Trauerspiele: Miß Sara Sampson. Philotas. Emilia Galotti [3. Aufl., Reprint 2021] 9783112462386, 9783112462379


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Trauerspiele: Miß Sara Sampson. Philotas. Emilia Galotti [3. Aufl., Reprint 2021]
 9783112462386, 9783112462379

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G.

Lessings

E.

Trauerspiele.

Miß Sara SampsonPhi l o t a s.

Emilia Galotti.

Dritte

Auflage.

B e r l i n, in der Vossischen Buchhandlung. 179s.

Trauerspiel Seite

iß Sara Samson

Wilotas Emilia Galotti

5.

.

202.

255-

Miß Sara Sampforr.

Ein

Trauerspiel in fünf Aufzügen.

Trauerspiele.

A

Personen, Sir William Sampsott. Miß Sara, dessen Tochter.

Mellefom. Marwood, Mellefonts alte Geliebte.

Arabella, ein junges Kind, der Marwood Tochter. Wairwell, ein alter Diener des SampsonNorton, Bedienter des Mellefont. JSctty, Mädchen der Sara.

Hannah, Mädchen der Marwood.

Der Gastwirth, und einige Nebenpersonen.

Erster

Aufzug

Erster Auftritt.

DerSchauplatz ist einSaal jmGasthofe. Sir William Sampson «n» Waitwell treten in Reisekleidern herein.

Sir William, ^ier meine Tochter? Hier in diesem elen,

den Wirthshause? wairwell. Ohne Zweifel hat Mellefont mit Fleiß das allerelendeste im ganzen Städt, cheir zu seinem Aufenthalte gewählt. Döse Leute suchen immer das Dunkle, weil fie böse Leute sind. Aber was hilft es ihnen, wenn sie sich auch vor der ganzen Welt verbergen könn­ ten? Das Gewissen ist doch mehr, als eine ganze uns verklagende Welt. — Ach, Sie weinen schon wieder, schon wieder, Str l — Sir! A -

Miß Sara Sampson.

4

Sir William.

ehrlicher Diener.

Laß mich weinen, alter Oder

verdient sie etwa

meine Thränen nicht?

Wairwell.

Ach! sie verdient sie, und

wenn ee blutige Thränen wären.

Sir William. Nun, so laß mich. Waitweü. Da« beste, schönste, unsd)uU

dlgste Kind, da« unter der Sonne gelebt hat,

da« muß so verführt werden! Ach Sarchen! Sarchen!

Zch habe dich aufwachsen sehen;

hundertmal habe ich dich al« ein Kind auf diesen meinen Zirmen gehabt; auf diesen mei­

nen Armen habe ich dein Lächeln,

len bewundert.

dein Lal­

Au« jeder kindischen Miene

stralte die Morgenröthe

eine«

Verstände«,

einer Leutseligkeit, einer —

Sir William. O schweig! Zerfleischt nicht da« Gegenwärtige mein Hörz schon genug? Willst du meine Martern durch die Erinne­ rung an vergangne Glückseligkeiten noch hölli­

scher machen? Aendre deine Sprache, wenn du mir einen Dienst thun willst. Tadle mich; mache mir au« meiner Zärtlichkeit ein Ver­

brechen; vergrißre da« Vergehen meiner Toch-

Miß Sara Sampsonter;

5

wenn du kannst, mit Ab»

erfülle mich,

entflamme aufs neue meine

scheu gegen sie;

Rache gegen ihren verfluchien Verführer; sa, ge, daß Sara nie tugendhaft gewesen,

weil

sie so leicht aufgehört hat es zu seyn; sage, daß sie mich nie geliebt,

weil sie mich heim,

iich verlassen hat. wairrvell.

Sagte ich das, so würde ich

eine Lüge sagen; eine unverschämte, böse Lüge.

Sie könnte mir auf dem Todbette wieder ein, fallen, und ich alter Bösewicht müßte in Ver,

zweiflung sterben. —

Nein, Sarchen hat ih­

ren Vater geliebt, und gewiß! gewiß ! sie liebt

ihn noch.

Wenn Sie nur davon überzeugt

seyn wollen, Sir,

so sehe ich sie heute noch

wieder in Ihren Armen

Sir William. Za, Waitwell, nur davon verlange ich überzeugt zu seyn.

Zch kann sie

länger nicht entbehren; sie ist die Stühe mei­ nes Alters, und wenn sie nicht den traurigen

Rest meines Lebens versüßen hilft,

wer soll

es denn thun? Wenn sie mich noch liebt, so

ist ihr Fehler vergessen.

Es war der Fehler

eines zärtlichen Mädchens,

und ihre Flucht

6

Miß Sara Sampson.

war die Wirkung ihrer Reue. Solche Ver, gehungen sind besser, als erzwungene Tugen, den. — Doch ich suhle es, Wattwell, ich fühle es; wenn diese Vergehungen auch wahre Verbrechen, wenn es auch vorsetzliche Laster wären: ach! ich würbe ihr doch vergeben. Zch würde doch lieber von einer lasterhaften Toch, ter, als von keiner, geliebt seyn wollen. WtiittveU.’ Trocknen Sie Zhre Thränen ab, lieber Sir! Ich höre jemanden kommen. Es wird der Wirth seyn, uns zu empfangen. Zweiter

Der Wirth.

Auftritt.

Sir William

Sampson.

Waitwell.

Der Wirth. So früh, meine Herren, so früh? Willkommen! willkommen Waitwell! Zhr seyd ohne Zweifel die Nacht gefahren? Zst das der Herr, von dem du gestern mir mir gesprochen hast? waitwell. Ja, er ist es, und ich hoffe, daß du abgerebeter Maßen-----Der Wirth. Gnädiger Herr, ich bin ganz

Miß Sara Sampso.n.

7

Was liegt mir daran,

zu Ihren Diensten.

ob ich es weiß, oder nicht, was für eine Ursa­ che Sie hieher führt,

und warum Sie bey

mir im Verborgnen seyn wollen! Ein Wirth

nimmt sein Geld, und

läßt seine Gäste ma­

chen, was ihnen gut dünkt.

Waltwell hat

mir zwar gesagt, daß Sie den fremden Herrn, der sich seit einigen Wochen mit seinem jun­

gen Weibchen

bei mir aufhält, ein wenig

beobachten wollen.

Aber ich hoffe, daß Sie

ihm keinen Verdruß verursachen werden. Sie würben mein Haus in einen Übeln Ruf Krim

gen,

und gewisse Leute würden sich scheuen,

bey mir abziureten.

Unser einer muß von

allen Sorten Menschen leben,

.—

Besorget nichts;

Sir William.

führt

mich nur in das Zimmer, das Waitwell für mich bestellt hat.

Zch komme qus rechtschaff­

nen Absichten htehor. Der Wirth. Zch mag Ihre Geheimnisse

nicht wissen, gnädiger Herr. ist mein Fehler gar nicht

Die Neugierde

Zch hätte eö, zum

Exempel, längst erfahren können, wer fremde Herr ist,

der

auf den Sie Acht geben

8

Miß Sara Sampso».

wollen; aber ich mag nicht. So viel habe ich

wohl herausgebracht, daß er mit dem Frauen, Das gute

zimmer muß durchgegangen seyn.

Weibchen, oder was sie ist! sie bleibt den ganzen Tag in

ihrer

Stube eingeschlossen,

und weint. Gir William.

Und weint?

Der Wirth. Za, und weint.-------- Aber,

gnädiger Herr, warum weinen Sie?

Das

Frauenzimmer muß Ihnen sehr nahe gehen.

Die sind doch wohl nicht-------Wairwell. Halt ihn nicht länger auf.

Kommen Sie.

Der w-rth.

Nur eine

Wand wird Sie von dem Frauenzimmer tren,

nut, das Ihnen so nahe geht,

und die viel,

leicht-------Waitwell.

Du willst es also

mit allet

Gewalt wissen, wer-------Der Wirth. Nein, Waitwell,

ich mag

nichts wissen. Waitwell. Nun, so mache und bringe uns

an den gehörigen Ort, ehe noch das ganze Haus wach wird.

Der Wirth.

Wollen Sie mir also sol,

gen, gnädiger Herr?

(g«h«i ab)

Miß Sara Sampson.

9

Dritter Auftritt. Der mittlere Vorhang wirb aufgeroge».

Mellefonts Zimmer. Mellefont und hernach sein Bedienter.

Mellesonr ( unangckiei»«t in einem Lehnstuhle.)

Wieder eine Nacht, die ich auf der Folter nicht grausamer hätte zudringen können! — Norton! —

Ich muß nur machen, baß ich

Gesichter zu sehen bekomme.

Bliebe ich mit

meinen Gedanken länger allein: mich zu weit führen. —

schläft noch.

sie möchten

He, Norton!

Er

Aber bin ich nicht grausam, daß

ich den armen Teufel nicht schlafen lasse? Wie

glücklich ist er! —

Doch ich will nicht, daß

ein Mensch um mich glücklich sey. — Norton! Norton (kommen».) Mein Herr!

Mellefonr.

Kleide mich an! —

che mir keine sauern Gesichter!

O ma­

Wenn iich

werde länger schlafen können, so erlaube ich

dir, daß du auch länger schlafen darfst. Wenn

du von deiner Schuldigkeit nichts wissen willst, so habe wenigsten« Mitleiden mit mir. Norton.

Mitleiden, mein Herr?

Mit-

Miß Sara San,pst».

10

leiden mit Ihnen?

Ich weiß besser, wo da«

Mitleiden htngehirt. Mellcfont.

Und wohin denn?

Ah, lassen Sie sich ankleiden,

Norton.

und fragen Sie mich nichts. Meilefont. Henker! So sollen auch deine

Verweise mit meinem Gewissen aufwachen? Ich verstehe dich; ich weiß es, wer dein Mit,

leiden erschöpft. —

Doch, ich lasse ihr und

mir Gerechtigkeit widerfahren.

Ganz recht;

habe kein Mitleiden mit mir! Verfluche mich in deinem Herzen; aber — verfluche auch

dich!

Auch mich?

Norton. Mellefonr.

Za; weil du einem Elenden

bienest, den die Erde nicht tragen sollte, und

weil du dich seiner Verbrechen mit theilhaft gemacht hast. Norton. Zch mich Ihrer Verbrechen theil,

haft gemacht? Mellefonr.

durch was? Dadurch,

daß du dazu ge,

schwiegen. Norton.

Vortrefflich! in der Hihe Ihrer

Leidenschaften, würde mir ein Wort den Hals

Miß Sara Sanrpson.

II

gekostet haben. — Und dazu, als ich Sie

kennen lernte, fand ich Sie nicht schon so arg, daß alle Hoffnung zur Besserung verge,

bens war? Was für ein Leben habe ich Sie nicht, von dem ersten Augenblicke an, führen

sehen!

Zn der nichtswürdigstcn Gesellschaft

von Spielern und Landstreichern — ich nenne sie, waö sie waren, und kehre mich an ihre

Titel, Ritter und dergleichen, nicht — in svl»

cher Gesellschaft brachten Sie ein Vermögen durch, das Ihnen den Weg zu den größten

Ehrenstellen hätte bahnen können.

Und Zhr

strafbarer Umgang mit allen Arten von Weibs­ bildern, besonders der bösen Marwood — —

Mellefonr.

Setze mich, setze mich wieder

in diese Lebensart: sie ivar Tugend in Vergleich meiner itzigen.

Zch verthat mein Vermögen;

gut. Die Strafe kommt nach, und ich werde alles, was der Mangel Hartes und Erniedri­

gendes hat, zeitig genug empfinden. suchte lasterhafte Weibsbilder;

Ich be­

laß es seyn.

Zch ward öfter verführt, als ich verführte; und die ich selbst verführte, wollten verführt

seyn. — Aber ich hatte noch keine verwahrlo-

Miß Sara Sampson.

11

feie Tugend auf meiner Seele.

Ich

hatte

noch keine Unschuld in ein unabsehliches Um glück gestürzt. Ich hatte noch keine Sara aus

dem Hause c'ues geliebten Vaters entwendet,

und sie gezwungen, einem Nichtswürdigen zu folgen, der auf keine Weise mehr sein eigen

war.

Ich

halte



Wer kommt schon s»

früh zu mir?

Vierter Auftritt. Betty.

Mrllefont.

Norton.

Norton. Eö ist Betty.

MeUefonr.

Schon auf, Betty?

Was

macht dein Fräulein?

Berry.

