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German Pages [173] Year 2014
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© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Dieses Buch möchte ich ganz besonders den Verstorbenen Jan, Lars, Birgit, Max, Winfried, Vanessa, Tim, Alex, Stefan und den Menschen, die um sie trauern, sowie allen Familien, die den Tod eines geliebten Menschen aushalten müssen, widmen.
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Stephanie Witt-Loers
Trauernde Jugendliche in der Familie
Vandenhoeck & Ruprecht © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Die Hinweise in diesem Buch sind von der Autorin und vom Verlag sorgfältig geprüft. Autorin und Verlag können jedoch keine Garantie übernehmen und schließen jede Haftung für Personen-, Sach- und Vermögensschäden aus. Das Autorenhonorar fließt in das Projekt »Leben mit dem Tod«, ein Koope rationsprojekt des Instituts »Dellanima« und des DRK für trauernde Kinder, Jugendliche und ihre Bezugspersonen. Hier finden Betroffene professionelle, qualifizierte und kostenlose Unterstützung. Mit dem Kauf dieses Buches unterstützen Sie das Projekt. Wir freuen uns über jede weitere Spende unter: Kreissparkasse Köln, IBAN: DE84 3705 0299 0311 0016 59, COKSDE33XXX Stichwort: »Leben mit dem Tod«. Weitere Informationen zum Projekt, zu Unterstützungsangeboten, Trauerbegleitung, Seminaren, Fortbildungen und Vorträgen finden Sie beim Institut Dellanima: www.dellanima.de
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-40229-0 ISBN 978-3-647-40229-1 (E-Book) Umschlagabbildung: © Gina Sanders/Fotolia.com © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Umschlag: SchwabScantechnik, Göttingen Druck und Bindung: e Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
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Inhalt
Worum es in diesem Buch geht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Grundsätzliches zu Trauer und Verlust . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Die besondere Lebenszeit: die Jugend . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Jugendliche trauern – aber wie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jugendliche trauern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trauer vor dem Hintergrund der Pubertät . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche Trauerreaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wem und wo zeigen Jugendliche ihre Trauer? . . . . . . . . . . . . . Feiern und trauern – wie passt das zusammen? . . . . . . . . . . . . Wohin mit der Trauer? – Ausdruck und Orte der Trauer . . . . Was wünschen sich Jugendliche in ihrer Trauer? . . . . . . . . . . .
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Jugendliche erzählen von ihrer Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Meine Trauer – das ist so eine Sache! – Ines (16 Jahre) . . . . . . Ein Leben nach dem Tod meines Bruders – sinnlos? – Mareike (23 Jahre) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Sei der Autor deiner Lebensgeschichte und schreibe einen Bestseller« (Slimani, 2014) – Luisa (14 Jahre) . . . . . . . . Plötzlich ist alles anders – Sebastian (21 Jahre) . . . . . . . . . . . .
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Trauer in der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nach dem Tod eines Familienmitglieds – vorweg Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wer trauert? Und um wen wird getrauert? . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Trauerthemen in der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rituale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Warum zeigen wir in der Familie unsere Trauer nicht? . . . . .
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Inhalt
Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern . . . . . . . . . . . . . . . Zwischen Leid und Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Schmerz im Schmerz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht hilflos ausgeliefert, sondern handlungsfähig . . . . . . . . .
100 100 104 112
Trauernde Eltern erzählen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alles war gut – Andreas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unsere Kinder sind nicht unsere Kinder – Romy Oder: was ich beim Tod unseres Sohnes über Freundschaft unter Jugendlichen lernen durfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plötzlich alleinstehend und alleinerziehend – Elke . . . . . . . . . Vom Weg ins Leben – Johanna Maria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Weiterleben – aber wie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Persönliche Kraftquellen und Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Jeder ist anders – vielfältige Unterstützungsangebote . . . . . . . 139 Bestimmte Trauersituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Plötzlich alleinerziehend – nach dem Tod des Partners . . . . . Trauer in getrennten Familien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trauer nach plötzlichem Tod . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trauer nach Suizid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Wünsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Broschüren/Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bücher zum Thema Suizid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Broschüren zum Thema Suizid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bücher zum Thema Trauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jugendbücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Spielfilme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Musikstücke für Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internetadressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Telefonische Seelsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
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Worum es in diesem Buch geht
»Als ob es nicht genug ist, dass Marvin bei diesem grausamen Verkehrsunfall gestorben ist. Er ist tot! Er fehlt uns allen schrecklich! Ich kann den Schmerz kaum aushalten. Jetzt bricht auch noch der Rest unserer Familie auseinander. Lucy [17 Jahre] zieht sich total zurück, sie redet und isst kaum noch. Stefan, mein Mann, arbeitet seit Marvins Tod wie verrückt. Was hat denn das alles noch für einen Sinn?« (Mutter von Marvin)
Der Tod eines geliebten Menschen ist ein folgenschweres, schmerzliches Ereignis. Menschen werden gezwungen, sich mit intensiven Gefühlen, neuen Aufgaben und Rollen auseinanderzusetzen. Die Worte der Mutter von Marvin des vorangestellten Fallbeispiels aus meiner Praxis zeigen deutlich, dass der Tod des nahestehenden Menschen nicht nur für den Einzelnen schmerzhaft ist. Die gesamte Familie trauert ‒ und dennoch ist die Situation für jeden Einzelnen aus der Familie in anderer Weise schwer. Eltern, nahe Bezugspersonen, Kinder und Jugendliche fühlen sich in der Familie oft sehr allein mit ihren Fragen, Sorgen und Unsicherheiten. Familiengefüge brechen nach dem Tod eines Angehörigen auseinander, weil jeder auf seine Art trauert und die Trauer des anderen nicht versteht. Auch der Tod eines dem Jugendlichen nahestehenden Menschen außerhalb des familiären Umkreises kann für den Jugendlichen sehr schmerzhaft sein und die gesamte Familie belasten. In beiden Fällen haben Bezugspersonen viele Fragen zum Umgang mit trauernden Jugendlichen. Trauernde Jugendliche sollten mit ihren Gefühlen, Gedanken und Sorgen nicht alleingelassen werden. Im Alltag finden gerade Jugendliche wenige Möglichkeiten zu trauern. Zudem fühlen sie sich von Gleichaltrigen oder in der Familie oft nicht richtig verstanden. Sie ziehen sich zurück, können oder möchten ihre Trauer nicht zeigen, obwohl sie sich Trost und Unterstützung wünschen. Eltern sind © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Worum es in diesem Buch geht
häufig überfordert und wissen nicht, wie sie mit dem trauernden Jugendlichen umgehen sollen. Das Leben miteinander gestaltet sich für beide Seiten schwierig. In einer trauernden Familie belastet diese Situation zusätzlich zum erlebten Verlust. Im Fokus dieses Buches stehen trauernde Jugendliche. Aufmerksamkeit und Fürsorge sollten aber, wie in den Ausführungen und Hinweisen deutlich werden wird, überdies auf andere trauernde Kinder und Erwachsene in der Familie gerichtet werden. Verlieren Jugendliche in ihrer besonderen Entwicklungsphase einen nahestehenden Menschen, ist es nicht einfach, den jungen Erwachsenen zu unterstützen. Was fühlen und denken Jugendliche nach einem Verlust? Welche Sorgen und Ängste belasten sie und welche Wünsche haben sie in ihrer Trauer im Hinblick auf ihr soziales Umfeld? Ich möchte diese und andere Fragen aufgreifen. Nicht alle Aspekte zum Thema konnte ich vertiefen oder ansprechen, weil dies den Rahmen des Buches sprengen würde. Ich möchte Ihnen Grundhaltungen vorstellen, die eine Unterstützung von trauernden Jugendlichen erleichtern können. Im Buch finden Sie praxisorientiertes Wissen zur Entwicklungsphase Jugendlicher, wobei der Schwerpunkt auf den Themen Trauer und Kommunikation liegt, sowie Hinweise zum Umgang mit trauernden Jugendlichen. Ich möchte Ihnen Impulse geben, eigene Bedürfnisse und Ressourcen aufzudecken. Darüber hinaus berichten Jugendliche, wie sie mit ihrer persönlichen Trauer umgehen, wie sie diese erleben. Trauernde Eltern erzählen über das Leben mit trauernden Jugendlichen und beschreiben, welche Sorgen sowohl sie, die Eltern, als auch ihre Kinder quälen. Gleichzeitig fließen Erfahrungen ein, die ich in den Begleitungen von trauernden Jugendlichen und ihren Familien machen durfte, sowie Einsichten, die ich im Austausch mit Fachkollegen gewinnen konnte. (Namen und Einzelheiten wurden zum Schutz der Betroffenen verändert.) Von ganzem Herzen möchte ich mich bei den Menschen, den Eltern und Jugendlichen, bedanken, die mit dem, was sie über ihren Verlust geschrieben haben, zu diesem Buch beigetragen haben, und bei all denen, die ich ein Stück auf ihrem Weg begleiten durfte. Ohne sie gäbe es das Buch nicht. Ich danke allen für den Mut, anderen Menschen einen Einblick in sehr persönliche, intime Erfahrungen © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Worum es in diesem Buch geht9
zu gewähren. Es berührt mich immer wieder zutiefst, wie trauernde Menschen es schaffen, mit ihrem schmerzhaften Verlust leben zu lernen, welche Kräfte sie entfalten und welche Zukunftsperspektiven sie für sich entwickeln. In meinen Ausführungen orientiere ich mich an Erkenntnissen verschiedener Trauerforscher, wie zum Beispiel William Worden, Dennis Klass, David Trickey, Hansjörg Znoj, Margret Stroebe und Henk Schut. Zur besseren Lesbarkeit habe ich im Folgenden die männliche Form »Jugendlicher« gewählt, auch wenn gleichzeitig weibliche Jugendliche gemeint sind, und mich durchweg dafür entschieden, die männlichen Formen geschlechterübergreifend zu verwenden. Mit meinen Informationen und Orientierungshilfen möchte ich im Umgang mit Trauer und Verlust Verständnis füreinander schaffen, zur Überwindung von Sprachlosigkeit und Ohnmacht beitragen und zur Kommunikation in der Familie anregen. Das Buch kann in der Klein- und Großfamilie hilfreich sein. Stellen Sie es darum möglichst vielen Menschen zur Verfügung, aber drängen Sie bitte niemanden, es zu lesen. Sie können sich mit anderen zu Vorschlägen und Impulsen dieses Buches austauschen (auch ohne dass alle es gelesen haben), sie verwerfen oder ergänzen und zusammen dafür sorgen, dass Jugendliche gut begleitet werden. Ich möchte Sie und Ihre Familie mit diesem Buch ermutigen, Trauer in der Familie nicht zu verdrängen, sondern sie als Möglichkeit zu verstehen, trotz des Schmerzes eigene, aber auch gemeinsame neue Wege und Perspektiven zu entwickeln. Denn: Trauer kann individuell und gemeinschaftlich aktiv gestaltet werden. Was Sie nicht im Buch finden, sind allgemeingültige Methoden im Umgang mit Trauernden, denn jeder Mensch, jede Lebenssituation und jede Familie ist anders. Vielmehr möchte ich Sie ermutigen, in einer Ihnen entsprechenden Weise auf Ihre individuelle Familiensituation und die Persönlichkeit des Jugendlichen einzugehen. Die Familie kann viel dazu beitragen, dass der Trauerprozess des Jugendlichen nicht durch Unsicherheit, fehlende Informationen und verletzende Erfahrungen erschwert und belastet wird. Eine hilfreiche Begleitung kann gelingen, auch wenn Sie im Augenblick vielleicht den Eindruck haben, vor unüberwindbaren Hürden zu stehen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Grundsätzliches zu Trauer und Verlust
Fragen und Unsicherheiten im Zusammenhang mit Trauer sind normal. Hilfreich sind deshalb zunächst allgemeine Informationen, wie sie dieses Kapitel zusammenstellt. Sie erleichtern meist den Umgang sowohl mit der eigenen als auch mit der Trauer der anderen. Trauer ist ein Lebensthema
Sie ist Bestandteil unseres Lebens. Wir alle, Kinder, Jugendliche und Erwachsene, machen zwangsläufig Verlusterfahrungen im Leben. Unser aller Lebensweg ist geprägt von kleinen und großen Abschieden. Der Verlust eines nahestehenden Menschen ist ein einschneidendes und sehr schmerzvolles Erlebnis. Trauern ist eine normale Reaktion
Trauern ist keine Krankheit, sondern eine natürliche Reaktion auf einen Verlust. Trauerprozesse werden durch Verluste ausgelöst. Nach dem Tod eines nahestehenden Menschen reagieren wir mit unserem Körper und unserer Seele auf den Verlust. Ist der Tod absehbar, zum Beispiel durch eine unheilbare Krankheit, setzt der Trauerprozess schon vor dem Tod ein. Intensive Gefühle
Trauernde Menschen, auch Kinder und Jugendliche, sind vielen unterschiedlichen, sehr intensiven und oft widersprüchlichen Gefühlen, wie Schmerz, Weinen, Lachen, Kummer, Verzweiflung, Liebe, Neid, Ohnmacht, Wut, Scham, Panik, Freudlosigkeit, Angst, Trauer, Sehnsucht, Dankbarkeit, ausgesetzt. Das Erleben dieser gewaltigen, gegensätzlichen Gefühle kann verwirrend und beängstigend sein. Vielfach spielt die Auseinandersetzung mit Gedanken, schuldig zu sein, eine belastende Rolle. Alle Gefühle haben ihre Berechtigung, auch Wut, Neid und Hass. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Grundsätzliches zu Trauer und Verlust11
Trauer ist ein Prozess
Trauer ist nicht, wie früher vermutet, eine chronologische Abfolge von verschiedenen Phasen, die durchlebt werden müssen. Trauer ist ein langer, sehr komplexer Prozess, der sich wandelt und notwendig ist, um ohne den Verstorbenen leben zu lernen. Trauer ist nicht unser Feind. Sie hilft dabei, den Verlust in unser Leben zu integrieren. Trauerprozesse sind von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängig. Manchmal können frühere Verluste oder alte Lebensthemen im Trauerprozess wieder auftauchen. Trauer ist schmerzvoll
Trauern bedeutet leiden. Trauerprozesse kosten unendlich viel Kraft und können an seelische und körperliche Grenzen führen. Die Dauer der Beziehung zum Verstorbenen ist nicht unbedingt ein Maßstab für die Intensität der Trauer. Wir können intensiv und schmerzvoll trauern, auch wenn wir den Verstorbenen noch nicht lange gekannt haben. Wesentlich ist unsere innere Verbundenheit zum Verstorbenen. Den Schmerz um die verstorbene Person kann uns niemand abnehmen. Trauerprozesse müssen durchlebt werden. Wir können unsere Trauer nicht dauerhaft verdrängen. Irgendwann wird sie wieder auftauchen und sich ihren Weg bahnen. Trauer ist individuell
Trauerprozesse verlaufen bei jedem Menschen anders. Es gibt so viele verschiedene Trauerwege wie Menschen. Jeder hat andere Bedürfnisse und Sorgen in seiner Trauer. Manchmal ist es hilfreich zu schauen, wie andere mit ihrer Trauer umgehen, um Impulse für den eigenen Trauerweg zu bekommen. Der Trauernde selbst ist der einzige Mensch, der weiß, wie sich seine Trauer anfühlt. Ein richtiges oder falsches Trauern gibt es nicht. Trauer braucht Zeit
Trauern lässt sich nicht in zeitliche Gesetzmäßigkeiten zwängen. Oft fragen Menschen: »Wann ist die Trauer endlich zu Ende?« Vier Wochen, drei Monate, ein Jahr sind keine lange Zeit für einen Trauerprozess. Trauer braucht viel Zeit und wird immer ein Teil unseres Lebens sein. Sie hört nie ganz auf, ist nie wirklich abgeschlossen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Grundsätzliches zu Trauer und Verlust
Immer wieder wird es Augenblicke und Zeiten in unserem Leben geben, in denen wir die Sehnsucht nach dem geliebten Menschen schmerzlich spüren. Trauer um das, was wir mit diesem Menschen nicht erleben konnten, kann uns ebenso auf unserem weiteren Lebensweg begleiten. Es kommt vor, dass Menschen erst nach langer Zeit beginnen den Trauerschmerz zu spüren. Trauer wandelt sich und es ist möglich, damit leben zu lernen, wieder Glück und Freude zu empfinden. Wir müssen nicht, auch wenn uns dies zunächst so erscheinen mag, daran zerbrechen. Trauer braucht Ausdruck
Trauer braucht Raum und Ausdruck. Trauernde brauchen die Möglichkeit, die mit dem Verlust verbundenen Gefühle, Gedanken und Sorgen verbal oder nonverbal auszudrücken. Der Verlust muss als solcher gewürdigt und in das neue Lebensgefüge integriert werden. Der Ausdruck, den Menschen für ihre persönliche Trauer finden, ist vielfältig und verdient Respekt. Themen der Trauer
Bei aller Individualität tauchen in Trauerprozessen sich ähnelnde Themen auf, mit denen sich Trauernde auseinandersetzen. Der amerikanische Trauerforscher William Worden (2010) unterscheidet vier Themen bzw. Aufgaben der Trauer: 1. den Verlust als Realität akzeptieren, 2. den Schmerz erfahren, 3. sich an eine Welt ohne den Verstorbenen anpassen und Neuorientierung finden, 4. eine dauerhafte, neue Bindung zum Verstorbenen finden und sich dabei auf ein neues Leben einlassen. Die Themen der Trauer können wiederholt auftauchen und unter anderen Aspekten und Sichtweisen angegangen werden. Der Verlust wird so immer wieder neu in die eigene Lebensbiografie eingeordnet. Faktoren, die Trauerprozesse beeinflussen
Warum trauert jeder anders, obwohl die Themen, die die meisten während des Trauerprozesses beschäftigen, ähnlich zu sein scheinen? Wie Menschen lernen mit dem erlittenen Verlust zu leben, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. So erklärt sich, dass jeder individuell trauert und andere Bedürfnisse und Sorgen in seiner Trauer hat. Jeder © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Grundsätzliches zu Trauer und Verlust13
Mensch ist einzigartig und bringt seine persönliche Lebensgeschichte, seine individuellen Lebenserfahrungen und besonderen Fähigkeiten mit in den Trauerprozess. Weitere Faktoren, die den Trauerprozess beeinflussen, sind zum Beispiel die Art der Beziehung zum Verstorbenen, Erfahrungen von Bindung, der persönliche Entwicklungsstand, das Erfahren der Todesnachricht oder die Todesumstände. Zudem spielen Aspekte wie die Lebensumstände (Familiensituation, Vorverluste, eigene Gesundheit), zusätzliche Belastungen (Umzug, Schulwechsel, Arbeitslosigkeit, finanzielle Unsicherheit), das soziale Umfeld und die darin erfahrene und als hilfreich empfundene Unterstützung sowie die eigenen Ressourcen (Selbstwertgefühl, Bewältigungsstrategien, Selbstwirksamkeit) eine wichtige Rolle im Trauerprozess. Daneben haben Kultur, Religion, Geschlecht sowie Erfahrungen und Wissen in Bezug auf den Themenkomplex Sterben, Tod und Trauer, die Gesamtstruktur der Familie sowie die Art des Umgangs mit Krisen und Verlust in der Familie Einfluss auf den Trauerprozess. In der Begleitung sollten diese Faktoren berücksichtigt und die Unterstützung dementsprechend ausgerichtet werden. Achten Sie deshalb auch darauf, in welchen der oben genannten Kontexte der Jugendliche trauert. Trauer aktiv gestalten
Menschen, die uns nahestehen, sterben. Wir können das nicht verhindern. Aber wir können den schmerzhaften Trauerprozess um den verstorbenen Menschen selbst aktiv gestalten. Wir sind unserer Trauer nicht ohnmächtig ausgeliefert. Wir können akzeptieren, dass der Tod unausweichlich zu unserem Leben gehört. Es ist unsere Entscheidung, uns unsere Trauer zu erlauben und die damit verbundenen Gefühle zuzulassen. Wir können lernen, unsere Trauer und unser Schicksal anzunehmen und belastende Bilder loszulassen. Es liegt in unserem Ermessen, Lebensentwürfe neu zu gestalten und neue Beziehungen zu knüpfen. Dabei müssen wir den Verstorbenen nicht loslassen, wir können uns weiter mit ihm verbunden fühlen und ihm einen neuen Platz in unserem Leben geben. Nie wieder
Vielleicht haben Sie den Eindruck, dass es Ihnen niemals möglich sein wird, mit dem Verlust leben zu können. »Wie kann ich über© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Grundsätzliches zu Trauer und Verlust
haupt weiterleben?« »Nie wieder werde ich glücklich sein.« Möglicherweise kennen Sie solche Gedanken von sich oder dem Ihnen verbundenen Jugendlichen. Bitte vertrauen Sie darauf, dass es möglich ist. Wir können zum Beispiel die meist negativ gedeutete Tatsache, dass nichts bleibt, wie es war, aus positiver Sicht betrachten. Alles ist im Wandel, alles verändert sich. Somit auch unsere Trauer. Vielleicht können Sie es jetzt noch nicht glauben. Menschen können lernen mit ihrer Trauer zu leben und dabei wieder glücklich zu sein, neue Lebenswege zu gehen und zu einem erfüllten, zufriedenen Leben zu finden. Dabei ist der Verstorbene nicht vergessen und die Trauer nicht verschwunden. Sie gehören zu unserem Leben wie so vieles andere auch.
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Die besondere Lebenszeit: die Jugend
Jugendliche sind keine Kinder mehr. Sie haben andere Fragen und Anliegen in ihrer Trauer als Kinder. Die Frage nach einem sachlichen Verständnis von Sterben und Tod steht zum Beispiel nicht mehr so im Vordergrund. Auch wenn es die gleichen Aufgaben in der Trauer sind, mit denen Trauernde, ob jünger oder älter, sich beschäftigen, haben Jugendliche ihrer Entwicklung entsprechende Wünsche und Sorgen sowie ihren eigenen Ausdruck. Dementsprechend sollten wir sie ansprechen und begleiten. In diesem Kapitel wird deshalb beschrieben, mit welchen Entwicklungsaufgaben Jugendliche sich allgemein in der Pubertät beschäftigen. (Ich beziehe Erkenntnisse und Hinweise der Entwicklungspsychologen Rolf Oerter und Leo Montada, 2008, in meine Darstellung ein.) Vor diesem Hintergrund fällt es oft leichter, trauernde Jugendliche zu verstehen und sie zu unterstützen. Missverständnisse und Verurteilungen können eher vermieden werden. Nicht nur für Jugendliche ist die Pubertät eine anstrengende Lebenszeit. Eltern, Geschwister und nahe Bezugspersonen erleben die körperlichen und seelischen Veränderungen Jugendlicher, die mit Ablösungsprozessen und Konflikten im Alltag einhergehen, oft als sehr belastend und verunsichernd. Die Pubertät ist eine Zeit mit manchmal schmerzhaften Erfahrungen für beide Seiten. Jugendliche verhalten sich häufig ambivalent. Sie rebellieren, möchten sich von den Eltern lösen und brauchen zugleich deren Schutz. Schroffe Antworten und Ablehnung stehen neben dem Bedürfnis nach Nähe und Sicherheit. Die sensible Entwicklungsphase der Pubertät ist für Jugendliche eine von Umbruch und Unsicherheit geprägte Zeit. Entwicklung kann unter zwei Aspekten erlebt werden: einerseits als eine Situation, in der es nötig ist, Bekanntes zu verlassen, als Verlust von Sicherheit, als Risiko, andererseits als Fortschritt mit neuen Möglichkeiten und Freiheiten. Damit sind Abschied und Neubeginn grundsätzliche Themen der Pubertät. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Die besondere Lebenszeit: die Jugend
Vorhandene Gewohnheiten und Handlungsmuster verlieren an Bedeutung. So treten Spiele mit Autos oder Barbies in den Hintergrund, Abschiedsküsse der Mutter in der Öffentlichkeit werden peinlich und für den Weg zur Schule wird lieber der Bus als weiterhin das Auto des Vaters gewählt. Kleidungsstil, Musikgeschmack, Essgewohnheiten, das Verhalten gegenüber Bezugspersonen und vieles andere verändern sich. Heranwachsende möchten nicht »kindisch« erscheinen, wollen selbstständig sein, vermissen gleichzeitig aber die »alten Zeiten«. Diese gegensätzlichen Gefühle verwirren. Jugendliche sind zwischen Kind zu sein und erwachsen zu werden hin und her gerissen. Einerseits brauchen sie die sicheren Strukturen und den Schutz ihrer Familie, andererseits möchten sie aufbrechen in neue Welten. Vieles ist im Umbruch und häufig bestehen noch keine entsprechenden Strategien, um mit den neuen Anforderungen zurechtzukommen. Zudem müssen Heranwachsende lernen, mit den körperlichen Entwicklungen und damit einhergehenden neuen Erfahrungen umzugehen. Dabei erleben sie Gefühle von Scham, aber auch Ängste. So sind Jugendliche emotional auf vielfache Weise gefordert. Sie möchten die Welt entdecken und ihren Platz darin finden, erleben dabei aber oft ein Gefühlschaos. Freude und Leid sind eng miteinander verbunden. »Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt« sind nicht umsonst Begriffe, die in diesem Zusammenhang häufig fallen. Jugendliche erleben die Pubertät als eine Zeit mit intensiven, emotionalen Erlebnissen und Schwankungen. Sie möchten »cool sein, cool bleiben«, das heißt, die Kontrolle über extreme Emotionen behalten. Eine wesentliche Aufgabe in der Pubertät ist es, zu lernen starke Emotionen zu kanalisieren, sich selbst zu beruhigen und Emotionen anderer wahrzunehmen, ohne selbst davon überwältigt zu werden. Die Angst, eigene Gefühle nicht mehr kontrollieren zu können, ist deshalb häufig die Ursache für Rückzug, Ignoranz oder sogar aggressives Verhalten. Jugendliche sind auf der Suche nach ihrer Identität, eigenen Werten und Lebenszielen. Gesellschaftliche Normen, Werte und Erwartungen an die Rolle als Frau oder Mann beeinflussen diese Suche. Die vielfältigen Aufgaben in der Entwicklung werden von Jugendlichen häufig als starke Belastung empfunden. Verunsicherung, Gefühle von © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Die besondere Lebenszeit: die Jugend17
Überforderung und Selbstwertverlust treten darum häufig in dieser Entwicklungsphase auf. Konflikte im persönlichen, familiären oder schulischen Umfeld sind nicht selten. Pubertiert ein Jugendlicher, fordert dies von ihm selbst enorme Kraft und Anstrengung, aber auch die gesamte Familie braucht Geduld und Verständnis. Erfahren Jugendliche und ihre Familie in dieser sensiblen Entwicklungsphase den Verlust eines nahen Menschen, ist leicht zu verstehen, wie unglaublich anstrengend es für alle ist, sich in der durch Verlust und Trauer veränderten Lebenssituation zurechtzufinden und verständnisvoll miteinander umzugehen und zu kommunizieren.
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Jugendliche trauern – aber wie?
Zunächst möchte ich mich dem Erleben trauernder Jugendlicher annähern, indem ich den Fragen nachgehe: »Wie wirkt sich die Entwicklungsphase der Pubertät auf die Trauer aus?«, »Wem können Jugendliche ihre Trauer zeigen?«, »Welche Ausdrucksmöglichkeiten finden Jugendliche für sich?« und »Was wünschen sich Jugendliche in ihrer Trauer und was nicht?« Die Antworten, die in diesem Kapitel aufgezeigt werden und die sich allgemein auf das Trauern Jugendlicher beziehen, können Sie dann im Hinblick auf Ihre persönliche Lebenssituation und die des trauernden Jugendlichen ergänzen.
Jugendliche trauern Jugendliche können nicht von den vielfältigen Auswirkungen, die durch den Tod einer nahestehenden Person entstehen, ferngehalten werden. Für Kinder und Jugendliche jeden Alters ist der Tod eines nahestehenden Menschen ein nicht nur emotional folgenschweres Ereignis. Jugendliche erleben nach dem Verlust zum einen die Veränderungen ihres eigenen Empfindens. Sie nehmen zum anderen darüber hinaus psychische Reaktionen (Trauer, Angst, Verzweiflung, Aggression) und veränderte Verhaltensweisen von Bezugspersonen (zum Beispiel den Verlust an Zuwendung) sensibel wahr und spüren zusätzliche Belastungen (wie Trennungen, einen Umzug, Hobbys, die aufgegeben werden müssen) und Veränderungen (wie die Auflösung verlässlicher Strukturen oder das Zerbrechen familiärer Zukunftsentwürfe) im gewohnten Alltag (zum Beispiel bei der täglichen Versorgung) oft sehr schmerzlich. Die Situation verlangt von allen Familienmitgliedern, das heißt auch von den Jugendlichen, auf vielen Ebenen große Anpassungsleistungen an die neue Lebenssituation. Dieser Prozess ist gerade für junge Menschen enorm anstrengend.
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Trauer vor dem Hintergrund der Pubertät19
Trauer vor dem Hintergrund der Pubertät Gerade die sensible Entwicklungsphase der Pubertät macht es Jugendlichen schwer, ihren Weg und einen Ausdruck für ihre Trauer zu finden. Jugendliche drücken ihre Trauer oft anders aus, als Erwachsene es erwarten oder vermuten. Manche Jugendliche verhalten sich in ihrer Trauer ihrer Entwicklung entsprechend und grenzen sich von Bezugspersonen ab. Sie wehren sich gegen Annäherung, lehnen Zuwendung ab und greifen Ansichten ihrer Bezugspersonen an. Sie suchen nach individuellen Ausdrucksformen und möchten keine Verhaltensvorschriften von Erwachsenen. Es ist möglich, dass Jugendliche nach dem Tod eines nahen Menschen keine oder wenig Emotionen zeigen, obwohl sie trauern. Sie wirken »cool«, unnahbar und tun so, als sei nichts geschehen. »Cool zu bleiben« ist nach außen hin zu diesem Zeitpunkt häufig zunächst die einzige Strategie, mit intensiven Gefühlen umzugehen. Andere Jugendliche werden von extremen Gefühlen überwältigt. Zudem erleben Jugendliche, wie auch Erwachsene, starke Stimmungsschwankungen sowie widersprüchliche und intensive Gefühle in der Trauer, die zusätzlich zu den normalen Entwicklungsprozessen und Stimmungen der Pubertät zu Ängsten, Verwirrung und Aggressionen führen können. Allein auf Grund ihrer Entwicklung befassen Jugendliche sich mit existenziellen Fragen des Lebens: Fragen nach Leben, Sterben, Tod und Lebenssinn. Durch den Tod eines nahestehenden Menschen bekommt diese Auseinandersetzung noch einmal mehr Gewicht und sorgt zugleich für Verunsicherung auf der Suche nach Antworten. Frühere Lösungen werden durch den erlebten Tod plötzlich sinnlos. Mit dem Tod und dadurch mit der eigenen Vergänglichkeit konfrontiert, wird die Sinnhaftigkeit des Lebens und vieles andere hinterfragt. Vor dem Hintergrund der Verlusterfahrung eigene tragfähige Antworten zu finden und sich auf neue Erfahrungen einzulassen, kann für Jugendliche eine große Herausforderung sein. Dementsprechend kann ein Verlust bei Jugendlichen eine tiefe Sinn- oder Identitätskrise bewirken sowie autodestruktive Verhaltensweisen oder Suizidgedanken verstärken. Mit seinen gewaltigen Auswirkungen auf die Seele, den Körper und oft auf den Lebensalltag löst der Tod bei Jugendlichen starke Unsicherheit und den Verlust von Selbstvertrauen aus. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Damit wird die Suche nach der eigenen Identität, nach Lebenszielen und Werten erschwert. Es fällt schwer, an eine persönliche Zukunft zu glauben, wenn der Tod so schnell alles zerstören kann. Jugendlichen fehlt nach dem Erleben eines schweren Verlusts häufig der Mut, sich auf neue Erfahrungen und Beziehungen, auf Anforderungen und Veränderungen der persönlichen Entwicklung sowie innerhalb und außerhalb der Familie einzulassen. Sie brauchen in ihrer sensiblen Entwicklungsphase viel Zuspruch, um eigene Lebensperspektiven zu entwickeln, eine neue innere Stabilität und Sicherheit zu finden und das Erlebte in die eigene Lebensbiografie zu integrieren.
Mögliche Trauerreaktionen Der Tod eines geliebten Menschen wirkt sich auf unser ganzes Sein aus. Die Erfahrung, dass dieser Mensch endgültig nicht wiederkommt, wird als grundlegender Einschnitt im Leben jedes Menschen erlebt. Sie überflutet uns mit intensiven, oft bisher nicht gekannten Gefühlen, Gedanken und Fragen. Lebensplanungen und Gewohnheiten müssen aufgegeben, vieles muss neu geordnet werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir erwachsen oder jugendlich sind. Viele Trauernde kommen an ihre physischen und psychischen Grenzen und wissen manchmal nicht mehr, ob sie überhaupt noch genügend Kraft haben, mit all den Veränderungen, die in ihr Leben einbrechen, zurechtzukommen. Körperliche Reaktionen
Nicht nur die Seele reagiert auf einen schweren Verlust. Auch der Körper antwortet darauf. Kopf- oder Bauchschmerzen, Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Erschöpfung, Übelkeit oder ein anfälliges Immunsystem können Reaktionen auf den Tod eines nahestehenden Menschen sein. Gefühle und andere Reaktionen
Trauer hat sehr viele unterschiedliche Gesichter. Menschen brechen in ihrer Trauer zusammen, weinen, schreien, sind traurig und verzweifelt. Sehr intensive, wechselnde und widersprüchliche Gefühle gehören zum Trauerprozess. Trauernde erleben Gefühle von Haltlosigkeit, als ob der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Die © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Reaktionen auf das Schicksal können verwirrend sein. Wut, Aggression, Angst, Albernheit, Lachen, Hass und Schuldgedanken können ebenso dazu gehören wie Schock, Panik, permanente Verdrängung, Niedergeschlagenheit, Ratlosigkeit, Scham, Leere, Enttäuschung, Hilflosigkeit, Schmerz oder auch Gefühle wie Dankbarkeit, Freude, Liebe, Erleichterung. Sätze, die ich in diesem Zusammenhang immer wieder höre, sind: »Ich kenne mich selbst gar nicht wieder«, »Es macht mir Angst, so extreme Gefühle zu haben.« Gewohntes und Vertrautes ist weggebrochen. Vieles zeigt sich plötzlich aus einem anderen Blickwinkel und erschüttert das Selbst- und Weltbild bis ins Tiefste. Selbstsicherheit und das Vertrauen in das Gute, das Positive in der Welt sind häufig verloren. Weil sich durch den Tod so vieles geändert hat, entstehen oft Gefühle von Überforderung und Resignation. Trauernde ziehen sich manchmal aus ihrem sozialen Umfeld zurück, weisen Freunde ab oder geben Hobbys und Lebensträume auf. Trauernde Jugendliche haben ebenso wie trauernde Erwachsene manchmal verwirrende Wahrnehmungen. Sie glauben, den Verstorbenen gesehen, gehört oder gespürt zu haben. Trauernde fürchten dann, dass sie verrückt würden, weil sie nicht wissen, dass dies normale Reaktionen auf einen Verlust sind. Nicht immer haben Jugendliche den Mut, über verwirrende Erlebnisse oder erschreckende Veränderungen, die sie an sich feststellen, zu sprechen. Hinweis: Informieren Sie trauernde Jugendliche darüber, dass es körperliche und seelische Trauerreaktionen gibt, die zum Trauerprozess gehören.
Träume
Intensive Träume können eine Reaktion auf einen schweren Verlust sein. Schreckliche oder schöne, tröstliche Träume können auftreten. Träume können wichtige Hinweise für die Trauerarbeit geben. Hinweis: Fragen Sie Jugendliche nach ihren Träumen. Weisen Sie darauf hin, dass Träume im Zusammenhang mit dem Verstorbenen Ausdruck des Trauerprozesses sind. Es kann eine wertvolle Auskunft sein, dass das Aufschreiben der Träume entlastend und klärend wirken kann.
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Fragen
Trauernde Menschen befassen sich mit vielen Fragen und sind auf der Suche nach Antworten. Fragen zum Sinn des eigenen Lebens, zum Ereignis, zu eigener oder fremder Schuld am Geschehen beschäftigen den trauernden Menschen. Viele dieser Fragen können sehr quälend sein und belastende Bilder und Fantasien auslösen. Jugendliche und Erwachsene fragen sich: »Warum gerade er?«, »Warum schon jetzt?«, »Hätte ich das nicht verhindern können?«, »Haben die Ärzte auch alles getan?«, »Warum muss ich das erleben?«, »Wie soll ich je wieder glücklich sein?«, »Was hat mein Leben noch für einen Sinn?« Lebensfreude, Lebenssinn und manchmal auch der Lebenswille gehen durch den Tod eines nahestehenden Menschen verloren. Es erscheint unmöglich, jemals wieder ein erfülltes Leben führen zu können, weil Lebensmut und Perspektiven fehlen. Trauer verändert das Verständnis, das wir von uns selbst, von unserer Umwelt, gegenüber bestimmten Werten, Normen und Lebensentwürfen hatten. Vieles wird hinterfragt und muss neu definiert werden. Das kostet Kraft und braucht Zeit. Aber: Trauer ermöglicht ebenso, zu einem neuen Selbstverständnis und Lebenskonzept zu finden. Hinweise: Versuchen Sie nicht, Jugendlichen Antworten auf Fragen zu geben, auf die es keine sachliche Antwort geben kann. Lassen Sie sie ihre eigenen Antworten finden, die sie in ihrem Kummer trösten. Akzeptieren Sie, dass wir alle mit offenen Fragen leben müssen. Bieten Sie eher Halt durch Ihre Anwesenheit, Nähe und Ehrlichkeit. Es tut gut, Anerkennung des Leids zu erfahren. Bestätigen Sie deshalb, dass es schlimm ist, was dem Jugendlichen zugestoßen ist. So hat er das Gefühl, in seinem Kummer ernst genommen und verstanden zu werden. Jugendliche erwarten meist keine fertigen Antworten und Lösungen. Sie sind daran interessiert, ihre persönliche Weltsicht zu entwickeln. Tauschen Sie sich deshalb mit Jugendlichen zu Warum-Fragen oder Vorstellungen, was nach dem Tod sein wird, aus. Suchen Sie nach gemeinsamen Antworten und erlauben Sie sich unterschiedliche Antworten auf die gleichen Fragen. Sich aus dieser Haltung heraus auf Augenhöhe zu begegnen, verbindet, schafft Vertrauen und ist eine gute Basis für die weitere Beziehung zueinander.
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Existenzfragen
Sorgen um die eigene Existenz oder die Angehöriger können Trauernde zusätzlich zum Schmerz des Verlusts belasten. Jugendliche fühlen sich häufig existenziell bedroht und orientierungslos. Sie fragen sich: »Wer wird jetzt den Lebensunterhalt verdienen?«, »Was ist, wenn Mama jetzt auch krank wird?«, »Wann und wie sterbe ich selbst?«, »Wie können wir unseren Lebensstandard erhalten?«, »Kann ich meine Schule, meine Ausbildung oder mein Studium unter diesen Umständen noch beenden?«, »Muss ich jetzt meinen jüngeren Bruder versorgen?«, »Müssen wir umziehen?« Hinweis: Entlasten Sie den Jugendlichen, indem Sie ihn auf mögliche Unsicherheiten ansprechen und gemeinsam mit ihm realisierbare Lösungen in den Blick nehmen. Informieren Sie sich zu Fragen, auf die es eine sachliche Antwort gibt.
Schuld
Schuldgedanken tauchen nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen häufig auf. Trauernde beschäftigen sich mit Gedanken, die sie glauben machen, sie hätten nicht für genug Sicherheit gesorgt und durch Versäumnisse oder eigenes Verhalten zum Tod beigetragen. Sie stellen sich Fragen wie: »Hätte ich den Tod noch verhindern können?«, »Warum habe ich nicht noch …?«, »Warum habe ich nicht früher bemerkt, dass …?«, »Wären wir nicht dorthin gefahren, wäre der Unfall nicht passiert …!« Gedanken von Schuld entstehen vielfach aus dem Bedürfnis, den Tod zu erklären und Ursachen für ihn zu finden. Sie tauchen oft da auf, wo Todesumstände rätselhaft sind. Schuld kann auch eine Reaktion auf die durch den Tod ausgelöste Ohnmacht sein. Trauernde geben sich in derartigen Fällen entweder selbst die Schuld am Geschehen oder schreiben anderen die Schuld am Tod des nahestehenden Menschen zu (zum Beispiel Ärzten, Familienangehörigen, Menschen, die zum Todeszeitpunkt anwesend waren). Schreckliche Ereignisse werden so erklärbarer. Das Unfassbare soll durch die Zuschreibung einer Ursache verständlicher und erträglicher gemacht werden. Ausgelöst werden können Schuldgedanken auch, weil man selbst noch lebt: »Warum lebe ich noch und er ist tot?«, »Darf ich mein Leben noch leben und genießen, obwohl sie tot ist?« © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Dann ist es schwer, wieder zu eigener Lebensfreude und Lebenssinn zu finden. Gerade im Zusammenhang mit Suizid tauchen Schuldgedanken häufig auf. Sie sind meist verbunden mit Gefühlen von Scham. Für Betroffene, die sich schuldig fühlten, sei es wichtig, so der Trauerforscher W. Worden, sich mit sich selbst auszusöhnen. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Schuld real oder irreal sei (2010, S. 94). Hinweise: Versuchen Sie nicht, Jugendlichen Schuldgedanken auszureden. Diskutieren Sie sie nicht einfach weg, sondern nehmen Sie sie ernst. Für den trauernden Jugendlichen ist es wichtig, sich mit diesen Gedanken auseinanderzusetzen. Trauernden, die mit Schuld zu kämpfen haben, kann es helfen, Informationen zum Todesumstand oder zur Todesursache zu bekommen. Vielleicht ist es möglich, Gespräche mit Menschen zu führen, die das Sterben begleitet haben oder unmittelbar davor oder danach anwesend waren. Denkbar ist auch, Einsicht in die Krankenakte oder den Polizeibericht zu nehmen. Aggressionen, die häufig im Zusammenhang mit Schuld auftreten, brauchen Raum. Lassen Sie zu, dass der Jugendliche Wut zeigt. Vermeiden Sie gegenseitige Schuldzuweisungen: »Du bist schuld, dass Moritz ertrunken ist, ohne dich wäre er nie so weit rausgeschwommen«, »Wenn du dich nicht mit Papa gestritten hättest, wäre er nicht so aufgeregt gewesen und der Unfall wäre nicht passiert.« Mangelnde Informationen können dazu führen, dass Jugendliche sich die Schuld an dem geben, was geschehen ist. Achten Sie bitte deshalb darauf, Zusammenhänge zu erklären und Tatsachen zu benennen. Ich empfehle, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn Schuldgedanken und Aggressionen eine überragende Rolle im Trauerprozess des Jugendlichen einnehmen.
Scham
Jugendliche schämen sich, weil sie die intensiven Gefühle der Trauer nicht kontrollieren können. Sie schämen sich aber auch, wenn sie gar keine Gefühle oder die »falschen« (nicht vom Lebensumfeld erwarteten) Gefühle zeigen. Sie schämen sich, weil sie sich in ihrer Trauer klein und hilflos vorkommen, wie ein Kind, obwohl sie erwachsen sein möchten. Sie schämen sich, weil sie sich schuldig fühlen oder weil sie neidisch sind, dass es anderen besser geht als ihnen selbst. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Sie schämen sich, weil ihnen die Todesursache peinlich ist und/ oder diese gesellschaftlich verurteilt wird (Suizid, Aids, Drogentod, Schuld des Verstorbenen am Tod anderer, geheime Beziehungen …). Hinweis: Sie können Jugendliche unterstützen, indem Sie anerkennen, wie verwirrend und anstrengend Trauerprozesse sind. Stärken Sie Jugendliche, indem Sie ihnen mit Respekt begegnen, auch dann, wenn Ihnen die Scham unangemessen oder übertrieben vorkommt. Richten Sie den Blick auf sich selbst. Wo empfinden Sie Scham und wünschen sich Verständnis und Schutz?
Rückschritte in der Entwicklung – Regressionen
Meine Erfahrung aus den Begleitungen Jugendlicher ist, dass nicht nur Kinder nach einem schweren Verlust häufig auf frühere Verhaltensmuster zurückfallen, hier vornehmlich das »Einnässen«, sondern auch Jugendliche. Bisher ist das ein großes Tabuthema. Für Jugendliche ist es sehr erschreckend, wenn sie feststellen, dass sie wieder einnässen. In die Zeit des Erwachsenwerdens passt dieses kindliche Verhalten nicht. Gerade in der Pubertät spielen Körperlichkeit und körperliche Entwicklung eine wichtige Rolle. Jugendliche schämen sich so sehr, dass sie meist mit niemandem darüber sprechen. Sie versuchen ihr peinliches Problem zu verheimlichen. Jugendliche empfinden sich als unnormal, fürchten, nicht erwachsen zu werden oder auch über andere Dinge wieder die Kontrolle zu verlieren. Sie fühlen sich in ihrer Rolle als heranwachsende Frau/heranwachsender Mann entwertet und unglaublich verunsichert. Hinweis: Informieren Sie Jugendliche sachlich darüber, dass »Einnässen« eine mögliche und normale Trauerreaktion sein kann, die wieder vorbeigeht, und dass andere trauernde Kinder und Jugendliche ähnlich reagieren. Informationen zu schambesetzten Themen sowie der offene Umgang mit ihnen entlasten und erleichtern den Trauerprozess sowie die Kommunikation zu schwierigen Themen in der Familie. Häufig tritt das »Bettnässen« erneut auf, wenn Jugendliche nach dem schweren Verlust wieder einen Verlust erleiden (zum Beispiel Trennung der Eltern). Wird das Bettnässen zu einer dauerhaften Belastung, sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden.
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Verborgene Trauer
Bezugspersonen sind oft irritiert, weil Jugendliche nach einem schweren Verlust zunächst häufig so tun, als sei nichts geschehen. Sie funktionieren weiter, erledigen ihren Alltag und zeigen nach außen keine Emotionen oder Veränderungen in ihrem Verhalten. Das bedeutet jedoch nicht, dass diese Jugendlichen nicht trauern. Hinweis: Häufig bearbeiten Jugendliche ihre Trauer erst, wenn sie spüren, dass es ihren Bezugspersonen besser geht und sie sich ihnen zumuten können. Das kann auch Jahre später sein. Meist erkennen dann weder die Jugendlichen selbst noch die Menschen aus ihrem Lebensumfeld den Zusammenhang mit dem erlebten Verlust.
Aggressionen
Heftige Reaktionen auf den Verlust können Aggression, Zorn und Wut sein. Trauernde erschrecken meist, wenn sie ihre Wut spüren, und versuchen diese zu unterdrücken. Sie schämen sich, weil sie glauben, dass solche Gefühle in der Trauer nicht sein dürften. Wut, Neid, Hass und Aggressionen sind jedoch normale Reaktionen auf einen Verlust. Trauernde, Jugendliche wie Erwachsene, empfinden zum Beispiel Wut auf den Verstorbenen, weil er sie alleingelassen hat, es nicht möglich war, sich zu verabschieden, der Verstorbene sich in Gefahr begeben hat, es vor dem Tod Streit gab und vieles mehr. Gefühle wie Wut, Zorn, Hass und Aggression haben ihre Berechtigung. Sie brauchen Akzeptanz und müssen gelebt werden. Hinweis: Beziehen Sie Aggressionen nicht auf sich. Reagieren Sie nicht mit Gegenaggression. Zeigen Sie Verständnis und Zuneigung: »Bist du wütend, weil Papa nicht mehr da ist und so vieles für dich jetzt anders ist?« Schaffen Sie Möglichkeiten, damit der Jugendliche seine Gefühle ausleben kann. Sie können zum Beispiel vorschlagen, einen Boxsack anzuschaffen, Stöcke zu werfen, im Wald zu brüllen, Steine zu schleudern, zu stampfen, zu lauter Musik zu singen, zu malen, zu tanzen, Rad zu fahren …! Setzen Sie Rahmenbedingungen: »Lebendiges oder das Eigentum anderer darf nicht zerstört werden!«
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Trauer auch nach Jahren, über Jahre
Jugendliche werden sich immer wieder neu mit der eigenen Trauer sowie mit der Bedeutung, die der Verstorbene für das eigene Leben hat, auseinandersetzen. Der Verlust wird unter veränderten Fragestellungen und Sichtweisen bearbeitet, das Geschehen immer wieder anders in die persönliche Lebensbiografie eingeordnet. Das Fehlen des Verstorbenen wird in vielen bedeutenden Lebenssituationen (Schulwechsel, Schulabschluss, Abschlussball beim Tanzkurs, Beginn der Ausbildung, Studium, erster Freund/erste Freundin) weiterhin sehr schmerzlich bleiben. Jugendliche, die in der frühen Kindheit einen nahestehenden Menschen verloren haben, zum Beispiel Vater oder Mutter, setzen sich gerade in der Pubertät, wenn es um das Finden der eigenen Identität geht, wieder verstärkt mit dem Verlust auseinander. Es ist möglich, dass dieser Verlust erstmalig und verzögert betrauert wird. Fortgeschrittene geistige und emotionale Entwicklungen sowie entsprechende Informationen ermöglichen es, den Tod mit seinen Konsequenzen nun ganz zu begreifen. Meist werden solche Trauerprozesse und die damit im Zusammenhang stehenden schmerzhaften Trauerreaktionen nicht erkannt oder gewürdigt. Jugendliche benötigen einfühlsame Unterstützung und keine negierenden Kommentare oder Wertungen wie: »Das ist schon so lange her, das kann doch jetzt nicht mehr so schlimm für dich sein!«, »Du warst doch noch so klein, du hast das doch gar nicht richtig mitbekommen.« Hinweise: Sie als Bezugspersonen können Jugendliche unterstützen, indem Sie solche Situationen wahrnehmen und ansprechen. Überlegen Sie, wo der Jugendliche den Verlust auch heute spüren könnte: »Ich kann mir vorstellen, dass deine Mutter dir beim Abschlussfest fehlen wird. Sie wäre sicher gerne dabei gewesen. Vielleicht hilft es dir, sie in anderer Form einzubeziehen.« (Der Jugendliche könnte zum Beispiel die Kette der Mutter am Abschlussfest tragen oder einen anderen Erinnerungsgegenstand mitnehmen, eine besonders gestaltete Kerze anzünden, das Grab besuchen, ein besonderes Musikstück hören …) Sprechen Sie mit Jugendlichen, die einen nahen Angehörigen in der frühen Kindheit verloren haben, über den Verstorbenen. Fragen
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Sie, was der Jugendliche gern über den Verstorbenen wissen möchte. Holen Sie Erinnerungsgegenstände hervor, die der Jugendliche nicht kennt. Vielleicht denken Sie, dass das zu lange her ist, der Jugendliche doch damals gar nichts mitbekommen hat. Eben darum muss er sich heute sein Bild vom Verstorbenen machen können. Geben Sie Jugendlichen die Gelegenheit, den Verstorbenen kennen zu lernen. Der Verstorbene ist Teil der Identität Jugendlicher. Deshalb ist es wichtig, zu erfahren, wer dieser Mensch war, und Spuren seines vergangenen Lebens zu entdecken. Bitte bedenken Sie, dass Jugendliche um einen Menschen, zum Beispiel Elternteil oder Geschwister, trauern und sich mit dem Verlust intensiv und schmerzhaft beschäftigen, obwohl sie den Menschen nie gekannt haben oder sich nicht an ihn erinnern können. Der Verstorbene hat dennoch eine wesentliche Bedeutung für die eigene Lebensbiografie und die Suche nach der eigenen Identität. Auch solche Trauerprozesse erfordern unbedingt Anerkennung und Würdigung.
