung der rationalen Kreatur“ beschrieben.952 „Der Heilige Geist, der Sohn und der Vater“, erklärt er, „wirken so zusammen, daß die Geschöpfe stufenweise Anteil an dem Wesen der Gottheit erlangen. […] Origenes versteht die Heiligung der rationalen Kreatur in dem Sinne als einen stufenweisen Aufstieg, daß das Wirken der jeweils niederen Hypostase die Voraussetzung für die Teilhabe an der jeweils höheren ist.“953 Für die Vorstellung eines gestuften Heiligungsprozesses, in dem die vernunftbegabte Kreatur von der Teilhabe am Heiligen Geist über die Teilhabe am Sohn zur Teilhabe am Vater voranschreitet, finden sich in der Tat unübersehbare Anhaltspunkte in den Formulierungen des Origenes. So spricht dieser davon, dass die Vernunftwesen für die gnadenhafte Teilhabe am Sohn erst dann qualifiziert
950 Princ. I 3,8 (TzF 24, 180–182). 951 Dieses Schema findet sich auch schon bei Irenäus von Lyon, Adv. haer. IV 20,5,114–117
(SC 100, 638–640): […] Spiritu quidem praeparante hominem in Filium Dei, Filio autem ad ducente ad Patrem, Patre autem incorruptelam donante in aeternam vitam, quae unicuique evenit ex eo quod videat Deum. 952 Ziebritzki, Heiliger Geist und Weltseele 219. 953 Ebd. 219 f. Vgl. auch Garijo, Pneumatología Origeniana 198–201.
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sind, wenn sie „vorher schon durch den Heiligen Geist geheiligt worden sind“.954 Auch sagt er ausdrücklich, dass die vernunftbegabte Kreatur in der Heiligung sukzessive über verschiedene Stufen fortschreitet.955 Die Vorstellung eines gestuften Heiligungsprozesses entspricht ganz dem antimodalistischen Grundzug seiner Trinitätslehre. Wie die drei Hypostasen als in sich selbständige Größen voneinander zu unterscheiden sind, so ist auch der Unterschied zu wahren, der zwischen der Teilhabe am Heiligen Geist, der Teilhabe am Sohn und der Teilhabe am Vater besteht. Dieser Stufenprozess fortschreitender Teilhabe darf nun allerdings nicht dahingehend missverstanden werden, als werde die jeweils niedere Stufe überflüssig, sobald die nächst höhere erreicht ist. Denn zum einen charakterisiert Origenes im oben zitierten Passus die vom Heiligen Geist bewirkte sanctificatio als indesi nens. Zum anderen erklärt er im unmittelbaren Anschluss daran: „Nachdem an uns also auf diese Weise das unablässige Wirken des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes über die einzelnen Stufen der Vervollkommnung hinweg immer wieder erneuert worden ist (ita ergo indesinenti erga nos opere patris et filii et spiritus sancti per singulos quosque profectuum gradus instaurato), können wir vielleicht mit Mühe irgendwann einmal das heilige und glückselige Leben schauen.“956 Vater, Sohn und Geist wirken also auf sämtlichen Stufen gemeinsam das Heil der vernunftbegabten Kreatur. Deshalb, so sagt Origenes, geht es im Prozess der Erlösung darum, dass wir „immer glühender und umfassender den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist in uns aufnehmen und festhalten.“957 Die Begründung dafür, dass das Heil für die vernunftbegabte Kreatur in der simultanen Teilhabe an allen drei Hypostasen besteht, finden wir in dem einschlägigen Text aus dem Johanneskommentar, den wir im ersten Teil unserer Untersuchung bereits besprochen haben. Dort heißt es, „dass der Heilige Geist sozusagen das Material der von Gott stammenden Gnadengaben (τὴν ὕλην τῶν ἀπὸ ϑεοῦ χαρισμάτων) denen verleiht (παρέχειν), die durch ihn und durch die Teilhabe an ihm (δι᾽ αὐτὸ καὶ τὴν μετοχὴν αὐτοῦ) Heilige heißen, wobei das besagte Material der Gnadengaben gewirkt wird von Gott (ἐνεργουμένης μὲν ἀπὸ τοῦ ϑεοῦ), vermittelt wird durch den Dienst Christi (διακονουμένης δὲ ὑπὸ τοῦ Χριστοῦ) und in sich selbst Bestand hat gemäß dem Heiligen Geist (ὑϕεστώσης δὲ κατὰ τὸ ἅγιον πνεῦμα; vgl. 1 Kor 12,4–9).“958 Daraus ergibt sich, dass das Heil stets trini954 Princ. I 3,8 (TzF 24, 180): Christi […] capacia efficiuntur ea, quae iam sanctificata ante
fuerint per spiritum sanctum.
955 Vgl. die Formulierungen in hunc gradum proficere und proficit et in altiores profectuum
gradus venit sowie tantum profectum sinceritatis ac puritatis oben, in den übersetzten Zitaten aus Princ. I 3,8. 956 Princ. I 3,8 (TzF 24, 182). 957 Princ. I 3,8 (TzF 24, 182). 958 In Ioh. comm. II 10,77 (SC 120, 256).
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tarisch gewirkt ist.959 Weil die heiligmachende Gnade im Heiligen Geist Bestand hat, kann sie von der Kreatur nur im Heiligen Geist empfangen werden. Weil jedoch der Heilige Geist in Ewigkeit vom Vater, dem Quell aller Heiligkeit, als „Geist Gottes“ (vgl. Jes 11,2; 1 Kor 2,11) konstituiert wird und er dabei in solch vollkommener Weise an der Gnadenwirklichkeit des Sohnes Anteil empfängt, dass er der „Geist der Weisheit“ (vgl. Jes 11,2), der „Geist der Wahrheit“ (vgl. Joh 14,17; 1 Joh 5,6), kurzum: der „Geist des Sohnes“ ist,960 bedeutet die Teilhabe am Heiligen Geist für die vernunftbegabte Kreatur immer zugleich Heilsgemeinschaft mit dem Sohn und mit dem Vater.961 Auch außerhalb des Johanneskommentars und der Grundlagenschrift finden sich immer wieder Passagen, in denen Origenes seinen Heilstrinitarismus mehr oder weniger systematisch zum Ausdruck bringt. In der achten Jeremiahomilie unterscheidet er zwischen der unerlösten Seele, die einer Wüste, und der erlösten Seele, die einem bewohnten Land gleicht. „Die Seele“, so erklärt er, „ist eine Wüste, wenn sie Gott nicht hat, wenn sie Christus nicht hat, der gesagt hat: ‚Ich und mein Vater, wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen‘ (vgl. Joh 14,23), wenn sie den Heiligen Geist nicht hat. Bewohntes Land hingegen ist sie immer dann, wenn sie erfüllt ist von Gott, wenn sie Christus hat, wenn der Heilige Geist in ihr ist.“962 Als Schriftbeweis für die heiligende Einwohnung aller drei Hypostasen in der erlösten Seele963 macht Origenes Ps 50,12–14 geltend: „In den Schriften aber wird auf mannigfaltige und verschiedenartige Weise gesagt, dass der Vater, der 959 Dabei ist mit Markschies, Der Heilige Geist 125 zu bedenken: „Natürlich wäre es ver-
messen zu behaupten, daß Origenes bei jedem Satz, den er in über zwanzig Jahren Arbeit aufschrieb oder diktierte, stets und immer die Reihenfolge ‚von Gott durch Christus im Geist‘ im Hinterkopf hatte und daraufhin kritisch alle Texte prüfte. Natürlich ist das Gegenteil der Fall. Aber mir scheint freilich, daß man an sehr vielen Stellen – wie der Autor Origenes – doch die Konstitutionsrichtung des Gnadenwirkens von Gott her durch den Logos im Heiligen Geist im Hinterkopf haben sollte, selbst wenn Origenes nicht an jeder Stelle die ganze Reihe aufzählt oder expliziert, ja an den meisten Stellen das διὰ Χριστοῦ entfaltet und das ἐν πνεύματι dafür zurücktritt.“ Vgl. zudem Crouzel, Le Christ Sauveur 72. 960 Vgl. In Ioh. comm. II 10,75 f. (SC 120, 254–256). Ausdrücklich steht in In Rom. comm. VII 1,21–23 (VL 34, 554): Est ergo spiritus Dei idem qui est et spiritus Christi idemque ipse et Spiritus Sanctus est. Und in In Rom. comm. VI 11,56–59 (VL 33, 522) heißt es: Quae enim agit spiritus haec et Christus agit, et quae Christi sunt spiritus agit. Sicut enim quos sanctifi cat Spiritus Sanctus sanctificat Christus, ita et quos liberat spiritus uitae liberat et uita. Für weitere Stellen vgl. die Auflistung bei Garijo, Espíritu Divino 327–329. Zur Sache vgl. außerdem Gruber, ΖΩΗ 193–195 und Garijo, Pneumatología Origeniana 74–77, bes. 77: „En consecuencia, Espíritu de Dios y Espíritu de Cristo son el mismo Espíritu Santo con el matiz de que el Espíritu es la dynamis operativa trinitaria.“ 961 Vgl. dazu Dupuis, „L’esprit de l’homme“ 117–125 und Garijo, Pneumatología Origeniana 312–315. 962 In Hier. hom. 8,1,23–28 (SC 232, 354). 963 Vgl. auch In Cant. comm. II 8,40 (SC 375, 430).
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Sohn und der Heilige Geist in der Seele des Menschen seien. David zum Beispiel bittet im Bekenntnispsalm den Vater um folgende Geister. Er sagt: ‚Mit einem führenden Geist (πνεύματι ἡγεμονικῷ) bestärke mich‘ (V. 14). ‚Einen aufrichti gen Geist (πνεῦμα εὐϑές) erneuere in meinem Innern‘ (V. 12). ‚Und Deinen heili gen Geist (πνεῦμα ἅγιον) nimm nicht von mir‘ (V. 13). Welche drei Geister sind dies? Der führende ist der Vater, der aufrichtige ist Christus, und der Geist ist der heilige.“964 Auch in der achtzehnten Jeremiahomilie expliziert Origenes sein trinitarisches Heilsverständnis, und zwar anhand einer dezidiert trinitätstheologisch gewendeten Auslegung von Jer 18,14. Seiner Deutung nach ist in diesem Vers von drei verschiedenen Wassern die Rede, die er auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist bezieht: Jeremia „hat hier von verschiedenen Wassern gesprochen, vom ersten an der Stelle: ‚Werden die Wasserwogen [μαστοί] aus dem Felsen herausströmen?‘, vom zweiten an der Stelle: ‚Oder der Schnee vom Libanon?‘, vom dritten schließlich an der Stelle: ‚Wird etwa das vom Sturm gepeitschte Wasser versiegen?‘ Diese drei Gestalten des Wassers sind die Wasserquellen, nach denen die mit dem Hirsch verglichene Seele der Gerechten lechzt, so dass ein jeder sagen kann: ‚Wie der Hirsch nach den Wasserquellen lechzt, so lechzt meine Seele nach dir, o Gott‘ (Ps 41,2). […] Wer dürstet in solcher Weise nach Gott, dass er sagen könnte: ‚Meine Seele dürstet nach dem lebendigen Gott` (Ps 41,3)? Wer dürstet derart nach den Wasserwogen jenes Felsens, von dem es heißt: ‚Der Fels aber war Christus‘ (1 Kor 10,4)? Wer dürstet dermaßen nach dem Heiligen Geist, dass er sagen könnte: ‚Wie der Hirsch nach den Wasserquellen lechzt, so lechzt meine Seele nach dir, o Gott‘ (Ps 41,2)?“965 Die Bedeutung aller drei Hypostasen für das Heil der Kreatur beschreibt Origenes mit den Worten: „Wenn wir nicht nach allen drei Wasserquellen dürsten, so werden wir keine einzige Wasserquelle finden. Die Juden scheinen nach einer einzigen Wasserquelle gedürstet zu haben, nämlich nach Gott. Weil sie aber nicht nach Christus und nach dem Heiligen Geist gedürstet haben, bekommen sie auch nicht von Gott zu trinken. Die Häretiker scheinen nach Jesus Christus gedürstet zu haben. Aber weil sie nicht nach dem Vater, der der Gott des Gesetzes und der Propheten ist, gedürstet haben, deshalb trinken sie auch nicht von Jesus Christus. Diejenigen aber, die zwar einen einzigen Gott zu bewahren trachten, die Prophezeiungen jedoch verachten, dürsten nicht nach dem Heiligen Geist, der in den Propheten ist. Daher werden sie weder aus der väterlichen Quelle trinken noch von dem, der im Tempel ausrief: ‚Wer Durst hat, der möge zu mir kommen und trinken‘ (Joh 7,37).“966
964 In Hier. hom. 8,1,28–37 (SC 232, 354). Origenes scheint der erste gewesen zu sein, der Ps
50,12–14 trinitarisch gedeutet hat (vgl. dazu Puech, L’exégèse trinitaire 192–194).
965 In Hier. hom. 18,9,7–23 (SC 238, 208–210). 966 In Hier. hom. 18,9,23–35 (SC 238, 210).
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Auch das Herrenwort Joh 17,21, das für seine Soteriologie von großer Bedeutung ist, bringt Origenes mit dem Heiligen Geist in Verbindung, wenn er erklärt: „Paulus nennt ja den Geist ‚Geist der Liebe‘ (Röm 15,30), und Gott wird ‚die Liebe‘ genannt (1 Joh 4,8), und auch Christus heißt ‚Sohn der Liebe‘ (Kol 1,13). Wenn sich aber sowohl der Ausdruck ‚Geist der Liebe‘ als auch ‚Sohn der Liebe‘ als auch die Wendung ‚Gott ist die Liebe‘ findet, dann ist sicher, dass sowohl der Sohn wie auch der Heilige Geist als aus der einen Quelle der Gottheit des Vaters (ex uno paternae deitatis fonte) stammend verstanden werden müssen. Aus dem Überfluß des Heiligen Geistes wird auch den Herzen der Heiligen der Überfluß der Liebe (abundantia caritatis) eingegossen, damit sie teilnehmen an der göttlichen Natur (ad participationem capiendam diuinae naturae), wie der Apostel Petrus gelehrt hat (vgl. 2 Petr 1,4), auf dass sich durch diese Gabe des Heiligen Geistes das Wort des Herrn erfüllt: ‚Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein‘ (Joh 17,21), das heißt teilhaftig der göttlichen Natur (diuinae scilicet naturae participes effecti) im Überfluß der durch den Heiligen Geist vermittelten Liebe (in abundantia caritatis per Sanctum Spiritum ministratae).“967 In diesem Sinn ermutigt Origenes in seiner Exhortatio ad Martyrium seine Mitchristen zu einem Leben aus der Wirklichkeit des dreifaltigen Gottes: „So liebt also nicht das, was vergeht, sondern erweist euch, indem ihr den Willen Gottes tut (vgl. 1 Joh 2,17), würdig, eins zu werden zugleich mit dem Sohn und dem Vater und dem Heiligen Geist (ἄξιοι γίνεσϑε τοῦ ἕν γενέσϑαι ἅμα υἱῷ καὶ πατρὶ καὶ ἁγίῳ πνεύματι) entsprechend dem Gebet des Erlösers: ‚Wie ich und du eins sind, so sollen auch sie in uns eins sein‘.“968 Wie die ewig bestehende Liebeseinheit des Sohnes mit dem Vater durch das Band des Heiligen Geistes geknüpft ist, so ist auch die Teilhabe der vernunftbegabten Kreatur an der Einheit von Vater und Sohn nur möglich in der Kraft des Heiligen Geistes, der der Geist der Liebe ist. Denn in die Einheit des Sohnes mit dem Vater tritt die vernunftbegabte Kreatur dadurch ein, dass sie teilnimmt an der ewigen Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes. Die Teilhabe an der Sohnschaft aber vermittelt der Heilige Geist.969 In der Heiligung, so dürfte deutlich geworden sein, tritt die vernunftbegabte Kreatur in eine Teilhaberelation zu allen drei Hypostasen ein: Die Teilhabe am Heiligen Geist bedeutet gnadenhafte Teilhabe am Sohn,970 und diese bedeutet vergöttlichende Teilhabe an Gott, dem Vater.971 Im Heiligen Geist also hat die ver-
967 In Rom. comm. IV 9,189–200 (VL 33, 345). 968 Exhort. mart. 39 (OWD 22, 90,24–27). 969 Vgl. In Matth. comm. XIII 19 (GCS Orig. 10, 230,29–234,3). 970 Vgl. Beyer Moser, Teacher of Holiness 143: „As always, a participation in the Spirit is
also a participation in Christ.“
971 Vgl. Lieske, Theologie der Logosmystik 143; Gruber, ΖΩΗ 188–196; Dupuis, „L’esprit de
l’homme“ 253 f.; McDonnell, Holy Spirit 34; Studer, Art. Grazia 217 f.
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nunftbegabte Kreatur nach Origenes Gemeinschaft mit Gott selbst.972 Anders formuliert: Im Heiligen Geist erfolgt die Selbstmitteilung Gottes.973 Denn die Selbstmitteilung Gottes ist der Sohn, an dem der Heilige Geist der vernunftbegabten Kreatur Anteil verleiht. So können wir an dieser Stelle den Satz wiederholen, in dem wir unsere Analyse der origeneischen Offenbarungtheologie zusammengefasst haben: Der Heilige Geist vergegenwärtigt den Sohn, der Sohn vergegenwärtigt den Vater. Im Heiligen Geist, den Origenes mit der Heiligen Schrift als Geist des Vaters und als Geist des Sohnes versteht,974 ist der vernunftbegabten Kreatur die Wirklichkeit des einen wahren Gottes erschlossen. Zielt die Offenbarungsökonomie nach Origenes darauf ab, die vernunftbegabte Kreatur zur Erkenntnis des Vaters zu führen, so findet die Offenbarung ihre Vollendung in der Erlösung, in der die Schau des Vaters zur Vergöttlichung der Kreatur führt. Allein die Hypostase des Vaters ist also wie der Urgrund so auch das Ziel der vernunftbegabten Kreatur, die immer schon zur Teilhabe an Gott berufen ist.975 Die Hypostase des Heiligen Geistes und die Hypostase des Sohnes dagegen sind nach Origenes Medien, in denen die Wirklichkeit Gottes offenbar ist, die in der Hypostase des Vaters ihren Urgrund hat. Die Stufenterminologie, die im oben zitierten Passus aus der Grundlagenschrift begegnet, darf also nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass die erlöste, vergöttlichte Kreatur nach Origenes in solcher Weise teilhat am Vater, dass sich ihre Teilhabe am Sohn und am Heiligen Geist erübrigen würde. Sie hat im Gegenteil nur insoweit teil am Vater, als sie zugleich teilhat am Heiligen Geist und am Sohn. Mit der Stufenterminologie macht Origenes gleichwohl auf einen sehr wichtigen Aspekt aufmerksam: Es gibt aufseiten Gottes zwar keine größere Gnade als die Gnade, die der Heilige Geist selbst ist. Wer also in vollkommener Weise teilhat 972 Aufgrund der falschen Prämisse, dass der Heilige Geist nach Origenes „als […] Geschöpf
verstanden werden muß“, kommt Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 147 zum gegenteiligen Ergebnis: „Der Heilige Geist verbindet durch sein Wirken den Menschen […] nicht mit Gottes Wesen […]“ (Herv. i. Orig.). 973 So z. B. auch Faessler, Hagiosbegriff 39 Anm. 5. Berthold, Holy Spirit 445 f. erklärt: „This relationship of the soul with the Holy Spirit has as its goal nothing less than the mystical communion of oneness with the Father, Son and Holy Spirit, as prayed for by Christ in John 17:21. In this mystical communion with the Holy Trinity the Holy Spirit is agent. […] It is the Holy Spirit, then, who communicates to us what he possesses along with the other divine persons by making us sharers in the divine nature. […] The love he communicates is not a reality exclusively his own, hypostatically proper, apart from Father and Son but a love which makes us sharers in the divine nature of the three persons.“ 974 Vgl. Markschies, Der Heilige Geist 119. 975 Vgl. In Matth. comm. XVI 23 (GCS Orig. 10, 555,9–12): „Ein jedes Vernunftwesen (λογικὴ ϕύσις) ist nach dem ursprünglichen Schöpferplan Gottes (ϕύσει; zur Übersetzung vgl. Vogt, Anmerkungen zu Buch XVI 237 Anm. 79) ein Heiligtum Gottes, das nicht geringer ist als die Kirche. Es ist dafür ausgestattet, die Herrlichkeit Gottes aufzunehmen.“
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am Heiligen Geist, der ist in vollkommener Weise geheiligt, der hat mit anderen Worten in vollkommener Weise teil am Sohn und durch ihn, mit ihm und in ihm am Vater, dem Urgrund der Gottheit.976 Doch gibt es aufseiten der vernunftbegabten Kreatur sehr wohl ein Mehr oder Weniger der Teilhabe am Heiligen Geist und also auch ein Mehr oder Weniger der gnadenhaften Teilhabe am Sohn und am Vater. Denn die Heiligung ist ein Prozess, der von der vernunftbegabten Kreatur ein stetiges Fortschreiten verlangt, bis ihr Aufstieg in der vollkommenen Teilhabe an allen drei Hypostasen dauerhaft an sein Ziel gelangt ist, bis sie in der definitiven Apokatastasis in vollendeter Gestalt im Heiligen Geist durch den Sohn teilhat an Gott, dem Vater.
3.3 Sohnwerdung als Teilhabe an der ewigen Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes Mit Fug und Recht kann man die Teilhabe an der ewigen Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes, die der vernunftbegabten Kreatur im Heiligen Geist eröffnet ist, als das Herzstück des origeneischen Heilstrinitarismus bezeichnen. Denn allein kraft dieser Teilhabe gelangen die gefallenen Vernunftgeschöpfe an das Ziel, für das sie geschaffen sind.977 Sie werden dadurch selbst im eigentlichen Sinn zu Söhnen Gottes und treten als solche nach dem Vorbild dessen, der von Ewigkeit zu Ewigkeit der Sohn Gottes schlechthin ist, in Beziehung zum Vater, um in dieser Beziehung vergöttlicht zu werden.978 In der definitiven Apokatastasis kehren sie auf diese Weise für immer in den Zustand zurück, in dem sie sich vor ihrem Fall schon einmal vorgefunden hatten, bevor sie sich aus freier Wahl der Gemeinschaft mit Gott verweigerten. Am Schöpfungsmorgen, so erklärt Origenes mit Blick auf Weish 11,24, hat der Sohn allen Vernunftgeschöpfen in Liebe Anteil an sich gewährt.979 Im Sohnsein kraft der Teilhabe am ewigen Gottessohn besteht somit die eigentliche, schöpfungsgemäße Daseinsgestalt der Vernunftwesen. Wenn diese in der endgültigen Apokatastasis in diese Daseinsgestalt zurückkehren, so ereignet sich darin nach Origenes aber nicht nur die Wiederherstellung des Urzustands. 976 Dementsprechend heißt es in Cels. VI 64,14 f. (SC 147, 338), dass diejenigen an Gott teilha-
ben, die den „Geist Gottes“, d. h. den Heiligen Geist, besitzen, der das bleibende Medium ihrer Heilsgemeinschaft mit dem Vater ist. 977 Vgl. Princ. IV 4,5 (TzF 24, 800): Sicut autem participio filii dei quis in filios adoptatur et par ticipio sapientiae in deo sapiens efficitur, ita et participio spiritus sancti sanctus et spiritalis efficitur. Unum enim atque idem est spiritus sancti participium sumere, quod est patris et filii […]. 978 Vgl. die ausführliche Darstellung von Nemeshegyi, Paternité de Dieu 161–202 unter der Überschrift „Le père des fils“. 979 Princ. II 6,3 (TzF 24, 360).
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Vielmehr stellt die endzeitliche Restitution der im Heiligen Geist durch den Sohn vermittelten Einheit aller Vernunftgeschöpfe mit dem Vater in einem wesentlichen Punkt die „eschatologische Überbietung“ dieses Urzustands dar.980 Denn die eschatologische Einheit zeichnet sich dadurch aus, dass sie fortan nie mehr zerstört werden kann. Was angesichts der unaufhebbaren Freiheit der Vernunftgeschöpfe selbst von Gott nur erhofft werden kann, wird nach Origenes am Ende aller Tage dank der geduldigen Fürsorge des gütigen Gottes schließlich tatsächlich in Erfüllung gehen: Nach dem Ablauf vieler Weltzeiten werden sämtliche vernunftbegabten Kreaturen, von der göttlichen Heilspädagogik geleitet, dahingehend geläutert und erzogen sein, dass sie in ihrer Freiheit – und nicht an dieser vorbei! – restlos entschieden sind für die ewige Wahrheit, den Sohn, und damit für Gott, den Vater. Zwar haben sich die vernunftbegabten Geschöpfe durch ihren frei gewählten Abfall von Gott aus ihrer ursprünglich vollkommenen Teilhabe an der Sohnschaft des ewigen Gottessohnes entfernt. Doch ist durch diesen Akt des Ungehorsams das Band keineswegs völlig durchtrennt worden, das die Vernunftwesen von allem Anfang an mit dem Sohn verbindet. Nicht einmal die am tiefsten gefallene vernunftbegabte Kreatur, der Teufel, befindet sich nach Origenes völlig außerhalb der Gemeinschaft mit dem Sohn.981 Denn auch der Teufel ist und bleibt ein vernunftbegabtes Geschöpf, das als solches durch Teilhabe am ewigen Logos konstituiert ist. Nur deshalb, weil auch der Teufel immer noch einen Funken Vernunft in sich trägt, der es ihm ermöglicht, den Willen Gottes zu vernehmen, kann ihm sein Verhalten überhaupt als Sünde angerechnet werden. Und nur deshalb besteht schließlich auch die begründete Hoffnung, dass selbst der Teufel buchstäblich wieder zur Vernunft kommen und endgültig in die Gemeinschaft mit Gott zurückfinden wird. Mag er mit seinen Lügen auch noch so sehr gegen den ewigen Gottessohn streiten, der die Wahrheit und Weisheit Gottes ist, so wird es ihm doch niemals gelingen, sich vollkommen von ihm loszusagen. Denn sooft er dies auch zu tun versucht, stets lebt sein Bemühen davon, dass er ein vernunftbegabtes Geschöpf ist, das sich der Wahrheit in Freiheit zu verweigern vermag. Selbst der Wille, sich endgültig vom ewigen Gottessohn loszureißen, setzt also eine gewisse Teilhabe an diesem noch einmal voraus. Durch alle Irrungen und Wirrungen hindurch bleibt nach Origenes deshalb jegliches Vernunftgeschöpf wesenhaft des eingeborenen Gottessohnes teilhaftig, insofern dieser als der ewige Logos der Garant ihrer kreatürlichen Vernunftbegabung ist.982 980 Strutwolf, Gnosis als System 356. Vgl. auch In Ioh. comm. XIII 37,238–246 (SC 222,
158–162).
981 Zum Folgenden vgl. In Ioh. comm. XX 28,248–251 (SC 290, 280). Vgl. auch Rius-Camps,
El dinamismo trinitario 315.