Was macht fleh (tchliichzeiid)

ES

war schon lange nach Mitternacht, da ich sie endlich

bewog,

zur Ruhe zu

gehen.

Sie

schlief einige Augenblicke; aber Gott! Gott!

was muß das für ein Schlaf gewesen seyn! Plötzlich fuhr sie in die Höhe, sprang auf, und fiel mir als eine Unglückliche in die Ar­ me, die von einem Mörder

verfolgt wird.

Sie zitterte, und ein kalter Schweiß floß ihr

Miß Sara Sampsou. über das erblaßte Gesicht.

*3

Ich wandte alles

an, sie zu beruhigen; aber sie har mir bis an den Morgen nur mit stummen Thränen

geantwortet. Endlich hat sie mich einmal über

das andre an Ihre Thüre geschickt, zu hören, ob Sie schon aufwären.

chen.

Sie will Sie spre-

Sie allein können sie trösten.

Sie es doch, liebster gnädiger Herr, Sie e< doch!

Thu» thun

Das Herz muß mir springen,

wenn sie sich so zu ängstigen fortfährt.

Mellcfonr.

Geh, Betty, sage ihr, daß

ich den Augenblick bey ihr seyn wolle-------Lerry.

Nein,

sie will selbst zu Ihnen

kotnmen. Mellefonr.

Nun, so sage ihr, daß ich

sie erwarte. — Ach!--------- (D.-ny geht ad.)

Fünfter Auftritk. Mellefont. Norron.

Mellesonr.

Norton.

Gott, die arme Miß!

Wessen Gefühl willst du durch

deine Ausrufung rege machen? Sieh, da läuft die erst« Thräne, die ich seit meiner Kindhen

Miß Sara Sampson.

*4

.neivefnet, die Wange herunter! — Eine schlechte Vorbereitung, eine trostsuchende Betrübte zu empfangen.

Warum sucht sie ihn auch bey

mir? — Doch wo soll sie ihn sonst suchen?—

Ich muß mich fassen, (intern er siL die Augen abtreck« nei)

Wo ist die alte Standhaftigkeit, mit der

ich ein schönes Auge konute weinen sehen? Wo ist die Gabe der Verstellung hin, durch

die ich seyn und sagen konnte, was ich woll« te? — Nun wird Sie kommen, und wird

unwiderstehliche Thräne» weinen.

Verwirrt,

beschämt werde ich vor ihr stehen; als ein verurtheilter Sünder werde ich vor ihr stehen. Rathe mir doch, was soll ich thun? was soll

ich sagen? Norron.

Sie sollen thun, was sie »er«

langen wird. Mellefonr. So werde ich eine neue Grau« samkeit an ihr begehen.

Mit Unrecht tadelt

sie die Verzögerung einer Ceremonie, die itzt

ohne unser äußerstes Verderben in dem Kö,

nigreiche nicht vollzogen werden kann. Norton.

So machen Sie denn, daß

Sie es verlassen.

Warum

zaudern

wir?

Miß Sara Sampson.

15

warum vergeht ein Tag, warum vergeht ei­ ne Woche nach der andern? Tragen Sie Mir es doch auf. Sie sollen morgen sicher eingeschifft seyn. Vielleicht, daß ihr der Kum­ mer nicht ganz siber das Meer folgt; daß sie einen Theil desselben zurückläßt, und in ei* nem andern Lande----Mellefonr. Alles das hoffe ich selbst. — Still, sie kommt. Wie schlägt mir das Herz!-----

Sechster Auftritt. Sara-

Mellefont.

Norton.

MellefoNt (intern er ihr entgegen geht.) Sie haben eine unruhige Nacht gehabt, liebste Miß----Sara. Ach, Mellefont, wenn es nichts als eine unruhige Nacht wäre----V elletonr (zum Zeiienfen.) Verlaß uns! Norton (im Ahgehen.) Zch wollte auch nicht da bleiben, und wenn mir gleich jeder Au­ genblick mit Golde bezahlt würde.

Miß Sara Sampson.

16

Siebenter Sara.

Auftritt.

Mellefont.

iTIeUefont. Sie sind schwach, liebste Miß. Sie müssen sich setzen.

Sara (k-tzi sich.) Ich beunruhige Sie sehr früh; utib werden Sie mir es vergeben, daß

ich meine Klagen wieder mit dem Morgen anfange?

Mellefonr.

Theuerste Miß, Sie wollen

sagen, daß Sie mir es nicht vergeben kön­ nen, weil schon wieder ein Morgen erschie­ nen ist, ohne daß ich Ihren Klagen ein En­ de gemacht habe.

Sara.

geben!

Was sollte ich Ihnen nicht ver­

Sie wissen, was ich Ihnen bereits

vergeben habe. Aber die neunte Woche, Mel­

lefont, dir neunte Woche fängt heut an, und

dieses elende Haus

sieht mich noch immer

auf eben dem Kuße, als den ersten Tag.

Äelkfcnt.

So zweifeln Sie an meiner

:

Liebe? Sara. Nein,

Ich, an Ihrer Liebe zweifeln?

ich fühle mein Unglück zu sehr,

zu

sehr,

17

Miß Sara Sampson-

sehr, als daß ich mir selbst diese letzte einzige Versüßung desselben rauben sollte.

tlTeliefont.

Wie kann also meine Miß

über die Verschiebung

einer Ceremonie unru­

hig seyn? Sara.

Ach, Mellesont, warum muß ich dieser Ceremonie

einen andern Begriff von

haben! — Geben Sie doch immer der weib, lichen Denkungsart etwas

nach.

Ich stelle

mir vor, daß eine nähere Einwilligung des

Himmels darin liegt.

Umsonst habe ich es,

nur wieder erst den gestrigen langen Abeud-

versucht- Ihre Begriffe

anzunehmen-

und

die Zweifel aus meiner Brust zu verbannendie Sie- itzt nicht das erstemal, für Früchte meines Mißtrauens

haben.

angesehen

Zch

stritt mit mir selbst, ich war sinnreich genug­ meinen

Verstand

zu betäuben;

aber

mein

Herz und ein inneres Gefühl warfen auf ein­

mal das

von Schlüffen

mühsame Gebäude

übern Haufen.

Mitten aus

dem Schlafe

weckten mich strafende Stimmen, mit welchen

sich meine Phantasie, mich zu quälen, ver­ band.

Was für Bilder, was für schreckliche

Trauerspiele.

D

Miß Sara Sampson,

i8

Bilder schwärmten

utrt

mich herum!

Ich

wollte sie gern für Träume halten — —

Mellefonr. Wie? meine vernünftige Sa­

ra sollte sie für etwas mehr halten? Träume, liebste Miß, Träume! —

Wie unglücklich ist

der Mensch! Fand sein Schöpfer in dem Rei­ che der Wirklichkeiten nicht Qualen für ihn

genug? Mußte er, sie zu vermehren, auch ein noch weiteres Reich von Einbildungen tn ihm

schaffen?

Sara.

Klagen Sie

den Himmel nicht

an! Er hat die Einbildungen tn unserer Ge­ walt gelassen.

Sie richten sich nach unsern

Thaten; und wenn diese unsern Pflichten und

der Tugend gemäß sind, so dienen die sie be,

gleitenden Einbildungen zur Vermehrung un­ serer Ruhe

und unseres Vergnügens.

Eine

einzige Handlung, Mellefont, ein einziger Segen, der von einem Friedensboten im Namen

der ewigen Güte auf uns gelegt wird, kann meine

zerrüttete

Phantasie

wieder

heilen.

Stehen Sie noch an, mir zu Liebe dasjenige

einige Tage eher zu thun, was Sie doch ein­

mal thun werden? Erbarmen Sie sich mei-

Miß Sara Sampson.

19

„er, und überlegen Sie, daß, wenn Sie mich

auch dadurch nur von Qualen der Einbildung befreyen, diese eingebildete Qualen doch Qua­ len, und für die, die sie empfindet, wirklich« Qnalen sind. —

Ach, könnte ich Ihnen nur

halb so lebhaft die Schrecken meiner vorigen

Nacht erzählen, als ich sie gefühlt habe! — Von Weinen und Klagen, meinen einzigen Be­ schäftigungen, ermüdet, sank ich mit halb ge­

schlossenen Augenliedern auf das Bett zurück. Die Natur wollte sich einen Augenblick erho­

len, neue Thränen zu sammeln.

Aber noch

schlief ich nicht ganz, als ich mich auf einmal an dem

schroffsten Theile

Felsen sahe.

des schrecklichsten

Sie gingen vor mir her, und

ich folgte Ihnen Mit schwankenden ängstlichen Schritten,

die dann und

wann «in Blick

stärkte, welchen Sie auf mich zurück warfen. Schnell hörte ich hinter mir ein freundliches

Rufen, welches mir still zu stehen befahl.

Es

war der Ton meines Vaters — Zch Elende! kann ich denn nichts von ihm vergessen? Ach! wo ihm fehl Gedächtniß

eben so grausam«

Dienste leistet; wo er auch mich nicht verges-

B 2

Miß Sara Sampson.

20

sen kann!



Doch er hat mich vergessen.

Trost! grausamer Tröst für seine Sara! — Hören Sic nur, Mcllesonr; indem ich mich

nach dieser bekannten Stimme umsehen wollte, gleitete mein Fuß; ich wankte und sollte eben in den Abgrund hinabstürzen, als ich Mich,

noch zur rechten Zeit, von einer mir ähnlichen

Person zurückgehalten fühlte.

Schon wollte

ich ihr den feurigsten Dank abstatten, als sie einen Dolch aus dem Busen zog.

Ich rette

dich, schrie sie, um dich zu verderben! Sie hol­

te mit der bewaffneten Hand aus

ach! ich erwachte mit dem Stiche.

— und Wachend

fühlte ich noch alles, was ein tbdtlicher Stich Schmerzhaftes haben kann; ohne das zu em­

pfinden, was er Angenehmes haben muß: das

Ende der Pein in dem Ende des Lebens Hof,

fen zu dürfen. Mellefont.

Ach! liebste Sara, ich »er,

fffreche Ihnen das Ende ihrer Pein, ohnedaS Ende Ihres Lebens, welches gewiß auch das

Ende des meinigen seyn würde.

Vergessen

Sie das schreckliche Gewebe eines sinnlosen Traumes.

Miß Sara Sampsvn, Sara.

sr

Die Kraft e6 vergessen zu können,

erwarte ich von Ihnen.

Es sey Liebe oder

Verführung, es sey Glück oder Unglück, da6

mich Ihnen tu die Arme geworfen hat; ich bin in meinem Herzen die Ihrige, und werde

es ewig seyn.

Aber noch hin ich es nicht vor

den Augen jenes Richters, der die geringsten Übertretungen seiner Ordnung zu strafen gedrohet hat — —

Mellesonr. So faste denn alle Strafe auf mich allein !

Sara.

Was kann auf Sie fallen, das

mich nicht treffen sollte? — —

Legen Sie

aber mein dringendes Anhalten nicht falsch aus. Ein andres Frauenzimmer, das durch eine»

gleichen Fehltritt sich ihrer Ehre verlustig ge­

macht hätte, würde vielleicht durch ein gesetz­ mäßiges Band nichts als einen Theil derselben wieder zu erlangen suchen.

Ich, Mettefont,

denke darauf nicht, weil ich in der Welt weiter

von keiner Ehre wissen will, als von der Ehre,

Sie zu lieben. Ich will mit Ihnen, nicht un^

der Welt willen, ich will mit Ihnen um mejner selbst willen verbunden seyn.

Und wenn

Miß Sara Sampso«.

,2

ich es bin, so will ich gern die Schmach auf

mich nehmen, als ob ich es nicht wäre.

Sie

sollen mich, wenn Sie nicht wollen, für Ihre

Gattinn nicht

erklären dürfen;

Sie sollen

mich erklären können, für was Sie wollen. Ich will Ihren Namen nicht führen; Sie sollen unsere Verbindung so

geheim halten,

als Sie es für gut befinden; und ich will der­ selben ewlg unwerth seyn, wenn ich mir in

den Sinn kommen lasse, einen andern Vor­ theil, als die Beruhigung meines Gewissens, daraus zu ziehen.

Mellefonr.

