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German Pages 291 [294] Year 2021
M AA ÆT Æ EÆ R N AT E R N A RO OR OM Beiträge zu Spätantike und Frühmittelalter Herausgegeben von Volker Henning Drecoll, Irmgard Männlein-Robert, Mischa Meier und Steffen Patzold Band 10
Traditionsbezug und Transformation Die Briefe des Avitus von Vienne als Inszenierungen eines spätantiken Bischofs
Johanna Schenk
Franz Steiner Verlag
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein
Umschlagabbildung: Bronzestatue der Kapitolinischen Wölfin, Kapitolinische Museen, Rom © akg/De Agostini Picture Library Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. © Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2021 Zugleich Dissertation an der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt im Sommersemester 2018 Umschlaggestaltung: r2 Röger & Röttenbacher, Leonberg Druck: Hubert & Co., Göttingen Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Printed in Germany. ISBN 978-3-515-12872-8 (Print) ISBN 978-3-515-12878-0 (E-Book)
S. Antonio Padovensi gratias
VORWORT Die vorliegende Studie stellt die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation dar, die im Sommersemester 2018 von der Sprach- und Literaturwissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt als Promotionsleistung angenommen wurde. An ihrer Entstehung hatten viele direkt und indirekt Anteil. Ihnen allen danke ich von Herzen. An erster Stelle ist hier mein Doktorvater zu erwähnen, Professor Dr. Gernot M. Müller, der mich während meiner Studien- und Promotionszeit in jeder Hinsicht unterstützt und gefördert hat und mir dabei die Freiheit gelassen hat, meine Ideen zu entwickeln und sie weiter zu entfalten; sodann Professor Dr. Ulrich Eigler, der freundlicherweise das Zweitgutachten übernahm und mir nicht nur hilfreiche Ratschläge gab, sondern auch die Möglichkeit, meine Arbeit im Forschungskolloquium des Seminars für Griechische und Lateinische Philologie der Universität Zürich vorzustellen. Wichtige Denkanstöße verdanke ich außerdem Professor Dr. Philip Rousseau und vor allem Professor Dr. William Klingshirn, mit denen ich im Rahmen eines Forschungsaufenthalts an der Catholic University of America in Washington, DC meine Überlegungen diskutieren konnte. Auf vielfältige Weise haben zudem die Mitglieder des Teams der Klassischen Philologie in Eichstätt und des Fachbereichs Classics in Washington, DC zum Gelingen beigetragen, von deren Anregungen im fachlichen und persönlichen Austausch die Arbeit enorm profitiert hat. Angeführt seien Professor Dr. Bardo M. Gauly, PD Dr. Gregor Bitto, PD Dr. Anna Ginestí Rosell, Tobias Goldhahn, Professor Dr. Fritz Heberlein, Sabine Retsch M.A., Chiara Schürch und Dr. des. Johannes Sedlmeyr sowie Patsy Craig, Dr. Kathleen Kirsch, Dr. Fabio Pagani und Dr. Alex Poulos. Die Publikation der Dissertation wurde ermöglicht durch einen Druckkostenzuschuss der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften, der ich hierfür herzlich danke. Mein Dank geht auch an Professor Dr. Volker Henning Drecoll, Professorin Dr. Irmgard Männlein-Robert, Professor Dr. Mischa Meier und Professor Dr. Steffen Patzold für die Aufnahme in die Reihe Roma Æterna sowie an Frau Katharina Stüdemann und das Team des Franz Steiner Verlags für die gute Betreuung. Nicht zu vergessen sind an dieser Stelle Laura Kehrer, Christine Mendez, Katharina Schenk und Gunther Schenk, die durch ihre Sorgfalt die Anzahl sprachlicher Fehler minimiert haben, und Andreas Schenk, der mir bei allen LaTeX-Fragen und -Problemen geduldig weitergeholfen hat. Genannt werden müssen noch meine Lateinlehrer, Hansjörg Kaufmann, Ansgar Dressel und Ruben Auchter, qui me linguam Latinam amoremque eius docebant und auf diese Weise mit die Grundlagen für dieses Buch legten. Zu guter Letzt möchte ich meinen Freundinnen und Freunden und meiner Familie, vor allem meinen Eltern, dafür danken, dass sie mich stets unterstützt und mir den Rücken gestärkt haben. Ohne sie hätte ich dieses Projekt nicht zu Ende gebracht. Eislingen/Fils Frühjahr 2021 Johanna Schenk
INHALTSVERZEICHNIS 1
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Einleitung und Vorüberlegungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Das Briefcorpus des Avitus von Vienne: ein Forschungsüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.2 Briefe und Briefsammlungen: Theoretische Überlegungen . 1.1.2.1 Der antike und spätantike Brief . . . . . . . . . . 1.1.2.2 Briefsammlungen . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Selbstdarstellung in Briefen und Briefsammlungen . . . . . 1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände . . 1.2.1 Alcimus Ecdicius Avitus: Leben und Werk . . . . . . . . . 1.2.2 Die Burgunder, ihre Nachbarn und das römische Reich . . 1.2.2.1 Ereignisgeschichte . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2.2 Gundobad und Sigismund. . . . . . . . . . . . 1.2.3 Adel, Bildung und Briefe im spätantiken Gallien . . . . . . 1.2.4 Bischöfe und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.4.1 Aufgaben und Ideal des spätantiken Bischofs . . . . . 1.2.4.2 Kirchenverwaltung und theologische Auseinandersetzungen in Gallien . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Anlage und Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs . . . . . 2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger . . . . . . 2.1.1 Der Metropolit und seine Suffragane . . . . . . . . . . . . 2.1.1.1 Aufrechterhaltung der Ordnung – ein Fall von Inzest . . 2.1.1.1.1 Victorius von Grenoble . . . . . . . . . 2.1.1.1.2 Ep. 16P = ep. 13MR . . . . . . . . . . 2.1.1.1.3 Ep. 17P = ep. 14MR . . . . . . . . . . 2.1.1.1.4 Ep. 18P = ep. 15MR . . . . . . . . . . 2.1.1.1.5 Vergleichende Schlussbetrachtung . . . . . 2.1.1.2 Die richtige Interpretation eines Traums . . . . . . . 2.1.1.2.1 Apollinaris von Valence . . . . . . . . . 2.1.1.2.2 Ep. 13P = ep. 10MR . . . . . . . . . . 2.1.1.2.3 Ep. 14P = ep. 11MR . . . . . . . . . . 2.1.1.2.4 Vergleichende Schlussbetrachtung . . . . . 2.1.2 Im weit verzweigten Netzwerk der Bischöfe . . . . . . . . 2.1.2.1 Caesarius von Arles . . . . . . . . . . . . .
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10
Inhaltsverzeichnis
2.1.2.2 2.1.3 2.1.3.1 2.1.3.2 2.1.3.3 2.1.3.4 2.1.3.5
3
Ep. 11P = ep. 8MR . . . . . . . . . . . . . . Briefe an Päpste und Patriarchen – Information und Macht Papst Hormisdas und das Akakianische Schisma . . . . Ep. 41P = ep. 37MR . . . . . . . . . . . . . Ep. 42P = ep. 38MR . . . . . . . . . . . . . Vergleichende Schlussbetrachtung . . . . . . . . . Exkurs: Ein kurzer Vergleich mit weiteren Briefen des Avitus im Kontext des Akakianischen Schismas . . . . . . 2.1.4 Fazit: Selbstdarstellung gegenüber Bischöfen und anderen kirchlichen Würdenträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Briefe an Adlige und weltliche Machthaber . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die Grenzen bischöflicher Macht . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.1 Ansemundus . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.2 Ep. 55P = ep. 52MR . . . . . . . . . . . . . 2.2.1.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Politik und literarische Diskurse . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Apollinaris, vir illustris . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Ep. 51P = ep. 48MR . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Der Bischof als rechtgläubiger Lehrer . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1 Gundobad . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 Vorüberlegungen und Hintergründe . . . . . . . . 2.2.3.3 Ep. 2P . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . 2.2.4 Fazit: Selbstdarstellung gegenüber Adligen und weltlichen Machthabern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Fazit: Die Selbstdarstellung des Avitus von Vienne . . . . . . . . . Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung . . . . . . . . . . . . 3.1 Zu Entstehung und Überlieferung der Sammlung . . . . . . . . . . 3.1.1 Die erhaltenen Schreiben: ein kurzer Überblick . . . . . . 3.1.2 Anlage und Tradierung der avitanischen Kollektion . . . . 3.2 Die Briefauswahl, oder: Was darf ein Bischof wem schreiben? . . . 3.2.1 Die Schreiben an burgundische Bischöfe . . . . . . . . . . 3.2.1.1 Die unmittelbaren Suffragane von Vienne . . . . . . 3.2.1.2 Die übrigen Bischöfe auf burgundischem Gebiet . . . . 3.2.2 Die Schreiben an Kleriker in den gotischen Gebieten . . . . 3.2.3 Die Schreiben an Päpste und Patriarchen . . . . . . . . . . 3.2.4 Die Schreiben an einflussreiche Laien in Konstantinopel . . 3.2.5 Die Schreiben an Adlige auf dem Gebiet des ehemaligen weströmischen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.6 Die Schreiben an Könige . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.7 Zwischenfazit: Das durch die Auswahl gezeichnete Avitusporträt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Die Briefanordnung: Nuancen und Akzente . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
3.3.1 Die Reihenfolge der Briefe . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Buchzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Fazit: Das durch die Sammlung erzeugte Avitusporträt . . . . . . . 4 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Briefverzeichnis, geordnet nach Adressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . B Verzeichnis der Briefreihenfolge in den Manuskripten . . . . . . . . . . . Bibliographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orts- und Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 217 227 231 235 239 245 251 283 287
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS DNP PCBE PLRE RAC RE ThlL
Der Neue Pauly, C ANCIK u. a. (1996–2003). Prosopographie Chrétienne du Bas-Empire, D ESMULLIEZ und P IÉTRI (2000) bzw. P IETRI (2013). Prosopography of the Later Roman Empire, M ARTINDALE und A. J ONES (1980). Reallexikon für Antike und Christentum, DASSMANN und K LAUSER (1950–1991). Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, PAULY, W ISSOWA und K ROLL (1894–1980). Thesaurus linguae Latinae.
1 EINLEITUNG UND VORÜBERLEGUNGEN Vor nunmehr gut 1500 Jahren, wahrscheinlich am 5. Februar 518, starb Alcimus Ecdicius Avitus, Bischof von Vienne.1 Obwohl seine Bibeldichtungen im Mittelalter weit verbreitet waren und sich großer Beliebtheit erfreuten, waren seine Briefe kaum bekannt. In gewisser Hinsicht ist dies bis in die heutige Zeit der Fall, denn die Schreiben wurden bisher trotz ihrer Bedeutung als historische Quellen von der Forschung eher vernachlässigt, was vielleicht auch daran liegt, dass ihr Verfasser sich eines sorgsam stilisierten, nur schwer verständlichen Lateins bedient und bis vor wenigen Jahren keine einzige Übersetzung des gesamten Corpus in eine moderne Sprache vorlag. Die vorliegende Arbeit untersucht, welche Porträts des Bischofs von Vienne in den Briefen und durch sie gezeichnet werden. Dabei wird in zwei Schritten vorgegangen: nach einer Analyse seiner Selbstmodellierung auf der Ebene des einzelnen Schreibens folgen Überlegungen zur Darstellung seiner Person durch die Kollektion als Ganze. Da zur Beantwortung dieser Fragestellung nicht nur theoretische Überlegungen notwendig sind, sondern überdies der historische Hintergrund von zentraler Bedeutung ist, ist der einführende Abschnitt ebenfalls zweigeteilt. Nach einem Forschungsüberblick zu Avitus’ Schreiben und grundlegenden Betrachtungen zu Briefen, Briefsammlungen und der Frage nach Verfasserinszenierungen in diesem Kontext enthält er eine Illustration der historischen Zeitumstände des Vienners. Neben einer kurzen Zusammenfassung der Ereignisgeschichte des burgundischen Gebiets, in dem Vienne lag, gehört hierzu ein Überblick über die Bildungskultur der zeitgenössischen Eliten, in der Epistolographie eine zentrale Rolle spielte, und den spätantiken Episkopat. Vor der sich nun anschließenden Darstellung des Forschungsstandes zur avitanischen Kollektion sei freilich noch ein Hinweis zur hier verwendeten Zitierweise eingefügt. Die etablierte kritische Textausgabe der Avitusbriefe ist die 1883 erschienene MGH-Ausgabe von Rudolf P EIPER. Erst 2016 wurde im Rahmen der Collection Budé eine neue Edition publiziert, die von Elena M ALASPINA und Marc R EYDEL LET besorgt wurde. Beide Ausgaben basieren auf derselben Manuskriptgrundlage, es gibt jedoch einige Textunterschiede. Eine Schwierigkeit bei der Benutzung des Budébandes besteht darin, dass M ALASPINA die Briefe etwas anders anordnet als P EIPER und dementsprechend die Nummerierung ebenfalls abweicht.2 1 2
Zum Leben des Avitus und zu seinem Todesdatum s. u. S. 34ff. Ein Grund hierfür ist die zwar sehr ähnliche, aber nicht ganz identische Briefreihenfolge in den Manuskripten. Hilfreicherweise bietet die neue Ausgabe auf den Seiten CXLV–CLI eine
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Im Rahmen dieser Arbeit werden stets beide Zahlen angegeben, wobei sie zur Unterscheidung durch P bei P EIPERs Nummer bzw. MR bei der Nummer der BudéEdition ergänzt werden. Die genauen Stellenangaben beziehen sich auf Seite und Zeile in der MGH-Ausgabe bzw. den entsprechenden Paragraphen bei M ALASPI NA und R EYDELLET . Wo nicht anders vermerkt, zitiere ich den Text der neuen Ausgabe.
1.1 ZU FORSCHUNGSFRAGE UND THEMA DIESER ARBEIT 1.1.1 Das Briefcorpus des Avitus von Vienne: ein Forschungsüberblick Avitus hinterließ nicht nur sechs lange Gedichte im Hexameter, in denen er Episoden aus den alttestamentarischen Büchern Genesis und Exodus darstellte und das Gott geweihte ehelose Leben pries, sondern ebenso Predigten und zahlreiche Briefe. Während sich insbesondere die Bibeldichtungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten eines regen Forschungsinteresses erfreuten,3 fanden die Predigten und Briefe verhältnismäßig wenig Beachtung. Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden einige Monographien über den Bischof von Vienne, die meist auf eine Einschätzung und Beurteilung seines Charakters und Verhaltens zielten und in diesem Zusammenhang auch auf seine Briefe eingingen. Zu nennen sind hier zunächst PARIZEL (1859), C UCHEVAL (1863) und C HARAUX (1876), die Avitus’ Einsatz für und Verdienste um den katholischen Glauben in Gallien positiv hervorheben und seine Bildung loben. Im Gegensatz dazu attestieren D ENKINGER (1890) und F RANTZ (1908) ihm zwar politische Fähigkeiten und einen gewissen Einfluss, kritisieren aber seine in ihren Augen schlechte Theologie und sein eitles und unehrliches Wesen.4 Reflex des Interesses an Avitus und seinen Werken sind neben den beiden Ende des 19. Jahrhunderts von Rudolf P EIPER und Ulysse C HEVALIER besorgten Textausgaben etwa Henri G OELZERs und Alfred M EYs umfassende Untersuchung zu Avitus’ Sprache.5 Diese Aufmerksamkeit schien in den folgenden Jahren und Jahrzehnten jedoch wieder etwas nachzulassen. Es erschienen nur wenige Einzelstudien, die einzelne Schreiben als Quelle für historische Ereignisse untersuchten oder textkritische Anmerkungen machten.6 Eine Ausnahme hierbei bildet allerdings die immer noch grundlegende Studie von Max B URCKHARDT, B URCKHARDT (1938),
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Übersicht der verschiedenen Briefnummern und führt diese auch bei jedem einzelnen Schreiben an. Exemplarisch seien etwa N ODES (1984), A RWEILER (1999), H OFFMANN (2007) und H ECQUET-N OTI (2010) genannt. Diese gegensätzlichen Urteile sind vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen französischen Katholiken und Protestanten zu sehen, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 3. P EIPER (1883); C HEVALIER (1890); G OELZER und M EY (1909). Zu den einzelnen Aufsätzen zählen R EVERDY (1913) und N ORBERG (1938), die Überlieferungsvarianten einzelner Stellen diskutieren, ebenso M ORIN (1935), der den in ep. 11P = ep. 8MR erwähnten Maximian als Bischof von Trier identifiziert, sowie der erstmals 1933 publi-
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
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der überzeugend herausarbeitet, dass die Briefsammlung des Bischofs von Vienne nicht von ihm selber angelegt wurde, bevor er anhand der Schreiben Avitus’ Wirken als Bischof im Gebiet der Burgunder und seine Beziehung zu den burgundischen Machthabern Gundobad und Sigismund nachzeichnet. Nachdem die Forschung über die Zeit der „Völkerwanderung“ und zu den Germanen in der Zeit des Nationalsozialismus stark ideologisch geprägt war, vermied man in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg eine Beschäftigung mit dieser Epoche weitgehend. Entsprechend fanden Avitus’ Briefe ebenfalls wenig Beachtung, was sich erst mit Ian W OODs Dissertation (W OOD (1979)) änderte. W OOD betrachtet anhand der Person des Bischofs Religion und Kultur der Auvergne und des Rhônetals um 500, wobei dessen Schreiben einen bedeutenden Rang als Quellen einnehmen. Eben diese Verwendung von Avitus’ Briefen als Quellen für vielfältige historische Fragestellungen bildete einen Schwerpunkt der Forschung der folgenden Jahre und Jahrzehnte, die sich mit ihnen beschäftigte. Zu erwähnen ist hier zunächst R EYDELLET (1981), in dessen Untersuchung der Darstellung des Königtums in der spätantiken lateinischen Literatur ein Kapitel Avitus’ Briefen gewidmet ist. Insbesondere arbeitet R EYDELLET heraus, dass für Avitus eine enge Verbindung zwischen Königtum und Christentum – d. h. insbesondere Katholizismus – bestanden habe. Anders als R EYDELLET fragt T HIELEN (2017) nicht nach der Darstellung des Königtums an sich, sondern nach der Entstehung des frühmittelalterlichen Herrscher- und Tugendideals, wofür er Avitus’ Schreiben an Gundobad, Sigismund und Chlodwig analysiert. Für die Taufe und die damit verbundene Konversion des letztgenannten, fränkischen Herrschers zum katholischen Glauben stellt Avitus’ ep. 46P = ep. 42MR eine der wichtigsten Quellen dar und bot damit Anlass zu einigen Aufsätzen. Abgesehen von dem bereits genannten VON DEN S TEINEN (1969) seien S HANZER (1998) angeführt, die für ein spätes Taufdatum 597/8 plädiert; ferner B ERNARD (1996) und H EIL (2014), die beide auf die in der Formulierung vestra fides nostra victoria est (75, 7 bzw. §2) deutlichen Bezüge auf Ambrosius von Mailand eingehen. Zudem untersucht H EIL (2013) Gründe für Chlodwigs Taufentscheidung, zu denen für sie weniger Chlodwigs Sieg über die Alemannen als vielmehr der Einfluss seiner katholischen Frau sowie die Wunder am Martinsgrab gehören. Doch auch die zuerst genannten Herrscher Gundobad und Sigismund standen im Zentrum mehrerer Beiträge. So betont etwa W OOD (2004) die lateinische Kultur und profunde Bildung Gundobads und Sigismunds, während Britta E VERSCHOR insbesondere die Briefe an diese Adressaten in ihre Analysen der Beziehungen zwischen Römern und Barbaren einbezieht.7 Hiermit verbunden ist die Frage nach den Verbindungen der Burgunder mit Konstantinopel und dem oströmischen Kaiser. W OOD (2014a) hebt einerseits die engen Beziehungen zwischen Burgundern und Konstantinopel hervor, weist andererseits
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zierte und später nachgedruckte Beitrag VON DEN S TEINENs, VON DEN S TEINEN (1969), der die Quellen zu Chlodwigs Taufe untersucht. Vgl. E VERSCHOR (2007). Es stellt sich allerdings die Frage, inwiefern gerade diese beiden Personen überhaupt von Avitus und anderen Gallorömern als Barbaren wahrgenommen wurden.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
aber darauf hin, dass man in Gallien anscheinend nicht über alle Vorgänge im Osten korrekt informiert war. Ebenfalls in Zusammenhang mit der Ostpolitik der Burgunder kann P IETRI (2008) gesehen werden, der ep. 49P = ep. 46MR genauer analysiert.8 Auch für kirchenhistorische Fragestellungen bilden die Briefe des Bischofs von Vienne eine wichtige Quelle. N ODES (1988) analysiert etwa die Haltung Faustus’ von Riez und Avitus’ zur sogenannten subitanea paenitentia, dagegen untersucht VANNEUFVILLE (1997) Avitus’ Umgang mit Monophysitismus und Nestorianismus und konstatiert einige Ungenauigkeiten des Vienners, die er auf Unwissenheit oder aber auf eine gezielte Falschdarstellung, die eine Widerlegung erleichtert, zurückführt. H EIL (2011) schließlich stellt Strukturen und Theologie der homöischen Kirche bei den Burgundern dar. Immer wieder wurde Leben und Werk des Bischofs von Vienne in kurzen Überblicken behandelt, beispielsweise in F ONTAINE (1987), C OURTRAY (1998a), C OUR TRAY (1998b) und H EIL (2001). K ÜHNEWEG (2004) sieht Avitus als Traditionsbewahrer in neuen Verhältnissen, der augustinische Theologie in vergilischen Versen präsentiert, während P IETRI (2009) ihn auf der Grundlage seines epistolaren Œuvres als politischen Bischof charakterisiert, der seine Briefe nutzte, um im burgundischen Bereich und auch in Byzanz Einfluss zu nehmen. Das Erscheinen einer englischen Übersetzung der Briefe, S HANZER und W OOD (2002), ihrer ersten kompletten Übertragung in eine moderne Sprache, legte die Grundlage dafür, dass neben den (großenteils bereits erwähnten) Beiträgen, die die verschiedensten historischen Fragestellungen an Avitus’ Briefe herantrugen, zudem einige Untersuchungen zu Einzelbriefen oder bestimmten sprachlichen Formulierungen entstanden. Hierbei bildeten vor allem diejenigen Briefe des Avitus einen Schwerpunkt, die sich dezidiert um Literatur und literarische Netzwerke drehen. Im Zentrum standen dabei Fragen nach der Identifikation bestimmter nicht namentlich genannter oder bisher nicht eindeutig identifizierter Personen,9 literarischer Werke und deren Verbreitung10 und Literaturzitaten verlorener Werke.11 Auf die Verwendung von missa bei Avitus geht M ALASPINA (2005) ein, die feststellt, dass die Verwendung dieses Worts bei Avitus auf liturgische Kontexte beschränkt ist. Weniger einzelne Schreiben als vielmehr die Sammlung als Ganzes bzw. das Sammeln von Briefen an sich bildet ein weiteres Thema, mit dem sich die Forschung in Zusammenhang mit Avitus’ Œuvre beschäftigte. So setzt sich etwaW OOD (1993) mit der Überlieferung der Briefsammlung auseinander und vertritt die These, die Schreiben sollten Identität und Einfluss der Aristokratie aufrechterhalten und 8
Im Gegensatz dazu konzentriert sich D ODD (2017) auf die lokalen Eliten, die ihren Ehrgeiz nunmehr weniger auf politische Ämter denn auf das Bischofsamt richteten. Diese habe man beispielsweise aufgrund von Verwandtschaftsbeziehungen erlangen können, wie dies bei Avitus von Vienne der Fall war. 9 So bei H ECQUET-N OTI (2005), die dies im Kontext einer bestimmten Lesart in ep. 51P = ep. 48MR diskutiert. 10 M ARTORELLI (2004), 159 ist etwa der Ansicht, die in ep. 51P = ep. 48MR erwähnten seria et magis necessaria (80, 20f bzw. §9) bezögen sich auf Predigten und antihäretische Traktate. 11 P IACENTE (2001).
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
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vielleicht auch als stilistische Vorbilder dienen. W OOD (2018b) kommt ergänzend zu dem Schluss, Avitus’ Briefe seien nach seinem Tod zusammengestellt und vor allem wegen ihrer Theologie gelesen worden. M C C ARTHY (2017) dagegen bietet einen kurzen Überblick über die Kollektion als Ganzes. Wie aus den vorhergehenden Ausführungen deutlich wurde, wurden Avitus’ Briefe bisher nicht allzu oft als Briefe bzw. literarische Werke untersucht. Eine Ausnahme bilden freilich S HANZER (2001) und S CHWITTER (2015). Während Danuta S HANZER nach Topoi verschiedener Festbriefe gallischer Bischöfe fragt und etwa zahlreiche literarische Bezüge zur lateinischen Komödie erkennt, analysiert Raphael S CHWITTER ein spezielles Merkmal spätantiker Briefliteratur, ihre aufwändig stilisierte Sprache. Gerade dieser dunkle Sprachstil diente, wie er herausarbeitet, als Mittel zur „Demonstration von Bildungswissen“,12 zur Distinktion innerhalb der Elite, darüber hinaus, wenn nötig, zur Kommunikation heikler Informationen. Einem ähnlichen Thema hatte sich bereits G IOANNI (2004) gewidmet, der den aufwändigen Stil spätantiker Epistolographen untersucht. Neben der Kontinuität der Briefkommunikation innerhalb des gallorömischen Adels, welche als Ausdruck der aristokratischen Kultur fungierte, konstatiert er, dass die Verwendung des betreffenden Sprachstils schon für sich genommen eine Kommunikationsstrategie darstelle. Einen großen Fortschritt bedeutet die von Elena M ALASPINA und Marc R EYDELLET besorgte neue Ausgabe und französische Übersetzung der Avitusbriefe, deren ausführliche Einleitung den aktuellen Forschungsstand zu Hintergrund und Überlieferung der Schreiben bietet.13 Der Frage, welches Bild des Bischofs durch seine Briefe gezeichnet wird und wie dieses zustande kommt, wurde bisher nicht nachgegangen,14 obwohl sie, wie im Folgenden dargelegt wird, in Zusammenhang mit der antiken und spätantiken Epistolographie durchaus zu zentralen Problemen gehört, denn bewusst und unbewusst wurden Briefe an sich auf vielerlei Art und Weise zur (Selbst-)Darstellung des Verfassers genutzt. Zudem bietet dieser Ansatz die Möglichkeit, indirekt Rückschlüsse zu ziehen auf drängende Themen, zum Beispiel die Verhandlung von Machtpositionen, weil Selbstdarstellung sich stets in einer bestimmten historischen Situation an ein bestimmtes Publikum richtete. Da für jede Beschäftigung hiermit eine Auseinandersetzung mit Eigenschaften und Funktionen antiker und spätantiker Briefe und Briefsammlungen grundlegend ist, stehen im Anschluss zunächst einige Überlegungen zu diesem Gesichtspunkt,
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S CHWITTER (2015), 25. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), VII–CLI; Speziell mit den Papyrusfragmenten, auf denen neben Predigten auch einige Briefe (teilweise) überdauert haben, setzen sich R ADICIOTTI (2008) und I NTERNULLO (2009–2010) auseinander. 14 Abgesehen von zwei Beiträgen der Verfasserin, S CHENK (2018), der Avitus’ Selbstdarstellung gegenüber den burgundischen Herrschen Gundobad und Sigismund zum Gegenstand hat, sowie S CHENK (2020), der seiner Selbstpräsentation gegenüber einem Amtskollegen nachgeht. Zudem ist K LEINSCHMIDT (2013) zu erwähnen, die einen ähnlichen Aspekt in spätantiker Dichtung untersucht.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
bevor auf die (Selbst-)Inszenierung in den und durch die genannten Medien näher eingegangen wird.15
1.1.2 Briefe und Briefsammlungen: Theoretische Überlegungen 1.1.2.1 Der antike und spätantike Brief Die Gattung „Brief“16 ist komplex, was unter anderem daher rührt, dass Briefe neben der naheliegenden Aufgabe, Nachrichten zwischen räumlich getrennten Personen zu übermitteln,17 zahlreiche weitere Funktionen übernehmen konnten, etwa Appelle an den oder die Adressaten oder die Aufrechterhaltung von Freundschaftsbeziehungen.18 Diese Multidimensionalität schlägt sich schon in der Tatsache nieder, dass bereits relativ früh theoretische Überlegungen zur Natur des Briefs angestellt wurden und sich bald ein ganzes System von epistolaren Topoi und brieftypi15
Zur Unterscheidung der verschiedenen Ebenen Einzelbrief und Briefsammlung und, damit zusammenhängend, der Frage nach dem Bild des Epistolographen, das er selbst und andere entwarfen, s. im Folgenden. 16 Zur Frage nach Gattung, Konzepten und Kategorien in Zusammenhang mit Briefen s. S IN DING (2018). Er plädiert für eine kognitive Herangehensweise, die Gattungen weniger anhand von strengen Definitionen als vielmehr anhand von typischen und weniger typischen Vertretern untersucht. V ELLUSIG (2018), 57–61 unterscheidet zwischen Brief als Medium, das eine Botschaft überbringt, Brief als multifunktionale Kommunikationsform und Brief als Gattung im Sinne von bestimmten Routinen. Für die Analyse antiker und spätantiker Briefe spielen alle drei Betrachtungsweisen eine Rolle, insbesondere aber die zweite. 17 Vgl. hierzu die Lexikonartikel in RE, RAC und DNP, D ZIATZKO (1894–1980), S CHNEIDER (1950–1991) und S CHMIDT und N EUMANN (1996–2003) sowie G ÖRGEMANNS und Z ELZER (1996–2003). Z ELZER (1997), 324 attestiert Briefen die „doppelte Aufgabe, Vermittlung von Information und Pflege persönlicher Beziehungen“ und weist außerdem darauf hin, dass sie ein Mittel seien, um die eigene rhetorische Bildung zu zeigen (323). Eine „zwiefache Wurzel“ des Briefs nimmt auch P ETER (1965), 13 an, nämlich einerseits seine Aufgabe als „Ersatz der mündlichen Mitteilung“, andererseits (als Lehrbrief) die Fortführung des Dialogs „in der wissenschaftlichen Litteratur [sic]“ Einen Überblick bietet außerdem G. M. M ÜLLER, R ETSCH und S CHENK (2020b). 18 Vgl. hierzu beispielsweise B RUGGISSER (1993), 3–16 zu Symmachus und M RATSCHEK (2002) zu Paulinus von Nola. Zu Ciceros Verwendung von Briefen im Rahmen seiner politischen Tätigkeit 49–44 v. Chr. s. G ILDENHARD (2018). Allgemein zu Briefen als Mittel zur Stiftung von Gemeinschaft s. die Beiträge in C ECCARELLI u. a. (2018b); einen Überblick dazu bietet C ECCARELLI u. a. (2018a). Aufgrund bestimmter Eigenschaften von Briefen, etwa der persönlichen Ansprache des Adressaten, wurden sie auch als Mittel zur philosophischen Unterweisung verwendet; exemplarisch seien in diesem Zusammenhang die Briefe Epikurs und Senecas angeführt. Davon einmal abgesehen fanden es einige antike Autoren reizvoll, literarische Werke in Briefform zu verfassen. In diesen Kontext sind unter anderem Ovids Heroides oder die griechischen Briefromane zu nennen (zu fiktiven Briefen in der griechischen Literatur s. zum Beispiel ROSENMEYER (2001)). Da dieser Bereich jedoch für die Schreiben des Avitus nicht von Bedeutung ist, soll im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter darauf eingegangen werden. Zur Steigerung der Lesbarkeit verwende ich jeweils nur die maskuline Form; außerdem ist der größte Teil der uns erhaltenen Briefe von Männern verfasst und/oder an Männer gerichtet.
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
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schen Wendungen entwickelte.19 Zu diesen zählte etwa die Auffassung, ein Brief sei eine Hälfte eines Gesprächs;20 ebenso stelle er den einen Briefpartner dem anderen gleichsam vor Augen21 und hebe so die räumliche Trennung auf.22 Eng mit diesem Topos verbunden ist auch das Motiv, ein Brief sei ein Spiegel der Seele des Verfassers, das gerade im Kontext der epistolaren Selbstdarstellung von Bedeutung ist.23 Zudem galt er als Geschenk des Verfassers an den Adressaten24 und insbesondere als Zeichen der Freundschaft zwischen Sender und Empfänger.25 Aus der Ähnlichkeit zur mündlichen Rede wurde die Forderung abgeleitet, ein Schreiben solle sprachlich entsprechend verfasst, also nicht zu aufwändig stilisiert sein; gleichzeitig verlangte die Vorstellung als Geschenk eine dazu passende sorgfältige Gestaltung.26 Ebenso wurde hierbei eine Orientierung am Adressaten als grundlegend angesehen, neben der Verpflichtung zur brevitas des Briefs.27 Diese Topoi, Motive und Wendungen können wir vor allem in den antiken und spätantiken Schreiben selbst fassen, denn obwohl das Verfassen von Briefen sicherlich im Schulunterricht gelehrt wurde, sind nur wenige, verhältnismäßig spät entstandene epistolographische Anleitungen oder Handbücher erhalten. Entsprechende Ratschläge und Anweisungen sind entweder Teil von Lehrbüchern zu Stil oder 19
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Diese bilden das Thema einiger Untersuchungen, beispielsweise KOSKENNIEMI (1956) und T HRAEDE (1970), vgl. auch das entsprechende Kapitel bei C UGUSI (1983). Für spätantike Briefe s. A BRAM (1994) sowie G ARZYA (1985), der die Christianisierung einiger Motive nachzeichnet. F ÖGEN (2018) untersucht antike Topoi und Reflexionen über Briefe insbesondere im Hinblick auf ihre Funktion zur Stiftung von Gemeinschaft. Die sich anschließende Aufzählung einiger Topoi erhebt keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit. εναι γρ τν πιστολν οον τ τερον μρος το διαλγου, Demetrios, De Elocutione 223, zitiert nach M ALHERBE (1988). Das Motiv der praesentiae tuae imago untersucht M ARCONE (2002). Vgl. beispielsweise Cic. fam. 15, 16, 1 ut quasi coram adesse videare cum scribo aliquid ad te. Ein weiteres Motiv in diesem Zusammenhang ist das des Briefs als Ersatz für das persönliche Gespräch, vgl. etwa Cic. fam. 12, 30, 1 quid mi iucundius quam, cum coram tecum loqui non possim, aut scribere ad te aut tuas legere litteras?. Die Textstellen werden zitiert nach S HACKLETON BAILEY (1988a). S. ebenfalls C ORBINELLI (2008), v. a. 13–85. Vgl. εκνα καστος τς αυτου ψυχς γρ φει τν πιστολν, Demetrios, De Elocutione 227. Diese Idee blieb auch für mittelalterliche Epistolographen bedeutend, vgl. D ESWARTE (2018), 5. Zu ihrem Fortleben in der nachantiken Literatur s. W. G. M ÜLLER (1980), zur Selbstdarstellung im Brief s. u. S. 29 ff. [ πιστολ] γρ φεται κα" δ#ρον πμπεται, Demetrios, De Elocutione 224. Vgl. etwa Demetrios, De Elocutione 229, ebenso T RAPP (2003), 40; T HRAEDE (1970), 27– 47 zum Freundschaftsbrief bei Cicero, 74–77 zu Plinius, 125–145 zum Freundschaftstopos im spätantiken Brief. T RAPP (2003), 38–41 ordnet die epistolaren Topoi drei Themengebieten zu: (i) Bewusstsein des Abstands zwischen den Briefpartnern; (ii) (Un-)Möglichkeit, den Abstand durch den Brief zu verringern; (iii) Verbindung von Briefen und Freundschaft. Vgl. Demetrios, De Elocutione 225–235. Zur Orientierung am Adressaten vgl. Demetrios, De Elocutione 234; zur brevitas s. Demetrios, De Elocutione 228. Für die Überlänge eines Briefs entschuldigt sich beispielsweise Plinius d. J. in epist. 5, 6, 44f: non epistula quae describit sed villa quae describitur magna est. Verum illud unde coepi, ne secundum legem meam iure reprendar, si longior fuero in hoc quod excessi. Zum Topos der brevitas bei Plinius d. J. s. Thorsten F ÖGENs Beitrag in G. M. M ÜLLER, R ETSCH und S CHENK (2020a), F ÖGEN (2020).
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Rhetorik,28 oder sie stellen eine Auflistung verschiedener Brieftypen mit Beispielbriefen dar.29 Hinweise darauf, dass eine Klassifizierung nach Brieftypen durchaus üblich war, finden sich auch bei Cicero, der allerdings nur drei bzw. zwei Kategorien unterscheidet. Bei seiner Einteilung in drei Arten nennt er als erste die, die der Weitergabe von Informationen dient, als zweite die vertraulich-scherzende, als dritte schließlich die ernste und gewichtige.30 Anderswo trennt er lediglich zwischen der Übermittlung von Nachrichten und dem gemeinsamen Scherzen.31 Solchen Einteilungen und Kategorisierungen war auch die moderne Forschung bei der Auseinandersetzung mit der Frage, was eigentlich einen Brief zum Brief mache, nicht abgeneigt.32 In Zusammenhang mit diesem Problem wurden einerseits unter dem Konzept der epistolarity bestimmte Eigenschaften von Briefen herausgearbeitet, die sich Autoren zunutze machten, um darüber Sinn und Bedeutung zu erzeugen.33 In Anlehnung an T RAPP (2003) zählen beispielsweise Roy G IBSON und Andrew M ORRISON die folgenden sechs Kriterien auf, die einen Brief ausmachten: (i) es handelt sich um eine schriftliche Nachricht von einer oder mehreren Perso28
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Hierzu zählen ein Abschnitt aus Demetrios, De elocutione, aus dem bereits mehrfach zitiert wurde, sowie ein Appendix in Iulius Victors Ars rhetorica. Da die brieftheoretischen Abschnitte in beiden Handbüchern als Anhänge zu anderen Kapiteln konzipiert sind, wird deutlich, dass Brieftheorie keinen festen Ort im System der Rhetorik hatte. Beide Werke sind zudem wohl eher spät entstanden: De elocutione wird auf den Zeitraum zwischen dem 3. Jahrhundert vor und Anfang des 2. Jahrhunderts nach Christus datiert, vgl. F ORNARO (1996–2003), die Ars rhetorica auf das 4. Jahrhundert, vgl. S CHMIDT (1996–2003). Zur Brieftheorie bei Iulius Victor s. C ELENTANO (1994). In diesem Bereich sind Ps.-Demetrios, Typoi Epistolikoi und Ps.-Libanios bzw. Ps.-Proklos, Epistolimaioi Charakteres zu nennen. Ersteres Werk ist etwa zwischen 200 vor und 300 nach Christus entstanden und führt 21 Brieftypen an; letzteres, das sogar 41 Arten von Briefen unterscheidet, wurde zwischen dem 4. und dem 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung verfasst, vgl. M ALHERBE (1988), 3–6. Unter diesen Typen werden beispielsweise Dankes- und Empfehlungsschreiben, ebenso tadelnde und drohende Briefe angeführt, vgl. P OSTER (2007), 28–30, die einen Überblick über die antiken und spätantiken Briefsteller bietet. ut certiores faceremus absentes; unum familiare et iocosum; alterum severum et grave, vgl. etwa Cic. fam. 2, 4, 1. iocari, z. B. Cic. Att. 6, 5, 4 (zitiert nach S HACKLETON BAILEY (1987)). Vgl. hierzu T HRAEDE (1970), 30–33. Ganz nach antiken Klassifizierungen richtet sich RÜEGG (1965) bei der Anordnung seiner Briefauswahl. Auch S TOWERS (1986) orientiert sich an diesen Kategorien. C ASTILLO (1974) unterscheidet die vier Grundtypen Nachricht, Freundschaftsbrief, Traktatbrief und Widmungsbrief. Verschiedene Brieftypen nennt auch C UGUSI (1989–1991), 395–400, der außerdem darauf hinweist, dass sich Briefe von Literaten und Schreiben eher Ungebildeter hinsichtlich der Verwendung der epistolaren Topoi ähneln (411f). In Bezug auf moderne Briefe entwirft E RMERT (1979) ein linguistisches Modell zur Kategorisierung von Briefen nach Textsorten. Insbesondere ist hier A LTMAN (1982) zu nennen, die anhand von Briefromanen sechs Gegensätze aufzeigt, zwischen denen sich Briefe bewegen, zum Beispiel ihr Charakter als Medium, das zwar eine Verbindung zwischen den Briefpartnern herstellt, aber gleichzeitig Ausdruck ihrer Trennung ist. Diesen Ansatz machte DE P RETIS (2004) vor allem für das erste Buch von Horaz’ Episteln fruchtbar. Zu disziplinübergreifenden Ansätzen zur Epistolarität s. neuerdings die Beiträge in M ATTHEWS -S CHLINZIG und S OCHA (2018b), insbesondere M ATTHEWS -S CHLINZIG und S OCHA (2018a).
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
23
nen an andere; (ii) diese steht auf einem fassbaren Medium, das (iii) physisch vom Sender zum Empfänger gebracht wird; (iv) Adressant und Adressat werden in einer bestimmten Formulierung genannt; (v) die Briefpartner sind physisch voneinander getrennt; (vi) das Schreiben hat meist eine moderate Länge.34 Andererseits diskutierte man intensiv über die Abgrenzung zwischen Privatbzw. Gebrauchsbriefen und Literatur. Besonders wirkmächtig war dabei die Ansicht Adolf D EISSMANNs, der strikt zwischen „Brief“ und „Epistel“ unterscheidet, wobei ein Brief ,echt‘, ,natürlich‘ und nur für den Adressaten bestimmt sei, eine Epistel dagegen ,künstlich‘ und für ein größeres Publikum gedacht sei.35 Schon recht bald darauf regte sich Widerspruch, insbesondere gegen D EISSMANNs strikte Trennung der beiden Briefarten.36 Ein Alternativmodell entwickelt D OTY (1969), indem er anstelle der scharfen Abgrenzung einen flexiblen Übergang zwischen „more private“ und „less private letters“ postuliert und diese anschließend nach Typen kategorisiert, die sich an Inhalt und Funktion der Schreiben orientieren.37 In der Folgezeit wurde häufig die Nähe von Briefen, vor allem ,Gebrauchsbriefen‘, zur mündlichen Kommunikation betont.38 Dies ermöglichte es, entsprechende 34
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Vgl. G IBSON und M ORRISON (2007), 3; beide weisen jedoch darauf hin, dass man hierbei keine klaren Grenzen ziehen könne und als Briefe charakterisierbare Texte bisweilen durchaus Eigenschaften anderer Gattungen aufweisen (und vom Leser dementsprechend verstanden werden) könnten. Zudem werde ein Einzeltext in manchen Fällen nur deshalb als Brief kategorisiert, weil er sich innerhalb einer Briefsammlung befinde, vgl. 3; 14–16. W. G. M ÜLLER (1992–2015), 61 betont in seiner Briefdefinition, dass es sich bei den Briefpartnern um reale historische Personen handle. Z EINER -C ARMICHAEL (2014) hält aufgrund der Elastizität der Gattung „Brief“ eine genaue Definition für kaum möglich, vielmehr spricht sie sich dafür aus, einige spezifische Eigenschaften als Kriterien aufzuführen. Letztlich definiert auch Augustin einen Brief anhand bestimmter Eigenschaften, wenn er im Kontext der Frage nach der Klassifizierung eines Werks in retract. 2, 20 schreibt: epistula est; habet quippe in capite, quis ad quem scribat. Vgl. D EISSMANN (1923), 118; 194–196. S. beispielsweise S YKUTRIS (1894–1980). L UCK (1961) hält an der D EISSMANNschen Unterscheidung fest, modifiziert sie allerdings insofern, als er die Möglichkeit eines Übergangs vom „Brief“ zur „Epistel“ einräumt, etwa bei der Publikation von Briefen in Form von Sammlungen. D OTY (1969), 196f. B URNET (2003), 29f betont die Fruchtbarkeit von D EISSMANNs Ansatz auch für die heutige Forschung, da er auf einige zentrale Probleme der frühchristlichen Epistolographie aufmerksam mache; unter anderem aufgrund des zu starren Gegensatzes zwischen ,Brief‘ und ,Epistel‘ bildet es für ihn indessen nicht die Grundlage seiner weiteren Überlegungen. C ONSTABLE (1976) wehrt sich vor allem in Bezug auf die mittelalterlichen Briefe gegen strikte Definitionen und Einteilungen; er verwendet lediglich die Begriffe ,authentisch‘, ,real‘ und ,fiktional‘ (13). K LAUCK (1998), 72f unterscheidet zwischen nichtliterarischen, diplomatischen und literarischen Briefen, wobei die nichtliterarischen Briefe „reine Gebrauchsliteratur, ohne Seitenblick auf die breitere Öffentlichkeit oder Nachwelt abgefaßt“ seien. Ein Unterscheidungsmerkmal bilde beispielsweise die Überlieferung: die meisten nichtliterarischen Briefe seien im Original erhalten, die literarischen in der Regel in Sammlungen. Offen lässt K LAUCK dabei aber, wie er etwa die Briefe Ciceros einordnen würde, die Merkmale beider Kategorien aufweisen, vgl. K LAUCK (1998), 126–133. M ORELLO und M ORRISON (2007), v beispielsweise sehen den Brief mit H ENDERSON als „medium for creating ‘shared virtual space’ for communication“ und betonen, dass der Unterschied zwischen verschiedenen Brieftypen nicht in ihrer Art bestehe, sondern graduell sei. R EED (1997) unterstreicht die Nähe des Briefs zur Rhetorik. S TIREWALT (1993), 1f hebt eben-
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Kommunikationsmodelle, etwa Karl B ÜHLERs Organon-Modell, auch auf Briefe anzuwenden. Die wichtigsten Konstituenten des Brieftexts sind hiernach der Sender, der Empfänger und die Nachricht, die dazugehörigen Hauptfunktionen sind dann Ausdruck (d. h. eine Mitteilung der Gefühle oder Ansichten des Verfassers), Appell und Darstellung (des Inhalts), in Abhängigkeit davon, welcher der Konstituenten im Vordergrund steht.39 Ebenso orientiert sich N ICKISCH (1991) bei seinen Darlegungen zu Wesen und Grundfunktionen des Briefs an diesem Modell,40 ergänzt es freilich durch die „uneigentliche Verwendung der Briefform“, die dann auftrete, wenn entweder einer bzw. beide Briefpartner fingiert seien oder eine weitere Öffentlichkeit als der unmittelbare Adressat mit einbezogen werde.41 Ähnlich wie bei N ICKISCH bildet das Organon-Modell den Ausgangspunkt für Bianca S CHRÖDERs Überlegungen. Da eine Einteilung in die drei Grundkategorien ihrer Meinung nach jedoch für die Briefe des Ennodius von Pavia nicht zielführend sei, nimmt sie es als Grundlage für ein Modell mit vier Hauptkategorien: so sei der Inhalt eines Briefs schwerpunktmäßig bestimmt durch die Situation des Verfassers, des Empfängers, diejenige eines Dritten oder die Beziehung zwischen Adressat und Adressant.42 Anders als S CHRÖDER greift Hartmut W ULFRAM wieder auf die Dichotomie privat–öffentlich zurück, die auch in D EISSMANNs Modell maßgeblich ist. Nach seiner „kommunikativ-medialen Brieftypologie“ steht vor dieser Einteilung allerdings eine Unterscheidung zwischen kommunizierendem und fingiertem Brief. Nicht zuletzt hebt er hervor, dass sich die Kategorien ,private Gebrauchsbriefe‘ und ,Episteln‘ nicht prinzipiell ausschlössen, schließlich könne ein Text zu verschiedenen Zeiten beide Funktionen erfüllen, etwa wenn ein tatsächlich verschickter Brief später als Teil einer Sammlung veröffentlicht werde.43 Eine Weiterentwicklung von W ULFRAMs Modell stellt Raphael S CHWITTERs „deskriptiv-phasenorientierte[s] Briefmodell[s]“44 dar. Von der Frage nach der Li-
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falls die Nähe des (griechischen) Briefs zur mündlichen Kommunikation hervor und weist darauf hin, dass er in der Antike einerseits das zentrale Mittel zur Kommunikation zwischen Getrennten und andererseits das Massenmedium schlechthin gewesen sei. Er klassifiziert Briefe außerdem nach den Settings, in denen sie verwendet wurden, die er als „either normative, extended, or fictitious“ (1) bezeichnete. Der erstgenannte Kontext bezieht sich dabei auf die unmittelbare Situation, in der ein Schreiben verfasst und zugestellt wird, und die direkt an der Kommunikation Beteiligten; erweitert werde dieser Raum, wenn die Sendungen herumgezeigt oder publiziert würden. Die dritte Situation zielt auf fiktive Briefe, etwa auf Schulübungen oder Briefromane (2f). Vgl. hierzu B ELKE (1973), besonders 37–39 und 142–157. Eine Erläuterung dieses Modells und die Anwendung auf antike Briefe findet sich bei T HRAEDE (1980); es bildet außerdem die Grundlage von Matthias L UDOLPHs Interpretation der Pliniusbriefe in L UDOLPH (1997). Vgl. N ICKISCH (1991), 9–19. Vgl. N ICKISCH (1991), 19–22. Anzuführen ist noch B ÜRGEL (1976), der verschiedene Aspekte des Privatbriefs betrachtet und dabei auch zwischen Brief und Sammlung unterscheidet. Vgl. S CHRÖDER (2007), 148–150, dort mit näheren Erläuterungen. Vgl. W ULFRAM (2008), 36–50, mit der erhellenden Übersicht auf S. 51. S CHWITTER (2015), 56. Der folgende Absatz bietet eine Zusammenfassung von S CHWITTER (2015), 56–64. Hierzu s. ebenso S CHWITTER (2018).
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
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terarizität insbesondere spätantiker Briefe ausgehend, steht bei ihm der Situationsund Öffentlichkeitsbezug im Zentrum, sodass ein Brief in Orientierung daran als Gebrauchsbrief, Zirkularbrief oder Buchepistel klassifiziert werden kann. Wichtig sind dabei S CHWITTERs Grundannahmen: „1) Der Öffentlichkeitsgrad eines Briefes ist variabel und historisch veränderbar; 2) Jeder Brief verfügt über literarisches Potential; 3) Der Öffentlichkeitsgrad eines Briefes entscheidet über die Aktualisierung seines literarischen Potentials“.45 In diesem Kontext ist die Tatsache von Bedeutung, dass die Zuordnung eines Briefs zu einer der drei Kategorien nicht anhand seiner sprachlichen Gestaltung erfolgt (aufwändig durchstilisiert sind die meisten uns erhaltenen Briefe), sondern allein durch das Maß an Öffentlichkeit oder Privatheit zu einem bestimmten Zeitpunkt. Abhängig von der jeweiligen Kategorie entfalten Briefe unterschiedliches Interpretationspotenzial: solange ein Schreiben einzeln zirkuliert, steht es für sich, wenn dasselbe Schreiben aber als Buchepistel innerhalb eines Sammlung platziert wird, können sich dadurch vielfältige Bezüge ergeben.46 Gerade für die Untersuchung von Selbstdarstellung ist dieses Modell m.E. fruchtbar, denn es berücksichtigt in besonderer Weise, dass sich mit dem Wechsel eines Briefs von einer Kategorie in eine andere, etwa vom Gebrauchsbrief zum Zirkularbrief, dessen Publikum, eben der Adressat und Rezipient der Selbststilisierung des Verfassers, ebenfalls ändert47 – und damit auch Annahmen und Erwartungen bei der Lektüre. Gleichwohl liegt der Fokus des Modells auf dem Brief selbst, der beispielsweise als Gebrauchsbrief oder als Teil einer Sammlung in den Blick genommen wird. Bei vielen Fragestellungen – unter anderem bei einer Analyse der (Selbst-)Präsentation eines Epistolographen – ist es darüber hinaus jedoch nötig, das Zusammenspiel der einzelnen Schreiben, mithin Kollektionen als Ganzes, ebenfalls zu betrachten.
1.1.2.2 Briefsammlungen Erst seit einigen Jahren hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass bei der Betrachtung von Briefliteratur auch die Untersuchung der betreffenden Corpora in ihrer Eigenschaft als (mehr oder weniger) geplante Sammlungen lohnend ist.48 Ähnlich wie 45 46 47
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S CHWITTER (2015), 58 bzw. S CHWITTER (2018), 98. Vgl. S CHWITTER (2015), 59f. Auf das Problem, dass die uns überlieferten Briefe fast alle Teil von Sammlungen sind und damit oft nicht mehr nachvollziehbar ist, ob und in welchem Grad der Verfasser sein Schreiben anderen zugänglich machen wollte, weist bereits D OTY (1969), 194 hin. Zur Selbstdarstellung s. u. S. 29ff. Einen kurzen Überblick bietet S ALZMAN (2017), 17f. Vor allem die Briefsammlung Plinius des Jüngeren war hierbei Gegenstand der Analysen. Als recht isoliert stehende Arbeit sei etwa M ERWALD (1964) genannt, der die Briefe in Dreier- und Sechsergruppen einteilt. Beispiele für aktuellere Studien sind L UDOLPH (1997), M ARCHESI (2008), G IBSON und M ORELLO (2012) sowie M ARCHESI (2015a). Grundlegend für andere waren in diesem Zusammenhang vor allem B EARD (2002) und G IBSON (2012). Ebenso sind N EIL und A LLEN (2015) sowie S OGNO, S TORIN und WATTS (2017b) von zentraler Bedeutung.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
bei den Briefen selbst wurden bei Sammlungen Typen unterschieden: so teilt C ONS TABLE (1976), 56 die (mittelalterlichen) Briefsammlungen in archivalische (oder zufällige), didaktische und literarische (oder geplante) Sammlungen ein,49 während A LLEN (2015), 18f in Bezug auf spätantike bischöfliche Sammlungen differenziert zwischen vom Autor selber geschaffenen Kollektionen, von späteren Kompilatoren oftmals zu einem bestimmten Zweck zusammengestellten, solchen mit unterschiedlicher Überlieferung und schließlich denjenigen, die erst in der modernen Forschung entstanden, wenn etwa Herausgeber auf verschiedene Corpora verteilte Schreiben eines Autors in einer Edition vereinten. Letztlich bildete freilich die Praxis, Kopien verschickter Briefe und eingegangene Sendungen in einem Archiv aufzubewahren, die Grundlage vieler antiker und spätantiker Briefsammlungen.50 Wie genau wir uns dies vorzustellen haben, darüber ist wenig bekannt; naheliegend ist aber, dass entweder alle Schreiben oder eine Auswahl davon nach bestimmten Ordnungsprinzipien zu Schriftrollen zusammengeklebt oder in Bücher51 übertragen wurden. Aus diesen Archiven konnten dann (vom Briefautor oder einer anderen Person, noch zu dessen Lebzeiten oder erst nach seinem Tod) Briefe zur weiteren Publikation ausgewählt werden.52
49
Eine vergleichbare Unterscheidung macht KÖHN (1998), 328: nicht im Original überlieferte Briefe hätten in Briefregistern, d. h. beim Adressanten angefertigten Zusammenstellungen, in Briefbüchern, worunter er Kopien eingegangener Korrespondenz oder sonstige als wichtig angesehene Schreiben fasst, oder in Briefsammlungen überdauert. Letztere versteht er dabei als sorgfältiger angelegte Briefregister, hinter denen teilweise sogar literarische Absichten stehen. 50 Vgl. P ETER (1965), 32–35, insbesondere zu Cicero; Z ELZER (1997), 331; W ULFRAM (2008) 21f; M ATHISEN (2018b); zu Archiven in Rom allgemein s. C ULHAM (1989), zu antiken Archiven aus Ägypten s. VANDORPE (2009). Manche Briefsammlungen scheinen Hinweise auf die Prinzipien zu geben, nach denen die Briefe im Archiv geordnet waren, vgl. M ATHISEN (2014) zu Sidonius und S HANZER und W OOD (2002), 43–45 zu Avitus. Dies gilt natürlich nicht für Werke wie antike Briefromane oder Ovids Heroides, bei denen die Wahl der Briefform vor allem aufgrund literarischer Erwägungen erfolgte. 51 D. h. ebenfalls Schriftrollen oder (in späterer Zeit) Kodizes. Inwiefern gerade die letztgenannte Buchform die Briefsammlung des Sidonius bestimmt hat, untersucht V ESSEY (2019). Dieser schreibe sich nicht nur mit einem ,bis zur letzten Seite‘ ausgefüllten Kodex in die bischöfliche Briefliteratur ein, sondern erwähne zudem in wichtigen Briefen immer wieder Kodizes und die Buchproduktion. 52 Dies steht nicht in Gegensatz zu M ATHISEN (2018b), der überzeugend darlegt, dass die Archivierung von Briefen in gewisser Weise bereits bedeutete, sie zu publizieren, schließlich wurden sie damit (potentiell) einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht, die sie einsehen konnte. Auch wenn das Archiv an sich vermutlich auf eine ähnliche Zielgruppe ausgelegt war wie eine sorgfältig zusammengestellte Kollektion von Briefen, setzte eine Veröffentlichung als Sammlung doch neben der archivalischen editorische Arbeit voraus und beruhte damit auf größerer Absicht und Planung. Diesen beiden Stufen der Publikation entspricht letztlich der Unterschied, den C. P. J ONES (2017), 39 zwischen der Auffassung von Sammlung als Prozess und Sammlung als Ergebnis macht. In Bezug auf mittelalterliche Briefsammlungen beschreibt KÖHN (1998), 329 einleuchtend, wie man sich eine Veröffentlichung wohl vorzustellen hat: die Corpora zirkulieren und werden jeweils kopiert; sobald die Gruppe der Abschreiber und Leser nicht mehr überschaubar ist, können sie endgültig als veröffentlicht gelten. Auf den ,literarischen‘ Charakter der meisten (mittelalterlichen) Briefsammlungen, die eben nicht auf mehr oder weniger me-
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
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Eine endgültige Antwort auf die Frage, nach welchen Kriterien diese Selektion stattfand, ist oft nicht möglich, da in den meisten Fällen zwar die in die Sammlung aufgenommenen Schreiben bewahrt blieben, nicht aber die verworfenen. Allerdings lassen sich auf dieser Grundlage durchaus Aussagen zum Zweck einer Sammlung machen, die beispielsweise zur Selbstdarstellung des Briefschreibers53 oder als Zusammenstellung päpstlicher Regelungen zur Konturierung des Papstamtes angelegt worden sein konnte.54 Weitere Hinweise auf die hinter einer Kollektion stehende(n) Absicht(en) kann eine Untersuchung der Anordnung der Briefe geben, denn wie G IBSON (2012) anhand von elf Briefsammlungen herausarbeitet, waren diese nicht in erster Linie chronologisch geordnet.55 Vorherrschend waren stattdessen zwei bzw. drei andere Prinzipien, an denen sich die Kompilatoren orientierten: Die ersten beiden, Adressat und Thema, können zwar einzeln auftreten, sind jedoch oft kaum voneinander trennbar. Manchmal sind sie zudem mit einer chronologischen Unterordnung kombiniert, wenn etwa alle Schreiben an eine Person der Reihenfolge ihrer Entstehung entsprechend nacheinander folgen. Das dritte Prinzip ist die kunstvolle variatio, wie sie beispielsweise die plinianische Sammlung aufweist.56 Als mögliche Voraussetzung für die genannten Grundmuster, insbesondere die Orientierung an Adressat und Thema, nennt G IBSON das Interesse des Publikums an den bedeutenden Personen der Zeit, mit denen der jeweilige Epistolograph in Kontakt stand, sowie am Austausch zwischen dem Adressanten und dem einzelnen Empfänger.57
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chanischem Abschreiben von Stücken in einem Archiv beruhen, weist auch Y SEBAERT (2015), v. a. 51 hin. Das wohl prominenteste Beispiel hierfür ist Plinius der Jüngere, vgl. hierzu etwa L UDOLPH (1997). Zu Entstehung und Zweck der ciceronianischen Corpora s. P. W HITE (2010), 31–62, zu Ad familiares I s. G RILLO (2015). Etwa die päpstlichen Briefcorpora. S. hierzu N EIL (2015) und N EIL (2017). N EIL (2017), 450– 452 unterscheidet sogar fünf Stufen der Überlieferung päpstlicher Schreiben, nämlich (i) das Verfassen der Briefe, (ii) ihre Archivierung, (iii) erste Anthologien, (iv) ausführlichere Anthologien und (v) mittelalterliche Sammlungen des Kirchenrechts. Vgl. G IBSON (2012), 58; 62–64; 71. Moderne Editionen, die eine sich an der erschlossenen Entstehungszeit orientierende Briefreihenfolge bieten, beruhen meist darauf, dass ihre modernen Herausgeber die in den Manuskripten überlieferte Sequenz entsprechend abänderten. Auf diese Weise erleichtern sie zwar die Verwendung von Briefen als historische Quellen (und legen sie sogar implizit nahe), verschleiern aber ein Verständnis der Sammlungen als Literatur. Denn durch ihr Handeln durchkreuzen sie häufig den ursprünglich hinter der ganzen Kollektion oder einzelnen Büchern stehenden Plan und erschweren so den intendierten Leseprozess, wie etwa B EARD (2002) für Ciceros Briefsammlungen herausarbeitet. Vgl. G IBSON (2012), 64. Allerdings ist auch in den Büchern 1–9 der plinianischen Kollektion eine lose Chronologie erkennbar, die Schreiben in den vorderen scheinen tendenziell früher entstanden zu sein als diejenigen in den hinteren, vgl. G IBSON (2012), 62. Vgl. G IBSON (2012), 67. Viele Briefsammlungen weisen damit große Ähnlichkeit zur (Auto-) Biographie auf, vgl. G IBSON (2012), 73–76. In gewisser Weise ist eine moderne Neuanordnung nach chronologischen Gesichtspunkten hiermit konsistent, da unsere Auffassung von (Auto-) Biographie stärker mit dem chronologischen Prinzip verknüpft ist. S. hierzu G IBSON (2013a). Anzumerken ist hier allerdings, dass G IBSON nur Briefsammlungen betrachtet, bei denen ein Epistolograph im Zentrum steht. Seine Aussagen sind also nicht zwangsläufig auf Corpora wie die bereits erwähnten Papstbriefe übertragbar. Ebenso sind die hier folgenden Überlegungen
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass eine Briefsammlung in jedem Fall mehr ist als nur die Summe ihrer Teile. Bei der Analyse wurden die Anlage einzelner Teilbücher von Sammlungen oder sogar der ganzen Kollektion an sich wiederholt mit der sorgfältigen Gestaltung der Gedichtbücher der augusteischen Dichter in Bezug gesetzt.58 Ist ein Brief Teil eines Briefbuchs und damit einer Briefsammlung, befindet er sich stets in einem Spannungsfeld zwischen seiner Autonomie als vollständiges und in sich geschlossenes Einzelkunstwerk und seiner Funktion als Teil einer größeren Einheit, dem Epistelbuch oder sogar der gesamten Kollektion, der er untergeordnet ist.59 Dem Urheber60 der Briefsammlung bot dies umfangreiche Gestaltungsmöglichkeiten: er konnte in einem Schreiben bestimmte Themen, Kontexte oder Personen aufrufen und diese im folgenden weiterführen oder wieder fallen lassen, um an anderer Stelle erneut darauf zurückzukommen.61 Bisweilen wurden Schreiben sogar allein für Kollektionen verfasst, ohne dass sie zuvor an den
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vor allem auf Kollektionen gerichtet, deren Mittelpunkt ein Briefschreiber bildet. Die Nähe zur Biographie machten sich bereits antike und spätantike Autoren zunutze, etwa Sulpicius Severus, der seine Martinsbiographie durch drei Briefe ergänzte, in denen er den Tod des Heiligen schilderte, vgl. Y UZWA (2014). Das gilt insbesondere für die Briefsammlung des Plinius, vgl. S OGNO, S TORIN und WATTS (2017a), 2; W HITTON (2013), 11; G IBSON (2012), 72f; ähnlich liest W ULFRAM (2008), 423– 441 die plinianischen Briefbücher. Die klaren Bezüge des Sidonius Apollinaris zu Plinius auch bei der Gestaltung der Kollektion arbeitet G IBSON (2013b) heraus. Vgl. hierzu W HITTON (2013), 2; 11f; s. ebenfalls S CHWITTER (2015), 142f. Gleichzeitig wirkt die Platzierung eines Briefs innerhalb einer Briefsammlung auch auf den Brief selbst zurück: manche Texte, deren briefliche Merkmale nicht allzu ausgeprägt sind, werden vom Rezipienten trotzdem als Briefe interpretiert, da sie sich innerhalb einer Kollektion von Briefen befinden. S. hierzu DE P RETIS (2004), 40; G IBSON und M ORRISON (2007), 15f. Auf den Unterschied zwischen dem Brief als Einzelstück und als Teil einer Sammlung, insbesondere in materieller Hinsicht, weist außerdem M ARCHESI (2015b), 223f hin. T YRRELL (2019), xviii bedauert dagegen die mit der Aufnahme eines Briefs in eine Sammlung einhergehenden Informationsverluste, etwa die vorangegangenen und noch folgenden Teile der Kommunikation, Daten oder Grußformeln. Das konnte der Verfasser der Schreiben selbst sein, ein Freund oder sein Sekretär, der die Sammlung mit einer bestimmten Absicht zusammenstellte und damit als Literatur oder zumindest als lesenswert kennzeichnete, vgl. S OGNO, S TORIN und WATTS (2017a), 2–5. Abgesehen davon ist zu bedenken, dass dieser Urheber, vor allem wenn es sich dabei um den Briefautor selbst handelte, die gewählten Stücke nicht zwangsläufig unverändert übernahm, sondern höchstwahrscheinlich überarbeitete und beispielsweise heikle politische Informationen oder für einen Leser, der nicht der ursprüngliche Adressat war, Unverständliches entfernte. Von solchen Überarbeitungen ist etwa bei Plinius und eventuell auch bei einigen Briefen Ciceros auszugehen, vgl. beispielsweise S OGNO, S TORIN und WATTS (2017a), 19; 21. Möglicherweise könnten in solchen Fällen sogar Briefe kombiniert worden sein, wie K LAUCK (2003) anhand von Ciceros Briefcorpus überlegt. Vgl. S CHWITTER (2015), 142f. S CHWITTER weist in diesem Kontext explizit darauf hin, dass Briefsammlungen aufgrund dieser Eigenschaften den in der Spätantike vorherrschenden ästhetischen Vorstellungen ganz besonders entsprachen. Diese zeichneten sich durch eine Detailverliebtheit und Vorliebe für die Kleinform aus, wie sich etwa in zahlreichen Ekphraseis zeigt. S. hierzu S CHWITTER (2015), 141–144.
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
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genannten Adressaten verschickt wurden. Aufgrund dieses kunstvollen Designs wurden Briefsammlungen wiederholt mit Mosaiken verglichen.62 Reflex der Unterscheidung zwischen Brief und Briefsammlung ist die Tatsache, dass die Briefsammlung als eigene Gattung angesehen wird, die von der Gattung „Brief“ verschieden ist.63 Der Vorteil dieser Auffassung ist, dass sie hervorhebt, wie lohnenswert es ist, bei der Untersuchung von Epistolographie über die Ebene der einzelnen Schreiben hinaus auch das Ganze eines Buchs oder einer Kollektion in den Blick zu nehmen und beide auseinanderzuhalten.64 Im Rahmen der Altertumswissenschaften wird Gattung freilich als Bezugsrahmen verstanden, in den der Autor seinen Text einordnet und der bei der Leserin bzw. beim Leser bestimmte Erwartungen weckt und ihr oder ihm wichtige Hinweise zum Verständnis gibt. Die Einordnung erfolgt anhand bestimmter Merkmale, die der jeweilige Text aufweist, wobei innerhalb einer Gattung eine große Bandbreite möglich ist und die Grenzen zwischen Gattungen keineswegs starr sind; vielmehr können Texte auch Kennzeichen unterschiedlicher Gattungen aufweisen.65 Vor diesem Hintergrund geht es meiner Ansicht nach etwas zu weit, bei Briefsammlungen von einer eigenen Gattung zu sprechen, zumal dies weder an antiken oder spätantiken Aussagen festgemacht werden kann noch eine entsprechende Trennung bei vergleichbaren Gegenständen in der modernen Forschung stattfindet, etwa im Rahmen der Auseinandersetzung mit den augusteischen Dichtern. Nichtsdestotrotz ist eine solche Differenzierung für die Frage nach der Selbstdarstellung in Briefen und Briefsammlungen zentral, wie im Anschluss gezeigt wird.
1.1.3 Selbstdarstellung in Briefen und Briefsammlungen Einer Untersuchung der Selbstinszenierung66 kann man sich prinzipiell aus zwei Richtungen annähern: Einerseits ist Selbstdarstellung ein Teil jeder Interaktion zweier oder mehrerer Personen, unabhängig davon, ob diese in direkter, face-to-faceKommunikation erfolgt oder in schriftlicher Form.67 Andererseits findet in allen 62 63
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Etwa von W HITTON (2013), 12; s. ebenfalls S CHWITTER (2015), 142. Während H ODKINSON (2007), 287f dies noch recht vorsichtig formuliert, sprechen sich S OG NO , S TORIN und WATTS (2017a), 2 klar in diesem Sinne aus: „[...] ancient letter collections as literary works in their own right, complete with sophisticated, comprehensive, and tactical strategies of internal arrangement [...] In our view, an epistolary collection constitutes a distinct genre that achieved its fullest development during late antiquity, when it became something of a literary hallmark of the period.“ Ähnlich äußert sich S CHWITTER (2015), 142. Auch Z INGG (2018) weist bei seinen Überlegungen zu Briefen und Briefsammlungen als Quellengattung deutlich auf den Einfluss der Sammlung auf das Verständnis eines Schreibens hin (v. a. 150f). Ebendiese Trennung bildet auch die Grundlage des Aufbaus meiner Arbeit, wie bereits oben S. 15 erwähnt. Vgl. C ONTE (1999), 4f; H ARRISON (2013), 6f. Zu Gattungsfragen, insbesondere zu Bezügen zwischen einzelnen Gattungen s. die Beiträge in F RANGOULIDIS, H ARRISON und PAPANGHE LIS (2013). Zu Selbstdarstellung in der römischen Welt allgemein s. die Beiträge in G AVRIELATOS (2017). Vgl. M UMMENDEY (1990), 14.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
literarischen Texten, in denen eine mit dem Verfasser oder der Verfasserin gleichzusetzende Sprecherinstanz „ich“ sagt, eine Selbstmodellierung durch die Autorin oder den Autor statt, die Teil ihres oder seines self-fashioning68 ist und gerade im Kontext der Autobiographie auch unter der Bezeichnung Autofiktion diskutiert wird.69 Im Bereich der Epistolographie sind beide Ansätze von Bedeutung: So sind Briefe natürlich ein alltägliches Kommunikationsmedium, gleichzeitig aber schon allein durch ihre Erscheinung als Texte potentiell Literatur – dies gilt insbesondere, aber nicht nur, für antike und spätantike Briefe, die häufig zwischen ihrer Eigenschaft als Gebrauchstext und als Literatur changierten. Gerade im Alltag spielt Selbstdarstellung eine bedeutende Rolle, wie Erving G OFFMAN in seiner immer wieder neu aufgelegten Monographie zeigt.70 Er vergleicht das Verhalten der Menschen mit der Aufführung eines Theaterstücks, wobei er selbst einräumt, dass die Situation sich nicht bis ins letzte übertragen lässt – so sind etwa auf der Bühne alle Szenen erstens vorgetäuscht und zweitens geprobt, während im Alltag beides in der Regel nur bis zu einem gewissen Grad zutrifft.71 In jedem Fall streben alle an einer bestimmten Situation Beteiligten danach, die Lage und insbesondere die Reaktionen der anderen zu kontrollieren und betreiben zu diesem Zweck Selbstdarstellung.72 G OFFMAN differenziert hierbei zwischen dem „Ausdruck, den sich einer gibt“ und dem „Ausdruck, den er ausstrahlt“, wobei vor allem der erstere bewusst eingesetzt wird, während letzterer zumindest teilweise unbewusst stattfindet.73 Das Publikum der Selbstinszenierung versucht natürlich, diesen Ausdruck auf seinen ,Wahrheitsgehalt‘ hin zu überprüfen, indem es etwa auf Inkonsistenzen und Widersprüche achtet – was von der Person, die einen bestimmten Eindruck erwecken möchte, wiederum im Voraus einkalkuliert wird.74 68
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Dieser Begriff wurde vor allem von Stephen G REENBLATT in seiner Untersuchung der Selbstdarstellung englischer Renaissanceschriftsteller geprägt, vgl. G REENBLATT (1980), insbesondere 1–9. Zur Imago, die jeder Briefverfasser von sich entwirft, s. auch KORDING (2018), 80– 84. Insbesondere weist sie dabei auch auf den soziohistorischen Kontext der Imagines hin, s. hierzu KORDING (2018), 84–86. Dieser Terminus geht auf den erst kürzlich verstorbenen Autor und Literaturwissenschaftler Serge Doubrovsky zurück, der ihn letztlich als eine Kombination von Autobiographie und Roman verstand. Vgl. hierzu beispielsweise Z IPFEL (2009); WAGNER -E GELHAAF (2013). Unter dem Titel „Autofiktionen in der antiken Literatur“ fand im Juli 2017 eine Tagung an der KU Eichstätt-Ingolstadt statt, die dem Konzept der Autofiktion und der Frage nach dessen Übertragbarkeit auf die antike Literatur nachging. Eine Untersuchung des ersten Buchs der Sidonius-Briefe als Autobiographie nahm K ÜPPERS (2005) auf der Grundlage von WAGNER E GELHAAF (2000) vor. Die deutsche Übersetzung trägt den Titel Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. G OFFMANs Modell bildet auch die Grundlage für Matthias L UDOLPHs Überlegungen, vgl. L UDOLPH (1997), 29f. Vgl. G OFFMAN (2009), 3. Vgl. G OFFMAN (2009), 7; 17; M UMMENDEY (1990), 135. G OFFMAN (2009), 8. Vgl. G OFFMAN (2009), 10–12. Ein Problem kann sich vor allem dann ergeben, wenn eine Person in unterschiedlichen Kontexten verschiedene, sich eventuell sogar teilweise widersprechende Rollen spielt; dem kann sie etwa durch eine Trennung des Publikums entgegentreten,
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
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Um dieses Image zu kreieren, setzt sie bestimmte Methoden ein. Die Sozialpsychologie teilt sie im Rahmen der Impression-Management-Theorie in eher längerfristig und situationsübergreifend angelegte Impression-Management-Strategien und eher auf kurzfristige Ziele ausgerichtete, situationsspezifische Impression-Management-Taktiken ein. Bei beiden kann zudem zwischen assertivem und defensivem Verhalten unterschieden werden, also zwischen einem eher aktiven Vorgehen mit dem Ziel, Vorteile zu erlangen, und einer mehr bewahrenden und schützenden Handlungsweise.75 Beispiele für assertive Impression-Management-Taktiken sind etwa Schmeicheleien oder das sogenannte „Basking in reflected glory“, d. h. die Assoziation mit bestimmten, positiv bewerteten Gruppen.76 Eben diese Strategien und Taktiken lassen sich ferner in zahlreichen Briefen nachweisen. Viele antike und spätantike Briefe waren aber mehr als „nur Kommunikationsmittel“, wie beispielsweise die entsprechende Theoriebildung sowie die Gestaltung und Stilisierung vieler Schreiben zeigen. Gerade die bei Demetrios erwähnte Auffassung eines Briefs als εκ$ν ψυχς77 macht deutlich, dass die Schreiben durchaus in diesem Sinne rezipiert werden konnten und auch so gelesen wurden. Dies wiederum lud den Adressanten natürlich dazu ein bzw. machte es geradezu erforderlich, bei der Abfassung auf eine passende Gestaltung zu achten.78 So weist etwa Catharine E DWARDS darauf hin, dass nicht nur die als Sammlung publizierten Briefe des Plinius, sondern ebenfalls Ciceros Schreiben an Atticus, von denen viele spontan und persönlich erscheinen, durchaus als bewusst eingesetzte Instrumente des self-fashioning aufgefasst werden können.79 Teil der Selbstdarstellung war außerdem die Modellierung des Adressaten, der beispielsweise als Kontrastfolie des Adressanten dienen konnte.80 Die Epistolographen wiesen sich selbst und den jeweiligen Adressaten dabei häufig bestimmte Rollen zu, etwa Rat suchender Freund und Ratgeber, Lehrer und Schüler oder Vater und Sohn.81
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vgl. G OFFMAN (2009), 125–127. Dieser Aspekt wird auch in dem Moment wichtig, wenn ursprünglich an Einzelpersonen gerichtete Briefe zu einer Sammlung zusammengefasst werden. S. hierzu L UDOLPH (1997), 33–36. Vgl. M UMMENDEY (1990), 139f. Vgl. M UMMENDEY (1990), 149f; 158. Hierzu s. o. S. 21, ebenso DE G IORGIO (2015), 13f. Wie Judith R. H ENDERSON ausführt, sind die Briefe der Humanisten auf der Grundlage dieses Topos eher als Selbstdarstellung bzw. self-fashioning zu verstehen denn als Selbstenthüllung oder Selbstanalyse, vgl. H ENDERSON (2002), 23. Entsprechend legen VAN H OUDT und PAPY (2002), 3 dar, dass die humanistische Epistolographie als Mittel zur Selbstdarstellung und zur sozialen Identifikation diente. Vgl. E DWARDS (2008), 273. Vgl. ebd. F REISENBRUCH (2007) arbeitet dies an einigen Briefen Frontos heraus, E BBELER (2007), 303– 315 analysiert ein Beispiel aus dem Briefwechsel zwischen Ausonius und Paulinus von Nola. Entsprechende Rollenangebote wurden freilich nicht zwangsläufig akzeptiert, wie aus der Korrespondenz Augustins mit Hieronymus ersichtlich ist. Vgl. hierzu E BBELER (2007), 315–322 und E BBELER (2012), 58–62; 101–150. Zu verschiedenen Rollen und Strategien des Sidonius s. K ITCHEN (2010).
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Werden nun Briefe zu einer Kollektion zusammengestellt, tritt der Verfasser nicht mehr in einer oder mehreren in sich bzw. miteinander stimmigen Rollen gegenüber einem Empfänger auf, sondern erscheint, abhängig von Adressat und Situation, in einer Vielzahl von Rollen, die miteinander verglichen werden bzw. sich ergänzen können. So besteht die Möglichkeit, ein Gesamtbild des Epistolographen zu entwerfen, was Briefsammlungen in die Nähe von Autobiographien rücken lässt.82 Es liegt folglich nahe, Briefsammlungen auch unter dem Gesichtspunkt der Autofiktion zu betrachten, zumindest wenn diese Kategorie nicht zu eng gefasst wird.83 In jedem Fall ist im Kontext epistolarer Selbstdarstellung, wie bereits mehrfach angeklungen ist, das Publikum einer der entscheidenden Faktoren.84 Die Selbstmodellierung des Verfassers richtete sich auf der Ebene des Einzelbriefs natürlich zunächst einmal an den Adressaten. Allerdings ist gerade beim antiken und spätantiken Brief zu berücksichtigen, dass der Adressant von vornherein zugleich eine darüber hinausgehende Öffentlichkeit im Blick hatte.85 Zunächst wurde ein Brief nämlich einem Schreiber diktiert und dann einem Boten übergeben, wobei stets mit der Möglichkeit zu rechnen war, dass er unterwegs abgefangen und gelesen wurde. Zudem war es für die Empfänger üblich, eingegangene Sendungen bei Bekannten herumzuzeigen und in ihren Archiven aufzubewahren, zu denen neben ihnen selbst andere gleichermaßen Zugang haben konnten.86 Sobald nun ein Brief Teil einer Sammlung wurde, war er erstens einem noch weiteren Publikum zugänglich und stand zweitens viel mehr als zuvor im Wechselspiel mit den anderen Stücken der Kollektion. Es mussten also etwaige Widersprüche in der Selbstdarstellung, die
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Darauf weist besonders R ADICKE (1997), 448; 469 hin, ebenso Z EINER -C ARMICHAEL (2014), 6f. Dies war einer der Gründe dafür, dass in einigen modernen Editionen von Briefkollektionen die Schreiben entgegen der überlieferten Reihenfolge nach chronologischen Gesichtspunkten geordnet wurden, wie beispielsweise G IBSON (2013a) ausführt. Freilich ist das keine Beobachtung moderner Zeit, denn schon antike Autoren sahen Briefe bzw. Briefsammlungen als der Geschichtsschreibung vergleichbare Werke. Entsprechend charakterisiert etwa Nepos Ciceros Atticusbriefe (quae qui legat, non multum desideret historiam contextam eorum temporum, Att. 16, 3). Fronto bezeichnete in einem seiner Briefe ein Geschichtswerk des Catulus als „Brief“ (Catuli litterae, 124, 17 = Briefe an Verus 2, 1, 17), vgl. E BBELER (2010), 467 – und Plinius weist in epist. 1, 1 explizit darauf hin, dass er eben kein historisches Werk schreibe, wobei er impliziert, dass seine Kollektion sich nur durch die fehlende chronologische Anordnung davon unterscheide, vgl. T ZOUNAKAS (2017), 83. Zur Grenze zwischen Epistolographie und Historiographie in spätantiken Corpora s. S OGNO (2014). Vgl. hierzu etwa G RUCZA (2012), v. a. 129f; H ACKL und W IESMÜLLER (2012); WAGNER E GELHAAF (2006). Grundlegend für die folgenden Überlegungen ist das bereits erläuterte Briefmodell von Raphael S CHWITTER, s. o. S. 24 und, ausführlicher, S CHWITTER (2015), 56–64. Darauf weist ROSENMEYER (2001), 3 ebenfalls hin. Zu den Einzelheiten des Briefversands s. P ETER (1965), 29–37 (auf der Grundlage von Ciceros Briefen); D ZIATZKO (1894–1980), 837–940; G ÖRGEMANNS und Z ELZER (1996–2003); S CHMIDT und N EUMANN (1996–2003); Z ELZER (1997), 328–332; Z EINER -C ARMICHAEL (2014), 8–15. Inwiefern die Adressanten den Boten bereits bei der Abfassung ihres Schreibens mit berücksichtigten, untersucht S CHRÖDER (2018) anhand von Ciceros Briefen. Speziell zu christlichen Briefen s. M C G UIRE (1960), zu mittelalterlichen Briefen s. KÖHN (1998).
1.1 Zu Forschungsfrage und Thema dieser Arbeit
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zwischen einzelnen Briefen noch bestehen konnten, vor der Veröffentlichung geglättet werden87 und ein stimmiges Gesamtbild entworfen werden. Bei der Untersuchung der Selbstmodellierung ist zudem ein weiterer Unterschied zwischen der Ebene des Briefs und der Sammlungsebene zu berücksichtigen: das einzelne Schreiben entstand stets in einem bestimmten Kontext und einer konkreten Situation, wobei Selbstdarstellung ein Anliegen des Verfassers unter mehreren ist. Je nachdem, welche Ziele er in einem bestimmten Brief verfolgt, betont er dort einen Aspekt seiner selbst, während ein anderer in den Hintergrund rückt oder gar nicht präsent ist. Innerhalb der Kollektion hingegen treten manche situative Kontexte einzelner Stücke in den Hintergrund. In den Fokus rückt dagegen der Entwurf eines Gesamtbilds des Verfassers, das selbstverständlich auf den Porträts der Einzelschreiben beruht, aber durch deren Kombination umfassender ist als das eines einzelnen Briefs.88 Für die vorliegende Arbeit ergeben sich hieraus folgende Konsequenzen: zunächst wird bei der Untersuchung der Inszenierung des Avitus, wie bereits erwähnt (oben, S. 15), zwischen der Ebene des einzelnen Briefs und der Ebene der Briefsammlung unterschieden. In Bezug auf erstere bedeutet dies eine detaillierte Analyse mehrerer exemplarisch ausgewählter Schreiben.89 Ferner ist in Zusammenhang mit letzterer zu erwähnen, dass im Rahmen der avitanischen Kollektion hier keine Selbst-Inszenierung stattfindet, da die Zusammenstellung nicht durch den Verfasser persönlich, sondern eine oder mehrere andere Personen erfolgte, wie später noch genauer ausgeführt wird (s. u. S. 188ff.). Für das Verständnis der Darstellungen des Avitus sind freilich nicht nur diese Überlegungen zentral; vielmehr ist auch der historische Kontext miteinzubeziehen, in dem sie entstanden und rezipiert wurden. Dieser war geprägt durch den Übergang von der römischen Herrschaft zu den verschiedenen Einflussbereichen der Westgoten, Ostgoten, Franken und insbesondere der Burgunder, in deren Gebiet der Bischof von Vienne lebte. Gerade in dieser Situation bot die spätrömische Elitenkultur, in der die Demonstration von romanitas und Bildung, etwa durch die Produktion von literarischen Werken, von großer Bedeutung war, den Aristokraten eine Möglichkeit zur Orientierung und Identifikation. Nicht zuletzt spielte die spätantike Kirche und damit beispielsweise die Erwartungen, die an Avitus als Bischof gerichtet wurden, eine wichtige Rolle. Daher folgen nun nach einer kurzen Vorstellung von Avitus’ Leben und Werk einige Ausführungen zu diesen Zeitumständen, bevor auf seine Briefe und die Briefsammlung im Detail eingegangen wird.
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Eine Segregation des Publikums war schließlich jetzt nicht mehr möglich, worauf L UDOLPH (1997), 33–36 hinweist. Natürlich galt dies insbesondere dann, wenn Schreiben vom Verfasser selber zusammengestellt wurden. 88 Dies gilt natürlich vor allem für diejenigen Briefcorpora, die um einen Autor zentriert sind. Gerade wenn diese überdies vom Urheber selbst angelegt wurden, lag ihr Hauptziel in dessen Selbstdarstellung, vgl. S OGNO, S TORIN und WATTS (2017a), 4. Vgl. hierzu ferner E BBELER (2010), 470. 89 Zur Auswahl s. u. S. 71 und 73.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
1.2 AVITUS VON VIENNE: HISTORISCHER HINTERGRUND UND ZEITUMSTÄNDE 1.2.1 Alcimus Ecdicius Avitus: Leben und Werk Wann Alcimus Ecdicius Avitus, der spätere Bischof von Vienne, geboren wurde, ist unbekannt.90 Aus der Tatsache, dass er ca. 494 als Bischof von Vienne bezeugt ist, ergibt sich lediglich, dass er nicht später als etwa 470 zur Welt gekommen sein kann. Ohne Zweifel stammte er aber aus einer einflussreichen Familie und war Mitglied der gallorömischen Aristokratie. Sein Vater, Hesychius oder Isicius, war möglicherweise 455/6 Gesandter des Kaisers Eparchius Avitus beim westgotischen Herrscher Eurich,91 bevor er Bischof von Vienne wurde. Avitus’ Mutter, Audentia, war vielleicht eine Schwester des Sidonius Apollinaris.92 Sie gebar vier Kinder, Avitus, seinen Bruder Apollinaris, der Bischof von Valence wurde, sowie zwei Töchter. Eine davon, deren Name eventuell Aspidia war,93 verstarb schon früh, die andere, Fuscina, trat bereits als Kind ins Kloster ein.94 Unabhängig davon, ob Audentia und Sidonius Apollinaris tatsächlich Geschwister waren, war Avitus sicherlich mit dem bedeutenden Epistolographen verwandt. Dies zeigt sich beispielsweise in seinen Schreiben an Apollinaris, den Sohn des Sidonius, in denen er auf die enge Verbindung, die zwischen beiden Briefpartnern und außerdem zu Sidonius bestehe, hinweist.95 Ein weiterer Indikator für eine nahe, wahrscheinlich verwandtschaftliche Beziehung sind die in beiden Familien auftretenden Namen:96 Avitus’ Bruder und der Sohn des Sidonius trugen denselben Namen, Apollinaris, und eine Tochter des Sidonius hieß Alcima.97 Zudem liegt eine Verwandtschaft zu Kaiser Eparchius Avitus nahe, dessen Sohn Ecdicius ebenfalls einen Namen mit Avitus teilte. Doch nicht nur innerhalb der gallischen Aristokratie spielte Avitus’ Familie eine bedeutende Rolle, einige Mitglieder sind überdies als Bischöfe bezeugt. Hierzu zählen unter anderem, wie bereits erwähnt, Avitus’ Vater Hesychius, sein Amtsvorgän90
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Weder S HANZER und W OOD (2002), 4–6 noch B URCKHARDT (1938), 27–30 oder H EIL (2011), 30f geben ein Geburtsjahr an; die PCBE (P IETRI (2013), 242) vermutet ein Datum vor 473/4, H EINZELMANN (1982), 568 schlägt um 460 vor, M C C ARTHY (2017), 357 ca. 470. Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 4 und M ATHISEN (1981), 100. So schlägt jedenfalls M ATHISEN (1981), 100 vor. Dieser Ansicht ist die PCBE (P IETRI (2013), 242). Eine der beiden Schwestern wird Thema eines Briefwechsels zwischen Avitus und seinem Bruder Apollinaris, da Apollinaris ihren Todestag vergessen hat. Während M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 194 der Meinung sind, es handle sich um Aspidia, neigen S HANZER und W OOD (2002), 244 eher zu einer Identifikation mit Fuscina. Zu den betreffenden Briefen, epp. 13fP = epp. 10fMR s. u. S. 86ff. Etwa in ep. 51P = ep. 48MR. Avitus spricht beispielsweise von einer quaedam parentum communium sors, vgl. P EIPER (1883), 80, 8 = §6 und von Sidonio meo, quem patrem uocare non audeo, P EIPER (1883), 80, 13f = §7. Für eine detaillierte Analyse des Schreibens s. u. S. 142ff. Darauf verweist auch B URCKHARDT (1938), 27f, ebenso S HANZER und W OOD (2002), 5. Vgl. B URCKHARDT (1938), 27, der sich auf Gregor von Tours bezieht.
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
35
ger als Bischof von Vienne, und sein Bruder Apollinaris, der Bischof von Valence. Weitere Familienangehörige, die den Sitz von Vienne innehatten, lassen sich aus den dortigen Epitaphien erschließen.98 Hiervon abgesehen sind aus dem 6. Jahrhundert ein Abt und ein möglicherweise adliger Eremit namens Avitus bekannt,99 und mindestens eine seiner Schwestern lebte in einem Kloster (s. o.). Enge Verbindungen bestanden auch zu Hesychius’ Vorgänger, Bischof Mamertus von Vienne, der Avitus taufte.100 Leider ist das Todesjahr des Hesychius und damit der Beginn von Avitus’ Episkopat unbekannt. Spätestens 494/6 war er aber Bischof von Vienne, wie Ennodius in der Vita Epiphani bezeugt, und in dieser Funktion am Freikauf von Gefangenen beteiligt.101 Als Vienner Oberhirte hatte Avitus einen der beiden Metropolitensitze des burgundischen Gebiets inne, war also schon allein qua Sitz einer der beiden mächtigsten Bischöfe der Region.102 Als Vienne 500 im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen den burgundischen Herrschern Gundobad und Godegisel belagert und erobert wurde,103 wurden offensichtlich Teile des bischöflichen Archivs zerstört. Einige der darin enthaltenen Schriften konnten wohl durch Freunde wiederbeschafft werden, anderes war unwiederbringlich verloren.104 Sigismund, einer der burgundischen Herrscher, gründete 515 zu Ehren der Thebäischen Legion das Kloster Saint-Maurice d’Agaune. Dabei muss auch Avitus eine bedeutende Rolle gespielt haben, schließlich predigte er bei dessen Einweihung.105 Im Herbst 517 leitete der Vienner gemeinsam mit Viventiolus,106 dem Bischof von Lyon und zweiten Metropoliten auf burgundischem Gebiet, die Synode von Epaon. Vergleicht man die Konzilscanones mit einigen seiner Briefe, etwa ep. 7P = ep. 4MR, wird deutlich, dass er die Diskussionen entscheidend prägte, obwohl er seine Ansichten offenbar nicht in allen Punkten durchsetzen konnte.107 98 99 100
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Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 5 und H EINZELMANN (1976), 222. S. dazu die entsprechenden Einträge in der Gallischen Prosopographie (H EINZELMANN (1982), 568) und in der PCBE (P IETRI (2013), 264f). Vgl. P IETRI (2013), 242. Avitus selber weist explizit darauf hin, dass bereits Vorfahren des Hesychius Bischöfe waren, vgl. H EINZELMANN (1976), 222, mit Hinweis auf De virginitate 650–657. Zu den verwandtschaftlichen Verbindungen des Avitus und der Bedeutung seiner Familie s. außerdem W OOD (1979), 30–38. Ennodius, Vita Epiphani (80) 173, F. VOGEL (1885), 106, 9f. Zur Kirchenverwaltung in Gallien s. u. S. 66ff. Zu den Kämpfen s. u. S. 42. So schreibt Avitus zumindest im Prolog seines fünf Bücher umfassenden Bibelepos, dessen Inhalt er in ep. 51P = ep. 48MR mit De spiritalis historiae gestis beschreibt (80, 21 = §10), vgl. P EIPER (1883), 202, 8–14. Die meisten überlieferten Briefe scheinen, soweit sie datierbar sind, erst nach dieser Zeit verfasst worden zu sein, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), Lf, sowie S HANZER und W OOD (2002), 8. Zum Kult der Thebäischen Legion allgemein vgl. NÄF (2011), zur Klostergründung v. a. 104f; zur in Saint-Maurice nach byzantinischem Vorbild praktizierten laus perennis vgl. ROSENWEIN (2000). Zu Viventiolus s. beispielsweise den Artikel in der PCBE. Bei ep. 7P = ep. 4MR handelt es sich um einen kurzen, Bischof Victorius von Grenoble gewidmeten Traktat in Briefform, der unter dem Titel De basilicis Haereticorum non recipiendis
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Diese Synode ist das letzte sicher datierbare Ereignis in Avitus’ Leben. Er starb wahrscheinlich nur wenige Monate später, am 5. Februar 518. Für den 5. Februar als Todestag spricht, dass dieses Datum als Gedenktag im Martyrologium des Ado von Vienne angeführt wird. Das Todesjahr 518 ergibt sich einerseits aus einem Hinweis in der Vita Aviti, Anastasius sei zum Zeitpunkt von Avitus’ Tod noch Kaiser gewesen, andererseits daraus, dass bei einer zwischen 518 und 522 stattfindenden Synode in Lyon bereits Avitus’ Nachfolger Julianus die Konzilsakten unterschrieb.108 Die überlieferten Werke des Avitus lassen sich in vier Kategorien einteilen: Es handelt sich um theologische Schriften, von denen lediglich Fragmente bei anderen Autoren, insbesondere bei Florus von Lyon, überliefert sind;109 Predigten, die ebenfalls großenteils nur fragmentarisch erhalten sind; sechs Bücher hexametrische Dichtung, von denen fünf verschiedene Episoden aus dem Alten Testament behandeln110 und eines den Titel De virginitate trägt; sowie knapp 100 Briefe verschiedensten Inhalts. Welcher Art die genannten theologischen Werke waren, lässt sich heute leider nicht mehr genau feststellen; sie erscheinen bei Florus unter der Bezeichnung Libri contra Arrianos, vereinzelt auch als Epistolae contra Arrianos.111 In jedem Fall wird an ihnen deutlich, dass im burgundischen Herrschaftsbereich intensive theologische Auseinandersetzungen und Diskussionen zwischen Katholiken und Homöern stattfanden, in denen verschiedene, mit trinitarischen Fragen zusammenhängende Aspekte erörtert wurden. An diesen waren sowohl der katholische Bischof Avitus von Vienne als auch der homöische Herrscher Gundobad prominent beteiligt. Zu den zentralen Argumentationsstrategien beider Seiten gehörte offensichtlich das Zitieren von Bibelstellen.112 In den mündlich wie schriftlich geführten Debatten entsprach die Theologie, die der Bischof von Vienne vertrat, im Großen und Ganzen dem, was zu seiner Zeit innerhalb der katholischen Kirche als orthodox galt.113
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überliefert ist. Avitus vertritt darin die Ansicht, dass weder homöische Kirchen noch deren Messgeräte von Katholiken in Gebrauch genommen werden dürften, da sie irreversibel verunreinigt seien. Can. 33 der Synode schließt sich dem weitgehend an, erlaubt aber eine Nutzung, falls die betreffenden Kirchen zuvor katholisch gewesen seien. Hierin unterscheidet er sich stark von can. 10 der Synode von Orléans, der eine Beschlagnahmung der entsprechenden Kirchen und Messgeräte vorsieht. Vgl. hierzu H EIL (2011), 92–108, wo sich auch eine deutsche Übersetzung des Schreibens findet. Vgl. hierzu S HANZER und W OOD (2002), 10 sowie M ALASPINA und R EYDELLET (2016), XXXVIIf. Die Akten der Synode von Lyon und die Vita Aviti finden sich bei P EIPER (1883), 175–181. P EIPER stellt sie unter der Überschrift Dialogi cum Gundobado rege vel librorum contra Arrianos reliquiae an den Beginn seiner Avitusausgabe. De initio mundi, De originali peccato, De sententia Dei, De diluvio mundi und De transitu maris rubri. Zusammenfassend zu diesen Schriften des Avitus vgl. vor allem S HANZER und W OOD (2002), 163–193 sowie H EIL (2011), 66–79. Analysen der verschiedenen Fragmente finden sich bei H EIL (2011), 127–250. Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 165. Da seine Zitate kleine Abweichungen vom Text der Vulgata zeigen, zitierte Avitus wohl entweder aus dem Kopf oder verwendete noch eine Version der Itala. Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 13.
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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Die bei P EIPER gesammelten Überreste von Avitus’ Predigten gehen auf verschiedene Florilegiensammlungen und auf einen nur fragmentarisch erhaltenen Papyruskodex aus dem 6. Jahrhundert zurück, der überdies Briefe enthielt.114 Die überlieferten Fragmente stammen aus Ansprachen, die der Bischof von Vienne zu besonderen Gelegenheiten, etwa anläßlich der Einweihung von Kirchen115 oder anderer sakraler Bauten oder der Konversion von Mitgliedern der königlichen Familie. Aus diesen und aus seinen Briefen ist ersichtlich, dass er zu solchen Gelegenheiten öfters von adligen Kirchenstiftern und Mitbischöfen zum Predigen eingeladen wurde.116 Hierdurch wird das Ansehen deutlich, das der Bischof von Vienne nicht nur bei Amtskollegen, sondern ebenso bei seinen adligen Zeitgenossen und den Mitgliedern der Herrscherfamilie genoss. Im Mittelalter war Avitus in erster Linie für seine Dichtungen bekannt und geschätzt.117 Diese umfassen eine versifizierte Darstellung und Exegese der alttestamentarischen Erzählungen von der Erschaffung der Welt, vom Sündenfall, der Sintflut und dem Auszug aus Ägypten in fünf Büchern sowie ein Buch De consolatoria castitatis laude bzw. De virginitate. Das zuerst genannte, vom Autor selbst mit De spiritalis historiae gestis umschriebene Werk orientiert sich an der Theologie Augustins und ist dabei insbesondere Augustins Genesiskommentar, daneben jedoch Ambrosius’ Lukaskommentar verpflichtet.118 Zudem schöpft Avitus aus einer Fülle poetischer und anderer Vorbilder. Zu diesen gehören neben den christlichen Dichtern Prudenz, Marius Victor, Cyprianus Gallus und Dracontius auch Vergil, Ovid, Lukan, Silius Italicus, Valerius Flaccus, Martial und Claudian. Außerdem zählte Sidonius Apollinaris ebenso wie Seneca zu seinen Inspirationsquellen.119 Schon allein aus dieser Auflistung wird deutlich, dass Avitus sehr gebildet war und sich in der klassischen und christlichen Literatur gut auskannte. Dies war das Ergebnis der üblichen klassisch-literarischen Ausbildung, wie sie für junge Aristokraten in Antike und Spätantike prägend war.120 Für eine Veröffentlichung seiner Dichtungen
114 Zu den Predigten vgl. W OOD (1993), 33–35 und W OOD (2013). Nach eigener Aussage publizierte der Bischof von Vienne selbst eine Sammlung Predigten: paucis homiliarum mearum in unum corpus redactis [...] discrimen editionis intravi., P EIPER, 201, 3f – hiervon hat aber vermutlich nichts überdauert. Zum Papyruskodex s. u. S. 188f. 115 Zu Predigten in diesem Kontext vgl. W OOD (1986). 116 Vgl. etwa die homm. XVII, XX und XXI sowie ep. 57P = ep. 54MR. 117 Deutlich wird dies schon allein durch die große Zahl der erhaltenen Handschriften, vgl. etwa den Überblick bei P EIPER (1883), LI–LXXVI. 118 Vgl. O’DALY (2006); W OOD (2001), 263. Die Theologie Augustins war für Avitus’ Theologie insgesamt prägend, nicht nur für seine Auslegung des Alten Testaments, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 10–13. Zur Darstellung theologischer Inhalte in der lateinischen Bibeldichtung s. auch N ODES (1993). 119 Vgl. W OOD (2001), 263f; allgemeiner zur Imitation antiker und spätantiker Literatur bei Avitus s. A RWEILER (1999), passim, insbesondere zum 3. Buch vgl. überdies H OFFMANN (2005). 120 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 7. Auf Avitus’ Vertrautheit mit den lateinischen Klassikern, dem griechisch-römischen Mythos und der griechischen Philosophie weist S HEA (1997), 4 ebenfalls hin. Zu Adel und Bildung in der Spätantike s. u. S. 50ff.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
sorgte Avitus selbst, indem er sie in seinem Verwandten- und Bekanntenkreis zirkulieren ließ. Dort erfreuten sie sich offensichtlich großer Wertschätzung.121 Von zentraler Bedeutung ist eine Sammlung von knapp 100 vom Bischof von Vienne verfassten oder an ihn adressierten Briefen.122 Diese sind an zahlreiche Adressaten gerichtet, zu denen nicht nur gallische und italienische Aristokraten und Bischöfe, sondern auch der Papst in Rom, die Patriarchen von Konstantinopel und Jerusalem, byzantinische Adlige und nicht zuletzt die burgundischen Herrscher Gundobad und Sigismund gehören. Entsprechend behandeln die Schreiben ein weites Spektrum verschiedener Themen. Sie dienen ebenso der Beziehungspflege innerhalb der kirchlichen und aristokratischen Netzwerke,123 in denen Avitus sich bewegte, wie zur Kirchenorganisation (etwa der Einberufung einer Synode oder der Diskussion von Problemen wie Inzestfällen), der Beschaffung von Informationen oder Reliquien und dem Freikauf von Gefangenen.124 Der Bischof von Vienne erteilt in ihnen politische und andere Ratschläge,125 führt für die burgundischen Herrscher politische Verhandlungen126 und diskutiert nicht zuletzt insbesondere mit dem Homöer Gundobad, den er zur Konversion zum Katholizismus zu bewegen versucht, Bibelstellen und theologische Fragen.127 In den Briefen wird Avitus’ Bildung ebenfalls deutlich: sie zeigt sich nicht nur in der Breite der Themen, die verhandelt werden, sondern auch in der Verwendung eines komplexen, nur schwer verständlichen Sprachstils.128 121 Dies bezeugen die beiden Widmungsbriefe an seinen Bruder Apollinaris von Valence und Bemerkungen in anderen Briefen, in denen die Weitergabe der Bücher und positive Urteile erwähnt werden. Vgl. ep. 15P = ep. 12MR, ep. 43P = ep. 39MR und ep. 51P = ep. 48MR. S. hierzu außerdem M ARTORELLI (2004) sowie P IACENTE (2001). 122 Zur Anlage und Überlieferung der Sammlung s. u. S. 188ff. 123 Beispiele hierfür sind etwa die „Festbriefe“ epp. 58–69P = epp. 55–65MR, epp. 71–74P = epp. 67–70MR, epp. 76fP = epp. 72fMR, epp. 79–85P = epp. 75–81MR und die oben bereits erwähnten Briefe, in denen Literatur diskutiert wird (s. o. S. 38). Zu Schreiben allgemein, die anlässlich religiöser Feste verfasst wurden, s. C ALVET-S EBASTI (2009). 124 Ep. 90P = ep. 85MR ist ein Rundbrief, der zur Synode von Epaon einlädt, epp. 16–18P = epp. 13–15MR thematisieren den Umgang mit einem Inzestfall in der Gemeinde des Victorius von Grenoble (zu diesen Briefen s. u. S. 75ff). In epp. 39–41P = epp. 35-37MR bemüht sich Avitus um Informationen zum Ergebnis der zweiten Gesandtschaft nach Konstantinopel, die dort über ein Ende des Akakianischen Schismas verhandeln sollte (zu ep. 41fP = ep. 37fMR s. u. S. 104ff). Reliquien sind das Thema von ep. 20P = ep. 17MR, ep. 25P = ep. 21MR und ep. 29P = ep. 26MR; ep. 10P = ep. 7MR, ep. 12P = ep. 9MR und ep. 35P = ep. 31MR sind in Zusammenhang mit dem Freikauf von Gefangenen entstanden. 125 Zum Beispiel in ep. 52P = ep. 49MR und vermutlich auch in ep. 37P = ep. 33MR. Zu ep. 37P = ep. 33MR s. S CHWITTER (2015), 283–285. 126 Beispielsweise dadurch, dass er für Sigismund Briefe an den Kaiser in Konstantinopel verfasst, etwa epp. 93fP = epp. 88fMR. 127 Hierzu gehören Erläuterungen zur Person Christi, zum Beispiel ep. 2fP und ep. 30P = ep. 27MR, und zu Reue und Buße (ep. 4P = ep. 1MR). Antworten auf Gundobads Fragen zu Bibelstellen sind ep. 6P = ep. 3MR und ep. 22P = ep. 19MR. Zu den burgundischen Herrschern, insbesondere zu Gundobad und Sigismund s. u. S. 45ff. 128 Zu Avitus’ Sprache und Stil in den Briefen s. G OELZER und M EY (1909); S HANZER und W OOD (2002), 70–85; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), LIII–LXVI. Zur Funktion dieser obskuren Sprache in der spätantiken Epistolographie vgl. S CHWITTER (2015).
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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In dieser kurzen Darstellung von Person und Werk des Avitus von Vienne sind bereits einige Umstände deutlich geworden, die sein Leben und Wirken erheblich beeinflussten und prägten. Hierzu gehören nicht nur politische Ereignisse und sonstige Gegebenheiten im Einflussbereich der Burgunder (und teilweise darüber hinaus), die auf ihn natürlich unmittelbare Auswirkungen hatten. Abgesehen davon wird auf den spätantiken Adel und sein Bildungsideal einzugehen sein; nicht fehlen darf auch ein Überblick über die Rolle des spätantiken Bischofs und die Kirchenorganisation der Zeit, da Avitus als Bischof damit natürlich unmittelbar konfrontiert war. Im Anschluss sollen zunächst die Burgunder im Zentrum meiner Ausführungen stehen.
1.2.2 Die Burgunder, ihre Nachbarn und das römische Reich Die Burgunder sind unter anderem durch ihr Auftreten in der Nibelungensage bekannt. Diese wird öfters als Quelle für Aussagen zu ihrer Siedlung am Rhein herangezogen, da einige Episoden der Sage auf historische Ereignisse zurückgehen.129 Im Folgenden stehen als Hintergrund für Avitus’ Briefe aber vor allem die Ereignisse nach der Ansiedlung der Burgunder in der Sapaudia im Zentrum, daneben Gundobad und Sigismund, die burgundischen Herrscher der Jahrzehnte um 500.
1.2.2.1 Ereignisgeschichte Aus der Zeit vor Beginn des 5. Jahrhunderts sind die Informationen über die Burgunder spärlich: sie beschränken sich auf einige Erwähnungen bei verschiedenen griechischen und lateinischen Autoren; eindeutige archäologische Zeugnisse fehlen ebenso wie Aussagen, die über eine Namensnennung, Lokalisierung und kurze ethnographische Exkurse hinausgehen.130 Kurz nach 400 treten die Burgunder jedoch als Beteiligte an der römischen Politik auf: Nachdem sie um die Jahreswende 406/7 mit anderen Germanen den Rhein überschritten hatten, unterstützten sie zunächst den Usurpator Constantin III. (407– 411), dann den aus dem gallischen Senatsadel stammenden Gegenkaiser Jovinus.131 129 Vgl. hierzu die Zusammenfassungen bei K AISER (2004b), 27–29 und FAVROD (1997), 47–49, ebenso FAVROD (2002), 26f. Zur Geschichte Galliens in der Spätantike s. K LEIN (1991). 130 Vgl. FAVROD (1997), 36–44, K AISER (2004b), 15–25 und FAVROD (2002), 15–22. Anders als in der älteren Forschung oft angenommen, zeichneten die Burgunder sich wohl nicht durch eine gemeinsame Abstammung aus, sondern bildeten einen Zusammenschluss verschiedener Gruppen, die einem Anführer folgten. Später bezeichnete der Begriff „Burgunder“ die Einwohner einer bestimmten Region. S. hierzu beispielsweise W OOD (1990). Ein Reflex davon ist die Tatsache, dass sich die Mitte des 5. Jahrhunderts in der Sapaudia angesiedelten Burgunder in späterer Zeit offensichtlich nicht auf das Reich am Rhein bezogen, vgl. hierzu W OOD (2003). Zu den ersten Ansiedlungen der Burgunder auf römischem Boden s. C ASTRITIUS (2008). 131 Vgl. K AISER (2004b), 27 und FAVROD (1997), 45f.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Wohl als Belohnung hierfür wurden die Burgunder 413 als Foederaten am Rhein angesiedelt.132 Möglicherweise durch den Druck der Hunnen, vielleicht auch aus wirtschaftlichen Gründen, marschierten sie 435 in die römische Provinz Belgica ein. Dies provozierte einen Gegenschlag des Aetius und mit ihm verbündeter hunnischer Truppen, der 436 mit einer katastrophalen Niederlage der Burgunder endete.133 443 siedelte Aetius die überlebenden Burgunder in die Sapaudia um. Die Lage dieses Gebiets ist nicht endgültig geklärt und lässt sich aus den bekannten Quellen letztlich nicht definitiv erschließen. In jedem Falle scheint es sich um eine Gegend zu handeln, die sich entweder nördlich oder südlich an den Genfer See anschließt, wobei die Stadt Genf selber entweder Teil der Sapaudia war oder schon bald von den Burgundern erobert wurde. Wenige Zweifel bestehen außerdem an der strategisch günstigen Position: durch die Sapaudia verliefen wichtige Verkehrswege, die das Rheingebiet mit Südostgallien und Italien verbanden. Für die Römer war eine militärische Sicherung dieser Straßen von zentraler Bedeutung.134 Ebenso wie über den Ort besteht über den Modus der Ansiedlung innerhalb der Forschung Uneinigkeit, insbesondere bei der Frage, ob sie in Form einer Realteilung der betroffenen Gebiete, was hieße, dass bestimmte Anteile tatsächlich in den Besitz burgundischer Einwanderer übergingen, oder als Fiskalteilung, durch eine Aufteilung der Steuereinnahmen nach bestimmten Regeln, erfolgte.135 Unabhängig davon, wie die Ansiedlung im Einzelnen vor sich ging, lief sie wohl weitgehend reibungslos ab – in den Quellen schlagen sich kaum Beschwerden nieder, und die gallorömische Aristokratie ließ es zu, dass die Burgunder ihren Herrschaftsbereich weiter ausdehnten. Überhaupt scheinen sie sich recht schnell assimiliert zu haben,
132 Eine genaue Lokalisierung dieses Siedlungsgebiets ist nicht gesichert, es scheint sich innerhalb der Forschung allerdings der Konsens herausgebildet zu haben, dass in den Quellen von der Gegend um Worms und Speyer am Mittelrhein die Rede ist. Einen kurzen Überblick über die Kontroverse bieten FAVROD (1997), 45–49 und K AISER (2004b), 27–30. 133 Vgl. FAVROD (1997), 52–55; K AISER (2004b), 31–34. Die Quellen sprechen von einer fast vollständigen Vernichtung der Burgunder. 134 Eine Zusammenfassung der Forschungsdiskussion bietet K AISER (2004b), 38–46, eine Karte mit einer vergleichenden Darstellung verschiedener Ansätze findet sich dort auf S. 33. S. hierzu überdies FAVROD (1997), 100–117 und S AITTA (2006), 13–17. 135 Letzteres Konzept etablierten vor allem die Arbeiten Walter G OFFARTs seit den 80er Jahren, die eine lebhafte Forschungsdiskussion hervorriefen. Eine kurze Illustration seiner Thesen bietet G OFFART (2010), die in H ALSALL (2010) differenziert kommentiert und ergänzt wird. Bei den Burgundern sind grundsätzlich beide Modi der Ansiedlung denkbar, wie sowohl Justin FAVROD als auch Reinhold K AISER innerhalb ihrer Darstellung der Debatte ausführen, vgl. FAVROD (1997), 188–206 und K AISER (2004b), 82–87. Justin FAVROD spricht sich dabei recht eindeutig für eine Fiskalteilung aus, während Reinhold K AISER eher der Realteilung zuzuneigen scheint. Diese wurde von Ian W OOD gleichfalls favorisiert, vgl. W OOD (1994), 11; in einem neueren Aufsatz weist er aber darauf hin, es habe sogar bei den Burgundern selbst verschiedene Ansiedlungsmodi gegeben, vgl. W OOD (2012). Ausführliche Diskussionen des Problems finden sich bei S AITTA (2006), 70 und insbesondere bei K RIEGER (1992), 76–118, der davon ausgeht, die Burgunder hätten Land zur Verfügung gestellt bekommen, ohne dass dieses deswegen unmittelbar in ihren Besitz überging.