982 In pneumatologischer Hinsicht gilt deshalb entsprechend: „In every human person, there
is already an element that is intimately related to the Holy Spirit – the human spirit. This spirit is the precondition for human holiness, for the human ability to choose God and
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Vor diesem Hintergrund wird deutlich, was in unserer bisherigen Untersuchung verschiedentlich bereits angeklungen ist: Origenes begreift die Sohnwerdung der vernunftbegabten Kreatur als durch und durch dynamischen Prozess, dessen Ausgangspunkt einerseits und dessen Zielpunkt andererseits in einer je verschiedenartig qualifizierten Teilhabe am ewigen Gottessohn besteht. Während der Ausgangspunkt in der schlechterdings unverlierbaren kreatürlichen Teilhabe der Vernunftwesen am Sohn als der Urvernunft gegeben ist, liegt der Zielpunkt darin, dass die Vernunftwesen in solcher Weise am ewigen Gottessohn teilhaben, dass sie nach seinem Vorbild selbst zu Söhnen Gottes gestaltet und durch ihn, mit ihm und in ihm in der Teilhabe an ihrem gemeinsamen Vater vergöttlicht sind.983 Wenn wir bedenken, dass Origenes die vielen verschiedenen Epinoiai des Sohnes mit den Stufen einer Treppe vergleicht, die in das Allerheiligste des Tempels hinaufführt, so wird deutlich, dass in seiner Soteriologie der Fülle der Epinoiai das breite Spektrum der unterschiedlichen Weisen korrespondiert, in denen die vernunftbegabte Kreatur an der Wirklichkeit des ewigen Gottessohnes teilzuhaben vermag.984 Der Erlösungsprozess stellt sich nach Origenes für die vernunftbegabten Kreaturen als sukzessiver Aufstieg auf dem Weg Christi dar, der nach Joh 14,6 als einziger zum Vater heimführt985 und auf dem sie als Hörer des Wortes gleichsam immer schon Fuß gefasst haben. Weil dieser Weg stets der eine und selbe ewige Gottessohn ist,986 findet sich bei Origenes keine bis ins Letzte konsistente Theorie über die Abfolge der Epinoiai, an denen die vernunftbegabte Kreatur nach und nach Anteil erhalten muss, um zur Vollendung in der Gemeinschaft mit dem Vater zu gelangen.987 Wichtiger als eine solche Theorie ist seine fundamentale Einsicht, dass sich die vernunftbegabte Kreatur an keiner einzigen Stelle des Erlösungsweges, auf keiner einzigen Stufe der Erlösungsleiter völlig außerhalb der Sohnschaft befindet, in die immer tiefer hineinzuwachsen sie nach ihrem Sündenfall berufen ist. Mag also ein Vernunftwesen sich in seiner Freiheit auch noch so sehr korrumpiert, mag es sich auch noch so tief im Morast der Sünde verstrickt haben, als Vernunftwesen vollzieht es sein Dasein doch stets im Horizont des göttlichen Logos, in dem sich ihm, wie die Analyse der origeneireturn to God“ (Beyer Moser, Teacher of Holiness 136). Anders formuliert: „The human spirit, enfolded in the Holy Spirit in potentia, provides the ontological basis for the human return to God in the Spirit“ (ebd. 168 [Herv. i. Orig.]). 983 Vgl. Lieske, Theologie der Logosmystik 102. 984 Vgl. Schockenhoff, Freiheit 197–208. 985 Vgl. In Ioh. comm. VI 19,105 (SC 157, 208): ἀγαϑὴ γὰρ ὁδὸς ἡ ἀπάγουσα πρὸς τὸν ἀγαϑὸν πατέρα τὸν ἀγαϑὸν ἄνϑρωπον; Princ. I 2,4 (TzF 24, 128): via factus est verbum dei ac sapi entia. Quae via idcirco dicitur, quod ad patrem ducit eos, qui incedunt per eam. 986 Vgl. Lettieri, Art. Progresso 387: „Ascendere a Dio significa comunque ascendere nel Logos […]: progredire in Cristo significa passare dalle sue manifestazioni inferiori […] a quelle superiori […]“. 987 Vgl. dazu Bruns, Christologischer Universalismus 42–46.
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schen Offenbarungstheologie gezeigt hat, Gott selbst immer schon zuspricht, um es zur Gemeinschaft mit sich zu rufen. In diesem Sinn muss nach Origenes also schon die kreatürliche Vernunftbega bung der Vernunftwesen, die selbst dem Teufel unverlierbar ist, als Gnadenwirk lichkeit aufgefasst werden, als „ein Anfang der Zuwendung Gottes“.988 Denn diese Vernunftbegabung bedeutet immer schon Teilhabe am ewigen Gottessohn. Mit ihr ist unverlierbar die Befähigung zum Vernehmen des ewigen Gotteswortes gegeben. In ihrer Vernunftbegabung erfährt sich die Kreatur immer schon wesenhaft hingeordnet auf die heiligmachende Gnade der Erlösung. Zu Recht hat daher Alois Lieske in seiner Auseinandersetzung mit Walther Völker darauf insistiert, dass die sogenannte „Logosmystik“ des Origenes, d. h. die innigste Vereinigung der vernunftbegabten Kreatur mit dem ewigen Gottessohn in der Sohnwerdung, einen „Gnadenrealismus in der Seele“989 voraussetzt, d. h. eine „tiefere gnadenwirkliche Grundlage“990 hat, die in der kreatürlichen „Logosinexistenz“ in der vernunftbegabten Kreatur, in ihrer „Logosteilhabe im λογικὸν εἶναι“ besteht.991 Die origeneische Logosmystik ist deshalb, wie Lieske gegen Völker einwendet, alles andere als eine „rein erlebnishafte Bewusstseinsvereinigung in Gnosis und Liebe“.992 Vielmehr ist sie „realste Christusvereinigung“,993 insofern Origenes „auch schon vor der mystischen Vereinigung eine wahre und reale Christusvereinigung kennt“,994 weil „schon das einfache λογικὸν εἶναι Teilnahme an der göttlichen Natur“ bedeutet.995 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die erstmals von Hieronymus vertretene These, bei der origeneischen Gnadenlehre handle es sich um „Pelagianismus“, nicht zutrifft.996 Auch mit dem Stichwort „Synergismus“ ist Origenes’ Gnadenverständnis nicht angemessen umschrieben,997 wenn man darunter mit Adolf von Harnack „ein Ineinander von Gnade und Freiheit auf dem Boden der Freiheit“998 verstehen will, so dass gilt: „Die Freiheit geht voran, und die unter-
988 989 990 991 992 993 994 995 996
Heither, Origenes’ „Mystikverständnis“ 481. Lieske, Theologie der Logosmystik 12. Ebd. 13. Ebd. 11. Ebd. 10. Ebd. 7. Ebd. 13. Ebd. 127 f. Vgl. Hieronymus, In Hier. comm. IV 1,2 (CChr.SL 74, 174); Epist. 133,3 (CSEL 56/1, 247,12– 21). 997 Gegen Kübel, Schuld und Schicksal 117, der sagt: „Origenes ist Synergist, daran gibt es keinen Zweifel.“ So auch schon Völker, Vollkommenheitsideal 39 und Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 99. 998 Von Harnack, Dogmengeschichte I 692 (Herv. v. Verf.).
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stützende Gnade folgt.“999 Dagegen hat Hans Urs von Balthasar mit Recht geltend gemacht, dass das Aufstiegsschema, das Origenes in seiner Soteriologie entfaltet, nichts zu tun hat „mit Pelagianismus und eigenmächtiger Werkfrömmigkeit“, sondern dass vielmehr „nach Origenes (wie später nach Augustinus) […] jeder Schritt empor ein Gehoben- und Gezogenwerden“ ist.1000 Für Origenes ist mit anderen Worten die Freiheit der Kreatur immer schon begnadete Freiheit, weil sie aus der wesenhaften Logosteilhabe erwächst.1001 Nicht in einem Ineinander von Gnade und Freiheit auf dem Boden der Freiheit also ist das Grundgesetz der origeneischen Soteriologie zu sehen, sondern in einem Ineinander von Gnade und Freiheit auf dem Boden der Gnade.1002 „Es ist die Eigenart der Güte Gottes“, so führt Origenes im Johanneskommentar aus, „durch Wohltaten den zu gewinnen, der die Wohltaten empfängt. Denn er kommt dem zuvor, der würdig sein wird, und bevor dieser sich als würdig erweist, verleiht er ihm die Eignung dazu, damit er aufgrund dieser Eignung zur Würdigkeit gelange […].“1003 In seiner wegweisenden Dissertation über die Bild-Gottes-Theologie bei Origenes hat Henri Crouzel die Tatsache, dass die Vernunftgeschöpfe κατ᾽ εἰκόνα ϑεοῦ geschaffen und eben deshalb vernunftbegabt sind, in diesem Sinn als „sur naturel en puissance, mieux, un début de vie surnaturelle“, ihre Vergöttlichung in der Sohnschaft hingegen, das Ziel des Erlösungsweges, als „surnaturel en acte“ interpretiert.1004 Die Richtigkeit dieser Deutung lässt sich mit einer Passage aus dem dritten Buch der Grundlagenschrift belegen. Dort greift Origenes die Begriffe „Bild (εἰκών)“ und „Ähnlichkeit (ὁμοίωσις)“ aus Gen 1,26 auf, um den von Crouzel beschriebenen gnadentheologischen Zusammenhang zu explizieren: „Das höchste Gut, zu dem jegliche vernunftbegabte Kreatur strebt und das man das Ziel von allem nennt, wird auch von den allermeisten Philosophen folgendermaßen bestimmt: Das höchste Gut besteht darin, Gott so weit wie möglich 999 Ebd. 691. 1000 Von Balthasar, Einführung 22 (Herv. v. Verf.). Vgl. die prägnante Formulierung in In
Num. hom. 20,3,9,405 f. (SC 461, 46): Sic ergo non solum inuitamur a Deo, sed et trahimur et cogimur ad salutem. 1001 Vgl. Rahner, Bußlehre 110 f. (darunter das Zitat in Anm. 891) und Crouzel, Le Christ Sauveur 70. 72. 1002 Zu dieser Deutung vgl. Schockenhoff, Freiheit 116–123, der alle wesentlichen Stellen bespricht und das Verhältnis von Gnade und Freiheit nach Origenes beschreibt als „Zu sammenspiel zweier unvergleichbarer Größen, das Origenes theologisch tiefer durchdacht hat, als es die abgegriffene Bezeichnung ‚Synergismus‘ vermuten lässt“ (ebd. 120 [Herv. i. Orig.]). 1003 In Ioh. comm. VI 36,181 (SC 157, 264). 1004 Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 264 (Herv. v. Verf.). Vgl. auch ebd. 179. 190. 207. 215. 217. 242 f. 262. Crouzel, L‘image de Dieu 198 spricht von „divinisation potentielle et inchoative“ einerseits und „divinisation actuelle et complète“ andererseits. Vgl. auch Lettieri, Art. Progresso 384.
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ähnlich zu werden (prout possibile est, similem fieri deo)“, so beginnt er seine Ausführungen im Anschluss an die berühmte Telosformel aus Platons Theaitetos.1005 „Ich glaube aber“, so fährt er fort, „dies haben sie weniger selbst erfunden, als vielmehr aus den göttlichen Büchern übernommen. Früher als alle nämlich weist schon Mose darauf hin, wenn er die erste Erschaffung des Menschen mit folgenden Worten darstellt: ‚Und Gott sprach: Lasst uns einen Menschen machen nach unserem Bild und Gleichnis (ad imaginem et similitudinem nostram)‘. Dann fügt er hinzu: ‚Und Gott schuf den Menschen. Nach dem Bild Gottes schuf er ihn. Als Mann und als Frau schuf er sie. Und er segnete sie‘. Die Tatsache, dass er gesagt hat: ‚nach dem Bild Gottes (ad imaginem dei) schuf er ihn‘, dass er aber über das Gleichnis (de similitudine) geschwiegen hat, weist auf nichts anderes hin als darauf, dass er [sc. der Mensch] zwar die Würde des Bildes (imaginis dignitatem) bei der ersten Schöpfung empfangen hat, dass ihm die Vervollkommnung des Gleich nis-Seins (similitudinis perfectio) jedoch erst für die Vollendung (in consummatio ne) aufbewahrt ist, damit er selbst sie nämlich sich durch eigene eifrige Anstrengung aufgrund der Nachahmung Gottes (ex dei imitatione) erwerbe. Nachdem ihm nämlich die Befähigung zur Vervollkommnung (possibilitas perfectionis) im Anfang kraft der Würde des Bildes (per imaginis dignitatem) gegeben worden war, sollte er am Ende schließlich selbst durch vollkommene Erfüllung seiner Werke das Gleichnis-Sein (similitudinem) für sich vollenden.“1006 Aus diesem Zitat geht eindeutig hervor, dass Origenes die Befähigung der vernunftbegabten Kreatur, in Freiheit in ihre Vollendung, in die Ähnlichkeit oder Verähnlichung, die ὁμοίωσις mit Gott, dem Vater, hineinzuwachsen, in der Tatsache begründet sieht, dass sie „nach dem Bild Gottes“, d. h. gemäß dem Sohn, als Vernunftwesen geschaffen sind. In ihrer geschöpflichen Logosbegabung, in ihrer unverlierbaren kreatürlichen Teilhabe am ewigen Gottessohn, liegt nach Origenes der gnadenhafte Ermöglichungsgrund ihrer Freiheit. Ihrem inneren Sinnziel nach weiß sich die vernunftbegabte Kreatur deshalb immer schon darauf hin angelegt, durch Nachahmung Gottes diesem selbst ähnlich werden zu sollen. Denn der göttliche Logos ruft sie unaufhörlich zur vollkommenen Sohnschaft, er „unternimmt alles, um auch diejenigen, die ihm jetzt nicht gehorchen, zum Gehorsam zu bewegen und über sie zu herrschen.“1007 Nur insofern also ist die vernunftbegabte Kreatur gleichsam von Natur aus Sohn Gottes, als sie niemals völlig von der Teilhabe am ewigen Gottessohn ausgeschlossen ist und ihr immer und überall die Möglichkeit offen steht, auf der Grundlage ihrer unverlierbaren, kreatürlichen Teilhabe am Logos in die lebendige, aktive Teilnahme an dessen göttlicher Sohnschaft hineinzuwachsen. Aus diesem Grund gilt Origenes’ ener1005 Vgl. Platon, Theait. 176 b 1–3. 1006 Princ. III 6,1 (TzF 24, 642–644). 1007 Cels. VIII 15,39–41 (SC 150, 208).
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gischer Widerspruch der deterministischen Anthropologie der Gnosis, der zufolge jemand unabhängig von seiner freien Entscheidung Sohn Gottes entweder ist oder nicht ist. Die Konversion des Apostels Paulus beweist für ihn nämlich das genaue Gegenteil: Jede vernunftbegabte Kreatur vermag aus sich heraus ihrer Berufung zu entsprechen und ein Sohn Gottes zu werden.1008 Doch kann sie sich auch dem immerwährenden Ruf des Logos verweigern und so zum Sohn des Teufels pervertieren. Der Weg in die Sohnschaft führt über ein Leben nach den Grundsätzen der theoretischen und praktischen Vernunft, über ein Streben nach Wahrheit und Tugend, in dem die vernunftbegabte Kreatur mehr und mehr aus der Wirklichkeit des Logos lebt und sich so dem „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15) gleichgestaltet, nach dem sie geschaffen ist. Das Ideal der stoischen Ethik, wonach der Mensch in Übereinstimmung mit dem Gesetz seiner Natur (ὁμολογουμένως/ ἀκολούϑως τῇ ϕύσει), das heißt vernunftgemäß (κατὰ λόγον) leben soll,1009 stellt sich für Origenes als Konsequenz seiner Logoslehre dar.1010 Ethik und Soteriologie sind in seinem Denken über die metaphysische Christologie dergestalt ineinander verschränkt, dass er sagen kann, wirklich vernünftig, wahrhaft λογικός sei einzig und allein der Heilige, der ἅγιος, der schon im Hier und Heute im Heiligen Geist als πνευματικός zum Sohn Gottes geworden ist.1011 Nachdem wir uns den Gesamtzusammenhang vor Augen geführt haben, in den sich das soteriologische Theorem der Sohnwerdung bei Origenes einfügt, sollen im Folgenden die verschiedenen Aspekte des Sohnwerdungsprozesses anhand einschlägiger Zitate illustriert und analysiert werden. Nach Origenes liegt das ontologische Fundament der Sohnwerdung in der Tatsache begründet, dass die vernunftbegabte Kreatur Bild des göttlichen Logos ist, der seinerseits als das vollkommene Bild seines Vaters subsistiert. Daher ist es ihre geschöpfliche Bestimmung, sich in Freiheit diesem ihrem Urbild gemäß zum Sohn Gottes zu gestalten, um durch die Teilhabe an dem, der der Sohn Gottes schlechthin ist, in der Gemeinschaft mit dem Vater vergöttlicht zu werden. Diesen Sachverhalt hat Origenes im Blick, wenn er erklärt: „Wahrer Gott ist also ὁ ϑεός, während die ihm nachgestalteten Götter (οἱ δὲ κατ᾽ ἐκεῖνον μορϕούμενοι ϑεοί) wie Bilder eines Urbilds sind (ὡς εἰκόνες πρωτοτύπου). Doch das archetypische Bild der zahlreichen Bilder (τῶν πλειόνων εἰκόνων ἡ ἀρχέτυπος εἰκών) wiederum ist der auf Gott hin subsistierende Logos, der im Anfang war (vgl. Joh 1,1).“1012 Indem die 1008 Vgl. In Ioh. comm. XX 13,106 (SC 290, 210); 17,135–139 (SC 290, 224–226). 1009 Vgl. Pohlenz, Die Stoa 116–118. 1010 Vgl. Cels. V 37,6–41 (SC 147, 112–114). 1011 Vgl. In Ioh. comm. I 11,73 (SC 120, 96); II 16,114 (SC 120, 282–284); In Hier. hom. 18,2,78–
80 (SC 238, 184).
1012 In Ioh. comm. II 2,18 (SC 120, 218).
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vernunftbegabte Kreatur dem Willen ihres Schöpfers folgend in immer vollkommenerer Weise ihr eigentliches Wesen als Vernunftgeschöpf vollzieht, wird sie mehr und mehr „dem Bild seines Sohnes gleichgestaltet“, wie Paulus in Röm 8,29 sagt, so dass in ihr „Christus Gestalt annimmt“ (Gal 4,19).1013 Darin erfolgt ihre Vergöttlichung, insofern sie in ihrem schöpfungsgemäßen Selbstvollzug ihrem Urbild entsprechend ϑεός wird. Gleich ihrem Urbild, dem ewigen Gottessohn, nimmt sie teil an der Gottheit des Vaters, der als der „wahre Gott“ der alleinige Inbegriff, der Prototyp allen Gottseins ist.1014 Sohn Gottes zu werden bedeutet für die vernunftbegabte Kreatur also, mehr und mehr in die in ihr wesenhaft immer schon angelegte Teilhabe an der ewigen Sohnschaft des göttlichen Logos einzutreten, in sich das Bild des eingeborenen Gottessohnes auszuprägen und auf diese Weise nach seinem ewigen Vorbild in der Teilhabe am Vater vergöttlicht zu werden.1015 Weil die vergöttlichende Teilhabe am Vater durch den Sohn vermittelt ist, weil mit anderen Worten die vernunftbegabte Kreatur nur in der Wirklichkeit des ewigen Gottessohnes der Gottheit des Vaters teilhaft werden kann, bezeichnet Origenes den Sohn als den „Diener ihres Gottseins (διάκονος τῆς ϑεότητος)“.1016 Als Bild seines Vaters ist der Sohn zwar selbst nur durch Teilhabe (μετοχῇ) und nicht aus sich selbst heraus ϑεός, jedoch ist diese seine Teilhabe unwandelbar, 1013 Zu Röm 8,29 und Gal 4,19 bei Origenes vgl. Rius-Camps, El dinamismo trinitario 317–
319.
1014 Vgl. auch In Ioh. comm. II 2,17 (SC 120, 216–218), außerdem Studer, La prima Lettera di
Giovanni 180.
1015 Die gefallenen Menschen in die vergöttlichende Sohnschaft zu führen, ist das Ziel, das
der eingeborene Gottessohn mit seiner Menschwerdung verfolgt. Vgl. In Gen. hom. 1,13,63–91 (SC 7, 60–62): Ad huius ergo imaginis similitudinem homo factus est et propterea Saluator noster, qui est imago Dei, misericordia motus pro homine qui ad eius similitu dinem factus fuerat, uidens eum deposita sua imagine maligni imaginem induxisse, ipse motus misericordia imagine hominis assumpta uenit ad eum, sicut et Apostolus contestatur dicens: „Cum in forma Dei esset, non rapinam arbitratus est esse se aequalem Deo, sed se metipsum exinaniuit formam serui accipiens, in similitudinem hominum factus, et habitu repertus ut homo, humiliauit semetipsum usque ad mortem“ (Phil 2,6–8). Quicumque ergo ueniunt ad eum et rationabilis imaginis participes effici student, per profectum suum „se cundum interiorem hominem renouantur cotidie“ (vgl. 2 Kor 4,16) ad imaginem eius qui fecit eos, ita ut possint „conformes corporis claritatis eius“ (vgl. Phil 3,21) effici, sed unus quisque pro uiribus suis. Apostoli se ad eius similitudinem reformarunt in tantum, ut ipse de iis diceret: „Vado ad Patrem meum et Patrem uestrum, ad Deum meum et ad Deum uestrum“ (Joh 20,17). Ipse enim iam petierat Patrem pro discipulis suis, ut iis similitudo pristina redderetur, cum dicit: „Pater, da ut sicut ego et tu unum sumus, ita et isti in nobis unum sint“ (Joh 17,21 f.). Semper ergo intueamur istam imaginem Dei, ut possimus ad eius similitudinem reformari. Si enim ad imaginem Dei factus homo contra naturam intuens imaginem diaboli per peccatum similis eius effectus est, multo magis intuens imaginem Dei, ad cuius similitudinem factus est a Deo, per Verbum et uirtutem eius recipiet formam illam quae data ei fuerat per naturam. 1016 In Ioh. comm. II 3,19 (SC 120, 218–220). Vgl. In Ioh. comm. II 2,17 (SC 120, 218).
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so dass er wesenhaft ϑεός ist. Den geschaffenen Vernunftwesen dagegen ist das Gottsein nicht wesenhaft eigen. Sie sind aber wesenhaft darauf hin angelegt, Götter (ϑεοί) zu werden. Weil sie nach Gen 1,27 als „Bilder des Bildes“1017 geschaffen sind, besteht ihre Erlösung darin, dass sie sich mit Hilfe der göttlichen Gnade als vollkommene „Bilder des Bildes“ wiederherstellen lassen, um auf diese Weise in ihr schöpfungsgemäßes Sein zurückzufinden.1018 Auf diese Weise vollziehen sie die Angleichung (ὁμοίωσις) an das Sein Gottes und werden so ihrer schöpfungsgemäßen Bestimmung gerecht, wie für Origenes aus Gen 1,26 hervorgeht.1019 Die Frage, was es für die vernunftbegabte Kreatur konkret bedeutet, sich aus der Gnade ihrer Freiheit heraus dem Bild Gottes gemäß zu gestalten, beantwortet Origenes, indem er eine umfassende Theorie des christlichen Lebens entwirft, der Eberhard Schockenhoff eine eindrucksvolle Studie gewidmet hat.1020 Dabei greift Origenes die große Tradition der antiken Tugendethik auf, um diese von seiner metaphysischen Christologie her neu zu formulieren und in eine Gesamtvision christlicher Spiritualität einzubetten. Hier hat seine vielgerühmte Logosmystik ihren Ort, wie er sie vor allem in seiner Auslegung des Canticum zur Entfaltung bringt. Danach ist die Seele berufen, sich wie eine makellose Braut mit dem Logos als ihrem Bräutigam zu vermählen. Alle seine geistigen Sinne muss der innere Mensch ganz und gar auf die Wirklichkeit des ewigen Gottessohnes ausrichten, um ihn zu hören als das ewige Wort Gottes, ihn in seiner Herrlichkeit als das vollkommene Ebenbild seines Vaters zu schauen, um seinen Duft zu riechen, ihn als das Brot des Himmels zu schmecken und als den geliebten Bräutigam seiner Seele leidenschaftlich zu berühren.1021 In solch umfassender Erkenntnis des ewigen Gottessohnes, die „im eigentlichen Sinn des Wortes Gnade, freie und nicht geschuldete Zuwendung Gottes“ ist,1022 wird die Seele mit ihm aufs Innigste vereint. Auf diese Weise wird ihr ihre ursprüngliche Schönheit wieder zuteil, wird sie zu dem, was sie eigentlich ist und immer schon sein soll: zum vollkommenen Bild des Bildes Gottes.1023 Weil Origenes unter dem Begriff Seele strenggenommen den 1017 Vgl. den Ausdruck in In Ioh. comm. II 3,20 (SC 120, 220). 1018 Zum Ausdruck „Bilder des Bildes“ vgl. In Rom. comm. VII 5,90–107 (VL 34, 587). 1019 Vgl. In Ioh. comm. XX 22,183 (SC 290, 248). 1020 Vgl. Schockenhoff, Freiheit, bes. 188–308. 1021 Eine gelungene Zusammenfassung von Origenes’ Logosmystik nach dem Canticumkom-
mentar gibt Heither, Origenes’ „Mystikverständnis“ 482–494. – Über Origenes’ Lehre von den fünf geistig-geistlichen Sinnen handelt im Übrigen die erste wissenschaftliche Untersuchung von Karl Rahner (Rahner, Sens spirituels chez Origène 113–145), die, wie dieser später einmal bemerkte, für sein Denken „entscheidende und grundlegende Bedeutung beanspruchen darf, läßt sie doch Ansätze und Denkweise deutlich werden, die später – wenn auch verdeckt – wirksam blieben“ (so Rahner, Die geistlichen Sinne 111 Anm. 1 zur gekürzten deutschen Fassung des französischen Originals). 1022 Heither, Origenes’ „Mystikverständnis“ 492. 1023 Vgl. In Cant. comm. II 1,4 (SC 375, 262).
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postlapsarischen Zustand der vernunftbegabten Kreatur versteht, die ursprünglich und eigentlich reiner Geist (νοῦς) ist,1024 besteht deren Bildwerdung in der Rückkehr zum reinen Geistsein, in der „graduellen Aufhebung der Seele in das Leben des Logos und seine Gemeinschaft mit dem Vater“.1025 Weil der eingeborene Gottessohn der Inbegriff aller Tugenden ist, so erklärt Origenes in immer neuen Variationen, führt der Weg des christlichen Lebens in die Erlösungswirklichkeit der Sohnschaft, in die „Ehe mit dem Wort Gottes“,1026 über eine konsequente Tugendpraxis. Origenes ist überzeugt: Jeder, der tugendhaft lebt, lebt in und aus der Wirklichkeit des ewigen Gottessohnes.1027 Wer Christus in seinem tugendhaften Wandel nachahmt, wird Sohn Gottes, wird selbst ein „Christus“ (vgl. Ps 104,15).1028 Als Nachahmer Christi lässt er sich ganz von dessen göttlicher Wirklichkeit durchdringen, trinkt er – mit dem Bild aus 1 Kor 10,3 f. gesprochen – den pneumatischen Trank aus dem pneumatischen Felsen, der Christus ist, um auf diese Weise wie Petrus und zusammen mit diesem, ja vereint mit allen Heiligen selbst zum Felsen zu werden, auf dem der Herr seine heilige Kirche errichtet (vgl. Mt 16,18).1029 Mit dem Apostel Paulus kann er deshalb sagen: „Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir“ (Gal 2,20)1030 und mit dem heiligen Andreas bekennen: „Wir haben den Messias gefunden“ (Joh 1,41).1031 Christus, der eingeborene Gottessohn, „nimmt in denen, die nach Vollkommenheit streben, Gestalt an, 1024 Vgl. dazu Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 95. 1025 Hengstermann, Theologie der Jesajahomilien 111. 1026 Heither, Origenes’ „Mystikverständnis“ 481. 1027 In Cels. VI 78,18–21 (SC 147, 376) sagt Origenes: „Nichts Gutes ist nämlich unter den Men-
schen vollbracht worden, ohne dass der göttliche Logos in den Seelen derer angekommen wäre (μὴ τοῦ ϑείου λόγου ἐπιδημήσαντος ταῖς ψυχαῖς), die es vermocht haben, und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick, solche Einwirkungen des göttlichen Logos (τὰς τοιάσδε τοῦ ϑείου λόγου ἐνεργείας) aufzunehmen.“ Von daher kennt Origenes so etwas wie ein „anonymes Christentum“, dessen Grundgesetz sich im Blick auf seine Deutung von Joh 1,26 mit Schockenhoff, Freiheit 197 folgendermaßen formulieren lässt: „Wer den Weg des ethischen Lebens geht und auf der Bahn des Guten ansteigt, der begegnet Christus. Ob er darum weiß oder nicht, er steht bereits in einer realen Beziehung zu dem Sohn Gottes, der jedem einzelnen Menschen gegenwärtig und der Totalität von Welt und Geschichte koextensiv ist.“ – Schon vor Origenes hat Justin, Apol. I 46,2 f. (SC 507, 250) festgestellt: „Christus ist der Logos, an dem das gesamte Menschengeschlecht seinen Anteil erhalten hat, und alle, die gemäß dem Logos lebten, sind Christen, auch wenn sie für gottlos gehalten wurden, wie bei den Griechen Sokrates und Heraklit.“ Hugo Rahner sieht in diesem Satz das „Leitmotiv einer katholischen Religionsgeschichte“ zum Ausdruck gebracht (Rahner, Griechische Mythen 94). Vgl. dazu auch Kobusch, Christliche Philosophie 55–57. 1028 Vgl. Cels. VI 79,9–31 (SC 147, 376–378); In Ioh. comm. VI 6,42 (SC 157, 160). 1029 Vgl. In Matth. comm. XII 10 f. (GCS Orig. 10, 85,25–89,34); In Ioh. comm. II 36,221 f. (SC 120, 358–360), dazu Vogt, Kirchenverständnis 258–264. 1030 Vgl. In Matth. comm. XII 24 f. (GCS Orig. 10, 122,24–127,4). 1031 Vgl. In Ioh. comm. II 36,221 (SC 120, 360).