Trauma
Erwachsene und Jugendliche können auf einen Verlust traumatisch reagieren. Sie sind mit der Verarbeitung des Ereignisses überfordert. Wann ein schweres, belastendes Ereignis traumatisierend wirkt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Zu den Symptomen, die auf eine sogenannte Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) hinweisen können, gehören drei Gruppen: 1. Wiedererleben (Intrusionen): ständiges Wiedererleben schrecklicher, bedrohlicher und beängstigender Erinnerungen oder Bilder. Diese sind meist mit dem Sterben (auch Unfall) oder der Zeit der Erkrankung davor verknüpft. 2. Vermeidung (Avoidance): Vermeiden von Gesprächen über den Verstorbenen oder von Orten und Dingen, die an den Verstorbenen erinnern, da sie zu Angst führen und mit dem Tod oder den Todesumständen zusammenhängen, nicht aber mit dem verstorbenen Menschen. 3. Übererregung (Hyperarousal). Weitere Anzeichen eines Traumas können somatische Beschwerden, Albträume, verändertes Sozialverhalten, Schlaf- oder Essstörungen, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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anhaltende Regressionen, tiefe Hoffnungslosigkeit, selbstverletzendes Verhalten, starke Ängste oder Schuldgefühle sein. Weiterführende Literatur zum Thema Trauma finden Sie im Anhang. Hinweise: Menschen, die traumatisiert sind, müssen nach einem Trauma zunächst äußere Sicherheit erfahren, informiert und stabilisiert werden. Erst danach kann mit der Bearbeitung des Traumas begonnen werden. Die Aufforderung, von Erinnerungen im Zusammenhang mit dem erlebten Verlust zu erzählen, schadet in diesem Fall. Bei einem Trauma sollte professionelle Unterstützung durch Psychotherapeuten oder Traumatherapeuten in Anspruch genommen werden. Weiterhin sollte unbedingt auf fachärztliche Hilfe zurückgegriffen werden, wenn Jugendliche ernsthaft davon sprechen oder es andere Anzeichen dafür gibt, dass sie selbst nicht mehr leben wollen. Erklären Sie, dass ein schwerer Verlust ein einschneidendes Lebensereignis mit vielen Folgen ist. Weisen Sie Jugendliche darauf hin, dass fachliche Unterstützung manchmal notwendig und es keine Schande ist, diese anzunehmen.
Essstörungen
In meiner Arbeit erlebe ich, dass gerade Jugendliche auf den Verlust mit Essstörungen reagieren und ihr Essverhalten verändern. Einige essen mehr als vor dem Verlust, die meisten, so meine Beobachtung, reduzieren jedoch das Essen. Christina, 17 Jahre, drückt das Bedürfnis, welches häufig hinter diesem Verhalten steht, sehr treffend aus: »Das Einzige, worüber ich nach dem Tod meiner Schwester noch die Kontrolle habe, ist mein Essverhalten. Das kann ich steuern, darüber kann ich ganz alleine bestimmen.« Der Verlust lässt alles unkalkulierbar erscheinen, die eigene Lebenswelt wird als äußerst unsicher erfahren. Die extreme Kontrolle des eigenen Essverhaltens soll einen Gegenpol zur Unkontrollierbarkeit der restlichen Lebenswelt bilden. Hinweis: Sorgen Sie dafür, dass Jugendliche mit grundlegenden Dingen gut versorgt sind. Regelmäßiges, gesundes, vitaminreiches Essen und Trinken, Wärme, eine vertraute, wohnliche Atmosphäre
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Jugendliche trauern – aber wie?
zu Hause sowie genügend Schlaf sind wichtig, um Trauer durchleben zu können. Sprechen Sie den Jugendlichen behutsam an, wenn Sie ein außergewöhnliches Essverhalten wahrnehmen. Nehmen Essstörungen ein größeres und dauerhaftes Ausmaß an oder bestanden schon vor dem Verlust Probleme in diesem Zusammenhang, empfehle ich unbedingt fachliche Unterstützung durch Psychotherapeuten.
Selbstverletzendes Verhalten
Eine weitere Reaktion trauernder Jugendlicher ist selbstverletzendes Verhalten. Manchmal werden als Reaktion auf den Verlust die Gefühle »eingefroren«. Um sich wieder zu spüren, fügen Menschen sich selbst Verletzungen zu. Gedanken von Selbstbestrafung, Schuld oder Kontrolle (siehe Zitat von Christina oben unter »Essstörungen«), ein Trauma und der Wunsch, vom sozialen Umfeld wahrgenommen zu werden, können ebenso mögliche Ursachen für Selbstverletzungen sein. Mitunter bestanden schon zuvor psychische Probleme, die sich durch den Verlust verstärkt haben Hinweis: Achten Sie auf Wunden oder Narben bei trauernden Jugendlichen. Fragen Sie einfühlsam nach, woher die Verletzungen stammen. Sprechen Sie mit Jugendlichen darüber, dass die Situation die ganze Familie belastet, und überlegen Sie gemeinsam mit den Jugendlichen, welche Unterstützung jedem Einzelnen und der gesamten Familie gut tun würde. Bedenken Sie, dass es sinnvoll sein kann, andere vertraute Menschen einzubeziehen. Jugendliche, die sich selbst verletzen, benötigen zudem eine fachärztliche Begleitung.
Wem und wo zeigen Jugendliche ihre Trauer? Trauern in unserer Gesellschaft
Unsere Trauerkultur hat viele Rituale, die mit den religiösen und kulturellen Strukturen unserer Gesellschaft zusammenhängen, als stützende Elemente in der Trauer verloren. Wir können nach dem Tod eines nahen Menschen oft nicht auf bewährte Zeichen zurückgreifen, die unsere Trauer nach außen ausdrücken und zugleich sozial anerkannt sind. Auf der anderen Seite werden gesellschaftliche Erwartungen und Vorstellungen, wie richtig zu trauern sei, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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an Trauernde herangetragen. Diese Vorstellungen korrespondieren häufig nicht mit dem inneren Empfinden trauernder Menschen. Die Scham, »falsch« zu trauern, führt dazu, dass Trauernde sich isoliert und abseits der Gesellschaft fühlen. Viele Menschen, jüngere wie ältere, verbergen deshalb ihre Trauer. Zugleich haben familiäre Strukturen und soziale Bindungen sich verändert. Trennungen, Berufstätigkeit von Bezugspersonen und Umzüge verhindern oft den Aufbau und Erhalt stabiler, sozialer Netze und verlässlicher Beziehungen, auf die Jugendliche nach einem Verlust zurückgreifen können. Leider reagiert das Lebensumfeld auf trauernde Menschen häufig mit Sprachlosigkeit, Hilflosigkeit und Ignoranz. In ihrem Schmerz und mit ihrem Kummer sind Jugendliche deshalb oft sehr allein. Wie geht es dir? Gut!
Jugendlichen kann es schwerfallen, ihre Trauer zu zeigen, weil sie Sorge haben, die Kontrolle über ihre Gefühle zu verlieren. Trauer und die damit verbundenen Gefühle sind etwas sehr Intimes. Jugendliche möchten und müssen diese nicht jedem und nicht überall zeigen. Sie schützen sich selbst, indem sie ihre Gefühle vor anderen verbergen und nicht darüber sprechen, wie es ihnen wirklich geht. Deshalb versuchen sie nach außen normal zu wirken und antworten auf Fragen wie: »Wie kommst du mit deiner neuen Situation zurecht?« mit: »Gut.« Hinweis: Respektieren Sie diese Sorge Jugendlicher und achten Sie deren Entscheidung, ihre Trauer als etwas sehr Persönliches zu schützen. Ablenkung und der Erhalt von gewohnten Strukturen ist in gewissem Maß gut und wichtig. Funktionieren Jugendliche jedoch nur, sollten Sie achtsam sein. Nutzen Jugendliche dauerhaft keine Möglichkeit und keinen Raum, um sich mit der Trauer zu beschäftigen, wird sich dies negativ auf ihre Entwicklung auswirken. Irgendwann, auch Jahre später, kann die unverarbeitete Trauer aufbrechen und zu einer schweren Krise führen. Sie als Bezugsperson können durch Informationen und indem Sie den Jugendlichen ermutigen, sich Raum für die eigene Trauer zu schaffen, dafür sorgen, dass Jugendliche lernen den Verlust in ihr Leben zu integrieren.
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Freunde und Peergroups
Jugendliche brauchen in ihrer Trauer Menschen, denen sie sich anvertrauen können. Gleichzeitig ist es für Eltern schwer, Jugendliche zu erreichen. Häufig wünschen sich trauernde Jugendliche nicht ihre Eltern als Ansprechpartner, sondern eher andere Erwachsene oder Gleichaltrige. Zum einen, weil sie ihre Bezugspersonen nicht zusätzlich belasten möchten, zum anderen, weil sie sich auf Grund ihrer Entwicklungsphase gerade in einem Ablösungsprozess von den Eltern und der Familie befinden. Sie suchen Wege in die Selbstständigkeit und möchten sich nicht weiter von den Eltern abhängig machen. Viele Jugendliche fühlen sich zudem von Bezugspersonen in Fragen und Gefühlen, die sie beschäftigen, nicht verstanden und ernst genommen. Jugendliche orientieren sich im Rahmen ihrer Entwicklung bei Fragen nach Lebenszielen und Werten an Freunden und Peergroups. Im Zusammenhang mit tiefgreifenden Verlusten machen Jugendliche innerhalb ihres Freundeskreises oder in der Schule häufig die Erfahrung, dass sie mit ihren Fragen, Sorgen und Gefühlen allein bleiben. Sie suchen Verständnis und Halt, erleben aber, dass sie durch die einschneidende Erfahrung des Todes eher einen Außenseiterstatus einnehmen. In ihrem sozialen Umfeld möchten sie meist keine Sonderrolle innehaben. Gleichzeitig wünschen sie sich gerade dort Verständnis für ihre schwere Lebenssituation. »Ich weiß eigentlich selbst nicht richtig, was ich will. Einerseits möchte ich darüber sprechen, damit die anderen mich besser verstehen, andererseits möchte ich nicht darüber reden, weil ich nicht im Mittelpunkt stehen will« (Anna, 19 Jahre). Es ist deshalb für Menschen aus dem Lebensumfeld schwer, trauernde Jugendliche hilfreich zu unterstützen. Haben Jugendliche das Gefühl, sie werden in eine Sonderrolle gedrängt oder auf Grund ihres Verlusts bemitleidet, reagieren sie häufig mit Wutausbrüchen, Aggression oder Rückzug. Peergroups und Freunde können ungewohntes Verhalten trauernder Jugendlicher nicht immer ertragen oder deren Sorgen nachvollziehen. Sie sind nicht selten selbst überfordert, können intensive Gefühle nicht aushalten und wissen nicht, wie sie reagieren sollen, wenn trauernde Jugendliche sich öffnen. Ich erlebe immer wieder trauernde Jugendliche, die sich mit ihrer Gruppe nicht mehr identi© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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fizieren und oberflächliche Unterhaltungen nicht ertragen können. Durch den Tod erscheinen manche Sorgen plötzlich unglaublich banal. Für Gleichaltrige sind sie aber weiterhin von Bedeutung: »Was soll ich bei der Party von Sabrina anziehen?«, »Ich brauche unbedingt ein neues Handy. Meine Eltern wollen das nicht zahlen! Was soll ich jetzt bloß machen?« Die Werte trauernder Jugendlicher unterscheiden sich plötzlich grundlegend von denen der Gruppe. Trauernde Jugendliche nehmen diese Veränderungen wahr und fühlen sich dadurch »so anders«. Weil sie nicht ausgeschlossen sein möchten, passen sie sich den Regeln und Verhaltensweisen der anderen an. Sie lassen sich nichts anmerken, wirken nach außen wie immer, leiden aber still für sich. Schule und Mobbing
Jugendliche haben Angst, auf Grund des Verlusts lächerlich und klein gemacht zu werden. Dies ist ein weiteres Motiv, weshalb sie ihre durch die Trauer verursachten Gefühle vor Gleichaltrigen verstecken. Immer wieder berichten mir Jugendliche, wie hart und brutal Gleichaltrige gerade in der Schule sind. Trauernde Jugendliche haben die berechtigte Furcht, zu Opfern von Gemeinheiten und Mobbingattacken zu werden. Es ist leider keine Seltenheit, dass trauernde Jugendliche von Mitschülern provoziert, gedemütigt und entwürdigt werden. Beispielhaft möchte ich einige Sätze aus meiner Praxis als Trauerbegleiterin anführen: »Na, ist doch sicher ein cooles Leben jetzt so ohne Vater!«, »Hey, tolle Weihnachten gehabt, war bestimmt supergeil ohne Mutter«, »Wow, bist jetzt Einzelkind! Nicht dass du ohne deine Schwester einen Höhenkoller kriegst!«, »Denkst du jetzt etwa, wir packen dich in Watte? Jeder hat seinen Stress! Glaub nur nicht, dass du ’ne Extrawurst kriegst!« Helene (13 Jahre) wird seit dem Tod des Vaters regelmäßig im Schulbus gedemütigt, geschlagen und als »kleine arme Halbwaise« beschimpft. Meist hört die Gruppe erst auf, wenn Helene weint. Ihre Freundin steht ihr zwar zur Seite, kann die Situation aber nicht verhindern oder verändern. Zu Hause erzählt Helene darüber nichts. Nachdem die Mutter sich in der Trauerbegleitung Beratung und Unterstützung geholt hat, fragt sie ihre Tochter nach den
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Jugendliche trauern – aber wie?
Erfahrungen mit Mitschülern. Konkret angesprochen kann Helene erzählen, wie hilflos sie sich fühlt und wie schwer die Situation besonders im Schulbus für sie ist. Die Mutter fragt Helene, was konkret getan werden könnte, um die Situation für Helene zu verbessern. Gemeinsam überlegen sie sich mögliche praktische Lösungen. Der Direktor wird informiert. Er setzt Busbegleiter ein. Nachdem auch das nicht hilft, werden die Eltern der Mitschüler, die geschlagen und gedemütigt haben, informiert. Es finden Gespräche statt und andere Mitschüler werden gebeten, sich für Helene einzusetzen. Hinweis: Jugendliche berichten zu Hause von sich aus selten über negative Erfahrungen aus dem sozialen Umfeld. Deshalb sollten Sie fragen, wie es dem Jugendlichen mit seiner Trauer geht, welche Erfahrungen er mit anderen Menschen, zum Beispiel in der Schule, macht, was helfen würde oder was ihm fehlt. So fühlen trauernde Jugendliche sich gesehen und es ist leichter, konkrete Unterstützung anzubieten. Sie können auch von Ihren eigenen Erfahrungen, zum Beispiel mit Freunden, Nachbarn und Kollegen, berichten, das verbindet miteinander.
Unbeabsichtigte Verletzungen
Jugendliche erleben im Alltag verletzende Situationen, die Nicht Betroffene gar nicht wahrnehmen. »Schlimm sind manchmal die Witze, die die anderen über Krebs und Tod machen« (Valentin, 17 Jahre). Nadine (18 Jahre) wünscht sich nach dem Tod des Bruders eigentlich Ansprache und Unterstützung in der Schule. Obwohl die Lehrer informiert sind, reagiert niemand. »Das ist das Schlimmste. Alle tun so, als sei nichts passiert, dabei hat sich mein ganzes Leben total verändert.« Jugendliche möchten manchmal von vornherein nicht, dass Mitschüler oder/und Lehrer um den Tod des Angehörigen wissen. Es kommt sogar vor, dass Jugendliche so tun, als ob der Verstorbene noch leben würde. Verursacht werden zusätzliche Verletzungen meist aus Unwissenheit, Unachtsamkeit oder Überforderung: »Hey Jonas, denk endlich mal dran, die Bücher von deinem toten Bruder abzugeben«, »Du könntest dich mal wieder kon© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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zentrieren, deine Schwester ist ja schon drei Wochen tot«, »Hier wird nicht über den Selbstmord von Luisa gesprochen. Nach dem Tod noch Aufmerksamkeit auf sich ziehen, kommt nicht in Frage«, »So schlecht, wie ich dachte, geht es dir ja nicht, ich habe dich mit den anderen lachen sehen«, »Tim kommt gut mit dem Tod seiner Mutter zurecht. Man merkt ihm ja gar nichts an.« Häufig kommen Situationen ähnlich der vor, die Joshua (14 Jahre) beschreibt: »Wir haben gerade die Mathearbeit geschrieben, da ist der Krankenwagen an der Schule vorbeigefahren. Danach konnte ich mich nicht mehr konzentrieren, weil ich immer an den Unfall meines Bruders denken musste. Es war schwer, nicht zu weinen.« Unterrichtsstunden, in denen Themen wie Krankheit, Sterben, Tod, Trauer, Wünsche, Zuhause oder Familie behandelt und Aufgaben dazu gestellt werden, können ebenso belastend sein. Die Themen sind schmerzlich mit der eigenen Lebenssituation verknüpft. Ich kenne kaum einen Jugendlichen, der sich aus der eigenen Betroffenheit heraus dazu äußern kann. Eher reagieren Jugendliche in solchen Situationen mit Rückzug (Verlassen der Klassenräume) oder Ablehnung (Verweigerung der Aufgabenstellung). Geschieht es doch, dass Jugendliche sich erklären, erleben sie allzu oft Unverständnis. Jugendlichen fällt es dann immer schwerer, sich anderen Menschen zu öffnen. Hinweise: Wenn Sie die Kraft haben, machen Sie Schulen darauf aufmerksam, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema wichtig ist. Regen Sie ganz konkret Elternabende, Fortbildungen und Projekttage für »Ihre« Schule an. Ich schlage schon seit langem vor, die Lebensthemen Sterben, Tod und Trauer unbedingt und dauerhaft in Schulen zu holen. Schule ist ein wichtiger, sozialer Lebensraum, in dem Jugendliche viel Lebenszeit verbringen. Das schulische Umfeld kann aktuell und langfristig wertvolle Unterstützung im Trauerprozess von Jugendlichen geben, aber es kann eben auch viel zerstören und trauernde Jugendliche mit den Erfahrungen, die sie dort machen, zusätzlich belasten. Fachliche Hilfe finden Lehrer in meinem Buch »Trauernde Jugendliche in der Schule« (Witt-Loers, 2013).
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Jugendliche trauern – aber wie?
Fragen und neue Kontakte
Jugendliche werden manchmal unvorbereitet auf den Verstorbenen angesprochen. Andere haben vielleicht noch nicht erfahren, dass der Angehörige gestorben ist, und erkundigen sich: »Na, was macht denn deine große Schwester inzwischen?«, oder: »Wie geht es deiner Mutter?« Das ist gerade am Anfang eine schwere Situation für Jugendliche, weil sie so schnell gar nicht wissen, wie sie reagieren sollen, und diese Fragen heftige Gefühle hervorrufen. Fragen nach der Familiensituation können bei neuen Kontakten ebenso schwierig sein: »Wie viele Geschwister hast du denn?«, »Welchen Beruf hat dein Vater?« Jugendlichen kann es deshalb schwerfallen, offen zu sein für neue Kontakte. Hinweis: Überlegen Sie, wie Sie selbst mit solchen Situationen umgehen möchten. Erfahrungsgemäß tut es nicht gut, den Verstorbenen zu verleugnen: »Wir haben ein Kind«, »Ich habe keine Geschwister.« Doch müssen Sie nicht jedem zu jeder Zeit über sehr persönliche Dinge Auskunft geben. Hilfreich ist es, sich vorher mögliche Antworten zu überlegen und dann situativ zu entscheiden, was und wie viel Sie erzählen möchten. Sprechen Sie mit dem Jugendlichen über solche Situationen und kommen Sie so einander näher.
Hilfreiche Unterstützung aus dem sozialen Umfeld
Die bisher aufgeführten Aspekte beschäftigten sich vor allem mit den Problemen und Verständigungsschwierigkeiten, die zwischen trauernden Jugendlichen und ihrem Umfeld bestehen und entstehen. Sie enthielten demgemäß eher negative Antworten auf die Frage, wem Jugendliche sich in ihrer Trauer zeigen und wo sie hilfreiche Unterstützung erfahren. Wichtige Faktoren, die es hinsichtlich der sensiblen Phase der Pubertät zu bedenken gilt, wurden ebenso aufgezeigt wie häufig auftretende Schwierigkeiten anderer Menschen, mit der Trauer Jugendlicher umzugehen. Darüber hinaus wurden hilfreiche Informationen und Hinweise gegeben, wie wir Jugendlichen unter den verschiedenen beschriebenen Umständen begegnen und sie unterstützen können. Nun möchte ich mich den positiven Aspekten und Antworten in Bezug auf die Fragestellung zuwenden. Jugendliche sind in ihrer Trauer und mit ihren Problemen nicht © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Wem und wo zeigen Jugendliche ihre Trauer?37
allein. Das soziale Umfeld bietet Räume, Menschen und Institutionen, die Jugendlichen in ihrer Trauer helfen können. Es ist daher wichtig, sich das soziale Umfeld zu vergegenwärtigen, in dem der Jugendliche lebt. Wo und mit wem fühlt sich der Jugendliche wohl? Wo geht er gern hin? Mit wem ist er gern zusammen. Hat er Freunde und Freundinnen, denen er sich anvertrauen und mit denen er darüber reden kann, was ihn bedrückt? Welche Orte bieten dem Jugendlichen einen hilfreichen Raum? Gibt es darüber hinaus im sozialen Umfeld weitere Menschen und Institutionen, die sich eignen, um den Jugendlichen in seiner Trauer zu unterstützen und zu begleiten? Schule als wohltuender Raum
Schule wird nicht nur einseitig als Ort der schlechten Erfahrungen erlebt. In der Schulgemeinschaft können Zuspruch und Anteilnahme erfahren werden. Gesten des Mitgefühls zeigen, dass der Jugendliche wahrgenommen und sein Verlust anerkannt wird. Dies ist eine wesentliche Unterstützung im Trauerprozess. Zudem ist die Schule nach dem Tod eines Familienmitglieds für trauernde Jugendliche häufig der einzige Bereich, der nicht direkt von den Auswirkungen des Todes betroffen ist. Hier hat sich nichts geändert. Schule vermittelt durch ihren äußeren, strukturellen Rahmen verlässliche Abläufe, die erhalten geblieben sind (Zeiten, Unterricht, Lehrer, Mitschüler, Gebäude), sowie Stabilität und zeigt, dass nicht alles verloren ist. Dies kann eine wichtige Erkenntnis sein, die trauernden Jugendlichen die Hoffnung und Kraft gibt, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich auf neue Beziehungen und Wege einzulassen. In Gemeinschaft trauern
Meine Praxiserfahrungen zeigen, dass das Verständnis füreinander größer ist, wenn mehrere Jugendliche gleichzeitig von einem Trauerfall betroffen sind: Freund, Freundin, Mitschüler, Lehrer, die Clique, der Verein. Die Trauer wird im jugendlichen Freundeskreis, in dem alle einen Verlust erlitten haben, eher aufgefangen, als wenn nur ein einzelner Jugendlicher, zum Beispiel nach dem Tod eines Angehörigen, trauert.
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Jugendliche trauern – aber wie?
Freundschaften
Jugendliche erleben sehr stabile Freundschaften, die sich in der schweren Zeit, die dem Tod eines nahestehenden Menschen folgt, bewähren und sich durch den Verlust sogar vertiefen. In meiner Arbeit sehe ich, wie in der Zeit der Trauer neue, sehr verlässliche Freundschaften zwischen Jugendlichen wachsen, die durch tiefe Verbundenheit und Vertrauen geprägt sind. Trauer mit anderen Betroffenen teilen
Meine Beobachtung ist, dass trauernde Jugendliche eher Verständnis und hilfreiche Unterstützung unter Jugendlichen finden, die ähnliche Erfahrungen gemacht oder bereits schwere Krisen erlebt haben. In unserem Trauercafé erzählen Jugendliche sehr frei über ihre Probleme und Sorgen. Im geschützten, fachlich begleiteten Raum tauschen sie sich über das, was sie erlebt, erfahren und erlitten haben, aus oder geben einander Hinweise im Hinblick auf den Umgang mit der Trauer und den daraus entstandenen Konsequenzen. Jugendliche sprechen hier Themen an, die unter anderen Gleichaltrigen oder in der Familie keinen oder wenig Platz finden. Chatrooms wie zum Beispiel www.doch-etwas-bleibt.de sind hilfreich für Jugendliche. Hilfen von außen
Erwachsene wie Jugendliche können durch den Tod und durch die mit ihm verbundenen Konsequenzen überfordert sein. Trauer und Schmerz können so belasten, dass ein Alltagsleben dauerhaft nicht mehr möglich ist. Zeigen sich bei Jugendlichen über Monate Symptome wie permanente Ruhelosigkeit, Rückzug, selbstverletzendes Verhalten, Essstörungen, Einnässen, Lethargie, Suizidgedanken oder traumatische Reaktionen, sind dies Hinweise darauf, dass unbedingt qualifizierte professionelle Unterstützung in Anspruch genommen werden sollte. Sind Jugendliche mit dem plötzlichen und/oder gewaltsamen Tod eines Nahestehenden, dem Suizid eines nahen Menschen, mit mehreren Todesfällen oder mit zusätzlichen starken Belastungen konfrontiert, empfehle ich, möglichst schnell professionelle Unterstützung einzuschalten.
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Feiern und trauern – wie passt das zusammen?39
Feiern und trauern – wie passt das zusammen? Jeder Mensch braucht ganz persönliche Möglichkeiten, die für den Trauerprozess benötigte Kraft zu regenerieren. Wir wissen, dass der Prozess und die Art des Trauerns vom Lebensalter und Geschlecht beeinflusst wird. Daher wundert es nicht, dass Jugendliche sich die Energie für den kräftezehrenden Trauerprozess dort holen, wo sie sich bisher aufgehalten und wohl gefühlt haben. Sie stärken sich auf eine Weise, die ihrem Alter und ihrer Entwicklung entspricht. Das kann im Freizeitpark sein, beim Tanzen im Club, bei einem Konzert ihrer Lieblingsband, beim Sport oder anderen Aktivitäten. Eltern und das Lebensumfeld sind jedoch vielfach sehr irritiert, weil Jugendliche derartigen Unternehmungen oder Betätigungen nachgehen. Denn Jugendliche, die sich in den Augen von Erwachsenen vergnügen, entsprechen nicht dem Bild des trauernden Jugendlichen, das Erwachsene erwarten. Oftmals löst ihr Verhalten bei Erwachsenen Unverständnis, Wut und Enttäuschung aus. Verbote und/oder Verurteilungen werden ausgesprochen und führen häufig zu Streit und gegenseitigen Verletzungen. Solche Situationen und Konflikte lassen sich durch sachliches Wissen vermeiden. Deshalb sollte jeder darüber informiert sein, dass alle Trauernden individuelle Wege finden müssen, um die notwendige Kraft für den persönlichen Trauerprozess zu schöpfen. Mit diesem Wissen ist es leichter, das Verhalten des Einzelnen in der Familie zu akzeptieren. Gleichzeitig wird durch diesen offenen, respektvollen Umgang miteinander ein Trauern auch als Gemeinschaft eher möglich. Sophie verabredet sich vier Tage nach dem tragischen Unfalltod ihres Bruders Louis mit ihren Freundinnen zum Feiern in einem Club. Sie spürt, dass ihr eine Auszeit von der eigenen Trauer und ihrer trauernden Familie in einer vertrauten Umgebung mit ihren Freundinnen, die um den Tod des Bruders wissen, gut tun würde. Bevor Sophie geht, macht sie sich für den Abend zurecht. Sie schminkt sich, stylt ihre Haare, zieht ein enges Kleid und hohe Schuhe an. Ihre Mutter nimmt Sophies Erscheinungsbild wahr und sieht darin den Wunsch nach Leben und Zukunft. Diese Wahrnehmung löst bei ihr unglaublichen Schmerz aus, weil ihr Sohn sein Leben nicht
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Jugendliche trauern – aber wie?
mehr vor sich hat und sie selbst lieber sterben als leben möchte. Der von ihr als krass empfundene Gegensatz von Leben und Tod in der eigenen Familie lässt keinen Raum mehr für Verständnis und Nähe zu ihrer Tochter. Sie wirft Sophie vor, dass sie sich so verhalte, als sei nichts geschehen, sich geradezu ins volle Leben stürze und dass das ihrem Bruder gegenüber, der gerade mal unter der Erde liege, respektlos sei. Sophie hingegen fühlt sich nach den Vorwürfen verunsichert und schuldig. Sie kann den geplanten Abend mit ihren Freundinnen nicht mehr als Kraftquelle nutzen, um besser mit ihrer Trauer zurechtzukommen. Sie fühlt sich von ihrer Mutter unverstanden, nicht gesehen in ihrem Schmerz und verschließt sich zunehmend. Hinweise: Vielleicht spüren oder erkennen Sie ähnliche Muster in Ihrer Familie. Sie können dann ganz bewusst üben, Unterschiede im Verhalten nach dem schweren Verlust zuzulassen und zu respektieren. Lassen Sie sich nicht vorschreiben, wie Sie trauern sollen, und bevormunden Sie den Jugendlichen in seiner Trauer nicht. Sorgen Sie dafür, dass andere Menschen den Jugendlichen nicht mit ihren Forderungen belasten. Bewertungen und Urteile von Außenstehenden dürfen nicht darüber entscheiden, wie Sie oder der Jugendliche trauern. Bestärken Sie den Jugendlichen, seinen ganz persönlichen Bedürfnissen in der Trauer nachzugehen. Sagen Sie dem Jugendlichen, dass er Menschen meiden darf, die ihm nicht gut tun und die sich ihm gegenüber intolerant verhalten. Ermutigen Sie ihn, gut für sich selbst zu sorgen. Erlauben Sie dem Jugendlichen, sich so zu kleiden, wie es für ihn jetzt passt. Zwingen Sie ihn nicht, sich anzupassen und Kleidung zu tragen, in der er sich unwohl und unsicher fühlt. Der Tod hat schon genügend Unsicherheit in das Leben des Jugendlichen gebracht. Erlauben Sie sich und dem Jugendlichen, dass eine Zeit lang nicht alles funktionieren muss. Machen Sie sich und dem Jugendlichen klar, dass Kraft zu tanken im Augenblick wichtiger ist als zum Beispiel ein perfekt funktionierender Haushalt.
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Schlechtes Gewissen
Oft haben trauernde Jugendliche, aber auch Erwachsene und Kinder, ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle, wenn sie in ihrer Trauer Dingen nachgehen (ausgehen, Freunde treffen oder ihre Hobbys weiter ausüben), die ihnen gut tun, Freude machen und eine Zeit lang den schlimmen Schmerz vergessen lassen. Kommentare und Bewertungen aus dem sozialen Umfeld, wie: »Dein Vater ist tot und du hast nichts Besseres zu tun, als an dein Turnier zu denken«, »Finn war dir scheinbar ja ziemlich unwichtig, sonst könntest du dich jetzt nicht mit deinen Freunden vergnügen«, verletzen und erschweren es Jugendlichen, einen eigenen Umgang mit ihrer Trauer zu finden. Jugendliche haben dann den Eindruck, es stehe ihnen nicht zu, ihr Leben außerhalb der trauernden Familie fortzusetzen. Zudem spüren sie, dass Eltern sich persönlich verletzt fühlen. Jugendliche sind hin und her gerissen zwischen ihrem eigenen Bedürfnis und den Erwartungen der Bezugspersonen an ihr Verhalten: »Ich lebe und genieße, obwohl Marvin gestorben ist. Es steht mir nicht zu, froh zu sein, wenn meine Eltern leiden« (Michael, 16 Jahre). Trauernde, ob jung oder alt, sollten die Erklärung und Erlaubnis bekommen, dass Kraft zu schöpfen eine Ressource in der Trauerarbeit ist und nichts mit einer Verleugnung des Verstorbenen zu tun hat sowie kein Maßstab für die Liebe zu ihm ist oder anzeigt, ob richtig getrauert wird. Hinweise: Bitte vermeiden Sie verletzende Kommentare und untersagen Sie diese auch anderen. Schreiten Sie korrigierend ein, wenn Sie mitbekommen, dass trauernde Jugendliche von anderen Menschen gemaßregelt werden. Bedenken Sie, dass zu trauern ein seelisch und körperlich anstrengender Prozess ist. Menschen können sich nicht unentwegt mit ihrer Trauer befassen. Um zu trauern benötigen wir Zeiten für Schönes, Zeiten, die Freude bereiten und Kraft spenden. Menschen aus dem Lebensumfeld wissen das oft nicht und meinen, die Trauer sei abgeschlossen, der Trauernde verdränge seine Trauer oder trauere gar falsch. Worte wie: »Schön, dass es dir wieder gut geht«, »Du musst dich deiner Trauer stellen« oder »Du trauerst ja gar nicht richtig«, verunsichern trauernde Jugendliche nur noch mehr.
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Jugendliche trauern – aber wie?
Kontakte erhalten
Aktivitäten, die trauernden Jugendlichen gut tun, wie zum Beispiel tanzen, Musik machen, feiern oder Sport treiben, verbinden mit anderen Menschen. So bleiben wertvolle Kontakte erhalten. Jugendlichen gelingt es so eher, sich an eine Welt ohne den Verstorbenen anzupassen. Zudem erfahren sie stärkend, dass trotz des Verlusts noch stabile, zuverlässige Beziehungen und Sicherheiten existieren. Hinweise: Ermutigen Sie Jugendliche zu Aktivitäten, die ihnen gut tun. Vielleicht können Sie sagen, dass es für Sie in Ordnung ist, wenn der Jugendliche sein Leben außerhalb der Familie fortsetzt. Erlauben Sie sich selbst und dem Jugendlichen ausdrücklich und immer wieder, positive Gefühle zu erleben: froh zu sein, Freude zu empfinden, zu lachen. Erleichtern Sie sich und Ihrem heranwachsenden Kind diese schwere Zeit, indem Sie sich gegenseitig darin bestärken, sich bewusst etwas Gutes zu tun. Sie dürfen sich wohl fühlen und der Jugendliche auch. Erkennen Sie an, dass es unterschiedliche Arten gibt, Kraft und Freude zu erleben. Akzeptieren Sie Unterschiede und schauen Sie nach Gemeinsamkeiten, die verbinden können. So schützen Sie Ihre und die Gesundheit des Jugendlichen. Vielleicht gibt es Ihnen neue Kraft, sich zusammen an schöne Erlebnisse mit dem Verstorbenen zu erinnern, spazieren oder Eis essen zu gehen, einen schönen Film zu schauen … Überlegen Sie, was Ihnen, dem Jugendlichen und/oder der ganzen Familie gut tun würde.
Offene Kommunikation
Es ist wesentlich, in der Familie eine möglichst offene Kommunikation zu schweren Themen und den damit verbundenen Gefühlen und Sorgen zu leben. Jugendliche nehmen solche Umgangsformen wahr und werden diese als Erlaubnis und Einladung verstehen, selbst offen mit Krisen und Gefühlen umzugehen. Dementsprechend werden sie sich eher mit eigenen Sorgen an ihre Bezugspersonen wenden. Nicht nur Jugendliche tun sich schwer, über ihre Trauer zu sprechen. Besonders Männern, so meine Erfahrung, fällt es häufig schwer, über ihre Gefühle zu sprechen oder diese zu zeigen. Viel© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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leicht haben hier noch immer Rollenerwartungen an das männliche Geschlecht eine Bedeutung. Zugleich spielen Verhaltensmuster, die in der Ursprungsfamilie erlernt wurden, eine große Rolle. Hinweis: Überprüfen Sie, ob es eingeübte Rollenerwartungen in Ihrer Familie gibt. Versuchen Sie diese zu durchbrechen.
Angst vor weiteren Verlusten
Es ist für die ganze Familie schwierig, wenn Bezugspersonen oder Jugendliche starke Angst vor weiteren Verlusten entwickeln und aufeinander projizieren. Die Sorge, dass auch einem anderen Familienmitglied etwas zustoßen könnte, wird übergroß. Die Angst resultiert aus der gerade erlebten Erfahrung, dass der Tod nicht nur die anderen trifft, sondern unmittelbar im eigenen Lebensumfeld zuschlägt. Das Grundvertrauen in die Welt ist erschüttert und lässt das eigene sowie das Leben der anderen höchst unsicher erscheinen. Konsequenzen aus dieser Unsicherheit sind häufig das Vermeiden von Tätigkeiten, die lebensgefährlich wirken, oder diesbezügliche Verbote, wobei die Auslegung, was bedrohlich bedeutet, individuell ist. Marie (14 Jahre), deren Vater bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, möchte nicht mehr, dass ihre Mutter weiterhin ihren üblichen Abendspaziergang mit dem Hund unternimmt, weil sie Sorge hat, dass der Mutter dann etwas zustoßen würde. Paul (16 Jahre) verlangt von seinem Vater, sich in festgelegten Abständen medizinischen Vorsorgeuntersuchungen zu unterziehen, weil er Angst hat, sein Vater würde ebenso an Krebs erkranken wie seine verstorbene Mutter. Jonas Mutter verbietet der 17-jährigen Lara den Führerschein zu machen, weil sie verhindern möchte, dass ihre Tochter so zu Tode kommt wie ihr Sohn. Die Eltern von Pascal (13 Jahre), dessen Schwester durch einen Unfall in der Schule starb, erlauben nicht mehr, dass Pascal an
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Jugendliche trauern – aber wie?
Ausflügen oder Klassenfahrten teilnimmt, weil sie befürchten, dass ihm auch etwas zustoßen könnte.
Die Verbote, Einschränkungen und Ängste der Erwachsenen erschweren Jugendlichen das Finden ihrer eigenen Identität und behindern den individuellen Trauerprozess. Umgekehrt ist es für erwachsene Bezugspersonen ebenso schwierig, ihre Bedürfnisse in der Trauer wahrzunehmen und diesen nachzugehen, wenn sie durch die Furcht der Kinder darin eingeschränkt werden. Hinweise: Wenn Sie das Gefühl haben, dass in Ihrer Familie durch Verlustängste ausgelöste Probleme bestehen, sollten Sie diese ansprechen und sich ehrlich dazu austauschen. So können bestimmte Verhaltensweisen verstanden und der Kreislauf gemeinsam durchbrochen werden. Die übersteigerte Sorge um den verbleibenden Elternteil oder um das Kind ist als Reaktion auf den erlebten Verlust zu verstehen. Familienmitglieder sollten lernen, einen behutsamen Umgang mit diesen Ängsten zu finden. Meist ist das Bedürfnis nach einer absoluten Sicherheit, dass es dem anderen gut geht, nicht gegenseitig. Treffen Sie deshalb Vereinbarungen, mit denen jeder gut leben kann. Jugendliche dürfen sich nicht total kontrolliert fühlen. Es braucht einige Zeit und neue positive Erfahrungen wie: »Es ist gut gegangen«, bis die Angst vor einem weiteren Verlust nachlässt. Geben Sie sich in der Zeit der Unsicherheit deshalb Sicherheiten, kleine Stützen, die beruhigen. Eine kurze SMS: »Bin gut angekommen« oder ein jährlicher GesundheitsCheck reichen manchmal schon aus.
Wohin mit der Trauer? – Ausdruck und Orte der Trauer Nicht selten stoßen Jugendliche auf Unverständnis, was ihren persönlichen Trauerausdruck angeht. Vielleicht erscheint Ihnen die Art, wie Jugendliche trauern, fremd oder sogar unpassend. Bitte bedenken Sie: Jugendliche sind noch keine Erwachsenen, aber sie sind auch keine Kinder mehr. Sie brauchen einen ihrem Alter entsprechenden Ausdruck der Trauer, der sich mit zunehmendem Alter wandeln wird und der Respekt verdient. Oft braucht es Zeit, die© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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sen Ausdruck zu finden und für sich zu akzeptieren. Möglicherweise findet die Trauer Ausdruck im Tun von Dingen, die zuvor unbekannt, undenkbar oder abwegig erschienen wären. In dieser extremen Lebenssituation müssen wir uns in vielerlei Hinsicht neu kennen lernen. Hinweise: Es ist für alle Trauernden wichtig, sich den ganz persönlichen Ausdruck der Trauer zu erlauben. Dieser sollte zum Trauernden passen und für ihn stimmig sein. Sie können und dürfen ausprobieren und darüber entscheiden, was Ihnen gut tut. Dadurch wird eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Themen der Trauer ermöglicht. Auch wenn andere mit Kopfschütteln oder Widerstand reagieren, erlauben Sie sich Ihre und dem Jugendlichen seine Art zu trauern. Der Jugendliche wird Sie als Menschen schätzen und sich Ihnen weiter anvertrauen. Er wird in Erinnerung behalten, dass Sie an seiner Seite waren. Andere haben ihre eigenen Vorurteile zudem oft schnell vergessen. Wenn Menschen aus ihrer Umgebung nicht damit zurechtkommen, ist es manchmal notwendig und entlastend, Kontakte zu lösen.
Weinen
Eine Möglichkeit, dem Schmerz um die verstorbene Person Ausdruck zu geben, ist zu weinen. Weinen wird häufig als Zeichen von Schwäche angesehen und ist viel zu oft mit negativen Bewertungen verbunden. Im Weinen können wir Entlastung vom Schmerz erfahren, auch wenn gleichzeitig körperliche Erschöpfung auftreten kann. Weinen als ein sichtbarer Ausdruck unserer Trauer kann bei anderen Mitgefühl und Solidarität auslösen. Es kann eine tröstliche Erfahrung sein, im Weinen von jemandem in den Arm genommen zu werden und Nähe zu erfahren. Hinweis: Unterstützen können Sie den trauernden Jugendlichen, indem Sie signalisieren: »Du darfst weinen, das ist kein Zeichen von Schwäche. Ich kann deine Tränen aushalten«, »Vielleicht rührt mich dein Leid so an, dass ich selbst mitweine«, »Vielleicht weinen wir zusammen über den Verlust unseres geliebten Menschen.« Im Weinen können Sie ohne Worte einander sehr nahe sein.
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Veränderungen im Trauerausdruck akzeptieren
Im Laufe der Zeit werden sich die Trauer und ihr Ausdruck verändern. Es ist wichtig, diese Veränderungen wahrzunehmen und zu akzeptieren. Trauernde haben oft ein schlechtes Gewissen, wenn sie bemerken, dass sich der Ausdruck ihrer Trauer verändert hat, sie vielleicht weniger an den Verstorbenen denken, das Grab nicht mehr so oft besuchen, aufgehört haben zu schreiben, zu malen oder andere Dinge zu tun, die zuvor wichtige Elemente in ihrer Trauer darstellten. Trauernde befürchten, dass sie den Verstorbenen vergessen, ihn nicht genügend würdigen oder die Liebe zu ihm verloren geht. Es ist normal und wichtig, dass sich der Ausdruck der Trauer und der inneren Verbundenheit mit dem Verstorbenen ändern. Oft ist der innere Platz, den der Verstorbene in der Seele des Trauernden einnimmt, wichtiger geworden und die Trauer verlangt nicht mehr so sehr nach einem äußeren Ausdruck wie zu Anfang. Gleichwohl gibt es Tage oder Zeiten, an denen dieser äußere Ausdruck wieder stärker in den Vordergrund rückt. Besondere Tage
Es gibt Tage und Zeiten, an denen und um die herum der Verlust noch einmal besonders intensiv und schmerzlich erlebt wird. Dies sind Tage wie der Todestag, der Geburtstag des Verstorbenen, der eigene Geburtstag, Festtage wie Weihnachten, Ostern oder Silvester sowie Tage, die im gemeinsamen Leben eine Rolle gespielt haben (Hochzeitstag, Kennenlerntag, erste gemeinsame Reise, erster Schultag bei Kindern, …) oder gespielt hätten (Schulabschluss, Hochzeit, Geburt). In solchen Momenten haben Trauernde das Gefühl, dass sich nichts verändert habe. Sie haben Sorge, die heftige Zeit der Gefühle beginne wieder von vorn und sie würden es nie schaffen, mit dem Verlust leben zu lernen. Diese Gefühle sind beängstigend und verunsichern. Darüber informiert zu sein, dass dies ein normaler Aspekt im Trauerprozess ist, beruhigt. Sich Veränderungen der Trauer selbst vor Augen zu führen, ist schwer. Daher entsteht oft der Eindruck, nicht von der Stelle zu kommen. Erfahrungsgemäß kann es nützlich sein, sich zurückzuerinnern, wie die Trauer sich zu Anfang angefühlt und geäußert hat. Filtern Sie Unterschiede zu heute heraus. Eine andere Methode, sich den Wandel bewusst zu machen, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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ist das Aufschreiben von kurzen Notizen (oder einfachen Smileys) zu Gefühlen, die den Tag begleiten. Diese Notizen können Sie dann in regelmäßigen Abständen vergleichen. Erinnerungen
Sich zu erinnern bedeutet einerseits, den Schmerz zu spüren, der mit zur Trauer gehört. Erinnerungen machen deutlich, dass das Erlebte Vergangenheit ist, der Verstorbene nicht mehr da ist und nicht wiederkommen wird. Andererseits können schöne Erinnerungen positive Gefühle hervorrufen, die den eigenen Lebensweg weiterhin stärkend begleiten. Bewahren Sie deshalb schöne Erinnerungen wie kostbare Schätze und pflegen Sie diese. Sich zu erinnern impliziert darüber hinaus die Auseinandersetzung mit dem neuen Platz, den der Verstorbene nun im eigenen Leben einnehmen kann und soll. Erinnerungen in der Familie und mit anderen Menschen auszutauschen verbindet untereinander und mit dem Verstorbenen. Binden Sie Gespräche über den Verstorbenen in den Alltag ein und erhalten Sie so eine fortgesetzte Bindung. Überlegen Sie für sich oder mit anderen, was der Verstorbene gesagt, gedacht oder sich gewünscht hätte: »Was meinst du, hätte der Papa wohl dazu gesagt?«, »Tim würde sich freuen, wenn er dich jetzt sehen könnte«. Hinweis: Klammern Sie Erinnerungen nicht aus, weil Sie glauben, den Jugendlichen damit zu schützen. Respektieren Sie aber, wenn der Jugendliche signalisiert, dass es ihm im Moment vielleicht zu viel ist.
Klare Worte
Den Namen des Verstorbenen auszusprechen ist zum einen ein Zeichen des Respekts dem Verstorbenen gegenüber, zum anderen wird deutlich, dass der Verstorbene weiter zum Leben gehört und nicht zusätzlich auch noch totgeschwiegen wird. Die Nennung des Namens und der Begriffe »tot«, »gestorben«, »verstorben«, »lebt nicht mehr« unterstützt das Begreifen des Verlusts als Realität.
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Jugendliche trauern – aber wie?
Hinweise: Bedenken Sie, wie wichtig es für alle ist, den Verlust als ein Faktum anzusehen und zu akzeptieren: Sprechen Sie den Namen des Verstorbenen aus, auch wenn es Ihnen schwerfällt. Viele Trauernde empfinden es als tröstend, im Nachhinein noch Dinge über den Verstorbenen zu erfahren. Vielleicht geht es Ihnen ähnlich. Fragen Sie andere Menschen nach Fotos oder lassen Sie sich erzählen, wie andere den Verstorbenen erlebt haben. Versuchen Sie mit dem Jugendlichen über diese Frage ins Gespräch zu kommen. Wenn Sie zur Todeszeit nicht bei dem nahestehenden Menschen sein konnten, kann es hilfreich sein, Informationen darüber einzuholen, wie der Verstorbene seine letzten Stunden verbracht hat. Belastende Bilder, die meist schlimmer sind als die Realität selbst, können so durch heilsame Vorstellungen abgelöst werden.