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denn archäologisch hinterließen sie genausowenig eindeutig zuordenbare Spuren, was nicht nur an ihrer geringen Zahl gelegen haben dürfte.136 451 kämpften die Burgunder an der Seite der Römer und weiterer Verbündeter unter der Führung des Aetius in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern gegen die Hunnen und deren Verbündete, was ihnen erneut große Verluste bescherte.137 Nichtsdestotrotz eroberten sie in den folgenden Jahren weitere gallische Städte und vergrößerten so mehr oder weniger kontinuierlich ihre Einflusssphäre. Ihre Herrscher zeichneten sich durch eine enge Verbindung zu Machthabern innerhalb des römischen Reiches aus, viele von ihnen trugen römische Titel.138 Eine Konstante bildeten Auseinandersetzungen mit den expandierenden Westgoten, die etwa im Frühjahr 471 unter anderem Teile burgundischen Gebiets eingenommen hatten, welche in den darauffolgenden Jahren zurückerobert wurden. Daneben unterstützten die Burgunder den Widerstand der gallorömischen Aristokratie gegen die Westgoten, beispielsweise durch Getreidelieferungen in Gegenden, die von durch die Kriegsverwüstungen verursachten Hungersnöten betroffen waren.139 In den 70er und 80er Jahren des fünften Jahrhunderts fanden mehrere Kämpfe der Burgunder gegen die Alemannen statt, die jedoch aufgrund der Quellenlage nicht genauer datiert werden können. Sicher ist aber, dass es in diesem Zusammenhang zu einer Annäherung zwischen Burgundern und Franken kam, die überdies wohl durch eine Heirat besiegelt wurde.140 Irgendwann in diesem Zeitraum übernahmen Gundobad und seine Brüder als Nachfolger ihres Onkels Chilperich die Herrschaft über die Burgunder.141 Von diesen waren zu Beginn des letzten Jahrzehnts des 5. Jahrhunderts, der frühesten Erwähnung von Gundobad als burgundischem Herrscher, nur noch Gundobad selbst und Godegisel am Leben, die sich die Regentschaft teilten. Zu diesem Zeitpunkt nutzte Gundobad die Kämpfe 136 Vgl. K AISER (2004b), 13; 48. Zur Zahl der Burgunder s. K AISER (2004b), 75–82, zu ihren archäologischen Hinterlassenschaften FAVROD (1997), 30–35, K AISER (2004b), 87–96 und G AILLARD DE S ÉMAINVILLE (2008). Eine komplette Aufarbeitung der archäologischen Funde, die sich auf die Zeit und das Gebiet des „Zweiten Burgunderreichs“ beziehen, bietet E SCHER (2005). Für eine kurze allgemeine Einführung s. W OOD (2008). A MORY (1994b), 1–4 weist darauf hin, dass zumindest für die Oberschichten die Bezeichnungen ,Römer‘ und ,Burgunder‘ als ethnische Kategorien am Ende des 5. und Beginn des 6. Jahrhunderts keine Bedeutung mehr hatten. 137 Vgl. K AISER (2004b), 47. 138 Als Beispiel aus dem sechsten und siebten Jahrzehnt des fünften Jahrhunderts sei hier Gundiok genannt: er war wahrscheinlich mit einer Schwester des römischen Heermeistes Rikimer verheiratet und wurde 463 zum magister militum per Gallias ernannt, vgl. FAVROD (1997), 142 und K AISER (2004b), 49. Diese römischen Titel waren für die burgundischen Anführer von großer Wichtigkeit, schließlich boten sie ihnen neben einem bedeutenden Autoritätsgewinn die Möglichkeit, ihre Herrschaft auch über die einheimischen Gallorömer zu legitimieren und sie trotz der geringen Zahl der Burgunder zu festigen, s. FAVROD (1997), 141; 147. 139 Vgl. FAVROD (1997), 248–260; K AISER (2004b), 50f. Zur Ansiedlung und Expansion der Westgoten in Gallien s. beispielsweise W OLFRAM (1990), 178–197, ebenso K AMPERS (2008), insbesondere 126–135. 140 Vgl. K AISER (2004b), 56. 141 Vgl. K AISER (2004b), 57. Zur Herrschaftsnachfolge bei den Burgundern s. W OOD (2006), v. a. 65–72, ebenso die Überlegungen bei FAVROD (1997), 148–162.
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zwischen Odoaker und dem Ostgoten Theoderich um die Herrschaft in Italien, um selbst dort einzufallen und zahlreiche Gefangene zu machen. Nach dem Ende des Krieges verhandelte eine Gesandtschaft, die 494 unter der Führung des Bischofs Epiphanius von Pavia ins Burgunderreich gekommen war, über den Freikauf von Gefangenen.142 Zur Besiegelung des Friedens und zur Festigung eines Bündnisses zwischen Burgundern und Ostgoten fand ungefähr gleichzeitig die Verlobung von Gundobads Sohn Sigismund mit Theoderichs Tochter Ostrogotho/Areagni statt, wodurch die Burgunder Teil des weit verzweigten, durch Ehen abgesicherten Bündnissystems Theoderichs wurden.143 Ebenfalls durch eine Heirat abgesichert wurde möglicherweise ein 491/2 zwischen den Burgundern und Chlodwig geschlossener Frieden, indem letzterer Gundobads Nichte Chrotechilde ehelichte. Einige Jahre nach der Hochzeit ließ der Frankenkönig sich taufen und trat zum katholischen Glauben über.144 Dies bedeutete vermutlich keine geringe Veränderung der Machtverhältnisse, schließlich war er nun, zumindest wenn man davon ausgeht, dass Sigismunds Übertritt zum Katholizismus erst später erfolgte, der einzige katholische Herrscher in Gallien. Angesichts der Tatsache, dass die Galloromanen größtenteils katholisch waren, stellte er somit eine potenzielle Bedrohung für die homöisch-arianischen Herrscher der Westgoten, Ostgoten und Burgunder dar.145 500 brach zwischen Franken und Burgundern Krieg aus. Ursache der Auseinandersetzungen war wohl die Feindschaft zwischen Franken und Westgoten und der Versuch Chlodwigs, „die Umklammerung des gotischen Bündnissystems“146 142 Vgl. K AISER (2004b), 57f; FAVROD (1997), 302–307. Von der Gesandtschaft berichtet die Vita Epiphani des späteren Bischofs Ennodius von Pavia, F. VOGEL (1885), 80. Dort findet sich in diesem Kontext die früheste Erwähnung von Avitus als Bischof von Vienne. Zu den Ostgoten s. etwa W OLFRAM (1988), 247–362. 143 Theoderich selber hatte kurz zuvor Audofleda, eine Schwester des fränkischen Königs Chlodwig, geheiratet, in den folgenden Jahren vermählte er seine Tochter Thiudigotho mit Alarich II., dem Herrscher über die Westgoten, seine Schwester Amalafrida mit dem Vandalenkönig Thrasamund und seine Nichte Amalaberga mit Herminafrid, dem König der Thüringer. Vgl. hierzu FAVROD (1997), 308; K AISER (2004b), 58; s. auch B ECHER (2011), 166f. Zu Theoderich vgl. etwa AUSBÜTTEL (2003), zu seinem Auftreten als römischer Kaiser s. zudem A RNOLD (2014). 144 Der Zeitpunkt der Taufe ist umstritten, zwischen der traditionellen frühen Datierung 496 und dem spätesten möglichen Zeitpunkt 508 liegt ein Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Einigkeit besteht innerhalb der Forschung lediglich darin, dass die Taufe nach einem Sieg Chlodwigs über die Alemannen erfolgte und Chrotechildes Einfluss dabei eine Rolle spielte. Vgl. hierzu B ECHER (2011), 174–203, der sich ebenso wie K AISER (2004b), Anm. 147 für eine frühe Datierung ausspricht. FAVROD (1997), 327–336 argumentiert für ein spätes Taufdatum (506), ebenso wie S HANZER und W OOD (2002), 362–369 (508). Zu den näheren Umständen der Taufe und ihrer Rezeption in späteren Werken s. die Aufsätze in ROUCHE (1997), insbesondere M ONFRIN (1997). Anläßlich der Taufe schickte Avitus ein Glückwunschschreiben an Chlodwig, ep. 46P = ep. 42MR. Für die Datierung spielt zudem ep. 8P = ep. 5MR eine wichtige Rolle, wenn man davon ausgeht, dass der König, dessen Taufe berichtet wird, Chlodwig (und nicht Sigismund) ist. Zu ep. 46P = ep. 42MR s. B ERNARD (1996) und vor allem H EIL (2014), zur Taufe s. S CHÄFERDIEK (2004); zu Chlodwig allgemein vgl. neben B ECHER (2011) auch J USSEN (2014). 145 Vgl. etwa B ECHER (2011), 199–203. 146 K AISER (2004b), 60.
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aufzubrechen. Durch ihre Verbindung zu den Ostgoten waren auch die Burgunder Teil dieses Bündnissystems. Folgt man den Quellen, bot ein Bruderzwist zwischen Gundobad und Godegisel Chlodwig eine günstige Gelegenheit zum Angriff – umso mehr, da Godegisel zuvor ein geheimes Bündnis mit Chlodwig geschlossen hatte, bei dem er ihm als Gegenleistung für seine Unterstützung gegen Gundobad Gebietsabtretungen und Tributzahlungen der Burgunder zugesichert hatte.147 Bei Dijon trafen die burgundischen Armeen unter Gundobad und Godegisel und das Heer der Franken unter Chlodwig aufeinander. Nachdem Godegisel wie zuvor vereinbart zu Chlodwig übergelaufen war, wurde Gundobad besiegt und floh nach Avignon. Wohl mit westgotischer Unterstützung gelang es ihm dort, sein Heer zu sammeln und zu verstärken, und er zog mit seinen Truppen nach Vienne, wo Godegisel inzwischen residierte.148 Obwohl dieser durch fränkische Streitkräfte unterstützt wurde, belagerte und eroberte Gundobad die Stadt. Anschließend wurde sie geplündert, Godegisel, seine Familie und die gallorömischen und burgundischen Adligen, die ihn unterstützt hatten, kamen ums Leben, und die fränkischen Truppen wurden zu ihren westgotischen Feinden ins Exil geschickt. Zudem belohnte Gundobad die verbündeten Westgoten wohl mit Gebieten, die in der Diözese von Avignon lagen.149 Zwischen 500 und 507 wurde Sigismund zum König erhoben und übernahm Godegisels frühere Residenz Genf. 506 besiegten die Franken, möglicherweise mit burgundischer Unterstützung, die Alemannen.150 Zu dieser Zeit nahmen außerdem die Spannungen zwischen Franken und Westgoten zu. Obwohl Theoderich versuchte, zwischen beiden Seiten zu vermitteln und danach strebte, zumindest die Burgunder zu einer neutralen Haltung zu bewegen, scheiterten seine diplomatischen Bemühungen. Schließlich kam es 507 zum offenen Krieg zwischen Franken und Westgoten, in dem die Burgunder an der Seite der Franken kämpften.151 In der entscheidenden Schlacht bei Vouillé152 wurden die Westgoten besiegt, ihr König Alarich II. fand den Tod. Dies bedeutete das Ende des westgotischen Reiches von Toulouse, dessen Gebiete daraufhin von Franken und Burgundern erobert wurden. Allerdings war dieser Zustand nicht von Dauer: bereits 508 erfolgte eine ostgotische Gegenoffensive Theoderichs, der einen Großteil der ehemals westgotischen Gegenden eroberte. Während die Franken als Ergebnis des Krieges zumindest den größten Teil Aquitaniens annektieren konnten, verloren die Burgunder ihre Eroberungen und konnten 147 So berichten Gregor von Tours, Franc. 2, 32 und Marius von Avenches zum Jahr 500, vgl. K AISER (2004b), 61. 148 Vgl. FAVROD (1997), 341–345; K AISER (2004b), 61. Gregor von Tours’ Geschichte, Gundobad habe mit Hilfe des Doppelagenten Aredius (oder Arigius) Chlodwigs Belagerung Avignons durch das Versprechen jährlicher Tributzahlungen abwenden können, halten beide für wenig wahrscheinlich. 149 Vgl. FAVROD (1997), 357–379; K AISER (2004b), 61f. Bei der Eroberung und Plünderung Viennes wurde Avitus’ Archiv offensichtlich ebenfalls zerstört. 150 Vgl. K AISER (2004b), 63f. Zur Schilderhebung Sigismunds, die vermutlich in der befestigten Villa Carouge bei Genf stattfand, s. auch FAVROD (1997), 373–377. 151 Vgl. FAVROD (1997), 391–395; K AISER (2004b), 64f. Zu den diplomatischen Bemühungen der Ostgoten gegenüber den Burgundern allgemein s. S HANZER (1996). 152 Zu den näheren historischen Umständen der Schlacht s. die Beiträge in M ATHISEN und S HAN ZER (2012), zu ihrer Rezeption in den Quellen s. S TADERMANN (2016).
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
letztlich keine Gebietsgewinne verzeichnen – vielmehr verwüsteten die Ostgoten auch burgundisches Land.153 Erst ab etwa 512 schien sich das Verhältnis zwischen Burgundern und Ostgoten zu beruhigen, und es zeichnete sich ab, dass der nach den Kämpfen gegen die Westgoten geschlossene Friede von Dauer sein würde. Dies hing wohl unter anderem mit dem Tod Chlodwigs 511 und den darauf folgenden Unruhen im Frankenreich zusammen.154 Die letzten Lebens- und Herrschaftsjahre Gundobads waren außenpolitisch gesehen für die Burgunder vermutlich recht ruhig, zumindest sind aus dieser Zeit keine kriegerischen Auseinandersetzungen bekannt, in die sie verwickelt waren. Als sein Vater 516 starb, wurde Sigismund zum alleinigen Herrscher über die Burgunder. Die Gesandtschaft, die er daraufhin nach Konstantinopel schickte, um den Kaiser hierüber zu informieren, wurde von Theoderich aufgehalten, sodass erst eine nachfolgende Mission ihr Ziel erreichte.155 Insgesamt setzte Sigismund Gundobads Politik fort, allerdings sollte die burgundische Herrschaft nicht mehr allzu lange Bestand haben. Auch Avitus war wohl bereits tot, als Sigismund 522 seinen Sohn Sigerich töten ließ, wodurch er Theoderich, dessen Enkel Sigerich war, herausforderte. Der fränkische König Chlodomer nutzte 523 die Situation zu einem Angriff auf die Burgunder, der mit deren Niederlage endete. Kurz darauf kam Sigismund ums Leben. Sein Bruder Godomar, der nun Herrscher über die Burgunder wurde, schaffte es, noch etwa zehn Jahre eine weitgehende Unabhängigkeit zu bewahren. 534 jedoch wurde das burgundische Gebiet endgültig Teil des Frankenreiches.156 Bedenkt man die Tatsache, dass die Burgunder wegen ihrer geringen Zahl und vor allem aufgrund der Mittellage ihres Herrschaftsbereiches, der sie zu direkten Nachbarn der Franken, Westgoten und Ostgoten machte, stets gefährdet waren, ist es erstaunlich, dass sie ihre Eigenständigkeit so lange bewahren konnten. Dies lag wohl unter anderem an der geschickten Politik Gundobads und Sigismunds, die einerseits die Rivalitäten der anderen Mächte ausnutzten, andererseits freilich ausgleichend wirkten. Zudem festigten sie ihren Einfluss durch ihre Religionspolitik sowie ihr Streben nach romanitas.157 Da beide innerhalb des avitanischen Briefœuvres als wichtige Adressaten fungieren und die genannten Aspekte gerade für die Schreiben 153 Vgl. FAVROD (1997), 395–406; K AISER (2004b), 65f; W OLFRAM (1990), 197; 244–248. Ein Grund für Alarichs Niederlage bei Vouillé bestand darin, dass er keine militärische Unterstützung durch die Ostgoten erhielt; diese konnten ihm wohl deswegen nicht zu Hilfe kommen, weil ihre Kräfte aufgrund der Spannungen mit Konstantinopel anderweitig gebunden waren. 154 Vgl. FAVROD (1997), 406–410; K AISER (2004b), 66. Ein Indiz dafür, dass sich die Beziehungen zwischen Burgundern und Ostgoten verbesserten, sind Aktivitäten zur Befreiung von Gefangenen auf beiden Seiten. 155 Vgl. FAVROD (1997), 419f und K AISER (2004b), 67. Da Theoderich selbst seine Herrschaft in Gefahr sah, konnte ihm an einer Fortsetzung der bereits bestehenden guten Beziehungen der Burgunder (und Franken) nach Konstantinopel nicht gelegen sein. Zwei der wohl zu dieser Zeit zu Kaiser Anastasios geschickten, von Avitus verfassten Schreiben sind als epp. 93fP = epp. 90fMR erhalten. 156 Vgl. FAVROD (1997), 428–469; K AISER (2004b), 68–73. 157 Vgl. FAVROD (1997), 469; K AISER (2004b), 74.
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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des Vienners von großer Bedeutung sind, bilden sie den Gegenstand der folgenden Ausführungen.
1.2.2.2 Gundobad und Sigismund Gundobad tritt zunächst nicht in Zusammenhang mit den Burgundern in Erscheinung, sondern als Mitglied der höchsten politischen Kreise des römischen Westreichs. Ab 472 hielt er sich in Italien auf, um den magister militum et patricius Rikimer, der höchstwahrscheinlich sein Onkel war, gegen Kaiser Anthemius zu unterstützen.158 Zu diesem Zeitpunkt war er bereits magister utriusque militiae (per Gallias?). Kaiser Olybrius ernannte ihn nach Rikimers Tod im Sommer 472 zu dessen Nachfolger im Amt des magister militum, was ihn de facto zum mächtigsten Mann des römischen Westreichs machte. Nach Olybrius‘ Ende 472 regierte Gundobad sogar einige Monate ohne Kaiser, bis er im Frühjahr 473 Glycerius zum Augustus machte. Dieser wurde jedoch in Konstantinopel nicht anerkannt; stattdessen ernannte Kaiser Leo 474 Julius Nepos zum Kaiser des Westens. Gundobad wartete dessen Ankunft in Italien nicht ab, sondern zog sich nach Gallien zurück. Über die Gründe hierfür kann nur spekuliert werden; möglicherweise wollte er sich nach dem Tod seines Vaters Gundiok die Herrschaft über die Burgunder sichern, oder er fürchtete, mit den burgundischen Truppen in Italien nicht gegen Julius Nepos bestehen zu können.159 Zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 474 und 494 übernahmen Gundobad und seine Brüder die Herrschaft über die Burgunder.160 Wie genau diese aussah, ist unklar. Für die meiste Zeit von Gundobads Regentschaft kann man wohl davon ausgehen, dass es mindestens zwei burgundische Könige und auch mindestens zwei Residenzstädte gab: Lyon und Genf. Das Verhältnis der beiden Herrscher zueinander ist aber in der Forschung umstritten: Während etwa Justin FAVROD davon ausgeht, dass beide ihre Herrschaft weitgehend unabhängig voneinander ausübten, ist Ian W OOD eher der Ansicht, dass zwischen beiden Machthabern eine Rangordnung bestand und der eine dem anderen untergeordnet war.161 Gleichzeitig trugen die meisten burgundischen Könige überdies römische Titel: Gundobad war, wie bereits erwähnt, patricius und magister militum, ebenso sind für Sigismund mehrere Titel bezeugt, darunter der des patricius und ein weiterer, 158 Vgl. die entsprechenden Artikel in der Gallischen Prosopographie und der PLRE, ebenso L ÜTKENHAUS (1996–2003). Zu Rikimers Handeln in Italien s. M AC G EORGE (2002), 165–268. 159 Vgl. K AISER (2004b), 52; zu Gundobads Rolle in Italien s. auch FAVROD (1997), 261–265, außerdem M AC G EORGE (2002), 269–275. 160 Nach 474 bietet die Vita Epiphani des Ennodius 494 als frühestes Datum, zu dem Gundobad eindeutig über die Burgunder regierte. Zu dieser Zeit war von seinen Brüdern nur noch Godegisel am Leben. Vgl. zudem W OOD (2006), 64. 161 Vgl. FAVROD (1997), v. a. 155–162; W OOD (2003), 254; W OOD (2006), 68. W OOD bezieht sich hierbei insbesondere auf das Verhältnis zwischen Gundobad und Sigismund. Beide Forscher sind sich freilich darin einig, dass der in Lyon residierende Herrscher über mehr Macht verfügte als der, dessen Sitz Genf war.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
möglicherweise der des magister utriusque militiae per Gallias.162 Wie Ian W OOD immer wieder betont hat, waren die römischen Titel die für die burgundischen Herrscher zentralen: Sigismund schrieb sogar nach Konstantinopel, um darum zu ersuchen.163 Überhaupt sahen sich die Burgunder, insbesondere ihre Machthaber, weiterhin als Teil des römischen Reiches.164 Kontinuität wurde nicht nur durch verschiedene Titel und Ämter hergestellt, sondern darüber hinaus etwa dadurch, dass vor allem zur Zeit Gundobads und Sigismunds weiterhin auf römische Art nach Konsulatsjahren datiert wurde und die unter Gundobad, Sigismund und Godomar geprägten Münzen das Porträt der jeweiligen Kaiser Anastasios, Justin oder Justinian zeigten.165 Genauso wenig fand letztlich in der Gesetzgebung ein Bruch mit der Tradition statt: für die Gallorömer galt unter Gundobad und Sigismund weiterhin das römische Recht, das durch Regelungen für ihre nichtrömischen Untertanen ergänzt wurde. Beide Herrscher erließen neue Gesetze und sorgten für die Kodifikation des Rechts. So bot Gundobad das Ende der Auseinandersetzungen mit den Franken und seinem Bruder Godegisel die Gelegenheit, leges mitiores zum Wohl der Gallorömer zu verkünden, und Sigismund veröffentlichte 517 recht kurz nach dem Beginn seiner Alleinherrschaft den Liber Constitutionum.166 162 Vgl. die entsprechenden Einträge in der PLRE. Gundobads Vater Gundiok war magister militum (per Gallias?), genauso Gundioks (oder Gundobads) Bruder Chilperich, der außerdem den patricius-Titel trug. Vgl. hierzu W OOD (2003), 251. 163 Vgl. W OOD (2003); W OOD (2006); W OOD (2014a) und W OOD (2014b). An der Korrespondenz mit Konstantinopel war Avitus wohl maßgeblich beteiligt, indem er die hierfür nötigen Briefe verfasste. Das Schreiben mit der Bitte um einen Ehrentitel, bei dem es sich wahrscheinlich um den des magister utriusque militiae handelt, ist in der Sammlung als ep. 93P = ep. 88MR überliefert. Gerade die römischen Ämter boten eine Möglichkeit zur Herrschaftslegitimation: während der Königsrang die Macht über die Burgunder begründete, rechtfertigte die Stellung als römische Beamte die Verfügungsgewalt über die Galloromanen und war daher ein Stück weit politisch notwendig, da die burgundischen Herrscher sich nicht auf eine zahlenmäßige und/oder militärische Überlegenheit stützen konnten. S. hierzu FAVROD (1997), 137–148. 164 Vgl. W OOD (2018a), 277–279; 281. 165 Vgl. hierzu die eben erwähnten Aufsätze W OODs, ebenso F ISCHER (2014), xix, der auf Konstantinopel und das römische Reich als allgemeinen Bezugspunkt der Zeit hinweist. Zur Datierung nach Konsulatsjahren s. H ANDLEY (2000) und E SCHER (2005), 151; hierin unterschieden sich die Burgunder beispielsweise von den Westgoten, die nach Regierungsjahren des Königs datierten, vgl. K AMPERS (2008), 145. Einen Überblick zu den Münzen der burgundischen Herrscher bietet E SCHER (2005), 603–636, zu Wirtschaft und Geld in den germanischen Nachfolgestaaten des weströmischen Reiches H ENDY (1988) (s. dort 45–47 zu den Burgundern). Die engen Verbindungen zu Konstantinopel zeigen sich beispielsweise auch an den Schmuckgürteln byzantinischen Ursprungs, die auf burgundischem Gebiet gefunden wurden, vgl. E SCHER (2005), 391. S. ebenfalls BARNWELL (1992), 82–89. Anderer, meiner Meinung nach nicht ganz zutreffender Ansicht ist S CHEIBELREITER (1989), 215, der davon ausgeht, dass sich die Barbaren mehr ihrer eigenen Souveränität bewusst gewesen seien als dass sie sich dem römischen Reich untergeordnet hätten. 166 Vgl. Gregor von Tours, Franc. 2, 33. Eine Zusammenfassung zu den unter Gundobad und Sigismund promulgierten Gesetzessammlungen findet sich bei W OOD (2016). Vergleichbare Vorgänge fanden auch bei den Westgoten unter Eurich und Alarich II. statt, vgl. K AMPERS (2008), 141–144.
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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Nicht nur in politischen Belangen zeichneten sich Gundobad wie Sigismund durch eine bemerkenswerte romanitas aus,167 die sich etwa in ihrer Bildung zeigt. Beide waren sicherlich in der Lage, gutes Latein zu sprechen und zu schreiben: sie hatten offensichtlich wenig Schwierigkeiten, Avitus’ Predigten und Briefen zu folgen und waren Teil seines Korrespondenznetzwerks. Gundobad beherrschte überdies wahrscheinlich Griechisch.168 Zudem fand zwischen Gundobad und Avitus ein reger theologischer Austausch statt. Der burgundische Herrscher fragte den Bischof nicht nur nach der Interpretation von Bibelstellen, sondern las dessen theologische Werke, ließ sich von ihm über religionspolitische Vorgänge in Konstantinopel unterrichten und nahm an theologischen Diskussionen teil, die er auch selber zu initiieren schien.169 Dies ist umso bemerkenswerter, als Gundobad selber Homöer war und es zeitlebens auch blieb.170 Ob er damit stellvertretend für einen Großteil der Burgunder stand oder eher ein Einzelfall war, ist bis heute nicht abschließend geklärt.171 Fest steht immerhin, dass seine Frau Caretena wie viele andere weibliche Mitglieder der königlichen Familie katholisch war und ein asketisches Leben führte. Sein Sohn Sigismund war zunächst ebenfalls Homöer, konvertierte aber zum Katholizismus, offenbar mit Gundobads Zustimmung oder zumindest mit seiner Billigung. Dieser Übertritt bot den burgundischen Herrschern einige Vorteile: die beiden christlichen Hauptrichtungen auf burgundischem Gebiet waren spätestens jetzt durch jeweils einen Machthaber im Königshaus vertreten. Damit wussten einerseits die meisten Einwohner ihre eigene Glaubensrichtung prominent repräsentiert, andererseits eröffneten sich nun neue
167 S. hierzu insbesondere W OOD (2004). Überhaupt waren viele in die Verwaltung des burgundischen Staates eingebundene Adlige – Römer wie Burgunder – sehr gebildet, s. hierzu W OOD (2009), v. a. 12–15. 168 Die Verwendung eines komplizierten, für Ungebildete kaum verständlichen Latein war Teil der adligen Bildungskultur, s. hierzu unten, S. 50. Vor allem in Briefen und Predigten zu besonderen Gelegenheiten machte man davon Gebrauch, vgl. W OOD (1986), passim. In ep. 1P = ep. 92MR und ep. 3P an Gundobad zitiert Avitus ganz selbstverständlich eine griechische Gottesanrufung bzw. verwendet ein griechisches Wort, um einen hebräischen Ausdruck zu erklären. Auch Ennodius hebt die Beredsamkeit Gundobads lobend hervor (Vita Epiphani (80) 165, F. VOGEL (1885), 105.) 169 Ein Reflex davon findet sich in vielen Briefen des Avitus an Gundobad und Sigismund, außerdem etwa in einem Briefwechsel des Bischofs mit Heraclius, epp. 53fP = epp. 50fMR. Hierzu s. auch W OOD (2019). 170 Vgl. Gregor von Tours, Franc. 2, 34. 171 Die Quelleninformationen hierzu sind widersprüchlich, da Orosius berichtet, die Burgunder seien bei ihrer Bekehrung zum Christentum katholisch geworden, während Gregor von Tours sie als Arianer charakterisiert. Man hat versucht, das Problem dadurch zu lösen, dass man von einer Konversion vom katholischen zum homöischen Bekenntnis ausging oder das Zeugnis einzelner Quellen verwarf, vgl. hierzu K AISER (2004b), 148–157. In jedem Falle gab es zur Zeit des Avitus eine homöische Kirche im Reich der Burgunder, über die H EIL (2011) einen Überblick bietet. W OOD (2019), 306–311 plädiert neuerdings überzeugend dafür, dass die Burgunder mehrheitlich katholisch waren; die Existenz einer offensichtlich einflussreichen Gruppe von Homöern erklärt er durch die Heirat Gundioks mit der Tochter Rikimers, einer Homöerin.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Möglichkeiten für politische Bündnisse und Kontakte zum Papst und zu einflussreichen katholischen Bischöfen.172 Zugleich macht Sigismunds Konversion Gundobads Toleranz gegenüber den Katholiken deutlich. Dieser zeigte nicht nur Interesse, sondern trat außerdem (teilweise indirekt über seine Frau) als Förderer der katholischen Kirche auf, beispielsweise durch Kirchenstiftungen.173 In diesem Bereich engagierte Sigismund sich ebenfalls sehr, worauf später noch genauer einzugehen ist. Gundobads Sohn war zunächst, wie bereits erwähnt, Homöer. Nachdem er vielleicht 494 oder kurz darauf174 Ostrogotho Areagni, Tochter Theoderichs und wie er Homöerin, geheiratet hatte, konvertierte er zum Katholizismus. Wann genau der Übertritt stattfand, lässt sich nicht rekonstruieren; die meisten Forscher tendieren jedoch zu einem Zeitpunkt in den ersten Jahren nach der Wende zum sechsten Jahrhundert.175 In Zusammenhang hiermit stand auf jeden Fall eine von mindestens zwei Romreisen Sigismunds.176 Auch nach den Romreisen rissen Sigismunds Kontakte zu Papst Symmachus, der 498–514 Bischof von Rom war, nicht ab. Der burgundische Herrscher bat ihn etwa um Reliquien des heiligen Petrus, die er weiter verteilen wollte. Eine der Kirchen, für die sie bestimmt waren, war wohl eine Peterskirche in Genf, zu deren Weihung Avitus eine Predigt hielt.177 Doch nicht nur als Kirchenstifter zeichnete Sigismund sich aus. 515 gründete er auf Anregung seines Mentors, Bischof Maximus von Genf, das Kloster SaintMaurice d’Agaune am Ort des angeblichen Martyriums der Thebäischen Legion und ihres Anführers Mauritius neu.178 Hier fungierte Avitus bei der Einweihung ebenfalls als Prediger. Für das Kloster waren zahlreiche Mönche aus anderen Klöstern herbeigeholt worden, die unter der Leitung des Abtes Hymnemodus dort leben sollten.179 Eine liturgische Besonderheit des Klosters im gallischen Raum stellte die sogenannte laus perennis dar, der Tag und Nacht stattfindende ununterbro172 Vgl. hierzu K AISER (2004b), 152–160. 173 Vgl. B OYSON (1988), 111–113; S HANZER und W OOD (2002), 9; 19f; 26. K AISER (2004b), 155f schreibt Gundobads Offenheit vorrangig pragmatischen Überlegungen zu. 174 S. o. S. 42. Sigismund und Ostrogotho hatten mindestens zwei Kinder, einen Sohn, Sigerich, und eine Tochter, deren Name unbekannt ist, vgl. den Eintrag zu Sigismund in der PLRE. 175 Vgl. FAVROD (1997), 379; S HANZER und W OOD (2002), 221f; K AISER (2004a), 202. 176 Vgl. S HANZER (1996), 249f; S HANZER und W OOD (2002), 221. Folglich ist Sigismund der erste königliche Rompilger, von dem wir wissen, wie K AISER (2004a) immer wieder betont. 177 Vgl. K AISER (2004a), 202–204. Möglicherweise plante Sigismund, diese Kirche zur Grabkirche seiner Familie zu machen. Das Gesuch um Reliquien findet sich in Avitus’ ep. 29P = ep. 26MR. 178 Bis heute leben dort Mönche, sodass das Kloster eines der ältesten Europas ist, das ununterbrochen besteht. Mauritius erfreute sich als einer der Nationalheiligen des burgundischen Königreiches besonderer Verehrung; auch in Vienne ist der Mauritius-Kult bezeugt, der bereits durch Avitus dort eingeführt worden sein könnte, vgl. NÄF (2011), 18; 82. Vgl. ebd. zur Märtyrerverehrung allgemein, insbesondere zum Kult der Thebäischen Legion. 179 Vgl. hierzu FAVROD (1997), 383–385; K AISER (2004b), 171–175. Zu Hymnemodus s. zudem den Eintrag der PCBE. D IEM (2013), 51; 59 weist besonders darauf hin, dass Saint-Maurice anders als etwa Lérins mit besonderer Unterstützung der Bischöfe wie des Königs neugegründet wurde; ein Grund hierfür ist sicherlich die Aufgabe der Mönche, für das Wohlergehen des
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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chene Gesang von Psalmen. Ein mögliches Vorbild hierfür könnten die Akoimeten in Konstantinopel gewesen sein.180 Diese Neuerung könnte somit einen weiteren Hinweis auf die bereits erwähnte Orientierung der burgundischen Machthaber nach Konstantinopel hin darstellen; zudem betonte Sigismund durch die Gründung und ihre Umstände seine eigene Rechtgläubigkeit.181 Die Einrichtung des Klosters erfolgte noch zu Gundobads Lebzeiten; er starb jedoch recht kurz darauf im Jahr 516. Somit wurde sein Sohn, der bereits zuvor königliche Befugnisse gehabt hatte, zum Alleinherrscher. Für die katholischen Bischöfe auf burgundischem Gebiet war es offensichtlich erst jetzt möglich, eine Synode abzuhalten, auf der etwa verschiedene Punkte, die sich aus dem Zusammenleben von Katholiken und Homöern ergaben, sowie Fragen zu Ehe und Inzest erörtert wurden. Diese Versammlung der Bischöfe, zu der die Metropoliten Avitus von Vienne und Viventiolus von Lyon einluden, fand 517 in Epaon statt.182 Die in Epaon beschlossenen Canones wurden schon bald dem Testfall durch die Realität unterzogen. Anlass war die Ehe des Stephanus, eines hohen königlichen Beamten, mit der Schwester seiner verstorbenen Frau, die nach den Regelungen von Epaon als Inzest galt. Nachdem Stephanus auf einer zwischen dem Konzil von Epaon und Avitus’ Tod im Februar 518 stattfindenden Synode exkommuniziert worden war, setzte sich Sigismund für ihn ein. Die Reaktion der Bischöfe war eine erneute Versammlung in Lyon, an der bereits Avitus’ Nachfolger teilnahm, und auf der die Exkommunikation nochmals bekräftigt wurde. Offensichtlich kam es auf Königs und des Burgunderreiches zu beten, wodurch das Kloster zum Vorbild für spätere fränkische Klöster wurde. Vgl. ebenso M ASAI (1971). 180 Die „schlaflosen Mönche“ gehörten während des Akakianischen Schismas (484–519) zu denjenigen, die die Orthodoxie am aggressivsten verteidigten und in enger Verbindung zum Papst in Rom standen, vgl. W OOD (2014a), 12. ROSENWEIN (2000) schließt eine byzantinische Inspiration zwar nicht völlig aus, ist aber der Ansicht, dass dies in jedem Fall nicht die einzige Grundlage war. B ERNARD (2006) allerdings plädiert gegen ROSENWEIN dafür, dass Sigismund die byzantinische Praxis nachahmen wollte. S. dort auch zur Vorbildwirkung des Klosters für spätere Gründungen in Gallien. 181 Dieser Aspekt ist überdies wohl im Kontext des Akakianischen Schismas von Bedeutung, bei dem zu dieser Zeit die Verhandlungen wieder in vollem Gange waren; hierzu vgl. W OOD (2014a), 13; zu den päpstlichen Gesandtschaften nach Konstantinopel und Avitus’ brieflicher Anfrage an den Papst hierüber s. u. S. 104ff. Einen Hinweis darauf, dass Sigismund sich dezidiert in die Gemeinschaft mit Rom und Konstantinopel stellen wollte, bieten eventuell die Kirchenpatrozinien im burgundischen Gebiet: E WIG (1979), 277–279; 287f; 398 stellt fest, dass die Apostel Petrus und Andreas dort besonders verehrt wurden. Das ist insofern bemerkenswert, als sich die römischen Bischöfe zur Begründung ihrer Autorität ab dem vierten Jahrhundert, vor allem jedoch im fünften und sechsten Jahrhundert, auf den Apostel Petrus beriefen, während sich die Patriarchen in Konstantinopel zu Beginn des sechsten Jahrhunderts aus ähnlichen Gründen auf Petrus’ Bruder Andreas bezogen, vgl. D EMACOPOULOS (2013) passim, v. a. 128. Zur Selbstidentifikation der (römischen) Aristokratie über Heiligenkulte vgl. D IEFENBACH (2007), 359–379. 182 Avitus’ Einladungsschreiben ist als ep. 90P = ep. 85MR erhalten; zur Synode und den dort beschlossenen Canones vgl. M ARDIROSSIAN (2005), der besonders hervorhebt, dass die Synode von Epaon anders als die übrigen gallischen Synoden der Zeit nicht auf Einladung des Königs stattfand (368).
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
den Druck Sigismunds hin zu einem Kompromiss; allerdings war das Verhältnis des katholischen Herrschers zu den Bischöfen von nun an getrübt.183 Letztlich überlebte Sigismund Avitus nur um wenige Jahre: 522 ließ er, angestiftet von seiner Frau, seinen Sohn Sigerich töten; bereits kurz nach dem Mord begab er sich nach Saint-Maurice und leistete dort Buße. Sigerichs Ermordung hatte auch außenpolitische Folgen: ein Bündnis mit Theoderich, dem Großvater Sigerichs, und den Ostgoten war nun definitiv nicht mehr möglich, sodass die Burgunder 523 den Angriff der Franken unter Chlodomer ohne Verbündete abwehren mussten und eine Niederlage erlitten. Sigismund ergriff daraufhin ebenso wie sein Bruder Godomar die Flucht und versuchte, sich nach Saint-Maurice zurückzuziehen, wurde jedoch verraten, gefangen genommen und 523/4 schließlich hingerichtet. Gut zehn Jahre darauf wurden seine Gebeine nach Saint-Maurice gebracht, und schon kurze Zeit später wurde er dort als Heiliger verehrt.184 Zu ihren Lebzeiten standen Gundobad und Sigismund als burgundische Herrscher in engem Kontakt mit den höchsten Kreisen des gallischen Adels, zu denen, wie bereits erwähnt (s. o. S. 34f), auch Avitus zählte. Kennzeichen von deren aristokratischer Kultur war nicht nur die Demonstration von Reichtum, sondern mehr noch der hohe Rang, den sprachliche und literarische Bildung und deren betonte Zurschaustellung u. a. in Briefen einnahmen. Da diese Themen somit einen zentralen Hintergrund für das Verständnis von Avitus’ Briefen bilden, soll im Folgenden näher auf sie eingegangen werden.
1.2.3 Adel, Bildung und Briefe im spätantiken Gallien Wie Dirk S CHLINKERT darlegt, kann der spätrömische Senatsadel nach Max W E BER s Definition als „Stand“ gesehen werden, d. h. als eine „Vielheit von Menschen, die innerhalb eines Verbandes wirksam eine ständische Sonderschätzung [...] in Anspruch nehmen“. Hierzu gehört außerdem eine positive oder negative Privilegierung.185 Laut S CHLINKERT bedeutet dies für einen Adligen, dass ihm durch die Gesellschaft Ehre zuerkannt wird, dass sich sein soziales Prestige unter anderem aus seiner Herkunft und seiner Familie speist, und dass er sich durch einen bestimmten Lebensstil auszeichnet, zu dessen Bestandteilen etwa besondere ständische Konventionen, Heirat innerhalb des Standes und seine Erziehung und Bildung zählen.186 In Bezug auf die spätantiken römischen Eliten wurden und werden in der Literatur verschiedene Kataloge von Kriterien angeführt, über die die Mitglieder auch ih183 Vgl. FAVROD (1997), 425–427; K AISER (2004b), 164f. Wie der Streit schließlich ausging, ist nicht überliefert. 184 Vgl. hierzu FAVROD (1997), 428–437; K AISER (2004b), 68f; K AISER (2004a), 205–210. Sigismund war damit der „erste heilige[r] König des Mittelalters“, eine Passio Sigismundi entstand im 8. Jahrhundert. 185 S CHLINKERT (1996), 47; W EBER (1972), 180. Auch S ALZMAN (2002), 19 weist auf Max W EBER hin. 186 Vgl. S CHLINKERT (1996), 47.
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rer eigenen Ansicht nach verfügten.187 Diese sind zwar nicht völlig deckungsgleich, unterscheiden sich letztlich aber nicht grundlegend voneinander. Im Folgenden werden daher die zentralen Merkmale des spätantiken Adels näher ausgeführt, die sich aus der Zusammenschau dieser Aufzählungen ergeben. Teil der Senatsaristokratie wurde eine Person durch Geburt oder, wenn ihre Eltern beispielsweise Kurialen waren, durch die Bekleidung eines hohen Staatsamts.188 Unterschiedliche Ränge gab es außerdem innerhalb des Adels: während die Geburt als Tochter oder Sohn eines Aristokraten nur die automatische Zugehörigkeit zum Clarissimat, der niedrigsten dieser Abstufungen, zur Folge hatte, war eine Erlangung höherer Titel, z. B. des spectabilis und des illustris bzw. illustrissimus, nur durch die Ausübung bestimmter Ämter möglich.189 Eng hiermit verbunden sind ein bestimmter Lebensstil der adligen Elite, dessen Grundlage der enorme Reichtum der meisten Aristokraten bildete, und die Zugehörigkeit zu einer berühmten Familie sowie die Berufung auf bedeutende Vorfahren.190 Basis dieses Vermögens war der Besitz ausgedehnter Güter und Ländereien, die oftmals über mehrere Provinzen verteilt waren.191 Den Erwartungen entsprechend sollten Angehörige der Senatsaristokratie ihre Wohlhabenheit zur Schau stel187 S. etwa M ATHISEN (1993), 9–13, v. a. 11; NÄF (1995), 4–11; S CHLINKERT (1996), 234f; S ALZMAN (2000), 348; S ALZMAN (2002), 20f; N OBLE (2003), 13; R EBENICH (2008), 154. Auf zentrale Merkmale insbesondere der gallischen Aristokratie geht S TROHEKER (1970), 5– 42 ein. Im Rahmen dieser Arbeit werden die Begriffe „Adliger“/„Adel“, „Aristokrat“/„(Senats-) Aristokratie“ und „(Mitglied der) Elite“ weitgehend synonym verwendet, denn erstens verstanden sich die Adligen selbst als Elite (definiert als Position an oder in der Nähe der Spitze eines hierarchischen Systems, vgl. R APP (2000), 379, s. ebenso R APP und S ALZMAN (2000)), und zweitens waren die gallischen Aristokraten, zumindest solange es noch einen Kaiser im Westen gab, potentielle Mitglieder des Senats oder stammten von solchen ab. Einen Forschungsüberblick bietet M EURER (2019), 29–35. 188 Vgl. M ATHISEN (1993), 12; NÄF (1995), 26; S CHLINKERT (1996), 85f; R EBENICH (2008), 154. Eine Frau erhielt zunächst den Rang ihres Vaters, nach einer Heirat den des Ehemanns, vgl. S CHLINKERT (1996), 85–93. 189 Vgl. D EMANDT (2008), 258, ebenso NÄF (1995), 16–26. Zum Zusammenhang von Clarissimat und Adel s. zudem A RNHEIM (1972), 8–19. Wenngleich es für gallische Aristokraten zur Zeit des Avitus recht schwierig gewesen sein dürfte, ein römisches Staatsamt zu erlangen, war das Bewusstsein für die unterschiedlichen Ränge wohl zumindest in gewissem Maße vorhanden. So sind mehrere Briefe des Bischofs explizit an viri illustres bzw. illustrissimi adressiert (z. B. die Festbriefe epp. 80–85P = epp. 76–81MR), einer an einen vir spectabilis (ep. 86P = ep. 82MR). Genauso schreibt Ennodius, der spätere Bischof von Pavia, ein Epithalamium für einen vir spectabilis Maximus (388 in Vogels MGH-Ausgabe). 190 Die Familienangehörigkeit lässt sich in vielen Fällen an den Namen der jeweiligen Personen erkennen: Das republikanische System der tria nomina wurde zwar nicht mehr verwendet, war jedoch noch bekannt; zugleich trugen spätrömische Aristokraten als einzige Mitglieder der Gesellschaft mehrere Namen, die in ihrer Verwandtschaft väterlicher- und mütterlicherseits auftraten. Abgesehen davon, dass dies familiäre Beziehungen anzeigte, markierte es den Unterschied zu den anderen Schichten, vgl. NÄF (1995), 41f. Zu den Namen spätantiker Aristokraten s. ebenfalls C AMERON (1985). 191 Aus diesen speiste sich das Einkommen der Aristokraten, schließlich war es ihnen nicht erlaubt, sich handwerklich zu betätigen oder Geldgeschäfte zu treiben, vgl. S TROHEKER (1970), 34; M ATHISEN (1993), 11; S CHLINKERT (1996), 125–131. Zu den materiellen Ressourcen der nobilitas s. auch S ALZMAN (2002), 24–27; zur Entwicklung der Villen in der Spätantike s.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
len und außerdem der Allgemeinheit zugute kommen lassen. Man rechnete damit, dass sie prunkvolle Gewänder trugen und ihre Privilegien, etwa reservierte Plätze in Theatern oder die Erlaubnis, in Kutschen durch die Hauptstadt zu fahren, auch ausnutzten.192 Zu den Forderungen der übrigen Bevölkerung gehörten unter anderem die Finanzierung öffentlicher Gebäude und die Veranstaltung von Spielen, die beispielsweise bei Gelegenheit eines Amtsantritts stattfanden.193 Zudem mussten sich Adlige stets ihres besonderen Ranges und ihrer Vorfahren würdig erweisen, um nicht zu Unrecht als Mitglieder der Eliten angesehen zu werden. Abgesehen von den bereits genannten Verhaltensweisen wie Euergetismus und der Bekleidung öffentlicher Ämter194 taten sie dies dadurch, dass sie ihre Rechtschaffenheit und ihren guten Charakter zeigten, dass sie gebildet waren und sich literarisch betätigten, und dass sie die Verbindungen zu anderen Angehörigen der Aristokratie pflegten und sich diesen gegenüber angemessen verhielten.195 „Bildung“ hieß für die Mitglieder der spätantiken Aristokratie vor allem rhetorisch-sprachlich-literarische Bildung. Diese schloss eine profunde Kenntnis der römischen Literatur, insbesondere der Klassiker Vergil, Cicero, Terenz und Sallust ein, ebenso die Beherrschung eines korrekten, an diesen Klassikern orientierten Latein und die Fähigkeit, diese Kenntnisse in verschiedenen Kontexten, etwa beim Abfassen von Dokumenten aller Art, Briefen und literarischen Werken anzuwenden.196 Die enorme Wichtigkeit dieser Art von Bildung für die spätantike Elite kann dabei kaum unterschätzt werden. Im Verlauf der Spätantike entwickelte sie sich
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A RCE (1997), R IPOLL und A RCE (2000) sowie B ROGIOLO und C HAVARRÍA A RNAU (2005), v. a. 13–68. Vgl. B ROWN (1992), 83; NÄF (1995), 9; 42; 140; S CHLINKERT (1996), 144–152; S ALZMAN (2000), 350; 352; R EBENICH (2008), 170. Zur Selbstdarstellung der Senatoren etwa in Inschriften s. N IQUET (2000) und T ROUT (2009). Vgl. S TROHEKER (1970), 16. Gerade der traditionelle Euergetismus ließ sich sehr gut mit christlichen Vorstellungen, etwa der Armenfürsorge, vereinbaren, s. hierzu S ALZMAN (2000), 356– 358, ebenso NÄF (1995), 35, der darauf hinweist, dass die Übergänge zwischen allgemeiner Freigiebigkeit und christlichem Euergetismus fließend waren, und R EBENICH (2008), 165f. Vgl. S IVONEN (2006), 18. Zur Bedeutung von politischen Ämtern für das aristokratische Selbstverständnis allgemein s. S IVONEN (2006), 18–31. Vgl. BARNISH (1988), 122; M ATHISEN (1993), 11; NÄF (1995), 8; 40; 140–143; S CHLINKERT (1996), 107; B ROWN (2000), 331f; R EBENICH (2008), 154; 169–173. S. überdies J OHNSON (2000) zur Funktion des Lesens für die Eliten im 1./2. Jahrhundert. Vgl. K ASTER (1988), 11; M ATHISEN (1988), 50; M ATHISEN (1993), 11; I RVINE (1994), 76; 80; NÄF (1995), 8; 207; C ALTABIANO (1996), 36–47; S ALZMAN (2000), 353; E IGLER (2003), 9f; 16; 31; G EMEINHARDT (2007), 58f; S CHWITTER (2015), 84. Zu entsprechenden Aussagen insbesondere in den Briefen des Sidonius s. Hendrik H ESS (2019), 69–78. Zu Cicero in der Spätantike s. M AC C ORMACK (2013). Zu dieser Bildung gehörte ebenfalls die Vertrautheit mit Mythos und Mythologie, vgl. C AMERON (2004), 342. Die genannten drei Kategorien von Texten schließen sich – vor allem in der Spätantike – nicht gegenseitig aus: praktisch jeder von einem Gebildeten verfasste Text war durchstilisiert, auch Dokumente, und gerade auf Briefe traf dies in besonderem Maße zu. Eine profunde Ausbildung war somit eine der wichtigsten Voraussetzungen für politische Aktivität, vgl. C RIBIORE (2009). Zu spätantiken Ansichten zur sprachlichen Korrektheit s. C ARDELLE DE H ARTMANN (2019).
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allmählich zu dem Ausdruck eines guten Charakters197 und, mehr noch, zu dem Kennzeichen und Merkmal aristokratischer und römischer Identität,198 vor allem in Gallien. Das Lesen von Literatur, die Abfassung eines literarischen Werks voller Anspielungen auf die Klassiker199 und dessen positive Würdigung durch die Standesgenossen boten stets die Möglichkeit, sich der Tatsache zu versichern, als Adliger in einer ununterbrochenen, jahrhundertealten römischen Tradition zu stehen und Teil derselben zu sein.200 Bildung markierte so einerseits den Unterschied zu den illiterati, Angehörigen der unteren Schichten, andererseits die Zugehörigkeit zur Aristokratie, hatte also zugleich distinktive und integrative Funktion.201 Gleichzeitig garantierte literarische Aktivität im weitesten Sinne die eigene Identität als nobilis und als Römer. Eine ähnliche Aufgabe wie die literarische Betätigung erfüllte die Verwendung einer sehr elaborierten Sprache, die für Ungebildete nicht oder kaum verständlich war. Diese orientierte sich an den Regeln und Normen des Lateins der ,klassischen‘ Autoren, etwa hinsichtlich der Aussprache von Quantitäten.202 197 Vgl. K ASTER (1988), 65f, der in diesem Kontext auf Gellius und Macrobius eingeht. Zu Bildungsvorstellungen im 5. Jahrhundert s. G ERTH (2013), der diesen Aspekt bei Macrobius, Martianus Capella und Sidonius untersucht. 198 Zu den vielfältigen Schichten und Aspekten römischer Identität s. beispielsweise P OHL (2018), zur Entwicklung römischer Identität H ALSALL (2018), v. a. 48–53. 199 Damit kam auch den privaten Bibliotheken in den Villen große Bedeutung zu. Zu den archäologischen Befunden zu spätantiken Bibliotheken allgemein s. C ANTINO WATAGHIN (2010), zu den entsprechenden Örtlichkeiten in Villen vgl. C ARRIÉ (2010); zu Kontinuitäten und Veränderungen im Umgang mit Büchern und Literatur in der Spätantike s. C AVALLO (2010). 200 Vgl. beispielsweise S TROHEKER (1970), 65–67 und M ATHISEN (1993), 105–117 für Gallien. Zum Umgang der Aristokraten mit Literatur, wie er in den Briefen des Symmachus deutlich wird, s. L IZZI T ESTA (2002). Wie dies innerhalb der aristokratischen Netzwerke aussehen konnte, zeigt L A P ENNA (1995) am Beispiel des Sidonius. Zur Rolle der Dichtung bei Sidonius s. ebenso G UIPPONI -G INESTE (2014). Hierzu gehörten außerdem Bezüge auf die römische Vergangenheit, vor allem auf die innerhalb der Klassiker dargestellten oder erwähnten Episoden, s. E IGLER (2003), passim; zur Identitätskonstruktion über den Anschluss an die Vergangenheit bei Sidonius s. M RATSCHEK (2008) und E GELHAAF -G AISER (2010), 259. Diese Art von Vergangenheitsbezügen machte einen Teil des kulturellen Gedächtnisses aus, s. hierzu H ÖL KESKAMP (1996), 302f. 201 Vgl. G EMEINHARDT (2007), 59, der in diesem Kontext auf VÖSSING (1997) verweist, ebenso S TROHEKER (1970), 31, B ROWN (1992), 39 und G EMEINHARDT (2013), 11f, in Bezug auf Sidonius s. M EURER (2019), 248. Dass eine gute Ausbildung durchaus die Grundlage eines sozialen Aufstiegs sein konnte, zeigen die Beispiele des Ausonius von Bordeaux und des späteren Bischofs Augustinus von Hippo, vgl. S CHWITTER (2015), 83. S. ebenfalls NÄF (1995), 8; 285; E IGLER (2003), 120f und A LCIATI (2009), 36. Überhaupt wurde der größte Teil der überlieferten Literatur von Mitgliedern der Eliten verfasst; wer darin auftritt, gehörte zu ihr, vgl. M ATTHEWS (2000), 433. 202 Vgl. S CHWITTER (2015), 213–219, ebenso H EATHER (1994), 183; zum spätantiken Latein und dem Interesse an Sprache an sich s. B URTON (2009), zum Spiel spätantiker Autoren mit Wörtern und Klängen vgl. G UALANDRI (2017), zur spätantiken Literatursprache s. ROBERTS (1989). Zur entsprechenden Verwendung in Briefen und Verwaltung s. G IOANNI (2004) und G IOANNI (2009). Zu Sprache und Stil bei Sidonius s. L OYEN (1943) und G UALANDRI (1979). Eine ähnliche Funktion erfüllte die lateinische Sprache auch bei den Karolingern, vgl. G EARY (2013), 64.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Das Rüstzeug für den ,angemessenen‘ Umgang mit Literatur und die Beherrschung der lateinischen Kunstsprache der Eliten erhielten die jungen Aristokraten durch einen mehrjährigen intensiven Grammatikunterricht. Hier wurden zum einen die Werke der großen lateinischen Autoren, insbesondere Vergils, Wort für Wort und Vers für Vers analysiert und erklärt, zum anderen der korrekte Sprachgebrauch erläutert und eingeübt. Der Besuch dieser Art von Schule sorgte so für eine auf dem gesamten (lateinischsprachigen) Gebiet des römischen Reiches weitgehend einheitliche Bildung und Elitenkultur.203 Der Status als Aristokrat hing zudem wesentlich von den Kontakten zu anderen Adligen und deren Anerkennung der eigenen Stellung ab.204 Die Mitglieder der Elite waren Teil ausgedehnter Netzwerke, die über Generationen hinweg gepflegt wurden. Das gegenseitige Verhältnis und die Kommunikation untereinander orientierten sich an etablierten Normen und Verhaltenscodes, die sich unter dem Begriff amicitia fassen lassen.205 Hierzu gehörten beispielsweise der höfliche Umgang miteinander, das Anerkennen der gesellschaftlichen Position des anderen und die Würdigung seiner literarischen Leistungen.206 In diesem Kontext wird die Wichtigkeit von Briefen für die Aristokratie deutlich:207 Sie dienten nicht nur zum Austausch von Nachrichten, sondern ermöglichten insbesondere die Pflege von Kontakten und die Aufrechterhaltung von Beziehungen, sogar über weite Entfernungen hinweg.208 Zudem boten sie das ideale Medium, um die eigene Bildung zur Schau zu stellen, wenn sie etwa metrische Einlagen enthielten, dem Adressaten Rätselfragen stellten 203 Zum (spät-) antiken Grammatikunterricht vgl. C LARKE (1971); I RVINE (1994); U HL (1998); C HIN (2008). Zur zentralen Position des Grammatikers in diesem System s. K ASTER (1988). Durch seine prominente Rolle innerhalb des Unterrichts erhielt Vergil besondere Autorität. S. hierzu vor allem DEN B OEFT (1998). Zum antiken und spätantiken Schulunterricht in Gallien und allgemein vgl. etwa H AARHOFF (1920); M ARROU (1977); R ICHÉ (1979) und R ICHÉ (1995); I RMSCHER (1992); C HRISTES (2006). Den hohen Stellenwert der Bildung konnte letztlich nicht einmal das Christentum beeinflussen, denn viele christliche Vordenker waren innerhalb der paganen Tradition gebildet und sozialisiert worden. Außerdem ließen sich die in der Schule erlernten Strategien zum Umgang mit Texten gut für die Interpretation der Bibel einsetzen. Zu den Auseinandersetzungen christlicher Denker mit und ihrer Kritik an der traditionellen Bildung s. beispielsweise G EMEINHARDT (2007) und C HIN (2008), 72–109. 204 Vgl. S ALZMAN (2000), 352; S ALZMAN (2002), 22. 205 Entsprechende Regeln, die unter die Bezeichnung humanitas fallen, gab es überdies für den Umgang mit niedriger Gestellten, vgl. S CHLINKERT (1996), 232. S. ebenso M ATHISEN (1993), 14. Zu Freundschaft allgemein vgl. KONSTAN (1997), zur christlichen Freundschaft im 4. Jahrhundert s. C. W HITE (1992). 206 Dies bedeutete auch, dass der Ausdruck von Ärger als unangebracht galt – schließlich machte er nicht nur den Verlust der eigenen Selbstbeherrschung offensichtlich, sondern wies außerdem darauf hin, dass die üblichen Mittel der amicitia in der betreffenden Situation versagten, vgl. B ROWN (1992), 55. 207 Hierzu s. vor allem auch G. M. M ÜLLER (2018b), 12–15. 208 Vgl. W OOD (1994), 26. Briefe wurden z. B. im Rahmen von Patronage-Verhältnissen strategisch eingesetzt, etwa von Theodoret von Kyrrhos. S. hierzu S CHOR (2009). Zur Verwendung von Briefen als Begleitschreiben zu Geschenken und zum Brief selbst als Geschenk s. W OOD (2000) und W ILLIAMS (2014). Zu Reisen im Kontext des aristokratischen Lebensstils und ihrer Thematisierung in den Briefen des Symmachus s. S ALZMAN (2004).
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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oder zur allgemeinen Diskussion über Literatur genutzt wurden.209 Teil der gebildeten Selbstrepräsentation war unter anderem die sorgfältig stilisierte Sprache, in der die Schreiben meist abgefasst wurden. Sie stellten somit einen sozialen und kulturellen Ritus dar, und gerade die sorgsame sprachliche Gestaltung bewies die Wertschätzung, die der Adressant dem Adressaten entgegenbrachte.210 Damit waren Briefe gleichzeitig Bestandteil und Ausdruck von amicitia211 und stärkten so nicht nur die Verbindungen zwischen einzelnen Knoten der Netzwerke, sondern positionierten die Briefpartner außerdem im Kontext eines größeren Ganzen,212 indem sie beide als anerkannte Mitglieder der Aristokratie zeigten, die sich durch die Beherrschung der Codes auszeichneten. Dies wurde für andere vor allem dann deutlich, wenn die Schreiben weitergereicht oder als Stücke innerhalb einer Sammlung veröffentlicht wurden.213 Abgesehen davon, dass sie ihn als Mitglied der Eliten präsentierten, ordneten jedoch gerade Briefkollektionen, die einen einzelnen Epistolographen ins Zentrum stellten, diesen in eine mindestens bis auf Plinius den Jüngeren zurückgehende literarische Tradition ein.214 209 S. etwa E BBELER (2009), 272: „[...] most of our extant late antique letters [...] are sophisticated performances intended to advertise their authors’ literary skill to their contemporaries and posterity.“ 210 Vgl. B RUGGISSER (1993), 3. Zu den Pflichten des Verfassers s. B RUGGISSER (1993), 4–16. Zu einem entsprechenden Beispiel unter Ausonius’ Briefen s. H UTCHINSON (2013). 211 Zur amicitia in gallischen Briefsammlungen s. L E JAN (2004), zur amicitia in den Briefen des Sidonius, Ruricius und Avitus neuerdings Hendrik H ESS (2019), 59–63. S ALZMAN (2010) zeigt auf, wie Symmachus in seiner Kollektion das Ideal einer „säkularen“ Freundschaft darstellt, die auf der (von Christen und Nichtchristen geteilten) literarischen Kultur beruht. 212 Entsprechend wurden zahlreiche Netzwerke anhand von Briefsammlungen untersucht. S. beispielsweise R EBENICH (1992) zum Netzwerk des Hieronymus, M RATSCHEK (2002) zu Paulinus von Nola und S IEDOW (2014), 22–43 zu Netzwerken des Symmachus. Zur Darstellung der Beziehung zwischen Symmachus und seinem Vater in der symmacheischen Briefkollektion s. S ALZMAN (2006). Eine ähnliche Funktion konnten Biographien für aristokratische Asketen übernehmen, wie das Beispiel des Paulinus von Nola und des Sulpicius Severus zeigt, vgl. T ROUT (1993). Zur amicitia bei Sidonius s. NÄF (1995), 142–144. Fast jeder bedeutende Schriftsteller des 5. Jahrhunderts kann innerhalb eines Netzes von familiären, sozialen und religiösen Beziehungen platziert werden, vgl. W OOD (1992), 10. Zu den gallischen Epistolographen in diesem Kontext s. M ATHISEN (1981). Z ELZER (1995), 542 weist darauf hin, dass die Veröffentlichung einer Briefsammlung ebenfalls dazu diente, die Adressaten zu ehren, und dass besonders zentrale Schreiben auch innerhalb der Kollektion an exponierter Stelle erschienen, etwa am Buchanfang oder -ende. 213 Vgl. R EBENICH (2008), 167, ebenso G EMEINHARDT (2007), 186f. Zur Frage, wie und warum Briefe im spätantiken und frühmittelalterlichen Gallien gesammelt wurden, s. W OOD (2018b). 214 Dies ist an mehreren Aspekten erkennbar: Sidonius beispielsweise nennt im ersten Brief seiner Kollektion dezidiert seine Vorbilder (Quinti Symmachi rotunditatem, Gai Plinii disciplinam [...] de Marco Tullio [...] Iulius Titianus [...] Frontonianorum, Sidon. epist. 1, 1, 1f). Eine entsprechende Funktion konnte überdies die Einteilung der Sammlungen in neun oder zehn Bücher nach dem Vorbild des plinianischen Briefœvre haben, etwa bei Ambrosius von Mailand, Symmachus und Sidonius Apollinaris, vgl. C AMERON (1965); S ALZMAN (2017), 21–23. Zur Frage, inwieweit Ambrosius tatsächlich Plinius imitierte, s. NAUROY (2017), 148–150; s. hierzu ebenso Z ELZER (1987) und Z ELZER (1993); zu Symmachus und Plinius vgl. S OGNO (2017), 179f; zu Sidonius und Plinius s. G IBSON (2013b). Zur Rolle Ciceros in der spätantiken senatorischen Epistolographie vgl. S OGNO (2014).
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
In einer besonderen Situation befand sich nun die gallorömische Aristokratie im 5. und 6. Jahrhundert, denn die Ansiedlung nichtrömischer Bevölkerungsgruppen und die immer schwächer werdenden Verbindungen Galliens nach Rom und Italien brachten große Veränderungen mit sich. Abgesehen von den unmittelbaren Gefahren und Problemen bedeutete dies für den Adel, dass die Möglichkeit, politische Ämter innerhalb des römischen Reiches zu bekleiden, praktisch nicht mehr bestand. Viele Mitglieder der Eliten büßten zudem einen Teil ihres Reichtums ein.215 Um ihren sozialen Status und ihre Identität als römische Aristokraten aufrechtzuerhalten, wandten die gallorömischen Senatsadligen verschiedene Strategien an. Einige von ihnen schlugen eine Laufbahn innerhalb der katholischen Kirche ein, die inzwischen zu einem Garanten für romanitas216 geworden war. Im Unterschied etwa zu Italien stammten zahlreiche gallische Bischöfe aus der Nobilität, was dazu führte, dass sich das Idealbild des Bischofs dem eines guten Aristokraten annäherte. Zudem hatten Bischöfe viele Aufgaben übernommen, die zuvor von römischen Magistraten ausgeführt worden waren, und für die die nobiles durch ihre Ausbildung geradezu prädestiniert waren.217 Andere blieben in der Verwaltung tätig und stellten sich in den Dienst der nichtrömischen Machthaber, beispielsweise durch die Übernahme von Gesandtschaften oder die Mitwirkung bei Gesetzeswerken,218 oder sie zogen sich auf ihre Landgüter zurück und versuchten, ihren lokalen Einfluss zu vergrößern.219 Vor allem aber wurden Bildung, Briefe und die epistolaren Netzwerke für den Erhalt der eigenen Identität wichtiger als jemals zuvor.220 So klagte z. B. Sidonius 215 Vgl. M ATHISEN (1993), 17–35. Allgemein zum Zusammenhang zwischen Ämtern und römischer Identität in Gallien s. S IVONEN (2006). 216 Zum Christentum – insbesondere dem nizänischen Christentum – als Merkmal von romanitas s. H EN (2018), v. a. 66f. Von einer Bezeichnung katholischer Christen als Romani berichtet auch Gregor von Tours in seinem Liber in gloria martyrum 24, vgl. M ATHISEN (2018a), 271. Zum Begriff romanitas s. Hendrik H ESS (2019), 9f. 217 Vgl. S TROHEKER (1970), 72–74; 92; M ATHISEN (1993), 89–104; s. auch R APP (2000), 393f, S CHMIDT-H OFNER (2014), 519 und besonders H EINZELMANN (1976). Zu Aufgaben und Ideal des spätantiken Bischofs s. u. S. 58ff. Trotzdem bot die Kirche, verglichen mit den zahlreichen Stellen innerhalb der römischen Bürokratie, verhältnismäßig wenige Posten für Aristokraten, vgl. H EATHER (2010), 252f. 218 Vgl. S TROHEKER (1970), 90f; M ATHISEN (1993), 125–130; s. ebenso M ATHISEN (2012). Zu Gesandtschaften in der Spätantike s. G ILLETT (2003). Durch die Übernahme römischer Gesetze bot sich gleichzeitig für die nichtrömischen Herrscher die Möglichkeit, an der römischen Kultur teilzuhaben, vgl. H ARRIES (2000), 54. Nicht zuletzt leisteten manche gallorömischen Aristokraten auch militärische Dienste, vgl. D ODD (2017), 172. 219 Vgl. M ATHISEN (1993), 50–57 und D IEFENBACH (2013), 99. Die Ressourcen konzentrierten sich immer mehr auf die Villen, sodass deren Isolation zunahm. Für die jeweiligen Besitzer bedeuteten die Menschen, die sich unter ihren Schutz begaben, dabei einen großen Machtzuwachs, vgl. W HITTACKER (1993), 291–293. 220 So etwa A MORY (1994a): „Literary activity was a way for a born aristocrat to remain superior in a time when traditional secular honours were becoming closed off to the Gauls.“ S. außerdem M ATHISEN (1993), 105–117, insbesondere für den Rest des Absatzes, und C OATES (2000), 1110. Ebenso weist M ATHISEN (1994) darauf hin, dass die Entwicklung eines neuen aristokratischen Gemeinschaftsgefühls, das sich letztlich an monastischen Idealen orientierte,
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in seinen Briefen wiederholt über den Niedergang der Bildung, um dem jeweiligen Briefpartner anschließend zu versichern, dieser sei einer der wenigen, die ihn noch aufhielten – während sich zugleich die literarische Aktivität in Gallien auf einem Höhepunkt befand. Auf diese Weise stärkte der Epistolograph das Gemeinschaftsund Überlegenheitsgefühl seiner Schicht gegenüber den niedriger Gestellten und gegenüber den germanischen Einwanderern.221 Sich als gebildet zu erweisen bedeutete nun nicht mehr nur, sich als probater nobilis zu präsentieren, sondern wurde zum Kennzeichen und Merkmal von romanitas an sich,222 ebenso wie die Mitgliedschaft in den Briefzirkeln und die Praxis des Briefaustauschs überhaupt. Schon allein durch die Abfassung eines Schreibens, die Verwendung eines elaborierten sprachlichen Stils und das Anführen von und Spiel mit den epistolaren Topoi ordnete man sich selber in eine Tradition ein und stellte sich als Römer dar.223 Erst vor diesem Hintergrund wird die enorme Wichtigkeit der Epistolographie im spätantiken Gallien deutlich. Wie für viele andere Briefschreiber dieser Zeit ist für Avitus neben der aristokratischen Bildungskultur aber noch ein weiterer, teilweise damit in Verbindung stehender Aspekt zentral, nämlich sein Amt als Bischof – in seinem Fall von Vienne – und die damit verbundenen Pflichten und Anforderungen. Im Folgenden werden daher zunächst Aufgaben und Ideal eines spätantiken ein Faktor war, der für die Kontinuität der gallischen Nobilität sorgte. S TROHEKER (1970), 60 hebt gleichfalls die Geschlossenheit des Adels in Gallien hervor. Die literarischen Interessen stellten dabei gewissermaßen einen ,kleinsten gemeinsamen Nenner‘ zur Verfügung, der die Adligen verband und ihnen eine Bühne gab, auf der sie gleichberechtigt auftreten konnten, vgl. M ATHISEN (2001), 103. Etwa ab Mitte des 6. Jahrhunderts freilich wurde diese Funktion von Bildung weniger wichtig und es erfolgte eine zunehmende Militarisierung der Aristokratie. Vgl. hierzu H EATHER (2010). 221 Vgl. M ATHISEN (1988) und Hendrik H ESS (2019), 107f.; zu Sidonius’ Klagen über den Bildungsverfall s. auch G ERTH (2013), 183–199. Letztlich trug hierzu nicht nur das Verfassen von Briefen, sondern auch die Zusammenstellung von Briefsammlungen bei, vgl. Hendrik H ESS (2019), 113. 222 S. hierzu überdies H ARRIES (1992b), C ALLU (2001) und M RATSCHEK (2017), 309. 223 Vgl. insbesondere G. M. M ÜLLER (2013), passim und G. M. M ÜLLER (2018a), 301–306, ebenso Hendrik H ESS (2019), 74f. Schon S TROHEKER (1970), 67 weist darauf hin, dass Bildung für die gallorömischen Adligen der „Inbegriff ihres Römertums“ gewesen sei. Anscheinend hatte auch die neue herrschende Elite das Bedürfnis, Teil der Bildungskultur zu sein, indem sie sich etwa literarisch betätigte und ebenfalls Briefe schrieb – und diesem Ansinnen standen die gallorömischen Aristokraten durchaus offen gegenüber, sofern die Betreffenden ihre Bildung hinreichend unter Beweis stellten, vgl. G. M. M ÜLLER (2018c). Besonders offen hierfür waren die burgundischen Herrscher, vgl. S TROHEKER (1970), 99f. Dies wird u. a. an den Briefen des Avitus an Gundobad und Sigismund deutlich, s. S CHENK (2018). Ein ähnliches Interesse an römischer Bildung lässt sich im Ostgotenreich feststellen, vgl. B ECKER (2013), 207. Die genannten Mechanismen setzten sich bis ins 7. Jahrhundert fort, wie beispielsweise an Desiderius von Cahors sichtbar wird. S. hierzu M ATHISEN (2013), ähnlich W OOD (1994), 149–153; 241f und S CHWITTER (2013). Zur Vermischung der römischen und germanischen Aristokratie s. D EMANDT (1989). Eine Kontinuität fand ebenso im Rahmen der Bestattungskultur im 5. und 6. Jahrhundert statt, s. hierzu W OOD (1996). Auch spätantike griechische Papyrusbriefe hatten eine besondere kulturelle Funktion angenommen, wie F OURNET (2009) konstatiert. Zu vergleichbaren Eigenschaften von Briefen bei den kappadokischen Kirchenvätern s. H OWARD (2013).
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Bischofs an sich betrachtet, bevor auf die Kirchenverwaltung und aktuelle theologische Fragen in Gallien näher eingegangen wird.
1.2.4 Bischöfe und Kirche Den Schwerpunkt der sich anschließenden Ausführungen zum spätantiken Christentum bilden notwendigerweise diejenigen Punkte, die für Avitus von Vienne, d. h. letztlich für Gallien bzw. das Gebiet des römischen Westens Ende des 5. und Anfang des 6. Jahrhunderts, von Bedeutung sind.224 Hierzu gehören unter anderem die mit dem spätantiken Episkopat zusammenhängenden Anforderungen und einige Streitpunkte in Bezug auf Theologie und Kirchenverwaltung.
1.2.4.1 Aufgaben und Ideal des spätantiken Bischofs Nähert man sich der Person des spätantiken Bischofs an, stellt sich zuerst die Frage, wer überhaupt Bischof werden konnte und auf welche Weise die Wahl des Betreffenden vonstatten ging. Wie aus den Quellen erschließbar ist, stammte ein Großteil der Bischöfe mindestens aus den städtischen Eliten, also dem Kurialenstand, wenn nicht sogar aus dem senatorischen Adel.225 Er verfügte somit oftmals über eine gute Ausbildung226 und war Teil der lokalen oder sogar der überregionalen Netzwerke. Gallien stellt in dieser Hinsicht einen Sonderfall dar, da dort der Anteil der Bischöfe aus der Senatsaristokratie besonders hoch war.227 Einer der Gründe hierfür war sicherlich die 224 Zum Bischofsbild, das sich aus den Briefen des Sidonius Apollinaris ergibt, s. V IELLARD (2014). 225 Vgl. G ASSMANN (1977), 64; R APP (2000), 387; R APP (2005), 183–191; H AENSCH (2007), 160; P IEPENBRINK (2012), 66; K RITZINGER (2016), 73. Eine adlige Herkunft wurde später sogar beinahe zu einer condicio sine qua non für das Bischofsamt, vgl. S CHEIBELREITER (1983), 31. 226 Dies gilt auch für viele Bischöfe des frühen Mittelalters, die mindestens in diesem Rahmen weiterhin mit antiken Texten in Berührung kamen, vgl. S CHEIBELREITER (1983), 53–55. 227 Dies ist das Ergebnis einer Entwicklung vor allem des 5. Jahrhunderts, vgl. B RUCKERT (2012), 33. S. außerdem G ASSMANN (1977), 73f; R APP (2000), 393f; R APP (2005), 195f. Die enge Verbindung zwischen Bischofsamt und Adel in Gallien hebt D ODD (2017) ebenfalls hervor, der zudem die Bedeutung von Familie und Verwandtschaft in diesem Kontext betont. Manche Forscherinnen und Forscher sprechen sogar von „Bischofsherrschaft“ und einem „Quasi-Monopol“ des gallischen Hochadels auf die episkopalen Sitze, unter anderem deshalb, weil einige davon fast ausschließlich von Mitgliedern derselben gentes besetzt worden seien, vgl. etwa H EINZEL MANN (1976), 231; J USSEN (1998), 78–80; G AUTHIER (2000), 196; 199. Demgegenüber hat Steffen PATZOLD darauf hingewiesen, dass eine adlige Herkunft für maximal 25% der namentlich bezeugten Bischöfe mit einiger Sicherheit erschlossen werden kann und lediglich bestimmte Sitze im Zentrum des aristokratischen Strebens standen, vgl. PATZOLD (2010), 129; 138 und PATZOLD (2014), 542f. Gegen die Bezeichnung „Bischofsherrschaft“ spricht sich auch D IEFENBACH (2013), 94f aus, da hierdurch Verhältnisse des Hochmittelalters auf eine frühere Zeit zurückprojiziert würden. Wie G ILLIARD (1984) herausarbeitet, ist insgesamt nur für eine
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Tatsache, dass durch den allmählichen Rückgang der staatlichen Strukturen des römischen Reiches und dem damit verbundenen Wegfall entsprechender Ämter die Kirche für die Eliten einerseits eine Möglichkeit darstellte, weiterhin Macht auszuüben, andererseits als Garant für romanitas fungierte.228 Einen weitgehend einheitlichen Weg zum Bischofsamt gab es nicht: während manche Männer vor ihrer Wahl bereits längere Zeit als Mönche in einem Kloster verbracht, auf eine andere Weise asketisch gelebt229 oder als Diakone oder Presbyter im Dienste eines Vorgängers gestanden hatten,230 wurden andere Bischof, nachdem sie geheiratet und eine weltliche Karriere durchlaufen hatten.231 Offensichtlich existierten keine festen Regeln für den Ablauf einer Bischofswahl. Aus den Quellen lässt sich aber immerhin erschließen, dass sowohl die Kleriker der Diözese als auch hochgestellte Laien, Bischöfe benachbarter civitates sowie das „Volk“ beteiligt waren.232 Bei der anschließenden Weihe mussten mindestens drei Oberhirten der jeweiligen Provinz anwesend sein, und sie durfte nicht ohne die Zustimmung des Metropoliten erfolgen.233
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Minderheit der Bischöfe des 4. Jahrhunderts ihre senatorische Herkunft gesichert, die übrigen stammten wahrscheinlich aus dem Kurialenrang. Vgl. G AUDEMET (1994), 209; BAUMGART (1995), 148f; J USSEN (1995), 680; 687; D IEFEN BACH (2013), 92; H EN (2018), 64f. Das Bischofsamt war gerade deswegen ideal, weil es den Inhaber erstens an die civitas band, auf die sich der Ehrgeiz der Adligen in besonderem Maße richtete, und ihn zugleich beispielsweise durch die Synoden in überregionale Kontexte einband, s. D IEFENBACH (2013), 122. Eben deshalb wurden viele Aspekte eines typischen Adligen auf das Idealbild des Bischofs übertragen, z. B. Bildung und edle Herkunft, vgl. etwa M ATHISEN (1993), 91–93. Beispielsweise Martin von Tours oder die durch ihren Aufenthalt in Lérins geprägten Bischöfe wie Eucherius von Lyon. Vgl. auch G ASSMANN (1977), 76–87; C ONSOLINO (1979), 8–12; A LCIATI (2009), 62. Das Absolvieren einer klerikalen Laufbahn vor dem Bischofsamt forderte etwa das Konzil von Serdica, vgl. BAUMGART (1995), 49. Ebenso gab es ein bestimmtes Mindestalter für bestimmte Ränge innerhalb des Klerus, vgl. G AUDEMET (1994), 200. Zur Entstehung und Entwicklung der einzelnen kirchlichen Ämter s. FAIVRE (1977). Ein Beispiel hierfür ist Sidonius Apollinaris, der 469/70 Bischof von Clermont wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnte er bereits auf eine jahrelange politische Tätigkeit zurückblicken, in deren Verlauf er nicht nur Stadtpräfekt von Rom gewesen war, sondern überdies den patricius-Titel erhalten hatte. S. hierzu unter anderem H ARRIES (1994), v. a. 150–159; 169–186; KÖHLER (1995), 3–6 sowie KÖHLER (2014), VII–XVI. Vgl. außerdem BAUMGART (1995), 147. Für die Wahl zum Bischof stellte eine Ehe kein Hindernis dar, allerdings musste sie gewisse Kriterien erfüllen; darüber hinaus wurde von Klerikern verlangt, nach der Weihe enthaltsam zu leben, s. G AUDEMET (1994), 205; H UNTER (2011), 192–201. Vgl. G AUDEMET (1994), 210; L OFTUS (2011), 424; VAN N UFFELEN (2011), 253; VAN N UFFE LEN und L EEMANS (2011), 4; zu Bischofswahlen allgemein s. G ASSMANN (1977), 119–144; N ORTON (2007) sowie die Beiträge in L EEMANS u. a. (2011). Bisweilen wurden Bischöfe bereits durch ihre Vorgänger nominiert, vgl. A LT (2011), 325. Dass manche der Neugewählten die Amtsübernahme zunächst ablehnten, zeigte sie als ideale Kandidaten, schließlich brachten sie dadurch ihre Bescheidenheit zum Ausdruck, vgl. L IZZI (1998), 90f; R APP (2005), 143f; M AXWELL (2011), 450f. S. etwa ep. 2, 1, 3 des Bischofs Innozenz I. von Rom an Victricius von Rouen und can. 4 des Konzils von Nicäa, vgl. G. D. D UNN (2011), 155–158. Ziel war stets der Konsens der
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Nach der Wahl und Weihe sah sich ein Bischof vielfältigen Anforderungen und Erwartungen gegenüber. Seine Aufgaben lassen sich grob in zwei Bereiche einteilen: sie waren auf der einen Seite geistlich-spiritueller Natur im weitesten Sinne, d. h. sie umfassten den Kontakt zu Gott und die Seelsorge für die Gläubigen. Auf der anderen Seite lagen sie im Gebiet von Verwaltung und Organisation, wobei sie über rein kirchliche Belange hinausgingen.234 Zu den erstgenannten zählen die Auslegung der Bibel235 sowie Predigt und Katechese, die Feier der Heiligen Messe,236 Taufen,237 die Weihe von Klerikern, das Verhängen der Kirchenbuße,238 die Wiederaufnahme von Büßern und Häretikern in die Kirche, die Bewahrung, Verteidigung und Verkündigung239 des rechten Glaubens und allgemein die spirituelle Fürsorge für die Gläubigen, etwa in Form von Fürbittgebeten. Einige der Hauptaufgaben des Bischofs im Bereich Verwaltung und Organisation240 ergaben sich aus einer seiner zentralen Eigenschaften, der caritas.241 Diese umfasste insbesondere die materielle Versorgung von Bedürftigen aller Art, etwa Armen, Kranken, Witwen und Waisen,242 daneben die Mitwirkung am Freikauf von Gefangenen.243 Die Finanzierung der Wohltätigkeit erfolgte aus dem im 5. Jahrhun-
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Bischöfe der Provinz und der Bevölkerung, vgl. VAN N UFFELEN (2011) passim, v. a. 250. Zur Kirchenverwaltung s. u., S. 66. L IZZI T ESTA (2009), 526 weist darauf hin, dass das Ideal des Bischofs spirituelle Qualitäten wie praktische Eigenschaften umfasste. I NNES (2007), 46 hebt die zweifachen Aufgaben des Bischofs hervor, zum einen als Verbindung zwischen ihrer Stadt und den weltlichen Machthabern, zum anderen als Leiter der christlichen Gemeinden und Vermittler zwischen den Gläubigen und Gott. Zum Bischofsideal bei den Kirchenvätern s. J EANJEAN (2008). Zur Situation in den merowingischen Königreichen s. K REINER (2011), v. a. 334–336. In diesem Zusammenhang spielten Briefe eine bedeutende Rolle, hierzu s. u. S. 64. Diese Aufgabe konnte der Bischof – anders als die Taufe – auch an einen Presbyter delegieren, vgl. G AUDEMET (1994), 233. Überhaupt war er für die Liturgie an sich zuständig und führte, falls er das für nötig hielt, neue liturgische Formen ein, vgl. z. B. J USSEN (1995), 715 und J USSEN (1998), 84f; BAILEY (2016), 106, zur gallischen Liturgie an sich 103–115. Zur Messfeier im 6. Jahrhundert s. B ECK (1950), 127–154, zur Predigt s. B ECK (1950), 259–283, zu Predigten und Predigtsammlungen s. die Beiträge in D IESENBERGER, H EN und P OLLHEIMER (2013), zur Predigt bei Caesarius von Arles s. K LINGSHIRN (1994b), 146–150. Zur Taufe vgl. B ECK (1950), 157–185; G AUDEMET (1994), 260f. Vgl. R APP (2005), 46; zur Buße s. B ECK (1950), 187–222; C. VOGEL (1952) sowie C. VO GEL (1966); G AUDEMET (1994), 262–264; DE J ONG (2000); R APP (2005), 92–96; 99; G REER (2007), 580–582; U HALDE (2008); zur Exkommunikation s. G AUDEMET (1995), passim. Vgl. G AUDEMET (1994), 216; K RITZINGER (2016), 34. Hier liegt der eigentliche Ursprung des Amts, das zunächst vor allem administrative Funktion hatte, vgl. R APP (2005), 24; K RITZINGER (2016), 28. Vgl. hierzu BAUMGART (1995), 161–169. Entsprechende Instrumente waren die Einrichtung von xenodochia und die Führung sogenannter matriculae, Listen bedürftiger Personen, die materielle und/oder finanzielle Zuwendungen erhielten, vgl. B EAUJARD (1996), 139; G AUTHIER (2000), 193; R APP (2000), 382; B ROWN (2002), 33–35; R APP (2005), 223–225; N ERI (2006), 298f; K LEIN (2008), 88; 103f. Zu entsprechenden Aktivitäten des Bischofs in merowingischer Zeit s. S CHEIBELREITER (1983), 181– 188. Vgl. G ASSMANN (1977), 186; K LINGSHIRN (1985), passim; G AUDEMET (1994), 271; BAUM GART (1995), 166–168; B EAUJARD (1996), 134; B ROWN (2002), 62f; R APP (2005), 228–232;
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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dert oftmals beträchtlichen Kirchenvermögen, das auf Spenden und Erbschaften basierte und meist von einem oder mehreren eigens dafür beauftragten Diakonen verwaltet wurde.244 Bei der Befreiung von Kriegsgefangenen waren neben finanziellen Ressourcen häufig die Netzwerke des Bischofs unverzichtbar, deren Mitglieder er mit Hilfe von Briefen mobilisieren konnte.245 Das Engagement für die Schwachen der Gesellschaft äußerte sich freilich nicht nur in deren materiellen Versorgung, sondern überdies darin, dass der Bischof gegenüber der Staatsmacht für sie eintrat und sie vor ungerechter Behandlung, etwa vor Gericht, bewahrte.246 Einen ähnlichen Zweck erfüllte auch das Kirchenasyl.247 Bei der Jurisdiktion gingen die bischöflichen Befugnisse sogar noch weiter: im Rahmen der von Konstantin eingeführten episcopalis audientia wirkte der Bischof als Richter, wobei die von ihm gefällten Urteile rechtsgültig waren und nicht angefochten werden konnten.248 Hiervon einmal abgesehen ähnelte er zudem darin einem staatlichen Beamten, dass er die Freilassung von Sklaven bestätigen konnte.249 Anderen Mitgliedern der Elite vergleichbar betätigte sich ein Bischof als Euerget, neben der bereits erwähnten Fürsorge für die Armen beispielsweise durch die
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K LEIN (2008), 105; L ENSKI (2011), 189f. Zu Epiphanius von Pavia in diesem Zusammenhang s. H ERRMANN -OTTO (1995), v. a. 207; 209; 211. Zum Freikauf von Gefangenen unter bischöflicher Beteiligung in Italien s. G RIESER (2015). Vgl. G ESSEL (1988), 23f; G AUDEMET (1994), 216; 218; B ROWN (2002), 55f; K LEIN (2008), 25–27; B RUCKERT (2012), 24. In den Augen der Bevölkerung konnte der Reichtum eines Kandidaten ein wichtiges Argument für seine Wahl zum Bischof darstellen, denn auf diese Weise konnte zumindest in gewissem Maße sichergestellt werden, dass diese Mittel der civitas zur Verfügung standen, vgl. L EPELLEY (1998), 25f; R APP (2005), 200. Die Tatsache, dass sich vor allem Kleriker um die Armen kümmerten, wurde oft als Grund für gewisse Privilegien, etwa die Befreiung von Steuern und Abgaben, angeführt, vgl. L IZZI T ESTA (2001), 135. Beispiele finden sich in A LLEN und N EIL (2013), 37–44. Hier konnte eine adlige Abstammung des Bischofs, die für entsprechende Verbindungen sorgte, also ebenfalls nützlich sein. Vgl. BAUMGART (1995), 111; B EAUJARD (1996), 139; N ORTON (2007), 3. Vgl. G AUDEMET (1994), 195f; BAUMGART (1995), 27f; B EAUJARD (1996), 140; G AUTHI ER (2000), 188; 190; R APP (2005), 253–258; K LEIN (2008), 13; B RUCKERT (2012), 26. S. außerdem D UCLOUX (1994). Durch seine enge Verbindung zu Gott erschien er hierfür besonders qualifiziert. Außerdem erhielten seine Entscheidungen dadurch besonderes Gewicht, vgl. B EAUJARD (1996), 140. Zu Einzelheiten der episcopalis audientia und der Diskussion um den Grad ihrer Institutionalisierung und um ihre Bedeutung s. WALDSTEIN (1976); G ASSMANN (1977), 176–184; C RI FÒ (1992); BAUMGART (1995), 24–27; L AMOREAUX (1995); G AUTHIER (2000), 188–190; B ROWN (2002), 67f; R APP (2005), 242–252; H AENSCH (2007), 162–165; K LEIN (2008), 7f; H UMFRESS (2010); H UMFRESS (2011); K RITZINGER (2016), 53f; zur episcopalis audientia bei Augustin s. R AIKAS (1997); L ENSKI (2001). Diese Tätigkeit setzten die Bischöfe in späterer Zeit fort, vgl. S CHEIBELREITER (1983), 175–177. Vgl. BAUMGART (1995), 29; R APP (2005), 239f; K LEIN (2008), 12; L IZZI T ESTA (2009), 528; B RUCKERT (2012), 25. Zu einem im 4. und 5. Jahrhundert entstehenden Bischofsmodell, das Elemente des Priesters und des Beamten vereinigt und insbesondere von Ambrosius von Mailand vertreten wurde, s. C RACCO RUGGINI (1999). In Bezug auf die Titel, mit denen die Oberhirten bezeichnet werden, gibt es freilich wenig Ähnlichkeiten zu staatlichen Beamten, vgl. J ERG (1970), 181; 266; 285.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Finanzierung bzw. die Beaufsichtigung des Baus oder der Renovierung öffentlicher Gebäude und Kirchen.250 Einen weiteren Aufgabenbereich stellte seine Funktion als Vertreter und Beschützer der civitas dar, einerseits gegenüber Kaiser und Staatsmacht oder (gerade in Gallien) gegenüber den Germanen, andererseits vor Gott.251 Konkret bedeutete dies, dass er sich beispielsweise bei den weltlichen Machthabern für Steuererleichterungen einsetzte oder die Verteidigung seiner Stadt organisierte;252 zugleich sollte sein Fürbittgebet für ihre Sicherheit sorgen.253 Abgesehen von Gebeten wurde diese in den Augen der Gläubigen auch durch Märtyrer sichergestellt: die Märtyrerverehrung, die vom Bischof erst eingeführt254 oder zumindest geleitet wurde, garantierte deren Eintreten für die Stadt bei Gott. Der Bischof fungierte also innerhalb der Reihe Gläubige – Bischof – Märtyrer – Gott als Bindeglied zwischen Himmel und Erde,255 was einer der Faktoren war, die ihm einen besonderen Status gewährten und diesen absicherten.256 Ansehen und Autorität eines Bischofs stützten sich auf vielfältige Ressourcen, die sich aus unterschiedlichen Quellen speisten. Claudia R APP unterscheidet in die-
250 Vgl. G ESSEL (1988), 14; 16–18; B EAUJARD (1996), 131; L EPELLEY (1998), passim; G AUTHI ER (2000), 194; R APP (2005), 220–223. Viele Städte überlebten sogar nur deswegen, weil sie einen Bischof hatten, vgl. L IEBESCHUETZ (1992), 15. Zur Veränderung der gallischen Städte durch das Christentum s. H ARRIES (1992a). Zur Selbststilisierung des Paulinus von Nola als Euerget s. M RATSCHEK (2018). 251 S. etwa den Titel von Harald B RUCKERTs Monographie, Beschützer der Stadt bei Gott und in den Stürmen der Welt, ebenso G AUDEMET (1994), 208; J USSEN (1995), 676; R APP (2000), 382. Auf welche Weise sich die säkulare Macht des Bischofs entwickelte, untersucht L IE BESCHUETZ (1997). Später nahm der Bischof eine entsprechende Rolle gegenüber dem König ein, vgl. S CHEIBELREITER (1983), 177–180. 252 Vgl. G ASSMANN (1977), 202–207; BAUMGART (1995), 107–111; G AUTHIER (2000), 191f; L IZZI T ESTA (2009), 536. Einige Beispiele finden sich bei L IEBESCHUETZ (1997), 113f. Insbesondere Aristokraten verfügten in Form ihrer Ausbildung und Netzwerke über hierfür nötige Qualifikationen, daher wurden oftmals entsprechende Kandidaten zum Bischof gewählt, vgl. B EAUJARD (1996), 132, R APP (2005), 200. 253 Vgl. L IZZI (1994), 46–48; B EAUJARD (1996), 128. 254 Etwa durch die ,Auffindung‘ von deren Gräbern oder den Erwerb von Reliquien. Eines der prominentesten Exempla in diesem Zusammenhang ist sicherlich die Entdeckung der Gebeine von Gervasius und Protasius durch Bischof Ambrosius von Mailand. S. hierzu beispielsweise NÄF (2011), 62–65. Zur Heiligenverehrung der Bischöfe und zur Verehrung heiliger Bischöfe s. die Beiträge in OTT und V EDRIS (2012). 255 Vgl. B EAUJARD (1996), 133; s. ebenso P IEPENBRINK (2012), 66f. Zur Verehrung von Märtyrern und Reliquien in der Spätantike und deren Funktion s. B ROWN (1982), v. a. 240–245; F REEMAN (2011), passim; NÄF (2011), passim; A RBEITER (2012); G EMEINHARDT (2012); G ERNHÖFER (2012) (insbesondere zu Rom); die Beiträge in OTT und V EDRIS (2012), vor allem S ÁGHY (2012); zur Berufung auf Petrus zur Stützung und Förderung der päpstlichen Autorität vgl. D EMACOPOULOS (2013), passim. 256 Zum Beispiel dadurch, dass er damit bereits zu Lebzeiten Teil der ,Gemeinschaft der Heiligen‘ wurde, vgl. D IEFENBACH (2013), 131–135. S. ebenfalls J USSEN (1995), 690; K RITZINGER (2016), 202–222.
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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sem Kontext zwischen „spiritual authority“, „ascetic authority“ und „pragmatic authority“.257 Der erstgenannte Typ beruhte dabei auf der besonderen Beziehung des Bischofs zu Gott und den Heiligen und auf seiner Apostelnachfolge qua Amt,258 was ihm das besondere Eintreten für seine Mitchristen vor Gott ermöglichte und seiner Verkündigung besonderen Nachdruck verlieh. Eng mit diesem Typ verbunden ist die zweite Art, die in einem besonderen, durch Askese und Gebet geprägten Lebensstil gründete.259 Gerade in diesen beiden Bereichen stand der Bischof stets in Konkurrenz mit holy men, etwa Mönchen und Einsiedlern.260 Die pragmatische Autorität des Oberhirten schließlich speiste sich aus der Erfüllung seiner Aufgaben innerhalb seiner civitas und gegenüber den Gläubigen.261 Gleichzeitig sorgte die Ernährung der Armen und der Freikauf von Gefangenen dafür, dass eine große Zahl von Menschen ihm gegenüber verpflichtet war.262 Ein weiterer bedeutender Faktor ist das Prestige des Bischofs, das sich aus seiner Herkunft und Bildung ergab und durch die allgemeine Auffassung von Hierarchie gestützt wurde.263 Natürlich verfügte nicht jeder Amtsinhaber über all diese Eigenschaften im selben Maß, das Fehlen einer Qualität konnte aber häufig durch den Besitz einer anderen in besonderem Grade kompensiert werden, etwa eine niedrige Herkunft durch eine besondere spirituelle Kraft, die sich beispielsweise durch das Wirken von Wundern äußerte.264 Trotzdem trachteten die meisten Bischöfe danach, in ihrem Habitus und ihrer Selbstdarstellung möglichst all diese Aspekte zum Ausdruck zu bringen.265 257 R APP (2005), 16. 258 Vgl. R APP (2005), 56–99. S. auch BAUMGART (1995), 177f; B EAUJARD (1996), 128. 259 Vgl. R APP (2005), 100–152. S. ebenso C ONSOLINO (1979), 11f; L IZZI (1994); BAUMGART (1995), 169–176; P IEPENBRINK (2012), 67; D IEFENBACH (2013), 113–115; 121–123. Allgemein verbreitet war auch der Glaube, dass ein Bischof durch den richtigen Lebensstil Wunder wirken konnte, was seine Autorität weiter stärkte, vgl. K LINGSHIRN (1994b), 161–165. 260 S. hierzu J USSEN (1998), v. a. 77f. 261 Vgl. R APP (2005), 23–55; 155–171; K LEIN (2008), 120. 262 Vgl. insbesondere K LINGSHIRN (1985); außerdem BAUMGART (1995), 166–168; B ROWN (2002), 79. 263 S. hierzu R APP (2005), 172–207; G ADDIS (2009), 513f; M AXWELL (2011), ebenso R APP (2000), 399. Auf die Wichtigkeit der Abstammung und der familiären Verbindungen in diesem Zusammenhang, gerade in Gallien, weist außerdem D ODD (2017) hin. Das hohe Ansehen sowohl des Episkopats überhaupt als auch einzelner Bischöfe machte diese zu geeigneten Kandidaten als Berater von Herrschern oder Gesandte in heiklen Missionen, vgl. G ASSMANN (1977), 199f; G AUDEMET (1994), 218. Zu Bischöfen als Gesandten s. M ATHISEN (2012); B ECKER (2013), 132–136; B ECKER (2014). 264 Ein Beispiel für einen solchen Bischof stellt Epiphanius von Pavia dar, vgl. H ERRMANN -OTTO (1995). 265 Dies zeigte sich unter anderem durch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit, das dem vieler Aristokraten durchaus ähnlich war, und durch die Architektur der Kirchen, in denen etwa der Altarraum durch Vorhänge oder sogar Schranken abgetrennt und damit als besonders heilig markiert war, vgl. K RITZINGER (2016), 175. S. zudem B EAUJARD (1996), 129 und H AENSCH (2007), 176f. Gerade in gallischen Bischofsepitaphien werden die adlige Herkunft und Ausbildung ge-
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Doch obwohl sich Einfluss und Ansehen der Bischöfe auf vielfältige Quellen stützten, blieb ihre Macht nicht unangefochten, sondern musste immer wieder neu ausgehandelt und durchgesetzt werden. Dies war nicht nur gegenüber weltlichen Autoritäten, etwa Kaisern, Königen oder einflussreichen Adligen und Magistraten der Fall, sondern auch innerhalb der Kirche, zum Beispiel in dogmatischen Auseinandersetzungen oder gegenüber anderen Bischöfen, die sich in Angelegenheiten der eigenen Diözese einmischten.266 Nicht zuletzt war die jeweilige Stadtbevölkerung ein einflussreicher Faktor, der sich bisweilen auch gegen den Bischof richten konnte.267 Es stellt sich nun die Frage, welche Rolle die Epistolographie in diesem Zusammenhang spielte. Die meisten Funktionen, die Briefe in christlichen Kontexten übernahmen, ergeben sich aus ihren grundlegenden Merkmalen (hierzu s. o. S. 20ff) und sind denjenigen vergleichbar, die die Schreiben für die spätantike Aristokratie hatten (dazu s. o. S. 50ff).268 Abgesehen vom Austausch von Informationen und Nachrichten269 wurden Briefe etwa zur Bibelexegese benutzt, denn die Erläuterung der Heiligen Schrift erfolgte häufig in Reaktion auf briefliche Anfragen oder wurde von vorneherein in Briefform gekleidet. Entsprechende Schreiben sind beispielsweise von Ambrosius von Mailand und Augustin von Hippo erhalten, ebenso von Hieronymus.270 Zudem dienten Briefe zur Darlegung theologischer, dogmatischer und sonstiger Probleme und zur Erteilung von Ratschlägen.271 Dabei stellten sich die Verfasser einerseits in die christliche, bis auf Paulus zurückgehende epistolographische Tradition, andererseits schlossen sie sich dezidiert an klassische Vorbilder an und christianisierten
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nauso wie die asketische Lebensweise des Verstorbenen hervorgehoben, vgl. H EINZELMANN (1976), 120; 193. Zu Bischofsepitaphien s. zudem K RITZINGER (2016), 241–267. Zu Konflikten, die sich bei der Frage, worauf sich das Prestige eines Bischofs vor allem stützen sollte, ergeben konnten, vgl. J USSEN (1995) und J USSEN (1998). Zur Selbstdarstellung von Bischöfen im 3. und 4. Jahrhundert allgemein s. P IEPENBRINK (2014). S. etwa BAUMGART (1995), 60f; G AUTHIER (2000), 178f; 186; K REINER (2011), 337f; D IE FENBACH (2013), 97; 100. Das war manchmal schon bei der Wahl der Fall, wenn zum Beispiel das ,Volk‘ den Konsens verweigerte, vgl. N ORTON (2007), 55f; 78–80; 203. Ausgehend von den bereits angeführten drei charakteristischen Eigenschaften, die Briefen in der antiken Brieftheorie zugeschrieben wurden (Vergegenwärtigung der Briefpartner, Hälfte eines Gesprächs und Abbild der Seele des Verfassers, vgl. oben S. 21), analysiert L IEU (2016), auf welche Weise insbesondere frühchristlicher Briefe Räume erzeugen und vor Augen stellen und so beispielsweise Gemeinschaft stifteten. Zum Informationsaustausch zwischen Bischöfen s. S OTINEL (2004), zur Kommunikation innerhalb der Kirche im 3. Jahrhundert, insbesondere bei Bischof Cyprian von Karthago, s. BAUM KAMP (2014). Stellvertretend für zahlreiche andere sei hier das erste Stück der ambrosianischen Sammlung genannt, vgl. dazu NAUROY (2017), 147. Ein weiteres Schreiben untersucht PASSARELLA (2012). In ep. 40 an Hieronymus diskutiert Augustin eine Passage aus dem Galaterbrief; ein Beispiel bei Hieronymus, der im Unterschied zu den anderen beiden kein Bischof war, ist ep. 21. Zur Bibelexegese in seinen Briefen s. ferner C AIN (2009), v. a. 168–196. Zu Fragen und Erklärungen zur Bibel allgemein s. M ARONE (2004). In ep. 11 an Nebridius geht Augustin etwa auf die Menschwerdung Christi ein.
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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diese mehr oder weniger.272 Abgesehen davon bediente man sich in Auseinandersetzungen häufig des Mediums Brief, um die eigenen Ansichten darzustellen und zu verbreiten.273 Dieses stellte manchmal sogar die einzige Möglichkeit für einen Bischof dar, mit seiner Gemeinde in Kontakt zu bleiben oder Krisen zu meistern.274 Des weiteren verwendete man Briefe als Beglaubigungs- und Empfehlungsschreiben275 sowie zur Kirchenverwaltung.276 Nicht zuletzt gebrauchte man sie, um den Kontakt mit anderen Gemeinden zu halten und die Netzwerke zu pflegen.277 Gerade Bischöfe setzten Briefe und Briefsammlungen zudem zur Selbstdarstellung ein.278 Neben den eben geschilderten mit dem Bischofsamt verbundenen Erwartungen und Pflichten, die letztlich alle Oberhirten auf weströmischem Gebiet betrafen, gibt es einige Aspekte in Bezug auf Kirchenverwaltung und theologische Probleme und Diskussionen, die allein für Gallien und insbesondere den Status Viennes relevant sind. Sie bilden einen wichtigen Hintergrund für die Selbstinszenierung des Avitus, der im Anschluss genauer dargestellt werden soll.
272 Als Beispiel sei hier Paulinus von Nola genannt, der das antike Freundschaftsmodell christianisierte und seine Freundschaftsbriefe entsprechend anpasste. Hierzu s. C. W HITE (1992), 146– 163; M RATSCHEK (2002), 329; 393f; D ESMULLIEZ und VANHEMS (2009); zum Entwurf einer korrektiven christlichen Freundschaft bei Augustin s. E BBELER (2012), zur Kommunikation Augustins mit Hieronymus in diesem Kontext s. R EBENICH (2009). Ebenso stellte die Auseinandersetzung mit Bibelstellen in mancher Hinsicht eine Fortsetzung der typischen antiken Diskussion von Literatur in Briefen dar. Ein Epistolograph, der sich an der klassischen wie an der christlichen Tradition orientierte, ist Ambrosius von Mailand. S. dazu NAUROY (2017), zu seiner Ausrichtung an der ersteren s. Z ELZER (1987), Z ELZER (1993) und Z ELZER (2012). Gerade bei Hieronymus, der zwar kein Bischof, jedoch ein einflussreicher Theologe war, wurde die Verwendung von Zitaten und Anspielungen auf klassische Autoren eingehend untersucht. Exemplarisch seien hier lediglich H AGENDAHL (1958), J EANJEAN (2018) und R EVELLIO (2020) genannt. Zu Hieronymus’ Briefen allgemein s. etwa C ONRING (2001) und C AIN (2009). 273 Zur Rolle von Briefen in innerchristlichen Auseinandersetzungen vgl. A LLEN und N EIL (2013), 97–145, speziell zu den spanischen Gemeinden s. BAUMKAMP (2020). Zu den per Brief ausgetragenen Kontroversen zwischen Augustin und Hieronymus s. F ÜRST (1999). 274 So hielt etwa Cyprian von Karthago per Brief die Verbindung zu den Gläubigen, als er während der Christenverfolgung untertauchen musste. S. hierzu ROMANACCE (2015). Zu den brieflichen Strategien des Johannes Chrysostomos in Zusammenhang mit seinem Exil s. M AYER (2010). 275 Reisende Kleriker benötigten beispielsweise ein Schreiben ihres Bischofs, um zu beweisen, dass sie erstens mit dessen Erlaubnis unterwegs waren und dass sie zweitens katholisch waren, also innerhalb der Gemeinschaft der Kirche standen und somit zur Kommunion zugelassen werden konnten, vgl. V ILELLA (2009). 276 Vgl. Z ELZER (1997), 334f. Dazu gehörte beispielsweise die Ankündigung des Ostertermins. S. hierzu A LLEN (2010) und A LLEN (2014). Zu päpstlichen Dekreten s. JASPER und F UHRMANN (2001), ebenso N EIL (2015). 277 Vgl. L IZZI (1994), 49. Gemeinschaftsstiftend wirkte auch die Produktion von Literatur an sich, s. A LCIATI (2009). Zu Schreiben, die anlässlich von Festen verfasst wurden, s. C ALVETS EBASTI (2009). 278 Zur Selbstdarstellung von Bischöfen allgemein s. P IEPENBRINK (2014) und K RITZINGER (2016). Zu Sidonius Apollinaris in diesem Zusammenhang s. VAN WAARDEN (2011). Zu Ambrosius’ Briefkollektion in diesem Kontext s. NAUROY (2017), v. a. 153.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
1.2.4.2 Kirchenverwaltung und theologische Auseinandersetzungen in Gallien Abgesehen von seinen vielfältigen Aufgaben war ein Bischof immer auch Teil der Verwaltungsstruktur der Kirche und hatte als solcher einen (nicht zwangsläufig festen) Platz innerhalb der kirchlichen Hierarchien, die allmählich entstanden oder sich bereits herausgebildet hatten. So wurden Angelegenheiten, die nicht nur seine eigene civitas betrafen, zwar teilweise auf regionalen Synoden oder überregionalen Konzilien entschieden; gleichzeitig entwickelte sich aus der Tatsache, dass manche Bischöfe qua Sitz über ein höheres Prestige verfügten als andere, ein entsprechendes Rangsystem.279 Dieses war spätestens seit dem Konzil von Nizäa an die säkulare Verwaltungsstruktur des römischen Reiches angelehnt und sah für die Oberhirten der Provinzhauptstädte als Metropoliten eine Führungsrolle gegenüber den restlichen Bischöfen der jeweiligen Provinz, den Suffraganen, vor.280 Die besondere Position des Metropoliten umfasste zum Beispiel das Recht, Synoden einzuberufen; außerdem war bei jeder Bischofswahl innerhalb seiner Provinz seine Zustimmung erforderlich.281 Eine weitere Ebene oberhalb der Metropoliten stellten die fünf Patriarchen dar, die Inhaber der Bischofssitze von Rom, Konstantinopel, Alexandria, Jerusalem und Antiochia. Im Gegensatz zum Osten, wo sich dieses System bereits seit längerem etabliert hatte, finden sich entsprechende Entwicklungen im Westen, insbesondere in Gallien, erst gegen Ende des 4. Jahrhunderts.282 Gerade zu dieser Zeit veränderte sich die imperiale Administration in Gallien. Mit der Verlegung der Präfektur von Trier nach Arles, wo sich nun außerdem das concilium septem provinciarum befand, wurde Arles neben Vienne gewissermaßen eine zweite Hauptstadt der Provinz Viennensis, sogar ganz Galliens. In der Folge ergab sich zwischen den Bischöfen von Vienne und Arles ein Konflikt um die Frage, wer von beiden Metropolit der Provinz Viennensis sei.283 Dieses Problem wurde auf der Synode von Turin 398 dahingehend gelöst, dass jeder der beiden Bischöfe seine Metropolitanrechte in denjenigen Städten ausüben solle, die näher an seiner eigenen civitas lägen. Da freilich keine dieser Städte explizit genannt wurde, war dies letztlich nur die Grundlage für weitere Streitigkeiten.284 In die Auseinandersetzungen wurden nun auch die Bischöfe von Rom mit hineingezogen, die die Gelegenheit nutzten, um ihren eigenen Einfluss und ihre Autori-
279 Vgl. K RITZINGER (2016), 43–51. 280 Vgl. M ATHISEN (1989), 5. 281 Vgl. K RITZINGER (2016), 47–51. Gerade auf burgundischem Gebiet waren die Befugnisse der Metropoliten besonders umfassend: auf der Synode von Epaon 517 erhielten sie etwa weitreichende Vollmachten in Zusammenhang mit der Jurisdiktion über ihre Suffragane, genauso bei deren Diözesanvermögen. S. hierzu M ARDIROSSIAN (2005), v. a. 367–376. 282 Vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 18f. 283 Vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 20; M ATHISEN (1989), 25. 284 Can. 2, vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 23f; M ATHISEN (1989), 25f.