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und zwar insofern er der Logos ist, um in ihnen zur ganzen Lauterkeit des Logos Gottes ausgebildet zu werden, insofern er die Wahrheit ist, um als die Wahrheit in ihnen frei von jeglicher Falschheit Bestand zu haben, und insofern er die Weisheit ist, um in ihnen als eben diejenige Weisheit Gottes, von der Paulus unter den Vollkommenen spricht, rein und ohne den geringsten Irrtum bewahrt zu werden. Wenn in ihnen auf diese Weise auch entsprechend all dem, was Christus ist, die Gerechtigkeit, die Heiligung und alle übrigen Tugenden reine Gestalt gewinnen, scheinen sie seinem [sc. Christi] Bild gemäß derjenigen Gestalt nachgebildet zu sein, mit der er in der Gestalt Gottes ist (vgl. Phil 2,6).“1032 Die Tugenden, die die vernunftbegabte Kreatur vollbringt, so stellt Origenes Celsus gegenüber fest, sind die einzig wahren „Götterbilder und Gott geziemenden Weihegeschenke“, um die allein es sich zu mühen lohnt, weil sie in „Nachahmungen (μιμήματα) des ‚Erstgeborenen der ganzen Schöpfung‘ (Kol 1,15)“ bestehen, der als Inbegriff jeder wahren Tugend das Urbild aller echten Götterbilder ist, das „Bild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15).1033 Das tugendhafte Leben ist daher in eminenter Weise Nachfolge Christi, damit aber zugleich imitatio dei,1034 Nachahmung des Vaters, weil für Origenes in Anbetracht der christologischen Fundierung seiner Ethik „die Tugend eines Menschen dieselbe ist wie die Tugend Gottes. Deshalb werden wir unterwiesen, vollkommen zu werden wie unser himmlischer Vater vollkommen ist (vgl. Mt 5,48).“1035 All dies, so betont Origenes, darf allerdings niemals die unaufhebbare Differenz vergessen lassen, die zwischen dem ewigen Gottessohn und den vernunftbegabten Kreaturen auch dann noch besteht, wenn diese wahrhaft Söhne Gottes geworden sind. „Zwar ist jeder“, so gibt er zu bedenken, „der, wie Paulus gesagt hat, sich nicht mehr von Furcht leiten lässt (vgl. Röm 8,14 f.), sondern das Gute um seiner selbst willen wählt, ein Sohn Gottes. Dieser [sc. der Erlöser] jedoch unterscheidet sich himmelweit von jedem, der aufgrund seiner Tugend Sohn Gottes genannt wird, er, der gleichsam Quelle (πηγή) und Ursprung (ἀρχή) solcher [sc. Söhne] ist.“1036 Deshalb ist die vernunftbegabte Kreatur zu ihrer Sohnwerdung 1032 In Rom. comm. VII 5,42–51 (VL 34, 584 f.). 1033 Cels. VIII 17,11–27 (SC 150, 210–212). 1034 Von imitatio dei (vgl. Eph 5,1) spricht Origenes z. B. in Princ. III 6,1 (TzF 24, 642), von
ὁμοιότης und μίμησις in In Ioh. comm. XX 17,148 (SC 290, 228). Vgl. auch Cels. VIII 18,1–4 (SC 150, 212). 1035 Cels. IV 29,34–36 (SC 136, 254). Zum moraltheologischen Kontext vgl. Schockenhoff, Freiheit 189 f. – Dass „die Tugend des Menschen dieselbe ist wie die Tugend Gottes“, ist ein aus der Stoa bekannter Grundsatz (vgl. z. B. Cicero, De leg. I 25: Iam vero virtus eadem in homine ac deo est, neque alio ullo in genere praeterea; est autem virtus nihil aliud nisi perfecta et ad summum perducta natura: naturalis est igitur homini cum deo similitudo. Vgl. dazu Pohlenz, Die Stoa 127). 1036 Cels. I 57,4–9 (SC 132, 230–232). Zur Unvergleichlichkeit der Sohnschaft des ewigen Gottessohnes vgl. auch In Ioh. comm. XX 34,303 f. (SC 290, 304).
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bleibend auf die Gnade der Selbstmitteilung Gottes angewiesen, als die der ewige Gottessohn subsistiert. Sohn Gottes vermag sie nur zu sein, indem sie an ihm, der wesenhaft Sohn Gottes ist, teilhat: „Wie es nämlich viele Söhne Gottes gibt nach dem Schriftwort: ‚Ich habe gesprochen: Ihr alle seid Götter und Söhne des Höchsten‘ (Ps 81,6), so ist doch nur einer Sohn dem Wesen nach (unus tamen est natura filius) und Eingeborener des Vaters (unigenitus de patre), durch den alle Söhne genannt werden.“1037 Er ist das wahre Brot, von dem der wahre, der innere Mensch sich nähren muss, um erneuert zu werden „nach dem Gleichnis seines Schöpfers“ (Kol 3,10). „Was aber ist“, so fragt Origenes, „für die Seele nahrhafter als der Logos, oder was ist für den Geist dessen, der sie erfasst, kostbarer als die Weisheit Gottes, oder was entspricht der vernünftigen Natur mehr als die Wahrheit?“1038 Der Logos „nimmt alles Vernunftwidrige von uns und macht uns in Wahrheit zu Ver1037 In Rom. comm. VII 1,29–32 (VL 34, 554). Vgl. auch Pamphilus von Cäsarea, Apol. 116
(FC 80, 336,13–17), der aus dem ersten Buch des verlorengegangenen Jesajakommentars überliefert: Christus vero sicut per hoc quod Christus est „christos“ facit, ita et per hoc quod Filius Dei est, et Filius proprius unigenitus, omnes eos qui percipiunt ab eo spiritum adop tionis filios Dei facit. Um die wesenhafte Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes von der Sohnschaft der erlösten Vernunftgeschöpfe zu unterscheiden, spricht Origenes im Blick auf letztere von Adoptivsöhnen. So heißt es in Princ. I 2,4 (TzF 24, 130) über den Eingeborenen: Non enim per adoptionem spiritus filius fit extrinsecus, sed natura filius est, ähnlich In Ioh. comm. II 10,76 (SC 120, 256). Pamphilus von Cäsarea, Apol. 93 (FC 80, 316,10–17) überliefert aus dem fünften Buch des Johanneskommentars: Ita ergo et hi qui accipiunt spiritum adoptionis filiorum, in quo clamant: „Abba, pater“ (Röm 8,15) filii quidem Dei sunt, sed non sicut unigenitus Filius. Unigenitus enim natura Filius et semper et inseperabiliter Filius est, ceteri vero pro eo quod susceperunt in se Filium Dei potestatem acceperunt „filii Dei fieri“; „qui“ licet „non ex sanguine neque ex voluntate carnis neque ex voluntate viri, sed ex Deo nati sint“ (Joh 1,12 f.), non tamen ea nativitate sunt nati qua natus est unigenitus Filius. 1038 Orat. 27,2 (GCS Orig. 2, 364,23–25). In diesem Sinn deutet Origenes den Ausdruck ὁ ἄρτος ὁ ἐπιούσιος im Vaterunser (Mt 6,11; Lk 11,3) auf den ewigen Gottessohn als „das Brot, das sich mit unserer Substanz (οὐσία) vereinigt“ (Orat. 27,7 [GCS Orig. 2, 367,10 f.]): „Ein ἐπιούσιος ἄρτος ist demnach das der vernunftbegabten Natur am meisten entsprechende und ihrer οὐσία selbst verwandte Brot, das der Seele zugleich Gesundheit und Wohlbefinden und Stärke verschafft und dem von ihm Essenden Anteil an der eigenen Unsterblichkeit – unsterblich nämlich ist der Logos Gottes – verleiht“ (Orat. 27,9 [GCS Orig. 2, 369,18–22]). Weiter sagt Origenes: „Wer am ἐπιούσιος ἄρτος Anteil bekommt, der wird, in seinem Herzen gestärkt (vgl. Ps 103,15), ein Sohn Gottes“ (Orat. 27,12 [GCS Orig. 2, 370,28 f.]). Die Brotbitte des Vaterunsers deutet er so als Bitte um Vergöttlichung der Kreatur: „Da sich dies nun so verhält und es so viele verschiedene Arten von Speisen gibt, gibt es im Vergleich zu allen genannten nur einen einzigen ἐπιούσιος ἄρτος, um den wir beten müssen, damit wir seiner würdig und – genährt durch den Theos-Logos, der im Anfang auf Gott hin ist (vgl. Joh 1,1) – vergöttlicht werden (ϑεοποιηϑῶμεν)“ (Orat. 27,13 [GCS Orig. 2, 371,27–372,2]). Vgl. Gessel, Theologie des Gebetes 180–186, von Stritzky, Überlieferung und Interpretation des Vaterunsers 153–163 sowie Markschies, Was bedeutet οὐσία? 174–187.
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nunftwesen (λογικοί), die alles zur Verherrlichung Gottes tun, bis hin zum Essen und Trinken (vgl. 1 Kor 10,31).“1039 Durch die Teilhabe am Logos werden die vernunftbegabten Kreaturen „in gotterfüllter Weise vernünftig (ἐνϑέως λογικοί)“,1040 leben sie ganz gemäß ihrer schöpfungsgemäßen Bestimmung. Der Logos ist es, der die Tugenden in der Seele formt und gestaltet,1041 so dass tugendhaft nur derjenige zu sein vermag, der sich immerfort vom „lebendigen Brot“ nährt, das der eingeborene Gottessohn für die Vernunftgeschöpfe ist (vgl. Joh 6,51).1042 Nur wer vollkommen seiner Logosbegabung entsprechend lebt, nur wer mit dem Logos in innigster Symbiose vereint ist (συμπεϕυκέναι αὐτῷ), verfällt nicht mehr den Sünden, von denen es in 1 Joh 5,16 heißt, sie führten zum Tod.1043 Wer den Logos, den „Erstgeborenen der ganzen Schöpfung“ (Kol 1,15), in sich bewahrt, der wird nach der Verheißung, die dieser selbst seinen Jüngern gegeben hat, „den Tod in Ewigkeit nicht schauen“ (Joh 8,51). Denn aufgrund seiner lebendigen Gemeinschaft mit dem Logos ist er schon ganz in die Erlösungswirklichkeit des wahren Lebens eingetreten, das der Logos nach Joh 11,25 selbst ist (vgl. auch Joh 1,4) und das auch der physische Tod nicht zu verschlingen vermag.1044 Wer so die Wirklichkeit des göttlichen Logos in sich zur Entfaltung kommen lässt, trägt seinerseits gleichsam zu dessen Wachstum bei.1045 Origenes sagt: „Jeder Mensch ist logoshaft, d. h. in die Wirklichkeit des Logos hineingestellt (λογικὸς δέ ἐστι πᾶς ἄνϑρωπος). Während nun alle Menschen teilhaben am Logos, nimmt in den einen die Kraft des Logos zu, in den anderen hingegen schwindet sie. Wenn du eine in Leidenschaft entbrannte und sündige Seele betrachtest, siehst du, wie die Kraft des Logos in ihr abnimmt. Wenn du jedoch eine heilige und gerechte Seele betrachtest, siehst du, wie die Kraft des Logos in ihr Tag für Tag Frucht trägt.“1046 Auf diesen Zusammenhang zielt nach Origenes die Klage des Logos in Jer 15,10: „Meine Kraft schwindet in denen, die mich verfluchen.“ Wer dem Logos in sich nicht Raum gewährt, obwohl dieser doch immer schon in ihm zur Entfaltung kommen will, dem gilt das Herrenwort Joh 8,21: „Ich gehe fort, und ihr werdet mich suchen, und ihr werdet in Euren Sünden sterben.“1047 Wer dagegen ganz 1039 In Ioh. comm. I 37,267 (SC 120, 192–194). 1040 In Ioh. comm. I 37,268 (SC 120, 194). 1041 Vgl. Cels. VIII 17,12 f. (SC 150, 210). 1042 Vgl. In Matth. comm. XII 33 (GCS Orig. 10, 144,18–145,28). Vgl. auch Cels. IV 18,14–26
(SC 136, 226); VI 13,4–15 (SC 147, 208–210).
1043 Vgl. In Ioh. comm. XIX 23,153 (SC 290, 140–142). 1044 Vgl. In Ioh. comm. XX 39,363–371 (SC 290, 332–336). 1045 Zum Folgenden vgl. Schockenhoff, Freiheit 220–224 mit weiterem Textmaterial. 1046 In Hier. hom. 14,10,8–13 (SC 238, 84–86). 1047 Vgl. In Ioh. comm. XIX 12,74–78 (SC 290, 92–94) sowie In Iud. hom. 2,2,1–11 (SC 389,
76): Omnipotens dominator Deus, praesta ne umquam accidat nobis ut Iesus Christus, posteaquam surrexit a mortuis, rursum moriatur in nobis. Quid enim mihi prode est si in aliis vivat ex virtute et in me moriatur ex infirmitate peccati? Quid mihi prode est si in me
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in und aus der Logoswirklichkeit lebt, in dessen Seele wird der göttliche Logos gewissermaßen stets neu geboren,1048 in dessen Innern bricht das Reich Gottes an, das nach Origenes der ewige Gottessohn selbst in Person ist.1049 In diesem Sinn will Origenes auch das Verb magnificat im gleichnamigen Gebet Mariens wörtlich verstanden wissen: „Nun, wenn ich mir vergegenwärtige, dass unser Herr und Heiland das ‚Bild des unsichtbaren Gottes‘ (Kol 1,15) ist, und mir klarmache, dass meine Seele nach dem Bild des Schöpfers gemacht ist (vgl. Gen 1,27), damit sie Bild des Bildes sei […], dann geht mir auf: Jeder von uns gestaltet seine Seele zu einem Bild Christi, gibt ihr größere oder kleinere Ähnlichkeit mit ihm, macht sie zu einem kümmerlichen und beschmutzten oder zu einem klaren und leuch tenden Bild, das der Gestalt seines Urbildes entspricht. Wenn ich also das Bild des Bildes, das heißt meine Seele, groß mache und dieses Bild durch Werk, Gedanke und Wort (opere, cogitatione, sermone) vergrößere, dann wird auch das Bild Gottes groß gemacht, und der Herr selbst, dessen Bild sie ist, wird in unserer Seele groß gemacht. Und auf dieselbe Weise, wie der Herr in unserem Bild wächst, wird et in meo corde non vivit et si in me opera vitae non perficit? Quid mihi prode est si apud alium ex bonis studiis, ex bona fide, ex bonis operibus pascitur et reficitur, apud me autem et in corde meo per malas cogitationes et desideria nefanda, per studia pessima suffocatur quodammodo et necatur? 1048 Vgl. dazu die große Studie von Rahner, Die Gottesgeburt, bes. 29–35, der allerdings die soteriologische Bedeutung, die dem Taufsakrament bei Origenes zukommt, überbewertet (wie auch Blanc, Baptême 113–124). Nach Hugo Rahner lässt sich „alles sittliche Entfalten und Wachsen des Gnadenlebens immer wieder auf den ontischen Grund, auf die Taufgnade zurückführen. […] Auch bei Origenes“, so stellt er fest, „ist das Grundlegende die Neugeburt in der Taufe. In der Umformung der einzelnen Seele zum Bild des innewohnenden Logos liegt der Uranfang des neuen Lebens aus Gott, und damit beginnt in der Taufe die Einwohnung des neugeborenen Logos in der Seele“ (Rahner, Die Gottesgeburt 29). „Es stellt sich also auch bei Origenes […] die Geburt des Logos im Herzen dar als die in der Taufe empfangene Gnade, die sich zur Gottesschau auswirken soll“ (ebd. 32; vgl. auch Rahner, Taufe und geistliches Leben, bes. 208: „Das Taufgeheimnis ist in der Lehre des Origenes das eine, große, alles entscheidende Ereignis im geistlichen Leben. […] Das Wasser, auf das in erhabener Epiklese die Dreifaltigkeit herabgerufen wurde, ist Anfang und Quellgrund aller göttlichen Gnaden“, und 211: „Aller Aufstieg also zum Vater im Logos beginnt erst in der Taufe“). Gewiss kann Origenes, wenn er im innerkirchlich-katechetischen Kontext über das Gnadenleben spricht, dieses mit dem Empfang des Taufsakraments beginnen lassen (Hugo Rahners Aufsatz über die Taufe stützt sich überwiegend auf die Homilien). Von seinem systematischen Grundansatz her ist jedoch klar, dass für ihn alle Sakramente letztlich nur „Symbole einer inneren Wandlung“ sind (so treffend Markschies, Origenes 12), körperlich-sichtbare Zeichen also für das unsichtbare Gnadenleben, das jeder vernunftbegabten Kreatur kraft ihrer Logosteilhabe – in der transzendentalen Offenbarung – immer und überall, d. h. unabhängig vom äußeren Zeichen angeboten ist. 1049 Dass der ewige Gottessohn das Reich Gottes in Person, die ἀυτοβασιλεία, ist, geht z. B. hervor aus In Matth. comm. XIV 7 (GCS Orig. 10, 289,17–20). Vgl. auch In Luc. hom. 36,3 (SC 87, 434).
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er auch klein gemacht und nimmt er ab, sofern wir gesündigt haben. Oder besser gesagt: Nicht der Herr wird kleiner und nimmt ab, sondern wir machen uns statt des Bildes unseres Herrn andere Bilder zu eigen, statt des Bildes des Wortes, der Weisheit und der Gerechtigkeit sowie der anderen Tugenden nehmen wir die Gestalt des Teufels an […].“1050 Wie einst Maria in der Kraft des Heiligen Geistes den göttlichen Logos empfangen hat, so soll nach Origenes auch „die einzelne Seele […] gleich Maria ‚Logosträgerin‘ werden, den Logos in ihrem Herzen gebären“,1051 indem sie ganz in und aus der Logoswirklichkeit lebt, mit der sie immer schon beschenkt ist. Dass ein logosgemäßes Leben für die vernunftbegabte Kreatur reale Teilhabe an der Sohnschaft des göttlichen Logos bedeutet, bringt Origenes an einer berühmten Stelle seiner neunten Jeremiahomilie überaus pointiert zum Ausdruck, wenn er erklärt: „Nicht nur einmal, sage ich, ist nämlich der Gerechte von Gott gezeugt worden, sondern immerfort (ἀεί) wird er gezeugt aufgrund jeder guten Tat (καϑ᾽ ἑκάστην πρᾶξιν ἀγαϑήν), in der Gott (ὁ ϑεός) den Gerechten zeugt. Wenn ich dich also im Blick auf den Erlöser darauf aufmerksam mache, dass der Vater den Sohn nicht gezeugt und ihn dann als Vater aus seiner Zeugung entlassen hat, sondern dass er ihn fortwährend zeugt, will ich Ähnliches (παραπλήσιον) auch über den Gerechten darlegen. […] Wenn nun der Erlöser immerdar gezeugt wird und er deshalb sagt: ‚Vor allen Hügeln zeugt er mich‘ (Spr 8,25) […], wenn also der Erlöser immerfort vom Vater gezeugt wird, so auch du, sofern du den Geist der Sohnschaft hast (vgl. Röm 8,15). Fortwährend zeugt dich Gott in ihm aufgrund jedes einzelnen Werks und jedes einzelnen Gedankens. Und wenn du auf diese Weise gezeugt worden bist, wirst du zum immerfort gezeugten Sohn Gottes in Jesus Christus.“1052 Weil sich die Heilswirklichkeit der Sohnschaft für die erlösten Vernunftgeschöpfe nach dem ewigen Vorbild dessen gestaltet, der der Gottessohn schlechthin ist, treten diese Geschöpfe als Söhne Gottes in das gleiche Verhältnis zum Vater wie dieser. Durch ihn und mit ihm und in ihm werden sie hineingenommen in den ewigen Zeugungsprozess, in dem er selbst als wesenhafter Sohn aus seinem Vater hervorgeht. Dies geschieht in dem Maße, wie sie den Geist der Sohnschaft, den Heiligen Geist, besitzen, der nach Origenes, wie wir festgestellt haben, das Medium aller wahren Sohnschaft ist. Im Gezeugtsein aus dem Vater sieht Origenes den eigentlichen Adel der vernunftbegabten Kreatur.1053 „Es ist viel besser“, so 1050 In Luc. hom. 8,2 f. (SC 87, 164–166). Vgl. in diesem Zusammenhang auch In Luc. hom.
39,5 f. (SC 87, 454–458).
1051 Rahner, Die Gottesgeburt 32. Vgl. In Cant. hom. 2,6 (SC 37, 126): Natiuitas Christi ab
umbra sumpsit exordium; non solum autem in Maria ab umbra eius natiuitas coepit (vgl. Lk 1,35), sed et in te, si dignus fueris, nascitur sermo Dei. 1052 In Hier. hom. 9,4,68–87 (SC 232, 392–394). 1053 In Ioh. comm. XX 15,117 (SC 290, 216).
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sagt er, „aus Gott gezeugt zu sein als lediglich aus Gott zu sein“.1054 Aus Gott zu sein kommt schließlich auch dem Teufel,1055 ja selbst dem unbelebten Geschöpf zu. Aus Gott gezeugt zu sein hingegen zeichnet einzig und allein diejenigen Vernunftgeschöpfe aus, die wahrhaft und im eigentlichen Sinn Söhne Gottes geworden sind, die also ganz ihrer kreatürlichen Bestimmung entsprechend leben. Als Söhne Gottes sind die erlösten Vernunftwesen auch disponiert, „dieselbe Speise zu essen wie der Sohn Gottes, die die Jünger damals noch nicht kannten“ (vgl. Joh 4,32).1056 In derselben Weise, wie diese Speise nach Origenes den eingeborenen Logos von Ewigkeit zu Ewigkeit als solchen konstituiert, indem sie ihm aus dem väterlichen Urgrund unaufhörlich zufließt, nährt sie auch die vernunftbegabten Geschöpfe, die Söhne Gottes geworden sind. Und wie der ewige Logos diese Speise in ewiger Gegenwart dadurch in sich aufnimmt, dass er den Vater schaut, treten auch die Vernunftgeschöpfe in der Erlösungswirklichkeit ihrer Sohnschaft durch den göttlichen Logos, mit ihm und in ihm in die Schau des Vaters ein. Nach der Ethik des Origenes finden sich die vernunftbegabten Kreaturen „in einer unausweichlichen existenziellen Alternative“ fortwährend vor die Wahl zwischen Gut und Böse gestellt.1057 Entscheiden sie sich für das Gute, wird ihnen in der Wirklichkeit des Logos das wahre Leben zuteil, das dieser selbst ist. Überlassen sie sich dagegen dem Bösen, „ist ihr Leben ein Leben der Sünde und deshalb sozusagen ein Todesleben (ζῆν ϑανάτου)“.1058 Ein solches Leben ist nichts anderes als bloßes physisches Vorhandensein, dem „das eigentliche und wahre Leben (τὴν ϰυρίως ϰαλουμένην ζήν)“ gegenübersteht, das Leben als Sohn Gottes in der Teilhabe am ewigen Gottessohn.1059 Weil Ethik und Soteriologie bei Origenes über den Logosbegriff unlöslich miteinander verbunden sind, kehrt der ethische Gegensatz von Gut und Böse in seiner Soteriologie als Gegensatz zwischen den Söhnen Gottes und den Söhnen des Teufels wieder. Im Anschluss an den Ersten Johannesbrief erklärt Origenes, dass alle, die nicht als Söhne Gottes von Gott, dem Vater, gezeugt sind, ausnahmslos als Söhne des Teufels dem Tod verfallen sind.1060 „Wenn jeder, der die Sünde tut, vom Teufel gezeugt ist (vgl. 1 Joh 3,8),“ so stellt er seiner Gemeinde warnend vor Augen, „sind wir gewissermaßen so oft 1054 In Ioh. comm. XX 15,118 (SC 290, 216). 1055 Vgl. dazu In Ioh. comm. II 13,97 (SC 120, 270). 1056 In Ioh. comm. XIII 34,225 (SC 222, 152). 1057 Schockenhoff, Freiheit 243. Vgl. z. B. In Ioh. comm. XX 23,192 (SC 290, 252): „Bei uns
Menschen sind die Werke ganz und gar (πάντως) entweder Werke Gottes oder Werke des Teufels […]“ oder In Is. hom. 5,3 (OWD 10, 248,26 f.): Unusquisque sub regno est sive peccati sive iustitiae. 1058 In Ioh. comm. II 16,115 (SC 120, 284). 1059 In Ioh. comm. I 27,181 (SC 120, 148–150); II 24,156 (SC 120, 308–310). Vgl. Cels. VI 54,17–19 (SC 147, 316) sowie In Matth. comm. XIII 9 (GCS Orig. 10, 203,23–31). 1060 Vgl. In Ioh. comm. XX 13,107 (SC 290, 212); 22,181 (SC 290, 246); 23,193–196 (SC 290, 252–254).
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vom Teufel gezeugt, wie wir sündigen. Unselig ist deshalb, wer immerfort vom Teufel gezeugt wird, glückselig hingegen der immerdar von Gott Gezeugte.“1061 Während die Söhne des Teufels in ihrer schuldhaften Selbstentfremdung letztlich ganz und gar dem Materiellen verfallen sind, erkennen die Söhne Gottes ihren Herrn und Meister im göttlichen Logos, in der ewigen Wahrheit und Weisheit ihres Vaters. In der Gnade ihrer Sohnschaft sind sie nach dem Wort des Apostels Paulus „ein Geist“ mit ihm (vgl. 1 Kor 6,17)1062 und treten so ein in den Zustand, „nicht mehr sündigen zu können“, wie Origenes mit Blick auf 1 Joh 3,9 erklärt.1063 Denn sie haben die Wirklichkeit des Logos in solchem Maße verinnerlicht,1064 dass ihnen die logoswidrige Wirklichkeit der Sünde zu einer moralischen Unmöglichkeit geworden ist. Dadurch sind sie aber alles andere als determiniert. Vielmehr sind sie wahrhaft und im eigentlichen Sinn frei, weil sie sich in ihrer Freiheit vollkommen an den gebunden haben, auf den ihre Freiheit ihrem Wesen nach immer schon ausgerichtet ist: an den ewigen Gottessohn und durch ihn, mit ihm und in ihm an Gott, den Vater. „‚Wer die Sünde tut“, so stellt Origenes mit Joh 8,34 fest, „ist Sklave der Sünde.‘ Frei hingegen sind diejenigen, die in der Wahrheit des Logos Gottes geblieben sind und die deshalb die Wahrheit erkannt haben, um durch sie befreit zu werden (vgl. Joh 8,32). Wenn also jemand ganz und gar Sohn und deshalb überhaupt nicht Sohn der ‚Herrscher der Welt‘ (vgl. Mt 17,25) ist, so ist dieser frei.“1065 In exklusiver Weise trifft dies, wie wir bereits ausgeführt haben, für die Seele Jesu zu. Sie ist nach Origenes der Inbegriff der erlösten Kreatur, das vollkommene Bild des Bildes Gottes (specialis et propria imago), weil sie den ewigen Gottessohn „ganz und gar in sich aufgenommen und restlos in sich Gestalt annehmen lassen hat (totum atque ex integro suscepit et in semet ipsa formavit)“ und so durch und durch „Christus“ geworden ist. Als einzige vernunftbegabte Kreatur hat die Seele Jesu die Gnade der Sohnschaft immer schon angenommen und verinnerlicht. In innigster Liebe hat sie sich von allem Anfang an „in allem dem Wort und der Weisheit Gottes angeglichen. Deshalb ist sie ihm in keiner Hinsicht unähnlich und entstellt sein Bild nicht.“ Weil die Seele Jesu also gewissermaßen die kreatürliche Idealgestalt eines Sohnes Gottes ist, vermochte sie das Medium der Logosoffenbarung in der Welt der gefallenen Menschen zu sein. An ihr können die gefallenen Menschen ablesen, was es heißt, Sohn Gottes zu sein. „Wer die höchste Stufe der Vollkommenheit und Glückseligkeit erreichen will“, so sagt Origenes, 1061 In Hier. hom. 9,4,64–68 (SC 232, 392). 1062 Vgl. In Ioh. comm. XX 16,133 f. (SC 290, 222–224); In Num. hom. 20,2,5,202–229 (SC 461,
30–32).
1063 In Ioh. comm. XX 15,120 (SC 290, 218). 1064 Vgl. In Ioh. comm. XX 14,108–115 (SC 290, 212–216). 1065 In Matth. comm. XIII 11 (GCS Orig. 10, 209,28–210,15).
