Traum und Traumdeutung in den christlichen Apokryphen [1 ed.] 9783666517068, 9783525517062


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German Pages [433] Year 2021

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Traum und Traumdeutung in den christlichen Apokryphen [1 ed.]
 9783666517068, 9783525517062

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36 mm

Format: BEZ 155x230, Aufriss: HuCo

Der Autor Paulus Enke ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neutestamentliche Wissenschaft der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig.

BAND 124

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Träumen und ihrer (Be-) Deutung in den christlichen Apokryphen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Apostelakten, den Pseudoklementinen und den apokryphen Kindheitserzählungen Jesu. Hieraus werden Texte, die Träume schildern oder sich mit ihnen auseinandersetzen, aufgeführt und die einzelnen Schriften kurz vorgestellt. Träume erscheinen dabei nicht selten als literarisches Gestaltungsmittel, aber auch als Weg der Gottesoffenbarung. Dennoch stehen ihnen die antiken Autoren oft ambivalent, zum Teil auch ablehnend gegenüber. In einem zweiten Teil werden drei ausgewählte Traumtexte exegetisch ausführlich untersucht und tiefenpsychologisch gedeutet. Dabei wird aufgezeigt, dass moderne Traumdeutungstheorie durchaus auf antike Texte anwendbar ist und sich das Unbewusste auch in literarisch überlieferten Träumen niederschlägt.

ISBN 978-3-525-51706-2

9 783525 517062

Enke  Traum und Traumdeutung in den christlichen Apokryphen

NOVUM TESTAMENTUM ET ORBIS ANTIQUUS / STUDIEN ZUR UMWELT DES NEUEN TESTAMENTS

NTOA/StUNT 124

Paulus Enke

Traum und Traumdeutung in den christlichen Apokryphen

Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments

In Verbindung mit der Stiftung „Bibel und Orient“ der Universität Fribourg/Schweiz herausgegeben von Martin Ebner (Bonn), Peter Lampe (Heidelberg), Heidrun E. Mader (Heidelberg), Stefan Schreiber (Augsburg) und Jürgen K. Zangenberg (Leiden) Advisory Board Helen K. Bond (Edinburgh), Raimo Hakola (Helsinki), Thomas Schumacher (Fribourg), John Barclay (Durham), Armand Puig i Tàrrech (La Selva del Camp), Ronny Reich (Haifa), Edmondo F. Lupieri (Chicago), Stefan Münger (Bern) Band 124

Vandenhoeck & Ruprecht

Paulus Enke

Traum und Traumdeutung in den christlichen Apokryphen

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.de abrufbar. © 2021, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: 3w+p, Rimpar Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISSN 2197-5124 ISBN 978-3-666-51706-8

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Allgemeine Vorgehensweise, Thesen und Grundanliegen der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Zur Unterscheidung von Traum und Vision . . . . . . . . . . . 1.3 Antike Traumkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Methodische Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1 Möglichkeiten und Grenzen psychologischer bzw. tiefenpsychologischer Exegese . . . . . . . . . . . . . . . 1.4.1.1 Möglichkeiten und Denkräume . . . . . . . . . . 1.4.1.2 Grenzen, Einschränkungen und „Stolperfallen“ tiefenpsychologischer Exegese . . . . . . . . . . 1.4.1.3 Fazit zur historisch-kritischen und tiefenpsychologischen Exegese von Traumtexten 1.5 Abschließende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Formal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Inhaltlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2. Traumstellen in den christlichen Apokryphen . . . . . . . . . . . 2.1 Apostelakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Einführung in die Apostelakten . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Andreasakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.1.2.2 Traumstellen in Gregor von Tours „Über die Wunder des Apostels Andreas“ . . . . . . . . . 2.1.2.3 Traumstellen in der Schrift „Andreas in Patras (griechischer Text)“ . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Die Akten des Andreas und des Matthias in der Stadt der Menschenfresser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.1.3.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.1.4 Johannesakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . .

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Inhalt

2.1.4.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.1.4.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5 Paulusakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.5.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.1.5.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.1.5.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6 Petrusakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.6.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.1.6.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.1.6.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7 Thomasakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.7.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.1.7.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.1.7.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.8 Barnabasakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.8.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.1.8.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.1.8.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.9 Philippusakten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.9.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.1.9.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.1.9.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.10 Pseudoklementinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.10.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . Exkurs – Der „Schatten“ bei C.G. Jung . . . . . 2.1.10.2 Grobgliederung von pseudoklementinischen Homilien und Rekognitionen . . . . . . . . . . 2.1.10.3 Pseudoklementinische Homilien . . . . . . . . 2.1.10.4 Pseudoklementinische Rekognitionen . . . . . Exkurs – Dtn 13,2 ff in PsClem R II 45,7 f . . . Exkurs – Das Traumsymbol des Wassers bei Artemidor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Kindheitserzählungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Protevangelium des Jakobus . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.2.1.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.2.2 Pseudo-Matthäusevangelium . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.2.2.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.2.3 Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann . . . . . 2.2.3.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . 2.2.3.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . 2.2.3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Das Nikodemusevangelium/Die Pilatusakten . . . . . .

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Inhalt

2.2.4.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . 2.2.4.2 Traumstellen in der Schrift . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Der Brief des Pilatus an Herodes . . . . . . . . . . . . . 2.2.5.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . 2.2.5.2 Auszug aus der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6 Das Pergamentblatt K 9403 . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.6.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . 2.2.6.2 Traumstelle in der Schrift . . . . . . . . . . . . . 2.2.7 „An Encomium on Saint John the Baptist“ unter dem Namen des Johannes Chrysostomos . . . . . . . . . . . . 2.2.7.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . 2.2.7.2 Traumstelle in der Schrift . . . . . . . . . . . . . 2.2.8 Das arabische Kindheitsevangelium . . . . . . . . . . . . 2.2.8.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . 2.2.8.2 Traumstelle in der Schrift . . . . . . . . . . . . . 2.3 Auszüge aus anderen Kindheitserzählungen mit negativem Traumbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Kindheitserzählung Jesu in der „Himmelfahrt des Jesaja“ 2.3.1.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . 2.3.1.2 Auszüge aus der Schrift . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Auszug aus dem Leben Johannes des Täufers . . . . . . 2.3.2.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . 2.3.2.2 Auszug aus der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Die Kindheitserzählungen des Thomas . . . . . . . . . . 2.3.3.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . 2.3.3.2 Auszug aus der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.4 Zusammenfassung zu den Kindheitserzählungen . . . . 2.4 Der Kölner Mani-Kodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Kurze Einführung in die Schrift . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Traumstelle in der Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einführung in die tiefenpsychologische Traumdeutung unter Berücksichtigung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse . . . . . . 3.1 Die Traumdeutungstheorie Sigmund Freuds . . . . . . . . . . . 3.2 Freudianische Traumdeutung der Gegenwart . . . . . . . . . . 3.3 Die Traumdeutungstheorie C.G. Jungs . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Die Archetypen bei C.G. Jung, Kritik und neuere Ansätze 3.3.1.1 Die Archetypen bei C.G. Jung . . . . . . . . . . . 3.3.1.2 Kritik der Archetypentheorie . . . . . . . . . . . 3.3.1.3 Nachweis von Archetypen durch Kultur- und Naturwissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs – Spiegelneurone . . . . . . . . . . . . . 3.3.1.4 Reformulierung der Archetypentheorie durch Christian Roesler . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

3.4 Nochmals Freud und Jung – kausal vs. final . . . . 3.5 Jungianische Traumforschung der Gegenwart . . . 3.6 Tiefenpsychologische Traumdeutung im Licht der Neurowissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Alfred Adler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Einzeluntersuchungen verschiedener Träume . . . . . . . . . . . . . 4.1 Auswahlkriterien der Träume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Der Traum des Andreas in ActAndr 20 . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.1 Der Traum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Exegetische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.1 Textkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2.2 Grammatisch-syntaktische Beobachtungen . . . . 4.2.3 Untersuchung zentraler Motive . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.1 Der Berg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.2 Der Becher (Petri) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.3 Die Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.4 Das Haupt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.3.5 Das Motiv des Erkennens (cognoscere/γιγνώσκω) . 4.2.4 Tiefenpsychologische Deutungsversuche von ActAndr 20 . 4.3 Der Traum des Marcellus in ActPetr 22 . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Der Traum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2 Exegetische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.2.1 Grammatisch-syntaktische Beobachtungen . . . . 4.3.3 Untersuchung zentraler Motive . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.1 Jungfrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.2 Das Wortfeld Kampf . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.3.3 Das Motiv der Äthiopierin . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Tiefenpsychologische Deutungsversuche von ActPetr 22 . . 4.4 Der Traum des Charîs in ActThom 91 f . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Der Traum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2 Exegetische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.1 Textkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.2.2 Grammatisch-syntaktische Beobachtungen . . . . 4.4.3 Untersuchung zentraler Motive . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.1 Der Adler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.2 Rebhuhn und Steinhuhn (perdix) . . . . . . . . . 4.4.3.3 Taube und Turteltaube . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.3.4 Rechts und links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Tiefenpsychologische Deutungsversuche von ActThom 91 f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Schlussbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Textausgaben und Übersetzungen . . . . . . . . . 2. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Zu den einzelnen Schriften . . . . . . . . . . 2.2 Antikes und Träume . . . . . . . . . . . . . 2.3 Tiefenpsychologie, Traumpsychologie, Neurowissenschaften . . . . . . . . . . . . . 2.4 Kritik der Psychoanalyse oder ihrer Aspekte 3. Bibeln, Wörterbücher und Grammatiken, Abkürzungsverzeichnisse . . . . . . . . . . . . . .

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Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sachregister (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Bibelstellenregister (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Stellenregister antiker Autoren (Auswahl) . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertation im Sommersemester 2018 an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig angenommen und erfolgreich verteidigt. Für die Druckfassung wurde sie noch einmal einer gründlichen Bearbeitung unterzogen. Ich danke meinem Doktorvater, Prof. Dr. Marco Frenschkowski, von Herzen für alle Unterstützung und Begleitung über inzwischen viele Jahre hinweg. Er hatte stets ein offenes Ohr in guten und schwierigen Zeiten und hat mich mit seinem schier unerschöpflichen Wissen immer wieder auf neue Dinge hingewiesen und mich durch seine vielfältigen Forschungsinteressen weit über das Gebiet der Neutestamentlichen Wissenschaft hinaus angeregt. Dass er mir bei der Wahl meines Dissertationsthemas freie Hand gelassen und die Interdisziplinarität dieser Arbeit nach Kräften unterstützt hat, empfinde ich als großes Glück und erfüllt mich mit Dankbarkeit. Besonders danke ich auch dem Zweitgutachter meiner Arbeit, Prof. Dr. Jens Herzer, bei dem ich als Studierender viele Semester als studentische Hilfskraft arbeiten durfte – eine für mich prägende Zeit – und bei dem ich die Freude an wissenschaftlicher Arbeit erlernt habe. Er hat mir beigebracht, dass die richtigen Fragen oft mehr wert sind als richtige Antworten. Dank gebührt auch meinen Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Neutestamentliche Wissenschaft der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig, die mir viele Anregungen gegeben und mir oft „den Rücken freigehalten“ haben. Ich danke Herrn Prof. em. Dr. Martin Ebner (Bonn), Herrn Prof. Dr. Peter Lampe (Heidelberg), Herrn Prof. Dr. Stefan Schreiber (Augsburg) und Herrn Prof. Dr. Jürgen K. Zangenberg (Leiden) für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Novum Testamentum et Orbis Antiquus/Studien zur Umwelt des Neuen Testaments“. Für den Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, in dem dieses Buch nun erscheinen darf, danke ich stellvertretend Frau Miriam Espenhain für die gute und unkomplizierte Zusammenarbeit. Herzlich danke ich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Union Evangelischer Kirchen in der EKD (UEK) für die großzügige finanzielle Förderung der Publikation der vorliegenden Arbeit. Ein großer Dank gebührt auch meiner Familie und meinen Freunden, die sich immer wieder für meine Forschung interessiert und sich in sie eingedacht haben.

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Vorwort

Zuletzt danke ich meiner Partnerin, Frau Pfarrerin Dr. Judith Filitz, für alle Kraft, Rückendeckung und Herzenszuwendung. Ohne sie wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Die vorliegende Arbeit ist das Ergebnis meiner Leidenschaft für die Neutestamentliche Wissenschaft auf der einen und für die Frage nach der menschlichen Seele vor dem Hintergrund der Tiefenpsychologie auf der anderen Seite. Die Berührung der Seele durch das Göttliche ist ein Thema, das mich mein ganzes Leben lang beschäftigt hat und beschäftigt. Es ist ein großes Geschenk, dass ich in den letzten Jahren die Gelegenheit hatte, beide Ansatzpunkte, den theologischen und den tiefenpsychologischen, in der Hoffnung, dass dies fruchtbringend sein kann, miteinander ins Gespräch zu bringen. Nicht selten wurde mir gesagt, tiefenpsychologische Exegese sei „ein alter Hut“, zu dem nichts mehr von Interesse zu sagen sei. Vielleicht kann diese Arbeit den einen oder anderen Anstoß dazu geben, dass es – im Gegenteil – noch viel dazu zu denken, zu fühlen und zu schreiben gibt. Detmold, im März 2021

Paulus Enke

1. Einführung

1.1 Allgemeine Vorgehensweise, Thesen und Grundanliegen der Arbeit Die vorliegende Studie befasst sich mit Texten aus der Gruppe der christlichen Apokryphen, die Träume oder das Gebiet der Traumdeutung thematisieren. Liest man sich etwas in die zugehörigen Schriften1 ein, stellt man fest, dass die Zahl von Traumtexten zwar überschaubar ist, sie aber dennoch in solchem Ausmaß vorhanden sind, dass es als lohnenswert erscheint, sich diesem Feld intensiver zu widmen. Dies soll in zwei Schritten geschehen: Der erste Schritt besteht darin, eine Zusammenstellung von Schriftstellen zu erarbeiten, bei denen entweder ein Traum genannt wird oder zumindest das Stichwort des Traumes fällt. Dabei wird in jede Schrift, in der ein solcher Befund festgestellt werden konnte, eine kurze Einführung gegeben. Dies dient der Kontextualisierung der Traumstellen, aber auch dem Zweck, so einen Überblick über einige der bedeutendsten christlichen Apokryphen zu ermöglichen. Weiterhin wird gefragt werden, ob sich bezüglich der überlieferten Traumstellen größere, schriftenübergreifende Linien erkennen lassen, die Hinweise darauf geben, welche Rolle Träume in den ersten christlichen Jahrhunderten spielten und welche Würdigung sie erfuhren. Wie stand man Träumen gegenüber? Waren sie legitimes Mittel göttlicher Offenbarung oder eher literarisches Gestaltungsmittel? Andererseits sollen auch Negativbefunde aufgeführt werden, was vor allem die apokryphen Kindheitserzählungen betrifft. Hier steht die Frage im Fokus, welche neutestamentlichen Träume aufgenommen und gestaltet, aber auch welche ausgelassen werden und was mögliche Gründe dafür sein könnten. In einem zweiten Schritt sollen drei Traumberichte, die inhaltlich und gestalterisch besonders hervortreten, ausführlich diskutiert werden. Hier ist es Aufgabe der Arbeit, nach umfassender exegetischer Untersuchung der drei Texte, entsprechende tiefenpsychologische Deutungen oder zumindest Deutungsansätze herauszuarbeiten. Dies geschieht unter Zuhilfenahme dessen, 1 Eine Begrenzung oder gar Festlegung eines Corpus christlicher Apokryphen erscheint kaum als möglich. Als Bezugsrahmen für oder gegen die Zuordnung einer Schrift zu den christlichen Apokryphen dient für die vorliegende Arbeit die zweibändige Apokryphenübersetzung von Bovon/Geoltrain (Hg.), Écrits apocryphes chrétiens.

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Einführung

was antike Autoren, allen voran Artemidor von Daldis, zur Traumdeutung beigetragen haben,2 aber natürlich auch unter Hinzuziehung, Diskussion und Anwendung aktueller tiefenpsychologischer und neurowissenschaftlicher Theorieansätze. Die Traumberichte werden in ihrer Eigenschaft als literarische Konstrukte wahrgenommen und nicht etwa als direkte Traumschilderungen einer Träumerin oder eines Träumers verstanden. Dennoch wird vorausgesetzt, dass sich in den Traumstellen Hinweise auf unbewusste Seiten der beteiligten Verfasserund Leserschaft finden lassen. Das Unbewusste, wie es klassisch von Sigmund Freud und C.G. Jung beschrieben wurde (dazu im zweiten Teil der Arbeit mehr), zeigt sich vor allem im Traum.3 Wir gehen hier von der Voraussetzung aus, dass es auch in literarisch gestalteten Traumtexten seinen Niederschlag findet und Hinweise auf ungelebte Anteile der am Text beteiligten Personen gibt. Das ist die wichtigste These der vorliegenden Studie. Dem Unbewussten in den Texten nachzugehen und entsprechende Befunde auszuwerten, soll wiederum ein Hauptzweck sein. Was lebten Autoren, Leserinnen und Leser bewusst aus, was verdrängten sie? Verallgemeinert könnte man sagen, dass hier nach „Nachtseiten“ im frühen Christentum gefragt wird. Diese zu erhellen und so ein umfassenderes Bild der betreffenden Zeit und der an den Texten beteiligten, vornehmlich antiken Menschen zu erlangen, soll an dieser Stelle versucht werden. Zugleich versteht sich die vorliegende Arbeit als ein Zeugnis frühchristlicher Frömmigkeitsgeschichte.

1.2 Zur Unterscheidung von Traum und Vision Nun muss gesagt werden, dass neben den Traumberichten und -erwähnungen auch eine Vielzahl von Visions- und Nachtgesichtsschilderungen in den christlichen Apokryphen existieren, denen in der vorliegenden Arbeit aber in der Regel keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt werden wird. Um die 2 Das große Gebiet paganer, aber auch jüdischer antiker Traumorakel und Traummantik bzw. -divination muss im begrenzten Rahmen dieser Arbeit, die sich auf frühchristliche Texte konzentriert, ausgeklammert bleiben bzw. kann lediglich punktuell gestreift werden (vertreten v. a. durch die Texte Artemidors). Gleiches gilt für Erscheinungen wie den des Asklepioskults, verbunden mit den Stichworten Inkubation und Heilschlaf. Als Literatur sei lediglich genannt Hoffmann u. a., Art. Orakel, 206–350; Wacht, Art. Inkubation, 179–229; Graf, Art. Asklepios I., 94–99; Näf, Traum, 72–76; 114–123; Graf, Heiligtum und Ritual, 159–199. Einen kurzen Überblick über den Asklepioskult und die Entwicklung der Inkubation in christlicher Zeit gibt Markschies, Schlafkulte, 1233–1244. S. auch Wacht, Art. Inkubation, 230–265. 3 Nicht umsonst schreibt Freud am Ende seines epochemachenden Werks der „Traumdeutung“ (632): „[D]ie Traumdeutung aber ist die Via regia zur Kenntnis des Unbewußten im Seelenleben“ – übrigens nicht der Traum selbst, wie oft falsch zitiert wird. Eine überschaubare Einleitung in die Psychoanalyse bietet Mertens, Psychoanalyse. Die wichtigsten freudschen Überlegungen, Begriffe und Herangehensweisen bietet Freud, Über Psychoanalyse, 1–60.

Zur Unterscheidung von Traum und Vision

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Unterscheidung beider Textgruppen etwas zu verdeutlichen, sei hier von Dörnberg zitiert, der in seiner Schrift „Traum und Traumdeutung in der Alten Kirche“ folgendes Auswahlkriterium vornimmt: „Die vorliegende Arbeit soll […] nur von solchen Belegstellen ausgehen, die eindeutig als Traum zu klassifizieren sind. […] Eindeutig […] sind alle Berichte, die entweder in der Wortwahl (Wortstamm somn-) eindeutig sind oder deren Kontext deutlich zu erkennen gibt, dass das geschilderte Geschehen im Schlaf geschieht“.4

Dieser Definition von Traumtexten schließen wir uns in dieser Arbeit an. Da wir uns neben lateinischen vor allem in griechischen Texten bewegen, sollen die Vokabeln ὄναρ, ἐνυπνιον und ὄνειρος ergänzt werden.5 Es werden also i. d. R. solche Stellen vernachlässigt, bei denen deutlich ist, dass sich der Empfangende im Bewusstseinszustand der Wachheit befindet. Dies liegt darin begründet, dass die in der Arbeit herangezogenen Theoreme und Paradigmen der Tiefenpsychologie und der Neurowissenschaften, was den Traum angeht, den Zustand des Schlafes voraussetzen.6 Das größere Problem sind Stellenbefunde, bei denen nicht klar zwischen Traum, Nachtgesicht und Vision7 unterschieden werden kann. Innerhalb des neutestamentlichen Kanons finden wir in Apg 16,98 ein solches Beispiel. Dort heißt es vom Apostel Paulus: ὅραμα διὰ νυκτός ὤϕθη. Zwar wird erwähnt, dass sich das Szenario bei Nacht abspielt, es bleibt aber unklar, ob Paulus wach war oder nicht. Lindblom, der diese Stelle kommentiert und zwischen Nachtgesicht und Traum nicht unterscheidet, schreibt dazu: „Der an diesen Stellen verwendete Ausdruck entspricht genau dem alttestamentlichen ‫לילה חזון‬, ,Nachtgesicht‘. Wie diese ,Nachtgesichte‘ sich zu den eigentlichen Träumen verhalten, ist lebhaft diskutiert worden. Es hat sich erfolglos erwiesen, einen Unterschied […] festzustellen. Es gibt aus aller Zeit Belege dafür, dass die beiden Ausdrücke promiscue gebraucht wurden, um dasselbe Erlebnis zu bezeichnen. In Hi 33,15 stehen ,Traum‘ und ,Nachtgesicht‘ als Synonyme […]. Im apokalyptischen Schrifttum begegnen oft Phrasen wie diese: ,Ich sah in meinem Schlafe‘, ,ich sah einen Traum‘, ,ich

4 von Dörnberg, Traum und Traumdeutung, 27. 5 Allerdings existieren, wie zu zeigen sein wird, noch weitere relevante Begriffe. 6 Dazu im zweiten Teil ausführlicher. Schopenhauer formulierte 1851 in seinem weitsichtigen Aufsatz „Versuch über das Geistersehen und was damit zusammenhängt“ (16 f): „Denn das Charakteristische des Traumes ist die ihm wesentliche Bedingung des Schlafs, d. h. der aufgehobenen normalen Tätigkeit des Gehirns und der Sinne: erst wenn diese Tätigkeit feiert, kann der Traum eintreten; gerade so, wie die Bilder der Laterna magica erst erscheinen können, nachdem man die Beleuchtung des Zimmers aufgehoben hat.“ Schopenhauer nimmt übrigens in dieser Arbeit spätere, wesentliche Erkenntnisse der Psychoanalyse und der Neurowissenschaften vorweg, was hier jedoch nicht weiter auszuführen ist. 7 Zum Stichwort s. Frenschkowski, Art. Vision, 117–147. 8 Die meisten wichtigen Deutungen zu dieser Stelle versammelt Miller, Dreams, 65–90, mit eigener Analyse und Interpretation 91–108. Vgl. auch Bovon, Acts, 391 f z.St.

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sah mit meinen Augen, während ich schlief‘, ,ich schlief ein und erwachte und hatte alles dies gesehen‘, ,ich schlief ein und sah bei der Nacht ein Gesicht‘.“9

Dass Träume als Gesichte bezeichnet werden könnten, hänge damit zusammen, dass die Träume häufig mit visuellen Erscheinungen verbunden seien. Es komme in den Träumen oft vor, dass persönliche Gestalten sich sehr anschaulich und mit festen Umrissen darstellten. Auch wenn nicht direkt vom Schlaf oder Traum, sondern nur von einer Offenbarung zu nächtlicher Zeit gesprochen werde, sei in den meisten Fällen davon auszugehen, dass es sich um einen Traum handele. Wenn nach Apg 27,33 Paulus während der Schifffahrt nach Rom seinen Reisegefährten mitteile, ein göttlicher Engel sei zu ihm getreten, so habe der Erzähler jedenfalls an nichts anderes als einen Traum gedacht. Demnach sei in Apg 23,11 auch an einen Traum zu denken. Schwieriger sei das „Gesicht“ des Ananias in Apg 9,10 ff. „Dafür, dass der Verfasser an einen Traum gedacht hat, spricht doch, dass die Erzählung von Samuels Traum in 1. Sam. 3 nachgebildet worden ist […]. Dass ὅραμα für einen Traum stehen kann, können wir aus Apg. 16,9 und 18,9 ersehen.“10 Dieser Meinung werden wir uns hier (vorerst) nicht anschließen. Aus unserer Sicht macht die Unterscheidung zwischen nächtlicher Vision und Traum durchaus Sinn. Ein Blick in die Petrusakten, Kap. 16, soll hier schon gestattet sein. Dort heißt es: „Als aber die Nacht kam, sah Petrus Jesus, angetan mit einem leuchtenden Gewand, lächelnd; er […] war noch wach.“11 Hier wird ein Nachtgesicht beschrieben, aber gleichfalls betont, dass der Empfänger sich noch im Zustand der Wachheit befindet. Nachtgesicht und Traum sind also nicht zwingend dasselbe.

1.3 Antike Traumkategorien In der Antike maß man Träumen und deren Deutung einen hohen Stellenwert bei. Die einflussreichsten Autoren seien mit ihren Traumdeutungen kurz genannt. Einer der bedeutendsten war der schon genannte Artemidor von Daldis mit seinem bis heute beachtenswerten Traumbuch der Oneirokritika, das von der Stoa beeinflusst war.12 Er unterscheidet in oneirokr. I 1 zwischen 1. Traum (ἐνύπνιον)13 und 2. Traumgesicht (ὄνειρος), und zwar in der Weise, dass ein Traumgesicht die Zukunft zeige, der Traum aber an einen Zustand der Ge9 10 11 12

Lindblom, Gesichte, 28. A. a. O., 28 f. Übersetzung: Schneemelcher, Petrusakten, 271. Frenschkowski, Offenbarung, 306. Die neueste Textausgabe mit Übersetzung und Kommentar bildet Harris-McCoy (Hg.), Oneirocritica, die freilich, was den Kommentar zu unserer Textauswahl angeht, leider nur wenig zu bieten hat. 13 „[D]en aus Affekten geborenen Wunschtraum, mantisch wertlos“ (Frenschkowski, Traum, 30 f).

Antike Traumkategorien

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genwart erinnere. Dennoch findet (ähnlich wie bei Lindblom) das Traumgesicht ebenfalls im Schlaf statt.14 Weiter heißt es in I 1: „Das Traumgesicht […] wirkt als Schlaferleben in der Weise, dass es die Aufmerksamkeit des Träumenden auf die Vorhersage der Zukunft lenkt; nach dem Schlaf aber erweckt und erregt es seiner Natur gemäß die Seele, indem es zu aktivem Handeln antreibt“.15

Auch die Herleitung des Begriffs durch Artemidor (ebd.) ist interessant: „[D]eshalb wurde ihm [dem Traumgesicht, P.E.] auch von Anfang an dieser Name gegeben, oder weil man es von den Bestandteilen on und eirein, das so viel wie legein bedeutet, ableite; heißt es doch bei dem Dichter: ,Dieses verkünde ich untrüglich.‘ [Homer, Od. XI 137][.] Und die Bewohner von Ithaka nannten den Bettler Iros, ,weil er gerne mit Botschaft ging, wenn es einer verlangte‘.“16

Iros soll hier als von εἴρειν (sagen, verkünden) abgeleitet verstanden werden.17 Weiterhin unterteilt er die Traumgesichte in 2.1. ὄνειροι θεορηματικοί (unverschlüsselt) und 2.2. ὄνειροι ἀλληγορικοί (symbolische Traumvision); Zweitere machen dann die Arbeit des Traumdeuters erforderlich.18 Einige Bemerkungen zu Artemidor seien an dieser Stelle gestattet. Artemidor von Daldis lebte ca. 96–180 n. Chr.19 Er stammte aus Ephesus in Kleinasien,20 nahm aber den Namen der Heimatstadt seiner Mutter an. Nach eigener Angabe (oneirokr. II 70) verfasste er seine Traumbücher auf Befehl des daldianischen Apollon (Mystes). Artemidor unternahm weite Reisen im gesamten Mittelmeerraum, die ihn u. a. auch nach Rom führten. Gesellschaftlich entstammte er aus der Mittelschicht in Ephesus und wies eine profunde Rhetorikschulung auf. Darüber hinaus muss er über ein ungewöhnlich großes Maß an Allgemeinbildung verfügt haben, das er auch als Voraussetzung für die Arbeit eines seriösen Traumdeuters ansah. Nach oneirokr. I Proömium verschaffte sich Artemidor die komplette Literatur seiner Vorgänger.21 Die ersten drei Bücher seiner Oneirokritika adressiert er an Cassius Maximus (hinter dem 14 15 16 17 18 19 20

Brackertz, Traumbuch, 9 f. Übersetzung: a. a. O., 10. Übersetzung: ebd. A. a. O., 393, Anm. 13. Frenschkowski, Traum, 31. Brackertz, Traumbuch, 353. „[D]ort, wo die kulturellen und geistigen Anregungen des Vorderen Orients immer auf fruchtbaren Boden gefallen und mit griechischem Denken zusammengeführt worden waren“ (Hermes, Traum und Traumdeutung, 66). 21 Walde, Traumdeutung, 144 f. Das Besondere an Artemidor ist, dass er auf seinen Reisen nicht nur mit den Großen der damaligen Zeit sprach, sondern auch mit den einfachen „MarktMantikern“. Seine Traumdeutung schrieb er erst, nachdem er selbst jahrzehntelang in diesem Beruf tätig gewesen war, Hermes, Traum und Traumdeutung, 65. Zum Thema der Mantiker, die auf dem „öffentlichen Parkett“ der Straße arbeiteten, s. den Aufsatz von Frenschkowski, Religion auf dem Markt, 140–158.

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evtl. der Wanderphilosoph und Sophist Maximus von Tyrus steht), das vierte und fünfte Buch ist an seinen Sohn gerichtet, den er in seine Kunst einführen will. Neben Traum und Traumdeutung war Artemidor Experte auch weiterer wichtiger mantischer Techniken (wie Handlesekunst und Vogelmantik) und hat nach oneirokr. I 1 noch andere Bücher verfasst. Seine Oneirokritika sind komplett erhalten und stellen dadurch, aber auch anhand ihrer ungewöhnlichen Bandbreite, einen wahren antiken Schatz dar, der nicht nur das Wissen der Jahrhunderte zuvor aufnimmt und überliefert, sondern der auch durch die Jahrhunderte hindurch wirkte, dies bis in die Gegenwart tut und auch schon zu Lebzeiten seines Verfassers stark rezipiert wurde. Die Traumbücher des Artemidor wurden früh ins Arabische übersetzt; bei den neuzeitlichen Ausgaben wirkte auch Philipp Melanchthon mit, der Artemidor als höchsten Kenner seiner Zunft pries. Bis ins 18. Jh. waren die Oneirokritika Standardwerk der Traumdeutung, das erst durch Freuds „Traumdeutung“ abgelöst wurde, der in Artemidor immerhin einen Bundesgenossen sah.22 Das Traumbuch selbst ist eine Sammlung, besser gesagt, ein Lexikon von ca. 1400 Traummotiven, die mit einer Deutung versehen werden.23 Die Motive sind nach sehr klaren Kategorien aufgebaut: Grundmenschliche Erlebnisse, wie Geburt oder Tod, Bedürfnisse, wie die Sexualität, aber auch Speisen und Getränke, religiöse Motive, wie verschiedene Götter oder Teile des menschlichen Körpers, werden thematisiert.24 Dabei ist wichtig, dass Artemidor ganz verschiedene soziale Schichten mit deren eigenen sozialökonomischen Kontexten im Blick hat.25 Etwas pauschalisiert ist zu sagen, dass es bei Artemidors Traumarbeit nicht darum geht, dass der Träumer bzw. die Träumerin mehr über sich selbst erfährt; es geht um die Voraussage seiner bzw. ihrer Zukunft, um die Anzeichen, die die Träume diesbezüglich bereithalten.26 Dennoch legt Artemidor großen Wert darauf, Persönlichkeitsstrukturen und persönliche Gegebenheiten des Träumers bzw. der Träumerin einzubeziehen und sieht als Voraussetzung eines guten Traumdeuters, dass dieser über eine eingeübte Intuition verfügen

22 Walde, Traumdeutung, 145–149; 151; zu Melanchthon und den neuzeitlichen Artemidorausgaben s. Rahn, Traum und Gedächtnis, 331 ff. Schopenhauer, Geistersehen, 54, schreibt zu Artemidor: „[D]er alte Artemidoros ist es, aus dem man wirklich die ,Symbolik des Traumes‘ kennen lernen kann“. 23 Hermes, Traum und Traumdeutung, 64. Gleichwohl wird die Einschätzung von Hermes, a. a. O., 66, „[i]m weiteren Sinne könnte man die Sammlung unter die Ratgeber-Literatur zählen – ein auch für Laien verständliches, gleichwohl (im Sinne der Zunft) ,wissenschaftlich‘ fundiertes Sachbuch“, der Tiefe der Arbeit und des „Backgrounds“ Artemidors doch nicht ganz gerecht, wenn er auch einfache Leser miteinbeziehen wollte. 24 A. a. O., 66 f. 25 A. a. O., 67. Hermes, ebd., weist darauf hin, dass die Oneirokritika in letzter Zeit von Geschichtswissenschaftlern „als sozial- und alltagsgeschichtliche Quelle genutzt“ wurden, da sich in den von Artemidor überlieferten Träumen bzw. in den von ihm gegebenen Auslegungen besonders die Belange, Befürchtungen und Hoffnungen „der kleinen Leute“ abbildeten. 26 A. a. O., 68.

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müsse, um dann mithilfe der Oneirokritika, als einer Art Regelwerk mit Traum- und Deutungsschablonen, in der Mantik tätig zu werden.27 Eine Traumsystem, das einige Überschneidungen mit dem Artemidors aufweist, bietet Philo von Alexandria, dessen Lebensdaten zwischen 20–10 v. Chr. bis 40–50 n. Chr. angenommen werden. Er bevorzugte die platonisch(neu)pythagoreische Philosophie aufgrund ihrer Eignung, griechische Rationalität mit jüdischer Religion und orientalischer Mystik zu verbinden.28 In seinem Werk de somniis unterscheidet er: 1. Träume, die dem Menschen von Gott selbst geschickt werden, ohne das Zutun des Menschen. Gott spricht unmittelbar zu dem träumenden Menschen. Der Sinn ist ohne weiteres dem Träumer erkennbar. 2. Der menschliche Geist gerät in die Bewegung, die das Weltall kennzeichnet. Er wird von Gottes Kraft (d. h. von den unsterblichen Seelen in der Luft) erfasst; in diesem Zustand empfängt er göttliche Offenbarungen im Traum, kann aber auch die Zukunft sehen. Der Sinn ist zwar verborgen, wird dem genauen und scharfen Blick aber deutlich. 3. Die Seele gerät aus sich heraus im Traum in Bewegung und erkennt die Zukunft. Der Sinn muss durch einen Traumdeuter erhellt werden.29 Diese Traumeinteilung findet sich in auffälliger Übereinstimmung auch in Ciceros Werk de divinatione I 64, der sich auf Poseidonios beruft.30 Die unten aufgeführten apokryphen Träume werden, soweit dies möglich ist, in die Kategorien von Philo eingeordnet. Zwei weitere antike Traumeinteilungen sollen nur genannt werden. Macrobius, somn. I 3,1–10 unterscheidet: 1. ἐνύπνιον bzw. insomnium (der Alltag bzw. besonders geschäftliche Angelegenheiten werden im Traum fortgesetzt, der aber keinen mantischen Wert besitzt); 2. φάντασμα bzw. visum (Inhalte, die zwischen Wach- und Schlafzustand erscheinen, auch der Alptraum, ἐπιάλτης, ist hier einzuordnen); 3. χρηματισμός bzw. oraculum (ein Mensch von großer Autorität gibt Ratschläge bzw. macht die Zukunft offenbar); 4. ὅραμα bzw. visio (direkte Schau der Zukunft); 5. ὄνειρος bzw. somnium (Schau einer Allegorie, die ohne Deutung nicht verständlich wird).31 27 Frenschkowski, Traum, 30. Dies sind erstaunliche (oder vielleicht gerade nicht?) Überschneidungen mit den von Freud und anderen, modernen Traumdeutern entwickelten Theorien und Herangehensweisen, auch wenn Freud seinen Schwerpunkt genau entgegengesetzt fixierte – hin zu einem einen (unbewussten) Wunsch ausdrückenden Traum, abseits von potenziellen mantischen Aspekten (dazu kommen wir im zweiten Teil der Arbeit ausführlich). 28 Miletto, Art. Philo, 2.f. 29 Philo, somn. I 1; II 1, hier nach der deutschen Übersetzung von Cohn u. a., Philo, Bd. 6, 173 f; 225 f. Vgl. auch Hark, Traum, 98. 30 Eine neuere Ausgabe mit deutscher Übersetzung und Einführung stammt von Schäublin (Hg.), Cicero. Einen neueren Kommentar zum ersten Buch bietet Wardle, Cicero. Zur Übereinstimmung von Cicero und Philo vgl. Weber, Kaiser, 38. 31 Frenschkowski, Offenbarung, 306.

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Eine der berühmtesten Ärzte des Altertums, Herophilos, unterteilt Träume in theopempti, physici und syncrimatici. Ersterer ist von Gott geschickt, Zweiterer entsteht in der menschlichen Seele und ist mantisch aufgeladen. Der Dritte aber wird durch somatische Vorgänge hervorgerufen (Aetius V 2,3).32 Auch Freud widmet sich in seiner „Traumdeutung“ somatischen Reizen im Traum bzw. somatischen Traumquellen (dazu s. u.).

1.4 Methodische Bemerkungen Einige methodische Vorbemerkungen seien festgehalten. Der erste Teil, in welchem eine große Zahl der Traumtexte der christlichen Apokryphen zusammengeführt wird, arbeitet mit Hilfe der Einleitungswissenschaften, um die jeweiligen Apokryphen vorzustellen und sie zeitlich und örtlich zu fixieren. Dabei können aufgrund der begrenzten Kapazität dieser Arbeit die entsprechenden Fragen jedoch nicht tiefgehend diskutiert werden. Zwar sind viele Apokryphen inzwischen gut erforscht, jedoch besteht nur in wenigen Fällen ein wirklicher Konsens über grundlegende einleitungswissenschaftliche Aspekte. Ebenso werden größere textkritische Erwägungen zur Genese der einzelnen Apokryphen selten von Bedeutung sein. In der Regel werden sie, unter Zugrundelegung der aktuellen Ausgaben, als in sich geschlossen überlieferte Schriften wahrgenommen. Auch hier gilt, dass der Entstehungsprozess der meisten Apokryphen ausgesprochen komplex ist und die vorliegende Arbeit nicht ihren Fokus darauf richten kann, an dieser Stelle tiefergehend einzudringen. Die Herangehensweise an die Apokryphen ist also heuristisch. Im zweiten Teil werden drei Träume tiefenpsychologisch gedeutet (dazu gleich), vorher aber intensiv exegetisch, gemäß der historisch-kritischen Methode, welcher sich diese Arbeit grundsätzlich verpflichtet fühlt, untersucht. Nach der Anwendung der Textkritik kommt sowohl synchrone als auch diachrone Methodik zum Einsatz. Zu Ersterer gehört die grammatisch-syntaktische Analyse, zur Zweiten die Motivanalyse einzelner, tragender Textelemente. Die Deutung der Träume erfolgt unter Anwendung tiefenpsychologischer und psychoanalytischer Theorie, bezieht aber die vorher herausgearbeiteten exegetischen Erkenntnisse sowie antikes Wissen über Träume als grundlegend mit ein.

32 A. a. O., 308. Für weitere Traumeinteilungen s. a. a. O., 306 ff.

Methodische Bemerkungen

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1.4.1 Möglichkeiten und Grenzen psychologischer bzw. tiefenpsychologischer Exegese 1.4.1.1 Möglichkeiten und Denkräume „Was will psychologische Exegese? Was kann sie bei günstiger Quellenlage erreichen? Sie will menschliches Verhalten und Erleben im Urchristentum soweit wie möglich beschreiben und erklären.“33 Dass die Psychologie (wenn auch damit mehrheitlich nicht die Tiefenpsychologie gemeint ist) eine wichtige Partnerwissenschaft der Exegese sein kann, ja als solche eigentlich unabdingbar ist, hat Martin Leiner herausgearbeitet, der zur Zusammenarbeit beider Disziplinen auffordert.34 Die Beiträge der Psychologie zur Exegese bestünden demnach u. a. in der Beisteuerung wissenschaftlich geprüfter bzw. überprüfbarer Theorien, die sich durch die Möglichkeit der Verallgemeinerung auszeichnen und mit Einschränkungen auch auf die neutestamentliche Zeit übertragen lassen,35 in der Erweiterung des begrifflichen und sprachlichen Repertoires36 sowie der Berücksichtigung, dass Autoren, Welt und Rezipienten des NT permanentes Zeugnis für menschliches Verhalten bzw. Erleben abgäben, als dem Gegenstand wissenschaftlicher Psychologie.37 Einen umfassenden Entwurf tiefenpsychologischer Exegese hat Drewermann vorgelegt,38 dessen Überlegungen aber für unsere Fragestellung insofern keine Rolle spielen werden, als er historisch-kritische Exegese nicht in dem 33 Theissen, Aspekte, 11, unter Bezugnahme auf Thomae/Feger, Psychologie, 1. Dementsprechend fällt Theißens Definition von psychologischer Exegese aus: „Unter psychologischer Exegese fassen wir alle Versuche zusammen, Texte als Ausdruck und Vollzug menschlichen Erlebens und Verhaltens zu deuten.“ (Theissen, Aspekte, 11). Theißen versucht im genannten Werk, lerntheoretische, psychodynamische und kognitive Aspekte zu verbinden, wobei nach seiner Ansicht besonders der zweite Ansatz einer hermeneutischen Überarbeitung bedarf (s. z. B. a. a. O., 25 f; 62), die etwa durch die Verbindung mit dem lerntheoretischen und bzw. oder kognitiven Ansatz geschieht (s. z. B. a. a. O., 33; 112 f; 320), und bezeichnet seinen Ansatz als „hermeneutisch orientierte Psychologie“ (a. a. O., 12 u. ö.). 34 Leiner, Exegese, 235. S. zu seinem „textpsychologische[n] Programm“ a. a. O., 235–255. Als Ziel fordert Leiner, a. a. O., 253, nicht nur die Überarbeitung der neutestamentlichen Exegesemethodik in linguistischer, sozialwissenschaftlicher und psychologischer Hinsicht, sondern auch die Entwicklung einer Psychologie des Urchristentums, in welche die textpsychologischen Erwägungen münden. Einen Aufriss stellt er a. a. O., 254 f, dar. Gerd Theißen hat bekanntlich eine solche vorgelegt (Theissen, Psychologie). 35 Leiner, Exegese, 235; 238. 36 A. a. O., 238. 37 A. a. O., 235 f. Gerade aufgrund dieser Teildefinition stellt Leiner, a. a. O., 236, etliche Überschneidungen zwischen den Gegenständen der Psychologie und der Exegese fest, was die Abfassungs- und Tradierungsvorgänge der Texte betrifft, ihre Wirkabsicht, ihre Inhalte und Berichte, ihre Rezeption und Auslegung. All dies sei Gegenstand oder Zeugnis des Verhaltens und/ oder Erlebens des Menschen. Außerdem ähnelten sich die Aufgaben von Psychologie und von Exegese, die im „Beschreiben, Verstehen und Erklären“ bestünden, ebd. 38 Drewermann, Tiefenpsychologie, 2 Bd.

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Maß berücksichtigt, wie es für die vorliegende Untersuchung vonnöten scheint.39 Wir verfolgen jedoch das Anliegen, beide Methoden zu verbinden bzw. die historisch-kritische Exegese durch Erkenntnisse tiefenpsychologischer Analyse zu ergänzen und zur gegenseitigen Befruchtung der Ergebnisse beider Ansätze beizutragen, wie gleich noch dargestellt wird. Einen kurzen Überblick über die Methode tiefenpsychologischer Exegese gibt auch Wilhelm Pratscher. Seine diesbezüglich skizzierten Möglichkeiten sollen, etwas verallgemeinert und ergänzt, die Grundlage für die hier angestellte Arbeit sein und im Folgenden kurz entsprechend benannt werden.40 1. Voraussetzung aller tiefenpsychologischen Exegese ist eine gründliche und umfassende historisch-kritische Exegese. Aus diesem Grund sind die ersten Schritte bei der Exegese der drei Träume im zweiten Teil dieser Arbeit, wie schon gesagt, historisch-kritische Analyseschritte. Dabei wird versucht, nicht vorgefasste Theorien auf die Texte zu projizieren, sondern die Ergebnisse der synchronen und diachronen Analyseschritte dahingehend auszuwerten, ob sich Anknüpfungspunkte für eine weitere tiefenpsychologische Exegese bzw. Deutung ergeben und wie sich diese im Zeitraum der Textentstehung und (zumindest der frühen) Rezeption verorten lassen. Besonders die ausführlichen Motivanalysen sollen dazu dienen, unsere Traumtexte und -motive in ihrer Zeit zu verankern und aus dieser heraus zu verstehen: „[E]rst was sich aus dem Kontext der damaligen Zeit ergibt, ist dem Verdacht entzogen, Rückprojektion moderner Gedanken zu sein.“41 Das heißt nicht, dass eine tiefenpsychologische Betrachtung eines antiken oder zumindest „älteren“ Textes ohne Exegese nichts Wichtiges zutage fördern kann. Im Gegenteil – das wäre vermessen. Dennoch: Ein fleißiges und umfassendes Quellenstudium ist für unsere Betrachtung unerlässlich, allein „dadurch entsteht jenes Gespür für das historisch Mögliche und mit den Quellen Stimmige“.42 2. Historisch-kritische Exegese sollte (unbedingt) durch tiefenpsychologische Exegese ergänzt werden. Das Verbindungsglied, das beide Methoden zu zwei 39 A. a. O., Bd. 1, 12 f; 24; 248; Bd. 2, 785 u. ö., sowie Frey, Drewermann, 64; 133; 173; 176; 198 f. Zur grundsätzlichen, wenn auch nicht unpolemischen Kritik der Drewermannschen Methodik s. Frey, Drewermann, 172–227. Dennoch finden sich in Drewermanns zweibändigem Werk viele hervorzuhebende Gedanken. Wenn Drewermann etwa der historisch-kritischen Exegese „Abgetrenntsein vom Gefühl“ vorwirft (Drewermann, Tiefenpsychologie, Bd. 1, 12), so ist dies ein, zumindest aus jungianischer Sicht, ausgesprochen wichtiger Einwand, meint Drewermann damit doch letztlich bloß, dass historisch-kritische Exegese oft zu wenig aus der eigenen Betroffenheit den biblischen Texten gegenüber angewandt wird (und dadurch letztlich „tote“ Analyse bleibt). S. auch Frey, Drewermann, 169; Leiner, Exegese, 294 f. 40 Das Folgende nach Pratscher, Tiefenpsychologie, 204 f. 41 Theissen, Aspekte, 58. Dadurch ist aber nicht ausgeschlossen, dass das eigene Unbewusste einem während der Arbeit nicht doch einen Streich spielen kann. Das in Abrede zu stellen, hieße das Unbewusste massiv zu unterschätzen. 42 A. a. O., 59. Inselmann, Freude, 27, stellt aber zurecht fest, dass eine wirklich objektive Erfassung eines Textes letztlich kaum realisierbar ist, so sehr man dies auch mit allem Bewusstsein versucht. Dies mache historisch-kritische Exegese aber erst recht unverzichtbar: Es sei vielmehr eine „intersubjektiv[e]“ Untersuchung gefragt und vonnöten, ebd.

Methodische Bemerkungen

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Seiten einer ähnlichen, wenn nicht gar verwandten Sache macht, ist die Erweiterung des Bewusstseins: Historisch-kritische Exegese musste ein historisches Bewusstsein entwickeln, das einsah, dass wir heute mit einem großen Abstand auf die Texte der Bibel schauen. Kaum später, jedoch spätestens mit Freud wurde deutlich, dass auch der Mensch selbst in ständiger Interaktion mit einem persönlichen Unbewussten steht, das ihn zum Prozess der Bewusstmachung (und Bewusstwerdung) herausfordert. Dabei ist festzuhalten, dass tiefenpsychologische Exegese nur eine weitere unter vielen exegetischen Methoden ist. Sie hat also keinen allumfassenden Anspruch, schon gar nicht, das „wirklich Wahre“ eines Textes oder an ihm beteiligter Personen ans Tageslicht zu fördern. Die Ergebnisse tiefenpsychologischer Exegese sind fragmentarisch und werden es bleiben; dies gilt für alle exegetischen Methoden. Auch Leiner spricht sich für die Aufnahme bzw. Beibehaltung tiefenpsychologischer Exegese(-Anteile) aus43 und gesteht ihr zu, dass bestimmte, sowohl jungianische als auch freudianische Symboldeutungen, besonders bei Gleichnissen, einen Beitrag leisten könnten, „unbewußte[s] Material zu benennen und zu verstehen.“44 Auch erkennt er die Aussage tiefenpsychologischer Exegese an, dass bei der Entstehung von biblischen Texten Unbewusstes miteinfließt und miteinkalkuliert werden muss.45 Psychoanalytische Methoden bzw. Mechanismen, wie Abwehr oder Übertragung, könnten helfen, Kommunikationsgeschehen in bzw. hinter Texten zu deuten.46 Gleichwohl ruft er zu einer „maßvollere[n]“ tiefenpsychologischen Exegese auf und formuliert Einschränkungen bzw. Modifikationen für deren Einbindung.47 3. Tiefenpsychologische Exegese ist eine logische Weiterführung historischkritischer Exegese, „insofern sie die unbewussten Implikationen eines Textes zu

43 Leiner, Psychologie, 288 ff. 44 A. a. O., 287 f. So schreibt Leiner, a. a. O., 287, zu Dan O. Vias tiefenpsychologischer Deutung des Gleichnisses vom verlorenen Sohn (Via, The Prodigal Son, 21–43), das Leiner, Psychologie, 285 f, kurz referiert: Es müsse gefragt werden, „ob Vias Deutung nicht eine Dimension der Texte aufdeckt, die unbewußt zu allen Zeiten gegenwärtig ist, wenn das Gleichnis erzählt wird.“ Auch geht Leiner, Psychologie, 287 f, von der Existenz bestimmter, genetisch veranlagter Archetypen aus (unten wird gezeigt werden, dass die genetische Weitergabe inzwischen wissenschaftlich überholt sein dürfte), so etwa dem Archetyp des „Entstehen[s] neuen Lebens durch den Tod hindurch“ (a. a. O., 297) in Lk 15,24.32 (Leiner, Psychologie, 287, Anm. 752). Er formuliert wiederum, a. a. O., 288, einige Kritik am Ansatz und den Deutungen Vias, wie z. B. dem Archetyp des Schattens. Das muss hier nicht weiter vertieft werden. 45 Ebd. 46 A. a. O., 289. 47 Ebd. Diese müssen an dieser Stelle nicht ausführlicher diskutiert werden. Sie sind z. T. selbstverständlich für unsere Arbeit hier, wie die Feststellung, dass nicht alle Textelemente Symbole sind und als solche gedeutet werden können bzw. müssen. Andere, ebd., formulierte Punkte, wie der geforderte Vorzug objektstufiger Deutungen vor subjektstufigen, erscheinen weniger einleuchtend und würden die in dieser Studie versuchte Deutungsarbeit unterminieren bzw. eine umfassende tiefenpsychologische Deutungsarbeit behindern.

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erheben sucht.“48 Dabei gleicht erstere Exegese der zweiteren in der Methode der Interpretation anhand von Supplementierung: „[D]as unmittelbar Dastehende wird ergänzt durch das gesamte zur Verfügung stehende, erläuternde Material“,49 die Exegetin bzw. der Exeget ist so im Besitz von mehr Wissen, als im unmittelbaren Bewusstsein des Autors lag. Die zusätzliche „Befragung“ des Unbewussten ist der Unterschied zur historisch-kritischen Exegese. Zum Untersuchungsradius gehört dabei auch die Wirkungsgeschichte, genauer: die, welche durch Widerstände blockiert wurde. Es wird also danach gefragt, wo der Rezeptionsprozess (gegebenenfalls bis heute) verhindert wurde und was die Gründe dafür sind. Dabei ist eine weitere Vorarbeit dadurch zu leisten, dass der Exeget bzw. die Exegetin das eigene Vorverständnis des Textes und das eigene Unbewusste daraufhin befragt, ob die vollführte „Auslegung dem Text gerecht wird“ oder aber inwiefern er bzw. sie ihn „unbewusst umbiegt.“50 Dass dies ein Prozess voller Grauzonen ist, der auch nie sicher und abschließend beendet werden kann, dürfte auf der Hand liegen. Die Gefahr von Anachronismen scheint jedenfalls die größte Versuchung tiefenpsychologischer Exegese zu sein. Sie vollkommen ausschließen zu können, wird kaum gelingen.51 Wiederum scheint es ein Vorzug tiefenpsychologischer Exegese zu sein und zugleich für diese Methode zu sprechen, dass sie die persönlichen Ebenen und 48 49 50 51

Pratscher, Tiefenpsychologie, 204 (Hervorhebung durch Pratscher). Ebd. Ebd. Dem Vorwurf des Anachronismus, des Herauslesens dessen, was man unbewusst in den Text hineingelegt hat, sieht sich tiefenpsychologische Exegese ausgesprochen stark ausgesetzt, und dies ist, wie schon gesagt wurde, prinzipiell gerechtfertigt. Zur Unmöglichkeit objektiver Textarbeit wurde oben schon etwas gesagt. Dennoch muss gefragt werden, ob der genannte Vorwurf nicht eigentlich jeder Arbeit mit biblischen Texten zu machen ist. Anders gesagt: Jede Übertragung oder auch nur Interpretation von biblischen Texten ist eingefärbt mit eigenen Ansichten und Erfahrungen. Dies gänzlich aufzulösen, dürfte ähnlich unrealistisch sein. Keine Exegese oder Textauslegung ist sozusagen in vitro denkbar. Ansonsten wäre es gar nicht möglich, die Texte überhaupt auf die heutige Zeit zu übertragen (was ja i. d. R. jede Predigt versucht). Im Gegenteil – biblische Texte leben von der Vermischung disziplinierter Exegese und persönlicher Bezüge, Erfahrungen, Vorurteile und nicht zuletzt Gefühle. Schon die Evangelien des NT sind Beispiel dafür, dass auch nach kürzester Zeit eigene aktuelle Problemstellungen mit der Schilderung des Lebens Jesu verbunden und in die Texte eingearbeitet wurden (man denke nur an das Stichwort „Heidenmission“), obwohl dies kaum im Sinne des historischen Jesus gewesen sein konnte. Inselmann, Freude, 34, Anm. 80, weist aber zurecht auf die Gefahr des Anachronismus dadurch hin, dass das eigene Vorverständnis unreflektiert auf den Text projiziert wird. Diesem muss tatsächlich entgegengewirkt werden. Dennoch sagt sie, ebd.: „Nur wenn wir meinen, etwas nachvollziehen zu können, wird ein Text für uns lebendig; das […] Vorverständnis weckt unser Interesse, ist erkenntnisleitend und erkenntnisbeeinflussend“, und, a. a. O., 26, mit Hinweis auf Bultmann, Bedeutung, 63: „Ein Text lässt sich mit historisch-kritischer Reflexion immer nur dann erschließen, wenn der Exeget sein jeweiliges Vorverständnis in die Auslegung einbringt.“ Wenn also ein reflektiertes Vorverständnis und eigene Erfahrungen zum Text eingebracht und mit historisch-kritischer Exegese gekoppelt werden, „ist eine psychologische Exegese nie zu vermeiden, ja sie ist sogar eine Voraussetzung der wissenschaftlichen Textbetrachtung“ (Inselmann, Freude, 27).

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unbewussten Berührungspunkte der Exegetin bzw. des Exegeten mit dem Text in den Blick nimmt, wenn dies diszipliniert geschieht. Mit anderen Worten: Die persönliche Verwicklung mit dem Text kann durch die tiefenpsychologische Exegese wesentlich stärker bzw. tiefgehender ans Tageslicht gefördert werden als durch eine bewusstseinsnahe historisch-kritische Exegese. Dies geschieht aber, wie schon gesagt, unter der Voraussetzung, das eigene Unbewusste in Bezug auf den Text möglichst zur Bewusstwerdung zu führen. 4. Tiefenpsychologische Exegese ist nicht für jeden Text jeder Gattung anwendbar, auch sind Hinweise auf unbewusste Einwirkungen nicht in jedem Text gleichermaßen vorhanden oder erschließbar. Dieser Einschränkung sind wir uns bzgl. der hier vorliegenden Arbeit bewusst.52 Gleichzeitig ist nicht jeder tiefenpsychologische Ansatz für jeden Text gleich geeignet. Trotz des Schulstreits der einzelnen tiefenpsychologischen und psychoanalytischen Schulen im Laufe des 20. Jh. wird hier der Versuch unternommen, die verschiedenen Ansätze im Miteinander einzubeziehen und zu befragen.53 Der jungianische Ansatz bietet sich v. a. dann an, wenn der Text verschiedene archetypische Symbole oder zumindest ähnlich mehrschichtige Bilder benutzt. Eine freudianisch geprägte Denkrichtung ist dann sinnvoll, wenn es um die Frage nach verdrängten Triebkräften geht. (Diese schnell sehr „schubladenartig“ werdende Zuordnung soll aber hier abgebrochen werden. Wir werden im zweiten Teil sehen, dass die Deutungsansätze mitunter ineinander übergehen bzw. sich überschneiden, sodass es künstlich wirken würde, sie immer scharf voneinander zu trennen.) Die Frage, ob ein Text tiefenpsychologisch deutbares Material bietet, beantwortet sich zumindest in jungianischer Sicht anhand der schon angesprochenen Archetypen, denen wir uns zu Beginn des zweiten Teils dieser Arbeit ausführlich widmen werden. Denn nach Jung zeichnet sich das Erscheinen von Archetypen durch „einen […] numinosen Charakter“ aus.54 Das heißt im Umkehrschluss folglich auch, dass die Seele nach Jung der Ort numinoser Erfahrungen ist.55 Wenn Jung damit Recht hat, hieße das, dass Archetypen religiöse Erfahrungen bergen, aber auch vermitteln. Für die zu deutenden Träume in dieser Arbeit bedeutet dies: Überall wo archetypische Symbole

52 Vgl. Theissen, Aspekte, 52; 59. 53 Auch wenn die einzelnen Ansätze weniger schablonenhaft verstanden werden, als es bei Pratscher, Tiefenpsychologie, 205, den Eindruck erweckt. 54 Jung, Überlegungen, 235 (gefunden bei Colman, Archetyps, 338 f). Dieser Charakter könne sich „heilend […] oder zerstörend“ auswirken; die „Numinosität“ habe „häufig mystische Qualität“, der Archetyp setzt „philosophische und religiöse Anschauungen“ in Gang; dieses numinose Erleben bringe „eine bis dahin für unmöglich gehaltene Sinnerfülltheit mit sich“ (Jung, Überlegungen, 235 f). S. z. B. auch Jung, Archetypen, 34 f, zur Numinosität des Anima-Archetyps (gefunden bei Colman, Archetyps, 337). Vgl. a. a. O., 337 ff, mit weiteren Gedanken und JungTexten zum Thema. 55 Vgl. a. a. O., 340 f.

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auftauchen,56 und sei es lediglich in literarischer Überlieferungsform, liegen nicht nur Zeugnisse des Unbewussten, sondern auch unmittelbar oder zumindest mittelbare erlebte numinose Erfahrungen zugrunde, die in diesen Symbolen gleichsam fixiert (und überliefert) sind und tiefenpsychologisch betrachtet werden können. Dass die Träume keine „Originalträume“ im Sinne authentisch überlieferter, wirklich im Detail erlebter Träume sind, wäre – zumindest für die tiefenpsychologische Auswertung – zweitrangig. Die im Text enthaltenen archetypischen Symbole „garantieren“ gleichsam, dass den Träumen reale „Begegnungen“ mit dem Unbewussten zugrunde liegen und uns dadurch überliefert sind. Ob man allerdings diese Erfahrungen konkreten, realen Personen(gruppen) sinnvoll zuordnen kann, muss die folgende Arbeit zeigen. 5. Tiefenpsychologische Exegese erforscht „Entstehung, Intention und Wirkung“57 von Texten im Hinblick auf Unbewusstes. Sie nimmt keinerlei Wertungen vor, weder von theologischen noch von Glaubensaussagen der Verfasserinnen oder Verfasser bzw. Texte. Das heißt zum einen, dass das Attribut „unbewusst“ keine Wertung beinhaltet.58 Das heißt aber auch, dass sich über die an den Texten beteiligten Personen (Autorinnen und Autoren, Adressatinnen und Adressaten, Rezipientinnen und Rezipienten, Tradentinnen und Tradenten) Aussagen formulieren lassen müssen bzw. können, auch wenn dies nur in eingeschränktem Maß möglich ist.59 Darin liegt begründet, dass im zweiten Teil der Arbeit ebensolche Annahmen und Rückschlüsse bezüglich der betreffenden Personen(gruppen) getroffen werden.60 1.4.1.2 Grenzen, Einschränkungen und „Stolperfallen“ tiefenpsychologischer Exegese Die Grenze tiefenpsychologischer Exegese mit der größten Tragweite besteht in der „Verifikation der gewonnenen Ergebnisse“61. Das therapeutische Gegenüber sowie die Möglichkeit nachzufragen und ggf. zu falsifizieren besteht nicht. „Der Interpret ist auf den im Text gleichsam festgefrorenen Kommunikationsprozess angewiesen.“62 Dies trifft auch und vor allem für Traumtexte zu. 56 Was bei den in dieser Arbeit zur Deutung ausgesuchten Träumen der Fall ist, wie im zweiten Teil ausführlich dargelegt wird. 57 Pratscher, Tiefenpsychologie, 205. 58 Dies ist sicherlich ein der Tiefenpsychologie – zu Unrecht, aber dennoch verständlicher – oft gemachter Vorwurf. 59 Vgl. Leiner, Psychologie, 310. Und a. a. O., 249: „Das Verstehen und Erklären“ müsse derart vorangetrieben werden „daß man versucht, bis zu den Menschen zu gelangen, die hinter den Texten stehen.“ 60 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird im Folgenden i. d. R. die Formulierung „Autor- und Leserschaft“ benutzt; diese inkludiert jedoch alle eben genannten Personen. 61 Pratscher, Tiefenpsychologie, 205. 62 Ebd.

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Die Autorenschaft der Traumtexte kann nicht befragt werden, weder ob die Träume wirklich geträumt wurden, noch, inwiefern sie verändert bzw. unter welchen Gesichtspunkten sie bearbeitet und an die jeweilige Stelle im Text eingefügt wurden. Pratscher schränkt ferner ein, dass tiefenpsychologische Exegese nicht versuchen dürfe, „unbewusste Hintergründe von Einzelhandlungen“ biblischer Personen zu ermitteln, v. a. seien „Analysen geschichtlicher Persönlichkeiten der Bibel ausgeschlossen.“ Es würden zwar einzelne Züge sichtbar, jedoch „keine übergreifenden Zusammenhänge.“63 Dem ist eingeschränkt beizupflichten. Pratscher scheint v. a. vom AT her zu denken, wo es in der Tat sehr viel schwerer ist, allein schon allgemeine biographische Informationen zu den Personen bzw. Handlungsfiguren oder Autoren zu ermitteln. Dies ist im NT recht ähnlich, wenn die Texte historisch auch etwas greifbarer zu sein scheinen. Auch wissen wir über die meisten ntl. Autoren wenig bis nichts – von theologischen Einstellungen und Überzeugungen abgesehen. Über die Person des Apostels Paulus lässt sich hingegen Einiges sagen und den Texten entnehmen, wenn ein umfassendes Psychogramm – darin ist Pratscher Recht zu geben – damit auch nicht gemeint sein kann.64 Allerdings wird zu zeigen sein, dass gewisse Rückschlüsse auf unbewusste Seiten und die psychische Verfasstheit der an den Texten beteiligten Personen möglich sind – anhand der überlieferten Texte und historischer Informationen bzw. Rekonstruktionsversuche zur Adressatenschaft. Hier spielt v. a. das noch breiter zu diskutierende Phänomen des Enkratitismus eine Rolle.65 63 A. a. O., 204. 64 Ähnlich Leiner, Psychologie, 239, Anm. 640. Den Versuch, sich Paulus auch unter Einbezug der Frage nach dem Unbewussten zu nähern, hat Theissen, Aspekte, angestellt. Er nennt, a. a. O., 356 ff, die wichtigsten Ansätze des Versuchs der tiefenpsychologischen Deutung der Paulusfigur, auch abseits neutestamentlicher Exegesen. Ulrich Luz schreibt in seiner Rezension zum genannten Buch von Theißen, es ginge „Theißen nicht primär darum, Paulus als Person aufs Analysandenbett zu legen und an ihm besondere, z. B. neurotische Züge zu entdecken – ein zwar auch legitimes, aber wohl kaum befriedigend durchführbares Unternehmen“ (Luz, Theißen, Psychologische Aspekte, 186 f). Theissen, Aspekte, 62, betont, dass zwar die Beziehung zwischen Religion und der Frage nach dem Unbewussten einen fundamentalen religionspsychologischen Topos darstelle, dass aber dieser Frage nur mithilfe einer hermeneutisch ausgerichteten Psychologie nachgegangen werden könne, welche unterschiedliche psychologische Paradigmen einbezieht. Dieser Ansatz erscheint vielversprechend, kann und wird in dieser Arbeit aber, schon aus Grenzen, die durch die eigene Kompetenz gesetzt sind, lediglich anhand tiefenpsychologischer Fragestellungen verfolgt. Davon abgesehen wäre es ein interessanter Arbeitsansatz, die hier besprochenen (Traum-)Texte auch vor dem Hintergrund anderer psychologischer Paradigmen und Gesichtspunkte zu betrachten. Etwas vereinfacht gesagt: Jeder weitere Ansatz kann nur gewinnbringend sein, wie auch immer die Ergebnisse diesbezüglich ausfallen würden. Als zu einseitig erscheint hingegen die Definition des Unbewussten, die Theissen, a. a. O., 52; 60; 63, formuliert. Sie umfasst (berechtigterweise) regressive Elemente des Unbewussten, lässt jedoch dessen schöpferisches, gleichsam finales Potenzial außen vor. 65 Etwas provokanter (und überspitzter) könnte man fragen: Warum soll es möglich sein, anhand der Evangelien zu bestimmen, wie groß oder einflussreich judenchristliche oder heidenchristliche Fraktionen in den adressierten Gemeinden gewesen sind und welche Rolle Heidenmission

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Theißen hält es indes kaum für durchführbar, aus den Texten Hinweise auf unbewusste Prozesse herauszuarbeiten.66 Nichtsdestotrotz sei es möglich, in den Texten auftauchende Symbole, die einen religiösen Sinngehalt tragen, „auf die in ihnen enthaltene unbewußte Dynamik hin auszuwerten.“67 Sie wären gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie den Prozess der Bewusstwerdung eines unbewussten Inhalts potenziell in sich trügen bzw. ausdrückten. Diese Auswertung geschieht nach Theißen aber nur unter der Bedingung eines hermeneutisch überarbeiteten Symbolbegriffs. Es wäre von daher notwendig, Aussagen auf eine semantische Schichtung hin zu überprüfen. Dabei unterteilt Theißen in „bewusstseinsnahe“ bzw. „ichnahe“ und „bewusstseinsferne“ bzw. „ichferne“ Schichten.68 Es sei also, im Rahmen der von Theißen erarbeiteten hermeneutischen Psychologie, möglich, in Texten psychische Erscheinungen und als ichfern charakterisierte Vorgänge zu erkennen, „bei denen Unbewußtes bewußtseinsfähig gemacht wird.“69 Hier wäre zu fragen, ob sich dies nicht mit der schon erläuterten Inhärenz numinoser Erfahrungen in archetypischen (Text-)Symbolen deckt. Denn diese Symbole verkörpern ja den Prozess des Sichtbar- bzw. Bewusstwerdens unbewusster Erfahrungen. Eine weitere Grenze, die bereits angeklungen ist, liegt in der Subjektivität der Exegetin bzw. des Exegeten begründet und hängt mit dem schon oben diskutierten Vorverständnis zusammen: Erkenntnisse der tiefenpsychologischen Textauslegung können letztlich immer nur subjektiv sein, da sie an die eigene Persönlichkeit, die bewusst oder unbewusst in die Auslegungsarbeit einfließt, untrennbar gekoppelt sind, und müssen als solche Stückwerk bleiben. Oder positiver formuliert: Sie decken einen Teil der ganzen Wahrheit ab.70 Insofern ist das exegetische Gespräch und der Austausch zwischen historischkritischer und tiefenpsychologischer Exegese hier von besonderer Wichtigkeit, um die subjektiven Ergebnisse zu erweitern und über die eigenen Ergebnisse hinaus Schnittmengen zu erarbeiten. Das spricht wiederum nicht davon frei,

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oder Beschneidung gespielt haben, aber nicht, welche bewusste oder unbewusste Einstellung etwa zur Sexualität eingenommen wurde? A. a. O., 55, mit denselben Einwänden, die wir schon selbst festgestellt haben. Ebd. Ebd. Dass damit versucht wird, einen Prozess und eine Dynamik abzubilden, ist ohne Zweifel einleuchtend. Dennoch erscheint die Unterteilung wenig zielführend, da sie den Begriff des Unbewussten zwangsläufig aufweicht. Theißen begründet seine Kategorien, indem er, ebd., ausführt: „[D]enn ohne ein schattenhaftes Bewußtwerden psychischer Prozesse wird sich in den Texten wohl kaum etwas von ihnen niederschlagen.“ Das mag durchaus zutreffen, scheint jedoch die Kraft bzw. die Wucht des Unbewussten zu unterschätzen, das sich ja gerade dann zeigt, wenn man am wenigsten damit rechnet und sich ins Bewusstsein „schiebt“, ohne dass man darauf direkten Einfluss nehmen könnte. Diese Einflussnahme wird jedoch m. E. durch den Begriff „bewusstseinsnah“ suggeriert. A. a. O., 58. „Die Subjektivität des Auslegers ist […] unhintergehbar. Jede Auslegung ist die Konstruktion eines Exegeten.“ (Leiner, Psychologie, 39, vgl. 313).

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eigene Projektionen auf den Text bewusst zu machen und wenn möglich bzw. nötig zurückzubinden.71 Ein letzter Punkt muss schließlich genannt werden, der jedoch lediglich eine vermeintliche Grenze darstellt: das Arbeiten mit Theorien und Methoden der gegenwärtigen Psychologie in Bezug auf antike Texte. Theißen schreibt: „Wer grundsätzlich bestreitet, daß moderne psychologische Kategorien in der antiken Welt unanwendbar sind, hat die Selbstauslegung antiker Autoren gegen sich.“72 Es ließen sich bereits in der antiken Literatur religionspsychologische Vorstufen zu den von Theißen verwendeten psychologischen Paradigmen finden: lerntheoretische bei Kritias und Platon, kognitive bei Epiktet und psychodynamische bei Augustinus (hier conf. I 1; X 30).73 Zudem überlegt Theißen, ob die Möglichkeit, dass unser heutiges Vorverständnis auch in antiken Texten anklingt, daran liege, dass der heutige Mensch in historischer Sicht ein Produkt der Antike sei.74 Ähnlich vermutet Inselmann ein Weiterbestehen und eine Weitergabe antiker Denkweisen ins Heute in tieferen bzw. durch tiefere Schichten des kulturellen Gedächtnisses; sicher könne man deswegen nicht Begriffe eins zu eins übertragen, dennoch erschließe sich eine gewisse Zugänglichkeit der Texte, weil ein großer Teil heutiger Strukturen seinen Ankerpunkt in der Antike hätte.75 Nach Leiner ist es gerade Sinn und Zweck – in dem Falle einer Psychologie des Urchristentums – Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den ersten Christen und dem heutigen Menschen aufzuzeigen.76 Was sich geschichtlich in Bezug auf die Anthropologie als beständig erweise,77 könne allein „in allgemeinen Begriffen und allgemeinen Theorien […] gesucht werden.“ Es sei „schwer zu sehen, warum gerade um des historischen Problems willen nicht auf die auf Verallgemeinerung angelegten Theorien der Psychologie zurückgegriffen werden sollte.“78 Diese Theorien hätten gerade das Ziel, über die Beschreibung der Psychologie von Gruppen hinaus, besonders in statistischer Hinsicht Normen herauszuarbeiten und zu beschreiben, welche möglichst allgemein-menschliche Geltung haben.79 Einen hilfreichen Zugang bildet nach 71 Vgl. Wolff, Jesus der Mann, 197, zitiert bei Leiner, Psychologie, 36. 72 Theissen, Aspekte, 53. 73 A. a. O., 52. Ein sehr einprägsames Beispiel findet sich in Mt 7,3: Auf der reinen Textebene (und ohne damit eine theologische Einordnung der Stelle zu verbinden) beschreibt Jesus mit einem einzigen Vers praktisch den kompletten Mechanismus der Projektion, welcher für die Tiefenpsychologie fundamental ist. 74 Theissen, Aspekte, 53. 75 Inselmann, Freude, 28. 76 Leiner, Psychologie, 253. 77 Vgl. a. a. O., 244, und zur Unterscheidung von beständigen und wandelbaren menschlichen Eigenschaften a. a. O., 108. 78 A. a. O., 244, mit Verweis auf Ulich, Einführung, 170. 79 Leiner, Psychologie, 244. Leiner geht sogar so weit, dass er, a. a. O., 246, schreibt, dass „wenn für die Generalisierbarkeit der [psychologischen, P.E.] Theorien“ Etliches spräche, es möglich sei, Hypothesen aufzustellen, welche zur Anwendung bzgl. der Texte geeignet seien. Die uns heute

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Leiner z. B. die historische Entwicklungspsychologie, die die Aufgabe habe, menschliche Verhaltensweisen bzw. menschliches Erleben in seinem Wandel zu analysieren, woraus auch Rückschlüsse auf ebendiese bzw. ebendieses der Vergangenheit möglich würden.80 Leiner stellt ferner die Historische Psychologie (der wir in dieser Arbeit jedoch keine weitere Aufmerksamkeit schenken werden) dem Bemühen gegenüber, anhand der Psychologie der Gegenwart Aussagen über die Menschen in der Antike zu treffen. Das versucht er anhand eines maritimen Bildes zu verdeutlichen: Der erstere Weg entspreche der Arbeit eines Tauchers, der zweite der eines Fischers. Ersterer benötige den Sauerstoff der Oberfläche (d. h. seiner Zeit), tauche jedoch trotzdem auf den Grund einer anderen Zeit. Der Fischer hingegen verharre an der Oberfläche seiner Zeit und bringe aus der Tiefe (gemeint ist die Vergangenheit) mithilfe des Netzes (also gegenwärtiger Methoden und Begriffe) empor, wessen er aufgrund der Reichweite seines Fanggerätes habhaft werden könne.81 Beide Ansätze dienten dazu, das Meer näher zu erforschen, beide „Jäger“ hätten ihre eigenen Hilfsmittel, ihren eigenen „Fang“, der durchaus Gemeinsamkeiten bzw. Überschneidungen aufweisen könne. Letztlich sollten beide zusammen das Bild des „Meeres“ erhellen. Trotzdem müsse man sich für einen Ansatz entscheiden.82 Wir wählen in dieser Arbeit den Weg des Fischers.

1.4.1.3 Fazit zur historisch-kritischen und tiefenpsychologischen Exegese von Traumtexten 1. Wir hatten festgestellt, dass ein Hauptproblem darin besteht, die Verfasserschaft nicht zu ihren Texten und möglichen Einflüssen des Unbewussten befragen zu können. Das heißt, dass wir die Traumtexte als literarische Konstrukte ernst zu nehmen haben, die antikem Stil, antiker Sprache und antiken literarischen Regeln unterliegen. Aber: Es darf davon ausgegangen werden, „dass die Traumerzählungen literarische und theologische Funktionen innerhalb größerer Kontexte übernehmen.“ Beide Funktionen zu analysieren, „leistet […] einen Beitrag zum Verstehen der Theologie biblischer Autoren.“83 Das heißt: Die Träume tragen theologisches Gedankengut in sich, zum einen im Traumtext selbst, zum anderen anhand der jeweiligen Einbettung in den

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vorliegenden antiken Texte könnten dann als Ersatz für „die empirischen Daten, die zur Bestätigung einer psychologischen Theorie benötigt werden“, dienen, ebd. Damit riskiert Leiner jedoch einen Zirkelschluss und steht m. E. nahe an der oben beschriebenen Gefahr des Anachronismus. Antike Texte sind kaum geeignet, empirisches oder gar statistisches Material zu ersetzen. A. a. O., 246, ausführlich a. a. O., 90 f; 99 ff. A. a. O., 247. Ebd. Lanckau, Träume, 44.

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Kontext der Schrift. Diesem theologischen Gehalt nachzugehen, ist auch ohne Rücksprache mit den am Traum(-text) beteiligten Personen möglich. 2. Sich trotz der formulierten Einwände und Einschränkungen der Psyche der Träumenden bzw. Traumverfasser zu nähern, ist dennoch möglich. Auch in einem antiken, literarischen Traum schimmern Informationen durch, die Rückschlüsse auf unbewusste Aspekte der beteiligten Personen ermöglichen, und eine Traumdeutung prinzipiell zulassen. Dies ergibt sich zum einen aus dem Auftauchen archetypischer Symbole im Traum vor dem Hintergrund des oben beschriebenen jungschen Verständnisses vom numinosen Charakter der Archetypen. Zum anderen ist darauf zu verweisen, dass das Unbewusste per definitionem so wirkt, dass es i. d. R. ohne bewusstmachende „Spiegelung“84 selbst nicht wahrgenommen wird. Davon und vom Wirken des Unbewussten generell ist auch der Vorgang literarischer Textproduktion nicht ausgenommen. Ist es aber möglich, diese unbewussten Anteile auszumachen und zu „entziffern“, werden uns auch Träume, die lediglich als literarische Konstrukte überliefert sind, Einblicke ins Unbewusste der o.g. genannten Personen gewähren. Unter den genannten Leitsätzen und unter Berücksichtigung der formulierten Einschränkungen bzgl. tiefenpsychologischer Exegese sollte es also möglich sein, die uns vorliegenden Traumtexte nicht nur auf einen (bewussten) theologischen Gehalt hin zu untersuchen, sondern auch auf einen (unbewussten) psychischen. Oder, mit Theißens Worten (auch wenn dieser, wie wir gesehen haben, den tiefenpsychologischen Ansatz nur eingeschränkt vertritt): „Ziel historisch-kritischer Exegese ist es, Texte aus ihrem Lebenszusammenhang heraus verständlich zu machen. Wollen nicht auch diese psychologischen Deutungen dazu beitragen? Kann man den Lebenszusammenhang religiöser Texte erhellen, ohne psychische Faktoren und Aspekte zu berücksichtigen?“85

Zuletzt sei erwähnt, dass von den Punkten, die nach Leiner eine Psychologie des Urchristentums enthalten müsse (acht Fachbereiche der Psychologie mit insgesamt 29 Unterpunkten)86, ein großer Teil in den in dieser Arbeit vorgestellten Texten eine Rolle spielt oder zumindest gestreift wird.87 84 In unserem Fall durch die Deutung eines Traums oder unbewussten Prozesses durch ein Gegenüber, d. h. eine zweite Person. 85 Theissen, Aspekte, 38. Auch Leiner, Psychologie, 32, betont, dass eine Exegese ohne Psychologie nicht möglich ist, und geht, a. a. O., 40, noch einen Schritt weiter: „Nur wenn gezeigt werden könnte, daß die Psychologie insgesamt für die Interpretation des Neuen Testamentes ungeeignet wäre, wäre eine Ablehnung der Psychologie von seiten der Exegese weiterhin gerechtfertigt. Wissenschaftstheoretisch liegt die Beweislast auf seiten der Gegner psychologischer Exegese.“ 86 Aufgelistet a. a. O., 254 f. Als Fachbereiche nennt Leiner Allgemeine Psychologie, Sozialpsychologie, Persönlichkeitspsychologie, Entwicklungspsychologie, Ökologische Psychologie, Physiologische Psychologie, Literatur- und Erzählpsychologie, Klinische Psychologie. 87 Dazu gehören v. a.: „Visionen, Auditionen, Entrückungen, Träume“, „Stereotypen“ und „soziale Konstrukte“, „Umgang mit Sexualität, Aggression, Machtstreben“ aus der Allgemeinen Psy-

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1.5 Abschließende Bemerkungen 1.5.1 Formal Wenn nicht anders angegeben, sind alle deutschen Bibelzitate der unrevidierten Elberfelder Übersetzung von 1932 entnommen (zum Teil mit kleineren Bearbeitungen). Septuagintazitate entstammen, bis auf wenige vermerkte Ausnahmen, der Ausgabe Rahlfs/Hanhart.88 Hebräische Vokabeln sind ohne Vokalisierung aufgeführt, es sei denn, es handelt sich um die Zitation von Artikeln des ThWAT. Kapitelzählungen und Unterzählungen der zitierten Apokryphenübersetzungen sind, sofern nicht anders erwähnt, den jeweiligen Übersetzungen entnommen. Biblische, intertestamentliche und apokryphe Schriften sind nach dem Abkürzungsverzeichnis RGG4 abgekürzt,89 gleiches gilt für die rabbinischen Schriften und die Qumran-Literatur. Die Abkürzungen der Schriften Philos und Josephus’ sowie die sonstigen bibliographischen Abkürzungen folgen dem IATG3.90 Antike Autorennamen werden ausgeschrieben, ihre Werke entsprechend dem Abkürzungsverzeichnis DNP angegeben.91 Alle darüber hinausgehenden antiken Werktitel werden sinngemäß abgekürzt.

1.5.2 Inhaltlich Es sei darauf hingewiesen, dass vor allem bei den Pseudoklementinen ein- und ausleitende Texte zu den Traumstellen sowie die Traumstellen selbst zum besseren Verständnis und Überblick in größerer Ausführlichkeit zitiert werden. Dies legt sich insofern nahe, also die Dialoge und Streitgespräche in der Schrift oft ausgesprochen komplex aufgebaut sind. Nur den sich auf Träume beziehenden Textteil daraus zu lösen, würde dessen Gesamtverständnis erheblich erschweren.

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chologie; „Rollen und Autoritäten in den urchristlichen Gemeinden“ aus der Sozialpsychologie (die „urchristlichen Gemeinden“ werden hier v. a. mit Blick auf die Apostelakten erweitert auf die Gemeinden, welche zur Entstehungszeit der jeweiligen Akten einen bestimmten Apostel besonders verehrten), Leiner, Psychologie, 254; „Verhältnis des Menschen zu seinem Leib und Umgang mit ihm“ aus der Physiologischen Psychologie; „Theorie der Produktion, Vermittlung, Rezeption und Verarbeitung von Literatur“ sowie „Psychologie und antike Rhetorik“ aus der Literatur- und Erzählpsychologie; „Dämonenaustreibungen“ und „Wunderheilungen“ aus der Klinischen Psychologie, a. a. O., 255. Die hier versammelten Kategorien bzw. Aspekte werden im Laufe der Arbeit anhand der Texte deutlich werden. Rahlfs/Hanhart (Hg.), Septuaginta. Redaktion der RGG4 (Hg.), Abkürzungen. Schwertner (Hg.), Abkürzungsverzeichnis. Cancik/Schneider, DNP, Bd. 3, XXXVI–XLIV.

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Ferner sind die Begriffs- und Motivanalysen im zweiten Teil der Arbeit bewusst weit gefasst. Das heißt, es wird auch Material angeführt, das nicht immer in unmittelbarer Verbindung zu den Träumen bzw. deren Deutungen steht, mit dem Zweck, die Träume und ihre Einzelsymbole zu umkreisen und durch vielfältigen Stoff inhaltlich anzureichern, ähnlich wie es C.G. Jung mit seiner Methode der Amplifikation getan hat. Dies geschieht allerdings unter der Voraussetzung, dass sich das Material als exegetisch anschlussfähig erweisen muss, und mit der Einschränkung, dass es sich i. d. R. auf den Zeitraum der Antike beschränkt. Es soll versucht werden, durch den größeren Umfang der Motivanalysen eine möglichst vielfältige Bandbreite an Verstehens- und Deutungsmöglichkeiten zu erschließen. Dabei ist zu betonen, dass sich die im zweiten Teil herausgearbeiteten Deutungen als Deutungsangebote und -ansätze verstehen, die weder vollständig sind noch sein können, und der weiteren Diskussion bedürfen. Ein fortführender Dialog hierüber wäre nicht nur sinnvoll, sondern wünschenswert.

2. Traumstellen in den christlichen Apokryphen

2.1 Apostelakten1 2.1.1 Einführung in die Apostelakten Die apokryphen Apostelakten haben die Missionstätigkeit und das Schicksal der Apostel zum Thema. Neben den fünf wichtigsten Akten – Johannesakten, Petrusakten, Paulus- und Theklaakten, Thomasakten und Andreasakten – stehen eine Vielzahl kleinerer Erzählungen. So seien exemplarisch die Barnabasakten, die Philippusakten, die Matthäusakten sowie die Simon- und Judasakten genannt. Zudem erfuhren einige der Apostelakten spätere Fortschreibungen und Erweiterungen.2 Ob und inwiefern die Apostelakten zur Gnosis gerechnet werden müssen, ist in der Forschung umstritten. Heute wird der Begriff der Gnosis wesentlich differenzierter definiert. Einige Ansätze finden sich in den Apostelakten, jedoch kommt es auch vor, dass Widersprüche, sogar innerhalb einer Schrift begegnen, so etwa in den Johannesakten.3 Photius, 114, verurteilt die Apostelakten nicht nur als häretisch, sondern auch als anstiftend zur Häresie.4 Ob die Apostelakten die Apg voraussetzen bzw. diese in eigener Weise fortführen wollten, ist in der Forschung umstritten; „direkte, eindeutige Bezugnahmen sind kaum auszumachen.“5 Im kirchlichen Kontext wurden die Apostelakten aber sehr wohl ergänzend zur Apg gelesen.6 Klauck sieht eher eine Nähe zu den kanonischen Evangelien als zur Apg, da die meisten Apostelakten, wie die Evangelien auf Jesus, auf eine bestimmte Figur fokussiert sind. Auch das Predigen, Wunderwirken und der Märtyrertod sind ähnliche Charakteristika.7 Der einzige Apostel, der in den fünf Akten 1 Literatur wird bei den jeweiligen Einzelschriften aufgeführt. 2 S. dazu Klauck, Apostelakten, 12. Zu den jüngeren Apostelakten s. de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 381–438 mit Aufzählung der Akten in 381. 3 Klauck, Apostelakten, 14. Die Frage nach der Datierung wird in den jeweiligen Einführungskapiteln besprochen. Auf Berührungspunkte zur Gnosis gehen wir im zweiten Teil der Arbeit noch etwas ausführlicher ein. 4 Gefunden bei Frenschkowski, Magie und Mission, 517. 5 A. a. O., 512. 6 Ebd. 7 Klauck, Apostelakten, 10.

Apostelakten

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keinen Märtyrertod stirbt, ist Johannes. Im weiteren Sinne sind auch die Pseudoklementinen zu den Apostelakten zu zählen, insofern sie die Figur des Petrus in den Mittelpunkt rücken. Letztere sind zusammen mit den Thomasakten die einzigen vollständig erhaltenen Schriften.8 Im Übrigen spielen in den Apostelakten Frauen nicht selten eine tragende Rolle, so etwa in den Theklaakten. Sie sind meist die erste Hörerschaft, die sich bekehren lässt und den Aposteln folgt (s. dazu u. v. a. die Thomasakten). Die Bestimmung der Gattung der Akten ist in der Forschung nicht unumstritten. Frenschkowski klassifiziert sie „ganz eindeutig [als] antike religiöse Romane“.9 Zu den Apostelakten gehören Aspekte des Abenteuerromans, der Reisefabulistik und (für uns von besonderem Interesse) des erotischen Romans. Eine „exuberante Lust am Magischen“, die die Akten widerspiegeln, hat Frenschkowski neuerdings herausgearbeitet.10 Die Problematik des antiken Romans (und des eigentlich nicht ursprünglichen Begriffs)11 muss hier nicht thematisiert werden.12 Es war vor allem Rosa Söder, die fünf Charakteristika des antiken griechischen Romans herausarbeitete und in den Apostelakten versuchte nachzuweisen:13 „1. das Element der Wanderung14, 2. das aretalogische Element, 3. das teratologische Element, 4. das tendenziöse Element, religiöser, philosophischer, politischer und ethischer Art, 5. das erotische Element, voll ausgebildet allerdings erst im sophistischen Roman“.15

Das erste Element16 ist in allen fünf Akten und auch in den Pseudoklementinen enthalten. Das zweite Element findet sich in den Wundern der Apostel und in der Art ihres allumfassenden Wissens sowie der Kunst, Weissagungen zu tätigen. Zur dritten Kategorie gehören etwa das Volk der Menschenfresser in den Akten des Andreas und Matthias, aber vor allem die in allen fünf „großen“ 8 Ebd. 9 Frenschkowski, Magie und Mission, 512. Dass die Apostelakten „weniger Werbeschriften für spezifische Lehrsysteme, sondern religiöse Unterhaltungsliteratur“ seien (a. a. O., 518), mag an sich nicht falsch sein, trivialisiert bzw. enttheologisiert die Texte aber doch zu stark. Diese Arbeit versucht zu zeigen, dass deutlich mehr inhaltliches Potenzial in den Apostelakten zu finden ist, als es oft angenommen wird. Zur Gattung der Apostelakten s. auch Dormeyer, Apostelgeschichten, 48–53. Zum antiken Roman allgemein sei Holzberg, Roman, genannt. 10 Frenschkowski, Magie und Mission, 507–541, Zitat a. a. O., 518. Vgl. auch Nicklas, Magie, 69; 72. 11 Klauck, Apostelakten, 15. 12 S. dazu Kytzler, Roman, 5–20, und Klauck, Apostelakten, 15 f. 13 A. a. O., 18. Allerdings kommt Söder am Ende bzgl. der Gattung der Apostelakten zu einem anderen Schluss, s. Söder, Apostelgeschichten, 187. 14 Vgl. auch Kytzler, Roman, 11: Oft werde im antiken Roman „die ganze Weite der Oikumene durchmessen.“ 15 Söder, Apostelgeschichten, 3 f, zitiert bei Klauck, Apostelakten, 18. 16 Das Folgende weitgehend nach a. a. O., 18 f. Ausführlich bei Söder, Apostelgeschichten, 148–180, mit jeweiligen Beispielen. Die meisten Kategorien werden uns im Laufe des ersten Teils dieser Arbeit in den Texten begegnen.

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Akten auftretenden sprechenden Tiere. Kategorie Vier erfüllt sich anhand der Mission und Predigt der Apostel – auch die Mahnung zum Enkratitismus gehört hier dazu, aber ebenfalls zur fünften Kategorie. Das erotische Moment ist in den Apostelakten dadurch gegeben, dass das Verhältnis zweier sich Liebender übertragen wird auf das Verhältnis zwischen bestimmten christlichen bzw. unlängst missionierten Protagonisten der Schriften einerseits und Christus oder einzelner Apostel17 andererseits (so v. a. im Verhältnis der Thekla zu Paulus, dazu u. ausführlicher). Weitere, kleinere Motive sind u. a. Verfolgungssituationen, das Moment der Volksmenge, aber auch Visionen und Träume, in denen vor allem göttliche Weisungen erteilt werden. Klauck nennt als Charakteristika des antiken Liebesromas18 vor allem die Keuschheit des Liebespaares sowie die Trennung der für einander bestimmten Liebenden, die nach vielen abenteuerlichen Irrungen und Wirrungen wieder zueinanderfinden.19 Kytzler unterscheidet beim antiken Roman zwischen dem eigentlichen Liebesroman und dem Schelmenroman. Letzterer wird durch Petrons und Apuleius’ Werk repräsentiert und zeichnet sich aus durch „übermütiges Stromern durch die Höhen und Tiefen der Alten Welt, freibeuterische Pfade durch die feinen und die weniger feinen Kreise der Gesellschaft.“20 Beide Romanarten verbindet aber der Eros.21 Im Liebesroman ist es die im Rahmen der Ehe stattfindende, liebende und gleichsam gezügelte Vereinigung, im Schelmenroman jedoch eine „vagabundierende[] Sexualität“.22 In dieser Arbeit wird ebenfalls die Auffassung vertreten, dass die Apostelakten deutliche Ähnlichkeit zum Liebesroman aufweisen, wobei das erotische Element ersetzt wird durch die Liebe der Neubekehrten zu Christus bzw. zu dem sie missionierenden Apostel. Auch die Keuschheit der beiden Liebenden, 17 Das (Liebes-)Verhältnis zu Christus bleibt bei Klauck, Apostelakten, 19, erstaunlicherweise unerwähnt. Er spricht, ebd., nur von dem zweitgenannten Verhältnis zwischen Protagonist(inn)en und Aposteln. 18 Die wichtigsten fünf antiken griechischen Liebesromane seien genannt: Chariton, Kallirhoë; Xenophon von Ephesus, Ephesiaka; Achilleus Tatios, Leukippe und Kleitophon; Longos, Daphnis und Chloë; Heliodor, Aithiopika. Als bedeutendste (lateinische) Schelmenromane gelten Petrons Satyrica und Apuleius’ Metamorphosen. Als jüdischer Liebesroman ist Joseph und Aseneth zu nennen, Klauck, Apostelakten, 16 f. 19 A. a. O., 16. Die Pseudoklementinen sind hierfür ein Beispiel, auch wenn die Liebenden dort einzelne Familienmitglieder sind. 20 Kytzler, Roman, 8. 21 Ebd. Dabei legt der antike Autor viel Wert auf Pathos. „Nahezu alle Liebesbegegnungen geschehen plötzlich, […] und mit unvorhersehbarer, unwiderstehlicher Gewalt. […] Die Liebespaare […] haben mit Naturgewalten zu kämpfen, Prüfungen auszuhalten, Leiden zu überstehen […]. Sie haben auch mit jeder Art menschlicher Nachstellung zu ringen“, dazu gehören Anschläge auf Leib und Leben. „Vor allem müssen sie Trennung tragen und Treue bewahren“, auch unter Lebensgefahr. „Doch die Unbedingtheit des Unterworfenseins unter die Macht des Eros gibt ihnen auch die Unbedingtheit, mit der sie für ihre Liebe einstehen und alles andere hintansetzen.“ (A. a. O., 9). 22 A. a. O., 11. Der Liebesroman stelle Ordnung dar, der Schelmenroman aber Unordnung, ebd.

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als weiteres Charakteristikum des Liebesromans, wird auf Christus hin gedeutet. Dies soll anhand der Träume im zweiten Teil der Arbeit verdeutlicht werden. Gleichzeitig wird die These vertreten, dass der Aspekt des Schelmenromans unterdrückt wird, und sich so unbewusst in besonders erotisch aufgeladenen Momenten u. a. in den Träumen der Schriften zeigt. Das heißt, die Aggressivität des Schelmenromans, seine Frivolität und ungezügelte sexuelle Freizügigkeit,23 die in den Apostelakten (als christlichen Schriften, die z.T. einer rigoristischen Ethik folgen) keinen Platz findet, aber quasi „die andere Seite“ des antiken Romans darstellt, bricht sich Bahn, indem die Träume entweder besonders aggressiv oder besonders sexuell gefärbt erscheinen.24 Demgegenüber steht die Frage, ob die Autoren der Apostelakten ihre Erzählungen ganz bewusst dem antiken Liebesroman entgegensetzen, indem erotische Momente nicht mehr auf Mann und Frau, sondern auf Christus hin ausgerichtet und gedeutet werden.25 Im Übrigen ist die Umdeutung des Eros eines Liebespaares (zumindest) auf Christus hin insofern naheliegend, als Christus ja wie Eros selbst eine lebenspendende Gottheit ist.26 Zuletzt muss noch festgehalten werden, dass die Apostelakten natürlich ihre Leserinnen und Leser auch unterhalten wollten, wenn auch in einer stark erbaulichen Art und Weise.27 Dass dies Sinn und Zweck eines antiken Romans ist, beschreibt Macrobius, somn. I 2,8.28 2.1.2 Andreasakten29 2.1.2.1 Kurze Einführung in die Schrift Die Missionsreisen des Apostels Andreas, die ihn von Pontus in die Achaja führen, sind Gegenstand der Schrift.30 Im Mittelpunkt stehen die Predigt des 23 A. a. O., 10. 24 Im antiken Liebesroman „werden […] die beiden entgegengesetzten Eckwerte erotischer Erfahrung ausgelotet. […] [D]as jeweils andere [muss] mit hineingedacht werden“ (a. a. O., 10). 25 Als hellenistische Liebesromane versteht auch Plümacher, Apostelakten, 63, die Apostelakten. 26 Vgl. Kytzler, Roman, 8; 10. 27 Dies wurde oben schon kurz angedeutet. Ein Element, an dem dies besonders deutlich wird und das charakteristisch für die Apostelakten ist, ist das der mannigfach auftretenden sprechenden Tiere. Als Literatur sei genannt Spittler, Animals; dies./Neureiter, Monster, 82–91; Dormeyer, Wanzen, 376–384. Zur Frage nach unterhaltenden Zügen in der Apg s. z. B. Börstinghaus, Sturmfahrt und Schiffbruch, 1–11, und Pervo, Acts, 14–18. 28 Vgl. Kytzler, Roman, 6. 29 Die Apostelakten werden hier nicht chronologisch behandelt, sondern in der Reihenfolge der Apokryphenübersetzungen von Bovon/Geoltrain (Hg.), Écrits apocryphes chrétiens, Bd. 1, bzw. 6Schneemelcher (Hg.), Neutestamentliche Apokryphen, Bd. 2. 30 In den Akten nach Gregor von Tours bereist der Apostel Mermidonia, Achaja, Amasia, Sinope, Nizäa, Nikomedien, Thrakien, Perinth, Philippi, Patras, Korinth, Megara, Patras, Bovon, Apostelgeschichte, 353, Anm. 19.

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Andreas, die von Weltentsagung und strengster Askese handelt, aber auch Heilungserzählungen und Dämonenaustreibungen.31 Der besonderen Form der Askese, dem sog. Enkratitismus, werden wir uns noch ausführlicher widmen. Klauck geht davon aus, dass die Akten stark verbreitet und weithin bekannt waren, evtl. sogar zeitweise als die bekanntesten unter den Apostelakten, auch wenn sie nicht in ursprünglicher Form vorliegen. Ein wichtiges erstes Zeugnis findet sich bei Euseb, h.e. III 25,6 f. Zwei Teile bildeten die ursprüngliche Schrift: die Missionsreisen des Andreas durch Kleinasien nach Philippi sowie sein (v. a. wunderhaftes) Wirken und sein Kreuzestod in Patras. Die ActAndr scheinen die längsten Apostelakten gewesen zu sein,32 ältere bzw. unabhängige Teilstücke sind nicht auszumachen.33 „Auszugehen ist dabei von dem ,Buch über die Wunder des seligen Apostels Andreas‘, das Gregor, Bischof von Tours, kurz vor seinem Tod, um 593 n. Chr. ca., zusammengestellt hat.“34 Er ist auch verantwortlich für die Streichung der langen Redeteile, weil ihm ein Fokus auf die Wundererzählungen am wichtigsten erschien.35 Am Ende nimmt Gregor die umfassendsten Kürzungen vor; dort beginnen die anderen Überlieferungen.36 Auf die einzelnen Textzeugen soll hier nicht weiter eingegangen werden, da textkritische Erwägungen für unsere Fragestellung keine weitere Rolle spielen.37 Was die Beziehung zu den übrigen großen Apostelakten betrifft, geht Klauck davon aus, dass dem Autor die ActJoh geläufig waren; diese galten ihm als Vorbild, was die Form betraf. Die Kreuzigungsszene weist Verwandtschaft mit den ActPetr auf.38 Klauck nimmt das erste Jahrzehnt des 3. Jh. als Entstehungszeit an, als Entstehungsort weist Einiges nach Kleinasien. Die Frage nach dem Autor muss weitestgehend offen bleiben; er schreibt jedenfalls 31 Bovon, Art. Andreasakten, 473. Nach Vielhauer, Geschichte, 705, bildet die Forderung des Andreas nach absoluter Enthaltsamkeit den Haupttopos seiner Predigttätigkeit. 32 Die ActAndr finden in der Stichometrie des Nikephorus keine Erwähnung. Die ActPaul werden dort mit 3600 Stichoi erwähnt, die ActPetr mit 2750, die ActJoh mit 2500 und die ActThom mit 1600, Frenschkowski, Magie und Mission, 517. 33 Klauck, Apostelakten, 125 f. Vgl. Vielhauer, Geschichte, 705. Etwas inhomogener nimmt Czachesz, Andreasakten, 773, den Überlieferungsstand wahr: Keine der zahlreichen Handschriften gebe die ganzen Akten wieder und es bleibe stark umstritten, „wie man aus den Fragmenten die ursprünglichen Andreasakten rekonstruieren könnte.“ Er unterscheidet, ebd., grob vier Textgruppen: 1. die Akten des Andreas und Matthias, 2. das Martyrium, 3. Missionsreisen mit Martyrium (= Text des Gregor von Tours), 4. diverse Überlieferungen auf Griechisch und Koptisch, die in unklarer Beziehung zu Gruppe 1–3 stehen. Vgl. aber Czachesz, Andreasakten, 775. 34 Klauck, Apostelakten, 126. Vgl. auch Adamik, Eroticism, 35 f. 35 Klauck, Apostelakten, 126. Die Reden erschienen ihm zu weitschweifend, offenbar auch zu häretisch, als dass er sie hätte aufführen mögen, Czachesz, Andreasakten, 774. 36 Klauck, Apostelakten, 126. 37 Die Ausgabe, welche unserer Arbeit hier zugrunde liegt, ist die von Prieur (Hg.), Acta Andreae. Auch deren Kapitelzählung wird hier übernommen. 38 Klauck, Apostelakten, 127. Vgl. Czachesz, Andreasakten, 773. MacDonald, Acts, 28, geht sogar davon aus, dass die Andreasakten die Petrusakten nachahmen. Weiterhin lagen die Andreasakten den Verfassern der Thomasakten und Philippusakten vor, MacDonald, Acts, 28, sowie ausführlich a. a. O., 29–43.

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stilistisch solide, ebenso ist seine Bildung in Philosophie und Rhetorik zu beurteilen.39 Bremmer datiert die ActAndr hingegen auf ca. 150 in Alexandria,40 MacDonald auf das Ende des 2. Jh.41 Ebenso wie in den folgenden Apostelakten spielte auch im griechischen Original der ActAndr der Enkratitismus42 eine prägende Rolle. Dieser wurde aber im „Buch über die Wunder“ versucht zu tilgen (durch Gregor?), wohl um mit der christlichen Mehrheit, die diese Lebensform ablehnte, nicht in Konflikt zu geraten.43 Dennoch spielen verschiedene erotische Motive eine tragende Rolle in den Akten.44 Schroeder hat für den Teil, den sie „Passion of Andrew“ nennt (Ankunft in Patras und die Erzählungen um Stratokles und Maximilla) herausgearbeitet, dass sich dort Eros und platonische Philosophie verbinden, dass es gleichsam um enterotisierte Erotik geht. Erotische Sprache wird nun nicht mehr auf eine sexuelle Partnerschaft bezogen, sondern auf das (neue) Gottesverhältnis.45 Dies wird wichtig in Bezug auf die in den Akten enthaltenen Träume sein. Bremmer sieht gebildete und wohlhabende Frauen als Hauptadressaten der Akten.46 Bolyki hingegen beschreibt die Adressaten so: „(1) the first, contemporary readers (at the end of the second century), the encratists, who found the expression of their own ideas in the text; (2) the community of PseudoTitus, who used the AA and publicized the ideal of virginity, but did not want to extend it to those already married: (3) the old Catholic Church, which answered this question by confirming the monastic way of life (fifth century) and (4) the modern 39 Klauck, Apostelakten, 127. Bremmer, Man, 16, spricht von einem „cultivated man. […] [W]ell versed in Platonik philosophy“ und, a. a. O., 18, „well acquainted with the ethical vocabulary of his time and thus, probably, a representive of the higher classes.“ 40 Bremmer, Apocryphal Acts, 152. So auch Prieur, Einleitung, 107 f. 41 MacDonald, Acts, 59. 42 Zur Einführung s. den RAC-Artikel von Chadwick, Enkrateia, 343–365. 43 Adamik, Eroticism, 40. 44 Wie a. a. O., 5–46, herausgearbeitet wurde. 45 Schroeder, Embracing the Erotic, 114; 124 ff. So schreibt sie (114): „The Passion of Andrew […] relies upon generic elements from the Hellenistic novels but reworks them using elements of Platonic philosophy to present a radically different vision of the consummation of love and desire. […] Maximilla’s and Stratocles’ relationships with the apostle Andrew are described with language and metaphors reminiscent of the eros presented in the Greek novels. Although the Passion of Andrew rarely uses eros, preferring terms such as storgê or agapê, the context of the relationships parallels the novels and suggests an ,erotic‘ element. Yet, in the Passion of Andrew, true love becomes the Platonic eros, the love of beauty, the one, the divine.“ Und weiter (116): „Andrew uses the very language of marriage to describe Maximilla’s new state: she will no longer be married to Aegeates but to another, non-earthly personage. This marriage language mimics that of the Greek novels but at the same time undermines it. Maximilla’s true love is not a human person, but an inner husband. But as with a corporeal husband, Maximilla wishes to unite with it: ,[Y]ou cannot separate me from it, for that is impossible. Let me have intercourse (proshomilein) and take my rest with it alone‘“. Schließlich (124 f): „The importance of the Passion of Andrew, however, lies not in its degree of ascetism, Platonism, or gnosticism, but in the early link between the ascetic way of life and Platonic philosophy.“ (Hervorhebungen im Original). 46 Bremmer, Man, 24.

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reader, who is not interested in the ideal of encratism, but rather in the devotion and universal acclaim of the hero.“47

Folgende Teilschriften sollen hier aufgezählt sein: 1. „Gregor von Tours, Über die Wunder des Apostels Andreas“, 2. „Drei koptische Fragmente“, 3. „Andreas in Patras (griechischer Text).“48 Für uns sind nur 1. und 3. von Bedeutung. Zu 1.: Der Text, den Gregor (über)liefert, und der 40 Kapitel lang ist, ist nicht nur eine Übersetzung ins Lateinische, sondern auch eine Zusammenfassung, was bezüglich des Originals natürlich nicht unproblematisch ist.49 So schaltet Gregor eine Vorrede ein, in welcher begründet wird, dass er längere Redeteile streicht und sich auf Wundererzählungen konzentriert (s. o.). Dann wird die Zuweisung der zu missionierenden Gegenden an die Apostel geschildert, wobei Andreas für Griechenland, genauer Achaja, zuständig ist. Andreas soll seinem „Kollegen“ Matthias (der hier Matthäus heißt) folgen, welcher in die Hand der Menschenfresser in Mermidonia gefallen ist (s. u.). Erst nach dessen Rettung wendet sich Andreas seinem apostolischen Auftrag zu.50 Der Text besteht zum großen Teil aus Wundern, wovon die meisten Exorzismen sind.51 Prieur bezeichnet Gregors Werk als „eine Quelle von unschätzbarem Wert.“52 Trotz dass Gregor den Text bearbeitet hat, lässt sich aus ihm der Ablauf der Reise des Apostels gut erschließen. Das Martyrium wird jedoch nur kurz beschrieben. Die Hauptstationen (nach der Befreiung des Matthias) sind: Amasia, Sinope, Nizäa, Nikomedien, Byzanz, Perinthus, Philippi, Thessaloniki, Patras, Korinth, Lakedaimon und Megara.53 Zu 3.: Dieser Teil liegt auf Griechisch vor und bildet ein in sich zusammenhängendes Stück, welches auch das Martyrium des Andreas beschreibt, das die Handschriften S bzw. H bezeugen, die im Text inkludiert sind. Der Auftakt spielt in Patras. Hierher kommt Stratokles, Bruder von Aegeates, dem Prokonsul, der Richtung Rom unterwegs ist.54 Ein Hauptthema sind die Ehekonflikte zwischen Aegeates und Maximilla, seiner Frau, die sich bekehrt und sich von ihrem Mann sexuell zurückzieht – ein Muster, das sich immer wieder in den Apostelakten findet.55 Im Gegensatz zu Gregors Schrift ist der griechische Teil also vom Enkratitismus geprägt. Ebenfalls erzählt dieser Abschnitt, anders als die anderen Teile der Akten, kaum von Wundern.56 Anknüpfend an 47 Bolyki, Triangles, 76. 48 Klauck, Apostelakten, 128; 133; 135. 49 Weiss, Lokalkolorit, 13. Zu Lokalkolorit in den Andreas-, Petrus-, Johannes- und Paulusakten s. Weiss, Lokalkolorit, 14–21. 50 Klauck, Apostelakten, 128. 51 Czachesz, Andreasakten, 775; 777. 52 Prieur, Einleitung, 96. Er konstatiert aber auch, Gregor habe seine Vorlage „in einem für das katholische Denken annehmbaren Sinn umgebogen“ (a. a. O., 97). 53 Schneemelcher, Texte, 108–112; s. o. 54 Klauck, Apostelakten, 135. 55 ActJoh 63; ActPetr 33 f; ActThom 134–138, Czachesz, Andreasakten, 778. 56 So zählt Czachesz, a. a. O., 782 ff, bei Gregor 25 Wunder, im griechischen Teil lediglich drei.

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das in der Einführung zu den Apostelakten Gesagte wird das Liebesverhältnis der Maximilla von ihrem Mann hin auf Christus übertragen, wird aber mit erotischer Sprache beschrieben. Dieser Sachverhalt findet sich auch in anderen Apostelakten (so z. B. in ActThom 14 f; ActJoh 88–93.113).57 Wenn Czachecz aber konstatiert: „Statt einer Unterdrückung der Sexualität (was eine asketische Auslegung impliziert) ist in diesen Fällen besser von einer Umorientierung und Sublimierung der Erotik zu sprechen“,58 hat er zwar nicht Unrecht; zwar entsteht ein neues Liebesverhältnis, beschrieben in erotischer Sprache. Von Umleitung zu sprechen, ist aber höchstens ein Euphemismus, da das Ausleben sexueller Energie faktisch unterbunden wird. Daran ändert auch erotische Sprache nichts.

2.1.2.2 Traumstellen in Gregor von Tours „Über die Wunder59 des Apostels Andreas“60 Wir beginnen in Kap. 13. Andreas befindet sich in Philippi. Ein reicher junger Mann aus Thessaloniki kommt zu Andreas und bittet um christliche Unterweisung. Seine Eltern versuchen mit allen Mitteln, ihn von Andreas abzubringen, scheitern jedoch und sterben nach 50 Tagen. Der reiche Jüngling verwendet sein Erbe für karitative Zwecke, zieht mit Andreas nach Thessaloniki und predigt sogar im dortigen Theater. Übersetzung (P.E.): „Dann ging sein Vater weg zu seinem Haus und sprach zu dem Sohn: ,Heute wirst du geheilt, teuerster Sohn Adimathus.‘ Dies nämlich war der Name des Sohnes. Dieser sagte zum Vater: ,Denn wahrlich ausgeführt ist mein Traum61; denn ich habe durch eine Erscheinung62 diesen Mann gesehen, welcher mich gesund machte.‘ Und indem er dies sagte, legte er seine Kleider an und erhob sich vom Bett und machte sich auf mit schnellem Lauf zum Theater.“

Der Junge rennt eilends zu Andreas und fällt vor ihm auf die Knie um ihm zu danken. Hier werden zwei Begriffe nebeneinander gebraucht: somnium und visum. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf visum. Das Oxford Latin Dictionary 57 A. a. O., 778 f. 58 A. a. O., 779. 59 „Wunder sind […] in den apokryphen Akten […] in einer solchen Menge und zu einem so großen Anteil [enthalten], dass der Held wie eine Wunder wirkende Maschine erscheint […]. Natürlich haben diese vielen Wunder die Funktion der Einladung zum Glauben oder der Demonstration eines starken Glaubens. Ihre inflationäre Verbreitung ist aber auch ein Zeichen der wachsenden Gegnerschaft, die die ersten Christen erfuhren“ (Bovon, Apostelgeschichte, 356). 60 Klauck, Apostelakten, 128. Auszüge in deutscher Übersetzung bietet Schneemelcher, Texte, 113–137. 61 somnium. 62 visum.

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übersetzt visum u. a. mit „[t]hat which is seen, an appearance, sight“, „vision“ bzw. „a sense impression received by the eye“;63 visus wird übersetzt mit „[t]he faculty or power of seeing (esp. in relation to a person exercising it), sight, vision“, „[t]hat which is seen, a sight“, z. B. „a supernatural manifestation (esp. one seen in a dream)“.64 Georges übersetzt visum u. a. mit „das Gesehene“, „die Erscheinung im Traum“, „Traumbild“, „Traumgesicht“, aber auch „die Phantasie“; visus mit „das Sehen“, „der Anblick“ „Blick“, „Gestalt“, „Erscheinung“.65 Durch die Nennung von somnium wird die Erscheinung bzw. Vision an den Traum gebunden. Dass man die Formulierung metaphorisch übersetzt, im Sinne von „mein größter Traum ist wahr geworden“, wäre doch eher eine unzulässige Rückprojektion moderner Ausdrucksweise.66 Am naheliegendsten ist es, visum als Spezifizierung des Trauminhaltes zu verstehen; somnium beschreibt den Zustand und den Rahmen der Erscheinung. Den Traum in Philos Einteilung einzuordnen gelingt hier kaum – dazu fehlen uns zu viele Details. Am ehesten liegt hier Kategorie 1 vor, auch wenn nicht davon die Rede ist, dass Gott direkt den Traum sendet. Nun soll die nächste Stelle, die sich in Kap. 20 findet, thematisiert werden. Andreas erfährt in einem Traum etwas über sein bevorstehendes Martyrium. Übersetzung (P.E.): „In der folgenden Nacht aber sah der gesegnete Apostel eine Erscheinung/einen Traum67, den er auch den Brüdern darlegte und sprach: ,Hört, ihr Meistgeschätzten, meinen Traum68: Ich sah, und siehe, ein großer Berg war in die Höhe erhoben über der Erde, welcher an sich nichts von irdischen Dingen hatte, außer dass er so sehr mit Licht erschien, sodass es die Erde zu erleuchten schien. Und siehe, meine meistgeschätzten Brüder, die Apostel Petrus und Johannes traten hinzu. Und Johannes jedenfalls (hatte) die Hand zu Apostel Petrus ausgestreckt und hob ihn hoch auf die Spitze des Berges, und umgewandt zu mir bat er, zu Petrus hinaufzusteigen, indem er sagte: ›Andreas, du wirst den Becher Petri trinken.‹ Und indem er seine Hände ausstreckte, sprach er: ›Nähere dich mir und strecke deine Hände aus, damit sie mit meinen Händen vereint werden und dein Haupt mit meinem Haupt verbunden werden möge.‹ Nachdem ich das getan hatte, entdeckte ich, dass ich kürzer war als Johannes. Und danach sagte er zu mir: ›Willst du erkennen das Bild dieser Sache, die du siehst oder wer es ist, der zu dir spricht?‹ Und ich sagte: ›Ich möchte diese (Dinge) erkennen.‹ Und er sprach zu mir: ›Ich bin das Wort des Kreuzes, an welchem du bald hängen wirst wegen des Namens von dem, den du verkündigst.‹ Und viele andere

63 64 65 66 67 68

Glare (Hg.), Dictionary, Bd. 2, 2290. Ebd. Georges, Handwörterbuch, Bd. 2, 5045 f. Dies wäre dann eher mit desiderium oder voluntas zu denken. visum. somnium.

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(Dinge) sagte er mir, von welchen es sich jetzt geziemt zu schweigen. Sie werden jedoch dann mitgeteilt, wenn ich herankomme zu diesem Opfer [d. h. Martyrium].‘“

Andreas lässt daraufhin alle Glaubensgeschwister zusammenrufen, um sie zu unterweisen und sich zu verabschieden. Er bricht Brot für sie und reist weiter nach Thessaloniki. Diese Stelle ist sehr bemerkenswert. Erstens stehen hier wieder zwei Begriffe nebeneinander: visum und somnium. Dass es ein Traum ist, wird gerade an Letzterem deutlich. Offensichtlich sind beide aber grundsätzlich austauschbar. Zweitens ist der Traum – für christliche Traumerzählungen – ungewöhnlich stark symbolisch eingefärbt (Berg, Licht, Haupt und Hände, Kreuz usw.); die den Traum umgebende Stimmung mutet geradezu geheimnisvoll an. Dies hat zu tun mit der „elitären“ Traumsituation: Drei führende Apostel begegnen sich in einer Art nächtlicher Initiation, wobei die Parallelität zum synoptischen Verklärungsbericht offensichtlich sein dürfte. Ohne eine tiefergehende Deutung hier vorwegzunehmen, ist doch einsichtig, dass es sich um eine Todesankündigung69 handelt, die eine „Vereinigung“ mit dem Bruder (vgl. Mk 1,16 parr) und Apostel Petrus mit sich bringt, indem Andreas das gleiche Schicksal erleidet wie jener und indem sich beide in der dem Märtyrertod folgenden Auferstehung wiederbegegnen werden. Psychologisch gesehen handelt es sich um einen präkognitiven Traum, der Zukünftiges anzeigt. Gleichzeitig wird betont, dass Andreas im Rang unter Johannes steht (er entdeckt, dass er kleiner als Johannes ist). Was Petrus angeht, so scheint Andreas ihm – im Angesicht desselben Schicksals wie das seines Bruders – eher gleichgestellt zu sein. Zuletzt ist festzuhalten, dass der Traum auch den Aspekt der Traumdeutung beinhaltet. Johannes fragt Andreas, ob er erkennen will, und gibt ihm nach dessen bejahender Antwort einen Hinweis hinsichtlich des bevorstehenden Martyriums. Nach Philos Traumeinteilung liegt hier Kategorie 2 vor. Dennis R. MacDonald bietet in seiner Ausgabe der Akten70 einen griechischen Einschub, der mit der Zählung des 22. Kapitels beginnt.71 Es wird berichtet, wie Andreas als Fremder Patras betritt und sich bald allerlei Gerüchte über ihn verbreiten. Er bringe nur den Namen Jesu mit, soll aber Kranke heilen, Tote auferwecken und große Zeichen tun können. Lesbius, der diese Dinge hört, hält ihn für einen Scharlatan und schmiedet sofort Pläne gegen ihn. Ein Engel erscheint Lesbius in der Nacht und zieht ihn zur Rechenschaft. Übersetzung (P.E.): „Nachts aber erschien72 dem Prokonsul Lesbius ein Engel des Herrn mit großer Offenbarung und fürchterlicher Drohung und sprach: ,Was hast du von dem Fremden 69 Zum Martyrium des Apostels vgl. u. a. Bremmer, Man, 32 ff. 70 MacDonald, Acts. 71 Dies soll hier nicht weiter textkritisch diskutiert werden. MacDonald, Acts, 274, überschreibt den Abschnitt mit „Excursus G“. 72 ἐπιστάς.

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Andreas erlitten, dass du auf üble Art und Weise73 überlegst, Hand an ihn zu legen […]? Und nun siehe, die Hand seines Herrn ist über dir und du wirst geschlagen sein, bis du durch ihn die Wahrheit erkannt hast.‘ Und der Engel wurde vor ihm unsichtbar und jener wurde taub gemacht. Und nicht lange danach, nachdem er nur wenig zu sich gekommen war, rief er die ihm dienenden Soldaten und sagte ihnen unter Tränen: ‚Habt Erbarmen mit mir! Beeilt euch, in der Stadt einen gewissen fremden einfachen Menschen zu suchen, der Andreas genannt wird, welcher einen fremden Gott verkündigt, durch welchen ich die Wahrheit erkennen könnte.‘“

Hier wird nicht direkt von einem Traum gesprochen. Es ist eine der vielen Stellen, bei denen nicht genau definiert ist, was geschieht. Jedenfalls ist die Nacht der Zeitpunkt des Geschehens. Es bleibt unklar, ob es sich um ein Nachtgesicht oder einen wirklichen Traum handelt.74 Das nächtliche Ereignis wird recht ausgeschmückt beschrieben, große Offenbarung und fürchterliche Drohung gehen miteinander einher. Was unterstrichen werden muss ist, dass dieses nächtliche Geschehen, sei es nun ein Traum oder ein Nachtgesicht, Lesbius zutiefst erschreckt und Gottes drohende Hand über ihn bringt. Weiterhin wird er taub aufgrund des Ereignisses (was eher für eine Wachvision spricht). Dies bringt ihn dazu, nach Andreas zu schicken und sich um die Erkenntnis der Wahrheit zu bemühen. Das nächtliche Geschehen löst Konsequenzen von erheblicher Tragweite aus. Falls es sich um einen Traum handelt, liegt hier nach Philo Kategorie 1 vor (er ist unmittelbar einsichtig; zwar spricht nicht Gott selbst, wohl aber sein Bevollmächtigter). Die folgende Textstelle spielt in Achaja. Auf dem Weg dorthin per Schiff gebietet Andreas dem Wetter und den Gezeiten. Der schon genannte ortsansässige Prokonsul Lesbius erweist sich als Feind des Andreas. Deswegen erscheinen ihm in der Nacht zwei (gottgesandte) Äthiopier (die als Dämonen75 verstanden werden sollen), die ihn tüchtig durchprügeln und dadurch an das Bett fesseln (Kap. 22). Der Geschlagene aber wird durch den Apostel geheilt und bekehrt sich zum Christentum.76 Vorher, am Beginn des 22. Kapitels, erfahren wir noch Wichtiges über das Traumverständnis der Akten und vielleicht der christlichen Apokryphen generell. Hier die Übersetzung des Beginns des 22. Kapitels nach der Ausgabe von Prieur (P.E.): „Schließlich, da viele ihn baten, dass er [Andreas, P.E.] in ihre Häuser gehen möge, sprach er: ,So wahr der Herr lebt, ich gehe nicht, außer wohin mein Gott befiehlt.‘ Und 73 Es ist hier nicht ganz klar, wohin das κακῶς gehört. Normalerweise wird das Zusammenstehen von κακῶς mit einer Form von πάσχω mit „furchtbar leiden“ oder „übel dran sein“ übersetzt, Bauer, Wörterbuch, 1257. Dann hieße es: „Was überlegst du, furchtbar leidend, Hand an ihn zu legen?“ Die andere Variante ist die oben gewählte, der hier der Vorzug gegeben wird. MacDonald, Acts, 277, geht ebenso vor. 74 Zur Unterscheidung s. o. 75 Zu Dämonen in den Akten vgl. Bremmer, Man, 24–32. 76 Klauck, Apostelakten, 131. MacDonald fügt die Stelle in seiner Übersetzung direkt an die eben behandelte Stelle an.

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nachts, als er schlief 77, empfing er keine Offenbarung. In der anderen Nacht aber, als er deswegen betrübt war, hörte er eine Stimme, die zu ihm sagte: ,Andreas, ich bin immer mit dir und lasse dich nicht im Stich.‘ Als er dies hörte, pries er Gott für diese Vision78. Der Prokonsul Lesbius aber wurde durch eine Vision gewarnt, dass er den Mann Gottes aufnehmen solle.“

Es geschieht hier etwas Bemerkenswertes: Der Apostel empfing keine Offenbarung,79 das mögliche Empfangen einer nächtlichen Vision bzw. eines Traums wird verneint. Drei Dinge sind ferner festzuhalten: 1. Träume werden hier als Medium göttlicher Offenbarung (revelatio) verstanden – Träume deswegen, weil Andreas sich in schlafendem Zustand befindet (dormiens) und weil der Zeitpunkt klar angegeben ist: nocte. Träume werden in den Akten also u. a. als nächtliche Offenbarungen Gottes verstanden, die während des Schlafes empfangen werden (entsprechend Kategorie 1 nach Philo). 2. In der nächsten Nacht spricht Gottes beruhigende Stimme zu Andreas. Hier ist zwar wieder der Zeitpunkt der Nacht gegeben, es wird aber eindeutig von einer Vision gesprochen. Auch das Betrübtsein, das im Sinne der Gleichzeitigkeit übersetzt werden muss, spricht dafür, dass Andreas noch wach ist. Warum diese unterschiedlichen Offenbarungskategorien, die direkt nebeneinander stehen? Vermutlich hält es der Verfasser nicht für nötig, zwischen Traum und Vision zu differenzieren. Dass hier eine versteckte Kritik am antiken, divinatorischen Traumkult zum Ausdruck kommt (in der ersten Nacht erfolgt kein Traum, dafür in der zweiten eine Vision) ist unwahrscheinlich – immerhin ist an den anderen genannten Stellen der ActAndr der Traum legitimes Mitteilungsmittel Gottes. Vom dramaturgischen Standpunkt aus findet auf jeden Fall eine Spannungssteigerung statt. Und: Gott ist unverfügbar. Er kontaktiert den Menschen nach seiner Vorstellung. 3. Lesbius wird, ähnlich den Traumbeschreibungen in Mt 2,12 f, gewarnt. Er soll den Mann Gottes aufnehmen. Hier ist allerdings wieder von visio die Rede. Immerhin spricht Gott auch zu (offensichtlich) gottlosen Menschen durch Visionen. Doch nun zu der Erzählung von den beiden Äthiopiern. Lesbius lässt nach Andreas schicken; dieser kommt und findet den Prokonsul wie tot liegend, mit geschlossenen Augen vor. Andreas fordert ihn auf zu erzählen, was ihm widerfahren sei. Übersetzung (P.E.):

77 dormiens. 78 visio. 79 Das Ausbleiben einer göttlichen Offenbarung war in der Antike ein bekanntes mantisches Motiv. S. dazu Frenschkowski, Offenbarung, Bd. 1, 118–125. Gründe dafür sind vor allem die Unverfügbarkeit Gottes, a. a.O., 122, sowie der Ausdruck seiner „strafende[n] Verweigerung“ (a. a. O., 118). Für Letzteres gibt es in unserem Text keine Anzeichen. Warum sollte Gott dem Apostel zürnen? Das Motiv wird hier im Sinne der genannten Unverfügbarkeit Gottes gedeutet.

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„Und jener: ‚Ich‘, sagte er, ,bin der, welcher verflucht hat den Weg, den du lehrst und ich schickte Soldaten mit Schiffen zu dem Prokonsul von Mazedonien, damit, nachdem du mir gebunden überlassen wurdest, ich dich zum Tode verurteilen könnte.‘“

Allerdings erleiden die Soldaten Schiffbruch und kommen nicht am Ziel an. „,Und weil ich auf dieser Absicht beharrte, deinen Weg zu vernichten, erschienen mir zwei Äthiopier, welche mich mit Peitschen schlugen80 und sagten: ›Wir können hier von nun an keine Macht (mehr) haben, weil jener Mensch, den du gedachtest zu verfolgen, (seinen Weg) geht. Und nun, in dieser Nacht, in welcher wir noch Macht haben, rächen wir uns an dir.‹ Und so schwer geschlagen, verschwanden sie von mir. Nun aber du, Mann Gottes, bitte den Herrn, damit, indem er mir diese Schuld erlässt, ich geheilt sein möge von der Ohnmacht, von welcher ich erfasst bin.‘“

Dieser Bericht gibt einige Rätsel auf. Gleichzeitig ist er wieder eine von den Stellen, bei denen nicht deutlich wird, ob es sich um einen Traum (Schlaf) oder ein Nachtgesicht (Wachheit) handelt. Der einzige Hinweis ist das in hac nocte, das, wie wir oben gesehen haben, nicht zwangsläufig für einen Traum sprechen muss. Allerdings bleibt Lesbius mit einem physischen Gebrechen zurück, das eher dahin deutet, dass ein äußerer Einfluss auf ihn eingewirkt hat, während er sich dessen bewusst war. Dies würde auch mit dem griechischen Einschub Kap. 22 korrespondieren, als Lesbius (dem offensichtlich immer wieder in der Nacht Unheil widerfährt) taub wird. Wichtig ist dieser Bericht dennoch aufgrund seiner Symbolkraft. Der nächtlich erscheinende, aggressive Typus eines Dämons, der als Äthiopier beschrieben wird, begegnet uns in ActPetr 20 (dort in weiblicher Form) erneut. Die nächste Stelle findet sich in Kap. 26. Andreas befindet sich in Korinth und hat soeben ein Rettungswunder an einer Frau vollbracht (Kap. 25 f). Ebendort trifft der Apostel auf Sostratus, den Vater Philopaters (26).81 Übersetzung (P.E.): „Als aber der gesegnete Apostel in Korinth viele Zeichen und Wunder getan hatte, ging Sostratus, Philopaters Vater, durch eine Erscheinung82 ermahnt, den Apostel zu besuchen, nach Achaja, und als er ihn nicht fand, gelangte er nach Korinth. Und als er spazieren ging mit Lesbius und anderen, erkannte Sostratus ihn, wie er ihm schon im Traum83 erschienen war. Und er umschlang seine Füße und sagte: ‚Erbarme dich meiner, bitte, Diener Gottes, wie du dich auch über meinen Sohn erbarmt hast.‘“

Philopater klärt den Apostel auf, dass dies sein Vater sei und Andreas dankt Christus, „welcher sich entschließt, sich den Glaubenden zu offenbaren“ (P.E.). 80 Prieur, Acta Andreae, 621, weist im Apparat darauf hin, dass es statt cedebant, was hier keinen Sinn ergibt, caedebant heißen muss. 81 Klauck, Apostelakten, 132. 82 visum. 83 somnium.

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Auch hier ist das Nebeneinander von visum und somnium zu konstatieren, das wir als für die lateinischen Andreasakten charakteristisch festhalten können. Weiterhin taucht erneut das Motiv der Traumwarnung bzw. -mahnung auf. Den Traum zu kategorisieren ist schwierig. Am ehesten böte sich Kategorie 1 an, aber nur durch den unbestimmten Zusatz, dass Christus sich den Glaubenden offenbart (dann wäre Andreas in der Rolle des Botenengels [s. o.] zu sehen).

2.1.2.3 Traumstellen in der Schrift „Andreas in Patras (griechischer Text)“ 84 Über diesen Teil der Akten wurde oben schon etwas gesagt. Wir beginnen in Kap. 18. Es geht um Maximilla, die Frau des Prokonsuls Aegeates und Schwägerin des Stratokles, dessen Bekehrung am Anfang des griechischen Teils (Kap. 8) geschildert wird. Maximilla, ebenfalls Christin, will sich dem ehelichen Verkehr mit ihrem Mann entziehen, der als verunreinigend charakterisiert wird (Kap. 14 ff).85 Maximilla kommt auf den Gedanken, das Augenmerk ihres Mannes auf die sehr attraktive, aber sittenlose Sklavin mit dem Namen Euklia zu lenken, die an ihrer statt Aegeates sexuell befriedigen soll, wobei der Mann ahnungslos bleibt (Kap. 17), was auch für acht Monate funktioniert. Euklia erfüllt diese Rolle, erpresst aber ihrer Herrin und prahlt gegenüber den anderen Sklaven (18 f). „Während Maximilla nichts Böses ahnt, hat Andreas, mit dem sie die meiste Zeit verbringt, einen warnenden Traum (19). Es kommt noch zu einem weiteren Erpressungsversuch der anderen Sklaven (20), denen Maximilla für ihr Schweigen 1000 Denare zahlt (21). Aber letztlich gehen sie […] doch zu Ageates und berichten ihm alles. Eukleia gesteht unter der Folter (22).“86 Sie wird verstümmelt und den Hunden vorgeworfen.87 Übersetzung (P.E.): „Aber Maximilla meinte, dass Euklia nicht geschwätzig und glaubwürdig wäre wegen der Geschenke, die sie ihr gegeben hatte, und verbrachte ihre Nächte bei Andreas in Gemeinschaft mit Stratokles und all den übrigen Brüdern. Andreas aber sah88 einen Traum89 und sprach zu den Brüdern und Maximilla hörte auch (zu): ‚Heute, in dem Haus des Aegeates wird eine neue Anordnung bereitet, voll mit Bestürzung und Zorn.‘ 84 A. a. O., 135. 85 A. a. O., 135 ff. Hier begegnet uns zum ersten Mal die strenge enkratitische Prägung der Apostelakten, die selbst den ehelichen sexuellen Verkehr ablehnt. Es wird zu zeigen sein, dass einige der Träume in den Apostelakten dezidiert sexuelle Motive bzw. Symbole enthalten. In dieser Arbeit wird – mit aller gebotenen Vorsicht – die Meinung vertreten, dass die enkratitische Prägung und diese Symbolik in Zusammenhang stehen. 86 A. a. O., 137. 87 Ebd. 88 θεάομαι. 89 ὄναρ.

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Maximilla aber begehrte von ihm zu erfahren, was dies sein könnte. Er aber sagte: ‚Erstrebe nicht von mir zu erfahren, was du bald erkennst.‘“

Hier handelt es sich nun sicher um einen Traum (ὄναρ). Ein zweites Mal kann das Moment der Traumdeutung konstatiert werden: Maximilla will die düstere Prophezeiung, die an Andreas im Traum ergangen ist, verstehen, und fragt nach. Andreas wehrt ab – bald wird sie selbst erkennen. Ein Traum muss also nicht unmittelbar verstehbar sein. Das korrespondiert mit dem o.g. Traum in den lateinischen Akten, in welchem Andreas’ Martyrium thematisiert wird. Dennoch sind diese beiden Befunde Sonderfälle in den christlichen Apokryphen (wie noch deutlich werden wird). Charakteristisch ist es nämlich, dass der Traum in der Regel ohne zusätzliche Deutung verstehbar ist. Der Traum entspricht am ehesten der dritten Kategorie Philos.

2.1.2.4 Zusammenfassung Als kurzes Fazit kann festgehalten werden, dass die Andreasakten mehrfach Träume berichten, dass Träume hier nicht unmittelbar verstehbar sein müssen und dass verschiedene Begriffe parallel gebraucht werden können, um das nächtliche Geschehen zu beschreiben. Vor allem visio und somnium sind hier zu nennen. Zudem wird nicht scharf zwischen nächtlicher Vision und Traum unterschieden. Zwei Mal zeigen Träume die Zukunft an, so die Heilung des Adimathus90, aber auch das bevorstehende Martyrium des Andreas. Der erste Traum ist unmittelbar verstehbar, der zweite aber ist verschlüsselt. Dazu werden Symbole und Metaphern benutzt: der Becher, der Berg, das Händereichen und der Größenvergleich zwischen Johannes und Andreas. Zwar wird deutlich, dass es sich um den Martertod des Apostels handelt, aber diese Botschaft wird in Bilder gefasst. Nur wenige Träume in den christlichen Apokryphen sind so bilderreich gestaltet. In den griechischen Akten wird Andreas ebenfalls die Zukunft gezeigt, die allerdings unklar bleibt, des tieferen Erkennens bedarf und „mit Bestürzung und Zorn“91 behaftet ist. Drei Mal wird der Prokonsul Lesbius heimgesucht, ein Mal durch eine Vision, zwei Mal des Nachts (ohne dass klar werden würde, ob es sich um einen Traum handelt). Dabei wird er entweder gewarnt, sich nicht gegen Andreas zu richten oder er wird direkt gezüchtigt, und zwar auf außerordentlich aggressive Weise: durch einen Engel, der ihm großen Schrecken verursacht bzw. durch zwei Äthiopier, die ihn auspeitschen. Letztere stellen dämonische Gestalten dar. Zusätzlich taucht das Motiv des Ausbleibens der göttlichen Offenbarung auf. 90 Sowohl Adimathus als auch Sostrathus erscheint der Apostel im Traum. 91 S. o., 47.

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2.1.3 Die Akten des Andreas und des Matthias in der Stadt der Menschenfresser 2.1.3.1 Kurze Einführung in die Schrift Diese obskur klingende Schrift ist mit den Andreasakten verwandt.92 Die Andreasakten der Version Gregor von Tours werden am Anfang von diesen Akten überlagert. Was Inhalt und Sprache betrifft, weichen diese aber gegenüber den griechischen Andreasakten ab, sodass Klauck annimmt, dass die Akten des Andreas und Matthias nicht deren nicht überlieferten Anfang dargestellt haben können.93 Die Akten liegen in unterschiedlichen Übersetzungen vor. Allgemein gesagt, behandeln sie in 33 Kapiteln die Schicksale der zwei Protagonisten und ihre Abenteuer in der Stadt der Menschenfresser sowie die Reise des Andreas in diese Stadt.94 Matthias wird nach erfolglosem Missionsversuch in ihr gefangen gehalten und von Andreas befreit. Andreas gerät selbst in Gefahr und Gefangenschaft, kommt aber durch göttliche Hilfe frei und bekehrt die Menschenfresser. Die allgemeine Eigenschaft der Apostelakten, die Leser (auch) unterhalten zu wollen, ist bei den hiesigen Akten, v. a. anhand der grotesken Gegner besonders stark spürbar. Nach Snyder wurde der Plot der Akten in immer neuen Varianten erzählt, veränderte sich also immer wieder.95 Bei der Datierung gehen die Meinungen auseinander. Klauck denkt ans 4.– 5. Jh.,96 de Santos Otero datiert vorsichtig ins 6. Jh.97 Die schriftliche Ursprungssprache war vermutlich Griechisch, jedoch existierten zahlreiche Übersetzungen, so auf Lateinisch, Koptisch, Arabisch, Äthiopisch, Armenisch, Syrisch und sogar auf Angelsächsisch.98 Snyder sieht für die Datierung das 6. Jh. (mit Gregor) als Fixpunkt, zu dem spätestens eine schriftliche Variante vorgelegen haben muss, votiert jedoch dafür, für jede Fassung eine Einzeldatierung zu suchen.99 Die Christologie der Akten lässt Jesus als den Schöpfergott des AT erscheinen; die drei Erzväter kannten ihn (Kap. 11–15). Des Weiteren ist Jesus in 92 Es existieren zwei moderne Ausgaben der Akten: Prieur (Hg.), Acta Andreae, und MacDonald (Hg.), Acts (mit englischer Übersetzung). 93 Klauck, Apostelakten, 147. S.a. MacDonald, The Acts of Andrew and Matthias, 9–26; 35–39, und Prieur, Response, 27–33. Vgl. auch Prieur (Hg.), Acta Andreae, 32–35, und MacDonald (Hg.), Acts, 2 f; 6–47. Hilhorst/Lalleman, Acts of Andrew and Matthias, 13, kommen zu dem Ergebnis: „Thus, there is no obstacle to come, to the only possible conclusion: that the AAM was not part of the original AA. Gregory’s combination of it with the AA is no proof to the contrary.“ 94 de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 401. 95 Snyder, Akten, 1. Textausgaben und Übersetzungen sind a. a. O., unter: Literaturverzeichnis, 1., aufgelistet. 96 Klauck, Apostelakten, 147. 97 de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 401. 98 Snyder, Akten, 4. 99 A. a. O., 5.

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der Handlung der Akten immer wieder direkt präsent und nimmt am Geschehen teil, so etwa als Kapitän des Schiffes, das Andreas und seine Jünger befördert (5). Er kann aber auch erscheinen im Sinne einer Christophanie (4).100 Andreas ist Jesus absolut gehorsam und folgt ihm bereit- und freiwillig im Leiden nach (18; 24–28). Der Apostel wirkt Wunder wie Jesus (29–32), wird aber nicht als göttlich stilisiert. Sein Apostolat umfasst das Predigen von Jesus (8–15), in Kap. 32 baut er eine Kirche.101

2.1.3.2 Traumstellen in der Schrift Die Akten weisen mehrere Berichte von Träumen, Entrückungen und Visionen auf, die im Folgenden genauer überprüft werden sollen. Matthias wird als Missionsbereich die Stadt der Menschenfresser zugeteilt. Letztere gehen mit ihren Opfern höchst grausam um, schließlich besteht ihre Nahrung aus Menschenfleisch und deren Blut. Matthias wird ebenfalls grausam behandelt. Er wird brutal geblendet und muss einen Zaubertrank zu sich nehmen, der ihn dazu bringt, wie Tiere auf der Weide Heu und Gras zu essen. Zusätzlich wird die Hand des Apostels mit einem Datum gekennzeichnet: Nach dreißig Tagen soll er verspeist werden (Kap. 1 ff).102 Kurz vor Ablauf der Frist wird Andreas durch eine Christophanie von seiner momentanen Mission abgezogen und zur Rettung seines Amtsbruders entsandt (Kap. 4). Bei dieser Christophanie gibt es keinen Hinweis auf einen Traum, auch wenn Jesus Andreas auffordert, sich zu erheben (ἀνασθήτι) und zu Beginn von Kap. 5 Andreas dies am frühen Morgen tut (ἀναστὰς δὲ Ἀνδρέας τῷ πρωί).103 Die Zeitangabe weist auf die Nacht als Zeitpunkt der Erscheinung hin, aber sonst existieren keine Indizien für einen Traum. Andreas bricht auf und mietet sich und seine Jünger auf einem Boot ein, das von Jesus und mehreren Engeln geführt wird, ohne dass diese erkannt werden würden (Kap. 5 f). Andreas und der weiterhin unerkannt bleibende Jesus unterhalten sich an Deck über Jesus und frühere Erlebnisse der Jünger mit ihm (Kap. 7–16; z. B. erzählt der Apostel Mk 4,35–41 nach, Kap. 8). Auch der Unglaube der Juden ist ein wichtiges Thema (10). Während dieser Unterhaltung schlafen die Jünger des Andreas ein (Kap. 8). Auch Andreas legt sich schlafen und wird mit seinen Jüngern im Schlaf von der Engelsbesatzung des Schiffes zur Stadt der Menschenfresser gebracht (Kap. 16). Nach dem Erwachen der Jünger erzählen diese dem Andreas, was ihnen in dieser Nacht widerfahren sei (Kap. 17). Übersetzung104 (P.E.): 100 101 102 103 104

A. a. O., 3.1. S.a. Kap. 3; 18; 24; 29; 33 (Snyder, Akten, 3.1.). A. a. O., 3.2. Klauck, Apostelakten, 148. Die griechischen Zitate entstammen MacDonald (Hg.), Acts. Auf Grundlage des Textes der Ausgabe von MacDonald. Die eckigen Klammern sind aus dem griechischen Text seiner Ausgabe übernommen und zeigen an, dass ihr Inhalt nur von den griechischen Textzeugen überliefert wird, MacDonald (Hg.), Acts, 66.

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„Und seine Jünger antworteten und sprachen zu ihm: ,Vater Andreas, glaube nicht, dass wir etwas davon mitbekommen haben, als du mit ihm in dem Boot sprachst: Wir wurden fortgerissen von einem besonders schweren Schlaf, und Adler kamen herab und trugen unsere Seelen fort und führten uns in das himmlische Paradies und wir sahen große Wunder. Wir schauten nämlich [unseren] Herrn Jesus sitzend auf einem Thron der Herrlichkeit und alle Engel umgaben [ihn]. [Und wir schauten] Abraham, Isaak und Jakob [und alle Heiligen], und David [einen Psalm] singend mit [seiner] Laute. Und wir schauten dort euch zwölf Apostel dastehen vor [unserem Herrn Jesus Christus und] außerhalb von euch [zwölf] Engel, [die euch umgaben und hinter jedem von euch stand ein Engel, und sie waren euch gleich von Aussehen]. Und wir hörten, wie der Herr zu den Engeln sagte: ,Hört auf die Apostel in Hinsicht auf alles, was sie euch bitten.‘ Dies ist, was wir sahen, Vater Andreas, bis du uns wecktest: Und sie trugen unsere Seelen zu unseren Körpern (zurück).‘“

Andreas hört dies und ist entsetzt, dass er Jesus auf dem Schiff nicht erkannte. Er bittet ihn um Verzeihung; Jesus erscheint ihm, schickt ihn nach Myrmidonia und unterweist ihn für die Reise (Kap. 18). Laut dem Bericht der Jünger werden deren Seelen im Schlaf ins Paradies gebracht. Es liegt also eine Entrückung in Form einer Himmelsreise vor. Dabei legt der Verfasser aber großen Wert darauf, dass dies im Schlaf geschieht. Die Reise endet auch in dem Moment, als Andreas die Jünger aufweckt. Der Traum weist sowohl Aspekte der ersten Traumkategorie Philos als auch der zweiten auf. Für Kategorie 1 spricht, dass der Sinn des Traumes sofort einsichtig ist. Des Weiteren ist es ein gottgesandter Traum, der ohne menschliches Zutun empfangen wird. Für die zweite Kategorie spricht, dass die Jünger zwar nicht von den unsterblichen Seelen erfasst werden, wohl aber durch (himmlische) Adler, also letztlich durch Gottes Kraft, wie es Philo in der Kategorie beschreibt. Auch der Aspekt der göttlichen Offenbarung findet sich im Traum. Nicht deutlich ist, ob durch den Traum die Zukunft angekündigt wird, was ja ein Kennzeichnen der zweiten Kategorie ist. Dass die Apostel vor Christus stehen, könnte als Ankündigung ihres „himmlischen Schicksals“ gedeutet werden: Nach ihrem Tode werden sie bei Christus im Himmel sein. Die Aufforderung, die an die Engel ergeht, auf die Apostel zu hören, ist in ihrem zeitlichen und örtlichen Bezug ebenfalls unklar. Gemeint sein könnte ein himmlisches Gespräch zwischen Jüngern und Engeln, aber auch eine Kommunikation der auf Erden wirkenden Apostel mit den himmlischen Engelsmächten.

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2.1.4 Johannesakten 2.1.4.1 Kurze Einführung in die Schrift105 Die Akten sind uns lediglich fragmentarisch überliefert.106 Sie wurden 787 in Nizäa als häretisch verworfen. Die Schrift dreht sich um die Reise des Zebedaiden und Apostels, speziell durch die Städte der Asia, und seinen gewaltlosen Tod. Die Erzählungen beinhalten spektakuläre Machterweise Gottes, Wunderheilungsgeschichten und Totenauferweckungen. Das Werk ist in Episoden untergliedert. Dabei „hat sich der Vf. wohl des Rahmens der ephesinischen kirchl. Johannesüberlieferung bedient […], nirgends jedoch von Johannes handelnde (Einzel-)Traditionen benutzt“.107 Hellenistische Popularphilosophien, v. a. ein dualistischer Spiritualismus, welcher der stoischen Affektenlehre verpflichtet ist, sind wichtige Einflüsse, die die Akten prägen. Es geht um das Erlangen einer Ruhe, die als ein Abgekehrtsein von aller weltlichen Ambition und Emotion beschrieben wird. Die das Leben bestimmenden, gegensätzlichen Machtbereiche werden Gott und dem Teufel zugewiesen. Weiterhin wichtig, v. a. für unsere Betrachtungen, ist, dass die Johannesakten ebenso von einem starken Enkratitismus beherrscht sind.108 Weitere Einflüsse stammen aus der valentinianischen Gnosis. Was Abfassungszeit und -ort angeht, gehen die Meinungen stark auseinander. Im Wesentlichen werden drei Datierungen diskutiert: Ägypten (zweite Hälfte 2. Jh.), Syrien (Anfang 3. Jh.)109 und Kleinasien (Mitte 2. Jh.).110 „Die früheste sichere Bezeugung der Johannesakten liegt bei Eusebius (h.e. 3,25,6) vor, die frühesten Spuren finden sich in dem sog. 105 Zur Einführung ist der Aufsatzband von Bremmer (Hg.), Acts of John, empfehlenswert. 106 Vgl. aber die sog. Prochorosakten, die vermutlich aus dem 5. Jh. stammen und die vollständig erhalten sind. Sie haben mit den hier dargestellten Johannesakten kaum etwas zu tun. Jedoch ist ihre Überlieferungsgeschichte eng mit den ActJoh verbunden, von denen sie große Teile überliefern, de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 385 f, und a. a. O., 385–391, zur Einführung in die Prochorosakten. Die bedeutende Ausgabe derselben von Zahn (Hg.), Acta Joannis, ist bis heute aktuell, de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 386 f. 107 Plümacher, Art. Johannesakten, 539. 108 Vielhauer, Geschichte, 707: „Das erotisch-asketische Element dominiert. Es überschreitet mit der Selbstentmannung des jugendlichen Ehebrechers und Vatermörders, die der Apostel übrigens nicht tadelt (48–54), und mit der Nekrophilie des Kallimachos (63 ff) die Grenze des Peinlichen und enthüllt mit seiner Extravaganz die Askese als Erotik mit negativem Vorzeichen.“ Diese Formulierung entspricht exakt der dieser Arbeit zugrunde liegenden These, dass sich die durch Askese unterdrückte Sexualität an anderer Stelle (d. h. für unsere Arbeit hier: in Träumen) Bahn bricht. Auf sie wird bei der Auswertung ausgewählter Träume im zweiten Teil der Arbeit zurückzukommen sein. 109 So v. a. Schäferdiek, Johannesakten, 248 f, und Bremmer, Apocryphal Acts, 153. Schäferdiek, Johannesakten, 248 f; 255, nimmt neben einer griechischen und lateinischen Fassung auch eine syrische Fassung an, möglicherweise sogar als die ursprüngliche der Akten. 110 Plümacher, Art. Johannesakten, 539 f. Für die Mitte des 2. Jh. votieren Klauck, Apostelakten, 32; Lalleman, Relation, 168.

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Manichäischen Psalmenbuch, das man ins Ende (z. T. ins letzte Drittel) des 3. oder Anfang des 4. Jh.s setzt.“111 Zwierlein hat in jüngerer Zeit plausibel gemacht, dass die ActJoh in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den Paulus- und den Petrusakten stehen.112 Klauck sieht in den Akten eine mögliche Polemik gegen die Apg, was er vor allem damit begründet, dass es nicht der Apostel Paulus ist, sondern eben Johannes, dem es gelingt, mit Erfolg in Ephesus das Evangelium zu verkünden.113 2.1.4.2 Traumstellen in der Schrift114 Der uns heute erhaltene Bestand der Akten beginnt in Kap. 18. Johannes reist mit seinen Begleitern von Milet nach Ephesus.115 Schon an dieser Stelle wird deutlich, dass Gottes Anweisungen in den Akten Johannes „von oben her“ offenbart werden, denn Kap. 18 beginnt damit, dass gesagt wird, der Apostel sei von einem Gesicht getrieben (ὅραμα). Leider erfahren wir nichts über die Umstände. Bauer übersetzt ὅραμα mit „Schauung“, „Gesicht“ und weist explizit darauf hin, dass der Vorgang im Wachen oder Schlafen stattfinden kann.116 Wir wissen nur, dass Johannes sich offensichtlich durch das Gesicht veranlasst sah, sich nach Ephesus zu wenden. Zusätzlich wird auf dem Weg dorthin noch von einer Audition berichtet, die an die Reisenden ergeht. Der nun folgende Abschnitt (Kap. 19) verursacht einige Probleme. Johannes und seinen Begleitern kommt auf dem Weg zur Stadt ein Mann mit dem Namen Lykomedes entgegen, der als vermögend charakterisiert wird. Er will wissen, ob er es mit Johannes zu tun habe und fällt vor ihm nieder. Er erklärt, der Gott, von dem Johannes predige, habe Letzteren geschickt, um Lykomedes’ seit sieben Tagen gelähmter Frau Kleopatra zu helfen. Lykomedes bittet Johannes um Heilung und spricht (Kap. 19)117: „Denn während ich mir schon überlegte, *dem*118 Rechnung zu tragen, trat jemand zu mir und sprach: ‚Lykomedes, laß ab von dem Gedanken, der dich anficht, da er verderblich ist. Unterwirf dich ihm nicht! Ich habe mich nämlich meiner Magd Kleopatra erbarmt und aus Milet einen Mann namens Johannes geschickt, der sie 111 Zwierlein, Datierung, 66. 112 Ebd.: „Die acta Iohannis speisen sich sowohl aus den Petrus- als auch aus den Paulusakten und dürften aufgrund der fortgeschrittenen Weiterentwicklung bestimmter Motive, die in den Vorbildern erst rudimentär angelegt sind, um mehrere Jahrzehnte jünger als die beiden Musterromane sein.“ Als terminus ante quem in Bezug auf die Entstehung der Johannesakten sieht Zwierlein, Datierung, 65 f, die Zerstörung des Artemistempels in Ephesus 268/69 an. 113 Klauck, Apostelakten, 10. 114 Die zugrundeliegende Ausgabe ist Junod/Kaestli (Hg.), Acta Iohannis, Bd. 1. 115 Vgl. Klauck, Apostelakten, 33. 116 Bauer, Wörterbuch, 1169. 117 Zu ActJoh 19–24 s. auch Frey/Niederhofer, Machttaten Gottes, 307–324. 118 * bezeichnen nach Schäferdiek, Johannesakten, 155 f, Anm. 1, textkritisch unsichere Stellen.

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auferstehen lassen und dir gesund wiedergeben wird.‘ – Säume nun nicht, Knecht des Gottes, der dich mir offenbart hat; eile vielmehr zu meiner Frau, die eben noch Atem hat!“119

Daraufhin geht die Gruppe zum Haus des Ephesers. Kapitel 20 enthält die Klage des Lykomedes, der sich mit Selbstmordgedanken trägt, über den Zustand seiner Frau. In Kap. 21 schilt Johannes Lykomedes ob seiner Klagen mit dem Hinweis, dass er dem, welcher ihm erschienen sei, nicht Misstrauen entgegenbringen solle. Der Apostel sagt dem Mann Abhilfe zu (Kap. 21): „So tritt nun hin mit uns, die wir um ihretwillen gekommen sind, und bete zu dem Gott, den du gesehen hast, wie er mich durch Träume offenbart hat! – Nun – was ist, Lykomedes? Werde selbst wach und tue deine Seele auf! Wirf ab von dir den tiefen Schlaf! Bitte den Herrn, flehe zu ihm für deine Lebensgefährtin, so wird er (sie) auferwecken.“120

Obwohl Lykomedes niederfällt und weiterjammert, nimmt der Abschnitt ein gutes Ende – sowohl Kleopatra als auch ihr Mann finden durch Johannes ins Leben zurück. Zwei Stellen müssen wir uns genauer widmen; zuerst gehen wir zurück ins 19. Kapitel. Schäferdiek übersetzt dort: „Denn während ich mir schon überlegte, *dem* Rechnung zu tragen, trat jemand zu mir und sprach…“. Beim Lesen hat man den Eindruck, Lykomedes habe eine Vision im Wachzustand, denn er überlegt, während eine Person zu ihm tritt. Wörtlich übersetzt heißt die Stelle: „Jemand stand nämlich bei mir gleich, als ich für mich betrachtete, Überlegung daraus zu ziehen und sprach“ etc. Diese (bewusst hölzern gelassene) Übersetzung lässt nicht erahnen, dass es sich hier um einen Traum handelt. Kapitel 21 macht dann den Zusammenhang deutlicher: „[B]ete zu dem Gott, den du gesehen hast, wie er mich durch Träume offenbart hat!“121 Hier wird also verdeutlicht, dass es ein Traum gewesen ist, in dem Gott dem Lykomedes Johannes begegnen ließ. Unklarer ist die Zuordnung der Aufforderung des Apostels an Lykomedes in Kap. 21: „Werde selbst wach und tue deine Seele auf! Wirf ab von dir den tiefen Schlaf!“ Denn gemeint ist ja doch wohl nicht, dass sich Letzterer wirklich in einem Schlafzustand befindet, da er mit Johannes spricht und laut am Bett 119 Übersetzung: Schäferdiek, Johannesakten, 156 f. 120 Übersetzung: a. a. O., 157. 121 Übersetzung: ebd. Auch hier ist eine Übersetzung mit Schwierigkeiten behaftet. Michaelis, Schriften, 232, übersetzt: „[F]lehe zu dem Gott, den du gesehen hast, wie er im Traum sich dir kundgab!“ Und auch Schäferdiek, Johannesakten, 145, übersetzt in einer älteren, genauer gesagt: der dritten Auflage von Schneemelcher (Hg.), Apokryphen, noch: „[B]ete zu dem Gott, den du gesehen hast, wie er *dir* durch Träume offenbart hat!“ (die Winkel bezeichnen eine Ergänzung Schäferdieks, s. ders., Johannesakten, 144 [3. Aufl.]). Allerdings steht an der Stelle „er gab sich dir kund“ im Griechischen nicht σε, sondern με, Junod/Kaestli, Acta Iohannis, Bd. 1, 167. Ebd. wird im textkritischen Apparat auf das Problem hingewiesen, die Entscheidung aber zugunsten der ersten Person Singular getroffen.

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seiner Frau klagt. Er scheint sich eher in einer Art Dämmerzustand zu befinden, bedingt durch seine Trauer und seinen Kummer. Tiefergehend scheint aber der Schlaf nun den Seelenzustand des Lykomedes zu bezeichnen: „[T]ue deine Seele auf!“ heißt dann gleichsam: Befreie deine Seele von allem „Vorchristlichen“, öffne sie für den lebendigen Gott, der dir erschienen ist. Der Epheser hat bis zu der empfangenen Offenbarung in Dämmerzustand und Schlaf gehangen. Erst die Gottesbegegnung sorgt für ein Erwachen seiner Seele. Nach Philo handelt es sich hier am ehesten um einen Traum der ersten Kategorie. Von tragender Bedeutung für unsere Arbeit ist das Verb εἶδειν. Bauer zählt u. a. folgende Bedeutungen auf: 1. „erblicken“, im Sinne einer durch eine Vision vermittelten Sinneswahrnehmung, 2. „wahrnehmen“ oder „verspüren“ (hier ist an alle möglichen sinnlichen Wahrnehmungen gedacht), 3. „erkennen, bemerken“, 4. „auf etw. blicken, etw. betrachten“, 5. „etw. sehen, besehen“, im Sinne von „etw. an sich erfahren“.122 Der Aspekt der Erfahrung und der sinnlichen Wahrnehmung in Bezug auf das Erlebnis eines Traums bzw. eines Gesichts sei hier schon besonders hervorgehoben und wird uns im Weiteren noch beschäftigen. Die nächste zu betrachtende Stelle steht in Kap. 48123 und ist Teil des Abschnitts der Kap. 37–55 (die erhaltenen Teile der Johannesakten sind eine Komposition, deren einzelne Teile die Kap. 18–36; 37–55; 58–86 und 106–115 umfassen; es existieren also mehrere Lücken).124 Johannes empfängt im Traum eine göttliche Anordnung. Er soll sich zu einem bestimmten Ort abseits der Stadt begeben, wo ein Verbrechen stattgefunden hat. Ein Mann beging Totschlag an seinem Vater, weil dieser ihm wegen einem von ihm begangenen Ehebruch Vorwürfe machte. Danach will er seine Geliebte, deren Ehemann und zum Schluss auch sich selbst mit einer Sichel umbringen. Johannes fängt ihn aber ab und der Übeltäter verspricht, die Morde nicht auszuführen, sollte der Apostel den Vater vom Tode erwecken.125 Johannes vollbringt dies. Nun die Übersetzung der die Handlung initiierenden Traumnotiz: „Tags darauf, als Johannes im Traum126 gesehen hatte127, daß er drei Meilen außerhalb der Tore ginge, blieb er nicht lässig, sondern stand frühmorgens auf und machte sich mit den Brüdern auf den Weg. Und (es war da) ein Landmann, der wurde von seinem Vater gemahnt, sich nicht die Frau seines Arbeitskameraden zu nehmen…“.128

Hier ist der Traum ein Ort, an dem Anweisungen an den Träumer ergehen – und zwar klar, unmissverständlich und eindeutig. Eine Deutung ist überflüssig. 122 123 124 125 126 127 128

Bauer, Wörterbuch, 444 f. Vgl. zu Kapitel 48–54 Erlemann, Folgen eines Ehebruchs, 359–368. Klauck, Apostelakten, 30. A. a. O., 37. ὄναρ. θεασάμενος. Übersetzung: Schäferdiek, Johannesakten, 174.

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Der Traum gehört der Kategorie 1 nach Philo an – leider wird zu wenig über die Situation des Traumempfangs berichtet. Allerdings bekommt der Traum noch eine etwas tiefere Dimension, indem es in Kap. 51 heißt (nachdem alles wie oben beschrieben geschehen war): „Da sprach [= betete, P.E.] der Knecht des Herrn, Johannes: ,Der du mir heute bedeutet hast, an diesen Ort zu kommen, der du weißt, daß dies geschehen sollte, dem nichts von den Taten im Leben verborgen bleiben kann […], gewähre auch jetzt, daß der alte Mann (wieder) lebt‘“.129

Das Wunder geschieht, der Vater wird gläubig (Kap. 52). Der Traum wird mit der Allwissenheit und Allmacht Gottes verknüpft, die sich in der Traumanweisung zumindest schon spiegelt. Auch Johannes erkennt das in diesem Augenblick, denn zuvor, am Ende von Kap. 48, nachdem der junge Mann seinen Vater getötet hatte und Johannes das traurige Ergebnis sah, sagte er noch: „Herr, deswegen hast du mir aufgetragen, heute hierher zu kommen?“130 Der Traum hat somit in diesem Textabschnitt eine initiatorische Funktion. Durch ihn ergeht eine klare Anweisung Gottes, der Traum setzt eine Handlung in Gang. Kapitel 53 bringt dann den enkratitischen Charakter der Akten besonders bizarr zur Geltung: Der Ehebrecher bekehrt sich ebenfalls und entmannt sich mit Hilfe der Sichel. 2.1.4.3 Zusammenfassung In den erhaltenen Teilen der Johannesakten finden sich nur einige wenige Traumstellen. Besonders zentral ist der Traum des Lykomedes, in welchem sich sowohl Gott offenbart als auch der Apostel selbst. Der Traum ist Ort der Gottesoffenbarung. Dabei wird der Schlaf der Seele als ein Bild des Lebens ohne Gott bzw. vor der wahren Gottesbegegnung gebraucht. Aber auch einfache Informationen im Sinne von (göttlichen) Handlungsanweisungen werden so vermittelt, die mit Gottes Allwissenheit kombiniert werden: Das heißt, Gott ordnet im Traum etwas an, das einen Handlungsablauf initiiert, er weiß aber schon, wie eben diese Handlung enden wird. Wichtige Vokabeln sind ὄναρ und ὅραμα sowie die Verben des Schauens, εἶδειν und θεάομαι.