Halten Sie ein, Miß, oder

ich muß vor Ihren Augen des Todes seyn. Wie elend bin ich, daß ich nicht das Herz

habe, Sie noch elender zu machen! — Beden­ ken Sie, daß Sie sich meiner Führung über,

lassen haben; bedenken Sie, daß ich schuldig bin, für uns weiter hinaus zu sehen, und daß

ich jetzt gegen Ihre Klagen taub seyn muß, wenn ich Sie nicht, in der ganzen Folge Ih­ res Lebens, noch schmerzhaftere Klagen will führen hören.

was

Haben Sie e« Henn vergessen,

ich Ihnen zu

schon oft vorgesiellt?

meiner Rechtfertigung

Miß Sara Sarnpson.

Sara. lefont.

2;

Ich habe es nicht vergessen, Mel­

Sie wollen vorher ein gewisses 23er;

mächtniß retten. — Sie wollen vorher zeitli­

che Güter retten,

und mich vielleicht ewige

darüber verscherzen lassen.

Mellesonr.

Ach Sara, wenn Ihnen alle

zeitliche Güter so gewiß wären, als Ihrer

Tugend die ewigen sind--------

Sara. Meiner Tugend? Nennen Sie mir dieses Wort nicht! — Sonst klang es mir

süß;

aber itzt schallt mir ein schrecklicher

Donner darin!

Mellefonr.

Wie? muß der, welcher tu­

gendhaft seyn soll, keine» Fehler begangen ha­ ben? Hat ein einziger so unselige Wirkungen, daß er eine ganze Reihe unsträflicher Jahre vernichten kann: so ist kein Mensch tugend­ haft; so ist die Tugend ein Gespenst, das in der Luft zerfließet, wenn man es am festesten

umarmt zu haben glaubt; so hat kein weises

Wesen unsere Pflichten nach unsern Kräften

abgemessen; so ist die

Lust, uns strafen zu

können, der erste Zweck unsers Daseyn«; so 'st — Ich erschrecke vor allen den gräßlichen

Miß Sara Sampfon.

=4

Folgerungen, in welche Sie Ihre Kietnmuch verwickeln muß! Nein Miß, Sie sind noch die

tugendhafte Sara, die Sie vor meiner unglück, lichen Bekanntschaft waren.

Wenn .Sie sich

selbst mit so grausamen Augen ansehen, mit

was für Augen müssen Sie mich, betrachten! Sara.

Mit den Augen der Liebe, Melle«

fönt.

Mellefom.

So

bitte ich Sie denn um

nm dieser großmüthigen, alle

dieser Liebe,

meine Unwürdigkeit übersehenden Liebe roib

len, zu Ihren Füßen bitte ich Sie: beruhi­

gen Sie sich.

Haben Sie nur noch einige

Tage Gedulde Sara.

Einige Tage!

Wie ist Ein Tag

schon so lang! Mcllefont.

Verwünschtes Vermachtniß!

Verdammter Unsinn eines sterbenden Vetters, der mir sein Vermögen nur mit der Bedin­ gung lassen wollte,

einer Anverwandtinn die

Hand zu geben, die mich eben so sehr haßt, als ich sie!

Euch, unmenschliche Tyrannen

unserer freyen Neigungen,

euch

werde alle

das Unglück, alle die Sünde zugercchnct, zu

Miß Sara Sampson. welchen uns

wenn

25

euer Zwang bringet 1 — Uich

ich ihrer nur entübriget seyn könnte,

dieser schimpflichen Erbschaft! So lange mein

väterliches Vermögen zu meiner Unterhaltung hinreichte,

habe ich sie allezeit verschmähet,

und sie nicht einmal gewücdiget, mich darü­

ber zu erklären.

Aber itzt, itzt, da ich alle

Schatze der Welt nur darum besitzen möchte,

um sie zu den Füßen meiner Sara legen zu

können, itzt da ich wenigstens darauf denken muß, sie ihrem Stande gemäß in der Welt erscheinen zu lassen, itzt muß ich meine Zu/

flucht dahin nehmen. Sara.

Mit der es Ihnen zuletzt doch

wohl noch fehl schlägt.

MeUefsnr.

Sie vermuthen Immer das

Schlimmste. — Nein; das Frauenzimmer, die

es mit betrifft, ist nicht ungeneigt, eine Art von Vergleich einzugehen.

Das Vermögen

soll getheilt werden; und da sie es nicht ganz mit mir genießen kann, so ist sie'es zufrie­

den, daß ich mit der Hälfte meine Freyheit

von ihr erkaufen darf. Stunden

die

Ich

erwarte

alle

letzten Nachrichten in dieser

Miß Sara Sarripsorr.

26

Sache, deren Verzögerung allein unsern hie­

sigen Aufenthalt so langwierig gemacht hat. So bald ich fie bekommen habe, wollen wir keinen Augenblick länger hier verweilen.

wollen sogleich, liebste Miß,

Wir

nach Frankreich

übergehen, wo Sie neue Freunde finden sol,

len, die sich, itzt

Sie zu sehen

schon auf das Vergnügen,

und Sie zu lieben,

freuen,

ltnb diese neuen Freunde sollen die Zeugen unserer Verbindung seyn--------Sara»

Verbindung

Diese sollen die Zeugen unserer

seyn? —

Grausamer!

so

soll

diese Verbindung nicht in meinem Vaterlande

geschehen?

So soll ich mein Vaterland als

eine Verbrecherinn verlassen?

Und als eine

solche, glauben Sie, würde ich Muth genug haben, mich der See zu vertrauen?

Dessen

Herz muß ruhiger oder muß ruchloser seyn, als

meines,

welcher nur

einen

Augenblick

zwischen sich und dem Verderben mit Gleich, gültigkeit nichts, als ein schwankendes Brett, sehen kann.

Zn jeder Welle, die an unser

Schiff schlüge, würde mir der Tod entgegen, rauschen; jeder Wind würde mir von den vä-

Miß Sara Sampson.

»7

«erlichen Küsten Verwünschungen nachbrausen,

und der kleinste Sturm würde mich ein Dlutt gertchl über mein Haupt zu seyn, dünken. —

Nein, Mellefonr, so ein Barbar können Sie gegen mich nicht seyn.

Wenn ich noch bas

Ende Zhres Vergleichs erlebe,

so muß es

Ihnen auf einen Tag nicht ankommen, den

Es muß dieses

wir hier länger zubringe».

der Tag seyn, an dem Sie nnch die Mar»

lern aller hier verweinten Tage vergassen lehr

ren.

Es muß dieses der heilige Tag seyn —

Ach! welcher wird es denn endlich seyn? Mellefonr.

Aber

überlegen Sie den»

nicht. Miß, daß unserer Verbindung hier die, jrnige Feyer fehlen würde, die wir ihr zu ge,

ben schuldig sind? Sara.

Eine heilige Handlung wird durch

das Feyerliche nicht kräftiger. Mellefonr.

Sara.

Allein--------

Zch erstaune

Sie wollen doch

wohl nicht auf einem so nichtigen Vorwande bestehen?

Q Mellefont,

Mellefont!

wenn

ich mir es nicht zum unverbrüchlichsten Ge, setze gemacht hätte,, niemals an der Aufrtch-

Miß Sara Sampso«.

LS

tigkeit Ihrer Liebe zu zweifeln, so würde nstv

dieser Umstand — — Doch schon zu viel; es möchte scheinen,

als hätte ich eben itzt

daran gezweifelt. Mellefsnr.

Der erste Augenblick Ihre«

Zweifels müsse der letzte meines Lebens seyn! ?lch i Sara, womit habe ich es verdient, daß

Sie mich auch nur die Möglichkeit desselben voraus sehen lassen?

Es ist wahr, die Ge,

ständnisse, die ich Ihnen von meinen ehema,

tigert

Ausschweifungen

abzulegen

kein

Be­

denken getragen habe, können mir keine Ehre machen: aber Vertrauen sollten sie mir doch

erwecken.

Eine buhlerische Marwood führte

mich in ihren Stricken, weil ich das für sie

empfand, was so ost für Liebe gehalten wird,

und es doch so selten ist.

Ich würde noch

ihre schimpflichen Fesseln tragen, hätte sich nicht der Himmel meiner erbarmt, der viel­

leicht mein Herz nicht für ganz unwürdig er,

kannte, von bessern Flammen

zu brennen.

Sie, liebste Sara, sehen, und alle Mar,

Woods vergessen, war Eins.

Aber wie theuer

kam es Ihnen zu stehe«, mich aus solchen

MiH Sara Sampsott.

2)

Ich war mit dem La,

Händen zu erhalten!

ster zu vertraut geworden, und Sie kannten

re zu wenig--------

Sara.

Lassen Sie uns nicht mehr daran

gedenken — —

Ächter

Norton. iTIdlefont.

Wufttitt.

Mellefont.

Sara.

Was willst du?

Norton. Zch stand eben vor dem Haufe, als mir ein Bedienter dielen Brief in die

Hand gab

Die Aufschrift ist an Sie, mein

Herr.

YHeKefont. An mich? Wer weiß hier mei­ nen Namen? — (indem er den Brief betrachtet) Himmel! Sarg-

Sie erstrecken?

Meliefonr.

Aber

ohne Ursache, Miß;

wie ich nun wohl sehe.

Zch irrte mich in

der Hand.

Sara.

Möchte bo'ch der Inhalt Ihnen

so angenenehm seyn, als Sie es wünschen

können.

Miß Sara Sampson.

30

Mellefont. Zch vermuthe, daß

er

sehr

gleichgültig seyn wird. Sara.

Dian braucht sich weniger Zwang

anzulhün, wenn man

Sw,

Erlauben

allein ist.

daß ich mich wieder in mein Zimmer

begebe. Mcllcfonr.

Sie Wachen sich also wohl

Geoanken?

Sara. Zch mache mlr keine, Mellefont. Mellefonr.

(intern er sie bis an

die Scene

werde den Augenblick bey Ih­

begleitet.) Zch

nen seyn, liebste Miß.

dleunter

Auftritt.

Mellefont. Norton. Mellefont. (der den Brief noch ansieht.) rechter Gon! Norton.

Weh Ihnen, wenn er nichte,

als gerecht ist! Mel-cfonr.

Kann es möglich seyn? Zch

sehe diese verruchte Hand wieder, und erstarre

nicht vor Schrecken?

Ist sie's?

Ist sie es

Miß Sara Sampson. nicht?

3t

Was zweifle ich noch? Sie ists! Ah,

Freund, ein Brief von der Marwood ! Wel, che Furie,

welcher Satan

Aufenthalt

verrathen!

von mir?



hat ihr meinen

Was

will sie noch

Geh, mache sogleich Anstalt,

daß wir von hier wegkommen — Doch vcr, zieh!

Vielleicht ist es nicht nöthig; vielleicht

haben Meine verächtlichen Abschiedsbriefe die Marwood nur aufgebracht, mir mit gleicher Verachtung zu begegnen.

Brief; lies ihn.

Zch

Hier! erbrich den

zittere, es selbst zu

thun. Norton

c lieg. )

„ Es

wird

so

gut

„seyn, als ob ich Ihnen den längsten Brief „ geschrieben hätte, Mellefont, wenn Sie den

„Namen, den Sie am Ende der Seite fin/

„den werden, nur einer kleinen Betrachtung

„würdigen wollen.--------

Mellesonr. Verflucht sey ihr Name! Daß ich ihn nie gehört hätte! daß er aus dem Buche der Lebendigen vertilgt wurde!

Norton (lieft weiter.) „Die Mühe Die aus/

„zuforschen, hat mir die Liebe, welche mir for/ „schen half, versüßt.

32

Miß Sära Sampson. Die Liebe? Frevlerin»!

Mcllefsnr.

Du

entheiligst Namen, die nur der Tugend ge­

weiht sind! Horton (fährt fort.) „Sie hat noch mehr

„gethan; — —

Zch bebe — —

Mellefonr.

Horton.

„Sir hak mich Zhne« nachge­

bracht. — Mellefonr.

Verräther, was liest du? (er

reiht ihm dest Brief aub der Hand, und (test selbst.) „Sie

„hat mich Ihnen — nachgebracht. — Zch bin „hier; und es stehet bey Ihnen, — ob Sie

„meinen Besuch erwarten, —

oder mir mit

„dem Ihrigen — zuvorkommen wollen.

Mar-

„wood." — Was für ein Donnerschlag! Sie ist

hier? — Wo ist sie? Diese Frechheit soll sie mit

dem Leben büßen. Horton. Mit dem Leben ? Es wird ihr einen

Blick kosten, und Sie liegen wieder zu ihren Fü­ ßen. Bedenken Sie, was Sie thun! Sie müssen Sie nicht sprechen, oder das Unglück Zhrer

armen Miß ist vollkommen.