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„der möge nach ihrem Bild und ihrem Gleichnis streben, weil sie an erster Stelle und mehr als alle anderen das Bild des Sohnes Gottes ist.“1066 Origenes kennt also nicht nur eine Nachahmung des ewigen Gottessohnes, die sich in der vita contemplativa echter Wahrheitssuche ebenso ereignet wie in der vita activa unermüdlichen Tugendstrebens,1067 sondern auch eine Nachfolge Jesu, der als vernunftbegabte Kreatur in seiner vorbehaltlosen Entschiedenheit für die ewige Wahrheit Gottes das geschöpfliche Vorbild und Beispiel ist, dem seine vernunftbegabten Mitgeschöpfe nachzueifern berufen sind.1068 Denn im Gottmenschen Jesus Christus hat „die Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur ihren Anfang genommen, damit die menschliche Natur durch enge Verbindung mit dem Göttlicheren selbst göttlich werde, und zwar nicht allein in Je sus, sondern auch in all den Menschen, die mit dem Glauben ein Leben beginnen, das Jesus lehrte, ein Leben, das jeden zur Freundschaft mit Gott und zur Gemeinschaft mit ihm hinaufführt, der nach den Weisungen Jesu wandelt.“1069 Im Gottmenschen Jesus Christus begegnen die gefallenen Menschen der höchsten Möglichkeit, dem Idealbild ihres eigenen Daseins als reine Vernunftwesen, dem zu entsprechen ihre kreatürliche Berufung ist. Alle erlösungsbedürftigen Menschen dazu zu bewegen, sich angesichts des vollkommenen Menschseins Jesu ganz in seine Nachfolge zu begeben, um nach seinem Beispiel den ewigen Gottessohn im eigenen Innern zur Herrschaft gelangen zu lassen, darin erkennt Origenes die universale soteriologische Zielbestimmung der Inkarnation. Die ganze Menschheit, ja überhaupt jedes Vernunftgeschöpf, sogar der Teufel, ist berufen, in die Erlösungswirklichkeit des göttlichen Logos einzutreten, um in der Teilhabe an ihm vergöttlicht zu werden kraft der Gemeinschaft mit Gott, dem Vater. Dass nach Origenes mit der Sohnwerdung der Vernunftgeschöpfe deren Teilhabe am Heiligen Geist einhergeht, ist in der bisherigen Untersuchung schon des Öfteren zur Sprache gekommen. Der Heilige Geist, der der Geist des Vaters und der Geist des Sohnes ist, „kommt zu den besagten Götterbildern der Tugend und zu dem, der dem Bild des Schöpfers entspricht, wie zu Verwandten (πνεύματος ϑεοῦ […] ὡς οἰκείοις ἐπιδημοῦντος)“.1070 Dementsprechend erkennt Origenes in 1066 In Rom. comm. VII 5,103–105 (VL 34, 587). 1067 Vgl. In Ioh. comm. XXXII 32,399 f. (SC 385, 358–360). Zur damit verbundenen Vorstellung
einer Nachahmung des Heiligen Geistes vgl. Beyer Moser, Teacher of Holiness 146–168.
1068 Vgl. Princ. IV 4,4 (TzF 24, 794–798). Zum Gedanken der imitatio Iesu in den Evangeli-
enkommentaren vgl. Bertrand, Mystique de Jésus, in den Jesajahomilien Hengstermann, Theologie der Jesajahomilien 121–123. Im Blick auf die mittelalterliche Jesusmystik stellt Bertrand, Mystique de Jésus 154 fest: „Le Moyen Age cistercien et franciscain chantera de façon incessante Jésus et son humanité. Mais l’accent de ce chant, comme ses thèmes fondamentaux, ne seront pas essentiellement nouveaux. Le premier, Origène avait déjà chanté les noces du Christ et de l’âme.“ 1069 Cels. III 28,46–51 (SC 136, 68). 1070 Cels. VIII 18,8–11 (SC 150, 214).
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Jesus den Inbegriff des Heiligen, der vollkommen in der heiligmachenden Gnade lebt, die der Heilige Geist selbst ist.1071 So führt er in einer Predigt zum Buch Numeri aus, dass der Heilige Geist zwar auf all denen ruht, die sich seiner „aufgrund der Reinheit ihres Herzens, der Lauterkeit ihrer Gesinnung und der Fähigkeit ihres Verstandes“ würdig erwiesen haben wie die siebzig Ältesten, denen Gott Anteil am Heiligen Geist verliehen hat, um sie als Propheten zu bestellen (vgl. Num 11,25).1072 Doch ruhte der Geist „auf keinem von ihnen so wie auf dem Erlöser. Deswegen steht auch über diesen geschrieben: ‚Ausgehen wird ein Zweig von der Wurzel Jesse, und eine Blüte wird aus seiner Wurzel aufsteigen. Und ruhen wird auf ihm der Geist Gottes, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit, und es wird ihn erfüllen der Geist der Gottesfurcht‘ (Jes 11,1–3). Aber vielleicht sagt nun einer:“, so gibt Origenes zu bedenken, „Nicht mehr hast du über Christus aus der Schrift aufgezeigt als über die übrigen Menschen. Wie nämlich von den Übrigen gesagt ist: ‚Es ruhte auf ihnen der Geist‘, so heißt es auch vom Erlöser: ‚Ruhen wird auf ihm der Geist Gottes‘.“1073 Auf diesen Einwand entgegnet Origenes: „Sieh doch, dass von keinem anderen gesagt wird, auf ihm habe der Geist Gottes mit dieser siebenfachen Kraft geruht. Dadurch wird ohne Zweifel von jener Substanz des göttlichen Geistes selbst (ipsa illa diuini Spiritus substantia), die, weil es mit einem einzigen Namen nicht möglich war, mit verschiedenen Benennungen zum Ausdruck gebracht wird, prophezeit, sie ruhe auf dem Zweig, der aus dem Stamm Jesse hervorgeht.“1074 Um zu beweisen, dass in Jesus, „in meinem Herrn und Erlöser, der Heilige Geist auf ganz hervorragende Weise und weit anders geruht hat, als von den Übrigen berichtet wird“, verweist Origenes zudem auf das Zeugnis des Täufers in Joh 1,33, woraus hervorgehe, dass im Unterschied zu allen anderen heiligen Propheten allein in Jesus „der Heilige Geist geblieben ist“.1075 Damit werde aber den Propheten kein Unrecht getan. „Sie selbst wissen, dass ich ihnen damit keinen Abbruch tue, wenn ich ihnen meinen Herrn Jesus Christus vorziehe. Denn Einzelne verehren seine Worte und finden, dass von keinem anderen gesagt 1071 Vgl. In Ioh. comm. XX 36,329–337 (SC 290, 318–322) und In Rom. comm. III 5,106–126
(VL 16, 240 f.): Significat igitur ut ego arbitror in isto propitiatorio, hoc est in anima Iesu, uerbum Dei qui est unigenitus filius et Sanctum eius Spritum semper habitare et hoc est quod indicant duo cherubin propitiatorio superposita. […] Nullam uero inter homines ita beatam et ita excelsam repperies animam nisi hanc solam in qua tantum latitudinis tantum capacitatis inuenit uerbum Dei et Spiritus Sanctus ut non solum habitare sed et alas pandere et nouo sacramenti ritu aliquando etiam uolitare dicatur. Faciem quoque contra se inuicem super hanc beatam animam cherubin utraque habere dicuntur per quod concors ei et conso nus a filio Dei et ab Spiritu Sancto diuinitatis sensus infunditur (vgl. Ex 25,17–22). 1072 In Num. hom. 6,3,1,73–75 (SC 415, 148). 1073 In Num. hom. 6,3,2,80–89 (SC 415, 148–150). 1074 In Num. hom. 6,3,2,89–94 (SC 415, 150). Vgl. In Is. hom. 3,1–3 (OWD 10, 218,10–226,21). 1075 In Num. hom. 6,3,3,95–105 (SC 415, 150). Vgl. In Is. hom. 3,2 (OWD 10, 222,21–29).
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ist: ‚Er hat keine Sünde begangen und in seinem Mund war kein trügerisches Wort‘ (vgl. Jes 53,9; 1 Petr 2,22). Weil nämlich er allein es ist, der keine Sünde getan hat, deshalb blieb und verblieb in ihm allein der Heilige Geist.“1076 Wenn dereinst alle Vernunftgeschöpfe dem Beispiel der Seele Jesu folgend im Heiligen Geist Söhne Gottes geworden sein werden, wird nach Origenes die Stunde des Endheils anbrechen, von der Paulus im Ersten Korintherbrief spricht (vgl. 1 Kor 15,24–28).1077 Vorbehaltlos und endgültig werden sich dann sämtliche vernunftbegabten Kreaturen der Herrschaft des göttlichen Logos unterworfen haben. Auch der Teufel wird dann nicht länger Teufel sein. Denn auch er wird sich in der Einheit aller Söhne Gottes mit dem ewigen Gottessohn befinden, in der es keinerlei Regung mehr geben wird, die dem Willen Gottes widerstreitet. So wird sich nach Origenes in der ἀποκατάστασις πάντων die göttliche Verheißung erfüllen, dass der Vater dem Sohn alle Feinde unter die Füße legt, damit der Sohn, nachdem ihm alles unterworfen ist, sich selbst dem Vater unterwirft, so dass Gott „alles in allem“ ist (vgl. 1 Kor 15,25–28; Ps 109,1).
3.4 Vergöttlichung in der Schau des Vaters Was bedeutet es, dass Gott im Endzustand der ἀποκατάστασις πάντων „alles in allem“ ist? Auf diese Frage antwortet Origenes im dritten Buch seiner Grundlagenschrift. Aus dem entsprechenden Abschnitt haben wir früher schon zitiert. Danach ist Gott dadurch „alles in allem“, dass er „in jedem einzelnen [sc. vernunftbegabten Geschöpf] alles ist.“1078 Im Zustand der eschatologischen Vollendung lässt sich jede vernunftbegabte Kreatur so sehr von der Wirklichkeit Gottes durchdringen, dass „was auch immer sie wahrnehmen und erkennen und denken kann, alles Gott ist“1079 und dass sie „nichts anderes mehr als Gott wahrnimmt, Gott denkt, Gott sieht, sich fest an Gott hält.“1080 „Wenn also das Ende zum Ursprung zurückgekehrt und der Ausgang der Dinge mit dem Anfang zusammengefallen ist und jenen Zustand wiederherstellt, den die vernunftbegabte Kreatur damals hatte, als sie noch nicht vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse zu essen verlangte (vgl. Gen 2,17), so dass, nachdem jede böse Empfindung beseitigt und bis zur völligen Reinheit abgewaschen ist, allein der eine gute Gott 1076 In Num. hom. 6,3,4,107–112 (SC 415, 150–152). Vgl. Schlütz, Gaben des Heiligen Geistes
89.
1077 Zur Rezeption von 1 Kor 15,24–28 vgl. v. a. Princ. I 6,1 f. (TzF 24, 214–216); 6,4 (TzF 24,
230); 7,5 (TzF 24, 244–246); II 3,5 (TzF 24, 314); III 5,6–8 (TzF 24, 636–638); 6,1–9 (TzF 24, 644–666). 1078 Princ. III 6,3 (TzF 24, 648). 1079 Princ. III 6,3 (TzF 24, 648). 1080 Princ. III 6,3 (TzF 24, 648–650).
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für sie alles wird und er nicht in mehr oder weniger vielen, sondern in allen selbst alles ist […], dann wird Gott wahrhaft ‚alles in allem‘ sein.“1081 „Alles in allem“, bestimmende Wirklichkeit also ausnahmslos aller geschaffenen Vernunftwesen wird Gott demnach erst im Zustand der endgültigen Vollendung, der ἀποκατάστασις πάντων, sein. Dann erst werden sämtliche vernunftbegabten Kreaturen in und mit dem Sohn in solcher Weise dem Vater unterworfen sein, dass sie in der Teilhabe an ihm als dem Urgrund der Gottheit selbst vergöttlicht werden. In einer einzelnen vernunftbegabten Kreatur kann Gott gleichwohl auch schon vor der universalen Apokatastasis alles sein.1082 Dies gilt in einmaliger Weise für die Seele Jesu. In ihr ist Gott nämlich immer schon alles, weil im Unterschied zu allen anderen Vernunftgeschöpfen sie allein nicht aus der ursprünglichen Einheit mit dem Vater herausgefallen ist, sondern sich die Gnade ihrer schöpfungsgemäßen Existenz stets vollkommen bewahrt hat. Von allem Anfang an hat sich die Seele Jesu dem ewigen Gottessohn bedingungslos unterworfen. In vollkommenem Gehorsam hat sie sich fortwährend ganz dem Bild Gottes gemäß gestaltet, ist sie stets in solcher Weise in die Wirklichkeit des ewigen Gottessohnes eingetreten, dass sie sich durch ihn und mit ihm und in ihm immer schon in vollkommener Weise dem Vater unterworfen hat. Deshalb sagt Origenes von der Seele Jesu, die „wie das Eisen im Feuer immer im Logos, immer in der Sophia, immer in Gott ist: Alles, was sie tut (agit), was sie wahrnimmt (sen tit), was sie erkennt (intellegit), ist Gott.“1083 Vor diesem Hintergrund erweist sich allerdings die Ansicht von Holger Strutwolf als unzutreffend, dass nach Origenes die einzelnen Vernunftwesen der Herrschaft Christi, von der Paulus in 1 Kor 15,24–28 spricht, „so lange unterworfen sein werden, bis alle Vernunftwesen freiwillig in ihren Einflußbereich eingetreten sind.“1084 Erst dann, so Strutwolf, erfolgt „jene Herrschaftsübergabe von Christus an den Vater, die die vollkommene Erfüllung aller Wesen durch den Vater darstellt.“1085 Strutwolf zufolge vollzieht sich also „die Wiederherstellung der Vernunftwesen in zwei aufeinanderfolgenden Phasen“,1086 in einem „Nacheinander“.1087 Diese Interpretation, die Origenes ein wortwörtliches Verständnis von 1 Kor 15,24–28 unterstellt, ist jedoch nicht vereinbar mit seiner Lehre über die Seele Jesu. Denn diese ist schon vor und unabhängig von der Unterwerfung aller Vernunftgeschöpfe unter die Herrschaft Christi durch und durch von 1081 Princ. III 6,3 (TzF 24, 650). 1082 Darauf insistiert mit Recht Rabinowitz, Personal and Cosmic Salvation 321. 327. 1083 Princ. II 6,6 (TzF 24, 368). 1084 Strutwolf, Gnosis als System 335 (Herv. v. Verf.). 1085 Ebd. 1086 Ebd. 1087 Ebd. Anm. 146. Vgl. auch Tzamalikos, The Concept of Time 401–420 und Tite, The
Holy Spirit’s Role 162 f.
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der Wirklichkeit des Vaters durchdrungen. Es geht folglich nicht an, die gnadenhafte Teilhabe am Vater bei Origenes in der Weise von der gnadenhaften Teilhabe am Sohn zu trennen, wie Strutwolf dies tut.1088 Im Abschnitt über die Heiligung haben wir bereits herausgearbeitet, dass die Vollendung eines Vernunftgeschöpfs für Origenes in der simultanen Teilhabe an allen drei Hypostasen besteht.1089 Der Vater ist also für ein Vernunftwesen immer dann alles, wenn dieses in vollkommener Weise am Sohn und am Heiligen Geist teilhat.1090 Für Origenes’ Verständnis von 1 Kor 15,24–28 gilt es daher Folgendes festzuhalten: Wenn eine vernunftbegabte Kreatur in der Gnade ihres logosgemäßen Freiheitsvollzugs Sohn Gottes geworden ist, d. h. wenn sie vollkommen in und aus der Wirklichkeit des ewigen Gottessohnes lebt, unterwirft sie sich mit und in diesem immer zugleich dem Vater, so dass der Vater für sie alles ist. Denn als Sohn Gottes nimmt sie teil am Lebensvollzug des eingeborenen Gottessohnes, der seinerseits nach Origenes dem Vater immer schon unterworfen ist.1091 Selbstredend bedeutet die Vergöttlichung einzelner vernunftbegabter Kreaturen nun aber keineswegs schon die Apokatastasis aller. Völlig zu Recht stellt daher Eberhard Schockenhoff in einer paradoxen Formulierung fest, dass nach Origenes „auch die Vollendung derer, die schon jetzt bei Gott sind, ja daß die Vollendung des 1088 Gegen die These von einem Ende der Herrschaft Christi stellt Strutwolf, Gnosis als
System 335 allerdings korrekt fest: „Nun bedeutet diese Herrschaftsübergabe von Christus an den Vater nicht, daß die Herrschaft Christi ein Ende haben wird, denn die Herrschaft des Vaters über die Vernunftwesen geschieht ‚durch Christus‘, d. h. die Unterwerfung der Vernunftwesen unter den Vater geschieht so, daß Christus, der über sie herrscht, sich dem Vater unterwirft.“ Vgl. auch In Ioh. comm. XIII 8,48 (SC 222, 58), dazu Schendel, Herrschaft und Unterwerfung Christi 96 f. 1089 Vgl. auch Crouzel, Royaume 377. 1090 Für seine These vom „Nacheinander“ der Herrschaft Christi und der Herrschaft des Vaters beruft sich Strutwolf, Gnosis als System 335 Anm. 146 auf Princ. I 7,5 (TzF 24, 244–246) und II 3,7 (TzF 24, 324). An der ersten Stelle wird das Unterworfensein unter die Herrschaft Christi tatsächlich mit dem Adverb prius vom Beherrschtwerden seitens des Vaters unterschieden: tunc etiam ista animantia cum prius regni Christi fuerint effecta, simul cum omni regno etiam patri regnanda tradentur […]. An der zweiten Stelle ist eine solche Unterscheidung aber nicht ersichtlich. Dort heißt es vielmehr: posteaquam Christo fuerint subiecta omnia et per Christum deo patri, cum erit omnia et in omnibus deus […]. Diese Formulierung kann ohne weiteres im Sinne einer simultanen Teilhabe am Sohn und am Vater verstanden werden. Das prius verliert an Gewicht, wenn man bedenkt, dass Origenes den simultanen Teilhabezusammenhang an allen drei Hypostasen oft als sukzessives Nacheinander beschreibt. 1091 Dass nach Origenes der eingeborene Gottessohn dem Vater immer schon unterworfen ist, geht hervor aus Princ. III 5,7 (TzF 24, 638). Im Blick auf diese Stelle ist auch Strutwolf, Gnosis als System 348 der Ansicht, dass der Sohn „schon immer in vollkommener Willenseinheit mit dem Vater verbunden und ihm so immer schon heilvoll unterworfen ist […].“ Wie aber ist diese Aussage mit seiner These vom „Nacheinander“ der Herrschaft Christi und der Herrschaft des Vaters zu vereinbaren?
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Sohnes selbst, solange ‚unvollendet‘ bleibt, als nicht alle vollendet sind.“1092 Diesen Gedanken der unvollendeten Vollendung führt Origenes in einfühlsamer Paränese in seiner berühmten siebten Levitikushomilie aus.1093 Hier entfaltet er auch das Motiv des wartenden Christus: „Er wartet, dass wir uns bekehren, dass wir seinem Beispiel folgen, dass wir in seine Fußstapfen treten und er sich mit uns freut und mit uns den Wein trinkt im Reich seines Vaters (vgl. Mt 26,29par). […] Wir also sind es“, so ruft Origenes seinen Mitchristen mahnend zu, „die seine Freude aufschieben, weil wir unser [sc. eigentliches] Leben vernachlässigen.“1094 Denn solange sich die Vernunftgeschöpfe nicht allesamt vom Sohn beherrschen lassen, ist der Teufel, der Antichrist, noch nicht bezwungen, „der nach der Herrschaft verlangt, um diejenigen, die er sich unterworfen hat, zu töten, während Christus herrscht, um zu retten.“1095 Erst dann wird Christus, der ewige Gottessohn, zu seiner Freude über alle Vernunftwesen herrschen, wenn sich ihm auch der Teufel unterworfen hat, so dass „die Unterwerfung Christi unter den Vater die Glückseligkeit unserer Vollendung (beatitudinem nostrae perfectionis) offenbar macht und den Sieg des von ihm unternommenen Werks verkündet.“1096 Wenn somit in und mit dem ewigen Gottessohn sämtliche Vernunftgeschöpfe zu ihrem Heil dem Vater unterworfen sein werden, wird die göttliche Heilspädagogik an ihr Ziel gelangen. Alle Vernunftgeschöpfe sind dann im Heiligen Geist vollkommen Söhne Gottes, um als solche nach dem ewigen Vorbild dessen, der von Ewigkeit her der Gottessohn schlechthin ist, in die ursprüngliche Heilsgemeinschaft mit dem Vater zurückzukehren. Dann wird das Reich Gottes in vollendeter Gestalt zum Durchbruch gelangen und die einzig bestimmende Wirklichkeit in jeder vernunftbegabten Kreatur sein, in der das Reich Gottes, wie Origenes im Blick auf Lk 17,21 erklärt, in Gestalt des ewigen Logos immer schon keimhaft zugegen ist.1097 „Jeder Heilige steht dann unter der Herrschaft Gottes […]. Zugegen ist bei 1092 Schockenhoff, Freiheit 274 (Herv. v. Verf.). 1093 Vgl. dazu ebd. 274 f.; Crouzel, Royaume 373 f. 1094 In Lev. hom. 7,2,41–56 (SC 286, 310–312). 1095 In Luc. hom. 30,1 (SC 87, 370): Tam Filio Dei quam Antichristo regnandi studium est. Sed
Antichristus regnare desiderat, ut occidat, quos sibi subiecerat; Christus ad hoc regnat, ut salvet. Et unusquisque nostrum, si fidelis est, regnatur a Christo Sermone, Sapientia, Iusti tia, Veritate. […] Duo igitur reges certatim regnare festinant: peccati rex peccatoribus diabo lus, iustitiae rex iustis Christus. 1096 Princ. III 5,7 (TzF 24, 638). 1097 Vgl. die Auslegung der zweiten Vaterunserbitte in Orat. 25,1 (GCS Orig. 2, 356,26–357,3): „Wenn […] ‚das Reich Gottes mitten unter uns ist‘ (vgl. Lk 17,21) – denn ‚das Wort ist ganz nahe in unserem Mund und in unserem Herzen‘ (vgl. Dtn 30,14; Röm 10,8–10) –, so bittet offensichtlich, wer um das Kommen des Reiches Gottes bittet, vernünftigerweise darum, dass das in ihm [sc. anfanghaft] gegenwärtige Reich Gottes aufsprieße, Frucht bringe und zur vollkomenen Reife gelange.“ Vgl. dazu von Stritzky, Überlieferung und Interpretation des Vaterunsers 146–149. Zum Sohn als αὐτοβασιλεία s. Anm. 1049.
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ihm der Vater und mit dem Vater herrscht Christus in der vollkommenen Seele […] (vgl. Joh 14,23).“1098 „Dann nämlich“, so sagt Origenes, „wird die einzige Tätigkeit derer, die zu Gott durch den bei ihm seienden Logos (vgl. Joh 1,1) gelangt sind, darin bestehen, Gott zu erkennen (κατανοεῖν τὸν ϑεόν), damit diejenigen, die so in der Erkenntnis des Vaters gestaltet worden sind (ἐν τῇ γνώσει τοῦ πατρὸς μορϕωϑέντες), wie jetzt allein der Sohn den Vater erkannt hat (ἔγνωκε; vgl. Mt 11,27), alle in vollkommener Weise Sohn (πάντες ἀκριβῶς υἱός1099) werden.“1100 In der vollkommenen Gemeinschaft mit dem ewigen Logos nehmen die Vernunftgeschöpfe als Söhne Gottes teil an der Schau, in der dieser selbst von Ewigkeit zu Ewigkeit dem Vater gegenüber verharrt. Es macht das Wesen aller wahren Gottessöhne aus, dass sie den Vater so erkennen, wie der eingeborene Sohn ihn von Ewigkeit zu Ewigkeit erkennt. In der Erlösungswirklichkeit ihrer Sohnschaft, so sagt Origenes, wird die vernunftbegabte Kreatur „gleich dem Sohn (ὁμοίως τῷ υἱῷ) Augenzeuge des Vaters und seiner Wirklichkeit (αὐτόπτης τοῦ πατρὸς καὶ τῶν τοῦ πατρός).“1101 Dann nämlich „erhält sie nicht länger vom Bild her Einsicht in die Wirklichkeit dessen, von dem das Bild ist. Und ich denke“, so fährt Origenes fort, „dass dies das Ende sein wird, wenn der Sohn seinem Gott und Vater die Herrschaft übergeben und Gott alles in allem sein wird (vgl. 1 Kor 15,24.28).“1102 Zwar könnte man geneigt sein, aus dem letzten Zitat den Schluss zu ziehen, dass der eingeborene Sohn für Origenes lediglich ein ontologisch inferiores Abbild seines Vaters und seine Erkenntnis nur die zu überwindende Vorstufe zur eschatologischen Gottesschau darstellt.1103 Doch muss man vor dem Hintergrund 1098 Orat. 25,1 (GCS Orig. 2, 357,3–8). Vgl. auch Orat. 25,2 (GCS Orig. 2, 358,17–21): „Die dem
in uns gegenwärtigen Reich Gottes eigentümliche Vollendung (ἀκρότης) wird sich in denjenigen, die ohne Unterlass vorwärtsschreiten, einstellen, wann immer das Apostelwort sich erfüllt, dass Christus, nachdem ihm alle Feinde unterworfen sind, ‚das Reich Gott, dem Vater, übergeben‘ wird, damit ‚Gott alles in allem‘ ist (vgl. 1 Kor 15,24–28).“ Vgl. auch Princ. I 6,1 (TzF 24, 216). 1099 Mit Blanc (SC 120, 108) kann man das angeblich verderbte ἀκριβῶς υἱός ohne weiteres stehen lassen, „da es einen guten Sinn ergibt“ (so Schockenhoff, Freiheit 274 Anm. 458): Alle Vernunftwesen werden im strengen Sinn ein einziger Sohn, weil sie in der Erkenntnis des Vaters ganz im Sohn geeint sind. Abzulehnen ist der Vorschlag von Preuschen (GCS Orig. 4, 20), wonach lediglich ἀκριβεῖς zu lesen und das inhaltlich entscheidende υἱός zu streichen ist. 1100 In Ioh. comm. I 16,92 (SC 120, 108). 1101 In Ioh. comm. XX 7,47 (SC 290, 180). 1102 In Ioh. comm. XX 7,47 f. (SC 290, 180). 1103 So Harl, La fonction révélatrice du verbe incarné 339: „Connaître le Père par l’intermédiaire du Fils est une étape préparatoire, provisoire; […] la vraie connaissance du Père sera directe, sans l’office du Fils, une connaissance de témoin, face à face, sans intermédiaire.“ Harl weiß sich hier in Übereinstimmung mit Völker, Vollkommenheitsideal 117–144 (vgl. Harl, La fonction révélatrice du verbe incarné 185). Andererseits vertritt
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unserer bisherigen Ausführungen zur rechten Einordnung der vorliegenden Textpassage wohl Folgendes in Rechnung stellen: Es ist die grundlegende Überzeugung des Origenes, dass allein der Vater absoluter Urgrund und letztes Ziel aller Wirklichkeit ist. Darum ist die eschatologische Gottesschau im strengen Sinn Erkenntnis des Vaters. Der Sohn dagegen ist das Medium dieser Schau, und er bleibt dies auch dann noch, wenn die Vernunftwesen den Vater so schauen, wie er selbst ihn schaut.1104 Denn die Vernunftwesen erkennen den Vater niemals außerhalb des ewigen Gottessohnes, sondern immer nur insoweit, als sie in dessen Wirklichkeit hineingenommen sind. Sind sie in vollkommener Weise Söhne Gottes geworden, schauen sie den Vater mit den „Augen des Logos“.1105 Erst wenn die Vernunftwesen in vollkommener Weise am Sohn Gottes teilhaben, wird ihnen die Erkenntnis des Vaters vollkommen vermittelt. Erst dann nämlich sind sie aufgrund der Teilhabe an ihm im Heiligen Geist selbst zu Bildern Gottes geworden (vgl. 2 Kor 3,18),1106 verkörpern sie, wie wir gesehen haben, gleich dem eingeborenen Sohn in sich die Erkenntnis des Vaters.1107 Wer also in vollkommener Weise den Sohn als das Bild des Vaters, als die ewige Wahrheit und Weisheit erkennt, dem wird eben darin die Erkenntnis des Vaters selbst zuteil. In dieser Erkenntnis besteht das ewige Leben (vgl. Joh 17,3), das der eingeborene Gottessohn selbst als die hypostasierte Erkenntnis seines Vaters ist (vgl. Joh 11,25; 14,6) und an dem all jene Anteil erhalten werden, die wie er zu wahren Söhnen Gottes geworden sind1108 und deshalb den Vater „mit reinem Herzen“ (vgl. Mt 5,8) schauen.1109 Auf diese Weise wird ein jedes Vernunftgeschöpf in der eschatologischen Gottesschau zum wahren „Israel“, d. h. zu dem, der, wie Origenes die Namensetymologie versteht, „Gott zu schauen vermag“.1110 sie aber die Ansicht: „[…] le subordinatianisme d’Origène est un subordinatianisme de hiérarchie, qui ne suppose pas une différence de nature“ (ebd. 354). 1104 Vgl. z. B. Cels. VI 17,31–44 (SC 147, 222); In Ioh. comm. I 27,189 (SC 120, 154). Vgl. auch Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 254; Strutwolf, Gnosis als System 351. 1105 In Ioh. comm. II 7,57 (SC 120, 240). Vgl. Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 82. 1106 Vgl. In Gen. hom. 13,4,19–77 (SC 7, 326–330). 1107 Vgl. Cels. VII 38,1–6 (SC 150, 100); VIII 18,1–4 (SC 150, 212), dazu Letellier, Logos 606. 1108 Vgl. auch in etwas anderem Kontext In Hier. hom. 9,3,20–27 (SC 232, 386). 1109 Das „reine Herz“ ist Metapher für die Teilhabe am Sohn als dem Inbegriff der Tugenden (vgl. In Ioh. comm. XIX 3,17 [SC 290, 56]; 22,146 [SC 290, 134]; Cels. VI 69,14 f. [SC 147, 352]). Vgl. auch Schockenhoff, Freiheit 287. 1110 In Lev. hom. 14,3,90–93 (SC 287, 240): Iste vero, qui ex integro Istrahelita erat, hoc est qui mente Deum videbat, iste homo appellatur, ille homo interior, qui ad imaginem Dei factus est, et potest videre Deum. Vgl. auch In Gen. hom. 15,3,15 f. (SC 7, 356); 4,52–54 (SC 7, 362); In Ios. hom. 9,4 (SC 71, 252); In Num. hom. 16,7,11,479 f. (SC 442, 256). – Die von Origenes hier aufgegriffene Namensetymologie ( )איש ראה אלkennt schon Philon von Alexandrien, Abr. 57; Ebr. 82 u. ö. (vgl. van den Hoek, Philo and Origen 72). Sie begegnet auch bei (Ps-)Hippolyt, C. Noet. 5,4 (FC 34, 274): Ἰσραὴλ δὲ τίς ἐστιν ἀλλ᾽ ἢ ἄνϑπρωπος ὁρῶν τὸν Θεόν; und Novatian, De trin. 19,114 (Test. 2, 136): Israel est homo videns deum.