129 Übersetzung: a. a. O., 175. 130 Übersetzung: ebd.

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2.1.5 Paulusakten 2.1.5.1 Kurze Einführung in die Schrift Der Text der Paulusakten131 ist nur in Fragmenten überliefert. Im Mittelpunkt steht die Beschreibung der paulinischen Evangeliumsverkündigung und missionarischen Arbeit. Diese wird als eine große Romreise gezeichnet, die in Damaskus ihren Anfang nimmt und über Kleinasien, Mazedonien und Griechenland führt.132 Der Ablauf der Apg spielt keine Rolle in den Akten, allerdings ist zu berücksichtigen, dass durch die nur lückenhafte Überlieferung eine klare Rekonstruktion der Reiseroute nicht möglich ist. Auch der Konflikt mit den Juden ist anders als in der Apg nur ein Randthema.133 Auf der Reise geschieht eine große Zahl an Wundern. Besonders zwei Papyri in griechischer bzw. koptischer Sprache liegen der inhaltlichen Wiederherstellung der Reise zugrunde, können jedoch etliche Leerstellen nicht schließen. Anders ist der Überlieferungsstand bei drei Abschnitten, welche zudem zeitig auch unabhängig überliefert wurden: das Martyrium des Paulus, die Theklaakten und der sog. 3. Korintherbrief. Die Handlung der Theklaakten trägt sich v. a. in Ikonium und Antiochia in Pisidien zu; die Schrift bildet praktisch eine eigenständige Komposition, in deren Zentrum die Figur der Thekla (nicht etwa die des Apostels) steht,134 die eine Enkratitin ist. So wird von ihrer Bekehrung und Taufe berichtet, ihrer Predigttätigkeit, zwei überstandenen Martyrien und ihrem friedlichen Tod.135 Ob es sich bei ihr um eine historische Person handelt, 131 Aus der neueren Literatur seien genannt: Snyder, Acts of Paul; der Abschnitt zu den Paulusund Theklaakten in Zimmermann (Hg.), Kompendium, 403–566; Stoops, Apocryphal Acts; Bremmer (Hg.), Acts of Paul and Thecla. Die neueste (englische) Übersetzung mit Kommentar liefert Pervo, Acts of Paul. Speziell zum Abschnitt der Theklaakten s. Barrier, The Acts of Paul and Thecla; ders. u. a. (Hg.), Thecla; Hylen, Modest Apostle; Ebner (Hg.), Akte Thekla; Esch-Wermeling, Paulusschülerin. 132 Plümacher, Art. Paulusakten, 1069. 133 Dassmann, Stachel, 274. Die Reiseroute beschreibt Bovon, Apostelgeschichte, 252, Anm. 19: Damaskus, Jerusalem, Antiochia in Syrien, Ikonium, Antiochia in Pisidien, Myra, Sidon, Tyrus, evtl. Jerusalem, Smyrna, Ephesus, Philippi, Korinth, Italien, Rom. Zum Verhältnis der Apg zu den Paulusakten s. Büllesbach, Verhältnis, 215–237; Czachesz, Acts, 107–125; Rordorf, Verhältnis, 225–241. 134 Bovon, Apostelgeschichte, 360, meint zur Rolle der Frauen in den Apostelakten: „Thekla, Mariamne und Theonoe sind nicht nur passive Zuhörerinnen, sondern werden zu aktiven apostolischen Anführerinnen: Sie predigen, wirken Wunder und nehmen die Last des apostolischen Dienstes auf sich.“ Und a. a. O., 360, Anm. 63: „Frauen spielen […] in den apokryphen Apostelakten ein beachtliche Rolle. Allerdings erscheinen Frauen in einigen Schriften als passive Empfängerinnen (sie hören, glauben und helfen durch ihre Besitztümer: […]), während sie in anderen aktive Rollen übernehmen (sie predigen, taufen und besitzen apostolische Autorität: […])“. Die Darstellung von Frauen in den Apostelakten ist also als ambivalent einzuschätzen. Oft sind sie diejenigen, welche das ihnen verkündigte Evangelium als erste aufnehmen und in das eigene Haus tragen (so etwa in ActThom 82–92). 135 Plümacher, Art. Paulusakten, 1069. Yue L. Ng versucht, die wesentlichen Grundelemente und

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ist umstritten. Dagegen votiert Clemen.136 Jensen lässt die Frage offen, verweist jedoch auf Thekla als „eine der meistverehrten Heiligen der frühen Christenheit“ und auf das ursprünglich wohl mündliche Material, das den Theklaakten zugrunde liegt.137 Beides spricht doch stark für die tatsächliche Existenz. Fraglich bleibt jedoch, ob Thekla wirklich mit Paulus zu tun hatte, so wie es die Akten überliefern. Bei einer derart wichtigen Gestalt ist kaum verstehbar, warum sie weder in der Apg noch im Corpus Paulinum erwähnt wird. Immerhin nennt Paulus viele Frauen in seinen Briefen (Röm 16; Phil 4,2; 1Kor 16,19; Phlm 2). Plümacher weist darauf hin, dass in den Theklaakten auffallend häufig Motive verwendet werden, welche in paganen Liebesromanen auftauchen.138 Dabei prägt sexuelle Enthaltsamkeit im enkratitischen Sinn nicht nur die Predigt des Paulus sondern die Paulus- und Theklaakten generell und in grundlegender Art und Weise.139 Dassmann bilanziert inhaltlich: „Ähnlich wie die Petrusakten verraten die Paulusakten zwar theologische Tendenzen; die können sich aber widersprechen und zeigen dadurch, daß die Akten ihrer literarischen Art entsprechend keine theologische Stringenz, sondern religiöse Erbauung anstreben.“140

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Motive zu isolieren, die einer Grundschicht der Theklaakten angehört haben könnten. Dazu zählt sie v. a. Theklas „commitment to virginity“, „a persuasive preaching by someone who converts her to this faith“, „he [Paulus, P.E.] speaks within the range of her hearing“, „Thecla’s baptism“, „Paul’s refusal to baptize Thecla“, „a protectress who befriends Thecla“, „Thecla […] meets Paul and explain what has happened to her“ und „the fates of Thamyris and Theocleia“ (Yue L. Ng, Acts, 10 ff). Clemen, Paulusakten, 242. Jensen, Art. Thekla, 222. Plümacher, Art. Paulusakten, 1069. Hingewiesen sei auch auf Jackson-McCabe, Women and Eros, 267–278. Dassmann, Stachel, 275. Chadwick, Enkrateia, 355, sieht in den Thomasakten, ebenso wie in den Paulusakten in der „Forderung der Enthaltsamkeit de[n] Hauptinhalt des vom Apostel verkündeten Evangeliums“. Und Chadwick, Enkrateia, 355, ergänzt (mit Bezug auf Tertullian, bapt. 17,5 [z.St. s. u.]): „Aber diese enkratitischen Tendenzen [der Apostelakten, P.E.] beweisen nicht, daß Autoren u. Leser dieser apokryphen Akten vorwiegend Häretiker oder Schismatiker waren.“ Die von Chadwick, Enkrateia, 352, postulierte, ab der zweiten Hälfte des 2. Jh. existierende enkratitische Sekte setzt er mit Lesern oder Verfassern der Apostelakten jedoch nicht in Beziehung. Über das Problem des Widerspruchs, den man in der frühen Kirche im Enkratitentum gegenüber 1Tim 4 sah, vgl. Chadwick, Enkrateia, 352 f. Über die Frage, ob die Gegner im 1Tim etwas mit dem enkratitischen Verfasser der Paulusakten zu tun hatten, vgl. Häfner, Paulusakten, 64–77. Vgl. auch Yue L. Ng, Acts, 2; 24 f, und Dunn, Women’s Liberation, 250– 253, der dafür plädiert, Past und Paulusakten nicht gegeneinander auszuspielen (253). Zum Verhältnis von 1Tim und ActPaul vor dem Hintergrund der Frage nach (frühchristlichen) Geschlechterrollen s. Merz, Macht des Genres. Nach Plümacher, Art. Paulusakten, 1069, sei die paulinische Verkündigung „in den genuinen ActPaul von äußerster Schlichtheit“ gekennzeichnet. Sie bestehe v. a. „aus dem Aufruf zu sexueller Enthaltsamkeit und der Verkündigung der Auferstehungshoffnung (AThe 5), wobei erstere gelegentlich als geradezu heilsnotwendig erscheint (AThe 12)“. Dassmann, Stachel, 275.

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Die Naherwartung spielt in den Akten nur eine untergeordnete Rolle, auch die Motivation für die strenge Askese ist nicht eschatologischer Art (dies ist sie in den Thomasakten, wie wir unten sehen werden); der Glaube, dass Jesus zum Gericht wiederkehrt, wird aber beibehalten.141 Bezeugt sind die Paulusakten schon kurz nach 200,142 die genaue Einordnung ist jedoch umstritten. Sie reicht von der Mitte bis ans Ende des 2. Jh.143 Zu erwähnen ist noch, dass die Akten in der Antike hohes Ansehen genossen.144

2.1.5.2 Traumstellen in der Schrift145 Wir befinden uns in dem in sich geschlossenen Corpus der Theklaakten.146 Thekla, die alles (einschließlich ihres Verlobten) hinter sich ließ, um Paulus zu folgen, hat ihr erstes Martyrium wundersam überstanden (Kap. 7–23), sieht sich aber erneuten Schwierigkeiten ausgesetzt. Sie, mit Paulus reisend,147 ist so schön, dass sie im pisidischen Antiochia dem Syrer Alexander auffällt, der sie begehrt und sie in aller Öffentlichkeit umarmt (26). Thekla jedoch wehrt sich und demütigt Alexander ebenso öffentlich. Dieser sorgt daraufhin dafür, dass sie vom Statthalter zum Tod durch wilde Tiere verurteilt wird. Thekla äußert den Wunsch, bis dahin sexuell unangetastet bleiben zu dürfen. Sie wird von 141 A. a. O., 276. Der Erbauungs- bzw. Unterhaltungscharakter kennzeichnet alle großen Apostelakten, auch wenn man sich hüten muss, dies als „Corpuscharakteristikum“ zu postulieren (s. o.). Dassmann, Stachel, 279, spricht davon, dass Paulus „nicht theologisch ausgelotet, sondern hagiographisch für die Volksfrömmigkeit vereinnahmt“ werde. 142 Plümacher, Art. Paulusakten, 1069. Tertullian, bapt. 17,5 (gefunden bei Plümacher, Art. Paulusakten, 1069 f), schreibt: „quod si quae Acta Pauli, quae perperam scripta sunt, exemplum Theclae ad licentiam mulierum docendi tinguendique defendant, sciant in Asia presbyterum qui eam scripturam construxit, quasi titulo Pauli de suo cumulans, convictum atque.“ (Zitiert aus CCSL 1, 292). Zur weiteren Auswertung der Hinweise, die sich durch Tertullian ergeben, vgl. Yue L. Ng, Acts, 15 ff; 21–24, und Schneemelcher, Paulusakten, 195. 143 Für das Ende des 2. Jh. votieren Vielhauer, Geschichte, 699; Schneemelcher, Paulusakten, 214. Bremmer, Apocryphal Acts, 153, datiert zwischen 185–195; Dassmann, Stachel, 271, ebenso. Die Mitte des 2. Jh. schlägt Rordorf, Verhältnis, 460, vor. Häfner, Paulusakten, 65, spricht von der „zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts“. Clemen, Paulusakten, 243, spricht sich wiederum kategorisch gegen das 2. Jh. aus, freilich ohne einen Gegenvorschlag zu machen. 144 So etwa Hippolyt, in Dan. comm. 3,29, und Origenes, princ. I 2,3 (gefunden bei Häfner, Paulusakten, 75); s. ferner Clemen, Paulusakten, 240, mit Hinweis auf Zahn, Einleitung, Bd. 1, 450. Dassmann, Stachel, 272, weist auf das Ansehen der Akten in der Antike nicht allein bei christlichen Laien, sondern ebenfalls bei Theologen hin. 145 Die Ausgabe, welche im Folgenden zugrunde liegt (wenn nicht anders angegeben), ist Lipsius (Hg.), Acta, 23–44; 104–117; 235–272. 146 Kapiteleinteilung nach Schneemelcher, Paulusakten, 216–224. 147 Nach Bovon, Apostelgeschichte, 360, ist die Reisegruppe in den Paulusakten eher eine lose Gemeinschaft einzelner, miteinander reisender Missionare. Er sieht darin eine Erinnerung an Mk 6,7, also den Einsatz von Zweier-Missionsteams „oder Ehepaaren (Petrus und seine Frau nach 1 Kor 9,5) und ein[en] Weg der Anerkennung der Rolle von Frauen bei der Ausbreitung des christlichen Glaubens“.

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einer wohlhabenden Frau, Tryphäna148 mit Namen, aufgenommen, die um den Verlust der eigenen Tochter Falconilla trauert. Thekla wird zur Ersatztochter. Falconilla nämlich war ihrer Mutter in einem Traum erschienen und hatte sie gebeten, für Thekla zu sorgen; diese solle für das Seelenheil der Tochter beten (Kap. 26 ff).149 Hier nun der Traumtext (28. Kapitel): „Und nach dem Umzug nahm Tryphäna sie wieder zu sich. […] Ihre Tochter nämlich, die gestorben war, hatte im Traum150 zu ihr gesprochen: ,Mutter, die Fremde, die verlassene Thekla, sollst du an meiner Stelle annehmen, damit sie für mich bete und ich an den Ort der Gerechten versetzt werde.‘“151

Die Mutter ist traurig (Kap. 29), da Thekla am nächsten Tag ein Kampf mit wilden Tieren bevorsteht, ist aber wiederum voll Liebe für sie, so wie sie voll Liebe für die Tochter Falconilla war. Sie spricht zu Thekla (Kap. 29): „Mein zweites Kind, Thekla, komm und bete für mein Kind, daß es lebe; denn das habe ich im Traum152 geschaut.“153 Thekla entspricht diesem Wunsch und bittet Gott um ewiges Leben für Falconilla. Wir haben hier eindeutig einen Traum vorliegen. Dieser allerdings weckt beim Lesen ein etwas zwiespältiges Gefühl, soll die Mutter Thekla doch (nur) aufnehmen, damit diese für ihre Tochter bitten möge (was sie auch bereitwillig tut). Dennoch liebt Tryphäna Thekla wie ihre Tochter. Besonders hervorzuheben ist, dass es sich hier um einen Traum handelt, der von einer bereits Verstorbenen „versendet“ wird, und dass posthum durch die Fürsprache einer Lebendigen jemand in die Ewigkeit eingehen kann.154 Den Traum nach Philo zu kategorisieren, will kaum gelingen; am ehesten kommt Kategorie 2 in Betracht aufgrund der „unsterblichen Seelen“, die den 148 Gemeint ist wohl die kleinasiatische Königin, die Mutter des Polemon von Pontus, die von Münzen bekannt ist. Deren Vater gleichen Namens war vorher König von Lykaonien, Clemen, Paulusakten, 244 f, der a. a. O., 245, auf von Gutschmid, Königsnamen, 177 f, verweist, der diesen Zusammenhang als erster herausgearbeitet hat. Da in Kap. 27 f Tryphäna nicht nur als reiche Frau, sondern als Königin bezeichnet wird, dürfte die Identifikation recht eindeutig sein. Auch die Ortsangabe Antiochia in Kap. 26 passt leidlich dazu. Dass die Tryphäna aus Röm 16,12 gemeint ist, ist von daher eher unwahrscheinlich. Oder sollte die (wohl aber sekundäre) Notiz (vgl. Schneemelcher, Paulusakten, 222, Anm. 51), dass Tryphäna eine Verwandte des Kaisers ist, doch auf die römische Tryphäna aus Röm 16,12 deuten? 149 Klauck, Apostelakten, 70 f. 150 ὄναρ. 151 Übersetzung: Schneemelcher, Paulusakten, 221. 152 Schneemelcher übersetzt hier falsch. Im Text (Lipsius [Hg.], Acta, 256) steht: τοῦτο γὰρ εἶδον ἐν ὕπνοις [Hervorhebung P.E.]. 153 Übersetzung: Schneemelcher, Paulusakten, 221. 154 Im Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus in Lk 16, das sich hier als Parallele in Erinnerung ruft, wurde diese posthume Fürsprache ja noch abgelehnt (V. 27 ff). Zur Problematik des Traumes, in dem Verstorbene erscheinen, s. den interessanten Aufsatz von Tenhaeff, Präkognitive Träume, 67–77. Außerdem Jung, Von Mensch und Gott, 197. S. auch Lehtipuu, Afterlife, 45–304.

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Traum ermöglichen (die Seele Falconillas). Aber auch hier fehlen das Sprechen Gottes, die Vorausschau der Zukunft und der verborgene Sinn. Die nächste Stelle ist nur fragmentarisch erhalten.155 Paulus lehrt in Myra und hat gerade einen Mann namens Hermokrates geheilt. Dessen Sohn Hermippus sucht Paulus umzubringen, da Hermippus auf den Tod des Vaters und damit auf dessen Vermögen spekuliert hatte. Übersetzung156: „Es hatte aber zu ihm gesagt ein Engel des Herrn in der Nacht: ,Paulus, du hast heute einen großen Kampf gegen deinen Körper, aber Gott, der Vater seines Sohnes Jesu Christi wird [beschützen] dich.‘ Als Paulus aufgestanden war, ging er zu seinen Brüdern (und) blieb unten(?), indem er sagte: ,Was ist dieses Gesicht157?‘“158

Noch im Nachdenken sieht Paulus, dass Hermippus kommt und ein Schwert in den Händen hält, auch kommen junge Leute, die mit Stöcken bewaffnet sind.159 Hier liegt dasselbe Problem wie bei Apg 18,9 vor. Es ist nicht klar, ob Paulus schläft und träumt oder ob er im Wachzustand ein Gesicht erfährt. Wieder wird Zukünftiges angekündigt, der Schutz Gottes zugesagt. Diesmal ist es so, dass der Inhalt zwar verständlich ist, aber Paulus ihn nicht zuordnen kann. Er muss über das Gesagte nachsinnen. Das macht die Kategorisierung schwierig. Das direkte Sprechen Gottes (bzw. seines Boten) spricht für Kategorie 1, dass Paulus erst überlegen muss, für Kategorie 2. 2.1.5.3 Zusammenfassung In den Paulusakten ist vor allem der Traum der Ersatzmutter der Thekla von Bedeutung. Dieser Traum übermittelt die Bitte an Thekla, für die verstorbene Falconilla vor Gott einzutreten. Wichtiges Vokabular: ὄναρ. 2.1.6 Petrusakten160 2.1.6.1 Kurze Einführung in die Schrift Euseb ist der erste, der die Petrusakten mit Sicherheit bezeugt (und einschließlich dreier weiterer Schriften [Petrusevangelium, Kerygma Petri, Pe-

155 S. 31 nach der Ausgabe Schmidt (Hg.), Acta Pauli, 22*. Übersetzung aufgeführt in Schneemelcher, Paulusakten, 225. 156 Leider ist vor der Stelle ein Blatt nicht erhalten, Schneemelcher, Paulusakten, 225. 157 ϩⲟⲣⲟⲙⲁ. 158 Übersetzung: Schmidt (Hg.), Acta Pauli, 54 f/Schneemelcher, Paulusakten, 225. 159 Die Klammern stammen von Schmidt und geben seine Rekonstruktionen der Textlücken wieder, Schneemelcher, Paulusakten, 225. 160 Neben dem Aufsatzband von Bremmer (Hg.), Texts of Peter, seien als Literatur zu den ActPetr

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trusapokalypse] als unorthodox einordnet, h.e. III 3,2).161 Uns sind die Akten heute nur bruchstückhaft erhalten. Das wichtigste Fragment sind die Actus Vercellenses. Diese lateinische Übersetzung stammt wahrscheinlich aus Spanien, evtl. auch aus Nordafrika und liegt nur in einer Handschrift vor, dem Codex Vercellensis. Sie ist auf das 6. oder 7. Jh. zu datieren.162 Dieses Fragment gibt etwa zwei Drittel der ursprünglich griechischen Akten wieder. Zur erhaltenen griechischen Überlieferung zählt v. a. das Martyrium des Apostels. Dies liegt in drei Handschriften vor, die in griechischer Sprache abgefasst sind und aus dem 9.–11. Jh. stammen. Der Text des Martyriums wurde in der Liturgie benutzt und in alle altorientalischen Liturgiesprachen übersetzt.163 Nur genannt sei das Fragment der „Tat des Petrus“ im koptischen Papyrus Berolinensis 8502 (BG 4), welcher heute im Ägyptischen Museum Berlin liegt,164 dessen Zugehörigkeit zu den Petrusakten umstritten ist und das wir hier vernachlässigen.165 In der Forschung werden als Entstehungszeit der Akten das Ende des 2. Jh., als Entstehungsorte Rom oder Kleinasien gehandelt.166 Hauptgegenstand der Schrift sind nicht, wie sonst in den anderen Apostelakten,167 die Reisen des wandernden Apostels, sondern v. a. seine Auseinandersetzungen mit dem (zum Stereotyp des Bösen gewordenen) Simon Magus, bekannt aus Apg 8.

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genannt: Stoops, Context, 57–86; ders., Acts of Peter; Thomas, Acts of Peter; dies., Canon, 185–205. Klauck, Apostelakten, 94. Euseb verweist in h.e. III 1,2 f zudem auf Origenes, welcher von der Kreuzigung des Petrus, die mit dem Kopf nach unten stattfand, weiß; vgl. Schneemelcher, Petrusakten, 245. Grünstäudl, Petrus Alexandrinus, 148; vgl. Luther, Petrusakten, 569. S. für die Actus Vercellenses v. a. Baldwin, Whose Acts, 302 f, der die These aufstellt, sie stammten aus dem späten 4. Jh. und seien zum großen Teil unabhängig von einer griechischen Vorlage des 2. Jh. zu lesen. Er datiert die schriftlichen Petrusakten außerdem sehr spät, nämlich in die Mitte des 3. Jh. Diesen Thesen kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. S. dazu Kraus, Baldwin, Whose Acts, http://bookreviews.org/pdf/5188_5463.pdf (letzter Aufruf: 05. 01. 2018). Eine neue Edition der Actus Vercellenses mit Übersetzung und Kommentar bietet Döhler (Hg.), Acta Petri. Luther, Petrusakten, 569. Lang, Petrus, 77. S. dazu Luther, Petrusakten, 569; Klauck, Apostelakten, 117 f. Der Text ist ediert bei Brashler/Parrott, Acts of Peter, 473–493 (mit englischer Übersetzung), eine deutsche Übersetzung bieten Schenke, Nag Hammadi, Bd. 2, 845–853, sowie Lang, Petrus, 77 ff. Schneemelcher, Petrusakten, 251, votiert dafür, die „Tat des Petrus“ zu den ursprünglichen ActPetr zu zählen. Bremmer, Apocryphal Acts, 152 f, schlägt als Ort Rom und als Zeit die 80er Jahre des zweiten Jahrhunderts vor, so auch Schneemelcher, Petrusakten, 255. Vgl. aber Klauck, Apostelakten, 95 f, der für den Zeitraum der Jahre 200–250 votiert und als Entstehungsort Syrien oder Kleinasien sieht. Zur Beziehung der ActPetr zu den ActJoh s. Lalleman, Relation, 161–177, der, a. a. O., 167 f, eine Abhängigkeit der Petrusakten von den Johannesakten herausarbeitet (Parallelen der beiden Schriften sind gegenübergestellt aufgelistet a. a. O., 170–177). Schneemelcher, Petrusakten, 249, sieht eine Abhängigkeit der Philippusakten von den Petrusakten.

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Dieser wird uns auch ausführlich in den Pseudoklementinen begegnen.168 Petrus und der Zauberer liefern sich in den ActPetr einen regelrechten Wunderwettstreit.169 Dieser findet erst in Jerusalem und anschließend in Rom statt. Bezeichnenderweise sind auch die Petrusakten von einem strengen Enkratitismus geprägt. Besonders bei den Zuhörerinnen fällt die enkratitische Predigt auf fruchtbaren Boden. Dabei sind es zumeist Frauen, die zur elitären Oberschicht in Rom gehören (und die Forderungen des Enkratitismus mit in das persönliche bzw. familiäre Umfeld tragen). Die Folgen dieser Predigt führen schließlich zum gewaltsamen Tod des Apostels: Er stirbt verkehrt herum gekreuzigt. Zugespitzt kann man sagen, dass die ActPetr weniger eine Ausein168 Zu Simon Magus sei als Literatur auswahlweise genannt: Logan, Art. Simon Magus, 272–276; Beyschlag, Simon Magus; Theissen, Simon Magus, 407–433; Zangenberg, Dynamis, 519– 541; Ferreiro, Simon Magus; Haar, Simon Magus. Die Figur begegnet im NT nur in Apg 8. Dass Simon eine real existierende Person gewesen ist, dürfte kaum bezweifelbar sein. Offenbar besaß dieser schon vor der Mission der Apostel in Samarien einige Popularität. In den christlichen Apokryphen kommt ihm eine zweifelhafte Ehrenrolle zu, nämlich die des Erzschurken und Vertreters des Antichristen, zu dem er in den Petrusakten und den Pseudoklementinen stilisiert wird. Die Bezeichnung des Simon als δύναμις τοῦ θεοῦ in Apg 8,10 findet sich auch in den Petrusakten wieder (s. dazu u., den Traum des Marcellus). Simon scheint zumindest die Bezeichnung „machtvolle Kraft“ für sich beansprucht zu haben. Origenes bzw. Celsus sprechen schon von den Simonianern, die Letzterer für eine Sekte hält (Origenes, Cels. V 62). Auch Euseb spricht von den Anhängern des Simon (h.e. II 1,11). Justin, 1.apol. 26, erwähnt neue Aspekte: Simon stammte aus Gitta in Samarien und sei in Rom als Gott verehrt worden; während der Regierungszeit des Claudius habe er dort erstaunliche Zauberei vollbracht. Im Übrigen würde er von der Mehrheit der Samaritaner als Gott verehrt. Eine Frau, die Helena geheißen habe und eine ehemalige Prostituierte gewesen sei, habe Simon auf seinen Reisen begleitet. S. auch 1.apol. 56; 2.apol. 15; dial. 120. Vgl. auch das Zeugnis bei Irenäus, haer. I 23, das aber z. T. wohl stark von Justin abhängig ist. Dort findet sich auch die Behauptung, dass Simon der Ausgangspunkt aller Häresie sei (I 23,2). Es geschieht also eine Wandlung der biblischen Gestalt hin zu einer Verkörperung des Häretischen per se. Genau dieses Bild vermitteln auch die ActPetr und die Pseudoklementinen. In Irenäus’ Zeugnis ist die genannte Helena zu einer Schöpfungsmittlerin und gnostischen Figur weiterentwickelt, die als Minerva verehrt wurde (I 23,2.4), während man Simon mit Zeus assoziierte (I 23,4). Zudem habe sich Simon in allen drei Wesenheiten der Trinität offenbart (I 23,1), Logan, Art. Simon Magus, 273 ff (die genannten antiken Belegstellen ebd.). Zu den späteren Zeugnissen bei Euseb, Clemens von Alexandrien und Hippolyt s. Logan, Art. Simon Magus, 275. Diese wenigen Bemerkungen sollen genügen. Für die Wirkungsgeschichte des Simon Magus in der christlichen Ikonographie s. Poeschke, Art. Simon Magus, 159 f. Vor allem der Flug und Sturz des Simon Magus (ActPetr 32) war beliebter Gegenstand der Illustration, so etwa in der Nordapsis der Kirche St. Johann in Müstair (9. Jh.) oder als Stickerei auf dem Mantel der Kunigunde aus dem Bamberger Domschatz (11. Jh.). Hauptquelle der Darstellungen war weniger Apg 8, sondern vielmehr die ActPetr. In der Basilika St. Sernin, welche sich in Toulouse befindet, ist Simon abgebildet, wie er von zwei Dämonen getragen wird. Am Südportal der Kathedrale von Chartres ist Simon als Sockelfigur des Petrus dargestellt, der einen schweren Geldsack um den Hals trägt. In der barocken Malerei (Sébastien Bourdon, Francesco Solimena, Paul Troeger) wurde bevorzugt der Sturz des Simon thematisiert – kopfüber und aus den Wolken, Poeschke, Art. Simon Magus, 159 f. 169 Dazu und zur Thematik der Magie in den Apostelakten s. Frenschkowski, Magie und Mission, 520–526.

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andersetzung zwischen Orthodoxie und Irrlehre schildern, sondern letztlich eine zwischen Gott und dem Satan, anhand der beiden Hauptkontrahenten.170 Interessanterweise beginnen die Actus Vercellenses in den ersten drei Kapiteln nicht mit Erzählungen über Petrus, sondern mit dem Aufenthalt des Paulus in Rom, seinem Umgang mit den dortigen Gemeindegliedern, mit denen er Eucharistie feiert, und seiner Abreise nach Spanien.171 Schneemelcher schließt aus den Actus Vercellenses, dass der verloren gegangene Anfang der Petrusakten in Jerusalem spielte, wobei hier vermutlich auch der erste Zusammenstoß der Antipoden Simon Petrus und Simon Magus stattfand. Wahrscheinlich hat der Verfasser der Actus Vercellenses die Kapitel über Paulus in Rom vorgeschaltet, um überhaupt zu klären, wie sich die römische Gemeinde entwickeln konnte, bevor Petrus in Rom eintraf. Dass Paulus von Rom nach Spanien abreist, hat der Verfasser dem Römerbrief entnommen. Zudem konnte der destruktive Einfluss des Simon Magus auf die Gemeinde in Rom (Kap. 4; 6) nur durch die Abwesenheit der Apostel erklärt werden.172

2.1.6.2 Traumstellen in der Schrift Wir beginnen im fünften Kapitel. Simon Magus ist in Rom eingetroffen und sorgt für Unruhe in der Gemeinde. Da sich keiner der Apostel bzw. urchristlichen Autoritäten in Rom befindet, kann Simon dort Einfluss gewinnen und die Gemeinde zum Abfall verführen. Petrus wird nach Rom geschickt, um Simon das Handwerk zu legen. Er befindet sich auf einem Schiff, dessen Kapitän Theon Petrus zu sich zum Essen bittet und zu ihm sagt, dass er zu wenig von ihm wisse, um einschätzen zu können, ob Petrus göttlich oder menschlich sei; er kommt aber zu dem Schluss, der Apostel diene Gott. Nun schildert Theon sein Erlebnis: „Denn während mitten in der Nacht mein Schiff von mir gesteuert wurde und ich eingeschlafen war, da schien es mir, als ob eine menschliche Stimme vom Himmel her173 zu mir sagte:174 ,Theon, Theon!‘ Zweimal rief sie mich bei meinem Namen und sagte zu mir: ,Unter allen, die mit dir fahren, sei dir Petrus derjenige, der höchster 170 171 172 173

Plümacher, Art. Petrusakten, 1177 f. Vgl. 1Clem 5,6 f. Schneemelcher, Petrusakten, 252. S. Mk 1,11 parr, vgl. 2Petr 1,17 f; Mk 9,7; Joh 12,28 parr; Apg 11,9; vgl. Apg 9,4.7; 10,13.15 u. ö.; 1Thess 4,16; Hebr 3,7 u. ö.; Offb 4,1 u. ö. S. zum Thema auch Speyer, Art. Himmelsstimme, 286– 303. 174 Wörtlich: „Um Mitternacht nämlich, während mein Schiff von mir gesteuert wurde, und ich in Schlaf gefallen war (in somnio incidissem), erschien mir/schien mir zu sein (visa mihi est) eine menschliche Stimme vom Himmel (de caelo) und sprach zu mir“ (Übersetzung P.E., auf Grundlage der Ausgabe Lipsius [Hg.], Acta, 45–103; diese Ausgabe liegt auch allen weiteren hier zitierten lateinischen und griechischen Passagen bzw. eigenen Übersetzungen aus den ActPetr zugrunde; auch ihre Kapitelzählung wird übernommen).

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Verehrung wert ist. Durch ihn werdet ihr, du und die übrigen, aus unverhoffter Situation heraus ohne jeden Schaden gerettet werden.‘“175

Petrus sieht in dem ihm geschilderten Geschehen die Vorsehung Gottes in Bezug auf die Reisenden des Schiffes am Wirken.176 Der Kapitän kommt zum Glauben und wird umgehend von Petrus getauft. Das Schiff bekommt guten Wind.177 Hier haben wir einen Fall vorliegen, der wieder nicht leicht zu entscheiden ist. Davon abgesehen, dass die Stelle an die Berufung des Propheten Samuel (1Sam 3) durch die nächtliche Stimme erinnert, ist nicht ganz eindeutig, was passiert ist. Der Kapitän hat eine Audition. Aber widerfährt sie ihm, während er schlief (was diesmal erwähnt ist)? Oder wird er, der beim nächtlichen Rudergang eingenickt ist, von ihr geweckt? Immerhin wird gesagt, dass die Richtung der Stimme ausgemacht werden kann, sie kommt vom Himmel. Aber kann man so etwas im Traum lokalisieren? Zumindest die Möglichkeit eines Traumes besteht, diesmal nach Kategorie 1 (Philo). An dieser Stelle ist eine kurze Zwischenbemerkung erforderlich. Wie wir noch sehen werden, ist sich der Verfasser der Akten offensichtlich unschlüssig, wie er sich dem Phänomen des Traums gegenüber positionieren soll. Schillernde Träume, etwa der des Marcellus, den wir noch betrachten werden, wechseln sich ab mit nicht eindeutigen Berichten wie dem der Audition des Kapitäns sowie einer Situation, in der sich der Autor von Träumen abzugrenzen scheint: In Kap. 16 heißt es, dass Petrus Jesus in der Nacht sieht, welcher eine strahlende Kleidung trägt und ihn anlächelt. Dabei wird jedoch betont, dass Petrus wach war.178 Warum dieser auffällige Hinweis? Es scheint, als ob der Verfasser die Qualität der Jesusbegegnung dadurch hervorheben wollte, dass sie in wachem Zustand, bei vollem Bewusstsein stattgefunden hat. Wir behalten diese Zwischenbemerkung bzw. Zwischenfrage im Gedächtnis. Wir befinden uns nun in Kap. 22.179 Eine Reihe von Wundern und das Duellieren der beiden Hauptfiguren fanden vorher statt. Petrus hält im Haus des Senators Marcellus (eingeführt in Kap. 8) einen Gottesdienst ab, dem eine Agapefeier folgt.180 Übersetzung (P.E.):181 175 Übersetzung: Schneemelcher, Petrusakten, 262. 176 Einen Traum mit ähnlichem Setting beschreibt hist. Apoll. 48. 177 Zu Schiffbruch und Traum vgl. v. a. Apg 27 und TestNaph 6 sowie zu beiden Texten Enke, Schiffbruch, 73–92. S.a. Artemidor, oneirokr. I 51; in II 23 schreibt er: „Ich kennen einen Reeder, dem es träumte, er habe die auf seinem Schiff aufgestellten Schutzgötter verloren; er war in großer Furcht und glaubte, das Traumgesicht kündige sein Ende an; es ging aber ganz im Gegenteil alles gut aus.“ (Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 146). Vgl. auch Artemidor, oneirokr. IV 30. 178 Wörtlich: bis zu diesem Augenblick wachend seiend. 179 Zu Kap. 19–22 s. Misset-Van de Weg, Viermal wunderbares Sehen, 639–656. 180 Klauck, Apostelakten, 106 f. 181 Da dieser Traum im zweiten Teil eingehend behandelt wird, sei er an dieser Stelle schon ausführlich zitiert.

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„Und nachdem er alle ermahnt hatte, den Herrn aus ganzem Herzen zu erkennen, begann er mit Marcellus und mit (den) anderen Brüdern den Jungfrauen des Herrn zu dienen, und bis zum Morgen auszuruhen. Zu ihnen sprach Marcellus: ‚Heilige, unversehrte Jungfrauen des Herrn, hört: Ihr habt, wo ihr bleiben könnt. Was nämlich das Meinige genannt wird, wem gehört es, wenn nicht euch? Geht nicht fort von hier, sondern erquickt euch, da doch am Sabbat, welcher am morgigen Tag kommen wird, Simon einen Wettstreit182 mit Petrus, dem Heiligen Gottes,183 hat. Wie aber der Herr immer mit ihm gewesen ist, möge nun auch Christus, der Herr, Partei ergreifen für ihn als seinem Apostel. Petrus nämlich verharrt und nimmt keinen Bissen zu sich, sondern fastet,184 damit er den bösen Feind und Verfolger der Wahrheit des Herrn besiege. Meine jungen Leute sind nämlich gekommen und melden, dass sie gesehen hätten, dass auf dem Forum erhöhte Sitze mit Stufen zusammengebaut würden, und die Menge sage: ›Hier haben am morgigen Tag zwei Juden zu Tagesbeginn einen Kampf auszutragen wegen der Anrufung Gottes.‹ Deshalb wollen wir nun wachbleiben bis zum Morgen, betend und unseren Herrn Jesus Christus bittend, dass er unsere Gebete für Petrus erhören möge.‘ Marcellus aber verfiel kurz in Schlaf.185 Nachdem er aufgewacht186 war, sprach er zu Petrus: ‚Petrus, Apostel Christi, wir wollen mutig herantreten an unser Vorhaben. Als ich nämlich eben kurz in Schlaf gefallen war, sah187 ich (dich) auf einem erhöhten Platz sitzen und davor eine große Menschenmenge und eine sehr hässliche Frau188, dem Aussehen nach gänzlich Äthiopierin189, und nicht Ägypterin, sondern völlig schwarz, in schmutzige Lumpen gehüllt,190 tanzend, um den Hals aber eine eiserne Kette und an den Händen und an den Füßen eine Kette. Als du (dies) sahst, sagtest du mit lauter Stimme zu mir: ›Marcellus, alle Kraft Simons und seines Gottes ist diese, welche tanzt – enthaupte sie!‹ Und ich sprach zu dir: ›Bruder Petrus, ich bin ein Senator von bedeutender Herkunft und niemals habe ich meine Hände befleckt, und nicht einmal einen Sperling habe ich getötet.‹ Und als du dies hörtest, fingst du an, noch stärker zu rufen: ›Komm unser wahres Schwert Jesus Christus, und nicht nur das Haupt dieses Dämons sollst du abhauen, sondern auch 182 Lipsius (Hg.), Acta, 69, bezeugt contemtionem; Döhler (Hg.), Acta Petri, 106, entscheidet sich für contentionem, weist aber, ebd., im Apparat daraufhin, dass contemtionem die Lesart der Actus Vercellenses sei. Contentio kann auch mit „Kampf“ übersetzt werden, Georges, Handwörterbuch, Bd. 1, 1237. 183 Hier wird ein christologischer Hoheitstitel auf Petrus übertragen! Diesem Befund kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. Dies habe ich neuerdings versucht zu tun in Enke, Petrus der „Heilige Gottes“, 143–165. 184 Wörtlich: sed superponens. 185 breviter in somno conversus. 186 expergefactus. 187 vidi. 188 mulierem quendam turpissimam. Turpis kann auch „hässlich“ in moralischer Hinsicht, „schändlich“, „unsittlich“ heißen, Georges, Handwörterbuch, Bd. 2, 4852. 189 Lipsius (Hg.), Acta, 70, bezeugt Ethiopissimam; Döhler (Hg.), Acta Petri, 108, Ethiopissam. 190 totam nigram sordibus, pannis involutam. Niger kann sowohl „schwarz“, „dunkelfarbig“, als auch „unheilvoll“ und „böse“ heißen, Georges, Handwörterbuch, 3261 f. Vgl. dazu die Ausführungen in Habermehl, Perpetua, 145–177, auf die wir im zweiten Teil der Arbeit noch ausführlich kommen werden. Vgl. ebenfalls Artemidor, oneirokr. IV 38.

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alle seine Glieder haue in Stücke, in Gegenwart all dieser, welche ich erprobt habe in deinem Kriegsdienst.‹ Und sofort ergriff (einer), dir, Petrus, gleichartig, das Schwert und haute sie völlig zusammen191, sodass ich meine Aufmerksamkeit auf euch beide richtete, (auf die, welche) sowohl dir als auch jenem, welcher jenen Dämon zusammenhaute, so ähnlich waren, zu meiner großen Verwunderung.192 Nachdem ich (nun) erwacht bin, berichte ich dir diese Zeichen Christi.‘193 Als Petrus diese (Dinge) gehört hatte, wurde er noch mehr im Geist194 erfüllt, weil Marcellus sie gesehen hatte, da ja der Herr überall für die Seinen sorgt. Freudig dankend infolgedessen und gekräftigt durch diese Worte erhob er sich, um zum Forum zu gelangen.“

Trotz des brutalen und befremdlichen Szenarios lesen wir hier einen der interessantesten Träume der gesamten christlichen Apokryphen. Im Mittelpunkt steht wohl eindeutig die schwarze, in Lumpen gehüllte Frau, die, vollkommen in Ketten gelegt, wild vor dem erhöht sitzenden Apostel tanzt. Zwei Gedanken seien hier schon einmal angemerkt: Erstens haben wir hier das vorliegen, was C.G. Jung in seiner Analytischen Psychologie die Verkörperung eines Archetyps nennt.195 Auch wenn wir letztlich von einem literarischen Konstrukt sprechen, spiegeln sich hier doch so etwas wie unbewusste Aspekte des frühen Christentums wider. Die zweite Überlegung lautet, dass durch den Enkratitismus, der die Apostelakten, hier die Petrusakten, prägt, die Verneinung und Verwerfung der Sexualität dazu zu führen scheint, dass sich über die Träume (als Orte der Manifestation des Unbewussten) auffallend stark sexuell konnotierte Aspekte in das Bewusstsein Bahn brechen. Natürlich sind dies Aspekte einer extremen Sexualität, Aspekte ihrer aggressiven Seite (schmutzige Lumpen, wildes Tanzen, Ketten). Und auch das brutale Zerstückeln der Frau birgt verzerrte aggressiv-sexuelle Elemente. Erinnert werden muss an dieser Stelle an den Traum des Lesbius (ActAndr 22, s. o.): Auch hier tauchen des Nachts bösartige-aggressive Dämonen auf, die als Äthiopier beschrieben werden. Hier drängt sich die Frage nach der Verwandtschaft, wenn nicht der Texte so doch des Motivs auf. Weiter erwähnenswert ist die interessante Ausgangssituation des MarcellusTraums: Petrus fastet, um sich auf den Kampf am nächsten Tag vorzubereiten; 191 Concidere kann auch mit „zerfetzen“, „kurz und klein hacken“, „zerhacken“ übersetzt werden, Georges, Handwörterbuch, 1073. 192 Anders übersetzt Döhler (Hg.), Acta Petri, 109, diesen nicht ganz leichten Satz: „Und einer, dir ganz ähnlich, Petrus, nahm sogleich das Schwert und schlug sie völlig zusammen, so dass ich meine große Bewunderung auf euch beide richtete, auf dich und jenen, der den Dämonen zerstückelt hat, die ihr so ähnlich seid.“ 193 Wörtlich: „Erwacht habe ich dir diese Zeichen Christi berichtet.“ 194 S. für weitere Übersetzungen für animus u., 143. 195 Zur Einführung in den Begriff bei Jung s. Lier, Art. Archetypus, 44 f, sowie Stevens, Einführung, 79–100. Im sehr umfassenden Werk Jungs ist der Band „Die Archetypen und das kollektive Unbewußte“ (GW 9/1) zu erwähnen. Im zweiten Teil der Arbeit wird ausführlich in die Theorie der Archetypen eingeführt werden.

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Marcellus, der sein Haus zur Verfügung stellt, fordert zum Wachen und Beten auf. Die Anklänge an die synoptische Tradition der Gethsemaneszene (Mk 14,34 parr) sind kaum zu übersehen. Erstaunlicherweise ist es dann genau Marcellus, der einschläft. Er, der wachbleiben wollte, fällt in Schlaf, als drängte sich der Traum gegen alle Versuche an die Oberfläche.196 Und auch das Ende der Szene ist bemerkenswert und unterstreicht wiederum die Bedeutung von Träumen in den Petrusakten: Petrus fühlt sich durch den Traumbericht gestärkt und geht guten Muts in den Kampf mit Simon. Der Trauminhalt wirkt also rekreierend. Einer Kategorie Philos lässt sich der Traum kaum zuordnen. Zwar wird die Zukunft gezeigt und es ist anzunehmen, dass hier ein göttlich geschickter Traum gemeint sein soll; zumindest Letzteres wird aber nicht erwähnt. Eine Deutung der Symbolik im Text findet ebenfalls nicht statt, was bei einem komplexen Traum dieser Art nicht unbedingt sofort einleuchtet. Bei dem folgenden Traum befinden wir uns schon im letzten großen Abschnitt der Akten, dem Martyrium des Petrus, in dem auch Simon den Tod findet. Dieser Teil ist, wie bereits beschrieben, griechisch überliefert. Petrus hatte einen toten Knaben wieder lebendig gemacht (Kap. 28) und dafür von ihm und seiner Mutter mehrere tausend Goldstücke bekommen (Kap. 29). Nun (Kap. 30) hält Petrus am Sonntag eine Predigt, in welcher er dazu aufruft, an Christus zu glauben. Zur Zuhörerschaft gehören, neben den Brüdern, auch Senatoren, Ritter sowie wohlhabende Frauen. Zu Letzteren zählt eine besonders vermögende Frau, welche mit Beinamen Chryse heißt. Dieser Name wird damit begründet, dass ihre sämtlichen Trinkutensilien aus Gold bestünden und dies schon ihr ganzes Leben lang so gewesen sei. Chryse spricht nun zu dem Apostel: „Petrus, Diener Gottes, im Traum trat der zu mir, den du Gott nennst, und hat zu mir gesagt: ‚Chryse, bring meinem Diener Petrus […] 10000 Goldstücke; denn du schuldest sie ihm.‘ Ich habe sie nun gebracht aus Furcht, mir möchte etwas Schlimmes widerfahren von dem, den ich gesehen habe197 und der gen Himmel auffuhr.“198

Chryse übergibt das Geld und geht. Petrus ist voll Gotteslob für diese Gabe, weil den Armen dadurch geholfen würde, wird aber von einigen Zeugen der Szene für die Annahme des Geldes kritisiert, da über die Spenderin in der ganzen Stadt Rom getuschelt würde, sie wäre eine Prostituierte, die selbst mit Sklaven geschlechtlich verkehren würde. Petrus solle Gemeinschaft mit ihr vermeiden und das Geld zurückgeben. Petrus erwidert lachend: „Was diese ihrem sonstigen Lebenswandel nach ist, weiß ich nicht; aber wenn ich dieses Geld empfangen habe, so habe ich es nicht ohne Grund empfangen; sie hat es

196 Dieses regressive Element ist ebenfalls kaum zu übersehen. 197 Eigentlich Passiv: ὑπὸ τοῦ ὀφθέντος μοι, Lipsius (Hg.), Acta, 80. 198 Übersetzung: Schneemelcher, Petrusakten, 283.

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mir nämlich als eine Schuldnerin Christi dargebracht und gibt es den Dienern Christi. Denn er selbst hat für sie […] gesorgt.“199

Auch dieser Bericht ist typisch für den schillernden Stil der Akten. Eine reiche Frau, die noch nie in ihrem Leben Geschirr benutzt hat, das nicht aus Gold bestand, und die überdies noch eine stadtbekannte Prostituierte ist, kommt zu Petrus, um ihm 10000 Goldstücke zu Füßen zu legen. Dabei erkennt sie – die zur möglichen Existenz eines Gottes distanziert positioniert ist (εἰς ὄναρ ἐμοὶ παραστὰς ὃν λέγεις θεὸν εἶπεν)200 – in Petrus dennoch sofort den Diener Gottes. Und sie ist, obwohl sie in so überaus schlechtem Licht dargestellt wird, dennoch so gottesfürchtig, auf die Stimme des im Traum zu ihr Sprechenden (und in den Himmel Auffahrenden!) zu hören. Petrus genügt der Traum (und das spricht für die positive Deutung von Träumen an dieser Stelle der Petrusakten) als Legitimation, um das Geld anzunehmen, und nicht, wie ihm von einigen Anwesenden geraten wird, es zurückzuschicken – obwohl die Lebensweise der Chryse dem Enkratitismus vollkommen widerspricht. Der Traum vermittelt hier den Willen Gottes, der auch an scheinbar Gottlose ergehen kann und der ebendiese zur Gottesfurcht führt. Dies stellt die wichtigste Funktion des Traumes an dieser Stelle dar. Er kann eindeutig der Kategorie 1 nach Philo zugeordnet werden. In der lateinischen Übersetzung ist nicht explizit von einem Traum die Rede. Dort heißt es nur, dass Gott herantrat (adstitit).201 Das Motiv des Herantretens im Traum, (meistens) mit einer Form von ἵστημι ausgedrückt, begegnet hier zum ersten Mal.202 Bevor wir uns den letzten beiden Kapiteln widmen, die mit zwei Träumen die Petrusakten abschließen, müssen wir kurz verweilen bei einigen bezeichnenden Äußerungen des Petrus, die wiederum eine Ambivalenz, was den Umgang mit Träumen, Mantik, aber auch der Welt der Sinnlichkeit (und zwar über sexuelle Sinnlichkeit hinaus) angeht, zum Ausdruck bringen. Wir befinden uns in Kap. 37. Petrus steht vor dem Kreuz und setzt noch einmal zu einer umfangreichen Rede an. In den Kapiteln 33 f wurde berichtet, dass viele Frauen (und einige Männer), angesprochen von der „Predigt von der Keuschheit“203, sich ihren Ehepartnern sexuell entzogen und dadurch deren Zorn erweckten, der sich in Aufruhr entlud und sich gegen sie und schließlich gegen Petrus richtete. Petrus wird in Kap. 36 von Agrippa ergriffen und zur Kreuzigung verurteilt. Der wichtigste Auszug aus der Rede folgt hier (Kap. 37):

199 200 201 202

Übersetzung: a. a. O., 284. Lipsius (Hg.), Acta, 78 (Hervorhebung P.E.). A. a. O., 79. Dieses ist freilich ein in der Antike häufiger vorkommendes Motiv, s. Plato, Kriton 44; Homer, Od. IV 803, vgl. XX 94; Il. II 20; XXIII 68. Vgl. Körner, Ärztliche Kenntnisse, 42 f. Zu Träumen bei Homer haben z. B. gearbeitet: Armory, Omens; Hundt, Traumglaube. 203 Übersetzung: Schneemelcher, Petrusakten, 285.

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„Von allem, was der Welt der Sinne angehört, haltet eure Seelen geschieden,204 von allem, was der Welt der Erscheinungen205 angehört, besitzt dies alles doch keinerlei Wirklichkeit! Schaltet diese eure Augen aus, schaltet diese eure Ohren aus, haltet fern die Geschehnisse, die sich im Äußern206 abspielen! Dann werdet ihr die Vorgänge erkennen, die mit Christus sich ereignet haben, und das ganze Geheimnis eurer Rettung.“207

Auf der einen Seite wird nun etwas deutlicher, warum die Träume in frühchristlichen Schriften oft so einfarbig und eindimensional gezeichnet sind. In dem eben zitierten Text wird ein massives Misstrauen gegenüber allem, was sinnlich aufgenommen werden kann, sichtbar. Natürlich ist die Folie, auf die hier projiziert wird, die Gestalt Simons des Magiers – verzaubert er doch seine Hörer und gaukelt ihnen Trugbilder vor, und dies in aller Öffentlichkeit (ἐν φανερῷ). Aber dennoch sind auch Träume an die Wahrnehmungs- und Sinnesfunktion gekoppelt, und zumindest das φαινομένου kann mit Träumen und den ihnen verwandten Visionen und Gesichten assoziiert werden. Zugleich werden die Worte des Petrus rückwirkend in Frage gestellt, liest man den Text kurz zuvor. In Kap. 35 wird erzählt, dass Petrus, durch Xanthippe gewarnt, sich angesichts der ihm drohenden Gefahr dazu überreden lässt, Rom zu verlassen. Was ihm widerfährt, steht ganz im Widerspruch zu seinen Äußerungen unter dem Kreuz: Petrus geht zum Stadttor hinaus und hat eine Vision, in der er Jesus in die Stadt kommen sieht, und auf die Frage, was er in Rom tue, die Antwort bekommt, Jesus gehe nach Rom, um gekreuzigt zu werden: „Und Petrus sprach zu ihm: ,Herr, wiederum wirst du gekreuzigt?‘ Er sagte zu ihm: ,Ja, Petrus, wiederum werde ich gekreuzigt‘.“208 Es wird geschildert, dass Petrus zu sich kommt209 und wahrnimmt, wie Jesus gen Himmel aufsteigt. Der Apostel bricht seine Flucht ab, geht wieder nach Rom, ist voll Freude und lobt Gott, „weil er selbst gesagt hatte: ,Ich werde gekreuzigt.‘ Das sollte an Petrus geschehen.“210 Natürlich ist offensichtlich, dass die (erneute) Himmelfahrt Jesu parallel zu den „Flugkünsten“ des Simon in Kap. 32 geschildert wird, um Simons Macht zu nivellieren. Aber trotzdem steht die Vision, als etwas, das Petrus sinnlich und erscheinend widerfährt (εἶδεν; θεασάμενος), im Widerspruch zu seinen Worten unter dem Kreuz. Die Petrusakten (in ihrer Endfassung) bleiben in ihrer Bewertung von visionärem und träumendem Erleben ambivalent. Dieser Befund ist festzuhalten. 204 Wörtlich: „Trennt eure Seelen von allem Sinneswerkzeug“. Im griechischen Text steht (Lipsius [Hg.], Acta, 92): παντὸς αἰσθητηρίου χωρίσατε τὰς ἑαυτῶν ψυχάς. 205 φαινομένου. 206 ἐν φανερῷ. 207 Übersetzung: Michaelis, Schriften, 367. 208 Übersetzung: Schneemelcher, Petrusakten, 286. 209 ἐλθὼν εἰς ἑαυτὸν ὁ Πέτρος. Petrus empfängt also zumindest Teile seiner Vision in einer Art abgesenktem Bewusstseinszustand. 210 Übersetzung: ebd.

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Die vorletzte Traumstelle findet sich im 40. Kapitel. Petrus ist verschieden, Marcellus nimmt den Leichnam vom Kreuz und behandelt ihn nach allen Regeln der Kunst (ein Bad in Wein und Milch, eine Salbung mit einer enormen Menge an kostbaren Ingredienzen, allein 25 Kilogramm Myrrhe). Danach wird Petrus von Marcellus in dessen privatem Grab beigesetzt. Dann heißt es: „Petrus aber trat zu Marcellus bei Nacht211 und sagte: ,Marcellus, hast du den Herrn sagen hören: ›Laßt die Toten von den eigenen Toten begraben werden‹?‘ Als aber Marcellus (das) bejaht hatte, sagte Petrus zu ihm: ‚Das nun, was du an den Toten gewandt hast, hast du verloren. Denn du hast, obgleich du lebendig bist, wie ein Toter für einen Toten gesorgt.‘ Marcellus aber, aus dem Schlaf erwacht212, erzählte die Erscheinung213 des Petrus den Brüdern und war zusammen mit denen, die von Petrus im Glauben an Christus gestärkt worden waren, wodurch er auch selbst noch viel mehr Stärkung fand“.214

Hierbei handelt es sich eindeutig um einen Traum. Es wird klar berichtet, dass Marcellus erwachte. Seltsamerweise wird er in Anlehnung an das Jesuswort Mt 8,22 von Petrus gescholten, ob der Behandlung seines Leichnams mit vielen Spezereien. Die Vorlage ist unverkennbar Mk 15,42 f.46 parr und Lk 24,1: das Abnehmen des Leichnams Jesu vom Kreuz und dessen Pflege bzw. Grablegung. Dennoch endet der Abschnitt damit, dass Marcellus gestärkt wird, was wiederum bezüglich des Traumes einen positiven Eindruck hinterlässt. Die scharfe Kritik des Petrus scheint Marcellus überhört zu haben. Den Traum nach Philo zu kategorisieren ist kaum möglich. Am ehesten haben wir an das Traummotiv des Herzutretens einer Person im Traum zu einer anderen zu denken (s. o., 69). Die letzte Stelle findet sich in Kap. 41. Als Nero erfährt, dass Petrus schon tot ist, tadelt er den Präfekten Agrippa. Nero hätte Petrus gern noch viel härter gestraft, da dieser ihm einige Diener abspenstig gemacht hatte. Es heißt von ihm, dass er die Christen vernichten möchte. Dann jedoch: „Und eines Nachts sieht er einen,215 der ihn schlägt und (zu ihm) sagt: ,Nero, du kannst jetzt nicht die Diener Christi verfolgen oder verderben. Laß darum deine Hände von ihnen!‘ Und darum geriet Nero infolge eines solchen Gesichtes216 in große Furcht und ließ ab von den Jüngern in jener Zeit, in der auch Petrus aus dem Leben geschieden war.“217

211 212 213 214 215 216 217

ἐπιστὰς νυκτός. διυπνισθείς. ἐμφανισμόν. Übersetzung: a. a. O., 288. ὁρᾷ νυκτός τινα. ὀπτασίας. Übersetzung: a. a. O., 289.

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Leider ist hier wieder nicht eindeutig gesagt, ob Nero schläft und träumt oder ob er eine nächtliche Vision erhält.218 Ὀπτασία kann auch „Traumgesicht“ heißen, der Schwerpunkt liegt aber eher auf der Bedeutung „Erscheinung, Gesicht“.219 Es kommt darauf an, ob man sich den Vorgang der Erscheinung (die lateinische Version spricht von einem angelum dei)220, die Nero schlägt, besser im Wachen oder im Traum vorstellen kann. Wenn dies auch nicht geklärt werden kann, ist doch die Wirkung des Geschehens auf den Tyrannen Nero hervorzuheben. Er gerät in Furcht und lässt von den Christen ab. Es scheint ihm selbstverständlich zu sein, den Traumanweisungen unmittelbar zu folgen. Falls ein Traum vorliegt, ist er in Philos erste Kategorie einzuordnen.

2.1.6.3 Zusammenfassung In den Petrusakten tauchen mehrere Träume auf, die z. T. symbolhaft gestaltet sind. Hervorzuheben ist der Traum des Marcellus. Dabei wechseln sich Wertschätzung und besondere Bedeutung von Träumen (vor allem als Medien göttlicher Botschaften bzw. Anweisungen) mit einer ambivalenten Haltung ihnen gegenüber im Zuge von Leibfeindlichkeit und der Verwerfung von Sexualität und „Sinnlich“-keit ab. Auffällig ist jedoch das Auftreten sexuell gefärbter Motive, was auf das Offenbarwerden verdrängter Sexualität hindeutet. Im letzten Traum ist es Petrus, der Marcellus als Auferstandener erscheint, wobei der Verfasser synoptische Jesustradition auf den Apostel überträgt. Dies ist sicher als Zeichen der Verehrung der Petrusgestalt zu werten. Als neue Kategorie kann die des Herantretens einer Person im Traum festgehalten werden. Als wichtige Vokabeln sind zu nennen: video, videor, φαίνω, ὄναρ, παρίστημι, ἐφίστημι, ἐμφανισμός, ὀπτασία sowie verschiedene Formen von ὁράω.

218 Frenschkowski, Art. Nero, 876 f, konstatiert: „Tert. an. 44, 1; 49, 2 kennt die eigentümliche Überlieferung, N. habe nie oder allenfalls kurz vor seinem Tod geträumt […]. Umgekehrt kennt der Schluss der späten Passio Petri […] eine mahnende Traumerscheinung des hingerichteten Petrus vor N. ([…] im Traum erscheint N. schon Plin. ep. 5,5). In diesem Zusammenhang ist auf das schwer datierbare Somnium Neronis aufmerksam zu machen, einen im Kontext des Nikodemusevangeliums (Act. Pilat.) tradierten Text, dessen erzählender Rahmen über Rufinus u. Eusebius auf Josephus zurückweist. In diesem Rahmen kündet Jesus N. in einem Traum die Bestrafung der Juden an (1), die Vorzeichen der Zerstörung des Tempels (2) u. diese Zerstörung selbst (3).“ 219 Bauer, Wörterbuch, 1168. 220 Lipsius (Hg.), Acta, 103.

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2.1.7 Thomasakten 2.1.7.1 Kurze Einführung in die Schrift221 Die Thomasakten thematisieren die Missionsreisen, die der Apostel Thomas222 nach und in Indien unternimmt.223 Die Akten sind vollständig in zwei Handschriften überliefert. Es existiert eine syrische Handschrift (10. Jh.) sowie eine griechische (12. Jh.), der wohl aber ebenfalls eine syrische Handschrift zugrunde lag.224 Literarische Zeugnisse für die Existenz der Akten gehen bis ins ausgehende 4. Jh. zurück, so etwa Augustinus (serm. Dom. in Mont. I 20,65; c. Adimant. 17 u. a.).225 Zur Datierung schlägt Bremmer die erste Hälfte des 3. Jh. und als Ort Edessa vor,226 als dem Zentrum des frühen syrischsprachigen Christentums.227 Der Verfasser ist ein anonymer syrischer Christ. Identifizierungen mit Bardesanes oder dem syrischen Theologen Tatian wurden angestellt, sind aber nicht stichhaltig beweisbar.228 Unterteilen kann man die Schrift in einen Abschnitt, welcher die ersten 221 S. auch Poirier/Tissot, Actes, 1323–1330; Drijvers, Thomasakten, 289–303. Eine neuere englische Übersetzung stellt Attridge, Acts, dar. S. auch hier die Einführung, 1–15. Text, Kommentar und englische Übersetzung bietet Klijn (Hg.), Acts. Diese Ausgabe liegt allen im Folgenden zitierten griechischen Auszügen sowie eigenen Übersetzungen zugrunde. Als Sekundärliteratur zu den Akten sei v. a. Bremmer (Hg.), Acts of Thomas, genannt; weiterhin Attridge, Language, 241–250; Hartin, Character of Thomas, 239–253. Zum Enkratitismus in den Akten s. Tissot, Actes, 4415–4430. 222 Zur Person und den wichtigsten dem Apostel zugeschriebenen Schriften s. Drijvers, Art. Thomas, 430–433. Die Akten setzen das Thomasevangelium voraus, mehrere Logien wurden z.T. wörtlich, aber auch in bearbeiteter Form übernommen, s. etwa EvThom 7 und ActThom 6; 8, Drijvers, Art. Thomas, 431. 223 Euseb, h.e. V 10,1–4, berichtet dagegen von Bartholomäus als Apostel Indiens, in III 1,1, allerdings auch davon, dass Thomas für Parthien verantwortlich war, Drijvers, Thomasakten, 291; Klauck, Apostelakten, 156. 224 Attridge, Art. Thomasakten, 378. Sie sind die „einzigen vollständig erhaltenen Apostelakten, trotz ihres gnostischen Ursprungs und Inhaltes“ (Vielhauer, Geschichte, 710). Die Frage nach der Ursprache ist in der Forschung nicht unumstritten. Für Syrisch votieren Frenschkowski, Magie und Mission, 518, Anm. 35, und Nicklas, Thomasakten, 686, der aber darauf hinweist, dass der griechische Text oft eine ursprünglichere Textform bewahrt. Lanzillotta, Syriac Original, 122–127, hingegen vermutet ursprünglich auf Griechisch verfasste Akten. Klauck, Apostelakten, 153, votiert vorsichtig für zwei gleichzeitig entstandene Versionen, eine auf Griechisch, die andere auf Syrisch; Drijvers, Thomasakten, 290, für Syrisch, Anfang des 3. Jh., der, ebd., jedoch davon ausgeht, dass die Übersetzung ins Griechische zeitnah entstanden sei. 225 Attridge, Art. Thomasakten, 378. 226 Genauer: die Zeit zwischen der Absetzung König Abgars von Edessa im Jahre 212/213 und dem Jahr der Umwandlung Edessas in eine römische Kolonie 241, Bremmer, Apocryphal Acts, 153. So auch Vielhauer, Geschichte, 713; Nicklas, Thomasakten, 685; Attridge, Acts, 14. Vorsichtiger ist Drijvers, Acts, 15, der sich, ebd., zumindest für die „Syriac speaking Eastern Church“ ausspricht. 227 Drijvers, Art. Thomas, 430. 228 Klauck, Apostelakten, 158; Drijvers, Thomasakten, 292; 300 ff.

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sechs Akten umfasst (Kap. 1–61), in denen erzählt wird, wie Thomas nach Indien kommt, und die von seinem Aufenthalt am Hofe von König Gundafor229 berichten. Außerdem werden Heilungswunder und Dämonenaustreibungen erzählt, ein totes Mädchen wird auferweckt und diverse wunderhafte Episoden (ein Eselsfohlen spricht mit Thomas) erzählt. In diesem ersten Abschnitt wird auch die enkratitische Ausrichtung der Thomasakten deutlich,230 wobei sie sich in die Tradition der bisher behandelten Apostelakten einreihen. Den zweiten Abschnitt bilden weitere sechs Akten, die sich in die Kap. 62–149 unterteilen lassen. Sie bilden eine in sich geschlossenen Novelle und berichten, was der Apostel bei einem König namens Misdai erlebt und tut. Der letzte Teil, Kap. 150–171, behandelt das Martyrium des Thomas.231 In ActThom 170 wird berichtet, dass die Gebeine von einem Christen heimlich nach Westen geschafft wurden (d. h. Edessa).232 Im Übrigen berichten die Thomasakten als Erste vom Martyrium des Apostels. Clemens von Alexandrien, strom. IV 71,1–4, dagegen berichtet, Thomas habe keinen Märtyrertod erlitten.233 Theologische Schwerpunkte liegen in der Christologie (s. u.) sowie den Themen Taufe und Buße.234 Dabei kommt einem christlichen Initiationsritual besondere Bedeutung zu, zu dem die Salbung mit Öl gehört, die Wassertaufe sowie die Eucharistie mit Brot und (selten) Wasser.235 Das wesentliche Theologoumenon in Taten und Predigten, welche durch die Akten wiedergeben werden, bildet aber die Soteriologie. Diese ist jedoch nicht an einen Erlöser gebunden. Von Sünde und Gnade ist keine Rede, ebenso wenig von Inkarnation, Kreuzigung und Auferstehung Jesu. Die Soteriologie wird stattdessen mit dem Enkratitismus verbunden und erhält eine stark ethische Ausrichtung. Dabei wird das irdische, geschlechtliche Leben einer ausgesprochen negativen Bewertung unterzogen und dem geistlichen, unsterblichen und ungeschlechtlichen Leben immer wieder entgegengestellt (so in Kap. 28; 38; 124), das Gott für die Menschen vorgesehen hatte (Kap. 15; 43) und das durch die falsche Anwendung des freien Willens durch Adam und Eva zerstört wurde. Infolgedessen sind die Menschen sterblich und gezwungen, Nachwuchs zu zeugen (Kap. 12). Diese falsche Entscheidung kann aber – durch Anwendung der Forderungen des Enkratitismus – rückgängig gemacht werden. Das heißt 229 Dieser ist durch gefundene Münzen als historische Gestalt belegt, welcher entweder im 1. Jh. v. oder n. Chr. regierte, van den Bosch, Apostolate, 132 f. 230 Nach Germond, Gender, 360 f, ist die Entsagung von Ehe und Geschlechtsverkehr ein inhaltlicher Schwerpunkt der Akten und sei „propelled by plays on the word κοινωνία and its cognates, which variously mean ,community‘, ,marriage‘ and ,sexual intercourse‘. The κοινωνία of the new community is bound in a heavenly, transsexual marriage (12–15) and is opposed to the κοινωνία of earthly marriage and sexual union of male and female in ,filthy κοινωνία‘.“ 231 Attridge, Art. Thomasakten, 378. Anders gliedert Nicklas, Thomasakten, 685. Eine detaillierte Gliederung bietet Drijvers, Acts, 4 f. 232 Drijvers, Thomasakten, 292, mit weiteren Belegstellen. 233 Ebd.; Klauck, Apostelakten, 157. 234 Nicklas, Thomasakten, 686. 235 Klauck, Apostelakten, 155.

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etwas vereinfacht: (erneute) Unsterblichkeit wird durch sexuelle Enthaltsamkeit erreicht. Die Christologie wird in dieses Konzept in der Form eingebaut, als Jesus zum entscheidenden Helfer bei der Wiedererreichung des Urzustandes der menschlichen Natur stilisiert wird (Kap. 60; 66; 81 u. ö.). Dies ist ihm möglich, weil er der Versuchung selbst ausgesetzt war, ihr aber widerstanden (Kap. 10; 31) und ihr ihre Macht genommen habe (45).236 Die Thomasakten enthalten verschiedene liturgische und hymnische Texte: zwei liturgische Gebete in Kap. 27 und 51 sowie zwei Gedichte, den sog. Brauthymnus (6 f) und den sog. Perlenhymnus (108–113).237 Eine Besonderheit bildet das Zwillingsmotiv: Thomas wird mehrfach als Zwilling bzw. eine Art Doppelgänger Jesu dargestellt bzw. ist stellenweise sogar mit diesem identisch (s. u.). Von den Akten liegen zahlreiche Übersetzungen bzw. Überarbeitungen u. a. auf Lateinisch, Koptisch, Armenisch, Georgisch, Arabisch sowie Altslawisch vor.238 Vielhauer weist darauf hin, dass die Thomasakten und auch die Thomasfigur bei den Manichäern sehr hoch geschätzt wurden.239 Der Beziehung der Manichäer zur den Akten, aber auch der Frage nach einer möglichen Thomasschule kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden.240 Zu bemerken ist aber, dass Thomas im Osten, v. a. in Syrien, (anders als in den westlichen Kirchen) besondere Verehrung erfuhr.241 Zwar haben die ActThom wie alle Apostelakten auch ein Interesse an Erbauung und Unterhaltung, Drijvers hebt aber hervor, dass es zu kurz greife, die Akten inflationär „als volkstümliche Literatur zu bezeichnen, die Motive des antiken Romans in volkstümlich-vergröberter Form wiedererkennen“ lasse. „Vielmehr sind sie in einem gelehrten Milieu entstanden, dem Symbolik und Typologie geläufig waren und in dem sich schon eine gewisse Form von Bibelexegese entwickelt hatte“.242

236 Drijvers, Thomasakten, 294 f. Jesus ist seinen Anhängern „Wegbereiter und Begleiter“ (10; 37; 39; 80), aber auch „Heerführer“ und „guter Hirt[e]“ (39), „unbesiegbarer Athlet“ (39), „Arzt und Lebensbringer“ (10; 15; 25; 34). „Er offenbart […] die himmlischen Mysterien“ (10; 47) und ist „Hafen“ und „Ruhe“ (10; 37), Drijvers, Thomasakten, 294. 237 Attridge, Art. Thomasakten, 378. Vgl. hierzu Hoffmann, Zwei Hymnen der Thomasakten, 273–309; Hartin, Search, 1000–1021; Drijvers, Thomasakten, 296 ff. Der Perlenhymnus ist vermutlich sekundär manichäisch, Klauck, Apostelakten, 154. 238 Ebd. 239 Vielhauer, Geschichte, 713. 240 Zur Thomasschule s. Layton, Scriptures, 357–409; Poirier, Thomas Tradition, 295–307; Sellew, Thomas, 11–35; Germond, Gender, 352–355. Zu Manichäismus und Thomasakten s. Bousset, Thomasakten, 1–39; Poirier, Actes de Thomas, 263–287; Drijvers, Thomasakten, 302 f. 241 Klauck, Apostelakten, 159. 242 Drijvers, Thomasakten, 293.

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2.1.7.2 Traumstellen in der Schrift Insgesamt sind vier Stellen aus den Thomasakten erwähnenswert.243 Wir beginnen in Kap. 29, innerhalb des ersten großen Teils der Akten, mit einer Stelle, welche der aus Kap. 48 der Johannesakten sehr ähnelt: Der Apostel bekommt während des Schlafes Anweisungen für den nächsten Tag. So heißt es: „Als er in der folgenden Nacht schlief 244, kam der Herr, trat zu seinen Häupten245 und sprach: ‚Thomas, steh früh auf, segne alle und nach dem Gebet und Dienst geh auf dem Wege nach Osten zwei Meilen, und dort werde ich durch dich meine Herrlichkeit zeigen. Denn um des Werkes Willen, dessentwegen du ausziehst, werden viele zu mir Zuflucht nehmen, und du sollst die Natur und Macht des Feindes überführen.‘“246

Der Apostel erhebt sich aus dem Schlaf,247 erläutert kurz seinen Mitbrüdern, dass Gott Thomas an diesem Tag als sein Werkzeug einsetzen wolle, und ruft dazu auf, Gott zu bitten, durch sie möge Gottes Wille verwirklicht werden. Thomas folgt den Traumanweisungen und muss mit einem den Satan verkörpernden Drachen kämpfen (Kap. 31 ff). Wir haben hier einen relativ eindeutigen Traumbericht vorliegen. Es wird festgestellt, dass Thomas in der Nacht schläft. Dann tritt Jesus zu ihm und übermittelt die Botschaft. Hier taucht das Motiv des Herzutretens mit einer Form von ἵστημι wieder auf. Als Jesus geendet hat, steht Thomas vom Schlaf auf und spricht zu seinen Glaubensgeschwistern. Wir können spätestens an dieser Stelle eine erste eigene Kategorisierung von frühchristlich-apokryphen Träumen festhalten: die der göttlichen Handlungsanweisung. Zuzuordnen wäre dieser Kategorie, neben ActThom 29, auch ActJoh 48 und ActPetr 30. In den Thomasakten existiert zudem noch ein weiterer Fall, auf den wir noch kommen werden. Nach Philo liegt ein Traum der ersten Kategorie vor. Die nächste Traumstelle findet sich in Kap. 91 f. Dennoch müssen wir eher, und zwar in Kap. 88, beginnen. Es geht dabei um die Begegnung zwischen Thomas und einer Frau namens Mygdonia, die die Frau von Charîs, einem nahen Verwandten des Königs ist. Wir befinden uns also im zweiten Teil der Akten, in dem die Handlung die Tätigkeit des Apostels am Hof von König Misdai beschreibt. Mygdonia hört Thomas predigen, wirft sich ihm zu Füßen und wird schließlich selbst – und zwar stark enkratitisch geprägt – vom Apostel 243 Die nächtliche Erscheinung des Herrn am Beginn der Akten in Kap. 1 ist dieses Mal relativ eindeutig als ein im wachen Zustand empfangenes Nachtgesicht zu klassifizieren, anhand der durch das Partizip ausgedrückten Gleichzeitigkeit desselben (vgl. Bornemann/Risch, Grammatik, 227) (ταῦτα […] διαλογιζομένου καὶ λέγοντος) mit dem Hauptverb (ὤφθη): „Während er dies erwog und sagte, erschien ihm… “. 244 καθεύδοντος. 245 ἔστη πρὸς τῇ κεφαλῇ αὐτοῦ. 246 Übersetzung: Drijvers, Thomasakten, 315. 247 Ἀναστὰς δὲ ἀπὸ τοῦ ὕπνου.

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belehrt (Kap. 88): Thomas stellt dem richtigen Verkehr248 den falschen Verkehr249, also den Geschlechtsverkehr Mygdonias mit ihrem Mann, gegenüber. Dieser sei ebenso verwerflich und unnütz wie Schönheit, Schmuck und schöne Kleider, aber auch Ansehen und Macht in der Welt. All das werde laut der Predigt des Apostels altern und vergehen, und falsches Verhalten werde mit Strafe belegt werden. Thomas geht in seiner enkratitischen Sichtweise so weit, sogar das Zeugen von Kindern als verachtenswert darzustellen. Auch dieses sei vergänglich, nur Jesus würde bleiben, ebenso diejenigen, welche ihre Hoffnung auf ihn setzten. Mygdonia fällt Thomas zu Füßen, um ihn anzubeten und geht in ihr Haus (Kap. 88). Die in diesem Kapitel beschriebene Leibfeindlichkeit, die jeden, auch (bzw. besonders) den ehelichen Verkehr einschließt, ist Grundlage für die weitere Handlung und unterstreicht den enkratitischen Charakter der Akten. Das Kinderzeugen wird, wie in der Einleitung beschrieben, als Verstrickung in die zu überwindende Welt verstanden, die zu verachten sei. Auch begegnet hier die Übertragung des Begriffs κοινωνία von der ehelichen Gemeinschaft hin auf die Gemeinschaft mit Christus, die, psychologisch gesehen, von nicht geringer Tragweite ist: Ein irdisches sexuelles Verhältnis wird auf die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen umgedeutet. Der am Anfang dieser Arbeit beschriebene Gebrauch von Elementen des antiken Liebesromans, der für die Apostelakten charakteristisch ist, kommt hier zum Ausdruck. Fahren wir mit Kap. 89 fort: Es wird beschrieben, dass Charîs, der Verwandte des Königs Misdai, nach einem Bad mit seiner Frau essen will. Letztere erscheint aber nicht. Er fragt nach und ihm wird gesagt, seiner Frau sei nicht wohl. Er sucht sie in ihrem Schlafgemach auf, findet sie verschleiert vor und tadelt sie nach einem Kuss dafür, dass sie den Worten des Thomas zugehört habe. Nach einer erneuten Aufforderung, sie möge mit ihm speisen, bittet sie wieder darum, sie zu entschuldigen, da sie innerlich aufgewühlt sei. Charîs hat einen Verdacht: Er merkt, dass die von Thomas gehörte Predigt bei seiner Frau nicht ohne Eindruck und Wirkung geblieben ist. Er will sie zwangsweise zum Essen bringen, sie aber weigert und entschuldigt sich erneut (Kap. 90). Charîs hingegen will mit seiner Frau schlafen, diese beharrt auf ihrer Weigerung.250 Nun folgt der Traum251 (Kap. 91 f): „Als er dies hörte, ging er fort und legte sich in einem anderen Bett schlafen252. Als er aber vom Schlafe erwachte,253 sprach er: ,Meine Herrin Mygdonia, höre den Traum, 248 τῆς κοινωνίας τῆς ἀληθινῆς. 249 κοινωνία. 250 „Die berühmte Dreieckskonstellation (die Bekehrung einer Frau empört den Ehemann und lässt ihn den Apostel angreifen) spiegelt die soziale Wirklichkeit der christlichen Mission wider“ (Klauck, Apostelakten, 368). 251 Auch dieser Traum sei ausführlich zitiert, da er im zweiten Teil der Arbeit grundlegend untersucht wird. 252 ἐκοιμήθη. 253 ἐγερθεὶς ἐκ τοῦ ὕπνου.

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den ich gesehen habe!254 Ich sah255 mich in der Nähe des Königs Misdai zu Tisch liegen, und neben uns stand ein vollbesetzter Tisch. Und ich sah einen Adler vom Himmel herabkommen und von dem Platze vor mir und dem Könige zwei Rebhühner rauben, welche er in sein 256 trug. Und wieder näherte er sich uns und flog über uns herum. Der König befahl aber, ihm einen Bogen . Der Adler raubte nun wiederum von dem Platze vor uns eine Taube und eine Turteltaube. Der König aber warf nach ihm einen Pfeil, und er durchdrang ihn von einer Seite zur andern, schadete ihm jedoch nichts. Und er erhob sich, ohne daß ihm geschadet war, in sein Nest. Und aus dem Schlafe geweckt, bin ich in Furcht und sehr betrübt, weil ich das Rebhuhn gekostet hatte und er mir nicht erlaubte, es noch zu meinem Munde zu führen.‘ Mygdonia aber sprach zu ihm: ,Dein Traum257 ist schön, denn du ißt täglich Rebhühner, dieser Adler aber hatte bis jetzt noch kein Rebhuhn gekostet.‘ 92 […] Als es aber Morgen geworden war, ging Charîs und kleidete sich an, und er zog den linken Schuh an den rechten Fuß. Und innehaltend, sprach er zu Mygdonia: ,Was bedeutet denn nun diese Sache? Denn siehe: der Traum258 und !‘ Mygdonia aber sprach zu ihm: ,Auch dieses ist nicht schlecht, sondern scheint mir sehr schön: aus einer schlechten Sache nämlich wird die bessere werden.‘ Er aber ging […] zur Begrüßung des Königs Misdai fort.“259

Der Apostel sorgt hier durch seine Predigt für eine Art Ehekrise, die von einem eindrücklichen Traum und einem nicht weniger bedeutsamen Omen begleitet wird. Trotz des versöhnlichen Ausgangs wird sich Mygdonia ihrem Mann auch weiterhin entziehen und jener wird für die Verhaftung des Apostels sorgen (Kap. 106).260 254 255 256 257 258 259 260

τοῦ ὀνειρου τοῦ ὀφθέντος μοι. εἶδον. Die < > geben eine Konjektur oder Emendation an, Drijvers, Thomasakten, 303. ὄνειρος. ὄνειρος. Übersetzung: a. a. O., 338. Zum Abschnitt (v. a. unter Gender-Perspektive) s. Germond, Rhetoric of Gender, 361 f; 365 ff. Insgesamt kommt er zu dem Ergebnis, dass „[i]n Thomas’ new World, male authority retains its inviolate position“ (366). Im Traum des Charîs werde deutlich, dass Frauen „mere partridges“ seien (365). Der die Frau beherrschende Ehemann wird letztlich durch den Apostel Thomas ersetzt, dem nun ihre „subservient position“ gelte (366). Über das Doppelgängermotiv gilt dies auch für Jesus (367). Beide (männliche) Figuren dominieren nun Mygdonias neues, christliches Leben. „The promise that this new world is a world, where there is no male or female [Kap. 129, P.E.] has not yet come to fruition“ (Germond, Rhetoric of Gender, 367). Frauen sei es nicht erlaubt „to develop as independent agents as far as the dominant male rhetoric of the Acts of Thomas is concerned“ (ebd.); „the salvation that Thomas offers his female devotees does not include a sharing in the privileged signifier of the new culture – the male gender“ (368). Andererseits stellt Germond fest: „Mygdonia stands as the towering example of the new woman, freed from the shackles of this world, freed from her duties as wife and mother, freed from the system of shame and honour that kept her bound to this world of death and dissolution“ (362). Und (367): „The preaching of Thomas […] was a socially revolutionary discourse of its day and replace it with a new vision and experience of reality.“ Er bemerkt aber (ebd.): „This challenge to the social order hinged on a full scale attack on marriage and sex, providing a radical rhetorical

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Mit diesem heraus-ragenden Traum werden wir uns im zweiten Teil der Arbeit ausführlicher beschäftigen. Er enthält eine faszinierende Symbolstruktur. Allein hingewiesen sei auf die sexuell konnotierte Symbolik (Rebhuhn, Adler, Taube und Turteltaube), die dieses Mal (im Gegensatz zu dem Traum des Marcellus in ActPetr 22) mit einer sexuellen „Ausgangssituation“ (der eheliche Verkehr von Charîs mit seiner Frau Mygdonia) korrespondieren. Vor allem aufgrund der Bitte des Charîs um Traumdeutung (und ersten Ansätzen dazu, die Mygdonia gibt), liegt hier erstmals ein Traum der Kategorie 3 nach Philo vor. Die unbewusste Zeichenhandlung, den linken Schuh an den rechten Fuß zu ziehen, gehört unbedingt mit zu dem Inhalt des Traums und darf nicht von ihm separiert werden. Dies wird auch dadurch deutlich, dass Charîs eine Deutung beider Dinge benötigt. Nun soll noch die letzte Traumstelle in den Thomasakten betrachtet werden. Wir befinden uns in Kap. 154, also im letzten Teil der Akten, der das Martyrium des Apostels behandelt. Hauptfiguren sind Vazan, der in Kap. 139 als Sohn Misdais eingeführt wurde, und dessen Frau Mnêsar. Vazans Frau ist unheilbar erkrankt und bettlägerig, nun erhofft ihr Mann Heilung durch das heimliche Kommen des Apostels (Thomas sitzt im Gefängnis). Der junge Mann zählt erst 21 Jahre. Die Ehe wurde sieben Jahre zuvor von seinem Vater arrangiert, dennoch haben sich Vazan und seine Frau unberührt gelassen. Vazan bittet den Apostel, dass er ihn zuhause besuchen, taufen und seine Frau gesund machen möge. Dazu will der Königssohn den Gefängniswächter bitten, Thomas gehen zu lassen (Kap. 150). Währenddessen kommen des Königs Frau Tertia261, Mygdonia und Marcia262 am Gefängnis an, in welchem der Apostel in Kap. 141 f durch Misdai inhaftiert wurde. Die drei Frauen bestechen den Wärter und treten zu Thomas ein, dem Vazan, Sifôr263 mit Familie und die übrigen Gefangenen zuhören (Kap. 151). „Als der Apostel sie fragt, wie das möglich sei, erklärt ihm Tertia, er selbst sei doch die ganze Zeit bei ihnen gewesen und habe ihnen alle Türen geöffnet [Tertia und Mygdonia wurden von ihren Männern zusammen eingeschlossen, um sie von Thomas fernzuhalten (Kap. 152), P.E.] (151). Hier war offenkundig Jesus in der Gestalt des Thomas am Werk. […] Die Gefängniswärter insistieren darauf, dass alle Lampen gelöscht werden. Während sie und die übrigen Gefangenen fest schlafen, wird das Gefängnis für die Glaubenden hell wie der Tag. Die ganze Gruppe um den redefinition of gender codes.“ Vgl. auch a. a. O., 368, Anm. 60. Insgesamt ist zu problematisieren, ob die Fragestellung Germonds auf einen Text wie die Thomasakten anwendbar ist. Denn dem Verfasser ging es mitnichten um die Definition einer neuen sozialen Rolle der antiken Frau, sondern um den soteriologischen Zusammenhang der Erlösung durch Christus (durch die Erfüllung enkratitischer Forderungen), s. o., 74 f. Zudem ging es auch den Enkratiten nicht um eine Reformulierung der weiblichen Geschlechterrolle. 261 S. Kap. 134. 262 Die Amme der Mygdonia (Kap. 120). 263 Ein Oberst des Königs (Kap. 102), der mit Frau und Tochter von Thomas getauft wurde (Kap. 132).

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Apostel macht sich auf den Weg zu Vazans Haus. Vazan bildet die Vorhut und trifft seine Frau Mnêsar, die in der Gegenrichtung zum Gefängnis unterwegs ist.“264 Nachdem sie sich gegenseitig erkannt haben (Mnêsar spricht ihren Mann mit „Bruder“ an), fragt Vazan, wohin seine Frau um diese Zeit unterwegs sei und auf welche Weise sie, die doch bettlägerig sei, habe aufstehen können. Sie erwidert (Kap. 154): „Dieser Jüngling legte seine Hand auf mich und richtete mich auf, und im Schlafe265 sah ich266, daß ich dahin gehen solle, wo der Fremdling sitzt, und vollkommen gesund werden.“267 Vazan, der nur seine Frau sieht, fragt nach dem Jüngling; Mnêsar fragt zurück, ob er ihn denn nicht sähe, er führe sie doch auf ihrer rechten Seite. Zur selben Zeit (nun Kap. 155) kommen Thomas, Sifôr mit Tochter und Frau, Tertia, Marcia und Mygdonia. Vazans Frau fällt auf ihre Knie und fragt (Kap. 155): „Bist du gekommen, unser Retter von der schweren Krankheit? Du bist der, den ich in der Nacht sah,268 der mir diesen Jüngling übergab, um mich ins Gefängnis zu führen. Aber deine Güte ließ nicht zu, daß ich mich anstrengte, sondern du bist selbst zu mir gekommen.“269

Sie wendet sich um, der Jüngling ist nicht mehr zu sehen. Sie wird unsicher und fragt Thomas: „Ich kann allein nicht gehen. Denn der Jüngling ist nicht da, den du mir gegeben hast.“270 Thomas sagt ihr zu, dass Jesus sie auch ferner an der Hand leiten würde. Dies geschieht auch – es wird erzählt, dass sie den anderen vorangeht. Sie erreichen das Haus von Vazan, und trotz der Nachtzeit leuchtet 264 Klauck, Apostelakten, 183 f. Das Doppelgängermotiv kommt in Kap. 11; 34; 45; 57; 147–153 in Bezug auf das Aussehen und in 31; 39; 123 in Bezug auf Schicksal und Wirkung vor, Drijvers, Thomasakten, 291. Vgl. Klauck, Apostelakten, 161: „Der Hauptheld wird eingeführt als ,Judas Thomas, auch Zwilling (Didymos) genannt‘. Ein Teil der syrischen Textüberlieferung liest in Joh 14,22 anstelle von ,Judas, nicht der Iskariot‘ den Doppelnamen ,Judas Thomas‘. Der Beiname ‚Thomas‘ bedeutet im Aramäischen so viel wie ,Zwilling‘, und das bringt erneut der griechische Zusatz ,Didymos‘ (vgl. Joh 11,16 u. ö.) zum Ausdruck. In Mk 6,3 trägt einer der Brüder Jesu den Namen ,Judas‘. Aus all dem erklärt sich, warum der Apostel Thomas als Zwillingsbruder [Jesu, P.E.] angesehen werden kann, als sein irdischer Doppelgänger und Repräsentant“. Vielhauer, Geschichte, 710, ergänzt: „Dieser Apostel gilt als Zwillingsbruder Jesu, als sein engster Vertrauter, […] als Mittler der erlösenden Erkenntnis, gelegentlich als Doppelgänger des Herrn oder gar mit ihm identisch. Von dieser eigenartigen Verbindung von Apostel und Erlöser her erhalten die Ath ihren schillernden, doppelsinnigen, hintergründigen Charakter.“ Vgl. auch Frenschkowski, Zwillingsmythologie, 509–528; Drijvers, Art. Thomas, 431 f. Im eben beschriebenen Abschnitt wirken beide sogar parallel bzw. tauchen zusammen auf. Anders in Kap. 160: Hier sagt der Apostel selbst, dass er mit Christus nicht identisch, sondern sein Diener sei. 265 ὄναρ. Die korrekte Übersetzung ist also: Traum. 266 εἶδον. 267 Übersetzung: Drijvers, Thomasakten, 362. 268 ὃν εἶδον ἐν νυκτί. 269 Übersetzung: ebd. 270 Übersetzung: ebd.

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es um sie hell. Thomas betet für sie, um sie schließlich zu taufen und mit ihnen Eucharistie zu feiern (Kap. 156 ff). Dieser Traumbericht ist etwas verworren. Wieder ist das Doppelgängermotiv Thomas-Jesus von großer Bedeutung. Mnêsar, die eigentlich gar nicht aufstehen kann, kommt also ihrem Mann Vazan entgegen und wird von einem Jüngling geführt, der aber für Vazan nicht sichtbar ist. Dieser hatte offenkundig für ihre Fähigkeit, zu gehen, gesorgt. Als Mnêsar Thomas erblickt, fällt sie vor ihm nieder und sagt, dass er derjenige sei, den sie in der Nacht gesehen und der sie dem Jüngling anvertraut habe. Daraufhin verschwindet Letzterer auch vor ihren Augen. Nicht gänzlich klar ist, was sich konkret in dem Traum abgespielt hat. Jedenfalls sieht Mnêsar im Traum Thomas, wo sich dieser aufhält und dass sie zu ihm gehen soll (Kategorie 1 nach Philo). Dass sie ihn gesehen habe, sagt sie ja später noch einmal. Aber was ist mit dem ὁ νεώτερος οὗτος τὴν χεῖρά μοι ἐπιθεὶς ἤγειρέν με (Kap. 154), das durch ein καί mit dem Rest des Satzes, der den Traum schildert, verbunden ist? Das Partizip ἐπιθείς ist jedenfalls zu dem Vollverb ἤγειρέν in Gleichzeitigkeit zu verstehen. Aufgrund des καί kann man aber den zweiten Satzteil nicht einfach dem ersten beiordnen. Es sieht also eher so aus, als sähe Mnêsar im Traum den Apostel und werde erst danach von dem Jüngling berührt und aufgerichtet – jedenfalls ist das ja der Zustand, in dem sie sich dann, wach seiend, auf den Weg zu Thomas und Vazan begibt. Unschärfer wird der Sachverhalt dann wieder durch die Aussage der Mnêsar (Kap. 155, „du bist der, den ich in der Nacht sah, der mir diesen Jüngling übergab“/σὺ εἶ ὃν εἶδον ἐν νυκτὶ παραδιδόντα μοι τὸν νεώτερον τοῦτον). Denn den Apostel gesehen hatte sie, wie wir festgestellt haben, im Traum. Wann aber hat das Übergeben des Jünglings stattgefunden? Da sich παραδιδόντα als Partizip zu εἶδον wohl im Sinne der Gleichzeitigkeit verhält, müsste das Übergeben also im Traum vor sich gegangen sein. Danach hätte das Aufrichten stattgefunden. Das o.g. Partizip ἐπιθείς markiert möglicherweise den Übergang zwischen Traumsehen und Wachzustand. Wir kommen an dieser Stelle mit unseren Überlegungen nicht wesentlich weiter. Deutlich ist, dass die Abfolge der Geschehnisse verschwimmt und dass der Verfasser sich offensichtlich auch nicht veranlasst sah, diese klarer zu differenzieren.

2.1.7.3 Zusammenfassung Traumstellen in den ActThom finden sich in den Kapiteln 29; 91 f sowie 154 f. Besonders bedeutsam ist dabei der Traum des Charîs und die Sequenz um das Anziehen seiner Schuhe, wobei die erotisch konnotierten Traumsymbole (Adler, Rebhuhn, Taube und Turteltaube) auffallen. Das Motiv des Herzutretens im Traum findet sich in den Thomasakten ebenso wie die Traumkategorie der göttlichen Handlungsanweisung. Die enkratitische Prägung tritt immer wieder besonders hervor. In Kap. 88 begegnet zudem die Übertragung des

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Begriffs κοινωνία von der ehelichen sexuellen Gemeinschaft hin auf das Verhältnis zwischen Mensch und Christus. Es sind vor allem Frauen, die sich bekehren und daraufhin der ehelichen Sexualität entsagen, was letztlich zum Martyrium des Thomas führt (Kap. 163; 168). Vazan ist mit seiner Frau zwar eine Ausnahme, aber hier ist die sexuelle Abkehr nicht notwendig – beide leben von Anfang an keusch miteinander, so als ob sie schon lange geahnt hätten, dass der Apostel Thomas mit seiner enkratitischen Predigt eines Tages erscheinen würde. Wichtige Vokabeln sind: ὄνειρος, ὄναρ, ἵστημι, ὁράω und εἶδον.

2.1.8 Barnabasakten271 2.1.8.1 Kurze Einführung in die Schrift Der volle Titel der Akten lautet Περίοδοι καὶ μαρτύριον τοῦ ἁγίου Βαρνάβα τοῦ ἀποστόλου. Anders als die meisten anderen Apostelakten legen die ActBarn wenig Wert darauf, ihre Leser zu erbauen und zu unterhalten. Das Ziel, das sie verfolgen, ist kirchenpolitischer Natur. Sie wollen das Streben der zyprischen Kirche nach Autonomie unterstützen. Auf dem Ephesinischen Konzil 431 stritten das Antiochenische Patriarchat und leitende Geistliche Zyperns um die Frage, ob die zyprische Kirche ihre Bischöfe selbst weihen dürfe. Dieses Streben nach Unabhängigkeit führte zu der Erlaubnis der eigenen Weihe durch Kaiser Zeno Ende des 5. Jh. Im Hintergrund dieses Streits stand die sog. Apostolizitätsfrage, also die Bestätigung der Autorität einer Kirche nicht nur aufgrund ihrer Gründung durch einen Apostel, sondern auch durch den Besitz eines Apostelgrabes. Um ein solches nachzuweisen, entstanden die ActBarn vermutlich im ausgehenden 5. Jh.272 Die Schrift gibt vor, von Johannes Markus (vgl. Kol 4,10) zu stammen. Zypern ist nach Apg 4,36 die Heimatinsel von Barnabas. Trotz der Tatsache, dass Barnabas nicht zum Zwölferkreis zu zählen ist, erhält er, da er mit Paulus unterwegs war, wie dieser die Bezeichnung als Apostel.273 In Wirklichkeit ist der Autor ein uns unbekannter Bewohner Zy271 Als Literatur zur Figur des Barnabas sei genannt: Gewalt, Art. Barnabas, 744 ff; Öhler, Barnabas. Die historische Person; ders., Barnabas; Kollmann, Barnabas. Zur Einführung in die Akten s. Lipsius, Apostelgeschichten, 270–297; Norelli, Actes, 619–628. Zu den Wundererzählungen in den Barnabasakten s. Dronsch, Streetworker, 976–983; Poplutz, Wettlauf, 984–992. S. auch Czachesz, Commission, 184–207. 272 de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 421; Lipsius, Apostelgeschichten, 290. „Die Schilderung des Begräbnisses (ActBarn 24) setzt unverkennbar die in das Jahr 488 n. Chr. fallende Entdeckung des Barnabasgrabes mit den Reliquien des Apostels und dem von ihm benutzten Matthäusevangelium voraus. Wahrscheinlich sind die Barnabasakten bald nach diesem Fund im ausgehenden 5. Jh. entstanden.“ (Kollmann, Barnabasakten, 973). 273 Klauck, Apostelakten, 254.

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perns, der die Geographie der Insel sehr gut kennt. Er setzt Apg 13,4–13 voraus und entfaltet die kurze Notiz 15,39 zu einer breiten Erzählung.274 Die Akten beginnen mit einem Proömium (Kap. 1–4), in welchem der Verfasser autobiographische Notizen anführt. Er habe ursprünglich Johannes geheißen und sei Diener von Kyrillos, dem Zeuspriester gewesen, bis ihn Paulus, Silas und Barnabas in Ikonion getauft hätten. Kapitel 5–10 erzählt die erste paulinische Missionsreise und den Bruch im Missionsteam zwischen Paulus und Barnabas, wobei sich der Verfasser an die Schilderung der Apg anlehnt, aber auch Veränderungen bzw. Erweiterungen vornimmt. ActBarn 11–24 beschreibt dann schließlich ausführlich die zweite Mission Zyperns durch das neue Missionsduo Barnabas und Markus. Ständiges Thema ist dabei die Auseinandersetzung mit heidnischen Kulten vor Ort sowie den Juden der Insel, welche durch Barjesus275 gegen das Missionsteam aufgebracht werden (vgl. Apg 13,6–12). Die Stationen auf der Insel sind: Krommyakites – Lapithos – Lampadistos – Tamassos – Palai-Paphos – Kourion – Amathus – Kition – Salamis.276 Schließlich erleidet Barnabas den Märtyrertod in Salamis, wo seine Asche bestattet wird. Dieser wird kurioserweise ein Exemplar des MtEv beigegeben, mit dessen Hilfe Barnabas viele Heilungen auf der Insel gewirkt hatte.277 Die Kapitel 25 f bilden das Ende der Akten: Markus und seine Mitarbeiter werden von den Juden verfolgt und entkommen per Schiff nach Alexandria, wo Markus weiter predigt und missioniert.278 Überliefert sind die Akten auf Griechisch279, Lateinisch280 und Altslawisch281.

274 de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 421. 275 S. dazu Frenschkowski, Magie, 212 f. 276 Kollmann, Barnabasakten, 969; 971. Gemäß dem o.g. kirchenpolitischen Zweck, den die Akten verfolgen, bereist Barnabas die gesamte Insel, wobei alle Bischofssitze, die zur Abfassungszeit existierten, berücksichtigt werden, a. a. O., 973. Zur Topographie in den Barnabasakten s. Pilhofer, Segeltouren, 192–210. 277 de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 421; Kollmann, Barnabasakten, 972. 278 A. a. O., 970. 279 Bei Bonnet (Hg.), Acta, 292–302, der sechs verschiedene Textzeugen verwendet und die lateinische Version berücksichtigt, de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 422. Die Ausgabe von Bonnet liegt allen im Folgenden aufgeführten griechischen Zitaten und deutschen Übersetzungen zugrunde. 280 Hier existieren mehrere Zeugen, die entweder wie die griechische Version das Wirken des Barnabas auf Zypern schildern (BHL 1, 983), oder aber diesen Bericht mit Erzählungen vom Wirken des Apostels in Rom und Mailand kompilieren (BHL 1, 985). Allen lateinischen Zeugen ist eine starke Exzerpierung eigen, de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 422. 281 Ein wichtiger Textzeuge ist der Codex Nr. 164 (Bukarest) aus dem 15. Jh. (ediert 1907 von Kaluzˇnjackij), de Santos Otero, Jüngere Apostelakten, 422. Für weitere Hss. s. de Santos Otero, Überlieferung, Bd. 1, 136 f.

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2.1.8.2 Traumstellen in der Schrift Wir befinden uns am Anfang der Akten. Markus, der „offizielle“ Verfasser der Schrift, wurde gerade getauft und empfängt danach ein Gesicht (hier spricht nichts für einen Traum – εἶδον ἐν ὁράματι…), in dem ein weiß gekleideter Mann ihm den neuen Namen Markus gibt und ihn initiiert (Kap. 3). Er ist davon so erschrocken, dass er zu Barnabas eilt und ihm davon erzählt. Dieser ermahnt ihn, über das Gesehene zu schweigen und erzählt, dass er in dieser Nacht ebenfalls etwas gesehen habe (Kap. 4). Nun heißt es in Kap. 4 f (P.E.): „Und diese Nacht trat nämlich der Herr zu mir282 und sprach: ,Sei guten Mutes! Wie du nämlich dein Leben283 gegeben hast für meinen Namen für das Sterben und Ausgeschlossensein aus deinem Volk, so wirst du auch vollkommen werden. Und ferner, den Diener, der mit euch ist, nimm ihn auch mit dir, denn er hat einige Geheimnisse. Nun, jetzt mein Kind, bewahre für dich das Gesagte, was du gesehen und gehört hast,284 bis eine Zeit kommt, dich zu offenbaren285.‘ Ich blieb aber, nachdem ich in diese (Dinge) von ihm unterwiesen wurde, viele Tage in Ikonion.“

Von dort aus geht es dann weiter über Seleukia in Pamphylien Richtung Zypern (Kap. 5). Eine geheimnisvolle, apokalyptische Stimmung umgibt diesen Bericht, unterstrichen durch das gebrauchte Vokabular: τελειωθήσῃ (das Futur weist auf Kommendes hin), μυστήρια, καιρὸς μέλλει (das Präsens drückt das schon Beginnende aus), ἀποκαλύψαι. Leider wird wiederum nicht deutlich, ob ein wirklicher Traum vorliegt. Es ist zumindest denkbar. In der Erscheinung bekommt Barnabas auch Anweisungen Markus betreffend: Er soll ihn begleiten. Nach Philo liegt hier ein Traum der Kategorie 1 vor: Gott spricht direkt zum Träumenden (wenn es sich um einen Traum handelt), der Inhalt ist direkt einsichtig, wenn auch einzelne Aspekte undeutlich bleiben, etwa die Geheimnisse des „Dieners“. Die Kategorie des Herantretens im Traum findet sich hier ebenfalls. Wir gehen zu Kap. 7. Markus befindet sich zusammen mit Barnabas und Paulus in Antiochia. Paulus ist über Ersteren erzürnt. Grund dafür ist, dass Markus so lange in Pamphylien geblieben war. Markus tut Buße Paulus gegenüber. Als es Zeit wird, die weiteren Reiserouten zu planen und aufzubrechen, kann sich das Missionsteam nicht recht einigen. Paulus empfängt in dieser Situation einen Traum mit Weisungen (P.E.): „Paulus aber sah im

282 κἀμοὶ γὰρ τῇ νυκτὶ ταύτῃ παρέστη ὁ κύριος. 283 Eigentlich: τὴν ψυχήν σου, aber eine Übersetzung mit „Seele“ scheint hier nicht das Gemeinte zu treffen. 284 τὰ ῥήματα ἃ εἶδες καὶ ἤκουσας. 285 Möglich wäre auch: „für dich, um zu offenbaren.“

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Schlaf 286 ein Gesicht287, dass er nach Jerusalem eilen soll, weil ihn die Brüder dort erwarteten.“ Hier liegt ein interessanter Befund vor: ein eindeutiger Traum, bezeugt durch die Bemerkung „im Schlaf“, aber gebraucht wird nicht der Begriff ὄναρ, sondern ὅραμα. Es wird dadurch deutlich, dass ὅραμα ebenfalls verwendet werden kann, um einen Traum zu bezeichnen. Wenn der Zustand des Schlafes beschrieben wird, bezeichnet „Traum“ das Setting, „Gesicht“ aber den Inhalt desselben. Es handelt es sich um einen Traum der ersten Kategorie Philos. Im Schlaf ergehen Handlungsanweisungen für die nächste Zukunft, auch hier wieder ohne Umschweife oder phantasievolleres Ausschmückungswerk. Der Traum muss nicht gedeutet werden – die in ihm transportierte Information ist klar und sofort einsichtig. Höchst aufschlussreich ist es, dass in der Situation des Streites über den weiteren Verlauf der Mission ausgerechnet ein Traum den zu gehenden Weg weist. An dieser Stelle wird Träumen eine exponierte Stellung eingeräumt. Das Unbewusste ergänzt die (bewussten) Emotionen und die Situation des Tages. Des Nachts wird der Weg für den nächsten Tag aufgezeigt. Neurowissenschaftlich ist heute weitestgehend Konsens, dass im Traum bestehende (besonders emotionale) Konflikte des Tages bearbeitet und für bestehende Probleme im Gehirn durch das Träumen Lösungen gesucht werden (s. dazu im zweiten Teil der Arbeit). Genau dies wird hier klar demonstriert. Zwischen den Missionaren herrscht Streit, Uneinigkeit und Ärger. Der Traum bietet einen Lösungsansatz für das Problem. Barnabas drängt Paulus, erst nach Zypern zu gehen und nach dem Winter nach Jerusalem zum Fest zu ziehen. Großer Streit bricht zwischen ihnen aus, dramatische Szenen folgen. Paulus weigert sich, Markus weiter mitzunehmen, es kommt zur Trennung. Barnabas nimmt Markus, im Einverständnis mit Paulus, mit sich (Kap. 7 f). Das Szenario ist hinlänglich bekannt aus der Apg (15,39), an der sich die Akten ja orientieren. Während Paulus und Barnabas voneinander Abschied nehmen, fällt Letzterer Paulus zu Füßen, weint und äußert, dass er ihn nie wieder sehen werde (Kap. 9). Paulus spricht dann von einer (erneuten?) nächtlichen Erscheinung (Kap. 10; P.E.): „Paulus aber sprach zu ihm: ,Zu mir trat aber diese Nacht der Herr und sprach: ›Bedränge Barnabas nicht, nicht nach Zypern zu gehen. Dort nämlich ist ihm bereitgemacht, viele zu erleuchten. Und du aber, in der Gnade, die dir gegeben ist, reise nach Jerusalem, um an dem heiligen Ort anzubeten; dort wird dir gezeigt werden, wo dir das Martyrium bereitet worden ist.‹‘“

Barnabas nimmt Markus zu sich und daraufhin beginnt die getrennte Missionsreise; die nächste Station ist Laodizea (Kap. 11). An dieser Stelle ist unklar: Ist hier von einem neuen Traum bzw. einer neuen Erscheinung die Rede? Verfolgt man den Handlungsverlauf seit dem letzten 286 καθ’ ὕπνον. 287 ὅραμα.

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Traum, ist keine zeitliche Lücke für eine weitere Nacht (mit Traum bzw. Erscheinung) auszumachen. Andererseits wirkt doch das, was Paulus nun nächtlich mitgeteilt wird, aktualisierend auf den Streit um den richtigen, weiteren Weg: Paulus soll Barnabas nicht zwingen, auf Zweiteren warten auf Zypern Aufgaben. Im Zuge dessen ist das Geschehnis, das nicht explizit als Traum definiert ist (trotz der Information, dass es in der Nacht geschah), als weiterer Traum in Analogie zum ersten zu verstehen. Hervorzuheben ist, dass auch hier durch einen Traum die Zukunft angekündigt wird und Anweisungen für die nächste Zeit gegeben werden: die Reise nach Jerusalem und die Ankündigung des paulinischen Martyriums. Die Barnabasakten setzen, wie wir gesehen haben, die Apg und, davon ist auszugehen, auch die Paulusakten voraus und so ist das ποῦ in Kap. 10 nicht auf Jerusalem als Martyriumsort zu beziehen, sondern auf den Ort, der ihm in Jerusalem gezeigt werden wird – Rom. Da der Ort des Todes aber nicht explizit gesagt, sondern nur angedeutet wird, haben wir wieder, wie im ersten Traum der Akten, ein Element, das trotz der Klarheit des Trauminhaltes nicht gelüftet wird. Wie in den Andreasakten wird auch hier der Tod eines Apostels im Traum angekündigt. Auffällig ist, dass die Formulierung in Kap. 10 (κἀμοὶ τῇ νυκτὶ ταύτῃ παρέστη ὁ κύριος) genauso lautet wie in Kap. 4.288 Auch hier taucht das Motiv des Herantretens auf. Falls es sich, wovon wir wie gesagt ausgehen, um einen Traum handelt (was dem Verfasser offenbar nicht wichtig war, herauszuarbeiten), handelt es sich um einen der Kategorie 1 nach Philo; wieder ist der Traum ohne Deutung zu verstehen. Erklärbar wird die ungenaue Formulierung aber anhand der Orientierung des Autors an der Apg. So übernimmt er vor allem Apg 16,4 als Folie. Dass der Tod im Traum angekündigt wird, wundert in tiefenpsychologischer Hinsicht nicht. Wenn man den Tod (auch wenn diese Formulierung etwas pathetisch klingen mag) als Eintauchen in einen Bereich eines großen Unbewussten (Jung nennt dies das „kollektive Unbewusste“289, also ein Bereich des Unbewussten, den alle Menschen miteinander teilen) verstehen will, so ist es nur folgerichtig, dass sich dies im unbewussten Zustand des Träumens offeriert. 2.1.8.3 Zusammenfassung Drei wichtige Stellen bieten die Barnabasakten, die das Verhältnis von Paulus, Barnabas und Johannes Markus thematisieren. Ein Mal wird eindeutig von einem Traum gesprochen. Jedes Mal werden göttliche Anweisungen gegeben. Das Motiv des göttlichen Herzutretens taucht ebenfalls auf, es liegt jeweils die erste Traumkategorie nach Philo vor. Die Träume sind klar und verständlich, 288 In Kap. 4 ist allerdings noch ein γάρ eingefügt. 289 S. dazu Jung, Begriff des kollektiven Unbewußten, 53–64. Zur Einführung s. von Heydwolff, Art. Unbewußtes, kollektives, 742.

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beinhalten aber z. T. „geheimnisvolle“ Andeutungen, die im Traum noch nicht offenbar werden. Die angespannte Situation der Missionare im Miteinander korreliert mit den empfangenen Träumen, in denen Lösungsangebote für die Konflikte erarbeitet werden. Auffällig ist, dass, wie in den Andreasakten, ein Martyrium (in dem Falle das des Paulus) im Traum angekündigt wird. Zu erwähnende Vokabeln sind: παρίστημι, εἶδον und ὅραμα. 2.1.9 Philippusakten 2.1.9.1 Kurze Einführung in die Schrift290 Im Neuen Testament werden zwei verschiedene Personen291 dieses Namens genannt: Philippus aus dem Kreis der zwölf Apostel (Mk 3,18; Lk 6,14; Mt 10,3; Joh 1,43–46; 6,5 ff; 12,21 f; 14,8 ff; Apg 1,13) und der Diakon bzw. Evangelist (Apg 6,5; 8,5–40; 21,8). Da die Akten (1,1)292 aber eindeutig den Aposteltitel anführen, ist jedenfalls der erstgenannte Philippus die Hauptfigur.293 Nach Euseb, h.e. III 31,3, befindet sich sowohl die letzte Wirkstätte als auch das Grab des Apostels in Hierapolis.294 Nach dem Decretum Gelasianum (Ende des 5. Jh.) wurde die Schrift zu den Apokryphen gezählt.295 Die ActPhil hielt man größtenteils für verschollen, bis auf die Handschrift Vaticanus graecus 824, welche die ersten neun Kapitel sowie eine erweiterte Fassung des Märtyrertodes des Philippus bietet. Die Edition der Akten durch Bonnet296 fußt auf diesem Überlieferungsstand. Für eine Sensation sorgte der Fund Bovons 1974, der in einem griechischen Kloster die Handschrift Xenophontos 32 fand und veröffentlichte. Die Zusammenstellung der beiden Haupthandschriften sowie weiterer kleinerer Fragmente hat eine mehrheitlich komplette Fassung297 der Akten zum Resultat. Der Zeitpunkt der Abfassung bzw. der finalen Redaktion wird um die Jahrhundertwende vom 4. zum 5. Jh. n. Chr. vermutet. Als Entstehungsort gilt Phrygien (Hierapolis?).298 290 Ausführlich Bovon/Matthews, Acts, 1–30. S. auch Czachesz, Philippusakten, 919–926. Als Sekundärliteratur seien genannt Matthews, Adler, 927–934; ders., Evangelium, 953–958; Snyder, Wunder, 935–952. 291 Als Literatur sei genannt: von Dobbeler, Philippus; Matthews, Philip. Zur Philippusrezeption in der Spätantike s. Bovon/Matthews, Acts, 9–14. 292 Nach der Zählung a. a. O. 293 Anders Plümacher, Art. Philippusakten, 1282. 294 Bovon/Matthews, Acts, 10. 295 S. von Dobschütz, Decretum Gelasianum, 50, vgl. a. a. O., 11; 72; 83. S. auch Schneemelcher, Haupteinleitung, 30–33. 296 Bonnet, Acta, 1–98. 297 Bovon u. a. (Hg.), Acta Philippi. Alle im Folgenden zitierten Ausschnitte stammen aus dieser Ausgabe. Sie liegt auch den angeführten deutschen Übersetzungen zugrunde. 298 Klauck, Apostelakten, 240 f; Czachesz, Philippusakten, 919.

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Inhaltlich ist die Schrift ähnlich den bisher betrachteten Akten aufgebaut. Philippus zieht durch ein großes Missionsgebiet; Stationen sind Galiläa, Athen, Kleinasien und Parthien (wo er Petrus und Johannes trifft). Zeichen und Wunder (so z. B. eine Totenauferweckung durch Philippus in 6,20, ein sprechender Leopard in 8,16 und ein erfolgreicher Kampf gegen einen Drachen299 samt Brut in 9) schmücken die Erzählung in gewohntem Stil aus. Das Ende bildet schließlich das sehr spektakulär dargestellte Martyrium des Apostels und seine Auferstehung (Mart. 19–42).300 Die Akten sind stark asketisch-enkratitisch ausgerichtet,301 allerdings variiert die Strenge der Forderungen in den einzelnen Abschnitten der Schrift. Die Kap. 3–7 weisen dabei einen besonders ausgeprägten Hang zur Askese auf, der „über die Obsession durch die Sexualität hinausreich[t] und Kleidung, Nahrung, Besitz und Gesellschaftsstruktur betr[ifft].“302 In wissenschaftlicher Hinsicht wird, auf Grundlage von Lk 14,33, die Bezeichnung „Apotaktiker“ gebraucht. Dieselben gehören wohl in das Phrygien des 4. Jh.303 „Mit hoher Wahrscheinlichkeit vernehmen wir in unserem Text die Stimme dieser von der Kirche marginalisierten Gruppe, die um ihr Überleben kämpft.“304 2.1.9.2 Traumstellen in der Schrift305 In Kap. 13 gelangt Philippus mit seinen Begleitern nach Hierapolis, der Stadt der Schlangen.306 Einige Bewohner, die um die Stadt patrouillieren, tragen Schlangen auf den Schultern. Zwei Drachen bewachen den Stadteingang. In der Stadt stößt der Missionstrupp auf eine Krankenstation, in der sich kein Arzt mehr befindet. Philippus sagt zu seiner Begleiterin Mariamne, dass dieser Ort für sie von ihrem Herrn vorbereitet worden sei. Sie mögen sich in dem „Krankenhaus“ einrichten und für die Kranken sorgen, bis sie den weiteren göttlichen Plan erkennen würden. Ein Dankgebet des Philippus (13,5) schließt das Kapitel ab. Der erste „Patient“ ist der reiche Nachbar Stachys, der seit 299 Vgl. zum Thema Merkelbach, Art. Drache, 226–250. 300 Das Martyrium ist verschieden überliefert; hier angegeben nach Vaticanus graecus 824, s. dazu Bovon/Matthews, Acts, 94, Anm. 71. Ein ausführlicher Überblick über die einzelnen Kapitel findet sich a. a. O., 16–26. 301 S. besonders ActPhil 5,5. 302 Klauck, Apostelakten, 249. S. etwa ActPhil 15,3. Eine besondere Rolle bei der sexuellen Askese spielt dabei der Begriff ἁγνεία, Bovon/Matthews, Acts, 27. 303 Klauck, Apostelakten, 249 f. 304 A. a. O., 250. Vgl. Czachesz, Philippusakten, 919. 305 Zum Abschnitt (ActPhil 14,1–7) s. Matthews, Stachys, 959–965. 306 Auch in den Thomasakten spielt das Motiv der Schlange eine wichtige Rolle. Vgl. hierfür Adamik, Serpent, 115–124. Adamik nimmt, a. a. O., 123 f, Bezug auf Merkelbach, Art. Drache, 247, welcher die Schlange in den Apostelakten als „symbol of sexual desire“ deute. Adamik, Serpent, 124, versteht die Funktion dieses Symbols aber als „more complex“ (mit Verweis auf Vielhauer, Geschichte, 712). Zu Träumen mit Schlangen aus tiefenpsychologischer Sicht s. Schweizer, Schlangenträume, 137–174.

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vierzig Jahren blind ist. Er hört den Apostel reden und erkennt, dass er sich von ihm Hilfe bezüglich seiner Blindheit erhoffen kann. So bittet Stachys seine Kinder, ihn zu den Fremden zu bringen (14,1). Dies geschieht, und der Kranke bittet, den Missionaren zu Füßen liegend, um Heilung und spricht (14,2; P.E.): „Seht, seit drei Tagen habe ich nämlich Träume307 und erblicke Sonderbares, obwohl ich vierzig Jahre das Licht der Sonne nicht geschaut habe.“ Stachys erzählt, dass er vor seiner Erkrankung ein Christenverfolger gewesen sei und als Priester für den hiesigen, breit frequentierten Schlangenkult gearbeitet habe (14,2). Nun berichtet er von einer Tagesvision, die er, als er darnieder lag, mit offenen Augen sah: Aus Schlangeneiern schlüpfte Schlangennachwuchs. Die Schlangen für Götter haltend, erhoffte er sich vom Inhalt der Schlangeneier eine medizinische Wirkung gegen seine Blindheit und gab denselben auf seine Augen,308 wodurch sich sein Zustand für eine Dauer von zehn Jahren aber nur noch verschlimmerte. Seine Frau, die damals noch lebte, habe ihm daraufhin täglich lindernden Pflanzentau von einem Berg für seine Augen gebracht, bis sie dort eines Tages von einem sehr großen wilden Tier verwundet wurde und in Ermangelung eines Arztes daran starb. Stachys klagt ob seinem Unvermögen zu sehen (14,3). Nun sagt er zu Philippus (14,4; P.E.): „Ich bitte nun dich, Mann Gottes, mich zu heilen von dieser meiner Pein, und ich werde durch euch an Gott glauben, denn meine Vision309 ist wahr. Denn ich sah mich, mit einem Tuch gebunden über meine Augen. Der aber, dem ich diene, ist selbst der, der mein Angesicht verhüllt, und mich hindert, das Licht zu sehen. Es rief mich aber eine Stimme und sprach: ,Stachys, komm zum Stadttor und du wirst dort den Arzt finden, und er wird dir das Licht verschaffen. Und dann wirst du erkennen, dass der, dem du dienst, der Teufel ist.‘ Ich aber ging zu dem Ort des Tores, und als ich mit meinen Augen aufblickte, sah ich die Gleichartigkeit eines schönen jungen Mannes, der drei Gesichter hatte. Das eine Gesicht hatte die Gestalt eines jüngeren Mannes, der noch keinen Bart trug. Und das mittlere Gesicht hatte die Form einer Frau, die ein herrliches Kleid angelegt hatte. Das dritte Gesicht aber hatte die Form eines alten Mannes. Und ein Wasserkrug war auf der Schulter des jungen Mannes, eine Fackel aber hatte die junge Frau in ihrer Hand, und meine Augen wurden gefüllt mit Licht durch jene Fackel, und alle, die in der Stadt waren, kamen und wurden getauft von dem jungen Mann, der den Wasserkrug trug. Und die Leiber der Getauften wurden weiß wie die weißen Zweige der Dattelpalmen. Ich sah diesen Traum310 drei Mal311 in derselben Weise. Ich bitte euch nun, haltet nicht zurück die Heilung des Menschen, dessen Seele in der Blindheit verweilt. Ich glaube nämlich, dass Gott der ist, der sich mir offenbart hat. Eure Hilfe nun geschehe gegen mich, damit ich wieder sehend werde.“

307 308 309 310 311

ὀνείρους. Vgl. Tob 6,9; 11,8.11 und Matthews, Stachys, 963. ὅραμα. ὄνειρος. Eigentlich τρίτον.

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Die Reaktion des Apostels ist ein Christuslob, das sich zum trinitarischen Lob steigert. Jesus sei der Hirte, Philippus und sein Team seien die vom Hirten ausgeschickten Schafe. Der Apostel dankt Jesus für seine wunderbare und sorgende Führung, die sie genau an diesen Ort, zu diesen Menschen gebracht habe. Gott der Vater sei in drei vollkommenen Formen mit ihnen (14,5). Philippus ergreift Stachys mit der Rechten und sagt zu ihm, dass er sich an ihn anhangen soll. Durchaus doppeldeutig formuliert der Apostel, dass es Stachys’ Unwissenheit312 gewesen sei, die ihn in seiner Blindheit habe bleiben lassen. Was er gesehen habe, sei wahr (14,6; P.E.): „Du mögest es nicht einen Traum313 nennen, denn Träume314 sind nur ungeheuerliche Erscheinungen, Götterzeichen (und) Wunder, die Vision315 selbst jedoch stammt vom Heiligen Geist.“ Es sei der Satan gewesen, in dessen Machtbereich der Erkrankte gestanden habe. Der νοῦς werde durch den Satan in Finsternis gebracht (was der Blindheit des Stachys entspricht). So könne die himmlische Doxa nicht geschaut werden. Kern der Dunkelheit seien Vergessen und Unwissenheit, die zu Verderbtheit, Unzucht, Götzendienst, aggressiven Gefühlen und Verleumdung führten. Der Apostel fordert den Priester zur Erkenntnis auf: Gott rufe ihn und wolle ihm wirkliches Licht (im Sinne von Heilung und wahrer Gotteserkenntnis) schenken. Dieses Licht werde Stachys offenbaren, dass er bisher dem Satan gefrönt habe, dem er seine Blindheit (und innere Dunkelheit) zu verdanken habe (14,6). Nun folgt ein interessanter (wenn auch lückenhafter) Schluss des Absatzes (14,7; P.E.): „Und nachdem er ihn nahe zu sich gezogen hatte, streckte er die Hand aus und tauchte seinen Finger in den Mund der Mariamne und beschmierte […]316 und er veranstaltete ein großes Mahl für sie und kochte für sie eine Suppe von den Herdentieren des Feldes und filterte guten Wein317 für sie.“

Nun spricht sich das Wunder in der Stadt herum und lockt eine große Menschenmenge an. Weitere Heilungen finden statt (14,8). Das Kapitel endet mit einer großen Taufe durch Philippus und Mariamne; in 14,9 heißt es, dass der Leopard und das Lamm das Amen aussprachen. Zunächst fällt auf, dass (wieder) eine Indifferenz der Begriffe Traum und Vision zu beobachten ist. Ὄνειρος wird drei Mal gebraucht (14,2.4.6), ὅραμα zwei Mal (14,4.6). Stachys benutzt beide Ausdrücke für dasselbe Geschehen (14,4); Philippus aber stellt die Vision höher als den Traum und will das von Stachys Gesehene auch als solche verstanden wissen (14,6), mit dem Hinweis, dass das Gesehene wahr sei, und der etwas seltsamen Begründung: „Du mögest 312 313 314 315 316

ἄγνοια. ὄνειρος. ὄνειροι. ὅραμα. An dieser Stelle erfolgt die Anmerkung der Herausgeber: „The length of the lacuna here is one folio (two sides of a page).“ (Bovon/Matthews, Acts, 91, Anm. 64). 317 Anders ActPhil 15,3. Eine weitere positive Erwähnung des Weines findet sich in 15,5.

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es nicht einen Traum nennen, denn Träume sind nur ungeheuerliche Erscheinungen, Götterzeichen (und) Wunder, die Vision selbst jedoch stammt vom Heiligen Geist.“ Wahrheit und Traum werden hier gegeneinander gestellt, Zweiterer wird also negativ bewertet (auch wenn Träume als Wunder bezeichnet werden). Das von Stachys Erlebte ist eine Vision, die ihre Bedeutung darin hat, dass sie vom Heiligen Geist stammt. „Traum“ ist hier, wie schon oben festgestellt, die Hülle und der Umstand, in dem eine Vision (= Inhalt) empfangen wird. Philippus wertet den Traum per se deshalb ab, weil er sichergehen will, dass Stachys die Wichtigkeit und die göttliche Autorität hinter dem Geschauten erkennt. Schauen wir uns den Traumbericht genauer an. Stachys, ehemaliger Christenverfolger und reicher, hochrangiger Kultbeamter, ist seit vierzig Jahren blind. Er hört vom Tun des Apostels Philippus und bittet ihn um heilende Hilfe (14,1). Er erklärt, er habe drei Mal geträumt und erstaunliche Dinge gesehen – trotz seiner Blindheit (14,2). Nun folgen zwei Berichte des Kranken: 14,3 und 14,4. Welchen Bericht Stachys genau meint, ist nicht völlig klar. Die Ereignisse in 14,3 „sieht“ er mit offenen Augen, d. h. er befindet sich im Wachzustand, auch wenn er selbst im Bett liegt. Er erkennt Schlangeneier, aus denen neugeborene Schlangen kriechen. Er beschließt, Flüssigkeit aus den Eiern auf seine Augen aufzutragen; diese entzünden sich aber und alles wird nur schlimmer. Unklar ist, ob sich das Stichwort ὅραμα in 14,4 (auch) auf die Vision in 14,3 bezieht. Ferner bleibt ungeklärt, warum Stachys der Vision Dinge (Flüssigkeit der Schlangeneier) entnehmen und auf seine Augen auftragen kann. Im zweiten Abschnitt (14,4) werden, wie schon gesagt, die Begriffe für Traum und Vision parallel gebraucht. Stachys sieht sich selbst mit einem um seine Augen gebundenen Tuch, dem Zeichen seiner Blindheit, die wiederum Symbol der Blindheit seiner Seele gegenüber der wahren Gotteserkenntnis ist. Er soll zum Stadttor kommen, wo er Heilung finden und erkennen werde, dass er bisher dem Teufel gedient habe. Er geht wie befohlen und sieht (!) das Bild eines schönen jungen Mannes mit drei Gesichtern. Das erste Gesicht ist das eines jungen Mannes, der noch keinen Bart trägt. Das zweite Gesicht zeigt eine Frau in einem herrlichen Gewand, das dritte einen alten Mann (eigentlich sieht er also nicht drei Gesichter, sondern drei Gestalten). Der junge Mann trägt einen Wasserkrug auf seiner Schulter; die junge Frau trägt eine Fackel, die Stachys’ Augen mit Licht erfüllt. Die Stadtbewohner werden von dem jungen Mann getauft, die daraufhin weiß wie Äste einer Palme werden. In den drei Gestalten scheint sich trinitarisches Gedankengut zu spiegeln, die Frau könnte mit der Figur der Sophia identifiziert werden.318 Letzteres ist insofern von Bedeutung, als dass (neben der Äthiopierin in ActPetr 22) hier erneut eine weibliche Gestalt im Traum begegnet, und diesmal mit positiver Konnotation. Die bisher v. a. männlich dominierten Träume in den Apostelakten werden so 318 So auch Klauck, Apostelakten, 247. S. zur Sophia v. a. Spr 1–9; Sir 24; SapSal 7,21–8,3.6.9; 9,4. S. dazu auch Maier, Art. Weisheit.

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durch ein weibliches Gegengewicht – zumindest ein Stück weit – ergänzt. Wichtiger ist aber, dass sich an dieser Stelle in den Philippusakten ein weiblichgöttlicher Anteil im Traum offenbart.319 Dem Trauminhalt bzw. seinen Symbolen kann und soll an dieser Stelle nicht tiefer nachgegangen werden.320 Stachys sieht den Traum drei Mal auf dieselbe Weise (14,4). Er erkennt, dass sich ihm der Gott des Apostels offenbart hat. Erwähnenswert ist außerdem die doppeldeutige Notiz des Philippus in 14,6, dass Gott Stachys das wahre Licht geben würde. Wird dem Erkrankten also in 14,4.6 das göttliche Licht angekündigt bzw. verheißen, ist die Kernaussage der Tagesvision in 14,3 (anhand des Auftragens der Schlangenflüssigkeit, die die Situation nur verschärft) die, dass die kultische Verehrung von Göttern abseits des christlichen Gottes zur Blindheit führe.321 Nach Philo könnte man das Traumerleben am ehesten in die zweite Kategorie einordnen. Gott schickt eine Botschaft, deren Sinn dem Empfänger aber erst allmählich (Stachys muss ihn drei Mal empfangen!) deutlich wird. Kurz erwähnt sei noch das nächtliche Gebet der schönen Nicanora, der Frau des bösen Tyrannognophos, in 15,7, das – leider liegt hier ein Blattverlust vor322 – offensichtlich eine nächtliche Erscheinung Jesu zur Folge hatte (dies lässt sich aus der anschließenden Rede ihres Mannes an sie und der Notiz ὑπάρχουσιν, διὰ γὰρ τοῦτο ὁραματίζῃ entnehmen [15,7]). Ein Hinweis auf einen Traum findet sich hier aber nicht.

2.1.9.3 Zusammenfassung Im Mittelpunkt der Träume in den Philippusakten steht der Schlangenpriester Stachys und seine Heilung. Mehrere Elemente erinnern an Apg 9: Ein Christenverfolger wird blind (wie Saulus); er hört die Gottesstimme, die ihm bezüglich seiner Genesung Anweisungen erteilt; von einem Christen (wie Ananias), hier sogar Apostel, wird ihm Heilung zuteil. Stachys sieht ferner einen Traum, der drei Mal wiederkehrt. Dieser bildet einen jungen Mann mit drei Gesichtern ab. Augenscheinlich wird hier auf die Trinität angespielt, wobei das mittlere Gesicht das einer Frau ist. Hier ist an eine Verkörperung der Sophia zu denken, die im AT eine der Wesenheiten Gottes darstellt. Der Traum des Stachys hat die Funktion, ihn aus seiner vierzigjährigen 319 Nicht zuletzt hat C.G. Jung das Dogma von der Assumptio Mariae, das 1950 von Papst Pius XII. erlassen wurde, als Ereignis von höchstem religiösen und psychologischen Rang gewertet. Er verstand es als Ergänzung der Trinität zu einer Quaternität, in welcher nunmehr ein weiblicher Teil vertreten sei, Wehr, Geheimnis, 127. Das bedarf sicher der Diskussion, die an dieser Stelle aber nicht geführt werden kann. 320 Klauck, Apostelakten, 247, meint zum Traum, er „spielt auf Inkubationsriten an, die, aus dem Asklepioskult bekannt, auch in dieser Stadt geübt wurden.“ 321 Ebd. 322 Bovon/Matthews, Acts, 94, Anm. 70.

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Dunkelheit, die als Gottesferne zu verstehen ist, herauszuführen. Das Licht, das er nach seiner Heilung erblickt, ist nicht nur Augenlicht, sondern Erkenntnis des christlichen Gottes. Zuletzt sei nochmals angeführt, dass Träume zwar als Wunder bezeichnet, jedoch gegenüber dem, was (göttliche) Wahrheit ist, untergeordnet werden und so eine Abwertung erfahren. Wichtige Vokabeln sind ὄνειρος und ὅραμα.

2.1.10 Pseudoklementinen 2.1.10.1 Kurze Einführung in die Schrift Die Pseudoklementinen werden Klemens I. von Rom addiziert und verstehen sich als autobiographischer Wiedererkennungsroman323, der mit einer Rahmenhandlung versehen ist. Die Pseudoklementinen sind doppelt überliefert in den pseudoklementinischen Homilien und den pseudoklementinischen Rekognitionen. Jones datiert die Schriften in die zwanziger Jahre des vierten Jahrhunderts, als Abfassungsort gibt er Syrien (Antiochien) an. Die Homilien (20 Homilien) sind griechisch überliefert, die Rekognitionen (10 Rekognitionen) hingegen zum großen Teil nur in syrischen und lateinischen Übersetzungen, die aus dem 4. oder anfänglichen 5. Jh. stammen.324 Genauer gesagt: Die in lateinischer Sprache komplett vorliegenden Rekognitionen verdanken sich der Übersetzung Rufins von Aquileia und sind 406 oder 407 entstanden. Die syrischen Teilübersetzungen (PsClem R I 1,1–IV 1,4) liegen in zwei Unterübersetzungen vor, von denen die ältere eine Datierung auf das Jahr 411 aufweist.325 Die Frage nach der Entstehungszeit ist aber in der Vergangenheit völlig unterschiedlich beantwortet worden. Die Tübinger Schule lokalisierte innerhalb der Schrift „altes petrinisches Judenchristentum“ und datierte sehr früh (1./2. Jh.).326 „Das andere Extrem markiert die Datierung aller Fassungen in die Jahre zwischen 320 und 400 n. Chr., das mit einer generellen Bestreitung von judenchristlichen und antipaulinischen Tendenzen Hand in Hand geht“.327 Auch Jones sieht die Entstehung der Grundschrift um das Jahr 220.328 Geht Strecker noch von einer judenchristlichen Sammlung verschiedener Petruspredigten aus („Kerygma Petri“),329 so definiert Wehnert folgende Entwick323 Wehnert, Homilien, 30, bezeichnet sie als „halb Bildungs-, halb Familienroman“. 324 Jones, Art. Pseudoklementinen, 1790. 325 Wehnert, Homilien, 31. Zum Verhältnis der lateinischen und syrischen Übersetzungen s. Jones, Evaluating, 237–257. Eine englische Übersetzung der syrischen Pseudoklementinen stammt neuerdings von ders., Syriac Pseudo-Clementines, 59–338. 326 Klauck, Apostelakten, 209. 327 Ebd. Die antipaulinischen Tendenzen sind doch wohl aber unübersehbar. S. dazu (bezogen auf PsClem H 17) Wehnert, Petrus versus Paulus, 175–185. 328 Jones, Art. Pseudoklementinen, 1790. So z. B. auch Waitz, Simon Magus, 9. 329 Irmscher/Strecker, Pseudoklementinen, 440–445.

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lungsstufen, die hier in Kurzform genannt werden sollen:330 1. Am Beginn steht eine Novelle unbekannten Titels mit Disputen und Auseinandersetzungen zwischen Petrus und Simon Magus. Klemens taucht noch nicht auf.331 Diese Novelle setzt die Petrusakten voraus und ist Ende des 2. bzw. Anfang des 3. Jh. entstanden, vermutlich in Syrien. 2. Mitte des 3. Jh. wird die Novelle ebenfalls im syrischen Raum deutlich erweitert und zu einem Roman in der Ich-Form, der zudem autobiographisch stilisiert ist, umgearbeitet. Erzähler ist jetzt Klemens. Dabei entsteht, durch die Verwendung des „Buches der Gesetze“ von Bardesanes, das vor dem Jahr 222 entstanden ist, ein terminus post quem für dieses Stratum.332 Da die Figur des Klemens durch ihren künstlichen Einbau neben den zwei Hauptprotagonisten (Petrus und Simon Magus) schnell zu verblassen droht, wird im zweiten Teil die Romanhandlung von den verschollenen Familienmitgliedern und die Suche des Klemens nach ihnen eingebaut. 3. Die Schrift wird um zwei vorangestellte Briefe erweitert (der erste gibt vor, von Petrus zu stammen, der zweite von Klemens, welcher an den Oberbischof Jakobus in Jerusalem gerichtet ist). Zudem werden, wenn auch nicht durchgehend und eher unambitioniert, Anreden an Jakobus in der zweiten Person Singular in den Haupttext eingestreut, um der Schrift insgesamt das Aussehen eines überdimensionalen Briefes an Jakobus zu geben, wobei Jakobus das orthodoxe Verkündigen aller Apostel zu überwachen habe und sich ständig briefliche Rückmeldungen geben lässt. Dies erledigt Klemens, als Sekretär des Petrus. Die Entwicklung bzw. Gestaltung dieses Stratums muss Mitte bis Ende des 3. Jh. erfolgt sein; es bildet die Grundlage für die Doppelüberlieferung von Homilien und Rekognitionen.333 4. Ende des 3. bzw. Anfang des 4. Jh. entsteht dann die Doppelüberlieferung aus Stratum drei.334 5. Einsetzend im 4. Jh. werden beide Schriftversionen mehrfach epitomiert, u. a. auf Griechisch, Syrisch, Äthiopisch, Armenisch und Arabisch. Mehrere griechische Handschriften erweitern zudem den Handlungsstrang bis Rom und schildern das Martyrium des Klemens.335 In beiden Pseudoklementinen ist der narrative Plot derselbe: Klemens 330 Das folgende nach Wehnert, Homilien, 31–36. 331 Diese Novelle war in drei Abschnitte gegliedert: 1. Disput in Cäsarea; Flucht des Simon Magus, 2. Verfolgung des Geflohenen von Cäsarea bis Antiochien; Petrus gründet unterwegs Gemeinden und setzt Bischöfe ein, 3. erneuter Disput in Antiochien; erneute Flucht Simons, Wehnert, Homilien, 32. 332 Zu Einflüssen von Bardesanes in den Pseudoklementinen s. Rehm, Bardesanes, 218–247. 333 Das Stratum entspricht der Bezeichnung „Grundschrift“ in der Forschung, s. Irmscher/ Strecker, Pseudoklementinen, 440; Powell, Art. Clemens, 118. 334 Zu den ausführlichen Abweichungen von Homilien und Rekognitionen s. Wehnert, Homilien, 34 ff. Der Homilist hat seine Vorlage besser bewahrt. Dies führte aber dazu, dass sie der großkirchlichen Zensur fast völlig zum Opfer fiel. Bei Erstellung der Rekognitionen hingegen wurde der Inhalt stark den orthodoxen Lehrinhalten angepasst. Dadurch wurde dem Stoff das Überleben gesichert. Mehr als 110 Handschriften zeugen davon, dass die Rekognitionen in großen Teilen Europas intensiv rezipiert wurden, Wehnert, Homilien, 34. 335 Zu Ausgaben s. Wehnert, Homilien, 11 f.

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bricht aus Italien auf, um grundsätzliche Lebensfragen zu vertiefen. Er stößt auf Petrus, mit dem er sodann zusammen reist. Er ist Zeuge der Kämpfe, die der Apostel gegen Simon Magus bestreiten muss und wird auf wundersame Weise mit den eigenen, schon verloren geglaubten Familienmitgliedern (seine Eltern und zwei Brüder) wiedervereint. Neben Abschnitten, die zwischen beiden Schriften wortwörtlich identisch sind, existieren etliche, die wenigstens eine thematische Verwandtschaft aufweisen. Das Textmaterial wird jedoch zum Teil individuell angeordnet.336 Im Mittelpunkt steht – wie schon in den ActPetr – also erneut Petrus und seine Gegnerschaft zu Simon, dem Magier, der ein Mal mehr als urchristliches Stereotyp des Bösen dargestellt wird. Auch schon erwähnenswert ist, dass ein Traum in der narrativen Rahmenhandlung eine wichtige Rolle spielt, auf den in der Schrift immer wieder Bezug genommen wird (und der sich am Ende als Lüge herausstellt). Die Pseudoklementinen vertreten ein grundsätzlich apologetisches Interesse. Religiöse und philosophische (Gegen-)Positionen werden detailliert diskutiert. Dabei werden die Standpunkte, die auf Petrus projiziert werden, stets als die Überlegenen dargestellt, und so versucht, die Leserinnen und Leser für die christliche Lehre zu gewinnen. Motive paganer Romanliteratur werden dazu ebenso verwandt wie solche, die aus christlicher Apologetik oder Aktenliteratur stammen.337 Die Theologie der Pseudoklementinen ist ausgesprochen synkretistisch angelegt. Ebionitische, gnostische, katholische und popularphilosophische Elemente prägen die Schrift gleichermaßen. Durch diese obskure Mischung, die der Verfasser zu einem Gedankenkonzept zusammenfügt, versucht er, auf die existenziellen Fragen seiner Zeit Antworten zu finden.338 Was die Gotteslehre angeht, spielt der jüdische Monotheismus eine tragende Rolle. Der biblische Gott ist der einzige Gott und Schöpfer (PsClem H XVI 5,5; PsClem R II 36,5 u. ö.). Die Christologie ist stark subordinatianistisch geprägt, Kreuz und Auferstehung spielen keine Rolle. Dagegen wird Jesus als der „wahre Prophet“ stilisiert, was ihm seine Würde verleiht.339 Als solcher ist er mit göttlichem Vorherwissen erfüllt und unterrichtet die Menschen in dem, was sie zu ihrer Rettung nötig haben. Vor ihm haben sich immer wieder verschiedene Personen als dieser Prophet offenbart (PsClem H III 20,2; der erste war Adam, PsClem R I 47; PsClem H III 17,3). Interessanterweise wird in PsClem H VIII 6,2 berichtet, dass Mose eine dieser älteren Inkarnationen darstellte und somit Jesu Lehre mit der des Mose übereinstimme. Das Zentrum dieser Heilslehre bildet, neben uneigennütziger 336 337 338 339

Klauck, Apostelakten, 206. Wehnert, Homilien, 30. Irmscher/Strecker, Pseudoklementinen, 445 f; Wehnert, Homilien, 36. So in PsClem H III 17 ff; VIII 5 ff u. ö. S. dazu auch Frenschkowski, Sukzession, 284, sowie zur Prophetie in den Pseudoklementinen a. a. O., 262; 281–285. Zu Jesus als dem „großen Propheten“ s. auch Aphrahat, dem. II 6; IV 6; XIV 33; XVII 11, gefunden bei Frenschkowski, Sukzession, 284.

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Nächstenliebe (PsClem H XII 25–33, in PsClem R jedoch gestrichen!) und Weltdistanz, eine rigoristische Sexualethik. Leitbegriff ist die σωφροσύνη (PsClem H XIII 13–21), die für beide Geschlechter gilt und nicht eine völlige Verwerfung von Sexualität wie der Enkratitismus vertritt, sondern deren Beschränkung auf die Ehe (für die sie jedoch zur Triebabfuhr durchaus nahegelegt wird). Diese Tugendhaftigkeit zu verletzen (der Gegenbegriff ist μοιχεία), gilt neben dem Unglauben als zweitgrößte Sünde und wird von Gott bestraft (EpClem 7,4; PsClem H XIII 14,3). Der Eintritt in diese Lebensweise vollzieht sich durch ein Taufbad, durch welches Sünden vergeben und Dämonen vertrieben werden. Eine esoterische Mahlzeit, zur Symbolisierung der Heilsgewissheit, wird mit Brot und Salz gefeiert, steht aber in der Bedeutung unter der Taufe. Interessanterweise werden in PsClem H VII 8,1 f die Forderungen des Aposteldekrets rezipiert, die, neben weiteren, aus dem mosaischen Gesetz stammenden Vorschriften, weiter bestehen bleiben und zum christlichen Lebenswandel dazugehören.340 Wer dementsprechend auf Erden gerecht und gehorsam handelt, erwirbt sich dadurch ein Bestehen im Jüngsten Gericht.341 Anschließend an die Aufnahme des Aposteldekrets ist, wie schon angedeutet wurde, zu erwähnen, dass die Pseudoklementinen eine antipaulinische Prägung aufweisen und dementsprechend eine gesetzesfreie Heidenmission verwerfen.342 Dabei dient unterschwellig die Figur des Simon Magus als (schlecht) „maskierter“ Paulus.343 Ein letztes, wesentliches Theologoumenon bildet die gnostisch geprägte Syzygien-Lehre, die mit dem schon genannten Prophetentopos verbunden wird. Diese beinhaltet, dass sich nicht nur der wahre männliche Prophet immer wieder neu inkarniert, sondern auch ein weibliches, negativ bewertetes Pendant; diese beiden bilden dann ein Paar (PsClem H II 15 ff; III 17–28). Das erste Paar dieser Art waren Adam und Eva (PsClem H III 22–25). Die weibliche Seite steht dabei für den vergänglichen Kosmos, der, wie die Prophetenpaare, immer wieder neu geboren wird, die männliche hingegen für den ewigen Äon, in welchen es gilt, durch die Taufe überzutreten.344 Das letzte bzw. aktuelle Paar bilden Petrus und Simon Magus. Letzterer wird in PsClem H II 17,3 als Vertreter der weiblichen Prophetie disqualifiziert. In PsClem H XVII 13–20 wird 340 Wehnert, Homilien, 37 mit Anm. 34; 39; Irmscher/Strecker, Pseudoklementinen, 444; Powell, Art. Clemens, 118. Vgl. zum Mahl Klauck, Herrenmahl, 229–232 (gefunden bei Wehnert, Homilien, 37, Anm. 34). Zum Aposteldekret in den Pseudoklementinen s. Klijn, Pseudo-Clementines, 305–312. 341 Irmscher/Strecker, Pseudoklementinen, 440. 342 Wehnert, Homilien, 38. S. dazu Lüdemann, Paulus, 228–257; Légasse, L’antipaulinisme (gefunden bei Wehnert, Homilien, 38, Anm. 40). 343 A. a. O., 38. Folgende Stellen sind dabei zu nennen: PsClem H II 15 ff; XI 35,3–6, vgl. PsClem R IV 34,5–35,2; PsClem H XVII 13–19. Simon wird (unsinnigerweise) als Heidenmissionar bezeichnet (PsClem H II 17,3; I 35,4 ff), dessen Autorität mit Bezug auf Gal 1,11 f bestritten wird (PsClem H XVII 19,2 f), Irmscher/Strecker, Pseudoklementinen, 445. Paulus wird aber namentlich nie genannt, auch in den PsClem R nicht, Wehnert, Homilien, 38, Anm. 43. Waitz, Simon Magus, 122, votiert hingegen dafür, Simon Magus als paulinische Karikatur zu entlassen. 344 Wehnert, Homilien, 39.

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Simon wahres Prophetentum abgesprochen, da er seine Erkenntnis nur aus Visionen habe (unter Anspielung auf Apg 9,5; Gal 2,2; 1Kor 15,8 u. ö. – gemeint ist also eigentlich Paulus). Dem gegenüber steht Petrus als wahrer Apostel, der seine Autorität durch die direkte Verheißung Jesu bezieht (unter Aufnahme von Mt 16,17 in PsClem H XVII 18 f).345 Noch eine Zwischenbemerkung zu Simon Magus sei hier gestattet, nachdem oben schon einiges gesagt wurde. Die Frage nach der Historizität seiner Person ist für unsere Zwecke nicht primär von Belang. Hier soll es eher darum gehen, die uns ja mehrfach begegnende Figur in ihrer Eigenschaft als Antipode zur Hauptfigur zu betrachten. In diesem Sinne schlage ich eine These vor, die, wenn ich recht sehe, so noch nie formuliert wurde, nämlich Simon Magus – man beachte die Übereinstimmung der Namen Simon Petrus und Simon Magus – als Schattenfigur des Petrus in den Pseudoklementinen zu interpretieren, im Anschluss an die jungsche Lehre vom Schatten. Dabei soll Simon als Karikatur des Paulus in den Hintergrund treten (natürlich ohne die aufgezeigten antipaulinischen Tendenzen zu leugnen). Vielmehr geht es darum, die Figur des Simon Magus als Spiegel des Petrus zu verstehen, in welchem sich letztlich unbewusste Aspekte des Apostels (und tiefergehend der Verfasser und der Leserschaft der Pseudoklementinen) zeigen.346 Dabei ist zu betonen, dass nicht die historische Person des Petrus im Blickpunkt steht, sondern die literarische Figur, wie sie in den Pseudoklementinen dargestellt wird, mit allen Projektionen, die dabei (von antiker Verfasser- und Leserschaft) auf diese Figur geworfen werden. Um das tiefenpsychologische Konzept vom Schatten kurz zu beleuchten, sei im Folgenden ein kurzer Exkurs dazu gestattet.

Exkurs – Der „Schatten“ bei C.G. Jung347 Jung versteht unter dem Schatten eines Menschen alle seine Charakteraspekte und Persönlichkeitsanteile, welche „dunkel“ sind. Was zum Schatten gehört, ist verdrängt und wird meist als minderwertig oder schuldhaft empfunden. Vor allem primitive, oft triebhafte Eigenschaften, besonders aber Affekte348, gehören zum Schatten.349 Nach Kunz bezeichnet der Schatten: 345 Irmscher/Strecker, Pseudoklementinen, 444 f. 346 Dabei bauen wir auf das auf, was Wehnert, Homilien, 40, über Simon Magus sagt: „Der geistig wendige, im Grunde standpunktlose Zauberer Simon, der trotz seiner pfiffigen Ein- und Gegenreden nur als Katalysator dienen kann, trägt bis zum burlesken Schluss Spannung und Farbe in das hochmoralische Werk. Als Geist, ,der stets das Böse will und stets das Gute schafft‘, gehört er zu den Vorfahren des Mephisto.“ Hier könnte ergänzt werden: und kann deshalb mit Recht als Schattenfigur verstanden werden. 347 Neue Arbeiten zum Schatten sind Vogel, Schattenkonzept; Kast, Schatten. S. auch von Franz, Individuationsprozess, 168–176. 348 Jung, Probleme, 70. Vgl. Stevens, Einführung, 107. 349 Hark, Grundbegriffe, 145.

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„1. ,das, was ich nicht sein möchte‘, d. h. die persönlichen dunklen, minderwertigen und schuldhaften Bereiche des Unbewußten; 2. infantile, emotionale und irrationale Fixierungen und Symptome; 3. ,das andere meiner selbst‘ im Sinne einer noch nicht erkannten schöpferischen Potenz.“350

Dabei ist zu beachten, dass diese verdrängten Aspekte im Unbewussten nicht ruhig „lagern“, sondern von dort aus agieren und sich ins Bewusstsein zu drängen versuchen.351 Dies geschieht vor allem im Traum.352 In demselben zeigt sich der Schatten oft als eine bedrohliche Gestalt, die dasselbe Geschlecht des Träumers hat (was ja bei Simon Petrus und Simon Magus der Fall ist), jedoch einer völlig anderen Ethnie angehören kann und oft dem Träumer fremde bzw. feindselige Eigenschaften aufweist. Da es der menschlichen Psyche schwer fällt, diese Persönlichkeitsanteile wahrzunehmen, geschweige denn zu integrieren (das heißt, ihnen einen Platz in der eigenen Persönlichkeit zuzugestehen), werden sie meist auf andere projiziert und an diesen wiederum hartnäckig bekämpft.353 Eine wesentliche Aufgabe einer jungianischen Psychoanalyse354 ist es deswegen, diese Anteile auszumachen und (in ihrer Projektion auf andere) wahrzunehmen. Der folgende Schritt ist, diese Projektionen zurückzubinden, d. h., sich einzugestehen, dass es eigene Anteile sind und nicht die der Anderen.355 Die schwierigste Aufgabe ist es nunmehr, ihnen im eigenen Charakter, in der eigenen Seele einen Platz zuzuweisen, an welchem sie existieren, aber nicht mehr destruktiv agieren können.356 Beispiele für eine Person und seinen Schatten sind vor allem Faust und Mephisto, aber auch Christus und der ihn versuchende Satan.357 Jung schreibt provokativ: 350 Kunz, Art. Schatten, 607 f. Vgl. Roesler, Archetypenkonzept, 34. 351 Hark, Grundbegriffe, 145. Die Aussage Roeslers, Archetypenkonzept, 34, der Schatten sei gleichbedeutend mit dem, was Freud als das Verdrängte definiert, erscheint dabei als zu vereinfachend bzw. pauschalisierend. Zwar gehört der Schatten zum Bereich des Verdrängten, aber er hat eine konkrete Gestalt in demselben, gleich einem dunklen Doppelgänger der jeweiligen Person. 352 Zu „Schattenträumen“ s. Kast, Träume, 101 f. 353 Hark, Grundbegriffe, 146; Roesler, Archetypenkonzept, 35. Weitere Mechanismen sind die der schon genannten Verdrängung und des Verleugnens, Stevens, Einführung, 110. Dabei spielt das psychiatrische Symptom der Paranoia eine wichtige Rolle: Der eigene Schatten, etwa in Form aggressiver Gefühle, wird geleugnet und dann auf andere projiziert, welche dann als feindselig wahrgenommen werden, a. a. O., 111. Inwieweit das auf das Verhältnis Petrus – Simon Magus zutrifft, müssen die folgenden Texte zeigen. Problematisch ist, dass oft gemeint wird, gegenüber dem, auf welchen man projiziert, ungehindert die Aggressionen ausagieren zu dürfen, da man nach eigenem Empfinden (gerade das ist der tückische Trugschluss der Projektion) im Recht zu sein glaubt, vgl. ebd. Roesler, Archetypenkonzept, 35, meint, „alle Prozesse von Fremdenfeindlichkeit, ja das Sündenbockprinzip insgesamt, [können] mit der Schattenproblematik und dessen Projektion schlüssig erklärt werden.“ 354 Zum Schatten des Therapeuten s. von Franz, Psychotherapie, 288. 355 Zu den Stufen der Rückbindung einer Projektion s. a. a. O., 271. 356 „Dieser Akt ist die unerläßliche Grundlage jeglicher Art von Selbsterkenntnis“ (Jung, Der Schatten, 17). 357 Vgl. Hark, Grundbegriffe, 146.

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„Mit diesem Schatten sich zu vereinigen, heißt Ja sagen zum Trieb und damit auch Ja sagen zu jener ungeheuerlichen Dynamik, welche im Hintergrunde droht. Davon will uns die asketische Moral des Christentums befreien, auf die Gefahr hin, die Tiernatur des Menschen im tiefsten Grund zu stören.“358

Was Jung mit seiner Polemik meint, ist, dass aus seiner Sicht in der christlichen Tradition die dunklen menschlichen Seiten zu stark von der eigenen Persönlichkeit abgespalten und nach außen projiziert wurden, etwa auf die Figur des Satans. Letzterer ist aber gemäß dem Schattenkonzept in der eigenen Seele zu lokalisieren und als immanenter Teil derselben zu betrachten. Wenn das Böse jedoch auf eine externe Figur übertragen wird, besteht zum einen die Gefahr, die letzte Verantwortung für das eigene Handeln einer von außen einwirkenden Macht zu übertragen. Zum anderen entsteht in der menschlichen Psyche ein Ungleichgewicht, das neurotische Formen annehmen kann. Der Schatten kann auch, wie schon angesprochen, Minderwertigkeiten ausdrücken. Jung schreibt: „Denn das Minderwertige und selbst das Verwerfliche gehört zu mir und gibt mir Wesenheit und Körper, es ist mein Schatten. Wie kann ich wesenhaft sein, ohne einen Schatten zu werfen? Auch das Dunkle gehört zu meiner Ganzheit.“359

Auch Roesler sieht im Schatten eine Kraft, die positive Entwicklung initiieren und fördern kann.360 Der Schatten schließt enormes Potenzial einer individuellen Persönlichkeitsentwicklung in sich ein.361 Mit dem Schatten fallen archetypische Inhalte zusammen, so der Archetyp des Feindes oder des bösartigen Fremden.362 Dies wird im zweiten Teil der 358 Jung, Psychologie des Unbewussten, 38 f. 359 Jung, Probleme, 70, vgl. ders., Psychologie und Religion, 72 f. Auch Jung besaß einen Schatten, manifestiert in Form seiner Verwicklung in den Nationalsozialismus. S. dazu Balmer, Archetypentheorie, 19–30; 134–151. Zur Aufarbeitung des jungschen Schattens durch die jungianische Schule s. Meier, Schatten, 291–302; Meredith-Owen, Jungs Schatten, 326–349; von der Tann/Erlenmeyer, Texte; Jaffé, Nationalsozialismus, 66–77. 360 Roesler, Archetypenkonzept, 34; vgl. Stevens, Einführung, 107. „Die Schattenanteile der Persönlichkeit drängen danach, mitleben zu dürfen.“ (Roesler, Archetypenkonzept, 35). 361 Stevens, Einführung, 112. Den eigenen Schatten zu integrieren heißt, die Verantwortung für eigene negative Persönlichkeitsanteile zu übernehmen, „mit dem Effekt, dass die Moral weniger blind und zwanghaft wird und ethische Entscheidungen möglich werden.“ (Ebd.). Gerade diese Zwanghaftigkeit der Bekämpfung des Simon Magus durch Petrus wird unten deutlich werden. Petrus tritt Simon Magus gegenüber nicht etwa wohlwollend oder wenigstens im Sinn einer Ethik der Feindesliebe auf, nicht in kühler Abwägung dessen, was er sagt und argumentiert, sondern in prinzipieller Ablehnung nach dem Prinzip: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf“. Gerade diese Haltung macht die (negative) Projektion des Petrus (d. h. der Verfasserschaft der Pseudoklementinen) auf Simon Magus durchsichtig. 362 Stevens, Einführung, 108. „Von allen Archetypen ist der Feind einer der wichtigsten und potenziell tödlichsten. Sein Einfluss macht sich schon während des ersten Lebensjahrs bemerkbar. Genau wie sich das Kind beim Anblick der Mutter freut, reagiert es auf die Annäherung eines Fremden mit Vorsicht und Rückzug. Während des zweiten Lebensjahrs verwandelt sich diese fremdenfeindliche Tendenz in Angst und Feindseligkeit. Sowohl die Bindung als auch

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Arbeit am Beispiel des Traummotivs der Äthiopierin in ActPetr 22 zu zeigen sein, die sowohl einer andern Ethnie angehört als auch die Projektion des Fremden trägt. Weiterhin verkörpert sie alles, was für Petrus, als Repräsentant des frühen Christentums, als „feindlich“ gilt. Das heißt also, sofern die hier angenommene „Schattenthese“ zutrifft, in der Figur des Simon Magus spiegeln sich nicht gelebte oder verdrängte Persönlichkeitsanteile des Simon Petrus, der für Verfasser- und Leserschaft der Pseudoklementinen steht. Was im eigenen Seelenleben keinen Platz findet, wird, gemäß dem bisher Gesagten, entweder am Schatten bewundert oder aber bekämpft. Etwas verkürzt gesagt: Alles, was sich ein Mensch, sei er nun Verfasser oder Rezipientin oder Rezipient der Pseudoklementinen, an (in diesem Falle) eigenen negativen Affekten nicht zugesteht, spiegelt sich im Schatten (als Simon Magus). Zusätzlich zur „Schattenthese“ lautet die zweite These, dass die ethischen Forderungen an die Leserschaft der Pseudoklementinen (etwa die Abwertung der Sexualität, welche hier zwar in der Ehe erlaubt ist, aber lediglich der Triebabfuhr dienen darf) – verkörpert durch Petrus, als eine der höchsten christlichen Instanzen nach Christus – so schwerwiegend, wenn nicht gar überfordernd waren, dass sie gerade dazu führten, dass ein (in diesem Fall literarischer) Gegenpol wie Simon Magus Form annahm. Er ist gleichsam die Kanalisierung all dessen, was den Christinnen und Christen, die die Pseudoklementinen lasen (oder schrieben) als verboten galt.363 Natürlich muss Erwähnung finden, dass es sich hier nicht um theologische, sondern um tiefenpsychologische Deutungen handelt. Aber diese beiden zu verbinden, soll ja Zweck dieser Arbeit sein. Wichtig zu erwähnen ist schließlich, dass die Figur des Simon Magus in der Kirchengeschichte eine Transformation durchlaufen hat: „Simon wird später in der antihäretischen Literatur aus einem Magier zu einem Gnostiker (Justin 1. apol. 26,2.4; 56,1; Hippol. ref. 6,20; Iren. adv. haer. 1,23,1; Origen. c. Cels. 1,57; 6,11; Epiphan. Pan. 21,1,2; 2,1 usw.).“364

Auch im europäischen Raum wandelt er sich zu einer wichtigen Figur: Der irische Druide Mog Ruith etwa wird zu seinem Schüler.365 (Ende des Exkurses) diese Feindseligkeit sind Produkt angeborener Tendenzen, denn sie zeigen sich bei allen Kindern, unabhängig von ihrer Kultur und ihren Lebensumständen. […] Dass dieses Verhalten bei allen sozialen Tierarten beobachtet wird, unterstreicht seine biologische Bedeutung […]. Der Archetyp des Feindes wird in der persönlichen Psyche als Schattenkomplex aktiviert“ (ebd.). 363 Beide Annahmen werden in die Analyse und tiefenpsychologische Deutung des Traums des Marcellus (ActPetr 22) im zweiten Teil der Arbeit einfließen. 364 Frenschkowski, Magie und Mission, 526. 365 Ebd.