Mellefonr.

Zch Unglücklicher! — Nein,

ich muß sie sprechen.

Sie würbe mich bis in

dem

Miß Sara Sampson.

zz

dem Zimmer der Sara suchen, und alle ihre Wuth gegen diese Unschuldige auslassen. Motto«. Aber, mein Herr----Mellefont. Sage nichte! — Laß sehen, (indem er in den «rief siebt) ob sie ihre Wohnung angezeigt hat. Hier ist sie. Komm, führe mich. (Sie gehen ad.)

Ende -e» ersten Aufrug«.

Trauerspiele.

34

Miß Sara Sampfon.

Zweites

Erster

A u f z u g.

Auftritt.

Der Schauplatz stellt das Zimmer der Marwood vor, in einem andern Gasthofe. Marwood >m N-gug-e.

Hannah.

Marwood. Belfort hat den Brief doch tichtig eingehändiget, Hannah? Hannah. Richtig. Marwood. Ihm selbst? -Hannah. Seinem Bedienten. Marwood. Kaum kann ich es erwarten, was er für Wirkung haben wird. — Scheine ich dir nicht ein wenig unruhig, Hannah? Ich bin es auch. — Der Verräther! Doch gemach l Zornig muß ich durchaus nicht wer, den. Nachsicht, Liebe, Bitten, sind die etnzigen Waffen, die ich wider ihn gebrauchen darf, wo ich anders feine schwache Seite recht kenne.

Miß Sara Sampson.

35

Wenn er sich aber dagegen ver,

-Hannah.

härten sollte? —

Wenn er sich dagegen ver­

Marwood.

härten sollte? So werde ich nicht zürnen —

kb werde rasen.

Zch fühle es, Hannah; und

wollte es lieber schon itzt.

Fassen Sie sich ja!

Hannah.

Er kann

vielleicht den Augenblick kommen. Marwood

Wo er nur gar kommt! Wo

er sich nur nicht entschlossen hat, mich festes Fußes bey sich zu erwarten I

- Aber weißt

du ,-Hannah, worauf ich noch meine meiste Hoffnung gründe, den Ungetreuen von dem neuen Gegenstände

seiner Liebe abzuziehen?

Auf unsere Bella. Hannah.

Es ist wahr; sie ist sein kleiner

Abgott; und der Einfall sie mit zu nehmen,

hätte nicht glücklicher seyn können.

Marwood. die Sprache

Wenn sein Herz auch gegen

einer alten

Liebe taub ist; so

wird ihm doch die Sprache des Blute ver­

nehmlich seyn.

Er riß das Kind vor einiger

Zeit aus meinen Armen, unter dem Vorwan­ de, ihm eine Art von Erziehung geben zu lass

E a

Miß Sara Sampson.

Z6

fen, die es bey mir nicht haben könne.

habe cs von der Dame, die es Aussicht

hatte,

iht

nicht

Ich

unter ihrer

anders als durch

List wieder bekommen können;

er hatte auf

mehr als ein Zahr vorauebezahlt, und noch den Tag vor seiner Flucht ausdrücklich befoh-

len, eine gewisse Marwood, die vielleicht kommen unb sich für die Mutter des Kindes aus­

geben würde, durchaus nicht vorzulassen. diesem Befehle erkenne ich den den er zwischen uns beyden macht.

Aus

Unterschied/

Arabellen

sieht er als einen kostbaren Theil seiner selbst

an, und

mich als eine Elende, die ihn mit

allen ihren Reizen bis zum Ueberdrusse gesät, tiget hat. Hannah.

Welcher Undank!

Marwood.

Ach

Hannah,

nichts zieht

den Undank so unausbleiblich nach sich, als Gefälligkeiten, für die kein Dank zu groß wä­

re.

Warum habe ich sie ihm erzeigt, diese un­

seligen Gefälligkeiten? Hätte ich es nicht vor­

aus sehen immer bey

sollen, daß sie ihren Werth nicht ihm behalten

könnten? daß

ihr

Werth auf der Schwierigkeit des Genusses

Miß Sara Sampson.

37

beruhe, und daß er mit derjenigen Anmuth verschwinden müsse, welche die Hand der Zeit unmerklich, aber gewiß, aus unsern Gesichlern verlßsd)t?

-Hannah.

O, Madam, von dieser gefähr­

lichen Hand haben Sie noch lange nichts zu

befürchten.

Zch finde, daß Ihre Schönheit

den Punkt ihrer prächtigsten Blüthe so wenig überschritten hat, daß fie vielmehr erst darauf

losgeht, und Ihnen alle Tage neue Herzen

fesseln würde, wenn Sie ihr nur Vollmacht dazu geben wollten.

Marwood.

Schweig,

Hannah!

Du

schmeichelst mir bey einer Gelegenheit, die mir

alle Schmetcheley verdächtig macht.

Es ist

Unsinn von neuen Eroberungen zu sprechen,

wenn man nicht einmal Kräfte genug hat, sich im Besitze der

schon gemachten

zu er­

halten.

Zweyte v Auftritt. Ein Bedienter.

Der Ledienre.

Marwvod.

Hannah.

Madam, man will die

Ehre haben mit Ihnen zu sprechen.

Miß Sara Sampssn.

38

Marwood.

Wer?

Der Bediente.

Ich vermuthe, daß eö

eben der Herr ist,

an welchen der vorige

Brief überschrieben war.

Wenigstens ist der

Bediente bey ihm, der mir ihn abgenommen hat.

Mellefont!

Marwood.

führt ihn herauf!



Geschwind,

(Der Bediente geht ad.)

Ach

Hannah, nun ist er da! Wie soll ich ihn em­

pfangen? Was soll ich sagen? Welche Miene

soll ich

annchmen? Zst diese ruhig genug?

Hieh doch!

Hannah. Nichte weniger als ruhig. Marwood.

-Hannah.

Aber oiese?

Geben

Sie

ihr

noch mehr

Anmuth.

Marwood. Etwa so? Hannah.

Zu traurig!

Marwood.

Sollte mir dieses Lächeln

lassen? Hannah. Vollkommen! Aber nur freyer! —

Er kommt.

SO? iß Sara Sampson.

Dritter

Mellefone

Auftritt.

Marwood.

Mellefont.

38

Hannah.

(der mit einer wilden Stellung

he»

em tritt.) Ha! Marwood —

Marwood (die ihm mit offnen Armen lächeln» entgegen rennt.)

Ach Mellefont! —

Mellefonr

(bey Seite.)

Die Mörderinn!

was für ein Blick!

Marwood. Ich muß Sie umarmen, treu# loser, lieber Flüchtling!— Theilen Sie doch meine Freude! — Warum entreißen Sie sich

meinen Liebkosungen? Mellefonr.

Marwood,

ich vermuthete,

baß Sie mich anders empfangen würden. Warum anders? Mit mehr

Marwood.

mit mehr Entzücken?

Liebe vielleicht?

Ach

ich Unglückliche, daß ich weniger ausdrücken

kann, als ich

lefont,

sehen

fühle! — Sehen Sie, Mel,

Sie,

daß auch die Freude

ihre Thränen hat? Hier rollen sie, diese Kin#

der der süßesten Wollust! —

lerne Thränen! nicht ab.

Aber ach, »er#

seine Hand trocknet euch

Miß Sara Sampson.



Mellekont.

Marwood,

die Zeit ist vor­

bey, da mich solche Reoen bezaubert hätte«.

In einem andern Tone mit

Sie müssen iht

mir sprechen.

Vorwürfe

Ich komme her, Ihre lehren

und

darauf zu ant-

Vorwürfe?

Was hätte ich

anzuhören,

Worten.

Marwood.

Ahnen für Vorwürfe zu machen, Mellefont?

Keine. Mellesom.

So hätten Sie, sollt' ich mey­

nen, Ähren Weg ersparen können.

Marwood. warum wollen

Liebste

wunderliche

Seele,

Sie mich nun mit Gewalt

zwingen, einer Kleinigkeit zu gedenken, die

ich Ahnen in eben dem Augenblicke vergab, in welchem ich sie erfuhr? Eine kurze Untreue, die mir Ähre

Galanterie, aber nicht Ahr

Herz spielet, verdient diese Vorwürfe? Kom­

men Sie, lassen Sie uns darüber scherzen. Mellefonr.

Sie irren

sich; mein Herz

hat mehr Antheil daran, als es jemals an

allen unsern Liebeshändeln die ich kann.

iht nicht

gehabt hat, auf

ohne Abscheu zutücksehen

Miß Sara Sampsom

4i

Ihr Herz, Messefont,

Marwood.

ein gutes Närrchen.

ist

Es laßt sich alles bere­

den, was Ihrer Einbildung ihm zu bereden einfällt.

Glauben Sie mir doch, ich kenne es

besser, als Sie.

Wenn

das beste,

es nicht

das getreuste Herz wäre, würde ich mir wohl so viele Mühe geben, es zu bebalten?

* Mellefonr.

Zu behalten?

Sie haben es

niemals besessen, sage ich Ihnen.

Marwood. - Und ich sage Ihnen: ich be­ sitze es im Grunde noch. tTMlefont. te, daß

Sie auch nur noch

von besaßen, hier

wenn

Marwood,

so

eine Faser da­

wollte ich

vor Ihren Augen,

ich wuß­

es

aus

mir selbst,

meinem Leibe

reißen. Marwood.

Sie würden sehen, daß Sie

meines zugleich herausrissm. würden diese

Und dann,, dann

herauegerissenen Herzen endlich

zu der Vereinigung gelangen,

die sie so oft

auf unsern Lippen gesucht haben. IHcllcfont

(ivn Sette.)

Was

für eine

Schlange! Hier wird das Beste seyn, zu flie­

hen. —

Sagen Sw mir es nur kurz, Mar,

Miß Sara Sampson.

4-

Wood, warum Sie mir nachgekommen sind, was Sie noch von mir verlangen.

Aber sa­

gen Sie es mir ohne dieses Lächeln,

ohne

diesen Blick, aus welchem mich eine ganze Hölle von Verführung schreckt.

Marwood (vertraulich.)

Höre nur, mein

lieber Mellefont; ich merke wohl, wle es itzt

mit dir steht.

Deine Begierden und dein Ge-

schmack sind itzt deine Tyrannen.

Laß es gut

seyn; man muß sie auStvben lassen. nen widersetzen, ist Thorheit.

am sichersten

Sich ih­

Sie werden

eingeschläsert, und endlich gar

überwunden, wenn man ihnen freyes Feld

läßt.

Sie reiben sich selbst auf.

Kannst du

mir nachsagen, kleiner Flattergeist,

daß ich

jemals eifersüchtig gewesen wäre, wenn stär­ kere Reize, als die meinigen, dich mir auf

«ine Zeitlang abspänsttg machten? Ich ginnte dir ja allezeit diese Veränderung, bei der ich

Immer mehr gewann, als verlor.

test mit neuem Feuer,

Du kehr­

mit neuer Inbrunst

in meine Arme zurück, in die ich dich nur, als

in leichte Bande, und nie als in schwere Fes, sein, schloß. Bin ich nicht oft selbst deine Ver-

Miß Sara Sampsoy.

43

traute gewesen, wenn du mir auch schon nichts

zu vertrauen hattest, ale die Gunstbezeigun­

gen, die du mir entwandtest, um sie gegen andre zu verschwenden?

Warum glaubst du

denn, daß ich itzt einen Eigensinn gegen dich zu zeigen anfangen

welchem ich

würde, zu

nun eben berechtiget zu seyn aufhöre, oder —

vielleicht schon ausgehört habe?

Wenn deine

Hitze gegen das schöne Landmädchen noch nicht

verraucht ist; wenn du noch in

dem ersten

Fieber deiner Liebe *gegen sie bist; wenn dy ihren Genuß

noch nicht

entbehren

wer hindert dich denn, ihr so

kannst:

lange ergeben

zu seyn, als du es für gut befindest? Mußt

hu deswegen

so unbesonnene Anschläge ma­

chen, und mit ihr au« dem Reiche fliehen

wollen?

Mellefonr.

Marwood, Sie reden voll­

kommen Ihrem Charakter gemäß, dessen Häß­

lichkeit ich nie so gekannt habe,

als seitdem

ich, in dem Umgänge mit einer tugendhaften

Freundinn, die Liebe von der Wollust unter­ scheiden gelernt.

Marwood.

Ey sieh

doch!

Deine

neue

Miß Sara Sampson.