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„Würde nämlich jemand sorgfältig prüfen, wann diejenigen den Vater erkennen werden (γνώσονται), denen es der den Vater erkennende Sohn offenbart (ἐγνωκώς; vgl. Mt 11,27), und sehen, dass der Sehende jetzt ‚mittels eines Spiegels und in rätselhafter Gestalt‘ (1 Kor 13,12) sieht (βλέπειν) und noch nicht so erkennt (ἐγνωκότα), ‚wie man erkennen (γνῶναι) soll‘ (1 Kor 8,2), würde er nicht fehlgehen, wenn er sagt, dass niemand den Vater erkannt hat (ἐγνωκέναι), sei er Apostel oder Prophet, sondern erst, wenn sie eins geworden sind, wie der Vater und der Sohn eins sind (vgl. Joh 17,12; 14,10).“1111 Weil die Söhne Gottes in der Apokatastasis an der ganzen Fülle dessen teilhaben, was die ewige Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes ausmacht, werden auch sie nach seinem ewigen Vorbild (vgl. Joh 10,30) mit dem Vater eins sein. Denn ihre Einheit mit dem Vater ist nur die Kehrseite ihrer Gotteserkenntnis: Dadurch erkennen alle wahren Söhne den Vater, dass sie mit ihm eins sind, und dadurch sind sie mit ihm eins, dass sie ihn erkennen.1112 Diesen wechselseitigen Zusammenhang von Erkennen und Einssein begründet Origenes mit der Heiligen Schrift. Ihr entnimmt er, „dass diejenigen, die mit irgendetwas verbunden und eins geworden sind, dasjenige erkennen, mit dem sie verbunden und vereinigt sind.“1113 Wie Adam Eva erkannte, als er ihr anhing und mit ihr ein Fleisch wurde (vgl. Gen 4,1 mit 2,24), so erkennen auch die wahren Söhne den Vater erst, wenn sie mit ihm eins sind.1114 Und wie derjenige, der die Sünde erkennt, ein Sünder, und derjenige, der die Gerechtigkeit erkennt, gerecht ist,1115 so wird derjenige, der Gott, den Vater, erkennt, vergöttlicht, ja selbst Gott.1116 „Wenn wir das Erkennen […] anders deuten als verbunden und eins geworden sein (ἀνακεκρᾶσϑαι καὶ ἡνῶσϑαι), dann soll einer die Schriftstellen erklären: ‚Da ihr jetzt Gott erkannt habt, vielmehr von Gott erkannt worden seid‘ (Gal 4,9) und: ‚Der Herr kennt die Seinen‘ (2 Tim 2,19; vgl. Num 16,5). Unserer Ansicht nach“, fährt Origenes fort, „erkennt der Herr die Seinen, weil er mit ihnen verbunden ist und ihnen Anteil gibt an seiner Gottheit und sie aufnimmt, wie das Wort des Evangliums sagt, in seine Hand, wobei in der Hand des Vaters die sind, die an den Erlöser geglaubt haben (vgl. Joh 10,28 f.; Ps 31,6; Jes 41,10; 49,16; Lk 23,46).“1117 Indem sie als Söhne Gottes in die lebendig vollzogene Einheit eintreten, die von Ewigkeit zu Ewigkeit zwischen dem eingeborenen Gottessohn und seinem Vater obwaltet, gelangen die Vernunftgeschöpfe zu ihrer Vollendung. Vermittelt 1111 In Ioh. comm. I 16,93 (SC 120, 108). 1112 Für den inneren Zusammenhang von Erkennen und Einssein vgl. Crouzel, Origène et
la „connaissance mystique“ 518–523; George, Vergöttlichung des Menschen 138 f.
1113 In Ioh. comm. XIX 4,22 (SC 290, 58). 1114 In Ioh. comm. XIX 4,23 (SC 290, 58). 1115 In Hier. hom. 10,1,34 f. (SC 232, 398). 1116 Vgl. In Ioh. comm. XXXII 27,338 f. (SC 385, 332–334). 1117 In Ioh. comm. XIX 4,24 f. (SC 290, 60).
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durch den Sohn haben sie im Heiligen Geist Gemeinschaft mit dem Urgrund der Gottheit. Darin vollzieht sich ihre Vergöttlichung, die ὁμοίωσις ϑεῷ, auf die sie in ihrer Logosbegabung von Anfang an angelegt sind. Wie der eingeborene Gottessohn kraft seiner ewigen, unwandelbaren Teilhabe an der Gottheit des Vaters von Ewigkeit zu Ewigkeit ϑεός ist, so sind auch die Vernunftgeschöpfe im Zustand ihrer Vollendung ϑεοί, weil sie durch den Sohn, mit ihm und in ihm als Söhne Anteil erhalten an der Gottheit des Vaters.1118 Wenn Origenes die eschatologische Vollendung der Vernunftgeschöpfe als ὁμοίωσις ϑεῷ beschreibt, greift er dabei, wie wir schon festgestellt haben, auf den Wortlaut von Gen 1,26 zurück. Er betrachtet die ὁμοίωσις ϑεῷ als das Ziel, auf das hin die vernunftbegabten Kreaturen geschaffen sind, wobei er die innere Dynamik, mit der sie auf dieses Ziel immer schon gnadenhaft hingeordnet sind, in ihrem Geschaffensein κατ᾽ εἰκόνα ϑεοῦ begründet sieht (vgl. Gen 1,27). Der Weg in die ὁμοίωσις ϑεῷ, die Sohnwerdung, stellt sich nach Origenes für die Vernunftgeschöpfe als konsequentes Erkenntnis- und Tugendstreben dar, weil der eingeborene Gottessohn, das innere Maß der Sohnwerdungsdynamik, nach biblischem Zeugnis der Inbegriff aller Weisheit und aller Tugenden ist. Obwohl Origenes diese Überlegungen stets im Blick auf die Heilige Schrift entfaltet, reiht er sich damit zugleich in die große Tradition der griechisch-hellenistischen Philosophie ein, in der, wie Hubert Merki bemerkt, „immer wieder die ὁμοίωσις ϑεῷ mit der Tugend verbunden“ wird.1119 So lässt Platon in seinem Dialog Theaitetos Sokrates erklären, die ὁμοίωσις ϑεῷ κατὰ τὸ δυνατόν bestehe darin, „dass man gerecht und fromm sei mit Einsicht. […] Gott“, so bemerkt Sokrates weiter, „ist niemals und auf keine Weise ungerecht, sondern im höchsten Maße vollkommen gerecht, und nichts ist ihm ähnlicher, als wer unter uns ebenfalls der Gerechteste ist.“1120 In der Politeia empfiehlt Platon die Philosophie, die Liebe zur Weisheit, als Mittel zur ὁμοίωσις ϑεῷ.1121 Dieser Gedanke lebt bei Origenes in christlicher Gestalt fort, insofern für ihn die Liebe zum eingeborenen Gottessohn als der ewigen Weisheit des Vaters das Medium der ὁμοίωσις ϑεῷ darstellt. Auch in der Ethik vor allem der mittleren und späten Stoa nimmt das ὁμοίωσιςϑεῷ-Motiv einen breiten Raum ein. Dabei ist in unserem Zusammenhang von besonderem Interesse, dass nach stoischer Anschauung der Begriff der Tugend aufs engste mit dem Begriff des Logos verknüpft ist. Kraft seiner Teilhabe am 1118 Vgl. In Hier. hom. 15,6,22–24 (SC 238, 126): „Ich bin seinetwegen (δι᾽ αὐτὸν) nicht länger
Mensch, wenn ich mich nach seinen Worten richte, sagt er doch: ‚Ich habe gesprochen: Ihr alle seid Götter und Söhne des Höchsten‘ (Ps 81,6).“ 1119 Merki, ὉΜΟΙΩΣΙΣ ΘΕΩ 37 (Herv. i. Orig.). Zum Folgenden vgl. ebd. 1–25, wo das einschlägige Quellenmaterial besprochen wird. 1120 Platon, Theait. 176 b 1 – c 3. Vgl. auch Platon, Polit. X 613 a 7 – b 1; Nom. IV 716 a 2 – d 4; Gorg. 507 d 6 – e 6, dazu George, Vergöttlichung des Menschen 124–128. 1121 Platon, Polit. VI 500 c 9 – d 1.
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universalen Logos, der nach der stoischen Physik den Kosmos als immanentes Prinzip durchwaltet, ist der Mensch berufen und befähigt, tugendhaft zu leben. So ist auch nach stoischer Auffassung der Philosoph derjenige, der in besonderer Weise Gott ähnlich ist. Die strukturelle Nähe, die die origeneische Konzeption der ὁμοίωσις ϑεῷ zur Stoa erkennen lässt, ist nicht zu übersehen, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass der Alexandriner die materialistischen Implikationen des stoischen Logosbegriffs strikt ablehnt. Im Anschluss an das Traditionsgut des Platonismus1122 gilt die Tugend auch im Neuplatonismus, wie ihn Origenes’ Zeitgenosse Plotin gelehrt hat, als der Weg zur ὁμοίωσις ϑεῷ, die hier aber als überindividuelle, vollkommen differenz- und relationslose Einung mit dem höchsten Gott als dem schlechthin einfachen Prinzip aller Wirklichkeit verstanden ist. Diese vergöttlichende Einung, die die Sphäre des Seins radikal transzendiert, ist der Seele nach Plotin deshalb möglich, weil das absolute Eine, der überseiende Quell allen Seins, in ihrem Grund abwesend anwest, so dass die Seele in dem Maß in ihm gleichsam aufzugehen vermag, wie sie sich in einem Akt der Ekstase restlos auf ihren Grund reduziert.1123 Auch Origenes kennt die Vorstellung, dass die vernunftbegabte Kreatur ihre seelische Verfassung überwinden muss, die er als Folge ihres Sündenfalls betrachtet, um in ihrem Wesenskern als reines Vernunftwesen den Logos zu gewärtigen, an dem sie immer schon wesenhaft teilhat und durch dessen Vermittlung sie in der Einheit mit dem Vater vergöttlicht wird. Allerdings erfolgt nach Origenes in der Einheit mit dem Vater keineswegs die Auslöschung der kreatürlichen Individualität,1124 wie sich paradigmatisch an der Seele Jesu ablesen lässt, die er als Vorbild der Vernunftgeschöpfe und damit als herausragendes Glied innerhalb der Apokatastasis der erlösten Kreaturen ansieht. Ebenso wenig versteht Origenes die eschatologische Einheit mit Gott als ein Phänomen jenseits des Seins. Im Gegenteil, ihm zufolge wird den Vernunftwesen in der einheitsstiftenden Teilhabe am Vater erst eigentlich das wahre Sein zuteil, weil der Vater nach Ex 3,14 der Seiende schlechthin ist. Erst wenn die vernunftbegabten Geschöpfe in vollkommener Gestalt an dem teilhaben, der der personale Inbegriff des Seins ist, kann nach Origenes über sie im wahren Sinn gesagt werden, dass sie sind: „Wenn einer sich mit dem Wesen Gottes verbunden hat, wird er ein Geist mit ihm. Dann wird man auch von ihm sagen, dass er durch den ist, der
1122 Zum Platonismus der beiden Alexandriner Philon und Clemens vgl. Merki, ὉΜΟΙΩΣΙΣ
ΘΕΩ 35–60.
1123 Vgl. Halfwassen, Plotin und der Neuplatonismus 49–58. 1124 Vgl. Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 254 f.; Nemeshegyi, Paternité de Dieu 211;
Crouzel Origène et la „connaissance mystique“ 521. Die Behauptung von Köckert, Gott, Welt, Zeit und Ewigkeit 296, Origenes kenne „eine Theosis der rationalen Geschöpfe […], bei der in der Körperlosigkeit und Zeitlosigkeit Gottes der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf aufgehoben wird“, ist also unhaltbar (Herv. v. Verf.).
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immer ist.“1125 Denn erst in der Einheit mit dem Vater entsprechen die Vernunftgeschöpfe voll und ganz ihrer schöpfungsgemäßen Bestimmung, sind sie so, wie sie eigentlich immer schon sein sollen. Ihnen wird das Sein, die Güte und die Gottheit dessen zuteil, der ὁ ὤν, ὁ αὐταγαϑός und ὁ ϑεός ist. Das wahre Sein, zu dem die vernunftbegabten Kreaturen von allem Anfang an berufen sind, ist also göttliches Sein. Dieses göttliche Sein wird ihnen in der Gnade des Heiligen Geistes zuteil. „Alle nun, die an ‚dem Seienden‘ (vgl. Ex 3,14) teilhaben – es haben aber teil die Heiligen –, heißen wohl mit gutem Grund ‚Seiende‘.“1126 Wenn Jesus in den synoptischen Evangelien erklärt: „Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebenden“ (Mk 12,27par), so ist das gleichbedeutend mit: „Er ist nicht ein Gott der Sünder, sondern der Heiligen“.1127 Allein von den Heiligen nämlich gilt im eigentlichen Sinn, dass sie leben, weil sie tot sind für die Sünde (vgl. Röm 6,2). Denn im Heiligen Geist haben die geheiligten Geschöpfe teil am Sohn, der das wahre Leben ist (vgl. Joh 11,25; 14,6), weil er Gemeinschaft stiftet mit dem Vater, dem Quellgrund allen wahren Lebens (vgl. Ps 35,10; Jer 2,13). So kann Origenes im Anschluss an Paulus den Sohn auch als αὐτοαγιασμός und αὐτοαπολύτρωσις, als Inbegriff der Heiligung und der Erlösung, apostrophieren (vgl. 1 Kor 1,30),1128 ohne mit dieser Ausdrucksweise die Heilsbedeutsamkeit des Heiligen Geistes zu relativieren.1129 Denn wie die Ausführungen im vorliegenden Kapitel gezeigt haben, entspricht es seiner soteriologischen Grundüberzeugung, dass das Heil der vernunftbegabten Kreatur stets trinitarisch vermittelt ist. Es bedeutet „letztlich 1125 In Rom. comm. IV 5,173 f. (VL 33, 308). 1126 In Ioh. comm. II 13,98 (SC 120, 270). Vgl. auch In Eph. frg. 2,3–7 (JThS 3, 235), wo die
Teilhabe der Heiligen am Vater als dem Inbegriff des Seins als Neuschöpfung begriffen wird: „Überlege nun, ob nicht ebenso, wie der im Buch Exodus seinen Namen nennt, der sich Mose mit ‚der Seiende‘ (τὸ ὁ ὤν) offenbart (vgl. Ex 3,14), auch diejenigen, die an ‚dem Seienden‘ teilhaben, zu Seienden werden, indem sie gewissermaßen aus dem Nicht-Sein ins Sein gerufen werden (vgl. Röm 4,17). ‚Das Nicht-Seiende nämlich hat Gott erwählt‘, so sagt Paulus an anderer Stelle, ‚um das Seiende zu vernichten‘ (1 Kor 1,28).“ 1127 In Ioh. comm. II 17,117 (SC 120, 284). 1128 Vgl. In Ioh. comm. I 9,59 (SC 120, 90); 34,247–251 (SC 120, 182–184); In Hier. hom. 8,2,9 (SC 232, 358); In Num. hom. 11,8,2,596 f. (SC 442, 60). 1129 Wenn Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 108 sagt: „Die entscheidende Gestalt im soteriologischen Prozeß ist Christus“ und er daraus folgert: „Der Ansatz von Origenes’ System ist nicht trinitarisch, sondern binitarisch“ (ebd. 140), wird er der Gesamtgestalt des origeneischen Heilstrinitarismus nicht gerecht. Vgl. dagegen Beyer Moser, Teacher of Holiness 87 und Markschies, Der Heilige Geist 120. 125 f. Garijo, Pneumatología Origeniana 212–216 steht mindestens in der Gefahr, das Heilswirken des Heiligen Geistes und das Heilswirken des Sohnes so stark voneinander zu trennen, dass deren simultaner Charakter aus dem Blick gerät. wenn er sagt: „Mientras que en unos textos indica claramente que la perfeción se debe al Espíritu Santo, conexiona otras veces la perfeción con la acción de Cristo“ (Garijo, Pneumatología Origeniana 216).
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Eins-Werden mit der göttlichen Dreifaltigkeit“, wie Eckhard Schendel zutreffend konstatiert.1130 In der simultanen Teilhabe am Heiligen Geist, am Sohn und am Vater sind die erlösten Kreaturen hineingenommen in die Wirklichkeit des wahren Gottes selbst und dadurch, wie es in 2 Petr 1,4 verheißen ist, „der göttlichen Natur teilhaftig“. So können wir abschließend festhalten: In den trinitätstheologischen Implikationen seiner Soteriologie kommt Origenes’ Überzeugung zum Ausdruck, dass es die Kreatur in der Wirklichkeit des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Wirklichkeit Gottes selbst zu tun bekommt, deren grundloser Urgrund der Vater ist. Der Sohn und der Heilige Geist sind für Origenes keine mindergöttlichen Mittlerinstanzen, die als solche niemals wirkliche Gemeinschaft mit dem Vater zu stiften vermöchten. Vielmehr sind sie Medien der wahrhaft göttlichen Wirklichkeit, in denen sich der Vater seinen Geschöpfen gegenüber erschließt. In seiner antimodalistischen Frontstellung ist es Origenes stets darum zu tun, die drei Hypostasen voneinander zu unterscheiden und gegeneinander abzugrenzen. Aus diesem Grund begreift er die visio beatifica denn auch nicht als Schau des dreieinigen Gottes, sondern als Schau des Vaters. Denn dieser allein ist der Urgrund der Gottheit, so dass die erlöste Kreatur erst dort zu ihrem Heil gelangt, wo sie den Vater schaut und in dieser Schau mit ihm geeint ist.1131 Mit dieser Sicht greift Origenes die Perspektive auf, die ihm vonseiten des Neuen Testaments vorgegeben ist, in dem die Vollendung der Kreatur immer wieder als Schau und Erkenntnis des Vaters, der ὁ ϑεός ist, beschrieben wird (vgl. Mt 5,6; Joh 17,3; 1 Joh 3,2; Offb 22,4). Indem er die Erkenntnis des Vaters als Kehrseite der Einheit mit dem Urgrund der Gottheit begreift, relativiert Origenes in seiner Soteriologie zugleich das Theorem der radikalen Transzendenz des Vaters, das er allerdings, wie wir gesehen haben, dort zur Geltung bringen kann, wo er die erste Hypostase aus dem Blickwinkel platonischer Prinzipientheorie betrachtet. Als Schau des Vaters ist die eschatologische Gottesschau nach Origenes aber stets nur durch die Teilhabe am Heiligen Geist und am Sohn möglich, wodurch die Kreatur in das innertrinitarische Leben Gottes hineingenommen ist: Im Heiligen Geist, dem Geist Gottes, tritt sie in die Heilsbeziehung zum ewigen Sohn des Vaters, durch den und mit dem und in dem sie vom Vater gezeugt wird, sie den Vater erkennt und mit dem Vater eins ist. In seiner Soteriologie entfaltet Origenes mithin die Vorstellung eines trinitarischen Gottes, der als solcher von allem Anfang an das Heil der vernunftbegabten Kreatur sein will.1132 Wenn der Alexandri1130 Schendel, Herrschaft und Unterwerfung Christi 100. 1131 Vgl. In Ioh. comm. XIX 6,33–35 (SC 290, 66–68). 1132 Weil Origenes die Apokatastasis als Wiederherstellung des ursprünglichen Heilszustands
auffasst, gilt schon von der Schöpfung, dass sie im Heiligen Geist erfolgt ist, der die vernunftbegabten Kreaturen von allem Anfang an begnadigt. Zwar entfaltet Origenes diese
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ner aufgrund seiner antimodalistischen Leitperspektive die Einheit der Trinität auch noch nicht begrifflich zu fassen vermag, so setzt er in der heilsökonomischen Perspektive der Sache nach gleichwohl voraus, dass diese Einheit in der einen und einzigen wahrhaft göttlichen Seinswirklichkeit besteht, die allen drei Hypostasen eigen ist. Diese göttliche Seinswirklichkeit wird in der Apokatastasis auch der vollendeten Kreatur im Heiligen Geistes durch den Sohn vom Vater her mitgeteilt, so dass diese ganz von Gott durchdrungen ist. Die Differenz, die zwischen den erlösten Kreaturen und der göttlichen Trinität im Vollendungszustand der Apokatastasis obwaltet, ist Origenes zufolge also nicht darin zu sehen, dass den Kreaturen eine andere Wirklichkeit als die des einen wahren Gottes zuteil wird. Nach Origenes wird die Kreatur vergöttlicht, indem sie wie der eingeborene Gottessohn durch Teilhabe am Urgrund der Gottheit ϑεός wird, so dass sie mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist ὁμοούσιος ist, wesensgleich im Sinn des späteren Dogmas.1133 Ihr kommt das Gottsein jedoch – dies darf niemals außer Acht gelassen werden – in einem prin zipiell anderen Modus zu als den drei göttlichen Hypostasen. Während der Vater die Wirklichkeit des einen wahren Gottseins von Ewigkeit zu Ewigkeit unwandelbar aus sich selbst heraus besitzt und sie dem Sohn sowie dem Heiligen Geist kraft ewiger, permanenter Teilhabe zukommt, wird sie den in ihrer Kreatürlichkeit wandelbaren vernunftbegabten Geschöpfen gewissermaßen akzidentiell, aus Gnade zuteil. Nur insoweit werden diese die göttliche Wesensnatur unwandelbar ihr Eigen nennen, wie sie sich in ihrer Freiheit dazu entschließen, sie fortan auf ewig zu besitzen.1134 Es ist die eschatologische Hoffnungsperspektive, die Origepneumatologische Dimension seiner Schöpfungslehre nirgends ausdrücklich, doch ist sie die innere Konsequenz seines Heilstrinitarismus. Zu Unrecht behauptet deshalb Hauschild, Gottes Geist und der Mensch 93: „Für Origenes gehört […] die Beziehung des Menschen zum Gottesgeist nicht in den Rahmen der Schöpfung, sondern der Erlösung.“ Dasselbe Fehlurteil begegnet bei Simonetti, Note sulla teologia trinitaria 297. Vgl. dagegen Beyer Moser, Teacher of Holiness 85. 1133 Gegen Crouzel, Théologie de l’image de Dieu 175–177 und Nemeshegyi, Paternité de Dieu 110 f., die beide Argumente für eine bleibende, unüberbrückbare Wesensdifferenz zwischen den Vernunftgeschöpfen und der göttlichen Trinität anführen, die jedoch nach Origenes für den Vollendungszustand der Apokatastasis nicht länger zutreffen dürften. Zu Unrecht stellt auch Lieske, Theologie der Logosmystik 129 fest, „ein volles Vergottetwerden des geschöpflichen Geistes und eine restlose Gleichsetzung mit der hypostatischen Union“ sei Origenes „fremd“. Hengstermann, Weltseele bei Origenes 68 dagegen spricht mit Recht von der „in jedem Vernunftwesen angelegte[n] potentielle[n] Wesens gleichheit mit Gott, die in Theorie und Praxis immer weiter zu entfalten höchstes Ziel der origeneischen Ethik ist“ (Herv. v. Verf.). Vgl. zu dieser Problematik auch die Ausführungen von Simonetti, Art. Dio 121–124. 1134 Vgl. Redepenning, Origenes 284: „Unmittelbar schauen wir einst Gott, von Angesicht zu Angesicht, in einer ewigen Erkenntniß seines unsichtbaren Wesens, durch nichts gestört, und mit ihm wahrhaft eins: nur darin von ihm verschieden, als Götter von der
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nes in seiner Soteriologie zur Sprache zu bringen sich bemüht, dass dereinst alle vernunftbegabten Kreaturen sich in ihrer Freiheit unwandelbar im Heiligen Geist durch den Sohn an den Vater binden werden, so dass sich das Wort des Apostels Paulus erfüllt, wonach Gott wahrhaft ist „alles in allem“.
Gottheit, daß wir nur durch ihre Mittheilung und unsere freie That besitzen, was ihr wesentlich eigen ist.“
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Wir haben den Versuch unternommen, die trinitarische Gotteslehre des Origenes von Alexandrien im Gesamtzusammenhang seiner christlichen Wirklich keitsdeutung zur Darstellung zu bringen. Weil Origenes selbst, abgesehen von einzelnen mehr oder weniger rudimentären Ansätzen in seinem Frühwerk Περὶ Ἀρχῶν, das Grundgefüge seiner Gotteslehre nirgends systematisch entfaltet hat, galt es, deren Strukturelemente und Implikationen aus den unterschiedlichen Kontexten heraus zu rekonstruieren, in denen er innerhalb seines überlieferten Schrifttums jeweils einzelne Aspekte seines trinitarischen Denkens zur Sprache bringt. Das Gesamtbild, das die Untersuchung ergeben hat, zeigt, dass die origene ische Gotteslehre gemessen am späteren kirchlichen Dogma eine Trinitätslehre in statu nascendi darstellt, die zwar in den Einzelheiten ihrer Entfaltung vielfach von sachlichen Ambivalenzen und begrifflichen Unschärfen durchzogen ist, im Ganzen jedoch als wegweisender, ja bahnbrechender Beitrag zur Formulierung des kirchlichen Trinitätsglaubens gewürdigt werden muss.