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Apostelakten

2.1.10.2 Grobgliederung von pseudoklementinischen Homilien und Rekognitionen Um die Arbeit zu erleichtern und weil die Pseudoklementinen (statistisch gesehen) den mit Abstand größten Teil der Traumstellen beinhalten, sei hier ein kurzer inhaltlicher Aufriss aufgeführt:366 Die Reise des Klemens von Rom nach Judäa

Homilien Rekognitionen 1 1

Die Disputationen mit Simon Magus in Cäsarea

2–3

2–3

Klemens und Appion über die griechische Mythologie

4–6

(10)

Reise von Cäsarea nach Tripolis

7



Erste Tripolisrede des Petrus (über die Dämonen)

8–9

4

Zweite Tripolisrede des Petrus (über den Götterkult)

10–11

5

Dritte Tripolisrede des Petrus (vom christlichen Leben) 11

6

Die Wiedererkennungen

12–13

7

Gespräche mit Faustus (über den Schicksalsglauben)

14–15

8–9

Gespräche über die Mythologie

(4–6)

10,1–51

Die Disputationen mit Simon Magus in Laodizea

16–19



Die Flucht des Simon Magus aus Antiochien

20



2.1.10.3 Pseudoklementinische Homilien 2.1.10.3.1 Traumstellen in den pseudoklementinischen Homilien Wir beginnen in PsClem H III. Dort finden wir eine Notiz zu Träumen, die eher nebenbei fällt. Wir befinden uns mitten in der Disputation mit Simon Magus in Cäsarea (PsClem H II–III).367 Zum besseren Verständnis des Zusammenhangs 366 Dieser ist (etwas vereinfacht) übernommen aus der deutschen Übersetzung der pseudoklementinischen Homilien von Wehnert, Homilien, 29 f. 367 Alle folgenden Übersetzungen der Homilien stammen von Wehnert, Homilien; für sie gilt, dass alle in Klammern genannten Hinzufügungen (Wortergänzungen, Schriftverweise etc.) von Wehnert stammen, es sei denn, dass durch „P.E.“ etwas anderes angegeben wird. Alle griechischen Zitate sind der Ausgabe der Homilien von Rehm/Strecker (Hg.), Homilien, entnommen.

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setzen wir schon in Homilie III 1,1 ein: Klemens und die weiteren Gefährten stehen am frühen Morgen auf, sehen dann, dass das Licht noch angezündet und dass Petrus in kniender Position ins Gebet vertieft ist (1,1). Dann wendet er sich den anderen zu und beginnt einen Monolog (1,2). Petrus hat „Spione“ bei Simon Magus positioniert, um dessen Absichten auszuspähen und diese der Petrusgruppe mitzuteilen. Was diese herausbekommen haben, erzählt Petrus den Seinen (2,1) und fährt fort: „2,2. Wie er es bestimmt hat, ist Simon heute bereit, in aller Öffentlichkeit aufzutreten und aus den Schriften zu beweisen, dass nicht derjenige der höchste Gott sei, der Himmel und Erde und alles darin erschaffen hat (vgl. Ex 20,11; Apg 4,24), sondern dass es einen anderen, unbekannten und gleichsam unbeschreiblich hohen Gott der Götter gebe. Der habe zwei Götter entsandt, von denen der eine der ist, der die Welt erschuf, und der andere der, der das Gesetz gab. 2,3. Und dies denkt er sich aus, um den rechten Glauben derer zu erschüttern, die den einen und einzigen Gott verehren wollen, der Himmel und Erde erschaffen hat.“368

Petrus beschreibt seine Traurigkeit und seinen Schmerz über das Wirken des Simon und die Ignoranz seiner Zuhörerschaft, ihr eigenes Heil betreffend. Simon verführe die Menschen zum Glauben an viele Götter und unterminiere dadurch den Glauben an die alleinige Regentschaft Gottes. Die Folge davon sei, dass den Menschen der Zugang zur Barmherzigkeit Gottes verwehrt sei (3,2). Dabei verwendet Simon in der Auseinandersetzung mit Petrus offenbar falsche Schriftstellen, die er selbst erdacht hat, und Schriftauslegungen, welche die rechte Gotteslehre konterkarieren (3,3). Dies würde zwar nicht Petrus und die Seinen täuschen (4,1): „4,2. Bei den Heiden jedoch, die an die Vorstellung vieler Götter gewöhnt sind und die Unwahrheiten in den Schriften nicht kennen, wird er viel ausrichten und nicht nur er. Auch wenn irgendein anderer den Heiden einen nichtigen, traumähnlichen, reich ausgeschmückten Mythos vorhalten will, wird man ihm Glauben schenken, weil von Kindheit an ihr Verstand daran gewöhnt ist aufzunehmen, was zuungunsten Gottes gesagt wird.“369

Nur ein kleiner Teil der Heiden werde sich von Simon nicht irreführen lassen. Nur sie würden am Heil partizipieren (4,3). Dennoch ruft Petrus seine Leute dazu auf, Simon deswegen nicht zu verdammen: „4,4. […] Denn nichts geschieht zu Unrecht, denn auch die Unwahrheiten in den Schriften sind aus gutem Grund zur Prüfung da.“370 Simon behauptet also, dass es einen „Gott der Götter“ gebe und zwei Untergötter371, von denen der eine die Erde geschaffen und der andere das Gesetz 368 369 370 371

Übersetzung: Wehnert, Homilien, 84. Übersetzung: a. a. O., 84 f. Übersetzung: a. a. O., 85. Einen sehr ähnlichen antiken Entwurf bietet Numenios. Zur Einführung s. den RAC-Artikel von

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gebracht habe. Petrus sorgt sich v. a. um die Heiden, da diese an den Gedanken, dass es viele Götter gebe, gewöhnt seien und bei ihnen besonders viel Schaden zu erwarten sei. Und nun nochmals wörtlich (P.E.): „Sondern wenn auch irgendjemand anderes bei den Heiden gegen Gott irgendeinen inhaltlosen, reichlich ausgeschmückten Mythos zeigt, der gleich einem Traum372 ist,373 wird es geglaubt werden.“ Die Heiden seien gleichsam darauf eingestellt, besonders das wahrzunehmen, was sich im Endeffekt gegen den einen wahren Gott richtet. Dabei fällt auf Erstere kein besonders rühmliches Licht. Man muss ihnen nur einen „reichlich ausgeschmückten Mythos“ vorlegen und schon fallen sie auf die Sache herein. Träume werde hier negativ konnotiert. Etwas Traumähnliches ist etwas Vortäuschendes, etwas, das kaum wirkliche Realität besitzt. Wir gehen zu PsClem H IX und befinden uns nun in der ersten Tripolisrede des Petrus über die Dämonen. Petrus legt einen Exkurs über die Gottlosigkeit der Menschen vor und beginnt bei der Sintflut (Kap. 1 f), erzählt von Noah als positiver Ausnahme und dem Abfall seiner Nachkommen (Kap. 3). Er berichtet weiter vom Schicksal des Zauberers Nebrod/Zoroaster374 (der biblische Nimrod; Kap. 4 f) und geht schließlich auf Perser, Babylonier und Ägypter ein und deren götzenmäßige Verehrung des Feuers (Kap. 5 f) oder geschnitzter Götzenbilder (7,1), welchen mit Feiertagen, Opfern und Musik gehuldigt werde. Anstatt dem bösen Kult zu entsagen, würde man ihm frönen (7,2): „7,3. [S]o sehr zogen sie um der Schwelgerei willen den Irrtum der Wahrheit vor. Doch nach dem Trinkgelage am Altar schreien sie auf, weil ihre Seele375 aus der Tiefe wie durch Träume376 ihnen die zukünftige Strafe für ihre derartigen Taten ankündigt.“377

Petrus kommt dann auf die positive, gegen die Götzen und Dämonen zu verstehende, wahre Gottesverehrung zu sprechen, für die sich die Hörer ebenfalls entscheiden könnten. Hier wird eine sehr eindrückliche Formulierung verwendet. Innerhalb der Seele, aus der Tiefe wird angekündigt und veranschaulicht, was für Strafen die Gottlosen erwarten. Dies geschieht „wie durch Träume“. Hier wird der schon bekannte Begriff ὄνειρος verwendet. Es geht nicht um einen Traum per se, sondern um eine Veranschaulichung mit Hilfe eines Gefühls, das bei Träumen entsteht. Es geht um die unwirkliche und doch bedrohliche, bildliche Ankündigung eines anstehenden Geschehnisses. Dadurch wird das Wesen und

372 373 374 375 376 377

Staab, Art. Numenios, 1172–1197. Zu seiner Götterlehre s. u. a. Kahn, Pythagoras, 122–130; Dodds, Numenios und Ammonios, 495–499. ὅμοιον ὀνείρῳ. Der Traum als Sinnbild für das geradezu Irreale und Häretische findet sich in Jud 8. Einer der neueren Kommentare ist Frey, Brief. In PsClem R IV 27 findet eine Identifizierung Ham – Zoroaster statt, vgl. Frenschkowski, Sukzession, 272, Anm. 61. τῆς ψυχῆς. ὥσπερ δι’ ὀνείρων. Übersetzung: Wehnert, Homilien, 152 f.

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der Charakter von Träumen innerhalb ihres frühchristlichen Verständnisses näher charakterisiert. Homilie IX fährt fort mit der konkreten Darstellung von Dämonenhaftigkeit und Dämonen378, die, nach dem Verständnis des Petrus, wie Parasiten im menschlichen Körper hausen würden und nicht nur die Seele besetzten, sondern auch den Körper, um in den Genuss von Speisen, Getränken und Geschlechtsverkehr zu gelangen (Kap. 8 ff). Abwehr der Dämonen gelänge durch Armut, Fasten und das Erleiden von Elend (10,3). Letztlich mache aber Gott selbst den Menschen heil (10,5). Detailliert wird diese Dämonologie entwickelt und beschrieben, wie vielfältig die Menschen getäuscht würden. Die Dämonen gäben etwa vor, dass der Besessene, anstatt an ihnen, an einer körperlichen Krankheit leide (12,3). Zu den schlimmen Ergebnissen gehöre, dass die Dämonen letztendlich die Menschen davon abhielten, die christliche Botschaft zu empfangen (13,2–14,1). Nun wird das genaue Vorgehen der Dämonen beschrieben (14,3): Die Dämonen verordnen denen, die erkrankt sind, mitunter Kuren, um sich dann als machtvolle Götter feiern zu lassen. „Und sie machen die meisten vergessen, dass sie Dämonen sind, nicht aber uns, die wir ihr Geheimnis kennen, weshalb sie solches tun und sich in den Träumen379 derer verwandeln, über die sie die Macht haben [14,3].“380

Diese Macht kann heißen, bei den Kranken Furcht zu erzeugen, Orakel mitzuteilen, Opfer zu verlangen, aber auch sich deren Seelen bei einem gemeinsamen Essen einzuverleiben (14,4). So wie eine Schlange einen Spatzen in Lethargie versetzt, „so ziehen auch sie die Teilnehmer an ihrer Mahlzeit – die ja durch die Speisen und Getränke mit ihrem (sc. der Dämonen) Trachten vermischt werden – in ihren eigenen Willen hinein, indem sie sich im Traum381 in die Gestalten der geschnitzten Götterbilder verwandeln, damit sie den Irrtum vergrößern [15,1].“

Dabei ist das leb- und geistlose Götzenbild nur die Verkleidung oder auch Tarnung der Dämonen (15,2): „15,3. Wie vielen sind sie im Traum382 auf gleiche Weise wie anderen erschienen? Doch wenn sie einander im wachen Zustand begegneten und das im Traum383 (Gesehene) verglichen, stimmten sie nicht überein. 15,4. So ist jener Traum384 keineswegs eine (reale) Erscheinung385, sondern er ist entweder das Produkt eines Dämons oder der 378 Die ausführlichsten Dämonendarstellungen in der Alten Kirche bieten Tertullian, apol., v. a. 22 ff, und Tatian, or. ad graecos 8–20. 379 Wehnert übersetzt hier nicht ganz exakt. Es handelt sich um einen Singular: κατ’ ὄναρ. 380 Übersetzung: Wehnert, Homilien, 155. 381 κατ’ ὄναρ. 382 κατ’ ὄναρ. 383 κατ’ ὄναρ. 384 ὄναρ. 385 ἐπιφάνεια.

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Seele, die gegenwärtigen Ängsten und Begierden Gestalt verleiht. Denn wenn sie (sc. die Seele) durch Furcht am Verstand386 geschlagen ist, bringt sie durch Träume387 diese Gestalten hervor.“388

Dieser Text ist nicht leicht zu verstehen. Fünf Mal wird in diesem Textabschnitt der Begriff κατ’ ὄναρ389 gebraucht, ein Mal διὰ ὀνείρων. Unklar ist, warum beide Begriffe nebeneinander stehen. Die erste Hauptaussage ist, dass der Traum der Ort ist, an dem eine Metamorphose der Dämonen stattfindet (μεταμορφοῦντες, 14,3; 15,1). Die meisten Menschen scheinen dabei nicht zu verstehen, was vor sich geht, der Apostel aber ist über dieses Geheimnis im Bilde. Die Dämonen besitzen über die Menschen, in deren Träumen die Metamorphose geschieht, die Macht (14,3). Dabei scheint der Vorgang des Essens der zu sein, bei welchem die Dämonen die Herrschaft über die Menschen bekommen (14,4). Hier kommt, wenn auch verklausuliert, eine nicht geringe Leibfeindlichkeit, die die Homilien kennzeichnet, zum Tragen. Dem Leib Nahrung zuzuführen wird zur „Einflugschneise“ der Dämonen. Um die Unklarheit ihrer Opfer zu vergrößern, verwandeln sich die Dämonen in den Träumen in die Gestalt der falscherweise verehrten Götterbilder, also in etwas dem Träumer positiv Konnotiertes (15,1). Die zweite Aussage bezieht sich auf 15,3: „Wie vielen sind sie im Traum auf gleiche Weise wie anderen erschienen? Doch wenn sie einander im wachen Zustand begegneten und das im Traum (Gesehene) verglichen, stimmten sie nicht überein.“ Damit wird hingewiesen auf die Menge derer, denen ähnliches passiert ist: Ihnen sind auf dieselbe Weise Dämonen in Träumen erschienen. Der Traum ist also ein (von den Dämonen) bevorzugtes Mittel der Mitteilung.390 Dann geht es weiter: Die Menschen (gemeint sein können nur die Träumer, die sich ja nun im wachen Zustand begegnen; ansonsten müssten es die Dämonen sein, die träumten und sich dann wach begegnen – das ergibt keinen Sinn) treffen zusammen und vergleichen miteinander das Geträumte. Sie stimmen dabei nicht überein: οὐ συνεφώνησαν. Συμφωνέω wird zwar, auf Personen bezogen, mit „im Einklang sein“, „einer Meinung sein“ übersetzt,391 da sich das Verb aber auf das ὁμοίως ἄλλοις am Beginn von 15,3 bezieht, ist die genannte Übersetzung Wehnerts möglich. Was genau gemeint ist, wird aus dem Text heraus nicht gänzlich deutlich. Klar ist aber der Widerspruch: Vielen erscheinen die Dämonen auf gleiche Weise im Traum, vergleicht man sie aber, entstehen Widersprüche und Gegensätze – es handelt sich nicht um eine Offenbarung von Wahrheit. Dies sagt auch der Rest des Abschnittes von 15,4 aus. 386 387 388 389 390

τόν νοῦν. διὰ ὀνείρων. Übersetzung: ebd. Zur Wendung s. Frenschkowski, Traum, 14–21. Dies steht diametral zu den bisherigen Beobachtungen in den Apostelakten, dass Gott im Traum Anweisungen erteilt. 391 Vgl. Bauer, Wörterbuch, 1558.

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Was festzuhalten bleibt, ist die hier ausgedrückte „Traumfeindlichkeit“. Die dargestellten Träume sind Illusionen, sie enthalten keine (positive) Erkenntnis. Die abwertende Nennung der Seele im gleichen Atemzug mit den Dämonen (ἢ δαίμονός ἐστιν ἢ ψυχῆς, 15,4) unterstreicht die Skepsis gegenüber den Bildern, die in der Nacht auftauchen. Die Seele gebiert hier nichts Gutes, sondern gibt gegenwärtigen Gelüsten und Ängsten Raum. Meist sind die Dämonen selbst Urheber der Träume. Immerhin wird der Sachverhalt etwas konkretisiert: Die Furcht muss herrschen, damit die Seele in den Träumen die dämonischen Gestalten formen kann. Was auffällt, ist die Korrelation von ψυχή und νοῦς in 15,4. Beide scheinen in der Vorstellung des Verfassers zusammenzugehören, νοῦς ist Teil der Seele. Wenn dieser durch Furcht kontaminiert und eingeschränkt wird, bringt die Seele gleichsam wie durch eine Engführung die dämonischen Träume hervor. Die Erkenntnis der Verbindung von ψυχή und νοῦς ist wichtig für das Verständnis der antiken Auffassung des Seelen- und Traum-„Apparates“. Dem werden wir uns noch genauer widmen. Die Argumentation setzt sich dann in sofern fort, als Petrus weiter gegen die Dämonen und die leblosen Götterbilder zu Felde zieht. Auch die Seele steht fernerhin in keinem guten Licht, als diejenige, welche die „Gestalten von Dämonen entwirft“392 (16,1). In den nächsten Abschnitten spielen Dämonen, die sich als Krankenheiler aufspielen, eine wichtige Rolle. Sie kennen die Heilmittel, wissen auch, als prophetisch Begabte, wann die Krankheiten von selbst heilen würden. Sie verordnen aber Kuren, um sich den Heilerfolg selbst zuschreiben zu können (16,6). Das Medium des Orakels, als das, durch welches sich die Dämonen verständlich machen, steht dabei im Vordergrund. Zugleich scheinen die Dämonen immer auf der sicheren Seite zu sein: Werden die Kranken nach einem Gebet gesund, bezieht man den Erfolg auf die, welche man im Gebet um Heilung bat, und huldigt ihnen; stirbt man aber, ist man nicht mehr in der Lage, jemanden der Scharlatanerie zu zeihen (was im Text ausgesprochen sarkastisch formuliert wird) (17,3). Würde aber nach einem Todesfall durch Angehörige eine Untersuchung stattfinden, käme ans Tageslicht, dass die tödlichen „Kunstfehler“ viel häufiger aufträten als eine Genesung (17,4). Doch diese Untersuchungen, welche die Dämonen überführen würden, finden – sei es aus Scham oder aus Angst – nicht statt. Man breitet stattdessen, trotz besseren Wissens, den Mantel des Schweigens darüber aus (17,5). Die Dämonen erweisen sich also als üble Scharlatane, die anzurufen verhängnisvoll werden kann. In einigen Menschen haben die Dämonen Verbündete. Diese erfänden schlicht diverse Orakel, behaupteten, dass Heilungen stattgefunden hätten, und schwörten darauf einen falschen Eid (18,1). Etliche gehen sogar so weit, sich bestechen zu lassen, krank zu werden. Nach erfolgreicher Heilung geben sie an, diese sei durch ein Orakel geschehen, nur um den Heilerfolg den Götzenbildern zuschreiben zu können (18,2). Und weiter: 392 Übersetzung: Wehnert, Homilien, 155.

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„18,3. Und wieviele von ihnen (sc. den Kultbildern) wurden von Beginn an durch magische Kunst zustande gebracht, damit sie Träume deuten und Orakel geben?393 Und trotzdem hat nach langer Dauer auch dies ein Ende gefunden.“394

Gottes Allmacht wird nun im Folgenden diesem falschen Treiben gegenübergestellt. Träume stehen hier wiederum in einem negativen Kontext, auch wenn nicht unmittelbar deutlich wird, dass Träume per se verwerflich seien. Eine Anmerkung soll noch zur Übersetzung gemacht werden. Wir nehmen hier das erste Mal eine neue Vokabel zur Kenntnis: ὀνειροπολέω. Die wichtigsten Übersetzungen lauten: „dream“; „cheat by dreams“; „to be haunted in dreams“ (im Passiv).395 Wir verlassen PsClem H IX und fahren in PsClem H XI fort, innerhalb der zweiten Tripolisrede des Petrus (über den Götterkult), die in PsClem H X schon ihren Anfang nimmt. Die Homilie beginnt folgendermaßen: Petrus steht am vierten Tag in Tripolis auf, grüßt seine Begleiter, alle waschen sich und beten. Sie setzen sich und Petrus hält ihnen eine Rede darüber, dass sie rein sein müssen. Danach erlaubt er der Menschenmenge einzutreten und beginnt zu predigen (15,1 f). Petrus klagt den Lebenswandel der Zuhörenden an und verurteilt ihren Götterkult, den sie mit Freuden vollziehen (15,1). An den Weiheorten finden regelrechte Orgien statt mit viel Weinkonsum. Der Brodem des verbrennenden Opferfleisches lockt die Dämonen an. Manien, Exzesse, ja sogar Diebstahl und Mord bei den Teilnehmenden sind die Folge (15,5). Der Wein und die Gerüche der Opfer wirken befriedigend auf die in den Anwesenden lauernden Dämonen, welche wiederum stimulierend auf die Menschen einwirken (15,6); „15,6. […] Und sie umgarnen euch in Träumen mit falschen Phantasien und peinigen euch mit unzähligen Leiden.“396 Die Dämonen ergreifen Besitz von den Opferteilnehmern, halten sich jedoch unerkannt und bewirken deren Tod durch Krankheit, Not oder Streit, indem sie sie in den Suizid treiben oder schlicht ermorden397, ohne dass die Heimtücke der unreinen Geister offenbar werden würde (15,7 f). Voll Selbstbewusstsein verkündet Petrus, dass ihm und seinen Getreuen dies nicht widerfahren könne – sie hätten vielmehr die Macht über die Dämonen (16,1). In drastischen Worten wird hier also der verwerfliche Götzenopferdienst geschildert, der sich grundlegend vom christlichen Gottesdienst unterscheidet (15,2). Die Heiden werden von Dämonen erfüllt, die sie unweigerlich zu Tode bringen. Was nun die Träume angeht, so stehen diese hier wiederum in einem 393 ἵνα ὀνειροπολῇ καὶ χρηματίζῃ. Wehnert übersetzt hier im Plural, eigentlich handelt es sich aber um die dritte Person Singular. 394 Übersetzung: a. a. O., 156. 395 LSJ, 1231. 396 Übersetzung: Wehnert, Homilien, 173. 397 Interessanterweise kann der Tod eines Opferteilnehmers durch die Dämonen auch durch eine Liebessituation (15,8; hier ist von ἔρως die Rede) bewirkt werden. Leider wird das nicht erläutert, sondern nur mit den anderen möglichen Todesursachen aufgezählt.

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negativen Kontext. Nicht gänzlich klar ist, wann den Heiden die Träume erscheinen. Eventuell ist daran gedacht, dass sie, volltrunken vom Wein und ermattet von den fettigen Speisen, am Altar einschlafen. Jedenfalls haben die Heiden durch ihr Tun die Dämonen angelockt und aktiviert. Diese erscheinen nun in den Träumen der Schlafenden, καὶ δι’ ὀνείρων ὑμᾶς φαντασίαις ψευδέσιν περιβάλλουσιν καὶ μυρίοις παθήμασιν τιμωροῦσιν (15,6). Dies soll etwas anders übersetzt werden, als es Wehnert tut: „Und durch Träume umgeben sie euch mit vorgetäuschten Phantasien und sie strafen euch mit zahllosen Leidenschaften“. Der Traum ist also auch hier ein negativ bewerteter Ort, an dem die Dämonen agieren. Die empfangenen Bilder sind Trugbilder, vorgetäuscht und falsch; auch wenn sie etwas Anziehendes suggerieren – Phantasien und Leidenschaften –, so werden die Träumer letztlich dadurch doch nur gequält und irregeleitet. Der orgiastisch-sexuelle Unterton der Szenerie wird deutlich, wird aber, ebenso wie die Träume selbst, negativ bewertet. Wir befinden uns nun in Homilie XII, genauer, in der Erzählung der dramatischen und tragischen Lebensgeschichte des Klemens. Voraus geht ein Dialog zwischen Klemens und Petrus (4,1–7,6), der in der Frage des Petrus mündet, ob Klemens nun wirklich völlig ohne Verwandte sei (8,1). Nun beginnt Klemens zu erzählen: Sein Vater sei ein Milchbruder des Kaisers gewesen, Klemens entstamme also einer bedeutenden Familie, auch seine Mutter sei eine kaiserliche Verwandte gewesen. Klemens selbst besitzt zwei ältere Brüder, Zwillinge, von sprichwörtlicher Ähnlichkeit. Dies wisse er lediglich durch Erzählungen des Vaters (8,2): „8,2. Ich kenne nämlich weder sie noch gar meine Mutter, sondern wie durch Träume398 steigt ihr undeutliches Bild in mir auf.“399 Der Name des Vaters sei Faustus gewesen, die der Zwillinge Faustinus und Faustinianus, der der Mutter Mattidia (8,3). „8,4. Als nach ihnen nun ich als dritter geboren worden war, hat meine Mutter, wie mein Vater erzählte, ein Traumgesicht gesehen:400 Wenn sie nicht sofort ihre Zwillingssöhne nähme und die Stadt Rom zu einem Aufenthalt in der Fremde für zehn Jahre verließe, müsse sie aufgrund eines ganz unheilvollen Schicksals gemeinsam mit ihnen sterben.“401

Der treusorgende Vater handelt entsprechend und sendet sie, mit Sklaven und Geld ausgestattet, per Schiff zur Erziehung nach Athen; Klemens hingegen bleibt bei seinem Vater zurück und sagt Petrus dazu (9,1): „Und dafür bin ich sehr dankbar, dass der Traum402 nicht auch mir befohlen hatte, mit meiner Mutter die Stadt der Römer zu verlassen.“403 Da der Fortgang der Lebensgeschichte für unsere weiteren Betrachtungen 398 399 400 401 402 403

ὥσπερ δι’ ὀνείρων. Übersetzung: Wehnert, Homilien, 183. ὄνειρον ἑωράκει. Übersetzung: a. a. O., 183 f. ὄνειρος. Übersetzung: a. a. O., 184.

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der Homilien und vor allem später der Rekognitionen elementar ist, soll sie hier zusammengefasst wiedergegeben werden: Nachdem Faustus jedes Jahr seiner Familie Geld und Boten schickte, um Nachricht zu bekommen (was jedes Mal erfolglos blieb), erreicht ihn nach drei Jahren die Botschaft, Frau und Kinder seien nicht auffindbar und überhaupt nicht in Athen gewesen; auch von den Mitgereisten wüsste man nichts (9,2 f). Faustus erträgt den Schmerz hingegen nicht mehr, macht sich mit Klemens nach Portus auf, um die Leute dort nach eventuell erfahrenen Schiffbrüchen zu befragen, auch ob es Schiffbrüchige in Form einer Frau und mehrerer Kinder gegeben habe (10,1). Natürlich hört der Vater viele Berichte von toten Schiffbrüchigen, wird immer verzweifelter und seine Nachforschungen immer absurder. Zuletzt gibt er seinen inzwischen zwölfjährigen Sohn in Pflege in Rom und versucht selbst, per Schiff seine Angehörigen zu finden (10,2). Da Klemens seit dem Weggehen des Vaters vor etwa zwanzig Jahren weder Post noch verlässliche Nachricht erhielt, geht er vom zwischenzeitlichen Tod seines Vaters aus, sei es durch seine große Pein oder durch Schiffbruch. Aufgrund der inzwischen vergangenen langen Zeit ohne Lebenszeichen ist Klemens überzeugt vom Tod des Faustus (10,3 f). Bevor wir uns der durch einen Traum initiierten Familientragödie widmen, gehen wir noch kurz zu PsClem H XII 8,2 zurück. Klemens berichtet von den Herkunftsverhältnissen seiner Familie und von seinen älteren Zwillingsbrüdern sowie seiner Mutter, die er alle nicht gekannt hat. Er sieht lediglich (oder vielleicht dennoch) ihr undeutliches Bild aufsteigen, und zwar ὥσπερ δι’ ὀνείρων. Diese Schilderung trägt einen prophetischen Zug in sich, weil Klemens, obwohl er Mutter und Brüder nie gesehen hat, in einer traumähnlichen Vision die Seinen erblickt, so als kündige sich eine Dynamik in der zukünftigen Familiengeschichte an. Bilder und Erinnerungen an seine Mutter steigen aus unbewussten Schichten der Seele und der Erinnerung auf.404 Andererseits weist der Traum hier bzw. weisen Träume im Allgemeinen wieder eine negative Konnotation auf, weil es sich um etwas nicht unmittelbar Greifbares handelt. Nur Umrisse scheinen erkennbar, das Bild sorgt eher für Verwirrung und ruft Fragen auf den Plan (z. B. „Wo sind sie?“; „Leben sie noch?“ etc.). Kommen wir nun zu 8,4 f. Laut dem Vater hatte Klemens’ Mutter einen Traum, in dem ihr befohlen wurde, mit den Zwillingen für zehn Jahre die Stadt Rom zu verlassen, um in der Fremde zu leben. Tue sie dies nicht, drohe ihnen ein grausamer Tod. Ein Traum wird hier also als legitimiertes Instrument der Übermittlung einer für die Zukunft geltenden Handlungsanweisung, oder kurz: als Orakel verstanden. Allein ein Traum löst hier eine grundlegende Lebensänderung aus, d. h. Traumwarnungen werden höchst ernst genommen. Dies alles spricht auf den ersten Blick eher für die Bedeutung des Traumes. 404 Er muss seine Mutter ja gesehen haben, da sie ihn geboren hat. Nur sind diese Erinnerungen eben unbewusst. Das passt damit zusammen, dass diese Bilder traumähnlich ins Bewusstsein drängen. Wir gehen in diesen Überlegungen nicht weiter, um diesen „Sachverhalt“ nicht überzustrapazieren.

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Interessanterweise ist es der Vater, und nicht die Mutter, die den Traum ja nach eigenen Angaben erhalten hatte, der nun das Folgende initiiert. Er stattet Frau und Kinder aus und schickt sie nach Athen. Klemens aber behält er bei sich. Dieser spricht abschließend davon, dass er dankbar sei, dass der Traum nicht auch ihm befohlen habe, mit der Mutter die Stadt zu verlassen. Auch hier wird die Bedeutung des Traums als Orakelgeber in der Antike greifbar.405 Der Traum befiehlt – und man folgt seiner Weisung unverzüglich. Dieses Szenario erinnert wiederum stark an die Träume in Mt 2,12 ff. Auch dort wird ihnen uneingeschränkt Folge geleistet. Der Traum der Mutter des Klemens lässt sich ohne Weiteres in Philos erste Kategorie einordnen (auch wenn hier nicht an den jüdisch-christlichen Gott gedacht ist bzw. überhaupt unklar bleibt, ob es sich um eine göttliche Person handelt; in 16,1 [s. u.] ist nur von „jemand“ [τινος] die Rede)406. Allein die Ankündigung der Zukunft passt zu Kategorie 2. Wir bleiben in PsClem H XII und fahren in Kap. 12 fort. Petrus und die Seinen segeln zur Insel Aradus. Vor den Toren sitzt eine bettelnde Frau, mit der Petrus ins Gespräch kommt (13,1 f). Sie hat nahestehende Menschen verloren und möchte ihrem Leben ein Ende setzen (13,3; 14,2). Petrus ermutigt sie zu erzählen und deutet Hilfe an (14,3 f). Dann erzählt die Frau von ihrer gehobenen Herkunft, ihrer Ehe mit einem Verwandten eines nicht näher benannten Herrschers, die auf dessen Geheiß geschlossen wurde, und von ihren drei Söhnen, von denen zwei Zwillinge seien (15,2). Der Frau, die sich selbst als tugendliebend beschreibt, habe das Unglück gehabt, dass ihr Schwager zu großer Liebe zu ihr entbrannte. In der Pattsituation steckend, nicht durch eine Affäre Ehebruch zu begehen und damit sich und ihren Mann zu entehren, aber auch nicht den Schwager vor seinem Bruder, ihrem Mann, zu kompromittieren oder gar eine Auseinandersetzung zu verursachen, habe sie beschlossen, die Zwillinge zu nehmen und fortzugehen, in der Hoffnung, dass das Verlangen des Schwagers bald nachließe und sie zurückkehren könne. Der jüngste Sohn hingegen sei beim Vater geblieben (15,3 f). Die Leserin bzw. der Leser weiß nun, um welche Frau es sich handelt, die Petrus da bettelnd aufgefunden hat – um die Mutter des Klemens. Nun folgt die Traumstelle, indem die Mutter spricht: „16,1. Damit dies jedoch so geschähe, gedachte ich, einen Traum407 zu erdichten, wie jemand nachts bei mir gestanden und gesagt habe: ‚Frau, verlasse sofort mit deinen Zwillingen für eine gewisse Zeit die Stadt, bis ich dir kundtue, hierher zurückzukehren, wenn du nicht mit deinem Mann und all deinen Kindern plötzlich eines schlimmen Todes sterben willst.‘ 16,2. Unverzüglich führte ich es so aus. Und kaum hatte ich meinem Mann den Traum408 vorgelogen, wurde er sehr erschrocken und 405 Da sich der Traum aber später als fingiert herausstellt, wird er von Seiten des christlichen Verfassers der Pseudoklementinen letztlich disqualifiziert und in seiner Bedeutung fragwürdig. 406 Dass der im Traum Sprechende große Gewalt inne hat, wird aber anhand seiner Unheilsandrohung bzw. dem Umstand, dass ihm unmittelbar Folge geleistet wird, sichtbar. 407 ὄνειρον. 408 ὄνειρον.

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schickte mich mit den beiden Söhnen, […] nach Athen, um die Söhne zu erziehen, ‚bis‘, so sagte er, ,es dem, der das Orakel gab, gefällt dass du zu mir zurückkehrst.‘“409

Die Mutter erzählt weiter vom erlittenen Schiffbruch, dem Verlust der Zwillinge und von ihrer Aufnahme durch die Einheimischen (16,3–17,2). Es stellt sich heraus, dass wir es bei dem Traum der Mutter nicht mit einem echten Traum zu tun haben, sondern mit einem erdachten und geplanten Konstrukt. Die Mutter bediente sich des Mediums Traum, um einer Affäre mit ihrem Schwager zu entgehen. Der Schiffbruch ist als die umgehend erfolgende Strafe für diese Lüge zu interpretieren. Der fingierte Traum führt letztlich dazu, dass die Familie auseinandergerissen wird und ihr in Teilen großes Unglück widerfährt. Zu erwähnen ist noch die Formulierung in 16,1: ὡς δή τινος νύκτωρ ἐπιστάντος μοι. Dieses „bei jemandem stehen“ reiht sich in die bisher dazu aufgeführten Stellen ein. Erwähnenswert ist weiterhin die Formulierung τῷ χρηματίσαντι in 16,2 (Partizip Dativ). Χρηματίζω heißt im Aktiv „eine Weisung erteilen (durch Gott)“.410 Das heißt erstens: Der Traum (darauf bezieht sich die Aussage ja) ist ein Weisung gebendes Medium, und zweitens: Gott ist derjenige, der die Weisung erteilt. Auch wenn der Verfasser der Homilien den Traum als Ausgangspunkt für ein Drama wählt, wird doch deutlich, dass der Vater des Klemens den Traum als göttliches Weisungsinstrument ernst nimmt. Werden Träume in den Homilien vor allem negativ konnotiert bzw. kritisch gesehen, so findet sich an dieser Stelle eine positive(re) Bewertung und Wertschätzung derselben, wenn auch nur in indirekter Weise. Die Mutter des Klemens erzählt Petrus nun, wie es ihr erging und wie es dazu kam, dass sie zur Bettlerin wurde. In 20,1–3 berichtet Petrus ihr dann von dem jungen Mann (Klemens), der bei ihm sei, und dabei erwähnt er noch einmal den vermeintlichen Traum von Klemens’ Mutter (20,2). Da hier aber lediglich schon Bekanntes wiederholt wird, soll die Stelle nicht nochmals aufgeführt werden. Die nächste relevante Stelle findet sich in Homilie XIII. Inzwischen wurden Klemens und seine Mutter zusammengeführt und befinden sich miteinander in Laodizea (1,3), wo es auch bald zur Vereinigung von Klemens, seiner Mutter und den Zwillingen kommt (3,3; s. dazu gleich), die, wie sich herausstellt, Niceta und Aquila sind, die Petrus und Klemens schon lange begleiten.411 409 Übersetzung: Wehnert, Homilien, 186. 410 Bauer, Wörterbuch, 1765. 411 Diese werden das erste Mal am Beginn von Homilie II erwähnt: Klemens erwacht zu nächtlicher Zeit und sieht, wie Petrus mit den Brüdern, sechszehn an der Zahl, spricht (1,1). Diese werden nun aufgezählt: „1,2. Der erste von ihnen war Zachäus, der einstige Zollpächter (vgl. Lk 19,2), dann Sophonias, sein Bruder; Joseph und dessen Milchbruder Micha; ferner Thomas und Eliezer, die Zwillinge (vgl. Joh 11,16 u. ö.), schließlich Äneas (vgl. Apg 9,33; Lk 16,19 v.l.) und Lazarus (vgl. Lk 16,20), die Priester, zudem Elissäus und Benjamin, der Sohn des Saphra, wie auch Rubelus und Zacharias, die Baumeister, Ananias (vgl. Apg 9,10 u. ö.) und Angäus, die Jamnener, sowie Niceta und Aquila, die Gefährten.“ (Übersetzung: Wehnert, Homilien, 66).

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Vorher schlägt Petrus vor, in der Stadt mehrere Tage zu verweilen (1,4). Auf die Frage von Niceta und Aquila, wer sich hinter der Frau verberge, welche sie begleite (beide waren der Gruppe um Petrus vorausgereist, 2,1), antwortet Klemens, dass es sich um seine Mutter handele. Dass sich die beiden wiedergefunden hätten, habe er Petrus zu verdanken, durch den Gott dies gewirkt hätte (1,5). Der Apostel erzählt den beiden das bisher Geschehene. Klemens habe Petrus seine Familiensituation erklärt, auch dass seine Mutter ihre Zwillingssöhne genommen habe und fortgereist sei und dass dies „unter dem erfundenen Vorwand des Traumgesichts412“ geschehen sei (2,1).413 Auch die Reise des Faustus wird erwähnt (2,1) und dass Petrus die Mutter des Klemens als Bettlerin auf der Insel gefunden „und auf die Frage nach dem Grund ihres Bettelns ihre Herkunft, Erziehung, den erfundenen Traum414 und die Namen ihrer Kinder in Erfahrung gebracht hatte“.415 Dies seien zum einen der in Rom zurückgelassene Klemens, zum anderen die Zwillinge, welche die Mutter begleiteten; jene wären wohl ertrunken (2,2). Niceta und Aquila erschrecken über den Bericht des Petrus (3,1) und rufen aus: „3,2. ‚Herrscher und Herr des Alls, ist das wirklich wahr oder ein Traum416?‘ Da sagte Petrus: ‚Wenn wir nicht schlafen, ist es wahr.‘“417 Beide kehren sich kurz in sich, bevor sie sich freudig als Faustinus und Faustinianus zu erkennen geben. Schon während der Erzählung des Apostels hätten sich beide, innerlich aufgeregt, gefragt, ob sie nicht mit den Zwillingen gemeint seien, seien sich aber unsicher gewesen (3,3). Schließlich habe die Überzeugung gesiegt, dass nur sie gemeint sein könnten und deshalb hätten sie ihre wahre Identität offenbart (3,4). Die Mutter wird daraufhin von der Wiederentdeckung unterrichtet (6,2 f) und die Zwillinge erzählen, was ihnen seit dem Schiffbruch geschehen sei und wie es dazu kam, dass sie ihre Namen änderten (7,1–8,4). Die ersten beiden Erwähnungen der Träume geben also nochmals das wieder, was vorher schon (mehrfach) erzählt wurde: den erdachten Traum der Mutter des Klemens. Interessanter ist die zweite Erwähnung in 3,2: Die Zwillinge Niceta und Aquila respektive Faustinus und Faustinianus geben sich mit einem Ruf des Erstaunens zu erkennen. Für uns aufschlussreich ist, dass hier Wirklichkeit bzw. Wahrheit (ἀληθής) dem Traum gegenübergestellt wird. Verständlicherweise sind die Zwillinge über die Geschehnisse so erstaunt und bestürzt, dass sie sicher gehen wollen, dass es wahr ist, was sich zuträgt. Dennoch, ohne die Aussage überzustrapazieren, ist der Traum hier etwas, das

412 413 414 415 416 417

Diese ausgesprochen interessante Namensliste kann an dieser Stelle nicht weiter beachtet werden. Allein der Nennung des Zwillings Thomas an dieser Stelle nachzugehen, wäre eine eigene Untersuchung wert. ὀνείρου πλαστῆς προφάσεως. Übersetzung: Wehnert, Homilien, 194. τὸν πλαστὸν ὄνειρον. Übersetzung: ebd. τοῦτο ἀληθὲς ἢ ὄνειρός ἐστιν; Übersetzung: ebd.

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nicht real ist, das der Wirklichkeit entgegensteht. Dies wird durch Petrus bestätigt und verstärkt: Der Traum gehört in den Schlaf, Wirklichkeit und Wahrheit spielen sich im Wachen ab. Ironischerweise werden Philos Traumkategorien hier ungewollt ad absurdum geführt: Bei Philo ist es Gott, der durch einen Traum Wahrheit zum Menschen spricht. Hier aber rufen die Menschen (die Zwillinge) Gott an, um zu fragen ob es sich um Wahrheit oder Traum handele! Wir gehen zu PsClem H XIV. Hier wird ein weiteres Mal von dem (angeblichen) Traum der Mutter des Klemens gesprochen und die Geschichte wiederholt erzählt. Die Umstände sind folgende: Nach der Taufe der Mutter (1,1– 4) kommt ein alter Mann auf Petrus zu (2,2) und diskutiert mit ihm über die Astrologie und die Macht des astrologischen Geburtsbildes (2,3–6,3).418 Wie sich später herausstellt, ist er der Vater des Klemens, und im Laufe der XIV. Homilie wird der letzte Teil der Familientragödie aufgelöst und die Familie vollständig zusammengeführt. Bevor dies aber geschieht, gibt sich der Alte zunächst für einen Freund der Familie des Klemens aus (6,2), um nicht erkannt zu werden, und erzählt aus dieser Perspektive die Geschehnisse um den Weggang der Mutter des Klemens nach Athen noch einmal anders (6,3–7,4). Warum diese Schilderung von der bisherigen Version abweicht, muss uns hier nicht weiter kümmern, uns geht es um die Informationen zu dem Traum: Der Alte erzählt, er sei Astrologe gewesen, habe in Rom gewohnt und sei Freund eines Mitgliedes der kaiserlichen Familie gewesen. Er habe besonderes Wissen bezüglich der astrologischen Geburtsbilder419 seines Freundes und dessen Frau gehabt und fand die Bestätigung seines Wissens in der späteren Übereinstimmung von Horoskop und persönlichem Schicksal der beiden (6,2). Im Geburtsbild der Frau sei angelegt gewesen, dass sie mit ihren Sklaven Affären haben und außerhalb der Heimat ertrinken würde. Dies sei eingetreten. Zu einem Sklaven in Liebe entbrannt, hätte sie, beherrscht von Scham, mit diesem die Flucht angetreten, und wäre im Ausland, nach Vollzug des Ehebruchs, ertrunken (6,3). Petrus fragt den Alten nun, wie er all das sicher wissen könne (7,1).420 Dies könne er tatsächlich nicht, weder von Heirat noch von Verliebtheit. Jedoch hätte der Schwager der Frau (der versucht, sich ins rechte Licht zu rücken), nachdem sie geflohen sei, ihm von der Liaison berichtet (7,2): „Wie er als Ehrenmann […] dessen Ehebett nicht beflecken wollte, und wie sie, die Unselige […], ihn begehrte, sich aber vor ihm und der Schande schämte und einen Traum ersann421 – ob wahr oder erfunden, kann ich nicht sagen. 7,3. Er sagte nämlich, dass sie Folgendes erzählt habe: ‚Im Traum422 ist mir jemand erschienen und hat mir 418 Zum Thema Astrologie in den Pseudoklementinen (hauptsächlich allerdings auf die Rekognitionen bezogen) vgl. Schoeps, Astrologisches im Pseudoklementinischen Roman, 88–100. 419 τὴν γένεσιν. Hier ist ein Horoskop im antiken Sinn gemeint. 420 Hier ist nun gar von Heirat zwischen der Frau und dem Sklaven die Rede. 421 ὄνειρον […] ἐπλάσατο. 422 ἐν ὁράματι.

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befohlen, zusammen mit den Kindern die Stadt Rom unverzüglich zu verlassen.‘ 7,4. Ihr Mann aber […] schickte sie sofort mit ihrer Mutter und Sklaven nach Athen […]. Er hatte aber noch einen dritten, jüngsten Sohn; den behielt er bei sich, weil der, der das Traumorakel gab, erlaubt hatte, dass er bei ihm blieb‘“423 (ὡς δὴ τοῦ χρηματίσαντος κατ’ ὄναρ συνεῖναι αὐτὸν αὐτῷ ἐπιτρέψαντος).

In diesem Abschnitt kommt der Romancharakter der Schrift besonders stark zum Ausdruck. Erneut wird die Familientragödie erzählt – diesmal aus dem Blickwinkel des (verleumderischen) Schwagers. Bei allen drei Erwähnungen von Träumen ist kurz zu verweilen. In 7,2 heißt es, dass die Mutter des Klemens einen Traum „ersann“ (ἐπλάσατο), die eigentliche Übersetzung ist „formen, gestalten, bilden“, etwa so, wie Gott den Menschen erschaffen und geformt habe.424 Die Übersetzung von Wehnert ist etwas suggestiv, dennoch vollkommen korrekt. Die Mutter hat den Traum nicht empfangen, sondern ihn aktiv geschaffen. Seltsamerweise heißt es dann, dass der Alte nicht wisse, ob der Traum wahr oder erfunden sei, was ja eigentlich durch das πλάσσω schon geklärt ist. Kommen wir zu 7,3. Jemand (τις) tritt hinzu (ἐπιστάς) und gibt einen Befehl (ἐκέλευσέν μοι). Inhaltlich zwar vollkommen richtig von Wehnert übersetzt, wäre eine korrektere Übersetzung von ὅραμα ja aber „das Geschaute, das Gesicht“425. Hier werden also synonym die Begriffe ὄνειρος und ὅραμα gebraucht, in 7,4 kommt noch ὄναρ hinzu. Diese Gleichsetzung wurde schon mehrfach beobachtet. Auch hier ist das Gesicht der Inhalt des Traums. Weiterhin taucht in 7,3 wieder das Motiv des Hinzutretens auf, diesmal in einem eindeutigen Kontext des Schlafes und ausgedrückt durch ἐφίστημι.426 Obwohl nicht gesagt wird, wer es ist, der hinzutritt, hat er – darauf wurde oben schon hingewiesen – dennoch Weisungsgewalt, und was er im Traum sagt, wird von der (fälschlichen) Empfängerin weitergegeben und von deren Mann ausgeführt. Es muss sich, aus dem Blickwinkel des Mannes bzw. Vaters, um eine jedenfalls göttliche Autorität handeln. Für den Vater ist es nicht unmittelbar wichtig zu wissen, wer genau diese Anweisungen gab – es reicht, dass die Befehle über das Medium Traum mitgeteilt wurden. Dass sich der Vater des Klemens in 11,4427 zur Astrologie als Wissenschaft bekennt – obwohl Petrus ihn nachdrücklich versucht, vom Gegenteil zu überzeugen und die Astrologie der 423 424 425 426

Übersetzung: Wehnert, Homilien, 204 f. Bauer, Wörterbuch, 1340. S. o., 53 mit Anm. 116. Dass das Szenario nur erdacht ist, spielt für uns nur eine untergeordnete Rolle; Informationen zum Wesen des Traumes werden uns dennoch übermittelt, da sich der Bericht ja an echten Träumen orientiert. 427 „Ich weiß, dass die Astrologen in vielem irren, in vielem aber auch die Wahrheit sagen. Ich nehme daher an, dass sie in dem, was sie genau erforschen, die Wahrheit sagen, und in dem, worin sie irren, an Unkenntnis leiden. Ich vermute deshalb, dass diese Wissenschaft zwar stichhaltig ist, sie aber aus Unkenntnis die Unwahrheit sagen, weil sie nicht alle Dinge genau erforschen können.“ (Übersetzung: Wehnert, Homilien, 206).

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Lüge zu überführen –, ist seiner Offenheit gegenüber der Traummantik sicher förderlich. Ist daran gedacht, dass die Mutter des Klemens diese Offenheit bewusst ausnutzt, um ihren Mann durch den fingierten Traum auf eine falsche Fährte zu locken? Leider wird dies nicht weiter ausgeführt. Nach 7,4 behält der Vater den jüngsten Sohn bei sich, da ihm dies im Traum gestattet worden sei. Wieder wird nicht erkennbar, wer der Traumsprecher sein soll, der offenbart und Weisung erteilt bzw. den Traum überhaupt initiiert. Im neutestamentlichen Griechisch ist es bei χρηματίζω vor allem Gott, der dies tut.428 So kann man auch hier annehmen, dass es eine Gottheit bzw. eine von Gott autorisierte Person ist, an die bei dem (Pseudo-)Traum gedacht ist. Diese gestattet es dem Vater, den jüngsten Sohn zu behalten. Dieses „gestatten“ (ἐπιτρέπω) unterstreicht sowohl die Autorität dessen, der da im (vermeintlichen) Traum auftritt, als auch den Gehorsam des Vaters der Traumbotschaft gegenüber. Festzuhalten sind also die drei verschiedenen Begrifflichkeiten ὄνειρος (7,2), ὅραμα (7,3) und ὄναρ (7,4), obwohl (bzw. weil) die drei Begriffe unmittelbar nacheinander benutzt werden. Weiterhin ist wichtig, dass ὅραμα hier synonym für einen Traum gebraucht wird – wobei es sich diesmal eindeutig um den Zustand des Schlafes handelt. Widmen wir uns den nächsten Stellen, die sich in PsClem H XVII 13–20 finden. Dieser Abschnitt ist, was die Diskussion um das Wesen von Träumen und ihre Deutung angeht, der bedeutendste in den Pseudoklementinen und den christlichen Apokryphen generell. Wir befinden uns innerhalb der Disputationen zwischen Petrus und Simon Magus in Laodizea (PsClem H XVI– XIX). Direkt vorangegangen in PsClem H XVII waren eine Rede von Simon Magus (2,1–5,6)429, in der es schon um die Unterscheidung von Wirklichkeit (ἐνέργεια) und Vision (ὀπτασία) ging (5,6), die aber hier, da keine direkte Traumvokabel gebraucht wird, übergangen werden soll, und eine Rede des Petrus (6,3–12,6).430 In der zweiten Rede geht es v. a. um das Thema der Gottesfurcht (11,3–12,6). Dabei wird einiges Bekanntes aus den Synoptikern wiedergegeben (über Jesu Verkündigung und die Aussendung der Jünger, 6,3– 7,2). Hauptsächlich wird das Thema der Gestalt Gottes auf physische und metaphysische Weise diskutiert (7,2–11,2). Begriffe wie das „Seiende“ (τὸ ὄν, 8,3; 8,5 f)431 und „Nichtseiende“ (τὸ μὴ ὄν, 8,3; 8,5 f), der „Raum“ (τόπος, 8,3 f) und die „Leere“ (κενόν, 8,3 f) sind dabei von Bedeutung. Existenz und Gestalt Gottes werden in Relation zur Sonne bzw. zum Bild der Sonne gesetzt (z. B. 7,3; 8,8 f). Für das Erkennen der wahren Gestalt Gottes spielt der νοῦς eine entscheidende Rolle (10,5; 11,2). So heißt es: 428 S. o. 429 Die Rede wird nur indirekt wiedergegeben; Zachäus hatte sie gehört und erzählt sie Petrus. 430 Diese Reden werden – völlig zu Unrecht – von Klauck als „Vorgeplänkel“ bezeichnet, Klauck, Apostelakten, 223. 431 Vgl. Ex 3.

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„10,2. Er [νοῦς, P.E.] existiert allein – teils begreifbar, teils unbegreifbar, teils begrenzt, teils unbegrenzt, mit Ausdehnungen, die von ihm ins Unendliche reichen. 10,3. Denn deshalb ist er begreifbar und unbegreifbar, nah und fern, hier und dort gegenwärtig, weil er allein existiert und zugleich an seinem an allen Seiten unbegrenzten Verstand Anteil gibt,432 den die Seelen433 aller einatmen und so das Leben haben.“434

Der νοῦς Gottes – dies wird ausgesprochen faszinierend beschrieben –, an dem derselbe Anteil gibt, ist von jeder Seite unendlich. Dieser νοῦς gibt das Leben und wird – ebenfalls eindrücklich metaphorisiert – von der Seele eingeatmet. Bemerkenswert ist die hier geschaffene Verbindung von ψυχή und νοῦς. Da der Begriff, der bisher bewusst unübersetzt gelassen wurde, in der folgenden großen Rede zwischen Simon und Petrus eine wichtige Rolle spielt (im Zusammenhang mit wahrer Erkenntnis), soll er in einem kurzen Exkurs etwas näher beleuchtet werden. Exkurs: νοῦς Zunächst sind die wichtigsten Übersetzungen zusammenzutragen. LSJ zählt folgende Bedeutungen auf: 1. im Sinne von „the faculty of intellectual perseption“: „mind“, „intellect“, „understanding“; 2. im Sinne von „way of thinking“: „mind“, „attidude“; 3. im Sinne von „result of thinking“: „mind“, „thought“, „opinion“, „decree“.435 Dieses Bedeutungsspektrum ist ausgesprochen weit gefächert.436 Behm weist darauf hin, dass die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „auf einen Gegenstand gerichteter (innerer) Sinn“ ist und „sowohl Empfindung, seelisches Wahrnehmungsvermögen, Fähigkeit geistiger Auffassung […] wie auch Denkweise, sittliche Wesensart“ umfasst.437 Folgende Einzelbedeutungen des allgemeinen Sprachgebrauchs listet er auf: 1. „Sinn, Gesinnung als Ausdruck der inneren, namentlich sittlichen Gesamthaltung“; 2. „Einsicht, Erfindungsgabe, […] Geist, Vernunft, Bewußtsein, die geistige Seite am Menschen, durch die er sich als fühlendes, wollendes, denkendes Wesen erweist“; 3. „Verstand, Denkvermögen, Fähigkeit denkenden Erkennens“; 4. als Resultat von Verstandesaktivität „Gedanke, Meinung, Urteil, Entschluß, Absicht, Plan.“438 Da der Begriff in der antiken griechischen Philosophie eine tragende Rolle spielt, ist es unumgänglich, deren wesentliche Thesen, wenn auch in aller Kürze, zu skizzieren. Ursprünglich bezeichnete νοῦς in Griechenland ein mythisches Gottwesen 432 433 434 435 436

τοῦ πανταχὸθεν ἀπείρου νοὸς τὴν μετουσίαν διδούς. αἱ ψυχαί. Übersetzung: Wehnert, Homilien, 227. LSJ, 680. Sehr viel kürzer sind die Übersetzungsangebote von Söding, Art. νοῦς, 267: „Vernunft, Verstand, Sinn“. 437 Behm, Art. νοῦς, 951. 438 Ebd.

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(Anaxagoras, Fragment 12), aber auch ein Wesensmerkmal des Menschen (Demokrit, Fragment 112). Nach Parmenides, Fragment 16,2, bildet νοῦς, zusammen mit Willen und Gefühl, die seelischen Triebkräfte eines Menschen. Innere Denkvorgänge und Selbstreflexionen gehören ebenso zum Begriff wie der fragende, suchende und trachtende Geist des Menschen. Insofern dieses Streben wesentliches Charakteristikum des Geistes ist, kann νοῦς auch selbst mit „Geist“ übersetzt werden (Parmenides, Fragment 16,2), so wie sonst πνεῦμα oder ψυχή. Homer, Il. XXIII 149, und Herodot I 27,3 verwenden νοῦς auch im Sinne eines vernünftigen Entschlusses bzw. einer durchdachten Absicht. Bei Plato ist νοῦς die höchste Gestalt der Seele. Sie ist, aus menschlicher Perspektive, die Instanz, die für die Wahrheitsfindung zuständig ist und läutert die Seelenanteile ἐπιθυμητιόν (das Begehrende) und θυμοειδές (das Mutige und Eifrige). Durch den νοῦς wird der menschliche Sinn auf Wesentliches und Bleibendes, aber v. a. auf das Göttliche gerichtet (Plato, rep. 437b–441c.490b; 614b–616b); er ist nicht nur in der menschlichen Seele am Wirken, sondern er durchzieht den ganzen Kosmos (Tim. 30ab.46c–47e). Diese Vernunft ist nicht nur das Prinzip, das ordnend und gestaltend eingreift, sondern letztlich mit dem göttlichen Sein selbst identisch.439 Aristoteles definiert νοῦς als ἐνέργεια der Seele und unterscheidet den νοῦς θεορητικός vom νοῦς πρακτιός. Ersterer ist als philosophische Vernunft, die sich der Erkenntnisgewinnung widmet, Zweiterer als praktische Vernunft zu verstehen, die dafür sorgt, dass das als richtig Erkannte in die Tat umgesetzt wird (Aristoteles, an. 414a 19–419b 19; 443a 14 ff; eth. Nic. VI 1139a 17 ff). In metaph. 1025b 25 unterscheidet Aristoteles noch eine dritte Vernunft, den νοῦς ποιητικός, welchen er als unsterblich und göttlich charakterisiert (an. 408b 29 f). In der Stoa wird der νοῦς stark von der göttlichen Seite her gesehen. Er ist selbst göttlich und wohnt im Menschen, er bringt ihn dazu, die Wahrheit zu finden und zu erkennen und verkörpert letztlich sein wahres Wesen (Diogenes Laertios 7,54.138; Epiktet, dissertationes II 8,1 f).440 Was den Gebrauch in der LXX angeht, so kommt νοῦς auffallend selten (32 Mal) vor und hat dabei kein eigentliches begriffliches Gepräge. Eine einheitliche hebräische Entsprechung gibt es nicht.441 Sechs Mal wird in der LXX das hebräische ‫ לבב‬bzw. ‫ לב‬mit νοῦς anstatt mit καρδία übersetzt (so etwa in Ex 7,23 und Jos 14,7). Dies unterstreicht die jüdische Vorstellung, dass das Herz Sitz des νοῦς sei.442 Eine hervorzuhebende Variante ist auch die Übersetzung von ‫רוח‬ 439 Söding, Art. νοῦς, 267; 269. 440 Ebd. Vgl. zur Unterscheidung von theoretisch, praktisch und poetisch bei Aristoteles Ruffing, Philosophiegeschichte, 87. 441 Schrage, Verhältnis, 132. 442 Wolff, Anthropologie, 84; vgl. Schrage, Verhältnis, 132, sowie Schellenberg, Art. Vernunft, die, ebd., auch noch Ableitungen von ‫ בין‬sowie ‫ ידע‬und ‫ שכל‬ergänzt. Ein Hinweis gibt auch Spr 18,15 LXX. Dort ist zwar nicht von νοῦς die Rede, aber von φρόνιμος. Was also die Bedeutungsgehalte „Vernunft“ bzw. „Verstand“ von νοῦς angeht, kann hier durchaus eine Verbindung gezogen werden. Zu beachten ist aber, dass das Herz auch als Sitz von Sensibilität und

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mit νοῦς in Jes 40,13 LXX anstatt mit πνεῦμα. In beiden Fällen bleibt die Abweichung undurchsichtig. Dass die LXX im Gebrauch von νοῦς so zurückhaltend ist, hat für Söding zwei Gründe. Zum einen hat sie kein Interesse an wissenschaftlichem Forschen, wie es die griechische Philosophie vertritt. Zum anderen ist Theologie und Anthropologie völlig anders aufgebaut. „Den νοῦς als göttlich zu betrachten und gleichzeitig der Seele des (seinem transzendentalen Wesen nach göttlichen) Menschen wie des (seinem intelligiblen Sein nach gleichfalls göttlichen) Kosmos zuzuordnen, ist schlicht unvereinbar mit den elementaren Voraussetzungen biblischer Theologie, Gott und die Welt ebenso strikt zu unterscheiden wie im Horizont der Schöpfung und der Erlösung durch Gott untrennbar miteinander zu verbinden.“443 Die zwischentestamentliche Literatur wendet sich dem Begriff νοῦς wieder verstärkt zu. In 2Hen 65,2 ist die Rede davon, dass Gott den Menschen nach seinem Bild schuf, ihm Augen und Ohren zum Sehen und Hören gab, das Herz zum Denken und die Vernunft, um zu überlegen. Josephus, ant. VII 23, zufolge bat Salomo um einen gesunden νοῦς, damit er Gerechtigkeit und Wahrheit verkünden könne.444 Unzucht verblendet den νοῦς (TestRub 4,6; 6,4), ebenso erotische Leidenschaft (Sus 9; 3Esr 4,26), Hass (TestGad 6,2), Neid (TestSim 4,8), Leiden (TestHiob 35,4; 38,1.6) und Not (Josephus, ant. II 191). Ebenso wird der Verstand durch Abwendung von der Tora verdunkelt (TestRub 3,8, vgl. 4Esr 7,23 f; TestJud 18,3; TestIss 6,1 f). Durch Zuwendung zur Tora wiederum wird Frömmigkeit und Vernunft ermöglicht (Sib 3,719).445 In SapSal 4,12 wird νοῦς in der Bedeutung von Sinn oder Gesinnung gebraucht. Νοῦς kann auch den Charakter bezeichnen (4Makk 16,13). Josephus gebraucht das Wort immer in der Bedeutung „Sinn“, „seelisches Wahrnehmungsvermögen“, „innerer Habitus“.446 Seele und Verstand hängen also, wie wir oben schon festgestellt haben, zusammen. Was Philo und seine Koinzidenz von jüdischer Religion und griechischhellenistischer Philosophie angeht,447 ist eine Prägung durch griechische Kosmologie und Psychologie deutlich zu erkennen – er gebraucht νοῦς v. a. im Sinne von Vernunft bzw. Geist, als das Beste im Menschen.448 Das dabei zugrunde liegende Thema ist gleichzeitig das für ihn entscheidende: die Möglichkeit menschlicher Gotteserkenntnis. Nicht nur Gott selbst ist in vollkommener Weise νοῦς (Abr. 192; leg. III 29), sondern auch alles, was zum Bereich des Himmels gehört (somn. I 135; opif. 73), weiterhin Gottes Schöpferkraft (opif. 8; Abr. 193), aber auch die Vernunft Gottes, die den Kosmos durchzieht

443 444 445 446 447 448

Emotionalität sowie des Willens verstanden wurde, Wolff, Anthropologie, 74; 84. S. auch Knapp, Herz, 56–60. Söding, Art. νοῦς, 270. Schrage, Verhältnis, 133. Söding, Art. νοῦς, 271 f. Vgl. Schrage, Verhältnis, 134. Behm, Art. νοῦς, 952. Schrage, Verhältnis, 136. Behm, Art. νοῦς, 954 f.

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(spec. I 18; III 1). Den νοῦς des Menschen hingegen beschreibt Philo ambivalent: Er ist beschränkt, irdisch und vergänglich (det. 90; leg. I 90; III 29). Auf der anderen Seite ist er der wertvollste Besitz des Menschen (mut. 246): Er ist von Gott erschaffen449 (her. 184; 274) und bezeichnet einen Teil der Seele im Menschen, den Gottes Geist direkt ansprechen und inspirieren kann. So ist es dem Menschen möglich, nicht nur die Wahrheit (Mos. II 265), die Tugend (leg. I 47) und die der Welt zugrunde liegende vernünftige Ordnung (her. 111) zu erkennen, sondern auch zu, wenn auch begrenzter (leg. I 91) Gotteserkenntnis zu gelangen (det. 89; praem. 12). Zwei Voraussetzungen sind nötig, um die höchste Form dieser Erkenntnis zu erreichen: 1. eine Offenbarung, die in Traum oder Vision empfangen wurde (somn. I 2; II 232), was für unsere Fragestellung hier von besonderem Interesse ist, und 2. der Modus charismatisch-prophetischer Ekstase (her. 265; leg. I 82; II 31).450 Im Neuen Testament kommt νοῦς hauptsächlich (23 Mal) im Corpus Paulinum vor, sonst nur in Lk 24,45; Offb 13,18; 17,9. Behm postuliert, dass jede „Beziehung zu dem philosophischen oder mystisch-religiösen Terminus νοῦς fehlt; der νοῦς erscheint nicht als das Göttliche oder Gottverwandte im Menschen, er wird weder mit dem πνεῦμα noch mit der ψυχή irgendwie gleichgesetzt, das Wort wird ebenso wie im populären Sprachgebrauch der Griechen ohne feste begriffliche Prägung verwandt“.451 Es trägt die bekannten Bedeutungen Verstand, Gedanke, Urteil, Ratschluss, Sinn, Gesinnung, praktische Vernunft. Νοῦς als Sinn bzw. Gesinnung (im Positiven: 1Kor 1,10, im Negativen: Kol 2,18; 1Tim 6,5; 2Tim 3,8) ist der Ausdruck der inneren Bestimmtheit des Wesens, kann aber auch die sittliche Grundhaltung (Röm 1,28; 12,2452) bzw. Urteilskraft (Röm 7,23.25)453 meinen. Νοῦς im Sinne einer praktischen Vernunft bezeichnet das sittliche Bewusstsein, das konkretes Wollen und Tun bestimmt, vοῦς im Sinne von Verstand das intellektuelle Organ des Menschen (Lk 24,45; Phil 4,7454). Mit ihm kann der Mensch aber auch in Geheimnisse 449 Plant. 42 und gig. 27 sprechen davon, dass der νοῦς Gottes Geschenk sei, s. Schrage, Verhältnis, 138. 450 Söding, Art. νοῦς, 272; Bittrich, Traum, 96 f. 451 Behm, Art. νοῦς, 956. 452 Nach Spaeth, Röm 7,7–25, 178, ist hier mit νοῦς „der täglich erneuerte Teil des Christen“ gemeint. 453 In 7,23 erfolgt die Gegenüberstellung νόμος τοῦ νοός – νόμος τῆς ἁμαρτίας. Νοῦς ist hier also positiv besetzt und müsste am ehesten mit „Sinn“ übersetzt werden, vgl. Spaeth, Röm 7,7–25, 177 mit Anm. 39. In 7,25 erfolgt wieder eine Gegenüberstellung: νοῦς und νόμος θεοῦ auf der einen – σάρξ und νόμος ἁμαρτίας auf der anderen Seite. Wilckens, Römer, Bd. 2, 97, sieht in V 25b eine Glosse und übersetzt hier νοῦς mit „Vernunft“, was schwerlich den gemeinten Inhalt des Wortes trifft und das Ringen des Paulus (man beachte seinen „Aufschrei“ ταλαίπωρος ἐγὼ ἄνθρωπος vorher in V 24!), der um seine beiden widerstreitenden Seiten weiß (die letztlich nicht separat gedacht werden können), nicht genügend widerspiegelt. Νοῦς meint hier vielmehr den Kern der Persönlichkeit des Apostels, sein innerstes Streben. 454 Νοῦς scheint an dieser Stelle die Zusammenfassung von καρδία und νόημα zu sein. S. zum Herz im NT Knapp, Herz, 61–65. S. z.St. Walter, Philipper, 94; Müller, Philipper, 198.

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apokalyptischer Art eintauchen (Offb 13,18; 17,9)455, wobei hier eine starke Nähe zwischen νοῦς und σοφία aufgebaut wird. In 1Kor 14,14.19 steht die Sprache und das Gebet mit νοῦς der glossolalen Rede gegenüber, in 2Thess 2,2 meint er das sichere Urteilsvermögen der Gemeinde. In Röm 14,5, innerhalb der Debatte um die Starken und Schwachen in der Gemeinde, wird νοῦς im Sinne von Urteil bzw. Ratschluss verwendet: Jeder möge in seinem eigenen Urteil fest stehen.456 In 1Kor 2,16 (in Aufnahme von Jes 40,13) wird νοῦς als Geist verstanden, der von Gott stammt und wieder auf ihn gerichtet ist.457 In Röm 11,34458 ist mit νοῦς der göttliche Heilsplan gemeint.459 Bultmann beschreibt νοῦς bei Paulus als „ein Denken, das ,auf etwas aus ist‘, das einen Plan für ein Handeln entwirft.“460 In den christlichen Apokryphen taucht νοῦς u. a. im Sinne des Deutungsvermögens alttestamentlicher Schriftworte auf, so etwa in Barn 6,10, ähnlich wie Lk 24,45. Im Magnesierbrief des Ignatius (7,1) bezeichnet unser Begriff die eine, christliche Sinnesart, die die vorherigen Sinnes- und Denkarten transformiert. Nach den Apologeten hat der Mensch allein über den νοῦς Zugang zu Gott (so etwa bei Justin, dial. 3,7–4,5; Athenagoras, leg. 4,1; 10,1; 23,4). Gott und Christus werden selbst wesensmäßig als νοῦς verstanden. Clemens von Alexandrien führt die philosophische νοῦς-Lehre, was ihre wesentlichen Inhalte anbelangt, als kirchliches Theologoumenon ein. Auch hier wird Gott-Vater als νοῦς verstanden und der Logos als Sohn des νοῦς (strom. IV 162,5).461 Den Gebrauch von νοῦς innerhalb hymnischer Texte finden wir in ActThom 27462 455 Vergleicht man beide Verse, ist ein Wortspiel zu erkennen: ὧδε ἡ σοφία ἐστίν ὁ ἔχων νοῦν… (13,18) – ὧδε ὁ νοῦς ὁ ἔχων σοφίαν (17,9). Kraft, Johannes, 220, meint sogar, beide Begriffe wären austauschbar. Dabei ist unklar, wie man 17,9 richtig übersetzt. Kraft, Johannes, 219, schlägt vor: „Hier ist der Sinn, der Weisheit hat“ (was nicht wirklich eine brauchbare Übersetzung darstellt); Roloff, Johannes, 166, übersetzt: „Hier braucht man Verstand, der Weisheit hat“. 456 Behm, Art. νοῦς, 956 f; Söding, Art. νοῦς, 273. 457 Söding, Art. νοῦς, 273. So auch Wilckens, Römer, Bd. 2, 271, Anm. 1203. Anders Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 62: Der νοῦς κυρίου sei hier die Vernunft und „das planende Handeln Gottes“, obwohl Wolff, a. a. O., 62, Anm. 220, einräumt, dass in der hebräischen Version von Jes 40,13 für νοῦς ‫ רוח‬steht. Er begründet sein Verständnis mit Röm 11,34 (Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 62, Anm. 220). Anders als in der Röm-Stelle wird in 1Kor 2,16 die Frage „[W]er hat den Sinn des Herrn erkannt?“ positiv beantwortet: ἡμεῖς δὲ νοῦν Χριστοῦ ἔχομεν. D. Wolff, Paulus, 257, übersetzt νοῦς Χριστοῦ mit „Verständnis für Christus“. 458 Auch hier nimmt Paulus Jes 40,13 auf, formuliert aber im Gegensatz zu 1Kor 2,16 so, dass die Antwort aus menschlicher Sicht negativ sein muss: Niemand kann den νοῦς Gottes ergründen, Wilckens, Römer, Bd. 2, 271. 459 Söding, Art. νοῦς, 273. Vgl. Schnelle, Paulus, 586 f. 460 Bultmann, Theologie, 212 (gefunden bei Söding, Art. νοῦς, 274). 461 Behm, Art. νοῦς, 958. 462 Während der Salbung des Königs Gundafor und seines Bruders Gad spricht Thomas ein beeindruckendes Gebet, in welchem übrigens gehäuft weibliche Hoheitstitel verwendet werden (ἡ μήτηρ ἡ εὔσπλαγχνος; ἡ τὰ μυστήρια ἀποκαλύπτουσα τὰ ἀπόκρυφα; ἡ μήτηρ τῶν ἑπτὰ οἴκων) und in dem es u. a. heißt: „Komm, Ältester […] der fünf Glieder: des Verstandes, des Gedankens, der Einsicht, […] der Überlegung, des Urteils, Teile dich diesen jungen Leuten mit! Komm, Heiliger

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und ActJoh 95. Was ersteren Text angeht, so wird der Terminus hier als eines der fünf Glieder neben ἔννοια, φρόνησις, ἐνθύμησις und λογισμός genannt, wodurch die Inhaltsverschiebung von νοῦς hin zum Rationalen unterstrichen wird. Nοῦς vollzieht also einen Wandel, was seine Bedeutungsgehalte angeht: weg von „Sinn“, aber auch „Seele“ und seelischem Wahrnehmungsvermögen, hin zu „Verstand“ bzw. „Vernunft“. Dieser Entwicklung schließen sich, zumindest in groben Zügen, auch das NT und einige christliche Apokryphen an. (Ende des Exkurses) Nach der vor dem Exkurs beschriebenen Rede463 folgt nun der für uns eigentlich interessante „Disput über die Beweiskraft von Realität und Vision“464 (man möchte ergänzen: „und Traum“). Da es darum geht, die Argumentationslinien zu verdeutlichen, soll ein größerer Teil der Rede hier wiedergegeben werden. Dabei wird versucht, anhand von kurzen Zwischennotizen, die lange Rede etwas übersichtlicher darzustellen. Simon beginnt mit einer Art Grundthese: Er wirft Petrus vor, dieser würde vorgeben, Jesu Lehre deshalb genau verstanden und verinnerlicht zu haben, weil er ihm leibhaftig begegnet sei und so alles mit eigenen Ohren vernommen hätte, „und dass es einem anderen nicht möglich sei, durch eine Vision oder Erscheinung465 das gleiche zu erfahren“466 (13,1). Das nun jedoch sei eine Lüge. Vielmehr müsse das, was man mit den Ohren wahrnimmt, erst durch die Prüfinstanz des Verstandes467. Es könnte ja, da der Sprechende menschlich sei, eine Lüge sein. Es sei also keineswegs davon auszugehen, dass das Gehörte eins zu eins wahr sei. „Die Erscheinung aber verschafft zugleich mit ihrem Erscheinen dem, der sie sieht, die Gewissheit, dass sie göttlich ist“ (13,2).468 Petrus repetiert nun die Aussagen des Simon: Es sei also ein größeres Erkennen und eine stärkere Gewissheit bezüglich des Gehörten möglich, wenn man es, anstatt in der Realität in einer Vision höre (14,1)?469 Und Simon habe bessere Kenntnis Jesu, eben weil er zu ihm, anstatt in der Wirklichkeit, in einer Erscheinung sprach (14,2)? Petrus setzt das Beispiel eines Propheten dagegen: Dieser müsste zuerst belegen, ein solcher zu sein. Wäre dies geschehen, sei seine Autorität vor allem darin be-

463 464 465 466 467 468 469

Geist, und reinige ihre Nieren und ihr Herz [u]nd versiegele sie zusätzlich auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Übersetzung: Drijvers, Thomasakten, 314). Eine eigene Untersuchung wäre es, die Dispute in den Pseudoklementinen in die jeweiligen Kategorien antiker Lehrrede einzuordnen, was an dieser Stelle nicht geleistet werden kann. Wehnert, Homilien, 228. ὁράματι ἢ ὀπτασίᾳ. Übersetzung: ebd. νοῦς. Übersetzung: ebd. Wehnert macht hier die Anmerkung, dass die „tautologische Argumentation“ nicht einleuchtend sei und evtl. größere Textverderbnisse vorlägen, a. a. O., 229.

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gründet, dass er spricht; außerdem spreche er erst, wenn seine Rede durch seinen Schüler „auf Herz und Nieren“ geprüft worden sei und der Prophet Befragungen standgehalten habe. Wenn jedoch jemand „einer Erscheinung glaubt oder einer Vision und einem Traumbild“470, bringe dies Unsicherheit mit sich (14,3), da nicht geprüft werden könne, ob der Erscheinende auch glaubhaft sei und nicht etwa ein Dämon (14,4). Auch ein solcher könne, wenn man die Erscheinung prüfen will, alles Mögliche vorgeben, und den Empfänger irreführen. Er könne etwa wieder verschwinden, ohne dass der, der die Vision empfängt, seine Frage gestellt oder eine Antwort erhalten hätte (14,5).471 „14,6. Wer aber in Traumbildern jemanden sieht,472 kann sich nicht einmal erkundigen, wonach er will, denn der Schläfer hat sein Denkvermögen473 nicht in der Gewalt. 14,7. Obwohl wir im Wachen474 vieles erfahren wollen, erkundigen wir uns deshalb im Traum475 nach anderen Dingen, oder wir hören sogar, ohne zu fragen, von Dingen, die uns nicht interessieren, und nachdem wir erwacht476 sind, sind wir missmutig, weil wir hinsichtlich dessen, was wir erfahren wollten, weder etwas gehört noch danach gefragt haben.“477

Soweit die erste Rede von Simon und die Gegenrede des Petrus, der klar im Vorteil ist, weil er mit Jesus von Nazareth gegangen ist, seine Worte gehört und den Auferstandenen gesehen hat. Simon kann nur mit Erscheinungen und Träumen aufwarten, die Petrus klar niedriger qualifiziert als die persönliche, leibliche Begegnung. Dahinter steht u. a., wie wir in der Einleitung gesehen haben, die Konkurrenz zwischen Petrus und Paulus (in der Maske des Simon Magus). Ersterer wurde durch Jesus selbst initiiert, Zweiterer lediglich durch die visionäre Begegnung mit Jesus. Nun weiter: „15,1. Da sprach Simon: ,Wenn du sagst, dass Erscheinungen478 nicht unbedingt die Wahrheit sagen, lügen doch die Visionen und Traumbilder479, die von Gott gesandt sind, gewiss nicht in dem, was sie sagen wollen.‘“480

Petrus erwidert, dass die Formulierung „gottgesandte Träume bzw. Visionen“ sehr feinsinnig und korrekt sei. Aber es ließe sich eben nicht sicher feststellen, 470 Übersetzung: ebd.; ὀπτασίᾳ […] ἢ ὁράματι καὶ ἐνυπνίῳ. 471 Interessanterweise nimmt Petrus an dieser Stelle an, der Visionsempfänger hätte Einfluss auf die Dauer der Vision. 472 διὰ δὲ ἐνυπνίων ὁρῶν τις. 473 λογισμός. 474 ὕπαρ. 475 κατ’ ὄναρ. 476 διυπνισθέντες. 477 Übersetzung: ebd. 478 ὀπτασίας. 479 τὰ ὁράματα καὶ τὰ ἐνύπνια. 480 Übersetzung: ebd.

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„ob der, der etwas sieht, einen gottgesandten Traum gesehen481 hat“482 (15,2). Simon erwidert (15,3): „,Wenn der, der ihn gesehen483 hat, gerecht ist, hat er Wahres gesehen484.‘ Darauf Petrus: ,Du hast recht! Wer aber ist gerecht, wenn er einer Vision485 bedarf, um zu erfahren, was er erfahren soll, und zu tun, was er tun soll?‘ 15,4. Darauf Simon: ,Räume mir das ein, dass allein der Gerechte eine wahre Vision sehen486 kann, dann antworte ich dir darauf! Ich bin nämlich zu dem Urteil gekommen, dass ein Gottloser keinen wahren Traum487 sieht.‘“488

Petrus erhebt energisch Einspruch und bezichtigt seinen Kontrahenten der Lüge. Dies könne er auch, u. a. mit Schriftbelegen, beweisen (15,5). Simon hingegen wiederholt seine These, es wäre ihm nicht vorstellbar, „dass gottlose Menschen […] von Gott Träume empfangen489“ (15,7).490 Nun setzt Petrus zu einem längeren Redeabschnitt an, der nicht frei von Ironie bzw. Sarkasmus Simon gegenüber ist, so etwa 16,2: Viele Menschen lebten auf verschiedene Weise sündhaft, dennoch würden sie „Visionen und wahre Träume sehen491, einige aber auch Erscheinungen492 von Dämonen.“493 Nun sei es aber so, dass es nach Petrus für einen Menschen unmöglich ist, Gott oder Christus in einem Erscheinungsbild zu schauen, das er als ἄσαρκον bezeichnet, und zwar deshalb, weil dieses so über die Maßen hell und voller Licht erscheine (16,2). Dieses Licht ist nun für Petrus die Begründung, warum Träume und Visionen, die behaupten Gott zu zeigen, falsch sein müssen. Der Mensch würde das Licht schlicht nicht überleben.494 Es ist Gottes Barmherzigkeit, ihm nicht unfleischlich zu erscheinen495 (16,2 ff). Petrus beschreibt nun, dass das göttliche Licht zersetzend auf die menschliche Physis wirke. Dies könne nur unterbunden werden, wenn Gott das Fleisch des Menschen in dieses Licht umwandelt (was erst bei der Auferstehung geschieht [16,5]), oder wenn er sich dem Menschen gemäß dessen fleischlicher Natur fleischlich zeigt. In beiden Fällen ist also eine Substanztransformation nötig. Die einzige Ausnahme bildet 481 482 483 484 485 486 487 488 489 490 491 492 493 494

θεόπεμπτον ἑώρακεν ὄνειρον. Übersetzung: ebd. ἑωρακὼς. ἑώρακεν. ὁράματος. ὅραμα ἀληθὲς ἰδεῖν. ὄνειρον. Übersetzung: ebd. ὀνειροπολεῖσθαι. Übersetzung: a. a. O., 229 f. ὁράματα καὶ ἀληθεῖς ὀνείρους ὁρῶντας. ὀπτασίας. Übersetzung: a. a. O., 230. Wehnert, ebd., verweist an dieser Stelle natürlich völlig zurecht auf Ex 33,20. Wenn Petrus mit Schriftbeweisen arbeiten will, steht u. a. diese Stelle ja im Hintergrund seiner Argumentation. 495 ὁρθῆναι.

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Christus, er darf Gott unverwandelt begegnen (16,4). Petrus geht nun noch auf die Verwandlung der Auferstandenen und der Engel ein (16,5 f), was hier ausgespart werden kann. Lediglich der letzte Satz des Petrus aus 16,6 soll zitiert werden, da er wie ein Abschluss der vorangegangenen Beweisführung wirkt: „Wenn aber jemand eine Erscheinung sieht,496 soll er begreifen, dass es die eines bösen Dämons ist.“497 Die Frage nach der Begegnung mit dem leiblichen Jesus rückt nun in den Hintergrund zugunsten der Frage nach dem Wesen von Träumen und Visionen und der Frage, inwiefern man Gott oder Christus in denselben wirklich begegnen könne. Sind es nicht vielmehr Dämonen, die einem erscheinen? Auch hier wird eigentlich auf das Damaskuserlebnis des Paulus angespielt, das hier disqualifiziert wird: Nicht Jesus ist Paulus begegnet, sondern ein Dämon. Wie schon oben gesagt, interessiert uns an dieser Stelle aber der antipaulinische Hintergrund weniger. Der Fokus soll darauf gerichtet sein, Petrus im Spiegel des im widerfahrenden Widerspruchs wahrzunehmen. Zwar werden auf Paulus Anspielungen gemacht, der Dialog ist aber doch letztlich auf Simon, den Hexer, ausgerichtet. Zum anderen geht es uns um die Charakterisierung des Wesens der Träume, dem wir auf die Spur kommen, wenn wir bei dem, was über Träume gesagt wird, den Antipaulinismus in den Hintergrund treten lassen (ohne ihn zu übersehen). Petrus führt nun eine Reihe von Schriftbeweisen an, um darzustellen, dass auch Gottlose Träume und Visionen empfangen können und dass eigentliche Wahrheit im νοῦς erfahren wird:498 „17,1. Es ist jedoch offenkundig, dass auch Gottlose wahre Visionen und Traumbilder499 sehen, und ich kann es aus den Schriften beweisen. Schließlich steht im Gesetz geschrieben, wie Abimelech, der gottlos war und die Frau des gerechten Abraham durch Beischlaf schänden wollte, von Gott im Schlafe hörte500 – wie die Schrift sagt –, dass er sie nicht berühren solle, weil sie mit ihrem Ehemann zusammenlebt (Gen 20,3). 17,2. Aber auch der Pharao, ein gottloser Mann, sah einen Traum501 über die Fruchtbarkeit und die Unfruchtbarkeit des Weizens (Gen 41,5–7). Und ihm sagte Joseph bei der Deutung, dass der Traum502 von Gott gekommen sei (Gen 41,25). 17,3. Nebukadnezar aber, der Götzenbilder verehrte und befahl, dass die Verehrer Gottes ins Feuer geworfen werden, sah einen Traum503 über die ganze Länge der Weltzeit (Dan 2,28). Und niemand soll sagen: ,Aber kein Gottloser sieht eine Vision504, wenn er 496 ἴδῃ ὀπτασίαν. 497 Übersetzung: Wehnert, Homilien, 230. 498 Da im folgenden Text fast jeder Satz eines unserer Schlüsselworte enthält, macht es hier am meisten Sinn, die Übersetzung direkt zu Wort kommen zu lassen. 499 ὁράματα καὶ ἐνύπνια ἀληθῆ. 500 ἤκουσεν […] καθ’ ὕπνον. 501 ὄνειρον. 502 ὄνειρον. 503 ὄνειρον. 504 ὅραμα θεωρεῖ.

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wach505 ist.‘ Das ist Lüge! 17,4. […] So sahen sie Erscheinungen und wahre Visionen und Traumbilder506 und waren doch gottlos. 17,5. Folglich ist jemand deshalb, weil er Visionen und Traumbilder und Erscheinungen507 sieht, keinesfalls gottesfürchtig.“508

Nach den Schriftbeispielen kehrt Petrus zu seinen persönlichen Begegnungen mit Jesus zurück. Dabei kann er es nicht lassen, seine exponierte Stellung in der Nachfolge Jesu (Mt 16,18) zu betonen (17,5): „Denn dem Gottesfürchtigen quillt das Wahre im Verstand509, der angeboren und rein ist, hervor – es wird nicht im Traum ersehnt510, sondern den Guten durch Einsicht gegeben.“511 Auf diese Weise hätte auch Gott Petrus seinen Sohn gezeigt. Deshalb sei der Apostel unterrichtet darüber, was eine Offenbarung im Innern ausmacht – schließlich sei ihm dies ja auch widerfahren. Als Beispiel führt er das von ihm ausgesprochene Christusbekenntnis (nach Mt 16,16) an: Auf Jesu Frage nach seiner Identität habe Petrus dies als Antwort bereitgehabt, ohne dass er richtig habe nachvollziehen können, woher er dies wisse, und obwohl die Leute ganz verschiedene Vorstellungen geäußert hätten, für wen sie Jesus hielten (18,1). Jesus hätte ihm gesagt, dass Petrus diese Antwort nur aufgrund einer göttlichen Offenbarung habe geben können, „und seitdem weiß ich, dass das nicht angelernte, ohne Erscheinung und Träume512 (vermittelte) Wissen Offenbarung ist“513 (18,2). Gott lege die Einsicht wie einen Keim in die Menschen – darin befinde sich aber die Wahrheit im Ganzen. Gott entscheidet selbst, wem er sie enthüllt und vor wem er sie verbirgt, ganz nach dem Verdienst eines Menschen (18,3). „18,4. Was aber von außen her durch Erscheinungen und Traumbilder kundgetan wird,514 ist erwiesenermaßen nicht Ausdruck einer Offenbarung, sondern von Zorn.“515 Petrus argumentiert nun wieder mit Schriftbelegen und weist auf das hin, was Gott, als er zornig war, zu Aaron und seiner Schwester gesprochen habe (18,5): „,Wenn ein Prophet unter euch aufsteht, werde ich mich ihm durch Visionen und Traumbilder516 bekannt machen und nicht so wie Mose, meinem Diener. Denn zu ihm werde ich in (meiner) Gestalt – und nicht durch Traumbilder517 – sprechen, wie man zu seinem Freund spricht.‘ (Num 12,6–8; Ex 33,11). 18,6. Du siehst, wie die (Worte) des 505 506 507 508 509 510 511 512 513 514 515 516 517

ἐγρηγορώς. ὀπτασίας τε καὶ ὁράματα καὶ ἐνύπνια ὁρῶντες ἀληθῆ. ὁράματα καὶ ἐνύπνια καὶ ὀπτασίας. Übersetzung: ebd. τῷ νῷ. ὀνείρῳ σπουδαζόμενον. Übersetzung: ebd. ὀπτασίας καὶ ὀνείρον. Übersetzung: a. a. O., 231. δι’ ὀπτασιῶν καὶ ἐνυπνίων δηλωθῆναί φαίνεται. Übersetzung: ebd. δι’ ὁραμάτων καὶ ἐνυπνίων. ἐνυπνίων.

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Zorns durch Visionen und Traumbilder518 (kundgetan werden), die (Worte) zu einem Freund aber ,von Angesicht zu Angesicht, in (eigener) Gestalt und nicht durch ein Rätsel‘ (Num 12,8) und Visionen und Traumbilder519 wie zu einem Feind.“

Auch falls es stimmen sollte, das Simon Christus in einer Vision520 gesehen und etwas über ihn erfahren habe, so sei diese Vision nichts wert, weil Christus „wie mit einem Widersacher im Zorn zusammengetroffen [sei]. Deshalb sprach er durch Visionen und Traumbilder oder auch durch Offenbarungen, die von außen521 kommen [19,1].“522 Dem Standpunkt gegenüber, dass ein Mensch durch eine Erscheinung523 die Fähigkeit erlangt zu lehren, welchen Simon vertritt, steht Petrus äußerst skeptisch gegenüber. Warum hat Jesus dann über den Zeitraum eines Jahres Menschen, die wach waren, belehrt und unter ihnen gewirkt (19,2)? Auch die Behauptung, Christus sei Simon erschienen, stehe ohne Beweis und unglaubhaft dar. Außerdem schlössen sich eine Erscheinung Christi und die von Simon vertretenen unorthodoxen Gedanken aus. Anders gesagt: Hätte Simon eine Erscheinung gehabt, würde er das Richtige vertreten, aber keine Widersprüche (19,3). Offensichtlich hat Simon behauptet, eine einstündige Vision524 Jesu gehabt zu haben, in welcher ihn dieser unterwiesen habe und aufgrund derer Simon zum Apostel wurde. Jedenfalls repetiert Petrus nun diese Informationen und verbindet sie mit einer rhetorischen Frage bzw. Aufforderung: Simon solle Jesu Wort verbreiten und predigen, sich zu den christlichen Aposteln in Liebe verhalten und nicht mit Petrus (welcher sich hier als Jesu Schüler deklariert) diese Auseinandersetzung ausfechten. Warum sei er ein Feind des Apostels, der er doch „feste[r] Fels“ und „Grundstein der Kirche“ sei (19,4)?525 Diese halb (an)klagende, halb fragende Rede setzt sich noch fort: Petrus sieht Gott, Christus und sich selbst von Simon diffamiert, unzulässig angeklagt und herabgewürdigt, die Verkündigung des Petrus bzw. die Offenbarung Gottes diskreditiert (19,5 f). Der Apostel endet mit dem erstaunlichen Ausruf an Simon (19,7): „Wenn du jedoch wirklich am (Werk) der Wahrheit mitarbeiten willst […], werde unser Mitarbeiter (vgl. 3 Joh 8)!“526 Petrus kehrt somit zur „direkten“ Jesusbegegnung zurück und bleibt dabei: Träume und Visionen sind nichts im Vergleich zur direkten und unmittelbaren Offenbarung Gottes. Träume werden also von Petrus durchweg negativ oder zumindest als zweitrangig angesehen, wenn es um eine Gottesoffenbarung geht. Nun folgt die Schlussrede des Simon Magus, der merkt, dass er unterlegen 518 519 520 521 522 523 524 525 526

ὁραμάτων καὶ ἐνυπνίων. ὁραμάτων καὶ ἐνυπνίων. δι’ ὁράματος. ὁραμάτων καὶ ἐνυπνίων ἢ καὶ δι’ ἀποκαλύψεων ἔξωθεν. Übersetzung: ebd. δι’ ὀπτασίαν. ὀφθείς. Übersetzung: ebd. Übersetzung: ebd.

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ist und sich versucht, „aus der Affäre zu stehlen“: Er sei weder Christi noch des Petrus Jünger. Er wisse auch so, was nötig sei. „Was ich aber wie ein Schüler fragte, geschah, um zu erkennen, ob du beweisen kannst, dass die Wirklichkeit527 größere Klarheit schafft als eine Erscheinung528.“529 Petrus hingegen hätte durch das, was er gesagt habe, praktisch gar keine Beweise erbracht (20,1). Simon kündigt mit großsprecherischen Worten für den nächsten Tag einen weiteren Disput an, bei dem es um den Demiurgen gehen solle. Dies muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Simon verlässt, weitere Einwände befürchtend, den Platz (20,2). Gehen wir die Rede noch einmal Stück für Stück durch. Die Grundfrage dreht sich darum, wie Gott authentisch und gleichsam „verifiziert“ wahrgenommen wird bzw. werden kann. Petrus sah, nach der Darstellung der Homilien, Jesus leibhaftig und empfing seine Lehre unmittelbar, Simon dagegen visionär bzw. traumhaft. Petrus streitet ab, dass auf Simons Weise Gott wirklich begegnet werden kann. Simon wiederum stellt den klaren Verstand des wachen Menschen (d. h. des Jesusjüngers) in Frage. Dass es wirklich Gott ist, der sich offenbart, ist für Simon anhand der Erscheinung per se eindeutig. Zuerst geht es nur um ὀπτασία bzw. ὅραμα (13,1), später (14,3) auch um ἐνύπνιον. Petrus hält dagegen. Der Erscheinende könne genauso gut ein Dämon sein. Wer es sei, bleibe unklar; dem Träumer bzw. Seher werde jedenfalls etwas vorgegaukelt. „Und so blitzt er auf wie ein Böser […], bleibt, solange er will, und erlöscht, ohne beim Auskunftsuchenden solange zur Befragung zu bleiben, wie der es wollte [14,5].“530 Derjenige, welcher in Träumen „jemanden sieht“ (man beachte die allgemeine und unklare Formulierung), könne ihn ja gar nicht um eine Identifikation bitten, weil er durch den Schlaf nicht Herr über seinen λογισμός sei. Mögliche Übersetzungen für diesen Begriff sind u. a.: „Berechnung“, „Überlegung“, „Denken“, aber auch „Verständigkeit“.531 Vor allem letztere Möglichkeit (anders als Wehnert) charakterisiert doch stark diesen passiven Zustand, in dem sich ein bzw. der Schläfer befindet, als etwas Negatives. Der Träumer hat nicht nur seine Möglichkeit zu denken und zu beurteilen nicht in der Gewalt, sondern er kann dies auch nicht nüchtern und verständig tun. Diese Interpretation wirft wiederum ein negatives Licht auf Träume und Traumdarstellungen. In 15,1 nimmt Simon auf die Aussage des Petrus Bezug, dass eine ὀπτασία nicht unbedingt die Wahrheit sage, unterscheidet davon aber von Gott gesandte ὁράματα und ἐνύπνια, die seiner Meinung nach nicht lögen, worauf Petrus kontert und in Frage stellt, ob das Gesehene wirklich von Gott stamme 527 528 529 530 531

ἐνάργειαν. ὀπτασίαν. Übersetzung: a. a. O., 231 f. Übersetzung: a. a. O., 229. Bauer, Wörterbuch, 968.

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(15,2). In 15,1 werden also die Begriffe differenziert: ὀπτασία, als Vision, die sich im Wachen ereignet; ἐνύπνια, als Träume (der Stamm ist verwandt mit ὕπνος, Schlaf) und ὅραμα, als das Geschaute, das sich tags als auch nachts ereignen kann. Da die letzten beiden Begriffe zusammenstehen, ist ὅραμα wohl auch im Sinne eines nächtlichen Erlebens zu verstehen. Schwierig wird es dann in 15,2, wo mit ὄνειρος wieder ein anderer Begriff benutzt wird. Warum der Verfasser hier Petrus, der ja unmittelbar Bezug auf das vorher Gesagte nimmt, einen anderen Terminus in den Mund legt, wird nicht unmittelbar verständlich. In 15,3 schränkt Simon dann seine Aussage ein: Ein Gerechter sei imstande, Wahres zu sehen. Petrus gibt ihm zwar recht, bewertet dies aber neu, zuungunsten seines Kontrahenten: Ein Gerechter benötige keine Erscheinung (Wehnert übersetzt hier ὅραμα wieder mit Vision), um zu wissen, was er zu tun habe. Simon insistiert auf seiner Position: Ein Gottloser sieht keinen Traum, sondern nur der Gerechte. Der Verfasser benutzt hier wieder die Begriffe in völlig synonymem Gebrauch (ὅραμα und ὄνειρος), ohne dass sie voneinander differenziert werden. Wenn etwas „gesehen“ wird, geschieht dies meistens mit einer Form von ὁράω. In 15,7 wird zum zweiten Mal das Verb ὀνειροπολέω benutzt. Hier findet aber der negative Unterton des Verbs keine Anwendung (s. o., 107). Petrus bleibt bei seiner Meinung (16,1–4): Menschen, die offensichtlich ehebrechen, sündigen und Götzendienst leisten, haben trotzdem (wahre) Träume und Visionen. Damit ist Simon widerlegt. Ein normaler Mensch kann – jetzt argumentiert Petrus mit alttestamentlichen Schriftzitaten – Gott nicht sehen, ohne zu vergehen. Deshalb erscheine einem Menschen Gott auch nicht, nur der Sohn könne den Vater unverwandelt sehen. Erst bei der Auferstehung – dann nicht mehr fleischlich, sondern in Licht verwandelt – werde man Gott schauen (16,5). Selbst die Engel müssten, bevor sie Menschen erscheinen und von ihnen gesehen werden können, in Fleisch verwandelt werden, damit dies möglich sei. Petrus argumentiert dann weiter mit Figuren wie Abimelech, Josephs Pharao oder Nebukadnezar (Gen 20,3; 41,5 ff; 41,25; Dan 2,28), die alle Träume erhielten und doch gottlos waren (17,1–4), um Simon weiter zu widerlegen. Dabei widerspricht sich Petrus. Hatte er vorher ausgeführt, ein Mensch könne eine Gottesbegegnung nicht aushalten, so beschreibt er doch, wie der gottlose Abimelech von Gott im Traum angesprochen wird (ἤκουσεν παρὰ τοῦ θεοῦ καθ’ ὕπνον; 17,1). Natürlich wäre es hier möglich zu argumentieren, dass er Gott nicht gesehen und es sich nur um eine Audition gehandelt habe. Diese Unebenheiten in der Argumentation sind für den Verfasser aber unwesentlich. Bei der Beschreibung des pharaonischen Traums wird der Begriff ἐπιλύω für das Deuten verwandt, und für die Übermittlung des Traumes eine Form von γίνομαι (17,2). Bevor sich Simon verdrossen zurückzieht, stur bei seiner Einstellung bleibend (Gott sei weder der Höchste noch gut, Petrus habe weder etwas bewiesen

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noch etwas begriffen) und auf den nächsten Disput verweisend (20,1 f), setzt Petrus in seiner Argumentation zum Höhepunkt an: Träume sind nicht Spender der Wahrheit – dem Gottesfürchtigen „quillt“ (Wehnert, s. o.; ἀναβλύζω) die Wahrheit im νοῦς. Dieser ist καθαρός, rein (17,5), und trägt hier am ehesten die Bedeutung von „Verstand“. Er wird dem träumenden Erleben entgegengestellt; in ihm ist die Wahrheit zu finden (natürlich gegen Simon, dem weder Wahrheit noch Verstand eigen ist).532 Die Abwertung von Träumen kommt auch durch den Gebrauch des Verbs σπουδάζω in 17,5 zum Ausdruck. Die Wahrheit wird den Guten (ἀγαθοῖς) in bzw. durch (so übersetzt Wehnert) σύνεσις, also Einsicht, Urteilskraft, Scharfsinn,533 gegeben. Dies charakterisiert das Hören auf Träume als unweise, töricht und unverständig. Petrus nimmt für sich in Anspruch, das wahre Wesen einer Offenbarung zu kennen, da er es an sich selbst erlebt habe (als Beispiel nennt er sein Bekenntnis nach Mt 16,16). Deswegen sei er befugt zu sagen, „dass das nicht angelernte, ohne Erscheinung und Träume (vermittelte) Wissen Offenbarung ist.“ (Wehnert, s. o.; PsClem H XVII 18,1 f). Er beschreibt dann, dass Gott diese Einsicht σπερματικῶς in die Menschen hineingelegt habe, und dass sie alle Wahrheit enthalte. Gottes Entscheidung obliege es dann, wer es verdient, dass diese keimhafte Erkenntnis aufgeht oder nicht (18,3). Was aber von außen (τὸ δὲ ἔξωθεν) komme, durch Träume und Visionen, sei nicht nur keine Offenbarung, sondern – hier geht er noch einen Schritt weiter – Zorn (18,4). Dies belegt Petrus dann mit Schriftanleihen aus Ex 33 und Num 13; zu Mose als Gottes Erwähltem sprach Gott wie zu einem Freund in direkter Weise. Worte Gottes aber, die durch Träume und Visionen mitgeteilt würden, seien Worte des Zorns, gesprochen ὡς πρὸς ἐχθρόν, wie zu einem Feind, einem Verhassten (18,5 f). Diese Ausführungen untergraben in gewisser Weise das, was der Verfasser zu sagen versucht. Gott offenbart sich nämlich doch durch Träume und Visionen, wohl aber eben im Zorn. Im 19. Kapitel stellt Petrus nochmals Simons Jesus-Erscheinung in Frage, klagt ihn an und fordert ihn auf, anstatt ihn und die Apostel zu bekämpfen, Mitarbeiter an der Wahrheit zu werden. Kurioserweise wird Simon in 19,4 als Apostel bezeichnet. Hier liegt wiederum eine Anspielung auf Paulus vor. Betrachtet man die Bezeichnung aber vor dem Hintergrund der oben formulierten „Schattenthese“, so wird diese dadurch untermauert: Einem „Subjekt“ wie Simon Magus wird der Aposteltitel zugesprochen! An dieser Stelle kommen sich die beiden Antagonisten ganz nah. Tiefenpsychologisch betrachtet, verbirgt sich hinter der Anrede eine unbewusste Einladung des Petrus an seinen Schatten, d. h. an sein negatives Spiegelbild. Diese lautet: „Komm mir nahe, werde mir gleich.“ Oder deutlicher gesagt: „Zeige mir, was ich vernachlässigt oder gar verdrängt habe, was mir aber heilsam ist.“ Dass Petrus Simon 532 In 13,2 hingegen gebraucht Simon den Begriff νοῦς, um eine Instanz zu beschreiben, die das zu prüfen hat, was Petrus von dem irdischen Jesus hörte. 533 Bauer, Wörterbuch, 1572.

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als Apostel tituliert, ist eine vom Unbewussten gesteuerte Fehlleistung. Aber auch in der Aufforderung: „[W]erde unser Mitarbeiter!“ (19,7) schimmert der Wunsch des Petrus nach Vereinigung mit seiner dunklen Gegenseite durch, ebenso in der Mahnung, Simon solle Jesu Apostel lieben (19,4). Seine bewusste Haltung bringt Petrus jedoch klar auf den Punkt: Simon ist sein Widersacher, er steht ihm feindlich gegenüber (19,4 f). In 19,2 stellt Petrus heraus, dass Jesus bei wachen Menschen gewesen sei und mit ihnen gesprochen habe. Auch hier findet eine Abgrenzung zu der Möglichkeit statt, durch Träume und Visionen zur Lehre bzw. Verkündigung angewiesen zu werden (so wie es Simon für sich versteht). In 20,1 sagt Simon noch einmal, dass Petrus nicht habe beweisen können, dass die Wirklichkeit der Erscheinung vorzuziehen sei. Durch die Nennung der ἐνάργεια wird wieder der Bogen zum Beginn der Rede, zu 13,1, geschlossen. Damit sollen die Bemerkungen zu dieser Rede enden. Die letzte zu erwähnende Traumstelle findet sich am Ende von PsClem H XVIII. Die Dispute zwischen Petrus und Simon dauern an (es ist der dritte Tag).534 Thema ist erneut die Frage nach der wahren Gotteserkenntnis. Simon unterscheidet erneut zwischen dem höchsten Gott, der unbekannt ist, dem Demiurgen und dem gesetzgebenden Gott (s. z. B. 1,1–1,3). Erneut werden zahlreiche Bibelstellen zum Nachweis der jeweils eigenen Vorstellung und Überzeugung herangezogen. „In die Mitte der Auseinandersetzung rückt das Jesuswort: ,Niemand kennt den Vater, außer der Sohn, und wem es der Sohn offenbaren will‘ (Mt 11,27), das Simon im Sinn seiner Behauptung verdreht. […] Er [Petrus, P.E.] gibt schließlich eine situationsgebundene Erklärung: Die jüdischen Zeitgenossen Jesu dachten, David sei der Stammvater des Messias (und Josef der Vater Jesu). Nur Jesus wusste, dass Gott sein wahrer Vater war (18,13).“535

Die Diskussion über die Gotteserkenntnis geht anhand zahlreicher Schriftzitate und -anspielungen weiter. Nun ist wieder Simon an der Reihe: Er spielt große Entrüstung vor, vor allem wegen den Dingen, die Petrus zu den Bibelstellen ausgeführt hat. Er lehnt es ab, dass er oder seine Jüngerschaft auf das vom Apostel Gesagte hören könnten (21,1). Simon sei sich nicht über die petrinische Bibelhermeneutik im Klaren gewesen und hätte deshalb dem Disput weiter beigewohnt. Nun jedoch müsse er sich entfernen (21,2). Der Rückzug sei längst überfällig, spätestens seit Petrus gesagt habe: „Ich glaube niemandem, der etwas gegen den Schöpfer der Welt sagt, weder Engeln noch Propheten, weder Schriften noch Priestern, weder Lehrern noch irgendeinem anderen, selbst wenn er Zeichen und Wunder täte oder in der Luft strahlend aufblitzte

534 Wehnert, Homilien, 233. 535 Klauck, Apostelakten, 223 f.

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(vgl. Lk 10,18) oder durch Visionen oder Traumbilder Offenbarungen gäbe536 [21,3].“537

Petrus sei obstinat und nicht fähig, sich von seiner Position zu entfernen. Er würde unnachgiebig auf der „eigenen Erkenntnis“538 insistieren (21,4). Der Disput setzt sich mit einem längeren Redebeitrag über die Frage fort, ob es einen Gott über dem Demiurgen gebe (22,2–23,3). Petrus nennt Simon einen „Gehilfen der Sündhaftigkeit bzw. Bosheit“539, der ihn daraufhin nach der Herkunft des Bösen fragt (23,3). Petrus vertagt die Antwort, Simon geht davon (23,4). Die bisherigen Begleiter Simons bekehren sich und bitten Petrus um Vergebung. Petrus legt ihnen und den Leuten in der Menge die Hände auf, betet und heilt ihre Kranken (23,5 f). Er zieht sich zur Abendruhe zurück, womit die Homilie endet (23,7). Diese Traumstelle reiht sich in die bisherigen Aussagen zum Thema ein. Auch werden die bekannten Begriffe ὁράματα und ἐνύπνιον verwandt. Zwar kommt das Petruszitat, in dem von Träumen die Rede ist, so vorher in den Pseudoklementinen gar nicht vor (s. u., Anm. 537), obwohl Petrus es (zumindest den ersten Teil) in 22,2 bestätigt. Das spielt aber für unsere Untersuchung hier keine Rolle. In dem Zitat wird abgelehnt, jemandem zu glauben, der etwas gegen den Schöpfergott gerichtetes sagt, auch wenn er Offenbarungen aufgrund von Erscheinungen oder Träumen gäbe. Insofern stehen Träume an dieser Stelle wieder in einem negativen Kontext. Sie werden zwar in einem Zusammenhang mit Engeln, Propheten, Lehrern, Zeichen und Wundern genannt, und es ist für Petrus möglich, dass eine Offenbarung prinzipiell über Träume und Erscheinungen erfolgen kann (dies gibt ihnen eine gewisse Bedeutung und deckt sich auch mit PsClem H XVI 13,2 [s. u., Anm. 537]). Aber all diese Dinge zählen nicht, wenn es sich dabei um einen Gottlosen handelt, der gleichzeitig gegen den Schöpfer des Kosmos spricht. Durch die Anspielung auf Lk 10,18 und den dort genannten Satan (auch das steht in Verbindung zu PsClem H XVI 13,3 und der dortigen Rede vom Versucher) werden diese Zeichen und Wunder (dies ist auch ein Seitenhieb gegen Simon, den Magier), diese Träume und Offenbarungen eindeutig in einen negativen, widergöttlichen Zusammenhang gestellt.

536 δι’ ὁραμάτων ἢ δι’ ἐνυπνίων ἀποκαλύπτῃ. 537 Übersetzung: Wehnert, Homilien, 241. Was die Wiedergabe des Zitates von Petrus durch Simon in 21,3 angeht, so ist diese Aussage in den Homilien nicht zu finden, Wehnert, Homilien, 241, Anm. 16, und weiter, ebd.: „Vgl. jedoch das freie Zitat aus Dtn 13 in 16.13,2 f (par R II 45,7 f) und 16.15,1.“ Erstaunlicherweise ist in Dtn 13,2 LXX auch von ἐνυπνιαζόμενος ἐνύπνιον die Rede, dies wird aber in den Homilien nicht übernommen. 538 Übersetzung: Wehnert, Homilien, 241. 539 πονηρίας ὑπουργός.

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2.1.10.3.2 Zusammenfassung Die Pseudoklementinen enthalten, von Anzahl und Umfang her gesehen, die meisten Traumstellen der in dieser Arbeit untersuchten christlichen Apokryphen. Dabei sind es in den Homilien seltener Träume direkt, um die es geht, als vielmehr die Diskussion um das Wesen und die Bedeutung bzw. Bewertung von Träumen und Erscheinungen. Ein wichtiger Traum, der immer wieder ins Spiel gebracht wird, ist der der Mutter des Klemens (auch wenn sich später herausstellt, dass sie diesen nur erfunden hat). Noch wesentlicher aber ist der Disput über Träume, Visionen und wahre Erkenntnis in PsClem H XVII 13–20 zwischen Petrus und Simon Magus. Er dreht sich um die Frage, ob gottlose Menschen göttliche Träume und Visionen haben oder nicht, und stellt den ausführlichsten philosophischen Diskurs über Träume und deren Deutung (bzw. besser deren Funktion und Grenzen) in den christlichen Apokryphen dar. Petrus vertritt dabei die Position, dass Träume und Erscheinungen meist nichts Wahres, zumindest in Bezug auf Gott, enthielten. Im schlimmsten Fall seien es Dämonen, die in Träumen und Erscheinungen dem Menschen begegnen. Simon dagegen, der den Nachteil ausgleichen muss, dass er Jesus nicht wie Petrus persönlich begegnet ist, hält daran fest, dass Gott sich in Träumen zeigen und offenbaren kann (hier wird „maskiert“ auf Paulus angespielt). Der Disput wird unter Hinzuziehung vieler Schriftstellen und Figuren, v. a. des AT, geführt. In PsClem H XIII wird dann durch Petrus ἀληθής sogar dem Traum gegenübergestellt. Träume und Erscheinungen sind, insgesamt gesehen, in den pseudoklementinischen Homilien negativ konnotiert. Was Simon Magus betrifft, haben wir versucht, ihn im tiefenpsychologischen, jungschen Sinn als Schatten des Petrus zu verstehen, wobei an mehreren Stellen die Sehnsucht des Petrus spürbar scheint, sich mit seinem Schatten zu vereinen. Dieser Zusammenhang muss auf Verfasser und Leserschaft der Schrift übertragen werden. Ansonsten vertritt Simon stets die Gegenposition des Petrus und macht dabei, insgesamt gesehen, „eine bessere Figur“ als der Apostel, ist eloquenter und selbstsicherer. Zum Teil entsteht der Eindruck, Petrus habe Mühe, die ihm gebotenen Thesen zu widerlegen. Es kommt zum Teil zum synonymen Gebrauch der Termini ὄνειρος, ὅραμα und ὄναρ. Weitere wichtige Begriffe sind: ἐνύπνιον, ὀνειροπολέω, ὀπτασία, θεωρέω, βλέπω. 2.1.10.4 Pseudoklementinische Rekognitionen 2.1.10.4.1 Traumstellen in den pseudoklementinischen Rekognitionen Wir arbeiten im Folgenden mit der lateinischen Ausgabe von Rehm/Strecker540 und beginnen mit PsClem R II. Diese handelt von den Disputationen des Petrus 540 Rehm/Strecker (Hg.), Rekognitionen. Alle im Folgenden aufgeführten lateinischen Zitate

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mit seinem Dauerkontrahenten Simon Magus, die in Cäsarea stattfinden (bis einschließlich der III. Rekognition). „Anders als in H[omilien] findet die Debatte mit Simon jetzt schon statt, und sie spielt in Cäsarea. Ehe Petrus und Simon am ersten Tag zur Sache kommen, behandeln sie sehr ausführlich Verfahrensfragen […]. Petrus plädiert für einen friedlichen Ablauf des Disputs und zitiert Mt 5,9. Simon setzt Mt 10,34 dagegen (2,26 f.). Zentrales Thema ist sodann die Gottesfrage. Das Credo des Petrus lautet: ,Es gibt einen Gott, und er ist der Schöpfer der Welt, ein gerechter Richter, der einem jedem nach seinen Taten vergelten wird‘ (2,36,5). Simons höchster Gott, unter dem es viele andere Götter gibt, ist unbekannt und nicht mit dem Schöpfer identisch.“541

Simon argumentiert dabei mit Schriftworten aus Gen 1–11, Ex 22 und Dtn 32, um seine These zu beweisen (Kap. 39). Kapitel 40–46 bilden nun die ausführliche Antwort des Petrus, der ebenfalls mit Schriftworten arbeitet, um Simon zu widerlegen und den einen Gott herauszustellen. In 45,5 betont Petrus, dass, selbst wenn ein wahrer, echter Prophet542 auftreten sollte, der Zeichen und Wunder tue, aber dazu überredete, neben dem Gott der Juden andere Götter anzubeten, man ihm niemals glauben könnte. Nun (II 45,7 f) zitiert er ein Schriftwort (Dtn 13,2 ff), in dem es u. a. um Träume geht (P.E.): „Wenn ein Prophet bei dir auftritt oder einer der einen Traum träumt543, und tut Zeichen oder Wunderzeichen, und jene Zeichen oder Wunderzeichen treten ein, und er sagt zu dir, ,Wir wollen gehen und fremde Götter verehren‘, welche ihr nicht kennt, sollt ihr nicht hören die Worte jenes Propheten und nicht den Traum jenes Träumers544, weil, indem er (euch) auf die Probe stellt, prüft er euch, damit er sehe, ob ihr den Herrn, euern Gott, liebt.“

Exkurs – Dtn 13,2 ff in PsClem R II 45,7 f Betrachten wir das Schriftwort Dtn 13,2 ff etwas genauer. Folgende Varianten seien einander gegenübergestellt:

541 542 543 544

entstammen dieser Ausgabe. Die deutschen Übersetzungen stammen, wenn nicht anders angegeben, von P.E., die englischen entstammen Smith, Recognitions. Klauck, Apostelakten, 227; in PsClem R II 38,3 heißt es: Ego dico multos esse deos, unum autem esse inconprehensibilem atque omnibus incognitum horumque omnium deorum deum. verus propheta. somnians somnium. somnium somniatoris illius.

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LXX, Dtn 13545 1 (2) ᾿Εὰν δὲ ἀναστῇ ἐν σοὶ προφήτης ἢ ἐνυπνιαζόμενος ἐνύπνιον καὶ δῷ σοι σημεῖον ἢ τέρας 2 (3) καὶ ἔλθῃ τὸ σημεῖον ἢ τὸ τέρας, ὃ ἐλάλησεν πρὸς σὲ λέγων Πορευθῶμεν καὶ λατρεύσωμεν θεοῖς ἑτέροις, οὓς οὐκ οἴδατε, 3 (4) οὐκ ἀκούσεσθε τῶν λόγων τοῦ προφήτου ἐκείνου ἢ τοῦ ἐνυπνιαζομένου τὸ ἐνύπνιον ἐκεῖνο, ὅτι πειράζει κύριος ὁ θεὸς ὑμᾶς εἰδέναι εἰ ἀγαπᾶτε κύριον τὸν θεὸν ὑμῶν ἐξ ὅλης τῆς καρδίας ὑμῶν καὶ ἐξ ὅλης τῆς ψυχῆς ὑμῶν. Vulgata, Dtn 13546 1 (2) si surrexerit in medio tui prophetes aut qui somnium vidisse se dicat et praedixerit signum atque portentum 2 (3) et evenerit quod locutus est et dixerit tibi eamus et sequamur deos alienos quos ignoras et serviamus eis 3 (4) non audies verba prophetae illius aut somniatoris quia temptat vos Dominus Deus vester ut palam fiat utrum diligatis eum an non in toto corde et in tota anima vestra. PsClem R II 45,7 f 7 si surrexerit in te propheta aut somnians somnium, et dederit signa vel prodigia, et evenerint signa illa vel prodigia, et dixerit ad te, eamus et colamus deos alienos quos nescitis, 8 non audietis verba prophetae illius neque somnium somniatoris illius, quia temptans temptabit vos, ut videat si diligitis dominum deum vestrum. Da die Rekognitionen selbst nur in lateinischer Übersetzung vorliegen (s. o., 93) und diese Arbeit nicht die Kapazität hat, tiefer in der Textkritik der einzelnen Apokryphen vorzudringen, sei nur Folgendes festgehalten: Dass in PsClem R II 45 Dtn 13,1(2)–3(4) aufgenommen wurde, scheint unverkennbar. Da wir von einer Entstehung der pseudoklementinischen Grundschrift im 3. Jh. ausgehen, scheidet damit die Vulgata als Textgrundlage aus. Diese kann aber bei der Entstehung der lateinischen Übersetzung der PsClem R dennoch herangezogen worden sein. Vergleicht man die verschiedenen Textversionen, ist festzustellen, dass zum einen v. a. LXX und PsClem R gegen die Vulgata übereinstimmen, zum anderen LXX und Vulgata gegen die PsClem R. Die Vulgata bezeugt etwa, dass der Prophet bzw. Träumer Zeichen vorhersagt, LXX und PsClem R, dass er sie tut (diese in PsClem R gegen die beiden anderen im Plural). Die Vulgata benutzt bei den fremden Göttern den Singular (ignoras), die PsClem R (nescitis) und die LXX (οὐκ οἴδατε) den Plural. LXX und PsClem R bezeugen gegen die Vulgata zwei Mal die Erwähnung der Zeichen und 545 Zitiert nach der Göttinger Ausgabe, Wevers (Hg.), Deuteronomium, Bd. 3/2. 546 Zitiert nach Weber/Gryson (Hg.), Editio quinta.

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Wunder (bei LXX wiederum im Singular, bei den PsClem R im Plural). Die Vulgata erwähnt dagegen, dass eintritt quod locutus est. Wiederum stimmen LXX und PsClem R in der 2. Person Plural überein: Ihr sollt nicht auf den Propheten hören; die Vulgata bringt hier (wie oben schon) die 2. Person Singular. Bemerkenswerterweise benutzt die Vulgata im restlichen, letzten Vers ebenso wie die LXX und die PsClem R die 2. Person Plural. Die wichtigsten Unterschiede sind zum einen die Beschreibung in Vulgata und LXX, wie die Liebe zu Gott definiert wird: ἐξ ὅλης τῆς καρδίας ὑμῶν καὶ ἐξ ὅλης τῆς ψυχῆς ὑμῶν/in toto corde et in tota anima vestra (auffällig ist die nur in der Vulgata erwähnte Formulierung an non). Die PsClem R kürzen hier offensichtlich, damit Petrus das Zitat auf den Punkt bringen kann. Ferner ist in LXX und Vulgata klar, dass es Gott ist, der auf die Probe stellt. In den PsClem R ist der Numerus in der Wortfigur temptans temptabit inkludiert. Es könnte auch der Prophet sein, der durch seine Zeichen versucht. Allerdings lässt die Doppelung des Verbs tempto doch sehr daran denken, dass es auch hier Gott ist, der auf die Probe stellt. Warum aber wird er nicht, ihn dadurch hervorhebend, genannt? Gegen eine Abhängigkeit der PsClem R von der Vulgata spricht aber eindeutig die divergierende Wortwahl. Die PsClem R benutzen völlig andere Verben und Nomen, als Beispiele seien gegenübergestellt (Vulgata – PsClem R): somnium vidisse – somnians somnium, portentum – prodigia, sequamur – colamus, ignoras – nescitis, um die auffälligsten zu nennen. Wir versuchen kurz, etwas tiefer auf den Zusammenhang von Dtn 13 und den Träumen im AT einzugehen. Im AT finden sich Anweisungen im Traum, die relativ schlicht gehalten sind und die durch Gott selbst oder einen Engel vermittelt werden (so etwa in Gen 20,3.6; 26,24; 31,24.29.42; 46,2 ff; Ri 6,25; 7,9 u. ö.), aber ebenso Träume, die komplexer und v. a. symbolisch gestaltet sind, etwa in Gen 31,10. Gott offenbart sich durch Träume (Num 12,6 ff; 1Sam 28,6.15; Hi 33,14–18), was beim Träumer Erschrecken hervorrufen kann (Hi 4,12–16; 7,13 f). Gott ermahnt im Traum, so etwa in Gen 20,3; Hi 33,14–18, und erteilt Weisungen (Gen 31,11 ff; 46,1–4).547 Frenschkowski unterteilt bzgl. der Traumdeutung in „religiöse[n] Gemeinbesitz (Gen 37)“, „mantisches Berufswissen (vor allem im Kontext der Königshöfe)“ und „charismatische Gottesgabe (Joseph, Daniel).“548 In Mi 3,5 ff heißt es: „So spricht Jahwe über die Propheten, die mein Volk irreführen, welche mit ihren Zähnen beißen und Frieden rufen; und wer ihnen nichts ins Maul gibt, wider den heiligen sie einen Krieg: Darum soll es euch Nacht werden, ohne Gesicht, und Finsternis werden, ohne Wahrsagung; und die Sonne wird über den Propheten unterge547 Frenschkowski, Art. Traum, 34 f. 548 A. a. O., 36. „Unübersehbar sind aber auch traumkritische Texte wie Dtn 13,1–6 und Jer 23,25– 32, s. auch 27,9 f. sowie 29,8 f. Diese Zurücksetzung des Traums (welche nebenbei die Existenz einer ausgedehnten Oneiromantik im Umfeld des Jerusalemer Tempels beweist) wird vielleicht in Sach 10,2 (spät) fortgesetzt, kann aber nur als Nebengleis israelitischer Frömmigkeit im Ringen um Kriterien wahrer und falscher Prophetie gelten“ (Frenschkowski, Art. Traum, 36).

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hen, und der Tag über ihnen schwarz werden. Und die Seher werden beschämt und die Wahrsager zu Schanden werden, und sie werden allesamt den Bart verhüllen, weil keine Antwort Gottes da ist.“

Hier wird Mantik nicht per se kritisch gesehen, sondern v. a. die kommerzielle Benutzung derselben. Pred 5,2.6 wendet sich eindeutig gegen Träume und nennt sie zusammen mit törichter Rede (5,2) und Nichtigkeiten (5,6). Hi 20,8; Ps 73,20; Jes 29,7 f bringen Träume zusammen mit dem Flüchtigen und nicht Wirklichen. Etwas anders gelagert ist Ps 126,1. Hier ist der Traum etwas Überwältigendes und Entgrenzendes.549 Neben den vielen (anerkannten) Träumen und Traumberichten bezeugt das AT also auch eine theologische Einengung von, teils sogar harsche Kritik an Träumen als Offenbarungsmitteln – vertreten v. a. durch die deuteronomistische Theologie, so etwa in Jer 23,25–32.550 Lanckau meint, dass hier etwas als Lüge bezeichnet wird, das sonst legitimes Mittel der Gottesoffenbarung sei. Die dtr geprägte Redaktion habe nur noch solche Visionen und Träume zugelassen, die an ein Gotteswort gebunden waren und die eine Deutung in ihrem Sinne erfuhren. Dabei betont Lanckau aber, dass Traumoffenbarungen, etwa in Dtn 12,6 ff, durch die deuteronomistische Kritik in ihrer göttlichen Autorität bestätigt wurden.551 „In Dtn 13,2–6 werden die miteinander parallelisierten Propheten (‫ נביא‬nabi’) und Offenbarungsträumer (‫ חלם חלום‬holem ha˘lôm) beim Vorwurf der Anstiftung zu Apostasie unter die ˙ ˙ gestellt – die Legitimation ihrer Praxis bleibt wiederum Blutgerichtsbarkeit 552 unangetastet.“ Die in PsClem R II zitierte Stelle stammt aus dem Zentrum des Dtn, dem Gesetzescorpus Dtn 12–26, das in Dtn 12–16 Jahwes Privilegrecht sowie die Sozialgesetzgebung enthält.553 Gertz sieht die Anfänge des Dtn in der ausgehenden Königszeit, die dtr Bearbeitungsstufen datiert er exilisch bis weit nachexilisch. Dtn 13,1 ff gehört demnach nicht zum Grundbestand des Dtn, sondern in eben diese dtr Redaktion.554 Karin Finsterbusch macht deutlich, dass in Dtn 13,1–12 Auszüge der assyrischen Vasallenverträge Asarhaddons verwendet wurden.555 Was das Motiv dafür war, ist umstritten. Otto vertritt die Ansicht, dass die Rezeption der Vasallenverträge in Dtn 13 zur Zeit des Königs Joschija erfolgte und dem assyrischen Großkönig durch das Aufgreifen und Umdeuten auf Jahwe die Loyalität entzogen werden sollte.556 Finsterbusch hält das für nicht plausibel, da 549 550 551 552 553 554 555 556

Ebd. Lanckau, Art. Traum, 3.4. Ähnlich Jer 27,9; 29,8 f; Sach 10,2, Veijola, Deuteronomium, 286. Lanckau, Art. Traum, 3.5. Ebd. Vgl. Gertz, Tora, 249. A. a. O., 255–258. Anders Otto, Deuteronomium, 15–90. Finsterbusch, Deuteronomium, 156, Anm. 337. So auch Veijola, Deuteronomium, 285 f. Otto, Treueid, 4 ff; ders., Deuteronomium, Bd. 1, 1253. Auch Rose, 5. Mose, Bd. 1, 297, spricht sich für die Joschija-Zeit aus, sagt aber nichts zu den Vasallenverträgen.

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Dtn 13 den Assyrergroßkönig bzw. die politische Loyalität zu ihm politisch nicht ernsthaft angezweifelt habe. Hier spiele ein anderer Grund die Hauptrolle.557 „Die gelehrten (exilischen) deuteronomischen Verfasser und Redaktoren konnten im Zuge ihrer Ausdeutung des ersten Dekaloggebots in Dtn 13 leicht auf den Gedanken kommen, die (alte) assyrische Forderung der unbedingten Loyalität (mit der gerade Juda durch die VTE historisch lange konfrontiert war) aufzugreifen und sie für ihre Zwecke fruchtbar zu machen: Unbedingte Loyalität gebührt allein JHWH, die Verehrung fremder Götter gleicht religiösem Hochverrat.“558

Eine Distanzierung von den Vasallenverträgen bzw. der assyrischen Tradition generell könne diese Umdeutung aber durchaus ausdrücken.559 Veijola weist darauf hin, dass das Charisma des Propheten bzw. Traumsehers dadurch betont werde, dass seine Zeichen bzw. Wunder einträfen (Dtn 13,3). Dadurch würde Dtn 18,22 in Frage gestellt, wonach ein Prophet als wahrer Prophet dadurch beglaubigt werde, dass seine Botschaft in Erfüllung geht.560 Davon grenzt sich aber der Text ab: Diesen Propheten und Traumsehern gilt es, nicht zu gehorchen (13,4).561 Dass es ausgerechnet ein Prophet sein muss, der verführend wirkt, obwohl er doch über besonderen Kontakt zu Jahwe verfügt, unterstreicht die Dramatik des Abschnitts.562 (Ende des Exkurses) Was nun aber bedeutet die Aufnahme von Dtn 13 in der Rede des Petrus gegen Simon? Wir hatten gesehen, dass sich die alttestamentlichen Exegeten nicht einig sind, wie die genannten Träumer zu bewerten seien. Wenn der Verfasser der PsClem R über die Aufnahme der assyrischen Vasallenverträge an dieser Stelle überhaupt im Bilde war (was unwahrscheinlich ist), so dürfte ihn diese Thematik auf jeden Fall zumindest nicht vordergründig interessiert haben. Der Hauptgedanke bei der Entlehnung des dtn Wortes ist die Alleinverehrung Gottes. Auf der Hand liegt, dass Simon hier mit dem Propheten und Träumer assoziiert wird, der Wundertaten tut (s. Petrusakten) und einen fremden Gott 557 558 559 560 561

Finsterbusch, Deuteronomium, 157. Ebd. Markierungen im Text von der Verfasserin. Ebd. Veijola, Deuteronomium, 286. „Es kommt nämlich nicht darauf an, wie eindrucksvoll die prophetische Vollmacht zum Ausdruck kommt, sondern allein darauf, was der Prophet faktisch sagt. […] Der Verfasser kennt, ja anerkennt, sogar den weltweiten religiösen Pluralismus, ist aber nicht bereit, deshalb die eigene, historisch bewährte Identität preiszugeben. Mögen die Völker ihre eigenen Gottheiten haben, für Israel sind sie fremde Götter, die es nicht kennt (V. 3. 14) und die auch seine Väter nicht gekannt haben (V. 7)“ (Veijola, Deuteronomium, 286). Zum Schema „Hören/Nicht-Hören“ vgl. Dtn 18,14 ff.19, Rose, 5. Mose, Bd. 1, 298. 562 A. a. O., 296 f.

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proklamiert. Dtn 13 passt hier also klar in das Schema. Jedenfalls stehen weiterhin nicht die Träume im negativen Hauptfokus, sondern die Tatsache, dass Simon verführend auf seine Hörer wirkt. Dennoch ist zumindest der zurückhaltende bis ablehnende Unterton, der das Thema weissagender Träume umgibt, nicht zu leugnen. In PsClem R II 46,2 wird dann von Petrus noch einmal selbst gesagt, dass Simon mit den Träumern und Propheten assoziiert wird. Falls er also als solcher auftreten würde, wäre seine Rolle als Versucher des Volkes Gottes offenbar. Petrus unterstreicht die Unglaubwürdigkeit des Simon. Kapitel 47 bildet die Antwort auf die Ausführungen des Petrus, indem Simon versucht, anhand von Mt 11,27 zu beweisen, dass selbst Jesus bekenne, dass es einen anderen Gott gebe, der unbegreiflich und unbekannt sei. Um die Frage nach dem einen, wahren Gott und den von Simon proklamierten unbekannten, anderen Gott geht es auch in den folgenden Kapiteln. Simon spricht von einem unaussprechlichen, unvergleichlichen und obersten Licht, über das selbst der Schöpfergott,563 Mose oder Jesus nicht recht Bescheid wüssten (49,3). Petrus versucht Simon nun in Kap. 50 zu entkräften, u. a. mit der Frage, warum ausgerechnet er davon wisse, sonst aber niemand. Warum wird durch diese Kraft nicht ein sechster Wahrnehmungssinn eröffnet, um das Neue zu verstehen? Sollte Simon diesen sechsten Sinn haben? Petrus fordert ihn auf, die Gedanken der vor ihm Stehenden zu lesen. Falls er das nicht könnte, könne er auch nicht behaupten, etwas zu wissen, was sonst niemand wisse. Nun wird in der weiteren Diskussion von Träumen und Visionen gesprochen (51,1; P.E.): „1. Glaube mir [d. h. Petrus, P.E.] aber, nie würdest du erfahren, was [dieses] Licht ist, außer du hättest empfangen von diesem Licht sowohl das Sehen als auch das Verstehen;564 so auch in anderen (Dingen).“ Hier ist nicht gänzlich klar, welches Wort mit visum gemeint ist: entweder das uns schon bekannte Nomen visum, was mit „Erscheinung“, „Vision“, „Bild“ zu übersetzen ist. Es ist aber auch möglich, dass es von visus kommt, hieße dann also wörtlich „das Sehen“.565 Schneider übersetzt mit (französisch) „vision“, entscheidet sich also für das Nomen.566 Übersetzt man das videndi allerdings mit „wahrnehmen“, könnte visum auch mit der Übersetzung „das 563 Damit wird natürlich so etwas wie ein philosophisches „Großthema“ berührt. Man denke nur an das „Sonnengleichnis“ Platos in rep. 6,507a–509c, wo durch das Licht erst wahre Erkenntnis ermöglicht wird (508b–509b). Einen Kommentar zum Gleichnis bieten Dörrie/Baltes, Platonismus, Bd. 4, 324–332. Genannt sei weiter Luther, Wahrheit, 479–496. Nicht wenige antike Autoren haben dieses Gleichnis aufgegriffen: Philo, Plutarch, Origenes, Plotin u. a. Die Belege stellt zusammen Dörrie/Baltes, Platonismus, Bd. 4, 80–85; 326. 564 nisi ab ista luce accepisses et visum et intellectum videndi. 565 Zu den einzelnen Übersetzungsmöglichkeiten s. o., 41 f. 566 Schneider/Cirillo, Reconnaissances, 1720. Smiths Übersetzung ist uns keine Hilfe, da das von ihm benutzte „vision“ (Smith, Recognitions, 111) im Englischen sowohl die Vision als auch das Sehen allgemein bedeuten kann (s. o., 41 f). Da Smith, Recognitions, 111, intellectum mit „understanding“ übersetzt, spricht „vision“ bei ihm, im Sinne des Gleichlaufs der Satzglieder, für das allgemeinere „Sehen“, schließt aber freilich eine visionäre Schau nicht aus.

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Sehen“ in Richtung eines visionären Schauens deuten. Folgt man diesen Hinweisen, so ermöglicht das von Simon proklamierte Licht also ein wie auch immer geartetes, visionäres Schauen und tieferes Verstehen. Dies hat mit einem Traum zwar noch nicht direkt etwas zu tun, aber es geht weiter (51,2 f; P.E.): „Daher, indem du [d. h. Simon, P.E.] Erkenntnis empfangen hast, ersinnst du irgendetwas Größeres und Höheres nach Art eines Traumes/gleichwie einen Traum567, nachdem die Begebenheit jedoch aus diesen fünf Sinnen genommen wurde, bist du ihrem Spender undankbar. Aber sei sicher, dass, solange du nicht irgendeinen neuen Sinn findest, welcher außerhalb dieser fünf ist, welche wir alle besitzen, kannst du nicht einen neuen Gott behaupten.“

Petrus stellt im weiteren Verlauf des Streitgesprächs fest, dass es sehr wohl einen sechsten Sinn gebe, nämlich den der vorherigen Erkenntnis568, der den Propheten eigen ist (51,5). Simon bleibt bei seiner Behauptung einer Macht, die vorzüglicher als der Schöpfergott und ungewusst von Engeln, Dämonen und allen irdischen Kreaturen sei. Er gibt an, mehr zu wissen als der Schöpfergott (51,7). Nicht recht deutlich wird, wie Petrus – gleichsam mit welchem Unterton – in 51,2 f von Träumen spricht. Auffällig ist jedenfalls das Beieinanderstehen der Begriffe visum, intellectus (51,1) und somnium, ergänzt durch quinque sensus (51,2 f). Traum und Vision gehören also zu dem mit den fünf Sinnen569 Wahrnehmbaren, bedürfen freilich des Verstehens, Erkennens und Sinngebens. Auch seien diese fünf Sinne allen Menschen immanent; (neue) Gotteserkenntnis scheint aber nur über einen übernatürlichen, sechsten Sinn möglich, den laut Petrus nur die Propheten hätten. Wie aber ist das somnii instar excogitas zu verstehen? Eindeutig scheint nur, dass Simon etwas ersinnt, behaftet mit dem Ruf von etwas Zweifelhaftem. Das von Simon Ersonnene gleicht einem Traum bzw. ist nach Art eines Traumes zu verstehen. Ist damit das nicht recht Fassbare gemeint? Oder wird „Traum“ hier negativ konnotiert, als das nicht Reale? In Kap. 61 geht es dann um eine Art „aktive Imagination“, zu der Simon den Petrus anleiten will, indem er ihn fragt, ob er sich schon je im Geiste570 an entlegene, herrliche Orte ausgestreckt hätte, die so schön waren, dass er das 567 somnii instar excogitas. 568 praenoscendi. 569 Sowohl die pagane Antike als auch das frühe Christentum vertritt die Fünfzahl der Sinne als verbindlich. Zum ersten Mal zählt sie Demokrit, B 11, vollständig auf: Gesichtssinn, Gehörsinn, Geruchssinn, Geschmackssinn und Tastsinn. Aristoteles, an. 424b 22, bestätigt die fünf Sinne, die Demokrit aufzählt, so auch Hrabanus Maurus, De Universo 6,1, Jütte, Sinne, 43; 65 f. S. a. a.O., 40– 57, zu den Sinnen in der griechisch-römischen Antike und a. a. O., 65–69, zur Anzahl der Sinne. 570 mens. Dies kann sowohl mit „Gesinnung“, „Herz“, „Seele“, „Gemüt“, aber auch mit „Geist“, „Verstand“ und „Vernunft“ übersetzt werden, Georges, Handwörterbuch, Bd. 2, 3052 (für Belege s. ebd.).

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Hier und Jetzt ganz vergaß.571 Als Petrus dies bejaht, berichtet Simon von einem (über-)himmlischen Ort, der so licht sei, dass die Sonne im Vergleich dazu die wahre Finsternis darstelle. Zu diesem Ort soll Petrus nun seinen sensus572 (61,4) ausrichten. Zwar handelt es sich hier eher um visionäres Schauen, dennoch ist dieses Kapitel als Einführung in die folgenden zu berücksichtigen, in denen es nun um Tagträume des Petrus geht (62–65), die hier unbedingt Beachtung finden müssen. So heißt es (62,1):573 „Als Simon diese Gedanken darlegte, antwortete ihm Petrus: ,Zu beiden von dir geltend gemachten Gesichtspunkten höre mir geduldig zu, das heißt zu einem ähnlichen Fall von Gedankenflucht und zur Unermesslichkeit des göttlichen Lichts.‘“574

Petrus legt nun dar, dass er sich daran erinnern könne, ebenfalls einmal im Geist an ferne Orte gewandert zu sein. Dabei habe er diese genauso klar wahrgenommen, als wenn er sie wirklich gesehen hätte (62,2). Petrus sei währenddessen in Kapernaum mit Fischen beschäftigt gewesen, mit Angelschnur575 und Haken, die er von einem Felsen herab ins Meer ausgeworfen hatte. Der Apostel sei so versunken gewesen (er sei in Gedanken durch Jerusalem gewandert und merkt an, dass er dort etliche Male zu Gebet und Opfer im Tempel gewesen sei und die Stadt liebe), dass er gar nicht mitbekommen hätte, dass er einen Fisch am Haken hatte (62,3). Petrus gibt zu, dass es ihm öfter geschehe, dass sich seine Sehnsucht (auch) gen Cäsarea ausrichte, er habe schließlich vernommen, dass Besucher der Stadt voll Hochschätzung über sie gesprochen hätten (62,4). Weiter sagt Petrus (62,4): „,Dann meinte ich die Stadt, die ich noch nicht besucht hatte, vor meinem geistigen Auge zu sehen und stellte mir bei ihr all die Baulichkeiten vor, die man sich bei einer Großstadt gewöhnlich so vorstellt: Tore, Mauern, Bäder, Straßen, enge Seitengassen, öffentliche Plätze und so weiter. Genauso, wie ich es in anderen Städten erlebt hatte. 62,5 Mein innerer Blick auf Cäsarea machte mir so große Freude, dass ich, wie du 571 Schneider übersetzt diesen Vorgang mit „visions“, Schneider/Cirillo, Reconnaissances, 1727. 572 „Wahrnehmung“, „Beobachtung“, „Empfindung“, „Sinn“ wären hier passende Übersetzungen, vgl. Georges, Handwörterbuch, Bd. 2, 4350 f. 573 Die folgenden Übersetzungen stammen aus dem neu erschienenen Band Vielberg (Hg.), Rekognitionen, der den lateinischen Text der Bücher I und II der Rekognitionen mit deutscher Übersetzung bietet. Prof. Dr. Meinolf Vielberg (Friedrich-Schiller-Universität Jena) hat mir die folgenden Übersetzungen und die unten zitierte Anmerkung 614 schon vor Veröffentlichung des Bandes zur Verfügung gestellt, dem ich dafür herzlich danke. 574 Übersetzung: Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 215. 575 S. Engemann, Art. Fisch, Fischer, Fischfang, 959–1097; Kuhn, Art. Fischerei, Fischereigewerbe III, 527 ff (besonders 527 f, zur Beschaffenheit antiker Angeln). Ein bekanntes Kunstmotiv in der Antike war die Darstellung Jesu bzw. Gottes als Angler. S. dazu Sauer, Symbolik, 223 (Gott „angelt“ den Leviathan); Ott, Fischer, 41 f. Petrus als Angler begegnet natürlich auch in Mt 17,27, vgl. EpAp 5.

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sagtest, tatsächlich nicht mehr sah, wer in meiner Nähe war und bei mir stand, und nicht mehr wusste, wo ich saß.‘ Simon: ,Jetzt redest du vernünftig.‘“576

Dieser Teil der Ausführungen des Petrus ist der erste Part einer Argumentation, die das Ziel hat, Simon zu widerlegen, auch wenn Simon am Ende des Absatzes Petrus auf seiner Seite weiß: modo recte dicis (62,5). Die Ortsangabe des Meeres (durch die Angabe Kapernaums ist klar, dass der See Genezareth gemeint ist) ist eine „schöne“ Fortführung der mitunter falschen geographischen synoptischen Tradition (vgl. Mk 7,31). Petrus mit der Angel wirkt hier nicht wie ein Fischer, sondern wie ein „Hobbyangler“. Nach dem sehnsuchtsvollen „Gang“ nach Jerusalem geschieht die Wendung hin nach Cäsarea, was etwas seltsam anmutet. Wie oben dargestellt, befinden wir uns zum Zeitpunkt der Debatte in Cäsarea Maritima (in PsClem R I 12,1 als Cäsarea Stratonis bezeichnet und als urbs maxima in Palästina – was ja zu der Phantasie des Petrus passt).577 Zwar beschreibt Petrus, dass er Cäsarea nicht kennt, dies bezieht sich im Erzählbogen aber eindeutig auf die Zeit vor der Auseinandersetzung mit Simon.578 Eine Einordnung in Philos Traumkategorien ist schwierig. Da es sich hier um einen Tagtraum handelt (s. u.), würde die Kategorie 2 am besten passen (zumindest der erste Teil davon): „Der menschliche Geist gerät in die Bewegung, die das Weltall kennzeichnet. Er wird von Gottes Kraft (d. h. von den unsterblichen Seelen in der Luft) erfasst“.579 Jedenfalls phantasiert Petrus, was dieser Stadt wohl für eine Ausstattung angemessen wäre. Und dabei sieht er sie, als kenne er sie. Sie lichtet sich in seinem Inneren deutlich und präzise ab, er vergisst aber darüber sich und seine Umgebung. Unklar ist nun, ob es sich um einen Tagtraum handelt, der Petrus überfällt, oder aber um eine (bewusst initiierte) Phantasie. Das Wortfeld um mens und cogitatio lässt eher vermuten, dass eine bewusste, gedankliche Leistung vorliegt. Das ascenderam in 62,3 ist insofern nicht eindeutig, als dass nicht deutlich wird, ob damit sein mehrmaliger Besuch in Jerusalem gemeint ist, oder aber 576 Übersetzung: Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 217. 577 Zu Cäsarea s. Apg 10,24–40; 23,23–27,1; Josephus, ant. XV 331–339; bell. I 408–415. Bevor die Stadt von Herodes dem Großen erbaut wurde und er dies zur Ehre des Kaisers Augustus tat, war der Standort ein phönizischer Hafen. Seit dem Jahre 6 n. Chr. hatte der römische Statthalter, welcher für die Provinz Judäa zuständig war, dort seinen Aufenthaltsort. Unter Vespasian und Alexander Severus erlangte die Stadt weitere Bedeutung. Besonders in der Spätantike war die Stadt geistiges Zentrum von Juden und Christen, verlor aber nach der muslimischen Einnahme 640 stark an Bedeutung. Besonders erwähnenswert ist die im römischen Theater gefundene Pilatus-Inschrift, welche die bisher einzige ist (ediert bei Frova, Ponzio Pilato, 419–434), Leisten, Art. Caesarea (2), 924 f. S.a. Elliger, Art. Kaisareia II (in Palästina), 1026–1067; Patrich, Studies; Raban, Harbours; Bernett, Kaiserkult, 205–214. 578 Nach Mt 16,13 muss Petrus Cäsarea Philippi gekannt und dort das eindrückliche Bekenntnis σὺ εἶ ὁ Χριστὸς ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ τοῦ ζῶντος (16,16) ausgesprochen haben. Von daher würde Cäsarea Philippi ausfallen. Dass Petrus in Apg 10 den Hauptmann Kornelius in Cäsarea Maritima tauft und von daher die Stadt kennt, steht somit in keinem Widerspruch zu unserer Erzählung. Dazu würde auch die Begegnung mit Simon Magus in Apg 8 passen. 579 S. o., 19.

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das (geistige) Emporsteigen zu einer schon nicht mehr irdischen, sondern vorgestellten Stadt (das himmlische Jerusalem ist hier aber wohl nicht gemeint). Das wiederum würde schon eher in die Richtung einer Vision führen, in der das umgebende, irdische Umfeld verlassen wird. Wir fahren mit Kapitel 63,1 fort, um zu sehen, worum es sich nun handelt.580 „Petrus: ,Kurz und gut: Als ich, in Gedanken verloren,581 nicht wahrnahm, dass ich einen großen Fisch gefangen hatte, der am Haken hing und mir die Angelschnur gewaltsam aus den Händen zu reißen drohte, bemerkte mein Bruder Andreas, der neben mir saß, dass ich geistig abwesend582 war und beinahe ins Meer gestürzt wäre. Da stieß er mir den Ellbogen in die Seite, als ob ich schliefe, und weckte mich aus meinem Tagtraum, indem er rief: 63,2 ›Petrus, siehst du nicht, dass du einen großen Fisch gefangen hast? Hast du etwa deinen Verstand583 verloren?584 So vom Donner gerührt bist du und außer dir.585 Was ist es, woran du leidest? Verrate es mir.‹‘“586

Petrus ist ganz verwirrt, da er von seinem Bruder so jäh aus der inneren Reise aufgerüttelt wird, gibt jedoch Bescheid, ihm fehle nichts, er beschaue sich lediglich die beiden genannten Städte, zu denen er sich hingezogen fühle. Er betont seine physische Anwesenheit, lediglich in Gedanken587 und innerlich588 habe er sich an die Orte führen lassen (3).589 Und weiter (4): „Andreas aber sprach zu mir ein geheimes und verborgenes Wort der Wahrheit, das ihm von wem auch immer eingegeben worden war.“590 Hat der erste Teil eher den Inhalt des Gesehenen beschrieben, erläutert Petrus nun die Umstände, die aber für uns fast interessanter sind und uns zu einer neuen Traumkategorie führen, nämlich der des Tagtraums591. Dass es 580 Smith, Recognitions, 114, überschreibt dieses Kapitel vielversprechend mit „Peter’s Reverie“. 581 Wörtlich: durch das Ergriffensein der Seele/des Geistes (mens). 582 stupentem. Dieses Partizip kommt von stupeo, was so viel wie „betäubt sein“, „erstarrt sein (im physischen Sinn)“, aber auch „verdutzt“ oder „verblüfft sein (im geistigen Sinn)“ heißt, Georges, Handwörterbuch, Bd. 2, 4524. Smith, Recognitions, 114, übersetzt hier mit „reverie“, was uns zwar eine Richtung weist, aber doch etwas sehr frei übersetzt ist. 583 mens. 584 Wörtlich: „Bist du um den Verstand gekommen?“ Oder: „Hast du die Besinnung verloren?“ 585 Ich übersetze: „Bist du denn von Sinnen, dass du so (sic) wie betäubt/entsetzt (attonitus) (und) starr bist?“ Das sic hebt das Erleben des Petrus stark hervor und unterstreicht es dadurch. Ebenfalls ist bezeichnend, dass das dem Partizip attonitus zugrunde liegende Verb attono mit „andonnern“ übersetzt werden kann, Georges, Handwörterbuch, Bd. 1, 538. Was Petrus sieht und ihm widerfährt, „donnert“ ihn an. 586 Übersetzung: Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 217. 587 animo. 588 penitus. 589 Vgl. die zweite Traumkategorie nach Philo! 590 Übersetzung: Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 217. Andreas wird eigentlich nicht erwähnt; wörtlich heißt es: at ille nescio unde inspiratus, reconditum et secretum veritatis protulit verbum. 591 Zum Tagtraum s. Freud, Traumdeutung, 514–517. Bei Jung spielt der Tagtraum in der Technik der „aktiven Imagination“ eine tragende Rolle, s. hierzu zur Einführung Hark, Grundbegriffe, 77 ff.

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sich nun eher um Letzteren handelt, macht vor allem die Formulierung velut dormientem excitat am Ende von 63,1 deutlich. Petrus ist also in einem schlafähnlichen Zustand, obwohl er angelnd am Wasser sitzt, und muss angestoßen werden, um zu sich zu kommen. Dieser Zustand bringt uns meines Erachtens in die Nähe von Träumen. Das zweite, auffällige Merkmal ist der (synonyme?) Gebrauch der Begriffe mens und animus: In 63,3 beschreibt Petrus, dass er Jerusalem und Cäsarea in eben diesem animus betrachtet. Wenn mens durch das bisher Gesagte eher in Richtung des Verstandes und der Gedankenwelt geht, jedoch auch weiter gefasst werden kann, wie oben beschrieben, ist der Befund bei animus wesentlich diffuser. Zwar wird animus landläufig mit „Geist“ übersetzt, kommt es ja auch von ἄνεμος, „Wind“, „Hauch“.592 Dennoch kann es auch „Seele“, „Herz“, „Gemüt“, „Gefühl“, „Empfindung“, „Stimmung“, „Gesinnung“, „Lust“, „Energie“, „Wille“, „Wunsch“, „Verlangen“, „Absicht“ oder „Bewusstsein“ heißen, um nur einige weitere Möglichkeiten zu nennen.593 Durch die drastische Beschreibung des Fortgerissenseins wollen wir etwas vorsichtiger damit sein, animus allein mit „Geist“ oder „Gedanken“ zu übersetzen. Vielmehr scheint Petrus etwas zu widerfahren, das er grundsätzlich nicht, zumindest nicht willentlich, lenken kann. Da wir Träume als Produkte der Seele verstehen und diese Übersetzung einen Großteil der anderen Bedeutungsmöglichkeiten in sich trägt, soll animus deshalb neben „Geist“ mit „Seele“ übersetzt werden. Vorher (63,1) wiederum ist Petrus im mens ergriffen, was er zum Schluss (63,3) wiederholt, und wird von seinem Bruder Andreas in 63,2 gefragt, ob er gar seiner mens abhandengekommen sei. Mens scheint hier animus zu umschließen. Deswegen wird letzterer Begriff von Petrus gebraucht, um die innerste und intimste Schau, nämlich die des desiderabilem Hierusalem (62,3) zu beschreiben, die nur zustande kommt, wenn die Hülle des Verstandes außer Kraft gesetzt wird, wenn also Petrus, wie von Andreas angedeutet, seiner mens abhandengekommen ist. Dieser Differenzierung, die hier nur angedeutet wird, kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden (s. dazu auch den Exkurs zu νοῦς oben). Die dritte Auffälligkeit ist die Drastik, mit der der Zustand des Petrus charakterisiert wird. Petrus merkt nicht, wie ein großer Fisch an der Angel zieht und ihm die Schnur regelrecht aus den Händen reißt. Das hier gebrauchte Partizip stupentem kommt, wie schon oben erwähnt, von stupeo, und kann sowohl eine Starre als auch eine Verblüffung beschreiben. Eine Möglichkeit wäre also, dass das Wort bezeichnet, dass Petrus einen nach außen hin verblüfften Eindruck macht. Übersetzt man das Wort aber im erstgenannten 592 Georges, Handwörterbuch, Bd. 1, 340; 343. 593 A. a. O., 340–343. Glare (Hg.), Dictionary, Bd. 1, 148 f, gibt u. a. als Übersetzungen an: „the mind as opposed to the body“; „the mind or soul as constituting with the body the whole person“; „the mind as the seat of consciousness“; „the mind as the organ of thought“; „the mind as the originator of intensions“; „the mind as the seat of desire or volution“; „the mind as the seat of feelings and emotions“; „the moral and mental constitution of a person, disposition, character“.

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Sinne (der hier bevorzugt wird), beschriebe es einen regelrecht somatischen Zustand, der dann möglicherweise als Charakteristikum des Traumzustandes von Petrus näher beleuchtet werden müsste. Ohne die Erzählung überzustrapazieren oder zu historisieren, ist davon auszugehen, dass der Verlust der Angelschnur durch den zappelnden Fisch der Hand Schmerzen bereitet. Hier wäre an das Krankheitsbild des Stupors, genauer, des dissoziativen Stupors zu denken.594 Dies soll aber an dieser Stelle lediglich angedeutet werden. Direkt an das Wort stupentem schließt sich casurum an (63,1). Dies kann als Nomen übersetzt werden, aber auch als Partizip, genauer, Partizip Futur. Worauf aber bezieht es sich? Auf Petrus oder auf die Angelschnur? Ist Petrus so weggetreten, so in dem genannten möglichen Stupor, dass er beinahe ins Wasser stürzt? Jedenfalls gehört das Partizip in den Gleichlauf zu stupentem. Petrus ist also beinahe „fallend“. Die Eindrücke, die ihm widerfahren, berauben ihn seiner somatischen Kontrolle. Oder abstrakter: Petrus verliert sich in dem Geschehen. Dass das Gesehene ihn wie „vom Donner rührt“, wurde oben schon kurz beschrieben. Dazu reiht sich das occupatus in 63,1 ein, das noch einmal betont, dass ihm etwas widerfährt, ebenso das auferri in 63,3. Andreas wiederum reißt Petrus in die Gegenwart zurück: abstraxerit (63,3). Nun bleibt noch der – im wahrsten Sinne des Wortes – rätselhafte Vers 4. Nicht klar ist, wer bzw. was hier mit ille gemeint ist. Die erste Variante wäre, dass Petrus seine Widerfahrnisse meint, aber es war bisher von keiner weiteren Person, außer Andreas, die Rede. Da das Pronomen männlich ist, kann höchstens auf animus Bezug genommen sein; mens ist ein Femininum. Dann könnte der inspirierte Geist bzw. die Seele ihm ein verborgenes und geheimes Wort der Wahrheit (man beachte die Häufung der semantisch ausdrucksstarken Begriffe) offenbart haben. Weiterhin wäre ein Bezug auf Gott denkbar, der dann für den Tagtraum verantwortlich wäre. Dann aber passt das inspiratus im Vers nicht. Die letzte Möglichkeit ist: Andreas ist gemeint, der Petrus aus dem Traumzustand in die Wirklichkeit zurückholt. Aber Andreas spricht kein Wort der Wahrheit, sondern fragt Petrus nach den Umständen seiner Abwesenheit bzw. beschreibt diese. Dann würde außerdem das „Wort der Wahrheit“ den kompletten Bericht des Petrus negativ konnotieren; in dem Erlebten läge dann keine veritas, sondern nur in dem, was Andreas dann zu seinem Bruder spricht. Wir gehen im Text weiter, um zu sehen, welche Möglichkeit die richtige ist. Andreas spricht zu Petrus (64,1): „Hör auf damit, Petrus! Was machst du da? An solchen Krankheitssymptomen leiden Menschen, die von Dämonen ergriffen werden und geistig verwirrt sind. Anfangs lassen sich diese Menschen von ihrer Einbildungskraft595 zu allen angenehmen und

594 S. dazu Dilling u. a. (Hg.), ICD-10, 217 f. Dass man hier wirklich von einer (klassifizierbaren) Symptomatik sprechen kann, macht Andreas in 64,1 (s. u.) deutlich. 595 fantasias. Man beachte, dass Phantasos ein griechischer Traumgott ist!

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erfreulichen Gegenständen hinlenken. Dann lassen sie sich von leeren und gehaltlosen Gemütsbewegungen zu gar nicht vorhandenen Phänomenen fortreißen.“596

Dies alles käme davon, dass die Seele in bestimmtem Grade geschwächt sei. Diese Dysfunktion würde bewirken, dass die daran Leidenden reale Dinge nicht wahrnähmen und stattdessen das Verlangen empfinden würden, sich Dinge vorzustellen, die gar nicht existierten (64,2). „64,3 So ergeht es auch Menschen, die an Wahnsinn leiden und mehrere Bilder zu sehen glauben, weil ihre Seele durch übermäßige Kälte oder Wärme von ihrem gewohnten Aufenthaltsort im Körper losgerissen und entfernt und so in ihrer natürlichen Funktion gestört597 wird. 64,4 Auch an Durst leidende Menschen meinen im Schlaf 598 Ströme und Quellen zu sehen und aus ihnen zu trinken.“599

Dies passiere durch ein durch Dehydration bedingtes somatisches Ungleichgewicht. Schließlich führt Andreas in 64,5 die Beeinträchtigungen der Wahrnehmung auf kognitive oder somatische Defizite zurück. Was Andreas zu dem Erleben seines Bruders sagt, spricht für sich. Es wird als Raserei und Illusion disqualifiziert. Zugleich warnt Andreas Petrus, sich nicht auf solche Trugbilder einzulassen, die nicht existent sind und nichts tun, als einen Irrweg der Seele zu offenbaren. Im Gegenteil: Hier seien Dämonen am Werk. Schon der erste imperativische Satz des Andreas (Desine, Petre) macht deutlich, wie wenig von den schwärmerischen Erlebnissen des Stellvertreters Christi zu halten sei: „Kein Wort mehr davon!“ Andreas fährt ihm regelrecht über den Mund. Interessant ist weiterhin das Bild von Kälte und Hitze der Seele. Frigus kann man auch abstrakter übersetzen mit „Entsetzen“, calor jedoch mit „Leidenschaft“.600 Kälte und Hitze wären zwei somatische Zustände; die eben genannten Übersetzungsmöglichkeiten weisen eher auf geistig-emotionale Gegebenheiten. Die Erstarrung erinnert jedenfalls an den Zustand des Stupors, in dem sich Petrus beim Angeln befindet. Durch die Extremzustände leidet nach Andreas die Seele in ihrer, wie er sagt, naturgemäßen Funktion. Am eindrücklichsten aber ist der letzte Abschnitt. Andreas will die Erlebnisse seines Bruders endgültig entzaubern, indem er auf einen grundlegenden Zusammenhang zwischen Träumen und körperlichen Bedürfnissen hinweist, und uns dadurch ein Beispiel für die (natürlich) schon in der Antike geltenden Gesetze des menschlichen Traums liefert: Man spricht hier von sog. somatischen Traumquellen, genauer: von inneren, organischen Leibreizen.601 Das 596 Übersetzung: Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 219. 597 error. Auch: „Schwanken“, „Zweifel“, „Irrtum“, „Täuschung“, „Wahn“, „Furcht“, Georges, Handwörterbuch, Bd. 1, 1896 f. 598 Wörtlich: „Aber auch die, welche Durst leiden, während/obgleich sie in tiefen Schlaf gefallen sind“ (in soporem venerint). 599 Übersetzung: Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 219. 600 Georges, Handwörterbuch, Bd. 1, 2194; 726. 601 S. Freud, Traumdeutung, 48–55, sowie 238–260. S. dazu auch Meier, Bedeutung, 50 f; Türcke,

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Phänomen, dass körperliche Bedürfnisse, wie Hunger, Durst, Urinieren oder sexuelle Lust in die eigenen Träume eingebunden werden, ist allgemein bekannt. Dies kann aber auch mit äußeren Sinnesreizen, wie dem hellen Sonnenlicht am Morgen, geschehen, die dann im Traum als übermäßig empfunden werden.602 Was Petrus erlebt, ist also augenscheinlich nichts weiter als eine Mangelerscheinung des Körpers oder (wie er selbst einräumt) auch der Seele. Was Andreas (bzw. dem Autor, der doch hier recht klar mit Andreas sympathisiert) nicht bewusst zu sein scheint, ist, dass dem Träumen von Quellwasser und Flüssen sowie dem Ausgetrocknetsein des Körpers auch eine symbolpsychologische Seite innewohnt, sozusagen eine tiefere, über die somatische Ebene hinausgehende Bedeutungsdimension.603 Dazu würde auch gehören, dass eine Seele, die, metaphorisch gesprochen, ausgezehrt ist, weil psychische bzw. seelische Bedürfnisse nicht genügend befriedigt werden, sozusagen „benetzende“ Bilder produziert, die diesem Zustand entgegenkommen bzw. (zumindest im Traum) entgegenwirken. Ferner ist zu erwähnen, dass sich durch die Begriffe Wärme, Flüsse, Quellwasser, Trinken, Trockenheit und Mangel ein zusammenhängendes Wortfeld ergibt. Um die Symbolik des Flusses, der Quelle und des Wassertrinkens etwas anzureichern, sei im Folgenden aufgeführt, was Artemidor dazu in seinem Traumbuch zusammengetragen hat. Exkurs – Das Traumsymbol des Wassers bei Artemidor In oneirokr. I 66 heißt es, dass das Trinken kalten Wassers Glück bewirke, warmen Wassers meistens jedoch Unglück in Form von Erkrankungen oder wirtschaftlicher Stagnation. Wenn Durst die Motivation sei, um Wasser zu sich zu nehmen, sei das ein gutes Vorzeichen. Sei ein Trunk nicht verfügbar oder sei es nicht möglich, an verschiedenen Wasserquellen welches zu entnehmen, werde man nichts von dem zustande bringen, wonach man trachtet. „Dürsten ist ja nichts anderes als ein Verlangen, und Trinken stillt das Verlangen.“604 In II 27 heißt es: „Flüsse, die reines, klar durchsichtiges Wasser haben und ruhig dahinströmen, bringen Sklaven, Prozessierenden und Leuten, die auf Reisen gehen wollen, Glück“.605 Die Flüsse stünden hier für angesehene Leute, aber auch Richter, die in eigenem Ermessen schalten und walten können, jedoch keine Rechenschaft ablegen müssten. Aber auch Reisen würden durch

602 603 604 605

Philosophie, 21–29; Bitsch, Gespenster, 366–369. Zu Leibreiz-Träumen in der islamischen Kultur s. Schimmel, Träume, 129 f. Schon Plutarch, symp. 8,10, wusste, dass sich der Verzehr von Bohnen negativ auf Schlaf und Träume auswirke. Vgl. Freud, Traumdeutung, 37–45. Dieser Dimension hat sich Freud kaum geöffnet, erst C.G. Jung erarbeitete sie. Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 79. Übersetzung: a. a. O., 151 f.