44

(Mebietmiin ist also von

wohl gar ein Mädchen

sittlichen

schönen

Empfindungen?

Ihr

Manspenonen müßt doch selbst nicht wissen,

was ihr wollt.

Bald sind es die schlüpfrig,

freu R den, die buhlerhaftesten Scherze, die

euch an uns gefallen; und bald entzücken wir euch, wenn wir nichts als Tugend reden, und

alle sieben Weisen auf unserer Zunge zu ha­

ben scheinen. Das Schlimmste aber ist, daß ihr das eine so wohl als das andere überdrüßtg werdet.

Wir mögen närrisch oder vernünftig,

weltlich oder geistlich gesinnet seyn: wir ver-

lieren unsere Mühe, euch beständig zu machen, einmal wie das andere.

Du wirst an deine

schöne Heilige die Reihe Zeit genug kommen lassen.

Soll ich wohl einen kleinen Ueber-

schlag machen? Nun eben bist du im heftig­

sten Paroxlsmo mit ihr: und diesem geb' ich noch zwey, aufs längste drey Tage.

Hierauf

wird eine ziemlich geruhige Liebe folgen: der

geb' ich acht Tage.

Die andern acht Tage

wirst du nur gelegentlich an diese Liebe den­

ken.

Die dritten wirst du

nern lassen:

dich daran erin­

und wann du dieses Erinnern

Miß Sara Sampson.

45

satt hast, so wirst du dich zu der äußersten Gleichgültigkeit so schnell gebracht sehen, daß

ich kaum die vierten acht Tage auf diese letz­

te Veränderung

rechnen darf — Das wäre

nun ungefähr ein Monath.

Und diesen Mo,

nach, Mellcfont, will ich dir noch mit dem

größten Vergnügen

nachsehen;

nur wirst du

erlauben, daß ich dich nicht aus dem Gesichte verlieren darf.

Mellefonr.

Vergebens, Marwood, suchen

Dte alle Waffen hervor, mit welchen Sie sich erinnern, gege^ mich sonst glücklich gewesen

zu seyn.

Ein

tugendhafter Entschluß sichert

mich gegen Ihre Zärtlichkeit und gegen Ih­ ren Witz.

Gleichwohl will ich mich beyden

nicht länger aussetzen.

Ich gehe, und habe

Ihnen weiter nichts mehr zu sagen, als daß

Sie mich in wenig Tagen auf eine Art sol­ len gebunden wissen, dte Ihnen alle Hoffnung

auf meine Rückkehr in Ihre lasterhafte Sklaverey vernichten wird.

Meine Rechtfertigung

werden Sie genugsam aus dem Briefe ersehen haben, den ich Ihnen vor meiner Abreise zu­

stellen lassen.

46

Miß Sara Sampsoru Dtarwooö.

Gut, daß Sie dieses Brie,

fes gedenken. Sagen Sie mir, von wem hatten Sie ihn schreibe» lassen? Mellesonr. Hatte ich ihn nicht selbst ge­ schrieben? Marwoöv. Unmöglich! Den Anfang desselben, in welchem Sie mir, ich weiß nicht was für Summen vorrechneten, die Sie mit mir wollen verschwendet haben, mußte ein Gastwirth, so wie den übrigen theologischen Rest ein Quäker, geschrieben haben. Dessen «»geachtet will ich Ihnen iht ernstlich dar­ auf antworten. Was den vornehmsten Punkt anbelangt, so wissen Sie wohl, daß alle die Geschenke, welche Sie mir gemacht haben, «och da sind. Ich habe Ihre Bankozettel, Ihre Juwelen, nie als mein Eigenthum an­ gesehen, und iht alles mitgebracht, um es wieder in diejenigen Hände zu liefern, die Mir eü anvertrauet hatten. Mellefonr. Behalten Sie alles, Mar, Wood.

Marwood» Ich will nichts davon ber Halten. Was hätte ich ohne Ihre Person

Miß Sara Sampsott.

47

für ein Recht darauf? Wenn Sie mich auch nicht mehr lieben, so müssen Sie mir doch die

Gerechtigkeit

widerfahren

und mich

lassen,

für keine von den feilen Buhlerinnen halten, denen es gleich viel ist, von wessen Deute sie

sich bereichern. Kommen Sie nur, Mellefont. Sie sollen den Augenblick wieder so reich seyn, als Sie vielleicht ohne meine Bekanntschaft geblieben wären; und vielleicht auch nicht.

Mellefont.

Welcher

Geist,

der mein

Verderben geschworen hat, redet iht ans Zh, nen! Eine wollüstige Marwood denkt so edel

nicht. Marwood.

Nennen Sie das edel? Ich als billig.

nenne es weiter nichts, mein Herr,

nein; ich

Nein,

verlange nicht, daß

Sie mir diese Wiedererstattung als etwas Be?

solideres anrechnen sollen.

Sie kostet

mir

nichts; und auch den geringsten Dank, den Sie mir dafür sagen wollten, würde ich für eine Beschimpfung halten, weil er doch fei?

nen andern Sinn als diesen haben könnte: „Marwood, ich hielt' Euch für eine nieder-

„trächtige Betriegerinn; ich bedanke wich, baß

Miß Sara Sampfon.

48

„Ihr cs wenigstens gegen mich nicht seyn „ivüür.

Me-'reksirr. Genug, Madame, genug.'Ich suche, wer! mich mern Unstern ln einen Streit

tio.i GrvMUch zu verwickeln drohet, in wel­

chem ich am ungern steu unterliegen möchte. M.rwood.

Fliehen Sie nur; aber neh­

me» Sie auch alles mit, was Ihr Andenken

bey mir erneuern könnte.

Arm, verachtet,

oh,!- Ehre und ohne Freunde, will ich es

alsdann noch einmal wagen, Ihr Erbarmen rege zu machen.

Ich will Ihnen in der un­

glücklichen Marwood nichts als eine Elende

zeige», die

Geschlecht,

Ansehen,

Tugend

«nd Gewissen für Sie aufgeopfert hat.

Ich

will Sie an den ersten Tag erinnern, da Sie

mich iahn und liebten; an den ersten Tag, da 'auch ich Sie sah und liebte; an das erste stam­ melnde, schamhafte Bekenntniß, das Sie mir

zu meinen Pützen von Ihrer Liebe ablegten;

au die erste Versicherung von Gegenliebe, die Sie mir auspreßken; an die zärtlichen Blicke,

an die fenrigen Umarmungen, die darauf -folgten; an das herevre Stillschweigen, wenn wir

Miß Sara Sampsori.

49

wir mit beschäftigten Sinnen einer des am

dern geheimste den

Regungen erriethen, und in

schmachtenden Augen

die verborgensten

Gedanken der Seele lasen; an das zitternde

Erwarten der nahenden Wollust; an die Trum kenheit ihrer Freuden; an das süße Erstarren nach der Fülle des Genusses, in welchem flch

die ermatteten Geister zu. neuen Entzückungen erholten.

An alles dieses will ich Sie erim

nern, und dann Zhre Kniee umfassen, und

nicht aufhören um das einzige

Geschenk zu

bitte», das Sie mir nicht versagen können, und ich ohne zu errölhen annehmen darf, —

um den Tod von Zhren Händen. Mellefom.

Grausame! noch wollte ich

selbst mein Leben für Sie hingeben.

Fordern

Sie es; fordern Sie es; nur auf meine Liebe

machen Sie weiter keinen- Anspruch.

Ich

muß Sie verlassen, Marwood, oder mich zu einem Abscheu der ganzen Natur

machen.

Ich bin schon strafbar, daß ick nur hier stehe und Sie anhöre.

Leben Sie wohl! leben

Sie wohl!

Marwood (die ihn zurück hält.)

Trgueripie.e.

D

Sie müs-

50 sen

Miß Sara Sampson.

mich verlassen? Und was wollen Sie

denn, das aus mir werde? So wie ich itzt bin, bin ich Ihr Geschöpf: thun Sie also,

was einem Schöpfer zukommt; er darf die Hand von seinem Werke nicht eher abziehn, als bis er es gänzlich vernichten will. — Ach,

Hannah, ich sehe wohl- meine Bitten allein

sind zu schwach.

Geh, bringe meinen Vor­

sprecher her, der mir vielleicht itzt auf ein­ mal mehr wiedergebe« wird, als er von mir

(Hannah gebt ab.)

erhalten hat.

Mellefonr. Was für einen Vorsprrcher, Marwood?

Marwood.

Ach, einen Vorsprecher, des­

sen Sie mich nur allzugern beraubt hätten. Die Natur wird seine Klagen auf einem kür­ zern Wege zu Ihrem Herzen bringen — —

Mellefonr.

Ich erschrecke.

Sie werden

»och nicht---------

Vierter

Auftritt.

Arabella. Hannah. Mellefont. Marwood.

Mellefonr.

Was seh' ich?

Sie ist es!

Miß Sara Sampson.

.51

— Marwovd, wie haben Sie sich unterstehen

können---------

ich

Soll

Marwood.

seyn? —

umsonst Mutter

Komm, meine Bella, komm; sieh

hier deinen Beschützer wieder, deinen Freund­

beinen — Ach! bas Herz mag es ihm sage», was er noch mehr, als dein Beschützer, als

dein Freund, seyn kann.

Mciicfonr (mit abgewandtem Gegchte.) Gott! wie wird es mir hier ergehen! Arabella (indem sie ihm furchtsam näher triff;)

Ach, mein Herr! sind Sie es?

unser Mellefont? —

er ist es nicht. —

sind Sie

Nein doch, Madam-

Würde er mich nicht an­

sehen, wenn er eö wäre? Würde er mich nicht

in seine Arme schließen? gethan.

Er hat es ja sonst

Ich unglückliches Kind! Womit hätte

ich ihn denn erzürnt, diesen Mann, diesen

liebsten Mann, der mir erlaubte, mich seine Tochter zu nennen?

Marwood.

Sie schweigen, Mellefont?

Sie gönnen der Unschuldigen keinen Blick? Mellesom.

Arabella.

Ach!---------

Er seufzet ja, Madam.

Wa»

Miß Sara Sampson.

52

fehlt ihm? Können wir ihm nicht helfen? Ich

Sie auch nicht?

So lassen Sie uns

doch mit ihm seufzen. —

Ach, nun sieht er

nicht?

Nein, er sieht wieder weg! Er

mich an! —

sieht gen Himmel!

Was wünscht er? Was

bittet er vom Himmel? Möchte er ihm doch

alles gewähren, wenn er mir auch alles dafür versagte!

Marwood.

ihm zu Füßen.

Geh, mein Kind, geh; fall' Er will uns verlassen;

er

will uns auf ewig verlassen.

Arabella liege ich schon.

(die vor ihm niedersäut.)

Hier­

Sie uns verlassen? Sie uns

auf ewig verlassen?

War es nicht schon eine

kleine Ewigkeit, die wir Sie jetzt vermißt ben? Wir sollen Sie wieder vermissen?

Sie

haben ja so oft gesagt, daß Sie uns liebten. Verläßt man denn die, die man liebt? So muß ich Sie wohl

wünschte,

nicht lieben:

Sie nie zu verlassen.

denn

Nie;

ich

und

will Sie auch nie verlassen.

Marwood.

Ich will dir bitten helfen,

mein Kind; hilf nur auch mir — Nun, Meb

lefont, sehen Sie auch mich zu Ihren Füßen

Miß Sara Sampson. Mellessnr

verwerfen will. )

53

(hält sie zurück, indem sie sich nieMarwood, gefährliche Mar-

wood ! — Und auch du, meine liebste Della,

(hebt ne auf) auch du bist wider deinen Melle­ font?

Arabella.

Marwood.

Ich wider Sie? Wa« beschließen Sie, Mel­

lefont?

Mellesonr.

Was ich nicht sollte.

Mar-

wood; was ich nicht sollte.

Marwood (die ibn umarmt,) Ach, ich weiß

es ja, daß die Redlichkeit Ihres Herzens alle­ zeit über den Eigensinn Ihrer Begierden ge­

siegt hat. Mcllefonr. weiter.

Bestürmen Sie mich nicht

Ich bin schon,

was Sie aus mir

machen wollen: ein Meineidiger, ein Verfüh­

rer, ein Räuber, ein Mörder.

Marwood.

Itzt werden Sie es einige

Tage in Ihrer Einbildung seyn, und hernach

werden Sie erkennen, teil habe,

daß ich Sie abgehal-

es wirklich zu werden.

Machen

Sie nur, und kehren Sie wieder mit uns zurück.