Erinnerungsgegenstände
Gegenstände, die an den Verstorbenen erinnern, können für jeden aus der Familie eine ganz andere Bedeutung und Wichtigkeit haben, da sie mit unterschiedlichen Erlebnissen verknüpft sind. Vor diesem Hintergrund sollten zum Beispiel Bemerkungen wie: »Das alte Ding kann doch weg. Da gibt es doch schönere Erinnerungsstücke«, vermieden werden. Manchmal möchten mehrere Menschen aus der Familie dasselbe Erinnerungsstück haben. Jeder sollte seine Wünsche benennen dürfen, sodass Kompromisse gefunden werden können. Der Umgang mit Erinnerungsgegenständen, Fotos oder der Gestaltung von Erinnerungsorten im Haus kann schwierig sein, weil dazu unterschiedliche Bedürfnisse in der Familie bestehen. Der eine möchte vielleicht alle Erinnerungen aus dem Blickfeld räumen, der andere lieber alles um sich versammeln. In dieser Situation muss miteinander verhandelt werden, um auf diese Weise den größtmöglichen Konsens zu finden. Erinnerungsorte
Bedürfnisse im Umgang mit Erinnerungsorten können in der Familie sehr unterschiedlich sein und sich verändern. Umso wichtiger ist es, einander vor allem auch in den voneinander abweichenden Wünschen zu respektieren. Manche Trauernde haben ein starkes Bedürfnis, Erinnerungsorte aufzusuchen, andere hingegen ein ebenso starkes Bedürfnis, sie zu meiden. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Wohin mit der Trauer? – Ausdruck und Orte der Trauer49
Erinnerungsorte sind jedoch wichtig und jedes Familienmitglied sollte daher eigene hervorbringen oder finden dürfen. Mehr dazu erfahren Sie weiter unten, und zwar zum einen im Kapitel »Wichtige Trauerthemen in der Familie« unter »Äußere Plätze ‒ trostspendende, real aufsuchbare Orte« (siehe S. 81) und zum anderen im Kapitel »Rituale« unter »Spuren des Verstorbenen« (siehe S. 96). Hinweis: Geben Sie jedem Familienmitglied die Möglichkeit, sich eigene Erinnerungsorte (zum Beispiel eine Schatztruhe für Erinnerungsgegenstände und Fotos, Bilderrahmen …) zu schaffen und gemeinsame Orte (Grab, Unfallstelle, Zimmer) mitzugestalten.
Angst vor dem Vergessen
Vielleicht haben Sie oder hat Ihr Kind ebenso wie andere Trauernde manchmal Angst, die Erinnerungen an den Verstorbenen zu verlieren. Trauernde erzählen, dass sie sich nach einiger Zeit nicht mehr genau an die Stimme, das Lachen, den Gang oder den Geruch des Verstorbenen erinnern können. Sie sind deshalb sehr besorgt und traurig. Es stimmt, dass manche Erinnerungen nach einiger Zeit in den Hintergrund treten und unschärfer werden. Dafür tauchen durch Impulse von außen (einen Geruch, ein Musikstück, einen anderen Menschen, einen Ort oder eine Situation …) wieder Erinnerungen auf, die bewusst nicht mehr präsent waren. Diese Erinnerungen überraschen und bringen den Verstorbenen oft unvermutet in die Gegenwart. Wie alle Erinnerungen können diese Momente schmerzhaft und tröstend sein. Hinweis: Der Verstorbene darf mit seinen Schattenseiten und Macken erinnert werden. Sie gehörten zu ihm und dürfen ebenso wie Konflikte liebevoll benannt werden.
Kreativer Ausdruck von Trauer
Trauer kann sich in Worten, Bildern, Musik und gestalterischem Tun ausdrücken. Nicht immer finden Trauernde einen kreativen Ausdruck aus sich selbst heraus. Eine Anregung von außen kann manchmal einen wichtigen Impuls geben, eigene Wege zu gehen. Meine Erfahrung ist, dass Trauernde, ob jünger oder älter, sich einen © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Jugendliche trauern – aber wie?
kreativen Ausdruck oftmals nicht zutrauen oder sich für die neue, ungewohnte Art, mit Gedanken und Gefühlen umzugehen, schämen. Hier helfen Ermutigung und Zuspruch. Conny verliert ihren Freund plötzlich durch einen Unfall beim Bau am gemeinsamen Haus. Nach einiger Zeit kommt Conny zur Trauerbegleitung. In der ersten Stunde erzählt sie, dass sie gelesen habe, dass Trauer auch gestalterischen Ausdruck finden könne. Dies sei gar nichts für sie, sie sei völlig unbegabt und wolle direkt klarstellen, dass dies keine Möglichkeit für sie selbst sein könne. Im Verlauf der Begleitung mache ich ein kreatives Angebot, welches Conny annimmt, nachdem ich versichere, dass es gar nicht darauf ankomme, wie das Objekt letztendlich aussehe, sondern welche Gefühle hier Ausdruck finden können. Seit dieser ersten Beschäftigung entdeckt Conny, dass diese Art der Auseinandersetzung mit ihrer Trauer ihr gut tut. Sie erlebt sich aktiv und kreativ und steht ihren Gefühlen in der Trauer nicht mehr hilflos und ohnmächtig gegenüber. Sie freut sich an den für den Verstorbenen hergestellten Gegenständen und nutzt die neu entdeckte Fähigkeit auch zu Hause für sich.
Schreiben
Manche Trauernde entdecken das Schreiben. Es werden Briefe an den Verstorbenen geschrieben, Tagebuch geführt, Berichte über das eigene Empfinden verfasst, Erinnerungen an den Verstorbenen und die gemeinsame Zeit festgehalten, Gedichte oder Geschichten zum Themenkomplex geschrieben. Kreatives Gestalten
Kreatives Tun ist ein Ausdruck von Trauer, der keine Worte benötigt. Jugendliche finden Trost, indem sie Musikstücke oder Internetclips für oder über den Verstorbenen gestalten. Sie malen, stellen Collagen aus Fotos oder Zeitungsausschnitten her, zeichnen, tanzen, meditieren, schmieden, wandern, arbeiten Anhänger aus Stein oder anderem Material, formen Skulpturen, fotografieren, bearbeiten Ton, sodass zum Beispiel Herzen, Kreuze oder Schriftplatten entstehen, gestalten Trauerorte, bemalen Kerzen oder Steine, gestalten Erinnerungsbü© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Wohin mit der Trauer? – Ausdruck und Orte der Trauer51
cher oder Hefte, Lebensketten, …Viele dieser gestalterischen Arbeiten können auch in der Gemeinschaft der Familie angefertigt werden. Einzelarbeiten können zudem zu einem Ganzen zusammengefügt werden (zum Beispiel bei einer Fotocollage, einem Patchworkbild, einer Patchworkdecke oder einem Erinnerungsbuch). Überlegen Sie mit dem Jugendlichen und den anderen Familienangehörigen, ob Sie ein gemeinsames Erinnerungsbuch erstellen möchten. Fragen Sie eventuell Verwandte, Freunde, Nachbarn und Bekannte nach Fotos oder anderen Erinnerungsgegenständen. Bemalungen, Tattoos und Graffitis
Beliebt bei Jugendlichen sind Bemalungen auf Händen und Armen mit Bezug auf den Verstorbenen. Ich sehe bei trauernden Jugendlichen sehr häufig beeindruckende Kunstwerke. Solche Bemalungen sind über einen längeren Zeitraum in immer neuen Varianten und Ausführungen sehr wichtig für Jugendliche. Zudem stelle ich fest, dass Jugendliche sich vermehrt Tattoos zum Andenken an den Verstorbenen stechen lassen ‒ und das nicht nur nach dem Tod eines Freundes oder einer Freundin, sondern auch nach dem Verlust von Vater, Mutter oder eines Geschwisters. Die Tattoos Jugendlicher zeigen zum Beispiel Symbole wie Unendlichkeit, Hoffnung (Regenbogen, christliche Symbole), Namen, Initialen oder Porträts des Verstorbenen. Andere Jugendliche sprühen weithin gut sichtbare Graffitis für den Verstorbenen, die manchmal jedoch unter gefährlichen Umständen angebracht werden. Bemalungen, Tattoos und Graffitis geben nicht nur dem Trauerschmerz Ausdruck, sondern sind auch Ergebnis der Suche nach einem neuen Platz für den Verstorbenen. Der Verstorbene hat einen sichtbaren (bei Tattoos zugleich körpernahen), bleibenden Platz beim trauernden Jugendlichen gefunden. Jugendliche empfinden dies als sehr tröstlich. Das ist mir fremd
Jugendliche finden Wege, ihre Trauer auszudrücken. Es kann sein, dass Ihnen diese Art unpassend erscheint. Ich kenne junge Erwachsene, die im Wald einen Baum für den verstorbenen Freund gepflanzt und um diesen herum volle Bierflaschen vergraben haben. Andere haben zum Geburtstag des Verstorbenen am Grab eine nächtliche © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Jugendliche trauern – aber wie?
Sektparty veranstaltet (nachts aus Rücksicht auf andere Trauernde, die tagsüber auf dem Friedhof sind), wieder andere zünden zum Todestag regelmäßig Raketen, organisieren ein Gedenkfußballturnier oder einen Stammtisch für den Verstorbenen, versenden Collagenposter zum Geburtstag des Verstorbenen, richten eine Internetseite für ihn ein, schreiben besondere Nachrufe in Abi- oder öffentlichen Zeitungen. Eine Gruppe Jugendlicher, die innerhalb kurzer Zeit zwei Mitglieder ihrer Clique verloren hat, feiert Silvester unter dem Motto »Zieh dich so scheiße an, wie du dich fühlst«. Vielleicht fällt es Ihnen schwer, den Ausdruck, den junge Menschen für ihre Trauer finden, zu respektieren. Er würdigt den Verstorbenen in einer Art, die sich einfach nur von Ihrer Art unterscheidet. Sie müssen sich nicht an Aktionen beteiligen, wenn Sie diese für sich nicht als passend empfinden. Obwohl Eltern die individuelle Würdigung des Verstorbenen, wie sie Jugendlichen entspricht, zunächst oft befremdlich erscheint, wirkt sie später auch auf diese oft tröstend.
Was wünschen sich Jugendliche in ihrer Trauer? Um Jugendliche in ihrer Trauer hilfreich begleiten zu können, ist es gut, sie selbst ihre Wünsche und Erfahrungen benennen zu lassen. Daher habe ich Jugendliche, denen ich in meiner praktischen Arbeit in den Einzelbegleitungen, im Trauercafé, in Seminaren sowie auf Schulveranstaltungen begegne, gefragt, was sie sich wünschen, was bisher gut war und was nicht. Die Umfrage hat nicht unter wissenschaftlichen Rahmenbedingungen stattgefunden. Dennoch formulieren die Antworten, die ich ausgewählt und unten stichwortartig zusammengestellt habe, allgemeine, wichtige Bedürfnisse von Jugendlichen in der Trauer. Sie können insofern charakteristische Wünsche und Reaktionen Jugendlicher aufzeigen, auch wenn jeder Trauernde für sich individuelle und jeweils eigene Wege findet, mit seiner Trauer umzugehen. Was wünschst du dir in deiner Trauer? ȤȤ Begleitung, ȤȤ ernst genommen werden, ȤȤ Zeit zu bekommen, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ
Menschen, mit denen ich reden kann, Verlässlichkeit, keine Bevormundung, Spaß, echte Freunde, Liebe, dass mein Weg offen sein darf, Zukunft, Erklärungen, normale Tage, dass zu Hause jemand ehrlich mit mir spricht, Mitgefühl, Offenheit, mal wieder ins Kino gehen, der Schmerz soll zu Ende sein, ich möchte endlich in den Arm genommen werden, Alltag, dass nicht jeder meint, ich wäre nicht mehr ich, ich kann nicht weinen und möchte es so gerne, dass mittags einer da wäre und mir was zu essen macht, keine blöden Fragen.
Was hat bisher gut getan? ȤȤ dass mein Opa zu Hause aufgebahrt war, ȤȤ die Zuneigung von den Menschen, die ich mag, ȤȤ der Priester ‒ dabei bin ich gar nicht religiös, ȤȤ erzählen können, ȤȤ dass ich dabei sein konnte bei den Vorbereitungen zur Beerdigung und Eigenes einbringen durfte, ȤȤ für andere da zu sein, ȤȤ Zusammenhalt mit meiner Familie, ȤȤ Verabschiedung mit den anderen der Familie am Totenbett von meinem Vater, ȤȤ zwei Tage nach dem Tod von Britta ein Grillabend, wo wir uns an sie erinnert haben, ȤȤ zu erfahren, dass doch Familie da ist, ȤȤ Freunde, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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ȤȤ Stille, ȤȤ ich bin dankbar für den Abschiedsbrief, den mein Vater hinterlassen hat, ich weiß, dass er nicht anders konnte und ich keine Schuld trage, ȤȤ dass ich mich von meinem Vater im Krankenhaus verabschieden konnte, ȤȤ die Gespräche nach der Beerdigung, ȤȤ die Versöhnung, ȤȤ dass ich ernst genommen werde, ȤȤ meine Lehrerin, die mir hilft, ȤȤ das Foto und mein Brief im Sarg, ȤȤ Normalität, ȤȤ meine Tante, die sich um so vieles kümmert, ȤȤ mein Vater hat mit mir das Holzkreuz für das Grab von Benni gemacht, ȤȤ Briefe an Anna zu schreiben, ȤȤ beten, ȤȤ die vielen Leute bei der Beerdigung, ȤȤ dass meine Eltern mir zeigen, dass ich auch noch wichtig für sie bin, ȤȤ Ruhe, ȤȤ als ich verstanden habe, dass Silke nicht wieder lebendig wird, ȤȤ mein älterer Bruder, der da ist, wenn es mir schlecht geht, ȤȤ dass meine Mutter nicht mehr leiden muss, ȤȤ jemanden da haben, der die gleiche Situation hat, ȤȤ an schöne Zeiten mit Jascha denken, ȤȤ Ablenkung, ȤȤ am Grab sitzen und Musik hören, ȤȤ alleine sein, ȤȤ dass ich nicht mit jedem reden muss, ȤȤ dass ich bei meiner Freundin weinen kann und reden, so viel ich will, ȤȤ frische Luft und rausrennen, ȤȤ zu merken, dass meine Mutter für unser Leben kämpft auch ohne Papa, ȤȤ dass Niklas in Geschichten weiterlebt, ȤȤ dass mein Großvater geweint hat. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Was war bisher nicht gut? ȤȤ Predigten und Belehrungen, ȤȤ wir können nicht offen zu Hause reden, ȤȤ dass ich mich so hilflos fühle, ȤȤ Isolation, ȤȤ dass ich allein im Krankenhaus bei meiner Oma war, ȤȤ keiner hat mit mir gesprochen, ȤȤ dass alle mit sich selbst beschäftigt sind, meine Mutter, mein Opa, einfach alle, ȤȤ die anderen verdrängen auch das Leben jetzt, ȤȤ fehlende Informationen, ȤȤ die leeren Wünsche, die überbleiben, ȤȤ die Trauerfeier, die war unpersönlich und passte gar nicht zu Aaron, ȤȤ der ganze Alkohol von meinem Vater, ȤȤ der Streit um das Erbe, ȤȤ lange wusste ich nicht, dass mein Vater sich das Leben genommen hat, ȤȤ Enttäuschung und Lügen, ȤȤ ich habe meine Unbekümmertheit verloren, ȤȤ Mitleid, ȤȤ wenn ich behandelt werde wie ein Kleinkind, ȤȤ die ganzen formalen Zwänge, ȤȤ sprechen verboten, ȤȤ für mich ist der Tod von Sarah auch schlimm, nicht nur für meine Eltern, ȤȤ stark sein müssen, ȤȤ diese Geheimnistuerei, ich weiß ganz genau, dass sie mir nicht alles erzählen, ȤȤ dass meine Eltern sich getrennt haben, ȤȤ so früh erwachsen werden, ȤȤ das Gelaber der, die angeblich wissen, wie es ist, ȤȤ dass ich auch nicht weiß, was ich will, ȤȤ Streit zwischen meinen Eltern, ȤȤ dass die mich ausgeschlossen haben, ȤȤ Angst, ȤȤ zu allem kommt, wir haben jetzt kein Geld mehr, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ
Jugendliche trauern – aber wie?
genervt werden mit Belehrungen, wenn andere drängeln ‒ dass ich noch zu sehr an Johanna hänge, jeder will das Grab anders haben, ich wollte auch ein Erinnerungsstück von Sophia, alle wurden gefragt, nur ich nicht, die leeren Phrasen im Gespräch, die Freundschaft mit meinem besten Freund ist kaputtgegangen, dass ich das Gefühl habe, ich soll nicht über die Vergangenheit reden, dass ich umziehen musste, keiner hat mich gefragt, ob ich mich verabschieden möchte, mir hat vorher keiner gesagt, dass mein Vater sterben wird, die Pläne, die wir zusammen hatten, gehen jetzt nicht mehr, die Angst um meine Eltern, die halten den Tod nicht aus, dass ich so eine Wut auf die habe, denen es besser geht, dass ich seit dem Tod immer wieder Bauch- und Kopfschmerzen habe, wenn andere Leute, die ich kaum kenne, mich auf den Tod ansprechen, dass ich oft so hart zu den anderen bin und nicht weiß, warum, die Ungewissheit für meine Zukunft, das ganze Gefühlsdurcheinander, dass die Leute mich nur noch als den Bruder von Basti vorstellen, vorher hatte ich auch einen Namen, ich bin immer noch der Dennis, ich brauche keine Antworten, ich will nur reden, dass Leute nicht da sind, wenn ich sie brauche, ich will mich eigentlich nicht immer zurückziehen, mache das aber, dass ich echt viel mehr rauche seitdem.
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Jugendliche erzählen von ihrer Trauer
Meine Trauer – das ist so eine Sache! – Ines (16 Jahre) Mit der Trauer, das ist so eine Sache. Jeder trauert irgendwie anders, jeder hat seine eigene Art. Es gibt sogar Menschen, die, weil der beste Freund/die beste Freundin oder ein Familienmitglied gestorben ist, selbst sterben möchten. Sie wissen dann einfach nicht mehr weiter. Sie lieben vielleicht den anderen so sehr und möchten nicht ohne ihn sein, wollen ihn nicht gehen lassen und wollen dann mit ihm gehen. Das kenne ich selbst auch sehr gut. Ich habe meinen Vater und meine beste Freundin durch den Tod verloren. Meinen Vater konnte ich gar nicht richtig kennen lernen. Er starb, als ich ein Jahr alt war. Die Trauer kam bei mir erst viel später, als ich zwölf Jahre alt war. Auch jetzt ist sie immer mal wieder da, denn mein Vater fehlt mir sehr. Als ich erfahren habe, dass meine Freundin im Sterben liegt, war ich auf einem Reiterhof. Am liebsten wäre ich vom Dach gesprungen, aber ich habe das nicht gemacht, weil ich weiß, dass meine Freundin will, dass ich mein Leben weiter lebe. Der Schmerz ist ziemlich schlimm. Ich habe auch viel verdrängt, aber die ganzen Sachen kommen doch immer wieder hoch. Dann kriege ich Heulanfälle. Das kriegt aber selten jemand mit. Das ist mir auch peinlich, obwohl ich mir wünsche, ich könnte mich bei jemandem ausweinen. Nach der Beerdigung meiner Freundin habe ich mich nicht mehr getraut, noch mal zum Grab zu gehen. Das war, weil ich nicht glauben wollte, dass sie nie wiederkommt. Ich hatte oft das Gefühl, sie ist nur ein paar Tage weg und besucht mich bald wieder. Einmal hat sie mich in einem Traum besucht und mit mir geredet. Als ich wach geworden bin, bin ich ins Wohnzimmer gerannt, um zu gucken, ob sie da ist. Aber da war sie natürlich nicht. Sie wird nie wiederkommen. Das weiß ich jetzt. Was richtig schlimm war: Ich konnte mich nicht mal richtig von ihr verabschieden. Sie hat mir gesagt, als sie von ihrer Krankheit
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Jugendliche erzählen von ihrer Trauer
erfuhr, dass sie noch mindestens zwanzig Jahre an der Backe haben würde. Aber dann waren die zwanzig Jahre schon nach fünf Wochen um. Sie ist nur 17 Jahre geworden. Jetzt, ein halbes Jahr nach der Beerdigung, habe ich mich getraut, das Grab meiner Freundin zu besuchen. Das war gut.
Ein Leben nach dem Tod meines Bruders – sinnlos? – Mareike (23 Jahre) Die Frage nach dem Sinn meines Lebens habe ich mir nach dem Tod meines Bruders immer wieder gestellt. Ich habe mich gefragt, ob das denn noch alles Sinn macht ohne ihn an unserer Seite. Ich glaube, es geht vielen anderen Trauernden auch so. In der Zeit kurz nach dem Tod meines Bruders war die Vorstellung, in Zukunft ohne ihn weiterzumachen, oft undenkbar. Ich erinnere mich an Tage, an denen ich mein Zimmer gar nicht verlassen konnte. Zu viele Dinge haben mich daran erinnert, dass er nicht mehr da ist, er nicht zurückkommen wird. Oft sind es Situationen des alltäglichen Lebens. Beispielsweise wurde mein Bruder in Schulzeiten morgens immer vor mir von meiner Mutter geweckt. Das habe ich immer schon mitbekommen, war dann also schon wach, habe mich noch einmal im Bett umgedreht und gewartet, bis meine Mutter zu mir kam. Danach als Erste geweckt zu werden war ein komisches Gefühl. Nach seinem Tod habe ich öfter darauf gewartet, dass sich seine Schlafzimmertür öffnete, obwohl ich ja eigentlich wusste, dass das unmöglich war. Dennoch habe ich es zutiefst gehofft. Kurz danach habe ich wieder die Leere gefühlt und wurde traurig, als mir klar wurde, dass er nie mehr durch diese Tür gehen würde. In diesen Momenten wollte ich einfach wieder einschlafen, um nicht wirklich mit der Realität konfrontiert zu werden. Es ist nach wie vor schwer, am Esstisch zu sitzen und auf den leeren Platz gegenüber zu blicken. Nach dem Tod meines Bruders war diese alte Gewohnheit wie so vieles andere einfach weg. Das macht mich immer wieder sehr schmerzhaft auf den Verlust aufmerksam. Ich würde sagen, dass neben der Trauer oft ein Gefühl der Wut dabei war. Nicht nur dann wird mir bewusst, dass er wirklich nicht mehr wiederkommen wird. Es ist so unglaublich traurig.
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Ich denke oft, dass es einfach unfair ist, dass mein Bruder nicht mehr an den Dingen teilhaben kann, die für alle anderen alltäglich sind. Dann stelle ich mir die Frage: »Wieso sollte ich ganz normal weiterleben, wenn er es nicht mehr kann?« Ich erinnere mich an die Zeit vor meinem Abi-Ball. Eigentlich hätte Jan vor mir sein Abi gemacht. Sein Abi-Ball wäre der erste in der Familie gewesen. Ein komisches Gefühl, dass sich alles so geändert hatte, dass ich nun selber plötzlich als Erste diese Erfahrung machte. Zu wissen, dass Jan an diesem besonderen Tag nicht da sein würde, das tat einfach sehr weh. Ich hatte eigentlich selber gar keine Lust mehr hinzugehen. An manchen Tagen wünschte ich mir sogar, ich wäre an seiner Stelle erkrankt. Dann hätte er all diese Qualen nicht durchmachen müssen. Ich habe mich manchmal schuldig gefühlt, wenn ich meinen alltäglichen Aktivitäten nachging. Es kamen Gedanken wie: »Wie kann ich jetzt lachen oder Spaß haben, wenn ich ja eigentlich überhaupt keinen Grund hab zu lachen. Mein Bruder lebt nicht mehr.« Zu hinterfragen, ob das eigene Leben noch Sinn macht, liegt nahe. Ich glaube nicht, dass diese Gedanken jemals komplett verschwinden. Was ich jedoch merke, ist, dass sie sich verändern. Ich denke, es liegt daran, dass ich viel über die Situation nachgedacht habe und mich immer frage, ob mein Bruder jemals gewollt hätte, dass ich an meinem Leben zweifle oder einfach keine Lust habe weiterzumachen. Letztendlich denke ich, dass er erstens nie gewollt hätte, dass seine Lieben die Lust am Leben verlieren. Zweitens finde ich, dass es ihm gegenüber sogar unfair ist, so zu denken. Immerhin haben wir ja gerade die Möglichkeit, unser Leben weiterzuführen, und es wäre respektlos, den Sinn des eigenen Lebens zu hinterfragen oder es sogar für komplett sinnlos zu halten. Damit soll nicht gesagt sein, dass der Tod meines Bruders für mich nicht schrecklich ist und bleibt oder dass ich versuche das Geschehene zu vergessen. Im Gegenteil, es macht mich zwar sehr traurig, wenn ich an die Zeit zurückdenke, in der Jan so tapfer gekämpft und dabei so gelitten hat. Aber gerade weil er so sehr gekämpft hat, um weiterleben zu können, und er dieser schweren Krankheit so stark gegenübergetreten ist, hat er den größten Res-
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Jugendliche erzählen von ihrer Trauer
pekt verdient. Für mich bedeutet das, dass ich mein Leben nicht als sinnlos ansehen darf, sondern als Geschenk. Fehlen wird er mir immer, daran wird sich nie etwas ändern.
»Sei der Autor deiner Lebensgeschichte und schreibe einen Bestseller« (Slimani, 2014) – Luisa (14 Jahre) Jahre, Monate, Wochen, Tage, Stunden habe ich mit ihm verbracht. Gelacht, geweint. »Ich will nicht sterben!«, waren seine letzten Worte zu mir. Lange war mein Bruder, Max, krank. Es ist zehn Monate und fünf Tage her. Zehn Monate und fünf Tage, dass mein Onkel mich von der Schule abholte, wir im Auto nach Hause fuhren, ich zu Hause Papa in die Arme fiel, in Max’ Zimmer rannte und ihn sah. Anders sah er aus. Vor zehn Monaten und fünf Tagen beugte ich mich über ihn, hielt seine Hand und sagte meine letzten Worte zu ihm. Ich habe meine Familie nie trauriger erlebt als in diesem Moment. Ich war noch nie so unendlich traurig. Und ich glaube, kaum einer kann sich vorstellen, wie traurig ein Mensch sein kann, wie sehr eine Stunde ein ganzes Leben ändern kann und wie sehr wir nur in einer Sekunde verletzt werden können. Die Sekunde, als sein Herz aufhörte zu schlagen. Die Sekunde, als er aus meinem Herz herausgerissen wurde. Eiskalt. Ich habe mich gefragt: »Warum? Wieso? Weshalb?« Am Anfang konnte ich es nicht glauben. Ich wusste, dass es passiert ist, dass er gestorben ist und dass er niemals wiederkommen wird, aber bis ich es glauben und verstehen konnte, verging Zeit. Sehr viel Zeit. Mal war ich wütend, mal war ich auch glücklich, aber die meiste Zeit war ich traurig. Unglaublich traurig. Da war so oft diese schreckliche, schallende Leere. Unglaublich herzzerreißend. Zurückblickend beschrieb ich es als »starken, spürbaren, schrecklichen, hässlichen, grausamen Schmerz« (aus meinem Tagebuch). In meinem Tagebuch schrieb ich, dass es so plötzlich gekommen sei und dass wir gar keine Zeit gehabt hätten, uns vorzubereiten. Jetzt sage ich genau das Gegenteil. Ich habe fast mein ganzes bisheriges Leben mit ihm gelebt, ich bin mit einer riesigen Verantwortung groß geworden, dass ihm nichts passiert. Ich habe miterlebt, wie er Tage im Krankenhaus lag und schwer krank war. Nicht nur einmal habe ich daran gedacht, dass es irgendwann schlagartig
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zu Ende sein könnte. In diesen Tagen habe ich schon Teile meiner Trauerarbeit geleistet. Vielleicht nicht den größten Teil, aber etwas. Auch jetzt, während ich schreibe, fallen mir Tränen aus den Augen. Ich bin auch noch nach zehn Monaten und fünf Tagen traurig, aber das ist okay. Es kommt in Wellen. Man kann sagen, Trauer ist wie ein Meer – mal kommt es in großen, mal in kleinen Wellen, mal ist Ebbe, mal ist Flut, mal werden Erinnerungen angespült, und ach, im Meer kann man so viel entdecken, ob man nun will oder nicht. Wenn es mir schlecht geht, möchte ich keine großen Ansprachen hören, von wegen »es wird besser« oder so. Es reicht einfach, wenn jemand da ist und mich festhält, damit ich nicht falle. Ich höre auch gerne Musik, spreche mit meiner Familie oder Freunden und denke gerne an dieses schöne Gedicht (Es war auf Max Trauerkarte):
Der Tod ist nichts, ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen. Ich bin ich, ihr seid ihr. Das, was ich für euch war, bin ich immer noch. Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt. Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt. Gebraucht keine andere Redeweise, seid nicht feierlich oder traurig. Lacht weiterhin über das, worüber wir gemeinsam gelacht haben. Betet, lacht, denkt an mich, betet für mich, damit mein Name ausgesprochen wird, so wie es immer war, ohne irgendeine besondere Betonung, ohne die Spur eines Schattens. Das Leben bedeutet das, was es immer war. Der Faden ist nicht durchschnitten. Weshalb soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein, nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin? Ich bin nicht weit weg, nur auf der anderen Seite des Weges. (Henry Scott Holland, 1847‒1918, zitiert nach einer anonymen Übersetzung, 2014)
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Jugendliche erzählen von ihrer Trauer
Dieses Gedicht ist einfach nur schön, zum Nachdenken, und es tröstet, es tröstet unheimlich. Wir sollten nicht zu sehr daran verzweifeln, ob er nun wusste, dass wir ihn liebten. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mich das zu fragen. Aber Liebe sucht sich ihre Wege. Und ich hoffe, meine Liebe hat den Weg zu ihm gefunden. Wenn mich vor ein paar Monaten jemand nach Max gefragt hätte, wären mir Tränen in die Augen geschossen und ich hätte gesagt, ich will nicht darüber reden. Heute zaubert mir der Gedanke an ihn meistens ein Lächeln aufs Gesicht und ich sage, dass er mein Bruder war. Ich würde sagen, dass er einfach nur toll war. Klar, ich weine auch noch. Ich bin öfters traurig und muss mit den Tränen kämpfen, aber ich denke, ich kann damit leben. Meistens befindet sich eine Mischung aus Lachen und Weinen auf meinem Gesicht, wenn ich an ihn denke. Ich habe viel von ihm gelernt. Ich habe gelernt, dass das Glas nicht halb leer, sondern halb voll ist. Es gibt so viel Stoff zum Nachdenken, den er mir gibt. Verlust ist schwer und die Trauer, die damit verbunden ist, umso mehr. Man kann es kaum aushalten, aber ich habe den Stift in der Hand, mit dem ich meine Lebensgeschichte schreibe, und ich möchte sie zu Ende schreiben, sodass diese Geschichte am Ende ein Bestseller wird. Ich möchte nicht aufgeben, schon alleine für meinen Bruder Max.
Plötzlich ist alles anders – Sebastian (21 Jahre) Vom einen auf den anderen Moment ist alles anders. Ich habe erfahren, dass es wirklich so ist. Auch wenn ich zugeben muss, dass es ein ganze Zeit gedauert hat, bis ich es wirklich richtig verstehen und begreifen konnte. Ich für meinen Teil beschreibe die Situation gerne mit einem Vergleich. Für mich war mein Vater immer so etwas wie der Fels in der Brandung. Dieser Fels steht dort fest und unerschütterlich. Sonne, Wind und Wasser können ihm nichts anhaben. Natürlich sieht man, dass er an der einen oder anderen Stelle ein paar Blessuren abbekommen hat. Darum gibt es Kanten und Ecken, die sich über die Jahre gebildet haben, die eine Kante ist zu einer Ecke geworden, die nächste vielleicht ganz verschwunden. Über die Jahre hat sich ein Fels geformt, der sich der Brandung unermüd-
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Plötzlich ist alles anders63
lich entgegenstellt, egal wie stark der Wind oder die Wellen gegen ihn drücken. Er übersteht jeden Sturm. Er steht dort als Fels in der Brandung und schützt die hinter ihm liegende Küste. Was passiert, wenn dieser Fels nicht mehr da ist, er einfach zerbrochen ist? Richtig, die Stürme und Wellen treffen mit ihrer vollen Wucht auf die Küste. Der Fels in der Brandung ist verschwunden, auf eine Art, die man nicht begreifen kann. Den Verlust konnte ich wirklich erst dann spüren, als er eingetreten war. Ich musste ihn fühlen, ich wurde nicht gefragt, ob ich stark genug bin, mich dem Wind und den Wellen entgegenzustellen. Es bleibt einfach keine Wahl, es trifft mit voller Wucht. Jeder kennt es, wenn die Wellen zu groß sind oder der Wind zu stark ist. Dann werden wir umgeworfen und kommen nur schwer wieder hoch, weil immer neue Wellen und Winde auf uns zukommen. Vielleicht wird das Wasser irgendwann ruhiger und der Wind flaut ab, aber wann, das weiß niemand. Mit der Zeit fing ich an zu begreifen, was es heißt, der Fels in der Brandung zu sein, welche Verantwortung dies mit sich bringt und welche Bedeutung dies für die Küste hat. Erst jetzt bin ich in der Lage, mich langsam den Stürmen und Wellen entgegenzusetzen und zu begreifen, was der Tod meines Vaters bedeutet. Langsam lerne ich mit diesem Verlust zu leben, doch vergessen werde ich ihn niemals. Erst jetzt verstehe ich so richtig, warum plötzlich alles anders geworden ist. Jetzt ist mir klar, welch ein Mensch dieser Fels gewesen ist und was für ein Verlust dies wirklich ist. Ich begreife, was sich von einem auf den anderen Moment geändert hat. Alles, was bleibt, sind Stücke dieses Felsens, Erinnerungen und Gedanken. Doch genau die geben mir die Kraft, mich dem Wind und den Wellen entgegenzustellen, auch wenn das nicht immer einfach ist und ich mich zwischendurch alleingelassen fühle. Ich kann meinen Vater nicht mehr fragen oder um Hilfe bitten, wir können nicht mehr einfach nur Zeit miteinander verbringen. Es hat sich mit einem Mal einfach alles geändert. Ich muss ehrlich zugeben, dass es nicht immer leicht ist, sich dies einzugestehen bzw. trotzdem stark zu sein, um genau dieser Fels in der Brandung zu werden. Der Weg dorthin, zu begreifen und immer wieder weiterzumachen, ist manchmal schwer und voller Steine, die mir in den Weg gelegt werden, doch aus diesen Steinen, die mir in den Weg
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Jugendliche erzählen von ihrer Trauer
gelegt werden, kann ich etwas Schönes bauen. Vor allem habe ich eins nie verloren, die Lust am Leben. Vielleicht habe ich durch alles sogar noch mehr Lust auf das Leben bekommen. Eins ist für mich sicher: Ich werde dem Leben schon zeigen, dass ich ein genauso starker Fels in der Brandung sein kann. Der Gedanke, mich dem Leben genau so zu stellen wie dieser Fels, macht mich mehr als stolz und treibt mich an.
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Trauer in der Familie
Leidvolle und von Kummer geprägte Erfahrungen können wir weder unseren Kindern noch uns selbst ersparen. Leid gehört zu unserem Leben. Aber: Wir können unsere Kinder aufrichtig und liebevoll begleiten und mit ihnen gemeinsam einen bestmöglichen Umgang mit schweren Lebenssituationen finden. Positive Erfahrungen und Sichtweisen, wie zum Beispiel die Unterstützung und Nähe durch andere Menschen oder die Entwicklung neuer Fähigkeiten, helfen uns den Verlust zu überleben. Wir können sie in der Situation nicht immer wahrnehmen. Manchmal erkennen wir erst im Rückblick wichtige, positive Stützen und wachsen an der Erfahrung, dass es möglich ist, Schlimmes zu überstehen.
Nach dem Tod eines Familienmitglieds – vorweg Grundsätzliches Jugendliche können in der Familie von unterschiedlichen Verlusten betroffen sein (ein Elternteil, beide Elternteile, Geschwister, Oma, Opa, Tante, Onkel, Cousine, Cousin, Großtante/-onkel, Urgroßmutter/ -vater, Nichte, Neffe). Bevor jedoch näher auf diese unterschiedlichen Verluste eingegangen wird – also darauf, wer um wen trauert und was das jeweils bedeutet und an Problemen mit sich bringt –, ist es erst einmal nötig, sich einige grundsätzliche Überlegungen im Hinblick auf die Trauer in der Familie nach dem Verlust eines Familienmitgliedes zu machen. Daher wird zunächst erläutert, was in Hinblick auf die Wahrnehmung der Trauer von Jugendlichen sowie auf das Geben oder Verschweigen von Informationen zu bedenken ist. Informieren
Jugendliche brauchen Zugang zu sachlichen, wertfreien Informationen, um mit Sterben, Tod und Trauer umgehen und leben zu lernen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Informieren Sie Jugendliche ehrlich über eine unheilbare Erkrankung eines Familienmitglieds oder engen Freundes. Geben Sie damit die Chance, die verbleibende, wertvolle Zeit mit dem nahestehenden Menschen zu nutzen, um noch Dinge zu tun oder zu sagen, die nicht nachzuholen sind. Schicken Sie Jugendliche nicht aus falscher Rücksichtnahme einfach weg, wenn das Sterben eines Angehörigen bevorsteht. Lassen Sie Jugendliche selbst entscheiden, ob sie dabei sein möchten oder nicht. Bieten Sie die eigene oder, wenn Sie selbst zu belastet sind, die Begleitung einer anderen Vertrauensperson an. Unheilbar erkrankte Menschen möchten allerdings manchmal nicht, dass ihre Kinder von der Krankheit wissen. Meist steckt der Gedanke dahinter, auf diese Weise die grausame Wahrheit fernhalten zu können. Leider funktioniert das nicht. Jugendliche können sich dadurch nicht auf das Unabwendbare vorbereiten, ein bewusst gestalteter Abschied bleibt ihnen verwehrt. Jugendliche sollten nach dem Tod eines nahestehenden Menschen zeitnah informiert werden. Gleiches gilt, wenn andere existenzielle Veränderungen (Arbeitslosigkeit, Umzug, finanzielle Not, Suchtproblematiken, Trennung, …) auf die Familiensituation einwirken. Ein Mangel an Information kann dazu führen, dass Jugendliche sich die Schuld an dem geben, was geschehen ist, oder Ängste entwickeln, die unnötig sind. Nicht nur im Hinblick auf Krankheiten und den Tod sollten Jugendliche informiert sein, sie sollten darüber hinaus in alle Planungen, die die Zukunft betreffen, einbezogen werden. So können sie sich auf Umgestaltungen einstellen und ihre persönlichen Wünsche und Anliegen einbringen. Sie fühlen sich ernst genommen und geben mit ihren Gedanken und Ideen oft wesentliche Impulse für die Neugestaltung des Alltags. Hinweise: Informieren Sie Jugendliche unbedingt über Erkrankungen, Sterbeprozesse, Tod, Trauerreaktionen sowie Trauerprozesse und externe Unterstützungsangebote. Trauen Sie Jugendlichen die Stärke zu, mit dem Verlust umzugehen. Zwingen Sie sie nicht zu etwas, was sie nicht möchten, und respektieren Sie ihre Entscheidungen.
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Nach dem Tod eines Familienmitglieds – vorweg Grundsätzliches 67
Suchen Sie aber auch das Gespräch mit denjenigen, die den Jugendlichen verheimlichen wollen, wie schwer sie erkrankt sind. Bestärken Sie einen unheilbar Erkrankten darin, den Weg des Lebensendes gemeinsam mit den eigenen Kindern zu gehen und ihnen seine schwere Erkrankung nicht zu verschweigen. Professionelle Unterstützung von außen kann in solchen Situationen zudem hilfreich und entlastend für alle sein. Bedenken Sie auch: Jugendliche sollten ihre Lebensträume und Zukunftswünsche nicht aufgeben, weil sie sich für andere Familienmitglieder verantwortlich fühlen. Ermutigen Sie Jugendliche deshalb, ihre eigenen Lebenskonzepte zu verwirklichen. Sie sollten trauernden Jugendlichen nach einem Verlust (auch Trennung) in jedem Fall mehrfach versichern, dass sie nicht verantwortlich sind und keine Schuld haben. Vielleicht können Sie die Bestätigung geben, dass der Verstorbene sie geliebt hat. Nennen Sie Beispiele aus der gemeinsamen Lebenszeit, die das bekräftigen. Das stärkt das Gefühl, sich weiterhin positiv mit dem Verstorbenen verbunden zu fühlen.
Verschweigen
Eltern möchten ihre jugendlichen Kinder manchmal aus Fürsorge schonen. Sie versuchen das Geschehen oder die Todesumstände zu verschweigen. Der Versuch, wesentliche Dinge, die im Zusammenhang mit dem Tod stehen, zu verheimlichen, wird dauerhaft nicht gelingen. Jugendliche spüren, wenn wir halbe Wahrheiten erzählen (zum Beispiel bei Suizid eine andere Todesursache nennen). Sie werden über andere Menschen Bruchstücke der ganzen Wahrheit erfahren und glauben, dass zu Hause nicht offen mit dem Themenkomplex umgegangen werden soll. Dies kann auf beiden Seiten zu Entfremdung und Einsamkeit oder zu Wut und Aggression führen. Jugendliche werden skeptisch, weil sie nicht mehr wissen, wem und was sie glauben können. Hinweis: Keine Sorge, wenn Sie Ihrem Kind bisher noch nicht die ganze Wahrheit erzählt haben sollten. Im Nachhinein können Sie immer noch Dinge geraderücken: »Es tut mir leid, dass ich dir bisher nicht die Wahrheit gesagt habe. Ich hielt es für besser und
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Trauer in der Familie
wusste es nicht anders.« Dieser offene und ehrliche Umgang wird Sie auch im Nachhinein miteinander verbinden und Ihre Beziehung stärken.
Jugendliche als Trauernde wahrnehmen
Jugendliche fühlen sich häufig allein und ungesehen in ihrem tiefen Leid und Kummer, wenn ein Angehöriger gestorben ist, um den alle Familienmitglieder trauern. Als Elternteil, Großelternteil, Tante oder Onkel kann es sein, dass Sie selbst so sehr vom Schmerz des Verlusts überwältigt sind, dass Sie die trauernden Jugendlichen gar nicht wahrnehmen. Gerade wenn ein Kind in der Familie gestorben ist, werden Geschwisterkinder von Eltern und anderen engen Bezugspersonen häufig übersehen. Sie erhalten wenig Zuwendung und Unterstützung. Verstärkt werden Gefühle von Isolation und Einsamkeit, wenn Eltern und Bezugspersonen glauben, dass es besser sei, mit Jugendlichen nicht über den Tod oder den Verstorbenen zu sprechen. Erwachsene haben häufig den Eindruck, der Jugendliche trauere nicht. Festgelegte Auffassungen von der Art, wie sich richtige und echte Trauer zeige, verhindern es, den Jugendlichen als Trauernden wahrzunehmen. Hinweise: Gehen Sie nach dem Tod eines Familienmitglieds grundsätzlich davon aus, dass der Jugendliche trauert. Erkennen Sie an, dass er einen schweren Verlust erlitten hat, und trauen Sie ihm seine eigene Auseinandersetzung mit dem Verlust zu. Beziehen Sie den Jugendlichen in Gespräche ein, beteiligen Sie ihn an Planungen (Trauerfeier, Gestaltung von Erinnerungsorten: Grab, Haus, Unfallort, Umgang mit besonderen Tagen, Gestaltung des Alltags nach dem Verlust) und der Entwicklung von Zukunftsperspektiven. Es ist eine ganz normale Reaktion, dass derjenige, der trauert, andere in ihrer Trauer zunächst nicht wahrnimmt. Vielen Trauernden geht es in dieser Hinsicht ähnlich wie Ihnen. Es wird wieder Zeiten geben, in denen Sie sich den anderen zuwenden können. Schämen Sie sich nicht, wenn Sie im Augenblick Verantwortung für andere nicht in dem gleichen Maße tragen können wie bisher. Sie sind deswegen keine schlechte Mutter, kein schlechter Vater oder Partner. Vielleicht können Sie dafür sorgen, dass eine weniger belastete Bezugsperson sich um den Jugendlichen kümmert und/oder professionelle Begleitung in Anspruch genommen wird.
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Trauern in der Familie ist vielfältig
Vielleicht erleben Sie Ihre Trauer und Ihre Situation ganz anders, als es bisher hier beschrieben wurde. Sie nehmen Ihr Kind wahr, fühlen sich stark, versorgen Ihre Familie weiter und gehen Ihren täglichen Pflichten nach. Oder aber, Sie erleben starke Schwankungen, Tage, an denen es gut geht, und Tage, an denen es gar nicht geht. Wie auch immer: Reaktionen auf einen Verlust und der Umgang mit ihm können sehr unterschiedlich sein. Hier liegt, so meine Erfahrung, die Hauptschwierigkeit in trauernden Familien. Diese Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeit wird meist viel zu wenig zugelassen und respektiert. Der Verstorbene fehlt jedem Familienmitglied auf seine Weise. Schmerzlich und in seinem ganzen Ausmaß wird häufig erst nach dem Tod des Angehörigen klar, was dieser jedem Einzelnen und der Familie insgesamt bedeutet hat. Nicht nur die Aufgaben, die er mit seinen besonderen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften in der Familie übernommen hat, bleiben unerledigt, auch seine emotionale Zuwendung fehlt. Der Verstorbene hatte für jeden eine andere Bedeutung, verknüpft mit der Rolle, die der Verstorbene für ihn hatte – als Kind, Vater, Mutter, Partner, Geschwister, Großvater usw. Die Trauerreaktionen auf den Verlust werden sich auch deshalb bei jedem Familienmitglied sehr individuell äußern. Jeder ist mit seiner Trauer und auf seine eigene Weise mit der Bewältigung der Aufgaben, vor den diese Trauer den Einzelnen stellt, beschäftigt. Selten sind Familienmitglieder gleichzeitig mit der gleichen Aufgabe befasst oder bringen ihre Trauer auf gleiche Art zum Ausdruck. Hinweise: Messen Sie die Trauer in der Familie nicht mit Ihren eigenen Maßstäben. Was sich für Sie richtig anfühlt, kann für den Jugendlichen genau das Gegenteil bedeuten. Lassen Sie sich gegenseitig die Chance, den bestmöglichen Umgang mit der Trauer für sich zu finden. Die hier im Buch vorgestellten Trauerreaktionen und der mögliche Umgang mit trauernden Jugendlichen können nur Orientierung sein. Wesentlich ist es, jeden Menschen unabhängig von seinem Alter und in seiner individuellen Lebenssituation als einzigartigen Menschen zu sehen und ihm auch so zu begegnen.
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Trauer in der Familie
Bedenken Sie, dass es nicht darauf ankommt, ihr Kind vom Trauerschmerz zu befreien. Den Schmerz um den Verstorbenen kann Ihnen oder Ihrem Kind niemand abnehmen. Es ist oft einfach tröstlich zu spüren, dass es Menschen gibt, die uns in unserer Trauer sehen, die uns Nähe zeigen, denen wir uns mitteilen dürfen, mit denen wir gemeinsam trauern können, die aber auch Distanz erlauben, wenn wir sie brauchen.
Wer trauert? Und um wen wird getrauert? Trauernde Großfamilie
Nach dem Tod eines Familienmitglieds, sei es aus dem engen oder weiteren Familienkreis, sind Jugendliche mit der Trauer im gesamten Familiensystem konfrontiert. Es kann für Jugendliche zusätzlich sehr schmerzhaft sein, andere enge Bezugspersonen, zum Beispiel die Eltern, Großeltern oder Tante, leiden zu sehen. Eigene Gefühle von Hilflosigkeit und Einsamkeit können deshalb besonders stark sein. Die Unterschiedlichkeit des Trauerns einzelner Familien kann zu Konflikten und Unverständnis im großen Familiensystem führen. Denn jede Familie wird mit ihren eigenen Bewältigungsstrategien und Möglichkeiten auf den Tod reagieren. Hinweis: Richten Sie sich darauf ein, dass jeder Einzelne und jede Familie als Einzelsystem unterschiedlich trauern wird. Respektieren Sie diese Unterschiedlichkeiten und achten Sie sowohl den Weg, den jeder Einzelne für sich wählt, als auch den, den andere Familien für sich wählen. Erkennen Sie an, dass jeder seinen eigenen Trauerprozess durchleben muss und die Unterstützung anderer Trauernder nicht immer geleistet werden kann oder anders ausfällt, als erwartet.
Tod meines Partners – Tod des Elternteils
Die Unterstützung des Jugendlichen ist besonders schwer, weil ich als verbliebenes Elternteil nicht nur gleichzeitig betroffen bin, sondern zudem mit meinem Lebenspartner eine wichtige Stütze, einen wichtigen Halt meines eigenen Lebens verloren habe. Großeltern trauern ebenfalls und können meist ebenso wenig für den trauernden Jugendlichen da sein. Der Tod eines Elternteils führt häufig zu © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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tiefgreifenden Veränderungen des Alltagslebens. Daher fühlen sich Jugendliche in ihrer eigenen Existenz bedroht. Hinweis: Vermeiden Sie, dem Jugendlichen Aufträge und Verantwortungen aufzubürden, die nicht zur Rolle des Kindes gehören, wie zum Beispiel: »Dann bist du jetzt der Mann im Haus«. Jugendliche müssen weder Vater oder Mutter ersetzen noch die Verantwortung für den überlebenden Elternteil übernehmen.