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den Fluss anhand seiner Fließbewegung symbolisiert. Wenn der Fluss verschlammtes Wasser aufweise und wild fließe, stehe eine Drohung durch die erwähnten hohen Herren an; ebenso könnten geplante Reisen nicht stattfinden. Wird der eigene Besitz vom Fluss fortgerissen, stehe dem Träumer großer Schaden bevor; wenn man selbst mit fortgerissen und gar ins Meer gespült werde, sei Gefahr im Verzug. Übrigens stünden reißende Flüsse auch für das gemeine Volk, das sich ja durch ähnliche Eigenschaften wie jene auszeichne. Weiter heißt es in Kap. 27, ein gutes Zeichen sei das Hinübergelangen zum anderen Ufer im Traum, möglichst watend. „Träumt jemand, er schaffe es ganz und gar nicht, über den Fluß zu kommen, und kehre deswegen um, so tut er besser daran, wenn er von seinem Vorhaben abläßt“.606 Überhaupt zeige Schwimmen in Binnengewässern im Traum Gefahr an, da das Wasser ganz und gar nicht das menschliche Element sei. Ein Fisch könne an Land ja auch nicht überleben. „Immer ist es besser, schwimmend das Ufer zu erreichen, als mitten im Schwimmen aus dem Schlaf zu erwachen.“607 Ferner wird in Kap. 27 gesagt (was für unseren Zusammenhang besonders interessant sein dürfte), dass ein See im Traum eine Frau symbolisieren könne, welche nicht nur Reichtum besäße, sondern „sich den Liebesfreuden gerne hingibt; denn auch ein See nimmt diejenigen auf, die hineinsteigen wollen, und wehrt ihnen den Zutritt nicht.“608 Gesundheitlicher oder finanzieller Segen könne, v. a. wenn man krank oder arm sei, erwartet werden, wenn man von quellenden Wassern oder Brunnen träumt, die ungetrübtes Wasser hervorbringen – allen Dingen voran sei es Wasser, das die Gesundheit unterstütze. Seien die „Wasserspender“ hingegen ausgetrocknet, stehe dem Träumer das Gegenteil bevor (II 27). (Ende des Exkurses) Nun folgen die letzten beiden für uns relevanten Kapitel im Zusammenhang mit den Tagträumen des Petrus: (65,1) Petrus kündigt Simon „einen Beweis für die Richtigkeit der Erklärung des Phänomens“609 an: Der Apostel repetiert, er habe seinem Bruder nach der inneren Wanderung nach Jerusalem beschrieben, was für Versammlungsorte er im Tagtraum wahrgenommen habe – vor dem Hintergrund, dass er tatsächlich mehrmals in der Stadt gewesen war. (65,2) Dies hätte er genauso bezüglich seines „Spaziergangs“ nach Cäsarea getan (wo er wiederum noch nie war): Er sei fest überzeugt gewesen, die Stadt sähe genauso aus, wie im Tagtraum geschaut. (65,3) Nun sei er zwischenzeitlich aber wirklich in Cäsarea gewesen und musste feststellen, dass die Stadt gänzlich 606 607 608 609

Übersetzung: a. a. O., 152. Übersetzung: a. a. O., 152 f. Übersetzung: a. a. O., 154. Übersetzung: Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 219.

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anders aussah als in seiner inneren Reise, ohne irgendwelche Ähnlichkeiten. Er habe sich daraufhin selbst gescholten und zur Ordnung gerufen. Das was er glaubte, an Gebäuden und Bauten in Cäsarea gesehen zu haben, habe sich als bloße Erinnerung an andere, wirklich gesehene Städte und deren Bauten herausgestellt.610 (65,4) Daraus leitet Petrus ab, dass es nicht möglich sei, eine neue Kreatur zu ersinnen, ohne dass für diese schon eine Gestalt existiere. Er bringt dazu ein Beispiel: Ein Stier, der fünf Köpfe habe, könne im Geist nicht phantasiert werden, ohne dass man dessen Grundform, die wirklich existiert und die man schon einmal gesehen hat, übernimmt und zur Bildgebung benutzt. Nun wendet Petrus dieses Grundprinzip auf Simon Magus an (65,5): Was dieser glaube, in und über den Himmeln zu sehen bzw. in seinem Geist zu erfassen, sei letztlich am irdisch Wahrnehmbaren orientiert. „65,6 Du magst zwar meinen, dass dein Geist leicht über die Himmel hinaus gelangen, das dort Befindliche betrachten und Wissen über jenes unermessliche Licht gewinnen könne.611 Ich meine dagegen, dass es für einen Menschen, der die dort befindlichen Gegenstände begreifen kann, doch einfacher sei, seinen zum Aufstieg befähigten Verstand in Herz und Brust eines der ihn hier von uns umringenden Menschen zu versenken und uns zu sagen, welche Gedanken ihn gerade bewegen.“612

Nun spottet Petrus (65,7): Für den Fall, dass Simon es fertig brächte, die Gedanken eines der umstehenden Zuschauer wahrzusagen, wäre Petrus mit den Seinen möglicherweise in der Lage, Simon Glauben zu schenken, dass er (über-)himmlisches Wissen besitze. Simon Magus bezichtigt Petrus daraufhin der umfassenden Lüge und reagiert auf die Ausführungen des Apostels (66,1) und spricht (66,2): „Es ist unmöglich, dass die Gegenstände des menschlichen Denkvermögens nicht auch alle wirklich existieren. Was nicht existiert, hat nämlich auch keine Gestalt. Was aber keine Gestalt hat, kann auch nicht zum Gegenstand des menschlichen Denkvermögens werden.“613

Ohne dass wir im Einzelnen die philosophischen Betrachtungen nachvollziehen, bleibt ein interessanter Schluss festzuhalten. Petrus sieht ein, dass seine geistige Reise ein Irrtum war. Dies ergibt sich daraus, dass er nach Cäsarea reiste und feststellte, dass es nicht so aussah wie in seinem Tagtraum. Auf Letzteren per se fällt dadurch kein gutes Licht, was dessen geschilderte In610 S. o., Anm. 577; 578. Ausgrabungen haben „Reste eines monumentalen Tempelpodiums für Augustus und die Stadt Rom im Zentrum“ zutage gefördert, Leisten, Art. Caesarea (2), 925. 611 65,5 f erinnert stark an den ersten Teil der zweiten Traumkategorie Philos, zumal ja der Aufstieg des Geistes von Petrus im Hintergrund steht. Freilich erscheint dieser Aufstieg über die Himmel hier in einem negativen Licht. 612 Übersetzung: Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 221. 613 Übersetzung: ebd. Die zunehmend spitzfindig wirkende Antwort des Petrus (66,3) können wir uns an dieser Stelle sparen, da sie nichts Neues für uns bringt bzw. zu sehr von unserem Thema wegführt.

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tensität aber nicht schmälern muss. Die Kategorie des Tagtraumes, der als geistige Reise dargestellt wird, bleibt festzuhalten.614 Die nächste Stelle findet sich in PsClem R IV 19,6, in der ersten Tripolisrede des Petrus über die Dämonen. Das Kapitel beschreibt ebendiese, ihre Wirkung und ihre Fähigkeiten. Die Dämonen würden in verschiedenen Gestalten erscheinen und auf unterschiedliche Weise den Menschen gegenüber agieren: Manchmal drohten sie ihnen, manchmal versprächen sie, bestimmte Leiden zu erleichtern. So gäben sie vor, Götter zu sein und versuchten ihre wahre, nämlich dämonenhafte Identität zu verschleiern. Petrus und die Seinen seien aber über ihre wahre Natur im Bilde und auch darüber, warum sie sich in der Welt so verhalten dürften (19,4 f), und: „how it is allowed them to transform themselves into what figures they please, and to suggest evil thoughts, and to convey themselves, by means of meats and of drink consecrated to them, into the minds or bodies of those who partake of it, and to concoct vain dreams615 to further the worship of some idol“ (19,6).616

Ein weiteres Mal wird beschrieben, dass Dämonen viele Wege haben, sich mitzuteilen und fortzubewegen. Der Traum ist eines dieser Mittel. Die Formulierung somnia vana stellt diesen dabei in ein sehr negatives Licht. Im selben Buch (IV), Kap. 21, wird beschrieben, dass die Dämonen über viele Dinge schneller und mehr Bescheid wüssten als Menschen, weil sie nicht durch einen Körper behindert würden. Ärzte müssten viel Erfahrung und Zeit aufbringen, um das zu wissen, was Dämonen in ihrer Geisterhaftigkeit unmittelbar und ohne große Mühe zugänglich sei. Jedoch setzten die Dämonen ihr Wissen nicht ein, um die Seelen zu retten, sondern um sie zu täuschen. Die Menschen würden so zur Anbetung falscher Götter ge- bzw. verführt (21,1 ff). Und weiter heißt es: „But God, that the error of so great deception might not be concealed, and that He Himself might not seem to be a cause of error in permitting them so great licence to deceive men by divinations, and cures, and 614 Zu einer anderen Diagnose kommt Vielberg (Hg.), Rekognitionen, 259, Anm. 113: „Petrus entwickelt in 2,62–64 eine Irrtumstheorie zur Erklärung des unzulänglichen Gottesbegriffs von Simon, nachdem er ihn vorher mit dem Ockhamschen razor als überflüssig erwiesen hat. Er tut es, indem er einen Vorfall aus seinem eigenen Leben als Fischer am See Gennesaret mit story telling qualities erzählt. Die Phantasien des Petrus werden von seinem Bruder Andreas mit Dysfunktionen der Wahrnehmung erklärt und daraus eine allgemeine physiko-psychische Erklärung der Phantasie als Wahrnehmungsstörung entwickelt. Die Art der Phantasie wird aus dem Analogiedenken erklärt, das Vorsokratiker wie Xenophanes bei der Lektüre des frühgriech. Epos (Diels, Hermann, Kranz, Walther, Die Fragmente der Vorsokratiker, Zürich 1985 (12. unveränderte, Nachdruck der 6. verbesserten Auflage 1951) Bd. 1, 21, B11, 132) und der vergleichenden Betrachtung der religiösen Überlieferung verschiedener Völker (Diels-Kranz, Fragmente der Vorsokratiker 21, B15, 132; B16, 133) aufgedeckt hatten.“ (Hervorhebungen von Vielberg). 615 somnia vana. 616 Übersetzung: Smith, Recognitions, 139.

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dreams617, has of His mercy furnished men with a remedy, and has made the distinction of falsehood and truth patent to those who desire to know.“618 Es sei zu unterscheiden: Was durch den wahren Gott verkündigt wird, ob durch Propheten oder durch Visionen619, sei immer wahr; das von Dämonen Vorhergesagte sei hingegen oft Täuschung (21,4 ff). Auch an dieser Stelle werden Träume negativ konnotiert. Sie sind Mittel der Dämonen, die Menschen irrezuführen. Visionen werden hier als Synonym für Träume verstanden. Sie sind nicht besser oder schlechter als Träume – es kommt auf den Urheber an, was sie bewirken und ob sie Wahrheit enthalten. Die nun folgenden Traumstellen beziehen sich vor allem auf die Geschichte des Klemens (die Zerstreuung seiner Familie aufgrund eines Traumes, VII. Buch der Rekognitionen), die oben schon innerhalb der Homilien XII–XIII ausführlich zur Sprache kam. In VII 7,6 sagte Klemens zu Petrus, er habe es verdient, den Apostel anstatt seiner Eltern zu haben. Daran anschließend fragt Petrus in 8,1, ob denn niemand aus seiner Familie überlebt habe. Klemens erzählt daraufhin, dass er von vornehmer Herkunft und sein Vater ein Verwandter des Kaisers sei, welchem Letzterer eine Frau zur Ehefrau gegeben hätte. Bevor Klemens zur Welt gekommen wäre, hätte seine Mutter Zwillingssöhne geboren, die sich jedoch wenig ähnlich sähen, wie er von seinem Vater erfuhr; er selbst habe seine Brüder nie kennengelernt. Selbst an seine Mutter habe Klemens nur vage und undeutliche Erinnerungen, „but I cherish the remembrance of her face, as if I had seen it in a dream620.“621 Die Mutter habe Matthidia geheißen, sein Vater Faustinianus, seine Brüder Faustinus und Faustus. „Now, when I was barely five years old, my mother saw a vision622 – so I learned from my father – by which she was warned that, unless she speedily left the city with her twin sons, and was absent for ten years, she and her children should perish by a miserable fate“ (8,2 ff).623 Die Familientragödie wird noch einmal aus der Sicht des Klemens geschildert. Der Text läuft hier parallel zu PsClem H XII 8. Das Gesicht der Mutter sieht Klemens, als hätte er es im Traum gesehen, vor sich. Der Traum erscheint hier als etwas schwer Greifbares, als Überbringer einer vergangenen und verblassenden Erinnerung. Dem gegenüber wird der Traum der Mutter weitaus positiver konnotiert – wenn auch nur aus der Sicht des Klemens. Dies wurde oben bei der Parallelstelle in den Homilien schon ausführlich besprochen. Auch hier gehört der Traum der Mutter in Philos erste Kategorie. In 9,1 wird noch einmal auf diesen Traum rekurriert (wieder anhand des Begriffes somnium): Der Vater ist froh, dass der Traum nicht auch den Weg617 618 619 620 621 622 623

per somnia. Übersetzung: ebd. per visiones. per somnium. Übersetzung: a. a. O., 158. somnium. Smith, ebd., übersetzt hier aber unkorrekt mit „vision“. Übersetzung: ebd.

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gang seines dritten Sohnes befohlen habe, der bei ihm als Trost zurückbleibt. Da sich hier nichts Neues ergibt, soll diese Stelle nicht noch einmal ausführlich genannt werden. Nachdem die Mutter ihre wahre Geschichte erzählt hat – sie habe Rom wegen der zu ihr entbrannten Liebe ihres Schwagers verlassen (Kap. 15) – schildert sie das Erfinden des ausschlaggebenden Traumes: „Now in order to carry out this plan, I pretended that I had had a dream624, in which some deity625 stood by me in a vision626, and told me that I should immediately depart from the city with my twins, and should be absent until he should command me to return; and that, if I did not do so, I should perish with all my children. And so it was done. For as soon as I told the dream627 to my husband, he was terrified; and sending with me my twin sons, and also slaves and maid-servants, and giving me plenty of money, he ordered me to sail to Athens, where I might educate my sons, and that I should stay there until he who commanded me to depart should give me leave to return.“628 Sie habe Schiffbruch erlitten, wäre jedoch zu ihrem jetzigen Aufenthaltsort getrieben und von einer Welle an Land gespült worden. Alle anderen wären umgekommen. Die Hoffnung, ihre Söhne vielleicht doch wiederzufinden, hätte sie davon abgehalten, sich umzubringen, obwohl sie völlig verzweifelt, voller Trauer und auch in der Lage gewesen wäre, dies zu tun (Kap. 16). Der von der Mutter geschilderte Ablauf ist schon bekannt. Zwei Mal wird das Stichwort „Traum“ benutzt, ein Mal „Vision“. Die beiden Begriffe werden hier wieder synonym gebraucht, genauer: Der Traum ist das äußere Setting, das Gesicht der konkrete Inhalt desselben. Interessant ist dennoch das Detail, dass es eine Gottheit (numen) ist, die in dem vermeintlichen Traum den Befehl zum Exil gibt. Dadurch wird die Bedeutung des Traumes bzw. der Vision unterstrichen: Erscheint eine Gottheit (auch wenn diese nicht näher bestimmt wird), ist der Traum anerkannte, mantische Quelle, der man zu gehorchen hat.629 Die Nennung einer Gottheit geht über die Schilderungen desselben Traums in den Homilien hinaus; dort wurde der im Traum Sprechende ja nicht konkret genannt, geschweige denn seine göttliche Herkunft (wenn diese aber auch vorausgesetzt wurde). Nach Philo wäre es ein Traum der ersten Kategorie. In Kap. 20 klärt Petrus, sichtlich von Mitgefühl bewegt, die Mutter des Klemens über sein Zusammentreffen mit Klemens auf, und darüber, was dieser ihm von seinem Schicksal erzählt habe. Er sagt der Mutter, dass sich unter seinen Anhängern ein junger Mann, ein römischer Bürger befinde. Dieser habe ihm erzählt, dass er, neben seinem Vater, auch Zwillingsbrüder gehabt hätte: 624 625 626 627 628 629

somnium. quodam numine. visum. somnium. Übersetzung: a. a. O., 160. Dies gilt auch für unseren fingierten Traum, da er sich an der beschriebenen mantischen Auffassung und Praxis orientiert und sie als Folie nutzt, oder besser: ausnutzt.

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„‚My mother‘, he [Klemens] said, ,as I learned from my father, saw a vision630, that she should depart from the Roman city for a time with her twin sons, else they should perish by a dreadful death; and when she had departed, she was nevermore seen.‘“631 Schließlich habe sich der Vater selbst auf die Suche gemacht und sei ebenfalls verschollen (20,1 ff). Die Mutter gibt sich als die des Klemens zu erkennen (21,3) und bittet Petrus, ihr ihren Sohn zu zeigen (21,4 f). In der Erzählung des Klemens, die Petrus hier wiedergibt, übersetzt Smith also abermals somnium mit „vision“. Die nun folgenden Kap. 26–30 gehören inhaltlich zusammen (deshalb werden sie an dieser Stelle auch etwas breiter aufgeführt), bringen jedoch kaum Neues, sondern beschreiben die Familienzusammenführung, wie sie schon aus den Homilien bekannt ist. Zuerst fasst Petrus den Ablauf der Geschichte nochmals zusammen, wie Klemens sie ihm erzählt hat (26,1–4): „[…] how he had been deprived of his parents, and had twin brothers older than himself, and that, as his father told him, his mother once saw a vision632, by which she was ordered to depart from the city of Rome with her twin sons […]. And when she had told his father the dream633, he […] put his wife and sons on board a ship with all necessaries, and sent them to Athens […]. Afterwards he sent […] persons to inquire after them […]. At last the father himself went on the search, and until now he is nowhere to be found.“634

Nun folgt die Schilderung der Begegnung des Petrus mit der Mutter des Klemens, die die wahren Gründe ihres Weggehens offenbart (26,5–27,3): Petrus habe diese bettelnd auf der Insel Aradus getroffen und sie nach dem Grund dafür gefragt. Sie berichtete daraufhin von ihrer vornehmen Herkunft und der ihres Mannes. Leider habe dessen Bruder ihr sexuelle Avancen gemacht, was sie verabscheute, dennoch habe sie sich nicht getraut, ihrem Mann davon zu erzählen. Um einen Bruderzwist zu verhindern und der Familie keine Schande zu machen, habe sie mit ihren Zwillingen das Land verlassen; ihr Jüngster, Klemens, sollte hingegen bei seinem Vater zu dessen Trost bleiben. Die Mutter schildert nun den erfundenen Traum, den erlebten Schiffbruch auf der Reise nach Athen sowie den Verlust von Faustus und Faustinus: „And that this might be done with an honourable appearance, I thought good to feign a dream635, and to tell my husband that there stood by me in a vision636 a certain deity, who told me to set out from the city immediately with my two twins, and remain until he should instruct me to return.“637 Ihr Mann habe ihr den er630 631 632 633 634 635 636 637

somnium. Übersetzung: Smith, Recognitions, 161. somnium. somnium. Übersetzung: a. a. O., 162. somnium. visum. Übersetzung: ebd.

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fundenen Traum geglaubt und alle drei nach Athen geschickt. Nun wird der Schiffbruch erneut erzählt und in noch dramatischerer Weise berichtet, wie verzweifelt die Mutter, an Land gespült, gewesen sei. Sie habe sich das Leben nur deshalb nicht gleich genommen, weil sie vorher ihre toten Söhne umarmen und sie begraben sehen wollte. Die Menge hätte sich schließlich ihrer angenommen, welche wiederum von der Mutter angefleht worden sei, ihre toten Kinder zu suchen und zu finden. „And I, tearing all my body with my teeth, with wailing and howlings cried out constantly, unhappy woman that I am, ‚where is my Faustus? Where my Faustinus?‘“ (27,4–8).638 Nun geben sich die beiden Brüder zu erkennen und sind außer sich vor Freude : „,O Lord, Thou Ruler and God of all, are these things true, or are we in a dream639?‘ Then Peter said: ,Unless we be mad, these things are true.‘ But they […] said: ,We are Faustinus and Faustus‘“.640 Beide hätten schon innerlich erregt die Erzählung des Apostels verfolgt und seien hin- und hergerissen gewesen, ob sie gemeint sein könnten. Sie wollen sich nun unter Freudentränen der (schlafenden) Mutter zu erkennen geben. Doch Petrus hält sie zurück, mit dem Hinweis darauf, dass das plötzliche Wiedersehen, ganz besonders wenn sie unvermittelt aus dem Schlaf gerissen werde und noch unter dessen Einfluss stehe, bei der Mutter einen (freudigen) Schock auslösen könnte (Kap. 28). Stattdessen hält Petrus der Mutter nach ihrem Aufwachen eine Art „Crashkurs“ über christliche Glaubensinhalte und Verhaltensregeln, der darauf hinausläuft, dass man mit Heiden nur dann Tischgemeinschaft halten dürfe, wenn diese konvertiert seien und getauft und geweiht wurden. Selbst direkte Familienangehörige seien ohne diese „Maßnahmen“ ausgeschlossen. Schließlich kommt der Apostel auf den Punkt: Die Mutter könne mit ihrem Sohn Klemens nicht zusammen essen, bis sie nicht, wie dieser, konvertiert sei (Kap. 29). Nun folgt die Reaktion der Mutter, die umgehend eine Taufe ihrer Person thematisiert (30,1–5): Sie fragt, was dem im Wege stehe – die anderen Götter hätten sie ja schließlich im Stich gelassen, trotz regelmäßiger Opfer und keuschem Leben ihrerseits. Mit diesen hätte sie schon vor dem Zusammentreffen mit Petrus abgeschlossen. Und nun sagt sie, an Petrus direkt gerichtet: „But I think you know well enough how great was my love of chastity, when I pretended that dream641 that I might escape the snares of unhallowed love, and that I might go abroad with my two twins, and when I left this my son Clement alone to be a comfort to his father.“ Wenn für die Mutter zwei Kinder kaum genug gewesen seien, wie erst hätte sich der Vater gefühlt, wenn er überhaupt kein Kind mehr bei sich gehabt hätte? „For he was wretched through his great

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Übersetzung: ebd. somnium. Übersetzung: a. a. O., 163. somnium.

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affection towards our sons, so that even the authority of the dream642 could scarce prevail upon him to give up to me Faustinus and Faustus, the brothers of this Clement, and that himself should be content with Clement alone.“643 Die Zwillinge werden also „enttarnt“. Die genannten Traumstellen spielen immer auf die von der Mutter erfundenen Umstände an, wobei die Formulierung somnii auctoritas in VII 30,5 unterstreicht, welche Bedeutung ein (solcher) Traum für einen mantisch aufgeschlossenen, antiken Menschen hatte. Eine Ausnahme bietet, analog zu PsClem H XIII 3,2, die Frage in PsClem R VII 28,2: verane haec sunt an somnium est quod agitur? Der Wahrheit wird erneut der Traum gegenübergestellt. Beide Aspekte wurden schon bei den Homilien verhandelt. Allerdings könnte somnium hier auch im Sinne des Hoffnung und Trost bergenden Wunschtraums interpretiert werden. Der Traum wäre der Wahrheit, der Realität dann nicht direkt gegenübergestellt, sondern entspräche, in gewisser Weise, einer Stufe hin zur Erfüllung der Hoffnung, der Wunschvorstellung644. Die folgende Stelle findet sich in PsClem R IX. Diesmal ist es der Vater des Klemens, der die Geschichte aus seiner Sicht erzählt. Seine Frau habe einen Traum645 vorgegeben und zu ihm gesagt: „Someone stood by me in a vision646, who ordered me to leave the city without delay with my two twins“ (33,3 f).647 Hier wird abermals deutlich, was Smith bewog, somnium sowohl mit „dream“ als auch mit „vision“ zu übersetzen: Der Traum ist der äußere Umstand, visum (bzw. „vision“) bezeichnet dann den Inhalt. Eine weitere Erwähnung des vorgegebenen Traums (somnium finxerit) findet sich auch in IX 36,2, kann hier aber übergangen werden, weil sich nichts Neues ergibt. Die letzte Stelle steht in X 12. Kapitel 1–51 überschreibt Klauck mit „Gespräche über die Mythologie“ (s. die Gliederung o., 101).648 „Petrus schlägt am nächsten Morgen vor, dem Vater ein Jahr Zeit zu geben für seine eigene Entscheidung bezüglich des christlichen Glaubens. Auf die besorgte Frage nach seinem jenseitigen Geschick bei vorzeitigem Tod gibt er [Petrus, P.E.] zur Antwort, das stünde im freien Ermessen Gottes, der den Vater auch ungetauft retten könne (10,1 f). Im Familienkreis werden diverse Themen weiter diskutiert: die Herkunft des Übels, Astrologie und freier Wille“.649

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somnii auctoritas. Übersetzung: ebd. Vgl. den Traum als Verkörperung eines Wunsches in der freudschen Traumlehre, s. u. somnium. visum. Übersetzung: a. a. O., 190. Klauck, Apostelakten, 232. Ebd.

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Es entspinnt sich dabei ein Gespräch zwischen Klemens und seinem Vater. Es geht um die Frage nach Gut und Böse (Kap. 5–9), dann um die der Astrologie650 (Kap. 9). Klemens nimmt eine deutlich ablehnende Haltung ein und versucht, die Astrologen der Beliebigkeit, aber auch der Lüge bzw. des Betrugs zu überführen. Sie würden für jede Situation eine bestimmte Konstellation finden, um die Dinge zu erklären. Käme man und sage, einem sei etwas Schlechtes widerfahren, würden sie das astrologisch begründen; gehe man dann zu einem anderen Astrologen und behaupte stattdessen das Gegenteil, nämlich einem sei zur selben Zeit etwas Gutes widerfahren, würde er ebenso eine Begründung finden bzw. erfinden. Das ganze System sei vage, die Astrologen fänden praktisch immer sowohl gute als auch schlechte Sterne, die Ergebnisse seien entsprechend beliebig (Kap. 11). Und schließlich: „For, as usually happens when men see unfavourable dreams651, and can make nothing certain out of them, when any event occurs, then they adapt what they saw in the dream to what has occurred“.652 So würde auch die Astrologie funktionieren. Man würde sich nie im Vorfeld festlegen; erst nachdem ein Ereignis eingetreten sei, würden die Ursachen gesammelt und angeführt. Träten die Dinge nicht oder anders ein, redeten sich die Astrologen mit abweichenden Sternenkonstellationen heraus.653 Dabei würden sie nicht sehen, dass das Problem nicht in ihrer Inkompetenz liege, sondern in der Widersprüchlichkeit der Astrologie als Ganzer. „For they do not know what those things are which we indeed desire to do, but in regard to which we do not indulge our desires. But we who have learned the reason of this mystery know the cause, since, having freedom of will, we sometimes oppose our desires, and sometimes yield to them.“654 Deshalb sei ungewiss, wie Mensch handelten; dies sei der Freiheit des Willens unterworfen. „For a mathematician can indeed indicate the desire which a malignant power produces; but whether the acting or the issue of this desire shall be fulfilled or not, no one can know before the accomplishment of the thing, because it depends upon freedom of will. And this is why ignorant astrologers have invented to themselves the talk about climacterics as their refuge in uncertainties“ (12,1–7).655 Träume werden hier zwar nicht per se negativ dargestellt, wohl aber ihre nachträgliche Beurteilung (d. h. Zurechtrückung) im Zusammenhang mit der 650 S. den schon oben erwähnten Aufsatz von Schoeps zum Thema. Ferner Riedinger, Art. Astrologie, IV., 308–311. Astrologie wurde in der Alten Kirche mehrheitlich abgelehnt, Schwierigkeiten bereitete dabei natürlich Mt 2,1–12, Riedinger, Art. Astrologie, IV., 308 ff. Zur positiven Aufnahme von Astrologie in Bezug auf das AT s. a. a. O., 309. S. auch Gal 4,8–11. 651 somnium. 652 Übersetzung: Smith, Recognitions, 195. 653 Der Abschnitt wird auch überliefert von Origenes, philoc. 23,21 f/comm. in Gen. 3; dort wird als Traumvokabel ὄνειρος benutzt, vgl. Rehm, Rekognitionen, CI–CII. Allerdings weicht der Text bei Origenes ab und bringt auch nicht die zweite Traumnennung. 654 Übersetzung: Smith, Recognitions, 196. 655 Übersetzung: ebd.

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Traumstellen in den christlichen Apokryphen

Astrologie und später eintretenden Ereignissen, von denen her bereits vergangene, ungünstige Träume (um)gedeutet würden. Dennoch sind Träume Teil des Systems, gegen das sich Klemens hier ausspricht. Mantik kann seiner Meinung nach keine Ergebnisse liefern, niemand könne etwas wissen, bevor die Dinge geschähen. Die Freiheit des Willens (12,4 f) ist dabei die entscheidende Größe. 2.1.10.4.2 Zusammenfassung Die Rekognitionen beinhalten eine hohe Anzahl von Traumstellen, wenn auch nicht so viele wie die Homilien. Gleich bleibt der narrative Rahmen. Grundlage ist die Zerstreuung und Zusammenführung der Familie des Klemens. Zudem kommt es immer wieder zu Streitgesprächen zwischen Petrus und Simon Magus. Diese werden z. T. anders angeordnet als in den Homilien, auch stehen Träume und Visionen dabei nicht in dem Maße im Blickfeld wie es bei Ersteren der Fall ist. Gegenstand des Streites ist (aber auch hier) die Frage nach der wahren Gotteserkenntnis, wobei beide Parteien immer wieder Schriftzitate anführen, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. Besonders beachtenswert ist dabei die Aufnahme von Dtn 13,1 ff in PsClem R II 45,7 f. In PsClem R II 49,3 spricht Simon von einem unvergleichlichen und obersten Licht, über das selbst der Schöpfergott, Mose oder Jesus nicht recht Bescheid wüssten, was an das „Sonnengleichnis“ Platos erinnert. Petrus hingegen proklamiert Gott als den Schöpfer der Welt und gerechten Richtergott. Hervorzuheben ist auch die Debatte um den von Petrus in II 51,5 postulierten sechsten Sinn, der besondere Gotteserkenntnis ermögliche. Neben dem fingierten Traum der Mutter des Klemens, der, wie in den Homilien, immer wieder und von verschiedenen Personen erwähnt und behandelt wird, sticht in den Rekognitionen vor allem der Tagtraum des Petrus in PsClem R II hervor, in welchem der Apostel im Geiste nach Cäsarea und Jerusalem reist. Zuerst fasziniert, bewertet Petrus sein Erlebnis (unter dem Einfluss seines Bruders Andreas, welcher das Erlebnis als Trugbild disqualifiziert) schließlich negativ. Das, was Petrus gesehen habe, ist nach Andreas nichts weiter als ein Traum, der auf einer somatischen Traumquelle beruht. Auch sonst werden in den Rekognitionen Träume fast durchgehend negativ konnotiert. Die wichtigsten Traumvokabeln sind somnium und visum, die zum Teil synonym, zum Teil im Sinne von Rahmen bzw. Setting (Traum) und konkretem Inhalt (Vision) gebraucht werden. Damit endet das erste Kapitel der Arbeit, das sich mit den frühchristlichen Apostelerzählungen befasste. Im Folgenden sollen v. a. die Traumtexte der apokryphen Kindheitserzählungen betrachtet werden.

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Kindheitserzählungen

2.2 Kindheitserzählungen656 2.2.1 Protevangelium des Jakobus657 2.2.1.1 Kurze Einführung in die Schrift Die ursprünglich wohl auf Griechisch abgefasste Schrift hat im Verlauf der Kirchengeschichte (besonders der katholischen) eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Bekanntheit in den westlichen Kirchen erlangte das Evangelium ab dem mittleren 16. Jh. Der ursprüngliche Titel lautete vermutlich „Genesis Marias“; den heute gebräuchlichen Titel (als „Protevangelium des Jakobus“) findet man so in keiner Handschrift. Auch antike Autoren (Justin, Clemens von Alexandrien, Origenes, Gregor von Nyssa, Petrus von Alexandrien sowie Epiphanius) bezeugen die Erzählung.658 Das Protev ist in drei Teiltexte zu untergliedern: das Apokryphon Jacobi bzw. „Geburt Marias“, Kap. 1–17; das Apokryphon Iosephi, Kap. 18–21 sowie das Apokryphon Zachariae, Kap. 23 f. „Die ersten beiden Teile sind aller Wahrscheinlichkeit nach in das zweite Jahrhundert zu datieren […], der dritte Teil eher an das Ende des dritten Jahrhunderts. Die Verbindung aller Teile kann nicht später als Ende des dritten oder Anfang des vierten Jahrhunderts geschehen sein […]. Der Verfasser ist […] unbekannt und deckt sich mit der pseudonymen Figur des ,Jakobus‘ – gemeint ist der Herrenbruder –, der im Kolophon in der ersten Person genannt ist“659, genauer: in 25,1. Dort wird auch gesagt, dass er die Geschichte in Jerusalem aufgeschrieben habe. Die Hinweise auf den Verfasser bzw. Redaktor sind spärlich und müssen in der Schrift selbst gesucht werden. So lässt sich feststellen, dass er über Palästina mitsamt seinem Brauchtum ungenügend unterrichtet ist, also wohl nicht im dortigen Judenchristentum zu suchen ist. Wiederum beweist er, dass er profunde über das AT Bescheid weiß, ebenso über die synoptischen Kindheitserzählungen. Evtl. kommt so ein Judenchrist als Verfasser in Betracht, der am wahrscheinlichsten aus Ägypten oder Syrien stammte.660 Das Thema der Schrift ist vornehmlich die Verehrung der Figur der Maria in ihrer Eigenschaft als Jungfrau und Jesu Mutter. Weitere theologische 656 Zur Einführung s. Schneider (Hg.), Kindheitsevangelien, 7–21; Hock, Art. Kindheitsevangelien, 993; Kaiser, Jesus als Kind, 253–269. Zu den Träumen in den mt Kindheitserzählungen s. Subash, Dreams of Matthew; Frenschkowski, Traum, 5–47. 657 An neuerer Literatur seien genannt: Horner, Protoevangelium, 313–335; Cross, Protevangelium, 381–391; Frey, Protevangile, 73–80; Horn, Protoevangelium, 113–150. Die im Folgenden zitierte Ausgabe bildet Schneider (Hg.), Kindheitsevangelien, 95–146. 658 Pellegrini, Protevangelium, 906. Antike Belege ebd., Anm. 4 ff. 659 A. a. O., 907 f. 660 A. a. O., 908 f. Pellegrini begründet dies jedoch nicht. Anders Schneider (Hg.), Kindheitsevangelien, 27.

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Traumstellen in den christlichen Apokryphen

Schwerpunkte verdichten sich in den Begriffen Gerechtigkeit, Glaube und Reinheit. Die Christologie spielt als theologisches Thema zwar eine Rolle, jedoch – anders als in den kanonischen Kindheitsgeschichten – nicht vordergründig.661 2.2.1.2 Traumstellen in der Schrift Zwei Abschnitte aus dem ersten und dem letzten Teil des Evangeliums sollen hier behandelt werden. Der erste Abschnitt umfasst die Kapitel 13 f und setzt unmittelbar dort ein, wo der alte Joseph (9,2) erfährt, dass die ihm per Los662 (9,1) anvertraute 16-jährige Jungfrau Maria schwanger ist (13,1). Im Hintergrund steht dabei die matthäische Geburtsgeschichte. Joseph ist verzweifelt, kasteit sich und weint. Er fragt sich, wie er Gott noch unter die Augen treten könne. Immerhin hat er den jungfräulichen Zustand, in dem ihm Maria anvertraut wurde, nicht geschützt. Joseph vermutet eine Freveltat eines anderen Mannes (13,1). Er macht Maria Vorwürfe (13,2) und will wissen, woher Maria schwanger sei. Diese betont ihre Reinheit und Unschuld (13,3). Joseph grübelt, was er tun solle, und kommt zu dem Entschluss, Maria stillschweigend zu entlassen. Dann überfällt ihn der Schlaf (14,2): „Und siehe, ein Engel des Herrn erscheint ihm im Traum663 und sagt: ,Fürchte dich nicht wegen des Mädchens! Denn das Kind, das in ihr ist, kommt vom heiligen Geist. Sie wird dir einen Sohn gebären, dem du den Namen ›Jesus‹ geben sollst. Denn er wird sein Volk von ihren Sünden retten.‘“664

Joseph erhebt sich „vom Schlafe“, dankt Gott für „diese Gnade“ und behält Maria bei sich (14,2).665 Hier wird der Traum aus Mt 1,20 aufgegriffen und ausgeführt. Es wird gesagt, dass Joseph schlief, dass er träumte und dass er vom Schlaf aufstand. Der Traum ist also Mittel der Gottesoffenbarung und der direkten Handlungsanweisung, der Joseph dann auch ohne Widerstand folgt. Diese Kategorie ist uns schon aus den Apostelakten bekannt und entspricht der ersten Traumkategorie Philos. Der Traum erfüllt eine komplementäre Funktion: Die Gedanken, die sich Joseph macht, werden richtiggestellt. Ihm wird mitgeteilt, was wirklich passiert ist und seine empörte Reaktion wird dadurch neutralisiert, dass er erfährt, dass Gott hier am Wirken ist; seine Sorgen, er könnte als der dargestellt werden, der nicht genügend Obacht und Obhut der ihm Anvertrauten gegenüber habe walten lassen, sind nicht von Nöten. Bezüglich der nächsten Textstelle (Kap. 21) ist ein negativer Befund zu 661 662 663 664 665

Pellegrini, Protevangelium, 911 f. S. allgemein Hoffmann, Art. Los, 471–510. ὄναρ. Übersetzung: Pellegrini, Protevangelium, 922. Übersetzung: ebd.

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konstatieren. Hier wird die Reise der Magier zum Jesuskind beschrieben; allerdings wird, bevor es in Kap. 22 zum Kindermord durch Herodes kommt, im Gegensatz zu Mt 2,12 nur summarisch und ohne die Erwähnung des Traums davon berichtet, dass den Magiern ein anderer Heimweg befohlen wird: „21.(4) Und da ihnen [den Magiern, P.E.] von dem Engel Weisung erteilt worden war, nicht nach Judaea zu gehen, kehrten sie über einen anderen Weg in ihre Heimat zurück.“666 Hier reicht es also aus, dass die Botschaft engelhaft-göttlicher Art ist, um ihr direkt Folge zu leisten. Die Flucht nach Ägypten wird im Protevangelium unterdrückt und ist nur als Interpolation zu 22,2 in einzelnen Handschriften enthalten.667 Der Autor bzw. Redaktor geht also mit den mt Traumtraditionen ambivalent um. Der Traum des Joseph aus Mt 1,20 wird übernommen (und damit die Traumkategorie der göttlichen Handlungsanweisung im Traum), Mt 2,12 wird nur summarisch erzählt, die Träume rund um die Ägyptenreise werden mit ebendieser weggelassen. Gerade Protev 21,4 unterstreicht, dass der Verfasser auf das Motiv des Traums als Offenbarungsort, aber auch als literarisches Gestaltungsmittel keinen übermäßigen Wert legt.

2.2.2 Pseudo-Matthäusevangelium668 2.2.2.1 Kurze Einführung in die Schrift Die hier zu behandelnde Schrift bekam ihren Namen erst durch von Tischendorf und seine Ausgabe derselben. Bei ihm „ist dem Text ein fiktiver Briefwechsel zwischen den Bischöfen Chromatius und Heliodor und dem Kirchenvater Hieronymus vorgeschaltet“;669 an Hieronymus wird die Bitte um eine lateinische Übersetzung eines hebräischen Textes herangetragen: Dieser stamme von Matthäus, dem Evangelisten, höchstpersönlich, sei bis dahin versteckt und verheimlicht worden, und behandele die Geburt der Mutter Jesu sowie die Schilderung von Jesu Geburt und Kinderzeit.670 Aufgrund der Geheimhaltung „seien einzelne Punkte nur mündlich verbreitet und hätten so von Häretikern missbraucht werden können. Hieronymus solle nun durch seine Übersetzung das Original

666 Übersetzung: a. a. O., 927. 667 Ob der wirkliche Grund der von Usener, Geburt und Kindheit, 7, angeführte ist, nämlich, dass der Verfasser des Protev Lk bevorzugte, muss hier nicht weiter erörtert werden. 668 S. Berthold, Datierung, 247 ff; Kaestli, Jaques, 41–102; Gijsel, Pseudo-Matthaei, 17–32. 669 Ehlen, Pseudo-Matthäusevangelium, 983. 670 Ebd.

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wieder zugänglich machen und damit den Häretikern den Boden für ihre Irrlehren entziehen.“671

Die hier genannte briefliche Korrespondenz wurde schon früh unserer Schrift vorangestellt, fand jedoch ebenso in anderen frühchristlichen Texten Verwendung (etwa im „Liber de nativitate sanctae Mariae“).672 Die Entstehungsgeschichte der Schrift zu rekonstruieren ist schwierig; dabei muss v. a. Indizien in deren Inhalt selbst gefolgt werden. Bezüglich der Manuskripttradition ist bis an den Anfang des 9. Jh. zurückzugehen, wobei zu diesem Zeitpunkt schon zwei voneinander unabhängige Textzweige überliefert sind, welche von Gijsel, einem der wichtigsten Texteditoren, die Bezeichnungen A und P erhielten.673 Dabei gibt er als Entstehungszeit für den Hyparchetyp von P ca. 800 n. Chr. an, den von A datiert er in die Anfänge der Karolingerzeit, was als terminus ante quem gilt.674 Was den terminus post quem betrifft, gehen Spuren aufgrund verschiedener Inhalte des Textes (die Schilderung des Lebens der Mutter Jesu am Tempel, die den Einfluss von monastischen Regeln widerspiegelt; Joachim, der gleich einem Adelsmann der Zeit der Merowinger beschrieben wird etc.) bis zum Anfang des 7. Jh. und dem In-ErscheinungTreten des westlichen Mönchtums bzw. zu den Herrschern der Merowingerzeit zurück.675 Ehlen beschreibt das PsMt als „eine Neuschöpfung des Protevangeliums in lateinischer Sprache“, da es „auf eine lateinische Übersetzung“ des Protev „zurückgeh[e].“676 Schließt das Protev aber mit dem Tod des Vaters des Täufers, werden am Schluss des PsMt Szenen dargestellt, welche sich während der Flucht von Maria und Joseph nach Ägypten zutragen. Im Mittelpunkt steht, wie im Protevangelium, die Mutter Jesu, die nun jedoch keine individuellen Züge mehr trägt und als Herrin der Handlung dargestellt wird.677

2.2.2.2 Traumstellen in der Schrift Nach dem Prolog werden die Eltern Marias, Joachim und Anna, als Personen eingeführt und ihre Kinderlosigkeit dargestellt. Der Hirte Joachim wird daraufhin vom Opferkult am Tempel ausgeschlossen. Er zieht sich deswegen von 671 A. a. O., 984. 672 Ebd. 673 Neben den Ausgaben von Thilo (Hg.), Codex apocryphus, 337–400, und von Tischendorf (Hg.), Evangelia, 51–112, ist Gijsel (Hg.), Pseudo-Matthaei, die wichtigste Ausgabe des Textes, Ehlen, Pseudo-Matthäusevangelium, 984. Alle drei Ausgaben werden im Folgenden herangezogen. 674 A. a. O., 984 f, mit Verweis auf Gijsel, Pseudo-Matthaei, 60–67. 675 Ehlen, Pseudo-Matthäusevangelium, 985, mit Verweis auf Amann, Protévangile, 103, und Gijsel, Pseudo-Matthaei, 66 f. 676 Ehlen, Pseudo-Matthäusevangelium, 985. 677 A. a. O., 985 f.

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seiner Frau in die Berge zurück (1,1–2,1). Dort erscheint ihm ein Engel, der im ankündigt, dass seine Frau schwanger werden wird, und ihn auffordert, zu ihr zurückzukehren. Joachim opfert Gott, der Engel fährt mit dem Rauch des Opfers in den Himmel zurück (3,1 ff). Joachim fällt auf die Erde nieder und verharrt in dieser Stellung vom Mittag bis zum Abend. Seine Knechte finden ihn so, fürchten sich und wollen einen vermeintlichen Suizid verhindern. Sie helfen ihm auf, erfahren, was der Engel ihm gesagt hat und fordern ihn auf, diesem zu gehorchen und zu Elisabeth zu gehen. Joachim prüft die Möglichkeit seiner Rückkehr im Geiste, fällt jedoch in einen festen Schlaf 678 (3,4): „(3,4) […] Und siehe, der Engel, der ihm im Wachen erschienen war, erschien ihm nun im Traum679 und sprach: ,[…] Steige sorglos von den Bergen herab und kehre zu Anna zurück, weil die Werke des Mitleids, die du und deine Frau verrichtet haben, vor dem Höchsten verkündet worden sind.“680

Der Engel kündigt Joachim eine Nachkommenschaft von noch nie dagewesenem und nie mehr kommendem Ausmaß an. „Und es geschah, als Joachim aufgewacht war, daß er alle seine Knechte zu sich rief und ihnen den Traum681 verkündete.“682 Die Knechte erweisen Gott die Ehre und appellieren erneut an Joachim, dem Befehl des Engels zu gehorchen (3,4). Es kommt zu einem glücklichen Wiedersehen der Eheleute, Anna war ihrerseits im Gebet ein Engel erschienen, der sie aufforderte, ihrem Mann entgegenzueilen (3,5). Anna gebiert Maria (4,1). Joseph wird derart vom Mysterium Tremendum683 erfasst, dass er sechs Stunden in einer Art katatoner Starre verbringt. Die Knechte können ihn nur mit Mühe aufrichten, er wankt und fällt schließlich in einen tiefen Schlaf. Dies mutet seltsam an, war ihm doch von dem Engel schon ausdrücklich erlaubt und nahegelegt worden, zu seiner Frau zurückzukehren. Im Traum erscheint ihm der Engel erneut, um ihn wiederum freundlich zur Rückkehr aufzufordern und ihm – unübersehbar beeinflusst von der Verheißung an Abraham in Gen 15,5, diese aber gleichzeitig überbietend – große Nachkommenschaft anzukündigen. Die Knechte, denen Joachim den Traum erzählt, deuten sein Verhalten allerdings als Missachtung der göttlichen Botschaft. Der Traum (Kategorie 1 nach Philo) hat an dieser Stelle unverkennbar steigernde Funktion. Joachim bekommt in der (ersten) Erscheinung schon alles Wesentliche gesagt, muss aber erst den Traum erleben und ihn erzählen, um schließlich nach der Reaktion der Zuhörer zu handeln. Da der Traum es ist, nicht die Angelophanie, dem Joachim folgt, erfährt dieser hier eine positive Wertung. Ferner hat der Traum eine komplementäre Funktion: Ist es in 678 679 680 681 682 683

sopor. somnium (Thilo); somnus (Gijsel). Übersetzung: Ehlen, Pseudo-Matthäusevangelium, 990. somnium. Übersetzung: ebd. Vgl. Otto, Das Heilige, 13–37.

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Kap. 3,2 Anna, die, anhand ihrer Geburt glückseliger als alle heiligen Frauen gepriesen wird, liegt im Traum der Schwerpunkt auf der Verheißung an Joachim.684 Die nächste Stelle findet sich in Kap. 11. Hier wird wieder der Traum aus Mt 1,20 aufgenommen und gestaltet. Vorher geht es um Maria, die ihre Kindheit im Tempel verbrachte und wie eine Heilige dargestellt wird (Kap. 4–7). Mit 14 Jahren muss sie den Tempel verlassen (8,1) und wird per Los an den schon greisen Joseph vermittelt (8,3). Maria bekommt die Botschaft, dass sie einen König zur Welt bringen werde (9), und wird von Joseph schwanger vorgefunden, der sich dadurch in große Pein versetzt sieht. Die Jungfrauen, die Maria umgeben, beteuern ihre Unbeflecktheit. Sie schildern ihm, dass sie jeden Tag mit einem Engel spreche und aus seiner Hand Speise empfange und dass, wenn überhaupt, er Maria geschwängert habe (10,1). Joseph sieht sich von den Jungfrauen in die Irre geleitet; höchstens habe ein Mann Maria nur vorgegaukelt, er sei ein Engel, um sie zu überlisten.685 Jedenfalls ist er verzweifelt, weint und beschließt, Maria wegzuschicken, sich selbst aber der Lage zu entziehen (10,2). Und weiter: „(11,1) Und als er es so geregelt hatte, daß er sich in der Nacht erhebe und sich auf die Flucht mache, siehe, da erschien ihm in eben dieser Nacht ein Engel des Herrn im Schlaf 686 und sprach: ,Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Gattin anzunehmen, da das, was in ihrem Unterleib ist, vom Heiligen Geist stammt. Sie wird aber einen Sohn gebären, der Jesus genannt werden wird; er selbst wird nämlich sein Volk von dessen Sünden erlösen.‘ Joseph erhob sich aber aus dem Schlaf 687, dankte seinem Gott und sprach zu Maria und den Jungfrauen, […] und erzählte das Traumgesicht688 […].“689

Joseph fühlt sich in seiner schwierigen Situation getröstet, erkennt, dass er sich in seinem Misstrauen an seiner Frau versündigt hat und bittet sie um Verzeihung (11,1). Wir haben es hier wieder mit einem echten Traum zu tun (Kategorie 1 nach Philo), wie das Wortfeld Nacht, Schlaf, Traumgesicht deutlich macht. Dieses 684 Auch wenn der Engel die Anrede in der zweiten Person Plural formuliert. 685 Das Erschleichen des Beischlafs dadurch, dass sich ein Mann als Gottheit ausgibt, ist ein bekanntes Motiv in der Antike. Frenschkowski, Offenbarung, Bd. 2, 20 ff, zählt die bekanntesten Fälle auf (mit Literatur). Wenige daraus seien kurz genannt, so Josephus, ant. XVIII 3,65– 80 (die Frau Paulina schläft mit dem vermeintlichen Gott Anubis im Isistempel). Vgl. Tacitus, ann. II 85,4. Auch bzgl. der Zeugung Alexanders des Großen wird von diesem Motiv berichtet: Die Mutter Alexanders, Olympias, habe ihn durch Beischlaf mit dem Gott Ammon gezeugt, Pseudo-Callisthenes, Historia Alexandri Magni 1–13, vgl. Plutarch, Alexander 3,1, Frenschkowski, Offenbarung, Bd. 2, 20 f. 686 somnus. 687 somnus (Gijsel und von Tischendorf). Thilos Version berichtet lediglich, dass sich Joseph erhob. 688 visio (Thilo); visum (Gijsel). 689 Übersetzung: Ehlen, Pseudo-Matthäusevangelium, 995.

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Mal erkennt Joseph die Botschaft sofort an: Er dankt, erzählt den Traum, findet Trost wegen Maria und gesteht seinen Verdacht ein. Wie geht der Verfasser des PsMt mit dem mt Stoff um? Er übernimmt aus dem MtEv den Traum Mt 1,20 f (bis auf kleinere Änderungen), lässt aber das Schriftzitat aus Jes 7,14 und die Hinleitung zum Schriftzitat (= Mt 1,22 f) aus.690 Stattdessen wird die Hinführung zu Josephs Entschluss (Mt 1,18 f) wesentlich ausgebaut und in seiner Spannung und Dramatik (die Jungfrauen, Josephs Verdacht, Joseph weint) deutlich verstärkt. Der Traum hingegen ist kurz und prägnant formuliert, umso mehr dadurch, dass das Jesajawort ausgelassen wurde. Auch bearbeitet der Verfasser des PsMt die Unebenheit in Mt 1,20. Dort wird ja berichtet, dass Joseph nachdenkt und ihm (dabei) der Engel im Traum erscheint (ταῦτα δὲ αὐτοῦ ἐνθυμηθέντος ἰδοὺ ἄγγελος κυρίου κατ᾽ ὄναρ ἐφάνη αὐτῷ…), was inhaltlich eine Spannung darstellt.691 Die Notiz, dass er geschlafen hat, bringt erst Mt 1,24. Der Verfasser des PsMt glättet dies durch die Ersetzung von „Traum“ durch „Schlaf“ (11,1) und dadurch, dass der Vorgang des Überlegens aus der mt Reihenfolge ausgegliedert und vorgeschaltet wird (10,2). Als nächstes fasst Joseph im PsMt (dies wird nicht explizit gesagt, ergibt sich aber aus der Reihenfolge) einen Entschluss und in 11,1 ist dieser abgeschlossen („und als er es so geregelt hatte…“). Das PsMt baut also die mt Reihenfolge bis hin zum Traum im Schlaf um und aus. Das Gewicht des Traumes wird dadurch im Gegensatz zu Mt, trotz der Kürzung um das Schriftzitat, stärker. Tiefenpsychologisch betrachtet hat auch hier der Traum die Funktion, die (bewusste) Einstellung des Joseph (durch das Unbewusste) richtig zu stellen bzw. zu ergänzen. Die Empfängnis seiner Angetrauten ist göttlich und er wird seiner Sorge entbunden. Es ist bemerkenswert, dass die Verheißung des Gottessohnes auf der Ebene des Unbewussten (also im Traum) geschieht. Aber es ist nur folgerichtig: Nur über das Unbewusste kann eine neue Bewusstheit ans Tageslicht gelangen. Wie Maria den Sohn Gottes gebiert, gebiert das Unbewusste (durch den Traum) eine neue Bewusstseinsstufe: Gott wendet sich dem Menschen durch die Christgeburt auf eine neue und nie dagewesene Weise zu. Der Traum wird hier

690 „Die Textgestaltung von V 20 f folgt sprachlich einem alttestamentlichen vorgeprägten Textschema der ,Geburtsanzeige‘. Die wichtigsten Vergleichstexte sind die Ankündigungen an Hagar in Gen 16,7–12, an Abraham in Gen 17,19, an Simsons Mutter in Ri 13,3–5 und an Ahas in Jes 7,14.“ (Luz, Evangelium, Bd. 1, 143). S. auch Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 205–210. 691 Luz, Evangelium, Bd. 1, 141, geht auf diese Problem nicht ein, übersetzt aber mit „[n]achdem er das aber überlegt hatte, siehe […]“; ebenso wenig Grundmann, Matthäus, 68, der in dem Traum des Joseph übrigens einen (dadurch besonders gewichtigen) Morgentraum sieht, ebd. Er übersetzt, a. a. O., 65: „Als er das aber erwog, siehe, da erschien ihm ein Engel des Herrn im Traume […]“. Immerhin kann man bei seiner Version herauslesen, dass das Abwägen des Handelns ein Prozess ist, der Joseph gleichsam durch die Nacht (und den Schlaf) begleitet. Auch Wiefel, Matthäus, 30, übersetzt die Situation gleichzeitig.

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gleichsam zur „Keimzelle“ eines neuen Abschnitts in der Bewusstseinsgeschichte der Menschheit.692 Die Geburtsgeschichte setzt sich dann auf wunderbare und nicht undramatische Weise fort. Joseph und Maria müssen ihre Unschuld im Tempel durch ein Zeichen beweisen (12,1 ff); Jesus wird in einer Grotte geboren (13,2), Ochs und Esel kommen zu ihrem Recht und beten Jesus an (14). Nun folgt die letzte Traumstelle des Buches. Die Magier werden auf ihrem Weg, dem Stern folgend, beschrieben; sie machen Station bei Herodes und finden schließlich das Kind (16,1 f). Nachdem sie ihre Gaben dargebracht haben und nun eigentlich dem König Bericht erstatten sollen, heißt es (16,2): „Und als sie zum König Herodes zurückkehren wollten, wurden sie im Traum693 gemahnt, was Herodes beabsichtigte. Jene aber beteten wiederum das Kind an und kehrten voller Freude auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurück.“694

Hier wird Mt 2,12 wiedergegeben – mit dem Unterschied, dass bei Mt Gott den direkten Befehl gibt, nicht zu Herodes zurückzukehren, im PsMt ergeht diese Anweisung nicht, sondern ist ein Schluss daraus, dass ihnen im Traum gesagt wird, was Herodes vorhat. Es ist festzuhalten, dass der Verfasser des PsMt hier gestaltend eingreift, um den etwas schlichten biblischen Text Mt 2 mit mehr Spannung zu versehen. Außerdem wird die Leistung der Magier hervorgehoben, die nicht einfach einem Gottesbefehl folgen, sondern einen eigenen Schluss aus dem die Zukunft ankündigenden Traum ziehen. Sie ziehen nach Hause, ohne Herodes aufzusuchen. Auch wenn keine göttliche Autorität als Traumsprecher genannt wird, ist der Traum in Philos erste Kategorie einzuordnen. Es folgt die Flucht nach Ägypten, die von mirakulösen Ereignissen und Berichten begleitet wird (18,1–22,1). Dabei ist ein Negativbefund zu konstatieren: Mt 2,13 wird ohne die Erwähnung eines Traumes wiedergegeben (17,2): „Aber einen Tag, bevor dies [der Kindermord des Herodes, P.E.] geschah, wurde Joseph von einem Engel des Herrn ermahnt: ,Nimm Maria und das Kind und mache dich auf durch die Wüste nach Ägypten.‘“695 Warum der Verfasser drei Mal (3,4; 11,1; 16,2) die Träume aus Mt 2 durchaus positiv aufnimmt und umgestaltet oder gar steigert, der Traum aus Mt 2,13 in PsMt 17,2 jedoch nicht berücksichtigt wird, ist schwer nachzuvollziehen und nur spekulativ zu beantworten. Eine Erklärungsmöglichkeit läge darin, dass der Verfasser des PsMt das Stilmittel des Traums im Matthäusevangelium als zu häufig angewandt empfunden und deshalb eine Auswahl getroffen hat.

692 Zu den menschlichen Bewusstseinsstufen hat besonders Gebser, Ursprung, Bd. 1, 83–172, gearbeitet. 693 somnus (von Tischendorf); somnium (Thilo). 694 Übersetzung: Ehlen, Pseudo-Matthäusevangelium, 999. 695 Übersetzung: ebd.

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Logisch erklärbar ist jedenfalls nicht, dass der Traum an die Magier berücksichtigt wurde, der die Flucht nach Ägypten einleitende Traum jedoch nicht.

2.2.3 Die Geschichte von Joseph dem Zimmermann696 2.2.3.1 Kurze Einführung in die Schrift Die Schrift HistIos ist sowohl koptisch als auch arabisch überliefert, wobei sich die koptische Überlieferung in bohairische und sahidische (die aber nur fragmentarisch erhalten sind) Zeugen unterteilt. Die Einteilung in 32 Kapitel geht auf die Ausgabe von de Lagarde zurück,697 Lefort ist verantwortlich für Siglen in den sahidischen Textzeugen,698 und Bagatti/Battista schließlich für die bohairischen und arabischen.699 Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Bezeichnungen der Textzeugen gegeben werden. Die sahidischen Zeugen lauten: A1, A2, B, C, D; die bohairischen Zeugen: E, F; die arabischen: G–S. Bisher existiert keine synoptische Ausgabe aller bekannten Textzeugen. Auch in welchem Verhältnis die verschiedenen Versionen untereinander bzw. zueinander stehen, bleibt noch ungeklärt. Kaiser sieht in der arabischen Tradition einen später zu datierenden Überlieferungszweig. Dieser bearbeitet, d. h. kürzt und gestaltet den Text besonders stark. Fragt man nach der ursprünglichen Version, steht ohne Zweifel die koptische Tradition im Vordergrund, wobei von einer Entstehung der bohairischen Version aus der sahidischen auszugehen ist. Dennoch ist zu vermuten, dass das Original der HistIos ursprünglich auf Griechisch verfasst wurde. In den unten aufgeführten Übersetzungen werden verschiedene auf koptisch überlieferte Versionen einander gegenübergestellt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Übersetzungen zwar oft den gleichen Wortlaut aufweisen, aber im Original verschiedene Dialekte, und damit auch z. T. unterschiedliche Worte, vorliegen.700 HistIos ist der Gattung nach eine antike Biographie. Sie beginnt mit einem Prolog und weist eine (allerdings sekundäre) Rahmung auf (Kap. 1 und 30 ff). „Die Lebensgeschichte des Joseph selbst zerfällt in zwei große Abschnitte, deren erster (HistIos 2–11) sowohl in der Form als auch inhaltlich den apo696 Zur Schrift und zur Figur des Joseph seien genannt: Klameth, Herkunft, 6–31; Aranda Perez, Art. Joseph, 1271–1274; Nagel, Art. Joseph, 749–761; Boud’hors, Joseph, 27–31. Zur Josephsfigur aus ikonographischer Sicht sei Kaster, Art. Joseph, 211, genannt. 697 De Lagarde (Hg.), Aegyptiaca, 1–37. 698 Lefort (Hg.), charpentier, 201–223. 699 Bagatti/Battista (Hg.), Edizione. Den unten aufgeführten Übersetzungen liegen die Ausgaben De Lagarde (Hg.), Aegyptiaca, (Textzeugen E, D) und Lefort (Hg.), charpentier, (Textzeugen A1/2, B, C) zugrunde. 700 Kaiser, Geschichte, 309–312.

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kryphen Kindheitsevangelien ähnelt.“701 Es ist davon auszugehen, dass dem Verfasser sowohl das Protev als auch das EvInfThom bekannt waren.702 „Denkbar ist, daß der zweite Abschnitt (HistIos 12–29), der sich den Ereignissen des ersten Abschnittes gegenüber unverhältnismäßig lange mit dem Tod Josephs beschäftigt und wesentlich stärker von theologischen Reflexionen, Anrufungen und Gebeten durchsetzt ist, ursprünglicher ist und erst nachträglich um den ersten Abschnitt zu einer regelrechten Lebensgeschichte Josephs erweitert wurde.“703

Als Entstehungsort der HistIos ist der ägyptische Raum anzunehmen. Ein Indiz dafür sind Anspielungen auf die alttestamentlich-ägyptische Josephsfigur. Weiterhin steht HistIos anderen Schriften (etwa den Testamenten Abrahams, Isaaks und Jakobs), die man ebenfalls im ägyptischen Raum lokalisiert, nahe. Ferner ist eine Nähe zum altägyptischen Totenkult spürbar, die in der Beschreibung von Josephs Ende zum Ausdruck kommt.704 Zur Datierung gibt es mehrere Vorschläge, so eine Frühdatierung von Morenz, der den Grundstock der Schrift, also die Sterbegeschichte des Joseph, gegen 365–400 verortet.705 Lefort votiert für eine Entstehungszeit gegen 600 n. Chr.706 Neben der Figur des Joseph, die unübersehbar im Zentrum steht, finden sich auch Anspielungen auf den Tod Jesu und dessen soteriologische Funktion, ohne dass daraus eine umfassendere Theologie entwickelt würde.707 Interessant und erwähnenswert ist, dass die Erzählung aus Sicht Jesu, als Sohn Josephs, und in der ersten Person Plural geschildert wird. 2.2.3.2 Traumstellen in der Schrift Nach dem Prolog und der Eröffnung der Rahmenhandlung (Kap. 1) folgt in Kap. 2 die Beschreibung von Josephs erster Ehe, in Kap. 3 die Kindheit Marias und in Kap. 4 die Übergabe der Maria an Joseph, der per Los zum Mann ausgewählt wurde. In Kap. 5 beginnt Jesus zu berichten, dass seine 14-jährige Mutter mit ihm schwanger ist. Joseph kommt von der Zimmermannsarbeit nichtsahnend nach Hause und findet Maria im vierten Monat schwanger vor. Er ist bestürzt und voll Furcht und überlegt, die Schwangere stillschweigend fortzuschicken. Aufgrund der großen Bestürzung nimmt er nichts zu sich.708 Nun wird in Kap. 6 ein Traum geschildert:

701 702 703 704 705 706 707 708

A. a. O., 312. Ebd. Ebd. A. a. O., 312 f. A. a. O., 313, mit Verweis auf Morenz, Geschichte, 110 ff. Kaiser, Geschichte, 313, mit Verweis auf Lefort, Geschichte, 232. Kaiser, Geschichte, 313. Der Textzeuge mit dem Sigel A1 erwähnt in 5,3, dass Joseph sich hinlegt und dass dies zur

Kindheitserzählungen Textzeuge mit dem Sigel E „(1) In der Mitte der Nacht aber, siehe, da kam Gabriel, der Erzengel der Freude, in einer Vision709 zu ihm auf Befehl meines guten Vaters und sprach zu ihm: ,Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht! Nimm deine Frau Maria an, denn der, den sie gebären wird, ist aus dem Heiligen Geist. (2) Sie wird einen Sohn gebären und du sollst ihn Jesus nennen. Der wird alle Völker mit einem eisernen Stab weiden.‘ (3) Und der Engel ging fort von ihm. Joseph aber erhob sich vom Schlaf und handelte, wie der Engel des Herrn ihm befohlen hatte und nahm Maria zu sich.“711

167 Textzeuge mit dem Sigel A1 „(1) In der Mitte der Nacht aber, siehe, da kam der Erzengel Gabriel in einem Traum710 zu ihm auf Belieben meines guten Vaters und sprach zu ihm: ,Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht! Nimm deine Frau Maria an, denn der, den sie gebären wird, ist heilig. (2) Und du sollst ihn Jesus nennen. Der wird sein Volk mit einem eisernen Stab weiden.‘ (3) Joseph erhob sich vom Schlaf und handelte, wie der Engel des Herrn ihm geboten hatte und behütete die heilige Jungfrau in seinem Haus.“712

Folgende Aspekte fallen auf: 1. Es handelt sich um einen echten Traum der Kategorie 1 nach Philo. Die Zeitangabe der Mitternacht, das Stichwort „Traum“ (bzw. „Vision“ in der späteren Version E) und die Notiz, dass Joseph vom Schlaf aufstand, verdeutlichen dies. Insofern wird Mt 1,20 voll übernommen und dessen inhaltlich und grammatikalisch gedrängte Formulierung ταῦτα δὲ αὐτοῦ ἐνθυμηθέντος ἰδοὺ ἄγγελος κυρίου κατ᾽ ὄναρ ἐφάνη αὐτῷ umgangen bzw. erweitert. In A1 kommt zum Wortfeld noch hinzu, dass Joseph sich ohne Abendbrot niederlegt (s. o., Anm. 708). 2. Die spätere, bohairische Version bezeugt statt „Traum“ „Vision“. Dennoch scheint es sich um einen Traum zu handeln; dafür spricht auch hier die Notiz, dass sich Joseph vom Schlaf erhebt. Warum aber dieser Unterschied? Entweder soll „Vision“ hier den mitgeteilten Inhalt unterstreichen (wie schon mehrfach festgestellt), oder aber es ist nicht an einen Traum, sondern an ein im Wachzustand empfangenes Nachtgesicht gedacht. Dann müsste die Notiz, dass Joseph sich vom Schlaf erhebt, verstanden werden im Sinne von: Er erhob sich vom Schlaflager. Das erscheint aber doch als etwas zu stark interpretiert. 3. Erschwerend kommt hinzu, dass E die Notiz vom sich niederlegenden Joseph nicht bietet. Indem sie gekürzt wird, geschieht dies auch mit dem Spannungsbogen, der hin zum eigentlichen Traum führt. Hierbei bereitet es

709 710 711 712

Abendzeit geschieht. Die Stelle ist jedoch grammatisch fehlerhaft überliefert, Kaiser, Geschichte, 317, Anm. 79. ⲭⲟⲣⲁⲙⲁ. ⲣⲁⲥⲟⲩ. Übersetzung: a. a. O., 317 f. Übersetzung: a. a. O., 317 f.

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wieder einige Schwierigkeiten, das Motiv dafür zu ermitteln. Dennoch ist die Überlieferungslage zu uneinheitlich, als dass sich direkte Abhängigkeiten, etwa von E aus A1, sicher ermitteln ließen.713 4. E baut gegenüber A1 den Traum etwas aus. So ist die Änderung von „heilig“ hin zu „Heiligem Geist“ zu nennen, die eigentlich unnötige Notiz, dass Maria einen Sohn gebären wird, sowie die Information, dass der Engel sich entfernt. 5. Gegenüber Mt 2 betont der Ich-Erzähler „Jesus“, dass der Engel auf Befehl Gottes Joseph im Traum besucht. Weiterhin wird der Engel hier mit dem Erzengel Gabriel identifiziert, was die Bedeutung des Traumes deutlich verstärkt. In Mt 1,20 heißt es nur ἄγγελος κυρίου. 6. Dass Gabriel auf Befehl des „Vaters“ handelt, scheint wiederum dazu zu führen, dass das Schriftzitat Jes 7,14 (= Mt 1,23), ähnlich wie im PsMt, ausgelassen wird. Offensichtlich fehlte hier den Lesern schon der Bezug zu dieser AT-Stelle. Es bleibt festzuhalten, dass die Verfasser von HistIos die Bedeutung von Träumen als Mittel der Gottesoffenbarung schätzen, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass der Traum gegenüber seiner Vorlage Mt 2 ausgebaut wird. Der Traum wird als Ort einer göttlichen Anweisung benutzt, die bewirken soll, dass Joseph seine Frau zu sich nimmt, aber vor allem erkennt, dass das Kind, das sie austrägt, göttlichen Ursprungs ist und die Völker „weiden“ wird. Das Stichwort „Vision“ findet hier offensichtlich synonyme Verwendung für „Traum“. Zu vermuten wäre, dass es das Ereignis bzw. den Trauminhalt näher bestimmen soll. Nun folgt das siebente Kapitel, das die lk Volkszählung und die Geburt Jesu in Bethlehem thematisiert.714 In Kap. 8 wird die Flucht der Familie nach Ägypten geschildert. Herodes der Große715, der schon den Tod Johannes des Täufers716 auf dem Gewissen habe, stehe unter der Einflüsterung des Satans (8,1) und hege die Absicht, Jesus umzubringen (8,2). Textzeuge mit dem Sigel E „(3) Und in einer Vision717 wurde es dem Joseph durch meinen Vater gesagt. Und er erhob sich und nahm mich und meine Mutter Maria, auf deren Armen ich saß, und Salome folgte uns.“718

Textzeuge mit dem Sigel B „(3) Und mein Vater Joseph wurde durch einen Traum719 in Kenntnis gesetzt. Und er erhob sich und nahm mich und meine Mutter Maria, wobei ich auf ihren Armen war [und sie] mich streichelte, und Salome folgte uns.“720

713 Vgl. a. a. O., 311. 714 Die Erzählung von den Magiern und dem Traum Mt 2,12 bietet HistIos nicht. 715 In Sigel E wird erwähnt, dass sein Sohn Herodes Archelaos sei. Warum wird dieser genannt und nicht Herodes Antipas? Vgl. auch Kaiser, Geschichte, 319, Anm. 99. 716 Vor dem Hintergrund von Lk 2 wird Johannes hier als Verwandter Jesu charakterisiert. 717 ⲭⲟⲣⲁⲙⲁ.

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Die Familie zieht nach Ägypten und bleibt dort ein Jahr, bis zum Tod des Herodes, der in drastischer Sprache geschildert wird (8,3), um danach wieder nach Israel heimzukehren und in Nazareth zu wohnen (9,1). Auch hier findet sich, diesmal in E gegenüber B, die Änderung der Vokabeln von „Traum“ hin zu „Vision“. Dieses Mal ist in E auch nicht mehr klar, ob es sich noch um einen Traum wie in Kap. 6 handelt. Worauf sich das Erheben von Joseph bezieht, ist nicht eindeutig. Zwar ist möglich, dass der Verfasser, ebenso wie im sechsten Kapitel, an einen Traum denkt, dies ist aber keineswegs sicher. Weiterhin fällt auf, dass Mt 2,13 zwar aufgenommen, aber der Traum wiederum nur als Notiz benannt wird (im PsMt wurde der Traum nicht erwähnt). Dieser hat de facto keinen eigenen Inhalt. Vielmehr wird der eigentliche Inhalt (die finsteren Pläne des Herodes) vorher von Jesus erzählt. In E handelt es sich (falls ein Traum gemeint sein soll) um Kategorie 1 nach Philo. Der Ich-Erzähler benennt „seinen Vater“ (Gott) als Urheber. In B wird kein Traumabsender genannt. Der göttliche Absender wird jedenfalls vorausgesetzt, auch hier liegt Traumkategorie 1 vor. Es ist ferner festzuhalten, dass im weiteren Verlauf der Erzählung von HistIos (genauer: in 9,1) der Traum Mt 2,19 f ausgespart bleibt. Auch dies ist eine Gemeinsamkeit mit den bisher untersuchten Kindheitserzählungen. Stattdessen wird in HistIos 8,3 Apg 12,23 aufgenommen und von Herodes Agrippa auf Herodes den Großen übertragen.721 Sein Tod wird in HistIos 8,3 – im Gegensatz zu Mt 2,15.19 f – ausführlich, in grausiger Art und Weise, geschildert. Schließlich wird der Traum aus Mt 2,22 ausgelassen und ebenso das sich erfüllende Schriftwort Mt 2,23. Dass Joseph durch den Traum von Judäa nach Galiläa „umgelenkt“ wird, wird somit ebenfalls nicht erzählt. HistIos bezeugt Mt 2,19–23 nur summarisch in 9,1. Die Verfasser hatten also kein Interesse, alle Träume der mt Kindheitsgeschichte zu erwähnen. Entweder soll so der Traum als Gestaltungsmittel hervorgehoben werden, indem nur die wichtigsten der mt Träume erzählt werden – immerhin benutzt Mt Träume als „Empfangsmedium“ einer göttlichen Botschaft in den Kindheitsgeschichten auffallend häufig (etwa im Gegensatz zum restlichen Evangelium), wie schon angemerkt wurde. Die mt Version sollte also geglättet werden. Oder das Gegenteil ist der Fall: Träume sind nicht (mehr) von stärkerem Interesse. Die letzte Traumstelle steht in Kap. 17, das bei Kaiser mit „Worte des sterbenden Joseph an Jesus“ überschrieben ist.722 Die Stelle befindet sich also in dem zweiten großen Buchteil (Kap. 12–29), der das Sterben und den Tod Josephs behandelt. In dem folgenden Abschnitt wiederholt Joseph noch einmal 718 719 720 721 722

Übersetzung: Kaiser, Geschichte, 319 f. ⲣⲁⲥⲟⲩ. Übersetzung: a. a. O., 319 f. Die eckige Klammer stammt von a. a. O., 319. Vgl. a. a. O., 320, Anm. 105. A. a. O., 326.

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die Geschehnisse um die jungfräuliche Empfängnis der Maria und seine Reaktion auf das Erkennen ihrer Schwangerschaft: Joseph, der hier von Jesus als Vater bezeichnet wird, liegt voll seelischer und geistiger Unruhe auf dem Sterbebett. Jesus tritt zu ihm und grüßt ihn ehrerbietig (17,1). Joseph, in Todesangst, erfährt durch Jesu Stimme etwas Linderung (17,2) und spricht seinen Sohn mit „Herr“ und „wahrer König“ an (17,3), ja sogar als Gott.723 Dass er dies sei, habe ihm der Engel wiederholt mitgeteilt, vor allem aber an dem Tag, an welchem er beschloss, Maria stillschweigend fortzuschicken (17,4). Dabei erwähnt (ebd.) Sigel D, dass Joseph dies in der Nacht nach seinem Entschluss tun wollte. Textzeuge mit dem Sigel E „(5) Als ich dies aber dachte, offenbarte sich mir der Engel in einer Vision724 und sprach zu mir: ,Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht! Nimm deine Frau Maria an, denn der, den sie gebären wird, ist aus dem Heiligen Geist (hervorgegangen). (6) Laß dich (also) überhaupt nicht durcheinanderbringen wegen ihrer Schwangerschaft! Denn sie wird einen Sohn gebären, und du sollst ihn Jesus nennen.‘“726

Textzeuge mit dem Sigel D „(5) Als ich dies aber dachte, offenbarte sich mir der Engel in einem Traum725 und sprach zu mir: ,Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht! Nimm deine Frau Maria und zweifle nicht wegen ihrer Schwangerschaft, denn durch den Heiligen Geist hat sie empfangen. (6) Und sie wird einen Sohn gebären, und du wirst ihn Jesus nennen.‘“727

Joseph bittet Jesus inständig, ihn für seine Absicht, Maria fortzuschicken, nicht zu verurteilen,728 offensichtlich habe er Jesus in der Tragweite seiner Person nicht erkannt, bezeichnet ihn nun aber als „Christus“ und „Erlöser“ (Sigel E) bzw. als „Herr“ und „Erlöser“ (Sigel D), ja als seiner Hände Werk und sich selbst als seinen „Diener“ (E und D) (17,7). Dennoch fährt er fort:729

723 724 725 726 727 728

Übersetzung: ebd. ⲭⲟⲣⲁⲙⲁ. ⲣⲁⲥⲟⲩ. Übersetzung: a. a. O., 327. Die Klammern stammen von ebd. Übersetzung: ebd. Im von Sigel D bezeugten Text versucht Joseph sich in 17,7 sogar (wenn auch etwas kleinlaut) zu rechtfertigen, vgl. Kaiser, Geschichte, 327. 729 Da das Motiv des Unverständnisses für die Bewertung des Traumes von Bedeutung ist (s. u.), sei hier weiter zitiert.

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Kindheitserzählungen „(8) Ich erkannte (es damals) nicht, o mein Herr, und verstehe das Geheimnis deiner außergewöhnlichen Geburt (auch jetzt noch) nicht, noch habe ich je gehört, daß eine Frau ohne Mann schwanger wurde oder daß eine Jungfrau gebar und in ihrer Jungfräulichkeit versiegelt blieb! (9) O mein Herr, wenn die Anordnung dieses Geheimnisses nicht wäre, so glaubte ich nicht an dich und deine heilige Geburt und ehrte nicht die, die dich geboren hat, nämlich Maria, die heilige Jungfrau.“730

„(8) Vielmehr verstehe ich die Herrlichkeit des großen Geheimnisses, das deine heilige Geburt darstellt, noch nicht, noch habe ich auch je gehört, daß eine Frau ohne Mann schwanger werden kann!

(9) O mein Herr und mein Gott, wenn die Anordnung dieses großen Geheimnisses nicht wäre, so glaubte ich nicht an dich und deine heilige Geburt und ehrte nicht die, die dich geboren hat, Maria, dieses wahre Lamm!“731

Folgendes ist wiederum festzuhalten: 1. Im Gegensatz zur Beschreibung des Traumes in Kap. 6 (in beiden Überlieferungen) wird hier betont, dass Joseph trotz der Gottesoffenbarung im Traum bzw. in der Vision (nach wie vor) die Geburt Jesu nicht versteht. Das heißt: Der Traum bzw. die Vision hat hier dieselbe Funktion wie die bisherigen in der Schrift, nämlich eine göttliche Offenbarung zu transportieren und Joseph dazu zu bewegen, Maria zu sich zu nehmen. Nur versteht Joseph die Traum- bzw. Visionsbotschaft letzten Endes nicht (auch wenn er trotzdem nach ihr handelt). Vom Setting her gehört D in Philos erste Kategorie, E ebenso, sofern es sich um einen Traum handelt (was hier leider wieder unklar bleibt). Dass Joseph das Gehörte zwar befolgt (und insofern den göttlichen Befehl erfüllt), es aber nach eigener Aussage nicht verstand bzw. nach wie vor nicht versteht, erinnert wiederum an Traumkategorie 2 (der Sinn ist verborgen, wird aber nach und nach deutlich) bzw. 3 (der Sinn muss durch einen Traumdeuter erhellt werden). Andererseits ist es nicht der Inhalt des Traumes per se, welcher gedeutet werden muss, sondern die sich aus ihm ergebenden Konsequenzen. 2. Der Textzeuge mit dem Sigel E bleibt auch das dritte Mal bei der Vokabel „Vision“, der, nach A1 und B, dritte sahidische Textzeuge mit dem Sigel D bietet nach wie vor das Wort „Traum“. Die eben getroffene Einordnung in Philos Kategorien trifft für E also nur zu, wenn trotz des Stichwortes „Vision“ an einen Traum gedacht ist. 3. Die Schilderung des Traumes bzw. der Vision weicht stark von Kap. 6 ab und erinnert an die knappe Formulierung in Mt 1,20, etwa im Hinblick auf die Betonung des Denkvorgangs des Joseph (der nur im Wachen möglich ist, s. o., Anm. 691). Ist dies auf der Seite der sahidischen Sigel damit erklärbar, dass wir nun statt A1 D folgen, so gestaltet sich die Antwort bezüglich des bohairischen 730 Übersetzung: ebd. Die Klammern stammen von ebd. 731 Übersetzung: ebd.

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Traumstellen in den christlichen Apokryphen

Sigels schwieriger, da es sich nach wie vor um E handelt. Spricht D noch vom Zeitpunkt der Nacht (mit dem Unterschied, dass diese hier mit dem Wegschicken Marias verbunden wird und nicht mit dem Traum wie in A1), so ist bei E alles getilgt, was auf einen Traum hindeutet. Setzt E hier einfach die ausführlichere Schilderung in Kap. 6 voraus? Oder will er sich vom Traum abgrenzen? E übernimmt die Schilderung aus Kap. 6 zum größten Teil, der Name des Engels entfällt aber (so auch in D), ebenso die Notiz, dass Joseph vom Schlaf erwacht und der Anordnung gemäß handelt. Auch D bietet weder das eine noch das andere und stellt sich noch verdichteter dar als E. Die Verdichtung könnte damit erklärt werden, dass Joseph an dieser Stelle nur noch einmal Vergangenes repetiert und z. T. paraphrasiert. Irritierend bleibt bei E die Ersetzung des Terminus „Traum“ durch „Vision“; die Frage, ob bei E an einen Traum gedacht ist, muss offenbleiben.

2.2.3.3 Zusammenfassung HistIos bietet unterschiedliche koptische Vokabeln für das mt ὄναρ: ⲭⲟⲣⲁⲙⲁ und ⲣⲁⲥⲟⲩ. Der Traum Mt 1,20–23 wird geschildert, mit teilweiser Akzentverschiebung, Mt 2,13 wird nur summarisch wiedergegeben. Wiederum werden die Träume Mt 2,12.19 f.22 f ausgespart. Eine Vermutung hierfür wäre, ähnlich wie beim PsMt, dass das Stilmittel der Traumanweisung nicht zu oft gebraucht werden sollte, um es der wichtigsten Stelle vorzubehalten: der göttlichen Offenbarung der Ankündigung von Jesu Geburt. Dabei erfüllt der Traum zwei Zwecke: 1. Joseph soll Maria zu sich nehmen. 2. Joseph wird ein Traum geschickt, damit er erkennt, welches bedeutsame Kind Maria austrägt: den zukünftigen Heilsbringer der Menschen. Dass für die Übermittlung dieser Botschaften der Traum gewählt (bzw. beibehalten) wird, unterstreicht seine Bedeutung in der Schrift (sofern die eben genannte Vermutung bezüglich der Begründung für das Aussparen der restlichen mt Träume zutrifft). Wie schon bei den bisher behandelten Schriften mehrmals festgestellt, werden „Traum“ und „Vision“ auch hier synonym gebraucht. Textzeuge E ersetzt den Begriff „Traum“ durchgehend mit „Vision“. Entweder „traute“ der Verfasser dem Offenbarungsmedium „Traum“ nicht und „verschlankte“ die mt Version. Oder, was wahrscheinlicher ist, er sah in Vision und Traum keinen Unterschied. HistIos ist ein gutes Beispiel dafür, mit welcher Freiheit in der frühen Kirche kanonische Texte aufgenommen und Details derselben umgestaltet wurden (z. B. sichtbar am Umgang der HistIos mit dem Jesajazitat 7,14 aus Mt 1,23 oder an der Einfügung des Unverständnismotivs des Joseph).

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2.2.4 Das Nikodemusevangelium/Die Pilatusakten 2.2.4.1 Kurze Einführung in die Schrift732 2.2.4.1.1 Bezeugung Die Schrift weist eine ausgesprochen komplexe Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte auf. Der als Pilatusakten bezeichnete erste Abschnitt des Nikodemusevangeliums existierte möglicherweise schon in einer ursprünglichen Version im 2. Jh. n. Chr. Spuren diesbezüglich finden sich bei Justin, Tertullian und Euseb. Eine erste verlässliche Angabe macht Epiphanius, Panarion 50,1.5.8, ca. 375, und weist auf die schon damals existierenden unterschiedlichen Überlieferungszweige hin. 387 wird das erste Mal, nämlich in der pseudochrysostomischen Literatur, der Titel der Pilatusakten (mit Bezug allein auf Kap. 1–11, ohne Prolog) genannt. Für den lateinischen Westen gilt, dass die Akten ab dem 6. Jh. im Umlauf waren.733 Den zweiten Teil des Nikodemusevangeliums bildet die sog. „Höllenfahrt Christi“. Die Anfügung dieses Abschnitts ist vermutlich erst wesentlich später erfolgt; es existiert eine erste Handschrift, die ins 9. Jh. zu datieren ist, auch wenn davon auszugehen ist, dass älterer Überlieferungsstoff bis ins 5.–6. Jh. zurückgeht. Monika Schärtl sieht die Erweiterung des Evangeliums als zweistufig: Zuerst wurden Kap. 12–16 angefügt, als zweiter Schritt die Höllenfahrt.734 2.2.4.1.2 Überlieferung Sind die griechischen Handschriften ins 12. Jh. zu datieren, werden Kap. 1–16 dennoch schon in lateinischer Überlieferung im 5. Jh., die Kap. 17–27 (ebenfalls Lateinisch) ab dem 9. Jh. bezeugt.735 Dennoch ist in der Forschung bezüglich der Pilatusakten Konsens, dass sie ursprünglich auf Griechisch abgefasst wurden.736 Im Ganzen wichtig sind drei durch von Tischendorf kompilierte und herausgegebene Rezensionen: Griechisch A737 (ursprünglichste Form der Pilatusakten, ins 5. Jh. zu datieren, endet nach Kap. 16); 732 Eine der neueren Arbeiten ist Schärtl, Volk. Alt, aber nicht uninteressant ist von Dobschütz, Process, 89–114; Mommsen, Pilatus-Akten, 198–205. Weiter soll erwähnt werden Kany, Frau des Pilatus, 104–110; Wirkungsgeschichte und Bibliographie stellt Izydorczyk, Nicodemus, dar (mit Ergänzung der Bibliographie in Izydorczyk/Gounelle, Bibliography, 259–289). Zur Pilatusfigur ist unlängst erschienen Herzer, Pilatus. 733 Schärtl, Nikodemusevangelium, 233 ff. 734 A. a. O., 235 f. 735 A. a. O., 236. 736 Röder, Art. Evangelium nach Nikodemus, 2.3. 737 von Tischendorf verwendet eine koptische Handschrift und acht griechische Handschriften, Schärtl, Nikodemusevangelium, 236, Anm. 11.

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Griechisch B738 (setzt das ephesinische Konzil von 431 voraus; ergänzt A besonders an den Stellen, wo neutestamentliches Gut nicht beachtet wird, v. a. in Kap. 10 f); Lateinisch A739 (im gesamten Europa verbreitet) 740.741 Auch wenn Griechisch B die Höllenfahrt bietet, wurden „[e]rst in den lateinischen Bearbeitungen […] die beiden Teile des Nikodemusevangeliums redaktionell zu einer Einheit verwoben.“742 2.2.4.1.3 Gattung und Inhalt Das Nikodemusevangelium ist gattungsmäßig ein Passions- bzw. Osterevangelium, das versucht, Dinge, die die kanonischen Evangelien nicht erwähnen oder erzählen, zu ergänzen. Nach einem Prolog743 folgt die Anklageszene Jesu vor Pilatus. Die Kap. 1–11 schildern den Verlauf des Prozesses sowie Kreuzigung und Tod Jesu. Sowohl Matthäus- als auch Johannesevangelium dienen in Kap. 1–10 als Bezugsquellen, in Kap. 9 ff vor allem das Lukasevangelium. Der Text ist als Prozessprotokoll aufgebaut und geformt. Die Kap. 12–16 berichten ausführlich von der Figur des Joseph von Arimathäa und der Auferstehung Jesu. Kapitel 16 schließt in Griechisch A und Lateinisch A doxologisch; Kap. 17–27 von Griechisch B bieten die Höllenfahrt Christi, welche von den Söhnen Simeons, die auferstanden sind, berichtet wird, mit Befreiung der Toten durch Christus in Kap. 21–24 und seinem Eingang ins Paradies in 25 f. Eine Schlussnotiz, die durch den Redaktor in Kap. 27 eingefügt wurde, beendet das Evangelium.744 Den Namen „Nikodemusevangelium“ hat die Schrift erst im Mittelalter erhalten. Die aus dem JohEv bekannte Figur des Nikodemus, die hier die Rolle eines glaubhaften Zeugen einnehmen soll, wurde aber „erst nachträglich als Bindeglied in die Prozeßdarstellung vom Überarbeiter der ersten 16 Kapitel zur redaktionellen Harmonisierung des Textes eingefügt“.745 Der Verfasser der Schrift bleibt letztendlich im Dunkeln.746 Der in Rezension Griechisch A im 738 Hier kompiliert von Tischendorf drei griechische Handschriften für die Pilatusakten und drei griechische Handschriften für die Höllenfahrt, Schärtl, Nikodemusevangelium, 236, Anm. 12. 739 Kompilation von zwölf Handschriften, a. a. O., 236, Anm. 14. 740 Ab dem 13. Jh. sind Übersetzungen in den meisten europäischen Volkssprachen bezeugt. Bis in die Gegenwart können ca. 500 Hss. in mehr als 20 Sprachen nachgewiesen werden. Eine Handschrift in deutscher Sprache, zugleich die älteste vorliegende, ist in das Jahr 1330 zu datieren. Im beginnenden 16. Jh. fing man an, das lateinische Nikodemusevangelium zu drucken, Schärtl, Nikodemusevangelium, 236 f. 741 A. a. O., 236. 742 Ebd. Die Ausgabe, mit der im Folgenden gearbeitet wird, ist von Tischendorf (Hg.), Evangelia, 210–432. 743 Vgl. als Übersetzungen z. B. Schärtl, Nikodemusevangelium, 240 f, oder Klauck, Evangelien, 119 f. 744 Schärtl, Nikodemusevangelium, 237; vgl. Röder, Art. Evangelium nach Nikodemus, 3. 745 Schärtl, Nikodemusevangelium, 237. 746 A. a. O., 238.

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Prolog genannte Ananias, „Leibgardist mit Offiziersrang“,747 hilft an dieser Stelle nicht weiter; im Prolog Lateinisch A wird er gar nicht genannt.748 2.2.4.1.4 Wirkungsgeschichte Die Wirkungsgeschichte des Nikodemusevangeliums ist lang und umfangreich, es wurde vielfach ergänzt und überarbeitet. Zum Druck der Schrift zu Beginn der Neuzeit wurde schon etwas gesagt. Besonders hervorzuheben ist der Einfluss auf Kunst und Literatur des Mittelalters, hier vor allem bezüglich der „beliebten“ Höllenfahrt Christi. Aber auch im mittelalterlichen Gottesdienst fand das Evangelium Verwendung, bis es schließlich auf dem Trienter Konzil 1558 (mehrfach) indiziert wurde und erst durch von Tischendorfs Rekonstruktionen wieder Aufmerksamkeit erfuhr.749 Zur Wirkungsgeschichte des Nikodemus selbst existieren nicht allzu viele Hinweise. Die Kirche in Lydda wurde, so erzählt es das Nikodemusevangelium, von ihm und Joseph von Arimathäa gegründet. Vor allem in Italien und Frankreich wurden in der Spätantike Reliquien des Nikodemus verehrt. In der Darstellung wird er meist zusammen mit Joseph von Arimathäa gezeigt (Letzterer immer als sehr alter Mann, dessen Bart und Haare weiß sind, Ersterer trägt einen dunklen Bart und ist deutlich jünger als Joseph). Dargestellt werden vor allem die Kreuzesabnahme und die Grablegung (etwa im Dom von Parma, erschaffen 1178), Attribute des Nikodemus sind oft die Kreuzesnägel oder das Leichentuch Jesu. In Plumélieau existiert auch eine Statue von Nikodemus.750

747 A. a. O., 240. 748 A. a. O., 238. Ob der Verfasser Jurist war, wurde in der Forschung kontrovers diskutiert, vgl. ebd., mit Verweis auf von Dobschütz, Process, 111, und Mommsen, Pilatus-Akten, 205. Ebd. heißt es (unübertroffen): „Die Pilatusacten […] rühren […] her von einem Verfasser, der vom römischen Recht gar nichts verstand und dessen juristische Unwissenheit vor allem da hervortritt, wo er Rechtsausdrücke wie praetorium, praeco, velum in den Mund nimmt, während er überdies an Albernheit seines Gleichen sucht.“ Schärtl, Nikodemusevangelium, 238, stellt fest, dass im Ganzen gesehen der Autor versucht, „den Prozeß als formal korrekt darzustellen, indem er weitgehend den Vorgaben einer Akkusation folgt, die jedoch oftmals zugunsten der theologischen Konzeption durchbrochen wird. Sowohl der Verweis auf ,echte‘ Prozeßakten, als auch die Übertragung eines hebräischen Urtextes scheinen wenig glaubwürdig. Hier ist vielmehr von einer Fälschung auszugehen, deren ,Echtheit‘ durch diese Angaben herausgestellt werden sollte.“ Und ebd.: „In einer Zeit [nach Schärtl, ebd., das 4. bzw. beginnende 5. Jh.], in der Rechtstexte gesammelt und kodifiziert werden, in der Glaubenssätze diskutiert und festgelegt werden, in der das Christentum seinen Status als Reichsreligion festigen kann und in der die Rolle von Staat und Religion neu definiert wird, entsteht ein Text, der mit juristischer Darstellung den Glaubensinhalt der neuen Reichsreligion mit Fokus auf die Würde und Göttlichkeit Jesu, die Beziehungen von Reich und Christentum sowie das Verhältnis zum Judentum beleuchtet.“ 749 A. a. O., 240. Vgl. Reusch, Indices, 272; 418. 750 Hartwagner, Art. Nikodemus, 44.

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2.2.4.2 Traumstellen in der Schrift Nach dem Prolog kommen die führenden Juden (interessanterweise mit Gamaliel) zu Pilatus, um Jesus bei ihm anzuklagen. Die Vorwürfe lauten auf Magie, Sabbatschändung und versuchte Abschaffung des Gesetzes (1,1). Der Prokurator soll ihn vorführen lassen und verhören und schickt nach ihm (1,2). Während Jesus hineingeht, geschieht ein Mirakel: Die Kaiserbilder auf den Standarten der Standartenträger verneigen sich vor ihm (1,5). Da die Juden über diesem Geschehen erzürnen, lässt Pilatus Jesus noch einmal hineinführen, während dieses Mal besonders starke Männer die Standarten halten sollen; es passiert aber dasselbe (1,6). Pilatus fürchtet sich. Da sendet seine Frau eine Botschaft an ihren Mann (2,1): „(2,1) ,Habe du nichts mit diesem gerechten Menschen zu tun! Denn ich habe in der Nacht751 viel seinetwegen ausstehen müssen.‘“752 Der Präfekt versammelt die Juden und verweist darauf, dass seine Frau eine Gottesfürchtige und Sympathisantin des Judentums sei. Die Juden bestätigen dies. Er erzählt ihnen, was ihm seine Frau mitgeteilt habe und wiederholt ihre warnenden Worte. Die Juden erwidern: „Haben wir dir nicht gesagt, daß er ein Magier ist? Siehe, da hat er zu deiner Frau einen Traum753 geschickt.“754 Nun (2,2) wird Jesus von Pilatus gefragt, ob er nichts gegen diesen Vorwurf einzuwenden habe. Dieser sagt: „(2,2) ,Stünde es nicht in ihrer Macht, so würden sie nichts vorgebracht haben. Denn jeder hat Macht über seine Rede, zu sagen Gutes oder Böses. Da sollen sie selbst zusehen.‘“755 Die Juden ergreifen das Wort und bringen neue Vorwürfe vor, so etwa, dass Jesus der Hurerei entstamme (2,3). Das Prozessgeschehen setzt sich fort (bis 9,4). Unschwer ist zu erkennen, dass hier Mt 27,19 aufgenommen und deutlich ausgebaut wurde. Schon die Einleitung, dass Pilatus in Furcht gerät und seinen Richterstuhl verlassen will, findet sich so nicht bei Mt (dort wird nur von seinem Sitzen auf dem Stuhl berichtet), ganz abgesehen von dem mächtigen Zeichen der sich verbeugenden Standartenbilder. Wir wollen uns aber auf die wesentlichen Aspekte, die den Traum umgeben, konzentrieren. Zuallererst ist festzuhalten, dass der Verfasser des Nikodemusevangeliums bzw. der Pilatusakten den Traum als Mittel anerkennt, das eine Botschaft (hier eine Warnung, offensichtlich anhand eines Albtraumes) übermittelt, die zumindest bei der Empfängerin großes Unbehagen auslöst. Anders gesagt: Der Traum zeigt 751 νυκτός. 752 Übersetzung: Schärtl, Nikodemusevangelium, 243. 753 ὀνειροπόλημα. Dieses Wort bereitet einige Schwierigkeiten. Montanari, BDAG, 1462, übersetzt es nur mit „dream“. Die Verwandtschaft zum oben schon genannten ὀνειροπολέω (Übersetzungsmöglichkeiten s. o., 107) ist deutlich. Verwandte Worte von ὀνειροπόλημα im Griechischen sind ὀνειροπολία und ὀνειρόπολος, Montanari, BDAG, 1462. 754 Übersetzung: Schärtl, Nikodemusevangelium, 243. 755 Übersetzung: ebd.

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bei ihr nachhaltige Wirkung. Die wichtigste Änderung gegenüber Mt ist, dass die Frau in 2,1 davon spricht, in der Nacht viel ausgestanden zu haben (in Mt 27,19: κατ᾽ ὄναρ). Dass es sich um einen Traum handelt (und nicht etwa eine Vision, Ahnung oder eine akute Schlafstörung), wird erst später, aber ebenfalls in 2,1 gesagt, und zwar von den Juden. Auffällig ist die Wiederholung des Berichtes der Frau durch Pilatus gegenüber den Juden, wodurch der Spannungsbogen deutlich ausgebaut wird. Ferner muss beachtet werden, dass das der Frau Widerfahrene in zwei verschiedene Richtungen interpretiert wird (Mt 27,19 wird also um eine, richtiger, zwei Deutungsebenen erweitert): Pilatus betont bei seinem Bericht, dass seine Frau gottesfürchtig756 sei und dem Judentum nahestehe. Dadurch stellt er einen Zusammenhang her zwischen diesen (aus Sicht der Juden positiven) Eigenschaften seiner Frau und der möglichen Bedeutsamkeit des Traums. Die Juden wiederum reagieren genau gegenteilig. Sie sind zwar diejenigen, welche den Traum als solchen benennen, diffamieren ihn aber als Magie und Manipulationsmittel, die Jesus einsetze, um die Frau des Pilatus, und letztlich Pilatus selbst, irre zu machen. Der Traum wird also aus Sicht der Juden abgewertet. Da jedoch die (sich schon im MtEv zeigende) positive Rolle der Frau – schließlich will sie Pilatus warnen und spricht von einem Gerechten757 – ausgebaut wird und auch Mt 27,19 in seiner Darstellung deutliche Ausgestaltung erfährt, kann bezüglich der Pilatusakten von einer positiven Einstellung gegenüber Träumen gesprochen werden. Die Gegenstimme der Juden hingegen wird distanziert bzw. ablehnend gestaltet, allein schon vor dem Hintergrund von Mt 27,18.20. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die negative Stimme der Juden eine damals breit vertretene Strömung widerspiegelt: Traum, Mantik und Magie gehören zusammen.758 Für eine Traumklassifizierung nach Philo fehlen Informationen über die weiteren Umstände und vor allem über den Inhalt des Traumes. Deshalb führen wir hier eine weitere Kategorie ein, nämlich die der Traumsendung (Oneiropompeia), welche bei der Frau des Pilatus vorliegt. Oneiropompeia 756 θεοσεβής. 757 Kany, Frau des Pilatus, 104, meint dazu: „Die Bitte der Frau um Schonung Jesu konnte entweder als Zeichen ihrer göttlichen Begnadung interpretiert werden, durch die sie Christus als Gerechten erkannt habe, oder aber als Einflüsterung des Teufels, der die Kreuzigung zu verhindern gesucht habe, um die Erlösung der Menschheit zu vereiteln.“ Die zweite Deutung leuchtet kaum ein, da der Schwerpunkt doch eindeutig darauf liegt, Jesus auch im Umfeld des Pilatus als Christus einzuführen. Im Duktus des Matthäusevangeliums hat Mt 27,19 den Sinn, die Dramatik der letztlichen Entscheidung des Pilatus zu betonen und den Spannungsbogen der Passionserzählung zu verstärken. Zum Traum der Frau des Pilatus s. Frenschkowski, Traum, 32 ff. 758 Vgl. nur Frenschkowski, Religion auf dem Markt, 143 mit Anm. 12. Dabei ist Magie im AT mitnichten nur negativ konnotiert, sondern ein höchst ambivalent behandeltes Thema, ebenso im Frühjudentum, s. dazu Frenschkowski, Magie, 162–201. Was Traum und Mantik betrifft, existierte im rabbinischen Judentum eine deutliche Wertschätzung, s. dazu Tilly, Traum, I– VII.

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meint die Sendung eines Traumes an einen Menschen, zuerst durch verschiedene Gottheiten (Zeus [Homer, Il. II 6.63]; Athene [Homer, Od. IV 795– 799]; Hermes [PGrM V 411; VII 675]), in der weiteren Entwicklung dann, unter Verwendung von Magie, von Mensch zu Mensch. Diese Träume haben den Zweck, den Empfänger in irgendeiner Art und Weise zu beeinflussen. Dies kann z. B. durch das Auftauchen von Traumgestalten (φαντασίαι) geschehen. Je mehr sich das antike Traumwesen mit der Magie verband, desto stärker versuchten Menschen, durch die von ihnen durch magische Praktiken gebundenen Götter oder Dämonen, anderen Menschen Träume zu senden und sie durch diese in gewünschter Art zu manipulieren. Die konkreten Inhalte sind dabei sehr variabel. Sie können ängstigender und erschreckender, aber auch sexuell-erregender Natur sein. Zwei der wichtigsten Arten sind der Liebes- oder Unterwerfungszauber und der Schadenzauber.759 Diese wenigen Ausführungen müssen an dieser Stelle genügen. Weiterhin ist zu unterstreichen, dass die Juden bzgl. des Traumes der Frau des Pilatus zwar eine magische Traumsendung unterstellen (und zwar von Jesus selbst vorgenommen), es (vor dem Hintergrund von Mt 27,19) dafür im Text aber keine Anhaltspunkte gibt. Eher ist an eine direkten, von Gott geschickten Traum zu denken. Interessanterweise geht Jesus zwar darauf ein, dass die Juden diffamierend von ihm sprechen, aber nicht konkret auf deren Behauptung, er habe der Frau des Pilatus den Traum geschickt (2,2).

2.2.5 Der Brief des Pilatus an Herodes760 2.2.5.1 Kurze Einführung in die Schrift Was aus der Figur des Pilatus nach Jesu Kreuzigung und Auferstehung wurde, war Gegenstand der Imagination der Menschen in Spätantike und Mittelalter. Dies führte dazu, dass die Pilatusliteratur Erweiterungen und Fortschreibungen verschiedenster Art erfuhr, u. a. in Form von Briefen, welche das weitere Schicksal seiner Person nach den Begebenheiten, die die kanonischen Evangelien erzählen, und seinen Tod thematisieren. Dabei teilte sich die Meinung über seine Person. Wurde Pilatus innerhalb der westkirchlichen Literatur 759 Preisendanz, Art. Oneiropompeia, 440 f; 443 f. Interessant ist, dass die Dämonen sich am Haupt des Schlafenden postieren müssen, damit der Traumzauber wirkt, so PGrM IV 2735, die sich, z. T. wörtlich, auf die o.g. Stellen aus Homers Odyssee und Ilias beziehen, Preisendanz, Art. Oneiropompeia, 441. Dies korrespondiert mit dem Herzutreten Gottes im Traum, das wir bei den Apostelakten mehrfach festgestellt haben. Zur weiteren Einführung in die Traumsendung s. Preisendanz, Art. Oneiropompeia, 440–448. Texte zu Traumsendungen bietet Merkelbach, Abrasax, Bd. 5, 60; 91–120. S. zum Thema Oneiropompeia auch Johnston, Sending Dreams, 63–80. 760 Als Literatur seien genannt Werner, Pylatus, 9–16; von Dobschütz, Christusbilder, 157–162; 190–203.

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vorwiegend negativ beurteilt, kam es in verschiedenen Ostkirchen (so in der ägyptischen und äthiopischen) zur Heiligsprechung des Pilatus (6. Jh.).761 Schon Tertullian, apol. 21, beschreibt Pilatus als einen, der im Inneren Christ gewesen sei.762 Der nun folgende Auszug aus dem Brief an Herodes stellte ursprünglich einen Anhang an das Gamalielevangelium dar. Der Brief ist geprägt von der ostkirchlichen, positiven Sichtweise auf Pilatus. Ursprünglich wurde der Brief auf Griechisch verfasst, ist aber auch syrisch erhalten. Letztere Variante ist nach Schärtl älter als die griechische. Sie datiert sie ins 6./7. Jh. Dem folgenden deutschen Auszug liegt die griechische Version, die M.R. James ediert hat, zugrunde, der wiederum eine Handschrift, die ins 15. Jh. datiert wird (Cod. G. 929, Bibliothèque Nationale Paris), zugrunde liegt.763

2.2.5.2 Auszug aus der Schrift Die folgende Stelle stammt aus der ersten Hälfte des Briefes. Nach einem knappen Eingangsgruß repetiert Pilatus, was er mit Jesus erlebt bzw. über ihn gehört habe. Der zu ihm Gebrachte sei als Christus bezeichnet worden. Der Zenturio764 hätte ihm berichtet, Jesus sei am Kreuz gestorben, jedoch nach drei Tagen auferstanden. Aus Galiläa hätten ihn Berichte von Erscheinungen des Auferstandenen erreicht, der derselbe sei wie vorher, was seinen Körper, seine Erscheinung und seine proklamierten Inhalte betreffe. Weiterhin werde von über fünfhundert Menschen berichtet, die Jesus gesehen hätten. Diese würden nun vollmächtig von der Auferstehung und dem Reich Gottes zeugen (wobei Pilatus zwischen Ärger, Betroffenheit und Ehrfurcht zu schwanken scheint). Dann berichtet Pilatus von seiner Frau:

761 Schärtl, Pilatusliteratur, 262 f. 762 A. a. O., 262. Die Betrachtung des Pilatus unter dem Gesichtspunkt der christlichen Ikonographie bringt wenig Neues. In Antike und Mittelalter war die Darstellung der Urteilsszene des Pilatus über Jesus vorherrschend (v. a. das Verhör und das Händewaschen [Mt 27,24]), in der Antike wurde dies v. a. auf Sarkophagen dargestellt. Ein Mosaik in St. Apollinare Nuovo in Ravenna (um 500) bildet die Handwaschung des Pilatus ab, der zusammen mit einem Boten seiner Frau dargestellt wird. Hier wird deutlich auf Mt 27,19 angespielt, so auch im Dom von Monreale (Ende des 12. Jh.) und St. Marco in Venedig (um 1200). In der Neuzeit wird das Motiv des Pilatusurteils seltener gebraucht. Aus dem 15. Jh. stammt eine Altardarstellung, die Jesus und Pilatus zeigt, wie sie sich die Hände geben. Als weitere (legendarische) Motive in der Ikonographie seien nur genannt: Pilatus schreibt den Kreuzestitel; Pilatus bei der Kreuzigung; Pilatus entsendet den Grabwächter, Holl u. a., Art. Pilatus, 436–439. 763 Schärtl, Pilatusliteratur, 266. Die Ausgabe von James (Hg.), Apocrypha anecdota, 66–81, wird im Folgenden bei den griechischen Auszügen aus der Schrift benutzt. 764 Zweifelsfrei der Zenturio aus Mk 15,39.

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„Denn meine Frau Procla765 glaubte an die Erscheinungen, mit denen er sich ihr zeigte,766 als ich im Begriff war, ihn auf deinen [Herodes, P.E.] Rat hin zur Kreuzigung zu übergeben. Sie verließ mich zusammen mit zehn Soldaten und Longinus, dem gläubigen Centurio, und brach auf, wie zu einem großartigen Schauspiel, um sein Antlitz zu sehen“.767

Jesus hätte auf einem Feld gesessen, während ihm viele Menschen zuhörten, wie er von Gott als seinem Vater predigte. Vollmächtiges Entsetzen hätte er bei den Zuhörern ausgelöst angesichts seines Leidens, Sterbens und seiner Auferstehung. An dieser Stelle ist bezüglich eines Traumes erneut ein Negativbefund zu konstatieren. Mt 27,19 wird nur aus dem Rückblick des Pilatus heraus geschildert, ohne seine Frau direkt zu Wort kommen zu lassen. Auch liegt der Schwerpunkt nicht darauf, dass diese gelitten habe und ihren Mann warnen wolle, sondern, indem Pilatus in seinem Bericht in der Zeit springt, darauf, dass sie den Auferstandenen besucht. Dabei besteht der Bericht eigentlich aus zwei Teilen, die dieser zeitliche Sprung fließend ineinander übergehen lässt. Der erste Teil gibt die schon mehrfach genannte mt Tradition wieder. Hier wird von ὅραμα gesprochen, also Vision oder Erscheinung. Der Begriff wird hier so allgemein gebraucht, dass er eine Traumerscheinung durchaus inkludieren kann. Dennoch ist festzuhalten, dass eine direkte Vokabel für „Traum“ vermieden wird, und zwar gegen die mt Vorlage. Der zweite Teil ist die Erzählung davon, dass des Pilatus Frau, zehn Soldaten und ein Zenturio ( jedenfalls ist auch hier an den Hauptmann aus Mk 15,39 gedacht, der hier den Namen Longinus768 erhält) aufbrechen, um dem Auferstandenen auf einem Feld zu begegnen. Dieser interessante Erscheinungsbericht schmückt die ntl. Stoffe auf eine ganz eigene Weise aus. Es liegt auf der Hand, dass der Verfasser hier mit 1Kor 15,6 (bzw. dem dort verwandten Traditionsmaterial) gearbeitet hat. Jedenfalls beantwortet der Bericht des Pilatus die schon oben aufgeworfene Frage nach der religiösen Einstellung seiner Frau: Sie wird, wenn nicht als Christin, so doch als an Christus interessierte Person dargestellt, die seinen „Erscheinungen“ Glauben schenkt. Die Frage nach dem Inhalt dieser Erscheinungen wird durch die Verbindung der zwei o.g. Textteile (bzw. vom zweiten Textteil her) latent so beantwortet, dass Jesus sich in ihnen der Frau als der Christus dargestellt und evtl. seine Auferstehung angekündigt haben muss. Ihr Aufbruch mit den Soldaten zum Auferstandenen wird durch die Erscheinungen initialisiert. Wenn ὅραμα einen Traum inkludiert, ist am ehesten an Kategorie 1, evtl.

765 Vgl. zu dem Problem des Namens der Frau des Pilatus den schon o.g. Aufsatz Kany, Frau des Pilatus. 766 τοῖς ὁράμασιν οἷς ἀυτῇ ἐφανερώθη. 767 Übersetzung: Schärtl, Pilatusliteratur, 267. 768 Zu Longinus s. Sauser, Art. Longinus, 943. Zur Longinus-Lanze s. Holl, Art. Lanze, 14 f.

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auch Kategorie 2 nach Philo zu denken (Offenbarung einer göttlichen Person und die Ankündigung der Zukunft [Jesu]).

2.2.6 Das Pergamentblatt K 9403 2.2.6.1 Kurze Einführung in die Schrift Bei diesem Pergamentblatt handelt es sich um ein Bruchstück eines in sahidischem Koptisch überlieferten Textes, welcher Johannes den Täufer zum Gegenstand hat und erstmals 1958 von Walter C. Till veröffentlicht und mit einer Übersetzung versehen wurde.769 Das Blatt ist in der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien archiviert. Konkret geschildert werden, wie der Erzengel Gabriel die Geburt des Täufers ankündigt, und die Einwände und Zweifel, die sein Vater Zacharias erhebt (vgl. Lk 1). Zu einer Datierung des Blattes ist nichts bekannt, ebenso wenig zu welcher Schrift es gehörte.770 Ähnlichkeiten zu anderen apokryphen Geburtserzählungen werden aber deutlich. Das Blatt gehörte zu einem Kodex und besitzt eine Größe von 30 x 24,5 cm.771 Das Blatt hat in der Forschung keine weitere Beachtung gefunden und wird auch von der Apokryphenübersetzung von Bovon/Geoltrain nicht berücksichtigt.772 Zu erwähnen ist noch, dass Johannes in der koptischen Kirche eine besonders verehrte Heiligenfigur ist.773

2.2.6.2 Traumstelle in der Schrift Der Erzengel Gabriel verkündigt Zacharias die Geburt des Johannes, die große Freude auslösen werde. Nun folgt ein Einschub, der sich direkt an die Leserinnen und Leser wendet: Es wird erklärt, warum Johannes’ Geburt eher angekündigt wurde als die von Jesus. Johannes wird mit einem Hornbläser verglichen, der den Auszug des Königs aus seinem Palast hin zu Kampf und Krieg verkündigt. Dabei werden die Worte des Täufers von Jesus als dem Lamm Gottes (Joh 1,29) zitiert. Nun folgen die Einwände des Zacharias gegen die Ankündigung des Engels:774 769 Till, Johannes, 316. Der a. a. O., 316 ff, aufgeführte Text mit Übersetzung liegt den folgenden Ausführungen zugrunde. 770 A. a. O., 316. Till kann, ebd., selbst leider auch keine Angaben dazu machen. 771 Ebd. 772 Trotz gründlicher Recherche gelang es nicht, weitere Sekundärliteratur zum Pergamentblatt zu ermitteln. 773 A. a. O., 310. S. zur ikonographischen Verehrung auch Lechner, Art. Johannes, 108–130. 774 Die von Till eingefügten Verweise auf griechische Vokabeln werden hier ausgelassen. Die Klammern und ihre Inhalte stammen von Till.

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„Als Zacharias die Worte des Engels gehört hatte, war er im Zweifel. Er brachte das Argument des Greisenalters vor, in dem er stand, und des Greisenalters der Elisabet, (und wies darauf hin), daß dies unmöglich geschehen könnte. ,Ich‘, sprach er, ,bin alt geworden und meine Frau ist betagt.‘ Als der Engel das hörte, sagte er zu ihm: ,Wer bin ich?‘ Als er sich beruhigt hatte, erkannte er, daß das, was er gehört hatte, wahr war. ,Ich bin Gabriel. Werde dir doch bewußt, daß ich nie gelogen habe. Ich erschien Daniel. Wenn ich ihn (damals) in bezug auf die Träume775 des Königs zum besten hielt, so werde ich auch dich zum besten halten. Empfange nun aber die Strafe: schweige, bis sich die Dinge, die ich (voraus)gesagt habe, bewahrheitet haben.‘“776

Dem zitierten Text liegt Lk 1,18 ff zugrunde. Sowohl der Redeteil des Zacharias (Lk 1,18) als auch die Antwort des Engels (1,19 f) werden ausgebaut und die Ausführungen des Gabriel interessanterweise mit einem Hinweis auf den Seher und Traumdeuter Daniel versehen; leider wird dies nicht ausgeführt. Es wird Bezug genommen auf Dan 8,15–26, wo der Erzengel dem Seher Verstehenshilfe gibt und das Gesehene als Wahrheit qualifiziert. So wie Gabriel damals die Zukunft offenlegte, verkündigt er sie auch jetzt. Zwar erscheint der Verweis auf Daniel an dieser Stelle nicht unbedingt zwingend, dennoch wird so die lukanische Geburtsgeschichte um die genannte Traumthematik bereichert.

2.2.7 „An Encomium on Saint John the Baptist“ unter dem Namen des Johannes Chrysostomos 2.2.7.1 Kurze Einführung in die Schrift Budge edierte und übersetzte diesen vollständig erhaltenen koptischen Text 1913,777 wenn dessen Ausgabe von Till auch stark bemängelt wird.778 Letzterer erstellte in dem oben, beim Pergamentblatt K 9403 schon herangezogenen Aufsatz eine eigene deutsche Übersetzung, aus der hier auch zitiert wird.779 Unsere Handschrift trägt eine Datierung, die dem 10.2.987 n. Chr. entspricht.780 Till bezeichnet den Text als den interessantesten „der bisher bekannt gewordenen koptischen Texte über Johannes den Täufer.“781 Der Text berichtet verschiedene Episoden aus dem Leben des Johannes. Dabei wird kanonisches 775 776 777 778 779 780 781

ⲣⲁⲥⲟⲩ. Übersetzung: Till, Johannes, 317 f. Budge (Hg.), An Encomium, 128–145. Till, Johannes, 313. A. a. O., 322–332. A. a. O., 313. Ebd. Boud’hors, Jean-Baptiste, 1559, kann neben Budge (Hg.), An Encomium, und Till, Johannes, allein einen weiteren Literaturhinweis angeben: Winstedt (Hg.), Coptic Fragment, 240–248. Letzterer bietet den koptischen Text (der den folgenden Ausführungen zugrunde liegt) mit englischer Übersetzung, aber so gut wie keine wesentlichen Details zur Schrift, außer einer kurzen Inhaltsangabe (a. a. O., 240).

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Material mit legendarischem bzw. mirakulösem kombiniert. Unter anderem wird in Kap. 20 erzählt, Johannes habe im dritten Himmel seine Arbeitsstätte.782 Der Text beginnt folgendermaßen:783 „Lobrede, die unser heiliger, in jeder Weise geehrter Vater, der heilige Apa Johannes, der Erzbischof von Konstantinopel, der heilige Chrysostomos,784 hielt, zu Ruhm und Ehre des heiligen Johannes des Täufers, des heiligen Vorläufers und Verwandten Christi.“785

2.2.7.2 Traumstelle in der Schrift Wie schon im Prolog angekündigt, wird die (lukanische) Tradition der Verwandtschaft von Johannes und Jesus und damit die Verquickung der beiden Geburtsgeschichten im Text aufgenommen. In diesem Sinne wird in Kap. 16 auch ein kurzer Abriss der (mt) jesuanischen Geburtserzählung gegeben: „Es geschah, als unser Herr Jesus auf die [sic] Erde in einer Herberge in Bethlehem geboren wurde,786 da ereignete sich der Mord der kleinen Kinder durch Herodes, den Ruchlosen. Nachdem der Erzengel Gabriel Josef in einem Traum787 davon Mitteilung gemacht hatte, nahm er (= Josef) den kleinen Knaben Jesus und seine Mutter (und) (17) sie gingen nach Ägypten. Als dann Elisabet in Angst Johannes genommen hatte, floh sie mit ihm in die Wüste788.“789

In dieser Kurzversion der Geburtsgeschichte, die der Nebenrolle, die Jesus in unserem Text einnimmt, entspricht, werden die Träume Mt 1,20; 2,12.19 unterschlagen, der Traum, in dem Joseph nach Ägypten geschickt wird (Mt 2,13), jedoch in einer kurzen Notiz erzählt (Kategorie 1 nach Philo). Die Information, dass es sich im Traum um den Erzengel Gabriel handelt, folgt den bisher dargestellten Kindheitserzählungen, obwohl der Erzengel Michael in der koptischen Kirche Vorrangstellung genoss.790 Da die Herodesfamilie in unserem Text eine gewisse Rolle spielt (vgl. v. a. Kap. 4), und Elisabeth ebenfalls, wie die heilige Familie, vor Herodes fliehen muss, ist es nicht verwunderlich, dass der Verfasser den oben erwähnten Traum aussuchte, um die Ereignisse zu gestalten. 782 Till, Johannes, 314. 783 Wie im vorangegangenen Abschnitt zum Pergamentblatt K 9403 werden auch hier die griechischen Anmerkungen Tills, die in seinem Aufsatz in Klammern gesetzt sind, der besseren Übersichtlichkeit wegen weggelassen. Alle weiteren runden Klammern stammen von Till. 784 S. dazu Brändle/Jegher-Bucher, Art. Johannes Chrysostomos, 426–503. 785 Übersetzung: Till, Johannes, 322. 786 War also doch Platz in der Herberge? Vgl. Preuschen, Jesu Geburt in einer Höhle, 359 f, und daraufhin Förster, Nochmals Jesu Geburt in einer Höhle, 186. 787 ⲣⲁⲥⲟⲩ. 788 Vgl. Gen 16,6 ff. In Protev 23,3 flieht Elisabeth mit Johannes in die Berge. 789 Übersetzung: Till, Johannes, 326. 790 A. a. O., 310.

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2.2.8 Das arabische Kindheitsevangelium 2.2.8.1 Kurze Einführung in die Schrift791 Ein weiteres Kindheitsevangelium, das hier kurz betrachtet werden soll, ist das sog. arabische Kindheitsevangelium (arabK). Es nimmt, ebenso wie die vorige Schrift, den Traum Mt 2,13 auf. Es ist in zwei arabischen (Ms. Or. 350, Bibliotheca Bodleiana, Oxford; Codex Or. 32, Biblioteca Laurenziana, Florenz, auch „Laurentianus“ genannt) und drei syrischen Handschriften überliefert, wobei für die ursprüngliche Version die syrische Tradition primär Relevanz besitzt. Sike gab Ms. Or. 350 als Erster im Jahre 1697 heraus und fügte eine Übersetzung in lateinischer Sprache hinzu,792 die wiederum grundlegend für folgende Ausgaben793, aber auch Arbeiten zum Thema wurde. Die Handschrift zu datieren ist schwierig, vom Inhalt ausgehend ist vorislamische Zeit anzunehmen.794 Vorstellbar ist, dass die Entstehung des Grundstocks der Schrift im 5. Jh. oder eher stattfand.795 Auch zum Ort der Entstehung bzw. zu den Adressaten ist vom Forschungsstand bisher nicht mehr zu sagen, als dass die Schrift in den kirchlichen Osten gehört. Der erste Teil (Kap. 1–9) ist zum großen Teil vom Protev abhängig und thematisiert Jesu Geburt und die frühen Kindheitserzählungen. Der zweite Teil, Kap. 10–35, der u. a. Wunder- und Heilungserzählungen sowie Dämonenaustreibungen enthält, wird zum Grundbestand der Schrift gezählt. Dabei ist die Ausprägung der Mariologie auffallend. Der zweite Teil spielt vor dem Hintergrund des Ägyptenaufenthaltes Jesu und seiner Eltern. Der letzte Abschnitt des Evangeliums (Kap. 36–54) lehnt sich stark an die Kindheitserzählungen des Thomas an: Wunder, die das Kind Jesus vollbringt, sind ebenso Thema, wie seine beeindruckende Klugheit und seine Fähigkeit, mit den Schriftgelehrten zu disputieren. Codex Or. 32 stimmt in den Kapiteln 1–41 im Großen und Ganzen mit der Sike-Edition überein, was Gliederung und Inhalt betrifft. Ab Kap. 42 kompiliert der Verfasser des Laurentianus jesuanisches Gut der vier Evangelien (das Weinwunder in Kana, Jesu Versuchung, die Täuferanfrage, das Händewaschen des Pilatus, Jesu Grablegung und Auferstehung) bis hin zum Pfingstereignis.796 So entsteht ein Abriss des Lebens Jesu, beginnend mit der Kindheit und endend mit

791 S. auch Schneider (Hg.), Kindheitsevangelien, 47–55. 792 Sike (Hg.), Evangelium. 793 So etwa Thilo (Hg.), Codex apocryphus, 63–158; von Tischendorf (Hg.), Evangelia, 181– 209, Josua/Eissler, Kindheitsevangelium, 963 f, mit ausführlicher Literatur 963. 794 A. a. O., 964. 795 Ebd. So auch Schneider (Hg.), Kindheitsevangelien, 55, mit der Einschränkung, dass für die heute vorliegende Kompilation „kaum ein Datum vor dem 6. Jahrhundert wahrscheinlich“ sei. 796 Josua/Eissler, Kindheitsevangelium, 964. Belege der kompilierten Texte bei Genequand, Vie de Jesus, 230–237.

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Pfingsten.797 Codex Or. 32 wurde in Mardin im nördlichen Mesopotamien 1299 abgefasst, und zwar in nordirakischem Arabisch. Dabei ist die Sprache eher volkstümlich, Einflüsse des Islam sind auszumachen.798 In der Forschung wird Ms. Or. 350 der Vorzug gegeben, der Laurentianus wird eher vergleichend hinzugezogen.799 Der im Folgenden zitierte Übersetzungsauszug basiert auf Sikes arabischer Ausgabe von Ms. Or. 350.800

2.2.8.2 Traumstelle in der Schrift Die ersten neun Kapitel bieten Jesu Geburt bis zur Flucht nach Ägypten. Kapitel 9 beginnt damit, dass Herodes feststellen muss, dass die Magier ihn wohl nicht mehr aufsuchen werden. Er befragt seine Gelehrten nach dem Geburtsort des Messias und bekommt die Antwort, dass dies Bethlehem sei: „Da fing er an, die Tötung des Herrn Jesus Christus zu erwägen. Darauf erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum801 und sagte zu ihm: ,Steh auf, nimm den Knaben und seine Mutter und gehe in das Land Ägypten.‘ Da stand er beim Hahnenschrei auf und zog los.“ (Kap. 9).802

Wie in der vorigen Schrift werden alle mt Träume ausgespart, bis auf Mt 2,13 (der der ersten Kategorie nach Philo entspricht). Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen wird ihm der Vorzug gegeben, weil in ihm die äußer(st)e Bedrohung des Jesuskindes durch Herodes thematisiert wird: Der Traum soll einen Ausweg aus dieser Bedrohung zeigen. Der Schutz des Messias steht also im Vordergrund. Zum anderen entspricht die Wahl dieses Traums dem Stellenwert, welcher dem ägyptischen Aufenthalt der heiligen Familie in der Schrift zukommt. Da ein Hauptteil des Evangeliums sich genau diesem Aufenthalt widmet (Kap. 10–25), ist es nur folgerichtig, den Traum aus Mt 2,13 auszuwählen, der ja auch die Funktion hat, diese Reise (und so die folgende Ägyptentradition) zu initiieren. Das Auslassen aller anderen mt Träume und die Fokussierung allein auf Mt 2,13 dürften also kein Zeichen einer Geringschätzung von Träumen sein, sondern genau das Gegenteil.

797 Josua/Eissler, Kindheitsevangelium, 964. 798 A. a. O., 965. 799 Schneider (Hg.), Kindheitsevangelien, 52, zitiert bei Josua/Eissler, Kindheitsevangelium, 965. 800 Ebd. Eine (französische) Übersetzung, welche dem Laurentianus folgt, bietet Genquand, Vie des Jesus, 211–238. Für die folgenden Ausführungen werden die Ausgaben von Sike (Hg.), Evangelium, und Provera (Hg.), Vangelo, zugrunde gelegt. 801 ‫( ﺣﻠﻢ‬hulm). Wehr/Kropfitsch, Wörterbuch, 290, geben als Übersetzung lediglich „Traum“ ˙ an. Im Plural bedeutet der Begriff „Unwirklichkeit, Utopie“ (ebd.). 802 Übersetzung: Josua/Eissler, Kindheitsevangelium, 967.

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2.3 Auszüge aus anderen Kindheitserzählungen mit negativem Traumbefund Kurz sollen noch Auszüge aus Kindheitserzählungen wiedergegeben werden, die der mt Version folgen, das Stichwort des Traumes aber prinzipiell auslassen (einige Negativbefunde wurden ja bisher schon konstatiert).

2.3.1 Kindheitserzählung Jesu in der „Himmelfahrt des Jesaja“803 2.3.1.1 Kurze Einführung in die Schrift804 Diese eigentlich zur apokalyptischen Literatur zu rechnende Schrift AscJes ist vermutlich jüdischen Ursprungs und enthält größere christlich interpolierte Abschnitte. Zwei große Teile lassen sich ausmachen: das Martyrium Jesajas, welches die ersten fünf Kapitel beinhaltet, und die Vision Jesajas, vom sechsten bis zum elften Kapitel. Wandrey geht bezüglich der Ursprache des ersten Teils von Hebräisch aus, als Abfassungsort gibt sie Palästina an; die Vision wurde ursprünglich auf Griechisch verfasst, ohne dass zum Entstehungsort Genaueres gesagt werden kann.805 Sie ist im 2. Jh. entstanden. Die Endredaktion der Gesamtschrift ist ins 3.–4. Jahrhundert zu datieren. Die Schrift als Ganze ist lediglich als Übersetzung auf Äthiopisch überliefert, die wohl aus Spätantike oder frühem Mittelalter stammt.806 Weiterhin existieren Fragmente auf Lateinisch und Griechisch; zur Vision sind lateinische und altslawische Versionen überliefert.807 Neben der (christlichen) Vision existiert auch im Martyrium eine längere christliche Einfügung, die in 3,13–4,22 zu finden ist und als „Testament Hiskijas“ bezeichnet wird. Dieser Zusatz stammt wohl aus dem ausgehenden ersten Jahrhundert. Von ihm abgesehen entspricht der erste Teil der Schrift „eine[r] jüd. Märtyrerlegende, die in die Zeit der Religionsverfolgung unter Antiochus IV. Epiphanes zurückreicht“ und ins zweite oder erste vorchristliche Jahrhundert datiert wird.808 Es mehren sich allerdings die Stimmen, die die ganze Schrift als ursprünglich christlich und nicht als christliche Überarbeitung verstehen, bzw. die einen gewissen Entstehungsprozess annehmen, der 803 Den Text bietet Norelli u. a. (Hg.), Ascensio Isaiae (diese Ausgabe liegt den folgenden Ausführungen zugrunde); den Kommentar bietet Norelli, Commentarius. 804 Als Literatur sei der Aufsatzband Bremmer u. a. (Hg.), Ascension, genannt. 805 Wandrey, Art. Himmelfahrt, 1754. 806 Ebd. „In der äthiopischen Überlieferungsgestalt stellt der Text in den Handschriften oft eine Art Anhang zum Jesajabuch dar, gilt aber nicht als kanonisch.“ (Frenschkowski, Sukzession, 277). 807 Wandrey, Art. Himmelfahrt, 1754. Vgl. Müller, Himmelfahrt, 548. 808 Wandrey, Art. Himmelfahrt, 1754.

Auszüge aus anderen Kindheitserzählungen mit negativem Traumbefund

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aber mehrheitlich aus einer (christlichen) Hand stamme. Dabei wird die Entstehung ins 1–2. Jh. n. Chr. datiert.809 Die Hauptfigur der Schrift, der Prophet Jesaja, wird zum bedeutendsten der Propheten, sogar vor Mose, stilisiert (s. AscJes 3,8 f).810 Hebr 11,37 scheint den Stoff des Martyriums Jesajas zu kennen und auf ihn anzuspielen.811 Der Abschnitt AscJes 4,2–49 ist im Übrigen ein Beispiel für die christliche Rezeption der Sage des Nero Redivivus.812 2.3.1.2 Auszüge aus der Schrift Die für uns wichtige Stelle findet sich in Kap. 11, also im letzten Kapitel des Buches bzw. der Himmelfahrt des Jesaja. Schon vorher klingt immer wieder an, dass Jesajas Visionserlebnisse813 mit gewissen Arten von Trancezuständen einhergehen, in denen sich der Prophet befindet und die eine Verwandtschaft mit dem Schlaf zu haben scheinen (wenn auch nie von Schlaf die Rede ist, auch nicht in der Hauptvision in 7–11): Er sieht die Umstehenden nicht (5,7; 6,10), obwohl er die Augen geöffnet hat (5,7; 6,11). In 5,7 wird außerdem gesagt, dass der Prophet völlig in ein göttliches Gesicht vertieft und in sich gekehrt sei. In 6,11 sieht er mit offenen Augen, kann jedoch nicht sprechen und hat kein Körpergefühl mehr bzw. befindet sich in einem Zustand der Körperlosigkeit, „aber sein Odem war [noch] in ihm, denn er sah ein Gesicht“ (6,12).814 In 6,17 heißt es wiederum, dass „das Wissen um diese Welt ihm genommen und er wie ein Toter war.“815 In 8,27 (also innerhalb der ausführlichen Hauptvision) formuliert der Prophet zudem den Wunsch, nicht in seine fleischliche Hülle zurückkehren zu müssen, weil er von den prachtvollen Himmeln so beeindruckt ist, was ihm aber verwehrt wird. Kommen wir nun zu dem für uns relevanten Abschnitt in Kap. 11: Der Prophet berichtet, was er sieht, der Engel, welcher bei ihm ist, fordert ihn auf, Acht zu geben (11,1). Jesaja schaut in dem Gesicht Maria, ihre Jungfräulichkeit, die Verlobung mit Joseph, dessen Beruf und dass beide Nachkommen Davids seien (11,2). Maria wird schwanger und Joseph will sich heimlich davonmachen (11,3). Dann heißt es: „(11,4) Aber der Engel des Geistes erschien in dieser Welt 809 Frenschkowski, Sukzession, 276 f mit Literatur. Metzner, Die Prominenten, 602, etwa datiert ins letzte Drittel des 1. Jh. n. Chr. Vgl. aber Müller, Himmelfahrt, 548 f. Der Überlieferungsgeschichte kann hier nicht tiefergehend nachgegangen werden, da sie für unsere Fragestellung auch keine entscheidende Rolle spielt. 810 Vgl. Frenschkowski, Sukzession, 277. 811 Flemming/Duensing, Himmelfahrt, 454. 812 Metzner, Die Prominenten, 602. Vgl. Witulski, Johannesoffenbarung, 16. S. zur Sage Frenschkowski, Art. Nero, 856–864. 813 Zum Thema Visionen in der AscJes sind v. a. folgende Abschnitte zu nennen: 3,13–4,18; 6,10–16; 7,2–11,35. 814 Übersetzung: Müller, Himmelfahrt, 554. Die Klammer stammt von ebd. 815 Übersetzung: a. a. O., 555.

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und danach verließ Joseph Maria nicht und bewahrte sie; und er offenbarte aber niemand diese Angelegenheit.“816 Dies bewirkt bei Joseph einen Sinneswandel: Er schützt und birgt Maria wie eine Heilige (11,5). Nach zweimonatigem Zusammenwohnen (11,6) hat Maria, während sie mit ihrem Mann zu Hause ist, ein Gesicht, worauf sie mit Bestürzung reagiert: Sie sieht ein kleines Kind, wobei extra betont wird, dass dies mit offenen Augen geschieht (11,7 f). Maria kommt wieder zu sich und nimmt wahr, dass ihr Leib in den vorschwangerschaftlichen Zustand zurückversetzt ist (11,9). Joseph reagiert: „(11,10) Und als ihr Mann Joseph zu ihr sagte: ,Was macht dich bestürzt?‘, wurden seine Augen geöffnet, und er sah das Kind und pries Gott, daß der Herr zu seinem Anteil gekommen sei. (11,11) Und eine Stimme kam zu ihnen: ,Erzählt dieses Gesicht817 niemand.‘“818

Gerüchte über eine mögliche Geburt Marias nach nicht einmal zwei Monaten Ehe laufen in Bethlehem um. Andere bemerken, dass sie keine Hebamme zu Maria haben gehen sehen, auch hätte man keinen Schrei wahrgenommen. Jeder im Ort weiß von dem Kind, aber niemand kann die Vorgänge einordnen noch das Woher des Kindes erklären (11,12 ff). Joseph und Maria hingegen ziehen nach Nazareth (11,15), das Kind wird von ihr gestillt „wie ein Säugling und wie es Sitte war, um nicht erkannt zu werden.“819 (11,17). Ein ausführender Satz, der kurz und summarisch das spätere wundersame und vollmächtige Handeln des erwachsenen Jesus erwähnt (11,18), beendet den Abschnitt. Es folgt der Bericht über Jesu Passion, Auferstehung und Himmelfahrt durch alle sieben Himmel, bis er zur Rechten Gottes Platz nimmt. Jesaja kehrt in seinen Leib zurück und wird schließlich ermordet (11,19–41). Wir haben hier die (Geburts-)Geschichte Jesu aus einer ganz eigenen Perspektive vorliegen. Das Motiv seines Verborgenbleibens soll hier vernachlässigt und der Blick noch einmal auf die Eltern Jesu gerichtet werden. Folgt man der Datierung von Wandrey, so setzt die hier beschriebene Geburtsgeschichte die synoptischen Evangelien voraus und ist entsprechend gestaltet: als Komposition lk und mt Teile (Lk 1,27 und Mt 1,18 ff; die Ägyptentradition wird nicht berücksichtigt). Der Verfasser unterschlägt jedoch Mt 1,20–23, und damit den Bericht vom Traum des Joseph. Es wird nur summarisch erzählt, dass ihm ein Engel erschienen sei. Warum diese Auslassung? Möglicherweise passte eine Traumerzählung nicht zu dem visionären Charakter der Schrift und hätte eine zu große Spannung gegenüber den Gesichten des Jesaja erzeugt. Stattdessen finden wir die Einfügung des Gesichts und der Audition in 11,8 ff. Ersteres bleibt zudem rätselhaft. Die Notiz in 11,9, dass Marias Leib wieder wie zur Zeit 816 Übersetzung: a. a. O., 560. 817 Diese Stelle ist uns nur äthiopisch und lateinisch überliefert. Im Äthiopischen steht das Wort ረእየ, was Leslau, Dictionary, 458, u. a. mit „see“, „observe“, „look“, „notice“ und „have a vision“ übersetzt; in der lateinischen Überlieferung steht visio. 818 Übersetzung: Müller, Himmelfahrt, 560. 819 Übersetzung: a. a. O., 561.

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vor der Schwangerschaft transformiert wird, und die Bemerkungen der Leute in 11,14 scheinen eher darauf hinzudeuten, dass das Kind in dem Gesicht auch gleichzeitig das reale Jesuskind darstellt.

2.3.2 Auszug aus dem Leben Johannes des Täufers 2.3.2.1 Kurze Einführung in die Schrift Die Schrift mit dem Titel Vita Ioannis Baptistae (VitIoan) ist dem Grundbestand nach eine Predigt anlässlich der Weihe einer Johanneskirche in Alexandria. Sie wurde erst im Jahr 1927 veröffentlicht. Der Text ist in zwei Handschriften überliefert (Mingana820 Syr. 22, erstes Drittel des 16. Jh., genauer: 1527; Mingana Syr. 183, aus dem 18. Jh., beide Rendel Harris Library Birmingham). Die erste Handschrift hatte wohl ägyptische, die zweite syrische Adressaten. „Als Autor läßt der Text selbst den ägyptischen Bischof Serapion aus der Zeit des alexandrinischen Patriarchen Theophilus (385–412) erscheinen.“821 Mingana datiert die Schrift, u. a. wegen einer Erwähnung von Theodosius dem Großen, in die Jahre 385–395. Als Entstehungsort vermutet er Ägypten, als ursprüngliche Sprache Griechisch. Inhaltlich wird die Vita des Johannes, beginnend mit seiner Geburtsankündigung, beschrieben, die mit seiner Enthauptung nicht endet. Stattdessen wird in mirakulösen Episoden erzählt, was das abgetrennte Haupt und der Leichnam des Täufers noch getan haben. Die ersten fünf Kapitel lehnen sich an die Erzählungen des Protev an und nehmen Material der synoptischen Kindheitserzählungen (Mt 2/Lk 1) auf. Grundsätzlich vermittelt die Schrift einen lebendigen Eindruck der Volksfrömmigkeit koptischer Christinnen und Christen des ausgehenden 4. Jh.822

2.3.2.2 Auszug aus der Schrift Nach einem liturgisch gefärbten Prolog und der Wiedergabe von Stoffen aus Lk 1 folgt der für uns relevante Absatz: Zunächst wird vom Heranwachsen des Johannes gesprochen, dass er eine behütete Kindheit gehabt und Elisabeth ihn die ersten zwei Jahre gestillt habe, seine göttliche Begnadung und Geistbegabung wird erwähnt (S. 263/Kap. 5). Nun wird Jesus und seine Geburt in Bethlehem thematisiert; die Magier erscheinen und fragen nach dem neuen 820 Benannt nach dem Theologen, Orientalisten und Erstveröffentlicher Alphonse Mingana. Der von ihm herausgegebene Text ist in sog. Garschuni, also arabischer Sprache, welche in syrischen Schriftzeichen niedergeschrieben ist, verfasst, Josua/Eissler, Leben Johannes des Täufers, 1013 mit Anm. 1. 821 Ebd. 822 A. a. O., 1013 f.

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jüdischen Herrscher (S. 263/Kap. 5)823, berichten von der Sichtung des Sternes und ihrer Absicht der Anbetung. Herodes erfährt von den Magiern von dem neuen König und vermeintlichen Konkurrenten und beschließt seine Ermordung (S. 264/Kap. 5). Nun heißt es weiter (S. 264/Kap. 6): „Sogleich erschien der Engel des Herrn Joseph und sprach zu ihm: ,Steh auf, nimm den Knaben und seine Mutter und fliehe in das Land Ägypten und sei dort, bis ich es dir sage.‘“824 Die gegen Jesus beschlossene Tötungsabsicht des Herodes scheitert an der Unauffindbarkeit des Kindes. Der König begeht daraufhin den Kindermord von Bethlehem (S. 264/Kap. 6). Nach der Thematisierung des Johannes schwenkt der Verfasser also auf die mt Geburtsgeschichte Jesu über. Dabei unterschlägt er sämtliche mt Traumstellen und gibt allein – wie im arabischen Kindheitsevangelium – Mt 2,13, allerdings als Erscheinungserzählung, wieder, ohne weitere Details über die Umstände derselben anzugeben. 2.3.3 Die Kindheitserzählungen des Thomas825 2.3.3.1 Kurze Einführung in die Schrift Die letzte hier genannte Schrift ist in den Handschriften unter verschiedenen Namen bekannt. Im Proömium wird sie dem Apostel Thomas, als einem der zwölf Jünger, (sekundär) zugeschrieben. Die älteste Version hat vermutlich anonym begonnen. Die Textgeschichte des EvInfThom ist außerordentlich komplex; zu unterscheiden sind hier mit Klauck folgende Versionen: Fassung A (Griechisch, Kap. 1–19), Fassung B (Griechisch, kürzer als A, enthält Sonderlesarten) sowie Fassung C (Griechisch, schließt eine Lücke, welche sich in A zwischen 6,2 und 6,3 auftut). Es existieren weiterhin eine slawische Übersetzung sowie Übersetzungen auf Syrisch, Georgisch, Äthiopisch. Letztere sind zum Teil sogar älteren Datums als die auf Griechisch abgefassten Handschriften, aus welchen sich Fassung A speist und die ins 15. Jh. datiert werden müssen. Die Kindheitserzählungen präsentieren einzelne Ausschnitte aus der Kindheit des heranwachsenden Jesus (etwa vom fünften bis zum zwölften Lebensjahr). Dieser vollführt erstaunliche Wunder (z. B. 2,4; 3,2 f; 10) und disputiert mit jüdischen Gelehrten, welchen er stets deutlich überlegen ist (z. B. 19,2 ff). Dabei stellen die Erzählabschnitte meist in sich abgeschlossene Texte dar.826 „Übergreifende Linien werden eher mühsam hergestellt durch die Al823 Die Seitenangaben folgen nach a. a. O., 1014, der Ausgabe von Mingana (Hg.), New Life of John, 261–285; die Kapitelangaben folgen Schneider (Hg.), Kindheitsevangelien, 75 f. 824 Übersetzung: Josua/Eissler, Leben Johannes des Täufers, 1014. 825 Als Literatur seien genannt de Santos Otero, Evangelium; ders., Apokryphen, Bd. 2, 49–54; Baars/Heldermann, Materialien (1993), 191–226; dies., Materialien (1994), 1–32; Chartrand-Burke, Gospel, 101–119. 826 Klauck, Evangelien, 99. Die Schrift bietet nicht nur außerordentlich kuriose Erzählungen,

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tersnotizen, durch die mehrfache Betonung der Wirksamkeit von Jesu Wort und durch die Wiederholung bestimmter Motive.“827 Ohne Bedeutung ist – im Gegensatz etwa zum Protev – das AT; an neutestamentlichem Stoff findet lediglich Lk 2,41–52 direkte Aufnahme. Unschwer ist zu erkennen, dass das EvInfThom versucht, die lk „Leerstelle“ zwischen Lk 2,39 und 2,42 zu füllen und die Frage nach den Kindheitsjahren Jesu bis zum zwölften Lebensjahr zu beantworten (d. h., Lk 2,40 auszubauen).828 Dennoch finden sich ntl. Anklänge, etwa in teilweiser Nachahmung der dortigen Wunder bzw. Totenauferweckungen; der Aufbau der ntl. Wundergeschichten wird z. T. übernommen. Als Abfassungszeitraum wird in der Forschung das 2.–5. Jh. diskutiert; der Grundbestand gehört wohl aber ins ausgehende 2. Jh.829

2.3.3.2 Auszug aus der Schrift Wichtig für uns ist die Fassung C830 aus dem 15. Jh., wobei der folgende Abschnitt neben C auch von einer lateinischen Übersetzung bezeugt wird,831 jedoch sicherlich nicht zum ältesten Textbestand gehörte.832 Der folgende Textabschnitt zeigt Beeinflussung durch Protev 25.833 Herodes versucht, das Jesuskind zu finden (0,1). Dann heißt es (0,1): „Da sprach ein Engel des Herrn zu Joseph: ,Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter und flieh aus dem Gesichtskreis des Herodes nach Ägypten. Denn sie suchen das Kind, um es zu töten.‘“834 Im selben Abschnitt wird noch gesagt, dass das Alter Jesu bei der Ankunft in Ägypten zwei Jahre betrug. Es folgen nun Anekdoten in Ägypten; in 0,8 geht es wieder nach Judäa: „Ein Engel des Herrn aber begegnete Maria und sagte zu ihr: ,Nimm das Kind und geh fort in das Land Judaea! Denn die, die nach dem Leben des Kindes trachteten, sind gestorben‘“.835 Die Familie kehrt wieder heim (0,8). Wie in VitIoan und dem arabischen Kindheitsevangelium wird Mt 2,13 aufgenommen und zusätzlich noch 2,20. Dabei wird bei letztgenannter Stelle

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sondern auch ein schon bizarr anmutendes Jesusbild, denkt man nur an die Verfluchung des Jungen durch Jesus, der daraufhin zu Tode kommt (4,1). Klauck, Evangelien, 99 f. An anderer Stelle muss beantwortet werden, warum die Schrift nicht (auch) die Jugendjahre und frühen Erwachsenenjahre Jesu beleuchtet, die möglicherweise von noch viel größerem Interesse wären, vgl. a. a. O., 99. A. a. O., 100. Von Kaiser/Tropper, Kindheitserzählung, 932, als Handschrift Gath bezeichnet. Ediert bei Delatte (Hg.), Anecdota, 264–271 (gefunden bei Kaiser/Tropper, Kindheitserzählung, 930). Vatikanisches Manuskript Reg. 648. Ediert bei von Tischendorf (Hg.), Evangelia, 164–180 (gefunden bei Kaiser/Tropper, Kindheitserzählung, 932 f mit Anm. 15). Klauck, Evangelien, 99; s. o. Kaiser/Tropper, Kindheitserzählung, 943, Anm. 96. Übersetzung: a. a. O., 943. Übersetzung: a. a. O., 944.

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Joseph durch Maria, als die Weisung empfangende Person, ersetzt. Ähnlich wie in VitIoan werden die Botschaften des Engels mitgeteilt, ohne dass mehr über die Umstände der Begegnungen gesagt würde – werden die Weisungen im Traum mitgeteilt oder in einer Vision? Oder handelt es sich gar um real gedachte Begegnungen mit dem Engel? Der Verfasser hatte offensichtlich kein Interesse daran, dies zu spezifizieren. Entweder hielt er es für unnötig oder er wollte das Medium des Traums gar vermeiden. 2.3.4 Zusammenfassung zu den Kindheitserzählungen Die Kindheitserzählungen gruppieren sich inhaltlich hauptsächlich um die synoptischen Kindheitstraditionen über Johannes den Täufer und Jesus, mit dem Ziel, diese aus- oder umzugestalten bzw. vorhandene Lücken zu füllen. Dabei werden z. T. sehr ausgefallene Stoffe verarbeitet. Vor allem das Protevangelium des Jakobus bildet die Grundlage für mehrere Schriften (so v. a. für die Geschichte von Joseph dem Zimmermann, das Pseudo-Matthäusevangelium, das arabische Kindheitsevangelium und die Kindheitserzählungen des Thomas). Die dargestellten Schriften weisen starke koptische Überlieferungszweige auf. Traumvokabeln hier sind ⲣⲁⲥⲟⲩ und ⲭⲟⲣⲁⲙⲁ, die analog zu ὄναρ und ὅραμα verwendet werden. Ⲭⲟⲣⲁⲙⲁ bezeichnet auch hier v. a. den konkreten Inhalt des Traumes, ⲣⲁⲥⲟⲩ hingegen das „Setting“ des Traumzustandes. Als äthiopische Traumvokabel ist ረእየ zu nennen, als arabische ‫ﺣﻠﻢ‬. Im griechischen Protevangelium wird ὄναρ benutzt, in den Pilatusakten dagegen ὀνειροπόλημα, was die einzige Nennung in den in dieser Arbeit herangezogenen Schriften darstellt. Die lateinischen Schriften, v. a. das PsMt, verwenden die Begriffe somnium und visio, wobei im PsMt der Traum mehrere Male durch somnus ersetzt wird. Letztgenannte Schrift bietet außerdem das Motiv der „verborgenen Epiphanie“: Joseph befürchtet, dass Maria von einem Mann geschwängert worden sein könnte, der sich als Gottheit ausgab. Im größeren Teil der Kindheitsgeschichten werden die Träume aus Mt 1 f, allerdings in völlig unterschiedlicher Auswahl, aufgegriffen und (wenn auch i.d.R. schwach) gestaltet, meistens jedoch eher gekürzt. Eine einheitliche Herangehensweise, welche der Träume aufgenommen und welche nicht übernommen werden, lässt sich nicht feststellen. Einen Vorzug scheinen aber Mt 1,20 und 2,13 zu genießen; Mt 1,20 wird in Protev 14,2; PsMt 11,1; HistIos 6,1; 17,5 aufgenommen und Mt 2,13 in „An Encomium on Saint John“ 16 f; arabK 9. Einige Schriften, so die AscJes, die VitIoan sowie das EvInfThom, lassen sämtliche mt Träume aus bzw. geben die Traumberichte in allgemeinerer Form wieder (Mt 1,20 in AscJes; Mt 2,13; 2,19 f in VitIoan und EvInfThom) und vermeiden den Begriff des Traums; auch dieser Negativbefund muss festgehalten werden, ohne dafür letztlich schlüssig begründete Erklärungen benennen zu können.

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Der Kölner Mani-Kodex

Aus den Kindheitserzählungen heraus stechen vor allem die Pilatusakten, die den Traum der Frau des Pilatus aus Mt 27,19 aufnehmen, letztlich aber ein zwiegespaltenes Verhältnis zu Träumen als Weissagungen offenbaren. Hier taucht, vertreten durch die Juden, der Vorwurf der Traumsendung (Oneiropompeia) auf – ein Motiv, das in der antiken Magie große Bedeutung genoss. Am häufigsten ist in den Kindheitserzählungen Traumkategorie 1 nach Philo zu konstatieren. Dies hat seinen Grund in der Darstellung der Träume in Mt 1 f, die kaum oder zumindest nur einfach gestaltet und auf die knappe Mitteilung der Traumbotschaften ausgerichtet sind. Das führt zur Frage nach der Funktion der Träume in den Kindheitserzählungen: Gott vermittelt, meist durch einen Engel, kurze Anweisungen an die Träumenden, die etwa den Gang der Magier zu Herodes verhindern (PsMt) oder die Flucht nach Ägypten initiieren sollen (HistIos; „Encomium“; arabK), aber auch Joseph anweisen, Maria zu sich zu nehmen und nicht zu verstoßen (Protev; PsMt [hier außerdem auf Joachim und Anna bezogen]; HistIos). Außerdem offenbart der Engel dem Joseph, welche heilsgeschichtliche Rolle das ungeborene Kind einnehmen wird (Protev; PsMt [hier auch auf den ungeborenen Johannes bezogen]; HistIos). Im Pergamentblatt K 9403 wird hingegen durch Gabriel dem Zacharias die Geburt des Johannes angekündigt. Auch in HistIos und dem „Encomium“ wird der Engel mit Gabriel identifiziert, was die Bedeutung des jeweiligen Traumes unterstreicht – schließlich ist der Überbringer ein Erzengel. Dennoch muss – insgesamt gesehen – resümiert werden: Ähnlich wie in den Apostelakten und Pseudoklementinen wird das Phänomen und Gestaltungsmittel „Traum“ in den Kindheitsgeschichten ambivalent behandelt bzw. bewertet. Es dient, analog zu den Träumen in Mt 1 f, zur kurzen Mitteilung, wenn auch (im wahrsten Wortsinn) wegweisender Informationen und zum punktuellen Einfall des Göttlichen in die menschliche Welt.

2.4 Der Kölner Mani-Kodex 2.4.1 Kurze Einführung in die Schrift836 Der Mani-Codex (CMC) liegt in der Papyrussammlung der Universität Köln. Es handelt sich bei ihm um einen nur unvollständig erhaltenen Pergamentcodex in griechischer Sprache, der ein Format von lediglich 3,5 × 4,5 cm besitzt. Jede Seite enthält 23 Zeilen; die Höhe der Buchstaben umfasst weniger als einen 836 Als Bibliographien zur Schrift seien genannt: van Oort, Mani Codex, 22–30; Mikkelsen, Bibliographia Manichaica. Ferner seien genannt: Römer, Manis frühe Missionsreisen (Kommentar der Seiten 121–192); Frankfurter, Apocalypses Real, 60–69.

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Millimeter.837 Möglicherweise wurde der Text vor dem Hintergrund der Verfolgung der Manichäer im 5. Jh. als Amulett getragen.838 Schenke bezeichnet ihn als eine „(aus lauter Jüngerzitaten zusammengesetzte) hagiographische Selbstbiographie des jungen Mani“.839 Als Fundort wird Oberägypten vermutet; die Herausgeber datieren den Kodex ins 4./5. Jh., sie nehmen jedoch Griechisch nicht als die Originalsprache an; es handele sich vielmehr um eine Übersetzung aus dem Ostaramäischen.840 Der Kodex ist, was seine Identität und seinen Inhalt angeht, seit 1969 bekannt. Er ist ein Hauptgrund für den erneuten Aufschwung der Mani-Forschung.841 Durch ihn bestätigt sich der Manichäismus als eine Manifestation des Judenchristentums.842 Der Titel des Kodex lautet Περὶ τῆς γέννης τοῦ σώματος αὐτοῦ. Die Schrift wurde von einem unbekannten Autor, vermutlich im ersten Drittel des 4. Jh., aus unterschiedlich großen Textblöcken kompiliert. Jeder Abschnitt trägt als Gewährsmann einen oder mehrere Namen, unter denen dieser zitiert wird. Dabei beinhalten die Exzerpte zum großen Teil Aussagen Manis, die autobiographisch geprägt sind. „Die Gewährsmänner hatten gesammelt und in ihren eigenen Werken berichtet, was sie über das Leben ihres Religionsstifters und über seine Selbstaussagen erfahren hatten. Das stellte der Kompilator […] zu einer chronologisch fortlaufenden, fast fugenlosen Biographie zusammen“.843 Der Kodex ist in der Ich-Form geschrieben.844 Konkret geht es in ihm um den Lebensabschnitt des Eintritts des Mani in die ( judenchristliche) elchasaitische Täufersekte845, der in seinem vierten Lebensjahr 219/220 erfolgte, um sein Leben in dieser Gemeinde, seinen Gemeindeaustritt sowie die ersten Missionsreisen, welche Mani u. a. nach Persien, Indien und Armenien führten. Der CMC endet mit einer Audienz des Mani vor dem persischen König Schapur I. (Beginn des Jahres 242).846 Die Schrift ist konzentrisch aufgebaut und besteht aus mehreren Lagen („onionskin“)847: Part 1 (S. 2–14)848 und Part 5 (S. 116–192) stehen pa837 Koenen/Römer, Religion, 39. Janssen, Art. Mani, 1, bezeichnet ihn „als das kleinste Buch der Antike“, so auch Koenen/Römer, Religion, 39. Wahrscheinlich umfasste die Schrift mehrere Bände; uns sind nur 192 Seiten erhalten, Koenen/Römer, Religion, 40. 838 Ebd. 839 Schenke, Mani-Kodex, 821. 840 Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex, XV. Vgl. dies., Religion, 39. Die genannte Ausgabe Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex, liegt der unten aufgeführten Übersetzung zugrunde. 841 Schenke, Mani-Kodex, 821. 842 van Oort, Art. Manichäismus, 734. 843 Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex, XV–XVI. 844 Koenen/Römer, Religion, 37. 845 S. dazu van Oort, Art. Elkesaiten, 1227 f. 846 Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex, XVIII–XIX. „Mani ist auf den ersten noch vorhandenen Seiten bereits vier Jahre alt […]. Der Text bricht ab, als er im 25. Lebensjahr steht. […] Der Text bricht in dieser Übersetzung zunächst bei Manis Einschiffung nach Indien ab. […] Nur noch eine letzte Textstelle mit Manis Rückkehr nach Babylonien erscheint in wörtlicher Übersetzung.“ (Koenen/Römer, Religion, 40 f). 847 Cameron/Dewey, Mani Codex, 3.

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Der Kölner Mani-Kodex

rallel zueinander, ebenso Part 2 (S. 14–72) und Part 4 (S. 99–116). Das Zentrum bildet Part 3 (S. 72–99). In Part 1 geht es um Mani zwischen seinem vierten und zwölften Lebensjahr. Part 2 beinhaltet verschiedene Epiphanien, die Behandlung diverser Fragen existenziellen Inhalts sowie Dialoge und Reden zum Thema Offenbarung. Part 3 thematisiert Manis Auseinandersetzung mit den Täufern. Auch tritt er hier das erste Mal als Verkündiger seiner Lehre auf. Part 4 berichtet weiterhin von den Streitgesprächen Manis mit der Täufersekte, seiner endgültigen Trennung von ihnen, von Zwiegesprächen zwischen ihm und dem Syzygos sowie vom Beginn seiner Mission. Part 5 behandelt schließlich die erste Missionsreise Manis.849 Neben einem Traum präsentiert der CMC mehrere Visionen bzw. Erwähnungen des Stichwortes Vision (S. 77 ff; 94 ff; 99; vgl. 90), die hier aber vernachlässigt werden sollen. Eine fundierte Einführung in das Leben Manis und den Manichäismus kann an dieser Stelle nicht geleistet werden.850 Nur die wichtigsten Informationen seien genannt. Der Manichäismus stellt die einzige antike Religion dar, die von ihrem Gründer als eine bewusst überregionale gestaltet wurde. Mani wurde am 14. April 216 nahe Selekeia bzw. Ktesiphon, das am Tigris gelegen ist, geboren. Er wuchs in der Gemeinschaft der Elchasaiten auf, von denen er sich ca. im Jahr 240 trennte. Vorangegangen war eine persönliche Offenbarung Manis. Er gründete eine Gemeinde und unternahm, wie schon gesagt, Missionsreisen Richtung Osten, bis nach Indien. Um das Jahr 242 hielt er sich am Hofe des Königs Schapurs I. auf, von welchem er protegiert wurde. Von hier aus entsandte Mani Jünger zur Gründung von Gemeinden nach Ägypten, Parthien und Syrien. Unter der Herrschaft des Königs Bahra¯ms endete seine Ära; er wurde gefangen genommen und starb in der Gefangenschaft am 14. oder 28. Februar 276. Seine Jünger deuteten seinen Tod als Kreuzigung, vermutlich wurde sein Leichnam an einem Kreuz zur Schau gestellt. Die wichtigsten Schriften Manis lauten: das „Große/Lebendige Evangelium“, der „Schatz des Lebens“, das „Buch der Mysterien“, die „Pragmateia“ sowie das „Buch der Giganten“.851 2.4.2 Traumstelle in der Schrift Wir befinden uns in Kapitel IV852. Koenen/Römer geben diesem Abschnitt die Überschrift „Manis Auseinandersetzungen mit den Täufern853 und sein erstes 848 Die angegebenen und unten folgenden Seitenzahlen, die der Ausgabe Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex, entnommen sind, stellen natürlich die Seitenzahlen des antiken Textes dar. 849 Cameron/Dewey, Mani Codex, 3 f. 850 S. dazu Rudolph, Art. Mani, Manichäer, 811 ff; Janssen, Art. Mani; Hutter, Art. Manichäismus, 6–48; van Oort, Art. Mani, 731 f; ders., Art. Manichäismus, 732–741. 851 Rudolph, Art. Mani, Manichäer, 811 f. 852 Kapiteleinteilung nach Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex. 853 Gemeint sind natürlich die Elchasaiten. S. dazu Luttikhuizen, Art. Elchasaiten; ders., El-

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Traumstellen in den christlichen Apokryphen

Auftreten als Verkünder seiner neuen Lehre“.854 Mani befindet sich im Konflikt mit der Täufersekte und ihrer Lehre, der er von Kindheit an angehörte (s. o.). Das Thema ist die Reinheit des Körpers. Mani kritisiert Reinheitsvorschriften der Täufer, die das Essen taufen855 und sich auch täglich selbst einer Taufe unterziehen (S. 80–85). Es gehe aber nach ihm – gut manichäisch – um die „Reinheit durch die Gnosis, d.i. die Trennung des Lichtes von der Finsternis“ (S. 84).856 Nun folgen ab Mitte der S. 85 die Reaktionen der Täufer:857 „Nachdem ich dies zu ihnen gesagt hatte und ich zunichte gemacht und entkräftet hatte jenes, worin sie eifrig waren, rühmten mich aber einige von ihnen, indem sie über mich staunten, und betrachteten mich als Führer und Lehrer. Es entstand aber viel Geflüster in jener Lehre wegen mir. (S. 86) Einige von ihnen aber hielten mich für einen Propheten und Lehrer, und einige von ihnen sprachen: ,Das lebendige Wort wird durch ihn vorgetragen: Wir wollen ihn zum Lehrer unserer Lehre machen!‘ Andere aber sprachen: ,Hat etwa eine Stimme zu ihm im Verborgenen gesprochen und sagt er, was sie ihm offenbart hat?‘ Und die einen sagten: ,Ist ihm etwa im Traum etwas erschienen,858 und sagt er, was er gesehen859 hat?‘ Andere aber sprachen: ,Ist dieser denn vielleicht, über den unsere Lehrer weissagten, indem sie sprachen: ›Es wird sich ein Jüngling erheben aus unserer Mitte und ein neuer Lehrer wird (S. 87) herzutreten, um unsere ganze Lehre zu verändern.‹ So haben unsere Vorväter über die Ruhe des Kleides gekündet.‘860 Andere aber sprachen: ,Ist es etwa Irrtum, der in ihm redet und will er unser Volk irreführen und die Lehre entzweien?‘ Andere aber von ihnen wurden erfüllt von Missgunst und Zorn, von welchen einige für (meinen) Tod stimmten. Andere aber sprachen: ,Dieser ist der Feind unseres Gesetzes.‘“861

Im Folgenden setzt sich die Auseinandersetzung fort; es wird eine Synode über Mani einberufen (S. 89) und Mani hält eine große Verteidigungsrede (ab S. 91). Ein Traum – bezeichnet durch ὄναρ – gilt hier also als mögliches Offenbarungsmedium einer (neuen) Anschauung bzw. Lehre, was den Traum per se in seiner Bedeutung im vorliegenden Text deutlich hervorhebt. Die Zuhörer scheinen, zumindest partiell, aufgeschlossen für den Gedanken zu sein, dass man bzw. Mani im Traum etwas grundlegend Neues erfährt bzw. erfahren hat, das für die Gemeinschaft von Relevanz ist.