I. Als erster christlicher Theologe wendet Origenes den Begriff der Hypostase (ὑπόστασις) auf den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist an, um deren jeweilige individuelle Subsistenz zum Ausdruck zu bringen. Mit diesem Sprachgebrauch bereitet er die „neunizänische“1135 Formel μία οὐσία – τρεῖς ὑποστάσεις vor,1136 die im vierten Jahrhundert von den drei großen Kappadoziern Basilius von Cäsarea, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa in unterschiedlicher Akzentuierung zur Umschreibung des Geheimnisses der göttlichen Dreifaltigkeit entwickelt wurde und die das Zweite Ökumenische Konzil von Konstantinopel
1135 Zum Begriff vgl. Markschies, Erforschung der altkirchlichen Trinitätstheologie 304 f. 1136 Vgl. Vogt, Art. Origenes 533: „Für die spätere Trinitätstheologie hat Origenes die Wei-
chen gestellt, da er schon in seinem frühen Joh-Kommentar […] Vater, Sohn und hl. Geist ‚drei Hypostasen‘ nennt.“
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im Jahr 381 kirchenamtlich sanktioniert hat.1137 Origenes entfaltet die Lehre von den drei Hypostasen im Kontext seiner Auseinandersetzung mit dem Modalismus, von der sein trinitätstheologisches Denken grundlegend geprägt ist. Im entschiedenen Widerspruch zu dem Versuch, das trinitarische Credo mit der Einheit Gottes durch die Annahme zu vermitteln, dass sich der eine und einzige Gott in der Heilsgeschichte unter drei verschiedenen Gestalten oder Namen zu erkennen gibt, ohne dabei aufzuhören, der eine Gott in einer einzigen Hypostase zu sein, beharrt Origenes darauf, dass Vater, Sohn und Geist als drei voneinander verschiedene, selbstständige Realitäten – als drei Hypostasen – zu betrachten sind, die von Ewigkeit zu Ewigkeit miteinander in einer unwandelbaren Beziehung stehen. Der Frage, wie der Alexandriner das ewige Beziehungsgefüge der drei Hypo stasen im Einzelnen entfaltet, war der erste Teil der vorliegenden Studie gewidmet, dessen Ergebnis sich wie folgt zusammenfassen lässt: Ursprungsloser Ursprung aller Wirklichkeit ist einzig und allein der Vater, der aus sich selbst heraus existiert und jegliche von ihm selbst verschiedene Realität im Dasein begründet. In seiner Selbstursprünglichkeit ist der Vater der Inbegriff aller Vollkommenheit, der Seiende schlechthin, der Gute schlechthin, Gott schlechthin. Als rein geistiges Prinzip der gesamten Wirklichkeit ist er eine absolut einfache Hypostase, die jedweder Zusammensetzung entbehrt und sich allen anderen Entitäten gegenüber durch radikale Transzendenz auszeichnet. Von Ewigkeit zu Ewigkeit zeugt der Vater als zweite Hypostase den Sohn, der dem Vater gegenüber in ewiger Schau verharrt. Zeugung und Schau sind die konstitutiven Wesensmerkmale seiner ewigen göttlichen Sohnschaft. Im Sohn manifestiert sich die absolut einfache Wirklichkeitsfülle des Vaters als zur All-Einheit vermittelte Vielheit, die Origenes in seiner Epinoiailehre zur Sprache bringt. Alles, was dem Sohn eigen ist, verdankt er seiner ewigen, unwandelbaren Teilhabe an der vollkommen einfachen Wirklichkeitsfülle seines Vaters. Auch seine Göttlichkeit ist durch die Tatsache bedingt, dass er von Ewigkeit zu Ewigkeit unwandelbar und vollkommen am Vater als dem selbstursprünglichen Urgrund der Gottheit partizipiert. Durch die Vermittlung des Sohnes wird ebenfalls von Ewigkeit zu Ewigkeit der Heilige Geist vom Vater in seinem Dasein begründet. Im Blick auf seine Ursprungsrelation unterscheidet sich der Heilige Geist nicht von den vernunftbegabten Kreaturen, die ebenfalls im Vater ihren Ursprung haben und durch die Vermittlung des Sohnes entstanden sind. Von diesen Kreaturen ist der Heilige Geist gleichwohl deutlich dadurch unterschieden, dass er als Inbegriff der Gnade vollkommen heilig ist und sowohl zum Vater als auch zum Sohn in einer unauflöslichen und unwandelbaren Beziehung steht. Die Position, die er dabei dem 1137 Vgl. dazu Studer, Gott und unsere Erlösung 174–181; Courth, Trinität 165–189; Dünzl,
Geschichte des trinitarischen Dogmas 115–139.
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Sohn gegenüber einnimmt, wird von Origenes nicht nur als Unterordnung, sondern auch als Beiordnung beschrieben, so dass es schon von daher nicht angehen kann, seine Pneumatologie in dem Sinn zu interpretieren, als stelle die dritte Hypostase das tertiäre Glied in einer ontologisch absteigenden Kette metaphysischer Realitäten dar, die sich nach dem Fall der Vernunftwesen bis in die Tiefen der Dämonen und des Teufels erstreckt. Die ontologischen Implikationen, die dem ewigen Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Heiligem Geist inhärent sind, hat Origenes noch nicht eindeutig zu klären vermocht. Dafür fehlten ihm die terminologischen Voraussetzungen. Oftmals lassen seine vielfältigen Ausführungen, in denen er das Zueinander der drei Hypostasen thematisiert, nicht zweifelsfrei erkennen, ob er die Unterordnung des Sohnes und des Heiligen Geistes unter den Vater als bloß relationale oder auch als ontologische Subordination versteht. Bisweilen ist bei ihm die Tendenz festzustellen, allein den Vater als den einzig wahren Gott zu betrachten, so dass der Sohn und der Heilige Geist als ontologisch depotenzierte Gottheiten erscheinen. Wo er auf die vor allem im Johannesevangelium bezeugte Einheit und wechselseitige Immanenz von Vater und Sohn zu sprechen kommt, bricht sich neben dieser Tendenz jedoch in Ansätzen zugleich die gegenteilige Sichtweise Bahn, die Vorstellung nämlich, dass dem Sohn ein und dieselbe göttliche Wesensnatur eignet wie dem Vater. In der Pneumatologie ist eine solche Perspektive noch völlig unterentwickelt. Hier scheint Origenes nur an einer einzigen Stelle, ausgehend von einem Zitat aus dem apokryphen Hebräerevangelium, die Einheit des Heiligen Geistes mit dem Vater in Analogie zur Vater-Sohn-Einheit erklären zu wollen und dabei auch eine Wesensgleichheit von Vater und Geist im Blick zu haben. Wie auch immer man die besagte Stelle deuten mag, indem Origenes Vater, Sohn und Geist als unwandelbare Trias qualifiziert, die er als solche von den prinzipiell wandelbaren vernunftbegabten Geschöpfen abgrenzt, findet sich auch in seiner Pneumatologie ein systematischer Ansatzpunkt, die Einheit der drei Hypostasen der Sache nach als Einheit in dem einen und einzigen, wahrhaft göttlichen Wesen zu begreifen. Bei alledem gilt es aber zu berücksichtigen, dass Origenes die Einheit der drei Hypostasen noch nicht mit einem bestimmten Begriff umschreibt. Der Terminus οὐσία, mit dem später die Kappadozier die Einheit der Hypostasen als Einheit in dem einen und selben göttlichen Wesen zum Ausdruck bringen sollten, ist bei Origenes noch nicht auf diesen spezifischen Bedeutungsgehalt eingegrenzt. Vielmehr gebraucht er diesen Terminus als inhaltliches Äquivalent zum Begriff ὑπόστασις, um die individuelle Subsistenz von Vater, Sohn und Geist zu artikulieren, so dass er den Begriff ὁμοούσιος zur Beschreibung des Vater-SohnVerhältnisses gar nicht hätte verwenden können, ohne die modalistische Position zu vertreten. Wo Origenes die Einheit der drei Hypostasen der Sache nach als Wesenseinheit begreift, sieht er diese Einheit stets in der Hypostase des Vaters verankert, in der das Wesen der Gottheit ursprungslos subsistiert. In dieser Per-
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spektive sind der Sohn und der Heilige Geist deshalb mit dem Vater gleichen Wesens, weil sie sich von Ewigkeit zu Ewigkeit in einer dynamischen Beziehungseinheit mit dem Vater befinden, aufgrund derer sie ganz in dessen Seinswirklichkeit hineingenommen sind. Mit dieser Sichtweise erreicht Origenes der Sache nach den Gehalt der im vierten Jahrhundert dogmatisierten kirchlichen Trinitätslehre. Als Resultat des ersten Teils ergibt sich somit ein aufs Ganze gesehen ambivalentes Bild. Wo Origenes das ewige Hypostasengefüge gemäß dem vielgestaltigen Zeugnis der Heiligen Schrift zu erklären sucht, geht die partielle Tendenz zum ontologischen Subordinatianismus Hand in Hand mit ersten, teilweise recht deutlichen Ansätzen zur Vorstellung einer Wesensgleichheit aller drei Hypostasen. In diesem ambivalenten Befund spiegelt sich die Disparität, die die Heilige Schrift selbst in der Frage nach dem Beziehungsgefüge von Vater, Sohn und Geist erkennen lässt. Solche Schriftstellen, an denen das Hypostasenverhältnis in einer betont subordinierenden Akzentuierung zum Ausdruck gebracht wird, kann Origenes im Horizont platonischer Stufenontologie im Sinn einer seinsmäßigen Unterordnung interpretieren, während er von diesem Deutungsansatz dort abweicht, wo ihm das Zeugnis der Heiligen Schrift über die Einheit und wechselseitige Immanenz von Vater und Sohn sowie über die wesenhafte Verbundenheit des Heiligen Geistes mit den beiden anderen Hypostasen eine andere Perspektive eröffnet.
II. Im zweiten Teil unserer Untersuchung sind wir der Frage nachgegangen, wie Origenes das Heilswirken von Vater, Sohn und Heiligem Geist interpretiert, von dem die Bibel und das kirchliche Kerygma Zeugnis geben. Dabei war es uns im Rückblick auf den ersten Teil vor allem darum zu tun, das Problem der ontologischen Implikationen, die dem ewigen Beziehungsgefüge der drei Hypostasen eigen sind, aus dem Blickwinkel der trinitarischen Heilsökonomie einer weiteren Klärung zuzuführen. Als Ergebnis können wir festhalten: In seiner Theologie der Schöpfung, die er sowohl in ihrer primären, rein geistigen als auch in ihrer sekundären, durch den Sündenfall bedingten materiellen Gestalt als Heilseröffnung begreift, legt Origenes den Akzent seiner trinitätstheologischen Reflexion auf das je eigentümliche Wirken von Vater und Sohn. Dem biblischen Zeugnis folgend betrachtet er den Vater als den Urgrund sowohl der rein geistigen wie auch der materiellen Schöpfungswirklichkeit und damit als den Schöpfer im eigentlichen Sinn. Den Sohn versteht er als Schöpfungsmittler. Als Sophia umfasst dieser von Ewigkeit zu Ewigkeit den Kosmos der idealen Archetypen, denen gemäß die gesamte Schöpfung gestaltet ist, und stellt so deren Exemplarursache dar. Insofern er der Logos ist, eignet dem Sohn von Ewigkeit zu
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Ewigkeit zugleich das Vermögen, als schöpferische Grundkraft die Kreaturen ins Dasein zu rufen, d. h. als Instrumentalursache der Schöpfung zu fungieren. Dem Heiligen Geist schreibt Origenes in seinen Ausführungen zur Schöpfungstheologie nicht ausdrücklich eine spezifische Bedeutung zu. Aus seiner Soteriologie lässt sich jedoch erschließen, dass er die vernunftbegabte Kreatur von allem Anfang an als begnadete Kreatur betrachtet. Denn wenn das Endheil im Zustand der Apokatastasis durch den Heiligen Geist vermittelt ist, so folgt daraus, dass auch die ursprüngliche, paradiesische Gemeinschaft der Vernunftgeschöpfe mit Gott nicht ohne das Gnadenwirken des Heiligen Geistes Bestand hatte. Nach Origenes verdankt sich demnach schon die primäre Schöpfung dem Zusammenwirken aller drei Hypostasen: Sie ist vom Vater durch den Sohn im Heiligen Geist begründet. Die vernunftbegabten Kreaturen sind aus diesem Grund wesenhaft, d. h. durch alle Irrungen und Wirrungen ihres Sündenfalls hindurch bleibend auf die Teilhabe an Vater, Sohn und Heiligem Geist hingeordnet. Diese schöpfungstheologische Prämisse ist die Grundlage der von Origenes vertretenen Offenbarungstheologie und Soteriologie. Dabei erblickt er den ontologischen Grund für die wesenhafte Hinordnung eines jeden Vernunftgeschöpfs auf die Trinität darin, dass nach dem Zeugnis der Genesis der Vater die vernunftbegabte Kreatur seinem eigenen Bild gemäß geschaffen hat, das sein eingeborener Sohn ist, der ewige Logos. So sind die Vernunftgeschöpfe wesenhaft durch die Teilhabe am göttlichen Logos, dem Inbegriff aller Vernunftwirklichkeit, konstituiert, in der ihre unverlierbare Vernunftbegabung verbürgt ist. Mit der Ausrichtung auf den Logos sind sie aber zugleich auch auf die beiden anderen Hypostasen hin angelegt, weil nach Origenes die vollkommene Teilhabe am Logos die Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, begründet und als solche zugleich die Gnade des Heiligen Geistes impliziert. Die wesenhafte Logosbegabung eines jeden vernunftbegabten Geschöpfs ist der systematische Ausgangspunkt, von dem aus Origenes seine Theologie der Of fenbarung entfaltet. Obwohl seine Terminologie noch wenig präzise ist, bestimmt er den Gehalt der in Jesus Christus an die Menschheit ergangenen Offenbarung im Anschluss an das biblische Zeugnis der Sache nach als Selbstmitteilung Gottes. Indem der Vater von Ewigkeit zu Ewigkeit seinen eingeborenen Sohn zeugt, spricht er sich in diesem in der Weise aus, dass der Sohn als die ewige Offenbarung des Vaters subsistiert, in der sich dessen schlechthin einfache göttliche Wirklichkeitsfülle in mitteilbarer Gestalt manifestiert. Im Sohn, der das göttliche Urwort seines Vaters ist, macht sich also der Urgrund der Gottheit von Ewigkeit zu Ewigkeit kommunikativ. Dementsprechend gilt von den vernunftbegabten Kreaturen, dass sie in ihrer Vernunftbegabung wesenhaft als Hörer des ewigen göttlichen Urworts existieren. Denn unter der Vernunftbegabung versteht Origenes die Befähigung zum Vernehmen des ewigen Gotteswortes, auf das die Vernunftgeschöpfe als solche immer schon hingeordnet sind. Darin besteht ihr eigentliches
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Wesen. Diesen Aspekt der origeneischen Offenbarungstheologie haben wir als transzendentale Offenbarung bezeichnet. Angesichts dieser transzendentalen Offenbarung besteht die schöpfungsgemäße Bestimmung der vernunftbegabten Kreaturen von allem Anfang an darin, den göttlichen Logos mehr und mehr in sich aufzunehmen, in dessen Horizont sie immer schon ihr Dasein als Vernunftwesen vollziehen und der unablässig in ihnen zur Entfaltung kommen will. Jede vernunftbegabte Kreatur ist mit anderen Worten immer schon berufen, sich ganz auf die Wirklichkeit des Sohnes einzulassen und immer tiefer in die Teilhabe an ihm hineinzuwachsen. Weil sich die Vernunftgeschöpfe mit Ausnahme der Seele Jesu dieser ihrer Bestimmung jedoch in unterschiedlichem Maße verweigert haben, sind sie aus der ursprünglichen, durch den Logos vermittelten Gemeinschaft mit dem Vater mehr oder weniger tief herausgefallen und so erlösungsbedürftig geworden. Um der Erlösung der gefallenen Menschen willen erfolgt die kategoriale Offenbarungsökonomie, in der sich der ewige Logos dem biblischen Zeugnis zufolge den gefallenen Menschen zunächst durch die Propheten und schließlich auf unüberbietbare Weise in Jesus von Nazaret geschichtlich geoffenbart hat, um fortan im Zeugnis der Heiligen Schrift, in dem die Logosverkündigung der Propheten, Apostel und Evangelisten ihren Niederschlag gefunden hat, bleibend gegenwärtig zu sein. Nach Origenes zielt die geschichtliche Offenbarungsökonomie darauf ab, dem gefallenen Menschen dazu zu verhelfen, von neuem in die Tiefen der Logoswirklichkeit hineinzufinden, auf die er in seiner Geistigkeit immer schon ausgerichtet ist und in der allein es ihm möglich ist, Gemeinschaft mit dem Vater zu haben. Angesichts der vielfältigen Manifestationen des göttlichen Logos in der Botschaft der Propheten, im Leben und Sterben des menschgewordenen Gottessohnes Jesus von Nazaret sowie im Buchstaben der Heiligen Schrift soll der gefallene Mensch dazu bewegt werden, sich auf sein eigentliches Selbst als Hörer des Wortes zu besinnen, um in sich selbst der Gegenwart des göttlichen Logos gewahr zu werden und sich mehr und mehr in die vollkommene Teilhabe an ihm zu begeben. Weil Origenes’ Offenbarungsbegriff durch und durch trinitarisch bestimmt ist, ist für die Offenbarungsökonomie das Wirken des Heiligen Geistes von konstitutiver Bedeutung. So kann die Offenbarung, die Selbstaussage des Vaters in seinem Sohn, nach Origenes allein in der Gnade des Heiligen Geistes vernommen und verkündigt werden. Deshalb sind die Propheten heilige Menschen, die sich im Heiligen Geist von der Wirklichkeit des Logos in solchem Maße haben durchdringen lassen, dass sie gegenüber ihren Mitmenschen als authentische Logoszeugen aufzutreten vermochten. Weil allein die Seele Jesu sich von allem Anfang an die Logoswirklichkeit vorbehaltlos und vollkommen angeeignet und bewahrt hat, ist Jesus von Nazaret nach Origenes nicht nur der Prophet, sondern auch der Heilige schlechthin. Und die Bücher der Bibel sind einzig und allein aus dem Grund heilige Schriften, weil sie von heiligen Menschen in der Kraft des Heiligen Geistes geschrieben worden sind, so dass in ihrem buchstäblichen Text-
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zusammenhang der göttliche Logos verborgen gegenwärtig ist. Aus der Tatsache, dass nach Origenes nur derjenige das Wort Gottes, das der eingeborene Sohn des Vaters ist, zu vernehmen und weiterzusagen imstande ist, der in und aus der Gnade des Heiligen Geistes lebt, wird der innere Zusammenhang ersichtlich, in dem die Offenbarungstheologie in seinem Denken mit der Soteriologie verbunden ist. Diesem inneren Zusammenhang zufolge gelangt die Offenbarung in der Erlö sung der vernunftbegabten Kreatur zu ihrem Ziel. Im Einklang mit der Heiligen Schrift besteht nach Origenes die Erlösung in der Schau des Vaters, in der der vernunftbegabten Kreatur die vollkommene Offenbarung der Gottheit zuteil wird. In der Gottesschau wird die Kreatur mit dem Vater geeint, erhält sie in solcher Weise Anteil am Urgrund der Gottheit, dass sie selbst Gott wird. Medien ihrer Gottesschau und ihrer damit einhergehenden Einheit mit dem Vater sind der Sohn und der Heilige Geist. Um den Vater schauen und kraft der Schau an seiner Gottheit Anteil erhalten zu können, muss die vernunftbegabte Kreatur, wie Origenes nicht müde wird zu betonen, nach dem Vorbild dessen, der von Ewigkeit zu Ewigkeit der Sohn Gottes schlechthin ist, zum Sohn Gottes werden, muss sie Anteil erhalten am eingeborenen Gottessohn und seiner göttlichen Sohnschaft. Denn nur durch ihn, mit ihm und in ihm ist es ihr möglich, in die erlösende Teilhabe am Urgrund der Gottheit einzutreten, zu der sie von allem Anfang an berufen ist. Indem sie in vollkommener Gestalt am ewigen Gottessohn teilhat, indem sie ganz dem Urbild entspricht, gemäß dem sie geschaffen ist, nimmt die vernunftbegabte Kreatur teil an den Lebensvollzügen des göttlichen Logos. Durch ihn schaut sie den Vater, mit ihm wird sie vom Vater als Gottessohn gezeugt und in ihm tritt sie ein in die Einheit mit dem Vater, in der sie vergöttlicht wird. Die Teilhabe am Sohn ist dem Vernunftgeschöpf jedoch einzig und allein in der Gnade des Heiligen Geistes möglich, so dass sich die Erlösungswirklichkeit für die vernunftbegabte Kreatur nach Origenes als simultane Teilhabe am Heiligen Geist, am Sohn und am Vater darstellt, d. h. als Hineingenommensein in das ewige Leben der göttlichen Dreifaltigkeit. Wenn ausnahmslos alle vernunftbegabten Geschöpfe einmal dahin gelangt sein werden, dass sie im Heiligen Geist durch den Sohn am Vater teilhaben, wird sich nach Origenes die Vision des Apostels Paulus erfüllen, dass Gott alles in allem ist. Dann werden sich sämtliche vernunftbegabten Kreaturen in solcher Weise von der Fülle der Gottheit durchdringen lassen, dass das ursprüngliche Ziel und eigentliche Wesen der Schöpfung aufs neue und endgültig Wirklichkeit wird, die Heilsgemeinschaft Gottes mit jedem einzelnen seiner Geschöpfe nämlich, die durch den Sündenfall zerbrochen war. Im eschatologischen Endzustand der Apokatastasis erfolgt auf diese Weise aber nicht bloß die Wiederherstellung der ursprünglichen Einheit zwischen Gott und seinen Geschöpfen, wie sie am paradiesischen Schöpfungsmorgen schon einmal Bestand hatte. Vielmehr stellt die Apokatastasis in gewisser Hinsicht die Überbietung dieser ursprünglichen Einheit dar. Denn in sie treten die vernunftbegabten Geschöpfe
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nach einem langen, viele Weltperioden dauernden Erziehungsprozess ein, in dem sie sich durch das Heilswirken des Sohnes und des Heiligen Geistes dahingehend haben läutern lassen, dass sie in ihrer Freiheit fortan für immer unwandelbar für die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott entschieden sind. Die trinitarische Wirklichkeitsdeutung, die Origenes in seiner Schöpfungsund Offenbarungstheologie sowie in seiner Soteriologie zur Entfaltung bringt, lässt Rückschlüsse auf die ontologischen Implikationen des Drei-Hypostasen-Ge füges zu. In der Schöpfungstheologie ist es ihm vornehmlich darum zu tun, nach dem Vorbild kosmologischer Spekulationen, wie sie sich in der Tradition des paganen Platonismus finden, die Hypostasen von Vater und Sohn in ihrer Differenz zu profilieren. Es ist das metaphysische Grundproblem der Vermittlung von Einheit und Vielheit, von Transzendenz und Immanenz, das Origenes einer vernunftgemäßen Lösung zuzuführen sucht, indem er im Anschluss an einschlägige Passagen der Heiligen Schrift den Unterschied zwischen dem Vater als dem eigentlichen Schöpfer und dem Sohn als dem Schöpfungsmittler als Möglichkeitsbedingung der Schöpfung aufweist. Wie in den platonischen Kosmologien der zweite Gott als Vermittlungsprinzip gegenüber dem radikal transzendenten ersten Gott ontologisch subordiniert ist, so scheint sich auch von den schöpfungstheologischen Ausführungen des Origenes her die Deutung nahezulegen, dass der Sohn dem Vater nicht nur funktional, sondern auch seinsmäßig untergeordnet ist, den partiellen Tendenzen zum ontologischen Subordinatianismus entsprechend, die wir im ersten Teil unserer Untersuchung konstatiert haben. Zweifelsfrei lässt sich diese Deutung am Textmaterial allerdings nicht belegen. Ihr steht sogar entgegen, dass Origenes die Schöpfungsmittlerschaft des Sohnes gelegentlich mit der Ansicht zu begründen scheint, dass der Vater deshalb im Sohn und durch den Sohn schöpferisch zu wirken vermag, weil er selbst seiner göttlichen Seinswirklichkeit nach im Sohn gegenwärtig ist. Diese Sichtweise aber läuft der Annahme einer seinsmäßigen Subordination des Sohnes zuwider. Sie ist eigentlich nur mit der Vorstellung einer Wesensgleichheit von Vater und Sohn vereinbar, die bei Origenes ebenfalls anzutreffen ist. Wie auch immer man diesen schwierigen Sachverhalt aus der Schöpfungstheologie beurteilen will, in seiner Offenbarungstheologie und in seiner Soteriologie misst Origenes dem johanneisch und paulinisch inspirierten Gedanken, dass der Vater und der Sohn einander in gegenseitiger Immanenz durchdringen, zweifelsohne fundamentale Bedeutung bei. Sein Offenbarungsverständnis und seine Theorie der Erlösung lassen die Überzeugung erkennen, dass im Sohn und im Heiligen Geist die Wirklichkeit des einen wahren Gottes, der im Vater seinen Ursprung hat, subsistiert. Einzig und allein deshalb, weil der Sohn mit dem Vater wesensgleich ist, vermag er wirklich der Offenbarer des Vaters und das Medium der Heilsgemeinschaft mit dem Vater in der eschatologischen Gottesschau zu sein. Und einzig und allein deshalb, weil der Heilige Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit der Geist des Vaters und der Geist des Sohnes ist,
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ist er imstande, der vernunftbegabten Kreatur den Sohn als Selbstmitteilung des Vaters zu erschließen und die Gnadenwirklichkeit zu sein, aus der heraus allein es der Kreatur möglich ist, in die Teilhabe an der ewigen Sohnschaft des eingeborenen Gottessohnes einzutreten und als Sohn Gottes mit dem Vater in Liebe vereint zu sein. Im Sohn und im Heiligen Geist, so lautet nach unserer Untersuchung der Grundgedanke, der der origeneischen Offenbarungstheologie und Soteriologie der Sache nach zugrunde liegt, schenkt der eine wahre Gott der vernunftbegabten Kreatur nicht eine kreatürliche Gabe, sondern sich selbst. Im Sohn und im Heiligen Geist teilt sich der eine wahre Gott der vernunftbegabten Kreatur so mit, dass der Empfang der Offenbarung zum Vollzug der Erlösung wird, zum Eintritt in die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott, in der die Kreatur selbst vergöttlicht wird. Das Ergebnis des zweiten Teils unserer Untersuchung macht somit die innere Spannung offenbar, die die Gotteslehre des Origenes im Ganzen durchzieht. Wenn der erste Teil die beiden antagonistischen Tendenzen sichtbar gemacht hat, die bei Origenes in der Frage des ontologischen Verhältnisses der drei Hypostasen gegeneinander stehen, so lässt der zweite Teil erkennen, dass in das Bild, das der Alexandriner von der trinitarischen Heilsökonomie entwirft, der Sache nach nur die eine der beiden Tendenzen in gedanklich substantieller Weise hineinwirkt, die Vorstellung nämlich, dass der eine wahre Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit in den drei Hypostasen von Vater, Sohn und Heiligem Geist subsistiert, um als der dreifaltig Eine das Heil der vernunftbegabten Kreatur zu sein. Gerade von seiner ökonomischen Trinitätslehre, insbesondere von seiner Offenbarungstheologie und seiner Soteriologie her, lässt sich also zeigen, dass Origenes der Sache nach als Vordenker des späteren kirchenamtlichen Trinitätsglaubens angesehen werden muss. Hans Urs von Balthasar hat Recht, wenn er sagt: „Was […] an innertrinitarischer Theologie bei Origenes noch fehlt, das ersetzt er durch seinen großartigen heilsgeschichtlichen Trinitarismus.“1138
1138 Von Balthasar, Einführung 29.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
a) Die Abkürzungen der Werke des Origenes sowie der anderen antiken und mittelalterlichen Autoren sind im Quellenverzeichnis aufgeschlüsselt. Die Abkürzungen der Origenes-Werke folgen dabei dem Abkürzungsverzeichnis von OWD 1/1, Berlin/New York – Freiburg/ Basel/Wien 2010, XV–XVI. b) Die Abkürzungen von Periodica im Quellen- und Literaturverzeichnis sowie in den Fußnoten richten sich nach Siegfried M. Schwertner, Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, Berlin/New York 21994. Darüber hinaus werden folgende Abkürzungen verwendet: AskÄ = Arbeiten zum spätantiken und koptischen Ägypten; DH40 = Henrici Denzinger Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum. Quod emendavit, auxit, in linguam germanicam transtulit et adiuvante Helmuto Hoping edidit Petrus Hünermann. Editio XL, Freiburg/Basel/Wien 402005; FP = Fuentes Patrísticas; OWD = Origenes, Werke mit deutscher Übersetzung; STAC = Studien und Texte zu Antike und Christentum; SVF II = Stoicorum Veterum Fragmenta, collegit Ioannes ab Arnim. Volumen II: Chrysippi fragmenta logica et physica. Editio stereotypa editionis primae (Sammlung wissenschaftlicher Commentare), Stuttgart 1979; SW = Sämtliche Werke; ZAC = Zeitschrift für antikes Christentum. c) Bei der Erarbeitung und Übersetzung des Quellenmaterials wurden außer den Übersetzungen, die in den im Quellenverzeichnis aufgeführten zweisprachigen Textausgaben enthalten sind, folgende deutsche Origenes-Übersetzungen benutzt: −− Des Origenes Schriften vom Gebet und Ermahnung zum Martyrium. Aus dem Griechischen übersetzt von Paul Koetschau (BKV 48), München 1926. −− Des Origenes Acht Bücher gegen Celsus. Aus dem Griechischen übersetzt von Paul Koetschau. I. Teil: Buch I–IV (BKV 52). II. Teil: Buch V–VIII (BKV 53), München 1926. 1927. −− Hans Urs von Balthasar, Origenes. Geist und Feuer. Ein Aufbau aus seinen Schriften, Salzburg 21952. −− Origenes, Das Evangelium nach Johannes. Übersetzt und eingeführt von Rolf Gögler, Einsiedeln/Zürich/Köln 1959. −− Origenes, Das Gespräch mit Herakleides und dessen Bischofskollegen über Vater, Sohn und Seele. Die Aufforderung zum Martyrium. Eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Edgar Früchtel (BGrL 5), Stuttgart 1974. −− Origenes, Die griechisch erhaltenen Jeremiahomilien. Eingeleitet, übersetzt und mit Erklärungen versehen von Erwin Schadel (BGrL 10), Stuttgart 1980.