1.2 Avitus von Vienne: Historischer Hintergrund und Zeitumstände
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tät in Gallien zu stärken, indem sie auf Anfragen gallischer Bischöfe reagierten.285 So garantierte Papst Zosimus Bischof Patroclus von Arles 417 als Reaktion auf dessen Anfrage umfassende Vorrechte für Arles, die über den bloßen Metropolitenstatus in der Viennensis noch hinausgingen.286 Hiergegen opponierten einige andere gallische Bischöfe, beispielsweise dadurch, dass sie Konzilien fernblieben oder Protestschreiben nach Rom sandten.287 Schließlich entzog Papst Leo 445 Hilarius von Arles seine Vorrangstellung und setzte stattdessen einen Bischof Leontius als Metropolit der Viennensis ein, um diesen nach kurzer Zeit durch den Bischof von Vienne, der sich offensichtlich darüber beklagt hatte, zu ersetzen.288 Nach Hilarius’ Tod erhielt Ravennius 449 den Sitz in Arles. Schon bald darauf erreichten Leo sowohl ein Brief des Nicetas von Vienne, der sich über Ravennius’ Verhalten beklagte, als auch eine Botschaft mehrerer gallischer Bischöfe, die ihn darum baten, Arles den alten Status erneut zu gewähren. In dieser Situation garantierte der Papst dem Bischof von Vienne die Metropolitanrechte in Genf, Grenoble, Valence und Tarantaise, während er die restlichen Städte der Viennensis dem Bischof von Arles unterstellte.289 Für die nächsten Jahrzehnte sind kaum Kontakte zwischen Gallien und Rom bezeugt, was unter anderem an den politischen Veränderungen in Gallien liegen könnte: allmählich festigten sich dort die Herrschaftsgebiete der Westgoten, Ostgoten, Franken und Burgunder, deren Grenzen mit den römischen Provinzgrenzen und damit den Kirchenprovinzen nicht bzw. nur teilweise übereinstimmten. So gehörte zum Beispiel ein Teil der Viennensis zu burgundischem Gebiet, ein anderer zu den Westgoten. Diese Verhältnisse boten Avitus von Vienne wohl den Anlass, sich in den 490er Jahren erneut darum zu bemühen, dass Vienne die alten Metropolitanrechte zurückerhielt. Hiermit war er offensichtlich erfolgreich, denn Papst Anastasius (496–498) machte Leos Aufteilung der Provinz rückgängig zugunsten von Vienne.290 Allerdings währte dieser Zustand nicht lange. Da sich Aeonius von Arles bei Anastasius’ Nachfolger Symmachus darüber beschwerte, hob dieser im Jahr 500
285 Diese wiederum wandten sich nur dann nach Rom, wenn sie ihre Ziele nicht anders erreichen konnten, s. hierzu M ATHISEN (1989), xiii–xv; 45; 56. Die römischen Bischöfe versuchten, ihre Vorrangstellung im Westen zudem durch den Verweis auf Petrus zu legitimieren. S. dazu etwa D EMACOPOULOS (2013). Zur Begründung päpstlicher Autorität im Bereich von Haushalt und Privatleben s. S ESSA (2012). 286 Hierzu zählte etwa das Recht, die kirchlichen Verhältnisse in Gallien zu überwachen und Klerikern, die nach Rom reisten, litterae formatae auszustellen, vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 26–32; M ATHISEN (1989), 49f; FAVROD (1997), 79. 287 Vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 63; 67f; M ATHISEN (1989), 117–140. 288 Vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 71f; M ATHISEN (1989), 161–170; FAVROD (1997), 82. 289 Letztlich bestätigte und präzisierte er also den entsprechenden Beschluss des Konzils von Turin, vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 79–85; M ATHISEN (1989), 173–182; K LINGSHIRN (1994b), 129; FAVROD (1997), 82f. 290 Vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 103–105; 128; K LINGSHIRN (1994b), 129; FAVROD (1997), 86. Weil die betreffenden Regionen auf burgundischem Gebiet lagen, übte Avitus die Metropolitangewalt in der Praxis wohl schon aus und versuchte nun, dies auch rechtlich abzusichern.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
den Beschluss seines Vorgängers auf und setzte Arles in die alten Rechte ein.291 Doch damit nicht genug: als Aeonius’ Nachfolger Caesarius 513 eine Vorladung nach Ravenna an den Hof Theoderichs als Anlass nahm, von dort aus nach Rom zu reisen und Papst Symmachus zu treffen, bestätigte dieser anschließend in einem Brief an alle gallischen Bischöfe Leos Entscheidung292 und verlieh Caesarius sogar das Pallium. Hiermit machte er ihn zum päpstlichen Stellvertreter in Gallien und stellte ihn so über die anderen Metropoliten der Region.293 Der Streit zwischen Arles und Vienne war dadurch endgültig zugunsten Arles’ entschieden. Die Stellung des Bischofs von Vienne war so zwar de iure geschwächt, de facto blieb sie jedoch aufgrund der politischen Gegebenheiten unverändert: an der Synode von Epaon 517 etwa nahmen zahlreiche Bischöfe teil, deren Sitze theoretisch zwar der Jurisdiktion von Arles unterstanden, aber zum burgundischen Gebiet gehörten und somit doch in den Zuständigkeitsbereich Viennes fielen.294 Im Gallien des 5. Jahrhunderts standen freilich nicht nur Fragen der Kirchenorganisation auf der Tagesordnung, sondern auch theologische Probleme. In den Siebziger Jahren entbrannte etwa eine Debatte um die Natur der Seele, deren Hauptprotagonisten Faustus von Riez, der frühere Abt von Lérins, und Claudianus Mamertus, der Bruder des Mamertus von Vienne, waren.295 Dieser Streit wurde jedoch bei weitem nicht mit der Heftigkeit geführt, mit der das in den Kontroversen des 4. Jahrhunderts um den sogenannten ,Arianismus‘ der Fall war, deren Zentrum die Trinität und das Wesen der göttlichen Personen, insbesondere die Natur Christi, bildete. Die Diskussionen in Gallien dienten weniger der ernsthaften Auseinandersetzung mit einer Häresie als vielmehr dazu, die Orthodoxie der gallischen Bischöfe zu erweisen, denn die Verfechter beider Ansichten wurden weithin geachtet und respektiert.296 Gerade der Nachweis von Orthodoxie war zu dieser Zeit virulent, da ein Großteil der Germanen, die sich in Gallien angesiedelt hatten, nicht das nizänische Christentum vertrat, sondern sich zur homöischen
291 Vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 105f; 118; FAVROD (1997), 86; P IETRI (2001b), 379. 292 D. h. Genf, Grenoble, Tarantaise und Valence waren dem Metropoliten von Vienne unterstellt, die übrigen civitates der Viennensis gehörten zu Arles. 293 Vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 125f; 130–133; K LINGSHIRN (1994b), 130; FAVROD (1997), 86; P IETRI (2001b), 388; 379. 294 Vgl. L ANGGÄRTNER (1964), 129; FAVROD (1997), 86f. Zur Aufteilung und Entwicklung der Provinzen auf burgundischem Gebiet vgl. FAVROD (1997), 74–99. 295 Während der erstgenannte die Körperlichkeit der Seele vertrat und sich hierbei auf verschiedene Bibelstellen sowie kirchliche Autoritäten, beispielsweise Cassian von Marseille, berief, sprach sich letzterer dagegen aus, ebenfalls mit Bezug auf biblische Zitate und Kirchenväter, in diesem Fall Augustin, vgl. M ATHISEN (1989), 235–237. Zur Diskussion um die Seele s. F ORTIN (1959) und P IETRI (2001a), 255f, zum Schicksal der Seele nach dem Tod nach Faustus s. P RÉVOT (2009). 296 Vgl. M ATHISEN (1989), 265–268.
1.3 Anlage und Aufbau der Arbeit
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Ausprägung des Christentums bekannte.297 ,Katholisch‘ zu sein war also immer auch ein Zeichen von romanitas.298 Trotzdem gab es, zumindest auf dem Herrschaftsgebiet der Burgunder, theologische Debatten, deren Themen Aspekte der Trinität, insbesondere des Heiligen Geistes, bildeten.299 Außerdem waren die katholischen Bischöfe bestrebt, die homöischen Christen zum Übertritt zum Katholizismus zu bewegen. Überhaupt sorgte die Existenz einer homöischen Kirche300 dafür, dass verschiedene Aspekte des Zusammenlebens ebenso geregelt werden mussten wie solche, die sich aus einem Wechsel vom homöischen zum katholischen Bekenntnis ergaben.301 Verfolgungen aus religiösen Motiven sind für das burgundische Gebiet freilich nicht bezeugt.
1.3 ANLAGE UND AUFBAU DER ARBEIT Es stellt sich nun die Frage, welche Folgen sich aus den bisherigen Ausführungen für Anlage und Aufbau der vorliegenden Arbeit ergeben. Zunächst ist sie, wie bereits zu Beginn erwähnt, in zwei Teile gegliedert, von denen der erste der Selbstinszenierung des Avitus auf Ebene der Einzelbriefe gewidmet ist, der zweite dem Porträt, das durch die Briefsammlung als Ganzes entsteht. Die Notwendigkeit einer solchen Zweiteilung erwächst aus oben (S. 20ff) dargelegten von vornherein bestehenden Unterschieden zwischen der Ebene des einzelnen Schreibens und derjenigen der gesamten Kollektion, die gerade in Bezug auf die (Selbst-) Darstellung zum Tragen kommen. Abgesehen davon ist dieser Aspekt gerade beim Bischof von Vienne von zentraler Bedeutung, da er nicht oder nur indirekt an der ,Publikation‘ seiner Briefe beteiligt war. Ziel bei der Frage nach der Selbstrepräsentation des Bischofs ist dabei weder ein möglichst vollständiges Charakterbild noch ein Vergleich mit dem ,echten Avitus‘ – dies verbietet sich angesichts der Tatsache, dass auch die Menschen der Antike sich 297 Der Grund hierfür lag wohl in der Tatsache, dass zu der Zeit, als die Goten durch die Missionierung des Wulfila Christen wurden, die römischen Kaiser Homöer waren, vgl. B RENNECKE (2014a), 27–29. Nach Marilyn D UNN dagegen besteht die Erklärung eher darin, dass das homöische Trinitätsmodell leichter verständlich sei als das nizänische und der Homöismus damit eine Art „Christentum für Einsteiger“ darstelle, vgl. M. D UNN (2013), 31–63. Zu Wulfila s. K AMPERS (2008), 67–72. 298 Abgesehen von der Möglichkeit, sich so von den neu angesiedelten Nichtrömern abzusetzen, lag dies an mehreren Faktoren: Dazu gehörte beispielsweise das Bischofsamt, das viele Aristokraten nun anstelle eines Amts in der römischen Verwaltung anstrebten (hierzu s. o. S. 50ff). Außerdem kongruierte die zunehmend anerkannte Vorrangstellung des Bischofs von Rom mit der in Literatur und Bildung präsenten Romidee (zur Romidee s. etwa E IGLER (2003), v. a. 113f; überdies oben, S. 50ff) und konnte so ebenfalls zur Identifikationsstiftung beitragen. 299 S. hierzu H EIL (2011). 300 Diese besaß sicherlich zumindest rudimentäre Organisationsstrukturen. Hierzu s. H EIL (2011), 80–111. Zur Frage nach homöischen Bischöfen s. M ATHISEN (1997a). 301 Etwa die Frage nach dem Umgang mit homöischen Kirchen, deren Eigentümer katholisch geworden waren, die Avitus in ep. 7P = ep. 4MR behandelt. S. hierzu zum Beispiel einige Canones der Synode von Epaon, die in P EIPER (1883), 165–175 gesammelt sind.
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
verschiedener Rollen und des jeweils angemessenen Verhaltens bewusst waren und Briefe allgemein zur Selbstdarstellung genutzt wurden (s. o. S. 29); vor allem das zweitgenannte wäre aufgrund der fragmentarischen Überlieferung weiterer Quellen zudem kaum möglich. Wie weit die in den Briefen auftretende Person des Avitus der wirklichen entsprach, muss offen bleiben; es lässt sich lediglich konstatieren, dass gewisse Übereinstimmungen bestanden haben müssen, da die Zeitgenossen ihn ja kannten und er ansonsten wenig glaubwürdig gewesen wäre. Thema der Untersuchung sind somit allein die Porträts, die vom Bischof von Vienne gezeichnet werden, die Art und Weise, auf die sie zustande kommen, und die jeweiligen spezifischen Gegebenheiten, in der sie Anwendung finden. Eine Analyse etwa der Frage, welche Aspekte betont werden oder eher in den Hintergrund rücken, erlaubt nämlich Rückschlüsse auf zentrale Angelegenheiten und Probleme des Avitus selbst und, darüber hinaus, von Mitgliedern der Elite seiner Zeit im Allgemeinen, seien sie nun Bischöfe oder Adlige. Viele von ihnen sind in den vorhergehenden Darlegungen zum spätantiken Adel und zum spätantiken Bischof schon angeklungen, beispielsweise die Selbstvergewisserung durch die vielfältige Demonstration von Bildung oder die Verteidigung eigener Machtansprüche innerhalb der Kirchenhierarchie; allerdings lediglich in allgemeiner Form und nicht in Bezug auf konkrete Situationen wie in den Briefen des Vienners. Grundsätzlich böten sich für die Ausführungen zur Selbstmodellierung verschiedene Vorgehensweisen an, beispielsweise eine Anordnung nach Adressaten, nach Strategien, die Avitus in seinen Schreiben verwendet, oder nach unterschiedlichen Rollen, die der Bischof von Vienne einnimmt. Aus mehreren Gründen ist jedoch die Analyse von exemplarisch ausgewählten gesamten Briefen bzw. längeren Textpassagen am sinnvollsten. Zunächst ist es oftmals schwierig, etwa bestimmte Rollen voneinander abzugrenzen oder einzelne Strategien getrennt voneinander zu untersuchen. Weit bedeutender ist jedoch der Umstand, dass jeder einzelne von Avitus’ Briefen als Ganzes konzipiert ist, in dem nicht nur Inhalt, Sprache und Argumentation eng miteinander verwoben sind, sondern auch verschiedene Methoden der Selbstdarstellung und Aspekte unterschiedlicher Rollen zusammenspielen. In dieser Gesamtheit entfaltete das Schreiben auch seine Wirksamkeit – auch wenn freilich nicht jeder Brief sein Ziel (vollständig) erreichte. Bei einer Gliederung etwa nach Oberpunkten bestünde die Gefahr, beispielsweise eng Zusammengehöriges zu trennen und Entwicklungen innerhalb eines Schreibens zu vernachlässigen. Sie würde dem Thema somit nicht ganz gerecht und die Selbstmodellierung des Bischofs möglicherweise sogar verfälschen. Gleichwohl erfordert eine Analyse der Selbstdarstellung die vergleichende Betrachtung von Avitus’ Auftreten in verschiedenen Kontexten und Situationen, um fundiertere Aussagen machen zu können und sich einem Gesamtbild soweit als möglich anzunähern. Da hierbei der Empfänger als diejenige Person, an die sich das vom Verfasser gestaltete Bild seiner selbst zuallererst richtet, am wichtigsten ist, sind die im Rahmen dieser Arbeit detailliert untersuchten Briefe nach Adressaten geordnet, diese wiederum nach ihrem Stand innerhalb der Kirche.
1.3 Anlage und Aufbau der Arbeit
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Zudem werden teilweise Schreiben des jeweiligen Gegenübers mit untersucht, denn dies bietet die Gelegenheit zu betrachten, wie Avitus auf dessen Modellierung seiner selbst sowie der Kommunikationssituation an sich reagiert bzw. inwieweit der Briefpartner auf Avitus’ Selbstinszenierung eingeht. Hieraus lassen sich einige Kriterien für die Auswahl der näher erläuterten Briefe ableiten: es wurde danach gestrebt, auf eine große Breite von Adressaten einzugehen und ein möglichst weites Feld von Gegenständen und Situationen abzudecken, wobei zugleich die wichtigsten Themen Aufnahme finden sollten. Orientierung bot dabei nicht nur die Häufigkeit des Rezipienten bzw. des jeweiligen Briefthemas innerhalb der erhaltenen Kollektion, sondern überdies die in den Ausführungen zu Adel und Bildung und zum Bischof dargelegten Sachverhalte. Ergänzt werden soll diese Zusammenstellung durch Verweise auf hier nicht im Detail analysierte Schreiben und in gewisser Weise ebenso durch den zweiten Teil der Arbeit. In diesem zweiten Abschnitt steht das Porträt des Avitus, das durch die Kollektion als Ganze gezeichnet wird, im Zentrum. Als Grundlage hierfür wird zunächst die Entstehung und Anlage der Sammlung genauer untersucht. Im Anschluss daran bilden Überlegungen zur Briefauswahl den Fokus der Ausführungen. Gefragt wird in diesem Zusammenhang unter anderem danach, an welche Adressaten überhaupt Briefe überliefert sind, wie groß deren jeweilige Anzahl ist, welche Themen die tradierten Schreiben behandeln und insbesondere, auf welche Weise diese Gesichtspunkte das Bild des Bischofs von Vienne prägen. Grundsätzlich ist dabei ein Vorgehen nach Rezipienten ebenso möglich wie eine Orientierung an den Hauptgegenständen der einzelnen Botschaften. Für die avitanische Sammlung lässt sich freilich eine starke Überlappung von Empfänger und Briefinhalt konstatieren, sodass die Unterschiede zwischen beiden Methoden verhältnismäßig gering sind. Hier soll vor allem die erstgenannte zur Anwendung kommen, da sie den Vorteil einer klareren Strukturierung bietet und die Ergebnisse so deutlicher hervortreten. Berücksichtigt werden auch Stücke, die nicht in das Corpus aufgenommen wurden, das als Ganzes in den Handschriften überliefert ist, sondern anderweitig überdauert haben oder auf irgendeine Weise erschlossen werden können; während die Nicht-Tradierung mancher Botschaften wohl mehr oder weniger zufällig ist, lässt sich bei anderen die Absicht erahnen, die möglicherweise hinter dem Ausschluss steht. Ob und wie sich daraus eine stärkere Konturierung des Avitusporträts ergibt, wird in diesem Zusammenhang ebenfalls erörtert. Doch nicht nur die Auswahl der Schreiben, die in die Sammlung aufgenommen wurden, hat Konsequenzen für die Modellierung der Person des Bischofs von Vienne. Basierend auf dieser Zusammenstellung wird sein Porträt durch die Reihenfolge der Briefe weiter akzentuiert; manche Details, die bei der Untersuchung der Auswahl zutage getreten sind, werden durch die Briefsequenz zusätzlich betont, andere eher verschleiert. Eine unterschiedliche Nuancierung der Darstellung bewirken zudem kleinere Unterschiede zwischen den Manuskripten. Eben diese durch die Anordnung der Schreiben erzeugte Wirkung, zu der außerdem die Frage nach den durch die Einteilung der Kollektion in Bücher erzeugten Effekten zählt, soll im Anschluss an die Briefauswahl genauer analysiert werden. Plausibilität erlangen die
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1 Einleitung und Vorüberlegungen
Überlegungen insbesondere zu möglichen Gründen für Selektion und Anordnung der Schreiben durch den Vergleich mit anderen Briefcorpora und Testimonien. In einem Fazit werden zum Schluss beide Abschnitte der Arbeit zusammengefasst, zueinander in Bezug gesetzt und Funktionen spätantiker Epistolographie, gerade in Bezug auf Sammeln und Sammlungen von Briefen, abgeleitet. Insbesondere werden dabei Konsequenzen für die Erforschung der antiken und spätantiken Epistolographie aufgezeigt, die sich aus den in der Arbeit erzielten Resultaten ergeben. Zu diesen gehören bei vielen Fragestellungen beispielsweise die Unterscheidung zwischen der Ebene des einzelnen Briefs und der gesamten Kollektion, vor allem in den Fällen, in denen ein Corpus nicht vom jeweiligen Autor selbst ,veröffentlicht‘ wurde.
2 AVITUS IM BRIEF: SELBSTDARSTELLUNG AUF DER EBENE DES EINZELBRIEFS Den Schwerpunkt der folgenden Ausführungen, die in zwei Abschnitte aufgeteilt sind, bilden detaillierte Analysen einzelner Schreiben. Die Auswahl dieser Schreiben erfolgte mit dem Ziel, ein möglichst breites Spektrum verschiedener Adressaten und unterschiedlicher Themen abzudecken, um Avitus’ Auftreten in einer Vielzahl von Kontexten zu zeigen und so zahlreiche Aspekte und Facetten zu beleuchten.1 Im ersten Abschnitt stehen dabei Briefe an andere Bischöfe im Zentrum der Betrachtungen, im zweiten Botschaften an Adlige und weltliche Machthaber. Diese Anordnung orientiert sich lose an derjenigen der Kollektion, in der Briefe an Bischöfe, insbesondere solche, die Aufgaben eines Bischofs zum Thema haben, tendenziell weiter vorne erscheinen als diejenigen an Adlige.2 Innerhalb dieser beiden Teile sind die Schreiben nach der räumlichen Nähe der Briefpartner zu Avitus bzw. nach deren Bedeutung arrangiert: bei den Nachrichten an andere Bischöfe werden zunächst zwei Briefwechsel mit Suffraganbischöfen von Vienne untersucht, anschließend ein Empfehlungsbrief an Caesarius von Arles, danach ein Austausch mit dem römischen Bischof Hormisdas. Unter den an einflussreiche Laien gerichteten Botschaften macht diejenige an Ansemundus, den comes von Vienne, den Anfang, es folgen ein Schreiben an Avitus’ Verwandten Apollinaris, der auf westgotischem Gebiet lebte, sowie ein brieflicher Traktat, der sich an den burgundischen Herrscher Gundobad richtete. Weil bei den einzelnen Schreiben deren Situierung im jeweiligen historischen Zusammenhang, soweit bekannt, zentral ist, geht jeder Briefanalyse eine kurze Einführung zu Adressat und Entstehungskontext voraus. Ebenso werden am Ende beider Abschnitte jeweils Zwischenbilanzen gezogen, ein Gesamtfazit folgt am Schluss des Selbstdarstellungsteils.
2.1 BRIEFE AN BISCHÖFE UND ANDERE KIRCHLICHE WÜRDENTRÄGER In den erhaltenen Schreiben an Bischöfe und andere Kleriker in besonderen Funktionen behandelt Avitus eine Vielzahl von Themen, die von Fragen der Kirchenor1
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Einzelheiten zu den ausgewählten Schreiben bieten die folgenden Ausführungen; ein Gesamtüberblick über Sammlung, Adressaten und Themen findet sich unten, S. 187f, zu Details s. u. S. 193ff. Eine Ausnahme stellen freilich einige Briefe an Gundobad dar. Zur Briefreihenfolge s. u. S. 217ff.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
ganisation bis zur Diskussion von Bildungsgegenständen, wie sie für Freundschaftsbriefe typisch ist, reichen. Dabei sind neben den auf den ersten Blick ersichtlichen Inhalten des jeweiligen Schreibens oft unterschwellig weitere Punkte zentral, etwa die Aushandlung von Macht oder die Pflege eines Netzwerks. Im Folgenden wird die Selbstdarstellung des Bischofs von Vienne in vier Briefen bzw. Briefwechseln genauer analysiert: zunächst steht sein Auftreten gegenüber zwei seiner Suffragane im Fokus, das anhand von Schreiben von und an Victorius von Grenoble bzw. von und an Apollinaris von Valence betrachtet wird. In der Kommunikation mit ersterem geht es um den Umgang mit einem Fall von Inzest in dessen Diözese, also ein Problem der Kirchendisziplin; bei letzterem dagegen bildet ein Traum den Kern des Austauschs. Hierbei spielen die persönliche Beziehung der Briefpartner zueinander und deren Bildung ebenso eine Rolle wie Machtfragen und persönliche Heiligkeit. Rein kirchenhierarchisch gesehen, wendet sich jeweils ein Metropolit an seinen Suffraganbischof oder umgekehrt. Anschließend wird als typischer Vertreter des epistularen Genres ein Empfehlungsbrief des Avitus an Caesarius von Arles genauer betrachtet. In diesem Zusammenhang findet die Kommunikation über politische Grenzen hinweg zwischen zwei einflussreichen Bischöfen statt, die zudem miteinander um ihre Stellung innerhalb der gallischen Kirche wetteiferten.3 Danach wird ein nicht der ursprünglichen Kollektion zugehöriges Briefpaar4 untersucht, in dem die Weitergabe von Informationen zum Akakianischen Schisma und – damit verbunden – die Macht desjenigen, der über diese verfügt und sie anderen zukommen lässt (oder auch nicht) das Zentrum darstellt. In diesem Fall sind die Briefpartner der Papst in Rom und ein gallischer Bischof, es besteht also ein klarer Rangunterschied. Der erste Abschnitt schließt mit einem zusammenfassenden und vergleichenden Zwischenfazit der Selbstdarstellung des Bischofs von Vienne gegenüber anderen kirchlichen Würdenträgern.
2.1.1 Der Metropolit und seine Suffragane Einen recht großen Teil der erhaltenen Kommunikation des Avitus von Vienne machen Briefe aus, die der Metropolit an seine Suffraganbischöfe Maximus von Genf, Victorius von Grenoble und Apollinaris von Valence, seinen Bruder, richtete oder die diese an ihn sandten.5 In diesen Schreiben wird eine Vielzahl von Themen verhandelt, die von Fragen der Kirchenorganisation und -disziplin über alltägliche 3 4
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Zu den Auseinandersetzungen zwischen den Bischöfen von Vienne und Arles um bestimmte Metropolitanrechte s. o. S. 66ff. Epp. 41fP = epp. 37fMR finden sich weder im Lyoner Manuskript L noch in der von S IRMOND verwendeten Handschrift; S IRMOND ergänzte sie aus der Collectio Avellana, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), CVI; CXVIII. Zur Überlieferung der Briefe s. u. S. 188ff. Zur Kirchenverwaltung in Gallien und den Suffraganbistümern Viennes s. o. S. 66ff. Gerade auf dem Gebiet der Burgunder hatten die Metropoliten besonders große Verfügungsgewalt über ihre Suffragane, wie die Beschlüsse der Synode von Epaon zeigen. S. hierzu M ARDIROSSI -
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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Angelegenheiten bis hin zu kurzen Festtagsgrüßen und Bildungsgegenständen reichen.6 Von diesen soll nun zunächst der Austausch zwischen Avitus und Victorius von Grenoble aufgrund eines Inzestfalls in den Fokus der Betrachtungen rücken.
2.1.1.1 Aufrechterhaltung der Ordnung – ein Fall von Inzest 2.1.1.1.1 Victorius von Grenoble
Über die Person des Victorius ist nur wenig bekannt.7 Er war spätestens 515 Bischof von Grenoble und als solcher Suffragan des Metropoliten von Vienne. 517 nahm er an der Synode von Epaon teil und unterschrieb dort als siebter der 25 anwesenden Oberhirten. Ebenso zählte er zu denjenigen Bischöfen, die die inzestuöse Heirat des Stephanus, eines Beamten Sigismunds, verurteilten.8 Sein Name ist der fünfte von elf in der Liste derjenigen, die zwischen 518 und 523 an einer Lyoner Synode partizipierten, auf der dieses Urteil bekräftigt wurde. Aus den Platzierungen seiner Unterschrift wird deutlich, dass er unter den burgundischen Bischöfen wohl einen recht hohen Rang einnahm. Der Grund hierfür könnte in einer vornehmen Herkunft gelegen haben, vielleicht war er zu dieser Zeit auch schon recht lange im Amt. In jedem Fall starb er vor 538, denn an der Synode von Orléans, die in diesem Jahr stattfand, nahm Ursolus, ein Nachfolger, teil. Innerhalb des avitanischen Briefcorpus sind fünf Schreiben des Avitus an Victorius und eines des Victorius an Avitus überliefert. Mit Ausnahme von ep. 62P = ep. 59MR, eines kurzen Billetts anlässlich eines Festes, betreffen alle Briefe im weitesten Sinne Angelegenheiten der Kirchenverwaltung: Ep. 75P = ep. 71MR thematisiert einen Priester in Victorius’ Diözese, der vom Volk ohne Zustimmung des Bischofs gewählt wurde; ep. 7P = ep. 4MR ist ein kurzer Traktat in Briefform, der das Problem behandelt, wie man mit homöischen Kirchen und Messgeräten umzugehen habe, nachdem deren Eigentümer katholisch geworden sind.9 Die Briefe 16–18P = 13–15MR schließlich behandeln einen Inzestfall in Victorius’ Diözese: ep. 16P = ep. 13MR beinhaltet eine Anfrage des Bischofs von Grenoble, was in (2005), 365–376. Interessanterweise sind keine Schreiben an den Bischof von Tarantaise überliefert. Hierzu s. u. S. 194. Ep. 75P = ep. 71MR wurde etwa anlässlich der Wahl eines Priesters in Victorius’ Diözese verfasst, die ohne die Zustimmung des Bischofs erfolgte, in ep. 27P = ep. 24MR reagiert Avitus auf eine Einladung seines Bruders, ep. 61P = 58MR und ep. 66P = ep. 62MR sind kurze Briefchen zu Festen, und ep. 87P = ep. 83MR enthält die elaborierte Beschreibung eines Siegelrings, den Apollinaris für Avitus anfertigen lassen soll. Der folgende Abschnitt stützt sich auf die entsprechenden Einträge in H EINZELMANN (1982) und der PCBE (s.v. Victorius 6). Hierzu s. o. S. 49. Konkret geht es um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen die betreffenden Kirchen und Messgeräte von Katholiken benutzt werden dürfen. Avitus spricht sich dafür aus, die Gotteshäuser verfallen zu lassen und die übrigen Gerätschaften allenfalls einzuschmelzen und als Schmuck zu verwenden. AN
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
dieser Situation zu tun sei, ep. 17P = ep. 14MR ist Avitus’ Antwort darauf, ep. 18P = ep. 15MR ein weiterer Brief in Zusammenhang mit dieser Angelegenheit. Eine Datierung der beiden zuerst genannten Schreiben ist nicht möglich; die übrigen vier sind vielleicht nicht allzu lange vor der Synode von Epaon entstanden, denn dort wurde, wie die Canones zeigen, sowohl das Thema Inzest als auch der Umgang mit homöischen Gotteshäusern diskutiert.10
2.1.1.1.2 Ep. 16P = ep. 13MR
In ep. 16P = ep. 13MR erkundigt sich Victorius bei Avitus, wie er mit einem Mann umzugehen habe, der die Schwester seiner verstorbenen Frau geheiratet hat. Obwohl das Alte Testament es einem Mann erlaubte, die Schwester seines verstorbenen Bruders zu ehelichen und ihm dies unter bestimmten Umständen sogar vorschrieb (Dtn 25, 5),11 sahen Christen eine solche Ehe als Inzest an, da die Eheleute „ein Fleisch“ werden, wie Paulus in 1 Kor 6, 16 schreibt.12 Zum ersten Mal explizit verboten wurde die Heirat eines Mannes mit der Schwester seiner verstorbenen Frau auf der Synode von Elvira, die Ende des 3. oder Anfang des 4. Jahrhunderts stattfand.13 Ähnlich äußerte sich Papst Damasus in seiner Antwort auf eine entsprechende Anfrage der gallischen Bischöfe: er bezeichnete eine solche Ehe als Unzucht, setzte dafür jedoch kein Strafmaß fest.14 Das Thema besaß also durchaus eine gewisse Brisanz, gerade vor dem Hintergrund, dass die Kirche zu dieser Zeit immer mehr danach strebte, auch das Sexualleben der Gläubigen zu regeln, und eine erneute Heirat nach dem Tod eines Ehegatten überhaupt kritisch gesehen wurde.15 Zu Beginn von ep. 16P = ep. 13MR gibt Victorius einige Hinweise auf das Verhältnis zwischen Avitus und ihm selbst. Beide erscheinen als Teil einer gebildeten christlichen Gemeinschaft, was beispielsweise an einer Anspielung auf eine im 10
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In can. 33 wird deutlich, dass Avitus seine Ansicht anscheinend nicht vollständig durchsetzen konnte. Der Beschluss sieht nämlich vor, dass Kirchen, die vor ihrer Benutzung durch Homöer katholisch gewesen sind, weiterhin verwendet werden dürfen, vgl. P EIPER (1883), 172, 18– 20. Möglicherweise stellt ep. 7P = ep. 4MR eine Art vorab verschickte Tischvorlage für die Debatten dar, über die dann abgestimmt wurde; dies würde jedenfalls zu den Abläufen von Synoden passen, wie sie Hamilton H ESS (2005), 63f beschreibt. Vielleicht wollte Victorius aber auch die Meinung seines Metropoliten einholen, um seine Stimme entsprechend abzugeben. Zu den hier näher betrachteten Schreiben s. ebenfalls B URCKHARDT (1938), 46f. Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 286; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 195 (Anm. 183). Er zitiert dabei Gen 2, 24, worauf sich Jesus in Mt 19, 5 und Mk 10, 8 ebenfalls bezieht. Dort wurde auch die Exkommunikation für fünf Jahre als Strafe festgesetzt, vgl. M IKAT (1994), 17–19. S. hierzu S ARDELLA (2013), 84f. Interessanterweise argumentieren weder Avitus noch Victorius mit bereits gefassten Synodalbeschlüssen. Freilich besteht für beide kein Zweifel daran, dass eine derartige Verbindung inzestuös sei. S. hierzu H UNTER (2007). In diesem Zusammenhang entwickelte sich etwa der Pflichtzölibat für Kleriker.
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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Matthäusevangelium verwendete Metapher, der sich ebenso Ennodius von Pavia in mehreren Briefen bedient, deutlich wird.16 Dieser Aspekt manifestiert sich in ähnlicher Weise an der elaboriert gestalteten Sprache des ersten Paragraphen, etwa durch das Spiel mit Bedeutung und Klang bei principis principatum und opere – operandum, den antithetischen Parallelismus uos constituit tenere – nos uoluit exsequi und die Antithese praeceperitis; iubere – exsequi (48, 13f bzw §1).17 Beide Bischöfe sind Teil der christlichen Bildungsgemeinschaft, aber es bestehen klare Rangunterschiede: Victorius präsentiert den Bischof von Vienne als ihm selber übergeordnet und hebt hervor, dass er sich als Suffragan an seinen Metropoliten wendet, dem er gehorchen werde (qui uos constituit tenere loci principis principatum nos uoluit exsequi quod praeceperitis, 48, 13f bzw. §1).18 Abgesehen davon erscheint Avitus hier als unverzichtbarer Richter in kirchlichen Angelegenheiten (in area Domini ordinationis uestrae uentilabra poscenda sunt, 48, 12f bzw. §1)19 und wird beinahe mit Jesus Christus gleichgesetzt, denn in der zitierten Bibelstelle kündigt Johannes der Täufer an, dass Jesus die Schaufel zum Worfeln, also zur Trennung der Spreu vom Weizen, bereits in der Hand halte. Nach dieser Einleitung legt der Bischof von Grenoble den Fall dar, in dem er um Rat fragt: ein Mann hat die Schwester seiner verstorbenen Frau geheiratet und wurde dessen öffentlich angeklagt (sororem defunctae coniugis sibi in matrimonium sociauit [...] sub multorum praesentia auditus, accusator, 48, 15–17 bzw. §2). Indem er in diesem Kontext die seiner Meinung nach relevanten Details der äußeren Umstände schildert, tritt er selbst als sorgfältiger Richter auf und begründet, wieso er in dieser Situation um einen Ratschlag ersucht.20
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Vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 195 (Anm. 179). Bei der Metapher handelt es sich um die Trennung der Spreu vom Weizen, vgl. Mt 3, 12. Zudem kann die Verwendung der Anrede ordinationis uestrae in diesem Kontext gesehen werden, denn an dieser Stelle kommt das Wort in der ganzen Breite seines Bedeutungsspektrums zur Geltung: der Gesichtspunkt der Weihe klingt ebenso an wie derjenige der Anordnung, s. auch M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 195 (Anm. 179). Wer derjenige ist, der dies verfügt hat – Gott oder der König – bleibt offen, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 287 (Anm. 2). Meiner Ansicht nach ist es nicht nötig, loci principis mit „royal city“ zu übersetzen, wie S HANZER und W OOD dies tun, die aus der Formulierung zudem schließen, dass Vienne vom burgundischen Herrscher als Zentrum genutzt wurde. Möglicherweise will Victorius Avitus einfach schmeicheln, indem er den besonderen Status der Stadt als Sitz eines Metropoliten hervorhebt, eventuell gerade vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit Arles. Hierzu s. o. S. 66. Hierbei erfüllt er eine der typischen Aufgaben eines Bischofs, s. o. S. 58ff. Die Sachlage stellte sich anscheinend gerade deswegen schwierig dar, weil die Ehe bereits jahrelang bestand (ante quamplures annos, 48, 15 bzw. §2) und die Sache nun, da die Anklage in aller Öffentlichkeit stattgefunden hatte (dieser Punkt wird besonders hervorgehoben: sub multorum praesentia auditus, non occulta susurratione, ipso coram, 48, 16–18 bzw. §2), nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden konnte. S. hierzu auch S HANZER und W OOD (2002), 286. Dass in manchen Angelegenheiten weniger die eigentliche Begebenheit, sondern vielmehr das Wissen vieler das Problem war, wird, freilich in einem ganz anderen Zusammenhang, z. B. am Anfang von ep. 57P = ep. 54MR offensichtlich, wo Avitus sogar fast dasselbe Wort verwendet (susurriat, 85, 19 bzw. §1). Zu diesem Brief s. S CHENK (2020).
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
Im Anschluss daran bittet Victorius seinen Metropoliten nachdrücklich darum, ihm Anweisungen für das weitere Vorgehen zu geben, wofür er Imperative verwendet und diese teilweise sogar betont an das Ende des jeweiligen Satzes stellt: praecipite, edocete, statuite, 48, 20–22 bzw. §3. Er legt kurz mehrere Handlungsmöglichkeiten und Hintergründe dar und zeigt so, dass er sich über den Fall bereits Gedanken gemacht und somit seine Aufgabe als zuständiger Bischof durchaus erfüllt hat.21 Trotzdem möchte er, dass Avitus die endgültige Entscheidung trifft, wie mit der Angelegenheit umzugehen sei (Vos tamen [...] statuite quod uidetur: quia, praeter ordinationem uestram,22 de tali causa quid pronuntiari conueniat uix decerno, 48, 22–24 bzw. §3), insbesondere in Bezug auf die Frage, ob er den Beschuldigten exkommunizieren solle oder nicht (Communioni nempe eum trepide subtraho uel permitto, nisi auctoritate uestra roboratus extitero, 48, 24f bzw. §3).23 Der Bischof von Grenoble präsentiert sich so als kompetenter und eifriger Suffraganbischof, der seinen Metropoliten um Rat fragt, wenn es nötig ist. Gleichzeitig stützt dessen Autorität natürlich seine eigene und hilft ihm somit dabei, das gefällte Urteil auch durchzusetzen (s. insbesondere auctoritate uestra roboratus extitero).24 Ep. 17P = ep. 14MR stellt Avitus’ Antwort auf diese Anfrage dar.25
2.1.1.1.3 Ep. 17P = ep. 14MR
Ähnlich wie sein Suffragan in ep. 16P = ep. 13MR geht Avitus zu Beginn seines Schreibens auf das Verhältnis ein, in dem beide Bischöfe stehen. Anders als dieser betont er jedoch den bestehenden Rangunterschied gerade nicht, sondern bezeichnet es als Zeichen von Victorius’ Wertschätzung und Liebe ihm selber gegenüber, dass er ihn in Angelegenheiten um Rat frage, die eigentlich nur seine eigene Diözese beträfen: Probatae summaeque pietatis est, ut de causis ad pontificium uestrum pertinentibus meum quoque consilium consulendum esse ducatis; non [...] ambiguitatis animo, sed dilectionis, 49, 2–4 bzw. §1. Der Bischof von Vienne nimmt Victorius’ Darstellung seiner selbst und ihrer Beziehung also nicht ganz an, sondern zeigt zwei Oberhirten, die sich (beinahe) auf gleicher Ebene befinden; gleichzeitig präsentiert er seine eigene Person aber als jemand, der von seinen Zeitgenossen, auch von gleichrangigen, geschätzt wird und dessen Rat gesucht ist.
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48, 19–22 bzw. §3. Zu den verschiedenen Bußstufen, deren Verhängung er vorschlägt, s. M IKAT (1994), 78, Anm. 223. In ordinationem uestram wird dabei ordinationis uestrae, 48, 12 bzw. §1 wieder aufgenommen. Zur Exkommunikation s. G AUDEMET (1995). Angesichts der Tatsache, dass sich in patristischen Texten regelmäßig Klagen darüber finden, dass das Urteil eines Bischofs von einer oder beiden Parteien nicht akzeptiert wurde (vgl. H UM FRESS (2011), 399), erscheint Victorius’ Strategie, sich seine Entscheidung bereits im Voraus vom Metropoliten bestätigen zu lassen, durchaus klug – auch wenn sie wohl nicht von Erfolg gekrönt war, wie ep. 18P = ep. 15MR zeigt. Hierzu s. u. S. 81. Damit bieten diese zwei Schreiben die seltene Gelegenheit, beide Seiten eines spätantiken Briefaustauschs zu betrachten.
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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Im Anschluss daran bestätigt Avitus Victorius’ Einschätzung: es sei völlig offensichtlich, dass der Mann eine Sünde begangen habe, und daher richtig, ihn zu bestrafen (contra culpam [...] uos merito moueri; salubriter tamen exasperatur in temporaneis quem saluari cupimus in aeternis, 49, 4f; 7f bzw. §2).26 Avitus zeichnet also das Bild zweier Bischöfe, die in der spirituellen Sorge um ihre Gemeindemitglieder vereint sind, wie sich an seiner Verwendung von nostrae und cupimus (49, 7f bzw. §2) zeigt, und so die mit ihrem Amt verbundenen Aufgaben gemeinsam bewältigen.27 Er betont, es falle beiden schwer, diese zu bestrafen, das sei aber um deren Seelenheil willen notwendig: licet sollicitudini nostrae iustissimus dolor de necessitate ipsius districtionis incumbat, salubriter tamen exasperatur in temporaneis quem saluari cupimus in aeternis, 49, 6–8 bzw. §2.28 Nachdem Avitus den Bischof von Grenoble so darin bestätigt hat, dass ein strafwürdiges Vergehen vorliegt, gibt er ihm Handlungsanweisungen und begründet diese. Das Paar solle eine Zeit lang von der Kirche ausgeschlossen und nach einer öffentlichen Buße wieder aufgenommen werden (49, 8–17 bzw. §3f).29 Dabei erteilt der Vienner seine Ratschläge zunächst höflich auf indirekte Weise, indem er das Modalverb oportet und den Konjunktiv sufficiat in der 3. P. Sg. verwendet (49, 8; 11f bzw. §3). Erst später gebraucht er bei dubitetis und indicite (49, 13; 15 bzw. §4) den jussiven Konjunktiv in der 2. P. Sg. bzw. den Imperativ, um Victorius nachdrücklich aufzufordern, streng zu sein und keine Skrupel hinsichtlich einer Ehescheidung zu haben, sondern die Trennung des Ehepaars durchzusetzen (uotum excommunicationis indicite, donec a consortio criminali [...] desciscant, 49, 14f bzw. §4). Wenn er so seine Strenge zum Ausdruck gebracht und gewissermaßen ein Exempel statuiert habe, könne er Erbarmen zeigen und beide wieder in die Kirche aufnehmen (tunc, miserentibus uobis, ad timoris ex correctione exemplum gratiam reconciliationis accipiant, 49, 16f bzw. §4). Avitus macht an dieser Stelle also unmissverständlich deutlich, wie sein Suffragan handeln soll, und unterstreicht auf diese Weise seine eigene Position als Metropolit.30 Unmittelbar darauf jedoch betont er, er habe Victorius seine Ratschläge allein deswegen gegeben, weil dieser so nachdrücklich darum gebeten habe: quia tanti habuistis iubere, suggessi, 49, 17f bzw. §5, und bekräftigt dessen Autorität: Aucto26
27 28 29 30
Die Schwere der Schuld sei sogar für Laien erkennbar: Quis enim uel laicus non aduertat, non sine grandi macula..., 49, 5f bzw. §2. Durch diese Aussage wehrt der Bischof von Vienne einerseits bereits im Vorhinein Einwände ab, andererseits hebt er so indirekt die Wertschätzung, die Victorius ihm entgegenbringt, noch mehr hervor. Hierzu s. o. S. 59ff. Der Gedanke, es seien irdische Strafen nötig, damit die so Bestraften erlöst werden, findet sich bereits bei Paulus in 1 Kor 5, 5, vgl. M IKAT (1994), 127. Zur Buße s. DE J ONG (2000); G REER (2007), 580–582; U HALDE (2008). Ebenso wie in ep. 17P = ep. 14MR fordert er Victorius in ep. 75P = ep. 71MR dazu auf, streng zu sein und durchzugreifen. Im Umgang mit einem vom Volk ohne seine Zustimmung gewählten Kleriker ist der Bischof von Grenoble in Avitus’ Augen zu nachgiebig gewesen (plus quam persona meruit, patientiae reseruastis, 92, 2 bzw §4), deswegen wird er dazu aufgefordert, diesen als Warnung für andere zu bestrafen (iniuriam castigate; et ne quid in posterum similis ausus arripiat, impensa districtione prospicite, 92, 4f bzw. §4). Freilich stand in diesem Zusammenhang Victorius’ Autorität in einem anderen Bereich auf dem Spiel als im Inzestfall.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
ritatis uestrae est..., 49, 18 bzw. §5. Sorgfältig stellt er nochmals heraus, dass er lediglich seine eigene Ansicht geäußert habe (quod rationabile credidi; suggessi; aestimo, 49, 17–19 bzw. §5) und es nun an Victorius sei, die endgültige Entscheidung zu treffen. Damit vertauscht Avitus die Rollen, die Victorius beiden Briefpartnern in ep. 16P = ep. 13MR zugewiesen hat: während dort der Bischof von Vienne derjenige war, der befohlen hat (uos iubere, 48, 14 bzw §1), fällt dieser Part nun an den Bischof von Grenoble (tanti habuistis iubere, 49, 17f bzw. §5), und Avitus gehorcht der Order (suggessi, 49, 18 bzw. §5). Zugleich mildert er dadurch das ausgeprägte Hierarchiegefälle, das zuvor in seinen nachdrücklichen Anweisungen zum Ausdruck kam, wieder ab.31 Im gesamten Schreiben verwendet der Bischof von Vienne eine klare und relativ leicht verständliche Sprache.32 Trotzdem zeigt es eine sorgfältige Stilisierung, die beispielsweise an der Figura etymologica consilium consulendum, 49, 3 bzw. §1, der durch ihre Stellung hervorgehobenen Antithese temporaneis – aeternis, 49, 8 bzw. §2, den Alliterationen consortio criminali publica poenitentiae professione, 49, 15 bzw. §4 sowie an der klanglich-etymologischen Spielerei compunctione – compunguntur, 49, 18f bzw. §5 deutlich wird. Diese Beobachtungen können möglicherweise dadurch erklärt werden, dass die Handlungsanweisungen einerseits gut verständlich sein mussten,33 und zwar nicht nur für Victorius, sondern auch für alle anderen Personen, die sein Archiv oder das des Bischofs von Vienne konsultierten, um nach Lösungen für vergleichbare Probleme zu suchen.34 Andererseits verlangten die der Briefkommunikation zugrunde liegenden Regeln eine gewisse Sorgfalt bei der Gestaltung eines Schreibens, um dem Adressaten den gebotenen Respekt zu erweisen.35 Insgesamt zeichnet Avitus das Bild zweier Bischöfe, die sich gemeinsam für die Erlösung eines Sünders einsetzen und sich um Gerechtigkeit bemühen, ohne 31 32 33 34
35
Damit entspricht sein Verhalten auch den aristokratischen Umgangsformen, die Höflichkeit und gegenseitige Wertschätzung vorsahen. Hierzu s. o. S. 54. Hierauf weisen S HANZER und W OOD (2002), 287 besonders hin und begründen diesen Umstand damit, dass der Brief gewissermaßen gesetzgebende Funktion hatte. Diesen Aspekt führen S HANZER und W OOD (2002) ebenfalls an, s. die vorherige Fußnote. Zur Öffentlichkeit von Briefen, die in den (bischöflichen) Archiven aufbewahrt wurden s. M A THISEN (2018b). Einen Hinweis auf eine solche Praxis könnte auch tit. 36 der Lex Burgundionum bieten. Bereits RÜEGGER (1949), 190–196 weist auf die sprachlichen Ähnlichkeiten der von Avitus in Zusammenhang mit diesem Inzestfall verfassten Briefe mit dem entsprechenden Abschnitt der Lex Burgundionum hin. Er schließt daraus auf eine Beteiligung des Bischofs von Vienne an der Gesetzgebung. M IKAT (1994), 105f spricht sich gegen diesen Schluss aus, und ebensowenig glaubt U BL (2008), 130 an Avitus’ Mitarbeit bei der Formulierung des Gesetzes, geht aber von seinem Einfluss darauf aus. U BLs Ansicht lässt sich meiner Meinung nach dahingehend präzisieren, dass bei der Zusammenstellung des Gesetzestextes verschiedene Quellen konsultiert wurden, unter anderem bischöfliche Archive. Wer auch immer für die Endredaktion zuständig war, hatte zuvor einen oder beide Briefe des Bischofs von Vienne zum Thema gelesen und ließ sich von seiner Wortwahl inspirieren. Dies würde voraussetzen, dass die Schreiben zumindest einige Monate vor dem 29. März 517 entstanden, an dem die Lex Burgundionum erlassen wurde (vgl. U BL (2008), 128), was durchaus im Bereich des Möglichen liegt (s. o. S. 75f). Hierzu s. o. S. 20ff sowie S. 50ff.
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
81
dabei zu nachlässig oder zu streng zu sein. Durch die Rollen des Suffragans und des Metropoliten – oder, in diesem Kontext präziser, des Ratsuchenden und des Ratgebers – besteht ein gewisser Rangunterschied zwischen ihnen, der jedoch nicht allzu sehr betont wird. Im Zentrum steht eher die gegenseitige Wertschätzung beider Briefpartner. Mit ep. 17P = ep. 14MR war die Angelegenheit aber noch nicht abgeschlossen, denn der Beschuldigte akzeptierte Victorius’ Urteil anscheinend nicht. Dies war wohl nichts Ungewöhnliches, wie Caroline H UMFRESS’ Hinweis auf entsprechende Klagen bei den Kirchenvätern zeigt.36 In dieser Situation wandte sich Victorius offenbar erneut an Avitus, der sich des Angeklagten nun persönlich annahm und anschließend ep. 18P = ep. 15MR verfasste.
2.1.1.1.4 Ep. 18P = ep. 15MR
Die Eröffnung von ep. 18P = ep. 15MR ist durchaus vergleichbar mit derjenigen des eben analysierten Briefs, allerdings hebt Avitus einige Punkte, beispielsweise die freundschaftliche Beziehung zwischen beiden Bischöfen, stärker hervor und die sprachliche Gestaltung erscheint aufwändiger. So spielt der Bischof von Vienne etwa mit Klang und Bedeutung verschiedener Wörter, unter anderem bei Cautelae et caritati, 49, 22 bzw. §1 und insbesondere in der Paronomasie non minus honorare quam onerare, 49, 22f bzw. §1. Fast dasselbe Wortspiel verwendet Sidonius Apollinaris in epist. 7, 9, 7: multum me honoris, plus oneris excipere.37 Ebenfalls ähnlich wie Sidonius gebraucht Avitus Bescheidenheitstopoi, nicht nur in der bereits erwähnten Paronomasie, sondern außerdem in der Beteuerung, dass Victorius zwar Avitus’ Freundschaft, nicht aber seine Kompetenz richtig beurteilt habe (recte uos, si non de peritia mea, saltem de amicitia iudicare, 49, 23f bzw. §1).38 Der Bischof von Vienne ordnet sein Schreiben an Victorius somit in die typisch spätantike Briefkommunikation ein, wie sie zwischen den Mitgliedern der Eliten stattfand.39 Beide Beteiligten erscheinen ungefähr auf derselben Stufe und kennen den für die briefliche Kommunikation geltenden Verhaltenskodex.40 Zudem präsentiert Avitus sich erneut als jemand, der von seinen Standesgenossen geschätzt und um Rat gefragt wird. 36 37
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Vgl. H UMFRESS (2011), 399. Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 289 (Anm. 2). Eine Auflistung weiterer Spielereien des Sidonius mit diesen Wörtern findet sich bei P EIPER (1883), 300. Zu vergleichbaren Wortspielen bei den Kirchenvätern s. G UALANDRI (2017), v. a. 131f. Auch hier fällt die Klangähnlichkeit von peritia und amicitia auf. Hierzu s. o. S. 50ff. Darauf verweisen zum einen die Beteuerungen, der Adressant spreche den Adressaten offen und ehrlich an (cum ueritate simpliciter, 49, 23 bzw. §1), schließlich galt dies als eines der Merkmale von amicitia, vgl. KONSTAN (1997), 15. Zum anderen betont der Verfasser, seine Handlungsempfehlungen entsprächen dem, was er selber in Vienne tun würde (nec aliquid uobis unquam responsione mea suggeri, nisi quod uolo a Viennensi ecclesia custodiri, 49, 24f bzw. §1).
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
Im Anschluss daran kommt er auf den eigentlichen Anlass des Briefs zu sprechen: den Inzestfall. Vincomalus, der Angeklagte, hatte offensichtlich einen Empfehlungsbrief von Victorius erhalten und war in Begleitung eines Diakons zu Avitus nach Vienne gekommen (Secutus est ergo, ut indicastis, filium nostrum diaconum Vincomalus, 49, 25f bzw. §2).41 Die namentliche Erwähnung des Angeklagten bietet dem Verfasser sogleich den Anlass für ein geistreiches Wortspiel: quem Deus tribuat ut in bono uincat malum, 49, 26 bzw. §2.42 Nicht weniger scharfsinnig äußert er sich in seiner nun folgenden Charakterisierung des Vincomalus, z. B. mit Iuuenis uitiis, senex annis, se decipit: aeuo friget, adulterio calet,43 49, 28 bzw. §2. Einen ähnlichen Gemeinplatz verwendet Ennodius von Pavia in seinem Epithalamium für Maximus,44 was ebenso wie die sprachliche und stilistische Gestaltung dieser Passage beide Briefpartner als hochgebildet präsentiert. Avitus zeigt seinen Humor, Victorius weiß derartige Sprachscherze offensichtlich zu schätzen. Damit erscheinen beide als Mitglieder einer Elite, die in der Lage sind, sogar über ernsthafte und unangenehme Angelegenheiten auf humorvolle Art und Weise zu sprechen. In den beiden folgenden Paragraphen45 schildert der Bischof von Vienne den Verlauf seiner Begegnung mit Vincomalus. Damit schließt er Victorius, der ja der eigentlich zuständige Bischof ist, dezidiert mit ein. Gleichzeitig nutzt er freilich den Bericht, um ein positives Bild seiner selbst zu zeichnen. Sein Umgang mit dem Sünder sei eher ermahnend als wirklich streng gewesen (adhortatorie plus quam aspere,46 49, 30 bzw. §3 – auch hier fällt der Klang der Formulierung auf), und als dieser sich trotzdem darüber beschwert, dass er erst so spät angeklagt worden sei, wechselt er seine Taktik und gibt nach: Ad hunc locum cessi, fateor, impudenti, 49, 32 bzw. §3. Somit erscheint er pragmatisch und stets in der Lage, situationsangemessen zu handeln. Anstatt Zeit und weitere, nutzlose Argumente zu vergeuden, ändert er seine Vorgehensweise. Um dabei aber nicht sein Gesicht zu verlieren, begründet er sein Verhalten nichtsdestotrotz mit den Worten sua dilectione [...] maluissemus 41
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44 45 46
Anscheinend war Vincomalus kein einfaches Gemeindemitglied, sondern gehörte mindestens den lokalen Eliten Grenobles an, denn er schaffte es, sich seinem Ortsbischof zu widersetzen und seinen Fall bis vor dessen Metropoliten zu bringen. Möglicherweise war dies auch einer der Gründe, warum Victorius sich in ep. 16P = ep. 13MR überhaupt an Avitus wandte. Diesen Hinweis verdanke ich Prof. Dr. William K LINGSHIRN. Zu Vincomalus und zum Scherz über seinen Namen s. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 196 (Anm. 194). Zu einem vergleichbaren Wortspiel bei Ruricius, das in einem eigentlich ernsten Zusammenhang auftritt, s. S CHWITTER (2015), 290, zum Spiel mit Namen allgemein s. G UALANDRI (2017), 129–131. Die Sentenz ist äußerst sorgfältig stilisiert, auffällig sind ihre Zweigliedrigkeit, die beiden Antithesen und Parallelismen. Erwähnenswert ist auch die Formulierung miseriae – misereri, 49, 27 bzw. §2. 388, v. 55–60 in F. VOGEL (1885). Nach der Einteilung bei M ALASPINA und R EYDELLET. Die Selbstdarstellung als gütiger Bischof und die Betonung des gemeinsamen Vorgehens mit Victorius wird dadurch weiter nuanciert, dass Avitus in culparetur, 49, 30 bzw. §3 das Passiv verwendet und bei seueritatem nostram, 49, 30 bzw. §3 den Plural des Possessivpronomens gebraucht. Da er sich im folgenden Satz mit dem Singular auf sich selber bezieht, liegt nahe, dass der Bischof von Grenoble in seueritatem nostram mit eingeschlossen ist.
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correctionem uiri conpunctioni ipsius voluntatique [sic!] seruare, 50, 1f bzw. §3. Avitus präsentiert sich hier also als guter Christ und Bischof, der seinen Nächsten liebt und bestrebt ist, für ihn und dessen Seele möglichst gut zu sorgen. Außerdem ist bemerkenswert, dass seine Sprache durch den Wechsel der Konstruktion von maluissemus vom bloßen Infinitiv zum AcI gerade an dieser Stelle dunkel und schwer verständlich wird, während sie im Rest des Schreibens trotz der sorgfältigen Stilisierung recht klar und eingängig ist. Vielleicht soll dies dem Schutz seiner eigenen Autorität dienen, da auf diese Weise sein Status als Mitglied der höchsten Gesellschaftsschichten durch die explizite Verwendung von deren Sprache markiert wird.47 Schlussendlich ist die Strategie des Bischofs von Vienne auf jeden Fall erfolgreich: Obwohl Vincomalus nicht sofort von seinem schlechten Gewissen geplagt wird, sondern eher verwirrt scheint (non conpunctus sed confusus, 50, 4 bzw. §4 – hier sei wiederum auf die Assonanz hingewiesen), verspricht er, sich in Zukunft von seiner Frau fernzuhalten (promittere [...] mulierem [...] ab accessu aspectuque suo protenus coercendam, 50, 4–6 bzw. §4). An diesem Punkt kommt Victorius wieder ins Spiel, denn Avitus rät Vincomalus, diesem dasselbe Versprechen zu geben und zudem um die Auflösung seiner Ehe zu bitten (Suasi respondens ut uobis ista promitteret et [...] ab eo se solui, quo ligatus fuerat, postularet, 50, 6f bzw. §4). Es fällt auf, dass der Bischof von Vienne hier erstens nicht als Richter auftritt (dieser Part gebührt in seinen Augen wohl Victorius), sondern als Ratgeber (Suasi) und zweitens sehr darauf bedacht ist, den Bischof von Grenoble in die Regelung der Angelegenheit mit einzubeziehen und dessen Autorität bei den Gläubigen seiner Gemeinde nicht zu schmälern.48 Den Rest des Briefes nutzt Avitus, um Victorius einige Anweisungen zukommen zu lassen, wie dieser weiter vorgehen soll. Dabei beziehen sich die Empfehlungen nicht nur auf die unmittelbare Zukunft (d. h. was konkret mit Vincomalus und seiner Frau geschehen soll, 50, 7–11 bzw. §5), sondern sind langfristig ausgerichtet (d. h. auf den weiteren Umgang mit Vincomalus, 50, 11–17 bzw. §6). Victorius solle sich nicht auf die Zusage des Angeklagten, sich zu trennen, verlassen (Nec sano promissio eius fidelis putetur, 50, 9f bzw. §5), bis seine Bürgen von seiner Besserung überzeugt sind (Ipsis fideiussoribus emendatio secutura credatur, 50, 10f bzw. §5), und die Ehe scheiden (scindatur infelix coniugium innocentiore diuortio, 50, 8f bzw. §5). Außerdem solle Vincomalus zwar zur Buße ermahnt, jedoch nicht dazu gezwungen werden, sondern er dürfe diese auf später verschieben (moneatur interim agere, accipere non cogatur, 50, 12 bzw. §6; s. ebenso das Ende des Briefs). Im Unterschied zu ep. 17P = ep. 14MR drückt sich Avitus hier aber stets indirekt aus, indem er Konjunktive in der 3. Person verwendet (sufficiat, scindatur, putetur, credatur, moneatur, non cogatur, Sufficiant, Cesset, nec subeat, suscipiatur, pateatur, profiteatur, 50, 8–17 bzw. §5f), und den Adressaten nicht direkt anspricht. Zudem 47 48
Zu obskurer Sprache als Distinktionsmerkmal der Eliten s. S CHWITTER (2015), 25; 88 und oben S. 53. Damit erfüllen beide Oberhirten ihr Amt, jedoch auf unterschiedliche Weise. Hierzu s. o. S. 58ff.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
betont der Bischof von Vienne erneut, dass er seine Ratschläge nur auf ausdrücklichen Wunsch des Victorius hin äußere (quia iussistis, 50, 7 bzw. §5). Die hier zum Ausdruck kommende Höflichkeit hält ihn freilich nicht davon ab, auch nicht verlangte Anweisungen zu geben: Si iubetis, breuiter ad ultimum suggero, 50, 15f bzw. §6, was am Gebrauch des Präsens iubetis anstelle eines Perfekts iussistis deutlich wird. Insgesamt präsentiert sich Avitus in diesem Kontext als vorausschauender und verantwortungsvoller Metropolit, der sich durch ein freundliches und diplomatisches, dem Verhaltenscode entsprechendes Vorgehen auszeichnet. Überhaupt erscheinen in dieser Textpassage die Rollen des Bischofs von Vienne und des Bischofs von Grenoble in mancherlei Hinsicht vertauscht, wenn man sie mit ihrem Auftreten in ep. 17P = ep. 14MR und vor allem in ep. 75P = ep. 71MR vergleicht. Während Avitus dort sein Gegenüber auffordert, streng zu bleiben und – gerade in Bezug auf den ohne seine Zustimmung gewählten Priester – nicht zu milde zu urteilen, entsteht hier der Eindruck, er selbst sei derjenige, der sein Gegenüber zur Mäßigung auffordern muss,49 wie an sufficiat, 50, 8; 9 bzw. §5 und der Anrede censurae uestrae, 50, 8 bzw. §5 offensichtlich wird. Diese Selbststilisierung steht durchaus im Einklang mit derjenigen vorangehender Textpassagen, etwa im Zusammenhang mit seinem Entschluss, nicht zu streng gegenüber Vincomalus zu sein (49, 32 – 50, 3 bzw. §3). Avitus schließt sein Schreiben mit einem sorgfältig ausgearbeiteten Lumen: excussus ab scelere, suscipiatur ad ueniam; patiatur paenitentiam, cum perdit peccandi occasionem; profiteatur, cum amiserit uoluntatem, 50, 16f bzw. §6.50 In dieser Zusammenfassung seines Ratschlags zeigt er einerseits seine Güte, andererseits seine gründliche rhetorische Ausbildung sowie seine eigene (und Victorius’) Zugehörigkeit zu den höchsten Kreisen. Darüber hinaus bringt er seinen Respekt gegenüber Victorius, dem Empfänger eines derart elaborierten Briefs, zum Ausdruck. Insgesamt entwirft Avitus in diesem Brief, im Anschluss an die vorhergehenden Schreiben, das Bild zweier gebildeter Bischöfe, die die Regeln epistolarer Kommunikation kennen und ihre Schreiben entsprechend verfassen. Beide interagieren auf überaus höfliche Art und Weise und achten darauf, Autorität und Reputation des anderen nicht zu schmälern. Sie versuchen gemeinsam, eine Lösung für ein Problem zu finden; obwohl dabei der eine als Metropolit klare Anweisungen und Ratschläge gibt, um die der andere als Suffragan gebeten hat, wird dieser Rangunterschied im Brief nicht besonders hervorgehoben. Avitus präsentiert sich selbst als sorgenden und milden Bischof, der versucht, einen Sünder durch Bestrafung zur Einsicht und auf den richtigen Weg zu bringen, und ihn zugleich nicht allzu hart zu bestrafen. Damit erscheint er als Teil verschiedener Allianzen. Einerseits stehen Avitus und Vincomalus Victorius gegenüber und bitten darum, dass die Strafe nicht zu streng werde, andererseits die beiden Bischöfe dem Beschuldigten, indem sie versuchen, diesen zu korrigieren. Hierbei stellt der Vienner unter Beweis, dass er die Anfor49 50
Die Freundlichkeit seines Urteils konstatieren auch S HANZER und W OOD (2002), 289. Auffallend sind die Parallelität der einzelnen Glieder und die klangliche Gestaltung, insbesondere die p-Alliteration.
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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derungen, die sich aus dieser Situation51 ergeben und die sich nicht immer im Einklang miteinander befinden, sehr wohl meistern kann.
2.1.1.1.5 Vergleichende Schlussbetrachtung
Wie aus den vorangehenden Analysen deutlich wird, können zwischen ep. 17P = ep. 14MR und ep. 18P = ep. 15MR Unterschiede in Bezug auf die stilistische Gestaltung und Avitus’ Selbstdarstellung konstatiert werden. Hierfür lassen sich mehrere, einander nicht zwangsläufig widersprechende Erklärungsansätze finden. Zunächst scheint sich zwischen ep. 17P = ep. 14MR und ep. 18P = ep. 15MR der Kreis der beteiligten Personen ausgeweitet zu haben. Während die Angelegenheit in epp. 16fP = epp. 13fMR offensichtlich auf Grenoble beschränkt ist und in der Briefkommunikation selbst lediglich die beiden Bischöfe auftreten, hat sich die Gruppe der aktiven Partizipanten in ep. 18P = ep. 15MR erweitert. Nicht nur wird, neben der Erwähnung eines Diakons, der Beschuldigte namentlich genannt, er ist auch nach Vienne gekommen. Daraus ergab sich einerseits eine größere Anzahl an Interessierten, die möglicherweise das Schreiben in den Archiven einsehen wollten52 (und somit eine größere Menge an Menschen, an die sich die Selbstmodellierung richten konnte), andererseits auch eine größere Gefahr für die Reputation der involvierten Bischöfe, der unter anderem durch die besondere stilistische Ausarbeitung entgegengewirkt werden sollte.53 Ein weiterer Erklärungsansatz, der den vorhergehenden vielleicht ergänzt, könnte darin bestehen, dass ep. 17P = ep. 14MR eigentlich als Abschluss der Sache gedacht war. Victorius hätte also sein Urteil fällen sollen, Vincomalus es akzeptieren, das Schreiben wäre ins Archiv gelegt worden und hätte dort konsultiert werden können, und damit wäre das Ganze beendet gewesen. Vincomalus freilich hielt sich nicht an die ihm zugedachte Rolle, sondern wandte sich persönlich an die nächsthöhere Instanz. Eventuell war dadurch schon sicher, dass das Problem auf einer Synode besprochen werden würde, was in Epaon im September 517 dann wohl tatsächlich der Fall war. Wie dessen can. 30 zeigt, wurden solche Angelegenheiten diskutiert, um weiter reichende Regeln aufzustellen.54 Avitus plante womöglich 51 52 53 54
und letztlich auch aus dem Bischofsamt allgemein, hierzu s. o. S. 58ff. S. hierzu auch die entsprechende Anmerkung zu ep. 17P = ep. 14MR, S. 80. Zu den Archiven s. o. S. 25f, zur Selbstdarstellung in Briefsammlungen S. 29ff, zur elaborierten Sprache als Distinktionsmerkmal der Eliten S. 53. W OOD (1998), 297 nimmt den Briefwechsel zwischen Avitus und Victorius als Grund an, warum man dort so ausführlich auf Inzest einging. Zur Inzestgesetzgebung der Synode von Epaon s. M IKAT (1970), der darauf hinweist, dass sich diese wohl auch aus dem römischen Recht speiste. Gerade im Bereich der Inzestgesetzgebung kam der Synode von Epaon große Bedeutung zu, denn ihre Beschlüsse bildeten die Grundlage zahlreicher Dekrete fränkischer Synoden. S. hierzu M IKAT (1994) und U BL (2008), v. a. 139. Interessanterweise wird in den Akten der Synode von Tours von 567 Avitus als einziger Bischof namentlich genannt und als papa bezeichnet, als can. 30 der Synode von Epaon zitiert wird, vgl. M IKAT (1994), 96f. Freilich hatte der Beschluss schon bei den Burgundern weitreichende Folgen: auf seiner Grundlage wurde ein hoher Beamter Sigismunds, Stephanus, exkommuniziert, weil er die Schwester seiner ver-
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sogar, den Brief vor der Synode zirkulieren zu lassen, oder er rechnete zumindest damit, dass er nicht nur archiviert, sondern zudem an andere Bischöfe weitergereicht würde, wie es bei ep. 7P = ep. 4MR geschah, einem Victorius gewidmeten Brieftraktat. Beiden Vorschlägen gemeinsam ist, dass ep. 18P = ep. 15MR von vorneherein für ein weiteres Publikum gedacht war als ep. 17P = ep. 14MR. Wahrscheinlich nutzte Avitus also diese Gelegenheit, ein günstiges Bild seiner selbst und seines Verhaltens gegenüber Victorius und Vincomalus zu entwerfen. Ein völlig anderes Thema bildet dagegen das Zentrum des im Folgenden genauer zu analysierenden Briefaustausch zwischen dem Bischof von Vienne und seinem Bruder Apollinaris, dem Bischof von Valence. In den Schreiben geht es um eine Traumvision, die letzterer hatte, weil er den Gedenktag seiner verstorbenen Schwester vergessen hatte.
2.1.1.2 Die richtige Interpretation eines Traums 2.1.1.2.1 Apollinaris von Valence
Über das Leben des Bischofs Apollinaris von Valence sind mehr Einzelheiten bekannt als über dasjenige des Victorius von Grenoble. Als Avitus’ Bruder stammte er wie dieser aus einer hochrangigen Adelsfamilie, aus der bereits mehrere Bischöfe hervorgegangen waren.55 Vermutlich war er jünger als der Bischof von Vienne, dies kann allerdings nicht endgültig bewiesen oder widerlegt werden.56 In jedem Fall erhielt Apollinaris den Sitz von Valence möglicherweise Ende der 90er Jahre des 5. Jahrhunderts, sicherlich vor 507,57 und war somit einer von Avitus’ Suffraganen. Wie zahlreiche andere burgundische Bischöfe partizipierte er an der Synode von Epaon, deren Beschlüsse er als fünfter der 25 Teilnehmer unterschrieb. Offenbar spielte er bei der Verurteilung des Stephanus eine prominente Rolle, was aus der wahrscheinlich zeitgenössischen Vita Apollinaris hervorgeht; immerhin erscheint er als vierter von elf bzw. als dritter von neun Bischöfen auf den Listen der storbenen Frau geheiratet hatte. Dies bildete den Anlass für gravierende Auseinandersetzungen zwischen Sigismund und dem burgundischen Episkopat, die Avitus jedoch größtenteils nicht mehr erlebte. S. hierzu M IKAT (1994), 106–116; FAVROD (1997), 425–427; K AISER (2004b), 164f; U BL (2008), 133–136. 55 Zur Abstammung des Avitus s. o. S. 34f. Die sich anschließenden Ausführungen beruhen vor allem auf den entsprechenden Einträgen bei H EINZELMANN (1982) (s.v. Apollinaris 6) sowie in der PLRE (s.v. Apollinaris 5) und der PCBE (s.v. Apollinaris 6). 56 Die Tatsache, dass Avitus und nicht Apollinaris Nachfolger des Vaters auf dem Sitz von Vienne wurde, ist lediglich ein Indiz, denn hierfür könnte es auch andere Gründe gegeben haben. Ähnlich ist es bei den übrigen Hinweisen wie Avitus’ Anspielungen auf seinen schlechten Gesundheitszustand in ep. 88P = ep. 84MR und vielleicht ep. 61P = ep. 58MR und dem Fakt, dass Apollinaris seinen Bruder wohl um mindestens 15 Jahre überlebte. 57 Das erstgenannte Datum ergibt sich aus der Vita Apollinaris, cap. 7, letzteres aus dem Widmungsbrief der De spiritalis historiae gestis und ep. 87P = ep. 83MR, dem einzigen Schreiben an Apollinaris innerhalb von Avitus’ Briefcorpus, das ungefähr datierbar ist.
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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Synoden, die in diesem Zusammenhang stattfanden. Das letzte datierbare Ereignis in Apollinaris’ Leben ist eine Reise nach Arles, wo er verschiedene Verwandte traf. Diese trat er wahrscheinlich 532/3, kurz vor seinem Tod, an. In Avitus’ Briefsammlung sind zwei Briefe des Apollinaris an ihn selbst und sechs an Apollinaris gerichtete Schreiben erhalten. Anders als es in der Kommunikation zwischen Avitus und Victorius der Fall ist, beschäftigen diese sich nicht mit Fragen der Kirchendisziplin. Stattdessen scheinen eher alltägliche Themen abgehandelt zu werden. Drei der Stücke wurden zu kirchlichen Festen verschickt, ep. 71P = ep. 67MR von Apollinaris an Avitus, ep. 61P = ep. 58MR und ep. 72P = ep. 68MR von Vienne nach Valence. Ep. 27P = ep. 24MR stellt Avitus’ Antwort auf eine Einladung nach Valence dar, ep. 88P = ep. 84MR ein Dankesschreiben für ein Geschenk. Nur schwer verständlich ist ep. 87P = ep. 83MR, in der der Bischof von Vienne einige Nachrichten andeutet, ausführlich einen Siegelring, den Apollinaris ihm versprochen hat, beschreibt, und darum bittet, dass dieser einen Töpfer zu ihm schicke.58 Zu ergänzen ist noch ein Briefwechsel der Brüder anlässlich eines Traums des Apollinaris, epp. 13fP = epp.10fMR, der im Anschluss genauer betrachtet wird. In fast allen dieser Schreiben nimmt der Ausdruck von Bildung einen hohen Stellenwert ein, was, abgesehen von ihrer sorgfältigen sprachlichen und stilistischen Gestaltung, etwa an dem Spiel mit Bibelzitaten in ep. 27P = ep. 24MR oder der elaborierten Ekphrasis des Siegelrings59 in ep. 87P = ep. 83MR deutlich wird. Weitere wichtige Aspekte der brüderlichen Kommunikation sind der Austausch von Geschenken und der Humor, der in Form von Ironie und Witzeleien immer wieder zum Vorschein kommt. Nimmt man die erhaltenen Briefe als Grundlage, scheinen beide Bischöfe sich gut verstanden und ein herzliches und enges Verhältnis gepflegt zu haben.60 Dabei wird ihre Beziehung als Brüder kaum thematisiert – eine Aus58
Zu Handwerkern, die von einem Landgut zum nächsten zogen, und den für sie ausgestellten Empfehlungsbriefen s. G REY (2004). 59 Interessanterweise wird hier – im Gegensatz zu den meisten anderen antiken Ekphraseis – ein Gegenstand beschrieben, der nicht bereits existiert (zumindest innerhalb der Welt des Textes), sondern aufgrund der Beschreibung erst entstehen soll. Zur Ekphrasis s. C UNNINGHAM (2007), zur Ekphrasis insbesondere bei Plinius d. J. s. C HINN (2007). Zu antiken und spätantiken Siegelringen s. S PIER (1992); zum Siegelring eines afrikanischen Bischofs aus dem 6. Jahrhundert s. L ASSUS (1956). E SCHER (2005), 291 erwähnt einen in Vienne entdeckten Siegelring, der wahrscheinlich einem Avitus gehörte; er ist aber sicherlich nicht mit dem im Brief beschriebenen identisch, falls dieser jemals angefertigt wurde. 60 Dabei sollte freilich nicht außer Acht gelassen werden, dass diese Schreiben lediglich einen Ausschnitt ihres epistolaren Austauschs ausmachen, der vermutlich auf einer bewussten Auswahl beruht, hierzu s. u. S. 193f. In jedem Fall entspricht diese Selektion in vielen Aspekten einem typischen spätantiken Briefwechsel zwischen gebildeten Aristokraten, hierzu s. o. S. 54f. Erstaunlicherweise sind aus Antike und Spätantike nur wenige Briefwechsel zwischen oder auch nur Einzelschreiben an leibliche Brüder überliefert, zumindest innerhalb der literarischen Briefsammlungen. Am prominentesten darunter ist sicherlich Ciceros Kollektion Ad Quintum fratrem, Erwähnung verdienen außerdem die Schreiben Basilius’ des Großen an seinen Bruder Gregor von Nyssa, die innerhalb des basilianischen Briefcorpus erhalten sind. Zum Aspekt der brüderlichen Beziehung bei Marcus und Quintus Cicero s. P RADELLE (2007), speziell zur Exilkommunikation der beiden Brüder s. R ETSCH (2020).
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nahme bildet aber der nun im Detail zu analysierende Briefwechsel, epp. 13fP = epp. 10fMR.61
2.1.1.2.2 Ep. 13P = ep. 10MR
In ep. 13P = ep. 10MR berichtet Apollinaris Avitus von einem Traum, der ihn an einen vergessenen Gedenktag erinnert hat, und bittet seinen Bruder deswegen um Verzeihung. Träume und ihre Interpretation stellen ein in der antiken Literatur immer wieder diskutiertes Thema dar, mit dem sich vorchristliche und pagane Philosophen ebenso wie jüdische und christliche Denker auseinandersetzten. Hierbei ging es einerseits um das Problem der Herkunft und Entstehung von Träumen und Visionen,62 andererseits, davon ausgehend, um ihre Bedeutung und Interpretation.63 Im christlichen Kontext fungierten Träume oft als Mittel, um der oder dem Träumenden Botschaften Gottes oder bereits Verstorbener zu überbringen.64 Gerade in Märtyrerviten spielten Visionen, in denen etwa das Leiden der jeweiligen Protagonistin bzw. des Protagonisten angekündigt wurde oder sie bzw. er einen Ausblick auf Gottes Lohn im Jenseits erhielt, eine wichtige Rolle.65 Überhaupt waren Träume und Visionen 61
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Auch dort wird ihre Verbindung aber vor allem durch die gemeinsame Schwester charakterisiert. Zur Erwähnung von Verwandten und Verwandtschaftsverhältnissen bei den gallischen Epistolographen s. S ETTIPANI (2015), zu Geschwisterbeziehungen und deren Darstellung bei den Franken s. R ÉAL (2007). Letztlich waren Träume immer in irgendeiner Art und Weise mit der Seele verbunden, ihre Entstehung wurde aber verschieden erklärt: während beispielsweise Aristoteles dort ebenfalls ihren Ursprung vermutete und sie als Folge der Wahrnehmungen des Tages sah, proklamierten andere, etwa die Stoiker, dass Träume von Göttern oder zumindest von übersinnlichen Mächten geschickt seien und die Seele lediglich deren Empfänger darstelle, vgl. C OX M ILLER (1994), 42–44; H ERMES (1996), 13–19. Bei den Christen, etwa bei Tertullian, wurden oft beide Ansätze verbunden. Träume und Visionen konnten also sowohl in der Seele entstehen (und somit weitgehend bedeutungslos sein) als auch Botschaften Gottes enthalten, die dann interpretiert und umgesetzt werden mussten, oder sogar von Dämonen gesandt und folglich falsch und gefährlich sein. Das Hauptproblem im Umgang mit Träumen und Visionen war damit, ihre Herkunft zu erkennen. S. hierzu C OX M ILLER (1994), 68f; NÄF (2004), 157–166; VON D ÖRNBERG (2008), 29–67; 356. Zu Augustins Traumtheorie s. K URZ und S EIT (2012), 91–103. Hierfür waren meist professionelle Traumdeuter zuständig, die oft hohes Ansehen genossen und in engem Kontakt mit den Mächtigen ihrer Zeit standen, vgl. NÄF (2004), 43–54; WALDE (2012), 31–33. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang besonders die wohl im 2. Jahrhundert n. Chr. entstandenen Oneirokritika Artemidors. Dieser klassifizierte bestimmte Elemente von Träumen und nannte mögliche Bedeutungen der einzelnen Bilder, die z. B. von der jeweiligen Lebenssituation des bzw. der Träumenden abhängig waren. S. hierzu C OX M ILLER (1994), 77–91; H ERMES (1996); T RAPP (1996–2003); NÄF (2004), 124–128; WALDE (2012), 34–42. Ein Beispiel sind Märtyrererscheinungen im Traum, die ausgewählten Personen (d. h. in der Regel dem Bischof) den Ort verraten, an dem sich ihre Gebeine befinden, damit dort eine entsprechende Verehrung etabliert werden kann. S. hierzu A MAT (1985), 214f; M OREIRA (2000), 112–116. Zu Visionen in Märtyrerviten s. A MAT (1985), v. a. 51–86; 117–158; 231–263; C OX M ILLER (1994), 148–183; VON D ÖRNBERG (2008), 68–216.
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stets ein wichtiges Element in der Literatur und spätestens seit der Kaiserzeit auch Bestandteil des gebildeten literarischen Diskurses.66 Zu Beginn von ep. 13P = ep. 10MR schildert Apollinaris zunächst den Hintergrund seiner Traumvision: er habe einen Festtag67 vergessen (ad diem festum [...] nec uicario quidem famulatu adesse merui, 46, 12f bzw. §1). In diesem Kontext betont er sofort, er habe für dieses Vergehen bereits mehr als genug gebüßt, nicht nur durch seine Reue, sondern überdies durch weitere, hier nicht näher ausgeführte Kompensationen (Satis licet iam poenarum dederit sera poenitudo, 46, 12 bzw. §1; satisfactionem deferre curaui, 46, 14 bzw. §1). Obwohl Avitus weder genannt noch direkt angesprochen wird,68 erscheint er doch als jemand, vor dem Apollinaris sich rechtfertigen muss.69 Zugleich weist der Bischof von Valence durch die Paronomasie poenarum – poenitudo, 46, 12 bzw. §1, auf seine Bildung hin und stellt sich zudem implizit als jemand dar, der einer Vision, wie er sie hatte, würdig ist.70 Eben dies wird außerdem daran offensichtlich, dass er durch die Seele der Verstorbenen, derer er hätte gedenken sollen, persönlich ermahnt wird (ipso sum beato [...] spiritu uisitante commonitus, 46, 14f bzw. §2). Damit macht er von vorne herein deutlich, wie er sein Erlebnis verstanden haben will; die Frage, ob es göttlichen Ursprungs oder womöglich durch Dämonen hervorgerufen sein könnte, wird letztlich ohne weitere Überlegung zugunsten der ersten Möglichkeit entschieden und durch die Formulierung in ipsa sancta nocte, 46, 15 bzw. §2 bestätigt, woraus sich die Notwendigkeit einer Interpretation ergibt. Erst nach dieser Einordnung schildert der Bischof von Valence die tatsächliche Erscheinung: eine rote Taube habe ihn in die Hand gepickt (considens iuxta me fulgentissima, sed inusitata colore rubea, columba uellebat, 46, 16f bzw. §2).71 Hierbei kommentiert er bereits deren unge66
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Stellvertretend für zahlreiche andere sei hier etwa Patroklos im homerischen Epos genannt, der Achill im Traum erscheint. Ein kaiserzeitliches Beispiel ist epist. 7, 27 des Jüngeren Plinius. S. hierzu NÄF (2004), 98–100. Dass es sich hierbei offensichtlich um den Todestag seiner Schwester handelt, wird für heutige LeserInnen erst durch den Antwortbrief seines Bruders deutlich (47, 15f bzw. §4). Welcher der beiden Schwestern gedacht wurde, bleibt ebenfalls unbestimmt: Während S HANZER und W OOD (2002) annehmen, es gehe wahrscheinlich um Fuscina, wird die Verstorbene in M ALASPINA und R EYDELLET (2016) mit Aspidia identifiziert. Einmal abgesehen von nobiscum, 46, 13 bzw. §1, das jedoch ebenso allein Apollinaris oder eine nicht spezifizierte ,Allgemeinheit‘ bezeichnen könnte. In dieselbe Richtung deutet seine Anrede reuerentissime domne, 46, 15 bzw. §2, die in keinem anderen Schreiben der avitanischen Kollektion auftritt. Die Frage, wer überhaupt von Gott gesandte Träume haben konnte, war nicht ohne Bedeutung. Innerhalb des Christentums gab es hierzu letztlich zwei Traditionen: Der einen zufolge stand der Zugang zu Gott mittels Visionen grundsätzlich jedem Christen offen, nach der anderen offenbarte Gott sich nur besonderen Menschen, etwa Asketen, in Form von Träumen. S. hierzu M OREIRA (2000), 13–38. Meist wurde in Abhängigkeit vom Kontext eher nach der ersten oder nach der zweiten Möglichkeit argumentiert. Zur Verbindung von Adel und Bildung s. o. S. 50ff. Zum Symbol der Taube, die für Reinheit stand und etwa bei Prudenz auch die Seele eines Märtyrers repräsentieren konnte, s. S HANZER und W OOD (2002), 243f. Ambrosius von Mailand schildert einen Traum, in dem ihm sein verstorbener Bruder erschienen ist. Anders als hier stand ihm dabei aber der Mensch vor Augen, und er war hin- und hergerissen zwischen Trost und Trauer. S. hierzu VON D ÖRNBERG (2008), 285–300.
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wöhnliche Farbe (inusitata colore) und positioniert die eigentliche Vision (columba uellebat) gekonnt am Ende, wodurch Spannung aufgebaut wird. Im Anschluss daran beschreibt Apollinaris seine Reaktion auf das Traumbild: Er sei aufgeschreckt,72 habe die ungewöhnliche Unreinheit seiner Hände bemerkt und besorgt nachgedacht (Cumque expergefactus quotidianum quidem manuum mearum horrorem73 recognoscerem, sed purgari me [...] meminissem, dum ipsum ambiguum maestus mecum atque anxium uoluo, 46, 17–19 bzw. §3). Indem er seine momentane Situation in die Interpretation mit einbezieht, verhält er sich genau so, wie es etwa bei der antiken Traumdeutungstheorie gefordert wurde.74 Schließlich findet er die Ursache seiner Vision, die Tatsache, dass er die üblichen Riten anlässlich des Gedenktags vergessen hat, und wird sofort von seinem schlechten Gewissen gequält (repente quasi stimulo percussus, ilico sum reliquati fenoris recordatus, 46, 19f bzw. §3). Durch die Verwendung metaphorischer Sprache aus dem Finanzbereich, reliquati fenoris, ebenso satisfactionem, 46, 14 bzw. §1 und imputationis, 46, 25 bzw. §4, und durch die Gestaltung seiner Überlegungen (etwa deren klangliche Ausarbeitung, z. B. die Alliterationen maestus mecum atque anxius, 46, 19 bzw. §3) bringt er seine Bildung zum Ausdruck, freilich ohne sie allzu sehr zu betonen. Sein schlechtes Gewissen (quasi stimulo percussus, 46, 19f bzw. §3; me [...] presserit amaritudo, 46, 20f bzw. §4) angesichts des vergessenen Gedenkens zeigt Apollinaris als pflichtbewussten Bruder, sowohl gegenüber der verstorbenen Schwester als auch gegenüber Avitus, den er über die Ereignisse informiert. Dieselbe Eigenschaft schreibt er in pietas sancta, 46, 21 bzw. §4 dem Bischof von Vienne zu, zudem attestiert er ihm ein gewisses Einfühlungsvermögen (Iam quae me hinc confusio quaeue presserit amaritudo, pietas sancta perpendit, 46, 20f bzw. §4). Letztlich tröstet sich der Bischof von Valence damit, er habe seiner Schuldigkeit gerade durch die Erinnerung der Verstorbenen nachkommen können, sie habe ihm somit schon verziehen (hac spe solatus sum, quod ignoscat [...] ut misero mihi non omnis sancti obsequii opportunitas fraudaretur, 46, 21–23 bzw. §4). Dasselbe wünscht er sich nun von Avitus, wobei die gemeinsame Schwester als Vermittlerin auftreten soll (ut hanc quoque indulgentiae suae partem sensibus uestrae [...] imputationis inspiret, 46, 24f bzw. §4). In diesem Zusammenhang argumentiert er durchaus geschickt: die Verstorbene (also diejenige, der eigentlich das Unrecht geschehen ist) habe ihm bereits vergeben; die Bitte, sein Bruder möge sich genauso verhalten, wird indirekt geäußert; außerdem erscheint dieser als Apollinaris gegenüber stets gerechter Richter (uestrae, quae in me plus quam iusta est, imputationis, 72
Wie bei vielen spätantiken Traumschilderungen ist nicht ganz eindeutig, ob der Träumende schlief oder wach war; in jedem Fall ist das Ende der Vision durch das Auffahren deutlich markiert. S. hierzu VON D ÖRNBERG (2008), 15–28. 73 S HANZER und W OOD nehmen an, dass diese Stelle verderbt ist, und wollen zu honorem emendieren (S HANZER und W OOD (2002), 245, Anm. 2). Meiner Meinung nach ist das aber nicht notwendig, denn in ep. 7P = ep. 4MR wird horror in einer ähnlichen Bedeutung verwendet (in Bezug auf homöische Gotteshäuser, 36, 26 bzw. §9). Die Schmutzigkeit von Apollinaris’ Händen trotz der üblichen Reinigung kann dadurch erklärt werden, dass er einen Teil seines Tagewerks noch nicht erledigt hat, worauf ihn der Traum aufmerksam macht. 74 Vgl. hierzu H ERMES (1996), 54–56.
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46, 24f bzw. §4). Die Passage erweckt so den Eindruck, als sei sie zwar sorgfältig verfasst, aber ohne dabei allzu weitgehend durchstilisiert worden zu sein.75 Insgesamt mutet ep. 13P = ep. 10MR als Teil einer recht alltäglichen Kommunikation an: ein Bruder wendet sich per Brief vertrauensvoll an den anderen und berichtet ihm von einer Begebenheit, die ihn beschäftigt; der andere, Avitus, gegenüber dem er sich rechtfertigt, soll sein schlechtes Gewissen beruhigen. Die Vertrautheit der beiden Briefpartner zeigt sich vielleicht gerade darin, dass der Stil, in dem das Schreiben verfasst ist, zwar nicht ungeschliffen wirkt, aber jede sprachliche Dunkelheit fehlt.76 Da eine enge Verbindung zwischen Empfänger und Sender bestand und möglicherweise (zumindest vorerst) kein weiteres Publikum intendiert war, war eine allzu aufwändige Durchstilisierung nicht nötig, um den Konventionen der Höflichkeit zu entsprechen.77 Ebenso wenig erschien es Apollinaris wohl notwendig, Parallelen zwischen seiner Situation und Episoden der antiken Literatur anzudeuten, in denen Träumende nach dem Traum das Gespräch mit einer nahestehenden Person suchen,78 und er präsentiert sich selber und Avitus auch nicht explizit als Mitglieder einer gebildeten Gemeinschaft, zu deren Kultur der Austausch über Träume und unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten gehört, wie dies etwa bei Plinius der Fall ist.79 Die Diskussion über die Interpretation der Vision oder einzelner Bestandteile hätte sich jedenfalls als ideales Thema eines spätantiken gebildeten Briefaustauschs angeboten, schließlich liebten die Aristokraten dieser Zeit das Rätselraten, insbesondere die Auseinandersetzung mit sprachlichen Rätseln.80 Apollinaris tritt hier also weniger als Teil einer gebildeten Elitegemeinschaft auf als vielmehr als reuiger, auf Vergebung hoffender Sünder und guter Christ; sein Schreiben bildet so eher einen Ausschnitt eines spezifisch christlichen Diskurses. In seiner Antwort nimmt Avitus dieses Angebot an, nutzt jedoch trotzdem die Chance, sich bzw. seinen Brief zugleich als Teil der spätantiken Bildungskultur zu inszenieren.
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Zu erwähnen ist allerdings der dreigliedrige Chiasmus mixta debitis commemorationis eius officiis supplicatio, 46, 23f bzw. §4. Dass es trotzdem nicht allzu leicht verständlich ist, liegt wahrscheinlich darin begründet, dass Adressat und Adressant von vorne herein wussten, worum es ging, während diese Informationen heute erst mühsam aus dem Text selber erschlossen werden müssen. Zu verschiedenen Ursachen textlicher Dunkelheit, die nicht in jedem Fall vom Verfasser intendiert ist, s. S CHWITTER (2015), 32f. Zu diesen s. o. S. 21 sowie S. 54ff. Vgl. VON D ÖRNBERG (2008), 95. Angeboten hätten sich etwa die Aeneis, in deren Buch IV Dido sich nach einer unruhigen Nacht an ihre Schwester Anna wendet. Vgl. NÄF (2004), 98f. S. hierzu S CHWITTER (2015), 189–212.
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2.1.1.2.3 Ep. 14P = ep. 11MR
Avitus eröffnet seinen Brief mit einem elegant gestalteten Kompliment an Apollinaris:81 er zeichne sich durch seine herausragenden Tugenden und durch seine Verdienste aus, in denen sich Gottes Gnade zeige (Apparet liquido quanta sit in uestri merito gratia Dei aut quantus conici debeat uirtutum cumulus, 47, 2f bzw. §1). Begründet wird diese Einschätzung dadurch, dass schon sein Fehler heilig sei (ubi error ipse tam sanctus est, 47, 3 bzw. §1). Der Bischof von Valence erscheint damit als besonders verdienstvoller Christ, das Attribut sanctus, mit dem er im vorhergehenden Schreiben Avitus’ pietas (ep. 13P = ep. 10MR, 46, 21 bzw. §4) charakterisiert hat, wird nun im Gegenzug auf seinen Fehler bezogen. Im folgenden, sorgfältig formulierten Satz wird diese Beurteilung des Apollinaris in Form einer allgemeinen Begründung weiter ausdifferenziert: Er sei gerecht (iustus, 47, 3 bzw. §1), und da er unschuldig sei, hebe seine Selbstanklage anstatt einer Schuld gerade seine Bescheidenheit hervor (accusator sui conatur in se conuincere quod peccare non potuit, confitentis humilitas crescit ad meritum, non confessionis ueritas ad reatum, 47, 3–5 bzw. §1). Durch die elaborierte Gestaltung, die etwa im Parallelismus confitentis humilitas crescit ad meritum, non confessionis ueritas ad reatum, in der etymologischen Spielerei confitentis – confessionis, im Klang der Passage allgemein und in der Verwendung zahlreicher Termini aus dem Bereich der Rechtsprechung (iustus, accusator, conuincere, confitentis, confessionis, reatum) zum Vorschein kommt, präsentiert der Bischof von Vienne seine Bildung und zeigt zugleich seine Hochachtung gegenüber seinem Bruder. Auch dieser wird als gebildet dargestellt: er ist in der Lage, das Bibelzitat iustus accusator sui82 zu identifizieren und wertzuschätzen. Außerdem erscheint er als jemand, auf den eine solche biblische Charakterisierung angemessen bezogen werden kann. Anschließend stimmt Avitus Apollinaris zu, aber nur, um die betreffende Tatsache danach anders als dieser zu beurteilen: der Bischof von Valence habe sich nicht an seine sonstige Gewohnheit gehalten, dies bedeute in seinem Fall jedoch nicht Pflichtvergessenheit, sondern das genaue Gegenteil (Excessistis, fateor, consuetudinem, sed pietatis augmento, 46, 5f bzw. §2). Eben diese Gewissenhaftigkeit betont Avitus durch die nun folgende Erwähnung des üblichen Verhaltens seines Bruders, wobei er in semper consuetudinem wieder aufnimmt (semper diei, cuius meminisse dignamini, dulcis nobis uenit a uobis sollicitudo, 47, 6f bzw. §2). Gerade die Abweichung von der Norm habe besondere Folgen gezeigt und mache Apollinaris’ Geisteshaltung, also seine Zuneigung und Fürsorge gegenüber den lebenden und verstorbenen Familienmitgliedern, deutlich (minus enim procul dubio salua obseruatione appareret effectus, sed ostenditis quanta spiritalitate uos exercere delectet quod praeterisse sic doluit, 47, 7–9 bzw. §2). Avitus tritt hier also als jemand auf, der seinem Bruder Trost zuspricht und auf diese Weise seinen Part der brüderlichen 81 82
Das Lob ist als indirekte Frage formuliert, deren zwei Glieder durch die Anapher quanta – quantus eingeleitet werden. Spr 18, 17, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 194 (Anm. 170). Beide Brüder erscheinen damit als Teilhaber der spätantiken Bildungskultur, s. auch oben S. 50ff.
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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Beziehung erfüllt, während Apollinaris’ Aufgabe darin etwa durch die Erinnerungsbriefe ausgeführt wird.83 Nach der Beurteilung von Apollinaris’ Verhalten kommt Avitus nun auf dessen Traum zu sprechen, den er als sancta reuelatio, 47, 9f bzw. §3 bezeichnet. Hierdurch wird ihm eine besondere Bedeutung zugeschrieben, die über die eines einfachen Traums oder gar einer Vision hinausgeht. Ebenso wenig wie sein Bruder zieht der Bischof von Vienne also in Zweifel, dass die Erscheinung letztlich göttlichen Ursprungs war, und bringt erneut das Adjektiv sanctus mit ihm in Verbindung. Anschließend beteuert er, die Wahrheit zu sagen, bevor er seine Reaktion auf Apollinaris’ Schilderungen mitteilt. Diese Betonung seiner Ehrlichkeit erfolgt mittels eines Pauluszitats84 und der Berufung auf Christus (in Christo, 47, 11 bzw. §3). Dieses Zitat hat eine doppelte Funktion. Zum einen impliziert Avitus, dass die folgenden Ausführungen nicht allein seine Ansicht darstellten, sondern letztlich göttlich inspiriert seien, und verleiht ihnen damit besondere Autorität.85 Durch die geschickte Wahl des Paulusworts, mit dem der Apostel im Brief seine Verkündigung legitimiert, insbesondere seine Sendung durch Christus und die sich anschließenden Verhaltensregeln, erscheint der Bischof von Vienne fast als alter Paulus. Auch Apollinaris erhält damit eine besondere Stellung: sein Lob ist göttlich inspiriert und wahr, und seine Traumschilderung erhält beinahe den Stellenwert eines Bibeltexts, wie sich später ebenfalls an Avitus’ Umgang mit ihr zeigen wird. Zum anderen demonstriert der Bischof von Vienne durch das Zitat seine christliche Bildung und Bibelkenntnis und weist seinem Briefpartner ebenfalls ein entsprechendes Wissen zu. Seine rhetorische Ausbildung kommt außerdem in der erneuten Verwendung von Gerichtssprache (delicti, supplicium, 47, 9f bzw. §3), der parallelen Gestaltung des Vergleichs tale repertum est in dormiente supplicium quale fuerat in uigilante peccatum, 47, 10f bzw. §3 und der Antithese dormiente – uigilante zum Ausdruck. Die Darlegung von Apollinaris’ Vision hat auf Avitus mehrere Effekte: sie löst Betroffenheit und Trauer aus (parturientibus lacrimas oculis, 47, 11f bzw. §3) und ruft die Erinnerung an verstorbene Verwandte hervor (omnis mentem meam subiit necessitudinum recordatio praemissarum, 47, 12f bzw. §3). Abgesehen davon bringt sie ihm ins Bewusstsein, dass (auch)86 er ihnen das Gedenken schuldig ist 83
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Auch diese Passage zeichnet sich durch eine sorgfältige Stilisierung aus, wie beispielsweise in den Antithesen meminisse – obliuio und delectet – doluit sowie am Spiel mit uenit und praeuenit offensichtlich wird. Ecce ueritatem dico in Christo, non mentior, 47, 11 bzw. §3; das Bibelzitat stammt aus 1 Tim 2, 7. Eine ähnliche Aufgabe hat ecce, das typisch für biblische Texte ist. Dies ist abhängig von der Interpretation von nos: falls Avitus damit nur sich selber bezeichnet, richtet sich die Vision an ihn allein; ist dagegen Apollinaris im Plural mit eingeschlossen, enthält sie eine Botschaft für beide. Grundsätzlich sind beide Interpretationen möglich. Im ersten Fall würde der Bischof von Vienne etwa aus Höflichkeit gegenüber Apollinaris, der aufgrund seines Pflichtbewusstseins nicht ermahnt werden muss, nur auf sich selber referieren und dafür den Plural verwenden (so fassen auch die modernen Übersetzer die Stelle auf); der zweite Fall könnte etwa dadurch begründet werden, dass Avitus in diesem Brief mit einer Ausnahme
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(quibus per uisitationem uestram honorem dependere nos admonitos intellexi, 47, 13f bzw. §3). Durch seine Erschütterung bei der Erinnerung an die Toten präsentiert der Bischof von Vienne sich als jemand, dem diese nicht weniger am Herzen liegen als seinem Bruder. Zugleich betont er die enge Verbindung, die zwischen den beiden Brüdern besteht, denn er bezieht Apollinaris’ Vision ohne zu Zögern auf sich.87 Dieser erscheint letztlich als eine Art von Gott zu Avitus gesandter Bote, der ihn an seine Schuldigkeit gegenüber den Verstorbenen erinnert. Der Vienner zeigt sich damit einerseits als einer besonderen himmlischen Botschaft würdig,88 andererseits als jemand, der Ermahnung nötig hat und durch den Bischof von Valence unterwiesen wird. Im Folgenden bringt Avitus seine eigene Interpretation der Vision vor, bescheiden eingeleitet durch Porro autem de ipsa reuelatione quid senserim, in simplicitate depromo, 47, 14f bzw. §4. Erneut89 bezeichnet er den Traum hier mit reuelatio, wodurch er ihm besondere Bedeutung zuschreibt, und inszeniert sich durch seine ostentative Bescheidenheit als Mitglied der gebildeten Briefnetzwerke.90 Dann deutet er die Traumschilderung Wort für Wort und verfährt dabei ähnlich, wie er es mit biblischen Texten macht.91 Der Bischof von Vienne verwischt somit den Unterschied zwischen dem eigentlichen Traum und der Erzählung des Traums, was sich bereits in der Formulierung cum [...] legissem somnium quod uidistis, 47, 11f bzw. §3 angekündigt hat. Damit geht er ähnlich vor wie Augustin, der einzelne Traumbilder mit den Buchstaben der biblischen Texte vergleicht, und Macrobius, der in seiner Auslegung des somnium Scipionis dieses gleichzeitig als allegorischen Text und als Traum sieht,92 und zeigt so seine Teilhabe am Bildungsdiskurs. In seiner Erklärung der Vision unterscheidet Avitus sich von seinem Bruder dadurch, dass er erstens die Taube anders versteht und zweitens auch den einzelnen Details eine Bedeutung zuschreibt. Auf diese Weise stellt er zwar dessen Interpretation der Vision in Frage, attestiert ihm so jedoch besondere pietas, die so gut wie nie ruhe. Zunächst zitiert der Bischof von Vienne freilich den Ablauf des Traums wörtlich aus Apollinaris’ Brief (ep. 13P = ep. 10MR, 46, 15–17 bzw. §2), wobei er in einem Einschub bereits dessen Zeitpunkt durch in qua scilicet germanae communis depositio celebrabatur, 47, 15f bzw. §4 genauer definiert. Danach identifiziert er die Taube nicht mit der Seele der verstorbenen Schwester, wie der Bischof von
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(nobis uenit a uobis, 47, 6f bzw. §2), die aber stilistische Ursachen (die Gegenüberstellung nobis – uobis) haben könnte, stets im Singular von sich spricht. Damit verhält er sich nicht anders als Plinius d. J. in seiner epist. 7, 27. Plinius schildert dem Adressaten unter anderem die Träume zweier seiner Sklaven und bezieht diese in seiner Deutung auf sich selber. Anschließend bittet er den Rezipienten des Briefs um eine gründliche Interpretation der Träume, da dieser überaus gebildet sei. Damit vergrößert er auch seine spirituelle Autorität als Bischof, hierzu s. o. S. 62 bzw. R APP (2005), 16. Nach 47, 10 bzw. §3. Hierzu s. o. S. 54ff. Beispielsweise in ep. 22P = ep. 19MR an Gundobad. Vgl. C OX M ILLER (1994), 92; 96f.
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Valence dies getan hat, sondern mit dessen pietas bzw. mit diesem selbst: ‘iuxta te’ pietas tua nec longe auolans celeri recordatione consedit, 47, 18f bzw. §4; tu, inquam, merito haec columba, 47, 19f bzw. §4 und kommentiert dies mit merito. Dass sich die pietas des Bischofs von Valence nicht weit von diesem entfernt habe, ist konsistent mit dem bisher von ihm gezeichneten Porträt, das sein Pflichtgefühl und seine Zuneigung gegenüber seinen Geschwistern herausstreicht. Ebenso spricht Avitus Apollinaris in diesem Zusammenhang mit emphatischen Ausrufen direkt an: sanctissime tu, piissime propinquorum, 47, 19 bzw. §4. Die Formulierung erinnert dabei an die Anrufung eines Heiligen, der um Fürsprache gebeten wird. Zugleich wird durch die Betonung der Verwandtschaft und die vertraute Anrede tu93 die enge Verbindung zwischen den beiden Bischöfen hervorgehoben. Avitus erscheint somit als jemand, der mit einem Heiligen in direktem Kontakt steht und dadurch gewissermaßen an dessen Heiligkeit teilhat. Damit hebt er indirekt seinen besonderen Status als Bischof und Bindeglied zwischen menschlicher und göttlicher Sphäre hervor und stärkt so seine spirituelle Autorität.94 Apollinaris’ Identifizierung mit der Taube zeigt sich im weiteren Verlauf der Interpretation in der Verwendung der femininen Form von Adjektiven, die sich auf ihn beziehen (fulgentissima, rubrata und vor allem compuncta, 47, 20f bzw. §4).95 Avitus verleiht damit seiner Deutung besonderen Nachdruck, bekräftigt so die Heiligkeit seines Bruders und stellt sich selbst als gebildet dar. Erneut weist er in simplicitate und innocens singulariter, 47, 20f bzw. §4 pointiert auf dessen Unschuld hin, und gerade an der letzten Formulierung wird deutlich, dass seine Auslegung sich insbesondere auf die schriftliche Version des Traums bezieht, erklärt er doch nicht nur die einzelnen Elemente der Vision, sondern auch Apollinaris’ Kommentar inusitato colore, 47, 20f bzw. §4 (durch singulariter). Die rote Farbe der Taube wird mit dessen Erröten wegen seines schlechten Gewissens begründet (quasi propriis compuncta stimulis erubescas, 47, 21 bzw. §4); dabei wird Apollinaris’ eigene Beschreibung seiner Reaktion auf die Vision (quasi stimulo percussus, ep. 13P = ep. 10MR, 46, 19f bzw. §3) als Zitat wieder aufgenommen und in die Interpretation mit einbezogen. Schließlich kommt Avitus zum Fazit Ampliastis ergo quidem, ut supra dictum est, fenus assuetum, 47, 22f bzw. §5. Er variiert damit seine Aussagen vom Beginn des Briefs und unterstreicht sie auf diese Weise, was er in ut supra dictum est explizit zum Ausdruck bringt. So zeigt er nochmals die sorgfältige Komposition des Schreibens, die zudem im Gebrauch der auch von Apollinaris verwendeten Metapher fenoris, ep. 13P = ep. 10MR, 46, 20 bzw. §3 offensichtlich wird. Im Folgenden betont der Bischof von Vienne erneut die beiden Hauptaspekte, die das Apollinarisbild des Schreibens ausmachen: seine mehr als gewissenhafte Pflichterfüllung und seine enge Verbindung zu Gott. Ersterer äußert sich darin, dass der Genannte anscheinend das Licht, das er jedes Jahr auf dem Grab seiner Schwes93 94 95
Nur hier, im Kontext der Trauminterpretation, adressiert Avitus seinen Bruder im Singular; ansonsten gebraucht er in diesem Brief stets den Plural. Hierzu s. o. S. 62. Darauf weisen auch M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 194 (Anm. 173) hin.
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ter aufstellte, mit so viel Brennstoff versehen hatte, dass es länger als ein Jahr brennen konnte (adhuc de abundantia superioris anni uestra nihilominus luxit oblatio, 47, 24 bzw. §5).96 Der zweitgenannte zeigt sich in Gottes Unterstützung dieser Sorgsamkeit: Er ließ den Bischof von Valence seine Aufgabe nicht vergessen und verhinderte durch seinen Segen das Erlöschen des Lichts (quam uos excitante Christo non licuit obliuisci, 47, 23f bzw. §5; ex quodam supernae benedictionis irriguo, 47, 25 bzw. §5). Gerade letzteres erscheint fast als Wunder und somit als besonderer Nachweis von Apollinaris’ Heiligkeit. Der Wunsch, mit dem Avitus den Brief beendet, schließt logisch daran an: Er bittet Gott, sein Bruder möge nach seinem Tod seiner genauso gedenken (Deum quaeso, ut hoc etiam mihi pietas uestra quandoque dependat, 47, 26 bzw. §5). Der Bischof von Vienne präsentiert sich dabei sowohl als fromm, indem er Gott anfleht, als auch als höflich, indem er seinen Appell indirekt formuliert. Gleichzeitig verleiht er ihm durch die Gottesanrufung und die Verwendung der Anrede pietas uestra besonderen Nachdruck.
2.1.1.2.4 Vergleichende Schlussbetrachtung
Betrachtet man ep. 13P = ep. 10MR und ep. 14P = ep. 11MR im Vergleich, so fällt auf, dass Avitus verschiedene Angebote des Apollinaris übernimmt, allerdings nicht unverändert. In seinem Schreiben stellt sich der Bischof von Valence als in Bezug auf Verwandtschaft und Religion pflichtbewusster Mensch dar, der jedoch einmal einen Gedenktag seiner Schwester vergessen hat und durch sie per Traum daran erinnert werden musste. Daher wendet er sich als reuiger, aber auf Vergebung vertrauender Sünder an Avitus. Dieser nimmt in ep. 14P = ep. 11MR das Selbstporträt seines Bruders großenteils auf, hebt aber dessen Gewissenhaftigkeit sehr viel mehr hervor und steigert sie bis hin zur Heiligkeit. Dabei betont er wiederholt, Apollinaris habe keine Schuld auf sich geladen und benötige somit auch keine Vergebung, denn erstens habe er den Gedenktag nicht vergessen und zweitens habe er seine Pflicht eigentlich schon im Vorjahr erfüllt. Ebenso korrigiert der Bischof von Vienne dessen Auslegung der Vision in diesem Sinne und tritt so als verständnisvoller Tröster auf. Bei der Schilderung seines Traumes in ep. 13P = ep. 10MR ordnet Apollinaris sich nicht dezidiert in einen Bildungskontext ein, sondern deutet seine Interpretation lediglich an, ohne auf Details einzugehen. Er modelliert seinen Brief damit letztlich als Teil einer recht alltäglichen Kommunikation zwischen Christen, die in einem engen Verhältnis zueinander stehen – in diesem Fall sind die beiden Briefpartner sogar leibliche Brüder. Avitus dagegen nimmt das Schreiben seines Bruders als Anlass, sich dezidiert als Mitglied einer christlichen Bildungsgemeinschaft zu inszenieren, und hebt den Austausch auf diese Weise gewissermaßen auf eine andere Stufe. Er 96
Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 247 (Anm. 5). Woher Avitus davon Bescheid wusste, ist unklar, denn in ep. 13P = ep. 10MR ist von diesem Umstand nicht die Rede; möglicherweise war er selbst am Grab oder der Briefbote hatte ihm davon erzählt.
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stilisiert seinen Brief sorgfältig, versieht ihn, den Konventionen entsprechend, mit Bibelzitaten,97 und analysiert und erklärt Apollinaris’ Traumbeschreibung detailliert, ohne sich in diesem Zusammenhang direkt oder indirekt auf nichtchristliche Autoren zu berufen.98 Die Erscheinung bezieht er hierbei sogar auf sich selbst und erwähnt nebenbei immer wieder seine enge Beziehung zum Bischof von Valence. Die Selbstdarstellung des Vienners konzentriert sich also vor allem auf zwei Aspekte: seine christliche Bildung und die Zugehörigkeit zu entsprechenden Kreisen sowie seine eigene Heiligkeit, die durch die enge Verbindung zu seinem heiligen Bruder, der Auffassung, die Vision richte sich (auch) an ihn selber, und seine Rolle als beruhigender Tröster markiert wird und seinen Aufgaben als Bischof in jeder Hinsicht gerecht wird. Vergleichbare Strategien wie in ep. 14P = ep. 11MR wendet Avitus in ep. 11P = ep. 8MR an, einem Empfehlungsschreiben an Caesarius von Arles, das im Folgenden genauer analysiert wird. Anders als bei den bisher betrachteten Briefen freilich hält sich der Adressat weder innerhalb des burgundischen Gebiets auf noch ist er dem Bischof von Vienne in irgendeiner Art und Weise untergeordnet.
2.1.2 Im weit verzweigten Netzwerk der Bischöfe Wie die avitanische Briefsammlung bezeugt, pflegte Avitus nicht nur zu Bischöfen innerhalb des burgundischen Herrschaftsbereichs Kontakte, sondern korrespondierte überdies mit Oberhirten, deren Sitze weiter entfernt lagen. Als Teil der Gemeinschaft der Bischöfe stand er so über politische Grenzen hinweg mit anderen kirchlichen Würdenträgern in Verbindung. Ein zentrales Element innerhalb dieser Kommunikation stellten Empfehlungsbriefe dar, die mindestens Sender und Empfänger, oftmals zudem den Empfohlenen, als Mitglieder einer durch den gemeinsamen Glauben und/oder durch amicitia verbundenen Gemeinschaft zeigten.99 Schon bei Cicero und Plinius waren Empfehlungsbriefe ein Mittel, um politischen Einfluss zu nehmen und sich selbst zugleich als politisch einflussreich zu präsentieren.100 Gerade in der Spätantike, insbesondere bei Symmachus, dienten entsprechende Schreiben dazu, den Briefpartnern sowie dem Empfohlenen die Zugehörigkeit zur Senatsaristokratie zu bestätigen und deren Macht genauso wie die 97
Da ein Brief nach der antiken Brieftheorie als Geschenk für den Empfänger galt, musste er mit entsprechender Sorgfalt gestaltet werden, wozu etwa das Einarbeiten von literarischen Zitaten und Sentenzen gehörte. Gerade in der Kommunikation zwischen Christen hatten ebenso Bibelzitate diese Funktion, vgl. T HRAEDE (1970), 144f, sowie oben, S. 21. 98 In dieser Hinsicht bestehen durchaus Parallelen zu seinem Zeitgenossen Ruricius von Limoges, der sich zwar als gebildet inszenierte, sich aber anders als Sidonius Apollinaris nicht dezidiert an die literarische Tradition anschloss. S. hierzu G. M. M ÜLLER (2013), v. a. 426–428. 99 Zu zwei Empfehlungsbriefen des Faustus von Riez an Ruricius von Limoges, die ebenfalls die enge Verbindung und Kollegialität der beiden Bischöfe betonen, s. G. M. M ÜLLER (2020), 480–485. 100 Vgl. F URBETTA (2015), 347f. Zu Empfehlungsschreiben bei Cicero, Plinius und Fronto s. R EES (2007) und B ÉRENGER -BADEL (2000).
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eigene Autorität zu festigen.101 Die große Bedeutung von Empfehlungsbriefen manifestiert sich unter anderem darin, dass sie bei den Brieftheoretikern als separate Kategorie angeführt wurden.102
2.1.2.1 Caesarius von Arles In Caesarius von Arles adressierte der Bischof von Vienne ep. 11P = ep. 8MR an einen der einflussreichsten gallischen Bischöfe seiner Zeit.103 Caesarius wurde wahrscheinlich 469/70 bei Chalon-sur-Saône geboren, stammte also aus burgundischem Gebiet. Wohl 502 wurde er zum Bischof von Arles gewählt, nachdem er mehrere Jahre in verschiedenen Klöstern, unter anderem in Lérins, gelebt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte Papst Symmachus die Auseinandersetzungen zwischen Vienne und Arles um die Metropolitenwürde bereits zugunsten von Arles entschieden, während sein Vorgänger kurz vor der Jahrhundertwende noch einem Gesuch des Avitus stattgegeben und Vienne favorisiert hatte.104 505/6 musste Caesarius ins Exil nach Bordeaux, da man ihn beschuldigt hatte, das westgotische Arles an die Burgunder übergeben zu wollen. Nach seiner Rückkehr fand 506 unter seiner Leitung die Synode von Agde statt. Sieben Jahre später, 513, verlieh ihm Papst Symmachus das Pallium und ernannte ihn zum Stellvertreter des Papstes in Gallien, nicht ohne dies auch den übrigen gallischen Bischöfen per Brief zu verkünden. Aus ep. 11P = ep. 8MR ergeben sich keine genauen Anhaltspunkte für eine Datierung. Allerdings verschickte Avitus das Schreiben sicherlich erst, als Caesarius schon Bischof von Arles war. Geht man außerdem davon aus, dass der Krieg zwischen Franken und Westgoten 507, an dem sich die Burgunder aufseiten der Franken beteiligten, den brieflichen Kontakt erschwerte, wenn nicht gar (zumindest eine Zeit lang) unmöglich machte, und dass zudem die nach 508 wieder zunehmenden kirchenpolitischen Spannungen den Versand in diesem Zeitraum eher unwahrscheinlich machen (allerdings nicht völlig ausschließen), entstand ep. 11P = ep. 8MR vielleicht zwischen 502 und 507. Insgesamt ergibt sich jedoch nur 502 als relativ sicherer Terminus post quem.105
101 Vgl. F URBETTA (2015), 348f. Zu Symmachus s. insbesondere B RUGGISSER (1993). 102 So bei Ps.-Demetrios und Ps.-Libanios. S. hierzu M ALHERBE (1988) und P OSTER (2007). Dabei sind Empfehlungsschreiben nicht nur innerhalb literarischer Briefsammlungen überliefert, sondern überdauerten auch als Teil privater Archive. S. hierzu C OTTON (1981). 103 Die folgenden Ausführungen basieren auf den entsprechenden Einträgen bei H EINZELMANN (1982) (s.v. Caesarius 2) und in der PCBE (s.v. Caesarius 1). Zu Caesarius’ Leben und Wirken s. insbesondere K LINGSHIRN (1994b). 104 Zur Rivalität zwischen Arles und Vienne s. o. S. 66ff. 105 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 357. Entsprechend datieren auch M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 32 und K LINGSHIRN (1994a), 81. Dort findet sich eine weitere englische Übersetzung des Schreibens.