854 855 856 857 858 859 860 861

chasaites and their Book, 335–364; Strecker, Art. Elkesai, 1171–1186; Merkelbach, Täufer, 105–133. Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex, IX. Es wird von einer „Gemüsetaufe“ (βαπτίζουσιν λαχάνων, S. 80) gesprochen, Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex, 54 f. Übersetzung: a. a. O., 59. Koenen/Römer, a. a. O., geben in ihrer Ausgabe rekonstruierten Text in eckigen Klammern wieder. In der folgenden Übersetzung wird die Setzung derselben der Übersichtlichkeit wegen vernachlässigt. ὄναρ ὤφθη. εἶδεν. Zu weiteren Erläuterungen s. Koenen/Römer (Hg.), Mani-Kodex, 61, Anm. 2. Übersetzung: P.E.

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Diese wenigen Ausführungen sollen genügen, mit ihnen schließen wir den ersten Hauptteil der Arbeit ab, der Träume und Texte über Träume aus den christlichen Apokryphen in einen größeren Überblick stellen sollte. Im zweiten Hauptteil widmen wir uns der Darstellung tiefenpsychologischer Traum- und Traumdeutungstheorie und untersuchen drei Träume (Andreasakten 20; Petrusakten 22; Thomasakten 91 f) exemplarisch in exegetischer und tiefenpsychologischer Weise.

3. Einführung in die tiefenpsychologische Traumdeutung unter Berücksichtigung neurowissenschaftlicher Erkenntnisse 3.1 Die Traumdeutungstheorie Sigmund Freuds Natürlich kann die epochemachende „Traumdeutung“ Freuds, aber auch Jungs Modifizierung der Theorie hier nicht umfassend dargestellt werden – dazu wäre eine eigene Monographie nötig. Deshalb sollen nur die wichtigsten Aspekte kurz erläutert werden, die uns dennoch erlauben, uns drei ausgesuchten Träumen tiefenpsychologisch zu stellen. Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse1 und einer umfassenden psychologischen Traumdeutung2, gründete seine Theorie auf der Annahme, im Traum zeigten sich unbewusste Wünsche des Träumers, die auf eine Erfüllung hinarbeiten. Er selbst schreibt: „Der Traum stellt einen gewissen Sachverhalt so dar, wie ich ihn wünschen möchte; sein Inhalt ist also eine

1 Einführende Literatur wurde am Anfang des ersten Teils dieser Arbeit schon gegeben. Zur frühen Kritik der Psychoanalyse s. z. B. Jaspers, Kritik, 221–230; Kraepelin, Einführung, 503; als aktuelle Kritik s. v. a. Asendorpf, Psychologie der Persönlichkeit, 22 ff; Grünbaum, Grundlagen; ders., Psychoanalyse, 285–296. Recht harsche Kritik aus der Psychoanalyse heraus übt Jiménez, Traumdeutung, 803 ff. Er kritisiert, a. a. O., 804, die fehlende „Methode zum systematischen Vergleich der verschiedenartigen Theorien und technischen Sichtweisen.“ Die Vertreter der Psychoanalyse seien unfähig, „sich auf eine derartige Methode zu einigen, die den Aufbau einer wissenschaftlichen Disziplin erlauben würde“. Zudem sei kaum erkennbar, wodurch sich die Psychoanalyse von anderen psychotherapeutischen Richtungen unterscheide. „Versuche, einen Kern der psychoanalytischen Theorie und Praxis allgemeingültig zu definieren“ seien bisher „gescheitert.“ Auch analysiert Jiménez, a. a. O., 804 f, dass es die Psychoanalyse kaum schaffe, sich bezüglich heutiger evidenzbasierter Praxis und der Validierung klinischer Theorie in den Gesundheitssystemen als anschlussfähig zu erweisen. Weitere Kritikpunkte und Problemfelder aus der immanenten Sicht der Psychoanalyse formulieren Fischmann u. a., Traumforschung, 838 f, mit Lösungsansätzen 838 ff; 856 f. Bezüglich der jungschen Schule der Analytischen Psychologie arbeitet Christian Roesler intensiv daran, die empirische Studienlage zu verbessern (s. Roesler, Psychologie, 149–186). An Jung war wiederum der Neo-Freudianer Fromm ein harscher Kritiker. S. nur seine Rezension zu Jungs Autobiographie, Fromm, Prophet, 125–130. Jungs Theorie von Anima und Animus unterzog die Jungianerin Baumgardt, Anima und Animus, einer breiteren feministischen Kritik. Für weitere kritische Literatur s. u. 2 Für seine Vorläufer vgl. Freud, Traumdeutung, 15–112. Außerdem sei genannt von Schubert, Die Symbolik des Traumes, welcher sowohl Freud als auch Jung beeinflusste. Zur Aufnahme und Überarbeitung der freudschen Traumtheorie in der Psychoanalyse s. u. ausführlicher. Zur Einführung in die Person Sigmund Freuds s. Mayer, Freud, und v. a. Schur, Freud. Eine kompakte Einführung in psychoanalytische Traumdeutung bietet Mertens, Traum.

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Wunscherfüllung, sein Motiv ein Wunsch.“3 Die These der Wunscherfüllung ist das Herzstück freudscher Traumdeutung und muss hier ganz zentral hervorgehoben werden. Dabei deutet Freud Träume (im Gegensatz zu Jung, für den Träume meist an einen größeren Bezugsrahmen, das kollektive Unbewusste, angeschlossen sind) ausschließlich individuell-biographisch. Das heißt, Träume beziehen sich auf das aktuelle psychische Leben der bzw. des Träumenden und ihr bzw. sein konkretes, personelles Umfeld. Von Traummantik oder von einer symbolischen Traumdeutung, wie sie Artemidor liefert, hält Freud nichts.4 Dennoch spielen auch in Freuds Deutungssystem Symbole eine wichtige Rolle. Hier ist v. a. an Gegenstände im Traum zu denken, welche die menschlichen Sexualorgane repräsentieren.5 Nach Freud sind Träume meist stark verschlüsselt; dafür sorgen die sog. Traumzensur sowie die Mechanismen von Verdichtung und Verschiebung.6 Die Traumzensur hat die Aufgabe, die dem Träumer als unannehmbar erscheinenden (und deshalb verdrängten) Wünsche im Traum zu entstellen.7 Die Zensur hilft dabei, dass sich die Psyche entfalten kann, ohne von als nicht gesellschaftsfähig angesehenen Gedanken und Wünschen behindert zu werden.8 Anders gesagt: Ohne Zensur würden all diese Wünsche und Gedanken ungehindert ins Bewusstsein strömen und die Psyche entweder überlasten oder das einzelne Individuum in seiner Sozialisation gefährden.9 Gleichzeitig sollen durch die Traumzensur Angst bzw. als peinlich empfundene Affekte verhindert werden. Ist ein Traum nicht genügend verhüllt, entsteht Angst, die den Träumer aus dem Schlaf weckt.10 Deshalb zeigen sich die unbewussten oder verdrängten Wünsche im Traum nur vorsichtig und maskiert. Der Mechanismus der Verdichtung meint, kurz gesagt, das Übereinanderlegen von verschiedenen Informationen im Traum, vergleichbar mit einer Fotografie, die man mehrmals belichtet.11 Besonders häufig tauchen nach Freud sog. Sammel- und Mischpersonen im Traum auf.12 Eine solche ist die Figur des Simon Magus in den Petrusakten bzw. den Pseudoklementinen. In ihm verdichten sich alle negativ besetzten Figuren und Feindbilder, die die Verfasser vor Augen hatten: die des Konkurrenten, des Häretikers, Antiapostels, Verführers, Dämons, Satans etc. – ohne damit zwangsläufig die his3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Freud, Traumdeutung, 137. A. a. O., 113–117. Mertens, Traum, 58 f. Vgl. dazu Freud, Traumdeutung, 299–330. In der Rezeption der freudschen Traumtheorie wird allerdings meist nicht beachtet, dass auch Freud Träume beschreibt, deren zugrunde liegender Wunsch sich unverhüllt im Traum darstellt. Vgl. dazu a. a. O., 141; 143; 145 ff. Orange, Art. Unbewusst, 741. Pawlowsky, Art. Zensur, 792. Vgl. Atwood/Orange, Art. Abwehr, 3. Nagera, Grundbegriffe, 290. Vgl. Freud, Traumarbeit, 175. Freud, Traumdeutung, 315.

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torische Figur zu meinen. Freud beschreibt es so: „Eine […] Mischperson sieht etwa aus wie A, ist aber gekleidet wie B, tut eine Verrichtung, wie man sie von C erinnert, und dabei ist noch ein Wissen, daß es die Person D ist.“13 Bei der Traumdeutung entstehen so Assoziationsketten. Wo sich diese kreuzen, ist meist ein Hinweis auf den Traumsinn zu finden. Verdichtungen tauchen auch gehäuft als Wortverdichtungen auf (spielen aber in unseren Träumen hier keine Rolle).14 Der zweite wesentliche Traumzensor ist die Verschiebung. Diese besagt, dass im Traum der Fokus vom eigentlichen Wunsch hin auf einen Nebenaspekt verrückt wird. Das heißt, der Traum zentriert sich nicht um seinen eigentlichen Grundgedanken, sondern um einen Gehalt, der nur Randbedeutung inne hat. Den gemeinten Gegenstand verbindet mit dem dargestellten aber eine Assoziationskette.15 Dabei sind Verdichtung und Verschiebung antithetische Prozesse. Im heutigen Traumverständnis ausgedrückt, meint Verschiebung die Verzögerung von Informationsverarbeitung im Traum, Verdichtung hingegen die Beschleunigung derselben. Oder anders gesagt: „Wenn eine Wahrnehmung Angst auslöst, muß nach einer bereits existierenden Ähnlichkeitsbeziehung gesucht werden, damit die Informationsverarbeitung ohne angstmachende Emotionen vorgenommen werden kann; das Ausmaß der tolerierbaren Angst entscheidet somit über die Angemessenheit der Wahrnehmung.“16 Je stärker die zu erwartende Angst ist, desto intensiver gestaltet sich nach dem freudschen Ansatz die Verschiebung. Der Vorgang der Verschiebung kann aber auch dazu dienen, eine abstrakte Idee in ein konkretes Äquivalent im Traum umzuwandeln.17 Dass Träume oft sexuelle Wünsche ausdrücken, dass sich also die Wunscherfüllung auf sexuelle Aspekte bezieht, formuliert Freud ab der dritten Auflage18 seiner „Traumdeutung“, in Aufnahme eines Zitats seines Mitarbeiters Otto Rank19, so: 13 Freud, Traumarbeit, 175. 14 Freud, Traumdeutung, 317. Für Beispiele s. a. a. O., 315–325. Zu denen neueren Arbeiten zum Verdichtungsbegriff gehört Palombo, Condensation, 1139–1159. 15 Laplanche/Pontalis, Psychoanalyse, 603. 16 Mertens, Traum, 57 f. 17 Laplanche/Pontalis, Psychoanalyse, 604. 18 Grubrich-Simitis, Metamorphosen, 71 ff. A. a. O., 49–100, gibt einen Überblick über die einzelnen Ausgaben der „Traumdeutung“ sowie den Revisionsprozess des Werkes. 19 Otto Rank, 1884–1939, war einer der frühesten Mitarbeiter Freuds und einer der einflussreichsten innerhalb der frühen psychoanalytischen Bewegung. Vor allem in der zentralen Bedeutung der Sexualkraft stimmte Rank mit Freud aber immer weniger überein, 1924 kam es zum Bruch zwischen beiden Personen, Wachstein, Art. Rank, Otto, 415; Leitner, Otto Rank, 107. Von der dritten Auflage der „Traumdeutung“ (1911) bis zur siebten (1922) hatte Rank zunehmend an den Revisionen mitgearbeitet. Ab der vierten Auflage (1914) beinhaltete die „Traumdeutung“ zwei Anhänge von Rank, die Freud, nach dem Bruch mit ihm, ab der achten Auflage (1924) wieder entfernte, Grubrich-Simitis, Metamorphosen, 66; 71–87. Zu Rank s. ferner Lieberman, Otto Rank; Zottl, Otto Rank.

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„Vorgreifend führe ich hier die von Otto Rank herrührende Erweiterung und Modifikation […] an: ,Der Traum stellt regelmäßig auf der Grundlage und mit Hilfe verdrängten infantil-sexuellen Materials aktuelle, in der Regel auch erotische Wünsche in verhüllter und symbolisch eingekleideter Form als erfüllt dar.‘“20

Weiterhin deutet Freud Träume auf der sog. Objektstufe. Das heißt, die im Traum auftretenden Personen stehen in Relation zu ihren lebenden Äquivalenten. Jung hingegen deutet Träume auf der sog. Subjektstufe, was besagt, dass die genannten Personen nicht reale, äußerliche seien, sondern eigene Seelenanteile des Träumenden darstellen. Sieht jemand im Traum den eigenen Vater, bezieht sich das Geträumte nach Freud objektstufig auf den realen, leiblichen Vater, subjektstufig nach Jung auf den eigenen männlich-väterlichen Seelenanteil des bzw. der Träumenden; sieht er bzw. sie die eigene Mutter, ist auf der Objektstufe die leibliche Mutter gemeint, subjektstufig der eigene weiblichmütterliche Seelenanteil usw. Mentzos, als Vertreter der gegenwärtigen Psychiatrie, schlägt vor, die Subjektstufe im Sinne der Selbstwahrnehmung und Selbstobjektivierung zu verstehen und anzuwenden.21 Jacobi weist aber darauf hin, dass es sich bei der Objektstufe um projizierten Gehalt handelt.22 Das heißt etwas vereinfacht: Träumt man etwa vom Geiz des eigenen Vaters, ist nach der Objektstufe zwar der leibliche Vater gemeint, die Eigenschaft des Geizes gehört aber zur Psyche des bzw. der Träumenden. Jung schreibt dazu, dass es wesentlich sei, „daß die Imago [das Bild, welches man von einem Menschen hat, P. E.] nicht ohne weiteres als mit dem Objekt identisch gesetzt, sondern vielmehr als ein Bild der subjektiven Beziehung zum Objekt aufgefaßt wird.“23 In der konkreten, etwa therapeutischen Traumdeutungsarbeit ist es eine Herangehensweise, zuerst die Objektstufe erschöpfend zu bearbeiten, und zwar insofern, als weniger z. B. die geträumte Person betrachtet wird, sondern vielmehr, welche Beziehung der Träumer bzw. die Träumerin zu ihr hat. Erst wenn dazu kein weiteres Material von ihm bzw. ihr zutage tritt, wendet man sich der Subjektstufe zu. Bei dieser sind, wie gesagt, alle Personen, Objekte oder Handlungen als Ausdrucksform der eigenen Psyche zu behandeln.24 So wie wir hier versuchen, Freud und Jung nicht unversöhnlich gegeneinander zu stellen, sondern die Stärken beider Ansätze zu nutzen, wird auch in 20 Freud, Traumdeutung, 175, Anm. 1 (3. Auflage). Nachdem es zwischen Freud und Rank zum Bruch gekommen war, setzte Freud ab der achten Auflage der Rankschen Modifikation die Notiz hinzu: „Ich habe an keiner Stelle gesagt, daß ich die Ranksche Formel zur meinigen gemacht habe. […] [A]ber daß ich die Ranksche Modifikation überhaupt erwähnte, hat genügt, um der Psychoanalyse den ungezählte Male wiederholten Vorwurf einzutragen: sie behaupte, alle Träume haben sexuellen Inhalt. […] Selbst Rank stellt keine absolute Behauptung auf. Er sagt ,in der Regel auch erotische Wünsche‘, und dies ist für die meisten Träume Erwachsener durchaus zu bestätigen.“ (Freud, Traumdeutung, 180, Anm. 2). 21 Mentzos, Konfliktverarbeitung, 69; 72. 22 Jacobi, Psychologie, 94 f. 23 Jung, Psychologische Typen, 548 f. 24 Hark, Grundbegriffe, 121; 155 f.

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dieser Arbeit die Ansicht vertreten, dass nicht Objekt- oder Subjektstufe der alleinige Schlüssel zur Traumdeutung ist, sondern beide Aspekte betrachtet werden müssen.25 Anhand des Marcellustraumes (ActPetr 22) verdeutlicht, hieße das: Wenn Marcellus von Simon Magus und Petrus träumt, bezieht sich dies auf der Objektstufe auf beide reale Personen, also Petrus, mit dem er Umgang hat, und Simon Magus, welchem er am nächsten Tag begegnen wird. Auf der Subjektstufe gedeutet, bedeutet es aber: Marcellus träumt von Teilen seiner eigenen Seele, welche durch die jeweiligen Eigenschaften von Simon Magus und Petrus gekennzeichnet sind. Simon wäre dann eine innerpsychische Schattengestalt, die sich im Traum zeigt und ins Bewusstsein drängt, Petrus der Gegenpart, der beispielsweise den Archetypen des Helden repräsentiert, welcher sich Simon Magus entgegenstellt, um mit ihm zu kämpfen, und den Marcellus in seiner Psyche ebenso trägt, wie negative, durch Simon Magus verkörperte Anteile.26 Zwei weitere Aspekte der freudschen Traumtheorie müssen kurz betrachtet werden: die Unterscheidung zwischen dem latenten und dem manifesten Trauminhalt sowie der sog. Tagesrest. Erstere besagt nichts weiter, als dass der manifeste der Inhalt eines Traumes ist, welchen der bzw. die Träumende nach dem Erwachen erinnert, mit allen damit zusammenhängenden Gefühlen und Gedanken. Da der Traum aber seine eigentliche Botschaft nach Freud aus o.g. Gründen verschlüsselt, muss in der Analyse, zusammen mit dem Traumdeuter, der eigentliche, latente Gedanke gefunden werden, der sich hinter dem Traum verbirgt.27 Ein Tagesrest ist ein Element, das aus dem Wachzustand des dem Traum vorangegangenen Tages stammt. Dieses kann völlig belangloser Natur sein und in loser Assoziation zum Trauminhalt oder dem verborgenen Wunsch stehen, aber auch einer Sorge oder einem Wunsch des Wachlebens entstammen. Im Tagesrest werden Erlebnisse des Vortags weiterverarbeitet, die Tagesreste 25 So auch Jacobi, Psychologie, 103. Vgl. Benedetti, Träume, 26–29. Dass dies auch in der tiefenpsychologischen Behandlung möglich, ja nötig ist, zeigt Benedetti, a. a. O., 28, eindrucksvoll: „Wenn […] ein Patient, der unter einem Verfolgungswahn leidet, endlich […] davon träumt, daß er seinen Verfolger packt und erledigt, ist es in der Therapie besser, auf der Objektstufe bei ihm zu bleiben; der Therapeut freut sich darüber, daß ihm eine Bewältigung des Gespenstes gelingt. Aber vielleicht wird derselbe Patient in einem anderen Traum, in einem anderen Abschnitt seiner Therapie mit seinem ,Schatten‘ (Jung) wie Jakob mit dem Engel kämpfen, ohne Vernichtungswillen und Haß. Plötzlich kann der Therapeut spüren, daß der Augenblick gekommen ist, da der Patient eine Erscheinung, die seine innere, unverstandene Seite ist [hier liegt keine theologische, sondern eine tiefenpsychologische Deutung der Jakobssequenz vor – dies muss beachtet werden! P.E.], annehmen kann und daß er dem äußeren Verfolger einen inneren Platz zuordnen soll, damit die Verfolgung aufhört.“ 26 Diese Verdeutlichungen stehen natürlich unter dem Vorbehalt, dass sie auf der reinen Textebene gemacht werden, da wir schlicht nichts über die historischen Hintergründe und Personenkonstellationen hinter ActPetr 22 wissen. Um Objekt- und Subjektstufe zu verdeutlichen, genügt die Textebene jedoch durchaus. 27 Nagera, Grundbegriffe, 256; 277 f; Laplanche/Pontalis, Psychoanalyse, 277; 302. Vgl. Fosshage, Art. Traum, Traumdeutung, 721.

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können aber auch als Traumerreger fungieren.28 Freud verglich den Tagesrest mit einem Unternehmer, den Wunsch aber mit dem „Kapitalisten“, also dem, der das „Kapital“ in den Traum einbringe.29 Insgesamt räumt Freud dem Tagesrest nur wenig Bedeutung ein. Dies hat sich in der gegenwärtigen Psychoanalyse grundlegend geändert: Der Tagesrest wurde stark aufgewertet. So wird er nach Mertens als eine defensive Substitution eines bedeutsamen, jedoch angstauslösenden Moments des vergangenen Tages verstanden. Die Psyche habe das Bestreben, dieses Moment aus dem Traum zu eliminieren. Von daher greife der oben beschriebene Abwehrmechanismus der Verschiebung schon bei der Auswahl der Tagesreste. Erscheine ein Tagesrest trivial, sei er von der Verschiebung entschärft worden. Die Gedankentätigkeiten oder Erlebnisse, die hinter dem Tagesrest stünden, seien jedoch in differierendem Ausmaß konfliktbehaftet. Durch den Mechanismus der Verschiebung werde jedoch das Angstlevel des Träumers reguliert und ermöglicht, dass Tageserlebnisse ins Langzeitgedächtnis transferiert und gespeichert werden, die aber nicht die Geschehnisse widerspiegelten, die als unangenehm empfunden werden und konflikthaft aufgeladen sind, sondern die lediglich assoziativ mit diesen verbunden seien.30 Dieser Vorgang geschieht also ähnlich einer Deckerinnerung. Harmlos scheinende Tagesreste überdecken Erlebnisse, die hochgradig affektbelastet sind und zum Schutz des Träumers im Unbewussten gespeichert werden. Der Tagesrest ist demnach nicht nur für die Generierung und Architektur des Traumes von großer Bedeutung, sondern er ist zugleich ein wesentlicher Schlüssel zur im Traum verborgenen Botschaft. Oder anders gesagt: Er führt zu den Ereignissen im Leben des Träumers bzw. der Träumerin, die als entscheidend empfunden werden und die ihn bzw. sie unbewusst beschäftigen.31 Verdeutlicht man das wiederum am Marcellustraum, so entspricht in diesem die Szenerie des Traums dem Tagesrest. Diese ist wie eine Wettkampfszene im Amphitheater gestaltet: Petrus sitzt erhöht (wie ein Herrscher, der über Leben und Tod der Kämpfenden zu entscheiden hat), eine große Menschenmenge ist anwesend und eine wilde Frau tanzt und soll hingerichtet werden. Genau dies erwarten Marcellus und Petrus für den nächsten Tag nach dem Traum: einen Wettkampf mit Simon Magus. Die Quelle des Tagesrests ist die Ankündigung des Kampfes am Tag vorher durch Marcellus und der Bericht der jungen Leute, dass ein stufenförmiges Gerüst für Zuschauer auf dem Forum errichtet werde. Dass Petrus erhöht sitzt, ist die Bot28 Laplanche/Pontalis, Psychoanalyse, 491. „Es ist kein Zweifel, daß sie [die Tagesreste] reichlich in den Traum eindringen, daß sie den Trauminhalt benützen, um sich auch zur Nachtzeit dem Bewußtsein aufzudrängen; ja sie dominieren gelegentlich den Trauminhalt, nötigen ihn, die Tagesarbeit fortzusetzen; es ist auch sicher, daß die Tagesreste jeden anderen Charakter ebensowohl haben können wie den der Wünsche“ (Freud, Traumdeutung, 579 f). 29 A. a. O., 585. 30 Mertens, Traum, 63 f. 31 A. a. O., 63 ff. S. auch Greenberg/Pearlman, Dream Theory, 71–75; Palombo, Day Residue, 881–904.

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schaft, die der Tagesrest im Traum transportiert: Petrus wird der Überlegene im Kampf sein, dargestellt anhand seiner exponierten Sitzposition.

3.2 Freudianische Traumdeutung der Gegenwart Psychoanalytische freudianische Traumtheorie und -praxis der Gegenwart hat sich ausgesprochen plural entwickelt. Das heißt, sie orientiert sich mehr oder weniger stark an Freud bzw. an einzelnen Aspekten seiner Traumdeutung; auf der einen Seite wird versucht, Freuds Beobachtungen zu bestätigen und fortzuführen, auf der anderen Seite, sich nur lose an sie anzulehnen oder einzelnen Aspekten verstärkte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Einige wenige dieser Entwürfe bzw. Aspekte seien im Folgenden kurz skizziert. Eine erste wesentliche Veränderung trat schon durch die Schule der „IchPsychologie“ auf, welche ins Zentrum weniger den Traum per se als vielmehr das „Ich“ als bewusstes Zentrum der Psyche einer Person stellte. Weiter erfuhr der manifeste Traum eine deutliche Aufwertung. Gleichzeitig „bleibt die Suche nach den latenten Traumgedanken ein Hauptanliegen vieler Psychoanalytiker.“32 Vor allem weitete sich das Grundverständnis des Traums über den auf Erfüllung hinarbeiteten Wunsch hinaus: Konfliktbearbeitung, das Kreieren von Ideen, der Prozess innerseelischen Wachstums sind nur einige Ansatzpunkte. Auch der in der Zeit nach Freud lange noch stark zurückgestellte bzw. vernachlässigte posttraumatische Traum und die Verarbeitung von Traumata im Traum sind seit einigen Jahrzehnten verstärkt in den Fokus gerückt.33 Schließlich sind die Forschung in Schlaflaboren und die Zusammenarbeit mit den Neurowissenschaften ein aktuelles Feld.34 Darauf kommen wir noch kurz zurück. Harold Blum, der an der Grundthese Freuds noch am ehesten festhält,35 formuliert: „Although there is no longer any ,royal road‘ to psychoanalytic interpretation, dreams have a valued if not necessarily privileged position in diverse 21st century psychoanalytic thought and practice.“36 Freuds These vom Traum als „Hüter des Schlafes“ kann er nicht bestätigen.37 Er hebt besonders die kommunikative Funktion des Traums im analytischen Prozess von Übertragung und Gegenübertragung hervor und spricht sich für eine Aufwertung des manifesten Traums aus. Träume von Patienten illustrierten besser als viele andere analytische Instrumente unbewusste Konflikte (Blum veranschaulicht dies anhand eines ödipal-inzestuösen Vatertraums einer Patientin und deren 32 33 34 35 36 37

Bohleber, Befunde, 770. S. z. B. Cabré, Response, 272: „[D]reams reactivate and can symbolize old emotions“. Bohleber, Befunde, 770 f. Blum, Response, 275, vgl. Bohleber, Befunde, 771. Blum, Response, 275. Anders Fischmann u. a., Traumforschung, 833. Anders z. B. Binswanger/Wittmann, dream theory, 109 f (mit weiterer Literatur).

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unbewusster Übertragung auf den Analytiker).38 Zur Traumaverarbeitung in Träumen äußert sich Blum folgendermaßen: Der traumatische Traum bzw. Albtraum „incorporates a more or less disguised or partial repetition of past trauma. Nightmares may attempt reparative mastery of trauma for both patient and non-patient. […] Paradoxically, the nightmare may spur ego mastery and sublimation when the overwhelming anxiety subsides, particularly through interpretation in therapy.“39

Als aktuelle Felder psychoanalytischer Traumforschung in Partnerschaft mit den Neurowissenschaften sieht Blum v. a. den Abgleich und die Verarbeitung von Informationen und Erinnerungen sowie das Erarbeiten von Problemlösungen im Traum.40 Grundlegend zum freudianischen Traumverständnis hat Ulrich Moser gearbeitet. Seine (recht weit gefasste) Definition lautet: „Der Traum ist ein persönlicher Beitrag des Überdenkens der eigenen Situation in einer Sprache präverbaler Art, die nicht ohne weiteres zugänglich ist.“41 Moser ist der Meinung, dass die (post-)freudschen Theorien innerhalb der eigenen psychoanalytischen Praxis in eine eigene Version übersetzt und transformiert werden müssten, wobei auch die Theorie, die sich die Klientin bzw. der Klient selbst erstellt, zu berücksichtigen sei.42 Der Traum selbst bilde eine Mikrowelt, die die Funktion innehabe, Zustände verschiedenster Erregung, die nicht aufgelöst sind (somatischer oder traumatischer Art, also durchaus konfliktbehaftet) versuchsweise als Simulation zu regulieren. Dabei liefen viele dieser Mikrowelten parallel ab und stünden in einer gegenseitigen Vernetzung. Im Traum werde nur je eine von ihnen sichtbar.43 Der Traum entspreche also einer „simulierte[n] Problemverarbeitung“.44 Moser stellt die Suche nach dem latenten Traumgedanken zurück und vertritt die Ansicht, dass der manifeste Traum per se den relevanten Inhalt enthalte.45 Juan Pablo Jiménez, als Vertreter gegenwärtiger südamerikanischer Psychoanalyse, spricht sich ebenfalls stark für den manifesten Traum, als der, welcher im Mittelpunkt stehe, aus.46 Er geht nicht nur davon aus, dass in der 38 39 40 41 42 43 44 45 46

Blum, Response, 275 f. A. a. O., 276. A. a. O., 277. Moser, Traumtheorien, 300. Das Folgende zu Moser gefunden bei Zwiebel, Der träumende Analytiker, 779 f. Moser, Traumtheorien, 303. A. a. O., 315. Ebd. A. a. O., 316. Jiménez, Traumdeutung, 818. Den Prozess der Abkehr vom latenten Traum hin zum manifesten bis zum Ende des 20. Jh. zeichnet er a. a. O., 806–818, nach. Anders Fischmann u. a., Traumforschung, 838, die vorsichtiger formulieren, dass „die Frage nach der Bedeutung des latenten Traumgedankens immer noch offen“ sei, und die, a. a. O., 841–846, die Anwendung der Suche nach demselben auch nachvollziehbar demonstrieren.

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analytischen Traumarbeit archaische Erinnerungen wiederbelebt und von der Gesamtperson dissoziierte Anteile integriert werden können, sondern dass es möglich sei, in der gemeinsamen Arbeit ganze neue Bedeutungsgehalte zu schaffen. Für Jiménez steht nicht primär die Bewusstwerdung von Verdrängtem im Mittelpunkt, sondern der Entwurf von Sinn, der sich sowohl für das Leben der Klientin bzw. des Klienten als auch der Analytikerin bzw. des Analytikers als relevant erweist. Jiménez praktiziert also eine Umkehrung des freudschen Entwurfs.47 Dabei arbeitet er aber nach wie vor mit der Frage nach unbewussten Triebwünschen, sowohl den Traum als auch den analytischen Prozess betreffend. Im besten Fall bewirke der Prozess von Traum und Traumdeutung und die Bewusstwerdung des entsprechenden Konflikts, dass eben dieser seine pathogene Kraft verliere.48 Dieser Aspekt ist nach Jiménez ein archäologischer. Den zweiten charakterisiert er als architektonischen.49 Für diesen sei wichtig, dass der Klient bzw. die Klientin als Co-Deuter(in) in den Deutungsprozess involviert und die Traumwelt, die sich im manifesten Traum zeige, als der bewussten Welt ebenbürtig aufgewertet werde. Es handelt sich hier also um eine Radikalisierung der „Existenz der unbewussten Psyche und der psychischen Realität.“50 Dabei stehen nach Jiménez die verschiedenen Welten aber in Verbindung und ermöglichen der Träumerin bzw. dem Träumer so, verschiedene Perspektiven zu erleben.51 Dass die von Freud beschriebenen Prozesse von Verdichtung und Verschiebung nach wie vor Gegenstand psychoanalytischer Forschung sind und zum Repertoire freudianischer Traumtheorie gehören, hat Leuschner gezeigt.52 Nicht zuletzt erwähnt werden muss die psychoanalytische Forschung im Schlaflabor, bei der Klientinnen bzw. Klienten im Schlaf überwacht und z. B. während bestimmter Phasen geweckt werden, um unmittelbar die stattgefundenen Träume zu Protokoll zu geben.53 Eine Einzelfallschilderung, die einen Ausschnitt aus einer langfristigen Depressionsstudie54 darstellt, soll hier kurz wiedergegeben werden. Dabei wurden die (manifesten) Träume eines Klienten, die in mehrjähriger psychoanalytischer Behandlung berichtet wurden, mit denen verglichen, die er im Schlaflabor geträumt hatte.55 Eine zentrale Rolle spielen dabei die Aspekte der Affektregulierung, der Beziehungshaftigkeit und der Wünsche des Klienten (etwa der Wunsch nach Sicherheit), die sich im Traum, entsprechend der aktuellen psychischen Verfasstheit des Klienten 47 48 49 50 51 52 53 54

Jiménez, Traumdeutung, 818 f. A. a. O., 827, mit ausführlichem Fallbeispiel a. a. O., 819–826. A. a. O., 827. Ebd. A. a. O., 828. Leuschner, Primärvorgang, 917–934. S. auch Montangero, Dreaming and REM sleep, 37. Fischmann u. a., Traumforschung, 847. LAC-Depressionsstudie, die psychoanalytische und kognitiv-behaviorale Langzeitbehandlungen bei depressiv Erkrankten untersuchte, Fischmann u. a., Traumforschung, 837, Anm. 1. 55 A. a. O., 840; 842.

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bezüglich dieser Punkte, widerspiegeln.56 Das Ergebnis lässt sich so zusammenfassen, dass die in den therapeutischen Sitzungen berichteten Träume eine genesende Tendenz des Klienten und ein Anschlagen der Behandlung bei ihm zeigten, was sich praktisch synchron in den Schlaflaborträumen ebenso manifestierte.57 Standen am Anfang im Traum noch der Wunsch nach Sicherheit und die Regulierung von bedrohenden Affekten im Vordergrund, spiegelten die im Fortschreiten der Analyse geträumten Träume einen Anstieg an sozialer Kompetenz und Beziehungshaftigkeit wider (der Träumer verließ im Traum eine bis dahin innegehabte beobachtende Perspektive und war zunehmend in das Traumgeschehen involviert). Für den Umgang mit Affekten ließ sich erkennen, dass sie aus ihrer Isolation gelöst und nach und nach in den Traum eingebunden wurden.58 Erste Strategien bzgl. des Umgangs mit ihnen wurden im Traum erkennbar und in demselben eingeübt. Auch wurde die Affektpalette des Klienten im Traum vielfältiger und brachte mehr Entwicklungspotenzial zum Ausdruck (aus Panik bspw. wurde Angst und Schmerz). Der Träumer war nicht nur nicht mehr allein im Traum, sondern ging emotionale Beziehungen mit anderen Personen im Traum ein. Die Entwicklung von Problemlösungsstrategien im Traum nahm quantitativ und qualitativ zu.59 Trotz der Kürze der Darstellung sollten zwei Dinge deutlich geworden sein: 1. Die Traumdeutungstheorie Freuds ist für gegenwärtige Traumforschung und -deutung nach wie vor grundlegend; Letztere lehnt sich zumindest in den wesentlichen Punkten an sie an. Dabei drängt sich der Eindruck auf, dass Freud die entscheidenden Inhalte und Ansätze erfassen konnte, diese aber der Ergänzung oder Konkretisierung bedurften und nach wie vor bedürfen. Um sowohl die freudsche als auch die freudianische Traumdeutung auf den Punkt zu bringen, sei folgende Definition angeführt, die versucht, möglichst viele Unteraspekte zu integrieren: „Träumen erfüllt integrative und adaptive Funktionen und ist ein multifunktionales Geschehen, das die Aspekte der Erinnerungskonsolidierung, der Stressregulation, der Affektverarbeitung, des Problemlösens, der Wahrung der körperlichen und psychischen Gesundheit sowie eine Funktion der Wunscherfüllung einschließt.“60

56 57 58 59

A. a. O., 852 f. A. a. O., 855 f. A. a. O., 852 ff. A. a. O., 855 f. Dabei zeigt die Studie eindrucksvoll, wie Träume in Unterszenen zerlegt und, mit Blick auf alle beteiligten Personen, Orte, Reaktionen, kognitiven Sequenzen oder Unterbrechungen der Szenerie im Traum, gelesen und analysiert werden können, s. a. a. O., 847–856, besonders 851 ff. Eine weitere Studie, die Schlaflaborergebnisse vorstellt, ist Varvin u. a., Traumatische Träume, 937–967. Gegenstand der Untersuchung sind traumatische Träume, welche von Kriegsopfern geträumt wurden, und die Frage, inwieweit zugrundeliegende traumatische Erlebnisse im Traum verarbeitet wurden oder deren Verarbeitung fehlschlug, a. a. O., 937. 60 Ebd.

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2. Zur tieferen Analyse und Deutung religiöser Träume ist die freudsche bzw. freudianische Traumdeutung kaum geeignet (sie gibt aber auch nicht vor, dies zu sein). Sie bietet das Instrumentarium, nach im Traum verborgenen Wünschen, Trieben und Affekten sowie deren Regulation zu forschen, nicht aber nach spirituellen, transzendenten Zusammenhängen.

3.3 Die Traumdeutungstheorie C.G. Jungs Was Jung angeht, so baut er auf Freuds Traumlehre auf, modifiziert sie jedoch stark. Nach Jung zeigt sich, neben der individuell-biographischen Ebene des Träumers, im Traum v. a. das kollektive Unbewusste, mit dem die eben genannte Ebene verbunden ist und dem wir uns noch widmen werden. Wichtig ist, dass Jung die freudsche Unterscheidung von latentem und manifestem Trauminhalt aufgab. Dies entspricht der Aufwertung des manifesten Trauminhaltes durch die neuere freudsche Schule (s. o.). Das heißt aber natürlich nicht, dass der Traum in seiner Bedeutung ohne Weiteres einsichtig wäre. Der Traum beschreibt den Zustand, in dem der Träumer bzw. die Träumerin sich in seiner bzw. ihrer momentanen Lebenssituation befindet. Er gibt also gleichsam eine Einschätzung über die Träumerin bzw. den Träumer, vor allem über seelische Aspekte, die im bewussten Tagesleben vernachlässigt, ungelebt oder sogar verdrängt werden. Vor allem der Traum bietet die Möglichkeit, das eigene Selbstverständnis zu vervollständigen oder zumindest zu ergänzen.61 Träume kompensieren also die bewusste Haltung eines Menschen. Jung fasst den Begriff der Kompensation, welcher eigentlich von Alfred Adler, dem dritten großen Pionier der Psychoanalyse, stammt (s. u.) und der ihn auf den Ausgleich des von ihm geprägten Minderwertigkeitskomplexes bezieht, allerdings weiter, „allgemein als funktionelle Ausgleichung, als Selbstregulierung des psychischen Apparates“.62 Dazu dienen v. a. die Träume. Geraten die Bereiche des Bewussten und Unbewussten in eine Schieflage, muss diese kompensiert werden, wenn der Mensch nicht Gefahr laufen soll, zu erkranken. Kompensation entsteht dann konkret durch das Wahrnehmen der vernach61 Mertens, Traum, 70. Freilich fügt er, a. a. O., 71, richtig hinzu: „[A]uch für Freud, der allerdings dem phylogenetischen Aspekt der Trauminhalte nur wenig Bedeutung beimaß, stellte das Träumen eine einmalige Möglichkeit dar, mit verdrängter und abgespaltener, nicht gelebter und verkümmerter Lebendigkeit konfrontiert zu werden.“ Allerdings legte Freud seinen Schwerpunkt nicht wie Jung auf eine tiefergehende, mythologische (das heißt nach Jung auch immer: spirituelle) Anbindung des Traummaterials. Wenn Mertens, ebd., allerdings schreibt: „Nach der Jungschen Schule gilt es nur die im manifesten Traum aufscheinenden Metaphern und Bilder unter Hinzuziehung archetypischer Symbole dem Träumer zu übersetzen und Aspekte vergangener Mythen amplifizierend hinzuzufügen“, so ist das doch eine zu starke Verkürzung der jungianischen Traumarbeit. 62 Jung, Definitionen, 518.

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lässigten Seite im Traum und deren Integration ins Bewusstsein.63 Da nur ein geringer Teil der Träume seinen kompensatorischen Charakter offen zeigt, muss die Sprache des Traumes, die Jung als symbolisch verschlüsselt sieht, dechiffriert werden. Dies geschieht durch die schon genannte Methode der Amplifikation, bei welcher Träumer und Deuter den Traum umkreisen und mit Material, das z. B. aus Mythen, Märchen, aber auch religionsgeschichtlichen Vergleichen stammt, anreichern. Der Traumdeuter lässt sich dabei von den Einfällen des Träumers leiten. Nun tauchen auch Träume auf, die sich etwa durch obsessive Wiederholung oder auch extreme emotionale Aufgeladenheit auszeichnen. Diese sind meist nicht individuell deutbar und entziehen sich einer Ableitung aus persönlicher Erfahrung.64 Hier kommt das kollektive Unbewusste ins Spiel, das vom persönlichen Unbewussten zu unterscheiden ist. Kast definiert es als allgemeine biologische und psychische Grundlage, die jeder Mensch in sich trägt, die aber überpersönlicher Natur ist.65 Das heißt, es handelt sich um eine Tiefenschicht der Seele, die nicht allein auf eine einzelne Psyche beschränkt, sondern an die jede Seele angeschlossen ist. Anders gesagt: Das kollektive Unbewusste ist wie ein gemeinsamer Pool von menschlichen Grunderfahrungen, die jeder Mensch unbewusst in sich trägt. Diese Schicht hat keine historische Tradition,66 sie ist nach Jung angeboren und ererbt.67 Von Heydwolff schlägt folgende Definition des kollektiven Unbewussten vor: „Es ist die psychische, nicht dingliche Matrix […], die unser persönliches psychisches Funktionieren unhintergehbar trägt und durchformt.“68 Leitbilder dieses kollektiven Unbewussten sind archetypische Bilder und Symbole, aber auch mythologische Motive, die sich im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder zur Geltung bringen.69 Dies geschieht vor allem im Traum, aber auch anhand von Symptomen psychischer Störungen, etwa bei Psychosen. Da diese Bilder überpersönlich sind, muss ihr Bildgehalt auch mit möglichst breitem 63 Hark, Grundbegriffe, 97 f. „Das erklärt zum Beispiel, warum Menschen, die unrealistische Ideen oder eine zu hohe Meinung von sich selbst haben oder allzu grandiose Pläne machen […], oft vom Fliegen oder Fallen träumen. Der Traum kompensiert die Mängel ihrer Persönlichkeit und warnt sie gleichzeitig vor den Gefahren ihres gegenwärtigen Kurses.“ (Jung, Mensch, 50). Ebd. beschreibt Jung ein solches Unglück eines ehemaligen Patienten, der im realen Leben zu halsbrecherischer Bergsteigerei neigte und davon träumte, einen Bergunfall zu erleiden. Jung, dem er diesen Traum erzählte, warnte ihn. Der Patient jedoch ignorierte dies und fand einige Monate später durch einen Absturz beim Bergsteigen den Tod. 64 Jung, Symbole und Traumdeutung, 247. 65 Kast, Träume, 111. 66 Hark, Grundbegriffe, 188. 67 Jung, Symbole und Traumdeutung, 247. Zur Frage der Vererbbarkeit s. u. Zur Einführung s. von Heydwolff, Art. Unbewußtes, kollektives, 742. Jung widmet sich dem Begriff v. a. in den Bänden „Dynamik des Unbewußten“ (GW 8) und „Archetypen und das kollektive Unbewußte“ (GW 9/1). 68 von Heydwolff, Art. Unbewußtes, kollektives, 742. Diese Definition ist ungenau, da sie persönliches und kollektives Unbewusstes nicht deutlicher unterscheidet. 69 Mertens, Traum, 69 f. Vgl. Hark, Grundbegriffe, 188. In Psychologie und Religion, 731, benutzt Jung für das kollektive Unbewusste die Formulierung „Gesamtheit der Archetypen“.

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Material, v. a. aus Mythen und Märchen sowie aus religiösen Bildern und Ideen „behandelt“ und ebenso umkreist werden.70 Die Idee des kollektiven Unbewussten ist natürlich mitnichten neu. Im Hinduismus und Buddhismus etwa findet sich das buddhitattva; dieses ist ohne Form (arupaloka), zugleich aber die kreative Quelle aller Formen.71 Um noch genauer zu verstehen, was sich hinter dem kollektiven Unbewussten verbirgt, müssen wir uns dessen Manifestationen, den Archetypen, näher widmen.72 Dabei sollen auch kritische Stimmen zu Wort kommen. 3.3.1 Die Archetypen bei C.G. Jung, Kritik und neuere Ansätze 3.3.1.1 Die Archetypen bei C.G. Jung Der Begriff taucht schon bei Schopenhauer auf.73 Bis C.G. Jung seine Archetypentheorie wirklich formulierte (1919), studierte er jahrelang die Träume seiner Patienten (und seine eigenen), aber auch die unterschiedlichsten Mythologien. In den Bildern, die sich ihm dabei boten, versuchte er, grundlegende Muster und Strukturen auszumachen, welche er als Archetypen bezeichnete. Diese wirken nach Jung im Unbewussten der menschlichen Psyche. Durch Archetypen bekommt die Psyche konkrete Strukturen, sie haben die Aufgabe, sowohl psychische Erfahrungen als auch Motive und Bilder des Unbewussten zu ordnen und anzuordnen.74 Die Archetypen stehen in besonderer Verwandtschaft zu den Instinkten, die Handeln und Reagieren des Menschen dominieren.75 Dabei sind sie sowohl bildhafter als auch dynamischer Natur. Sie ordnen das Seelenleben und ermöglichen den Prozessen der Psyche Zentrierung und eine Zielrichtung.76 Vor allem aber haben sie die Funktion, die bewusste Einstellung eines Menschen zu korrigieren.77 Dabei ist zu beachten, dass ein Archetyp nie in seiner vollkommenen Gestalt erfasst werden kann, sondern nur in Symbolen, die stets nur einen Teil des Ganzen zeigen.78 Ar70 Vgl. von Heydwolff, Art Unbewußtes, kollektives, 742. 71 Ebd. Verwiesen sei dazu auf Coward, Eastern Thought, 37–44. 72 Stevens, Einführung, 84, spricht auch davon, dass sich das kollektive Unbewusste aus Archetypen zusammensetzt. 73 S. dazu Jarret, Schopenhauer, 194 f. Zu Schopenhauer und Jung s. Liebscher, Jung, 312–315; Jarret, Schopenhauer, 193–204. Vgl. Samuels, Post-Jungians, 23 f. 74 Hark, Grundbegriffe, 25 f; Lier, Art. Archetypus, 44. 75 Hark, Grundbegriffe, 26. 76 A. a. O., 26 f. 77 Jung, Beziehung, 349. Dies funktioniert ähnlich wie beim Schatten (s. o.). Archetypen haben also eine komplementäre Funktion und weisen auf Ungleichgewichte in der Psyche bzw. der seelischen Entwicklung hin. Nimmt man sie wahr und integriert man sie, ermöglicht dies der Seele eine Fortentwicklung und zunehmende Bewusstwerdung. 78 Jung, Überlegungen, 239 f, schreibt dazu: „Die archetypischen Vorstellungen [d. h. Symbole, P. E.], die uns das Unbewußte vermittelt, darf man nicht mit dem Archetypus an sich verwechseln.

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chetypen zeigen sich vor allem im Traum, aber auch in Mythen und Märchen.79 Jung versteht sie als Seelenstrukturen, die universal und identisch sind.80 Der Jungianer Stevens vergleicht das Potenzial der Entdeckung Jungs mit dem der Quantenmechanik auf dem Gebiet der Physik. Die Archetypen seien verantwortlich für „die Einleitung, Kontrolle und Vermittlung bestimmter für alle Menschen typische[n] Verhaltensweisen und Erfahrungen.“ So bewirkten sie in der Psyche völlig unterschiedlicher Menschen „ähnliche Gedanken, Bilder, Mythologeme und Gefühle“.81 Dabei bestehen sie nach Jung unabhängig von Volkszugehörigkeit, gesellschaftlicher Schicht oder der Zeit, in der ein Mensch lebt. Die Archetypen verbinden sozusagen das Universelle der Menschheit mit dem Individuellen einer oder eines Einzelnen. Sie sind von ihrem Inhalt eher statisch und stabil, zeigen sich aber in der Psyche jedes Menschen auf individuelle Weise.82 Anders gesagt: Jeder Mensch trägt die Gesamtheit der Archetypen in sich, wird aber weder diese Gesamtheit noch den vollen Gehalt einzelner Archetypen je ganz erfassen, sondern immer nur Teile davon. Diese Teile eines Archetyps sind die o.g. Einzelsymbole. Um ein (an dieser Stelle aber verkürztes) Beispiel zu geben: Wenn wir den Archetyp „Gott“ betrachten, zeigt sich dieser etwa im Traum des Charîs (ActThom 91) im (Teil-)Symbol des Adlers (zum Gottessymbol des Adlers s. u. ausführlich). Roesler, der eine der neuesten Darstellungen bzw. Modifizierungen der Archetypenlehre präsentiert,83 sieht in derselben v. a. die Funktion einer Kulturtheorie, die Erklärungen anbietet, warum religiöse und mythologische Bilder, Vorstellungen und Rituale interkulturell auffallend übereinstimmen. Eine weitere Funktion sieht er im praktischen psychotherapeutischen Vollzug. Die Archetypen, die er durchaus als universell anwesend versteht, seien in der Art, wie sie sich in Träumen und symbolischem Material zeigten, in Krisensituationen bzw. bei psychischen Störungen hilfreich, da sie Heilungsprozesse in der individuellen Psyche anstießen bzw. strukturierten.84 Die Archetypen sind nach Jung biologisch angeboren.85 Was das betrifft,

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Sie sind vielfach variierte Gebilde, welche auf eine an sich unanschauliche Grundform zurückweisen. Letztere zeichnet sich durch gewisse Formelemente und durch gewisse prinzipielle Bedeutung aus, die sich aber nur annähernd erfassen lassen.“ Eine bis heute einmalige Sammlung dieser archetypischen Symbole bietet Ronnberg u. a. (Hg.), Buch der Symbole. Um tiefenpsychologische Märcheninterpretation haben sich v. a. die Jungianerin Verena Kast und die Jung-Mitarbeiterin Marie-Louise von Franz verdient gemacht. Aus einer großen Anzahl von Monographien sei hier nur genannt: Kast, Wege zur Autonomie; von Franz, Der Schatten; dies., Der goldene Esel. Jung, Symbole der Wandlung, 200. Zur Kritik s. u. Stevens, Einführung, 81 f. A. a. O., 84 f. S. u. ausführlich. Roesler, Archetypenkonzept, 69. Ausführlich zur klinischen Anwendung s. a. a. O., 133–175. Jung, Über den Archetypus, 81. Allerdings sei nur die Prädisposition, „bestimmte Erfahrungen zu machen, nicht der Inhalt der Erfahrung selbst“ angeboren, Stevens, Einführung, 91. „Vererbt werden nicht die Vorstellungen, sondern die Formen, welche in dieser Hinsicht genau den

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ergeben sich durchaus Überschneidungen mit den Ergebnissen der Verhaltensforschung der letzten vier Jahrzehnte, insofern, als viele (tierische) Arten über einen Pool von Verhaltensweisen verfügen, welche sich evolutionär im Zentralnervensystem herausgebildet haben. Dies nennt man in der Verhaltensforschung Instinktverhalten. „Jeder Instinkt wird auf einen bestimmten Schlüsselreiz in der Umwelt hin aktiviert, und das Tier reagiert mit einem charakteristischen Verhaltensmuster, das genau an die betreffende Situation angepasst ist.“86 Um ein nicht-menschliches Beispiel auszuwählen: Eine Ente reagiert etwa, wenn sie den grüngefärbten Kopf eines Erpels sieht, mit Balzverhalten. Das grüne Gefieder ist ein Schlüsselreiz, der ein angeborenes Verhalten des Tieres auslöst, das im Zentralnervensystem angelegt ist. Dies ist ein Mechanismus, dem sich die Ente nicht entziehen kann. Verhaltensforschung und die jungsche Theorie der Archetypen stellen also zwei Seiten einer Sache dar: Erstere untersucht einen äußeren Ausdruck, Zweitere einen inneren.87 Kritiker der Theorie versuchen, die Ähnlichkeit vieler Motive, die in vielen Kulturen der Welt auftauchen, durch gesellschaftliche und kulturelle Faktoren zu erklären, nicht aber durch angeborene Prädisposition. Jung hielt diesbezüglich dagegen, dass viele Themen und Motive im Leben seiner Patient(inn)en auftauchten, etwa in Träumen oder Halluzinationen, obwohl diese ihnen völlig unbekannt gewesen seien.88 Abgekürzt kann man Jungs Theorie so zusammenfassen: Immer wenn ein Phänomen eine charakteristische Rolle für die menschlichen Gemeinschaften in ihrer Gesamtheit spielt, zeigt sich ein Archetyp, der aus dem kollektiven Unbewussten stammt. Dabei sind sowohl der Archetyp als auch die kollektive Vermittlung eines Sinngehaltes zugleich beteiligt. Das heißt, dass soziologische Aspekte bei der Entstehung und Weitergabe eines archetypischen Inhalts immer eine Rolle spielen. Dazu kommt, dass eine Kultur ein Phänomen oder inhaltlichen Gehalt, der von existenzieller Natur zu sein scheint, eher konserviert als einen weniger bedeutenden. Verhaltensweisen, die den Menschen grundlegend prägen, wie etwa die Bindung an die Mutter, das Streben nach Macht oder die Fortpflanzung, besitzen eine biologische Allgemeingültigkeit, Dauer und evolutionäre Stabilität. Wenn es sich hier um Archetypen handelt, bringen diese sowohl psychische Erfahrungen als auch Verhaltensweisen hervor, welche typisch für jede menschliche Gemeinschaft sind.89 Dass Archetypen

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ebenfalls formal bestimmten Instinkten entsprechen.“ (Jung, Mutterarchetypus, 94 f). Die Beobachtung von so etwas wie Archetypen wurde übrigens von völlig unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen in ähnlicher Weise gemacht, unabhängig von Jung, so etwa in Philosophie, Soziologie, Sprachforschung und Verhaltenspsychologie, s. dazu Stevens, Einführung, 88 f. S. auch Obrist, Das Unbewusste, 114–117. Stevens, Einführung, 87. A. a. O., 87 f. A. a. O., 92. Vgl. Jung, Struktur der Seele, 173 ff. Die Stichhaltigkeit dieses Gegenarguments soll hier nicht weiter gewichtet werden, s. kritisch dazu Roesler, Archetypenkonzept, 63. Stevens, Einführung, 94 f. Stevens formuliert an anderer Stelle: „Archetyps are conceived as

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einen transzendenten Aspekt beinhalten, versucht Jung an der Idee des unus mundus nachzuweisen, den er als Urgrund allen Seins versteht und dessen Vermittler die Archetypen seien. Archetypen fungierten dabei als Regulator der Psyche mit ihren Bildern, Vorstellungen und Erfahrungen. Aber Jung versteht sie auch als Grundprinzipien, die der physischen Welt90 innewohnen, mit der Gesamtheit all ihrer Energie und Materie. Archetypen werden nach Jung von einer objektiven Ordnung produziert, die über den Geist des Menschen und die physische Welt hinausgeht. Hier kommt es also zu einem Schnittpunkt von Psychologie, Naturwissenschaften und Theologie.91 Um verschiedene Aspekte des bisher Gesagten zu bündeln, sei schließlich Jung nochmals zitiert: „Die Archetypen sind, wie es scheint, nicht nur Einprägungen immer wiederholter typischer Erfahrungen, sondern zugleich verhalten sie sich empirisch wie Kräfte oder Tendenzen zur Wiederholung derselben Erfahrungen. Immer nämlich, wenn ein Archetypus im Traum, in der Phantasie oder im Leben erscheint, bringt er einen besonderen ‚Einfluß‘ oder eine Kraft mit sich, vermöge welcher er numinos, resp. faszinierend oder zum Handeln antreibend wirkt.“92

3.3.1.2 Kritik der Archetypentheorie Der Jungianer Stevens kritisiert, dass die Archetypentheorie von Jung nicht in einer klareren und vor allem wissenschaftlich nachprüfbareren Art und Weise präsentiert wurde bzw. dass er sie nicht stärker mit Beweisen absicherte.93 Auch das kollektive Unbewusste sei vor allem (eher) „eine ehrbare wissenschaftliche Hypothese“.94 Allerdings seien die Archetypen in wissenschaftlicher Hinsicht kaum mehr in Zweifel zu ziehen als die schon angesprochenen Instinkte innerhalb der Verhaltensforschung.95 Auch der Jungianer Roesler weist nachdrücklich daraufhin, dass mehr empirische Forschung zu den Archetypen, ihrer Weitergabe und ihrem Einfluss auf die Psyche nötig sei.96 Der Begriff des

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neuropsychic units which evolved through natural selection and which are responsible for determining the behavioral characteristics as well as the affective and cognitive experiences typical of human beings.“ (Stevens/Price, Psychiatry, 6). Jung, Psychologie des Unbewußten, 77, nahm an, dass bestimmte Archetypen auch bei Tieren vorkommen. Stevens, Einführung, 96. Jung stand in regem und fruchtbarem Austausch mit dem Physiker Wolfgang Pauli über diese „Schnittmenge“. S. dazu Atmanspacher u. a. (Hg.), Pauli-JungDialog; Meier, Briefwechsel. S. auch Frank, Science, 90 ff; 216 ff. Jung, Psychologie des Unbewußten, 77. Stevens, Einführung, 90. A. a. O., 91. Verwiesen sei auf Shelburne, Mythos. Zur Kritik an Jungs wissenschaftlicher Arbeitsweise s. Balmer, Archetypentheorie, 106 f. Stevens, Einführung, 91. Roesler, Reply to François Martin-Vallas, 288.

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Archetypus ist jedenfalls nicht unproblematisch. Schwierig ist vor allem, dass Jung in der immensen Breite seiner Arbeit oft nicht einheitlich formuliert, sondern immer wieder verschiedene Definitionen des Begriffs anbringt.97 Das liegt zum Teil an seiner Arbeitsmethode, der Amplifizierung eines Themas. Zudem reagierte Jung empfindlich und nicht ohne Überheblichkeit auf Kritik.98 Allgemeine Kritik an Jung gab es nicht wenig. Schon Freud schrieb zu Jungs Arbeit: „Wo man sie antastet, muß man darauf vorbereitet sein, zu hören, daß man sie mißverstanden hat, und man weiß nicht, wie man zu ihrem richtigen Verständnis kommen soll.“99 Herwig schreibt: „An die Stelle der Wahrheitsfindung durch präzise Analyse der Gesamtrealität tritt auch bei JUNG die inhärente Systemspekulation“.100 Auch Erich Fromm stand Jung und seiner Arbeit kritisch gegenüber. Jung habe sich der Bewusstmachung persönlicher Verdrängungen entzogen, „indem er sein Unbewußtes zum Teil einer mythischen Größe machte“. Jungs Bruch mit Freud sei gleichzeitig der Bruch mit wissenschaftlichem Denken gewesen, er sei narzisstisch, was den Grund für seine Behauptung liefere, „seine Visionen und Phantasien repräsentierten eine objektive und unabhängige Realität.“ Weiterhin neige Jung zu einer „ausweichenden Ausdrucksweise und zu naiven philosophischen Behauptungen.“ Er sei nicht authentisch, vertrete einen „überstiegenen Aberglauben“, einen „unbestimmten heidnischen Götzendienst und ein[] vage[s] Gerede über Gott“.101 Andererseits würdigt Fromm Jungs Arbeit auch: Dieser habe wichtige Beiträge zur freudschen Theorie geleistet. Jung habe erkannt, dass es bestimmte intensive Wünsche mit bestimmten Antworten darauf gäbe, die den Bedingungen der menschlichen Existenz entsprächen (womit er die Archetypen meint) und dass diese bei allen Menschen zu finden seien. Er habe Freuds Libidokonzept von seinen engen sexuellen Schranken befreit und Brücken geschlagen zwischen dem persönlichen Erlebnis und Mythen, Riten und Symbolen.102 97 Roesler, Archetypenkonzept, 63 f, konstatiert „Inkonsistenzen und Widersprüche“ im jungschen Werk zum Begriff; Jung sei es nicht gelungen, die verschiedenen Überlegungen und Definitionen zu einer Grunddefinition zu bündeln, die in sich kohärent sei (s. ausführlich a. a. O., 63–68). Er geht, a. a. O., 68 f, sogar noch einen Schritt weiter und meint, dass in der Analytischen Psychologie bis heute keine eindeutige „theoretische Klärung und Systematisierung“ vorliege, wie der Begriff „Archetyp“ zu bestimmen und definieren sei. S. auch Colman, Archetyps, 340. Anders der Jungianer Martin-Vallas, Archetypes, 282, der die widersprüchlichen Beschreibungen Jungs verteidigt, u. a. mit dem Hinweis auf die außerordentliche Komplexität des Begriffs bzw. Systems der Archetypen. 98 S. nur Balmer, Archetypentheorie, 107. So auch Roesler, Archetypenkonzept, 62, welcher meint, Jung habe z. T. regelrecht „trotzig“ auf Kritik reagiert. 99 Freud, Geschichte, 105, gefunden bei Balmer, Archetypentheorie, 2. Auch Martin Buber äußerte sich kritisch Jungs Arbeit gegenüber. Seine Kommentare sind zusammengestellt bei Balmer, Archetypentheorie, 48 ff. 100 Herwig, Therapie der Menschheit, 80, gefunden bei Balmer, Archetypentheorie, 3. 101 Fromm, Prophet, 125 f; 128; 130. 102 A. a. O., 130.

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Einen Gesamtentwurf einer Kritik der Archetypentheorie liefert Balmer.103 Auch wenn dieser Entwurf nur eingeschränkt fruchtbar erscheint (was u. a. darin begründet liegt, dass Balmer Jung auf sehr polemische Weise grundsätzlich den Vorwurf zu machen scheint, metaphysisch zu denken und transzendente Erfahrungen einzubeziehen)104, zeigt er doch kritische Aspekte auf, die der Erwähnung bedürfen. Haupteinwand Balmers ist, dass Jung seine Ausführungen als allgemein verbindlich entwirft, was sicher einer der Kritikpunkte der Archetypenlehre sein muss.105 Eine weitere Kritik, die freilich schon problematischer ist, liegt darin, dass Jung sein Archetypenkonzept spekulativ begründe, anstatt es empirisch zu untermauern.106 Damit zusammen hängt die Kritik, dass Jung Erkenntnisse aus persönlichem, oft visionärem Erleben ableite.107 Auch dieser Einwand hat aus empirischer Sicht seine Berechtigung; aus theologischem Blickwinkel fällt er freilich schnell in sich zusammen – das muss sicher nicht ausgeführt werden, sondern erklärt sich von selbst. Ein anderer Aspekt, den Balmer kritisch sieht, liegt in der Rolle, die die Archetypen einnähmen und die nach seiner Meinung in der von Hypostasierungen bestünde. Er befürchtet, dass durch die Institutionalisierung der Archetypen und die Autorität, die ihnen zugesprochen werde, das Individuum des Patienten in seiner persönlichen Probematik zu kurz käme und Verstehensmöglichkeiten desselben durch den Therapeuten verbaut würden.108 Diese Kritik, die nun den praktischen Wert der Archetypen in der angewandten 103 Balmer, Archetypentheorie. 104 S. a. a. O., 13; 16 ff. Der Vorwurf, Wissenschaft durch Metaphysik in irgendeiner Art und Weise zu entwerten, ist in Bezug auf Jung freilich nicht neu, s. Gruhle, Verstehen, 232, welcher, ebd., schreibt, Jungs Arbeiten seien „nichts als Metaphysik“. Auch Bloch, Begriffsgeschichte, 109, kritisiert dies (beide Stellen gefunden bei Balmer, Archetypentheorie, 3 f). Bezeichnend ist auch die berühmte Bitte Freuds gegenüber Jung, niemals die freudsche Sexualtheorie aufzugeben. Diese sei ein „Bollwerk“, gerichtet „[g]egen die schwarze Schlammflut […] des Okkultismus.“ (Jaffé, Erinnerungen, 155). Tatsächlich muss gefragt werden, ob Jung die Grenze zwischen Empirie und metaphysischer Spekulation klar genug gezogen hat, s. dazu Balmer, Archetypentheorie, 50. Oder anders gesagt: Jung hat sich selbst auf schon geradezu aufdringliche Weise als bloßen Empiriker bezeichnet (Jung, Psychologie und Religion, 20; ders., Individuation, 264, u. ö.), dieses Gebiet aber zugunsten der Frage nach metaphysischer Wahrheit regelmäßig verlassen. 105 Balmer, Archetypentheorie, 7. 106 A. a. O., 4. Hier muss freilich die Frage gestattet sein, ob man Jung, angesichts der Tatsache, dass er ca. 80000 Träume von seinen Klienten und Patienten aus aller Welt analysiert hat (Hark, Traum, 249) absprechen kann, empirisch gearbeitet zu haben. Anders Roesler, Archetypenkonzept, 80 f, der Jungs Auffassung von Empirie scharf kritisiert und a. a. O., 82, feststellt, dass Jung ein sehr idiosynkratisches Verständnis von Wissenschaftlichkeit und Empirie aufweise und sich kaum darum bemüht habe, sein Konzept an zeitgenössische Erkenntnisse und methodische Zugänge anzuschließen. Zu oft hätten Jungianer die Existenz der Archetypen als feststehendes Faktum betrachtet und dann dazu (sozusagen in der falschen Reihenfolge) passende Erkenntnisse gesucht. Andererseits hält Roesler, ebd., das Archetypenkonzept „für den fruchtbarsten Ansatz“ überhaupt. 107 Balmer, Archetypentheorie, 7 f. 108 A. a. O., 2.

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Therapie in den Blick nimmt, ist zweifelsohne berechtigt. Allerdings ist hier einzuwenden, dass es weniger an dem Theorem „Archetyp“ liegt als an dem Ermessen des Therapeuten, diesen sinnvoll einzusetzen. So schreibt auch Lengsfeld in seiner Rezension zur Arbeit Balmers, dass „sich die praktische Brauchbarkeit eines therapeutischen Systems kaum an seinem erkenntnistheoretischen Wert ablesen [lässt], eher an seinen Heilerfolgen.“109 Weiterhin wurde vor allem die Reduzierung von Eigenheiten bestimmter Kulturen, gerade in ihrer Komplexität, durch die Archetypen kritisch bewertet. Gerade diese Eigenheiten, die die Archetypen nivellierten, seien aber wichtige Bausteine kultureller Entwicklungen.110 Frank formuliert ähnliche Kritik in Bezug auf Mythen, die durch die Archetypenlehre zu universaler Geltung stilisiert würden. Zudem stünde die Lehre in der Gefahr, lediglich die Vorurteile einer abendländischen Sicht und Interpretation von weltweiten Mythen zu zementieren.111 Weitere Kritik ist feministischen Inhalts, die vor allem die negativen weiblichen Archetypen anprangert (etwa anhand des vor allem in Märchen erscheinenden Motivs der „bösen Stiefmutter“), da diese die historischen Gründe für Gewalt gegen Frauen verschleierten, wenn nicht gar mythologisierten.112 Der Jungianer Colman plädiert in einem Beitrag mit dem programmatischen Namen „Are Archetypes Essential?“ unlängst für einen anderen Weg, nämlich „to maintain the spirit and quality of Jung’s original notion, while abandoning the theoretical concept of archetypes altogether.“113 Dabei möchte er den Aspekt des Numinosen, den er für zentral für das menschliche (Er-) Leben hält, und der für ihn im Mittelpunkt der Archetypenlehre steht, beibehalten und stärken und aus dem Korsett des Theoriegebäudes der Archetypen herausarbeiten.114 Es sei zu unterscheiden zwischen der Theorie der Archetypen und der Erfahrung des Numinosen.115 Das größte Problem der Theorie sieht Colman im platonischen Essentialismus der Archetypen,116 aber auch in 109 110 111 112

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Lengsfeld, Balmer, Archetypentheorie, 388. Holt/Cameron, Cultural Strategy, 170. Frank, Science, 211. Warner, Beast, 213; 381. „The theory of archetypes, which is essentially ahistorical, helps to confirm gender inevitability and to imprison male and female in stock definitions.“ (A. a. O., 279, vgl. Doniger, Spider, 154). Auf Baumgardt, Anima und Animus, wurde o. schon hingewiesen. S. auch Colman, Archetyps, der sich auf Jungs Ausführungen zur Rolle der Frau (Jung, Frau, 140 [Anm.: Colman bezieht sich auf die englische Ausgabe der GW Jungs, wir geben hier der besseren Nachvollziehbarkeit wegen das deutsche Pendant an; so auch oben, 25, Anm. 54; unten, 217, Anm. 117]) und zur Natur der Frau (Jung, Syzygie, 23) bezieht und diese als inakzeptabel bezeichnet, Colman, Archetyps, 339. S. auch Roesler, Archetypenkonzept, 39 ff mit weiterer Literatur. Colman, Archetyps, 336. Die Idee der Archetypen sei „redundant“ (a. a. O., 343). Ebd.; a. a. O., 339. A. a. O., 337. Dass Archetypen numinose Erfahrungen transportieren, beinhalten oder möglich machen, sieht Colman u. a. in der schon o.g. (25, Anm. 54) Ausführung Jungs über den Archetypen der Anima belegt, die Colman in seinem Beitrag (Colman, Archetyps, 337) aufführt. A. a. O., 339.

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der Unabänderlichkeit und der ewigen Dauer bzw. Gültigkeit der vorbestimmten archetypischen Gehalte.117 Die die Archetypen repräsentierenden Symbole seien aber nicht Beweis für ein „a priori realm“ der Archetypen,118 sondern müssten in ihrer Entstehung kulturanthropologisch erklärt werden. Die menschlichen Symbole seien als Werkzeuge entstanden, um sich die Welt gedanklich vorzustellen, wie der Mensch auch Werkzeuge entwickelt habe, um auf die physische Welt einzuwirken.119 Diese Symbole hätten sich v. a. aus rituellen Zusammenhängen heraus entwickelt, verbunden „with great affective significance.“120 Dabei sei es besonders darum gegangen, das Numinose in symbolhafter Form zur Geltung zu bringen. Diese Symbole würden numinose Erfahrungen bzw. Affekte begründen und bergen und diese ausdrücken.121 Colman sieht in Archetypen kulturelle Muster, die das menschliche Leben ordnen und Affekte regulieren.122 Das heißt nach Colman auch, dass Archetypen kulturell vermittelt werden.123 3.3.1.3 Nachweis von Archetypen durch Kultur- und Naturwissenschaften Was den kultur- und naturwissenschaftlichen Nachweis der Archetypen betrifft, stellen sich die Ergebnisse sehr unterschiedlich dar.124 So zeigt die anthropologische Forschung, dass eine Gruppe von angeborenen und voneinander klar unterscheidbaren Grundemotionen existiert, welche sich schon beim Säugling manifestieren und sich kulturübergreifend von Mensch zu Mensch eindeutig nachweisen lassen.125 Weiterhin wurde in humanethologischer Perspektive ein Set universaler menschlicher Verhaltensweisen nachgewiesen.126 Universalien im Sozialverhalten wurden bei der Mutter-Kind-Bindung, bei der Paarfindung, dem Ausformen von Rangordnungen, beim Territorialverhalten, bei Besitz und Tausch von Objekten, beim Feindverhalten 117 Ebd., mit Verweis auf Jung, Über die Archetypen, 42, und Jung, Ehe, 224. Dabei bringt Colman, Archetyps, 342, ein Zitat Jungs (Jung, Über den Archetypus, 85), in welchem dieser genau das Gegenteil feststellt, nämlich dass die archetypischen Gehalte inhaltlich nie völlig zu fassen sind und sich ständig verändern. 118 Colman, Archetyps, 341. 119 Ebd. Auch Martin-Vallas, Archetyps, 280, sieht die Umwelt als wesentlichen Faktor für die Herausbildung von Archetypen an. 120 Colman, Archetyps, 341. 121 A. a. O., 341 f. 122 A. a. O., 342, mit Geertz, Interpretation, 99. 123 Colman, Archetyps, 342. 124 S. dazu ausführlich Roesler, Archetypenkonzept, 80–118. Einige wenige Aspekte daraus seien im Folgenden genannt. 125 A. a. O., 86, mit Verweis auf die Studie von Ekman u. a., Expressions of Emotions, 712–717. Bei dieser wurden 552 Probanden (aus zehn Ländern weltweit) 18 Gesichtsausdrücke auf Fotos gezeigt. Die ausgewählten Emotionen, die sich auf den Fotografien teilweise überschnitten, waren Wut, Ekel, Angst, Glück, Traurigkeit, Überraschung und Verachtung, a. a. O., 714. 126 Roesler, Archetypenkonzept, 89.

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innerhalb einer Art, aber auch beim Neugier- und Aggressionsverhalten festgestellt.127 Dass Jung daran festhielt, Archetypen seien genetisch festgelegt und würden als solche vererbt werden, hält dem heutigen Stand der Humangenetik und Epigenetik jedoch nicht stand.128 Wesentlich vielversprechender ist der Ansatz, dass Archetypen, anstatt über Genanlagen, über kulturelle Weitergabe vermittelt werden.129 Auch subliminale Vermittlungswege anhand intuitiver Kommunikation kommen ernsthaft in Frage. Dabei nehmen die sog. Spiegelneuronen eine Schlüsselstellung ein.130 Exkurs – Spiegelneurone131 Spiegelneurone feuern im Gehirn sowohl bei einer eigenen Handlung, die vollzogen wird, als auch bei der Beobachtung dieser Handlung bei anderen. Bisherige Untersuchungen konzentrierten sich besonders auf das Gebiet von Motorik und Sensomotorik, aber auch der Sprach-132 und Emotionsforschung. Besonders Letztere sind für die hier dargestellten Zusammenhänge von Bedeutung.133 Denn so wie Spiegelneurone auf dem Areal der Motorik bzw. 127 Obrist, Bewusstsein, 111 f, gefunden bei Roesler, Archetypenkonzept, 89. 128 A. a. O., 104 f; 108. Anders Martin-Vallas, Archetypes, 280. Knox, Mirror Neurons, 311, meint: „Automatic behaviour patterns can be under significant genetic influence (at least in the sense that a particular gene-environment interaction activates a particular species-specific automatic motor chain); mental imagery and thought are the result of much more complex interactions between brain, mind and environment, in which genetic ,hard-wiring‘ plays virtually no part.“ 129 Roesler, Archetypenkonzept, 116. Dies wurde schon angedeutet. S. dazu u. ausführlicher. 130 A. a. O., 116, mit Verweis u. a. auf Rizzolatti/Craighero, Mirror-Neuron System, 169–192; Gallese, Roots, 171–180. 131 Als allgemeinere Einführungen seien genannt: Rizzolatti/Sinigaglia, Empathie und Spiegelneurone; Bauer, Spiegelneurone. 132 Kurz einführend ist Ertelt/Binkofski, Spiegelneurone, 410 f. 133 Häusser, Empathie und Spiegelneurone, 322; 328 mit Literatur. Die ursprüngliche Entdeckung machte ein italienisches Team zu Beginn der 1990er Jahre (di Pellegrino u. a., Understanding motor events, 176–180) im prämotorischen Cortex von Makaken, Marshall, Mirror neurons, https://www.pnas.org/content/111/18/6531 (letzter Aufruf: 16. 09. 2020). Der Spiegelmechanismus funktioniert vegetativ und unbewusst. Zwar sind die Vorgänge bei eigener Handlung und Beobachtung der Handlung nahezu identisch, jedoch sind im ersten Fall nur die Neuronen im motorischen Cortex aktiv, die des prämotorischen Cortex hingegen in beiden Fällen. Der Name „Spiegelneurone“ leitet sich von der Synchronizität des beobachteten Verhaltens und der eigenen neuronalen Aktivität her, Häusser, Empathie und Spiegelneurone, 327. Der adäquate Fachbegriff des Vorgangs lautet „neurobiologisches Resonanzphänomen“, Bauer, Spiegelneurone, 23. Ferner ist erwähnenswert, dass bei den Makakenexperimenten die Spiegelneurone im prämotorischen Cortex nur aktiv wurden, wenn der entsprechenden Bewegung eine Intention zugrunde lag. Sobald diese Intention erkannt ist, werden die Spiegelmechanismen aktiv, z. T. noch vor Beendigung der entsprechenden Bewegung, Häusser, Empathie und Spiegelneurone, 327, mit Verweis auf Rizzolatti/Sinigagli, Empathie und Spiegelneurone, 37. Einen Überblick über die Schlüsselregionen und Unterregionen der Spiegelneuronen im

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Sensomotik funktionieren, wirken sie auch bei der Emotionswahrnehmung. Das heißt: Eine Emotion, die bei einem anderen Menschen wahrgenommen wird, kann selbst nachempfunden werden.134 Dem System der Spiegelneuronen kommt dabei in der menschlichen und kulturellen Entwicklung eine exponierte Stellung zu – in der Form, als sowohl innerhalb der gleichen Art als auch über einen transgenerationalen Zeitraum Wissensbestände konserviert und weitergegeben werden. Die Spiegelsysteme fungieren dabei als eine Art Gedächtnis des menschlichen Geschlechts: „In den Hunderttausenden von Jahren vor Erfindung der Schrift […] waren diese Wissensbestände gleichsam lebende Bibliotheken, die […] über Resonanz und Lernen am Modell von einer Generation an die nächste weitergegeben werden konnten.“ Dies war auch in vorsprachlicher Zeit schon möglich, „denn der im Spiegelsystem verankerte Resonanzmechanismus funktioniert vorsprachlich, […] da Sprache Vorstellungen über Abläufe und Sequenzen beschreibt, die im System der Spiegelneurone als Programme gespeichert sind.“135 Falls dies zutrifft, wäre das kollektive Unbewusste neurobiologisch nachgewiesen.136 Eminent wichtig ist dabei, dass innerhalb der Neurowissenschaften neuronale Befehlsketten bzw. Verkettungen von Erregungsmustern entdeckt wurden, welche angeboren sind.137 Die Hypothese dabei lautet, dass bevorzugte Handlungsketten existieren, die artspezifisch sind, und, durch die Wirkung der Spiegelneurone, von dem Nachwuchs derselben Art schneller nachgeahmt werden können, wenn sie bei Artgenossen beobachtet werden. Dies – der schnelle Erwerb dieser Handlungsketten – hat seine Grundlage in der genetisch bedingten Festschreibung der neuronalen Befehlsketten bezüglich dieser Handlungsformen im Gehirn.138

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menschlichen Gehirn bieten Jeon/Lee, Mirror Neuron System Research, 19 (Abb. 1), sowie a. a. O., 24, mit den jeweiligen zugeordneten Hirnregionfunktionen (Tabelle 1). Roesler, Archetypenkonzept, 116, mit Verweis auf Singer/Kimbles, Emerging Theory, 176– 203. Rizzolatti/Sinigaglia bezeichnen die o.g. Monographie „Empathie und Spiegelneurone“ entsprechend mit dem Untertitel „Die biologische Basis des Mitgefühls“. Häusser, Empathie und Spiegelneurone, 323, weist aber darauf hin, dass es sich um eine Empathie handelt, deren Basis nicht Einfühlung, sondern Mitfühlung ist; „auf Grundlage unmittelbarer Teilhabe kommt es zum Verständnis der Gefühlslage des Anderen.“ (Ebd.). Prinzipiell wird der Wirkzusammenhang zwischen Spiegelneuronen und Empathie stark diskutiert, a. a. O., 328 mit Literatur. Bauer, Spiegelneurone, 168 f, gefunden bei Roesler, Archetypenkonzept, 116 f. Nach Bauer, Spiegelneurone, 61, muss das Spiegelneuronensystem eingeübt und trainiert werden und kann ansonsten auch verkümmern. Roesler, Archetypenkonzept, 117. Ebd., mit Verweis auf Knox, Mirror Neurons, 310. S. auch Ferrari//Rizzolatti, Mirror neuron research, 2. Roesler, Archetypenkonzept, 117. Auch Häusser, Empathie und Spiegelneurone, 325, meint, dass die Fähigkeit, die Gefühle eines anderen nachzufühlen, was er, ebd., als „emotionale[] Perspektivübernahme“ bezeichnet, zur Bedingung habe, dass ein universal-menschliches Repertoire an Gefühlen existiert, an dem alle Menschen teilhaben. Dies bedeute, „dass unsere Stimmungen über einen gemeinsamen Frequenzbereich verfügen, um Resonanzphänomene auszulösen.“ (Ebd.). Er verweist, ebd., auf die sieben Basisemotionen der o.g. Studie von Ekman u. a., Expressions of Emotions (s. o., Anm. 125). Diese träten nicht kulturspezifisch, sondern

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Dennoch muss kritisch gesagt werden, dass zwar keine Zweifel bestehen, dass Spiegelneuronen beim Menschen existieren;139 die Einschätzungen deren Funktion betreffend variieren aber durchaus: Das Verstehen der Bedeutung des Verhaltens des Gegenübers, Hilfe beim Erlernen motorischer Aufgaben oder bei der Auswahl der eigenen Handlungen sind nur einige grobe Richtungen.140 Auch die Frage, ob Spiegelneurone von assoziativem Lernen herrühren oder sich evolutionärer Prozesse verdanken, ist höchst umstritten.141 Weitere Forschung bestünde in der Untersuchung des Verhältnisses von Perturbationen des frühen sozialen Umfelds bzw. früher sozialer Interaktionen und dem Spiegelneuronensystem, aber auch in der Aufklärung neurochemischer und molekularer Grundlagen der Spiegelmechanismen.142 Ferner muss die Verbindung zwischen Gehirnprozessen, die beim Menschen ablaufen, und sozialen Fähigkeiten durch weitere Studien untersucht und in ihrem Verständnis erweitert werden.143 Neurologische und psychiatrische Gebiete, auf denen das Wissen um Spiegelneurone therapeutisch eingesetzt wird, sind v. a. Schlaganfälle und Autismusstörungen,144 Schizophrenie und Psychopathie.145 Knox plädiert dafür, vor dem Hintergrund der Spiegelneuronenforschung, auch Erkrankungen

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universell auf. Gerade zur Emotion „Ekel“ wurden vielversprechende Forschungen betrieben, Häusser, Empathie und Spiegelneurone, 328, mit Rizzolatti/Sinigaglia, Empathie und Spiegelneurone, 181; 184, u. weiterer Literatur. Jeon/Lee, Mirror Neuron System Research, 22, weisen auf die Bedeutung des Ekels für das Überleben innerhalb evolutionärer Prozesse hin und stellen, ebd., in Bezug auf Experimente mit Schmerzstimuli bei Menschen fest, dass der Spiegelmechanismus „in empathic pain“ dem von „empathic disgust“ ähnlich sei. Zum Entstehen von altruistischem bzw. moralischem Verhalten vor dem Hintergrund der Spiegelneurone s. Häusser, Empathie und Spiegelneurone, 330 f, der hier den Artikel Bråten, Partizipation, zugrunde legt. S. auch den Überblick über Studien zu Spiegelneuronen und sozial-kognitiven Funktionen, unter Nennung der jeweils beteiligten Hirnregionen und Spiegelneuronensysteme bei Jeon/Lee, Mirror Neuron System Research, 26 (Tabelle 2). Vgl. Ferrari/Rizzolatti, Mirror neuron research, 1 f, welche a. a. O., 1, den Nachweis der Spiegelneurone beim Menschen aufgrund der breiten Studienlage als eindeutig erbracht ansehen. Einen aktuelleren Überblick über die Spiegelneuronenforschung, mit Verweis auf insgesamt 151 Studien, bieten Jeon/Lee, Mirror Neuron System Research, 18–31. Marshall, Mirror neurons. Ferrari/Rizzolatti, Mirror neuron research, 2 mit weiter Literatur. Vgl. Kilner/Lemon, Mirror Neurons, 1061. Ferrari/Rizzolatti, Mirror neuron research, 2. Jeon/Lee, Mirror Neuron System Research, 22 f. Jeon/Lee geben, a. a. O., 27, als weitere Forschungsfragen die Klärung der Beziehung zwischen den Spiegelneuronensystemen und dem Default Mode Network an, sowie die vertiefende Klärung von Zusammenhängen zwischen Spiegelneuronendysfunktionen und psychiatrischen Erkrankungen. Häusser, Empathie und Spiegelneurone, 323. Gerade bei Autismuserkrankungen wurden Dysfunktionen der Spiegelneuronensysteme nachgewiesen, a. a. O., 329 mit Literatur. Jeon/Lee, Mirror Neuron System Research, 23 f. Auch hier spielen Dysfunktionen der Spiegelneuronen eine entscheidende Rolle, a. a. O., 23. S. auch a. a. O., 25, Tabelle 3, die einen Überblick über Studien zu Autismus und Schizophrenie gibt, und sowohl jeweils beteiligte Hirnregionen als auch Spiegelneuronensysteme aufführt.

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wie posttraumatische Belastungsstörungen, Borderline-Störungen und dissoziative Identitätsstörungen neu zu betrachten.146 Als Fazit muss festgehalten werden, dass die Spiegelneuronenforschung insgesamt noch in den Anfängen steht, sodass jegliche Schlüsse unter einem gewissen Vorbehalt formuliert werden müssen.147 (Ende des Exkurses)

3.3.1.4 Reformulierung der Archetypentheorie durch Christian Roesler Zum Schluss soll ein aktueller Entwurf der Archetypentheorie vorgestellt werden, der stark kulturwissenschaftlich ausgerichtet ist. Roesler unterscheidet in seiner Darstellung drei Ebenen: 1. Angeborene basale Schemata Der menschliche Säugling verfügt nach Roesler über bestimmte Verhaltenskonzepte, welche angeboren und genetisch verankert sind. Diese lösen „ein universell gleichartiges Verhaltensmuster“ aus.148 Die Verhaltenskonzepte gleichen aber eher Reflexen, sind also durch Primitivität gekennzeichnet und zahlenmäßig gering (Roesler geht von einer zweistelligen Zahl aus). Weiterhin ist es ihnen nicht möglich, symbolische Informationen zu transportieren oder zu vermitteln. Sie sind also in keiner Weise mit der Vielfalt von Archetypen zu vergleichen. Dennoch entstehen aus den genannten basalen Konzepten psychische Strukturen, die sich durch größere Komplexität auszeichnen. Dies geschieht durch emergente Prozesse. Letztere werden in Gang gesetzt durch das Zusammenspiel von Einflüssen der Umwelt und den basalen Schemata.149 2. Vorsprachliche Repräsentationen und Beziehungserfahrungen Vorsprachliche Repräsentationen entstehen durch individuelle Erfahrung, werden aber auch unbewusst durch Interaktion zwischen verschiedenen Individuen weitergegeben. Zusätzlich zur persönlichen Erfahrung, auf die eine Person zurückgreifen kann, kommen „implizit übernommene Erfahrungskomplexe anderer Menschen“ unter der Voraussetzung von Interaktion und Beziehung.150 Dies ist etwa bei der Interaktion Säugling – Mutter zu beobachten. Die basalen, angeborenen Schemata supponieren die Existenz einer Vertrauensperson, in dem Fall der Mutter. Durch stetiges Interagieren zwi146 Knox, Mirror Neurons, 320. 147 Jeon/Lee, Mirror Neuron System Research, 25, versammeln auch kritische Stimmen, besonders bezüglich der Übertragung von Ergebnissen mit nichtmenschlichen Primaten auf Menschen. S. auch Hickok, Eight problems, 1229–1243. 148 Roesler, Archetypenkonzept, 119. 149 Ebd. 150 Roesler, Psychologie, 75.

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schen beiden entsteht ein Beziehungsgeflecht und eine bestimmte Erwartungshaltung, die das Kind entwickelt (das Kind weiß, dass, wenn es die Mutter anblickt, eine bestimmte Zuwendung zu erwarten ist). Diese komplexere Struktur wäre z. B. ein Grundbaustein eines Mutterkomplexes, also einer intrapsychischen Repräsentation. Dieser könnte durchaus schon als archetypisch charakterisiert werden, „weil der beschriebene Ablauf einer gut gelingenden frühen Beziehung sozusagen ,von der Natur so gedacht ist‘.“151 Zudem sind diese psychischen Strukturen interkulturell in gleicher Weise replizierbar und entsprechen, am Beispiel der genannten Erwartungen des Kindes, wenn auch unvollkommen, inneren Vorstellungen. Andererseits wird das Element der Universalität dadurch eingeschränkt, dass die Entwicklung bzw. der Verlauf Störanfälligkeit aufweist und so interindividuell differieren kann. Solche Störfaktoren können z. B. Stress oder eine psychische Erkrankung sein. Das heißt am Beispiel der Mutter-Kind-Beziehung, dass diese sich auch negativ entwickeln kann und dann zur Folge hätte, dass sich dysfunktionale Repräsentationen bzw. innere Strukturen bilden.152 3. Kulturelle Muster Archetypen entsprechen nach Roesler i. d. R. Prozessmustern mit einem Anfangs- und Endzustand und unterschiedlichen Zwischenzuständen. Es handelt sich also um Wandlungsprozesse (ein Beispiel wäre der Individuationsprozess). Diesen Prozessen ist eigen, dass am Anfang eine Problemstellung steht (etwa eine Erkrankung oder eine Mangelsituation) und am Ende eine Art Lösung, herbeigeführt anhand des archetypischen Prozesses. Werden die zugrundeliegenden Prozessmuster ins Sprachliche transformiert, entsprechen sie Narrativen. Diese verbinden die basalen Schemata aus Ebene 1 mit den archetypischen Prozessmustern. Der Ablauf der Mutter-Kind-Interaktion gleicht diesen Prozessmustern in der Weise, dass am Anfang ein negatives Gefühl steht, etwa Ängstlichkeit, am Ende ein positives, z. B. das der Sicherheit. In den frühkindlichen psychischen Strukturen sieht Roesler Vorformen der genannten Narrative. Auf Ebene 3 kämen archetypische Inhalte, also Narrative, z. B. in Form von Märchen, hinzu, in denen eine Person Repräsentationen wiederentdeckt, die sie als Säugling, gemäß Ebene 2, ausgebildet hat (beispielsweise wird die frühkindliche, vorsprachliche Erfahrung von Verlassenheit im Märchen „Hänsel und Gretel“ wiederentdeckt).153 Das heißt, während eine Person sich fortlaufend sozialisiert, kommt es zu einer Verbindung der „zunächst innerpsychischen und vorsprachlichen Erfahrungskomplexe mit Geschichtenmustern aus dem kulturellen Kanon“; es vollzieht sich ein Wiederentdecken der eigenen intrapsychischen Repräsentationen in den archetypischen Ge-

151 Roesler, Archetypenkonzept, 120. 152 A. a. O., 120 f. 153 A. a. O., 122.

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schichten.154 Die Aufnahme der begegnenden archetypischen Strukturen während der Sozialisation geht dabei implizit vonstatten, die Speicherung erfolgt im impliziten Gedächtnis. Dabei spielt ein Musterkennungssystem eine wichtige Rolle, das archetypische Strukturen erkennt, und das in den oben beschriebenen Spiegelneuronen zu suchen wäre.155 Aufgrund der Tatsache, dass die angesprochenen Erfahrungen von einem großen Teil der Menschen geteilt werden, „stellt jede Kultur hierfür Geschichtenmuster zur Verfügung, in denen die Erfahrung narrativ abgebildet wird“; kulturell entstandene und weitervermittelte Archetypen sind also „narrative Abbildung[en] typischer menschlicher Erfahrungen und Handlungsmuster.“156 Dies würde auch erklären, warum in der menschlichen Psyche archetypische Bilder und Prozessmuster auftauchen, welche über die individuelle Erfahrung hinausgehen.157 Zusammengefasst hieße das, dass Archetypen durch Sozialisation und Erfahrung erworben werden.158 Allerdings sind nicht nur die innerpsychischen Ausbildungen von Repräsentationen der Ebene 2 störanfällig, sondern auch die kulturellen und sozialen Vermittlungsprozesse der dritten Ebene. Daher ist es wahrscheinlich, dass nicht jeder Mensch auf alle Archetypen bzw. archetypischen Muster Zugriff hat.159 Auch muss die Pluralität der Gesellschaften und damit die der Sozialisationsbedingungen und -muster berücksichtigt werden. Der Umgang mit kanonischen archetypischen Geschichten, und infolgedessen die Aus- bzw. Einprägung von archetypischen Strukturen, kann hier jedenfalls differieren.160 Dies hat für Roesler zur Folge, die konstatierte Universalität der Archetypen unter Vorbehalt, wenn nicht gar in Frage zu stellen.161 Dies gelte besonders für moderne und postmoderne Gesellschaften.162 Folgende Punkte konstatiert Roesler daraus:163 1. Sowohl Archetypen als auch das kollektive Unbewusste müssen als soziale Erscheinung verstanden werden. 2. Der Erwerb von Archetypen, über welche die Menschen gemeinsam verfügen, geschieht – unter der Bedingung von Sozialisation und Kultur – „in einem langen Prozess unbewussten Austauschs von Erfahrungen und 154 155 156 157 158 159 160 161 162 163

Roesler, Psychologie, 75. Roesler, Archetypenkonzept, 123. Roesler, Psychologie, 75. Roesler, Archetypenkonzept, 122 f. A. a. O., 123. A. a. O., 205. Das wäre eine Erklärung dafür, dass „manche Patienten partout keine Symbole oder andere Bezüge zu archetypischen Strukturen präsentieren“. Es ist ihnen nicht möglich, „dass sie an diese […] anknüpfen können, weil sie schlichtweg nicht über sie verfügen.“ (Ebd.). Roesler, Psychologie, 81. Ebd.; Roesler, Archetypenkonzept, 205; 124. Roesler, Psychologie, 81. Das Folgende aus Roesler, Archetypenkonzept, 124.

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Einführung in die tiefenpsychologische Traumdeutung

Handlungsprogrammen durch intuitive Nachahmung und Resonanz“. Dem entsprechend erfolgt die Tradierung eines kollektiven menschlichen Gedächtnisses. Es handelt sich um eine neurobiologisch verankerte „kulturell-sozialisatorische Weitergabe.“ 3. Das kollektive Unbewusste ist nicht angeboren, stattdessen wird es im eben beschriebenen Sinne erworben. Um die theoretischen Erwägungen zu den Archetypen abzuschließen, sei kurz festgehalten, dass Jungs Theorie (sofern man angesichts der vielen, auch unterschiedlichen oder gar widersprüchlichen Definitionen davon sprechen kann), was ihre großen Züge angeht, nach wie vor Aktualität besitzt und ein ernstzunehmender Versuch ist, gleichartige menschliche Phänomene und Verhaltensweisen einzufangen und zu erklären. In dieser Arbeit wird der Standpunkt eingenommen, dass die Archetypentheorie in ihrer Substanz und ihrer Grundidee wissenschaftlich vertretbar und anwendbar ist. Von daher gebrauchen wir die Archetypenlehre hier, mit aller gebotenen Vorsicht und unter Einbezug der kritischen Stimmen, als Schablone, um breitere menschliche, v. a. religiöse Grunderfahrungen (in unserem Falle auf literarischer Ebene) einzufangen und zu deuten.

3.4 Nochmals Freud und Jung – kausal vs. final Ein letzter Aspekt muss bezüglich der tiefenpsychologischen Traumdeutung angesprochen werden, nämlich der der kausalen Herangehensweise Freuds und der der finalen Jungs. Freud arbeitet und „denkt“ nicht nur bei der Traumdeutung, sondern der psychoanalytisch-therapeutischen Arbeit prinzipiell, kausal, d. h. er fragt nach den Ursachen des Gegenwärtigen unter starkem Einbezug der Vergangenheit (v. a. der ersten Lebensphasen bzw. -jahre). Jung hingegen arbeitet final: Für ihn spielen Sinn, Zweck und Ziel die wesentliche Rolle; er sieht sich also (entgegen der o.g. Kritik) der Zukunft verpflichtet.164 Natürlich geht es auch Freud um Heilung im Blick auf die Zukunft der Patienten. Aber Jung ist sehr viel stärker an der produktiven Entwicklung der menschlichen Seele gelegen, und zwar über die Heilung von einer Störung hinaus. Etwas verkürzt und in eigenen Worten gesagt, ist Freud v. a. an der Überwindung einer psychischen Krankheit interessiert, Jung aber an Veränderungen, die sich auf die gesamte Lebensspanne beziehen. Zumindest die finale Ausrichtung wird durch die Neurowissenschaften gestützt: Sowohl das Bewusstsein als auch das Unbewusste stellen hirnanatomisch und funktional verschiedene Systeme dar. Dabei ist allein der assoziative 164 Kast, Träume, 103 f. Vgl. Jung, Allgemeine Gesichtspunkte, 282 f. Zur Verbindung beider Richtungen s. Benedetti, Träume, 57–64.

Jungianische Traumforschung der Gegenwart

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Cortex bewusstseinsfähig; dieser beginnt aber nur dann zu arbeiten, wenn ein Ereignis oder eine zu lösende Aufgabe sowohl als neu als auch als dringlich eingestuft wird.165 Natürlich ist es unabdinglich, beide, die kausale als auch die finale Sicht, in jede Traumdeutung mit einzubeziehen. Beim Deuten von archetypischen Bildern ist jedoch die finale Betrachtungsweise von primärer Bedeutung.166 Jung schreibt selbst dazu: „Im Gegensatz zu Freud und Adler […] lege ich auf die konstruktive oder synthetische Erklärung [eines Traums, P.E.] ein etwas größeres Gewicht in Anerkennung der Tatsache, daß das Morgen praktisch wichtiger ist als das Gestern, und das Woher unwesentlicher als das Wohin. […] [I]ch bin der Überzeugung, daß keine Einsicht in das Vergangene und kein noch so starkes Wiedererleben pathogener Reminiszenzen den Menschen von der Macht der Vergangenheit so befreit wie der Aufbau des Neuen“; Jung sei sich aber im Klaren, dass der Einbezug der individuellen Vergangenheit bzw. die Integrierung verdrängter oder nicht mehr verfügbarer Erinnerungen notwendig ist, um „etwas Neues und Lebensfähiges“ entstehen zu lassen.167 In einem therapeutischen Prozess ebenso wie in einer tiefenpsychologischen Traumdeutung sind aber, wie schon gesagt, beide Ansätze von eminenter Bedeutung. Wenn nicht deutlich ist, woher etwa ein Symptom stammt bzw. was dessen Ursachen sind, kann auch kein (final-) schöpferischer Umgang damit erfolgen. Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass wir in unserer Traumdeutungsarbeit hier nicht das freudsche Traumkonzept gegen das jungsche setzen werden, sondern beide Aspekte – Wunsch (nach Wunscherfüllung) und Kompensation(sangebot) eines vernachlässigten Persönlichkeitsanteils durch den Traum – miteinander ins Gespräch zu bringen versuchen.

3.5 Jungianische Traumforschung der Gegenwart Problematisch für die Darstellung heutiger jungianischer Traumdeutung ist, dass der Großteil der empirischen psychoanalytischen Forschung sich auf Freuds Deutung bzw. Teile seiner Traumtheorie bezieht. Dagegen gibt es kaum vergleichbare Arbeiten zur Überprüfung der Traumtheorie Jungs.168 Die Studien, die existieren, erscheinen entweder als zu unspezifisch oder sind in ihrer Aussagekraft für unsere Arbeit hier wenig verwertbar.169 Vor allem zum zentralen jungschen Theorem der kompensatorischen Funktion des Traumes gibt es kaum fundierte, veröffentlichte Studien, die dem heutigen empirischen 165 Roth, Fühlen, 228 ff. 166 Kast, Träume, 104. 167 Jung, Kranefeldt, 378 f. Diese Einsicht Jungs ist umso bedeutender, als er sich in seiner Mythenund Märchenarbeit augenscheinlich hauptsächlich mit dem Vergangenen beschäftigt. 168 Roesler, Psychologie, 82. 169 S. dazu die Zusammenfassungen a. a. O., 112–115.

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Stand genügen und Jungs Kompensationstheorie aussagekräftig stützen würden.170 Roesler sieht Jungs Traumtheorie in zwei Punkten zusammengefasst: 1. Der Traum stellt in spontaner Art und Weise dar, wie der momentane Zustand der Psyche ist, und 2. durch den Traum wird das wache Bewusstsein kompensiert.171 Diese beiden Punkte fasst Roesler zusammen zu der These, der Traum habe die Funktion, dem bewussten „Ich“ Informationen zu vermitteln, über die es noch nicht verfügt und die heilende Wirkung in sich tragen. Durch die Ergebnisse empirischer Psychologie und Neurowissenschaften sieht Roesler diese These als bestätigt an.172 Auch die Wirksamkeit der subjektstufigen (aber auch objektstufigen!) Traumdeutung sei empirisch belegt.173 Die Kompensationstheorie sieht er hingegen weder als bestätigt noch als widerlegt an und schlägt vor, anstelle von Bewusstseinskompensation von Bewusstseinserweiterung zu sprechen.174 Im Hintergrund dieser Formulierung steht die sog. Kontinuitätsthese, die besagt, „dass sich die mentale Aktivität [des Wachzustandes, P.E.] im Schlaf fortsetzt und hier weiterhin Erfahrungen aus dem Wacherleben verarbeitet werden“; es wird also von einer Kontinuität ausgegangen „zwischen der mentalen Tätigkeit im Wachleben und im Traumschlaf“.175 Diese These wird von einem Großteil der empirischen Traumforschung als Konsens vertreten.176 Zusätzlich zu diesen wenigen Bemerkungen soll ein aktuelles (2020) Traumkonzept, als repräsentativ für jungianische Forschung der Gegenwart, kurz umrissen werden. Es handelt sich dabei um das „Struktural Dream Analysis-Programm“ (SDA), das speziell Traumserien von sich in tiefenpsychologischer Behandlung befindenden Klientinnen und Klienten, zusätzlich 170 A. a. O., 116 ff. 171 A. a. O., 85 f, mit Bezug auf Kast, Träume, und Adam, Traumarbeit (leider ohne genaue Seitenangabe). 172 Roesler, Psychologie, 121. Einen Überblick über die entsprechende Studienlage gibt Roesler, a. a. O., 91–95, besonders 94 f. Diese fasst er so kurz zusammen: „Träume können weiter reichende assoziative Verknüpfungen herstellen als das Denken im Wachzustand, unter anderem weil mehr Hirnareale ins ‚Traumdenken‘ einbezogen sind.“ Dies erinnere an eine Vermutung Jungs, nach der „das Unbewusste, das die Träume hervorbringt, über ein umfassenderes Wissen bzw. eine größere Perspektive als das Bewusstsein verfügt“ (a. a. O., 104). 173 A. a. O., 108 mit Literatur. 174 A. a. O., 120 f, unter Einbeziehung der eben, in Anm. 172 gemachten Aussagen. Nach Roesler findet im Traum also eine Erweiterung des am Tage eingeschränkten Bewusstseins statt, indem im Traum zusätzliche Informationen zugeführt werden. Dies kann auch in ergänzendem Sinne geschehen. Dabei betont Roesler die Kreativität des Traums und seine Suche nach Problemlösungsstrategien, Roesler, Psychologie, 120. 175 A. a. O., 88 f. 176 A. a. O., 110; 120. Auch Roesler vertritt und würdigt sie (a. a. O., 119). Dabei fließt sie nicht nur in seinen o.g. Kompromiss, statt von Bewusstseinskompensation von Bewusstseinserweiterung zu sprechen, ein (a. a. O., 120), sondern er sieht auch den jungianischen Ansatz, dass Träume hauptsächlich unverschlüsselt und anhand von Symbolen erscheinen, in Übereinstimmung zur Kontinuitätsthese, a. a. O., 121. Gleiches gelte für die gegenwärtige Aufwertung des Tagesrests in der freudianischen Traumbetrachtung, a. a. O., 124.

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und begleitend zur Therapie, untersucht. Anstatt implizite psychodynamische Methoden oder Theorieelemente vorauszusetzen, werden die Träume strukturalistisch (Abläufe; Beziehungen der einzelnen im Traum auftauchenden Elemente untereinander; im Mittelpunkt der Untersuchung steht das TraumIch) betrachtet. Der Traum selbst wird als Narrativ verstanden und mithilfe von narratologischen Analysen untersucht. Im Zentrum steht der Gedanke, der Traum sei eine Art Kurzgeschichte, in welcher die Traumprotagonistin bzw. der Traumprotagonist versuche, ein Problem zu bearbeiten bzw. auf dessen Lösung hinzuarbeiten.177 Ein wichtiges Ergebnis ist, dass sich die allermeisten Träume in eine überschaubare Zahl von Mustern einordnen lassen. Das wichtigste Muster beschreibt das Traum-Ich, das mit einer Aufgabe bzw. Anforderung (auch im Sinne einer Herausforderung) konfrontiert wird. Dieses Strukturmuster wurde in der SDA in fünf Unterpatterns unterteilt: In Muster 1 nimmt kein Traum-Ich teil, der Träumer beobachtet den Traum von außen; in Muster 2 und 3 ist ein Traum-Ich involviert, ist jedoch in Bedrängnis durch andere Kräfte oder Mächte im Traum; die Initiative geht nicht vom Traum-Ich aus; Panik, Machtlosigkeit oder Flucht sind typische Reaktionen des TraumIchs in Muster 2. Muster 3 taucht am häufigsten als Prüfungstraum auf; in Muster 4 und 5 übernimmt das Traum-Ich die Initiative und versucht, eigene Absichten zu verwirklichen, kann dabei jedoch auf Schwierigkeiten stoßen; in Muster 5 ist das Traum-Ich auf eine soziale Kommunikation, Interaktion bzw. Beziehung fokussiert, sexueller Kontakt eingeschlossen.178 Die Stufen stellen also dar, wie das Traum-Ich (und damit der Träumer bzw. die Träumerin) immer mehr Ich-Stärke entwickelt – von einer völlig passiven Rolle über das langsame Auseinandersetzen mit dem jeweiligen Problem und ersten Lösungsstrategien, hin zu einem stabilen Traum-Ich, das beziehungshaft agiert.179 Während der ersten Hälfte der Untersuchung bzw. Therapie treten sehr häufig Traumserien auf, die bestimmte Probleme der Träumerin bzw. des Träumers abbilden und aus den ersten drei Kategorien stammen. Es kommt also zu sich wiederholenden Traummustern. In der Mitte des Zeitraums taucht ein Wandlungstraum180 auf, d. h. ein Traum oder Traumsymbol, der bzw. das 177 Roesler, Jungian theory, 44; 47 ff. Dabei wird die Methode so aufgebaut, dass die Schlussfolgerungen aus den Träumen unabhängig von den Deutungsvorgängen der parallel laufenden psychotherapeutischen Behandlung gezogen werden können. Das heißt, dass die Träume der Klientin bzw. des Klienten unabhängig voneinander an zwei verschiedenen Stellen ausgewertet werden (können). Informationen über die Träumerinnen und Träumer (z. B. über den Therapieverlauf) werden erst nach Analyse der Traumserien im SDA-Programm herangezogen. Nach Roesler werde durch die Methode eine objektive Analyse der Bedeutungen von Träumen ermöglicht, a. a. O., 48 f. 178 A. a. O., 49 ff. 179 Vgl. a. a. O., 55. 180 Gerade diese Träume zeichnen sich u. a. durch besondere Bildhaftigkeit aus. In etwa der Hälfte der Fälle wurde von einem Baby oder Kleinkind geträumt, das der Hilfe oder Unterstützung bedarf. Roesler verweist hier auf Jung, Die Archetypen und das Kollektive Unbewusste, GW

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eine Änderung im Traummuster zur Folge hat. Dabei kommt es i. d. R. zu einem Wechsel in die Traumkategorien vier oder fünf. Zeigt sich z. B. im Traum eine Bedrohung (die ein ungelöstes Problem symbolisiert, das die Psyche der bzw. des Träumenden als bedrohlich ansieht), etwa in Form eines wilden Hundes, flüchtet der oder die Träumende in der ersten Hälfte der Traumstudie, in der zweiten stellt er bzw. sie sich aber der Bedrohung und besiegt sie im Idealfall. Auch eine gelungene soziale Interaktion oder das Bestehen einer Prüfung kann am Ende stehen.181 Solche Wechsel in den Patterns sind nur dann zu beobachten, wenn es auch während der parallel stattfindenden Psychotherapie zu einer Verbesserung der Symptome oder zu einer positiven Veränderung in der Persönlichkeitsstruktur kommt.182 Die Transformationen in den Mustern sprechen also dafür, „that an initially weak ego structure, which fails to regulate and integrate threatening emotions, impulses and complexes, gains in ego strength over the course of the therapy and increasingly succeeds in coping with initially suppressed or split-off parts of the psyche and integrating these into constructive interactions with others.“183

Zu den unterdrückten Teilen der Psyche gehören Bedürfnisse, Motivationen und Komplexe.184 Infolge des Anstiegs der Ich-Stärke können Wünsche, Aufgaben und Pläne, ebenso wie soziale Interaktionen, besser verfolgt oder umgesetzt werden.185 Wichtig für unsere Untersuchung ist, wie Roesler die Traumbilder und Symbole versteht. Das Auftauchen des wilden bedrohlichen Hunds interpretiert er im Sinne ungelöster Probleme in Bezug auf Themen wie Gewalt, Sadismus, sexuelle Zwangsvorstellungen, aber auch eine starke Verletzung des Selbstwertgefühls. Prinzipiell symbolisierten die Traumbilder Teile der Psyche, v. a. Impulse und Komplexe, welche noch nicht in die Gesamtpersönlichkeit integriert seien.186 Diese Interpretation ist für die Betrachtung des dritten Traums u. (ActThom 91 f) besonders wichtig, da dort etliche Tiere auftauchen, die auch in diesem Sinne – nämlich als unintegrierte innerseelische Persönlichkeitsanteile – gedeutet werden können.

181 182 183 184 185 186

Bd. 9/1 (leider ohne Seitenangabe), nach dem der Archetyp des Kindes verbunden sei mit Veränderungen in psychotherapeutischen Prozessen, Roesler, Jungian theory, 55 f. A. a. O., 52 f; 56. A. a. O., 53. Ebd. A. a. O., 56. A. a. O., 53. A. a. O., 55.

Tiefenpsychologische Traumdeutung im Licht der Neurowissenschaften

229

3.6 Tiefenpsychologische Traumdeutung im Licht der Neurowissenschaften Die Theorie Freuds, im Traume zeige sich der Wunsch nach einer Wunscherfüllung, wird nach und nach, zumindest in großen Zügen, durch die Neurowissenschaften bestätigt.187 Von großer Bedeutung sind dabei Versuche im Schlaflabor, in welchem schlafende Versuchspersonen elektronisch überwacht und ggf. im Sinne einer bestimmten Versuchsanordnung gezielt geweckt und befragt werden.188 Eine der ersten und auch berühmtesten Ergebnisse diesbezüglich war die Entdeckung des sog. REM-Schlafes durch Nathaniel Kleitman und Eugene Aserinsky 1953, also die Beobachtung, dass in wiederkehrenden Intervallen, zusammenfallend mit einem bestimmten Aktivationsmuster, das im EEG gemessen wurde, schnelle Augenbewegungen unter den geschlossenen Lidern (rapid eye movement) auftraten. Diese Intervalle wurden bald mit Traumphasen im Schlaf assoziiert, was allerdings schon 1962 durch David Foulkes widerlegt wurde. Mit anderen Worten: Auch in Non-REM-Schlafphasen träumt der Mensch.189 Konkret zeigt das EEG während der REMPhasen eine erhöhte Hirnaktivität, die dem des Wachzustandes ähnelt.190 Zudem ist der Herzschlag erhöht und die Genitalien sind stärker durchblutet.191 Der Muskeltonus wiederum sinkt stark. Eine solche Phase wiederholt sich ca. alle 90 Minuten und nimmt etwa 25 Prozent der Schlafzeit ein.192 187 Solms/Turnbull, Gehirn, 221; 226; 228. 188 S. dazu Schredl, Experimentell-psychologische Traumforschung, 37–74 mit Literatur. 189 Mertens, Traum, 89. Dieser zweite Befund wurde allerdings in der Traumforschung oft nicht oder nur ungenügend wahrgenommen bzw. wurden die Non-REM-Träume zu stark vernachlässigt. S. dazu Montangero, Dreaming and REM sleep, 30–45, besonders 35 f. Allerdings muss festgehalten werden, dass REM- und Non-REM-Traumschlaf unterschiedlich ausfällt. Ersterer ist v. a. reich an Bildern, Symbolen und Affekten, Zweiterer eher kognitiv geprägt und rational gefärbt, mit einer stärkeren verbalen Prägung. Zudem kann man sich an REM-Träume stärker erinnern, Mertens, Traum, 90. Zum Aspekt des Erinnerns oder Vergessens von Träumen nach dem Aufwachsen s. Montangero, Dreamin and REM sleep, 36 f. Ein zeitlicher Überblick über wichtige neurophysiologische Beobachtungen zu Schlaf und Traum findet sich bei Mertens, Traum, 92 f. 190 Solms/Turnbull, Gehirn, 196 f. Wiederum kommt es zu einer Deaktivierung des dorsolateralen präfontalen Cortex im REM-Schlaf. Damit zusammen hängt die „Schwächung von Arbeitsgedächtnis, reflexiver Bewusstheit und Exekutivfunktionen wie dem Willen in REMSchlaf-Träumen.“ (Hobson, Gehirn, 123, vgl. Montangero, Dreaming and REM sleep, 37 mit weiterer Literatur). 191 Solms/Turnbull, Gehirn, 197. Dies ist die Grundlage für eine der hauptsächlich angewandten Methoden bei der Diagnose männlicher Impotenz. Genauer: Finden Erektionen in der REM-Phase statt, kann eine Impotenz psychischen Ursprungs diagnostiziert werden, a.a.O., 330, Anm. 2. 192 A. a. O., 197. Zum REM-Schlaf s. Mallick u. a., Rapid Eye Movement Sleep. Weinstein/Ellman, Bedeutung, 869, unterteilen den REM-Schlaf außerdem in phasische und tonische Episoden. Sie gehen, ebd., davon aus, dass in den phasischen Abschnitten die meiste endogene Stimulation stattfindet sowie durch diese Abschnitte die reflexive Selbstwahrnehmung reduziert wird. Das bedeutet, dass die Träumerin bzw. der Träumer den Traum besonders intensiv und wirklichkeitsnah wahrnimmt.

230

Einführung in die tiefenpsychologische Traumdeutung

Neuere sog. REM-Deprivationsstudien haben zutage gefördert, dass Versuchspersonen, die man direkt vor Beginn einer REM-Phase aufweckte, in den folgenden Nächten eine Rebound-Effekt aufwiesen. Damit ist gemeint, dass sich ihre REM-Aktivität erhöhte. Wichtiger sind jedoch die Auswirkungen der REM-Deprivation auf das Verhalten der Versuchspersonen im Zustand der Wachheit. Diese zeigten nämlich unter Entzug des REM-Schlafes ein ausgesprochen triebhaft-dominiertes Verhalten (etwa Heißhunger, deutlich erhöhte Aggressivität und signifikant verstärkte sexuelle Impulse). Weiterhin zeigten sich die Versuchspersonen in ihrer Anpassungsfähigkeit eingeschränkt und wiesen Konzentrationsstörungen, Gedächtnisbeeinträchtigungen, aber auch Lernschwierigkeiten auf. Daraus wurde geschlossen, dass sowohl REM-Schlaf als auch das Träumen bedeutenden Einfluss auf die Regulation menschlicher Triebe, aber auch auf die Informationsverarbeitung und die Stressbewältigung haben.193 Solms, Neurowissenschaftler, Psychoanalytiker und Begründer der sog. Neuropsychoanalyse194 kann ebenfalls Wesentliches zur Bestätigung freudscher Theoreme durch die Neurowissenschaften beitragen. Dazu ist wichtig zu wissen, dass das Träumen ausschließlich an die Funktionstüchtigkeit zweier Hirnareale gebunden ist, welche in den Großhirnhemisphären lokalisiert sind. Das eine Areal ist der temporoparietale Übergang, das andere Areal liegt innerhalb der Substantia alba des Frontallappens (d. h. im Hirnabschnitt, der sich oberhalb der Augenhöhlen befindet). In diesem Teil des Frontallappens liegt ein starker Faserzug, welcher Impulse, die dem Mittelhirn entstammen, an höhere Hirnareale weiterleitet (was durch die Ausschüttung von Dopamin geschieht). Solms fand heraus, dass, wenn diese Bahn beschädigt ist, keine Träume stattfinden.195 Dieser höhere Bereich hat die Funktion, „zielorientierte Verhaltensweisen und appetitive Interaktionen des Organismus mit seiner Umwelt in Gang zu setzen“.196 Das bedeutet nach Solms, dass über diese Bahn das Subjekt dazu motiviert wird, äußere Objekte, die seine inneren biologischen Bedürfnisse zu befriedigen vermögen, zu identifizieren und mit ihnen in Beziehung zu treten. Dies seien aber genau die Funktionen, die Freud in seinem Libidokonzept als primäre Triebkraft der Träume vermutet habe. Der derzeitige Stand empirischer neurowissenschaftlicher Forschung gebe allen Grund, Freuds ebenso radikalen wie inzwischen alten Ansatz ernst zu nehmen: Träume sind motivierte Phänomene und ihre Triebkraft Wünsche.197 Weitere Untersuchungen, die von Freud zur Traumdeutung geäußerte 193 Mertens, Traum, 103 f. 194 S. dazu Schött/Schmidt, Art. Neuropsychoanalyse, 1097; Northoff, Neuropsychoanalysis; Solms, Neuro-Psychoanalyse. 195 Solms, Neurowissenschaften, 109 f. Solms These wurden durch eine weitere Studie belegt, s. Montangero, Dreaming and REM sleep, 39 mit Literatur. 196 Panksepp, Mood changes, 273, zitiert bei Solms, Neurowissenschaften, 110. Sowohl der Aufsatz von Solms als auch das Zitat von Panksepp wurden übersetzt von Hermann Schultz. 197 Solms, Neurowissenschaften, 110 f.

Tiefenpsychologische Traumdeutung im Licht der Neurowissenschaften

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Annahmen nachweisen – wenn auch hauptsächlich in Tierversuchen –, stammen von Lissa Weinstein und Steven J. Ellman, die seit 1970 Schlaf- und Traumforschung betreiben.198 Dabei gehen auch sie von der These aus, dass dem REM-Schlaf funktional eine Triebregulation inhärent sei. Zudem folgen sie Freuds Grundannahme einer sich in regelmäßigen Zyklen aufbauenden und wiederholenden endogenen Stimulation. Ihrer Beobachtung nach kommt es bei Säugern zur Feuerung der REM-Systeme, die in regelmäßigen Abständen geschieht. Dadurch wird Aktivität stimuliert, welche Triebmechanismen entspricht. Innerhalb dieser erhöhten Aktivität sind Säugetiere besonders empfänglich für überlebenswichtige Verhaltensweisen, sich selbst oder die Gruppe betreffend (Nestbau, Paarungsverhalten, Futtersuche, Fluchtverhalten). Anders gesagt: Die REM-Phase sorgt dafür, dass diese Funktionen und Abläufe, die für das Überleben von grundlegender Bedeutung sind, in zyklischen Abständen immer wieder aktiviert werden. Das heißt: Die REM-Mechanismen dienen zur Regulation bestimmter Schwellenwerte im Schlaf, aber darüber hinausgehend sind davon auch die Werte des Wachzustands betroffen. Dies könne nach Weinstein und Ellman auf den Menschen übertragen werden. Das Krankheitsbild der Depression etwa umfasst eine sehr hochliegende Schwelle bezüglich triebhaften Verhaltens. Dadurch kommt es in der Tendenz zur Abnahme des REM-Schlafs bzw. der Triebabfuhr innerhalb des Schlafzeitraums. Das lässt sich dahingehend interpretieren, dass ein Versuch stattfindet, für eine niedrigere Schwelle im Wachsein zu sorgen (d. h., im wachen Zustand eine Triebabfuhr zu erreichen oder zu erleichtern).199 Das heißt im Endeffekt, dass die Mechanismen, die den REM-Schlaf organisieren, ebenfalls im Wachsein aktiv sind.200 Ein zweiter Aspekt bezieht sich auf ein Lust- bzw. Belohnungssystem im Mittelhirn von Ratten. Dieses hat die Funktion, triebhaftes Verhalten zu kontrollieren. Dazu gehören Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme, aber auch Sexual- und Aggressionsverhalten. Wird dieses System stimuliert, spricht man von intrakranieller Selbststimulation (ICSS). Durch den REM-Schlaf kommt es zur Aktivierung von ICSS-Nervenleitungen, welche mit den eben genannten Verhaltensweisen assoziiert sind (bei Ratten v. a. Nestbau, Nahrungssuche, Paarung, Aggressionsverhalten). Die Nervenleitungen sorgen für die Regulation der entsprechenden zugehörigen Hirnareale. Der Zusammenhang zwischen den aktiven ICSS-Leitungsbahnen und den genannten Verhaltensweisen trifft nach Weinstein und Ellman auch für den Menschen zu. Zusätzlich werden bei ihm oft Gedächtnissysteme sowie Erinnerungen, die mit Konflikten verbunden sind, erregt.201

198 199 200 201

Weinstein/Ellman, Bedeutung, 863. A. a. O., 864 f. A. a. O., 884. A. a. O., 865–868; 871.

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Einführung in die tiefenpsychologische Traumdeutung

Andere Aspekte der freudschen Traumtheorie sind neurowissenschaftlich noch unbelegt, so etwa der der Traumzensur.202 Aber auch Jungs These vom Sichtbarwerden der Archetypen im Traum wird neurowissenschaftlich betrachtet. So meint Mertens: „Der Mensch, der sich […] vor etwa vier bis fünf Millionen Jahren aus den Menschenaffen entwickelte, verarbeitet im REM-Schlaf vielschichtigere und differenziertere Problemlösungen als die höheren Säugetiere, die, […] durch artspezifische Instinkte, eher im Rahmen von Überlebensfunktionen träumen. Mit der spezifisch menschlichen Entwicklung zur komplexeren Symbol- und Sprachbildung findet eine tendenzielle Abkopplung von stammesgeschichtlich millionenalten [sic] Programmen statt; nur noch gelegentlich tauchen archetypische Grundmuster aus dem kollektiven Unbewußten auf, das aus dieser Sicht so etwas wie eine phylogenetische Matrix darstellt, die uns als Menschen an unsere Herkunft von […] unseren tierischen Urahnen [] erinnert.“203

Mertens sieht, aus diesem Blickwinkel betrachtet, Jungs Archetypentheorie als wissenschaftlich rehabilitiert an.204 Prinzipiell besteht aber auch in den Neurowissenschaften selbst weiterer Klärungsbedarf in Bezug auf Träume und Traumvorgänge.205 Diese wenigen Aspekte sollen genügen, um zu zeigen, wie tiefenpsychologische Traumdeutungstheorie mit den Neurowissenschaften ins Gespräch gebracht werden kann. Dieser Dialog steht allerdings erst in den Anfängen und ist keinesfalls erschöpft. Die bisherigen Ergebnisse sind jedoch durchaus vielversprechend. Ein weiterer Wert dieses Gesprächs liegt darin, dass, im Sinne Montangeros (s. Anm. 205), der Tiefenpsychologie ein Korrektiv zur Seite gestellt wird, das helfen kann, eigene Ergebnisse gegebenenfalls zu revidieren bzw. anzupassen.

3.7 Alfred Adler Zum Schluss muss endlich Erwähnung finden, dass zum Verständnis unseres ersten Traumes, neben dem freudschen und jungschen, ein weiteres Konzept genannt werden muss, nämlich dasjenige der dritten großen psychoanalytischen Richtung, der Alfred Adlers. Dieser schuf die Schule der sog. Individu202 203 204 205

Solms, Neurowissenschaften, 119. Mertens, Traum, 98 f. A. a. O., 99. So fragt Montangero, Dreaming and REM sleep, 41 f, nach den neuronalen Korrelaten, die dem Träumen zugrunde liegen. Auch das Thema der Traumberichte müsse im neurowissenschaftlichen Kontext betrachtet werde. Eine erfolgreiche weitere Erforschung der Träume könne nur gelingen, indem Neurowissenschaften und Psychologie Hand in Hand gingen, und Ergebnisse gegenseitig validierten.

Alfred Adler

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alpsychologie.206 Sich dieser Schule ebenfalls näher zu widmen, reicht die Kapazität dieser Arbeit nicht aus, zumal Adler keinen eigenen theoretischen Entwurf einer Traumdeutung wie Jung oder Freud erarbeitet hat.207 Deshalb spielt sie für unsere Arbeit hier nur eine untergeordnete Rolle. Eine Theorie Adlers ist aber für uns von großer Wichtigkeit und wird weiter unten näher betrachtet werden: der von Adler bezeichnete und charakterisierte Minderwertigkeitskomplex bzw. das davon abgestufte Minderwertigkeitsgefühl.208

206 Zur Einführung in Leben und Werk seien genannt: Rattner, Adler; Datler, Art. Individualpsychologie, 305 f; Jacoby, Individualpsychologie; Bottome, Adler; Ansbacher, Sexualtheorien. 207 Mertens, Traum, 69. 208 S. dazu, schon vorwegnehmend, Orgler, Minderwertigkeitskomplex, 65–90.

4. Einzeluntersuchungen verschiedener Träume

4.1 Auswahlkriterien der Träume Die Auswahl der im Folgenden zu untersuchenden Träume (ActAndr 20; ActPetr 22; ActThom 91 f) begründet sich anhand zweier Aspekte: Zunächst haben wir festgestellt, dass sich die Mehrheit der im ersten Teil der Arbeit aufgeführten Träume durch einfache (Aus-)Gestaltung und inhaltlich auf Wesentliches reduziert präsentiert (davon abseits stehen die Texte, in denen über Träume und Traumdeutung gehandelt wird). Aus dieser Schlichtheit ragen besonders die drei genannten Träume heraus. Sie zeichnen sich durch komplexere Handlungsstrukturen und Personenkonstellationen1 sowie durch Ausführlichkeit und sprachliche Gestaltung aus.2 Vor allem aber sind sie reich an bildhaften Motiven und Symbolen. Letztere Eigenschaft stellt den zweiten Aspekt für die Auswahl dar: In den drei Träumen findet sich eine Vielzahl an archetypischen Symbolen, die sich tiefenpsychologisch auswerten lassen.3 Zudem haben wir schon mehrfach festgestellt, dass das Auftauchen von archetypischen Bildern in Träumen (und Traumtexten) Hinweise auf den Texten bzw. Berichten zugrundeliegende numinose Erfahrungen gibt. Ferner findet sich in ActThom 92 eine Art Zeichenhandlung (das verkehrte Schuhanziehen des Träumers), das, wie wir sehen werden, nicht nur zum Traum dazugehört, sondern sich durch das zugrundeliegende Spannungsgefüge von links und rechts ebenfalls zu einer archetypischen Analyse eignet. Aus diesen zwei 1 Bei den Personenkonstellationen ist, um nur einige zu nennen, v. a. an das Spannungsverhältnis der drei Apostel in ActAndr 20 zu denken und an die Aussage, dass Andreas kleiner ist als Johannes, aber auch an das Auftauchen des Doppelgängermotivs Petrus-Jesus in ActPetr 22. Ebenso gehört dazu das Verhältnis zwischen den zwei Männern, Charîs und Misdai, und den unterschiedlichen Vögeln in ActThom 91 f. 2 Zu diesen Aspekten s. die jeweiligen grammatisch-syntaktischen Analysen in den folgenden Kapiteln. 3 Dazu gehören in Traum 1: „Berg“, „Becher“, „Hand“, „Haupt“ sowie das Motiv des Erkennens; in Traum 2: „Jungfrauen“, das Wortfeld „Kampf“ (mit den Untermotiven bzw. -symbolen „Enthauptung“ und „Schwert“) sowie das Motiv der Äthiopierin bzw. ihrer dunklen Hautfarbe; in Traum 3: „Adler“, „Rebhuhn“, „Taube“ und „Turteltaube“. Dabei sind die genannten Symbole und Motive mitnichten nur jungianisch-archetypisch erschließbar. V. a. am Motiv des Schwerts in Traum 2 wird ersichtlich, dass auch freudianische Deutungen (in dem Fall im Sinne eines Phallussymbols) möglich und nötig sind. Dies betrifft ebenfalls sexuell besonders aufgeladene Motive, wie das der Äthiopierin in Traum 2 oder das der Tauben in Traum 3.

Der Traum des Andreas in ActAndr 20

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Gründen, dem formal-gestalterischen und dem inhaltlichen Aspekt, erscheinen die drei ausgewählten Träume als besonders geeignet, um sie exegetisch zu erarbeiten und schließlich tiefenpsychologisch zu deuten.

4.2 Der Traum des Andreas in ActAndr 20 4.2.1 Der Traum4 1 Sequenti vero nocte visum vidit beatus apostolus, quem etiam fratribus enarravit, dice „Audite, dilectissimi, somnium meum. Videbam, et ecce mons magnus erat in sublimi elevatus, qui nihil super se de terrenis rebus habebat, nisi tantum luce resplendens, ita ut mundum putaretur inluminare. 2 Et ecce adstiterunt mihi dilectissimi fratres Petrus et Iohannes apostoli; et Iohannes quidem, extensa manu Petro apostolo, levabat eum in vertice montis, et conversus ad me, rogabat ascendere post Petrum, dicens: ,Andreas, poculum Petri bibiturus es.‘ 3 Et extensis manibus, ait: ,Adpropinqua mihi et extende manus tuas, ut coniungantur manibus meis, et caput tuum capite meo societur‘. Quod cum fecissem, inventus sum brevior esse Iohanni; 4 et post haec ait mihi: ,Vis cognoscere imaginem huius rei quam cernis, vel quis sit qui tibi loquitur?‘ Et ego aio: ,Desidero ista cognoscere‘. Et ait mihi: ,Ego sum Verbum crucis, in qua pendebis in proximo propter nomen eius quem praedicas‘. 5 Et multa alia mihi dixit, quae nunc silere oportet; prodebuntur tamen tunc cum ad hanc immolationem accessero.“ 4.2.2 Exegetische Aspekte 4.2.2.1 Textkritik Die im Apparat aufgeführten Varianten5 können im Wesentlichen vernachlässigt werden, da sie keine signifikanten Veränderungen des Inhaltes bringen. Die erste Ausnahme hiervon bildet die Variante für die Spitze (des Berges) in V 2. Prieur entscheidet sich hier für den Ablativ vertice; die Sigel 1, 2 und 3b, also fast die kompletten Textzeugen A, lesen den Akkusativ verticem. Da es eindeutig darum geht, wohin Petrus gehoben wird, ist an dieser Stelle der Akkusativ der korrekte Kasus. Nach der Regel lectio difficilior potior ist allerdings die von Prieur angebotene Variante die wahrscheinlichere. Eine 4 Der Traum wird zitiert aus Prieur (Hg.), Acta Andreae, 615. Die Verseinteilungen sind Prieur, Actes d’André, 955 f, entnommen. Keine der Ausgaben von MacDonald oder Prieur bietet Verseinteilungen. Deutsche Übersetzung s. o., 42 f. 5 Prieur (Hg.), Acta Andreae, 615.

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Einzeluntersuchungen verschiedener Träume

Korrektur eines Abschreibers von vertice hin zu verticem ist außerdem gut vorzustellen. Die zweite interessante Variante ist die Ersetzung von immolatio durch aemulatio (bezeugt durch den Textzeugen 2) in V 5. Auch wenn die Bezeugung etwas sehr schmal für eine Bevorzugung ist, ist doch die inhaltliche Nuance nicht unwichtig: immolatio als Opfer, aemulatio aber als Nacheiferung6 – zwei Seiten einer Medaille. Vorstellbar wäre ein Hörfehler beim Diktat an dieser Stelle. 4.2.2.2 Grammatisch-syntaktische Beobachtungen Es bietet sich an, den Text in drei Teile zu untergliedert. Den ersten Teil bildet der Einleitungssatz bis zum Beginn der wörtlichen Rede des Andreas (V 1). Dann fällt besonders die Zweiteilung des restlichen Abschnittes, mit ausführlicher Einleitung (V 1 f) und kurzer Ausleitung durch Andreas (V 5) sowie dem Dialogpart mit Johannes in der Mitte (V 2 ff), auf. Betrachtet man diesen Dialog, so äußert sich die Feststellung, dass Andreas kleiner ist als Johannes, auch im Wortverhältnis der beiden (48:3 [Johannes – Andreas]). Auch bei der Nennung der Eigennamen ist dies zu beobachten. Vier Mal wird Petrus erwähnt (V 2), drei Mal Johannes (2 ff) und nur ein Mal Andreas (V 2). Damit ist eine klare Hierarchie festgelegt. Gleichwertigkeit hingegen besteht bei der Funktion bzw. der „Stellung“ der Hauptpersonen: Alle drei werden je ein Mal mit dem Aposteltitel bezeichnet (Andreas in V 1; Petrus und Johannes in V 2). Die Zuhörer des Andreas, als stummes Auditorium, werden, ebenso wie Petrus und Johannes, mit (dilectissimi) fratres (Erstere in V 1; Letztere in V 2) bezeichnet. Das wertet Andreas’ Hörer auf und rückt ihn dezent in die Mitte aller Genannten. Im Zusammenhang mit den Personen ist die hohe Zahl an Personalpronomen auffällig – 14 insgesamt –, die sich wie eine Schnur durch den Text ziehen und für Kohäsion und Kohärenz sorgen. Neun beziehen sich auf Andreas, was ebenso verdeutlicht, dass er im Zentrum des Textes bzw. Textinteresses steht. Gerahmt wird der Abschnitt durch die Zeitangaben sequenti vero nocte (V 1) und in proximo bzw. nunc (V 4 bzw. 5). Auch die Ortsangaben sorgen für eine enorme Dynamik im Text: zuerst die Bewegung nach oben, durch mons magnus, und als Gegenpart die Erde: mundus (V 1), dann das erneute Erheben, diesmal bis zur Spitze des Berges (V 2), und schließlich der zukünftige Ort, auf den der Traum hin ausgerichtet ist, das Kreuz (V 4), an dem Andreas hängen wird. Dieser letzte Ort verbindet die schon dargestellten Gegensätze von Oben und Unten (bzw. wird sie verbinden, da ja der Kreuzestod für die Zukunft angekündigt wird). Wie bedeutend diese Verbindung ist, wird später in den 6 Georges, Handwörterbuch, Bd. 2, 139; Bd. 1, 2452.

Der Traum des Andreas in ActAndr 20

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Akten, innerhalb des Martyriums deutlich (MartAndr 1,14). Auf diese Textstelle kommen wir unten zurück. Insgesamt 49 Verben durchziehen den kurzen Text und sorgen für ein hohes Maß an Kohäsion.7 Nur neun der Verben sind Partizipien, auffällig sind hier allerdings die fünf PPP (elevatus, V 1; extensa; convertus, V 2; extensis; inventus, V 3). Überhaupt sind 13 der Verben Passivformen. Die passive Rolle des Apostels Andreas – nicht nur gegenüber dem Traumgeschehen, sondern auch bezüglich seiner Passion – wird dadurch verstärkt. Ihm steht ein Schicksal bevor, das auf ihn zukommt (verdeutlicht durch die vier Futurformen)8, und dem er sich fügen muss. Die Richtung, die der Traum anzeigt, wird ausgedrückt und verdeutlicht durch die dreifache Form von extendere (V 2 f). Dem wiederum steht der doppelte Infinitiv cognoscere in V 4 gegenüber. Die Bewegung des Ausstreckens muss einhergehen mit der inneren „Bewegung“ des Erkennens. Schlussendlich ist auffällig, dass sich in V 3, als einem Zentrum des Textes, gehäuft Konjunktivformen finden (coniungantur; societur; fecissem), wodurch grammatikalisch die zerreißbare und unwirkliche Traumatmosphäre nachgemalt wird. Das einzige Plusquamperfekt des Textes, fecissem, sorgt dabei für eine Art „Doppelpunkt“: Das Bisherige ist abgeschlossen, nun tritt eine wesentliche Erkenntnis zutage – Andreas ist kürzer als Johannes!

4.2.3 Untersuchung zentraler Motive 4.2.3.1 Der Berg 4.2.3.1.1 Mons und ὄρος – Altorientalische und pagan-antike Aspekte „A Latin Dictionary“ gibt als erste Bedeutung „mountain“, „mount“ an.9 Caesar, Gall. III 1,5, berichtet von altissimi montis (wörtlich: altissimis montibus)10 in den Alpen. Ovid, met. I 44, schreibt von steinigen Bergen, denen der Weltschöpfer gebot, sich zu erheben (lapidosos surgere montes)11; Horaz, ars. 139, verwendet die Formulierung der gebärenden Berge, die eine Maus hervorbringen (parturient montes, nascetur ridiculus mus)12. Berge stellen hier also eine ambivalente Größe dar, die scheinbare Größe der Berge wird durch die Maus entlarvt. 7 So nur als Beispiel die Folge vidit – videbam (V 1). Auch Textmarker wie das doppelte et ecce (V 1 und 2) sorgen für Kohäsion, hier gleichsam wie zwei sich steigernde „Doppelpunkte“. 8 bibturus, V 2; pendebis; prodebuntur; accessero, V 4. 9 Lewis (Hg.), Latin Dictionary, 1162. Die folgenden lateinischen Textstellen sind ebd. abgekürzt aufgelistet. 10 Deissmann (Hg.), Bello Gallico, 134. 11 von Albrecht (Hg.), Metamorphosen, 14. 12 Holzberg (Hg.), Horatius, 622.

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Einzeluntersuchungen verschiedener Träume

Die zweite Bedeutung nach „A Latin Dictionary“ ist „mountain“ i. S. von „mass“, „heap“, „quantity“.13 Titus Maccius Plautus spricht in Mil. IV 2,73 von argenti montes,14 in Merc. III 4,32 von Montis […] mali […] ardentes,15 Silius Italicus X 548 von einem mons amorum.16 Den Aspekt der Macht, die einem Berg (als großer Masse) eigen ist und von ihm ausgeht, beschreibt der Satiriker Juvenal I 3,258. Auf diesen Aspekt kommen wir noch zurück. Davon, einen Berg zu versprechen, also ein großes Versprechen zu machen, ist u. a. bei Terenz, Phorm. I 2,18, die Rede (dort wird von montis auri gesprochen)17. Dass mons auch Marmor bezeichnen kann, zeigt Statius, Theb. I 145. Hier wird eine erste wichtige Verbindung zu unserem Traum deutlich. Petrus wird in Mt 16,18 als Fels (πέτρα) bezeichnet. Nun kann πέτρα aber auch Marmor bedeuten.18 Eine erste Überlegung lautet deswegen: Andreas’ Martyrium, das auf dem mons angekündigt wird, konkurriert mit Petrus als πέτρα. Wir kommen darauf zurück. In Tertullians Schrift über die Buße (paenit. 12,3) wird berichtet, wie majestätische Berge innerlich angesichts des Höllenfeuers bersten. In apol. 10 bringt Tertullian ein Beispiel dafür, dass der Berg als Wohnort einer Gottheit (Saturn auf dem Saturnusberg in Italien) kein heiliger Berg sein muss. Das griechische Äquivalent ὄρος beschreibt den einzelnen Berg bzw. Hügel sowie das Gebirge.19 So bezeichnet Cassius Dio LIII 27,5 die römischen Hügel mit ὄρει.20 Herodot I 104 verwendet es für das Gebirge (den Kaukasus).21 Berge suggerieren durch ihre Höhe eine besondere Nähe zum Himmel. Der Gipfel ist der Schnittpunkt der horizontalen und vertikalen Raumebene.22 So entsteht die Verbindung von Himmel, Erde und Unterwelt. Innerhalb der altorientalischen Kosmologie, vor allem aber der Schöpfungs- und Tempeltheologie, hat der Berg als Gottesberg eine besondere Bedeutung inne.23 „Als ,heiliger Hügel‘ spielte er in der mesopotamischen Tempeltheol.[ogie] eine große Rolle, da dieser Urhügel unter jedem Tempel angesiedelt bzw. die Tempel mit diesem Hügel identifiziert wurden […]. Neben dem B.[erg] des Uranfangs, der zugleich als stabiles, nicht wankendes Weltfundament24 angesehen wurde, dem B.[erg] als 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Lewis (Hg.), Latin Dictionary, 1162. Lorenz (Hg.), Komödien, 187. Goetz/Schoell (Hg.), Mercator, 103. Duff (Hg.), Punica, Bd. 2, 90. Kruschwitz (Hg.), Phormio, 12. Stephano, ThGL, Bd. 5, 587. Foerster, Art. ὄρος, 475. Die folgenden griechischen Stellen stammen aus ebd. Cary (Hg.), Dio Cassius, 264. Aber auch für den einzelnen Berg: Herodot I 43,1 vom Berg Olymp, s. auch VII 176,2. Berlejung, Art. Berg, 113. Zur horizontalen und vertikalen Achse sowie zu den einzelnen Himmelsebenen nach mesopotamischem Verständnis s. Pongratz-Leisten, Ina, 35. Vgl. Talmon, Art. ‫ַהר‬, 473 ff. 23 Berlejung, Art. Berg, 113. 24 Dies spiegelt sich in den sumerischen Tempelnamen wider: „Band von Himmel und Erde“; „Haus, Fundament von Himmel und Erde“ (Koch, Art. Welt/Weltbild [AT], 2.1.).

Der Traum des Andreas in ActAndr 20

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Wohnort der Götter, gab es noch die Vorstellung vom B.[erg] als Versammlungsort der Götter, die z. B. in Ugarit (Zafon) oder in Griechenland (Olymp) eine große Rolle spielte.“25

Da den Berg in der altorientalischen Vorstellung eine sakrale Sphäre umgab, wurde er oft selbst vergöttlicht (etwa der Zafon) oder mit Berg- oder Wettergottheiten verbunden (Baal-Hermon).26 Eine wesentliche Rolle spielten natürlich auch die auf Bergen angelegten Kultanlagen (Zion, Ebal, Garizim, Hermon, Karmel, s. u.).27 Der mesopotamische Tempel wurde sowohl als „Nabel der Welt“, als auch als das Abbild des Kosmos verstanden. Die göttliche Welt ragt hier in die irdische Welt hinein.28 Allerdings wird in der babylonischen Literatur, entsprechend den Bergen, die das babylonische Tiefland nur von fern her umgrenzen, der Aspekt der Ferne bzw. Unzugänglichkeit besonders betont. Die geographische Lage Babyloniens wurde mit der Vorstellung verbunden, die Berge im Osten und Westen trügen das Gewölbe des Himmels, wo Sonnenaufgang und Sonnenuntergang stattfinden.29 In babylonischer Vorstellung wurde auch der Eingang zum Totenreich innerhalb eines Berges gedacht.30 Dies ergibt eine gewisse Parallele zum Traum des Andreas, denn den Berg zu erklimmen, heißt für ihn letztlich, in den Tod zu gehen. Den Berg als Ort besonderer Gottesnähe belegt schon das GilgameschEpos31 (XI 157). Dies deckt sich mit neutestamentlichen Belegen, wie der Verklärungsperikope Mk 9,2–10 parr, und trifft auch für unseren Traum zu, der sich auf dem Berg, als Ort dieser – freilich hier im Sinne der sich bald ereignenden – Gottesnähe, abspielt. Das Martyrium, das Andreas im Traum angekündigt wird, wird ihm diese Gottesnähe ermöglichen und eröffnen. Auch innerhalb der antiken Kosmologie wurden Bergeshöhen als besonders gottesnah wahrgenommen, vor allem was den Sonnengott betraf.32 Anders als in Babylonien ist die griechische Welt mit Bergen durchzogen, die dadurch auch mehr im Mittelpunkt des griechischen Denkens und Schreibens stehen. Berge sind Wohnorte von Göttern, Nymphen und Musen; besonders ist hier der Olymp zu nennen, der schon früh als der Göttersitz galt, der immer stärker idealisiert und schließlich mit dem Himmel gleichgesetzt wurde (vgl. nur 25 Berlejung, Art. Berg, 113. 26 Ebd. So auch Keel, Bildsymbolik, 17, der, ebd., von der „numinose[n] Macht der Berge“ spricht. 27 Berlejung, Art. Berg, 113. Vgl. Koch, Art. Welt/Weltbild (AT), 2.1. Zu Tempel und Urhügel s. Keel, Bildsymbolik, 100. 28 Koch, Art. Welt/Weltbild (AT), 2.1. 29 Foerster, Art. ὄρος, 476. An einem gewissen Punkt geht das Gebirge in einen Bereich über, der menschlicherseits weder kontrollierbar noch erreichbar ist. Dann wird es zu einem mythischen Ort, wo die Götter walten und sich der Sonnenaufgang vollzieht, Pongratz-Leisten, Ina, 35. 30 Stommel, Art. Berg, 136. 31 Zur Einführung s. Zgoll, Art. Gilgamesch. Eine neuere kritische Ausgabe des Epos mit Literatur bietet George, Gilgamesh Epic. Eine tiefenpsychologische Interpretation der Träume im Gilgamesch-Epos hat Schweizer, Gilgamesch-Epos, unternommen. 32 Stommel, Art. Berg, 136. Zur Bergspitze als präferierter Gebets- und Kultstätte s. z. B. Livius XL 22; Pausanias VIII 37,7, Stommel, Art. Berg, 136.

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Homer, Od. VI 43–46). Diese Idealisierung des Olymp führte dazu, dass dunkler gefärbte Attribute (der Berg als Ort des Sonnenaufgangs und Sonnenuntergangs, sein Inneres als Totenwelt etc.) verschwanden oder zumindest an den Rand gedrängt wurden.33 Eine wesentliche Deutung des Bergmotivs formuliert Mircea Eliade mit dem Begriff der axis mundi:34 Der Berg verbindet als heilige Achse Himmel und Erde. Diese Achse ist notwendig, um das Heilige im Raum bzw. den heiligen Raum zu schaffen und zu strukturieren.35 Himmel (d. h. ewiges Leben durch sein Martyrium) und Erde verbinden sich auch für Andreas im Traum auf dem Berg. Auch in Kleinasien wurde die Bergspitze mit besonderer Gottesnähe assoziiert: Antiochus I. wählte sein Grab auf dem Nemrud-Dagh.36 Weiterhin muss die Große Mutter bzw. Bergmutter (ματρός ὀρείας, Euripides, Hipp. 144)37 erwähnt werden, deren Verehrung mit der eines Berges verbunden wurde und die bevorzugt nachts stattfand. Der dunklen Nachtseite wird, im Gegensatz zu den Griechen, besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Göttermutter Kybele38 wird mit Berghöhlen in Verbindung gebracht. Für Syrien und die Levante sind einerseits die Verehrung von Bergen als Götter zu erwähnen (vgl. Tacitus, hist. II 78), zum anderen Berge als Kultorte.39 Der Berg Zafon wurde z. B. als Sitz des Gottes Baal verstanden.40 Berge, unter denen der Eingang der Unterwelt

33 Foerster, Art. ὄρος, 477 f. Vgl. aber Stommel, Art. Berg, 136, mit Hinweis auf Herodot IV 94. Ansätze für eher dunkel attribuierte Berge finden sich interessanterweise noch bei Artemidor, oneirokr. II 28. Dort heißt es: „Berge, Täler, Schluchten, Bergklüfte und Wälder bedeuten jedermann Mißstimmungen, Ängste, Aufregungen und Arbeitslosigkeit, Sklaven und Verbrechern Folterungen und Prügel, Reichen Verluste […]. Immer ist es besser, solche Gegenden zu durchqueren, gangbare Pfade in ihnen zu finden, auf ihnen in die Ebene hinabzusteigen und erst aus dem Schlaf zu erwachen, wenn man sie verlassen hat.“ (Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 154). Die Beschaffenheit der Wege, welche im Traum gegangen werden, sind nach Artemidor II 68 mit negativen und positiven Voraussagen verbunden: Sind sie gut ausgebaut und verlaufen auf ebenem Terrain, künden sie von fließenden und gut laufenden Geschäften. Sind die Wege hingegen steil, heißt das, dass eigene Vorhaben Behinderungen erfahren werden. Steil abfallende Wege stehen für fast alle Menschen unter negativem Vorzeichen (eine Ausnahme bilden z. B. Fliehende, da diese so rascher entrinnen können). Fliegt der Mensch im Traum, ist entscheidend, was er auf der Erde sieht: Ebenen etwa sind positiv besetzt, „[d]agegen kündigen Schluchten, Bergklüfte, Täler, Felsen, […] Berge und schroffe Abhänge lauter Widerwärtigkeiten auf der Reise an.“ (II 68; Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 197). Es ist nicht zu übersehen, dass Artemidor kaum von der religiösen Seite her auf Träume sieht, sondern sehr von der pragmatisch-allegorischen des Alltags- und Erwerbslebens. 34 Vgl. dazu näher Eliade, Das Heilige, 22–26. S. auch Koch, Art. Welt/Weltbild (AT), 2.1. 35 Eliade, Das Heilige, 22 ff. 36 Stommel, Art. Berg, 136. 37 Zimmermann (Hg.), Euripides, Bd. 1, 262. 38 S. zum Thema Ristow, Art. Kybele, 576–602; Roller, Anatolian Cybele. 39 Foerster, Art. ὄρος, 478 (Stellenangaben ebd., Anm. 50). 40 Ebd. Auf den Zafon wird in Ps 48,3 angespielt, Keel, Bildsymbolik, 102. S. auch Irsigler, Art. Mythos, 3.1.2. Vgl. Schüle, Urgeschichte, 65. Vgl. auch Baal-Zafon, u. a. in KTU 1.39,10; 1.47,5.

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liegt, wurden ebenso gedacht wie das schon oben beschriebene Bild des Berges als Macht.41 Bezugspunkt für diese Region sind vor allem die Texte aus Ugarit.42 4.2.3.1.2 Ὄρος im Alten Testament und im Frühjudentum In der LXX ist τό ὄρος das griechische Äquivalent zum hebräischen ‫הר‬.43 Der Singular beider Formen bezeichnet den einzelnen Berg (z. B. Ebal und Garizim, Dtn 11,29; Zion, Jes 4,5), aber auch das Gebirge (Num 13,17), der Plural einzelne Berge oder das Gebirge. ‫ הר‬mit Artikel wird des Öfteren gebraucht, um das gesamte Gebiet Palästinas zu bezeichnen.44 Das Gebirge ist einsam, David wird dort von Saul nicht gefunden (1Sam 23,14), ähnlich auch in Gen 19,17; Ri 6,2 u. ö. Die unermessliche Macht Gottes wird anhand der Größe der Berge verdeutlicht: Gott lässt es bei der Sintflut so viel regnen (Gen 7,4), dass sogar die Berge bedeckt werden (Gen 7,19 f). Besonders wichtig scheint Gen 22,2 zu sein: der Berg, auf dem Isaak von seinem Vater Abraham geopfert werden soll. Dies korrespondiert direkt mit unserem Traum, in dem auf dem Berg das Opfer (immolatio) des Andreas angekündigt wird. So auch Gen 31,54: Jakob opfert auf dem Berge (vgl. Ex 3,12). In Ex 19,11 offenbart sich Gott selbst auf dem Berg (Sinai). Dabei ist der Berg heilig: Wer ihn berührt, muss sterben (Ex 19,12 f.23). Die Heiligkeit des Berges geht so weit, dass nicht einmal Schafe und Rinder in Richtung des Berges weiden dürfen (34,3). Aaron stirbt auf dem Gipfel des Berges Hor (Num 20,28) – eine weitere Parallele zu unserem Traum und dem Zusammenhang von Tod bzw. Opfer und Bergspitze. Ein Zusammenhang zu ActAndr 20 zeigt sich auch in Num 27,12: Vom Berg aus sieht man das Verheißene – das Volk Israel erblickt das neue Land, Mose (Dtn 34,4) auf dem Berg Nebo sein Schicksal (er sieht das Land, wird aber vor seinem Betreten sterben) und Andreas seinen Opfertod. Der Berg Karmel (1Kön 18) wird zum Platz kultischer Handlungen. Die Gottesoffenbarung des Elia findet in einer Höhle am bzw. auf dem Horeb statt (1Kön 19,8–18). Ein Ort des Todes, einer grausamen Hinrichtung – ähnlich also wie im Traum – ist der Berg auch in 2Sam 21,9. Für uns nicht uninteressant ist, dass im hebräischen AT Begriffe einzelner Körperteile gebraucht werden, um die verschiedenen Regionen eines Berges zu beschreiben, so ‫ ראשׁ‬für den Gipfel (Ex 19,20; Jes 42,11 u. ö.), ‫ כתף‬für Abhang bzw. Berglehne (Num 34,11; Jes 11,14 u. ö.), ‫ צלע‬für den Hang (2Sam 16,13) und ‫ תחתי‬für den Fuß des Berges (Ex 19,17; 24,4 u. ö.).45 In unserem Traum werden neben der Bergspitze, auf dem das Geschehen spielt, ja auch die Körperteile Hand und Kopf gebraucht (s. aus41 Foerster, Art. ὄρος, 486. 42 A. a. O., 487; Stommel, Art. Berg, 136. Eine aktuelle Ausgabe der ugaritischen Texte ist Dietrich u. a. (Hg.), Texte. 43 Grundlegend zum hebräischen Begriff ist nach wie vor Talmon, Art. ‫ַהר‬, 459–483. Zur Etymologie des Wortes s. a. a. O., 462. 44 Schwank, Art. Berg/Gebirge I., 271. Vgl. Talmon, Art. ‫ַהר‬, 462 f; 466. 45 A. a. O., 465 f.

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führlich u.). Die Spitze des Berges steht also mit den erwähnten Häuptern der Apostel Johannes und Andreas in Beziehung. In Anlehnung an die axis mundi existieren einige Stellen, in denen die Bergspitze als in die himmlischen Sphären hineinreichend gedacht wird, als ob die Spitze die Wohnung Gottes berührte, so etwa Jes 37,24; Ez 17,23 u. ö.46 Der Berg ist also nicht nur Ort besonderer Gottesverehrung, sondern Übergangsbereich menschlicher Immanenz in göttliche Transzendenz. Auf unseren Traum bezogen heißt das: Andreas befindet sich auf dem Berggipfel im Übergang von der Erde zum Himmel, vom Irdischen zum Göttlichen, von begrenztem Leben zur Ewigkeit. Dies wird im Traum schon vorweggenommen und vollzieht sich letztgültig mit bzw. nach seinem Martyrium. Der Zion47 als Gottesberg, der erhaben ist über alle Berge und von dem Weisung ausgeht, wird in Jes 2,2 f beschrieben.48 Der Tag des Herrn wird alles Hohe, auch alle hohen Berge übersteigen und diese erniedrigen (Jes 2,12–17; sehr eindrucksvoll und durch Attribute verstärkt ist V 14). Nach dem Gottesgericht über die Völker der Erde wird Gott ein großes Mahl mit bestem Wein auf dem Zion abhalten (25,6). Der Götterberg Zafon im Norden wird in Jes 14,13 erwähnt. Die kultische Bedeutung von geographischen Erhebungen zeigt sich auch am Begriff der ‫במות‬, welche beispielsweise in der dtr Königsdarstellung auf die falsche Gottesverehrung verweisen (etwa in 1Kön 14,23 f; 2Kön 17,9 ff). Begründet liegt dies im Zentralisationsverbot Dtn 12,2, das das Opfern auf Höhenheiligtümern (abgesehen vom Tempel in Jerusalem) verbietet.49 In Ez 20,29 wird das dtr Bild der Kulthöhe verschärft, die jetzt zum Ort von Fremdkulten wird. Nach 2Chr 11,13–17; 20,33 gelten alle Heiligtümer, welche sich außerhalb des Tempels von Jerusalem befinden, als zu beseitigende Kulthöhe.50 Nur kurze Erwähnung soll der Berg Garizim, als dritter großer Offenbarungsberg, neben Sinai und Zion, finden (Dtn 11,29; 27,12; Jos 8,33; Ri 9,7, vgl. auch 2Makk 5,23; 6,2; außerdem Joh 4,20). Der Garizim war schon in vorisraelitischer Zeit in religiöser Hinsicht von Bedeutung. Die Samaritaner hatten hier seit der Perserzeit ihr Kultzentrum, welches durch den hasmonäischen Herrscher Johannes Hyrkanus I. 128 v. Chr. zerstört wurde. Der Berg war allerdings weiter von religiöser Bedeutung: Zu römischer Zeit existierte hier ein 46 Vgl. a. a. O., 474. 47 Die Zionstheologie kann an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden, sie trägt zu unserem Traum zudem nur wenig bei. S. dazu den ThWAT-Artikel Otto, Art. ‫ִציּוֹן‬, 994–1028; Paganini/Giercke-Ungermann, Art. Zion/Zionstheologie mit Literatur. Ferner seien genannt: Otto, Jerusalem; Tilly, Nabel. 48 Die Zionsbezeichnung taucht in Jes 47 Mal auf (gefolgt von den Psalmen mit 38 Belegen), Paganini/Giercke-Ungermann, Art. Zion/Zionstheologie, 1.2. 49 Gleis, Art. Kulthöhe, 2.2.2. Allerdings zeigen Texte wie 1Sam 9,1–10,16, dass die ‫ במות‬vordtr durchaus neutral wahrgenommen werden konnten, Gleis, Art. Kulthöhe, 2.2.1. Zu den ‫ במות‬s. Schunck, Art. ‫ָּבָמה‬, 662–667. 50 Gleis, Art. Kulthöhe, 2.2.3.

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Zeustempel, Kaiser Zenon ließ 484 n. Chr. auf dem Garizim eine Marienkirche bauen.51 Gott gehört die Erde in ihrer ganzen Ausdehnung und auch die Bergeshöhen (Ps 94,4 LXX). Er versetzt Berge und dreht sie um (Hi 9,5), lässt sie schmelzen (Mi 1,4; auch 1Hen 1,6; ApkEsr 8,23), verbrennt sie (Jer 51,25), ebnet sie (Sach 4,7). Auch in der Endzeit sind die Berge starken Wandlungen ausgesetzt. Sie erschüttern und vergehen (1Hen 1,6, vgl. 83,4).52 Eine apokryphe Stelle ist ferner zu erwähnen: In TestNaph 5 wird ein Traum geschildert,53 welchen Naphtali auf dem Ölberg geträumt habe und in dem das Motiv des Aufstiegs und der Erhöhung eine grundlegende Rolle spielt (Isaak fordert seine Söhne auf, Sonne und Mond zu ergreifen, was Levi und Juda gelingt, woraufhin beide mit den Himmelskörpern in die Höhe steigen; Josef wird von einem geflügelten Stier in die Höhe getragen) – beides Aspekte, die auch für den Andreastraum von Bedeutung sind (auch wenn in TestNaph der Berg als „wirklicher“ Aufenthaltsort beschrieben wird, nicht als im Traum bzw. Gesicht erlebter Ort). Auch beinhalten, um auf die tiefenpsychologische Deutung vorzugreifen, beide Traumtexte das Erscheinen von Symbolen, die eine Ganzheit ausdrücken (in ActAndr das Kreuz und die Verbindung von oben und unten, in TestNaph 5 v. a. Sonne und Mond sowie die zwölf Strahlen). Nur kurz erwähnt soll sein, dass bei den Rabbinen der Berg oft zur Bezeichnung von persönlichem Ansehen verwendet wird: „Berge der Welt“ ist ein Ehrenbeiname von Rabbinen. Suk 52a hingegen bezeichnet den bösen Trieb als Berg, der von den Frommen einst bezwungen werden wird.54 Synagogen baute man übrigens, wenn möglich, am höchsten Punkt der Stadt.55 4.2.3.1.3 Ὄρος im Neuen Testament Auch im NT bezeichnet ὄρος den einzelnen Berg (in Joh 4,20 den Berg Garizim; in Apg 7,30 den Sinai; den Zion in Hebr 12,2) aber auch das Gebirge als Ganzes (Mk 5,11). Gemäß der bergigen Landesnatur Palästinas ist der Berg häufiges Motiv in den Evangelien (so etwa im Bild von der Stadt auf dem Berg, Mt 5,14).56 Berlejung weist darauf hin, dass in der Schilderung des Lebens Jesu innerhalb der Evangelien mehrere Male an das oben dargestellte Motiv der 51 Kieweler, Art. Garizim. Zur breiteren Einführung zum Garizim, unter Bezugnahme auf die wesentlichen atl. Belege, s. ebd. 52 Foerster, Art. ὄρος, 479 f. Zu Bergen und Eschatologie s. auch Talmon, Art. ‫ַהר‬, 481 ff. 53 S. zum Text Hollander/de Jonge, Testaments, 310 ff; Flannery-Dailey, Dreamers, 240 f. 54 Foerster, Art. ὄρος, 480. 55 Stommel, Art. Berg, 137. 56 Kleine, Art. ὄρος, 1305. Dalman, Orte und Wege, 170, hat bei der Bergstadt bestimmte Orte assoziiert, etwa Sepphoris, Chorazin oder Hippos. Hier ist aber, nach Wiefel, Matthäus, 96, an die Gemeinde als Berg gedacht, in Ablösung bzw. Übertragung der atl. Vorstellung von der Völkerwallfahrt zum Zion (Jes 2,1–4; 60,1–14; Hag 2,6–9) auf die Gemeinde, zusammen mit dem Lichtwort vorher im Vers; vgl. Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 475.