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Quellen
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−− Origenes, Der Kommentar zum Evangelium nach Mattäus. Eingeleitet, übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Hermann J. Vogt. Erster Teil (BGrL 18). Zweiter Teil (BGrL 30). Dritter Teil: Die Commentariorum Series (BGrL 38), Stuttgart 1983. 1990. 1993. −− Origenes, Römerbriefkommentar. Übersetzt und eingeleitet von Theresia Heither. Erstes und zweites Buch (FC 2/1). Drittes und viertes Buch (FC 2/2). Fünftes und sechstes Buch (FC 2/3). Siebtes und achtes Buch (FC 2/4). Neuntes und zehntes Buch (FC 2/5), Freiburg u. a. 1990. 1992. 1993. 1994. 1996. −− Origenes, Homilien zum Lukasevangelium. Übersetzt und eingeleitet von HermannJosef Sieben. Erster Teilband (FC 4/1). Zweiter Teilband (FC 4/2), Freiburg u. a. 1991. 1992. d) Schriftstellen aus dem Alten Testament werden nach der Septuaginta zitiert. Soweit Origenes neutestamentliche Bibelstellen in demjenigen Wortlaut zitiert, der auch der Einheitsübersetzung zugrunde liegt, wird diese übernommen. Für Zitate aus dem Alten Testament gilt dies nur, wenn der LXX-Text die Übernahme der Einheitsübersetzung erlaubt. Lateinische Zitate folgen der Schreibweise der jeweiligen Textedition.
Quellen 1. Origenes Cels. I–II Origène, Contre Celse, Tome I. Introduction, texte critique, traduction et notes par Marcel Borret (SC 132), Paris 1967. Cels. III–IV Origène, Contre Celse, Tome II. Introduction, texte critique, traduction et notes par Marcel Borret (SC 136), Paris 1968. Cels. V–VI Origène, Contre Celse, Tome III. Introduction, texte critique, traduction et notes par Marcel Borret (SC 147), Paris 1969. Cels. VII–VIII Origène, Contre Celse, Tome IV. Introduction, texte critique, traduction et notes par Marcel Borret (SC 150), Paris 1969. Dial. Entretien d’Origène avec Héraclide. Introduction, texte, traduction et notes de Jean Scherer (SC 67), Paris 1960.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Quellen
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Register 1. Bibelstellen Die Anordnung der Bücher des Alten Testaments folgt der Septuaginta, nach der Origenes zitiert. Genesis 1,1 70, 160, 164 1,1–2,4a 170 1,26 94, 176, 273, 277, 295 1,26 f. 74 f., 89, 170–172, 175, 195, 256 1,27 176, 277, 282, 295 1,4 95, 168 1,6 95 2,4b–25 170 2,7 170 2,17 288 2,24 104, 110, 211, 294 3,16 104 4,1 294 5,3 108 17,5 42 Exodus 3,14 42–45, 49, 116, 263, 296 f. 3,2 230 10,23 48 12 36, 245 12,8 f. 246 12,9 246 15,26 231 22,27 52 25,17–22 287 Levitikus 11,45 173 Numeri 11,25 287 16,5 294
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Deuteronomium 1,31 224 4,24 48, 246 30,12–14 198 30,14 198, 291 32,6.18.20 257 2 Makkabäer 7,28 160 Psalmen 2,7 60 17,12 57 22,23 258 23,10 93 31,6 294 32,6 143, 145, 162 33,9 249 35,10 77, 297 39,8 239 41,2 266 41,3 266 43,26 255 44,2 62 f., 189, 191 44,3 201 44,8 213–215 49,1 52 50,12–14 265 f. 58,6 93 71,11 258 79,5 93 79,8 93 81,1 52 81,6 52, 280, 295 96,9 52 101,28 43
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Register 102,8 224 103,6 57 103,15 280 103,24 163, 165 f. 104,15 278 109,1 288 109,4 252 135,2 52 Sprichwörter 3,19 162 8,22 68–70, 90, 95, 160, 163, 165, 168, 189, 231 8,22 f. 95 8,22–25 163 8,22–30 164 8,22–31 69 22,20 241 Kohelet 4,12 17 Hohelied 1,3 f. 214 1,15 244 Weisheit 7,9 191 7,25 82, 105 7,25 f. 82 f. 7,26 61, 75, 79, 80, 107, 109, 172 7,27 203 f. 9,1 162 11,24 195, 269 Jesus Sirach 1,1–4 163 24,9 69 Hosea 10,12 48 Habakuk 3,2
129 f., 240
Maleachi 1,6 257 3,6 43
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Jesaja 1,2 257 6,2 f. 129, 130, 137 9,5 231 11,1–3 287 11,2 245, 255, 265 41,10 294 42,5 124 49,6 197 52,7 62 53,2 219 f., 233 53,9 213, 288 Jeremia 1,5 201 1,6 43, 97 2,13 77, 297 5,3 180 10,12 190 11,1 205 14,1 202 15,10 281 17,13 200 18,14 266 Matthäusevangelium 5,6 298 5,8 226, 293 5,45 142 5,48 173, 279 6,9 252 6,11 280 9,12 231 10,40 187 11,9 193 11,27 55–57, 187, 241, 292, 294 12,32 125, 152 12,50 133 13,17 208, 230 13,44 236 16,16 77, 220 16,17 f. 42 16,18 278 17,1–5 232 17,1–9 219 17,2 220 17,6 220 17,25 285 18,20 201, 239 19,6 104
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340
Register
19,17 49 19,18 116 20,1–16 244 20,29–34 245 26,29 291 26,38 210, 218 28,19 137 28,20 195, 201, 207 Markusevangelium 1,35 253 3,16 42 10,18 49, 76, 78–81, 109, 116, 253 12,27 297 Lukasevangelium 1,35 283 1,76 193 6,12 253 11,1 252 f. 11,3 280 12,20 200 12,31 251 17,21 291 18,18 241 18,19 116 18,30 241 20,6 193 23,21 226 23,46 294 24,19 193 Johannesevangelium 1,1 50 f., 57, 61–63, 70 f., 73, 75, 83, 110, 116, 205, 228, 231, 275, 280, 292 1,1 f. 165, 223 1,2 97, 205 1,3 84, 88, 125, 127, 130 f., 133, 136, 150, 154, 161 f., 165 f. 1,4 161, 197, 281 1,5 121 1,9 77, 197, 231 1,10 165, 196 1,12 257 1,12 f. 280 1,14 209, 219, 222, 226, 232 f. 1,18 71, 188, 193, 226 1,21 193 1,26 194 1,26 f. 195 f., 201, 253, 278
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1,29 196 1,33 287 1,41 278 4,19 193 4,23 255, 258 4,24 48, 187, 243 4,32 62, 64, 104, 284 4,34 85, 106 f., 134 5,17 166 5,19 108 5,19 f. 107 5,26 78 5,39 239 5,46 207 6,14 193 6,35 231, 249 6,44 55, 76, 81 6,48 231 6,51 231, 281 7,37 266 7,40 193 8,12 197 8,20 190 f. 8,21 200, 281 8,29 221 8,32 285 8,34 285 8,46 213 8,49 199 8,51 281 8,56 209 8,58 103 9,5 197 9,17 193 10,9 209, 231 10,18 211 10,28 f. 294 10,30 58, 101–103, 105 f., 110, 134, 294 10,38 102, 104, 108, 166 11,25 281, 293, 297 12,45 83, 106, 187, 209, 228 12,46 197 13,20 187 14,6 293, 297 14,8 226 14,9 83, 103, 105 f., 187, 226, 228 14,10 57, 294 14,10 f. 102, 104 14,17 265 14,23 256, 265, 292
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Register 14,26 244 14,28 55 f., 76–79, 81, 84 f., 128, 152 15,1 231, 249 15,4 201 15,22 198 f. 15,26 245 16,12–14 230 16,12–15 239 16,13 245 16,14 54 16,23 253 17,1 253 17,3 50, 80, 116, 121 f., 225, 293, 298 17,12 57, 294 17,21 102, 221, 259, 267 17,21 f. 276 17,24 58, 184 20,17 276 21,25 249 Apostelgeschichte 4,32 102, 104 13,9 42 17,28 222 Römerbrief 1,17 185 3,21 f. 185 4,17 297 6,2 297 6,10 228 7,22 173 8,4 f. 245 8,9 245 8,14 f. 255, 279 8,15 257, 280, 283 8,26 255 8,29 276 10,6–8 198–200 10,8 195, 198 10,8–10 291 10,15 62 11,36 161, 165 12,2 256 12,11 144, 246 15,30 267 Erster Korintherbrief 1,23 233 1,24 61, 66, 93, 190, 222, 231
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341
1,30 73, 185, 190, 200, 263, 297 2,2 228, 233 2,10 55 f., 241 2,11 265 2,16 243 3,16 173 6,17 110, 211 f., 285 6,19 173 8,2 56 f., 294 8,5 52 8,6 51, 116, 162 9,22 230 10,3 f. 278 10,4 266 10,31 281 12 149 12,4 136 12,4–6 135 f., 150 12,4–7 144, 147, 153 12,4–9 264 12,5 f. 136 12,6 262 12,8 262 12,8 f. 135 12,11 144 13,1 97 13,12 57, 83, 259, 294 15,24 292 15,24–28 288–290, 292 15,25–28 288 15,27 f. 261 15,28 292 15,44 260 Zweiter Korintherbrief 2,15 249 3,6 48, 246 3,15 220 3,17 48, 243 3,18 293 4,4 74 f., 103, 106, 171 4,7 236 4,16 173, 276 5,16 233 6,16 173 12,4 249, 255 Galaterbrief 2,20 206, 208, 278 3,3 124
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342
Register
4,1 f. 257 4,4 257 4,5 258 4,6 255 4,9 294 4,19 276 5,22 124 Epheserbrief 1,4 184 1,17 220 1,21 100 2,14 200 3,10 67 3,12 193 3,16 173 5,1 173, 279 Philipperbrief 1,19 245 2,6 104, 232, 279 2,6–8 276 2,7 219 3,21 58, 255 f., 276 Kolosserbrief 1,13 267 1,15 56, 63, 69, 74 f., 79 f., 83, 94 f., 103, 107 f., 127, 171 f., 189, 191, 195, 212, 226, 256, 275, 279, 281 f. 1,15 f. 94 1,16 100, 162, 195, 209 1,16 f. 166 1,19 190 2,3 236, 263 2,9 190, 214 2,15 232 3,9 172 3,10 172 f., 176, 280 Erster Timotheusbrief 2,1
98, 251
Zweiter Timotheusbrief 2,19 294 3,16 238
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Hebräerbrief 1,2 162 1,3 61, 75, 82 f., 103 1,4 97, 100 1,5 60 2,12 258 2,17 98 3,1 187 4,15 213 7,21 252 7,26–28 209 12,29 246 Jakobusbrief 4,17 199 Erster Petrusbrief 1,11 245 1,17 213 1,20 184 2,22 288 3,18 193 Zweiter Petrusbrief 1,4
267, 298
Erster Johannesbrief 1,1 249 1,5 48, 121 2,1 209 2,17 267 2,23 209 3,2 298 3,8 284 3,9 257, 285 4,8 267 5,6 265 5,16 281 Offenbarung 3,14 164 10,4 249 14,6 237 22,4 298 22,13 168
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Register
343
2. Origenesstellen Die im Folgenden verwendeten Abkürzungen der Werke des Origenes sind im Quellenverzeichnis aufgeschlüsselt. Cels. I 13 I 21 I 23 I 30 I 33 I 37 I 57 I 61 I 68 I 69 II 9 II 23 II 25 II 51 II 64 II 66 II 67 II 71 III 25 III 28 III 31 III 34 III 40 III 41 III 42 III 60 III 62 III 70 III 72 IV 3 IV 5 IV 7 IV 8 IV 14 IV 15 IV 16 IV 18 IV 19 IV 25 IV 29 IV 30 IV 38 IV 57
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31 43 46, 161 193 193 193 279 193 193 213, 217 167, 196, 201, 218, 222 217 217 76 231 f. 233 228 188, 193 217 193, 217, 286 193 99, 193, 253 47, 177 51, 218 219 193 193 50, 89, 183 66 179, 193, 204 222 203 f. 204 f. 43 221, 223 219, 233 213, 281 210 175 51, 279 177 43 219
IV 69 IV 81 IV 83 IV 85 IV 99 V 4 V 11 V 12 V 16 V 24 V 37 V 39 V 51 V 60 VI 6 VI 8 VI 13 VI 17 VI 44 VI 47 VI 48 VI 54 VI 60 VI 61 VI 62 VI 63 VI 64 VI 65 VI 66 VI 68 VI 69 VI 70 VI 77 VI 78 VI 79 VII 16 VII 17 VII 38 VII 41 VII 42 VII 43 VII 45 VII 46 VII 66
181 94 174 80, 174 184 98 f., 253 97, 99 201 175 50, 74 94, 127, 275 51, 72 f., 211 193 239 249 123 281 54, 56–58, 293 132, 178 95, 204, 211 212 284 95 48, 78, 92 43, 49, 182 172 f. 44, 269 43, 56, 162, 187 193 187, 193, 227, 232 f., 249 108, 293 46, 48, 124, 235 219, 233 278 278 221 193, 212 44 f., 170, 293 193 54, 225 f. 83, 187 44 169 171 f.
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344 VIII 4 VIII 12 VIII 13 VIII 14 VIII 15 VIII 17 VIII 18 VIII 26 VIII 29 VIII 38 VIII 49 VIII 62
Register 51 102 f., 105 98, 253 43, 77, 83 85, 128, 139, 274 73, 104, 279, 281 279, 286, 293 253 193 53 173 185
Dial. 1,17 f. 111 1,20–4,16 51 1,21 43 1,25–27 232 1,32 51 2,28–3,20 110 3,20–4,2 110 4,9–16 105 4,24–27 253 11,19–12,14 170 15,28–16,10 170 23,2–4 172 38,3 63 Exhort. mart. 39 267 47 44, 177, 250 In Cant. comm. II 1 II 6 II 8 II 9 III 1 III 11 III 13
277 212 167, 265 249 130, 245 239 167, 169, 236
In Cant. hom. 2,6 283 2,12 210 In Eph. frg. 1,12–18 107 2,3–7 297 2,4 f. 42
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In Ex. hom. 4,1 179 6,5 170 9,3 17 9,4 196 12,4 233 In Gen. hom. 1,1 70 1,13 170 f., 276 1,17 187 3,2 181 8,1 236 8,8 231 9,1 235, 243 10,2 235 f. 10,3 246 13,3 236 13,4 167, 175, 293 15,3 293 In Hier. hom. 1,8 43, 97 1,12 201 2,1 171, 175 4,4 184 6,2 180 8,1 265 f. 8,2 62, 66, 190, 297 9,1 205–207 9,3 293 9,4 61, 283, 285 10,1 294 10,7 104 12,13 246 14,6 221 14,10 197, 281 15,4 133 15,6 295 16,5 184 16,6 48, 120, 236 17,4 200 18,2 275 18,6 48 18,9 266 19,11 239 20,1 48, 67 20,2 180 20,3 242
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Register In Hier. frg. 1 235 In Hiez. hom. 1,2 183 1,5 221 2,2 243 2,5 242 3,3 218 6,6 224 In Ioh. comm. I 4,24 I 5,28 I 6,33 I 6,35 I 7,37 f. I 7,43 I 8,44 I 8,47–10,65 I 9,52 I 9,52–59 I 9,55 I 9,57 I 9,58 I 9,59 I 10,60 I 10,62 I 10,65 I 11,73 I 15,89 I 16,92 I 16,93 I 17,101 I 17,102 I 17,103 I 17,104 I 17,104 f. I 18,107 I 18,108 I 19,110 I 19,110 f. I 19,111 I 19,112 I 19,113 I 19,113–115 I 19,114 I 19,115 I 19,116 I 19,117 f.
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236, 243 187 236 f. 160 206 233 235 66 62 190 67 f., 169 78 228, 233 297 190 190 190 275 242, 244 57, 292 294 68 61, 160 160 f. 94 171 225, 233 94 167 95 66, 68, 70 f. 66 165 68 70, 163 68 f., 164 168 94
I 20,119 I 20,119–23,150 I 20,123 I 24,151 I 25,158 f. I 25,160 f. I 25,161 I 25,164 I 25,165 I 26,167 I 26,175 I 26,179 I 27,181 I 27,186 I 27,187 I 27,188 I 27,189 I 27,190 I 28,200 I 29,204 I 31,212–215 I 31,216–218 I 31,222 I 31,223 I 32,236 I 34,243 I 34,244 I 34,246 I 34,247–251 I 35,253 I 35,254 f. I 35,255 I 37,267 I 37,268 I 37,269 I 37,270 I 37,271–274 I 38,277 I 38,277 f. I 38,280 f. I 38,281 f. I 38,282 I 38,283 I 39,288 I 39,289 I 39,290 I 39,291 I 39,292 II 1,1–10 II 1,8 f.
345 45 66 66 63, 120 197 197 197 197 198 167, 197 94 197 197, 284 67 67 94 293 223 70, 120 43, 61 52 231 68 66 94, 218 67 67–69, 167 200 297 185 79 95 281 281 198 198 199 71 56, 187 62 62 48, 190 63, 189 f. 145, 163 189 165 93 93 205 63
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346 II 1,8–10 II 1,10–12 II 2,13–18 II 2,14 II 2,14 f. II 2,16 II 2,16 f. II 2,17 II 2,18 II 3,19 II 3,19–24 II 3,20 II 3,28 II 3,29 II 3,32 II 4,36 II 4,40 II 4,41 II 7,57 II 8,60 II 10,72 II 10,73 II 10,74 II 10,75 f. II 10,76 II 10,77 II 10,77 f. II 11,79 II 11,83 II 11,86 II 13,95 II 13,96 II 13,97 II 13,98 II 13,99 II 14,100 f. II 14,102–104 II 14,104 II 16,114 II 16,115 II 17,117 II 17,123 II 18,124 f. II 18,126 II 18,127 II 19,130 II 23,148 II 23,149 II 23,149–152 II 23,151
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Register 71 63 50 43 73 120 51 52, 64, 89, 129, 276 56, 64, 275 52, 69, 276 52 74, 277 205 233 78, 96 94 67, 189 74 293 98, 164 84 125 120, 125, 152, 168 126, 265 280 264 135, 240 130 221 128 42 161 284 297 161 166 167 167 275 284 297 43 178 66, 92 54 64 171 120 121 74, 77
II 23,154 II 24,156 II 28,172 II 30,181 II 31,187 II 34,202 II 34,207 II 34,208 II 34,208 f. II 35,215 II 36,221 II 36,221 f. II 37,224 V 5 VI 3,15 VI 3,16 VI 4,17 VI 4,24 f. VI 6,35 f. VI 6,42 VI 14,85 VI 15,88–92 VI 17,96 VI 19,105 VI 19,107 VI 30,154 VI 30,156 VI 32,164 VI 36,181 VI 38,188 VI 38,189 VI 39,194–197 VI 39,195 VI 39,200 VI 39,202 VI 39,202 f. VI 48,248 VI 58,300 X 5,21 X 6,23 X 6,26 X 15,85 X 18,103–111 X 18,107 X 28,172 f. X 29,179 X 37,246 X 37,246 f. X 39,266 X 41,286
66 284 54, 92 94 223 96 208 208 209 196 278 278 193 71 204 208 107, 208 208 204 278 120 193 193 271 66 120, 196 197 96 223 165 196 196 165 78, 79 51, 78 166 238 180, 223 66 217 230 190 246 239 245 94 62, 120 103 238 243
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Register X 43,300 XIII 3,19 XIII 5,27–6,37 XIII 6,35 XIII 8,48 XIII 16,100–17,101 XIII 18,109 XIII 18,113 XIII 21,123 XIII 21,123 f. XIII 21,123–24,145 XIII 21,127 XIII 21,131 XIII 22,132–23,136 XIII 24,146 XIII 25,149 XIII 25,151 XIII 25,151 f. XIII 25,152 XIII 25,153 XIII 28,165 XIII 34,215–218 XIII 34,219 XIII 34,225 XIII 36,228 XIII 36,229 f. XIII 36,230–233 XIII 36,231 XIII 36,231 f. XIII 36,233 f. XIII 36,234 XIII 37,237 XIII 37,238–246 XIII 42,280 XIII 42,282 f. XIII 42,284 XIII 46,303 XIII 46,305–47,308 XIII 49,321 XIII 53,352–354 XIX 2,6 XIX 3,17 XIX 4,22 XIX 4,23 XIX 4,24 f. XIX 5,28 XIX 5,29–32 XIX 6,33–35 XIX 6,35–37 XIX 6,37
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244 77 249 243 290 256 255 259 44 120 48 219 48 48 187 43, 120 49, 82, 97 100 82, 97, 117, 120, 164 82 f. 190 64 62 284 106 106 139 134 107 107 109 85 270 168 168 236 28 236 240 220 43 293 294 294 294 255 f., 258 162 298 229 44
XIX 6,38 XIX 8,45 XIX 9,53–56 XIX 11,68 XIX 12,74 XIX 12,74–78 XIX 12,76 XIX 12,78 XIX 22,146 XIX 22,146 f. XIX 22,147 XIX 22,149 f. XIX 23,153 XIX 23,155–158 XX 3,9–16 XX 3,20–33 XX 7,46 f. XX 7,47 XX 7,47 f. XX 12,92 f. XX 13,106 XX 13,107 XX 14,108–115 XX 15,117 XX 15,118 XX 15,120 XX 16,133 f. XX 17,135–139 XX 17,148 XX 18,153 f. XX 18,154 f. XX 18,157 f. XX 18,159 XX 20,170 XX 22,181 XX 22,182 XX 22,183 XX 22,184 XX 23,192 XX 23,193–196 XX 24,205–207 XX 24,205 f. XX 24,219 XX 28,246 XX 28,248–251 XX 29,262 XX 29,263 XX 34,303 f. XX 36,329–337 XX 37,340
347 229 164 191 233 193 281 200 200 293 68 67, 164 184 281 200 176 87 64 292 57, 292 208 275 284 285 283 284 285 285 275 279 104 221 62, 121 223 120 284 170 277 43 284 284 120 120 120 197 270 120 54, 239 279 287 256
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348 XX 37,344–347 XX 39,363–371 XX 42,398 XX 44,420 XXVIII 3,19 XXVIII 4,24 XXXII 3,35 XXXII 7,77 f. XXXII 7,83 XXXII 8,86 f. XXXII 10,122 XXXII 11,127 XXXII 16,187 XXXII 17,203 XXXII 17,213–216 XXXII 18,225 XXXII 27,338 f. XXXII 28,350 XXXII 28,351 XXXII 29,359 XXXII 32,399 f.