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Bei der durch Avitus empfohlenen Person handelt es sich höchstwahrscheinlich um Bischof Maximian von Trier.106
2.1.2.2 Ep. 11P = ep. 8MR Anders als in anderen Empfehlungsbriefen, etwa ep. 12P = ep. 9MR oder ep. 38P = 34MR, kommt Avitus unmittelbar zu Beginn des Schreibens zum Thema, ohne erst auf die Beziehung zwischen Adressat und Adressant einzugehen (sanctus tamen Maximianus antistes hanc peculiarius ad uos officii mei paginam petiit destinari, 45, 3f bzw. §1). Dabei hebt er in uenerandi portitoris persona, 45, 2 bzw. §1 und sanctus [...] Maximianus antistes besonders das Amt und die Heiligkeit des Empfohlenen hervor.107 Obwohl es laut Avitus angemessener wäre, wenn Maximian ihn empfehle, habe dieser nachdrücklich um das vorliegende Schreiben gebeten (tamen [...] hanc peculiarius ad uos officii mei paginam petiit destinari, per quam me potius ab illo quam illum a me commendari debere manifestum est, 45, 3–5 bzw. §1). Die Betonung der Würde und Bescheidenheit des Maximian erfüllt dabei einen doppelten Zweck: zunächst dient sie natürlich dazu, das Anliegen des Briefs zu begründen und Caesarius’ Unterstützung zu gewinnen. Gleichzeitig strahlt Maximians Heiligkeit auch auf den Bischof von Vienne aus, hat er diesen doch explizit um die Empfehlung gebeten (hanc [...] officii mei paginam petiit; iubere dignatus est necessitates suas sermone meo pandere, 45, 5 bzw. §2). Während er in der Erfüllung dieser Bitte eine typische Aufgabe eines Bischofs erfüllt,108 tritt Avitus also als in jeder Hinsicht bedeutender Oberhirte auf, dessen Ansehen von seinen Amtsgenossen anerkannt wird. Ebenso ist Caesarius Teil dieser Gemeinschaft von Bischöfen, wie an der Formulierung fraternae caritatis, 45, 2 bzw. §1 deutlich wird. Außerdem präsentiert der Vienner durch die sprachliche Gestaltung von per quam me potius ab illo quam illum a me sich und seinen Adressaten als gebildet. In Form einer eleganten Praeteritio weist Avitus im Folgenden darauf hin, dass Maximian bereits eine weite und beschwerliche Reise hinter sich habe (nihil dicendum de peregrinationis labore suscepi [...] quantalibet uel temporum longitudine uel itineris uastitate, 45, 5–7 bzw §2). Die Mühe der Reise kommt dabei etwa in der Häufung der Zischlaute bei necessitates suas sermone, 45, 5 bzw. §2 zum Ausdruck. Hierdurch zeigt der Bischof von Vienne ebenso seine Bildung wie durch den Parallelismus uel temporum longitudine uel itineris uastitate und die Verwen106 Zur Identifizierung s. M ORIN (1935). 107 Das Adjektiv sanctus verwendet Avitus innerhalb der überlieferten Briefe nur in zwei anderen Fällen, ep. 30P = ep. 27MR sowie ep. 41P = ep. 37MR, als Attribut für eine lebende Person, die ebenfalls Bischof ist (sanctus Cartenius episcopus, 60, 2 bzw. §1; sanctus frater meus Ennodius, 69, 21f bzw. §4). Ansonsten werden damit Heilige, Propheten, Gegenstände oder Abstrakta charakterisiert. S HANZER und W OOD (2002), 358 (Anm. 1) weisen darauf hin, dass antistes sowohl einen Presbyter als auch einen Bischof bezeichnen könne. Ebenso handle es sich bei ep. 11P = ep. 8MR möglicherweise um eine Art epistola formata, die reisende Kleriker benötigten, was durchaus zutreffen könnte. 108 Hierzu s. o. S. 64f.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
dung des Verbs pandere.109 Darüber hinaus zeichnet er den Empfohlenen dezidiert als Mitglied der katholischen Kirche und betont auf diese Weise die durch dessen Position als Kleriker erzeugte Verbindung mit den Briefpartnern (peregrinus sacerdos dici non potest, ubi catholica reperiri ecclesia potest, 45, 7f bzw. §2). Indem Avitus in peregrinus peregrinationis wieder aufnimmt und dabei auf die etymologische Grundbedeutung des erstgenannten Worts anspielt, streicht er wiederum seine profunde rhetorische Bildung heraus und präsentiert damit die am Briefaustausch Beteiligten als Mitglieder der Eliten.110 Danach wird die Praeteritio weitergeführt: auf die Zerstörung von Maximians Heimat will Avitus nicht näher eingehen als auf seine Reise (nec illa uobis regionis suae subuersio quasi incognita exaggerari debeat, 45, 8f bzw. §3). In diesem Kontext entwirft der Bischof von Vienne ein sehr schmeichelhaftes Bild des Adressaten: er ist nicht nur bestens informiert über politische Vorgänge (nec [...] quasi incognita), sondern wird auch durch seine herausragende christliche Nächstenliebe charakterisiert (cum pietatem uestram, quaerentem ubique misericordiae aditus, non lateat ubi est miseriae locus, 45, 9f bzw. §3). Damit verfügt Caesarius über einige Eigenschaften, die einen guten Bischof ausmachen, in besonderem Maße, sodass er an dieser Stelle gar nicht um eine bestimmte Handlungsweise gebeten werden muss. Diese Qualitäten hebt sein Vienner Amtskollege zusätzlich durch das Wortspiel misericordiae – miseriae hervor, wobei er ihm mittels dieser Schmeichelei das weitere Vorgehen insinuiert.111 Daraufhin schildert Avitus Maximians Hauptanliegen im Zusammenhang mit dessen Reise nach Arles, die Suche nach einem guten Augenarzt (Principalis tamen ei [...] causa ueniendi est, ut peritiorem medicum quocumque perquirat, qui imbecillitati corporeorum luminum cuiuscumque remedio artis succurrat, 45, 10–12 bzw. §4).112 Die Erwähnung von Maximians körperlicher Blindheit nimmt Avitus zum Anlass, um sich auch über dessen geistiges Sehvermögen zu äußern (religiosae mentis intuitus, contemplandis magis spiritalibus occupatus, 45, 13 bzw. §4). Durch die sprachliche Variation (imbecillitati corporeorum luminum; religiosae mentis intuitus; exterioris hominis caecitate, 45, 13f bzw. §4) und die Verwendung einer paulinischen Formulierung113 betont er seine rhetorische Ausbildung und seine Bibelkenntnis und schreibt Caesarius dieselben Eigenschaften zu. Gleichzeitig stellt er Maximian als guten Christen dar, der sich um seine körperlichen Beschwerden 109 Abgesehen von Petron, der die Wendung opus uersibus pandere gebraucht (89, 1), benutzen die lateinischen Schriftsteller dieses Wort nur in der Dichtung in ähnlicher Weise, und zwar im Kontext von Orakelsprüchen und Weissagungen; Avitus selbst schreibt es in den überlieferten Briefen nur noch zweimal, davon einmal in ep. 57P = ep. 54MR, in der explizit klassische Literatur und Bildung thematisiert werden. Zu ep. 57P = ep. 54MR s. S CHENK (2020). 110 Hierzu s. o. S. 50ff. 111 Zugleich stellt er seine eigene Bildung zur Schau, die auch an der rhetorischen Verwendung von exaggerare deutlich wird, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 193 (Anm. 156). 112 Augenkrankheiten werden in der zeitgenössischen Epistolographie, bei Ennodius ebenso wie bei Avitus selbst, immer wieder thematisiert, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 357. 113 exterioris hominis, 45, 14 bzw. §4. Die betreffende Bibelstelle ist 2 Kor 4, 16, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 193 (Anm. 157).
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keine Sorgen macht und stattdessen ganz auf das Überirdische hin ausgerichtet ist (religiosae mentis intuitus, contemplandis magis spiritalibus occupatus nec nimium de exterioris hominis caecitate perterritus, 45, 13f bzw. §4). Damit ergibt sich für den Bischof von Vienne die Notwendigkeit zu begründen, warum der Empfohlene trotz seiner Orientierung auf das spirituelle Leben hin Heilung für seine irdische Krankheit sucht. Avitus erwähnt zunächst zwei Motivationen: Maximian hat vor allem denen nachgegeben, die ihn lieben (amatoribus potius suis satisfacere, 45, 15 bzw. §4) und will außerdem seine Aufgaben als Priester nicht deswegen schlechter ausführen können, weil er seine Gesundheit vernachlässigt hat (ne uideatur, per neglectae sanitatis culpam, facultas in eo sacerdotalis officii reprehensibiliter minorata, 45, 16f bzw. §4). Nach der Beschreibung des Bischofs von Vienne zeichnet sich Maximian also vor allem durch seine pietas aus: er respektiert die Wünsche derer, die ihn lieben, und ist bestrebt, die Pflichten, die sich aus seinem Amt ergeben, möglichst gut zu erfüllen. Auch der dritte Grund, aus dem Maximian laut Avitus Heilung sucht, ist letztlich einem Aspekt der pietas zuzuschreiben: seine Hoffnung, dass Gott ihm ebenso wie dem biblischen Tobit114 helfen werde (Spem uero recipiendi obtutus [...] et ab exemplo requirit, quod scilicet Tobiam nostrum [...] medicina reduxerit [...] ad dulcedinem sanitatis, 45, 17–21 bzw. §5). Hierbei wird Tobit durch vier Aussagen charakterisiert, die in ihrer inhaltlichen Reihenfolge vier zuvor erwähnten Eigenschaften des Maximian entsprechen, diese aber sprachlich variieren (caligantem quidem terrestribus, sed quae mundo erant inuisibilia contuentem, attentum aeternae lucis et iam paene diei mortalis immemorem, 45, 18–20 bzw. §5).115 Auf diese Weise wird letztgenannter geschickt in die Nähe des alttestamentarischen Vorbilds gerückt.116 Diejenigen, die ihn bei der Suche nach Genesung unterstützen (also insbesondere die beiden Briefpartner), erhalten damit ebenfalls beinahe den Status biblischer Gestalten und sind so Teil einer Elite innerhalb christlichen Gemeinschaft. Gerade dies kommt zudem im Possessivpronomen nostrum, 45, 18 bzw. §5 zum Ausdruck. Alle erwähnten Gründe Maximians, den Weg nach Arles anzutreten, modalisiert der Verfasser durch quantum dignatur asserere, 45, 10f bzw. §4, quantum comperi, 45, 15 bzw. §4 und quantum arbitror, 45, 17 bzw. §5. Damit werden sie einerseits ein Stück weit relativiert, andererseits fällt auf, dass Avitus im Verlauf des Briefs zunehmend mehr Verantwortung für die Aussagen übernimmt, während der Empfohlene durch sie immer mehr einem idealen Gläubigen angeglichen wird. Je positiver dieser erscheint, desto mehr zeigt sich der Bischof von Vienne persönlich involviert. Außerdem bleibt er selbst durch diese Einwürfe präsent, obwohl eigentlich Maximi114 Tobits Heilung wird in Tob 11 geschildert. S HANZER und W OOD (2002), 358f (Anm. 6) weisen darauf hin, dass dieser Brief der einzige innerhalb der avitanischen Sammlung sei, in dem der Verfasser nach Art des Ruricius anhand eines biblischen Exemplums moralisiere. 115 Die entsprechenden Attribute des Empfohlenen lauten imbecillitati corporeorum luminum; religiosae mentis intuitus, contemplandis magis spiritalibus occupatus nec nimium de exteriore hominis caecitate perterritus, 45, 12–14 bzw. §4. 116 So wird ihm spirituelle Autorität zugeschrieben, die natürlich auf die am Briefwechsel Beteiligten ausstrahlt. S. hierzu S. 62.
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an das Thema der Darlegungen bildet, und hebt so implizit die Verbindung zwischen Empfohlenem und Empfehlendem hervor. Zum Schluss des Schreibens bringt der Adressant sein Anliegen explizit vor: Caesarius solle Maximian angemessen aufnehmen und sich um ihn kümmern (Quocirca suscipite fratrem sinceritate solita, reuerentia digna; et si quid consolationis anxio debetur, impendite, 45, 21f bzw. §6). In diesem Kontext wird durch fratrem erneut die Verbundenheit der Bischöfe betont, zugleich wird auf die offene Freundlichkeit des Adressaten hingewiesen, durch die die Aufnahme des Empfohlenen als Fortsetzung seines üblichen Verhaltens erscheint.117 Die Bitte, der Bischof von Arles möge auch die Genesung unterstützen, etwa durch die Suche nach einem Arzt, wird dagegen nur indirekt vorgebracht – schließlich liegt es nicht vollkommen in seiner Macht, sie zu erfüllen (Implebitur autem commune desiderium, si etiam qualiscumque infirmitatis medela prouenerit; quod certe si minus..., 45, 22f bzw. §6).118 Trotzdem wird in commune desiderium und vor allem in pietatis alternae und sacerdotalis conscientiae, 45, 24 bzw. §6 die Gemeinschaft der Briefpartner und des Empfohlenen, die durch wechselseitige Zuneigung und das gemeinsame Amt erzeugt wird, besonders in den Vordergrund gerückt. Das metaphorische Spiel mit Blindheit und Sehvermögen im letzten Satz (incorruptibilem uultum pietatis alternae, nulli obnoxius caecitati sacerdotalis conscientiae oculus recognoscat, 45, 23–25 bzw. §6) präsentiert erneut Avitus’ Bildung und erweist ihn ebenso wie den Rezipienten als Mitglieder der Elite, die sich unter anderem durch die Beherrschung und Befolgung des epistolaren Codes auszeichnete. Insgesamt modelliert sich der Bischof von Vienne in ep. 11P = ep. 8MR als Teil der Gemeinschaft der katholischen Bischöfe. Er erscheint einflussreich genug, um von einem Mitbischof, der als besonders heilig charakterisiert wird, um ein Empfehlungsschreiben an den Metropoliten von Arles gebeten zu werden. Im ganzen Brief zeigt Avitus immer wieder seine Bildung, allerdings auf andere Art und Weise als in den übrigen erhaltenen Empfehlungsbriefen. Sprache und Stil sind sorgfältig gestaltet, zudem enthält der Brief ein biblisches Exemplum und weitere Anspielungen auf Schriftstellen. Es fehlen aber, abgesehen von der Hervorhebung der Tatsache, dass beide christliche Bischöfe sind, Verweise auf eine enge Beziehung von Adressat und Adressant,119 ebenso wie typische epistolare Topoi, etwa das Eingehen auf
117 Gastfreundschaft galt zudem als typisch für einen Bischof, vgl. G ESSEL (1988), 24; BAUM GART (1995), 161; G REER (2007), 572. 118 Auf diese Weise leistet Avitus auch der nach den aristokratischen Verhaltensmaximen geforderten Höflichkeit Genüge. Hierzu s. o. S. 54f. 119 In ep. 38P = ep. 34MR, einem Schreiben an den Diakon Elpidius, den Leibarzt Theoderichs, bittet Avitus den Adressaten, sich um den kranken Sohn des Ceretius zu kümmern. Der Bischof von Vienne beruft sich hier ausdrücklich auf die zwischen beiden Briefpartnern bestehende Freundschaft (67, 24–26 bzw. §6).
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frühere Kontakte120 oder eine Bitte um Antwort.121 Trotz der sprachlichen und stilistischen Ausarbeitung ist das Schreiben gut verständlich und enthält praktisch keine obskuren Stellen. Damit wird der Brief als Part eines spezifisch christlichen Diskurses markiert, in dem Bildung vor allem in Form von christlichem Wissen und Kenntnissen eine Rolle spielt und die Gruppe, in die der Verfasser sich einschreibt, weniger eine sich über antike Bildungstraditionen definierende Aristokratie ist als vielmehr ein durch christliche Heiligkeit charakterisiertes Bischofskollegium.122 Gerade Caesarius von Arles erscheint als typischer Vertreter eines solchen Bischofsideals, wenn man bedenkt, dass er seine Predigten bewusst in einfacher Sprache hielt, damit alle Zuhörerinnen und Zuhörer ihn verstehen konnten, und dabei auf einen elaborierten Stil, der seine Zugehörigkeit zur Aristokratie hervorgehoben hätte, verzichtete.123 Indem Avitus ep. 11P = ep. 8MR zwar sprachlich sorgfältig gestaltet, seinen Stil jedoch verhältnismäßig einfach hält, richtet er sich nach dem Adressaten und erweist ihm so besonderen Respekt. Gleichzeitig genügte er dabei zwei Forderungen der antiken Brieftheorie, nämlich, sich am Empfänger zu orientieren und diesem das Schreiben durch die sorgfältige Gestaltung zum Geschenk zu machen.124 In dieser Art spezifisch christlich orientierter Epistolographie, die klassische Elemente aufnimmt, ohne diese Tradition explizit zu betonen, ist Avitus seinem Zeitgenossen Ruricius von Limoges durchaus vergleichbar.125 Ep. 11P = ep. 8MR schrieb Avitus an Caesarius von Arles, einen der mächtigsten Bischöfe Galliens seiner Zeit. Doch er stand auch mit führenden Kirchenmännern außerhalb Galliens in Verbindung, etwa mit den Patriarchen von Konstantinopel und Jerusalem. Als Beispiel für diese Korrespondenz soll im Folgenden ein Briefaus120 In ep. 38P = ep. 34MR an Elpidius geht Avitus ausführlich auf den Briefwechsel mit dem Adressaten ein (67, 8–19 bzw. §§1–4). In ep. 12P = ep. 9MR an Bischof Maximus von Pavia spricht er zumindest an, dass bisher keine schriftlichen Kontakte zwischen Sender und Empfänger bestanden (45, 27–30 bzw. §1). 121 So beispielsweise in ep. 12P = ep. 9MR, 46, 8–10 bzw. §4. 122 Für manche Eigenheiten dieses Schreibens ließen sich auch andere Erklärungen finden. Gerade in Zusammenhang mit den nicht vorhandenen Topoi ist es nicht völlig abwegig, diese mit der Rivalität zwischen Arles und Vienne zu begründen (Hierzu s. o. S. 66ff). Natürlich könnte diese dazu geführt haben, dass sich die brieflichen Kontakte zwischen den Inhabern beider Bischofssitze auf ein Minimum beschränkten und damit weder eine Antwort erwünscht war noch eine enge Beziehung zwischen Sender und Empfänger behauptet werden konnte. Da der Ton von ep. 11P = ep. 8MR aber insgesamt höflich ist, erscheint ein Verstoß gegen den epistolaren Verhaltenscode eher unwahrscheinlich. Zudem ist ein kompletter Abbruch der schriftlichen Kommunikation wenig plausibel, denn erstens verfasste Avitus durchaus beleidigende Briefe, z. B. ep. 95P = ep. 90MR an Heraclius, und zweitens war dies wohl angesichts der nötigen Übermittlung von Informationen (diese Funktion haben in der avitanischen Sammlung beispielsweise epp. 41fP = epp. 37fMR) und der Regelung weiterer dringender Angelegenheiten innerhalb der Kirche kaum möglich. 123 Die überlieferten Predigten des Bischofs von Vienne dagegen weisen eine aufwändige stilistische Gestaltung auf, vgl. K LINGSHIRN (1994b), 81; 147f. S. auch K LINGSHIRN (1994a), xiii–xv; D IESENBERGER (2013), 18f. Zur Predigtsammlung des Avitus s. W OOD (2013). 124 Hierzu s. o. S. 20f. 125 S. hierzu G. M. M ÜLLER (2013), in Bezug auf Empfehlungsbriefe s. F URBETTA (2015), 353– 355.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
tausch des Bischofs von Vienne mit Papst Hormisdas im Zentrum der Detailanalyse stehen, in dem neben dem eigentlichen Thema, der Bitte um Informationen bzw. der Antwort darauf, die Frage nach Macht und persönlicher Autorität sowie deren Anerkennung verhandelt wird.
2.1.3 Briefe an Päpste und Patriarchen – Information und Macht Zu den wichtigsten Funktionen von Briefen gehörte die Übermittlung von Informationen und Nachrichten.126 Eng damit verbunden war die Frage, wer über welche Informationen verfügte und sie wem in welcher Weise kommunizierte. Gerade innerhalb der Kirche war diese von zentraler Bedeutung, denn es hatten sich zwar bereits hierarchische Strukturen herausgebildet, gleichzeitig wetteiferten jedoch zahlreiche Bischöfe miteinander um Rang und Prestige.127 Wer zum Beispiel von bestimmten Ereignissen früh erfuhr, konnte dieses Wissen zu seinen Gunsten einsetzen und auf diese Weise seine Macht vergrößern; wer über weniger (gute) Quellen verfügte, war damit unter Umständen im Nachteil.128 Darüber hinaus bedeutete eine „persönliche“ Mitteilung einer aktuellen Entwicklung durch den Papst an einen bestimmten Bischof eine Anerkennung von dessen Status, umgekehrt galt letztlich ebenso, dass jemand, der einen anderen dezidiert nach Informationen fragte, implizit dessen höheren Rang anerkannte. Genau diese Themen werden in einem Briefwechsel des Avitus mit dem römischen Bischof Hormisdas verhandelt, der im Folgenden genauer analysiert werden soll.
2.1.3.1 Papst Hormisdas und das Akakianische Schisma Als der römische Kleriker Hormisdas 514 zum Papst gewählt wurde, dauerte das sogenannte Akakianische Schisma zwischen den Kirchen Roms und Konstantinopels schon 30 Jahre an.129 In dieser Zeit waren die Auseinandersetzungen, in denen es 126 Hierzu s. o. S. 20ff. 127 Als Beispiel seien zwei bedeutendere Entwicklungen und Konflikte genannt, die Primatsansprüche des Bischofs von Rom und die Auseinandersetzungen zwischen den Inhabern der Sitze von Vienne und Arles um den Metropolitenstatus innerhalb der Viennensis. Zum Erstgenannten s. etwa D EMACOPOULOS (2013), zu Letzterer s. o. S. 66ff. Entsprechende Streitigkeiten und Rivalitäten fanden natürlich auch auf lokaler Ebene statt. 128 Vgl. etwa S CHWITTER (2015), 252. 129 Zum Akakianischen Schisma s. F RAISSE -C OUÉ (2001); B LAUDEAU (2007); KÖTTER (2013). Zur Rolle des Papstes in diesem Kontext s. E VERS (2013) und B RENNECKE (2014b). Das Akakianische Schisma war wohl eine der Ursachen, die zum Laurentianischen Schisma in Rom führten. 498 wurden dort nach dem Tod des Bischofs Anastasius sowohl der Diakon Symmachus als auch der Archipresbyter Laurentius zu dessen Nachfolger gewählt; das Schisma endete erst 507, als Symmachus sich endgültig durchsetzte. S. hierzu W IRBELAUER (1993) und M C OMISH (2011). Avitus verfasste in diesem Zusammenhang einen Brief, in dem er sich bei zwei römischen Senatoren für Symmachus einsetzte (ep. 34P = ep. 30MR).
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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nicht nur um dogmatische Inhalte, sondern vor allem um Probleme der Hierarchie unter den Patriarchensitzen, insbesondere zwischen Rom und Konstantinopel, und die Rolle des Kaisers innerhalb der Kirche ging,130 in Rom wie in Konstantinopel bereits von mehreren Bischöfen fortgesetzt worden. Bei den Konflikten strebten alle Seiten stets nach der Einheit der Kirchen, allerdings nicht nach einer Versöhnung um jeden Preis, sondern nach einer Wiederherstellung der Gemeinschaft, in der die eigene Ansicht möglichst gewahrt werden konnte.131 Die Bemühungen um die Wiederherstellung der Kommunion führten so paradoxerweise dazu, dass die eigene Position besonders deutlich formuliert wurde, sich die Gräben damit teilweise weiter vertieften und der Streit sich an verschiedenen Punkten wieder neu entzündete. Trotzdem blieben die Beteiligten miteinander in Kontakt und kommunizierten über Briefe und Gesandtschaften.132 Erst unter Kaiser Justin fand 519 auf Druck von außen hin eine oberflächliche Einigung statt.133 Avitus’ Briefwechsel mit Papst Hormisdas in Zusammenhang mit dem Akakianischen Schisma lässt sich ziemlich genau datieren: ep. 41P = ep. 37MR wurde höchstwahrscheinlich Ende 516 verfasst, da sie am 30. Januar 517 in Rom eintraf, wie ein entsprechender Eingangsvermerk bezeugt.134 Die Antwort des Papstes, ep. 42P = ep. 38MR, wurde am 15. Februar 517 verschickt.135 Zu diesem Zeitpunkt war Hormisdas, der aus einer reichen kampanischen Familien stammte und schon unter seinem Vorgänger Symmachus bedeutende Missionen übernommen hatte, seit etwa zweieinhalb Jahren Bischof von Rom.136 Von Beginn seiner Amtszeit an hatte er die Bemühungen um ein Ende des Akakianischen Schismas verstärkt und ebenso die Beziehung zu Caesarius von Arles gepflegt, dem er 514 per Brief seine Wahl zum Papst angekündigt und 515 ein Informationsschreiben zum Stand der Verhandlungen im Akakianischen Schisma gesandt hatte.137
130 Vgl. KÖTTER (2013), 35. 131 Vgl. KÖTTER (2013), 194. 132 Zu erwähnen sind hier beispielsweise die erste Mission des Ennodius von Pavia, der 515 im Auftrag des Papstes Hormisdas nach Konstantinopel reiste. S. hierzu M EIER (2009), 302f. Die betreffenden Briefe des Hormisdas sind in der Collectio Avellana überliefert, die auch epp. 41fP = epp. 37fMR enthält. Hierzu s. R ANALLI (1995). 133 Vgl. KÖTTER (2013), 215; 217; 272. 134 Accepta III. kal. feb., Agapito , 70, 11 bzw. §9. 135 Data XV. Kal. Mart., Agapito cons., 72, 26 bzw. §17. Beide Schreiben sind nicht als Teil der avitanischen Briefsammlung überliefert, sondern innerhalb der päpstlichen Korrespondenz. Zur Tradierung der Briefsammlung des Avitus s. u. S. 188ff. 136 Vgl. PCBE, s.v. Hormisdas. 137 Letzteres ist epist. 9, ed. Thiel. Eine Übersetzung der genannten Schreiben findet sich in K LINGSHIRN (1994a), 96–100. Hormisdas setzte damit die Linie des Symmachus fort, der Caesarius 513 das Pallium verliehen und so den Streit der Metropoliten von Arles und Vienne um die Vorherrschaft in der Viennensis zugunsten von Arles entschieden hatte. Hierzu s. o. S. 66ff.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
Dieses Informationsschreiben zirkulierte offensichtlich auch außerhalb von Caesarius’ Diözese; in jedem Fall scheint sich Avitus in ep. 41P = ep. 37MR,138 in der er sich nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge erkundigt, darauf zu beziehen.
2.1.3.2 Ep. 41P = ep. 37MR Zu Beginn seines Schreibens definiert Avitus zunächst Position und Beziehung beider Briefpartner. Schon in der Adresszeile bringt er seinen Respekt gegenüber Hormisdas zum Ausdruck, wenn er dessen besondere Heiligkeit in Form eines Quadrikolon mit wachsenden Gliedern hervorhebt (Domino sancto, meritis praecellentissimo, in Christo gloriosissimo et apostolica sede dignissimo, papae Hormisdae Avitus, 69, 7f bzw. §1).139 Anschließend nimmt er in einer langen, aufwändig stilisierten Periode Bezug auf einen früheren Brief des römischen Bischofs, der ihm ein Jahr zuvor durch Kleriker der Diözese Arles zugestellt worden sei (Viennensem prouinciam superiore anno [...] litteris uisitastis, quaeque ad me [...] per Arelatensis ecclesiae clericos peruenerunt, 69, 11–13 bzw. §1). Bereits durch den pompösen Stil markiert Avitus dabei das Schreiben als Teil einer Kommunikation zwischen bedeutenden Mitgliedern der gebildeten klerikalen Elite, die den epistolaren Verhaltenscode beherrschen. In diese Richtung weist auch der Topos, Hormisdas habe die Viennensis in Form des Briefs besucht, der damit zum Ersatz für die persönliche Anwesenheit des Verfassers wird.140 Der Adressat wird in diesem Zusammenhang als idealer Leiter der katholischen Kirche präsentiert: er kennt deren Regeln und Glaubensgrundsätze und handelt entsprechend (religionis statui et plenis catholicae fidei regulis perspicitis conuenire, 69, 9 bzw. §1); außerdem zeichnet er sich durch die wachsame Sorge um seine Herde141 aus (gregem [...] peruigil cura uestrae adhortationis informet, 69, 10f 138 In T HIELs Ausgabe der Papstbriefe ist das Schreiben epist. 21 der Hormisdasbriefe, innerhalb der Collectio Avellana trägt es die Nummer 136. 139 Leider ist ein Vergleich mit anderen Briefen nicht möglich, da die Kopien im Archiv des Bischofs von Vienne wohl ohne eine ausgearbeitete Adresszeile aufbewahrt wurden; die Überschriften der übrigen Stücke nennen jeweils nur Adressat, Adressant und deren Titel. Zu Adresszeilen und Grußformeln in mittelalterlichen Briefen s. L ANHAM (1975). 140 Vgl. etwa T HRAEDE (1970), 153. Einen weiteren Topos verwendet der Verfasser etwas später in praesentis famulatus pagina destinaui, 69, 27f bzw. §5 und in ähnlicher Form ebenfalls in einigen anderen Briefen. Entsprechende Stellen sind etwa paginam debiti famulatus, ep. 12P = ep. 9MR, 45, 28 bzw. §1; praesentis paginae famulatu, ep. 30P = ep. 27MR, 60, 8 bzw. §1; in pagina famulatus, ep. 52P = ep. 49MR, 81, 8 bzw. §2 sowie ep. 38P = ep. 34MR, 67, 16 bzw. §3; studio paginae famulantis, ep. 78P = ep. 74MR, 93, 5 bzw. §1; seruitium praesentis paginae, ep. 92P = ep. 87MR, 99, 24 bzw. §2; pagina famulante, ep. 20P = ep. 17MR, 53, 26 bzw. §3; ep. 39P = ep. 35MR, 68, 3 bzw. §1 und ep. 64P = ep. 61MR, 88, 17 bzw. §2. 141 Das Bild des Bischofs als Hirten der Gläubigen verwendet Avitus mehrmals in seinen Briefen, meist in Schreiben an bedeutende Amtskollegen. Ein Beispiel hierfür ist ep. 28P = ep. 25MR an einen Bischof von Lyon, in der er sich, auf Joh 10, 1f anspielend, dafür ausspricht, dass konvertierte homöische Priester ihr Amt weiterhin ausüben dürfen (59, 1–3 bzw. §6). In seiner Einladung zur Synode von Epaon (ep. 90P = ep. 85MR) erinnert er die Adressaten an ihre pastoralis diligentia, vgl. 98, 27 bzw. §8. Auch ep. 34P = ep. 30MR zeichnet den Papst als Hirten der
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bzw. §1; plenissimae sollicitudine pastorali, 69, 14 bzw. §1), die er informiert und ermahnt. Den päpstlichen Primat erkennt der Bischof von Vienne dabei uneingeschränkt an (gregem per tota uobis uniuersalis Ecclesiae membra commissum, 69, 10 bzw. §1)142 und stellt sich selber dem Papst gegenüber als demütig und bescheiden dar (humilitatem meam, 69, 12 bzw. §1). Zugleich tritt er jedoch implizit als Vertreter der gesamten Provinz Viennensis auf, an den höchstpersönlich der Bischof von Rom einen Brief schreibt (Viennensem prouinciam [...] datis ad humilitatem meam litteris uisitastis, quaeque ad me, secundum quod oportunitas oblata contulerat, per Arelatensis ecclesiae clericos peruenerunt, 69, 11–13 bzw. §1). Deutlich wird dies im zweimaligen Selbstbezug ad humilitatem meam und ad me; zudem erscheint die Tatsache, dass das Schreiben durch Arler Kleriker zugestellt wurde, hier vor allem als das zufällige Ergebnis einer günstigen Gelegenheit und weniger darin begründet, dass die betreffende Botschaft an Caesarius von Arles gerichtet war, der sie dann an die übrigen gallischen Bischöfen weiterleitete.143 Der Bischof von Vienne remodelliert auf diese Weise den eigentlichen Status quo, nach dem der Bischof von Arles Metropolit des größten Teils der Viennensis ist, zu seinen Gunsten und nimmt im Brief letztlich dessen Position ein. Im Anschluss daran fasst er den Inhalt der päpstlichen Botschaft nochmals zusammen: sie teilte den Erfolg des Papstes mit, der in der Konversion Dardaniens, Illyricums und Skythiens, also in deren Anschluss an Rom, lag (sicut per conuersionem prouinciarum, id est Dardaniae, Illyrici uel Scithiae, ad communionem gaudiorum prouocatis, 69, 14f bzw. §2),144 sowie die Information über und Warnung
Gläubigen (65, 9–11 bzw. §9); Dieses Schreiben ist allerdings nicht an einen Bischof, sondern an zwei römische Senatoren gerichtet, die sich im Laurentianischen Schisma für Papst Symmachus einsetzen sollen. Das Motiv wurde überhaupt häufig gebraucht, wie etwa sein Auftreten in mehreren Briefen des Papstes Hormisdas zeigt, vgl. R ANALLI (1995), 47. 142 Dies äußert sich auch in der sprachlichen Gestaltung, da die Person des Papstes beinahe im Zentrum eines dreigliedrigen Chiasmus steht. Zur Universalität der Kirche s. die Hinweise in M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 209 (Anm. 414), zur Begründung der päpstlichen Autorität über die Apostel Petrus und Paulus s. insbesondere D EMACOPOULOS (2013), zum Primat des Papstes bei Caesarius von Arles s. F ERREIRO (2006). 143 Ebendies war vermutlich der Fall, da Caesarius seit 513 als päpstlicher Stellvertreter in Gallien fungierte. Hierzu hatte ihn Papst Symmachus in Zusammenhang mit der Verleihung des Palliums ernannt, s. o. S. 66ff. 144 Dardanien und Illyrien waren in kirchenorganisatorischer Hinsicht theoretisch dem Bischof von Rom unterstellt; einige Bischöfe, beispielsweise der Metropolit von Thessaloniki, hatten aber trotzdem das in Rom als monophysitisch, d. h. antiorthodox interpretierte Henotikon unterschrieben, mit dem Kaiser Zenon und Bischof Akakios von Konstantinopel eigentlich die nach dem Konzil von Chalcedon weiterhin schwelenden Auseinandersetzungen hatten beruhigen wollen. In den Augen der römischen Bischöfe waren sie damit zur Gegenseite übergelaufen und befanden sich somit nicht mehr in Kommunion mit Rom. Ein erneuter Seitenwechsel der betreffenden Gebiete bedeutete somit einen Erfolg und Prestigegewinn des Papstes. Ähnliches war in Bezug auf Skythien der Fall, das im Hinblick auf die Kirchenverwaltung theoretisch Konstantinopel unterstand. Hierzu s. D EMACOPOULOS (2013), 95f; KÖTTER (2013), 14; 178; 255–262.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
vor einigen Häresien (admonitione cautissima, ne quid nos per ignorantiam145 praeuenire possit, instruitis, 69, 16 bzw. §2). Hormisdas wird dabei als erfolgreicher Leiter der Kirche und als fürsorglicher Lehrer dargestellt, der sich um die Unwissenden kümmert und sie vor Schaden bewahren will.146 Avitus selbst präsentiert sich im zweifachen nos als einer der Bischöfe der Viennensis, die durch Hormisdas’ Nachricht in dessen Triumph mit einbezogen werden, aber gleichzeitig unwissend und schutzbedürftig erscheinen. Eben gegen letzteren Eindruck wehrt er sich sofort: über die Verurteilung des Eutyches und des Nestorius, an der frühere römische Bischöfe beteiligt gewesen seien, seien die Gallier längst informiert (Eutychetis igitur Nestoriique damnatio, quos iamdudum per beatissimos decessores sanctae sedis uestrae calcauit auctoritas, ad notitiam iampridem nostram [...] perlata est, 69, 17–19 bzw. §3). In diesem Kontext betont Avitus die Heiligkeit von Hormisdas’ Vorgängern und die Autorität des päpstlichen Stuhls, was durch die Stellung von auctoritas am Ende des Kolons zusätzlich hervorgehoben wird. Außerdem weist er dezidiert auf die besondere Verbindung der Päpste zu Gallien hin (apostolicae ad nos diligentiae prouisione, 69, 18f bzw. §3). Während er somit die Vorrangstellung des römischen Stuhls anerkennt, verknüpft er den hohen Rang der gallischen Bischöfe – und seinen eigenen, schließlich schreibt er als einer von ihnen – eng damit, wie auch an der Formulierung nostram – nos deutlich wird.147 Die Respektierung der übergeordneten Position des Papstes ist einerseits der durch die brieflichen Verhaltenscodes geforderten Höflichkeit gegenüber dem Adressaten geschuldet und dient andererseits als captatio benevolentiae angesichts der später geäußerten Kritik. Avitus inszeniert sich folglich als rhetorisch wie politisch geschickt agierender Bischof und gebildetes Mitglied der Eliten, denen der Rezipient ebenfalls angehört. Nachdem er so ausführlich auf Beziehung und Status beider Briefpartner eingegangen ist, bringt er den Grund seiner Anfrage vor: die gallischen Bischöfe seien sehr beunruhigt, da Hormisdas ihnen keine Informationen über den Ausgang der Gesandtschaft nach Konstantinopel habe zukommen lassen (Sed illud nos modo suspensos multum redigit et anxios, quod [...] nec quid filius uester sanctus frater meus Ennodius retulerit nec utrum secuta redierit [legatio] indicastis, 69, 19– 22 bzw. §4). Der Vienner präsentiert sich in diesem Kontext als in manchen Dingen, die die Kirchenpolitik angehen, durchaus informiert: er weiß Bescheid über den Aufbruch einer zweiten Mission nach Konstantinopel, der Ennodius angehörte (legationis secundo Constantinopolim destinatae [...] Ennodius, 69, 20–22 bzw. 145 Die ignorantia Gallicana (vgl. 68, 30 bzw. §2) verwendet der Bischof von Vienne in ep. 40P = ep. 36MR als Argument, warum Bischof Petrus von Ravenna seine Bitte um Information unterstützen soll. Die Warnung vor der Doppelzüngigkeit der Griechen, auf die Avitus später noch anspielt (und die auch Hormisdas in seiner Antwort beklagt), war im Westen topisch, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 209 (Anm. 418). 146 Damit erfüllt er die seiner Position als Ober-Hirte entsprechenden Aufgaben, s. hierzu S. 58ff. 147 Dieselbe Strategie wendet der Vienner später nochmals an (69, 26f bzw. §5), dann jedoch weniger indirekt und mit einem deutlicheren Selbstbezug. Auch gegen Ende des Briefs, 70, 6–9 bzw. §7, kombiniert der Adressant eine Anerkennung des päpstlichen Primats mit der Hervorhebung seines eigenen Prestiges als Vertreter der gallischen Bischöfe.
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§4).148 Auf diese Weise erscheint er zumindest indirekt daran beteiligt und folglich nicht unbedeutend innerhalb der Kirche. Dieses Bild wird noch verstärkt durch die Betonung seiner engen Verbindung zu Ennodius, dem durch besondere Heiligkeit charakterisierten Beauftragten in dieser Angelegenheit (filius uester sanctus frater meus Ennodius, 69, 21f bzw. §4). Gleichzeitig ordnet Avitus freilich andere Bischöfe, sich selbst und Ennodius dem Papst als dessen Söhne unter und deutet zudem an, dass Hormisdas derjenige sei, bei dem sozusagen alle Fäden zusammenlaufen, zeigt ihn also als Leiter und Organisator. Diese Modellierung der beiden Briefpartner – der einflussreiche, durchaus informierte Bischof, der den obersten Hirten der Kirche nach weiteren Informationen fragt – wird später wieder aufgenommen. Sie umrahmt so die Kritik am römischen Bischof,149 die trotz der Anerkennung von dessen führender Rolle ziemlich deutlich geäußert wird, und mildert sie etwas ab. Die gesamte Passage ist rhetorisch sorgfältig gestaltet: suspensos wird in pendere und vor allem in suspenditis (69, 19–23 bzw. §4) wieder aufgenommen, der Effekt des päpstlichen Verhaltens auf die gallischen Bischöfe so auch stilistisch ausgedrückt und ihre erstaunte Sorge als natürliche Konsequenz gedeutet. Der weitgehend parallel gebaute Vergleich ut non minus modo praedicatoris taciturnitas reddat attonitos, quam antea fecerat legationis mora suspectos, 69, 23f bzw. §4 stellt die Verbindung her zwischen ihrer Beunruhigung über das allgemeine Schweigen des Adressaten und der düsteren Vorahnung in Bezug auf die Gesandtschaft und bringt dies außerdem in der klanglichen Ähnlichkeit von suspectos und suspensos zum Ausdruck. Zudem wird durch die Antithese silentii, taciturnitas – praedicatoris die Unangemessenheit seines Verhaltens hervorgehoben, da er als Bischof ja gerade ein praedicator sein müsste, schließlich gehörte das Predigen zu den wichtigsten episkopalen Tätigkeiten.150 Indem Avitus seine Kritik auf diese Weise formuliert, zeigt er sich als Mitglied der gebildeten Eliten, das auch Kritik höflich und den Verhaltensmaximen entsprechend äußern kann, und charakterisiert Hormisdas ebenfalls als solches. Daraufhin geht Avitus auf die näheren Umstände seiner Nachricht ein und bringt vor allem das eigentliche Anliegen vor: die Bitte um nähere Informationen. Zunächst nennt er jedoch die Überbringer des Schreibens, Alethium presbyterum et Viuentium diaconum, 69, 25 bzw. §5, die er als seine Söhne und Diener des Papstes 148 Dass sein Kenntnisstand nach Ansicht des Hormisdas nicht ganz so gut ist, wie er annimmt, und bis zu diesem Zeitpunkt nur eine Reise des Ennodius im Auftrag des Papstes stattgefunden hat, wird die Reaktion aus Rom zeigen (ep. 42P = ep. 38MR, 70, 28 bzw. §5), vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 209 (Anm. 422). Allerdings hatte Hormisdas bereits zuvor Boten nach Konstantinopel geschickt, was man sicherlich als erste Mission auffassen konnte, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 128 (Anm. 3). 149 Er habe erst dazu aufgefordert, alle Hoffnung auf die besagte Gesandtschaft zu setzen (pendere nos ad effectum legationis secundo Constantinopolim destinatae omni expectationis studio iusseritis, 69, 20f bzw. §4), dann allerdings keine Informationen dazu mitgeteilt (nec [...] indicastis, 69, 22 bzw. §4) und sich obendrein allgemein in Schweigen gehüllt (et promissionem uestram tanta silentii diuturnitate suspenditis, ut [...] praedicatoris taciturnitas reddat attonitos, 69, 22–24 bzw. §4). 150 Hierzu s. o. S. 58ff.
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vorstellt (seruos uestros filios meos, 69, 25 bzw. §5).151 Durch den Parallelismus und die Antithese ordnet er sich einerseits dem Adressaten unter, andererseits weist er auf seine Position als Bischof hin. Während er zu Beginn des Briefs seinen Anspruch, als Vertreter aller Bischöfe der Viennensis aufzutreten, eher indirekt zum Ausdruck gebracht hat, tut er dies in totius prouinciae Viennensis nomine, 69, 25f bzw. §5 nun offen. Er gibt zwar zu, dass ihm lediglich ein Teil der genannten Provinz durch die Päpste ausdrücklich zugeordnet worden ist (quae ecclesiae ad me pertinenti ab uniuersis decessoribus uestris et apostolica sede commissa est, 69, 26f bzw. §5),152 beruft sich aber nichtsdestotrotz auf deren Autorität. Damit verbindet er erneut die Anerkennung des päpstlichen Primats eng mit der Anerkennung seines eigenen Ansehens und rechtfertigt sich implizit gegen den Vorwurf, er maße sich seine Stellung widerrechtlich an. Avitus möchte vor allem in zwei eng miteinander zusammenhängenden Bereichen Bescheid wissen. Sein Interesse gilt der Frage, ob das Schisma mit Konstantinopel noch bestehe (utrum feruor scismatum praefatorum [...] fuerit correctione restinctus, 69, 28–70, 1 bzw. §5), ob es in irgendeiner Form Nachrichten von der Gesandtschaft gebe und, falls dies der Fall sei, wie diese lauteten (aut si reuersa legatio in paginis euidentibus [...] exhibuit, an forte nuntius magis retulit, unde uobis ad hoc qualiscumque suspicio reseruetur, 70, 1–3 bzw. §5). In diesem Zusammenhang präsentiert er sich als durchaus gebildet und in kirchenpolitischen Fragen informiert, was sich in der Brandmetaphorik (feruor scismatum praefatorum; exarserat; restinctus, 69, 28–70, 1 bzw. §5)153 und im Hinweis darauf zeigt, dass sich das Schisma ja nicht nur auf Konstantinopel, sondern auch auf Alexandria und Antiochia beziehe (intra Constantinopolitanam urbem; cuique [...] Alexandrinam uel Antiochenam ecclesias dicitis inligatas, 69, 29–31 bzw. §5).154 Als Quelle der Informationen gibt der Bischof von Vienne durch dicitis den Adressaten an. Dieser wird als einflussreicher, seiner Rolle durchaus gerecht werdender Leiter der Kirche und idealer Oberhirte präsentiert: mit Gottes Hilfe ist es ihm möglich, durch sein Lehren die Irrgläubigen zu korrigieren und so das Schisma zu beenden (uobis Christo fauente docentibus digna fuerit correctione restinctus, 69, 31–70, 1 bzw. §5). Die Möglichkeit, dass Hormisdas’ Einsatz nicht von Erfolg gekrönt war, zieht Avitus ebenfalls in Betracht; allerdings wird dem Papst in diesem Fall nicht die Verantwortung hierfür zugewiesen. Stattdessen erfolgt eine sprachli151 Zu Reisen und zum Brieftransport s. G ORCE (1925); zur Briefbeförderung bei Cicero s. P ETER (1965), 34; zur Nachrichtenübermittlung s. R IEPL (1972), v. a. 123–321. 152 Abgesehen von Vienne sind dies Valence, Grenoble, Genf und Tarantaise, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 128 (Anm. 6) und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 210 (Anm. 427). Zu den Auseinandersetzungen um den Metropolitenrang in der Viennensis s. o. S. 66ff. 153 Ein vergleichbares Bild verwendet Avitus in ep. 2P (ut contra Eutychiani dogmatis redivivum furorem velut ab extincto resurgentis incendii fomite pullulantem de [...] fonte exemplorum flumina derivem, 15, 12–14) in einem ähnlichem Kontext. 154 Einer der Auslöser des Akakianischen Schismas war letztlich der Konflikt zwischen Johannes Talaia und Petros Mongos in Alexandria, in den Konstantinopel und Antiochia und dann Rom hineingezogen wurden, vgl. KÖTTER (2013), 61–69. Zu Alexandria und Antiochia unmittelbar vor und während des Akakianischen Schismas s. KÖTTER (2013), 82–89; 224–254.
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che Distanzierung durch die Verwendung des Passivs und des Dativs in Bezug auf ihn (unde uobis ad hoc qualiscumque suspicio reseruetur, 70, 2f bzw. §5). Eben das Vorliegen der zweiten Alternative fürchten der Adressant und seine Kollegen, was er in einem eleganten Parallelismus zum Ausdruck bringt (Veremur enim ne pontificale iudicium, dum non indicat prospera, sensisset aduersa, 70, 3f bzw. §5) und durch die Schlussstellung von aduersa zusätzlich betont. Gleichzeitig wird Hormisdas auf diese Weise eine Begründung für sein Schweigen angeboten. Avitus agiert also durchaus höflich und geschickt und inszeniert sich so als gewandter Bischof, der auch heikle Angelegenheiten angemessen kommunizieren kann.155 Im Folgenden liefert der Vienner einen weiteren Grund für seine besorgte Nachfrage: er habe von anderer Seite erfahren, dass die Griechen ein Ende des Schismas verkündeten (His adicitur quod diuersorum fida relatione comperimus de reconciliatione uel concordia ecclesiae Romanae iactitare se Graeciam, 70, 4f bzw. §6).156 Hierbei streicht er in diuersorum fida relatione comperimus zunächst die Zahl und Zuverlässigkeit seiner Informanten und des Berichts heraus, um beides sogleich durch iactitare zu relativieren. Im Folgenden zweifelt er die Nachricht noch weiter an, nicht ohne dabei seine eigene Bildung (und damit seine Urteilsfähigkeit) durch einen parallel aufgebauten Vergleich, der seine zentrale Befürchtung in Form einer Antithese enthält, zur Schau zu stellen (quod sicut amplectendum, si ueraciter dicitur, ita metuendum est ne callide simuletur, 70, 5f bzw. §6). Mit dem Verweis auf die Doppelzüngigkeit der Griechen bedient er einen Topos, der zu Beginn des Briefs schon angeklungen ist.157 An dieser Stelle werden Avitus’ Bildung und diplomatisches Geschick aufs Neue deutlich: eine zentrale Ursache seiner Sorge wird Dritten angelastet, auf deren schlechten Ruf bereits angespielt wurde. Diese Abgrenzung, die der Papst in seiner Antwort aufnimmt, sichert zugleich den Zusammenhalt der Oberhirten Galliens und Roms, der trotz Kritik bestehen bleibt, und präsentiert alle Beteiligten als Mitglieder der katholischen Kirche.158 Im Anschluss daran fügt Avitus seinem epistolaren Ich eine weitere Facette hinzu und verleiht seiner Anfrage so besonderen Nachdruck: er spreche als Vertreter nicht nur der Bischöfe der Viennensis, sondern des gesamtgallischen Episkopats (Quaesumus ergo seruitio meo cuncti, ut quid filiis uestris, fratribus meis, id est Gallicanis [...] responderi debeat, instruatis [...] non dicam de Viennensi, sed de totius Galliae deuotione, 70, 6–9 bzw. §7). Damit präsentiert er seine Frage nicht nur als Anliegen eines einzelnen Bischofs, sondern einer ganzen Provinz. Aber auch auf andere Weise schmeichelt er dem Adressaten: die Anerkennung des päpstlichen Führungsanspruchs durch den gallischen Episkopat erfolgt zunächst allgemein, dann dezidiert in Bezug auf dessen Lehre und Dogmen (securus, non dicam de Viennensi, 155 Zum Einsatz brieflicher Kommunikation durch Bischöfe bei Schwierigkeiten s. BAUMKAMP (2014). 156 In ep. 9P = ep. 6MR ist ein entsprechender Glückwunschbrief des Avitus an den Patriarchen von Konstantinopel erhalten. 157 Hierzu s. o. S. 108 zur ignorantia Gallicana. 158 Die Betonung enger Beziehungen zwischen gallischen und römischen Bischöfen wurden im 5. Jahrhundert insbesondere dazu genutzt, um die eigene Autorität in der jeweiligen Heimat zu erhöhen, vgl. M ATHISEN (1989), v. a. xiii–xv.
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sed de totius Galliae deuotione, pollicear omnes super statu fidei uestram captare sententiam, 70, 8f bzw. §7). Avitus stellt sich und die übrigen gallischen Bischöfe also betont in die Kommunion mit Rom und weist Hormisdas die Rolle des Lehrers zu (instruatis).159 Zugleich tritt der Bischof von Vienne jedoch durchaus selbstbewusst auf: er inszeniert sich als Repräsentant aller gallischen Bischöfe und übernimmt die Verantwortung dafür, dass außer denjenigen der Viennensis die anderen ebenfalls von Hormisdas’ Antwort erfahren und diese akzeptieren (fratribus meis, id est Gallicanis,160 70, 7 bzw. §7; securus, non dicam de Viennensi, sed de totius Galliae deuotione, pollicear omnes super statu fidei uestram captare sententiam, 70, 8f bzw. §7). Avitus unterstreicht außerdem, er nehme unter den Bischöfen Galliens eine ähnliche Position ein wie Hormisdas gegenüber dem gallischen Episkopat, schließlich wird er selbst wie dieser von ihnen um Auskunft bezüglich kirchenpolitischer Angelegenheiten gebeten (quid filiis uestris, fratribus meis, id est Gallicanis, si consular, responderi debeat, 70, 7f bzw. §7). Er agiert somit als Metropolit, dessen Macht von seinen Amtskollegen respektiert wird. Seinen Rang macht er zudem an der Wahl des Passivs in responderi debeat deutlich, da er auf diese Weise weniger als Befehlsempfänger erscheint.161 Der Bischof von Vienne schließt sein Schreiben mit einer sorgfältig gestalteten Bitte um das Gebet des Adressaten ab (Orate, ut sic nos perditorum professio fucata non fallat, sicut ab unitate, quam regitis, ueritas comperta non separat, 70, 10f bzw. §8), in der letztlich die zentralen Aspekte der Beziehung zwischen beiden Briefpartnern, insbesondere der Modellierung des Rezipienten, nochmals zum Ausdruck kommen. Die stilistische Ausarbeitung des Anliegens als parallel gebauter Vergleich, der durch Alliterationen (perditorum professio, fucata – fallat) und Antithesen (fucata, fallat – ueritas; unitate – separat) geschmückt wird, kennzeichnet die gesamte Botschaft als Teil eines Briefwechsels zwischen Mitgliedern der Elite. Beide sind katholische Christen, die von den perditi dezidiert abgegrenzt werden. Der Rezipient hat die Führungsposition der einen Kirche inne (unitate, quam regitis) und ist als solcher gleichzeitig Vertreter der Wahrheit (ueritas comperta) und verantwortlich für die Gläubigen, die sich an ihn wenden, der Sender erkennt diese Stellung bescheiden an und betont zugleich seine eigene Verbindung zum Empfänger und seine Rechtgläubigkeit.162 Insgesamt lässt sich Avitus’ Selbstdarstellung folgendermaßen zusammenfassen: er tritt als Vertreter der gallischen Bischöfe und somit als einflussreicher und 159 Zu vergleichbaren Strategien in der Korrespondenz des Caesarius von Arles s. F ERREIRO (2006). 160 S HANZER und W OOD (2002), 129 (Anm. 3) halten id est Gallicanis für eine Glosse, was durchaus möglich ist. Sollte dies der Fall sein, würde sich Avitus’ Selbstmodellierung dadurch aber nicht gravierend ändern, weil er diesen Punkt unmittelbar darauf (nochmals) hervorhebt. 161 Damit remodelliert er letztlich den kirchenorganisatorischen Status quo in Gallien, der eine solche Stellung nicht dem Inhaber des Sitzes von Vienne, sondern dem Bischof von Arles zuteilt. Zu den Streitigkeiten zwischen Arles und Vienne um die Vormacht in Gallien s. o. S. 66ff. 162 Eben die eigene Darstellung als orthodox scheint ein besonderes Ziel vieler gallischer Bischöfe gewesen zu sein, vgl. M ATHISEN (1989), xi.
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an kirchenpolitischen Angelegenheiten interessierter Metropolit auf. Als solcher ist er Teil der einen katholischen Kirche unter der Führung des Bischofs von Rom, dessen Autorität er ausdrücklich anerkennt, den er aber nichtsdestotrotz aufgrund seiner Informationspolitik kritisiert. Indem Avitus sich als Repräsentanten des gallischen Episkopats inszeniert, schreibt er sich selber eine Position zu, die eigentlich Caesarius von Arles innehat. Auf diese Weise versucht er implizit eine Revision des früheren päpstlichen Beschlusses zu erreichen, durch den der Konflikt zwischen Arles und Vienne um die Metropolitangewalt in der Viennensis zugunsten von Arles entschieden wurde. Betrachtet man Sprache und Stil von ep. 41P = ep. 37MR, so fällt auf, dass das Schreiben sorgfältig gestaltet und an vielen Stellen recht dunkel ist. Diese sprachliche Dunkelheit liegt nicht in der Schwierigkeit des Inhalts begründet, sondern an seiner stilistischen Ausarbeitung, beispielsweise an den langen, teils recht komplexen Perioden. Hierdurch wird der Brief als Kommunikation zwischen Mitgliedern der Elite markiert und der Verfasser als rechtmäßiger Teil dieser Gruppe modelliert, der sich durch Bildung, entsprechendes Verhalten und diplomatisches Geschick auszeichnet.163 Wie Avitus’ Selbstdarstellung auf seine Briefpartner wirkte und inwieweit diese sie akzeptierten oder zurückwiesen, kann in der Regel nicht erschlossen werden. Eine Ausnahme bildet jedoch ep. 41P = ep. 37MR, denn in diesem Fall ist das Antwortschreiben, ep. 42P = ep. 38MR, erhalten. Wie bei der sich nun anschließenden Analyse von ep. 42P = ep. 38MR offensichtlich wird, nahm der Empfänger in seinem Schreiben einige Aspekte auf, während er anderen widersprach und das vom Bischof von Vienne gezeichnete Bild auf diese Weise seinen eigenen Vorstellungen und Zielen anpasste.
2.1.3.3 Ep. 42P = ep. 38MR Am Anfang der Botschaft kommentiert der Verfasser zunächst das Gesuch des Adressaten und macht diesem Komplimente (70, 15–28 bzw. §§1–4), anschließend beantwortet er dessen Anfrage und rechtfertigt sein eigenes Schweigen (70, 28–71, 16 bzw. §§5–8). Den Rest der Nachricht (71, 16–72, 26 bzw. §§9–17) nutzt er, um die gallischen Bischöfe zur Standhaftigkeit im Glauben aufzurufen, vor Häretikern zu warnen und zugleich seine eigenen Erfolge im Kampf gegen diese zu verkünden. Hormisdas beginnt seinen Brief mit einer Spitze gegenüber dem Empfänger: er schickt seine Botschaft explizit an Avitus und diejenigen Bischöfe der Viennensis, die ihm untergeordnet sind (Hormisda Avito episcopo vel vniversis episcopis provinciae Viennensis svb tva dioecesi consistentibus, 70, 13f bzw. §1).164 Der Bischof von Vienne wird damit gerade nicht als Vertreter des gallischen Episkopats, nicht einmal als Repräsentant der Bischöfe der Viennensis angesprochen. Sein in ep. 41P = ep. 37MR geäußerter Anspruch, als solcher aufzutreten, wird also ausdrücklich 163 Hierzu s. o. S. 54ff. 164 D. h. die Inhaber der Sitze Genf, Grenoble, Valence und Tarantaise, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 129 (Anm. 4).
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zurückgewiesen und auf diese Weise jeglicher Versuch, den Status quo der Kirchenverwaltung in Gallien auch nur implizit zu ändern, bereits im Keim erstickt. Direkt im Anschluss daran eröffnet der Papst den eigentlichen Brieftext aber mit einem Kompliment an seinen Adressaten: dieser verfüge, was die katholische Lehre angehe, über ein sehr großes Wissen und zeige dadurch, dass er trotzdem noch weiter belehrt werden wolle, seinen Einsatz für Gottes Aufträge (Qui de his quae ad disciplinam catholicam pertinent, maxime sciens, instrui cupit, quid studii circa mandata diuina habeat euidenter ostendit, 70, 15f bzw. §1). Insbesondere Avitus’ Sorge zeuge von seinem rechten Glauben (Non enim potest esse huiusmodi cura, nisi ubi fides fuerit infucata, 70, 16f bzw. §1). Hormisdas greift folglich Avitus’ Selbstdarstellung als katholischer Bischof auf, bekräftigt sie und hebt sie noch deutlicher hervor. Indem er fucata, das der Bischof von Vienne als Charakterisierung für das Bekenntnis der Griechen verwendet hat (in ep. 41P = ep. 37MR, 70, 10 bzw. §8), durch die Vorsilbe ins Gegenteil verkehrt (infucata), setzt er ihn von den Griechen ab und betont seine Rechtgläubigkeit umso stärker, was durch die Alliteration fides fuerit infucata weiter unterstrichen wird. Auch im Folgenden nimmt der Bischof von Rom Bezug auf Avitus’ Brief und seine Ernsthaftigkeit (a sinceritate propositi tui [...] te secundum [...] litteras intuemur et [...] recolere et [...] inquirere, 70, 17–21 bzw. §2). In diesem Kontext stellt er sich und den Rezipienten durch die Anrede dilectissime frater, 70, 18 bzw. §2 auf die gleiche Stufe und erwähnt so nachdrücklich das gute Verhältnis zwischen beiden Briefpartnern.165 Zugleich setzt er beide dezidiert von den Häretikern Eutyches und Nestorius ab und weist auf seine eigenen Aktivitäten und die seiner Vorgänger im Kampf gegen sie hin (de impiis transgressoribus Eutychete atque Nestorio sedis apostolicae constituta recolere et, si quid aduersum eos admonitio nostra promouerit, per quos Orientales ecclesiae confunduntur, inquirere, 70, 19–21 bzw. §2).166 Damit erscheinen Sender und Empfänger als Mitglieder einer rechtgläubigen Gemeinschaft,167 in der der Adressat die Bemühungen des Adressanten anerkannt hat und weiterhin anerkennt. In dieser Hinsicht nimmt Hormisdas das von Avitus in ep. 41P = ep. 37MR gezeichnete Bild auf und bestätigt es. Erst nachdem Hormisdas dem Bischof von Vienne gegenüber seine Wertschätzung derart ausführlich zum Ausdruck gebracht hat,168 kommt er auf dessen Klage zu sprechen und versichert, er hätte es ihn natürlich wissen lassen, wenn etwas ge165 Ebenso verfährt er zu Beginn des zweiten Briefabschnitts, indem er dort den Adressaten wiederum mit dilectissime frater, 71, 16f bzw. §9 anspricht. 166 In Digna plane sollicitudo fidelibus, ut de miserorum lapsibus ingemescant et ipsi ne aliena polluantur contagione prouideant, 70, 22f bzw. §3 grenzt der Verfasser den Rezipienten ebenfalls von den Irrgläubigen ab. 167 Auch gegen Ende des Briefs bekräftigt der Bischof von Rom die Verbindung zum Adressaten, die u. a. im Wissen um die Verurteilung des Eutyches und Nestorius besteht, wenn er schreibt sicut uos quoque conscientiam uestram non latere testamini, nouimus Eutychetem atque Nestorium [...] damnatos, 72, 19–21 bzw. §16. Die betreffenden Männer wurden auf den Konzilien von Chalcedon 431 bzw. Ephesos 451 verurteilt, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 210 (Anm. 446). 168 R ANALLI (1995), 34 hebt die Herzlichkeit, mit der sich beide Briefpartner gegenseitig behandeln, hervor und schließt daraus, dass sich die Kontakte zwischen beiden nicht auf den er-
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schehen wäre (Sed ne nos quidem hoc supersedisse credatis, ut ad notitiam uestram, si quid actum fuisset, competens perferret instructio, 70, 23f bzw. §3). Indem der Bischof von Rom in diesem Zusammenhang Formulierungen des Avitus wieder aufgreift (instruitis; ad notitiam [...] nostram, ep. 41P = ep. 37MR, 69, 16. 18 bzw. §2f), zeigt er, dass er dessen Anliegen ernst nimmt und möglicherweise sogar selber der Ansicht ist, er sei seiner Pflicht nicht ganz nachgekommen. In jedem Fall möchte er sein Schweigen, das Avitus beleidigt hat, nun zumindest kurz erklären (uerum breuiter silentium nostrum, quo dilectio mordetur uestra, purgamus, 70, 25 bzw. §3), wobei er auch hier in dilectio uestra die gute Beziehung beider Briefpartner hervorhebt. Durch diese Höflichkeit gegenüber dem Rezipienten stellt der Verfasser beide als Mitglieder der Eliten dar, die sich durch einen entsprechenden Umgang miteinander auszeichnen,169 und bekräftigt so Avitus’ Modellierung beider Parteien im vorhergehenden Schreiben. Dieses Porträt wird im Anschluss noch weiter ausgeführt, indem Hormisdas seine seltenen Briefe nach Gallien, die dem epistolaren Verhaltenscode gemäß zu Recht als Beleidigung aufgefasst werden konnten,170 in ein Kompliment an den Adressaten umwandelt: er habe vollstes Vertrauen in dessen Glauben (de conscientiae uestrae et fidei stabilitate confidimus, 70, 26f bzw. §4). Zusätzlich verstärkt wird diese Begründung durch die Verwendung von nostra admonitio, die zuvor gegen die Häresien des Ostens eingesetzt wurde (70, 20f bzw. §2). Nur um Zweifelnde müsse der Papst sich sorgen, bei den Vollkommenen genüge es, hin und wieder zu meidende Irrlehren ins Gedächtnis zu rufen (Sollicitudo impendenda fortasse sit dubiis, satis est uitanda indicasse perfectis, 70, 27f bzw. §4). Der Bischof von Rom rechtfertigt also sein eigenes (Nicht-)Handeln mit dem Verhalten des Vienners und hebt durch die etymologische Spielerei fidei – confidimus und die betonte Endstellung der Antithese dubiis – perfectis innerhalb der jeweiligen Kola zudem die Bildung der beiden Briefpartner hervor. Dann kommt der Papst auf die von Avitus erwähnte Gesandtschaft nach Konstantinopel zu sprechen (Legationis uero nostrae, 70, 28 bzw. §5) und korrigiert dabei explizit ein Detail von dessen Anfrage: es handle sich nicht um eine zweite, sondern um die erste Gesandtschaft (quam semel – non secundo, sicut scribitis – misimus, 70, 28 bzw. §5).171 Damit präsentiert er den Bischof von Vienne als weniger gut informiert, als dieser sich in ep. 41P = ep. 37MR selbst dargestellt hat. Gleichzeitig streicht er seine eigene Überlegenheit heraus, da er so direkt auf den Fehler
haltenen Briefwechsel beschränkten. Obwohl das durchaus wahrscheinlich ist, halte ich diese Folgerung nicht für zwingend notwendig, da eine solche Freundlichkeit von vornherein Teil des epistolaren Verhaltenscodes war, unabhängig davon, wie eng die Beziehung zwischen Sender und Empfänger war und wie häufig sie sich schrieben. 169 Hierzu s. o. S. 54ff. 170 Hierzu s. o. S. 54ff. 171 Er bezieht sich auf die erste Mission, an der Ennodius beteiligt war; allerdings hatte Hormisdas bereits früher Boten nach Konstantinopel geschickt, womit man Avitus’ Zählung sicherlich begründen konnte, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 128 (Anm. 3).
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seines Gegenübers eingeht. Folglich reagiert er auf die wohl berechtigte172 Kritik des Adressaten mit einer Gegenkritik, um den Rangunterschied zwischen beiden trotzdem möglichst zu erhalten. Hormisdas erwähnt nachdrücklich, er wisse, was recht und billig sei (scientes hoc rationi, hoc nostro proposito conuenire, 70, 30 bzw. §5) – diese Emphase kommt insbesondere durch die Anapher hoc und den Parallelismus zum Ausdruck – und hätte deswegen natürlich entsprechende Informationen weitergegeben, wenn die Teilnehmer der Mission erfolgreich zurückgekehrt wären, da er ja im Vorfeld schon seine Sorge mitgeteilt habe (si uotiuus contigisset euentus, alacres ilico uobiscum fueramus desiderata partiti [...] ut quos participes sollicitudinis fecimus, cum his redintegratae unitatis gaudia iungeremus, 70, 29–71, 1 bzw. §5). Implizit wird dabei ein weiterer Grund offensichtlich, warum keine Briefe nach Vienne geschickt wurden: da das Schisma noch nicht beendet werden konnte, konnte auch keine Erfolgsmeldung versandt werden. Hätte Hormisdas eine Nachricht verfasst, so hätte er damit das Scheitern der Mission zugeben müssen, was seinem Ansehen und der Durchsetzung des römischen Primatsanspruchs173 im Westen nicht unbedingt zuträglich gewesen wäre. Ein Ende der Kirchenspaltung hätte dagegen eine gewaltige Steigerung seiner Autorität mit sich gebracht und wäre daher unmittelbar kommuniziert worden (alacres ilico uobiscum fueramus desiderata partiti, 70, 29 bzw. §5). Die sorgfältige stilistische Gestaltung der Passage, die sich etwa in der Wortstellung und der Verwendung von Begriffen aus dem Bereich Teilung – Verbindung (partiti; participes; redintegratae unitatis; iungeremus) zeigt, stärkt freilich sein Prestige als Mitglied der gebildeten Elite, in die er auch den Adressaten einschließt.174 Einem ähnlichen Zweck dient die sich anschließende Schilderung des Verhaltens, das die Griechen an den Tag legten (Sed quantum ad Graecos, 71, 1 bzw. §6). In einem elaborierten Quadrikolon beklagt Hormisdas sich darüber, dass diese zwar viele schöne Worte machten, ihnen aber keine Taten folgen ließen (ore potius praeferunt pacis uota quam pectore et loquuntur magis iusta quam faciunt: uerbis uelle se iactant quod operibus nolle declarant; quae fuerint professi non diligunt, quae damnauerint haec sequuntur, 71, 2–4 bzw. §6).175 In den ersten beiden Gliedern 172 Hätte er einen Brief geschickt, hätte er etwa auf Probleme bei der Zustellung, wie sie häufig vorkamen, verweisen können. Auf den Verlust eines Schreibens, den Sender und Empfänger gleichermaßen bedauern, geht der Bischof von Vienne beispielsweise in ep. 38P = ep. 34MR ein. 173 Eben dieser war ein Grund, warum das Schisma mit Konstantinopel nicht früher beendet werden konnte, vgl. B LAUDEAU (2007), 77–79; KÖTTER (2013), 144–169; 194–198. Zur Entwicklung des Verhältnisses zwischen Rom und Konstantinopel während und nach Ende des Akakianischen Schismas s. B LAUDEAU (2012). 174 S. hierzu S CHWITTER (2015), 80–93; 213–236 sowie oben S. 50ff. Auch die Schilderung der Unzuverlässigkeit der Griechen (71, 1–12 bzw. §6f) und des Scheiterns der Mission nach Konstantinopel in ziemlich dunkler Sprache hat dieses Ziel. 175 Fast dasselbe wirft Jesus in Mt 23, 4 den Pharisäern und Schriftgelehrten vor (dicunt enim et non faciunt). Falls der Verfasser auf diese Stelle anspielen will, weist er den Griechen die Rolle der Pharisäer, vor allem aber sich selbst die Rolle Jesu zu und festigt auf diese Weise seine Autorität.
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des Quadrikolons stehen die zentralen Antithesen jeweils an Anfang und Schluss der Aussage, die übrigen beiden Kola sind parallel gebaut; zusätzlich entfaltet der Abschnitt etwa durch die p-Alliteration und weitere Assonanzen eine besondere klangliche Wirkung.176 Außerdem wird das Handeln der Griechen nicht nur berichtet, sondern durch die auffallende sprachlich-stilistische Ausarbeitung in den Vordergrund gerückt. Damit weist der Papst die Schuld am Scheitern der römischen Gesandtschaft nach Konstantinopel ganz der Gegenseite zu. Auch an dieser Stelle nimmt er folglich Avitus’ Modellierung der Beteiligten, wie dieser sie in ep. 41P = ep. 37MR gestaltet hat, auf und verstärkt sie weiter. Warum die Griechen für das Fehlschlagen der Verhandlungen verantwortlich sind, wird im Folgenden in Form einer langen und komplexen Periode weiter ausgeführt: allein ihre bereits erwähnte Unaufrichtigkeit könne der Grund dafür sein, dass diese entgegen ihren Versprechungen eine nur aus Laien bestehende Delegation177 nach Rom geschickt hätten (Nam unde est quod, cum [...] sacerdotales uiros [...] directuros se esse promisissent [...] laicos et alienos ab ecclesiastico corpore destinantes..., 71, 4–10 bzw. §7). Hormisdas’ Entrüstung darüber wird etwa in der Formulierung der Periode als indirekte Frage und dem wiederholten non offensichtlich. Er berichtet zudem, die Griechen seien eigentlich auf seine Forderungen, die zu ihrer Bekehrung nötig gewesen seien, eingegangen (ad confirmanda ea, quae sedes apostolica poposcerat, 71, 5f bzw. §7; multa quoque quae ad correctionem prauitatis suae a nobis quaesita fuerant pollicentes, 71, 6f bzw. §7).178 Hierdurch präsentiert er sich als rechtgläubiger und um ihr Seelenheil bemühter Bischof, dessen Bemühungen jedoch von ihnen konterkariert werden. Somit erscheint er für deren Misslingen nicht verantwortlich. Darüber hinaus betont er die Trennung zwischen den Katholiken, die über die richtige Lehre verfügten, und den anderen, die nicht nur häretisch seien, sondern zudem versuchten, die Katholiken ebenfalls vom rechten Glauben abzubringen, umso stärker (non se quondam studuerunt de caeno, quo immersi tenentur, euoluere, uerum etiam catholicae fidei claritate fulgentes sua (quod absit) se posse crediderunt societate fuscare, 71, 10–12 bzw. §7).179 Der 176 In diese Richtung deuten auch die möglichen Reminiszenzen an Aussagen Medeas bei Ovid (Met. 7, 20f) und Röm 7, 19, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 210 (Anm. 433). Die fides Graeca war in der Antike sprichwörtlich, der Topos, die Griechen zeichneten sich eher durch Worte als durch Taten bzw. Tapferkeit aus und seien überhaupt unzuverlässig und schmeichlerisch, weit verbreitet, vgl. D UBUISSON (1991), 317. 177 Als Gesandte aus Konstantinopel fungierten Theopompus und Severianus, zwei viri illustres, die hohe politische Ämter innehatten, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 131 (Anm. 1) und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 210 (Anm. 434). 178 Auch wenn der Papst nicht persönlich mit ihnen in Kontakt stand, ergibt sich deren Verpflichtung ihm gegenüber durch die Vermittlung des Ennodius, was er durch das Herausstellen der engen Beziehung und der Gleichrangigkeit zwischen Papst und Gesandtem (per Ennodium fratrem et coepiscopum nostrum, 71, 4f bzw. §7) deutlich macht. 179 Übrigens beklagte bereits Papst Gelasius den Umstand, dass die Griechen voller Häresien seien, vgl. W IRBELAUER (1993), 43. Die Dreckmetapher allgemein ist in der Polemik gegen Häretiker verbreitet; speziell der Begriff caenum findet sich insbesondere bei Ambrosius, vgl. O PELT (1980), 235.
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Bischof von Rom greift hier folglich Avitus’ Darstellung auf und füllt eine ihrer Leerstellen, nach der der Bischof von Vienne explizit gefragt hat, konsistent auf. Im Folgenden leitet Hormisdas den Abschluss der Rechtfertigung, warum er keinen Brief geschrieben habe, mit Haec fuit nostri causa silentii, 71, 12 bzw. §8 ein, und fasst seine Gründe nochmals kurz zusammen. In seiner an der Oberfläche höflichen Formulierung klingt dabei leise Kritik an Avitus an: der Bischof von Vienne habe die Ursache aufgrund seiner Klugheit ohnehin schon geahnt (quam uos quoque spiritali uobis prudentia reuelante uidistis, 71, 12f bzw. §8); außerdem habe der Papst angesichts der Verstocktheit der Gegenpartei nichts zu berichten gehabt (Quid enim de hac causa poteram directis litteris indicare, quam in statu suo uidebam duram pertinaciter custodire perfidiam, 71, 13–15 bzw. §8).180 Hätte es dagegen etwas Neues gegeben, wäre natürlich eine Mitteilung nötig geworden (Noui exitus sollicite diligentiam relationis inquirant, 71, 15 bzw. §8) – aber nichts über bereits Bekanntes zu melden genüge vollkommen, um sein Gegenüber wissen zu lassen, dass alles beim Alten sei (qui de rebus cognitis nihil indicat, abunde in statu suo manere priora declarat, 71, 15f bzw. §8). Seine Verstimmung über Avitus’ Vorwurf bringt Hormisdas dabei auf zwei Arten zum Ausdruck: zum einen nimmt er das Wort, das dieser in seiner Kritik gebraucht (indicastis; indicat, ep. 41P = ep. 37MR, 69, 22. 70, 3 bzw. §4f) wieder auf (indicare; indicat, 71, 14. 16 bzw. §8),181 zum anderen wendet er ein typisches Motiv des Freundschaftsbriefs, nämlich die Versendung eines Schreibens trotz nicht vorhandener Nachrichten,182 geradezu in sein Gegenteil. Etwas abgeschwächt wird dies allein durch die Formulierung als allgemeine Aussage ohne direkten Bezug zum Verfasser. Indem der Bischof von Rom seine Verärgerung auf diese Weise zeigt, inszeniert er sich als gebildetes Mitglied der Eliten, das auch negative Emotionen höflich und elaboriert äußern kann.183 Anschließend wechselt Hormisdas das Thema und leitet zu einem zweiten Abschnitt seines Schreibens über: da sie nun einmal da sei, nutze er die Gelegenheit, um den Bischof von Vienne und durch ihn dessen gallische Amtskollegen zu ermahnen, standhaft im katholischen Glauben zu bleiben (Quapropter, dilectissime frater, et uos praesentibus hortamur alloquiis et per uos quoque, quia occasio data est, alios per Gallias, quos fides eadem nobiscum amplectitur, admonemus, 71, 16–19 bzw. §9). An dieser Stelle präsentiert sich der Papst einerseits als Lehrer und Mahner184 (hortamur; admonemus), andererseits betont er die enge Verbindung, 180 Diesen Umstand formuliert er als indirekte Frage und suggeriert auf diese Weise geschickt die Alternativlosigkeit seines Verhaltens in der betreffenden Situation. 181 Vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 210 (Anm. 435). 182 So schreibt beispielsweise schon Cicero an Atticus nil est quod scribam; nam nec quid mandem habeo [...] nec quid narrem [...] nec iocandi locus est (Att. 5, 5, 1), vgl. T HRAEDE (1970), 34. 183 Man vergleiche dies mit einem Briefwechsel zwischen Avitus und dem vir illustris Heraclius, epp. 95fP = epp. 90fMR, in dem sich beide in sorgfältig gestalteten Worten gegenseitig beleidigen. 184 Damit erfüllt er eine der typischen Aufgaben eines Bischofs, s. o. S. 58ff. Seine Aufforderungen bringt Hormisdas im Anschluss in promissam et amabilem Deo fidei seruate constantiam et transgressorum societate declinata..., 71, 19f bzw. §9 vor, wobei er den Imperativ verwendet (seruate; exhibete; cauete, 71, 19. 21 bzw. §9).
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die zwischen beiden Briefpartnern aufgrund gegenseitiger Wertschätzung (dilectissime frater, 71, 16f bzw. §9) und zwischen den Bischöfen von Rom und Gallien aufgrund des gemeinsamen Glaubens (quos fides eadem nobiscum amplectitur, 71, 18 bzw. §9) bestehe. Außerdem fällt auf, dass Hormisdas hier Avitus’ Anspruch als Vertreter des gallischen Episkopats weitgehend akzeptiert, indem er sich durch ihn an andere gallische Bischöfe wendet. Allerdings ist dabei nicht von allen Amtsinhabern der Provinz die Rede, und davon abgesehen ist diese Anerkennung zudem nützlich für die Selbstdarstellung des Papstes, tritt er hier doch als Mentor nicht nur eines einzelnen Oberhirten auf, sondern einer ganzen Gruppe von Bischöfen. Seinen Aufruf bekräftigt der Bischof von Rom durch eine dem zweiten Korintherbrief entnommene Metapher samt zugehörigem Vergleich (uni uiro uirginem castam, sicut spopondistis, exhibete Christo et cauete ne sicut serpens Euam seduxit astutia sua, ita sensus aliquorum corrumpantur a simplicitate et castitate quae est in Christo Iesu, 71, 20–23 bzw. §9; vgl. 2 Kor 11, 2f).185 Durch das Bibelzitat weist er auf seine eigene christliche Bildung und genauso auf die des bzw. der Rezipienten hin und zeichnet so alle Beteiligten als Mitglieder einer christlichen Bildungsgemeinschaft.186 Zudem untermauert der Bezug auf die Heilige Schrift seine eigene Autorität, denn seine Mahnungen werden auf diese Weise auch biblisch begründet und gerechtfertigt.187 Nichtsdestotrotz will der Adressant der ignorantia Gallicana (vgl. ep. 40P = ep. 36MR, 68, 29 bzw. §2) abhelfen und berichtet daher über die Situation in Thrakien, Illyrien und Dardanien (plures Thracum..., 71, 33 bzw. §12; Dardania et Illyricus..., 72, 2 bzw. §12). Dabei tritt er in der Rolle des Lehrer und Informanten auf (Vt autem quae sint partium earum studia possitis agnoscere, 71, 32f bzw. §12), der seine Schilderungen durch Erläuterungen ergänzt (Dardania et Illyricus, uicina Pannoniae, 72, 2 bzw. §12; Epiri metropolitanus, hoc est Nicopolitanus episcopus, 72, 5f bzw. §12) und sie so noch verständlicher macht. Diese Nachrichten, die dem Adressaten, dem hier dezidiert die Rolle des Schülers zugewiesen wurde, zumindest teilweise schon bekannt sind,188 heben Einfluss und Macht des Bischofs von Rom hervor:189 Die Oberhirten der erwähnten Gebiete haben sich dezidiert in die Ge185 Dieselbe Bibelstelle verwendet Avitus in einem vergleichbaren Kontext, wenn er in ep. 7P = ep. 4MR begründet, warum Katholiken homöische Kirchen, deren Eigentümer konvertiert sind, nicht benutzen dürften. 186 Dieses Bild wird auch im Folgenden (71, 23–29 bzw. §10) in Form einer Anspielung auf den ersten Petrusbrief und in der sorgsamen sprachlichen Gestaltung fortgeführt, zu der etwa die Lichtmetaphorik, Antithesen und klangliche Elemente gehören. 187 Möglicherweise kommt in diesem Kontext sogar dem Umstand, dass es sich um ein Pauluszitat handelt, besondere Bedeutung zu, da dieser Apostel bereits eng mit Rom verknüpft war und somit als Argument für den römischen Primat innerhalb der Kirche eingesetzt werden konnte. Natürlich wurde vor allem Petrus entsprechend funktionalisiert, jedoch wurde auch Paulus in den betreffenden Diskursen immer wieder erwähnt, vgl. D EMACOPOULOS (2013), 35f; 67. 188 In ep. 41P = ep. 37MR erwähnt er, Dardanien, Illyrien und Scythien hätten die Gemeinschaft mit Rom erklärt, vgl. 69, 14–16 bzw. §2. 189 Bereits Papst Gelasius schickte mehrere Briefe nach Dardanien und Illyrien und versuchte, sie auf die Seite Roms zu bringen. Diese Provinzen waren deswegen wichtig, weil sie sich ei-
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
meinschaft mit Rom gestellt und den Vorrang des Papstes sogar soweit anerkannt, dass sie ihn um die Ernennung von Bischöfen gebeten haben (plures Thracum [...] in nostra tamen communione persistunt, 71, 33–72, 1 bzw. §12; Dardania et Illyricus [...] a nobis [...] ut sibi episcopi ordinarentur expetiit, 72, 2f bzw. §12; Epiri metropolitanus [...] ad apostolicam communionem190 deprompta, 72, 5–7 bzw. §12). Darüber hinaus bestätigt er das Bild als Leiter der katholischen Kirche, das Avitus in ep. 41P = ep. 37MR von ihm gezeichnet hat, indem er betont, dass sein Ansehen über Gallien hinaus im östlichen Teil des römischen Reiches respektiert wird. In Bezug auf das Schreiben des Bischofs von Vienne kommt den Darlegungen aber noch eine weitere Funktion zu: Avitus hatte kritisiert, über das Ergebnis der päpstlichen Gesandtschaft nach Konstantinopel keine Informationen bekommen zu haben (ep. 41P = ep. 37MR, 69, 19–70, 4 bzw. §4f). Durch den Bericht des Status quo kann der Papst sich gegen ähnliche Vorwürfe absichern. Zudem zeigt er sich als fürsorglich und stets in der Lage, situationsangemessen zu handeln, schließlich hat er die verlangten Bischofsernennungen, wo nötig, schon durchgeführt (quod iam fecimus, ubi necessarium fuit, 72, 2f bzw. §12). Da der Empfänger nicht explizit nach den genannten Informationen gefragt hat, muss der Verfasser begründen, warum er sie eingefügt hat (Quae ideo scriptis aestimauimus indenda praesentibus, 72, 7f bzw. §13). Er führt zwei Motive an, die gemeinsame Trauer um die Verlorenen sowie die gemeinsame Freude über die Geretteten (ut sicut sortem nos conuenit dolere pereuntium, ita laetemur pariter de salute remeantium, 72, 8f bzw. §13) und die Unterweisung der weiter entfernt lebenden Gläubigen, welche Häresien zu vermeiden seien (ut fideles constituti ab eis longius instruantur, qua uirus eorum sollicitudine debeat effugi, quos et a suis uideant tam iusta detestatione uitari, 72, 9–11 bzw. §13). In beiden Argumenten nimmt er auf Avitus’ Schreiben Bezug, der in ähnlichen Worten den Inhalt eines früheren päpstlichen Briefs charakterisiert hat (ep. 41P = ep. 37MR, 14–16 bzw. §2). Damit weist er seine Botschaft als typisches Schreiben eines Papstes aus und hebt so hervor, dass er den Aufgaben, die sein Amt mit sich bringe, durchaus nachkomme.191 Insbesondere betont er im erstgenannten Punkt die Gemeinschaft der beiden Briefpartner, die sich aus deren rechten Glauben in Abgrenzung zu den Häretikern
nerseits jahrhundertelang loyal gegenüber Rom gezeigt hatten, andererseits eine örtliche Nähe zum oströmischen Reich aufwiesen, vgl. D EMACOPOULOS (2013), 95. Zusätzlich charakterisiert Hormisdas hier die Einwohner der betreffenden Provinzen als herausragende Christen: Die Thraker beispielsweise werden verfolgt, bleiben aber standhaft (plures Thracum, licet persequentium incursibus atterantur, [...] persistunt, scientes fieri fidem per aduersa clariorem, 71, 33–72, 2 bzw. §12). 190 Auch an dieser Stelle verbindet Hormisdas Rom dezidiert mit den Aposteln, ebenso wie Avitus dies getan hat. 191 Auf diese Weise wird er den Anforderungen an einen Oberhirten in besonderem Maße gerecht, s. o. S. 59ff.
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ergibt.192 Im zweitgenannten Aspekt präsentiert er sich als fürsorglicher Lehrer, der sich vor allem um das Heil der Gläubigen kümmert. Nachdem Hormisdas angekündigt hat, eine weitere Gesandtschaft in den Osten zu schicken (nos [...] necesse est eos repetitae legationis officio conuenire, 72, 11f bzw. §14), beendet er – ähnlich wie Avitus ep. 41P = ep. 37MR (70, 10f bzw. §8) – sein Schreiben mit der Bitte um das Gebet des Adressaten (Vos orate et nobiscum ad Deum preces et uota coniungite, 72, 15f bzw. §15). Indem er dabei seine eigenen Mühen für den katholischen Glauben hervorhebt, zu denen unter anderem der Versuch, die gallischen Christen vor den Häresien zu schützen, gehört (nostra actio laborans pro catholicae fidei stabilitate promoueat immaculatos uos et integros ab omni transgressorum societate seruantes, 72, 17f bzw. §15), verbindet er den Inhalt des Gebets und seiner Bemühungen letztlich mit einer Verhaltensanweisung, die eben dadurch besondere Autorität erhält und zwingend ausgeführt werden muss. Auf diese Weise tritt er als frommer und verantwortungsbewusster Oberhirte auf, der bei der Verteidigung des Glaubens und der Gläubigen vollen Einsatz zeigt. Für Hormisdas gibt es hierbei zwei Alternativen, um die er betet: die Umkehr der Häretiker und damit die Wiederherstellung der Einheit (ut aut cum correctis sensus et corda iungamus, 72, 18f bzw. §15)193 oder zumindest die unversehrte Bewahrung des katholischen Glaubens und der Gläubigen (aut ab eorum uenenis intacti esse mereamur, 72, 19 bzw. §15). Insbesondere die zweite Alternative, eine recht strikte Trennung, begründet der Papst daraufhin unter Verwendung einer rhetorischen Frage und eines Pauluszitats: keiner könne sich mit verurteilten Häretikern in Kommunion befinden, da zwischen Christus und Belial keine Gemeinschaft bestehen könne (quemadmodum salui esse poterimus, si eorum [i.e. Nestorii uel Eutychetis] sectatoribus ac posteris qualibet parte haereamus, cum Belial cum Christo nostro portionem habere non possit, 72, 21–23 bzw. §16).194 Dabei identifiziert er die Autorität der Apostel, also diejenige Roms, mit der katholischen Kirche als Ganze (apostolicae id est catholicae sententiae auctoritate, 72, 21 bzw. §16). Auf diese Weise betont er den Führungsanspruch des Bischofs von Rom innerhalb der Kirche, wobei er ein weiteres Mal Avitus’ Anerkennung dieser Forderung zustimmt. In eben dieser Rolle als Oberhirte der katholischen Kirche kündigt Hormisdas an, dem Bischof von Vienne einige Dokumente mitzusenden, aus denen dieser sich über Verhandlungen mit den Einwohnern von Dardanien und Nicopolis informieren könne (ea, quae apud nos a Nicopolitanis uel Dardanis acta sunt, uel quo in communionem ordine sint recepti, uobis nota faceremus ipsarum lectione chartarum, 72, 24–26 bzw. §17). Dies tut er aus dem Bestreben heraus, den Rezipienten zu informieren und zu unterweisen (Instructionis autem uestrae interesse credidimus, 192 Gerade dieses Argument wird sorgfältig gestaltet durch die Formulierung als Vergleich, die Antithesen dolere – laetemur und die klangliche Ähnlichkeit von pereuntium und remeantium, die durch die Stellung besonders zur Geltung kommt. 193 Dies wird durch Begriffe aus dem Bereich ,verbinden‘ und die Wiederholung von cum bzw. con- auch sprachlich ausgedrückt. 194 Die zitierte Bibelstelle ist 2 Kor 6, 15.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
72, 23f bzw. §17) und versichert sich so schon im Vorhinein gegen weitere Vorwürfe von dessen Seite, nur unzureichend unterrichtet worden zu sein. Am Ende des Schreibens weist der Papst folglich dezidiert auf eine der wichtigsten und ursprünglichsten Funktionen von Briefen hin, die Übermittlung von Nachrichten,195 die diese Mitteilung (unter anderem) erfüllen soll. Er bezieht den Rezipienten einerseits in die Belange der Kirche mit ein, stellt aber andererseits die hierarchischen Verhältnisse nochmals klar heraus.
2.1.3.4 Vergleichende Schlussbetrachtung Die meisten Aspekte, die ihm durch Avitus’ Schreiben angeboten werden, greift Hormisdas auf. Wie der Vienner markiert er seinen Brief als typischen Teil einer Kommunikation zwischen zwei Mitgliedern der Eliten, was in diesem Fall heißt, dass beide sowohl als Bischöfe einen hohen Rang innerhalb der Kirche bekleiden als auch aus adligen Familien stammen, also über eine ihrer Herkunft entsprechende Ausbildung verfügen. Diese Kennzeichnung erfolgt sprachlich etwa durch eine komplizierte, in einigen Passagen recht obskure Ausdrucksweise und eine stellenweise sehr sorgfältige Stilisierung. Darüber hinaus spricht der Papst seinen Adressaten im Großen und Ganzen höflich an, was ihn jedoch nicht daran hindert, einige Spitzen gegen ihn einzubauen. Diese beziehen sich vor allem auf die Selbstdarstellung des Bischofs von Vienne in ep. 41P = ep. 37MR. Dort hat sich dieser als Vertreter des gallischen Episkopats präsentiert, der sich mit der Bitte um Information für sich und seine Amtsbrüder nach Rom wendet. Eben diese Rolle akzeptiert Hormisdas nur eingeschränkt: bereits in der Adresszeile weist er ihm entsprechende Gewalt lediglich über einige Städte zu, nicht über die Viennensis oder gar ganz Gallien. Allein in dem Moment, in dem der Rezipient eine Nachricht des Papstes an andere gallische Bischöfe weiterleiten soll, darf er als Mittelsmann fungieren, denn auf diese Weise kann Hormisdas seine Autorität besonders hervorheben. Außerdem korrigiert er betont eine Aussage des Adressaten und zeichnet diesen damit als weniger informiert, als der sich selber inszeniert hat. Dies geschieht freilich genau dann, wenn er auf die Kritik eingeht, die Avitus an seinem Verhalten geäußert hat. In den meisten Punkten übernimmt der Adressant aber die Modellierung beider Briefpartner, die der Adressat vorgenommen hat. Innerhalb der katholischen Kirche beansprucht er dezidiert den ersten Rang und handelt als ihr Vertreter,196 sorgt sich um den rechten Glauben der Menschen und die Bekehrung der Häretiker, bemüht sich um eine Beendigung des Schismas und hält letztlich alle Fäden in der Hand. Genau so hat ihn der Bischof von Vienne porträtiert, freilich nicht in dem Maße und derart ausdifferenziert, wie er selbst es tut. Avitus erscheint hier, ähnlich wie in seinem eigenen Brief, als rechtgläubiger katholischer Bischof, der um die Reinheit der Glaubenslehren bemüht und an kirchenpolitischen Vorgängen interessiert ist. Damit sind Sender und Empfänger Teil einer Gemeinschaft, die sich auf den 195 Hierzu s. o. S. 20. 196 Seine Autorität bekräftigt er zudem durch die geschickte Verwendung biblischer Zitate.
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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wahren Glauben beruft und sich gegen Häretiker abgrenzt. Trotzdem besteht zwischen beiden ein Rangunterschied, der einerseits darin deutlich wird, dass der eine den Part des Lehrers bzw. Informanten, der andere den des Schülers bzw. Informierten übernimmt, und sich andererseits in ihren Stellungen als Leiter der Kirche und als einer der Bischöfe zeigt.197 Gerade die implizite Betonung des Unterschieds und die Nicht-Anerkennung von Avitus’ Anspruch, als Vertreter Galliens zu sprechen, waren möglicherweise der Grund, warum epp. 41fP = epp. 37fMR nicht in die ursprüngliche, in Vienne angelegte avitanische Briefsammlung aufgenommen wurden.198
2.1.3.5 Exkurs: Ein kurzer Vergleich mit weiteren Briefen des Avitus im Kontext des Akakianischen Schismas Im Zusammenhang mit dem Akakianischen Schisma sind abgesehen von ep. 41P = ep. 37MR noch weitere Schreiben des Bischofs von Vienne erhalten, mittels derer er sich um Informationen bemühte. In ep. 39P = ep. 35MR bittet er den vir illustris Senarius, sich für eine Weiterleitung seines Informationsgesuchs an den Papst einzusetzen, in ep. 40P = ep. 36MR fragt er Bischof Petrus von Ravenna in derselben Angelegenheit nach Auskunft für den Fall, dass er keine Antwort des Papstes erhalte. Vergleicht man Avitus’ Auftreten in diesen beiden Briefen mit seiner Selbstinszenierung in ep. 41P = ep. 37MR, werden einige Unterschiede deutlich. In allen drei Botschaften präsentiert er sich als Vertreter der Bischöfe einer gesamten Provinz. In ep. 39P = ep. 35MR nennt er dabei nur die Viennensis, ohne sich auf ganz Gallien zu beziehen, wie er es in den anderen beiden Briefen tut. Dass die betreffenden Oberhirten ihn um Rat fragten, erwähnt er dagegen in ep. 39P = ep. 35MR (68, 9f bzw. §3) und ep. 41P = ep. 37MR, nicht aber in ep. 40P = ep. 36MR. Für diese Unterschiede sind mehrere Gründe denkbar. Zunächst ist der Rezipient von ep. 39P = ep. 35MR, Senarius, ein Laie, die anderen beiden sind einflussreiche Bischöfe. Gerade gegenüber letzteren ist die Demonstration der eigenen Autorität innerhalb der Kirche sicherlich ein zentraler Aspekt der eigenen Selbstdarstellung, während dies vor einem Laien möglicherweise weniger wichtig erschien. Eine weitere Ursache könnte im Zweck der Botschaften liegen. Senarius wird „nur“ gebeten, dafür zu sorgen, dass ein Brief seinen Adressaten erreicht, die anderen beiden Empfänger werden explizit um Auskunft ersucht. Für jemanden, der Informationen weitergeben soll, ist es natürlich umso schmeichelhafter, wenn diese für einen möglichst großen Adressatenkreis (ganz Gallien) bestimmt sind, als wenn sie nur für eine einzelne Provinz (die Viennensis) gedacht sind. Auch in ihrer sprachlichen Gestaltung sind die Schreiben verschieden. Alle drei sind recht sorgfältig durchstilisiert, ep. 41P = ep. 37MR allerdings in höherem Maße als die beiden anderen. Ähnliches lässt sich in Bezug auf ihre Obscuritas konstatie197 In der Kommunikation zwischen Avitus und Victorius hingegen wird der Hierarchieunterschied von Avitus sehr viel weniger herausgestellt als Hormisdas dies tut. S. hierzu oben, S. 84f. 198 Hierzu s. u. S. 202.
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ren. Möglicherweise können diese Beobachtungen dadurch erklärt werden, dass alle Briefe den epistolaren Codes genügen mussten und somit den Adressaten, Mitgliedern der Elite, entsprechend angemessen ausgearbeitet werden mussten. Als bedeutendster der drei Empfänger erhält Papst Hormisdas folglich den in sprachlicher Hinsicht dunkelsten Brief — offensichtlich hatte Avitus das Bedürfnis, ihm einerseits besonders zu schmeicheln und sich ihm andererseits in Bezug auf seine Bildung und seinen Status als Mitglied der Eliten als (beinahe) gleichrangig zu präsentieren.
2.1.4 Fazit: Selbstdarstellung gegenüber Bischöfen und anderen kirchlichen Würdenträgern In den Stücken, die in die Sammlung aufgenommen wurden, lässt sich Avitus’ epistolare Selbstinszenierung gegenüber Bischöfen und anderen hohen Klerikern auf mehrere Kernaspekte konzentrieren. Der erste dieser Hauptpunkte ist Avitus’ Auftreten als hochgebildetes Mitglied einer Elite, die sich gerade durch übereinstimmende Bildung auszeichnet und der der Adressat des jeweiligen Briefs ebenfalls angehört. Dies zeigt sich zunächst allgemein darin, dass der Bischof von Vienne seine Schreiben sprachlich und stilistisch sorgfältig ausgestaltet und dabei etwa auf Klang und Wortstellung genauso achtet wie auf eine angemessene Wortwahl und etymologische Spielereien. Auch der Gebrauch der klassischen Topoi und die Orientierung am Adressaten, wie sie die antike Brieftheorie forderte, gehören dazu. Darüber hinaus präsentiert Avitus seine Kenntnisse in der Diskussion über typische Bildungsthemen, beispielsweise über die Interpretation von Träumen, in der Verwendung von zum Kontext passenden Bibelstellen und insbesondere darin, dass er sich bietende Gelegenheiten ergreift, um manche Angelegenheiten in einer bestimmten Art und Weise zu besprechen, wie unter anderem an seinem Umgang mit einem Inzestfall in Victorius’ Diözese oder an der Reaktion auf einen Traum seines Bruders deutlich wird. Dies bedeutet im erstgenannten Fall das geistreiche Gespräch über eine eigentlich unangenehme Sache, im letztgenannten die Inszenierung der Kommunikation als Teil eines Bildungsdiskurses und nicht als alltäglichen Austausch. Hierbei ordnet der Vienner sich jedoch in der Regel nicht dezidiert in die klassische Tradition ein,199 die besagte Bildungsgemeinschaft ist vielmehr eher durch den Bezug auf christliche Literatur und Bildung charakterisiert als durch den betonten Umgang mit dem klassischen Erbe. Dies wird beispielsweise dadurch offensichtlich, dass Avitus gegenüber Caesarius manche Brieftopoi gerade nicht gebraucht, ebenso wie er sich in der Erörterung der Traumvision eben nicht auf die antike Literatur beruft. Stattdessen zitiert er die Bibel und gebraucht typisch christliche Motive und Wendungen wie das Bild des Guten Hirten. In dieser Art der Auseinandersetzung mit der klassischen Tradition, die mehr (aber nicht nur) in der Praxis des 199 An dieser Stelle sei aber ep. 57P = ep. 54MR erwähnt, in der Avitus sich durch die schulähnliche Diskussion von Vergilstellen durchaus auf die traditionelle klassische Bildung bezieht. S. hierzu S CHENK (2020).
2.1 Briefe an Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger
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gebildeten Briefschreibens an sich als im direkten Aufruf etwa literarischer Vorbilder besteht, ist der Bischof von Vienne durchaus mit seinem Zeitgenossen Ruricius von Limoges vergleichbar.200 Ein weiterer zentraler Aspekt von Avitus’ Selbstdarstellung, der von seiner Präsentation als christlich gebildet nicht unabhängig ist, ist sein Auftreten als guter Bischof. Als solcher beschäftigt er sich mit disziplinarischen Fragen, kennt nötige Regeln und Bibelstellen, um Entscheidungen zu treffen, und kümmert sich um das Seelenheil der Gläubigen. Darüber hinaus zeichnet er sich durch seine Nächstenliebe und die Mäßigung aus, die er bei einer seiner Ansicht nach freilich manchmal notwendigen Bestrafung walten lässt. Abgesehen davon sorgt er sich um Angelegenheiten, die die katholische Kirche als Ganzes betreffen, und ist darum bemüht, seine eigene Rechtgläubigkeit herauszustellen. Eng mit dieser Selbstmodellierung als guter Bischof verbunden ist die Rolle als Mitglied des gallischen Episkopats, dessen Ansehen von seinen Amtsbrüdern anerkannt wird. Als Teil dieser Gemeinschaft der Bischöfe respektiert Avitus die kirchlichen Hierarchien und zeigt beispielsweise dem Papst gegenüber seine Demut. Zugleich tritt er vor dem Bischof von Rom freilich als Metropolit auf und will diese Stellung durch ihn und andere gleichermaßen bestätigt sehen. Außerdem inszeniert er sich als Angehöriger eines weit gespannten Netzwerks, indem er Empfehlungsbriefe an Amtskollegen schreibt und Kontakte zum griechischsprachigen Osten erwähnt. Doch nicht nur in seinen Aufgaben als Bischof hebt Avitus seine Exzellenz hervor. Im Briefwechsel mit seinem Bruder Apollinaris nimmt er die Rolle des tröstenden und sorgenden Bruders ein, der seine Zuneigung gegenüber dem Empfänger und weiteren, bereits verstorbenen Verwandten zum Ausdruck bringt. Dadurch, dass er all diesen Personen besondere Heiligkeit attestiert und gleichzeitig seine enge Verbindung mit ihnen betont, stellt er auch sich selbst als heilig dar. In ähnlicher Weise findet dies im Kontext der Empfehlung Maximians bei Caesarius statt. Bei einigen der hier analysierten Stücke ist neben der Botschaft des Bischofs von Vienne ein Schreiben der Gegenseite erhalten. Für diejenigen Briefwechsel, in denen Avitus’ Nachricht die Reaktion auf ein vorhergehendes Schreiben des jeweiligen Adressaten ist, lässt sich Folgendes konstatieren: Der Bischof von Vienne nimmt das Rollenangebot des anderen meist an, stellt jedoch einzelne Aspekte stärker oder schwächer heraus. So verneint er beispielsweise den Rangunterschied, den Victorius von Grenoble in seiner Anfrage zwischen beiden aufbaut, in seinen Antworten durch seine Höflichkeit, macht Victorius aber nichtsdestotrotz klare Handlungsvorgaben. Auch im Briefwechsel mit Apollinaris von Valence übernimmt er dessen Modellierung der am Austausch Beteiligten weitgehend, setzt dabei allerdings andere Akzente und markiert das briefliche Gespräch weniger als Alltagskommunikation denn als Teil eines christlichen Bildungsdiskurses. Mögliche Ursachen hierfür sind vielfältig: zunächst gebot natürlich die Höflichkeit, auf die Darstellung des anderen grundsätzlich einzugehen und diesen beispielsweise in einem besseren 200 S. hierzu G. M. M ÜLLER (2013) und daran anschließend M EURER (2019), 213f.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
Licht zu präsentieren als er dies selbst getan hatte. Abgesehen davon gewährte dies natürlich dem Adressanten eine Chance, nicht nur den Adressaten, sondern darüber hinaus sich selber noch positiver zu zeigen und so – eventuell gerade im Hinblick auf ein weiteres Publikum – einen günstigeren Eindruck zu erzeugen oder Ziele eher zu erreichen. In der Verständigung mit Papst Hormisdas sind die obigen Rollen vertauscht: der Bischof von Rom beantwortet eine Botschaft des Vienners. Ebenso wie in den genannten Fällen setzt Hormisdas die Inszenierung der Briefpartner, die Avitus vorgenommen hat, größtenteils fort – beide erscheinen als rechtgläubige, gebildete katholische Bischöfe, zwischen denen ein klarer Rangunterschied besteht. Avitus’ Anspruch, als Vertreter des gallischen Episkopats zu sprechen, nimmt er jedoch nicht an, höchstwahrscheinlich aus machtpolitischen Erwägungen – schließlich hatte er selbst diese Position erst kurz zuvor Caesarius von Arles zugewiesen. Freilich stand Avitus nicht nur mit Klerikern, sondern auch mit einflussreichen Laien in Kontakt, mit denen er sich zu vielfältigen Gelegenheiten über verschiedene Themen austauschte. Einige Beispiele dieser Korrespondenz werden im Folgenden genauer analysiert, bevor ein Vergleich von Avitus’ Selbstdarstellung gegenüber Klerikern und gegenüber Laien erfolgt.
2.2 BRIEFE AN ADLIGE UND WELTLICHE MACHTHABER Ebenso wie die erhaltenen Briefen an Kleriker behandeln auch die an Laien adressierten Schreiben des Bischofs von Vienne, die Eingang in die Überlieferung gefunden haben, eine Vielzahl von Themen. Hierzu gehören theologische Fragen genauso wie politische Angelegenheiten, Alltägliches und Literatur. Es finden sich darin sogar einige von ihm im Namen der burgundischen Herrscher verfasste Botschaften an den Kaiser in Konstantinopel. Im Folgenden steht die Selbstdarstellung des Avitus in drei Briefen an einflussreiche Laien im Zentrum der Betrachtungen. Zunächst wird dabei sein Auftreten gegenüber Ansemundus analysiert, einem einflussreichen Aristokraten, der möglicherweise comes civitatis von Vienne war. Im betreffenden Schreiben setzt der Bischof von Vienne sich für die Bestrafung eines Mannes ein, der eine Nonne geschwängert hat; es liefert somit ein Beispiel dafür, dass die Macht eines Bischofs selten unangefochten blieb und immer wieder neu durchgesetzt werden musste. Daran anschließend wird eine Nachricht an Apollinaris, den Sohn des Sidonius, genauer untersucht. In vielerlei Hinsicht ist diese ein typisches Exempel spätantiker Kommunikation zwischen Adligen, da mit Apollinaris’ gefährlicher politischer Aktivität und der Diskussion von Literatur zentrale Elemente aristokratischer Identität thematisiert werden. Dabei findet der Kontakt über politische Grenzen hinweg statt, was durchaus mit einem gewissen Risiko verbunden sein konnte. Daraufhin wird ein an Gundobad, den burgundischen Herrscher, gerichteter theologischer Traktat im Detail betrachtet. In diesem Werk wendet Avitus sich gegen aus katholischer Sicht nicht orthodoxe Auffassungen über die Natur Christi, deren
2.2 Briefe an Adlige und weltliche Machthaber
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Ursprung er bei dem verurteilten Häretiker Eutyches sieht und die er den sich im Schisma mit Rom befindenden Christen in Konstantinopel zuschreibt. Besondere Brisanz erhält das Thema dadurch, dass Gundobad als Homöer aus katholischer Sicht ebenfalls nicht rechtgläubig war. Abgeschlossen wird der zweite Abschnitt durch ein Zwischenfazit, in dem die Selbstpräsentation des Bischofs von Vienne gegenüber Laien zusammengefasst und verglichen wird. Im Kontext der Untersuchung von Avitus’ Selbstinszenierung gegenüber Nichtklerikern könnte man hier erstens den Schreiben an die burgundischen Herrscher, die allein durch ihre große Anzahl innerhalb der Kollektion bedeutenden Raum einnehmen, und zweitens den Botschaften nach Konstantinopel größeres Gewicht einräumen, als es in diesem Teil der Arbeit der Fall ist. Die Nichtaufnahme entsprechender Schreiben liegt bei erstgenannten darin begründet, dass eine solche Analyse der Selbstmodellierung bereits vorgenommen wurde201 und gerade die Botschaften an Sigismund sich verhältnismäßig wenig von denen an beliebige Aristokraten unterscheiden. Die zweitgenannten dagegen wurden zwar von Avitus verfasst, allerdings meist im Namen Sigismunds. Demzufolge kann man in Zusammenhang mit diesen Briefen nicht von einer Selbstdarstellung des Bischofs von Vienne sprechen. Da ihnen als Teil der Sammlung jedoch durchaus Bedeutung zukommt, soll in der letzten Partie dieser Arbeit auf sie eingegangen werden.202
2.2.1 Die Grenzen bischöflicher Macht Auch wenn Bischöfe über große Macht verfügten,203 konnte ihr Einfluss unter anderem durch hohe Beamte beschränkt werden, sodass sie ihren Willen nicht zwangsläufig in die Tat umsetzen konnten und ihre Autorität immer wieder neu verhandeln mussten.204 Hierbei boten Briefe eine Möglichkeit, sich und seine Meinung überzeugend zu präsentieren, die eigenen Ziele zu verwirklichen und durch ein geschicktes Vorgehen das eigene Prestige zu erhalten oder sogar zu steigern. In einer solchen Situation verfasste Avitus ep. 55P = ep. 52MR, in der er die Bestrafung eines jungen Mannes verlangt, der eine Nonne geschwängert hat. Er befand sich in der unangenehmen Lage, einerseits die Intervention des Empfängers nicht rundheraus ablehnen zu können, andererseits aber seine Autorität als Bischof durchsetzen zu müssen, die durch ein Nachgeben unweigerlich beschädigt worden wäre. Der Vienner versucht nun, beide Positionen einzunehmen, indem er zunächst versichert, gezwungenermaßen Zugeständnisse zu machen, am Ende seiner Ausfüh201 202 203 204
Hierfür verweise ich auf meinen Beitrag in G. M. M ÜLLER (2018d). Dazu s. u. S. 204. Hierzu s. o. S. 58ff. Ein Beispiel hierfür findet sich in der oben analysierten Kommunikation mit Victorius, dem Bischof von Grenoble, aus der hervorgeht, dass Victorius offensichtlich Schwierigkeiten hatte, sich durchzusetzen. Hierzu s. o. S. 75ff. In diesem Fall ist es Avitus selbst, der sich schwertut, seinen Ansichten Geltung zu verschaffen. Wie erfolgreich er dabei war, ist übrigens nicht überliefert.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
rungen jedoch nichtsdestotrotz nachdrücklich Strafmaßnahmen fordert. Gleichzeitig markiert er die Botschaft durch ein hohes Maß an obscuritas, die Demonstration von Bildung und die stellenweise Verwendung sarkastischen Humors, die zur Spannungsreduktion beiträgt, betont als Teil einer Kommunikation zwischen Aristokraten.205
2.2.1.1 Ansemundus Adressat des Schreibens ist der vir illustris Ansemundus, der vielleicht comes von Vienne war.206 Dafür spricht, dass er offensichtlich richterliche Befugnisse hatte,207 wie aus dem Schreiben hervorgeht, und im Kloster St-André-le-Bas in Vienne begraben ist,208 das er vielleicht gründete.209 In jedem Fall scheint er eine einflussreiche Persönlichkeit im burgundischen Herrschaftsbereich gewesen zu sein, möglicherweise ist er sogar mit dem Aunemundus identisch, der 517 die prima constitutio des Liber Constitutionum unterzeichnete.210 In der avitanischen Briefsammlung sind drei Schreiben an Ansemundus überliefert. Abgesehen von ep. 55P = ep. 52MR sind dies zwei kurze Nachrichten zu Weihnachten, in denen Avitus sich besorgt nach der Gesundheit des Königs erkundigt. Keiner der Briefe ist genauer datierbar,211 ebenso wenig sind nähere Umstände bekannt, die nicht aus der jeweiligen Nachricht erschlossen sind. Alle drei Stücke sind jedoch sorgfältig gestaltet und präsentieren insbesondere den Empfänger als dem König nahestehenden, mächtigen und gebildeten Aristokraten.