Miß Sara Sampfott.

54

Arabella (schmeichelns.)

O ja!

thun Sie

dieses.

Mellcfonr. Mit euch'zurückkehren? Kann ich denn? '

Marwood. Nichts ist leichter, wenn Sie nur wollen.

Mellefonr.

Und meine Miß---------

Marwood.

Und Ihre Miß mag sehen,

wo sie bleibt!---------

Mellefonr.

barbarische Marwood!

Ha!

diese Rede ließ mich bis auf den Grund Ihres

— Und ich

Herzens sehen! —

Verruchter

gehe doch nicht wieder m mich?

Wenn

Marwood.

Grund

Sie

bis

auf

den

meines Herzens gesehen hatten,

würden Sie

wahres

entdeckt

Erbarmen

als Sie selbst.

so

daß es

mehr

gegen Ihre Miß

fühlt,

haben,

Ich sage: wahres Erbarmen;

denn das Ihre ist ein eigennütziges, weichher-

ziges Erbarmen.

Sie haben überhaupt diesen

Liebeshandel viel Sie,

weit

zu

als ein Mann,

Umgänge

mit

unserm

Kunst zu verführen

Daß

getrieben.

der bei einem langen Geschlechte,

ansgelernt hatte,

in

der

gegen

Miß Sara Sampsou.

55

ein so junges Frauenzimmer sich Ihre Ueberlegenheit an Verstellung und

Erfahrung zu

Nutze machten und nicht eher ruhten, als bis

Sie Ihren Zweck erreichten: das möchte noch hingehen; Sie können sich mit der Heftigkeit Ihrer Leidenschaft entschuloigen.

Sie einem alten Vater

sein

Allein/ daß

einziges

Kind

raubten; daß Sie einem rechtschaffnen Greise

die wenigen Schritte zu seinem Grabe noch so schwer und bitter machten; daß Sie, Ih­

rer Lust wegen, die stärksten Bande der Na­ tur trennten: das, Metlefont, das können Sie nicht verantworten.

Machen Sie also Ihren

Fehler wieder gut, so weit es möglich ist, ihn

gut zu machen.

Geben Sie dem weinenden

Alter seine Stütze wieder, und schicken Sie

eine leichtgläubige Tochter in das Sie deswegen,

rück,

ihr Haus zu,

weil Sie es be­

schimpft haben, trich.t auch öde machen müssen. MeUesonr.

Das fehlte noch,

daß Sie

auch mein Gewissen wider mich zu Hülfe rie­

sen!

Aber gesetzt, es wäre billig,

was Sie

ich nicht eine eiserne Stirne

sagen;

müßte

haben,

wenn -ich es der unglücklichen Miß

selbst Vorschlägen sollte?

Miß Sara Sampson.

z6

Nunmehr will ich es Ihnen

Marwood.

gestehen, daß ich schon im voraus bedacht ge­ wesen bin, Ihnen diese Verwirrung zu erspaSo bald ich Ihren Aufenthalt erfuhr,

reu.

habe rch auch dem alten Sampson unter der

Hand Nachricht davon geben lassen.

Er ist

vor Freuden darüber ganz außer sich gewesen,

und hat sich sogleich auf den

Weg

machen

Ich wundre mich, daß er noch nicht

wollen.

hier ist.

Mellefonr.

Was sagen Sie?

Marwood.

Erwarten Sie nur ruhig seh

ne Ankunft; und lassen sich gegen die Miß

nichts merken.

Ich will Sie selbst jetzt nicht

länger aushalten. Gchen Sie wieder zu ihr: sie

möchte Verdacht bekommen.

Doch versprech'

ich mir, Sie heute noch einmal zu sehen.

Mellefont.

O Marwood,

Gesinnungen kam ich zu

mit was für

Ihnen,

welchen muß ich Sie verlassen!

und

mit

Einen Kuß,

meine liebe Bella--------Arabella.

einen

Der war für Sie:

für mich.

aber nun

Kommen Sie nur ja bald

Wieder;— ich bitte.

(Melic>fcnt geht ab.)

Miß Sara Sampsori.

Fünfter Auftritt. Marwood. Marwood. Sieg, Hannab!

Arabella. sie

(nachdem

aber ein saurer Sieg! —

Gieb mir einen Stuhl;

ich suhle mich ganz

abgemattet — (sie setzt sich.)

höchste Zeit,

Hannah. tief Athem geholt.)

Eben war es die

als er sich ergab; noch einen

Augenblick hätte er anstehen dürfen, so würde ich ihm eine ganz andre Marwood gezeigt ha,

ben. Hannah.

Ach, Madam, was sind

Sie

für eine Frau! Den möchte ich doch sehn, der

Ihnen widerstehen könnte.

Marwood. widerstanden.

Er hat mir schon zu lange

Und gewiß, gewiß, ich will es

ihm nicht vergeben, daß ich ihm fast zu Fuße gefallen wäre.

Arabella. O nein! Sie müssen ihm alles

vergeben.

Er ist ja so gut, so gut--------

Marwood.

Schweig, kleine Närrinn!

-Hannah. Auf welcher Seite wußten Sie

ihn nicht zu fassen! Aber nichts,

rührte ihn mehr, als die

glaube ich,

Uneigennützigkeit,

Miß Sara Sampfvlt.

58

mit welcher Sie sich erboten,

alle von ihm

erhaltenen Geschenke zurückzugeben.

A rarrvood. Ich glaube es auch. Ha! ha! ( verächtlich.)

Warum lachen Sie, Madam?

-Hannah.

Wenn es nicht Ihr Ernst war, so wagten

Sie in der That sehr viel.

Gesetzt, er hätte

Sie bei Ihrem Worte gefaßt?

Marwood.

O geh! man muß wissen,

wen man vor sich hat. -Hannah.

Nun das gesteh' ich! Aber auch

Sie, meine schöne Della, haben Ihre Sache

vortrefflich gemacht; vortrefflich!

Arabella.

Warum das? Konnte ich sie

denn anders machen? lange nicht gesehen.

Ich hatte ihn ja so

Sic sind doch nicht böse,

Madam, daß ich ihn so lieb habe? Zch habe

Sie so lieb, wie ihn; eben so lieb. Marrvood.

Schon gut; diesmal will ich

dir verzeihen, daß du mich nicht lieber hast, als ihn.

Arabella. Marwood.

Warum beim?

Diesmal? (schluchzen».)

Du weinst ja

wohl

gar?

Miß Sara Sampson. Ach

2lrabella.

nein!

ich

59

weine

Werden Sie nur nicht ungehalten.

nicht.

Ich will

Sie ja gern alle Beide so lieb, so lieb haben,

daß ich unmöglich, weder Sie noch ihn, Iw bei* haben rann.

Marwood. Arabella.

Je nun ja! Ich bin recht unglücklich!--------

Marwood. Sey doch nur stille! — Aber

was ist das?

Sechster Auftritt. Mellefont. Marwood. Arabella.

Marwood.

Hannah.

Warum komnwn Sie schon

wieder, Mellesont? (sie ftcbt auf.)

Mellesonr (b^ig.)

Weil \d)

mehr nicht

als einige Augenblicke nöthig hatte, wieder

zu mir selbst zu kommen. Marwood. Mellefonr.

Nun? Ich war betäubt, Marwood,

aber nicht bewegt.

Sle haben alle Ihre Mist

he verloren; eine andre Lust, als diese anste­ ckende Lust Ihres Zimmers, gab mir Muth

und Kräfte wieder, nicmen Fuß aus gefährlichen Schlmge noch

zeitig

dieser

genug zu

Miß Sara Sampson.

6o

ziehen. Waren mir Nichtswürdigem die Ranke

einer Marwood noch nicht bekannt genug?

Marwood (hastig.)

Was ist das wieder

für eine Sprache? Die Sprache der Wahrheit

Mellesonr.

und des Unwillens. Marwood.

Nur

gemach,

Mellefont,

oder auch ich werde diese Sprache sprechen. Ich komme nur zurück. Sie

Mellesonr.

keinen Augenblick

länger in einem Irrthume

von mir stecken zu lassen, der mich, selbst in Ihren Augen, verächtlich machen muß. Arabella (furchtsam.)

Mellesonr.

Ach! Hannah —

Sehen sie mich nur so wm

thend an, als Sie wollen. besser.

Je wüthender, je

War es möglich, daß ich zwischen ei,

ner Marwood und einer Sara nur einen Am

genblick

unentschlüßig

bleiben konnte?

und

daß ich mich fast für die erstere entschlossen hätte?

Arabella.

Ach Mellefont!--------

Mellesonr.

Zittern Sie

nicht,

Bella.

Auch für Sie bin ich mit zurück gekommen. Geben Sie »uv die Hand, und folgen Sie

mir nur getrost.

Miß Sara Sampsori.

61

Marwood (die Beyde zurückhält.) Wem soll sie folget!/ Verrathet,-?

Ihrem Vater

MeUcfonr.

Geh, Elender; und lern'erst

Marwood.

ihre Mutter kennen! Zch kenne sie.

rHellefont.

Sie ist die

Schande ihres Geschlechts.--------

Marwood.

Führe sie weg, Hannah!

Mellefonr.

Bleiben Sie, Bella (indem er

sie zurückhalten will.)

Nur keine Gewalt, Melle­

Marwood.

font, oder--------

(Hannah und Arabella gehen ab.)

Siebenter Auftritt. Mellefont. Marwood.

Marwood.

Nun sind wir allein.

Nun

sagen Sie eö noch einmal, ob Sie fest ent­

schlossen sind,

mich

einer jungen

Närrinn

aufzuopfern?

Mcll.fonr (bitter.)

Auszuopfern?

machen, daß ich mich hier erinnere,

Sie

daß den

alten Göttern auch sehr unreine Thiere geopfert wurden.

Marwoov

(spöttisch.) Drücken Sie sich

ohne so gelehrte Anspielungen aus.

Mellesonr.

So sage ich Ihnen, daß ich

bin,

fest entschlossen schrecklichsten denken.

nie

wieder

Verwünschungen

an

ohne

die

Sie

zu

Wer sind Sie?, und wer ist Sara?

Sie sind eine wollüstige, eigennützige, schänd'

liehe Duhlerinn, die sich itzt kaum mehr muß erinnern können,

einmal unschuldig gewesen

zu seyn. Ich habe mir mit Ihnen nichts vor»

zuwerfen, als daß ich dasjenige genossen, was

Sie ohne mich vielleicht die ganze Welt hüt'

ten genießen lassen.

Sie haben mich gesucht,

nicht ich Sie; und wenn ich nunmehr weiß, wer Marwovd ist, so kommt mir diese Kennt­

niß theuer genug zu stehen.

Sie kostet mir

mein Vermögen, meine Ehre, mein Glück —

Marwookr.

Und so wollte ich,

daß sie

dir auch deine Seligkeit kosten müßte! Unge­

heuer!

Ist der Teufel ärger

als

du, der

schwache Menschen zu Verbrechen reitzt, und

sie, dieser Verbrechen wegen,

die sein Werk

sind, hernach selbst anklagt?

Was geht dich

meine Unschuld an, wann,

und wie ich sie

Miß Sara Sanipson. verloren habe?

63

Habe ich dir meine Tugend

nicht Preis geben können,

so habe ich doch

meinen guten Namen für dich in die Schan­ ze geschlagen. dieser.

Jene ist nicht kostbarer,

Was sage

ich?

kostbarer?

als

Sie

ist

ohne ihn ein albernes Hirngespinst, das we­ der ruhig noch glücklich macht. Er allein giebt

ihr noch einigen Werth, und kann vollkommen ohne sie bestehen. Mochte ich doch seyn, wer ich

wollte, ehe ich dich, Scheusal, kennen lernte; genug, daß

ich in den Augen der Welt für

ein Frauenzimmer ohne Tadel galt.

Durch

dich nur hat sie es erfahren, daß ich es nicht

sey; durch meine Bereitwilligkeit bloß, Herz,

wie ich damals glaubte,

dein

ohne deine

Hand attzunehmen.

Mellefonr.

Eben

diese Bereitwilligkeit

verdammt dich, Niederträchtige.

Marwood.

Erinnerst^ du dich aber, wel­

chen nichtswürdigen

Kunstgriffen

verdanken hattest? Ward ich

du

sie

zu

nicht von dir

beredet, daß du dich in keine öffentliche ?Lcrbtndung einlassen könntest,

ohne einer Erb­

schaft verlustig zu werden, deren Genuß drr

Miß Sara Sampson.