Register 200 281 75, 205 78 167 160 193 62 164 62 62 72, 164 160 187 187 210 294 54 78 83 286
In Ioh. frg. 1 71 9 121 110 71 In Ios. hom. 3,2 230 8,6 239 9,4 293 15,7 130 23,4 249 In Is. hom. 1,2 f. 129 1,5 205 f. 3,1–3 287 3,2 287 4,1 129 5,3 284 7,1 225 In Iud. hom. 2,1 206 2,2 281 2,4 223
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In Lev. hom. 1,1 235 3,1 217 4,1 243 4,6 233 5,1 241 5,2 145 5,5 243 6,6 243 7,2 291 9,8 181 13,4 239 13,6 243 14,3 293 16,6 179 In Luc. hom. 8,2 f. 283 15,5 206 19,1 213, 239 22,3 206 30,1 291 36,3 282 39,5 f. 283 In Matth. comm. X 5 X 11 X 14 X 22 X 23 XI 7 XII 2 XII 4 XII 9 XII 10 XII 10 f. XII 24 f. XII 29 f. XII 30 XII 33 XII 35 XII 36 XII 37 XII 39 XIII 9 XIII 11 XIII 19 XIV 4 XIV 6
236 179 164 205, 207 223 191 167 171, 187, 228 78 220 278 278 233 219, 233 281 239 219 220 253 284 285 61, 267 239 243, 245
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Register XIV 7 XIV 16 XV 10 XV 30 XVI 6 XVI 7 XVI 10 f. XVI 16 XVI 23 XVII 2 XVII 14 XVII 18 XVII 32 XVII 36
282 104, 170 79 244 66 107 245 74 268 66 94, 103 48 244 42, 258
In Matth. comm. ser. 27 235 40 243 92 210 In Num. hom. 2,1 239 5,1 242 6,3 287 f. 11,8 134, 297 16,7. 293 16,9 243, 246 18,2 54 20,2 244, 285 20,3 273 23,2 223 23,6 246 26,3 239, 243 26,7 233 27,5 130 In Regn. hom. 1,4 43 1,11 42 f. 5,4 239 In Rom. comm. I 6 I 8 I 16 I 19 II 10 III 2 III 5 IV 5
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237 217 237 186 233 30 214, 217, 287 42, 297
IV 6 IV 9 IV 10 VI 11 VII 1 VII 5 VII 11 VIII 12 IX 2 X 8
349 133 72, 267 121 265 265, 280 277, 279, 286 105 181 42 42
Orat. 2,2 251 2,3 255 2,5 255 2,6 242 5,2 182 6,1 f. 175 6,3 182 10,2 253 12,2 255 14,1 251 14,2 251 14,4 252 14,6 252 15,1 120, 252 15,1–16,2 254 15,2 253 15,4 253, 256 16,2 f. 251 20,2 256 21,2 49, 68 22,1 256 f. 22,2 257 22,3 255 22,4 256 22,5 255 23,1 161 23,3 46 23,5 160 24,2 42 f. 25,1 291 f. 25,2 292 26,4 218 27,2 280 27,7 280 27,9 280 27,12 280 27,13 280 29,13 179
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350
Register
29,15 180 33,1 252 33,6 252 Pasch. I 20 f. I 33 I 53 I 77–81 II 5
42 70 78 246 245
Princ. I Praef. 1 205 I Praef. 2 29 f. I Praef. 3 27 f. I Praef. 4 30, 124, 128, 160, 217 I Praef. 5 30 I Praef. 8 239 I Praef. 10 28 I Praef. Ruf. 1 f. 38 I Praef. Ruf. 2 38 I Praef. Ruf. 3 38 I 1,2 48 I 1,3 124 I 1,4 48 I 1,5 49, 54, 58 I 1,6 45 f., 53 I 2,2 61 f., 68, 171 I 2,2 f. 68 I 2,3 71, 189 I 2,4 60, 89, 271, 280 I 2,5 83, 104 I 2,6 62, 107 f., 121 I 2,7 61 I 2,9 62 I 2,10 91 I 2,11 60 I 2,12 107 I 2,13 80 I 3 145 I 3,1 53, 123 f. I 3,2 137 I 3,3 130, 160 f. I 3,4 54, 56, 124, 129, 240 I 3,5 137, 140 f., 262 I 3,5–8 148 I 3,6 43, 46, 141, 151, 171, 199, 234 I 3,6 f. 141 I 3,7 139, 141 f., 144, 151 I 3,8 87, 139, 147 f., 151, 178, 262–264
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I 4,1 I 4,3–5 I 5,3 I 5,5 I 6 I 6,1 I 6,1 f. I 6,2 I 6,4 I 7,5 I 8,3 II 1,4 II 2 f. II 2,2 II 3,5 II 3,7 II 4,1 II 4,4 II 5,1–4 II 5,3 II 6,1 II 6,2 II 6,3 II 6,4 II 6,5 II 6,6 II 6,7 II 7,1 II 7,2 II 8,4 II 9,2 II 9,6 II 10 f. II 11,6 III 1,1 III 1,1–24 III 1,13 III 5,4 III 5,6–8 III 5,7 III 6 III 6,1 III 6,1–9 III 6,3 IV 1,1–3,11 IV 1,6 IV 2,2 IV 2,3 IV 2,4 IV 2,7
178 91 132 132 45, 259 292 288 178, 132 288 288, 290 132, 178 161 259 171 288 290 162 223 184 184 207 210 178, 195, 211, 217, 269 213 f. 215 214, 16, 289 212 124, 207 245, 258 29 178 178, 185 259 165 30 35 177 184 288 290 f. 259 58 288 58, 216, 288 35 236, 238 30, 238, 243 208, 244 241 204, 210
10.07.2013 16:21:04
Register IV 3,14 IV 4,1 IV 4,2 IV 4,3 IV 4,4 IV 4,5
129 107, 190 222 145, 196, 223 212, 214, 286 269
IV 4,8 IV 4,9
351 55 178
Sel. in Ps. 1,4 235 36,5 42
3. Namen und Sachen Adoptianismus 21, 51 Alexander von Alexandrien 17 f. ἀλήϑεια 28, 63, 66, 68, 75, 189, 208 Alkinoos 165 All-Einheit 47, 58, 72 f., 77, 163–166, 168, 192 f., 302 Allwissenheit Gottes 161, 181 Alter Bund 201, 258 Altes Testament 34, 202, 239, 256 Ammonios Sakkas 26 f. Analogia entis 167 Anbetung 48, 98 f., 113, 251, 253, 258 Anthropomorphismus 48 Antichrist 291 Antimodalismus 25, 77, 88, 103, 113, 115, 121, 138, 152, 154–156, 254, 264, 298 f. Antiochos von Askalon 23 Antipater von Bostra 91 Apathie Gottes 224 f. Apokatastasis 58, 182 f., 259–261, 269, 289 f., 294, 296, 298 f., 305, 307 Apostel 27–29, 57, 62, 124, 187, 204, 207 f., 210, 214, 227, 230 f., 241, 294 Archetypen (siehe Ideen, Urbilder) 68, 163–165, 168, 275, 304 ἀρχή 46, 50 f., 61, 70 f., 75 f., 95, 126, 160 f., 163–165, 168, 174, 204, 218, 279 Aristoteles 32, 90 Arius 17–19, 22 f., 94, 186 Athanasius von Alexandrien 18 f., 76, 87, 105, 107, 113, 156 Athenagoras von Athen 22 Auferstehungsleib 232, 261 f. Aufstieg zu Gott 229, 263, 269, 271, 273, 282 Augustinus 87, 175 f., 273
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αὐτο-Komposita —— αὐταγαϑός 80, 109, 117, 190, 297 —— αὐτοαγιασμός 200, 297 —— αὐτοαλήϑεια 74, 172, 200 —— αὐτοαπολύτρωσις 297 —— αὐτοβασιλεία 282 —— αὐτοδικαιοσύνη 200 —— αὐτοζωή 74, 77 f. —— αὐτόϑεος 50, 73–75 —— αὐτολόγος 73 f., 80, 89, 169, 172, 191 —— αὐτόπτης 57, 292 —— αὐτοσοϕία 74, 172 —— αὐτουργός 95, 168 —— αὐτοϋπομονή 200 Autonomie 180, 194 Avitus 37 Basilides 160 Basilius von Cäsarea 35, 76, 113, 157, 301 Bestrafung 183, 233, 261 Bild (Gottes/des Sohnes) 24, 61, 74 f., 79 f., 82–84, 94, 98, 103, 105–109, 113, 117, 119, 134, 170–177, 188 f., 195, 203, 216, 225–227, 273–277, 279, 282, 285 f., 289, 292, 305 —— Bildwerdung 173, 176, 232, 256, 277 f., 282 f., 293 —— Abbild 74 f., 79 f., 83, 103, 113, 117, 169, 173, 237, 247, 292 —— Urbild 68 f., 72, 74 f., 79 f., 83, 89, 117, 173, 216, 256, 275 f., 279, 282, 307 —— Vorbild 52, 57 f., 173, 176, 212, 216, 222, 234, 253, 269, 271, 276, 283, 286, 291, 294, 296, 307 Bonaventura 91 Brotbitte des Vaterunsers 280 Bruder Christi 133, 256, 258
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Register
Celsus 28, 36, 44, 74, 77, 83, 92, 94, 102, 172, 174, 176 f., 203 f., 219, 222 f., 225, 231, 279 Chrysipp 47 Cicero 66, 279 Clemens von Alexandrien 22, 72, 76, 107, 171, 188, 200 Demiurg 23, 79, 165, 167 Determinismus 179, 275 Drei-Hypostasen-Lehre 25–27, 45, 123, 65, 115, 117 f., 126, 132, 137 f., 142, 149, 152, 154–156, 179, 238, 242, 247, 254 f., 263–267, 398 f., 302–305, 308 f. Dualismus 30, 161, 183, 207, 211, 217 Einfachheit Gottes 46, 52, 55, 65, 67, 79, 117, 188 Einheit —— Gottes 21, 23, 28, 30, 49, 65, 73, 79, 102, 115–117, 120, 122, 163, 166, 192 —— von Vater und Sohn 22, 89, 101–104, 106–112, 114, 118 f., 133 f., 167, 222, 303 —— der drei Hypostasen 112 f., 132, 134, 145, 155 f., 267, 299, 303 f. Einwohnung —— der drei Hypostasen 265 —— des Logos 239, 249, 256, 265, 282 Empedokles 245 Engel 43, 62, 97 f., 100, 202, 230 Epinoiai/Epinoiailehre 65 f., 68, 72 f., 99, 126, 190, 229, 231, 263, 271, 302 Epiphanius von Salamis 19, 31, 37, 69, 131, 154, 175 Erhaltung der Schöpfung 160, 165 Erkenntnisgemeinschaft —— von Vater und Sohn 56 f. —— des dreifaltigen Gottes 56 —— Gottes und der Vernunftgeschöpfe 56 Erkenntnistheorie 169, 245 Erlösung (siehe Soteriologie) 20, 39, 45, 50 f., 89, 176, 201 f., 225, 227, 231, 241, 250 f., 261 f., 264, 268, 271–273, 277 f., 281, 284, 286, 292, 297, 299, 306–309 Erziehung 180–183, 233, 261, 308 Eschatologie 52, 251, 258–261 Ethik 172 f., 175, 194, 199, 275, 277, 279, 284, 295, 299 Eusebius von Cäsarea 11, 26, 37, 62, 121, 133
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Ewigkeit —— Gottes 60, 62, 76, 101, 104, 161 f., 299 —— des Sohnes 22, 24, 50–52, 64–66, 85, 101, 104–106, 110 f., 115, 134, 164, 171, 175, 186, 190, 192, 208, 212, 220 f., 227, 237, 256, 284, 295, 299, 302 —— des Heiligen Geistes 155, 246 f., 265, 299, 302, 308 —— der Schöpfung 237, 304 —— der Vernunftwesen 91, 260, 281, 299 Exemplarursache 44, 163 f., 171 f., 304 Fall/Sündenfall 45, 52, 89, 133, 170, 178, 182–184, 194, 212, 215, 217, 227, 232, 234, 248 f., 260 f., 269 f., 271, 296, 304, 307 Freiheit 148, 175 f., 178–184, 194, 203, 215 f., 259, 269 f., 274 f., 285, 299, 300, 308 —— Freiheit Gottes 179–181, 277 —— Freiheit Jesu 213, 216 —— Freiheit und Gnade 221, 272–274, 277, 290, 299 —— Missbrauch der Freiheit 89, 248, 250, 271 Gebet 36, 242, 251, 253, 255, 99, 251 f. Gebetsmittlerschaft des Sohnes 98 f., 253–256 Geheimnis 49, 70, 134, 203 Gennadius von Marseille 19 Gerechtigkeit 85, 183–185, 199, 213, 215, 262, 294 Geschichtstheologie 181–183, 259 Gewissen 194 Gnade 136 f., 142 f., 147 f., 150 f., 153, 156, 258, 265, 268, 285, 289, 297, 302, 305, 307 —— Gnadengaben 135 f., 144, 149, 240, 264 —— Gnadenrealismus 272 —— Gnadenwirken 146, 151, 243, 245, 265, 305 —— Gnadenwirklichkeit 156, 263, 265, 272, 309 Gnosis 28, 30, 63, 162, 179, 275 Gott —— erster Gott 23 f., 92 —— zweiter Gott 23 f., 51, 92, 117, 164, 308 —— guter Gott 49, 74, 79–81, 109, 116, 155, 253 —— wahrer Gott 24, 50 f., 73, 77, 80, 90, 105 f., 116 f., 186, 194, 275 f., 303, 309 Götter 52, 64, 92, 275, 277, 280, 295, 299 Gotteserkenntnis 52, 54, 56–58, 209, 225, 227 —— eschatologisch 53, 228 f., 268, 292–294, 298
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Register —— natürlich 53 —— Erkennbarkeit Gottes 52, 54 f., 58, 84, 116, 155 —— Erkenntnis des Sohnes 220 f., 225, 228–230, 232, 234, 277, 292 —— Gotteserkenntnis und Gnade 220 f., 241, 262 —— Selbsterkenntnis des Vaters 55 f., 84, 116 Gregor Thaumaturgos 32, 121 Gregor von Nazianz 35, 76, 113, 154, 181, 301 Gregor von Nyssa 301 Gutsein 49 f., 76–78, 80, 99, 109, 117 Hegemonikon 196, 198 Heil —— Endheil 241, 260, 270, 288, 291, 298, 305, 307 —— Heilsangebot 182, 185, 248 —— Heilsgemeinschaft 183, 248, 265, 269, 291, 307 f. —— Heilsgeschichte 16, 21, 124, 180, 182, 195, 207, 302 —— Heilsökonomie 16, 19, 40, 59, 66, 181 f., 209, 238, 246 f., 304, 309 —— Heilspädagogik 182 f., 185, 223, 227, 248–250, 257, 270, 291 —— Heilstrinitarismus (siehe Trinität) Heiligkeit 132, 137, 155, 203, 262, 265 —— Heiligung 88, 135, 137 f., 143, 146–150, 153, 156, 190, 200, 240, 247, 262–264, 267, 269, 297 —— Heilige 86, 100, 124, 137, 140–143, 145, 204, 208 f., 214, 230, 241, 256, 258, 264, 275, 278, 281, 291, 297, 306 Heilige Schrift 27, 30 f., 34, 48, 60 f., 80, 87 f., 95, 115, 117–119, 123, 162, 184, 295, 304, 306 —— Einheit der Heiligen Schrift 70, 184, 202, 236, 239 —— Schrifthermeneutik 29, 34, 48, 182, 236–238, 242, 244 f., 306 —— Schriftinspiration (siehe Inspiration) 234 f., 237–240, 244 f., 246 —— Schriftsinn 235 f., 241–246 Hellenisierung/Hellenismus 12, 21 f., 31–35, 224, 295 Herakleides 36, 109–111 Herakleon 120, 166 f., 195 Heraklit 278
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Herrschaft —— des Vaters 290–292 —— des Sohnes 274, 286, 288–292 Hieronymus 19, 36–39, 55, 69 f., 75, 81, 86 f., 121, 124, 128–130, 138 f., 142, 148, 178, 218, 272 Hilarius von Poitiers 14, 76 Hippolyt von Rom 21 f., 22, 104, 107, 161, 293 Hoherpriester 98, 209, 252–254 Homoousios 51, 108, 118–120, 299, 303 Hörer des Wortes 176, 194, 203, 213, 222, 247, 271, 306 Hyliker 120 Ideen/Ideenkosmos 23 f., 44, 68, 71 f., 165, 167, 188, 197, 304 Idiomenkommunikation 217 f. Immanenz 23, 68, 119, 165, 196, 303 f., 308 Inkarnation/Menschwerdung 15, 63, 65, 121, 182, 195, 198, 200–206, 208–211, 213, 217, 221–223, 225–227, 229 f., 232 f., 236, 256–258, 276, 286 Inkarnationsglaube 203, 222 Inkarnationstheologie 205, 221 f., 227, 233, 235, 248 Innerer Lehrer 175, 198 Innerer Mensch 173, 177, 184, 201, 230, 244, 254, 277, 280 Inspiration —— der Heiligen Schrift 30, 34, 238–240, 243 f. —— der Propheten, Evangelisten, Interpreten 203, 208, 239, 241, 245 f. Instrumentalursache 162–165, 168, 305 Interpolation 37, 119 f., 128, 130, 141 f., 148, 152 f., 259 Irenäus von Lyon 22, 63, 161, 167, 263 Israel 293 Jesus 21, 143, 186, 190 f., 196, 206–208, 213 f., 216 f., 220, 223, 237 f., 241, 257 f., 266, 283, 286 f., 305 f. Jesusmystik 286 Johannes Chrysostomus 76 Johannes von Damaskus 91 Johannes der Täufer 193, 195–197, 201, 204 Justin der Märtyrer 22, 63, 107, 278 Justinian, Kaiser 35, 54 f., 69 f., 75, 80, 86 f., 91, 129–131, 137–140, 142, 148, 178
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Register
Kerygma 20, 27, 29–31, 33–35, 118, 124, 160, 182, 184, 192 f., 236, 304 Konzil —— von Konstantinopel 18, 20, 28, 36 f., 87, 178, 247, 301 —— von Nizäa 17, 19, 22, 37, 51, 87, 94, 112, 121, 247 Körper/Körperlichkeit 46 f., 49, 53, 62, 90, 120, 163, 170, 173 f., 178, 183 f., 196 f., 201, 210, 217 f., 226, 233, 282, 296 —— Körper/Leib Jesu 196, 207, 214, 217–219, 221 f., 226–228, 231–235, 256 f. —— Körper der Heiligen Schrift 235, 237, 241, 249 —— pneumatischer Körper 48, 259 f. Körperlosigkeit 47 f., 62, 67 f., 71, 124, 170, 177, 195, 197, 205, 211, 218, 228, 259–261 Kosmos 23 f., 85, 95 f., 165, 168, 170, 196 f., 211, 296 Kreuz (siehe Tod Jesu) 224, 228, 233 f. Lessing, Gotthold E. 225 Liberatus 86 Licht 48 f., 53, 61, 77, 82, 113, 121, 154, 197 f., 211, 220, 245 Logos 24, 30, 43, 56 f., 63, 66 f., 70–72, 75, 84 f., 89, 97, 100, 123, 127, 143, 163–165, 174, 196, 221, 284, 295 f., 304 —— Logosbegabung 249, 256, 274, 281, 295, 305 —— Logosbeziehung 172, 195, 221, 250 —— Logosgegenwart 196–198, 205 f., 222 f., 237, 241, 247, 249, 272, 282, 306 —— Logosmetaphysik 21, 24, 60, 212 —— Logosmystik 212, 272, 277 —— Logosoffenbarung (siehe Offenbarung) —— Logosteilhabe 194, 196–200, 211 f., 234, 240, 247, 270, 272–274, 278, 281, 283, 286, 305 —— Logoslehre 17 f., 22–25, 121, 125, 275 —— Theos-Logos 73, 75, 78, 85, 212, 221, 226 f., 253, 280 —— λόγος ἐνδιάϑετος/προϕορικός 25, 191 Magnificat 282 Maria 218, 283 Markion 30, 184, 202, 207 Materie 23 f., 164, 184, 218–220 —— Urmaterie 161 —— materielle Güter 251, 285 —— materielle Schöpfung (siehe Schöpfung)
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Menas von Konstantinopel 36, 137 Methodius von Olymp 91 Mittelstellung des Sohnes 79, 88, 96 Mittler —— der Erlösung 20, 89, 116, 201, 231, 241, 271 —— der Offenbarung 24, 71, 191, 254 —— der Schöpfung 71, 73, 88, 90, 94 f., 123, 125, 128 f., 141, 160 f., 164–169, 191, 304, 308 Modalismus 21, 25, 51, 87, 100, 102, 108, 115, 123, 126, 302 Monophysitismus 218 Monotheismus 20–24, 51, 88, 102, 105, 115–117 Nachahmung/Nachfolge 107, 173, 199, 211, 274, 278 f., 286 Natur —— göttliche (siehe Wesensnatur) 45–49, 53–55, 120, 126, 154, 157, 218, 224, 229, 267 f., 272, 280, 293, 298 —— geschöpfliche/menschliche 43, 49, 54, 56, 143, 146, 171, 174, 177, 183, 211, 215, 217, 220 f., 226, 275, 277, 279 f., 286 Neuschöpfung 297 Nichts 160 f., 165 Noët von Smyrna 123 νοῦς 23, 44, 46, 47, 68, 72, 177, 188, 197, 278 —— νοῦς Χριστοῦ 243–245 Novatian 43, 49, 51, 60, 63, 78, 82, 95, 103, 108, 293 Numenius 73 Offenbarung 186, 192, 194 f., 220, 225, 227, 237, 250, 307 —— kategorial-geschichtlich 200, 208, 221, 223, 226 f., 235, 247–249, 257 f., 306–309 —— transzendental 194–196, 198–202, 206, 208, 222, 225, 234, 237, 248, 251, 256–258, 282, 306 —— Logosoffenbarung 187–189, 191, 202, 213, 217, 219, 227, 230–233, 235–237, 249, 271 f., 285 —— Namensoffenbarung 42, 297 —— Offenbarungstheologie 70, 118, 172, 182, 186 f., 189, 191–194, 202 f., 233 f., 247, 254, 257, 268, 272, 305 f. —— Selbstoffenbarung 186, 190, 193, 222 —— trinitarische Offenbarung 17, 203, 238, 240 f., 247, 306, 308 f. —— Uroffenbarung 192, 222, 241, 305
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Register ὁμοίωσις/Ähnlichkeit/Gleichnis 273 f., 277, 295 f., 176 f., 273 f., 280, 282, 286, 295 ὁμοούσιος (siehe Homoousios) οὐσία 26, 44, 70, 100, 103, 120 f., 125, 164, 221, 252, 280, 301, 303 Pamphilus von Cäsarea 33, 37, 107, 113, 120, 140, 280 Pelagianismus 272 f. Pelagius I., Papst 86 Philon von Alexandrien 24 f., 43, 46, 48–50, 68, 74, 94, 170 f., 173, 191, 241, 293, 296 Philosophie 11 f., 22, 27, 31–35, 53 f., 114 f., 118, 123, 179 f., 182, 295 Photius 35, 87, 91, 131 Platon 23, 32, 43 f., 47, 90, 95, 116, 123, 129, 161, 165, 174, 196, 225 f., 245, 274, 295 Platonismus —— Mittelplatonismus 23 f., 26, 28, 32, 55, 123, 162 —— Neuplatonismus 23, 26–28, 55, 65, 128, 296 Plotin 23, 26–28, 46, 64 f., 68, 72, 117, 123, 129, 161, 188, 296 Pneuma 22, 48, 203, 238, 244 Pneumatologie 13, 20, 25, 123–125, 127 f., 133–136, 153–155, 157, 214, 299, 303 Polymorphie Christi 231–233 Polytheismus 102, 116, 161 Porphyrios 11 f., 26, 31 Präexistenz —— Christi 43, 71, 83, 94, 97, 103, 114, 118, 168 —— der Seelen 170, 211, 218 —— der Vernunftgeschöpfe 89, 170, 184, 211 Praxeas 21, 123 πρέσβυς 94–96, 125, 127 f., 175, 218 Prinzipientheorie 55, 60 f., 84, 105, 115, 117, 162, 166, 298 Prophetentum/Prophetie 182, 193, 201, 205 f., 210, 213 Prophet 21, 57, 124, 193, 201–210, 213 f., 222, 227, 235, 237, 241, 249, 258, 266, 287, 294, 306 Rahner, Karl 16 f., 42, 195, 247–249, 273, 277 Reich Gottes 282, 291, 292 Richter 183 f. Rückkehr zu Gott 28, 30, 178, 227, 278 Rufin von Aquileia 36–39, 45 f., 55, 68, 80, 87, 108, 120, 124, 128–130, 135, 138–142, 144 f., 148, 152 f., 178, 216 f., 238, 259
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Sabellius 25, 123 Sakrament 282 Schau des Vaters —— durch den Sohn 56, 60, 64–66, 71 f., 102, 107, 163, 284, 302 —— durch die Kreatur 52, 54, 57, 83, 105 f., 119, 169, 178, 227–230, 241, 250, 268, 282, 284, 288, 292 f., 298, 307 f. Schöpfung 18, 21, 38 f., 45 f., 50, 53, 60, 67–70, 73, 90–95, 100, 141, 146, 154, 160–162, 164 f., 167 f., 174, 176, 178 f., 184, 192, 211, 236 f., 249, 298, 307 —— primäre 90, 169, 171, 184, 194 f., 234, 250, 304 f. —— sekundäre 90, 170, 183 f., 233, 304 Schöpfungsbericht 170, 176 Schöpfungsmittlerschaft (siehe Mittler) Schuldfähigkeit 198 f., 285 Seele 172–174, 177, 188, 200, 206, 223, 226 f., 233, 244, 249, 255, 265 f., 277, 280–283, 292, 296 —— Seele Jesu 205, 211–218, 221 f., 234, 285, 288 f., 296, 306 —— Seele des Gerechten 100, 133, 203 f., 206, 266, 278 Seinsfülle 50, 52, 62, 65, 67, 80, 160 Selbstaussage Gottes 186, 192, 207, 221, 246 f., 306 Selbstmitteilung Gottes 24, 129, 189, 237, 239, 247, 268, 280, 305, 309 Selbsterkenntnis des Vaters (siehe Gotteserkenntnis) Selbstursprünglichkeit 44, 51, 71, 73 f., 78–80, 84, 89, 109, 118, 121, 134, 155, 160 f., 166, 168, 179, 302 Seraphim 129 f. Söhne —— Gottes 255–258, 279 f., 283–285, 288, 291–295 —— des Teufels 275, 284 f. Sohnwerdung 269, 271 f., 275, 279, 286, 295 Sohnschaft 57, 176, 178, 212, 216, 254–258, 267, 269–271, 274–276, 278–280, 283–285, 292, 294, 302, 307, 309 Sokrates, Kirchenhistoriker 19, 113 Sokrates, Philosoph 278, 295 Sophia (siehe Weisheit) 24, 34, 66–72, 77, 79, 82, 85, 94 f., 97 f., 107, 117, 160, 163–169, 171, 189–192, 196, 203, 209–212, 214 f., 218, 228 f., 237, 289, 304
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Register
Soteriologie 13, 22, 24, 45, 51 f., 73 f., 148, 150, 172 f., 176, 199, 203, 206, 212, 222, 225, 227, 229, 233, 241, 254, 259, 262 f., 267, 271, 273, 275, 282, 284, 286, 297–300, 305, 307–309 Stoa 23–25, 48, 60, 66, 123, 161, 164, 181, 191, 196, 219, 275, 279, 295 f. Stufenontologie/Stufung 26, 55, 65, 80, 87 f., 109, 112, 115–119, 138 f., 140, 142 f., 148, 150, 304 Stufenweg der Erlösung 147, 229, 262–264, 268, 271, 285 Subjektivität 179 Subordinatianismus 18, 20–22, 24–26, 76, 82, 84, 88, 105, 108, 111–116, 118 f., 121, 128, 154, 193, 254, 293, 303 f., 308 Sünde 30, 48, 58, 179, 184, 198, 200, 213, 215, 217, 259, 270 f., 281, 284 f., 288, 294, 297, 305, 307 Sündenfall (siehe Fall) Synergismus 272 f. Tatian 22, 76, 107, 160 Taufe 21, 137, 147, 262, 282 Tertullian 21 f., 48, 61, 63, 88, 107 f., 127, 161, 224 Teufel 270, 272, 275, 283–286, 288, 291, 303 Theodizee 185 Theonomie 180, 194 Theophanie 202 Theophilus von Alexandrien 12, 22, 63, 75 f., 161, 164, 191 Theotimus von Skythien 113 Thomas von Aquin 19, 91 Tod Jesu 210, 217 f., 228, 233 Transzendenz 23 f., 28, 30, 43, 45, 52–54, 56, 58 f., 62, 73, 84, 95, 99 f., 105, 115–117, 155, 162 f., 176, 186, 188, 192, 224, 232 f., 250, 296, 298, 302, 308 Trinität 13, 16, 21, 134, 139, 143–149, 152, 170, 299, 305 —— immanente 16, 60, 76, 113, 254, 298, 309 —— ökonomische 19, 50, 169, 238, 246, 304, 309 —— Heilstrinitarismus 40, 53, 129, 153, 264–267, 269, 297, 299, 309 —— Trinitätsdogma 21, 24 f., 37 f., 111, 132, 134, 140, 155, 304 —— Trinitätsglaube 16 f., 20 f., 301, 309 —— Trinitätstheologie 14–22, 25–28, 35–37, 39 f., 52, 55, 58, 65, 78, 87, 100 f. 109, 112,
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123, 134, 138, 142 f., 234, 238, 246, 252, 254, 264, 301 f. —— Trinitätstraktat 15 f., 39 Tugend 72 f., 89, 132 f., 154, 173, 175, 184, 201, 203, 213, 219, 222 f., 249, 263, 275, 278 f., 281, 283, 286, 293, 295 f. Tugendethik (siehe Ethik) Übernatürliches Existential 247 f. Universaler Heilswille Gottes 181, 184 f., 231 Unsterblichkeit 221, 280 Unwandelbarkeit —— der Seele Jesu 215 f. —— der Trinität 25, 39 f., 132, 178, 302 f. —— des eschatologischen Heils 300, 308 —— des Heiligen Geistes 16, 127, 132 f., 155, 299, 302 —— des Sohnes 16, 89 f., 92, 99, 276, 295, 299, 302 —— des Vaters 43, 80, 299 Urbilder 68, 72, 163–165, 168 f. Ursprungsrelation 16, 61, 65, 75, 78, 88, 108, 113, 302 Vateranrede 209, 256–258 Vaterunser 36, 42, 253, 255, 280, 291 Vergöttlichung 53, 57 f., 64, 74, 78, 85, 89, 96, 174, 176, 216, 218, 250, 262 f., 267–269, 271, 273, 275 f., 280, 286, 288–290, 294–296, 299, 307, 309 Verklärung Jesu 219 f., 231 f. Vernunft 31, 43, 46 f., 50, 53 f., 56, 72 f., 85, 89, 132, 137, 143, 146, 154, 171, 173–176, 179, 184, 191, 196 f., 249, 270 —— praktische 175, 178 —— theoretische 178 —— Urvernunft (siehe αὐτολόγος) 74, 77, 175, 194, 271 —— Vernunftbegabung 45, 74, 148, 169, 171, 175, 178–180, 194, 197, 212, 225, 247 f., 250, 270, 272, 305 —— vernunftgemäßes Leben 85, 89, 175, 199, 275 Vielheit 23, 28, 30, 46 f., 65, 67 f., 70, 73, 79, 116 f., 162–164, 166, 188, 192 f., 231, 302, 308 Vollendung 53, 56 f., 85, 156, 180, 185, 216, 228 f., 259–261, 268, 271, 274, 288–292, 294 f., 298 f.
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Register Vollkommenheit —— des Seins 43, 45, 49, 67, 116, 162, 183, 302 —— sittliche 167, 173, 212, 255, 263, 278, 285 Vorsehung 123, 161, 178, 181–183, 204, 219 Weisheit (siehe Sophia) 61, 65, 175, 200, 204, 217, 220, 225, 231, 235 f., 239 f., 242, 245, 249, 255, 262 f., 265, 270, 279 f., 283, 285, 287, 293, 295 Weisheitsliteratur 24, 33, 35 Weltseele 23, 68, 164 Weltzyklen 181–183, 260 Wesensgleichheit 25, 40, 51, 56, 58 f., 104, 113, 133 f., 154, 254, 299, 303 f., 308 Wesensnatur 24, 76, 88, 93, 101, 108, 111, 113, 118, 121 f., 132, 154–156, 247, 299, 303 Wille Gottes 67, 101, 103, 105–109, 133 f., 139, 166–168, 176–178, 190, 194, 238–240, 244, 261, 267, 270, 276, 288
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Willenseinheit von Vater und Sohn 104, 106 f., 109, 112, 118, 134, 290 Wort (siehe Logos) 25, 63, 187 f., 191 —— Wort der Heiligen Schrift 29, 184, 198, 211, 234–243, 245 f., 249 —— Wort Gottes 11, 25, 31, 48, 62, 145, 172, 175 f., 191, 194, 202 f., 207, 234, 240, 247–249, 272, 277 f., 285, 305, 307 ὑποδεέστερος 79, 85, 128, 139 Zenon 47 Zeugung —— des Sohnes 22, 24 f., 56, 60–65, 75, 78 f., 83, 85, 91, 93, 95, 97 f., 101, 104, 113, 118, 120 f., 127, 155, 163, 168 f., 171, 176, 186, 189, 191 f., 198, 221, 235, 283, 302, 305 —— der Vernunftwesen zu Söhnen 252, 257, 283 f., 298, 307 Zweinaturenlehre 217 f., 286
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