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besonderen Gottesnähe auf einem Berg angespielt wird, „wenn hier verschiedene B.[erge] erwähnt werden, die nicht notwendig als geographische Angabe zu verstehen sind (B.[erg] des Gebets, B.[erg] der Versuchung, der Verklärung und der Sendung).“57 Der gute Hirte lässt seine 99 Schafe auf den Bergen zurück, um das eine zu suchen (Mt 18,12)58. Der Berg ist Schutzort des Gebetes für Jesus (Mk 6,46; Mt 14,23; Lk 6,12; vgl. Joh 6,15), Schutz auch für die Flüchtlinge nach dem Anblick des „Greuels der Verwüstung“ (Mk 13,14 parr). Auch die Botschaft in unserem Traum wird auf diesem Schutzort empfangen. Der hohe Berg, auf den Jesus vom Versucher mitgenommen wird (Mt 4,8), wird wohl kaum einen bekannten, lokalen Berg meinen, denn die Berge in Palästina sind nicht hoch genug, um von ihm die „Reiche der Welt“ zu sehen.59 Oder ist der Paradiesberg gemeint? Immerhin fand auf ihm die große Urversuchung statt (Gen 3), die ja eindeutig im Hintergrund des Perikopenabschnitts steht. Der Missionsbefehl Mt 28,19 spielt ebenfalls auf einem Berg (V 16). Die Reiche bzw. Nationen, die zu Jesusjüngern gemacht werden sollen, könnten das positive Pendant zu den Reichen der Erde darstellen, die der Versucher Jesus auf dem Berg verspricht.60 Das Motiv unseres Traumes, einen Berg zu ersteigen, findet sich in der Rahmung der Bergpredigt (Mt 5,1; das Hinabsteigen vom Berg in 8,1). Lk 4,29 stellt einen für uns wichtigen Zusammenhang zwischen Berg und Tod her, allerdings mit der vertikalen Richtung von oben nach unten (Jesus soll vom Berg hinunter gestoßen werden). Der Ölberg wird v. a. in Lk 19,37 und Mk 13,3 parr erwähnt.61 Nur angedeutet ist, dass die Himmelfahrt Jesu (Lk 24,50 f) dort stattfindet (V 50 nennt Bethanien).62 Parallelmotiv für unseren Traum ist jedoch mit Sicherheit der Berg der Verklärung (Mk 9,2–13 parr). Jesus bringt (sich selbst und) die Jünger auf den an das Reich des göttlichen Himmels anstoßenden Gipfel der axis mundi, die Erde und Himmel verbindet. Es ist eine Vorwegnahme von Erhö57 Berlejung, Art. Berg, 113 f. Der atl. Traditionskomplex des Berges spiele innerhalb des NT aber keine größere Rolle, a. a. O., 113. 58 Vgl. Jes 53,6; Ez 34,4.16. 59 Vgl. Foerster, Art. ὄρος, 485. Der Berg Zion ist lediglich 743 m hoch und damit niedriger als die ihn umgebenden Berge (der Ölberg etwa ist 66 m höher). Der Hermon hingegen zählt 2814 m, Keel, Bildsymbolik, 102. Die tiefliegende Mittelmeerküste sowie das Tote Meer mit 400 m unter Null dürften die Größe der Berge in der menschlichen Wahrnehmung verstärkt haben, vgl. Talmon, Art. ‫ַהר‬, 466. Zur Verbindung der Motive „Dämon“ und „Berg“ s. v. a. Mk 5,5. Zum Motiv der Versuchung auf dem Berg s. natürlich Gen 22,1–12 sowie ApkAbr 12 f, Davies/ Allison, Matthew, Bd. 1, 370. S. auch Böcher, Exorcista, 30 f. 60 So auch Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 369, die freilich einer Lokalisation des Berges ausweichen. 61 Für kultische Aspekte des Ölbergs vgl. 2Sam 15,32; 1Kön 11,7. Nach Ez 11,23 lässt sich dort Jahwes Herrlichkeit nach dem Verlassen des Tempels nieder, vgl. Sach 14,4. 62 Schmithals, Lukas, 237. In der Apg ist hingegen direkt vom Ölberg die Rede (1,12), dessen Nennung sich hier relativ deutlich auf die Himmelfahrt in 1,9 f bezieht. Zum Ölberg s. ausführlich Küchler, Jerusalem, 533–636; Görg, Art. Betanien, 280 f.

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hung und Himmelfahrt, die zu diesem Zeitpunkt sozusagen den „höchstmöglichen Gipfel“ erreicht. Was die Lokalisierung angeht, gehen die Meinungen auseinander. Eckey sieht den Berg in der Nähe von Cäsarea Philippi.63 Schon in der Alten Kirche wurde er mit dem Berg Tabor identifiziert.64 Allerdings ist der Tabor bzw. seine Umgebung alles andere als einsam und von daher schlecht als Berg der Verklärung vorstellbar.65 Davon unabhängig haben die Evangelien aber auch kein Interesse, den Berg näher zu lokalisieren. Im Gegenteil – die geheimnisvolle Aura des Textes und die besondere Gottesnähe auf dem Berg würden durch die Nennung eines konkreten geographischen Namens nur gestört. Die Verklärungserzählung hat übrigens eine breite theologiegeschichtliche und kunstgeschichtliche Rezeption erfahren (was durchaus dafür spricht, dass an sie bei ActAndr 20 gedacht ist).66 Der Berg Sinai steht hinter Hebr 8,5; 12,20 (mit Verweis auf Ex 19,13). Hebr 12,20, wo freilich aus dem Exoduszitat ausgelassen wird, dass auch Menschen, die den Berg berühren, sterben sollen, verdeutlicht den Berg als heiligen Ort und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben.67 Dem Berg Sinai, von dem Furcht und Zittern ausging (12,21, mit Zitat von Dtn 9,19), wird dann in 12,22 der Berg Zion und das Jerusalem des „lebendigen Gottes“ entgegengesetzt; der Zion ist Zeichen des Neuen Bundes und Antitypos des Sinai. Gräßer versteht den Zion hier als himmlisches Jerusalem.68 Von Bedeutung ist ferner die im NT öfter gebrauchte Verbindung des Berges mit eschatologischen Aussagen. Die schon oben erwähnte Stelle Jes 40,3 ff wird in Mk 1,2 f; Mt 3,3; Lk 3,4 aufgenommen, in Lk 3,5 f aber entscheidend erweitert: „Jedes Tal wird ausgefüllt und jeder Berg und Hügel erniedrigt werden, und das Krumme wird zum geraden Wege und die höckerichten zu ebenen Wegen werden; und alles Fleisch wird das Heil Gottes sehen.“ Dadurch wird das Motiv des Einebnens des Weges bei der Rückkehr der Exilanten (s. etwa Jes 40,4; 45,2; 49,11) angeführt, aber zu einer universalen Heilsperspektive erwei-

63 Eckey, Markusevangelium, 235. 64 Wiefel, Matthäus, 306. S. auch Dalman, Orte und Wege, 203 ff. Als altkirchliche Belege sind v. a. zu nennen: Origenes, sel. in Psalm. 88(89),12; Kyrill von Jerusalem, catech. 12,16, Frenschkowski, Art. Verklärung. I., 1021. Weitere Belege bei Wiefel, Matthäus, 306, Anm. 1. 65 Müller, Art. Tabor, 2.1., schreibt: „Seine markante, kegelartige Form und seine Lage in der Ebene weisen ihn als eine augenfällige Landmarke aus. Von seinem Gipfel, einem 1200 × 400 m großen Plateau, kann man bei guten Wetterverhältnissen den Hermon, den Karmel und die Gilboa-Berge sehen. Alle Verkehrsrouten, die die Jesreel-Ebene durchziehen, sind von hier gut zu kontrollieren, vor allem die wichtige Via Maris, die auf dem Weg von Megiddo nach Kinneret an seinem Fuß vorbeigeht.“ Vgl. auch Frenschkowski, Art. Verklärung. I., 1021. 66 S. dazu Oberdorfer, Art. Verklärung. II., 1021 f; Kunzler, Art. Verklärung. III., 1022 f; Apostolos-Cappadona, Art. Verklärung. IV., 1023; Myslivec/Holl, Art. Verklärung Christi, 416–421. 67 Den Sinai meint auch Hebr 12,18 (mit Bezug auf Ex 19,12.16.18; Dtn 4,11). Ὤρος wird aber nur in Varianten von D, K, L, P, Ψ u. a. bezeugt; P 46, ‫א‬, A, C lassen den Begriff aus. 68 Grässer, Hebräer, Bd. 3, 311 f. So auch Bruce, Hebrews, 356.

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tert, die Johannes der Täufer ankündigt und die allen Völkern durch das Kommen Christi eröffnet wird.69 Offb 8,8 erwähnt wieder, welche Kraft bzw. Macht (hier: Zerstörung) von einem Berg ausgehen kann: Etwas wie ein feurig brennender Berg wird ins Meer geworfen.70 In Offb 6,15 f werden Berge mit Schutz und Zerstörung assoziiert. Dabei ergibt die Stelle nur Sinn, wenn V 15 und 16 in eine zeitliche Reihenfolge gesetzt werden: Der Berg, der erst als Schutzort aufgesucht wird, möge doch über die Flüchtlinge fallen, um dem Zorn des Lammes, und damit dem größeren von zwei Übeln, zu entgehen. Dies ist ein Zeichen, dass sich in der von der Offb beschriebenen Endzeit zum einen kein Schutzort finden lässt, zum anderen, dass sich die Dinge umdrehen: Der Schutzort wird zum Grab (anders freilich dann in 14,1: Der Berg Zion versammelt die geretteten 144000). Den Höhepunkt bildet die zugleich letzte biblische Bergstelle: Offb 21,10. Der Seher wird ἐπὶ ὄρος μέγα καὶ ὑψηλόν entrückt und sieht das neue Jerusalem aus dem Himmel herabsteigen. Damit wird der Bogen zu Num 27,12; Dtn 34,4 endgültig (wenn auch nur durch Anklang des Bildes) geschlossen (und überhöht). Gleichzeitig ist die Stelle aber auch Parallele für unseren Traum, denn auch Andreas wird (allerdings im Schlaf) auf einen hohen Berg geführt und sieht dort Endgültiges und Ewiges. Als Zusammenfassung ist also zu sagen, dass das Motiv des Berges (über den langen Zeitraum, der hier betrachtet wurde) völlig unterschiedliche Aspekte in sich vereint, neue aufnimmt und ältere nachordnet. Einen feststehenden und stabilen inhaltlichen Gehalt auszumachen, wäre von daher zu verallgemeinernd. Verschiedene Aspekte tauchen jedoch immer wieder auf und sind für unseren Traumtext von wesentlicher Bedeutung. Dazu gehört v. a. die als besonders stark empfundene Gottesnähe auf dem Gipfel sowie das Hineinragen der himmlisch-göttlichen Wirklichkeit in die irdische auf demselben. Dies wurde besonders an der synoptischen Verklärungserzählung deutlich, die eine wichtige Textparallele zu unserem Traum bildet.

69 Vgl. Wiefel, Lukas, 89. 70 Eine wichtige Textparallele bildet hier 1Hen 18,13 f, Roloff, Offenbarung, 99, der, ebd., aus der Parallelstelle ableitet, dass das Herabstürzende ein gefallener Stern resp. Engel sei. Ähnlich Lichtenberger, Apokalypse, 155, der als andere Variante einen Meteor sieht. Beide Möglichkeiten sind jedoch nicht zwingend. Zwar bezeugt das ὡς im Vers, dass der Berg hier nur Vergleichspunkt ist, jedoch berichtet 1Hen 18,13 nichts vom Herabstürzen des Feurigen. Ebensogut könnte an einen Vulkanausbruch gedacht werden, was sich bei ὄρος μέγα πυρὶ καιόμενον eigentlich am stärksten aufdrängt. Zudem muss dafür nicht 1Hen bemüht werden.

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4.2.3.2 Der Becher (Petri) 71 4.2.3.2.1 Der Becher im Alten Testament Das hebräische Äquivalent ist ‫כוס‬. Damit verwandt sind ‫גביע‬, ‫( קבעת‬nur Jes 51,17.22) 72, aber auch ‫ כף‬und ‫( ספל‬nur Ri 5,25; 6,28). Wasser und Wein werden daraus getrunken (Gen 40,13; 2Sam 12,3; Jer 35,5).73 In Ri 4,19 ist von einem Milchschlauch die Rede (vgl. Ri 5,25). Ansonsten wurde aus Ton- bzw. Metallbechern getrunken (goldene Becher erwähnt u. a. 1Kön 10,21; Jer 51,7). Zu hellenistischer Zeit benutzte man auch Glasbecher (1Kön 7,26; 2Chr 4,5).74 Auch aus Kupfer, Silber und Stein wurden Becher hergestellt.75 Eine wichtige Stelle zum Becher, die mit unserem Traum korrespondiert, bildet Gen 40,11 LXX – wird ποτήριον hier doch im Traum des obersten Mundschenks gebraucht, insgesamt drei Mal in dem Vers. Der Becher bedeutet hier etwas positives, der Mundschenk wird wieder eingesetzt werden und dem Pharao dienen, d. h. den Kelch reichen (40,13), der für Reichtum und Genuss steht.76 In der Gleichnisrede des Nathan, in welcher er König David der Schuld überführt, ist der Becher nicht Zeichen von Reichtum, sondern gehört dem armen Mann, der sein Schäflein aus ihm trinken lässt, und es hält wie eine Tochter (2Sam 12,3). Der Becher ist hier Zeichen für Intimität und enge Zugehörigkeit zweier „Personen“. Diese beiden ersten Deutungen sind auch für unseren Traum ertragreich: Andreas wird durch den Becher, den er trinken wird, letztlich großen (himmlischen) Reichtum erlangen. Weiterhin trifft auch der Aspekt der engen Zugehörigkeit zweier Personen zu, nämlich die zwischen Andreas und Petrus: einerseits, weil die beiden Brüder sind und von daher zusammengehören, andererseits, weil Andreas das gleiche Schicksal erleiden wird wie Petrus. Liess unterscheidet zwei Formen der Verwendung des Bechermotivs im AT: als Unheilsmotiv und als Heilsmotiv.77 Für Ersteres ist vor allem die spätvorexilische Zeit sowie die Zeit des Exils prägend. Hauptbelege dafür sind Jes 51,17–23; Jer 25,15–29; Ez 23,28–35 und Hab 2,15 ff.78 71 Als Artikel zum Motiv seien genannt: Liess, Art. Becher (an den wir uns hier stärker anlehnen); Mayer, Art. ‫ּכוֹס‬, 107–111; Patsch, Art. ποτήριον, 339 ff; Klauser/Grün, Art. Becher, 37–62; Fritz, Art. Becher, 254; Holl, Art. Kelch, 496 f. Umfangreich, aber schon deutlich älter ist Goppelt, Art. ποτήριον, 148–158. 72 Zum Abschnitt Jes 51,17–23 s. Oswalt, Isaiah, 349–357. 73 Liess, Art. Becher, 1. Vgl. Fritz, Art. Becher, 254. 74 Ebd. 75 Mayer, Art. ‫ּכוֹס‬, 108 f. 76 Freilich hat der Deuter Joseph einen Hintergedanken: Der Mundschenk soll dafür sorgen, dass Joseph aus der Haft entlassen wird. Dem Mundschenk widerfährt wie angekündigt (V 21), er vergisst die Fürsprache für Joseph jedoch (V 23). 77 Liess, Art. Becher, 1. S. dazu Fuchs, Symbol des Bechers, 65–84. 78 Liess, Art. Becher, 2. Wo Zorn- und Taumelbechermotivik in traditionsgeschichtlicher Hinsicht

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„Gott hat einen Becher in seiner Hand, den er seinem Volk Israel […] oder anderen Völkern (Jes 51,22 f.; Jer 49,12 f.; Jer 51,7; Sach 12,2; vgl. Klgl 4,21) zum Trinken reicht. Damit entspricht das Bechermotiv der Vorstellung vom Zorn Gottes als einer flüssigen Substanz, die er über den Menschen ausschüttet ([…] vgl. Klgl 4,11; Ps 79,6; Jer 6,11; Jer 42,18 u. ö.).“79

Die Folgen des Trinkens sind Speien, Hinfallen und nicht wieder Aufstehen (Jer 25,27), Schande (Hab 2,16) und Spott (Ez 23,3280). Ps 10,6 LXX formuliert mit Hilfe des Bechermotivs das Los der Gottlosen: Sturmwind ist ihres Bechers Teil. Kraus schreibt zur Stelle: „Man hat die seltsame Vorstellung von der ‫ ﬤוס־זלעפות‬meist mit dem Hinweis auf das Bild vom austeilenden und ausschenkenden Hausvater gedeutet. Doch liegen gewiß tiefere, kultisch-sakrale Vorgänge im Hintergrund. […] Dieses Entweder-Oder [zwischen Heils- und Zornesbecher Jahwes, P.E.] läßt auf einen Gottesentscheid schließen, der vielleicht im Ordal (Nu 5,26 ff.) einst fiel.“81

In Ps 15,5 LXX ist der Zusammenhang zwischen Becher und Los bzw. Erbteil noch stärker präsent. Gerade im Hinblick auf 15,6 ist der Hintergrund hier wohl die Anspielung auf die Verteilung des Gelobten Landes (Jos 14,1 f) per Los.82 Die doppelte Genitivkonstruktion ἡ μερὶς τῆς κληρονομίας μου καὶ τοῦ ποτηρίου μου (Ps 15,5 LXX) verstärkt die Parallelisierung von Besitz bzw. Erbteil und Becher. In Ps 23,5 ist der volle Becher (‫ )כוסי רויה‬positives Zeichen der umfänglichen Zuwendung Jahwes.83 Beide Aspekte, Erbteil und Zuwendung Gottes durch den Becher, sind weitere Bedeutungsanteile, die für unseren Traum von Belang

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genau herstammen, ist in der Forschung umstritten. Frevel, Art. Zorn, 476, sieht die Herkunft des Motivs ungeklärt. S. aber Liess, Art. Becher, 2., mit verschiedenen Vorschlägen. Zum Motiv des „Bechers Jahwes“ generell s. Schunck, Becher Jahwes, 323–330. Liess, Art. Becher, 2. Das Gleichnis von Ohola und Oholiba (Ez 23) zählt Schmid, Propheten, 359, „zu den härtesten prophetischen Passagen des Alten Testaments“. Kraus, Psalmen, Bd. 1, 91. Ähnlich Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 1, 92, die Zornesbecher oder Losbecher mit dem Schöpfergott verbunden sehen, der mit seinem heißen Wind „den Störern der Lebensordnung“ das lebenswichtige Wasser austrockne. Evtl. sei auch an einen Wüstensturm gedacht, der über den Frevlern wütet, ebd. So auch Kraus, Psalmen, Bd. 1, 122; Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 1, 111. Hinter dem Vers stehe ein imaginiertes Festmahl, das im Heiligtum stattfinde: „Der übervolle Becher ist Teil einer belebenden Mahlzeit […] und symbolisiert die überfließende Segens- und Lebensfülle in der Nähe Gottes.“ (Liess, Art. Becher, 3.). S. dazu Diller, Ps 23, 81–104. Zenger/ Hossfeld, Psalmen, Bd. 1, 155, betonen, von V 6 her, besonders „JHWH als (lebenslange[n]) Gastgeber“, der dem Gast unmittelbar und direkt begegne. Vom Heiligtum sprechen sie hingegen nicht, eher von den Gaben, die das gottgegebene Land Israel seinen Bewohnern biete und mit denen sie überschüttet würden, Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 1, 155 f. Dass das Trinken im Tempel gedacht ist, sieht für Ps 11; 16; 23; 75; 116 hingegen Mayer, Art. ‫ּכוֹס‬, 110. Zum Ablauf eines jüdischen Mahls und der Handhabung des Bechers dabei s. Billerbeck 4, 620–631. Eine Stelle, die den Becher positiv, im Sinne der Zuwendung und Versorgung erwähnt, ist auch Mk 9,41.

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sind. Denn Andreas wird durch das Trinken (also das Martyrium) Anteil am „himmlischen“ Erbteil Gottes haben. Und: Nicht nur Gott wendet sich dadurch Andreas zu, sondern auch umgekehrt. Das Martyrium ist das letzte Zeugnis für Christus, das Andreas ablegen wird, die letzte Hinwendung zu Christus, die er vollzieht. Einen weiteren positiven Aspekt des Bechers, wenn auch wieder vor dem negativen Hintergrund des Gerichts, formuliert Jer 16,7 mit dem ‫כוס תנחומים‬ (LXX: ποτήριον εἰς παράκλησιν; hier also im Griechischen nicht in Genitivverbindung, sondern ausgedrückt durch εἰς mit Akkusativ).84 Der Trost wird hier zum Gegenstück des Zornes Jahwes. Beide Aspekte, Zorn (seiner zukünftigen Richter) und Trost (Gottes), genießt auch Andreas, indem er aus dem Becher trinkt. Weitere Stellen, die positiv vom Becher sprechen, sind nur spärlich auszumachen, zu nennen ist Ps 16,5; 116,13.85 Altorientalische Belege zeigen, dass der Becher innerhalb des Totenkults Verwendung fand, um dem Verstorbenen darüber Versorgung Teil werden zu lassen.86 Ebenso altorientalisch ist die Becherweissagung: Ein Becher wurde mit Wasser gefüllt, darauf wurde Öl gegossen; da sich die Flüssigkeiten nicht vermischten, entstanden verschiedene Formen. Daraus wurde die Zukunft abgelesen.87 Ein frühjüdischer Beleg von Belang ist JosAs88 15,5.89 Dort wird von einem Becher gesprochen, der mit Unsterblichkeit gefüllt ist. Dies ist insofern eine wichtige Parallele zu unserem Traum, als Andreas zwar den bitteren Becher des Martyriums trinken muss, aber ihm (vor allem anhand des Bergmotivs) durch denselben in gewisser Weise Unsterblichkeit (in Form des ewigen Lebens) zukommt. 4.2.3.2.2 Der Becher im Neuen Testament und bei den Kirchenvätern Den Kelch des Leids und des unumgänglichen Schicksals Jesu beschreibt Mk 10,38 parr (vgl. Joh 18,11).90 Interessant ist, dass im folgenden Vers (Mk 10,39 84 Vgl. zur Stelle Liess, Art. Becher, 1. 85 A. a. O., 3. Und ebd.: „Im Kontext tempeltheologischer Motivik wird der Becher zum Heils- und Lebenssymbol“. 86 A. a. O., 1., mit Beleg. 87 Ebd.; Fritz, Art. Becher, 254. Die Bechermantik sei für Israel zwar nicht erwähnt, aber es existierte der Brauch, wonach der Hausvater eigenhändig die Gefäße seiner Angehörigen füllte. Dies führte dazu, vom Becherinhalt auf das individuelle Schicksal zu schließen, so belegt in Ps 11,6; 16,5, Fritz, Art. Becher, 254. Anders Klauser/Grün, Art. Becher, 48, die hier schon von Bechermantik ausgehen. S. auch Gen 44,2.15, auch wenn die Erzählung in Ägypten spielt. 88 Neuere Ausgabe durch Fink, Joseph und Aseneth. 89 Gefunden bei: Klauser/Grün, Art. Becher, 49 f. 90 Nach Patsch, Art. ποτήριον, 340, ist dieses Wort nur vor dem Hintergrund der Bedeutung des Bechers im AT zu verstehen, v. a. insofern, als der Becher aus Gottes Hand das Geschick des ihn Empfangenden bestimmt. So auch Eckey, Markusevangelium, 272; Luz, Matthäus, Bd. 3, 161;

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parr) auf das frühchristliche Martyrium (hier das der Zebedaiden91) angespielt wird. Hier ist der Kelch Jesu schon eindeutig derjenige, welchen die Apostel später schmecken werden, indem sie Jesus im Tode nachfolgen. Der Kelch, dessen Inhalt das Blut Christi symbolisiert, findet sich in den Einsetzungsworten Mk 14,23 parr (vgl. 1Kor 11,25 f).92 In Mk 14,36 parr wird Jesus in Gethsemane der Becher beinahe zu schwer.93 Beide Stellen (Mk 14,23.36) zusammengenommen erschließen den wesentlichen Inhalt unseres Traummotivs. Der Kelch des Petrus lehnt sich an Jesu Passion an. Nicht dass durch das Vergießen des Blutes von Petrus (oder Andreas) die erlösende Kraft des Blutes Jesu nachgeahmt werden sollte, aber der Aspekt des gewaltsamen Todes, der sich im Kelch mit Wein respektive Blut symbolisiert, verbindet das Schicksal Jesu mit dem des Petrus (und schließlich auch mit dem des Andreas, welcher den Kelch ja nimmt). Der zweite Aspekt kommt in dem Gethsemane-Wort zum Tragen: Jesus muss einen Kelch trinken, der übermäßiges Leid, aber auch Erlösung umfasst. Ebenso kommt im Bild des Bechers des Petrus zum einen die

Wiefel, Matthäus, 349 (zur Parallele in Mt 20,22). Anders sehen Klauser/Grün, Art. Becher, 51, das Wort als mit dem frühjüdischen Motiv des Leidensbechers verwandt. 91 In Apg 12,1 f wird der Tod des Jakobus berichtet, welcher den Lesern des Evangeliums bekannt gewesen sein mag. Schwieriger ist es bei Johannes. Tertullian, de praescript. haeretic. 36, weiß davon, dass der Apostel ein Bad in siedendem Öl unverletzt überstanden habe und in hohem Alter ohne Gewalt gestorben sei, Luz, Matthäus, Bd. 3, 162, Anm. 18. Warum also die Ankündigung des Märtyrertodes des Johannes? Was Luz nicht erwähnt, wir aber oben schon festgestellt haben: Auch die Johannesakten berichten von seinem gewaltlosen Tod – im Gegensatz zu allen anderen Aposteln der (großen) Akten. Dass es eine Tradition vom gewaltsamen Tod des Johannes gab, wie Luz, Matthäus, Bd. 3, 162, Anm. 18, vorschlägt, dürfte also sehr unwahrscheinlich sein. Diese wäre den Verfassern der ActJoh bekannt gewesen und von ihnen aufgenommen worden – zumal es in psychologischer Hinsicht doch jedenfalls ein Makel gewesen sein dürfte, dass Johannes nicht den ehrenvollen Märtyrertod seiner Mit-Apostel „aufweist“. Anders gesagt: Hätte es für einen solchen Tod des Zebedaiden irgendwelche Anhaltspunkte gegeben, hätten sich diese in jedem Fall in den ActJoh niedergeschlagen. Zumal ja auch im Traum des Andreas die Schwierigkeit besteht, dass Johannes zwar größer ist als Andreas, Letzterer aber eben den „Becher des Petrus“, nicht den des Johannes trinken wird, dazu s. u. Zu vereinzelten, späteren Zeugen für ein Martyrium des Johannes s. Wiefel, Matthäus, 349 mit Anm. 7. 92 Frevel weist auf die Anstößigkeit des Motivs vom Trinken des Blutes im Kontext des Abendmahls (Mk 14,24; Mt 26,28; Lk 22,20; 1Kor 11,25; Joh 6,48–58) aus jüdischer Sicht hin, da Blutgenuss aufgrund von Lev 3,17 untersagt war (vgl. Apg 15,20). Als traditionsgeschichtlichen Hintergrund des Kelchwortes sieht er die Verbindung des Segensbechers beim Passamahl mit dem Bundesschluss am Sinai. Letzterer bediene sich mit dem Blutritus in Ex 24,8 der Symbolik zweier gleicher Teile, um beide Vertragspartner gleichwertig einzubinden, forme daraus aber einen singulären Ritus, Frevel, Art. Blut, 125. Ähnlich Klauser/Grün, Art. Becher, 50 f. Zum Ablauf eines Passamahls und der Rolle des Bechers dabei s. Billerbeck 4, 56–73. Zu den Einsetzungsworten s. Böttrich, Art. Liturgie, 3.6.; Luz, Matthäus, Bd. 4, 94–122; Wolter, Lukasevangelium, 702– 708; Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 264–276. Schon älter ist Jeremias, Abendmahlsworte. 93 Eckey, Markusevangelium, 361, sieht auch hier den atl. Zornesbecher als Hintergrund und Gott als den Richter, der Jesus zum Tode verurteilt. So auch Wiefel, Matthäus, 454 (zur Parallele Mt 26,39). Anders Luz, Matthäus, Bd. 4, 136. Vgl. Davies/Allison, Matthew, Bd. 3, 497.

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Schwere des Leids, aber auch die ganze Kraft der Erlösung zum Ausdruck – in Nachahmung des gewaltsamen Todes Jesu. 1Kor 10,16 spricht vom ποτήριον τῆς εὐλογίας bezüglich des Herrenmahls; in 10,21 stellt ihm Paulus dann den ποτήριον δαιμονίων gegenüber. Dieser ist so negativ besetzt, „weil der Genuß des Kultbechers die innigste Gemeinschaft mit dem Kultgott herstellt.“94 Wenden wir uns den Schriftstellern der frühen Kirche zu. Tertullian (de pudic. 7,10) berichtet, dass zu seiner Zeit Trinkgefäße schon oft mit dem Motiv des Guten Hirten verziert würden. Weiterhin fand die Vorstellung, dass Trinken aus demselben Becher zwischen den Trinkenden innige Gemeinschaft herstelle, im Christentum breiten Anklang.95 Dadurch wird auch unser Traum verständlicher: Wenn Andreas den Becher seines Bruders trinkt, also ihm im Martyrium nachfolgt, wird die Gemeinschaft zwischen den beiden Brüdern auf geistlicher Ebene hervorgehoben. Die Vorstellung, dass durch das Trinken des als berauschend charakterisierten Bechers besondere, ekstatische Gottesgemeinschaft, ja -vereinigung der Seele erwirkt werde, ist bei den Vätern seit Origenes belegt. Dabei kann der Inhalt des Trinkgefäßes der Logos (Origenes, in Cant. 3; comm. in Matth. 85), aber auch der Heilige Geist sein (Paulinus Nolanus 24,685 f).96 Von entscheidender Bedeutung ist aber, dass in der Alten Kirche der „Bechers des Heils“ (Ps 115,3) mit dem Martyrium identifiziert wurde, also genau mit dem, was Andreas im Traum angekündigt wird (Origenes, comm. in Matth. 92; Augustinus, enarr. in Psalmos 102,4; vgl. MartPol 14,2).97 Der (Martyriums-)Becher des Petrus ist also nicht nur der Leidensbecher, der sich an der Passion Jesu orientiert, sondern „Becher des Heils“ – des Heils, das Andreas durch das Trinken erwartet. 4.2.3.2.3 Artemidor zum Bechermotiv Der Trinkbecher symbolisiert das Leben (oneirokr. I 74). Das Material der Gefäße und die verschiedenen Getränke – kaltes und warmes Wasser sowie verschiedene Weinsorten – verhandelt Artemidor in I 66. Zum Trinken selbst schreibt er, dass der Durstige vom Trinken träume, wie der Hungrige vom Essen (I 1). Freud nennt dies, wie oben schon gesagt, somatische Traumquellen bzw. Leibreize:98 „Der Traum vom Trinken in vollen Zügen ist eine solcher [Nervenreiz]; in ihm ist der somatische Reiz anscheinend die einzige Traumquelle, der aus der Sensation entspringende Wunsch – der Durst – das einzige Traummotiv.“99 94 95 96 97 98 99

Klauser/Grün, Art. Becher, 51; vgl. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 234. Klauser/Grün, Art. Becher, 51 f. Vgl. Wiefel, Matthäus, 349. Klauser/Grün, Art. Becher, 60. Ebd. Vgl. Wiefel, Matthäus, 349 mit Anm. 5. S. o., 145, Anm. 601. Freud, Traumdeutung, 252.

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Ferner heißt es bei Artemidor in I 66: „Immer ist es gut, aus Durst zu trinken. Wenn man nichts zu trinken vorfindet oder zu einem Fluß, einer Quelle oder Zisterne kommt, ohne Wasser schöpfen zu können, so wird man nichts von dem zustande bringen, wonach man trachtet. Dürsten ist ja nichts anderes als ein Verlangen, und Trinken stillt das Verlangen.“100

Ob man Andreas dieses Verlangen (nämlich durch seinen Tod sein Apostolat zu krönen, indem er aus dem Becher trinkt) unterstellen darf ? Bezüglich der historischen Person des Andreas wäre das auf Grundlage der Texte der Andreasakten nur spekulativ zu beantworten. Dem Verfasser der Akten aber kann man dieses Verlangen mit einiger Sicherheit unterstellen (dazu ausführlich bei der Deutung). Artemidor (V 5) hat ebenfalls gewisse Parallelen zu unserem Traum zu bieten: „Es träumte jemand, er trinke zerriebenen Senf; nun war er in einen Prozeß verwickelt, und die Anklage lautete auf Mord. Er wurde verurteilt und geköpft; denn er war das Getränk weder gewöhnt, noch war es überhaupt trinkbar.“101

Der scharfe Senf erinnert an den Becher, den Andreas trinken muss, insofern, als – wie wir bei den Attribuierungen der verschiedenen Becher oben gesehen haben – er jedenfalls zum Teil als bitter zu verstehen sein dürfte, auch wenn die Art des Becherinhaltes in ActAndr 20 nicht genannt wird.102 Dass der Apostel dieses „Getränk“ nicht gewöhnt, und dass es eigentlich kaum trinkbar ist, dürfte ebenfalls für unseren Traum zutreffen, ohne den Vergleich überzustrapazieren. 4.2.3.3 Die Hand103 Im Traum ActAndr 20 wird die Hand vier Mal genannt. 4.2.3.3.1 Die Hand im griechischen Sprachgebrauch Aristoteles, an. III 8,432a 3, nennt die Hand ὄργανον ὀργάνων104. Das Motiv, dass ein Mensch einen anderen bei seiner Hand nimmt (so wie es Johannes in unserem Traum tut), findet sich bei Homer, Il. IV 154 (vgl. I 323; XXIV 361; Od. I 121). Der Handschlag gilt als Begrüßung (Homer, Il. VI 253 u. ö.). Das Heben der Hände dient sowohl dem Angriff als auch der Verteidigung (Herodot IX 100 101 102 103

Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 79. Übersetzung: a. a. O., 319. Die Bitterkeit entspricht der Qual, die das Martyrium mit sich bringt. Folgende Artikel seien genannt: Lohse, Art. χείρ, 413–424; Kötzsche, Art. Hand, 402–482; Vogel, Art. Handauflegung, 482–493; van der Woude, Art. ‫יָד‬, 209–212; Radl, Art. χείρ, 1108– 1111; Wagner, Art. Hand; Ackroyd, Art. Hand, 25 ff; Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1285 ff. 104 Corcilius (Hg.), Seele, 196.

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48,2). Die Götter halten ihre Hand schützend über den Menschen (Homer, Il. IX 420); sie greifen durch ihre Hand in unmittelbarer Weise in irdisches Geschehen ein (XV 694 f).105 „Durch die Berührung oder das Auflegen der Hand übertragen die Götter Heil u[nd] Segen auf die Menschen. So wird wiederholt gerühmt, der Gott Asclepius habe geheilt, indem er Kranke mit der Hand anrührte“ (Aelius 42,10).106

Auch Menschen sind als Wundertäter wirksam durch die Handauflegung auf einen Kranken. Dies wird von Apollonius von Tyana berichtet (Philostrat, Ap. IV 45). Unten wird das Handauflegen und die dadurch geschehende Heilung noch als wichtiges neutestamentliches Motiv betrachtet werden. Χείρ kann auch die rechte oder linke Seite meinen (Homer, Od. V 277).107 4.2.3.3.2 Die Hand im Alten Testament108 Die Hand wird im Hebräischen durch verschiedene Begriffe ausgedrückt, so vor allem ‫( י ָד‬Hand), ‫( כף‬Hand bzw. Handfläche), aber auch ‫( ימין‬rechte Hand).109 ‫ יד‬ist im hebräischen AT etwa 1600 Mal belegt und bildet eine der häufigsten Vokabeln.110 Wagner unterteilt folgende Kategorien:111 1. Die Hand wird auf etwas gegeben im Sinne einer Besiegelung bzw. Gültigkeit. Ein Beispiel wäre 2Kön 10,15 f. 2. Das Händeklatschen im Sinne von Freude oder Zorn; in Jes 55,12 heißt es u. a., dass die Bäume auf den Feldern freudig „in die Hände klatschen.“ Weiter sind Num 24,10112 und Ez 25,6 f 113 zu erwähnen. 3. Das Hochheben der Hände, um zu beten: Ps 44,21 f; Dtn 32,40. In Jes 1,15 ist dabei vom Ausstrecken der Hände die Rede. Dies geschieht nach altorientalischem Brauch.114 4. Das Erheben der Hände, um einen Eid zu leisten. Hier ist v. a. an Gen 14,22 f zu denken (Abram schwört dem König von Sodom). Weiterhin relevant sind Dtn 17,7.32.40; Ez 36,7; Ps 106,26; Dan 12,7. 105 106 107 108 109 110 111

Lohse, Art. χείρ, 413 f. A. a. O., 414. Ebd. Hingewiesen sei auf Gross, Gotteshand. Wagner, Art. Hand, 1. van der Woude, Art. ‫יָד‬, 209 (mit ausführlicher Auflistung). Zur Etymologie s. ebd. Das Folgende nach Wagner, Art. Hand, 1.1., mit wenigen Ergänzungen. Vgl. ders., Gottes Körper, 111–116 (mit Abbildungen). 112 Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286, sprechen hier von „leidenschaftlicher Erregung“. 113 Hier muss das Motiv der Schadenfreude ergänzt werden (Nah 3,19; Klgl 2,15), aber auch das Händeklatschen zur Huldigung eines Königs (2Kön 11,12). Einige atl. Stellen berichten vom Klatschen in negativ-apotropäischem Sinn: so Hi 27,23, vgl. Klgl 2,15; Ez 6,11; 21,19.22, Schroer/Staubli, Körpersymbolik, 125. 114 van der Woude, Art.‫יָד‬, 212. S. auch Ostmeyer, Art. Gebet/Beten, 2.; Holl, Art. Handgebärden, 215.

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5. Eine wichtige Unterart ist die, beim Schwur die Hände an das Geschlechtsteil des Gegenübers zu legen, so in Gen 24,2 ff.115 6. Eine weitere Bedeutung der Hand ist, sie zum Segen zu erheben bzw. aufzulegen. Hier ist v. a. Gen 48,14 f zu erwähnen.116 7. Andere Bedeutungen des Gestus sind u. a.: Die Hand wird gehoben, um einen Sieg, oder gesenkt, um eine Niederlage auszudrücken (Ex 17,11). In Jer 38,4 drücken schlaffe Hände Schwäche aus. Das Handauflegen kann eine designierende Geste sein. Dabei ist es möglich, ein Tier zu designieren (Lev 3,2), aber auch einen Nachfolger (Num 27,23).117 Diese letzte Bedeutung dürfte für unseren Traum erhellend sein. Zwar wird Andreas nicht die Hand aufgelegt, aber er wird Nachfolger seines Bruders im Martyrium (und Johannes und Andreas legen ihre Hände ineinander). Gleiches gilt für den Gestus, die rechte Hand zu fassen (Ps 63,9)118: Er macht ein Vertrauensverhältnis deutlich. Auch zwischen Andreas und Johannes bzw. Petrus wird Vertrauen übertragen – Andreas wird für würdig befunden, den angesehenen Weg des Martyriums zu gehen und den Becher zu trinken. Eine weitere Handgeste besteht darin, die Hände auf den Kopf zu legen, um Trauer auszudrücken (2Sam 13,19; Jer 2,37).119 Schließlich ist das Händewaschen zu erwähnen, das einerseits die Reinheitsgebote erfüllt (Ex 30,19 ff; Lev 15,11), andererseits die Beteuerung von Unschuld und reinem Gewissen ausdrückt (Dtn 21,6; Ps 26,6).120 Darüber hinaus ist für uns das Motiv interessant, jemanden an der Hand zu halten. Dies geschieht im Sinne des Beschützens und Umschließens (vgl. Ps 73,23)121. Weiterhin steht die Hand stellvertretend für alles, was ein Mensch tut 115 Diese Berührung wird damit erklärt, dass den Schwurpartner Unfruchtbarkeit oder die Vernichtung seiner Nachkommen ereilen solle, wenn er sein Gelübde bräche, Schroer/Staubli, Körpersymbolik, 127 (gefunden bei Wagner, Art. Hand, 1.1.); van der Woude, Art. ‫י ָד‬, 210. Zur Bedeutung von ‫ י ָד‬als Penis s. ebd. Ackroyd, Art. Hand, 27, spricht lediglich vom Aspekt der Feierlichkeit, wenn die Hand an die Genitalien beim Schwur gelegt wird. Zur Androhung des Abhauens der Hand bei Berührung des Penis eines anderen s. Dtn 25,11 f. 116 Hier ist daran gedacht, dass aus der aufgelegten Hand eine Kraft ausfließt, die Segen, Heilung oder besondere Macht erwirkt, Lang, Art. Handauflegung, 27. 117 Vgl. Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286. Zur Handauflegung zur Priestersalbung s.a. 4Q375 1 i 9 (gefunden bei Dahmen, Art. ‫ראשׁ‬, 581). 118 Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 2, 199, sehen in Gottes Halten der Rechten des Psalmisten die göttliche Antwort auf dessen Sehnsucht. Zudem existierten in der altorientalischen Bildwelt Darstellungen, in welchen der König bzw. Pharao vom jeweiligen Reichsgott an der Hand genommen und geführt werde, was eine große Auszeichnung bedeute. Der Psalmist sei sich dieser Vorstellungen durchaus bewusst. In Ps 73,23 wird die eben beschriebene göttliche Wegbegleitung über den Tod hinaus erhofft. Nach Ackroyd, Art. Hand, 26, war sowohl in atl. als auch antiker Zeit die Mehrheit der Menschen Rechtshänder. 119 van der Woude, Art. ‫יָד‬, 210. 120 Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286. Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 1, 169, schreiben zu Ps 26,6, „daß der Beter dezidiert mit dem Bösen keine Gemeinschaft haben wollte und haben will“; es sei hier v. a. „an Lüge, Meineid und Intrige als Mittel bei der Durchsetzung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und juristischer Interessen“ gedacht. 121 S. z.St. Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 2, 348–351.

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oder arbeitet (Dtn 14,29). Schließlich ist das Zeichen auf der Hand zu erwähnen (Ex 13,9.16; Dtn 6,8; 11,18), das Gottes Volk an das ihm widerfahrene Heilshandeln und das göttliche Wort erinnert.122 Die Hand Gottes123 spielt zwar im ATeine wesentliche Rolle, ist aber für unseren Traum kaum von Bedeutung und soll nur der Vollständigkeit halber kurz erwähnt werden. Dabei ist generell festzuhalten, dass im AT viele menschliche Verhaltensweisen auf Gott übertragen werden, dass aber das, was er mit seinen Händen tun kann, stark über das hinausgeht, was einem Menschen möglich ist. Zugleich ist die Hand das Instrument im AT, durch welches Gott am häufigsten handelt.124 Gott erschafft mit seiner Hand, die Schöpfung ist seiner Hände Werk (Ps 19,2). In Jes 45,12 heißt es: „Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr geschaffen; meine Hände haben die Himmel ausgespannt, und all ihr Heer habe ich bestellt.“ Gott führte Israel mit der Macht seiner Hände und seinem ausgestreckten Arm aus Ägypten (so Dtn 4,34; 5,15 u. ö.; Jer 32,21). Gottes rechte Hand hat große Kraft und zerschmettert die Feinde (Ex 15,6).125 Die ausgestreckte Hand Gottes kann sich aber auch gegen sein Volk wenden (Jes 9,16; vgl. Ez 3,14). Gottes Hand beschützt (Jes 25,10) und umschließt (Ps 139,5).126 4.2.3.3.3 Die Hand im Neuen Testament Auch im NT ist zu unterscheiden zwischen der Hand des Menschen und derjenigen Gottes. Der Mensch benutzt sie, um seine Arbeit zu verrichten (1Thess 4,11; 1Kor 4,12; Eph 4,28; Apg 20,34).127 In Apg 17,25 stehen die Hände als pars pro toto für den ganzen Menschen.128 Eindrücklich ist Mt 5,30: Es ist besser, die Hand, die verführt, abzuhauen, als ganz in die Verdammnis zu gehen. Auch hier steht die Hand für den ganzen Menschen, durch ihren Verlust kann aber genau dieser Zusammenhang (im wahren Wortsinn) durchtrennt werden.129 Weiter zu erwähnen ist 6,3: Die linke Hand soll nicht wissen, was die rechte tut.130 122 123 124 125

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Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286. S. dazu Roberts, Yahweh, 244–251 (gefunden bei Wagner, Art. Hand, 2.). Wagner, Gottes Körper, 140. Zur Differenzierung von links und rechts s. u. ausführlich. Allgemein kann ‫ יד‬auch die Seite von etwas bezeichnen, so etwa die Seite einer Stadt (Jos 15,46), eines Weges (1Sam 4,13; 2Sam 15,2) oder eines Landes (Gen 34,21). In 1Kön 10,19 sind mit ‫ ידת‬die Armlehnen des salomonischen Throns beschrieben, van der Woude, Art. ‫י ָד‬, 210. Vgl. Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286. Hier ist auch an die „eigenhändige“ Unterschrift des Paulus unter seinen Briefen zu denken – deren Erstellung ja wohl als Arbeit gelten dürfte, s. 1Kor 16,21; Gal 6,11; Phlm 19, vgl. Kol 4,18; 2Thess 3,17. Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286. Vgl. Mk 9,43 parr; Mt 5,30; 1Kor 12,15.21; 1Joh 1,1, Radl, Art. χείρ, 1108 f. Anders Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 525 f, die hier an Onanie durch die rechte Hand denken. Die Hand galt in der rabbinischen Literatur als Werkzeug von Unzucht und Ehebruch, so etwa in Nid 13b, vereinzelt wurde von den Rabbinen dann das Abschneiden der Hand gefordert, Luz, Matthäus, Bd. 1, 353 f mit Belegen in Anm. 51. Die Deutung von Luz, a. a. O., 423 f, z.St. ist recht enttäuschend. Die Worte Jesu seien hyper-

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Dass Gott das Volk Israel beim Exodus an der Hand nahm (im Anschluss an die dazu o.g. atl. Stellen) findet sich in Hebr 8,9.131 Anschließend an das jüdische Reinheitsgesetz wird das Waschen der Hände geboten (Mk 7,2 f.5 parr, ähnlich Mt 26,23). Davon unabhängig ist die berühmte Szene in Mt 27,24: Pilatus wäscht seine Hände zum Zeichen der Unschuld. Die Gewalt und Macht der Menschen wird anhand der Hände verdeutlicht (Apg 21,11; 28,17), der Menschensohn wird in die Hände der Menschen überliefert (Mk 9,31 parr; Lk 24,7), sie „legen Hand an ihn“ (Mk 14,46 parr; Lk 20,19; Joh 7,30.44).132 Die Macht der Hand Christi beschreibt hingegen Joh 3,35; 13,3. Besonders eindrücklich ist die Szene, in der der Auferstandene den Jüngern sein Hände (und Füße) zeigt, um zu beweisen, dass er wirklich der Gekreuzigte sei (Lk 24,39 f; Joh 20,20). Zur Erhebung der Hand zum Segen ist Lk 24,50 zu nennen, zum Gebet 1Tim 2,8, und zum Schwur Offb 10,5.133 Für die Hand als Motiv in eschatologischen Zusammenhängen seien Mt 3,12 parr sowie das Wort vom Pflug in Lk 9,62 genannt.134 Die Hand Gottes wird verhältnismäßig selten genannt und geht nie über den atl. Gehalt hinaus (so etwa Lk 1,66; Röm 10,21; Apg 7,50; Hebr 10,31), meist werden atl. Zitate aufgenommen. Gottes Hand ist voller Macht, wirkt in der Schöpfung (Apg 7,50; Hebr 1,10), repräsentiert Gottes Strafgericht (Apg 13,11; Hebr 10,31), wendet sich aber auch fürsorgend zu (Lk 1,66) und verspricht Schutz (Lk 23,46; Joh 10,29).135 „Die Hand Gottes wird zum Hinweis auf seine Wunder wirkende Macht, mit der er die Verkündigung des Evangeliums begleitet (Apg 4,30; 11,21) […], aber auch Hinweis auf

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bolisch gemeint und meinten lediglich, dass niemand anders, auch niemand besonders Nahestehendes, von der Gabe etwas zu wissen brauche. Hinter dem Text stehe ein eschatologischer Lohngedanke ähnlich Röm 2,26.28 f. Zudem sei Mt 6,3 f tief im jüdischen Denken verwurzelt, mit Verweis auf Spr 21,14; Sheq 5,6. Pagane antike Parallelstellen seien v. a. Epiktet, dissertationes IV 18,17, und Cicero, Tusc. II 26 (64). Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 582, denken ähnlich (es sei „probably correct to suppose that Mt 6.3 exhorts one not to think too highly of one’s own almosgiving“), bringen aber den Aspekt der Überlegenheit der rechten Seite bzw. Hand ins Spiel, Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 583 mit Belegen. Diesem in der Antike weitverbreiteten Verständnis, dass die rechte Seite die bevorzugte sei, die linke aber die nachteiligere, widmen wir uns beim letzten Traum unten. Diese Vorstellung scheint einer der Schlüssel zum Verstehen von Mt 6,3 zu sein. Ohne dabei hier weiter in die Tiefe gehen zu können, wäre ein (wenn auch etwas sperriger) Deutungsvorschlag: Beim Almosengeben soll die linke, also die negativ konnotierte Seite, ausgeblendet werden. Nur mit der rechten, „guten“ Seite soll gegeben werden. Vgl. 12,12; Röm 10,21. Zu Petrus und den Aposteln s. Apg 4,3; 5,18; 12,1, zu Paulus 21,27, zu den Christen generell Lk 21,12, Radl, Art. χείρ, 1110. Vgl. a. a. O., 1109. Ebd. Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286.

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Gottes verborgene Weisheit, mit der er seine Gemeinde auf Erden durch Leiden führt (1 Petr 5,6).“136

Ein großes Feld bildet das Motiv des Handauflegens,137 das besonders in den Heilungsgeschichten, analog zur antiken Wundergeschichte, ein zentrales Moment ist.138 Durch die berührende Hand Jesu werden die Kranken gesund (Mk 5,23 parr; Mk 7,32; Mk 8,22–25 und Lk 13,13). Die genannten Mk-Stellen machen zudem einen weiteren Aspekt deutlich: Die Kranken bzw. die für sie Bittenden sind überzeugt, dass die Berührung Jesu das ausschlaggebende (und ausreichende) Moment ist. Ob es dabei um eine magische Erwartung oder eine Symbolgeste geht, ist letztlich von sekundärer Bedeutung; entscheidend ist die Zuwendung Jesu, als Gottes Bevollmächtigter. Das Erbarmen Gottes, erkennbar und erlebbar in der Berührung seines Sohnes, bewirkt Heilung. Dieses Heilshandeln wird durch die Apostel fortgesetzt; sie stehen in Jesu Vollmacht (Mk 16,18; Apg 3,7; 5,12.15). Petrus erweckt Tabitha vom Tode, die er bei der Hand nimmt (Apg 9,41). An dieser Stelle wäre zu überlegen, ob in unserem Traum Johannes Andreas in gleicher Weise an die Hand nimmt: Macht er dadurch deutlich, dass Andreas (ähnlich wie Tabitha) nach seinem Martyrium vom Tode auferweckt werden wird? In der Apg wird der blinde Saulus von Ananias durch Handauflegen geheilt (Apg 9,12.17); Paulus tut, als Werkzeug Gottes, selbst Wunder mit seinen Händen (Apg 19,11). Mehrere Male begegnet im NT das Handauflegen zum Segnen (Mk 10,16 parr) und zur Spendung des Heiligen Geistes (Apg 8,17; 19,6). Zu Beginn der ersten Missionsreise werden Paulus und Barnabas die Hände von Gliedern der antiochenischen Gemeinde aufgelegt (Apg 13,3, vgl. 1Tim 4,14). In Apg 2,1–13; 10,44–48 kommt der Geist auch ohne Handauflegung, d. h. die Gabe des Geistes ist nicht daran gebunden.139 Bei den Apostolischen Vätern wird die Handauflegung nur in Barn 13,5 (vgl. Gen 48,14) genannt.140 Als letztes sei, was für unseren Traum von besonderer Bedeutung ist, auf das Motiv des Ausstreckens der Hände im NT verwiesen. In Mt 12,13 parr soll der Kranke seine Hand ausstrecken, in Mt 8,3 parr streckt wiederum Jesus seine Hand zur Heilung aus. In Mt 12,49 hat das Handausstrecken Jesu über seine 136 Ebd. 137 25 Mal begegnet dieses Motiv im NT, vgl. Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286. 138 Lohse, Art. χείρ, 421, unterscheidet aber: „[I]m Unterschied zu den antiken Wundergeschichten […] wirkt nach den neutestamentlichen Berichten nicht eine magische Praxis Heilung und Genesung, sondern entscheidend sind das vollmächtige Wort Jesu und der Glaube, der ihm entgegengebracht wird. Seine Heilkraft ist auch kein Mittel und an keinen Weg der Übertragung gebunden; denn auch über die Ferne wirkt sein Wort (Mt 8, 8. 13 par Lk 7,7. 10; J 4, 50–52).“ Zur Überschneidung von Magie und Christentum vgl. Frenschkowski, Magie, 203–273. Zur Handauflegung als Heilung s.a. 1QGenAp 20,29 (gefunden bei Dahmen, Art. ‫ראשׁ‬, 581). 139 Lohse, Art. χείρ, 422. Vgl. Radl, Art. χείρ, 1110 f. 140 Lohse, Art. χείρ, 424.

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Jünger (zum Zeichen, dass diese seine wahren Verwandten seien) hinweisenden Charakter.141 Auch in unserem Traum findet sich die Verbindung der Aspekte Verwandtschaft (anhand der Brüder) und der ausgestreckten Hände. In Mt 14,31 streckt Jesus seine Hand aus, um den sinkenden Petrus zu halten. Hier haben die ausgestreckten Hände rettende Funktion. In unserem Traum bereitet das Motiv einige Schwierigkeiten. Es wird klar gesagt, dass Johannes Petrus auf den Gipfel hinaufhebt (ActAndr 20,2). Ist das Hilfestellung oder ein Ausdruck des Respekts? Andreas hingegen wird von Johannes gebeten, selbst auf den Gipfel nachzusteigen (ebd.). Allerdings heißt es dann in 20,3: „Und indem er seine Hände ausstreckte, sprach er: ,Nähere dich mir und strecke deine Hände aus, damit sie mit meinen Händen vereint werden.‘“ Ist Andreas da schon auf dem Gipfel? Oder leistet Johannes Andreas doch Hilfestellung, indem er, ihm die Hände hinreichend, ihn auf den Gipfel hinaufzieht? Dies wird spätestens dann bedeutsam, wenn Andreas feststellt, dass er kleiner ist als Johannes. In unserem Traum wird eine bestimmte Rangfolge eröffnet: An erster Stelle steht Johannes. Er befindet sich schon auf dem Gipfel und zieht Petrus zu sich empor. Erst dann folgt Andreas. Er wird den Becher Petri trinken, folgt jenem also nach. Gleichzeitig ist Andreas kleiner als Johannes, steht also im wahren Wortsinn unter ihm. Dieses Spannungsgefüge spielt für die Deutung des Traumes eine entscheidende Rolle. Die Schlüsselstelle zum Verständnis des Handausstreckens im Traum bildet Joh 21,18. Dort spricht Jesus zu Petrus: „[W]enn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst.“ Das Ausstrecken der Hände ist an dieser Stelle jedenfalls als unfreiwillig gedacht und geschieht im Zusammenhang mit dem Martyrium des Petrus, das hier angekündigt wird und so die unmittelbare Parallele zu unserem Traum bildet. Anders gesagt: Wenn Andreas die Hände ausstrecken soll, bedeutet dies dasselbe, was Petrus durch Jesus verheißen wurde: das Hinnehmen und Annehmen des Todes als christlicher Märtyrer. Andreas wird aufgefordert, dies im Sinne des Petrus gemäß Joh 21,18 zu tun.142 In der christlichen Ikonographie spielte v. a. das Motiv der Hand Gottes eine tragende Rolle. Im 4–13. Jh. war sie die wichtigste Verkörperung Gottes als des Vaters. Vor allem die Stimme Gottes wurde durch die Hand versinnbildlicht, seltener auch Christus und der Heilige Geist. Beliebt war das Motiv der Got141 Vgl. Laubach/Wibbing, Art. χείρ, 1286 f. 142 Wengst, Johannesevangelium, Bd. 2, 321, sieht in dem Ausstrecken der Hände einen Hinweis auf den Tod am Kreuz und bringt einige Parallelstellen, die dies untermauen, so Plautus, Mil. II 4,7 f; Epiktet, dissertationes III 26,22; Artemidor, oneirokr. I 76; Barn 12,2. Das in Joh 21,18 beschriebene Gegürtetwerden versteht Wengst als die Fesselung vor dem Martyrium (in Aufnahme von Schnackenburg, Johannesevangelium, Bd. 3, 438); ἄλλος sei vordergründig derjenige, welcher Petrus zur Kreuzigung führe, zum anderen aber Jesus selbst, welchem Petrus mit seinem Martyrium nachfolgt, Wengst, Johannesevangelium, Bd. 2, 321 f. Die Ausführungen von Wengst überzeugen, sind aber für unseren Traum nur bedingt zu gebrauchen, da es hier ja um ein Händeausstrecken hin zu einer anderen Person geht.

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teshand bei der Darstellung des Opfers Abrahams, der Übergabe der Gesetze an Mose sowie der Taufe und Verklärung Jesu. Das Motiv wurde meist so abgebildet, dass eine Hand aus einem den Himmel darstellenden Wolken- oder Lichtsegment herausragt.143 4.2.3.3.4 Artemidor und das Motiv der Hand Artemidor schreibt zum Motiv (oneirokr. I 42), dass eine Krankheit oder eine ähnliche Einschränkung der Oberarme im Traum Trauer anzeigen würde. Weiterhin bedeute „die rechte Hand das, was man sich erst erwirbt, die linke das bereits erworbene; denn die Rechte betätigt sich im Zupacken, die Linke ist mehr auf das Bewahren hin angelegt.“144 Die Hände generell stünden für das Handwerk (das ja mit denselben getätigt wird), aber auch für Handschriften (die ebenfalls mit den Händen gemacht werden) und Reden (beim Vortragen einer solchen werden die Hände gestikulierend eingesetzt). Etwas ergiebiger ist V 92. Dort wird von einem Kranken berichtet, der sich im Gebet an Sarapis gewandt und um ein Gottesurteil im Traum gebeten habe: Würde der Erkrankte im Traum durch Sarapis bei der rechten Hand geschüttelt, würde ihm Genesung zuteil, träumte er von einem Schütteln seiner linken Hand, würde er sterben. Tatsächlich sei der Mann im Traum in den Sarapistempel gegangen, wo ihm durch Kerberos145 die Rechte gedrückt worden sei. Der Träumer sei nach dem Traum erwartungsgemäß seiner Krankheit erlegen, „[d]enn Kerberos, der nach allgemeinem Glauben den Tod bedeutet, zeigte sich durch das Ergreifen der rechten Hand bereit, ihn aufzunehmen146.“147 Das Zusammenspiel des Handgebens und der Ankündigung des Todes ist eine wichtige Parallele zu unserem Traum.

143 Holl u. a., Art. Hand Gottes, 212 f. Auch für die Synagoge von Dura-Europos (3. Jh. n. Chr.) ist eine Abbildung von Gottes Händen belegt, s. Wagner, Gottes Körper, 140 mit Abbildung; Holl u. a., Art. Hand Gottes, 212. Inwiefern hier das atl. Bilderverbot greift, kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden, s. dazu Wagner, Gottes Körper, 140 mit Literatur in Anm. 33. 144 Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 53. 145 Dreiköpfiger Höllenhund; er bewacht die Unterwelt und lässt keinen Toten zurückkehren, a. a.O., 445, Anm. 523. 146 Hier liegt ein Wortspiel vor in Bezug auf „die Rechte“ (δεξιά) und das Verb „aufnehmen“ (παραδέχομαι), a. a. O., 445, Anm. 524. 147 Übersetzung: a. a. O., 345.

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4.2.3.4 Das Haupt 4.2.3.4.1 Das Haupt im Alten Testament148 Das Körperteil des Kopfes spielt im AT, vor den meisten anderen Gliedern, eine tragende Rolle. Zu unterscheiden ist ‫ ראש‬als ganzer Kopf von ‫פנים‬, das das Gesicht mit seinen Sinnesorganen meint.149 Kopf als Eigenname kennt Gen 46,21.150 Der Kopf kann im AT auch „Oberster/Oberstes“151 bzw. „Erster/Erstes“ bedeuten. In 1Chr 24,4 bezeichnet der Begriff als pars pro toto den gesamten Menschen.152 Wenn Petrus größer als Andreas ist, so heißt dies, dass er in seiner Person höher steht als Andreas. Vom Tier abgeleitet ist die Rede von Kopf und Schwanz in Jes 9,13. Der Schwanz ist das Geringere, der Kopf das Angesehene (V 14, vgl. 11QTa 59,20 f).153 Auch sonst drückt das Haupt oft eine Vorrangstellung aus.154 So wird in Dtn 1,15 durch „Häupte eurer Stämme“ die soziale Vorrangstellung bezeichnet (vgl. Ex 18,25; 2Sam 23,8.18).155 In 2Kön 25,18 bezeichnet ‫ כהן הראש‬den Oberpriester.156 Auch Dinge können durch „Kopf“ als Oberste bezeichnet werden: der Kopf als Gipfel des Berges (Ex 19,20) oder als Jahresbeginn (Ez 40,1).157 Zu ‫ ראשׁ‬als (zeitlichem) Beginn s. Ex 12,2; 1Chr 16,7; Spr 8,23; Koh 3,11 und v. a. Jes (40,21; 41,4.26; 42,11; 48,16).158

148 S. dazu Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 271–282; Bartlett, ‫ראשׁ‬, 1–10; Müller, Art. Kopf, 701–715. Zu Qumran s. Dahmen, Art. ‫ראשׁ‬, 579–586. 149 Wagner, Art. Kopf, 1. Zum weiteren Wortfeld gehören Scheitel (‫ )קדקד‬und Schädel (‫)גלגלת‬, Irsigler, Art. Haupt, 51. Zur Etymologie von ‫ ראשׁ‬s. Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 272 f. 150 Speyer, Art. Kopf, 523. 151 Wagner, Art. Kopf, 1., vermutet, dass mit der bevorzugten Stellung des Hauptes als Oberstes auch die kriegerische Hinrichtung des Köpfens zusammenhängt, die als demütigender galt, als wenn die Person z. B. erstochen wurde, vgl. 2Sam 4,8. Immerhin wird durch das Köpfen das bedeutendste Glied vernichtet. Überhaupt ist das Köpfen und Präsentieren des Schädels im AT oft belegt. In 1Sam 5,4 f wird das Götterbild des phönizischen Gottes Dagon enthauptet. David enthauptet Goliath und bringt den Kopf zu König Saul (1Sam 17,46.51.54.57). Letzterer wiederum wird von den Philistern geköpft (31,9). Besonders grausig ist 2Kön 10,6–9: die Ermordung der Königsfamilie Israels durch Jehu und die Ausstellung von 70 Köpfen vor den Jerusalemer Toren. Vgl. auch 2Sam 20,16–22; Jdt 13,6–10.15; 14,1.11, Speyer, Art. Kopf, 523 f. 152 Wagner, Art. Kopf, 1. 153 Irsigler, Art. Kopf, 51; Dahmen, Art. ‫ראשׁ‬, 584. Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 276, weist darauf hin, dass im semitischen Raum Kopf und Herz von Opfertieren als die vorzüglichsten Teile galten, welche der Gottheit dargebracht werden konnten; für Israel sei diese Vorrangstellung aber nicht belegt. 154 Bezeichnend ist, dass bei der Beschreibung des Geliebten im Hld zuerst mit dessen Kopf begonnen wird (5,11), Speyer, Art. Kopf, 524. 155 Wagner, Art. Kopf, 2. Der deutsche Begriff „Oberhaupt“ birgt diese Bedeutung noch. 156 Für den König vgl. Jes 7,8 f und Hos 2,2. 157 Wagner, Art. Kopf, 2. 158 S. dazu Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 274; 281. Zu ‫ ראשׁ‬als Beginn im hebräischen Sirachbuch s. Dahmen, Art. ‫ראשׁ‬, 580.

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„Der Gipfel […] von Bergen ist der bevorzugte Platz, wo JHWH sich offenbart, das Flehen erhört, seinen Willen kundtut und wo man ihn anbeten kann (Ex 17,9 f.; 19,20; 24,17; Dtn 34,1; Ri 6,26; 2 Sam 15,32; 1 Kön 18,42).“159

Interessant ist, dass in unserem Traum diese Aspekte bzw. Gegenstände alle zusammentreffen: die Häupter der beiden Apostel, der Gipfel des Berges, aber auch der Beginn (des Martyriums des Andreas). Das Haupt kann die volle Summe bezeichnen (Lev 5,24; Ps 139,17). Auch das menschliche Leben als Ganzes kann mit Hilfe des Hauptes beschrieben werden (1Sam 28,2).160 Der Kopf kann aber auch die Begrenztheit des menschlichen Seins ausdrücken (2Kön 2,3): Elia ist größer als sein Schüler, er geht über seinen Kopf hinaus.161 Mit dem Haupt verbinden sich wichtige Gebärden und Handlungen. Rau schreibt treffend: „Am H.[aupt] eines Menschen zeigt sich häufig etwas von seinem augenblicklichen Empfinden.“162 Das Haupt zu erheben, drückt Überlegenheit aus (Ps 27,6), ebenso Hoheit (Ps 110,7), aber auch Hochmut (Ps 83,3; 140,10). Wenn man den Kopf eines anderen hebt, rehabilitiert oder ehrt man ihn (Gen 40,13.20; 2Kön 25,27; Sir 11,1.13). Den Kopf in Bezug auf eine andere Person zu schütteln, heißt, ihn zu verhöhnen oder auszustoßen (2Kön 19,21; Ps 22,8; 109,25; Klgl 2,15). Das Haupt zu neigen oder etwas darauf zu streuen, bedeutet Reue und Scham (Klgl 2,10; Ez 27,30 [Staub]; 2Sam 13,19 [Asche]; vgl. Spr 25,22). Buße drückt das Verhüllen des Kopfes aus (2Sam 15,30; Est 6,12; Jer 14,4).163 Positiv besetzte Handlungen, die das Haupt einbeziehen, sind natürlich die oben schon erwähnte Handauflegung, etwa zum Segen (Gen 48,14.17 f) und zur Entsühnung (Lev 1,4), sowie die Salbung des Hauptes (Ps 23,5164 u. ö.). In Gen 49,26 heißt es: „Die Segnungen deines Vaters überragen die Segnungen meiner Voreltern bis zur Grenze der ewigen Hügel. Sie werden sein auf dem Haupte Josephs und auf dem Scheitel des Abgesonderten unter seinen Brüdern.“165 Das Haupt Jahwes (adäquat zu seiner Hand) ist im AT nur in Jes 59,17; Ps 60,9166 parr und Dan 7,9167 belegt. Freilich ist bei den zahlreichen Nennungen 159 Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 281; s. natürlich unsere Ausführungen zum Berg oben. 160 Irsigler, Art. Haupt, 51 f. Wiederum entspricht es einem Todesurteil, wenn das Blut von jemand anderem über das eigene Haupt kommen soll (2Sam 1,16), Rau, Art. Haupt, 513. 161 Wagner, Gottes Körper, 122. 162 Rau, Art. Haupt, 513. 163 Ebd. Vgl. Munzer/Wibbing, Art. κεφαλή, 1276; Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 274 f. 164 Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 1, 155, weisen darauf hin, dass das Salben durch den Gastgeber zum Mahlbeginn eine große Ehrung darstellt. 165 Vgl. auch 2Sam 3,29; Apg 18,6. 166 Die Formulierung „Schutz meines Hauptes“ spielt wahrscheinlich auf den Rundschild an. Diesen trug der Kämpfer linkshändig; er diente als Schutz, v.a. des Kopfes gegen Pfeile oder Speere; „es gibt auch die Kampftechnik, daß ein anderer Krieger als Schildhalte neben dem Bogenschützen steht und den Rundschild über dessen Kopf hält oder den großen Setzschild aufstellt, der ebenfalls einen Kopfschutz bietet“ (Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 2, 163 f mit Abbildungen). 167 Vgl. 1Hen 46,1; 60,2; 71,10, Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 280.

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anderer Gesichtsteile Jahwes168 der Gedanke an seinen Kopf inkludiert.169 Der Kopf stellt an diesen Stellen ein pars pro toto für Gott als „ganzes“ Gegenüber dar und unterstreicht v. a. die Kommunikationsmöglichkeit, die zwischen Gott und den Menschen besteht.170 Bei Philo und in den Qumrantexten werden die atl. Bedeutungen des Hauptes aufgenommen, aber nur wenig weiterentwickelt.171 Philo, somn. I 144, bringt einen Aspekt hinzu: den Vergleich des Hauptes mit dem Himmel.172 Die in unserem Traum beschriebene Vereinigung der Häupter des Johannes und des Andreas könnte dann wie folgt gedeutet werden (anhand des Ortes der Bergspitze als höchstem Punkt auf der axis mundi): Andreas berührt mit Johannes den Himmel. Dieses Eingehen in den Himmel (das für Johannes schon geschehen ist) steht für Andreas nach seinem Martyrium bereit und wird im Traum, wenn nicht vorweggenommen, so doch schon angedeutet. Weiterhin versteht Philo den Kopf als Anfang und Ende (praem. 142; post. 53; somn. I 128; leg. I 71). Er ist das leitende Prinzip (opif. 119; spec. II 184), aber auch Prinzip des Lebens (sacr. 115). Im Haupt wohnt der Logos (spec. IV 92). So wie das Verhältnis eines Königs zu seinen Trabanten beschaffen ist, verhält sich der Kopf zu den Sinnen (leg. III 115 f).173 Dabei scheint Philo von der atl. und altorientalischen Vorstellung abzuweichen, dass nicht der Kopf, sondern das Herz Sitz des Intellekts sei.174 4.2.3.4.2 Das Haupt im Neuen Testament und in der Alten Kirche Das Haupt wird im NT durch κεφαλή (Vulgata: caput) bezeichnet und kommt 75 Mal vor.175 Bei seinem Haupt soll man nicht schwören (Mt 5,36).176 Es soll gesalbt 168 S. dazu Wagner, Gottes Körper, 137 f; 146–153. 169 A. a. O., 145. Wagner begründet die Seltenheit der Nennung des Kopfes Jahwes, ebd., damit, dass die gestischen Bedeutungen soziale Rangstellungen voraussetzen würden, von denen Gott ausgenommen sei; so könne man seinen Kopf nicht abschlagen, etc. Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 280, übersieht seltsamerweise die Belege Jes 59,17; Ps 60,9 und führt nur Dan 7,9 an. 170 Wagner, Gottes Körper, 145 f. 171 Munzer/Wibbing, Art. κεφαλή, 1276. 172 Gefunden bei Speyer, Art. Kopf, 524. 173 Ebd. 174 Irsigler, Art. Haupt, 51; Wagner, Gottes Körper, 121 f. Anders Beuken, Art. ‫ראשׁ‬, 280. Diesem interessanten Befund kann an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden. S. aber später Tertullian, an. 15,5 (gefunden bei Speyer, Art. Kopf, 525 f), und ausführlicher a. a. O., 525. 175 Munzer/Wibbing, Art. κεφαλή, 1277. 176 Der Kopf steht hier synekdochisch für den Menschen als Ganzen bzw. für das ganze Leben, ebenso im Fluchwort des Paulus in Apg 18,6, Irsigler, Art. Haupt, 52. In Apg 18,6 mache der Apostel die Juden in Korinth für die Ablehnung Jesu als des Christus haftbar, Munzer/ Wibbing, Art. κεφαλή, 1277. Anders Lattke, Art. κεφαλή, 705: Hier liege lediglich eine alte und weitverbreitete Verwünschungsformel vor. Zu griechischen Parallelen s. Bauer, Wörterbuch, 850. Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 537, meinen zu Mt 5,36, die Idee an dieser Stelle sei: „[O]ne cannot swear by one’s own head because even over it one has no power“, nur Gott könne

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werden beim Fasten (6,17, vgl. Mk 14,3). In der Aussendungsrede gibt Jesus seinen Jüngern mit auf den Weg, dass alle ihre Kopfhaare gezählt seien und sie sich nicht fürchten sollten (Mt 10,30 f). Der Kopf Johannes des Täufers wird auf einer Schale „serviert“ (Mk 6,28 parr).177 Alle diese Stellen machen das pars pro toto deutlich: Der Kopf steht als Oberstes (s. o.), als Vorzüglichstes für den ganzen Körper, bzw. hier: die ganze Person. In Mk 12,10 parr und 1Petr 2,7 ist vom κεφαλήν γωνίας die Rede.178 Hier beschreibt κεφαλή das Wichtigste, Tragende.179 Der Menschensohn hat kein Lager, wo er sein Haupt hinlegen könnte (Mt 8,20), es wird mit einem Stock geschlagen (Mk 15,19 parr) und mit einer Dornenkrone geschmäht (Mt 27,29; Joh 19,2, nicht aber in Mk 15,17).180 Wiederum widerfährt dem Haupt Jesu Salbung mit Öl (Mk 14,3 parr). Eine der eindrücklichsten Stellen ist sicher Joh 19,30: Jesus neigt sein Haupt und gibt den Geist auf. Anders Lk 21,28181: „Wenn aber diese Dinge anfangen zu geschehen, so blicket auf und hebet eure Häupter empor, weil eure Erlösung naht.“ (Hier wird allerdings von den Häuptern derer, die den Christus erwarten, gesprochen). In der Szene der Fußwaschung in Joh 13,9 ist das Haupt interessanterweise nicht das entscheidende Körperteil, sondern die Füße, konkurrierend mit den Händen.182 In Joh 20,12 sind Kopf und Füße hingegen gleichberechtigt.183 Das Konzept vom Haupt als Zeichen für eine Hierarchie beschreibt 1Kor

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die Haare schwarz oder weiß machen. Mt 5,36 hat in der Alten Kirche kurioserweise zu einem Verbot des Haarefärbens geführt, s. Tertullian, de cult. femin. 2; Cyprian, de habit. virgin. 16, Luz, Matthäus, Bd. 1, 377, Anm. 49; 50. Zum Kopf des Täufers s. u. Hier liegt ein Zitat aus Ps 118,22 f vor. Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 3, 329, sehen in dem Stein einen Giebelstein, welcher für besondere Stabilität im Gebäude sorgt, oder sogar den Schlussstein, der die Vollendung des Baus ausdrückt. Das dies ein „Wunder“ sei, spiele auf Ex 15,11; Jes 25,1 an. Im Hintergrund des Bildes stehe der Wiederaufbau des Tempels und Jerusalems. Nach Eckey, Markusevangelium, 302, deutet die Metapher in Mk 12,10 auf Auferstehung und Erhöhung Jesu hin. Ob man ihm folgen darf, wenn er den Stein als den tragenden Quader an der Ecke des neuen Gotteshauses, nämlich der Gemeinde aus Juden und Heiden, versteht (Eckey, Markusevangelium, 302), bleibt dahingestellt. Luz, Matthäus, Bd. 3, 225, versteht den Stein in der mt Parallele Mt 21,42 als einen gut sichtbaren und kunstvoll behauenen Stein an einer der Ecken eines Gebäudes. Dieser sei Hinweis auf die Auferstehung Jesu. Den Hinweis auf den neuen Tempel als die Gemeinde verneint er aber vorsichtig; V 42 sei nur Basis der Argumentation in Hinblick auf V 43 f. Zur Frage, ob hier ein Eckstein oder Schlussstein gemeint ist, s. Jeremias, Art. γωνία, 792 f. So auch Lattke, Art. κεφαλή, 703. Nach Luz, Matthäus, Bd. 4, 295, wird Jesus mit den drei Zeichen orientalischer Klientelherrscher ausgestattet: mit dem Purpurmantel (= χλαμύς κόκκινος), dem goldenen Lorbeerkranz (= στέφανος ἐξ ἀκανθῶ) und dem Szepter (= κάλαμος). Vgl. JosAs 5,5; ApkAbr 11,2 f; Offb 19,11–16 (gefunden bei Luz, Matthäus, Bd. 4, 295, Anm. 14). Vgl. 1Hen 51,2, Wiefel, Lukas, 354. Zum Waschen von Gesicht, Händen und Füßen s. bShab 50b; tQid 1,11; bKet 61a, Wengst, Johannesevangelium, Bd. 2, 94. Dies ist gut im griechischen Satzbau nachvollziehbar: ἕνα πρὸς τῇ κεφαλῇ καὶ ἕνα πρὸς τοῖς ποσίν.

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11,3, wo das Haupt gleich drei Mal erwähnt wird.184 1Kor 11,4 f.7.10 formuliert Maßnahmen zur (Nicht-)Verhüllung des Hauptes im Gottesdienst.185 1Kor 12,21 und Röm 12,4 f 186 beschreiben das Bild von der Gemeinde als Leib, das in Kol 1,18; 2,10; 2,19 und Eph 1,22; 4,15; 5,23 zugunsten des Hauptes Christus, als das der Gemeinde, weiterentwickelt wird. Dieses Konzept ist ausreichend beschrieben worden und trägt für unseren Traum wenig aus.187 Den zahlenmäßig höchsten Anteil an Stellen (19) bietet die Offb „für deren menschliche und tierische Gestalten, die durch die Form oder den Schmuck ihres Hauptes charakterisiert werden. Das Haupt trägt die Zeichen der Ehre und Würde (Offb 4,4; 19,12 u. ö.), aber auch der Schande (Offb 13,1).“188

So wird das Haupt des Menschensohnes in 1,14 als weiß wie Wolle und Schnee beschrieben (in Aufnahme von Dan 7,9).189 In 4,4 tragen die 24 Ältesten weiße Gewänder und goldene Kronen auf ihren Köpfen (vgl. 9,7). Der Engel in 10,1 trägt hingegen einen Regenbogen auf dem Haupt (welcher in 4,3 auch den Thron Gottes umgibt), die Frau in 12,1 einen Kranz von zwölf Sternen.190 In der Alten Kirche wurde die Vorrangstellung des Kopfes u. a. damit begründet, dass er das höchste Organ des aufrecht gehenden Menschen sei, das die Fähigkeit habe, zum Himmel zu blicken (Laktanz, inst. VI 9,14; Cassiodor, 184 Zu κεφαλή in den pln. Briefen s. Bedale, κεφαλή, 211–215. Zur Stelle s. Fitzmyer, Kephale, 52– 59; Fiddes, Reflection, 370–383. 185 S. zu 1Kor 11,4–10 Schrage, Korinther, Bd. 2, 487–498; 504–517 (mit Literatur 487 ff); Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 246 f; 249–254. Zur ἐξουσία in 1Kor 11,10 s. Hooker, Authority, 410–416; Lattke, Art. κεφαλή, 704. Zum Motiv der Hauptverhüllung als Anzeichen des nahen Todes überliefert Ammianus Marcellinus, Res Gestae XXV 2,2 f, einen interessanten, spätantiken Herrschertraum bzw. eine Vision bezüglich der letzten Nacht des Kaisers Julian im Krieg gegen die Perser 363 n. Chr., Giebel, Träume, 132 f: „Dann streckte er [der Kaiser, P.E.] sich zu einem unruhigen und nur leichten Schlummer aus. Als der Schlaf, wie bei ihm gewöhnlich, bald wieder verflogen war, machte er sich nach dem Beispiel Iulius Caesars Aufzeichnungen in seinem Zelt. Er war gerade im Dunkel der Nacht vom hohen Gedankenflug eines Philosophen gefesselt, da erblickte er undeutlich […] die Erscheinung des Genius des römischen Volkes, wie er sie in Gallien erblickt hatte, als er zur Kaiserwürde aufgestiegen war. Nun aber hatte der Genius zusammen mit dem Haupt auch das Füllhorn verhüllt und verschwand traurig durch die Vorhänge des Zeltes.“ (Übersetzung: a. a. O., 133). 186 S. dazu Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 300 f; Haacker, Römer, 254 f. 187 Vgl. Speyer, Art. Kopf, 525. S. dazu z. B. Luz, Kolosser, 202 f; 221; 224; Maisch, Kolossä, 113– 117; 163 f; 202 f; Hübner, Handbuch, 61 f; 80 f; 89; 151 ff; 210 ff; 243 f; Luz, Epheser, 123 f; 158; 171 f; Schnackenburg, Epheser, 78 f; 190 f; 251–254. Zu Kol 1,15–20 s. Stettler, Kolosserhymnus. 188 Munzer/Wibbing, Art. κεφαλή, 1277. 189 Lattke, Art. κεφαλή, 707. Kraft, Offenbarung, 45, deutet das Weiß als das Strahlen des Hauptes. Lichtenberger, Apokalypse, 76, meint: „Die Übertragung von Gottesprädikaten auf Christus“ sei lediglich „ein Beispiel für die Tendenz der Apk, Christus ganz nahe an Gott heranzurücken.“ Zur Bedeutung der Farbe Weiß in der Offb s. Lichtenberger, Apokalypse, 76. 190 Zur Bekränzung bzw. Krönung des Kopfes s. Josephus, bell. I 671, Lattke, Art. κεφαλή, 707. Zu Offb 12,1 s. Roloff, Offenbarung, 126; Lichtenberger, Apokalypse, 178.

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expos. Psalm. 109,6; Isidor, orig. XI 1,25).191 In der im 4. Jh. einsetzenden Reliquienverehrung wurde auch den Häuptern von Märtyrern und Heiligen besondere Verehrung zuteil (s. dazu Eunapios, vit. soph. VI 11,8), v. a. betraf dies die Häupter Johannes des Täufers, des Paulus und des Petrus (zur Reliquienverehrung des Barnabas wurde oben schon einiges gesagt).192 Nach Theodoret, hist. eccl. III 7,2, wurde Johannes (genauer: sein Rumpf) von seinen Jüngern in Sebaste begraben, Kaiser Julian wiederum habe den Leib exhumiert und eingeäschert.193 Von Herodias hingegen wird berichtet, sie habe den Kopf nach der Hinrichtung des Johannes verwahrt.194 In der frühen Kirchengeschichte tauchte der Kopf wiederum an den verschiedensten Stellen auf, so etwa in Konstantinopel (s. Sozomenos, VII 21,1) oder Emesa (bezeugt durch den Pilger von Piacenza, vgl. VitIoan 24).195 Die Häupter von Petrus und Paulus sollen an der Via Ostiensis, aber auch im Lateran und Vatikan aufgefunden worden sein.196 Auch vom Kopf des Paulus wird berichtet, dass er nach dem Abschlagen noch sprach (MartPaul 16). In Passio Apostolorum Petri et Pauli 2 f wird von Simon Magus berichtet, dass er sich aus freien Stücken den Kopf abschlagen ließ (aber drei Tage später wieder zum Leben erwachte). Naheliegend ist es, dass man Kopfreliquien besondere Segens- und Wunderkraft zuschrieb (s. etwa Gregor von Tours, virt. Iulian. 25).197 4.2.3.4.3 Das Haupt bei Artemidor Artemidor schreibt, dass der Kopf im Traum auf den Vater hinweise (oneirokr. I 2). Weiterhin (I 17): Wenn man im Traum einen großen Kopf habe, sei das ein Zeichen für anstehendes Glück. Das beträfe sowohl Reiche (mit der Einschränkung, dass diese noch nicht in einem politischen Amt tätig waren) als auch Arme, aber auch Sportler, Finanzdienstleister und Eranarchen. Dem Reichen werde ein bedeutendes Amt zuteil, das mit dem Tragen entsprechender Insignien verbunden sei (etwa einem Kranz oder einer Binde, die ihn als Priester kennzeichnet). Der Arme wird wohlhabend werden, hauptsächlich werde aber zu erkennen sein (wobei Artemidor versucht, innerhalb des Bildes zu bleiben), dass sowohl der Reiche als auch der Arme als Haupt einen Machtzuwachs erführen. Für den Sportler kündige der große Kopf einen siegreichen Wettkampf an, wobei auch hier darauf angespielt wird, dass durch das Selbstbewusstsein des Sieges (symbolisiert durch den Kopf) die ganze 191 192 193 194

Speyer, Art. Kopf, 525. A. a. O., 529 f. A. a. O., 529 f. Vgl. VitIoan 25. Speyer, Art. Kopf, 530. Dass der Kopf nach dem Abschlagen noch lebte, umherflog und 15 Jahre lang predigte, weiß VitIoan 24 kurios zu berichten. 195 Speyer, Art. Kopf, 530. S. ferner Ernst, Art. Johannes, 530 f (gefunden bei Speyer, Art. Kopf, 530). 196 A. a. O., 530 f. S. dazu auch Kirschbaum, Gräber, 211. 197 Speyer, Art. Kopf, 531 ff; für weitere Beispiele s. a. a. O., 532 f.

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Person größer erscheint. Den genannten Personen der Finanzbranche verheißt der Traum selbstverständlich vermehrte Gewinne und Profit. „Denn das Geld wird Kapital genannt.198 Einem Reichen dagegen, der schon zu Amt und Würden gekommen ist, einem Redner und Demagogen kündigt es Schikanen und Beschimpfungen von seiten der großen Menge an, einem Kranken Kopfschmerzen, einem Soldaten Strapazen, einem Sklaven, daß er nicht so bald freigelassen werden wird, und einem, der sich ein geruhsames Leben erwählt hat, prophezeit es Aufregungen und Kränkungen.“199

Wenn man hingegen träume, der Kopf sei kleiner als gewöhnlich, trete für alle beschriebenen Szenarien genau das Gegenteilige ein. Ferner konstatiert Artemidor in I 21, dass der Hinterkopf das Symbol für die Zukunft sei und der Kopf prinzipiell den nächsten Verwandten symbolisiere.

4.2.3.5 Das Motiv des Erkennens (cognoscere/γιγνώσκω) 4.2.3.5.1 Übersetzungsmöglichkeiten und Verwendung in der Antike Lewis unterscheidet folgende Hauptbedeutungen des Wortes: 1. „[t]o become thoroughly acquainted with […], to learn by inquiring, to examine, investigate, perceive, see, understand, learn“; im Perfekt „to know“; 2. „[t]o recognize that which is already known, acknowledge, identify“ und 3. „[…] to seek or strive to know something, to inquire into, to investigate, examine“.200 Im „Handwörterbuch der lateinischen Sprache“ heißt es zu cognosco: „eine Person od. Sache in ihrem wahren Wesen u. in ihrer Totalität kennen lernen, erkennen, […] eine Sache erfahren […], zunächst durch […] Wahrnehmung durch die äußeren Sinne u. Erfahrung, […] wobei jedoch geistige Betrachtung der Sache u. wissenschaftliche Combination nicht ausgeschlossen, o. sogar vorausgesetzt wird“.201

Es verweist zudem auf die Verwandtschaft zwischen cognoscere und γιγνώσκω, was Wortentstehung und inhaltlichen Gehalt betrifft.202 Beispiele für die erste Übersetzungsmöglichkeit nach Lewis finden sich bei Caesar, Gall. I 19; I 22; I 33 u. ö. So meldet in I 22 Considius dem Caesar, dass ein strategisch wichtiger Berg in den Händen der Feinde sei, was er daran erkannt hätte, dass die Feinde gallisch bewaffnet gewesen seien und gallische Heereszeichen aufwiesen. In I 33 wird cognosco gebraucht, um eine erhaltene Information auszudrücken (vgl. Tacitus, hist. IV 44). In Tacitus, ann. II 59, heißt es, 198 199 200 201 202

Hier liegt ein Wortspiel vor: κεφαλαία und κεφαλή, Brackertz, Traumbuch, 398, Anm. 56. Übersetzung: a. a. O., 32. Lewis (Hg.), Latin Dictionary, 362. Klotz (Hg.), Handwörterbuch, 929. Ebd. Die im Folgenden genannten Stellen stammen aus: Lewis (Hg.), Latin Dictionary, 362.

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dass Germanicus eine Reise nach Ägypten unternahm, „um die Altertümer kennenzulernen.“203 Die zweite Bedeutungsgruppe findet sich z. B. bei Cicero, Catil. III 4,10; Lukrez II 349; Livius XXIV 16,5; Junianus Justinus II 6,20. Livius XXIV 16,5 schreibt, dass, eine Kriegsbeute betreffend, Vieh ausgenommen sei, „was innerhalb von dreißig Tagen die Eigentümer als ihren Besitz erkannt hatten.“204 Für Kategorie 3 finden sich Belege bei Sueton, Aug. 55 und 93205. In Sueton, Cal. 38, wird der Untersuchungsaspekt („to investigate“, s. o.) deutlich. Etwas nicht im judikativen Sinn zu untersuchen, sondern im Sinne von „etwas erkunden“ beschreibt Caesar, Gall. I 21. Diese Stellen helfen uns nur bedingt weiter. Das Erkennen, von dem Andreas spricht, scheint vielmehr tieferer, existenziell-spiritueller Natur zu sein und geht weit über das bloße Erkennen und Rekognoszieren einer Person oder eines Sachverhaltes hinaus. Die Frage des Andreas ist die nach der Erkenntnis der Erfüllung von Gottes Plan, die sich in der Erfüllung seines Schicksals widerspiegelt. Nicht zuletzt zeigen sich auch soteriologische Gesichtspunkte in der Aussage: Desidero ista cognoscere. Deshalb muss das Motiv des Erkennens innerhalb des biblischen und frühkirchlich-gnostischen Hintergrundes beleuchtet werden. 4.2.3.5.2 Erkennen im biblischen Kontext Schütz schreibt, dass der Mensch, der vernunftbegabt sei, sich dadurch auszeichne, „daß er über die ihn umgebende Welt mit ihren Erscheinungen, Gestalten und Ereignissen sowie über die Maßstäbe seines eigenen Verhaltens der Welt gegenüber Klarheit zu gewinnen versucht.“206 Um zu Erkenntnis und Wissen zu gelangen, müsse „[s]innliche Erfahrung mit intellektuellen Akten des Reflektierens und Abwägens“ verbunden werden.207 Dabei handele es sich bei γιγνώσκω prinzipiell um die Erfassung eines zu erkennenden Objektes, welches in das eigene Bewusstsein eingeordnet werden muss. Γιγνώσκω und davon abhängige Vokabeln umfassten einen Erkenntnisprozess, der ausgesprochen nuanciert gestaltet sei – von einer distanzierten Wahrnehmung bis hin zum persönlich-personalen Kennen.208 Bültmann sieht die Beziehung der an der Erkenntnis beteiligten Parteien bzw. Personen sogar als Voraussetzung für Erkennen innerhalb der biblischen Schriften generell.209 Ähnlich konstatiert Schütz für den innerbiblischen Gebrauch eine enge Verbindung zwischen Erkenntnis und Gehorsam bzw. Wissen und Tun. Dies werde besonders beim 203 204 205 206 207 208 209

Übersetzung: Heller, Annalen, 175. Übersetzung: Feix (Hg.), Römische Geschichte, 43. Vgl. auch Sueton, Tib. 33. Schütz, Art. Erkenntnis/Erfahrung, 348. Ebd. Ebd. Bültmann, Art. Erkennen/Erkenntnis, 306.

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Gebrauch der verneinenden Verbform αγνοέω deutlich.210 Gerade dieser Zusammenhang zwischen Erkennen und Gehorchen ist für unseren Traum essenziell. Andreas folgt dem Ruf ins Martyrium gehorsam, nachdem er erkannt hat. Ohne diesen zweiten Schritt wäre das Erkannte ohne Wert. 4.2.3.5.3 Erkennen im Alten Testament (‫)ידע‬211 ‫ ידע‬kommt in der Hebräischen Bibel 1068 Mal vor und stellt damit einen der häufigsten atl. Begriffe dar. Er wird v. a. in den Büchern Ez (99 Mal), Ps (93 Mal), Jer (77 Mal), Jes (75 Mal) und Hi (70 Mal) gebraucht, taucht aber bezeichnenderweise auch häufiger in den Büchern Spr (27 Mal) und Koh (25 Mal) auf.212 Prinzipiell kann zwischen zwei Grundbedeutungen unterschieden werden (die aber öfters ineinander übergehen): „erkennen“ und „wissen“. Zum einen wird also ein Prozess beschrieben, zum anderen dessen Ergebnis bzw. Ziel.213 Wie im allgemeinen Griechisch ist auch im AT das Erkennen von etwas an eine Sinneswahrnehmung gekoppelt: Das zu Erkennende muss sich den Sinnen mitteilen. Oft stehen Verben des Sehens und Hörens parallel zum Verb „erkennen“ (Ex 16,6; Dtn 33,9 u. ö.) bzw. werden in der LXX mit „erkennen“ übersetzt (so z. B. in Esr 14,9 LXX). In der LXX findet sich der Begriff γινώσκω 746 Mal. Zum Wortfeld gehören ferner γνῶσις (67 Mal), γνώστης und γνωστός.214 Folgende Hauptbedeutungen lassen sich unterscheiden:215 1. „merken, erfahren, wahrnehmen“ (Gen 3,7; Ri 16,20; Jes 47,8; Hos 5,3 u. ö.); 2. „unterscheiden zwischen“ (Dingen, die man wahrgenommen hat) (so 2Sam 9,36; Jon 4,11); 3. Erkenntnis, die durch einen Dritten vermittelt und durch Lernen erworben wurde (Spr 30,3 LXX); 4. Erkenntnis, welche zu einem gottgefälligen Leben führt (Spr 2,6; Koh 8,17); 5. „sich auf etwas verstehen“ (im technischen Sinn) (1Kön 7,14; 1Sam 16,16.18 u. ö.); 6. „sich (nicht) kümmern“ (um etwas) (Spr 27,23; Ps 1,6 u. ö.) bzw. „(nicht) zu tun haben wollen mit“ (Dtn 33,9); 7. „geschlechtlich verkehren“ (Gen 4,1) bzw. (wenn keine sexuelle Komponente vorliegt) ein „intime[s] persönliche[s] Vertrauensverhältnis“ haben (Dtn 34,10); 8. Erkenntnis auf Seiten Gottes im Sinne einer Erwählung (Jer 1,5; Am 3,2). Erkenntnis findet durch Wahrnehmung des Äußeren (Gen 8,11), aber auch 210 Schütz, Art. Erkenntnis/Erfahrung, 348. Dafür führt er, a. a. O., 350, u. a. Röm 10,3 an, wo Unkenntnis und Ungehorsam parallel zueinander stehen und der (atl.) Zusammenhang von Erkenntnis und Existenz bzw. Nichterkenntnis und verfehlter Existenz deutlich wird. Vgl außerdem 1Kor 14,38a, Schütz, Art. Erkenntnis/Erfahrung, 350. 211 S. dazu Bergman/Botterweck, Art. ‫י ַָדע‬, 479–512 (zur Etymologie 482); Schottroff, Art. ‫יַָדע‬, 682–701. 212 Bergman/Botterweck, Art. ‫י ַָדע‬, 484. 213 Fischer, Art. Erkennen/Erkenntnis, 1. 214 Schmitz, Art. Erkenntnis/Erfahrung II, 353. 215 Das Folgende aus ebd.

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durch inneres Forschen bzw. Nachdenken statt (Hi 34,4; Koh 7,25). Der Sitz der Erkenntnis ist nach Jer 31,33 f das Herz.216 Eine besondere Rolle spielt im AT die Gotteserkenntnis, welche an Gottes offenbarendes Handeln gebunden ist. Besonders auffallend ist die Formulierung „und du wirst (ihr werdet, sie werden) erkennen, daß ich Jahwe bin“, die bei Ez mit 54 Mal am häufigsten vorkommt. 2Kön 5,15 berichtet von der Gotteserkenntnis Naemans nach seiner Heilung. Weiterhin geschieht Gotteserkenntnis durch das Zeugnis bzw. den Bericht vom helfenden, rettenden und schützenden Handeln Gottes in der heilsgeschichtlichen Vergangenheit. Indem das Vergangene so immer wieder präsent gemacht wird, erfährt es eine Aktualisierung (Ex 10,1 f; 18,8–11). Auch Feste wie der Sabbat vermögen Gotteserkenntnis zu erwirken (Ex 31,13; Ez 20,12–20). Dabei ist aber zu beachten, dass atl. Gotteserkenntnis sich nicht um das Wesen Gottes per se dreht, sondern um das relationale Handeln in Bezug auf die Existenz des Menschen.217 Aus Gotteserkenntnis folgt immer die Forderung, gottgefällig zu leben und zu handeln, etwa durch Ausübung von Recht und Gerechtigkeit (Jer 22,15 f),218 aber vor allem, indem man nach Gottes Willen fragt (Hos 2,22; 4,1.6; Jer 9,5; 22,16).219 Der Erkenntnisprozess findet auch entgegengesetzt statt: In Ps 139,23 erkennt Gott den Menschen (genauer: sein Herz und seine Gedanken).220 Die atl. Weisheit bezieht ihre Erkenntnis v. a. aus der Tradition und der (in ihr gespeicherten) Erfahrung – weniger aus der Gottesoffenbarung. Dennoch werden Gotteserkenntnis und Gottesfurcht als wechselseitige Begriffe gebraucht (Spr 1,7; 2,5; 9,10; Koh 3,14). Die Grenzen der Erkenntnis des Menschen sind sein Tod, aber auch das Handeln Gottes (Koh 8,17; 9,1.12 u. ö.). Ausgehend von Koh 3,1–9 (und der Zusammenfassung in 3,11) lässt sich für die Zeit, die dem Menschen zur Erkenntnis bleibt, festhalten, dass Gott für jede Handlung bzw. deren Gegenteil eine bestimmte Zeit gesetzt hat, in welcher der Mensch sich bewegen muss. „Die ganze Not des Menschen besteht darin, dass er zu handeln gezwungen ist, aber die günstigen Zeiten nicht zu erkennen vermag, über die Gott in seiner Gesamtheit schon längst entschieden hat“.221 Im Buch Hiob wird die durch Tradition vermittelte Erkenntnis, dass es einem Menschen, der ein gottgefälliges Leben führt, gut geht, dem eigentlichen Ergehen Hiobs entgegengestellt. Umfassende Erkenntnis bleibt dem Menschen ebenso wie Einsicht in Gottes Handeln verwehrt (Hi 38,18; 42,2).222 Insofern man den zweiten Schöpfungsbericht zur weisheitlichen (bzw.

216 217 218 219 220 221 222

Bültmann, Art. Erkennen, Erkenntnis, 306. Schmitz, Art. Erkenntnis/Erfahrung II, 353 f. A. a. O., 354. Bültmann, Art. Erkennen, Erkenntnis, 306. S. z.St. Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 3, 728 f. Fischer, Art. Erkennen, 2.1. Zu menschlichem Erkennen in Koh s. Schellenberg, Erkenntnis. Fischer, Art. Erkennen, 2.2.

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weisheitlich überarbeiteten) Literatur zählt,223 ist natürlich Gen 3,5.22 von großer Bedeutung: das Erkennen von Gut und Böse, das nicht nur Gott eigen ist, sondern hier auch zur menschlichen Eigenschaft wird.224 Dies nimmt Sirach, der im Gegensatz zur übrigen, späten Weisheitsliteratur die Erkenntnisfähigkeit des Menschen wieder positiver beurteilt (und dies in 17,6 schöpfungstheologisch begründet) in 17,7 auf: Gott hat dem Menschen Verstand und Erkenntnis gegeben und ihm Gutes und Böses gezeigt. Diese Unterscheidungsfähigkeit ist Eigenschaft des Menschen, die er durch seine Geschöpflichkeit erlangt, nun aber auch zu verantworten hat. Neben den genannten drei atl. Erkenntnisquellen Erfahrung, Tradition und Offenbarung erschließt Sirach eine vierte, nämlich die Tora bzw. die entstehende kanonische Hebräische Bibel, die nun die wesentliche Erkenntnisquelle bildet (Sir 1,26; 17,11; 19,20; 24,23–34).225 Alttestamentliches Erkennen „entsteht immer wieder neu aus dem ständigen vertrauten Umgang mit seinem Gegenüber. Sofern auch im AT Aussagen über Gott und die Schöpfung gemacht werden, werden wir sie […] als der Offenbarung Gottes antwortende Bekenntnisaussagen [zu verstehen haben]. […] In der stetigen Nachfrage nach Gottes Offenbarung […] gewinnt Israel die Erkenntnis, […] was Gott konkret von ihm fordert, sei es in kultischer, sei es in ethischer Hinsicht.“226

Der atl. Erkenntnisbegriff wird in den Schriften von Qumran deutlich weiterentwickelt und zählt dort zu den wesentlichen Heilsgütern der Gemeinschaft (vgl. 1QpHab 11,1; 1QS 10,9.12; CD 2,3 f u. ö.). Das Verb ‫ ידע‬kommt in den Qumranschriften 355 Mal vor, was seinen hohen Stellenwert unterstreicht. In biblischen Manuskripten wird es etwa 230 Mal benutzt (allein ca. 100 Belege sind für Jes zu zählen). Ansonsten taucht es v. a. in 1QH/4QH (78 Mal), in 4QInstr (ca. 35 Mal) und in CD/4QD (42 Mal) auf. Das Subjekt des Verbes bilden stets nur Gott, Engel oder Menschen. Die Qumrangemeinde fühlte sich dadurch privilegiert, dass sie sich wähnte, durch göttliche Offenbarung ein Geheimwissen zu besitzen, das es strikt zu beschützen gelte (CD 15,10 f). Damit sind Dinge gemeint, die verborgen und Gott vorbehalten sind (4Q508 2,4). Dazu gehören Einblick in das eigene Schicksal (4Q416 2 iii 9 f; 17,3), die Mysterien Gottes (1QH 15,29 f; 4Q511 2 ii 6; 4Q418 177,7a), gottgefällige Lebensführung (1QH 22,11), das Wissen Gottes (4QTest 10), aber auch die ersten und letzten Dinge (4Q299 4,4).227 Bemerkenswert ist, dass sich in Gottes Erkennen ein Akt der Vorherbestimmung vollzieht (1QS 4,25; 1QH 1,7 u. ö.).228 Ohne die ActAndr in eine besondere Nähe zu Qumran zu rücken, zeigen sich 223 224 225 226 227 228

S. dazu Witte, Urgeschichte, 192–205. Schüle, Urgeschichte, 83, s. auch 74; 82. Fischer, Art. Erkennen, 2.4. Schmitz, Art. Erkenntnis/Erfahrung II, 354. Fabry, Art. ‫ידע‬, 81; 84. Schmitz, Art. Erkenntnis/Erfahrung II, 354.

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doch hier Aspekte des Begriffs, die auch für unseren Traum von Bedeutung sind: Andreas spürt, dass in dem bevorstehenden Martyrium etwas ihm Vorherbestimmtes erscheint; das Geheimnis des Planes Gottes in seiner (Heils-) Geschichte wird ihm im Traum mitgeteilt. Eben dies will Andreas erkennen. 4.2.3.5.4 Erkennen im Neuen Testament Γινώσκω kommt im NT 222 Mal vor (v. a. in den johanneischen Schriften mit 82 Stellen), daneben ἐπιγινώσκω mit 44 Erwähnungen (20 allein bei Lukas), γνῶσις 24 Mal, ἐπίγνωσις 20 Mal (hauptsächlich in den Paulinen). Oft findet sich im NT dabei der allgemeinere Sprachgebrauch, wie „erfahren“ (Mk 5,43), „merken“ (Mt 16,8), „spüren“ (Mk 5,29 f), „erkennen“ (Mt 7,16), „lernen“ (Jak 2,20), „kennen“ (Joh 1,48), „wissen“ (Mt 7,39; Röm 7,15), „verstehen“ (Mk 4,13), „unterscheiden“ (1Kor 14,7), „sich auf etwas verstehen“ (Mt 16,3; Apg 21,37). Γνώμη, das im NT 9 Mal vorkommt, wird in Offb 17,17b im Sinne von „einmütig handeln“ gebraucht, wobei dahinter steht, „einen gemeinsamen Plan [= die Meinung Gottes] [zu] verfolgen“.229 Dies ist für den Traum des Andreas relevant: Auch er will den Plan Gottes verstehen und erkennen, um ihn zu befolgen. Alttestamentliches Verständnis des Erkennens liegt v. a. dort vor, wo der Begriff eine personale Beziehung zwischen dem, der erkennt und dem, der erkannt wird, bezeichnet. Menschen erkennen Gott nur deshalb, weil Gott sie zuvor erkannt hat (1Kor 8,3; Gal 4,9). In 1Joh 5,20 wird die Fähigkeit, Gott zu erkennen, durch Christus verliehen. Gott vollkommen zu erkennen, ist dem Menschen allerdings noch nicht möglich, wird ihm aber verheißen (1Kor 13,12).230 Ein weiterer Aspekt, anschließend an das AT, ist Erkenntnis im Sinne einer Anerkenntnis, so in 1Kor 16,18 f. In 2Kor 10,5 interpretiert Paulus Erkenntnis Gottes im Sinne des Gehorsams gegenüber Christus. Diese Anerkenntnis Gottes fußt auf dessen Offenbarung und ist an sie gebunden (1Kor 12,8; 14,6).231 In Kol 1,9 ist von der menschlichen Erkenntnis des göttlichen Willens die Rede.232 Diese Art der Erkenntnis steht auch hinter den Worten des Andreas. Er will Gottes Plan umsetzen, bedeute dies auch seinen sicheren Tod. Der Gehorsamsaspekt spielt also auch in unserem Traum eine Rolle. Des Weiteren ist er auch hier an Offenbarung (die durch den Traum geschieht) gebunden. 229 A. a. O., 355 (die erste eckige Klammer stammt von ebd.; die zweite von P.E.). 230 Bültmann, Art. Erkennen, Erkenntnis, 306. 231 Schmitz, Art. Erkenntnis/Erfahrung III, 356. S. zu 2Kor 10,5 Wolff, Der zweite Brief an die Korinther, 198 f. 232 Aisch, Kolossä, 62, denkt hier daran, dass die Gegner den Kolossern jegliche Erkenntnis abgesprochen hätten, weshalb der Autor sich hier bemühe, den Christen in Kolossä eben diese zuzusprechen (was falsch ist, denn im Text ist keine Rede davon, dass die Erkenntnis schon bei den Kolossern ist, geschweige denn dass „Paulus“ sie ihnen zuspricht). Vgl. Hübner, Handbuch, 50.

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Ein weiterer Aspekt, der sich im NTebenso wie in ActAndr 20 findet, wird in Mt 13,11 formuliert: Gemeint ist hier ein geheimes Erkennen, das nur den Jüngern und nicht der Welt zugänglich sei.233 Das trifft auch auf Andreas (als ehemaligen Jünger Jesu) zu und unterstreicht seine Autorität ebenso wie den exklusiv-geheimen Habitus des Erkennens durch den Traum. Ähnliches wird in Kol 1,26; 2,2 deutlich. Γινώσκω im Johannesevangelium und 1Joh bezieht sich in erster Linie auf Gott bzw. Christus. Auffällig ist die johanneische Verknüpfung von „glauben“ und „erkennen“ (Joh 6,69; 10,38; 1Joh 4,16). Besonders erhellend ist Joh 17,3: die Gleichsetzung des ewigen Lebens mit der Erkenntnis Gottes und des Gottesgesandten Jesus Christus.234 Haacker grenzt dieses Verständnis von dem der Gnosis235 stark ab: „Während der Gnostiker sich seine Erlösung aus der vergänglichen materiellen Welt davon verspricht, daß er seine eigene himmlische Herkunft (bzw. die seiner Seele) erkennt, hängt hier alles von der Anerkennung der Sendung Jesu Christi ab.“236

Der Prozess der Erkenntnis sei weder „philosophisch-intellektuell“ noch „mythologisch-spekulativ“ zu verstehen; vielmehr werde an das Verständnis des AT angeknüpft, im Sinne von „Begegnung und Beziehung“. Das werde dadurch verdeutlicht, dass der gute Hirte und die Seinen sich gegenseitig kennten (Joh 10,24.27), wie es auch Vater und Sohn täten (Joh 10,15). Die ethischen Konsequenzen, die sich aus diesem wahren Kennen ergäben, zeigten 1Joh 2,3–6; 3,6; 4,7 f auf.237 Gott und Christus zu erkennen, schließt das ewige Leben auf; gleichzeitig entspricht diese Erkenntnis dem Inhalt des ewigen Lebens,238 aber auch Anerkenntnis Gottes als des Schöpfers und Herrn.239 Neben den genannten Stellen existieren einige Belege, die die Gnosis negativ konnotieren bzw. in ihrer Bedeutung einschränken. Dazu gehört 1Kor 8,1 ff. In V 1 spricht Paulus von der aufblähenden Erkenntnis.240 Auch in Kol 2,3 und Eph 3,19 wird Christus und seine Liebe der Erkenntnis übergeordnet (in Eph 233 Wiefel, Matthäus, 250, spricht, aufgrund des δέδοται, welches als Passivum divinum aufzufassen sei, sogar von einem „schroff[en] prädestinatianischen Zug“. 234 Haacker, Art. Erkenntnis/Erfahrung III, 358. 235 Zur Einführung in die Gnosis s. Mortley/Colpe, Art. Gnosis I., 446–537; Colpe, Art. Gnosis II., 537–659; Berger, Art. Gnosis/Gnostizismus I., 519–535; Wilson, Art. Gnosis/Gnostizismus II., 535–550. 236 Haacker, Art. Erkenntnis/Erfahrung III, 358. 237 Ebd. Zum Thema „Gnosis und Johannesevangelium“ s. Markschies, Art. Gnosis/Gnostizismus, 1047 f; Jaschke, Gnosis, 337–376. Neuer ist Weiss, Gnosis, 291–398. S. auch Frey, Eschatologie, Bd. 1, 129–140. 238 Schnelle, Johannes, 255. 239 Wengst, Johannesevangelium, Bd. 2, 176. 240 Eindrücklich ist die dreifache Nennung von γινώσκω (V 2) und schließlich V 3, in dem Paulus den Sachverhalt umdreht: Gott erkennt (den ihn Liebenden) (vgl. 1Kor 13,2). S. z.St. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 169 ff.

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3,19 in Aufnahme des Verbs γιγνώσκω in Bezug auf die Liebe Christi), wenngleich γνῶσις hier einen prinzipiell positiven Gehalt aufweist.241 Schwieriger ist es in 1Tim 6,20, wo von τῆς ψευδωνύμου γνώσεως die Rede ist, welche Timotheus meiden soll. Roloff sieht darin eine frühe Ausformung christlich geprägter Gnosis.242 Eine positive Erkenntnis wird hingegen durch ἐπίγνωσις bezeichnet (1Tim 2,4243; 4,3). Wichtiger aber ist die Frage, inwieweit die Gnosis die Andreasakten beeinflusst hat und der gnostische Verstehenshorizont bei Andreas’ „ich will erkennen“ eine Rolle spielt. Am stärksten unter den bedeutendsten Apostelakten sind die ActJoh von der Gnosis beeinflusst. Dann kämen die ActAndr und schließlich die ActPaul und die ActPetr.244 Klauck formuliert hinsichtlich der ActAndr: „Die Absicht, die Menschen zur Erkenntnis ihrer wahren Lage zu führen und die Herrschaft der dämonischen Mächte, die sie in Unkenntnis gefangen halten wollen, zu entlarven und zu brechen, fände ebenso in einem gnostischen System Platz wie die Wesensverwandtschaft des Menschen mit dem Wort und das Angewiesensein des Erlösers, hier des Apostels, auf das Heil des zu Erlösenden.“245

Andererseits wenden sich die ActAndr mit der ihnen innewohnenden christlichen Verkündigung allen Menschen zu, ohne lediglich eine prädestinierte Minderheit in den Blick zu nehmen. Auch fehlen kosmogonische Spekulationen oder das Wirken des Demiurgen. Deshalb ist die Bezeichnung der Schrift (so der Vorschlag Klaucks) als „gnosisnah“ wohl am treffendsten; gleichzeitig bleiben die Akten immer geradeso auf dem theologischen Boden dessen, „was großkirchlich vertretbar schien“.246 Dazu kommt, dass der Wunsch des Andreas, zu erkennen, auf etwas ganz Konkretes gerichtet ist: Er will erkennen, was sein Tod in eschatologischer und existenzieller Hinsicht (für ihn) zu bedeuten hat. Zwei Aspekte der Gnosis, welche in den Akten zumindest anklingen, seien dennoch genannt. Der erste ist die negative Bewertung von Welt und Materie im Sinne einer als böse zu charakterisierenden Schöpfung.247 Diese Einschätzung wirkt in der strengen enkratitischen Ablehnung der Sexualität (des 241 Haacker, Art. Erkenntnis/Erfahrung III, 358. 242 Roloff, Timotheus, 234. Dem kann hier nicht weiter nachgegangen werden. Zur tieferen Lektüre s. Herzer, Paulusrezeption, 68–96. 243 Diese Erkenntnis könne nur anhand der „Glaubensverkündigung der Großkirche“ geschehen, Knoch, Timotheusbrief, 25. Mounce, Pastoral Epistles, 86, schreibt, dass das Wissen um die Wahrheit damit gleichbedeutend sei, die Botschaft des Evangeliums anzunehmen, wodurch der kognitive Aspekt bei der Annahme betont würde. Aber: ἐπίγνωσις sei „active apprehension“, nicht nur „acquiring of information“ (Houlden, Pastoral Epistles, 67). S. zum Vers auch Marshall, Pastoral Epistles, 425–428, besonders 428. 244 Klauck, Apostelakten, 146. 245 A. a. O., 146 f. 246 A. a. O., 147. 247 Vgl. Markschies, Art. Gnosis/Gnostizismus, 1045.

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Körpers als Teil der materiellen Welt). Aber auch der Aspekt des Abstiegs- bzw. Aufstiegsschemas der Seele,248 das nach Klauck in den Andreasakten nicht auszumachen sei,249 finden sich (zumindest angedeutet) im Berg- und Kreuzmotiv des Traums: Die Seele des Andreas (die es ja ist, welche träumt) steigt im Traum auf die Spitze des Berges und berührt dort die himmlische Sphäre, zum einen durch die Höhe des Gipfels, zum anderen durch das angekündigte Martyrium, das ihm den Himmel, im Sinne des ewigen Lebens, verheißt. Das Kreuz wiederum, an welchem Christus und Petrus starben und das Andreas erwartet, ist Erhöhung und Erniedrigung, also Aufstieg und Abstieg zugleich. Nach Giovanni Filoramo ist Gnosis „eine bestimmte Form rel.[igiöser] Erkenntnis“, welche aus sich heraus erlösend wirke. Die Erkenntnis „hängt nicht von einem bestimmten Objekt ab, sondern hat ihren Wert und ihre Begründung in sich selbst.“ Sie überwinde die Spaltung von Subjekt und Objekt und sei „absolute Erkenntnis des Absoluten“. Allerdings sei die Gnosis meist einer religiösen Elite vorbehalten. Sie beinhalte die Geheimnisse der göttlichen Welt, welche der Gnostiker inwendig gegenwärtig habe. Infolgedessen sei sie „die Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit, die mit dem Selbst zusammenfällt, die im einzelnen liegt.“250 Auch hier lassen sich Verbindungen zum Traum des Andreas herstellen. Dass bei Andreas Erkennen und Erlösung (anhand seines Martertodes) zusammenhängen, ist unmittelbar evident. Nur ist Gott bzw. Christus der, welcher die Erlösung letztlich möglich macht, und auf den sie gerichtet ist. Andererseits ist für Andreas diese Erkenntnis eben wirklich „absolute Erkenntnis des Absoluten“. Es öffnet sich ihm das Geheimnis seiner Erlösung, das er im Innern trägt, wenn man das Innere hier als die (träumende) Seele versteht. Die göttliche Wirklichkeit fällt weiterhin mit der Wirklichkeit des Selbst des Andreas zusammen, insofern die Wirklichkeit der Erlösung Jesu der Erlösung des Andreas vorausgeht und diese erst ermöglicht. Tod und Auferstehung Jesu sind in Tod und Auferstehung des Andreas präsent. Allerdings muss der Sachverhalt, wie schon gesagt, hier eher vom auf die Existenz als Ganzes bezogenen Standpunkt aus gesehen werden. Insofern liegt in der Tat keine reine Gnosis in unserem Traum vor, lediglich Aspekte derselben bzw. Anklänge. Das, was Andreas erlebt, ist eher ein mystisches, tieferes Erkennen seiner selbst und seines Schicksals, das soteriologische Qualität besitzt, aber auf Christi Werk gerichtet ist.251 248 249 250 251

Vgl. Logan, Art. Gnosis/Gnostizismus, 1054. Klauck, Apostelakten, 147. Filoramo, Art. Gnosis/Gnostizismus, 1043 f. Nach Markschies, Art. Gnosis/Gnostizismus, 1047, ist das Moment des Erkennens in der Gnosis zentral soteriologisch ausgerichtet. Auch eine Definition von B. Aland erscheint nicht unpassend zu den ActAndr: „[E]s war ihr [der Gnostiker, P.E.] Anliegen, ihre Erkenntnis – eine Erkenntnis des Menschen und seiner Stellung zu Welt und zu Gott – zu begründen und sie denkend zu verantworten.“ (Aland, Gnosis, 7).

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4.2.4 Tiefenpsychologische Deutungsversuche von ActAndr 20 Zu Beginn sollte gesagt werden, dass die Deutungen, die hier formuliert werden, Ansätze und Vorschläge sind. Sie erheben nicht den Anspruch, vollständig zu sein. Sie fassen zwar die bisher gesammelten exegetischen Erkenntnisse zusammen und beziehen sie mit ein, richten aber den Fokus auf die unbewussten Anteile, die im Traum auszumachen sind. Andreas steht vor dem Wendepunkt seines Lebens. Im Traum252 wird ihm sein Martyrium angekündigt, verdeutlicht durch vier Futurformen. Er steht vor der Vollendung seiner apostolischen Laufbahn. Die Bedeutung des Ereignisses wird durch die Höhe des Berges ausgedrückt, auf dem er sich befindet. In Anlehnung an das, was zur axis mundi, aber auch zu den alttestamentlichen Parallelen gesagt wurde, erreicht er (im wahren Sinn des Wortes) den Höhepunkt seiner Gottesnähe. Er ersteigt den Berg und berührt gleichsam schon himmlische Sphären. Die Qual des Martyriums korrespondiert dabei mit der dadurch ermöglichten Gottesnähe. Oder anders formuliert: Der Berg im Traum verdeutlicht, dass Andreas Gott so nahe kommen kann, wie es überhaupt vorstellbar ist. Die Voraussetzung dafür ist das Ablegen des „Opfers“, das heißt seines gehorsamen Martyriums. Der Berg ist symbolische Vorwegnahme seiner Erhöhung am Kreuz, die ihm bevorsteht, aber auch, wie wir oben anhand des atl. Befundes gesehen haben, (traditioneller) Ort einer Opferung. Der Becher Petri steht für Andreas bereit. Er wird seinem bedeutenderen Bruder nachfolgen, der nach den Petrusakten seinen Tod in Rom fand (vgl. ActPetr 34–40). Doch genau da liegt das Problem. In der Erzählung der Verklärung (Mk 9 parr) ist es nicht Andreas, der mit auf den Berg darf, sondern Petrus, Johannes und Jakobus. Andreas, Bruder des herausragendsten Apostels, wird nicht erwähnt. In ActAndr 20,2 heißt es (P.E.): „Und Johannes jedenfalls (hatte) die Hand zu dem Apostel Petrus ausgestreckt und hob ihn hoch auf die Spitze des Berges, und umgewandt zu mir, bat er, zu Petrus hinaufzusteigen, indem er sagte: ,Andreas, du wirst den Becher Petri trinken.‘“

Petrus wird hochgehoben, mit Leichtigkeit, wie es scheint. Andreas muss zu Petrus hinaufsteigen, ihm (mühsam) nachfolgen. In 20,3 wird dann gesagt (P.E.): „Und indem er seine Hände ausstreckte, sprach er: ,Nähere dich mir und strecke deine Hände aus, damit sie mit meinen Händen vereint werden und dein Haupt mit meinem Haupt verbunden werden möge.‘ Nachdem ich das getan hatte, entdeckte ich, dass ich kürzer war als Johannes.“ 252 Dass sich Andreas im passiven Zustand des Traumes befindet, wird durch die zahlreichen Passivformen unterstrichen. Diese verdeutlichen aber auch, dass er dem Kommenden ausgeliefert ist und dass ihm sein Schicksal in gewisser Weise vorgeschrieben wird.

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Warum ist Andreas kürzer als Johannes? Immerhin wird Andreas ebenso wie Petrus und Johannes im Text als Apostel bezeichnet, steht ihnen also diesbezüglich nicht nach. Außerdem berühren sich die Häupter von Johannes und Andreas – allerdings aber eben nicht „auf Augenhöhe“. Warum erzählt der Verfasser der Andreasakten von der größeren Gestalt des Johannes? Schließlich muss es ja das Anliegen des Verfassers der Andreasakten gewesen sein, Andreas in den Mittelpunkt der Erzählung zu stellen. Die Antwort auf der Ebene des Bewussten kann nur lauten: Andreas erkennt seine nachgeordnete Stellung und bringt sie durch den Größenvergleich zum Ausdruck. So wie er nicht auf dem Berg der Verklärung war, muss er sich auch hier, trotz der Bergeshöhe, Johannes und dem eigenen Bruder Petrus unterordnen.253 Da wir es hier aber mit einem Traum, einer Manifestation des Unbewussten zu tun haben, muss die Antwort auf dieser Ebene lauten, dass Andreas sich gegenüber Johannes (und Petrus) minderwertig fühlt und der Traum ebendies (wenn auch verschleiert) offenbart. Andreas steht im Schatten der beiden anderen. Das Emporheben des Petrus bringt zum Ausdruck, dass dieser sein Martyrium schon absolviert hat. Andreas steht sein Ende bzw. seine Vollendung noch bevor, er muss den Berg noch hochsteigen. In den 13 neutestamentlichen Belegen für Andreas steht er acht Mal hinter Petrus (Mk 1,16.29; 3,16 ff; 13,3; Mt 4,18; Lk 6,14; Apg 1,13) und vier Mal hinter Johannes (Mk 1,29; 3,17 f; 13,3; Apg 1,13). Dagegen wird Andreas in Joh 1,40.44; 6,8 vor Petrus genannt, in Mt 10,2; Mk 1,16.19; Lk 6,14 vor Johannes. Nur in Joh 12,22 wird Andreas ohne Petrus oder Johannes genannt (sondern zusammen mit Philippus). Dass Andreas hinter seinem Bruder zurücksteht, dürfte anhand dieses Befundes einsichtig sein. Zudem darf man Mt 16,18 f und das sich entwickelnde petrinische Episkopat in Rom nicht vergessen. Diesem Bruder nun soll Andreas im Martyrium nachfolgen, man möchte sagen, nacheifern. Warum aber wird dann in ActAndr 20,3 gesagt, dass Johannes größer sei als Andreas (und nicht Petrus)? Schließlich ist Johannes, wie oben schon gesagt wurde, der einzige Apostel, von dem die Apostelakten berichten, er sei nicht eines Martertodes gestorben (vgl. ActJoh 115). Auf theologiegeschichtlicher Ebene finden sich dafür zumindest Indizien. Dazu müssen wir die Einleitungsfragen heranziehen. Wenn der Entstehungsort der Akten auch umstritten und nicht sicher zu bestimmen ist, so votieren Bremmer und Prieur für Alexandria.254 In der koptischen Kirche aber erfuhr Johannes eine besondere Verehrung.255 Ein für uns zentraler Text diesbezüglich ist PistSoph 96. Dort wird Johannes und Maria Magdalena eine exponierte Stellung eingeräumt. Jesus spricht:

253 Immerhin ist es nicht etwa der „Becher Jesu“ o.Ä., den Andreas trinken soll, sondern eben der seines bedeutenderen Bruders. 254 Bremmer, Apocryphal Acts, 152; Prieur, Einleitung, 107 f. 255 Haase, Apostel, 255 f.

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„Aber Maria Magdalena und Johannes, der Jungfräuliche, werden überragen alle meine Jünger und alle Menschen, die Mysterien in dem Unaussprechlichen empfangen werden, und sie werden zu meiner Rechten und zu meiner Linken sein, und ich bin sie und sie sind ich, und sie werden mit euch in allen Dingen gleich sein, nur vielmehr werden eure Throne den ihrigen überragen und mein eigener Thron wird den eurigen überragen.“256

Nun muss allerdings festgehalten werden, dass die PistSoph jünger als die Andreasakten ist (Buch 4 erste Hälfte und Bücher 1–3 zweite Hälfte des 3. Jh.).257 Dennoch bildet der Text für das Verständnis der Rolle des Johannes in unserem Traum eine wichtige Parallele. Zumindest hilft er zu erhellen, warum auf der Ebene des Bewussten Johannes der Größere im Traum ist. Der für uns wesentlichere Grund aber, nämlich der psychologische, für den Größenunterschied ist nur durch Einbeziehen des Unbewussten zu erkennen. Den Schlüssel dazu liefert der von Freud beschriebene Abwehrmechanismus der Verschiebung im Traum (s. o.). Die Verschiebung ist nämlich genau an dem Punkt zu erkennen, wo aus dem naheliegenden Konkurrenten des Andreas, Petrus, Johannes wird. Es findet eine Verschiebung von Andreas – Petrus hin zu Andreas – Johannes statt. Natürlich liegt es auf der Hand (schon aufgrund des ntl. Befundes), dass Petrus der Hauptkonkurrent für Andreas ist. Das erschließt sich bewusstseinspsychologisch schon aus dem Fakt, dass beide Brüder sind.258 Der Grund, warum das Unbewusste dies aber nicht zugeben möchte und das entscheidende Personenverhältnis verschiebt, den Traum also zensiert, liegt in der exponierten Stellung des Petrus (v. a. anhand von Mt 16,18 f). Auch darf man, wenn auch mit Vorsicht, Irenäus, haer. III 3,2, hinzuziehen, wo behauptet wird, dass Petrus und Paulus die römische Gemeinde gegründet hätten.259 Anders formuliert: Die Bedeutung des Petrus und die Autorität, in der er stand, waren zu groß, als dass es hätte gewagt werden dürfen, ein offenes Konkurrenzszenario zwischen dem „Apostelfürsten“ und seinem unbedeutenderen Bruder öffentlich zu machen, oder besser gesagt: bewusst werden zu lassen. Deshalb ist im Traum Petrus als der Größere gemeint, aber Johannes wird als der Größere genannt. Was dabei zum Tragen kommt, ist jener Sachverhalt, den Alfred Adler mit dem Begriff Minderwertigkeitsgefühl (nicht -komplex!) bezeichnete. Dass es sich dabei nicht um eine krankheitswertige Störung handeln muss, wird in dem Zitat Adlers „Menschsein heißt, sich minderwertig fühlen“260 deutlich. Dabei 256 Übersetzung: Schmidt (Hg.), Schriften, 148. 257 A. a. O., XVII. 258 Freud hat belegt, dass der von ihm beschriebene Ödipuskomplex – unbewusst (!) – auch bei gleichgeschlechtlichen Geschwistern auftritt, d. h., dass diese Geschwister in frühkindlicher Konkurrenz zueinander stehen, Freud, Das Unheimliche, 255; vgl. Hoevels, Psychoanalyse, 52. 259 Die Bedeutung des Petrus in den Ostkirchen hat Haase, Apostel, 222–235, herausgearbeitet. 260 Adler, Sinn des Lebens, 67. Es ist also nicht Anliegen dieser Arbeit, bei Andreas eine psychische

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ist hervorzuheben, dass es Adler weniger um den bloßen intrapsychischen Konflikt ging (wie Freud), sondern vielmehr darum, den anthropologischen Konflikt zwischen Mensch und Umwelt in den Fokus zu rücken, der nach Adler zwischen Minderwertigkeitsgefühlen und als erhöht261 anzusehenden Persönlichkeitsidealen besteht. Das Minderwertigkeitsgefühl ist dabei die subjektive Antwort auf das individuelle Erleben einer psychischen, physischen oder sozialen Benachteiligung oder Einschränkung, die Adler als „Mangellage“262 bezeichnet. In dieser Dynamik spielen interpersonelle Erfahrungen eine wesentliche Rolle. Adler ergänzte dadurch die psychoanalytische Theorie um die von Freud vernachlässigte soziale Komponente, was von nicht unwesentlicher Bedeutung ist.263 „Die Kompensation des Minderwertigkeitsgefühls im Persönlichkeitsideal und im Gemeinschaftsgefühl ist Teil der Selbstwertregulierung des gesunden wie des psychisch kranken Menschen […]. Es ist als subjektives Gefühl Teil der dyadischen wie triadischen Beziehungserfahrungen sowie deren Konflikte und Strukturbildung.“264

In der von Adler gegründeten individualpsychologischen Schule gilt das Trachten danach, eine Mangellage anhand von Kompensation zu überwinden, als wesentliche dynamische Kraft der Psyche.265 Die Mangellage des Andreas entspricht der oben ausgeführten Nachstellung hinter seinem Bruder Petrus und ist Teil seiner natürlichen „Selbstwertregulierung“. Es ist ein psychologisches Gesetz, dem sich ein Mensch nicht ohne Weiteres entziehen kann, sei er Apostel oder nicht. Die Schieflage im Verhältnis der drei Hauptpersonen des Traumes kommt (wie wir in der grammatischsyntaktischen Analyse gesehen haben), auf auffällige Weise in der Wortstatistik zum Ausdruck. Im Dialog zwischen Johannes (welcher aufgrund der Verschiebung Petrus entspricht) und Andreas spricht Ersterer 48, Letzterer jedoch nur drei Worte (Desidero ista cognoscere, 20,4). Andreas wird nur ein Mal mit Namen genannt, Johannes hingegen drei Mal, Petrus sogar vier Mal. Dem Minderwertigkeitsgefühl folgt der Wunsch nach Kompensation. Es fordert einen Ausgleich. „Je tiefer das Minderwertigkeitsgefühl, desto stärker der Drang nach einer Plus-Situation.“266 Dem Minderwertigkeitsgefühl voraus geht der Mechanismus der sog. Abwehr. Ein Abwehrmechanismus ist v. a. der

261 262 263 264 265 266

Störung zu diagnostizieren. Im Gegenteil! Das Minderwertigkeitsgefühl ist normaler Teil einer gesunden Psyche. Das darf hier ruhig wörtlich auf unseren Traum übertragen werden. Theologisch bedeutet die Erhöhung des Andreas am Kreuz eine Nachfolge der Passion Jesu; tiefenpsychologisch natürlich (auch) eine Erhöhung der eigenen Person bzw. Persönlichkeit. Vgl. zum Begriff Wengler, Art. Mangellage, 417 f. Wengler, Art. Minderwertigkeitsgefühl, 434. Ebd. Wengler, Art. Mangellage, 417. Rüedi, Art. Kompensation, Überkompensation, 356.

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der Verdrängung (andere sind Projektion oder Verschiebung). Sie sind Komponenten des unbewussten Ichs.267 Andere Aspekte der Abwehr und des Minderwertigkeitsgefühls treffen bei Andreas jedoch nicht (direkt) zu: die Sicherung des Selbsterlebens268 und der Selbsterhaltung269 sowie der Schutz der „unbedingt nötige[n] Bindung an den emotional bedeutsamen Anderen“.270 Andreas ist nicht auf Selbsterhaltung aus. Er geht in den Tod und will unbedingt, dass das Urteil vollstreckt wird (ActAndr 54; 61). Wenn man aus der Sicht des Verfassers der Andreasakten bzw. der Leser- und Verehrerschaft des Apostels schaut, ist der Aspekt der Selbsterhaltung jedoch natürlich gegeben: Indem Andreas den Martertod erleidet, wird er in seiner Rolle als bedeutender Apostel bestätigt und verewigt (im wahren Wortsinn). Frühchristliche Märtyrertheologie verbindet mit dem vollbrachten Opfer die umgehende Aufnahme in das himmlische Paradies. Die zum Tode Verurteilten vollziehen die Imitatio Christi. Das Bekennen des eigenen christlichen Glaubens wirkt dabei innerhalb der christlichen communitas identitätsbildend und stärkend angesichts gesellschaftlicher Verfolgungen oder Drangsale.271 Für die Gemeinden, die die ActAndr lasen, dürfte allerdings weniger der eigene Märtyrertod, als vielmehr das Vorbild des Andreas identitätsstiftend und stabilisierend gewirkt haben. Die eben beschriebene Sicherung des Selbsterlebens und der Selbsterhaltung ist aus dem Blickwinkel der Leserschaft der ActAndr also durchaus gegeben. Das heißt (was wir bisher schon öfters zumindest angedeutet haben), die zum Leserkreis der Akten gehörenden Christinnen und Christen sind in die zum Traumtext gehörenden Bezüge und auch in dessen Deutung involviert und von daher einzubeziehen. Dass Andreas Johannes übertrifft (Plus-Situation), indem Ersterer das Martyrium erleidet, Letzterer aber nicht, wurde oben schon angedeutet. Seinen Bruder Petrus übertrifft er jedoch dadurch, dass er sich nicht wie jener umgekehrt kreuzigen lässt, sondern direkt den Kreuzestod Jesu nachahmt, sich also aufrecht ans Kreuz hängen lässt.272 Vorher wird Andreas (wie Jesus) ausgepeitscht – allerdings mit sieben Geißeln – und nicht ans Kreuz genagelt, sondern gebunden, damit seine Marter lange dauern möge.273 Er hängt am Kreuz und predigt drei Tage und Nächte lang (ActAndr 59). Dies ist Anspielung auf die Auferstehung nach drei Tagen (Mk 8,31), aber auch zugleich deren

267 268 269 270 271 272 273

Atwood/Orange, Art. Abwehr, 3. Ebd. Antoch, Art. Sicherungstendenz, 457. Atwood/Orange, Art. Abwehr, 3. Hartl, Art. Martyrium, 3.2. MartAndr 1,15; ActPetr 37. MartAndr 2,1. Darf man hier annehmen, dass Andreas, wenn nicht den Kreuzestod, so doch das Leiden Jesu versucht zu übertreffen? Die Zahl der sieben Geißeln, im Sinne der biblischen Zahl der Vollkommenheit, scheint in diese Richtung zu weisen.

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Überbietung. Andreas hängt so lange am Kreuz, wie Tod und Auferstehung Jesu dauerten. Ein weiterer Aspekt des Minderwertigkeitsgefühls ist der, dass es ein starker Ansporn sein kann, „aufwärts zu streben“.274 Das heißt, es existiert eine positive Seite des Gefühls. Adler begann seine Arbeit über Minderwertigkeit bekanntermaßen 1907 mit der sog. „Organminderwertigkeit“, d. h. mit Betroffenen, die an einer diversen physischen Schwäche oder am Ausfall einer Körperfunktion litten. Dabei zeigte er, dass diese Beeinträchtigungen einen Ansporn zu Höchstleistungen auslösen konnten. Er macht das am Beispiel großer Maler, Redner und vor allem Musiker deutlich (so etwa Beethoven oder Smetana mit ihren Ohrenleiden).275 Übertragen auf unseren Traum heißt das: Die positive Seite an dem Streben des Andreas nach Kompensation ist seine Vorbildfunktion für die Leserinnen und Leser der ActAndr. Sein Gehorsam Christus gegenüber ist so groß, dass er für das Bekenntnis zu ihm in einen brutalen Tod geht. Diesem Gehorsam galt es, als Rezipientinnen und Rezipienten der Akten, nachzueifern. Natürlich ist das Konstatieren eines Minderwertigkeitsgefühls bei Andreas lediglich aufgrund der literarischen Überlieferung möglich, die vom realen Leben des Apostels Andreas zu unterscheiden ist. Sie bezieht sich also nur auf das, was uns anhand der Apostelakten vorliegt. Alles andere wäre unangemessene Spekulation. Allerdings lassen sich gewisse Rückschlüsse auf den Verfasser des Textes und mögliche „Verehrer“ der Gestalt des Andreas ziehen. Etwas vereinfacht gesagt, darf man ihnen unterstellen, dass sie die Apostelfigur an vorderster Spitze mit (oder sogar vor) Johannes und Petrus sehen wollten.276 Ob dieser Wunsch bewusst war oder sich doch eher anhand des Traumes als unbewusst darstellt, muss dahingestellt bleiben. Auf reiner Textebene steht außer Frage, dass Andreas, den neutestamentlichen Anhaltspunkten entsprechend, hinter Johannes und Petrus zurücksteht. Dass es ein Konkurrenzdenken zwischen Schulen und Verehrern der verschiedenen Apostel gab, darf angenommen werden. Angelegt ist diese Auseinandersetzung schon im NT, allem voran in Mk 10,35–45/Mt 20,20–28 und Joh 20,3 f. In Mk 10 sind es interessanterweise Johannes und sein Bruder Jakobus, die die „besten Plätze“ neben Jesus für sich beanspruchen und zurückgewiesen werden (unter Aufnahme des Leidensbechermotivs Mk 10,38 f!). In Joh 20 konkurrieren der Lieblingsjünger und Petrus miteinander. Immerhin sah in Ersterem die altkirchliche Tradition den Apostel Johannes.277 Ein weiteres, tiefergehendes Deutungsangebot ergibt sich durch Bezugnahme auf C.G. Jung und seine Begrifflichkeit des Ichs und des Selbst. Umfasst 274 Orgler, Adler, 66. 275 A. a. O., 67–71. 276 Immerhin werden in ActAndr 20 Andreas und Johannes jeweils ein Mal und Petrus zwei Mal als Apostel bezeichnet (s. grammatisch-syntaktische Analyse). 277 Hier sei nur Irenäus, haer. II 22,5; III 1,1, genannt, vgl. Schnelle, Johannes, 3 f. Die Frage nach der Identität des Lieblingsjüngers muss an dieser Stelle nicht vertieft werden.

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das Ich nur den bewussten Teil der eigenen Psyche, so gehören zum Selbst alle bewussten und alle unbewussten Anteile. Außerdem beinhaltet das Selbst sämtliche Gegensätze (gut-böse, männlich-weiblich etc.) und verkörpert die Ordnung sowie die Einheit der Psyche. Das Selbst umfasst zugleich die Gesamtheit aller Archetypen. Teile des Selbst zeigen sich in der Imagination und der Projektion, aber vor allem im Traum.278 Dabei stehen Ich und Selbst in einer kompensatorischen Beziehung. Das heißt: Teile des Selbst strömen anhand der genannten Wege ins Bewusstsein und wollen in dieses integriert werden. Verschmelzen Ich und Selbst jedoch, kommt es zur psychischen Überforderungssituation, die sich etwa in Psychosen oder in Größenwahnsinn ausdrücken kann. Wichtig für uns ist, dass das Selbst auch die Gesamtheit der Gottesbilder eines Menschen enthält. Das heißt nicht, dass Selbst und Gott gleichzusetzen sind, sondern dass nach Jung das Selbst der Ort der Gotteserfahrung ist, welche sich dann in Gottesbildern zeigt. Oder anders ausgedrückt: Das Selbst ist „als ein psychodynamischer Faktor von besonderer Numinosität gekennzeichnet.“279 Ein christliches archetypisches Symbol des Selbst manifestiert sich in dem Bild des Christus am Kreuz, als dem Aufgespanntsein der Gegensätze, die durch die Kreuzesform ausgedrückt wird. Marie-Louise von Franz beschrieb das Selbst als Kern der Seele, als das innere Zentrum der Psyche in ihrer Gesamtheit.280 Hark weitet dies aus und beschreibt das Selbst als die Ganzheit der menschlichen Gesamtpersönlichkeit.281 „Das Selbst erscheint in Träumen gewöhnlich zu kritischen Zeiten im Leben des Träumers, bei Wendepunkten, wenn seine Grundhaltung und sein ganzer Lebensstil sich verändern.“282 Dies ist der Ausgangspunkt für unsere Deutung: Andreas steht an diesem, an dem Wendepunkt. Die kritische Zeit, die angezeigt wird, ist seine Kreuzigung und sein Tod. Im Traum steht der Träumer Andreas für das Ich, Johannes und Petrus aber für das Selbst. Letztere beide symbolisieren die schon erfahrene Ganzheit, die sich in durchgestandenem Leiden und Wiederauferstehung ausdrückt, im Sinne der Verschmelzung mit dem sich durch 278 von Heydwolff, Art. Selbst, 619. Jung kann, wie schon bei den Archetypen, auch hier keine einheitliche Definition aufstellen und verweist immer wieder auf verschiedene Aspekte des Selbst, s. Jung, Vorwort, 548 f; Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten, 244; Versuch einer psychologischen Deutung, 172 f. 279 Hark, Grundbegriffe, 150. 280 von Franz, Individuationsprozess, 196 f. Jung, Definitionen, 505 f, schreibt: „Empirisch erscheint das Selbst in Träumen, Mythen und Märchen in der Figur der ‚übergeordneten Persönlichkeit‘, wie König, Held, Prophet, Heiland etc., oder eines Ganzheitssymboles wie Kreis, Viereck, quadratuli circuli, Kreuz etc. Insofern es eine complexio oppositorum […] darstellt, kann es auch als eine geeinte Zweiheit erscheinen, wie z. B. das Tao als Zusammenspiel von yang und yin, als das Brüderpaar oder als der Held und ein Gegenspieler ([…] feindlicher Bruder, Erzfeind, Faust und Mephisto etc.); d. h. empirisch erscheint das Selbst als ein Spiel von Licht und Schatten, obschon es begrifflich als Ganzheit und darum als Einheit, in der die Gegensätze geeint sind, verstanden wird.“ 281 Hark, Grundbegriffe, 150. Vgl. Jung, Definitionen, 505 f. 282 von Franz, Individuationsprozess, 198.

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Christus manifestierenden Göttlichen. Andreas muss seine Individuation noch leisten. Im Traum muss er den Berg der Gottesbegegnung erst noch mühsam ersteigen. In diesem Sinn ist hier der Größenunterschied zwischen Johannes und Andreas Zeichen dafür, dass Johannes seinen Weg schon vollendet hat (wenn auch in seinem Falle ohne gewaltsamen Tod). Aber er streckt Andreas die Hände hin, ihn gleichsam einladend, eben diese „Größe“ zu erreichen. Die größere Person im Traum macht auch deutlich, dass zu Andreas etwas spricht, das Größeres repräsentiert. So wird nicht nur auf Andreas herabgeschaut im Sinne der Konkurrenz, sondern Andreas schaut auch zu dieser größeren Repräsentanz empor. Das Göttliche lädt ihn gleichsam ein, ihm die Hand zu reichen. Die Ankündigung des Todes bzw. Martyriums durch eine größere Person, die somit etwas anzeigt, das einen bedeutenderen, über das Individuum hinausgehenden Umfang hat (nämlich das Eingehen in eine Ganzheit), scheint ein regelmäßig gebrauchtes literarisches Motiv zu sein. So heißt es bei Plinius d.J., epist. VII 27,2, dass Curtius Rufus einen Abendspaziergang machte. „Da trat ihm eine Frauengestalt von übernatürlicher Größe und Schönheit entgegen. […] Sie aber sagte, sie sei Africa283 und künde ihm die Zukunft. Er werde nämlich nach Rom gehen, Ehrenämter bekleiden und dann als Statthalter in diese Provinz zurückkehren und hier sterben. Alles ist so eingetreten.“284 Eine nächtliche Vision von einem körperlich größeren Gegenüber, die eine Verurteilung zur Hinrichtung anzeigt, beschreibt Pontius, vit. Caecil. Cypr. 14. Und schließlich heißt es bei Artemidor (I 35), dass, wenn im Traum jemand zwei bzw. drei Häupter habe, dies zum einen Segen bedeute: Ein Sportler werde anstehende Wettkämpfe entsprechend der Zahl der Köpfe gewinnen (und sein Haupt wird jedes Mal einen Kranz tragen); einem armen Mann wird finanzieller, sozialer und familiärer Segen vorhergesagt. Jemand, der reich sei hingegen, müsse Unruhen durch Mitglieder seiner Verwandtschaft gegen sich befürchten; „wenn nun der ursprüngliche Kopf die anderen überragt, so werden seine Widersacher ihn nicht unterkriegen; wird jener aber von den anderen überragt, kündigt es dem Träumenden Gefahr und Tod an.“285 Das Selbst (das heißt die Ganzheit, deren Erfahrung Andreas angekündigt wird) drückt sich, wie schon gesagt wurde, durch Symbole aus, die die Vereinigung der Gegensätze darstellen.286 Die Ganzheit im Text wird durch die Verbindung von Himmel und Erde287 und durch das Kreuz als Todesstätte Jesu sowie der Geschwister Petrus und Andreas ausgedrückt. Nun sei der schon oben genannte Text aus dem Martyrium des Andreas zitiert, der diese Verei-

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S. VII 27,3. Übersetzung: Giebel, Träume, 125. Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 50. Kast, Träume, 133; von Franz, Individuationsprozess, 199. S. grammatisch-syntaktische Analyse.

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nigung der Gegensätze noch viel stärker ausdrückt (MartAndr 1,14; die Hervorhebungen dienen zur Verdeutlichung der gegensätzlichen Pole): „Sei mir gegrüßt, o Kreuz! […] Ich kenne dein Geheimnis, um dessentwillen du auch errichtet bist. Du bist nämlich im Kosmos aufgerichtet, um das Unstete zu befestigen. Und ein Teil von dir erstreckt sich bis zum Himmel, damit du so den himmlischen Logos, das Haupt aller Dinge, anzeigest. Ein anderer Teil von dir wurde zur Rechten und zur Linken ausgebreitet, damit du die furchtbare feindliche Macht in die Flucht jagest und den Kosmos zusammenbringest. Ein anderer Teil von dir ist in der Erde befestigt, in der Tiefe gegründet, damit du, was in der Erde und unter der Erde sich befindet, mit dem, was im Himmel ist, verknüpfest. […] O Kreuz, auf Erden gepflanzt und im Himmel Frucht tragend! […] Wohl dir, o Kreuz, daß du die Welt in ihrem Umfang gebunden hast.“288

Das Kreuz als Symbol des Selbst repräsentiert also nicht nur seelische Ganzheit, sondern auch die Verbindung von Irdischem und Himmlischem, das Eingehen in das göttliche Reich. Beides wird Andreas im Traum vorhergesagt, vorausgesetzt, er stellt sich dem Aushalten der Gegensätze in seiner Kreuzigung.

4.3 Der Traum des Marcellus in ActPetr 22 4.3.1 Der Traum289 Et hortatus uniuersos ut dominum ex totis praecordiis intellegant, coepit cum Marcello et cum aliis fratribus ministrare uirginibus domini, et repausare usque in mane. Quibus Marcellus dixit; Sanctae inuiolatae uirgines domini, audite: habetisubi manetis. quae enim mea dicunturcuius sunt nisi uestra? Nolite discedere hinc, sed reficite, quoniam sabbatum quod superueniet crastina die, contemtionem habet Simon cum Petro sancto dei. sicut enim dominus semper cum eo fuit, et nunc stet pro eo tamquam apostolo suo Christus dominus. Petrus enim perseuerauit nihil gustans, sed superponens, ut malum uincat inimicum et persecutorem ueritatis domini. Ecce enim uenerunt iuuenes mei, nuntiantes uidisse se in foro anabatras configi, et turba dicentium: ,Hic crastina die luce horta certari habent duo Iudaei de conlocutione dei.‘ Nunc itaque peruigilemus usque in mane, rogantes et petentes dominum nostrum Iesum Christum ut exaudiat praeces nostras pro Petro. Marcellus autem breuiter in somno conuersus, expergefactus dixit ad Petrum: Apostole Christi Petre, audaciter accedamus ad propositum. nunc enim in somno breuiter conuersus, uidi in excelso loco sedentem et ante turbam magnam, et mulierem quendam turpissimam, in aspectu Ethiopissimam, neque Aegyptiam, sed totam nigram sordibus, pannis 288 Übersetzung: Hornschuh, Andreasakten, 292 f. 289 Lateinischer Text aus: Lipsius (Hg.), Acta, 69 f; Übersetzung o., 66 f.

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inuolutam, in collo autem torquem ferream et in manibus et in pedibus catenam, saltantem. uidens magna uoce dicebas ad me: ,Marcelle, omnes uiri Simoni et die ipsius haec est, quae saltat: decolla eam.‘ et ego tibi dicebam: ,Petre frater, senator sum generis magi et nunquam manus meas maculaui, neque passerem aliquando occidi.‘ et tu hoc audito plus clamare coepisti: ,Veni, uerum gladium nostrum, Iesu Christe, et non tantum caput eius praecidas daemonis, sed et omnia membra eius concide, palam istis omnibus quos in tua militia probaui.‘ et continuo tibi similis, Petre, tenens gladium totam eam concidit usque adeo ut intenderem ego bos ambos, et tibi et illi qui concidebat illum daemonium, tam similes eum mea magna admiratione. expergefactus haec tibi rettuli signa Christi. Haec ubi audiuit Petrus, magis animo repletus est, quod Marcellus haec uidisset, quonia dominus ubique suis prouidet. gratulatus itaque et recreatus his uerbis, leuauit se ut ueniret ad forum. 4.3.2 Exegetische Aspekte 4.3.2.1 Grammatisch-syntaktische Beobachtungen Unser Text zeichnet sich durch ein hohes Maß an Kohäsion und Kohärenz aus. Kohäsion entsteht durch die Verwendung von fast 40 Pronomen. Besonders auffällig ist hier die große Zahl an Demonstrativpronomen und Possessivpronomen. Erstere unterstreichen den hinweisenden Charakter des Textes – auf das zu erwartende Ereignis hin und auf die sich durch den Traum zeigende Bedeutung des zu Erwartenden. Eine Funktion unseres Textabschnittes ist es also, den dramatischen Weg hin zu dem bevorstehenden Kampf zwischen Petrus und Simon zu zeichnen und die Spannungs- und Erwartungskurve zu verstärken. Bei den Personalpronomen fällt vor allem das zweimalige ego in Verbindung mit dem einmaligen tu auf. Interessant ist, dass beide Male Marcellus mit ego benannt wird. Dadurch wird deutlich, dass er (als der Träumende) hier, im Gegensatz zu Petrus, eine aktive Rolle einnimmt und im Bildmittelpunkt steht. Für Kohäsion sorgt weiterhin das fünfmalige enim sowie das den Text in zwei Teile scheidende autem in der Mitte des Textes. Es wirkt wie ein Scharnier, verstärkt durch je zwei Mal sed auf jeder „Scharnierseite“. Das autem begrenzt den ersten Teil, in dem die Situation, der Ort und die Personen geklärt werden; der zweite Teil bringt dann mit dem Traum und den zu ihm gehörenden Handlungsanweisungen den eigentlichen Textinhalt. Auffällig ist weiterhin die zweimalige Wortfolge in somno – conversus – expergefactus im zweiten Textteil, die den Ablauf des Träumens beschreibt. Die Nennung von handelnden Personen, Personenbezeichnungen und Gruppen nimmt einen nicht geringen Anteil des Gesamttextes ein. Dabei wird Marcellus fünf Mal mit Namen genannt, Petrus hingegen acht Mal, Simon zwei Mal. Christus wird fünf Mal genannt, in abwechselnder Bezeichnung (Christus

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– Jesus Christus – Christus – Jesus Christus – Christus). Diese fast melodische Regelmäßigkeit sorgt für einen ausgeglichenen Textfluss. Der christliche Gott (deus) wird zwei Mal genannt (davon ein Mal in einem Attribut für Petrus als „Heiliger Gottes“); eine weitere Nennung von deus geschieht, um den bösen Gott Simons zu bezeichnen (deus ipsius), wobei das nachgestellte Pronomen eher etwas Herabwürdigendes auszudrücken scheint. Die Bezeichnung Dominus für Gott bzw. Christus taucht acht Mal auf – und liegt damit wortstatistisch gleichauf mit Petrus. Dieser Befund wird noch interessanter durch die Bezeichnung Jesu als „wahres Schwert“, mit der Folge, dass allerdings jemand, der Petrus gleich sieht, den Dämon zerschlägt (nachdem Marcellus diese Aufgabe vorher abgelehnt hatte). Hier kommt die Syzygienlehre ins Spiel (s. o.), nicht auf Thomas und Christus bezogen, wie in den Thomasakten, sondern auf Petrus und einem der ihm ähnelt. Zweimal wird dieser „Zwilling“ im letzten Drittel des Textes genannt. Dabei unterteilt der Text noch einmal: Erst wird jemand genannt, der Petrus ähnlich sieht, das zweite Mal ist von „beiden“ die Rede, „([…] die, welche) sowohl dir als auch jenem, welcher jenen Dämon zusammenhaute, so ähnlich waren“. Marcellus sieht im Traum also Petrus bzw. jemanden, der ihm entspricht und jemanden, der diesem wiederum ähnelt. Petrus wird weiterhin ein Mal als „Heiliger Gottes“, zwei Mal mit dem Titel „Apostel“ und ein Mal als frater angesprochen. Dies korrespondiert mit der Nennung der Brüder am Beginn des Textes und der zweimaligen Nennung der virgines. Petrus, im Text eigentlich die eher passive Gestalt, wird, v. a. durch den christologischen Hoheitstitel und das Doppelgängermotiv, in leichter Abstufung zu Christus dargestellt – ein Beweis für seine Hochschätzung und seine Nähe zu Christus, die in den synoptischen Evangelien schon angelegt ist (vgl. Mt 16,18) und durch die Petrusakten zum Höhepunkt geführt wird.290 Schließlich sind noch weitere Hauptpersonen zu nennen: Marcellus wird nicht nur mit Namen angesprochen, sondern auch in seiner bevorzugten gesellschaftlichen Stellung als Senator (was seine Bedeutung im Text unterstreicht). Ferner genannt sind die „zwei Juden“ (Petrus und Simon), die Menge (turba bzw. turbam magnam) als anonyme Zuschauer des Spektakels, wobei Simon noch die wenig schmeichelhafte Bezeichnung malum inimicum et persecutorem veritatis domini, als Inkarnation des Bösen, erhält. Das korrespondiert mit der dämonischen Frauengestalt, die als mulier quendam turpissima, in aspectu Ethiopissima, neque Aegyptia, und im letzten Viertel des Textes zwei Mal als daemonium (interessanterweise sächlich) bezeichnet wird. Diesen Bezeichnungen wird in der wortsemantischen Analyse noch eingehender nachgegangen werden. Daemonis/daemonium könnte mit dominus/ dominum durch die Ähnlichkeit im Klang ein Wortspiel bilden, eine Paronomasie, zugleich aber auch ein Gegensatzpaar von Gut und Böse. Auf der Seite des Marcellus sind noch die „jungen Leute“ (iuvenes) zu nennen, zu denen aber nichts weiter gesagt wird. 290 S. etwa die Notiz in ActPetr 29, dass der Apostel gottähnlich verehrt wird.

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Von den Zeitangaben her fällt das doppelte in mane – (usque) in mane auf. Der Morgen ist der Zeitpunkt des Kampfes. Interessanterweise wird das erste in mane mit repausare, das zweite aber mit pervigilare verbunden. Petrus nimmt, unübersehbar in Identifikation mit dem Jesus der Gethsemane-Szene (Mk 14,32–42 parr), nichts zu sich und wacht und fastet. Das Gefolge soll sich hingegen ausruhen, dann aber (angesprochen sind die Jungfrauen) bis zum Morgen wachen und beten. Dennoch schläft Marcellus ein, wiederum, um den rettenden Traum zu erfahren. Es wird also nicht nur Petrus mit der Gethsemane-Szene in Verbindung gebracht, sondern auch die Jungfrauen und Marcellus: Die Jünger, die wachen sollen (Mk 14,38), bilden nun die Jungfrauen, der einschlafende Petrus (14,37) wird mit Marcellus assoziiert. Die schon angesprochene hohe Verehrung, die Petrus durch den Verfasser der Akten zuteil wurde, wird an dieser Stelle durch die Überlappung Jesus – Petrus sehr deutlich. Die zweimalige, lautmalerische Formulierung crastina die bzw. crastina die luce horta konkretisiert den Morgen als Zeitpunkt des Kampfes und wirkt dramatisierend. Dieser Tag ist ein Sabbat. Die Angabe, dass Gott semper mit Petrus gewesen ist, aktualisiert sich nun in dem zweimaligen nunc. Ortsangaben tauchen nur wenige auf, vor allem zu nennen ist in foro/ad forum, das den Ort des Kampfes beschreibt und die dritte Ortsangabe rahmt. Durch das Sitzen des Petrus in excelso loco im Traum wird dieser Platz nämlich präzisiert und die (schon zu Lebzeiten) erhöhte Stellung des Petrus (gegenüber allen Anwesenden, natürlich vor allem gegenüber dem Dämon respektive Simon) verdeutlicht. Was die Redeanteile angeht, besteht der Text zu zwei Dritteln aus wörtlicher Rede des Marcellus. In diese sind kurze weitere Sprechanteile eingestreut (als wörtliche Rede in der wörtlichen Rede). Dazu zählt der Satz der Menge und der Wortwechsel zwischen Petrus und Marcellus im Traum. Kurze indirekte Redeanteile rahmen den Text. Dazu kommt noch der Satz, der beschreibt, dass Marcellus aus dem Schlaf erwacht und Petrus anspricht. Etwas ausführlicher ist auf die Verbformen einzugehen, die knapp ein Fünftel des Textes einnehmen und für eine ausgeprägte Kohäsion bzw. Kohärenz des Abschnittes sorgen. Zunächst fallen die sechs Infinitive im ersten Drittel auf (der restliche Text bringt mit clamare nur einen einzigen). Sie scheinen das „Zur-Ruhe-Kommen“ und das gleichsam meditative Warten des ersten Textteiles auszudrücken, bevor dann die Dynamik des Traumes, also des zweiten Teils, beginnt. Ferner enthält unser Abschnitt fünf Imperative: audite und reficite am Beginn sowie decolla, veni und concide innerhalb des Traumes. Letztere stechen besonders dadurch hervor, dass sie mit der martialischen Aufforderung, den Dämon „zusammenzuhauen“, verbunden sind. Der Traum bekommt dadurch einen stark appellativen Charakter. Acht Mal kommt eine Passiv-Form vor, davon vier PPP im Traum ( je zwei Mal conversus und expergefactus). Letztere betonen den passiven Zustand des

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Träumens, in dem sich Marcellus befindet. Dieser wirkt noch in den PPP repletus und recreatus im vorletzten bzw. letzten Satz nach, als Ergebnis des Trauminhaltes: Der Traum wirkt beglückend und erquickend. Seine positive Bedeutung wird dadurch indirekt hervorgehoben. 18 Partizipien weist der Text auf; diese sorgen für durchgehenden Textfluss (als Beispiel der vierfache Akkusativ: rogantes et petentes dominum nostrum Iesum Christum). Der Text wird vom Perfekt (21 Mal), Präsens und Imperfekt (26 Mal) bestimmt. Das heißt: Abgeschlossenes und sich noch im Fluss Befindliches halten sich die Waage. Aber: Herausstechend ist die einzige Futurform zu Beginn (quoniam sabbatum quod superveniet crastina die) sowie das einzige Plusquamperfekt im letzten Satz (quod Marcellus haec vidisset). Durch ihre Singularität und die Stellung zu Beginn und am Ende wirken sie zusammen als Rahmen: Das Futur beschreibt das Kommende, das Plusquamperfekt das, was vergangen ist, den Traum. Da beide Zeitformen aber etwas Abgeschlossenes darstellen,291 ist die tiefere Bedeutung bzw. Funktion die, dass durch das Futur mitschwingt, dass der Kampf (erfolgreich) beendet werden wird. Das Plusquamperfekt bestätigt dies im Blick auf eine (schon weit) zurückliegende Vergangenheit, obwohl der Kampf ja erst noch bevorsteht.292 Dennoch scheint der Text zu suggerieren, dass, noch ehe es zur richtigen Begegnung mit Simon gekommen ist, Petrus „zwischen den Zeilen“ schon als Sieger der Auseinandersetzung feststeht. Überhaupt steht von den zehn verwandten Konjunktiven nur einer innerhalb des Traumberichtes. Die Funktion des Konjunktivs, einen Wunsch auszudrücken oder eine Möglichkeit (ohne hier auf die einzelnen Varianten des Konjunktivs einzugehen), scheint sich also nicht auf den Traum zu beziehen, sondern auf Aspekte vor allem im Vorfeld des Traumes (Marcellus ermahnt alle, den Herrn zu erkennen [intellegant]; „Wie aber der Herr immer mit ihm gewesen ist, möge nun auch Christus, der Herr, Partei ergreifen für ihn“ usw.). Der Traum hingegen wird nicht als Möglichkeit interpretiert, als unsicherer Wunsch, so wie man einen Traum empfinden könnte, sondern als indikative Aussage. 4.3.3 Untersuchung zentraler Motive 4.3.3.1 Jungfrauen293 „Dass die Braut als J.[ungfrau], d. h. sexuell unberührt (virgo intacta), in die Ehe gehen soll, ist in alten Kulturen ein weit verbreitetes Ideal.“294 Im AT wird 291 Rubenbauer u. a., Grammatik, 241; 244. 292 Das kommt dadurch zum Ausdruck, dass vidisset ein Plusquamperfekt Konjunktiv ist und als Irrealis verstanden werden muss; als solcher bezeichnet er „den nur vorgestellten [!], nicht wirklich eingetretenen Fall in der Vergangenheit“ (Schlüter/Steinicke, Latinum, 143). 293 S. zur Einführung Schöllgen, Art. Jungfräulichkeit, 523–592; Gribomont, Art. Askese IV., 204–225.