Tod meines/unseres Kindes – Tod des Geschwisters
Der Tod des eigenen Kindes ist für Eltern das Schlimmste, was sie sich je vorstellen konnten. Zugleich sind nahezu alle Familienmitglieder von den Geschwistern über die Großeltern bis hin zu anderen Verwandten zutiefst betroffen. Mit dem Tod des Kindes gehen Wünsche, Zukunftspläne und Träume verloren, die natürliche Reihenfolge stimmt nicht mehr. Eltern wie Geschwister erleben eine fundamentale Erschütterung ihres Lebens und einen unglaublichen Schmerz, von dem sie nicht wissen, wie sie ihn aushalten sollen. Jugendliche müssen nach dem Tod eines Geschwisters mit einschneidenden Veränderungen des bisher Gewohnten zurechtkommen und finden häufig wenig Unterstützung in der Familie, weil Bezugspersonen mit ihrer eigenen Trauer so stark belastet sind. Sie verlieren nicht nur Bruder oder Schwester, sondern in gewisser Weise auch ihre Eltern. Eltern verändern sich durch die Trauer in ihrem Verhalten sowohl als Vater oder Mutter wie auch als Elternpaar. Häufig versuchen Jugendliche ihre Eltern zu trösten und stellen eigene Gefühle zurück. Sie funktionieren, um keine zusätzliche Belastung für die Eltern zu sein, und übernehmen von sich aus Verantwortung und Aufgaben, um den Alltag aufrechtzuerhalten. Zudem trauert meist das weitere Lebensumfeld (Freunde, Nachbarn, Schule) ebenfalls und steht Geschwisterkindern häufig zum einen wenig aufmerksam und zum anderen hilflos gegenüber. Ersatzkind
Unbewusst werden Geschwisterkinder häufig in die Rolle des Ersatzkindes gedrängt oder mit dem verstorbenen Geschwister verglichen. Das kann verletzen und Gedanken auslösen, besser an Stelle des © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Trauer in der Familie
Geschwisters gestorben zu sein oder kein Recht zu haben zu leben. Jugendliche, die auf Grund ihrer Entwicklung ohnehin auf der Suche nach einer eigenen Identität sind, haben es dann noch schwerer, ihre eigene Persönlichkeit, Liebe zu sich selbst und Lebensfreude zu entwickeln. Das Gefühl, nicht gewollt zu sein, führt zudem dazu, dass Jugendliche sich selbst als wertlos empfinden. Hinweis: Vergleichen Sie Jugendliche nicht mit dem verstorbenen Geschwister und drängen Sie sie nicht in die Rolle des Geschwisters. Jugendliche müssen nicht die Lebensträume und Lebenskonzepte ihrer verstorbenen Geschwister fortführen oder die Hoffnungen erfüllen, die Bezugspersonen mit dem Verstorbenen verbunden haben. Sie müssen ihr eigenes Leben führen dürfen.
Geschwisterbeziehung
Geschwisterbeziehungen sind besonders. Mit dem Tod von Bruder oder Schwester verlieren Jugendliche einen Menschen, mit dem sie seit der Kindheit eng verbunden waren und bis dahin vieles geteilt haben. Mit dem Tod des Geschwisters stirbt ein Stück Familie und damit auch eigene Geschichte. Jugendliche verlieren jemanden, mit dem sie sich an ihre Kindheit, an ihre Eltern erinnern können: »Felix und ich hatten unsere Geschwistersprache, die niemand sonst verstand. Das war etwas ganz Besonderes. Nie wieder wird es das für mich geben« (Lea, 13 Jahre, nach dem Tod ihres geistig und körperlich behinderten Bruders). Zurückbleibende Geschwister, die eine lange andauernde Erkrankung des gestorbenen Geschwisters miterlebt haben, sind meist besonders belastet. Diese Jugendlichen haben häufig schon eine lange Zeit der Unsicherheit, der Entbehrungen und Einsamkeit erfahren. Die Hoffnung, nach dem Tod des Geschwisters wieder mehr Aufmerksamkeit genießen zu können, ruft oft Schuld und Schamgefühle hervor. Hinweise: Bitte beachten Sie, dass Jugendliche, die ältere Geschwister verloren haben, häufig unbewusst zu starken Trauerreaktionen tendieren, wenn sie sich dem Alter des gestorbenen Geschwisters nähern. Das ältere Geschwister zu überleben zeigt den Tod in seiner Endgültigkeit ganz drastisch und schmerzhaft.
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Bedenken Sie bitte auch, dass Jugendliche verunsichert und beängstigt sein können, weil durch den Geschwistertod der eigene Tod realer wird. Vermeiden Sie Kommentare, die Schuldgedanken erzeugen, wie: »Ihr hattet ja kein so wirklich brüderliches Verhältnis«. Sprechen Sie lieber darüber, dass es nie nur harmonische Beziehungen gibt, dass Streit und Auseinandersetzungen auch unter Geschwistern normal sind. Manchmal können sich Familien nach dem Tod ihres behinderten Kindes nichts gönnen, was zu dessen Lebzeiten unmöglich war (zum Beispiel eine Urlaubsreise). Überprüfen Sie, ob und warum Sie alte Lebensmuster beibehalten möchten. Eltern sollten ihrem jugendlichen Kind immer wieder durch Worte und Gesten zeigen, dass sie es lieben und nicht vergessen haben, auch wenn sie gleichzeitig den Kummer und Schmerz um den Verlust des anderen Kindes erleben. Beachten Sie, dass Geschwister durch die Hilflosigkeit und Ohnmacht der Eltern oft sehr verunsichert sind. Geben Sie daher so viel Stabilität, Sicherheit und positive Rückmeldungen wie möglich. Auf der Internetseite des Bundesverbands verwaister Eltern und trauernder Geschwister in Deutschland e. V. »www.veid.de« können Sie viele weitere wertvolle Informationen zum Themenbereich finden.
Tod meiner Eltern – Tod der Großeltern
Jugendliche, die eine enge Bindung zu den Großeltern haben, können sehr intensiv und schmerzhaft unter deren Tod leiden. Manchmal gleicht die Trauer in ihrer Intensität dem Verlust eines Elternteiles. Oftmals besteht von Kindheit an eine enge Verbundenheit, zum Beispiel wenn Großeltern den Alltag der Familie unterstützt haben oder sie mit im Haus lebten. Nach der Scheidung der Eltern können Großeltern wichtige und enge Bezugspersonen für Jugendliche sein, um die sie nach deren Tod schmerzvoll trauern. Oft erfahren Jugendliche bei diesem Verlust keine oder kaum Anerkennung ihrer Trauer. Aus dem Lebensumfeld hören sie zudem verletzende Kommentare, wie: »Deine Oma war ja auch schon alt«, »In dem Alter darf man ruhig sterben«, »Sei froh, dass er nicht leiden musste«.
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Trauer in der Familie
Verluste außerhalb der Familie anerkennen
Stirbt ein dem Jugendlichen nahestehender Mensch (Freund, Mitschüler, jemand aus der Clique, …), ist es wichtig, nicht einfach zur Tagesordnung überzugehen. Auch dieser für den Jugendlichen schmerzhafte Verlust wirkt sich auf die gesamte Familie aus: Denn der Jugendliche trauert und Trauer ist immer eine existenzielle Erfahrung. Seine Trauer kann er somit nicht einfach draußen vor der Tür lassen, wenn er zu Hause ist. Möglicherweise kennen die Eltern oder andere Familienmitglieder den Verstorbenen oder die Hinterbliebenen ebenfalls. Sie können in sehr unterschiedlichem Maße eine eigene Beziehung zum Verstorbenen gehabt haben. So kann auch die Betroffenheit einzelner Familienmitglieder sehr variieren und damit auch die Art, wie in der Familie getrauert und mit der Trauer des Jugendlichen umgegangen wird. Auch wenn der Verstorbene kein Familienmitglied war, ist es wichtig, die Trauer der Jugendlichen wahrzunehmen, sie ernst zu nehmen und mit ihnen über den Verlust zu kommunizieren. Ganz grundsätzlich gilt: Jugendliche brauchen die Freiheit, ihre individuellen Ideen verwirklichen und ihrer Trauer Ausdruck geben zu können. Sie müssen informiert werden, einbezogen werden und teilhaben dürfen. Hinweis: Bedenken Sie, dass Sie als Bezugspersonen nicht immer um die Art und Intensität der Beziehungen, die Jugendliche außerhalb der Familie führen, wissen. Auch wenn keine enge Bindung zum Verstorbenen bestanden hat, kann der Tod im nahen Umfeld die Seele des Jugendlichen tief berühren und Fragen zur eigenen Existenz oder Ängste, selbst sterben zu müssen, aufwerfen. Berichtet der Jugendliche vom Tod eines Mitschülers, Freundes, Lehrers, dann sollten Sie nachfragen, was dieser Mensch dem Jugendlichen bedeutet hat. Möglicherweise ist dieser Tod ein schwerer Verlust für den jungen Erwachsenen, der eine sensible Begleitung benötigt.
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Wichtige Trauerthemen in der Familie Vorbilder
Eltern und enge Bezugspersonen haben für Jugendliche Vorbildcharakter. Jugendliche ahmen ihr Trauerverhalten nach. Werden der Verlust, der Verstorbene sowie die damit in Zusammenhang stehenden Veränderungen nicht thematisiert und Gefühle nicht zugelassen, haben Jugendliche den Eindruck, sie müssten sich diesem Verhalten anschließen. Eine familiäre Auseinandersetzung mit dem Verlust kann nur schwer stattfinden. Findet der Jugendliche keinen anderen Raum, um sich mit dem Verlust zu beschäftigen, wird der Trauerprozess des Jugendlichen verschoben und erschwert. In einer offenen, zugewandten Atmosphäre ist es für Jugendliche leichter, einen eigenen Umgang mit dem Verlust zu finden, als in einer starren, unflexiblen Familienstruktur. In Familien, in denen schon vor dem Verlust Gefühle kommuniziert und Krisen gemeinsam angegangen wurden, ist es eher möglich, persönlichen Bedürfnissen im Trauerprozess nachzugehen. Der erlebte Verlust kann den Zusammenhalt und das Vertrauen innerhalb der »Restfamilie« stärken. Unterschiedliche Bedürfnisse
Meist gehen wir davon aus, dass andere genauso empfinden und ähnliche Bedürfnisse nach dem Tod des nahestehenden Menschen haben wie wir selbst. Wir haben bereits erfahren, dass bestimmte Faktoren (erlebte Verluste, Persönlichkeit, Alter, Geschlecht, Biografie, Ressourcen …) dazu beitragen, dass jeder Mensch anders trauert. Hieraus entstehen individuelle Bedürfnisse in der Trauer. Gerade im gemeinsamen Trauern ist es wichtig, die jeweils eigenen und voneinander abweichenden Bedürfnisse wahrzunehmen und anzuerkennen. Hinweise: Setzen Sie sich immer wieder mit der Frage nach Ihren Bedürfnissen, Fähigkeiten und Wünschen auseinander. Erwarten Sie nicht, dass Jugendliche oder andere Trauernde die gleichen Bedürfnisse und Empfindungen haben wie Sie selbst. Erlauben Sie sich und den anderen unterschiedliche Bedürfnisse und bewerten Sie diese nicht. Meist ist es in einer Familie gar nicht möglich, die
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Trauer in der Familie
Bedürfnisse aller in ihrer Komplexität zu erfüllen. Deshalb ist es hilfreich, sich immer wieder auf eine möglichst große Schnittmenge zu einigen. Zugleich kann es manchmal eine gute Lösung sein, Bedürfnisse abwechselnd zu erfüllen. Bemühen Sie sich um ein gegenseitiges Verständnis der individuellen Bedürfnisse. Es braucht Zeit und immer wieder neue Übereinkünfte, um eine Balance zwischen Selbstfürsorge und der Fürsorge für die anderen zu finden. Bedürfnisse können zudem wechseln, so zum Beispiel der Wunsch nach Nähe oder Distanz. Wenn Sie nicht sicher sind, was der Jugendliche sich gerade wünscht, sollten Sie einfach nachfragen.
Endgültigen Abschied begreifen
Trauernde brauchen Gelegenheiten, die sie begreifen lassen, dass der Verstorbene nicht wieder zurückkommt. Die Realität des Verlusts zu begreifen ist ein wichtiger Schritt im Trauerprozess. Ein letztes Abschiednehmen am Totenbett oder Sarg und/oder die Abschiedsfeier geben dazu zum Beispiel Gelegenheit. Der Abschied vom Körper des Verstorbenen lässt Trauernde mit allen Sinnen begreifen, dass der nahestehende Mensch tatsächlich tot ist. Zugleich können beängstigende Phantasien und Bilder aufgelöst werden, denn Befürchtungen, wie schrecklich der Verstorbene aussehe, bestätigen sich in den wenigsten Fällen. Es kann eine wichtige und versöhnliche Erfahrung sein, den Verstorbenen friedlich zu sehen, ihn zu berühren, ihm etwas mitzugeben oder ihm letzte wichtige Worte zu sagen und mit diesen Liebe oder Dankbarkeit auszudrücken, Wünsche zu formulieren, um Verzeihung zu bitten oder ihm zu vergeben. Jugendliche sollten daher auf jeden Fall die Möglichkeit erhalten, sich vom Verstorbenen zu verabschieden und die Art dieses Abschieds mitzugestalten (zum Beispiel ist es denkbar, den Verstorbenen zu waschen, anzuziehen, zu streicheln, etwas in den Sarg zu legen, die Trauerkarte und Anzeige mitzuformulieren, Texte und Lieder für die Trauerfeier auszusuchen). Eine ebenso tröstliche Erfahrung kann es sein, zu sehen, dass der Verstorbene auch für andere eine Bedeutung hatte (bei der Abschiedsfeier oder durch andere Zeichen der Anteilnahme). Hinweis: Bieten Sie dem Jugendlichen an, sich zu verabschieden und den Abschied aktiv mitzugestalten. Lassen Sie ihn jedoch
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nicht unvorbereitet in eine Abschiedssituation gehen. Bereiten Sie ihn im Gespräch auf das vor, was ihn erwartet. Eltern sollten Angebote machen, aber ihrem Kind die freie Entscheidung überlassen, wie es mit dem Abschied umgehen möchte. Wenn Sie selbst zu betroffen sind, um den Jugendlichen zu begleiten, sollten Sie gemeinsam überlegen, wer zur Unterstützung hinzugeholt werden kann. So übernehmen beispielsweise Seelsorger, Mitarbeiter aus Hospizen oder Trauerbegleiter diese Aufgabe. Überlegen Sie mit allen Familienmitgliedern, ob Sie gemeinsam, jeder für sich oder in einer Kombination von beidem Abschied nehmen möchten. Überlassen Sie es jedem selbst, sich auch spontan noch einmal anders zu entscheiden. Überfordern Sie weder sich noch den Jugendlichen.
Schmerz erfahren
Trauern ist mit tiefem Schmerz verbunden. Dieser Schmerz muss, wie wir bereits beschrieben haben, durchlebt werden. In einer Familie ist es unglaublich schwer zu akzeptieren, dass niemand dem anderen den Schmerz abnehmen kann. Neben der Belastung durch den eigenen Schmerz leiden Familienangehörige, Erwachsene wie Kinder, weil sie mit dem Schmerz der anderen konfrontiert werden und keine wirklich akzeptable Entlastung bieten können. Die einzige annehmbare Lösung sehen viele Familienmitglieder darum darin, sich gegenseitig zu schonen. Dies führt häufig zu Einsamkeitsgefühlen und der Annahme, dass der offene Umgang mit Gefühlen in der Familie keinen Raum haben darf. Hinweise: Es ist schwer auszuhalten, das eigene Kind leiden zu sehen. Allzu gern möchten wir ihm den Schmerz und die Qual abnehmen. Weil das nicht geht, versuchen wir in unserer großen Not und Hilflosigkeit manchmal über den Schmerz hinwegzutrösten und ihn auf diese Weise kleiner zu machen: »Das wird schon wieder«, »Du bist doch noch jung«, »Ist bestimmt besser so«. Letztendlich ist dies keine wirkliche Hilfe für den Jugendlichen, denn der Schmerz um den nahestehenden Menschen ist viel zu groß. Es tut gut, Anerkennung des Leids zu erfahren. Bestätigen Sie, dass es schlimm ist, was dem Jugendlichen zugestoßen ist. So hat er das Gefühl, in seinem Kummer gesehen und ernst genommen zu werden. Vielleicht haben Sie in
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Trauer in der Familie
dieser Richtung selbst verletzende Erfahrungen machen müssen und wissen, wie sich ein derartiges Vertrösten anfühlt. Erklären Sie anderen Menschen darum ruhig, dass solche Versuche, über den Schmerz hinwegzutrösten, diesen nur vergrößern. Akzeptieren Sie den Schmerz bei sich und anderen Familienmitgliedern als notwendigen und wertvollen Ausdruck des Verlusts. Entlasten Sie dementsprechend sich und Ihre Angehörigen durch die wiederholte Erlaubnis, dass Schmerz sein und gelebt werden darf. Schaffen Sie jedoch außerdem Räume und Zeiten, in denen sich jeder vor dem Schmerz des anderen schützen darf. Suchen Sie darüber hinaus nach Möglichkeiten, Schmerz gemeinschaftlich auszudrücken.
Erzählen
Jugendliche brauchen ebenso wie andere Trauernde immer wieder die Möglichkeit, über das Geschehen und den Verstorbenen zu sprechen. Der Tod kann auf diese Weise realisiert und eher begriffen werden. Erzählen hilft, die Ereignisse für sich einzuordnen, zu sortieren und das Geschehene anzunehmen. Hinweis: Lassen Sie zu, dass der Jugendliche seine Geschichte mehrfach erzählt. Auch, wenn sich diese von Ihrer eigenen Sicht unterscheidet und Sie die Erzählung schon öfter gehört haben. Bei genauerem Zuhören werden Sie feststellen, dass nicht immer die gleiche Version der Geschichte erzählt wird, sondern sich Details verändern. Ihnen wird es ähnlich gehen. Wir passen unsere Sicht und Darstellung der Ereignisse mit der Zeit so an, dass wir gut damit leben können (lassen Dinge weg, gewichten anders, bringen neue Sichtweisen ein, …).
Neue Aufgaben und Rollenanpassung an die neue Lebenssituation
»Sich an eine Welt ohne den Verstorbenen anpassen«: So lautet die Aufgabe, mit der sich Trauernde nach William Worden (2010, S. 52), dem Trauerforscher, auseinandersetzen. Nach dem Tod eines Familienmitglieds braucht jeder in der Familie Zeit, um sich mit seiner neuen Identität als Hinterbliebener (Witwer, Alleinerziehender, Halbwaise, Einzelkind, Elternteil oder Geschwister eines verstorbenen Kindes) © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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im sozialen Umfeld zurechtzufinden. Innerhalb der Familie müssen Rollen (Optimist, Ruhepol, Beschützer, Versorger, Humorist, Schlichter, …) und Aufgaben neu verteilt sowie eingeübte Familienpositionen (ältestes Kind, jüngstes Kind, Papas Liebling) aufgegeben werden. Menschen müssen sich auf verschiedenen Ebenen an die neue Lebenssituation anpassen. Worden (2010) hat drei wesentliche Bereiche herausgestellt, die eine Anpassung verlangen. Er spricht erstens von der »externen Anpassung« im Alltag und meint damit, dass die Aufgaben des Alltags neu verteilt, erlernt und bewältigt werden müssen (bei Elternteilen zum Beispiel Aufgaben, die mit Erziehung, Finanzen, Gartenarbeit, Lebensunterhalt, Umzug oder Beruf zu tun haben; bei Kindern zum Beispiel Aufgaben wie: Müll raustragen, Spülmaschine ausräumen, Haustier versorgen, Geschwister beaufsichtigen, … – aber auch ein Schulwechsel fällt in die Kategorie der »externen Anpassung«). Zweitens müssen laut Worden trauernde Menschen für eine »interne Anpassung« sorgen. Das heißt, sie müssen lernen, mit ihrem eigenen Empfinden und dem Wegfall an Bestätigung, Zuneigung und Schutz (durch den Verstorbenen sowie durch die Veränderung der restlichen Familienmitglieder) zurechtzukommen. Und drittens ist es gemäß Worden nötig, eigene Wertvorstellungen, das persönliche Weltbild, den Glauben und die bisherigen Lebensperspektiven zu überprüfen und der neuen Lebenssituation anzupassen. Betrachten wir die Vielfalt der soeben genannten Bereiche, in denen Anpassungen stattfinden müssen, wird deutlich, wie anstrengend und kräftezehrend der Prozess der Trauer ist. Hinweise: Machen Sie sich bewusst, dass alle Familienmitglieder in Anpassungsprozessen stecken. Gehen Sie darum nachsichtig miteinander um und respektieren Sie gegenseitig die Schwerstarbeit, die jeder für sich leistet. Beachten Sie, dass Jugendliche, die zugleich mit den Aufgaben ihrer Entwicklung beschäftigt sind, schnell überfordert sein können. Es braucht Zeit, bis die Gemeinschaft der »Restfamilie« langsam in ein neues Gleichgewicht finden und sich der neuen Lebenssituation anpassen kann. Darüber, wie der Lebensalltag der Familie neu gestaltet werden kann, sollte gemeinsam gesprochen und entschieden werden. Jugendli-
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Trauer in der Familie
che sind in der Lage, mit zu überlegen, und müssen mit darüber bestimmen können, wie sie die Neustrukturierung mit tragen können. Bitte bleiben Sie aufmerksam, damit niemand in seiner neuen Rolle und mit seinen neuen Aufgaben überfordert ist. Alle sollten gemeinsam darauf achten, keine Ersatzrollen anzunehmen. Die Mutter muss nicht den verstorbenen Vater ersetzen, der Bruder nicht den verstorbenen Bruder, die Tochter nicht die Mutter. Dauerhafte Überforderung kann zu Unzufriedenheit, Verlust von Selbstwert, Trauer um das eigene, nicht gelebte Leben und zu Krankheit führen. Ihr heranwachsendes Kind kann nicht zu einer eigenen Identität finden, wenn es in der Rolle einer anderen Person steckt.
Zusätzliche Belastungen
Nach dem Tod eines Menschen in der Familie werden die übrigen Familienmitglieder neben der Trauer zusätzlich vor gewaltige Aufgaben gestellt. Finanzielle Probleme können durch den Wegfall eines Gehalts entstehen und weitere grundlegende Konsequenzen auf das Familienleben haben. Urlaube, Hobbys, der anstehende Führerschein, ein oder auch zwei Autos, Ausbildung oder Studium können vielleicht nicht oder nur schwer finanziert werden. Möglicherweise muss das Elternteil wieder oder mehr in die Berufstätigkeit gehen und die Versorgung des/der Kinder im Alltag aufgeben. Probleme bei der täglichen Versorgung und/oder berufliche Umstellungen, aber auch notwendig gewordene Umzüge können die ohnehin schwer zu ertragende Situation zusätzlich belasten. Manchmal kommen Krankheiten, Unfälle oder andere neue Verluste (Arbeitslosigkeit, Freundschaften zerbrechen, Probleme in der Schule, Tod des Haustiers oder Tod eines anderen Menschen aus dem Lebensumfeld) dazu. Mit der eigenen Trauer, den zusätzlichen Belastungen und den neuen Anforderungen des Alltags zurechtzukommen bedeutet deshalb häufig eine Überforderung für alle Familienmitglieder. Dem Verstorbenen einen neuen Platz geben
Es ist eine längst überholte Auffassung, die leider in weiten Teilen der Gesellschaft noch immer verankert ist, dass Trauernde den Verstorbenen vergessen sollen, ihn loslassen müssen, um wieder zu einem erfüllten Leben zu finden. Trauernden wird der Trauer© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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prozess erschwert, wenn solche unerfüllbaren Forderungen an sie herangetragen werden. In der modernen Trauerforschung werden trauernde Menschen, und zwar junge wie alte, dazu ermutigt, dem Verstorbenen einen neuen Platz im eigenen Leben zuzuweisen und die Bindung zu ihm in anderer Weise fortzusetzen. Trauernde müssen den Verstorbenen nicht vergessen und ihn nicht loslassen. Es ist viel zu schmerzhaft, einen geliebten Menschen nach seinem Tod aus dem Leben zu streichen und auf diese Weise die gemeinsame Vergangenheit zu verleugnen. Was miteinander gelebt wurde, darf weiter gewürdigt und erinnert werden. Das, was jedem an dem Verstorbenen wichtig war, kann bereichernd und stärkend mit auf den weiteren Lebensweg genommen werden und ist eine wesentliche Kraftquelle im Trauerprozess. Äußere Plätze – trostspendende, real aufsuchbare Orte
Jede Beziehung drückt sich auch über äußere Orte und Zeichen sowie durch eine innere Verbundenheit aus. Um die Bindung an den Verstorbenen fortzusetzen und die Beziehung zu ihm neu zu gestalten, brauchen Trauernde für sie stimmige Orte. Eine Verbindung zum Verstorbenen kann über eine emotional geprägte innere Beziehung und durch äußere Orte erhalten werden. Äußere, real aufsuchbare Orte spielen eine wichtige Rolle, um die Bindung zum Verstorbenen fortzusetzen. Solch äußere, oft neue, extra für den Verstorbenen angelegte, ausfindig gemachte, eingerichtete oder auf andere Weise geschaffene Orte verbinden mit dem Verstorbenen und werden als Orte des Trosts erfahren. An ihnen fällt es oft leichter, innere Zwiesprache mit dem Verstorbenen zu halten. Hinweis: In der Familie fühlen sich nicht alle Familienmitglieder mit dem gleichen Ort verbunden. Beachten und respektieren Sie, dass jeder für sich seinen Ort der Verbundenheit mit dem Verstorbenen finden, besuchen und pflegen darf. Wo fühle ich mich mit dem Verstorbenen verbunden (Friedhof, Foto, Garten, bestimmtes Musikstück, Unfallort, Natur)? Wir dürfen nicht erwarten, dass sich jeder zum gleichen Ort hingezogen fühlt wie wir selbst. Verlangen Sie deshalb nicht, dass Jugendliche mit zum Friedhof gehen, wenn das nicht ihr Ort ist! Wir müssen andere Orte der Verbundenheit respektie-
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Trauer in der Familie
ren und daraus resultierende unterschiedliche Bedürfnisse. Bedenken Sie, dass Orte der Verbundenheit sich verändern. Respektieren Sie diesen Wandel.
Innere Plätze – innerlich fortgesetzte Bindungen
Trauernde setzen die Verbindung zum Verstorbenen fort, indem sie ihm einen neuen Platz in ihrem Inneren zusprechen, zum Beispiel als inneren Begleiter, Ratgeber, Gesprächspartner, Beschützer, Engel, Ermutiger, innere Kraftquelle oder inneres Vorbild. Der innere Platz, den der Verstorbene in seinen verschiedenen neuen Rollen einnimmt, bildet zugleich den Raum zur inneren Zwiesprache mit dem Verstorbenen. Diese innere Zwiesprache ist es, die die Bindung mit dem Verstorbenen erhält, Gefühle des Aufgehobenseins vermittelt, tröstet und keineswegs eine anormale Reaktion auf den Verlust ist. Spiritueller Platz – tröstliche und problematische Jenseitsvorstellungen
Viele Menschen glauben auf unterschiedliche Weise an ein Leben nach dem Tod. Diese Vorstellungen sind vielfältig und beruhen auf religiösen Glaubensvorstellungen oder sind individuelle Deutungen. Menschen glauben zum Beispiel daran, dass Verstorbene bei Gott sind, als Stern am Himmel leuchten, in den Kreislauf der Natur eingehen, wiedergeboren werden usw. Wesentlich ist, dass diese Vorstellungen nicht beängstigen, sondern trösten. Für Jugendliche kann es schwierig sein, einen spirituellen Platz für den Verstorbenen zu finden. Jenseitsvorstellungen, die für Kinder noch stimmig sind, wie: »Der Papa ist jetzt im Himmel«, »Die Mama ist ein Engel« oder »Kevin ist im Fußballparadies«, passen nicht mehr zu den Vorstellungen Jugendlicher. Gleichzeitig sind Jugendliche und ihr Umfeld inzwischen nur noch selten in religiösen oder spirituellen Lebensvorstellungen und -zusammenhängen verankert. Deshalb finden jugendliche Trauernde nur schwer zu einer für sie stimmigen und tröstlichen Jenseitsvorstellung. In unserer modernen Welt, in der wir vermeintlich alles beeinflussen können, werden Jenseitsvorstellungen häufig gar belächelt. Kein Wunder also, dass Jugendliche sich der Auseinandersetzung um einen spirituellen, tröstlichen Platz des Verstorbenen kaum stellen können. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Wichtige Trauerthemen in der Familie83
Besonders problematisch ist die Entwicklung von Jenseitsvorstellungen, wenn die Beziehung zum Verstorbenen zwiespältig war. Der neue Platz, den der Verstorbene einnimmt, kann dann entweder stark idealisiert oder einseitig negativ (bedrohlich, beängstigend, entwürdigend …) besetzt sein, sodass im einen wie im anderen Fall keine tröstliche und friedvolle Vorstellung gefunden werden kann. Das heißt, dass Jenseitsvorstellungen nicht nur bei negativen, sondern auch bei idealisierenden Imaginationen des Toten zu einer zusätzlichen Belastung werden. Idealisierung kann beispielsweise dazu führen, über den Toten hinaus auch anderen Menschen keine Fehler und Schwächen zuzugestehen, sie nicht als ganze Menschen mit Sonnen- und Schattenseiten lieben zu können. Deshalb sollten Trauernde auch die Schattenseiten des Verstorbenen, also das, was im Zusammenleben mit ihm schwer zu ertragen und zu akzeptieren war, weiterhin wahrnehmen und als zum Verstorbenen zugehörig akzeptieren. Hinweise: Nicht jeder Mensch kann sich vorstellen, dass der Verstorbene auf irgendeine Art weiterexistiert. Diese persönliche Haltung sollten wir respektieren, auch wenn wir eine andere Auffassung dazu haben. Bitte drängen Sie Jugendlichen keine andere Meinung auf. Wir wissen alle nicht, ob es eine Existenz in anderer Form tatsächlich gibt oder nicht. Es ist noch niemand aus dem Jenseits zurückgekommen, der uns darüber hätte berichten können. Alle Jenseitsvorstellungen sind daher eine Sache des persönlichen Glaubens. Bei belastenden, idealisierenden oder negativen fortgesetzten Verbindungen zum Verstorbenen sollten Sie und/oder der Jugendliche bewusst darauf schauen, was nach dem Tod an Angst und Sorgen weggefallen ist oder welche Lebenspläne jetzt möglich sind, die zuvor undenkbar gewesen wären. Zudem empfehle ich professionelle Unterstützung des Jugendlichen und/oder der gesamten Familie.
Sprechen mit einem Toten
Vielleicht sprechen Sie mit dem Verstorbenen, erzählen ihm von Ihren Erlebnissen, Ängsten und allem, was Sie beschäftigt. Möglicherweise sorgen Sie sich, weil Sie glauben, dass es nicht normal oder gut sei, dies zu tun. Allen, die meinen, dass es absonderlich und krankhaft sei, mit einem Toten zu reden, möchte ich ihre Bedenken © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Trauer in der Familie
nehmen. Es ist völlig in Ordnung, mit dem Verstorbenen Zwiesprache zu halten. Diese Form der fortgeführten Verbindung zum verstorbenen Menschen kann Nähe zu ihm herstellen, helfen auf Fragen Antworten zu finden, als tröstend und stärkend empfunden werden. Daher ist sie in der heutigen Trauerforschung als wichtige Ressource im Trauerprozess anerkannt. Hinweis: Bitte nutzen Sie die Information, dass die Zwiesprache mit dem Verstorbenen eine wichtige Ressource und völlig normal ist, nicht nur, um ihre eigenen Bedenken zu zerstreuen. Erzählen Sie auch dem Jugendlichen davon. Denn er wird vielleicht von ähnlichen Ängsten gequält und kann ebenso wie Sie durch diese Information beruhigt werden.
Begegnungen mit dem Verstorbenen
Immer wieder höre ich von Trauernden, die durch Begegnungen oder Ereignisse das Gefühl haben, der Verstorbene habe seine Finger im Spiel oder er sei auf eine besondere Art bei ihnen, um ihnen beizustehen oder sie zu trösten. Rene (14 Jahre) schämt sich, von seinem Erlebnis, das ihm aber sehr wichtig ist, zu erzählen. Er berichtet, dass er, als es ihm sehr schlecht ging und er nicht aus noch ein wusste, zum Grab seines Bruders Dominik gegangen sei. Dort habe er eine Weile weinend gestanden. Plötzlich sei ein Marienkäfer gekommen und habe sich auf seine Hand gesetzt. Auf dem Rücken habe er zwölf schwarze Punkte gehabt. So alt sei Dominik gewesen, als er gestorben sei. Rene hat diese Begegnung als ein sehr tröstliches Zeichen empfunden, das ihm sein Bruder geschickt habe. Birgit (19 Jahre) ist sich sicher, dass ihr verstorbener Vater mit dafür gesorgt hat, dass sie ihre Ausbildungsstelle beim Rundfunk bekommen hat. Marvin (15 Jahre) glaubt, dass seine verstorbene Schwester ihn im letzten Moment vor den Angriffen einer brutalen Bande geschützt habe.
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Derartige mit dem Verstorbenen verbundene Erlebnisse und Gefühle haben also viele Menschen. Sie sind ganz normal und als wichtiger Teil des Trauerprozesses und damit dessen anzusehen, was in einer trauernden Familie erzählt werden und miteinander geteilt werden sollte. Hinweise: Wenn Sie selbst das Gefühl, der Tote habe bei etwas mitgewirkt oder ist Ihnen auf andere Weise begegnet, nicht kennen, freuen Sie sich umso mehr darüber, dass Ihr Kind das Vertrauen hat, von seinen Erlebnissen und Gefühlen zu berichten. Nehmen Sie den Jugendlichen ernst, lachen Sie ihn nicht aus und respektieren Sie seine Sicht der Dinge. Es wäre verletzend, das Vertrauen nicht zu schätzen und das für den Jugendlichen stärkende und tröstende Erlebnis zu entwerten. Kennen Sie derartige Begegnungen mit dem Verstorbenen von sich selber, teilen Sie diese mit dem Jugendlichen. Es tut Ihnen beiden gut, sich auszutauschen und zu erfahren, dass jeder für sich solche besonderen Erfahrungen macht.
Neuer Platz in der Familie
Der Verstorbene kann und darf Teil der Familie bleiben. Es ist heilsam, wenn er nicht totgeschwiegen wird, sondern in Gesprächen, an bestimmten Orten und Tagen weiter zum Familienleben gehört, wenn auch auf andere Art als früher. Der Verstorbene ist Teil der Identität jedes Einzelnen und der Familie als Ganzes. Gemeinsam gelebte Familienzeit und Familienbiografie wurden von ihm mitbestimmt. Familien können gemeinsame, ihnen entsprechende Plätze für den Verstorbenen schaffen. Erinnerungen und Rituale sind hier von besonderer Bedeutung. Bleibende Bindungen zeigen, dass der Tod zwar ein Abschied ist, Abschied zu nehmen aber nicht bedeutet, dass alles zu Ende ist und der Verstorbene nun restlos aus dem eigenen Leben verschwindet. Hinweis: Im Verlauf des Trauerprozesses werden sich äußere, innere und spirituelle Plätze wandeln. Richten Sie sich darauf ein und klären Sie Jugendliche darüber auf. Erlauben Sie sich und in der Familie Veränderungen, die den Platz des Verstorbenen betreffen.
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Trauer in der Familie
Neue Beziehungen
In Anerkennung des Todes mit dem Verstorben verbunden zu bleiben, schließt neue Bindungen und Beziehungen nicht aus. Wir müssen unser vergangenes Leben mit einem für uns wichtigen Menschen nicht leugnen, um uns neuen Menschen zu öffnen und uns auf sie einzulassen. Offenes und Unerledigtes
Nicht immer konnte zu Lebzeiten alles geklärt, aus- oder angesprochen werden. Manchmal bleiben offene Fragen, Enttäuschungen, Verletzungen, Wut oder Gedanken von Schuld zurück. Das kann für Hinterbliebene, Erwachsene wie Jugendliche, sehr belastend sein und den Trauerprozess erschweren. Eine heilsame Erinnerung ist dann kaum möglich. Gerade für Jugendliche kann der Tod eines Elternteils durch pubertätsbedingte Streitigkeiten, Machtkämpfe und Auseinandersetzungen viel Unerledigtes belastend offen lassen. Hinweis: Hilfreich kann es sein, in Zwiesprache mit dem Verstorbenen zu gehen oder einen Brief mit Anliegen, die zu Lebzeiten nicht ausgeräumt werden konnten, an den Verstorbenen zu formulieren. Schwierige Beziehungen können so auch im Nachhinein noch geklärt werden. Nicht immer können Trauernde diesen oft langen Prozess allein oder mit Hilfe des sozialen Umfelds bewältigen. Sie benötigen vielfach professionelle Unterstützung.
Warum weiterleben – welchen Sinn hat das Leben noch?
Es ist normal, dass Menschen nach einem schweren Verlust ihre Werte, Überzeugungen und den Lebenssinn in Frage stellen. Vieles, was zuvor eine wichtige Bedeutung hatte, wird unwichtig, anderes rückt in den Vordergrund. Der Alltag mit seinen Anforderungen und Aufgaben erscheint oft sinnlos und banal. Selbstverständliches ist unsicher geworden. Fragwürdig erscheinen sogar der Sinn und das Recht der eigenen Existenz. So kann es Ihnen selbst und dem Jugendlichen gehen. Der tiefe Schmerz und die unendliche Sehnsucht nach dem Verstorbenen führen manchmal dazu, dass Trauernde ebenfalls sterben möchten. In der Trauerforschung wird vom »Wunsch des Nachster© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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bens« gesprochen. Der eigene Tod soll von den schrecklichen Qualen des Verlusts befreien. Vielleicht hilft Ihnen oder dem Jugendlichen die »Restfamilie«, das erste Gefühl, nicht weiterleben zu wollen, zu überstehen. Die Liebe und das Verantwortungsgefühl anderen Familienmitgliedern gegenüber erhalten den Lebenswillen. Die anderen brauchen Sie und umgekehrt. Meine Erfahrung ist zudem, dass viele Trauernde die Kraft zum Weiterleben finden, weil sie davon überzeugt sind, dass der Verstorbene dies so gewünscht hätte. Die Liebe und der Respekt dem Verstorbenen gegenüber geben vielfach den Ausschlag, das eigene Leben auch ohne den Verstorbenen zu bejahen. Manchen Menschen tut es gut, sich in Projekten zu engagieren oder selbst Projekte zu gründen, die mit dem Tod (Suizid, Verkehrsunfall, Alkohol, Drogen, Krebs, Hospiz) oder der Beziehung zum Verstorbenen (Eltern, Partner, Geschwister) verbunden sind. Das Gefühl, der Tod des lieben Menschen sei nicht ganz sinnlos, ist tröstlich. Zudem bekommt das eigene Leben einen neuen, tieferen Sinn. Zugleich kann die Verbindung zum Verstorbenen dadurch erhalten bleiben, dass Trauernde sich mit Projekten beschäftigen, die mit ihm oder der Art seines Todes zu tun haben. Hinweise: Überlegen Sie, was der Verstorbene sich für Sie und die Familie gewünscht hätte. Hätte er gewollt, dass Sie oder andere Familienmitglieder ihm folgen und auch sterben? Wozu hätte er Ihnen geraten in einem Leben ohne ihn selbst? Erlauben Sie sich eine eigene, neue Sicht auf den Sinn Ihres Lebens. Bestärken Sie den Jugendlichen auf seiner individuellen Suche nach Sinn und seiner Identität. Sind die Todeswünsche dauerhaft oder mit konkreten Plänen verbunden, sollte sofort fachliche Hilfe eingeschaltet werden.
Jugendliche sorgen sich in vielerlei Hinsicht
Ebenso wie Eltern befürchten Jugendliche, dass die Familie nach dem Tod eines Familienmitglieds ganz zerbricht. Sie sorgen sich nicht nur um die eigene Existenz, sondern auch um die finanzielle Existenz der Familie und um persönliche Lebensentwürfe, die von dieser abhängen. Sie sorgen sich darüber hinaus um ihre Eltern und es macht ihnen Angst, deren Hilflosigkeit zu erleben. Jugendliche erfassen die seelische © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Trauer in der Familie
Situation ihrer Eltern sehr sensibel, auch dann, wenn sie diese Wahrnehmungen nicht offen äußern. Im geschützten Raum der Begleitung sprechen sie darüber, dass ihr Vater seit dem Tod des Bruders immer mehr Alkohol trinke, die Mutter häufig Tabletten einnehme, der Bruder immer öfter in der Schule fehle, die Schwester andere Essgewohnheiten annehme. Jugendliche machen sich Gedanken darum, ob ihre Eltern weiter zusammenleben können, weil sie kaum noch miteinander sprechen. All diese Sorgen tragen Jugendliche mit sich herum. Oft fehlt ein Gesprächspartner, dem sie sich anvertrauen können. Die Scham, mit Freunden darüber zu sprechen, ist häufig zu groß. Schwere Lebensthemen werden bei vielen Jugendlichen ausgeklammert. Und außer den jugendlichen Freunden gibt es häufig keine Bezugspersonen, die nicht betroffen sind. Für Jugendliche ist es schwer, mit diesen zusätzlichen Belastungen und der eigenen Trauer umzugehen. Wut oder Aggressionen sind oft ein Ausdruck dieser Ängste. Hinweise: Machen Sie sich klar, dass den Jugendlichen neben dem Verlustschmerz viele andere Sorgen quälen. Versetzen Sie sich immer wieder in seine Lage und versuchen Sie, die Belastungen zu spüren, welche (Familie, Freunde, Schule, …) auf ihn einwirken könnten. Helfen Sie dem Jugendlichen, veränderte Verhaltensweisen und Familiensituationen zu verstehen, indem Sie sie ihm erklären und ihm zu dem, was bei Ihnen vorgeht, Informationen geben: »Ich weiß, Papa und ich sprechen im Augenblick kaum miteinander, wir müssen erst einmal zu uns selbst finden. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, wir lassen uns deshalb nicht scheiden.« Überlegen Sie, welche möglichen Belastungsfaktoren Sie ausräumen können. Fragen Sie behutsam nach: »Machst du dir vielleicht Sorgen um Anna, weil sie so abgenommen hat?« Zeigen Sie dem Jugendlichen immer wieder Ihr ehrliches Interesse an seinen persönlichen Sorgen. Achten Sie darauf, nicht nur von eigenen Belastungen zu reden. Bleiben Sie offen für die Anliegen des Jugendlichen.
Machtlose Eltern
Jugendliche erleben, dass die Macht der Eltern und deren Mittel, Ereignisse zu beeinflussen, begrenzt sind. Die Eltern waren nicht in © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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der Lage, ihr eigenes Leben oder das naher Angehöriger zu schützen. Das löst Wut aus, weil damit das Gefühl einer grundsätzlichen Sicherheit und das Vertrauen in die Welt – beides verkörpern die Eltern normalerweise – zerstört sind. Jugendliche begegnen Eltern auch deshalb mit Wut und Aggressionen. Hinweis: Fassen Sie Wut und Aggressionen Jugendlicher nicht als persönlichen Angriff auf, sondern deuten Sie diese als Ausdruck von Verzweiflung und Hilflosigkeit. Das ermöglicht Ihnen, in Kontakt mit den Jugendlichen zu bleiben und sie in ihrer Not zu unterstützen.
Soziales Umfeld informieren und sensibilisieren
Jugendliche benötigen ein soziales Netz, das sie in ihrer Trauer unterstützt. Deshalb sollte im sozialen Umfeld (Freundeskreis, Arbeitsplatz, Mitschüler, Lehrer, …) ein Bewusstsein für die Situation des trauernden Jugendlichen geschaffen werden. Das Lebensumfeld sollte über den Tod und die damit verbundenen Folgen informiert werden. Sind Menschen des sozialen Umfelds für die Situation sensibilisiert, können sie mehr Verständnis, Zuwendung und wichtige Unterstützung geben. Sie selbst oder der Jugendliche sind aus der eigenen Betroffenheit heraus vielleicht nicht in der Lage, den Sachverhalt weiterzugeben. Hier können Sie außenstehende Menschen um Unterstützung bitten. Informationen an das soziale Umfeld dürfen aber nur in Absprache mit dem Jugendlichen erfolgen. Manchmal möchten Jugendliche nicht, dass Lehrer oder Mitschüler um den Tod eines Angehörigen wissen. Diese Haltung müssen Sie respektieren. Meine Erfahrung ist, dass viele Jugendliche sich eine neutrale, fachlich qualifizierte Person wünschen (Hospizmitarbeiter, Trauerbegleiter, Seelsorger), die den Sachverhalt übermittelt. Verlust von Beziehungen
Meist sind gerade in den ersten Wochen und Monaten nach dem Tod eines nahestehenden Menschen die Aufmerksamkeit und Unterstützung aus dem sozialen Umfeld groß. Das Interesse und der Beistand aus dem Freundes-, Nachbar- und Verwandtenkreis lässt nach einiger Zeit erfahrungsgemäß jedoch nach. Sie sollten wissen, dass es keine Seltenheit ist, dass trauernde Menschen zusätzlich zum © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Trauer in der Familie
Schmerz um den Verlust Enttäuschungen und Verletzungen aus dem Lebensumfeld erfahren. Auch Jugendliche erleben, dass Menschen sich zurückziehen und Beziehungen nach dem Verlust zerbrechen. Zudem erfahren Trauernde vielleicht auch, dass Trostversuche von Freunden oder Verwandten verletzend und unbedachte Äußerungen schmerzhaft sein können. Manchmal ist leider auch die angebotene Unterstützung nicht wirklich ernst gemeint. Hinweis: Tauschen Sie sich über die Reaktionen der ihm nahestehenden Menschen mit dem Jugendlichen aus. Fragen Sie nach und hören Sie aufmerksam zu, welche Erfahrungen er mit Freunden, in der Schule und im weiteren Lebensumfeld macht. Sie zeigen Jugendlichen damit Ihr Interesse am Leben außerhalb der Familie, schaffen Nähe und die Möglichkeit, gemeinsam nach Wegen zu suchen, mit Verletzungen umzugehen oder sich davor zu schützen.
Zueinander finden – Gemeinsamkeiten suchen
Auch wenn der Alltag durch neue Anforderungen oder die Suche nach Lebensinhalten bestimmt wird, braucht die Familie Zeiten, um neu zueinander zu finden. Fördern Sie darum gemeinschaftliche Aktivitäten, die konkrete Möglichkeiten für Gespräche und Austausch eröffnen. Trauernde Jugendliche brauchen die Gemeinschaft der Familie, auch wenn sie nicht viel über ihre Trauer sprechen. Nähe und Geborgenheit geben Sicherheit und spenden Trost. Gemeinsame Essenszeiten und Unternehmungen sind gute Gelegenheiten, um in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Unternehmungen können mit der Trauer verbunden sein (Friedhofsbesuch, Kerze für Verstorbenen gestalten, Fotoalben oder alte Filme anschauen, …) oder außerhalb der Trauer (Kino, schwimmen gehen, Zoobesuch, Spaziergang, Kart fahren, Musik hören, Kicker spielen, jemanden besuchen, zusammen kochen oder spielen, Stylen, …) liegen. Es müssen nicht immer Gespräche über Trauer sein, die verbinden. Ein behutsames und vorsichtiges gemeinsames Tun kann ebenso dazu führen, sich innerlich in der schweren Situation nahe zu sein. Vielleicht möchten Sie auf Aktivitäten zurückgreifen, die Ihnen und Ihrer Familie vor dem Verlust Freude gemacht haben. Geben Sie bitte nicht auf und schaffen Sie immer wieder Begegnungsmöglichkeiten, damit Sie miteinander in Kontakt bleiben. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Im Dialog mit sich und den anderen
Durch einen immer wieder behutsamen Dialog in der Familie lassen sich Unterschiede erkennen und würdigen, Lösungen sowie Kompromisse für unterschiedliche Bedürfnisse finden und gemeinsame Ziele hinsichtlich des Umgangs mit der Trauer und mit den Wünschen an die Zukunftsgestaltung vereinbaren. Nach dem Tod von Larissa (11 Jahre) stehen die Sommerferien an. Vor dem Tod fuhr die Familie regelmäßig nach Sardinien. Die »Restfamilie«, die Mutter Gesa, der Vater Michael und ihr Sohn Julius (15 Jahre), steht nun vor der Frage, wie die Sommerferien gestaltet werden sollen. Gesa ist für einen Tapetenwechsel, möchte aber auf keinen Fall nach Sardinien, weil sie Sorge hat, sich wegen der intensiven Erinnerungen dort nicht erholen zu können. Julius möchte unbedingt nach Sardinien, da er dort Freunde hat und sich seiner Schwester an diesem Ort nahe fühlt. Michael lehnt es strikt ab wegzufahren. Er will erst gar nicht an Urlaub denken, weil er sich in seiner Trauer zu Hause am sichersten fühlt. Lösungen können durch das Erkennen der einzelnen Bedürfnisse (Gesa: Bedürfnis nach Erholung, Julius: Bedürfnis nach Freunden und Erinnerungsort, Michael: Bedürfnis nach Sicherheit) und deren mögliche Erfüllung sowie durch die gemeinsame Suche nach für alle befriedigenden Kompromissen gefunden werden.