2.2.1.2 Ep. 55P = ep. 52MR Zu Beginn des Schreibens (83, 33–84, 4 bzw. §§1–2a) äußert sich Avitus zur Beziehung der beiden Briefpartner zueinander, ein Aspekt, den er zum Ende seiner Ausführungen (85, 2–8 bzw. §10) wieder aufnimmt, dann aber unter anderen Vorzeichen: Zuerst tritt er in einer schwachen, dem Gegenüber unterlegenen Rolle auf 205 Hierzu s. o. S. 50ff. 206 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 291. 207 Zum Amt des comes auf burgundischem Gebiet, das richterliche Funktionen mit einschloss, s. RÜEGGER (1949), 88–106 und H EFTNER (2002), passim. S CHMIDT-H OFNER (2014), 514 weist auf die häufigen Auseinandersetzungen zwischen Bischöfen und comites hin, die bei Gregor von Tours das Verhältnis zwischen beiden Parteien prägen. Zu den entsprechenden Ämtern und Funktionen in den gotischen Gebieten s. M AIER (2005). 208 S. den entsprechenden Eintrag in H EINZELMANN (1982). 209 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 291 sowie die Einträge bei H EINZELMANN (1982), in der PLRE sowie in der PCBE. Falls dies zutrifft, war er 543 noch am Leben. 210 So vermuten S HANZER und W OOD (2002), 291 und die PCBE, während B LEY (2008), 48 im Anschluss an A MORY (1994b) anderer Ansicht ist. 211 Zu ep. 55P = ep. 52MR s. ebenfalls B URCKHARDT (1938), 47f, der sie als Zeugnis für einen von zwei Fällen in Zusammenhang mit der kanonischen Ehegesetzgebung behandelt (neben dem bereits erwähnten Briefaustausch mit Victorius, hierzu s. o. S. 75ff).
2.2 Briefe an Adlige und weltliche Machthaber
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und verspricht, Ansemundus’ Wünsche im Hinblick auf den jungen Mann zu erfüllen, später dagegen ruft er den anderen dazu auf, seine eigenen Vorgaben – eine Bestrafung des Übeltäters – umzusetzen. Diese Veränderung vollzieht sich im Verlauf der Ausführungen: der Bischof von Vienne ordnet das Vergehen zunächst ein (84, 4–11 bzw. §§2bf), macht danach die Verteidigung der besagten Person lächerlich (84, 11–22 bzw. §§4–6) und weist auf die Bestürzung der Verwandtschaft der Beteiligten hin (84, 22–28 bzw. §7). Nachdem er kurz etwas versöhnlichere Töne anschlägt (84, 29–33 bzw. §§8–9a), versichert er seine eigene Wehrhaftigkeit gegen alles, was der Beklagte gegen ihn unternehmen könnte (84, 33–85, 2 bzw. §9b) und fordert Ansemundus schließlich zu einem harten Vorgehen auf. Am Anfang der Botschaft freilich bringt Avitus zunächst Ansemundus gegenüber seine große Verwunderung über das Verhalten einer Person zum Ausdruck, für die dieser sich eingesetzt hat (Plurimum miror quod persona, pro qua intercedere dignamini..., 83, 33 bzw. §1). Der Protegé des Rezipienten wird hierbei negativ dargestellt: Er hat sich Avitus gegenüber frech verhalten, da er eine, wie der Bischof behauptet, allgemein bekannte Tatsache212 im Gespräch mit ihm geleugnet hat (mihi Lugduni posito sola negarit crimen quod uniuersitas conclamabat, 83, 33f bzw. §1). Von diesem wahnwitzigen Vorgehen sei er zu seinem eigenen Glück abgerückt und habe sich, immerhin in gewissem Maße wieder zur Vernunft gekommen, an Ansemundus gewandt (ad hoc resipiscendo peruenit ut uobis pro uenia supplicauit, 83, 34–84, 1 bzw. §1).213 Seine Entrüstung über dieses Benehmen bringt Avitus nicht nur durch die Antithese sola negarit – uniuersitas conclamabat zum Ausdruck, sondern ebenso durch plurimum miror und resipiscendo, wobei letzteres beinahe sarkastisch scheint.214 Er lässt keinen Zweifel daran, dass die besagte Person ein Verbrechen begangen habe (crimen, uenia) und die Schwere ihrer Schuld, zumindest wenn sie ehrlich sei, auch einsehe (quod si simpliciter petit, constet hominem etiam reatus ordinem confiteri, 84, 1f bzw. §1). Obwohl er weder Einzelheiten nennt noch Begründungen anführt, wird seine Haltung bereits deutlich. Der Bischof sieht sich im Recht und beabsichtigt daher nicht, der Person, die das Thema des Austauschs zwischen beiden Briefpartnern bildet, entgegenzukommen. Implizit legt er nahe, diese erwarte das, wenn sie ehrlich sei, sowieso nicht. Auf diese Weise zeigt der Adressant sich als würdigen Angehörigen der Eliten: er selbst wurde zwar beleidigt, hält in seinem Benehmen aber an den Regeln fest, indem er höflich bleibt und seinerseits nicht völlig gegen die Erwartungen von Ansemundus’ Protegé verstößt.215
212 B LEY (2008), 36 (Anm. 18) geht davon aus, dass daher eine paenitentia publica wohl unumgänglich war. 213 Bei venia handelt es sich dabei um einen „einschlägigen Terminus der römischen Rechtssprache“, der sowohl Nachsicht wie auch Begnadigung bedeuten konnte, vgl. B LEY (2008), 58. 214 Durch die Gestaltung streicht der Verfasser außerdem seine Bildung heraus. Noch deutlicher sarkastisch äußert er sich später in seiner Kommentierung der Verteidigung des jungen Mannes. 215 Zu den aristokratischen Verhaltenscodes s. o. S. 54ff.
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Entsprechend versichert Avitus, er werde Ansemundus’ Wünschen nachkommen (quia sic uobis uisum est, remissurus, 84, 3f bzw. §2), nicht ohne dabei jedoch offen zuzugeben, eigentlich keine andere Wahl zu haben (liberum non habeam aliud facere quam iubetis, 84, 3 bzw. §2). In diesem Kontext hebt der Bischof von Vienne einerseits den Respekt und die Wertschätzung hervor, die sein Gegenüber ihm entgegenbringe (pro dignatione quam mihi impenditis, 84, 2f bzw. §2), bringt andererseits aber seine Machtlosigkeit gegenüber dem Rezipienten klar zum Ausdruck. Da er freilich der Ansicht ist, eigentlich Recht zu haben, lässt er es sich nicht nehmen, seine Kritik unmissverständlich zu äußern (Quocirca [...] non possum tamen [...] non prius exaggerare quod doleo, 84, 2–4 bzw. §2).216 Avitus präsentiert damit sowohl sein Nachgeben als auch seine Beschwerde als Ergebnis gewisser Zwänge, denen er unterliegt. Durch ersteres erkennt er Ansemundus’ Macht an, durch letzteres tut er seiner Pflicht als Bischof Genüge und wehrt sich so von vornherein gegen eventuelle Vorwürfe. Da er hier eher in einer Position der Schwäche erscheint, werden die durchaus nachdrücklichen Aufforderungen an Ansemundus am Ende des Briefs umso wirkungsvoller. Insgesamt wird deutlich, dass beide Briefpartner trotz ihres offensichtlich höflichen Umgangs miteinander versuchen, ihre Macht gegenüber dem jeweils anderen durchzusetzen.217 Im Anschluss daran erklärt Avitus den Grund seiner Klage (doleo, 84, 4 bzw. §2)218 und rechtfertigt ihn dadurch, dass er ihn als Ansemundus eigentlich schon bekannt vorstellt – schließlich ist dieser ein guter Christ, der sich durch pietas auszeichnet, regelmäßig zur Kirche geht und daher über bestimmte Regeln des christlichen Glaubens Bescheid weiß (Scit enim Pietas Vestra et in ecclesia legi frequenter audiuit, 84, 4f bzw. §2).219 Indem er die beiden Prädikate an Anfang und Ende des Kolons platziert, hebt er die Kenntnisse des Adressaten besonders hervor, was diesem einerseits schmeichelt und ihn andererseits fast auf der Seite des Bischofs von Vienne positioniert sowie von den im Folgenden genannten Sünden abgrenzt. Durch die Formulierung als indirekte Frage (in ipso adulterii malo quantos Scriptura diui-
216 In einer ähnlichen Situation befindet sich der Bischof von Vienne in ep. 44P = ep. 40MR gegenüber Gundobad. Allerdings ist dort er derjenige, der angeklagt wurde und sich rechtfertigen muss. 217 Allgemein stellt sich die Frage, in welchem Zusammenhang Avitus gegen den Schützling des Ansemundus vorgegangen war oder vorgehen konnte und wieso Ansemundus sich zuvor an ihn gewendet hatte. Möglicherweise war der Adressant im Rahmen der episcopalis audientia tätig geworden. Zu richterlichen Befugnissen von Bischöfen s. H UMFRESS (2010) sowie H UMFRESS (2011). Hierbei weist H UMFRESS (2011), 399 auch auf die häufigen Klagen in patristischen Texten hin, dass die beteiligten Parteien das Urteil des Bischofs nicht akzeptierten. Aufgrund des Vergehens des jungen Mannes stand wohl auch eine paenitentia publica zur Debatte, welche für ihn sicherlich erhebliche Konsequenzen hatte bzw. gehabt hätte. Hierzu s. etwa U HALDE (2008). 218 Gegen Ende des Briefs (85, 2 bzw. §9) verwendet er erneut doleo und verklammert so dessen Beginn auch sprachlich mit dem Schluss. 219 In ähnlicher Weise adressiert Avitus Gundobad in einigen theologischen Traktaten in Briefform, beispielsweise ut nostis, c. Arr. 30 = ep. 92MR, 13, 12 bzw. §7.
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na220 gradus exprimat, 84, 5f bzw. §2) erscheint dieses Wissen selbstverständlich, wird aber nichtsdestotrotz nochmals detailliert ausgeführt (primo fornicandi lapsu peccauit qui feminam coniugio carentem libidine inflammatus appetiit; secundo, qui furto super cuncta damnabili simplicis tori pudicitiam uiolauit, 84, 6–8 bzw. §2). Nach der Bibel unterscheidet der Bischof von Vienne also zwei Grade von Unzucht in Abhängigkeit davon, ob die Frau unverheiratet oder verheiratet ist, und stärkt dabei seine eigene Autorität durch den Bezug auf die Heilige Schrift. Zudem tritt er als Bibelkenner und gebildeter Theologe auf.221 Zu den genannten biblischen Stufen fügt er selbst noch eine weitere hinzu, die er aus den anderen beiden als deren Steigerung herleitet. Bevor er diese aber explizit erwähnt, charakterisiert er sie als in ihrer Schlechtigkeit menschliche Vorstellungen übersteigend und daher den Himmel umso mehr verletzend (Cumque nihil grauius hac iniuria humanus animus putet, uos conicite qualiter caelestis iustitiae castitas moueatur, 84, 8f bzw. §3). Durch die Antithesen iniuria – iustitiae und humanus – caelestis wird dies noch deutlicher hervorgehoben. Abgesehen davon wird Ansemundus in uos conicite, 84, 9 bzw §3 direkt angesprochen, wobei die Schlussfolgerung ihm selbst in den Mund gelegt wird. Erst danach beschreibt Avitus den nächsten Grad der Unzucht, den er zu den in der Bibel genannten ergänzt hat: dieser besteht darin, dass die beteiligte Frau eine Nonne ist, also gottgeweiht und folglich mit Christus verheiratet (sponsam Christo deuotam et in sancti altaris thalamo benedictione dotatam – ut nihil amplius dicam – uel petulanter aspexerit, 84, 9–11 bzw. §3). Erneut steigert er hierbei durch ut nihil amplius dicam, 84, 10 bzw. §3) die Schwere der Schuld eines Mannes, der sich einer Nonne nähert.222 Diese allmähliche Steigerung im Verlauf der Darlegungen wirkt durchaus effektvoll und ist ebenso Teil der geschickten Argumentation wie die durchgängige Ansprache und Einbeziehung des Adressaten.223 Der Vienner tritt somit nicht nur 220 P EIPER sowie S HANZER und W OOD (2002), 292 (Anm. 4) führen Dtn 22, 22(ff) und Lev 20, 10 an, M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 228 (Anm. 676) Mt 5, 28. 221 Die hier zur Schau gestellte Bildung beschränkt sich freilich nicht auf die Bibel, sondern schließt die klassische Bildung mit ein, indem beispielsweise furto, 84, 7 bzw. §2 in derselben Bedeutung wie etwa bei Catull verwendet wird, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 228 (Anm. 678). Als Beispiel wird hier c. 68, 138 angeführt. Zur Bedeutung der Begriffe adulterium, fornicatio und furtum vgl. B LEY (2008), 52. 55f. 222 Insgesamt befindet der Bischof von Vienne sich damit im Einklang mit den Kirchenvätern. Diese hoben in Auseinandersetzung mit der Frage nach Ehe und Enthaltsamkeit hervor, dass eine Entscheidung für letztere zweifellos die bessere Wahl sei, vgl. E VANS (2003), 37–53. Ein wie auch immer gearteter Verstoß gegen den entsprechenden Lebensstil wiegt damit im zweiten Fall natürlich umso schwerer als im ersten. Zum Umgang mit außerehelichem Geschlechtsverkehr in Gallien s. M ATHISEN (2008), zu entsprechenden Skandalen als Thema in der spätantiken Epistolographie s. S HANZER (2008). 223 Zudem verbindet der Verfasser durch die sprachliche Gestaltung der Textpassage alle drei Stufen eng miteinander, denn die Begriffe, mit denen er sie beschreibt, stammen letztlich aus drei Wortfeldern, dem Bereich Lust, Sünde und Unrecht (adulterii malo; fornicandi lapsu; peccauit; libidine; furto; damnabili; uiolauit; iniuria; petulanter, 84, 5–11 bzw. §2f), dem Gebiet Ehe und Heirat (coniugio; tori; sponsam; thalamo; dotatam, 84, 6–10 bzw. §2f) und der Sphäre
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als guter Lehrer und gebildeter Theologe auf, sondern auch als pflichtbewusster Bischof, der sich um die moralische Erziehung seiner Gemeinde kümmert. Dadurch, dass er Ansemundus’ Schützling nicht explizit nennt, erreicht der Verfasser zweierlei. Einerseits hat er allgemeine Kategorien aufgestellt, auf die er später zurückkommen kann, andererseits leistet er zugleich der Höflichkeit Genüge, die zum angemessenen Umgang zweier Mitglieder der Elite wie den beiden Briefpartnern gehört. Mit Audio tamen dicere iuuenem ipsum, 84, 11 bzw. §4 leitet Avitus von der allgemeinen Einordnung zum konkreten Fall über. Offensichtlich hat Ansemundus’ Schützling behauptet, er selbst habe nicht als erster mit der Nonne geschlafen (dicere iuuenem ipsum non se uirginem temerasse, cuius turpibus uotis prior multorum carnalitas sit abusa, 84, 11f bzw. §4). Vom Inhalt der Aussage des jungen Mannes distanziert er sich dabei gleich in doppelter Weise, denn er legt sie erstens diesem selbst in den Mund224 und behauptet außerdem, nur vom Hörensagen davon Kenntnis zu haben. Auf diese Weise mindert er die Glaubwürdigkeit der Sache,225 verringert so das ohnehin schon beschädigte Ansehen der Nonne und ihrer Familie nicht weiter und sichert sich selbst ab, sollte die Information nicht den Tatsachen entsprechen oder der junge Mann dies in Reaktion auf den Brief zumindest behaupten. Außerdem ordnet er die Tat des jungen Mannes nicht explizit in die zuvor angeführte dritte Kategorie ein, sondern legt dies lediglich implizit nahe. Stattdessen kritisiert er dessen Verteidigungsstrategie in Form einer indirekten Frage (dici non potest quantum mirer ..., 84, 13f bzw. §4).226 In diesem Zusammenhang hebt Avitus zunächst die erwiesene Schuld des Mannes hervor (reum facinoris manifesti, 84, 12f bzw. §4) und betont, dass dieser sich davon nur durch die Leistung von Sühne und Ansemundus’ Eintreten befreien könne (nisi satisfactio sua et intercessio uestra non liberet, 84, 13 bzw. §4), wobei das Zusammenwirken beider Faktoren durch den Parallelismus satisfactio sua – intercessio uestra zum Ausdruck gebracht wird. Zudem wird nochmals Ansemundus’ Macht deutlich erwähnt. Darüber hinaus macht der Verfasser seine Entrüstung über die Taktik des jungen Mannes durch die Gegenüberstellung hunc pro reconciliatione sui aliorum crimina confiteri, 84, 14 bzw. §4, deutlich, die durch den mit einer Antithese verbundenen Chiasmus besonders betont wird.227
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der Reinheit und Frömmigkeit (simplicis; pudicitiam; castitas; Christo deuotam; sancti altaris; benedictione, 84, 7–10 bzw. §2f) und sind eng miteinander verwoben. Zu Beginn des Schreibens wurde sein Verhalten mit resipiscendo, 83, 34 bzw. §1 beschrieben, er folglich als (zumindest zeitweilig) wahnsinnig und unzuverlässig charakterisiert. Dazu trägt auch die betonte Stellung von Audio am Beginn des Satzes bei. Hierdurch genügt der Verfasser in gewisser Weise ebenfalls den aristokratischen Verhaltenscodes, denn er rügt zwar eine irdische Strategie, verzichtet aber darauf, den Verstoß gegen Gottes Gebote allzu direkt anzuprangern. Abgesehen davon nimmt er in quantum mirer das Plurimum miror vom Beginn des Briefs wieder auf und beweist durch die Verwendung dieser Formulierung seine Höflichkeit, nicht ohne deswegen zurückhaltender zu sein, wie in dici non potest offensichtlich wird. Geht man davon aus, dass reconciliatio sich hier tatsächlich auf die Lösung von der Exkommunikation als Teil des Bußverfahrens bezieht, für die – ebenso wie für die Gewährung der venia – die Reue des Beklagten Voraussetzung war, vgl. B LEY (2008), 37 (Anm. 19); 58f, erscheint diese umso mehr begründet.
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Den nun folgenden Satz eröffnet der Bischof von Vienne mit Accuso, 84, 14 bzw. §5. Überraschenderweise folgt nach diesem pointiert platzierten Verb allerdings keine Anklage des jungen Mannes, sondern ein Vorwurf an die Kleriker seiner Zeit (Accuso in hac parte nostri temporis negligentiam sacerdotalem, 84, 14f bzw. §5). Es seien nicht sie, die solch unerhörte Verbrechen gründlich untersuchten (non nos ista perquirimus, offert se nobis inexplorata criminum magnitudo, 84, 15f bzw. §5). Vor allem die Übertreibung in den letzten drei Wörtern legt nahe, dass diese Stelle ironisch zu verstehen ist und Avitus so die Verteidigung des Übeltäters lächerlich macht.228 Durch diese sarkastischen Bemerkungen sowie die sprachlich-stilistische Gestaltung der gesamten Passage streicht Avitus seine Bildung ebenso wie die des Adressaten hervor und modelliert so beide als Mitglieder der Eliten. Obwohl es nicht gerade ein Kompliment für ihn ist, dass der Bischof von Vienne sich derart über seinen Schützling lustig macht, kann Ansemundus diese Ironie als Zusicherung seiner Zugehörigkeit zu diesen Kreisen auffassen.229 Sie setzt sich im Folgenden weiter fort und zeigt so auch Avitus’ Humor.230 Im Folgenden versucht der Bischof von Vienne zu begründen, wieso seine Verteidigung dem jungen Mann weniger nütze als vielmehr schade. Hierfür präsentiert er ironisch zwei Alternativen,231 zwischen denen dieser wählen könne (Deinde ex duobus eligat utrum uelit, 84, 18 bzw. §6). Falls er sich als erster der Nonne genähert habe, droht Avitus ihm mit einem Pauluszitat232 Gottes Rache an (Si primus in puellam carne peccauit, expectet quod praedicit Apostolus: Si quis templum Dei uiolauerit, disperdet illum Deus, 84, 18–20 bzw. §6). Durch den Verweis auf die Bibel stärkt er dabei seine eigene Autorität. Für die zweite Möglichkeit kann er kein entsprechend konkretes biblisches Strafmaß anführen, argumentiert aber nichtsdestotrotz mit Anspielungen auf Bibelpassagen (si autem corruptionem quam non inchoauerat grauauit augmento, quid excogitari turpius, quid horribilius potest, quam ut illum nec hoc prohiberet a meretrice, 228 Der Bischof von Vienne äußert sich in seinen Briefen öfters ironisch, allerdings meist in scherzhaften Kontexten. Als Beispiele seien einige Schreiben anlässlich von Festen genannt, die in S HANZER (2001) besprochen werden, sowie ep. 57P = ep. 54MR, hierzu s. S CHENK (2020). Indem der Adressant sich auf diese Weise über Ansemundus’ Protegé lustig macht, geht er ähnlich vor wie Cicero in vielen seiner Reden, vgl. C ORBEILL (1996), der zahlreiche Stellen näher analysiert. 229 Sollte der Adressat sie dagegen nicht wahrnehmen, kann er die betreffenden Sätze als selbstkritischen Vorwurf lesen, den Avitus an den Klerus allgemein und sich selber als Teil davon richtet. Damit würde er die Schuld des jungen Mannes etwas abmindern und so Ansemundus besondere Höflichkeit erweisen, der sich ja für ihn eingesetzt hat. Angesichts der ansonsten teilweise recht subtilen literarischen Anspielungen ist dies aber sicherlich die weniger wahrscheinliche Möglichkeit. 230 Wie an der französischen Übersetzung deutlich wird, fassen M ALASPINA und R EYDELLET den Abschnitt ebenfalls ironisch auf. Zudem ist der aufgeführte Wunsch gerade für einen Bischof angemessen – damit hält Avitus sich letztlich an die antiken Kriterien für gesellschaftlich akzeptablen Humor, vgl. G RAF (1999), 33. 231 Eingeleitet werden beide mit der Anapher si. 232 1 Kor 3, 17.
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propter quod solum Deus separari uirum permittit a coniuge?, 84, 20–22 bzw. §6). Indem er sie ausführlicher darlegt und sprachlich als zwei emphatisch geäußerte, mit quid anaphorisch eingeleitete rhetorische Fragen gestaltet, stellt er sie als die schlimmere Alternative dar. Gerade dies kommt auch durch den mit einer Stelle aus dem Evangelium verwobenen Vergleich zum Ausdruck.233 Gleichzeitig täuscht Avitus durch die Formulierung als rhetorische Frage in gewisser Weise darüber hinweg, dass er offensichtlich keine für einen solchen Fall passende Bibelstelle explizit nennen kann. An dieser Stelle tritt er folglich als rhetorisch und theologisch gebildeter und geschickt argumentierender Bischof auf, der seinen Standpunkt mit allen Mitteln durchsetzen will und über viele Möglichkeiten verfügt. Hier beendet der Bischof von Vienne freilich das erste explizit gegen den jungen Mann gerichtete Argument, das die Notwendigkeit seiner Bestrafung mit Schriftstellen begründet, und leitet zum zweiten über. In diesem Kontext spricht er Ansemundus zum ersten Mal seit längerem wieder direkt an, um dessen Aufmerksamkeit auf einen weiteren Punkt zu lenken (si respicitis, 84, 23 bzw. §7). Durch Nec solus, 84, 22 bzw. §7 hebt er betont hervor, er sei nicht der einzige, den das Verhalten des jungen Mannes bekümmere (hac parte commoueor, 84, 23 bzw. §7) und erweitert den Kreis der Betroffenen um die Verwandten (gemunt religiosi parentes scelus admissum et, quasi perditam prolem lugentes, orbitatem planctibus profitentur, 84, 23f bzw. §7). Dabei drückt sich Avitus recht vage aus, da er im Unklaren lässt, ob sich parentes auf Angehörige des jungen Mannes oder der Nonne bezieht, wobei zudem offen bleibt, ob es sich bei diesen um die Eltern oder allgemeiner um Verwandte handelt.234 Diese Zweideutigkeit wird auch im Folgenden nicht aufgelöst, wenn der Adressant auf die bereits verwitwete Mutter zu sprechen kommt (quid de matris maestitia loquar, quam perditi iamdudum mariti omni morte deterius turpis uita uiduauit?, 84, 24–26 bzw. §7). An dieser Stelle böten sich sogar drei Personen an, die mit der Witwe identifiziert werden könnten: die Mutter der Nonne oder die des jungen Mannes, oder, wie sich später ergibt, sogar die Nonne selber. Für letztere Möglichkeit könnte das Attribut perditi sprechen, mit dem zuvor prolem näher bestimmt wurde, das sich in diesem Fall auf den jungen Mann beziehen würde. Allerdings könnte iamdudum darauf hinweisen, dass die perditio des Mannes schon länger zurückliegt, was eher eine Identifikation mit der Mutter des oder der Beteiligten nahelegen würde. Ebenso wenig wie die Bezüge ist die Gesamtkonstruktion des Satzes eindeutig: ist perditi iamdudum mariti Genitivattribut zu uita, wie M ALASPINA und R EYDELLET übersetzen, oder Genitivobjekt zu uiduauit, wie S HANZER und W OOD es verstehen? 233 Mt 5, 32. 234 S HANZER und W OOD (2002), 293 (mit Anm. 2) beantworten diese Frage dahingehend, dass sie die parentes und ebenso die im Folgenden erwähnte Mutter als Angehörige der Nonne verstehen. Da die Mutter danach extra erwähnt sei, übersetzen sie parentes allgemeiner mit „relatives“. Meiner Ansicht nach ist dies eine mögliche Interpretation, die der Kontext jedoch nicht zwingend erfordert. Sind mit den parentes Angehörige des jungen Mannes gemeint, so stellt Avitus diese zugleich auf seine Seite, indem er ihnen dieselbe Ansicht zuschreibt, die er selbst vertritt.
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Abgesehen hiervon fallen die klangliche Gestaltung und die stilistische Ausarbeitung der gesamten Passage auf, die beispielsweise in den Assonanzen matris maestitia, 84, 24f bzw. §7 und uita uiduauit, 84, 25f bzw. §7 sowie der Antithese morte – uita deutlich werden. In der Formulierung von quid de matris maestitia loquar, 84, 24f bzw. §7 schließt sich Avitus darüber hinaus an Cicero an, der sich in seinen Reden öfters auf diese Weise ausdrückte.235 Er inszeniert sich hier folglich als gebildeter Redner, der zentrale Topoi und Argumentationsweisen beherrscht und über eine profunde rhetorische und literarische Ausbildung verfügt. Damit präsentiert er sich als Mitglied der Eliten, als deren Teil er neben sich selbst außerdem den Empfänger modelliert. In diesem Zusammenhang kann zudem die obskure Sprache dieser Stelle verstanden werden: für den Verfasser wie für Ansemundus ist wohl klar, von wem die Rede ist, für Außenstehende dagegen nicht. Durch die nur für einen kleinen Kreis von Personen verständlichen Anspielungen versichern sich beide Briefpartner der Zugehörigkeit zu ebendieser Gruppe. Abgesehen davon genügt Avitus dem aristokratischen Verhaltenskodex insofern, als Nicht-Eingeweihte aus dem Brief selbst dann keine Details über die Beteiligten erfahren, wenn das Schreiben wie üblich einem größeren Publikum als dem unmittelbar genannten Adressaten zugänglich gemacht wurde, da keiner der Erwähnten das Gesicht verlor.236 Nichtsdestotrotz äußert Avitus im Anschluss daran heftige Beleidigungen gegen den jungen Mann. Er schreibt ihm in Form eines Trikolons (filius sine pietate, maritus sine subole, pater sine herede, 84, 26f bzw. §7) die drei Rollen Sohn, Ehemann und Vater zu, spricht ihm zugleich aber eigentlich damit verbundene Eigenschaften ab, sodass dieser letztlich als völliger Versager erscheint: als Sohn hat er sich seinen Eltern gegenüber nicht entsprechend verhalten, als Ehemann hat er keine Nachkommen, als Vater keinen Erben.237 Die letztgenannte Kennzeichnung wird dann weiter ausgeführt,238 wobei Avitus’ Bildung vor allem in der Ironie bei eius studio, 84, 27 bzw. §7, im Oxymoron nobile malum, 84, 28 bzw. §7239 und dadurch, dass er generosus in der ganzen Breite seines Bedeutungsspektrums verwendet, zum Vorschein kommt.240 Überdies ist an dieser Stelle freilich zu bedenken, dass durch das Fehlverhalten des jungen Mannes und der Nonne, das einen erheblichen Verstoß gegen kirchliche Regeln bedeutete, seine bischöfliche Autorität in Frage gestellt wurde.241 Die vorgebrachten Beleidigungen sowie vor allem die elaborierte stilistische 235 Ein Beispiel ist Verr. 2, 1, 55. 236 Zu Adel und Bildung s. o. S. 50ff, zur Öffentlichkeit von Briefen s. S. 24 sowie S. 29ff. S. zudem S CHWITTER (2015), 25f; 80–93; 131; 217–219; 226; 237–240. 237 Letztlich entsprachen diese Schmähungen durchaus den Tatsachen: die Kinder aus Beziehungen mit geweihten Frauen waren nicht erbberechtigt, vgl. B LEY (2008), 60. 238 nutritur insuper eius studio quamlibet ortum ex generosis adulteris nobile malum, 84, 27f bzw. §7. 239 Darauf weisen M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 229 (Anm. 682) ebenfalls hin. 240 Als Bezeichnung der adligen Herkunft der Eltern, s. hierzu S HANZER und W OOD (2002), 293 (Anm. 4), möglicherweise mit ironischem Beiklang als moralische Bewertung der beiden, und als Hinweis auf ihre Fruchtbarkeit. Vgl. hierzu den entsprechenden Eintrag in G EORGES (1910). 241 E VANS (2003), 163–165 betont in Bezug auf die Kirchenväter, dass diese auf das Durchhalten des Keuschheitsgelübdes pochten, denn eine Beendigung des enthaltsamen Lebens zog ihre ei-
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Gestaltung der Passage, die Verwendung dunkler Sprache eingeschlossen, stellen damit auch ein Mittel dar, um sein Prestige als Bischof zu erhalten. Hierzu trägt ebenso seine Bemerkung bei, das Kind des jungen Mannes mit der Nonne sei non [...] augmentum prosapiae, sed infamiae documentum, 84, 29 bzw. §7, die er inhaltlich passend in Form eines Chiasmus formuliert. Besonders auffällig ist dabei der Begriff prosapia, der bereits von Cicero als altertümlich empfunden wurde. Höchstwahrscheinlich gebraucht Avitus das Wort ironisch, was etwa eine Stelle bei Sallust nahelegt, in der Marius sich als homo ueteris prosapiae vorstellt.242 Als einer der zentralen Schulautoren (neben Vergil, Terenz und Cicero) war Sallust natürlich jedem Angehörigen der Aristokratie, der eine entsprechende Ausbildung genossen hatte, bekannt. Da der Nachweis ebendieser Kenntnisse zugleich ein Beweis von romanitas war, integriert der Vienner Ansemundus hierdurch ebenso wie durch die Praxis der Epistolographie an sich in die gallorömischen Eliten – gerade dann, wenn dieser tatsächlich nicht römischer Abstammung war, wie die entsprechenden Einträge in den Prosopographien und auch S HANZER und W OOD (2002) annehmen.243 Dieselbe Strategie wendet der Bischof von Vienne etwas später erneut an, wenn er Ansemundus’ Schützling mit einem Flammen speienden Stier vergleicht (diuersas in me terrorum flammas euomuerit, 84, 34f bzw. §9). An dieser Stelle wird freilich nicht Sallust, sondern ein mythologischer Kontext aufgerufen, denn solche Stiere stellen ein zentrales Element beispielsweise der Sage um Jason und Medea dar.244 Ähnlich wie in anderen Briefen erfolgt die Einordnung in die antike Tradition dort weniger explizit in Form von direkten Zitaten oder einer namentlichen Nennung von Autoren, sondern indirekt durch ein Aufrufen entsprechender Bildungszusammenhänge. Vorerst scheint für Avitus freilich die Erörterung von Charakter und Tat des jungen Mannes beendet, und im Versuch, sich Ansemundus’ Unterstützung zu versichern, schlägt er zunächst etwas versöhnlichere Töne an. Hierfür beteuert er, mehr die Schuld als den Einfluss des jungen Mannes zu fürchten, wenn – oder weil, oder genen Ausführungen und ihren Einfluss in Zweifel. Entsprechend habe etwa Cyprian Jungfrauen, die sich gegen ihr Gelübde entschieden, harte Strafen angedroht, was sicher unter anderem in deren öffentlicher Rolle als gutes Vorbild begründet gelegen habe. 242 Vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 229 (Anm. 683). Zu infamia als Rechtsbegriff in diesem Kontext s. B LEY (2008), insbesondere 53–55. 243 Ebenso handelt er gegenüber den burgundischen Herrschern Gundobad und Sigismund, hierzu s. S CHENK (2018). Zu Bildung und romanitas s. o. S. 50ff. 244 Vgl. etwa Ovid Met. 7, 210; Val. Fl. 7, 504–506. 545, 547f. In seinem Vergilkommentar weist Servius darauf hin, dass der Stier von Marathon ebenfalls Feuer gespuckt haben solle (Marathonio tauro, qui flammas vomere dicebatur, Serv. Aen. 6, 20). Da es folglich mit dem kanonischen Autor Vergil verknüpft ist, kann dieses mythologische Wissen als aus der Schule bekannt vorausgesetzt werden. S. hierzu auch E IGLER (2003), 97f; 251–255. Aufgrund der sprachlichen Gestaltung dieser Passage würde die Modellierung beider Briefpartner als Teil einer Bildungselite hier sogar dann funktionieren, wenn der Empfänger nicht über das entsprechende mythologische Wissen verfügt, denn das Textverständnis ist ohne diese Kenntnisse ebenfalls möglich. Zu Ovids Einfluss auf Avitus’ Dichtung s. F URBETTA (2018).
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während – Ansemundus ihn schütze (Et quidem, salua quam mihi Deus in uobis praestitit defensione, plus culpam praefati quam potentiam pertimesco, 84, 29–31 bzw. §8). In diesem Zusammenhang weist Avitus dem Adressaten eine Rolle als Werkzeug Gottes zu (quam mihi Deus in uobis praestitit, 84, 30 bzw. §8), während er durch die Verwendung eines nominalen Ablativus absolutus geschickt vermeidet, sich auf eine Sinnrichtung (kausal, konditional oder temporal) festzulegen. Auf diese Weise präsentiert Avitus sich als gläubiger Christ, für den Gott sorgt und der nicht vor irdischen Dingen Angst hat, sondern vor solchen, die die Seele gefährden (plus culpam praefati quam potentiam pertimesco, 84, 30f bzw. §8). Somit gibt er seinem Briefpartner letztlich keine Möglichkeit, sich nicht für ihn einzusetzen, wenn dieser nicht gegen Gottes Willen handeln will. Zugleich tritt der Bischof von Vienne selbstbewusst auf, denn er fürchtet sich nicht vor weltlicher Macht (potentiam, 84, 31 bzw. §8)245 und äußert auch keine explizite Bitte um Schutz.246 Stattdessen bittet er darum, dass der junge Mann, den er beleidigt hat, ihm gegenüber nicht erzürnt sei (Sed, rogo, ne irascatur ista dicenti, 84, 31 bzw. §8), schließlich habe er nur seine Pflicht als Bischof getan (Speculator sum, tubam teneo, tacere mihi non licet, 84, 31f bzw. §8). Indem er bei dicenti auf ein Personalpronomen verzichtet, bringt er dieses Anliegen allgemein vor und löst es so vom konkreten Einzelfall ab, was angesichts der Schmähungen, die er zuvor geäußert hat, eine durchaus geschickte Taktik ist. Passend zu seinem Auftritt als Bischof betont er seine Bildung hier nicht in Form klassischer Anspielungen, sondern durch die Anlehnung an einige Bibelstellen und drückt sich damit ähnlich wie andere Bischöfe bei der Zurechtweisung von Sündern aus.247 Danach fährt der Bischof von Vienne mit einem impliziten Versöhnungsangebot fort: der junge Mann habe eben aufgrund der den Menschen eigenen Ohnmacht248 gesündigt, könne dies jedoch durch Buße (wie auch immer diese aussehen mochte) wiedergutmachen (Atque utinam peccans humanum animum sumat, cui solitum est labi per facilitatem et ad satisfactionem reuerti!, 84, 32f bzw. §9). Den Gegensatz zwischen Schuld und Sühne bringt der Bischof von Vienne in diesem Zusammen245 Wie M ALASPINA und R EYDELLET halte ich an dieser Stelle die Variante der Handschrift L für die wahrscheinlichste, da sie mir am besten in die Logik des Texts zu passen scheint. Furchtlosigkeit gegenüber weltlicher Macht gehörte zum Bild eines Bischofs, s. o. S. 59ff. 246 Obwohl die Passage sehr viel leichter verständlich ist als der vorherige Text, ist sie trotzdem nicht ohne Sorgfalt formuliert, wie in der p-Alliteration plus – praefati – potentiam pertimesco offensichtlich wird. 247 Die entsprechenden Schriftpassagen sind Ez 33, 2–6 und Jer 6, 17, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 293f (Anm. 7) und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 229 (Anm. 684). Besonders fällt in diesem Kontext das Wortspiel mit speculator auf. Eigentlich die Bezeichnung für einen Kundschafter, ist das Wort die lateinische Übersetzung des ursprünglich griechischen Begriffs episcopus. Ähnliche Spielereien finden sich ebenfalls in einem Brief des Ruricius von Limoges, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 229 (Anm. 684). S HANZER und W OOD (2002), 293 (Anm. 5) weisen in diesem Zusammenhang auf eine Predigt des Maximus von Turin und Isidor von Sevillas Origines hin. Zum Spiel mit Bezeichnungen und Namen s. außerdem G UALANDRI (2017), 129–131. 248 Zur Bedeutung von facilitas s. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 185f (Anm. 12 und 14).
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hang durch den Chiasmus labi per facilitatem – ad satisfactionem reuerti, 84, 33 bzw. §8 sprachlich ebenfalls zum Ausdruck. Im Anschluss bemerkt er allgemein, Jähzorn, Hochmut und Zügellosigkeit seien Eigenschaften eines Stiers (Ceterum iracundia calere, tumere superbia, lasciuia foetere taurinum est, 84, 33f bzw. §9), wobei er diese Aussage in ein Trikolon mit jeweils gleichartig gestalteten Gliedern fasst.249 Dass er sich dabei eigentlich trotzdem auf den jungen Mann bezieht, wird einerseits im vorhergehenden Wunsch, der Sünder möge eine menschliche Seele (im Gegensatz zu seinem tierischen Verhalten) annehmen, deutlich, andererseits im Folgenden, in dem konkrete Reaktionen auf Avitus’ Vorgehen, die gegen ihn gerichtet sind, genannt werden. In diesem Zusammenhang zählt der Adressant drei mögliche Antworten auf: allgemeine Drohungen (licet diuersas in me terrorum flammas euomuerit, 84, 34f bzw. §9), eine Anklage beim römischen Bischof (ad Romanae forsitan ecclesiae audientiam uocet, 84, 35 bzw. §9) und üble Gerüchte (et, si adhuc placet, etiam filios habere me dicat, 84, 36 bzw. §9).250 Die erste Möglichkeit formuliert der Verfasser hierbei in Form einer Metapher, die das zuvor evozierte Stierbild im mythologischen Bereich fortführt und so in allgemeiner Weise auf klassische Bildungskontexte anspielt. Die zweite mögliche Reaktion des jungen Mannes, die Wendung an eine höhere Instanz, war offensichtlich eine nicht ungewöhnliche Praxis.251 Ein solches Vorgehen hätte sicherlich einen Prestigeverlust für Avitus bedeutet, wäre aber nicht so gravierend gewesen wie die dritten Handlungsoption, der Vorwurf, der Bischof von Vienne habe selber Kinder. Eine derartige Anschuldigung hätte ihm ein dem jungen Mann vergleichbares Verhalten vorgeworfen, was in seinem Fall jedoch um einiges rufschädigender gewesen wäre, denn als Bischof war Avitus zu einem besonders tadellosen Lebensstil verpflichtet, wovon auch ein großer Teil seiner Autorität abhing.252 249 Ebenso wie M ALASPINA und R EYDELLET halte ich an dieser Stelle Sirmonds Version für wahrscheinlicher, da Avitus im ganzen Schreiben wiederholt dreigliedrige Ausdrücke verwendet, beispielsweise bei der Beleidigung des jungen Mannes (filius sine pietate, maritus sine sobole, pater sine herede, 84, 26f bzw. §7). Der implizite Vergleich mit einem Stier weist Anklänge an die antike Komödie und das Satyrspiel auf, worauf mich Prof. Dr. Anton B IERL freundlicherweise hingewiesen hat. Der Verfasser stellt damit seine literarische Bildung ebenso heraus wie seinen Humor. Zu entsprechenden Bezügen in Briefen, in denen es um Essen und Fasten geht, s. S HANZER (2001). 250 In vergleichbarer Weise agierte eine andere, von Avitus getadelte Person (a me castigatus, ep. 44P = ep. 40MR, 73, 31f bzw. §4): Sie klagte den Bischof offensichtlich bei Gundobad der Veruntreuung von Kirchengut an. 251 Entsprechend geht Vincomalus vor, der bei einem von Avitus’ Suffraganen des Inzests angeklagt wird und sich dann an den Bischof von Vienne wendet. Zur brieflichen Kommunikation zwischen Victorius von Grenoble, dem betroffenen Suffraganbischof, und Avitus s. o. S. 75ff. Interessanterweise wird hier Rom als höhere Instanz genannt, was eventuell eine Datierung des Briefs vor 513 nahelegt, als Caesarius zum päpstlichen Stellvertreter in Gallien bestimmt wurde (hierzu s. o. S. 66ff). Alternativ könnte es einen Hinweis auf dessen Nichtanerkennung oder einen Beleg für eine weitgehende Akzeptanz des päpstlichen Primats darstellen. 252 Hierzu s. o. S. 58ff sowie etwa G REER (2007), 569f.
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Doch dies nimmt der Adressant nicht einfach hin. In derselben Reihenfolge, in der er mögliche Vorgehensweisen des jungen Mannes angeführt hat, schildert er seine eigene Reaktion darauf und stellt sich so als wehrhaft und auf alle Eventualitäten vorbereitet dar, wobei sein Vorgehen der typischen rhetorischen Strategie entspricht, mögliche Argumente des Gegners vorwegzunehmen und im Voraus zu widerlegen. Als erstes kündigt er an, sich durch etwaige Drohungen nicht einschüchtern und zum Nachgeben bewegen zu lassen (nec minas suas assentatione placabo, 84, 36 bzw. §9) und präsentiert sich so als furchtlos und unnachgiebig. Ähnlich tritt er in Antwort auf die zweite Option auf, indem er versichert, er werde sich durch die mit einer Reise nach Rom verbundenen Mühen nicht abschrecken lassen, da er durch die Anklagen in der Heimat viel stärker zermürbt werde (nec fatigationem itinerum uerebor, qui ciuicis criminibus in patria plus fatigor,253 85, 1 bzw. §9). Dadurch, dass er sich auf den Aspekt der beschwerlichen Reise beschränkt, hebt er implizit die Unannehmlichkeiten hervor, denen sich ein gallischer Ankläger dann natürlich genauso wie er selbst unterziehen müsste. In fatigor nimmt Avitus fatigationem wieder auf und verklammert somit die verschiedenen Mühen eng miteinander. Worauf er sich freilich mit ciuicis criminibus, 85, 1 bzw. §9 bezieht, ist nicht eindeutig; es könnte sich ebenso um Anklagen gegen ihn selbst handeln254 wie um seine Aufgaben im Rahmen der episcopalis audientia.255 Trifft letzteres zu, inszeniert er sich als eifriger und pflichtbewusster Oberhirte, der seine Pflichten bis zur Erschöpfung erfüllt. Diesem Bild entspricht auf jeden Fall Avitus’ Entgegnung auf die dritte von ihm angeführte Handlungsmöglichkeit des jungen Mannes; es wird dabei um die Aspekte des Bischofs als guter Hirte und barmherziger Vater der Gemeindemitglieder ergänzt. Anstatt den Vorwurf, er selbst habe Kinder, zu widerlegen, stimmt er ihm zu, indem er filius dezidiert anders versteht als von Ansemundus’ Schützling intendiert. Der Bischof von Vienne betont, zahlreiche Kinder zu haben und den Verlust eines einzigen zu betrauern (nec multos filios me habere negabo, qui unum ex eis perisse iam doleo, 85, 1f bzw. §9).256 In diesem Kontext richtet sich seine Bekümmerung wie in doleo, 84, 4 bzw. §2 auf den jungen Mann – dort auf sein Verhalten, hier auf die Tatsache, dass er dadurch verloren ist. Insgesamt bildet doleo so eine Klammer um den Teil des Schreibens, in dem Avitus sich mit dem Benehmen von Ansemundus’ Schützling auseinandersetzt und weniger das Verhältnis zwischen beiden
253 Vermutlich handelt es sich bei M ALASPINAs und R EYDELLETs Textversion fatigabor um einen Druckfehler, da der Sinn an dieser Stelle Präsens erfordert. P EIPER schreibt wie C HEVALIER fatigor, außerdem findet sich nirgends eine Anmerkung im kritischen Apparat, die fatigabor als überlieferte Lesart oder Konjektur kenntlich macht. 254 Dieser Meinung scheinen S HANZER und W OOD (2002), 294 (Anm. 2), die auf in ep. 51P = ep. 48MR erwähnte Anschuldigungen hinweisen. 255 Hierzu s. o. S. 58ff. Über die mit der episcopalis audientia verbundene Belastung klagte beispielsweise auch Augustin, vgl. L ENSKI (2001), 93. 256 Zu seiner Verteidigung macht er gezielt von zwei verschiedenen Bedeutungen des Wortes filius Gebrauch, ein Vorgehen, das auch als Quelle für Witze dienen kann. Zu dieser Technik s. ROBSON (2006), 11f.
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Briefpartnern thematisiert, wie er dies in Anfangs- und Schlusspartie der Nachricht tut. Zum Ende des Briefs gibt Avitus Ansemundus drei Handlungsanweisungen, wie dieser sich für ihn einsetzen soll. Zunächst fordert er ihn dazu auf, den jungen Mann heftig anzugehen, da er aufgrund seiner Amtsgewalt mehr Macht dazu habe (Sed uos, cui iuris summa potestatisque priuilegio maior facultas suppetit castigandi, hominem uiolenter arguite, 85, 3f bzw. §10). Dabei erkennt er explizit an, dass der Adressat ihm aufgrund seines Amtes in weltlicher Hinsicht überlegen ist,257 inszeniert sich aber gleichzeitig als derjenige, der diesen Einfluss für sich nutzen darf. Dann verlangt der Bischof von Ansemundus, das ihm angetane Unrecht zu vergelten, um sich seines Wohlwollens zu versichern (conciliationi meae meam iniuriam, quia ita praecipitis, uindicate, 85, 4f bzw. §10). Auf diese Weise teilt er Ansemundus die Rolle eines Rächers der Unterdrückten zu, sich selbst diejenige eines ungerecht Behandelten, und versucht so, seine eigene Position der Schwäche, die er etwa zu Beginn des Schreibens betont hat, in eine Position der Stärke zu verwandeln. Während er dort zugesichert hat, alles zu tun, was Ansemundus von ihm wünsche,258 stellt er nun sogar Bedingungen, die dieser zu erfüllen hat, um ihn zu versöhnen. Dass er damit im Recht sei, insinuiert er durch den mit einem Polyptoton verbundenen Chiasmus conciliationi meae meam iniuriam, 85, 4f bzw. §10 und die Bemerkung, der Rezipient selbst habe es verlangt (quia ita praecipitis, 85, 5 bzw. §10). Schließlich ruft Avitus den Adressaten dazu auf, Vorsorge zu treffen gegen eine Wiederholung des Übels (ne malum hoc uel mandatis aut nuntiis renouetur, curaturum esse praedicite, 85, 5f bzw. §10). Sein erklärtes Ziel ist hierbei, dem jungen Mann, falls der seinen Fehler nicht freiwillig einsehe und Buße begehe, zumindest durch Haft daran zu hindern, ihn zu wiederholen (ut ei, si non corrigendo per uoluntatem, certe uel per custodiam reprimendo facultas culpae possit eripi, si paenitentiae salubritas non potuit persuaderi, 85, 6–8 bzw. §10). Ansemundus wird somit zum Fortsetzer der Aufgaben der Kirche gemacht, den der um das Seelenheil seiner Gläubigen bemühte Bischof damit beauftragt, die nötigen Mittel einzusetzen. Dass dabei als letzte Maßnahme auch Gewalt erlaubt ist, wird beispielsweise im Chiasmus corrigendo per uoluntatem – per custodiam reprimendo, 85, 6f bzw. §10 deutlich, der zudem durch seinen Klang heraussticht. Trotzdem ist das letzte Wort des Schreibens persuaderi, wodurch Avitus’ Präferenz für diese Vorgehensweise markiert wird.
257 Dies wird durch den Parallelismus iuris summa potestatisque priuilegio, 85, 3 bzw. §10 zusätzlich hervorgehoben. Nach dieser Charakterisierung hatte Ansemundus eine hohe Stellung, die richterliche Befugnisse mit einschloss. Er könnte also durchaus comes von Vienne gewesen sein, s. hierzu die Einleitung zum Brief. 258 licet in omnibus causis [...] liberum non habeam aliud facere quam iubetis, 84, 2f bzw. §2.
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2.2.1.3 Zusammenfassung Insgesamt lässt sich über Avitus’ Selbstmodellierung in ep. 55P = ep. 52MR Folgendes konstatieren: der Adressant inszeniert sich im gesamten Brief als theologisch und klassisch-literarisch gebildeter Bischof. In dieser Funktion tadelt er das Fehlverhalten eines jungen Mannes, der sich einer Nonne genähert hat, auf das Härteste, indem er zunächst anhand von Bibelstellen die Sündhaftigkeit von dessen Benehmen aufzeigt und anschließend auf das dadurch verursachte Leid aller Beteiligten eingeht, die Verwandten des Paares eingeschlossen. Seine Bildung im christlich-theologischen Bereich kommt insbesondere in der Zitation von und Anspielung auf Bibelstellen sowie im geschickten Umgang mit diesen zum Vorschein. Die klassisch-literarischen Kenntnisse werden einerseits im Aufrufen mythologischer, aus der Schule bekannter Kontexte sichtbar, andererseits in der elaborierten stilistischen Gestaltung des Schreibens, in dessen stellenweiser sprachlicher Dunkelheit und der Verwendung rhetorisch geschickter Argumentationsstrategien. Auf diese Weise inszeniert Avitus sich selbst und den Adressaten als Mitglieder einer Elite, die sich über ebendiese Art von Bildung definieren und einander durch die Anwendung ihres Wissens ihrer Zugehörigkeit zu dieser versichern. Diese gegenseitige Vergewisserung funktioniert hier in Bezug auf klassischliterarische Bildung bereits an der Oberfläche: um die Briefpartner als gebildet wahrzunehmen, ist es nicht zwingend nötig, die Ironie zu verstehen oder die Anspielungen auf Bilder des Mythos bis ins letzte Detail nachvollziehen zu können, da auch die sprachliche Ausgestaltung allein dies ermöglicht. Insbesondere die teilweise dunkle Sprache scheint die Funktion zu haben, Avitus und Ansemundus als Teil eines eingeweihten Kreises zu porträtieren, denn in manchen Fällen bleiben etwa Bezüge auf Personen sehr unklar und sind somit nur für diejenigen, die bereits Bescheid wissen, erkennbar. Dies dient zugleich dem Schutz der Erwähnten, deren Ansehen ansonsten in Gefahr wäre. Der Verfasser genügt damit der elitären Verhaltensmaxime, die Ehre der anderen zu respektieren, und versucht, seine durch den Vorfall in Frage gestellte Autorität zu bewahren. Ein weiterer in diesem Kontext bedeutender Aspekt ist der Gebrauch von Humor und Ironie, der dazu beiträgt, die Situation, den Machtkampf zwischen den Briefpartnern, aufzulockern und die Spannung zu reduzieren. So werden beide als Angehörige der Eliten präsentiert, die Konflikte höflich und in einer ihrem Status angemessenen Weise lösen können. Die im Brief entworfene Personenkonstellation geht aber noch darüber hinaus. Im gesamten Schreiben wird immer wieder die dem Verfasser übergeordnete weltliche Macht des Empfängers hervorgehoben, der sich an den Autor gewandt hat, um sich für einen jungen Mann, der ebenfalls aristokratischer Herkunft ist, einzusetzen. Die Relationen der drei Beteiligten zueinander ändern sich jedoch im Verlauf der Nachricht, denn während Avitus zu deren Beginn als einzelner Ansemundus und dessen Schützling gegenüberstand, distanziert er den Rezipienten allmählich von dem jungen Mann, für den dieser sich eingesetzt hat, sodass am Ende Ansemundus und Avitus eine gemeinsame Front gegen ihn bilden. Parallel zu dieser
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Entwicklung wandelt sich ebenfalls die Machtposition des Bischofs: Zunächst argumentiert er vom Standpunkt des Schwächeren aus, der zu einer Position relativer Stärke wird;259 seine anfangs in Frage gestellte Autorität ist schließlich gefestigt und nimmt sogar zivile Mittel für sich in Anspruch, um ihre Ziele zu erreichen. Leider ist nicht überliefert, wie erfolgreich er damit war. Außer der Aushandlung von Machtfragen bildeten freilich noch andere Gegenstände Inhalt und Zweck von Avitus’ Briefen. Zu diesen gehören die Diskussion politischer Ereignisse ebenso wie die Unterhaltung über Literatur. Eben hierum geht es in ep. 51P = ep. 48MR, die Avitus an Apollinaris, einen engen Verwandten und einflussreichen Aristokraten im westgotischen Gebiet, schickte und die im Zentrum der folgenden Analysen stehen soll.
2.2.2 Politik und literarische Diskurse Zu den wichtigsten Gegenständen spätantiker Epistolographie gehörten Politik im weitesten Sinne und vor allem Literatur und literarisches Schaffen. Während erstere sich etwa in Form von Empfehlungsbriefen, Netzwerkpflege, Dankesschreiben und Petitionen äußert, wird letztere beispielsweise im Austausch von Handschriften mit eigenen oder klassischen Werken, dem Lob der Produktionen des Briefpartners oder allgemein im Einflechten von Zitaten sichtbar.260 Beide Bereiche stellen wichtige Themen eines Schreibens dar, das Avitus an Apollinaris, den Sohn des Sidonius, sandte, ep. 51P = ep. 48MR.
2.2.2.1 Apollinaris, vir illustris Apollinaris wurde wohl zwischen 467 und 470 in Lyon geboren.261 Sein Vater war Sidonius Apollinaris, 468 praefectus urbi Roms und später Bischof von Clermont. Als solcher versuchte er, die Stadt gegen die Westgoten zu verteidigen und musste daher nach dem Friedensschluss, durch den die Auvergne an die Westgoten fiel, für einige Zeit ins Exil gehen. Papianilla, seine Mutter, war die Tochter des Eparchius Avitus, der 455/6 römischer Kaiser war. Apollinaris hatte mindestens drei Schwestern; er war verheiratet mit Placidina und hatte einen Sohn, Arcadius, der in Avitus’
259 Ganz anders stellt sich der Sachverhalt in ep. 44P = ep. 40MR dar. Als Angeklagter befindet sich der Bischof von Vienne dort in der Lage des Schwachen, der auch am Ende des Schreibens nur darum bitten kann, gerecht behandelt zu werden, anstatt dies nachdrücklich zu fordern, wie er es in ep. 55P = ep. 52MR tut. 260 Hierzu s. o. S. 54f. 261 Wo nicht anders vermerkt, stützen sich die folgenden Ausführungen auf die Einträge bei H EIN ZELMANN (1982) (s.v. Apollinaris 4), in der PLRE (s.v. Apollinaris 3) sowie in der PCBE (s.v. Apollinaris 4).
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Briefen mehrmals erwähnt wird. Möglicherweise war Apollinaris ein Cousin des Bischofs von Vienne.262 Da er der Sohn des Aristokraten und gefeierten Literaten Sidonius war, erhielt der Adressat von ep. 51P = ep. 48MR eine angemessene klassische Erziehung und Ausbildung.263 Nach einem Aufenthalt in Rom im Gefolge eines gallischen Adligen und einem Gefängnisaufenthalt nach dessen Hinrichtung kehrte er zurück nach Clermont. Unter dem westgotischen Herrscher Alarich II. bekleidete er ein hohes, wahrscheinlich militärisches Amt und kämpfte wohl in der Schlacht bei Vouillé 507 auf westgotischer Seite. 515 wurde er durch eine Intrige seiner Frau und seiner Schwester gegen den eigentlich gewählten Amtsinhaber Quintianus Bischof von Clermont, verstarb aber nach wenigen Monaten im Amt. Als Mitglied der epistolaren Netzwerke korrespondierte er mit Ruricius von Limoges, Avitus und eventuell sogar mit Ennodius von Pavia.264 Innerhalb der avitanischen Kollektion sind vier Schreiben an Apollinaris erhalten, die möglicherweise zumindest in Teilen verschlüsselt und vielleicht auch deswegen an einigen Stellen recht obskur sind.265 Bei ep. 24P = ep. 21MR und ep. 36P = ep. 32MR handelt es sich um teils dunkle Freundschaftsbriefe, in denen der Bischof von Vienne seine Freude über die unversehrte Heimkehr eines Familienmitglieds zum Ausdruck bringt. In ep. 51P = ep. 48MR, die im Anschluss im Detail untersucht werden soll, geht es um die Tatsache, dass der Adressat von einem politischen Vorwurf freigesprochen wurde, und um vom Sender verfasste Literatur, ep. 52P = ep. 49MR schließlich beinhaltet Ratschläge zum Umgang mit Apollinaris’ Anklägern. Eine Datierung der Briefe ist nur schwer möglich; P EIPER vermutet für ep. 24P = ep. 21MR und epp. 51fP = epp. 48fMR 507 als Entstehungsjahr, ep. 36P = ep. 32MR bleibt bei ihm ohne Datum. S HANZER und W OOD (2002), 337 schließen sich ihm an, M ALASPINA und R EYDELLET datieren den erst- sowie den letztgenannten Brief auf 507, für die übrigen beiden Schreiben geben sie 507 als Terminus ante quem an. H ECQUET-N OTI schließlich nimmt die Schlacht von Vouillé 507 als Terminus ante quem für alle vier Schreiben an, die sie zudem in die relative Reihenfolge ep. 36P = ep. 32MR, ep. 51P = ep. 48MR, ep. 52P = ep. 49MR, ep. 24P = ep. 21MR bringt.266
262 So M ATHISEN (1981), 100, der annimmt, dass Avitus’ Mutter Audentia eine Schwester des Sidonius war. 263 Wie beispielsweise aus Sidon. epist. 4, 12 hervorgeht, lasen Vater und Sohn gemeinsam lateinische und griechische Komödien. Freilich beklagte Sidonius sich später über das in seinen Augen zu geringe literarische Interesse seines Sohnes, der anscheinend die Jagd vorzog (Sidon. epist. 9, 1). Zur Ausbildung des Apollinaris s. M ASCOLI (2010), 23–29. 264 Ein brieflicher Austausch zwischen Ennodius und einem Apollinaris ist bezeugt, fraglich ist jedoch, ob Ennodius’ Briefpartner mit dem Sohn des Sidonius identisch ist. 265 In Kriegszeiten konnte schon der Briefaustausch an sich gefährlich sein, wenn er zwischen zwei Gebieten stattfand, deren Machthaber miteinander verfeindet waren, wie unter anderem in ep. 51P = ep. 48MR deutlich wird. 266 Vgl. H ECQUET-N OTI (2005), 149–151.
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2.2.2.2 Ep. 51P = ep. 48MR Letztlich gliedert sich ep. 51P = ep. 48MR in zwei Teile: der erste (79, 17–80, 18 bzw. §§1–8) befasst sich mit Apollinaris’ politischer Aktivität und deren momentanen Auswirkungen auf den Briefwechsel zwischen ihm und Avitus, der zweite (80, 18–81, 3 bzw. §§9–14) hat das literarische Schaffen des Bischofs von Vienne zum Thema. Durch den gesamten Text zieht sich dabei die wiederholte Betonung der Verbundenheit beider Briefpartner in vielerlei Hinsicht. Avitus beginnt das Schreiben mit einer sorgsam gestalteten Periode, deren erstes Wort Diu, 79, 17 bzw. §1 besonders auffällt, da Sidonius Apollinaris seine Briefsammlung damit eröffnet.267 Auf diese Weise stellt der Bischof von Vienne sich zum einen dezidiert in die Tradition des gallischen Epistolographen268 und macht zum anderen dessen Sohn Apollinaris ein besonderes Kompliment. Folglich präsentiert der Adressant sich bereits an dieser Stelle als Mitglied der gallischen Eliten und bedeutender Epistolograph, der sich entsprechend ausdrücken kann. Anders als Sidonius bezieht Avitus sich mit Diu jedoch nicht auf zahlreiche Überredungsversuche des Empfängers, er solle seine Briefe als Kollektion veröffentlichen, sondern konstatiert eine – zumindest seiner Meinung nach angesichts der Zuneigung beider Briefpartner – lang dauernde Unterbrechung der Korrespondenz (Diu est, si aut uerbo meo creditis aut de affectu mutuo digna sentitis, quod litteras alicuius uestri sumere desiderans, plus tamen officii mei offerre cupiebam, 79, 17f bzw. §1). Hierbei hebt der Verfasser die enge Verbindung von Adressat und Adressant hervor, die vor allem auf Zuneigung und Verwandtschaft beruhe (de affectu mutuo, 79, 17 bzw. §1; dilectioni primum, deinde necessitudini, 79, 19 bzw. §1) und betont gleichzeitig den hohen Rang des Rezipienten (dignitati, 79, 19f bzw. §1). Indem der Bischof von Vienne auf die Umstände des Briefaustauschs eingeht (etwa in non semper occasionibus commeantium soluenda committere, 79, 20 bzw. §1) und seine eigene Nachricht als Pflicht, die er schuldet, charakterisiert (officii mei, 79, 18 bzw. §1; quaeque [...] a me debentur, 79, 18–20 bzw. §1) verwendet er ein häufiges Briefmotiv.269 Entsprechend betont der Bischof von Vienne danach, er sei sich dieser Pflicht, einen Brief zu versenden, durchaus bewusst gewesen (Huius obsequii me obnoxium sciens, 79, 23 bzw. §3), habe sie jedoch aufgrund der 267 Diu praecipis, domine maior, ..., Sidon. epist. 1, 1, 1. 268 Sidonius’ Briefsammlung erreichte bereits innerhalb einer Generation den Status eines Klassikers, vgl. hierzu M RATSCHEK (2017), 322f. 269 Zur Erwähnung äußerer Gegebenheiten des Briefversands s. etwa T RAPP (2003), 36. Andere Stellen, an denen Avitus Briefe als Pflicht bezeichnet, sind beispielsweise directis litterarii sermonis officiis, ep. 29P = ep. 26MR, 59, 14 bzw. §2; officia [...] semper debita, ep. 32P = ep. 29MR, 62, 26 bzw. §1; epistolaribus officiis, ep. 35P = ep. 31MR, 65, 20 bzw. §1; officia profusissimae caritatis exsolui, ep. 38P = ep. 34MR, 67, 15 bzw. §3; salutationis officia pagina famulante persoluens, ep. 64P = ep. 61MR, 88, 17 bzw. §2; officia semper debenda persoluo, ep. 83P = ep. 79MR, 94, 23 bzw. §1. Ein weiterer epistolarer Topos, den der Vienner in seinem Schreiben verwendet, ist sein Eingehen auf die vorhergehende Nachricht des Adressaten (79, 29–34 bzw. §4f).
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Umstände nicht erfüllen können (intercludi redhibitionem iustam, iniusta obstaculi praepediente obice, 79, 23f bzw. §3) und sei darüber sehr bekümmert gewesen (ingemiscebam, 79, 24f bzw. §3). Den Gegensatz zwischen Schuldigkeit und Hindernis, das der Einlösung entgegenstand, bringt er hierbei durch die viermalige Verwendung des Präfixes ob- sowie die Antithese iustam iniusta zum Ausdruck.270 Dadurch markiert er das Schreiben als typischen Teil spätantiker aristokratischer Kommunikation, modelliert so beide Briefpartner als hochrangige und gebildete Mitglieder der höchsten Kreise und präsentiert vor allem sich selbst als Aristokraten: Er steht in Kontakt mit anderen einflussreichen Adligen, kennt die mit einem entsprechenden Briefaustausch verbundenen Obliegenheiten und hält sich üblicherweise daran. Gleichzeitig besitzt er aber genügend politische Informationen und politisches Gespür, um, falls nötig, darauf zu verzichten – was er zudem eloquent in Worte fasst.271 Insbesondere in Bezug auf die Bildung verschafft der Verfasser diesem Bild im Folgenden schärfere Konturen, indem er sich bei der genaueren Rechtfertigung seiner Zurückhaltung wiederum in die Tradition des Sidonius stellt und sein Schreiben weiterhin sorgfältig gestaltet. Ohne allzu viele Details mitzuteilen, berichtet er, er habe zu seiner Bekümmerung durch ein Gerücht erfahren, es habe eine Verschwörung gegen Apollinaris gegeben (Peruenerat quippe non ad notitiam tantummodo, sed ad maestitiam nostram dispositi fumus incendii [...] coniuratio, 79, 25–27 bzw. §3).272 Den Inhalt der Nachricht kleidet er dabei in metaphorische Sprache aus dem Bereich Feuer (dispositi fumus incendii; cineribus, 79, 26f bzw. §3) und Sturm (coniuratio procellosa uentis mendacibus sufflans, 79, 28 bzw. §3) – Metaphorik, die auch Sidonius für üble Nachrede verwendet.273 270 Auch die vorhergehende Passage weist eine elaborierte Gestaltung auf, erwähnt seien nur der mit einer Antithese verbundene Parallelismus alicuius uestri sumere desiderans – officii mei offerre cupiebam, 79, 18 bzw. §1, das Trikolon dilectioni primum, deinde necessitudini, ad ultimum etiam dignitati, 79, 19f bzw. §1 und der sorgfältig komponierte Klang bei occasionibus commeantium soluenda committere, 79, 20 bzw. §1. alicuius uestri bezieht sich dabei nach S HANZER und W OOD (2002), 343 (Anm. 1) und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 223 (Anm. 590) auf Apollinaris’ Sohn Arcadius, der offensichtlich zumindest zeitweise als Sekretär seines Vaters fungierte. 271 Er variiert dabei den zuvor als Überleitung geäußerten Gedanken Quia licet et ipsa nobis opportunitas portitorum propter frequentiam debeat esse uotiua, necesse est tamen ut illa sollicitudo praecellat, quae se appetitu proprio sine interuentu alienae necessitatis insinuat, 79, 21–23 bzw. §2. Zu Adel und Briefen s. o. S. 54f. 272 Dies formuliert er als Zeugma, das zusätzlich durch seinen Klang hervorgehoben wird (notitiam – maestitiam, 79, 25 bzw. §3), worauf S HANZER und W OOD (2002), 343 (Anm. 4) ebenfalls hinweisen. 273 In epist. 1, 11, 2, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 343 (Anm. 3). Avitus selbst gebraucht sie ansonsten nur, um die Wirkung von Häresien zu beschreiben, so in ep. 3P in Bezug auf die Häresie des Eutyches und in ep. 26P = ep. 23MR in Zusammenhang mit dem Donatismus in Gallien. Ähnliches ist beim Bild des Sturms der Fall, mit dem der Bischof von Vienne andernfalls die Schismen oder Häresien als Naturgewalten zeichnet, die das Schiff der Kirche auf dem Meer umtosen, zum Beispiel in ep. 34P = ep. 30MR, 65, 5f bzw. §9 im Kontext des Laurentianischen Schismas.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
Der Verfasser porträtiert den Adressaten zwar als völlig unschuldig (sanctae ac simplici innocentiae uestrae, 79, 26 bzw. §3), trotzdem sind die Vorwürfe gegen diesen für ihn ein Grund gewesen, ihm nicht mehr zu schreiben, um ihn nicht durch einen Brief in noch größere Bedrängnis zu bringen (Ob quam causam uerebamur anxietatis uestrae sarcinam uoto libaminis aggrauare, et maeroris augmentum pro consolatione transmittere, 79, 28f bzw. §4). Indem Avitus die eben nicht verschickte Nachricht als uotum libaminis bezeichnet, schließt er sich an die Eigenschaften an, die er seinem Gegenüber zuvor attestiert hat (sanctae ac simplici innocentiae uestrae, 79, 26 bzw. §3). Nachdem Avitus seine Lage derart umrissen hat und sich dabei als einfühlsamen und rücksichtsvollen Kenner des Apollinaris und der politischen Gegebenheiten präsentiert hat, greift er die zuvor verwendete Wettermetaphorik wieder auf, nun in Bezug auf seine eigene Situation und nicht als Beschreibung der Verschwörung. In der geschilderten Unwissenheit, die er mit einer Wolke vergleicht, habe ihn überraschend ein Schreiben des Apollinaris erreicht (Sub huius ergo ambiguitatis nubilo confusa expectatione pendentibus, litteras uestrae serenitatis, pristinae pietatis expertas, inopinanti mihi Deus obtulit, 79, 29–31 bzw. §4). Nicht nur durch die Metaphorik an sich, sondern vor allem durch die Bezeichnung des Adressaten mit serenitas uestra kehrt Avitus hier seine Bildung heraus: Er schmeichelt dem Rezipienten mit einem eigentlich für den Kaiser reservierten Titel, führt die in nubilo begonnene Metapher fort274 und deutet zugleich bereits an, dass der Brief gute Nachrichten enthält. Daneben hebt er die enge Beziehung beider Korrespondenten hervor, die schon lange bestehe und in deren Verlauf sein Gegenüber ihm wiederholt seine Wertschätzung zum Ausdruck gebracht habe (pristinae pietatis expertas, 79, 30f bzw. §4). Auf diese Weise inszeniert er sich als langjährigen Angehörigen der Briefzirkel, der von anderen Epistolographen entsprechend behandelt und gewürdigt wird. Zudem stellt er sich durch die Formulierung mihi Deus obtulit, 79, 31 bzw. §4 als gläubiger Christ dar.275 Die besondere Anerkennung, die ihm vom Adressaten erwiesen wird, hebt der Bischof von Vienne nochmals hervor, wenn er anschließend auf das Schreiben, das ihm zugestellt wurde, genauer eingeht, denn sein Briefpartner hat diesen Brief von eigener Hand geschrieben und nicht wie üblich einem Sekretär diktiert.276 Gleichzeitig zeigt er, dass er dies erkennt und schätzt (Recognoui illic, qua satis delectatus sum, manum uestram, 79, 31f bzw. §4), und macht Apollinaris im Gegenzug ein Kompliment für seinen Stil, da er ihn mit dem seines Vaters, des gefeierten Lite274 Vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 223 (Anm. 594). Mit ähnlichen Bildern beschreibt Avitus in einer Nachricht an den Patriarchen von Konstantinopel die Situation in Bezug auf das Akakianische Schisma (omne nubilum [...] redintegratae pacis serenitate detersum, ep. 9P = ep. 6MR, 43, 10f bzw. §2). 275 Dieser Aspekt wird auch im restlichen Schreiben immer wieder hervorgehoben, etwa in Christo praestante iam redux, 79, 33 bzw. §5; in ecce – Deo teste loquor, 80, 5 bzw. §6, hier durch den Anklang an die biblische Sprache (ecce) zusätzlich betont; in illud Diuinitas tribuat..., 80, 15 bzw. §8; und in imprecor testem Deum, 80, 22f bzw. §10. 276 Vgl. auch S HANZER und W OOD (2002), 343 (Anm. 5).
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raten Sidonius Apollinaris, vergleicht277 und ihn als in seiner Freundlichkeit seiner Vorfahren würdig erklärt (quam plus paternam declamationem! quam maxime hereditariam benignitatem!, 79, 32f bzw. §4). Auf diese Weise porträtiert Avitus den Adressaten als idealen Aristokraten, der die Tradition seiner Familie in seinem Verhalten und Auftreten angemessen fortsetzt und über die entsprechende Bildung verfügt,278 und erkennt dessen Status als Mitglied der Eliten an. Danach fasst Avitus den Inhalt von Apollinaris’ Botschaft zusammen und kommentiert ihn. Noch auf dem Rückweg von Alarich II.279 habe Apollinaris an den Bischof von Vienne geschrieben, er sei in Sicherheit und Alarichs Gunst ihm gegenüber bestehe unverändert fort (Scripsistis igitur [...] redux, omnia tuta esse circaque uos dignationem domni regis Alarici illaesam et pristinam permanere, 79, 33f bzw. §5). Im Anschluss korrigiert er diese Zeichnung des Rezipienten als einflussreichen Aristokraten, der dem westgotischen König unverändert nahestehe, zu dessen Gunsten: Sicherlich sei das Wohlwollen Alarichs diesem gegenüber nicht dasselbe, sondern habe sich noch vergrößert, da Apollinaris sich ja als treu und unschuldig erwiesen habe (gratia talium personarum ita sine augmento non redditur sicut sine periculo non finitur: uolunt enim quasi satisfacere innocentiae lacessitae, tumque eligunt, credidisse cum cernunt; et sic eis conscientia nostra sufficit, si scientia sua testis accedit, 80, 1–4 bzw. §5). Diese Aussage formuliert er allgemein und hebt dabei in ego censeam, 80, 1 bzw. §5 hervor, dass es sich lediglich um seine eigene Meinung handle, nicht ohne dabei etwa durch innocentiae, 80, 3 bzw. §5, das die vorherige Anrede (79, 26 bzw. §3) wieder aufnimmt, den Bezug zum konkreten Einzelfall des Apollinaris deutlich zu machen. Auf diese Weise zeigt Avitus sich einerseits vorsichtig und politisch klug, da eine allzu offene Kritik vermutlich gefährlich sein konnte, andererseits erweist er dem Empfänger gegenüber besondere Höflichkeit und Wertschätzung, indem er dessen Status zusätzlich aufwertet, und agiert gerade dadurch dem aristokratischen Verhaltenscode entsprechend.280 Daraufhin beschreibt der Bischof von Vienne seine Reaktion auf Apollinaris’ Brief, Tränen der Erleichterung (nuntio uestrae [...] securitatis accepto [...] in lacrimas mixtas laetitia [...] prorupi, 80, 4–6 bzw. §6), und erklärt sie genauer (ut memoria retractaui, 80, 7 bzw. §6). Diese Begründung schmückt er mit einem durch ut 277 Die Briefe des Sidonius wurden bereits innerhalb einer Generation quasi klassisch, vgl. M RATSCHEK (2017), 322f. Zu erwähnen ist hier zudem Gregor von Tours’ Urteil Sanctus vero Sidonius tantae facundiae erat..., Franc. 2, 22. 278 Zum Ideal des spätantiken Aristokraten s. o. S. 50ff. 279 Vermutlich reiste der Adressat von Toulouse, dem Sitz der westgotischen Herrscher, zurück nach Clermont, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 223 (Anm. 596). Zu Alarich s. W OLFRAM (1990), 195–197; 200f; 206f, ebenso K AMPERS (2008), 135; 143f. 280 Hierzu s. o. S. 50ff. In diese Richtung deutet auch die sprachliche Gestaltung der Passage, beispielsweise der parallel strukturierte Vergleich ita sine augmento non redditur sicut sine periculo non finitur, 80, 1f bzw. §5, die Alliteration sufficit, si scientia sua, 80, 4 bzw. §5 sowie das Wortspiel conscientia – scientia, 80, 3f bzw. §5, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 344 (Anm. 2). Zu solchen und ähnlichen sprachlichen Spielereien s. G UALANDRI (2017), insbesondere 129–131.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
ait uester poeta, 80, 6 bzw. §6 eingeleiteten Vergilzitat (animo namque [...] subiit cari genitoris imago, 80, 6f bzw. §6).281 In diesem Aeneisvers wird nicht nur die folgende Erwähnung des Sidonius, Apollinaris’ Vater, angedeutet, sondern es werden in uester poeta auch frühere christliche Schriftsteller parodiert, die pagane Autoren nicht als die ihren anerkannten.282 Dadurch, dass Avitus in Form eines derart verwendeten literarischen Zitats eines der typischen Elemente antiker und spätantiker Kommunikation zwischen Gebildeten einfügt,283 inszeniert er das Schreiben als Teil eines solchen epistolaren Austauschs und präsentiert beide Briefpartner als Mitglieder der Eliten, die sich durch ihre Bildung auszeichnen. Eine solche Selbstvergewisserung garantierte die romanitas der Beteiligten, die sich etwa im Rückgriff auf die klassische Literatur erwies.284 Möglicherweise kommt Avitus’ Zitat an dieser Stelle besondere Brisanz zu, da sich Sidonius ebenso wie Anchises mit der Eroberung seiner Heimat konfrontiert sah. Obwohl der Bischof von Vienne auf den unmittelbar darauf explizit genannten Unterschied beider Briefpartner hinweist, der in ihren verschiedenen Laufbahnen besteht (ad nostras quamlibet dispari professione personas, 80, 7f bzw. §6), hebt er die Verbundenheit zwischen Adressat und Adressant hervor. Diese ist einerseits im Los gemeinsamer Verwandter begründet, welche ebenfalls durch Neider verursachte Schwierigkeiten zu ertragen hatten (usque ad nostras [...] personas quandam parentum communium sortem, parilitatem laborum inuidia exsequente, perduci, 80, 7–9 bzw. §6).285 Andererseits werde ihnen gemeinsam derselbe Trost wie anderen Familienangehörigen zuteil (Illa tamen in Dei nomine etiam nobis suppetit quae illis consolatio fuit, 80, 9f bzw. §7).286 In diesem Zusammenhang tritt Avitus erneut als gläubiger Christ auf, was an in Dei nomine, 80, 9 bzw. §7 deutlich wird, und präsentiert den Adressaten ebenfalls als solchen, da in nobis beide eingeschlossen sind. Der genannte Trost besteht für den Adressanten in der Tatsache, dass alle Intrigen gegen die Familie, die andere aus Neid planten, nie etwas anderes als haltlose Vorwürfe gewesen seien – schließlich sei diese untadelig (quod toto aemulorum nisu, toto circumlatrantis undique liuoris dente tentata, quotienscumque appeti uisa est, criminationi subiacuit familia nostra, non crimini, 80, 10–12 bzw. §7). 281 Aen. 2, 560. Aeneas beschreibt hier seine Gedanken, als er die Ermordung des Priamos beobachtet, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 344 (Anm. 3) und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 224 (Anm. 601). 282 Vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 224 (Anm. 600). 283 Vgl. beispielsweise C UGUSI (1983), 91f. 284 Da der Bischof von Vienne die Quelle seines Zitats nennt, erfolgt seine Einordnung in die klassische Tradition hier pointierter als anderswo. Ein Grund dafür könnte ein durch die vorherige gefährliche Situation bedingtes Bestreben sein, zumindest in nichtpolitischen Kontexten durch einen umso deutlicheren Anschluss an die Vergangenheit Sicherheit und Beständigkeit zu suggerieren. 285 Die Passage sticht zudem klanglich hervor, etwa durch das Spiel mit den Silben per und par (dispari, personas, parentum, parilitatem, perduci, 80, 7–9 bzw. §6). Mit dieser sprachlichen Gestaltung markiert Avitus das Schreiben auch hier als Teil eines Austauschs zwischen Gebildeten, vgl. hierzu beispielsweise S CHWITTER (2015), 25; G UALANDRI (2017), 129–131. 286 Wenig später schreibt er sogar dezidiert familia nostra (80, 11 bzw. §7).
2.2 Briefe an Adlige und weltliche Machthaber
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Die gesamte Passage ist durch eine elaborierte stilistische Gestaltung gekennzeichnet. Zu erwähnen sind in diesem Kontext zunächst die Anapher toto, mit der die Charakterisierungen der Widersacher eingeleitet werden, ebenso das in der Dichtung weit verbreitete Bild vom Zahn des Neides (circumlatrantis undique liuoris dente, 80, 10 bzw. §7)287 und vor allem das Wortspiel criminationi – crimini, das aufgrund seiner Stellung beider Begriffe an Anfang und Ende des Kolons besonders heraussticht. Durch die sorgfältige sprachliche Ausarbeitung rechtfertigt der Verfasser den recht explizit genannten hohen Rang seiner Sippe auch implizit, schließlich streicht er die erlesene Bildung zweier ihrer Mitglieder, der beiden Briefpartner, heraus. Damit entsprechen Adressat und Adressant ebenso wie die Angehörigen ihrer Familie dem Ideal eines spätantiken Adligen, gerade auch deswegen, weil sie, wie sich an ihrer Unschuld zeigt, über einen untadeligen Charakter verfügen.288 Anschließend kommt Avitus erneut auf Sidonius zu sprechen, indem er ein Zitat von ihm anführt. Dabei ruft er einen schulischen Kontext auf, wie bereits in der Einleitung des Bonmots deutlich wird (si uos a patre uestro hoc didicistis, 80, 12 bzw. §7) und spricht den Empfänger betont an. Das Zitat selbst, uirum saeculo militantem minus inter arma quam inter obloquia periclitari, 80, 12f bzw. §7,289 spielt mit der Bedeutung von militare und hebt damit indirekt hervor, in welch großer Gefahr sich Apollinaris, ein Laie (saeculo militantem, 80, 12 bzw. §7) befunden hat. Durch die Bemerkung, Sidonius könne nicht für Apollinaris, sondern auch für ihn selbst als Beispiel dienen (exemplum a Sidonio meo [...] quantum clericus perpeti possit, assumo, 80, 13f bzw. §7),290 rückt der Bischof von Vienne aufs Neue die enge Verbindung zwischen dem Adressaten und sich selbst in den Vordergrund. Diese kommt hier über die Person des gallischen Literaten zustande, in dem sich zahlreiche Rollen vereinen,291 diejenige des einflussreichen Laien ebenso wie die des Bischofs und Klerikers, die als Vater des Apollinaris und die als literarisches 287 Avitus verwendet es in ep. 5P = ep. 2MR, 33, 7f bzw. §8 ein weiteres Mal, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 188 (Anm. 55). Gerade Augustin gebraucht das Verb circumlatrare häufiger, um die Aktivitäten von Widersachern (insbesondere Häretikern) zu beschreiben, vgl. G EORGES (1910). 288 Zum Zusammenhang von Adel, Bildung und Charakter s. o. S. 50ff. 289 Hierzu s. P IACENTE (2001). S HANZER und W OOD (2002), 344 (Anm. 10) weisen darauf hin, dass der Ausspruch sich so bei Sidonius nicht finde, dass es es sich aber nicht unbedingt um ein exaktes Zitat handeln müsse, sondern vielleicht lediglich um eine Anspielung auf eine bestimmte Episode. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 224 (Anm. 603) ergänzen, er könne zudem mündlich überliefert worden sein. Da sicherlich nicht alle Briefe und sonstigen Schriften, die Sidonius verfasste, erhalten sind, ergibt sich einer seiner verlorenen Texte als weitere mögliche Quelle, die Avitus als recht nahem Verwandten zugänglich gewesen sein könnte und aus der er direkt oder indirekt zitierte. Nicht völlig von der Hand zu weisen ist B URCKHARDTs Bemerkung, es müsse sich hier nicht zwangsläufig um ein Zitat handeln, sondern die gesamte Stelle könne auch allgemeiner verstanden werden, etwa in dem Sinne „an der Gestalt Eures Vaters habt Ihr erfahren...“, vgl. B URCKHARDT (1938), 34 (Anm. 4). 290 Als Exemplum für Widrigkeiten, die Sidonius als Bischof ertragen musste, kann etwa seine Verbannung auf die Festung Livia genannt werden, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 224 (Anm. 604). Zum Exil des Sidonius und anderer Bischöfe auf westgotischem Territorium s. ebenso P RÉVOT und G AUGE (2008), insbesondere 310–323. 291 Hierzu s. auch S HANZER und W OOD (2002), 344 (Anm. 11).
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Vorbild des Avitus. Der Adressant streicht dabei in Sidonio meo, 80, 13f bzw. §7 einerseits seine Verbundenheit mit dem eben genannten heraus, bringt andererseits jedoch in quem patrem uocare non audeo, 80, 14 bzw. §7 bescheiden zum Ausdruck, dass er in literarischer Hinsicht nicht an sein Vorbild heranreiche.292 Indem Avitus diesen Bescheidenheitstopos gebraucht, die gesamte Passage argumentativ und stilistisch sorgfältig gestaltet und dabei durch seine Wortwahl den Kontext „Schule und (Aus-)Bildung“ aufruft (didicistis; exemplum; assumo, 80, 11– 13 bzw. §7),293 inszeniert er neben sich selbst ebenfalls den Adressaten als gebildet. Die wiederholt hervorgehobene Verbundenheit beider Briefpartner besteht also nicht allein in der Person des Sidonius Apollinaris und damit in ihrer Verwandtschaft, sondern darüber hinaus in der beiden gemeinsamen Ausbildung und den dabei erworbenen Kenntnissen. Folglich modelliert Avitus die am Briefwechsel Beteiligten als Angehörige einer gebildeten Elite, die über diese Bildung die allen gemeinsame römische Kultur definiert und pflegt.294 Ebendiese literarische Bildungskultur wird im Folgenden explizit Thema. Der Bischof von Vienne kündigt hierfür zunächst einen Wechsel von traurigen und bedrückenden Sachverhalten zu leichten Scherzen an (Sed desistant nunc laetitiae tempore amaritudines: ex oportunitate sermo perstrictus, quin potius inepte iocantis audacia, unde rideatis exhibeat, 80, 16–18 bzw. §8)295 und verwendet dabei gleich mehrere epistolare Motive, beispielsweise eine Anspielung darauf, dass ein Brief nicht allzu lange sein sollte (sermo perstrictus, 80, 17 bzw. §8).296 Indirekt bezieht sich sermo dabei außerdem auf den Topos vom Brief als Ersatz für ein persönliches Gespräch,297 darüber hinaus erscheinen Briefe schon bei Cicero häufig als Gelegenheiten für Scherze und witzige Unterhaltungen.298 Damit markiert Avitus das Schreiben als Teil eines typischen Briefaustauschs zwischen gebildeten Mitgliedern der Elite seiner Zeit und schreibt sich so in die jahrhundertealte Tradition der antiken Epistolographie ein. Zudem stellt er sich sowie den Adressaten als deren Fortsetzer dar und bestätigt auf diese Weise beider romanitas.299 292 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 345 (Anm. 1). 293 Zu nennen sind hier etwa der mit einer Antithese verbundene Parallelismus a patre uestro – a Sidonio meo, 80, 12f bzw. §7, das geschickt gewählte Zitat und die Argumentation in Form eines Syllogismus, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 224 (Anm. 605); zum rhetorischen Hintergrund der genannten Begriffe s. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 224 (Anm. 605). 294 Hierzu s. E IGLER (2003) passim, v. a. 248. Zur Rolle des Grammatikers beim Erhalt dieser Kultur s. insbesondere K ASTER (1988). 295 Der Übergang zu einem zweiten Briefteil wird hierbei außerdem durch ex oportunitate, 80, 17 bzw. §8 hervorgehoben, das auf oportunitas, 79, 21 bzw. §2 rekurriert und so einen erneuten Beginn markiert. 296 Hierzu s. etwa C UGUSI (1983), 74 und T RAPP (2003), 36. Zur entsprechenden Forderung bei den Brieftheoretikern s. o. S. 20f. 297 Zu diesem Motiv s. etwa T HRAEDE (1970), 27–38 (zu Cicero); 47–52 (zu Ovid); 162–164 (in der Spätantike); C UGUSI (1983), 73; T RAPP (2003), 39. 298 Zum Beispiel in Cic. Fam. 2, 4, 1, wo der Autor das genus familiare et iocosum als eine Kategorie von Briefen definiert; Cic. Fam. 7, 2, 2, sed de ioco satis est oder Cic. Fam. 7, 10, 2, sed iam satis iocati sumus. 299 Hierzu s. o. S. 54ff. Auch im weiteren Verlauf des Schreibens wird dies deutlich, insbesondere darin, dass Avitus, wie es in vielen spätantiken Briefkontakten üblich ist, seinem Briefpartner
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Hierzu gehört auch, dass der Verfasser im Anschluss sich und den Empfänger als Teil eines größeren elitären Briefzirkels präsentiert, dessen Mitglieder sich untereinander gut kennen und Nachrichten eines Angehörigen an andere weiterreichen, wenn er berichtet, er habe einen Brief des Apollinaris zu Gesicht bekommen, den dieser an einen gemeinsamen Freund geschickt habe (datas ad amicum quendam communem Magnificentiae Vestrae litteras uidi, 80, 18f bzw. §9). Dieser gemeinsame Freund ist hier nicht näher bezeichnet,300 wahrscheinlich deswegen, weil beide Briefpartnern wissen, um wen es sich handelt, und dies im weiteren Verlauf des Schreibens auch nicht weiter von Bedeutung ist. Aus dem erwähnten Brief des Apollinaris ist für Avitus vor allem eine Aussage zentral, dass diesem seine Dichtungen, deren Inhalt er mit de spiritalis historiae gestis, 80, 21 bzw. §9 beschreibt,301 gefallen haben (scribebatis placuisse uobis libellos, quos [...] lege poematis lusi, 80, 20–22 bzw. §9). Wie wichtig das Urteil des Adressaten für den Adressanten ist, wird durch dessen genaue Situierung innerhalb des Brieftexts deutlich (salutatione praefata, in epistolae declamantis parte succidua, 80, 19f bzw. §9). Die betreffende Dichtung charakterisiert er durch libellos, quos [...] lege poematis lusi, 80, 20–22 bzw. §9 und setzt sie von seiner sonstigen schriftstellerischen Tätigkeit ab, die er in inter occupationes seria et magis necessaria conscribendi, 80, 20f bzw. §9 erwähnt. Damit unterscheidet er zwischen der Abfassung bestimmter Schriften als Teil der Erfüllung seiner eigentlichen Aufgaben und dem für das otium reservierten Dichten. Erstere kennzeichnet er durch das Wortspiel seria – necessaria, womit er sich auf Traktate gegen Häretiker und Ho-
eines seiner Werke als Geschenk zusendet und dass dessen Urteil ebenfalls Thema wird. Diese Teilhabe an der literarischen Kultur diente überdies der Absicherung des eigenen Status als Aristokraten. Ähnliche Strategien finden sich ebenso im Werk des Sidonius, vgl. M RATSCHEK (2008). In vergleichbarer Weise interpretiert bereits B URCKHARDT (1938), 34f: Avitus sei „Vertreter einer von außen und innen bedrohten Schicht, die ihre Verantwortung darin sieht, durch eine starke gesellschaftliche Verklammerung und durch das innere Band einer gemeinsamen Bildung den Stürmen der Zeit Trotz zu bieten.“ Zu Geschenken, die zusammen mit Briefen verschickt wurden, s. W OOD (2000), der vor allem auf die Aristokratie eingeht; zu den Briefen des Paulinus von Nola in diesem Kontext s. M RATSCHEK (2002), 427–481. Zu Literatur als typischem Briefinhalt s. beispielsweise C UGUSI (1983), 91f. Hingewiesen sei zudem auf die zahlreichen Briefe Ciceros, in denen dieser Aspekte seiner literarischen Werke diskutierte, etwa ad Q. fr. 3, 5. 300 Er wird allgemein mit Bischof Eufrasius von Clermont identifiziert, an den der Bischof von Vienne ep. 43P = ep. 39MR schickte, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 345 (Anm. 5); M AR TORELLI (2004), 158–161; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 224 (Anm. 608). Diese Gleichsetzung liegt darin begründet, dass Avitus Eufrasius in ep. 43P = ep. 39MR darum bittet, eines seiner literarischen Werke an Apollinaris weiterzuleiten. Ganz nebenbei lässt sich an dieser Stelle die Angemessenheit von S CHWITTERs Briefmodell bestätigen. Das erwähnte Schreiben des Apollinaris hätte zu diesem Zeitpunkt den Status eines Zirkularbriefs, der über den unmittelbaren Adressaten hinaus einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht wird, aber (noch) nicht Teil einer Sammlung ist. S. hierzu S CHWITTER (2015), 56–64. 301 Er bezieht sich hierbei auf die fünf Bücher De initio mundi, De originali peccato, De sententia Dei, De diluvio mundi und De transitu maris rubri, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 224f (Anm. 610).
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milien bezieht,302 sowie durch das Verb conscribere, dessen Bedeutung vor allem das Schreiben von Briefen und geschäftlichen Dokumenten umfasst.303 Letzteres bezeichnet er nach Art zahlreicher antiker Dichter als libellos lege poematis ludere.304 Dadurch, dass Avitus seine verschiedenen Aktivitäten so beschreibt, inszeniert er sich als idealen Bischof, der zugleich wesentliche Elemente der aristokratischen Bildungskultur verwirklicht. Als Bischof verfasst er diejenigen Schriften, die er von Amts wegen erstellen muss, in seiner Freizeit beschäftigt er sich auf einem Adligen entsprechende Weise, indem er dichtet, und auf für einen Bischof angemessene Art, indem er dies über christliche Themen tut. Gleichzeitig schließt er sich durch seine Wortwahl und Gestaltung des Textes an die antiken Dichter an und präsentiert sich somit als gebildet und als Wahrer der römischen Kultur. Anders als Sidonius muss er sich nicht mehr für oder gegen eine bestimmte Art von Literatur entscheiden,305 sondern vereint in seiner Person und seinem Werk dezidiert christliche wie klassische Elemente, ohne darin einen Widerspruch zu sehen oder unterschiedliche Aspekte gegeneinander abzuwägen und auszuspielen. Anschließend beschreibt Avitus seine Reaktion auf Apollinaris’ Beurteilung seines Werks und beteuert in diesem Zusammenhang zunächst, ehrlich und aufrichtig zu sprechen (Hic nunc nihil falso, nihil adsentatorie me loqui coram sinceritate uestra imprecor testem Deum, 80, 22f bzw. §10). Hierbei charakterisiert er den Adressaten im Ehrentitel sinceritas uestra passenderweise durch dieselbe Eigenschaft. Nach dieser Einleitung teilt er seinem Gegenüber mit, er habe sich über dessen Urteil so sehr gefreut, als ob es von dessen Vater Sidonius stamme (tantum me tuo iudicio delectatum, ueluti si auribus domni mei, patris tui, meditata confessus, cuiuscumque laudis momentis eo censore donarer, 80, 23f bzw. §10). Indem er das literarische Können des Adressaten und seine Urteilsfähigkeit in Bezug auf literarische Werke auf dieselbe Stufe wie die entsprechenden Fähigkeiten des Sidonius, des gallischen Literaten, stellt, macht er ihm ein Kompliment und präsentiert ihn als hoch gebildet. Trotz seiner ostentativen Bescheidenheit306 zeigt sich Avitus als kultivierter Schriftsteller, schließlich wird sein Opus von den bedeutendsten Literaturkennern seiner Zeit geschätzt.307 Danach begründet der Bischof von Vienne sein Entzücken über das positive Urteil des Adressaten sogar doppelt. Zunächst habe er sich darüber gefreut, dass dieser 302 So M ARTORELLI (2004), 159 (Anm. 49). Zu ähnlichen Wortspielen in der spätantiken Literatur s. G UALANDRI (2017), 131–136. 303 Vgl. den entsprechenden Eintrag in G EORGES (1910). 304 Genannt seien etwa die Augusteer und Statius (silv. 1, 2, 267, qui carmina ludant). 305 S. hierzu E GELHAAF -G AISER (2010); zu einer weiteren sidonianischen Unterscheidung, derjenigen zwischen Literatur in hohem Stil (wozu er durchaus auch christliche Autoren zählt, etwa Augustin und Prudenz) und solcher im stilus religiosus s. E IGLER (2013), v. a. 404–407. Avitus’ Dichtungen hätte Sidonius wahrscheinlich ersterer zugeordnet. 306 In domni mei, patris tui, 80, 23f bzw. §10 tritt er als unter Apollinaris stehend auf und beurteilt dessen positive Einschätzung als Geschenk (donarer, 80, 24 bzw. §10) 307 Auch durch die sprachliche Gestaltung der Passage, beispielsweise den mit einer Antithese verbundenen Parallelismus domni mei, patris tui, 80, 23f bzw. §10 kommt dies zum Ausdruck.
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sein Werk besonders gründlich und freimütig – oder großzügig und freundlich – bewertet habe (Primum namque gaudebam quod sensum uestrum hic liberius quam alibi pendebatis, 80, 24f bzw. §11). An dieser Stelle spielt Avitus mit der Bedeutungsbreite von sensus, libere und pendere. Einerseits deutet er wohl durch die Aussage an, Apollinaris habe sein Urteilsvermögen kritisch angewendet und, wie es die antike Freundschaftstheorie verlangte,308 offen und ehrlich seine Meinung geäußert, andererseits drückt er vermutlich aus, dieser habe sich durch seine Zuneigung zu Avitus hier mehr als sonst beeinflussen lassen. Für Avitus’ Selbstinszenierung bedeutet dies im ersten Fall eine Verstärkung der bereits zuvor angenommenen Rolle des gebildeten Literaten, der von den Literaturkennern seiner Zeit positiv beurteilt wird. Im zweiten Fall dagegen tritt er sehr bescheiden auf und schreibt den erhaltenen Zuspruch lediglich der Zuneigung des Rezipienten zu – eben dieses Bild wird im Folgenden expliziter ausgeführt. Möglicherweise ist das Mitschwingen beider Bedeutungen und das Changieren zwischen ihnen gerade an dieser Übergangsstelle vom Adressanten beabsichtigt, um trotzdem auch die erste Variante zu betonen.309 Als zweiten Grund seiner Freude führt der Verfasser die im positiven Urteil zum Ausdruck kommende Zuneigung seines Briefpartners an, die ergänze, was seinem Werk an Güte fehle (deinde quod agnoui uos aliquod bonum de conatu fraterni operis non minus uelle quam credere, certe meritis dictionis non quantum uolebatis inuentis suppeditare uos uoto, quod non poteratis implere iudicio, 80, 26–28 bzw. §11). Obwohl er selbst beinahe demütig sein Werk nur als Versuch (conatu, 80, 26 bzw. §11) bezeichnet und seine enge Beziehung zum Adressaten betont (fraterni, 80, 26 bzw. §11), wird diesem die literarische Urteilsfähigkeit jedoch nicht abgesprochen, denn ihm sind die Schwächen der betreffenden Dichtung durchaus bewusst (non quantum uolebatis, 80, 27 bzw. §11; quod non poteratis implere iudicio, 80, 28 bzw. §11).310 Unmittelbar darauf kommt der Bischof von Vienne auf das Buch selbst zu sprechen und markiert den Themenwechsel durch die betonte Positionierung von Libellum, 80, 28 bzw. §12 am Beginn des Satzes. Er entschuldigt sich für dessen unfertigen Zustand und rechtfertigt diesen damit, dass ein Freund es schon vor der 308 Hierzu s. etwa KONSTAN (1997), 15; 149–151. 309 Die modernen Übersetzer scheinen die Stelle ebenfalls unterschiedlich zu verstehen: S HANZER und W OOD (2002), 345 neigen offenbar der zweiten Interpretation zu („you weighed out your feelings more generously here than elsewhere“, M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 118 der ersten („que vous pesassiez votre sentiment plus librement ici qu’ailleurs“). 310 Zugleich bringt der Vienner implizit trotzdem seine Bildung zum Ausdruck, etwa in der klanglichen Gestaltung der Passage und in der Kontrastierung von uoto und iudicio, 80, 28 bzw. §11, die durch die Endstellung der beiden Begriffe in den jeweiligen Kola betont hervortritt und die an eine Reaktion des Sidonius auf eine positive Bewertung seiner Literatur durch Ruricius von Limoges erinnert, vgl. M ARTORELLI (2004), 159 (Anm. 52). Auf diese Weise ehrt Avitus einerseits Apollinaris, den Sohn des Sidonius, andererseits stellt er sich in dessen Nachfolge und präsentiert sich und sein Werk als diesem ebenbürtig. Indem der Adressant die seine Begründungen nicht einfach nennt, sondern durch gaudebam und agnoui (80, 25f bzw. §11) kommentiert, übernimmt er keine kommunikative Verantwortung für deren Richtigkeit, sondern stellt sie als gegebene und damit unumstößliche Tatsachen hin, die er beurteilen kann. Diese Strategie bedeutet eine zusätzliche Absicherung seiner Selbstdarstellung.
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Veröffentlichung gestohlen und Apollinaris überbracht habe (Libellum tamen amicus, qui ut puto ad uos peruenire fecit, non de librariis, sed adhuc ex notarii manu adeo mihi inemendatum crudumque praeripuit, ut non facile denotes auctoris magis scriptorisue uitiis irascaris, 80, 28–31 bzw. §12). Deswegen lasse er dem Adressaten hiermit zumindest ein vorläufiges Exemplar auf Pergament zukommen, obwohl auch dieses noch nicht endgültig korrigiert sei (Quapropter opusculum ipsum in membranas redactum et adhuc non quanta uolueram correctione politum, ne moram desiderio tuo facerem, celeriter destinaui, 80, 31–33 bzw. §12).311 In jedem Fall präsentiert Avitus so die beiden Briefpartner und den Freund als Teil einer Gemeinschaft, die sich unter anderem durch den Austausch literarischer Werke definiert. Abgesehen davon demonstriert er durch inemendatum crudumque, 80, 29f bzw. §12 ebenso wie in ut non facile denotes auctoris magis scriptorisne uitiis irascaris, 80, 30f bzw. §12 und non quanta uolueram correctione politum, 80, 31f bzw. §12 seine Bescheidenheit und sichert sich von vornherein gegen Kritik ab. Indem er dabei zentrale Schlagworte und Topoi, mit denen die Neoteriker und augusteischen Dichter sich auf ihre Werke bezogen,312 gebraucht, zeigt er sich so als literarisch gebildeten und belesenen Schriftsteller. Zugleich tritt er in dieser Hinsicht selbstbewusst auf, da er den Adressaten dezidiert nicht darum bittet, seine Dichtungen zu korrigieren oder zu verbessern, sondern sie weitgehend in dem Zustand, in dem sie bei der Unterbrechung des Editionsprozesses durch den genannten Freund313 waren, belässt und sie lediglich gewissermaßen als endgültige Version auf Pergament schreiben lässt (in membranas redactum, 80, 31 bzw. §12).314 Gleichzeitig inszeniert Avitus sich als pflichteifriger Freund des Apollinaris, der alles tut, um dessen Ungeduld, sein Werk zu lesen, zu besänftigen (ne moram desiderio tuo facerem, 80, 32 bzw. §12). Von diesem erhofft er sich nun eine positive Kritik seines Werkes, zumindest, wenn es ihm nicht nur als Freund, sondern auch als Literaturkritiker gefalle (Si reuera non solum amantibus sed et iudicantibus uo311 Wie zuvor (80, 18 bzw. §9) wird der Freund nicht näher bezeichnet, vermutlich deswegen, weil der Adressat wusste, von wem die Rede war, und diese Information zudem nicht weiter relevant ist. Sowohl von S HANZER und W OOD (2002), 345 (Anm. 5) als auch von M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 225 (Anm. 614) wird er mit Verweis auf ep. 43P = ep. 39MR mit Eufrasius, dem Bischof von Clermont, identifiziert. S. hierzu ebenfalls B URCKHARDT (1938), 38f. „Bücherdiebstahl“ war in der Spätantike offensichtlich weit verbreitet, vgl. M ARTORELLI (2004), 162. Als Beispiel könnte man etwa Sulpicius Severus’ diesbezügliche Klage im Brief an seine Schwiegermutter Bassula anführen. 312 Libellum; inemendatum crudumque; politum, vgl. etwa Cui dono lepidum novum libellum/ [...] expolitum, Catull c. 1, 1f. In diese Richtung weist auch die Kontrastierung auctoris – scriptorisne, 80, 30 bzw. §12, hierzu s. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 225 (Anm. 616). Sidonius veröffentlicht übrigens gerade seine litteras paulo politiores, Sidon. epist. 1, 1, 1 in einer Sammlung. 313 Zu dieser Stelle in Zusammenhang mit der spätantiken Buchproduktion gallischer Aristokraten s. M ARTORELLI (2004), 162. Zur Korrektur durch Freunde als Teil der Textentstehung und social performance s. G URD (2012). 314 Das Abschreiben auf dauerhaftes Pergament im Gegensatz zum leicht vergänglichen Papyrus weist darauf hin, dass sie erhalten bleiben sollten, so S HANZER und W OOD (2002), 346 (Anm.1).
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bis placet [...] abunde mihi sufficiet ut uos, quod cupio, sentiatis, 80, 33–35 bzw. §13). In non solum amantibus sed et iudicantibus, 80, 33 bzw. §13 setzt er das bereits zuvor gezeichnete Porträt des Empfängers (80, 24–28 bzw. §11) als enger und literarisch beschlagener Freund fort und tritt selbst durch die Verwendung von reuera, audacis conatus und abunde mihi sufficiet, 80, 33f bzw. §13 bescheiden und ganz vom Urteil seines Gegenübers abhängig auf, wobei die Bescheidenheit durch quod cupio, 80, 35 bzw. §13 ein Stück weit relativiert wird – je nachdem, wie man diese Aussage versteht. In dieselbe Richtung weist zudem die Feststellung, es gebe sicher außenstehende Neider (quoniam apud extraneos forte non deerit quem audacis conatus tangat inuidia, 80, 33f bzw. §13). Auf diese Weise grenzt Avitus (mindestens) zwei Gruppen innerhalb der gallischen Aristokratie ab, eine, der beide Briefpartner angehören, und eine andere, dieser nicht unbedingt wohlgesinnte, und stiftet so zusätzlich Gemeinschaft zwischen Apollinaris und sich selbst.315 Indem er zudem negative Reaktionen von außerhalb des Kreises, dessen Mitglieder Adressat und Adressant sind, dem Neid der anderen zuschreibt, rekurriert er auf ein bereits zuvor verwendetes Motiv (80, 8 bzw. §6). Schon an dieser Stelle war der Neid Dritter ein verbindendes Element zwischen Apollinaris, Avitus und vor allem Sidonius, sodass Avitus sich nun durch die Parallelisierung der Widrigkeiten, mit denen Staatsmänner ebenso wie Dichter zu kämpfen haben, in den Zirkel der genannten Personen einschreibt und sich selbst dezidiert an die Seite des Sidonius stellt. Diese Verbundenheit wird auch im Folgenden betont hervorgehoben und hier durch das literarische Werk des Sidonius erzeugt, dessen Glanz zum Ruhm sowohl des Rezipienten wie des Adressanten beiträgt (non minus ad meam quam uestram gloriam peruenit communis Sollii opus illustre, 80, 35–81, 1 bzw. §14). Da das Werk Sidonius’ Titel, illustris, trägt, wird es zum Ausweis von dessen Adel und strahlt besonders auf Avitus aus (non minus), der hier durchaus selbstbewusst auftritt.316 Apollinaris präsentiert er als durch seine momentanen und künftigen militärischen Erfolge einflussreichen Aristokraten, nicht ohne sich selbst in diesem Kontext als Christ darzustellen (uobis, fauente Christo, militari actu magis magisque florentibus, 81, 1f bzw. §14). Die im Kriegsdienst erworbene Ehre des Adressaten ist so groß, dass sie das Ansehen von dessen Sohn Arcadius in jedem Fall vergrößert – ohne dass dieser hierzu Avitus’ literarisches Prestige benötigt, sollte er durch sein Werk solches erlangen (si in me nisus tenuis aliquid dignum lectione confecerit, etiam sine me quandocumque Arcadium non pudebit, 81, 2f bzw. §14). Dabei inszeniert sich der Bischof von Vienne zugleich bescheiden (tenuis) und selbstbewusst, da er davon ausgeht, seine Dichtung könnte den Ruhm seines Verwandten vergrößern. Darüber hinaus genügt er den aristokratischen Verhaltensnormen, denn
315 Zu Briefen, in denen die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen innerhalb der Elite verhandelt wird, s. S CHWITTER (2015), 220–227. 316 Auf diese Weise bringt Avitus die quasi-Identität von Adel und Bildung besonders deutlich zum Ausdruck. S. hierzu etwa S CHWITTER (2015), 224: „Adlige Geburt und Bildung bedingen einander.“
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er schließt seinen Brief damit ab, dass er dem Empfänger gegenüber seine Wertschätzung durch ein solches Kompliment ausdrückt.317
2.2.2.3 Zusammenfassung Insgesamt stilisiert Avitus sein Schreiben als Teil eines typischen spätantiken Briefaustauschs zwischen hochrangigen Mitgliedern der Elite. Als solcher ist es sorgfältig gestaltet, enthält einige epistolare Topoi und thematisiert für die Aristokratie zentrale Angelegenheiten, Politik und insbesondere Literatur. Auffällig ist hierbei vor allem die betonte Gemeinschaftsstiftung innerhalb des Briefs, die einerseits durch die wiederholte Hervorhebung der engen Beziehung zwischen Adressat und Adressant, die durch Verwandtschaft, ein vergleichbares Schicksal und literarische Bildung zustande kommt, andererseits durch den Bezug auf nur für Beteiligte identifizierbare Personen und die dezidierte Abgrenzung von „Anderen“ entsteht. Den Adressaten zeichnet der Bischof von Vienne in diesem Kontext als idealen Aristokraten: er hat politischen und militärischen Einfluss, hat sich in einer Intrige als unschuldig erwiesen und verfügt vor allem über herausragende literarische Kenntnisse, die ihn zu einem hervorragenden Literaturkritiker machen. Damit ist er seinem Vater Sidonius Apollinaris, dem bedeutenden Politiker und Literaten, durchaus ebenbürtig. Eben dieser Sidonius ist ein weiteres verbindendes Element zwischen Sender und Empfänger. Als Bischof und Literat dient er auch als Identifikationsfigur für den Verfasser, der ihn zudem als Ausgangspunkt der zwischen beiden Briefpartnern bestehenden Verwandtschaft einführt. Sich selber stellt Avitus als zwar nicht direkt in der Politik tätig, jedoch politisch erfahren und in der Lage, Gefahren richtig einzuschätzen und dann angemessen zu agieren, dar. Abgesehen davon tritt er als Schriftsteller auf, der sich durch seine Bildung auszeichnet und in die klassische Tradition einordnet. Seine Dichtungen, die er als typisches Werk aristokratischen Otiums charakterisiert, präsentiert er einerseits bescheiden als unfertigen Versuch, der nichtsdestotrotz auf Dauerhaftigkeit angelegt ist, andererseits als Opus, das in Orientierung an den Büchern des großen Literaten Sidonius entstanden und dessen durchaus würdig ist. Hierbei zeigt der Adressant sich dezidiert als Adliger, der mit einem anderen Aristokraten den Verhaltenscodes entsprechend kommuniziert, den Briefnetzwerken angehört und vor allem in enger Verbindung mit den höchsten Kreisen der gallorömischen Aristokratie steht. Diese Rolle steht nicht im Widerspruch oder in Konkurrenz zu seinem Bischofsamt (in dessen Rahmen er ebenfalls schriftstellerisch tätig ist), sondern erscheint als eine mögliche und durchaus angemessene Ergänzung. 317 Dessen Obscuritas führte dazu, dass P EIPER trotz der übereinstimmenden Überlieferung sine me die Variante senem konjizierte. Da die tradierte Lesart Sinn ergibt, besteht meines Erachtens keine Notwendigkeit zur Konjektur, obwohl diese ebenfalls passend interpretiert werden könnte (s. hierzu S HANZER und W OOD (2002), 346–348). Dieser Ansicht sind auch M ALASPINA und R EYDELLET, 248f, die auf H ECQUET-N OTI (2005) verweisen.
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Ganz andere Schwerpunkte werden freilich in einigen an den burgundischen Herrscher Gundobad gerichteten Schreiben gesetzt, denn hier wendet sich Avitus gerade als katholischer Bischof an den lokalen Machthaber und legt diesem theologische Inhalte dar. Eines dieser Stücke soll im Folgenden genauer untersucht werden.
2.2.3 Der Bischof als rechtgläubiger Lehrer Wie in zahlreichen Briefen der Kirchenväter offenbar wird, etwa in denjenigen Augustins von Hippo oder Ambrosius’ von Mailand, bildeten die Auslegung von Bibelstellen, die Erörterung theologischer Probleme oder die Beantwortung von Fragen, die mit Christsein und dem christlichen Glauben im weitesten Sinne zu tun hatten, typische Themen spätantiker Korrespondenz. Der Bischof von Vienne stellte hierbei keine Ausnahme dar, wie einige Botschaften an Gundobad beweisen. Zu diesen zählt beispielsweise ep. 2P, die im Zentrum der sich anschließenden Ausführungen steht.