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die Jungfrau mit ‫ בתולה‬bezeichnet, was in der deutschen Übersetzung zwar Jungfrau heißen kann, aber prinzipiell auch eine Frau bezeichnet, die jung an Jahren und unverheiratet ist.295 ‫ בתולה‬kommt im Hebräischen AT 51 Mal vor, jedoch ist nur an drei Stellen (Lev 21,13 f; Dtn 22,19; Ez 44,22) eindeutig von einer Jungfrau im Sinne der virgo intacta die Rede. Die anderen Belege sprechen von jungen, unverheirateten und heiratsfähigen Frauen (so etwa Hi 31,1; vgl. Sir 9,5). Eine im engeren Sinne theologische Bedeutung trägt das Wort nicht.296 Es dominieren vielmehr gesellschaftliche Motive bei der positiven Bewertung der Jungfräulichkeit. Die israelitische Gesellschaft war familiär strukturiert, was sich erzählerisch v. a. bei den Erzelterngeschichten niederschlägt. Von daher war ein asketischjungfräuliches Ideal nicht erstrebenswert, im Gegenteil: Die Rolle der Frau erfüllte sich durch Ehe und Mutterschaft. „Vor demselben Hintergrund ist die apodiktische Forderung nach der vorehelichen Virginität der Frau zu sehen, weil außereheliche Nachkommenschaft das soziale Gefüge konterkariert.“297 So heißt es in Ex 22,15, dass ein Mann eine unverlobte Jungfrau gegen Heiratsgeld zur Frau nehmen muss, wenn er mit ihr sexuellen Verkehr hatte. Den „reinen Status“ einer Jungfrau macht Lev 21,14 deutlich. Dtn 22,23–27 befasst sich mit den Einzelregelungen. Die vor- oder außereheliche Verletzung der Jungfräulichkeit betrifft nicht nur die Familie, sondern die ganze Gemeinschaft und wird schwer bestraft (s. v. a. Dtn 22,21).298 Eine bemerkenswerte Stelle findet sich in 1Kön 1,1–4, wo die Jungfrau Abischag König David wärmen soll, ohne mit ihm direkten sexuellen Kontakt zu haben. Allerdings ist hier die sexuelle Konnotation der Situation unübersehbar. Das heißt, eine Jungfrau bleibt Jungfrau, übt aber dennoch eine Art körperlichen „Dienst“ aus. Einige Texte suggerieren eine besondere Reinheit und Heiligkeit des Jungfrauenstandes, so Lev 21,1–4.13 ff.299 Dass eine ‫ בתולה‬im Alten Israel hoch geachtet sein konnte, macht auch Ri 11,37 deutlich.300 Im AT können Städte als Jungfrauen bezeichnet werden, populärsten Beispiel ist 2Kön 19,21, wo die Tochter Zion als solche gedacht wird (vgl. Jes 27,22; Jer 18,13; Am 5,2 u. ö.). Jes 23,12 berichtet von der geschändeten Jungfrau Sidon, 47,1 von der Tochter Babel.301 Jungfräulichkeit als religiöses Ideal ist in Israel nicht zu finden, wohl aber in Ägypten, Griechenland und Rom. Für Ägypten ist besonders die Institution der Gottesgemahlin Amuns in Oberägypten (ab dem 11. Jh. v. Chr.) erwähnenswert. Diesbezüglich scheinen vorerst politisch-pragmatische Motive aus294 295 296 297 298 299 300 301

Kügler, Art. Jungfrau, 279. Ebd. Tsevat, Art. ‫ְּבתוָּלה‬, 875 ff. Zur Etymologie des Wortes s. a. a. O., 874 f. Engelken, Art. Jungfrau, 417. Ebd. A. a. O., 417 f. Betz, Art. Jungfrau, 706. Vgl. ebd.

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schlaggebend gewesen zu sein. Die mit Amun verehelichten Frauen hatten keinen „irdischen“ Mann. Eine königliche Dynastie, die die Herrschaft der Priester hätte bedrohen können, war so nicht möglich. Wahrscheinlich hat sich aus diesem System eine Art weiblich-zölibatäre Priesterschaft entwickelt. Innerhalb des jüdischen Hellenismus entwickelte Philo die Jungfrauentradition weiter, der vor allem die Erzmütter Sara, Rebekka sowie Lea und Zippora als Jungfrauen versteht, die die Seele verkörpern. Diese muss sich über alles Irdische erheben, damit sie den weisheitlichen Samen Gottes empfangen kann (Philo, cher. 40–50, vgl. contempl. 68). Philo leitet dies aber nicht aus biblischen Schriften, sondern aus hellenistischer Tradition ab. Jungfräulich zu bleiben ist für Philo aber auch konkretes Ideal innerhalb des ethisch-religiösen, irdischen Lebens.302 Auch Isis, Hathor und Nephthys können als Jungfrauen auftreten.303 Weiterhin lebten die Essener jungfräulich (vgl. Josephus, bell. II 120). Jungfräulichkeit wurde als notwendig für den heiligen, priesterlichen Dienst empfunden und stand unter dem Zeichen der Naherwartung Gottes.304 In den Qumrantexten begegnet das hebräische Wort ‫ בתולה‬sieben Mal (CD 14,15; 3QJub 4,1; 4Q159 2–4,8; 4Q282 i 2; 4Q502 19,3; 11QT 65,15; 66,9) und das aramäische ‫ בתולה‬vier Mal (1QapGen 20,6; 4Q318 7,2; 8,3; 4Q534 1 ii+2,12). Dabei wird der Begriff fast ausschließlich in Kontexten gebraucht, die von den o.g. Rechtstexten (v. a. Dtn 22,13–21) zur Jungfräulichkeit abhängig sind, vereinzelt wird ‫ בתולה‬aber auch im schon beschriebenen Sinn einer jungen, heiratsfähigen Frau benutzt. Den sozialen Schutz von Jungfrauen thematisieren CD 14,15 f und 4Q502 19,3 (vgl. 4Q534 1 ii+2,12). 4Q318 7b,2; 8,3 beschreiben das Tierkreiszeichen der Jungfrau.305 Das griechische Äquivalent zu ‫ בתולה‬ist παρθένος, was die Jungfrau, aber ebenso das heiratsfähige Mädchen und den jungfräulichen Mann bezeichnen kann, Zweiteres etwa in Mt 25,1.7.11. Παρθένος kommt im NT lediglich 15 Mal vor (davon sechs Mal im 1Kor).306 Zu nennen ist, neben dem Motiv der jungfräulichen Maria (Lk 1,27 mit Aufnahme von Jes 7,14, vgl. Mt 1,23),307 v. a. das Gleichnis von den zehn Jungfrauen in Mt 25,1–13.308 Weiterhin hervorzuheben sind die weissagenden Jungfrauen und Töchter des Philippus in Apg 21,9. Ein zentraler Text ist ferner 1Kor 7,25–38. Dabei sind für uns weniger die Rege302 303 304 305 306 307

Kügler, Art. Jungfrau, 279 f. S. dazu. Bergman/Ringgren, Art. ‫ְּבתוָּלה‬, 873. Betz, Art. Jungfrau, 707. Schlenke, Art. ‫ ְּבתוָּלה‬, 553–556. Fitzmyer, Art. παρθένος, 93. Die Abhängigkeit von dem Jesajazitat muss an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden und trägt für unseren Text nichts aus. S. dazu Betz, Art. Jungfrau, 707; Engelken, Art. Jungfrau, 418 f; Tsevat, Art. ‫ְּבתוָּלה‬, 877; Luz, Matthäus, Bd. 1, 150; Davies/Allison, Matthew, Bd. 1, 214– 217. 308 Bezüglich des Jungfrauenmotivs in der christlichen Ikonographie hat v. a. dieses Gleichnis eine breite Rezeption erfahren. S. dazu Sachs, Art. Jungfrauen, 458–463.

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lungen des Apostels wichtig, als der dahinterstehende Gedanke, dass es, ob des nahen Eschatons, am besten sei, ungebunden und ganz für den Dienst des Herrn da zu sein (v. a. V 27b; 31–35)309. Dies scheint am ehesten auf ActPetr 22 hinzuweisen. Das Gefolge der Jungfrauen um Petrus ist offenbar eine Art geistlicher „Tross“, der Petrus begleitet und in geistlicher Weise unterstützt, vor dem Hintergrund des Eschatons,310 auf alle Fälle aber vor dem des anstehenden Martyriums des Apostels. In 2Kor 11,2 bezeichnet Paulus die Gemeinde als Jungfrau, die er mit Christus verlobt hat. So scheinen auch die Jungfrauen, die Petrus begleiten, unberührt und unbefleckt, aber mit (dem Dienst an) Christus verlobt zu sein, ohne dass dies im Text explizit gesagt würde. Diesen Jungfrauenstand deutet möglicherweise 1Tim 5, mit den an dieser Stelle beschriebenen Witwen an. Die dortigen Vorschriften weisen darauf hin, dass in den Gemeinden des „Timotheus“ eine Gruppe von charismatischen Frauen existierte, die unverheiratet waren und sexuelle Askese praktizierten. 1Tim 5,11 f deutet das Leben als Witwe als eine Vermählung mit Christus. „Dieser Status scheint so attraktiv gewesen zu sein, dass auch viele junge Frauen ,Witwe‘ werden wollten.“311 Dagegen richten sich die in 5,9–11 aufgestellten Bedingungen, deren Erfüllung nötig ist, um als anerkannte Witwe zu gelten. Dabei werden mitnichten nur religiöse Gründe eine Rolle gespielt haben, sondern etwa auch, dass Frauen die Ehe, die z. T. durch starre Normen gekennzeichnet war, als enormen Verlust persönlicher Freiheit empfanden. Der Witwenstand hingegen versprach höhere Lebensqualität und (auch religiöse) Selbstbestimmung sowie ein hohes Sozialprestige innerhalb der Gemeinde.312 Das leitet uns über zu den Petrusakten, bei denen die enkratitische Prägung hinzukommt und sich mit dem o.g. eschatologischen Moment verbindet: Es ist an der Zeit, Gott zu dienen, aber auch körperlich rein zu bleiben. Nur solche reinen Menschen können die Unterstützung und Begleitung für Petrus bilden. Zu beachten ist hier auch die Erzählung über die Tochter des Petrus im koptischen Codex Berolinensis

309 S. z.d.St. Wolff, Der erste Brief an die Korinther, 156; 158–161. Genannt seien ferner Baumert, Ehelosigkeit; Szarek, Ehe, 161–175. 310 Die Verbindung von Jungfräulichkeit und Eschaton findet sich auch in Bezug auf die 144000 in Offb 14,4. Jungfräulich zu sein bedeutet hier allerdings, nicht am Kaiserkult teilgenommen zu haben, Fitzmyer, Art. παρθένος, 95. Anders Engelken, Art. Jungfrau, 418, die hier an Männer denkt, die sexuell enthaltsam gelebt haben. Roloff, Offenbarung, 149 f, verbindet beide Aspekte, versteht aber unter der Enthaltsamkeit keine Abwehr von Sexualität per se, sondern die Entsagung von Familie und Ehe als Bedingung endzeitlicher Nachfolge. 311 Kügler, Art. Jungfrau, 280. 312 Ebd. Ähnlich Marshall, Pastoral Epistles, 598; Roloff, Timotheus, 296, der, ebd., schreibt: „Wie auch aus der folgenden (VV13.15) Polemik hervorgeht, war in den Gemeinden die Praxis eingerissen, Witwen, die sich zur asketischen Sonderexistenz von sexueller Kontinenz und Gebet berufen fühlten, zum Witwenstand zuzulassen, auch wenn sie den übrigen Kriterien nicht voll entsprachen.“ Das betraf auch unverheiratete Jungfrauen, Roloff, Timotheus, 296, Anm. 372.

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Gnosticus 8502, wonach diese unbedingt eine Jungfrau blieb.313 Die theologische Aufladung des Motivs der enkratitischen Jungfrau kommt auch in den Seligpreisungen zu Beginn der Theklaakten zum Ausdruck (3,6): „Selig sind die Leiber der Jungfrauen, denn sie werden Gott wohlgefallen, und sie werden den Lohn ihrer Keuschheit nicht verlieren. Denn das Wort des Vaters wird ihnen zum Werk der Rettung auf den Tag des Sohnes werden, und sie werden Ruhe finden in alle Ewigkeit.“314

Auch Thekla selbst ist Jungfrau (3,7) und folgt Paulus als solche, ähnlich wie die Jungfrauen in den Petrusakten. Sie verteidigt ihre Jungfräulichkeit vehement gegen amouröse „Angebote“ von außen.315 Eine weiterer Typus von Virginität aus kultischen Zwecken im Sinne einer Dienerschaft (so könnte man das Motiv in ActPetr 22 im weitesten theologischen Sinne durchaus verstehen) findet sich im Kult um die römische Vesta, der nur von Jungfrauen ausgeübt wurde, den Vestalinnen. Vesta galt als die Beschützerin des staatlichen Feuers.316 Sechs Jungfrauen (sacerdotes) kümmerten sich um den Kultvollzug. Diese lebten im Atrium Vestae, das sich auf dem Forum Romanum befand. Die Leitung der Frauen hatte die virgo Vestalis maxima inne; das Nichteinhalten der Keuschheit wurde mit dem Tode bedroht (vgl. den Bericht bei Plinius d.J., epist. IV 11,5–13).317 Natürlich kommt eine direkte religionsgeschichtliche Gleichsetzung nicht in Betracht, aber es ist ein antikes Beispiel für die Verbindung von Jungfräulichkeit und kultischem bzw. religiösem Dienst und im Sinne einer Amplifikation des Motivs durchaus zulässig. Die Jungfrauen (Christi) kommen in den Petrusakten nur noch an einer weiteren Stelle vor, in Kap. 29. Das hebt das Motiv in unserem Abschnitt umso stärker hervor. Auffällig wiederum ist, dass bei einer großen Zahl von Stellen die Witwen (als mehr oder weniger geschlossene Gruppe) genannt werden; in Kap. 8 ist von den Witwen die Rede, welche ihre Hoffnung auf Christus setzen und bei Marcellus Zuflucht suchen. Ferner tauchen sie in Kapitel 20 ff; 25; 28 f; 36 u. ö. auf. Der einzige weitere Abschnitt, in dem das Stichwort der Jungfrau (im Singular) fällt, ist Kap. 24, wo anhand verschiedener Schriftverweise318 die jungfräuliche Geburt Jesu beschrieben wird, der Verfasser aber sichtlich Mühe hat, die Virginität Marias mit der Geburt Jesu zu verbinden bzw. Erstere trotz der Geburt hochzuhalten. 313 Zum Codex s. Schenke, Nag Hammadi, 845–853; Brashler/Parrott, Act of Peter, 473–493; Molinari, Coptic Act. Eine neue deutsche Übersetzung der Erzählung bietet Lang, Taten, 77– 80. 314 Übersetzung: Schneemelcher, Paulusakten, 217. 315 S. Kap. 26. 316 Philipps, Art. Vesta, 130 f. 317 Cancik-Lindemaier, Art. Vestalin, 132. 318 U. a. Jes 7,14; AscJes 11,13 f, Schneemelcher, Petrusakten, 279, Anm. 125; 126.

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4.3.3.2 Das Wortfeld Kampf Unser Textabschnitt beinhaltet eine ansehnliche Zahl von Begriffen, die sich um das Thema Militär bzw. „Schlacht“ und „Kampf“ drehen, stark martialischen Charakter haben und ein zusammenhängendes semantisches Feld ergeben. Dazu gehören Kampf/Streit (contentio), kämpfen (certare), enthaupten (decollare), töten (occidere), Schwert (gladius), den Kopf abhauen (praecidere caput), alle Glieder zerschlagen (concidere omnia membra) sowie der Kriegsdienst (militia). Dem entspricht das Wortfeld, das um die schwarze Dämonin aufgebaut ist. ActPetr 22 ist somit durch ein Höchstmaß an aggressiver Sprache gekennzeichnet. Die Motive „Enthauptung“ und „Schwert“ sollen etwas näher betrachtet werden. 4.3.3.2.1 Enthauptung Alttestamentlich sei 1Sam 17,51 genannt: David enthauptet den riesigen Philister (sechs Ellen und eine Spanne, 17,4), nachdem er ihn allerdings schon mit einem Stein der Schleuder zu Boden geworfen hatte (V 49) und in V 50 betont wird, dass er dies ohne Schwert geschafft habe. Eine Enthauptung, in der der Kopf als Siegestrophäe dargestellt wird, findet sich in 2Sam 4,7 f (vgl. 2Sam 20,22). Eine Enthauptung (im Schlaf) wird auch in Jud 13,8, nämlich die des assyrischen Feldherrn Holofernes, geschildert – besonders bizarr dadurch, dass Judith in V 7 noch um die Kraft Gottes für diese Tat bittet. Im NT ist der einzige zentrale Text die Enthauptung des Johannes in Mk 6,27 parr (vgl. Mk 6,16 parr). Hier handelt es sich eindeutig um eine Hinrichtung, wenn auch der Kopf als Trophäe gedacht ist (Mk 6,25). Offb 20,4 berichtet von denen, „welche um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen enthauptet waren“. In der antiken Literatur ist das Verb decollare nur spärlich belegt.319 Über den als grausam geltenden Kaiser Caligula schreibt Sueton, Cal. 32,1: „Während er speiste oder zechte, wurden oft vor seinen Augen peinliche Verhöre unter Anwendung der Folter durchgeführt, enthauptete ein Soldat, ein Meister im Köpfen, alle, die aus dem Gefängnis geholt worden waren.“320 Hier geht es nicht um eine Hinrichtung im Sinne der Todesstrafe, sondern um willkürliche Grausamkeit. In Seneca, apocol. 6,2, wird Claudius verspottet und von seiner zitternden Hand gesprochen, mit der er Hinrichtungen anzuordnen pflege. Besonders wichtig ist für uns Seneca d.Ä., contr. IX 2,10, in dem der Ablauf einer öffentlichen Hinrichtung beschrieben wird: „Des Weiteren beschrieb er, wie ganz anders auf dem Forum geköpft wird: Der Praetor besteigt vor den Augen der Provinz das Tribunal. Dem Schuldigen werden die Hände

319 S. Glare (Hg.), Dictionary, Bd. 1, 540. Die folgenden antiken Stellen stammen von ebd. 320 Übersetzung: Martinet (Hg.), Kaiserviten, 495.

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auf den Rücken gebunden […]. Der Ausrufer gebietet Stille; dann werden die gesetzlichen Formeln vorgetragen, und schließlich ertönt eine Trompete.“321

Für uns ist dieser Auszug auch deshalb von Bedeutung, weil er das Forum als Ort der Enthauptung benennt. Auch der „Zweikampf“ in ActPetr 22 findet auf dem Forum statt. 4.3.3.2.2 Arten der Todesstrafe im Römischen Reich322 In der griechischen Frühzeit bedeutete die Enthauptung von Menschen einen sakral aufgeladenen Akt. Zum Teil wurde das Gehirn des Delinquenten verzehrt, um sich die Kraft des Kopfes anzueignen. Cassius Dio XLIII 24,4 berichtet von der rituellen Hinrichtung zweier meuternder Soldaten durch Caesar (46 v. Chr.), deren Köpfe öffentlich zur Schau gestellt wurden. Auch sonst wurden die Köpfe von innen- und außenpolitischen Gegnern öffentlich gepfählt, etwa an der Stadtmauer oder der Rednerbühne (s. Vergil, Aen. 8,196 f; Xenophon, an. III 1,17 u. ö.).323 Die typische Strafe für Hoch- und Landesverrat sowie Mord zur römischen Kaiserzeit war die Enthauptung324 (decollatio), die allerdings v. a. den honestiores vorbehalten war. Diese wurde erst mit dem Beil, dann (seit Augustus) mit dem Schwert vollzogen. Vor allem Sklaven, aber auch humiliores erlitten die Kreuzigung325 oder die drittschwerste Strafe zur Kaiserzeit: den Tod durch Feuer (crematio). Diese drei Todesarten bezogen sich auf öffentlich verfolgte Verbrechen. Ferner muss die Verbannung als alternative Bestrafung genannt werden. Das Urteil, sich als Gladiator verdingen zu müssen, hatte eine ähnliche Bedeutung.326 Seit Caligula wurde auch der Tierkampf in der Arena (damnatio ad bestias) als Todesstrafe angewandt.327 Beispiel hierfür (bzw. für den Versuch) sind die Theklaakten (27–37), für die übrigens auch (der Versuch) der crematio berichtet wird (Kap. 20 ff). Was das Köpfen angeht, wurden seit Nero v. a. Christen, die römische Bürger waren, enthauptet, man denke v. a. an Paulus (PassPaul 7,16). Der älteste Fall ist jedoch Jakobus Zebedäus 44 n. Chr. (Apg 12,1 f). Weitere bedeutende Märtyrer, welche durch Enthauptung hingerichtet wurden, sind Cyprian von Karthago sowie Justin mit seinen Gefährten.328 Durch die christlichen Kaiser wurde sowohl die Enthauptung als 321 Übersetzung: Schönberger, Seneca, 212. 322 Die folgenden Darstellungen konzentrieren sich auf die Arten von Todesstrafen, die zu der Zeit angewandt wurden, in der unser Text in etwa spielt. Zur Einführung in römisches Recht seien genannt: Liebs, Römisches Recht; Kunkel/Schermaier, Rechtsgeschichte, besonders 48–175. 323 Speyer, Art. Kopf, 520. 324 Dadurch sollte die gefürchtete Macht des Toten gebrochen werden, ebd. 325 Diese wurde unter Konstantin abgeschafft, Schiemann, Art. Crematio, 219. 326 Schiemann, Art. Todesstrafe II., 650, und Schiemann, Art. Decollatio, 351. 327 Ebd. 328 Schauerte, Schwert, 66–69.

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auch die öffentliche Pfählung der Köpfe weiter praktiziert. Die Kreuzigung wurde durch das Erhängen an einem gabelartigen Galgen (furca) ersetzt.329 Wiederum soll Artemidor zum Motiv konsultiert werden. Er schreibt (oneirokr. I 35): „Träumt man, geköpft zu sein – in Folge eines richterlichen Urteils, durch Räuberhand, im Gladiatorenkampf oder sonstwie: […] so droht dem, der Eltern, und dem, welcher Kinder hat, Unglück.“330 Das Haupt sei mit den Eltern gleichzusetzen, denn beide seien der Grund, warum man am Leben sei. Ein Sklave, der von (s)einer Enthauptung träume, werde von seinem Besitzer kein Vertrauen mehr geschenkt bekommen. Es geschehe ja keine Enthauptung, bevor das Urteil gesprochen sei. Als Mensch ohne Kopf könne man kein Vertrauen beanspruchen. Im selben Kapitel verhandelt Artemidor den Zusammenhang zwischen einer Köpfung im Traum und dem eigenen Bürgerrecht, dessen man nach einem solchen Traum verlustig gehe. Artemidor kenne einen Griechen, der von seiner Enthauptung geträumt habe: Dieser „erlangte das römische Bürgerrecht und büßte auf diese Weise seinen früheren Namen und seine frühere gesellschaftliche Stellung ein“331 (I 35). Diese Ausführung lässt sich am ehesten auf Simon Magus übertragen, für den (bzw. dessen Kraft) der Dämon im Traum steht. Simon büßt sein „Bürgerrecht“ ein, d. h. er verliert sein Ansehen vor dem Volk in Rom. Dies wird letztlich dadurch deutlich, dass Simon einen peinlichen Tod stirbt (ActPetr 32). 4.3.3.2.3 Das Schwert in der Antike und im Neuen Testament Livius I 43,2 schreibt, dass die ersten drei Abteilungen in der servianischen Zenturienordnung das Schwert als Waffe besaßen. In XXII 46,5 beschreibt er verschiedene Schwerter: Das gallische Schwert zeichnete sich durch größere Länge aus, hatte aber keine Spitze, im Gegensatz zum hispanischen Schwert, das kurz und spitz war und sich weniger zum Hieb als zum Stich eignete. Zur Zeit der Punischen Kriege kam ein neues Schwert zum Einsatz: Mit 60–70 cm langer Klinge war es hieb- und stoßtauglich. Polybios II 33,5 spricht von der Überlegenheit dieses Schwertes gegenüber dem Bronzeschwert der Gallier.332 Es war von furchtbarer Wirkung: „Im zweiten Makedonischen Krieg waren durch die Sch.-Hiebe erzeugte Verwundungen bes. schrecklich, Arme, Schultern oder Köpfe wurden von den Körpern feindlicher Soldaten abgetrennt, die Körper selbst aufgeschlitzt (Liv. 31,34,4–5).“333

329 330 331 332 333

Speyer, Art. Kopf, 521; 526 f. Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 48. Übersetzung: a. a. O., 50. Le Bohec, Art. Schwert, I. Klassische Antike, 294. Ebd.

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Dies erinnert stark an die Aufforderung an Marcellus, den Körper der Dämonin völlig zu zerstückeln. Tacitus, an. XII 35,3, berichtet (für das 1. Jh. n. Chr.) vom gladium des Legionärs und der spatha der Auxiliartruppen. Die spatha war germanischen Ursprungs und zeichnete sich dadurch aus, dass sie länger als das römische gladium war (70–90 cm). Nach Vegetius, mil. II 15,4; III 14,13, war es in der Spätantike die übliche Waffe der römischen Legionäre.334 Josephus, bell. III 93– 96,335 beschreibt die Bewaffnung der Infanterie und der Reiter: Erstere trägt Brustpanzer sowie einen Helm, links das Schwert, rechts den Schild, wobei er die Schwertlänge betont. Zweitere wiederum tragen rechts das Schwert, das ebenfalls lang ist, und halten einen Speer in der Hand. Der Schild liegt so, dass er die Seite des Pferdes schützt. Schwert und Schild sind die bedeutendsten Ausstattungsmerkmale eines Legionärs, der Dolch ist im Kampf jedoch von sekundärer Bedeutung (Polybios VI 37,13; Josephus, bell. II 452 f). Die Schwertscheiden, aber auch die Gürtel, an welchen sie befestigt waren, trugen oft üppige Verzierungen, woran sich das repräsentative Gewicht des Schwertes zeigte.336 Das Schwert repräsentierte also seinen Träger. Wenn Marcellus mit dem gladius zuschlagen soll, wird seine hervor-ragende Stellung im Traum deutlich. Das Stichwort gladius fällt im neutestamentlichen Teil der Vulgata 33 Mal.337 In Offb 2,12, als einziger Stelle, ist hingegen von romphea die Rede.338 Im griechischen NT ist der Befund etwas anders gelagert: Dort wird sieben Mal der Begriff ῥομφαία benutzt (Lk 2,35 sowie Offb 1,16; 2,12.16; 6,8; 19,15.21), 29 Mal hingegen μάχαιρα.339 Letztere Bezeichnung benutzt Polybios mehrfach, um, wie mit dem Begriff ξίφος, das Legionärsschwert zu beschreiben (II 33,5 f; VI 23,6 f). Der Begriff ξίφος wiederum wird zwar im NT nicht verwandt, wird aber von Josephus im Allgemeinen für gladius benutzt (bell. II 452; III 94; VI 58). Kämpften die Römer mit dem Kurzschwert gladius, scheint dies bei einigen anderen Völkern ein längeres Schwert gewesen zu sein. Der Begriff ῥομφαία taucht in Josephus, bell., immer dann auf, wenn es sich um die längeren und auch breiteren Schwerter der Juden handelt (III 386; VI 86; 224).340 Μάχαιρα wiederum steht wahrscheinlich für ein kürzeres Schwert: „Die im Kampf zu Fuß getragenen Schwerter sind in der Regel μάχαιραι / machairai, wie zum Beispiel in der Verhaftungs-Szene Jesu (Mk 14,43–48 parr). Die μάχαιρα / machaira lässt sich komfortabel tragen und, falls erforderlich, auch gut verbergen.“341 334 335 336 337 338 339 340 341

A. a. O., 294 f. Gefunden a. a. O., 295; vgl. Neumann, Art. Waffen (NT), 2.2.; 2.3. A. a. O., 2.2. Vgl. Fischer, Concordantiae, Bd. 2, 2242 f. Vgl. Fischer, Concordantiae, Bd. 4, 4511. Bauer, Wörterbuch, 1475; 1005 f. Neumann, Art. Waffen (NT), 2.2. Ebd.

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Sowohl gladius (als Vokabel in unserem Traum) als auch μάχαιραι bezeichnen also kurze, flexibel handhabbare Schwerter. Einige neutestamentliche Stellen seien kurz betrachtet. Einen Räuber fängt man mit Schwertern und Stöcken; Jesus wird wie ein solcher verhaftet (Mk 14,43.48 parr). Ein besonders prägnantes Wort ist Mt 10,34: Jesus bringt das Schwert. Andererseits weitet Mt die markinische Festnahmeszene (Mk 14,47)342 um das Wort aus: „Da spricht Jesus zu ihm: Stecke dein Schwert wieder an seinen Ort; denn alle, die das Schwert nehmen, werden durchs Schwert umkommen“ (Mt 26,52).343 Der Begriff ῥομφαία wird in dem geheimnisvollen Wort in Lk 2,35 benutzt, das Simeon zu Maria spricht und das wohl am ehesten auf Maria als mater dolorosa anspielt.344 Lk 21,24 beschreibt die Endzeit mit drastischer Sprache und spricht vom Gefälltwerden durch die Schärfe des Schwertes. Schwieriger zu deuten ist Lk 22,36: das Verkaufen des Kleides für ein Schwert, verbunden mit dem Zitat von Jes 53,12. Dies ist eines der ntl. Worte, für die eine sichere und befriedigende Deutung nicht möglich zu sein scheint. Am wenigsten anstößig ist vermutlich die metaphorische Deutung des Schwertes als Zeichen eines Gesetzlosen (Zeloten?). Dann wäre das Schwert nur Mittel zum Zweck, um Jesus als einen solchen zu kennzeichnen.345 Bartsch interpretiert das Wort als Spiegel des Jüdischen Krieges, der die Gemeinde bedrängt.346 Nach Eckey, der hier die Mehrheitsmeinung wiedergibt, will Jesus seine Jünger „auf eine für sie extrem harte und friedlose Zeit“ vorbereiten.347 Ganz anders heißt es in Röm 8,35: Verfolgung, Bedrohung und Schwert sind nicht in der Lage von Jesu Liebe zu trennen. V 36 betont das passive über sich ergehen lassen der Gewalt.348 In Röm 13,4 wird die schwerttragende Obrigkeit als „Gottes Dienerin“ bezeichnet. Ein für uns besonders zentrales Wort findet sich innerhalb der „geistlichen Waffenrüstung“ in Eph 6,17. Neben dem Schild des Glaubens und dem Helm des Heils begegnet dort die Wendung τήν μάχαιραν τοῦ πνεύματος, welches 342 In Joh 18,10 ist es Simon Petrus, der das Schwert trägt und das Ohr abschlägt! 343 Luz, Matthäus, Bd. 4, 166, deutet den zweiten Teil des Verses im Sinne eines radikalen und kompromisslosen Pazifismus, welcher auch Selbstverteidigung ausschließe. Dabei liege Mt 7,2 zugrunde. Weitere Parallelen sind Gen 9,6; Gal 6,7 und Offb 13,10. Die Wirkungsgeschichte des Verses ging v. a. dahin, nur private Gewaltanwendung zu verbieten, den Vers also einzuschränken, s. Luz, Matthäus, Bd. 4, 166 f mit Belegen. 344 Anders Wolter, Lukasevangelium, 142 f. 345 Vgl. Wiefel, Lukas, 376, der hier richtig den Bezug des Wortes zu Lk 23,32 sieht. Seine Deutung, „wer kein Schwert hat, kaufe eines, selbst wenn er sein Obergewand dafür drangeben muß, denn Mittel […] zum Schutz des Lebens vor möglichen Anschlägen sind jetzt notwendig“ (Wiefel, Lukas, 376), überzeugt hingegen wenig, denn sie steht dem Gebot der Feindesliebe in Lk 6,27 vollkommen entgegen. Auch ist Lk 22,51 dann kaum folgerichtig erklärbar. 346 Bartsch, Jesu Schwertwort, 201. 347 Eckey, Lukasevangelium, Bd. 2, 901. Wolter, Lukasevangelium, 718, formuliert ebenfalls sehr allgemein. Jesu Wort kündige an, „was auf Jesus und die Gruppe zukommt: dass es jetzt im wörtlichen Sinne um Leben und Tod geht.“ Dies beziehe sich aber nur auf die Zeit bis zum Tode Jesu, ebd. 348 Vgl. Offb 13,10.

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dem göttlichen Wort entspreche. Auch in Hebr 4,12 ist von Gottes Wort (hier allerdings nicht ῥῆμα, sondern ὁ λόγος) als Schwert, sogar als μάχαιρα δίστομον349 die Rede, allerdings in Überbietung desselben hinsichtlich seiner Schärfe; Gottes Wort ist durchdringend, scheidet Seele und Geist, Mark und Gelenke. Dies führt uns zu Marcellus und Petrus zurück, denn der Dämon des Traumes wird mit dem Schwert zusammengeschlagen, Simon Magus soll von Petrus aber mit dem (göttlich autorisierten) Wort besiegt werden. Die Offenbarung schildert in 1,16 den Menschensohn, aus dessen Mund ein zweischneidiges scharfes Schwert (ῥομφαία δίστομος ὀξεῖα) kommt. Das göttliche Wort, das als Schwert wirkt, wird also auch hier zur Sprache gebracht, ebenso in 2,12.16. Der zweite apokalyptische Reiter trägt eine μάχαιρα μεγάλη (6,4), in 6,8 trägt der Tod ein Schwert, um ebensolchen unter die Menschen zu bringen. Offb 19,15.21 thematisiert noch einmal das Schwert, das aus dem Mund (hier des Reiters auf dem weißen Pferd, 19,11) kommt und das dem Wort Gottes entspricht (vgl. V 13). Es ist dazu da, die Völker zu schlagen (V 15) und die Gottlosen zu töten (V 21). Dass Gottes Wort in so aggressive Metaphern gekleidet wird, ist bemerkenswert und für das Verständnis unseres Traums von großer Relevanz. Wie schon gesagt wurde, besiegt Petrus Simon in dem Rededuell, das am Tag nach dem Traum stattfindet, er besiegt ihn also verbal. Das Traumsymbol des Schwertes muss (theologisch) unbedingt als das scharfe Wort Gottes verstanden werden, das im Traum so martialisch zum Einsatz kommt und auf den nächsten Tag verweist.

4.3.3.3 Das Motiv der Äthiopierin 4.3.3.3.1 Der Traum Perpetuas in Perpetuaakten 10 Ein wichtiger Paralleltext (sowohl inhaltlich als auch vom Setting her) für die Erschließung des Bildes von der tanzenden, in Ketten liegenden Äthiopierin bildet Perpetuaakten 10:350 Am Tag vor ihrem Kampf sieht Perpetua eine Erscheinung. Der Diakon Pomponius tritt zu ihr und führt sie ins Amphitheater, auf den Platz des Kampfes. Er spricht ihr Mut zu351 und sichert ihr zu, sie im Kampf zu unterstützen. Perpetua sieht nun eine große Volksmenge und wundert sich, dass noch kein wildes Tier auf sie losgelassen wurde. Um den direkten Vergleich zu verdeutlichen, sei der weitere Traum aus Kap. 10 zitiert:352 „Es kam aber ein Ägypter heraus, häßlich von Ansehen, der mit seinen Helfern gegen mich kämpfen sollte“. Gleichzeitig wird Perpetua von schön anmutenden jungen Männern gestützt. Sie wird mit Öl eingerieben, der Ägypter hingegen wälzt sich im Sand. „Dann kam ein Mann heraus, gewaltig 349 350 351 352

Vgl. Hebr 11,34. Zu Perpetua und Felicitas s. Bremmer, Art. Perpetua, 178–190. Vgl. den Zuspruch des Marcellus an Petrus nach dem Traum! Übersetzung: Rauschen, Märtyrerakten, 336 f.

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groß, derart, daß er sogar den Giebel des Amphitheaters überragte“. Dieser trägt Kleidung, welche mit Purpur versetzt und mit goldenem und silbernem Schmuck behängt ist; „er trug auch einen Stab wie ein Kampfrichter und einen grünen Zweig, an dem goldene Äpfel hingen. Er gebot Stillschweigen und sagte: ,Wenn der Ägypter da diese überwindet, wird er sie mit dem Schwerte töten; überwindet sie ihn, bekommt sie diesen Zweig. Dann ging er zurück. Wir traten einander gegenüber und begannen den Faustkampf‘“. Nun wird die Kampfszene geschildert (die anmutet wie aus einem Science-Fiction-Film): Perpetua kämpft verbissen, schlägt dem Angreifer ihren Fuß in das Gesicht und schildert, dass sie, regelrecht in der Luft schwebend, den Gegner attackiert: „[D]a fiel er auf das Angesicht und ich trat ihn auf den Kopf. Das Volk fing an zu schreien und meine Beschützer an zu singen; ich aber trat herzu zum Kampfrichter und empfing den Zweig. Er küßte mich und sagte zu mir: ‚Tochter, der Friede sei mit dir!‘ Und ruhmvoll schritt ich zum sanavivarischen Tore hin. Da erwachte ich und erkannte, daß ich nicht gegen die Tiere, sondern gegen den Teufel kämpfen werde; aber ich wußte auch, daß mir der Sieg bevorstand.“ Auch wenn hier von einem Ägypter die Rede ist, klingen ähnliche Motive an: die Hässlichkeit des Gegners, dass er zusammengeschlagen und besiegt wird sowie die Stilisierung desselben als teuflische Gestalt. Das Wälzen im Sand erinnert an das wilde Tanzen der Äthiopierin. Das Traumsetting der Arena ist ebenfalls ähnlich, auch dass der Traum in der Nacht vor einem Kampf geträumt und der Sieg vorweggenommen wird, sowie ein Gefühl der Zuversicht hinsichtlich der bevorstehenden Auseinandersetzung aus dem Traum resultiert. Die Jünglinge scheinen ein Äquivalent zu den Jungfrauen in ActPetr 22 zu sein.353 Habermehl, der in seinem Buch „Perpetua und der Ägypter“ Kap. 10 der Perpetuaakten erforscht hat, widmet sich in einem Exkurs354 speziell dem Thema der dunklen Hautfarbe sowie verschiedenen dunklen Gestalten und Orten (in) der Antike. Seine Befunde sollen im Folgenden (etwas stärker systematisiert) zugrunde gelegt werden.355 4.3.3.3.2 Die Wahrnehmung der Hautfarbe von Ägyptern und Äthiopiern in der Antike Die Hautfarbe der Ägypter wurden in der Antike als dunkler wahrgenommen als die der meisten anderen Völker der damals bekannten Welt. Jedoch ist der 353 Als Unterschied fällt der Apfel an dem Zweig auf. Auch die Schiedsrichterfigur findet sich nicht in ActPetr 22. Hier wäre (hinsichtlich weiterer Forschung) zu überlegen, ob es sich bei ihr um eine (durch den Traum kaschierte) Christusgestalt handelt. 354 Habermehl, Perpetua, 145–160. 355 Wenn Habermehl das Thema auch nicht tiefgehend analysiert, so stellt er den Quellenbefund doch auf prägnante Weise dar, sodass es als sinnvoll erscheint, sich an seinen Ausführungen zu orientieren.

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schriftliche Befund spärlich – im Gegensatz zu Äußerungen über die südlicher lebenden Äthiopier. Die in Aischylos, Suppl., auftretenden Ägypter werden als schwarz charakterisiert (154 f; 719 f; 745; 888). Bei Sueton, Cal. 57,4, wird erzählt, dass für eine nächtliche Theatervorstellung Äthiopier und Ägypter für die Darstellung von Szenen, die in der Unterwelt spielten, vorgesehen waren. Ägyptische Räuber werden aus griechischer Sicht als schwarz wahrgenommen (Achilleus Tatios III 9,2; Heliodor, Aithiop. I 3). In der griechischen und römischen Literatur wird oft zwischen Ägyptern und Äthiopiern nicht scharf getrennt, was die Vorstellung von beiden Völkern teilweise überlagerte. Eine Andeutung der Auffassung, dass Ägypter schwarzhäutig seien, findet sich etwa bei Herodot II 57,2; 104,2, und Diogenes Laertius VII 1. Dabei haben die Bewohner des Nildeltas kaum eine dunklere Hautfarbe als die Nordafrikaner der Mittelmeerküste.356 Habermehl arbeitet also eher die Indifferenz in der Wahrnehmung von Ägyptern und Äthiopiern heraus. In unserem Traum wird aber klar zwischen beiden Völkern unterschieden. Das lässt für ActPetr 22 den Schluss zu, dass sich dort Ägypter als mit dunkler Hautfarbe vorgestellt werden, Äthiopier aber als mit sehr dunkler Hautfarbe. Es findet also weniger eine Unterscheidung als eine Steigerung statt. Einige Belege für die als schwarz empfundene Hautfarbe der Äthiopier seien noch genannt. Aischylos, Prom. 808 f, bezeichnet die Äthiopier als „schwarzen Stamm“357. Herodot II 22,3 berichtet, dass die Äthiopier schwarz aufgrund der Hitze seien (vgl. II 32,7).358 Artemidor schreibt in oneirokr. IV 38: „Alles, was von gleicher Farbe ist, nimmt denselben Ausgang. Jemand, der im Traum einen Äthiopier als Geschenk bekam, erhielt am Tag darauf einen Behälter voll Kohlen.“359 Ein anders gelagertes Beispiel für den Zusammenhang zwischen dem Äthiopierinnenmotiv und der Hautfarbe, unter Hinzutreten erotischer Motive, ist Heliodor, Aithiop. I 4: Charikleia, die Tochter des äthiopischen Königspaares Persinna und Hydaspes, kommt – unerwarteterweise – mit weißer Hautfarbe zur Welt: Sie wird als Kind mit einer äthiopische Schriftzeichen enthaltenden Stirnbinde ausgesetzt aufgefunden. In dieser Binde schreibt Persinna an Charikleia, dass sie ihre Mutter sei. Sie betont die göttliche und halbgöttliche Abstammung ihrer Familie, zu deren Vorfahren u. a. Helios, Dionysos, Perseus und Andromeda gehörten, und dass der äthiopische Palast mit Bildern verziert gewesen sei, worauf „biographische“ Szenen der Vorfahren abgebildet gewesen seien. Im Schlafzimmer hätte ein erotisches Gemälde mit dem Liebespaar Perseus und Andromeda gehangen. Nach zehn Jahren der 356 357 358 359

A. a. O., 145 ff mit Anm. 3; 10; 12. Übersetzung: Bremer (Hg.), Aischylos, 77. Stellen gefunden bei Habermehl, Perpetua, 145, Anm. 2. Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 281. Auch wenn dieser Komplex in dieser Studie nicht bearbeitet werden kann, muss doch die Frage gestellt werden, ob die hier betrachteten antiken Äußerungen über Äthiopier und Ägypter bzw. über deren Hautfarbe nicht nur aus heutiger, sondern auch schon aus damaliger Sicht rassistisch genannt werden müssen.

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Kinderlosigkeit zwischen dem Königspaar Persinna und Hydaspes sei es in einer mittäglichen Ruhestunde zu einer von Hydaspes ausgegangenen Umarmung der beiden gekommen. Dieser habe angegeben, dies aufgrund eines Traums getan zu haben, der ihn hierzu veranlasst habe. Kurz darauf habe Persinna bei sich eine Schwangerschaft festgestellt: „Als ich dich gebar, ein weißes Kind, also von einer Hautfarbe, die den Äthiopiern nicht eigen ist, war mir die Ursache klar: während der Umarmung meines Gatten hatte ich meine Augen auf das Bildnis der nackten Andromeda geheftet […]. Und durch diesen unseligen Zustand hatte mein Kind die Hautfarbe der Heldin bekommen.“360

Wichtig zu erwähnen ist, dass Andromeda nach der Mythologie selbst äthiopischen Ursprungs ist, aber schon in der Malerei der Spätantike mit heller Hautfarbe dargestellt wurde.361 Sie nimmt in der Geschichte (durch das Gemälde) offenbar Einfluss auf die Hautfarbe des Kindes.362 An dieser Stelle ist aus Sicht der Mutter die Farbe Weiß negativ konnotiert. 4.3.3.3.3 Hässlichkeit, schwarze Orte, „dunkle“ Personen und Schwarz als Charaktereigenschaft in der Antike Eine weitere Übereinstimmung von Perpetuas und Marcellus’ Traum ist die Charakterisierung des Gegners bzw der Gegnerin als hässlich. „Als Born des Bösen in der göttlichen Ordnung, dem Kosmos, ist der Teufel häßlich. Gemäß der theologischen Wertung dieses Begriffs in der christlichen Tradition ist er Ägypter als Abbild der gottlosen, gottfernen Welt. In einem ethnisch-psychologischen Sinn ist er Ägypter als einer der ,anders‘ ist. Er entstammt einem fernen, fremden Volk, […] dessen Fremdheit in seiner dunklen Hautfarbe mit Händen greifbar scheint“.363

Die hier genannten Charakteristika und die damit verbundenen Feststellungen finden sich ähnlich auch in unserem Traumtext wieder. Auch unsere Traumfrau wird als hässlich charakterisiert, was sich mit der zweimaligen Nennung als Dämon in ActPetr 22 verbindet. Dazu kommen die dunkle Hautfarbe und ihr wildes Tanzen. Dass sie gottlos und böse ist, wird aber v. a. auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass sie die Kraft Simons und dessen Gottes verkörpert, ja Simon selbst, in dem Sinne, als der für den nächsten Tag angekündigte Kampf, zusammen mit seinem Ergebnis (Simon wird geschlagen), im Traum vorweggenommen wird.364 Dass Simon das Böse und Häreti360 Übersetzung: Reymer, Abenteuer, 322. Vgl. z.St. Bettenworth, Andromeda, 194–211; Baumbach, Meroe-Episode, 333–341. 361 Abenstein, Mythologie, 138; Ziegler, Aithiopika, 74, mit Hinweis auf Philostrat, imag. I 29,3, und Achilleus Tatios III 7,4. 362 Ziegler, Aithiopika, 72. 363 Habermehl, Perpetua, 147 f. 364 Diese Vorwegnahme wird u. a. deutlich am Zeitpunkt des Traums, der kurz vor dem Kampf

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sche repräsentiert, wurde schon mehrfach gesagt. Aber auch der Aspekt des Anderen, der Fremdheit findet sich im Traum (aus Sicht des Verfassers der ActPetr) anhand der dunklen Hautfarbe, auf die dieser Aspekt projiziert wird, und zwar in gesteigerter Form. Denn die Frau wird nicht als Ägypterin bezeichnet (was im Sinne des Zitates oben schon für „Fremdheit“ stehen würde), sondern als Äthiopierin. Insofern ist sie Angehörige eines weit entfernten Landes, sozusagen „noch viel weiter in der Ferne als Ägypten“. Auf Äthiopien als ein solches Land, ja als Phantasieland, kommen wir unten noch zu sprechen. Dass die Traumtexte der Perpetuaakten und der Petrusakten verwandt sein müssen, dürfte spätestens jetzt kaum übersehbar sein.365 Bei den Römern und Griechen galt die Farbe Schwarz als böses Vorzeichen, das Finsternis, Unheil und Schrecken verheißt. Vor allem Schlangen und ihr Gift wurden als schwarz bezeichnet.366 Ovid, met. III 63 f, schildert einen Drachen mit schwarzer Haut bzw. schwarzem Atem (III 75 f). Vergil, Aen. 7,408, berichtet von der Allekto367, die schwarze Flügel habe. Dies bildet eine Brücke zum Bereich „Tod und Unterwelt“, welcher im römischen Gedankengut mit der Farbe Schwarz assoziiert wurde. Lukrez III 966 spricht davon, dass der Tartarus schwarz sei, Horaz bezeichnet Cocytos (carm. II 14,17 f) und Orcus (carm. IV 2,23 f) als schwarz, Ovid wiederum den Styx (met. XI 500). Wichtiger Bezugstext für unser Motiv ist erneut Heliodors Aithiopika, wo in VIII 11 im Traum Äthiopien als das Totenreich gedacht wird.368 Auch die „Bewohner“ der dunklen Orte werden als schwarz beschrieben: der das Höllentor bewachende Kerberos (Horaz, carm. II 13,34), der Fährmann Charon (Valerius Flaccus I 783 f), Bellona (Statius, Theb. VII 72 f) sowie Tisiphone (Silius II 529 f). Die in der Totenwelt herrschenden Proserpina (Horaz, carm. II

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stattfindet, am Traumsetting des Kampfes (s. o., 292, zum Wortfeld des Kampfes) und des Schauplatzes des Kampfes (Menschenmenge; der erhöhte Sitzplatz, der ja im Wachen anhand des Aufbaus der Podeste auf dem Forum schon genannt wurde), aber auch am Ende des Kapitels: Petrus fühlt sich durch den Traum der Fürsorge Gottes versichert, freudig und erquickt, aufgrund des Faktes, dass der Traum den Sieg über Simon Magus vorwegnimmt und Petrus mit diesem Wissen direkt zum Forum aufbricht. Ohne die Frage nach der Verwandtschaft zu vertiefen, spräche die Steigerung des Fremdheitsmotivs für eine Abhängigkeit der Petrusakten oder zumindest des Traumes des Marcellus von den Perpetuaakten (bzw. dem dort geschilderten Traum). Andererseits ist die Gestalt des Teufels in Letzteren sehr viel weiter entwickelt; in ActPetr 22 wird dieser ja nicht genannt, sondern die Dämonin in den Mittelpunkt gerückt. Zur Entwicklung dämonenhaft-dunkler Figuren hin zu Teufelsgestalten s. u. Habermehl, Perpetua, 148. Horaz, carm. III 4,17; Vergil, georg. I 129; Juvenal 5,91 sprechen von schwarzen Schlangen. Dagegen spricht Vergil, Aen. V 87 f, von der Schlange, die Glück verheißt und die nicht schwarz, sondern himmelfarben bzw. golden ist, Habermehl, Perpetua, 148, Anm. 15. Von dieser schreibt Vergil, Aen. VII 329, dass sie von schwarzen Schlangen wimmele, Habermehl, Perpetua, 149. Zu weiteren, düsteren Unterweltsschilderungen s. Vergil, Aen. VI 268–898; Seneca, Herc. f. 662– 829, Habermehl, Perpetua, 149 mit Anm. 17.

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13,21) und Pluto (Vergil, Aen. VI 127 u. a.) sind ebenso schwarz wie die Toten selbst (Horaz, carm. I 24,18). Auch diverse Dämonen sind schwarz (vgl. u. a. Statius, Theb. IV 440 f). Lukian, philops. 31, beschreibt den Geist eines Toten: „Er hatte ein verwildertes Aussehen und lange Haare, auch war er schwärzer als das Dunkel.“369 Diese Charakteristika treffen alle drei auf die tanzende Äthiopierin in unserem Traum zu (vgl. auch Pausanias VI 6,11 und Heliodor, Aithiop. I 1–4). Zuletzt wird der Tod selbst mit der schwarzen Farbe assoziiert (Homer, Il. II 834; Properz IV 11,2; Statius, silv. V 1,155 f u. a.). Hippokrates sagt, dass Schwarz den Tod anzeige (de morb. sacr. 2).370 Wichtige Texte, in denen die Farbe Schwarz in Träumen eine Rolle spielt, finden sich bei Artemidor, oneirokr. V 56: „Es träumte jemand, er reite auf einem schwarzen Ochsen, dieser aber trage ihn nur widerwillig und werfe ihn ab, bevor er ihm sonst einen Schaden zufügen konnte.“371 Artemidor ergänzt, dass die Person den Traum auf einem Schiff geträumt habe. Dieses sei einige Tage nach dem Traum havariert und gesunken; der Träumer konnte gerade so gerettet werden (V 56). In IV 33 wird schwarze Kleidung im Traum mit Unglück assoziiert, weiße hingegen mit Glück. Von Ameisen weiß Artemidor in III 6 zu berichten, dass sie, wenn sie um den Leib des Träumers herumkriechen würden, aufgrund ihrer schwarzen Farbe und ihrer Erdverbundenheit Propheten des Todes seien. Plutarch, Alexander 50,3, berichtet, Alexander habe den ihm untergebenen General Kleitos erschlagen, nachdem er von diesem geträumt hatte – er sei ihm tot und in schwarzen Kleidern erschienen. Dieser Beleg ist eine wichtige Parallele zum Traum des Marcellus, da das Motiv der dunklen Gestalt im Traum hier ebenso begegnet, wie das Töten dessen, von dem (bzw. von der) geträumt wurde (wiederum mit dem Unterschied, dass Alexander erst nach dem Traum tötet, die Äthiopierin aber schon im Traum getötet wird; aber das Vernichten des Simon Magus durch Petrus im dem Traum folgenden Duell kann mit dem Töten des Generals durch Alexander gleichgesetzt werden). Ähnlich erscheint Septimius Severus ein Äthiopier, welcher dessen baldigen Tod anzeigt (Historia Augusta, Sept. Sev. 22,4 f).372 Die Interpretation des Schwarzen als des Bösen ist für unseren Traum sicherlich von hauptsächlichem Belang. Dennoch sind die Konnotationen des Ersteren mit dem Tod nicht zu vernachlässigen. Eine tiefenpsychologische Deutung wird sein, dass sich Petrus373 (unbewusst und im Sinne der Verschiebung Freuds) den Tod der dunklen Frau (und damit Simons374) wünscht. Die Verschiebung geschieht hier, indem nicht Petrus, als frühchristliche Idealfigur, dies träumt, um sich nicht mit einer Tat zu kompromittieren, die einer 369 370 371 372 373 374

Übersetzung: Mras, Lukian, 459. Habermehl, Perpetua, 151 f mit Anm. 24. Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 333. Habermehl, Perpetua, 152. D. h., Petrus auf der Textebene, eigentlich aber der Verfasser des Traums. Bzw. der oder das, für den bzw. für das Simon steht, wen oder was dieser repräsentiert.

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christlichen Ethik widersprechen würde, sondern Marcellus. Gleichzeitig wird aufzuzeigen sein, dass (nach Jung) diese Wunscherfüllung auf der Subjektstufe zu interpretieren ist, und, im Sinne des Schattens (und die Frau ist zweifelsohne ein solcher), „Petrus“ einen nicht gelebten bzw. verdrängten Persönlichkeitsanteil (der sich als Schatten zeigt) eliminieren und sich ihm nicht stellen will. Die durch den Enkratitismus abgelehnte Sexualität zeigt sich im Traum umso schärfer anhand der schmutzigen, tanzenden und in Ketten gelegten schwarzen Frau, wobei deren drei Attribute recht eindeutig als sexuell konnotierte Motive zu verstehen sind. Anders gesagt: Da der Enkratitismus verbietet, Sexualität auszuleben, zeigt sie sich, als menschliche Grundkraft, kompensatorisch im Unbewussten, muss aber, um der sexuellen Askese gerecht zu werden, gleichzeitig „umgebracht“ werden. Die schattenhafte Frau, die in diffamierender Art und Weise als Äthiopierin bezeichnet wird, verhält sich, zumindest in tiefenpsychologischer Hinsicht, sexuell zügellos und zeigt eine nicht gelebte Seite früher Christen; die vermeintliche Traumlösung (nämlich das martialische Vernichten) verschärft nur die einlinige Herangehensweise des Autors der Akten und damit den Komplex, der mit der Verdrängung der Sexualität (und natürlich Aggressivität) einhergeht. Dieser Komplex lädt sich gleichsam immer mehr auf, ohne eine Abfuhr der in ihm enthaltenen libidinösen Energie zu erleben. Es wäre zu fragen, ob diese unbewusste Verdrängung (bzw. die Verdrängung ins Unbewusste) schlussendlich nicht einer der tieferen Gründe für das letztliche Scheitern des Enkratitismus war. Zuletzt muss kurz darauf hingewiesen werden, dass die Farbe Schwarz auch negative Charakterzüge bzw. den Charakter generell beschreiben kann (vgl. Mark Aurel IV 28). „Schwarz wird zum Synonym für Bosheit und Schlechtigkeit. Der schlechte Charakter eines Menschen wird kurz signalisiert, indem man ihn schwarz nennt“.375 Cicero, Caecin. 27, beschreibt die Moral eines Gegners als schwarz.376 Dies ist für unseren Traum besonders interessant – sind Petrus und Simon doch ebenfalls in gewisser Weise Prozessgegner (in einem öffentlichen verbalen Wettstreit). Die Schwärze, d. h. die dunkle Hautfarbe der Äthiopierin, soll die charakterliche Verkommenheit Simons deutlich machen,377 die sich auf der tiefenpsychologischen Deutungsebene aber, im Sinne des psychischen Mechanismus der Übertragung, als Projektion unbewusster dunkler oder aggressiver Persönlichkeitsanteile des Autors des Traums auf diese Figur herausstellen muss.

375 Ebd. So etwa Horaz, serm. I 4,85; Martial X 3,9; Ovid, am. I 13,31 f, Habermehl, Perpetua, 152, Anm. 27; 153. 376 A. a. O., 153, Anm. 28. 377 Zur Farbe Weiß als Farbe des „Guten“ und der charakterlichen Vorzüge s. a. a. O., 153, Anm. 29 mit Belegen.

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4.3.3.3.4 Äthiopier im Alten Testament und im Neuen Testament Als Vokabeln wären in Bezug auf LXX und NT Αἰθιοπία für das Land, Αἰθίοψ für den Äthiopier und Αἰθιόπισσα für die Äthiopierin zu nennen. Das hebräische Pendant zu Äthiopien lautet ‫כוש‬, der Einwohner Kuschs ‫כושי‬. Den letzten beiden Begriffen wollen wir uns kurz widmen. Kusch bezeichnet im Altägyptischen die Gegend unterhalb des zweiten Nilkataraktes. Später, im Neuen Reich, wird damit das gesamte Obernubien bezeichnet. Das Territorium von Kusch wird bei den Griechen Äthiopien genannt.378 Äthiopien bezeichnet also das heutige südliche Ägypten bzw. den Sudan.379 In Gen 2,13 ist von dem zweiten der vier Unterströme des aus Eden entspringenden Stroms die Rede, vom Gihon, der um das ganze Land Kusch fließt.380 In der Völkertafel in Gen 10,6 ist Kusch der älteste der Söhne Hams und Enkel Noahs (V 1).381 Im Lande Kusch gab es bedeutende Vorkommen an Gold, außerdem lieferte es Elfenbein, Ebenholz und Weihrauch (vgl. Jes 45,14; Hi 28,19) – alles Gegenstände bzw. Erzeugnisse, die in Ägypten begehrt waren. Auch Sklaven aus Kusch, die am Pharaonenhof tätig waren, sind wichtig zu erwähnen. Auf diese Weise wurden Kuschiten ebenfalls in nördlicheren Gebieten ansässig (s. z. B. Num 12,1, die Frau des Mose; 2Sam 18,19–31).382 Jer 13,23 ist dabei die einzige atl. Stelle, die die (dunkle) Hautfarbe der Einwohner Kuschs betont.383 Eine weitere geographische, aber auch politische Nähe von Ägypten und Kusch machen Ps 68,32; Jes 20,3 ff; Nah 3,9 u. ö. deutlich. So kämpfen Kuschiten in Jer 46,9 („die Helden“) mit Ägypten gegen Babylon. Es existieren weitere Anhaltspunkte dafür, dass Kusch nicht nur Herkunftsort von Sklaven, sondern selbst mächtiges Reich war. So eroberte Pianchi384 727 v. Chr. für kurze Zeit das Nildelta. „In der 25. ägyp. Dynastie (716–656 v. Chr.) – u. a. mit dem Pharao Tirhaka, der gemeinsam mit Hiskia gegen die Assyrer kämpfte (2Kö 19,9; Jes 37,9) – besaß K. die Oberherrschaft über ganz Ägypten“, daher sei der Fremdvölkerspruch in 378 Lohwasser, Art. Kuschitenzeit, 1. 379 Anders definiert Zwickel, Art. Kusch, Kuschiter, 783: „Antike Bezeichnung für das südlich an Ägypten angrenzende Gebiet, das damalige Nubien und heutige Äthiopien.“ Es müsste aber eher heißen: der heutige Sudan (auch wenn sich das Kuschiterreich evtl. auch bis in das heutige Äthiopien erstreckt hat, Kiesow, Schwarz, 135). Weiterhin spricht Zwickel, Art. Kusch, Kuschiter, 783, vom ersten Nilkatarakt als Nordgrenze Nubiens, unter Heranziehung von Ez 29,10. Den ersten Nilkatarakt als Grenze sieht auch Görg, Art. Äthiopien, 57. 380 Görg, ebd., sieht hier durch Kusch die südlichste Weltgegend repräsentiert. Leutzsch, Geschichten, 128, denkt beim Gihon vorsichtig an den Nil. Eine genaue geographische Einordnung liegt aber kaum im Interesse der Verfasser von Gen 2,13. 381 Kusch selbst hatte folgende Söhne: Seba, Hawila, Sabta, Ragma und Sabtecha (Gen 10,7), des Weiteren Nimrod (V 8), vgl. 1Chr 1,9 f. 382 Görg, Art. Äthiopien, 57. 383 Auch wenn die dunkle Farbe der Haut nicht explizit erwähnt wird, sondern sich lediglich aus dem Zusammenhang des Verses ergibt. 384 Vgl. zur Person Breyer, Art. Pije/Pianchi. Seine Regierungszeit ist mit 746–715/713 v. Chr. anzugeben, a. a. O., 1. Vgl. ferner Lohwasser, Art. Kuschitenzeit, 2.2.

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Jes 18 auch gegen Kusch gerichtet.385 Dieser Abschnitt wird auch als Kuschitenzeit bezeichnet.386 In Jes 18,2.7 ist die Rede davon, dass die Kuschiten gefürchtet seien, ein mächtiges Volk, ‫ממשׁך ומורט‬. Ob mit letzterer Bezeichnung die dunkle Hautfarbe gemeint ist, ist in der Forschung umstritten.387 Der einzige ntl. Beleg findet sich in Apg 8,27:388 der Äthiopier, dem Philippus begegnet. Dass er Eunuch und mächtiger königlicher Beamter ist, soll hier nicht weiter interessieren, sondern die Frage nach seiner konkreten Herkunft. Die Rede ist von der Kandake, der Königin der Äthiopier. Nach Pesch lag das hier bezeichnete Königreich am oberen Teil des Nils und hatte als Hauptstadt Meroe. Die Königinnen aus Meroe hätten für gewisse Zeitabschnitte für deren Söhne die Herrschaft übernommen und seien als „Kandake“ bezeichnet worden. Dies hätte dazu geführt, das dieser Titel als Eigenname missinterpretiert wurde.389 Pervo hingegen meint, dass das in Apg 8 genannte Äthiopien nicht das historische Königreich der Meroe bezeichne. Der Fokus liege vielmehr auf dem Äthiopien „as the legendary land of romance, an exotic region whose inhabitants enjoyed that utopian existence available to those noted for their exemplary piety.“390 Möchte man Äthiopien hier geographisch fixieren, so am ehesten als Enden der Erde.391 Ähnlich beschreibt auch Görg Äthiopien (aus der Sicht der Griechen und anschließend an Homer) als „Bereich eines mythischen Urvolks am Rande der Zivilisation, das mit den Göttern verwandt und vom Aufgang des Sonnengottes gezeichnet erschien.“392 Folgt man der Einschätzung Pervos, ergeben sich aus Apg 8,27 zwei Aspekte, die sich erhellend auf unseren Traumtext auswirken: 1. Die tanzende Äthiopierin im Traum ist eine Gestalt, die einem eher fabulösen Land entstammt (was wiederum dem Setting des Traums am deutlichsten entspräche), und 2. werden Äthiopier in antiken Texten nicht nur mit dunklen oder dämonischen, sondern auch mit positiven Attributen dargestellt (der Kämmerer ist, wenn nicht Proselyt, so doch Gottesfürchtiger393, interessiert an den atl. Schriften [V 28.30.34] und schließlich begierig, Christ zu werden [V 36]). 385 Görg, Art. Äthiopien, 57. 386 Lohwasser, Art. Kuschitenzeit, 1. 387 Kessler, Ägyptenbilder, 30, liest darin den „Stolz der dunkelhäutigen und im Vergleich zu den durchschnittlichen Ägyptern hünenhaften Nubier.“ Kiesow, Schwarz, 137, meint dagegen: „Wie immer man das hebräische Hapaxlegomenon in Jes 18,2 auch übersetzen mag: ,Schwarz‘ oder ,dunkel‘ bedeutet es mit Sicherheit nicht.“ 388 Bauer, Wörterbuch, 41. 389 Pesch, Apostelgeschichte, Bd. 1, 291, Anm. 29. Für Meroe votiert auch Leutzsch, Geschichten, 128. 390 Pervo, Acts, 221. 391 Ebd. Dieses Verständnis spiegele sich nach Pervo, ebd., auch in biblischen Texten wie Jes 18,1–7 und Lk 11,31 wider. 392 Görg, Art. Äthiopien, 57. Vgl. auch die ägyptischen Herrscherbezeichnungen für den Vizekönig von Nubien als „Königssohn und Vorsteher der südlichen Fremdländer“ bzw. (ab Thutmosis IV.) „Königssohn von Kusch und Vorsteher der südlichen Fremdländer“ (Säve-Söderbergh, Art. Kusch, 890). 393 Pesch, Apostelgeschichte, Bd. 1, 291.

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4.3.3.3.5 Die Farbe „Schwarz“ im Alten Testament und im Neuen Testament ‫ שחור‬steht für die Farben, die braun, dunkelbraun oder schwarz wahrgenommen werden. Hinter Pinhas in Ex 6,25 (‫ )פינחס‬verbirgt sich vermutlich ein ägyptischer Name in der Bedeutung „der Dunkelhäutige“ bzw. „der Nubier“.394 In Jes 19,6 bezeichnet Schwarz die Farbe absterbender, vertrocknender Pflanzen (hier allerdings anhand des Verbs ‫)קמל‬, in 33,9 steht sie für die Scham gegenüber Jahwe (ebenfalls anhand von ‫)קמל‬. In Jer 13,23 – die Stelle wurde schon angesprochen – wird rhetorisch gefragt, ob ein Kuschiter (‫ )כושי‬seine Hautfarbe ändern könnte – in dem Falle könnte auch Jerusalem gute Taten hervorbringen, das doch aber böse Taten gewöhnt sei. Hier wird nicht nur die dunkle Farbe dem Tun des Bösen gleichgestellt; dunkle (Haut-)Farbe wird hier zumindest in den Gedankenzusammenhang zwischen hell, als das Gute, und dunkel, als das Böse, gebracht. Hi 10,21 f beschreibt einen Hades, der schwarz, d. h. dunkel ist. Schwarz als Farbe des Unheils kennt auch Sach 6,2.6. Besonders hervorzuheben ist Hld 1,5: Die Geliebte bezeichnet sich als schwarz, in 1,6 als schwärzlich (‫)שחרחר‬, gebräunt durch die Sonne.395 Im NT existieren nur drei Stellen zu niger/μέλας. Im Schwurverbot bei dem eigenen Haupt in Mt 5,36 kann nicht ein Haar weiß oder schwarz gemacht werden. Offb 6,5 beschreibt den dritten apokalyptischen Reiter auf einem schwarzen Pferd sitzend, mit einer Waage in der Hand. Hier steht die Farbe eindeutig für einbrechendes Unheil. Gefahrvoll-apokalyptische Zustände werden in 6,12 f nach Öffnung des sechsten Siegels beschrieben: Wenn die Sonne schwarz wird, heißt das, dass alles Licht verschwindet (auch die Sterne in 6,13 leuchten nicht mehr) und absolute Finsternis herrscht. Dass der Satan bzw. dämonische Mächte als dunkle Gestalten gedacht werden, kommt im NT selten zum Ausdruck. Ein Beleg findet sich etwa in Eph 6,12 (vgl. Apg 26,18). In 2Kor 11,14 ist davon die Rede, dass der Satan sich, zum Zweck der Tarnung, in einen ἄγγελον φωτός verwandeln kann. Hier ist (s)eine eigentlich dunkle Gestalt zumindest angelegt. In Lk 10,18 wiederum wird der Satan mit einem hellen Blitz verglichen. 394 Dieckmann-von Bünau, Art. Farben, 2.4. 395 Etwas problematisch ist bzgl. V 5 die Textbasis im Hinblick auf die Übersetzung. Im Hebräischen steht eindeutig ‫שחורה אני ונאוה‬. So übersetzt die LXX ebenfalls mit καί. Die Vulgata hingegen übersetzt mit „aber“ (nigra sum sed formosa): „Es ist Hieronymus christliche Übersetzung, die mit […] ,schwarz bin ich, aber schön‘ einen Gegensatz konstruiert. Dieser Gegensatz von ,schwarz‘ und ,schön‘ hat im westlichen Christentum Karriere gemacht, bis in heutige Bibelübersetzungen hinein.“ (Leutzsch, Geschichten, 133). Vgl. aber die Lutherübersetzung (2017) z.St. Sicher liegt Leutzsch ganz richtig, wenn er an den ursprünglichen hebräischen Text erinnert. Er bezieht aber m. E. den folgenden Vers nicht genügend mit ein. Wenn Hieronymus also „einen Gegensatz zwischen Farbe und Schönheit konstruiert“ (Leutzsch, Geschichten, 133), dann doch am ehesten von V 6 her und um den Übergang zwischen V 5 und V 6 zu glätten.

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4.3.3.3.6 Äthiopier und dunkle Gestalten in den christlichen Apokryphen und der frühchristlichen Literatur396 In ActPetr 8 beschimpft Petrus den Satan, droht ihm mit seiner Vernichtung und verflucht ihn u. a. mit den Worten: „Gegen dich möge sich kehren deine Schwärze397 […], Abgrund der Finsternis! Deine Finsternis, die du hast, sei mit dir und mit deinen Gefäßen, die du besitzest. […] Behalte du für dich deine Tore der Finsternis“.398 ApkPetr 21 berichtet in einer Vision von einem höllenartigen, sehr dunklen Ort, an welchem Personen von Engeln bestraft werden. Beide Personengruppen tragen dunkle Kleider, selbst auf die Luft, die dort herrscht, scheint die Dunkelheit überzugehen. In Barn 4,10 wird der Teufel ebenfalls als schwarz charakterisiert. Der bedeutendste Bezugstext für das Deuten unseres Traumes wurde im ersten Teil der Arbeit schon aufgeführt (ActAndr 22): Dieser Bericht beinhaltet das Motiv des Äthiopiers ebenso wie das Gewaltmotiv (die Gewalt wird dieses Mal von Seiten der dunklen Gestalten ausgeübt). In den Thomasakten erweckt der Apostel eine tote junge Frau zu neuem Leben. Diese erzählt darauf ihre (postmortalen) Erlebnisse in Form einer Höllenfahrt (Kap. 55): „Ein Mensch empfing mich, von Ansehen häßlich, ganz schwarz; sein Kleid aber war sehr beschmutzt. Und er führte mich an einen Ort, an dem viele Klüfte waren, und viel übler Geruch und sehr häßliche Ausdünstung verbreitete sich von dort.“399

Hier finden sich wesentliche Motive unseres Traumes vereint: eine schwarze Person, die hässlich ist und beschmutzt (wenn man hier die Lumpen der Äthiopierin im Traum gleichsetzen darf). Ähnlich wie in ApkPetr 21 wird die üble Luft erwähnt. In ActThom 64 ist von zwei weiteren dunklen, dämonischen Gestalten die Rede, diesmal mit sexuellen Motiven verbunden: Die Frau eines indischen Oberst, der Thomas um Hilfe bittet, erzählt, dass sie mit ihrer Tochter auf dem Weg zu einer Hochzeit gewesen sei, als ihr an der Wasserversorgungsleitung plötzlich ein schwarzer Mann gegenüberstand mit einem Jungen, welcher dem Mann ähnelte. Sie verspottete die Männer als hässlich, dabei werden deren weiße Gebisse und die rußartigen Lippen erwähnt. Die beiden Frauen verließen den Ort und die beiden seltsamen Gestalten und gingen ihres Weges. Als sie nach der Hochzeit im Dunkeln wieder an der Wasserleitung eintrafen, begegneten ihnen die zwei dunklen Männer erneut. Trotz dass Mutter und Tochter die Flucht ergriffen, wurden sie von den beiden Männern gepackt und 396 Das Folgende, abgesehen von den psychologischen Gedankengängen, weitgehend nach Habermehl, Perpetua, 54–60. 397 nigritudo tua, Lipsius (Hg.), Acta, 56. 398 Übersetzung: Schneemelcher, Petrusakten, 267. 399 Übersetzung: Drijvers, Thomasakten, 326.

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geschlagen. Als der Oberst von seiner Frau erfuhr, was vorgefallen war, tauchten die beiden männlichen Gestalten (die von ihm als Dämonen bezeichnet werden) erneut auf und warfen die Frauen zu Boden. Der Ehemann ist in großer Not, den Frauen ist es nicht mehr möglich, das Haus verlassen und sie müssen eingeschlossen werden: „Denn sie werfen sie nieder, wo sie sie finden und entblößen sie.“400 Es kommt hier also zu einer Verbindung dämonischer Kräfte mit sexueller Aggression. Dass es sich dabei um verdrängte, also unbewusste Sexualität und Aggressionen handelt, wird in ActThom 64 dadurch deutlich, dass die Dämonen sich zeigen, wenn die beiden Frauen der Wasserleitung nahekommen. Wasser gilt als ein zentrales Symbol des Unbewussten.401 Dass Thomas Mutter und Tochter exorzieren wird (Kap. 75), löst das Problem der Verdrängung sexueller Energie (das sich im Text ausdrückt, aber auf die Verdrängungen der Verfasser- und Leserschaft hinweist) mitnichten, sondern verstärkt es vielmehr. Zwar werden die Dämonen ausgetrieben, aber der zugrundeliegende psychische Komplex (das heißt der „Überfall“ der Seele auf den Menschen anhand des von ihm Verdrängten [in dem Sinne, dass die Frauen von den schwarzen Männern überfallen werden])402 wird nicht aufgelöst, sondern lediglich theologisch gedeutet. In Athanasius, v. Anton. 6, erscheint der Teufel als „schwarzer Knabe“, der sich „ein Freund der Unzucht“ nennt und Antonius vergeblich versucht zu verführen.403 Auch hier ist dämonische Macht mit sexueller Kraft verbunden. „Cassian kennt mehrere Geschichten, in denen ein häßlicher Äthiopier (Aethiops taetrus) Mönche verwirrt und in Versuchung oder gar Wahnsinn (dementia) stürzt, und welcher sich in der Folge als ,scheußlichster Dämon‘ oder aber als der Teufel selbst herausstellt.“404

Palladios, Laus. 23,5, berichtet von dem Mönch Pachon, der im Kampf mit seiner sexuellen Lust liegt, und vom Teufel versucht wird, der ihm als äthiopisches Mädchen erscheint. Diese körperliche Vision setzt bei ihm so starke sexuelle Erregung frei, dass er meint, er hätte Geschlechtsverkehr mit der jungen Frau. Daraufhin ohrfeigt er die visionäre Gestalt, worauf sie verschwindet. Seine Hand habe aufgrund dieses Vorkommnisses für zwei Jahre widerwärtig gerochen. Es erscheint, vor dem Hintergrund des Enkratitismus, nicht zu abwegig, die „Kraft Simons“ („alle Kraft Simons und seines Gottes ist diese, welche tanzt“), von welcher im Traum die Rede ist, letztlich als Libido zu deuten. Wenn dies 400 Übersetzung: a. a. O., 329. 401 von Franz, Individuationsprozeß, 174, vgl. 198. 402 Es ist auffällig, dass Mutter und Tochter in den Dämonen Pendants haben: Es wird extra darauf hingewiesen, dass der schwarze Junge dem Älteren ähnlich sieht. Wir haben es hier mit einer Schattenkonstellation zu tun, bei der Mutter und Tochter, als Menschen, Vater und Sohn, als Dämonen, entsprechen. Letztere beide verkörpern das Unbewusste und Verdrängte. 403 Übersetzung: Gemeinhardt (Hg.), Vita Antonii, 127. 404 Habermehl, Perpetua, 159, mit Belegen in Anm. 38.

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zutrifft, ist die von der Dämonin verkörperte Energie nichts weiter als die verdrängte sexuelle, aber auch aggressive Kraft des Petrus (bzw. derer, die sich anhand des Textes mit ihm oder mit dem, was er repräsentiert, identifizieren).

4.3.4 Tiefenpsychologische Deutungsversuche von ActPetr 22 Drei Deutungsansätze sollen verfolgt werden: 1. Der unbewusste Wunsch nach sexueller Ausgelassenheit und Zügellosigkeit mit masochistischen Tendenzen und mit der Traumzensur des Tötens des Dämons (nach Freud); 2. die Frage nach im Traum sich zeigenden ungelebten Seiten der Psyche in Form des Schattens (Sexualität, Aggression, Macht) (nach Jung); 3. der unbewusste Wunsch des Petrus (d. h. des Verfassers des Traums), einen frühchristlichen Irrlehrer (Simon Magus [und damit die eigene Schattenseite]) zu vernichten, auch im Sinne frühkindlicher Konkurrenz405 (nach Freud und Jung). 1. Gemäß der freudschen Theorie, dass sich im Traum die Erfüllung eines unbewussten, genauer: verdrängten Wunsches zeigt, kommt durch die Darstellung der tanzenden, lumpigen, wilden und mit Ketten behängten Frau, die als mit dunkler Hautfarbe beschrieben wird, der Wunsch nach ungezügelter Auslebung sexueller Triebkraft zum Ausdruck. Die enkratitische Verneinung der Sexualität, als einer der Grundkräfte des Lebens, die Freud als Libido bezeichnete,406 und die Jung in „Wandlungen und Symbole der Libido“ auf alle psychischen Lebenskräfte ausweitete,407 bewirkt das Verlangen nach eben dem Verbotenen. Die Unterdrückung bewirkt als Reaktion und Gegeneffekt die masochistischen Züge unseres Traumes. Der Traum schildert eine durchaus verzerrte und extrem gewaltsame Sexualität (Ketten, wilder Tanz). Sie ist „schmutzig“ (Lumpen), und zwar in dem Grade, wie sie durch den Enkratitismus verdrängt wird. Das heißt etwas verkürzt: Aggressive Bekämpfung des 405 S. dazu Freud, Traumdeutung, 271. 406 Zur Einführung in den Begriff unter freudianischer Sichtweise s. Pawlowsky, Art. Libido, 407 f; ausführlich zu Freuds Sicht von Trieb und Libido s. Nagera, Grundbegriffe, 19–283; Auchter/Strauss, Psychoanalyse, 102 f; Nitzschke, Psychoanalyse, 44–47. Zum Begriff bei Freud s. Freud, Libidotheorie, 427–446. 407 Als Libido beschreibt er „die treibende Kraft unserer eigenen Seele […], deren Wesen es ist, Nützliches und Schädliches, Gutes und Böses hervorgehen zu lassen.“ (Jung, Wandlungen, 123 f). Dabei definiert Jung den Begriff nicht eindeutig, er ist „nach C.G. Jungs Definition inhaltlich unbestimmt. Libido ist nicht meßbar, lediglich subjektiv bewertbar als Affektqualität oder psychische Intensität. Nicht an sich erfahrbar, zeigt sie sich in der Lebenswirklichkeit aktuell als Kraft (z. B. als Trieb, Wünschen, Wollen, Arbeitsleistung) bzw. potentiell als Kondition (z. B. als Möglichkeit, Bereitschaft, Einstellung).“ (Kunz, Art. Energie, psychische, 163). Die Libido ist nach Jung, Wandlungen, 126, als eine schaffende Kraft zu charakterisieren. Zum Begriff in jungscher Denkweise s. ausführlich a. a. O., 123–174.

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Verbotenen bewirkt aggressive Träume vom Verbotenen. Hier kommt der kausale Ansatz Freuds zur Geltung. Im Traum (als Ort der Entgrenzung des Unbewussten und Verdrängten) zeigt sich die sexuelle Libido auf gewaltsame, einseitige Weise. Die als schwarz und dämonisch charakterisierte Frau ist hier nicht mehr nur Stereotyp einer Exotin (aus Sicht des Verfassers!), sondern, im Spiegel des Traums betrachtet, Ausdruck eines Maximums an Verdrängung libidinöser Energie und Gehemmtheit dieser gegenüber. Letztere kommt, auch wenn dies paradox klingen mag, dadurch zum Ausdruck, dass sich das (bzw. die) Traumgegenüber nicht zu ihr im Traum beziehungshaft ins Verhältnis setzen, sondern die dämonische Gestalt kurzerhand brutal umbringen. Darauf kommen wir noch zurück. Das Szenario, wie es sich in unserem Traum darstellt, erinnert durchaus an das, was Freud einen Exhibitionstraum nannte. Bei einem Traum, in dem Nacktheit eine entscheidende Rolle spielt, kommt Freud zu dem Ergebnis, dass dieser nicht nur ein regelmäßig auftretendes Traummotiv enthalte, sondern letztlich nichts anderes sei als ein Exhibitionstraum.408 „Den Kern des Exhibitionstraumes bildet die eigene Gestalt, die nicht als die eines Kindes, sondern wie in der Gegenwart gesehen wird, und die mangelhafte Bekleidung, welche durch die Überlagerung so vieler späterer Negligéerinnerungen oder der Zensur zuliebe undeutlich ausfällt“.409

Zwar wird das Motiv der Nacktheit im Traumtext nicht erwähnt. Dass aber die Lumpen, die die Frau im Traum trägt, implizieren, dass es sich um eine „mangelhafte Bekleidung“ handelt, dürfte durchaus nicht abwegig sein. Zudem sind, neben „Lumpen“ auch die Übersetzungen „Lappen“ bzw. „ein Stückchen Tuch“ möglich.410 Wofür aber steht an dieser Stelle ein Exhibitionstraum? Auch hier ist der Wunsch „Vater des Gedankens“ (im wahrsten Sinn des Wortes). Oder anders gesagt: Petrus (als Vertreter sowohl der Verfasser- als auch der Leserschaft des Traums) wünscht sich unbewusst eine Entkleidung dessen (bzw. derer), der (bzw. die) als „Gegner(in)“ empfunden wird. Dass wir hier von Petrus und nicht von Marcellus sprechen, hat seinen Grund in der freudschen Verschiebung; dies wurde oben schon erläutert. Zwar ist Marcellus der Träumer, Petrus aber ist der Gegner des Simon Magus am nächsten Tag bzw. der Äthiopierin im Traum. Warum aber sollte sich Petrus die Entkleidung des Gegenspielers wünschen? Zwei Möglichkeiten ergeben sich. Zum einen wäre dies der Wunsch, dass die sich im Traum feindlich zeigende Person sich entblößen muss, im Sinne von „bloßgestellt werden“. Die durch die Frau verkörperte Sexualität, die die Enkratiten ablehnen, würde auf diese Weise (und in personifizierter Form) für alle, die den Traum lesen, öffentlich (verdeutlicht durch die Traumszenerie des Schaukampfes und die Nennung des 408 Freud, Traumdeutung, 264. 409 Ebd. 410 Georges, Handwörterbuch, Bd. 2, 3492.

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Forums) diskreditiert. Insofern die tanzende Dämonin Simon Magus verkörpert, was sich vom Kontext her ja sehr nahelegt, würde dieses öffentliche Bloßgestelltwerden dann für den bevorstehenden Kampf am Tag nach dem Traum in Bezug auf Simon Magus gewünscht. Oder einfacher gesagt: Letzterer soll im kommenden Rededuell vor versammelter Menge blamiert werden. Die zweite Möglichkeit geht in eine andere Richtung. Die Nacktheit der Dämonin (als Fortführung des Motivs der mangelhaften Bekleidung) wird gewünscht, um sich mit ihr vereinigen zu können. Der Wunsch nach sexueller Vereinigung mit einer dermaßen negativ, ja abstoßend dargestellten Gestalt ist aber, aus Sicht des freudschen Über-Ich so empörend und anstoßerregend, dass er sich im Traum nicht unzensiert zeigen kann. Er schimmert aber im Symbol des Schwertes durch, das dann eindeutig als Phallus interpretiert werden muss, und im „Zusammenhauen“ der Äthiopierin. Dabei hat der sich hier maskiert zeigende Sexualakt, wie schon mehrfach gesagt, ausgesprochen aggressiven Charakter. Deutlicher gesagt: Mit dem Phallus(schwert) wird nicht ein Mal „zugestochen“ (die obszöne Doppeldeutigkeit spricht hier für sich), sondern viele Male und auf heftigste Weise. Der Traum des Marcellus ist aber in diesem Sinne nicht ein einfacher Sexualtraum. Er verkörpert vielmehr den Wunsch nach Vereinigung mit der Sexualkraft per se, d. h., den Wunsch nach Absorption eines Maximums an libidinöser Energie. Ein weiteres Motiv, das kurz erwähnt werden muss, ist das der Jungfrauen, auch wenn sie letztlich nicht im Traum vorkommen, sondern nur als „Tross“ des Petrus und Marcellus erwähnt werden. Sie befinden sich betend im Hintergrund und umspannen die Situation im Text (und letztlich auch den konkreten Traum) durch ihre Anwesenheit. Warum sie zu beachten sind, ist darin begründet, dass sie die Antipode zu der Äthiopierin bilden und im Text die Funktion eines weiteren Traumzensors innehaben. Der Verfasser hat sie unbewusst an dieser Stelle platziert, um zu unterstreichen, dass Petrus und die Seinen eine ganz und gar keusche Lebensweise führen. Sie sollen die eben herausgearbeiteten unbewussten und durchweg unkeuschen Wünsche zusätzlich maskieren und letztlich von ihnen ablenken. Denn wer zusammen mit Jungfrauen lebt, kommt nicht in den Verdacht, (nach enkratitischem Denken) unzulässige sexuelle Triebwünsche zu verfolgen. Trotz der hier angeführten Deutungen ist letztlich nicht sicher zu klären, auf wen sich der Traum bezieht. Ein historischer Kern, also ein realer Traum des Marcellus (oder einer anderen Begleitperson des Petrus), der in Grundzügen literarisch bewahrt und überliefert wurde, ist denkbar. Wahrscheinlicher ist aber, dass sich hier die unbewusste Seite des Verfassers oder der Verfasser dieses Teils der Petrusakten zeigt. Selbst wenn der Traum nur literarische Fiktion ist, ist der Verfasser nicht von den Gesetzmäßigkeiten unbewusster Psychologie ausgeschlossen. Dies kommt vor allem dadurch zum Ausdruck, dass die schwarze Frau, im Sinne der Traumzensur, „zusammengehauen“ wird: Das Geträumte (oder auch nur Erdachte) ist von solcher Heftigkeit, dass es einer Verneinung, einer Vernichtung – eben einer Zensur – bedarf. Diese

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drückt sich dadurch aus, dass, kaum dass sich die verdrängte sexuelle Energie gezeigt hat, sie neutralisiert wird: Die Letzteres verkörpernde Figur der tanzenden Äthiopierin wird getötet, mehr noch, sie wird so zerstückelt, dass von ihr faktisch nichts übrig bleibt. Mit einiger Wahrscheinlichkeit darf angenommen werden, dass unser Traum ein exemplarischer eines Enkratiten bzw. einer Enkratitin gewesen sein könnte. Die Frage nach der konkreten Herkunft bzw. Adressierung unseres Traumtextes würde zumindest in tiefenpsychologischer Hinsicht dadurch relativiert. 2. Der zweite Deutungsansatz führt entlang dessen, was wir bisher als Schatten bezeichnet haben. Er verkörpert, wie schon dargestellt wurde, nicht nur dunkle, sondern vielmehr ungelebte Persönlichkeitsanteile und hat eine komplementäre Funktion. Eine solche Schattenfigur ist die Äthiopierin. Eigenschaften und Persönlichkeitsanteile, die im bewussten Leben nicht berücksichtigt oder gar vernachlässigt werden, zeigen sich im Traum und streben nach einem Ausgleich (konkretisiert, d. h. personifiziert durch eine Schattenfigur). In der Äthiopierin bündeln sich unbewusste und nicht gelebte Anteile früher Christinnen und Christen (seien es nun Petrus und Marcellus oder aber Verfasser und Leser der Petrusakten). Neben dem Wunsch nach dem Ausleben verbotener Sexualität gehört dazu das, was wir hier (etwas verallgemeinert) die aggressive Seite des frühen Christentums nennen. Diese wird sowohl anhand der Ketten und der ausladenden Art und Weise der Tänzerin deutlich als auch durch ihre grausame Hinrichtung. Bezeichnenderweise schreibt Jung zum Schatten: „Es hat eben etwas Furchtbares an sich, daß der Mensch auch eine Schattenseite hat, welche nicht nur etwa aus kleinen Schwächen und Schönheitsfehlern besteht, sondern aus einer geradezu dämonischen Dynamik.“411 An dieser Stelle muss das Jungfrauenmotiv wieder einbezogen werden, zu dem sich das der Äthiopierin komplementär verhält. Der Traum zeigt so sein Bestreben nach Ganzheit, eine seiner Grundfunktionen nach Jung, wie schon oben dargestellt wurde. Das Unbewusste liefert Bilder, in denen die Gegensätze ausgeglichen sind oder die zumindest danach streben. So versucht die Seele, im wachen Leben herrschende Schlagseiten (oder im schlimmeren Fall sogar Spaltungen) kompensierend zu ergänzen (bzw. zu überbrücken). Das sexuell aufgeladene Traumbild der Dämonin will die im Wachleben vertretene einseitige und rigoristische Keuschheit (welche durch die Jungfrauen verkörpert wird) kompensieren. Dabei entspricht der Grad der Vereinseitigung dem der Verzerrtheit und Überzeichnung der Schattenfigur im Traum. Indem Letztere „getötet“ wird, wird die im Traum gerade entstandene Komplementarität zerstört. Anders gesagt: Die seelische Schieflage der träumenden Psyche ist so stark, dass der Traum es lediglich vermag, die angestrebte Komplementarität anzudeuten, aber nicht aufrecht zu erhalten. Wie aber ist das Entstehen solcher seelischen Vereinseitigungen zu erklären? Eine Möglichkeit liegt im eindimensionalen Verständnis neutestamentlich411 Jung, Psychologie des Unbewußten, 38.

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ethischer Texte, allen voran der Bergpredigt. Hier ist v. a. an das Gebot der Feindesliebe und des Gebets für die eigenen Verfolger in Mt 5,44 zu erinnern, als zwei der identity marker des Christentums. Der Verfasser der Petrusakten kannte diesen Vers mit Sicherheit. In Kap. 10 der Akten spricht Marcellus zu Petrus: „Petrus, […] ich habe viel gesündigt! Strafe nicht meine Sünden, wenn etwas von dem wahren Glauben an Christus in dir ist, den du predigst, wenn du seiner Gebote eingedenk bist, niemanden zu hassen, gegen niemanden böse zu sein“.412

So bedeutend die Errungenschaft der Bergpredigt mit der Aufforderung zur Feindesliebe ist – und in ethischer Hinsicht kann diese gar nicht hoch genug eingeschätzt werden – so sehr drängt sich deren unbewusste, komplementäre Seite, also der Wunsch nach Aggression, gewaltsamer Bestrafung oder Verfolgung anderer, „feindlicher“ Mitmenschen in den Vordergrund (wie es in unserem Traum geschieht). Problematisch ist also nicht die Forderung Jesu nach Feindesliebe, sondern die Vernachlässigung der Überforderung, die das Gebot Jesu mit sich bringt, ja gesetzmäßig in sich trägt – wohlgemerkt aus tiefenpsychologischer Sicht! Anders gesagt: Ein Christ bzw. eine Christin (ob nun antik oder gegenwärtig) muss sich liebevoll darum sorgen, auch der destruktiven Seite in der eigenen Person ihren Platz anzuweisen. Wird dieser „Raum“ nicht gepflegt oder gar nicht erst eröffnet, fällt der Mensch, der versucht, Jesu Gebot einzuhalten, in die Einseitigkeit. Fordert eine christliche Ethik (im Bewusstsein, dass dies eine sehr stark vereinfachte Formulierung ist) ausschließlich Liebe, wird der Hass, der jeder Seele (auch) innewohnt, verdrängt. Je stärker er verdrängt wird, umso stärker rückt dieser an der Stelle in den Vordergrund, wo Menschen die bewusste Steuerung eigener aggressiver Seiten entgleitet: im Traum. Die komplementäre Funktion des Schattens, seine Aufforderung an den Träumer bzw. die Träumerin sozusagen, ist, allen Facetten des eigenen Charakters und der eigenen Affekt-„Palette“ Raum zu geben. Das heißt wiederum nicht – das muss hier mit allem Nachdruck betont werden –, diese prinzipiell, vielleicht sogar rücksichtslos auszuleben, sondern vielmehr, den destruktiven Affekten einen bewussten Platz in der eigenen Seele zuzuweisen, der auch dazu dient, diese Affekte zu kontrollieren. Dabei liegt, wie schon gesagt, das Problem mitnichten in den Worten Jesu, sondern in der einseitigen Auslegung derselben. Denn zumindest jungianisch verstanden heißt: „Liebe deine Feinde“ zu allererst „liebe deine innerseelischen Feinde“, also ungeliebte und verdrängte eigene Persönlichkeitsanteile. Die Forderung Jesu ist in diesem Sinne also erst einmal nicht nach außen, sondern nach innen zu verstehen. Erst wenn ein Mensch fähig ist, eigene, als sündhaft erlebte Eigenschaften, Gefühle, Gedanken, Wünsche etc. zu akzeptieren, ja gar zu lieben (d. h. in die eigene Persönlichkeit zu integrieren), wird er fähig sein, 412 Übersetzung: Schneemelcher, Petrusakten, 268. Schneemelcher verweist, ebd., Anm. 69, selbst auf Mt 5,44.

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einem „Feind“ im äußeren Leben ähnliche Wertschätzung zukommen zu lassen. Die Notwendigkeit dieser seelischen „Vorarbeit“ übersieht der Autor der Petrusakten und provoziert dadurch eine einseitige Interpretation der Worte Jesu. Auch Habermehl zieht in Bezug auf unseren Traum ähnliche Schlussfolgerungen und bezeichnet richtig das Zusammenhauen der Äthiopierin als eine „Gewaltphantasie“, eine „Explosion misogyner Aggressivität“, die „in einem mißlichen Kontrast zur demonstrativen Milde des Petrus im übrigen Text der Acta“ stehe.413 Habermehl bringt damit die Grundprobleme und das Missverhältnis, das dem Traum zugrunde liegt, auf den Punkt. Neben Sexualität und Aggressivität ist ein dritter nicht gelebter Aspekt, der sich im Traum zeigt, essentiell, der freilich nicht weniger aggressives Potenzial in sich birgt – jedoch auf diffizilere Art und Weise: der der Macht. Die Macht über die Äthiopierin führt dazu, dass sie grausam zu Tode gebracht wird.414 Die Machtphantasie, die in unserem Traum zum Ausdruck kommt, scheint ein Zeugnis dafür zu sein, dass frühe Christen mit dem urmenschlichen Trieb des Strebens nach Macht nicht zurechtkamen, der jedoch durch die neutestamentliche Forderung der Feindesliebe ausgeschlossen wird. So zeigt er sich im unbewussten Traum und verlangt nach Integration.415 Dabei bildet auch hier nicht die Feindesliebe per se das Problem, sondern die fehlende Komplementierung, die sich im Machtstreben über andere Menschen verdeutlicht. Einfacher gesagt: Liebe und Macht bilden zwei zusammengehörige Polaritäten, die in ihrer Grundspannung ausgehalten werden müssen, ohne die eine ohne die andere zu sehen. Dennoch gilt auch hier, dass die Machtseite nicht destruktiv gegenüber anderen ausgelebt werde darf, jedoch ihre Existenz anerkannt werden muss. Im Traum des Marcellus wird diese Spannung nicht gehalten, sondern – trotz der Kenntnis von Mt 5,44 – wird Macht gegen die „Feinde“ ausgespielt. 3. Eine dritte Deutung versucht, die beiden unterschiedlichen Ansätze in Beziehung zu setzen, indem der freudianische und der jungianische Ansatz zu einer Synthese verbunden werden. Ein weiterer Wunsch, der im Traum des Marcellus auf Erfüllung hinarbeitet, ist der Wunsch danach, die Stimmen von christlichen Gegenspielern („Irrlehrern“) zum Verstummen zu bringen, welche sich in der Person des Simon Magus verdichtet zeigen. Hier ist an Irenäus, haer. 413 Habermehl, Perpetua, 156. 414 Dies wird im Text nicht nur an der Hinrichtung, sondern auch daran deutlich, dass die Dämonin waffenlos und v. a. (durch die Ketten) gebunden, d. h. dem Gegenüber im Traum ausgeliefert ist. 415 Man könnte einwenden, dass dies alles nur im Traum stattfinde, dass auch die Brutalität im Traum dadurch zu relativieren wäre. Es handelt sich aber eben um unbewusste Anteile, die sich im Traum zeigen, weil sie im bewussten Leben eben keinen oder nur einen ungenügenden Platz zugewiesen bekommen. Dass negative Aspekte nur im Traum erscheinen, heißt aber dennoch, dass sie in der menschlichen Seele potenziell vorhanden sind. Insofern der Traum die Seele eines Menschen widerspiegelt, ist geträumte Aggressivität zumindest prinzipiell nicht weniger aggressiv als eine sich im Zustand des Bewusstseins ereignende.

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I 23, und die Stigmatisierung des Simon, als Ausgangspunkt des Häretischen per se, zu denken. Etwas allgemeiner gesagt: Unser Traum ist ein Ausdruck des Kampfes des frühen Christentums um den richtigen theologischen Weg Ende des 2. bzw. Anfang des 3. Jh. Auch hier ist Mt 5,44 Ausgangspunkt, der keinen Raum für Vernichtungsphantasien von Gestalten, die das frühe Christentum unterminierten (oder auch nur versuchten, ihre eigene Sichtweise darzustellen), ließ. Simon Magus ist der Gegner des Petrus und als solcher auch der eines (Groß-)Teils der Alten Kirche, insofern, als Petrus als eine führende Autorität derselben zu verstehen ist. Wenn Marcellus davon träumt, dass am Vorabend der Auseinandersetzung zwischen Petrus und Simon Magus die Äthiopierin „zu Tode gehauen“ wird, so offenbart sich darin der unbewusste und verdrängte Wunsch, anhand der (verdichteten) Figur des Simon, und ausgehend von der Irenäusnotiz, die Stimmen von Gegnern der frühen Christenheit zum Verstummen zu bringen. Dieser Wunsch verträgt sich aber nicht mit den Lehren, welche die Petrusakten predigen und bricht sich daher durch das Unbewusste Bahn, indem die Simon repräsentierende Äthiopierin grausam vernichtet wird. Simon Petrus steht bei der Leserschaft der Akten für die sich entwickelnde frühe Kirche. Simon Magus hingegen repräsentiert abweichende, jedenfalls auch gnostische Strömungen. Die Zeit der frühen Kirche ist eine plurale; viele Kirchen entstehen parallel und konkurrieren miteinander – dafür legen nicht zuletzt die Apokryphen, besonders die Apostelakten, Zeugnis ab. Diese Konkurrenz wird im Traum des Marcellus spürbar.416 Interessant ist, dass Freud den Todeswunsch, der im Traum des Marcellus zum Ausdruck kommt, schon bei kleinsten Kindern beobachtet und als ein natürliches Geschehen beschrieben hat.417 Dies wäre ein unbewusster Wunsch im Sinne der freudschen Traumlehre; die Deutung bliebe aber unvollständig, weil sie die komplementären Seiten nicht ausgleicht. Verstünde man Simon Magus aber als komplementäre bzw. Schattenseite von Simon Petrus, wie wir oben versucht haben zu zeigen, wäre hier, im Sinne C.G. Jungs, das Ziel nicht der Wunsch nach Vernichtung der Schattenseite, sondern nach der Integration derselben, das heißt nach Vereinigung. Wurde oben ebendiese mit dem Dämon, vor dem Hintergrund eines Exhibitionstraums, als sexueller Wunsch interpretiert, so ist dieser Wunsch 416 Dass dabei die durch die Dämonin verkörperten Strömungen einige Energie mit sich brachten, sich also mit Nachdruck in der antiken christlichen Welt bemerkbar machten, macht nicht nur das Gebaren der Äthiopierin deutlich, sondern korrespondiert auch mit atl. Stellen zu den Kuschiten, die in der Motivanalyse zum Äthiopiermotiv oben genannt wurden, und die die Macht und Kraft der Kuschiten charakterisieren. Hier sei v. a. an Jer 46,9 und Jes 18,7 erinnert. Mit anderen Worten: Die im AT beschriebenen starken, aggressiven und wehrhaften Kuschiten finden sich in der Äthiopierin im Traum wieder und charakterisieren anhand dieses Motivs das Auftreten der genannten frühchristlichen Strömungen. 417 S. dazu Freud, Traumdeutung, 271–276, und natürlich die Beschreibung des Ödipuskomplexes, der ja beinhaltet, dass das Kind den Tod des gleichgeschlechtlichen Elternteiles wünscht, a. a. O., 276; 281–285.

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hier nicht mehr als körperlicher, sondern als seelischer zu sehen. Die mangelhafte Bekleidung (als Vorstufe der Nacktheit) der Äthiopierin beinhaltet den Wunsch, sich mit den durch sie verkörperten ungelebten eigenen Seiten zu vereinigen, d. h. diesen Raum zu geben und sie zu integrieren. Auch hier ist also eine Verbindung freudscher und jungscher Ansätze nötig und möglich. Es muss aber festgehalten werden, dass der Traum dies nicht tut. Er vernichtet die komplementäre Seite rigoros, anstatt sie zu integrieren und provoziert dadurch eine weitere psychische Schieflage. Nach außen und auf die frühkirchliche Situation übersetzt, hieße das: Die unterschiedlichen jungen Kirchen und christlichen Strömungen klaffen auseinander, anstatt einander näher zu kommen. Anstatt kirchliche Gegenpositionen wahrzunehmen und sich konstruktiv mit ihnen auseinanderzusetzen, wird in unserem konkreten Fall Simon Magus das Etikett des Häretikers angehängt. Dies geschieht, weil Gegensätze nicht als Pole ausgehalten, sondern gegeneinander ausgespielt werden. Natürlich stellt dies eine gewagte These dar. Sie ist aber weniger aus theologischem als aus psychologischem Blickwinkel zu verstehen. Jung schreibt bezüglich der unterschiedlichen christlichen Strömungen der ersten Jahrhunderte (aus psychologischer Sichtweise): „Wenn meine Annahme richtig ist, daß jede Religion ein spontaner Ausdruck eines gewissen allgemeinen seelischen Zustandes ist, dann war das Christentum die Formulierung eines Zustandes, der im Beginn unserer Zeitrechnung und in einer Reihe folgender Jahrhunderte vorherrschte. Aber eine bestimmte seelische Lage, welche in einem gewissen Zeitraum vorherrschte, schließt zu anderer Zeit die Existenz andersartiger seelischer Zustände nicht aus. Auch diese Zustände sind des religiösen Ausdrucks fähig. Das Christentum mußte eine Zeitlang um sein Leben kämpfen gegen den Gnostizismus, welcher einem etwas anderen seelischen Zustand entsprach.“418

Insofern ist der Traum des Marcellus auch ein Abbild der Entwicklungen des Christentums in den ersten Jahrhunderten, auch wenn wir dies kirchengeschichtlich hier nicht weiter vertiefen können.419 Der Wunsch nach Ausgleich kommt noch anhand eines anderen Aspekts zum Ausdruck: Das Motiv der Farbe Schwarz steht in der archetypischen Deutung ebenso für Schmutz, Verwesung und Verdorbenheit, wie es eine sich ankündigende seelische Entwicklung verdeutlicht. Dies symbolisiert sich z. B. am bevorstehenden Sonnenaufgang, dem eine schwarze Nacht vorausgeht.420 Ist etwa Schmutz einerseits negativ konnotiert, so birgt wiederum schwarze 418 Jung, Psychologie und Religion, 115 (Hervorhebung P.E.). 419 Es reicht allein, das NT zu betrachten, das, obwohl der betreffende Zeitraum hier deutlich früher anzusetzen ist, nicht nur verschiedene theologische Entwürfe darlegt (etwa Mk und Joh), sondern auch gegensätzliche und sich widersprechende – denkt man an Röm und Jak. 420 Ronnberg u. a. (Hg.), Art. Schwarz, 658. Natürlich ist die negative archetypische Deutung der schwarzen Farbe mit dem (berechtigten) Vorwurf der eurozentristischen Denkweise behaftet und belastet. Dies bedarf dringend der Diskussion, die hier aber nicht geleistet werden kann. Wir müssen es an dieser Stelle bei diesem kritischen Hinweis belassen.

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Erde Fruchtbarkeit und Entwicklung.421 Die dunkle Traumfigur deutet also auch eine progressive Entwicklung an, die sich Bahn brechen will (nämlich die Integration von Aggression und sexueller Libido in das Leben antiker Christinnen und Christen, v. a. vor dem Hintergrund des Enkratitismus). Hier wäre auch an Hld 1,5 und die dazugehörigen Aspekte aus der Motivanalyse zu erinnern, die im Symbol der Dämonin bzw. Schattenfrau im Traum ebenfalls enthalten und mitzudenken sind. Das heißt: Letztere trägt auch positive, wertzuschätzende, ja „schöne“ Seiten (wie die Geliebte im Hld) in sich und unterstützt das eben beschriebene Deuteschema der schwarzen Farbe (im Hld anhand der dunklen Hautfarbe der Geliebten ausgedrückt) als sich ankündigende Entwicklungsmöglichkeit. Dadurch wird das bisher hier ausgewertete (und im Text ja mit Nachdruck betonte) Hässlichkeitsmotiv der Frau im Marcellus-Traum durchbrochen bzw. um eine positive komplementäre Seite ergänzt. Auch wurde in der Motivanalyse zum Äthiopiermotiv festgehalten, dass das Land Kusch bedeutende Goldvorhaben aufwies und zudem Elfenbein, Weihrauch und Ebenholz exportierte, also wertvolle und begehrte Dinge. Hier wäre zu überlegen, ob dieser Aspekt theologisch, aber auch psychologisch im archetypischen Symbol der Äthiopierin mitschwingt. Falls dem so ist, brächte die Traumfrau diese Schätze – hier verstanden als seelischer Reichtum – im Traum mit bzw. in diesen ein. Dadurch würde nicht nur das Traummotiv in seiner Bedeutung unterstrichen, sondern auch der Wert der sich im Traum, im Schatten anbietenden Entwicklung. Insofern ist es, wie wir oben schon festgestellt haben, dramatisch, dass die Frau im Traum getötet wird, denn mit ihr „stirbt“ auch dieses Entwicklungsangebot. Ferner versinnbildlicht die Farbe Schwarz „[i]m alchemistischen Opus […] die Verfinsterung vertrauter Muster von Identität und Bedeutung.“422 In diesem Sinne stellt die Äthiopierin bisherige Identität und Denkansätze in Frage und bricht sie auf, um neue Identität – in unserem Fall eine, in der die körperliche Ebene bzw. verdrängte Persönlichkeitsanteile ihren Platz haben – zu ermöglichen. Ein Schatten im Traum ist also mitnichten allein negativ zu verstehen, vielmehr weist er auf Entwicklungsbedarf hin bzw. bietet diesbezüglich Vorlagen und Muster an. Zuletzt darf nicht vergessen werden, dass die Schattenfigur im Traum in Ketten gelegt ist. Hier spiegelt der Traum die Realität der Situation wider, in der sich Verfasser- und Leserschaft der Akten befinden: Aggression und sexuelles Verlangen sind gebunden und unfrei.423 Zu den Ketten der Äthiopierin sei eine weitere Beobachtung hinzugefügt. Wie wir im ersten Teil der Arbeit 421 Ebd. 422 Ebd. 423 In Ketten gebunden zu sein heißt „Fixierung, Gefangenschaft und die Unterdrückung mächtiger gefürchteter oder ungezügelter Elemente. […] Die Kette verweist auf […] die Unnachgiebigkeit von Komplexen und Zwängen“, in die der bzw. die in Ketten Gelegte eingebunden ist, Ronnberg u. a. (Hg.), Art. Kette, 514.

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beschrieben haben, soll die Begleitung des Simon Magus eine ehemalige Prostituierte namens Helena gewesen sein, die später zu seiner weiblichen Seite stilisiert und ἔννοια genannt wurde (Irenäus, haer. I 23,2; s. o., 63, Anm. 168). Von dieser schreibt Irenäus an der genannten Stelle auch, dass sie in die unteren Regionen hinabgestiegen sei und hier Engel und Mächte geschaffen habe. Die von ihr Erschaffenen hielten sie aber in der Unterwelt mit Gewalt fest. Wir können hier Übereinstimmungen mit unserem Traum feststellen, zum einen hinsichtlich der sexuellen Konnotation der Äthiopierin und der Helena (als ehemaliger Prostituierter), zum anderen hinsichtlich des Motivs der Gebundenheit als auch der Zugehörigkeit beider weiblicher Personen zu Simon Magus.424 Nach Jung entspricht die gewaltsam zurückgehaltene Helena dem späteren alchemistischen Motiv der anima in compedibus, also der „Seele in Fesseln“.425 Auch hier ergeben sich Parallelen zu der Äthiopierin, die Seelenanteile verkörpert, die unfrei, verdrängt und nicht ins Bewusstsein integriert sind.

4.4 Der Traum des Charîs in ActThom 91 f 4.4.1 Der Traum426 Ταῦτα ὰκούσας ἀπελθὼν εἰς ἄλλην κλίνην ἐκοιμήθη· ἐγερθείς δὲ ἐκ τοῦ ὕπνου εἶπεν· Κυρία μου Μυγδονία ἄκουσον τοῦ ὀνείρου τοῦ ὀφθέντος μοι. εἶδον ἐμαυτὸν ἀνακεκλιμένον ἐγγὺς Μισδαίου τοῦ βασιλέως, καὶ παρέκειτο ἡμῖν πανδέκτης· καὶ εἶδον ἀετὸν κατελθόντα ἀπ᾿ οὐρανοῦ καὶ ἁρπάσαντα ἀπ᾿ ἔμπροσθεν ἔμοῦ τε καὶ τοῦ βασιλέως δύο πέρδικας, οὓς εἰσήνεγκεν εἰς τὴν ἑαυτοῦ καρδίαν· καὶ πάλιν ἐπέστη ἡμῖν περιιπτάμενος επάνω ἡμῶν· ὁ δὲ βασιλεὺς παρεκελεύσατο τόξον αὐτῷ ἀφεθῆναι· ὁ δὲ ἀετὸς πάλιν ἥρπαξεν ἀπ᾿ ἔμπροσθεν ἡμῶν περιστερὰν καὶ τρυγόνα. ὁ δὲ βασιλεὺς ἐξέπεμψεν κατ αὐτοῦ βέλος· καὶ διῆλθεν αὐτοῦ ἀπὸ πλευρᾶς εἰς πλευράν, καὶ οὐκ ἠδίκησεν αὐτόν· ὃ δὲ μηδὲν ἀδικηθεὶς ὑψοῦτο εἰς τὴν ἰδίαν καλιάν. καὶ διυπνισθεὶς ἐγὼ ἔμφοβός εἰμι καὶ περίλυπτος, διότι γευσάμενος ἤμην τοῦ πέρδικος, καὶ οὐ συνεχώρησέν μοι ἔτι προσαγαγεῖν τῷ στόματί μου. Ἡ δὲ Μυγδονία ἔφη πρὸς αὐτόν· Ὁ ὄνειρός σου καλός ἐστιν· σὺ γὰρ καθ᾿ ἡμέραν πέρδικας ἐσθίεις, ὁ δὲ ἀετὸς οὗτος οὐκ ἦν γευσάμενος πέρδικος ἕως τοῦ νῦν. 92 Ὄρθρου δὲ γενομένου ἀπελθὼν ὁ Χαρίσιος ἐνεδύσατο, καὶ τὸ ἀριστερὸν ὑπόδημα εἰς τὸν δεξιὸν πόδα ὑπεδήσατο. καὶ ἐπισχὼν εἶπεν πρὸς τὴν Μυγδονίαν· Τί ἄρα ἐστὶν τοῦτο τὸ πρᾶγμα; ἰδοὺ γὰρ ὁ ὄνειρος καὶ ἡ τούτου πρᾶξις. Ἡ δὲ Μυγδονία πρὸς αὐτόν ἔφη· Καὶ τοῦτο αὐτὸ οὐκ ἐστὶν φαῦλον, ἀλλὰ κάλλιστόν μοι δοκεῖ· ἀπὸ γὰρ φαύλου πράγματος εἰς τὸ 424 Mit dem Unterschied, dass Helena die weibliche Gefährtin des Simon Magus ist, die Äthiopierin im Traum hingegen Letzteren repräsentiert. 425 Jung, Gnostische Symbole, 210, Anm. 33, mit falscher Stellenangabe bzgl. des Irenäustextes. 426 Griechischer Text aus: Bonnet (Hg.), Acta, 205 f. Übersetzung o., 77 f.

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κρεῖττον γενήσεται. Ὃ δὲ νιψάμενος τὰς χεῖρας εἰς ἀσπασμὸν Μισδαίου τοῦ βασιλέως ἀπῄει. 4.4.2 Exegetische Aspekte 4.4.2.1 Textkritik Die griechischen Thomasakten werden von Bonnet aufgrund von 21 Handschriften herausgegeben. Dabei „[b]esonders wichtig sind ein römischer Codex (Vallicellanus B 35) aus dem 11. Jahrh., bei Bonnet unter dem Siglum U, die vollständigste Handschrift der Ath, und ein Pariser Codex (B. N. Graec. 1510) aus dem 11. oder 12. Jahrh., bei Bonnet unter dem Siglum P.“427 Dieser Pariser Codex P ist für die allermeisten Varianten zu unseren zwei Kapiteln die Bezugsquelle.428 Eine erste inhaltliche Nuance ergibt sich durch die Änderung von ἀπ᾿ οὐρανοῦ in ἐκ τοῦ οὐρανοῦ in U bei der Bezeichnung der Herkunft des Adlers (also „vom Himmel“ bzw. „aus dem Himmel“). Letztere Variante unterstreicht die himmlische Herkunft des Tieres. Er kommt nicht nur aus himmlischer Richtung, sondern aus dem Himmel selbst. Die Frage, wer genau mit dem Adler gemeint ist (ob Thomas oder Christus), soll weiter unten beantwortet werden. Textkritisch unsicher ist der Umgang mit καρδίαν.429 Bonnet meint, es müsse hier „Nest“, also καλιάν heißen, mit Verweis auf die Nennung des Nests am Ende des zweiten Drittels von Kap. 91 und die syrische Parallelüberlieferung, die ebenfalls „Nest“ liest. Demnach liegt ein Schreibfehler vor: Der Abschreiber hat καλιάν in καρδίαν geändert. Andererseits unterliegt καρδίαν der textkritischen Regel lectio difficilior potior, wonach καρδίαν die wahrscheinlichere Lesart darstellt. Da sie inhaltlich aber keinen Sinn macht, bleiben wir bei καρδίαν, als ursprünglicher Lesart, jedoch bei der auch bisher gewählten Übersetzung „Nest“. Nur kurz erwähnt werden soll die textkritische Unsicherheit des Verbes (dem König den Bogen zu) „bringen“. Bonnet bezeugt im Text ἀφίημι, weist aber im Apparat daraufhin, dass φέρω, evtl. auch ἄγω zu lesen sei. Im nächsten Satz lässt P ὁ ἀετός aus. Hier müsste im Sinne von lectio brevior potior für die Variante im Apparat entschieden werden, auch wenn inhaltlich dadurch nichts Neues gewonnen wird. Die syrische Überlieferung lässt in der Szene, in der sich der Adler zurück in sein Nest begibt, das μηδὲν ἀδικηθείς aus. Da aber im Satz vorher schon davon 427 Bornkamm, Thomasakten, 299, Anm. 1. 428 S. den Apparat zu den Kap. 91 f bei Bonnet (Hg.), Acta, 205 f. Alle im Folgenden diskutierten Varianten sind diesem Abschnitt des Apparates entnommen. 429 Auch Drijvers, Thomasakten, 338, setzt in seiner Übersetzung „Nest“ in ‹ ›.

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die Rede war, dass der Adler keinen Schaden nahm, geht auch dadurch nichts Neues für uns hervor. Im vorletzten Satz von Kap. 91 lässt P einen Abschnitt aus, wodurch eine wesentliche Unebenheit im Text beseitigt wird. Nach dem Erwachen des Charîs sagt dieser zu Mygdonia, er wäre voll Angst und Kummer, da er von dem Rebhuhn probiert hätte, es ihm jedoch nicht möglich gewesen sei, dieses noch zum Mund zu führen. Die Schwierigkeit ist, dass vorher nirgends davon die Rede war, dass er das Rebhuhn schon gekostet hat. Selbst dass die Rebhühner auf der Tafel liegen, lässt sich nur aus dem Kontext schließen (die Rebhühner werden vor ihm und dem König vom Adler geraubt). P lässt nun καί περίλυπτος, διότι γευσάμενος ἤμην aus und ändert das folgende καί in ein ὅτι um. Allerdings scheint die Genitivverbindung ἐγὼ ἔμφοβός εἰμι τοῦ πέρδικος doch recht uneben zu sein. Weiterhin bleibt unklar, warum P das Bedrücktsein nicht überliefert, die inadäquate emotionale Reaktion der Furcht aber bezeugt. Warum sollte Charîs sich fürchten, weil er das Rebhuhn nicht bekommt? Bonnet schlägt außerdem vor, nach ἔτι ein τι hinzuzufügen, da im Text sonst das zum Munde zu führende Objekt fehle. P bezeugt statt ἔτι übrigens τοῦτον, was zwar das fehlende Objekt ergänzt und auch vom Genus her möglich ist. Vorher, bei der Beschreibung des Raubs der Rebhühner durch den Adler, bezeugte P aber (als sich auf die Rebhühner beziehendes Relativpronomen) statt οὕς das Femininum ἅς. Der Codex macht also einen Fehler hinsichtlich des einheitlichen Gebrauchs des Genus von πέρδιξ. In der Frage, die sich Charîs in Kap. 92 selbst stellt, ersetzt P ὁ ὄνειρος (das übrigens auch durch den syrischen Text bezeugt ist) durch κατὰ τὸν ὄνειρος. Diese Änderung ist nicht ganz uninteressant, da sie den Traum τὸ πρᾶγμα (im ersten Teil der „Selbstfrage“) noch stärker unterordnet, auch wenn dies im Text Bonnets schon durch das folgende Demonstrativpronomen τούτου angelegt ist. Die sinnvollste Übersetzung von P müsste dann heißen: „Was bedeutet nun diese Sache? Gemäß dem Traum auch dieses Tun?“ Allerdings könnte sich die verstärkte Betonung der Handlung bei Bonnet auch daraus erklären, dass Charîs nun bereits aufgewacht und der Traum schon in leichte Ferne gerückt ist, während Charîs sich nun über das gerade Geschehene wundert. Allerdings ist sich auch Bonnet ob des τούτου nicht sicher, da die syrische Version es auslässt. Ließe man es aus, wären ὁ ὄνειρος und ἡ πρᾶξις im Satzbau genau gleichwertig. Die letzte Änderung geschieht im vorletzten Satz: P unterstreicht den Wandlungsaspekt einer schlechten Sache in eine bessere, indem statt γενήσεται μεταβήσεται bezeugt wird, allerdings wiederum in Abschwächung der besseren Sache: Der Artikel τό vor κρεῖττον wird in P ausgelassen.

Der Traum des Charîs in ActThom 91 f

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4.4.2.2 Grammatisch-syntaktische Beobachtungen Grob gliedert sich der Text anhand der (sekundären)430 Kapitelzählung in zwei Teile, mit je einem Zeichen (in Kap. 91 der Traum, in Kap. 92 das verkehrte Schuhanziehen). Im Text werden drei Personen genannt: Mygdonia, König Misdai und Charîs. Erstere wird vier Mal erwähnt, zu Beginn mit dem Titel κυρία μου. Misdai wird zwei Mal mit Namen genannt und der Zusatzbezeichnung ὁ βασιλεύς und weitere drei Mal nur als ὁ βασιλεύς. Interessanterweise findet sich die Hauptfigur Charîs nur ein Mal, zu Beginn von Kap. 92, was innerhalb des Textes dadurch erklärlich ist, dass Charîs den größten Teil desselben aus seiner Perspektive berichtet. Der Adler wird ebenso wie das Rebhuhn (bzw. die zwei Rebhühner) drei Mal erwähnt, dazu kommt die einmalige Erwähnung von Taube und Turteltaube. Weiterhin sind 23 (!) Personalpronomen zu erwähnen. Dadurch wird ein wichtiges Anliegen des Textes unterstrichen: Das Verhältnis der einzelnen Figuren untereinander soll geklärt werden. Auffällig ist, dass alle Ortsangaben im ersten Teil fallen, und zwar in großer Zahl (nämlich zehn, wenn man auch Lokalisierungen wie παρέκειτο ἡμῖν oder ἀπ᾿ ἔμπροσθεν ἡμῶν hinzuzählt).431 Der zweite Abschnitt bietet keine einzige Ortsangabe. Auch von den wenigen Zeitangaben (καθ᾿ ἡμέραν; ἕως τοῦ νῦν; ὄρθρου) finden sich die ersten beiden im ersten Abschnitt. Lediglich ὄρθρου wird im zweiten Teil genannt, nämlich als Eröffnung desselben. Die vielen Ortsangaben im ersten Teil sorgen für eine besonders hohe Plastizität des Traumes; die wenigen Zeitangaben hingegen vermitteln den Eindruck eines in sich gedrängten Ablaufs der Ereignisse. Weiterhin auffällig ist die (zweimalige) Ab- und Aufwärtsbewegung des Adlers. Sie verdeutlicht den Herabstieg Christi auf die Erde und seine Himmelfahrt nach (bzw. trotz) seiner Tötung (zum Adler als Verkörperung Christi gleich). Stilistisch hervorzuheben ist dabei die Wendung ἀπὸ πλευρᾶς εὶς πλευράν, die sowohl eine Akkumulation darstellt als auch einen Parallelismus. Dadurch soll die Umfänglichkeit und Schwere der (eigentlich tödlichen) Verletzung des Adlers hervorgehoben werden bzw. das Wunder, dass der Vogel unbeschadet in sein Nest zurückkehrt. Ein weiterer Parallelismus folgt direkt darauf: οὐκ ἠδίκησεν αὐτόν· ὃ δὲ μηδὲν ἀδικηθείς. Die unnötige Doppelung unterstreicht die Stärke und Erhabenheit des Adlers trotz der menschlichen Angriffe auf ihn. Ferner beachtenswert ist die fünffache Nennung einer Verneinung. Diese korrespondieren mit sieben Passivformen, die alle im ersten Teil vorkom-

430 Die Kapitelzählung nach der Ausgabe von Bonnet (Hg.), Acta, 99–288. 431 ἄλλην κλίνην; ἀνακεκλιμένον ἐγγὺς Μισδαίου; παρέκειτο ἡμῖν; ἀπ᾿ οὐρανοῦ; ἀπ᾿ ἔμπροσθεν ἔμοῦ τε καὶ τοῦ βασιλέως; εἰς τὴν ἑαυτοῦ καρδίαν; ἐπέστη ἡμῖν; επάνω ἡμῶν; ἀπ᾿ ἔμπροσθεν ἡμῶν; εἰς τὴν ἰδίαν καλιάν.

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men.432 Dadurch wird die passive Situation, in der sich Charîs befindet, verdeutlicht. Er träumt bzw. es träumt ihm und er muss sich dieser Situation ausliefern, so wie er sich (sexuell) passiv verhalten muss, weil seine Ehefrau sich ihm im Wachen versagt. Verneinungen und Passivverben verdeutlichen seine Machtlosigkeit angesichts des höheren Geschehens, das sich um ihn (und in ihm) abspielt. Gleichzeitig scheint er zu spüren, dass seine Frau durch die Predigt des Thomas mit dem (wahren) Göttlichen in Berührung gekommen ist. Die Frage stellt sich, was von beidem ihn wohl am meisten umtreibt: dass seine Frau sich ihm körperlich entzieht oder dass sie spirituell aufgewühlt ist. Die Partikel δέ kommt im Text zehn Mal vor und sorgt für durchgehende Kohäsion, ebenso die hohe Anzahl (17) von Präpositionen. Dagegen wird γάρ nur drei Mal, ein Mal am Ende von Kap. 91 und zwei Mal in Kap. 92, verwandt und unterstreicht die Argumentation bzw. Frage und Antwort zwischen Charîs und Mygdonia. Dabei fällt auch das einmalige ἀλλά in Kap. 92 auf, das die Erkenntnis Mygdonias in zwei spiegelverkehrte „Flügel“ unterteilt: τοῦτο αὐτὸ οὐκ ἐστὶν φαῦλον, ἀλλὰ κάλλιστόν μοι δοκεῖ. Auffällig ist, dass neben den schon genannten 23 Personalpronomen kaum andere Pronomen gebraucht werden, lediglich fünf Demonstrativpronomen, ein Relativpronomen und das herausstechende Fragepronomen τί in Kap. 92. Vier der fünf Demonstrativpronomen befinden sich im zweiten Teil, in dem es um die Klärung des Traumes und der Zeichenhandlung geht.433 Eben auf die Frage, was beides zu bedeuten habe, weisen diese Pronomen, sich zuspitzend in dem τί, hin: Τί […] ἐστὶν τοῦτο […]; Unser Text enthält 48 Verbformen, was seine hohe Handlungsdichte unterstreicht. Die sieben Passivformen, die alle im Traumabschnitt stehen, wurden oben schon erwähnt. Weiterhin auffällig ist der einzige Imperativ, mit dem Charîs seine „Herrin“ anspricht und den Bericht eröffnet (ἄκουσον). Ihm gegenüber steht die einzige Futurform, mit der Mygdonia antwortet: Aus Schlechtem wird Gutes werden (γενήσεται). Dies ist insofern erwähnenswert, als bis auf eine Perfektform (ἀνακεκλιμένον) ausschließlich Präsens, Imperfekt und Aorist verwandt werden. Ἀνακεκλιμένον macht als Perfekt einen erreichten Zustand deutlich: Charîs hat sich niedergelassen, um das Folgende (als Vollzug) zu erleben. Zuletzt zu nennen sind die beiden Infinitive im Text: (τόξον αὐτῷ) ἀφεθῆναι; προσαγαγεῖν (τῷ στόματί μου), die inhaltlich aufeinander aufbauen: Mit dem Bogen wird geschossen, das Erlegte wird gegessen. Gerade dieser Sinnzusammenhang wird im Text unterbrochen: Der Adler fliegt trotz tödlicher Verwundung weiter, die Beute (die Rebhühner) kann nicht verzehrt werden. Als Letztes seien die Redeanteile betrachtet. Sie ergeben ein regelmäßiges Muster des Grundaufbaus des Textes nach dem Schema A-B-C-D(-A). Kapi432 ἐκοιμήθη; ἐγερθείς; ὀφθέντος; ἀνακεκλιμένον; ἀφεθῆναι; ἀδικηθείς; διυπνισθείς. 433 Das erste der fünf Demonstrativpronomen, ταῦτα, eröffnet Kap. 91 und fungiert als Stichwortanknüpfung an den vorangegangenen Textabschnitt.

Der Traum des Charîs in ActThom 91 f

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tel 91 beginnt mit einem einleitenden Teil bzw. einer Handlung des Charîs (A): Er geht und legt sich in einem anderen Bett schlafen. Dann folgt seine lange wörtliche Rede (B), die fast das gesamte Kapitel ausfüllt (in Kap. 92 ist sie hingegen nur kurz) und seinen Traum schildert. Der Traum nimmt also nicht nur inhaltlich, sondern auch quantitativ den größten Raum ein.434 Dann folgt C: die einleitende Rede, dass Mygdonia antwortet; und schließlich ihre Antwort als Abschnitt D. Kapitel 92 beginnt wieder mit einer Handlung des Charîs (A), nämlich dem verkehrten Anziehen der Schuhe. Dann folgt eine an Mygdonia gewandte wörtliche Rede (B). Daran schließt sich C an, die Einleitung der Antwort der Mygdonia, die, bis auf eine Wortumstellung, identisch mit C in Kap. 91 ist, und schließlich ihre Antwort in wörtlicher Rede (D), die fast den gleichen Umfang hat wie in Kap. 91 und auch inhaltlich adäquat aufgebaut ist: Sie besteht je aus einer Wertung und einem auslegenden bzw. deutenden Wort. Dabei wird in der zweiten Antwort aus καλός ἐστιν die Steigerung οὐκ ἐστὶν φαῦλον, ἀλλὰ κάλλιστόν. Mygdonia steigert ihre Bewertung dessen, was Charîs erzählt hat: Es ist nicht nur nicht schlecht, nicht nur gut, sondern sehr gut. Etwas allgemeiner formuliert erzählt Charîs also zwei Mal ein Widerfahrnis (ein Mal lang, ein Mal kurz), worauf jeweils eine kurze, fast gleich aufgebaute Deutung der Mygdonia erfolgt. Unser Text endet dann in Kap. 92 mit einer Ausleitung, einer Handlung des Charîs (er geht zum König), die sich von Aufbau und Inhalt wie Teil A zu Beginn von Kap. 91 (Charîs geht weg und legt sich in einem anderen Bett schlafen) verhält. Beide Male wird ein Verb des Gehens mit der Vorsilbe ἀπ(ἀπελθών bzw. ἀπῄει) gebraucht.

4.4.3 Untersuchung zentraler Motive 4.4.3.1 Der Adler 4.4.3.1.1 Der Adler in der Antike Für die Deutung des Traummotivs des Adlers sind Informationen aus den paganen und religiösen Bereichen außerhalb des AT und NT von größerer Bedeutung als das, was biblisch dazu zu erfahren ist. Deshalb sollen diese Bereiche im Folgenden etwas ausführlicher betrachtet werden. Otto Keller schreibt in „Die antike Tierwelt“: „Der griechische Name für Adler, αἰετός, ἀετός, bezeichnet nur den fliegenden. Das gewöhnliche lateinische aquila bedeutet den schwärzlichen, dunkelbraunen Vogel, entsprechend dem homerischen Beiwort des Adlers schwarz, μέλας, aber auch dem turkotatarischen (tschagataischen) karakus´ Schwarzvogel = Adler. […] Die Art, 434 Dies wird auch unterstrichen durch die dreimalige Nennung von ὁ ὄνειρος, zwei Mal in Kap. 91 und ein Mal in Kap. 92.

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welche die Griechen und Römer überhaupt meistens unter ἀετός und aquila verstehen, ist Aquila fulva, von den Neugriechen ἀετός genannt […]. Er ist der gemeinste Adler Griechenlands und Italiens. […] Im allgemeinen und besonders in der Sage heißt alles Adler, auch See- und Flußadler, Schlangenadler und Lämmergeier.“435

Der Adler436 (ἀετός; aquila) galt in der Antike als der vornehmste Vogel (Homer, Il. VIII 247; XXVI 315; Aischylos, Ag. 112; Plinius, nat. X 6 u. ö.).437 Fast alle Unterarten jagen lebende Beute (Plinius, nat. X 8 f.14). Sie töten bzw. vertreiben ihre Jungtiere aus Futterneid (Plinius, nat. X 6.13). Aristoteles, hist. an. VIII(IX) 34,620a 1–5, und Plinius, nat. X 10, behaupten, dass der Seeadler nur solche Jungtiere aufziehe, die gegen die Sonne blicken könnten, ohne dass deren Augen dabei zu tränen begännen. Der Adler errichtet seinen Horst bevorzugt auf hohen und einsamen Felsen.438 Nach Aristoteles, hist. an. IX 32,619b 4 ff; Anth. Pal. IX 222,2, ist er himmlischer bzw. göttlicher Vogel, da er sich bis in Sonnennähe aufschwingt. Der Feind des Tieres ist die Schlange (Aristoteles, hist. an. IX 1,609a 4 ff; Claudius Aelianus, nat. II 26; Plinius, nat. X 17). Weiterhin kämpft er gegen Hirsche und Drachen (Plinius, nat. X 17; Claudius Aelianus, nat. II 26). Gegen viele andere Vogelarten hege der Adler Hass: gegen Zaunkönig und Schwan (Plinius, nat. X 203), Nachtfalke (X 24), Storch, Möwe und Reiher (Claudius Aelianus, nat. IV 5). Des Weiteren sei der Adler zur Verjüngung fähig, indem er seinen im Alter zuwachsenden Schnabel an einem Felsen abwetze (Augustinus, enarr. in Psalmos 102,6; 66,10). Der Adler als königlicher439 und göttlicher Vogel ist Symbol sowohl des Zeus als auch des Jupiter (Plinius, nat. X 15). Er fungiert als Gottesbote (Homer, Il. VIII 247; XXIV 292.311), göttlicher Waffenträger für Zeus (als dem Blitz- und Donnergott) aufgrund seiner Immunität gegen Blitze (Plinius, nat. X 15 u. ö.) und ist sogar zur gleichen Zeit wie Zeus geboren (Homer, Il. VIII 247). „Als Symbol Jupiters, des höchsten Heeresschutzgottes, erscheint der A. auf den römischen Feldzeichen440, denen man im Fahnenheiligtum opfert (Joseph. b. J. 66,1) und die als Kultbilder gesalbt werden (Plin. n. h. 13,23 […]). […] Der A., der sich vom Irdisch-Sterblichen ins Reich der unsterblichen Götter emporschwingt, ist unter 435 Keller, Tierwelt, 1. 436 Die im Folgenden angegebenen antiken Stellenverweise stammen aus Hünemörder, Art. Adler, 115 f. 437 Für die Unterarten des Adlers s. Aristoteles, hist. an. VIII(IX) 32,618b–619b 12, vgl. Plinius, nat. X 6 ff, sowie Hünemörder, Art. Adler, 115. 438 Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 87. Die im Folgenden zum Adler aufgeführten antiken Belege stammen aus a. a. O., 87–93. 439 Nach Keller, Tierwelt, 2, der Könige Kleinasiens sowie der Babylonier, Perser, Griechen, Ägypter und Italiener. Achämenes soll der Sage nach von einem Adler aufgezogen worden sein, ebd. 440 Siegessymbol war der Adler schon bei den Griechen, bevor Marius ihn in der römischen Legion einführte. Auf eine Rückkehr der Legionäre ohne den Adler aus einem Kampf stand die Todesstrafe, Keller, Tierwelt, 3.

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östlichem Einfluß Symbol der Apotheose […] im Heroen- und Kaiserkult und damit der Unsterblichkeit selbst geworden“.441

Hier dürfte die wichtigste Parallele zu unserem Traum liegen: der Adler als hoheitliches und göttliches Symbol, das die Unsterblichkeit verkörpert. Immerhin wird der Adler in unserem Traum ja verwundet und erweist sich dennoch als nicht sterblich. Auf dem Pariser Kameo ist zu sehen, wie ein Adler den Gottkaiser Augustus trägt und in die Höhe erhebt.442 Auch für vergöttlichte Kaiserinnen kann der Adler Zeichen sein. Ein Adler zierte die Triumphaltracht eines antretenden Konsuls, aber auch die kaiserliche Galatracht.443 Auch waren Adler auf Münzen und Wappen bei mächtigen Herrschern und Kaisern, wie Alexander oder Augustus, zu sehen.444 Da der Adler Sonne und Sonnengott symbolisiert, befindet sich sein gedachter Herkunftsort im Osten. Als Symbol des Himmelsgottes der Phönizier, Ba’alshamin, ist der Adler mit einem Bündel Blitze in den Klauen auf einem Denkmal des Mithras abgebildet.445 Ein Aspekt, der für das Verständnis unseres Traumes und der Adlersymbolik von Bedeutung ist, ist der, dass der Adler die Verstorbenen, allen voran die Herrscher, in die Götterwelt trägt. Dies hängt mit seiner Eigenschaft als Sonnenvogel zusammen; der Adler fungiert also als Psychopompos.446 Diese der griechischen Anschauung fremde Idee stammt allerdings aus den semitischen Kulturen. Dort verehrte man den Adler als Diener der Sonne oder gar als Inkarnation derselben. Dabei wird die Sonne als Heimstätte der Seele verstanden. Der Adler ist demnach ein Geleiter der Seelen. Diese Vorstellung übernahmen die Römer (s. etwa Cassius Dio LVI 42,3; LXXIV 5,5).447 Auch dieser Aspekt findet sich in unserem Traum in ähnlicher Weise wieder: Der Adler, als die Verkörperung Christi, trägt die „geretteten Seelen“ in sein Nest, d. h. hier in den Himmel. So handelt er mit den Rebhühnern und auch der Taube bzw. Turteltaube. Dies ist natürlich noch keine tiefere Deutung des Traumes, lediglich eine Übersetzung der Symbole. Was die Mantik betrifft, gehört der Adler zu den Orakeltieren, sowohl als gutes wie Unheil anzeigendes Tier. In besondere inhaltliche Nähe zu unserem Traummotiv führt Plinius, nat. XV 136: Ein Adler trägt eine Henne davon und verheißt dadurch Kindersegen.448 Da die Henne, wie das Rebhuhn, das der Adler in unserem Traum davonträgt, zu den Hühnervögeln gehört, liegt hier 441 442 443 444 445 446 447 448

Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 88. Ebd. A. a. O., 88 f. Hünemörder, Art. Adler, 116. Auf Städtemünzen war vor allem der Fischadler mit Beutefisch zu sehen, Keller, Tierwelt, 12. Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 89. Auch in Ägypten konnte der Flussadler Tier des Sonnengottes sein, Keller, Tierwelt, 12. Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 89 f. Vgl. hierzu das Motiv des Adlers als Seelengeleiter in der o. dargestellten Erzählung der Jünger in ActAndrMatth 17. Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 90. Ebd.

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eine inhaltliche Verwandtschaft vor. Wenn man den Adler als Versinnbildlichung Christi verstünde, hieße die Übertragung des Inhalts der Pliniusstelle auf unseren Traum: Das weggetragene Rebhuhn (das Mygdonia darstellt)449 verheißt „Kindersegen“, nämlich dass Mygdonia sich Christus (ausgelöst durch die Predigt des Thomas in Kap. 88) als „Kind“, als neue Anhängerin, anschließt. Den Tod kündigt ein Adler bei Homer, Od. XIX 538, an, ähnlich bei Theophrast, h. plant. IX 8,8.450 Artemidor schreibt zum Adler (oneirokr. II 20): „Große Vögel bringen eher Reichen als Armen Nutzen, die kleinen dagegen sind den Armen ganz besonders nützlich. Die großen Vögel leiden häufig Hunger, weil sie sich nicht mit einfachem Futter begnügen, sondern fetter Beute nachjagen und das erstbeste verschmähen, die kleinen dagegen, die Körnersammler, haben niemals Not, weil sie sehr leicht ihre Nahrung finden.“451

Dies erinnert sehr an unseren Traum und den großen Appetit sowohl des Adlers als auch des Träumers. Artemidor schildert im selben Kapitel weiter: Sehe man im Traum einen Adler, der erhöht sitze oder fliege, sei das positiv für Menschen, die wenig Risikoscheu hätten (für Ängstliche hingegen ein schlechtes Omen). Prinzipiell glückverheißend sei auch ein Adler mit ruhigem, leisem Flug. Doch könne der Adler auch Todesbote sein, wenn er nämlich im Traum auf dem eigenen Kopf lande. Dies liege in der Natur des Adlers begründet: Hat er etwas in den Krallen, wird es von ihm auch getötet. Ferner heißt es an selber Stelle: „Auf einem Adler zu reiten, weissagt Kaisern, Reichen und Mächtigen den Tod, denn nach einem alten Brauch stellen Maler und bildende Künstler solche Persönlichkeiten nach ihrem Ableben auf Adlern reitend dar und verherrlichen sie durch solche Bildwerke.“452

Auch hier erfährt der Adler Attribuierungen, die in den Bereich des Göttlichen gehen oder wenigstens eschatologisch aufgeladen sind. Das aggressive Potenzial des Traumbildes des Adlers wird auch angesprochen, wenn Artemidor in II 20 schildert, dass ein Adler, welcher sich angriffslustig zeige, „eine Drohung von seiten eines einflußreichen Mannes“ voraussage, wohingegen einer, der sich zutraulich zeigt, „sich nähert, etwas gibt oder sich mit seiner Stimme vernehmen läßt, nach dem Zeugnis der Erfahrung Gutes“ ankündige.453 Interessant ist weiter, dass der Adler die Geburt eines Sohnes anzeige, wenn eine Frau im Traum einen Adler zur Welt bringe. Dieser Sohn werde eine bedeutende Entwicklung machen (bis hin zum General, er449 450 451 452 453

Zur Zuordnung der einzelnen Vögel zu den Figuren in den ActThom s. u. Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 90. Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 140. Übersetzung: ebd. Übersetzung: a. a. O., 141.

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folgreichen Sportler oder gar Kaiser) (II 20). Bezugspunkte zum Traum ergeben sich ferner aus IV 56: Dem Verhalten der Tiere sei das der Menschen zu parallelisieren; was ein Mensch denkt oder will sei „unter dem Gesichtspunkt ähnlicher Züge beim Tier [zu] untersuchen. So zeigen z. B. stolze, in Freiheit lebende, draufgängerische und Furcht erweckende Tiere, z. B. der Löwe, Tiger, Panther, Elefant, der Adler und Falke, Menschen entsprechender Art an.“454

In Nähe zur Mantik steht der magische Gebrauch von Körperteilen des Adlers. Marcellus Empiricus 33,64 berichtet davon, dass ein Adlerherz Gunst und Liebe verschaffe und prinzipiell schützende Funktion habe. Trage man einen Schnabel des Vogels mit sich, sehe man im Traum, was auch immer man sich erwünscht (Plinius, nat. XXIX 129).455 4.4.3.1.2 Der Adler im Alten Testament Riede weist darauf hin, dass sich in der Regel hinter ‫ נשר‬nicht der Adler, sondern der Geier verbirgt, auch wenn LXX und Vulgata mit „Adler“ übersetzen (ἀετός bzw. aquila).456 Diese Unterscheidung zwischen Geier und Adler soll hier in den Hintergrund treten; im Weiteren wird nur vom Adler gesprochen, außer wenn der Kontext eindeutig den Geier meint.457 Im AT verkörpert der Adler Herrschaft, Macht und Gewalt. So werden die Gegner, die über Israel herfallen, als Adler bezeichnet (Dtn 28,49; Jer 48,10; Ez 17,3.7; Hos 8,1; Hab 1,8; Esra 4,9 f). Symbol des Göttlichen ist der Adler in Ez 1,10458 und ApkAbr 18,5. Er ist Gottesbote, welcher den göttlichen Willen überbringt (3Bar 77,19–26).459 Eine besondere Gruppe bilden die Stellen, bei denen Jahwes Schutz für sein Volk durch das Bild des Adlers bzw. seiner Flügel ausgedrückt wird, so in Ex 19,4; Dtn 32,11 f, vgl. Jes 40,31.460 Anders in Jer 48,40: Hier bedeutet das Ausbreiten der Adlerflügel (in dem Fall über Moab) Unheil. 454 Übersetzung: a. a. O., 291. 455 Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 90. S. ferner zu Mantik und Adler Claudius Aelianus, nat. II 23; V 47; Plinius, nat. XXX 141; Theokrit 2,58; Geoponica I 14,2, gefunden bei Schneider/ Stemplinger, Art. Adler, 90. Zu antiker Medizin unter Verwendung diverser Körperteile des Adlers s. a. a. O., 91. 456 Riede, Art, Adler. Dass statt dem Geier der Adler imaginiert wurde, hängt nach Riede damit zusammen, dass im europäischen Kulturraum Ersterer geringgeschätzt, Zweiterer aber geachtet bzw. verehrt wurde. Auch verweist Riede auf Mi 1,16. Die dortige Beschreibung von ‫ נשר‬passt nicht zum Adler. Zudem seien sowohl Geier als auch Adler im hohen Flug schlecht zu unterscheiden bzw. schnell zu verwechseln, „so dass davon auszugehen ist, dass ‫ נֶ ֶשׁר‬næsˇær an einigen Stellen auch einfach den großen Raubvogel bezeichnet.“ (Riede, Art. Adler). 457 Zum Geier s. Riede, Art. Geier. 458 Neben Mensch, Stier und Löwe. Allerdings sind alle vier geflügelt (V 11). Anders in der Vision Ez 10,14: Hier sind es Cherub, Mensch, Adler und Löwe. Riede, Art. Geier, 1., sieht im Vogelgesicht den Ostwind repräsentiert. 459 Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 91. 460 Hier sei auf Schroer, Flügel, 296–316, verwiesen.

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Der Adler ist zwar Symbol göttlichen Schutzes oder göttlicher Vernichtung, er steht aber dennoch unter Jahwe, so in Obd 4 und Jer 49,16. Dass der Adler die Fähigkeit hat, sich zu verjüngen scheint in Ps 103,5 anzuklingen. In Hi 9,26 wird sehr plastisch das Herabstoßen des Adlers auf seine Beute mit der Vergänglichkeit der Lebenstage Hiobs verglichen. Eine interessante Antipode zum Rebhuhn greifenden Adler unseres Traumes bildet Spr 30,19 f: Hier wird eine ehebrecherische Frau mit einem Adler am Himmel verglichen. Eine Antipode liegt insofern vor, als der Adler im Traum ja die Rebhühner (also die Ehefrauen des Träumers und des Königs, s. u.) zwar nicht vor Ehebruch, so doch aber vor dem negativ besetzten ehelichen Verkehr „bewahrt“. In der genannten Stelle aus Spr 30 hingegen symbolisiert der Adler verwerflichen sexuellen Verkehr. Als letztes sei kurz erwähnt, dass die Ägypter den Adler als heiliges Tier betrachteten (Aristides, Apol. 12,7); auch die Assyrer verehrten Genien mit Adlerkopf.461 4.4.3.1.3 Der Adler im Neuen Testament und in der frühchristlichen Literatur Im NT finden sich nur wenige Stellen zum Adler bzw. Geier. So heißt es in Mt 24,28 (wohl doch Letzteren meinend)462 bezüglich der plötzlichen Wiederkunft des Menschensohnes, dass sich die Geier dort versammeln, wo das Aas liegt. In Offb 4,7 wird Ez 1,10; 10,14 aufgegriffen. In Offb 8,13 fliegt der Adler am Himmel und ruft das dreifache Wehe über die Menschen auf der Erde. Die letzte Stelle findet sich in Offb 12,14: Die Frau, die vor dem Drachen flieht bzw. von diesem verfolgt wird, bekommt Adlerflügel, um zu einem sicheren Ort in der Wüste zu fliegen.463 Hier wird die Majestät des Adlers deutlich, dessen Flügel Kraft und Geschwindigkeit ausdrücken, und Sicherheit und Schutz ermöglichen. Zuletzt soll nur kurz erwähnt werden, dass, neben den wenigen ntl. Belegen zum Stichwort, natürlich die Person des Aquila genannt werden muss, der mit seiner Frau Priska treuer Paulusbegleiter ist (Apg 18,2 f.18.26; Röm 16,3; 1Kor 16,19; 2Tim 4,19).464 In der frühchristlichen Literatur wird der Adler zum Symbol des auferstandenen und erhöhten Christus (Gregor d. Gr., mor. in Iob XXXI 47; Augustinus, enarr. in Psalmos 66,10; 102,9 u. ö.). Auf einigen frühchristlichen Sarkophagen ist der Adler über dem Triumphkreuz mit dem griechischen 461 Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 91. Riede, Art. Geier, 1., schreibt zum Adler bzw. Geier in Ägypten: „In ganz Vorderasien und in Ägypten steht die Geiersymbolik mit Göttinnen in Zusammenhang. So wird in Ägypten Nechbet, die Göttin Oberägyptens, geiergestaltig dargestellt. Schützend umgeben Geiergöttinnen den ägyptischen König, wobei vor allem die Flügel diesen Schutz zum Ausdruck bringen.“ 462 So auch Wiefel, Matthäus, 416 z.St. 463 Vgl. u. a. Gen 16,7; Ex 19,4; Dtn 32,10 f. 464 Zu Priska und Aquila s. Müller, Art. Priska; Ollrog, Paulus und seine Mitarbeiter, 24–27; von Harnack, Recensionen, 2–13.

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Monogramm „ΧΡ“ und einem Kranz abgebildet. Die Gottesgemeinschaft und die Teilhabe am ewigen Leben, das durch die Taufe ermöglicht wird, sehen die Kirchenväter im Adlersymbol. So werden die Neophyten als Adler bezeichnet (Ambrosius, paenit. II 2,8; sacr. IV 2,7; physiologus 6). Eine weitere symbolische Verbindung, nämlich von Adler und Sonne in der Alten Kirche, entstand unter Aufnahme der schon erwähnten antiken Vorstellung von den Adlerjungen, die das direkte Schauen in die Sonne (nicht) ertragen können (Tertullian, an. 8; Ambrosius, hex. 18,60; Augustinus, tract. in Iohannis euangelium XXXVI 5; Hieronymus, comm. in Is. prophet. 40,31; Gregor d. Gr., mor. in Iob IX 32; XXXI 47). Dabei symbolisiert das Nest die Kirche, der Adler Christus und die Jungen die Glieder der Ekklesia, die von Christus geprüft werden. Jeder, der dem Sonnenlicht nicht stand hält, wird aus dem Kirchen-„Nest“ geworfen (Ambrosius, s. 46,2).465 Nicht zuletzt wurde der Adler auch als negatives Symbol, im Hinblick auf seine Natur als Raubvogel, gebraucht. „Als solcher versinnbildet der A. bösartige Menschen, die nach fremdem Besitz trachten (Barn. 10, 4; vgl. Clem. Al. strom. 5, 8, 48).“466 In gewisser Weise ist diese negative Eigenschaft auch die, welche den Adler in Charîs’ Traum auszeichnet: Er raubt jemanden, der nicht zu ihm gehört, nämlich Mygdonia, die Frau des Träumers. Den Adler als Teufel, der die Seelen der Menschen raubt, kennt Gregor d. Gr., mor. in Iob XXXI 47.467 Der Adler als Christussymbol ist innerhalb der christlichen Ikonographie recht breit belegt. Im Gewölbe der Kirche von Le Thor (in der Nähe von Avignon) bilden Kreuzeslamm und Adler ein Gegensatzpaar. Eine Bibel, die aus Floreffe stammt (ca. 1150), zeigt auf dem Bild, dass das Johannesevangelium einleitet, einen Adler als Symbol der Himmelfahrt Jesu. Weiterhin wird die ursprünglich orientalisch-antike Darstellung des Kampfes des Adlers gegen die Schlange468 auf den Sieg des auferstandenen Christus gegenüber dem Satan übertragen (vgl. Pseudo-Ambrosius, serm. 46), dargestellt z. B. im großen Kaiserpalast von Konstantinopel (5./6. Jh.), in St. Peter im Holz in Kärnten (6. Jh.) oder an der Tür der Basilika San Nicola in Bari. Die Schlange kann auch durch einen Drachen ersetzt sein (Kapitell St.-Denis-Horse in Amboise, 2. Hälfte des 12. Jh.).469

465 466 467 468 469

Schneider/Stemplinger, Art. Adler, 92. A. a. O., 93. Wehrhahn-Stauch, Art. Adler, 73 f. S. dazu Wittkower, Eagle, 293–325. Wehrhahn-Stauch, Art. Adler, 70 ff. Zum Adler als Symbol der christlichen Auferstehungshoffnung, als Symbol für die Gläubigen per se und als Verkörperung des Teufels in der christlichen Ikonographie s. a. a. O., 73 f mit Belegen.

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4.4.3.2 Rebhuhn und Steinhuhn (perdix470) 4.4.3.2.1 Rebhuhn und Steinhuhn in der Antike Die Untersuchung zum Rebhuhn beginnt mit einer Problemanzeige. Sowohl in Palästina als auch in Griechenland und Italien kam in der Antike das Rebhuhn so gut wie nicht vor, sondern nur sein größerer Verwandter, das Steinhuhn, das zudem ein brauneres Gefieder aufweist.471 Steinhühner leben auf der Erde und haben dort ihr Nest, in das sie bis zu 16 Eier legen. Sie sind also sehr fruchtbar (was für unseren Traum von Bedeutung ist). Sie leben geduckt, um unnötige Gefahren zu vermeiden. Ihre Stimme galt als lieblich, die flaumigen Federn unter ihren Flügel als besonders weich und zart.472 Charakteristisch ist ihr dunkles Aussehen, das perfekte Tarnung am felsigen Boden ermöglicht. Das Steinhuhn ist ein schneller Läufer, jedoch ein schlechter Flieger.473 Das Wesen des Vogels galt als zärtlich, ja wollüstig. Aufgrund dessen wurde er der Venus geopfert; auf Vasenmalereien findet er sich neben Adonis und Venus.474 Hier wird ein wichtiger Aspekt für die Traumdeutung sichtbar: Charîs muss unfreiwillig auf den sexuellen Verkehr mit seiner Frau verzichten; gleichzeitig tauchen bei ihm dezidiert erotische Motive im Traum auf. Das Rebhuhn ist nur eines davon. Auch das in unserem Traum begegnende Motiv, dass das Rebhuhn (bzw. Steinhuhn) als Beute weggetragen wird, ist beliebt in der antiken Vasenmalerei.475 Das Steinhuhn galt als listig (und keineswegs ängstlich), wenn es darum ging, Jäger vom Nest fernzuhalten.476 Andere Autoren wiederum charakterisieren das Tier als bösartig (Aesop, fab. 265)477 und streitsüchtig (Aristoteles, hist. an. IX 8,613b 33/614a 17).478 Wollte man ein Steinhuhn fangen, ging dies am besten, wenn man das Männchen durch ein weibliches Tier anlockte und umgekehrt (Xenophon, mem. II 1,4). Auch wurden Sperber benutzt, um sie zu fangen, was dem Fangen der Rebhühner durch den Adler in unserem Traum entspricht.479 Bedeutender für uns ist aber, dass nach Aristoteles die Be470 Die Bezeichnung des Tieres wurde ihm aufgrund der Laute gegeben, die es von sich gibt, und die sehr charakteristisch sind, Dockter, Art. Rebhuhn, 740, mit Verweis auf Isidor von Sevilla, orig. XII 7,63, und Keller, Tierwelt, 160. 471 Hünemörder, Art. Steinhuhn, 943; Keller, Tierwelt, 156. A. a. O., 157, schreibt Keller: „In der Regel […] ist bei den Schriftstellern keineswegs das mitteleuropäische gemeine Rebhuhn, […] sondern vielmehr das levantinische Steinhuhn unter perdix gemeint.“ Vgl. Riede, Art. Steinhuhn. 472 Keller, Tierwelt, 160. 473 Riede, Art. Steinhuhn. 474 Keller, Tierwelt, 157; 160. 475 A. a. O., 157. 476 A. a. O., 157 f. S. auch Plinius, nat. X 103. 477 Nach der Ausgabe Perry (Hg.), Aesopica, Bd. 1. 478 Dockter, Art. Rebhuhn, 741. 479 Keller, Tierwelt, 158.

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fruchtung des Weibchens durch die Stimme des Männchens geschieht, die durch den Wind zu ihr getragen wird (hist. an. V 5,541a 26–29 = Claudius Aelianus, nat. XVII 15; Plinius, nat. X 102). Plinius (ebd.) beschreibt, dass das Steinhuhn sexuell ein besonders aktives Tier sei und seine Eier zur Straffung der Brüste eingesetzt wurden sowie zur Förderung der Fruchtbarkeit und der Milchbildung (XXX 131).480 Der Vogel verkörpert also sexuelle Libido, erotische Schönheit und Anziehung sowie Fruchtbarkeit. Diese sexuellen Konnotationen sind für die Traumdeutung von großer Bedeutung, und zwar deshalb, weil zu zeigen sein wird, dass sich im Traum des Charîs (unter anderem) der unbewusste Wunsch nach sexueller Erfüllung und Befriedigung zeigt – anhand sexuell aufgeladener Traummotive, zu denen das Stein- bzw. Rebhuhn, wie eben aufgezeigt, gehört. Das Fleisch der Vögel galt als wohlschmeckend (vgl. Horaz, epod. 2,53; Martial XIII 61),481 was sich ebenfalls in unserem Traum und in der emotionalen Reaktion des Charîs darauf, dass er diesen Leckerbissen nicht zum Munde führen konnte, findet. Wohlschmeckend heißt, übertragen auf den Traum: sexuell besonders befriedigend. Artemidor schreibt zum Rebhuhn (II 46), dass dieses zwar sowohl für Frauen als auch für Männer stehen könne, jedoch in den meisten Fällen für Frauen stünde, die als gottlos und als ehrfurchtlos zu charakterisieren seien. Nicht einmal ihren Männern gegenüber würden sie sich angemessen verhalten (leider führt Artemidor das nicht weiter aus), eben ähnlich wie die Vögel selbst, die so buntgefiedert wie schlecht zähmbar seien. In IV 56 heißt es, dass „das Rebhuhn eine stattliche Person und einen Kerl, der alle Schliche kennt“, bedeute.482 4.4.3.2.2 Das Steinhuhn im Alten Testament und in der Alten Kirche Erwähnt wird das Tier ausschließlich im AT und dies auch nur wenige Male. In 1Sam 26,20 ist davon die Rede, dass König Saul ausgerückt ist, um David zu fangen. Letzterer wird dabei mit einem Floh verglichen, aber auch mit einem Rebhuhn (bzw. Steinhuhn), auf das im Gebirge Jagd gemacht wird. Nach Riede wird hier auf die (o.g.) Fluchteigenschaften des Tieres angespielt: Das Tier flieht vor einem Feind v. a. durch Weglaufen. Ist es jedoch davon erschöpft, ist es ohne große Mühe zu fangen. Die Anspielung ist allerdings ironisch gemeint; dem muss hier aber nicht weiter nachgegangen werden.483 In Jer 17,11 heißt es: „Ein Rebhuhn, das Eier brütet, die es nicht gelegt hat, so ist, wer Reichtum erwirbt und nicht mit Recht: in der Hälfte seiner Tage wird er ihn verlassen, 480 Hünemörder, Art. Steinhuhn, 943, mit weiteren Belegen für antike medizinische Verwendungen einzelner Teile des Vogels bei Plinius. 481 Keller, Tierwelt, 158 f. 482 Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 293. 483 Riede, Art. Steinhuhn. S. auch Riede, David, 68 ff.

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und an seinem Ende wird er ein Tor sein.“ Hier stehen vermutlich die Bruteigenschaften des Vogels im Hintergrund, der die Brutstätte ohne weiteren Schutz in einer flachen Sandkuhle anlegt. Das Steinhuhn hat viele Feinde: andere Vögel, Reptilien, Menschen, und legt deshalb eine große Anzahl von Eiern, damit die Überlebenschancen der Tiere im Sinne der Arterhaltung gewährleistet sind. Ist das Muttertier gezwungen, das Nest aus irgendeinem Grund zu verlassen, ist es möglich, dass der Fall eintritt, dass es die eigene Brutstätte mit einer anderen verwechselt und dann ein anderes Gelege ausbrütet.484 In Ri 15,19 wird eine Quelle genannt, die den Namen des Tieres trägt; in 1Chr 9,19; 26,1; 2Chr 31,14 erscheint er als maskuliner Eigenname. Sir 11,30 bezeugt (Luther): „Ein Rebhuhn [πέρδιξ] als Lockvogel im Korb – so ist das Herz des Hochmütigen, er lauert wie ein Späher auf deinen Untergang.“485 Das hebräische ‫ קרא‬wird nicht einheitlich übersetzt. Die Vulgata bringt, bis auf den Gebrauch des Terminus als Eigenname, immer die Übersetzung perdix. Die LXX hingegen übersetzt Jer 17,11 mit πέρδιξ, 1Sam 26,20 aber mit νυκτικόραξ.486 Nicht unerwähnt darf bleiben, dass bzgl. des Rebhuhns487 eine relativ breite Tradition, v. a. bei frühchristlichen Schriftstellern, existiert, die es negativ bewertet. Oft wird dabei auf Jer 17,11 Bezug genommen. So ist das Rebhuhn entweder der Teufel selbst, der Antichrist, oder aber es verkörpert einen Häretiker.488 Für Origenes ist es in Jer 17,11 der Satan, welcher durch den Mund von Abgefallenen, wie Valentinus, Markion und Basilides, rede und einfache Menschen verführe; das Rebhuhn selbst sei verkommen, listig und unrein (hom. in Ierem. 17,1 ff). Gregor von Nyssa bezieht sich ebenfalls auf die Jeremiastelle, anhand des Stichwortes der Vaterschaft: Das Rebhuhn sei der Teufel und der falsche Vater, Gott aber sei der richtige Vater der Menschen (c. Eunom. III 10,10).489 Die Begründung liegt darin, dass es, wie eben beschrieben, geschehen kann, dass das Rebhuhn falsche Eier ausbrütet. Eine abschätzige Bemerkung trifft auch Ambrosius über den Vogel: Er leitet seinen Namen von perdere her, also „zugrunde richten“ (epist. I 32,2–6).490 Chromatius von Aquileia weiß zu berichten, dass der Satan sich wie das Rebhuhn im Blätterdickicht verberge, um seine wahren, bösen Absichten zu verschleiern (serm. 6,5). Auch Augustinus bewertet das Rebhuhn negativ: als Teufel und als Ketzer (serm. 46,28 f, vgl. c. Faust. Manich. XIII 12–17).491 484 Riede, Art. Steinhuhn. S. auch Sawyer, Jeremiah, 324–329; Seybold, „Rebhuhn“, 57–73 (gefunden bei Riede, Art. Steinhuhn). 485 Ebd. 486 Dockter, Art. Rebhuhn, 742. 487 Wir bleiben im Folgenden, der Übersichtlichkeit halber, bei dieser Bezeichnung. 488 Ebd. 489 A. a. O., 742 f. 490 Brackertz, Traumbuch, 427, Anm. 336. 491 Dockter, Art. Rebhuhn, 743. Für weitere Belege s. a. a. O., 742 f.