Weiter unten sind Impulsfragen zusammengestellt, deren Reflexion die Kommunikation in der Familie anregen und zu einem gegenseitigen Verständnis beitragen kann. Wenn Sie sich mit den Impulsfragen beschäftigen möchten, dann nehmen Sie sich Zeit und Ruhe, um sich auf sie einzulassen. Setzen Sie sich nicht unter Druck. Es geht nicht darum, alle Fragen zu beantworten, sondern darum, dass Sie sich kennen lernen. Vielleicht mögen Sie etwas aufschreiben. Sie können die Fragen nach einer Zeit noch einmal durchgehen und ergänzen. Alle Familienmitglieder müssen sich jetzt ein Stück weit neu kennen lernen und Grundlagen finden, das Familienleben neu zu gestalten.
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Trauer in der Familie
Als Trauernder in Dialog mit sich und anderen kommen – Impulsfragen
Welche Verluste habe ich bisher erlebt (Umzug aus einer geliebten Umgebung, Schulwechsel, Ende der Schul- oder Ausbildungszeit, Ende der ersten Liebe, eigene Krankheit, Trennung der Eltern, …)? ȤȤ Was und wer haben mir geholfen? ȤȤ Welche dieser Erfahrungen können mir jetzt helfen? ȤȤ Wie kann ich negative Erfahrungen verhindern? ȤȤ Was hätte ich mir gewünscht? ȤȤ Welche Bedürfnisse habe ich jetzt in meiner Trauer? ȤȤ Wie sind die Erwartungen meines Umfelds, wie ich trauern soll? ȤȤ Wie kann ich meinen persönlichen Trauerweg gestalten, auch wenn andere Erwartungen an mich gestellt werden? ȤȤ Gibt es Worte, die ich dem Verstorbenen noch gerne gesagt hätte? ȤȤ Welche Eigenschaften des Verstorbenen waren für mich wichtig? ȤȤ Wie können sie mein Leben weiterhin bereichernd begleiten? ȤȤ Welche Glaubenssätze haben mich bisher in meinem Leben getragen (zum Beispiel: »Ich habe die Kraft, schwere Zeiten zu überstehen,« »Ich finde immer einen Weg«)? ȤȤ Welche dieser Glaubenssätze tragen mich auch jetzt und welche behindern mich (Beispiele für behindernde Glaubenssätze: »Ich habe immer nur Pech«, »In meinem Leben läuft immer alles schief«)? ȤȤ Wie kann ich Glaubenssätze, die mich einschränken, umformen? ȤȤ Welche Erinnerungen verbinde ich mit dem Verstorbenen? ȤȤ Welche Gedanken und Gefühle löst der Verlust in Bezug auf meinen eigenen Tod aus? ȤȤ Was gibt mir im Augenblick Kraft zum Überleben? ȤȤ Worauf kann ich jetzt vertrauen? ȤȤ Welche Wünsche hatte ich an die Zukunft? ȤȤ Was würde ich davon jetzt gerne realisieren? ȤȤ Wie war mein Trauerschmerz in den ersten Wochen nach dem Tod, wie ist er jetzt? ȤȤ Womit komme ich jetzt besser zurecht? Was schaffe ich wieder? ȤȤ Was hätte ich gerne noch mit dem Verstorbenen erlebt? ȤȤ Wo, glaube ich, ist der Verstorbene jetzt? © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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ȤȤ Wie möchte ich allein trauern? Was tut mir gut? Was nicht? ȤȤ Wie kann ich meine »Einzeltrauer« in der Familie leben? ȤȤ Gibt es Wünsche im Hinblick auf meine persönliche Trauer, die ich bisher nicht einbringen konnte? ȤȤ Wie können wir in der Familie gemeinsam trauern? ȤȤ Was, glaube ich, tut den einzelnen Familienmitgliedern gut? ȤȤ Was bei den Trauerreaktionen der anderen fällt mir schwer zu akzeptieren? ȤȤ Was fällt anderen vielleicht bei mir und meinen Trauerreaktionen schwer? ȤȤ Wo bin ich tolerant und verständnisvoll den anderen Familienmitgliedern gegenüber? ȤȤ Wo sind Grenzen meiner Akzeptanz? ȤȤ Welche Bedeutung hatte der Verstorbene für mich? ȤȤ Welche Bedeutung hatte er für unsere Lebensgemeinschaft? ȤȤ Wie hat der Tod mein Leben und das Familienleben verändert? ȤȤ Was könnte mich trösten? ȤȤ Bei wem fühle ich mich aufgehoben? ȤȤ Wie gehen Freunde, Bekannte, Nachbarn, Kollegen und Mitschüler mit ihrer und meiner Trauer um? ȤȤ Wer oder was könnte uns als Familie Halt geben? ȤȤ Wo kann ich Kraft schöpfen? ȤȤ Wie können wir als Familie Kraft schöpfen? ȤȤ Wo in der Wohnung, im Haus wünsche ich mir Erinnerungen an den Verstorbenen? ȤȤ Habe ich einen ganz persönlichen Ort der Verbundenheit mit dem Verstorbenen? ȤȤ Wie können wir unsere gemeinschaftliche Trauer ausdrücken? ȤȤ Wie möchte ich mit Erinnerungsgegenständen umgehen? ȤȤ Welche Erinnerungsgegenstände sind mir persönlich wichtig? ȤȤ Wünsche ich mir ein gemeinsames Familienerinnerungsbuch? ȤȤ Wie möchte ich das Grab, den Unfallort gestalten? ȤȤ Was möchte ich auf keinen Fall? ȤȤ Wie möchte ich besondere Tage gestalten? ȤȤ Wie können wir in der Familie besondere Tage gestalten? ȤȤ Kann ich mir vorstellen, mich mit anderen Trauernden auszutauschen? © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Trauer in der Familie
ȤȤ Könnte ich mir vorstellen, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen (alleine und/oder mit der ganzen Familie)? Hinweis: Bitte bleiben Sie auch nach schmerzhaften und schweren Gesprächen weiterhin im Dialog. In der Familie nach einem schweren Verlust wieder in ein Gleichgewicht zu finden und für das familiäre Leben tragende Strukturen und Perspektiven zu entwickeln, neu zusammenzuwachsen, braucht Zeit und ist für alle eine anstrengende Arbeit. Allein Fragen nach der Sitzordnung am Tisch, dem Verbleib von persönlichen Gegenständen oder des Zimmers des Verstorbenen, dem Umgang mit Einladungen, der Gestaltung von Urlauben, … kosten Kraft und können Konflikte auslösen.
Rituale Rituale haben für die Familie als Ganzes und den Einzelnen eine besondere Bedeutung. In Abgrenzung zum Alltag können wir in einem Ritual unserem inneren Empfinden (Schmerz, Hoffnung, Dankbarkeit, Liebe, Trauer …) einen sichtbaren Ausdruck geben. Rituale helfen, das Unfassbare begreiflich zu machen und den Verlust zu realisieren. Gefühle von Ohnmacht und Hilflosigkeit bekommen durch die eigene Aktivität ein Gegengewicht. Rituale beziehen den ganzen Menschen ein und geben Halt und Orientierung in einer unsicheren Zeit. Sie bieten die Möglichkeit, den Abschied vom Verstorbenen zu gestalten (Trauerfeier, Gedenkfeier, Besuch des Unfallortes, …). Versäumte Worte, Gesten, Dank oder Wünsche an den Verstorbenen können in einem Ritual (zum Beispiel in einem Brief an den Verstorbenen) symbolisch nachgeholt werden. Rituale können als sehr tröstlich erlebt werden, vorausgesetzt, sie sind verständlich und werden von Trauernden gewünscht und als stimmig empfunden. Rituale ermöglichen es, die Bindung zum Verstorbenen fortzusetzen und ihm einen neuen Platz im Leben zu geben. Sie schaffen Zusammenhalt mit anderen Trauernden und können dadurch das Erleben von Gemeinschaft stärken. Darüber hinaus geben sie Gelegenheit zum Austausch von Erinnerungen. Rituale können besonders wichtig für Trauernde sein, wenn das Lebensumfeld dem Verlust keine Beachtung mehr schenkt. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Rituale95
Familienrituale
Die Familie Bonhoeffer entwickelte folgendes Familienritual für sich: Sie schmückte zu Weihnachten den Tannenbaum, schnitt einen der Zweige ab und brachte diesen Heiligabend zum Grab des verstorbenen Sohnes bzw. Bruders. Inzwischen kenne ich einige Familien, die dieses Ritual für sich übernommen haben. Zudem gibt es viele andere Wege, Familienrituale zu gestalten. In der Vorweihnachtszeit biete ich Trauernden, ob jünger oder älter, zum Beispiel an, Holzsterne für den Verstorbenen zu bemalen und zu beschriften, die dann später in den Weihnachtsbaum gehängt werden können. In den Begleitungen durfte ich andere Familienrituale kennen lernen: Eine Familie lässt seit Jahren immer am Geburtstag des Verstorbenen auf dem Friedhof Wunderkerzen abbrennen und dazu den Lieblingssong des verstorbenen Jugendlichen abspielen. Anschließend essen sie gemeinsam im Lieblingsrestaurant des Verstorbenen. Eine andere Familie fährt zweimal (Geburtstag und Todestag) im Jahr an den Rhein. Dort picknicken sie und schicken eine Flaschenpost mit Briefen jedes Familienmitglieds an die Verstorbene auf die Reise. Eine weitere Familie baut zu Weihnachten die Elektroeisenbahn des Verstorbenen auf und lässt sie um den Weihnachtsbaum fahren. Ich möchte Sie und Ihre Familie mit den genannten Beispielen ermutigen, gemeinschaftliche, für Ihre Familie passende und tröstliche Rituale zu finden. Orientieren Sie sich dabei an familienspezifischen Bedürfnissen und nicht an gesellschaftlichen Normen. Rituale müssen nicht spektakulär sein. Eine Kerze für den Verstorbenen anzuzünden kann als ein sehr tröstliches Ritual empfunden werden. Hinweis: Erzählen Sie Jugendlichen von der Möglichkeit, dem Verstorbenen noch einen letzten Brief zu schreiben. Darin können all die Dinge aufgenommen werden, die Jugendliche noch gerne gesagt hätten. Das können Dankesworte sein, Worte, die dem Toten verzeihen, Worte des Abschieds, der Entschuldigung oder auch Wünsche an den Verstorbenen. Der Brief kann mit ins Grab gegeben, aufbewahrt oder anschließend verbrannt werden. Die Asche kann zum Beispiel in einen Fluss, im Wald, im Garten oder auf dem Grab des Verstorbenen verstreut werden.
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Trauer in der Familie
Rituale dürfen sich wandeln
Rituale müssen offen sein für individuelle Ausgestaltungen. Jugendliche finden ihrem Alter entsprechende Rituale, die ihnen Halt geben und Trost spenden. Wir dürfen diese nicht bewerten, sondern sollten respektieren, dass sie ein Ausdruck sind, den junge Menschen in ihrer Trauer wählen. Wir müssen nicht an Ritualen festhalten, wenn wir uns damit nicht mehr wohl fühlen, sie als sinnlos oder entleert empfinden. Rituale dürfen sich im Laufe des Trauerprozesses verändern, an Wichtigkeit abnehmen oder aufgegeben werden. Symbole
Gerade wegen der symbolhaften Kommunikation eines Rituals fällt es Jugendlichen oft leichter, ihrer Trauer mit rituellen Handlungen als mit Worten Ausdruck zu verleihen. In Ritualen werden symbolische Gegenstände, wie zum Beispiel eine Brücke, ein Schmetterling, ein Regenbogen, ein Weg, ein Boot, eine Kerze, Fußspuren, eine Spirale, ein Stein, eine Feder, eine Tür, eine Uhr, eine Rose, … oder auch Gegenstände, die der Verstorbene besonders mochte, einbezogen. Die gewählten Symbole sind für individuelle und gemeinschaftliche Deutungen offen und können als Zeichen der Hoffnung sowie als Symbole der Verbundenheit zum Verstorbenen angesehen werden. Spuren des Verstorbenen
Jeder Mensch hinterlässt Spuren. Sichtbare Spuren können Trauerund Erinnerungsorte sein. Sie sollen zeigen, dass der Verstorbene nicht vergessen ist und einen neuen Platz in unserem Leben hat. Nicht alle Menschen empfinden das Grab als einen passenden Erinnerungsort für ihren Verstorbenen. Deshalb gibt es viele andere und zusätzliche Trauerorte. Trauernde errichten zum Beispiel eine Gedenkstätte am Straßenrand, pflanzen einen Baum im Garten oder nutzen Möglichkeiten im Internet, um des Verstorbenen virtuell zu gedenken. Sie sprühen ein Gedenkgraffiti, lassen einen Stern nach dem Verstorbenen benennen, hängen ein Gedenkschloss an einer Brücke auf, lassen sich ein Tattoo stechen, hängen sich Halsketten mit dem Schriftzug des Verstorbenen oder seinem Fingerabdruck um und tragen kleine Fläschchen mit Haarsträhnen, Fingernägeln oder © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Warum zeigen wir in der Familie unsere Trauer nicht?97
der Asche des Verstorbenen bei sich. Ich bin immer wieder zutiefst von den Ideen berührt, die junge Menschen entwickeln, um sich weiterhin mit dem Verstorbenen verbunden zu fühlen.
Warum zeigen wir in der Familie unsere Trauer nicht? Es gilt, flexible Formen zu finden, die es zulassen, die Trauer der einzelnen Familienmitglieder und die trauernde Familie als Ganzes zu berücksichtigen. Immer wieder geht es darum, sich auf einen für alle bestmöglichen Umgang zu einigen. Es gibt viele Gründe, die verhindern, dass Familienmitglieder überhaupt miteinander verhandeln. Ich möchte hier einige dieser Gründe benennen. Gegenseitiges Schonen
Die gegenseitigen Befürchtungen, den anderen zu überfordern, ihn zusätzlich zu belasten oder zu verletzen, sind Ursachen, die offene Gespräche und den Ausdruck von Gefühlen in der Familie verhindern. Bezugspersonen meinen es gut. Sie möchten den Jugendlichen mit ihrer Trauer nicht zusätzlich belasten, sich ihm nicht zumuten. Deshalb neigen sie dazu, ihre eigene Betroffenheit und ihren Kummer zu verbergen. Jugendliche spüren dies und fühlen sich doppelt verlassen: einerseits vom Verstorbenen und andererseits gerade in dieser schweren Lebenssituation von den übrigen nahestehenden Menschen. Die gut gemeinte Rücksichtnahme verletzt, enttäuscht und verursacht Angst sowie Gefühle des Ausgeschlossenseins. Oft ist Vertrauensverlust die Konsequenz. Schnell entstehen Konflikte und Missverständnisse, die durch eine offene Kommunikation hätten vermieden werden können. Jugendliche nehmen Rücksicht auf ihre Bezugspersonen. Sie halten ihre Empfindungen und Wünsche zurück, um es Eltern nicht noch schwerer zu machen. Oft strengen sie sich in der Schule besonders an. Sie versuchen die Eltern durch Mithilfe im Haushalt oder Garten zu entlasten oder übernehmen sogar Jobs, um die finanzielle Situation der Familie zu verbessern. Sie fühlen sich in ihrer Situation und mit ihrer Verantwortung oft sehr allein. Jugendliche können eher damit umgehen, wenn Erwachsene ihnen zutrauen, dass sie die Trauer der Bezugsperson aushalten können, als wenn sie außen vorgelassen werden. Besteht eine offene © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Trauer in der Familie
Kommunikation in der Familie zum Thema Trauer, haben Familienmitglieder eher den Mut zu sagen, wann und wo sie sich überfordert fühlen: »Bitte sei mir nicht böse, gerade ist es mir zu viel, zu hören, wie du die letzten Stunden mit Martha erlebt hast. Es geht mir selbst nicht gut und ich bin sehr mit meinen Gefühlen beschäftigt. Später geht es sicher besser. Vielleicht kannst du auch schon mit Vera darüber sprechen.« Die normalen, individuellen Schwankungen und Veränderungen im Trauerprozess können durch eine offene Kommunikation in der Familie eher gelebt und ausgehalten werden. Hinweis: Sprechen Sie offen und ehrlich mit dem Jugendlichen über Ihre Trauer. Ich möchte Sie zum Dialog ermutigen. Das sollte und muss nicht immer und zu jeder Gelegenheit sein. Sie werden spüren, wann es sich für Sie und den Jugendlichen passend anfühlt. Nehmen Sie sich Ruhe und Zeit für solche Gespräche. Lassen Sie Raum für gemeinsames Schweigen oder ein Ritual, das Sie miteinander vollziehen.
Angst vor Unverständnis
Neben dem Schonenwollen kann ein weiterer Anlass für das Zurückhalten der eigenen Trauer die Sorge sein, von der Familie nicht verstanden zu werden. Zudem möchten wir an dem festhalten, was uns Sicherheit gibt. Das sind unter anderem die Beziehungen zu nahestehenden Menschen und die Erhaltung des Selbstwerts. Weil wir diese in unserer ohnehin instabilen, verwirrenden Lebenssituation nicht gefährden möchten, verzichten wir lieber darauf, unsere Trauer zu zeigen. Bisher Einzelkämpfer
Vielleicht gibt es in Ihrer Familie Familienmitglieder, die Belastungen und Probleme bisher als Einzelkämpfer mit sich oder vielleicht auch mit Menschen außerhalb des familiären Umfelds angegangen sind oder die mit Verdrängungsmechanismen reagiert haben. Im Trauerprozess werden diese Familienmitglieder der gewohnten Strategie wahrscheinlich folgen. Ich möchte Sie dennoch ermutigen nach Formen der Kommunikation in der Familie zu suchen, die den Austausch von Befindlichkeiten, Bedürfnissen und von Wünschen in © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Warum zeigen wir in der Familie unsere Trauer nicht?99
Hinsicht auf die Gestaltung der Zukunft ermöglichen. Meist ist ein gegenseitiges Verstehen und hilfreiche Unterstützung leichter, wenn über Wünsche oder Anliegen gesprochen werden kann. Überlegen Sie sich, welche Möglichkeiten es gibt, in Kontakt zu kommen. Beziehen Sie den Einzelkämpfer ein. Was interessiert ihn? Was sind seine Hobbys? Ist ein verbaler Austausch nicht möglich, muss eventuell auf andere Ausdrucksmöglichkeiten (Musik, Texte und Gedichte, Fotos, Bilder, …) und/oder professionelle Unterstützung zurückgegriffen werden. Umgang mit Krisen in der Familie
Ein weiterer Aspekt, warum Gefühle, Gedanken und Sorgen, die mit der Trauer der Familienmitglieder zusammenhängen, in Familien wenig Platz haben, kann der bisherige grundsätzliche Umgang mit schweren Lebensthemen und Krisen sein. War das Familienmuster bis dato, sich nicht zu Gefühlen und Sorgen zu äußern, sie außen vor zu lassen, wird der Umgang mit Trauer höchstwahrscheinlich auch so sein. Manche Familien bleiben bei diesem Muster. In einer belastenden Lebenssituation auf gewohnte Verhaltensmuster zu verzichten, könnte eine Überforderung für den Einzelnen und/oder des gesamten Familiensystems bedeuten. Andere Familien werden durch den tiefen Einschnitt so auf sich zurückgeworfen, dass sie neue Umgangsformen entwickeln. Dieser Prozess kann durch Impulse von außen und professionelle Unterstützung behutsam angeregt und begleitet werden. Der Verlust kann somit eine Chance sein, in der »Restfamilie« neue Wege im Umgang mit Krisen zu finden und Familienbindungen zu vertiefen.
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
Zwischen Leid und Verantwortung Ich erlebe immer wieder die Zerrissenheit, der viele Trauernde ausgesetzt sind, die Verantwortung für trauernde Kinder und Jugendliche tragen. Die Spannung zwischen der eigenen Trauer um die verstorbene Person einerseits und die Verantwortung für die trauernden heranwachsenden Kinder andererseits scheint vielfach kaum aushaltbar. Eltern berichten immer wieder, wie schwer es ist, mit dem eigenen Leid zurechtzukommen und gleichzeitig für die trauernde Familie da zu sein. Angepasstes Trauern
Häufig trauern Menschen nicht so, wie es ihnen gut tun würde, sondern passen sich den von außen an sie herangetragenen Erwartungen an ihr Trauerverhalten an. Manchmal verlangen trauernde Bezugspersonen von sich selbst ein bestimmtes Verhalten, weil sie meinen, dass dies besser für die anderen Familienmitglieder sei. Eigenen oder den Erwartungen anderer gegen innere Bedürfnisse zu entsprechen, kostet viel seelische und körperliche Kraft, die eigentlich für den Trauerprozess benötigt würde. Dauerhaft kann ein angepasstes Trauern den Trauerprozess behindern und zu Kraftlosigkeit, Unzufriedenheit, Einsamkeitsgefühlen und Krankheit führen. Hinweis: Hören Sie zunächst in kleinen Dingen auf Ihre innere Stimme. Lassen Sie sich nicht durch Erwartungen von außen oder eigene auferlegte Normen leiten. Spüren Sie nach, was Ihnen gut tut. So gestärkt können Sie auch bei größeren Entscheidungen Ihren inneren Impulsen folgen.
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Zwischen Leid und Verantwortung101
Überforderung und Grenzen
Trauernde fühlen sich häufig überlastet, weil sie die Existenz der Familie sichern, den Alltag neu strukturieren, trauern, die Verantwortung für Kinder und eventuell für den Partner tragen müssen. Es kommt vor, dass Trauernden der Raum für ihre eigene Trauer fehlt oder ein Gesprächspartner, mit dem sie ihre Sorgen besprechen können. Viele Trauernde fühlen sich ständig verantwortlich für die anderen Familienmitglieder, sind emotional überfordert und wünschen sich endlich Zeit und Ruhe für sich selbst. Hinweise: Machen Sie sich keine Vorwürfe. Sprechen Sie mit dem Jugendlichen darüber, dass die Trauer sie verändert hat, und bitten Sie ihn um Verständnis. Sie dürfen jetzt auch Dinge abgeben. Das zeugt von Verantwortung. Es wird wieder Zeiten geben, in denen Sie für den Jugendlichen da sein können. Machen Sie sich Gedanken darum, was wirklich dringend und notwendig ist. Überlegen Sie, was noch warten kann. Überprüfen Sie Ihre eigenen Gesetze und Normen. Fühlen Sie Verpflichtungen, die niemand außer Ihnen erwartet? Gibt es Erwartungen anderer, denen Sie aus Pflicht nachkommen und die zu Überforderung führen? Geben Sie sich die innere Erlaubnis, Ihre Werte und Lebensregeln zu überprüfen und sie neu zu gestalten. Versuchen Sie eingefahrene Lebensmuster, die ihren Sinn verloren haben, zu erkennen und aufzugeben. Überlegen Sie gemeinsam mit den anderen Familienmitgliedern, wie Sie Entlastung finden könnten und was jeder vielleicht allein oder mit Hilfe von anderen Menschen schaffen könnte. Niemand möchte, dass Sie Ihre Gesundheit riskieren und sich bis zur totalen Erschöpfung aufopfern. Dann leiden Sie selbst und Ihre trauernden Angehörigen unter mehr Belastung als zuvor. Setzen Sie sich nicht nur für den trauernden Jugendlichen oder andere Familienmitglieder ein, sondern auch für sich selbst. Hören Sie in sich hinein. Was sind Ihre persönlichen Wünsche und Bedürfnisse? Was waren früher Ihre Träume? Was könnte heute davon wieder realisiert werden? Haben Sie neue Lebenswünsche? Sie können für die Familie nur da sein, wenn Sie auch für sich sorgen. Kümmern Sie sich darum auch um eigene Lebenspläne und Bedürfnisse. Werden Sie Ihr eigener Fürsprecher!
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
Suchen Sie sich außerdem Menschen aus Ihrem Freundeskreis, bei denen Sie das Gefühl haben, offen über Ihre Belastungen sprechen zu können. Menschen, bei denen Sie sich aufgehoben fühlen. Vielleicht schaffen Sie es nicht, mit dem überwältigenden Trauerschmerz zu leben und/oder den Alltag zu gestalten. Greifen Sie auf fachliche Unterstützung durch Trauerbegleiter, Seelsorger und/oder Psychotherapeuten zurück, wenn Sie andauernd das Gefühl haben: »Nichts geht mehr«, »Ich kann nicht mehr«, »Ich will nicht mehr«. Nehmen Sie Ihre Grenzen an. Gemeinsam können in der Begleitung Möglichkeiten entdeckt werden, mit dem Verlust und seinen Folgen umzugehen, die Sie für sich im Augenblick vielleicht gar nicht sehen. Machen Sie dem Jugendlichen den Vorschlag, fachliche Unterstützung anzunehmen. Wenn Sie wissen, dass der Jugendliche gut aufgehoben ist, wird das auch Sie entlasten.
Im Beruf trotz Schmerz und Verantwortung
Für Bezugspersonen ist es schwer, wenn sie neben ihrem Trauerschmerz der Familie und ihrem Beruf gerecht werden möchten bzw. müssen. Im beruflichen Umfeld wird nicht immer Rücksicht auf Trauernde genommen. Häufig wird erwartet, dass Trauernde schnell wieder funktionieren. In gewisser Weise kann es sogar sinnvoll sein, die Trauer beruflich, zum Beispiel am Arbeitsplatz, auszublenden. Den beruflichen Alltag als etwas zu erleben, das erhalten geblieben ist, kann eine Kraftquelle im Trauerprozess sein. Auf der anderen Seite belastet Trauernde die Angst, neben dem nahestehenden Menschen unter Umständen auch noch den Job zu verlieren, finanziell zurückgestuft oder in der Position degradiert zu werden. Viele Menschen funktionieren deshalb im Beruf und blenden ihre Trauer aus. Gerade dann ist es wesentlich, sich im privaten Umfeld Raum und Zeit für die Auseinandersetzung mit dem Verlust und zum Kraftschöpfen zu nehmen. Manchmal fällt es Trauernden sehr schwer, das Verhaltensmuster des Tages abzulegen. Die Angst, gänzlich die Kontrolle über Gedanken und Gefühle zu verlieren und in den nächsten Tagen nicht mehr funktionieren zu können, ist groß. Hinweis: Blenden Sie Ihre Trauer nicht dauerhaft aus, auch wenn es tatsächlich schwer ist, sich in außerberuflichen Zeiten auf die
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Zwischen Leid und Verantwortung103
Trauer einzulassen. Hilfreich sind feste Zeiten und Rituale, die Raum für die Trauer geben. Entdecken Sie Rituale (siehe auch unter »Rituale«, S. 94 ff.), die Ihnen allein oder in Gemeinschaft mit anderen Menschen gut tun. Gleichzeitig sollten Sie Gelegenheiten und Zeit für Schönes einbauen, denn im Beruf zu funktionieren, sich zu kontrollieren, kostet unglaublich viel seelische und physische Energie.
Sorgen um Schule, Ausbildungsplatz und Studium
Jugendliche befinden sich in einer Lebensphase, in der viele Weichen für die Zukunft gestellt werden. Eltern machen sich deshalb häufig große Sorgen darum, wie der Jugendliche seinen beruflichen Weg finden, den damit in Zusammenhang stehenden Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig mit dem erlittenen Verlust zurechtkommen soll. Möglicherweise verändert der erlebte Verlust bisher angedachte Berufs- und Zukunftswünsche. Jugendliche hinterfragen eigene Werte und Lebensziele nach dem Verlust noch einmal. Zudem nehmen sie durch die Auseinandersetzung mit dem Verlust eigene Begabungen neu und anders wahr oder entdecken bisher nicht erkannte Fähigkeiten. Meiner Erfahrung nach, lassen tiefe Krisen und Verluste Jugendliche in vielfältiger Weise reifen. Entscheidungen werden bewusster und reflektierter getroffen. Manches kritischer hinterfragt und auf seinen Bestand geprüft. Es braucht manchmal Zeit, bis der Weg gefunden ist, der sich für den Jugendlichen stimmig anfühlt. Hinweis: Lassen Sie Jugendlichen die Zeit, die sie für ihren beruflichen Weg und diesbezügliche Entscheidungen benötigen. Ein soziales Jahr, ein Jahr im Ausland, ein Auslandssemester oder ein Praktikum sind keine verlorene Zeit. Jugendliche machen dort wesentliche Erfahrungen, die sie dabei unterstützen, den persönlichen Weg zu finden. Vertrauen Sie darauf, dass sich immer Möglichkeiten und Lösungen finden werden, und bleiben Sie gelassen. Jemand, der mit einem schweren Lebensschicksal umgehen muss, hat besondere Fähigkeiten entwickelt, die auch in anderen Lebenssituationen wertvoll sein werden.
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
Vom Schmerz im Schmerz Nicht selten verschließen trauernde Jugendliche sich vor ihren engen Bezugspersonen. Den meisten Jugendlichen fällt es schon in alltäglichen Lebenssituationen schwer, über ihre Gefühle zu sprechen. Nach dem Tod eines nahestehenden Menschen gelingt das oft gar nicht. Jugendliche haben Sorge, von den intensiven Gefühlen überwältigt zu werden und den Halt zu verlieren. Eltern berichten immer wieder, wie sehr sie dieses Verhalten schmerzt. Sie wünschen sich Nähe, haben aber das Gefühl, aus der Welt des Jugendlichen ausgeschlossen zu sein. Eltern machen verzweifelte Versuche, auf den Jugendlichen zuzugehen, der sich weiter verschließt. Manchmal enden diese Versuche mit Vorwürfen. Das Gegenteil von dem, was Eltern eigentlich erreichen wollten, tritt ein. Eltern haben darum häufig das Gefühl, einen Menschen durch den Tod verloren zu haben und zugleich ihr heranwachsendes Kind in anderer Form zu verlieren. Hinweise: Geben Sie sich und Ihrem jungen Erwachsenen Zeit, sich in einer für beide Seiten neuen und sehr extremen Lebenssituation anzunähern. Eine grundsätzliche Haltung des Respekts wird immer wieder eine Brücke sein, um zueinander zu finden. Sie sollten regelmäßig unaufdringliche Gesprächsangebote machen. Geben Sie durch kleine Gesten und Signale zu verstehen, dass Sie den Jugendlichen wahrnehmen und an seinem Leben interessiert sind. Legen Sie eine Lieblingssüßigkeit aufs Bett, fragen Sie, wie es beim Sport war, wie die Mathearbeit gelaufen ist, ob die Freundin mit zur Fete geht oder welche Musik der Jugendliche in seiner Trauer gerne hört. So entsteht und wächst Nähe. Bedenken Sie, dass es zur natürlichen Entwicklung des Jugendlichen gehört, sich von Eltern und engen Bezugspersonen abzugrenzen. Setzen Sie Jugendliche auf keinen Fall unter Druck. Bleiben Sie ruhig und erzwingen Sie nichts. Halten Sie auch Schweigen aus. Zeigen Sie Zuneigung und nähern Sie sich dem Jugendlichen auf Ebenen, die er aushalten kann. Bauen Sie Brücken! Bieten Sie zum Beispiel leichte statt schwierige Gesprächsthemen oder gemeinsame Aktivitäten an.
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Situationen, die eine räumliche Nähe, aber zugleich Distanz bieten, sind gute Gelegenheiten, zu schwierigen Themen ins Gespräch zu kommen. Solche Gelegenheiten können gemeinsame Arbeiten im Haushalt oder Garten sein, der gemeinsame Einkauf oder auch Freizeitbeschäftigungen, wie beispielsweise ein Spaziergang oder ein gemeinsames Grillen. Miteinander zu sprechen und etwas gemeinsam zu tun verbindet. Zudem bietet sich die Chance, sich wieder auf die Situation zurückzubeziehen, wenn das Gespräch zu schwer wird. Sprechen Sie keinesfalls in Anwesenheit des Jugendlichen mit anderen über den Jugendlichen: »Ach, der Tim redet eben nicht, da weiß keiner mit umzugehen. Das macht mich noch ganz krank.« Sie erreichen damit nur, dass der Jugendliche sich schuldig und verletzt fühlt. Er wird sich zurückziehen. Bitte gehen Sie mit dem, was Jugendliche Ihnen an intimen und persönlichen Gedanken, Gefühlen und Sorgen anvertrauen, sorgsam um. Gestehen Sie dem Jugendlichen zu, so über seine Trauer zu sprechen, wie er es gerade kann, und respektieren Sie, wenn der Jugendliche vielleicht nicht so viel spricht, wie Sie es sich wünschen. Wir dürfen von der Menge des Sprechens nicht die Schwere der Trauer ableiten. Würdigen Sie die Bereitschaft zum Gespräch. Hilfreich ist es, sich in die Situation des Jugendlichen zu versetzen und zu versuchen seine Welt zu verstehen. Manchmal stehen Wünsche nach Verständigung und Gespräch dem Unvermögen oder Unwillen, sich zu äußern, gegenüber. Ermutigen Sie den Jugendlichen, mit einem Menschen außerhalb des engen Familienkreises zu sprechen. Manchmal hilft es, wenn Jugendliche sich bei neutralen Personen aussprechen können. Sie haben dort nicht das Gefühl, ihr Gegenüber zu belasten. Halten Sie es für sich ebenso. Meiner Erfahrung nach fällt es danach leichter, innerhalb der Familie miteinander ins Gespräch zu kommen.
Verletzungen
Wie vor dem Verlust gehören auch nach ihm Enttäuschungen zum normalen Familienleben. Allerdings sollten sie ein gewisses Maß nicht überschreiten und nicht mit Vorsatz geschehen. Generell lassen sich Verletzungen und Enttäuschungen innerhalb einer Familie nicht vermeiden, da nicht immer alle Bedürfnisse und Wünsche zusammenpassen und erfüllt werden können. Nach dem Tod eines © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
Familienmitglieds haben Trauernde manchmal den Eindruck, dass es häufiger oder zu tieferen Verletzungen kommt als vor dem Verlust. In ihrer Trauer sind die meisten Menschen verletzlicher und empfindlicher. Oft wissen wir selbst nicht so genau, was wir uns in unserer Trauer wünschen, weil die eigenen Gefühle und Bedürfnisse so verwirrend sind. Vielleicht sehnen wir uns gerade deshalb verstärkt nach Zuneigung und Verständnis von anderen. Möglicherweise führen diese Faktoren im Zusammenspiel dazu, dass es schneller zu Enttäuschungen kommt. Erschwert wird die Situation zusätzlich durch die Angst, dass die restliche Familie auseinanderbricht. Weil einerseits Angst vor Enttäuschung und gleichzeitig Unsicherheit zu persönlichen und den Bedürfnissen der anderen besteht, gehen sich Familienmitglieder nach dem Tod eines Angehörigen manchmal unbewusst aus dem Weg. Andererseits besteht der Wunsch, sich doch noch als Familie zu verstehen, obwohl ein Familienmitglied fehlt. Es fällt häufig schwer, hier Wege für sich und miteinander zu finden. Hinweise: Wir haben erfahren, wie viele unterschiedliche Faktoren die Begegnung in der trauernden Familie und die damit im Zusammenhang stehenden Befindlichkeiten jedes Einzelnen beeinflussen. Ich möchte Sie ermutigen, Ihre Verletzungen behutsam anzusprechen. Vielfach ahnen die anderen gar nichts davon. Zudem regen Sie so andere Familienmitglieder an, über ihre Enttäuschungen zu sprechen. Vermeiden Sie Vorwürfe und bleiben Sie bei Ihren eigenen Gefühlen. Beziehen Sie die Möglichkeit ein, dass Sie selbst auf Grund der oben genannten Faktoren sensibler reagieren. Beraten Sie gemeinsam, wie weitere Verletzungen vermieden werden können. Nehmen Sie eine Bitte um Verzeihung an und entschuldigen Sie sich selbst ebenso. Lassen Sie sich durch abweisendes Verhalten Jugendlicher nicht abschrecken. Gehen Sie in regelmäßigen Abständen auf den Jugendlichen zu. Machen Sie sich klar, dass die Bedürfnisse des trauernden Jugendlichen stark schwanken und die Ablehnung von Angeboten nicht immer persönlich gemeint ist. Heute empfindet der Jugendliche das Angebot unpassend, morgen ist er vielleicht froh darüber. Unterstützen Sie zudem Gemeinsamkeiten, um der Angst vor Enttäuschung und Unsicherheit entgegenzuwirken und das Miteinander zu fördern.
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Angriffe
Das Schicksal hat es nicht gut mit uns gemeint. Es hat sich als ungerecht und brutal erwiesen. Darauf reagieren auch wir mit ungerechten Verhaltensweisen, sind wütend, hart, ungehalten usw., und das auch anderen trauernden Familienmitgliedern gegenüber. So verändert Trauer uns. Eltern wie Jugendliche verletzen sich gegenseitig mit aggressivem oder abweisendem Verhalten. Das tut weh und manchmal werden dabei auch Grenzen überschritten. Vielleicht kann es entlasten zu hören, dass Jugendliche, die sich ihren Bezugspersonen gegenüber aggressiv oder abweisend verhalten, meist selbst sehr darunter leiden. In den Begleitungen von Jugendlichen höre ich immer wieder den tiefen Kummer hinsichtlich des eigenen Verhaltens engen Bezugspersonen gegenüber: »Ich bin so aggressiv meiner Mutter gegenüber. Ich habe solche Wut, mache sie wegen eigentlich jeder Kleinigkeit an. Das will ich doch gar nicht und es tut mir leid, dass ich so bin. Ich erkenne mich selbst nicht mehr wieder. Das macht mich zusätzlich zu allem anderen total traurig. Ich bin verzweifelt und habe das Gefühl, ich werde wahnsinnig.« Jugendliche kennen sich selbst nicht in ihrem tiefen Schmerz und fühlen sich dadurch verunsichert. Sie haben Angst vor den starken, überwältigenden Gefühlen der Trauer und empfinden sich und die anderen Familienmitglieder in ihrer Trauer als fremd. Die eigene Hilflosigkeit führt dann zu Panik und Aggression. Wut und aggressives Verhalten kann allerdings darüber hinaus viele weitere Ursachen haben. Wir haben schon erfahren, dass Existenzsorgen, Sorgen um Bezugspersonen oder die Erkenntnis, dass Bezugspersonen nicht allmächtig sind, dahinter stehen können. Zugleich sind heftige Gefühlsausbrüche normale Zeichen der Pubertät. Hinweise: Versuchen Sie sich darauf zu besinnen, dass Aggressionen Reaktionen der Trauer, der Verzweiflung und Hilflosigkeit sind. Sprechen Sie aggressives Verhalten an, erklären Sie, dass Sie sich verletzt fühlen, dass Sie den Jugendlichen dennoch lieben, dass Sie verstehen können, dass die Situation unglaubliche Wut erzeugen kann. Machen Sie sich klar, dass wir Verletzungen ansprechen und Grenzen setzen dürfen: »Es tut mir weh, dass du mir die Tür vor der Nase zugeknallt hast.«
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
Gerade jetzt brauchen Jugendliche Verständnis, Zuneigung und Sicherheit. Gehen Sie, wenn möglich, nicht vor deren Wut weg, sondern bieten Sie liebevollen Kontakt. Setzen Sie sich zu dem Jugendlichen, berühren Sie ihn, soweit er es zulassen kann, am Arm, an der Schulter, nehmen Sie ihn in den Arm, gehen Sie zusammen spazieren, … Jedem aus der Familie tut es immer wieder gut, die Solidarität und Wertschätzung der anderen zu erfahren. Jugendliche vergleichen ihren Umgang mit dem Verlust mit dem ihrer Bezugspersonen. Festzustellen, dass die anderen ganz anders trauern, kann für Jugendliche zusätzlich beängstigend und verwirrend sein. Informieren Sie Jugendliche darüber, dass Unterschiede beim Trauern ganz normal sind. Erklären Sie ihnen, dass Wut, Aggressionen und Zorn zum einen zu den üblichen Reaktionen der Trauer zählen und zum anderen starke Gefühle ohnedies zur Pubertät gehören. Manchmal stecken wir uns aber auch gegenseitig in eine »Trauerschublade«. Wir gehen davon aus, dass der Jugendliche oder ein anderes Familienmitglied immer in der gleichen Form mit seiner Trauer umgeht, obwohl wir an uns selbst feststellen, dass dem nicht so ist. Es erleichtert unseren Umgang miteinander, wenn wir versuchen auch bei anderen die momentanen Zustände wahrzunehmen und darauf einzugehen. Wir sollten uns außerdem kritisch fragen, wie wir selbst mit negativen Emotionen umgehen und wie viel wir anderen aus unserem engeren Umfeld davon zumuten. Gerade Menschen, die uns am liebsten und am nächsten sind, müssen meist unsere härtesten Gefühlsausbrüche ertragen. Aus unserer Verzweiflung heraus reagieren wir selbst oft ungehalten und verletzend.
Streit
Nach einem Verlust sind die Formen des Umgangs und der Kommunikation in einer Familie nicht plötzlich ganz anders. Wir dürfen nicht erwarten, dass es nach dem Tod eines Familienmitglieds keinen Streit mehr gibt. Streit und Auseinandersetzung gehörten zum Leben und werden weiterhin Teil des Familienlebens sein. Sie sind zudem Zeichen von Lebendigkeit und dem Versuch sich anzunähern. Es kann jedoch sein, dass Eltern oder Jugendliche Streitsituationen im Trauerprozess als zu belastend und/oder die Streitpunkte, um die es © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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geht, als zu banal empfinden. Möglicherweise haben sich durch den Tod Werte verschoben und mancher Konfliktpunkt ist entweder für die Bezugspersonen oder für den Jugendlichen bedeutungslos geworden. Zugleich ist es völlig normal, dass Jugendliche andere Sorgen und Anliegen haben als die Erwachsenen. Für Jugendliche kann es durchaus ungeheuer wichtig sein, auf diese oder jene Party zu gehen oder ein bestimmtes Kleidungsstück zu einem gewissen Anlass zu tragen, und das auch oder vor allem auch nach dem Tod des Bruders. Hinweise: Es ist wichtig, dass Jugendliche sich für ihre Belange und ihre Lebensplanungen einsetzen, und zwar gerade nach dem Tod eines Familienmitglieds. Sehen Sie Konflikte deshalb als positives Zeichen dafür, dass Ihr Kind sich dazu entschieden hat, selbst weiterzuleben. Möglicherweise erscheinen Ihnen jedoch bestimmte Streitthemen, die der Jugendliche anspricht, zu oberflächlich. Nehmen Sie den Jugendlichen mit seinen Anliegen ernst und lassen Sie auch in Fällen, die Ihnen keinen Streit wert zu sein scheinen, Konflikte und Auseinandersetzungen zu. Reagieren Sie nicht mit Vorwürfen oder einer Abwertung des Streitthemas.
Vorwürfe
Sehr verletzend und hart können Vorwürfe sein, die Jugendliche ihren Bezugspersonen nach dem Tod eines nahestehenden Menschen machen: »Hättest du besser auf Dana aufgepasst, wäre das nicht passiert«, »Du hast Papa doch eh nicht wirklich geliebt, bestimmt bist du froh, dass er jetzt tot ist«, »Vielleicht wärst du froh, wenn ich an seiner Stelle gestorben wäre!«, »Ich interessiere dich ja sowieso nicht mehr«, »Du lebst nur in deiner Scheiß-Vergangenheit!«, »Reiß dich mal zusammen, wir leiden genauso wie du. Du bist nicht die Einzige, die Norbert vermisst«. Hinweis: Versuchen Sie zu erspüren, welche Bedürfnisse des Jugendlichen hinter den Vorwürfen stecken könnten. Gehen Sie mit Vorwürfen, die der Jugendliche Ihnen macht, selbstkritisch um. Fragen Sie sich, warum der Vorwurf Sie so trifft. Gehen Sie ehrlich und respektvoll mit den Verletzungen des Jugendlichen um. Formulieren
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
Sie eigene Enttäuschungen und überlegen Sie zusammen, wie ein Miteinander zukünftig möglich ist. Vorwürfe entstehen leicht, weil wir die Art des anderen zu trauern nicht respektieren und meinen, der andere würde nicht angemessen oder falsch trauern. Prüfen Sie darum Vorwürfe auch vor diesem Hintergrund.
Unsicherheit
Es ist nicht schlimm, unsicher zu sein. Wir dürfen unsere Unsicherheit ruhig zeigen. Eltern und andere Bezugspersonen des Jugendlichen sollten nicht aus eigener Unsicherheit versuchen die Trauer Jugendlicher zu verhindern. Es ist für Jugendliche entlastend, wenn sie hören, dass Bezugspersonen sich auch als unsicher erfahren. Hinweis: Wenn Sie unsicher sind, sagen Sie es ruhig: »Ich bin unsicher, wie ich dich ansprechen darf«, »Ich weiß nicht, ob ich dir nahe sein darf«, »Die Situation ist für mich neu. Ich bin darauf nicht vorbereitet«, »Verzeih mir, wenn ich nicht so reagiere, so wie du es jetzt brauchst«. Sie werden sehen, dass der offene Umgang mit der Unsicherheit eine wichtige Verbindung zueinander sein kann.
Jugendlichen die eigene Verantwortung lassen
Eltern tendieren dazu, Kindern alle zusätzlichen Belastungen abzunehmen, wenn es ihnen nicht gut geht. Wir möchten wenigstens irgendwo helfen können. Damit sollten Eltern und andere Bezugspersonen jedoch vorsichtig sein, denn es ist keine wirkliche Hilfe, dem Jugendlichen alles abzunehmen und ihm auf diese Weise keine eigene Verantwortung mehr zu überlassen. Jugendliche müssen sich als aktiv und wirkungsvoll erfahren können. Dinge, die sie selbst schaffen, geben neues Selbstvertrauen. Dies wiederum ist für den Trauerprozess und die weitere Entwicklung eine wichtige Grundlage. Nachfragen
Missverständnisse und Verletzungen können vermieden werden, wenn wir behutsam nachfragen, weil wir etwas nicht verstanden haben oder unsicher sind, was ein anderes Familienmitglied gemeint haben könnte. Zudem können wir Konflikten vorbeugen, indem © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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wir mit den anderen darüber sprechen, wenn wir spüren, dass wir in unseren Gefühlen und Bedürfnissen schwanken oder nicht eindeutig sein können. Olaf (35 Jahre) wendet sich meist ab, wenn der Name der verstorbenen Tochter Sara fällt. Robin, sein Sohn, deutet dies so, dass sein Vater nicht über Sara sprechen will, und vermeidet weitere Gespräche über Sara, obwohl er es sich anders wünscht. Dem Vater fehlen die Gespräche über Sara. Er hat sich abgewendet, weil er nicht wollte, dass die anderen seine Trauer sehen.
Mir geht es schlecht, dir ganz gut
In trauernden Familien kommt es zu Konflikten und Unverständnis, weil Gefühlszustände einzelner Familienmitglieder sich unterscheiden. Einer glaubt vom anderen, er trauere nicht richtig, der nächste wiederum hat ein schlechtes Gewissen, weil er sich gerade ganz gut fühlt, oder jemand meint, er selbst trauere falsch. So stehen verschiedene Befindlichkeiten nicht nebeneinander, sondern manchmal gegeneinander! Hinweis: Vielleicht ist es ganz gut, dass es nicht allen gleichzeitig gut oder schlecht geht. Versuchen Sie die positive Seite dieser Unterschiedlichkeit zu sehen. Bedenken Sie, dass gerade Unterschiede in der Art und der Zeitlichkeit des Trauerns eine gegenseitige Unterstützung und die Aufrechterhaltung des Alltags ermöglichen. Möglicherweise sind andere, denen es im Augenblick besser geht, eher in der Lage, Aufgaben zu erledigen, die Ihnen selbst gerade schwerfallen. Die Zeit, in der andere Familienmitglieder sich wieder schlechter fühlen und Sie wieder mehr Energie haben, wird kommen. Lassen Sie deshalb den anderen aus der Familie die Zeit zum Auftanken und nutzen Sie die Stimmungen, in denen es Ihnen besser geht, für sich.
Schmerz verdrängen
Den Schmerz, den ein schwerer Verlust auslöst, möchte niemand gerne erleben, weder bei sich noch bei Menschen, die er liebt. Ihn durch Alkohol, Medikamente, Drogen, zu viel Sport oder Arbeit dauerhaft auszublenden kann gesundheitsschädigend sein. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
Hinweis: Auch wenn es Ihnen schwerfällt, Ihren oder den Trauerschmerz der anderen auszuhalten, versuchen Sie nicht ihn dauerhaft zu betäuben. Das würde ihn nur verschieben und Sie nicht davon befreien. Der Schmerz wird sich Bahn brechen und mit erneuter Wucht wiederkommen. Vielleicht sogar in einer Lebenssituation, in der niemand damit rechnet.