2.2.3.1 Gundobad Nach einer Karriere im römischen Reich, die das Amt des magister militum einschloss, übernahm Gundobad die Herrschaft über die Burgunder, die er zunächst gemeinsam mit seinen Brüdern, später mit seinem Sohn Sigismund ausübte.318 Dabei sah er das burgundische Gebiet weiterhin als Teil des römischen Reiches und zeichnete sich allgemein durch seine romanitas aus, die etwa in seinen römischen Titeln, den Verbindungen nach Konstantinopel und vor allem in seiner Bildung deutlich wird. Letztere erstreckte sich insbesondere auch auf theologische Aspekte, wobei er anscheinend gerade in dieser Hinsicht bemerkenswert offen war: Obwohl er selbst Homöer war und dies wohl bis zum Ende seines Lebens blieb, verhinderte er die Konversion Sigismunds zum Katholizismus nicht und diskutierte mit Avitus und anderen319 über theologische Fragen und die Auslegung von Bibelstellen. Insgesamt sind in der avitanischen Sammlung zehn Stücke erhalten, die als Briefe kategorisiert werden können und wahrscheinlich Teil des epistolaren Austauschs zwischen Gundobad und Avitus waren.320 Vorherrschend sind in den überlieferten Schreiben theologische Themen, etwa die Diskussion verschiedener Bibelstellen in epp. 6, 21 und 22P = epp. 3, 18 und 19MR, die Reue bzw. Buße auf dem Totenbett
318 Zur Person Gundobads s. o. S. 45ff. 319 Zu diesen zählen beispielsweise Heraclius, dessen Teilnahme an einer solchen Diskussion das Thema eines Briefwechsels mit dem Bischof von Vienne bildet, epp. 53fP = epp. 50fMR. 320 Der Adressat von ep. 6P = ep. 3MR ist lediglich mit dominus rex angegeben und damit nicht mit letzter Sicherheit bestimmbar; allerdings handelt es sich höchstwahrscheinlich um Gundobad. Hierzu s. u. S. 212f sowie S HANZER und W OOD (2002), 212f.
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in ep. 4P = ep. 1MR321 und die Natur Christi in epp. 1322 und 30P = epp. 92 und 27MR sowie epp. 2fP.323 Lediglich zwei Briefe beinhalten andere Gegenstände. Ep. 44P = ep. 40MR dreht sich um einen entlaufenen Sklaven, der in einer Kirche von Vienne Schutz gesucht hat, sowie den gegen Avitus erhobenen Vorwurf, er habe Kirchengut veruntreut, ep. 5P = ep. 2MR schließlich ist ein zum Tod von dessen Tochter verfasster Trostbrief an Gundobad. Die meisten dieser Schreiben können nur ungefähr datiert werden; sie scheinen zwischen 500 und 516 (Gundobads Tod) entstanden zu sein. Eher gegen Ende dieses Zeitraums wurde in jedem Fall ep. 2P verfasst, die im Anschluss genauer analysiert wird.
2.2.3.2 Vorüberlegungen und Hintergründe In gewisser Weise nehmen epp. 2fP einen Sonderstatus innerhalb der avitanischen Briefsammlung ein, einerseits aufgrund ihrer Länge, andererseits deswegen, weil sie nicht überall als Briefe tradiert sind. Während beide bei Sirmond324 unter der Überschrift Avitus episcopus domno Gundobado regi als zweites und drittes Schreiben der Kollektion auftreten, finden sie sich im Manuskript L am Ende der Sammlung unter dem Titel Liber primus bzw. secundus contra Eutychianam haeresim. Es erscheint also zunächst nicht zwingend notwendig, ep. 2P in diesem Kontext als Brief auf Selbstdarstellung zu untersuchen. Trotzdem gibt es mehrere Gründe, die für eine Analyse in diesem Sinne sprechen. Abgesehen von der Grußzeile Avitus episcopus domno Gundobado regi, durch die ep. 2P bei Sirmond explizit als Brief markiert wird, ist dies die Tatsache, dass das Werk sowohl in der von Sirmond verwendeten Handschrift als auch in L als Teil einer Briefkollektion tradiert wurde, wobei die betreffenden Kodizes lediglich Briefe des Bischofs von Vienne enthielten, nicht aber von ihm verfasste Dichtungen oder Predigten.325 Da das Schreiben zudem genügend epistolare Merkmale aufweist, um es auch unabhängig von seiner Platzierung innerhalb der Sammlung als Brief kategorisieren zu können, etwa die Anrede des Adressaten, da die Gattung „Brief“ dehnbar ist326 und da viele Kirchenväter ebenfalls die Briefform zur Darle-
321 Hierzu s. N ODES (1988). Zur Behandlung dieses Themas bei Faustus von Riez s. P RÉVOT (2009). 322 Peiper fasst diesen Brief als letztes Fragment eines Dialogs Contra Arrianos auf, c. Arr. 30. 323 Diese beiden Schriften haben M ALASPINA und R EYDELLET nicht in ihre Ausgabe aufgenommen. 324 Zur Überlieferung der Kollektion s. u. S. 188ff. 325 Zu L vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), XC–CII, für das Sirmonds Ausgabe zugrundeliegende Manuskript legen dies zumindest dessen in der Patrologia Latina zitierte Ausführungen nahe, vgl. M IGNE (1862), Sp. 196. S. hierzu ebenso M ALASPINA und R EYDELLET (2016), CII–CX. 326 Hierzu s. o. S. 20ff.
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gung theologischer Inhalte verwendeten,327 wird ep. 2P hier als Brief verstanden und entsprechend interpretiert.328 Der Entstehungskontext der beiden eng aufeinander bezogenen Schreiben epp. 2fP kann verhältnismäßig genau erschlossen werden: da Avitus in ep 3P auf Unruhen in Konstantinopel eingeht, die durch Auseinandersetzungen von Monophysiten und Verteidigern des Konzils von Chalcedon um eine Ergänzung des TrishagionHymnus verursacht wurden, liegt eine Abfassung um 512/3 nahe.329 In jedem Fall wendet sich der Bischof von Vienne in epp. 2fP auf Ersuchen Gundobads ,gegen die eutychianische Häresie‘, d. h. gegen monophysitische Ansichten, die für eine einzige Natur Christi plädieren.330 Da Eutyches, dessen Name als Label für entsprechende Lehren verwendet wurde, auf dem Konzil von Chalcedon 451 endgültig verurteilt und verbannt worden war,331 wurden Gegner der in Chalcedon gefassten Beschlüsse häufig mit dieser Bezeichnung versehen.332 Ebendiese waren nach dem Konzil in einigen Gebieten des oströmischen Reiches weiterhin einflussreich geblieben, wobei viele von ihnen monophysitische Ansichten vertraten. Die Bischöfe von Rom dagegen hatten die in Chalcedon niedergeschriebenen Canones akzeptiert und machten deren Anerkennung zur Voraussetzung für Orthodoxie. Die Auseinandersetzungen, in denen es nicht nur um theologisch-dogmatische, sondern zudem um kirchenhierarchische und säkular-politische Aspekte ging, steigerten sich immer weiter, bis es 484 schließlich zum Akakianischen Schisma zwischen Rom und Konstantinopel kam.333 327 Als Beispiele seien hier erneut die bereits erwähnten Bischöfe Ambrosius von Mailand und Augustin von Hippo genannt. 328 Damit schließe ich mich in vielerlei Hinsicht an das spätantike Verständnis an, denn in seinen Retractationes schreibt Augustin, konfrontiert mit einem ähnlichen Problem, über eines seiner Werke quorum librorum prior epistula est; habet quippe in capite, quis ad quem scribat (2, 20). Zu Augustins Brieftraktaten und dessen Kategorisierungen s. D ESCOTES (2018), der darauf hinweist, dass bei einer Interpretation dieser Texte in jedem Fall der briefliche Entstehungskontext berücksichtigt werden müsse (v. a. 208). 329 Dieses Datum nennen M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 202 (Anm. 322) im Anschluss an P EIPER (1883) und P IETRI (2001b), 353. 510–512 gab es in der Stadt am Bosporus mehrere Aufstände, die Kaiser Anastasios teils nur mit Mühe wieder unter Kontrolle bringen konnte. Avitus bezog sich wahrscheinlich auf den ersten, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 90f. Zu den Erhebungen s. M EIER (2009), 261–279, zum sogenannten Staurotheis-Aufstand 512 s. außerdem M EIER (2007). 330 Vgl. R IST (1996–2003c). Entsprechende Meinungen setzen sich dezidiert von der 431 auf dem Konzil von Ephesos verurteilten Lehre des Nestorius von Konstantinopel ab, der vor allem die jeweilige Eigenständigkeit der göttlichen und der menschlichen Natur in Christus betonte, vgl. R IST (1996–2003b) sowie R IST (1996–2003d). 331 Vgl. R IST (1996–2003a). Zu Person und Prozess des Eutyches s. B EVAN und G RAY (2008). 332 Zur Einordnung von Opponenten in bestimmte Kategorien und zur Funktion von deren Klassifizierung als Häretiker s. LYMAN (2007), zu entsprechenden Strategien in Zusammenhang mit den arianischen Kontroversen vor allem des 4. Jahrhunderts s. LYMAN (1993). 333 Vgl. M EYENDORFF (1989), 165–206. Zum Akakianischen Schisma s. v. a. KÖTTER (2013) passim. Zum Vorgehen der römischen Bischöfe s. außerdem B LAUDEAU (2001), B LAUDEAU (2006), E VERS (2013) und B RENNECKE (2014b). Zur Entwicklung des Monophysitismus allgemein s. F REND (1972).
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Im Zuge dieser Konflikte wurden auf beiden Seiten Streitschriften verfasst, sodass sich Avitus’ Brieftraktate Contra Eutychianam haeresim, epp. 2fP, auf der römischen Seite in eine bereits bestehende Tradition antieutychianischer oder, allgemeiner, antimonophysitischer Werke einordnen.334 Anders als die meisten Autoren dieser Werke scheint der Bischof von Vienne aber nicht genau gewusst zu haben, wogegen er zu kämpfen hatte, was etwa dazu führte, dass er Eutyches Ansichten und Begrifflichkeiten des 431 auf dem Konzil von Ephesos verurteilten Nestorius zuschreibt335 und insgesamt eher indirekt argumentiert.336 Auch davon abgesehen war Avitus offensichtlich über die Vorgänge in Konstantinopel nur unzureichend informiert: Seine Ausführungen zu den bereits erwähnten Trishagion-Aufständen widersprechen teilweise den tatsächlichen Ereignissen, und er wusste wohl erst zu diesem verhältnismäßig späten Zeitpunkt darüber Bescheid, dass Rom sich überhaupt im Schisma mit Konstantinopel befand und der Kaiser somit aus römischer Sicht nicht orthodox war,337 worauf er am Anfang des Schreibens explizit hinweist. Dieses beginnt mit einer Einleitung (15, 9–16, 4), in der der Verfasser auf die Umstände der Entstehung seiner Schrift eingeht und vor allem das Verhältnis der beiden Briefpartner thematisiert; anschließend stellt er kurz die Hintergründe der behandelten Häresie dar (16, 5–18), bevor er sie mithilfe von Bibelstellen zu widerlegen versucht. Dabei beschimpft er die Häretiker wiederholt und distanziert gleichzeitig die am epistolaren Austausch Beteiligten von diesen.
2.2.3.3 Ep. 2P Zunächst eröffnet der Bischof von Vienne seinen Brief freilich mit einem Kompliment an Gundobad: Seine Sorge um den Schutz des katholischen Glaubens sei ein 334 Vgl. hierzu etwa S IMONETTI (1978), der Arnobius’ Dialog Conflictus Arnobii et Serapionis, Vigilius von Thapsus’ fünf Bücher Contra Eutychetem und Avitus’ Contra Eutychianam haeresim miteinander vergleicht. Ergänzend kann noch Boethius’ Contra Eutychen genannt werden, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 92. 335 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 96 (Anm. 8), W YRWA (1998), 177 und S IMONETTI (1978), 523 – pikanterweise vertrat Nestorius genau die entgegengesetzte Ansicht, dass nämlich in Christus beide Naturen unvermischt nebeneinander bestünden. Allerdings richteten sich einige Abhandlungen, etwa Gelasius’ dritter Traktat, sowohl gegen Eutyches als auch gegen Nestorius, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 92. Möglicherweise hatte der Bischof von Vienne eine oder mehrere davon gelesen, erinnerte sich jedoch nicht mehr an Einzelheiten und verwechselte deswegen die beiden Häretiker. 336 In Contra Eutychianam haeresim I, ep. 2P, führt er Begründungen für die Einheit beider Naturen in Christus (und insbesondere das Vorhandensein der göttlichen) an, in Contra Eutychianam haeresim II, ep. 3P, setzt er sich mit der Realität der Inkarnation auseinander, vgl. S IMONETTI (1978), 523. Dabei schreibt er in letzterer vor allem gegen eine bestimmte Spielart des Monophysitismus, den Doketismus, dessen Vertreter die Menschheit Christi überhaupt in Zweifel zogen und ihm lediglich einen Scheinleib zuschrieben, vgl. S IMONETTI (1978), 525; 528 und M ARKSCHIES (1996–2003). 337 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 89–92; 106f und S IMONETTI (1978), 523f.
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besonderes Geschenk Gottes an die Menschheit (Vnicum simul et multiplex donum saeculo nostro nutu divinitatis indultum est, ut [...] de tuenda catholicae partis veritate curetis,338 15, 9–11). An dieser Schmeichelei ist vor allem bemerkenswert, dass der burgundische Herrscher, der eigentlich Homöer ist, als jemand porträtiert wird, der trotz seiner vielfältigen Beschäftigungen (inter regias ordinationes gloriosissimi principatus vestri, 15, 10) um die Reinheit der katholischen Lehre (de tuenda catholicae partis veritate, 15, 10f) besorgt ist. Auf diese Weise wird er gleich zu Beginn des Briefes als würdiger Empfänger entsprechender Darlegungen gezeichnet und vor allem als Teil einer Gruppe von rechtgläubigen Christen, die mit allen Mitteln gegen häretische Gegner vorgeht. Dass er offiziell nicht katholisch ist, scheint in diesem Moment nicht weiter von Bedeutung, obwohl dies in anderen Zusammenhängen durchaus thematisiert wird.339 Avitus selbst präsentiert sich hier als gläubig, indem er Gundobads Verhalten als Geschenk Gottes interpretiert (donum [...] nutu divinitatis indultum est, 15, 9), als höflich, schließlich rühmt er die Herrschaft des Adressaten (gloriosissimi principatus vestri, 15, 10), und als verständnisvoll, da er auf dessen vielfältige Aufgaben eingeht (inter regias ordinationes, 15, 10). Darüber hinaus tritt er als gebildeter Fachmann auf, der weiß, wie ein König anzusprechen ist, und sein Schreiben sprachlich entsprechend gestaltet.340 Aus der Sorge des Empfängers um den katholischen Glauben leitet der Adressant im Anschluss dessen Auftrag an ihn selbst her, eine Schrift gegen die Häresie des Eutyches zu verfassen (De cuius studii pietate processit, quod [...] iussistis, ut contra Eutychiani dogmatis redivivum furorem [...] exemplorum flumina derivem, 15, 11–14). Gundobad erscheint hierbei als frommer und theologisch interessierter Christ, der über genügend Bildung und Informationen verfügt, um eine Abhandlung gegen Irrlehren in Auftrag zu geben. In dimissa nuper clementis praecepti auctoritate, 15, 11f wird seine Befehlsgewalt herausgestellt, wobei er zugleich als guter Regent charakterisiert wird, der über die entsprechende Tugend der clementia verfügt.341 338 Da M ALASPINA und R EYDELLET den Brief nicht in ihre Ausgabe aufgenommen haben, folge ich hier allein P EIPERs Textversion, besonders in Bezug auf die Schreibweise. Insbesondere zur Einleitung des Schreibens s. auch T HIELEN (2017), 675f. 339 Zum Beispiel am Ende von ep. 1P (c. Arr. 30) = ep. 92MR, als der Vienner den Adressaten dazu aufruft, seine homöischen Kleriker zu entlassen und katholisch zu werden. Allerdings könnte man in der Hervorhebung der Großartigkeit der göttlichen Gabe durchaus eine Anspielung auf Gundobads aus katholischer Sicht fehlende Orthodoxie sehen. 340 Möglicherweise kann man die Verwendung des Begriffs ordinatio ebenfalls in diesem Kontext deuten. Während das Wort in seiner Grundbedeutung „Anordnung, Regelung“ heißt und damit allgemein auf Gundobads Aufgaben als Machthaber in der Region bezogen werden kann, schwingt hier vielleicht außerdem mit, dass es ebenfalls zur Bezeichnung einer Priester- oder Bischofsweihe verwendet wurde. Entsprechende quasi-episkopale Verhaltensweisen schreibt Avitus dem Adressaten jedenfalls in praedicationis vestrae, 16, 4 zu. 341 Spätestens seit Caesar war clementia eine der etablierten Tugenden eines guten Machthabers, wie auch am Titel von Senecas Fürstenspiegel De clementia deutlich wird, vgl. B LOCH (19962003).
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Der Bischof von Vienne gestaltet Gundobads Aufforderung, die Irrlehre des Eutyches mittels zahlreicher Schriftzitate zu widerlegen, sorgfältig, indem er Metaphern aus dem Bereich Feuer und Wasser verwendet (ut contra Eutychiani dogmatis redivivum furorem velut ab extincto resurgentis incendii fomite pullulantem de sacro scripturarum caelestium fonte exemplorum flumina derivem, 15, 12–14).342 Auf diese Weise stellt er sich nicht nur als theologisch gebildeten ausgewiesenen Bibelkenner dar, sondern präsentiert sich allgemein als gelehrt und kultiviert und damit als Mitglied der gebildeten Eliten. Daneben zeigt er sich als gefragten Autor, dessen Kenntnisse von anderen anerkannt werden, und ordnet sich in die Reihe theologischer Schriftsteller ein, die um entsprechende Werke gebeten werden.343 Nicht zuletzt rückt in diesem Kontext auch seine Rechtgläubigkeit ins Zentrum, schließlich soll er gegen eine Häresie vorgehen. Deren Urheber wird bereits hier Wahnsinn (furor, vgl. 15, 12f) attestiert,344 wodurch er verunglimpft und von den beiden Briefpartnern distanziert wird, die sich gerade durch ihre Orthodoxie (oder zumindest dadurch, dass sie dieser nahestehen) auszeichnen. Auf Gundobads Forderung reagiert Avitus mit einem emphatischen Ausruf: Hierbei handle es sich um einen überaus angemessenen Befehl eines so Mächtigen (O res dignissima, quam tantus praesul iubet, 15, 14f). Dieses Lob schränkt er jedoch sofort durch drei jeweils mit si eingeleitete Bedingungen wieder ein: Es gelte nur, wenn jemand ausgewählt werde, der der Aufgabe würdig sei (si eligeretur, qui iussionem dignus exciperet, 15, 15), wenn dessen Beredsamkeit dem Auftraggeber entspreche (si virtus facundiae thematis responderet auctori, 15, 15f) und wenn die verfasste Schrift, den Befehl erfüllend, zum Heil anderer Völker beitrage (si ad multiplicandam populorum salutem sic nostra satis faceret lingua proloqui, ut abunde sufficit benignitatis vestrae praeceptum, 15, 16f). Der Rezipient erscheint als mächtiger und würdiger Herrscher, der zugleich aber gütig ist und das Wohlergehen der Menschen im Blick hat, also als vorbildlicher König. Indirekt lobt der Verfasser damit freilich sich selbst: Da die entsprechenden Kriterien natürlich zutreffen müssen (schließlich würde er andernfalls seinem Adressaten eine schlechte Entscheidung unterstellen und diesen somit kritisieren), stellt er auf diese Weise gerade ins Zentrum, dass er selber über die genannten Eigenschaften verfüge.345 Er präsentiert sich folglich geschickt als allgemein der Abfassung eines theologischen Traktats gegen eine Häresie würdig und damit als in dieser Hinsicht idealen katholischen Bischof. In diesem Kontext wird er nicht nur als besorgt um das Seelenheil aller Menschen (ad multiplicandam populorum salutem, 15, 16) gezeigt, sondern dazu vor allem als gebildeter Mann, dem insbesondere das für die 342 Ähnlich drückt sich auch Vigilius von Thapsus in seinem Traktat aus (Eutychianam haeresim ex Apollinaris amarissimo fonte derivatam, 1, 15), hierzu s. S IMONETTI (1978), 512. 343 Als Beispiele seien einige Briefe des Ambrosius von Mailand genannt, in denen dieser zu Beginn seiner Ausführungen schreibt, er antworte auf eine Frage zu einer oder mehreren Bibelstellen (etwa epist. 1f oder epist. 54) oder nach der Verurteilung des Bonosus (epist. 71). 344 Die Unterstellung von furor war in der antihäretischen Polemik schon seit Tertullian verbreitet, vgl. O PELT (1980), 68; 93; 222. 345 Zugleich schmeichelt er dabei seinem Gegenüber, denn er bindet seine eigene positive Darstellung ganz an dessen Bild.
2.2 Briefe an Adlige und weltliche Machthaber
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Ausführung nötige rhetorische Geschick und die passende sprachlich-literarische Ausbildung zur Verfügung stehen. Dies wird nicht nur durch den zweifachen Hinweis auf Stil und Sprache (virtus facundiae thematis responderet auctori,346 15, 15f; sic nostra satisfaceret lingua proloqui, 15, 16f) besonders hervorgehoben, sondern außerdem an der sprachlichen Gestaltung der Passage deutlich, etwa an der Wiederaufnahme von iubet, 15, 15 in iussionem, 15, 15 und der Variatio des Begriffs in praeceptum, 15, 17, an der Fortführung von dignissima, 15, 14 in dignus, 15, 15, an der Bezugnahme auf multiplex, 15, 9 in multiplicandam, 15, 16347 und der Variatio von satis faceret, 15, 16 durch sufficit, 15, 17. Die Inszenierung als gebildet findet darüber hinaus noch auf einer weiteren Ebene statt. Indem Avitus die Voraussetzungen, die ein Autor einer solchen von Gundobad in Auftrag gegebenen Schrift erfüllen muss, großenteils indirekt, d. h. im Passiv oder zumindest allgemein in der 3. P. Sg. formuliert (eligeretur; exciperet; virtus facundiae thematis responderet auctori, 15, 15f) und den Konjunktiv Imperfekt verwendet (eligeretur; exciperet; responderet; satis faceret, 15, 15f), distanziert er sich selber von einem allzu überschwänglichen Lob und erscheint so relativ bescheiden. Folglich legt er in Bezug auf die Einschätzung des eigenen literarischen Könnens ein den Normen des aristokratischen Codes entsprechendes Verhalten an den Tag348 und stilisiert sich damit als perfekten Angehörigen der Eliten. Hierzu passend lässt er diesen Punkt im Anschluss fallen und spricht stattdessen Gundobads Beziehung zum Kaiser in Konstantinopel an. Dabei betont er als erstes die Verbundenheit des oströmischen Herrschers mit dem burgundischen Machthaber (devincti vobis imperatoris, 15, 17f) und attestiert diesem damit eine besondere Wertschätzung durch den und Stellung am Kaiserhof – ein Kompliment, das dem Adressaten sehr gefallen haben dürfte, schließlich legte er großen Wert auf die Anerkennung durch die Byzantiner.349 Dieser zeichnet sich nach Avitus ebenfalls durch eine außergewöhnliche Freundschaft zum Kaiser aus, weil er ihn nicht nur um des weltlichen Vorteils willen schätze (imperatoris patriam personamque non [...] tantummodo ad commodum mundanae pacis amatis, 15, 18f; carum vobis, 15, 19; omnem quae inter vos est amicitiam, 15, 20). In dieser Hinsicht unterscheide er sich zudem von anderen Königen (non, ut 346 Interessanterweise wird hier nicht die Passung von sprachlichem Ausdrucksvermögen und Inhalt des Werks, sondern von Redegewandtheit und Auftraggeber bzw. Adressat thematisiert. Ähnlich äußert sich Cassiodor in Bezug auf seine Briefe, s. hierzu S CHWITTER (2015), 126– 129. Die Beherrschung korrekten Lateins war für die spätantiken Angehörigen der höheren Schichten von größter Bedeutung, hierzu s. o. S. 50ff. Für die entsprechende Ausbildung waren Grammatiker zuständig, dazu s. vor allem K ASTER (1988). 347 Zu vergleichbaren etymologischen Spielereien in der spätantiken Literatur s. G UALANDRI (2017). 348 Ähnlich benimmt sich Sidonius Apollinaris in einem Brief an Ruricius von Limoges, in dem er diesem vorwirft, ihn zu Unrecht gelobt zu haben (epist. 8, 10, 1). Zu Sidonius’ Selbsteinordnung in die literarische Tradition s. G. M. M ÜLLER (2013), v. a. 424–427. Zu den aristokratischen Verhaltenscodes s. o. S. 54f. 349 Hierzu s. o. S. 45ff.
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regibus ceteris moris est, ..., 15, 18).350 Statt seines eigenen Vorteils hat Gundobad laut Aussage des Verfassers vielmehr den des Byzantiners im Auge, wenn er sich darum sorgt, dass dieser aus einem Irrtum heraus eine Sünde begehen könnte (sed dum carum vobis praeveniri timetis errore, omnem quae inter vos est amicitiam in eo illi vultis prodesse, ne peccet, 15, 19f). Streben und Sorge des Empfängers um Kaiser Anastasios erscheinen nicht nur als Freundschaftsdienst, sondern zudem letztlich als Fortsetzung seiner Sorge um den katholischen Glauben (de tuenda catholicae partis veritate curetis, 15, 10f). Auf diese Weise wird der burgundische Herrscher als wahrer Freund und guter Christ gezeichnet, der sich in Kenntnis dessen, was richtig ist, in gewisser Weise auch um das Seelenheil des anderen kümmert. In mancherlei Hinsicht übernimmt er so Aufgaben eines Bischofs.351 Dieses Porträt des Empfängers schmeichelt jedoch nicht nur diesem, es strahlt darüber hinaus auf den Adressanten aus, schließlich wird dieser gerade von einer solchen Persönlichkeit mit der Abfassung einer theologischen Schrift beauftragt. Mit Gundobads Zuneigung zum Kaiser und Gottes Vergebung rechtfertigt Avitus anschließend in Form einer rhetorischen Frage, wieso der Burgunder den Byzantiner lobt und als gläubig darstellt, obwohl dieser eigentlich nicht katholisch ist (Quem quod et praeconio attollitis et fidelem deo devotumque laudatis, de quo praecipua ac triumphalis venia in plenitudine veniat, quis digne miretur?, 15, 20– 22). Indem er die Angelegenheit auf diese Weise in Worte fasst, wendet er sich einerseits gegen Kritiker von Gundobads Verhalten und positioniert sich so loyal an der Seite des Adressaten, andererseits vermeidet er eine allzu deutliche eigene Meinungsäußerung, nach der man ihm entweder eine Kritik am burgundischen Herrscher hätte vorwerfen können (wenn er ihm in Bezug auf den Kaiser widersprochen hätte) oder mangelnde Orthodoxie (falls er dem Empfänger zugestimmt hätte). Da seine Ansichten über Anastasios insgesamt trotzdem offensichtlich werden, zeigt der Bischof von Vienne hier sein geschicktes diplomatisches Vorgehen.352 Im Anschluss bringt Avitus mit einem betonten Ego, 15, 22 pointiert sich selbst ins Spiel und stellt sich dabei als fromm und voller Gottvertrauen dar (Ego tamen deum pro viribus quaeso, 15, 22–16, 1). Sein Beitrag zum unmittelbar danach referierten Handeln Gundobads, der den Kaiser im rechten Glauben unterweisen soll, besteht somit vor allem im Gebet zu Gott. Zugleich setzt der Bischof von Vienne sich auf diese Weise von beiden Herrschern ab und verweist auf seine besondere 350 Angesichts der Tatsache, dass die meisten Machthaber auf (ehemals) weströmischem Territorium um gute Beziehungen zum Kaiserhof bemüht waren und dabei auch miteinander in Konkurrenz standen, ist diese Aussage ein kluger Schachzug: Einerseits schmeichelt sie dem Rezipienten, andererseits – falls Avitus’ Schrift tatsächlich dazu gedacht war, nach Konstantinopel weitergeleitet zu werden, wie S HANZER und W OOD (2002), 95 (Anm. 1) vermuten – präsentiert sie den Burgunder dem Kaiser als besonders guten Verbündeten, und folglich in jedem Fall den Bischof von Vienne als Gundobad gegenüber loyal. 351 Im Folgenden wird dieser Aspekt noch betont. Zu den Aufgaben eines Bischofs s. o. S. 59ff. 352 Durch die sprachliche Gestaltung der Passage, beispielsweise durch die Assonanz deo devotumque, 15, 21 und die Paronomasie venia – veniat, 15, 22, inszeniert er sich außerdem als gebildet und damit als würdiges Mitglied der Aristokratie, das den Code beherrscht. Hierzu s. o. S. 50ff.
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Verbindung zu Gott, die ihm als Bischof letztlich auch seine spezifische Autorität gegenüber dem Adressaten und Anastasios verschafft.353 Dann referiert der Adressant den Inhalt seines Gebets: Der Kaiser möge sich von Gundobad im rechten Glauben unterweisen lassen und diesen danach seinem Volk weitergeben (ut is ipse [...] Caesar Graecorum [...] persuadeatur a principe nostro, quod suadeat populo suo, 16, 1f).354 Der Burgunder wird hier als (Glaubens-) Lehrer des Kaisers und über den Kaiser als Unterweiser von dessen Volk inszeniert und erscheint so mit Anastasios auf einer Stufe stehend.355 Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass der Byzantiner deutlich von Gundobad abgesetzt wird: Er ist der Kaiser der Griechen (Caesar Graecorum, 16, 1), im Gegensatz zum Adressaten, der mit principe nostro, 16, 2 tituliert wird und dessen Lehren sich an ein anderes, dem Kaiser unterstelltes Volk (populo suo, 16, 2) richten. Gerade letzteres wird durch die Endstellung der Possessivpronomina zusätzlich betont. Während der Bischof von Vienne auf diese Weise auf das Verhältnis zwischen Gundobad und Anastasios eingeht, positioniert er freilich auch sich selber dazu. Zunächst macht er mit de quo loquimur, 16, 1 seine eigene Präsenz sowie die Lehrerrolle, die er selber im weiteren Verlauf des Schreibens einnehmen wird, deutlich. Daneben erweist der Kaiser ihm über Gundobad seine Ehrerbietung (si fidelis vobis, etiam nobis honorabilis, 16, 1f), und er selbst unterstellt sich dem burgundischen Herrscher (principe nostro, 16, 2). Gerade durch letzteres präsentiert er sich dem Adressaten gegenüber als treuer Untertan und zeichnet beide Briefpartner als Gegenüber des Kaisers. Gemeinsam mit dem vorhergehenden ergibt sich aber noch eine weitere Facette des Avitusporträts: Da er sich als gebildeten und katholischen Mentor Gundobads modelliert hat und diesen nun als Lehrer des Kaiser inszeniert, tritt letztlich er selbst – über den Briefempfänger – als Lehrer und Ratgeber des Byzantiners auf. Das Bild des Adressaten als Instruktor des oströmischen Kaisers wird im Folgenden weiter herausgearbeitet: Letzterer habe sich zum Schüler des ersteren gemacht, um die Wahrheit zu erfahren, und solle mit dem erworbenen Wissen anschließend die Häresien aus seinem eigenen Land entfernen (Cumque se ad tenendam veritatem vobis reddiderit docilem, ad expugnanda propriae regionis contagia praedicationis 353 Zur Autorität spätantiker Bischöfe s. insbesondere R APP (2005). 354 Durch seine sprachliche Gestaltung, den mit einer Antithese verbundenen Chiasmus fidelis vobis – nobis honorabilis, 16, 1f, den Parallelismus persuadetur a principe nostro – suadeat populo suo, 16, 2 und das etymologische Spiel mit persuadeatur und suadeat wird es besonders hervorgehoben. 355 Ganz anders modelliert Avitus das Verhältnis zwischen burgundischem Herrscher und Kaiser beispielsweise in epp. 93fP = epp. 88fMR; beide Schreiben sind von Sigismund an den Kaiser gerichtet. Hier schreibt der Absender in ep. 93P = ep. 88MR Vester quidem est populus meus, sed plus me seruire uobis quam illi praeesse delectat und spricht von seiner animo Romana deuotio, 100, 6–8 bzw. §3, in ep. 94P = ep. 89MR wird er als famulus (vgl. 101, 7 bzw. §1) gezeichnet. Dies hängt sicherlich unter anderem mit dem Unterschied sowohl zwischen den Adressaten (in ep. 2P Gundobad, in epp. 93fP = epp. 88fMR der Kaiser persönlich) als auch in den Zielen der Briefe zusammen, denn in den letztgenannten bittet Sigismund Anastasios um römische Ehrentitel (ep. 93P = ep. 88MR) bzw. informiert über den Tod seines Vaters (ep. 94P = ep. 89MR).
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vestrae factum se gaudeat adiutorem, 16, 2–4). Gundobad wird damit beinahe wie ein katholischer Bischof dargestellt: Er ist nicht nur der Wahrheit verpflichtet und kämpft gegen Häresien,356 sondern predigt auch (praedicationis vestrae, 16, 4).357 Erneut werden der Kaiser und die in seinem Gebiet verbreiteten Häresien dabei von Gundobad abgesetzt (propriae regionis contagia, 16, 3). Nachdem Avitus auf diese Weise den Entstehungskontext des Schreibens dargestellt hat, kommt er zum ,eigentlichen‘ Thema, der Widerlegung der Irrlehre des Eutyches. Hierfür gibt er zunächst eine Einführung zu dessen Person und dem Aufkommen seiner Ansichten, die durch die betonte Nennung des Namens Eutyches, 16, 5 eröffnet wird. Bevor freilich irgendwelche Fakten präsentiert werden, wird dieser als Urheber einer gefährlichen Häresie (perniciei [...] funestus incentor, 16, 5) vorgestellt. Erst danach informiert der Bischof von Vienne seinen Briefpartner darüber, dass es sich bei Eutyches um einen Presbyter aus Konstantinopel gehandelt habe, dem zahlreiche Mönche unterstellt gewesen seien (Constantinopolitanae ecclesiae quidem presbyter, sed copiosae monachorum multitudini praepositus fuit, 16, 5f). Er habe das Bischofsamt angestrebt und deswegen versucht, sich durch die Einführung von etwas Neuem die nötige Bekanntheit zu verschaffen (ad summum sacerdotium famae suffragio comparandum intromittendae cuiuscumque novitatis studio, 16, 7f). Seine Ansichten habe er lediglich in Form von Gerüchten verbreitet (susurriis dicitur magis invexisse quam litteris, 16, 9f), und da er überhaupt ungebildet gewesen sei, habe sich auch nicht ein Körnchen Wahrheit darin gefunden (nihil extitit clarae eruditionis in viro, quod in aliqua recti similitudine sensum conceptae animositatis adstrueret, 16, 10f).358 Nachdem er viele Mönche mit dem Gift seiner Irrlehre angesteckt habe, sei er schließlich auf einem Konzil verurteilt worden (Infectis primitus monachorum animis hoc veneno [...] multorum antistitum iudicante concilio [...] damnatus est, 16, 11–15),359 seine Meinungen seien damit aber nicht endgültig bekämpft gewesen (quod digna pontificum fuerat provisione succisum, contagia 356 Hier wird außerdem auf die Charakterisierung des Empfängers als jemand, der sich um die Erhaltung des katholischen Glaubens sorgt (de tuenda catholicae partis veritate curetis, 15, 10f), vom Beginn des Briefs Bezug genommen. 357 S HANZER und W OOD (2002), 95 (Anm. 3) vermuten, dieser Ausdruck sei „an honorific with an ecclesiastical flavour intended to flatter Gundobad“. Zu Aufgaben und Ideal des spätantiken Bischofs s. o. S. 58ff. 358 Interessanterweise findet sich der Vorwurf mangelnder Bildung in der christlichen Polemik gegen Häretiker kaum; sie werden eher als stulti oder wahnsinnig charakterisiert, vgl. O PELT (1980), 239–241. Wahrscheinlich war Eutyches tatsächlich nicht sehr gebildet, vgl. B EVAN und G RAY (2008), 619. Entweder Avitus wusste hierüber Bescheid, oder, was wohl eher zutreffen dürfte, er modelliert Eutyches gezielt als ungebildet, um sich selbst umso deutlicher als dessen Gegenbild zeichnen zu können, wie im Folgenden noch genauer ausgeführt wird. Beide Möglichkeiten schließen sich freilich nicht gegenseitig aus. 359 Die abschließende Verurteilung fand auf dem Konzil von Chalcedon 451 statt, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 95 (Anm. 7). Wie B URCKHARDT (1938), 69 (Anm. 1) merkt S IMONETTI (1978), 523 an, es sei unklar, auf welches Konzil Avitus sich beziehe; Chalcedon sei aber in jedem Fall möglich. Da Avitus sich in Bezug auf das Konzil vage ausdrückt, ist es durchaus denkbar, dass er nicht genau Bescheid wusste. Die Bezeichnung von Häresien als venenum
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susceptorum iampridem seminum servans velut ab infecta loliis tellure surrexit, 16, 17f). Insgesamt wird Eutyches hier als ungebildeter und machthungriger Anführer dargestellt, der Irrlehren verbreitet, skrupellos zahlreiche Mönche für seine Zwecke verführt und dessen Ansichten immer noch einflussreich sind, obwohl sie schon längst verurteilt wurden. Der Bischof von Vienne selbst erscheint implizit als vollkommenes Gegenteil des Eutyches, den er sogar als haeresiarches, 16, 13 beschimpft. Er präsentiert sich als informiert und kennt die Hintergründe der Entstehung der betreffenden Häresie, die er knapp darlegt. Außerdem erklärt er einen in Konstantinopel üblichen kirchlichen Titel (cuius officii personas episcopi orientales archimandritas appellant, 16, 7) und inszeniert sich auf diese Weise einerseits als Insider, andererseits als guter Lehrer, der seinem Gegenüber nützliches Zusatzwissen präsentiert. Dieser Rolle entsprechend verweist er in ut supra diximus, 16, 13 auf bereits Genanntes und verschafft dem Rezipienten so Orientierung; darüber hinaus spricht er ihn direkt an und fordert ihn zur Aufmerksamkeit auf, wenn er daran geht, den Inhalt der genannten Häresie darzulegen.360 Seine Bildung – im Gegensatz zur nicht vorhandenen Bildung des Eutyches – hebt der Bischof von Vienne in dieser Passage nicht nur durch die Mitteilung der Informationen über den Häretiker hervor, sondern vor allem durch deren sorgsame sprachliche Gestaltung. Er gebraucht zahlreiche mehr oder minder ausgearbeitete Bilder, etwa ardescens, 16, 9, das die Feuer-Wasser-Metaphorik vom Beginn des Schreibens wieder aufnimmt (15, 12–14),361 Eutyches als hinterhältiger Steuermann (quos [i.e. monachos] nefario docens sub colore gubernaculi naufragiis exponebat, 16, 12f)362 und dessen Ansichten als Unkraut, das trotz Gegenmaßnahmen wächst (quod digna pontificum fuerat provisione succisum, contagia susceptorum iampridem seminum servans velut ab infecta loliis tellure surrexit, 16, 17f).363 Daneben arbeitet er einige Stellungsfiguren ein und gestaltet den Klang sorgfältig. Beispiele sind unter anderem die Alliterationen summum sacerdotium – suffragio, 16, 7f und seminum servans – surrexit, 16, 18, das Trikolon discussus, detectus atque damnatus, 16, 15 und das etymologische Spiel bei perniciem magisterii mors magistri, 16, 16.364 Abgesehen davon hebt Avitus ausdrücklich hervor, das Konzil, auf dem Eutyches verurteilt worden sei, habe erstens eine große Zahl an Teilnehmern gehabt
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oder venena war in der antihäretischen Polemik weit verbreitet; für Hinweise dazu s. O PELT (1980), 295f. Damit erfüllt er seinen Part in einer „teacher-student-constellation“, zu deren Elementen etwa die regelmäßige Ansprache des Schülers gehört, vgl. VOLK (2002), 37–40. Insbesondere wird damit gerade hier nochmals in Erinnerung gerufen, dass es eben das Feuer von Eutyches’ Lehre ist, das Avitus löschen will. Das Bild vom Steuermann ist ein bereits seit der Antike häufig verwendeter Topos, den Avitus immer wieder heranzieht. Allerdings tritt es meist in einem positiven bis neutralen Kontext auf, s. hierzu auch den entsprechenden Eintrag im ThlL (s.v. gubernator). Diese Metapher verwendet Avitus an anderer Stelle ebenfalls zur Charakterisierung einer Häresie, z. B. in ep. 26P = ep. 23MR: lolium Arriani germinis, 57, 11 bzw. §2. Zur sprachlichen Gestaltung spätantiker Literatur s. G UALANDRI (2017).
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(multorum antistitum, 16, 13f), zu denen zweitens auch Vertreter des römischen Bischofs gezählt hätten (presbyteris urbis Romae in id ipsum directis, 16, 14). So betont er die Rechtmäßigkeit der Verurteilung, modelliert sich dadurch implizit als katholisch und stellt sich auf die Seite Roms – gegen Konstantinopel, wo die Häresie, gegen die er kämpft, ihren Ursprung nahm.365 Seine eigene Orthodoxie rückt er weiter ins Zentrum, indem er sich wie angekündigt gegen die Häresie wendet und, noch bevor er deren Hauptgedanken zusammenfasst,366 ein Glaubensbekenntnis ablegt, das das Nizäno-Konstantinopolitanum zwar nicht wörtlich wiedergibt, aber deutliche Anklänge erkennen lässt (Filium dei cum patre ante saecula permanentem, quem idcirco ad salutem nostram descendisse de caelo, ut corpus adsumeret, 16, 19–21).367 Dieses markiert er durch fides recta compellat, 16, 21 explizit als richtig und mit der Lehre der Kirche übereinstimmend, um anschließend die Kernaussage der Häresie, der Sohn Gottes habe sich nicht in den Leib einer Frau pressen können, ohne dabei zumindest einen Teil seiner göttlichen Natur aufzugeben (Filium dei [...] negant in alvum femineam potuisse contrudi:368 cum dei filius, utique deus [...] non potuerit venire, quo erat, nisi per susceptionem carnis adquiesceret esse quod non erat, 16, 19–24), umso deutlicher davon abzusetzen. In die Schilderung der Gedanken flicht Avitus geschickt ein Zitat aus dem Alten Testament ein (Jer 23, 24; hier 16, 22f) und hebt so seine Belesenheit und Bibelkenntnis hervor. Angesichts der Tatsache, dass er dazu aufgefordert wurde, mit einer Masse biblischer exempla gegen Eutyches anzugehen (15, 12–14) bestätigt er auf diese Weise nochmals implizit, er sei der Richtige für diese Aufgabe, und verleiht sich so zusätzliche Autorität. Im Anschluss weist der Verfasser wiederum auf Eutyches als das Hauptthema der momentanen Darlegungen hin (Eutyches ille, de quo loquimur, 16, 24) und zeichnet wie zuvor ein sehr negatives Bild von diesem: er fürchte die erwähnte logische Schlussfolgerung (Quam conclusionem metuens, 16, 24) und habe sich geweigert, eine orthodoxe Aussage zu unterzeichnen, obwohl er auf dem besagten Konzil inständig darum gebeten worden sei (in synodo superius designata studiose ab auditoribus urgeretur, ut [...] pronuntiaret atque subscriberet, ad ingenii nequitiam fraude conversus [...] confessus est, 16, 25–28).369 Inhalt der Auseinandersetzungen des Konzils sei der Streit um die Natur Christi gewesen, der sich in diesem 365 Eine weitere Distanzierung von der Irrlehre, die wohl Gundobad ebenso von dieser trennt, findet in quod in sectatoribus eius horremus, 16, 9 statt. 366 Hinc nunc haereseos, contra quam loquimur, audite propositum, 16, 19. 367 Der entsprechende lateinische Text des Nizäno-Konstantinopolitanums lautet filium dei unigenitum et ex patre natum ante omnia saecula ... qui propter nos homines et propter nostram salutem descendit de coelis ... et homo factus est, vgl. S TAATS (1996), 21. 368 In diesem Kontext wird die Auffassung des Gegners durch die Verwendung des betont respektlosen contrudi weiter verunglimpft und lächerlich gemacht, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 96 (Anm. 1). 369 In diesem Zusammenhang hat er seinen Verstand nach Avitus’ Ansicht schändlicherweise gerade für etwas Falsches eingesetzt. Zudem wird an dieser Stelle deutlich, dass der Konsensgedanke prägend für Konzilien war, hierzu s. Hamilton H ESS (2005), 30–32. Da Eutyches dagegen verstieß, erscheint er zu Recht verurteilt.
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Fall in Form von Diskussionen um die rechtmäßige Bezeichnung Mariens äußerte, d. h. ob Maria theotokos, die Gottesgebärerin, (so die orthodoxe Auffassung) oder, wie Eutyches wollte, christotokos, die Christusgebärerin sei (vgl. 16, 25–28). In diesem Kontext fügt Avitus dem Bild des gebildeten und informierten Lehrers, das er bereits von sich gezeichnet hat, weitere Facetten hinzu: Er weiß nicht nur über die Ereignisse des Konzils Bescheid und kann diese einem interessierten Publikum vermitteln. Darüber hinaus beherrscht er das Griechische und gibt auf dieser Grundlage zusätzlich nötige Erklärungen, etwa die Übersetzung griechischer Begriffe (theotocon, id est quae deum peperisset, 16, 26; christotocon, quae Christum tantummodo videretur edidisse, 16, 27f) sowie Folgerungen, die sich aus der Diskussion ergeben (ut scilicet divisa credatur persona, quae servat divinitatis naturam, ab ea quae sustinuit passionis iniuriam, 16, 28f).370 Hier wird freilich offensichtlich, dass der Bischof von Vienne nicht so gut informiert ist, wie er sich darstellt, denn Eutyches wurde zwar tatsächlich 451 auf dem Konzil von Chalcedon verbannt, die Begriffe theotokos und christotokos standen aber im Zentrum einer anderen Auseinandersetzung, in deren Zuge der konstantinopolitanische Bischof Nestorius 431 auf dem Konzil von Ephesos verurteilt wurde. Darüber hinaus vertrat Nestorius eine derjenigen des Eutyches völlig entgegengesetzte Auffassung: Während erstgenannter eine strikte Trennung der zwei Naturen in Christus postulierte, bestand letztgenannter gerade auf deren Einheit.371 Avitus’ falsche Zuschreibung der entsprechenden Schlagwörter kann freilich bis zu einem gewissen Punkt durch die Existenz einiger Traktate erklärt werden, die sich sowohl gegen Eutyches als auch gegen Nestorius richteten.372 Vielleicht hatte er irgendwann einmal einen oder mehrere von diesen gelesen und erinnerte sich noch an einige Begriffe, konnte diese aber aus dem Gedächtnis heraus nicht mehr richtig zuordnen und verfügte zur Abfassungszeit des Briefs nicht über die Möglichkeit, solche Schriften erneut zu konsultieren. Nichtsdestotrotz ist dem Bischof von Vienne aber die katholische Lehre gut bekannt, die er im Folgenden anführt: der sicherste Weg sei stets der Mittelweg, in diesem Falle bedeute es, die zweifache Natur Christi könne zwar unterschieden, je370 Hingewiesen sei zudem auf die sprachliche Gestaltung der Passage, etwa den Parallelismus quae servat divinitatis naturam – quae sustinuit passionis iniuriam, der zusätzlich durch klangliche Elemente verstärkt und hervorgehoben wird. 371 Vgl. S IMONETTI (1978), 523; S HANZER und W OOD (2002), 96; R IST (1996–2003c); R IST (1996–2003b); R IST (1996–2003d); R IST (1996–2003a). 372 Hierzu gehören z. B. Boethius’ Liber contra Eutychen et Nestorium oder der dritte Traktat des Gelasius, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 92; Arnobius kontrastierte in seinem Conflictus Arnobii et Serapionis ebenso wie Vigilius von Thapsus in den Libri contra Eutychetem die Lehren von Nestorius und Eutyches, s. hierzu S IMONETTI (1978), 488–522. Der römische Bischof Hormisdas erwähnt außerdem in einem 515 versandten Brief an Caesarius von Arles (epist. 9 im Briefcorpus des Hormisdas nach T HIELs Ausgabe) ebenfalls Nestorius und Eutyches kurz hintereinander; allerdings ist dieser Brief höchstwahrscheinlich erst nach Avitus’ Schreiben an Gundobad entstanden. Eine englische Übersetzung der Botschaft an Caesarius findet sich in K LINGSHIRN (1994a), 97–100. S HANZER und W OOD (2002), 91 (Anm. 7) weisen zudem darauf hin, dass Verwechslungen wie die des Avitus in Gallien öfters vorkamen, was vielleicht auch an den weit verbreiteten Häresielisten gelegen habe.
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doch nicht getrennt werden (medio via tutior, in qua duplicem substantiam redemptoris discerni dicimus posse, non dividi, 16, 31f).373 Im Aufruf, ein allzu starkes Abkommen nach der rechten Seite ebenso wie eine zu deutliche Tendenz zur linken Seite zu vermeiden (refrenandam a praerupto ancipiti laevam fugiens, dexteram non praesumens ac perinde latus utrumque formidans, 16, 29f), klingen Bilder aus dem antiken Mythos, insbesondere Skylla und Charybdis, an.374 Damit inszeniert der Verfasser sich nicht nur als theologisch gebildet, sondern auch als in der klassischen Literatur belesen. Sogar in spezifisch christlichen Kontexten sind folglich nicht näher markierte Anspielungen auf antikes Wissen ein Aspekt seines Selbstporträts als rechtgläubiger Bischof und Lehrer, der der Modellierung als Christ nicht widerspricht; klassische und christliche Bildung stellen keinen Gegensatz dar.375 Im Folgenden wehrt der Vienner sich gegen die Unterstellung, er versuche zu beweisen, die göttliche Natur Christi habe körperliche Schmerzen ertragen (Neque nos nitimur, ut inviolabilis divinitas dolores corporeos perpessa credatur, 16, 32).376 In seinen Ausführungen rekurriert er auf entsprechende Argumentationen in Claudianus Mamertus’ De statu Animae.377 Ebenso stilisiert er sie sorgfältig, wie etwa an den Wortspielen mit pati (perpessa; impassibilis; sine patiendi acerbitate compatiens; patitur, 16, 33–38) und der Alliteration cum – cunctorum corporum, 16, 33 deutlich wird und entspricht damit letztlich genau dem eben gezeichneten Bild. Indem Avitus seinen Gegnern vorwirft, nicht dazwischen zu unterscheiden, dass Gott zwar körperlich nicht leiden könne, aber durchaus in der Lage sei, Mitleid zu empfinden (Contra huius distinctionis sensum haeresis adversa se subrigens [...] cum in ipsa divinitate, in qua inveniri non potest afflictio corporalis, interdum tamen pietatis reperiatur affectio, 16, 37–40), erscheint er als gebildeter orthodoxer Theologe, der die für das rechte Verständnis nötige Differenzierung vornimmt und seine Auffassung mit Bibelzitaten belegt. Diese stammen sowohl aus dem Alten (Ri 10, 16) wie aus dem Neuen Testament (Eph 4, 30), was eine Hervorhebung seiner fundierten Bibelkenntnis ermöglicht.378 Da der Adressat in sicut legimus, 16, 40 dezidiert mit eingeschlossen zu sein scheint, wird auch er als Bibel lesender Christ modelliert. Zugleich verleiht Avitus so seinen Belegen größere Beweiskraft, schließlich kann (und soll) Gundobad sie selber nachschlagen.
373 In vergleichbarer Weise wird in einem Brief an den römischen Bischof Symmachus argumentiert, epist. 12, 8 in T HIELs Ausgabe, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 96 (Anm. 10). 374 Vgl. N ODES (1993), 69. Entsprechende Stellen sind beispielsweise Verg. Aen. 3, 420 und Ovid Met. 13, 730. 375 Dies kongruiert mit Avitus’ Selbstbild in ep. 51P = ep. 48MR, hierzu s. o. S. 152. Anzumerken ist freilich, dass der Adressat jeweils Laie ist. 376 Ähnlich äußert er sich in Frg. 8 des Dialogs Contra Arrianos, vgl. H EIL (2011), 246. 377 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 96 (Anm. 9). 378 Insgesamt sind die meisten Schriftstellen, die Avitus in ep. 2P im Zuge seiner Argumentation verwendet, dem Neuen Testament entnommen; mit Ausnahme eines Jesajazitats und einer Genesisstelle werden alle Passagen aus dem Alten Testament nur kurz erwähnt, ohne dass weiter auf sie eingegangen wird oder dass sie wichtige Beweisfunktion hätten. Sie scheinen vielmehr dazu zu dienen, die Belesenheit des Autors herauszustellen.
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Anschließend leitet der Verfasser mit Interim in consequentibus duorum adsertione dilata unitas mihi in Christo substantiae duplicis adstruetur, 17, 3f zum nächsten Thema über. Dieses eröffnet er mit der pointierten Frage nach den in der Schrift enthaltenen Geheimnissen, die die Inkarnation bezeugen (Vbi sunt enim tanta in scripturis caelestibus mysteria veritatis, quae nihil aliud moliuntur, nisi ut nobis incarnationem verbi cum hominis divinitate persuadeant?, 17, 4–6). Im Unterschied zu anderen Stellen ist die Frage hier nicht rhetorisch gemeint, sondern wird im Anschluss beantwortet; als anregende Aufforderung, aufmerksam mitzudenken, bedeutet sie eine weitere Facette der Inszenierung als guter Lehrer, dessen Autorität als Prediger und Verkünder der Wahrheit durch die Charakterisierung der Schriften als caelestes gestärkt wird. Zur Beantwortung der Frage zieht Avitus mit Joh 1, 1 und Joh 1, 14 zwei Bibelstellen heran, die in anderen antimonophysitischen Traktaten ebenfalls erörtert werden.379 Bei der Erläuterung der Zitate spricht er sein Gegenüber an und beteiligt es auf der Suche nach Erkenntnis (Ecce agnovimus, quid erat, quod non coeptum est: nunc studeamus videre, quid coeptum atque secutum sit, 17, 8f). Die Gemeinschaft von Lehrendem und Belehrtem in der Suche nach der Wahrheit sowie der Abschluss eines alten und Beginn eines neuen Themas wirken motivierend;380 darüber hinaus verleiht der Gebrauch biblischer Sprache (ecce) seiner Botschaft besonderen Nachdruck und platziert ihn selbst in der Nähe biblischer Autoren. Im Anschluss daran ruft der Bischof von Vienne Christus selbst um Beistand für seine Darlegungen an (Adsit nunc sermoni nostro Emmanuhel ille, 17, 11). Hierfür spricht er ihn jedoch nicht direkt an, sondern verwendet einen Christustitel des Propheten Jesaja, mit dessen Bedeutung er im Folgenden spielt (Emmanuhel [...] ut nobiscum deus esset, 17, 11f),381 ohne sie aber wirklich zu erklären. Auf diese Weise modelliert er nicht nur sich selbst, sondern auch den Adressaten als Mitglieder einer Bildungsgemeinschaft, die an solchen Rätseln und Sprachspielereien Freude hat.382 Gleichzeitig sichert der Verfasser dadurch freilich die Autorität seines nächsten Belegs, eines Jesajaworts, ab, schließlich ist es gerade Jesaja, der den Gottessohn als Prophet unter dem Titel Emmanuel angekündigt hat (Emmanuhel ille prisca prophetalis oraculi voce praedictus [...] sicut dixit Isaias, 17, 11f).383 379 Nämlich bei Arnobius und Vigilius von Thapsus, vgl. hierzu S IMONETTI (1978), 526. 380 Einer vergleichbaren Strategie bedient sich Seneca in den Epistulae Morales, wenn er sich selbst wie seinen Adressaten als noch längst nicht vollkommen modelliert; das Voranschreiten im Stoff ist ein typisches Merkmal eines Lernsettings, hierzu s. etwa F OWLER (2000) (vor allem in Bezug auf das Lehrgedicht). 381 Hierauf weisen S HANZER und W OOD (2002), 97 (Anm. 8) ebenfalls hin. 382 Hierzu s. beispielsweise S CHWITTER (2015), 189–212. Ähnliches zeigt sich in den Anmerkungen zur später angeführten Paulusstelle Gal 4, 4, die sich durch ihre sorgfältige sprachlichstilistische Gestaltung auszeichnen. In kurzen, großenteils parallel gebauten Kola (Quod mater peperit, pater misit. Hoc est nasci corporeum, quod venire divinum, 17, 27f), die eine etymologische Spielerei ziert (Quem pater sine matre genuit, genetrix sine patre concepit, 17, 29), kommt der Verfasser zur Schlussfolgerung aeque dei filius ut hominis erit, 17, 29f. Hier stellt die sorgsame Ausarbeitung zugleich implizit die Wichtigkeit dieser Ausführungen heraus. 383 Später wird Jesaja mit der Bezeichnung veridicum vatem, 17, 19 belegt.
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Bei seinen Ausführungen bezieht Avitus dabei eine klare Position gegen seine Widersacher, wie an der Verwendung von Verbformen in der 1. P. (Sg.) offensichtlich wird (rogo, 17, 18; Cogam, 17, 21) und vertritt seine Ansichten geschickt, etwa durch rhetorische Fragen (quae rogo tot vocabulorum ratio reperitur, nisi ut agnoscas ...?, 17, 18–21) oder die polemische Aufforderung an einen Häretiker, eine Frage zu beantworten (Cogam tamen hic haereticum respondere, quis ...?, 17, 21–23), um anschließend zwei Antwortmöglichkeiten, jeweils durch eine Anapher eingeleitet, zu nennen und durch eine polemische Frage in Zweifel zu ziehen bzw. daraus zur nächsten Textstelle (Gal 4, 4) überzuleiten (Si filius dei ante saecula manens, cur adhuc in futuro sic vocabitur, qui semper hoc extitit? Si filius hominis qui nascitur, servat copulandae diversitatis mysterium temporum plenitudo, quam cum utique consequenter apostolus replicaret, ait..., 17, 23–26). Zu den rhetorischen Mitteln, die der Verfasser in seinem Kampf gegen die Häresien einsetzt, gehört überdies, dass er seinen Gegner nur in der 3. Person anspricht. Hierdurch distanziert er sich selbst und ebenso den Adressaten des Briefs von dessen Ansichten. Da der Gegner nur relativ unbestimmt als „Häretiker“ bezeichnet wird, vermeidet Avitus eine allzu klare Identifikation, was einerseits Raum für Interpretationen lässt,384 andererseits niemanden verärgert.385 Die Existenz beider Naturen in Christus wird im Anschluss mittels einer Aussage des Engels Gabriel belegt. Übergeleitet wird hierzu mit der Aufforderung, sich an ihn als besondere Instanz zu wenden (Super sacramentum tamen unitatis istius Gabrihelem archangelum consulamus, 17, 30f).386 Dass gerade Gabriel eine besonders gute Referenz für die Person Christi ist, wird nun ausführlich dargelegt. Avitus porträtiert ihn nicht nur als obersten der Engel (principem videlicet ministrorum, 17, 31), sondern zudem als durch seine Gottesnähe und seinen fundierten Einblick in die höchsten Geheimnisse geeignet, grundlegende und verlässliche Aussagen zu machen (cui ineffabilia perspicuae maiestatis arcana, ut pote qui indefessae obsecrationis ministerio conspectibus perpetuae claritatis assistat, non intellegenda tantum modo sed contemplanda monstrantur, 17, 31–33).387 Gabriels Anteil an der Verkündigung und damit am Heil der Menschen hebt der Bischof von Vienne danach in Form eines Trikolons, dessen Glieder durch die Anapher hic eingeleitet werden, weiter hervor (Hic quippe primus legationem caelorum terris adtulit: hic verbo virginem fecundatam divini germinis promissione dotavit: hic unius mulieris salutatione omnem mundum salute complevit, 17, 34–36). Vor allem das dritte 384 Naheliegend ist beispielsweise, dass die Schrift, die sicherlich an Gundobads Hof kursierte, nicht nur gegen die Lehre des Eutyches gerichtet ist, sondern darüber hinaus gegen die dort lebenden Homöer, wofür z. B. das Ende von ep. 3P, 29, 15–22 spricht (so auch S HANZER und W OOD (2002), 122f mit Anm. 8). 385 Weder auf burgundischem Gebiet noch in Konstantinopel, falls das Schreiben tatsächlich dazu gedacht war, dorthin weitergeleitet zu werden, wie Avitus zu Beginn (16, 1–4) suggeriert. 386 Durch die 1. Person Plural wird außerdem das Gegenüber an den Überlegungen und der Argumentation beteiligt und so indirekt als rechtgläubig inszeniert. 387 Anders als S HANZER und W OOD (2002), 98 (Anm. 5) bin ich nicht der Meinung, man sollte intellegenda und contemplanda vertauschen, da es mir durchaus sinnvoll erscheint, dass Gabriel zunächst Einsicht in die göttlichen Geheimnisse erhält und dann über sie nachdenkt.
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Glied ist dabei durch die Antithese unius mulieris – omnem mundum und das etymologische Spiel mit salutatio und salus sorgsam gestaltet388 und bildet so einen Höhepunkt vor dem eigentlichen Bibelzitat Lk 1, 35. Indem Avitus den Urhebern seiner Schriftbelege eine solche Gottesnähe attestiert und auf diese Weise ihre besondere Verlässlichkeit hervorhebt, verleiht er sich selbst und seinen Ausführungen eine über den Inhalt der jeweiligen Aussagen hinausgehende Überzeugungskraft und Autorität.389 Damit stärkt er sein eigenes Auftreten als Verkünder einer unumstößlichen Wahrheit und verschlechtert die Position seiner Gegner. Nach einem kurzen Kommentar zur Aussage des Engels (ostenditur hic per angelum..., 18, 1) leitet der Bischof von Vienne über zur nächsten Bibelstelle, 2 Kor 5, 19 (Quod nunc separatione conexi intellegit apostolus ac definit, quod ad redemptionem nostram deus esset in Christo, 18, 2f). Dieses Zitat nutzt er, um seine Gegner zu diskreditieren. Hierfür unterstellt er ihnen das Bestreben, Paulus’ Aussage bewusst missbrauchen zu wollen (Sed callidus forsitan contradictor sic apostolici sermonis huius testimonio volet abuti, 18, 3f) und entwirft so ein negatives Bild von ihnen. Indem sie trotzdem durch ihre Schläue (callidus, 18, 4) charakterisiert werden, erscheint die Widerlegung durch Avitus als umso größere Leistung. Durch die Formulierung Videamus nunc, 18, 6 wird der Adressat nicht nur dazu aufgefordert, aufmerksam zu sein und mitzudenken, sondern auch auf der Seite des Verfassers gegen den widersprechenden Dritten positioniert. Dessen Ansichten, die der Adressant als commentum, 18, 7 bezeichnet, sind dann aber leicht zu widerlegen: es genügt, das bereits erwähnte Pauluszitat zu vervollständigen (pereat nunc necne commentum, si sententia compleatur, 18, 6f). Der Gegner wird somit weiter verunglimpft: Er hält sich zwar für schlau, gegen seine Ansichten sind aber mühelos Argumente zu finden – es ist dazu nur nötig, ein wenig weiter zu lesen. Die Bezeichnung doctor adversus, 18, 8 und die Aufforderung, auszuwählen, auf wen sich Paulus beziehe (Eligat hic doctor adversus, quis mundum [...] sibimet ipsi [...] conciliet, 18, 8–10), erscheinen damit geradezu sarkastisch. Wie bereits zuvor (oben, 17, 23–26) nennt der Vienner zwei anaphorisch durch si, 18, 10f eingeleitete Antwortalternativen, die er jeweils durch eine kurze Gegenfrage entkräftet, und kommt wiederum zum Fazit Vnus est ergo deus et homo, 18, 12. Insgesamt tritt er in diesem Zusammenhang als theologisch gebildeter und alle nötigen rhetorischen Kniffe beherrschender orthodoxer Bischof auf, der die Wahrheit vertritt und seinen Gegner mithilfe von Bibelstellen mühelos widerlegen kann. Dieser wird dabei gleichzeitig als gewitzt und als dumm dargestellt: einerseits zieht 388 Die Verwendung solcher sprachlicher Mittel in derartigen Kontexten war etwa bei den Kirchenvätern verbreitet, s. hierzu G UALANDRI (2017). Avitus ordnet sich damit also auch in eine theologisch-exegetische Tradition ein. 389 Noch deutlicher tut er dies etwas später, wenn er sich zur Beglaubigung eines Pauluszitats (1 Kor 15, 47) mit einer Anspielung auf Apg 9, 15 (vgl. S HANZER und W OOD (2002), 101, Anm. 3) auf die Paulus übergeordnete Autorität Christi beruft (Adhuc si parum est, quod vas electionis asseruit, consulamus illum, qui mentem electi et pretiosissimi vasis implevit, 19, 9f und so letztlich unwiderlegbar erscheint.
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er durchaus manchen Trick heran, andererseits können seine Thesen jedoch leicht falsifiziert werden. Auf diese Weise hebt Avitus seine eigene Leistung im Kampf gegen Irrlehren hervor und betont zugleich die Durchsetzungsfähigkeit der Wahrheit, die eigentlich keine weitere Unterstützung benötigt und auf deren Seite er steht. Zusätzlich modelliert sich der Verfasser im Folgenden als jemand, der die katholische Lehre problemlos darlegen kann, wenn er seine Ansicht weiter ausführt und mithilfe von Bibelstellen belegt, die er teilweise sehr genau erklärt (18, 12– 26). Hierbei verliert er aber sein Gegenüber nicht aus dem Blick: es wird etwa in quem mediatorem dicimus, 18, 21f mit einbezogen und tritt als direkter Adressat des Apostels auf (ne forte pro redemptione humani generis solum hominem orasse sentires, 18, 14f),390 wodurch dessen Botschaft für ihn besondere Relevanz erhält. Im Anschluss an diese Darlegungen erwähnt Avitus einen möglichen Einwand seiner Gegner, seine Schriftbelege hätten weitere Erklärungen nötig (Certe [...] aut expositione testimonium, aut argumento egere videtur exemplum, 18, 26f), relativiert diese Bemerkung freilich sofort durch die Verwendung von videtur. Danach erklärt er diesen Vorwurf durch Quid vel illo apostoli sermonis lucidius, quo...?, 18, 27f für grundlos – Paulus drücke sich so deutlich aus, dass eine weitere Erläuterung unnötig sei, eine Eigenschaft, die der Bischof dem Apostel bereits zuvor attestiert hat (qui nulla calliditate fucetur, sermone, 18, 23f).391 Gerade bei dem Pauluszitat, das der Adressant nun anführt (1 Kor 9, 20f), ist aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich, warum es seiner Argumentation dient, er gleicht folglich die Schwäche der verwendeten Textstelle durch eine Verunglimpfung seiner Opponenten aus und lässt diese dumm und ungebildet erscheinen.392 Während er sich als seinen Gegnern im Textverständnis überlegen modelliert, tritt er freilich noch auf einer weiteren Ebene als gebildet auf, indem er nämlich Paulus in einer Anspielung auf Mt 25, 20f als treuen Diener Christi zeichnet (ut omnium animas talentorum caelestium cupidus duplicator acquireret, 18, 29) und indirekt auf eine Stelle aus dem Alten Testament (Ps 83, 8) verweist, ohne deren Ursprung zu nennen.393 Allerdings stellt der Verfasser damit nicht nur seine eigenen Kenntnisse ins Zentrum, sondern schreibt darüber hinaus dem Adressaten ebenfalls ein entsprechendes Wissen zu, denn dieser soll das Zitat ja erkennen. 390 Auffälligerweise wird der Empfänger in der 2. P. Sg. angesprochen; dies kann vermutlich dadurch erklärt werden, dass hier nicht mehr primär Gundobad, sondern allgemeiner ein Du adressiert wird. 391 Damit ist Paulus das genaue Gegenteil von Avitus’ Gegnern, die zuvor durch callidus, 18, 4 charakterisiert wurden. 392 Dieser Aspekt wird anschließend weiter ausgearbeitet, zunächst in Form der polemischen rhetorischen Frage Numquid est quisquam tam in profunda demersus, qui istud censeat explanandum ...?, 18, 31f. Nichtsdestotrotz gibt der Verfasser dann eine Erklärung, kommentiert diese jedoch durch Patet nempe, 18, 33 und präsentiert sie so als offensichtlich und damit nur schwer widerlegbar. 393 Vgl. auch S HANZER und W OOD (2002), 100 (Anm. 6 bzw. 9). Ähnlich verfährt er später in Adhuc si parum est, quod vas electionis asseruit, consulamus illum, qui mentem electi et pretiosissimi vasis implevit, 19, 9f, wo er auf Apg 9, 15 anspielt, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 101 (Anm. 4). Im Gegensatz dazu ist bei allen Bibelstellen, die eine unmittelbare Funktion innerhalb der Argumentation haben, die Herkunft angegeben.
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Die Opponenten werden im Folgenden weiter charakterisiert: Ihr Verstand sei durch ihre Fleischlichkeit niedergedrückt, zudem seien sie durch ihre humana condicio geschwächt (mentes carnalitate depressas et coniecturis humanae consuetudinis hebetatas, 18, 35f) – so ergibt es sich beinahe als logische Konsequenz, dass ihnen die Einheit zweier grundsätzlich verschiedener Naturen in einer Person unmöglich erscheint (Offendit [...] tantae disparilitatis in unum coacta proprietas, 18, 35f). Indem diese Vereinigung zweier Gegensätze anschließend in Form eines Trikolon, dessen Glieder durch ut anaphorisch eingeleitet werden und zudem durch parallele und chiastische Konstruktionen in Verbindung mit Antithesen und etymologischen Spielereien gestaltet sind (ut scilicet divina plenitudo et humana condicio, ut servi humilitas dominique maiestas, ut creatoris virtus et servitus creaturae unam ex his omnibus videantur reddidisse personam, 19, 1–3),394 nochmals ausgeführt wird, erscheint die Reaktion der Gegner umso verständlicher. Avitus’ Überlegenheit wird dagegen noch deutlicher: Während sie Schwierigkeiten haben, die Einheit von Gott und Mensch in Christus zu akzeptieren, hat der Bischof von Vienne sie nicht nur verstanden, sondern erläutert und vermittelt sie außerdem anderen.395 Im Zuge seiner Überleitung von der Besprechung von 1 Kor 15, 47396 zur Behandlung von Joh 3, 13 bezieht Avitus in Rogo nunc, 19, 8f Position und präsentiert seine eigene Schlussfolgerung in Form einer etwas polemischen rhetorischen Frage (cum apostolus dicat hominem descendisse de caelis: quis est, qui negare audeat deum redisse de terrenis?, 19, 8f). Auch weiterhin beteiligt der Verfasser sein Gegenüber, beispielsweise in der direkten Anrede videte, 19, 14, durch die er zuerst zum Mitdenken auffordert (utrumnam deus sit, qui ..., 19, 14) und dann auf die schon lange bestehende Konsistenz und Einheit zweier Naturen in Christus hinweist (quanta facta sit soliditas in praeteritis, cuius unitas tanta praedicatur in futuris, 19, 15f). Indem er bei cunctemur, 19, 17 die 1. P. Pl. verwendet, zeichnet er beide als Teil einer christlichen Gemeinschaft, die der Apostel Paulus beim Verfassen seiner Briefe im Blick hatte (ne aliquid de hac separatione cunctemur, adhuc addit apostolus de psalmo testimonium ponens, 19, 16f). Hierbei betont er, dass sich bereits Paulus in einer Tradition
394 Die Passage stellt ein gutes Beispiel für den typischen sprachlichen Stil der Zeit dar, vgl. hierzu G UALANDRI (2017). 395 Zugleich präsentiert der Vienner sich als gebildet, da er betont, die von ihm verkündeten Lehren seien nicht weit von denen der Weisen entfernt (Sed nec ratio soliditatis istius a sapientum soliditate longinqua est, 19, 3) und seine Ausführungen auch sprachlich sorgfältig gestaltet, etwa im Spiel mit reformare, 19, 4 und formavit, 19, 5 und dem durch Antithesen und Assonanzen verbundenen Parallelismus terrenum cum contagio pollutionis, caelestem cum consortio divinitatis, 19, 7. 396 Es ist nicht unbedingt nötig, Avitus eine Missinterpretation von 1 Kor 15, 47 zu unterstellen, wie S HANZER und W OOD (2002), 101 (Anm. 3) dies tun (obwohl dies aufgrund der im Lateinischen nicht vorhandenen Artikel naheliegend ist). Eher gegen ihre Auffassung spricht meiner Ansicht nach, dass andere Autoren, die gegen monophysitisches Gedankengut schreiben, ebenfalls 1 Kor 15, 47 und Joh 3, 13 kombinieren (vgl. S IMONETTI (1978), 526) und S IMONETTI (1978), 526f nicht von einem falschen Verständnis auszugehen scheint.
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befand und diese heranzog, um seine Aussagen zu belegen, und stellt so implizit die Kontinuität zwischen Altem und Neuen Testament ins Zentrum. Im Folgenden geht die Modellierung der beiden Briefpartner einher mit einer dezidierten Abgrenzung von den Juden, denen zudem Blasphemie unterstellt wird (Certe circumfrementibus Iudaeis et in dominum nostrum exerta blasphemiarum tela vibrantibus, 19, 22f). Deren Verhalten und Ansichten werden nicht nur als unbegründet, sondern sogar als den Aussagen Abrahams, maximi patriarcharum, vgl. 19, 26, der als Zeuge für die Natur Christi herangezogen wird,397 widersprechend präsentiert. Weil die Juden sich so letztlich gegen einen ihrer Väter wenden, erscheinen sie überdies als untreu und hinterlistig. Obwohl dieses Bild zunächst scheinbar keinen Sinn innerhalb von Avitus’ Argumentation hat, wird es durch ein direktes Zitat aus den Evangelien (Joh 8, 59) abgesichert (Tulerunt ergo, inquit, lapides, ut iacerent in eum, 19, 30). Der Zweck der negativen Judendarstellung ergibt sich freilich aus dem Folgenden: Da schon sie, Christus’ eigenes Volk, sich so verhalten hätten, sei es keine Überraschung, dass sich Eutyches und seine Anhänger in der Gegenwart ähnlich verhielten (Quid porro miremur Eutychianos contra catholicam fremere, cum videamus caput nostrum a suis, ad quos venerat, pertulisse perfidiam...?,398 19, 30–32). Die Ähnlichkeit ihres Benehmens wird außerdem sprachlich ausgedrückt: Dasjenige der Juden wird mit circumfrementibus, 19, 22 beschrieben, das der zeitgenössischen Häretiker durch (contra catholicam) fremere, 19, 31.399 Während Avitus so den Gegensatz zwischen Juden und Häretikern auf der einen Seite und den rechtgläubigen Katholiken auf der anderen Seite betont, rückt er zugleich den Adressaten in die Nähe der letzteren, indem er ihn in videamus caput nostrum, 19, 31 mit einschließt und von den suis, 19, 31 absetzt. Die Parallelen zwischen Juden und Häretikern gehen freilich noch weiter: beide wüten auf beleidigende Art und Weise, wenn auch zu verschiedenen Zeiten (eo contumeliae sensu illic Iudaeos saevisse, quo hic haereticos, 19, 32f), und während die Juden wirklich Steine auf Jesus warfen, tun die Häretiker dies im metaphorischen Sinne (Parricidalis quidem illic fuit in dominum caeli lapidum iactus; sed putes et istos tempore suo veritati perspicuae cum duris mentibus saxa iaculare, 19, 33–20, 1). Daraus folgert Avitus ne deus et homo unum credatur, coniurat furor duorum, 20, 1. Indem er so die gegnerischen Ansichten als Ergebnis einer Verschwörung der Feinde Gottes gegen die Wahrheit präsentiert, modelliert er sich selbst als deren Verteidiger und Bekämpfer des Komplotts. Hierbei kann der Bischof von Vienne bereits auf eine christliche Tradition antijüdischer Polemik zurückgreifen, die etwa bei Ambrosius von Mailand und Augustinus von Hippo deutlich wird.400 397 Dies geschieht indirekt durch die Zitierung von Aussagen Jesu über Abraham in Joh 8, 58 und Joh 8, 56, vgl. 19, 23f bzw. 19, 28. 398 Wie S HANZER und W OOD (2002), 102 (Anm. 9) bemerken, ist der überlieferte Text hier wohl korrupt; ich zitiere ihren Alternativvorschlag für den Anfang der Stelle. 399 Augustin verwendete ebenfalls fremere zur Charakterisierung des Verhaltens der Juden, vgl. O PELT (1980), 114. 400 Vgl. T HIEDE und S TINGELIN (2002), 121–159. Hingewiesen sei beispielsweise auf Ambrosius’ Reaktion auf die Forderung Kaiser Theodosius’ I., Christen sollten eine von ihnen im Zuge
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Anschließend setzt der Verfasser zu einer leidenschaftlichen Rede an, in der er allgemein dazu aufruft, die durch die zweifache Natur Christi gebotene Chance, dass sich die Menschen über das rein Menschliche erheben, wahrzunehmen, und an die in der katholischen Lehre enthaltene Wahrheit zu glauben (20, 2–7). Der Aufruf ist in kurze, teilweise anaphorisch eingeleitete Kola gegliedert (etwa Liceat rogo quod facti sumus in melius provehi: liceat compactam luto materiam supernorum honore sustolli, 20, 2f und cur offerentem renuis? cur despicis ingerentem, 20, 4f), von denen einige emphatische Fragen und Aufforderungen enthalten (Quid tantum contra te, homo, niteris, ne in deum transire posse credaris, 20, 3f; excole pro adipiscenda similitudine veritatem, dilige pro sectanda imitatione doctrinam, 20, 5f). In seinen Ausführungen zeigt sich Avitus in quod facti sumus, 20, 2 als ein Mensch wie alle anderen. Aus dieser Position entfernt er sich jedoch sofort, um eine höhere einzunehmen, wenn er unmittelbar darauf den Menschen allgemein mit „Du“ anspricht (contra te, homo, niteris; credaris; Vocat te ad participationem sui superna maiestas; renuis; despicis; excole; dilige, 20, 3–5). Damit tritt Avitus als engagierter, seinen Mitmenschen die Wahrheit verkündender Prediger auf, der diesen durch seine Nähe zur rechten Lehre (veritatem; doctrinam, 20, 5f) überlegen ist. Er suggeriert ihnen freilich, dass auch für sie ein Aufstieg in eine solche Position möglich ist, vorausgesetzt, sie vertreten die Wahrheit, wie er sie ihnen mitteilt. Letztlich zeichnet er so von sich das Bild eines idealen Bischofs,401 der bei Predigt und Verkündigung alle ihm zur Verfügung stehenden rhetorischen Mittel nutzt, um für die Wahrheit zu kämpfen. Den Abschluss der Rede bildet eine Anspielung auf Eph 4, 14 (Si caput nostrum est Christus, in sublimatione sument quantulaecumque sublimitatis consortium membra de vertice, 20, 6f), in der Avitus gleichzeitig seinen Aufruf in paulinischer Sprache zusammenfasst und sich als gebildeter Kenner der Bibel inszeniert.402 Im Folgenden verwehrt sich der Bischof von Vienne gegen die Forderung nicht näher bezeichneter anderer (Poscant igitur alii, 20, 7), seinen Standpunkt anhand einer großen Menge an Schriftzitaten darzulegen (instructioni de utriusque testamenti corpore exemplorum multitudinem, quibus proposita tueantur, 20, 8f). In seiner Formulierung nimmt er dabei Bezug auf Gundobads Forderung, die er zu Beginn des Briefs erwähnt hat (ut contra Eutychiani dogmatis redivivum furorem [...] de sacro scripturarum caelestium fonte exemplorum flumina derivem, 15, 12–14). Als ersten Grund gegen die Anführung einer Masse von Beispielen gibt der Verfasser an, in diesem Fall müsse man alle Schriftworte in einem Werk anführen (negotio autem huic sic adnisus bibliothecae utriusque constat, ut [...] cuncta videeines Pogroms zerstörte Synagoge wieder aufbauen. In einem aus diesem Anlass verfassten Brief, epist. 74, wetterte der Bischof von Mailand gegen die Juden. Letzten Endes setzte er sich durch und zwang den Kaiser zum Einlenken. Anzumerken ist freilich, dass viele christliche Autoren die Juden differenziert betrachteten und sie teilweise – je nachdem, wie es ihnen für ihre Argumentation günstig erschien – als negative oder positive Beispiele vorbrachten, vgl. R ITTER (2017). 401 Hierzu s. o. S. 58ff. 402 Die sprachliche Gestaltung, etwa das Spiel mit sublimatione und sublimitatis, bringt seine Bildung ebenfalls zum Ausdruck.
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antur in unum opus canonicorum voluminum oracula congerenda, 20, 9–11) und zeigt sich so gleichzeitig als Vertreter einer starken Position, für die eine schier unermessliche Menge an Beweisen vorliegt. Folgerichtig ergibt sich daraus der zweite Teil des Arguments, man müsse deswegen einige wenige schlagkräftige Beispiele auswählen (De quorum multitudine iuste, ad declinandam prolixitatem, electa quaeque ac deflorata ponuntur, 20, 11f). Implizit streicht Avitus auf diese Weise seine Leistung – schließlich hat er eine solche Auswahl getroffen – und seine Orientierung am Adressaten heraus. Durch die Verwendung des Passivs verleiht er diesem Aspekt hierbei allgemeine Geltung und löst ihn vom konkreten Fall. Mit einem Zugeständnis an die anderen, es sei natürlich auch nicht angemessen, seinen Standpunkt ohne biblische Zitate zu darzulegen (sicut minimi effectus sunt, quae tantum de nostro prolata nullo scripturarum caelestium adminiculo fulciuntur, 20, 12–14), leitet der Bischof von Vienne zu seiner zweiten Begründung gegen die Anführung einer große Zahl von Bibelstellen über. Diese besteht letztlich aus einer Polemik gegen diejenigen, die solches fordern: wer eine Darlegung der Sache, die nur wenige Stellen enthalte, ablehne (qui recipere pauca fastidit, 20, 14), der fürchte widerlegt zu werden und wolle sich gleichzeitig nicht belehren lassen (vinci metuens, instrui nolens, 20, 15); vor allem gehe es ihm nicht um die Aussagekraft der Belege, sondern lediglich um ihre Masse (non virtute, sed mole rem conicit; ad deferendam veri cognitionem volumen potius quam documenta desiderans, non causis putat rerum magnitudinem constare, sed paginis, 20, 14–16).403 Eine solche Person ist also nicht nur ungebildet, da sie die Güte einzelner Zitate nicht beurteilen kann, sondern darüber hinaus noch unwillig zu lernen und ihre Meinung zu ändern, folglich stur und unbelehrbar. Diese Negativcharakterisierung rät implizit von einer Identifizierung ab, um den Beschimpfungen zu entgehen, und lädt damit zu einer Annäherung an den Standpunkt des Verfassers ein. Auf diese Weise stilisiert sich Avitus ebenfalls als Gegenbild eines derart gezeichneten Menschen und stärkt so seine Autorität. Weitgehend übergangslos fährt er danach mit der nächsten Bibelstelle, Mt 25, 31–34. 41 fort, in deren Einleitung er Jesus als Dominus itaque ac redemptor noster, 20, 17 bezeichnet und somit sich selbst genauso wie den Adressaten als gläubige Christen inszeniert. Nach dem ausführlichen Zitat (20, 18–25) wendet der Verfasser sich in vier paarweise anaphorisch eingeleiteten rhetorischen Fragen an einen zunächst nur durch seinen Hochmut charakterisierten Gegner (Quid rogo hic contemptibile in Christo superbia humana fastidiat? quid tam metu dignum? tam honore conspicuum? tam terrore venerandum?, 20, 25f). Anschließend wird er in der Bezeichnung des Opponenten expliziter, den er in einer polemischen Aufforderung zur
403 Die zentralen Begriffe seiner Aussagen platziert der Verfasser hierbei zu Beginn und Ende der jeweiligen Kola (non causis – sed paginis, 20, 16). So hebt er sie nicht nur besonders hervor, sondern stellt zudem seine rhetorische Bildung heraus, die in dieser Passage etwa auch durch die vielen verschiedenen Bezeichnungen für die Bibel (de utriusque testamenti corpore, 20, 8; canonicorum voluminum oracula, 20, 11; scripturarum caelestium, 20, 13) zum Vorschein kommt.
2.2 Briefe an Adlige und weltliche Machthaber
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deutlichen Unterscheidung von Vater und Sohn als häretisch charakterisiert (cogitet haereticus, utrum istud patris gloriae adiungat an filii, 20, 26f). Von diesem distanziert er sich anschließend durch Ad negotium, quod gerimus, audire mihi sufficit, 20, 27f.404 Der Singular in audire mihi sufficit betont angesichts der Tatsache, dass Avitus sich weiter oben (v. a. 20, 11f) als jemand gezeichnet hat, der die Qualität von Zitaten in ihrer Güte zur Fragestellung beurteilen kann, die Aussagekraft der hier angeführten Stelle. Seine darauf folgenden Erläuterungen zu Mt 11, 29 und Mt 26, 27 beendet Avitus mit einer Frage an die Häretiker, in der er diese als stur, widerspenstig und dumm porträtiert (quis umquam sit haereticus tam rebellis, qui deum, cui immortalem angelorum substantiam videt subici, ipse mortalis, immo iam mortuus nolit intellegi, 20, 39–21, 2). Gerade ihr spiritueller Tod und vor allem ihre Unbildung wird durch die betonte Positionierung von mortuus nolit intellegi, 21, 2 am Ende der Frage hervorgehoben.405 Im Anschluss zieht der Bischof von Vienne Abraham zur Untermauerung seiner Ansicht über die Häretiker heran, den er freilich nur mit patriarcha, 21, 2 bezeichnet (Sed dixerat iam patriarcha rem, cuius supra fecimus mentionem, cum..., 21, 2f). Abrahams Ausspruch im Lukasevangelium (Lk 16, 31), die Menschen würden nicht einmal auf einen von den Toten Zurückgekehrten hören, gibt er als indirektes Zitat wieder und verbindet dann in einer rhetorischen Frage die doppelte Natur Christi mit der Einheit des Alten und Neuen Testaments (Quis est autem praedicator ex mortuis suscitatus, nisi Iesus Christus, in cuius duplicem quam loquimur substantiam duplicis testamenti unitas ex diversitate colligitur?, 21, 5–7). Dies nimmt er zum Anlass, um die gleiche Autorität beider Testamente hervorzuheben: Sie unterschieden sich einzig und allein durch ihre Entstehungszeit (Ea siquidem referuntur in evangeliis, quae praedicata sunt in prophetis. Et fit ex viribus novitas testamenti non diversitate, sed tempore, 21, 7f). Damit erreicht der Verfasser zweierlei: Er begründet einerseits, warum er Zitate aus Altem und Neuem Testament heranziehen kann, und verknüpft dies andererseits mit Abrahams Kompetenz, den er im Folgenden als besonderen Sachkundigen für sein eigenes Thema präsentiert.406 Abraham wird dabei als Urheber beider Testamente und Stammvater zahlreicher Völker gezeichnet (auctor utriusque testamenti legitur institutus, vetusti scilicet intromittendo circumcisionem, novi vero placendo per fidem, in illo Iudaeorum 404 Auch an dieser Stelle wird der Adressat durch die Verwendung der 1. P. Pl. bei gerimus ausdrücklich in die Darlegungen mit einbezogen und damit vom genannten Häretiker entfernt. 405 Sich selbst präsentiert der Verfasser implizit als Gegenbild: Er ist ein katholischer Theologe, der die Bibel hervorragend kennt und die orthodoxe Lehre mit geeigneten Zitaten belegen kann. Darüber hinaus zeigt er sich durch die sprachliche Gestaltung der Passage als gebildet, was nicht nur im Spiel mit immortalem, mortalis und mortuus, 21, 1f deutlich wird, sondern auch durch die Antithese in celsitudine – in humilitate, 20, 38f, den Chiasmus filius matris – patris filius, 20, 38f und die Antithese in praesenti saeculo – in futuro, 20, 28f. 406 Später betont der Verfasser diesen Aspekt wiederholt in der Antwort auf seine zuvor aufgeworfenen, teilweise rhetorischen Fragen zur Natur Christi, in der er immer wieder Abrahams Wissen um dieses Thema hervorhebt (Scit ergo, scit nimirum..., 21, 25f; Novit quippe, 21, 26; intellegit, 21, 27).
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tantummodo, in isto autem multarum gentium pater, 21, 10–12). In dieser Charakterisierung Abrahams spielt Avitus auf verschiedene neutestamentliche Bibelstellen an, Apg 7, 8, Gal 3, 7 und Hebr 11, 8–17407 und stellt so seine Belesenheit und Bildung zur Schau. Danach gibt er dem Adressaten sowie sich selbst eine neue Aufgabe, die er als Hortativ, von dem fünf indirekte Fragen abhängen, formuliert (experiamus, utrum [...] an [...] utrum [...] utrumnam [...] utrum, 21, 12–17). In diesem Kontext porträtiert er beide Briefpartner als gemeinsam die biblischen Texte untersuchend. Indem der Bischof dabei in redemptori, qui se Abraham anteponit, 21, 15f zugleich auf eine bereits besprochene Stelle des Evangeliums anspielt (Joh 8, 58, direkt zitiert in 19, 23f), verklammert er sein Werk inhaltlich miteinander und setzt außerdem erneut Abraham mit Christus bzw. die kurz darauf zitierten Verse aus dem Alten Testament (Gen 24, 2f) mit dem Neuen Testament in Bezug. Auf diese Weise bekräftigt und begründet er die sich nicht unmittelbar ergebende Aussagekraft des Genesiszitats für seine eigene Fragestellung. Zum Abschluss des Schreibens rechtfertigt sich Avitus im Voraus für den Fall, dass seine Ausführungen keinen Erfolg bei den Häretikern zeigen. Hierbei betont er zunächst die Vielzahl von Beispielen und Schriftbelegen aus den Evangelien und den Texten der Apostel, die er angeführt hat (Post quae praecedentum indicia, miracula subsequentum, licet plurima testimoniorum de evangeliis apostolisque promamus, 21, 28f). Somit präsentiert er sich als gebildeten Christen,408 der seinen Standpunkt mühelos mit zahlreichen Bibelzitaten – an dieser Stelle scheint der Fokus auf den neutestamentlichen zu liegen – vertreten und nachvollziehbar darstellen kann. Im Gegensatz dazu zeichnet er die Eutychianer als verstockte Sturköpfe, die sich durch Worte und Taten des Alten Testaments nicht bekehren lassen (cum Eutychiani nec patriarchalibus factis nec dictis prophetalibus excitentur, 21, 29f). Daraus ergeben sich logisch seine Befürchtungen, die er in Form einer bereits zitierten Stelle aus dem Lukasevangelium (Lk 16, 31) vorbringt (metuo ad ultimum, quod [...] si Moysen et prophetas non audierint, nec ei, qui ex mortuis reversus est, credant, 21, 30f). Da die genannten Häretiker zuvor als durch die Ausführungen des Alten Testaments nicht belehrbar charakterisiert wurden, werden sie gerade als diejenigen vorgestellt, die im Evangelium gemeint sind, und die ebenso wenig auf einen ex mortuis reversus, 21, 31 hören, den Avitus schon mit Christus identifiziert hat. Angesichts der Erfolglosigkeit Jesu selbst erscheint er für seinen eigenen Misserfolg, den er befürchtet, nicht mehr verantwortlich. Damit tritt der Bischof von Vienne als zwar hochgebildeter und engagierter, aber durchaus realistisch bleibender Kämpfer für die Orthodoxie auf, der sich trotz Aussichtslosigkeit für die Verteidigung der Wahrheit einsetzt und dem folglich niemand einen Vorwurf machen kann, wenn er sein Ziel nicht erreicht.409 407 Auf letztere Stelle verweisen S HANZER und W OOD (2002), 105 (Anm. 5). 408 Dies zeigt sich ebenso in der sprachlich-stilistischen Gestaltung der Passage, beispielsweise in den mit Antithesen verbundenen Chiasmen praecedentum indicia, miracula subsequentum, 21, 28 und patriarchalibus factis – dictis prophetalibus, 21, 30. 409 Geht man davon aus, dass seine Darlegungen tatsächlich nach Konstantinopel geschickt werden sollten, wie es der Beginn des Schreibens (15, 22–16, 4) nahelegt, war dies wohl recht
2.2 Briefe an Adlige und weltliche Machthaber
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2.2.3.4 Zusammenfassung Insgesamt stellt Avitus sich in ep. 2P als rechtgläubigen, d. h. katholischen, hoch gebildeten Ansprechpartner eines (beinahe) orthodoxen Herrschers dar, der ebenfalls gebildet ist und sich durch ein besonderes Bemühen um den katholischen Glauben auszeichnet. Folgt man dem Bild, das durch den Epistolographen gezeichnet wird, steht dieser mächtige und theologisch interessierte Mann in einem engen Verhältnis zum Kaiser in Konstantinopel, befindet sich mit diesem fast auf gleicher Stufe und ist um dessen Orthodoxie besorgt. Deswegen hat er sich an den Adressanten gewandt und ihn mit der Abfassung einer theologischen Schrift beauftragt. Der wiederum schreibt seinem Gegenüber ein einem Bischof vergleichbares Engagement zu und stilisiert ihn als Ratgeber des Kaisers. Damit porträtiert er insbesondere sich selbst in einer ähnlichen Funktion, schließlich berät er diesen kaiserlichen Mentor. In dieser Rolle tritt der Bischof von Vienne als orthodoxer und hoch gebildeter katholischer Theologe auf, der engagiert gegen Häresien kämpft und die Wahrheit verkündet. Dabei ist er nicht nur in der Lage, hierfür passende Bibelstellen auszuwählen und als Lehrer gegenüber seinem Schüler gut zu präsentieren, sondern verfügt darüber hinaus über Kenntnisse der Verhältnisse in Konstantinopel und der Entstehung der betreffenden Häresie, gegen die er vorgeht. Einerseits präsentiert er sich in diesem Zusammenhang als leidenschaftlichen Prediger, andererseits als Verfasser einer theologischen, antihäretischen Schrift, als der er sich in eine bereits bestehende christliche Tradition entsprechender Traktate einreiht. Im Zuge seiner Erläuterungen argumentiert er geschickt und wendet alle rhetorischen Mittel an, die ihm aufgrund seiner fundierten Ausbildung zu Gebote stehen. Außerdem erweist er sich als Kenner der aristokratischen Verhaltenscodes, der sich angemessen benehmen kann und dessen klassische literarische Bildung dem Auftreten als Christ und Bischof nicht widerspricht, sondern es vielmehr stimmig abrundet. Vor allem aber distanziert er sich selbst und den Empfänger von Eutyches bzw. Häretikern allgemein, die er etwa als ungebildet diffamiert und den Juden angleicht. Auch in seiner Polemik schließt er sich an einige Kirchenväter an. Dies trägt zur Betonung seiner Autorität bei, die er jedoch noch mehr durch die wiederholte Selbstmodellierung als Verkünder der göttlichen Wahrheit herausstreicht. Daneben stärkt er seine Autorität, indem er sich als fundierten Bibelkenner inszeniert, das Prestige der biblischen Gewährsleute, die er zitiert, besonders hervorhebt und mehrfach Christus anruft. Heute ist freilich offensichtlich, dass Avitus’ Kenntnisse des Gegenstands und der Sachlage nicht so umfassend waren, wie er den Anschein zu erwecken versucht. In ep. 2P schreibt er Eutyches Ansichten von dessen (ebenfalls per Konzilsdekret verbannten) Gegner Nestorius zu, auch stimmt seine Schilderung der Ereignisse in Konstantinopel in Zusammenhang mit den Trishagion-Aufständen nicht mit den ansonsten überlieferten Tatsachen überein. Als Erklärung ist es jedoch etwas zu kurz wahrscheinlich. Indem Avitus seine Gegner als Eutychianer bezeichnet, ohne diese näher zu charakterisieren, ist er außerdem ziemlich vorsichtig, schließlich konnte unter diesem Begriff theoretisch jeder, der den Brief zu lesen bekam, diejenigen verstehen, die er wollte.
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gegriffen, dem Bischof von Vienne seine mangelnden Informationen – verbunden mit einem möglicherweise unzureichenden Bemühen, an solche zu kommen410 – vorzuwerfen. Zweifellos verfügte er im Hinblick auf die Vorgänge in Konstantinopel nur über ein beschränktes Wissen, zusätzlich ist aber zweierlei zu berücksichtigen: Die in ep. 2fP diskutierten Themen decken sich mit einigen Aspekten, die im Gebiet der Burgunder diskutiert wurden, etwa der Göttlichkeit Christi;411 abgesehen davon legt das Ende von ep. 3P nahe, dass beide Schriften nicht nur byzantinische Schismatiker, sondern darüber hinaus Gundobads homöische Kleriker im burgundischen Gebiet im Blick haben (29, 15–22).412 Möglicherweise nutzte der Bischof von Vienne also einfach die Gelegenheit, um statt primär gegen falsche Auffassungen von der Natur Christi vorzugehen, die in Konstantinopel verbreitet waren und über die er nicht im Detail Bescheid wusste, lieber gegen nicht katholische Meinungen zu schreiben, die sehr viel näher verortet waren und über die er zudem sehr viel besser informiert war. Wahrscheinlich rechnete er mit der Verbreitung und Diskussion seine Werke an Gundobads Hof und hoffte, auf diese Weise gewissermaßen zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.413
2.2.4 Fazit: Selbstdarstellung gegenüber Adligen und weltlichen Machthabern In den Schreiben an einflussreiche Laien, die Aufnahme in die avitanische Kollektion gefunden haben, sind für Avitus’ Selbstinszenierung insbesondere zwei Rollen zentral, die er in Abhängigkeit vom Kontext in verschiedenen Ausprägungen einnimmt. Einerseits tritt er als Angehöriger der gallorömischen Aristokratie, andererseits als Bischof auf, wobei diese beiden Funktionen sich in zahlreichen Aspekten überlappen.414 Die Modellierung als Adliger erfolgt unter anderem durch die ostentative Teilhabe an den epistolaren Netzwerken. Dies bedeutet zunächst, dass Empfang, Versand und Weitergabe von Briefen des bzw. an den Empfänger oder Dritte zum Thema werden, wobei auch die (Nicht-)Mitgliedschaft in bestimmten Gruppen innerhalb der höchsten Kreise verhandelt wird. Die engen Verbindungen zu anderen Personen dieses Standes, die aufgrund von Verwandtschaft, Freundschaft und gegenseitiger Wertschätzung bestehen, betont der Vienner Epistolograph ebenso wie den Respekt und die Anerkennung, die ihm selbst zuteil werden. Als Ausdruck der Beziehungen sind die Schreiben, die im Anschluss an die antike Tradition sorgfältig gestaltet sind und sich beispielsweise der üblichen Topoi bedienen, ein zentrales Element der ge-
410 Vgl. S IMONETTI (1978), 525. 411 Hierzu s. H EIL (2011), v. a. 236–247; der Inhalt einiger dort kurz angesprochener AvitusFragmente scheint zumindest teilweise mit Argumenten aus ep. 2fP übereinzustimmen. 412 Dieser Ansicht sind zumindest S HANZER und W OOD (2002), 122f, v. a. Anm. 7 und 8. 413 Ähnlich auch VANNEUFVILLE (1997). 414 Diese Tatsache ist wenig überraschend, da gerade in Gallien viele Bischöfe adliger Herkunft waren. Hierzu s. o. S. 58ff.
2.2 Briefe an Adlige und weltliche Machthaber
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genseitigen Selbstvergewisserung der Zugehörigkeit zur Elite sowie der eigenen romanitas. Ein wichtiges Merkmal der Selbstdarstellung als gallorömischer Adliger, das gerade in den Briefen zum Vorschein kommt, ist ein den aristokratischen Verhaltensnormen entsprechendes Benehmen. Hierzu gehören etwa die Adressatenorientierung der Schreiben und eine ausgewiesenen Höflichkeit, die unter anderem darauf achtet, keinen der an der Kommunikation Beteiligten (oder einen Dritten) bloßzustellen und stets darauf ausgerichtet scheint, alle ihr Gesicht wahren zu lassen. So werden in der Botschaft an Ansemundus keine Namen genannt, auf alle vorkommenden Personen wird lediglich mehr oder weniger vage angespielt. Etwaige Außenstehende, die den Text lesen, erfahren damit nicht, um wen es eigentlich geht, sodass das Ansehen der Betreffenden durch die Botschaft nicht (weiter) beschädigt wird. Ein weiterer Aspekt, der Avitus ein dem Code konformes Auftreten und das Erreichen seiner Ziele ermöglicht, ist der Einsatz von Humor, der gerade bei heiklen Angelegenheiten Spannungen abmildern und folglich deeskalierend wirken kann. Zu den Mitteln, die die Grundlage hierfür und zugleich ein Teil davon sind, zählt die Verwendung einer komplizierten, elaboriert gestalteten Sprache, die nicht nur verschleiernd wirkt, sondern zudem die Bildung beider Briefpartner zur Schau stellt, schließlich ist der Adressant in der Lage, in einem solchen Stil zu schreiben, der Adressat, ihn zu verstehen. Gerade im Zusammenhang mit der Präsentation von Sender und Empfänger als gebildet stehen daneben mehr oder weniger klare Anspielungen auf die klassische antike Literatur, die von direkten Zitaten bis zum bloßen Aufrufen betreffender Bildungskontexte reichen. Eine weitere Facette in Avitus’ Selbstporträt des gebildeten römischen Aristokraten ist sein literarisches Schaffen, wobei er einerseits hervorhebt, seine Werke würden von seinen Standesgenossen geschätzt, sich andererseits aber bescheiden zeigt. Ergänzt wird das Bild außerdem dadurch, dass er sich als über die aktuelle politische Lage informiert präsentiert und politische Erfahrung oder zumindest politisches Gespür und politische Klugheit demonstriert. Dies wird in Ratschlägen in bestimmten Angelegenheiten, einer geschickten Argumentation und einem durch die Situation gebotenen Verhalten, das andere nicht gefährdet, offensichtlich. Avitus’ Auftreten als Bischof wird dagegen in seiner Sorge um das Seelenheil der Gläubigen und seinem Anspruch, für deren moralisches Leben verantwortlich zu sein und entsprechende Vorschriften zu machen bzw. Vergehen zu ahnden, deutlich. Auf diese Weise argumentiert er insbesondere bei Verstößen gegen kirchliche Regeln, die stets auch eine Infragestellung seines Prestiges und seiner Autorität als Bischof darstellen. Beides stärkt er zum einen durch seine Rolle als derjenige, der den Willen Gottes ausführt, als Verkünder und Prediger der Wahrheit, durch seinen Bezug auf die Bibel, das Gebet zu Gott sowie die Anrufung von Engeln und Propheten, zum anderen durch die subtile Inszenierung als Aristokrat, die sich etwa durch die Verwendung des bereits erwähnten aufwändigen sprachlichen Stils zeigt. Dabei nimmt er sogar in Situationen, in denen er die Position der Kirche gegenüber anderen vertritt, Bezug auf pagane antike Bildungsinhalte. Ebendies wird von seinen Zeitgenossen anscheinend nicht als Widerspruch oder unangemessen empfunden.
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2 Avitus im Brief: Selbstdarstellung auf der Ebene des Einzelbriefs
Abgesehen davon zeigt der Vienner sich als guten Theologen und Vermittler der Lehren der Kirche, der Könige und den Kaiser berät. Er präsentiert sich als allgemein als solcher anerkannt, da er diese Tätigkeiten nicht aus eigenem Antrieb übernimmt, sondern lediglich auf Aufforderung eines anderen hin. In diesem Kontext stellt er seine herausragenden Bibelkenntnisse ebenso wie seine rhetorische Ausbildung heraus, die ihm eine fundierte und adressatenorientierte Behandlung vielfältiger theologischer Themen ermöglichen. Vor allem hebt Avitus seine Rechtgläubigkeit und seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche hervor, in Abgrenzung von häretischen Strömungen, gegen die er als Verteidiger der Wahrheit kämpft. Diesen Richtungen bzw. deren Urhebern schreibt er polemisch zahlreiche negative Eigenschaften zu und distanziert sich und den oder die Adressaten somit umso nachdrücklicher von ihnen. In der Rolle als derjenige, der zu Glaubensfragen engagiert Stellung nimmt und entsprechende Traktate verfasst, schließt er an die bereits bestehende christliche Tradition an, beispielsweise an Ambrosius von Mailand, Augustin von Hippo und gallische Theologen wie Claudianus Mamertus. So zeigt er sich als deren Fortsetzer und festigt auch auf diese Weise seine Autorität. Wendet der Vienner sich in seiner Funktion als Bischof an weltliche Machthaber, zögert er nicht, sich ihnen gegenüber als machtlos zu präsentieren, wenn dies für seine Argumentation nützlich ist. Gleichzeitig will er jedoch selbstbewusst ihre Dienste in Anspruch nehmen, um bestimmte Regeln der Kirche oder die Bestrafung von Sündern durchzusetzen. Macht- und Rangfragen sowie die Verhandlung von Status und Gruppenzugehörigkeit(en) scheinen in vielen Briefen des Avitus an einflussreiche Laien ein wichtiges Thema zu sein. Dies ist im Ringen von weltlicher und kirchlicher Macht wohl ebenso der Fall wie in der Kommunikation zwischen Aristokraten, für die seine bischöfliche Stellung offenbar nicht weiter von Bedeutung ist, dafür aber schriftstellerische Exzellenz und persönliche Beziehungen. In noch höherem Maße betrifft dies die Auseinandersetzung mit heterodoxen Ansichten, in deren Zusammenhang die Inszenierung als (beinahe) katholisch und orthodox zentral ist. Ein weiterer wichtiger Aspekt in der Kommunikation mit Aristokraten ist, wie bereits mehrmals erwähnt wurde, Bildung an sich. Abhängig von den Erfordernissen der jeweiligen Argumentation heißt dies die Hervorhebung der eigenen Belesenheit und rhetorischen Ausbildung, die gründliche Kenntnis bedeutender Werke und die Einordnung in eine jahrhundertealte Tradition, sei es die christliche oder die klassische. Letztlich bilden beide Bereiche dabei eine Einheit, und auch in spezifisch christlichen Kontexten finden sich Anklänge an klassische Themen. Die Bibel bzw. christliche Werke und die antike Literatur werden nicht gegeneinander ausgespielt oder voneinander abgegrenzt, sondern beinahe miteinander verbunden; die klassische Bildung erscheint damit in der Person eines idealen Bischofs als Komplement spezifisch christlichen Wissens.
2.3 Fazit: Die Selbstdarstellung des Avitus von Vienne
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2.3 FAZIT: DIE SELBSTDARSTELLUNG DES AVITUS VON VIENNE Die uns innerhalb und außerhalb der Kollektion, deren Zentrum Avitus bildet, überlieferten Briefe bieten lediglich einen Ausschnitt der von ihm verfassten und empfangenen Schreiben, aus denen einige genauer analysiert wurden. In den einzelnen Stücken treten jeweils, abhängig von Situation und Adressat, Porträts des Bischofs in unterschiedlichen Facetten und Nuancen zu Tage. Bei aller Verschiedenheit gibt es aber einige Aspekte und Themen, die sich durch einen Großteil der Briefe ziehen. Diese lassen sich gewissermaßen in zwei Hauptrollen zusammenfassen, zwischen denen es freilich deutliche Überschneidungen gibt. Avitus präsentiert sich einerseits als gebildetes Mitglied der aristokratischen Eliten, andererseits als engagierter Bischof, wobei meist Eigenschaften beider Rollen in ein und demselben Brief vorkommen. In Bezug auf den Stand der Adressaten sind keine Schwerpunkte erkennbar. So tritt der Vienner Laien gegenüber einmal vorrangig als Adliger auf, an anderer Stelle eher als Bischof; dasselbe ist bei Empfängern der Fall, die Kleriker sind. Ein entsprechender Akzent scheint meist mehr durch Situation und Thema als den Stand des Rezipienten bestimmt. Als gallorömischer Adliger zeichnet Avitus sich jedenfalls durch ein gewisses politisches Know-how aus, das sich etwa in der nötigen Vorsicht bei „grenzübergreifenden“ Briefkontakten zeigt, durch seine Teilhabe an den epistolaren Netzwerken, literarische Aktivität allgemein, wozu unter anderem das Verfassen von sorgfältig stilisierten Briefen gehört, eine fundierte literarische und rhetorische Ausbildung sowie die Beherrschung der aristokratischen Verhaltenscodes und ein diesen entsprechendes Verhalten insbesondere in den versandten Schreiben. Bildung und angemessenes Benehmen äußern sich dabei nicht nur im höflichen und respektvollen Umgang miteinander, der stets darauf bedacht ist, das Prestige des Gegenübers nicht zu mindern, sondern auch in der Verwendung einer aufwändig gestalteten Sprache. Zu letzterer gehören, abgesehen vom sorgsamen Ausfeilen des Texts, das Einflechten literarischer Anspielungen und Zitate, die der klassischen Literatur ebenso wie der Bibel entnommen sind, Witze und Sprachspielereien, zudem der Gebrauch der üblichen epistolaren Topoi. Auf diese Weise modelliert Avitus sich selbst genauso wie den Adressaten als Mitglieder der Eliten, die sich gegenseitig ihrer engen Beziehungen untereinander und vor allem ihrer Bildung und romanitas vergewissern. Als engagierter Bischof tritt Avitus als Prediger und Verkünder der Wahrheit und Kämpfer gegen jede Art von Häresien und Häretikern auf. Er präsentiert sich als katholischen und orthodoxen Vertreter der rechten Lehre, die er mit Hilfe seiner fundierten Bibelkenntnisse und seiner theologischen Bildung gegen alle Anfeindungen verteidigt. Als leidenschaftlicher Prediger verfügt er über alle rhetorischen Finessen, die er benötigt, um seine Botschaft adressatengerecht weiterzugeben. Zugleich ist er um das Seelenheil seiner Gläubigen und deswegen um deren moralisches Leben besorgt, organisiert die Kirchenverwaltung und informiert sich über Ereignisse, die die Kirche betreffen. Seine Autorität zieht er aus der gewissenhaften Erfüllung seiner Aufgaben und aus seiner Bibelkenntnis, mit der er seine Forderungen durch passende Schriftzitate begründet; er stärkt sie durch das Gebet zu Gott und dadurch,
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dass er sich selbst den Heiligen bzw. den Verfassern der biblischen Texte annähert. Er zeichnet sich nicht nur als leidenschaftlichen Prediger, sondern darüber hinaus als Berater von Königen und Kaisern. Schließlich ist er anerkanntes Mitglied der bischöflichen Netzwerke und in der Lage, die entsprechenden Briefe in angemessener, am Empfänger orientierter Art und Weise zu verfassen. Daneben weist er auch in Erfüllung seiner Aufgaben als Bischof einen gewissen Humor auf. Diese beiden Hauptrollen überlappen sich – wenig überraschend, denn gerade im 5. Jahrhundert war eine große Zahl der gallischen Bischöfe senatorischer Herkunft – im Bereich der Bildung: Avitus hebt etwa sowohl seine Kenntnis der klassischen antiken Literatur als auch seine Kenntnis der biblischen Schriften hervor und stellt diese nicht nur in direkten Zitaten, sondern zudem in Allusionen und gelehrten Wortspielereien zur Schau. Ebenso wie bei der Abfassung literarischer oder theologischer Werke schließt er sich damit in Abhängigkeit vom Kontext an eine lange Tradition an, die klassisch-antike oder christliche Wurzeln hat oder beide miteinander vereint. In dieser Hinsicht unterscheidet er sich nicht allzu sehr von einigen Kirchenvätern, etwa Ambrosius von Mailand oder Augustin von Hippo.415 Seine Bildung und Gelehrsamkeit ist hierbei eine wichtige Quelle, aus der sich sein Prestige und seine Autorität speisen. Bei Avitus’ Umgang mit klassischen Bildungsinhalten und seiner Selbsteinordnung in eine jahrhundertealte Tradition sind vor allem zwei Punkte bedeutsam. Zunächst spielt der Bischof von Vienne klassische und christliche Literatur und Bildung nicht gegeneinander aus, sondern stellt beides nebeneinander. Dabei erfreuen sich beide Bereiche allgemeiner Wertschätzung. Außerdem findet bei ihm eine Eingliederung in die und Fortsetzung der antiken Tradition statt, allerdings auf andere Weise als etwa bei Sidonius Apollinaris. So werden unter anderem typische epistolare Topoi und Briefthemen weiterhin verwendet, jedoch in der Regel ohne dass dabei der Bezug auf die Antike explizit gemacht wird, indem beispielsweise Autoren und Vorbilder namentlich genannt würden. Im Hinblick auf die Selbstdarstellung des Verfassers kann also von Traditionsbezug genauso wie von Transformation gesprochen werden.
415 Zum Umgang verschiedener Kirchenväter mit der klassischen lateinischen Literatur s. H AGEN DAHL (1958).
3 DER GUTE BISCHOF. DAS AVITUS-PORTRÄT DER SAMMLUNG Nachdem im vorangegangenen Abschnitt Avitus’ Selbstinszenierung auf der Ebene des einzelnen Briefs genauer betrachtet wurde, steht im Folgenden die Modellierung seiner Person durch die Sammlung als Ganze im Fokus, die unter anderem auf seiner Selbstdarstellung beruht.1 Hierfür werde ich zunächst einen kurzen Überblick über die Kollektion geben und auf ihre Entstehung und Überlieferung näher eingehen; anschließend wird das Porträt des Vienners, das durch die Selektion der Schreiben erzeugt wird, analysiert. Danach werden weitere Akzente und Nuancen untersucht, die sich aus der Anordnung der einzelnen Stücke innerhalb der Sammlung ergeben. Zuletzt werden die Beobachtungen in einem kurzen Fazit zusammengefasst.