64

mit niemand, als mit mir, theilen wolltest?

Ist es nun Zeit,

ihr zu entsagen?

ihr

und

für eine Andre, als für mich, zu entsagen? Es ist mir eine wahre 5ßob

Mellesonr. tust,

Ihnen

melden

Schwierigkeit seyn.

zu können,

nunmehr

daß

wird

bald

diese

gehoben

Begnügen Sie sich also nur, mich um

mein väterliches Erbrheil gebracht zu haben,

und lassen mich ein weit geringeres mit einer würdigern Gattinn genießen.

Marwood.

Ha! nun seh' ichs, was dich

eigentlich so trotzig macht.

Wohl, ich will

kein Wort mehr verlieren.

Es sey

darum!

Rechne darauf, daß ich alles anwenden will,

dich zu vergessen.

Und das erste, was ich in

dieser Absicht thun werde, soll dieses

Du wirst Della!

mich verstehen!

Zktrre

seyn —

für deine

Zhr Leben soll das Andenken meiner

verachteten Liebe auf die Nachwelt nicht brin­

gen; meine Grausamkeit soll es thun.

Sleh

in mir eine neue Mebea! Mellefonr (mdrocfen.) Marwosd.

Oder

Marwood---------

wenn

grausamere Mutter weißt,

du noch

eine

so steh ste gedop-

pclt

Miß Sara Sampsou.

65

pelt in mir! Gift und Dolch sollen mich rL, chen.

Doch nein;

barmherzige

und

Gift und Dolch sind zu

Werkzeuge.

Sie

würden dein

mein Kind zu bald tödten.

nicht gestorben sehen;

Ich will

sterben will ich es fe,

hen! Durch langsame Marlern will ich in sei,

nem Gesichte jeden ähnlichen Zug, den es von dir hat,

sich verstellen,

schwinden

Ich

sehen.

verzerren und ver, will

mit

begieriger

Hand Glied von Glied, Ader von Ader, Ner,

ven von Nerven lösen, und das kleinste dersel­

ben auch dann noch nicht aufhören zu schnei­ den und zu brennen, wenn es schon nichts

mehr seyn

wird,

als ein empfindungsloses

Aas. Ich — ich werde wenigstens dabey em,

pfinden, wie süß die Rache sey! Mellefonr. Sie rasen, Marwood — — Marwood. nicht gegen

muß voran! seyn,

Du erinnerst mich,

den rechten

daß ich

Der Baker

rase.

Er muß schon in jener Welt

wenn der Geist seiner Tochter unter

tausend Seufzern ihm nachzieht. —(Si-s-hlmit

einem Dolche, den sie uö dem Busen reißt, aus ihn los.) Drum stirb, Verräther!

Lpguerspieie.

L

Miß Sara Sanrpsvn

66

ITTfflcfotlt (btt ihr in teil Arm kLllt, und den Deich entrecht.)

Unsinniges Weibsbild! — Was

hindert mtd) nun, kehren?

den Stahl wider dich zu

Doch lebe, und deine Strafe müsse

einer ehrlosen Hand aufgehoben seyn!

Marwsod (mit gerungenen -Händen.)

HilNt

mel, was hab' ich gethan? Mellesont-------- -

Gebey Sie nsir ihn wieder,

den verirrten

Stahl! geben Sie mir ihn wieder! und Sie sollen es gleich sehen, für wen er geschliffen

ward. Für diese Brust allein, die schon längst

einem Herzen zu enge ist, das eher dem Leben als Ihrer Liebe entsagen will.

Mellefonr.

Hannah!---------

tNarwood. Was wollen Sie thun, Mel,

lefont?

Achter Hannah

Auftritt.

(erschrocken.)

Marwood.'

Mellesont. Mellefom. welche Furie

Hast du es gehört, Hannah,

deine

Gebieterinn

ist? Wisse,

daß ich Arabellen von deinen Händen federn

werde.

Miß Sara Sampson. Ach Madam,

-Hannah.

67

wie sind

Sie

außer sich!

.

Ich

Mellefonr.

will

das

unschuldige

Kind bald in völlige Sicherheit bringen. Die

Gerechtigkeit wird einer so grausamen Mut, ter die mördrtschen Hände

wissen.

schon zu binden

(er will gehen.) Wohin, Mellefont?

Marrvood.

daß

zu verwundern,

Ist es

die Heftigkeit meines

Schmerze« mich des Verstandes nicht mäch, tig ließ? Wer bringt mich zu so unnatürliche»

Ausschweifungen?

Sind Sie es nicht selbst?

Wo kann Bella sicherer seyn, als bey mir? Mein Mund tobet wider sie, und mein Herz

bleibt doch

immer das Herz einer Mutter.

Ach, Meliefont! vergessen Sie meine Raserey,

und denken, zu Ihrer Entschuldigung, nur an

die Ursache derftlben. Es ist nur Ein Mittel, wel,

Mellefonr.

ehe« mich bewegen kann, sie zu vergessen. Marwood.

Welches?

Mellefonr.

Wenn

Sie den Augenblick

nach London zurückkehren.

in einer

andern

Arabellen will ich

Begleitung,



E 2

wieder

dahin

Miß Sara Sampso».

68

bringen lassen.

Sie müssen durchaus ferner

mit ihr nichts zu thun haben. Gut, ich lasse mir alles ge-

Marrvoov.

fallen; aber eine einzige Bitte gewähren Sie

mir noch.

Lassen Sie mich Ihre Sara we,

nigstenö einmal sehen. Mcllefonr.

Und wozu?

Marrvood.

Um in ihren Blicken mein

ganzes künftiges Schicksal zu lesen.

selbst

urtheilen,

ob sie

einer

Ich will

Untreue,

wie

Sie an mir begehen, würdig ist; und ob ich

Hoffnung

haben

kann,

wenigstens

einmal

einen Antheil an Ihrer Liebe wieder zu be­ kommen.

MeUefom.

Nichtige Hoffnung!

rNarwood.

Wer ist so grausam, daß er

einer Elenden auch nicht einmal die Hoffnung

gönnen wollte!

Ich will mich Ihr nicht als

Marwood, sondern als eine Anverwandte von

Ihnen zeigen. eine solche.

Melde» Sie mich bey ihr als

Sie sollen bey meinem Besuche

zugegen seyn, und ich verspreche Ihnen, bey

allem was heilig ist,

ihr nicht das geringste

Anstößige zu sagen. Schlagen Sie mir meine

69

Miß Sara Sampson.

denn sonst möchte ich viel/

Bitte nicht ab;

leicht alles anwenden, in meiner wahren Ge< stalt vor ihr zu erscheinen.

Diese

UTeUefont.

Bitte,

Marwoob,

(nachdem er einen Augenblick nachgedacht)

— --

könnte ich Ihnen gewähren. Wollen Sie aber auch alsdann gewiß diesen Ort verlassen?

Marwood Gewiß; ja, ich verspreche Zh,

«en noch mehr: ich will Sie, wo nur noch einige Möglichkeit ist, von dem Ueberfalle ihr res Vaters befreyen.

Mellefonr. thig.

Dieses haben Sie nicht nö­

Ich hoffe, daß er auch mich in die Ver,

zeihung

mit etnschließen wird, hie er seiner

Tochter widerfahren läßt.

nicht verzeihen,

Will er aber dieser

so werde ich auch wissen, wie

ich ihm begegnen soll. — Ich gehe, Sie bey meiner Miß zu melden.

Marwood.

Nur halten Sie

(geht ab.)

Wort, Marwood!

Ach

Hannah!

daß

unsere

Kräfte nicht so groß sind, als unsere Muth’

Komm, hilf mich ankleiden.

Ich gebe mein

Vorhaben nicht auf.

Wenn ich ihn nur erst

sicher gemacht habe.

Komm!



Miß Sara Sampson.

Dritter Aufzug. Erster Auftrit-t. Ein Saal im erster» Gasthofe. Sir William Sampson.

Waitwell.

Sir William. Hier, Waitwell, bring' ihr diesen Dries. Es ist der Dries eines zärtchen Vater«, der sich über nichts, als über ih­ re Abwesenheit, beklaget. Sag' ihr, daß ich dich damit vorweg geschickt, und daß ich nur noch ihre Antwort erwarten wolle, ehe ich selbst käme, sie wieder in meine Arme zu schließen. Waitwell. Ich glaube, Sie thun recht wohl, daß Sie Ihre Zusammenkunft auf diese Art vorbereiten. Sir William. Ich werde ihrer Gesin­ nungen dadurch gewiß, und mache ihr Gele, genheit, alles, was ihr die Reue Klägliches undErröthendeS eingeben könnte, schon ausge­ schüttet zu haben, ehe sie mündlich mit mir

Miß Sara Sampson. spricht.

7i

Es wird ihr in einem Briefe weni­

ger Verwirrung, und mir vielleicht weniger

Thränen kosten. wairrvell.

Darf ich

was Sie in Ansehung

aber fragen, Sir,

Mellefonts be>chlvssen

haben? Air William.

Ach, Waitwell! wenn ich

ihn von dem Geliebten meiner Tockter tren­

nen könnte, so würde ich etwas sehr Hartes wider ihn beschließen.

Aber da dieses nicht

angeht, so siehst du wohl, daß er gegen mei­

nen

Unwillen gesichert ist

Ich habe selbst

den größten Fehler bey diesem Unglücke be­ gangen.

Ohne mich würde Sara diesen ge­

fährlichen Mann nicht haben kennen lernen.

Zch verstattete ihm, wegen einer Verbindlich­ keit, die ich gegen ihn zu haben

nen allzufreyen Es war

Zutritt

natürlich,

daß

glaubte, ei­

in meinem ihm

die

Hause.

dankbare

Aufmerksamkeit, die ich für ihn bezeigte, auch

die Achtung meiner Tochter zuziehen mußte. Und es war eben so natürlich, daß sich ein Mensch von seiner Denkungsart durch diese

Achtung verleiten ließ, sie zu etwas Höherem

Miß Sara Sampson.

7-

zu treiben. Er hatte Geschicklichkeit genug ge, habt, sie in Liebe zu verwandeln, ehe ich noch das geringste merkte, und ehe ich noch Zeit

hatte, mich nach seiner übrigen Lebensart zu erkundigen.

Das Unglück war geschehen, und

ich hätte wohl gethan, wenn ich ihnen nur

gleich alles vergeben hätte. bittlich gegen ihn seyn,

Zch wollte uner«

und überlegte nicht,

daß ich es gegen ihn nicht allein seyn könnte. Wenn ich meine zu späte Strenge erspart hät­ te, so würde ich wenigstens ihre Flucht ver­ hindert haben. — Da bin ich nun, Waitwell!

Ich

muß

selbst zurückholen,

sie

und mich

noch glücklich schätzen, wenn ich aus dem Ver­

führer

nur

meinen

Sohn

machen

kann.

Denn wer weiß, ob er seine Marwoods und seine übrigen Kreaturen eines Mädchens we­ gen wird aulgeben wollen, das seinen Degierden nichts mehr zu verlangen übrig gelassen

hat, und die fesselnden Künste einer Buhle­

rinn so wenig versteht? Waitwell.

Nun,

Sir,

das

ist

wohl

nicht möglich, daß ein Mensch so gar böse seyn könnte. —

Miß Sara Sampsom Sir William.

73

Der Zweifel, guter Wait/

well, macht deiner Tugend Ehre.

Aber war­

um ist es gleichwohl wahr, daß sich die Grän­ zen der menschlichen Bosheit

ter erstrecken?



noch viel wet,

Geh nur jeht und thue,

was ich dir gesagt habe.

Gieb auf alle ihre

Mienen Acht, wenn sie meinen Brief lesen wird.

Zn der kurzen Entfernung von der

Tugend, kann sie die Verstellung

noch nicht

gelernt haben, zu deren Larven nur das ein-

gewurzelte Laster seine Zuflucht nimmt

Du

wirst ihre ganze Seele in ihrem Gesichte le­ sen.

Laß dir ja keinen Zug entgehen, der et,

wa eine Gleichgültigkeit gegen mich, eine Ver,

schmähung

ihres Vaters,

anzeigen

könnte.

Denn wenn du diese unglückliche Entdeckung machen solltest, und wenn sie mich nicht mehr

liebt: so hoffe ich, daß ich mich endlich werde überwinden können, sie ihrem überlasten.

Schicksale zu

Ich hoffe es, Waitwell — Ach!

wenn nur hier kein Herz schlüge, das dieser Hoffnung widerspricht.