Nicht hilflos ausgeliefert, sondern handlungsfähig Menschen, die einen schweren Verlust erlitten haben, empfinden unendlich tiefen Schmerz. Sie fühlen sich kraftlos, sprachlos, ohnmächtig und handlungsunfähig. Sie hadern mit sich und dem, was ihnen widerfahren ist. Neben seelischen müssen viele äußere Anpassungen an die neue Lebenssituation geleistet werden. Trauernde berichten von zu vielen, zu schweren Aufgaben und der Angst, diese Herausforderungen an die Seele und den Alltag nicht bewältigen zu können. Sie haben den Eindruck, nie wieder eine aushaltbare Ordnung und Struktur in ihr Leben zu bekommen. Sie fürchten, nie wieder ein frohes, ausgeglichenes Leben führen zu können. Der Berg von Aufgaben erscheint schier unüberwindbar. Möglicherweise nehmen Sie ähnliche Gefühle und Gedanken wahr. In dieser Situation für trauernde Kinder offen und sensibel da zu sein, ist sehr schwer. Dieses Unterkapitel zur Trauer von Eltern und Bezugspersonen bietet Ihnen daher eine Zusammenstellung von Vorschlägen zu Handlungs-und Verhaltensweisen, die dazu beitragen können, dass es Ihnen besser geht und Sie sich der neuen Lebenssituation nicht mehr nur hilflos ausgeliefert fühlen. Zu Anfang haben Sie bereits erfahren, dass die heutige Trauerforschung davon ausgeht, dass Trauernde ihrer Trauer nicht hilflos ausgeliefert sind. Trauerprozesse sind keine starren Abfolgen von festgelegten Schemata, die Trauernde zu bewältigen haben. Dann wären Trauernde tatsächlich ausgeliefert, müssten festgelegten Abläufen folgen. Sie hätten keine Möglichkeit, den eigenen Trauerprozess zu beeinflussen. Es mag Ihnen zunächst so erscheinen. Aber wir können uns mit dem Geschehen auseinandersetzen, es aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten, eigene Formen des Umgangs mit dem Verlust finden. Dies ist weit mehr als ein ohnmächtiges Ausgeliefertsein. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Nicht hilflos ausgeliefert, sondern handlungsfähig113
Insofern kann diese Erkenntnis den eigenen Trauerprozess unterstützen. Sie können Ihrer Hilflosigkeit begegnen. Vielleicht kann allein dieses Wissen Sie schon ein Stück weit ermutigen, ebenso wie die Tatsache, dass alles im Prozess der Wandlung und Veränderung steht. Das bedeutet auch, dass die intensiven Gefühle, der Schmerz, der Kummer und die Angst, auf Dauer nicht so bleiben, wie Sie sie zu Beginn des Trauerprozesses erleben. Informieren Sie sich
Informationen zu den Themen Trauer und Tod schaffen Verständnis für sich selbst als Trauernder, aber auch füreinander, das heißt für den Umgang mit anderen Trauernden und mit deren Trauer. Indem Sie dieses Buch lesen, informieren Sie sich bereits über Entwicklungs- und Trauerprozesse, Trauerreaktionen und mögliche Formen des Umgangs mit der eigenen Trauer und der Trauer von Jugendlichen. Damit haben Sie schon einen sehr wichtigen Schritt getan, um Jugendliche in ihrer Trauer zu begleiten. Vielleicht spüren Sie dadurch schon eine Entlastung in bestimmten Bereichen. Hilfreich kann auch sein, sich Unterstützung außerhalb des sozialen Netzes zu suchen. Meine Erfahrung ist, dass trauernde Familien meist davon profitieren, wenn das Familiensystem sowie jeder Einzelne neben der Hilfe aus dem sozialen Netz durch fachliche Begleitung unterstützt werden. Hinweis: Informieren Sie sich zu möglichen Unterstützungsangeboten in Ihrer Nähe (Selbsthilfegruppen, Trauergruppen, Trauercafé, Seelsorger, Trauerbegleiter, Psychotherapie). Links zu Seiten, die Unterstützung und Information anbieten, habe ich für Sie am Ende des Buches zusammengestellt (siehe S. 153). Den »Internetadressen« schließen sich Literaturhinweise und Filmtipps zum Thema dieses Buches an (S. 154 ff.).
Teilen Sie sich mit
Um sich mit der eigenen Trauer nicht alleingelassen und ihr gegenüber hilflos zu fühlen, ist es hilfreich diese wenn möglich zu kommunizieren. Daher möchte ich noch einmal betonen, dass ein wichtiger Aspekt das Gespräch mit Ihrem trauernden jugendlichen Kind ist. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
Teilen Sie sich und Ihre Trauer dem Jugendlichen mit. Sie werden sehen, dass Sie über einen offenen Umgang mit Ihrem heranwachsenden Kind eher in Kontakt kommen werden als über den krampfhaften Versuch, die mit der neuen Lebenssituation einhergehende Umstellungen, Sorgen und Belastungen auszuklammern und zu verschweigen. Wer ausspricht, was ihn bedrängt und bedrückt, anstatt sprachlos zu leiden, stärkt zugleich seine Handlungs- und Beziehungsfähigkeit. Sorgen Sie für sich
Schauen Sie, dass Sie in gutem Kontakt mit sich sind, um eigene Bedürfnisse wahrzunehmen. Sie sollten wissen, dass Sie Jugendliche wesentlich unterstützen, indem Sie gut für sich selbst sorgen ‒ das heißt: sich um die eigene Gesundheit, Stabilität und um eigene Ressourcen kümmern, persönliche Hilfen aus dem sozialen Netz oder fachliche Unterstützung in Anspruch nehmen. Spüren Jugendliche, dass Eltern und Bezugspersonen auf ihre eigene Gesundheit achten, fühlen sie sich entlastet, weil sie sich nicht zusätzlich existenzielle Sorgen um Bezugspersonen machen müssen. Sie können sich eher auf ihren eigenen Trauerprozess einlassen und trauen sich, sich ihren Bezugspersonen zuzumuten. Es entsteht nicht der Eindruck, die eigene Trauer zum Schutz der Bezugspersonen verbergen zu müssen. Zudem übernehmen Jugendliche dieses Vorbildverhalten der Selbstfürsorge für sich. Achten Sie vor allem darauf, einen Tagesrhythmus zu finden und einzuhalten. Dazu gehört, sich zu pflegen und den eigenen Körper liebevoll zu behandeln (ein entspannendes Bad, ein schöner Duft, ein angenehmes Öl, …). Nehmen Sie regelmäßig gesunde Mahlzeiten zu sich. Wenn Sie auch nicht viel essen können, versuchen Sie Ihren Körper so zu versorgen, dass er bei Kräften bleiben kann. Vernachlässigen Sie Ihren Körper nicht. Sorgen Sie deshalb auch für genügend Flüssigkeitszufuhr. Wer trauert, braucht nicht nur seelische, sondern auch körperliche Kraft. Wenn Sie so für sich sorgen, wird das auf die ganze Familie wirken. Wenn es zu viel ist, die Mahlzeiten zuzubereiten, lassen Sie sich bekochen. Es gibt sicher Menschen, die gerne etwas für Sie tun würden und froh sind, praktisch tätig werden zu dürfen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Sorgen Sie zudem für körperliche Bewegung (Spaziergang, Rad fahren, …) und bewusste körperliche Entspannung (Entspannungsübungen, Meditation). Versuchen Sie zu schlafen. Der Körper braucht Schlaf, um sich zu erholen. Es ist eine normale Trauerreaktion, wenn es zu Schlafstörungen kommt. Legen Sie sich trotzdem zu den Schlafenszeiten hin, versuchen Sie sich selbst zu beruhigen und in den Schlaf zu finden. Menschen, die über eine längere Zeit das Bedürfnis haben, nur noch schlafen zu müssen, sollten bewusst aufstehen und sich einen Tagesplan (essen, Kontakte zu anderen Menschen, Haushalt, Einkauf, Friedhof besuchen, für Bewegung sorgen) machen, an den sie sich halten, bevor sie sich wieder hinlegen dürfen. Hinweise: Es ist normal und wichtig, dass Sie Zeit für sich, Ihre Gedanken, Gefühle und Erinnerungen benötigen, Zeit um Ihre Kräfte zu stärken und sich zu erholen. Ihre Lebenssituation darf durch Unterstützung von Freunden, Bekannten, Verwandten, Nachbarn und professionelle Hilfe entlastet werden. Nehmen Sie praktische Unterstützung wie Fahrdienste, Einkauf, Essen kochen oder Ähnliches in Anspruch. Überlegen Sie, bei wem es leicht fallen würde, Unterstützung in Anspruch zu nehmen, fragen Sie sich: »Bei wem fühle ich mich in meiner aktuellen Situation trotz meines Elends nicht ausgeliefert und entwürdigt?«, »Wo sind meine intimen Sorgen und Ängste gut aufgehoben?« Werten Sie sich selbst nicht ab, weil Sie um Unterstützung bitten und diese in Anspruch nehmen. Häufig entstehen in solchen Situationen neue oder tiefere Bindungen zu anderen Menschen. Wenn Sie Gefühle von Haltlosigkeit und Hilflosigkeit quälen, hilft es manchmal, die Tage zu überstehen, indem Sie gewohnte Strukturen und kleine Aufgaben wieder aufnehmen. Das kann schon das Versorgen der Kinder mit Frühstück sein, das Haustier zu füttern, die Zimmer zu lüften, Blumen zu gießen … Das Tun wirkt dem Gefühl der eigenen Ohnmacht entgegen. Zudem erkennen wir in den gewohnten Handlungen, dass nicht alles verloren ist. Etwas ist geblieben. Ähnlich kann es mit der Wiederaufnahme des Berufs oder der Schule sein. Gelingt es Ihnen bei physischer Erschöpfung nicht, die körperliche Situation durch einen Tagesplan zu verbessern und dem Gefühl, dass Ihr Körper ausgelaugt sei, und Schlafstörungen entgegenzuwirken, sollten Sie einen Arzt aufsuchen.
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Nehmen Sie Auszeiten
Es erfordert viel Kraft, den eigenen und den Trauerprozess der übrigen Familienmitglieder auszuhalten. Gestehen Sie sich deshalb zu, sich abzugrenzen und Auszeiten nur für sich zu nehmen. Das können Wochenenden mit anderen Trauernden sein, eine Selbsthilfegruppe, Einzeltrauerbegleitung oder eine Kur mit speziellen Angeboten für Trauernde (auch für Kinder und Jugendliche). Trauernde melden meist zurück, wie gut ihnen die Kurzeit getan hat, auch wenn es zunächst schwerfiel, die Realisierung anzugehen und sich auf die Zeit einzulassen. Erhalten Sie Ihre Kontakte und knüpfen Sie neue
Versuchen Sie den Kontakt zu anderen Menschen zu erhalten und eventuell neue Kontakte (zu anderen Trauernden, zu Menschen, die ein neues Hobby mit Ihnen teilen) zu knüpfen. Es muss nicht immer direkt ein persönlicher Besuch sein. Beginnen Sie, wenn es Ihnen schwerfällt, mit kleinen »Übungen«: ein Telefonat, eine SMS, eine Nachricht über What’s App, eine Mail, einen Brief, eine Postkarte, … Nutzen Sie vor allem Kontakte zu Menschen, bei denen Sie sich wohl fühlen. Seien Sie ebenso wählerisch bei neuen Kontakten und trauen Sie bei diesen Ihrem Bauchgefühl. Machen Sie Baustellen überschaubarer
Angesichts der unerledigten Aufgaben und anstehenden Probleme nach dem Tod eines nahen Menschen hat es sich bewährt, die Baustellen, als die all diese Anforderungen einem erscheinen, überschaubarer zu machen. Das heißt, erst einmal für sich zu ordnen, welche Aufgaben es gibt, und diese klar zu definieren. Danach hilft es zu überlegen, welches die dringlichste Aufgabe ist und welche Fähigkeiten diese benötigt. Sollten Sie dabei feststellen, dass diese Aufgabe Fähigkeiten oder Fertigkeiten verlangt, die Sie nicht beherrschen, nehmen Sie hierfür Hilfe oder Unterstützung in Anspruch. Diese Hilfe kann schlichtweg Informationen betreffen, die Sie zum Thema einholen und die Ihnen dabei helfen, die Aufgabe zu lösen. Es kann auch sein, dass Sie andere Menschen bitten, Ihnen Aufgaben abzunehmen oder Sie mit unbekannten Anforderungen vertraut zu machen (gerade in der Bewältigung des Alltags kommt es auf Grund © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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des Verlustes gewöhnlich zu Verpflichtungen, die einem nicht vertraut sind: Rasen mähen, Reparaturen im Haus, Steuererklärung, Einkäufe, Urlaubsreise buchen, …). Manchmal hilft es, für einen Moment eine sachliche Sichtweise einzunehmen, um die Situation mit ihren Baustellen gelassener zu betrachten und zu schauen, was hilfreich sein kann. Gehen Sie in kleinen Schritten, Schritt für Schritt voran. So verlieren die scheinbar unmöglich zu bewältigenden Aufgaben ihren Schrecken. Hinweis: Suchen Sie bewusst immer wieder nach Lichtblicken, die in der dunklen Zeit ein wenig Wärme und Helligkeit in Ihr Leben bringen. Das wird sich auch auf den Jugendlichen positiv auswirken (ein Besuch, auf den Sie sich freuen, Ihr Lieblingsessen, ein Spaziergang, jemand, der den Garten vom Laub befreit, ein Buch, ein schöner Film, eine Motorradfahrt, eine Bergtour).
Blicken Sie bewusst zurück
Nehmen Sie bewusst wahr, was Sie schon alles getan und überlebt haben seit dem Tod des geliebten Menschen. Sie haben vieles geschafft. Vielleicht sogar Dinge, von denen Sie zuvor geglaubt haben, dass Sie diese nie verkraften oder erledigen könnten. Möglicherweise haben Sie den nahestehenden Menschen in seiner Krankheit begleitet, ihn vielleicht gepflegt, waren bei seinem Sterben bei ihm, haben sich um die Beerdigung und die damit zusammenhängenden Aufgaben gekümmert, Formalitäten erledigt, haben dafür gesorgt, dass … Schauen Sie immer wieder bewusst zurück. Vielleicht möchten Sie all das aufschreiben: »Ich habe die Trauerfeier organisiert. Ich habe die Versicherungen umgemeldet, die Krankenkasse angeschrieben, mit der Lehrerin von Julian gesprochen, meinen Kollegen vom Tod meiner Frau erzählt, mir Unterstützung bei der Nachbarin geholt, …« Es wird Sie selbst erstaunen, was Sie alles geleistet haben. Diese Erkenntnis wird Sie bestärken, andere Aufgaben anzugehen. Wenn Sie die Kraft haben, schauen Sie noch ein Stück weiter zurück. Welche Krisen und Verluste haben Sie bereits überlebt? Im Rückblick können Sie sehen, wie Sie aus der damals schweren Lebenssituation herausgefunden haben, welche neuen und heute wichtigen persönlichen Werte und Lebenssätze daraus entstanden sind. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Hinweis: Loben Sie sich selbst. Es tut gut, nicht nur Negatives in den Blick zu nehmen (»Das habe ich nicht erledigt, das liegt noch unangetastet hier, daran habe ich mich nicht getraut, diese Aufgabe schiebe ich vor mir her, …«). Nehmen Sie bewusst einen positiven Blickwinkel ein. Unterstützen Sie den Jugendlichen auf die gleiche Art. Zeigen Sie Wertschätzung für das, was er in der Trauer schon alles durchlebt und geschafft hat.
Nehmen Sie den Jugendlichen positiv wahr
Die Zeit der Pubertät und Trauer ist nicht nur mit Schwierigkeiten verbunden, auch wenn die Lebenssituation an sich schwer ist. Jugendliche können mit dem Verlust oft besser umgehen, als Eltern dies zunächst vermuten. Schauen Sie ganz bewusst darauf, wie Jugendliche in dieser Lebenskrise ihre Persönlichkeit entfalten und zu selbstständigen Erwachsenen reifen. Ich möchte Sie ermutigen, darauf zu achten, Positives in der Entwicklung des trauernden Jugendlichen wahrzunehmen. Vielleicht erkennen Sie sogar, dass Ihre Beziehungs- und Erziehungsarbeit gerade jetzt zum Tragen kommt. Sie sollten solche positiven Aspekte bewusst zur Kenntnis nehmen und aus dieser Haltung heraus den Jugendlichen begleiten und stärken. Nicht alles auf einmal – Versäumnisse und Schwächen sind menschlich
Womöglich erschrecken Sie die Hinweise und Sie bekommen den Eindruck, dass eine konkrete Umsetzung in Ihrem Alltag unmöglich ist. Vielleicht haben Sie das Gefühl, viel zu viel bedenken, sich merken und beachten zu müssen, um den Vorschlägen und Aufforderungen dieses Buches zu folgen. Keine Sorge! Es geht nicht darum, die Punkte abzuarbeiten und abzuhaken. Worum es geht, ist vielmehr eine innere Grundhaltung. Dass wir diese nicht immer einhalten können, ist selbstverständlich. Wir alle sind Menschen mit Fehlern und Schwächen. Lassen Sie sich Zeit und stellen Sie nicht zu hohe Erwartungen an sich selbst. Setzen Sie sich nicht unter Druck, wenn nicht alles so verläuft, wie Sie es sich vorstellen. Gestehen Sie sich Fehler zu. Wenn Sie meinen, einen Fehler gemacht zu haben, sehen Sie dies nicht als © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Katastrophe an. Vielleicht hilft Ihnen die Gewissheit, dass wir zwar das Vergangene nicht rückgängig machen können, aber trotzdem immer die Chance haben, Fehler zu korrigieren. Wir können zum Beispiel sagen: »Es tut mir leid, was ich gesagt habe«, »Es tut mir leid, dass ich nicht ehrlich war«, »Es war nicht richtig, das von dir zu verlangen«, »Ich habe es gut gemeint, ich war überzeugt, es wäre besser so für dich«, »Ich habe daraus gelernt und möchte in Zukunft anders mit dir umgehen«, »Bitte verzeih mir, wenn ich dich verletzt habe«. Hinweis: Manchmal gelingt es uns nicht, den richtigen Ton zu treffen, die richtigen Worte oder Gesten zu finden. Oftmals wissen wir ja selbst nicht, was im Augenblick das Richtige für uns wäre. Wie sollen es andere dann wissen. Deshalb sollten trauernde Familienmitglieder miteinander geduldig sein. Gehen Sie daher mit Fehlern, die Jugendliche in Ihren Augen machen, weitherzig um.
Persönliche Kraftquellen entdecken
In Krisen und Belastungssituationen sollten wir individuelle Möglichkeiten, die uns stärken, bewusst in den Blick nehmen. Vielleicht bringen Sie einige dieser Möglichkeiten spontan mit dem Verstorbenen in Verbindung. Geben Sie dann nicht auf. Spüren Sie nach, welche Aktivitäten Ihnen ohne die verstorbene Person gut getan haben. Betrachten Sie die Dinge, die Sie mit dem Verstorbenen gemacht haben, als Vermächtnis. Vielleicht können Sie etwas davon in Erinnerung an die schöne gemeinsame Zeit fortführen. Viele Trauernde entdecken in der Trauer neue Kraftquellen (schmieden, malen, wandern, meditieren, ein Haus bauen, Collagen und Fotobücher erstellen, anstreichen, tanzen, Rad fahren, kreative Arbeiten, …). Andere greifen auf Altbewährtes zurück (Kino, Theaterbesuch, reisen, essen gehen, kochen, Konzert besuchen, Musik machen, Massagen, fotografieren, …). Schauen Sie, was jetzt zu Ihnen passt, erlauben Sie sich auch hier im Laufe der Zeit Veränderungen. Ich erinnere mich auf meine Weise Familie Blum möchte fernsehen. Durch einen Zufall gerät anstatt des geplanten Films eine Filmaufnahme, auf welcher der verstorbene Sohn/Bruder zu sehen ist, in den DVD-Recorder. Die Mutter
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Wenn Eltern und Bezugspersonen trauern
und die Tochter weinen beim Anblick des Verstorbenen, ihnen ist schmerzlich bewusst, dass diese gemeinsame Zeit vorbei ist. Der Vater lacht laut und freut sich. Die Filmsituation an sich ist komisch und zugleich freut sich der Vater, seinen verstorbenen Sohn so unverhofft noch einmal lachen zu sehen. Die Reaktion des Vaters ruft Unverständnis und Wut hervor. Es kommt zum Streit. Der Vater fühlt sich in seiner Trauer allein und missverstanden.
Respektieren Sie die Art, wie jeder für sich mit Erinnerungen oder Erinnerungsorten umgeht. Urteilen Sie nicht darüber, ob die eine oder andere Verhaltens- oder Sichtweise besser oder schlechter ist. Denken Sie daran, dass jeder den Verstorbenen auf seine eigene Art vermisst und auf seine persönliche Art in Verbindung mit ihm bleiben möchte. Erinnern Sie sich daran, dass es auch Unterschiede im Umgang mit dem Verstorbenen gab, als er noch lebte. Versuchen Sie vielmehr die Liebe und den Wunsch zu sehen, dem Verstorbenen nahe zu sein, und bemühen Sie sich, für andere Umgangsformen Verständnis aufzubringen. Üben Sie diese Haltung ‒ das wird dazu beitragen, dass Sie in enger Beziehung zu den anderen bleiben und sich in der »Restfamilie« geborgen fühlen. Zeigen Sie Ihre Haltung körperlich, indem Sie sich nicht abwenden oder wortlos weggehen. Sie können Konflikte und Verletzungen in Ihrer Familie, die durch den unterschiedlichen Umgang mit Erinnerungen entstehen, auf diese Weise vermeiden. Denken Sie daran, dass sich der Umgang mit Trauer verändert. Nach einiger Zeit kann es sein, dass jeder für sich wieder neue und andere Formen gefunden hat, mit Erinnerungen und Erinnerungsorten umzugehen. Vermächtnisse
Als Vermächtnisse möchte ich hier das bezeichnen, was jeder für sich als stärkende und bereichernde Erinnerung, als besonderen Wesenszug oder geerbtes Talent mit auf seinen weiteren Lebensweg nimmt. »Wenn ich keinen Ausweg mehr sehe, dann denke ich daran, dass mein Bruder immer nach vorne geschaut hat und gesagt hat, dass es immer irgendwie weiter geht, manchmal anders als geplant,
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aber dass das letztendlich gar nicht mal die schlechtere Wahl sein muss« (Julia, 18 Jahre). »Von meinem Vater habe ich meine ruhige und gelassene Art. Das hilft mir in so vielen Lebenssituationen und in meiner Trauer jetzt auch« (Timo, 17 Jahre). »Meine Mutter konnte sehr gut malen und kreativ arbeiten. Diese Begabung habe ich von ihr geerbt. Immer wenn ich male, fühle ich mich ihr ganz nah« (Nicole, 14 Jahre).
Jeder Trauernde aus der Familie muss entscheiden dürfen, was er bewahren möchte. Andere Familienmitglieder sollten diese Wahl respektieren und sie nicht durch unbedachte Bemerkungen entwerten: »Ach was, der Papa war doch gar nicht immer so ruhig, weißt du nicht mehr, dass er oft so aufgebraust ist?« Hinweis: Stülpen Sie keine negativen Vermächtnisse über: »Typisch, du hast genauso zwei linke Hände wie dein Vater!« Sie wirken nicht stärkend, sondern verunsichern!
Erinnerungsstücke
Im Umgang mit Erinnerungsstücken muss in der Lebensgemeinschaft Familie auf verschiedenen Ebenen ein Weg, was mit dem jeweiligen Erinnerungsstück geschehen soll und wie es zu behandeln sei, gefunden werden. Zunächst: Jeder aus der Familie sollte greifbare Erinnerungsstücke bekommen, die dokumentieren, dass es die Mutter, den Vater, den Bruder gegeben hat. Jugendliche sollten gefragt werden, was sie sich als Erinnerungsstücke wünschen und wo diese Gegenstände, Fotos etc. ihren Platz finden sollen. Daneben muss ein Umgang mit den gemeinschaftlichen Räumen (Küche, Wohnzimmer, das Zimmer des Verstorbenen) gefunden werden. Wie soll hier mit Erinnerungen umgegangen werden? Sollen Fotos aufgestellt werden, eine Kerze dazu? Was geschieht mit den Kleidungsstücken und persönlichen Gegenständen des Verstorbenen? Sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen kostet Kraft. Es kann viel Zeit brauchen, bis in der Familie darüber auf für alle erträgliche und zufriedenstellende © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Weise gesprochen werden kann und Lösungen gefunden werden, die alle akzeptieren können. Meist braucht es den richtigen Zeitpunkt, die richtige Gelegenheit und etwas Mut, um das Anliegen anzusprechen. Suchen Sie nach dem maximalen Konsens bei umstrittenen Fragen. Manchmal bleiben Fragen offen, weil es zu keiner Einigung kommt. Machen Sie sich immer wieder neu auf die Suche nach Möglichkeiten. Trauer und der Umgang mit dem Verlust verändern sich. Kompromisse können deshalb nach einiger Zeit durchaus erreichbar sein. Nach dem Tod von Melissa (12 Jahre) bewohnt Marlene (16 Jahre) das gemeinsame Zimmer allein. Sie verändert nicht viel, stellt nur ein Foto ihrer Schwester auf. Nach einem Jahr hat sie das Bedürfnis, größere Veränderungen vorzunehmen. Sie möchte das Bett und ein paar andere Gegenstände ihrer Schwester aus dem Zimmer nehmen. Marlene spürt, dass ihre Mutter das nicht möchte. Der Vater nimmt beide Bedürfnisse wahr, weiß aber nicht, wie er sich verhalten soll. Das gemeinsame Gespräch in der Trauerbegleitung kann hier Klärung bringen und die Familie findet einen Kompromiss, mit dem alle Beteiligten gut zurechtkommen. Melissas Bett kann zu einem Sofa umfunktioniert werden. Die meisten Gegenstände finden in einer Erinnerungstruhe einen Platz. Den Reitpokal, der Melissa sehr wichtig war, nimmt die Mutter mit ins Schlafzimmer, damit ist auch der Vater einverstanden. Hinweise: Sie sollten an gemeinschaftlich genutzten Orten mit Erinnerungsgegenständen, Kerzen und Fotos so umgehen, dass jeder aus der Familie damit gut leben kann und bei unterschiedlichen Bedürfnissen Kompromisse suchen, denen alle Familienmitglieder zustimmen können. Zudem sollte jeder die Möglichkeit bekommen, einen Ort so zu gestalten, wie er es sich wünscht. Bedenken Sie, dass die Grabgestaltung eine Sache ist, die alle Familienmitglieder angeht. Beziehen Sie Jugendliche immer mit in Überlegungen ein und sorgen Sie dafür, dass Wünsche eines jeden zumindest teilweise realisiert werden. Halten Sie sich dabei bitte an Versprechen, die Sie gegeben haben.
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Manchmal schaffen Familien es dennoch nicht, aus eigener Kraft, den Umgang mit Erinnerungsstücken anzusprechen oder sich auf etwas zu einigen. Dann kann eine neutrale, professionelle Unterstützung von außen hilfreich sein.
Besondere Zeiten gestalten Dirk (45 Jahre), Vater eines verstorbenen Sohnes, möchte in der Trauerbegleitung wissen, was besser sei: am Todestag wegzufahren oder den Tag zu Hause zu verbringen. Nach seinen Wünschen gefragt, antwortet er, dass er am Todestag gerne zu Hause bleibe, seine Frau und seine Tochter aber wegfahren wollten. Auf die Frage, warum er sich zu Hause wohler fühle, antwortet er, dass er doch seinen Sohn nicht im Grab allein lassen könne, er an seinem Todestag bei ihm sein müsse. Dirk und seine Familie haben daraufhin einen Kompromiss gefunden. Dirk ist mit seiner Familie am Todestag weggefahren. Er hat seinen verstorbenen Sohn jedoch anhand von Erinnerungsstücken mit auf die Reise genommen: ein Foto, der Lieblingspulli, eine Kerze. Außerdem hat Dirk vor Ort an einem versteckten Platz im Wald einen mit dem Namen des Sohnes beschrifteten Stein hinterlassen. Zudem wurde eine gute, zuverlässige Freundin gebeten, sich zu Hause um das Grab zu kümmern, für frische Blumen und brennende Kerzen zu sorgen.
Pauschale Antworten, was die Gestaltung besonderer Tage und Zeiten angeht, gibt es nicht. Auch hier gilt es, sowohl einen individuellen Umgang für den Einzelnen als auch einen gemeinsamen für die gesamte Familie zu finden. Oft muss ausprobiert werden, was passt. Äußern Sie Ihre Wünsche, diese besonderen Zeiten betreffend. Wovor haben Sie Angst und wie können Sie Ihren Befürchtungen begegnen? Ich möchte Sie ermutigen, andere Familienmitglieder ebenfalls zu befragen. Respektieren Sie die Äußerungen jedes Einzelnen. Gemeinsam können dann Wege erarbeitet werden, mit denen diese Tage so gut wie eben möglich für den Einzelnen und die ganze Familie zu gestalten sind. Berücksichtigen Sie zum einen Zeiten, die gemeinsam gestaltet werden können, und zum anderen den Raum, den jeder für sich alleine gestalten kann. Auch wenn Sie sich vielleicht © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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nicht entscheiden können, wie der Tag ablaufen soll, ist es hilfreich, sich vorher mit möglichen Optionen auseinandergesetzt und das Thema in der Familie kommuniziert zu haben. Ein trauernder Vater hat für das, was diese besonderen Tage so schwierig macht, Worte gefunden, die Ihnen möglicherweise auch aus der Seele sprechen: »Die schönsten Tage des Jahres sind plötzlich zu den schlimmsten und fiesesten überhaupt geworden.« Meggi erzählt Lucy, einer anderen Jugendlichen, wie sie das erste Weihnachtsfest in ihrer Familie ohne ihren Bruder erlebt hat: »Stell dich darauf ein, dass das erste Mal einfach total hart ist. Im zweiten Jahr ging es schon besser. Wir haben uns ein bisschen daran gewöhnt und geübt, wie es vielleicht gehen kann.«
Das erste Mal ohne den Verstorbenen besondere Tage zu erleben ist sehr schmerzhaft. Es wird deutlich, dass der Verstorbene endgültig nicht mehr da ist, dass das Leben ohne ihn weitergeht. Familien konnten im Vorfeld häufig nicht miteinander besprechen, wie der Tag verbracht werden kann. Zusätzliche Enttäuschungen und Belastungen müssen verkraftet werden. Ich möchte Ihnen deshalb empfehlen, das Thema frühzeitig in der Familie anzuregen. Bedenken Sie, dass Fest- und Feiertage auch vor dem Tod des Familienmitglieds besonders gestaltete Tage waren. Vielleicht gab es in der Familie einen festgelegten Rahmen und wiederkehrende Rituale (ein bestimmtes Essen, der Gang zur Kirche, ein Spaziergang, eine besondere Dekoration, bestimmte Lieder, ein traditionelles Getränk, …). Überlegen Sie gemeinsam, was davon erhalten bleiben soll und was Ihnen jetzt nicht mehr stimmig erscheint. Überprüfen Sie bisherige Rituale auf Veränderungen. Sie werden feststellen, dass sie sich im Laufe der Jahre verändert haben, mal mehr, mal weniger. Die Luftballons zum Geburtstag der Kinder sind vielleicht verschwunden und Sie verzichten inzwischen auf den früher traditionellen Nikolausauftritt. Rituale und Umgangsformen, die Sie jetzt für diese besonderen Tage finden, dürfen sich ebenfalls im Laufe der Zeit verändern und Ihren persönlichen und familienspezifischen Bedürfnissen anpassen.
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Trauernde Eltern erzählen
Alles war gut – Andreas Bis meine Frau Christine aus dem Leben schied, waren wir eine harmonische, kleine Familie. Unsere gemeinsame Tochter hatte die Beziehung gekrönt. Alles war gut. Manchmal habe ich mich gefragt, wie wir das verdient haben: Gesundheit, Glück, Zufriedenheit, beruflichen Erfolg, Freunde. Das Leben war perfekt. An einem Nachmittag im August wurde unsere Idylle jäh zerstört. Meiner Frau Christine platzte ein Hirnaneurysma. Einige Tage zitterten wir um ihr Leben. Umsonst. Der Schmerz war unerträglich. Antonia, die doch erst 13 Jahre alt war, sagen, dass Mami nie mehr zu uns kommt, konnte ich nicht. Als mein Bruder ihr schließlich die Nachricht beibrachte, ist mein Herz zerbrochen. Mein eigener Schmerz und ihr zur Grimasse verzerrtes Gesicht im Augenblick, als sie die Nachricht hörte, hat eine Wunde in meine Seele gerissen, die ich nie wieder vergessen werde. Dann fing die Zeit der Rollenfindung an. Antonias Mami war auch ihre beste Freundin – sie haben alles zusammen gemacht. Ich war immer für die angenehmen Dinge zuständig gewesen. Hatte wohl auch daran gelegen, dass ich beruflich viel auf Reisen war und einen Arbeitstag hatte, der zumeist mehr als acht Stunden dauerte. Wie sollte ich mich jetzt meiner Tochter nähern? – »Was bekommt sie als Pausenbrot mit in die Schule? Welche ärztlichen Untersuchungen liegen noch an: Kieferorthopäde, Hautarzt? Auch Gynäkologe? Welche Kleidergröße hat sie? Wie läuft ihr Alltag ab?« Ich hatte so viele Fragen. Nur unmittelbar nach dem Unfassbaren konnten wir zusammen trauern. Zusammen haben wir die Urne ausgesucht und die Beerdigung durchgestanden. Aber wie sollte ich meine Tochter trösten – wo ich doch selbst Trost brauchte? Als dann mein Schmerz auf den ihren kam, kumulierte sich die Trauer und drohte, sich in einen
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Trauernde Eltern erzählen
verhängnisvollen Strudel zu verwandeln. Ab diesem Moment hat jeder für sich getrauert. Antonia wollte nicht über Mami sprechen – ich wollte mein Leid in die Welt hinausschreien. Ich hatte Angst, Antonia auf Christine anzusprechen, weil ich fürchtete, ihr damit weh zu tun. Damit stürzten wir uns in den Versuch, unseren Alltag zurückzubekommen. Die Trauer wurde nicht thematisiert. Nicht zwischen uns. Jeder trauerte nur für sich. Aber ich wollte ihr doch helfen. Nur wie hilft man jemandem, der Hilfe gar nicht will? Was ich auch tat, es lief schief. Zum Glück hat Antonia einen starken Charakter, der sich trotz all dem Leid nicht wesentlich verändert hat. Sie ist weiterhin kommunikativ, arbeitet in der Schule mit und nimmt am Leben teil. Bei allem, was ich tat, habe ich versucht, sie so sanft wie möglich zu behandeln. Noch mehr Kummer wollte ich ihr nicht machen. Und bei jedem Konflikt mit ihr, fragte ich mich: Ist das die angehende Pubertät oder die Trauer oder beides? Die Unwissenheit ist für mich das Schlimmste, denn sie macht mich hilflos, ohnmächtig. Am meisten helfen dann Gespräche mit anderen Eltern, die mir bestätigen, dass das meiste völlig normal ist.
Unsere Kinder sind nicht unsere Kinder – Romy Oder: was ich beim Tod unseres Sohnes über Freundschaft unter Jugendlichen lernen durfte Unser 15-jähriger Sohn Lars starb völlig unvorhersehbar innerhalb weniger Stunden an einer Infektion. Lars war ein sportlicher, temperamentvoller Jugendlicher. Er bewegte sich in einem Kreis von Mädchen und Jungen im Alter zwischen 14 und 17, die gemeinsame Interessen hatten. Viele dieser Jugendlichen kannten wir. Dem Eindruck nach waren die Themen, die sie miteinander teilten, das andere Geschlecht, Partys, Computer, Sport und am Rande Schule. Was dieser Kreis junger Menschen tatsächlich miteinander teilte, erfuhren wir im Ganzen erst nach Lars’ Tod. Unser Sohn starb im Krankenhaus, wo er notfallmäßig eingeliefert worden war. Nach seinem Tod war es für uns, auch für seine Geschwister, die damals 18 und 21 Jahre alt waren, selbstverständlich und nicht anders denkbar, als dass er noch einmal nach Hause in sein Zimmer gebracht wurde. Lars ist an einer ansteckenden Infektion gestorben. Deshalb
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mussten seine Freunde, mit denen er in den Tagen vorher Kontakt gehabt hatte, noch in der Nacht seines Todes informiert und prophylaktisch behandelt werden. Unmittelbar nach seinem Tod war bekannt, was geschehen war. Nachdem Lars freigegeben worden war, wurde er zu uns nach Hause gebracht und in sein Bett gelegt. Hier möchte ich erwähnen, wie selbstverständlich unsere anderen Kinder mit ihrem toten Bruder umgingen, wie sie bei ihm lagen, ihn berührten, halfen ihn anzuziehen, ihn später in den Sarg legten und diesen bei der Abholung zum Leichenwagen trugen. Das bedurfte keiner Fragen, keiner Absprachen, es war ein tiefes Bedürfnis, dem sie nachgingen. Es war so hilfreich für uns alle in dieser unfassbaren Situation, der Zeit des Abschiednehmens, und auch später, als wir alle Entscheidungen gemeinsam besprachen, manchmal aushandelten und trafen. Am Morgen nach Lars’ Ankunft zu Hause standen zwei seiner Freunde weinend vor der Tür: »Wir möchten euch unser Beileid sagen.« Ich verriet ihnen, dass Lars zu Hause sei, und fragte, ob sie sich von ihm verabschieden wollten. Sie bejahten ohne zu zögern oder nur eine Minute zu überlegen. Wir gingen nach oben und ich dachte, sie würden vielleicht auf der Schwelle zu seinem Zimmer stehen bleiben und vorsichtig oder zaghaft hineinschauen. Sie aber gingen hinein, setzten sich auf sein Bett, streichelten seinen Arm und fingen unter Tränen an, mit ihm zu sprechen. Meine Frage, ob sie mit ihm alleine sein wollten, bejahten sie. Ich ging nach unten, hörte sie aber die ganze Zeit weinen und sprechen. Später fragten sie, ob sie seinen anderen Freunden erzählen dürften, dass er hier sei. Ich erlaubte es, sagte aber, dass ich nicht wolle, dass jeder, der noch nie einen Toten gesehen habe, einfach nur zum Anschauen komme. Sie versprachen das zu regeln. In den Tagen, die Lars zu Hause war, kamen tatsächlich alle seine Freunde, immer zu zweit und manchmal mit ihren Eltern, die dann meistens bei uns saßen, während die Jugendlichen bei Lars waren. Als Lars abgeholt werden sollte, hatten wir ihn angezogen und auf seinem Bett Dinge bereitgelegt, die wir ihm in den Sarg legen wollten. Seine Freunde baten darum, ihm auch etwas mitgeben zu dürfen. Sie leerten spontan ihre Hosentaschen, trennten sich von Schmuckstücken und brachten noch ein Personal-T-Shirt vor-
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bei, was sie bei seiner Lieblingsdönerbude erbeten und mit guten Wünschen für ihn beschriftet hatten. Schon zu dieser Zeit waren wir sehr berührt von der Art und Weise, wie diese jungen Menschen agierten. Trotzdem waren unsere Gefühle sehr zwiespältig. Einerseits beeindruckte uns, wie zugehörig und wie verantwortlich seine Freunde sich fühlten, andererseits war doch unser Kind gestorben. Wir wollten die Zeit mit ihm nutzen und alles, was nun getan werden musste, für ihn tun und entscheiden. Wenig später erschien wieder eine Abordnung seiner Freunde und teilte uns mit, dass sie über die Beerdigung sprechen wollten. Etwas verwundert fragte ich sie, was sie sich vorstellten. Sie wollten den Sarg tragen. Allein bei dem Gedanken, wie diese Jungs, die nicht anders waren als unser Sohn, in ihrer schlaksigen, coolen Art mit dem Sarg gehen würden, wurde mir ganz mulmig. Auch hatten wir schon andere Menschen, die Lars und uns nahe waren, gebeten, das zu tun. So verhandelten wir, dass der Sarg von diesen getragen würde, seine Freunde aber direkt hinter ihm gehen sollten. Uns wurde immer bewusster, dass unser Sohn mit seinen 15 Jahren noch ein ganz anderes Leben gehabt hatte. Er war nicht nur Sohn und Bruder, sondern Freund in einer Gemeinschaft von Mädchen und Jungen, in der es sehr innige und ernsthafte Beziehungen gab. Und obwohl es zugegebener Weise schwerfiel, anzuerkennen, dass andere Menschen ganz eindeutig Ansprüche anmeldeten, teilhaben und mitbestimmen wollten in dieser unglaublich emotionalen, schwierigen und verzweifelten Situation, spürten wir mehr und mehr Dankbarkeit. Es gab uns Trost zu sehen, wie gut Lars in dem Kreis seiner Freunde zu seinen Lebzeiten aufgehoben gewesen und auch jetzt noch aufgehoben war. Ich möchte noch zwei Begebenheiten erzählen, die besonders beeindruckend für uns waren. So erschien wieder eine Abordnung der Freunde, die über die Grabpflege sprechen wollte. Die Abgesandten wollten einen Teil des Grabes eigenverantwortlich gestalten und pflegen. Letztendlich einigten wir uns auf eine große Schale. Das haben sie über Jahre hinweg getan. Es gab dort nie Mangel an Pflege und Fürsorge. In der Praxis war das so, dass die Jungs bezahlten und die Mädchen gestalteten und pflegten.
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Die dritte Abordnung kam zu uns, als es um Lars’ 16. Geburtstag ging, der ein halbes Jahr nach seinem Tod anstand. Seine Freunde berichteten uns, dass er geplant hatte, eine große Party zu feiern, und das wollten sie nun in seinem Namen mit uns zusammen tun. Zu diesem Zeitpunkt konnte ich nicht einmal den Gedanken an eine Party denken. Sie ließen nicht locker. So mieteten wir einen Raum im Bürgerzentrum unseres Dorfes und verabredeten, den Tag gemeinsam zu gestalten. Wir entwarfen und druckten Einladungen, Lars’ Freunde bestanden darauf, zu entscheiden, wer aus seinem Umfeld kommen sollte. Nämlich nur seine echten Freunde. Wer aus unserem Familien- und Freundeskreis kommen sollte, durften wir selber bestimmen. Es wurde ein sehr schöner Tag. Wir waren eingebettet in einen Kreis von Menschen, denen Lars am Herzen lag und die unsere Trauer teilten. Es wurde zusammen gegessen, getrunken und erzählt. Alle hatten etwas vorbereitet. Alben, Fotocollagen, Filme und Fotos von Partys, Schulfahrten usw. wurden gezeigt. Unsere Freunde hatten uns für alle Luftballons geschenkt, die zu Abschluss mit guten Wünschen und persönlichen Grüßen in den Himmel geschickt wurden. Lars war sehr präsent und mitten unter uns.
Es gab noch so vieles, was zu erwähnen wäre, aber für das Anliegen, das ich formulieren möchte, soll das reichen. Was möchte ich zur Trauer Jugendlicher besonders beim Verlust eines gemeinsamen Freundes nun sagen? ȤȤ Ihre Beziehungen in den Peergroups sind in ihrer Ernsthaftigkeit und Nähe nicht zu unterschätzen. ȤȤ Sie brauchen nicht nur Begleitung und Trost, sie sind auch sehr gute Begleiter und Tröster. ȤȤ Sie brauchen nicht zuerst Schonung, sie haben ein starkes Bedürfnis teilzuhaben, einbezogen zu sein und mitgestalten zu können. ȤȤ Sie sind kreativ in ihrem Ausdruck und brauchen Raum, Gefühle auf ihre Art auszudrücken und Ideen zu verwirklichen. ȤȤ Sie sind sich gegenseitig Halt und Stütze. ȤȤ Sie fragen nicht viel, sie drücken aus, was sie fühlen, und nehmen, was sie brauchen, tun, was ihnen gut tut. ȤȤ Sie ziehen Stärke und Trost aus gemeinsamer Trauer und Ritualen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Trauernde Eltern erzählen
ȤȤ Sie haben eine Natürlichkeit im Umgang mit dem Tod, die im Laufe ihres Erwachsenwerdens scheinbar irgendwann verloren geht bzw. zugedeckt wird von Regeln und Annahmen, Unsicherheit und vermeintlich nötiger Rücksicht und Zurückhaltung. Wir sollten Jugendliche in ihrer Trauer ernst nehmen und das, was sie uns anbieten, dankbar annehmen. Wir sollten ihre Fähigkeiten, mit Situationen, in denen sie und wir um einen Verlust trauern, auf ihre Art umzugehen, anerkennen, nutzen und ihnen Trost und Halt durch die Erlaubnis geben, teilzuhaben an unserem Schmerz, unseren Gedanken und den notwendigen Entscheidungen und Aktivitäten.
Plötzlich alleinstehend und alleinerziehend – Elke Vor drei Jahren verstarb nach einer halbjährigen, schweren Krankheit mein Mann. Für uns dennoch sehr unerwartet. Zu diesem Zeitpunkt waren meine Söhne 16 und 20 Jahre alt. Unser Leben musste sich sowieso schon neu sortieren, da wir uns kurz vor dem Tod meines Mannes einen jungen Hund zugelegt hatten. Dies nach mehrjährigem Bitten und Betteln meiner Söhne und meines Mannes, noch in der Hoffnung, dass mein Mann dadurch neuen Lebensmut und eine Aufgabe finden würde. Hinzu kam, dass mein älterer Sohn erfreulicherweise eine Studienplatzzusage, ca. 120 km von zu Hause entfernt, erhalten hatte. Somit verließ er praktisch zeitgleich mit dem Tod meines Mannes unser Familiennest. Übrig blieben mein jüngerer Sohn und der junge Hund, für den wir eigentlich alle die Verantwortung übernehmen wollten, und ich. Zuerst mussten sämtliche Verpflichtungen meines Mannes geregelt werden. Plötzlich lagen alle Sorgen, alle Verantwortung und Endscheidungsgewalt für Haus und Hof bei mir. Ich fühlte mich furchtbar alleine, einsam und im Stich gelassen von meinem Mann. Ab und zu überkam mich eine riesige Wut. Wie konnte er mich einfach so mit allen Problemen und Sorgen alleine zurücklassen? Mir wurde klar, dass ich ab nun eine alleinstehende und alleinerziehende Frau war, mit allen Pflichten, die dazu gehörten. Schritt für Schritt, langsam, mit viel Energie, Vernunft, Kraft, Pflicht-
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Vom Weg ins Leben – Johanna Maria131
bewusstsein und dank professioneller Unterstützung habe ich mein Single-Leben inzwischen gut in den Griff bekommen und plane nun einen neuen Lebensabschnitt, der sich mehr um mich bewegen soll als um die Fürsorge meiner Söhne. Der Ältere wird in einem halben Jahr sein Studium beenden, der Jüngere hat jetzt sein Abitur gut bestanden und plant seinen weiteren neuen Lebensweg. Rückblickend hat unser Hund, den wir alle sehr ins Herz geschlossen haben, uns unbewusst große Dienste erwiesen, da jeder bei ihm seine Gefühle ausleben konnte und immer einen treuen Zuhörer hatte. Außerdem haben uns die Verantwortung um ihn und die Bemühungen um sein Wohlergehen sehr zusammengeschweißt. Unser Hund hat sich also als so eine Art Vermächtnis meines Mannes erwiesen. Neugierig und positiv sehen wir alle in unsere Zukunft und freuen uns auf das, was noch kommen mag. Eigenartigerweise haben meine Söhne und ich aber nie wirklich viel über meinen verstorbenen Mann gesprochen. Gefühlsmäßig ist er jedoch unausgesprochen immer ganz nah bei uns und mit uns, was uns ein gutes, beruhigendes und positives Gefühl vermittelt. Mein älterer Sohn war von Anfang an in der Lage, sich mit seinem Umfeld auszutauschen, was ihm sicherlich weitergeholfen hat. Mein jüngerer Sohn hat sich immer geweigert sich mitzuteilen. Bis heute konnte ich nicht wirklich herausfinden, ob es so geblieben ist. Anscheinend hat er immer alles mit sich alleine ausgemacht, aber so auch einen Weg für sich gefunden.
Vom Weg ins Leben – Johanna Maria Lucy war 13 Jahre alt und Lara war 19 Jahre alt, als ihr Bruder Moritz mit 16 Jahren starb. Er hatte eine sehr seltene Erkrankung seines Skelettsystems. Leider war seine Lunge dadurch sehr geschädigt, und er ist an einer Lungenentzündung gestorben. Wir haben damit nicht gerechnet. Normalerweise kann man mit dieser Erkrankung sehr viel älter werden. Heute verbindet uns, dass wir alle Moritz beim Sterben begleiten konnten. Trotzdem war das der schlimmste Tag in unserem Leben. Danach war alles anders. In der Zeit danach war unser Zuhause das Einzige, was am Anfang ging, dort fühlten wir uns sicher.