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4.4.3.3 Taube und Turteltaube 4.4.3.3.1 Taube und Turteltaube in der Antike Die Taube gilt seit dem 4. Jt. im Vorderen Orient als verbreitet. Die für diesen Bereich älteste bekannte bildliche Darstellung einer Taube stammt ebenfalls aus dem 4. Jt. (Tell Arpaçije).492 Hünemörder unterscheidet grob zwischen wildlebenden und zahmen Tauben. Zu den ersteren gehören Felsentaube, Holz- oder Ringeltaube, Hohltaube und Turteltaube. Zu den zahmen Tauben zählen die Haustaube und die indische Grüne Fruchttaube. Die Felsentaube (πέλεια, von πολιός, „dunkel, blaugrau“ kommend) ist menschenscheu und gilt von daher als furchtsam (Homer, Il. V 778; Od. XII 62). Ihre Feinde sind die Greifvögel (Homer, Od. XV 525 ff u. ö.).493 Die Brieftauben stammen von der Felsentaube ab. Sie kennzeichnet der weiße Bürzel und zwei schwarze Bänder auf jedem Flügel. Ihr Gefieder glänzt in der Sonne (vgl. Ps 68,14).494 Die Holz- oder Ringeltaube (φάσσα/φάττα) ist von dunkelgrauer Färbung, besitzt aber einen schillernden Kopf. Sie nistet auf Bäumen (Theokrit 5,96 f; Vergil, ecl. 3,69). Die Hohltaube (οἰνάς) nistet in Höhlen. Sie ist größer als die Ringel-, aber kleiner als die Haustaube. Bevorzugt fing man sie, wenn sie während des Herbstzugs zum Wassertrinken rastete (Aristoteles, hist. an. VIII 3,593a 20 f).495 Die Turteltaube (τρυγών; Streptopelia decaocto) ist an Rücken und Schwanz isabellfarben sowie an Hals und Brust weinrot gefiedert, wobei sie besonders zierlich gebaut ist.496 Sie fällt durch ihr charakteristisches Gurren auf. Die Haustaube (περιστερά) stammt von der Felsentaube ab und entstand durch Zucht. Sie zeichnet sich durch ihre Zahmheit aus (Aristoteles, hist. an. I 1,488b 3 u. ö.). Die indische Grüne Fruchttaube497 galt in Indien als ein beliebtes Fürstengeschenk (Claudius Aelianus, nat. XV 14). Antike Beobachtungen gelten meist der Haustaube: ihrem Kropf (Aristoteles, hist. an. II 17,508b 26 ff) oder dem Augenzwinkern (Aristoteles, part. an. II 13,657b 10 f). „Das Schnäbeln (t.t. κυνεῖν/kyneín, lat. osculari = ,küssen‘) vor der Begattung und die frühe und große Fruchtbarkeit waren bekannt und wurden von Züchtern ausgenutzt (Colum. 8,8; Pall. Agric. 1,24; vgl. Varro rust. 3,7,5 ff.). […] Ihrem Charakter wurden Furchtsamkeit, Zärtlichkeit, Gattenliebe und die – vom späteren Christentum bes. für die Turtel-T. behauptete – Treue über den Tod hinaus zugeschrieben.“498 Auch was das Motiv der Taube angeht, zeigen sich also starke erotische 492 493 494 495 496 497 498

von Soden, Art. ‫יוֹנָה‬, 589; van Buren, Mesopotamia, 88. Hünemörder, Art. Taube, 45. Schouten van der Velden, Tierwelt, 54 f. Hünemörder, Art. Taube, 45. Schouten van der Velden, Tierwelt, 136; Schroer, Art. Taube, 787. Zur indischen Taube s. Keller, Tierwelt, 128. Hünemörder, Art. Taube, 45 f.

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Eigenschaften und Konnotationen. Hierzu gehört das eben beschriebene „Küssen“ sowie der Aspekt der Zärtlichkeit und der großen Fruchtbarkeit. Wichtig für unsere Traumdeutung erscheint ferner das Treuemotiv. Keller spricht von „eheliche[r] Treue“.499 Vor allem was die Turteltauben betrifft, unterstellte man ihnen vorbildliches keusches Verhalten. Ein Taubenweibchen, dessen männlicher Partner gestorben sei, verhalte sich fortan enthaltsam (Horapollo II 32). Aber auch in der Antike existierte die Meinung, dass Tauben mehr „verliebt“ denn treu und enthaltsam seien (so etwa Catull 29,6 ff; Horapollo I 57).500 Was das Sexual- und Treueverhalten der Tauben betrifft, gehen heutige Einschätzungen auseinander. Curt Vogel meint, dass alle Gattungen des Vogels ein monogames Leben präferieren.501 Auch Kurt Vogel konstatiert Monogamie für die Haustauben, ebenso eine lebenslange Partnerschaft.502 Bauer hingegen weist zwar darauf hin, dass die Voraussetzung für eine Fortpflanzung bei Tauben eine feste Partnerschaft sei, jedoch würden besonders die männlichen Tiere nicht selten Sexualverkehr mit anderen weiblichen Tieren suchen.503 Innere Organe, Blut, Fleisch und Kot504 der Tauben wurden zu medizinischen, therapeutischen und diätischen Zwecken eingesetzt (s. z. B. Plinius, nat. XXII 123.125; XXX 80.117). Da die Tauben ein ausgeprägter Heimkehrinstinkt auszeichnet, wurden sie schon im ägyptischen Alten Reich sowie später von Griechen und Römern als Postboten benutzt. Auch als Liebesbote ist die Posttaube belegt.505 Am ertragreichsten für das Verständnis unseres Traumes ist aber der religiöse Symbolgehalt der Taube. Die Taube war ein Symbol der Isˇtar. Das belegen Funde im Ascheratempel in Naharijah aus dem 17. Jh. v. Chr. und im IsˇtarTempel von Assur (13. Jh. v. Chr.). Der Astartekult übernahm die Taube als göttliches Attribut.506 Im 4. Jh. v. Chr. wiederum ging v. a. die weiße Taube als heiliges Tier vom Astartekult in den Aphroditekult über (Claudius Aelianus, nat. IV 2); sie wurde deren wichtigstes Attribut. Bei den Römern schließlich spielte die Taube als heiliges Tier im Venuskult eine große Rolle. In allen Aphroditekultstätten, die vom Orient beeinflusst waren, hielt man Tauben.507 Vom Aphroditekult herkommend wurden auch Dione, Eros und Adonis von der Taube attribuiert.508 499 Keller, Tierwelt, 128. 500 Ebd. 501 C. Vogel, Tauben, 17. Dies würden im Übrigen 90 Prozent der Vogelarten so handhaben, a. a. O., 144. 502 K. Vogel, Die Taube, 204. 503 Bauer, Tauben, 52. 504 Der Taubenkot wurde sogar als eine Art Salz zum Brotbacken benutzt, Riede, Art. Taube, 2. S. auch 2Kön 6,25. 505 Hünemörder, Art. Taube, 46 f mit Belegen. 506 von Soden, Art. ‫יוֹנָה‬, 589 f. Vgl. Greeven, Art. περιστερά, 63 f. 507 Keller, Tierwelt, 122. 508 von Soden, Art. ‫יוֹנָה‬, 590.

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Hierapolis scheint ein Zentrum der Verehrung von Tauben gewesen zu sein. Auch in Syrien wurden v. a. weiße Tauben verehrt. Sie durften weder gefangen noch ohne weiteres gegessen werden.509 „Als Tier der obersten Gottheit war sie auch Symbol des assyrisch-babylonischen Reiches und Fahnenbild des Heeres: […] Nach der Legende fiel einstmals ein großes Ei vom Himmel in den Euphrat. Fische trugen es ans Ufer, Tauben brüteten es aus und es ging die syrische Venus daraus hervor (Hygin. Fab. 197).“510

Auf einem Spiegel aus Mittel- bzw. Norditalien ist eine Turteltaube zu sehen: Sie steht bei dem griechischen Gott Eros, der die Psyche umarmt.511 In dieser Darstellung werden alle vier Aspekte, die für das Verständnis unseres Traumes notwendig sind, in einem Bild vereint und lassen sich auf die Traumgrundstruktur erhellend übertragen (auch wenn wir dabei der Deutung z. T. vorgreifen): Eros, also die Verkörperung sexueller Energie, die in den Thomasakten abgelehnt wird, umarmt die Seele (in diesem Fall die des träumenden Charîs). Das heißt, sie möchte Charîs zufließen, will von diesem integriert werden. Die Turteltaube (als Traumsymbol) vermittelt zwischen beiden Parteien. Der Spiegel ist auf den Zustand des Traumes zu beziehen: Das Unbewusste zeigt sich im Schlaf wie in einem Spiegel. Da sich im wachen Leben die „Umarmung“ von Sexualität und der Psyche nicht vollziehen kann, zeigt sie sich im Traum spiegelhaft.512 Auch für Ägypten ist die Taube im religiösen Kontext belegt. So wurde sie (neben anderen Vögeln) als Seelenvogel verstanden. Der Ba des Verstorbenen fliegt in Form einer Taube gen Himmel.513 Bei der Feier der Inthronisation der Götter Osiris und Horus wurden Tauben in alle Himmelsrichtungen fliegengelassen. Diese stellten die Söhne des Horus dar und sollten aller Welt von der Inthronisation künden.514 Wie im Hld (s. u.) wurde „Taube“ auch sonst in der Antike als Kosename benutzt (Plautus, Cas. 138). Neben den schon oben erwähnten Eigenschaften charakterisierte man die Taube in antiken Sprichwörtern als ängstlich, sanftmütig, naiv und leichtgläubig. Vor allem aber steht sie für die Liebe.515 Erwähnenswert ist weiterhin die Beschreibung des Gegensatzpaares (unkriegerische) Taube – (wilder) Adler in der antiken Dichtung (Horaz, carm. IV 4,31 f),516 die auch dem Verhältnis der beiden Vogelarten in unserem Traum 509 510 511 512 513 514 515 516

Keller, Tierwelt, 122. Ebd. A. a. O., 123. Wie von Charîs auf den Verfasser der ActThom bzw. auf die enkratitischen Rezipientinnen und Rezipienten zu schließen ist, soll unten näher erläutert werden. Kees, Götterglaube, 46 f; 407. Botterweck, Art. ‫יוֹנָה‬, 591. S. auch Otto, Sprichwörter, 88 f. Hünemörder, Art. Taube, 47.

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entspricht – immerhin ist die Taube dort die Beute des Adlers. Auch der Aspekt der Wildheit des Letzteren wird uns noch beschäftigen. Ähnlich wie beim Rebhuhn existiert auch bezüglich der Taube (genauer: der Ringeltaube) eine dunkle bzw. negative Tradition: So symbolisiert die Ringeltaube die Göttin des Hades, Persephone.517 Sie trägt auch den Namen Pherephatta (φάττα = Ringeltaube). Langobarden und Goten deuteten die Taube als einen Vogel, der Unglück verkörpert (vgl. auch Cassius Dio LXXVIII 37,5). Von den Goten wurde die Turteltaube auch „Leichentaube“ genannt. Die heutige Bezeichnung „Taube“ könnte vom Altgermanischen für „dunkelgefärbt“ kommen.518 Artemidor widmet sich in oneirokr. I 79 dem Inzesttraum des sexuellen Verkehrs mit der eigenen Mutter, der auf unterschiedliche Art und Weise aufgeführt wird (was mit einer erstaunlichen Offenheit geschieht).519 So schreibt er zu Beginn des Kapitels: „Die Tatsache der Liebesvereinigung für sich allein reicht noch nicht aus, um die Sinndeutung anzuzeigen, vielmehr sind es die verschiedenen Arten der Vereinigung und Körperstellungen, die verschiedene Ausgänge [d. h. Folgen, die sich für den Träumer bzw. die Träumerin aus dem Traum ergeben, P.E.] bewirken.“520

Und später im selben Kapitel: „So gibt es Tiere, die das Weibchen von hinten bespringen, wie das Pferd, der Esel, […]. Andere berühren zuerst den Mund, wie Nattern, Tauben und Wiesel“.521 Für unsere Traumdeutung elementar ist ferner II 20: Sowohl die Ringeltaube als auch die Haustaube symbolisiere Frauen, erstere v. a. Frauen, „die ganz und gar der lockeren Zunft angehören, Haustauben mitunter haushälterische und ordentliche Frauen. […] Haustauben bedeuten ferner die Lust und das Vergnügen an den Geschäften, weil sie der Aphrodite heilig sind“.522

Abgesehen davon, dass Artemidor diese Beschreibungen im Kontext des Inzesttraums formuliert, ist auch an dieser Stelle die erotische und sexuelle Aufladung des Taubenmotivs deutlich, so durch den Hinweis auf das Schnäbeln als sexuelles „Vorspiel“, den Hinweis auf Aphrodite und auch die Verquickung von Lust und wirtschaftlichen Belangen. Auch dass die Taube weibliche Personen chiffriert, ist für unseren Traum von Bedeutung. 517 Botterweck, Art. ‫יוֹנָה‬, 591. 518 Keller, Tierwelt, 123; 125. 519 Inzestträume waren in der Antike häufiges Thema und mitnichten so tabuisiert wie in der Gegenwart, vgl. Herodot VI 107; Plutarch, Caesar 32,9, und vor allem Sophokles, Oid. T. 5,981 f (gefunden bei Brackertz, Traumbuch, 410, Anm. 170). Freud hat dieses Thema erst wieder mühsam herausarbeiten müssen, s. Freud, Traumdeutung, 281–285. 520 Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 98. 521 Übersetzung: a. a. O., 102. 522 Übersetzung: a. a. O., 142. S.a. oneirokr. IV 56.

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4.4.3.3.2 Taube und Turteltaube im Alten Testament und im Neuen Testament Alle oben aufgezählten wildlebenden Tauben (‫יונה‬,523 περιστερά) existierten auch in Israel. Die Turteltaube wird mit ‫תור‬/τρυγών bezeichnet.524 In unserem Traum wird nach den zwei Rebhühnern eine περιστερά und ein τρυγών erwähnt. Gerade in der oben als charakteristisch beschriebenen Zierlichkeit den anderen Tauben gegenüber liegt der Grund für die zusätzliche Nennung der Turteltaube im Traum. Die erotische Konnotation der Traummotive soll noch gesteigert werden, im Sinne von: eine zierliche Taube und eine noch zierlichere Turteltaube. Auch die Färbung der Turteltaube (auffällige rote Brust) spielt bei der unbewussten Bezugnahme auf das Traummotiv „Turteltaube“ eine Rolle. Sie unterstreicht den aphrodisierenden Charakter des Bildes. ‫ יונה‬wurde auch als Männername benutzt, am populärsten sichtbar am Propheten Jona. In Hld 2,14; 5,2 wird das Wort zudem als weiblicher Kosename gebraucht. Nach Jer 48,28 bauen die wilden Felsentauben ihre Nester in Felswänden. Dies wird in Hld 2,14 als Metapher für die Unzugänglichkeit der Geliebten benutzt.525 Jer 8,7 zeigt, dass die Turteltauben als Zugvögel wahrgenommen wurden, ebenso Hld 2,12.526 An letztgenannter Stelle erfüllt die Turteltaube auch eine Art Lockruf bzw. Botenfunktion: Wenn die Vögel wieder zu singen beginnen und man den Ruf der Turteltaube wieder hört (V 12), ist es Zeit für die Geliebte (die Taube! [V 14]), zu kommen und sich zu zeigen (V 13 f). Am häufigsten findet die Taube als Opfertier527 Erwähnung, und zwar immer zusammen mit der Turteltaube, das heißt, entweder sollen Tauben oder Turteltauben geopfert werden (Lev 1,14; 5,7.11; 12,6.8; 14,22.30; 15,14.29; Num 6,10; Lk 2,24). Nur Lev 12,6 und 14,30 sprechen von ihnen im Singular. In Gen 15,9 soll Abram u. a. das Opfer einer Turteltaube und einer jungen Taube bringen. Allerdings wird die junge Taube hier nicht durch ‫יונה‬, sondern durch ‫ גוזל‬bezeichnet, meint aber wohl die Taube.528 Die im jüdischen Gesetz geforderten Taubenopfer waren nach Schroer das „klassische Armeleuteopfer (Lev 14,22 Mk 11,15 parr), das im Bedarfsfall, z. B. beim Reinigungsopfer einer Wöchnerin, ein Schaf oder eine Ziege ersetzen konnte (Lev 12,8 Lk 2,24).“529 Die Verwendung von Taubenschlägen (Columbarien) geht bis ins 6. Jh. 523 Zur Etymologie s. von Soden, Art. ‫יוֹנָה‬, 587 ff. Er weist auf die Verwandtschaft mit ‫ ינה‬hin, das im AT als Verb der Trauer und (Toten-)Klage verwendet wird. Der murmelnde Laut eines klagenden Menschen war bei der Wortbildung wohl von Einfluss und zeigt sich noch an den Stellen, die das Taubengurren als Metapher der Klage verstehen (Jes 38,14; 59,11), von Soden, Art. ‫יוֹנָה‬, 587. 524 Schroer, Art. Taube, 787 f. 525 A. a. O., 788. Riede, Art. Taube, 5., formuliert es treffender: „[S]ie ist unerreichbar und immer nur für kurze Zeit sichtbar“. 526 Schroer, Art. Taube, 788. 527 S. dazu ausführlich Botterweck, Art. ‫יוֹנָה‬, 592 ff. 528 Riede, Art. Taube, 1. 529 Schroer, Art. Taube, 788.

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v. Chr. zurück (vgl. Jes 60,8).530 An dieser Stelle ist auch an Mk 11,15; Mt 21,12 und Joh 2,14 ff zu denken, wo die Taubenverkäufer genannt werden, die im Vorhof des Jerusalemer Tempels ihre Tiere den Opfernden verkauften.531 Ein interessanter Nebenaspekt ist hier, dass das aggressive Verhalten Jesu in Mk 11,15; Mt 21,12; Joh 2,15, worunter auch das Umstoßen der Tische mit den Taubenkäfigen fällt, sich genau entgegengesetzt zur Eigenschaft der Taube als arglos verhält. Jesus und die Tauben bilden an dieser Stelle Antipoden.532 Die Arglosigkeit der Tauben sieht Schroer in Hos 7,11 und Mt 10,16 ausgedrückt.533 Mt 10,16 wiederum spricht nicht von Arglosigkeit, sondern von ἀκέραιος. Es geht also nicht um eine Erwartungshaltung, sondern um eine Einstellung. Auch sonst ist der mt Vergleich erwähnenswert, weil hier Schlange und Taube einander gegenübergestellt werden und sich dennoch ergänzen. Jer 8,7 unterstreicht die Instinktsicherheit der Taube – schließlich ist sie ein Zugvogel.534 In der atl. Fluterzählung (Gen 8,8–12) spielt die Taube eine entscheidende Rolle (nach dem Raben in 8,7).535 Die Taube kündigt in ihrer Botenfunktion an, dass Gott sich den Menschen abermals zuwendet. Dies bedeutet Rettung.536 Botenfunktion als Sieges- und Gottesbotin hat die Taube in Ps 68,14.537 Neben dieser Funktion ist die Verbindung zwischen Taube und Liebesgöttin 530 Riede, Art. Taube, 2. Zu Aussehen und Aufbau von Columbarien s. Keller, Tierwelt, 128 f, vgl. auch 126. 531 Riede, Art. Taube, 3. Zweifel am Zweck der Columbarien hat Yadin, Masada, 138 f, geäußert, der eher an Grabanlagen (für Urnen?) denkt. Greeven, Art. περιστερά, 65, schließt aus der häufigen Deutung entweder als Grabanlage oder als Zuchtort auf eine Seelenvogelfunktion bzgl. der Taube. Kritisch sieht dies von Soden, Art. ‫יוֹנָה‬, 589. 532 Eckey, Markusevangelium, 288, versteht das Verhalten Jesu als eine Tat, welche „den Zeichenoder Symbolhandlungen der Propheten“ gleichkomme, und sieht darin eine „Reinigung des Heiligtums für die Erscheinung des Gottesreiches“. Diese Deutung bleibt m. E. aber zu allgemein, auch dadurch, dass sie nicht auf den Aspekt der von Jesus recht ungewohnten Aggressivität eingeht (was auch die im Folgenden angeführten Kommentatoren nicht tun). Wiefel, Matthäus, 360, sieht in der Handlung Jesu die Ankündigung des Endes des Jerusalemer Tempels. In Joh 2,15 wird gegenüber den Synoptikern Jesu Handeln noch ausgebaut: Er treibt die Händler mit einer Geißel fort und schüttet das Geld der Händler aus. Auch ist der „Betrieb“ im Tempel in Joh 2,13 noch durch die Anwesenheit von Schafen und Rindern gesteigert, vgl. Schnelle, Johannes, 64, der auf Sach 14,21 als Parallele zur Szene verweist. So auch Wengst, Johannesevangelium, Bd. 1, 110 f, mit Verweis auf Ber 9,5. 533 Schroer, Art. Taube, 788. Hier muss freilich berücksichtigt werden, dass in Hos 7,11 zwar gesagt wird, Ephraim sei wie eine Taube, die sich betören lässt (‫)פותה‬, aber er ist noch mehr: ‫אין‬ ‫ לב‬bzw. ἄνους, also ohne Verstand. Im Hintergrund steht die orientierungslose Wendepolitik Ephraims zwischen Assur und Ägypten, Botterweck, Art. ‫יוֹנָה‬, 591. 534 Ebd. 535 Vögel in Seenot- oder Fluterzählungen zur Hilfe zu nehmen, ist ein weit verbreitetes Motiv, s. dazu sowie zu den Vögeln in Gen 8,6–12 Keel, Vögel, 80–91. Im Gilgamesch-Epos wird, anders als es Noah tut, erst eine Taube, dann eine Schwalbe und schließlich ein Rabe losgeschickt. Nur der Rabe kehrt nicht zurück (XI 145–154), Botterweck, Art. ‫יוֹנָה‬, 592. 536 Schroer, Art. Taube, 788. Das Symbol der christlichen Friedenstaube hat hier einen ihrer Ausgangspunkte, ebd. 537 Vgl. Riede, Art. Taube, 5.

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elementar, um den symbolischen Gebrauch der Taube in ATund NTeinordnen zu können. Auf altsyrischen Rollsiegeln sind beide Motive zusammen zu sehen: Tauben fliegen „von der erotisch attraktiven Göttin zu ihrem Partner (Wettergott, Stadtfürst)“.538 Die Taube ist also Attribut der Liebesgöttin und zugleich ihr Bote, der wiederum ihre erotische Liebe übermittelt. Keel deutet Hld 1,15; 4,1 und 5,12 sowie das darin erscheinende Bild, dass die Augen des geliebten Gegenübers wie Tauben seien, im Sinne der Übermittlung einer Liebesbotschaft.539 Besonders Hld 5,2 macht die Erotik des Taubensymbols deutlich. Dabei ist die Reihung ‫ יונתי תמתי‬hervorzuheben. Die sexuelle Sehnsucht nach der Geliebten wird an dieser Stelle deutlich spürbar. Interessant ist, dass sich in Hld 5,2, wie in unserem Traumtext, der Aspekt des Schlafes mit dem des sexuell aufgeladenen Taubensymbols verbindet.540 In 6,9 f heißt es: „Eine ist meine Taube, meine Vollkommene; sie ist die einzige ihrer Mutter, sie ist die Auserkorene ihrer Gebärerin. […] 10 Wer ist sie, die da hervorglänzt wie die Morgenröte, schön wie der Mond, rein wie die Sonne, furchtbar wie Kriegsscharen?“

Riede meint, dass die zärtliche Titulierung als Taube in 5,2; 6,9 zum Ausdruck bringe, dass die Angesprochene und Gepriesene in den Augen des Lobsängers den Status einer Göttin habe.541 In Ps 56,1 ist ebenfalls ein Zusammenhang vorauszusetzen zwischen Anat bzw. Astarte und deren Symboltier.542 Im NT finden sich nur wenig Belege zur Taube, so in der Taufszene Mk 1,10 parr sowie im schon erwähnten Jesuswort Mt 11,5. Nur ein Mal werden Turteltauben erwähnt (beim Opfer zur Darstellung Jesu in Lk 2,24).543 In der Taufszene (Mk 1,10 parr, vgl. Joh 1,32) steigt Gottes Geist ὡς περιστερὰν auf Jesus herab. Schroer sieht die „Botinnen- und Liebessymbolik“ auch hier enthalten und spricht von einer „Liebeserklärung“ Gottes an Jesus durch die Himmelsstimme.544 Der Begriff mag etwas pathetisch klingen, entspricht aber der Rede Gottes in Mk 1,11 parr in ihrem Wortlaut durchaus. Auch ist die Taube eindeutig eine Botin Gottes. Andererseits wird die Symbolik ja sonst in erotischem Zusammenhang gebraucht, der an dieser Stelle nicht unmittelbar 538 Schroer, Art. Taube, 788 f. 539 Keel, Hohelied, 74. Ebenso Schwienhorst-Schönberger, Hohelied, 60 f. Ähnlich versteht Riede, Art. Taube, 5., die Augen als „Blicke“, die Tauben als „Liebesboten“; wenn also in 1,15; 4,1; 5,12 die Augen die Tauben sind, seien die Blicke als Liebesboten zu verstehen. S. dazu auch Keel, Blicke, 53–62. 540 Vgl., auch zur sexuellen Aufladung des Verses, Schwienhorst-Schönberger, Hohelied, 128 f. 541 Riede, Art. Taube, 5. 542 Ebd. Zenger/Hossfeld, Psalmen, Bd. 2, 112, sprechen lediglich von der Sendung einer Botschaft an eine abwesende bzw. ferne Gottheit. 543 Zur Taube in NT und Alter Kirche s. Greeven, Art. περιστερά, 67–72. 544 Schroer, Art. Taube, 790. Sie vermutet, ebd., eine Herführung des Symbolgehaltes über Philo und die frühjüdische Weisheitsphilosophie, „da Philo (Her 127–128) die Felsen- und die Turtelt. mit der göttlichen Weisheit in Verbindung bringt“, doch sei auch nicht ausgeschlossen, dass die antike Symbolik Liebesgöttin – Taube hier direkt einwirke, Schroer, Art. Taube, 790.

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vorliegt.545 Richtig ist aber, dass die Tradition, den (Heiligen) Geist durch eine Taube darzustellen, hier einen Hauptursprung hat.546 Eckey bezeichnet Jesus an dieser Stelle als Visionär, weil er die Himmel sich öffnen sieht.547 Das ist insofern eine interessante Feststellung, als dass dadurch, ähnlich unserem Traum, visionäres Erleben mit dem Taubenmotiv verbunden wird. In der Alten Kirche wurde die Taube als Symbol vielfältig verwandt. Die Kirchenväter sahen die Taube als Bild der Liebe und Treue, aber auch der Reinheit und Unschuld (so etwa Tertullian, bapt. 8). Ferner setzt Origenes, schol. in Cant. 2, die Taube mit der Kirche gleich, ähnlich Ambrosius, expos. ev. sec. Luc. 3,27. Auch als Symbol für Christus ist die Taube in der Alten Kirche relativ breit belegt, so physiologus 35; Cyrill von Alexandrien, de ador. in spirit. et verit. 15. Weiter verkörpert die Taube den Christen (Origenes, comm. in Matth. 16,22), die menschliche Seele (Ambrosius, de Isaac et an. 4,34; Prudentius, lib. Peristephanon 3,161–172), vor allem aber den Heiligen Geist (Tertullian, bapt. 8).548 Innerhalb der christlichen Ikonographie hat die Taube eine bedeutende Rolle gespielt, jedoch ohne dass sich neue Erträge für unsere Betrachtung ergeben würden.549 Ein einziges Beispiel sei hier erwähnt, nämlich das Titelblatt eines Andachtsbuches aus dem Jahre 1634: Auf ihm ist Maria abgebildet, die im Schoß einer Taube sitzt. Dadurch soll die unbefleckte Empfängnis (durch den Geist in Gestalt der Taube) dargestellt werden.550 Dies ist insofern erwähnenswert, als hier der pagane antike Symbolgehalt der Taube, nämlich als Symbol mit sexueller Konnotation, verkehrt wird. Nun stellt die Taube genau das Gegenteil dar: Sie wird zum Symbol der Asexualität, denn die „Frucht“ Maria wurde, gemäß dem Bild, ohne Geschlechtsverkehr empfangen.

545 Im weiteren Sinne wäre aber an Stellen wie Mt 1,20; Lk 1,35; Joh 1,13; 3,6 sowie (in Aufnahme von Ps 2,7) Apg 13,33; Hebr 1,5; 5,5 zu denken. Dem nachzugehen ist aber an dieser Stelle nicht möglich. 546 Vgl. Schroer, Art. Taube, 790. 547 Eckey, Markusevangelium, 61, der auf die Taube als „Sympathievogel Gottes“ mit Hinblick auf 4Esr 5,26 verweist, und meint, dass Jesus im Evangelium wie die Taube als Geistträger fungiere, Eckey, Markusevangelium, 62. Wenig weiter hilft Luz, Evangelium, Bd. 1, 214. Davis/Allison, Matthew, Bd. 1, 332 ff, wiederum führen 15 Assoziationsmöglichkeiten zum symbolischen Gehalt der Taube auf. Da die Taufstelle für unseren Traum nicht von primärer Bedeutung ist, sei hier auf eine Darstellung dieser Möglichkeiten verzichtet. Dass in Joh 1,32, anhand der Taube, eindeutig von der göttlichen Geistverleihung an Jesus die Rede sei, meint Schnelle, Johannes, 50. Wengst, Johannesevangelium, Bd. 1., 85, deutet die Szene in Joh 1,32 mit Blick auf V 33 final: „Johannes ist nichts als Zeuge für den, der die endzeitliche Gabe des Geistes vermittelt.“ 548 Poeschke, Art. Taube, 241 f; Greeven, Art. περιστερά, 70 f. Auch bei den Manichäern spielte die Taube als Symbol des Heiligen Geistes, der Liebe Gottes oder als Anrede für Christus eine nicht unbedeutende Rolle, s. dazu a. a. O., 71 f mit ausführlichen Belegen. 549 S. dazu Poeschke, Art. Taube, 241–244; Apostolos-Cappadona, Art. Taube, 47 f. 550 Poeschke, Art. Taube, 244.

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4.4.3.4 Rechts und links551 4.4.3.4.1 Rechts und links in der Antike 4.4.3.4.1.1 Terminologie

Als Vorbemerkung sei gesagt, dass in fast allen für die Deutung der Zeichenhandlung des Charîs entscheidenden Kulturen (bis auf wenige Ausnahmen) „rechts“ als positiv und „links“ als negativ konnotiert galt. Im Altgriechischen bezeichnen „links“ die Worte σκαιός, λαιός, ἀριστερός sowie εὐώνυμος, wobei die beiden ersten die älteren sind.552 Σκαιός wurde auch synonym gebraucht, um ungeschicktes Verhalten auszudrücken und konnte als Gegenteil von σοφός benutzt werden.553 Ἀριστερός – als Komparativ von ἄριστος, „gut“ – verdrängte σκαιός und wurde vor allem im religiösen Bereich benutzt. Es diente als Euphemismus für die negativ besetzte linke Seite, um diese nicht direkt aussprechen zu müssen und so mögliches Unheil abzuwehren. Es entwickelte sich zunehmend abseits des religiösen Gebrauchs, um als Synonym etwas Ungeschicktes auszudrücken.554 Da der Terminus häufig gebraucht wurde und sich so abnutze, wurde er von εὐώνυμος abgelöst und diente ursprünglich ebenfalls zu euphemistischen Zwecken im religiös-mantischen Kontext. Δεξιός, als Begriff für rechts, ist wiederum der einzige Ausdruck hierfür, der ausschließlich positiv konnotiert ist, als Synonym für Glückhaftigkeit (Homer, Il. IX 236), Schlauheit und gute Bildung (Aristophanes, Vesp. 1013; Equ. 228.233).555 Im Lateinischen beschreiben wiederum mehrere Lexeme „links“, nämlich laevus, scaevus und sinister. Scaevus steht vermutlich in Abhängigkeit zu σκαιός und wurde ebenso wie das griechische Pendant als negatives Synonym gebraucht, um etwas Ungünstiges, aber auch etwas Abgewertetes auszudrücken.556 Allein innerhalb der römischen Vogelschau wurde scaevus positiv konnotiert (so etwa bei Plautus, Stich. 672; Pseud. 1138). Ähnlich finden sich auch für laevus (verwandt mit λαιός) und sinister einzelne auguralsprachliche positive Belegstellen, um bevorstehendes Glück zu bezeichnen (Ennius, ann. Fragment 146 Vahlen; Vergil, Aen. II 693). Abgesehen vom religiösen Kontext wurden beide Begriff aber gebraucht, um etwas Ungünstiges (Horaz, sat. II 4,4), Negatives, ja sogar um Dummheit (Horaz, ars. 301) oder Verblendung (Vergil, Aen. II 52) auszudrücken. Für sinistra in negativem Kontext ist an Phaedrus 2,19; Statius, silv. III 4,76, und Tacitus, ann. VI 32, zu denken. Verlor das Auguralwesen im Übergang von Republik zu Kaisertum völlig an Bedeutung, 551 552 553 554 555 556

Zu Rechts und Links aus wahrnehmungspsychologischer Sicht s. Sattler, Links und Rechts. Wirth, Art. Rechts – links, 772. Coray, Wissen, 113. Chantraine, Les mots, 62 ff; Wirth, Hand, 18–21. Wirth, Art. Rechts – links, 771 ff. Wirth, Hand, 31.

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büßten auch die Lexeme für „links“ ihre positiven Bedeutungsgehalte ein und verschwanden bis zum Ende des 1. Jh. v. Chr. völlig. Dabei wurde dexter im Sinne von δεξιός immer stärker in der Bedeutung „günstig“, „Glück bringend“ verwendet.557 4.4.3.4.1.2 Rechts und links in der antiken Naturwissenschaft, in Religion, kultischem Vollzug und Mantik

In der antiken Welt war die Unterscheidung zwischen links und rechts im Alltag und vor allem im kultischen bzw. religiösen Leben von enormer Bedeutung. Ihre Gegenüberstellung war neben der Unterscheidung zwischen „oben“ und „unten“ die bedeutendste Kategorie, um den Raum zu beschreiben und ihn zu strukturieren.558 Die Griechen vertraten, wie schon angedeutet, die Ansicht, dass die linke Seite die Unglücksseite sei. Während der Kaiserzeit übernahmen die Römer diese Ansicht; zuvor war es umgekehrt: Rechts stand für das Unheil, links für das Glück. Die rechte Hälfte wurde sowohl beim Tier als auch beim Menschen als die naturgemäß stärkere vor der linken wahrgenommen. Dabei galt die rechte Seite als die Aktivseite, die linke folge ihr nur bzw. unterstütze sie (Aristoteles, inc. ann. 4,705b 19 ff.30; 706a 13; hist. an. II 1,498b 7; Plinius, nat. XI 253), sei auch weniger beweglich und kraftvoll (Aristoteles, inc. ann. 4,706a 22 ff; hist. an. I 15,493b 17–20).559 Dementsprechend wurde die rechte Körperseite dem männlichen Geschlecht zugeordnet, die linke dem weiblichen (Plinius, nat. VII 4; s. auch u. Artemidor).560 Dabei ging man von der Vorstellung aus, dass die Lage des Kindes in der Gebärmutter über das Geschlecht bestimme: Ein links liegender Embryo werde ein Mädchen, ein rechts liegender ein Junge (Parmenides VS 28B 17); Sperma aus dem rechten Hoden führe zu einem Jungen, Sperma aus dem linken zu einem Mädchen (Anaxagoras 59 A 107).561 Im kultischen Vollzug war festgelegt, mit welchem Fuß man das Heiligtum zuerst betritt (Vitruv III 4,4) oder auf welcher Seite man sich der Gottheit zuerst nähert (vgl. Petronius 30,5; Vergil, Aen. VIII 302; Apuleius, met. I 5,5). Eine Vorschrift, die für das Verständnis unseres Schuhmotivs besonders erhellend ist, gibt an, dass man als erstes den Schuh des rechten Fußes anziehen solle, den linken Fuß wiederum als ersten waschen (Iamblichos, protr. 21).562 „Bedeutet hier die Reinigung des linken Fußes die Reinigung von schlechten Taten, so soll das zuerst erfolgte Anziehen des rechten Schuhs daran erinnern, sich ehren557 558 559 560 561 562

Wirth, Art. Rechts – links, 773 f; 781. Manhart, Rechts und Links, 111; Gross, Gotteshand, 5. Wirth, Art. Rechts – links, 775. Röhrich, Art. Links und rechts, 382. Voss, Geschlechterverständnis, 69. Wirth, Art. Rechts – links, 776 f. S. aber Lev 14,14.17 (vgl. Ex 29,20; Lev 8,23 f): Dort findet die „Reinigung“ an der rechten Seite (Ohrläppchen, Daumen, große Zehe) statt.

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werte Taten anzueignen“.563 Neben dem mit der Zeichenhandlung des Charîs übereinstimmenden Wortfeld (rechts und links, Schuh und Fuß) ist hier die linke Seite die, welche für Verfehlungen steht, und von welcher moralischer „Schmutz“ gewaschen werden muss. Wenn Mygdonias Mann den linken Schuh an den rechten Fuß zieht, heißt das: Das bisherige, als sündig bewertete Tun (nämlich der sexuelle Verkehr mit seiner Frau) des „linken Fußes“ wird nun an den „rechten Fuß“ gebracht, der der richtige ist und für das rechte Tun steht. Charîs vollzieht also einen Sinneswandel. Wichtig ist hierbei aber, dass er es erst merkt, als der Schuh schon am Fuß ist – mit anderen Worten: Sein sich so ankündigender Sinneswandel geschah bzw. geschieht unbewusst. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass Charîs das Zeichen nicht versteht, und seine Frau es ihm verdolmetschen muss: Aus einer schlechten Sache wird eine bessere. Auch in den Jenseitsvorstellungen spielte die Unterscheidung von rechts und links eine zentrale Rolle. In der Unterwelt führt ein Weg nach rechts zum Himmel, den die Gerechten betreten dürfen, ein linker Weg führt nach unten; er ist für die Ungerechten gedacht (Plato, rep. X 614c, ähnlich Vergil, Aen. VI 540–543). Einige der Unterweltsgeschöpfe wurden übrigens als Linkshänder imaginiert, so etwa die strafende Tisiphone (Vergil, Aen. VI 570; vgl. Ovid, met. IV 481).564 Im Alten Ägypten symbolisierte die rechte Hand Macht und Kraft. Zum rechten Ohr findet das Leben Eingang, zum linken der Tod.565 In Ägypten wurde schon in der Vorzeit darauf geachtet, wie ein Leichnam zu betten und auszurichten sei. Da die Himmelsrichtungen umgedreht gedacht waren,566 zeigte der Kopf nach Süden, der Blick ging aber nach rechts (also im ägyptischen System: nach Westen). Die Strecke in das Reich des Todes war nach ägyptischer Vorstellung in dieser Richtung bequemer; zur Linken (Osten) war er unangenehm und eng.567 Links repräsentierte die chtonischen Gottheiten. So wurde ihnen auch die linke Seite des Opfertieres dargebracht, die rechte Opfertierseite hingegen den himmlischen Gottheiten, aber auch städtischen Schutzgottheiten (s. etwa Plato, leg. IV 717a).568 Beim römischen Opfer wurde die linke Hand zur Ehrung von

563 564 565 566

Wirth, Art. Rechts – links, 777. A. a. O., 777 ff. Knobloch, Art. Rechts und links, 2. Aus ägyptischer Sicht bezeichnete „rechts“ den Westen, „links“ den Osten. Orientierungspunkt waren dabei die Nilquellen. Man sah also gleichsam von Norden nach Süden als Grundausrichtung, Knobloch, Art. Rechts und links, 2. Ähnlich verhielt es sich bei den römischen Auguren, wofür bei ihnen ebenfalls eine Grundausrichtung nach Süden verantwortlich war. Bei den Griechen war es wiederum genau umgekehrt: Links bedeutete Westen, rechts Osten. Ausschlaggebend hierbei waren die vermutete Lokalisierung der Götter des Olymp im Norden sowie der Westen (= linke Seite) als Ort des Sonnenuntergangs und der Identifikation desselben mit der Unterwelt und den Toten, Wirth, Art. Rechts – links, 781. 567 Knobloch, Art. Rechts und links, 2. 568 Wirth, Art. Rechts – links, 779. Vgl. Ex 29,22; Lev 7,32 u. ö.; Josephus, ant. III 229 (letztere Stelle gefunden bei Wirth, Art. Rechts – links, 786).

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Toten oder Unterweltsgöttern gebraucht, die rechte aber für die himmlischen Götter.569 In der Magie war die linke Hand von besonderer Bedeutung: „Als inverses Element dient die linke Hand einerseits dazu, die Welt der Magie von der normalen Welt abzugrenzen, andererseits soll ihre explizite Erwähnung zugleich zur Aufwertung der magischen Formel beitragen“.570

So muss etwa die linke Hand die Heilpflanzen pflücken, die für ein magisches Rezept benötigt werden (Plinius, nat. XXI 176; XXIII 110.117).571 In mantischer Hinsicht kann Artemidor Einiges ergänzen (oneirokr. I 21): Träume ein Mann davon, dass er auf der rechten Hälfte seines Kopfes keine Haare mehr habe, prophezeie dies den Tod sämtlicher männlicher biologischer Verwandtschaft. Existierten Letztere nicht, müsse der Träumer mit Schaden rechnen: „Der Kopf ist nämlich das Symbol der nächsten Verwandten, und zwar die rechte Seite der männlichen, die linke der weiblichen.“572 Diese Unterscheidung (die auch in I 31.42 angewandt wird) ist für unsere Untersuchung von nicht geringer Bedeutung, auch wenn die Differenzierung links-rechts bzw. weiblich-männlich in der Deutung der Zeichenhandlung des Charîs unten anders begriffen wird, als es Artemidor tat. Dieser sah, analog zur antiken Auffassung, die männliche, rechte Seite als entwickelter an als die linke, weibliche Seite.573 In oneirokr. I 26 heißt es folgerichtig: Vater, Bruder und Sohn würden anhand des rechten Auges im Traum versinnbildlicht, Mutter, Schwester und Tochter anhand des linken. Existierten zwei Brüder, Söhne oder Töchter, symbolisiere das rechte Auge immer den älteren bzw. die ältere; das linke Auge den jüngeren bzw. die jüngere (interessanterweise werden Brüder, aber nicht Schwestern genannt). Und schließlich in II 36: „Iris, zur Rechten erblickt, bringt Glück, zur Linken, Unglück.“574 Eine erhellende Stelle findet sich auch bei Sueton, Aug. 92,1: „Gewisse Vorzeichen und Vorbedeutungen nahm er ganz besonders ernst: Wenn er sich in der Frühe die Schuhe verkehrt anzog, den linken statt des rechten, sah er darin eine unglückliche Vorbedeutung.“575 Auch bei Seneca, benef. II 12,1 f, ist der linke Fuß unrein und erwirkt Unglück.576 Interessanterweise kommt Augustus bei Sueton zum entgegengesetzten Schluss wie Mygdonia: Der linke Schuh am rechten Fuß bedeute Unheil; Mygdonia aber meinte, dass aus dem Schlechten etwas Gutes werde.577 569 570 571 572 573 574 575 576 577

Gross, Gotteshand, 79. Wirth, Art. Rechts – links, 782. Ebd. Übersetzung: Brackertz, Traumbuch, 34. A. a. O., 398, Anm. 60. Übersetzung: a. a. O., 170. Übersetzung: Martinet (Hg.), Kaiserviten, 293. Wirth, Art. Rechts – links, 782; Stellen ebd. Die Kategorien „rechts“ und „links“ im antiken Alltag (beim Handschlag, bei Kleidung oder bei

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4.4.3.4.2 Rechts und links im Alten Testament In der Hebräischen Bibel ist „rechts“ (‫)ימין‬578 gegenüber „links“ (‫)שמאל‬579 quantitativ und qualitativ vorgeordnet; für ersteren Begriff finden sich 139 Stellen (als Nomen), für zweiteren nur 54. Dabei stehen beide Begriffe gehäuft beisammen, wobei, bis auf drei Ausnahmen (Gen 13,9; Ez 4,4; 16,46), „rechts“ immer als erstes gebraucht wird. Grundsätzlich lassen sich drei Hauptfunktionen im AT ausmachen: um die Richtung bzw. Orientierung zu beschreiben, die Bezeichnung der rechten und linken Hand, und, was besonders von Bedeutung ist, um eine Glücksseite bzw. eine Unglücksseite zu unterscheiden.580 Rechts und Links, genauer: das was neben der rechten oder linken Hand lokalisiert ist, dient der grundsätzlichen Orientierung, so etwa 2Sam 16,6; Neh 8,4.581 Im Streit zwischen Lot und Abram sagt Letzterer (Gen 13,9): „[…] Willst du zur Linken, so will ich mich zur Rechten wenden, und willst du zur Rechten, so will ich mich zur Linken wenden.“ Beide Richtungen, die hier auch die Himmelsrichtung bezeichnen,582 werden an dieser Stelle als vollkommene Gegensätze gebraucht (s. auch Gen 24,49). Dass die rechte Seite vor der linken als bevorzugt gedacht wird, verdeutlicht Ps 16,8: Der Psalmist wankt nicht, weil er Gott an seiner rechten Seite weiß (und nicht etwa an der linken). In 2Chr 18,18 jedoch steht das himmlische Heer an der rechten und linken Seite des Gottesthrones, wodurch die Macht Gottes unterstrichen wird.583 In Ps 110,1 fordert Jahwe den König auf, zu seiner Rechten Platz zu nehmen.584 Vom Gesetz soll man nicht zur Rechten oder Linken weichen (so Josua, Jos 1,7, ähnlich 23,6; König Joschija in 2Chr 34,2). Hier wird rechts und links also in einem moralischen Kontext verwandt, ebenso in Dtn 5,32; 17,11 u. ö. sowie in 1QS 1,15; 1QS 3,10.585 Auch in Pred 10,2 werden moralische Bewertungen mit den beiden Richtungen verbunden – im Hinblick auf Weisheit (rechts) und Torheit (links). Hier macht sich die negative Bewertung der linken Seite bemerkbar. In Spr 31,6 wird jedoch in Bezug auf die Weisheit neben der rechten

578 579 580 581 582 583 584 585

Tisch) sollen hier nicht weiter beleuchtet werden, da sie für unsere Sache keinen neuen Ertrag bringen. S. dazu a. a. O., 783 ff. Zur Etymologie s. Soggin, Art. ‫יִָמין‬, 658. Die LXX übersetzt hauptsächlich mit δεξιός, Soggin, Art. ‫י ִָמין‬, 658. Zur Etymologie s. Kellermann, Art. ‫ ְשׂמֹאל‬, 804 f. Die LXX übersetzt 51 Mal mit ἀριστερός, 16 Mal mit εὐώνυμος, Kellermann, Art. ‫ ְשׂמֹאל‬, 807. Knobloch, Art. Rechts und links, 1.1. A. a. O., 1.2.1. Vgl. a. a. O., 1.2.2. A. a. O., 1.2.1. Dieser Psalmvers wird im NT mehrfach zitiert (u. a. in Lk 20,43; Apg 2,35; Hebr 1,13; 10,13). S. dazu Hengel, Inthronisation, besonders 119–122; 185–194. Soggin, Art. ‫י ִָמין‬, 659; 663.

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auch die linke Seite positiv konnotiert.586 Dieser Gebrauch der beiden Seiten in Moralzusammenhängen und die (meist) damit verbundene negative Bewertung der linken Seite schließt das Bild in unserem Traum theologisch auf: Wenn Charîs den linken Schuh an den rechten Fuß zieht, heißt das, er geht seinen Weg (symbolisiert durch den Schuh!), den er bisher falsch gegangen ist, von nun an richtig, so wie seine Frau ja auch sagt, dass aus einer schlechten Sache eine gute werde. Zur Frage der Zuordnung von links und rechts zu den Himmelsrichtungen wurde oben schon etwas gesagt. Links für den Norden, rechts aber für den Süden wird in Gen 14,15; Jos 19,27; Ps 89,13 u. ö. angeführt.587 Die rechte Hand ist „Tat- oder Leistungshand“,588 Linkshänder werden im AT nur selten erwähnt.589 Dass man den Siegelring an der Rechten trug (Jer 22,24; hier an der Hand Jahwes) unterstreicht die Macht der rechten Hand (so auch Sir 49,11). Sie erringt den Sieg über die Feinde (Hi 40,19).590 Das Motiv der mächtigen rechten Hand Gottes wurde oben schon angesprochen und bedarf hier keiner weiteren Vertiefung, da es für unsere Deutung keine wesentliche Rolle spielt. Nur drei Stellen seien aufgeführt: Der ebenfalls schon erwähnte Zornesbecher Gottes wird in Hab 2,16 ‫ כוס ימין‬genannt. Die schöpferische Seite der rechten Hand Gottes kommt z. B. in Ps 80,16, aber auch in Jes 48,13 zum Ausdruck. In letztgenannter Stelle spannt Gottes rechte Hand die Himmel aus.591 Dass die rechte Hand vor der linken bevorzugt ist und Glück verheißt, wird im Segen Jakobs an seine Söhne in Gen 48,13–20 deutlich: Manasse, der Erstgeborene, wird mit der linken Hand gesegnet, Ephraim, als jüngerer Sohn, aber mit der rechten (V 14), nachdem Joseph die beiden zu Segnenden schon auf die ihnen zustehenden Seiten „sortiert“ hatte (V 13). So segnet Jakob mit überkreuzten Armen (V 14). Daraufhin moniert Joseph die linke Hand als die schlechtere und versucht gar, die Hände des Vaters zurechtzurücken (V 17). 586 Kellermann, Art. ‫ ְשׂמֹאל‬, 807. Vgl. auch Spr 4,27. Knobloch, Art. Rechts und links, 1.2.5., nennt diese Kategorie des Gebrauchs von rechts und links „Leitkriterien der Toraobservanz“. 587 Kellermann, Art. ‫ ְשׂמ ֹאל‬, 805 f; Soggin, Art. ‫יִָמין‬, 658 f; 661. In Ps 89,13 wird der Norden allerdings durch ‫ צפון‬bezeichnet. 588 Knobloch, Art. Rechts und links, 1.3. Anders z. B. Dan 12,7: Beim Schwur werden beide Hände erhoben. Auch im griechisch-römischen Bereich wurde in der Regel mit rechts und links geschworen (Homer, Il. XIX 254; Petronius 40,1), Wirth, Art. Rechts – links, 780. S. aber Gal 2,9. 589 Knobloch, Art. Rechts und links, 1.3. Besonders prominent ist dabei Ehud, von dem dies explizit gesagt wird (Ri 3,15). Er trägt das Schwert an der rechten Seite (3,16) und hält es mit der Linken (3,21). Ehud tötet mit links (3,21), so auch Joab in 2Sam 20,9 f. Auch Ri 20,16 beschreibt 700 linkshändige Elitekämpfer, die ihr Ziel niemals verfehlen, Kellermann, Art. ‫ ְשׂמֹאל‬, 806 f. In 2Kor 6,7 trägt Paulus die „Waffen der Gerechtigkeit“ wiederum auf beiden Seiten. 590 Wirth, Art. Rechts – links, 787. 591 Wenn Wirth, a. a. O., 788, aber bezüglich Jes 48,13 resümiert, dass die rechte Hand Gottes den Himmel erschaffe, die linke, schwächere aber die ebenso weniger bedeutende Erde, so geht dies aus dem eigentlichen Text des Verses nicht hervor. Die Erde wird dort durch seine ‫ יד‬erschaffen. Zwar wird dem Himmel durch die Betonung der Rechten im Text eine größere Bedeutung eingeräumt (und umgekehrt), aber ein direkter Hinweis auf die linke Hand findet sich nicht.

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Jakob weigert sich und verheißt Ephraim größere Nachkommenschaft und Bedeutung als Manasse (V 19).592 Der schon erwähnte Gegensatz von rechts und links (der ja v. a. anhand der Himmelsrichtungen zum Ausdruck kommt) wird hier durch die überkreuzten Arme des Jakob in gewisser Weise durchbrochen. Die Rabbinen verstehen die rechte Hand ebenfalls als die aktive und schöpferische Hand (Ber 62a; ARN A 40; Men 37a), die Linke wird geringer gewertet, sie hat eher begleitende Funktion. In Men 37a wird gar bezeugt, dass die linke Hand zum Abwischen benutzt werden soll. Sie ist also in gewisser Weise als unrein gedacht. In PRE 4 werden die rechte und linke Hand Gottes den Attributen Leben und Tod zugeordnet.593 4.4.3.4.3 Rechts und links im Neuen Testament Das Verständnis des AT (die Bevorzugung der rechten Seite) setzt sich im NT fort. Rechts (δεξιός) ist 54 Mal belegt,594 links lediglich 13 Mal (εὐώνυμος neun Mal; ἀριστερός vier Mal)595 – was allein schon für sich spricht. Blendinger/ Wibbing geben folgende Hauptbedeutungen für δεξιός an: „glückverkündend, gebührend, rechts“.596 Ist von der rechten Hand die Rede, bedeute dies ein pars pro toto für die gesamte rechte Seite. Ebenso möglich sei die Übersetzung mit „geschickt“, was das Gegenteil zu „linkisch“ bilde.597 Mk 10,37 wurde oben schon angesprochen. Die Zebedaiden äußern den anmaßenden598 Wunsch, rechts und links neben Jesus zu sitzen, wenn dieser in seiner δόξα ist. Zusätzlich zu seiner Gegenfrage (V 38) weist Jesus in V 40 darauf hin, dass es nicht bei ihm liege, zu entscheiden, wem diese Ehrenplätze zustünden.599 Das Sitzen zur Rechten und Linken Jesu in Mk 10,37 erinnert an

592 Vgl. Soggin, Art. ‫י ִָמין‬, 660; Kellermann, Art. ‫ ְשׂמֹאל‬, 807. Die von Knobloch, Art. Rechts und links, 1.4., zum Thema angeführte Stelle Gen 35,18 (‫ בן־אוני‬wird in ‫ בנימין‬umbenannt), die verdeutlichen soll, „dass rechts und links im übertragenen Sinne auch zu Symbolen von Glück und Unglück werden“ (Knobloch, Art. Rechts und links, 1.4.), macht jedoch nicht die linke Seite als Unglücksseite deutlich, sondern lediglich die rechte Seite als die positiv konnotierte. S. zur Stelle und zum Namen Benjamin im AT Soggin, Art. ‫יִָמין‬, 661 f. 593 Zanella, Art. Rechts – links, 788–791. 594 Blendinger/Wibbing, Art. δεξιός, 1275. 595 Bauer, Wörterbuch, 666; 214. 596 Blendinger/Wibbing, Art. δεξιός, 1274. 597 Ebd. 598 Zur Rechtfertigung der Zebedaiden sei auf Mk 10,29 f verwiesen, das Mt 19,28 immerhin dahingehend ausbaut, dass Jesus den Jüngern zwölf (Unter-)Throne in Aussicht stellt. S. z.St. Luz, Matthäus, Bd. 3, 129 f; Broer, Gemeinde, 148–165. Auch sonst entschärft Mt die mk Version: Die Bittstellerin, die Mutter der Zebedaiden, fällt vor Jesus nieder und wartet mit der Anrede (Mt 19,20), bis Jesus sie nach ihrem Begehr fragt (V 21), Luz, Matthäus, Bd. 3, 161. 599 Eckey, Markusevangelium, 273, verweist auf das Passivum divinum in V 40 (ἡτοίμασται): Gott allein bestimmt, wer zum Sitzen auf den Ehrenplätzen vorgesehen ist.

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den thronenden Jahwe,600 beide Seiten des Throns scheinen hier gleichberechtigt zu sein. Andererseits wird in V 37 die rechte Seite vor der linken genannt.601 Dass in dem Bild vom Sitzen zur Rechten und Linken an einen flankierten Herrscherthron gedacht ist, wird auch in V 42 deutlich. Aber Jesus deutet das von den Jüngern angestrebte himmlische Mitregieren602 ins Gegenteil um (V 43 f). Auch in Mk 15,27 wird offenbar, wie sich Mk die Regentschaft Jesu vorstellt: in der Erniedrigung am Kreuz und mit zwei Verbrechern, rechts und links, als „Mitregenten“. Lk behält das Gleichgewicht zwischen Rechts und Links im Ausbau der Szene (23,33.39–43) bei. Zwar bekehrt sich der eine Verbrecher im letzten Augenblick, während der andere lästert, aber Lk verrät nicht, wer auf welcher Seite gedacht ist.603 In Mk 14,62604 parr sitzt der apokalyptisch-himmlische Menschensohn zur Rechten der δύναμις (zur Rechten Gottes in Mk 16,19; Apg 7,55 f; Röm 8,34; Eph 1,20; Kol 3,1; zur Rechten des Thrones τῆς μεγαλωσύνης in Hebr 1,3605; 8,1606). Hier dürfte die Vorstellung von der rechten als der glückbringenden, zu bevorzugenden Seite einwirken. Anders ist es in der Bergpredigt Mt 5,29 f. Hier ist die rechte Seite eindeutig die, welche die Versuchung ermöglicht, und die im Zweifelsfall eliminiert werden muss. An dieser Stelle ist das Schema „rechts = gut“ durchbrochen. Beide Seiten werden hingegen in Mt 5,39 genannt (die linke Seite als τήν ἄλλην). In 6,3 ist wiederum die rechte Seite zwar nicht die glückliche, aber die Glück ermöglichende und barmherzige. Eindeutig ist es dann wieder bei der apokalyptischen „Sortierung“ in Mt 25,33607: Die Schafe werden zur Rechten gestellt, die gottlosen Böcke aber zur Linken, was links definitiv nicht nur als benachteiligte, sondern als unheilvolle

600 Im Hintergrund steht Ps 110,1; der Vers wurde vermutlich schon in vor-ntl. Zeit messianisch gedeutet, worauf Mk hier jedenfalls anspielt, Blendinger/Wibbing, Art. δεξιός, 1275. 601 In der Antwort Jesu in Mk 10,40 ist zwar ein „oder“ zwischen die beiden Seiten gesetzt, was rechts und links als eher gleichberechtigt erscheinen lässt, aber δεξιός wird auch hier als erstes genannt, außerdem weist der Schwerpunkt durch das Personalpronomen μου vor der Konjunktion eher zur rechten Seite. In der Parallelstelle Mt 20,23 ist dies ebenso, allerdings wird ἤ hier durch ein καί ersetzt. Nach Josephus, ant. VI 235, ist der rechte Platz dem Kronprinzen vorbehalten; Yom 37a macht deutlich, dass der Lehrer auf der Straße in der Mitte geht, der ältere Schüler zu seiner Linken, der jüngere zur Rechten, Luz, Matthäus, Bd. 3, 161, Anm. 14. 602 Vgl. Wiefel, Matthäus, 349. 603 Die Kreuzigung zwischen zwei Verbrechern stellt die Erfüllung von Jes 53,12 dar. Schmithals, Lukas, 227, meint zur lk Version: „[D]as Martyrium tilgt alle Sünden. […] [Z]ur Buße ist es nie zu spät.“ Zudem zeige die Bitte des Verbrechers (V 42), auf jeden Fall aber die Antwort Jesu (V 43), wie stark die „vertikale“ hellenistische Komponente der lk Eschatologie, mit Blick auf 20,27–40; 22,16, sei, Schmithals, Lukas, 226. 604 S. z.St. Eckey, Markusevangelium, 371 f; zur mt Parallele Luz, Matthäus, Bd. 4, 178–181. 605 S. z.St. Attridge, Hebrews, 41–47. 606 S. z.St. Grässer, Hebräer, Bd. 2, 79 ff. 607 S. Luz, Matthäus, Bd. 4, 532 ff; Wiefel, Matthäus, 435.

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Seite kennzeichnet. Die dort stehen, sind verflucht und gehen in das ewige Feuer (25,41). Die rechte Seite als Ehrenseite wird in Lk 1,11 deutlich: Der Engel erscheint Zacharias im Tempel rechtsseitig des Räucheraltars. In Lk 6,6–10 wird die rechte Hand eines Mannes durch Jesus geheilt. Hier repräsentiert die Rechte die Tatseite (zwar nicht Jesu Tatseite, aber die des Mannes, die wieder in Funktion gesetzt wird). In Joh 21,6 ist die rechte Seite des Fischerbootes eindeutig die, im wahrsten Sinne des Wortes, glückliche Seite, denn die Jünger fangen plötzlich so viel Fisch, dass sie die Netze kaum noch ziehen können. Interessant ist ferner Offb 10,2: Der Engel, der in seiner Hand ein geöffnetes Buch hält, stellt den rechten Fuß auf das Meer und den linken auf die Erde. Die Deutung dieser Stelle ist in der Forschung umstritten.608 Im tiefenpsychologischen Sinne wurde das Wasser oben schon als Symbol bzw. als Bereich des Unbewussten herausgearbeitet. Ohne bei diesem Vers ausführlicher zu verweilen, wäre ein Deutungsansatz dann, dass die rechte Seite, verkörpert durch den rechten Fuß, mit dem der Engel auf dem Meer steht, die unbewusste Seite kennzeichnet. Auf diesen Aspekt kommen wir noch zurück. 4.4.3.4.4 Rechts und links in der Alten Kirche Bei den Patristikern werden im Allgemeinen die oben beschriebenen antiken Vorstellungen von rechts und links aufgegriffen und auf christlich-theologische Sachverhalte übertragen. Die beiden „Theorien“, die das Geschlecht eines neuen Menschen bestimmen (s. o.), verbindet Laktanz zu einer einzigen (Sperma des rechten Hodens, rechts im Uterus liegend, bedeutet ein männliches Kind, Sperma des linken Hodens, links im Uterus, ein weibliches) und erweitert sie: Überkreuzten sich die Seiten, entstehe ein Mensch, der die Eigenschaften des anderes Geschlechts aufweise, also: Ein männliches Kind mit femininen Eigenschaften entstehe aus Sperma des rechten Hodens, der links im Uterus liegt, und umgekehrt (opif. 12,2).609 Erneut liegt also das Motiv des Überkreuzens vor: Laktanz greift die Vorstellung von rechts als männlich und links als weiblich auf, setzt jedoch alle vier Pole (rechts, links, männlich, weiblich) in ein kreuzartiges Spannungsverhältnis. Augustinus assoziiert im Anschluss an Mt 25,33.41 die linke Seite mit Verdammnis (c. Secundin. 20; de ag. Christ. 26,28), wichtiger aber: mit cupiditas (serm. 149,14), was ja auch den Kernpunkt der Zeichenhandlung des Charîs trifft. Immerhin ist es die Begierde, derer er entsagen soll. So wie Augustinus rechts und links mit Ewigkeit bzw. Verdammnis verbindet, so auch die Taten der rechten und linken Hand für die Ewigkeit bzw. das menschliche Dasein in 608 Holtz, Offenbarung, 80 f, weiß zum Motiv nichts zu sagen. Kraft, Offenbarung, 148, deutet nur mit einem Satz: „Wenn der Engel seine Füße auf Meer und Land setzt, dann setzt er sie auf die ganze Welt.“ So auch Roloff, Johannes, 108. 609 Brakmann, Art. Rechts – links, 793.

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der Welt (serm. Dom. I 13,37 f; serm. 149,14).610 Wenn man hier die Hände auf die Füße überträgt, so wäre die Handlung des Charîs so zu interpretieren, dass er aufhört bzw. aufhören soll, Irdisches, also die befleckende Begierde, zu verfolgen und anfängt (im doppelten Wortsinn), rechte Taten zu vollbringen, die – das ist der Kerngedanke – ihm die Teilhaftigkeit am ewigen Leben ermöglichen. Auch im Bereich der christlichen Liturgie611, v. a. bei Zeichenhandlungen, die mit den Händen geschehen, ist die rechte Seite bzw. rechte Hand die positiv konnotierte.612 War oben schon anhand des Wassers die rechte Seite als die unbewusste Seite verstanden worden, bestätigt sich dies auch anhand von antiken Taufritualen, bei denen speziell die rechte Seite mit Wasser besprengt wurde bzw. das Spenden der Taufe durch die rechte Hand geschah.613 Eine tiefenpsychologische Deutung wäre hier, dass das Sakrament mit dem kollektiven Unbewussten (anhand des Wassers) verbunden werden soll, das ein umfangreicheres Wissen um Gott und die Gesamtheit der Gottesbilder enthält. Aus ihm wird gleichsam geschöpft. Der Empfänger bzw. die Empfängerin des Sakraments wird durch die unbewusste rechte Seite über das Sakrament an das kollektive Unbewusste mit dessen Inhalten angeschlossen. Besonders bei der Bekreuzigung spielt die horizontale Recht-Links-Bewegung, die in unserem Text angelegt ist, eine wichtige Rolle. In den Ostkirchen ist heute allgemeine Praxis, die Bewegung von rechts nach links auszuführen, im Westen ist dies genau umgekehrt. Bis ins Mittelalter aber wurden in Ost und West beide Varianten angewandt. Im Mittelalter in Syrien berührte man links vor rechts; dadurch sollte ein innerer Wandel ausgedrückt werden: Der sich bekreuzigende Mensch wendet sich ab von der Seite, auf welcher die Verurteilten stehen, und hin zur Seite derer, die erwählt sind. Ähnlich deutete im Westen Innozenz III., de sacr. alt. myst. II 45, diese horizontale Bewegung bei der Bekreuzigung als einen Übergang: Elend, Tod und Verdammnis stehen auf der einen Seite, Herrlichkeit, ewiges Leben und das Paradies auf der anderen.614 Auch in der christlichen Ikonographie wird die bisher aufgezeigte Linie (links als schlechte oder nachgestellte sowie weibliche Seite – rechts als bevorzugte, mächtige und männliche Seite) fortgeführt.615 4.4.4 Tiefenpsychologische Deutungsversuche von ActThom 91 f Diesen Traum zu deuten, scheint, auch vor dem Hintergrund der bis hierhin in der Arbeit gesammelten Hinweise und Ansätze, einfach und trivial, ist aber 610 611 612 613 614 615

A. a. O., 794 f. Weitere Kirchenväterzitate zum Thema bringt Deitmaring, Bedeutung, 279. S. ausführlich Nussbaum, Liturgie, 158–171. Brakmann, Art. Rechts – links, 796. Trempelas, Μικρὸν, Bd. 1, 378. Brakmann, Art. Rechts – links, 798 f. Zur syrischen Alternative s. Nau, la croix, 228. S. dazu Dinkler-von Schubert, Art. Rechts und Links, 511–515.

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ausgesprochen vielschichtig. Erneut sollen drei Deutungsangebote dargestellt werden. 1. Der unbewusste Wunsch nach (ausschweifend) ausgelebter Sexualität 2. Das Streben der Seele nach Ganzheit 3. Die Vergeistigung der Sexualität im Traum 1. Charîs ist in unserem Text die Hauptperson. Das verdeutlichen schon die Sprechakte, die zum größten Teil von ihm getätigt werden.616 Auf der Textebene macht sich sein Wunsch (im freudschen Sinne) sichtbar: Charîs leidet unter sexueller Frustration, weil seine Frau sich ihm entzieht, d. h., er wünscht sich diesbezüglich Befriedigung. Dieses Begehren zeigt sich deutlich anhand der sexuell stark aufgeladenen Symbolik, v. a. der der einzelnen Vögel, genauer: Rebhuhn, Taube und Turteltaube. Aber – und hier berühren wir das Unbewusste: Charîs will nicht nur einen Vogel verspeisen, d. h., mit der dahinter stehenden Person schlafen, sondern es ist von vier Vögeln die Rede. An dieser Stelle ist es Zeit, Letztere konkreten Personen zuzuordnen. Das erste Rebhuhn stellt zweifelsfrei die schon bekehrte Frau des Charîs, Mygdonia, dar. Das zweite Rebhuhn verkörpert die Frau des Königs Misdai, Tertia. Diese wird von Mygdonia in ActThom 136 zum Christentum geführt. Taube und Turteltaube aber stehen für den Sohn des Königs, Vazan, und seine Frau, Mnêsar. Vazan wird in ActThom 139 f von Thomas bekehrt, seine Frau erhält, ebenso wie er, Mygdonia und Tertia, in ActThom 157 die Taufe.617 Alle vier Personen haben gemein, dass sie durch Thomas zum christlichen Glauben kommen, also Charîs und dem König „geraubt“ werden. Anders gesagt: Sie werden dem Glauben der beiden Letztgenannten untreu. Dies ist aber noch keine tiefenpsychologische Deutung, sondern spiegelt lediglich die Fakten der ActThom wider. Der Traum zeigt vielmehr den unbewussten Wunsch, und zwar nicht mehr auf der Textebene,618 sondern auf der Ebene des Verfassers und der Leserschaft der Akten, mit vier Personen – mit drei Frauen und einem Mann – sexuell zu verkehren. Es ist erstaunlich, dass so viele erotisch aufgeladene Motive in den Text gebracht und von der Leserschaft geduldet wurden. Immerhin war wenigstens die Taube bzw. die Turteltaube, als erotisch konnotiertes Motiv, mit Sicherheit den Leserinnen und Lesern geläufig. Der Wunsch nach sexueller Entladung und Erfüllung ist also der nach Freud verdrängte Wunsch in unserem Traum, und zwar nicht nur auf hetero- sondern auch auf homoerotische Art – denn die Taube, die der Träumer Charîs verspeisen will, ist Vazan. Der Schlüssel dazu ist, wie gesagt, die Umkreisung der einzelnen Vogelmotive, bis dorthin, dass sie als Attribute der verschiedenen antiken Liebesgöttinnen dienten. Das Motiv, diese Wünsche zu verdrängen, ist nur 616 S. grammatisch-syntaktische Analyse. 617 Klijn, Acts, 170, ordnet die Vögel ebenso zu. 618 Das würde uns nicht weiterhelfen, ist für uns doch eher uninteressant, was die möglicherweise historische Figur des Charîs verfolgte.

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allzu offensichtlich: War im enkratitischen Sinn schon der eheliche Verkehr verboten, so musste der Wunsch nach dem Ausleben von Homosexualität ganz besonders schwer wiegen und durfte demnach nicht ins Bewusstsein gelangen. Deshalb zeigt sich der entsprechende Wunsch im Traum, als Manifestationsort unbewusster respektive verdrängter Persönlichkeitsanteile. Auf die Gegenwart bezogen erweist sich unser Text also als ausgesprochen aktuell: Im frühen ebenso wie im heutigen Christentum ist die Frage nach der Akzeptanz und Integration von Homosexualität ein existenzielles Thema.619 Jung könnte an dieser Stelle einwenden, dass mit der Abfuhr der Libido, genauer: dem Wunsch danach, der Inhalt des Traumes noch längst nicht ausgeschöpft ist. Dem ist tatsächlich so. Denn der herausgearbeitete Wunsch ist (was über den freudschen Ansatz hinausgeht) mit der Ebene des Göttlichen verbunden, nämlich durch die Attribuierung der Tauben als Symbole der Göttinnen des Eros, aber auch durch die oben beschriebene Nähe des Rebhuhns zu Adonis und Venus.620 Das heißt: Der (körperliche) Wunsch des Charîs steht zwar im Zentrum des Traums. Aber dieser Traum ist letztlich vom Numinosen621 durchsetzt, weil er göttliche Symbole beinhaltet, wozu nicht zuletzt auch der Adler als göttlicher Vogel622 gehört. Dazu kommen wir noch. Nun ist zu fragen, warum der verdrängte Wunsch auf Verfasser- und Leserschaft zu beziehen ist. Der Adler, der die Vögel raubt, ist ja nach allem bisher Gesagten vor allem ein Gottes- bzw. Christussymbol und steht augenscheinlich nicht für die Leserschaft. Und: Warum sollte Christus sexuelles Interesse an den durch die Vögel verkörperten Personen zeigen? Zudem scheidet Charîs als Identifikationsfigur der Leserschaft aus, da er im weiteren Verlauf der Thomasakten dafür sorgen wird, dass Thomas das Martyrium erleidet (ActThom 100 f.106). Er hat also die Rolle des „Bösewichts“ inne und die Leserinnen und Leser werden sich schwerlich in ihm wiedergefunden haben. Die Antwort liegt im Doppelgängermotiv verborgen. Christus und Thomas überlagern sich in den Thomasakten anhand dieses Motivs, wenn sie als Figuren auch nicht prinzipiell austauschbar sind. Wenn der „Christus“-Adler die Vögel raubt, so ist es der in der Christusgestalt inkludierte Doppelgänger Thomas, der dies tut. Der Verfasser und die Leserinnen und Leser der Akten, die Thomas verehren, identifizieren sich mit (dem Adler) Thomas und transportieren unbewusst in dessen Traumhandlung (die Vögel zu erbeuten) ihren eigenen Wunsch. Sie wollen die Vögel rauben, d. h. mit möglichst vielen Frauen (und einem Mann) schlafen. Man könnte analog zur freudschen Terminologie auch von einer doppelten Verschiebung sprechen, die innerhalb des Adlermotivs enthalten ist: Die erste Verschiebung, anhand des Zwillingsmotivs, ist die von Christus auf 619 Auch wenn die Problematik natürlich schon im NT deutlich wird. S. zur gegenwärtigen Debatte, vor dem Hintergrund ntl. Texte, Herzer, „Der Buchstabe tötet“, 6–21. 620 S. o., 330; 334 ff. 621 Zur Einführung in den Begriff des Numinosen s. Bock, Art. Religion, 591 f; Hark, Grundbegriffe, 119 ff. 622 S. o., 324–329, zum Motiv.

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Thomas, die Zweite ist die von Thomas auf den Verfasser bzw. die Leserschaft, aufgrund ihrer Verehrung für die Thomasfigur bzw. ihrer Identifikation mit derselben. Dabei zeigt sich der Wunsch im Traum auf ausgesprochen aggressive Weise, denn die „Tiere“, d. h. die Frauen und der Mann, die bzw. den der Adler raubt, sind verheiratet. Hier liegt der eigentliche unbewusste und verdrängte Wunsch verborgen: Es geht nicht nur um sexuelle Befriedigung innerhalb der Ehe (die nicht gestattet ist, obwohl sie ntl. ausdrücklich geschützt wird)623, sondern – um es etwas überspitzt und verallgemeinert zu sagen – mit jedem Sexualpartner bzw. jeder -partnerin, dessen bzw. derer man habhaft werden kann. Das heißt, die Libido scheint aufgrund des Enkratitismus so aufgestaut zu sein, dass das Gegenteil des ehelichen sexuellen Lebens, nämlich ein polygames, ersehnt wird. Und: Die Vögel (bzw. Personen) werden geraubt, das heißt, der „Adler“ bemächtigt sich ihrer, obwohl sie ihm nicht „zustehen“.624 Die Aggressivität des Verdrängten wird an dieser Stelle besonders deutlich. Was nun aber hat das verkehrte Schuhanziehen des Charîs mit unserer Deutung zu tun? Dass die Bewegung von links nach rechts ausdrückt, von der schlechten zur guten Seite überzugehen, wird Verfasser und Leserschaft des Textes bewusst und bekannt gewesen sein. Dazu ist dieses Motiv in der Antike zu breit und, bis auf einige Ausnahmen, inhaltlich zu einheitlich rezipiert.625 Es ist, in tiefenpsychologischer Hinsicht, in der Zeichenhandlung aber nicht im dargestellten antiken Sinn gebraucht, sondern im Gegenteil. Es soll die unbewusste Botschaft des Traumes verschleiern und entspricht einem Alibi: Die, gemäß dem Enkratitismus, verwerfliche Einstellung des Charîs, mit seiner Frau schlafen zu wollen, soll verworfen werden zugunsten der sexuellen Enthaltsamkeit. Daher insistiert Mygdonia auch darauf, das Bild vom Anziehen des linken Schuhs an den rechten Fuß in diesem Sinn zu deuten – so die „offizielle“, d. h. die bewusste Version. Diese hat die beiden Funktionen, einerseits die theologische Linie der Enkratiten zu stützen626 und Charîs (auf der Textebene) zu ermutigen, den Weg der Entsagung weiterzugehen, andererseits aber – und zwar unbewusst – den im Traum erscheinenden Wunsch, nämlich sexuell entgrenzt, wenn nicht grenzenlos, zu leben, zu unterdrücken und zu kaschieren. Es ist also in tiefenpsychologischer Hinsicht genau im Gegenteil zu interpretieren. Etwas zugespitzt formuliert: Das Motiv überdeckt anhand seiner 623 S. 1Kor 7,5. Auch wenn Paulus selbst die Enthaltsamkeit vorzieht (1Kor 7,1.6), weiß er doch, dass dies für die meisten Menschen eine Überforderung wäre. Warum die Enkratiten diese Paulusworte ignorierten, scheint nur dadurch erklärlich zu sein, dass sie sich mit Paulus identifizierten und ihm in seiner persönlichen Entscheidung, sich zu enthalten, nacheiferten. Ferner ist an Gen 1,22 und 2,24/Mk 10,8 parr zu denken. 624 Mygdonia ist mit Charîs verheiratet (ActThom 89), Tertia mit König Misdai (ActThom 134) und Vazan mit Mnêsar (ActThom 150). 625 S. die Motivanalyse o. 626 Im Sinne von: Die Absage an die eheliche Sexualität schließt das ewige Leben auf (zur Verbindung von Soteriologie und Enkratitismus s. o., 74 f).

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Einzeluntersuchungen verschiedener Träume

theologischen Deutung einen psychologischen Konflikt und verstärkt ihn in seiner Einseitigkeit nur. Dabei wird einerseits deutlich, dass Kap. 92 unbedingt zum Traum in Kap. 91 dazugehört und von diesem nicht getrennt betrachtet werden darf, andererseits, dass auch abseits des Traums unbewusste Mechanismen wirken. Dabei ist die Dramatik des Traumes hervorzuheben. Die verdrängte Sexualität zeigt sich so deutlich, dass aus psychologischer Sicht der Leidensdruck der Enkratiten nicht gering gewesen sein muss: zum einen der psychische und Gewissensdruck, der jedenfalls entstand, wenn die Enkratiten ihrem Ideal nicht gerecht wurden, zum anderen der schon angesprochene physische Druck der Libidostauung. Es ist kein Zufall, dass nicht nur bezüglich des zweiten, sondern auch des dritten Traums in diesem zweiten Teil der Arbeit unbewusste sexuelle Wünsche eine so große Rolle spielen. 2. Ein Aspekt, der (im jungschen Sinne) im Traum (unter Hinzuziehung der Zeichenhandlung des Charîs) auf eine Komplementierung hinarbeitet, ist die Symbolisierung der Ganzheit, nach der sich – nach Jung – jede Seele sehnt. Diese Ganzheit kommt, wie schon mehrfach gesagt, in Vereinigungen von Gegensätzen zum Ausdruck und deutet sich in unserem Text in der sexuellen Vereinigung an, nach welcher unser Traum zu streben scheint. Aber sie wird noch deutlicher in den Bewegungen von unten nach oben (und umgekehrt) sowie von rechts nach links. Erstere Bewegung wird durch den Adler symbolisiert, der vom Himmel herabstößt, sich seine Beute holt, und wieder – trotz eines eigentlich tödlichen Pfeils – gen Himmel fliegt. Hier ist also die vertikale Achse ausgedrückt. Die Bewegung von links nach rechts, die die Abkehr vom Falschen hin zum Richtigen verkörpert, zeigt sich in der Zeichenhandlung des Charîs beim Schuhanziehen. Sie bildet die vertikale Achse, ganz wie beim oben beschriebenen Ritual der Bekreuzigung. Folgt man dem jungschen Ansatz, so geht es im Bild vom Schuhanziehen aber weniger um eine moralische „Bewegung“, sondern um eine, in welcher sich Entwicklung und seelisches Wachstum ausdrückt.627 Hier kommt also der finale Ansatz Jungs zum Tragen, welcher „nach vorn“ ausgerichtet ist, und weniger nach den Ursachen fragt. Im Sinne der sich in der Vereinigung von Gegensätzen zeigenden Ganzheit (anhand der horizontalen und vertikalen Bewegung) symbolisieren sowohl der Traum als auch die Zeichenhandlung den Wunsch nach der genannten psychischen Weiterentwicklung und nach seelischer Ganzwerdung. Legt man nun beide Achsen virtuell übereinander, entsteht eine Kreuzform, die sich nach allen vier Polen erstreckt und ein sozusagen potenziertes Symbol der Ganzheit ausdrückt. Charîs (sofern es sich hier um eine historische Person 627 Im Sinne des jungschen Traumverständnisses bzw. des Verständnisses unbewusster Prozesse wäre die oben herausgearbeitete Verschiebung bzgl. der Zeichenhandlung des Charîs an dieser Stelle aufzugeben. Dadurch ergeben sich allerdings Widersprüche zwischen den einzelnen Deutungen (was allerdings auch in der Natur der Sache liegt). Im Sinne des Anliegens dieser Arbeit, verschiedene Deutungsmöglichkeiten und -angebote zu erarbeiten, sollen diese Widersprüche aber so stehen bleiben, ohne sie jedoch gegeneinander auszuspielen.

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handelt, dessen Traum und Zeichenhandlung authentisch wiedergegeben werden), aber vor allem der Verfasser der Thomasakten, und die an ihnen partizipierende Leserschaft, sehnt sich nach Ganzheit, nach der Vereinigung der Gegensätze. Sie bedeutet seelisches Gleichgewicht und inneren Frieden (auch wenn dies etwas pathetisch klingen mag). Aber es ist auch die Sehnsucht, an der Ganzheit Christi zu partizipieren, welche sich im Symbol des Kreuzes verdeutlicht. Vereinfacht gesagt: Das Kreuz findet sich im Oben und Unten des Traumes, sowie im Links und Rechts der Zeichenhandlung wieder. Die Zahl der Ganzheit, Vier (s. o.), zeigt sich auch in der Zahl der im Traum auftretenden Tiere: zwei Rebhühner, eine Taube und eine Turteltaube. Sicher dürfte sein, dass selten ein Mensch diese vollkommene Ganzheit erreicht. Aber das Streben der menschlichen Seele danach scheint doch ein wesentlicher und häufig auftretender Antrieb psychischer Kräfte und Prozesse zu sein, die sich bevorzugt in Träumen bemerkbar zu machen scheinen. Andersherum wurde ebenfalls schon angedeutet, dass davon auszugehen ist, dass die Enkratitinnen und Enkratiten doch unter einem nicht geringen seelischen Ungleichgewicht litten, was die Relevanz des Traums und der Handlung mit den Schuhen in seinem bzw. ihrem Ganzheitsstreben nur unterstreicht. 3. Zuletzt muss noch auf einen Aspekt hingewiesen werden, der in psychologischer Hinsicht nicht weniger bemerkenswert ist als das bisher Herausgearbeitete: die Vergeistigung der Sexualität im Traum. König Misdai versucht, tiefenpsychologisch ausgedrückt, mit dem Adler, als göttlichem Symbol (für Zeus, Jupiter, Christus etc.), Kontakt aufzunehmen. Dies geschieht durch seinen Pfeilschuss, welcher dem Adler nichts anhaben kann, was doch recht deutlich auf den gemarterten und auferstandenen Christus verweist.628 Das heißt übersetzt: Der Träumer sucht im Unbewussten den Kontakt zum Göttlichen, zu Christus. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Figur des Misdai auf der Textebene eindeutig zu den (heidnischen) Gegnern gehört.629 Damit berührt aber, im wahrsten Sinn des Wortes, der König im Traum (bzw. der Träumer Charîs) eine Ebene, die sozusagen πνευματικός (1Kor 2,13 u. ö.) ist. Das Entscheidende dabei ist, dass diese Suche geschieht, indem Sexualität nicht lediglich vermieden, sondern vergeistigt wird. Dies symbolisiert der Traum dadurch, dass Christus, als Repräsentant Gottes, die Vögel, als Verkörperungen der Sexualität, in den Himmel trägt, anstatt dass sie von König 628 Das Bild vom Pfeilschuss ist aber eher lose an die Passion der Evangelien angelehnt. Zum einen drückt der (eigentlich) tödliche Schuss den Kreuzestod Jesu generell aus. Zum anderen ist natürlich an Joh 19,34 zu denken (bzw. an das in V 37 genannte Zitat aus Sach 12,10). Andererseits ist Jesus in der Joh-Szene schon tot und wird nicht erst durch die Lanze getötet, wie es ja im Traum anhand des tödlichen Pfeils gedacht ist. 629 Er sorgt für die Inhaftierung des Thomas in Kap. 141 f und ordnet an, ihn ermorden zu lassen (Kap. 164). Andererseits finden sich auch ambivalente und sogar positive Töne ihm gegenüber: So wartet er (nach eigener Aussage) lange damit, energisch gegen den Apostel vorzugehen (163), versucht seinen besessenen Sohn mit Reliquien des gestorbenen Thomas zu heilen (170) und konvertiert schließlich selbst zum Christentum (ebd.).

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Einzeluntersuchungen verschiedener Träume

Misdai und Charîs verspeist (besser: „vernascht“630) werden. Der sexuellen Aufladung der Motive geht der Traum nicht nach, es findet keine Entladung statt, sondern ein „in den Himmel Heben“ der Sexualität. Das Bereitwerden für eine tiefere spirituelle Erfahrung scheint sich aber – nach allem, was wir bisher, etwa zum Schatten, gesagt haben und nach dem hier vertretenen Verständnis jungianischer Tiefenpsychologie und v. a. der Konzepte „Individuation“ und „Anima/Animus“ – vor allem über den Weg der Sexualität und der Wahrnehmung und Integration menschlicher Triebe zu vollziehen,631 also genau der umgekehrte Weg zu dem, den die Enkratiten einschlagen. Diese versuchen, den „Kontakt“ zu Christus auf dem Weg der Entkörperlichung zu finden.632 Anders gesagt: Die Sexualität, als wichtige Grundkraft, auch in Bezug auf Erfahrungen des Numinosen, wird dem Adler als Christusfigur geopfert, welcher sie in sein „Nest“ trägt.633 Der Traum zeigt aber die entgegengesetzte Richtung an: Leib und göttlicher Geist gehören zusammen (indem beide Aspekte im Traum abgebildet werden – allein die Verbindung fehlt). In diesem Sinne wäre das Bild des Pauluswortes in 1Kor 6,19 möglicherweise auf unsere Deutung zu übertragen: Der Leib ist der Tempel des Heiligen Geistes.634 Durch die Vereinigung der Gegensätze in der Sexualität wird die Seele angeregt, sich für den Empfang des göttlichen Geistes, als Verkörperung einer tieferen Vereinigung der Gegensätze, zu öffnen, allerdings – dies muss deutlich gesagt werden – ohne in irgendeiner Weise eine Verfügbarkeit über den göttlichen Geist beanspruchen zu können.635 In unserem Traum bleibt, im Rahmen des letztgenannten Deutungsschemas, die Verbindung mit dem Göttlichen (bis auf den Pfeilschuss) aus. Be630 Dies ist ein eigentlich unzulässiger Gebrauch einer modernen obszön-umgangssprachlichen Formulierung, die aber in ihrer Doppeldeutigkeit am klarsten zum Ausdruck bringt, was hier gemeint ist. Über Sprache, die über eine sexuell konnotierte Zweitbedeutung verfügt, zur tieferen, unbewussten Ebene des Klienten oder der Klientin zu gelangen, ist gerade eine wesentliche Methode der Psychoanalyse, wie sie Freud geprägt hat. 631 So schreibt Jung in Jaffé (Hg.), Erinnerungen, 172, „sie [die Sexualität, P.E.] spielt in meiner Psychologie eine große Rolle, nämlich als wesentlicher, wenn auch nicht einziger Ausdruck der psychischen Ganzheit.“ (Zitiert bei Roth, Jung, 42). Vgl. ferner ebd.; a. a. O., 123; 126 f; 138 f. 632 Dieser Begriff ist zugegebenermaßen recht sperrig. Hier allerdings noch länger von Enthaltsamkeit zu sprechen, wäre inhaltlich irreführend: Es geht nicht um Enthaltsamkeit (die eine Integration von Sexualität durchaus inkludieren kann, auch wenn diese nicht ausgelebt wird), sondern um eine einseitige Verwerfung der Sexualität und die theologische Bestimmung, dass allein dadurch das ewige Leben zu ererben sei. 633 Der Wille und Wunsch, die eigene Sexualität dem Adler zu opfern, wird dadurch unterstrichen, dass Mygdonia am Ende von Kap. 91 sagt, der Adler habe bis jetzt noch kein Rebhuhn gekostet. 634 1Kor 6,19 soll hier genannt werden, da Paulus zwar τήν πορνείαν gemieden sehen will (6,18), jedoch nicht die eheliche Sexualität, s. o. Letztere aber widerspricht nicht der „Pflege“ des Leibes, als Tempel des Geistes, sondern erscheint, wie wir eben gesagt haben, zumindest im jungianischen Verständnis, als dieser zugehörig, ja grundlegend. 635 Natürlich muss in aller Deutlichkeit gesagt werden, dass mit den hier dargelegten Gedanken nicht gemeint ist, dass eine Gottesbegegnung ausschließlich über den Weg der Sexualität führt – das wäre vermessen und völlig falsch. Aber dieser Weg scheint doch ein zentraler zu sein, zudem in unserem konkreten Fall der Traum ihn durch seine sexuell aufgeladene Symbolik anzeigt.

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merkenswerterweise sind es allein die beiden Personen, die sich nicht zu Christus (besser: zum Enkratitismus) bekehren wollen, die – folgt man der Sprache des Traums – weiter auf dem eben beschriebenen Weg einer möglichen spirituellen Erfahrung vorangeschritten zu sein scheinen. Sie suchen den Kontakt zum Adler und wollen die Rebhühner und Tauben verspeisen, ihrer eigenen Leiblichkeit und Libido also Raum geben.636 Etwas vereinfacht und zugespitzt formuliert, könnte man, entsprechend unserer Deutungslinie, den Traum so deuten: Misdai und Charîs scheinen Christus gegenüber offener zu sein als die von Thomas bekehrten Personen.637 Falls diese Lesart zutrifft, wäre sie ein Beweis dafür, dass auch literarische Texte Unbewusstes transportieren und überliefern können. Denn es widerspräche jeder Logik, dass der Verfasser der ActThom diejenigen Personen bewusst ins rechte Licht rückt, von denen er sich in theologischer Hinsicht und im Hinblick auf die Textgestaltung abgrenzen will. Anders gesagt: Es liegt gerade nicht in der Absicht des Verfassers, die beiden genannten Männer zu Sympathieträgern seiner Leserschaft zu stilisieren, weil sie Feinde des Christentums sind.638 Vom Unbewussten her nehmen sie aber eine viel positivere Stellung ein. Es wäre dementsprechend zu fragen, ob der Verfasser sich unbewusst von den eigenen enkratitischen Überzeugungen distanzieren möchte. Diese Frage kann, über das Gesagte hinaus, nicht klar beantwortet werden. Hinweise darauf scheint der Traum aber zu geben.

636 Sie scheinen zu spüren, dass die erotisch aufgeladenen Traummotive weniger in die Höhe gehören, als viel mehr zu ihnen auf die Erde. Auch deshalb der Versuch des Unbewussten im Traum, durch Abschuss des Adlers, diese Richtung zu korrigieren. 637 Erneut muss betont werden, dass es sich hierbei um eine tiefenpsychologische Deutung handelt. In theologischer Hinsicht ist völlig eindeutig, dass der König ein Feind des Christentums ist, weil er Christus, in Gestalt des Adlers, versucht zu schießen und zu erlegen. 638 Bei König Misdai ändert sich das erst, wie wir oben gesehen haben, am Ende der ActThom.

5. Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Schlussbemerkungen

Was lässt sich am Ende dieser Arbeit festhalten? Es war das erste Ziel, die christlichen Apokryphen auf Traumtexte hin zu untersuchen, diese festzuhalten und kurz zu betrachten. Dabei war es ein begleitendes Anliegen, in die betreffenden Schriften kurz einzuführen und somit einen möglichst breiten Einblick in die christlichen Apokryphen zu ermöglichen. Diese Einführungen konnten allerdings, aufgrund der hohen Zahl an Einzelschriften, nur kurz und nicht umfassend geschehen. Vor allem die Frage nach der Genese der einzelnen Texte und Schriften musste hier in den Hintergrund treten. Auch konnten nicht alle apokryphen Traumtexte berücksichtigt werden, jedoch der größte Teil davon. Den ersten Teil der Texte bildeten die Apostelakten und die Pseudoklementinen. Eine öfter dort begegnende Traumart ist die, in welcher kurz und knapp Anweisungen erteilt oder zukünftige Ereignisse angekündigt werden, ohne dass dabei der Traum einer Deutung bedarf (so z. B. ActAndr 13 an Adimathus; ActJoh 48 an Johannes und ActThom 29 an Thomas). Das antike Motiv des Ausbleibens eines Traumes verarbeitet ActAndr 22. In den Apostelakten stechen nur relativ wenige Träume dadurch hervor, dass sie inhaltlich und symbolisch besonders gestaltet sind. Dies ist im antiken Kontext auffällig, in dem meist mit chiffrierten Motiven gearbeitet wird. Beispiele diesbezüglich wurden v. a. durch die regelmäßig konsultierten Traumdeutungen Artemidors vor Augen geführt. Ausnahmen bilden die Träume in ActAndr 20, in ActPetr 22 und ActThom 91 f, die auch im zweiten Teil der Arbeit ausführlich behandelt wurden. Sie zeichnen sich durch besonders „farbig“ gestaltete Traummotive aus, die deswegen auch der Deutung bedurften. Oft war in den christlichen Träumen die Rede von nächtlichen Ereignissen, ohne dass klar wurde, ob es sich um einen Traum handelt (ActAndr 22; ActPetr 40 f; ActBarn 10 u. ö.) oder nicht. Hier muss ganz klar festgehalten werden, dass es den Verfassern schlicht nicht wichtig zu sein schien, nächtliche Visionen von im Schlaf empfangenen Träumen zu unterscheiden. Zudem wurden die Vokabeln für „Traum“ und die für „Vision“ oft austauschbar verwendet. Dabei bezeichnete mehrfach der Traum das äußere Setting des Schlafzustands, die Vision aber den Inhalt des Traums. Den wichtigsten Beleg für diesen Befund stellt PsClem H XVII 13–20 dar. Aber auch in der Nebeneinanderstellung der verschiedenen Textzeugen in den Kindheitserzählungen, so etwa in HistIos 6,1 und 8,3, wurde die Austauschbarkeit der Begriffe deutlich. Der Disput zwi-

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Schlussbemerkungen

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schen Petrus und Simon Magus in PsClem H XVII ist zugleich der bedeutendste Text, was die Diskussion um das Wesen von Träumen und ihrer Deutung angeht, nicht nur in den Pseudoklementinen, sondern in den christlichen Apokryphen generell. Was die Pseudoklementinen ansonsten betrifft, sticht, neben dem fingierten Traum der Mutter des Klemens, der immer wieder und von verschiedenen Personen erwähnt und behandelt wird, in den Rekognitionen vor allem der Tagtraum des Petrus in PsClem R II hervor, in welchem der Apostel im Geiste nach Cäsarea und Jerusalem reist. Den zweiten Teil der Apokryphen bildeten die Kindheitserzählungen. Hier konnte beobachtet werden, dass die Träume aus Mt 1 f in ganz unterschiedlicher und nicht einheitlicher Form aufgenommen, verkürzt oder ausgebaut werden. Die Frage, warum die einen Träume ausgewählt und die anderen ausgelassen wurden, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Besondere Beliebtheit kommt aber Mt 1,20 (der Aufforderung des Engels an Joseph, die schwangere Maria zu sich zu nehmen) sowie Mt 2,13 (der die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten initiiert) zu. Ersterer wurde u. a. in Protev 14,2; PsMt 11,1; HistIos 6,1; 17,5, Zweiterer in „An Encomium on Saint John“ 16 f; arabK 9 aufgenommen. In ActPil 2,1 wird außerdem mit Mt 27,19 ein Traum(bericht) außerhalb der mt Kindheitserzählungen rezipiert. Weiterhin war es wichtig, die Kindheitserzählungen aufzuführen, die die mt Träume auslassen. Hier galt es also, einen Negativbefund zu konstatieren. Dies betrifft AscJes, VitIoan und EvInfThom. Mit der Traumerwähnung in CMC S. 86 wurde ein Einblick in das manichäische Schrifttum gewährt, welcher den Abschluss des ersten Teils bildete. Wo es möglich war, wurden die Träume des ersten Teils in die Traumkategorien Philos eingeordnet, als einem unter mehreren antiken Traumschemata. Was die Frage nach der Bewertung von Träumen angeht, ist der Befund nicht eindeutig. Die Apostelakten zeigen sich tendenziell eher traumkritisch, denkt man nur an die Worte des Petrus in ActPetr 37 oder die Betonung der Wachheit des Petrus bei seiner nächtlichen Christophanie in ActPetr 16. Besondere Wertschätzung erfahren Träume jedenfalls i. d. R. nicht. Andererseits gelten sie als legitimes Offenbarungsmittel Gottes und literarisch-gestalterisches Motiv, wenn sie auch selten durch eine umfassendere Ausschmückung hervorstechen. Was die pseudoklementinischen Homilien ebenso wie die Rekognitionen betrifft, ist die Skepsis bzw. sogar die Ablehnung gegenüber Träumen hier wesentlich deutlicher zu spüren. Das kommt v. a. in dem Disput in PsClem H XVII 13–20, ebenso wie in der Reaktion des Andreas dem Tagtraum seines Bruder Petrus gegenüber in PsClem R II 63,2; II 64,1–4 zum Ausdruck. Dass in Bezug auf den genannten Disput besonders die Kritik an den Visionen des Apostels Paulus im Hintergrund steht, wurde wahrgenommen, jedoch zugunsten einer Interpretation auf der Textebene zurückgestellt. Die Kritik, die an dieser Stelle in den PsClem H an Träumen und Visionen geübt wird, gilt, unbenommen davon, ob sie nun an Paulus (zwischen den Zeilen) oder aber an Simon Magus (auf der Textebene) gerichtet ist. An dieser Stelle wurde die

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Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Schlussbemerkungen

psychologische These formuliert, dass es sich bei der Figur des Simon Magus um eine Schattenfigur des Petrus im jungschen Sinne handelt. Träfe diese These zu, würde Simon Magus, als Häretiker, all das repräsentieren, was Simon Petrus, als führende Autoritätsfigur des frühen Christentums, nicht verkörpert. Anders gesagt: In Simon Magus zeigten sich dann alle ungelebten und v. a. aggressiven Anteile, die das frühe Christentum, personifiziert durch Petrus, verdrängte, anstatt sie zu integrieren. Bezüglich der Kindheitsevangelien muss die Frage nach der Bewertung von Träumen ambivalent beantwortet werden. Einerseits werden immer wieder Träume aus Mt 1 f aufgegriffen, andererseits erfahren diese so gut wie keine literarische Ausgestaltung. Zudem findet meist lediglich eine Auswahl der mt Träume statt oder sie werden ganz weggelassen. Dennoch werden sie verwandt, um Anweisungen Gottes ergehen zu lassen (Gott oder ein Engel spricht im Traum einen Befehl aus, kurz und prägnant), denen auch immer Folge geleistet wird. Eine positive Bewertung findet also eher indirekt statt. Zudem muss beachtet werden, dass die Träume weitreichende Entscheidungen zur Folge haben: Christus kommt auf die Welt, weil Joseph die schwangere Maria nach der Gottesanweisung im Traum zu sich nimmt; die heilige Familie wird vor Herodes gerettet, weil der Traumaufforderung, zu fliehen, Folge geleistet wird. Die Träume sind hier letztlich von existenzieller Bedeutung. Ob den Verfassern der Kindheitsgeschichten dies so bewusst war, darf aber bezweifelt werden. Eher ist zu vermuten, dass sie sich nicht zu weit von der mt Version entfernen wollten. Diesem Befund entspricht, dass die allermeisten Träume in den christlichen Apokryphen der Kategorie 1 nach Philo zuzuordnen sind (Träume als unmittelbare göttliche Offenbarungen, die keiner Deutung oder Erklärung bedürfen). Der inhaltliche Ertrag des ersten Teils der Arbeit ließe sich also so zusammenfassen: Die christlichen Apokryphen enthalten eine größere Anzahl an Träumen, die einen Offenbarungsweg Gottes darstellen. Sie wirken z. T. richtungsweisend. Aber sie sind meist einfarbig gestaltet und in der Regel ohne Deutung verstehbar. Das heißt: Sie sind eher theologisches als literarisches Gestaltungsmittel. Zudem ist eine grundlegende Skepsis bzw. ein Vorbehalt ihnen gegenüber nicht zu übersehen. Der zweite Schritt der Arbeit war es, drei Texte (ActAndr 20; ActPetr 22 und ActThom 91 f), die durch ihre Gestaltung und ihre Traummotivik als besonders geeignet erschienen, näher zu analysieren. Das heißt: ihre textkritische Geschichte kurz zu skizzieren, sie grammatisch-syntaktisch zu erschließen, wichtige archetypische Symbole und Motive möglichst umfassend zu beleuchten und die Träume in einem letzten Arbeitsgang, unter Einbeziehung der theologischen Ergebnisse und der Traumtexte Artemidors, tiefenpsychologisch zu deuten. Vorher wurde in wichtige tiefenpsychologische und psychoanalytische Grundbegriffe (Libido, Archetypen, Minderwertigkeitsgefühl, Verdichtung und Verschiebung etc.) eingeführt und die Traumdeutungs-

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und Schlussbemerkungen

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theorie von Sigmund Freud und C.G. Jung in groben Umrissen dargestellt. Auch wurde versucht, Ergebnisse neurowissenschaftlicher Untersuchungen diesbezüglich einfließen zu lassen. Ein wichtiges Anliegen war es ferner, Kritik von innerhalb und außerhalb der Psychoanalyse zu benennen und in die Gewichtung der tiefenpsychologischen Betrachtungsweisen einzubeziehen. Die wichtigsten Deutungen der drei Träume seien hier zusammengefasst. In ActAndr 20 spielte v. a. das Konkurrenzszenario zwischen den Brüdern Andreas und Petrus eine Rolle. Dabei wurde ein Minderwertigkeitsgefühl des Ersteren gegenüber dem Zweiteren herausgearbeitet sowie der Wunsch des Andreas, sowohl Petrus als auch Jesus im Martyrium zu überflügeln (und die Minderwertigkeit dadurch auszugleichen). Dass das Martyrium unmittelbar bevorsteht, wurde im Traum anhand des Bechermotivs und des Berges, auf welchem sich Andreas befindet, deutlich. Der tiefergehende Wunsch des Letzteren scheint es jedoch zu sein, die sich durch den Martertod als Konsequenz ergebende Gottesnähe (nämlich als Auferstandener) Wirklichkeit werden zu lassen. Anders gesagt: Der Apostel strebt nach einer Vereinigung seines Ichs mit dem umfassenden göttlichen Selbst, das im Traum angedeutet wird und dem er, anhand der Spitze des Berges, schon sehr nahe kommt. Ferner wurde versucht zu plausibilisieren, dass sich diese Deutungen nicht auf die historischen Personen beziehen, welche im Traum vorkommen, sondern auf die hinter dem Text stehende Verfasser- und Leserschaft zu abstrahieren sind. Die herausgearbeiteten Konkurrenzszenarien der Traumfiguren müssten demnach auf einzelne Schulen oder Verehrerkreise der jeweiligen Apostel in der frühen Kirche bezogen werden. Für die Leserschaft der Akten selbst soll der Traum die Vorbildfunktion des Andreas verdeutlichen, welcher es nachzueifern gilt. Dies bezieht sich z. B. auf die Bereitschaft, für den christlichen Glauben in letzter Konsequenz ins Martyrium zu gehen. In ActPetr 22 dominierten Motive und Wünsche, die als sexuell, aggressiv oder beides in Kombination zu charakterisieren waren. Im Traum war es das Bild der tanzenden, in Ketten gelegten und in Lumpen gehüllten Äthiopierin, dessen sexuelle Aufladung kaum übersehbar war (gewaltsame Äthiopier erschienen auch dem Prokonsul Lesbios in ActAndr 22; in ActPetr 41 wird Nero des Nachts von einer nicht näher beschriebenen Gestalt geschlagen). Für ActPetr 22 wurde v. a. der Wunsch des Träumers bzw. Autors des Textes (und auch der Textrezipientinnen und Textrezipienten) nach sexueller Ausgelassenheit und einem Zulassen eigener aggressiver Gefühle und Gedanken herausgearbeitet. Weiterhin scheint es der Wunsch des Verfassers zu sein, die theologische Stimme des Simon Magus, als Repräsentant frühchristlicher Häresie, zum Verstummen zu bringen. Auch hier geht es nicht um die (wahrscheinlich) historische Person des Simon Magus und seine Ansichten, sondern um die Lehren frühchristlicher Strömungen, die der Verfasser als feindlich-häretisch empfunden hat. Letzteres wäre eine freudianische objektstufige Deutung. Im jungschen und subjektstufigen Sinn wäre der Wunsch anders gelagert –

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nach innen gerichtet und eine Versöhnung der Gegensätze suchend: Petrus (d. h. der Verfasser) will sich mit seiner Schattenseite, die durch die Äthiopierin respektive Simon Magus verkörpert wird, vereinen (also über eine freudianisch gedachte sexuelle Vereinigung hinaus). Das heißt, er sehnt sich nach Integration eigener, verdrängter Seelenanteile. Zu diesen gehören Sexualität und Aggression, aber auch bekämpfte und nicht „linientreue“ frühchristliche Positionen, wie die des Gnostizismus. Im Motiv der äthiopischen Frau zeigt sich aber auch der Wunsch nach seelischer Entwicklung (anhand der Farbe Schwarz), der sofort wieder dadurch zerstört wird, dass die Äthiopierin im Traum brutal getötet wird. Die Entwicklung, welche der Traum anbietet, wird bzw. bleibt also blockiert. Beide Aspekte, sexuell aufgeladene Motive und der Wunsch (im freudschen Sinne) nach dem ungezügelten Ausleben eigener Sexualität, finden sich auch im Traum des Charîs in ActThom 91. Hier sind es die Vögel (Rebhuhn, Taube und Turteltaube), die sexuelle Konnotationen tragen. Der Wunsch nach Promiskuität kommt dadurch zum Ausdruck, dass Charîs alle Vögel, von denen er träumt, und die nicht nur seine Frau, sondern auch zwei andere weibliche Gestalten sowie eine männliche Figur der ActThom verkörpern, verspeisen will. Der Traum birgt also auch verdrängte homosexuelle Wünsche und Phantasien. Dass sich hinter dem Adler letztlich der Verfasser und die Leserinnen und Leser verbergen, wurde versucht, anhand des Doppelgängermotivs der ActThom und des von Freud geprägten Verschiebungsmechanismus zu plausibilisieren. Ein weiteres Motiv (im jungschen Sinne) erschließt sich durch die Zeichenhandlung des Charîs in ActThom 92. Die horizontale Bewegung von links nach rechts beim Schuhanziehen, also von der negativ konnotierten Seite zur positiven, muss mit der vertikalen Bewegung des Adlers, als einem zentralen Christussymbol, von oben nach unten und umgekehrt, verbunden werden. Die dabei entstehende Kreuzform drückt ein Symbol der Ganzheit aus. Der Träumer Charîs (bzw. die Verfasser- und Leserschaft des Textes) sehnt sich nach seelischer Ganzheit, nach einer Vereinigung der Gegensätze, welche der Traum ausdrückt. Allerdings bleibt der Traum einseitig auf die vertikale Bewegung fixiert. Er strebt die Vergeistigung und Entkörperlichung der Sexualität an. Diese wird nicht „am Boden gehalten“ (die Vögel werden nicht verspeist), sondern in unerreichbare Höhen gehoben und dem Adler geopfert.1 Der Weg zu seelischer Ganzheit, den Jung als Individuation bezeichnet, scheint in tiefenpsychologischer Hinsicht aber genau andersherum angelegt zu sein: Aus der irdischen, leiblichen Vereinigung (der Gegensätze) erwächst die 1 Der Kontakt zum Christusvogel wird allerdings durch den König anhand seines Pfeilschusses gesucht. Überhaupt konnte festgestellt werden, dass sich die beiden negativen Charaktere, Misdai und Charîs, in tiefenpsychologischer Hinsicht im Traum integrativer als die christlichen Personen darstellen. Die Frage, ob der Verfasser der Akten unbewusst Abstand von seinen enkratitischen Idealen zu nehmen wünscht, wurde aufgeworfen.

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geistige Vereinigung mit dem Göttlichen. Gegen das Grundverständnis des Enkratitismus ergibt sich aus dem Traum eine Mahnung zur Suche nach Einheit von Leiblichkeit, Affekten und göttlichem Geist. Wichtiges Anliegen dieser Deutungen war, nicht die einzelnen psychoanalytischen Schulen in ihren Theoriekonzepten gegeneinander auszuspielen, sondern zumindest den klassischen Ansätzen jeweils Raum zu bieten. Anders gesagt: Jede psychoanalytische bzw. tiefenpsychologische Schule fängt nur Teilaspekte einer umfassenden Traumdeutung ein, aber nie den gesamten Gehalt eines Traumes, vergleichbar mit einzelnen Puzzleteilen. Ein Bild aus möglichst vielen solchen Teilen zu erstellen, war das Ziel der hier durchgeführten Deutungen. Eine abschließende Deutung kann aber an dieser Stelle nicht geleistet werden. Dies ist nicht nur nicht möglich aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit, sondern auch deshalb, weil wir die Träumer (oder zumindest die Verfasser der Traumtexte) nicht persönlich befragen oder von ihnen wesentliche Korrekturen unserer Beobachtungen einholen können. Dies ist und bleibt eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der tiefenpsychologischen Interpretation literarischer Texte. Die erarbeiteten Ergebnisse erscheinen aber als ausreichend, um bestimmte Rückschlüsse auf das psychische Erleben der frühen Christinnen und Christen zu ziehen, die mit den Texten in Zusammenhang standen (sei es als Leserinnen und Leser oder als Verfasser bzw. Bearbeiter). Ein solcher Rückschluss, als wichtiges Ergebnis des zweiten Teils der Arbeit, ist, dass sich psychische Schieflagen oder Vereinseitigungen, wie die Unterdrückung leiblicher Regungen oder negativ bewerteter Affekte, in den Träumen niederschlagen – auch wenn es sich dabei lediglich um literarisch überlieferte oder geformte Träume handelt – und dort nach einem Ausgleich streben bzw. ihre Integration einfordern. Dies wurde v. a. dort besonders deutlich, wo die Texte eine enkratitische Prägung aufwiesen. Natürlich handelt es sich bei diesem Ergebnis letztlich nur um eine Bestätigung längst bekannter grundlegender tiefenpsychologischer Annahmen und Theoreme. Dass sich die genannten Problematiken aber, wie gesagt, in dieser Deutlichkeit auch in frühen christlichen literarischen Texten niederschlagen und nachweisen lassen, dürfte eine nicht unwesentliche Beobachtung sein und weitere Forschung rechtfertigen. Naturgemäß bleiben bei solch einer Arbeit wie die der vorliegenden viele Themen unberücksichtigt oder zumindest nur angerissen. Im Detail könnte, abseits tiefenpsychologischer Fragestellungen, die Einordnung der breiten Redeanteile in den Pseudoklementinen in das System antiker Rhetorik zu einer weiterführenden Untersuchung gehören. Auf die Arbeit als Ganzes gesehen, wäre ein Vergleich zwischen frühchristlichen und frühjüdischen Träumen erhellend. TestNaph 5 f etwa deutet an, dass frühjüdische Träume sehr viel „farbiger“ und symbolhafter gestaltet sind, als das in den christlichen Apokryphen meist der Fall ist. Diesem Befund nachzugehen, könnte u. a. Gegenstand zukünftiger Forschungsarbeit sein.

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Register Sachregister (Auswahl) Nicht berücksichtigt sind grundlegende thematische Begriffe, von denen die Arbeit als Ganzes handelt (Traum, Traumdeutung, Vision etc.) oder denen eigene thematische Abschnitte gewidmet sind. Abendmahl 250 Abwehr 23; 104; 199; 278 f; 290 Adonis 330; 334; 352 Affekt 16; 97; 100; 199; 207 f; 217; 229; 313; 363 Aggression 31; 98; 308 f; 313; 317; 362 Ägypten 52; 157; 159 f; 164 f; 168 f; 183; 185; 189 ff; 193; 195; 249; 255; 267; 288; 301; 304; 325; 328; 335; 338; 343; 359 Amplifikation 33; 209; 291 Anachronismus 24; 30 Anima 25; 134 f; 198; 216; 318; 356 Animus 67; 143 f; 198; 216; 356 Aphrodite 336 Apokalypse 246; 264 Aposteldekret 96 Apostolat 50; 74; 252 Apostolizitätsfrage 82 Artemistempel 53 Askese 38; 52; 59; 88; 287; 290; 303 Asklepios 14 – Asklepioskult 14; 92 Assur 334; 338 Assyrer 304; 328 – Assyrergroßkönig 137 Astarte 339 – Astartekult 334 Astrologie 113 f; 154 ff Athen 88; 108–111; 113 f; 151 ff; 178 Audition 31; 53; 65; 128; 188 Auferstehung 43; 74; 88; 95; 123; 128; 174; 178 ff; 184; 188; 263; 274; 279 f

Babylonien 194; 239 – Babylon 304 Bergpredigt 244; 313; 348 Beschneidung 28 Bewusstsein 22 ff; 28; 65; 67; 98; 109; 119; 143; 199; 202; 209; 218; 224; 226; 267; 281; 313 f; 318; 352 Bewusstwerdung 23; 25; 28; 206; 210 Bischof 38; 189 Blut 50; 250; 261; 334 – Blutgenuss 250 Bote 61; 109; 179; 210; 339 – Botin 339 Buße 74; 84; 238; 261; 348 Christologie 49; 74 f; 95; 158 Christophanie 50; 359 Damaskus 57 – Damaskuserlebnis 124 Dämon 44; 46; 63; 66 ff; 96; 103–108; 122 ff; 127; 132; 139; 144 f; 149 f; 178; 199; 244; 285 f; 294; 297; 300; 302; 308 f; 315 – Dämonin 292; 295; 301; 309; 311 f; 314 f; 317 Demiurg 127; 130 f; 273 Divination 14; 19; 149 Doppelgänger 75; 80; 98; 352 – Doppelgängermotiv 78; 80 f; 234; 285; 352; 362 Drache 76; 88; 301; 324; 328 f Dysfunktion 145; 149; 220

406 Ehe 36; 74; 79; 96; 100; 110; 166; 188; 217; 287 f; 290; 353 Ehebrecher 52; 56 Ekstase 119 Engel 16; 43 f; 48; 50 f; 61; 124; 128; 130 f; 134 f; 137; 139; 158 f; 161–164; 168; 170; 172; 181 f; 185; 187 f; 190– 193; 202; 246; 264; 270; 307; 318; 349; 359 f Enkratit 79; 310; 312; 353–356 – Enkratitin 57; 312 Enkratitismus 27; 36; 38 ff; 52; 63; 67; 69; 73 f; 96; 303; 308 f; 317; 353; 357; 363 Enthaltsamkeit 38; 58; 75; 290; 353; 356 Entrückung 31; 50 f Entwicklungspsychologie 30 f Ephesus 17; 36; 53; 57 Erbauung 58 f; 75 Eros 36 f; 39; 58; 334 f; 352 Eschatologie 243; 272; 348 Ethik 37; 99; 303; 313 Eucharistie 64; 74; 81 final 27; 224 f; 354 Fisch 140; 142 ff; 147; 335; 349 – Fischfang 140 Fischer 30; 140 f; 149; 268 ff; 295 Ganzheit 99; 243; 281 ff; 312; 351; 354 ff; 362 Garizim 239; 241 ff Geburt 18; 138; 157; 159; 162; 168; 171 f; 181; 183 ff; 188 f; 193; 291; 326 Gefangenschaft 49; 195; 317 Gefühl 22; 24; 60; 90; 98; 103; 117; 143; 202; 211; 219; 222; 278; 280; 298; 313; 361 Gehirn 15; 85; 218 f; 229; 293 Gender 74 f; 78 f; 216 genetisch 23; 218 f; 221 Gericht 59; 96; 249 Gesetz 94; 96; 102; 124; 145; 176; 196; 259; 278; 337; 345

Sachregister (Auswahl) Gleichnis 23; 60; 138; 248; 289 Gnosis 34; 52; 196; 272 ff Gold 68 f; 301; 304 Gottesbild 281; 350 Griechenland 40; 57; 116; 239; 288; 324; 330 hagiographisch 59; 194 Häresie 34; 63; 361 Häretiker 58; 159 f; 199; 316; 332; 360 heidenchristlich 27 Heilschlaf 14 Heilung 48; 53; 79; 83; 89–93; 106; 224; 253 f; 257; 269 – Wunderheilung 32 Helena 63; 318 hermeneutisch 21; 27 f Herz 11; 66; 117 ff; 121 f; 139; 143; 148; 173; 260; 262; 269; 273; 332; 352 Himmelfahrt 70; 186 ff; 244 f; 321; 329 Himmelsreise 51 historisch-kritisch 20–25; 28; 30 f Hoheitstitel 66; 120; 285 Höllenfahrt 173 ff; 307 Ikonographie 63; 179; 258; 289; 329; 340; 350 Imagination 139; 142; 178; 281 Individuation 215; 282; 356; 362 Initiation 43 Islam 185 Israel 137; 169; 241; 248 f; 255 f; 260; 270; 288; 327; 337 Isˇtar 334 Italien 57; 95; 175; 238; 324; 330 Jerusalem 57; 63 f; 85 f; 94; 135; 140– 143; 147; 156 f; 242; 244 ff; 260; 263; 306; 338; 359 Juda 80; 137; 243 Judenchrist 157 – Judenchristentum 93; 157; 194 – judenchristlich 27; 93; 194 Jupiter 324; 355

407

Sachregister (Auswahl) Kaiser 19; 60; 82; 108; 141; 150; 157; 165–170; 191; 243; 264 f; 292 f; 325 ff Kapitän 50; 64 f kausal 224 f; 310 Kette 66 f; 297; 303; 309; 312; 314; 317; 361 Kleinasien 17; 38; 52; 57; 62; 88; 240; 324 klinisch 31 f; 198; 211 Kompensation 208; 225; 278; 280 – Überkompensation 278 Konkurrenz 122; 277; 282; 309; 315 Korinth 37; 40; 46; 57; 120; 250 f; 262; 264; 271 f; 290 Körper 18; 51; 61; 99; 104; 145 f; 149; 179; 196; 253; 255; 259; 261 ff; 274; 294 f Krankheit 80; 104; 106 f; 224; 259 – Krankheitsbild 144; 231 latent 202; 204 f; 208 Leib 32; 36; 89; 105; 188; 264 f; 291; 302; 356 Leibfeindlichkeit 72; 77; 105 Leiblichkeit 357; 363 Libido 308 ff; 317; 331; 352 f; 357; 360 Liturgie 62; 250; 350 – Liturgiesprache 62 Lumpen 66 f; 307; 309 f; 361 Macht 36; 46; 58; 70; 75 ff; 99; 104 f; 107; 113; 139; 176; 212; 225; 238 f; 241; 246; 254 ff; 283; 293; 308 f; 314 f; 327; 343; 345 f Magie 34 f; 38; 63; 73; 83; 100; 176 ff; 193; 257; 344 Magier 70; 95; 100; 131; 159; 164 f; 168; 176; 185; 189 f; 193 manifest 202; 204 ff; 208 Mantik 19; 69; 136; 156; 177; 325; 327; 342 Mantiker 17 Märchen 209 ff; 216; 222; 281 Märtyrer 258; 265; 293

Martyrium 38; 40; 42 f; 48; 57; 59; 62; 68; 74; 79; 82; 85–88; 94; 186 f; 237– 240; 242; 249–252; 254; 257 f; 261 f; 268; 271; 274 ff; 279; 282; 290; 348; 352; 361 Mazedonien 46; 57 Mesopotamien 185 Minderwertigkeit 99; 280; 361 – Minderwertigkeitsgefühl 233; 277– 280; 360 f – Minderwertigkeitskomplex 208; 233 Mission 34 ff; 38; 50; 63; 73; 77; 83; 85; 100; 195 – Heidenmission 24; 27; 96 Missionar 59; 85; 87; 89 Missionsreise 37 f; 73; 83; 85; 193 ff; 257 Monogamie 334 Mord 55; 107; 183; 252; 293 Mysterium Tremendum 161 Mythologie 68; 154; 210; 300 Mythos 102 f; 213; 240 Nachtseite 14; 240 Naherwartung 59; 289 Nationalsozialismus 99 neurotisch 27; 99 Neurowissenschaft 15; 204 f; 219; 224; 226; 229 f; 232 Nil 304 f numinos 25 f; 28; 31; 213; 216 f; 234; 239 Objektstufe 201 f Ödipuskomplex 277; 315 Offenbarung 13; 16; 19; 43 ff; 48; 51; 55; 105; 119; 125 f; 129; 131; 162; 171 f; 181; 195; 246; 264; 270 f; 290; 297; 349; 360 – Offenbarungsmedium 172; 196 Orakel 14; 104; 106 f; 109; 111 Orient 17; 333 f Paradies 51; 174; 279; 350 – Paradiesberg 244

408 Passamahl 250 Philosophie 19; 39; 116; 118; 146; 212 Präfekt 71; 176 Predigt 24; 36 f; 58; 63; 68 f; 74; 77 f; 82; 189; 322; 326 Problemlösung 205; 232 – Problemlösungsstrategie 207; 226 Projektion 29; 97–100; 279; 281; 303 Prophet 65; 95 f; 121 f; 125; 130 f; 133– 139; 150; 187; 196; 198; 214; 248; 281; 302; 329; 337 f Prostituierte 63; 68 f; 318 Qumran 32; 260; 270 – Qumrangemeinde 270 Qumrantext 262; 289 Rabbinen 243; 255; 347 Reliquie 82; 175; 355 – Reliquienverehrung 265 REM-Schlaf 229–232 Rezeption 21 f; 32; 136; 187; 199; 245; 289 – Rezeptionsprozess 24 Rhetorik 32; 39; 363 – Rhetorikschulung 17 Ritual 14; 211; 354 Rom 16 f; 40; 57; 62 ff; 68; 70; 83; 86; 93 f; 108 f; 112 ff; 148; 151 f; 275 f; 282; 288; 294 Roman 35 ff; 75; 94; 113 Sabbat 66; 269; 286 – Sabbatschändung 176 Salz 96; 334 Samarien 63 Samaritaner 63; 242 Satan 64; 76; 90; 98 f; 131; 168; 199; 306 f; 329; 332 Schatten 23; 97–100; 129; 132; 202; 210 f; 276; 281; 303; 309; 312 f; 317; 356 – Schattenfigur 97; 312; 317; 360 – Schattenkonzept 97; 99

Sachregister (Auswahl) Schiff 44; 46; 50 f; 64 f; 83; 108 f; 302 Schiffbruch 37; 46; 65; 109; 111 f; 151 ff Schlaflabor 204; 206; 229 Schlafzustand 19; 54; 358 Schlange 88 f; 91; 104; 301; 324; 329; 338 Schöpfung 118; 238; 255 f; 270; 273 – Schöpfungsbericht 269 Sekte 58; 63 Selbst 274; 280–283; 361 Senator 65 f; 68; 284 f Sexualität 18; 28; 31; 36; 41; 52; 67; 72; 82; 88; 96; 100; 273; 290; 303; 308 ff; 312; 314; 335; 351; 353–356; 362 Sinnlichkeit 69 Sklave 47; 68; 108; 113 f; 146; 240; 266; 293 f; 304 – Sklavin 47 Soldat 44; 46; 180; 266; 292 ff somatisch 20; 144 ff; 156; 205; 251 Sonne 89; 115; 135; 140; 243; 306; 324 f; 329; 333; 339 Sophia 91 f Soteriologie 74; 353 Speise 18; 53; 77; 104; 108; 162 Statthalter 59; 141; 282 Streitgespräch 32; 139; 156; 195 Subjektivität 28 Subjektstufe 201 f; 303 Supplementierung 24 Symptom 98; 209; 225; 228 – Krankheitssymptom 144 Syrien 52; 57; 62; 75; 93 f; 157; 195; 240; 335; 350 Syzygos 195 – Syzygie 96; 216 – Syzygienlehre 285 Tagesrest 202 ff; 226 Tagtraum 141 f; 144; 147 ff; 156; 359 Taufe 57; 74; 79; 81; 90; 96; 113; 153; 196; 259; 329; 350 f Täufer 160; 168; 181 ff; 189 f; 192; 195 f; 246; 263; 265

Sachregister (Auswahl) Tempel 72; 135; 140; 160; 162; 164; 238 f; 242; 244; 248; 263; 334; 338; 349; 356 Teufel 52; 89; 91; 177; 298; 300 f; 307 f; 329; 332 Textkritik 20; 134; 235; 319 Therapeut 98; 202; 215 f Therapie 202; 214; 216; 227 Tier 36 f; 50; 59 f; 89; 212 f; 228; 254; 260; 297 f; 319; 324 f; 327 f; 330 ff; 334 ff; 338; 342; 353; 355 Trauma 205 Traumdeuter 17 ff; 171; 182; 202; 209 Traumserie 226 f Trieb 99; 208; 230; 243; 309; 314; 356 – Triebabfuhr 96; 100; 231 – Triebkraft 230; 309 Trinität 63; 92

409 Verschiebung 199 f; 203; 206; 277 ff; 302; 310; 352; 354; 360 – Verschiebungsmechanismus 362 Vorverständnis 24; 28 f

Übertragung 23; 204 f; 221; 257; 303 Unbewusste 14; 19; 22–28; 30 f; 67; 79; 85 f; 97 ff; 109; 129 f; 163; 198 f; 203– 206; 208 ff; 212 f; 219; 223 f; 226 f; 275 ff; 279; 281; 303; 308–315; 331; 335; 337; 349–357 Urchristentum 21; 29; 31

Wachzustand 54; 61; 81; 91; 167; 202; 226; 229; 231 Wahrnehmung 55; 70; 140; 145; 149; 200; 244; 266 ff; 298 f; 356 – Wahrnehmungsvermögen 116; 118; 121 Wandlungstraum 227 Wasser 74; 143 f; 146 f; 247 ff; 251 f; 308; 349 f – Wasserkrug 89; 91 – Wasserleitung 307 f Wunder 35; 38–41; 46; 50 f; 56 f; 65; 87 f; 90 f; 93; 130 f; 133; 135; 137; 184; 190 f; 256 f; 263; 321 Wundererzählung 38; 40; 82 Wunsch 19; 59 f; 130; 143; 154; 187; 199 f; 202 ff; 206 f; 225; 229; 251; 273; 278; 280; 287; 309–316; 331; 347; 351– 354; 356; 361 f Wunscherfüllung 199 f; 207; 225; 229; 303

Venus 330; 335; 352 Verdichtung 172; 199 f; 206; 360 Verdrängtes 14; 25; 72; 98; 100; 199; 201; 206; 208; 225; 303; 308 ff; 312 f; 315; 317; 341; 351–354; 360; 362 Verdrängung 98; 214; 279; 303; 308; 310 Vereinigung der Gegensätze 282 f; 355 f; 362 Verklärung 244 f; 259; 275 f – Verklärungsbericht 43 – Verklärungserzählung 245 f – Verklärungsperikope 239 Verkündigung 58; 115; 126; 130; 256; 273 – Evangeliumsverkündigung 57

Zeichen 41; 43; 46; 67; 72; 88; 91; 130 f; 133 ff; 137; 147; 164; 176 f; 185; 245– 248; 255 f; 258; 263 ff; 282; 289; 296; 321; 325; 338; 343 Zeichenhandlung 79; 234; 322; 341; 343 f; 349 f; 353 ff; 362 Zensur 94; 199; 310 f Zeus 63; 178; 324; 355 Zion 239; 241–246; 288 – Zionstheologie 242 Zwilling 75; 80; 108–113; 152; 154; 285 – Zwillingsbruder 80 – Zwillingsmotiv 75; 352 – Zwillingsmythologie 80 Zypern 82–86

Bibelstellenregister (Auswahl)

Altes Testament Genesis 1–11 133 1,22 353 2,13 304 2,24 353 3 244 3,5 270 3,7 268 3,22 270 4,1 268 7,4 241 7,19 f 241 8,6–12 338 8,7 338 8,8–12 338 8,11 268 9,6 296 10,6 304 10,7 304 13,9 345 14,15 346 14,22 f 253 15,5 161 15,9 337 16,6 ff 183 16,7 328 16,7–12 163 17,19 163 19,17 241 20,3 124; 128; 135 20,6 135 22,1–12 244 22,2 241

24,2 ff 254 24,49 345 26,24 135 31,10 135 31,11 ff 135 31,24 135 31,29 135 31,42 135 31,54 241 34,21 255 35,18 347 37 135 40,11 LXX 247 40,13 247; 261 40,20 261 41,5 ff 124; 128 41,25 124; 128 44,2 249 44,15 249 46,1–4 135 46,2 ff 135 46,21 260 48,13–20 346 48,14 257; 261 48,14 f 254 48,17 f 261 49,26 261 Exodus 3 115 3,12 241 6,25 306 7,23 117 10,1 f 269 12,2 260

411

Bibelstellenregister (Auswahl) 13,9 255 13,16 255 15,6 255 15,11 263 16,6 268 17,9 f 261 17,11 254 18,8–11 269 18,25 260 19,4 327 f 19,11 241 19,12 245 19,12 f 241 19,13 245 19,16 245 19,17 241 19,18 245 19,20 241; 260 f 19,23 241 20,11 102 22 133 22,15 288 24,4 241 24,8 250 24,17 261 29,20 342 29,22 343 30,19 ff 254 31,13 269 33 129 33,11 125 33,20 123 Levitikus 1,4 261 1,14 337 3,2 254 3,17 250 5,7 337 5,11 337 5,24 261 7,32 343 8,23 f 342 12,6 337

12,8 337 14,14 342 14,17 342 14,22 337 14,30 337 15,11 254 15,14 337 15,29 337 21,1–4 288 21,13 f 288 21,13 ff 288 21,14 288 Numeri 5,26 ff 248 6,10 337 12,1 304 12,6 ff 125; 135 12,8 126 13 129 13,17 241 20,28 241 24,10 253 27,12 241; 246 27,23 254 34,11 241 Deuteronomium 1,15 260 4,11 245 4,34 255 5,15 255 5,32 345 6,8 255 9,19 245 11,18 255 11,29 241 f 12–16 136 12–26 136 12,2 242 12,6 ff 136 13 131; 134–138 13,1 ff 134; 136; 156 13,1–6 135

412 13,1–12 136 13,2 LXX 131 13,2 ff 133 13,2 ff LXX 134 13,2–6 136 13,3 137 13,4 137 14,29 255 17,7 253 17,11 345 17,32 253 17,40 253 18,14 ff 137 18,19 137 18,22 137 21,6 254 22,13–21 289 22,19 288 22,21 288 22,23–27 288 25,11 f 254 27,12 242 28,49 327 32 133 32,10 f 328 32,11 f 327 32,40 253 33,9 268 34,1 261 34,4 241; 246 34,10 268 Josua 1,7 345 8,33 242 14,1 f 248 14,7 117 15,46 255 19,27 346 23,6 345 Richter 3,15 346 4,19 247

Bibelstellenregister (Auswahl) 5,25 247 6,2 241 6,25 135 6,26 261 6,28 247 7,9 135 9,7 242 11,37 288 13,3 ff 163 15,19 332 16,20 268 20,16 346 1. Samuel 3 16; 65 4,13 255 5,4 f 260 9,1–10,16 242 16,16 268 16,18 268 17,4 292 17,46 260 17,49 292 17,50 292 17,51 260; 292 17,54 260 17,57 260 23,14 241 26,20 331 f 28,2 261 28,6 135 28,15 135 31,9 260 2. Samuel 1,16 261 3,29 261 4,7 f 292 4,8 260 9,36 268 12,3 247 13,19 254; 261 15,2 255 15,30 261

413

Bibelstellenregister (Auswahl) 15,32 244; 261 16,6 345 16,13 241 18,19–31 304 20,16–22 260 20,22 292 21,9 241 23,8 260 23,18 260 1. Könige 1,1–4 288 7,14 268 7,26 247 10,19 255 10,21 247 11,7 244 14,23 f 242 18 241 18,42 261 19,8–18 241 2. Könige 2,3 261 5,15 269 6,25 334 10,6–9 260 10,15 f 253 11,12 253 17,9 ff 242 19,9 304 19,21 261; 288 25,18 260 25,27 261 1. Chronik 1,9 f 304 9,19 332 16,7 260 24,4 260 26,1 332 2. Chronik 4,5 247 11,13–17 242

18,18 345 20,33 242 31,14 332 34,2 345 Esra 4,9 f 327 14,9 LXX 268 Nehemia 8,4 345 Ester 6,12 261 Hiob 4,12–16 135 7,13 f 135 9,5 243 9,26 328 10,21 f 306 20,8 136 27,23 253 28,19 304 31,1 288 33,14–18 135 33,15 15 34,4 269 38,18 269 40,19 346 42,2 269 Psalmen 1,6 268 2,7 340 10,6 LXX 248 11 248 11,6 249 15,5 LXX 248 16 248 16,5 249 16,8 345 19,2 255 22,8 261 23 248 23,5 248; 261

414 26,6 254 27,6 261 44,21 f 253 48,3 240 56,1 339 60,9 261 f 63,9 254 68,14 333; 338 68,32 304 73,20 136 73,23 254 75 248 79,6 248 80,16 346 83,3 261 89,13 346 94,4 LXX 243 103,5 328 106,26 253 109,25 261 110,1 345; 348 110,7 261 115,3 251 116 248 116,13 249 118,22 f 263 126,1 136 139,5 255 139,17 261 139,23 269 140,10 261 Sprüche Salomos 1–9 91 1,7 269 2,5 269 2,6 268 4,27 346 8,23 260 9,10 269 18,15 LXX 117 21,14 256 25,22 261 27,23 268

Bibelstellenregister (Auswahl) 30 328 30,3 LXX 268 30,19 f 328 31,6 345 Kohelet 3,1–9 269 3,11 260 3,14 269 5,2 136 5,6 136 7,25 269 8,17 268 f 9,1 269 9,12 269 10,2 345 Hoheslied 1,5 306; 317 1,6 306 1,15 339 2,12 337 2,13 f 337 2,14 337 4,1 339 5,2 337; 339 5,11 260 5,12 339 6,9 f 339 Jesaja 1,15 253 2,1–4 243 2,2 f 242 2,12–17 242 2,14 242 4,5 241 7,8 f 260 7,14 163; 168; 289; 291 9,13 260 9,14 260 9,16 255 11,14 241 14,13 242 18 305

415

Bibelstellenregister (Auswahl) 18,1–7 305 18,2 305 18,7 305; 315 19,6 306 20,3 ff 304 23,12 288 25,1 263 25,6 242 25,10 255 27,22 288 29,7 f 136 33,9 306 37,9 304 37,24 242 38,14 337 40,3 ff 245 40,4 245 40,13 LXX 118; 120 40,21 260 40,31 327 41,4 260 41,26 260 42,11 241; 260 45,2 245 45,12 255 45,14 304 47,8 268 48,13 346 48,16 260 49,11 245 51,17 247 51,17–23 247 51,22 247 51,22 f 248 53,6 244 53,12 296; 348 55,12 253 59,11 337 59,17 261 f 60,1–14 243 60,8 338 Jeremia 1,5 268

2,37 254 6,11 248 8,7 337 f 9,5 269 13,23 304; 306 14,4 261 16,7 249 17,11 331 f 18,13 288 22,15 f 269 22,16 269 22,24 346 23,25–32 135 f 25,15–29 247 25,27 248 27,9 136 27,9 f 135 29,8 f 135 f 31,33 f 269 32,21 255 35,5 247 38,4 254 42,18 248 46,9 304; 315 48,10 327 48,28 337 48,40 327 49,12 f 248 49,16 328 51,7 247 f 51,25 243 Klagelieder 2,10 261 2,15 253; 261 4,11 248 4,21 248 Ezechiel 1,10 327 f 3,14 255 4,4 345 6,11 253 10,14 327 f

416 11,23 244 16,46 345 17,3 327 17,7 327 17,23 242 20,12–20 269 20,29 242 21,19 253 21,22 253 23 248 23,28–35 247 23,32 248 25,6 f 253 27,30 261 29,10 304 34,4 244 34,16 244 36,7 253 40,1 260 44,22 288 Daniel 2,28 124; 128 7,9 261 f; 264 8,15–26 182 12,7 253; 346 Hosea 2,2 260 2,22 269 4,1 269 4,6 269 5,3 268 7,11 338 8,1 327 Amos 3,2 268 5,2 288 Obadja 4 328 Jona 4,11 268

Bibelstellenregister (Auswahl) Micha 1,4 243 1,16 327 3,5 ff 135 Nahum 3,9 304 3,19 253 Habakuk 1,8 327 2,15 ff 247 2,16 248; 346 Haggai 2,6–9 243 Sacharja 4,7 243 6,2 306 6,6 306 10,2 135 f 12,2 248 12,10 355 14,4 244 14,21 338 Außerkanonische Schriften neben dem Alten Testament Abrahamapokalypse 11,2 f 263 12 f 244 18,5 327 3. Baruch 77,19–26 327 Esraapokalypse 8,23 243 3. Esra 4,26 118 4. Esra 5,26 340 7,23 f 118

417

Bibelstellenregister (Auswahl) 1. Henoch 1,6 243 18,13 f 246 46,1 261 51,2 263 60,2 261 71,10 261 83,4 243 2. Henoch 65,2 118 Joseph und Aseneth 5,5 263 15,5 249 Judith 13,6–10 260 13,7 292 13,8 292 13,15 260 14,1 260 14,11 260 2. Makkabäer 5,23 242 6,2 242 4. Makkabäer 16,13 118 Sapientia Salomonis 4,12 118 7,21–8,3 91 8,6 91 8,9 91 9,4 91

17,6 270 17,7 270 17,11 270 19,20 270 24 91 24,23–34 270 49,11 346 Testament Hiobs 35,4 118 38,1 118 38,6 118 Testamente der zwölf Patriarchen Testament Rubens 3,8 118 4,6 118 6,4 118 Testament Simeons 4,8 118 Testament Judas 18,3 118 Testament Issachars 6,1 f 118 Testament Naphtalis 5 243 5 f 363 6 65 Testament Gads 6,2 118

Sibyllinen 3,719 118

Tobit 6,9 89 11,8 89 11,11 89

Sirach 1,26 270 9,5 288 11,1 261 11,13 261 11,30 332

Qumranschriften CD 2,3 f 270 CD 14,15 289 CD 14,15 f 289 CD 15,10 f 270 1QGenAp 20,6 289

418 1QGenAp 20,29 257 1QpHab 11,1 270 1QH 1,7 270 1QH 15,29 f 270 1QH 22,11 270 1QS 1,15 345 1QS 3,10 345 1QS 4,25 270 1QS 10,9 270 1QS 10,12 270 3QJub 4,1 289 4QInstr 270 4QTest 10 270 4Q159 2–4,8 289 4Q282 i 2 289 4Q299 4,4 270 4Q318 7,2 289 4Q318 8,3 289 4Q375 1 i 9 254 4Q416 2 iii 9 f 270 4Q416 17,3 270 4Q418 177,7a 270 4Q502 19,3 289 4Q508 2,4 270 4Q511 2 ii 6 270 4Q534 1 289 11QT 59,20 f 260 11QT 65,15 289 11QT 66,9 289 Neues Testament Markus 1,2 f 245 1,10 339 1,11 64; 339 1,16 43; 276 1,19 276 1,29 276 3,16 ff 276 3,17 f 276 3,18 87 4,13 271 4,35–41 50

Bibelstellenregister (Auswahl) 5,5 244 5,11 243 5,23 257 5,29 f 271 5,43 271 6,3 80 6,7 59 6,16 292 6,25 292 6,27 292 6,28 263 6,46 244 7,2 f 256 7,5 256 7,31 141 7,32 257 8,22–25 257 8,31 279 9 275 9,2–10 239 9,2–13 244 9,7 64 9,31 256 9,41 248 9,43 255 10 280 10,8 353 10,16 257 10,29 f 347 10,35–45 280 10,37 347 10,38 249; 347 10,38 f 280 10,39 249 10,40 347 f 11,15 337 f 12,10 263 13,3 244; 276 13,14 244 14,3 263 14,23 250 14,24 250 14,32–42 286 14,34 68

419

Bibelstellenregister (Auswahl) 14,36 250 14,37 286 14,38 286 14,43 296 14,43–48 295 14,46 256 14,47 296 14,48 296 14,62 348 15,17 263 15,19 263 15,27 348 15,39 179 f 15,42 f 71 15,46 71 16,18 257 16,19 348 Matthäus 1 f 192 f; 359 f 1,18 f 163 1,18 ff 188 1,20 158 f; 162 f; 167 f; 171; 183; 192; 340; 359 1,20 f 163 1,20–23 172; 188 1,22 f 163 1,23 168; 172; 289 1,24 163 2 164; 168; 189 2,1–12 155 2,12 159; 164; 168; 172; 183 2,12 f 45 2,12 ff 110 2,13 164; 169; 172; 183 ff; 190 ff; 359 2,15 169 2,19 183 2,19 f 169; 172; 192 2,19–23 169 2,20 191 2,22 169 2,22 f 172 2,23 169 3,3 245

3,12 256 4,8 244 4,18 276 5,1 244 5,9 133 5,14 243 5,29 f 348 5,30 255 5,36 262 f; 306 5,39 348 5,44 313 ff 6,3 255 f; 348 6,3 f 256 7,2 296 7,3 29 7,16 271 7,39 271 8,1 244 8,3 257 8,8 257 8,13 257 8,20 263 8,22 71 10,2 276 10,3 87 10,16 338 10,30 f 263 10,34 133; 296 11,5 339 11,27 130; 138 12,13 257 12,49 257 13,11 272 14,23 244 14,31 258 16,3 271 16,8 271 16,13 141 16,16 125; 129; 141 16,17 97 16,18 125; 238; 285 16,18 f 276 f 17,27 140 18,12 244

420 19,20 347 19,21 347 19,28 347 20,20–28 280 20,22 250 20,23 348 21,12 338 21,42 263 21,43 f 263 24,28 328 25,1 289 25,1–13 289 25,7 289 25,11 289 25,33 348 f 25,41 349 26,23 256 26,28 250 26,39 250 26,52 296 27,18 177 27,19 176–180; 193; 359 27,20 177 27,24 179; 256 27,29 263 28,16 244 28,19 244 Lukas 1 181; 189 1,11 349 1,18 ff 182 1,27 188; 289 1,35 340 1,66 256 2 168 2,24 337; 339 2,35 295 f 2,39 191 2,40 191 2,41–52 191 2,42 191 3,4 245 3,5 f 245

Bibelstellenregister (Auswahl) 4,29 244 6,6–10 349 6,12 244 6,14 87; 276 6,27 296 7,7 257 7,10 257 9,62 256 10,18 131; 306 11,31 305 13,13 257 14,33 88 15,24 23 15,32 23 16 60 16,19 111 16,20 111 16,27 ff 60 19,2 111 19,37 244 20,19 256 20,43 345 21,12 256 21,24 296 21,28 263 22,20 250 22,36 296 22,51 296 23,32 296 23,33 348 23,39–43 348 23,46 256 24,1 71 24,7 256 24,39 f 256 24,45 119 f 24,50 256 24,50 f 244 Johannes 1,13 340 1,29 181 1,32 339 f 1,33 340

421

Bibelstellenregister (Auswahl) 1,40 276 1,43–46 87 1,44 276 1,48 271 2,13 338 2,14 ff 338 2,15 338 3,6 340 3,35 256 4,20 242 f 6,5 ff 87 6,8 276 6,15 244 6,48–58 250 6,69 272 7,30 256 7,44 256 10,15 272 10,24 272 10,27 272 10,29 256 10,38 272 11,16 80; 111 12,21 f 87 12,22 276 12,28 64 13,3 256 13,9 263 14,8 ff 87 14,22 80 17,3 272 18,10 296 18,11 249 19,2 263 19,30 263 19,34 355 19,37 355 20 280 20,3 f 280 20,12 263 20,20 256 21,6 349 21,18 258

Apostelgeschichte 1,9 f 244 1,12 244 1,13 87; 276 2,1–13 257 2,35 345 3,7 257 4,3 256 4,24 102 4,30 256 4,36 82 5,12 257 5,15 257 5,18 256 6,5 87 7,30 243 7,50 256 7,55 f 348 8 62 f; 141; 305 8,5–40 87 8,10 63 8,17 257 8,27 305 8,28 305 8,30 305 8,34 305 8,36 305 9 92 9,4 64 9,5 97 9,7 64 9,10 111 9,10 ff 16 9,12 257 9,17 257 9,33 111 9,41 257 10 141 10,13 64 10,15 64 10,24–40 141 10,44–48 257 11,9 64 11,21 256

422 12,1 256 12,1 f 250; 293 12,23 169 13,3 257 13,4–13 83 13,6–12 83 13,11 256 13,33 340 15,20 250 15,39 83; 85 16,4 86 16,9 15 f 17,25 255 18,2 f 328 18,6 261 f 18,9 16; 61 18,18 328 18,26 328 19,6 257 19,11 257 20,34 255 21,8 87 21,9 289 21,11 256 21,27 256 21,37 271 23,11 16 23,23–27,1 141 26,18 306 27 65 27,33 16 28,17 256 Römer 1,28 119 2,26 256 2,28 f 256 7,15 271 7,23 119 7,25 119 8,34 348 8,35 296 8,36 296 10,3 268

Bibelstellenregister (Auswahl) 10,21 256 11,34 120 12,2 119 12,4 f 264 13,4 296 14,5 120 16 58 16,3 328 16,12 60 1. Korinther 1,10 119 2,13 355 2,16 120 4,12 255 6,18 356 6,19 356 7,1 353 7,5 353 7,6 353 7,25–38 289 8,1 ff 272 8,3 271 9,5 59 10,16 251 11,3 264 11,4 f 264 11,4–10 264 11,7 264 11,10 264 11,25 250 11,25 f 250 12,8 271 12,15 255 12,21 255; 264 13,2 272 13,12 271 14,6 271 14,7 271 14,14 120 14,19 120 14,38 268 15,6 180 15,8 97

423

Bibelstellenregister (Auswahl) 16,18 f 271 16,19 58; 328 16,21 255

1. Thessalonicher 4,11 255 4,16 64

2. Korinther 6,7 346 10,5 271 11,2 290 11,14 306

2. Thessalonicher 2,2 120 3,17 255

Galater 1,11 f 96 2,2 97 2,9 346 4,8–11 155 4,9 271 6,7 296 6,11 255 Epheser 1,20 348 1,22 264 3,19 272 f 4,15 264 4,28 255 5,23 264 6,12 306 6,17 296 Philipper 4,2 58 4,7 119 Kolosser 1,9 271 1,15–20 264 1,18 264 1,26 272 2,2 272 2,3 272 2,10 264 2,18 119 2,19 264 3,1 348 4,10 82 4,18 255

1. Timotheus 2,4 273 4,3 273 4,14 257 5 290 5,9 ff 290 5,11 f 290 6,5 119 6,20 273 2. Timotheus 3,8 119 4,19 328 Philemon 2 58 19 255 1. Petrus 2,7 263 5,6 257 2. Petrus 1,17 f 64 1. Johannes 1,1 255 2,3–6 272 3,6 272 4,7 f 272 4,16 272 5,20 271 3. Johannes 8 126 Hebräer 1,3 348 1,5 340

424 1,10 256 1,13 345 3,7 64 4,12 297 5,5 340 8,1 348 8,5 245 8,9 256 10,13 345 10,31 256 11,34 297 11,37 187 12,2 243 12,12 256 12,18 245 12,20 245 12,21 245 12,22 245 Jakobus 2,20 271 Judas 8 103 Offenbarung 1,14 264 1,16 295; 297 2,12 295; 297 2,16 295; 297 4,1 64 4,3 264

Bibelstellenregister (Auswahl) 4,4 264 4,7 328 6,4 297 6,5 306 6,8 295; 297 6,12 f 306 6,15 f 246 8,8 246 8,13 328 9,7 264 10,1 264 10,2 349 10,5 256 12,1 264 12,14 328 13,1 264 13,10 296 13,18 119 f 14,1 246 14,4 290 17,9 119 f 17,17 271 19,11 297 19,11–16 263 19,12 264 19,13 297 19,15 295; 297 19,21 295; 297 20,4 292 21,10 246

Stellenregister antiker Autoren (Auswahl)

59 A 107

Achilleus Tatios III 7,4 300 III 9,2 299 Aesop fab. 265

Apuleius met. I 5,5

Aetius V 2,3 20

Aristoteles an. 408b 29 f 117 an. 414a 19–419b 19 117 an. 424b 22 139 an. 443a 14 ff 117

Aischylos Ag. 112 324 Prom. 808 f

299

eth. Nic. VI 1139a 17 ff

Suppl. 154 f 299 Suppl. 719 f 299 Suppl. 745 299 Suppl. 888 299 Ambrosius de Isaac et an. 4,34 epist. I 32,2–6

340

332

expos. ev. sec. Luc. 3,27

340

329

paenit. II 2,8

329

s. 46,2 329 sacr. IV 2,7

329

Ammianus Marcellinus Res Gestae XXV 2,2 f 264 Anaxagoras Fragment 12

342

Aristides Apol. 12,7 328

330

hex. 18,60

342

117

117

hist. an. I 1,488b 3 333 hist. an. I 15,493b 17–20 342 hist. an. II 1,498b 7 342 hist. an. II 17,508b 26 ff 333 hist. an. V 5,541a 26–29 331 hist. an. VIII 3,593a 20 f 333 hist. an. VIII(IX) 32,618b–619b 12 324 hist. an. VIII(IX) 34,620a 1–5 324 hist. an. IX 1,609a 4 ff 324 hist. an. IX 8,613b 33 330 hist. an. IX 8,614a 17 330 hist. an. IX 32,619b 4 ff 324 inc. ann. 4,705b 19 ff 342 inc. ann. 4,705b 30 342 inc. ann. 4,706a 13 342 inc. ann. 4,706a 22 ff 342 metaph. 1025b 25

117

part. an. II 13,657b 10 f 333

426

Stellenregister antiker Autoren (Auswahl)

Artemidor oneirokr. I 1 16 ff; 251 oneirokr. I 2 265 oneirokr. I 17 265 oneirokr. I 21 266; 344 oneirokr. I 26 344 oneirokr. I 31 344 oneirokr. I 35 282; 294 oneirokr. I 42 259; 344 oneirokr. I 51 65 oneirokr. I 66 146; 251 f oneirokr. I 74 251 oneirokr. I 76 258 oneirokr. I 79 336 oneirokr. II 20 326 f; 336 oneirokr. II 23 65 oneirokr. II 27 146 f oneirokr. II 28 240 oneirokr. II 36 344 oneirokr. II 46 331 oneirokr. II 68 240 oneirokr. II 70 17 oneirokr. III 6 302 oneirokr. IV 30 65 oneirokr. IV 33 302 oneirokr. IV 38 66; 299 oneirokr. IV 56 327; 331; 336 oneirokr. V 5 252 oneirokr. V 56 302 oneirokr. V 92 259 Athanasius v. Anton. 6 308

349

enarr. in Psalmos 66,10 enarr. in Psalmos 102,4 enarr. in Psalmos 102,6 enarr. in Psalmos 102,9

324; 328 251 324 328

serm. 46,28 f 332 serm. 149,14 350 serm. Dom. I 13,37 f

350

serm. Dom. in Mont. I 20,65 tract. in Iohannis euangelium XXXVI 5

329

Caesar Gall. I 19 266 Gall. I 21 267 Gall. I 22 266 Gall. I 33 266 Gall. III 1,5 237 Cassiodor expos. Psalm. 109,6 264 f Cassius Dio XLIII 24,4 293 LIII 27,5 238 LVI 42,3 325 LXXIV 5,5 325 LXXVIII 37,5 336

Cicero Caecin. 27

349

303

Catil. III 4,10

73

c. Faust. Manich. XIII 12–17 c. Secundin. 20

de ag. Christ. 26,28

Chromatius von Aquileia serm. 6,5 332

Athenagoras leg. 4,1 120 leg. 10,1 120 leg. 23,4 120 Augustinus c. Adimant. 17

conf. I 1 29 conf. X 30 29

332

267

de divinatione I 64 19 Tusc. II 26 256 Tusc. II 64 256

73

427

Stellenregister antiker Autoren (Auswahl) Claudius Aelianus nat. II 23 327 nat. II 26 324 nat. IV 2 334 nat. IV 5 324 nat. V 47 327 nat. XV 14 333 nat. XVII 15 331 Clemens von Alexandrien strom. IV 71,1–4 74 strom. IV 162,5 120 strom. V 8,48 329 Cyprian de habit. virgin. 16 263 Cyrill von Alexandrien de ador. in spirit. et verit. 15 340 Demokrit B 11 139 Fragment 112

117

Diogenes Laertios VII 1 299 VII 54 117 VII 138 117 Ennius ann. Fragment 146 Vahlen 341 Epiktet dissertationes II 8,1 f 117 dissertationes III 26,22 258 dissertationes IV 18,17 256 Epiphanius Panarion 50,1 173 Panarion 50,5 173 Panarion 50,8 173 Euripides Hipp. 144

240

Euseb h.e. II 1,11

63

h.e. III 1,1 73 h.e. III 1,2 f 62 h.e. III 3,2 62 h.e. III 25,6 52 h.e. III 25,6 f 38 h.e. III 31,3 87 h.e. V 10,1–4 73 Flavius Josephus ant. II 191 118 ant. III 229 343 ant. VI 235 348 ant. VII 23 118 ant. XV 331–339 141 ant. XVIII 3,65–80 162 bell. I 408–415 141 bell. I 671 264 bell. II 120 289 bell. II 452 f 295 bell. III 93–96 295 bell. III 94 295 bell. III 386 295 bell. VI 58 295 bell. VI 86 295 bell. VI 224 295 Gregor der Große mor. in Iob IX 32 329 mor. in Iob XXXI 47 328 f Gregor von Nyssa c. Eunom. III 10,10 332 Gregor von Tours virt. Iulian. 25 265 Heliodor Aithiop. I 1–4 302 Aithiop. I 3 299 Aithiop. I 4 299 Aithiop. VIII 11 301 Herodot I 27,3 117 I 43,1 238

428

Stellenregister antiker Autoren (Auswahl)

I 104 238 II 22,3 299 II 32,7 299 II 57,2 299 II 104,2 299 IV 94 240 VI 107 336 VII 176,2 238 IX 48,2 252 f

Od. VI 43–46 240 Od. XI 137 17 Od. XII 62 333 Od. XV 525 ff 333 Od. XIX 538 326 Od. XX 94 69

Hieronymus comm. in Is. prophet. 40,31 Hippokrates de morb. sacr. 2 302 Hippolyt in Dan. comm. 3,29 ref. VI 20

100

Homer Il. I 323 252 Il. II 6 178 Il. II 20 69 Il. II 63 178 Il. II 834 302 Il. IV 154 252 Il. V 778 333 Il. VI 253 252 Il. VIII 247 324 Il. IX 236 341 Il. IX 420 253 Il. XV 694 f 253 Il. XIX 254 346 Il. XXIII 68 69 Il. XXIII 149 117 Il. XXIV 292 324 Il. XXIV 311 324 Il. XXIV 361 252 Il. XXVI 315 324 Od. I 121 252 Od. IV 795–799 178 Od. IV 803 69 Od. V 277 253

59

Horapollo I 57 334 II 32 334 329

Horaz ars. 139 ars. 301

237 341

carm. I 24,18 302 carm. II 13,21 301 f carm. II 13,34 301 carm. II 14,17 f 301 carm. III 4,17 301 carm. IV 2,23 f 301 carm. IV 4,31 f 335 epod. 2,53 sat. II 4,4 serm. I 4,85

331 341 303

Irenäus haer. I 23 63; 314 f haer. I 23,1 63; 100 haer. I 23,2 63; 318 haer. I 23,4 63 haer. II 22,5 280 haer. III 1,1 280 haer. III 3,2 277 Isidor orig. XI 1,25 265 orig. XII 7,63 330 Junianus Justinus II 6,20 267 Justin 1.apol. 26 63 1.apol. 26,2 100

429

Stellenregister antiker Autoren (Auswahl) 1.apol. 26,4 100 1.apol. 56 63 1.apol. 56,1 100

comm. in Matth. 16,22 340 comm. in Matth. 85 251 comm. in Matth. 92 251

2.apol. 15

hom. in Ierem. 17,1 ff

63

dial. 3,7–4,5 120 dial. 120 63 Kyrill von Jerusalem catech. 12,16 245 Laktanz inst. VI 9,14 264 opif. 12,2

349

in Cant. 3 251 philoc. 23,21 f 155 princ. I 2,3

59

schol. in Cant. 2 340 sel. in Psalm. 88(89),12 Ovid am. I 13,31 f 303

Livius I 43,2 294 XXII 46,5 294 XXIV 16,5 267 XXXI 34,4 f 294 XL 22 239

met. I 44 237 met. III 63 f 301 met. III 75 f 301 met. IV 481 343 met. XI 500 301

Lukian philops. 31

Palladios Laus. 23,5

302

Lukrez II 349 267 III 966 301

308

Parmenides Fragment 16,2 117 VS 28B 17

342

Macrobius somn. I 2,8 37 somn. I 3,1–10 19

Paulinus Nolanus 24,685 f 251

Marcellus Empiricus 33,64 327

Pausanias VI 6,11 302 VIII 37,7 239

Mark Aurel IV 28 303 Martial X 3,9 303 XIII 61 331 Origenes Cels. V 62

63

comm. in Gen. 3 155

332

Petron 30,5 342 40,1 346 Philo von Alexandria Abr. 192 118 Abr. 193 118 cher. 40–50 289 contempl. 68

289

245

430

Stellenregister antiker Autoren (Auswahl)

det. 89 det. 90

119 119

Philostrat Ap. IV 45 253

gig. 27

119

imag. I 29,3

her. 111 her. 127 f her. 184 her. 265 her. 274

119 339 119 119 119

leg. I 47 119 leg. I 71 262 leg. I 82 119 leg. I 90 119 leg. II 31 119 leg. III 29 118 f leg. III 115 f 262 Mos. II 265 mut. 246

119

119

opif. 8 118 opif. 73 118 opif. 119 262 plant. 42 post. 53

119 262

praem. 12 119 praem. 142 262 sacr. 115

262

somn. I 1 19 somn. I 2 119 somn. I 128 262 somn. I 135 118 somn. I 144 262 somn. II 232 119 spec. I 18 119 spec. II 184 262 spec. III 1 119 spec. IV 92 262

300

Photius 114 34 Plato Kriton 44 69 leg. IV 717a 343 rep. IV 437b–441c rep. VI 490b 117 rep. VI 507a–509c rep. VI 508b–509b rep. X 614b–616b rep. X 614c 343

117 138 138 117

Tim. 30ab 117 Tim. 46c–47e 117 Plautus Cas. 138

335

Merc. III 4,32

238

Mil. II 4,7 f 258 Mil. IV 2,73 238 Pseud. 1138 Stich. 672

341 341

Plinius (d.J.) epist. IV 11,5–13 291 epist. VII 27,2 282 Plinius (d.Ä.) nat. VII 4 342 nat. X 6 324 nat. X 6 ff 324 nat. X 8 f 324 nat. X 10 324 nat. X 13 324 nat. X 14 324 nat. X 15 324 nat. X 17 324

431

Stellenregister antiker Autoren (Auswahl) nat. X 24 324 nat. X 102 331 nat. X 103 330 nat. X 203 324 nat. XI 253 342 nat. XV 136 325 nat. XXI 176 344 nat. XXII 123 334 nat. XXII 125 334 nat. XXIII 110 344 nat. XXIII 117 344 nat. XXIX 129 327 nat. XXX 80 334 nat. XXX 117 334 nat. XXX 131 331 nat. XXX 141 327

Silius Italicus X 548 238 Sophokles Oid. T. 5,981 f 336 Sozomenos VII 21,1 265 Statius silv. III 4,76 341 silv. V 1,155 f 302 Theb. I 145 238 Theb. IV 440 f 302 Theb. VII 72 f 301 Sueton Aug. 55 267 Aug. 92,1 344 Aug. 93 267

Plutarch Alexander 3,1 162 Alexander 50,3 302 Caesar 32,9 symp. 8,10

Cal. 32,1 292 Cal. 38 267 Cal. 57,4 299

336 146

Tib. 33

Polybios II 33,5 294 II 33,5 f 295 VI 23,6 f 295 VI 37,13 295

Tacitus ann. II 59 266 ann. II 85,4 162 ann. VI 32 341 ann. XII 35,3 295

Properz IV 11,2 302 Prudentius lib. Peristephanon 3,161–172 Seneca (d.J.) apocol. 6,2 292 benef. II 12,1 f Herc. f. 662–829

267

344 301

Seneca (d.Ä.) contr. IX 2,10 292

hist. II 78 240 hist. IV 44 266 340

Tatian or. ad graecos 8–20 Terenz Phorm. I 2,18 Tertullian an. 8 329 an. 15,5 262 apol. 10 238 apol. 21 179

238

104

432 apol. 22 ff

Stellenregister antiker Autoren (Auswahl) 104

bapt. 8 340 bapt. 17,5 58 f de cult. femin. 2

263

de praescript. haeretic. 36 de pudic. 7,10

251

paenit. 12,3 238 Theodoret hist. eccl. III 7,2

265

Theokrit 2,58 327 5,96 f 333 Theophrast h. plant. IX 8,8 326 Valerius Flaccus I 783 f 301

250

Vergil Aen. II 52 341 Aen. II 693 341 Aen. V 87 f 301 Aen. VI 127 302 Aen. VI 268–898 301 Aen. VI 540–543 343 Aen. VI 570 343 Aen. VII 329 301 Aen. VII 408 301 Aen. VIII 196 f 293 Aen. VIII 302 342 ecl. 3,69

333

georg. I 129

301

Xenophon an. III 1,17 293 mem. II 1,4 330