3.1 ZU ENTSTEHUNG UND ÜBERLIEFERUNG DER SAMMLUNG 3.1.1 Die erhaltenen Schreiben: ein kurzer Überblick Insgesamt sind 94 Texte tradiert, die in Zusammenhang mit Avitus stehen und als Briefe oder Brieffragmente kategorisierbar sind. Bei 92 dieser Schreiben liegt nahe, dass ihre Überlieferung auf die bischöflichen Archive in Vienne zurückgeht, die übrigen zwei, epp. 41fP = epp. 37fMR sind nur als Teil der päpstlichen Register erhalten. Sieben Botschaften gehören zwar zur Sammlung, wurden aber nicht vom Bischof von Vienne selbst geschrieben, sondern sind an ihn gerichtete Anfragen, die er beantwortet, oder Reaktionen auf seine eigenen Briefe. Weitere acht Schreiben sind von Avitus verfasst, wurden jedoch im Namen eines anderen verschickt, die meisten davon haben als Nachrichten Sigismunds den Papst in Rom oder den Kaiser bzw. hohe Adlige in Konstantinopel als Adressaten, eines ist ein von Avitus unter dem Pseudonym Leonianus verfertigter Scherzbrief (ep. 86P = ep. 82MR). Die Botschaften behandeln eine Vielzahl von Themen, die, wie im ersten Abschnitt der Arbeit bereits deutlich wurde, von Fragen der Kirchenorganisation und -disziplin, theologischen Problemen, der Auslegung von Bibelstellen über die Bitte um Informationen, politische Angelegenheiten, etwa die Befreiung von Gefangenen
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Im Unterschied zu dieser ist sie einerseits losgelöst vom unmittelbaren situativen Kontext und wird andererseits durch die übrigen Briefe beeinflusst. Zu Einzelheiten s. o. S. 29ff.
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3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
oder Ratschläge und Krieg, bis hin zur Abfassung von Literatur, Festen,2 alltäglichen Dingen und Freundschaftsbriefen reichen. Dieser Breite entspricht die große Zahl der Rezipienten: erhalten sind Nachrichten an 42 Personen, zu denen zwei Päpste (Hormisdas und Symmachus), zwei weitere Patriarchen (diejenigen von Jerusalem und von Konstantinopel), 16 Bischöfe und ein Diakon zählen, außerdem die burgundischen Herrscher Gundobad und Sigismund, der fränkische König Chlodwig, der Kaiser in Konstantinopel, drei Senatoren, ein Präfekt und elf viri illustres.3 Ungefähr die Hälfte der Adressaten sind also hochrangige Kleriker, die übrigen einflussreiche Laien. Der größte Teil der Briefe ist nicht genau datierbar, bei den meisten liegt aber eine Entstehung nach 500 nahe. Dies würde dazu passen, dass Avitus’ Archive, aus denen das Corpus zusammengestellt wurde, wahrscheinlich bei der Eroberung Viennes im Jahr 500 ganz oder teilweise zerstört wurden.4
3.1.2 Anlage und Tradierung der avitanischen Kollektion Lediglich drei Manuskripte, die mehr als zwei oder drei Schreiben des Bischofs von Vienne enthielten, sind überliefert, wobei eines allein in Form einiger Fragmente erhalten ist und auf ein zweites nur indirekt über einen frühen Druck zurückgegriffen werden kann. Die ältesten handschriftlichen Belege, von denen wir wissen, sind einige Bruchstücke eines Papyruskodex aus dem 6. Jahrhundert, die sich heute in der Bibliothèque Nationale in Paris befinden. Sie enthalten Teile von Predigten und Briefen des Avitus, darunter ep. 8P = ep. 5MR, für die sie die einzigen Zeugen sind, außerdem Reste von epp. 9P, 18P, 19P, 51P, 55P und 56P = epp. 6MR, 15MR, 16MR, 48MR, 52MR und 53MR. Der betreffende Kodex wurde vermutlich in Burgund mit einer kursiven merowingischen Minuskelschrift beschrieben und zeigt eher die Charakteristika einer Gebrauchshandschrift als diejenigen einer für die langfristige Überlieferung gedachten Prachtausgabe. Eine Einteilung in Bücher ist nicht erkennbar. Alle Fragmente wurden in Lyon aufgefunden.5 2
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Die meist kurzen Billetts, die, vielleicht den heutigen Weihnachtskarten vergleichbar, zu Festen verschickt wurden, bezeichne ich als „Festbriefe“, wobei ich diese Kategorie von S HANZER und W OOD (2002), 31–39 („festal letters“) übernehme. Die hier genannten Titel richten sich nach den in den Adressen der Briefe angegebenen Rängen der Empfänger. Vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), LIf; LXXII und S HANZER und W OOD (2002), 8. Zu den Auseinandersetzungen um Vienne s. o. S. 42ff. Der völlige oder partielle Verlust der bischöflichen Archive 500 könnte möglicherweise als Indiz für eine Spätdatierung der Taufe Chlodwigs gewertet werden, da das anlässlich der Taufe versandte Glückwunschschreiben erhalten ist. Vgl. L OWE und A RIS (1950) V, 17 (Nr. 573); W OOD (1993), 40f; S HANZER und W OOD (2002), 29f; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), LXXXV–XC. Die Fragmente sind in zwei Handschriften zusammengefasst, die die Nummern LAT. 8913 und LAT. 8914 tragen. Beide sind digitalisiert und unter http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10303684w bzw. http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10303685b einsehbar. P EIPER bezeichnet sie mit der Sigle
3.1 Zu Entstehung und Überlieferung der Sammlung
189
Ebenfalls in Lyon befindet sich das einzige heute erhaltene Manuskript, das fast alle uns bekannten Schreiben des Vienner Bischofs tradiert. Der Pergamentkodex, der von den modernen Herausgebern die Sigle L erhielt, ist wahrscheinlich im 12. Jahrhundert entstanden und wurde in einer frühgotischen Buchschrift geschrieben. Er enthält Briefe verschiedener Bischöfe, die aus Gallien stammen; abgesehen von Avitus sind dies Paulinus von Nola sowie Eucherius und Agobard von Lyon. Möglicherweise wurde Ls Vorgängerhandschrift bereits zu Lebzeiten des letztgenannten Autors in Lyon zusammengestellt; in jedem Fall scheint L in dieser Gegend entstanden und überliefert zu sein, denn frühe Besitzvermerke weisen auf das Kloster Bonnevaux bei Vienne und auf Grenoble hin.6 Die avitanische Kollektion ist in L weder in Bücher unterteilt noch auf eine andere Art und Weise strukturiert; zudem wurde das für die Schreiben des Paulinus von Nola angelegte Inhaltsverzeichnis auf den ersten Seiten des Kodex für Avitus’ Briefe nicht fortgesetzt. Insgesamt wurde für die ästhetische Gestaltung des Layouts wenig Sorgfalt aufgewendet, was nahelegt, dass die Handschrift eher zu praktischen Zwecken diente als dazu, wertvolle Werke bzw. deren Autoren zu feiern und und den oder die Besitzer als reich und gebildet darzustellen.7 In dieser Hinsicht ist L durchaus mit dem oben beschriebenen Papyruskodex vergleichbar. Auf eine weitere, inzwischen wahrscheinlich verlorene Handschrift, die einen großen Teil der Avitus-Briefe enthielt, ist lediglich ein indirekter Zugriff durch Jacques S IRMONDs Edition der Sammlung von 1643 möglich. Über die Entstehung und Herkunft dieses Manuskripts ist so gut wie nichts bekannt. In der Einleitung zu seiner Ausgabe informiert Sirmond nur darüber, er habe seinen Text an zahlreichen Stellen emendiert und eine Einteilung des Corpus in fünf Bücher vorgefunden, die er jedoch nicht übernommen habe.8 Auf S IRMONDs Textversion beziehen sich die modernen Herausgeber mit der Sigle S.
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P, M ALASPINA und R EYDELLET mit T. R ADICIOTTI (2008), 75 bemerkt, dass es sich möglicherweise sogar um zwei verschiedene Kodizes handle. Die Schrift zeige große Ähnlichkeit mit der spätantiken, in ganz Gallien verwendeten Kursive und weise so auf eine enge Zusammenarbeit zwischen den römischen und den germanischen Eliten im Burgunderreich hin (87f). I NTERNULLO (2009–2010), 97f konstatiert, es handle sich um eine typische Kanzleischrift, die Papyri stammten also wohl von der Hand eines Schreibers, der in der bischöflichen Verwaltung mit der Abfassung offizieller Dokumente betraut war. Ausführlichere Beschreibungen der Handschrift, auf denen dieser Abschnitt beruht, finden sich in P EIPER (1883), VI–VIII, S HANZER und W OOD (2002), 47–57, dort mit einer detaillierten Analyse der Überschriften, und in M ALASPINA und R EYDELLET (2016), XC–CI. Der Kodex liegt in der Bibliothèque municipale in Lyon und trägt die Nummer MS 618. Digital einsehbar sind lediglich einzelne Seiten (f. 133v, eine Initiale auf f. 134r, f. 138r, ff. 168v–170r, f. 178, abrufbar über https://numelyo.bm-lyon.fr/list/?order_ by=Relevance& cat=quick_ filter& collection_ pid=BML%3ABML_ 02ENL01001COL0001& search_ keys%5B0%5D=618). S. ebenfalls A LBANÉS (1979–1988) (30/1), 164f, Nr. 618 (535). Wie die Überlieferung der Avitusbriefe stark auf die Gegend um Vienne und Lyon zentriert scheint, so spielte auch bei der Tradierung der ambrosianischen Kollektion Mailand eine bedeutende Rolle, vgl. Z ELZER (1982a). Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 47; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), XCf; XCIII. Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 28f und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), CII–CX. Ein Nachdruck der S IRMONDschen Erstveröffentlichung findet sich in M IGNE (1862), dessen
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3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
Für die Beantwortung der Frage nach Anlage, Urheber und Zweck des avitanischen Briefcorpus sind mehrere Beobachtungen von zentraler Bedeutung. Auffällig ist zunächst das Fehlen eines Widmungsschreibens, wie es etwa das epistolare Œuvre des Sidonius Apollinaris einleitet und wie der Bischof von Vienne selbst es seinen Dichtungen voranstellte. Ebenso wenig wie eine Dedikation finden sich innerhalb der Kollektion Aussagen zu ihrer Anlage und Intention.9 Abgesehen davon sind die in S bzw. L übermittelten Sammlungen nicht völlig deckungsgleich. In S sind einige Stücke überliefert, die in L fehlen, etwa ep. 22P = ep. 19MR und ep. 94P = ep. 89MR, gleichzeitig enthält L Schreiben, die in S nicht vorhanden sind, beispielsweise ep. 58P = ep. 55MR und ep. 60P = ep. 57MR. Darüber hinaus ist die in den Handschriften tradierte Reihenfolge, soweit sie aus den jeweiligen Überresten ersichtlich ist, zwar recht ähnlich, jedoch nicht identisch. Als Beispiel seien hier epp. 2fP genannt, die in L am Ende der Kollektion stehen, in S dagegen am Anfang. Die Briefsequenz der Papyrusfragmente weicht insofern von derjenigen in S und L ab, als sie, im Unterschied zu den auf S und L basierenden Nummerierungen der neueren Editionen, die Schreiben in der Folge ep. 55P – ep. 56P – ep. 51P = ep. 52MR – ep. 53MR – ep. 48MR bietet.10 Außerdem fehlen bei den meisten Botschaften sowohl die Adresse als auch die Schlusszeile;11 Sender und Empfänger des jeweiligen Schreibens sind zwar angegeben, aber im Unterschied zu anderen Briefsammlungen weder in Form der ursprünglichen Adresszeile noch in irgendeiner Art und Weise vereinheitlicht.12 Der Verfasser wird, wenn er angegeben wird, bald mit Avitus episcopus, bald mit Avitus Einleitung Sp. 191–198, s. insbesondere Sp. 194. Interessanterweise sind die Briefe des Paulinus von Nola, die das Manuskript L eröffnen, in einer weiteren Handschrift aus dem 15. Jahrhundert ebenfalls mit einer Einteilung in fünf Bücher überliefert, vgl. VON H ARTEL (1894), VIIII sowie G IBSON (2012), 78. 9 Vgl. B URCKHARDT (1938), 16. Für eine englische Übersetzung der entsprechenden Einleitungsbriefe zu Avitus’ Gedichten s. S HANZER und W OOD (2002), 259–264. 10 Eine detaillierte Beschreibung und Aufstellung findet sich in S HANZER und W OOD (2002), 28–37. Zur Anordnung der Stücke und zu möglichen zugrundeliegenden Ordnungsprinzipien s. u. S. 217ff. 11 Eine Ausnahme bilden freilich epp. 41fP = epp. 37fMR, die jedoch höchstwahrscheinlich nie Teil der avitanischen Kollektion waren, sondern in den Archiven der römischen Päpste überliefert wurden, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), LXX. 12 Bei den Briefen des Ruricius dagegen sind (zumindest im ersten Buch) die Adresszeilen tradiert, beispielsweise Dulcissimo et unanimo filio Ommatio Ruricius episcopus in epist. 1, 18; eine ausführlichere Beschreibung der Briefüberschriften findet sich bei M ATHISEN (2017), 341– 344. Ähnliches ist bei Paulinus von Nola der Fall, etwa bei Domino fratri dilectissimo Amando Paulinus in epist. 2 und Severo fratri unanimo Paulinus in epist. 11. In der Kollektion des Sidonius Apollinaris sind die Briefanfänge zu Sidonius [Name im Dativ] suo salutem bzw. Sidonius domino papae [Name im Dativ] salutem standardisiert. Von einem ähnlichen Umgang des Sidonius mit den Schlüssen der in Buch 6 aufgenommenen Stücke geht M ATHISEN (2014), 209 aus. Zumindest in gewisser Weise mit den Avitusbriefen vergleichbar sind freilich die Überschriften der im Codex Carolinus gesammelten Schreiben, denn diese geben ebenfalls Adressant und Rezipient an; sie ergänzen allerdings meist eine kurze Zusammenfassung des Briefinhalts. Als solche ermöglichten sie jemandem, der gezielt etwa ein bestimmtes Argument suchte, einen raschen Überblick. Vgl. dazu auch S CHOLZ (2018).
3.1 Zu Entstehung und Überlieferung der Sammlung
191
Viennensis episcopus bezeichnet, der Rezipient erscheint oft, aber nicht immer, mit Namen und Titel. Bisweilen lautet die Überschrift sogar nur item ad eundem (ep. 32P = ep. 29MR). Aus diesen Tatsachen lassen sich einige Schlussfolgerungen in Bezug auf Urheber, Entstehung und Zweck der Kollektion ziehen. Erstens ist zu konstatieren, dass der Bischof von Vienne die Sammlung höchstwahrscheinlich nicht selbst in Buchform publizierte,13 auch wenn er an ihrer Anlage sicherlich zumindest indirekt beteiligt war, indem er manche Schreiben in seinen Archiven aufbewahren ließ und dies bei anderen vielleicht verhinderte. Zweitens, damit in engem Zusammenhang stehend, war der Archetyp der Kollektion möglicherweise kein gebundener Kodex, sondern lediglich ein oder mehrere Bündel von einzelnen Blättern oder libelli. Diese wurden mehrmals kopiert, wobei sie etwas durcheinander gerieten oder einzelne Blätter herausfielen und an einem anderen Platz als zuvor wieder eingeordnet wurden. Auf diese Weise können die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Briefsequenzen in den einzelnen Manuskripten recht schlüssig erklärt werden.14 Da Avitus selbst seine Briefe offensichtlich nicht als Sammlung herausgab – oder sie zumindest in einen Kodex abschreiben ließ und so für die Möglichkeit einer längerfristigen Konservierung sorgte –, stellt sich die Frage, wer eine solche Aufgabe übernahm und wann dies der Fall war. Naheliegend ist folgendes Szenario: Nach dem Tod des Bischofs ließ jemand – vielleicht sein Sekretär, ein Verwandter oder ein anderes Mitglied des episkopalen Haushalts in Vienne – die im Archiv aufbewahrten Botschaften vom dort tätigen Schreiber einmal oder mehrmals kopieren,15 um wenigstens vorläufig dem Verlust gerade derjenigen Schreiben, die als besonders wichtig empfunden wurden, entgegenzuwirken und sie zu archivieren. Zu diesem Zweck genügte es, das übliche Gebrauchsmaterial und eine entsprechen13
Vgl. B URCKHARDT (1938), 21 und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), XLII. Ich gehe allerdings von einer etwas stärker geplanten Anordnung der einzelnen Stücke aus, als B URCK HARDT dies tut, und würde daher, anders als er, in der seiner Meinung nach wenig logischen Reihenfolge der Schreiben kein zwingendes Argument gegen eine Beteiligung des Vienner Epistolographen sehen. Nach M ATHISEN (2018b) stellte es freilich in gewisser Weise bereits eine Veröffentlichung dar, Briefe in ein Archiv zu legen, wo sie Interessierten zugänglich waren. Eine Herausgabe in Form eines Buches bedeutet jedoch eine andere Art der Publikation, denn dabei verschiebt sich der Schwerpunkt in der Verwendung der Schreiben: Während sie zuvor vor allem (aber nicht ausschließlich) als Gebrauchsliteratur fungieren und wahrgenommen werden (beim Versand ebenso wie im Archiv, da man dort etwa frühere Ratschläge in Angelegenheiten der Kirchenorganisation nachschauen konnte), lädt die Präsentation in einem Buch dazu ein, sie eher als Literatur zu verstehen. Letztlich lässt sich die avitanische Kollektion damit nur eingeschränkt in A LLENs Typ I einer Briefsammlung („something put together by the authors themselves“) einordnen, vgl. A LLEN (2015), 18f. 14 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 38f; 43f und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), Lf. Zur Entstehung der Briefsammlung Augustins aus Einzelcorpora s. L IETZMANN (1930). 15 So R ADICIOTTI (2008), 79f auf der Grundlage einer Analyse der oben erwähnten Papyrusfragmente. Falls die Briefe selber als Papyrusblätter oder -libelli vorlagen, was sehr wahrscheinlich ist, kann man wohl davon ausgehen, dass die Abschriften, die außer dem Kodex, aus dem die genannten Fragmente stammen, gemacht wurden und die die Grundlagen für die Manuskripte L und S bildeten, ebenfalls recht bald nach Avitus’ Tod entstanden. Zu entsprechenden Überlegungen zu Ciceros Briefen s. P. W HITE (2010), 31–62, mit der Kritik von S CHRÖDER (2013).
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3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
de Schrift (anstelle eines Pergamentkodexes und einer eleganten Buchschrift) zu verwenden. Vermutlich war es das Hauptziel des Kompilators, die Erinnerung an einen bedeutenden Bischof und sein Werk (vorerst) vor der Vergessenheit zu bewahren;16 die Nutzung der gesammelten Schreiben als Stilvorbilder für das Abfassen entsprechender Briefe scheint mir als vorrangiger Zweck der Zusammenstellung wenig naheliegend.17 Vielmehr sollten Person, Leistungen und Beziehungen eines als herausragend angesehenen Amtsinhabers im Gedächtnis bleiben.18 16
W OOD (2018b) nimmt an, dass die avitanischen Schreiben insbesondere aufgrund ihrer Theologie gelesen und konserviert wurden, was sicherlich ein wichtiger Grund für ihre Aufbewahrung war, meiner Meinung nach aber zu wenig umfassend ist. 17 Diese Auffassung vertrat W OOD (1993), 39–42; in diesem Fall wären die Namen der jeweiligen Adressaten weniger zentral, die in Cassiodors Variae häufig getilgt sind, dagegen wären Gruß- und Schlusszeilen umso hilfreicher. Außerdem wäre auf diese Weise der recht hohe Anteil theologischer Brieftraktate nicht ganz überzeugend erklärt. Allerdings soll damit nicht gesagt werden, dass das avitanische Corpus für solche Ziele völlig ungeeignet ist und nicht entsprechend gebraucht wurde – eine solche Verwendungsmöglichkeit ergab sich als zusätzlicher positiver Nebeneffekt einer Konservierung der Briefe, war aber nicht das vorrangige Ziel. Ähnlich auch M ALASPINA und R EYDELLET (2016), LIII: „À cause de la variété typologique des lettres d’Avit qui nous ont été transmises, sa correspondance ne semble pas avoir été assemblée comme un modèle de chancellerie, mais plutôt comme un mémorial à valeur affective.“ Zu Cassiodors Variae als Sammlung s. B JORNLIE (2017). 18 Ähnliches lässt sich für die Briefkollektionen anderer spätantiker Bischöfe konstatieren: Aus den Archiven Basilius’ des Großen von Caesarea wurden nach seinem Tod mehrere Sammlungen zusammengestellt, vgl. R ADDE -G ALLWITZ (2017a), 70; 73–75; von seinem Bruder Gregor von Nyssa sind ebenfalls einige Schreiben, vor allem Brieftraktate, in verschiedenen Kollektionen erhalten, vgl. R ADDE -G ALLWITZ (2017b), 102; 109. Augustin von Hippo plante zwar, seine Briefe zu überarbeiten und zu veröffentlichen, legte aber ziemlich sicher keine endgültige Kollektion an. Nachdem er gestorben war, wurde möglicherweise eine Art „Standardsammlung“, die zwischen 120 und 140 Stücke umfasste, angelegt und sukzessive erweitert; dies ist allerdings nicht beweisbar, vgl. E BBELER (2017), 240–244. Vor allem ist hier jedoch Paulinus von Nola anzuführen, der seine Briefe nicht selbst in Buchform herausgab. Sie wurden freilich von Freunden und Bewunderern gesammelt, später wurde ein Corpus von 33 Schreiben veröffentlicht, das im Lauf der Zeit weiter ergänzt wurde. Hierzu s. T ROUT (2017), 254–257. Ambrosius von Mailand gab seine Schreiben selbst heraus und verfolgte dabei vergleichbare Ziele: L IEBESCHUETZ (2004), 105 bezeichnet die Sammlung etwa als „something like a political and theological testament“. Hieronymus edierte zwei Kollektionen von Briefen, in denen er insbesondere seine Bildung präsentiert, vgl. C AIN (2017), 221. Ruricius von Limoges sollte wohl als gallorömischer Adliger in Erinnerung bleiben, der sich an der asketischen Bewegung des Faustus von Riez orientierte, wie das Corpus seiner Briefe sowie derjenigen des Faustus nahelegt, vgl. G. M. M ÜLLER (2020), 488–492. Aus völlig anderen Gründen entstanden die Zusammenstellungen von päpstlicher Korrespondenz: Letztlich ging es dabei nicht um den jeweiligen Autor, sondern das Amt des römischen Bischofs als solches, und man nutzte sie insbesondere als Quelle für päpstliche Beschlüsse in Zusammenhang mit Fragen der Kirchenordnung und -disziplin oder zum Umgang mit Häresien, vgl. N EIL (2017). Zu Anlage und Überlieferung der Dekrete des Papstes s. auch JASPER und F UHRMANN (2001). Im Gegensatz dazu sollten Cassiodors Variae wohl vor allem dazu dienen, die Beamtenelite des Ostgotenreiches zu rechtfertigen, ihre moralische Güte zu zeigen und ihre Eignung für hohe Palastämter zu demonstrieren, vgl. B JORNLIE (2009a), 150–154. Hierzu s. ebenso B JORNLIE (2009b). Zu einer Gesamtbetrachtung der Variae in diesem Kontext s. B JORNLIE (2013), 185–328. S. auch
3.2 Die Briefauswahl, oder: Was darf ein Bischof wem schreiben?
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In diese Richtung deutet in jedem Fall das Bild des Avitus von Vienne, das durch die Sammlung, genauer durch die Auswahl und Anordnung der Briefe, gezeichnet wird und im Folgenden im Zentrum der Betrachtungen steht.
3.2 DIE BRIEFAUSWAHL, ODER: WAS DARF EIN BISCHOF WEM SCHREIBEN? Wie eben dargelegt, publizierte Avitus seine Briefe höchstwahrscheinlich nicht selber als Kollektion. Trotzdem gibt es gute Gründe anzunehmen, dass die Veröffentlichung, d. h. in diesem Fall die Abschrift in einen Kodex, nicht ohne Absicht erfolgte und dass die Briefe, die Aufnahme in die Sammlung fanden, zwar auf der Grundlage des in den Archiven vorhandenen Materials,19 jedoch nicht völlig willkürlich oder zufällig ausgewählt wurden. Die Mehrheit der erhaltenen Texte ist nämlich nicht rein akzidentiell überliefert,20 vielmehr ist von der „Intentionalität des Entstehungsprozesses eines jeden Codex“ auszugehen.21 Gerade bei Briefsammlungen liegt eine mehr oder weniger sorgfältige Selektion der einzelnen Schreiben nahe, da sie unter anderem zur Darstellung des Adressanten selbst sowie seines Netzwerks dienen konnten.22 Inwieweit Avitus auf die Auswahl der Briefe, die in die Überlieferung eingingen, Einfluss hatte, ist kaum abzuschätzen, weil dazu keine Informationen erhalten sind. Vielleicht wirkte er darauf ein, indem er manche Schreiben in seine bzw. die
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G ILLETT (1998), der zu einem ähnlichen Ergebnis kommt. Nicht als Briefsammlung publiziert wurden die Schreiben des Ennodius von Pavia, die zwischen seinen anderen Werken überliefert sind, vgl. K ENNELL (2017). Damit halte ich die Anlage des avitanischen Briefœvres für in höherem Maße geplant, als S HANZER und W OOD (2002), 64 (sie vermuten die Erstellung einer Abschrift vor allem „out of that all-too-human urge not to throw out written material“) und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), LI („La sélection fut donc pour la plupart occasionnelle.“) dies tun; s. auch G RILLO (2015), 656f. Ähnliche Überlegungen stellt G. M. M ÜLLER (2020), 488–492 zu den Briefen des Ruricius von Limoges an. Vgl. D EMACOPOULOS (2013), 12. Freilich können Naturkatastrophen und sonstige widrige Umstände, etwa Kriege oder Brände, einer Tradierung entgegenwirken, vgl. S PEYER (1981), 8–24 sowie H AYE (2016), 2 und auch 189–209, aber diese treffen einen Überlieferungsträger erst, nachdem ein Text zumindest einmal auf- oder abgeschrieben wurde. Auf die Schwierigkeit der Rekonstruktion verlorener Briefe weist G ÖTZ (2018) hin. M ICHAEL (2014), 20. Einen möglichen Ablauf und Intentionen, die hinter dem Codex Sangallensis 190 standen – das Interesse an spätantiker Epistolographie und an der Bewahrung und Überlieferung entsprechender Schriftstücke von Familienmitgliedern – arbeitet M ATHISEN (1998) heraus. Hierzu s. o. S. 29ff. Für die überaus sorgfältig gestaltete Kollektion des Sidonius Apollinaris ist dies offensichtlich; deutliche Anzeichen einer Auswahl sind ebenso bei den erhaltenen Schreiben des Johannes Chrysostomus erkennbar, vgl. WASHBURN (2017), 191. Zu zentralen Themen und wichtigen Zielen von Ambrosius’ geplant angelegtem Briefœuvre s. NAUROY (2017) und NAUROY (2012), v. a. 21. Auf sich daraus ergebende Probleme und wichtige Voraussetzungen bei der Verwendung von Briefsammlungen als historische Quellen weist Y SEBAERT (2015), 46–48 hin. Er bezieht sich dabei vor allem auf mittelalterliche Briefkollektionen, zählt zu diesen aber bereits diejenigen des 6. Jahrhunderts.
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3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
bischöflichen Archive aufnehmen ließ und dies bei anderen verhinderte. Die Zerstörung dieser Archive bei der Eroberung Viennes im Jahr 500 und, damit verbunden, der Verlust vieler oder sogar aller bis zu diesem Zeitpunkt verfassten Nachrichten sind sicherlich Faktoren, die die Selektion mit prägten.23 Die nun folgende Untersuchung des Avitusbilds, das durch die Briefauswahl zustande kommt, ist nach Rezipienten strukturiert. Grund für dieses Vorgehen ist, dass Briefkollektionen oft nach Empfänger geordnet sind und sich dieses Prinzip auch im avitanischen Corpus feststellen lässt.24 Eine nach Adressaten geordnete tabellarische Übersicht der tradierten Briefe findet sich in Anhang A, S. 239ff.
3.2.1 Die Schreiben an burgundische Bischöfe 3.2.1.1 Die unmittelbaren Suffragane von Vienne Als Metropolit von Vienne waren Avitus offiziell die Bischöfe der Städte Genf, Grenoble, Valence und Tarantaise unterstellt.25 Während recht viele Schreiben aus der Kommunikation mit den Inhabern der Sitze von Genf, Grenoble und Valence Teil der Sammlung wurden, ist keine einzige Nachricht überliefert, die an den Bischof von Tarantaise gerichtet ist oder von ihm nach Vienne geschickt wurde. Ob diese Tatsache das Ergebnis einer bewussten Selektion oder doch eher dem Zufall geschuldet ist, darüber lassen sich kaum Vermutungen anstellen. Jedenfalls gab es Kontakte zwischen Avitus und Bischof Sanctus von Tarantaise, sicherlich auch per Brief, denn Sanctus nahm 517 an der Synode von Epaon teil und Avitus predigte bei der Einweihung einer von ihm errichteten Kirche.26 Insgesamt sind acht Schreiben von oder an Apollinaris von Valence, Avitus’ Bruder,27 erhalten, sechs aus den Briefwechseln mit Victorius von Grenoble, zwei an Maximus von Genf. Diese Zahlen spiegeln das Ansehen wider, das die drei Bischöfe genossen, wie an den Unterschriftenlisten mehrerer Synoden deutlich wird. Die Akten derjenigen Versammlungen, an denen alle drei teilnahmen, unterschrieb Apollinaris stets vor Victorius, dieser wiederum vor Maximus.28 Unabhängig davon, ob sich der Bischof von Vienne tatsächlich in Abhängigkeit vom Prestige der Adressaten mehr oder weniger häufig schriftlich mit diesen austauschte oder dieser Eindruck nur aufgrund der Auswahl der jeweiligen Stücke zustande kommt, er23 24 25 26 27
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Vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), LI. Vgl. G IBSON (2012), 64; zu Avitus s. u. S. 217ff. Hierzu s. o. S. 66ff. Vgl. D UCHESNE (1907–1910), 244. Zu erwähnen ist freilich noch, dass Tarantaise unter Karl dem Großen selbst Sitz eines Metropoliten wurde, vgl. D UCHESNE (1907–1910), 243. In der Überschrift von ep. 13P = ep. 10MR, dem ersten Stück des Corpus, bei dem Apollinaris einer der Briefpartner ist, wird dies explizit hervorgehoben (und zwar in L wie in S). Damit ist hier eine der Stellen, an der eine Bearbeitung durch den (oder die) Kompilator(en) oder zumindest durch einen Sekretär erkennbar wird. Dies ergibt sich aus den entsprechenden Einträgen der PCBE, s.v. Apollinaris 6, Victorius 6 und Maximus 8.
3.2 Die Briefauswahl, oder: Was darf ein Bischof wem schreiben?
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scheint Avitus so als Oberhirte, der umso mehr Kontakt zu seinen Amtskollegen – bzw. Suffraganen – hat, je höher deren Rang ist.29 Unterschiede zwischen den Suffraganen zeigen sich nicht nur in der Anzahl, sondern auch in den Themen der jeweiligen Nachrichten. Während im Briefwechsel mit Victorius von Grenoble Kirchenorganisation und -disziplin im weitesten Sinne vorherrschend sind,30 fehlen diese Inhalte in der Kommunikation mit Apollinaris und Maximus fast völlig.31 Hier bildet letztlich eher „Alltägliches“ den Schwerpunkt, wobei Avitus seine Bildung betont hervorhebt.32 In jedem Fall präsentiert die Kollektion den Bischof von Vienne in unterschiedlichen Rollen gegenüber seinen Suffraganen. Im Umgang mit Victorius von Grenoble tritt er meist als verständnisvoller und gebildeter Metropolit auf, der sein Gegenüber höflich und dem Code entsprechend behandelt, ihm mit Rat und Tat zur Seite steht, ihm aber zugleich klare Handlungsanweisungen gibt, wenn nötig.33 In diesen Kontexten kommt die zwischen beiden Briefpartnern bestehende Hierarchie zumindest indirekt zum Ausdruck. An anderer Stelle freilich ist von einem Rangunterschied nichts zu merken, im Festbrief ep. 62P = ep. 59MR und im Brieftraktat ep. 7P = ep. 4MR; letzterer legt Avitus’ Sicht zur Frage dar, was mit homöischen Kirchen zu tun sei, deren Eigentümer katholisch geworden sind. Gerade die „Inzestschreiben“ epp. 16–18P = epp. 13–15MR sowie ep. 7P = ep. 4MR streichen aber Avitus’ Stellung als Metropolit heraus, der Beschlüsse fasst oder zumindest eindeutige Vorgaben macht, nach denen man sich auch künftig in ähnlichen Situationen richten kann. Die in diesen Briefen zentralen Themen wurden auf der Synode von Epaon ebenfalls erörtert.34 29
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Diese Beobachtung passt dazu, dass literarische Werke überhaupt im Mittelalter tendenziell mit größerer Wahrscheinlichkeit überliefert wurden, je höher der Status des Verfassers war: Ein Gedicht eines Bischofs oder Abtes wurde beispielsweise eher kopiert als dasjenige eines einfachen Mönchs oder Klerikers, vgl. H AYE (2016), 128. Konkret geht es in drei Schreiben um einen Inzestfall in dessen Diözese, in einem um die Wahl eines Priesters durch das Volk, die ohne die Zustimmung des zuständigen Bischofs, also Victorius’, stattfand, eines ist ein kurzes Billett anlässlich eines Festes, eines schließlich ein kurzer Traktat über den Umgang mit homöischen Kirchen, deren Eigentümer katholisch geworden sind. Zur Person des Victorius s. o. S. 75f. Zu Apollinaris s. o. S. 86f. Im Briefwechsel mit Apollinaris heißt dies, dass ein Traum des Apollinaris anlässlich des Todestags beider Schwester zur Sprache kommt, außerdem muss Avitus eine Einladung seines Bruders absagen, beschreibt einen Siegelring, den dieser für ihn machen soll, bittet um die Empfehlung eines guten Töpfers und bedankt sich für ein Geschenk. Nicht zu vergessen sind zudem die Festbriefe, in denen sich Bildung und Humor beider Bischöfe zeigen. Gleiches lässt sich für die beiden etwas längeren, ziemlich witzigen Festbriefe an Maximus konstatieren. Die entsprechenden Briefe sind epp. 16–18P = epp. 13–15MR, in denen es um einen Inzestfall in Victorius’ Diözese geht, und ep. 75P = ep. 71MR, deren Gegenstand die Wahl eines Priesters ist, die ohne Victorius’ Zustimmung erfolgte. Dazu passend finden sich im Briefaustausch des Vienners mit Victorius vor allem Zitate und Anspielungen auf die Bibel. Zu Priestern in Gallien s. G ODDING (2001), insbesondere S. 75–110 sowie 155–168 zu Voraussetzungen für deren Wahl und deren Ordination. Zu epp. 16–18P = epp. 13–15MR s. o. S. 75ff. Ep. 7P = ep. 4MR ist im Übrigen eines der wenigen Stücke, die nicht nur innerhalb der avitanischen Kollektion, sondern darüber hinaus
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3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
Ganz anders gestaltet sich innerhalb der Sammlung das Verhalten des Avitus gegenüber seinem Bruder Apollinaris. In die Korrespondenz dieser beiden Bischöfe spielen die Aufgaben, die ihr kirchliches Amt mit sich bringt, nur am Rande mit hinein, etwa dann, wenn Avitus in ep. 27P = ep. 24MR sich mit dem Verweis auf seine Pflicht, burgundische Höflinge zu beherbergen, entschuldigt oder sich in ep. 88P = ep. 84MR mit der Bemerkung bedankt, ein Geschenk des Apollinaris werde auch von seinem Nachfolger in Ehren gehalten werden. Theologische Gegenstände im weitesten Sinne fehlen völlig. Der Vienner wird mehr als Ansprechpartner und recht guter Freund seines Bruders gezeigt, mit dem dieser sich über einen Traum austauscht,35 dem er Geschenke macht und den er zu Festen einlädt. Im brieflichen Austausch werden beide Brüder als Angehörige der Aristokratie herausgestellt, die sich nahestehen und den Verhaltensnormen der Eliten genügen, was ebenso in den humorvollen Festbriefen zum Ausdruck kommt.36 Dabei scheint ihre Bildung ein besonders wichtiger Aspekt zu sein, denn diese nimmt in vielerlei Hinsicht37 einen deutlicheren Schwerpunkt als gegenüber anderen Rezipienten ein. Ein weiterer Suffragan des Bischofs von Vienne, Maximus von Genf, ist als Adressat innerhalb der Kollektion nur durch zwei Schreiben repräsentiert. Beide sind etwas längere, humorvolle Festbriefe, die die Briefpartner als gebildete Mitglieder der Elite vorführen, deren Beziehung zueinander etwas enger und herzlicher als üblich ist.38 Da Genf der Residenzort Sigismunds war,39 wird Avitus auf diese Weise als jemand gezeigt, der gute Kontakte zu einflussreichen Männern hat. Bei einer näheren Betrachtung der in den Schreiben an die Suffragane behandelten Themen fällt auf, dass hierzu zwar Kirchenorganisation und -disziplin zählen, aber nicht Theologie im engeren Sinn (etwa die Person Christi oder die Natur der menschlichen Seele), exegetische Fragen oder Literatur und Bildung,40 ebenso wenig Politik oder irgendeine Art von politischem Engagement, wozu zum Beispiel eine Beteiligung am Freikauf von Gefangenen, der Austausch über die Abfassung diplomatischer Gesuche oder die Weitergabe von Informationen zählen könnten.
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separat überliefert sind, in diesem Fall als Teil einer Sammlung von Dekretalien. Zur Tradierung dieses Schreibens s. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), CXVI–CXVIII. In ep. 7P = ep. 4MR hebt der Verfasser freilich hervor, er wolle der Entscheidung einer Synode keinesfalls vorgreifen (nec ea scilicet definitione, ut locum censendi aliis non reseruem ..., 35, 11–14 bzw. §2). In epp. 13fP = epp. 10fMR, hierzu s. o. S. 86ff. Nur eines dieser Billetts, ep. 61P = ep. 58MR, deutet an, es könnte eine Unstimmigkeit zwischen beiden gegeben haben, vgl. dazu S HANZER und W OOD (2002), 249. Gemeint ist hiermit weniger das offene Ansprechen von Bildungsgegenständen oder Literatur als vielmehr die Art der Briefgestaltung. Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 65: „The tone of the festal letters to Maximus of Genava [...] also indicates that the latter had the status of a familiaris, not a mere clerical colleague.“ Neben Lyon war Genf eine der beiden Hauptstädte des burgundischen Gebiets, vgl. FAVROD (1997), 162; 372. Letztere spielt jedoch indirekt eine wichtige Rolle, beispielsweise durch die sorgfältige sprachliche Stilisierung der Briefe. Da Avitus seine Dichtungen seinem Bruder zueignete, wie die gemeinsam mit seinen Versen überlieferten Widmungsbriefe zeigen, ist dieser Befund einigermaßen überraschend.
3.2 Die Briefauswahl, oder: Was darf ein Bischof wem schreiben?
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Nicht vorhanden sind, hiervon abgesehen, Nachrichten an Avitus unterstellte Presbyter und Diakone, in denen er ihnen beispielsweise Aufträge gibt, obwohl solche höchstwahrscheinlich existiert haben.41 Auch Botschaften, in denen der Vienner sich rechtfertigen muss, eine eher schwache oder unterlegene Position einnimmt oder um etwas bittet, sind (so es sie gegeben hat) nicht Teil der Kollektion geworden. Insgesamt ergibt sich durch die in die Sammlung aufgenommenen Briefe an die Suffragane des Bischofs von Vienne folgendes Bild seiner Person: Im Einflussbereich der Metropole Vienne pflegt Avitus vor allem Kontakte mit seinen katholischen Amtskollegen, die umso intensiver sind, je höher deren Rang ist. Verbindungen zu Klerikern niedrigeren Standes geht er nicht ein. Die epistolare Kommunikation weist in der Regel die Kennzeichen eines typischen Briefwechsels zwischen gebildeten Angehörigen der Elite auf. Avitus erscheint damit als Metropolit, der seine Stellung wahrt,42 seinen Suffraganen in angemessener Weise Ratschläge in der Kirchenorganisation gibt und sich mit ihnen auf geistreiche Weise über alltägliche ebenso wie über unangenehme Gegenstände unterhalten kann. Er hat ein gutes Verhältnis zu seinen Unterbischöfen, zugleich setzt er meist erfolgreich die Ordnung durch. Vor allem tritt er mindestens auf derselben Ebene wie sein Gegenüber oder diesem sogar überlegen auf. Dieses Avitusporträt lässt sich durch die Hinzunahme der Schreiben an weitere Amtskollegen auf burgundischem Gebiet erhärten und bestätigen.
3.2.1.2 Die übrigen Bischöfe auf burgundischem Gebiet Allgemein ist zu konstatieren, dass jeder Bischof im burgundischen Territorium, der als Adressat innerhalb des avitanischen Corpus auftritt, mindestens ein Schreiben erhält, das (zumindest auf den ersten Blick) als Festbrief kategorisierbar ist.43 Gleichzeitig empfangen diejenigen Amtskollegen, die weder Avitus als Suffragane direkt unterstellt sind noch als Metropolit von Lyon theoretisch den gleichen Rang einnehmen, nur einen Festbrief, keine anderen Nachrichten. An einen Geistlichen eines niedrigeren Standes ist kein einziges Schreiben adressiert. Ebenso wenig sind Briefe an homöische Kleriker erhalten, nicht einmal an Bischöfe, obwohl die homöische Kirche im burgundischen Territorium zumindest bis 41
Ambrosius von Mailand etwa nahm einige Briefe, die er an Mailänder Kleriker schrieb, in seine Sammlung auf. Zu den Briefen an Orontianus s. M AZIÈRES (1973), zu denjenigen an Irenaeus s. M AZIÈRES (1979), der sich mit PALANQUE (1933) auseinandersetzt. 42 Interessanterweise werden die Suffragane zum Beispiel nicht nach einer Beurteilung seiner Werke gefragt, wie dies etwa in ep. 15P = ep. 12MR an Contumeliosus der Fall ist. 43 Ep. 70P = ep. 66MR an Bischof Constantius von Gap oder Martigny ist eigentlich kein Festbrief, sondern eine Kritik am Adressaten, der einen Kleriker einem Zivilgericht übergeben will. Da das Schreiben freilich mit den Worten Litteras Sanctitatis Tuae in Pascha quidem, sed non paschales accepi, 89, 21 bzw. §1 beginnt, konnte es von einem Kompilator, der nur die ersten fünf Worte las, unter die übrigen Festbriefen eingeordnet werden. Zur Anordnung der Schreiben s. u. S. 217ff.
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zu einem gewissen Grad institutionalisiert gewesen sein muss44 und es wenig wahrscheinlich ist, dass der Bischof von Vienne gar keinen Kontakt zu nichtkatholischen Geistlichen hatte.45 Größeren Umfang nimmt dagegen der Austausch mit zwei aufeinanderfolgenden Bischöfen von Lyon ein, Stephanus und Viventiolus. Beide werden, abgesehen von Festbriefen, mit Botschaften unterschiedlicher Art gewürdigt. An Stephanus sind außer einem solchen kurzen Billett, ep. 58P = ep. 55MR, möglicherweise zwei Briefe gerichtet, ep. 26P = ep. 23 MR und ep. 28P = ep. 25MR, in denen der Umgang mit Häretikern Thema ist.46 In beiden Schreiben beantwortet Avitus eine Frage dazu, wie mit einem nichtkatholischen Priester verfahren werden soll, wobei er in ep. 28P = ep. 25MR sein Gegenüber außerdem für dessen Verhalten gegenüber nicht näher bezeichneten Häretikern scharf kritisiert. Beide Stücke zeichnen sich zudem durch eine sehr sorgfältige Gestaltung aus, die sich zum Beispiel in der Metaphorik in ep. 26P = ep. 23MR und in der Präsentation der Bibelstellen in ep. 28P = ep. 25MR zeigt. Ist ep. 28P = ep. 25MR tatsächlich an Stephanus gerichtet, dann werden beide Metropoliten durch die Briefauswahl nicht als einander etwa gleich gestellt gezeigt, stattdessen erscheint ihr Verhältnis eher dem zwischen Lehrer und Schüler, der den Lehrer um Rat fragt und durch ihn kritisiert wird, zu ähneln. Völlig anders wird indessen die Beziehung zu Viventiolus präsentiert. Ihren Weg in die Sammlung fanden sieben Stücke aus der Korrespondenz dieser beiden Metropoliten, fünf davon sind Festbriefe, in einem, ep. 57P = ep. 54MR, werden anhand von Vergil Grammatikfragen diskutiert,47 eines, ep. 19P = ep. 16MR, ist ein tröstender Zuspruch. Der letztgenannte Brief ist das einzige Schreiben innerhalb der Kollektion, das an einen Presbyter adressiert ist – der allerdings später
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Hierzu s. insbesondere H EIL (2011), 80–111. Persönliche Begegnungen fanden zumindest in den theologischen Diskussionen, die er mit Gundobad – und dessen Klerikern – führte, statt, wie zum Beispiel in ep. 23P = ep. 20MR (55, 17–19 bzw. §2) deutlich wird, in der Avitus in Bezug auf ein Gespräch mit Gundobad dezidiert die Abwesenheit homöischer Theologen hervorhebt. Außerdem gebot wohl schon allein ,politische‘ Klugheit das Bemühen um ein gutes Verhältnis; eben damit argumentiert der Vienner jedenfalls in ep. 7P = ep. 4MR, 36, 1–17 bzw. §§5–8. 46 Weder in L noch in S wird der Rezipient von ep. 28P = ep. 25MR namentlich genannt, sondern nur mit quidam episcopus Lugdunensis bezeichnet; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 200 (Anm. 270) identifizieren ihn mit Stephanus, S HANZER und W OOD (2002), 303f legen sich nicht fest. Stephanus liegt für viele als Adressat von ep. 28P = ep. 25MR deswegen nahe, weil ep. 26P = ep. 23MR an ihn verschickt wurde und einen ähnlichen Gegenstand hat; zudem fügt sich das Schreiben weniger gut in die erhaltenen Stücke an Viventiolus ein. Meiner Ansicht nach könnte man ebenso für Stephanus wie für Viventiolus als Empfänger argumentieren: Im ersten Fall wäre der Name des Empfängers irgendwann verloren gegangen und nur noch der Zielort erhalten geblieben; im zweiten Fall könnte er auch mit Absicht getilgt worden sein, um Avitus gegenüber den jeweiligen Personen in einer konsistenten Rolle auftreten zu lassen. Natürlich ist diese Variante wohl die weniger wahrscheinliche, sie kann jedoch trotzdem nicht völlig ausgeschlossen werden. 47 Dazu passend wird Viventiolus nicht als Bischof, sondern als Rhetor angesprochen. Zu diesem Schreiben s. auch S CHENK (2020).
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Bischof wurde.48 Folgt man diesen Briefen, so verband Avitus und Viventiolus eine gute Freundschaft, ihr Umgang miteinander ist herzlich und von Freundlichkeit und Humor geprägt. Zudem spielt Bildung in ihrer Kommunikation eine wichtige Rolle, wie nicht nur an Anspielungen auf Bibelstellen offensichtlich wird, sondern darüber hinaus an einer Debatte über die Längen bzw. Kürzen bestimmter Silben und die Frage, inwieweit dabei Vergils Verse als Vorbild genommen werden dürften – ein typisches Thema des spätantiken Grammatikunterrichts.49 Zusammengenommen ergibt sich aus der Auswahl der Briefe an und von anderen burgundischen Bischöfen folgendes Bild des Avitus: Er wird als Teil der Gemeinschaft der katholischen burgundischen Bischöfe vorgestellt, mit denen er insgesamt gute Beziehungen pflegt. Dabei hat er allerdings nur zu den Suffraganbischöfen der Metropole Vienne und zu den Metropoliten von Lyon engeren Kontakt, mit Geistlichen niedrigeren Standes oder homöischen Klerikern überhaupt keinen. Implizit wird auf diese Weise die herausragende Stellung des Bischofs von Vienne betont. Noch stärker ausgeprägt erscheint diese dadurch, dass er sogar den Inhaber des Sitzes von Lyon, der als Metropolit den gleichen Rang wie er selbst einnimmt, in deutlichen Worten zurechtweist. Gleichzeitig werden seine Orthodoxie und seine Verteidigung des katholischen Glaubens hervorgehoben: Er rügt seinen Amtskollegen, der sich seiner Ansicht nach in diesem Bezug falsch verhalten hat, und meidet darüber hinaus selbst die homöischen Geistlichen.50 Im Rahmen der Untersuchung der Korrespondenz des Avitus mit burgundischen Bischöfen ist noch ein weiteres Schreiben zu erwähnen, dessen Empfänger unklar ist.51 Grund hierfür ist vermutlich, dass sich der Brief, ep. 89P bzw. 90P = ep. 85MR, als Einladung zur Synode von Epaon nicht an einen einzelnen Oberhirten richtete, sondern als Rundbrief ohne eindeutigen Adressaten zirkulierte. Seine Aufnahme in die Sammlung zeigt insbesondere Avitus’ Tätigkeit und Wirken als Metropolit.
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Eben dies spiegelt sich in der handschriftlichen Überlieferung wider. Während die Adresse in den Manuskripten T und S Avitus episcopus Viventiolo presbytero lautet, ist in L Avitus episcopus Viventiolo episcopo zu lesen. In diesem Manuskript wollte man also wohl entweder deutlich machen, dass dieser Viventiolus der (spätere) Bischof von Lyon sei, oder man bezeichnete ihn deswegen als episcopus, weil die vorhergehenden Botschaften ebenfalls an Bischöfe gerichtet sind. In jedem Fall hat vermutlich das Porträt des Avitus als Bischof, der – zumindest was Kleriker betrifft – vor allem mit Bischöfen in Briefkontakt steht, den betreffenden Schreiber zu einer mehr oder weniger bewussten Änderung der Titelzeile gebracht. 49 Hierzu s. etwa C HIN (2008), 15–19. 50 Dieses Bild stimmt mit dem der Vita Aviti überein, die den Einsatz des Bischofs im Kampf gegen die „Arianer“ hervorhebt, vgl. etwa Hic adversus haeresim Arrianam [...] magno sudore decertavit, P EIPER (1883), 177, 13f. 51 In L widersprechen sich Überschrift und Randnotiz insofern, als einmal ein Amandus, einmal Quintianus als Rezipient genannt wird. Ein Amandus ist als Bischof aus dieser Zeit in dieser Region nicht bekannt (wohl aber als Adressat eines der Schreiben des Paulinus von Nola, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 54f; 308f); Quintianus war als Bischof zunächst von Rodez, dann von Clermont kein burgundischer Amtsinhaber, vgl. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 237f (Anm. 846), wurde aber vielleicht trotzdem zur Synode eingeladen.
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3.2.2 Die Schreiben an Kleriker in den gotischen Gebieten Insgesamt sind als Teil der avitanischen Kollektion drei Briefe an drei Bischöfe auf westgotischem Territorium erhalten, einer an Caesarius von Arles, einer an Contumeliosus von Riez und einer an Eufrasius von Clermont. Alle drei Schreiben sind typische Briefe eines Mitglieds der spätantiken gebildeten Elite: An Caesarius von Arles, seit 513 päpstlicher Vikar in Gallien,52 ist ein Empfehlungsschreiben gerichtet, ep. 11P = ep. 8MR, die übrigen beiden Sendungen, ep. 15P = ep. 12MR und ep. 43P = ep. 39MR, beschäftigen sich mit Literatur und den Beziehungen der am Briefwechsel direkt Beteiligten und Dritter untereinander.53 Kirchenpolitische und -organisatorische Angelegenheiten fehlen in diesen Korrespondenzen ebenso wie die Fragen, die sich aus dem Zusammenleben von katholischen und nichtkatholischen Christen ergeben; auch kurze Billetts anlässlich von Festen sind nicht überliefert. Eventuell machten das erste und vor allem das zweite dieser Themenfelder tatsächlich nur einen geringen Teil der Gegenstände aus, über die man sich „grenzübergreifend“ gefahrlos austauschen konnte;54 gerade im Hinblick auf das erst genannte ist es jedoch wenig wahrscheinlich, dass zwischen Avitus und Caesarius von Arles (oder dessen Vorgänger) keine Nachrichten ausgetauscht worden sind – die Auseinandersetzungen zwischen Arles und Vienne um den Vorrang in Gallien müssen (auch) schriftlich geführt worden sein55 und schlugen sich damit wahrscheinlich in den Archiven nieder. Wären entsprechende Schreiben allerdings in die avitanische Kollektion aufgenommen worden, hätten sie sich nach Avitus’ Tod entweder auf einen Status quo bezogen, der nicht mehr der aktuellen Situation entsprach,56 oder der Bischof von Vienne würde durch die Sammlung nicht in der herausragenden Position erscheinen, in der er durch ihre tatsächliche Anlage gezeigt wird.57
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Zur Kirchenverwaltung in Gallien und den in diesem Kontext stattfindenden Konflikten zwischen Arles und Vienne s. o. S. 66ff. In ep. 15P = ep. 12MR bittet der Adressant beispielsweise um die positive Beurteilung eines von ihm verfassten literarischen Werks, in ep. 43P = ep. 39MR um die Weiterleitung eines (anderen?) Werks, das er geschrieben hat, an einen Freund und Verwandten. Zu den beiden Briefen s. auch M ARTORELLI (2004), zu ep. 11P = ep. 8MR s. o. S. 97ff. Versand und Empfang von Botschaften, die über die Grenzen der Einflussbereiche verschiedener germanischer Herrschaften hinweg versandt wurden, konnte durchaus mit einem gewissen Risiko behaftet sein, vgl. dazu Avitus’ Kommentare in ep. 51P = ep. 48MR (s. o. S. 144ff). Zu diesem Streit s. o. S. 66ff. In den Archiven von Arles finden sich beispielsweise briefliche Relikte (Epist. Arel. 28f) einer Auseinandersetzung des Caesarius mit dem Bischof von Aix, der seine Autorität als Metropolit nicht anerkennen wollte. Das beträfe diejenigen Botschaften, die sich auf die kurze Zeit beziehen, in der der Papst Vienne den Vorrang vor Arles zugestand. Man könnte als Grund, warum die betreffenden Schriftstücke nicht erhalten sind, ihre Vernichtung bei der Zerstörung der bischöflichen Archive Viennes 500 annehmen. Zu diesem Zeitpunkt war der Streit jedoch noch nicht endgültig entschieden, sodass danach sicherlich weitere Briefe, die mit dieser Sache in Zusammenhang stehen, entstanden sind – zumal sich Ähnliches für die Botschaften an die römischen Päpste konstatieren lässt, hierzu s. u. S. 202ff.
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Anders als es bei den burgundischen Oberhirten der Fall ist, enthält das avitanische Briefcorpus keine Festbriefe an westgotische Bischöfe; zugleich ist aber in den an sie adressierten Schreiben Literatur ein zentrales Thema, während dieser Punkt in den Nachrichten an die burgundischen Bischöfe scheinbar ausgeklammert wird. Vielleicht ist dies nur ein überlieferungsbedingter Zufall, vielleicht variierte Avitus in seinen Schreiben die Themen entsprechend. Festzustellen ist freilich, dass sich diese Unterschiede in der Kommunikation mit adligen Laien fortzusetzen scheinen.58 Jedenfalls wird Avitus als Bischof präsentiert, dessen Netzwerk und Kontakte zu katholischen Amtskollegen über das burgundische Territorium hinaus reichen und der auch mit Caesarius von Arles, dem einflussreichsten Bischof Galliens, in freundlicher Verbindung steht. In diesem Netzwerk wird der Vienner im Austausch mit den westgotischen Bischöfen eher wie ein adliges Mitglied der Elite vor Augen geführt, das mit anderen Aristokraten kommuniziert, denn als bedeutender Bischof, der unter seinen Mitbischöfen einen besonderen Rang einnimmt. Was ihren Gegenstand anbetrifft, weichen die vier Schreiben, die Avitus an Kleriker auf ostgotischem Territorium schickte, von den bisher erwähnten recht deutlich ab. Für alle in die Sammlung aufgenommenen Briefe können ein eindeutiger Anlass und ein konkreter Grund des Versandes benannt werden, wobei der Bischof von Vienne diese Kontaktmöglichkeiten nutzt, um auf diese Weise etwas für andere oder sich selbst zu erreichen. Genauer bedeutet dies, dass drei der Botschaften Empfehlungsschreiben sind und/oder mit dem Freikauf von Gefangenen zu tun haben; eine ist eine Bitte um Information in Zusammenhang mit dem Akakianischen Schisma. Aus zwei der Schreiben (ep. 10P = ep. 7MR an Eustorgius von Mailand und ep. 38P = ep. 34MR an den Diakon Elpidius) geht eindeutig hervor, dass die jeweiligen Nachrichten keine Einzelfälle, sondern Teil eines Austauschs waren, dem mindestens ein Brief vorausging; diese anderen Botschaften haben freilich ansonsten keine Spuren hinterlassen. Drei der Rezipienten sind Bischöfe, zwei von diesen haben sehr prestigeträchtige Sitze inne, Eustorgius, der als Bischof von Mailand und als einer der Nachfolger des Ambrosius für die ehemalige Kaiserresidenz zuständig ist, und vor allem Petrus, Inhaber des Sitzes von Ravenna, das, ebenfalls frühere Kaiserresidenz, nun als Hauptstadt Theoderichs fungiert.59 Der vierte Adressat, Elpidius, ist der einzige Diakon, an den ein Brief erhalten ist; als Arzt Theoderichs des Großen hatte er jedoch eine einflussreiche Stellung am Hof des ostgotischen Herrschers.60 Alle Briefe weisen eine sorgfältige sprachliche und stilistische Gestaltung auf, wobei insbesondere die Verwendung zahlreicher epistolarer Topoi auffällt. Dies präsentiert Avitus als Mitglied der Eliten, das sich angemessen ausdrücken kann. Darüber hinaus erscheint der Bischof von Vienne insgesamt als Teil eines Netzwerks, dessen Schwerpunkt in Gallien liegt, das aber nicht auf diesen Raum beschränkt ist. 58 59 60
Hierzu s. u. S. 206ff. Petrus unterschrieb die Akten mehrerer Synoden jeweils an zweiter Stelle, vgl. den entsprechenden Eintrag in der PCBE (s.v. Petrus Iunior 30). Vgl. die Einträge in der PCBE (im Gallienband s.v. Helpidius, im Italienband s.v. Helpidius 4).
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Vielmehr ist es ihm – bei Bedarf – ohne Weiteres möglich, auf Kontakte zu besonders hochstehenden Persönlichkeiten außerhalb Galliens zurückzugreifen und diese entsprechend zu nutzen.
3.2.3 Die Schreiben an Päpste und Patriarchen Zeugnis für Avitus’ Nutzung seiner Verbindungen über Gallien hinaus geben auch die innerhalb der Sammlung erhaltenen Briefe an Päpste und Patriarchen. Eingang in die Kollektion fanden lediglich fünf Botschaften an diese hochrangigen Männer der Kirche, von denen vier zumindest am Rande Reliquien thematisieren. Die fünfte Nachricht, ep. 9P = ep. 6MR, ist an den Bischof von Konstantinopel gerichtet und wurde anlässlich einer Gesandtschaft Sigismunds an den Kaiser dorthin geschickt. In ihr bringt der Bischof von Vienne seine Freude über ein Ende des Akakianischen Schismas zum Ausdruck, von dem er durch einen burgundischen Adligen61 in Konstantinopel erfahren hat, und bittet um eine Bestätigung vonseiten des dortigen Bischofs. Anders als es bei den Bischöfen von Rom und Jerusalem der Fall ist, wird dieser jedoch nicht als papa, sondern als episcopus angesprochen.62 Von den vier nach Rom gesandten Schreiben enthält eines, ep. 8P = ep. 5MR, das leider nur fragmentarisch überliefert ist, die Mitteilung, ein König sei zum Katholizismus übergetreten,63 und eine Bitte um die Zusendung von Reliquien aus Rom. Konkret um Petrusreliquien geht es in ep. 29P = ep. 26MR. In diesem Brief, den Avitus im Namen Sigismunds verfasste, werden bereits aus Rom eingetroffene Reliquien erwähnt, und der burgundische Herrscher bittet um weitere derartige Geschenke. Doch nicht nur Überreste des Petrus waren Gegenstand der Verehrung; Thema der übrigen beiden Botschaften sind Splitter vom Kreuz Christi. So erbittet der Bischof von Vienne in ep. 20P = ep. 17MR einen Empfehlungsbrief des Papstes an den Patriarchen von Jerusalem und bedankt sich in ep. 25P = ep. 22MR bei letzterem für die erhaltenen Reliquien. Abgesehen von den erwähnten Stücken ist ein Briefwechsel des Avitus mit Papst Hormisdas überliefert, epp. 41fP = epp. 37fMR, dessen Gegenstand das Akakianische Schisma ist. Soweit wir wissen, war dieser Austausch aber nie Teil der avitanischen Kollektion; vielmehr wurde er in den päpstlichen Archiven überliefert.64 61
Es handelt sich hierbei um den vir illustris Laurentius, dessen Sohn offenbar als Geisel am Kaiserhof war. In dieser Angelegenheit verfasste Avitus ebenfalls mehrere Briefe, die meisten in Sigismunds Namen (epp. 46A–48P = epp. 43–45MR). 62 Die ursprüngliche Adresszeile des versandten Briefes ist freilich nicht erhalten, aber zumindest bei den im Archiv aufbewahrten Versionen wurde dieser Unterschied offensichtlich gemacht. 63 Auf welchen Herrscher Avitus sich dabei bezieht, ist nicht ganz klar: Der Betreffende ist entweder Sigismund, dieser Ansicht sind beispielsweise S HANZER und W OOD (2002), 220–222, oder Chlodwig, wie M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 190f annehmen. Eindeutig ist nur, dass die Reliquien, um die der Bischof von Vienne den Papst ersucht, für eine von Sigismund gegründete Kirche gedacht sind. 64 In L fehlen beide Schreiben; Sirmond nahm sie in seine Ausgabe auf, allerdings kopierte er sie höchstwahrscheinlich nicht aus demselben Kodex wie die übrigen Briefe, sondern aus einer an-
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Falls er nicht zufällig verloren ging, lag der Grund hierfür womöglich darin, dass der Verfasser in ep. 41P = ep. 37MR zwar als Vertreter der gallischen Bischöfe auftrat, dieser Anspruch jedoch von Hormisdas dezidiert nicht anerkannt wurde. Diese Möglichkeit ist vor allem deswegen recht plausibel, weil auch sonst keine Überreste der Korrespondenz mit den römischen Päpsten als Teil der avitanischen Briefsammlung erhalten sind, obwohl es sie gerade im Kontext der Auseinandersetzungen mit dem Bischof von Arles um die Ausübung des Metropolitanrechts in der Viennensis gegeben haben muss.65 Wären diese Schreiben in die Kollektion aufgenommen worden, hätte sich dies auf zwei Arten negativ auswirken können: falls sie dem Vienner den Vorrang vor Arles eingeräumt hätten, hätten sie sich auf einen nicht mehr aktuellen Status quo bezogen, schließlich hatte der Papst letztlich zugunsten von Arles entschieden. Im anderen Fall hätten sie Avitus’ Niederlage bezeugt, wodurch das durch die Selektion gezeichnete Bild weniger schmeichelhaft erschiene. Durch eine Unterdrückung der entsprechenden schriftlichen Kontakte mit dem Bischof von Rom ergibt sich damit letztlich folgendes Porträt des Bischofs von Vienne: Er verfügt über weitreichende Verbindungen zu anderen einflussreichen Amtsinhabern, die er insbesondere zugunsten des später als heilig verehrten katholischen Herrschers Sigismund66 einsetzt. Die jeweiligen Adressaten der Nachrichten kommen seinen Gesuchen gerne nach und versorgen den Bischof von Vienne und die katholischen Burgunder mit den erbetenen Reliquien. Auf diese Weise wird Avitus’ Rolle als Unterstützer Sigismunds und Förderer des Katholizismus in Gallien hervorgehoben. Im Schreiben an den Bischof von Konstantinopel wird ebenfalls ein Bezug zu Sigismund hergestellt (s. o.). Auffälligerweise ist es gerade in dem Moment verschickt, in dem das Akakianische Schisma, das die westliche katholische Kirche, die sich auf Rom bezog, von den Kirchen des Ostens trennte, beendet scheint, der Rezipient also als (wieder) katholisch angesehen werden kann. Auch dadurch wird Avitus als Bischof gezeigt, der vor allem mit einflussreichen katholischen Amtskollegen in Verbindung steht und den Kontakt mit häretischen oder schismatischen Oberhirten meidet.67
deren Handschrift, in der sie sich innerhalb einer Sammlung päpstlicher Korrespondenz fanden. Hierzu s. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), XLVIII; LXX; CVI. Für eine Besprechung der beiden Stücke s. o. S. 104ff. 65 Hierzu s. o. S. 66ff. 66 Sigismund kam 523/4 ums Leben, nachdem er nach einer Niederlage der Burgunder gegen die Franken verraten, ausgeliefert und hingerichtet wurde, vgl. FAVROD (1997), 428–437; K AISER (2004b), 68f; K AISER (2004a), 205–210. 67 Wie insbesondere an der weiter unten besprochenen Korrespondenz mit den burgundischen Herrschern deutlich wird, war dies wohl ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Zusammenstellung der Sammlung.
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3.2.4 Die Schreiben an einflussreiche Laien in Konstantinopel Avitus’ Korrespondenz mit Adressaten in Konstantinopel weist zwei thematische Schwerpunkte auf: Einerseits geht es um den Sohn des vir illustris Laurentius, der sich offenbar zeitweise als Geisel an diesem Ort aufhielt, andererseits um Sigismunds diplomatische Beziehungen mit dem oströmischen Kaiser. Dementsprechend sind mit Ausnahme eines Schreibens alle dorthin versandten Botschaften im Namen Sigismunds verfasst.68 Wie eben erwähnt, ist die erste Angelegenheit, mit der sich drei Briefe befassen, eine burgundische Geisel am Kaiserhof, für deren Heimkehr sich Sigismund (offensichtlich erfolgreich) einsetzt. Hierfür wendet er sich in einem Gesuch, ep. 46AP = ep. 43MR, an den Kaiser und bittet um die Rücksendung der betreffenden Person, nicht ohne seinen Gehorsam bei deren Überstellung nach Konstantinopel zu betonen (76, 22–27 bzw. §2). Darüber hinaus richtet er eine Botschaft an den senator Vitalian mit der Bitte, sich beim Kaiser für sein Anliegen einzusetzen (ep. 47P = ep. 44MR), in der er seinen Status als Römer, der ihm aufgrund seiner römischen Titel zukomme, besonders hervorhebt.69 Die dritte Botschaft schließlich, ep. 48P = ep. 45MR, ist von Avitus in eigenem Namen verschickt, steht aber in engem Zusammenhang mit den Verhandlungen um den Sohn des Laurentius, den sie dem Rezipienten Celer empfiehlt.70 Möglicherweise können ep. 9P = ep. 6MR sowie ep. 49P = ep. 46MR ebenfalls mit diesen Briefen in Zusammenhang gebracht werden. In ersterer, die an den Patriarchen von Konstantinopel gerichtet ist, vermerkt Avitus explizit, Anlass des Schreibens sei eine Gesandtschaft Sigismunds in die Kaiserstadt und er habe von Laurentius, dessen Sohn das Zentrum der eben besprochenen Stücke bildet, Informationen erhalten. In letzterer, deren Adressat Sigismund ist, äußert er sich zum Stil von Botschaften, die in den Osten geschickt werden, und erwähnt eine (weitere?) Geisel.71 Auf diese Weise erscheint er als enger Berater und Unterstützer des katholischen Herrschers, der in diplomatischen Angelegenheiten bewandert ist und über die nötige Bildung und Kompetenz verfügt, die hierfür notwendige Korrespondenz zu verfassen. 68 69
Zu diesen Stücken s. auch P IETRI (2008). quoscumque honorum priuilegiis erigitis, Romanos putare debetis, 76, 29f bzw. §1. Der Adressat war vermutlich einer der mächtigsten Männer des oströmischen Reiches, der 513 eine Revolte gegen Kaiser Anastasios anzettelte, um ein Konzil zur Beendigung des Akakianischen Schismas zu erzwingen. Hierzu s. S HANZER und W OOD (2002), 138 (Anm. 5), M EIER (2009), 295–309; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 219 (Anm. 533). 70 Neben Vitalian zählte Celer zu den einflussreichsten Männern in Konstantinopel; 503–518 war er magister officiorum, 508 Konsul. Wahrscheinlich war er pro-chalkedonisch eingestellt, vgl. S HANZER und W OOD (2002), 140 (Anm. 1); M EIER (2009), 207–222; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 219 (Anm. 541). 71 Einer Identifizierung dieses jungen Mannes mit dem Sohn des Laurentius widersprechen S HAN ZER und W OOD (2002), 141, während P IETRI (2008), 253 sowie M ALASPINA und R EYDEL LET (2016), 221 (Anm. 558) von einer Identität der beiden ausgehen. Das zweite legt die Platzierung von ep. 49P = ep. 46MR zumindest nahe, selbst wenn es nicht zutreffen sollte.
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Dieser Eindruck wird durch drei weitere innerhalb der avitanischen Kollektion erhaltene Schreiben verstärkt, die ebenfalls nach Konstantinopel verschickt wurden. Alle sind in Sigismunds Namen an den Kaiser gerichtet. Ep. 78P = ep. 74MR fungiert als Empfehlung für die Botschafter des burgundischen Herrschers am Kaiserhof; ep. 93P = ep. 88MR enthält einen panegyrischen Preis des Adressaten und bittet indirekt um einen Ehrentitel;72 in ep. 94P = ep. 89MR entschuldigt sich Sigismund dafür, dass ein früherer Brief an den Kaiser den Rezipienten nicht erreichte, da er von Theoderich abgefangen wurde, und teilt den Tod seines Vaters mit. Nicht überliefert sind alle sonstigen brieflichen Kontakte, die Avitus mit verschiedenen Personen in Konstantinopel pflegte. Solche haben notwendigerweise existiert, denn der Bischof von Vienne erwähnt selbst in ep. 9P = ep. 6MR, er habe Nachricht von Laurentius erhalten (43, 8–13 bzw. §2), der sich zumindest zeitweise in der Stadt am Bosporus aufhielt; zudem muss er in irgendeiner Form an Informationen über Vorgänge in der östlichen Hauptstadt gekommen sein, ansonsten hätte er in den Brieftraktaten Contra Eutychianam haeresim Gundobad nicht in dieser Weise über die dort geschehenen Ereignisse Mitteilung machen können.73 Diese Nachrichten erhielt er sicherlich nicht nur mündlich von Reisenden, sondern außerdem über seine Verbindungen zu entsprechenden Adligen und/oder Bischöfen. Über die Gründe, warum diese Schriftstücke keine Aufnahme in die Kollektion fanden, lässt sich letztlich nur spekulieren; mögliche Ursachen jenseits von Überlieferungszufällen lassen sich jedoch anhand einiger Indizien benennen. Für den größten Teil von Avitus’ Lebenszeit befand sich Rom – und damit die katholische Kirche – im Schisma mit Konstantinopel bzw. den meisten Kirchen des Ostens; offiziell wurde das Akakianische Schisma erst 519 beendet. Da der Vienner in der Sammlung ansonsten als katholischer und um den rechten Glauben bemühter Bischof porträtiert wird, der keine oder zumindest so selten wie möglich Verbindung zu Häretikern hat,74 erschien es dem Kompilator vielleicht ratsam, seine Kontakte nach Konstantinopel, mithin zu (potentiellen) Schismatikern, auf ein Minimum zu beschränken. Darüber hinaus erfolgen diese stets im Auftrag oder zur Unterstützung Sigismunds oder mindestens in Zusammenhang mit ihm, also aus einem konkreten Anlass heraus und für einen katholischen Herrscher. Insgesamt ergibt sich durch die Selektion der nach Konstantinopel verschickten Briefe folgendes Bild des Avitus: Der Bischof von Vienne unterstützt den katholischen Herrscher nicht nur in Angelegenheiten, die mit Kirche und Glauben zu tun haben, etwa bei der Beschaffung von Reliquien, sondern auch in politischen Dingen, indem er in dessen Namen Schreiben für vielfältige diplomatische Missionen 72 73
Zu diesem Schreiben s. auch S CHEIBELREITER (1989). Zu einer ausführlichen Betrachtung der ersten dieser kurzen Abhandlungen s. o. S. 157ff. Obwohl Avitus’ Schilderungen, was die Geschehnisse in Konstantinopel angeht, nicht ganz den Ergebnissen der neuzeitlichen HistorikerInnen entsprechen, sind sie doch zu nahe an dem, was wahrscheinlich passiert ist, als dass er sie hätte erfinden können. 74 In diese Richtung deuten die Nichtaufnahme von Briefen an homöische Bischöfe auf burgundischem Territorium, s. o. S. 197ff, sowie die Auswahl der Schreiben an Gundobad, s. u. S. 212.
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3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
verfasst.75 Diese sind an den Kaiser sowie die einflussreichsten Männer des oströmischen Reiches gerichtet, die überdies pro-chalcedonisch eingestellt sind, somit eher auf der Seite des römischen Papstes als auf der des Bischofs der Stadt am Bosporus stehen. Die Anliegen Sigismunds unterstützt Avitus dabei außerdem durch Gesuche in seinem eigenen Namen. Eine enge Kooperation findet weder mit dem homöischen Herrscher noch (abgesehen vom Kaiser) mit nichtkatholischen Personen in der oströmischen Hauptstadt statt, zu denen sonst ebenfalls keine Kontakte bestehen.
3.2.5 Die Schreiben an Adlige auf dem Gebiet des ehemaligen weströmischen Reiches Innerhalb des avitanischen Briefcorpus sind 21 Schreiben überliefert, die der Bischof von Vienne unter seinem eigenen Namen an 14 Aristokraten auf dem Gebiet des ehemaligen weströmischen Reiches verschickte. Der Großteil dieser Adligen lebte auf burgundischem Territorium, soweit dies erschließbar ist. Lediglich drei von ihnen erhalten mehr als einen Brief, Ansemundus, wahrscheinlich comes von Vienne, Heraclius und Apollinaris, der Sohn des Sidonius. Viele der Schreiben an die im Burgunderreich lebenden Aristokraten sind typische spätantike Briefe, die ihren Verfasser als gebildetes Mitglied der Eliten inszenieren, das die Verhaltensnormen dieser Gruppe kennt und beherrscht und daher angemessen mit anderen Angehörigen dieser Schicht kommunizieren kann. Zu nennen sind hier die Festbriefe an Ansemundus, Valerianus, Ceretius, Helladius und Ruclo, wobei abgesehen von Ansemundus jede dieser Personen nur Empfänger eines einzigen Billetts ist. Von Ruclo, Valerianus und Ceretius wissen wir allein durch diese kurzen Schreiben, Helladius wird vielleicht bei Gregor von Tours erwähnt,76 lediglich Ansemundus ist als comes von Vienne etwas besser bezeugt.77 Bei keinem dieser fünf Männer gibt es Hinweise auf politische Aktivität in Zusammenhang mit den Franken, während Arigius, der Adressat von ep. 50P = ep. 47MR, und Aurelianus, der Empfänger von ep. 37P = ep. 33MR, möglicherweise bedeutende Rollen in den Beziehungen der Burgunder mit den Franken einnahmen.78 75
Unklar bleibt, in welchen äußeren Kontexten die diplomatischen Kontakte der burgundischen Machthaber mit dem oströmischen Kaiser stattfanden: War Sigismund allein für die Beziehungen mit Konstantinopel zuständig oder nahm auch Gundobad diese Aufgabe wahr? Nahm nur ersterer die Hilfe von Avitus und anderen bei der Abfassung von Briefen in Anspruch, weil er sie benötigte, sein Vater aber nicht, oder sind entsprechende in Gundobads Auftrag entstandene Botschaften nur nicht erhalten? 76 In der Vita Iuliani; die Identifizierung ist aber nicht gesichert: Während H EINZELMANN (1982) (s.v. Helladius 2) eine Identität für möglich hält, spricht sich die PCBE (s.v. Helladius 2) eher dagegen aus; in der PLRE (s.v. Helladius 5) wird diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen. 77 Zur Person des Ansemundus und zu den an ihn gerichteten Botschaften s. o. S. 128. 78 Falls Arigius mit dem bei Gregor von Tours erwähnten Aredius zu identifizieren ist, was in den Prosopographien meist für recht wahrscheinlich oder sogar sicher gehalten wird (vgl. die entsprechenden Einträge bei H EINZELMANN (1982), s.v. Aredius (Arigius?), in der PLRE, s.v. Arigius 2 bzw. Aredius, in der PCBE, s.v. Arigius 1; s. auch S HANZER und W OOD (2002), 326f
3.2 Die Briefauswahl, oder: Was darf ein Bischof wem schreiben?
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Die beiden zuletzt genannten erhalten in jedem Fall überaus sorgfältig gestaltete Briefe. Besonders deutlich wird dies in ep. 50P = ep. 47MR, in der der Verfasser sich für seine Abwesenheit bei der Einweihung einer von Arigius errichteten Kirche entschuldigt, diese eingehend beschreibt und auf dessen Kriegstaten anspielt.79 Das Schreiben an Aurelianus ist sehr obskur und für Außenstehende praktisch unverständlich; erkennbar ist lediglich, dass es wohl einen verklausulierten Ratschlag enthält.80 Innerhalb der Kollektion ist noch ein weiteres Stück erhalten, das mit ep. 50P = ep. 47MR und ep. 37P = ep. 33MR vergleichbar ist, ep. 56P = ep. 53MR. Hierbei handelt es sich um einen Freundschaftsbrief an Messianus, einen vir illustris, über den ansonsten nichts bekannt ist.81 Auch in dieser Botschaft scheint sich Avitus auf etwas zu beziehen, was für Unbeteiligte nicht erschließbar ist. Anzuführen ist außerdem ein Brief an den bereits erwähnten Ansemundus, der den Bischof von Vienne nicht in erster Linie als Aristokraten, sondern vor allem in der Erfüllung seiner episkopalen Aufgaben präsentiert. Dieser, ep. 55P = ep. 52MR, hat ein Problem zum Gegenstand, das Kirchendisziplin mit Machtfragen verknüpft, denn es geht um einen jungen Mann, der eine Nonne geschwängert hat. Obwohl Ansemundus sich bei Avitus für ihn eingesetzt hat, sähe dieser ihn gerne für sein Verhalten bestraft – wofür er wiederum die Unterstützung des Adressaten benötigt. Der Ausgang der Angelegenheit ist unbekannt; allein die Tatsache, dass das Stück Aufnahme in die Sammlung fand, könnte jedoch ein Hinweis auf den (mindestens teilweisen) Erfolg des Bischofs von Vienne sein.82 Ebenfalls als Bischof tritt Avitus in einem der beiden Briefwechsel an Heraclius auf, epp. 53fP = epp. 50fMR. Im Zentrum dieses Austauschs steht eine theologische Diskussion des Heraclius mit dem König, wahrscheinlich Gundobad, in der er den katholischen Standpunkt verteidigt hat. Der Bischof von Vienne hat von dieser Debatte gehört, gratuliert seinem Briefpartner zu dessen Verhalten und legt ihm das Bischofsamt nahe.83 Heraclius wiederum berichtet kurz von dem Ereignis und führt
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und M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 221, in den Anmerkungen zu ep. 50P = ep. 47MR), ermöglichte er Gundobad beim Angriff der Franken 500 durch sein Auftreten als Doppelagent den Friedensschluss. Aurelianus war vielleicht ein Legat Chlodwigs, der an den Verhandlungen um die Hochzeit des fränkischen Herrschers mit der burgundischen Prinzessin Chrotechilde (oder Chlothilde) beteiligt war, vgl. die Einträge in den Prosopographien (H EINZELMANN (1982), s.v. Aurelianus 5, PLRE s.v. Aurelianus 7, PCBE s.v. Aurelianus 2). Solche Beschreibungen waren typisch für die spätantike Literatur. S. hierzu S CHWITTER (2015), 157–161, der den Bezug zu entsprechenden Schilderungen bei Sidonius herstellt. Zur Darstellung religiöser Gebäude bei Sidonius s. H ERBERT DE LA P ORTBARRÉ -V IARD (2014). Zu Predigten bei der Einweihung von Kirchen s. W OOD (1986). Eine deutsche Übersetzung und Überlegungen zu Stil und Hintergrund der Nachricht finden sich bei S CHWITTER (2015), 283–285. Vgl. die Einträge in den Prosopographien (H EINZELMANN (1982), s.v. Messianus 2, PLRE, s.v. Messianus 2, PCBE, s.v. Messianus 1). Für eine stilistische Analyse des Schreibens s. S CHWITTER (2015), 77–79. Für eine eingehende Untersuchung dieses Schreibens s. o. S. 127ff. Eventuell wurde er später tatsächlich Bischof von Saint-Paul-Trois-Châteaux, diese Möglichkeit ziehen zumindest die PLRE, s.v. Heraclius 5, die PCBE, s.v. Heraclius 2 und S HANZER
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seinen Erfolg dann auf Avitus’ Vorbildwirkung und ,Lehrtätigkeit‘ zurück. In diesem epistolaren Kontakt erscheint der Vienner folglich als guter und redegewandter Bischof, der durch seine Aktivität Häresien auch indirekt bekämpft und mit anderen Verteidigern des katholischen Glaubens in enger Verbindung steht. Darüber hinaus zeigen diese Schriftstücke Avitus als würdiges Mitglied des gallorömischen Adels, das mit anderen Angehörigen dieser Gesellschaftsschicht gute Beziehungen pflegt und ein angemessenes Verhalten an den Tag legt. Sowohl als Bischof wie als Aristokrat findet er dabei die Anerkennung anderer Mitglieder der Elite. Etwas Verwunderung erregt daher die Selektion eines weiteren Briefwechsels mit Heraclius, epp. 95fP = epp. 90fMR. In diesen recht kurzen Schreiben werden die Beteiligten zwar durch die Verwendung einer sorgsam durchstilisierten Sprache als gebildete Adlige modelliert, beleidigen sich aber gegenseitig recht heftig, was gerade für einen Mann der Kirche nicht unbedingt ein angemessenes Verhalten und außerdem nicht besonders schmeichelhaft ist. Womöglich erfolgte die Auswahl hier tatsächlich eher „zufällig“ – in dem Sinn, dass diese Nachrichten vom Kompilator im Archiv aufgefunden wurden und er eben einen weiteren sorgfältig gestalteten Teil des epistolaren Austauschs mit Heraclius anfügte.84 Unter den Laien, die innerhalb des avitanischen Briefcorpus als Empfänger auftreten, lebte nur einer auf westgotischem Territorium: Apollinaris, der Sohn des Sidonius.85 An ihn sind vier wohl teilweise verschlüsselte, in jedem Fall in einigen Passagen ziemlich obskure Schreiben adressiert. In ep. 24P = ep. 21MR bringt der Adressant seine große Erleichterung über die unversehrte Rückkehr des Apollinaris von einer offenbar heiklen politischen Mission zum Ausdruck, in ep. 36P = ep. 32MR klagt er über Augenbeschwerden, die ihm die Abfassung einer Nachricht unmöglich gemacht hätten, und äußert Freude über die wohlbehaltene Rückkehr eines nahen Verwandten, vermutlich Apollinaris’ Sohn. Gerade die letztgenannte Botschaft zeichnet sich durch eine große sprachliche Dunkelheit aus, und mit einiger Wahrscheinlichkeit spielt der Bischof von Vienne auf zahlreiche, für Dritte unverständliche Dinge an.86 Die übrigen beiden Stücke an Apollinaris, die Eingang in die Sammlung gefunden haben, epp. 51fP = epp. 48fMR, sind wahrscheinlich recht kurz hintereinander entstanden. Das erste hat den Freispruch des Adressaten von einem Spionagevorwurf sowie das literarische Schaffen des Adressanten zum Gegenstand,87 im zweiten fordert Avitus sein Gegenüber dazu auf, seinen Anklägern zu vergeben. Alle Schreiben an Apollinaris berühren also politische Angelegenheiten und präsentieren den Bischof von Vienne somit als über das aktuelle politische Geschehen informiert und mindestens indirekt beteiligt bzw. in engem Kontakt mit den jeweiligen
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und W OOD (2002), 315 in Betracht. Sollte dies der Fall gewesen sein, wäre er sehr alt geworden. Darauf könnte zudem die Positionierung der Stücke am Ende der Kollektion hinweisen. Zur Person des Apollinaris und zu den an ihn gerichteten Briefen s. o. S. 142ff. Darauf deutet zum Beispiel die Verwendung von semiplenum, 66, 17 bzw. §5 hin, vgl. S CHWITTER (2015), 261f (mit Anm. 599). Eine Detailanalyse dieses Briefs findet sich oben, S. 142ff.
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Akteuren, die er auch berät. Darüber hinaus zeichnen sie den Verfasser insofern als Angehörigen der gebildeten Elite, als er nicht nur mit anderen Mitgliedern in Verbindung steht, sondern sich auch literarisch betätigt. Auffälligerweise ist Apollinaris der einzige Briefempfänger innerhalb der Kollektion, der nicht dem Klerus angehört und dem gegenüber Avitus sein literarisches Schaffen zum Thema macht – und der außerdem als sein literarischer arbiter fungiert.88 Wie die übrigen Schreiben, in denen der Bischof von Vienne seine Literatur anspricht, zeigen, war das westgotische Gebiet vielleicht eine Art literarisches Zentrum oder galt zumindest als solches, denn alle Empfänger derartiger Nachrichten sind dort ansässig.89 Drei Botschaften sind schließlich an einflussreiche Adlige gerichtet, die hohe politische Ämter in Italien innehaben. Alle drei Briefe sind aus einem bestimmten Grund und mit einem konkreten Ziel verfasst, es handelt sich nicht um reine Freundschaftsbriefe oder um kurze Grußbilletts zur Netzwerkpflege. Ep. 35P = ep. 31MR an Liberius, einen hohen Beamten Theoderichs, der ab 510/1 PPO Galliarum war,90 ist Teil von Verhandlungen zum Freikauf von Gefangenen, eine Sache, die zu den typischen episkopalen Aufgaben gehörte.91 Die übrigen Sendungen haben mit kirchlichen Angelegenheiten zu tun. In ep. 39P = ep. 35MR bittet Avitus Senarius, patricius und 509/10 comes patrimonii in Italien,92 dafür zu sorgen, dass sein Informationsgesuch zum Akakianischen Schisma den Papst erreicht und dieser darauf antwortet.93 Ep. 34P = ep. 30MR ist ein Aufruf an zwei bedeutende römische Senatoren, Faustus und Symmachus, sich im Laurentianischen Schisma zu engagieren.94 In der Sammlung nicht vorhanden sind Nachrichten an adlige Frauen, obwohl es schwer vorstellbar ist, dass Avitus ihnen keine Schreiben zukommen ließ, wenn sie
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Als Sohn des Sidonius war er hierfür freilich geradezu prädestiniert. Außer dem Sohn des Sidonius sind dies die Bischöfe Contumeliosus von Riez, an den ep. 12P = ep. 9MR gerichtet ist, sowie Eufrasius von Clermont, der ep. 43P = 39MR erhält. Zur Person des Liberius s. die entsprechenden Einträge in H EINZELMANN (1982), s.v. Liberius 2, der PLRE, s.v. Liberius 3 und der PCBE, s.v. Liberius 1 im Gallienband, s.v. Liberius 4 im Italienband. Hierzu s. o. S. 58ff. Vgl. die entsprechenden Einträge in der PLRE sowie der PCBE. Die Anfrage um Informationen sowie die päpstliche Reaktion sind zwar nicht in der avitanischen Sammlung, aber in den Archiven des römischen Bischofs überliefert. In den modernen Avitusausgaben tragen sie die Nummern epp. 41fP = epp. 37fMR. Eine Detailanalyse des Briefwechsels findet sich oben S. 104ff. Welcher Faustus der Adressat des Schreibens ist, ist unklar; alle in Frage kommenden Kandidaten hatten jedoch hohe Ämter inne, beispielsweise das des Stadtpräfekten von Rom. Symmachus dagegen kann recht eindeutig identifiziert werden: Es handelt sich wahrscheinlich um den mehrmaligen Stadtpräfekten, Konsul und patricius Q. Aurelius Memmius Symmachus iunior, vgl. die Einträge in der PLRE (s.v. Q. Aurelius Memmius Symmachus iunior 9) und der PCBE (s.v. Q. Aurelius Memmius Symmachus iunior 6). Zum Laurentianischen Schisma s. insbesondere W IRBELAUER (1993), der 57–65 Avitus’ Brief sowie dessen Adressaten diskutiert, und B RENNECKE (2014b), 228–234; zur Verwendung der Vergangenheit als Argument im Kontext des Laurentianischen Schismas s. M C O MISH (2011).
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etwa eine Kirche gestiftet hatten, auf andere Weise als Wohltäterinnen in Erscheinung getreten waren oder ein asketisches Leben führten.95 In Bezug auf die in die Kollektion aufgenommenen Briefe an adlige Laien lässt sich damit ein ähnliches Ergebnis konstatieren wie in Zusammenhang mit den Schreiben an Bischöfe: Avitus wird als vollwertiges und anerkanntes Mitglied der adligen Netzwerke porträtiert, das zugleich seinen Aufgaben und Pflichten als Bischof nachkommt. Das Zentrum seiner Verbindungen bildet Gallien; wenn es im Rahmen seiner episkopalen Tätigkeit aber notwendig ist, erweitert er seine Kontakte darüber hinaus gerade um hochrangige Amtsinhaber des ostgotischen Königs bzw. des (ehemaligen) weströmischen Reiches. In vielerlei Hinsicht nimmt der unter dem Pseudonym Leonianus an einen vir spectabilis Sapaudus gerichtete Brief, ep. 86P = ep. 82MR, eine Sonderstellung ein. Es handelt sich um ein scherzhaftes Schreiben voller Wortwitze und literarischer Anspielungen, das unter der Maske eines einem Parasiten ähnlichen gefräßigen Klerikers verfasst ist und vielleicht zum Vortrag während eines Gastmahls gedacht war.96 Durch seine Aufnahme in die Sammlung wird Avitus als hochgebildetes Mitglied der Aristokratie modelliert, das ein diesem Status entsprechendes Verhalten an den Tag legt.
3.2.6 Die Schreiben an Könige Ein großer Anteil der innerhalb des avitanischen Corpus überlieferten Briefe ist an Könige adressiert:97 Aus der epistolaren Kommunikation mit dem homöischen burgundischen Regenten Gundobad sind wahrscheinlich zehn Nachrichten erhalten; an den zum Katholizismus konvertierten Sigismund sind ebenfalls zehn Botschaften gerichtet. Zu ergänzen ist noch das Glückwunschschreiben an den fränkischen König Chlodwig anlässlich von dessen Taufe. Der Austausch mit Sigismund zeigt vor allem Avitus’ gutes Verhältnis zu seinem katholischen Herrscher. So sind unter den zehn Stücken, deren Rezipient er ist, drei Festbriefe (epp. 76P, 77P, 79P = epp. 72MR, 73MR, 75MR), ein sehr sorg95
Als Kirchenstifterinnen sind zum Beispiel mehrere weibliche Mitglieder der burgundischen Herrscherfamilie bekannt. Gundobads Frau Caretena ließ in Lyon eine Kirche bauen und den heiligen Engeln weihen, vgl. B ONNET und R EYNAUD (2000) und wirkte offenbar als Vermittlerin zwischen ihrem Mann und den katholischen Bewohnern des burgundischen Gebiets, vgl. FAVROD (1997), 286. Ebenso war Godegisels katholische Frau Theodelinde Gründerin einer Kirche in Genf und (gemeinsam mit ihrem Mann) eines Klosters in Lyon, vgl. FAVROD (1997), 294f. 96 Mit dem Namen Leonianus bezieht der Bischof von Vienne sich wohl auf den in ep. 74P = ep. 70MR genannten Kleriker; S HANZER und W OOD (2002), 279–281 schließen hieraus, Sapaudus sei ein Deckname für Bischof Maximus von Genf, während S CHWITTER (2015), 197f (mit Anm. 301) dieser Annahme widerspricht und vermutet, es handle sich um eine Person aus dem Umfeld des Vienners. M ALASPINA und R EYDELLET (2016), 236 (Anm. 818) stellen lediglich fest, der Name beziehe sich nicht auf den bei Sidonius erwähnten Rhetor. 97 In der Kollektion des Sidonius fehlen derartige Schreiben. Zum Briefaustausch des Ambrosius von Mailand mit Kaiser Gratian s. D UVAL (2009).
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fältig komponierter humorvoller Freundschaftsbrief, ep. 32P = ep. 29MR, sowie drei Schreiben, zu deren Abfassungszeit der burgundische Herrscher sich auf einem Feldzug befand.98 In einer dieser drei Nachrichten entschuldigt der Adressant sich dafür, den Empfänger nicht mehr angetroffen zu haben, bevor dieser in den Krieg gezogen ist, in den übrigen beiden, epp. 91fP = epp. 86fMR, erkundigt er sich nach dessen Wohlergehen, äußert seine Sorge um dessen Gesundheit und verspricht Fürbittgebete. Wiederholt wird dabei Sigismunds katholischer Glaube Thema, unter anderem als gemeinschaftsstiftendes Merkmal zwischen beiden Briefpartnern. So kritisiert Avitus in ep. 77P = ep. 73MR dessen Entscheidung, Ostern mit seinem nichtkatholischen Vater zu feiern, dezidiert nicht mit der Begründung, Sigismund könne die eine Kirche überall lieben (Vnam in utraque ciuitate uestra ecclesiam perinde diligitis, 92, 23 bzw. §2); zudem sei es geschickt, sich nach ihm zu richten, bis er einer Konversion zustimme (pio patri, in quantum expedit, donec uos ad quamlibet sequi consentiat, adhaeretis, 92, 24 bzw. §2). In ep. 45P = ep. 41MR führt er den gemeinsamen katholischen Glauben als Grund an, warum der Empfänger besonders an ihn denke (respectum mei sensibus uestris tenacius adhaesurum, quo eum uobis amor catholicae legis infudit, 74, 24f bzw. §4), und in epp. 91fP = epp. 86fMR schließlich begründet er seine Besorgnis um Sigismund mit dessen katholischem Glauben und versichert ihn speziell der Gebete der katholischen Bevölkerung (ep. 91P = ep. 86MR, 99, 9f bzw. §2; ep. 92P = ep. 87MR, 99, 18–22 bzw. §1). Eine wichtige Rolle spielen Fragen, die sich aus der Existenz verschiedener christlicher Konfessionen auf dem Gebiet der burgundischen Herrschaft ergeben, in zwei weiteren Nachrichten an den katholischen Herrscher: In ep. 23P = ep. 20MR berichtet der Bischof von Vienne dem Rezipienten von einer religiösen Debatte, die er selbst mit dessen Vater geführt hat, in ep. 31P = ep. 28MR geht es um Aktivitäten einiger Bonosianer, nach denen Avitus sich erkundigt. In beiden Stücken wird deutlich auf das katholische Bekenntnis des Empfängers Bezug genommen, der sich zugunsten der katholischen Kirche oder sogar ganz konkret für den Verfasser einsetzen soll. Ep. 49P = ep. 46MR präsentiert den Vienner als auch in die burgundische Diplomatie involviert, denn in diesem Brief geht es um Sprache und Stil einer Botschaft, die nach Konstantinopel gesandt werden soll, und um eine Geisel. Alle Botschaften an Sigismund sind sprachlich und stilistisch sorgfältig gestaltet und enthalten zahlreiche epistolare Topoi. Sie stellen den Bischof von Vienne als Berater und Vertrauten Sigismunds vor Augen, der zu seinem katholischen Herrscher eine verhältnismäßig enge und herzliche Beziehung hat. Bisweilen erscheinen beide Briefpartner als Verbündete im katholischen Glauben angesichts der häretischen Strömungen auf burgundischem Gebiet. Theologische Fragen oder exegetische Probleme werden im Austausch Sigismunds mit Avitus, wie ihn die Sammlung bewahrt hat, nicht zum Thema; ebenso wenig wird der Bischof als Mentor oder Glaubensleh98
Auf welche Kampagne der Vienner sich bezieht, ist unklar, ebenso, ob es sich in allen Stücken um dieselbe handelt.
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rer dieses Adressaten modelliert.99 Das katholische Bekenntnis wird zwar immer wieder als verbindendes Element herangezogen, über Glaubensinhalte wird jedoch nicht gesprochen. Gegenstand der Schreiben werden lediglich mehr oder weniger konkrete Ereignisse. Völlig anders stellt sich die Lage freilich in der Kommunikation des Avitus mit dem homöischen Gundobad dar. Innerhalb der Kollektion sind wahrscheinlich neun Stücke erhalten, die an Gundobad gerichtet sind, sowie eines, in dem dieser den Bischof nach der Interpretation einer Bibelstelle fragt. In den Schreiben dominieren theologische und exegetische Gegenstände verschiedenster Art. Die Brieftraktate Contra Eutychianam Haeresim I und II, epp. 2fP, behandeln die Person Christi, in Absetzung von theologischen Ansichten, die der Vienner in Konstantinopel ansässigen Häretikern zuschreibt.100 Ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt sich ep. 30P = ep. 27MR, ausgehend von einer Frage, die Gundobad nach einem Konzil in Lyon stellte. Mit der Natur des Heiligen Geistes, die der Bischof von Vienne in c. Arr. 30 = ep. 92MR erörtert, wird ein weiterer Aspekt der Trinität Teil der theologisch ausgerichteten Briefe. Sowohl in ep. 6P = ep. 3MR101 als auch in ep. 22P = ep. 19MR werden Fragen des burgundischen Königs zur Auslegung von Bibelstellen beantwortet. Das zuerst angeführte Schreiben nutzt Avitus als Gelegenheit, den Adressaten zur Konversion zu drängen; beim zweiten fand Gundobads Bitte um Auskunft, ep. 21P = ep. 18MR, ebenfalls Aufnahme in die Sammlung.102 Ein weiteres theologisches Problem bildet den Gegenstand von ep. 4P = ep. 1MR, die Reue und Buße auf dem Totenbett.103 Alle innerhalb des avitanischen Corpus erhaltenen Briefe an Gundobad, in denen der Vienner theologische und/oder exegetische Themen erörtert, sind in Reaktion auf eine Frage seitens des Herrschers entstanden,
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Diese Rolle nahm gegenüber Sigismund wohl eher Bischof Maximus von Genf ein. Ob Avitus und Sigismund sich tatsächlich nicht über theologische und exegetische Gegenstände austauschten oder ob sich davon nur keine Spuren erhalten haben, ist unklar; als Indiz für den letzteren Fall könnte eventuell die Tatsache gewertet werden, dass gerade dieser Punkt in der Kommunikation mit Sigismunds homöischem Vater vorherrschend ist, während Sigismund selbst schon bald nach seinem Tod als Heiliger verehrt wurde. Hierzu s. K AISER (2004b). Eine Detailuntersuchung des erstgenannten Briefes findet sich oben, S. 157ff. Beide Texte sind in Zusammenhang mit dem Akakianischen Schisma entstanden. M ALASPINA und R EYDELLET haben sie nicht in ihre Ausgabe aufgenommen. Die Überschrift des Briefs lautet Epistola Aviti episcopi ad domnum regem facta, ermöglicht also keine eindeutige Identifikation des Empfängers. Allerdings besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es Gundobad war, denn das Schreiben folgt in den Manuskripten auf weitere an Gundobad gerichtete Briefe und die Verwendung von Abraham als Vorbild legt ein fortgeschrittenes Alter des Rezipienten nahe. Hierzu s. S HANZER und W OOD (2002), 212f. Vielleicht ist nur der Abschnitt erhalten, in dem der burgundische Herrscher seine Frage stellte, vgl. B URCKHARDT (1938), 6f. Dies war deswegen prekär, weil in der Spätantike eine öffentliche Buße nur einmal im Leben möglich war. Viele Gläubige verschoben sie daher auf ihr Sterbebett. Kompliziert wurde es dann, wenn sie etwa von einer schweren Krankheit wieder genasen und nun eigentlich nicht mehr sündigen durften, vgl. G REER (2007), 580f. Zur Buße allgemein s. C. VOGEL (1952) und C. VOGEL (1966) sowie U HALDE (2008). Speziell zu ep. 4P = ep. 1MR s. N ODES (1988).
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und der Bischof von Vienne fordert ihn sogar dazu auf, sich von seinen homöischen Klerikern zu trennen bzw. selbst zu konvertieren.104 Lediglich zwei Botschaften, in denen es nicht um derartige Sachverhalte geht, sind Teil der Kollektion geworden. Ep. 5P = ep. 2MR ist ein Trostbrief an den homöischen Regenten anlässlich des Todes seiner Tochter; in ep. 44P = ep. 40MR schließlich wendet sich Avitus an den Adressaten aufgrund eines Sklaven, der Zuflucht in einer Vienner Kirche gesucht hat, und wegen eines Vorwurfs gegen ihn selber.105 Nicht vorhanden sind Sendungen an Gundobad, in denen es um andere Angelegenheiten geht, beispielsweise Fest- und Freundschaftsbriefe. Damit ergibt sich aus den an ihn gerichteten Schreiben folgendes Porträt des Avitus: Er ist dem homöischen Adressaten gegenüber zwar nicht feindlich gesinnt und hält den Kontakt mit ihm aufrecht, allerdings auf eine freundlich-distanzierte Weise. Eine enge Beziehung wie etwa zu Sigismund besteht nicht, ebenso wenig fungiert Avitus als Berater Gundobads in politischen oder diplomatischen Angelegenheiten. Er arbeitet jedoch eifrig daran, sein Gegenüber zur Konversion zu bewegen, stellt ihm immer wieder ausführlich Glaubensinhalte der katholischen Lehre vor, widerlegt nichtkatholische Gegner und beantwortet Gundobads Fragen zu Bibelstellen. Auf diese Weise wird Avitus als katholischer, orthodoxer Bischof modelliert, der für seinen Glauben auch gegenüber weltlichen Machthabern eintritt. Sind diese katholisch, pflegt er ein herzliches Verhältnis zu ihnen, sind sie nicht katholisch, bewahrt er eher Distanz. Dieses Bild ist wahrscheinlich das Ergebnis einer bewussten Auswahl der Briefe. Zunächst scheint es wenig plausibel, dass der Bischof von Vienne an einen der obersten Machthaber der Region keine Festbilletts geschickt hat. Sucht man nach einem Grund, warum diese keinen Eingang in die Kollektion fanden, liegt Gundobads homöische Konfession nahe, denn im Unterschied zu ihm erhält sein katholischer Sohn Sigismund solche Schreiben. Bei Gregor von Tours wird Gundobads „arianisches“ Bekenntnis zweimal hervorgehoben, einmal in Franc. 2, 32,106 ein zweites Mal in Franc. 2, 34, wo Gundobad als verstockter Arianer gezeichnet wird, der die Wahrheit des katholischen Glaubens zwar erkannt hat, aus Angst vor seinen Untertanen aber nicht konvertiert.107 Offensichtlich waren in den Augen des Kompilators freundschaftliche Kontakte zu einem solchen häretischen Herrscher dem Image eines katholischen Bischofs wenig zuträglich; dieser sollte sich wohl nur an den homöischen Gundobad wenden, um ihn zu bekehren, zumal das Thema Orthodoxie und Häresie auch im Gallien des 6. Jahrhunderts noch zentral gewesen zu
104 In c. Arr. 30 = ep. 92MR, 14, 36–15, 4 bzw. §16 und in ep. 6P = ep. 3MR, 34, 32–35, 5 bzw. §9f. 105 Zum Kirchenasyl in Zusammenhang mit Sklaven s. D UCLOUX (1994), 237–250; G AUDEMET (1994), 195f. 106 Erant autem tam ille [i.e. Gundobadus] quam populi eorum [i.e. Gundobadi et Godigisili] Arrianae sectae subiecti. 107 Bei Gregor weigert sich Avitus, Gundobad zu salben und ihm so einen heimlichen Übertritt zum Katholizismus zu ermöglichen, obwohl dieser inständig darum bittet.
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sein scheint, wie nicht nur Gregor von Tours’ Werk zeigt.108 Entsprechende Selektionskriterien werden ebenso bei der Überlieferung von Ausonius’ Ephemeris deutlich, bei der antiarianische Verse getilgt wurden,109 und lassen sich möglicherweise außerdem bei der Zusammenstellung und Tradierung der Akten der zweiten Synode von Arles nachweisen.110 In die Kategorie „Könige“ fällt noch eine dritte Person, die in der avitanischen Kollektion als Adressat auftritt, der fränkische Herrscher Chlodwig. Nur ein einziger an ihn gerichteter Brief ist tradiert, ep. 46P = ep. 42MR, ein Glückwunschschreiben, das Avitus anlässlich von Chlodwigs (katholischer) Taufe versandte. Die Aufnahme in die Sammlung stellt den Vienner als einflussreichen katholischen Bischof vor Augen, der auch über zentrale Ereignisse im „Ausland“ informiert wird, daran Anteil nimmt und bei solchen Gelegenheiten den Kontakt herstellt. Insbesondere bringt das Schreiben den Adressanten mit einem offenbar als zentral empfundenen Ereignis in Verbindung und insinuiert seine Beteiligung, die bei näherer Betrachtung freilich nicht gegeben ist.111
3.2.7 Zwischenfazit: Das durch die Auswahl gezeichnete Avitusporträt Auf der Grundlage der für die Sammlung ausgewählten Schreiben ergibt sich folgendes Bild des Bischofs von Vienne: Er ist ein hochgebildetes Mitglied der kirchlichen wie der säkularen Eliten, das die entsprechenden Verhaltensnormen kennt und sich, 108 Gerade in Gregors Historien nimmt „Arianismus“ eine wichtige Stellung ein; über dessen Funktion gibt es in der Forschung zahlreiche Ansichten, genannt seien hier exemplarisch K EELY (1997), die seine Aufgabe in der Stärkung der eigenen Identität innerhalb der katholischen Kirche sieht, H EINZELMANN (1998), der Häresie bei Gregor als Bruch der göttlichen Ordnung der Gesellschaft, die dem Bischof zu gehorchen hat, interpretiert, und JAMES (2009), der den „Arianismus“ im Kontext von Gregors Darstellung seiner eigenen episkopalen Macht sieht. M OOR HEAD (1995) führt einige Beispiele für Gregors tendenziösen Umgang mit seinen Quellen an. So präsentiert der Bischof von Tours etwa „arianische“ Herrscher besonders negativ und stellt Katholiken als den „Arianern“ überlegen dar, zum Beispiel in der Fähigkeit, Wunder zu wirken. 109 Vgl. AULL (2017), 138f, der kommentiert: „Potentially this offers a fascinating example of how late antique religious identities could shape the transmission of literary texts.“ – hier stellt sich der Sachverhalt freilich genau andersherum dar. 110 Vgl. M ATHISEN (1997b), 553f. 111 Chlodwigs Taufe ist bei Gregor von Tours (Franc. 2, 31) ausführlich geschildert. In ep. 46P = ep. 42MR schreibt Avitus lediglich, er habe Nachricht erhalten, dass Chlodwig Taufbewerber sei (ad nos sublimissimae humilitatis nuntius, qua competentem uos profitebamini, peruenerit, 75, 27f bzw. §7); ob diese an ihn persönlich gerichtet war oder eine Art Rundschreiben an alle katholischen Bischöfe Galliens darstellte, geht aus der Formulierung nicht hervor. Ebenso wenig ist aus dem Brieftext ersichtlich, ob er zur Taufe eingeladen war: In cuius ministeriis si corporaliter non accessi, gaudiorum tamen communione non defui, 75, 24f bzw. §7 sagt Avitus lediglich, er sei bei den Feierlichkeiten nicht dabei gewesen. Das Spiel mit geistiger Anund körperlicher Abwesenheit ist ein gerade in epistolaren Kontexten zu häufig vorkommender Topos, um daraus auf eine Einladung zur Tauffeier zu schließen, zumal der Adressant sich nicht für seine Abwesenheit entschuldigt. Eine Detailinterpretation des Schreibens findet sich bei H EIL (2014).
3.2 Die Briefauswahl, oder: Was darf ein Bischof wem schreiben?
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diesen folgend, in jeder Hinsicht seinem Status entsprechend benimmt, angemessen kommuniziert und von seinen Peers anerkannt und respektiert wird. Im Umgang mit Mitgliedern des Klerus kristallisieren sich dabei vor allem zwei Schwerpunkte heraus. Der erste ist seine herausragende Stellung allgemein, die sich letztlich auch in seinem Amt als Metropolit manifestiert, der zweite seine Orthodoxie. Seine besondere Position wird in der Kommunikation mit seinen Suffraganbischöfen dadurch deutlich, dass er mit ihnen umso mehr Kontakt hat, je höher ihr Prestige ist; ein Austausch mit Klerikern, die einem niedrigerem Stand als dem Episkopat angehören, findet praktisch nicht statt – es sei denn, diese werden später Bischöfe. Abgesehen davon wird das Verhältnis zwischen Avitus und seinen Suffraganen als sehr gutes modelliert. Die jeweiligen Briefpartner gehen freundlich miteinander um, nichtsdestotrotz sorgt der Metropolit aber für eine Einhaltung und Durchsetzung der Ordnung. Gegenüber den verschiedenen Adressaten nimmt er unterschiedliche Rollen ein, beispielsweise die des Ansprechpartners und Bruders gegenüber Apollinaris, wobei er stets dem Rezipienten gleich gestellt oder überlegen erscheint.112 Ebenso lädt er als Metropolit zur Synode von Epaon ein. Im Auftreten gegenüber dem anderen Metropoliten auf burgundischem Gebiet, dem jeweiligen Inhaber des Sitzes von Lyon, gibt es klare Unterschiede: Einmal wird der Vienner eher überlegen, einmal etwa auf derselben Ebene präsentiert. So macht er Stephanus von Lyon Vorwürfe wegen dessen Verhaltens im Umgang mit Häretikern und beantwortet dessen Fragen, mit Viventiolus von Lyon dagegen verbindet ihn offensichtlich eine herzliche Freundschaft. Dabei wird seine Orthodoxie nicht nur im Umgang mit dem erstgenannten Amtsinhaber deutlich, sondern auch daran, dass er keine Verbindungen zu homöischen Klerikern gleich welchen Standes pflegt. Avitus ist jedoch nicht nur Teil der Gemeinschaft der burgundischen Bischöfe, sein episkopales Netzwerk reicht über das burgundische Gebiet hinaus. In der Kommunikation mit seinen im westgotischen Territorium lebenden Amtskollegen wird er dabei meist eher als gallorömischer Aristokrat denn als Bischof gezeichnet, da in den Schreiben an sie weniger kirchenpolitische und -organisatorische als literarische Themen vorherrschen. Epistolare Verbindungen bestehen außerdem zu bedeutenden Klerikern im ostgotischen Bereich des (ehemaligen) weströmischen Reiches. An diese schreibt Avitus jedoch nur dann, wenn es einen konkreten Anlass und Grund gibt, etwa den Freikauf von Gefangenen. Damit wird der Vienner als Angehöriger der ekklesialen Eliten gezeigt, dessen Netzwerk seinen Schwerpunkt in Gallien hat, aber nicht darauf beschränkt ist. Bei Bedarf ist die Kommunikation des Bischofs mit weiter entfernten herausragenden Amtsinhabern problemlos möglich, und er nutzt diese Kontakte, um seinen episkopalen Aufgaben nachzukommen. Alle Sachverhalte, die das Porträt des Avitus als bedeutender Bischof gefährden könnten, werden in der Sammlung ausgespart. Hierzu gehören zum Beispiel die Auseinandersetzungen zwischen Arles und Vienne um den Primat in Gallien, 112 Nicht er ist beispielsweise derjenige, der fragt oder ratlos ist, sondern immer der andere.
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3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
die weder im Briefwechsel mit Caesarius von Arles noch im Austausch mit den Päpsten in Rom Thema werden. Als Gegenstand der Schreiben an den Papst und andere Patriarchen fungieren innerhalb der Kollektion fast ausschließlich Reliquien. In diesem Kontext wird der Vienner insbesondere als Unterstützer des katholischen burgundischen Herrschers Sigismund gezeigt. Als dessen Berater erscheint er zudem durch die Briefwechsel mit Adressaten in Konstantinopel. Abgesehen von Sigismunds diplomatischer Korrespondenz und weiteren Schreiben, die zur Unterstützung von dessen Anliegen verschickt werden, pflegt Avitus keine Kontakte mit Einwohnern der Stadt am Bosporus. Auf diese Weise wird er als orthodox inszeniert, da er zu einer Zeit, zu der ein Schisma zwischen den Kirchen von Rom und Konstantinopel besteht, Verbindungen mit Schismatikern vermeidet. Dieses Bild setzt sich allgemein gegenüber den burgundischen Machthabern fort: Während der Bischof von Vienne als Ratgeber und Unterstützer des katholischen Sigismund vor Augen gestellt wird, zu dem er eine herzliche und freundschaftliche Beziehung hat, in der der katholische Glaube ein gemeinschaftsstiftendes Merkmal ist, wird sein Verhältnis zum homöischen Gundobad zwar freundlichhöflich, aber distanziert gezeichnet. In den an Gundobad adressierten Botschaften sind theologische und exegetische Themen vorherrschend, und Avitus versucht immer wieder, ihn zur Konversion zum Katholizismus zu bewegen. Die Kontakte gehen dabei nicht von ihm selbst aus, sondern erfolgen stets in Reaktion auf eine Anfrage oder Aufforderung des homöischen Herrschers. In manchen Aspekten ist das Avitus-Porträt, das durch seine Kommunikation mit adligen Laien entsteht, demjenigen in der Kommunikation mit seinen Amtskollegen vergleichbar. Er wird als Angehöriger der aristokratischen Netzwerke modelliert, der den Code beherrscht und sich gerade in seinen Briefen entsprechend verhält, wie die Festbilletts und die teilweise sehr obskuren Freundschaftsbriefe zeigen. Darüber hinaus versucht er als Bischof, auch gegenüber den Aristokraten die Kirchendisziplin durchzusetzen, und ist in diesem Kontext ebenfalls zumindest indirekt am Kampf gegen Häresien beteiligt. Ähnlich wie bei den Kontakten mit Bischöfen wird hier Literatur lediglich in einem Schreiben an den auf westgotischem Gebiet wohnenden Apollinaris thematisiert. Ebenso wie es bei Avitus’ Schreiben an die italienischen Bischöfe der Fall ist, wendet sich der Vienner an die Adligen in Italien lediglich mit konkreten Anliegen, die seine Pflichten als Bischof mit sich bringen. Wie die ekklesialen Kommunikationsnetzwerke scheinen folglich auch die säkularen auf Gallien zentriert; falls es nötig wird, kann der Bischof von Vienne jedoch ohne Weiteres seine Kontakte ausdehnen und sich an hohe Beamte wenden, um seine Ziele zu erreichen. Insgesamt wird Avitus in der auf ihn zentrierten Sammlung mit einigen bedeutenden Ereignissen und Persönlichkeiten seiner Zeit in Verbindung gebracht. Hierzu können sein Engagement im Laurentianischen und im Akakianischen Schisma genauso wie sein Glückwunsch an Chlodwig anlässlich von dessen Taufe gezählt werden. So wird er als wichtiger und anerkannter Akteur in kirchlichen ebenso wie in weltlichen Kontexten porträtiert.