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Trauernde Eltern erzählen
Lara hat ihr Abitur geschafft, das war eine unglaubliche Leistung von ihr. Gesetzlich ist es wohl so, wenn jemand in der vorgegebenen Zeit sein Abitur nicht machen kann, muss er die letzten zwei Jahre wiederholen. Das war ihr zu lang, also hat sie sich voll auf ihr Abitur konzentriert und ihre Trauer unterdrückt. Ich hatte oft Angst um sie in dieser Zeit. Ich dachte: »Wo tut sie den Schmerz hin? Wie vernünftig ist sie? Wie schafft sie das nur?« Als die Prüfungen beendet waren, ist sie emotional total zusammengebrochen, die vielen unterdrückten, verschiedenen schmerzlichen Gefühle sind wieder hochgekommen. Dazu kam, dass ich vor ihrer letzten Abiturprüfung eine Reise zu einer guten Freundin angetreten hatte und zehn Tage nicht da war. Das würde ich heute nicht wieder machen. – Verreisen ist ein ganz eigenes Thema, getrennt voneinander zu sein, ist ziemlich schwer am Anfang. Das ist wie noch ein Verlust. – Kurz darauf war Laras eigene Abi-Abschlussfahrt. Das hat ihr zusätzlich nicht gut getan. Eigentlich wollte sie mit ihrer Freundin einige Wochen verreisen, um vor dem Studium eine Auszeit zu haben. Etwas von der Welt sehen, Inselhopping in Griechenland war der Plan. Die Angst, etwas könnte passieren, war zu groß, und sich von zu Hause trennen, ging gar nicht. Lara hatte viel in der Versorgung von Moritz geholfen, auch in den Jahren vor seinem Tod. Besonders, als er im letzten Jahr ständig Sauerstoff gebraucht hatte, hatte sie auf ihn aufgepasst, damit mein Mann und ich auch mal hatten weggehen können. Damit hatte sie sehr viel Verantwortung übernommen, manchmal war sie damit überfordert gewesen, aber wir hatten das nicht gesehen. Zu dankbar waren wir über die Hilfe gewesen, die wir durch sie gehabt hatten. Entscheidungen zu treffen, fiel und fällt Lara seit ihrem Zusammenbruch sehr schwer. Was sie studieren wollte, wusste sie nicht so genau, und sie dachte, sie schaffe das auch gar nicht. Als wir ihr sagten: »Lass dir Zeit!«, nützte das am Anfang, aber je mehr Monate vergingen, je mehr wuchs die Unzufriedenheit in ihr darüber, nicht zu wissen, wie es weitergehen würde. Einerseits wollten wir ihr Zeit lassen, anderseits wollten wir sie unterstützen und ihr helfen. Das war eine Gratwanderung, unglaublich schwierig, den Zeitpunkt zu finden, wo Hilfe helfen oder aber wieder Druck
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Vom Weg ins Leben – Johanna Maria133
aufkommen würde. Der Druck von außen war und ist zusätzlich ungemein: »Was willst du machen? Wann fängst du an? Das täte dir doch gut. Dann kommst du auf andere Gedanken. Irgendwie muss es doch weitergehen. Wenn du zu lange rumhängst, wird es immer schwerer anzufangen.« Dazu kam, dass ihre Freundinnen mit ihren Studien begannen, sie erzählten, was und wo sie studierten, in welche Städte sie umzogen. Sie standen im vollen Leben. Das gab ihr das Gefühl, versagt zu haben, nichts richtig zu machen. Dazu kamen ihre Trauergefühle. Sie war auf dem Sprung in die Selbstständigkeit gewesen, und dann war Moritz gestorben. Inzwischen ist sie so weit stabil, dass sie sich für ein Studium entscheiden und es beginnen konnte. Lara hat sich zusätzlich professionelle Hilfe geholt und ist in ihrem Tempo gegangen. Jetzt sieht sie wieder einen neuen Weg, den sie gehen kann – mit ganz vielen wichtigen Lebenserfahrungen im Gepäck. Meinen Kindern ihren Schmerz nicht abnehmen zu können, ist sehr schwierig für mich gewesen. Ich habe mit der Zeit gelernt, dass das gar nicht geht. Meinen Kindern offen und ehrlich zu begegnen, authentisch zu sein in meiner Trauer, war wichtig. Da zu sein, Zeit zu haben, war wichtig. Sie mit all ihren Meinungen anzunehmen, nicht zu beurteilen, zuzuhören, sie ernst zu nehmen, Traurigkeit und Kummer zu teilen – war wichtig. Wie oft war ich überrascht und zutiefst berührt, welche Gedanken zurückkommen, welche Erkenntnisse sie aus ihrer Trauer und ihrer Umgebung ziehen. Das hat mich sehr bereichert. Meine Kinder haben Wege gefunden, mit ihrem Schmerz umzugehen. Lucy und Lara sind ganz eng zusammengerutscht, sie verbringen viel Zeit gemeinsam, sie verstehen sich sehr gut, reden viel, immer auf der Suche nach neuen Wegen, die sich gut anfühlen. Manchmal schlafen sie zusammen in einem Zimmer. Und jede von ihnen hat eigene Wege. Ihre Freunde waren für meine Töchter sehr wichtig. Nicht alle sind geblieben, manche sind dazugekommen. Oft fühlte Lucy sich allein. Sie spürte, dass sie Erfahrungen gemacht hatte, zu denen Freundinnen nichts sagen konnten. Sie merkte, dass sie ihnen nicht alles zumuten konnte, nicht alles erzählen konnte. Lucy hat in einem Trauerchatroom Kontakt aufgenommen. Das hat ihr gut getan, vieles konnte sie mit mir nicht besprechen
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Trauernde Eltern erzählen
in der Zeit. Heute weiß ich, sie wollte mich schonen. Wir Eltern haben uns auch verändert und erschienen ihnen fremd. Es gab Zeiten, da wollte sie keine Hilfe mehr von außen annehmen – bis ich mir selbst Hilfe gesucht habe. Ich brauchte irgendwie Struktur und jemanden, der die Gefühle ansprach, die ich fühlte, aber oft nicht deuten konnte, vor allem jemanden, der nicht in die Knie ging, der das aushielt, was ich erzählte, der was zu sagen hatte. Lucy hat sich daraufhin auch dazu entschieden. Sie wirkte nach den Gesprächen aufgeräumter, erleichtert und beruhigt. Wir lernten Stück für Stück mit unserem Verlust zu leben und haben sehr viel Schmerzliches, aber auch sehr viel Glück und Freude erlebt. Wir haben einen neuen Platz für Moritz gesucht. Der Platz ist tief in unserem Herzen, wo wir ihn weiter lieben können, wo er bei uns ist. Wir reden gerne über ihn, über all die schönen Dinge, die wir mit ihm erleben durften. Bei manchen Fragen, die das Leben an uns stellt, denken wir, was hätte Moritz dazu gesagt. Oder in manchen Situationen: Da hätte er jetzt auch seine Freude dran. Moritz hat uns so viel Schönes hinterlassen. Die Kinder haben Fotos und Sachen von Moritz in ihren Zimmern, sie ziehen seine T-Shirts als Schlafanzüge an. Moritz Zimmer steht immer auf, es ist ein Ort der Begegnung für uns, in jeder Form. Viele kleine Rituale sind mit der Zeit entstanden, die wir brauchen – die sind uns wichtig. Natürlich sind wir ganz oft noch traurig und weinen auch. Ein bisschen haben wir gelernt, mit dem Schmerz und der Trauer zu leben, trotzdem ist es manchmal sehr schwer. Was bleibt – Moritz fehlt. Wir haben uns alle verändert und sind auf unserem Weg, wir sehen wieder einen Weg. Einen neuen, anderen Weg. Durch den Verlust ist es uns viel wichtiger geworden, Zeit miteinander zu verbringen, uns nah zu sein. Ich freue mich, wenn ich meine Töchter lachen höre, wenn ich sehe, wie sie im Leben stehen. Ich bin so stolz auf sie. Wenn man mich fragen würde, wie ich das alles geschafft, ausgehalten und gelebt habe, dann ist meine Antwort, dass nur die Liebe das kann.
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Weiterleben – aber wie?
Persönliche Kraftquellen und Ressourcen Der Tod eines nahen Menschen verändert unser Leben. Vieles, worauf wir unser Leben gebaut haben zerbricht. Persönliche Werte, Maßstäbe und Lebensregeln werden durcheinandergebracht und verlieren zum Teil ihre Gültigkeit. In der Zeit der Veränderung sind wir gezwungen neue Wege zu gehen, müssen uns auf die Suche nach Handlungsweisen, neuen Lebensentwürfen und Perspektiven machen. Das gilt für Erwachsene und Jugendliche gleichermaßen. Gerade in Krisen fällt es unglaublich schwer, eigene Fähigkeiten wahrzunehmen und Dinge zu erkennen, die uns dabei helfen können, diese schwierigen Zeiten zu überleben. Lassen Sie uns darum verschiedene Aspekte, die zur Ressourcenaktivierung des Einzelnen und der Familie insgesamt beitragen können, sowie mögliche Ressourcen noch einmal in den Blick nehmen. In Bewegung kommen – Selbstwirksamkeit erfahren
Ich möchte Ihnen vorschlagen, kleine Schritte auf dem neuen Weg zu gehen. Um das zu tun, brauchen Sie nur im wortwörtlichen Sinne ein paar Schritte zu laufen. Vielleicht erscheint Ihnen das zunächst zu simpel. Tatsächlich aber kann körperliche Bewegung unsere Seele und unseren Geist in Gang bringen. Ein kurzer Spaziergang oder eine kleinere Wanderung können körperliche Erfahrungen vermitteln, die uns innerlich stärken und unser Denken aktivieren. Körperliche Bewegung löst aus der Starre, entlastet und lässt uns Boden unter den Füßen spüren. Wir sind selbst aktiv, können feststellen, dass wir uns von der Stelle und in eine von uns bestimmte Richtung bewegen können, anstatt still unser Leid zu erdulden. Kleine Schritte, mit denen wir uns körperlich vorwärtsbewegen, helfen uns, unseren persönlichen Fähigkeiten insgesamt zu vertrauen und Zuversicht zu finden, mit Herausforderungen umzu© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Weiterleben – aber wie?
gehen. Im übertragenen Sinne sollten wir deshalb auch im Alltag in anderen Bereichen kleine Schritte gehen, ohne uns gleich zu überfordern. Hinweis: Sie können sich auch auf anderen Ebenen aktiv und Ihr Leben selbstbestimmend erleben. Das kann ganz einfach die Arbeit im Garten, das Aufräumen eines Schranks oder Zimmers, kochen, Musik machen, Sport, singen, segeln, musizieren, meditieren, malen, kreatives Gestalten … sein.
Ängste wahrnehmen
Versuchen Sie Ihre Ängste und Befürchtungen wahrzunehmen und zu benennen: Wovor genau haben Sie Angst? Wovor hat der Jugendliche Angst? Zum Beispiel: »Ich habe Angst davor, die finanziellen Dinge nicht regeln zu können«, »Ich habe Angst, dass ich mich in der Schule nicht konzentrieren kann«, »Ich habe Angst, alleine mit den Kindern in Urlaub zu fahren«, »Ich habe Angst, Papa zu vergessen!« Unsere Ängste bedrohen uns nicht nur. Wenn wir uns mit ihnen vertraut machen, können sie gute Wegweiser dafür sein, was uns in der schweren Situation weiterhilft. Ressourcen aufdecken
Ressourcen aufzudecken bedeutet: den Fokus auf eigene und familienspezifische positive Aspekte und Stärken zu lenken und diese zu fördern. Ich möchte Ihnen deshalb empfehlen, immer wieder darauf zu schauen, was trotz des schlimmen Verlusts gut und nicht verloren ist. Machen Sie sich zudem schöne vergangene Zeiten und Erlebnisse sowie die positiven Anteile der Trauer, wie zum Beispiel Dankbarkeit und Liebe, bewusst. Das hilft, den Trauerprozess zu durchleben und mit den Aufgaben des Alltags, der ja weitergeht, zurechtzukommen und eine Neuorientierung in einem Leben ohne den Verstorbenen zu finden. Hinweis: Überlegen Sie welche Stärken, Fähigkeiten und persönlichen Kraftquellen Sie selbst bzw. der Jugendliche haben. Hier einige, noch ergänzbare Ressourcen, die Ihnen zur Anregung dienen sollen:
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Persönliche Kraftquellen und Ressourcen137
–– den Lebensrhythmus weiterzuführen, –– Kontakte zu erhalten, –– sich von Kontakten zu lösen, die belastend und nicht unterstützend sind, –– selbstständig zu denken und zu handeln, –– Dinge zu tun, die Freude machen, –– ein starkes Selbstbewusstsein, –– Selbstwert, –– Geduld mit sich und anderen, –– Kreativität, –– Phantasie, –– Optimismus, –– Kontaktfreudigkeit, –– Humor, –– Mut, –– Toleranz, –– Flexibilität, –– Freunde und stabile Beziehungen, –– eigene Bedürfnisse wahrzunehmen und zu erfüllen, –– sich vom Verstorbenen verabschiedet zu haben, –– Mut, den eigenen Trauerweg zu gehen – gegen Normen und Konventionen, –– Gesundheit (physische und psychische), –– kreative Ausdrucksmöglichkeiten zu finden und sich zu erlauben, –– besondere Fähigkeiten/Fertigkeiten sowie Hobbys, zum Beispiel handwerkliche/künstlerische Hobbys wie: musizieren, malen, tanzen, handwerken, handarbeiten, oder Tätigkeiten im Garten und Haushalt wie: kochen, backen –– Naturverbundenheit –– wahrzunehmen, was erhalten geblieben ist, –– schöne Erinnerungen, –– Werte/Überzeugungen, die nicht auf Grund des Geschehens an Gültigkeit verlieren, –– eine gute Körperwahrnehmung, –– gut für sich selbst zu sorgen, –– Gefühle, Gedanken und Sorgen auszudrücken (verbal, nonverbal, gestalterisch),
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Weiterleben – aber wie?
–– –– –– –– –– –– ––
Unterstützung annehmen und ablehnen zu können, heilsame und positive Erinnerungen, persönlichen Intuitionen zu folgen, Informationen und Wissen zum Themenbereich Tod und Trauer, persönliche Rituale, eine als sinnvoll empfundene Tätigkeit: in Familie, Beruf, Ehrenamt, … Religion, Einbindung in Glauben/Spiritualität oder andere übergeordnete Zusammenhänge, –– Erfahrungen im Zusammenhang mit Krisen und deren Bewältigung, –– sichere Erfahrungen in der Kindheit mit Bindungen zu anderen Menschen.
Gemeinschaftliche Ressourcen der Familie
Das könnten zum Beispiel sein: eine grundsätzliche Haltung von Liebe, Fürsorge, gegenseitigem Respekt; Wertschätzung und Ehrlichkeit; enger Zusammenhalt und Verbundenheit; ein offener Umgang mit Gefühlen und Sorgen schon vor dem Verlust; den Verlust eines jeden Familienmitglieds anerkennen; Gefühle zeigen und aushalten; ein stabiles, soziales Netz (Freunde, Verwandte, Nachbarn, Kollegen, Verein …); ein sicherer Arbeitsplatz; das Erhalten individueller Freiräume; finanzielle Sicherheit; Ausbildung, Studium oder Schule beenden können; ein Freundeskreis, eine klare, eindeutige Sprache; gemeinsam Schönes unternehmen, gemeinsames Erinnern, gemeinschaftliche Rituale; Kontakt/Nähe (Körperkontakt, Körpersprache, Sprache); den Toten nicht totschweigen; Zuverlässigkeit; ein Wohnort, der erhalten bleiben kann (vorausgesetzt, die Familie hat sich dort bisher wohl gefühlt); Strukturen und Stabilität im Alltag; sich Wünsche und Träume für die Zukunft erlauben. Dies ist nur eine Auswahl möglicher Ressourcen. Bestimmt haben Sie einiges gefunden, was auf Sie persönlich und Ihre Familie zutrifft. Dass nicht alle diese möglichen Ressourcen auf eine Person und Familie zutreffen können, ist normal. Pflegen Sie Ihre Ressourcen sorgsam, Sie brauchen sie, um mit dem Schmerz der Trauer umzugehen, sich an ein Leben ohne den Verstorbenen anzupassen und das Geschehen in Ihr Leben einzubetten. Spüren Sie nach, ob Sie weitere mögliche Kraftquellen und persönliche Fähigkeiten entdecken kön© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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nen. Lassen Sie auch neue, bisher vielleicht nie in Erwägung gezogene Ideen und Möglichkeiten zu. Ermutigen Sie den Jugendlichen und andere Familienmitglieder, eigene Kraftquellen aufzuspüren, diese zu nutzen und auszubauen. Erinnern Sie sich daran, dass jeder Mensch einzigartig ist und dass sich darum Stärken, Fähigkeiten und Kraftquellen individuell unterscheiden müssen und dürfen.
Jeder ist anders – vielfältige Unterstützungsangebote Es kann schwierig sein, die persönlichen Wege, die jeder für sich geht, zu akzeptieren. Zum Beispiel wenn trauernde Jugendliche sich so verhalten, als sei nichts geschehen, und ihren Lebensalltag weiterführen wie bisher. Oder dann, wenn das trauernde jugendliche Kind, ständig unglaublich laut Musik hört, sich seinen Kopf kahl rasiert, ein Tattoo stechen lässt, kaum noch spricht oder sich übermäßig sportlich betätigt. Sie als Bezugsperson können sich gekränkt fühlen und den Eindruck bekommen, der Verstorbene habe dem Jugendlichen nichts bedeutet. Vielleicht fühlen Sie sich selbst kraftlos, merken, dass Sie eine »dünne« Haut haben, fühlen sich schnell verletzt und reagieren auf vieles sehr empfindlich oder aggressiv. Wut, heftige Auseinandersetzungen, Unverständnis, Gefühle von Einsamkeit und viele andere Konsequenzen sind möglich, belasten die gesamte Familie und die Beziehungen untereinander. In solchen Situationen kann fachliche Beratung und Unterstützung von außen eine wertvolle Hilfe sein. So verschiedenartig wie sich Trauer bei jedem Menschen zeigt, so unterschiedlich kann deshalb der Wunsch nach Unterstützung sein. Einige Angebote und Impulse möchte ich Ihnen im Folgenden kurz vorstellen. ȤȤ Literatur/Filme/Musikstücke ȤȤ Trauerbegleitung ȤȤ Trauergruppen ȤȤ Trauercafés ȤȤ Angebote im Internet/Chatrooms ȤȤ Selbsthilfegruppen ȤȤ Trauerseminare ȤȤ Trauerwanderungen ȤȤ Trauerreisen © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Literatur/Filme/Musikstücke
Der Buchmarkt bietet inzwischen eine Fülle an Literatur für Trauernde. Wenig Beachtung findet hier bisher die Gruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Literatur zu verschiedenen Themenbereichen, Filme, Musikstücke sowie weiterführende Hinweise zu hilfreichen Kontaktstellen und Internetlinks finden Sie am Ende des Buches. Trauerbegleitung
Menschen wünschen sich zeitweilig in ihrem Trauerprozess zur Unterstützung und Entlastung eine fachliche Begleitung. Manchmal hilft Trauernden, ob groß oder klein, eine zusätzliche ehrenamtliche oder professionelle Unterstützung von außen. Viele Institutionen – Hospize, Kirchen, Bestatter und Trauerbegleiter – bieten qualifizierte Trauerbegleitung oder andere Angebote für Trauernde. Leider fehlt es vielerorts noch an Angeboten speziell für Jugendliche und junge Erwachsene. Bei Inanspruchnahme der Angebote sollten Sie darauf achten, dass die Trauerbegleiter fachlich qualifiziert sind (nach den Standards des Bundesverbandes Trauerbegleitung e. V.). Gleichzeitig möchte ich Sie ermutigen, sich die für Sie oder den Jugendlichen stimmige, individuelle, fachliche Unterstützung zu suchen. Nehmen Sie ein unverbindliches Vorgespräch in Anspruch und prüfen Sie kritisch, mit wem Sie Ihre persönlichen Lebensthemen besprechen möchten. In der Regel wird eine Einzelbegleitung erst nach einem Erstgespräch und einer Traueranamnese vereinbart. Professionelle Trauerbegleiter begleiten und beraten schon vor einem absehbaren Verlust und/oder nach dem Tod eines Menschen. Trauerbegleitungen werden als Einzelbegleitung oder systemorientiert als Paar- oder Familientrauerbegleitung in Kombination mit Einzelbegleitungen angeboten. In der systemorientierten Begleitung werden das Paar, die Familie und das Bezugssystem insgesamt, aber auch jeder Einzelne berücksichtigt. Trauerbegleiter arbeiten stabilisierend und ressourcenorientiert. In der Begleitung werden die Themen, die Trauernde im Trauerprozess beschäftigen, aktuelle Belastungen und andere Hindernisse, © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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die die Bearbeitung der Trauer erschweren, in den Blick genommen. Trauerbegleiter informieren über Trauerprozesse sowie Trauerreaktionen und können zu Fragen im Umgang mit trauernden Partnern, Kindern, Eltern, anderen Familienangehörigen oder Freunden beraten. In kombinierten Angeboten werden Wege erarbeitet, um die Kommunikation zwischen den einzelnen Trauernden anzuregen oder zu verbessern. Neben Gesprächen, persönlichen Bedürfnissen und Anliegen des Trauernden werden die Begleitungen durch inhaltliche Themen strukturiert, die je nach Wunsch durch kreative oder andere Methoden ergänzt werden. Auch Kinder und Jugendliche können Einzeltrauerbegleitungen in Anspruch nehmen. Nicht immer können Trauergruppen den Bedürfnissen von Kindern oder Jugendlichen gerecht werden und nicht jedes Kind oder jeder Jugendliche fühlt sich in einer Gruppe wohl. Generell sind Einzeltrauerbegleitungen dann sinnvoll, wenn es zu viele Vorverluste, aktuelle Belastungen, schwierige Todesumstände oder andere Faktoren gibt, die eine intensivere Begleitung erfordern. Manche Trauerbegleiter haben sich zusätzlich in spezifischen Bereichen qualifiziert, zum Beispiel für Trauer nach Suizid oder Trauer von Kindern und Jugendlichen. Der zeitliche Umfang einer professionellen Trauerbegleitung liegt bei etwa zehn bis zwanzig Sitzungen von je sechzig Minuten Dauer. Die Trauerbegleitung ist ein geschützter Raum. Hier gilt die Schweigepflicht. Termine sowie die Gesprächsinhalte müssen absolut vertraulich behandelt werden. Bei minderjährigen Kindern werden Bezugspersonen informiert, wenn das Kindeswohl in Gefahr ist oder das Kind vorher sein Einverständnis gegeben hat. Lassen Sie sich zu den Kosten von ihrem Trauerbegleiter individuell beraten. Die Kosten für eine professionelle Trauerbegleitung Erwachsener müssen bisher meist selbst getragen werden. Bei Kindern, Jugendlichen und systemischen Begleitungen übernehmen Vereine, Institutionen, Jugendämter, Heime, Hospize oder private Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen die Kosten. Eine kostenlose, vorwiegend ehrenamtliche Trauerbegleitung wird von Kirchen oder Hospizen angeboten. Bisher gibt es wenige ehrenamtliche Trauerbegleiter mit spezieller Qualifizierung für Kinder und Jugendliche. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Besonders erschwerte und komplizierte Trauerprozesse erfordern eine fachlich qualifizierte Trauerbegleitung. Auch noch nach Jahren kann eine Trauerbegleitung hilfreich sein, zum Beispiel dann, wenn das Kind zum Zeitpunkt des Verlusts noch sehr jung war, wenn das Trauern aufgrund der Lebensumstände verschoben werden musste oder wenn Menschen bestimmte Aspekte ihrer Trauer noch einmal unter anderen Gesichtspunkten betrachten möchten. Manchmal reicht eine Trauerbegleitung nicht aus. Dann ist zusätzliche oder andere Unterstützung notwendig. Trauerbegleiter sollten deshalb mit anderen Fachbereichen und Institutionen wie Ärzten, Seelsorgern, Pflegediensten, Hospizen, Suchtberatungen, Traumazentren, Jugendämtern, Steuer- und Schuldnerberatungen etc. eng vernetzt sein. Trauergruppen
Trauergruppen werden für bestimmte Gruppen von Trauernden angeboten, zum Beispiel für Erwachsene, Eltern, Kinder, Jugendliche, Geschwister, Mädchen, Jungen, nach dem Tod eines Partners oder nach einem Suizid. Das Angebot umfasst etwa acht bis zehn Treffen, wobei die verbindliche Anmeldung meist erst nach einem Vorgespräch erfolgt. Die Gruppe setzt sich aus sechs bis zwölf Teilnehmern zusammen und wird konstant von ein bis zwei qualifizierten Trauerbegleitern geleitet. Neben Gesprächen können kreative Methoden, Rituale und Impulse durch Texte, Musik, Filme, Bilder eingesetzt werden. Themen der Gruppenstunden sind beispielsweise der Ausdruck von Gefühlen, heilsame und belastende Erinnerungen, der Umgang im sozialen Umfeld (Familie, Beruf, Schule), Informationen zu Trauerreaktionen und Trauerprozessen, bleibende Verbindungen zum Verstorbenen, individuelle Fähigkeiten und Ressourcen oder Zukunftsperspektiven. In der Gemeinschaft der Gruppe haben Trauernde, ob klein oder groß, die Gelegenheit, sich mit anderen Trauernden auszutauschen. Teilweise besteht die Gelegenheit zu Einzelgesprächen mit der Gruppenleitung oder zur Arbeit in Klein- und Großgruppen. Viele Gruppenangebote für Kinder und Jugendliche sind verknüpft mit einer gleichzeitigen Begleitung der Bezugspersonen. Es gibt kostenfreie Angebote, meist im Bereich der Kinder- und Jugendtrauergruppen, andere sind kostenpflichtig. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Trauercafés
Ein Trauercafé ist ein offenes, unverbindliches Begegnungsangebot für Trauernde am Nachmittag oder frühen Abend. Eine Anmeldung im Vorhinein ist nicht nötig und es besteht keine Verpflichtung, regelmäßig oder dauerhaft am Trauercafé teilzunehmen. Neben Getränken, Kuchen oder Knabbereien gibt es meist kurze thematische Impulse, die ein Gespräch miteinander erleichtern sollen. Die Angebote finden meist ein- bis zweimal monatlich statt und werden von haupt- oder ehrenamtlichen Trauerbegleitern durchgeführt, die auch weitere Informationen zum Themenbereich geben. Trauercafés geben Trauernden eine unkomplizierte Möglichkeit, mit anderen Betroffenen in Kontakt zu kommen, sich austauschen, zu informieren und Unterstützung in kleinem Rahmen für ihren Trauerprozess bekommen. Der Besuch des Trauercafés ist in der Regel kostenfrei, manchmal wird ein geringer Unkostenbeitrag verlangt. Manche Institutionen bieten in Abwandlung des Trauercafés auch ein »Trauerfrühstück« an. In Zusammenarbeit mit dem DRK bietet das Institut Dellanima ein kostenfreies, monatliches Trauercafé speziell für Jugendliche an (www.dellanima.de). Internetforen für Jugendliche und junge Erwachsene
Im Internet werden Jugendlichen und junge Erwachsenen Foren angeboten, die von qualifizierten und erfahrenen Trauerbegleitern begleitet werden. Hier können sich Jugendliche zu ihren Fragen, Sorgen und Gefühlen mit Chatbegleitern und mit gleichaltrigen Trauernden austauschen. Ein Verzeichnis seriöser Internetseiten finden Sie am Ende des Buches. Auch Erwachsene finden im Internet verschiedene Gruppen und Chatrooms zu speziellen Themen, etwa für Eltern, deren Kind gestorben ist, für verwitwete Menschen oder Trauernde nach Suizid. Selbsthilfegruppen
In bundesweiten Selbsthilfegruppen tauschen sich Betroffene nach bestimmten Verlusten aus. Nach einem Suizid gibt es zum Beispiel Selbsthilfegruppen des Vereins von Angehörigen um Suizid – AGUS; nach dem Tod eines Kindes die Selbsthilfegruppen des Vereins »Ver© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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waister Eltern« – Veid. Selbsthilfegruppen sind nicht in jeder Situation für Trauernde geeignet. Ich empfehle deshalb ein Vorgespräch mit einem Trauerbegleiter. Trauerseminare
Trauerseminare werden angeboten für bestimmte Gruppen von Trauernden (Eltern, Väter, Männer, Kinder, Jugendliche, Großeltern …) oder zu speziellen Themen (Suizid, Tod nach einer Krebserkrankung, Musik in der Trauer, Kommunikationsformen, Umgang mit trauernden Kindern, Malen, Informationen zu Büchern, Kraftquellen in der Trauer …). Der Zeitraum eines Seminars kann sich über einmalig zwei Stunden bis mehrere Stunden in verschiedenen Abständen oder über ein ganzes Wochenende erstrecken. Es gibt kombinierte Angebote für Eltern, Kinder und Jugendliche. Trauerseminare werden von qualifizierten Trauerbegleitern geleitet. Zusätzlich werden sie häufig von qualifizierten Kollegen aus anderen Fachbereichen unterstützt. Trauerwanderungen
Trauerwanderungen helfen dabei, aus der oft physisch und psychisch erlebten Starre der Trauer wieder in Bewegung zu kommen. Es kann gut tun, sich körperlich aktiv zu erleben und den Trauerprozess auf diese Weise anzuregen. Wanderungen bieten außerdem die Möglichkeit zum Einzelaustausch mit anderen Trauernden. Die Natur tut vielen Trauernden gut, weil dort Orte erlebt und Erfahrungen gemacht werden können, die Gefühle von Verbundenheit und Aufgehobensein in einem höheren Ganzen vermitteln. Trauerreisen
Trauereisen bieten sich an für Menschen, die gern aus ihrem Alltag herauskommen und in einer neuen Umgebung, aber in geschützter Atmosphäre, Kraft schöpfen möchten. Es besteht die Möglichkeit, sich mit anderen Trauernden auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen. Mit Unterstützung qualifizierter Trauerbegleiter werden zudem Zeiten und Raum geboten, sich mit den Gefühlen, Sorgen und Anliegen der eigenen Trauer zu befassen.
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Weitere Hilfen und Rat holen
Neben fachlicher Unterstützung in Bezug auf die Trauer selbst können Beratungen in anderen Bereichen hilfreich sein. Dies können beispielsweise Finanz- oder Schuldnerberater, Steuerberater, Rechtsanwälte, Jugendämter sein.
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Bestimmte Trauersituationen
Plötzlich alleinerziehend – nach dem Tod des Partners Nach dem Tod Ihres Partners sind Sie entweder als Mutter oder als Vater unfreiwillig mit den zu versorgenden Kindern zurückgeblieben. Sie wurden wider Willen alleinerziehender Elternteil und in eine neue Verantwortung mit vielen neuen Aufgaben gezwungen. Alltagsaufgaben (Kinder, Finanzen, Haushalt, Garten, …) waren bisher verteilt. Oftmals sind es die praktischen Dinge, die das Leben als Alleinerziehender zunächst erschweren, weil viele Informationen und Fähigkeiten fehlen. Die neue Rolle des Alleinerziehenden verlangt eine Zeit der Einarbeitung. Vieles gilt es zu regeln und neu zu ordnen. All die neuen Aufgaben können neben dem Schmerz um den Verlust des nahestehenden Menschen überfordern. Trauernde Alleinerziehende haben oft den Eindruck, dass es ihnen niemals gelingen wird, den Alltag mit den anstehenden Aufgaben bewältigen zu können: »Wie soll ein Mensch all die Aufgaben erledigen, die zuvor von zwei Menschen ausgeführt wurden?«, »Und wie kann gleichzeitig um den Verstorbenen und all das, was mit ihm als Partner verloren gegangen ist, getrauert werden?« Gleichzeitig möchten sie ihren Kindern weiterhin Chancen und Möglichkeiten einer guten Entwicklung bieten. Die Verzweiflung angesichts dieser unglaublichen Herausforderung ist deshalb bei vielen Trauernden groß. Zwar stehen Kindern durch die neue Lebenssituation tatsächlich manche Möglichkeiten nicht mehr zur Verfügung, aber es eröffnen sich andere Chancen und neue Wege der Entwicklung. Das mag zunächst seltsam klingen. Meine Erfahrung in der Trauerbegleitung zeigt jedoch, dass eine schwere Lebenssituation, die es zu überleben gilt, in der Tat Chancen bietet, besondere und neue Fähigkeiten zu entwickeln, die das weitere Leben richtungsweisend beeinflussen und es bereichern. Leider können Trauernde diese positiven Aspekte oft erst viel später erkennen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Plötzlich alleinerziehend – nach dem Tod des Partners147
Nach dem Tod der Mutter war Melanie (8 Jahre) tagsüber meist auf sich gestellt. Ihr Vater musste wie zuvor zur Arbeit. Da die Familie gerade erst in den Ort gezogen war, gab es kaum soziale Kontakte. Verwandte wohnten so weit entfernt, dass eine praktische Unterstützung im Alltag nicht möglich war. Melanie lernte im Lauf der Zeit sich selbst zu versorgen. Vor allem war sie darauf angewiesen, Entscheidungen, die spontan getroffen werden mussten, alleine zu fällen. Sie richtete sich nach ihrem Bauchgefühl, lernte abzuwägen. Die langfristige Folge: Melanie entwickelte sich zu einer selbstsicheren Frau, die Entscheidungen unabhängig von Erwartungen des sozialen Umfeldes treffen kann. Sie traut ihrer eigenen Intuition. Diese Fähigkeiten sind für ihren heutigen Beruf sehr von Vorteil. Hinweise: Sind Sie durch den Tod des Partners zum alleinerziehenden Elternteil geworden, lassen Sie sich Zeit, in die Aufgaben hereinzuwachsen. Bedenken Sie, dass zunächst die Aufgaben gelöst werden müssen, die das Überleben der »Restfamilie« sichern. Der eigentliche Trauerprozess wird zunächst zurückgestellt. Es muss also nicht alles gleichzeitig sein. Erwarten Sie in Ihrer neuen Rolle nicht zu viel von sich selbst und schrauben Sie Ihre Ansprüche zurück. Es kann und muss nicht alles so funktionieren wie bisher. Zudem sind Sie ein anderer Mensch als der/die Verstorbene, der Erziehungsaufgaben vielleicht anders organisiert und andere Akzente setzt. Dies entwertet nicht die Art, wie der/ die Verstorbene Alltagsaufgaben gelöst hat. Jeder Mensch hat andere Fähigkeiten und Prioritäten. Setzen Sie sich nicht unter Druck, sondern lassen Sie sich Zeit, die neuen, meist ja zusätzlichen Aufgaben kennen zu lernen. Auch ihr Partner hat im Laufe der Zeit die hierfür notwendigen Informationen und Fähigkeiten erlangt und sich eigene Strategien angeeignet, um mit den Anforderungen zurechtzukommen. Ich möchte Ihnen vorschlagen, zuversichtlich zu sein und auch einmal eine andere Perspektive einzunehmen, eine, die auch die positiven Aspekte, die sich für Sie und Ihre Kinder aus der neuen Situation ergeben, einbezieht. Holen Sie sich Unterstützung, Informationen und Beratung – vielleicht fachlicher Art, vielleicht bei anderen Eltern oder bereits alleinerziehenden Menschen. Nehmen Sie sich Zeit, um sich mit den neuen
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Bestimmte Trauersituationen
Verantwortungen auseinanderzusetzen und für sich und Ihre Kinder passende Strategien zu entwickeln. Fragen Sie auch Ihre Kinder und beziehen Sie diese unbedingt in Planungen ein.
Neue Partnerschaft
Gehen Bezugspersonen nach dem Tod eines Partners neue Beziehungen ein oder suchen sie danach, sprechen sie häufig aus Scham oder um ihre Kinder zu schützen nicht darüber. Meist spüren Jugendliche diese Geheimnistuerei und fühlen sich ausgeschlossen. Sie erleben dies als tiefe Verletzung. Deshalb sollten Sie über Veränderungen und Wünsche, die eine neue Partnerschaft betreffen, sprechen und Ihre jugendlichen Kinder informieren. Manche Jugendliche möchten nicht, dass das zurückbleibende Elternteil eine neue Bindung eingeht. Sie äußern die Sorge, der verstorbene Elternteil könne vergessen werden, er dürfe seinen Platz in der Gegenwart nicht behalten oder solle ersetzt werden. All diese Befürchtungen und Ängste lösen Widerstände gegen Veränderungen aus. Wenn gleichzeitig vieles im Geheimen stattfindet, führt dies dazu, dass Jugendliche sich alleingelassen und betrogen fühlen. Sie ziehen sich zurück oder reagieren mit Aggression. Während die Jugendlichen einer neuen Bindung des verbliebenen Elternteils mitunter sehr negativ gegenüberstehen, wünschen sich manche alleinerziehende Elternteile gerade deshalb eine neue Partnerschaft, weil sie glauben, ihren Kindern eine neue Mutter oder einen neuen Vater bieten zu müssen. Unbewusst ist damit die Hoffnung verbunden, dass alles wieder in die alte Ordnung kommen könne. Gleichzeitig möchten Elternteile sich instinktiv vor der eigenen Belastung mit Aufgaben schützen, die bisher nicht zu ihrem Bereich gehörten. Dahinter stecken oft Ängste, die neuen Aufgaben nicht gut genug erfüllen zu können. Ein Vater oder eine Mutter kann jedoch nicht ersetzt werden. Das Elternteil wird immer einen einzigartigen Platz im Leben des Kindes/ Jugendlichen haben. Es ist möglich, neue Bindungen und Familienstrukturen zu entwickeln und zu einem erfüllten und glücklichen Leben zu finden. Kinder und Jugendliche müssen jedoch über die/ den Verstorbenen sprechen, Fragen über ihn stellen und ihn in ihr Leben integrieren dürfen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Trauer in getrennten Familien149
Hinweise: Lassen Sie Jugendlichen, wenn Sie eine andere Beziehung eingehen, genügend Zeit und Raum, um sich mit der neuen Lebenssituation auseinanderzusetzen. Versichern Sie mehrfach, dass der jetzige Partner den Elternteil nicht ersetzen soll, dass die Liebe und fortdauernde Bindung zum Verstorbenen weiterhin bestehen bleiben darf und es weiterhin Zeit und Raum geben wird, den Verstorbenen in Gesprächen, Erinnerungen und Ritualen in das weitere Leben einzubinden. Jugendliche sollten auf keinen Fall gezwungen werden, Menschen mit »Vater/Papa« oder »Mutter/Mama« anzusprechen, die dies nicht sind. Das würde ihnen wie ein Verrat am Verstorbenen erscheinen und schwere Schuldgefühle hervorrufen.
Trauer in getrennten Familien Jugendliche, die vor dem Hintergrund einer vorherigen Trennungsund Verlustsituation mit dem Tod konfrontiert werden, benötigen besondere Aufmerksamkeit. Hilfreich ist es darum, bewusst darauf zu schauen, wie die Verluste, und zwar zum einen die Trennung und zum anderen der Tod, miteinander verknüpft sind. Die Trennung der Eltern löst bereits einen Trauerprozess aus. Je nachdem, wie dieser verläuft und welche Erfahrungen der Jugendliche dabei macht, kann es schwer sein mit nachfolgenden Verlusten umzugehen. Häufig bekommen Jugendliche, deren Eltern sich getrennt haben, nach dem Tod eines nahen Menschen wenig Unterstützung aus dem sozialen Umfeld. Zum einen sind Familienmitglieder und Freunde auf Grund der Trennung oft zerstritten und Kontakte wurden abgebrochen, zum anderen fehlen durch die häufige Berufstätigkeit von Alleinerziehenden direkte Ansprechpartner im Alltag. Manchmal sind Kinder von getrennten Eltern bereits mit der aktuellen Lebenssituation überfordert, wenn der Verlust durch den Tod über sie hereinbricht. Möglicherweise fehlten dem Jugendlichen bisher Raum und Zeit, die Trennung der Eltern zu betrauern. Hinweis: Nützliche Anregungen zum Thema Trennung finden Sie in dem Buch »Kinder aus geschiedenen Ehen: Zwischen Trauma und Hoffnung« von Helmut Figdor (2004).
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Bestimmte Trauersituationen
Verlassen werden und Schuld
Jugendliche können die Trennung als schmerzhaftes Verlassenwerden durch einen Elternteil erfahren. Der Trauerprozess nach dem Tod eines Elternteils kann besonders schwer sein, weil Jugendliche sich dann doppelt verlassen fühlen. Zudem können Gedanken von Schuld (an der Trennung der Eltern, daran, ein Elternteil dem anderen vorgezogen zu haben, am Tod des einen Elternteils) den Jugendlichen in seiner Trauer stark belasten. Es ist zum Beispiel möglich, dass er den Tod als Bestrafung ansieht für seine Entscheidung, beim anderen Elternteil zu leben. Endgültiger Verlust
Trauernde Jugendliche aus getrennten Beziehungen haben verstärkt mit Ängsten und Gedanken zu kämpfen, die sie schon bei der Trennung beschäftigt haben. Dabei spielen zum Beispiel folgende Vorstellungen eine Rolle: von einem Elternteil allein abhängig zu sein, den Vater oder die Mutter nicht mehr näher kennen zu lernen, ihn oder sie nicht mehr wiederzusehen oder mit ihm oder ihr nie wieder leben zu können. Der Tod besiegelt die Erkenntnis der Endgültigkeit. Es ist für ein Trennungskind sehr schmerzhaft, unwiderruflich zu wissen, dass es einen Elternteil jetzt tatsächlich für immer verloren hat, die nicht gelebte Beziehung nicht mehr nachholen oder die herbeigesehnte Wiedervereinigung der Eltern nicht mehr erleben kann. Es braucht Zeit, Kraft und liebevolle Begleitung, um diesen Schmerz zu verarbeiten. Tod eines Geschwisters
Beim Tod eines Geschwisters spielen Erfahrungen aus der Trennung und die durch die Trennung der Eltern veränderte Lebenssituation eine wichtige Rolle. Denn die trauernde Ursprungsfamilie gibt es nicht mehr. Jugendliche verlieren mit der Schwester oder dem Bruder vielleicht den einzigen Menschen, den sie als Verbündeten empfunden haben – jemanden, mit dem sie die mit der Trennung der Eltern verbundenen Sorgen und Ängste teilen konnten. Sekundäre Verluste
Durch die Trennung der Eltern entstehen für Jugendliche häufig zusätzlich zum Verlust der Ursprungsfamilie schwerwiegende wei© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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tere Verluste (Umzug, Trennung von Geschwistern oder anderen nahen Bezugspersonen, Verlust von Freunden, Schulwechsel, ein Haustier kann nicht behalten werden, Hobbys gehen verloren). Diese zusätzlichen Verluste verlangen von den Jugendlichen äußere Anpassung und manchmal das Erlernen neuer Fähigkeiten (Schulweg alleine machen, Mahlzeiten zubereiten …). Oft muss der gewohnte Lebensstandard wegen finanzieller Einbußen eingeschränkt werden. All diese Verluste zu verkraften braucht Zeit und kostet seelische wie körperliche Anstrengung. Nicht immer haben Jugendliche zum Zeitpunkt des Todes eines Elternteils, eines Geschwisters oder eines anderen, ihnen und der Ursprungsfamilie nahestehenden Menschen diese Vorverluste bearbeiten und in ihre Lebensbiografie integrieren können. Anpassung
All die Veränderungen, die die Trennung der Eltern nach sich zieht, verlangen von Jugendlichen neben den normalen Entwicklungsaufgaben und den äußeren Anpassungsleistungen auch eine innere Anpassung an die neue Lebenssituation und die neuen Familienstrukturen. Sie müssen sich erst noch an die Rolle als Kind getrennter Eltern gewöhnen, eventuell nun eine Rolle in zwei Lebensgemeinschaften einnehmen. Sie müssen vielleicht mit den neuen Partnern ihrer Eltern, mit Halbgeschwistern zurechtkommen. Die Anpassung, die all dies erfordert, ist oft noch nicht abgeschlossen, wenn Jugendliche mit dem Tod konfrontiert werden. Worauf Sie besonders achten sollten
Haben sich die Eltern voneinander getrennt, mussten Jugendliche, wie oben aufgezeigt, bereits mit Verlustschmerz und anderen unterschiedlichen Belastungen umgehen. Möglicherweise sind der Schmerz und die damit einhergehenden Konsequenzen beim Tod eines nahestehenden Menschen noch wie eine offene Wunde. Die Seele und der Körper haben sich vielleicht noch nicht erholt. Selbstbewusstsein, Selbstliebe und Selbstwertgefühl, das Vertrauen zu Bezugspersonen sind nicht immer stabil nach einer Trennung der Eltern. Deshalb sollte der Trauerprozess mit besonderer Aufmerksamkeit und Fürsorge begleitet werden. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Bestimmte Trauersituationen
Häufig fühlen sich Jugendliche durch die Trennung und den Tod massiv in der eigenen Existenz bedroht. Es bleiben immer weniger Alternativen, um selbst zu überleben. Dies löst unglaubliche Ängste und Unsicherheit aus. Es ist schwer zu akzeptieren, dass nicht nur die Trennung, sondern auch der Tod Realität ist. Die Erfahrung, dass Bindungen (Ehe/Familie/Eltern) nicht dauerhaft sind und durch Trennung und Tod beendet werden können, führt manchmal dazu, dass Jugendliche selbst keine Bindungen mehr eingehen und sich nicht auf andere Menschen einlassen möchten. Der durch Trennung und Tod gewonnene Eindruck, dass nichts wirklich verlässlich und dauerhaft ist, wird durch die Entwicklungsaufgaben der Pubertät noch verstärkt. Prozesse des Wandels und der Veränderung werden nicht als zum Leben gehörig, sondern häufig als starke Bedrohung empfunden. Intensive Gefühle von Verzweiflung, Hilflosigkeit, Bedrohung der eigenen Existenz, Verlassenheit, Unsicherheit, Selbstzweifel, Versagen und Ohnmacht, die eventuell schon bei der Trennung eine Rolle gespielt haben, können durch den aktuellen Trauerprozess an Gewicht gewinnen und eine Bearbeitung des Verlusts erschweren. Besonders schwer ist es für Jugendliche, wenn sie von Teilen ihrer Ursprungsfamilie und/oder von Abschied, Ritualen oder Erinnerungen ausgeschlossen werden. Jugendliche brauchen wertfreie Informationen. Sie sollten über den Tod und die Todesumstände eines Elternteils, eines Geschwisters oder der Großeltern auch dann informiert werden, wenn schon länger kein Kontakt bestanden hat. Jugendliche in ihrer Trauer zu unterstützen bedeutet, sie einzubeziehen. Sie müssen geplante Rituale mitbekommen, bei ihrer Gestaltung mitwirken können und die Möglichkeit haben, an ihnen teilzunehmen, auch wenn die familiäre Situation schwierig ist. Jugendliche tragen keine Schuld an diesen schwierigen Beziehungen. Zudem brauchen sie die Möglichkeit, ihrem Schmerz um den Verstorbenen Ausdruck zu verleihen. Es ist eine große Hilfe, wenn Bezugspersonen trauernden Jugendlichen das Gefühl vermitteln, dass sie um den Verstorbenen trauern dürfen, auch wenn die Bezugspersonen (Elternteil, Großeltern, Freunde) selber keine enge oder positive Bindung mehr zum Verstorbenen hatten und den Schmerz nicht teilen. Bezugspersonen müssen respektieren, dass ein Jugendlicher beide Elternteile (ob tot oder lebendig) liebt. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Trauer in getrennten Familien153
Zusätzlich erschwert wird in diesem Zusammenhang der Trauerprozess, wenn Jugendliche erleben, dass Eltern sich gegenseitig (lebend oder tot) abwerten, wenn sie mit sich widersprechenden Wahrheiten konfrontiert werden oder die Abneigung des einen Elternteils dem anderen gegenüber teilen sollen. Die Suche nach einer fortdauernden Bindung zum Verstorbenen und nach einem neuen, positiv besetzten Platz für ihn können enorm schwierig werden. Oft gelingt es so nicht, ein würdiges Bild vom Verstorbenen und eine tröstliche Jenseitsvorstellung zu entwickeln. Dabei sind dies wichtige Aspekte im Trauerprozess, die Kraftquellen und Trost sein können. Trauernde Jugendliche brauchen nach Trennungen die Möglichkeit, über Erinnerungen zu sprechen, sie zu bewahren und Vergangenes wertfrei zu erfahren. Erinnerungen dürfen nicht durch das soziale Umfeld unterbunden oder einseitig berichtigt werden. Jugendliche brauchen Zugang zu Erinnerungsorten und haben ein Recht auf Erinnerungsgegenstände. Sie müssen ihr eigenes Bild vom Verstorbenen entwickeln dürfen. Vorsicht ist allerdings nicht allein bei abwertenden Vorstellungen geboten, sondern ebenso bei einseitig idealisierenden Vorstellungen, die sich Jugendliche vom Verstorbenen machen. Aus solchen Vorstellungen können sich weitere Schwierigkeiten in Trauer- und Entwicklungsprozessen nach Trennungen ergeben. Auch das Gefühl Jugendlicher, nicht geliebt zu werden, weil der überlebende Elternteil oder ein anderer Verwandter sie nicht freiwillig aufgenommen oder das Sorgerecht abgelehnt hat, wirkt sich negativ auf den Trauerprozess aus. Häufig werden Versagensgefühle, die eventuell schon bei der Trennung eine Rolle gespielt haben, verstärkt und können zu eigener Entwertung oder zu selbstverletzendem Verhalten führen. Hinweise: Gespräche über mögliche Vorgehensweisen sowie über Wünsche bei weiteren Schicksalsschlägen durch Krankheit oder Tod können Jugendliche, die nach der Trennung ihrer Eltern zusätzlich den Tod eines nahestehenden Menschen verkraften müssen, entlasten. Beruhigen Sie Jugendliche, indem Sie mit ihnen darüber sprechen, wie eine sichere Versorgung aussehen kann. Die Jugendlichen benötigen außerdem die Bestätigung, dass sie weder an der Trennung noch am Tod des nahestehenden Menschen
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Bestimmte Trauersituationen
schuld sind. Sie brauchen mehr noch als Jugendliche aus intakten Familien Sicherheit, Stabilität sowie Kontinuität im Alltag und in Beziehungen und sind auf emotionale Zuwendung, verlässliche und belastbare Bezugspersonen, Raum, Zeit und Ausdruck für ihre Gefühle, Gedanken, Sorgen sowie die Förderung individueller Ressourcen angewiesen. Die Erfahrung, dass nicht alles verloren ist, sondern etwas verlässlich bestehen bleibt, sowie Zuneigung und die Bestätigung, erwünscht zu sein, sind wesentlich, damit Jugendliche, die nacheinander die Trennung ihrer Eltern und den Tod eines nahestehenden Menschen erleben mussten, den Trauerprozess bewältigen können. Meiner Erfahrung nach benötigen die meisten Jugendlichen nach Verlusten durch Trennung und Tod professionelle Begleitung. Zudem kann eine Unterstützung der Familiensysteme hilfreich sein.