(Sie gehen Beide auf verschiedenen Seiten ab.)

Miß Sara Sampson.

74

Zweiter Auftritt. Das Zimmer der Sara.

Miß Mellefonr.

Sara. Ich

Mellefont. habe Unrecht gethan,

liebste Miß, daß ich Sie wegen des vorigen

Briefes in einer kleinen Unruhe ließ. Sara.

Nein doch, Mellefont; ich bin

deswegen ganz und gar nicht unruhig gewesen.

Könnten Sie mich denn

nicht lieben,

wenn Sie gleich noch Geheimnisse vor mir

hätten? Mellefonr

Sie glauben also doch, daß

es ein Geheimniß gewesen sey? Sara. Aber keines, das mich angeht. Und

das muß mir genug seyn.

Mellefonr. Sie sind allzu gefällig. Doch erlauben Sie mir, daß ich Ihnen dieses Ge­

heimniß gleichwohl entdecke.

Eö waren eint»

ge Zeilen von einer Anverwandten, die mei­ nen hiesigen Aufenthalt erfahren hat.

Sie

geht auf dieser Reise nach London hier durch,

und will mich sprechen.

Sie hat zugleich um

Miß Sara Sampson.

75

die Ehre ersucht, Ihnen ihre Aufwartung ma­ chen zu dürfen.

Sara.

Es

wird mir

allezeit angenehm

sey», Mellefont, die würdigen Personen Ih­ rer Familie kennen zu lernen.

Aber überle-

gen Sie es selbst, ob Ich schon, ohne zu errö, thcn, einer derselben unter die Augen sehett

darf. Mellcfonr.

Ohne zu erröthen? Und «vor,

über? Darüber, daß Sie mich lieben? Es ist wahr, Miß, Sie hätten Ihre Liebe

einem

Eblern, einem Reichern schenken können. Sie müssen stch schämen, daß Sie Ihr Herz nur um ein Herz haben geben wollen,

und daß

Sie bey diesem Tausche Ihr Glück so lvetr

aus den Augen gesetzt. Sara.

Sie werden es selbst wissen, wie

falsch Sie meine Worte erklären. Mellefonr. Eelauben Sie, Miß; Ich sie falsch erkläre,

wenn

so können sie gar keine

Bedeutung haben.

Sara. Wie heißt Ihre Anverwandte?

Mellefonr.

Es ist —

Lady

Solmes.

Sie werden den Namen von mir schon ge­ hört haben.

Miß Sara Sampson.

76 Sara.

Zch kann mich nicht erinnern.

M llefont.

Darf ich

bitten,

baß Sie

ihren Demch annehmen wollen?

Sara.

Bitten, Mellefont?

Sie können

mir es ja befehlen.

Mellesonk. Was für ein Wort! — Nein, Miß, sie soll das Glück nicht haben, Sie zu

sehen.

Sie wirb es bedauern; aber sie muß Miß Sara hat ihre

es sich gefallen lassen.

Ursachen,

ohne sie zu wissen,

die ich auch,

verehre.

Sara. Mein Gott! wie schnell sind Sie, Mellefont!

Ich

die Lady erwarten,

werde

und mich der Ehre ihres Besuchs, so viel wie möglich, würdig zu

erzeigen suchen.

Sind

Sie zufrieden? MeUefonr.

Ach, Miß, lassen Sie mich

meinen Ehrgeiz gestehen. gegen die

Zch

möchte gern

ganze Welt mit Ihnen prahlen.

Und wenn ich auf den Besitz einer solchen Person nicht eitel

wäre,

so würde ich mir

selbst vorwerfen, daß ich den Werth derselben nicht zu schätzen wüßte.

Ich gehe, und briiu

ge die Lady sogleich zu Zhnen. (geht al>.)

Miß Sara Sampson« Sara

(allein.)

77

Wenn e« nur keine von

den stolzen Weibern ist, die, voll von ihrerTu«

gend, über alle Schwachheiten erhaben zu seyn glauben. Sie machen uns nut einem einzigen

verächtlichen Blicke den Prozeß, und ein zwey, deutiges Achselzucken ist das ganze Mitleiden,

das wir ihnen zu verdienen scheinen.

Dritter Auftritt. Waitwell.

Sara.

Betty (zwischen der Scene.)

Nur hier her«

ein, wenn er selbst mit ihr sprechen muß. Sara

(Ne sich umsieht.)

Wer muß selbst

mit mir sprechen? — Wen seh' ich? Ist es möglich? Waitwell, dich?

Waitwell. Was für ein glücklicher Mann

bin ich,

daß ich endlich unsere Miß Sara

wieder sehe! Sara.

Gott! was bringst du! Ich hör'

es schon, ich hör' es schon,

du bringst mir

die Nachricht von dem Tode meines Vaters! Er ist hin, der vortrefflichste Mann, der beste Vater! Er ist hin, und ich, ich bin die Elen?

de, die seinen Tod beschleuniget hat.

Miß Sara Sauipson.

78

Wairwell.

Sara.

Ach! Miß--------

Sage mir,

geschwind sage mir,

daß die letzten Augenblicke seines Lebens ihm durch mein Andenken nicht schwerer wurden;

daß er mich vergessen hatte; daß er eben so tu/ hig starb, als er sich sonst in meinen Armen

zu sterben versprach; daß er sich meiner auch nicht einmal in seinem letzten Gebete erin/

nerte -------Wairwell. Hören Sie doch auf, sich mit

so falschen Vorstellungen zu plagen! ja noch, Ihr Vater;

Er lebt

er lebt ja noch,

der

rechtschaffne Sir William.

Sara.

Lebt er noch? Ist es wahr, lebt

er noch? O, daß er noch lange leben,

und

glücklich leben möge! 0, daß ihm Gott die

Hülste meiner Jahre zulegen wolle! DieHülf/ te? — Ich Undankbare, wenn ich ihm nicht

Mit allen, so viel mir deren bestimmt sind, auch nur einige Augenblicke zu erkaufen bereit

bin! Aber nun sage mir wenigstens,

Wait/

well, daß es ihm nicht hart fallt, ohne mich

zu leben; daß es ihm leicht geworden Ist, eine Tochter aufzugeben, die ihre Tugend so leicht

Miß Sara Sampson. aufaeben können;

das; ihn

79

meine Flucht er,

zürnet, aber nicht gekränkt har; daß er mich verwünschet, aber nicht bedauert.

WmtiDeU.

Ach,

Sir William ist

noch

immer der zärtliche Vater, so wie sein Sar,

chen nod) immer die zärtliche Tochter ist, die

sie beyde gewesen sind. Sa^a.

Wae lagst du? Du bist ein Bote

des Unglücks,

ter allen,

des schrecklichsten Unglücks un­

die mir meine feindselige Einbil­

dung jemals vorgestellet hat!

zärtlicke Vater?

Er ist noch der

So liebt er mich ja noch?

So muß er mich ja beklagen? Nein, nein, das thut er nicht; Siehst du denn

das kann er nicht thun!

nicht,

wie unendlich jeder

Seufzer, den er um mich verlöre, meine Ver­

brechen vergrößern würde?

die

Gerechtigkeit

Müßte mir nicht

des Himmels

jede

seiner

Thränen, die ich ihm auspreßte, so anrech­ nen,

als ob ich bei jeder öerieloen mein La­

ster und meinen Undank wiederholte? Zch er, starre über diesen Gedanken.

ich

Thränen koste

ihm? Thränen? Und es sind andre Thrä­

nen, als Thränen der Freude? —

Wider,

80

Miß Sara Sampsott.

sprich mir doch, Waitwell! Aufs höchst? hat er einige leichte Regungen des Bluts für mich

gefühlt; einige von den geschwind

gehenden Regungen,

überhin

welche die kleinste An­

strengung der Vernunft besänftiget. Zu Tbrä, nen hak er es nicht kommen lassen.

Nicht

wahr, Waitwell, zu Thränen hat er es nicht kommen lassen?

waitwell

(filiern er sich die Augen wischt.)

Nein, Miß, dazu hat er es nicht kommen

lassen. Ach! dein Mund sagt nein; und

Sara.

deine eignen Thränen sagen ja. waitwell.

Nehmen Sie diesen

Brief,

Miß; er ist von ihm selbst. Sara.

Von wem? von meinem Vater?

an mich?

waitwell.

Za,

nehmen Sie ihn nur;

Sie werden mehr daraus sehen können, als

ich zu sagen vermag. Er hätte einem Andern, als mir,

dieses Geschäft

auftragen sollen.

Ich versprach mir Freude davon; aber Sie verwandeln mir dies« Freude in Betrübniß. Sara.

Miß Sara Sampson. Sara.

Gieb nur, ehrlicher Waitwell! —

Doch nein, ich will ihn nicht eher nehmen, als bis du mir sagst, was ungefähr daxin

enthalten ist.

Wnittvcll.

Was kann

darin

enthalten

seyn! Liebe und Vergebung. Sara.

Liebe? Vergebung?

waitwell.

Und vielleicht ein aufrichtiges

Bedauern- daß er die Rechte der väterlichen Gewalt gegen ein Kind brauchen wollen, für

welches nur die Vorrechte der väterliche» Huld sind.

Sara. So behalte nur deinen grausamen

Brief. waitwell.

nichts.

Fürchten Ske

Grausamen?

St» erhalten völlige Freyheit

über

Zhr Herz und Ihre Hand. Sara.

Und

das ist es eben, was ich

fürchte. Einen Vater, wie ihn, zu betrüben: da­ zu habe ich noch den Muth gehabt. Allein ihn

durch eben diese Betrübniß, ihn durch seine Liebe, der ich eut'agt, dahin gebracht zu sehen,

daß er sich alles gefallen läßt,

ne

unglückliche Leidenschaft

Trauerspiele.

wozu mich ei­

verleitet: F

das,

Miß Sara Sarnpsort. Waitwell, das

ich nicht

würde

Wenn sein Brief alles

ausstehen.

enthielte, was

ein

aufgebrachter Vater in solchem Falle Heftiges

und Hartes Vorbringen kann,

so würde ich

ihn zwar mit Schaudern lesen, aber ich wür-

de ihn doch l sen können.

Zch würde gegen

seinen Zorn noch einen Scharten von Verthei­ digung

aufzubringen

wissen, um

ihn durch

diese Vertheidigung, wo möglich, noch zorni­

ger zu

machen.

alsdann diese,

Meine

Beruhigung

wäre

daß bey einem gewaltsamen

Zorne kein wehmüthiger Gram Raum haben

könne, und daß sich jener endlich glücklich in

eine bittere Verachtung gegen mich verwan­ deln werde.

Wen man aber verachtet, um

den bekümmert man sich nicht mehr.

Mein

Tater wäre wieder ruhig, und ich dürfte mir

nicht vorwerfen, ihn auf immer unglücklich gemacht zu haben.

Wairwell.

Ach! Miß,

Sie werden sich

diesen Vorwurf noch weniger machen dürfen,

wenn Sie jetzt seine Liebe wieder ergreifen, die ja alles vergessen will.

Sara.

Du irrst dich,

Waitwell.

Sein

Miß Sara Sampson» sehnliches Verlangen nach

vielleicht,

mir

83

verführt ihn

zu allem ja zu sagen.

Kaum aber

würde dieses Verlangen ein wenig beruhiget

seyn, so würde er sich, gen,

vor

sich

feiner Schwäche wee

selbst schämen.

Ein finsterer

Unwille würde sich seiner bemeistern,

würde mich nie ansehen können,

und er

ohne mich

heimlich anzuklagen, wie viel ich ihm abzu,

trotzen mich unterstanden habe.

Za, wenn es

in meinem Vermöge» stände,

ihm bey

der

äußersten Gewalt, die er sich meinetwegen an«

thut, das Bitterste zu ersparen; wen» in dem Augenblicke, da er mir alles erlauben wollte, ich ihm alles aufopfern könnte:

ganz etwas anders.

so wäre es

Zch wollte den Brief

Mit Vergnügen von deinen Händen nehmen, die Stärke der väterlichen Liebe darin bewun­ dern, und, ohne sie zu mißbrauchen, mich als

eine reuende und gehorsame Tochter zu seinen Füßen werfen.

Aber kann ich das? Zch wüt«

de thun müssen, was er mir erlaubte, ohne

mich daran zu kehren, wie theuer ihm diese Erlaubniß zu stehen komme.

Und wenn ich

dann am vergnügtesten darüber seyn wollte,

F -

Mrß Sara Sampson.