3.3 Die Briefanordnung: Nuancen und Akzente
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An dieser Stelle bietet sich ein erster Vergleich mit anderen spätantiken Briefcorpora an, etwa demjenigen des Ambrosius von Mailand. Das Bild des Vienners, das durch die Briefauswahl zustande kommt, ist dem, das dieser durch seine Sammlung zeichnen möchte, recht ähnlich. Ambrosius will seine vielfältige pastorale Aktivität zeigen und präsentiert darüber hinaus seine Autorität als Metropolit und seine herausgehobene Rolle als Zentrum des sozialen Netzwerks der italienischen Bischöfe sowie als Schiedsrichter, Vermittler und Fokus in den Angelegenheiten der norditalienischen Kirche.113 Betrachtet man dagegen die epistolare Kollektion des Sidonius Apollinaris, so ging es diesem wohl vor allem um die Darstellung seines politischen Wirkens und um seinen literarischen Ruhm – beides freilich nicht nur als Inhaber hoher politischer Ämter, sondern auch in seiner späteren Funktion als Bischof von Clermont. Zentral hierfür waren für ihn die Bezüge auf die Literatur und Kultur der Antike.114 Als Adressaten derjenigen Schreiben, die er in seine Sammlung aufnahm, fungieren fast ausschließlich gallorömische Kleriker und Aristokraten sowie politische Anführer der Westgoten und Burgunder,115 sodass der Kreis seiner Rezipienten lokal stärker beschränkt erscheint als derjenige des Avitus.
3.3 DIE BRIEFANORDNUNG: NUANCEN UND AKZENTE Eine bestimmte Darstellung der Hauptperson erreicht die avitanische Kollektion nicht nur durch die Selektion der einzelnen Stücke, sondern auch durch deren Anordnung. Mittels der Reihenfolge der Briefe, die in den verschiedenen Manuskripten nicht völlig identisch ist, können zusätzlich Schwerpunkte gesetzt und manche Aspekte besonders hervorgehoben, andere eher verschleiert werden. Gleiches gilt für die Einteilung der Sammlung in Bücher. Auf welche Weise diese Mittel im epistolaren Corpus des Avitus eingesetzt werden, ist Gegenstand der folgenden Ausführungen.
3.3.1 Die Reihenfolge der Briefe Wie B URCKHARDT (1938), 8f konstatiert, erscheint die um Avitus zentrierte Kollektion auf den ersten Blick kaum geordnet. Ebenso wenig sieht B URCKHARDT nach seiner Analyse der Briefsequenz einen Gesamtplan hinter ihrer Anlage, da sie 113 Vgl. NAUROY (2017), 151; 153. Zu einem ähnlichen Schluss kommt S EMMLINGER (2018), die vom Bild eines christianus perfectus bzw. episcopus perfectus spricht. Ob bzw. inwieweit diese Darstellung des Mailänders diejenige des Vienners beeinflusste, ist nur schwer zu sagen und bedarf weiterer Forschung. Naheliegend ist in jedem Fall ein Bestreben, Avitus (auch) als episcopus perfectus zu präsentieren. 114 S. hierzu etwa M RATSCHEK (2008) und G IBSON (2013b). Themen wie die Auslegung und Diskussion von Bibelstellen oder der Kampf gegen Häresien sind in seinen Briefen allenfalls indirekt präsent. 115 Vgl. M RATSCHEK (2017), 311.
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3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
weder durchgehend chronologisch116 noch nach Empfängern geordnet angelegt sei; er stellt aber fest, dass sich an einigen Stellen kleine Gruppen von Briefen nach bestimmten Kriterien zusammenfassen lassen, zu denen beispielsweise ein Schreiben und seine Antwort, mehrere aufeinanderfolgende Botschaften an denselben Adressaten oder ein gemeinsames Thema zählen.117 Hieraus schließt er auf eine ordnende Hand, die zumindest im Kleinen gewirkt habe. Ähnlich wie B URCKHARDT sind S HANZER und W OOD (2002), 30f der Ansicht, der avitanischen Briefsammlung fehlten übergreifende Ordnungsprinzipien, auch sie bemerken jedoch „meaningful units“, die etwa nach Empfänger oder Brieftyp kombiniert sind. Diese „meaningful units“ überschneiden sich in L und S weitgehend; zudem ist ihre relative Abfolge beinahe dieselbe.118 S HANZER und W OOD folgern aus diesen Gegebenheiten, es habe eine ursprüngliche Anordnung der Schreiben gegeben, die freilich nicht auf einen gebundenen Kodex, sondern letztlich auf die Sortierung der Briefe innerhalb des Archivs zurückgehe und damit einen Einblick in die Ordnungs- und Kategorisierungssysteme der Zeit ermögliche.119 Sie stellen aber keine weiteren Überlegungen zur Reihenfolge der verschiedenen Einheiten an.120 Auch wenn die einzelnen Stücke innerhalb des avitanischen Corpus keineswegs so sorgfältig und durchdacht angeordnet sind wie beispielsweise in der Briefsammlung des Sidonius,121 ist trotzdem ebenso wenig von einer rein zufälligen oder willkürlichen Aneinanderreihung einzelner Briefstapel oder -gruppen, die in den Vienner Archiven vorgefunden wurden, auszugehen.122 Diese zumindest bis zu einem gewissen Maß geplante Anordnung der Schreiben hat Auswirkungen auf das Bild des Avitus, das die Kollektion präsentiert.
116 Wie G IBSON (2012), 61f zeigt, scheint das chronologische Prinzip freilich für die Strukturierung antiker und spätantiker Briefsammlungen eher nachgeordnete Bedeutung gehabt zu haben. Hierzu s. auch oben, S. 25ff. Zumindest eine ungefähre chronologische Anordnung, in jedem Fall eine sorgfältige Organisation, konstatiert aber M ATHISEN (2017), 340 für das erste Buch der Briefsammlung des Ruricius von Limoges. 117 Etwa epp. 13fP = epp. 10fMR, ein Schreiben von Avitus’ Bruder Apollinaris und Avitus’ Reaktion, epp. 4–6P = epp. 1–3MR an Gundobad oder epp. 16–18P = epp. 13–15MR zu einem Inzestfall in der Diözese des Victorius. Hierzu s. B URCKHARDT (1938), 16–21. Ähnliches konstatiert D IVJAK (1983) für die Briefe Augustins; in Bezug auf Anlage und Überlieferung der augustinischen Kollektion zieht er daraus die gleichen Schlüsse wie S HANZER und W OOD bei Avitus. 118 Ein tabellarischer Überblick findet sich in S HANZER und W OOD (2002), 31–35, eine genaue Aufschlüsselung sowie ein Vergleich der Manuskripte L und S auf den Seiten 36–39. In der Kollektion des Johannes Chrysostomus lassen sich ebenfalls verschiedene Untergruppen von Briefen feststellen, vgl. M AYER (2015), 130f. 119 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 43–45; 56. Eine Komposition mancher Bücher der sidonianischen Sammlung auf der Grundlage solcher archivalischer Dossiers, die aneinandergereiht wurden, vermutet M ATHISEN (2014). 120 Abgesehen von Darlegungen zu Unterschieden zwischen den einzelnen Manuskripten in der Briefsequenz sind solche auch bei M ALASPINA und R EYDELLET (2016) nicht vorhanden. 121 Wie genau dieser sich etwa in der Gestaltung der einzelnen Briefbücher an Plinius orientierte, arbeitet G IBSON (2013b) heraus. 122 S. hierzu außerdem die Überlegungen zur Briefauswahl, oben S. 193f.
3.3 Die Briefanordnung: Nuancen und Akzente
219
Wie bereits erwähnt,123 werden durch die Selektion der Schreiben vor allem zwei Hauptpunkte bei der Modellierung der Person des Avitus (insbesondere im Umgang mit Klerikern) hervorgehoben. Der erste ist seine herausragende Stellung und seine Position als Metropolit, der zweite seine Orthodoxie. Gerade diese beiden Schwerpunkte scheinen durch die unterschiedliche Eröffnung der Kollektion in L und S auf verschiedene Art betont zu werden. Während das erste Stück in L ep. 89/90P = ep. 85MR ist, die Einladung zur Synode von Epaon, der Bischof von Vienne hier also besonders in seiner Rolle als Metropolit auftritt, beginnt die Sequenz in S mit c. Arr. 30 = ep. 92MR, dem kurzen Brieftraktat Contra Arrianos. In dieser Handschrift wird somit zunächst sein theologisches Wirken, insbesondere sein Eintreten für den rechten katholischen Glauben, ins Zentrum gerückt. Dieser Aspekt wird in S durch die unmittelbar folgenden epp. 2fP (Contra Eutychianam Haeresim I und II) unterstrichen und ausgeweitet: Der Vienner kämpft nicht nur gegen die Häresien in seiner unmittelbaren Umgebung, sondern auch gegen andere, weiter entfernt verortete häretische Strömungen.124 Diese drei Stücke bilden nach S HANZER und W OOD das erste „meaningful unit“, das aufgrund des Adressaten, Gundobad,125 – und des Themas – zusammengehört. Die entsprechenden Schreiben folgen in L ebenfalls unmittelbar aufeinander, sind dort jedoch ganz am Ende der Sammlung eingeordnet, vielleicht als angemessener Abschluss. Die nächste Einheit, in S nach den drei antihäretischen Traktatbriefen, in L nach der Einladung zur Synode von Epaon, bilden drei ebenfalls an Gundobad gerichtete Briefe, epp. 4–6P = epp. 1–3MR,126 eine weitere theologische Abhandlung, nun zur Buße auf dem Totenbett, ein Trostbrief sowie die Erläuterung einer Bibelstelle. Damit wird Gundobad als bedeutender Adressat avitanischer Botschaften präsentiert, der Adressant somit als Bischof, der über gute Kontakte zum weltlichen Machthaber verfügt und dessen Lehrer im Glauben ist. Abgesehen davon erscheint Avitus nicht nur als guter Theologe, sondern darüber hinaus als Verteidiger des Katholizismus und Kämpfer gegen Häresien, der sich für die Konversion des homöischen Herrschers zum Katholizismus einsetzt. Thematisch recht gut daran anschließend folgt (zumindest in S) ein weiterer Brieftraktat, ep. 7P = ep. 4MR an Victorius, den Bischof von Grenoble, der den Umgang mit homöischen Kirchen, deren Eigentümer katholisch geworden sind, behandelt. Dieser präsentiert Avitus als führenden Bischof, der beim Verhalten gegenüber den Homöern auf burgundischem Gebiet Maßstäbe setzt. Vor dieser Abhandlung findet sich in L ep. 34P = ep. 30MR, in der der Bischof von Vienne sich an zwei ein123 Oben, S. 215. 124 In seinem Einsatz für den katholischen Glauben wird er damit durchaus mit anderen Kirchenvätern, beispielsweise Ambrosius von Mailand, vergleichbar; in dessen Briefsammlung macht indes ein Schreiben den Anfang, in dem er als Antwort auf eine entsprechende Frage eine Bibelstelle auslegt, vgl. NAUROY (2012), 63. Obwohl das Ambrosiusbild dem des Avitus in vielerlei Hinsicht ähnlich ist, sah der Mailänder Bischof offensichtlich in der Interpretation der Heiligen Schrift den zentralen Aspekt seiner episkopalen Tätigkeit und wollte gerade als gefragter Exeget wahrgenommen werden. 125 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 36f. 126 Ep. 6P = ep. 3MR fehlt freilich in S.
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flussreiche römische Senatoren wendet und versucht, diese zu einem Engagement im Laurentianischen Schisma zu bewegen. Hierdurch wird seine Rolle als Metropolit, der auch „international“ auftritt und dabei als Vertreter seiner Amtskollegen spricht, weiter betont; in gewisser Weise wird so das durch ep. 89/90P = ep. 85MR zu Beginn von L gezeichnete Bild variiert und ergänzt.127 Ep. 8P = ep. 5MR fehlt in L wie in S; in beiden Handschriften ist nach ep. 7P = ep. 4MR ep. 9P = ep. 6MR das nächste Schreiben. Dieses führt eine durch ep. 7P = ep. 4MR eröffnete Reihe von Nachrichten aus der Kommunikation mit Bischöfen fort, die letztlich erst mit ep. 19P = ep. 16MR bzw. ep. 20P = ep. 17MR endet.128 In jedem Fall präsentieren diese Briefe Avitus im Austausch mit anderen Klerikern und bei der Erfüllung seiner episkopalen Aufgaben.129 Hierzu gehören etwa seine Beteiligung am Freikauf von Gefangenen (ep. 10P = ep. 7MR und ep. 12P = ep. 9MR), der Versand von Empfehlungsbriefen (epp. 11fP = epp. 8fMR) und die Erteilung von Ratschlägen, in persönlichen Angelegenheiten (epp. 13fP = epp. 10fMR und ep. 19P = ep. 16MR) ebenso wie in Fragen der Kirchendisziplin (epp. 16–18P = epp. 13–15MR). Ep. 15P = ep. 12MR stellt den Bischof von Vienne in einer typischen Briefsituation (dem Gespräch über Literatur und einen Besuch) mit einem Amtskollegen vor und kann als Nachweis für eine gute Beziehung zu diesem dienen. Eine Differenzierung nach Bischofssitzen, also nach der Region, in die die Briefe geschickt wurden, ist hier – anders als dies bei der Untersuchung der Briefselektion der Fall war – nicht erkennbar. Zumindest in den ersten etwa 20 Stücken der Kollektion werden entsprechende Unterschiede somit eher verwischt als hervorgehoben. Insgesamt wird Avitus in diesen Schreiben als guter Bischof modelliert, der bei seinen Amtskollegen anerkannt ist und die mit seinem Amt verbundenen Pflichten erfüllt. Vor allem in S erscheint er darüber hinaus als orthodoxer katholischer Theologe und Kämpfer gegen Häresien, während dieser Aspekt in L weniger deutlich hervortritt. In diesem Manuskript steht stattdessen, im Gegensatz zu S, die Position des Vienners als Metropolit im Fokus. Bei den sich anschließenden zwölf Stücken findet eine leichte Verschiebung der Themen statt; zudem treten einige Laien (Apollinaris, der Sohn des Sidonius und ein Verwandter des Avitus, sowie Sigismund) als Rezipienten hinzu. Einer der vorherrschenden Gegenstände der Botschaften sind Reliquien, um deren Erwerb sich der Bischof von Vienne im Auftrag Sigismunds kümmert oder woran er zumindest 127 Damit ist die Einordnung des Briefs an dieser Stelle eventuell nicht ganz so willkürlich, wie sie auf den ersten Blick scheint. 128 S HANZER und W OOD (2002) lassen die Reihe der an Amtskollegen adressierten Botschaften schon mit ep. 12P = ep. 9MR abbrechen und weisen den übrigen Stücken eigene Einheiten zu. Ep. 20P = ep. 17MR ist nur in S überliefert und vermutlich im Namen Sigismunds verfasst, daher muss sie nicht zwangsläufig zu dieser Gruppe gezählt werden. 129 Zu den typischen Pflichten eines spätantiken Bischofs s. o. S. 58ff. Ähnliches gilt für die im Rahmen der Patmensis überlieferten Schreiben des Theodoret von Kyrrhos, vgl. S CHOR (2017), 273. Bei Sidonius Apollinaris gibt es ebenfalls mehrere als Ganze in die Kollektion eingelegte Sammlungen von Briefen an Bischöfe, vgl. M RATSCHEK (2017), 311. Auch das epistolare Œuvre des Ambrosius von Mailand gibt Einblick in seine vielfältigen Aktivitäten als Bischof, vgl. L IEBESCHUETZ (2015), 101f.
3.3 Die Briefanordnung: Nuancen und Akzente
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prominent beteiligt ist (epp. 20P, 25P und 29P = epp. 17MR, 22MR und 26MR). Durch die Anordnung der Schreiben wird dieser Punkt hervorgehoben, denn sie folgen nicht nur in recht kurzen Abständen aufeinander, sondern ep. 29P = ep. 26MR ist auch der letzte Brief, in dem Reliquien angesprochen werden. Weitere wichtige Inhalte sind Theologie, Bibelexegese und der Umgang mit Homöern und Angehörigen anderer aus katholischer Sicht häretischer Strömungen. Epp. 21fP = epp. 18fMR enthalten eine Frage Gundobads nach einer Bibelstelle und Avitus’ Erklärung der entsprechenden Passage,130 in ep. 23P = ep. 20MR berichtet der Bischof von Vienne Sigismund von einer theologischen Diskussion mit Gundobad, in epp. 26P und 28P = epp. 23MR und 25MR gibt er Anweisungen zum Verhalten gegenüber (ehemals) häretischen Geistlichen und kritisiert den Adressaten, den Bischof von Lyon, für sein Handeln in diesem Kontext. Dazu kommen noch ein kurzer theologischer Brieftraktat an Gundobad, ep. 30P = ep. 27MR, und eine Bitte um Auskunft über einige Bonosianer an Sigismund, ep. 31P = ep. 28MR. Weder um Theologie im weitesten Sinne noch um Reliquien geht es in den übrigen drei Schreiben, die zu dieser Gruppe gezählt werden können: ep. 24P = ep. 21MR ist an den vir illustris Apollinaris gerichtet und bringt diesem gegenüber die Erleichterung des Verfassers über dessen unversehrte Heimkehr zum Ausdruck, ep. 27P = ep. 24MR ist eine Antwort auf eine Einladung des Apollinaris von Valence, und ep. 32P = ep. 29MR schließlich ist ein herzlicher Freundschaftsbrief an Sigismund.131 Damit präsentieren die Briefe 20–32P = 17–29MR Avitus als katholischen Bischof, der sich für den katholischen Herrscher engagiert, indem er diesen beim Erwerb und der Verteilung von Reliquien unterstützt, und auch abgesehen davon enge Beziehungen zu ihm pflegt. Daneben werden sein Einsatz als Theologe und Exeget und seine Aktivitäten in Umgang und Auseinandersetzung mit sowie im Kampf gegen nichtkatholische christliche Strömungen gezeigt. Sein Wirken erscheint hierbei vor allem auf Gallien bzw. sogar den burgundischen Raum zentriert; in den Nachrichten, die an Adressaten außerhalb dieses Gebiets verschickt werden, geht es letztlich ebenfalls um Ziele, die mit dem erstgenannten Raum in Verbindung stehen. Außerdem wird der Vienner als Person vor Augen gestellt, die ein gutes Verhältnis zu ihren Verwandten pflegt. Die sich daran anschließenden drei (in L) bzw. vier Schreiben (in S) sind an Aristokraten gerichtet. Epp. 34fP = epp. 30fMR haben einflussreiche römische Adlige als Adressaten; die Stücke stellen Avitus’ außenpolitische Aktivität als Bischof dar. Der erste Brief ruft dabei die beiden römischen Senatoren Faustus und Symmachus zum Engagement im Laurentianischen Schisma auf, der zweite nimmt anlässlich eines Freikaufs von Gefangenen mit dem gallischen Präfekten Liberius Kontakt auf.132 Danach sind zwei Botschaften an die viri illustres Apollinaris und Aure130 Dieses Briefpaar sehen S HANZER und W OOD (2002), 36f als ein „meaningful unit“. 131 Diesen fassen S HANZER und W OOD (2002), 36f aufgrund der Identität der Adressaten mit dem vorhergehenden Schreiben zu einer Einheit zusammen. 132 Diese beiden Stücke folgen freilich nur in S aufeinander; in L ist ep. 34P = ep. 30MR nach ep. 6P = ep. 3MR eingeordnet. Durch die Gruppe epp. 35–37P = epp. 31–33MR – ohne ep. 34P =
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lianus eingereiht, die eventuell auf Avitus’ gute Beziehungen zu anderen Adligen hinweisen sollen. In jedem Fall ist ein Unterschied der letzten drei bzw. vier Nachrichten zu den vorherigen erkennbar, der sich weiter fortsetzen wird: Bisher ging es (abgesehen vielleicht vom Freikauf von Gefangenen) nur wenig um säkulare politische Angelegenheiten, sondern schwerpunktmäßig, wenn auch nicht ausschließlich, um Theologie im weitesten Sinne, um kirchenorganisatorische und -disziplinarische Gegenstände und um Fragen und Probleme, die sich aus der Existenz verschiedener christlicher Konfessionen auf burgundischem Territorium ergeben. Eben diese Themen treten im Rest der Kollektion nicht oder kaum mehr auf: Ep. 30P = ep. 27MR ist die letzte theologische Abhandlung der Sammlung,133 und außer in einem Briefwechsel mit Heraclius, epp. 53fP = epp. 50fMR, in dem es um eine theologische Diskussion geht, tritt das Verhältnis Katholiken – Homöer nicht mehr prominent in Erscheinung.134 Durch die Briefreihenfolge wird Avitus’ Wirken als Bischof und orthodoxer Theologe allgemein, nicht nur im Kampf für den Katholizismus und gegen den Homöismus, als zentraler Teil des Porträts hervorgehoben, das durch das Corpus von ihm gezeichnet wird. Epp. 38–40P = epp. 34–36MR verbindet vor allem, dass sie an Rezipienten auf ostgotischem Gebiet verschickt wurden. Sie präsentieren die Kontakte des Bischofs von Vienne in dieser Region und seine Nutzung dieser Verbindungen, um Informationen, die mit kirchlichen Angelegenheiten zu tun haben, zu erlangen (epp. 39fP = epp. 35fMR)135 und Bekannte durch eine Empfehlung zu unterstützen. Auf diese Weise erscheint Avitus als verantwortungsvoller Bischof, der sich seiner Pflichten nicht nur im theologischen und seelsorgerischen Bereich, sondern auch als Teil der „internationalen“ Gemeinschaft der Bischöfe bewusst ist und diese erfüllt. Die folgenden vier Stücke, epp. 43–46P = epp. 39–42MR, weisen kaum verbindende Elemente auf, abgesehen davon, dass sich alle Adressaten in Gallien befinden und drei davon in den jeweiligen Überschriften als rex bezeichnet werden (Gundobad, Sigismund und Chlodwig). In jedem Fall zeigen sie Avitus’ Kontakte zu den mächtigsten Männern Galliens. Auf diese vier Briefe folgen weitere vier Schreiben, die aufgrund ihres Themas zusammengehören, epp. 46AP–49P = epp. 43–46MR. In ihnen geht es um Angelegenheiten, die mit einer burgundischen Geisel in Konstantinopel in Zusammenhang stehen.136 Die ersten drei Botschaften sind an den Kaiser und zwei hochrangige Adlige in der Stadt am Bosporus adressiert, die vierte an Sigismund; sie gehört zu einer
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ep. 30MR – kommt folglich in L gerade an dieser Stelle eine stärkere Zentrierung auf Gallien zum Ausdruck als in S. Dies widerspricht letztlich nicht der Tatsache, dass c. Arr. 30 = ep. 92MR und epp. 2fP in L erst ganz am Ende der Briefsequenz angefügt sind, denn diese Inhalte kommen dort bis zu diesem Zeitpunkt trotzdem nicht mehr vor. Implizit spielt es freilich doch immer wieder eine Rolle, aber das ist nicht weiter verwunderlich, schließlich handelte es sich hierbei um eine Gegebenheit, die wohl in viele Bereiche hineinspielte. Epp. 41fP = epp. 37fMR sind höchstwahrscheinlich nie Teil der ursprünglichen Sammlung gewesen. Hierzu s. o. S. 202f. S HANZER und W OOD (2002), 36f bezeichnen die Stücke als „Laurentius docket“.
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Diskussion um die diplomatische Korrespondenz mit dem Osten. Durch diese vier Nachrichten wird Avitus als Vertrauter und Berater des burgundischen Herrschers vorgestellt, der zumindest einen Teil von dessen Kontakten mit den Byzantinern betreut und sich in Einzelheiten des diplomatischen Protokolls, wie es für derartige Missionen nötig ist, auskennt. An dieser Stelle kommt damit eine weitere Facette zum Porträt des Vienners als Sigismunds Unterstützer hinzu: Er hilft diesem nicht nur in Angelegenheiten, die mit (der katholischen) Kirche und Glauben zu tun haben (wie Reliquien), sondern auch in solchen, die letztlich außenpolitisch sind, und beweist folglich eine breite Expertise in vielen Bereichen, in denen sich ein Bischof und ein Adliger in der Spätantike engagieren können.137 Nach den Schreiben, die mit Konstantinopel in Verbindung stehen, folgen sieben Stücke aus dem brieflichen Austausch des Bischofs von Vienne mit Mitgliedern der gallischen Aristokratie; so weit wir wissen, sind die meisten dieser Adressaten auf burgundischem Gebiet ansässig.138 Inhaltlich sind diese Botschaften breit gefächert: Sie umfassen einerseits Angelegenheiten, die direkt oder indirekt mit Avitus’ Wirken als Bischof zu tun haben, etwa ep. 50P = ep. 47MR, eine Antwort auf die Einladung zur Einweihung einer Kirche, epp. 53fP = epp. 50fMR, ein Briefwechsel mit Heraclius, dessen Gegenstand eine theologische Diskussion mit Gundobad ist, sowie ep. 55P = ep. 52MR, in der es um die Durchsetzung der kirchlichen Ordnung geht. Andererseits gehören hierzu typische Beispiele für Briefe, die gebildete spätantike Aristokraten untereinander austauschten, epp. 51fP = epp. 48fMR, zwei innerhalb recht kurzer Zeit verfasste Nachrichten an Avitus’ Verwandten Apollinaris, die sich um Politik und Literatur drehen,139 und ep. 56P = ep. 53MR, ein Freundschaftsbrief. Diese Botschaften zeigen den Bischof von Vienne als Adligen im Bischofsamt, der gute Kontakte zu anderen Angehörigen der Aristokratie hat. Er kommt ihnen gegenüber seinen episkopalen Aufgaben nach, tritt aber, wenn es angemessen ist, genauso als ein Angehöriger des Adels gegenüber einem anderen auf, ohne sein kirchliches Amt besonders in den Vordergrund zu rücken.140 Nach ep. 56P = ep. 53MR sind in L zwei Nachrichten eingeordnet, die an Bischof Victorius von Grenoble und an Sigismund adressiert sind, epp. 75fP = epp. 71fMR. Vermutlich fielen diese aus dem ursprünglichen Stapel oder libellus und wurden dann an anderer Stelle mehr oder weniger zufällig wieder eingereiht, denn hier lassen sich keinerlei Bezüge dieser beiden Stücke zu den sie umgebenden Schreiben erahnen, während sie an den Platz, an dem sie sich in S befinden, besser 137 Zu typischen Aufgaben und Verhaltensweisen spätantiker Aristokraten und Bischöfe s. o. S. 50ff bzw. S. 58ff. 138 Hierzu s. o. S. 206ff. 139 S HANZER und W OOD (2002) sehen ebenfalls eine Zusammengehörigkeit dieser beiden Stücke. 140 Durch die avitanische Kollektion zeigt sich damit an dieser Stelle ein ähnliches Bild, wie es Cassiodors Variae präsentieren sollten: dasjenige einer sozialen Gruppe, die untereinander fest zusammenhängt und ihre amicitia-Verhältnisse, die in der epistolaren Kommunikation sichtbar werden, auf diese Weise öffentlich demonstriert, vgl. B JORNLIE (2009a), 136f. Noch deutlicher wird dieser Eindruck durch die fast unmittelbar folgenden Gruppen von Festbriefen an Bischöfe und Aristokraten vermittelt.
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zu passen scheinen.141 Dort bilden sie den Übergang von Sendungen an Bischöfe zu Sendungen an Sigismund, wobei die unmittelbar folgende ep. 77P = ep. 73MR als Festbrief zudem thematisch daran anknüpft (s. u.). Es schließt sich ep. 57P = ep. 54MR an, ein Brief an den „Rhetor“ Viventiolus, in dem der Verfasser Grammatikfragen erörtert.142 Indem diese Botschaft sich an einen „Rhetor“ richtet, der eigentlich Bischof von Lyon ist, und eine für die spätantike aristokratische Kommunikation typische Bildungsfrage thematisiert, bildet er eine recht passende Überleitung von den Schreiben an Adlige zu einigen kurzen Billetts an Bischöfe. In jedem Fall präsentiert er den Adressanten als hochgebildeten Adligen und Bischof. Hierauf folgt eine Reihe von Festbriefen oder zumindest auf den ersten Blick als solche kategorisierbaren Nachrichten verschiedener Länge, epp. 58–74P = epp. 55–70MR, die alle an Bischöfe verschickt wurden. Die Sequenz fügt sich insofern sinnvoll an, als die ersten beiden dieser meist kurzen Botschaften ebenso wie ep. 57P = ep. 54MR an einen Bischof von Lyon adressiert sind.143 Eine Ausnahme innerhalb der Abfolge ist freilich ep. 70P = ep. 66MR, in der Avitus den Empfänger Constantius kritisiert, weil dieser einen Kleriker einem Zivilgericht übergeben will. Allerdings beginnt das Stück mit Litteras Sanctitatis Tuae in Pascha quidem, sed non paschales accepi, 89, 21 bzw. §1. Der oder ein Kompilator der Kollektion konnte das Schreiben also leicht als „Festbrief“ klassifizieren, falls er nur die ersten fünf Worte richtig zur Kenntnis nahm. All diese Billetts präsentieren Avitus als gebildetes Mitglied der Gemeinschaft der Bischöfe, das zu den entsprechenden Netzwerken gehört, über zahlreiche Kontakte verfügt und diese Beziehungen angemessen pflegt.144 Nach den Festbriefen an Bischöfe ist ein weiteres Schreiben an einen Bischof eingereiht, das sich thematisch jedoch von ihnen unterscheidet, denn es geht um einen Priester, den das Volk ohne die Zustimmung des Bischofs gewählt hat. Im Anschluss daran finden sich Festbriefe an Laien, die von einer Gruppe von vier Nachrichten eröffnet werden, die in Zusammenhang mit Sigismund stehen, epp. 76–79P = epp. 72–75MR.145 Drei dieser vier Schreiben, epp. 76fP = epp. 72fMR und ep. 79P = ep. 75MR, sind recht kurze Billetts, die Avitus anlässlich eines Festes an Sigismund schickte. Zweierlei ist dabei auffällig. Zum einen ist Sigismund der einzige Laie, der mehr als einen Festbrief erhält, zum anderen sind die an ihn gerichteten Botschaften gerade am Anfang dieser zweiten Sequenz von Festbriefen eingeordnet. Damit wird Sigismunds herausragender Position als burgundischer Herrscher Rechnung getragen; zugleich wird eine besonders enge Beziehung des Bischofs von Vienne zu diesem Herrscher suggeriert. Das Bild des Avitus in Be141 S. dazu auch S HANZER und W OOD (2002), 38f. 142 Zu diesem Schreiben s. meinen Beitrag in G. M. M ÜLLER, R ETSCH und S CHENK (2020a). 143 Eine Untergruppe bilden epp. 67–69P = epp. 63–65MR, bei denen Viventiolus von Lyon der zweite Briefpartner ist. 144 Ein ähnliches Bild des Verfassers entsteht durch die Patmensis der Briefe des Theodoret von Kyrrhos, vgl. S CHOR (2017), 274. 145 S HANZER und W OOD (2002), 36f fassen diese Stücke ebenfalls zusammen.
3.3 Die Briefanordnung: Nuancen und Akzente
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zug auf Sigismund wird also um einen weiteren Aspekt ergänzt: Nicht nur setzt der Vienner sich in kirchlichen Belangen für ihn ein, wie seine Aktivität im Kontext des Reliquienerwerbs zeigt, und ist (mit) zuständig für die diplomatische Korrespondenz mit Konstantinopel, sondern Sigismund erscheint zudem als wichtiger Kontakt innerhalb von Avitus’ aristokratischem Netzwerk.146 Zwischen die Festbilletts an Sigismund wurde eine Botschaft dieses burgundischen Herrschers an den oströmischen Kaiser eingeschoben, wahrscheinlich deswegen, weil Sigismund hier ebenfalls als einer der Briefpartner auftritt. Zugleich wird auf diese Weise nochmals die Beratertätigkeit des Vienners bei Sigismund in Bezug auf politische Sendschreiben deutlich. In L sind nach ep. 78P = ep. 74MR zwei weitere Stücke eingefügt, die sich in S erst später finden (nach ep. 87P = ep. 83MR), ep. 88P = ep. 84MR und ep. 91P = ep. 86MR. Warum ep. 88P = ep. 84MR, eine Nachricht an Avitus’ Bruder Apollinaris, in der er sich für ein Geschenk bedankt, an diese Stelle gelangte, ist nur schwer nachzuvollziehen; ep. 91P = ep. 86MR passt insofern hierher, als sie ebenfalls an Sigismund gerichtet ist. Vielleicht standen beide Briefe auf demselben Papyrusblatt und ep. 88P = ep. 84MR wurde gemeinsam mit ep. 91P = ep. 86MR hier eingeordnet.147 Nach dem Festbrief ep. 79P = ep. 75MR an Sigismund folgen entsprechende Billetts an Adlige, epp. 80–85P = epp. 76–81MR. Sie präsentieren Avitus als Teil des aristokratischen Netzwerks und Mitglied der Elite, das, passend zu dieser Stellung, zahlreiche Kontakte hat und diese pflegt.148 Ep. 86P = ep. 82MR reiht sich danach als weiterer Festbrief ein; sie zeichnet sich jedoch durch die Besonderheit aus, dass Avitus ihn nicht unter seinem eigenen Namen verfasste, sondern das Pseudonym „Leonianus“ verwendete.149 Damit wird die Person des Vienners nicht nur als anerkannter Angehöriger der Eliten, sondern darüber hinaus vor allem als gebildet gezeigt, denn ep. 86P = ep. 82MR enthält etwa viele literarische Anspielungen und ist abgesehen davon sprachlich sehr sorgfältig gestaltet.150 Diesen Aspekt führt ep. 87P = ep. 83MR fort. In der an seinen Bruder Apollinaris gerichteten Botschaft beschreibt der Bischof in einer Ekphrasis detailliert, wie der Siegelring aussehen soll, den Apollinaris ihm als Geschenk versprochen hat, und bittet diesen danach darum, ihm einen Töpfer zu schicken. In S folgt darauf die ebenfalls an Apollinaris gerichtete ep. 88P = ep. 84MR, in der Avitus sich für ein 146 Eine nichtrömische Herkunft – so dies bei Sigismund überhaupt so gesehen wurde – stellte also kein Hindernis für eine Aufnahme in die Briefzirkel dar. Grundsätzlich war eine solche Inklusion wohl nicht außergewöhnlich, wie etwa Briefe des Libanios an Ellebichus und andere „barbarische“ Generäle zeigen. Hierzu s. M C L AUGHLIN (2014). 147 Dies wäre gut möglich, da mit ep. 89/90P = ep. 85MR, der Einladung zur Synode von Epaon, auch in S nur ein einziger Brief zwischen diesen beiden Schreiben steht – und dieser sich in L an einem ganz anderen Ort, nämlich am Beginn der Kollektion, befindet. 148 Theodoret wird in durch die in der Patmensis tradierten Schreiben ebenfalls als Teil eines Netzwerks von Bischöfen und Aristokraten gezeichnet, vgl. S CHOR (2017), 274. 149 S CHWITTER (2015), 198 nimmt an, das Stück sei zum Vortrag bei einem Festmahl geschrieben worden. 150 S. hierzu S HANZER und W OOD (2002), 279–284.
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Geschenk bedankt. Da er verspricht (97, 27f bzw. §4), es werde in der Kirche von Vienne auch nach seinem Tode in Ehren gehalten werden, handelt es sich hierbei wohl nicht um den zuvor beschriebenen Siegelring. Dies wird jedoch erst gegen Ende des Briefs deutlich, während der Dank schon am Anfang steht (97, 18–20 bzw. §1).151 Der Bischof von Vienne kann durch diese beiden Schreiben folglich als ein guter Bruder wahrgenommen werden, dessen Verhalten den Konventionen entspricht: Er erhält ein bedeutendes Geschenk und bedankt sich dafür.152 In S folgt hierauf die Einladung zur Synode von Epaon, ep. 89/90P = ep. 85MR. Sie stellt den Bischof von Vienne in seiner Funktion als Metropolit vor Augen, ein Aspekt, der hier insgesamt weniger prominent scheint als in L, da der Brief dort die Sammlung eröffnet. Daran schließen sich vier weitere Stücke an, bei denen Sigismund als einer der beiden Briefpartner fungiert, epp. 91–94P = epp. 86–89MR. In den ersten beiden erkundigt sich Avitus beim burgundischen Herrscher, der zu diesem Zeitpunkt auf einem Feldzug ist, nach dessen Befinden, die anderen beiden sind diplomatische Botschaften Sigismunds an den Kaiser in Konstantinopel. Die vier Schreiben bilden nur in S eine Einheit, in L fehlt ep. 94P = ep. 89MR komplett, ep. 91P = ep. 86MR ist weiter vorne eingeordnet.153 Nach einem etwas längeren Abstand wird Avitus durch diese Nachrichten erneut als Vertrauter Sigismunds und als dessen Berater in der außenpolitischen Korrespondenz mit der östlichen Hauptstadt präsentiert. Fast den Abschluss der Kollektion154 bildet ein Austausch mit Heraclius, epp. 95fP = epp. 90fMR. Warum dieser so spät erst eingeordnet wurde, ist unschwer zu erkennen, denn die beiden Briefpartner beleidigen sich gegenseitig – eine Facette des Avitusbildes, die wohl nicht allzu prominent hervortreten sollte. Nichtsdestotrotz sind beide Schreiben stilistisch sehr elaboriert und zeigen somit Avitus’ Bildung und Vermögen, seine Nachrichten auch dann, wenn er sein Gegenüber beleidigte, sorgfältig und (abgesehen von der Beschimpfung) dem Code entsprechend zu gestalten. Vielleicht ist gerade dies der Grund dafür, dass sie dennoch aufgenommen wurden. Insgesamt wird durch die Reihenfolge der einzelnen Schreiben innerhalb der Kollektion das Bild des Avitus, das durch die Selektion zustande kommt, weiter bestätigt und mit Schwerpunkten versehen. Avitus wird zunächst vor allem in seiner Position als Bischof von Vienne vorgestellt, der die mit seinem Amt verbundenen Pflichten gewissenhaft erfüllt und sich dabei stets als gebildet erweist. Im Rahmen seiner Aufgaben liegt der Fokus des Porträts vor allem auf denjenigen, die beson151 Das ist zumindest dann der Fall, wenn man davon ausgeht, dass es sich beide Male um ein und dasselbe Präsent handelt. 152 S HANZER und W OOD (2002), 35 sehen die beiden Stücke aufgrund des Adressaten als zusammengehörig an. 153 Gemeinsam mit ep. 88P = ep. 84MR nach ep. 78P = ep. 74MR, dazu s. meine Überlegungen weiter oben. S HANZER und W OOD (2002), 36f fassen die zwei bzw. vier Sendungen ebenfalls zusammen. 154 In der Sirmonds Ausgabe zugrunde liegenden Handschrift wird dies der Fall gewesen sein, da die darauf folgenden epp. 41fP = epp. 37fMR einem anderen Manuskript entstammen; in L sind danach noch c. Arr. 30 = ep. 92MR und epp. 2fP angefügt.
3.3 Die Briefanordnung: Nuancen und Akzente
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ders mit seiner Rolle als Metropolit verbunden sind, und denen, die ihn als gebildeten orthodoxen Theologen erweisen, der gegen Häresien und für den katholischen Glauben kämpft. Dies wird daran deutlich, dass fast alle Briefe, die eine besondere Nuance gerade dieser Rollen betonen, sich im ersten Teil der Sammlung finden. Dabei scheint die Stellung als Metropolit in S sehr viel weniger zentral als in L, da die entsprechenden Schreiben dort erst später eingeordnet sind. Als Bischof wird Avitus zunächst durch Nachrichten sichtbar, die ihn bei der Erfüllung typischer episkopaler Tätigkeiten in der Kommunikation mit seinen Mitbischöfen zeigen; zu diesen gehören Ratschläge in verschiedenen Bereichen, private ebenso wie kirchenorganisatorische, Empfehlungen und der Freikauf von Gefangenen. Als weitere Aspekte treten gleich zu Beginn der theologische Austausch mit dem homöischen Herrscher und bald zudem die Unterstützung von dessen katholischem Sohn. Letztere bleibt die gesamte Sammlung hindurch präsent und wird immer wieder um einen weiteren Bereich ergänzt: Zunächst besteht sie im Erwerb von Reliquien, dann kommt die Erledigung von außenpolitischer Korrespondenz in unterschiedlichen Angelegenheiten hinzu. Die betonte Vorstellung des Avitus als Adliger – auch abgesehen von seiner Bildung – erscheint demgegenüber von nachgeordneter Bedeutung, denn entsprechende Botschaften sind erst später eingeordnet, ebenso wie Schreiben, die vorwiegend mit säkularer Politik zu tun haben, tendenziell weiter hinten eingeordnet sind als diejenigen, die sich mit kirchlichen bzw. kirchenpolitischen Angelegenheiten beschäftigen. Trotzdem ist dieser Bereich durchaus prominent vertreten. Dadurch, dass die Kollektion als Ganze nicht durchgehend nach Adressaten geordnet ist, fallen die meisten Unterschiede und Abstufungen, die bei der Betrachtung der Briefselektion deutlich wurden, nicht mehr so sehr ins Gewicht. Dies gilt beispielsweise für die (möglichen) Zusammenhänge zwischen der Anzahl von Schreiben an einen Empfänger und dessen Stellung oder die Beobachtung, dass manche Themen bevorzugt gegenüber bestimmten Rezipienten angesprochen werden und im Austausch mit anderen wenig zentral sind. Trotzdem bleiben der hohe Rang der vorhandenen Briefpartner und das Fehlen von Nichtkatholiken und Adressaten in niedrigerer Stellung auffällig. Durch die Abwesenheit solcher Briefe wird somit das Porträt des Avitus als Mitglied sowohl einer ekklesialen als auch einer gebildeten säkularen Elite, das die jeweiligen typischen Eigenschaften aufweist und die Verhaltensnormen erfüllt, zusätzlich hervorgehoben.
3.3.2 Buchzahlen In Bezug auf die Briefanordnung innerhalb einer Kollektion ist nicht nur die Abfolge der einzelnen Schreiben an sich von Bedeutung, sondern auch ihre Einteilung in Bücher, durch die sich neue Sinneinheiten ergeben (können) und die die Möglichkeit bietet, einzelne Stücke durch eine gezielte Platzierung am Anfang oder am Ende
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eines Buches hervorzuheben155 und auf diese Weise außerdem die Darstellung des jeweiligen Epistolographen auf Sammlungsebene zu beeinflussen. Soweit erkennbar, ist keine feste Gliederung des avitanischen Briefcorpus in Bücher tradiert: In L fehlt jeder Hinweis auf eine solche, ebenso wenig finden sich entsprechende Indizien in den Papyrusfragmenten.156 Sirmond berichtet, er habe in der seiner Ausgabe zugrundeliegenden Handschrift eine Aufteilung in fünf Bücher vorgefunden;157 er übernahm sie aber nicht für seine Edition, die in dieser Hinsicht somit dasselbe Bild bietet wie L. Im Widerspruch zu den Manuskripten stehen jedoch Aussagen zu Umfang und Gliederung der Sammlung in anderen Quellen. So spricht Gregor von Tours von epistolae admirabilis, quae sicut tunc heresim oppraesserunt, ita nunc eclesiam Dei aedificant und erwähnt insbesondere epistolarum libros novem, inter quas supradictae contenentur epistolae (Franc. 2, 34). Die Vita Aviti dagegen zählt einige Werke mit Titel bzw. Inhaltsangabe auf, darunter epp. 2fP und epp. 4–6P = epp. 1–3MR, und ergänzt Item epistolarum ad diversos libros tres (cap. 1, P EIPER (1883), 177, 15–178, 7). Die Herausgeber und Übersetzer der Avitusbriefe versuchten, diese widersprüchlichen Angaben und Informationen dadurch miteinander in Einklang zu bringen, dass sie von einer unterschiedlichen Beschreibung der Briefbücher durch die jeweiligen Autoren ausgehen: Möglicherweise bezöge sich Gregor von Tours ebenso wie der Autor der Vita Aviti auf neun Bändchen mit Briefen oder briefähnlichen Werken. Während Gregor diese zusammenfassend als libri novem bezeichne, gehe der Avitusbiograph mehr ins Detail, indem er den Inhalt der ersten sechs libelli kurz anführe und den Rest des epistolaren Œuvres als epistolarum libri tres charakterisiere.158
155 Entsprechend gibt es einige Untersuchungen, die sich mit der Buchstruktur verschiedener Briefsammlungen beschäftigen, und Kommentare zu einzelnen Briefbüchern. Exemplarisch seien hier angeführt: zu Plinius d. J.: M ERWALD (1964); W HITTON (2013) (Buch 2); zu Symmachus: B RUGGISSER (1993) (Buch 1); zu Ambrosius von Mailand: Z ELZER (1977) (Buch 10); L IEBESCHUETZ (2015); zu Sidonius Apollinaris: KÖHLER (1995) (Buch 1); A MHERDT (2001) (Buch 4); G IBSON (2013b); VAN WAARDEN (2010–2016) (Buch 7). 156 Allerdings sind in L epp. 2fP mit den Überschriften incipit liber primus b¯ı auiti ep¯ı contra euthicianam he¸resim und Explicit liber primus. Incipit scd’s versehen. Hier handelt es sich jedoch um einen gesamten Brieftraktat, der als Buch kategorisiert wird, nicht um eine Zusammenfassung mehrerer Einzelbriefe zu einem Ganzen. Bei den Papyrusfragmenten könnte dies freilich auch ein Überlieferungszufall sein, durch den etwa gerade kein Incipit oder Explicit erhalten ist – wie jedoch im Folgenden deutlich wird, stünde jede Gliederung in Bücher, unabhängig von deren genauer Zahl, im Widerspruch zu anderen Zeugnissen. 157 Vgl. M IGNE (1862), 194; S HANZER und W OOD (2002), 39; M ALASPINA und R EYDELLET (2016), CIV. 158 Vgl. P EIPER (1883), XXIIIf; S HANZER und W OOD (2002), 39; M ALASPINA und R EYDEL LET (2016), LXXII–LXXXI. Allerdings passt dies nicht ganz zu der Annahme, die einzelnen Schreiben seien in Form einiger mehr oder weniger lose aufeinander liegender Stapel im Archiv aufbewahrt worden und im Zuge mehrerer Kopiervorgänge etwas durcheinander geraten; vielleicht waren besagte neun libelli bereits das Ergebnis des ersten Abschreibens.
3.3 Die Briefanordnung: Nuancen und Akzente
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Das ist durchaus möglich; die Schreiber der Kodizes L und S (bzw. von deren Vorgängerhandschriften) hätten die Bucheinteilung dann komplett weggelassen oder entsprechend angepasst.159 Leider ist keine dieser Gliederungen erhalten, sodass keine detaillierten Rückschlüsse auf weitere Nuancierungen des Avitusporträts möglich sind, die durch eine Positionierung bestimmter Stücke am Anfang oder Ende von Büchern zustande kommen. Allerdings fügt schon die Aufteilung der Schreiben in eine bestimmte Anzahl von Büchern an sich dem Avitusporträt eine bestimmte Facette hinzu, die sicherlich nicht zu vernachlässigen ist.160 Für die Darstellung des Avitus ergibt sich daraus, in Abhängigkeit von den einzelnen Handschriften und Zeugnissen, Folgendes:161 Ein Verzicht auf die Strukturierung des Materials in Bücher könnte darauf hindeuten, dass eine solche Einteilung nicht für nötig erachtet wurde, solange Erhalt und Tradierung der Schreiben garantiert war. Der Kompilator oder Schreiber kopierte die einzelnen Stücke lediglich in einer Reihenfolge, die ihm nützlich und sinnvoll erschien, um sie für die Zeitgenossen und die Nachwelt zu bewahren. Die Möglichkeiten, die ihm eine Division in libri eröffnet hätten, waren ihm entweder nicht bewusst oder hatten seiner Ansicht nach nur geringe Bedeutung. In jedem Fall wird der Darstellung des Avitus hier kein weiterer Aspekt hinzugefügt. Die Verteilung der einzelnen Stücke auf fünf Bücher dagegen, die Sirmond erwähnt, weist in eine andere Richtung. In einer Handschrift aus Urbino sind die Briefe des Paulinus von Nola ebenfalls auf fünf Bücher verteilt,162 außerdem enthält die Handschrift L neben der avitanischen Kollektion auch diejenige des Paulinus 159 Solche Eingriffe waren nicht unüblich, wie etwa die Überlieferung der Ambrosiusbriefe zeigt, die unterschiedliche Reihenfolgen der einzelnen Schreiben bietet, vgl. NAUROY (2012), 24–26. Ähnliches wird in der Tradition der Briefe Augustins sichtbar, s. hierzu D IVJAK (1983). Auch eine Einteilung in Kapitel erfolgte oft erst durch spätere Kopisten, vgl. G UMBERT (1995), 25. 160 Dies ist gerade deshalb der Fall, weil eine Einteilung in Bücher zu Avitus’ Zeit keine Notwendigkeit mehr war, die sich aus der begrenzten Länge einer Papyrusrolle ergab, die – im Vergleich zu einem Kodex – im Umfang weniger flexibel war und vor allem sehr viel weniger Text aufnehmen konnte. Eine Gliederung des Materials in Bücher hatte somit, insbesondere nachdem sich das Kodexformat durchgesetzt hatte, vor allem strukturierende Funktion und konnte, mehr noch als zuvor, zur Sinnstiftung und Einordnung genutzt werden, vgl. W ULFRAM (2008), 54 (Anm. 9); 456f. Als Beispiel hierfür könnte man die Briefsammlung des Sidonius Apollinaris anführen, der seine Schreiben in Orientierung an Plinius dem Jüngeren in neun Büchern anordnete. Zu Format und Aussehen einer Papyrusrolle s. W INSBURY (2009), 15–52, zum Kodex s. B ISCHOFF (2009), 37–58. 161 E IGLER (2000), 48 weist darauf hin, dass Texte in verschiedenen Handschriften auch in Abhängigkeit von der Entstehungszeit unterschiedlich inszeniert werden. Vergleichbares gilt damit gerade in Zusammenhang mit Briefen ebenfalls für die Urheber dieser Texte. In Bezug auf Briefsammlungen weist auch A LCIATI (2008), 83 auf diesen Aspekt hin: „al mutamento di sensibilità per le collezioni epistolari nella tarda antichità si affianca una diversa – se non diverse – percezione degli stessi testi nell’alto medioevo.“ Neuheiten im Layout von Handschriften, die etwa im Lauf des 12./13. Jahrhunderts aufkamen, untersucht G UMBERT (1995). Schließlich ist noch das Umschreiben von Viten zu erwähnen, durch das eine Person völlig anders dargestellt werden konnte als zuvor, vgl. K REINER (2014), 235f. Gerade in karolingischer Zeit wurden zahlreiche Viten aus merowingischer Zeit verändert, um sie an neue Bedürfnisse anzupassen. 162 Vgl. VON H ARTEL (1894), VIIII.
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von Nola.163 Eventuell sollte der Bischof von Vienne mit dem Nolaner in Verbindung gebracht werden,164 oder die Fünfzahl galt allgemein als übliche Zahl von Büchern, die ein Werk umfasst. Damit würde der Vienner im ersten Fall vor allem als dem gallischen Aristokraten, Asketen und Bischof Paulinus ähnlicher Oberhirte präsentiert, im zweiten Fall allgemeiner in eine Bildungstradition eingeordnet. Besonders mit Bedeutung aufgeladen ist wohl die Neunzahl von Büchern, die Gregor von Tours der avitanischen Sammlung attestiert. Nachdem Plinius der Jüngere als erster seine Episteln in neun Büchern ediert hatte,165 scheint dies das für Briefsammlungen „klassische“ Format geworden zu sein. So nehmen die Kollektionen des Symmachus, Ambrosius von Mailand und Sidonius Apollinaris dadurch, dass sie ebenfalls in neun (bzw. zehn) Bücher aufgeteilt sind, explizit Bezug auf Plinius166 und geben damit den Rahmen vor, in dem ihr Werk verstanden werden soll. Da Gregor von Tours Avitus’ epistolarem Opus dieselbe Gestaltung zuschreibt, klassifizieren er oder der Schreiber, der das Œuvre dergestalt angeordnet hat, den Vienner als Teil der letztlich bis auf Plinius und die klassische Antike zurückgehende Tradition.167 Insbesondere wird er so wahrscheinlich in die Nähe des Ambrosius und vor allem des Sidonius gerückt und auf diese Weise als klassisch gebildeter Aristokrat und Bischof vorgestellt, der weiterhin über das antike Erbe verfügt. Dies stimmt mit den übrigen Zeugnissen überein, die fast alle direkt oder indirekt auf die außerordentliche Bildung des Vienners hinweisen.168 Die Dreizahl der Bücher in der Vita Aviti schließlich scheint die besondere Heiligkeit des Bischofs ins Zentrum zu rücken, da diese Zahl in enger Verbindung mit der Heiligen Dreifaltigkeit steht. Dies passt sehr gut zur Präsentation des Vienners im Rest der Vita, in dem wiederholt sein Glaube, seine Weisheit und Bildung und
163 S. o. S. 188. 164 Eine Annäherung an den gallischen Asketen, der mit fast allen einflussreichen Christen seiner Zeit, etwa Augustin von Hippo oder Hieronymus in Bethlehem, in Verbindung stand, und das kampanische Nola zu einem bedeutenden Pilgerzentrum ausbaute, war sicherlich äußerst schmeichelhaft. Zu Paulinus von Nola s. etwa T ROUT (1999), C ONYBEARE (2000) und M RATSCHEK (2002), zu seiner Briefsammlung insbesondere T ROUT (2017). 165 Das zehnte Buch wurde wahrscheinlich posthum herausgegeben, vgl. W ULFRAM (2008), 425. In der Spätantike kursierten zwei Versionen des plinianischen Œuvres, eine, die neun Bücher umfasste, und eine weitere, die zehn enthielt, vgl. W ULFRAM (2008), 423f (Anm. 87). 166 Für Ambrosius von Mailand s. hierzu Z ELZER (1987); Z ELZER (1990), 214 (eher kritisch dazu NAUROY (2017), 149); s. ebenso Z ELZER (1993) und Z ELZER (1995). S. auch C AMERON (1965), v. a. 295–297. Eine andere Möglichkeit der Orientierung an einem Vorbild hat vielleicht Ruricius von Limoges gewählt: Er schloss sich eventuell an Sidonius an, indem er sich in dessen Netzwerk einschrieb. Hierzu s. A LCIATI (2008). 167 Vgl. etwa G. M. M ÜLLER (2018a), 306. 168 Vor allem Gregor von Tours beschreibt ihn als magnae enim facundiae, Franc. 2, 34; Ennodius von Pavia lobt ihn in der Vita Epiphani mit den Worten praestantissimus inter Gallos Avitus Viennensis episcopus, in quo se peritia velut in diversorio lucidae domus inclusit, 80 (Vita Epiphani), 173 Vogel; sein Epitaph rühmt ihn mit den Worten Vnus in arce fuit quoquo libet ordine fandi/Orator nullus similis nullusque poeta, vv. 21f (P EIPER (1883), 186.)
3.4 Fazit: Das durch die Sammlung erzeugte Avitusporträt
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sein Kampf gegen Häresien betont werden,169 und zu entsprechendem Lob bei Florus von Lyon und Ado von Vienne.170
3.4 FAZIT: DAS DURCH DIE SAMMLUNG ERZEUGTE AVITUSPORTRÄT Auswahl und Anordnung der Briefe, die in die um Avitus zentrierte Kollektion aufgenommen wurden, zeichnen ein in sich stimmiges Bild des Bischofs, welches das auf der Ebene der einzelnen Schreiben entstandene Porträt insgesamt passend fortsetzt. Der Vienner wird als einflussreicher und in jeder Hinsicht gebildeter katholischer Bischof präsentiert, dessen epistolares Netzwerk weit verzweigt ist, seinen Schwerpunkt aber in Südgallien hat, insbesondere im Gebiet der Burgunder und Westgoten. In seiner Funktion als Oberhirte der katholischen Kirche erfüllt Avitus zentrale, mit diesem Amt zusammenhängende Aufgaben und steht mit den mächtigsten Männern seiner Zeit in Kontakt. Auf der Grundlage seiner theologischen und klassischen Bildung verteidigt er den katholischen Glauben, kämpft gegen Irrlehren, versucht den homöischen König von einer Konversion zu überzeugen und beantwortet seine biblischen und sonstige theologische Fragen. Daneben kümmert er sich um die Kirchenorganisation und die Durchsetzung der kirchlichen Ordnung, nicht nur in Vienne selbst, sondern aufgrund seines Metropolitenamtes auch in den Diözesen seiner Suffraganbischöfe und gegenüber weltlichen Machthabern. Gerade den katholischen König unterstützt und berät er dabei einerseits in Angelegenheiten, die mit der Kirche zu tun haben, ebenso jedoch in seiner politischen Korrespondenz. Zugleich ist die Beziehung zu ihm, anders als zu dessen homöischem Vater, durchaus freundschaftlich und von Herzlichkeit geprägt. Außerdem zeigt die Sammlung Avitus als anerkanntes Mitglied der ekklesialen und säkularen Eliten. Als solches verfasst er dem Code entsprechende sorgsam gestaltete Briefe, in denen etwa seine Bildung deutlich zum Vorschein kommt. Der Bischof von Vienne erfährt hierbei stets Wertschätzung: Er wird um Rat gefragt, und seine Gelehrsamkeit sowie seine literarischen Werke werden gelobt. Abgesehen davon steht er vor allem mit hochrangigen katholischen Personen in Verbindung; zu Häretikern oder Männern, die eine niedrigere Stellung einnehmen, hat er praktisch keinen Kontakt. Dieser Eindruck ist zumindest teilweise das Ergebnis einer bewussten Selektion der einzelnen Stücke, wie unter anderem an der Unterdrückung von epp. 41fP = epp. 37fMR offensichtlich wird: Nachrichten, die ihm widersprechen konnten, zum Beispiel Freundschaftsbriefe an den homöischen König, Schreiben an Homöer oder Kleriker niedrigeren Ranges oder Sendungen, die direkt oder indirekt die Auseinandersetzung zwischen Arles und Vienne um den Primat innerhalb der Viennensis 169 sapientia et doctrina mirabilis, 1, 177, 7f; adversus haeresim Arrianam [...] magno sudore decertavit, 1, 177, 13f; fidelissimo et doctissimo immortalique ingenio, 1, 177, 15f. 170 Vgl. S HANZER und W OOD (2002), 13.
232
3 Der gute Bischof. Das Avitus-Porträt der Sammlung
betreffen, die der Papst letztlich zugunsten von Arles entschied, fanden keinen Eingang in das Corpus. In den beiden Handschriften, die die Sammlung beinahe komplett überliefern, ist die Gesamtdarstellung des Vienners weitgehend deckungsgleich, unterscheidet sich jedoch in der Betonung bestimmter Aspekte durch geringfügige Abweichungen in der Reihenfolge der Stücke. Während beide Manuskripte Avitus’ Wirken als Bischof in den Vordergrund stellen, werden in S mehr als L seine Orthodoxie und sein Kampf gegen Häresien hervorgehoben, in L dagegen mehr als in S sein Rang als Metropolit. Gerade die Briefsequenz in S kongruiert somit in hohem Maße mit anderen Quellen, in denen Avitus bzw. sein epistolares Werk erwähnt werden. Zu nennen ist hier insbesondere die Vita Aviti, die die Bildung ihres Protagonisten und seinen Kampf gegen den „Arianismus“ und andere Häresien lobt. Vergleicht man allgemein das Bild des Avitus, das sein epistolares Corpus entwirft, mit demjenigen, das in anderen Quellen, vor allem in der Vita Aviti, von ihm gezeichnet wird, fällt eine starke Übereinstimmung auf, die sich beispielsweise in der bereits erwähnten Unterstreichung seiner Gelehrsamkeit und Orthodoxie äußert. Darüber hinaus wird sie darin deutlich, dass in der Vita Aviti – anders als in anderen hagiographischen Werken der Zeit – nicht der Hauptprotagonist derjenige ist, der Wunder wirkt, sondern sein Bruder Apollinaris, während ersterer sich in der Auseinandersetzung mit Häresien auszeichnet. Diese Ähnlichkeit legt folgenden Hauptgrund für die Bewahrung und Tradierung der Avitusbriefe nahe: Vermutlich waren sie dazu bestimmt, die Erinnerung an einen in vielerlei Hinsicht als bedeutend empfundenen Bischof zu bewahren.171 Die Kollektion konnte damit vergleichbare Aufgaben wie viele hagiographische Werke übernehmen, indem sie ähnlich wie diese vor allem für ein aristokratisches Publikum gedacht war, dem sie einen idealen aristokratischen Bischof als Vorbild vor Augen stellten.172 Damit wird an der avitanischen Kollektion paradigmatisch ein bedeutendes, auch vielen anderen Briefsammlungen inhärentes Charakteristikum deutlich, die gattungsbedingte Nähe zur (Auto-)Biographie, auf die bereits in der Einleitung verwiesen wurde.173 Daneben zeigt sie verschiedene, für die Zeit des frühen Mittelalters zentrale Probleme auf, die etwa in Heiligenviten oder Gregor von Tours’ Historia Francorum ebenso vertreten sind. Zu diesen gehört vor allem die Frage nach Orthodoxie und Heterodoxie174 und insbesondere die eigene Positionierung als rechtgläubig – 171 In vergleichbarer Weise dienten auch das Teilkorpus der Epistulae Austrasicae, in dessen Zentrum Nicetius von Trier steht, und andere Korpora nicht nur zur Imagebildung, sondern ebenso zur memoria etwa in der Familie, vgl. G. M. M ÜLLER (2018a), 322–329. 172 Hierzu vgl. K REINER (2014), 13f; 92; s. vor allem D IEFENBACH (2013), 133; s. auch OTT (2012), P OULIN (1975), v. a. 64–67; S OT (1981), 96; VAN U YTFANGHE (2001); Adelsheiligkeit als Mittel zur Festigung der eigenen Herrschaft erwähnt auch A NGENENDT (2001). Zum Bild des Bischofs in lyonesischer Hagiographie s. I SAÏA (2014); zu Hagiographie allgemein s. VON DER NAHMER (1994). Interessanterweise werden Augustin in seiner Vita ebenfalls keine Wunder zugeschrieben, vgl. VAN U YTFANGHE (1981), 216. 173 S. o. S. 25ff. 174 Hierzu s. o. S. 214.
3.4 Fazit: Das durch die Sammlung erzeugte Avitusporträt
233
im Gegensatz zu vom eigenen Standpunkt aus gesehen irrgläubigen Personen. Abgesehen von der Zugehörigkeit zum rechten Glauben waren offensichtlich Rang, Herkunft, Prestige, (klassische) Bildung sowie die Verortung innerhalb eines kirchlichen und aristokratischen Netzwerks von großer Wichtigkeit und wurden daher besonders hervorgehoben. Die Sammlung präsentiert Avitus von Vienne als Figur, die all diese Anforderungen erfüllt und folglich als typische Verkörperung eines episkopalen Ideals wahrgenommen werden kann.
4 SCHLUSS Avitus’ epistolare Selbstdarstellung lässt sich auf einige zentrale Aspekte konzentrieren, die in Abhängigkeit vom Adressaten und insbesondere von der jeweiligen Situation mehr oder weniger stark betont werden oder eher in den Hintergrund rücken. Der Vienner präsentiert sich als bedeutenden Bischof und Metropoliten, der sowohl innerhalb der Kirche an wichtigen Vorgängen zumindest indirekt beteiligt ist als auch in der weltlichen Politik über einigen Einfluss verfügt. Gerade innerhalb der kirchlichen Hierarchie erscheint seine Position dabei als von anderen durchaus anerkannt: Avitus wird um Rat gefragt, schreibt Empfehlungen und wendet sich als Vertreter des gallischen Episkopats nach Rom. Als Bischof und Metropolit sorgt er für die Durchsetzung von Recht und Ordnung in seinem eigenen Bistum und den Diözesen seiner Suffragane; zudem ist er am Freikauf von Gefangenen beteiligt. Ebenso hebt er wiederholt seine Orthodoxie hervor, oftmals in Absetzung von anderen christlichen Richtungen, und tritt als Theologe, Exeget und königlicher Ratgeber auf. Die Selbstmodellierung innerhalb seiner Korrespondenz zeigt ihn aber nicht nur in der Erfüllung episkopaler Aufgaben; sie weist neben den für das kirchliche Amt typischen Facetten überdies zentrale Merkmale des Porträts eines idealen Aristokraten auf. Hierzu gehören, abgesehen von politischer Aktivität oder zumindest der Teilhabe an Informationen zu aktuellen Geschehnissen, eine diesem Status angemessene Bildung und Erziehung, die vor allem in der sorgfältigen sprachlichen und stilistischen Gestaltung der Schreiben selbst, der bewussten Anwendung von obscuritas, literarischer Aktivität und der Einhaltung des für einen Adligen angemessenen Verhaltenscodes deutlich werden. Auf diese Weise ordnet Avitus sich in eine doppelte Tradition ein: einerseits inszeniert er sich als orthodoxen katholischen Bischof und somit als Element einer letztlich bis auf den Apostel Paulus zurückgehenden christlichen Epistolographie, andererseits markiert er seine Briefe als der klassischen antiken Bildungstradition zugehörig und sich selbst damit als deren Teil und Fortsetzer. Beide Richtungen werden dabei zu einem Ganzen zusammengefügt, in dem jeder Aspekt (zur passenden Zeit) seine Berechtigung hat. Der Vienner schließt sich weder allzu ostentativ an die Klassiker an, wie beispielsweise Sidonius Apollinaris dies tut, noch lehnt er sie ab oder rechtfertigt ihre Verwendung etwa nach Art eines Hieronymus oder Augustinus. Stattdessen enthalten seine Schreiben auch in kirchlichen oder kirchendisziplinarischen Kontexten mehr oder weniger vage Anspielungen auf klassische Themen oder entsprechende Bildungskontexte, genauso wie direkte und indirekte Verweise auf die Bibel in nicht spezifisch christlichen oder exegetischen Zusammenhängen.
236
4 Schluss
Offensichtlich konnte beides zur Erhöhung des eigenen Prestiges, zur Ehrung des Adressaten oder zur Durchsetzung der eigenen Ziele förderlich sein. Avitus macht also die Tradition, in die er sich einschreibt, für die jeweilige Situation nutzbar, indem er sie den konkreten Erfordernissen anpasst. Seine Selbstinszenierung steht damit letztlich in vielerlei Hinsicht für die Kultur und Gesellschaft seiner Zeit, in der die antiken Gegebenheiten zumindest noch als Nachhall fortlebten, während sich zugleich durch den Einfluss des Christentums wie den der eingewanderten Germanen Neues entwickelt hatte und weiterhin entwickelte. Die in den einzelnen Schreiben entstandenen Porträts des Bischofs von Vienne werden durch die Sammlung als Ganze zu einem Bild vereint, das durch die Auswahl und Anordnung der Stücke mit bestimmten Schwerpunkten versehen wird. Die Kollektion präsentiert Avitus als anerkannten Angehörigen der Gemeinschaft der Bischöfe und als ebenbürtigen Teil eines aristokratischen Netzwerks, der mit den anderen durch seine Briefe in Verbindung steht. Besonderes Gewicht erhält seine Orthodoxie, die betont wird durch die Platzierung entsprechender Stücke am Anfang der Briefsequenz und höchstwahrscheinlich außerdem durch die Unterdrückung von (zu freundschaftlichen) Schreiben an Rezipienten, die nicht als katholisch galten; Vergleichbares kann – zumindest in einer Handschrift – für seine Rolle als Metropolit konstatiert werden. Politisch wird er in Bezug auf weltliche Angelegenheiten vor allem als Berater des katholischen burgundischen Herrschers gezeigt; sein Status als Adliger scheint bei der Zusammenstellung der Sammlung dagegen von etwas geringerer Bedeutung gewesen zu sein, denn die Schreiben, die typische Vertreter aristokratischer Kommunikation sind, finden sich innerhalb der Reihenfolge vergleichsweise spät. Diese Darstellung des Avitus legt nahe, dass er als bedeutender katholischer Bischof in Erinnerung bleiben sollte und dass seine Briefe unter anderem aus diesem Grund aufbewahrt wurden. Indem sie das Gedächtnis an einen wichtigen Amtsinhaber bei den Eliten seiner Zeit und der Nachwelt aufrecht erhielten, erfüllten sie eine ähnliche Funktion wie die zahlreichen Heiligenviten. Letztlich fungiert in diesem Kontext auch die Tätigkeit des Sammelns und (mindestens einmaligen) Abschreibens an sich als Einordnung in eine Tradition, schließlich ermöglicht sie es, die Schreiben des Vienners neben anderen und diesen vergleichbar in einem Kodex als Literatur zu präsentieren, worauf zum Beispiel die Beschreibung der Kollektion als „neun Bücher Briefe“ hinweist. Damit zeigt diese Arbeit an einem bisher wenig erforschten epistolaren Corpus exemplarisch die Vielfalt und Variabilität von Verwendungsweisen spätantiker Briefe auf. Anhand der Betrachtung der Adressantendarstellung demonstriert sie, dass die mit einem Schreiben verbundenen Zielsetzungen nicht nur von der Absicht seines Verfassers abhingen, sondern sich mit der Zeit, unter anderem durch die Beteiligung weiterer Personen, ändern konnten. Insbesondere Briefkollektionen waren also keine statischen Gebilde; vielmehr konnten sie im Verlauf der Überlieferung – von ihrer Aufbewahrung in Archiven über die Abschrift in einen Kodex bis hin zu dessen Kopien – noch umgestaltet werden und auf diese Weise im Nachhinein etwa auf die Imagebildung einwirken.
4 Schluss
237
Die Wichtigkeit, bei der Betrachtung von antiken und spätantiken Briefsammlungen zwischen der Ebene des Einzelschreibens und der Stufe der Kollektion zu unterscheiden, wurde so gerade in meiner Untersuchung des avitanischen Corpus offensichtlich, in der nicht nur verschiedene Strategien und Modi der Präsentation des Verfassers auf den verschiedenen Niveaus herausgearbeitet wurden, sondern darüber hinaus auf mögliche Absichten anderer an der Kompilation beteiligter Personen geschlossen wurde. Eine solche Herangehensweise könnte sich auch im Umgang mit den Briefen anderer (spät-)antiker Epistolographen wie etwa Augustin, die unter vergleichbaren Bedingungen überliefert wurden, als fruchtbar erweisen. Hiervon abgesehen macht sie deutlich, dass bei der Erforschung und Verwendung vor allem derjenigen Corpora, die nicht durch den jeweiligen Briefautor selbst ,veröffentlicht‘ wurden, ein allzu unreflektierter Zugang vermieden werden sollte, da gerade an der Zusammenstellung und Überlieferung dieser Schreiben weitere Personen mitwirkten, die das heutige Erscheinungsbild der jeweiligen Sammlungen teils erheblich beeinflussten.
A BRIEFVERZEICHNIS, GEORDNET NACH ADRESSATEN Es folgt eine an Übersicht der überlieferten Schreiben, die nach Adressaten angeordnet ist. Der Titel gibt den in der Grußzeile des jeweiligen Briefs angegebenen Titel wieder; die Orte sind teilweise ergänzt, da sie nicht immer Teil der Adresse sind. Klammern um den Empfängernamen zeigen an, dass dieser nicht genannt, sondern nur erschlossen ist. Die Kategorie „Festbrief“ bezeichnet in der Regel ein kurzes höfliches Billett, das anlässlich eines kirchlichen Festes verschickt wurde, ähnlich wie heute beispielsweise Weihnachtskarten.
Burgundische Bischöfe
P 13
Titel, Ort Bf., Valence
Thema Traum, vergessener Gedenktag
Bf., Valence Bf., Valence Bf., Valence Bf., Valence
Traum, vergessener Gedenktag Antwort auf eine Einladung Festbrief Festbrief
72 87 88
MR Briefpartner 10 Apollinaris an Avitus 11 Apollinaris 24 Apollinaris 58 Apollinaris 67 Apollinaris an Avitus 68 Apollinaris 83 Apollinaris 84 Apollinaris
Bf., Valence Bf., Valence Bf., Valence
Festbrief Siegelring, Töpfer Dank für ein Geschenk
7
4
Victorius
Bf., Grenoble
16
13
Bf., Grenoble
17 18 62 75
14 15 59 71
Victorius an Avitus Victorius Victorius Victorius Victorius
De basilicis haereticorum non recipiendis Inzestfall in Victorius’ Diözese
Bf., Grenoble Bf., Grenoble Bf., Grenoble Bf., Grenoble
Rat im Inzestfall Rat im Inzestfall Festbrief Priesterwahl ohne Zustimmung des Bischofs
66
62
Maximus
Bf., Genf
Festbrief
14 27 61 71
240
A Briefverzeichnis, geordnet nach Adressaten
P 74
MR Briefpartner 70 Maximus
Titel, Ort Bf., Genf
Thema langer Festbrief
60
57
Gemellus
Bf., Vaison
Festbrief
63
60
Claudius
Bf., Besançon
Festbrief
64
61
Gregorius
Bf., Langres
Festbrief
70
66
Constantius
Bf., Gap/ Martigny
„Festbrief“, Kritik an Constantius, der einen Kleriker einem Zivilgericht übergeben will
26 58 28
23 55 25
Stephanus Stephanus (Stephanus)
Bf., Lyon Bf., Lyon Bf., Lyon
Donatist aus Afrika Festbrief Homöerfragen
19 57 59 67 68
16 54 56 63 64
Presbyter „Rhetor“ Bf., Lyon Bf., Lyon Bf., Lyon
Trost, Vorschlag als Bischof Grammatikfragen Festbrief Festbrief Festbrief
69 73
65 69
Viventiolus Viventiolus Viventiolus Viventiolus Viventiolus an Avitus Viventiolus Viventiolus
Bf., Lyon Bf., Lyon
Festbrief Festbrief
89/ 90
85
Quintianus (?)
Bf., Rodez/ Clermont
Einladung zur Synode von Epaon
Bischöfe auf westgotischem Gebiet
P 11 15 43
MR 8 12 39
Briefpartner Caesarius Contumeliosus Eufrasius
Titel, Ort Bf., Arles Bf., Riez Bf., Clermont
Thema Empfehlungsbrief Literatur, Besuch Avitus’ Dichtung
A Briefverzeichnis, geordnet nach Adressaten
241
Kleriker auf ostgotischem Gebiet
P 10 12
MR Briefpartner 7 Eustorgius 9 Maximus
Titel, Ort Bf., Mailand Bf., Pavia
38
34
Elpidius
Diakon
40
36
Petrus
Bf., Ravenna
Thema Freikauf von Gefangenen Empfehlung, Freikauf von Gefangenen Bitte um medizinische Behandlung eines Freundes Bitte um Information zum Akakianischen Schisma
Päpste und Patriarchen
P 8
MR Briefpartner 5 (Symmachus)
Titel, Ort Papst, Rom
20
17
Papst, Rom
29
26
9
6
(Sigismund an Hormisdas) Sigismund an Symmachus –
25
22
–
[41
37
Hormisdas
[42
38
Hormisdas an Avitus
Papst, Rom Patriarch, Konstantinopel Patriarch, Jerusalem Papst, Rom Papst, Rom
Thema Ein König ist katholisch geworden; Bitte um Reliquien Reliquien: Bitte um Empfehlungsbrief an den Patriarchen v. Jerusalem Bitte um weitere Reliquien Freude über Ende des Schismas Dankesbrief für Reliquien Bitte um Information zum Akakianischen Schisma] Erbetene Information zum Akakianischen Schisma]
242
A Briefverzeichnis, geordnet nach Adressaten
Briefe nach Konstantinopel
P 78
MR Briefpartner 74 Sigismund an den Kaiser
93 94
88 89
Sigismund an den Kaiser Sigismund an den Kaiser
46A 43
Sigismund an den Kaiser
47
44
Sigismund an Vitalianus
48
45
Celer(us)
Thema Empfehlung von Sigismunds Botschaftern Panegyrik; Bitte um Titel Sigismund informiert über Gundobads Tod Laurentius’ Sohn, Geisel am Kaiserhof Laurentius’ Sohn, Geisel am Kaiserhof Laurentius’ Sohn, Geisel am Kaiserhof
Adlige im Gebiet des ehemaligen weströmischen Reiches
P 55
MR Briefpartner 52 Ansemundus
Thema Junger Mann, der eine Nonne geschwängert hat
Ansemundus Ansemundus
Titel vir illustris, comes v. Vienne? vir illustris vir illustris
80 81
76 77
53
50
Heraclius
vir illustris
54
51
vir illustris
95 96
90 91
Heraclius an Avitus Heraclius Heraclius an Avitus
Theologische Diskussion zwischen Gundobad und Heraclius Theologische Diskussion zwischen Gundobad und Heraclius Beleidigung Beleidigung
37 50
33 47
Aurelianus Arigius
vir illustris vir illustris
56 82
53 78
Messianus Valerianus
vir illustris vir illustris
vir illustris vir illustris
Festbrief Festbrief
verklausulierter Ratschlag Entschuldigung von einer Kircheneinweihung Freundschaftsbrief Festbrief
A Briefverzeichnis, geordnet nach Adressaten
243
P 83 84 85
MR 79 80 81
Briefpartner Ceretius Helladius Ruclo
Titel vir illustris vir illustris vir illustris
Thema Festbrief Festbrief Festbrief
24
21
Apollinaris
36
32
Apollinaris
vir illustris (westgot.) vir illustris
51
48
Apollinaris
vir illustris
52
49
Apollinaris
vir illustris
Erleichterung über Apollinaris’ unversehrte Heimkehr Avitus’ Augenbeschwerden; Freude über sichere Rückkehr e. Verwandten Apollinaris’ Freispruch von e. Spionagevorwurf; Literatur Apollinaris soll seinen Anklägern vergeben
35
31
Liberius
Präfekt (Gallien)
Freikauf von Gefangenen
39
35
Senarius
vir illustris, comes patrimonii
Bitte um Information zum Akakianischen Schisma
34
30
Faustus, Symmachus
Römische Senatoren
Engagement im Laurentianischen Schisma
P 86
MR Briefpartner 82 Erzdiakon Leonianus an den vir spectabilis Sapaudus
Thema Humorvoller Festbrief
Könige
P
MR Briefpartner
1
92
Gundobad
2
–
Gundobad
3
–
Gundobad
Herkunft; Konfession Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch
Thema Contra Arrianos Contra Eutychianam Haeresim I Contra Eutychianam Haeresim II
244
A Briefverzeichnis, geordnet nach Adressaten
P
MR Briefpartner
4
1
Gundobad
5
2
Gundobad
6
3
21
18
22
19
Gundobad (vermutlich) Gundobad an Avitus Gundobad
30
27
Gundobad
44
40
Gundobad
23
20
Sigismund
31
28
Sigismund
32
29
Sigismund
45
41
Sigismund
49
46
Sigismund
76
72
Sigismund
77
73
Sigismund
79
75
Sigismund
91
86
Sigismund
92
87
Sigismund
46
42
Chlodwig
Herkunft; Konfession Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch
Thema
Burgunder; kath. Burgunder; kath. Burgunder; kath. Burgunder; kath. Burgunder; kath. Burgunder; kath. Burgunder; kath. Burgunder; kath. Burgunder; kath. Burgunder; kath.
Theologische Diskussion mit Gundobad Bonosianer
Franke; kath.
Chlodwigs Taufe
De subitanea paenitentia Trostbrief Diskussion einer Bibelstelle Frage zu einer Bibelstelle Antwort auf die Frage zu einer Bibelstelle Theologischer Traktat Sklave; Vorwürfe gegen Avitus
Freundschaftsbrief Entschuldigung; Sigismund zieht in den Krieg Brief nach Konstantinopel Festbrief Festbrief Festbrief Brief an Sigismund, der im Krieg ist Brief an Sigismund, der im Krieg ist
B VERZEICHNIS DER BRIEFREIHENFOLGE IN DEN MANUSKRIPTEN Im Anschluss findet sich ein Überblick über die Reihenfolge der Briefe in den Handschriften, dessen Grundlage die Tabelle in S HANZER und W OOD (2002), 31–35, ist. Die erste Zahl des Eintrags gibt die Nummer des jeweiligen Schreibens in P EIPERs Ausgabe an, die zweite Zahl diejenige der Edition von M ALASPINA und R EYDEL LET . An den Stellen, wo P EIPER aufgrund einer Nennung verschiedener Rezipienten einer Botschaft den Ausfall einer Nachricht annimmt und daher zwei Nummern vergibt, führe ich in Anlehnung an die Vorgehensweise von M ALASPINA und R EYDELLET lediglich eine der beiden Zahlen an (diejenige, unter der der jeweilige Brieftext zu finden ist). in S
in L
Briefpartner
90/85 1/92
s.u. Gundobad
2/–
Gundobad
3/–
Gundobad
4/1
4/1
Gundobad
5/2
5/2
Gundobad
–
6/3
7/4
34/30 7/4
Gundobad (vermutlich) s.u. Victorius
–
–
9/6
9/6
8/5: (Symmachus) –
Titel / Herkunft; Ort / Konfession s.u. Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch Burgunder; homöisch s.u. Bf., Grenoble Papst, Rom Patriarch, Konstantinopel
Thema
s.u. Contra Arrianos Contra Eutychianam Haeresim I Contra Eutychianam Haeresim II De subitanea paenitentia Trostbrief Diskussion einer Bibelstelle s.u. De basilicis haereticorum non recipiendis Ein König ist katholisch geworden; Bitte um Reliquien Freude über Ende des Schismas
246
B Verzeichnis der Briefreihenfolge in den Manuskripten
in S
in L
Briefpartner
Titel / Herkunft; Ort / Konfession Bf., Mailand Bf., Arles Bf., Pavia
10/7 11/8 12/9
10/7 11/8 12/9
Eustorgius Caesarius Maximus
13/10
13/10
Bf., Valence
14/11
14/11
Apollinaris an Avitus Apollinaris
15/12 16/13
15/12 16/13
Bf., Riez Bf., Grenoble
17/14 18/15 19/16
17/14 18/15 19/16
Contumeliosus Victorius an Avitus Victorius Victorius Viventiolus
20/17
–
Papst, Rom
21/18
21/18
22/19
–
(Sigismund an Hormisdas) Gundobad an Avitus Gundobad
23/20
23/20
Sigismund
24/21
24/21
Apollinaris
25/22
25/22
–
26/23 27/24 28/25 29/26
26/23 27/24 28/25 29/26
30/27
30/27
Stephanus Apollinaris (Stephanus) Sigismund an Symmachus Gundobad
Bf., Valence
Bf., Grenoble Bf., Grenoble Presbyter
Burgunder; Homöer Burgunder; homöisch Burgunder; kath. vir illustris (westgot.) Patriarch, Jerusalem Bf., Lyon Bf., Valence Bf., Lyon Papst, Rom Burgunder: homöisch
Thema
Freikauf von Gefangenen Empfehlungsbrief Empfehlung, Freikauf von Gefangenen Traum, vergessener Gedenktag Traum, vergessener Gedenktag Literatur, Besuch Inzestfall in Victorius’ Diözese Rat im Inzestfall Rat im Inzestfall Trost, Vorschlag als Bischof Reliquien: Bitte um Empfehlungsbrief an den Patriarchen v. Jerusalem Frage zu einer Bibelstelle Antwort auf die Frage zu einer Bibelstelle Theologische Diskussion mit Gundobad Erleichterung über Apollinaris’ unversehrte Heimkehr Dankesbrief für Reliquien Donatist aus Afrika Antwort auf eine Einladung Homöerfragen Bitte um weitere Reliquien Theologischer Traktat
B Verzeichnis der Briefreihenfolge in den Manuskripten
in S
in L
Briefpartner
31/28
31/28
Sigismund
32/29
32/29
Sigismund
35/31
35/31
Faustus, Symmachus Liberius
36/32
36/32
Apollinaris
37/33 38/34
37/33 38/34
Aurelianus Elpidius
39/35
39/35
Senarius
40/36
40/36
Petrus
43/39 44/40
43/39 44/40
Eufrasius Gundobad
45/41
45/41
Sigismund
46/42 46A/ 43 47/44
46/42 46A/ 43 47/44
48/45
48/45
Chlodwig Sigismund an den Kaiser Sigismund an Vitalianus Celer(us)
49/46
49/46
Sigismund
–
50/47
Arigius
34/30
Titel / Herkunft; Ort / Konfession Burgunder; kath. Burgunder; kath. Römische Senatoren Präfekt (Gallien) vir illustris (westgot.) vir illustris Diakon (ostgot.) vir illustris, comes patrimonii Bf., Ravenna Bf., Clermont Burgunder; homöisch Burgunder; kath. Franke; kath. Konstantinopel Senator, Konstantinopel Senator, Konstantinopel Burgunder; kath. vir illustris
247
Thema
Bonosianer Freundschaftsbrief Engagement im Laurentianischen Schisma Freikauf von Gefangenen Avitus’ Augenbeschwerden; Freude über sichere Rückkehr e. Verwandten verklausulierter Ratschlag Bitte um medizinische Behandlung eines Freundes Bitte um Information zum Akakianischen Schisma Bitte um Information zum Akakianischen Schisma Avitus’ Dichtung Sklave; Vorwürfe gegen Avitus Entschuldigung; Sigismund zieht in den Krieg Chlodwigs Taufe Laurentius’ Sohn, Geisel am Kaiserhof Laurentius’ Sohn, Geisel am Kaiserhof Laurentius’ Sohn, Geisel am Kaiserhof Brief nach Konstantinopel Entschuldigung von einer Kircheneinweihung
248
B Verzeichnis der Briefreihenfolge in den Manuskripten
in S
in L
Briefpartner
51/48
51/48
Apollinaris
52/49
52/49
Apollinaris
53/50
53/50
Heraclius
54/51
54/51
Heraclius an Avitus
vir illustris
55/52
55/52
Ansemundus
56/53
57/54 – 59/56 60/57 61/58 62/59 63/60
56/53 75/71 76/72 57/54 58/55 59/56 60/57 61/58 62/59 63/60
Messianus s.u. s.u. Viventiolus Stephanus Viventiolus Gemellus Apollinaris Victorius Claudius
– 66/62 67/63 68/64
64/61 66/62 67/63 68/64
69/65 70/66
69/65 70/66
Gregorius Maximus Viventiolus Viventiolus an Avitus Viventiolus Constantius
vir illustris, comes v. Vienne? vir illustris s.u. s.u. „Rhetor“ Bf., Lyon Bf., Lyon Bf., Vaison Bf., Valence Bf., Grenoble Bf., Besançon Bf., Langres Bf., Genf Bf., Lyon Bf., Lyon
71/67
71/67
72/68
72/68
Apollinaris an Avitus Apollinaris
Titel / Herkunft; Ort / Konfession vir illustris (westgot.) vir illustris (westgot.) vir illustris
Thema
Apollinaris’ Freispruch von einem Spionagevorwurf; Literatur Apollinaris soll seinen Anklägern vergeben Theologische Diskussion zwischen Gundobad und Heraclius Theologische Diskussion zwischen Gundobad und Heraclius Junger Mann, der eine Nonne geschwängert hat Freundschaftsbrief s.u. s.u. Grammatikfragen Festbrief Festbrief Festbrief Festbrief Festbrief Festbrief Festbrief Festbrief Festbrief Festbrief
Bf., Lyon Bf., Gap/ Martigny Bf., Valence
Festbrief „Festbrief“
Bf., Valence
Festbrief
Festbrief
B Verzeichnis der Briefreihenfolge in den Manuskripten
in S
in L
Briefpartner
73/69 74/70 75/71
73/69 74/70
Viventiolus Maximus Victorius
76/72
Sigismund
77/73
77/73
Sigismund
78/74
78/74
79/75
88/84 91/86 79/75
Sigismund an den Kaiser s.u. s.u. Sigismund
80/76
80/76
Ansemundus
81/77
81/77
Ansemundus
82/78 83/79 84/80 85/81 86/82
82/78 83/79 84/80 85/81 86/82
87/83 88/84 90/85
87/83
Valerianus Ceretius Helladius Ruclo Leonianus an Sapaudus Apollinaris Apollinaris Quintianus (?) Sigismund
91/86 92/87
92/87
Sigismund
93/88
93/88
Sigismund an den Kaiser
Titel / Herkunft; Ort / Konfession Bf., Lyon Bf., Genf Bf., Grenoble Burgunder; kath. Burgunder; kath. Konstantinopel s.u. s.u. Burgunder; kath. vir illustris, comes v. Vienne? vir illustris, comes v. Vienne? vir illustris vir illustris vir illustris vir illustris Erzdiakon; vir spectabilis Bf., Valence Bf., Valence Bf., Rodez/ Clermont Burgunder; kath. Burgunder; kath. Konstantinopel
249
Thema
Festbrief langer Festbrief Priesterwahl ohne Zustimmung des Bischofs Festbrief Festbrief Empfehlung von Sigismunds Botschaftern s.u. s.u. Festbrief Festbrief
Festbrief
Festbrief Festbrief Festbrief Festbrief Humorvoller Festbrief Siegelring, Töpfer Dank für ein Geschenk Einladung zur Synode von Epaon Brief an Sigismund, der im Krieg ist Brief an Sigismund, der im Krieg ist Panegyrik; Bitte um Titel
250
B Verzeichnis der Briefreihenfolge in den Manuskripten
in S
in L
Briefpartner
94/89
–
95/90 96/91
95/90 96/91
Sigismund an den Kaiser Heraclius Heraclius an Avitus s.o. s.o. s.o. Hormisdas
1/92 2/– 3/– [41/37 – [42/38 –
Hormisdas an Avitus
Titel / Herkunft; Ort / Konfession Konstantinopel vir illustris vir illustris
Thema
s.o. s.o. s.o. Papst, Rom
s.o. s.o. s.o. Bitte um Information zum Akakianischen Schisma] Erbetene Information zum Akakianischen Schisma]
Papst, Rom
Sigismund informiert über Gundobads Tod Beleidigung Beleidigung
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ORTS- UND PERSONENREGISTER Das Orts- und Personenregister umfasst alle Orte und Personen, die besprochen werden. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich diejenigen Adressaten der Avitusbriefe und ihre Bischofssitze, die sich unmittelbar aus dem Inhaltsverzeichnis und den Briefverzeichnissen im Anhang erschließen lassen. Ebensowenig wird Avitus selber als eigener Eintrag angeführt. Ado (v. Vienne) 231 Aeonius (v. Arles) 67 Aetius 40 f. Agobard (v. Lyon) 189 Akoimeten 49 Alarich II. 42 f., 46, 143, 147 Alemannen 41–43 Alexandria 110 Amalaberga 42 Amalafrida 42 Amandus 199 Ambrosius (v. Mailand) 37, 55, 61 f., 65, 89, 117, 157, 159, 176, 184, 186, 192 f., 197, 210, 217, 219 f., 229 f. Anastasios (Kaiser) 44, 46, 159, 164 f., 204 Anastasius (Papst) 67 Ansemundus 207 Anthemius 45 Antiochia 110 Apollinaris (Sohn d. Sidonius A.) 34, 208, 216, 220 f., 223 Apollinaris (v. Valence) 34, 125, 196, 218, 221, 225, 232 Arcadius 142, 155 Areagni siehe Ostrogotho Arigius (Aredius) 43, 206 f. Arles 66–68, 77, 87, 98, 104 f., 112 f., 200, 231 Aspidia 34, 89 Audentia 34 Audofleda 42 Augusteische Dichter 28 f., 152, 154 Augustinus (v. Hippo) 31, 37, 53, 65, 68, 94, 139, 149, 152, 157, 159, 176, 184, 186, 192, 218, 229 f., 235, 237 Aunemundus 128 Aurelianus 207, 222
Ausonius 31, 53, 55 Avignon 43 Basilius (v. Caesarea) 87, 192 Bonosianer 211, 221 byzantinisch, Byzantiner siehe Konstantinopel, Kaiser Caesarius (v. Arles) 68, 107, 125 f., 216 Caretena 47, 210 Cassiodor 163, 192, 223 Celer 204 Ceretius 102, 206 Chalcedon, Konzil v. 107, 114, 159, 166, 169 Chilperich 41, 46 Chlodomer 44, 50 Chlodwig 42–44, 202, 207, 214, 222 Taufe 188, 214, 216 Chrotechilde 42, 207 Cicero 28, 31, 52, 87, 133, 136 Claudianus Mamertus 68, 184 Clermont 143, 147 Constantin III. 39 Constantius (v. Gap / Martigny) 224 Contumeliosus (v. Riez) 197, 209 Cyprian (v. Karthago) 64 f., 136 Damasus 76 Dardanien 107, 119, 121 Desiderius (v. Cahors) 57 Dijon 43 Ecdicius 34 Elpidius 102 f. Elvira, Synode v. 76 Ennodius (v. Pavia) 24, 77, 100, 105, 108 f., 143, 193
284
Orts- und Personenregister
Epaon, Synode v. 35, 49, 66, 68, 85, 194 f., 215, 225 f. Eparchius Avitus 34, 142 Ephesos, Konzil v. 114, 159 f., 169 Epiphanius (v. Pavia) 42 Eucherius (v. Lyon) 59, 189 Eufrasius (v. Clermont) 151, 154, 209 Eurich 34, 46 Eustorgius (v. Mailand) 201 Eutyches 108, 114, 145, 159–162, 166–169, 176, 181 Faustus (röm. Senator) 209, 221 Faustus (v. Riez) 68, 192 Florus (v. Lyon) 231 Franken 41–43, 50, 67, 98, 206 f. Fronto 31 Fuscina 34, 89 Gelasius 117, 119, 160, 169 Genf 40, 43, 45, 48, 67, 110, 113, 194, 196, 210 Glycerius 45 Godegisel 35, 41, 43, 46, 210 Godomar 44, 46, 50 Gratian 210 Gregor (v. Nyssa) 87, 192 Gregor (v. Tours) 230 Grenoble 67, 110, 113, 189, 194 Gundiok 41, 45, 47 Gundobad 35 f., 39, 41–44, 205–207, 212, 216, 218 f., 221 f. Helladius 206 Heraclius 103, 118, 157, 206–208, 222 f., 226 Herminafrid 42 Hesychius 34 f. Hieronymus 31, 55, 65, 230, 235 Hilarius (v. Arles) 67 Hormisdas 126 Hunnen 41 Hymnemodus 48 Illyrien 107, 119 Isicius siehe Hesychius
Konstantinopel 44, 49, 104 f., 107 f., 110 f., 115 f., 120, 160, 164, 167, 172, 180–182, 205, 211 f., 216, 222 Kaiser 163–166, 181, 205, 222, 226 Patriarch v. 38, 146 Laurentius 202, 204 f. Leo (Kaiser) 45 Leo (Papst) 67 Leonianus 210, 225 Leontius (v. Arles) 67 Libanios 225 Liberius 209, 221 Lyon 45, 188 f., 210, 212, 215, 221 Synode v. 49 Lérins 48, 98 Mailand 189 Mamertus (v. Vienne) 35, 68 Martin (v. Tours) 59 Maximian (v. Trier) 99–102, 125 Maximus (v. Genf) 196, 212 Maximus (v. Pavia) 103 Messianus 207 Nestorius 108, 114, 159 f., 169, 181 Nicetas (v. Vienne) 67 Nicetius (v. Trier) 232 Nicopolis 121 Nizäa, Konzil v. 66 Odoaker 42 Olybrius 45 Ostgoten 42–44, 50, 67 Ostrogotho 42, 48 Papianilla 142 Patroclus (v. Arles) 67 Paulinus (v. Nola) 20, 31, 55, 62, 65, 151, 189 f., 192, 199, 229 Petros Mongos 110 Petrus (v. Ravenna) 123 Placidina 142 Plinius d. J. 28, 31, 55, 91, 229 f. Prudenz 89, 152 Quintianus (v. Clermont) 143, 199
Jerusalem, Patriarch v. 38, 103, 202 Johannes Chrysostomus 193, 218 Johannes Talaia 110 Jovinus 39 Julius Nepos 45 Justin 46, 105 Justinian 46
Ravenna 68, 201 Ravennius (v. Arles) 67 Rikimer 41, 45, 47 Rom 38, 67, 104 f., 107, 111, 119–121, 138 f., 143, 160, 168, 205 Ruclo 206
Orts- und Personenregister
Ruricius (v. Limoges) 82, 97, 101, 103, 125, 143, 153, 190, 192, 218, 230 Saint-Maurice d’Agaune 35, 48, 50 Sallust 52, 136 Sanctus (v. Tarantaise) 194 Sapaudia 39 f. Sapaudus 210 Senarius 123, 209 Serdica, Synode v. 59 Severianus 117 Sidonius Apollinaris 34, 55 f., 59, 142, 148 f., 152 f., 155 f., 190, 193, 207, 209 f., 217 f., 220, 229 f., 235 Sigerich 44, 48, 50 Sigismund 35, 39, 42–44, 86, 157, 196, 202– 206, 210, 216, 220–226 Skythien 107 Stephanus (burgund. Adliger) 49, 85 f. Stephanus (v. Lyon) 198, 215 Sulpicius Severus 28 Symmachus (Epistolograph) 20, 53–55, 97, 230 Symmachus (Papst) 48, 67 f., 98, 104, 107 Symmachus (röm. Senator) 209, 221
Theodelinde 210 Theoderich 42–44, 50, 68, 205 Theodoret (v. Kyrrhos) 220, 224 f. Theodosius I. 176 Theopompus 117 Thiudigotho 42 Thrakien 119 f. Thrasamund 42 Toulouse 43, 147 Trier 66 Turin, Synode v. 66 Valence 67, 110, 113, 194 Valerianus 206 Vergil 37, 52, 54, 136, 198 f. Victorius (v. Grenoble) 125, 138, 195, 218 f., 223 Vienne 43, 66–68, 104 f., 112 f., 128, 189, 191, 194, 200, 231 Vincomalus 82–85, 138 Vitalianus 204 Viventiolus (v. Lyon) 35, 198, 215, 224 Vouillé 43, 143 Westgoten 41–43, 46, 67, 98, 142 f.
Tarantaise 67, 110, 113, 194 Terenz 52, 136 Tertullian 162
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Zenon 107 Zosimus 67
STELLENREGISTER Im Stellenregister finden sich alle im Text erwähnten Zitate antiker und spätantiker Autoren, ausgenommen diejenigen Briefe des Avitus, die sich direkt über das Inhaltsverzeichnis sowie das Briefverzeichnis im Anhang erschließen lassen. Ado v. Vienne Martyrologium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Arnobius confl. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160, 169, 171
Akten d. Konzils v. Nicäa can. 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
Artemidor Oneirokritika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
Akten d. Synode v. Epaon can. 30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 can. 33 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36, 76 Akten d. Synode v. Lyon can. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Augustinus epist. 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 40 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 retract. 2, 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23, 159
Akten d. Synode v. Orleans can. 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Ausonius eph. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
Altes Testament Dtn 22, 22(ff) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Dtn 25, 5. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .76 Ez 33 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Gen 2, 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Gen 24, 2f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Jer 6, 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Jer 23, 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Jes 7, 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Lev 20, 10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 Ps 83, 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Ri 10, 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Tob 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
Avitus carm. 1–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 carm. 1–5, Prologus . . . . . . . . . . . . . . 37, 86 carm. 6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 carm. 6, 650–657 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 c. Arr. 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 c. Arr. 30 = ep. 92MR . 130, 219, 222, 226 ep. 2P 15, 12–14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 ep. 3P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 29, 15–22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 ep. 5P = ep. 2MR 33, 7f bzw. §8 . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 ep. 6P = ep. 3MR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 ep. 7P = ep. 4MR . . 35, 69, 76, 119, 219 f. 36, 1–17 bzw. §§5–8 . . . . . . . . . . . 198 36, 26 bzw. §9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 ep. 8P = ep. 5MR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 ep. 9P = ep. 6MR . . . . . . . . . . 111, 204, 220 43, 10f bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . . . 146 43, 8–13 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . . 205 ep. 10P = ep. 7MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
Ambrosius v. Mailand epist. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 54 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 74 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
288
Stellenregister
ep. 12P = ep. 9MR . . . . . 99, 103, 209, 220 45, 28 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 15P = ep. 12MR . . . . . . . . . 38, 197, 220 ep. 19P = ep. 16MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 ep. 20P = ep. 17MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 53, 26 bzw. §3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 22P = ep. 19MR . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 ep. 23P = ep. 20MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 55, 17–19 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . 198 ep. 24P = ep. 21MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 ep. 26P = ep. 23MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 57, 11 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 ep. 27P = ep. 24MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 ep. 28P = ep. 25MR 59, 1–3 bzw. §6 . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 29P = ep. 26MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 59, 14 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 ep. 30P = ep. 27MR . . . . . . . . . . . . . . . 221 f. 60, 2 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 60, 8 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 31P = ep. 28MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 ep. 32P = ep. 29MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 62, 26 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 ep. 34P = ep. 30MR . . . . . . 104, 219, 221 f. 65, 5f bzw. §9 . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 65, 9–11 bzw. §9 . . . . . . . . . . . . . . . 107 ep. 35P = ep. 31MR 65, 20 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 ep. 38P = ep. 34MR . . . . . . . . . . . 99, 102 f. 67, 15 bzw. §3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 67, 16 bzw. §3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 39P = ep. 35MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 68, 3 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 40P = ep. 36MR . . . . . . . . . . . . 108, 123 68, 29 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 ep. 41P = ep. 37MR 69, 21f bzw. §4 . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 ep. 43P = ep. 39MR . . . . 38, 151, 154, 209 ep. 44P = ep. 40MR . . . . . . . . . . . . 130, 142 73, 31f bzw. §4 . . . . . . . . . . . . . . . . 138 ep. 46AP = ep. 43MR 76, 22–27 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . 204 ep. 47P = ep. 44MR 76, 29f bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . 204 ep. 49P = ep. 46MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 ep. 50P = ep. 47MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 ep. 51P = ep. 48MR . . . . 38, 139, 170, 200 80, 8 = §6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 80, 13f = §7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 80, 21 = §10 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 ep. 52P = ep. 49MR 81, 8 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
ep. 55P = ep. 52MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 ep. 56P = ep. 53MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 ep. 57P = ep. 54MR . . . . 37, 100, 133, 224 85, 19 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 ep. 64P = ep. 61MR 88, 17 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . 106, 144 ep. 70P = ep. 66MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 89, 21 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 ep. 77P = ep. 73MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 ep. 78P = ep. 74MR . . . . . . . . . . . . . . . 225 f. 93, 5 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 79P = ep. 75MR . . . . . . . . . . . . . . . 224 f. ep. 83P = ep. 79MR 94, 23 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 ep. 86P = ep. 82MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 ep. 87P = ep. 83MR . . . . . . . . . . . 86 f., 225 ep. 88P = ep. 84MR . . . . . . . . . . . . . . . 225 f. 97, 18–20 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . 226 97, 27f bzw. §4 . . . . . . . . . . . . . . . . 226 ep. 89/90P = ep. 85MR . . . . . . 219 f., 225 f. ep. 90P = ep. 85MR 98, 27 bzw. §8 . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 91P = ep. 86MR . . . . . . . . . . . . . . . 225 f. ep. 92P = ep. 87MR 99, 24 bzw. §2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 ep. 93P = ep. 88MR 100, 6–8 bzw. §3 . . . . . . . . . . . . . . . 165 ep. 94P = ep. 89MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 101, 7 bzw. §1 . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 ep. 95P = ep. 90MR . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 epp. 2fP . . . . . . . . . . . . . . 219, 222, 226, 228 epp. 4–6P = epp. 1–3MR . . . . . . . . . . 218 f. epp. 11fP = epp. 8fMR . . . . . . . . . . . . . . 220 epp. 13fP = epp. 10fMR . . . . . . . . 218, 220 epp. 16–18P = epp. 13–15MR . . . 218, 220 epp. 20–32P = epp. 17–29MR . . . . . . . 221 epp. 20P, 25P, 29P = ep. 17MR, 22MR, 26MR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 epp. 21fP = epp. 18fMR . . . . . . . . . . . . . 221 epp. 26P, 28P = epp. 23MR, 25MR . . . 221 epp. 34fP = epp. 30fMR . . . . . . . . . . . . . 221 epp. 35–37P = epp. 31–33MR . . . . . . . 221 epp. 38–40P = epp. 34–36MR . . . . . . . 222 epp. 39fP = epp. 35fMR . . . . . . . . . . . . . 222 epp. 41fP = epp. 37fMR . . . . 222, 226, 231 epp. 43–46P = epp. 39–42MR . . . . . . . 222 epp. 46AP–49P = epp. 43–46MR . . . . . 222 epp. 51fP = epp. 48fMR . . . . . . . . . . . . . 223 epp. 53fP = epp. 50fMR . . . . . . . 157, 222 f. epp. 58–74P = epp. 55–70MR . . . . . . . 224 epp. 67–69P = epp. 63–65MR . . . . . . . 224 epp. 75fP = epp. 71fMR . . . . . . . . . . . . . 223
Stellenregister
epp. 76fP = epp. 72fMR . . . . . . . . . . . . . 224 epp. 76–79P = epp. 72–75MR . . . . . . . 224 epp. 80–85P = epp. 76–81MR . . . . . . . 225 epp. 91–94P = epp. 86–89MR . . . . . . . 226 epp. 93fP = epp. 88fMR . . . . . . . . . . . . . 165 epp. 95fP = epp. 90fMR . . . . . . . . 118, 226 homm. XVII, XX, XXI . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Boethius c. Eut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160, 169 Cassiodor Var. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Catull 1, 1f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 68, 138. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .131 Cicero ad Q. fr. 3, 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Att. 5, 5, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 fam. 2, 4, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22, 150 6, 5, 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 7, 2, 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 7, 10, 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .150 12, 30, 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 15, 16, 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 Verr. 2, 1, 55 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Claudianus Mamertus anim. 1, 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Collectio Avellana 136 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Cornelius Nepos Att. 16, 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Demetrios Eloc. 223 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 224 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 225–235. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 227 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21, 31 228 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
289 229 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 234 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Ennodius v. Pavia (ed. Vogel) 80 (vita Epiph.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 165 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 173. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35, 230 388 (Epithalamium) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 55–60 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Epistulae Arelatenses 28f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Epistulae Austrasicae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 Epitaph des Avitus 21f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 Florus v. Lyon Coll. ex dictis XII patrum . . . . . . . . . . . . 36 Fronto 124, 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Gregor v. Tours Franc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 2, 22 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2, 31 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 2, 32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43, 213 2, 33 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2, 34 . . . . . . . . . . . . . 47, 213, 228, 230 glor. mart. 24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Iul. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 Hieronymus epist. 21 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Hormisdas v. Rom epist. 9, ed. Thiel . . . . . . . . . . . . . . . 105, 169 epist. 21, ed. Thiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 Innozenz v. Rom epist. 2, 1, 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Iulius Victor rhet. (Appendix) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Lex Burgundionum tit. 36 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
290
Stellenregister
Marius v. Avenches chron. a. 500 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Neues Testament Apg 7, 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Apg 9, 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 f. Eph 4, 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 Eph 4, 30 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Gal 3, 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Gal 4, 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 f. Hebr 11, 8–17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 Joh 1, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Joh 1, 14 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Joh 3, 13 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Joh 8, 56 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Joh 8, 58 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176, 180 Joh 8, 59 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 Joh 10, 1f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1 Kor 3, 17 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1 Kor 5, 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 1 Kor 6, 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1 Kor 9, 20f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1 Kor 15, 47 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173, 175 2 Kor 4, 16 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2 Kor 6, 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2 Kor 11, 2f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Lk 1, 35 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 Lk 16, 31 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 f. Mk 10, 8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Mt 3, 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Mt 5, 32 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Mt 11, 29 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 Mt 19, 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Mt 23, 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 Mt 25, 20f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Mt 25, 31–34. 41 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Mt 26, 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1 Petr 5, 8f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Röm 7, 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1 Tim 2, 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Paulinus v. Nola epist. 2, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 11, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 Petron 89, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Plinius d. J. epist. 1, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 5, 6, 44f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 7, 27 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89, 94 Ps-Demetrios Typoi Epistolikoi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Ps.-Libanios Epistolimaioi Charakteres . . . . . . . . . . . . 22 Ruricius v. Limoges epist. 1, 18 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2, 6, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Sallust Iug. 85, 10. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .136 Seneca clem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 epist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Servius Aen. 6, 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Sidonius Apollinaris epist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1, 1, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144, 154 1, 1, 1f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1, 11, 2. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145 4, 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 7, 9, 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 8, 10, 1. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .163 9, 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
Nizäno-Konstantinopolitanum . . . . . . . . . . . . 168 Statius silv.
Ovid Met.
1, 2, 267 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 7, 20 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 7, 210 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 13, 730. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .170
Sulpicius Severus epist. 3, 1f. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
Stellenregister
Symmachus v. Rom epist. 12, 8, ed. Thiel . . . . . . . . . . . . . . . . 170 Valerius Flaccus 7, 504–506.545.547f . . . . . . . . . . . . . . . 136 Vergil Aen. 2, 560 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3, 420 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
291
Vigilius v. Thapsus C. Eutych. . . . . . . . . . . . . . . . . 160, 169, 171 1, 15 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Vita Apollinaris 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 Vita Aviti 1, 177, 7f.13f.15f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1, 177, 13f . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 1, 177, 15–178, 7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 6, 181, 9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
Günther Pfund
Von Picus bis Licinius Historischer Kommentar zu den Chronica urbis Romae im Chronographen von 354 roma aeterna – band 11 2021. 410 Seiten mit 3 Tabellen 978-3-515-12875-9 gebunden 978-3-515-12879-7 e-book
Die Chronica urbis Romae erzählen von den mythischen Ursprüngen Roms, nennen zahlreiche Heroen der römischen Republik und berichten über Details aus der Regierungszeit von 58 Kaisern. Der ca. 334 n. Chr. verfasste Text beginnt mit Picus, Saturni filius, und endet mit Kaiser Licinius, den Constantin 325 n. Chr. ermorden ließ. Überliefert sind die Chronica urbis Romae als Teil eines spätantiken Sammelwerks, das unter dem Namen Chronograph von 354 bekannt ist. Beide Begriffe wurden von Theodor Mommsen geprägt. Günther Pfund prüft in seinem historischen Kommentar eingehend, inwieweit die Chronica urbis Romae zuverlässig sind. Besonders ausführlich behandelt er deren Angaben zu den Regierungszeiten, den Geldspenden (congiaria), den Baumaßnahmen und zum
Tod der Kaiser. Dabei schließt Pfund Lücken in der Analyse von Einzelaspekten, die R.W. Burgess 2014 publiziert hat, und ergänzt dessen Resultate. Abschließend bietet der Kommentar Reflexionen zur Verfasserintention und zur Gattungsgeschichte sowie Vergleiche mit historischen Breviarien. der autor Günther Pfund unterrichtete bis 2012 als Gymnasiallehrer in den Fächern Geschichte, Politik, Ethik und Deutsch. Nach seiner Pensionierung schrieb er seine Dissertation an der Universität Stuttgart. aus dem inhalt Vorwort | Text und Übersetzung | Kommentar | Verzeichnisse | Register
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Die Briefsammlung des Avitus von Vienne entstand im 5./6. Jahrhundert n. Chr. Sie enthält knapp 100 Schreiben aus der Korrespondenz des Bischofs mit bedeutenden Zeitgenossen. Diese behandeln (kirchen-)politische Angelegenheiten ebenso wie Alltägliches oder literarische Fragen, dienten Briefe doch nicht nur zum Nachrichtenaustausch, sondern überdies zur Kontaktpflege, zur Gemeinschaftsstiftung und zur Selbstdarstellung. Insbesondere die letzten beiden Funktionen bedingten auch ihre Zusammenstellung zu Sammlungen. Hier knüpft Johanna Schenk an, indem sie die Inszenierung des Avitus in seinen Briefen analysiert und in diesem Zusammenhang erstmals zwischen der Ebene des Einzelbriefs und der Ebene der Sammlung unterscheidet. Dabei fragt sie einerseits nach den Porträts des Avitus, die er unterschiedlichen Adressaten gegenüber entwarf. Andererseits untersucht sie das Bild, das die Sammlung als Ganzes von ihm zeichnet und das durch spätere Eingriffe Dritter weiter variiert wurde. So bietet Schenk einen exemplarischen Einblick in die vielfältigen Verwendungsweisen spätantiker Epistolographie von der unmittelbaren Zeit ihrer Entstehung bis zu ihrer Tradierung in Sammlungen.
ISBN978-3-515-12872-8
9 783515 128728
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