Trauer nach plötzlichem Tod Jugendlichen, die einen plötzlichen Tod erlebt haben, fällt es ebenso wie den Erwachsenen schwer, das Unfassbare überhaupt zu begreifen. Die schreckliche Nachricht trifft unvorbereitet. Hinterbliebene empfinden es als besonders schmerzlich, dass es keine Zeit zum Abschiednehmen, keine Gelegenheit für letzte Worte des Dankes, der Verzeihung oder der Versöhnung, keine Möglichkeit, letzte Wünsche und Dinge zu regeln, gab. Jugendliche, die einen plötzlichen Tod erleben, reagieren oft mit einem Schock, mit tiefem Entsetzen oder Gelähmtheit darauf. Die Realität des Todes anzuerkennen und zu begreifen braucht Zeit. Das Erleben eines plötzlichen Todes – dazu gehören auch Suizid, Tod durch Verbrechen oder Naturkatastrophen – kann Hinterbliebene mit erschreckenden Bildern und Phantasien um die letzten Stunden belasten. Viele quälende Fragen nach dem Warum und Wie bleiben offen. Hinweis: Fördern Sie nicht durch Fragen und dramatische Schilderungen des Geschehens beängstigende Bilder. Jugendliche müssen selbst entscheiden dürfen, welche Antworten sie auf ihre Fragen finden und welche Version des Geschehens als tröstlich empfunden wird. Nach Suizid, plötzlichem oder gewaltsamem Tod besteht das Risiko eines erschwerten Trauerprozesses. Hier empfehle ich professionelle Unterstützung.
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Trauer nach Suizid155
Trauer nach Suizid Einen nahestehenden Menschen durch den Tod zu verlieren ist schlimm. Stirbt dieser Mensch durch Suizid, ist dies bis heute für Hinterbliebene ein zusätzliches Stigma. Suizid ist verbunden mit vielen Faktoren, die die Trauer um den Verstorbenen zusätzlich belasten. Nicht nur die Hinterbliebenen, sondern auch Menschen aus dem nahen Lebensumfeld des Verstorbenen fühlen sich häufig mitschuldig und verantwortlich für den Tod. Andere fühlen sich angeklagt oder provoziert durch den Suizid. Es kommt zu Verurteilungen des Verstorbenen oder Schuldzuweisungen an Hinterbliebene, zu Verdächtigungen und Gerüchten. Der eigentlichen Trauer aber fehlt der Raum. Aus Scham und Angst wird die Todesursache darum häufig verschwiegen. Das bedeutet, dass Hinterbliebene mit ihren Gefühlen, Gedanken und Fragen allein bleiben. Schweigen oder nicht
Bezugspersonen sind oft ratlos, wie sie Jugendlichen den Suizid erklären sollen, wie viel Wahrheit sein darf. Sie tendieren dazu, nichts zu sagen, die Todesursache zu verschweigen oder nur Bruchstücke mitzuteilen. Jugendliche werden spüren, dass etwas nicht stimmt, oder über andere davon hören. Jugendliche hilfreich nach einem Suizid zu begleiten bedeutet, ihnen sensibel und aufmerksam zu begegnen und sie sachlich und wertfrei über viele Dinge zu informieren. Informationen und Gespräche erfordern ein behutsames Vorgehen. Auch wenn im sozialen Umfeld der Suizid tabuisiert wird, sollten die Bezugspersonen dafür sorgen, dass es Möglichkeiten und Menschen gibt, mit denen sie und der Jugendliche darüber sprechen können. Negativ besetzte Gefühle und Gedanken sollten ihren Platz und Ausdruck finden dürfen, um eine Auseinandersetzung zu ermöglichen. Jugendliche brauchen gerade dann, wenn sich ein Mensch aus ihrem nahen Lebensumfeld das Leben genommen hat, Menschen, denen sie sich anvertrauen können. Menschen, die ehrlich und zuverlässig für sie da sind. Sie brauchen Erklärungen und Raum für ihre Fragen. Es ist wichtig, zu begreifen, dass Menschen, die sich entschieden haben, sich das Leben zu nehmen, in der Zeit von der Entscheidung © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Bestimmte Trauersituationen
bis zur Durchführung nach außen hin oft sehr positiv wirken. Sie wissen, bald sind sie erlöst, und fühlen sich daher entlastet. Das macht es Hinterbliebenen schwer, zu verstehen, warum sich der Mensch gerade jetzt, wo es ihm so gut ging, das Leben genommen hat. Trifft dies auf den Suizid zu, den Bezugspersonen Jugendlichen mitteilen müssen, sollten sie den Jugendlichen diesen Hintergrund unbedingt erklären. Das befreit die Jugendlichen ebenso wie die erwachsenen Bezugspersonen von Gefühlen, alles falsch gedeutet und verstanden zu haben. Trauer nach Suizid braucht wie jede andere Trauer Erinnerungen. Deshalb ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass Jugendliche nach einem Suizid ein liebevolles, tröstliches Bild vom Gestorbenen für sich finden können, ein Bild, das nicht nur durch schreckliche Bilder, die mit dem Suizid zusammenhängen, geprägt und darum belastend ist. Es gab ein Leben mit dem Verstorbenen vor dem Suizid. Deshalb sollte nicht die Todesart im Vordergrund stehen, sondern die Tatsache, dass der Jugendliche einen vertrauten Menschen verloren hat. Auch wenn die Bezugspersonen es für sich selber anders handhaben, sollten sie dem Jugendlichen ermöglichen, eine würdige Erinnerung an den Verstorbenen zu suchen. Der Suizid eines Jugendlichen kann zu Nachahmungsverhalten bei anderen Jugendlichen führen. Deswegen sollten Jugendliche, die vom Suizid eines ihnen nahestehenden Jugendlichen erfahren, darüber aufgeklärt werden, dass Suizid durch eine psychische Grunderkrankung hervorgerufen werden kann und dass äußere Umstände der letzte Auslöser zur Ausführung sein können. Zugleich ist es wichtig, mit Jugendlichen darüber zu sprechen, dass es für bestehende Probleme auch andere Lösungen als die des Suizids geben kann. Darüber hinaus sollten Jugendliche nach dem Suizid eines ihnen nahestehenden Menschen über das übliche und normale behördliche Vorgehen aufgeklärt werden. Wissen Jugendliche nämlich nicht, wie die Behörden bei Suizid vorgehen, kann es sie irritieren, zu hören, dass die Polizei eingeschaltet werden musste. Wird keine natürliche Todesursache vermutet, muss jedoch immer erst einmal ein Verbrechen ausgeschlossen werden. Beweismittel werden deshalb beschlagnahmt, Angehörige dürfen den Verstorbenen nicht mehr berühren. Der Staatsanwalt entscheidet, ob der Verstorbene obduziert wird. Erst © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Trauer nach Suizid157
wenn die Ermittlungen eingestellt werden, wird der Verstorbene zur Bestattung freigegeben. Diese Vorschriften und die Amtssprache mit ihren Begriffen, wie zum Beispiel »Leiche«, »Beweise«, »ermitteln« oder »Obduktion«, lassen bei trauernden Jugendlichen den Eindruck eines tatsächlichen Verbrechens mit Schuldigen entstehen. Hinweise: Achten Sie gegenüber Jugendlichen, die einen nahestehenden Menschen durch Suizid verloren haben, darauf, keine abwertenden oder verurteilenden Begriffe wie »Selbstmord«, »Selbstmörder«, »hat sich umgebracht« zu verwenden. Formulierungen wie »Suizid« oder »Selbsttötung«, »er hat sich das Leben genommen« sind neutraler. Jugendliche sollten zu einem einfühlsamen Sprachgebrauch angeregt werden. Nach einem Suizid bleiben oft viele Fragen offen. An Spekulationen und Urteilen auf die Frage nach dem Warum sollten Sie sich nicht beteiligen. Wir müssen es Jugendlichen selbst überlassen, für sich versöhnliche Antworten darauf zu finden. Wir sollten vielmehr etwas anderes in den Vordergrund stellen: Ein Mensch ist gestorben. Erinnern Sie sich mit den Jugendlichen an den Verstorbenen. Damit ermöglichen Sie den Blick auf den ganzen Menschen und nicht nur auf den Aspekt der Todesursache. Angehörige, die einen nahen Menschen durch Suizid verloren haben, schämen sich häufig. Sie quält das Gefühl, versagt oder etwas versäumt zu haben. Hören Sie hin, warum der Jugendliche sich selbst Vorwürfe macht, und nehmen Sie ihn damit ernst. So zeigen Sie Ihre Wertschätzung und Ihren Respekt. Dies ist ein wichtiger Beistand für den Jugendlichen in einer Zeit der Selbstzweifel. Bestellen Sie, wenn Sie und Jugendliche nach einem Suizid trauern, die Broschüre des Selbsthilfevereins »AGUS«, »Trauer nach Suizid bei Kindern und Jugendlichen« von Chris Paul (2007; zu beziehen bei [email protected] oder unter der Internetadresse http:// www.agus-selbsthilfe.de/wir-bieten-an/themenbroschueren/). In der Broschüre finden Sie weitere wichtige Informationen. Lassen Sie Jugendliche darin lesen und tauschen Sie sich dazu aus.
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Wünsche
Das wünsche ich Ihnen und Ihrer Familie: Ihr Leben ist noch nicht vorbei. Sie dürfen nach vorne schauen und wieder glückliche Zeiten erleben. Der Verstorbene kann Sie dabei begleiten und einen neuen Platz in Ihrer Familie finden. Mögen Sie Ihren ganz persönlichen Weg der Trauer gestalten können und den Verstorbenen mit in Ihr weiteres Leben nehmen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie und Ihre Familien neues Vertrauen zum Leben und zu sich selbst entwickeln. Mögen Sie allein und gemeinsam mit Ihrer Familie die Trauer in gegenseitigem Respekt tragen. Von Herzen wünsche ich Ihnen, dass Sie Wege in Ihrer Familie zueinander finden, dass Sie miteinander gehen und gleichzeitig einander lassen können. Die Trauer wird sich wandeln und es wird Ihnen möglich sein, damit zu leben. Der bekannte Vergleich der Trauer mit einem schweren Fels trifft aus meiner Sicht den Prozess des Trauerns sehr stimmig. Möge der große, schwere Fels der Trauer, der Sie anfangs zu erdrücken scheint, der Ihnen keine Luft mehr zum Atmen lässt, der Sie nicht aufstehen lässt, irgendwann ein Stein in Ihrer Tasche sein, der zu Ihnen gehört, der da ist, den Sie dann und wann schmerzhaft spüren, der Sie aber nicht daran hindert, Ihr Leben zu leben. Mögen Sie immer wieder Quellen der Kraft finden und sich in scheinbar hoffnungslosen Situationen neue Möglichkeiten und Perspektiven eröffnen. Ich wünsche Ihnen den Mut, neue Wege zu beschreiten und Ihr Leben zu gestalten. Sie haben sich Ihr Leben anders gewünscht, als es geworden ist, und doch kann es erfüllt und freudvoll sein. Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie dieses andere Leben als Ihr eigenes annehmen und lieben können. Gerne können Sie mit mir Kontakt aufnehmen. Ich freue mich von Ihnen zu hören: Stephanie Witt-Loers, Institut Dellanima: Trauerbegleitung, Trauerberatung, Trauergruppen, Seminare, Fortbildungen, Vorträge; Homepage: www.dellanima.de; Mail: [email protected]. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Literatur
Bonanno, George A.: Die andere Seite der Trauer. Verlustschmerz und Trauma aus eigener Kraft überwinden. Bielefeld 2012 Eckardt, Jo: Ich will dich nicht vergessen. Ein Begleiter durch die Zeit der Trauer und des Abschiednehmens. Gütersloh 2008 Figdor, Helmut: Kinder aus geschiedenen Ehen: Zwischen Trauma und Hoffnung. Wie Kinder und Eltern die Trennung erleben. Gießen 2004 Günther, Matthias: Der Tod ist eine Tür. Seelsorge mit trauernden jungen Menschen. Göttingen 2013 Holzschuh, Wolfgang: Geschwistertrauer. Erfahrungen und Hilfen aus verschiedenen Praxisfeldern. Regensburg 2000 Kachler, Roland: Meine Trauer wird dich finden – Ein neuer Ansatz in der Trauerarbeit. Stuttgart 2005 Kast, Verena: Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses. Stuttgart 2008 Klosinski, Gunter: Pubertät heute. Lebenssituationen – Konflikte – Herausforderungen. München 2004 Knöll, Gabriele (Hrsg.): Du bist tot – Ich lebe. Trauernde Geschwister. Norderstedt 2003 Lammer, Kerstin: Trauer verstehen. Formen – Erklärungen – Hilfen. Neukirchen 2004 Müller, Monika/Brathuhn, Sylvia/Schnegg, Matthias: Handbuch Trauerbegegnung und -begleitung. Theorie und Praxis in Hospizarbeit und Palliative Care. Göttingen 2013 Oerter, Rolf/Montada, Leo (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. Weinheim/Basel 2008 Paul, Chris: Neue Wege in der Trauer- und Sterbebegleitung. Gütersloh 2010 Plieth, Martina: Kind und Tod. Zum Umgang mit kindlichen Schreckensvorstellungen und Hoffnungsbildern. Neukirchen 2001 Rechenberg-Winter, Petra/Fischinger, Esther: Kursbuch systemische Trauerbegleitung. Göttingen 2010 Rinder, Nicole/Rauch, Florian: Das letzte Fest. Neue Wege und heilsame Rituale in der Zeit der Trauer. München 2012 Rogers, Carl: Therapeut und Klient. Grundlagen der Gesprächspsychotherapie. Frankfurt a. M. 1994 Schwikart, Georg: Niemand geht ohne Spuren. Mit dem Tod leben. Freiburg 2000 Specht-Tomann, Monika/Tropper, Doris: Zeit zu trauern. Kinder und Erwachsene verstehen und begleiten. Düsseldorf 2012
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Literatur
Stroebe, Margeret S./Schut, Henk: The Dual Process Model of coping with bereavement, Rationale and Description, Death Studies, 1999, 23, S. 197–224 Stülpnagel, Freya von: Ohne dich. Hilfe für Tage, an denen die Trauer besonders schmerzt. München 2009 Tausch-Flammer, Daniela/Bickel, Lis: Wenn ein Mensch gestorben ist. Würdiger Umgang mit dem Tod. Freiburg 2000 Weggemans, Minke: Geschwistertod. Leben mit einem schweren Verlust. München 2010 Witt-Loers, Stephanie/Halbe, Birgit: Kindertrauergruppen leiten. Ein Handbuch (mit CD mit kreativen Gestaltmöglichkeiten und Impulstexten) Gütersloh 2012 Witt-Loers, Stephanie: Zum Tod eines Kindes. Zum Tod eines Jugendlichen durch Suizid – Reflexionen. In: Beate Kowalski: Er wischt die Tränen ab von jedem Gesicht. Predigten und pastorale Hilfen für Begräbnisfeiern. Stuttgart 2011 Witt-Loers, Stephanie: Kinder sind Angehörige. Vortragsmanuskript im Rahmen des Kongresses der deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin. Berlin 2012 Witt-Loers, Stephanie: Schulprojekte zum Umgang mit Tod und Trauer. In: Kinder und Jugendliche – ein Trauerspiel. Leidfaden – Fachmagazin für Krisen, Leid, Trauer, 4/2012. Göttingen 2012 Witt-Loers, Stephanie: Sterben, Tod und Trauer in der Schule. Eine Orientierungshilfe. Göttingen 2009 Witt-Loers, Stephanie: Trauernde begleiten. Eine Orientierungshilfe. Göttingen 2010 Witt-Loers, Stephanie: Trauernde Jugendliche in der Schule. Göttingen 2013 Witt-Loers, Stephanie: Kinder erleben die Trennung ihrer Eltern. In: Röseberg, Franziska/Müller, Monika: Handbuch Kindertrauer. Die Begleitung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Göttingen 2014 Witt-Loers, Stephanie: Wie können Eltern ihre Kinder unterstützen und begleiten? In: Röseberg, Franziska/Müller, Monika: Handbuch Kindertrauer. Die Begleitung von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien. Göttingen 2014 Wolf, Doris: Einen geliebten Menschen verlieren. Eine Begleitung auf dem schmerzlichen Weg durch die Trauer. Mannheim 2011 Worden, William J.: Beratung und Therapie in Trauerfällen. Bern 2010 Znoj, Hansjörg: Komplizierte Trauer. Fortschritte der Psychotherapie. Göttingen 2004 Znoj, Hansjörg: Trauer und Trauerbewältigung. Psychologische Konzepte im Wandel. Stuttgart 2012
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Bücher zum Thema Suizid161
Broschüren/Zeitschriften Bundesverband Verwaiste Eltern in Deutschland e. V.: Tod eines Kindes – Hilfe im Notfall für Rettungsdienste, Krisenintervention, Notfallseelsorge, Klinikpersonal, Polizei, Pädagogen, Bestatter. Leipzig 2011 GEOWissen. Den Menschen verstehen. Nr. 51: Der Tod (mit DVD »Das letzte Myterium. Begegnungen mit dem Tod«). Hamburg 2013 Naegeli, Sabine: Mut zur Trauer – Gedanken zum Verlust eines Menschen. Nidderau 2003 Schauerte, Sandra: Den letzten Weg gemeinsam gehen. Hilfe zur Sterbebegleitung. Krebsgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V. Düsseldorf 2007 Senf, Bianca/Rank, Monika: Mit Kindern über Krebs sprechen. Ein Ratgeber für Eltern, die an Krebs erkrankt sind. Hilfe für Kinder krebskranker Eltern e. V. Frankfurt a. M. 2009 Tausch, Daniela/Bickel, Lis: Die letzten Wochen und Tage. Eine Hilfe zur Begleitung in der Zeit des Sterbens. Krebsverband Baden-Württemberg e. V. Stuttgart 2010 Tausch, Daniela/Bickel, Lis: Die Zeit der Trauer. Eine Hilfe für Trauernde und Begleitende. Krebsverband Baden-Württemberg e. V. Stuttgart 2008
Bücher zum Thema Suizid Cyrulnik, Boris: Wenn Kinder sich selbst töten. Das Unfassbare begreifen und verhindern. Ostfildern 2012 Käsler, Helga/Nikodem, Brigitte: Bitte hört, was ich nicht sage. Signale von Kindern und Jugendlichen verstehen, die nicht mehr leben wollen. München 2000 Lang, Bianca: Leben ohne Dich. Wenn geliebte Menschen in den Tod gehen. Sechs Betroffene erzählen von der Trauer und dem Weiterleben nach dem Suizid von Vater, Mutter, Schwester, Ehemann. Berlin 2006 Otzelberger, Manfred: Suizid – Das Trauma der Hinterbliebenen. München 2002 Paul, Chris: Warum hast du uns das angetan? Begleitbuch für Trauernde, wenn sich jemand das Leben genommen hat. Gütersloh 2006 Stülpnagel, Freya von: Ohne dich. Hilfe für Tage, an denen die Trauer besonders schmerzt. München 2009 Thomas, Johannes: Im Schatten Deines Todes. Wege durch die Trauer nach einem Suizid. Gütersloh 2004
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Literatur
Broschüren zum Thema Suizid Nooan, Douglas/Weisshaupt, Jörg: Den Kindern helfen. Wie Sie Kinder nach einem Suizid unterstützen können. Broschüre. Zürich 2005 Paul, Chris: Trauer nach Suizid bei Kindern und Jugendlichen. AGUS-Schriftenreihe: Hilfe in der Trauer nach Suizid. Zu beziehen unter: [email protected] Trauerland/Zentrum für trauernde Kinder und Jugendliche (Hrsg.): Wenn sich jemand selbst getötet hat. Arbeitsheft für Kinder. Bremen 2007
Bücher zum Thema Trauma Fischer, Gottfried: Neue Wege aus dem Trauma. Erste Hilfe bei schwerer seelischen Belastungen. Ostfildern 2006 Krüger, Andreas: Akute psychische Traumatisierung bei Kindern und Jugendlichen: Ein Manual zur ambulanten Versorgung. 2008 Reddemann Luise/Dehner-Rau, Cornelia: Trauma: Folgen erkennen, überwinden und an ihnen wachsen. Stuttgart 2007 Streeck-Fischer, Annette: Trauma und Entwicklung: Frühe Traumatisierungen und ihre Folgen in der Adoleszenz. Stuttgart 2006 Trickey, David: Kinder und Jugendliche unterstützen. In: Paul, Chris: Neue Wege in der Trauer- und Sterbebegleitung. Gütersloh 2011 Zobel, Martin: Traumatherapie – Eine Einführung. Mit Beiträgen von Luise Reddemann, Oliver Schubbe u. a. Bonn 2006
Jugendbücher Ab 12 Jahren Antoine de Saint-Exupéry: Der Kleine Prinz. Karl Rauch Verlag, Düsseldorf 2008. Die Geschichte vom kleinen Prinz, der über den Sinn des Lebens, über Tod und Wiederkehr nachdenkt. Er deckt die Absurdität und Einsamkeit des modernen Menschen auf und hält uns einen Spiegel vor. Birgit Schlieper/Nina Stahl: Manchmal möchte ich mich totlachen. Patmos Verlag, Mannheim 2010. Nils ist sechzehn. Die Diagnose: Krebs – unheilbar. Damit kann und will Nils sich eigentlich nicht abfinden. Doch das Leben auf der Krebsstation hat dank Schwester Ulla noch mehr zu bieten als schlaflose Nächte und Angstattacken. Georg Schwikart: Der Tod ist ein Teil des Lebens. Patmos Verlag, Düsseldorf 2003. Das Buch informiert sachlich, offen und anschaulich über Sterben, Tod und Trauer. Es erzählt einfühlsam davon, wie wichtig es ist, Abschied zu nehmen und mit der Trauer umzugehen.
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Jugendbücher163
Johanna Thydell: An der Decke leuchten die Sterne. Verlag Friedrich Oettinger, Hamburg 2005. Jennas Mutter ist schwer krank und wird sterben. Sie hat Krebs. Jennas Alltag wird von der Krankheit der Mutter bestimmt, gleichzeitig wünscht sich Jenna ein normales, unbeschwertes Leben. Monika Feth: Und was ist mit mir? Omnibus Verlag, Frankfurt a. M. 2003. Ein Herz und eine Seele, das waren die Zwillingsbrüder Jo und Hannes lange Zeit. Doch auf einmal ist alles anders: Hannes ist plötzlich allein, denn Jo ist verunglückt. Peter Pohl/Kinna Gieth: Du fehlst mir, du fehlst mir! DTV, München 2006. Cilla und Tina sind Zwillingsschwestern. Als Cilla bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt, beginnt für Tina ein schweres Leben. Peter Pohl hat den Roman auf der Grundlage authentischer Aufzeichnungen geschrieben. Sally Nicholls: Wie man unsterblich wird. Jede Minute zählt. Carl Hanser Verlag, München/Wien 2008. Sam ist krank und weiß, wie es um ihn steht. Aber er verzweifelt nicht, sondern beschließt, die Zeit zu nutzen: Er stellt Fragen, die er früher nicht gestellt hat. Die erstaunlichen Antworten, seine Erkenntnisse über sich und die Welt, schreibt er in sein Tagebuch.
Ab 14 Jahren Barbara Pachl-Eberhart: Vier minus drei. Wie ich nach dem Verlust der Familie zu einem neuen Leben fand. Integral Verlag, München 2011 Im März 2008 starben Barbara Pachl-Eberharts Mann und ihre beiden Kinder durch einen Verkehrsunfall. Zwei Jahre danach schildert sie, wie sie sich ihrem Schicksal stellt. Wie sie mit Mut und bedingungsloser Offenheit den Weg in ein neues Leben fand. Barbara Stäcker/Seitz, Dorothea: Nana – … der Tod trägt Pink. Irisiana Verlag, München 2013. Warum ist Nanas Geschichte so anders? Normalerweise meint man, ein schwerkranker, dem Tod geweihter Mensch versteckt sich und zieht sich zurück. Nana jedoch hat sich in dieser Zeit selbst gefunden und dies öffentlich gemacht. Christoph Schlingensief: So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein! btb Verlag, München 2009. Wie weiterleben, wenn man von einem Moment auf den anderen aus der Lebensbahn geworfen wird, wenn der Tod plötzlich nahe rückt? Dada Peng: Mein Buch vom Leben und Sterben. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2013. Geschichten vom Sterben und Leben, Gedichte und Songs. Mit persönlichen Fragen und der Möglichkeit, Antworten und eigene Gedanken in dieses Buch hineinzuschreiben. Ein Buch zum Lachen, Weinen und Nachdenken. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Literatur
Elizabeth Devita-Raeburn: Das leere Zimmer. Weiterleben nach dem Verlust eines Bruders oder einer Schwester. Mvg-Verlag, Heidelberg 2005. Der Tod eines Bruders oder einer Schwester reißt eine bleibende Lücke in das Leben eines Menschen. In diesem Buch geht die Autorin auf das Empfinden und die Bedürfnisse der zurückgebliebenen Geschwister ein. Sie lässt Betroffene offen und einfühlsam zu Wort kommen und zeigt Wege auf, die ein Weiterleben ermöglichen. Gerda van Erkel/Mirjam Pressler: Der salzige Kuss. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2008. Nienke bereitet sich in einem Sanatorium auf den Tod vor, denn sie ist unheilbar krank. Dort verliebt sie sich in einen Jungen und erfährt, dass ihr Leben trotz der Krankheit und des bevorstehenden Todes noch immer unendlich wertvoll und reich ist. Sie glaubt an das Glück im Hier und Jetzt und an die Auferstehung in der Erinnerung. Ein informatives Buch über Mukoviszidose. James Preller: Bevor du gehst. Heyne, München 2013. Sommer, Sonne, am Strand abhängen: Das sind Judes Pläne für seine letzen Ferien vor dem Ende der Highschool. Und zunächst scheint der Sommer alle Erwartungen zu erfüllen, denn er lernt Becka kennen und schwebt im siebten Himmel. Doch dann ereignet sich ein furchtbarer Autounfall – und plötzlich ist nichts mehr so, wie es einmal war … Jennifer Cranen/Vito von Eichborn: Ich will nicht, dass ihr weint. Das Krebstagebuch der 16-jährigen Jenni. Books on Demand GmbH, Norderstedt 2006. Als die 16-jährige Jenni erfährt, dass sie Krebs hat, kämpft sie dagegen an. Vierzehn Monate schreibt sie ihre Erfahrungen, Erlebnisse, ihre Ängste und Hoffnungen auf. Jostein Gaarder: Das Orangenmädchen. DTV, München 2007. »Mein Vater ist vor elf Jahren gestorben. Und jetzt schreiben wir zusammen ein Buch.« Eine Ode an das Leben, die Liebe und das Glück. Jürgen Domian: Interview mit dem Tod. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2012. Hat der Mensch eine Seele? Können wir auf ein Leben nach dem Tod hoffen? Gibt es Gott? Worauf kommt es im Leben an? Jürgen Domian hat bisher über zwanzigtausend Interviews in seiner Nacht-Talkshow geführt – in diesem fiktiven Interview unterhält er sich mit dem Tod über alle existenziellen Fragen des Lebens und erhält erstaunliche Antworten. Jutta Richter: Hechtsommer. DTV, München 2006. Die Mutter von Daniel und Lukas ist an Krebs erkrankt und liegt ohne Haare in einem Zimmer mit heruntergelassenen Jalousien zwischen Leben und Tod. Ihre Söhne haben sich in den Kopf gesetzt, dass ein Fischopfer ihr die Gesundheit zurückschenken könnte. Und so machen sie sich auf die Jagd nach dem großen Hecht im Teich, den sie am Ende auch fangen.
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Jugendbücher165
Kathrin Schmidt: Du stirbst nicht. btb Verlag, München 2011. Helen weiß nicht, wie ihr geschieht: Sie findet sich im Krankenhaus wieder ohne Kontrolle über ihren Körper, sprachlos, mit Erinnerungslücken. Ein Erinnerungsroman ganz eigener Art, der den Weg eines sprachlichen Neubeginns zeigt. Lutz van Dijk: Leben bis zuletzt. Geschichten von Freundschaft, Liebe und Tod. Patmos Verlag, Düsseldorf 2007. Was, wenn Liebe in Schmerz umschlägt? Wohin mit all der Wut und Verzweiflung, wenn der Geliebte, die Freundin, der Bruder stirbt? Lutz van Dijk erzählt vom Umgang Jugendlicher mit dem Tod: acht persönliche Geschichten von Menschen, die ihre Ohnmacht besiegen nicht zerbrechen, im Verlust individuelle Wege finden und dabei mehr über das eigene Leben erfahren. Margaret Forster: Miranda. Arche Literatur Verlag, Zürich/Hamburg 2007. Es kann jeden Tag, an jedem Ort, in jeder Familie geschehen. Aber was geschieht danach? Ein Familienroman über Verlust und Verzweiflung, Abschied und Neubeginn. Mavi Mohr: Stationswechsel. Eine Leukämiepatientin wird Ärztin. Kreuz Verlag, Stuttgart 2004. Im ersten Teil des Buches schildert die Gymnasiastin Mavi ihre Krankheitsgeschichte, als bei ihr mit 13 Jahren Leukämie diagnostiziert wird. Im zweiten Teil findet ein Perspektivwechsel statt und die junge Frau studiert nun selber Medizin. Sie beschreibt ihr Leben mit der Krankheit und wie diese ein ständiger Begleiter ist. Michel Rostain: Als ich meine Eltern verließ. C. Bertelsmann Verlag, München 2012. »Am elften Tag nach meinem Tod brachte Papa meine Bettdecke in die Reinigung, die Arme voll Bettwäsche, in der seine Nase steckte. Er meint, sie riecht nach mir. In Wahrheit stinkt sie, schließlich habe ich weder die Bezüge noch das Federbett jemals gewaschen …« Ein Roman über Liebe und Verlust – ohne Pathos. Monika Feth: Fee-Schwestern bleiben wir immer. Bertelsmann Verlag, Bielefeld 2002. Nach dem Tod der behinderten Schwester Fee macht Claire mit ihrem Freund eine Reise nach Schottland. Dort liest sie die Tagebücher ihrer Mutter. Sie lernt ihre Eltern so aus einer ganz anderen Perspektive kennen und begreift, dass sie Abschied nehmen muss. Philippe Claudel: An meine Tochter. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2006. Ein Mann schreibt an seine Tochter. Es ist ein Abschiedsbrief. Seine Frau ist bei der Geburt des Kindes gestorben, seitdem hat das Leben jeden Sinn für ihn verloren. Doch während des Schreibens begreift er, dass er weiterleben muss – für seine Tochter.
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Literatur
Regine Stokke: Gegen die Angst – Face your fear. Accept your war. Oettinger Verlag, Hamburg 2012. Was tust du, wenn dein Leben auf Messers Schneide steht? Eine Hommage an die Schönheit des Lebens und wider die Angst. Im August 2008 erhielt die 17-jährige Norwegerin Regine Stokke die Diagnose Leukämie. Ein paar Monate später richtete sie den Blog »Face your fear« ein, den mehr als 100.000 Menschen verfolgten und die Grundlage, ergänzt um die Antworten der Leser und Stimmen der Familie, dieses Buches wurden. Roger Rosenblatt: An jedem neuen Morgen. Eine Familiengeschichte. Ullstein Buchverlag, Berlin 2011. Roger Rosenblatt und seine Frau übernehmen den Haushalt ihrer Tochter Amy, als sie völlig unerwartet stirbt und ihren Mann sowie drei kleine Kinder hinterlässt. Ein Buch über die tröstliche Kraft der Familie und in dem wir Roger Rosenblatt und seine Familie durch den Alltag begleiten, der das Unfassbare langsam erträglich macht. Tiziano Terzani. Noch eine Runde auf dem Karussell. Vom Leben und Sterben. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2005. Als Tiziano Terzani erfährt, dass er unheilbar an Krebs erkrankt ist, begibt er sich auf eine letzte große Reise. Ihn interessiert das große Ganze: die Frage, was ihn krank gemacht hat, der Zusammenhang zwischen Körper und Geist. Tiziano Terzani. Das Ende ist mein Anfang. Ein Vater, ein Sohn und die große Reise des Lebens. Goldmann Verlag, München 2008. Tiziano Terzani spürt, dass er nicht mehr lange zu leben hat, und setzt sich noch einmal mit seinem Sohn Falco zusammen. Ein wunderbares Gespräch über das Wagnis der Freiheit, über Mut, Liebe, Krankheit und Trauer, über die Vergänglichkeit, Momente der Schönheit und darüber, wie man lernt loszulassen. Ulla Lenz: Der kleine Rest des Todes. Frankfurter Verlagshaus, Frankfurt a. M. 2012. Seit ihr Vater bei einem Flugzeugabsturz tödlich verunglückt ist, ist auch Ariane irgendwie nicht mehr da. Die rauschende Stille der indischen Palaniberge, in denen sie Monate in einem Zen-Kloster verbracht hat, scheint Lichtjahre entfernt. Spätestens als sie eines Morgens unter dem Fenster ihres Liebhabers erwacht, weiß sie, dass mit ihr etwas nicht mehr stimmt. Doch wie ließe sich vernünftig und gradlinig leben, wenn doch der Tod sich nicht ins Leben einfügen will, wenn doch immer ein Rest bleibt.
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Spielfilme167
Spielfilme Das Zimmer meines Sohnes. Frankreich/Italien 2001. Durch einen Tauchunfall stirbt der Sohn einer vierköpfigen Familie. Das Leben der Schwester und der Eltern ändert sich und jeder versucht, mit dem Ereignis für sich fertig zu werden, woran die Familie zu zerbrechen droht. Ab 12 Jahren Im Winter ein Jahr. BRD 2008. Sehr lebendig erzählt dieser Film die Geschichte einer Familie ein Jahr nach dem Suizid ihres Sohnes. Die ältere Schwester Lilli sucht ihren eigenen Weg zum Umgang mit der Trauer und findet ihn schließlich im Ausdruck durch den Tanz. Themen wie Sprachlosigkeit, das Verschweigen des Suizids, der ganz individuelle Umgang mit der Trauer jedes einzelnen Familienmitgliedes sind hier angesprochen und lebendig und glaubwürdig erzählt. Ein Film von Caroline Link, der die Verwandlung von der anfänglichen Erstarrung zur Verarbeitung der Trauer nachvollziehbar zeigt. Ab 12 Jahren In America. Irland/Großbritannien 2002. Dieser Film erzählt die Geschichte einer irischen Auswandererfamilie nach dem Tod des dritten Kindes. Mit dem Umzug in das neue Land Amerika hofft die Familie, alle Probleme hinter sich zu lassen. Doch ein neues Leben gelingt nur im allmählichen Beschäftigen mit dem Verlust des Kindes und dem Verlust des Bruders für die beiden 6- und 10-jährigen Geschwister. Erst als der Vater sich endlich von Frankie verabschiedet, kann er weinen und seiner Trauer Ausdruck geben. Ab 12 Jahren Ray. USA 2004. Es ist die Verfilmung der Lebensgeschichte des Musikers Ray Charles. Auch er erlebte als kleiner Junge den Tod seines Bruders und wird zeitlebens von diesen Bildern (Flashbacks) verfolgt, bis er sich seiner Trauer stellt. Ihn verfolgte lange Zeit die Schuldfrage, die er sich nie traute laut zu stellen. Er fand in der Musik die Ausdrucksmöglichkeit für seine Gefühle. Ab 12 Jahre Schmetterling und Taucherglocke. BRD 2008. Jean-Dominique Bauby erleidet einen Gehirnschlag und ist von da an vollständig gelähmt. Seine einzige Kommunikationsmöglichkeit ist sein linkes Auge, mit dessen Liedschlag er beginnt, seine Memoiren zu diktieren. Kurz nachdem er sie abgeschlossen hat, stirbt er. Ab 14 Jahren Das Meer in mir. Spanien 2004. Der Film erzählt die Geschichte des galizischen Seemannes Ramón Sampedro, der im Alter von 25 Jahren einen Badeunfall erlitt. Er brach sich das Genick und ist vom Hals abwärts vollständig gelähmt. Sein sehnlichster Wunsch ist es, in Würde zu sterben. Ab 14 Jahren
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Spielfilme
Mein Leben ohne mich. Spanien/Kanada 2003. Die 23-jährige Ann erkrankt an Krebs und weiß, dass sie nur noch kurze Zeit zu leben hat. Sie verweigert die Behandlung und entschließt sich, niemandem zu erzählen, dass sie sterben muss. Ab 14 Jahren Das Beste kommt zum Schluss. USA 2007. Edward Cole und Carter Chambers sind beide in den Sechzigern, beide krebskrank und haben beide nur noch sechs bis zwölf Monate zu leben. Sie erstellen eine Liste der Dinge, die sie im Leben noch machen wollen, und beginnen diese in die Tat umzusetzen. Ab 14 Jahren Kirschblüten-Hanami, BRD 2009. Rudi leidet unter Krebs im Endstadium. Seine Frau Trudi verschweigt ihm die Diagnose. Sie überredet ihn, nach Berlin zu den Kindern und Enkeln zu reisen. Doch nicht Rudi stirbt, sondern Trudi. Mit ihrem Tod erfährt Rudi von den vergessenen Sehnsüchten seiner Frau, die gern nach Japan gereist wäre. Er sieht sie mit anderen Augen und macht sich selbst auf nach Nippon. Ab 14 Jahren Fragile. BRD 2003. Mit der Figur der Mutter und Ehefrau, die mitten im Leben unerwartet durch einen Autounfall stirbt, beschreibt der Film den Moment des Sterbens, des Übergangs vom Leben zum Tod, als letztes Abschiednehmen von dem Menschen, die sie liebt, bis hin zur Annahme ihres Todes. Ab 14 Jahren Nokan, die Kunst des Ausklangs. Japan 2008. Der Cellist Daigo verliert seine Arbeit beim Orchester. Er kann die Raten für das Instrument nicht mehr zahlen und muss das Cello zurückgeben. Er geht mit seiner Frau in seine Heimat im Norden Japans zurück und sucht dort Arbeit. Er findet bei einer Firma, die auf »Reisen« spezialisiert ist, eine Anstellung. Seine Aufgabe ist es, Verstorbene auf die letzte Reise vorzubereiten. Ab 14 Jahren Ways to Love Forever. Die Seele stirbt nie. Großbritannien/Spanien 2010. Sam ist elf und hat Leukämie. Seine Beobachtungen und Gedanken hält er in einem Tagebuch fest – mit dem wissenschaftlichen Vorsatz, sein Sterben für die Nachwelt zu dokumentieren. Doch bevor es soweit ist, will er sein Leben in vollen Zügen genießen. Mit seinem krebskranken Freund Felix erstellt er eine Liste mit Dingen, die er unbedingt noch erleben will. Ab 12 Jahren The Tree. Australien/Frankreich 2010. Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters teilt die achtjährige Simone ein kostbares Geheimnis mit ihrer Mutter Dawn. Das Mädchen ist überzeugt, dass ihr Vater in dem mächtigen Feigenbaum vor ihrem Haus weiter über der Familie wacht. Als sich zwischen Dawn und ihrem neuen Arbeitgeber George eine wachsende Nähe entwickelt, verbringt das Mädchen immer mehr Zeit hoch oben in den Ästen. Bald kommt es zu einer Kraftprobe zwischen Mensch und Natur, zwischen Mutter und Tochter. Ab 6 Jahren
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Musikstücke für Jugendliche169
Death of a Superhero. Am Ende eines viel zu kurzen Tages. Deutschland/Irland 2011. Donalds Leben ist chaotisch. Noch komplizierter als das von anderen Jungs in seinem Alter. Klar, mit fünfzehn träumt man von der Traumfrau, von Sex und Abenteuern. Bei Donald ist das nicht anders. Aber er ist krank und seine Uhr tickt. Mit seinem außergewöhnlichen Zeichentalent schafft er sich seine eigene Welt, in der sein muskulöses Alter Ego, ein Superheld, gegen seinen Todfeind kämpfen muss. Ab 12 Jahren Blaubeerenblau. Deutschland 2012. Fritjof Huber stand im Leben immer am Rand. Er wurde Angestellter in einem Architekturbüro und blieb ein Muttersöhnchen. Als Fritjof für ein Aufmaß in ein Hospiz geschickt wird, trifft er dort auf Hannes, einen früheren Schulkameraden. Zwischen den beiden entwickelt sich eine tiefe Freundschaft. Durch ihn und die anderen Bewohner des Hospizes gelingt es Fritjof, seine Lebensängste zu überwinden. Ab 6 Jahren Tage, die bleiben. Deutschland 2011. Bei einem Autounfall verliert Christian Dewenter plötzlich seine Ehefrau. Zum ersten Mal sind der untreue Ehemann, sein entfremdeter Sohn und seine pubertierende Tochter gezwungen, gemeinsam als Familie zu handeln. Während jeder für sich mit seinen Gefühlen kämpft, schaffen sie es nicht, gemeinsam ihre Trauer zuzulassen. Ab 12 Jahren Dein Weg. Vom Suchen und Finden auf dem Jakobsweg. Deutschland 2010. Der Weg des Arztes Tom Avery ändert sich, als sein Sohn auf dem Jakobsweg ums Leben kommt. Tom beschließt, die Reise in Daniels Namen fortzuführen. Zunächst als Einzelpilger unterwegs, begleitet ihn bald eine bunte, nervende Pilgergruppe. Ab 12 Jahren
Musikstücke für Jugendliche (Die meisten Stücke lassen sich kostengünstig herunterladen, die Texte zu den Stücken finden sich auch im Internet.) Aretha Franklin Avril Lavigne Bela B. Celine Dion Die Puhdys Die Toten Hosen Die Toten Hosen Die Toten Hosen Doreen Enya
»Unforgettable« »When you’re gone« »Letzter Tag« »Goodbye’s« »So nah am Leben« »Am Ende« »Alles ist eins« »Nur zu Besuch« »Der Brief (den ich nie schrieb)« »A day without rain«
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Musikstücke für Jugendliche
Enya »Only time« Eric Clapton »Tears in heaven« Eva Cassidy »I know you by heart« Eva Cassidy »Somwhere over the rainbow« Gila Antara »On my way« Gila Antara »Spirit of the wind« Gila Antara »The river is flowing« Glashaus »Halte die Welt an« Herbert Grönemeyer »Der Weg« Herbert Grönemeyer »Mensch« Herbert Grönemeyer »Land unter« Herbert Grönemeyer »Stück vom Himmel« Hermann van Veen »Ich tanze mit dem Tod« Ich & Ich »Wenn ich tot bin« Kamakawiwo’ole »Over the rainbow« Leona Lewis »Footprints in the sand« Loreena McKennit »Seeds of Love« Mercedes Sosa »Garcias a la vida« Michael Jackson »Gone too soon« Nathalie Cole »Unforgettable« Paul Anka »My way« Phil Collins »Since I lost you« Pur »In Gedanken« Pur »Noch ein Leben« (Suizid eines Freundes) Reinhard Mey »Schade, dass du gehen must« Reinhard Mey »Wie ein Baum, den man fällt« Reinhard Mey »Allein« Reinhard Mey » Nein, ich lass Dich nicht allein« Robert Long »Jos« (Suizid eines Schülers) Roger Cicero »Ich hätt’ so gern noch Tschüss gesagt« Rosenstolz »Gib mir Sonne« Sarah Brightman »Time to say goodbye« Silbermond »Kartenhaus« Söhne Mannheims »Und wenn ein Lied« Trude Herr »Niemals geht man so ganz« Udo Lindenberg »Stark wie zwei« Unheilig »An deiner Seite« Whitney Houston »I will always love you« Xavier Naidoo »Abschied nehmen«
© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
Internetadressen171
Internetadressen Für Jugendliche ȤȤ www.dellanima.de (Trauerbegleitung für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Fortbildungen, Vorträge) ȤȤ www.allesistanders.de (Chatroom für trauernde Jugendliche) ȤȤ www.doch-etwas-bleibt.de (Chatroom für trauernde Jugendliche) ȤȤ www.klartext-trauer.de (Chatroom für trauernde Jugendliche) ȤȤ www.kummernetz.de ȤȤ www.notfallseelsorge.de ȤȤ www.onko-kids.de (Seite mit Chatroom für krebskranke Kinder und Jugendliche) ȤȤ www.u25-freiburg.de (Seite für suizidgefährdete Kinder und Jugendliche) ȤȤ www.youth-life-line.de ȤȤ www.kinderkrebsstiftung.de
Für Eltern und Bezugspersonen ȤȤ www.agus-selbsthilfe.de (Wichtige Adresse bei Suizid) ȤȤ www.dellanima.de (Trauerbegleitung für Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Fortbildungen, Vorträge) ȤȤ www.ak-leben.de (Hilfe bei Lebenskrisen und Selbsttötungsgefahr) ȤȤ www.bestatter.de (Informationen zum Thema Bestattungen und Trauer) ȤȤ www.veid.de (Verwaiste Eltern in Deutschland e. V.: weitere Links findet man dort) ȤȤ www.Sternschnuppenkinder.de (Für Eltern, deren Kinder an Leukämie oder an einem Tumor gestorben sind) ȤȤ www.leben-ohne-dich.de (Forum für verwaiste Eltern) ȤȤ www.deutscher-kinderhospizverein.de ȤȤ www.hilfe-fuer-kinder-krebskranker.de (Forum für Eltern krebskranker Kinder) ȤȤ www.verwitwet.de (Für verwitwete Frauen und Männer und deren Kindern) ȤȤ www.nicolaidis-stiftung.de (Stiftung, die sich um jung verwitwete Mütter und Väter und deren Kinder kümmert) ȤȤ www.edyoucare.net (internationale Fachstelle für Gewaltprävention, Krisenintervention/-management, Trauerbegleitung/-beratung, Ausbildung und Betreuung für Schulen) ȤȤ www.kinderkrebsstiftung.de ȤȤ www.notfallpaedagogik.de ȤȤ www.familienhandbuch.de ȤȤ www.trauernetz.de Häufig finden sich zudem unter dem Stichwort »Notfallseelsorge« im jeweiligen Bundesland Hilfsangebote von Kriseninterventionsteams, schulpsychologischen Diensten und Kirchen. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291
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Telefonische Seelsorge
Telefonische Seelsorge ȤȤ Telefonseelsorge Deutschland: 0800/111 0111 oder 0800/1110222 ȤȤ Nummer gegen Kummer: Telefonseelsorge für Kinder und Jugendliche: 0800/111 0333 ȤȤ Telefonseelsorge für Muslime: 030/443509821 (www.mutes.de) ȤȤ Telefonseelsorge Österreich: Tel.: 142 ȤȤ Telefonseelsorge Schweiz – Die dargebotene Hand: Tel.: 143
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Dank
Mein Dank und mein Respekt gilt zuerst Ihnen lieber Leser, denn Sie haben sich auf dieses Buch eingelassen. Das war sicherlich anstrengend und manchmal schmerzhaft. Möge die Lektüre dazu beitragen, in der Familie Wege zueinander zu finden und den Umgang miteinander zu erleichtern. Dies ist das Herzensanliegen meines Schreibens. Von ganzem Herzen möchte ich mich bei den Menschen bedanken, die hier über ihren Verlust geschrieben haben, und bei all denen, die ich ein Stück auf ihrem Weg begleiten und an deren Erfahrungen ich teilhaben durfte. Mein Dank geht ganz besonders an meine liebe Freundin und gute Beraterin Romy Kohler, die als Fachwissende, engagierte Initiatorin und Leiterin des Trauerchats für Jugendliche (www.doch-etwas-bleibt.de) sowie betroffene Mutter meine Manuskripte immer wieder liest und mir wichtige Hinweise gibt. Danke für die Ermutigungen und den Glauben an mich, als ich ihn nicht hatte. Danke von Herzen für die wertvolle Bereicherung dieses Buchs mit der sehr persönlichen Erfahrung nach dem Tod von Lars. Herzlich danken möchte ich den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen von Vandenhoeck & Ruprecht, insbesondere Frau Kamp, Herrn Presting und Frau Dr. Gießmann-Bindewald sowie meiner Lektorin Frau Strupat. Danke für die hervorragende Beratung, die wertvollen Rückmeldungen und die seit Jahren zuverlässige Begleitung meiner Buchprojekte. Danke auch an Professor Joachim Windolph, meinen Mentor und liebevollen Kritiker, der mich bei meiner Arbeit seit Jahren begleitet. Danke für die wertvollen, hilfreichen, manchmal schmerzhaften Stunden und die hartnäckigen Fragen. Danken möchte ich auch meiner ganzen Familie und meinen lieben Freunden. Ein großer Dank geht an meinen Mann Werner und unsere Kinder Teresa, Elena und Ruben, an meine Eltern und meine Schwester. Danke von Herzen für die Lebenszeit mit euch. Danke, dass ihr mich immer unterstützt, auch in schweren Zeiten. Danke für die Kraft, Zuversicht, Fürsorge, Zuverlässigkeit und vor allem für Eure uneingeschränkte, bedingungslose Liebe. © 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525402290 — ISBN E-Book: 9783647402291